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German Pages 1004 Year 1888
Das
Strafgesetzbuch für
das Deutsche Reich nebst dem Einführungs-Gesetze vom 31. Mai 1870 und dem Einführungs-Gesetze für Elsaß-Lothringen vom 30. August 1871, erläutert durch
Dr. Friedrich Oppenhoff, Ober-Staatsanwalt beim Königl. Preuß. Ober-Tribunal in Berlin.
Elfte verbesserte und bereicherte Ausgabe, herausgegeben von
Theodor Oppenhosf, Landgerichts-Präsidenten zu Aachen.
Berlin, Druck und Verlag von Georg Reimer.
1888.
Vorrede zur fünfte« Ausgabe. Es war dem Verfasser nicht vergönnt, das Erscheinen dieser Aus gabe zu erleben. Nur wenige Tage vor seinem am 14. Dezember v. I. erfolgten Hinscheiden wandte er sich an mich, seinen Bruder, mit der Bitte, die von ihm bereits begonnene Bearbeitung derselben fortzusetzen und zu vollenden. Indem ich mich der Erfüllung dieser Bitte, unter Benutzung des von ihm gesammelten reichhaltigen Materials bereit willigst unterzog, war mein Streben stets dahin gerichtet, das Werk ganz in dem Geiste zu fördern, welcher dasselbe von seinem ersten Er scheinen an beseelte. Wenn die gegenwärtige Ausgabe gleichwohl verhältnismäßig rahlreiche Abweichungen und Zusätze aufweist, so ist dies in Erster Linie den mannigfachen, tiefeingreifenden Aenderungen beizumessen, welche der Text des erläuterten Gesetzbuchs durch die Novelle vom 26. Februar d. I. erfahren hat. Außerdem fällt in die seit dem Beginne des Drucks der vierten Ausgabe verflossene Zeit der Erlaß des R.-Preß-Gesetzes, des R.-Militär-Gesetzes, des Personenstands- und Eheschließungs-Gesetzes, der Preußischen Vormundschafts-Ordnung und mehrerer anderer wich tiger Gesetze, deren Vorschriften wegen ihrer engen Beziehungen zu gewiffen Materien des Strafgesetzbuchs in den Kreis der Erörterung ge zogen werden mußten und in fetter früheren Ausgabe theils nur gegen das Ende, theils gar nicht mehr Berücksichtigung finden konnten. Auf der anderen Seite war, wie bisher, die Doktrin und die Rechtsprechung gewiffenhaft zu benutzen, insbesondere die namhafte Bereicherung, welche der Strafrechtsliteratur in den letzten beiden Jahren durch das Lehr buch von H. Meyer und eine Reihe sonstiger verdienstvoller Schriften zu Theil geworden ist, auf geeignete Weise zu verwerthen. Aachen, den 1. Oktober 1876.
M Hppenhoff.
IV
Vorrede.
Vorrede zur «e««te« Ausgabe. Nahezu zwei Jahre find seit dem Erscheinen der achten Ausgabe verflossen. Aus diesem Zeitraume lassen fich auf dem durch das Straf gesetzbuch beherrschten Gebiete gesetzgeberische Erscheinungen von Erheb lichkeit nicht verzeichnen. Dagegen lieferte neben der Doktrin, welche fortgefahren hat, fich dem Deutschen Strafrechte mit besonderer Vorliebe zu widmen, die jüngste Rechtsprechung des Reichsgerichts, ebenso wie die frühere, höchst wichtigen, an neuen GefichtSpunkten überaus reichen Stoff zur sorgfältigsten Berücksichtigung. Um gleichwohl der gegenwärtigen Ausgabe keinen zu großen Um fang zu geben, erachtete der Herausgeber es für angemessen, aus dem Plane derselben die Erläuterung der Einführungs-Gesetze zum Preußischen Strafgesetzbuche auszuscheiden, zumal da gar manche Bestimmungen dieser Gesetze, sofern Pe nicht schon früher antiquirt waren, bei dem Inkrafttreten der Reichs-Justizgesetzc in Wegfall gekommen find, die meisten der noch geltenden mit dem Deuffchen Strafgesetzbuche in keinem engeren Zusammenhange stehen, und die übrigen, durchweg wörtlich mit solchen des Elsaß-Lothringischen Einführungs-Gesetzes vom 30. August 1871 übereinstimmend, dort ihre Besprechung fanden. Außerdem ist in dieser Ausgabe, vorbehaltlich einzelner durch be sondere Gründe motivirter Ausnahmen, von einer Gegenüberstellung der heutigen und der vor dem Inkrafttreten der Reichs-Justizgesetze beste henden RechtSzustände abgesehen worden. Aachen, 16. März 1883.
Borrede zur elfte« Ausgabe. Bei dem stetigen Wachsen des durch die Rechtsprechung und RechtSlehre gebotenen Stoffs empfahl eS fich, auf Ausscheidung alles Ver alteten und auf Vereinfachung der Citirart noch mehr, als bisher, Bedacht zu nehmen. Im Uebrigen ist an den in den früheren Aus gaben befolgten Grundsätzen auch in der gegenwärtigen festgehalten worden. Aachen. 15. Juli 1888.
M Hppenhoff.
Jnhaltsverzeichniß
Einführungs-Gesetz vom
♦
I. 31. Mai 1870 ..............................
Seite 1
II.
Strafgesetzbuch.................
Einleitende Bestimmungen....................................
§§
1—12.
i?
18
Erster Theil. Von der Bestrafung der Verbrechen» Vergehen und Uebertretungen im Allgemeinen. Erster Abschnitt. Strafen........................................... §§ 13— 42. 47 Zweiter Abschnitt. Versuch........................................... §§ 43— 46. 94 Dritter Abschnitt. Theilnahme.................................... 47— 50. 104 Vierter Abschnitt. Gründe, welche die Strafe aus
schließen oder mildern...............................................
§§ 51- 72.
134
Handlungen.............................................................
§§ 73— 79.
214
Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer
Zweiter Theil. Von den einzelnen Verbrechen» Vergehen und Übertretungen und deren Bestrafung. Erster Abschnitt. Hochverrath und Landesverrath ... §§ 80— 93. Zweiter Abschnitt. Beleidigung des Landesherrn ... §§ 94— 97. Dritter Abschnitt. Beleidigung von Bundessürsten . . §§ 98—101. Vierter Abschnitt. Feindliche Handlungen gegen befreun
241 259 262
dete Staaten.............................................................
§§ 102—104.
264
hung auf die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte . .
§§ 105—109. §§ 110— 122.
267 273
die öffentliche Ordnung...........................................
§§ 123—145. §§ 146—152. §§ 153—163.
309 362 370
Fünfter Abschnitt. Verbrechen uitb Vergehen in Bezie Sechster Abschnitt. Widerstand gegen die Staatsgewalt Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen ' wider Achter Abschnitt. Münzverbrechen und Münzvergehen . Neunter Abschnitt. Meineid.......................................
VI
JnhaltSverzeichniß.
Zehnter Abschnitt. Falsche Anschuldigung......................... §§164—165. Elfter Abschnitt. Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen.................................................................................... §§ 166—168. Zwölfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Bezie hung auf den Personenstand............................................. §§169—170. Dreizehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit....................................................................... §§ 171—184. Vierzehnter Abschnitt.Beleidigung......................................... §§ 185—200. Kunftehnter Abschnitt. Zweikampf..................................... §§201—210. TechSzehnter Abschnitt. Verbrechen nnd Vergehen wider das Leben................................................................................ §§ 211-222. Tiebenzehnter Abschnitt.Körperverletzung......................... §§ 223 - 233. Achtzehnter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die persönliche Freiheit ...................................................... §§234—241. Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung. §§ 242—248. Zwanzigster Abschnitt. Raub und Erpressung .... §§ 249—256. Einundzwanzigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei §§ 257—262. Zweiuudzwanzigster Abschnitt. Betrug und Untreue . §§ 263—266. Dreiundzwanzigster Abschnitt. Urkundenfälschung . §§ 267—280. Dieruudzwanzigster Abschnitt. Bankerutt........................ §§281—283. Fünfundzwanzigster Abschnitt. Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse................................. §§284—302 d. Techsundzwanzigster Abschnitt. Sachbeschädigung . . §§ 303—305. Tiebenundzwanzigster Abschnitt. Gemeingefährliche Ver brechen und Vergehen.......................................................... §§306—330. Achtundzwanzigster Abschnitt. Verbrechen und Vergehen im Amte............................................................................... §§331-359. Neunundzwanzigster Abschnitt. Uebertretungen.... §§ 360—370.
Seite 393 397 405 409 433 484 490 510 534 546 605 615 632 661 710 736 779 787 829 874
III. Gesetz, betr. die Abänderung und Ergänzung des Strafgesetzbuches, vom 26. Februar 1876 ...................................... '.....................................................
960
IV. Gesetz, betr. den Wucher, vom 24. Mai 1880 ..............................................
962
V. Gesetz, betr. die Einführung des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich in Elsaß-Lothringen, vom 30. Aug. 1871 ..............................................
965
VI. Berichtigungen und Zusähe.....................................................................................
973
VII. Register.
975
Erklärung der hauptsächlichsten Abkürzungen. A.
bezeichnet: Braun und Blum, Annalen des Reichsgerichts. Annalen der Großh. Badenschen Gerichte: Manh. Sammlung der Entscheidungen des obersten Gerichts hofs für Bayern. BE. Sammlung der Entscheidungen des Oberlandesgerichts München. Berner: Grundsätze des Pr. Strafrechts: 1868. Binding: Die Normen und ihre Übertretung. Bind. B.: Grundriß z. Vorlesungen rc., 3. Aufl. Bind. GR. B.: Handbuch des Strafrechts, Bd. I, 1885. Bind. HB. I. Berner: Lehrb. des D. Strafrechts, 14. Aufl. 1886. BL. Blum: Das Strafgesetzbuch rc. 1870. Blum Bödiker: Magazin f. d. Deutsche Recht. Büdiker Bruck B.: Zur Lehre v. d. Fahrlässigkeit rc.: 1885. Zeitschrift für Rechtspflege im Herz. Braunschweig. Br. Z. Einführungsgeseh z. D. StGB. v. 31. Mai 1870. EG. E. Entscheidungen des Reichsgerichts in Strass., herausgeg. v. d. Mitgliedern desselben. Pr. Feld- u. Forstpolizei-Ges. v. 1. April 1880. FFP-Ges. Pr. Forstdiebstahls-Ges. v. 15. April 1878. Forstdiebst.-Ges. Franz: Rechtsprechung des OLG.'s Colmar in Straf Franz sachen: 1886. Fuchs Fuchs: Anklage und Antragsdelikte, 1873. Goltdammer rc.: Archiv f. Pr. Strafrecht: 1853ff. GA. B.-Gewerbe-Ordn. v. 21. Juni 1869. Gew.-O. Goltdammer: Materialien z. Pr. StGB. GM. Gerichtssaal, Zeitschrift rc.: Stuttgart. 1849ff. GSaal Gerichtsverfassungs-Gesetz v. 27. Jan. 1877. HH. v. Holhendorff: Handbuch des D. Strafrechts: 1871 ff. Verfügung des Pr. Handelsministers. HMVf. Hülschner: System des Pr. Strafrechts: 1858 ff. HS. Hälschner: Das gemeine d. Strafrecht: 1881 ff. HStR. Heinze Heinze: Das Verhältniß des Reichsstrafrechts zum Landesstrafrecht: Leipzig 1871. Entscheidungen d. Großh. Hessischen Kaffationshofs. Jahrb. (v. K. Zahrb.) v. Kamptz: Jahrbücher f. d. Pr. Gesetzgebung. JMbl. Pr. Justiz-Ministerial-Blatt. ZMVf. Verfügung des Pr. Justiz-Ministers. Verfügung des Pr. Ministers des Innern. Jnn.-MDf. Johow Johow u. Künhel: Jahrbuch der Entscheidungen des Kammergerichts in Strafsachen rc. v. K. Ann. v. Kamptz: Annalen der Pr. innern Staatsverwal tung: Berlin. KBI. KBII. Bericht der Kommission der ersten (zweiten) Kammer zum Pr. Strafgesetzbuch, v. Kirchm. v. Kirchmann: Das Strafgesetzbuch rc., 1870. KMVf., Kr.-MVf. Verfügung d. Pr. Kultus-, bzw. Kriegsministers. KO. Konkurs-Ordnung v. 10. Februar 1877. v. Liszt v. Liszt, d. D. Reichsstrafrecht, 2. Aufl. 1884. Lölling Löning: Grundriß zu Vorlesungen rc.: 1885. Löwe Löwe: D. Strafprozeßordn, rc., 3. Aufl., 1882.
vm Meves
Erklärungen.
bezeichnet: MeveS: Die Strafgesetz-Novelle re., 1876. F. Meyer: DaS Strafgesetzbuch rc: Berl., 1870. H. Meyer: Lehrb. d. D. SttaftechtS, 3. Aufl. 1882. Neffel: Die Antragsberechtigung rc., 1873. Einführungs-Verordnung z. Pr. Strafgesetzbuch f. d. neuen Provinzen v. 25. Juni 1867. NStPO. Strafprozeß-Ordn. für die neuen Pr. Provinzen v. 25. Juni 1867. O. Oppenhoff, Rechtsprechung des Kgl. Obertribunals in Strafsachen, 1861 ff. Old. Arch. Archiv für die Praxis des im Großherzogth. Olden. bürg geltenden Rechts, 1843 ff. Olsh. Olshausen. Kommentar z. StGB., 2. Aufl., 1886. Th. Oppenhoff: Das allgemeine Berggesetz rc. erläutert Oppenh. Bergges. rc.: Berlin, 1870. Oppenh. Reffortgess. Th. Oppenhoff: Die Preußischen Gesetze über die Reffortverhältnisse rc.: Berlin 1863. Oppenh. Sttafverf. Oppenhoff: Die Preuß. Gesetze ü. d. öffentliche imb mündliche Verfahren in Straffachen, 1860. Otto Otto: Aphorismen z. d. Allg. Th. des StGB.'s: 1873. Puch. Puchelt: Das Strafgesetzbuch rc.: 1872. R. Rechtsprechung des Reichsgerichts in Straff., herauSgeg. v. d. Mitgl. der Reichsanwaltschaft. RA. (Rh. A.) (Rheinisches) Archiv rc.: Köln, 1820ff. Reber Reber: Die Antrags-Delikte rc.: München 1873. Lottner rc.: Sammlung der f. d. Pr. Rheinprovmz RS. ergangenen Gesetze rc.: Berlin, 1834ff. Rubo Rubo: Kommentar üb. d. Strafgesetzbuch: 1870ff. Rüdorff Rüdorff: Das Strafgesetzbuch rc. mit Kommentar; 3. Aufl., herausgeg. v. Stenglein, 1881. SGZ. v. Schwarze: Gerichtszeitung f. d. Kgr. Sachsen. Schütze (Anh. z. Sch.) Schütze: Lehrb. des D. Strafrechts; 2. Aufl.: 1874 (Anhang von Wanieck u. Dillnow: 1877). Schw. v. Schwarze: Commentar z. D. StGB. 4. Aufl. v. Schwarze: Commentar z. D. Sttafprozeßordnuug. Schw. StPO. Sontag Sontag: Die Festungshaft, 1872. Staudinger Staudtnger: Das Sttafgesehbuch rc., 2. Aufl. v. Holtzendorff: Allgem. deutsche Strafrechts-Zettg. StRZ. StA. Striethorst: Archiv f. Rechtsfälle rc., 1851 ff. StZ. M. Stenglein: Zeitschrift für Gerichtspraxis rc. Temme: Lehrb. deS Pr. StraftechtS, 1853. TL. Annalen f. Rechtspflege rc. in den Pr. Rheinprovinzen. Tr. (Trierer) Ann. Pr. Ministerialblatt für die innere Verwalttmg. VMbl. Voitus Voitus: Commentar z. D. Sttafprozeßordnuug. Voll. Vollert: Blätter f. Rechtspflege in Thüringen rc. WGbl. v. Kübel, Wüttemb. Gerichtsblatt. Zeitschrift f. d. gesammte Sttaftechtswiffenschaft, herZ. f. StR. ausgeg. v. Dochow u. v. Liszt, 1881 ff. Außerdem bezeichnet R. (I, II, III, IV, F., Pl.): Erkenntniß des Reichsgerichts (des ersten, zweiten, dritten, vierten Senats, des Feriensenats oder der vereinigten Senate für Sttaffachen); — OHG.: Erk. des (früheren) Reichs-Oberhandelsgerichts; OT.: Erk. des (früheren) Pr. Ober-Tribunals; OA.: Erk. des (ftüheren) Pr. Ober« Appellations-Gerichts; KH.: Erk. des (ftüheren Rheinischen) Rev.- u. KaffationsGerichtshofs; Berlin: Erk. des Pr. Kammergerichts; OVG.: Erk. deS Pr. OberVerwaltungsgerichts.
Meyer ML. Nessel
Einsiihrilllgg-Gesetz zum
Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870.
(Bundes-Geseh-Blatt 1870 Nr. 16. S. 195 ff.)
§ 1. Das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund [für tritt im ganzen Umfange des Bundes^ gebietes mit dem 1. Januar 1871 [1872] in Kraft. das Deutsche Reich]
[I. Entw.: Art. I; II. Entw.: § 1; EG. z. Pr. StGB.: 2trt. I.] — Dgl. BundesVerfass. (vereinbart mit Baden und Hessen) Art. 80 II (BGbl. 1870 s. 648); Bundes-Vertr. m. Würtemberg v. 25. Nov. 1870 Art. 2 n. 6; Bundesvertr. in. Baiern v. 23. Nov. 1870 Art. I § 26, III §8; RGes. v. 16. April 1871, die Reichs-Verfaffung betr., § 2; RGes. v. 22. April 1871 § 7; RGes. v. 15. Mai 1871; StGB. §. 2.
§i. 1. Auf Grund des Art. 80 der mit Baden und Hessen vereinbarten Bundes verfassung sowie der mit Würtemberg und Baiern abgeschlossenen Beitrittsvertrage v. 25. und 23. November 1870 find u. a. das „Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund", sowie das Einführungsgeseh zu demselben v. 31. Mai 1870 durch §. 2 Abs. 2 deS die Reichsverfassung verkündenden Gesetzes v. 16. April 1871 zu Reichsgesehen erklärt worden. Der eit. § 2 Abs. 2 bestimmt gleichzeitig: „Wo in denselben ^Gesetzen) von dem Norddeutschen Bunde, dessen Ver fassung, Gebiet, Mitgliedern oder Staaten, Jndigenat, verfassungsmäßigen Organen, Angehörigen, Beamten, Flagge u. f. w. die Rede ist, sind daS Deutsche Reich und dessen entsprechende Organe zu verstehen." Demzufolge hat das StGB, selbst durch das RGes. v. 15. Mai 1871 unter der Bezeichnung „Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich" vom 1.Januar 1872 an eine berichtigte Fassung erhalten. Gleiches geschah in Betreff des Eins.Gesetzes nicht. Dieses ist daher oben in seiner ursprünglichen Fassung abgedruckt, es sind aber in Klammern diejenigen Bezeichnungen eingeschaltet, welche an Stelle der (zum Theil) nicht mehr paffenden treten. 2. Das StGB, und das EG. hatten durch das letztere im Gebiete des Nord deutschen Bundes vom 1. Januar 1871 an Wirksamkeit erlangt. Sodann wurden dieselben durch Art. 80 II der Bundesverfassung (eit. n. 1) von demselben 1. Jan. 1871 an in Hessen südlich des Mains, vom 1^ Jan. 1872 an in Baden ein geführt (vgl. Staatsvertr. v. 15. Nov. 1870; BGbl. s. 651). Ebenso erfolgte die Einführung für Würtemberg vom 1. Jan. 1872 an durch den Staatsvertr. v. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aust.
j.
2
Einführungs-Gesetz.
§ 2.
§ 2. Mit diesem Tage tritt das Bundes- und Landes strafrecht, insoweit dasselbe Materien betrifft, welche Gegenstand des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] sind, außer Kraft. 25. Nov. 1870; vgl. RGes. v. 16. April 1871 § 2. — Für Balern wurde durch den Beitrittsvertr. v. 23. Nov. 1870 I § 26 III § 8 die Geltung des eit. Art. 80 der Bundesverfassung (n. 1) vorläufig außer Anwendung gelassen. Dagegen erfolgte dort die Einführung des StGB.'s und des EG.'s vom l.Zan. 1872 ab, durch das RGes. v. 22. April 1871 § 7, mit einer den § 4 des EG.'s betreffenden Ab änderung; vgl. dort n. 10. — In Elsaß-Lothringen ist das StGB, (ohne das EG.) durch Gesetz v. 30. Aug. 1871 vom 1. Olt. ej. an eingeführt. 3. Auf die im Condominat eines Bundesstaats mit einem fremden Staate stehenden und daher nicht zum Deutschen Reiche gehörigen Gebiete erstreckt sich der Geltungsbereich des D. StGB.'s nicht. Dies trifft zu bei dem zwischen Preußen und Belgien gemeinschaftlichen Neutral-Moresnet (bei Aachen); dort gilt noch der alte franz. Code penal: ZMVf. v. 31. Dez. 1852 (RS. X, 532); vergl. Köln 9. Okt. 1883 (RA. 74, II, 35), Bind. HB. I, 407. Der Bewohner dieses Gebiets ist als Ausländer im Sinne des §. 4 n. 1 des StGB.'s zu behandeln: Köln 4. Nov. 1858 (Tr. A. X, 7); vgl. jedoch OT. 16. Nov. 1875 (O. XVI, 728).
§ 2. 1. Art. II des EG.'s z. Pr. StGB, hob die in den verschiedenen Theilen des Staats geltenden kodifizirten Strafgesetzbücher im Ganzen auf. Eine ähnliche Be stimmung traf Art. VI der NEB. für die neuen Provinzen. Dagegen beschränkt sich der obige § 2 darauf, das Bundes- und Landesstrafrecht insoweit außer Kraft zu sehen, als es „Materien betrifft, welche Gegenstand des neuen GB.'s sind". Enthielten daher die früheren Landesstrafgesetzbücher Vorschriften, welche andere vom StGB, nicht berührte Materien betrafen, so sind diese in Geltung geblieben, es sei denn, daß deren Beseitigung anderweitig zu begründen wäre, z. B. wenn auS der Entstehungsgeschichte des StGB.'s hervorgeht, daß sie in dieses grade des halb nicht aufgenommen wurden, um sie für die Zukunft unwirksam zu machen. Zndessen hat ein großer Theil der Bundes Staaten die älteren Strafgesetzbücher aus drücklich aufgehoben; so Baiern, Hessen, Mecklenburg, Oldenburg, Braunschweig, ( Bremen rc. Zn Preußen geschah ein Gleiches nicht; vgl. aber n. 22. 2. Zu den „Materien, welche Gegenstand des StGB.'s sind", gehören zu nächst die in den „Einleitenden Bestimmungen" und in Thl. I aufgestellten „allge meinen Grundsätze über die Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Ueber* tretungen". Allgemeine Vorschriften der ältern Landes-Strafgesetzgebungen, auch solche,' welche Gesichtspunkte betreffen, die Thl. I. nicht berührt, sind für beseitigt zu erachten, weil ihre Beibehaltung dahin führen würde, daß die Einzelbestimmun gen des StGB.'s in dem einen Bundesstaate anders aufzufassen und anzuwenden wären, als in den andern: Darmst. 9. Okt. 71 (HE. s. 30), OHG. 20. Sept. 72 (StZ. II, 17), BL. s. 41 (nimmt nur den im StGB, nicht erschöpfend geregelten Strafvollzug aus). — Jene allgemeinen Grundsätze beherrschen das ganze Straf recht ; sie kommen sonach auch bet den in besonderen (Reichs- oder Landes-)Gesetzen enthaltenen Strafvorschriften zur Anwendung, selbst bei solchen Straffällen, für welche die Vorschriften eines früheren Landesstrafgesetzbuches in Kraft verblieben sind (n. 1): OT. 28. Okt. 74 (O. XV, 718), Manh. 7. Febr. .74 (BA. 40 s. 225); vgl. §57 n. 17; Mil.-StGB. § 2; — es sei denn, daß aus der eigenthümlichen Natur der behandelten besonderen Materie die Unanwendbarkeit eines im all gemeinen Theile aufgestellten Grundsatzes nachzuweisen wäre. Enthält dagegen eilt in Geltung verbliebenes besonderes Gesetz lediglich für die in ihm geregelten (im StGB, nicht berührten) Straffälle spezielle Vorschriften über die in Thl I behan delten allgemeinen Grundsätze, so sind sie mit jenem Gesetze in Kraft geblieben, da hierdurch die Anwendung des StGB.'s selbst nicht berührt wird; vgl. n. 12, Einl. Best. n. 1. 2, Bayer. EG. v. 26. Dez. 1871, Rill. 1. Mai 80 (E. II, 33), Rüd. n. 7; contra: BL. s. 41, Bind. HB. I, 306ff., und (theilweise) Olsh. n. 11, Reber n. 92,
EinführungS-Geseh.
§ 2.
3
In Kraft bleiben die besonderen Vorschriften des Bundes[Reichs-] und Landesstrafrechts, namentlich über strafbare Ver
letzungen der Preßpolizei-, Post-, Steuer-, Zoll-, Fischerei-, 3. Für den „von den einzelnen Verbrechen rc." handelnden Theil II des StGB.'s deutet der Ausdruck „Materien" auf die mit Strafe bedrohten Hand lungen, somit weder auf die Gegenstände, in Beziehung auf welche eine Mißthat begangen wird, noch auf die Rechte, die durch dieselbe beeinträchtigt, noch auch auf die Zwecke, die durch sie verfolgt werden: OT. 11. April Gl (RA. 56. II. 111): vgl. Abs. 3 a. E.: „Handlungen, über welche das StGB, nichts bestimmt". Eben sowenig hat derselbe auf die Strafgattungen (z. B. die Polizeiaufsicht) Bezug: OT. 10. Nov. 53 (JMbl. 54 s. 136). Als Materien sind daher hier die (herge brachten) Verbrechens-rc. Begriffe anzusehen, welche in das System des StGB.'s aufgenommen, in demselben definirt und geregelt sind: OA. 13. Okt. 69, 29. Juni 70 (O. X. 636; XI, 378). Zn dieser Beziehung bieten zwar nicht die Ueberschrifteii (vgl. Abschn. 25 n. 1, Abschn. 28 n. 4), wohl aber die in den einzelnen §§ ge brauchten allgemeinen technischen Bezeichnungen des betr. Straffalls (: wer ------- , wird „wegen Hochverrats rc." — bestraft) einen Anhaltspunkt. In Ermangelung einer solchen Bezeichnung fragt sich, ob die Begriffsbestimmung einen in der älteren Strafrechtölehre hergebrachten, in der früheren Gesetzgebung berück sichtigten Straffall hat präzisiren wollen. Wo das eine oder andere zutrifft, sind alle früheren Strafgesetze aufgehoben, welche sich auf denselben bezogen, und zwar selbst, wenn das StGB, jenen Verbrechensbegriff anders definirt: HS. I, 24. Contra: Zena 25. Sept. 71 (StZ. I, 161: macht die Entscheidung der Frage davon abhän gig, ob die Materien „ihres allgemeinen kriminalrechtlichen Charakters wegen über haupt in die Strafgesetzbücher ausgenommen zn werden Pflegen, oder nicht"; für eine solche Unterscheidung fehlt es jedoch an jedem Anhalte: auch kommt es nach § 2 nur darauf an, ob die betr. Materie „Gegenstand des StGB.'s" sei.) 4. Nach dem unter n. 3 aufgestellten Grundsätze trifft die Regel des § 2 auch da zn, wo eine besondere landesgesetzliche Vorschrift einen speziellen Thatbe stand, welcher an sich der allgemeinen Begriffsbestimmung eines im damals gel tenden Strafrechte vorgesehenen Straffalles entsprach, und also (in Ermangelung besonderer Bestimmungen) nach diesem zu bestrafen gewesen wäre, audgefonbert und unter Berücksichtigung der ihm beiwohnenden Eigenthümlichkeiten mit anderen Stra fen bedroht hatte. Mochte damals der Gesetzgeber diesen besonderen Thatbestand als eine für sich bestehende, aus dem allgemeinen Begriffe ausgeschiedene „Materie" aufgefaßt und behandelt haben, so kann diese Rücksicht jetzt nicht mehr zutreffen, da das StGB, für die in ihm behandelten Materien ein einheitliches Recht schaffen wollte, welches eben deshalb mit abweichenden Sonderbestimmungen der einzelnen Bundesstaaten nicht mehr verträglich ist; Beisp.: n. 35—37, 41, 47. Das Gesagte erleidet eine Ausnahme bei den in den Absähen 2. 3 ausdrücklich aufgezählten bundes- und landesstrafrechtlichen Vorschriften; vgl. hierüber unten n. 7. 12. 5. Mit Rücksicht auf das unter n. 3 i. A. Gesagte ist daraus, daß das StGB, (besonders im Abschn. 29) eine Reihe von Polizeivorschriften enthält, welche in das Gebiet irgend eines speciellen Zweiges der Polizeiverwaltung fallen, z. B. der Feuer-, Straßen-, Eisenbahn-, Maß-, Gewichts-Polizei rc., nicht zu folgern, daß diese Zweige der polizeilichen Thätigkeit als „Materien" anzusehen seien, auf welche sich das StGB, beziehe, und daß ebendeßhalb alle sonstigen älteren Strafbestim mungen, welche auf jene Zweige der Polizeiverwaltung zurückzuführen sind, als aufgehoben betrachtet werden müßten. Beispiele vgl. bei §§ 364. 365. 368. 369. 6. Im Abs. 2 bezeichnet der Ausdruck: „besondere Vorschriften rc." (nicht, wie im Art. II des EG.'s z. Pr. StGB., den Gegensatz gegen das kodifizirte Landes-Strafgesehbuch, sondern) den Gegensatz gegen das in Abs. 1 erwähnte „Straf recht, insoweit es Materien betrifft, welche Gegenstand des D. StGB.'s sind". Es gehören sonach diejenigen Strafvorschriften hierher, welche nicht nach dem Grund sätze des Abs. 1 durch die Bestimmungen des StGB.'s ersetzt sind; vergl. Heinze, HH. II, 11. — Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich jene Vorschriften in den früheren kodifizirten Landesstrafgesehbüchern oder in Specialgesetzen finden. 7. Anders verhält es sich mit den Zuwiderhandlungen gegen die im Abs. 2
4
EinführungS-Geseh. § 2.
Jagd-, Forst- und Feldpolizei-Gesetze, über Mißbrauch des Vereins und Versammlungsrechts und über den Holz- (Forst-) Diebstahl. unter „namentlich . ..hervorgehobenen Gesetze. Sie sind dadurch von Gesetzes wegen als „besondere Vorschriften" hingestellt worden, welche unbedingt in Kraft verbleiben, selbst wenn sie eine Handlung zum Gegenstände haben, welche (in einer konkreteren Gestaltung) unter den allgemeinen Thatbestand eines im StGB, vor gesehenen Straffalles zu bringen wäre, z. B. Forstweidefrevel: OT. 5. Mai 75 (O. XVI. 352), Widersetzlichkeit gegen Steuer- rc. Beamte, Bestechung eines solchen rc. insoweit diese Handlungen in den betr. Spezialgesehen mit besonderen Strafen be droht sind: OT. 13. 9hm. 73 (O. XIV, 717), Merkel, HH. 111,672; vergl. §. 263 n. 66. Das erleidet nur da eine Ausnahme, wo das StGB, genau denselben Thatbestand (in derselben konkreten Gestaltung, wie ihn früher eines der erwähn ten Gesetze vorsah,) nunmehr zum Gegenstände einer neuen Strafandrohung ge macht hat, oder wo eine spezielle Bestimmung des St.GB.'s mit einer jener älteren Gesetze unvereinbar sein würde; in diesen Fällen ginge selbstverständlich die Vor schrift des StGB.'s vor. Vgl. § 275 n. 7. Dieser Grundsatz würde z. B. anzu wenden sein, wenn genau der Thatbestand der §§ 117. 292—296 oder einer der rm § 368 n. 1. 2. 9—11 oder im § 370 n. 2 aufgezählten Übertretungen auch in irgend einem der anstecht erhaltenen Zagd-, Forst- oder Feldpolizeigesetze mit Strafe be droht wäre. — Von diesen zuletzt erwähnten Fällen abgesehen, kann es bei den in Abs. 2 aufgezählten Materien allerdings geschehen, daß dieselbe Handlung in dem einen Bundesstaate nach dem StGB., in dem anderen nach einem dort in Kraft verbliebenen Landesgesehe zu bestrafen ist. Vgl. n. 8, §. 242 n. 50, § 303 n. 14 und Otto s. 4. 8. Demgemäß (n. 7) sind die Landes-F eldpolizei gesetze selbst, insoweit sie den Diebstahl (die Entwendung) von Bodenerzeugnissen betreffen, in Geltung verblieben; vgl. Pr. Ges. v. 22. Mai 1852 Art. III, NEB. Art. III. VI n. 1, welche dies (den Vorschriften des Pr. StGB.'s gegenüber) ausdrücklich aussprechen; sie haben unzwei felhaft als Muster für die Abfassung des Abs. 2 gedient. Das Gegentheil folgt nicht daraus, daß die Gesetze „über den Holzdieb stahl" neben den Forstpoli zeigesehen ausdrücklich aufgezählt werden: letzteres erklärt sich dadurch, daß in Preußen der Holzdiebstahl zum Gegenstand eines besonderen Gesetzes gemacht ist. Vgl. RI. 3. Juli 84 (R. VI, 497: die Reichsgesetzgebung habe der Landesgesetzge bung die Abgrenzung des Feldfrevels von der Sachbeschädigung wie vom Dieb stahle überlassen), Münch. 18. Jan. 75 (BE. V, 17), ML. s. 540, Staudinger zu§.242; contra: Schw., GSaal 22 s. 394, Meves, StRZ. XI, 545. Andererseits sind unter den „Feldpolizeigesetzen" die Gesetze zum Schutze der Gärten, selbst derjenigen, welche keine feldähnliche Anlagen darstellen, einbegriffen: eit. RI. 3. Juli 84. 9. Das Nähere über die aufrechterhaltenen Fischerei- und Jagdpolizeigesehe findet sich zu den §§. 292, 296, 368 Nr. 10 u. 370 Nr. 4 bemerkt. 10. Die Landes-Preßpolizeigesetze sind durch das RPretzges. v. 7. Mai 1874 tmßer Kraft gesetzt; das gilt auch von den die polizeiliche bzw. staatsanwaltliche Beschlagnahme eines Preßerzeugnisses betreffenden Vorschriften, desgleichen von den Vorschriften, welche die Verantwortlichkeit des Redakteurs periodischer Druckschrif ten regeln (vgl. RPretzges. § 20): Münch. 7. Juni 78 (GA. 27 s. 125). Dagegen verbleiben Bestimmungen eines älteren Preßgesetzes, welche lediglich das gericht liche Verfahren (z. B. bei einer vom Richter angeordneten Beschlagnahme) regeln, in Kraft (sofern sie nicht neuerdings durch die Vorschriften der StPO, erseht wur den): Schw., SGZ. XVIII, 234. 241. 248. Außerdem haben ältere Landes-Vorschriften über das öffentliche Anschlagen, Anheften, Ausstellen, sowie die öffentliche unentgeltliche Vertheilung von Bekanntmachungen, Plakaten und Aufrufen ihre Gel tung bewahrt: arg. RPreßges. §30 Abs. 2. 11. Abs. 3 (nebst der an denselben sich knüpfenden Streitfrage, ob nur die den Konkurs der Nichtkaufleute, oder auch die den Konkurs der Kaufleute betreffenden Landesstrafgesetze anstecht erhalten seien) ist mit dem Inkrafttreten der KO., d. h. seit dem 1. Okt. 1879 gegenstandslos geworden In Betreff der nnberührt geblie benen Gesetze vgl. EG. z. KO. § 5. 12. Insoweit §2 (Abs. 2. 3) zutrifft, bleiben die betreffenden Vorschriften in ihrem ganzen Umfange einschließlich der Strafandrohung (mit der im § 6 ausgesprochenen Maßgabe) wirksam; die Beschränkung, welche § 5 für künftige landeS-
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Bis zum Erlasse eines Bundesgesetzes [Reichsgesetzes] über den Konkurs bleiben ferner diejenigen Strafvorschriften in gesetzliche Vorschriften enthält, ist auf unsern Fall nicht auszudehnen: Rüd. s. 84, Schw. s. 163, Schütze, GA. 20 s. 358; contra: Heinze s. 91. Ebendeshalb haben die besonderen „Vorschriften" der Feldpolizeigesetze rc. (Abs. 2), selbst insoweit sie Abweichungen von Theil! des StGB.'s enthalten, ihre Geltung bewahrt: OT. 29. Juni 76 (O. XVII, 476); vgl. n. 2, § 5 n. 2, StGB. §28 n. 20, § 68 n. 41. 13. § 2 entzieht die dort aufrecht erhaltenen landesgesetzlichen Bestimmungen nicht der Abänderung durch die Landesgesetzgebung, vielmehr ist aus § 2 gerade zu folgern, daß letztere in den betreffenden Materien (vorbehaltlich der Vorschrift des § 5) ihre Zuständigkeit bewahrt habe; vgl. §5 n. 2; ebenso: Rill. 1. Mai 80 (E. II, 33), Schw. s. 160, OT. 5. Juli 77 (O. XVIII, 504). DieS wurde bezüglich des Erlasses neuer Bestimmungen über die Feld- und Forstpolizei sowie den Holz- (Forst-) Diebstahl im Bundesrathsbeschlusse v. 13. Febr. 1875 (RAnz. Nr. 48) ausdrücklich ausgesprochen und durch den Erlaß des Pr. Forstdiebst.Ges.'s sowie des Pr. FFP.-Ges.'s praktisch gehandhabt. 13a. Da § 2 sich nur auf Bestimmungen des materiellen Strafrechts be zieht, so läßt er das Verhältniß der Landesgesehgebung zur Reichsgesetzgebung, was das Verfahren angeht, unberührt; vgl. in letzterer Hinsicht EG. z. StPO. §§ 6. 3 Abs. 3, welchem letzteren (Abs. 3) von der Rechtsprechung des Reichsgerichts für Forst- und Feldrügesachen eine ähnliche Tragweite, der StPO, gegenüber, beigelegt wird, wie sie § 2 h. 1. in dergleichen Sachen dem StGB, gegenüber besitzt; vgl. StGB. § 117 n. 11. 14. Nach den oben entwickelten Grundsätzen sind solche Bestimmungen, welche Vorbereitungshandlungen zu einer im StGB, vorgesehenen Mißthat mit Strafe bedrohen, für aufgehoben zu erachten. Dagegen sind Polizeivorschriften, welche bezwecken, einer Mißthat vorzubeugen, (z. B. Strafandrohungen gegen die Verheimlichung der Schwangerschaft oder Niederkunft), in Kraft ver blieben: Heinze s. 35; contra: Schwarze, GSaal 22 f. 400, Puch. s. 217 n. 2. 15. Ebenso haben Vorschriften, welche die Theilnahme an einer straflosen Handlung (z. B. einem Selbstmorde) als selbständige Handlung mit Strafe bedrohen, ihre Wirksamkeit bewahrt; contra: Heinze s. 36, Schw. GSaal 22 s. 391, Bind. HB. I, 312. 16. Daraus, daß das StGB, den Rückfall nicht mehr allgemein als Straf schärfungsgrund hingestellt hat, folgt nicht, daß besondere den Rückfall betr. Vor schriften eines in Geltung verbliebenen Spezialgesehes unwirksam geworden seien; vgl. n. 8, Pr. FFP.-Ges. § 2. 3, Bind. HB. I, 314. Auf derartige Vorschriften finden die Grundsätze der §§ 244. 245 keine Anwendung: OT. 30. Jan. 1873 (O. XIV, 93); contra: Bind. 1. c. — In anderen Fällen kann der Rückfall als Straf zumessungsgrund Berücksichtigung finden: OA. 12. Okt. 72 (O. XIII, 521). 17. Besondere landesgesetzliche Bestimmungen, welche den Ungehorsam ge gen eine amtliche Weisung mit Strafe bedrohen, sind (trotz der §§ 113 ff.) nicht außer Kraft gesetzt: Schw., SGZ. XV, 257; vgl. OT. 27. Sept. 61 (O. I, 556) und HStR. I, 115 (auch in Betreff des passiven Ungehorsams gegen das Gesetz). 18. Dasselbe gilt von Vorschriften, welche eine wahrheitswidrige nicht eid lich vor einer öffentlichen Behörde abgegebene Aussage für strafbar erklären (das StGB, sieht nur die Materie der falschen Eidesleistung vor): Schw., GSaal 22 s. 395, Wächter Beil. s. 238; contra: Dresd. 27. Sept. 72 (StZ. II, 33), Heinze s. 117; id. HH. II, 7, Bind. HB. I, 317; vgl. StZ. III, 307, ML. s. 633. 19............... ebenso von den die widerrechtliche Benutzung fremden Eigenthums betr. Strafvorschriften, z. B. K. Sächs. StGB. Art. 330 Abs. 3; contra: Bind. I. c., Dresd. 17. März 71 (SGZ. XV, 86): weil § 290 eine solche Handlung des Pfandgläubigers bestrafe; dieser § beruht aber aus der besonderen Stellung des Pfandgläubigers zum Pfaude; deshalb ist nicht jene ganze Materie zum Gegenstand des StGB.'s gemacht). 20............... ebenso von den Vorschriften, welche eine unerlaubte Eigenmacht (z. B. unerlaubte Selbsthülfe) bestrafen; die möglicherweise hier in Be tracht kommenden §§ 113. 123. 124. 137. 201. 246.303 des StGB.'s finden das Strafbare nicht in der Eigenmacht, sondern in der Verletzung des fremden Rechtes;
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Kraft, welche rücksichtlich des Konkurses in Landesgesetzen ent halten sind, insoweit dieselben sich auf Handlungen beziehen, ebenso: Bind. HB. I, 318; contra: Rill. Civilsen. 22. Febr. 84 (Civil-E. XI, 239: ell in Betreff der gemeinrechtlichen Privatstrafe des Eigenthumsverlusts), RH. ft. 82 (E. VII, 63: Motive, unter beispielsweiser Hervorhebung des Sächs. StGB.'s von 1868, Art. 247 und des Würtemb. StGB.'s, Art. 200), Dresden 17. März 71. Jena 25. Oft. 1871 (SGZ. XV, 111; StZ. I, 162), Heinde s. 36, Olsh. n. 6; ein Antrag: die Selbsthülfe zu bestrafen, ward in der ReichstagsCommission abgelehnt; vgl. Schw., GSaal 22 s. 392. 21.................. ebenso von den Vorschriften, welche (ausnahmsweise) die fahr lässige Beschädigung fremder Sachen unter Strafe stellen, da das StGB, im Wesentlichen nur die vorsätzliche Beschädigung vorsieht; vgl. n. 3, OT. 5. Mai 75 (O. XVI, 352); contra: v. Wächter Beilagen rc. s. 237, Bind. HB. I, 316 (sofern sie keine der im Abs. 2 namentlich aufgeführten Materien beträfen). 22. Aus dem Preußischen StGB, sind keine Bestimmungen in Kraft ge blieben. Die allgemeinen Grundsätze desselben wurden durch die des D. StGB.'s erseht (vgl. n. 2). Die im zweiten und dritten Theil enthaltenen, auf die einzelnen Straffälle bezüglichen Vorschriften sind dagegen, insoweit nicht Eiuzelbestimmungen des D. StGB.'s an ihre Stelle traten, anderweitig für beseitigt zu erachten: die §§ 199. 200. 201. 203 und 265 durch die Gew.-O. (vgl. dort §§ 29. 30. 143. 144. 147. 1. 35; Mot. z. StGB. s. 113: an letzterer Stelle wird § 201 für unvereinbar erklärt mit der durch die Gew.-O. zur Geltung gebrachten Freigebung der Geburtshülfe); — die §§ 112.261 n. 4. 262. 270. 279, weil der RT. die Aufnahme entsprechender Bestimmungen in das StGB, abgelehnt hat (Stenogr. Ber. s. 470. 721. 724.742); damit dürfte die Aufrechthaltung jener §§ für das ganze Gebiet des Pr.Staates unvereinbar fein; so (in Betreff des § 270): OT. 25. Juni, 11. Sept. und 19. Nov. 74, 9. Sept. 75 (O. XV, 448. 555. 801; XVI, 568), Schütze s. 494 n. 8, Meves, GA. s. 23. 25; contra: Merkel, HH. IV, 77; (in Betr. des § 262): Rüd. s. 477; (in Betr. des § 270) eine FMVf. v. 13. Febr. 1874 sowie Ri. 27. März 84 (E. X, 220: Motive) und im Prinzip: Nubo s. 122. 128. 178. 194; vgl. auch StGB. §. 367 n. 54.
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Von den älteren Preußischen Gesehen sind folgende weder, durch das Pr. noch durch das D. StGB, aufgehoben. 23.................. AGO. I, 7 §33, (die Verw eigerung der Annahme einer gerichtlichen Verfügung betr.): OT. 13. Nov. 61 (O. II, 54, sprach gleichzeitig aus: die betr. Geldstrafe sei eine Ordnungsstrafe, die mir derjenige Richter verhängen könne, von welchem die Anordnung ausgegangen sei). 24.................... AGO. I. 23 §. 52 Nr. 4. 5; 24 §. 40 a. E., betr. frevelhaftes Leugnen im Prozesse; die Strafen können aber nur von dem mit der Sache be faßten Civilrichter (1. oder 2. Instanz) verhängt werden: OT. 12. Juli 54, 18. Okt. 55 (Eutsch. dess. 28 s. 196; GA. III, 823). Daraus ist nicht zu folgern, daß die Gegen-Partei die Entscheidung durch Rechtsmittel angreifen könne; es bedarf daher der Zustellung eines von dieser Strafe freisprechenden Erkenntniffes an den Gegner nicht: OT. 5. Dez. 60 c. Teßmar. 25. 26................. AGO. III, 1 §30.31, betr. das Queruliren: OT. 17.Mai71, 22. Sept. 74 (O. XII, 268; XV, 578); ebensowenig wurden diese §§ durch das GVG. außer Kraft gesetzt: RII. 28. De). 83 (E. IX, 357), Berl. 28. Mai 81 (Johow 11,288). Sie finden auch auf Beschwerden bei Staatsanwälten, General-Kommissionen und über haupt solchen Behörden, welchen durch neuere Gesetze gewiffe bis dahin den Ge richten obliegende Functionen übertragen wurden, selbst denjenigen der unteren In stanzen, nicht aber auf Beschwerden bei reinen Verwaltungsbehörden Anwendung; vgl. cit. RII. 28. Dez. 83, OT. 2. Juli 73, 25. Okt. 77, 8. März 78 (O. XIV, 482; XVIII, 672; XIX, 129). Die Strafbarkeit ist durch eine zweckentsprechende, vom Angeklagten unbeachtet gelassene Vorbescheidung bedingt: OT. 15. Jan. 1875 (O. XVI, 52), nicht aber durch die Kenntniß von der Unbegründetheit des Ver langten: cit. OT. 2. Juli 73. 27.................. ALR. II, 1 § 170. 1008.1010, die Strafen der vorsätzlichen Ue-
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über welche das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund nichts bestimmt.
[für das Deutsche Reich]
[I. Entw.: Art. II; II. Enlw.: § 2; EG. z. Pr. St.G.B.: Art. III. Vgl. §§ 3. 5; Genossensch.-Ges. v. 4. Zuli 1868 § 27; EG. z. KO. § 1. 4. 5. Vertretung eines Ehegesetzes betreffend: OT. 11. Mai 59 e. Fischer. Diese Straf, androhung trifft Denjenigen nicht, welcher, um die verbotene Ehe abzuschließen, mit Konsens aus Preußen ausgewandert ist: OT. 29. März 65 (O. VI, 25). 28.................. Regl. v. 15. Sept. 1798 § 2 Nr. 4, betr. die anschlagswidrige DerWendung des aus Kgl. Forsten (und denen des Kronfideikommisses: StA. 26 s. 170; 20 s. 179) an Berechtigte gelieferten Freibauholzes; vgl. FFP -Ges. §42. 29. 30.................. Vorfluths-Edikt v. 15. Nov. 1811 §§8.9, betr. das Aufstauen des Mühlenwassers über die durch den Merkpfahl festgesetzte Hohe: OT. 19. April, 15. Juni 55 (JMbl. s. 243. 355), Berl. 20. Zan. 81, 2. Jan. 82 (Johow II, 282; III, 361). 31. 32..................alle Disciplinargesehe; vgl. Thl. II Absch. 28 n.5. Dagegen sind in Preußen (theilweise bereits durch das EG. v. 14. Apr. 1851) aufgehoben: 33.................. AGO. I, 7 §41, die Bestrafung unrichtiger Jnsinuationsberichte betreffend: OT. 7. Juni 61 (O. I, 428: eine solche Handlung sei nur noch im Disciplinarwege zu rügen); contra: früher OT. 17. Sept. 52 c. Laser. 34.................. ALR. Einl. § 23, betr. die Entschuldigung mit der Unkenntniß des Strafgesetzes. 35.................. ALR. I, 6 § 114, die Bestrafung der Beleidigungen betr. 36..................ALR. I, 9 §73, wonach als Dieb zu betrachten war, wer dem Richter gegenüber einen Fund ableugnete: OT. 14. Okt. 58 (GA. VII, 108). 37.................. ALR. I, 11 § 740: betr. Bestrafung der Session resp. Einklagung einer Darlehnsforderung, auf welche die Valuta ganz oder zum Theil nicht bezahlt worden, als Betrugs: OT. 10. Juli 73 (O. XIV, 491); es ist in jedem Einzelfalle zu prüfen, ob die Begriffserfordernisse der §§ 263 ff. vorliegen. 38.................. ALR. I, 14 § 463- 465, betr. unrechtmäßige Pfändungen (vgl. FFP.'Ges. § 17): OT. 9. Okt. 57 c. Smolewski. 39.................. ALR. II, 20 § 242 (die Bestrafung der Hinterziehung fiskalischer Abgaben betr.: durch EG. z. Pr. StGB. Art. II): OT. 1. Febr., 21. Nov. 72 (O. XIII, 107. 612). 40..................C. Civ. Art. 298, 308, betr. die Ehebruchsstrafen; vgl.§ 172. 41.................. Rh. HGB. Art. 479, demzufolge Jeder, welcher sich in einer Ver sammlung der Gläubiger eines Falliten auf einen simulirten Titel stützt, als Theilnehmer am betrüglichen Bankerutt zu bestrafen ist: (Abs. 3 h. 1. blieb außer Anwendung, weil die Aufhebung schon durch das Pr. StGB, erfolgte). 42.................. Crim.-O. v. 11. Dez. 1805 § 10, die Pflicht zu denunziiren betreffend (durch § 39 des Pr. StGB.'ö): OT. 17. Nov. 54 (GA. III, 130); vgl. § 139 n. 1, § 141 „. 12. 43.................. die Vdn. v. 14. Juli 1797, insofern sie Strafe androht wider Solche, welche sich vereinigen, um bei öff. Versteigerungen durch einen vorgeschobenen Namensträger anzusteigern und die angesteigerten Objecte zum gemeinsamen Vor theile wieder zu verkaufen, nicht aber, insofern sie dergleichen Vereinigungen für wirkungslos erklärt: OHG. 21. Dez. 75 (St.'s-Anz. 1876 Nr. 16). 44.................. der Bundesversammlungs-Beschl. v. 5. Juli 1832 (Pr. GS. f. 216), soweit er sich auf Vereine und Versammlungen bezog, sowie die AKO. v. 27. Jan. 1858 (GS. s. 13), Studentenverbindungen betreffend, durch das Ges. v. 11. März 1850; vgl. Pr. Verfass, v. 31. Jan. 1850 Art. 29. 30, StGB. § 129; contra: GM. II, 156, Schw. s. 367 Note. 45..................AKO. v. 9. Okt. 1833, die Verhängung des Strafminimum bei freiwilligem Eingeständniß betr.: OT. 11. Mai 54 (GA. II, 542). 46.................. AKO. v. 20. Juni 1835, die Bestrafung eines Verbrechers betr., welcher wegen früherer Verbrechen bereits zu lebenslänglicher Freiheits strafe verurtheilt ist: OT. 8. Sept. 52 c. Hening (beil.).
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Einführungs-Geseh. §§ 3.4.
§ 3. Wenn in Landesgesetzen auf strafrechtliche Vor schriften, welche durch das Strafgesetzbuch für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] außer Kraft gesetzt sind, ver wiesen wird, so treten die entsprechenden Vorschriften des letz teren an die Stelle der ersteren. [I. Entw.: (fehlt); II. Entw. §3; EG. z. Pr. StGB.: Art. III]; vgl. R.-MilStGB. § 2.
§ 4♦ Bis zum Erlasse der in den Artikeln 61 und 68 der Verfassung des Norddeutschen Bundes [des Deutschen Reichs] vor47..................§45 des sanitätspoliz. Regul.'s v. 8. August 1835, wenigstens soweit die dortige Strafandrohung die wissentliche Verletzung der angeordneten Zsolirungsmaßregel betrifft: Rll. 13. Nov. 83 (E. IX, 366); vgl. StGB. § 327. 48.................. Ges. v. 8. Mai 1837 § 17. 28 (GS. s. 102), insoweit dasselbe die Aufstellung einer übermäßigen Brandentschädigunasforderung bei einer Ver sicherungsgesellschaft zum Gegenstände hat; siehe das Nähere bei § 263. 49. Das die Stellung unter Polizeiaufsicht betr. Gesetz v. 12. Febr. 1850 ist schon durch das Pr. StGB., und soweit es sich auf Kontrebanden u. Zoll defraudationen bezog, durch das die Materie erschöpfend regelnde DZollges. außer Kraft getreten; § 150 ib. verweist nur in Betreff der zu erkennenden Art der Freiheitsstrafe, und rücksichtlich der Folgen der Verurtheiluna auf die Landesgesetze: die Polizeiaufsicht war aber keine Folge der Verurtheilung, sondern eine im Urtheil auszusprechende Strafe; contra: Hartm. Strafgess. s. 825. 50. Ob § 2 n. 2 des Pr. Freizügigkeits-Ges.'s v. 31. Dez. 1842 durch die §§ 27. 28 des Pr., bezw. durch § 39 des D. StGB.'s ersetzt und außer Kraft getreten sei, ist streitig; es bejahen: Oppenhoff, Comm. z. Pr. StGB. (6. Ausg.), § 27 n. 10; Th. F. Öppenhoff, Ressortgess. s. 364; v. Rönne, Staatsrecht (4.Aufl.) II s. 65; contra: OVG. 25. Jan. 83, MVf. v. 14. Dez. 1860 (VMbl. 83 s. 59; 61 f. 11 ff.), Förstemann, Prinzipien des Pr. Polizeirechts s. 431. 51. Im Uebrigen vgl. StGB. Thl. II Abschn. XV n. 5. 6; § 172 n. 17; § 234 n. 13; § 246 n. 5; § 263 n. 72; § 284 n. 15; § 286 n. 3. 15; § 360 n. 46; § 361 n. 46; § 367 n. 26. 59a; §368 n. 5; § 369 n. 27.
§3. 1. Der Grundsatz dieses § gilt auch für ältere Bundes-Gesehe; ebenso: Rüd. n. 1, Heinze s. 87, Olsh. n. 5; contra: Rubo s. 199 n. 4. 2. Der Ausdruck „Landesgesetze" ist nicht auf Strafgesetze zu beschränken: er umfaßt auch Prozeß- und Civilgesehe; ebenso (in Betreff deö Pr. Ges.'s v. 22. Mai 1852): OT. 21. Sept., 5. Okt. 76 (O. XVII, 585. 643). 3. Die „Verweisung" braucht keine ausdrückliche zu sein, sie kann auch still schweigend geschehen: Rl. 13. Okt. 83 (E. IX, 137); der Gebrauch eines technischen Ausdrucks (z. B. „Verbrechen, Vergehen" im EG. z. Pr. StGB. Artt. XIII, XIV) genügt; contra: Rubo s. 198 n. 3. 4. Unter den „entsprechenden Vorschriften" sind diejenigen zu verstehen, welche nunmehr im StGB, die Materie regeln; keineswegs wird also vorausgesetzt, daß die einen bestimmter! Straffall betreffenden, neuen Vorschriften genau denselben Thatbestand wiedergeben; es genügt, wenn die neue Vorschrift an Stelle der älteren tritt und diese dadurch erseht. Insbesondere gehören dahin auch alle Erweiterungen, welche in Folge der geänderten Gesetzgebung die bisherige landesgesetzliche Vor schrift erfahren hat: OT. 10. Juni 79 (O. XX, 291). 5. Fehlt es an entsprechenden Vorschriften des D. StGB.'s, so ist die betr. Verweisung gegenstandslos geworden; es darf deshalb nicht etwa auf die außer Kraft gesetzten älteren Vorschriften zurückgegangen werden. 6. Im Uebrigen vgl. § 2 n. 2 und in Betreff des Rückfalls ib. n. 16.
§4. 1. Das im § 61 der Verfassung vorbehaltene R.-Mib-Geseh ist unter dem 2. Mai 1874 erlassen worden. Da aber dem § 68 ib. noch nicht genügt ist, so ist
Einführungs-Gesetz. § 4.
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behaltenen Bundesgesetze [Reichsgesetze] sind die in den §§ 81. 88. 90. 307. 311. 312. 315. 322. 323 und 324 des Strafgesetz buchs für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] mit lebenslänglichem Zuchthaus bedrohten Verbrechen mit dem Tode zu bestrafen, wenn sie in einem Theile des Bundesgebietes, welchen der Bundesfeldherr [der Kaiser] in Kriegszustand (Art. 68 der Verfassung) erklärt hat, oder während eines gegen den Nord deutschen Bund [gegen das Deutsche Reich] ausgebrochenen Krieges auf dem Kriegsschauplätze begangen werden. fl. Entw.: (fehlte); II. Entw.- § 4; EG. z. Pr. StGB, (fehlte)). Vgl. R.-Verfass. Artt. 61.68; Pr. (B.-) Ges. v.4. Juni 1851 (GS. s. 451); RGes. v. 16. Apr. 1871 §2; RGes. v. 22. April 1871 §7 Abs. 2; Mil.-StGB. §§ 9 n. 2. 57-59. 160. 161; Mil.-Ges. v. 2. Mai 1874. §4 zur Zeit noch in Kraft: Rubo s. 201 n. 2; contra (in Betreff der zweiten Alternative des §): Olsh. n. 3. 2. Der cit. Art. 68 lautet: „Der Kaiser kann, wenn die öffentliche Sicherheit in dem Bundesgebiete bedroht ist, einen jeden Theil desselben in Kriegszustand erklären. Bis zum Erlasse eines die Voraussetzungen, die Form der Verkündigung und die Wirkungen einer solchen Erklärung regelnden Reichsgesetzes gelten da für die Vorschriften des Preuß Gesetzes v. 4. Juni 1851." Der obige § 4 ist als eine der durch diesen Art. 68 vorbehalteuen bundesgesehlichen Bestimmungen aufzufassen; die dadurch herbeigeführte Modification des ge dachten Artikels konnte eben deshalb erfolgen, ohne daß es dazu der „Veränderung der Verfassung" nach Anleitung des Art. 78 derselben bedurft hätte. 3. Die Erklärung des Kriegszustandes in einem Theile des Bundesgebiets kann nur durch den Kaiser erfolgen. Das Staatsministerium und die Militärbe fehlshaber (vgl. cit. Ges. 0.4. Juni 1851 §§ 1. 2) sind dazu nicht befugt. Ebenso wenig kann die „Erklärung in Kriegszustand" durch eine „Erklärung in Belagerungs zustand" nach Anleitung des cit Ges.'s erseht werden; contra: eine Aeußerung des Bundes-Kommissars int RT.: Sten. Ber. s. 776b. 4. Der Kriegszustand kann nur im Falle eines Krieges oder int Falle eines Aufruhrs bei dringender Gefahr für die öffentliche Sicherheit erklärt werden: Ges. v. 4. Juni 1851 §§ 1. 2, auf welches Art. 68 der Reichsverfassung in Betreff der Voraussetzungen der Maßregel verweist; eine anderweitige „Bedrohung der öffentlichen Sicherheit int Bundesgebiet" reicht dazu nicht hin. Ebenso: Olsh. n. 6; contra: Rubo n. 4. 5. Hinsichtlich der Verkünd ung deS den Kriegszustand verhängenden Er lasses vgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 3. Diese besondere Verkündungsart (bei Trom melschlag ic.) wurde mit Rücksicht auf die eintretende außerordentliche Strafschärfung für nöthig erachtet, um die Maßregel sofort zur allgemeinen Kunde zu bringen; deshalb muß die Verkündung in jeder Einzelgemeinde vorgenommen werden (sonst hätte die Abweichung von der gewöhnlichen Verkündungsform eines Gesetzes keinen Sinn); contra: OT. 19. April 71 (O. XII, 215), Olsh. n. 7, Rubo s. 203 (welcher aber bei erwiesener Unkenntniß den § 59 anwenden will). 6. Ob der „Kriegsschauplatz" im In- oder Auslande liegt, macht keinen Unterschied, sobald nur nach allgemeinen Grundsätzen die citt. §§ des StGB.'s AnWendung finden; doch sind die Worte „auf dem Kriegsschlauplahe" oder „im Felde" nicht gleichbedeutend; vgl. R.-Mil.-StGB. §§ 9. 160. 161. 7. Die Todesstrafe greift nur da Platz, wo sonst auf lebenslängliches Zucht haus zu erkennen wäre. Insoweit daher die citt. §§ des StGB.'s die Verhängung anderer Strafen gestatten, behält es dabei auch in dem durch den § 4 vorgesehenen Falle sein Bewenden; jene anderen Strafen konkurriren dann elektiv mit der Todes strafe; ebenso: John i. HH. III, 58; contra: Otto s. 6, Rubo s. 213 n. 9, während letztere beim Vorhandensein „mildernder Umstände" ganz ausgeschloffen bleibt, wenn
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Einführungs-Geseh. § 5.
§ 5. In landesgesetzlichen Vorschriften über Materien, welche nicht Gegenstand des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] sind, darf nur Gefängniß bis zu zwei Jahren, Haft, Geldstrafe, Einziehung einzelner Gegenstände und die Entziehung öffentlicher Aemter angedroht werden. [I. Entw.: Art. IV; II. ©nt».: §5; EG. z. Pr. StGB.: (fehlte)).
Vgl. §6. 8.
einer der im § 4 cltt. §§ des StGB.'s für diesen Fall an Stelle der lebenslänglichen Zuchthausstrafe eine mildere Strafe seht. Hiernach ist § 8 des Pr. Ges/s v. 4. Juni 1851 durch den vorliegenden § 4 erseht und beseitigt; ebenso: Olsh. n. 8, Meyer n. 1; contra: OT. 10. Febr. 71 (O. XII, 89), Otto s. 7. 8. Dagegen bleibt § 9 des eit. Ges.'s für die dort vorgesehenen Fälle nach wid vor in Wirksamkeit. 9. In Betreff des „während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Krieges auf dem Kriegsschauplätze begangenen" Landesverraths (Kriegsverraths) sind die Vorschriften des § 4 des EG.'s sowie die der §§ 88—92 des StGB.'s durch die auf Ausländer und auf Deutsche bezüglichen §§ 160. 57—59 deS R.-Mil.StGB.'s ersetzt. 10. Mit dieser Einschränkung (n. 9) gilt §4 auch für Militärpersonen; vgl. Mil.-StGB. §§ 3. 56; contra: Rubo s. 206, in Betreff der Fälle des § 81, weil der cit. § 56 neben § 81 nicht auch des § 4 h. 1. gedenke; ebenso: Olsh. n. 4, welcher außerdem die Fälle der §§ 88. 90 ausnimmt. 11. Der §4 hat (gleich den Artt. 61. 88 der Verfassung) für Baiern keine Geltung; vgl. Schlußprotok. zum Staatsvertr. v. 23. Nov. 1870, III § 5 VI; der §7 Abs. 2 des R.-Ges.'s v. 22. April 1871 bestimmt in dieser Beziehung: „An Stelle der Vorschriften deS § 4 des Einführungsgesetzes hat es für Baiern bis auf Weiteres bei den einschlägigen Bestimmungen des Militärstrafrechts, sowie bei den sonstigen gesetzlichen Vorschriften über das Standrecht sein Bewenden."
§ 5. 1. Das Verbot dieses § bezieht sich nur auf zukünftige (d. h. nach dem Inkrafttreten des EG.'s zu erlassende) landesgesehliche Strafvorschriften; in Betreff der neben denr StGB, in Kraft verbliebenen älteren Gesetze enthält § 6 die maß gebende Bestimmung: BL. s. 42, Schütze, GA. XX, 359, Olsh. n. 2. 3; contra: HStR. I, 103, Heinze f. 87. 91 ff. 2. Die Landesgesetzgebung darf in Zukunft neue Strafvorschriften nur noch in Betreff solcher Materien erlassen, welche nicht Gegenstand des D. StGB.'s sind: sie darf also nicht einen in dem letzteren vorgesehenen Thatbestand in irgend einer besonderen Gestaltung zum Gegenstände abweichender (dem StGB, derogirender) Vorschriften machen; diese würden unverbindlich sein: Dresd. 4. März, 27. Sept. 72; vgl Münch. 13. Juni 73 (StZ. II, 33. 354). Letzteres erleidet (vorbehaltlich der Vorschrift des § 5) bezüglich der im § 2 Abs. 2 aufgezählten besonderen Materien eine Ausnahme: ebenso: OT. 5., 6. Juli 77 (O. XVIII, 504. 510); vgl. § 2 n. 7. 9. 13; Einl. Best. n. 3; Heinze, HH. II, 15; Schütze, GA. XX, 358. — Desgleichen konnten in Betreff des Konkurses der Nichtkaufleute (bis zum Erlasse eines die Materie regelnden Reichsgesehes: § 2 Abs. 3) neue landesgesetzliche Vorschriften er lassen werden, da das StGB, nur den Konkurs der Kaufleute behandelte: vgl. § 2 n. 11, Münch. 28. Dez. 72 (BE. II, 307); contra: Rubo s. 196. 3. „Haft" und „Geldstrafe" können nach den Maßbestimmungen des StGB.'s, jene nur im Hüchstbetrage von sechs Wochen, diese aber ohne Begrenzung angedroht werden; ebenso: Schw. s. 162, Rubo s. 220; contra: Staudingerjs. 9 n. 3, Olöh. n. 4. 4. In Betreff der „Einziehung einzelner Gegenstände" vgl. § 40 n. 5. 6. Die Verfallen-Erklärung des Aequivalents für Einziehungsobjekte (StGB. § 335) ist hier darunter nufit inbegriffen; vgl. übrigens RI. 7. Dez. 82 (E. VII, 311: Motive). Bezüglich des Werthersatzes im Sinne des Forstdiebst.- und FFP.-Ges.'s Vgl. § 6 n. 11. 5. Die Androhung der „Entziehung öffentlicher Aemter" darf sich nur auf solche Berufs-Stellungen beziehen, welche ein öffentliches Amt im Sinne des
EinführimgS-Geseh. § 6.
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§ 6. Vom 1. Januar 1871 [1872] ab darf nur auf die im Strafgesetzbuche für den Norddeutschen Bund [für das Deutsche Reich] enthaltenen Strafarten erkannt werden. StGB.'s darstelle»; vgl. §6 n. 6, StGB. §31 n. 6,ff. Diese „Entziehung öffentlicher Aemter" ist gleichbedeutend mit dem in den §§ 81. 83. 87—90 er wähnten , neben der Festungsstrafe fakulativ angedrohten „Verluste der bekleideten öffentlichen Aemter", welcher dort mit dem Verluste „der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte" verbunden ist. Auf diesen wird auch die oben erwähnte „Entziehung" auszudehnen sein, weil sonst (dem Grundsätze des § 6 des EG.'s zu wider) das Landesstrafgesetz eine Strafart (Entziehung des Amtes ohne gleichzeitige Entziehung der aus öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte) androhen würde, welche das StGB, in dieser Weise nicht kennt. 6. Den Verlust anderer Ehrenrechte kann ein Landesstrafgeseh nicht mehr androhen, insbesondere nicht die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter; — wohl aber die Suspension der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte während einer Untersuchung (sie ist keine Strafe): Heinze s. 106, Bind. HB. I, 326. 327. 7. Ebensowenig kann ein Landesgeseh eine Arbeitsstrafe androhen: dies erleidet nach Rüd. s. 88, Heinze s. 106 in Betreff der Forst- und Gemeinde-Arbeit (§ 6 Abs. 2) eine Ausnahme. Vgl. Pr. Forstdiebst.-Ges. v. 15. April 1878 § 14. 34. 8. Dasselbe soll nach Olsh. n. 4 hinsichtlich der Buße gelten, die zwar keine Strafe sei, immerhin aber „angedroht" werden müsse [?]; contra: Bind. 1. c. s. 326; vgl. auch Pr. FFP.-Ges. § 69. 9. Die Androhung einer nach § 5 unstatthaften Strafe würde unverbind lich sein: Reichsverfass. Art. 2; Motive v. 1870 s. 156. Inwiefern dann aus eine andere nach § 5 statthafte Strafe erkannt werden könne, ist nach dem zu tz 8 n. 7 entwickelten Grundsätze zu beurtheilen; vgl. Heinze s. 134 ff. 10. Auf Landes-Disciplin a r gesehe findet §5 keine Anwendung; vgl. § 2 n. 35, Rüd. s. 85, Staudinger s. 9 n. 6, Schw. s. 163; contra: Rubo n. 4.
§6. 1. Der § 6 nimmt Stellung, nicht blos, wie § 5, der Landes-, sondern auch der Bundes-, nicht blos der künftigen, sondern auch der bestehenden bezw. Gesetzgebung gegenüber, wenn davon abgesehen wird, daß er die künftige BnndesReichsgesehgebung selbstredend nicht beschränkt. 2. Auf Disciplinar st rasen findet der § keine Anwendung; contra: Rubo s. 149. 227. 3. Derselbe bezweckt eine Gleichförmigkeit in Betreff der zu verhängenden Strafarten für solche Straffälle herbeizuführen, welche nicht nach dem StGB., son dern nach anderen Gesetzen zu bestimmen sind; demgemäß bezog er sich auch auf die schon vor dem 1. Jan. 1871 (1872) anhängig gewordenen Fälle (ja sogar auf die damals schon in der Berufungsinstanz schwebenden): Darmst. 3. Apr. 71. 13. Febr. 72 (HE. s. 10. 18), John, StRZ. XI, 342; contra: v. Buri, GSaal 23 s. 161. HStR. I. 106. Dagegen wurde an den schon vor dem 1. Januar 1871 (1872) ergangenen, demnächst rechtskräftig gewordenen Straferkenntnissen Nichts ge ändert; diese waren so, wie sie lauteten, zu vollstrecken: Mot. s. 17. Ebenso ist es bei den mit solchen Verurteilungen verknüpften Folgen verblieben, selbst wenn das StGB, derartige Folgen an eine Verurtheilung nicht knüpft, noch als selbständige Strafen (Strafarten) kennt; vgl. OT. 16. Sept. 72, 20. Dez. 71 (O. XIII. 457; XII, 669), StA. 87 s. 14, und (speciell bezüglich der Wirkungen einer früher ver hängten Polizeiaufsicht): Jnn.-MJnstr. v. 12. April 1871 § 1 (JMbl. f—127). Contra: v. Bar, GA. XX. s. 78. — Vgl. aber für Preußen den Kgl. Gnaden-Erlaß v. 28. Febr. 1872 und die Jnn.-MVf. v. 9. März 1872 (VMbl. s. 80). 4. Der Landesgesetzgebung ist vorbehalten, die nebst dem StGB, in Kraft verbleibenden Landesstrafgesetze mit den Vorschriften des letzteren in Uebereinstim mung zu bringen (§ 8). Darüber, wie zu verfahren sei, wenn es an einer bezüg lichen gesetzlichen Vorschrift fehlt, vgl. § 8 n. 7. 8. 5. Bloße Abweichungen in der Terminologie sind bedeutungslos. Dem gemäß sind z. B. die als Ordnungsstrafen bezeichneten, für gewisse leichtere Straf-
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Einführungs-Gesetz. § 6.
Wenn in Landesgesetzen anstatt der Gefängniß- oder Geld strafe Forst- oder Gemeinde-Arbeit angedroht oder nachgelassen ist, so behält eS hierbei sein Bewenden. [I. ent».: Art. V: II. Ent».: § 6; EG. z. Pr. StGB.: Art. VIII—X], StGB. 9 2.
Vgl. §8:
fälle angedrohten Geldstrafen nicht um deswillen beseitigt, weil das StGB, jenen Ausdruck nicht kennt. Wohl aber verpflichtet der § den Richter, selbst bei Anwen dung älterer landesgesehlicher Strafvorschriften, an der Terminologie des StGB.'s festzuhalten, mithin nicht mehr auf „polizeiliches Gefängniß" (Pr. StGB. § 33), sondern auf „Haft", nicht mehr auf „Konfiskation" oder „Vernichtung", sondern auf „Einziehung" (h 40), bezw. „Unbrauchbarmachung einer Schrift" (tz 41), nicht mehr auf „Untersagung der Ausübung der bürgerlichen Ehrenrechte" (Pr. StGB. § 20), sondern auf den „Verlust" (die „Aberkennung") dieser Rechte (§§ 32. 33) zu er kennen: OT. 10. Mai 1871, Münch. 16. Febr. 77 (O. XII, 200; BE. VII, 65). Vgl. übrigens die RGess. v. 20. Juli 1881 (§ 5) und 16. Juli 1884 (§ 9). 6. Unter den im StGB, enthaltenen „Strafarten" sind nicht blos die in den §§ 13—42 des StGB.'s näher behandelten, sondern alle Strafarten zu verstehen, welche das StGB, überhaupt kennt, mithin auch die in Einzelfällen angedrohten; vgl. StGB. Thl. I. Abschn. 1. n. 2. Ebenso: HStR. I, 105; vgl. jedoch RI. 7. Dez. 82 (E. VII, 311: Motive). — Demgemäß gehört auch der Verlust der geneideten öffentlichen Aemter dahin; vgl. StGB. §§ 81 ff. und EG. §5; geistliche Aemter sind jedoch keine öffentlichen Aemter, weshalb auf Entziehung eines solchen nicht mehr erkannt werden darf; ein diese Strafe androhendes Landesgeseh würde unverbindlich sein: OT. 17. Juni 74 (O. XV, 422). — Ob die öffent liche Bekanntmachung einer Verurtheilung (StGB. §§ 165.200) als (Neben)-Strafe oder als bloße Privatgenugthnung aufzufassen sei, ist streitig; vgl. § 200 n. 2. Don der Beantwortung dieser Frage ist diejenige der anderen Frage abhängig, inwiefern ältere Vorschriften, welche jene Maßnahme als Theil der Bestrafung anordnen (z. B. Pr. Crim.-O. §§ 549. 574) noch Geltung besitzen. John, HH. III, 346 und Rubo s. 227 bejahen die letztere. Bemerkenswerth ist es, daß § 146 der Gew.-O. in seiner jetzigen, ihm durch die ©eff. v. 17. Juli 1878 und 1. Juli 1883 gegebenen Fassung jene früher unter Nr. 3 enthaltene Vorschrift nicht wiederholt. 7. Die „im StGB, enthaltenen Strafarten" dürfen nur in dem Sinne verhängt werden, wie sie das StGB, kennt, mit dem Vorbehalte jedoch, daß ältere Sondergesetze, welche in Betreff des zulässigen Höchst- oder Mindestbetrags der Strafe oder in Betreff der Strafumwandlung abweichende, den Charakter der Strafart nicht ändernde Bestimmungen treffen, zu Recht bestehen; vgl. Olsh. § 2 n. 12, Schw. n. 3; contra: Rubo s. 146. 8. Auf Vorschriften, welche nicht die Strafart selbst betreffen, sondern nur ihre Anwendung begrenzen, ist §6 nicht auszudehnen. Demgemäß kann auf Grund eines anzuwendenden besonderen oder älteren Gesetzes die Einziehung einzelner Gegenstände verhängt werden, selbst wenn sie nicht durch ein vorsätzliches Verbrechen oder Vergehen hervorgebracht, oder aur Begehung eines solchen gebraucht oder bestimmt waren und wenn sie weder dem Thäter noch auch einem Theilnehmer gehören (§ 40); auch das StGB, droht bei einzelnen Uebertretungen ohne jene Be schränkungen eme Einziehung an; vgl. ferner § 5. — Ebendeshalb kann aus einem nur Anwendung kommenden älteren Gesetze sogar wider Strafmündtge auf Verweis zrkannt werden: John, StRZ. XI, 344; contra: Rüd. s. 87, BL. s. 43. 9. Bloße Straffolgen, welche sich nicht selbst wieder als (öffentliche) Strafen charakterisiren, werden durch den § nicht ausgeschlossen. Demgemäß sind nicht etwa alle partikularrechtlichen Vorschriften (mögen sie dem Civil- oder betn öffentlichen Recht angehören), welche an eine erkannte Criminalstrafe den Verlust von Rechten z. B. der väterlichen Gewalt, der Lehnsfolge, des Adels, eines Wahl rechts, eines Pensionsanspruchs knüpfen, als aufgehoben zu erachten: RHI. Civilsen. 28. Mai 80 (Civil-E. II, 66); contra: Mandry, der civilrechtl. Inhalt der RGess. s. 86. Es ist vielmehr bei jeder einzelnen Vorschrift, welche eine solche, dem StGB, fremde Straffolge anordnet, zu prüfen, ob letztere vom Gesetzgeber gerade als Strafe
EinführungS-Gesetz.
§ 6.
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gewollt sei. Einen Anhaltspunkt für die Beantwortung dieser Frage bietet der Umstand, ob auf jene Folge eben vom Strafrichter zu erkennen ist, oder ob dieselbe sei es von Rechtswegen eintreten, sei es vom Civilrichter oder von einer nicht richterlichen Behörde angeordnet werden soll. Inzwischen ist dieser Umstand nach beiden Seiten hin nicht allein entscheidend und es geht namentlich OHG. 13. Sept. 78 (Entsch. dess. 24 s. 118) zu weit, insofern es allgemein ausspricht, daß jede Rechtsverwirkung, wenn sie als Folge einer Mißthat tm Wege des strafgerichtlichen Verfahrens und durch das Strafurtheil selbst auszusprechen sei, als Strafübel erscheine; vielmehr kommen außerdem der Zweck und Anlaß der Vorschrift, insbe sondere ob derselben strafrechtliche oder aber civilrechtliche bzw. polizeiliche Motive zu Grunde liegen, ihr Zusammenhang mit sonstigen Vorschriften des Gesetzes, die Stelle, welche sie in letzterem einnimmt, ob sie namentlich den Strafbestimmungen desselben eingereiht ist rc., in Betracht; vgl. OT. 22. Febr. 72 (O. XIII, 172), Olsh. n. 4, Bind. HB. I, 327. 10. Hiernach (n. 9) beurtheilte sich auch die früher höchst streitige Frage, ob die in einzelnen älteren Bundes- und in Landesgesetzen (z. B. im Brausteuerges. v. 4. Juli 1868 § 25, BBranntw.-St.-Ges. v. 8. Juli 1868 §. 53; — Pr. SteuerO. v. 8. Febr. 1819 §62), angedrohte Entziehung des Rechts zum Betriebe eines bestimmten Gewerbes, welche durch § 143 Abs.2 der Gew.-O. ausdrücklich für Steuervergehen beibehalten war, durch den § 6 beseitigt sei, wiewohl dies nach den Mot. f. 22. 111 nicht in der Absicht der Redaktions-Kommission lag; vgl. OA. 14. Sept. 72, 29. März 73 (O. XIII, 452; XIV, 238), Schütze, GA. XX, 360. Heinze s. 98, Kayser, H.H. IV, 54, Meves, StRZ. XI, 554; und auf der andern Seite OT. 28. April, 12. Mai, 7. Dez. 71, 26. Juni 73 (O. XII, 242. 266. 632; XIV, 462), Schw. s. 163. Inzwischen wohnt dem Ges. v. 1. Juli 1883, insofern dasselbe die Vorschrift des cit. § 143 Abs. 2 beibehält, wohl die Bedeutung einer authentischen Gesetzesinterpretation zu Gunsten der letzteren, d. h. der verneinenden Ansicht bei; vgl. auch die analogen Bestimmungen späterer Gesetze, insbes. der RGess. v. 21. Okt. 1878 (§ 23), 24. Juni 1887 (§ SO) und 9. Juli 1887 (§ 53). — Dagegen dürfte der Verlust des Anspruchs auf freien Salzbezug (BGes. v. 12. Okt. 1867 § 11) dem §6 zufolge nicht mehr eintreten; contra: Bind. HB. I, 328. 11. Civil-Entschädigungen, auf welche der Strafrichter zuerkennen hat, werden durch den § nicht berührt; vgl. n. 9. 12, z. B. der Werthersatz nach dem Pr. Forstdiebst.-Ges. § 9; vgl. Pr. FFP.-Ges. § 68, Berl. 17. Nov. 84 (Johow V, 331). Freilich kann die Erlegung des Werthersatzes unter Umständen den Charakter einer Entschädigung verleugnen, vielmehr eine Bereicherung des Eigenthümers zur Folge haben; gleichwohl erkannte RII. 24. April 85 (E. XII, 158) die Verbindlichkeit des Forstdiebst.-Ges.'s auch für solche Fülle an. — Dasselbe dürfte von Privatgenugthuungen (z. B. Abbitte. Ehrenerklärung, Widerruf, Schmer zensgeld rc.) gelten, welche in einem in Kraft verbliebenen Landesgesehe angedroht sind : Franke, GA. XX, 68; contra: John, StRZ. XI, 347, ML. s. 468 und (speziell in Betreff der Abbitte und Ehrenerklärung) Bind. HB. I, 305; vgl. § 188 n. 23. 12. Nach französischrechtlichem Verfahren war die Niederlegung eines ver botwidrig (z. B. mit Ueberschreitung der normirten Fluchtlinie oder zu nahe einem Staatswalde: Ord. v. Aug. 1669 Tit. 27 Art. 18; StRG. v. 22. brum XIV; Creuzn. Forst-Vdn. v. 21. Jan. 1815) errichteten Baues nicht als Strafe, sondern als Civtl-Entschüdigung (Herstellung des gesetzlichen Zustandes) anzusehen, welche der Strafrichter auf Antrag der Staatsanwaltschaft zu verfügen hatte; vgl. C. d’ instr. crim. art. 161, Gilb. b. 1. n. 30, 165, OT. 2. April 68. 7. Febr. 73 (O. IX, 253; XIV, 112). Auf denselben Art. 161 gründete OT. 4. Febr. 75 (O. XVI. 103) die Verpflichtung des Strafrichters, die Niederlegung eines verbotswidrig angelegten Strohdachs zu verordnen, obwohl die KO. v. 2. Juli 1836, insoweit sie diese Niederlegung als Nebenstrafe androht, unzweifelhaft durch § 6 außer Kraft getreten war. Da jedoch Art. 161 nicht mehr gilt und die StPO, eine ähnliche generelle Vorschrift nicht enthält, so können solche Maßregeln nur dann noch angeordnet werden, wenn dies in dem zur Anwendung kommenden Strafgesetze ausdrücklich und zwar zu obigem Zwecke (mithin nicht als Strafe) verfügt ist. Vgl. § 367 n. 88 und, anlangend die Errichtung von Feuerstellen bei Waldungen, FFP.-Ges.
§§47 ff.
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Einführungs'Gesetz. §. 7.
§ 7. Vom 1. Januar 1871 [1872] ab verjähren Zuwider handlungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung der Branntweinsteuer, der Biersteuer und der Postgefälle in drei Jahren. [I. II. Entw. (fehlte). Vgl. Reichsverf. Art. 35. 38.49; Tabackssteuerges. v. 16. Juli 1879 § 45; Wechselstempelges. v. 10. Juni 1869 § 17; DZollges. v. 1. Juli 1869 § 164; Ges. v. 1. Juli 1869 (die vom Zollgebiete ausgeschlossenen Hamb. Gebietstheile betr.) Art. 12; Braust.-Ges. v. 31. Mai'1872 §40; Spielkartenst.-Ges. v. 3. Juli 1878 § 20; Ges. betr. die Steuerfreiheit des Branntw.'s zu gewerbl. Zwecken, v. 19. Juli 1879 §4. Preußen: Vgl. Ges. v. 22. Mai 1852 Art. V (GS. s. 252); NEV. v. 25. Juni 1867 Art. XI; — Kgl. Erlaß v. 28. Febr. 1872 (GS. s. 259). 13. Die gesetzlich begründete Befugniß der Polizeibehörden, polizeiwidrige Anstalten und Zustände zu beseitigen und die Herstellung des gesetzlichen Zustandes herbeizuführen, ist selbstverständlich durch das StGB, nicht aufgehoben: Beisp.: Gew.-O. § 147 Abs. 3. Unter denselben Gesichtspunkt fällt die Befugniß der Polizeibehörde, die Fortsetzung eines ohne die erforderliche Genehmigung begonnenen Gewerbebetriebs zu hindern (ib. § 15), einem Unqualistcirten einen Gewerbebetrieb zu untersagen (ib. § 35) oder eine ertheilte Approbation rc. zum Gewerbebetriebe zurückzunehmen (ib. §§51. 54. 151), nicht minder die auf §8 der Pr. Ddn. v. 11. März 1850 beruhende Befugniß der Polizeibehörde, einen politischen Verein, welcher die ihm gezogenen Beschränkungen überschreitet, vorläufig zu schließen. Das Gleiche hat das Pr. OTr. wiederholt in Betreff der durch Straferkenntniß auszu sprechenden definitiven Schließung solcher Vereine angenommen (§ 16 1. c.); ebenso: RU. 18. Febr. 87 (E. XV, 305: die Schließung der Vereine sei lediglich eine polizeiliche Schutzmaßregel und die definitive Entscheidung über dieselbe nur aus Zweckmäßigkeitsgründen mit einem Strafverfahren in Verbindung gebracht). Vgl. FFP.'Ges. § 51. — Dagegen haben sich die Polizeibehörden bezüglich solcher Hand lungen (Unterlassungen), welche durch ein Strafgesetz mit Strafe bedroht sind, der Festsetzung von sog. Exekutivstrafen zu enthalten: Jnn.-MVf. 25. Nov. 1884 (VMbl. s. 262); vgl. auch OVG. 9. Apr. 79. 24. Juni 82 (Entsch. dess. V, 278; IX, 275). 14. Abs. 2 behält die in einzelnen Landesgesetzen statt der Gefängniß- oder Geldstrafe als Strafe angedrohte oder nachgelassene Forst- oder Gemeindearbeit bei. Unter „Gefängniß" ist hier die in den Einzelstaaten bisher bestehende ein fachere Form der Freiheitsstrafe, im Gegensatz zur geschärften, zu verstehen; es gehört daher „Gefängniß" und „Polizeigefängniß" im Sinne des Pr. StPB.'s („Haft": §18) hierher. — Außerdem dürfte die Forst- und Gemeindearbeit auch da, wo sie als Prinzipal-Strafe angedroht ist, beizubehalten sein. Vgl. §5 n. 7; § 18 n. 3. 15. Die s. g. „Handarbeitsstrafe" (Kgl. Sächs. StGB. Art. 23) ist künftig nur noch als Forst- oder Gemeinde-Arbeit statthaft: Otto s. 9.
§7. 1. Die dreijährige Frist gilt für die Strafverfolgung der betr. Zuwider handlungen. Für die Vollstreckung der erkannten Strafen ist mir, § 70 maßgebend. 2. Abgesehen von der hier bestimmten Dauer der Verjähru'ngszeit, kommen die allgemeinen Grundsätze, welche das StGB, in Betreff der Verjährung der Strafverfolgung (z. B. in Betreff der Unterbrechung derselben) aufstellt, auch bei den im § vorgesehenen Zuwiderhandlungen zur Anwendung; vgl. Einl. Bestst. n. 2. 3. Der § gilt für Zuwiderhandlungen jeder Art, einschließlich der Zuwider handlungen wider die die Entrichtung sichernden Vorschriften: OA. 15. Febr. 73 (O. XIV, 144) und aller nur mit einer s. g. Ordnungsstrafe bedrohten: OT. 1. Juli 75 (O. XVI, 504); letzteres ist ist jedoch in Betreff der Brau- und Branntweinverbrauchs-Steuer durch die R.-Gess. v. 31. Mai 1872 u. 24. Juni 1887 insofern geändert worden, als die Verfolgung der dort mit bloßen Ordnungsstrafen ver pönten Fülle gemäß § 40 bezw. §35 ib. in Einem Jahre verjährt; vgl. Rill. 4. März 86 (E. XIV, 15).
EinführungS-Geseh. §. 8.
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§ 8. Der Landesgesetzgebung bleibt vorbehalten, Uebergangsbestimmungen zu treffen, um die in Kraft bleibenden Lan desstrafgesetze mit den Vorschriften des Strafgesetzbuchs für den 4. Die Postgefälle und die übrigen der Reichsgesetzgebung unterliegenden Abgaben (zu welchen mit Ausschluß von Baiern, Würtemberg und Baden auch die Branntwein- und Biersteuer gehören) fließen in die Reichs lasse; vgl. Reichsverf. Artt. 35. 38. 49. Dasselbe gilt von dem Ertrage der Zölle, der Salz-, Tabaks und Rübenzucker st euer, des Wechsel- und Spielkartenstempels (Reichsverf. Artt. 35. 38; Ges. v. 10. Juni 1869 u. 3. Juli 1878). Gleichwohl ist § 7 auf die Zuwiderhandlungen gegen die diese Abgaben betreffenden Vorschriften nicht auszu dehnen. Kontrebanden und Zolldefraudationen (mit Einschluß derjenigen, welche wegen der unter 150 Mark bleibenden Höhe der verwirkten Geldstrafe nur Uebertretungen darstellen: RI. 7. Jan. 86, E. XIII, 223) verjähren nach dem DZollges. v. I. Juli 1869 § 164 und dem (Hamburger) BGes. v. 1. ej. Art. 12 ebenfalls in drei Jahren, bloße Ordnungswidrigkeiten in Zollangelegenheiten dagegen in Einem Jahre; in ähnlicher Weise und unter Normirung gleicher Verjährungsfristen unter scheiden die Tabaksst.- und Zuckerbesteuerungs-Gess. v. 16. Juli 1879 und 9. Juli 1887 zwischen Defraudationen rc. einer- und zwischen bloß mit Ordnungsstrafen bedrohten Zuwiderhandlungen andererseits; Wechselstempelhinterziehungen rc. verjähren nach § 17 des Ges. 's v. 10. Juni 1869 in fünf Jahren und es gilt dasselbe gemäß § 23 des Ges. 's v. l.Juli 1881, betr. die Erhebung der Reichsstempelabgaben, auch im Falle der Verwirkung bloßer Ordnungsstrafen: RF. 26. Aug. 85 (E. XII, 347). Das Salzst.-Ges. v. 12. Okt. 1867 enthält in Betreff der Verjährung keine beson deren Bestimmungen, es kommen daher hier die Vorschriften des 'StGB, 's zur Anwendung. Ein Gleiches ist der Fall in Betreff der Abgaben von Bier und Branntwein an die Gemeinden; so: Jena 9. Dez. 75 (StZ. VI, 90: weil der Gesetzgeber beim Erlasse des EG.'s nur solche Verbrauchssteuern dieser Art im Auge gehabt habe, welche nach Art. 38 der BVerfass. in die Bundeskafse fließen sollten). 5. Dagegen findet die Bestimmung des § 7 gemäß §4 des RGes. 's, betr. die Steuerfreiheit des Branntweins zu gewerblichen Zwecken, v. 19. Juli 1879 auf strafbare Handlungen im Sinne der §§. 2. 3 ib. Anwendung. 6. In Preußen verjähren nach dem Ges. v. 22. Mai 1852 Art. V und der NEB. Art. XI „Vergehungen und Uebertretungen, welche durch Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die Entrichtung der Steuern, Zölle, Postgefälle, Kommnnikationsabgaben und aller übrigen öffentlichen Abgaben und Gefälle begangen werden, in fünf Jahren;" diese Vorschriften sind gemäß §2 h. I., soweit nicht ein neueres Gesetz (insbesondere § 7) zutrifft, in Kraft verblieben: Ri. 4. Juni 83 (E. VIII, 390), OA. 7. Juni 71, OT. 16. Mai 79 (O. XII, 313; XX, 268).
§ 8. 1. Da in Zukunft nach § 6 auf andere als die im StGB, enthaltenen Straf arten nicht mehr erkannt werden darf, so wird in allen Fällen, wo ans einem älteren Landesgesehe auf eine im StGB, nicht enthaltene Strafart zu erkennen wäre, die gesetzliche Regelung nöthig, welche Strafart jetzt an die Stelle der unzulässig ge wordenen treten soll. Diese Regelung ist der Landesgesehgebung überlasten worden; dagegen versteht es sich von selbst, daß die etwa erforderliche Abänderung eines Bundes-Gesehes nur im Wege der Reichsgesehgebung ergehen kann. 2. Die Landesgesetzgebung hat diese Aufgabe (n. 1) nicht blos in Betreff der „in Kraft bleibenden Landesstrafgesetze", sondern auch in Betreff der durch das StGB, außer Kraft gesetzten, insoweit letztere noch auf ältere Straffälle Anwendung finden; es bedurfte indessen keines desfallsigen Vorbehalts, da die Reichsgesetzgebung durch eine derartige Aenderung nicht berührt wird. 3. Bei Erörterung der Frage, ob ein älteres Gesetz eine imStGB.Bncht ent haltene Strafart androhe, ist die in jenem Gesetze der Strafe beigelegte Bezeichnung (der Name) nicht entscheidend; es kommt vielmehr lediglich darauf an, ob sie ihrem Wesen nach einer Strafart des StGB.'s entspricht; vgl. § 6 n. 5. 4. Bei der vorzunehmenden Abänderung der in besonderen Gesehen an-
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EinführungS-Gesetz. §. 8.
Norddeutschen Bund [für. das Deutsche Reich] in Ueberein stimmung zu bringen. [I. Entw. (fehlte); n. Entw.: § 7; EG. z. Pr. StGB, (fehlte)^. gedrohten Strafarten ist tz 5 als maßgebend anzusehen; eS dürfen also für die Zu kunft nur die dort aufgezählten Strafen bestimmt werden; contra: Olsh. n. 1. DieS ist aber nicht auf solche Vorschriften auszudehnen, welche die wegen älterer Straffälle nach einem jetzt durch das StGB, außer Kraft gesetzten Gesetze zu ver hängenden Strafen regeln, da es sich hierbei um solche Materien handelt, welche Gegenstand des StGB.'s geworden sind; vgl. Heinze f. 92. 5. Die LandesgesehAebung darf ein Rerchsgesetz, z. B. das StGB, selbst, eben sowenig erläutern, rote abändern; (eine solche Erläuterung führte dahin, daß das Reichsgesetz in den verschiedenen Bundesstaaten verschieden anzuwenden wäre); derartige Vorschriften würden unverbindlich fein; § 5 n. 8. — Dies gilt selbst da, wo das StGB, durch die fakultative Fassung einer Strafvorschrift dem RichterAmte ein Ermessen übertragen hat; auch dieses kann durch landesgesetzliche Vor schriften nicht beschränkt werden. Das Gegentheil dürfte da anzunehmen sein, wo einzelne Maßnahmen in das Ermessen einer verwaltenden Behörde (z. B. der Staats anwaltschaft) gestellt sind; Beisp.: §§ 15. 16. 22; vgl. Heinze f. 49; id. HH. II, 9. 6. Eine Uebersicht der auf Grund des § in den einzelnen Bundesstaaten ergangenen Ausführungsgesetze (Verordnungen rc.) geben Rüd. s. 67 ff. und Kaiser, HH. IV, 3 ff., eine Kritik derselben giebt Heinze's Schrift. 7. Fehlt es an maßgebenden Übergangsbestimmungen, so sind solche Straf androhungen, welche eine im StGB, gänzlich beseitigte Strafart betreffen, als auf gehoben anzusehen; vgl. § 6 n. 7 ff. In Betreff solcher Strafarten aber, welche in veränderter Art in das StGB, übergegangen sind, ist nach dem unter n. 2 auf gestellten Grundsätze zu verfahren. Ergiebt sich hierbei, daß eine Strafart zwar nicht in derselben, wohl aber in einer müderen Form im StGB, vorkommt, so ist anzunehmen, daß diese jetzt an Stelle der früher angedrohten strengeren Form ge treten sei: Darmst. 3. Apr. 71 (HE. s. 18). 8. Der unter n. 7 (in.) gedachte Fall trifft nur noch für Preußen nebst Lauenburg und Waldeck zu. Hier ist es also Aufgabe der Rechtsprechung, nach Maßgabe des dort Gesagten obige „Uebereinstimmung" herbeizuführen. Zu dem Behufe muß speziell in Preußen zwischen den Gesetzen, welche vor, und denen, welche nach Verkündung des Pr. StGB.'s erlassen wurden, unterschieden werden. Letztere beruhen sämmtlich auf dem Strafensystem des Pr. StGB.'s, welches mit demjenigen des D. StGB.'s im Wesentlichen übereinstimmt. Demgemäß ist anzunehmen, daß an Stelle der dort angedrohten Strafen die gleichnamigen, bezw. entsprechenden deS D. StGB.'s, so an Stelle der Einschließung: zeitige Festungshaft, an Stelle der Gefängnißstrafe bis zur gesetzlichen Maximaldaner von sechs Wochen: Haft rc. (§ 6 n. 13) getreten find, und zwar durchweg mit allen in den §§ 14ff. angegebenen Besonderheiten. Vgl. ZMVf. v. 28. Dez. 1870 (ZMbl. s. 380), RIV. 27. Nov. 85 (E. XIII, 93). Bei denjenigen Gesetzen dagegen, welche vor Verkündung des Pr. StGB.'s erlassen wurden, muß zunächst, mit Hülse der einschlägigen Vorschriften der Einführungsgesetze (EG. v. 14. April 1851 Art. VIII—X, EVdn. v. 12. Dez. 1866 Art. VI, NEB. Art. VIII—X), untersucht werden, welche Strafen unter der Herrschaft des Pr. StGB.'s zu verhängen gewesen wären, und es find diese Strafen alsdann in die entsprechenden des D. StGB.'s umzuwandeln. Im Uebr. vgl. StGB. § 1 n. 10.
Strafgesetzbuch für
das Deutsche Reich (in der Fassung des Reichsgesetzes vom 26. Febr. 1876, RGbl. s. 25).
Strafgesetzbuch.
Vgl. B.-Rechtshülfe-Ges. v. 21. Juni 1869 (BGbl. s. 305, ein geführt in die süddeutschen Staaten durch die vereinbarte Bundesverfassung Art. 80 I Nr. 19, die Staatsvertr. mit Würtemberg u. Bayern v. 25. bzw. 23. Nov. 1870 und die RGess.. v. 16. und 22. April 1871, in Elsaß-Loth ringen durch Ges. v. 11. Dez. 1871); GVG. §§. 157 ff. — R.-Brausteuerges. v. 31. Mai 1872 § 42 (ib. s. 166). 1. Das RGes. v. 15. Mai 1871 hatte dem am 31. Mai 1870 verkündeten „Straf gesetzbuch für den Norddeutschen Bund" unter der Bezeichnung „Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich" vom 1. Jan. 1872 ab eine neue, dem Gesetze vom 16. April 1871 §2 Abs. 2 entsprechende Fassung gegeben. An Stelle der letzteren ist die hier abgedruckte Fassung getreten, und zwar auf Grund des RGes.'s v. 26. Febr. 1876 (der s. g. Novelle zum StGB.), welches nicht allein eine Reihe von htz ab änderte, sondern auch mehrere ganz neue §§ dem StGB, hinzufügte. Seit dem Erlaffe dieses Gesetzes sind die §§ 281—283 des StGB.'s durch die KO. außer Kraft gesetzt und durch (erweiternde) Vorschriften der KO. selbst ersetzt worden, wogegen das Wucher-Ges. v. 24. Mai 1880 dem StGB, mehrere neue §§ einge reiht und einer einzelnen Bestimmung deffelben (§. 360 n. 12) durch veränderte Fassung einen umfassenderen Inhalt gegeben hat. 2. Das StGB, ist als ein für sich bestehendes Gesetz für das ganze Reich er gangen. Es sollte dadurch Einheit deö Strafrechts und eine gleichmäßige Anwendung desselben für alle dem Reiche angehörenden Staaten erzielt werden. Demgemäß dürfen die Bestimmungen deffelben nicht mit Rücksicht auf die sonstigen in den einzelnen Staaten geltenden Gesetzgebungen, sondern nur aus der Reichsgesehgebung erläutert werden; wo diese keine Anhaltspunkte für die Auslegung an die Hand giebt, darf nur auf die allgemeine Rechtslehre zurückgegangen werden. Im Uebrigen muß der Sprachgebrauch entscheiden. 3. Das unter n. 2 Gesagte erleidet da eine Ausnahme, wo der Thatbestand eines Straffalls durch das Bestehen eines bestimmten civilrechtlichen Verhält nisses oder durch das Vorhandensein einer civilrechtlichen Bestimmung (z. B. über eine Berechtigung) bedingt ist. Es versteht sich von selbst, daß in einem sol chen Falle die betr. civilrecktlichen Vorschriften zu berücksichtigen sind. 4. Das Reichsgebiet ist, soweit es sich um die Anwendung und Handhabung eines Reichsgesetzes handelt, ein einheitliches Ganzes (§ 8); es ist sonach in der gedachten Beziehung in jedem Bundes-Staate das Gebiet eines jeden andem Bundes-Staates als Inland, und der Angehörige jedes andern Bundes-Staates als Inländer anzusehen. Demgemäß kann jeder Deutsche wegen einer durch ein Reichsgesetz vorgesehenen Mißthat in jedem andem Bundesstaate verfolgt und be straft werden, sobald dort nach den maßgebenden Strafprozeßgesehen ein Gerichts stand begründet ist: Münch. 24..Jan. 74, Stuttg. 17. Dez. 75 (StZ. IH, 266; Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. AuSg.
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Einleitende Bestimmungen.
Einleitende Lestimmungen*). WGbl. XI. 387), Rüd. s. 110, Heinze, HH. II, 18, v. Bar und Spinola, GA. XVIII, 89; XX, 322, Schütze s. 55 n. 1; contra: Schwarze und Franke. GA. XXI, 64. 72. Dagegen gilt der obige Grundsatz nicht, insoweit es sich um die An wendung eines Landesgesetzes handelt. Zn dieser Beziehung steht jeder Bundes staat selbständig da, und jedem andern als Ausland gegenüber; vergl. § 8 n. 7. 8. Letzteres trifft nicht blos bei den landesgesetzlichen Vorschriften des materiellen, sondern auch bei denjenigen des formellen Strafrechts zu, und hatte, so lange in den einzelnen Bundesstaaten noch besondere Strafprozeßgesetze galten, gerade in Betreff dieser eine arotze praktische Bedeutung, indem das BGes. über die gegen seitig zu leistende Rechtshülfe vom 21. Juni 1869 im § 39 nur den allgemeinen Satz aufstellte, daß „bei Anwendung der Civil- und Strafprozeßgesetze, welche Vor schriften zum Nachtheile der Ausländer enthalten", jeder Deutsche als Inländer anzusehen sei, und im § 35 die Verfolgung einer wegen derselben That schon in einem andern Bundesstaate zur Untersuchung gezogenen Person nur dann für un statthaft erklärte, wenn die That im Gebiete jenes Staates begangen und die Ver pflichtung zur Auslieferung durch die §§ 24 bis 26 ib. nicht ausgeschlossen war. Von diesem Falle abgesehen stand ein in dem einen Staate ergangenes Urtheil und seine Vollstreckung einer abermaligen Verfolgung (derselben Person wegen der selben That) in einem andern Staat nur dann entgegen, wenn jenes in dem letz teren in Gemäßheit ber §§ 21 ff. 33 1. c. wirksam werden konnte; vgl. Endemann: die Rechtshülfe rc. rc. (Berlin 1869) f. 128; contra: Puch. 18. Seit dem Inkraft treten der R.-Justizgesetze ist jedoch in dieser Hinsicht eine vollständige Aenderung eingetreten, indem nunmehr auch in Bezug auf das durch die StPO, geregelte Strafverfahren ganz Deutschland als Inland gilt, die Entscheidungen eines deut schen Gerichts mithin durch ganz Deutschland vollstreckbar fiiib und die Wirkungen der bei einem Gerichte eingetretenen Rechtshängigkeit oder rechtskräftigen Entschei dung vor jedem anderen Gerichte geltend gemacht werden können rc. rc. Die be treffenden Bestimmungen des Rechtshülfe-Ges.'s kommen daher jetzt nicht mehr zur Anwendung, ausgenommen bezüglich solcher strafrechtlichen Vorschriften eines Bun desstaats, bei welchen das in der StPO, geregelte Strafverfahren nicht Platz greift; vgl. Mot. z. GVG. In Betreff letzterer Ausnahmen unterliegt es übrigens keinem Bedenken, daß die Vorschriften, nach welchen eine im Auslande ergangene Aburthei- ? lung (Strafvollstreckung rc.) einer abermaligen Verfolgung im Jnlande entgegen steht oder mindestens bei der abermaligen Aburtheilung zu berücksichtigen ist (vgl. § 4 n. 3, §§ 5. 6), auch im Verhältniß verschiedener Bundesstaaten unter sich An wendung finden; vgl. § 4 n. 35, §5 n. 4. 5. Insoweit das StGB, die Verfolgung einer im Auslande begangenen That nach inländischen Gesetzen gestattet (§§. 4. 5), kann diese Verfolgung bei jedem inländischen Gericht eintreten, wo nach den maßgebenden Prozeßgesetzen ein Ge richtsstand begründet ist. Vgl. §4 n. 13. In Betreff der Kollisionsfälle findet auch hier das unter n. 4 Gesagte Anwendung. 6. Die Landesgesetzgebung kann das StGB, weder abändern noch erläu tern; vgl. EG. §. 8 n. 5.
*) Einleitende Bestimmungen. 1. In Ermangelung besonderer Vorschriften haben die in den „Einleitenden Bestimmungen" und im Ersten Theil des StGB.'s gegebenen allgemeinen Grundsätze auch für die durch (ältere oder neuere Reichs- oder Landes-) Gesetze geregelten Materien Geltung; vgl. EG. § 2 n. 2. 2. Dagegen sind unzweifelhaft mit einem nicht aufgehobenen besonderen Ge setze auch die in demselben enthaltenen oder zu seiner Ergänzung ergangenen auf die allgemeinen Rechtsgrundsätze bezüglichen Sonder-Bestimmungen in Kraft verblieben, — vorausgesetzt, daß jene Bestimmungen auch früher schon eine Beson derheit für die betr. Materie und nicht etwa nur die Anwendung eines damals all gemein geltenden, hier nur wiederholten, im StGB, aber abgeänderten Satzes dar stellten: OA. 7. Juni 71, OT. 29. Mai 77 (O. XII, 313; XVIII, 347), Dresd. 4. April 74 (SGZ. XVIII, 216). Auch solche in Geltung verbliebene Specialbe-
Einleitende Bestimmungen.
§ 1.
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§ 1. Eine mit dem Tode, mit Zuchthaus, oder mit Festungs haft von mehr als fünf Jahren bedrohte Handlung ist ein Ver brechen. Eine mit Festungshaft bis zu fünf Jahren, mit Gefängniß oder mit Geldstrafe von mehr als einhundertfunfzig Mark be drohte Handlung ist ein Vergehen. stimmungen sind aber, soweit sie die betr. Lehre nicht erschöpfend behandeln, aus den allgemeinen Vorschriften des StGB.'s zu ergänzen. Enthält daher z. B. ein Specialgeseh für die behandelten Materien Bestimmungen über die Verjährung, so ist die Unterbrechung rc. derselben nach dem StGB, zu beurtheilen, insofern nicht auch sie im Specialgeseh ausdrücklich eine besondere Regelung erfahren hat: OT. 22. Febr. 55 (RA. 50. II. 79); eit. OT. 29. Mai 77. Vgl. §. 68 n. 1. 4L 3. Den einzelnen Bundesstaaten ist es unbenommen, bei dem Erlasse besonderer Strafgesehe in Betreff solcher Materien, auf welche sich das StGB, nicht bezieht, für diese auch rücksichtlich der allgemeinen Rechtsgrundsähe der einleitenden Bestimmungen und des Thl. I abweichende Vorschriften zu erlassen, unbeschadet der in §§ 5. 6 des EG.'s enthaltenen Beschränkungen; vgl. EG. § 5 n. 2.
§i. 1. Es wäre zu wünschen gewesen, daß das StGB, einen technischen Ausdruck für eine „mit Strafe bedrohte Handlung" im Allgemeinen festgestellt hätte. Der Verfasser hat sich gelegentlich in diesem Sinne der Ausdrücke „Straffall" (vgl. EG. z. Pr. StGB. Art. VI. XXIII; Pr. NStPO. §§ 52. 55. 57. 58. 66. 346. 356), oder (nach dem Vorbilde der Carolina) „Mißthat" bedient. 2. Die Klassifizirung einer Mißthat richtet sich stets nach dem höchsten Maße der in abstracto zulässigen, nicht nach der im Einzelsalle zu verhängenden Hauptstrafe: Motive s. 15. Dabei sind auch die im Gesetz speziell hervorgehobenen, zum einfachen Thatbestände hinzutretenden, die Strafe erhöhenden thatsächlichen Momente („erschwerende Umstände", Rückfall) zu berücksichtigen, — contra (in Be treff des Rückfalls, der Gewerb- oder Gewohnheitsmäßigkeit): Schütze s. 209, — nicht aber solche Umstände, welche den Thatbestand selbst bestehen lassen und ledig lich aus individuellen, der Person des Thäters angehörenden Gründen eine Mil derung der ordentlichen Strafe zur Folge haben z. Ä. Reiz (§. 213), oder die vom Gesetz berücksichtigten „mildernden Umstände": RIV. 28. Sept. 86 (R. VIII, 571), Puch. n. 6, Rüd. n. 2, Otto n. 2, Heinze, HH. II, 516, Schütze s. 85. 209; con tra: Schaper, HH. II, 101, Voitus, GSaal 26 s. 516; letztere bleiben sonach auch bei Beantwortung der Frage, welche Verjährungsfrist maßgebend sei (§. 67), außer Betracht: RI. 22. Nov. 80 (E. III, 52), Bind. HB. I, 846; vgl. OT. 10. Zan. 61 (O. I, 199); contra: Schw. s. 259. Ebenso ist auf sie bei Regelung der Zustän digkeit keine Rücksicht zu nehmen, da erst der im Allgemeinen zuständige erkennende Richter das Vorhandensein jener Voraussetzungen feststellen kann: Münch. 17. Dez. 79 (BE. I, 86), Löwe s. 177; vgl. Rl. 25. Zan. 83 (E. VIII, 177: betr. einen Fall des § 157 n. 1). 3. Auch die Jugend (Strafunmündigkeit) behandelt das StGB, als indi viduellen Strafmilderungsgrund; die That behält somit den ihr nach der Höhe der angedrohten ordentlichen Strafe beiwohnenden Charakter: sie bleibt ein Verbrechen (Vergehen), und die für diese vorgeschriebene Verjährungsfrist maßgebend, selbst wenn wegen jenes Milderungsgrundes die Strafe die in den Abss. 1, 2 erwähnte Höhe nicht erreichen kann; vgl. § 57 n. 4 (: „ist die Handlung ein Vergehen rc., so kann auf Verweis erkannt werden"), RI. 22. Nov. 80 (eit. n. 2), Münch. 17. Febr. 72 (BE. II, 35), Rüd. n. 2, Löwe s. 177; contra: Wolfenb. 14. Juli 74 (Br. Z. 21 s. 116), Schw. s. 288. Doch sind nach § 73 des GVG. 's für die Verbrechen relativ Strafunmündiger die Strafkammern als erkennende Gerichte zu ständig; vgl. §. 56 n. 10. 4. Die neben der Hauptstrafe Platz greifenden Nebenstrafen (vgl. Thl. I Abschn. 1 n. 2), z. B. die Einziehung oder der an die Stelle derselben tretende Werthersatz, sind für die Charakterisirung der Mißthat ohne Einfluß: OT. 30. Apr.
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Einleitende Bestimmungen.
§ 1.
Eine mit Hast oder mit Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark bedrohte Handlung ist eine Uebertretung. [I. n. Entw.: § I; Pr. StGB.: § 1], Vgl. EL. EG. Art. XI; Mil.-StGB. § 1. Preußen: Vgl. EG- z. Pr. StGB. Art. VIII-X. XHI-XV. 73, OA. 20. Sept. 73 (O. XIV, 315. 565). — Ueber das Verhältniß der solche Strafen anordnenden bezw. gestattenden Nebenbestimmungen zu §§ 205. 264 der StPO. vgl. Rl. 20. Okt. 81 (E. V, 137). 5. Die mit Geldstrafe von mehr als 150 Mark bedrohte That ist ein Ver gehen, selbst wenn die ev. zu substituirende Freiheitsstrafe nur in Haft besteht (Beisp.: Gew.-O. § 147): OT. 6. Mai 74, 13. Nov. 78 (O. XV, 283: XIX, 529), oder wenn die einheitliche Gesammtstrafe sich aus verschiedenen Faktoren zu sammensetzt, deren jeder 150 Mack nicht übersteigt: OA. 7. Mürz 74 (ib. XV, 134). Letzteres gilt jedoch nur vorbehaltlich des unter n. 14 Gesagten. 6. Droht das Gesetz verschiedene Strafarten, sei es alternativ, sei es kumulativ, an, so ist die schwerere Strafack für die Klassifizirung maßgebend; eine Mißthat ist sonach auch dann ein Vergehen, wenn wahlweise neben der Gefängnißstrafe Haft angedroht ist (vgl. §. 185.186), dagegen eine Uebertretung, wenn sie außer der Haft noch eine 150 Mark nicht übersteigende Geldstrafe nach sich zieht; vgl. OT. 4. Okt. 66 (O. VII, 506). 7. Auch der strafbare Versuch einer Mißthat, sowie die Anstiftung und die Beihülfe zu einer solchen sind mit Rücksicht auf die für sie angedrohten Strafen nach Anleitung des h 1 zu klassifiziren. Wäre daher die vollendete That im höchsten Maße nur mit einjähriger Zuchthausstrafe bedroht, so wäre der Versuch derselben (nach § 44 Abs. 1 und 4) ein Vergehen (das StGB, kennt aber solche Fälle nicht). 8. „Handlung" umfaßt hier auch die strafbare Unterlassung einer durch eine Pflicht gebotenen Handlung: Mot. s. 16. Dahin gehören nicht bloß die s. g. Omissivdelikte (im engeren Sinne und im Gegensatze zu den f. g. Commissivdelikten), d. h. die vom Gesetze unmittelbar mit Strafe bedrohten, sondern auch solche Unterlassungen, welche die Verletzung einer, sei es speziell im Gesetz begründeten, sei es durch Vertrag oder sonstige Willensakte freiwillig übernommenen Verpflich tung zum Handeln enthalten, falls durch sie ein rechtsverlehender, den objektiven Thatbestand einer Strafthat darstellender Erfolg herbeigeführt wird; vgl. RI. 14. Febr. 84 (E. X, 100). 9. Die Einteilung des § ist eine alle Straffälle umfassende. Sie bezieht sich daher auch auf die durch besondere Reichs- oder Landesstrafgesetze vorgesehenen; vgl. Els.-Lothr. EG. Art. XI, EG. z. Pr. StGB. Art. VIII. Eine Ausnahme be gründet das Bayer. Ausführungs-Ges. zur StPO. v. 18. Aug. 1879 insofern, als dasselbe im Ack. 5 solchen Handlungen, welche durch Landesgeseh mit höheren als den im § 1 Abs. 3 und § 18 des StGB.'s angeführten Strafen bedroht sind, die Eigenschaft einer Uebertretung dann vorbehält, wenn sie diese Eigenschaft vor dem Inkrafttreten des StGB.'s (d. h. hiervor dem 1. Zan. 1872) an sich getragen haben; diese Ausnahme trifft jedoch nicht zu bei Zuwiderhandlungen gegen das Bayer. Ges. v. 10. März 1879 (Ges. rc-Bl. s. 143) als (angebliche) Novelle zum Bayer. Gewerbesteuer-Ges. v. 1. Juli 1856: RI. 28. Zuni 86 (E. XIV, 247). 10. Enthält ein neben dem StGB, in Kraft verbliebenes Landesgesetz die Androhung einer sechs Wochen nicht übersteigenden Freiheitsstrafe, so ist die That als Vergehen oder als Uebertretung anzusehen, je nachdem die Strafe jetzt als Ge fängniß oder als Haft zu vollstrecken sein wird. — Zn Preußen sind alle solche Mißthaten Uebertretungen. Dies gilt namentlich auch da, wo mit einer solchen Freiheitsstrafe kumulativ Geldbuße bis zu 150 Mark, oder wo alternativ neben einer 150 Mark nicht übersteigenden Geldstrafe verhältnißmäßiges Gefängniß ange droht wird; an dessen Stelle tritt daher jetzt Haft: EG. z. Pr. StGB. Art. VIII, OT. 5. Mai 74 (O. XV, 278). Aehnliches gilt. wenn die Strafe in vor Erlaß des Pr. StGB.'s ergangenen Gesetzen als „willkürliche", „nachdrüÄiche", „verhältnißmäßige", „angemessene" bezeichnet wird: eit. Ack. VIII, KBII. s. 13, EDdn. v. 12. Dez. 1866 Ack. VI, NEV. Ack. VIII; vgl. aber ZMVf. v. 7. Febr. 1815 (v. K. Jahrb. 5 s. 32), oder wenn sie als eine sog. „fiskalische" Strafe ohne nähere Be stimmung des Betrags qualifizirt ist; vgl. Antr. d. GStA.'s (O. VIII, 363);
Einleitende Bestimmungen.
§ 2.
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§ 2 Eine Handlung kann nur dann mit einer Strafe belegt werden, wenn diese Strafe gesetzlich bestimmt war, bevor die Handlung begangen wurde. contra: OT. (Pl.) 8. Juli 72, OT. 6. März 73 (O. XIII, 399; XIV, 194); in allen derartigen Fällen war nach § 333 des Pr. StGB.'s die statthafte Strafe „polizeiliche Gefängnißstrafe" (bis zu sechs Wochen) oder Geldstrafe bis zu 150 Mark. Ueberläßt ein solches älteres Spezialgeseh die Strafe nach Art und Maß dem richterlichen Ermessen, so war im Gebiete des ALR.'s das Maß des § 35, II, 20 ib. (polizeiliches Gefängniß bis zu 6 Wochen oder Geldstrafe bis zu 150 Mark) innezuhalten; im Gebiete des gemeinen Rechts entschied die Praxis; für den Bezirk des OLG.'s Köln bestimmt das Ress.-Regel. § 33 das Strafmaß auf Geldbuße von 3 bis 15 Mark; vgl. Thl. II. Abschn. 29 n. 69 und EG. § 8 n. 8. 11. Richtet sich die Höhe des Strafmaßes nach dem jedesmaligen Objekte des Einzelfalles (wie bei Zoll- und Steuerhinterziehungen), so ist für die Qualifizirung der That als Uebertretung oder Vergehen nicht die unbestimmte Strafe, mit welcher die Handlung im Allgemeinen belegt werden kann, sondern die im konkreten Falle verwirkte Strafe maßgebend; übersteigt diese nicht das Maß einer Geldstrafe von 150 Mark, so ist die Handlung eine Uebertretung und sowohl materiell recht lich wie auch prozessualisch als solche zu behandeln (unbeschadet der Vorschrift des Pr. Ges.'s v. 22. Mai 1852 Art. V): Rll. 11. März 81, Ri. 26. Sept. 81 (E. III, 430; V, 23), OT. 12. Febr., 30. Apr. 73. 6. Dez. 76 (O. XIV, 130. 315; XVII, 793); vgl. RGes.. v. 24. Juni 1887 (RGbl. s. 253) § 22, Löwe f. 178. 41; contra: Bind. GR. s. 157. — Liegt ein Rückfall vor, so ist die Rückfallsstrafe entscheidend. Dagegen bleibt der einzuziehende Gegenstand bezw. der an seine Stelle tretende Werthersah außer Berücksichtigung: dt. OT. 30. April 73. — Vgl. n. 14. 12. Dieselben Grundsätze sind maßgebend, wenn sich die Strafe nach der Höhe des Schadens bezw. Schadenersatzes richtet; hier muß also der verfolgende Staatsanwalt zur Begründung der Zuständigkeit eine Schätzung vornehmen, vor behaltlich der demnächstigen Feststellung und eventuellen Jnkompetenzerklärung durch das befaßte Gericht: Rej. 24. drum. VIII (SN. 1. I. 273); contra: Cass. 4. drum. XIII, 4. avr. 23 (ib. 2. I. 12; 7. I. 219) und Gilb. C. d’instr. art. 137 n. 6 (er achten unbedingt das höhere Gericht für zuständig). Vgl. GVG. §. 27 n. 4—8, StPO. §§ 200. 207, Löwe s. 42. 13. Treffen mehrere Straffälle realiter zusammen (§§ 74. 75. 77. 78), so ändert der Umstand, daß in der Regel wegen aller zusammen auf eine Gesammtstrafe zu erkennen ist, nichts an dem Charakter der Emzelthat: für diese bleibt die Höhe der für den Einzelfall angedrohten Strafe maßgebend. Nach ihr ist auch die Zuständigkeit des berufenen Gerichts zu bestimmen. 14. Aehnlich verhält es sich, wenn sich die Strafe nach der Zahl der Objekte der verpönten Handlung richtet: eine Zmviderhandlung gegen die Vorschriften des Pr. Ges.'s über die Schonzeit des Wildes v. 26. Febr. 1870 (Strafe z. B. für ein während der Schonzeit erlegtes Stück Rothwild: Geldbuße von 90 Mark) ist eine Uebertretung, sollten auch gleichzeitig zwei oder mehr Stücke Rothwild erlegt worden sein. Dasselbe gilt von dem Feilhalten rc. rc. ungestempelter Kartenspiele (RGes. v. 3. Juli 1878 § 10). — Löwe s. 213 nimmt in solchen Fällen regelmäßig ebensoviele Straffälle als Objekte, mithin Realkonkurrenz (n. 13) an. §
2.
Aburthellung: 10. Analogie: 3. App.-Richter: 10. 11. Ausnahme: 8. Buße: 26. Civilhaftdarkeit: 25. Ehreustrafe: 15.
- Aenderung: 5. • Anwendung: 10. 17. Gesetz, mildereö: 10—24.
Inhalt: Gesetz, Mischung: 14. » temporäre-: 7. 8. Gewohnheitsrecht: 1. Hauptstrafe: 15. Mehrheit von Handlungen: 22. Mild. Umstände: 12. Nebenstrasen: 15. Nichtigkeits-Richter: 10. Polüei-Derordnung: 1. 6. 8. Rechtskraft: 10. 11. ‘ Redaktionsversehen: 4. Rückfall: 12. Schadensersatz: 26. Spez.-Gesetz: 6. 8.
Strafandrohung: 15. 16. Strafantrag: 18. Strafe, Ausschließung: 12. Strafe, Bestimmung: 1. 2. Strafe, Milderung: 12. Strafunmündiger: 17. Strafverfolgung: 17. Strafvollstreckung: 21. Thatvestand: ».gtuecjitinö: 13. io. Untersuchungshaft: 20. Verjährung: 12. 19. 21. Zeit der That» 23. Zweifel: 23. 24.
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Einleitende Bestimmungen.
§ 2.
Bei Verschiedenheit der Gesetze von der Zeit der began genen Handlung bis zu deren Aburtheilung ist das mildeste Gesetz anzuwenden. [@ntro. I. u. II.: § 2; Pr. StGB.: §2; EG. z. Pr. StGB.: Art IV.] Preußen: Vgl. Ges. v. 3. April 1846 (GS. s. 151); Vdn. v. 3. Zan 1849 § 125; Rh. StPO. Art. 364; NStPO. § 262; Vers. v. 31. Jan. 1850 Art. 8. 1. Die Strafe ist „gesetzlich" bestimmt, wenn sie durch einen in verfassungs mäßiger Weise ergangenen gesetzgeberischen Erlaß, oder auf Grund und in Gemäß heit einer gesetzlichen Vorschrift durch eine dazu berufene Behörde angedroht ist. Vgl. über den Erlaß von Polizei-Verordnungen Thl. II. Abschn. 29 und für Sachsen die Jnn.-MVdn. v. 14. Dez. 1870 sowie Dresd. 9. Okt. 76, SGZ. 21 s. 221 (wel chen zufolge sogar eine blos an eine einzelne Person gerichtete polizeiliche Straf androhung nach Sächsischer Gesetzgebung und § 2 h. 1. eine genügende Grundlage für eine polizeirichterliche Strafe bilden soll). — Trifft dies zu, so kann einer ent gegenstehenden Gewohnheit die Bedeutung eines derogirenden Gewohnheitsrechts höchstens dann zugestanden werden, wenn dieselbe den ganzen Geltungsbereich der betreffenden „gesetzlichen Bestimmung" ergreift: OT. 8. Dez. 75 (O. XVI, 780); vgl. ML. s. 100. Als Quelle des positiven Strafrechts ist das Gewohnheitsrecht durch § 2 unbedingt ausgeschlossen: ML. 1. c. 2. Die Strafe ist (zeitlich) „bestimmt", wenn der Augenblick eingetreten ist, mit welchem das verkündete Gesetz rc. wirksam wird. 3. Analogie kann bei der Strafrechtspflege nur zum Zwecke der Gesetzes auslegung Berücksichtigung finden; sie darf nie dahin führen, daß ein Gesetz auf eine nicht unter dasselbe fallende That angewendet werde. Dgl. über diesen Gegen stand HS. I, 78. 88, Merkel, HH. IV, 83. Bind. I, 69, id. HB. I, 213ff. 4. Redaktionsversehen darf der Richter nicht berücksichtigen; ebenso: v. Wächter, GSaal 39 f. 321; und (theilweise) Merkel, HH. IV, 76; contra: Sont. Redaktionsversehen, s. 42, 52, Schütze, GA. XX, 350 ff. Dies erleidet eine (wohl nur scheinbare» Ausnahme da, wo der Wortlaut dem Gedanken, welchen er zum Ausdruck bringen sollte, nicht adäquat ist, der Zusammenhang aber diesen gesetz geberischen Gedanken vollkommen erkennen läßt; vgl. § 219 n. 1, Merkel 1. c.. Andererseits ist die Ausscheidung von Schreib-, bezw. Druckfehlem Sache der (auch 1 2 3 4 5 dem Richter zustehenden) Texteskritik: v. Wächter 1. c. Ueber die Bedeutung der parlamentarischen Verhandlungen für die Gesehesausleguug vgl. Merkel 1. c. s. 81. 5. Die Vorschrift des Abs. 2 bemht auf der grundsätzlichen Auffassung, daß der Gesetzgeber, wenn er ein bestehendes Strafgesetz beseitigt oder mildert, die frühere Strafandrohung für unangemessen, über das Bedürfniß hinausgehend ansehe und daß es ebendeshalb nicht gerechtfertigt fei, dieselbe künftig noch für solche Fälle wirksam werden zu lassen, welche unter der Herrschaft des jetzt beseitigten Gesetzes begangen waren; bei wiederholtem Wechsel soll der Angeklagte nicht bonmter leiden, daß die Aburtheilung nicht früher unter der Herrschaft des in Geltung ge wesenen milderen Gesetzes erfolgt war. — Demgemäß greift Abs. 2 überall Platz, wo das Strafgesetz als solches eine Abänderung erfahren hat, wo also der Gesetzgeber in Beziehung auf die Strafbarkeit einer bestimmten Handlungsweise grundsätzlich zu einer anderen Auffassung gelangt ist: OT. 7. Zuli 69, 3. Juni 75 (O. X, 487; XVI. 417). Er bleibt dagegen ausgeschlossen, wo andere im Strafge setze vorausgesetzte, persönliche oder sachliche Beziehungen eine derartige Aendemng erfahren habeu, daß in Zukunft der betr. Thatbestand entweder überhaupt oder unter den besonderen Verhältnissen des Einzelfalles nicht mehr vorkommen kann, z. B. wenn das durch die Mißthat verletzte Recht inzwischen erloschen oder aufge hoben worden ist. Das gilt selbst dann, wenn jene Aenderungen ihren Grund in einem Wechsel der Gesetzgebung auf einem anderen als dem strafrechtlichen Gebiete halten. Es ist selbstverständlich, daß die unzüchtige Handlung, welche ein Vormund mit seinem minderjährigen Mündel vornimmt, auch dann aus § 174 Nr. 1 zu bestrafen ist, wenn ein inzwischen verkündetes Gesetz den Großjährigkeitstermin in der Weise verändert hat, daß danach der Mündel zur Zeit der That nicht mehr minderjährig und somit das Vormundschaftsverhältniß aufgehoben gewesen wäre. Ebenso wird
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eine Urkundenfälschung nicht dadurch straflos, daß nach bereit Verübung Schrift stücken der betr. Art die Eigenschaft einer Urkunde gesetzlich entzogen wird: Rill. 9. Febr. 81 (E. IV, 4). Desgleichen bleibt eine Steuer- oder Zolldefraude oder der Mißbrauch der Firma eines Ausländers bei einer Waarenbezeichnung strafbar, sollte auch inzwischen die Steuer aufgehoben, die Waare für zollfrei erklärt (die betr. Zollschranke gefallen) oder der die Gegenseitigkeit des Etikettenschuhes ver bürgende Staatsvertrag außer Wirksamkeit getreten sein (das den Thatbestand mit Strafe bedrohende Gesetz ist dadurch nicht geändert): OT. 13. Juni 66, 12. Jan. 72, 19. Febr., 3. Juni 75 (O. VII, 424; XIII, 36; XVI, 141. 417): contra: Schw. 171, Rubo n. 11. Ebenso bleibt die Verabsäumung einer für die Kaffirung einer Wechsel stempelmarke ergangenen Vorschrift strafbar, selbst wenn inzwischen diese Form-Vor schrift aufgehoben wurde: OT. 11. Jan. 74 (O. XV, 396). — Nach gleichen Grund sätzen ist überhaupt stets zu verfahren, wenn ein Strafgesetz nicht aus dem Eingangs entwickelten Grunde, sondern lediglich deshalb in Wegfall kommt, weil es durch eine anderweitige gesetzliche Regelung eines rechtlichen Verhältnisses gegenstandlos geworden ist, so daß in Folge der getroffenen neuen Einrichtungen die Voraus setzungen desselben nicht mehr eintreten können; vgl. Rll. 12. Jan. 86 (E. XIII, 249), Münch. 30. Nov. 73 (BE. III, 59), Bind. HB. I, 258 ff., GA. 22 s. 60. Daher zog eine Verletzung des Salzmonopols des Staats die dafür angedrohten Strafen noch nach sich, ungeachtet inzwischen das Monopol gänzlich beseitigt und durch eine Besteuerung erseht worden war: OT. 18. Febr. 69 (O. X, 98); contra: OT. 2. Juli 69 (O. X, 478) in Beziehung auf einen vor Einführung des den Handel mit Spielkarten freigebenden Pr. Ges.'s v. 23 Dez. 1867 verübten unkonzessionirten Handel dieser Art. Dagegen ward angenommen, daß eine unter der Herrschaft des § 199 des Pr. StGB, s stattgehabte unbefugte Ausübung der Heilkunde straflos bleibe, nachdem das (im eit. § 199 vorausgesetzte) Erforderniß einer Approbation in Folge der §§ 29. 30. 147 Nr. 3 der Gew.-O. weggefallen ist: OT. 9. Febr., 31. März 70 (£>. XI, 85. 220). 6. Der Grundsatz des Abs. 2 gilt allgemein, wo seine Voraussetzungen zu treffen, er kommt sonach auch bei besonderen Reichs- und Landes-Strafgesetzen und nicht minder bei den durch Polizei-Verordnungen ergangenen Strafverboten zur Anwendung: OT. 18. Jan. 55 (JMbl. s. 106), Münch. 22. Apr. 74 (StZ. IV, 5), v. Bar, GÄ. XIX, 80, HStR. I. 124. Doch ist es gestattet, die Anwendung desselben bei landesgesetzlichen Strafvorschriften ausdrücklich auszuschließen: OT. 5. Juli 77 (O. XVIII, 504); vgl. EG. §5 n. 2. HStR. 1. c. 7. Eine nur zeitweise Suspendirung eines Verbotsgcsetzes rechtfertigt nicht die Anwendung des Abs. 2: Münch. 22. April 74 (eit. n. 6), HStR. I, 123; contra: Olsh. n. 16. 8 Ebensowenig findet Abs. 2 Anwendung, wenn ein Strafverbot mit Rücksicht auf ein temporäres Bedürfniß von Anfang an als ein nur zeitweise geltendes erging, sei es daß der Zeitraum sofort genau angegeben, oder daß für die Dauer der Geltung in anderer Weise ein Endpunkt bestimmt worden ist, z. B. wenn ein Verbot nur'bis zum Eintritte eines künftigen Ereigniffes oder bis zu der von vorneherein in Aussicht gestellten Wiederaufhebung in Kraft treten soll (z. B. ein temporäres Ein- und Ausfuhrverbot). Hier bleiben die zur Zeit der Geltung der Vorschrift ver übten Zuwiderhandlungen strafbar, selbst wenn inzwischen jene Geltung ihr Ende erreicht hat: OT. 18. Jan. 55 (eit. n. 6), OT. 23. Okt. 67. 22. Juni 76, 26. Febr., 26. März 79 (O. VIII, 631; XVII, 448; XX, 100. 157), Münch. 30. Dez. 73 (StZ. III, 149), Dresd. 9. Dez. 78 (SGZ. 23 s. 121), Bind. HB. I, 259. 9. Gleichgültig ist es, ob die Mißthat nach dem neuen Gesetze unter dieselbe oder unter eine andere Kategorie strafbarer Handlungen gehört, als nach dem alten Gesetze: Wolfenb. 16. Febr. 72 (StZ. I, 216). 10. Die Worte: „bis zu deren Aburtheilung" beziehen sich auf die Ent scheidungen des Richters, insoweit er das Strafgesetz „anzuwenden" hat; das trifft auch beim Richter zweiter Instanz zu; derselbe muß daher die seit Verkündigung des ersten Urtheils eingetretenen Aenderungen in der Gesetzgebung berücksichtigen: OT. 5. Juli 72 (StA. 86 s. 135), Olsh. n. 12; contra (für den Fall des Mangels an sonstigen Anfechtungsgründen): Bind. HB. I, 241. Dagegen hatte der Pr. Nich tigkeitsrichter die Richtigkeit der Gesetzanwendung nur vom Standpunkte des jenigen Gesetzes aus zu prüfen, welches zur Zeit des Erlasses des angefochtenen
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instanzlichen Urtheils galt; entsprach sie diesem, so konnte nicht deshalb vernichtet werden, weil in der Zwischenzeit ein milderes Gesetz verkündet worden: OA. 18.Zan. 71, OT. 5. Jan., 15. Febr. 71 (O. XII, 9. 37. 95); vgl. Jena (Voll. VIII, 367. 368. 372. 373), Schw. s. 172; contra: BL. s. 238, Rubo n. 10. Dasselbe dürfte gegen wärtig für das Rechtsmittel der Revision Rechtens sein; vgl. StPO. §376; ebenso: HStR. 1,126, Bind. 1. c., Olsh. n. 12. Ist aber das instanzliche Urtheil aus irgend einem Grunde vernichtet (aufgehoben), so muß bei der nunmehr erfolgenden neuen „Aburtheilung" auch das zwischenzeitlich in Wirksamkeit getretene mildere Gesetz Be rücksichtigung finden, ohne unterschied, ob diese neue (instanzliche) Aburtheilung durch ein neubefaßtes Jnstanzgericht oder durch den Nichtigkeits- bzw. Revisionsrichter selbst erfolgt; ebenso: Bind. I. e.; contra: OT. 14.Juli 71 (O. XII, 415) für den Fgll, wo ein unter der Herrschaft des älteren Gesetzes ergangenes Urtheil vernichtet, der damals ergangene Geschwornenspruch aber aufrecht erhalten worden ist (bedenk lich). Dasselbe gilt, wenn in Folge der Wiederaufnahme des Verfahrens die Haupt verhandlung gemäß § 410 der StPO, erneuert wird: Olsh. n. 13; vgl. Löwes. 685. 11. Die relative Rechtskraft eines den Angeklagten ausdrücklich mit dem „geringsten gesetzlichen Strafmaße" belegenden Urtheils hindert den BerufungsRichter nicht, dieses Urtheil zu bestätigen, sollte auch ein inzwischen in Wirksamkeit getretenes neues Gesetz eine fernere Herabsetzung der Strafe gestatten: OT. 12. Juli
71 (O. XII, 391). 12. Bei einem Gesetzeswechsel soll „das mildeste Gesetz" angewendet wer den; der Richter hat also eine Vergleichung beider Gesetze vorzunehmen, insoweit sie auf den abzuurtheilenden Fall Anwendung finden können. Er muß diese Prü fung nach Maßgabe des vorliegenden Thatbestandes unter Berücksichtigung aller nach dem einen wie nach dem anderen Gesetze erheblichen thatsächlichen Momente vornehmen; dabei kommen für jedes der Gesetze auch alle die Strafe aus schließenden, mildernden oder schärfenden (thatbestandlichen) Gründe in Betracht, z. B. erschwerende Umstände, Rückfall, Unzurechnungsfähigkeit, Zwang, Nothwehr, Nothstand, Kindesalter, Mangel der Erkenntniß der Strafbarkeit, Ver jährung rc. Im Hinblicke auf alle diese Umstände ist zu untersuchen, ob und welche Strafandrohung nach dem einen oder anderen Gesetze für den so ermittelten (voll ständigen) Thatbestand maßgebend sein würde, — und es ist dann dasjenige Gesetz anzuwenden, welches sich bei der Vergleichung als das mildere herausstellt: Stuttg. 17. Apr. 72, Manh. 30. Juli 72. OT. 29. Sept. 75 (StZ. I, 251; BA. 39 s. 117; O. XVI, 617); vgl. § 73 n. 14, Ri. 5. Jan. 82 (E. V, 420), Schütze s. 50. BL. s. 239; contra: Schw. s. 169, Heinze s. 61, Otto s. 12, Rubo s. 257, Olsh. n. 17: sie wollen nicht „das (in thesi) mildeste Gesetz" anwenden, sondern die mildeste der nach dem einen oder anderen Gesetze (unter Berücksichtigung der besonderen Lage des konkreten Falls) zu arbitrirenden Strafen verhängen; ebenso: Kgl. Sächs. Ges. v. 15. April 1873 § 40 sowie früher die Kgl. Sächs. Vdn. v. 10. Dez. 1871 § 44 (mit Recht von Heinze 1. c. gemißbilligt); val. EG. § 8 n. 5. 6. — Demgemäß ist bei der Beur theilung nach dem neueren Gesetze auch die Rückfälligkeit des Angeklagten zu berücksichtigen, sollte sie auch für die Bestrafung aus dem älteren Rechte ohne Ein fluß sein: OT. 17. März 1871 (O. XII, 169). Ebenso kommt Demjenigen, welcher unter der Herrschaft des älteren Gesetzes sich eines meineidigen Zeugnisses schuldig gemacht hat, die strafmildernde Vorschrift des § 157 Abs. 1 des StGB.'s zu statten, wenn er sich zur Zeit der That durch Bekundung der Wahrheit einer Verfolgung wegen eines Vergehens ausgesetzt haben würde, sollte auch diese letztere That nach dem StGB, nur noch eine Uebertretung darstellen: OT. 15. April
71 (O. XII, 210). 13. Hiernach (n. 12) ist eine Bestrafung nur dann gerechtfertigt, wenn die zu beurtheilende That den Voraussetzungen eines jeden der successive in Geltung ge wesenen Strafgesetze entspricht. Es muß daher die thatsächliche Fest- (Frag-) stellung nothwendig die Begriffsmerkmale beider Gesetze umfassen und erschöpfen; vgl. OA. 7. Sept. 72, OT. 18. Okt. 71, 13. Nov., 12. Dez. 72, 23. Apr. 73 (O. XII, 512; XIII, 441. 591. 658; XIV, 293), Oppenh. Pr. Strafverf. Art. 81 n. 25. — Gleichwohl können, je nach den Voraussetzungen des einen oder des andern Gesetzes, zwei verschiedene Fragen gestellt werden, sobald nur klar gemacht ist, daß es sich in beiden um eine und dieselbe That handelt: Schw. StPO. s. 458; vgl. OT. 22. Sept. 71 (O. XII, 462).
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14. Die Bestrafung darf nur aus einer der betr. Gesetzgebungen erfolgen; das als das mildere erkannte Strafgesetz ist vollständig anzuwenden; eine Bestrafung, welche theils auf den Bestimmungen des neueren, theils auf denen des älteren Rechts beruhte, also mit keinem der beiden in Betracht kommenden Gesetze überein stimmte, wäre unzulässig: OT. 17. März 71 (O. XII, 169), Dresd. 22. Sept. 71 (SGZ. XV, 314), Stuttg. 17. April 72 (StZ. I, 251). Schütze s. 50. Val. § 73 n. 14. 15. Bei der Vergleichung der verschiedenen Strafandrohungen sind zunächst die Haupt strafen zu berücksichtigen; die härtere Strafart ist selbst bei kürzerer Dauer strenger als die gelindere. In dieser Beziehung folgen sich in absteigender Ordnung: Todesstrafe, Zuchthaus, Festungshaft von mehr als fünf Jahren, Gefängniß, Festungshaft bis zu fünf Jahren, Haft; Zuchthaus ist strenger als Gefängniß, sollte dieses auch wegen obwaltender Realkonkurrenz in Zuchthaus zu verwandeln sein: Münch. 9. Nov. 73 (BE. III, 356). Eine Geldstrafe gilt stets für milder als eine (Principale) Freiheitsstrafe. Wird daher durch das eine Gesetz alternativ Ge fängniß oder Geldstrafe, durch das andre blos Gefängniß, angedroht, so ist ohne Rücksicht auf den Höchstbetrag des letzteren, ersterwähntes Gesetz das mildere; vgl. §. 73 n. 16. — Die Nebenstrafen kommen neben verschieden normirten Haupt strafen in sofern in Betracht, als sie eine Schmälerung der bürgerlichen Ehre mit sich bringen. Drohen daher beide Gesetze gleichartige Freiheitsstrafen von verschie dener Dauer oder (neben gleichen Freiheitsstrafen) Geldstrafen von verschiedener Höhe an, so gilt dasjenige für das strengere, welches außerdem (wenn auch nur fakultativ) noch Ehren strafen bestimmt, sollte auch die in ihm angedrohte Frei heitsstrafe kürzer oder die Geldstrafe geringer sein, als die in dem andern bestimmte: RH. 12. März 86 (E. XIII, 399), OL. 26. Jan. 60, 30. Mai 76 (GA. VIII, 408; O. XVII, 388). Das ist aber auf sonstige Nebenstrafen nicht auszudehnen; so z. B. nicht auf die gestattete Unfähigerklärung in Betreff des Eisenbahndienstes (§ 319): RI. 5. Jan. 82 (E. V, 420: betraf die Handhabung des §73). Dgl?§ 73 v. 14. Die „öffentliche Bekanntmachung einer Verurtheilung" (§ 200) ist keine Strafe, son dern Privatgenugthuung und bleibt schon um deswillen gänzlich außer Betracht; vgl. § 200 n. 2. 16. Hat bei einer relativ (nach einem Höchst- und Mindestbetrag) bestimmten Strafe das neue Gesetz den Mindestbetrag erhöht und gleichzeitig den Höchstbetrag ermäßigt, so darf dieser so ermäßigte Höchstbetrag nicht überschritten werden, während es statthaft ist, auf den Mindestbetrag deö älteren Gesetzes hinabzugehen; eine Kombinirung beider Gesetze findet hierbei offenbar nicht statt; vgl. HS. I, 44. Ist um gekehrt der Höchstbetrag erhöht, der Mindestbetrag aber herabgesetzt worden, so darf der Höchstbetrag des älteren Rechts nicht überschritten, wohl aber kann auf den Mindestbetrag des neueren Rechts herabgegangen werden: OA. 6. Dez. 67, 13. Mai, 16. Sept. 68 (O. VIII, 780; IX, 322. 490), Münch. 9. Febr., 4. März 72 (BE. II, 17. 64); vgl. OT. 18. Febr. 72 (O. XIII, 183). In solchen Fällen ist keins von beiden Gesetzen das „mildere". 17. Der Grundsatz des Abs. 2 ist überall maßgebend, wo es sich um die „An wendung" des die Strafe „bestimmenden Gesetzes" handelt. Das trifft auch da zu, wo ein Gesetz die Strafverfolgung (und somit auch die Bestrafung) gänzlich aus schließt. Demgemäß konnte eine von einem noch nicht zwölf Jahre zählenden Kinde vor dem Inkrafttreten des StGB.'s begangene Mißthat nach diesem Zeitpunkt nicht mehr verfolgt werden. 18. Dagegen bleibt Abs. 2 außer Anwendung, wenn die Strafverfolgung in dem einen oder dem anderen Gesetze (nicht für unstatthaft erklärt, sondern nur) von gewissen Bedingungen, z. B. von einem Antrage des Verletzten abhängig ge macht ist. Eine solche Vorschrift ist wesentlich prozeffualischer Natur (vgl. §61 n. 2), ihre Anwendbarkeit richtet sich daher lediglich nach der Zeit, in welcher die Straf verfolgung angehoben wird: Dresd. 27. März 74 (StZ. IV, 106), Bind. HB. I, 254 ff. Demgemäß ist jetzt Strafverfolgung ohne Antrag statthaft und die Zurücknahme eines gestellten Antrags unwirksam, wenn das neue Gesetz von dem (im älteren aufgestellten) Erforderniffe des Strafantrages absieht: Münch. 4. März 72 (StRZ. XII, 301); contra: Schw. n. 7, ML. s. 97. Olsh. n. 20. Auch in Betreff dieses Punktes hat das oben n. 12 citirte Kgl. Sächs. Ges. v. 15. April 1873 § 48 der Ansicht Schwarze's einen gesetzlichen Ausdruck gegeben. Ebenso trifft der (auf den Vorschlag der RT.'s Kommission eingeschobene) Art. III der Novelle der letzteren
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Einleitende Bestimmungen.
§ 2.
Ansicht gemäß Bestimmung rücksichtlich der vor dem Inkrafttreten der Novelle began genen Handlungen. Dagegen bedarf es des Antrags zu einer unter der Herrschaft des StGB.'s anzuhebenden Verfolgung, wenn die That zwar nicht nach dem alten, wohl aber nach dem neuen Gesetze (unter Zugrundelegung des in ihm vorgesehenen Thatbestandes) ein Antragsvergehen darstellt: OT. 6. März 72 (O. XIII, 195), Jena 74 (Voll. 23 f. 71: betraf das Erfordernd der Ermächtigung: § 99); diesem Erfordernisse ist aber genügt, wenn der Verletzte den Antrag unter der Herrschaft des (einen solchen nicht erheischenden) älteren Gesetzes gestellt hatte: OT. 6. Sept. 71 (O. XII, 431). Die Antragsfrist (§ 61) läuft auch hier von dem Tage an, wo der Verletzte Kenntniß von der That und der Person des Thäters erlangt hat, nicht also von der (später beginnenden) Wirksamkeit des neuen den Antrag erheischenden Gesetzes: Bind. 1. c., v. Bar. Küstner u. Franke, GA. XIX, 73. 606; XX, 60, Nessel s. 14; eonira: Manh. 6. Apr., 14. Sept. 72 (StZ. I, 249; II, 257), Darmst. 13. Febr., 11. Dez. 71 (HE. 71 s. 5; GSaal 24 s. 296), Fuchs s. 15. 23. 28, id., GA. XIX, 82 u. StRZ. XI. 413, Klebs, GA. XIX. 576, geringer, GSaal 23 s. 385, Reber n. 471. — Endlich folgt aus dem obigen Grundsätze, daß eine ohne Straf antrag unter der Herrschaft des älteren (einen solchen nicht erheischenden) Gesetzes angehobene Strafverfolgung nach Einführung des die That für ein Antragsvergehen erklärenden neuen Gesetzes fortgesetzt werden kann, ohne daß es der Nachholung des Antrags bedürfte: OA. 15. März 71, OT. 27. April, 24. März. 25. Okt. 71, 26. Jan., 19. Sept. 72,21. März 77 (O. XII, 156.180.239.534; XIII, 88. 464. XVIII, 240), Darmst. (StRZ. XII, 137), Bind. HB. I, 598, Heinze s. 67; id., HH. II, 8.588, v. Bar, GA. XIX, 64. 641 (dieser beschränkte den Satz auf den Fall, wo vor Ein führung des neuen Gesetzes bereits in erster Instanz erkannt ist: arg. § 64); contra: Münch. 12. Febr. 72 (BE. II, 24, Manh. 6. April 72 (cit.), v. Specht, GA. XIX, 235, Hälschn. id. s. 367, Spinola id. s. 371, Fuchs s. 33, id., StRZ. XI. 406, Reber n. 78. 471. — Die Strafverfolgung war (nach Pr. Prozeßrechte) angehoben, sobald der Staatsanwalt die Einleitung der Voruntersuchung beantragt hatte; vgl. OT. 1. Nov. 71 (O. XII, 553: die Einleitung der Voruntersuchung genüge); OA. 8. März 72, OT. 19. Okt. 76 (O. Xin, 200; XVII, 682: hielten ein Ermittlungsverfahren des StA.'s für genügend); contra: Nessel s. 14; vgl. gegenwärtig StPO. §§ 151ff. 177. — Jener Praxis der Pr. Gerichtshöfe entsprechend, kann auch die unter der Herr schaft des StGB.'s erfolgende Zurücknahme des früher nicht erforderlichen Antrags die Fortsetzung des unter dem alten Rechte (mit oder ohne Antrag) angehobenen Verfahrens nicht ausschließen: OT. 17., 30. Juni, 14. Sept., 15. Dez. 71 (O. XII, 332. 350. 451. 666); contra: Münch. 4. März 72 (BE. II, *66). 19. In Betreff der Verjährung der Strafverfolgung ist der unter n. 12 aufgestellte Grundsatz maßgebend. Es ist daher zu untersuchen, wann bei unbedingter Anwendung der Vorschriften des alten Rechts, sowohl der die Strafandrohung als der die Verjährung betreffenden, und wann bei ebenso unbedingter Anwendung des StGB.'s die Verjährung nach der konkreten Lage der Sache abgelaufen sein würde, und es ist dann die dem Angeklagten günstigere Vorschrift zur Anwendung zu brin gen: OT. 11. Mai 61, OA. 11. Nov. 68 (Ö. I, 389; IX, 226), Münch. 21. März 72 (BE. II, 88). Insoweit die Vorschriften des älteren Gesetzes in Betracht kommen, ist nach denselben auch die Frage der Unterbrechung der Verjährung zu beantworten, es konnte daher nach Maßgabe des Pr. StGB.'s diese Verjährung auch nach dem 1. Jan. 1871 durch Handlungen der StA.-schaft unterbrochen werden: OT. 20. März73 (O. XIV, 215). Sind die Vorschriften des D. StGB.'s dem Angeklagten günstiger, so wird ihre Anwendbarkeit dadurch nicht ausgeschlossen, daß die nach diesen be rechnete Verjährung bereits vor Einführung des GB.'s abgelaufen sein würde: OT. 25. Febr. 52 (GA. I, 67), Darmst. 30. Sept. 72 (StZ. II, 76); vgl. n. 21, KBI. z. EG. z. Pr. StGB. Art. XII § 1. 20 Die Anrechnung der Untersuchungshaft sowie diejenige einer im Auslande vollzogenen Strafe auf die erkannte, bezw. zu erkennende Strafe (§§ 60.7) bilden einen wesentlichen Theil der Strafverhängung („Belegung mit Strafe"); sonach bildet die Statthaftigkeit einer solchen Anrechnung eines derjenigen Momente, welche zu berücksichtigen sind, wenn es sich fragt, welches Strafgesetz mit Rücksicht auf den vorliegenden Thatbestand das „mildere" sei (n. 12); contra: Münch. l.Juni 74 (StZ. IX, 99), Franke, GA. XX, 56, Bind. HB. I, 244. 21. Der Wortlaut des § bezieht sich nicht auf Verjährung der Straf-
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§ 2.
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vo llstrecknng (§ 70ff.); gleichwohl ist Abs. 2 nach seinem inneren Grunde auch hier anzuwenden: BL. s. 30,5. Demgemäß wird das neue mildere Gesetz auch da anwendbar, wo es sich um eine vor seiner Wirksamkeit rechtskräftig ausgesprochene Strafe handelt; das gilt selbst in Preußen, obgleich § 49 des Pr. StGB.'s aus drücklich die Strafvollstreckung für unverjährbar erklärte: OT. 21. Febr. 72 (O. XIII, 171); Rubo s. 158; contra: Münch. 17. August 72, 20. Apr. 77 (BE. II, 207; VII, 160), HStR. I, 129, Rüd. s. 260, Heinze, HH. II, 21. Otto § 70 n. 2; vgl. Bayer. Einf.-Vollz.-Ges. v. 26. Dez. 1871 Art. 33. — Auch in diesem Falle be ginnt der Lauf der Verjährungsfrist mit der Rechtskraft des Urtheils (§ 70 Abs. 2); es kann somit geschehen, daß die Verjährung bereits in dem Augenblicke, wo das StGB, wirksam wurde, als abgelaufen anzusehen war; vgl. n. 19; contra: cit. OT. 21» Febr. 72 (unter Bezugnahme auf § 14 der Einl. z. Pr. ALR.; vgl. aber s. 17 n. 2), OT. 3. Jan. 74 (O. XV, 5). Tritt man dieser letzteren Ansicht bei, so ist bei der vergleichenden Prüfung, ob nach den Vorschriften des älteren Rechts oder nach denen des D. StGB.'s die Verjährung der Strafvollstreckung abgelaufen sei, für jene der Anfangstermin der Verjährungsfrist nach den dort gegebenen Vorschrif ten anzunehmen, während für das StGB, in allen Fällen der Tag entscheidet, mit welchen das letztere in Wirksamkeit trat. — Insoweit die Vorschriften des StGB.'s auf ältere Verurtheilungen Anwendung finden, ist auch für die Unterbrechung der betr. Verjährung § 72 maßgebend; es sind daher in einem solchen Falle selbst in Preußen die vor dem 1. Jan. 1871 vorgenommenen Unterbrechungshandlungen zu berücksichtigen. 22. Gehört zum Thatbestände einer Mißthat eine Mehrheit von Hand lungen, so wird das neue Strafgesetz unbedingt anwendbar, sollte auch nur der die selbe vollendende Thätigkeitsakt in die Zeit seiner Herrschaft fallen; vgl. RF. 7. Sept. 80, Rill. 29. Sept. 80 (E. II, 338; R. II, 210. 277), OT. 6. Dez. 72 (O. XIII, 647), Olsh. n. 2. 8, Bind. HB. I, 245ff; contra: Rubo n. 5; vgl. auch OA. 1. April 68 (O. IX, 243: ein Beamter hatte vor dem Inkrafttreten des mit § 351 gleichlautenden § 325 des Pr. StGB.'s Kassengelder unterschlagen und nach jenem Zeitpunkte zur Verdeckung dieser Unterschlagung unrichtige Buchungen vorgenommen; das Erk. erklärte den cit. § 325 für unanwendbar). Das ist aber nicht auf den Fall auszudehnen, wo alle Handlungen des Angeklagten einer früheren Zeit angehörten, der zum Thatbestände gehörende Erfolg aber erst später eintrat; vgl. § 67 Abs. 4; ebenso: Olsh. 1. c.; contra: Bind. I. c. — Bezüglich der Gewohnheitsvergehen vgl. § 3 n. 12, § 150 n. 4, § 302 d. n. 1, Olsh. 1. c. 23. Damit ein Zweifel darüber nicht aufkomme, unter der Herrschaft welches Strafgesetzes eine That begangen sei, ist der Zeitpunkt der Verübung in die thatsächliche Feststellung bezw. in die schwurgerichtliche Frage aufzunehmen. In dieser Beziehung ist es ausreichend, wenn nur festgestellt wird, ob die That vor oder nach Einführung des neuen Strafgesetzes begangen worden: OT. 3. Febr. 60. c. Albrecht. In Betreff der Möglichkeit einer eingetretenen Verjährung vgl. §66 n. 6; in Betreff der Ortsangabe vgl. § 3 n. 19. 24. Das bisher (n. 5—23) Ausgeführte gilt in gleicher Weise, wenn es zwei felhaft bleibt, ob' die Mißthat vor oder nach Einführung des neuen Gesetzes verübt wurde; insbesondere ist auch hier das n. 13.14 Gesagte zu beachten. 25. Der Grundsatz des Abs. 2 ist auch da anzuwenden, wo es sich nicht nm die Verhängung einer Strafe, sondern um die Civilhaftbarkeit eines Dritten (z. B. des Vaters, des Dienstherrn) für die von einem Andern verwirkte Geldstrafe handelt: OA. 14. April 69, OT. 7. April, 16. Juni 69, 18. Mai 70 (O. X, 200.
221.418; XI, 314). 26. Dagegen ist die ganze Vorschrift auf „Strafbestimmungen" zu beschränken: in Betreff des durch eine Mißthat einem Anderen zugefügten Schadens und des für diesen daraus entspringenden Ersatzanspruchs sind die zur Zeit derSchadenszufügung geltenden civilrechtlichen Vorschriften maßgebend: Lübeck 15. Apr. 71 (GA. XIX, 605). — Die Statthaftigkeit einer dem Verletzten auf dessen Verlangen (statt der Entschädigung) zuzusprechenden Buße (§§ 188. 231) gehört dagegen wesentlich dem Strafprozeßrechte an (vgl. § 188 n. 1); auf eine solche kann daher auch wegen einer unter dem früheren Rechte zugefügten Beleidigung rc. erkannt werden, ohne Unterschied, ob im Uebrigen das ältere oder neuere Strafgesetz das mildere ist; benso: Bind. HB. I, 244; contra: OT. 24. Jan. 72 (O. XIII, 73).
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Einleitende Bestimmungen. § 3.
§ 3. Die Strafgesetze des Deutschen Reichs findm An wendung auf alle im Gebiete desselben begangenen strafbaren Handlungen, auch wenn der Thäter ein Ausländer ist. [@ntto. I. IT. § 3; Pr. StGB. § 3], Vgl. Seemanns-O. v. 27. Dez. 1872.
§ 3. 1. Das StGB, erklärt sich im § 3 für das Territorialitäts-Prinzip, demzufolge der Ausländer, so lange er sich im Jnlande befindet, vollständig unter der Herrschaft des inländischen Straf- und Polizeirechts steht. Der § adoptirt dieses Prinzip ausdrücklich zwar nur für „die Strafgesetze des Deutschen Reichs", dasselbe muß aber ebensowohl für die Landes-Strafgesetze und Polizeiverordnungen gelten, da es dem Willen des Gesetzgebers und der Natur der Verhältnisse offen bar widersprechen würde, wenn in den einzelnen Bundesstaaten bezüglich der Hand habung der neben einander wirksamen Reichs- und Landes-Strafgesetze ein so durch greifender Unterschied bestände, wie er zwischen dem Territorialitäts- und dem Na tionalitätsprinzipe bekanntlich besteht; die Beschränkung der Bestimmung auf die Strafgesetze des deutschen Reichs hat vielmehr praktisch nur die Bedeutung, daß der § einzelnen vom ersteren Prinzipe ausnahmsweise abweichenden Landesgesehen nicht derogirt, noch auch dem ferneren Erlasse solcher landesgesehlichen Ausnahme bestimmungen entgegentritt. Ebenso: OT. 4. Sept. 79 (O. XX, 345); vgl. HStR. I, 110, Harburger, Inland s. 93. 2. Ueber den Begriff „Ausländer" vgl. §8 n. 4 ff. 3. Soweit die Reichsstrafgesehgebung reicht, ist das ganze Reichsge biet als Einheit zu behandeln; es findet daher in dem Verhältniß der einzelnen Bundesstaaten zu einander die Unterscheidung zwischen Inland und Ausland (Inländer und Ausländer) keine Anwendung: §8; Mot. z. II. Entw. s. 17. Vgl. in Betreff des Näheren oben s. 17 n. 4. 5. 4. Ein Straferlaß im Gnadenwege steht nur dem Landesherrn desjenigen Bundesstaates zu, von dessen Gerichten in erster Instanz (zur Sache) erkannt war: § 5 Nr. 2, Löwe s. 23. Das gilt auch dann, wenn mit Rücksicht auf das Rechtsh.Ges. bezw. die § 157 ff. deö GVG. die in dem einen Bundesstaate verhängte Strafe in einem andern zu vollziehen ist: contra: Heinze s. 48, id., HH. III. 18. In ElsaßLothringen übt gemäß § 3 des RGes.'s v. 9. Juni 1871 der Kaiser das Begnadi gungsrecht aus. Im Uebrigen steht dem Kaiser als solchem jenes Recht nicht zu, ausgenommen da, wo das Reichsgericht oder ein Konsul, bezw. Konsulargericht in erster Instanz erkannt hat: StPO. §. 484, RGes. v. 10. Juli 1879 §. 42. Das Recht der Abolition, welches in mehreren deutschen Staaten der Landesherr hat, wird durch jenen § 484 nicht berührt: Schw. StPO, s. 604. Im übrigen vgl. Bind. HB. I, 871 ff. 5. „Thäter" im Sinne dieses § ist Jeder, welcher eine strafbare Handlung begangen hat; er umfaßt also auch alle Teilnehmer: vgl. § 47 n. 1. 6. Eine Mißthat wird da „begangen", wo das strafbare Handeln statt findet ; sie dauert so lange an, als der Handelnde dabei (körperlich) thätig ist. Alle Veränderungen, welche nach Beendigung jener Thätigkeit sich aus dem durch die selbe unmittelbar und sofort hervorgebrachten Zustande einer anderen Person oder einer Sache entwickeln, sind nicht als Theil der Thätigkeit (Handlung), sondern als Erfolg derselben anzusehen, mag der Zeitraum zwischen beiden groß oder klein sein. Der Ort, wo ein solcher Erfolg eintritt, ist für den „Ort der Begehung" nicht entscheidend, sollte jener auch als wesentliches Begriffsmerkmal zum Thatbe stände der vollendeten Mißthat gehören: RI. 25. September 84 (E. XI, 245), OT. 23. März 65 (GA. XIII, 645), Motive z. StPO. § 1: vgl. § 2 n. 22, § 67 Abs. 4; § 171 n. 6, Beisp.: Kuppelei durch Anwerbung von Frauenzimmern für ein aus wärtiges Bordell: OT. 14. Nov. 1873 (O. XIV, 722); Münch. 18. Febr. 73 (BE. III, 65); Betrug durch Abschließung eines Versicherungsvertrags mit einer im Aus lande domizilirten Gesellschaft: OT. 21. Juni 55 (GA. IV, 831). Vgl. jedoch Hälschn., GSaal 30 s. 50, Bind. HB. I, 417. — Bei Unterlassungsvergehen ist Ort der Begehung derjenige Ort, wo die gebotene Handlung vorzunehmen war; ebenso: Glaser Abh. 1 s. 293; Schwalbach, GSaal 31 s. 615; als solcher gilt,
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wenn kein bestimmter Ort hierfür durch das Gesetz oder die Natur der Sache ge» geben ist, der Wohn- bezw. Aufenthaltsort des Thäters; contra: Bind. HB. I, 423, insofern er als Begehungsort stets sowohl den Aufenthalts- wie auch denjenigen Ort betrachtet, wo der bestimmte rechtsförderliche Erfolg in Folge der Unthätigkeit des Verpflichteten ausblieb (wo gehandelt werden oder der Erfolg des Handelns eintreten sollte). 7. Das unter n. 6 Gesagte erfährt insofern eine Ausdehnung, als der eigenen Thätigkeit des Thäters alles Dasjenige gleich steht, was er durch eine fremde, von ihm als Werkzeug benutzte (menschliche, thierische oder mechanische) bewegende Kraft zu Wege bringt, insoweit er eben wegen dieser Benutzung seinerseits doch als „Thäter (und nicht als Anstifter) anzusehen ist; vergl. §47 n. 2—4. Daher dauert auch in diesem Falle die „Handlung" des Thäters so lange, als die von ihm in Bewegung gesetzte Kraft wirksam ist: das gilt z. B., wenn Jemand eine Schrift (einen Bnef oder die Beurkundung eines Vertragsabschlusses rc.) durch einen Boten (durch die Post rc.) überbringen läßt, ein Thier auf einen Andern hetzt oder durch einen Wurf (Schuß rc.) einen Andern verletzt: in allen diesen Fällen ist die Sache so anzusehen, als ob er seine Thätigkeit (persönlich) an dem ersten Orte be gonnen und an dem zweiten Orte (wohin jene Kraft reichte) fortgesetzt und dort zum Abschlüsse gebracht hätte (n. 10); man darf also diese (an einem andern Ort als dem augenblicklichen Aufenthalt des Thäters) hervorgebrachte Wirkung nicht als einen von der Handlung selbst zu trennenden Erfolg (n. 6) betrachten: RIH. 13. März 80, Ri. 3. Febr. 81, Rill. 15./16. Nov. 83 (E. I, 274; HI, 316; R. V, 704), OA. 24. Jan. 71, OT. 23. Febr. 70. 2. Dez. 74, 1. Juli 75 (O. XI, 114; XIII, 76; XV, 825; XVI, 507), Haager, BA. 43 s. 359, Häberlin, GA. 25 f. 432: contra: v. Bar Jnternat.-Recht s. 555, id., GA. XVIII, 449, v. Wächter ib. s. 524, Schw. s. 43, Otto n. 1, Franke, GA. XX, 38, HStR. I, 153. Vgl. HS. I, 73; id., GSaal 30 f. 50, ML. s. 115. 8. Aehnlich verhält es sich mit denjenigen Mißthaten, deren Thatbestand darin besteht, daß irgend eine Handlung, z. B. eine Kundgebung Andern wahrnehm bar gemacht wird. Als Ort der Handlung sind dann alle Räumlichkeiten anzu sehen, wo die Handlung von einem Andern wahrgenommen, z. B. wo eine belei digende Aeußerung gehört oder eine schamverletzende Handlung gesehen worden ist; vgl. § 85 n. 3, Münch. 20. Okt. 73 (BE. III, 480), Jena (Voll. 24 s. 176). 9. In allen Fällen, wo das Gesetz die „Verbreitung" oder „Veröffent lichung" von Schriften rc. („öffentlicher Anschlag", „öffentliche Ausstellung", vgl. §§ 186. 200. 85) für strafbar erklärt, ist die Mißthat vollendet, sobald eine solche „Verbreitung rc." stattgefunden hat, ohne daß es darauf ankommt, ob und wo ein Dritter Kenntniß vom Inhalte des Schriftstücks genommen habe. — Das gilt namentlich von der Veröffentlichung eines Preßerzeugnisses strafbaren Inhalts: OT. (Pl.) 17. Juli 62 (O. II, 535), Münch. 9. Aua. 78 (BE. VIII, 425). Die betr. Mißthat ist daher überall verübt, wo Jemand eine solche Veröffentlichung be wirkt hat; geschah dies an mehreren Orten, so ist die That (selbst wenn die Ver öffentlichung eine einheitliche war und somit die Gesammtthätigkeit nur einen Straf fall darstellte) an jedem jener Orte begangen; vergl. RPreßges. v. 7. Mai 1874 §§ 3. 20. 22. 28, OT. 9. Sept. 63 (O. IV, 28), Darmst. 1. Juli 72, 23. Febr. 73 (StZ. II. 13; GA. 21 s. 202. 300), Manh. 15. Juni 78 (BA. 44 s. 173), eit. Münch. 9. Aug. 78; contra: OT. 18. Juli 66 (O. VII, 331), Münch. 29. Aug. 72 (StZ. II, 12), Otto n. 2, Abh., GA. XIV, 347, Schwarze Preßaes. s. 96 (hält nur den Ausgabeort für den Ort der Mißthat); ebenso: Häberlin, ÄA. 25 s. 439; vgl. dm Antrag der GStA.-schaft z. cit. Deschl. 18. Juli 66 1. c. Die Richtigkeit jenes Satzes wird bestätigt durch § 21 Abs. 2 des Rechtsh.-Ges.'s v. 21. Juni 69, indem dieser § eine Ausnahme für den dort vorgesehenen Fall macht, wo ein Bun desstaat von dem mtbem die Auslieferung einer wegen eines Preßvergehens ver folgten Person verlangt. — Demgemäß und mit Rücksicht auf das unter n. 7. 10 Gesagte ist denn auch das vom Auslande her bewerkstelligte Verbreiten einer Schrift im Zulande als von dem Absender im Jnlande verübt anzusehen: RI. 3. Febr. 81, RIV, 5. Juli 87 (E. III. 316; R. IX, 410). — Wer eine Druckschrift an einem an dern Orte durch einen Dritten, ohne Dolus Handelnden veröffentlichen läßt, ist so anzusehen, als habe er die Veröffentlichung selbst bewirkt; dagegen kann freilich der Umstand, daß demnächst die Schrift in Folge jener Versendung auch an anderen
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Einleitende Bestimmungen. § 3.
Orten vorgefunden wird, für sich allein keine durch den Herausgeber rc. dort bewirkte Veröffentlichung beweisen: OT. 24. Jan. 55 (GA. III, 259), OT. 6. Sept. 55, 12. Nov. 57 (Entch. dess. 31 s. 431; RA. 53. II. 55). Vgl. in Betreff der wechsel seitigen Rechtshülfe der Bundesstaaten cit. Ges. v. 21. Juni 1869 § 21 bezw. die §§ 157 ff. des GAG. 10. Wenn sich eine strafbare Handlung auf mehrere Orte erstreckt, oder wenn mehrere getrennte, aber zu einem Thatbestände gehörige Handlungen an ver schiedenen Orten verübt werden, so ist der Ort der Begehung der die Mißthat vollendenden Handlung als Ort der Gesammtthat anzusehen: OT. 18. Apr. 73 (O. XIV, 291), Darmst. 21. Apr. 74 (HE. s. 9), Hälschn., GSaal 30 s. 70, Nessel. GA. 25 s. 16 ; vgl. § 2 n. 22, Rll. 20. Sept. 87 (R. IX, 445: erkannte, daß ein Bankerutt im Jnlande verübt sei, wenn die Zahlungseinstellnng bezw. Konkurseröffnung als Element der Handlung [?] im Jnlande stattfand und hiermit jene Strafthat zur Vollendung gelangte); contra: RII. III. 12./19. Mai 84, 11. Febr. 86 (E. X, 420; XIII, 337: die Begehung der strafbaren Handlung umfaffe die gesammte Thätigkeit des Han delnden, und zwar auch insoweit als er zu deren Verwirklichung fremde Kräfte in Bewegung sehte; demgemäß sei im Jnlande jedes Verbrechen begangen, welches, wenn auch nur zum Theile, im Jnlande sich entwickelt habe); ebenso: Bind. HB. I, 414ff. Das gilt auch in den unter n. 7 erwähnten Fällen, z. B. wenn eine Mißthat durch einen versendeten (verschloffenen) Brief begangen wird; der Brief muß zunächst geschrieben und dann an den Adressaten befördert werden; die That wird erst da verübt und vollendet, wo der Brief zur Kenntniß des Lesers gelangt: OA. 6. Jan. 69, OT. 16. Juli 62, 1. Juli 75 (O. II, 534; X, 8; XVI, 507), Münch. 19. Oft. 82 (BE. II, 196); vgl. Rill. 13. März 80 (E. I, 274), Jena 30. Jan. 78 (Voll. 26 s. 153), Häberlin 1. c. f. 437; contra: eilt, 9111. III. 12 /19. Mai 84, 11. Febr. 86, Wolfenb. 26. Jan., 20. Febr. 77 (Br. Z. 24 s. 54. 67), ML. s. 116. Hiernach bestimmt sich denn auch der Gerichtsstand; vgl. RIV. 25. Jan. 87 (E. XV, 232: entschied demgemäß, in Uebereinstimmung mit den citt. RII. III. 12./19. Mai 84, 11. Febr. 86, daß, falls die mehreren zum Thatbestände einer Mißthat gehörigen Handlungen in den Bezirken verschiedener Gerichte vorgenommen würden, jedes der letzteren zuständig sei). 11. Für Versuchs Handlungen ist derjenige Ort maßgebend, an welchem die letzte dieser Handlungen begangen wurde: Schw. StPO, fl 127; wobei das unter n. 7 Gesagte zu berücksichtigen ist: Häberlin 1. c. f. 436; vgl. Münch. 26. Sept. 79 (BE. IX, 438). — Ist nach dem (unter n. 6—10) Gesagten eine im Jnlande be gonnene, im Auslande vollendete Mißthat rc. als im letztem begangen anzusehen, so steht dennoch nichts im Wege, die im Jnlande verübten Handlungen geeigneten Falles als einen hier begangenen Versuch zu bestrafen, sollte auch die vollendete That im Auslande nicht strafbar sein: Puch. f. 11 n. 1; contra: HStR. I, 154; id., GSaal 30 s. 72: „der Versuch könne nicht strafbar sein, wenn die vollendete That eine erlaubte sei"; der im Jnlande strafbar begangene Versuch kann aber dadurch nicht straflos werden, daß er im Auslande fortgesetzt und dort (straflos) vollendet wird; es liegt sonach nicht der Versuch einer, wenn (im Jnlande) vollendet, straf losen That vor; vgl. OA. 26. Mai 69 (O. X, 342), Bind. HB. I, 422. 12. Ist die Strafbarkeit einer Handlung durch ihre Gewöhnheits- oder Gewerbsmätzigkeit bedingt, so muß die imJnlande verübte That diesen Charak ter an sich tragen, um hier strafbar zu sein; der Richter kann aber, um diesen Cha rakter festzustellen, wie auf sonstige der Persönlichkeit des Angeklagten anklebende Umstände, so auch auf die im Auslande von demselben begangenen Handlungen Rücksicht nehmen; vgl. § 150 n. 4, § 260 n. 2 ff., Löwe s. 186. 13. In Betreff der Frage, welches Strafgesetz auf den Anstifter oder GeHilfen Anwendung finde, wenn am Orte der Hauptthat ein anderes Gesetz gilt, vgl. § 48 n. 10. — Jeder Mitthäter ist so anzusehen, als sei er an allen Orten thätig gewesen, wo seine Mitthäter gehandelt haben; ebenso: Bind. HB. I, 424. Demgemäß sind alle Mitthäter nach inländischen Gesehen zu beurtheilen, wenn auch nur durch die Thätigkeit eines derselben die strafbare Handlung im Jnlande zur Vollendung gebracht ist: RIV. 24. Juni 84 (E. XI, 20: Mot.); vgl. ferner RIV. 30. Juni 85 (R. VII, 445). 14. Der Grundsatz des § 3 erleidet eine Ausnahme bei den Exterritorialen;
Einleitende Bestimmungen. § 3.
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ebenso: Olsh. n. 19; contra: Bind. HB. I, 685 (nimmt an, die Exterritorialität be gründe nur Freiheit vom Gerichtszwange, wirke nur prozessualisch; nach Beendigung jenes Verhältnisses sei daher strafrechtliche Verfolgung wegen aller früher begangenen Verbrechen statthaft). Zu diesen gehören fremde Regenten und deren Gemahlinnen mit ihrem Gefolge, die Chefs und Mitglieder der bei dem deutschen Reich oder einem Bundesstaate beglaubigten Missionen mit ihren Familien, ihrem Geschäftspersonal und ihren nichtdeutschen Bediensteten (einschließlich der Lehrer, Haushofmeister rc.), die fremden Zollvereinskommissarien und die kraft eines Staatsvertrags im Bundes gebiet sich aushaltenden ausländischen Truppenkörper, nicht aber einzelne fremde Militärpersonen; vgl. Pr. Crim.-O. §. 251 ff., GVG. §§ 18. 19, Heffter, Völkerrecht s. 370ff., Berner, Wirkungskreis s. 206ff., v. Bar, Intern. Privat- u. Strafrecht s. 572ff.: — Handelsschiffe genießen nach völkerrechtlichen Grundsätzen in fremden Häfen gleichfalls nicht die Rechte der Exterritorialen; dies gilt namentlich auch von den ausländischen Bodensee-Dampsschiffen, wenn sie sich in Häsen des deutschen Reichs befinden, da die internationale Schiffahrts- rc. O. für den Bodensee v. 22. Sept. 1867 insofern keine Ausnahme begründet: RI. 22. April 80 (E. II, 17; R. I, 642). Vgl. EG. § 8 n. 3. — Die beantragte Vernehmung eines Exterrito rialen als Zeugen darf nicht lediglich aus dem Grunde abgelehnt werden, weil er dem diesseitigen Gerichtszwange nicht unterworfen ist (sie kann, wenn er sich nicht freiwillig dazu Bereit finden läßt, durch Requisition veranlaßt werden): OA. 16. Dez. 68 (O. IX. 735). 15. Fremde Konsuln (gleichviel, ob Berufs- oder Wahlkonsuln: Löwe s. 42) stehen dagegen unter den inländischen Strafgesetzen und Gerichten: OT. 13. März 55 (JMbl. s. 320), sofern nicht in Staatsverträgen das Gegentheil vereinbart ist: GVG. §. 21. 16. Das Gesetz erkennt grundsätzlich ein dem Fremden zustehendes, von ihm persönlich geltend zu machendes Asylrecht nicht an; Auslieferungsverträge zwischen verschiedenen Staaten sind daher nicht als Beschränkungen eines solchen Asylrechts anzusehen, und rechtfertigen an und für sich nicht den Schluß, daß der Ausgelieferte auch nur wegen solcher Mißthaten verfolgt und bestraft werden dürfe, rücksichtlich deren die Auslieferung Seitens des fremden Staats bewilligt, oder spätere Zu stimmung erwirkt ist: OT. 10. Nov. 55 (Entsch. deff. 31 s. 260); contra: die Praxis des sranz. Kass.-Hofs: Sir. 40. I. 781; 45. I. 591. Dagegen ist jener Grundsatz in den mit Ztalien, Großbritannien, der Schweiz, Belgien sowie Luxemburg abge schlossenen Staatsverträgen v. 6. Febr. 1870 (Art. IV), 31. Okt. 1871 (Art. 4), 14. Mai 1872 (Art. VII), 24. Zan. 1874 (Art. 4), 24. Dez. 1874 (Art. 6) und 9. März 1876 (Art. 6) ausdrücklich anerkannt worden. 17. Ebenso steht der mit einem anderen Staate abgeschlossene Staatsver trag, nach welchem Angehörige desselben, wenn sie auf diesseitigem Gebiete eine Mißthat begangen haben, hierher nicht ausgeliefert, wohl aber in jenem Staate «ach dortigen Gesetzen bestraft werden, einer Verfolgung bei einem diesseitigen Gerichte und einer Bestrafung nach diesseitigen Gesetzen, selbst einem Kontumazialversahren, nicht entgegen; ein Beispiel: OT. 4. Nov. 69 (O. X, 690). — In Betreff des Ein flusses, welchen eine im Auslande stattgehabte Verurtheilung wegen einer im Jnlande begangenen Mißthat auf die Statthaftigkeit einer diesseitigen Bestrafung hat, vgl. § 7. 18. Der Grundsatz der Territorialität der Strafgesetze (n. 1. 2) ist auch da maßgebend, wo in den verschiedenen Theilen eines einzelnen Bundesstaates ver schiedene Sondergesehe gelten; in derartigen Fällen bleiben sonach die Vorschriften des §4 außer Anwendung: OT. 12. Sept., 11. Dez. 67 (O. VIII, 511, 785). 19. Mit Rücksicht auf die Vorschrift der §§ 3. 4 muß die Bestimmung des Orts, wo eine That, oder wenigstens, ob sie im Aus- oder Jnlande rc. begangen ist, in die Anklage, und in die thatsächliche Fest- (Frage-) stellung ausgenommen werden; es genügt indessen, wenn die Ortsangabe sich aus dem Zusammenhange ergiebt; vgl. Oppenh. Pr. Strafvers. § 32 n. 2; § 39 n. 8. 10. 18; §47 ». 14; Art. 31 n. 2; Art. 81 n. 26; § 126 n. 27. Im Falle der Verabsäumung dieser Fest stellung würde die Anwendung des inländischen Gesetzes nicht gerechtfertigt, dasselbe also verletzt sein; contra: OT. 4. Jan. 75 (O. XVI, 3: für den Fall, wo in dieser Beziehung in den Instanzen ein Zweifel weder angeregt sei noch obgewaltet habe). — Vgl. in Betreff der Zeitangabe § 2 n. 23.
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Einleitende Bestimmungen. § 4.
§ 4. Wegen der im Auslande begangenen Verbrechen und Vergehen findet in der Regel keine Verfolgung statt. §4.
Inhalt:
AmtSverbrechen: 1. 20. ökonsular-GertchrSbarkeit: 6. -arideSgesetz r 15. 34. 35. Antrag: 31. 32. Ausländer. 2. 2L 28. 29. 34. LandeSverrath: 19. Ausland: 1—4. 11. Militär-Person: 6. Mnuzverbrechen: 18. Beleidigung (Fürst): 22. BeweiSlast: 25. Rachdruck: 8. Deutscher: 3. 11. 21. 28. 29. 34. 35. Privatklage: 12. Prüfung von Amtswegen: 25. Feststellung: 14. 16. 26. 27. SeemannS-Ordnung: 7. 9. Gerichtsstand: 13. Sprengstoffe: 20a. Geschworner: 16. 27. Staat, befreundeter: 23. Hochverrath: 17. 23.
StaatSvertrag: 4. Strafantrag: 31. 32. Strafbarkett Im AuSl.: 23—27. Strafmaß: 24. Strafverfolgung: 9—12. 25. Territorialität: 1. Thäter: 30. Thatbestand: 24. 26. 27. Theilnehmer: 29. 30. Vergleichung der Geff.: 25. 33. Zuständigkeit: 13.
1. Der im § 3 aufgestellte Grundsutz der Territorialität der (inländischen) Strafgesetze erfährt für die im Auslande begangenen Mißthaten durch § 4 eine Modifikation. Dieser § eröffnet die Reihe der durch die Novelle abgeänderten §§. Die Aenderung ist theils blos redaktioneller, theils sachlicher Natur, ersteres insofern, als die für Ausländer und Inländer gemeinsamen Bestimmungen, welche ursprüng lich unter Nr. 1 und Nr. 2 getrennt gehalten waren, in Nr. 1 zusammengefaßt sind, letzteres insofern, als diese Bestimmungen auf die Beamten des Deutschen Reichs rc. bezw. die von ihnen verübten Amtsverbrechen rc. ausgedehnt wurden. 2. In Betreff des Begriffs „Ausland" (Ausländer) vgl. § 8. 3. Der Umstand, daß der deutsche Thäter sich in das Ausland begeben hat, um dort die beabsichtigte Mißthat (z. B. ein Duell) straflos zu begehen, genügt nicht, um die Anwendbarkeit des inländischen Gesetzes zu begründen. 4. Durch § 4 sind die Bestimmungen älterer Staatsverträge, die Verfol gung der im Auslande begangenen strafbaren Handlungen betreffend, nicht beseitigt; ebenso: Bind. HB. I, 405; vgl. OT. 22. Nov. 55 c. Fontaine; contra: Rubo s. 269. Harburger Inland f. 95 und Olsh. n. 2 lassen dieselben nur noch für das Gebiet des Landesstrafrechts gelten. 5. Der Grundsatz des § erleidet bei den der Konsulargerichtsbarkeit unterworfenen Personen eine Ausnahme: sie können wegen der im Bezirke dieser Gerichtsbarkeit begangenen Mißthaten vor dem (zuständigen) inländischen Gerichte verfolgt werden; vgl. in Betreff des Näheren Pr. Ges. v. 29. Juni 1865 § 17 (GS. s. 683). B.-Konsul.-Ges. v. 8. Nov. 1867 (BGbl. s. 137), OT. 29 Mai 58, 16. März 59, OHG. 29. Juni 77 (GA. VI, 565; VII, 344; XXVI, 145). 6. Sodann erleidet der Grundsatz des § nach dem R.-Mil -StGB. v. 20. Zuni 1872 folgende Ausnahmen: a. Strafbare Handlungen, welche von Militürpersonen im Auslande, während sie dort bei den Truppen oder sonst in dienstlicher Stellung sich befinden, begangen werden, sind ebenso zu bestrafen, als wenn diese Hand lungen von ihnen im Bundesgebiete begangen wären: 1. c. §7; b. ein Ausländer oder Deutscher, welcher während eines gegen das Deutsche Reich ausgebrochenen Kriegs auf dem Kriegsschauplätze sich eines Kriegsverraths oder einer Plünderung schuldig macht, ist nach den §§ 57-59. 134 1. c. zu bestrafen: ib. § 160; c. ein Ausländer oder Deutscher, welcher in einem von deutschen Truppen besetzten ausländischen Gebiete gegen deutsche Truppen oder Angehörige derselben oder gegen eine auf Anordnung des Kaisers eingesetzte Behörde eine nach den Gesetzen des Deutschen Reichs strafbare Handlung begeht, ist ebenso zu bestrafen, als wenn diese Handlung von ihm im Bundes gebiete begangen wäre: ib. § 161. Hierbei ist jedoch zu bemerken, daß im eit. § 7 unter den „strafbaren Handlungen" bloße Uebertretungen nicht mitverstanden sind: Koppmann Mil.-StGB. s. 57, Hecker Mil-StGB. s. 23; contra: Rüd. (Solms) Mil.-StGB. f. 11; dagegen unterscheidet § 7 nicht zwischen militärischen und bürgerlichen Delikten, zu welchen letzteren auch die nach § 55 des Mil.-StGB.'s mit geschärfter Strafe bedrohten gehören; vgl. Hecker. GA. 30 f. 197. 114. 7. Ferner sind die Strafbestimmungen der §§81—99 der Seemanns-O.
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Einleitende Bestimmungen. § 4.
Jedoch kann nach den Strafgesetzen des Deutschen Reichs verfolgt werden: v. 27. Dez. 1872 durch den § 100 ib. auch dann für anwendbar erklärt, wenn die strafbaren Handlungen außerhalb des Bundesgebiets begangen sind. 7a. Sodann gehört unter die Ausnahmebestimmungen das Gesetz, betr. die Schonzeit für den Robbenfang, v. 4. Dez. 1876 (RGbl. s. 233). 8. Fernere Ausnahmen begründen die §§ 22. 25 des B.»(Nach drucks-) Ges.'s v. 11. Juni 1870, § 16 des Ges. 's v. 9. Jan. 1876 (betr. d. Urheberrecht an Werken der bildenden Künste), § 9 des Ges. v. 10. Jan. 1876 (betr. den Schutz der Photo graphien rc), § 14 des Ges.'s v. 11. Jan. 1876 (betr. d. Urheberrechte an Mustern und Modellen), RGbl. f. 4 ff. 9. Diese Ausnahmefälle (n. 6—8) unterscheiden sich ebenso wie derjenige des § 298 h. 1. von denen des § 4 Abs. 2 Nr. 1—3 dadurch, daß bei ihnen die Versolgung nicht fakultativ ist. In Betreff der Fälle der §§ 37, 102 vgl. n. 10, 23. 10. Der zweite Absatz gestattet die Strafverfolgung (nach dem Ermessen der verfolgenden Behörde; vgl. Heinze, GA. 24 s. 294ff.), gebietet sie also nicht. Die Motive (s. 18) wollten es bis zum Erlasse einer R.-Straf-Proz.-Ordnung der, Partikulargesehgebung anheimgestellt lasten, das zu beobachtende Verfahren zu ord nen. Inzwischen enthält die StPO, keine darauf bezügliche Vorschrift, es ergeben vielmehr die Reichstagsverhandlungen, daß an dem Eingangs Gesagten festgehalten werden sollte: Schw., GSaal 31 s. 288, id., HH. IV, 71. — In Preußen hat, wenn im Auslande begangene (im Jnlande verfolgbare) Vergehen oder Ueber» tretungen (§ 6) zur Kenntniß des Amtsanwalts gelangen, dieser darüber an den Ersten Staatsanwalt beim Landgericht zu berichten und besten Anweisung abzu warten: Geschäftsanw. v. 28. Aug. 1879 Art. 19 (JMbl. s. 267). — Ist die Straf verfolgung von der hierzu berufenen Behörde rc. angehoben worden, so muß das befaßte Gericht in der Sache entscheiden; ihm steht nicht zu, auf Grund des §4 von der Bestrafung abzusehen: Mot. I. c. Zu vergleichen ist § 102, welcher eine unbedingte Fassung hat; vgl. aber dort n. 4 und § 37, welcher das neue Strafver fahren nur gestattet, eventuell aber Verhängung der betr. Strafe gebietet. 11. Die Statthaftigkeit einer Strafverfolgung im Jnlande wird durch eine vorhergegangene Verfolgung im Aus lande nur insoweit ausgeschloffen, als dieses durch § 5 vorgeschrieben ist, somit in den Fällen der Nr. 1. 2 gar nicht; dagegen wird in allen solchen Fällen § 7 anwendbar. 12. In den Fällen, in welchen die Gesetze eine Strafverfolgung im Wege der Privatklage überhaupt zulasten, ist dieselbe auch hier statthaft: vgl. OT. 31. Mai 67 (GA. XV, 549). 13. Die örtliche Zuständigkeit (der Gerichtsstand) für die im Auslande begangenen Mißthaten richtet sich nach den §§ 9 ff. der StPO. Insofern demgemäß der Ergreifungsort entscheiden soll, kommt es auf den Grund der Ergreifung nicht an; diese kann daher auch wegen einer anderen That erfolgt sein: Rl. 2. Jan. 82 (R. IV, 7), Löwe s. 188. 14. Ueber das Erforderniß, bei der thatsächlichen Feststellung den Ort der That anzugeben, vgl. § 3 n. 19. 15. Die Worte „nach den Strafgesetzen deS Deutschen Reichs" umfassen auch (ältere) Landesgesetze: Schw. s. 173. 46; contra: Heinze s. 42, Rubo s. 272, Meves s. 91, Olsh. n. 2. 16. Bei den in Nr. 1 aufgezählten Verbrechen macht es keinen Unterschied, ob der Thäter Ausländer oder Inländer ist. Dagegen bedarf es bei den unter Nr. 2. 3. vorgesehenen Straffällen der ausdrücklichen Feststellung, daß die That von einem „Deutschen" verübt sei; ob der Thäter diese Eigenschaft noch zur Zeit der Ver folgung besitze, ist gleichgültig: OT. 20 Sept. 77 (O. XVIII, 577), Hamm, GA. 26 s. 422, Olsh. v. 7; contra: HStR. I, 171; id., GSaal 30 s. 161. In Er mangelung besonderer Vorschriften hat der Strafrichter über die Frage der Staats angehörigkeit selbstständig zu entscheiden, ohne dabei an eine Mitwirkung der Ver waltungsbehörden gebunden zu sein. Die Entscheidung steht nicht den Geschwornen, sondern dem Schwurgerichte zu, da erstere nur über den Thatbestand der strafbaren Handlung selbst nebst ihren Modalitäten zu entscheiden haben: StPO. §§ 292ff., GVG. § 81; vgl. OT. 5. Juli 65, 17. Juli 67 (O. VI, 236; VIII, 472), Oppenh. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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Einleitende Bestimmungen. § 4.
1) ein Deutscher oder ein Ausländer, welcher im Auslande eine hochverrätherische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Bundesstaat oder ein Münzverbrechen, oder als Beamter des Deutschen Reichs oder eines Bundes staats eine Handlung begangen hat, die nach den Ge setzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Ver gehen im Amt anzusehen ist; 2) ein Deutscher, welcher im Auslande eine landesverrätherische Handlung gegen das Deutsche Reich oder einen Pr. SLrafverf. Art. 81 n. 36; contra: Olsh. n. 22. — Ueber die Begriffe „Deutscher" und „Ausländer" vgl. die Bemerkungen zu § 8. 16a. § 4 gehört nicht zu den „Strafgesetzen", welche gemäß § 205 der StPO, in dem Beschlusse über Eröffnung des Hauptverfahrens zu bezeichnen sind: RI. 31. März 81 (E. IV, 40).
Zu Nr. 1. 17. Als „Hochverrätherische Handlungen gegen das Reich oder einen Bundesstaat" sind alle in den §§ 80—86 vorgesehenen Mißthaten zu betrachten; ebenso: Meves s. 86, Olsh. n. 8, Bind. HB. I, 428; contra: Rubo s. 275 (rechnet nur die Fälle der §§80—82 hierher). Vgl. Zohn, HH. HI, 15. 18. Bei den „Münzverbrechen" macht Nr. 1 keinen Unterschied, ob sie gegen das Reich, gegen einen einzelnen Bundesstaat, oder gegen einen fremden Staat gerichtet waren. Münzverbrechen sind die in den §§ 146. 147 vorgesehenen Handlungen (einschließlich des Versuchs einer solchen; vgl. § 1 n. 7). Münzvergehen gehören nicht hierher. 19. Der „Landesverrath" ist hier nicht mit aufgezählt worden, weil ein solcher von einem Ausländer im Auslande gar nicht, sondern nur dann begangen werden kann, wenn derselbe sich innerhalb des Bundesgebiets unter betn Schutze des Reiches oder eines Bundesstaates aufhält; im Falle eines Krieges wird nach Kriegsgebrauch verfahren (§ 91); vgl. Motive s. 19, Mil.-StGB. § 160. 57—59. 20. Der Schlußsatz der Nr. 1 trifft diejenigen Handlungen, „die nach den Ge sehen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen im Amte anzusehen sind." Hierhin gehören zunächst die in den §§ 331 — 357 aufgeführten Mißthaten. Werden durch spätere Reichsgesetze Handlungen als Amtsverbrechen rc. qualistzirt, so kommt Nr. 1 gleichfalls zur Anwendung; ebenso: Rüd. n. 7; contra: Meves s. 88. Olsh. n. 10 und Bind. HB. I, 432 rechnen dahin überhaupt alle Mißthaten, bei denen die Strafgesetze die Beamteneigenschaft im Thatbestände (vgl. §§ 174.300.316 Abs. 2, 318 Abs. 2, 322 Abs. 1) oder hinsichtlich der Bestrafung (§§ 128 Abs. 2, 129 Abs. 2) hervorheben). — Doch kann auf Grund der Nr. 1 immer nur der Beamte selbst verfolgt werden, nicht auch der Anstifter oder Gehülfe desselben. Ueber den Begriff „Beamter" im Allgemeinen vgl. § 359, über den Begriff „Reichsbeamter" insbesondere vgl. § 1 des RGes. v. 31. März 1873 (RGbl. s. 61) und andererseits Anh. z. Sch. s. 5. Daß der Beamte im Auslande angestellt sei, wie z. B. ein diplomatischer Agent oder Consul, oder daß er dort einen amtlichen Auftrag aus zurichten habe, wird nicht erfordert; Beisp. eine im Auslände verübte Bestechung, betreffend die Verletzung einer im Jnlande zu erfüllenden Amtspflicht. 20a. Die Bestimmungen der Nr. 1 finden gemäß § 12 des RGes.'s gegen den ver brecherischen rc. Gebrauch von Sprengstoffen v. 9. Juni 1884 auch auf die in den §§ 5—8.10 daselbst vorgesehenen Verbrechen Anwendung, und zwar ohne Unter schied, ob letztere gegen Deutsche (deren Eigenthum oder Leben) oder gegm Ausländer gerichtet waren.
Zu Nr. 2. 21. Die Nr. 2 ist auf den Ausländer, welcher nach Begehung der Mißthat „Deutscher" wird, nicht auszudehnen; vgl. n. 16. 28. 22. Als „Beleidigung gegen einen Bundesfürsten" ist jede der in den
Einleitende Bestimmungen. § 4.
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Bundesstaat, oder eine Beleidigung gegen einen Bundes fürsten begangen hat; 3) ein Deutscher, welcher im Auslande eine Handlung be gangen hat, die nach den Gesetzen des Deutschen Reichs als Verbrechen oder Vergehen anzusehen und durch die Gesetze des Orts, an welchem sie begangen wurde, mit Strafe bedroht ist. §§ 94—101 vorgesehenen Handlungen zu betrachten; vgl. die Ueberschriften der Ab schnitte II (bort n. 2) und III des II. Theils: es gehören daher auch die Beleidi gungen der Mitglieder eines bundesfürstlichen Hauses hierher, insofern nicht die §§ 94—97 ausdrücklich eine Ausnahme begründen; contra: Schützes. 248 n. 7, Rubo s. 276, Rüd. s. 294. 295, John, HH. III, 65, Olsh. n. 9 (rechnen daher nur die Fälle der §§ 94. 95. 98. 99 hierher). 23. Die Nr. 2 hat durch § 102 theilweise eine Ausdehnung auf die von einem Deutschen im Auslande gegen einen befreundeten Staat bezw. gegen dessen Fürsten verübten hochverrätherischen Handlungen erfahren. Das Nähere siehe dort.
3« Nr. 3. 24. Hier wird vorausgesetzt, daß die konkrete „Handlung" am Orte ihrer Begehung strafbar sei, daß sie also alle Begriffsmerkmale eines Straffalles nach den dortigen Gesetzen in sich vereinige. Dagegen ist es nicht erforderlich, daß das aus ländische Gesetz sie unter denselben strafrechtlichen Gesichtspunkt stelle, mithin den selben Thatbestand vorsehe oder die That rechtlich ebenso qualifizire, wie das zu treffende inländische: RG. 13. Okt. 80 (eit. bei Rüd. n. 9); Ri. 9. Jan. 82 (E. V, 424), OT. 8. März 66 (O. VII, 160), Münch. 1. Juni 74 (StZ. IV, 99), HStR. I, 167. Ebensowenig kommt es auf die Art oder das Maß der dort angedrohten Strafe an, ob diese der im diesseitigen Gesetze angedrohten gleich oder geringer sei: eit. OT. 9. Jan. 82. Das gilt selbst dann, wenn die Strafe des ausländischen Gesetzes sechswöchige Hast und Geldstrafe von 150 Mark nicht übersteigt, so daß sie also nach dem Systeme des StGB.'s nur eine Uebertretung darstellen würde, sobald die That nur nach dem diesseitigen Gesetze ein Verbrechen (Vergehen) ist: OT. 14. Dez. 61 (O. II. 71); vgl. jedoch Temme, Arch. f. strafrechtl. Entsch. III, 2; v. Bar, Internat. Recht s. 554. — In Betreff des Falles, wo die Handlung am Orte ihrer Begehung den strafbaren Charakter durch ein späteres Gesetz verliert, Vgl. § 5 n. 17. 24a. Don dieser Bedingung (n. 24) kann selbst dann nicht abgesehen werden, wenn die That in einem uneivilisirten oder in einem staatenlosen bezw. gesetzlosen Lande verübt ist; contra in Betreff des letzteren Falles: Meves s. 92, Bind. HB. I, 436. 24b. Unter „Handlung" sind Theilnahmehandlungen (§§ 47ff.) mitver standen ; vgl. n. 30. Bei der Theilnahmehandlung zu einer im Jnlande verübten (versuchten) Mißthat muß, damit dem § 4 Nr. 3 genügt werde, sowohl die Mißthat selbst, als auch die Theilnahme an einer solchen nach den Gesehen des Orts, wo der Theilnehmer handelte, strafbar sein; so: Meves s. 93, Bind. 1. c.; vgl. § 48 n. 10. 25. Die Strafbarkeit der That nach dem ausländischen Gesetze muß vom Jnstanzrichter von Amtswegen erörtert werden (h 265 der CPO. gestattet keine analoge Anwendung auf Strafsachen.) Dasselbe gilt im Falle des Schlußabsatzes der Nr. 3 in Betreff der Frage, ob das ausländische Strafgesetz milder sei. Es kann daher hier von einer Beweis last des Angeklagten keine Rede sein; vgl. unten n. 27, Schütze s. 59 n. 16, Olsh. n. 10; contra: Schw. s. 57. 26. Demgemäß bedarf die Strafbarkeit der (konkreten: n. 24) Handlung nach dem Gesetze des ausländischen Orts der Begehung einer ausdrücklichen Feststellnng: OT. 1. Febr. 66 (O. VII, 77); es genügt nicht, auszusprechen, daß z. B. der „Betrug" nach dem ausländischen Gesetze strafbar sei, vielmehr bedarf es auch der Feststellung, daß die That nach jenem Gesetze unter den Begriff des Be trugs falle: OT. 15. Nov. 61, 25. Nov. 63. 24. März 65 (O. II. 75; IV, 214; VI, 16); contra: Dresd. 18. Sept., 4. Dez. 74, 5. Febr. 77 (StZ. V, 3; SGZ.
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Einleitende Bestimmungen. §4.
Die Verfolgung ist auch zulässig, wenn der Thäter bei Begehung der Handlung noch nicht Deutscher war. In diesem Falle bedarf es jedoch eines Antrages der zuständigen Behörde des Landes, in welchem die strafbare Handlung begangen wor den, nnd das ausländische Strafgesetz ist anzuwenden, so weit dieses milder ist. [I. u. II. Entw.: §4. — Novelle v. 26. Febr. 1876 Art I. — Pr. StGB. § 4]. Vgl. §§ 3. 5-8.37.102. 296a. 298; BGes. v. I. Zuni 1870 (BGbl. f. 355), eingeführt in Baden und Hessen durch die Bundesverf., in Würtemberg durch den Vertr. v. 25. Nov. 1870, in Stiern [mit Abänderungen^ durch Ges. v. 22. April 1871 §9: BGbl. s. 89; B.-(Nachdrucks')Ges. v. 11. Zuni 1870 §§ 22. 25; Mil.-StGB. v. 20. Zuni 1872 §§ 7. 56-61. 160. 161; Seem.-O. v. 27. Dez. 1872 §§ 100.81—99;RGes. gegen den verbrecherischen und gemeingefährlichen Gebrauch von Sprengstoffen, v. 9. Zuni 1884, §§ 12. 5-8. 10.
XIX, 209: XXI, 348: weil die Voraussetzung der Nr. 3 kein Thatdestandsmerkmal, sondern lediglich Bedingung der Strafverfolgung, die Frage mithin materiell prozeffualischer Natur sei, deren selbstständige Prüfung auch dem Nichtigkeitsrichter zu 13. Daraus folgt, daß wenn in dem betr. ausstehe; vgl. § 61 n. 35), Olsh. ländischen Gesetze ein anderer Thatbestand vorausgesetzt wird, als in dem anzu wendenden inländischen (n. 24), beide der Feststellung bedürfen; im schwurge richtlichen Verfahren muß daher auch der Thatbestand des ausländischen Gesetzes in die Fragstellung ausgenommen werden; ebenso: Rl. 14. Jan. 86 (E. XIII, 229), Schw. StPO. s. 458; vgl. § 2 n. 13, OT. 12. Sept. 67 (O. VIII, 505; Rh. Sache); Vaag i. GSaal 37 s. 644 ff. hält für das schwurgerichtliche Verfahren selbst dies für ungenügend; es sei vielmehr und zwar stets das „Merkmal" der Handlung als eine durch die Gesetze des Begehungsorts mit Strafe bedrohten geradezu in die Frage aufzunehmen. Vgl. jedoch n. 27. 27. Wie und auf welcher Grundlage (auf Grund welches Nachweises) in den Instanzen der Inhalt des betr. ausländischen Gesetzes festzustellen sei, beurtheilt sich nach prozessualischen Grundsätzen. Nach denen der (früheren) Pr. Ge-1 setzgebung und der StPO, hat diese Feststellung nicht durch die Geschworenen, sondern durch das Schwurgericht zu geschehen. Letzteres kann die betr. Entscheidung unbedenklich auf Grund der Notorietät oder seiner persönlichen Kenntniß (: OT. 8. Sept. 58 c. Sturm; 29. Nov. 60 c. Stein), oder auf Grund eines Gutachtens aus ländischer Rechtsgelehrten (: OT. 29. Juni 55, StA. 30 s. 138) treffen; vgl. Dresd. 18. Sept. 74, Manh. 28. Dez. 72 (StZ. V, 3. 5). Da eine solche Entscheidung die Anwendung des inländischen Gesetzes nicht berührt, so unterlag ihre Richtigkeit nicht der Kritik des Pr. Nichtigkeitsrichters: OT. 5. Juli 65. 10. Juli 67, 27. Jan. 70, (O. VI, 326; vm, 464; XI, 61); Oppenh. Pr. Strafverf. Art. 107 n. 21, Pr. AGO. 1,10 § 53 ; vgl. jedoch n. 26, bezw. die dort eit. Dresd. 18. Sept., 4. Dez. 74 u. 5. Febr. 77. Das Gegentheil soll nach Rill. 21. Febr. 84 (E. X, 285), Schw. StPO. s. 525, Löwe s. 648 und Olsh. n. 15 von dem Revisionsrichter der StPO, gelten; contra: Keller StPO. § 376 n. 6. Vgl. CPO. § 511. 28. Der letzte Absah bezieht sich nur auf den Fall der Nr. 3, nicht auch auf den der Nr. 2. Hat daher ein Ausländer nach Verübung einer der in Nr. 2 ausgezählten Mißthaten. die Eigenschaft eines Deutschen erlangt, so ist eine Verfol gung desielben im Bundesgebiete nur dann statthaft, wenn die Voraussetzungen der Nr. 3 zutreffen; vgl. n. 21. 29. Der letzte Absatz hat nur den Fall im Auge, wo der Thäter als Ein zelner nachträglich in einem Bundesstaate das Jndigenat erlangt hat und dadurch Deutscher geworden ist. Wird dagegen später ein bisher nicht zum Reiche gehöriges Gebiet diesem zugelegt und das StGB, auch dort eingeführt, so ist § 2 maßgebend: Puch. n. 8, Olsh. n. 17; contra: Bind. HB. I, 439. Hat der Angehörige eines sol chen Gebiets vor der Vereinigung des letzteren mit dem Reiche eine Mißthat in einem ihm fremden, auch jetzt nicht zum Reiche gehörigen Lande verübt, so ist die
Einleitende Bestimmungen. § 5.
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§ 5* Im Falle des § 4 Nr. 3 bleibt die Verfolgung aus geschlossen, wenn Frage, ob er zu verfolgen und wie er eventuell zu bestrafen sei, nach denjenigen Gesetzen zu lösen, welche zur Zeit der Begehung in seinem Heimathlande galten (unbeschadet der Vorschrift des § 2 Abs. 2). 30. Als „Thäter" sind auch der Anstifter und Gehülfe anzusehen; vgl. oben n. 24 a, § 47 n. 1, § 3 n. 5. 31. Der Antrag „der zuständigen Behörde" des Landes der Begehung muß von der Centralstelle (Ministerium der auswärtigen Angelegenheiten rc.) aus gehen, welche im völkerrechtlichen Verkehr nach außen hin das Land vertritt; ebenso: RlV. 30. Sept. 87 (R. IX, 481). — Ein Antrag der in jenem Lande für die Straf vollstreckung „zuständigen" Behörde würde nicht genügen; vgl. B.-Rechtsh.-Ges. §27; ebenso: Bind. HB. I, 438; contra: Reber n. 383 (hält nur diese für berechtigt). 32. Für den hier erforderten Antrag sind die Vorschriften der §§ 61 ff. nicht maßgebend: RlV. 30. Sept. 87 (eit. n. 31), Schütze s. 170 n. 12, Olsh. n. 18, Bind. HB. 1, 439. — Eine Strafpflicht wird durch denselben nicht begründet. 33. Soweit es in den vorgesehenen Fällen auf eine Prüfung und Anwendung des ausländischen Strafgesetzes ankommt, gilt das oben n. 25—27 Bemerkte auch hier. Bei der Vergleichung, ob das inländische oder ausländische Gesetz das mil dere sei. ist nach Anleitung des § 2 n. 12—21 Gesagten zu verfahren. 34. Inwiefern für die Anwendung der Nr. 3 Raum sei bei Handlungen, welche sich als Akte des Widerstands rc. wider eine ausländische Staatsgewalt kenn zeichnen, darüber vgl. Abschn. VI n. 1. 2. 35. Der Grundsatz der Nr. 3 findet auch dann Anwendung, weun ein Deutscher im Auslande sich gegen ein besonderesStrafgeseh seines Heimathsstaates ver geht (n. 15). Gelten in verschiedenen Theilen des Heimathstaates für die betr. That verschiedene Spezialgesehe, so wird das am Wohnorte des Thäters geltende anwend bar; hat derselbe im Heimathstaate keinen Wohnort, so ist in dem gedachten Falle von den verschiedenen geltenden Landesgesetzen das mildeste anzuwenden; er bleibt also straflos, wenn es in irgend einem Theile des Staates, welchem er angehört, an einer paffenden Strafbestimmung fehlt. 36. Das Gesetz läßt den Fall ungeregelt, wo der Angehörige eines Bundes staates in einem anderen Bundesstaate eine That begeht, welche in beiden durch verschiedene besondere Landesgesetze mit Strafe bedroht ist. Es unterliegt indessen keinem Bedenken, auch hier den Grundsatz der Nr. 3 analog anzuwenden; vgl. n. 15; ebenso: Harburger, Inland s. 94; contra: HStR. I, 181 (will die Frage der Verfolgbarkeit nach den einschlägigen Landesgesetzen beurtheilt wissen). Es kann daher in einem solchen Falle eine Strafverfolgung bei den Gerichten und nach den Gesetzen des Heimathstaates des Thäters stattfinden, insofern nicht die Voraus setzungen des § 5 zutreffen, noch anch in dem anderen Bundesstaate eine Untersuchung bereits anhängig ist; vgl. StGB. (Titel: f. 17 n. 4); contra: Heinze s. 43.
§5. 1. „Ausland" ist hier durchweg derjenige ansländische Staat, in welchem die That begangen wurde („des Auslandes"); contra: Rubo s. 280; vgl. n. 7. 13a. 2. Nach den in Preußen früher geltenden Prozeßgesehen konnten die int § 5 aufgezählten Gründe der Nichtverfolgung, wenn sie vor oen befaßten Jnstanzrichtern nicht zur Sprache gebracht und deshalb von ihnen unberücksichtigt gelassen waren, in der Nicht igk ei ts-In stanz oder gar nach eingetretener Rechtskraft keine Be rücksichtigung mehr finden. Das Gegentheil dürfte nach der StPO, für die Reviston, nicht» aber für die Wiederaufnahme des rechtskräftig geschlossenen Verfahrens Rechtens sein; vgl. Löwe s. 649. Wohl aber sind jene, wenn die Wiederaufnahme (aus einem anderen Grunde) angeordnet worden ist, bei der erneuten Hauptverhandlung (StPO. § 410) zur Geltung zu bringen. 3. Zn den Fällen, in welchen nach §5 der inländische Richter die Gesetze eines fremden Staates berücksichtigen muß, ist das zu § 4 n. 25—27 Gesagte auch hier maßgebend. 4. Insoweit § 5 die Stafverfolgung im Znlande mit Rückficht auf gewisse im ausländischen Staate der Begehung obwaltende Voraussetzungen ausschließt,
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Einleitende Bestimmungen. § 5.
1) von den Gerichten des Auslandes über die Handlung rechtskräftig erkannt und entweder eine Freisprechung erfolgt, oder die ausgesprochene Strafe vollzogen, 2) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nach muß dasselbe auch im Verhältnisse einzelner Bundesstaaten unter einander gel ten, wenn es sich um solche Fälle handelt, welche in den verschiedenen Bundes staaten durch verschiedene Landesstrafgesehe vorgesehen sind; vgl. § 4 n. 36. Außer dem ergiebt sich aus dem dort bzw. s. 17 n. 4 Gesagten, daß nicht allein der Vollzug der erkannten Strafen, sondern schon die Einleitung der Untersuchung in dem einen Bundesstaate die Verfolgung wegen derselben That in dem andern aus schließt.
Zu Nr. 1. 5. Die Strafverfolgung im Inlands bleibt ausgeschlosien, sobald im auslän dischen Staate der Begehung über die Handlung (d. h über dasselbe konkrete Thun des Angeschuldigten) „rechtskräftig erkannt rc." ist. Ein in jenem Staate noch schwebendes Strafverfahren genügt dazu nicht; dagegen muß das im In lands angehobene. Strafverfahren eingestellt werden, sobald im Auslande jene Be dingung zutrifft. Wäre inzwischen im Znlande bereits in erster Instanz ein verurtheilendes Erkenntniß ergangen, so müßte der mit der Sache befaßte höhere Znstanzrichter dasselbe ausheben und die weitere Verfolgung für unstatthaft erklären. 6. Das betr. „Erkenntniß" muß von einem Gerichte ausgegangen sein: es genügt also nicht, wenn von einer Verwaltungsbehörde eine vorläufige Entschei dung ergangen ist, sollte diese demnächst auch vollstreckbar geworden sein. Steht dagegen die Entscheidung über einen Straffall ausschließlich einer Verwaltungsbe hörde zu, so ist diese als das zuständige „Gericht" anzusehen; contra: Rubo s. 280, Bind. HB. I. 445. 7. Zm klebrigen ist es gleichgültig, ob der ausländische Richter nach den dies seitigen oder nach den Gesehen seines Landes zuständig war, wenn er nur ein Strafrichter desjenigen Landes war, in welchem die That begangen worden ist; contra: Olsh. n. 2 (insofern er auch die letztere Einschränkung nicht gelten läßt). 8. Ein Erkenntniß ist „rechtskräftig", sobald es nach den maßgebenden Strafprozeßgesetzen nicht mehr durch ein ordentliches Rechtsmittel angefochten wer den kann; vgl. §30 n. 4. 9. Es muß über die Handlung freisprechend oder auf Strafe „erkannt rc." sein- Aus welchem Grunde die Freisprechung erfolgte und ob dieser Grund auch im Inlands zur Freisprechung führen konnte, ist gleichgültig. Dagegen steht es einer Freisprechung nicht gleich, wenn ein eingeleitetes Vorverfahren einge stellt oder die Strafverfolgung für unstatthaft erklärt ist; dasselbe würde von einer die Wiederaufnahme deö Verfahrens nicht ausschließenden „vorläufigen Freisprechung" gelten; vgl. OT. 8. März 54 (GA. II, 250); contra: Rubo s. 282. Zm Falle der Bestrafung genügt eine sog. außerordentliche Strafe: HSR. I, 168. 10. Hat der ausländische Richter in der angegebenen Weise (n. 5—9) über die Handlung erkannt, so ist es gleichgültig, wie er sie qualifizirt, insbesondere ob er sie unter denselben strafrechtlichen Begriff gebracht hat, welcher jetzt im Znlande der Strafverfolgung zum Grunde gelegt werden soll; nicht minder, ob alle für die Beurtheilung (nach inländischem oder ausländischem Recht) erheblichen thatsächlichen Momente dem ausländischen Richter vorgelegen haben oder erst später ermittelt worden sind; vgl. Oppenhoff, Pr. Strafverf. § 1 n.47ff. 11. Eine Verurtheilung int Auslande, welche nicht den Vollzug oder Er laß der ganzen Strafe zur Folge gehabt hat, schließt die Verfolgung im Bundes gebiete nicht aus. Ein unvollständiger Strafvollzug kann nur die Anwendung des § 7 rechtfertigen. 12. Von dem unter Nr. 1 (und 2) erwähnten Gmndsahe macht § 37 eine Aus nahme; vgl. die Bemerkungen zu diesem.
Zu Nr. 2. 13. Die Frage nach der „Verjährung der Strafverfolgung oder Straf vollstreckung" ist selbstverständlich mit Rücksicht auf denjenigen strafrechtlichen
Einleitende Bestimmungen. §§ 5. 6.
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den Gesetzen des Auslandes verjährt, oder die Strafe erlassen, oder 3) der nach den Gesetzen des Auslandes zur Verfolgbarkeit der Handlung erforderliche Antrag des Verletzten nicht gestellt worden ist. [I. Gntro.: § 4 Abs. 3; II. Entw.: §5; Pr. StGB.: §4 Abs. 3.] Vgl. §§ 4. 6-8. 37; R.-Mil..StGB. § 161.
§ 6. Im Auslande begangene Uebertretungen sind nur dann zu bestrafen, wenn dies durch besondere Gesetze oder durch Verträge angeordnet ist. [I. Entw.: § 4; II. Entw.: § 6; StGB.: tz 4 (Schlichs.).) Vgl. § 8; R.°Mil.-StGB. § 161; Seemanns-Ö. v. 27. Dez. 1872 § 100. Charakter zu lösen, den die Handlung nach dem zutreffenden ausländischen Ge setze hat. 13a. War die That in mehreren ausländischen Staaten verfolgbar, so soll es nach Rubo n. 15 und Olsh. n. 4 genügen, wenn die Verjährung nur nach der Gesetzgebung eines dieser Staaten eingetreten ist; vgl. jedoch oben n. 1. 14. Die Verjährung der Strafverfolgung ist nur dann zu berücksichtigen, wenn sie im Auslande abgelaufen war, ehe im Znlande eine Verfolgung stattfand; contra: Rubo s. 284. War eine solche vor dem Ablaufe jener Verjährung ange hoben worden, so schließt der Umstand, daß später im Auslande die Verjährung ablief, die Fortsetzung des Verfahrens nicht aus. In dieser Beziehung kommt es lediglich auf den Akt der Strafverfolgung, b. h. also auf den Zeitpunkt an, in welchem der Staatsanwalt die Strafklage (Anklage. Anschuldigung) erhoben hat; insbesondere bleibt § 68 (nach welchem die Verjährung nur durch Handlungen des Richters unterbrochen wird) außer Anwendung, da es sich hier nicht darum han delt, den Lauf der (ausländischen) Verjährung zu unterbrechen, sondern eine für die inländische Strafverfolgung vorgeschriebene Frist zu wahren. 15. Ein Straferlaß (eine Amnestie, Abolition) steht der Vollziehung gleich; vgl. n. 11. Erfolgt ein solcher, nachdem im Znlande bereits die Strafverfolgung angehoben war, so ist nach n. 5 zu verfahren; ebenso: HStR. I, 168; contra: Bind. HB. I, 445. 16. Als „Straferlaß" ist nur ein Gnadenakt des betr. Landesherrn (§ 3 n. 4) anzusehen, nicht also ein wirksamer Verzicht des Verletzten auf die Be strafung oder auf den Strafvollzug; ein solcher Fall ist lediglich nach Nr. 3 zu be urtheilen; contra: Puch. n. 5, Schw. n. 6, Rubo s. 284, Olsy. n. 6. 17. Den in Nr. 2 aufgeführten ist der Fall gleichzustellen, wo die Handlung 'zwar zur Zeit ihrer Begehung am Orte der letzteren strafbar war, diesen Charak ter aber durch ein neues Gesetz verliert; so: Bind. HB. I, 437; vgl. § 2.
Zu Nr. 3. 18. Die Nothwendigkeit eines „Antrages des Verletzten" ist selbstverständlich nach der der That gemäß dem betr. ausländischen Gesetze zu gebenden Quali fikation zu beurtheilen. 19. Der Nichtstellung des Antrags steht der Fall gleich, wo der Antrag zu spät gestellt oder rechtsgültig zurückgenommen worden ist.
§ 6. 1. Die Worte „sind nicht zu bestrafen" sind nicht korrekt. Auch hier ist nur von der Statthaftigkeit der Strafverfolgung die Rede. 2. Ueber denBegriff des „Auslandes" vgl. § 8, § 5 n. 4, HStR. I, 180. 3. Die Frage: ob eine That, eine „Uebertretung" darstelle, ist lediglich .nach dem inländischen Gesetze zu beurtheilen; ebenso: HStR. I, 166. 4. Die Verfolgung im Auslande begangener Uebertretungen, selbst der in einem Reichsgesetze (z.B. dem StGB.) vorgesehenen, kann auf Grund eines in dem
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Einleitende Bestimmungen. § 7.
§ 7. Eine im Auslande vollzogene Strafe ist, wenn wegen derselben Handlung im Gebiete des Deutschen Reichs abermals eine Verurteilung erfolgt, auf die zu erkennende Strafe in Anrechnung zu bringen. [I. u. II. Entw. (fehlte); Pr. StGB. (beSgl.).]
Vgl. §§ 3-8. 37.60.73.
betr. Bundesstaate ergangenen „Gesetzes" oder eines von jenem abgeschlosse nen „Vertrags" erfolgen; es wird also nicht erfordert, daß dieses Gesetz (Ver trag) vom Reiche ausgegangen sei: Rüd. n. 4 (derselbe erachtet nur solche Landes gesetze für aufgehoben, welche einen von § 6 abweichenden Grundsatz allgemein für sämmtliche Uebertretungen aufstellen möchten); contra: Rubo s. 285 (legt nur Reichs gesetzen jene Bedeutung bei), v. Kirchm. s. 27, Puch. n. 4 und Olsh. n. 3 (die bei ßen letzteren wollen den Landesgesehen und Verträgen nur in Betreff der durch Landesgesetze vorgesehenen Uebertretungen eine Wirksamkeit beilegen, weil die Lan desgesetzgebung ein Reichsgesetz nicht modistziren könne; die allgemeine Fassung des § 6 gewährt aber hier die fragliche Befugniß; auch handelt es sich nicht um die Bedeutung des Strafgesetzes, sondern um die Bedingungen der Verfolgbarkeit). Vgl. ferner HStR. I, 166. 179. 5. Die Strafverfolgung wegen einer im Auslande begangenen Uebertretung ist nur dann statthaft, wenn die zulassenden „Gesetze" oder „Verträge" vor Ver übung der That verkündet oder abgeschlossen waren. Außerdem finden die Regeln des § 5 bei solchen Uebertretungen analoge Anwendung; so: Bind. HB. I, 443. 6. Der Pr. Amtsanwalt muß über eine solche, zu seiner Kenntniß gelangte Handlung dem Ersten Staatsanwalt berichten und dessen Anweisung abwarten; vgl. § 4 n. 10.
§7. 1. In Ermangelung positiver Ausnahmebestimmungen (z. 59. § 5 Nr. 1) wird die statthafte Verfolgung im Jnlande durch eine AdurtHeilung im Auslande und durch den Vollzug der dort verhängten Strafe nicht ausgeschlossen; das aus ländische Urtheil bildet keine res iudicata. Gleichwohl soll auch hier die frühere im Auslande verhängte und vollzogene Strafe auf die demnächst im Zulande zu verhängende Strafe in Anrechnung gebracht werden. Es ist hierbei sowohl an solche Fälle zu denken, wo die That im Jnlande begangen ist, als auch an die im § 4 Nr. 1—3 vorgesehenen Fälle (z. 53. wenn bei einem Falle des § 4 Nr. 3 die im Auslande verhängte Strafe nur theilweise vollzogen worden ist, so daß h 5 Nr. 1 nicht zur Anwendung kommt: § 5 n. 11); vgl. OT. 13. Sept. 66 (O. VII, 462). 2. Die Anwendung des hier ausgesprochenen Grundsatzes ist nicht bedingt durch die Zuständigkeit des ausländischen Gerichts; ebensowenig wird hier er fordert, daß das Urtheil von einem Gerichte desjenigen Staates ausgegangen sei, in dessen Gebiet die That begangen war; vgl. § 5 „. 1. 7. 3. Nicht minder ist es gleichgültig, in welcher Weise daS ausländische Urtheil die Handlung qualifizirt hatte; es genügt, daß es sich um dieselbe That (um dasselbe konkrete Thun) handelte; contra: Bind. HB. I, 440, insofern er die Anwendbarkeit des § auf die Fälle beschränkt, wo das Delikt im Auslande als derselbe Angriff wider dasselbe Rechtsgut gefaßt werde, wie im Jnlande, und dieselbe z. 59. dann ausschließt, wenn eine Majestätsbeleidigung im Auslande als Verletzung guter völkerrechtlicher Beziehungen bestraft worden wäre. 4. Nur die „vollzogene", nicht die verjährte oder erlassene Strafe ist in dieser Weise anzurecknen, obgleich bei einer (im Jnlande zu bewirkenden) Straf vollstreckung der Straferlaß der Vollziehung gleichgeachtet wird. — Ist der Straf vollzug im Auslande theilweise erfolgt, so kann, selbst wenn er augenblicklich noch fortdauert, doch nur der bereits verbüßte Theil der Strafe angerechnet werden. 5. Die Anrechnung soll auf die „zu erkennende" Strafe erfolgen; sie ist also im verurtheilenden Erkenntnisse in der Weise auszusprechen, daß zunächst das volle Maß der zugemessenen Strafe verhängt und dann bestimmt wird, um welchen Betrag sie mit Rücksicht auf die im Auslande erlittene herabzusetzen sei. — War die Anrechnung im Erkenntnisse unterblieben, weil der erkennende Jnstanzrichter keine Kunde von jenem Strafvollzüge erlangt hatte, so konnte sie in Preußen nicht mehr
Einleitende Bestimmungen. § 8.
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§ 8. Ausland im Sinne dieses Strafgesetzes ist jedes nicht zum Deutschen Reiche gehörige Gebiet. [I. Entw.: §5 Abs. I; II. Entw.: §8; Pr. StGB, (fehlte)). Vgl. §§3-7. 37. 296a: Rechtsh.-Ges. v. 21. Juni 1869 § 39; BGes. v. 1. Juni 1870; RGes. v. 9. Zuni 1871 §. 1; (Lundesflaagen-) Ges. v. 25. Okt. 1867; Seernanns-O. v. 27. Dez. 1872 § 100; StPO. § 10. im Wege der Nichtigkeitsbeschwerde, noch in dem eines nachträglichen Ver fahrens nachgeholt werden. Das Gegentheil dürfte von der Revision der StPO, gelten; vgl. § 5 n. 2. 6. Eine erst nach der inländischen Verurtheilung im Auslande erfolgte Be strafung (Straf-Vollstreckung) kann keine Berücksichtigung mehr finden; eine Nach holung der Anrechnung in der Vollstreckungsinstanz ist unstatthaft; vgl. § 2 n. 20. 7. Entspricht die int Auslande vollzogene Strafe ihrer Art nach nicht den Strafen des StGB.'s, so muß der erkennende Richter nach billigem Ermessen und unter Berücksichtigung der §§ 21. 29 eine Strafumwandlungsberechnung zu Grunde legen. Die im Äuslande verhängten Ehrenstrafen gestatten keine Anrechnung, da sie im Inlands keine Wirksamkeit haben; vgl. § 37. 8. Die „Anrechnung der im Auslande vollzogenen Strafe" kann eine Ab änderung der im diesseitigen Gesetze angedrohten Strafart nicht herbeiführen; so nach ist es unstatthaft, eine verhängte Zuchthausstrafe deshalb, weil ihre Dauer durch jene Anrechnung unter das Mindestmaß des § 12 (ein Jahr) hinabsinkt, in Gefängniß oder Festungshaft umzuwandeln; vgl. § 19 n. 3. 4; ebenso: HSR. I, 168, Bind. HB. I, 443; contra: Rüd. n. 1, v. Liszt s. 87. 9. Wird auf Todes- oder lebenslängliche Zuchthausstrafe oder Festungs haft erkannt, so fällt die Anrechnung fort. 10. Der § 7 muß unbedenklich a potiori auch im Verhältnisse zwischen ver schiedenen Bundesstaaten Anwendung finden; vgl. oben s. 18 n. 4 a. E. und HStR. I, 179. 180; contra: Olsh. n. 4. 11. Die Vorschrift des § 7 ist auf den Fall zu beschränken, wo wegen „der selben" im Auslande bereits bestraften Handlung noch eine Verfolgung im Znlande stattfindet (n. 1). Sie bleibt außer Anwendung, wenn im Auslande eine Bestrafung wegen einer anderen von derselben Person in Realkonkurrenz begangenen Mißthat erfolgt ist. In einem solchem Falle kommen dem Angeklagten auch die milderen Vorschriften der §§ 74ff. nicht zu Gute; vgl. § 79 n. 16. § 8.
1. Die Worte „dieses Strafgesetzes" sind, wie aus den Motiven s. 20 und aus den Erklärungen des Reg.-Kommissars im Reichstage erhellt, auf das ganze Strafgesetzbuch zu beziehen. In ähnlichem Sinne sind jene Worte mehrfach gebraucht; vgl. §§. 31. 52. 359 und oben s. 17 n. 4. 2. Nach der Begriffsbestimmung des § ist auch das zu keinem Staate ge hörende Gebiet „Ausland"; vgl. n. 4. 3. Ein Seeschiff auf offenem Meere wird als Theil des Heimathsstaates angesehen: OT. 12. Sept. 55 (GA. III, 658); vgl. Harburger, Inland s. 106ff. Dasselbe gilt von Kriegsschiffen auch dann, wenn sie sich im Eigenthumsgewässer eines fremden Staats (innerhalb des von der Küste aus durch Geschütze zu beherr schenden Gebietes) befinden, während im Betreff anderer Schiffe ein solches Ge wässer als Theil des Küstenlandes betrachtet wird: OT. 16. März 59 (Entsch. dess 42. 2. 7); vgl. RI. 22. April 80 (E. II, 17: Motive), § 296a ». 4, Harburger 1. e, s. 115. Rücksichtlich des Gerichtsstandes vgl. StPO. § 10. — Ueber die territo rialen Grenzen bei Flußläufen. Flußbetten und den über Flüsse führenden Brücken vgl. RI. 3. Jan. 84 (E. IX, 370), über ein mit betn Auslande bestehendes Condominatsverhältniß: EG. § 1 n. 3, Bind. HB. I, 406. 407. — Die inländische Wohnung eines Exterritorialen, z. B. eines bei einer inländischen Regierung beglaubigten Gesandten, ist Inland: RH. 26. Nov. 80 (E. III, 70), Harburger s. 193. 4. Der Begriffsbestimmung des Wortes „Ausland" entsprechend ist als Ausländer im Sinne des StGB.'s Jeder anzusehen, welcher nicht, „Deutscher", d. h. Angehöriger eines Bundesstaates oder des Reichslandes Elsaß-Lothringen ist:
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Einleitende Bestimmungen. § 8.
Reichsverf. v. 16. April 1871 Art. 3, BGes. v. 1. Sunt 1870 § 1, RGes. v. 9. Juni 1871. Demgemäß sind „Ausländer" auch diejenigen, welche keinem Staate ange hören. z. B. solche, welche aus dem Unterthanenverbande, dem sie früher angehörten, entlassen worden sind, ohne eine andere Staatsangehörigkeit erlangt zu haben; vgl. n. 2. — Der Erwerb und Verlust der Reichs- und Staatsangehörigkeit ist nach dem cit. BGes. v. 1. Juni 1870 (eingeführt in Elsaß-Lothringen durch Ges. v. 8. Jan. 1873: EL Gbl. s. 1) zu beurtheilen. Diesem Gesetze zufolge geht die Reichs- bezw. Staatsangehörigkeit durch den Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit für sich allein noch nicht verloren, sondern nur durch mindestens fünfjährigen Aufenthalt in dem betreffenden Staate in Zusammenhang mit jenem Erwerbe, welcher Zu sammenhang nicht vorhanden ist, wenn zwischen dem fünfjährigen Aufenthalte und jenem Erwerbe ein mehrjähriger Aufenthalt in einem anderen Gebiete liegt: Rl. 2. Juni 81 (E. IV, 271). 5. In gleichem Sinne sind die Ausdrücke „Ausland", „Ausländer" aufzufassen, wenn es sich um Auslegung oder Anwendung eines besonderen Reichsstrafge seh es handelt, es sei denn, daß aus diesem selbst die Absicht des Gesetz gebers hervorginge, jenen hier eine andere Bedeutung beizulegen. Ebenso : HStR.
I, 165. 6. So lange das StGB, nur für den Norddeutschen Bund Geltung hatte, richtete sich auch die Bedeutung der in demselben gebrauchten Ausdrücke „Jnund Ausland" nach der Zugehörigkeit des betr. Gebietes zum gedachten Bunde. Mit der Wirksamkeit des das StGB, zum „Reichsgesetze" erklärenden Ges.'s v. 16. April 1871, insbesondere des die Ausdrucksweise des StGB.'s erläuternden § 2 Abs. 2 das. wurden jene Begriffe dahin abgeändert, daß als „Inland" im Sinne (und int Geltungsbereiche) des StGB.'s das ganze Reichsgebiet anzusehen ist. also auch diejenigen Bundesstaaten, in welchen zur Zeit das StGB, noch nicht zur Geltung gelangt war: OA. 14. Febr. 1872 (O. XIII, 141), Fuchs, StRZ XII, 431; contra: Jena (Voll. XIX, 47: erachtete eine in Baiern erfolgte Vorbestrafung nicht für geeignet, um für einen im Juli 1871 in Norddeutschland verübten Dieb stahl den Rückfall zu begründen; vgl. § 244 n. 1); ähnlich: OT. 8. Februar 72, Dresd. 21. Juni 72 (O. XIII, 126; SGZ. XVI, 257) u. OT. 13. Dez. 77 (O. XVIII, 784: in Betreff Elsaß-Lothringen's). — Dagegen versteht es sich von selbst, daß die Anwendbarkeit des StGB.'s auf die Mißthaten, welche der Angehörige eines süd deutschen Staats im Auslande verübt hat, erst mit der Einführung des GB. in dem Heimathsstaate deffelben beginnen konnte. 7. Handelt es sich um die Anwendung eines Landes-Strafgesetzes, so findet die nur zur Erläuterung des StGB.'s gegebene Begriffsbestimmung des § keine Anwendung. Es ist dann als „Ausland" jedes nicht jenem Einzelstaate angehörende Gebiet, und als „Ausländer" auch jeder Deutsche anzusehen, welcher kein Ange höriger jenes Staates ist: RII. 24. Febr. 80 (R. I, 380), OA. 12. Okt. 72 (O. XIII, 521); daß jedem solchen Staatsangehörigen nach Art. 3 der Reichsverfasf. das Reichs-„Jndigenat" zusteht, bleibt hier außer Betracht, weil dieser Grundsatz nur dann und nur insoweit wirksam wird, als sich der Angehörige eines Bundes staates in einem andern Bundesstaate befindet und hier die in jenem Artikel er wähnten Rechte in Anspruch nimmt, also nicht da, wo strafbare Handlungen in Frage stehen, welche im Gebiete eines andern Bundesstaats verübt worden find: OT. 30. Juni 71, OA. 24. Jan. 72 (O. XII, 355; XIII, 75), Berl. 28 Febr. 81 (Johow II, 213), HStR. I, 180; contra: Heinzes. 42. Vgl. für Baiern Staudinger s. 52. 75. 8. Das unter n. 7 Gesagte gilt in entsprechender Weise auch da, wo es sich um andere Landesgesehe, z. B. ein (ausnahmsweise noch geltendes) LandesProzeßgeseh handelt: Dresd. 10. Juli 72, OT. 15. Juni 76 (SGZ. XVI, 350; O. XVII, 425); vgl. oben s. 17 n. 4, § 4 n. 5, GSaal 24 s. 566, WGbl. VI, 202. 214, Schütze s. 55 n. 1, oder um Reichs-Strafaesetze, insofern sie ihre materiellen Voraussetzungen erst durch landesgesehliche Vorschriften erhalten, die sog. Blankettgesetze; so: Harburger s. 95. 9. Eine vertragsmäßig im Auslande errichtete Zollabfertigungsstelle ist bezüglich der Verzollung der vom Auslande nach Deutschland gehenden Waaren rechtlich so anzusehen, als läge sie ans deutschem Zollgebiete: RII. 19. März 86
(E. XIII, 410).
Einleitende Bestimmungen. §§ 9.10.
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§ A. Ein Deutscher darf einer ausländischen Regierung zur Verfolgung oder Bestrafung nicht überliefert werden. [I. Entw.: §6; II. Entw: §9.] Vgl. Rechtsh.-Ees. v. 2l.Juni 1869 §§21—32. 34; BVertr. mit Nordamerika v. 22. Febr. 1868 (Pr. Vertr. v. 16. Juni 1852; BGbl. 1868 s. 229); RVertr. m. Italien v. Zl.Okt. 1871 (RGbl. s. 446. 458); m. Großbritannien rc. v. 14. Mai 1872 (vgl. JMVf. v. 2. April 74, JMbl. s. 111 u. v. 16. Aug. 75, ib. s. 194); m. b. Schweiz v. 24. Jan. 1874; m. Belgien v. 24. Dez. 1874; nt. Luxemburg v. 9. März 1876; m. Brasilien v. 17. Sept. 1877; mit Schweden und Norwegen v. 19. Jan. 1878; mit Spanien v. 2. Mai 1878.
§ 10. Auf Deutsche Militärpersonen finden die allgemeinen Strafgesetze des Reichs insoweit Anwendung, als nicht die Militär gesetze ein Anderes bestimmen. [I. Entw.: § 7; II. Entw.: § 10; Pr. StGB.: § 5.] Vgl. BGes. v. 9. Nov. 1867; Mil.-StGB. §§ 1-3. 6. 42; EG. z. dems. v. 20. Juni 1872 § 2.
§9 . 1. Der hier ausgesprochene Grundsatz des Staats- und Völkerrechts gillt allgemein; die Auslieferung ist daher auch dann nicht statthaft, wenn der betreffende Deutsche sich im Auslande einer gegen ihn bereits ins Werk gesetzten Haft entzogen haben sollte, nicht minder auch dann, wenn er selbst die Auslieferung wünscht. 2. Das Verhältniß zwischen den Bundesstaaten war durch das Rechtsh.Ges. v. 21. Juni 1869 §§ 21—32. 34. 46 geregelt. Die Vorschrift des § 25 I. c., welche die Auslieferung für gewisse Fälle „bis zum Erlaffe eines gemeinsamen StGB.'s" beschränkte, fiel mit dem Erlasse desselben weg, und zwar selbst in Beziehung aus die in den verschiedenen Bundesstaaten durch besondere Gesetze ver schieden bestraften Mißthaten: Rüd. n. 2; contra: v. Bar, GA. XVIII, 90. Die wei teren Bestimmungen über die Auslieferung zwischen verschiedenen Bundesstaaten wurden der zu erlassenden gemeinsamen StPO, vorbehalten: Mot. s. 21. Seitdem Inkrafttreten der letzteren bilden hier deren Vorschriften über den Gerichtsstand rc. und die §§ 157 ff. des GVG.'s bezw. das denselben zu Grunde liegende Prinzip, daß, was das Verfahren vor den ordentlichen Gerichten betrifft, das gesammte Reichsgebiet auch in prozessualischer Hinsicht als Inland anzusehen ist, die maß gebende Norm. Doch sind gemäß § 163 des letzterwähnten Ges.'s Freiheitsstrafen bis zu 6 Wochen in demjenigen Bundesstaate zu vollstrecken, in welchem der Verurtheilte sich befindet. 3. Auslieferungsveeträge sind vom Reiche (dem Nordd. Bunde) mit Nord amerika, Italien, Großbritannien, B elaien, der Schweiz rc. abgeschloffen; vgl. die obigen Citate. Sie gestatten nicht die Auslieferung der eigenen Nationalen. 4. Die Wirksamkeit der von den einzelnen Bundesstaaten mit auslän dischen Regierungen abgeschlossenen Verträge wird tut Uebrigen durch § 9 nicht berührt.
§10. 1. Das R.-Mil.-StGB hat eine Reihe von Handlungen als „militärische Verbrechen und Vergehen" mit besonderen Strafen bedroht (vgl. §11. c.) und sodann im § 3 bestimmt, daß „strafbare Handlungen der Militär^ersonen, welche nicht militärische Verbrechen und Vergehen find, nach den allgemeinen Strafgesetzen be urtheilt werden.". Daraus sowie aus der Fassung des obigen § 10 folgt, daß die Anwendung der Bestimmungen des D. StGB.'s nur da ausgeschlossen bleiben kann, wo das Mil.-StGB. (oder ein demnächst erlassenes Reichsgesetz) ein Anderes be stimmt, und daß ein Landesgesetz nicht geeignet ist, jene Wirkung herbeizuführen. — Die Schlußbestimmung zu IX. Abschnitt (Artt. 59—68) der Reichsverfassung und der dort in Bezug genommenen Bündnißverträge rc. mit Baiern und Würtemberg, nach welcher die dortige Militärstrafgesetzgebung zur Zeit aufrecht erhalten wurde, hat — soweit es sich um Auslegung und Anwendung des obigen § 10 handelt, — durch die Einführung des Mil.-StGB.'s § 2 ihre Bedeutung verloren.
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Einleitende Bestimmungen. § 11.
§ 1L Kein Mitglied eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staats darf außerhalb der Ver sammlung, zu welcher das Mitglied gehört, wegen seiner Ab stimmung oder wegen der in Ausübung seines Berufes gethanen Aeußerungen zur Verantwortung gezogen werden. [I. u. II. Entw. (fehlte); Pr. StGB. (bcSgl.).] Vgl. § 193; Reichs-Verfass. Art. 30. 2. Unter „Militärpersonen" sind nach §4 des Mil.-StGB's die „Perso nen des Soldatenstandes und die Militärbeamten zu verstehen, welche zum Deutschen Heere oder zur Kaiserlichen Marine gehören"; eine Aufzählung derselben enthält das im RGbl. v. 1872 (s. 204) abgedruckte „Verzeichniß"; vgl. Mil.-StGB. § 5. Im Uebrigen vgl. über den Begriff „Militärperson" Hecker i. GA. 31 s. 81 ff. — Dem nach gehören die (nur im Civildienst beschäftigten) Pr. Landgendarmen ihrer militärischen Organisation ungeachtet, nicht mehr (rote nach dem Pr. Mil.-StGB.) zu den „Militärpersonen"; vgl. 113 n. 49, EG. z. Mil.-StGB. § 2, Pr. Ges. v. 27. März 1872 § 4 (GS. s. 268>; contra: Hecker 1. c. 3. Personen des Beurlaubtenstandes (der Reserve, der Land- oder der Seeroehr) unterliegen den Strafvorschriften des Mil.-StGB.'s in der Zeit, in wel cher sie sich im Dienst beftnben; außerhalb dieser Zeit finden auf sie nur diejenigen Borschriften des eit. GB.'s Anwendung, welche dasselbe oder das R.-Mil.-Ges. v. 2. Mai 1874 (vgl. dort § 60 Nr. 3) ausdrücklich auf sie für anwendbar erklärt hat: B.-Ges. v. 9. Nov. 1867 § 15, Mil.-StGB. § 6; vgl. das. §§ 113. 126. — Die ein zelnen Kategorien der Personen des Beurlaubtenstandes finden sich im § 56 des cit. R.-Mil.-Ges.'s aufgeführt. — Hinsichtlich der eine Person des Beurlaubtenstandes in Folge civilgerichtlicher Berurtheilung treffenden militärischen Ehrenstrafen, sowie hinsichtlich des in einem solchen Falle eventuell eintretenden militärgerichtlichen Nach tragsverfahrens vgl. Mil.-StGB. § 42. 37 Abs. 2 Nr. 2. — Die Civilgerichte haben nicht auf Militärstrafen zuerkennen: Pr. Ges. v. 15. Apr. 1852 (GS. s. 117); vgl. BBdn. v. 29. Dez. 1867 (BGbl. s. 185). 4. Hinsichtlich der Ersahreservisten erster Klasse vgl R.-Mil.-Ges. v. 2. Mai 1874 § 69 Nr. 5 und RGes. v. 6. Mai 1880 Art. I § 3. 5. Zn Betreff der von Militärpersonen im Auslande, während sie dort in dienstlicher Stellung sich befinden, verübten strafbaren Handlungen vgl. § 4 n. 6.
§ii. 1. Dieser (im Reichstage zugesetzte) h stimmt in seiner Fassung wesentlich mit Art. 30 der Reichsverfassung überein, welcher dieselbe Vorschrift in Betreff der Reichstagsmitglieder enthält. Was der cit. Art 30 dem Reichstage gewährt, das soll §11 den gesetzgebenden Versammlungen der einzelnen „zum Reiche gehörigen Staaten" gewähren. Zu letzteren ist auch der durch kais. Erlaß v. 29. Okt. 1874 eingesetzte Landesausschuß für Elsaß-Lothringen zu zählen, deffen Mitgliedern daher § 11 gleichfalls zu Gute kommt: Olsh. n. 2. Bind. HB. I, 673ff. 2. Die Vorschrift ist auf Minister (Mitglieder deö Bundesraths) und Regierungs-Kommissarien, welche in den Landtagen rc. in dieser ihrer Eigenschaft das Wort nehmen, nicht auszudehnen, da sie nicht der Disciplinargewalt des Vor sitzenden der Versammlung rc. unterliegen, also nicht „innerhalb der Versammlung" zur Verantwortung gezogen werden können; diese Personen finden ihren Schuh im § 193 des StGB.'s: Puch. n. 3, Schw. s. 177. 3. Auf Provinzial-Landtage findet der § 11 keine Anwendung, da die Worte „Landtag oder Kammer" auf die allgemeine Landesvertretung zu beschränken find; der Umstand, daß in einzelnen Bundesstaaten z. B. in Preußen die Provin zialvertretungen „Landtag" genannt werden, kommt hier nicht in Betracht. Auch dort kann nur § 193 Schuh gewähren. 4. Straflos sind die „Abstimmungen und Aeußerungen", welche in Ausübung des Berufs des Abgeordneten, sei es im Plenum des Landtags rc., sei es in den Abtheilungs- oder Kommissionsversammlungen oder in Kommissions berichten zum Zwecke der gemeinsamen Berathung oder Beschlußfassung, zur Er füllung der verfassungsmäßigen Aufgabe gemacht werden. Dabei ist es gleichgültig, ob die Landesverfassungen oder Geschäftsordnungen darüber Vorschriften enthalten,
Einleitende Bestimmungen. § 12.
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§ 12. Wahrheitsgetreue Berichte über Verhandlungen eines Landtags oder einer Kammer eines zum Reiche gehörigen Staats bleiben von jeder Verantwortlichkeit frei. [I. II. Entw. (fehlte); Pr. StGB, (fehlte).) Vgl. Reichs-Verfassung Art. 22. Preußen: Vgl. Preßgesetz v. 12. Mai 1851 §38. wie etwaige Ausschreitungen „innerhalb der Versammlung" (z. B. in den Abtheilungs- oder Kommissionssitzungen) zu rügen zu seien. — Unter „Aeußerungen" sind nicht bloß mündliche Aeußerungen zu verstehen; auch schriftliche Referate gehören dahin, selbst Pantomimen sind nicht grundsätzlich ausgeschlossen: Olsh. n. 3; contra (bezüglich symbolischer Injurien): Bind. 1. c. — Dagegen fällt die Anstiftung oder Beihülfe durch das im Hause gesprochene Wort zu einer außerhalb des Hauses begangenen Mißthat nicht unter den §; so: Bind. 1. c. . 5. Der § ist nicht auszudehnen auf den gelegentlichen individuellen Gedanken austausch, welcher wahrend einer Versammlung zwischen einzelnen Mitgliedern stattfindet. Noch weniger bezieht sich derselbe auf Aeußerungen, welche in willkührlich zusammentretenden Versammlungen eines Theiles der Mitglieder (Rumpf parlament) oder in vorbereitenden Frakti o ns Versammlungen einzelner Gesinnungs genossen oder in Wahlversammlungen, sog. Rechenschaftsberichten und dgl. vorkommen: Puch. n. 5. In Betreff der letzteren kann eventuell § 12 oder § 193 wirksam werden: Manh. 31. Dez. 72 (StZ. III, 154). — Eine außerhalb der Be rufsthätigkeit geschehene Kundgebung eines Abgeordneten wird selbst dann nicht durch § 11 oder Art. 30 der Reichsverf. (n. 1) berührt, wenn sie die bloße Wiederholung einer Berufsäußerung ist, z. B. in einer Zeitungserklärung besteht, daß jene Aeuße rung aufrecht erhalten werde: Rill. 20. Okt. 80 (E. II, 365). 6. Als Theil der Strafgesetzgebung bezieht sich § 11 zunächst nur auf die Aus schließung der Strafverfolgung (aus einem etwa zutreffenden Strafgesetze). Er ist aber seinem Geiste nach auf disciplinarische Verfolgungen und andere Auf sichts-Maßnahmen („Stellen zur Disposition" u. dgl.) auszudehnen; vgl. cit. Art. 30. Dagegen werden Civilklagen auf Ersatz eines verursachten Schadens durch § 11 oder Art. 30 nicht ausgeschloffen; eine solche Klage ist weder als „gerichtliche Verfolgung" (cit. Art. 30) noch als ein „Ziehen zur Verantwortung" anzusehen; contra: Puch, n. 6, Bind. 1. c. Ebenso ist es statthaft, die Rede eines Abgeordneten zur Ueberführung deffelben bezüglich einer später vorgenommenen strafbaren Handlung, mit hin als Beweismittel wider ihn in einer anderen Sache zu benutzen: Rill. 20. Okt. 80, 11. Okt. 86 (E. n, 365; R. VIII, 611). Ferner bilden jene Gesehesstellen kein Hinderniß, daß Berufsäußerungen von Abgeordneten in strafrechtlichen Prozeduren wider Dritte als thatsächliche Ereignisse der richterlichen Prüfung unterzogen und daß namentlich beleidigende Erwiderungen auf solche Aeußerungen als durch § 193 gedeckt erachtet werden: Rill. 5. März 81, 22. Febr. 82 (E. IV, 14; R. III, 107; IV, 183); das Gegentheil nahm, derartigen Erwiderungen gegenüber, ersteres Erk. in Betreff des § 199 an, indem dasselbe in solchen Fällen gleichzeitig den Beweis der Wahrheit nach Maßgabe der §§ 186. 192 für unzulässig hielt, insofern es auf die rechtliche Qualifizirung der erwiderten Berufsäußerung als einer Beleidigung rc. ankomme [?]; contra: Zimmermann i. GA. 31 s. 193, Bind. 1. c. Endlich steht den Abgeordneten nicht das Recht der Zeugnißverweigerung zu und ist daher wider sie das Zeugnißzwangs-Verfahren statthaft: Lewald i. GSaal 39 s. 54.
§12. 1. Der Art. 22 der Reichsverfassung, welcher die entsprechende Vorschrift in Betreff der Reichstagssitzungen enthält, beschränkt dieselbe auf öffentliche Sitzungen; das ist im § 12 nicht wiederholt; die Oeffentlichkeit der Sitzung ist da her hier keine wesentliche Bedingung der Straflosigkeit: Otto s. 24, Schw. s. 178 Puch. n. 7; contra: Meyer n. 1, Bind. HB. I, 681 ff. 2. Es dürfte unbedenklich sein, die ausgedehntere Vorschrift des § (n. 1) auch auf die Berichte über die Reichstagssihungen anzuwenden. 3. Dagegen ist auch § 12 auf die Verhandlungen der Landesvertretungen beschränkt, also auf die eines Provinziallandtages nicht auszudehnen; vgl. § 11 n. 3.
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Einleitende Bestimmungen.
§ 12.
4. Auf die Berichte über Verhandlungen des Landtags rc. eines auswärtigen Staates findet der § keine Anwendung. 5. Nur die „Verhandlungen" des Landtags rc. als solchen, d. h. also die in dessen Plenarsitzungen stattgehabten Erörterungen können straffrei mitgetheilt werden, nicht aber die in den einzelnen Abtheilungs- oder Kommissionssitzungen ge machten Aeußerungen, welche nur für die Mitglieder dieser Abtheilung rc. berechnet sind: Schw. s. 178; contra: Puch. n. 7; noch auch die unter die Mitglieder des Landtags vertheilten Kommissionsberichte; vgl. OT. 13. März 68 (O. IX, 203: arg. § 38 des Pr. Preßges.'s, welcher ausdrücklich die Befreiung nur „den Berich ten von den öffentlichen Sitzungen der Kammern" gewährte). 6. Ein „Bericht" ist eine (mündliche, schriftliche oder gedruckte) Mittheilung des Verhandelten; derselbe mutz „wahrheitsgetreu", braucht aber nicht wortgetreu zu sein; es genügt, wenn der wesentliche Inhalt richtig und vollständig wieder gegeben wird. Dazu gehört, daß er ein Gesammtbild des Verhandelten gewähre; daher trifft der § nicht zu, wenn nur einzelne Reden, ohne die Antworten anderer denselben Gegenstand behandelnder Redner, oder wenn gar nur einzelne herausge rissene Sätze' aus Einzelreden wiederholt werden: OT. 9. Juni 65, 20. April 66, 28. Juni 76 (O. VI, 177; VII, 236; XVII, 469); contra: Rubo s. 311. Dagegen ist es nicht geboten, immer eine zusammenhängende Darstellung aller in einer Sitzung vorgekommenen verschiedenen Verhandlungen zu geben, sofern nur das über einen speziellen Gegenstand der Tagesordnung rc. Verhandelte erschöpfend mitge theilt wird: OT. 3. Apr. 67 (O. VIII, 232). Auch wird die Anwendbarkeit des § dadurch nicht ausgeschlossen, datz in einer Zeitung die begonnene Mittheilung abgebrochen und die Fortsetzung erst in einer folgenden Nummer geliefert wird, sobald dieses lediglich aus Rücksichten auf die Zeit des Erscheinens der Nummer oder des» halb geschah, weil in derselben für die vollständige Mittheilung kein genügender Raum sich fand: OT. 20. Juli 65 (O. VI, 273). — Aus dem Gesagten folgt, daß selbständige, reflektirende Artikel einer Zeitung nicht deshalb als „Berichte über eine Landtagsverhandlung" anzusehen und straflos find, weil sie einzelne darin vorkommende Stellen oder Aeußerungen einer Landtagsverhandlung entlehnt, und diese als solche unter Namhaftmachung des betreffenden Abgeordneten rc. reserirend mitgetheilt haben: OT. 31. März 64, 14. März 66, 23. Febr. 75 (O. IV, 429; VII, 171; XVI, 147), Manh. 31. März 72 (GSaal 25 s. 268), Münch. 26. Apr. 74 (StZ. III, 186). Noch weniger ist der § auf Kritiken einer Landtagsverhandlung auszudehnen. Ueberhaupt ist einer Veröffentlichung rc. rc. der Charakter eines „Berichts" unbedenklich zu versagen, sobald jene nicht gemacht ist, um dem Leser rc. ein Bild von der Landtagsverhandlung als solcher zu geben, es vielmehr dem Ur heber derselben lediglich darum zu thun war, die im Landtage vorgekommenen Ge dankenausdrücke seinerseits zu verbreiten; dann bringt er diesen Gedankenausdruck als seinen eigenen weiter; — er muß also auch für denselben verantwortlich sein. 7. Die Vorschrift des § bezieht sich auf alle „Berichte", ist also nicht auf die durch die Presse veröffentlichten zu beschränken. 8. Ist die Strafverfolgung des Urhebers eines „wahrheitsgetreuen Berichts" ausgeschlossen, so findet in Betreff der Exemplare der Schrift ein Verfahren auf Unbrauchbarmachung (§§41.42) nicht statt: OT. 16. April 75 (O. XVI, 297).
Thl. I. Abschn. I.
Strafen. - (§ 13 ff.)
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Erster Theil»).
Von der Bestrafung der Verbrechen, Vergehen und Übertretungen im Allgemeinen. Erster Abschnitt**). Strafen. *) Erster Theil. 1. Ueber die Allgemeingültigkeit der in diesem Theile enthaltenen Be stimmungen für alle durch besondere Reichs- oder Landesgesetze mit Strafen bedrohten Handlungen vgl. Einl. Bestst. (s. 18) n. 1 ff. 2. Die in Beziehung auf Verbrechen und Vergehen allgemein geltenden Be stimmungen des StGB.'s finden auf militärische Verbrechen und Vergehen ent sprechende Anwendung: R.-Mil.-StGB. §2.
**) Erster Abschnitt. 1. Das StGB, unterscheidet Haupt- und Nebenstrafen. Nebenstrafen sind solche, welche nicht selbstständig für sich allein, sondern nur in Verbindung mit einer Hauptstrafe verhängt werden können: Mot. s. 22. 2. Als Hauptstrafen für Verbrechen und Vergehen hat das StGB, die Todesstrafe, Zuchthaus, Festungshaft. Gefängniß, Haft und Geldstrafe, für Uebertretungen: Haft und Geldstrafe, sowie für Vergehungen und Nebertretungen straf unmündiger Personen den Verweis aufgenommen. Als Neben strafen kommen vor: Einziehung bezw. Verfallen-Erklärung (§335) einzelner Gegenstände. Unbrauch barmachung von Schriften rc., Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter bezw. zur Beschäftigung im Eisenbahn- und Telegraphendienst (§ 319), Verlust der bekleideten öffentlichen Aemter sowie der aus den öffentlichen Wahlen hervorgegangenen Rechte (§§ 81. 83. 87—90. 94. 95), Zulässig keit von Polizeiaufsicht, Ueberweisung an die Landespolizeibehörde und die dauernde Unfähigkeit als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden (§161). Nicht alle diese Nebenstrafen sind in dem von „den Strafen" handelnden Ersten Abschnitte des Ersten Theils aufgezählt und speziell geregelt worden. 3. Dagegen ist die Unterbringung eines Strafunmündigen in eine Erz le hnn gs- oder Besserungsanstalt, welche die Mot. s. 22 ebenfalls als Nebensttase aufzählen, als eine „Strafe" nicht anzusehen, weil sie eben gegen nichtstraf bare Personen bezw. neben einer „Freisprechung" angeordnet wird (§§ 55. 56). Ebenso ist die Buße (§§ 188. 231) keine (öffentliche) Strafe; vgl. § 188 n. 1. Zm Uebrigen vgl. § 200 n. 2. 4. In Betreff der Strafarten, welche aus einem neben dem StGB, in Kraft verbliebenen älteren (Bundes- oder Landes-) Gesetze verhängt, sowie in Be ttest derjenigen, welche künftig durch ein Landesstrafgesetz angedroht werden können, vgl. EG. §§ 5. 6 und die Bemerkungen zu denselben. 5. Ueber die Abweichungen des Strafensystems des Mil.-StGB.'s von demjenigen des gemeinen Strafrechts vgl. §48 n. 4, Hecker, GA. 30 s. 115ff.
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Thl. I. Abschn. I.
Strafen. - §§ 13.14.
§ 13. Die Todesstrafe ist durch Enthauptung zu vollstrecken. [I. Entw.: § 9; II. Entw.: § 11; Pr. StGB.: § 7.] Vgl. §§ 32. 44. 49. 57. 67; Mil.-StGB. § 14; StPO. §485. 486. Preußen: Vgl. Crim.-O. §§ 538-549; AKO. v. 19. Zum 1811 (GS. s. 119); (Rh.) AKO. v. 17. Aug. 1818 (RS. I,.520); NStPO. § 432. 437.
§ 14» Die Zuchthausstrafe ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der Höchstbetrag der zeitigen Zuchthausstrafe ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Jahr. Wo das Gesetz die Zuchthausstrafe nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige. [I. Entw.: § 11; II. Entw.: § 12; Pr. StGB.: § 10.] Vgl. § 15. 19-26. 31. 32. 70. 74.
§13. 1. Weitere Vorschriften über die „Enthauptung" sind (weil in die StPO, gehörend) nicht gegeben. Gleichwohl fehlen solche über die Art derselben in der StPO. Sie erfolgt in den alten Provinzen Preußens nach der AKO. v. 19. Juni 1811 durch das Beil, im Sprengel des OLG.'s Köln nach der AKO. v. 17. August 1818 durch das Fallbeil. Vgl. Mil.-StGB. § 14. 2. Die Aussetzung der Strafvollstreckung gegen Schwangere ward als sich von selbst verstehend, aber in die Strafprozeßordnung gehörig, betrachtet. Gleiche Gesichtspunkte treffen bei der Frage zu, ob gegen einen zur Zeit Geisteskranken die Vollstreckung stattfinden dürfe. § 485 der StPO, verbietet die Vollstreckung an schwangeren und geisteskranken Personen ausdrücklich. 3. Todesurtheile bedurften in Preußen früher der Königlichen Bestäti gung. Gemäß § 485 der StPO, ist jene nicht mehr nöthig, die Vollstreckung je doch erst zulässig, wenn die Entschließung des Staatsoberhauptes, und in Sachen, in denen das Reichsgericht in erster Instanz erkannt hat, diejenige des Kaisers er» gangen ist, von dem Begnadigungsrechte keinen Gebrauch machen zu wollen. In Betreff der zu dem Behufe erforderlichen Berichterstattungen vgl. JMin.-Vf.1 14. Aug. 1879, III, Nr. 4 (JMbl. s. 238). Durch § 485 1. c. dürfte der Pr. Allerh. Erl. v. 31. Jan. 1836 (v. K. Jahrb. 47 s. 382; JMbl. 1854 s. 302), betr. die unter gewissen Umständen gebotene Aussetzung der Hinrichtung, nicht außer Kraft ge treten sein. 4. Ob die Hinrichtung öffentlich oder in einem umschlossenen Raume zu bewirken, inwieweit im letzteren Falle unbetheiligten Personen die Anwesenheit zu gestatten und in welcher Weise mit dem Leichnam des Hingerichteten zu verfahren sei, war früher der Regelung der Einzelstaaten überlassen; vgl. Pr. NStPO. § 437. Die desfallsigen Vorschriften des Pr. StGB.'s (§§ 8. 9) sind als Gesetz schon mit dem Erlasse des D. StGB.'s in Wegfall gekommen (EG. § 2 n. 22); contra: Meyer s. 10; vgl. Schütze s. 68. Doch stimmt mit denselben der jetzt allgemein maßgebende § 486 der StPO, durchweg wörtlich überein, namentlich auch darin, daß die Ent hauptung in einem umschlossenen Raume erfolgen soll. 5. Die Verurteilung zur Todesstrafe ändert an und für sich die Rechtsund Handlungsfähigkeit des davon Betroffenen nicht; vgl. § 15 n. 6.
§ 14. 1. Die Vorschrift des Abs. 2 über den Höchstbetrag der zeitigen Zuchthaus strafe bezieht sich nur auf die wegen eines einzelnen Straffalls zu treffende Strafabmessung; im §74 ist aber auch für die im Falle einer Real-Koukurrenz ein tretende Gesammtstrafe 15jähriges Zuchthaus als der Höchstbetrag des Strafmaßes bestimmt worden. — Die Dauer einer principaliter verhängten Zuchthausstrafe kann durch Hinzurechnung derjenigen, welche einer zusätzlichen Geldstrafe substituirt wird, über das Maß von fünfzehn Jahren steigen; vgl. § 78 n. 6. 2. Der Mindestbetrag von einem Jahre kann durch Anrechnung der Unter-
Thl. I. Abschn. I.
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«Strafen. - § 15.
§ 13. Die zur Zuchthausstrafe Verurteilten sind in der Strafanstalt zu den eingeführten Arbeiten anzuhalten. Sie können auch zu Arbeiten außerhalb der Anstalt, ins besondere zu öffentlichen oder von einer Staatsbehörde beauffuchungshaft oder einer im Auslande erlittenenen Strafe (§ 7) eine Minderung er fahren ; vgl. in Betreff des Näheren § 7 n. 8, § 19 n. 3. 4, § 60 n. 13. 3. In den älteren Provinzen Preußens bedurften Urtheile, welche eine lebens längliche Zuchthausstrafe verhängten, der Königlichen Bestätigung: AM. II, 13 §8, Crim.-O. § 530, AKO. v. 15. Juli 1809. 20. Juni u. 9. Aug. 1816; die NStPO. (§ 432) wiederholte diese Vorschrift nicht. Sie dürfte jetzt arg. §§ 485. 487 ff. der StPO, allgemein nicht mehr gelten. 4. Vollstreckung und Berechnung der Zuchthausstrafe vgl. § 15 n. 2 und das (Schwangere betr.) Min.-Cirk. v. 3. Juni 1884 (VMbl. s. 264).
§15. 1. Der Zwang zu einer in der Strafanstalt eingeführten (durch die Verhält nisse der Verurtheilten weiter nicht bedingten) Arbeit ist das charakteristische Merk mal der Zuchthausstrafe. 2. Da das StGB, über die Berechnung der Dauer der Freiheitsstrafen bei der Vollstreckung Nichts bestimmt, so kamen anfangs noch die betreffenden (strafprozeßrechtlichen) Vorschriften der Landesgesehe zur Anwendung. Jetzt ist die Materie reichsgesetzlich insofern geregelt, als § 481 der StPO, den Grundsatz aufstellt, daß Strafurtheile nicht vollstreckbar sind, bevor sie rechtskräftig geworden, wogegen § 482 ib. bestimmt, daß auf die zu vollstreckende ^Zuchthaus- oder sonstige] Freiheitsstrafe unverkürzt fmithin auch ohne Reduction nach dem Maßstabe des § 21] diejenige Untersuchungshaft anzurechnen sei, welche der Angeklagte erlitt, seit er auf Einlegung eines Rechtsmittels verzichtete oder das eingelegte Rechtsmittel zurücknahm oder seitdem die Einlegungsfrist ablief, ohne daß er eine Erklärung ab gegeben hatte. Dies wird gelten, gleichviel, ob sich die Vollstreckung wegen Ein legung eines Rechtsmittels seitens der Staatsanwaltschaft oder aus anderen sachlichen oder in der Person des Verurtheilten liegenden Gründen verzögert: Voitus s. 468. Namentlich kommen den Untersuchungsgefangenen auch die Transporttage zu Gute; vgl. Löwe s. 754. Den nicht in Untersuchungshaft gewesenen Verurtheilten gegen über dürfte aus § 24 Abs. 2 („Wiedereinlieferung") gefolgert werden, daß die Be rechnung der Strafzeit erst mit der Einlieferung in die Strafanstalt beginne. Doch will Schw., SGZ. 23 s. 354 denselben zwar nicht die Transporttage, wohl aber die Haftzeit von der Festnahme (StPO. § 489) bis zum Transport angerechnet missen; contra: Münch. 23. Sept. 85 (BE. NI, 595); vgl. auch ZMVf. v. 21. April 1885 (JMbl. s. 152), welcher zufolge bei Ausführung des GVG.'s § 165 Abs. 1 als Beginn des Strafvollstreckunasverfahrens die Ergreifung des Verurtheilten an gesehen werden soll, und andererseits Münch. 21. April 85 (BE. III, 446), welches die Strafzeit desjenigen, der sich an einem anderen Orte freiwillig gestellt hat und einstweilen in das Örtsgefängniß aufgenommen wurde, erst vom Eintritt in die Strafanstalt zählt. Daß da, wo Jemand unmittelbar nach Verbüßung einer Frei heitsstrafe auf Grund staatsanwaltschaftlichen Haftbefehls abgeführt wird, um in einer anderen Strafanstalt eine fernere Freiheitsstrafe abzubüßen, auf letztere die Transporttage nicht anzurechnen seien, entschied Münch. 10. Juli 86 (BE. IV, 280); contra: Münch. 10. Jan. 85 (ib. III, 431). 3. Ueber die Berechnung der Strafdauer im Falle einer Unterbrechung des Vollzugs vgl. § 19 n. 7-9, §§ 22ff. 4. Die Wahl der sogen. Außenarbeit (Abs. 2) ist nicht bedingt durch eine Zustimmung des Sträflings; vgl. § 16 Abs. 3. 5. Die Behandlung der Sträflinge bei der Außenarbeit kann durch Lan desgesetz geregelt werden. Vgl. für Preußen Ges. v. 11. April 1854, welches durch die NEV. Art. II. K. auch in den neuen Landestheilen eingeführt ist. 6. Die Zuchthausstrafe hat nicht die rechtliche Unfähigkeit des Sträflings, das eigene Vermögen zu verwalten und darüber,unter Lebenden zu verfügen, zur Folge. Daraus folgt indesien keineswegs, daß jener beanspruchen könnte, Zeit und O pp en ho ff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aust.
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50
Thl. I
Abschn. I.
Strafen. - §§ 15.16.
sichtigten Arbeiten verwendet werden. Diese Art der Beschäfti gung ist nur dann zulässig, wenn die Gefangenen dabei von anderen freien Arbeitern getrennt gehalten werden. [I. Entw.: § 12; II. Gntro.: § 13; Pr. StGB.: § 11.] Dgl. §. 22; Mil-StGB. § 15; StPO. §§ 481. 482. Preußen: Vgl. Ges. v. 11. April 1854 (GS. s. 143).
§ 16» Der Höchstbetrag der Gefängnißstrafe ist fünf Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Kraft dieser Verwaltung zuzuwenden und das Vermögen thatsächlich zu genießen; derselbe bleibt vielmehr der Hauszucht und Disciplin unterworfen, und muß, in soweit diese hindernd entgegenstehen, seine Vermögensgeschäfte durch einen Vertreter wahrnehmen lassen: Mot. f. 42. 7. Dagegen sind § 255, II. 2 des Pr. ALR. und § 568 der Pr. Crim.-O., nach welchen „die Verurtheilung zu harter und schmählicher Zuchthausstrafe" den Verlust der väterlichen Gewalt nach sich zieht, auch jeht in Kraft geblieben, da dieselben keine „Strafe", sondern eine Sicherüngsmaßregel im Interesse der Kinder darstellen: contra: (nach d. Pr. StGB.) Triest, StRZ. I, 182, Puch. s. 28 n. 3, Rubo s. 309. — Jede Zuchthausstrafe ist jetzt als „harte" anzusehen, als „schmäh liche" aber nur dann, wenn damit der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verbunden ist. Vgl. jedoch RIV. Civ.-Senat 7. Juni 80 (JMbl. 81 s. 22: entschied, daß § 704. II. 1 des Pr. ALR. bei dem jetzt gänzlich veränderten Strafsystem unter Umständen sogar auf Verurtheilungen zu Gesängnißstrafen Anwendung finde und daß z. B. zweijähriges Gefängniß, verhängt ohne zeitigen Verlust der Ehrenrechte, wegen Wechselfälschung in zehn Fällen, eine die Ehescheidungsklage begründende „harte und schmähliche Zuchthaus- oder Festungsstrafe" im Sinne jenes § darstelle).
§16. 1. Die Vorschrift des Abs. 1 über den Höchstbetrag der Gefängnißstrafe er leidet eine Ausnahme bei einem Strafunmündigen, indem § 57 Nr. 1.3 unter Umständen die Verhängung einer höheren als fünfjährigen Gefängnißstrafe gestattet, welche dann aber in besonderen Räumen vollstreckt werden muß. 2. Im Falle der Real-Konkurrenz kann Gefängnißstrafe bis zu zehn Jahren , verhängt werden: § 74. In Betreff der Verlängerung durch die einer zusätzlichen Geldstrafe substituirte Freiheitsstrafe vgl. § 14 n. 1. 3. In Betreff der Anrechnung der Untersuchungshaft vgl. § 60. 4. Ueber die Vollstreckung der Gefängnißstrafe und die Berechnung ihrer Dauer vgl. § 15 n. 2 und für Preußen JMÄf. v. 24. Juni sowie Jnn.-MJnstr. v. 1. Nov. 1851 (JMbl. s. 237. 367) und MVf. v. 19. Febr. 1876 (ib. s. 38). In Preußen können Freiheitsstrafen (mithin auch Gesängnißstrafen) bis zu zwei Wochen von Studirenden auf Antrag der gerichtlichen Behörde auf dem academischen Karzer verbüßt werden: Ges. v. 29. Mai 1879 §6; contra (in Betreff der Gefängnißstrafen): Olsh. n. 4, weil der Karzer keine „Gefangenanstalt" sei. 5. Ueber die Berechnung der Strafdauer im Falle einer Unterbrechung des Vollzugs vgl. § 19 n. 7-9, §§ 22 ff. 6. In Betreff der Autzenarbeit vgl. § 15 n. 4. 5. 7. Auch die Gefängnißstrafe bringt einen Arbeilszwang nach demErmeffen der Behörde („können") mit sich; der Unterschied von der Zuchthausstrafe (§ 15) besteht darin, daß bei jener die Beschäftigung in einer „den Fähigkeiten und Verhältnissen des Sträflings angemessenen Weise" geschehen soll, und daß der letztere berechtigt ist, solche zu fordern; vgl. v. Buri, GSaal XIII, 98, Synt. s. 147. Fehlt es hierzu an Gelegenheit, so ist die Freilaffung des Sträflings von Arbeit anderer Art nicht davon abhängig zu machen, daß jener sich in der Lage befindet, die Verpflegungskosten zu zahlen; so: Jnn.-MVf. v. 27. Mai 1875 (VMbl. s. 163, unter Aufhebung der gegenteiligen Vorschrift der Min.-Jnstr. v. 1. Nov. 1851, eit. n. 4). — Unter der „den Fähigkeiten des Sträflings angemessenen Beschäftigung" sind nicht blos solche Arbeiten zu verstehen, welche derselbe früher er lernt hatte oder zu verrichten gewöhnt war; die Wahl der paffenden Arbeit steht
Thl. I. Abschn. I.
Strafen. — §§ 16.17.
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Die zur Gefängnißstrafe Verurtheilten können in einer Gefangenanstalt auf eine ihren Fähigkeiten und Verhältnissen angemessene Weise beschäftigt werden; auf ihr Verlangen sind sie in dieser Weise zu beschäftigen. Eine Beschäftigung außerhalb der Anstalt (§ 15) ist nur mit ihrer Zustimmung zulässig. [I. Entw.: § 14; II. Entw.: § 14; Pr. StGB.: § 14.]
Dgl. §§ 1. 19. 21-26. 32. 35. 60. 74. 75; Mil.-StGB. §§ 15-17; Gew.-O. § 145. Preußen: Vgl. Ges. v. 11. April 1854 § 34.
§ 17. Die Festungshaft ist eine lebenslängliche oder eine zeitige. Der 'Höchstbetrag der zeitigen Festungshaft ist fünfzehn Jahre, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Wo das Gesetz die Festungshaft nicht ausdrücklich als eine lebenslängliche androht, ist dieselbe eine zeitige. Die Strafe der Festungshaft besteht in Freiheitsentziehung mit Beaufsichtigung der Beschäftigung und Lebensweise der Gefangenen; sie wird in Festungen oder in anderen dazu be stimmten Räumen vollzogen. [I. Entw.: § 13; II. Entw.: tz 15;'Pr. StGB.: § 13]. Vgl. §§ 1.19. 20. 60. 74. 75. der Behörde zu, welche die Anstalt leitet; der Verurtheilte kann nicht beanspruchen, daß ihm nach seiner Wahl eine den Voraussetzungen des § entsprechende Beschäftigung zugetheilt werde; vgl. JMVf. v. 10. April 1854 (JMbl. s. 158); Vs. v. 19. Fedr. 1876 (eit n. 4). Dagegen kann er eine Entscheidung im Rechtswege ver langen, wenn er geltend machen will, daß die ihm zugetheilte Arbeit seinen Ver hältnissen rc. nicht entspreche; diese Entscheidung erfolgt dann in demjenigen Ver fahren, welches bei Streitigkeiten über die Strafvollstreckung maßgebend ist (StPO. §§ 490. 494); contra: Keller StPO. § 490 n. 7, Olsh. n. 7.
§17. 1. Der „Festungshaft" soll nach den Motiven (s. 44) der Charakter einer custodia honesta beiwohnen. Hieraus ist nicht zu folgern, daß sie im Vergleiche mit der „Hast" die mildere Strafart sei, da ihre Dauer bis zu stmfzehn Jahren steigen und dadurch die That zum Verbrechen werden kann; vgl. § 18 n. 1. 2. Die vom Reichstage bei der dritten Lesung beschlossene Erhöhung des Höchstbetrages der zeitigen Festungshaft von zehn auf fünfzehn Jahre (Stenogr. Ber. s. 1142) hat zur Folge gehabt, daß für alle Fälle, bei welchen zeitige Festungs haft ohne Bestimmung eines Höchstbetrages angedroht war. eine Strafschärfung eingetreten ist, z. B. für die Fälle der §§ 81 Abs. 2, 83 Abs. 2, 84, 87 Abs. 2, 90 Abs. 2, 91 Abs. 2, 206; vgl. §. 67 n. 3, § 208 n. 3; contra: Sont. f. 173, id. Redaktionsverf. s. 54, Schütze, GA. 21 s. 344. 3. Die Dauer der zeitigen Festungshaft darf auch im Falle der Real-Konkurrenz fünfzehn Jahre nicht übersteigen: §. 74. 4. Die „Beaufsichtigung der Beschäftigung" schließt keinen Arbeitszwang in sich; dagegen kann eine vom Verurtheilten gewählte Beschäftigung als ungeeignet ausgeschlossen werden. 5. In Betreff der zur Abbüßung einer Festungshaft bestimmten Festungen vgl. Kr.-MVf. v. 31. Mai 1852, JMVf. v. 2. Juni 1852; in Betreff der Verbüßung einer kürzeren Festungshaft durch Studirende vgl. § 16 n. 4. 6. In Betreff der Berechnung der Strafdauer ist das zu § 15 n. 2. 3 Gesagte auch hier anwendbar; vgl. OT. (Pl.) 28. Mai 64 (O. IV, 550).
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Thl. I. Abschn. I.
Strafen. - §§ 18. 19.
§ 18. Der Höchstbetrag der Haft ist sechs Wochen, ihr Mindestbetrag Ein Tag. Die Strafe der Hast besteht in einfacher Freiheitsentziehung. [I. Entw.: § 339; II. Entw.: § 16; Pr. StGB.: § 334.] Vgl. §§ 1.19. 28. 29. 77. 78. 362; CPO. § 788; Gew.-O. § 145. Preußen: Dgl. Ges. v. 11. April 1854 §§ 3. 7 (GS. s. 143).
§ 19. Bei Freiheitsstrafen wird der Tag zu vierund zwanzig Stunden, die Woche zu sieben Tagen, der Monat und das Jahr nach der Kalenderzeit gerechnet. 7. Berechnung der Strafzeit im Falle einer Unterbrechung des Strafvoll zugs vgl. § 19 n. 9.
§18. 1. „Haft" ist im StGB, nur für Übertretungen, für Vergehen im Sinne des § 140 n. 2 und für „Beleidigungen" (§§ 185. 186) angedroht; sie soll eine „leichtere Art" der Freiheitsentziehung als die Gefängnißstrafe sein, und nament lich den Leumund des Verurtheilten in keiner Weise berühren: Mot. s. 157. Dem gemäß darf sie nicht in denjenigen Räumen vollstreckt werden, welche zur Aufnahme der Gefängnißsträflinge bestimmt sind. Ebenso unstatthaft ist es, sie in der eigenen Wohnung des Verurtheilten (als „Stubenarrest") zu vollstrecken; schon die NnmöAlichkeit einer genügenden Beaufsichtigung schließt diese Vollziehungsart aus. Dre Vollstreckung der Haft ist in Preußen näher geregelt durch MVf. v. 19. Febr. 1876 (JMbl. s. 38) §§ 8 ff. Zn Betreff der Verbüßung einer kürzeren Haft durch Studirende vgl. § 16 n. 4. 2. Jeder Zwang zur Arbeit fällt hier fort, insoweit nicht § 362 in dieser Beziehung eine Ausnahme macht (vgl. Pr. Ges. v. 11. April 1854 §3). Dagegen kann dem Verurtheilten eine von ihm selbst gewählte Beschäftigung gestattet wer den, wenn die räumliche Einrichtung und die Hausordnung eine solche zulassen. 3. Von der Statthaftigkeit einer Beschäftigung der Haftsträflinge außer halb der Anstalt enthält das Gesetz (vom Falle des h. 362 abgesehen) nichts. Gleichwohl dürste arg. § 15 Nichts entgegenstehen,, eine solche durch besondere Lan desgesetze nachzulaffen, vorausgesetzt, daß sie an die freie Zustimmung des Ver urtheilten geknüpft ist. Demgemäß sind auch bestehende Landesgesetze, welche eine solche Art der Vollstreckung (durch Gemeinde- oder Forstarbeit rc.) gestatten, mit der gedachten Maßgabe in Wirksamkeit verblieben: vgl. Pr. Ges. v. 11. April 1854 § 7, welcher es gestattet, die „polizeiliche Gefängnißstrafe" des Pr. StGB.'s gegen solche Gefangene, welche sich auf eigene Kosten zu beköstigen außer Stande sind, in der Weise $u vollstrecken, daß dieselben, ohne in einer Gefangnenanstalt einge schloffen zu fern, zu Arbeiten, welche ihren Verhältnissen und Fähigkeiten ange messen sind, angehalten werden; auch ist es für statthaft erklärt, ihnen dabei ein Tagewerk zu bestimmen. Die Ausführung dieser Maßregel wurde den BezirksRegierungen überlaffen; vgl. Znn.-MVf. v. 21. April 1855 Nr. 14 (VMbl. s. 75). Contra: Rüd. n. 2, HStR. I, 600 (halten den eit. § 7 für beseitigt). 4. Jedenfalls behält es bei den besonderen Landesgesehen sein Bewenden, welche in Betreff der im StGB, nicht geregelten Materien statt der GefängnißsHaft-^ oder Geldstrafe Forst- oder Gemeinde-Arbeit androhen bezw. nachlaffen: EG. § 6. Vgl. auch EG. § 5 n. 7. 5. Im Falle der Real-Konkurrenz kann die Gesammtdauer mehrerer verwirkter Haftstrafen bis zu 3 Monaten steigen: § 77. 6. In Betreff der Berechnung der Strafdauer vgl. § 15 n. 2. 3.
§19. 1. § 19 bezieht sich auch auf diejenigen Freiheitsstrafen, welche an Stelle von Geldstrafen treten: RI. 27. Nov. 84 (E. XI, 272); vgl. jedoch unten n. 3, § 29 n. 5. la. Ist die Dauer der Freiheitsstrafe nach der Kalenderzeit zu berechnen, so kommt der Umstand, daß einzelne Jahre oder Monate mehr Tage zählen als
Thl. I. Abschn-1.
Strafen. — § 19.
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Die Dauer einer Zuchthausstrafe darf nur nach vollen Monaten, die Dauer einer anderen Freiheitsstrafe nur nach vollen Tagen bemessen werden. [I. Entw.: § 15; II. Entw.: § 17; Pr. StGB.: § 15.] Vgl. §60; Gew.-O. § 145. andere, bei der Strafvollstreckung nicht in Betracht; vgl. Jnn.-MVf. v. 1. April
1871 (VMbl. s. 119) und unten n. 7. 2. Nach Abs. 2 ist die zeitige Zuchthausstrafe, insoweit sie nicht auf volle Jahre verhängt wird, stets auf eine bestimmte Anzahl von Monaten (nicht auf Bruchtheile eines Jahres) auszusprechen: OT. 2. Okt. 72, 1. Juni 75, 20. Jan. 76 (O. XIII, 190; XVI, 405; XVII, 40). In ähnlicher Weise ist auch bei den übngen Freiheitsstrafen zu verfahren; hier darf also nicht auf Bruchtheile eines Mo nats, sondern nur auf eine Anzahl von Wochen oder Tagen erkannt werden: RI. 21. Dez. 83, Rill. 18. Juni 81 (E. X, 22; R. III, 415), OT. 2. Juli 75 (O. XVI, 515). 2a. Abs. 2 kommt (vorbehaltlich des unter n. 3 Gesagten) auch bei Festsetzung einer Gesammtstrafe (§74) zur Geltung; demgemäß darf, wenn zwei mit Zucht hausstrafe zu bestrafende Mißthaten realiter konkurriren, bei Erhöhung der Einsatz strafe nicht unter einen vollen Monat herabgegangen werden: RI. 29. Jan. 83
(E. VIII, 26). 3. Der im Abs. 2 in Betreff der Dauer der Zuchthausstrafe aufgestellte Grund satz ist auf den Fall zu beschränken, wo der Richter die Dauer der zu verhängenden Strafe zu „bemessen", d. h. wo er nach freiem Ermessen das Strafmaß innerhalb der durch das Gesetz vorgeschriebenen Grenzen zu bestimmen hat. Dagegen bleibt er ausgeschlossen, wenn eine verwirkte Zuchthausstrafe eine Erhöhung oder Minde rung erfährt, deren Maß anderweitig gesetzlich in bindender Weise geregelt ist. — Das gilt zunächst von dem Falle, wo wegen der Real-Konkurrenz eines Ver brechens mit einem Vergehen die durch das erstere verwiickte Zuchthausstrafe „er höht" werden muß (§74): fände der Richter, daß das Vergehen für sich allein betrachtet mit einer 6 Wochen nicht erreichenden Gefängnißstrafe zu bestrafen wäre, so dürfte (nach dem Grundsätze des § 21 in Verbindung mit § 74 Abs. 3) die vom Gesetze gebotene Erhöhung der durch das Verbrechen verwirkten Zuchthausstrafe keinen vollen Monat betragen; es muß daher statthaft sein, dieselbe zwar nicht nach Bruchtheilen eines Monats, — dies verbietet der Schlich des Abs. 1; so: Rill. 18. Juni 81 (R. III, 415), — wohl aber nach Tagen zu bestimmen: Rill. 13. April 81, RI. 29. Jan. 83 (E. IV, 161; R. HI, 232; V, 63), OT. (Pl.) 22. Jan. 72, OT. 20., 28. Febr. 72. 1. Dez. 75 (O. XIII, 61.157.183; XVI, 767), Münch. 24. Aug. 74, Wolsenb. 11. Juni 75 (StZ. IV, 130; V, 249), Ruhstrat. GSaal 23f. 81, Otto n. 5, Wolf. SGZ. XVI, 322, WGbl. VI, 254; contra: Dresd. 19. April 72, 18. April 73 (StZ. I, 370; 51), Manh. 19. Dez. 74 (BA.41 f. 129), Jena 29. Jan. 79 (Voll. 26 f. 164); diese sehen, ebenso wie Puch. n. 4, Schw. s. 182. 279, Rüd. n. 3, im gedachten Falle von der „Straferhöhung" ab. Dasselbe gilt da, wo nachträglich eine Strafumwandlung der gegen eine Person durch verschiedene Strafurtheile verhängten Freiheitsstrafen verschiedener Art erfolgen muß, sobald der umzuwandelnden Strafe keine nach Monaten bemessene Zuchthaus strafe genau entspricht (vgl. StPO. § 492): cit. OT. 22. Jan. 72, cit. München; contra: Schw. s. 182; endlich unter derselben Voraussetzung auch da, wo eine neben einer Zuchthausstrafe verhängte, nicht beizutreibendc Geldstrafe (z. B. im Falle des § 268) in Zuchthaus umzuwandeln ist (§ 28), oder wo der Verurtheilte auf die (neben einer Zuchthausstrafe verhängte) Geldstrafe einen Theil bezahlt und es sich nun um die Vollstreckung der substituirten Zuchthausstrafe für den Rest handelt; es würde nicht statthaft fein, von dieser Umwandlung rc. deshalb abzusehen, weil der Betrag jener Geldstrafe nicht so hoch ist, daß die Umwandlung in einen vollen Monat erfolgen könnte: cit. München; ebenso Schw. s. 182; vgl. §29 n. 5. Für diese Auffassung spricht, daß § 16 Abs. 2 des I. Entwurfs die in den II. Entw. nicht übernommene Vorschrift enthielt, daß die bei der Umwandlung sich ergebenden Druchtheile eines Tages (nicht auch die eines Monats) unberücksichtigt bleiben sollen. Die im entgegengesetzen Sinne sich aussprechende Bemerkung der Motive (s. 45. 48) kann, soweit sie sich auf die Bruchtheile eines Monats (Zuchthaus-
in,
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Thl. I. Llbschn. I.
Strafen. - § 19.
strafe) bezieht, nicht für gerechtfertigt erachtet werden. — Muß hiernach ein MonatsBruchtheil in Tage umgewandelt werden, so ist als Dauer des Monats der Durchschnittssatz von 30 Tagen zu Grunde zu legen: OT. 24. Jan. 72 (O. XIII, 72). Ebenso, wenn jene Umwandlung nöthig ist zur Ermittelung des Minimum's der Versuchsstrafe (§ 44 Abs. 4): Ri. 13. Febr. 82 (E. V, 442). 4. Ferner ist von dem erwähnten Grundsätze (n. 2) da abzusehen, wo eine im Auslande erlittene Bestrafung (§ 7) oder eine erlittene Untersuchungs haft (§ 60) ganz oder theilweise auf die erkannte Strafe angerechnet wird; vgl. § 60 n. 13. In Folge einer solchen Anrechnung kann der noch zu vollstreckende Rest der Zuchthausstrafe nach überschießenden Tagen bestimmt werden. 5. Dasselbe gilt, wenn die einem Zuchthaus- oder Gefängnißsträfling bewilligte vorläufige Enlassung später widerrufen (§§20. 21), oder wenn ein Sträf ling aus einem andern Grunde, z. B. wegen Erkrankung, Schwangerschaft rc. zeit weise entlassen wird; vgl. aber n. 8. 9. 6. Dagegen ist in allen diesen Fällen (n. 3—5) an der Einheit des vollen Tages festzuhalten; contra: Olsh. n. 6.7; überschießende Theile eines Tages kom men nicht in Anrechnung; vgl. Motive s. 48; so: OT. 22. Jan., 20 Febr., 6. März 72 (O. XIII, 61.157.192); vgl. jedoch: Ri. 13. Febr.82 (E. V, 442: will behufs Anwendung des § 44 Abs. 4 den überschießenden Theil als ganzen Tag ange rechnet wissen). 7. Bei der Vollstreckung der Freiheitsstrafen ist der angefangene Tag nicht als vollendet in Anrechnung zu bringen, da jeder Einzeltag 24 Stunden betragen muß. Demgemäß endet eine am 3. eines Monats begonnene einwöchige Freiheits strafe am 10. dess. Monats zu derselben Stunde. Vgl. jedoch Jnn.-MVff. v 4. Jan. und 26. März 1881 (VMbl. s. 54. 87), erstere bezüglich der Fälle, wo die Ablaufs stunde in die Nachtzeit fällt. — Die nach Monaten berechneten Strafen erreichen ihr Ende an dem dem Antrittstage entsprechenden Datum, also die am 3. begon nene einmonatige Strafe am 3. des folgenden Monats; hat der letzte Monat der Strafverbüßung nicht soviel Tage, als der erste, so entspricht der letzte Tag jenes Monats den letzten Tagen dieses d. h. des ersten Monats der Strafverbüßung, also der 28. (29.) Febr. dem 28. 29. 30. (31.) der übrigen Monate. Diese Berech nungsweise. zufolge welcher der Tag des (ersten) Strafsantritts immer den Aus gangspunkt bildet, ist selbst dann festzuhalten, und demgemäß die Dauer der Strafe nach Tagen zu bemessen, wenn die Strafvollstreckung Unterbrechungen erleidet; vgl. Münch. 22. Sept. 83 (BE. II, 561), Keyßner, GSaal 27 s. 558. 8. Die Vollstreckung bezw. Berechnung einer angetretenen Freiheitsstrafe er leidet keine Unterbrechung, wenn die Freiheitsentziehung fortdauert, der Sträfling aber aus zufälligen, von ihm nicht verschuldeten Umständen zeitweise in eine andere Anstalt gebracht oder in einer der verhängten Strafart nicht entsprechenden Weise behandelt, z. B. wenn er. um als Zeuge vernommen zu werden, an einen anderen £)rt transportirt, oder wegen Erkrankung in eine Krankenanstalt gebracht wird, wo ihm die Selbstbestimmung über seinen Aufenthalt nicht zusteht: OT. 17. Febr. 59 (GA. VII, 231). — Die StPO, sieht unter den eben erwähnten Fällen nur den vor, wo der Verurtheilte nach Beginn der Strafvollstreckung wegen Krankheit in eine von der Strafanstalt getrennte Krankenanstalt gebracht wird: hier soll gemäß § 493 1. c. die Dauer des dortigen Aufenthaltes in die Strafzeit eingerechnet werden, wenn nicht der Verurtheilte mit der Absicht, die Strafvollstreckung zu unterbrechen, die Krankheit herbeigeführt hat. Diese Bestimmung trifft auch dann zu, wenn die Krankheit, z. B. eine Geisteskrankheit (unentdeckt) schon früher (vor dem Beginn der Vollstreckung) bestand; ebenso: VoituS s. 475; contra: Schw. StPO. s. 609, weil die Vollstreckung einer Freiheitsstrafe an einem Geisteskranken unzulässig sei; darum ist jedoch, wenn dieselbe trotzdem thatsächlich begonnen hat, die Folge des § nicht ausgeschlossen. Der Umstand, daß die Krankheit eine selbstverschuldete war, genügt nicht, um den Verurtheilten der Wohlthat des Gesetzes zu berauben: Schw. 1. c. Vgl. § 51 n. 12 und in Betreff des Kostenpunkts die JMVf. v. 21. Dez. 1881 (VMbl. 1882 s. 254). 9. Wird dagegen der Sträfling wegen einer anderen ihm zur Last gelegten Mißthat zur Untersuchung gezogen und demzufolge aus der Strafanstalt in das Untersuchungsgefängniß gebracht, so ist ihm die außerhalb jener Anstalt zu gebrachte Zeit auf die Strafe nicht anzurechnen, es sei denn, daß ihm auch im Unter-
Thl. I. Abschn. I.
Strafen. - § 20.
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20* Wo das Gesetz die Wahl zwischen Zuchthaus und Festungshaft gestattet, darf auf Zuchthaus nur dann erkannt werden, wenn festgestellt wird, daß die strafbar befundene Hand lung aus einer ehrlosen Gesinnung entsprungen ist. [I. II. Entw.. Pr. StGB, (fehlten. 105.106.
Vgl. §§ 81. 83-86. 88. 89. 94. 96. 98. 100.
suchungsgefängnisse diejenige Behandlung (z. B. Arbeitszwang) zu Theil geworden wäre, welche der gegen ihn verhängten Strafart entspricht; contra: Rill. 6. Nov. 80 (R. II, 456: macht die Frage, ob die Strafvollstreckung unterbrochen werde oder fortdauere, vom Willen der mit der Vollstreckung betrauten Behörde abhängig, und fordert, damit der letztere Erfolg eintrete, eine hierauf gerichtete Willenserklärung dieser Behörde), Münch. 5. Jan. 83 (BE. II, 392: ähnlich). Münch. 30. Juni 80, 29. März 83, 5. März 85 (ib.I, 135; II, 403; III, 442: halten anscheinend den gleichzeitigen Vollzug der Untersuchungs- und Strafhaft für unbedingt unstatthaft); ML. (2. Ausg.) s. 272 (will nach Analogie des § 493 der StPO, die Untersuchungs haft stets eingerechnet wissen); vgl. Pr. JMVf. v. 7. Nov. 1839 (RS. VII. 101). — Hiernach wird in einem solchen Falle die Zuchthausstrafe regelmäßig eine Unter brechung erleiden: OT.' 19. März 72 (O. XIII, 210). Vgl. Münch. 23. Sept. 73 (StZ. III, 84). 10. Abgesehen von diesen Fällen (n. 9), kann die Vollstreckung eine Unterbre chung auch durch einstweilige Freilassung des Sträflings erleiden; vgl. StPO. § 490 Abs. 3 und, was die s. g. Beurlaubungen betrifft, Pr. MVf. v. 15. Juli 1870 (VMbl. s. 197), v. 29. Okt. 1879 (ib. s. 17), v. 7 bezw. 18. Juni 1881 (ib. s. 174) und v. 23. Juni 85 (ib. s. 186), Löwe s. 757. 11. Der Reichstag hat bei diesem § die Resolution beschlossen: „den Bundeskanzler aufzufordern, eine Vorlage des Bundesraths herbei zuführen, durch welche die Vollstreckung der Freiheitsstrafen gesetzlich geregelt und die Einsetzung einer Bundesbehörde angeordnet wird, welcher die oberste Aufsicht über die sämmtlichen Angelegenheiten der Straf- und Befferungsanstalten obliegt".
§ 20. 1. Der Ausdruck „ehrlose Gesinnung" beurtheilt sich nach den über Ehre im Allgemeinen herrschenden Anschauungen, nicht nach solchen über die sog. Standesehre; vgl. Fuld, GA. 31 s. 323. 2. Ob die Handlung „aus einer ehrlosen Gesinnung entsprang", ist eine wesentlich thatsächliche, mithin im schwurgerichtlichen Verfahren durch die Ge schwornen zu lösende Frage. Die Stellung derselben ist unerläßlich und nicht durch einen Antrag des StA. s bedingt, da die vom Richter zu treffende Wahl der Strafe von ihrer Entscheidung abhängt. Der gedachte Charakter der That ist als ein ^besonderer, straferhöhender Umstand" anzusehen,, die Beantwortung der Frage muß daher in der für solche Umstände vorgeschriebenen Weise erfolgen. Vgl. StPÖ. § 295 und Komm.-Prot. s. 459, Löwe s. 570. 3. Die Fassung („darf nur dann erkannt werden rc.") schließt es nicht aus, daß der Jnstanzrichter trotz der festgestellten, „ehrlosen Gesinnung rc." auf Fest ungshaft erkenne, wenn er annimmt, daß die That dennoch eine mildere Beur theilung zulasse: Stenogr. Ber. s. 290. 1144. 1145. 4. Das StGB, enthält keine Vorschriften darüber, nach welchen Grundsätzen zu verfahren sei. wenn das Gesetz zwischen Zuchthaus und Gefängniß (Beisp.: tztz 224. 226), zwischen Gefängniß und Festungshaft (Beisp.: § 95), oder zwischen Gefängniß und Haft (Beisp.: §§ 185. 186) die Wahl läßt. Hier ist daher Alles dem Ermessen des Jnstanznchters überlassen, welcher dabei nicht blos die „Gesinnung" aus welcher die Handlung entsprang, sondern alle konkurrirenden Umstände nud die persönlichen Eigenschaften des Thäters zu berücksichtigen hat; ebenso: OT. 8. Mai. 30. Sept. 74 (O. XV, 301, 598). 5. Abgesehen von § 20, knüpft das StGB, keine weiteren Folgen an den Um stand, daß eine strafbar befundene Handlung aus einer ehrlosen Gesinnung ent sprangen ist. Anders das Pr. Ges. v. 29. Mai 1879 (GS. s. 389) § 6; doch hat
Thl. I. Abschn. I. Strafen. — § 21. 22.
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. § 21. Achtmonatliche Zuchthausstrafe ist einer einjährigen Gefängnißstrafe, achtmonatliche Gefängnißstrafe einer einjährigen Festungshaft gleich zu achten. [I. Eiilw.: § 16; II Entw.: § 18; Pr. StGB.: § 16]. Vgl. §§ 28. 74. 75.77. 79; Gew.-O. v. 21. Juni 1869 § 145; StPO. §§ 492. 494.
§ 22. Die Zuchthaus- und Gefängnißstrafe können sowohl für die ganze Dauer, wie für einen Theil der erkannten Strafzeit in dem dort vorgesehenen Falle nicht der Straf-, sondern der Disciplinarrichter jenen Umstand festzustellen; dieser dürfte selbst an eine dieserhalb bereits getroffene Feststellung des Strafrichters (n. 1) nicht gebunden sein.
§21. 1. Dieser § bestimmt den Maßstab, nach welchem eine an sich nach dem zu treffenden Gesetze verwirkte Strafe in eine andere umzuwandeln ist; vgl. § 28, § 19 n. 3—6. Dagegen ist er nicht maßgebend, wenn es sich darum handelt, welche Strafart an die Stelle einer anderen, in einem Lattdesgesetz angedrohten, jetzt nicht mehr statthaften tritt; vgl. EG. §§ 7.8. EG. z. Pr. StGB. Art. VIII. 2. Das Verhältniß der Festungshaft zur Zuchthausstrafe ist hiernach wie neun zu vier. In Gefängniß wird Festungshaft nie verwandelt: § 75. 3. Haft wird nie in eine strengere Strafart verwandelt: § 77. 4. Auch im Falle einer Strafumwandlung ist an der Einheit des vollen Tages festzuhalten; vgl. § 19 n. 6. 5. Der Maßstab des § 21 wird auch da maßgebend, wo nach gesetzlicher Vor schrift eine strengere Strafe z. B. Zuchthaus in eine mildere (Gefängniß) um zuwandeln ist; vgl. z. B. § 44 Abs. 4 a. E. 6. Nach dem §21 beurtheilt sich ferner die Frage, inwieweit der zweite Rich ter auf die alleinige Berufung des Angeklagten, ohne den Grundsatz der relativen Rechtskraft zu verletzen, die in erster Instanz verhängte Freiheitsstrafe in eine ihrer Art nach mildere von längerer Dauer abändern könne. Demgemäß ist es in einem solchen Falle, beim Mangel eines Maßstabs für das Verhältniß zwischen Gefängnißstrafe und Hast, nicht statthaft, an Stelle einer (Prinzipalen oder subsi diären) Gefängnißstrafe Haft von längerer Dauer festzusetzen: Münch. 9. Dez. 76 (BE. VI, 587). 7. Im Gnadenwege kann eine erkannte Strafe in eine gelindere Straf art (unter Beobachtung der für das statthafte Maß der letzteren im Allgemeinen bestehenden gesetzlichen Vorschriften) umgewandelt werden; dagegen ist in einem solchen Falle der für die Umwandlung einer Geldstrafe in Freiheitsstrafe im § 29 aufgestellte Maßstab nicht für daS umgekehrte Verfahren bindend: OT. 13. Nov. 73 (O. XIV, 718). — Die Vorschrift des § 590 der Pr. Krim.-O., nach welcher der Justiz-Minister eine wegen des Gesundheitszustandes des Verurtheilten nicht zu vollstreckende Freiheitsstrafe in Geldstrafe umwandeln kann, ist weder durch die Pr. Verfass, v. 31. Jan. 1850 Art. 49 noch durch das Pr. oder D. StGB, aufge hoben: OT. 29. Mai 72 (O. XIII, 319); contra: Schw. s. 82. Das hierbei zu be obachtende Verfahren richtet sich nach der Jnstr. (AKO.) v. 26.-30. Juni 1834 (Jahrb. 43 s. 642); dem Verurtheilten stehen gegen die Min.-Verfügung die Rechts mittel der Berufung und Nichtigkeitsbeschwerde (Revision) zu: OT. 17. Okt. 1855 (GA. III, 831); eventuell hat der Berufungsrichter den Grund der Strafumwand lung selbständig zu prüfen: OT. 18. Jan. 65 (D. V, 421); vergl. Oppenhoff Pr. Strafverf. Art. 137 n. 12. Obschon der Justiz-Minister im Falle des cit. § 590 kraft 2)ele Ausführung: 13. • Beziehung, pers.: 17. Dolus: 18. • Exceß: 15. • Fahrlässigkeit: 21. • Rückn itt: 16. Unterlafs.-Dcl.: 20. Person, jucift.: 8.
Raub: 10. Rücktritt v. Kompl.: 12. • v. Mitthatnschaft: 16. Thäter: 1 ff. - Haften f. 24. 25. . Mehrheit b. Pff.: 8. 9. . Mitthäter s. d. W. • LSnkz. Benutzung: 2—4. Thatbestandshandlung: 18. Unterlassung: 7. 20. Nnnrschlagung: 17. Bnantwoul.: 6.
1. Das StGB, versteht unter „Thäter" einer Mißthat Denjenigen, welcher die zum Thatbestände erforderliche Handlung (die Thatbestandshandlung) mit der dabei vorausgesetzten Willensrichtung bewirkt, mag er selbst der geistige Schöpfer dieses Willens sein oder einem fremden Einflüsse folgen: Münch. 26. Okt. 73 (BE. III, 165), Schütze s. 148. — Sticht selten bedient sich das Gesetzbuch aber auch der Bezeichnung „Thäter" in einem weiteren Sinne als gleichbedeutend mit Urheber einer strafbaren Handlung, so daß sie jeden umfaßt, welcher sich an einer strafbaren Handlung betheiligt hat, also auch den Anstifter und Gehülfen. Sn diesem Sinne kommt jener Ausdruck vor in den §§ 3. 4 Nr. 3. 53 Abs. 3. 61. 68. 310 — Sn den §§51.52.54 bezeichnet dagegen „Thäter" Denjenigen, welcher die zum Thatbestände gehörende äußere Handlung (ohne den erforderlichen Dolus: Abschn. 4 n. 2) vor nimmt, mag jene Handlung in ihrer äußeren Erscheinung den Voraussetzungen der Thäterschaft oder einer Theilnahme entsprechen; somit cessirt hier der technische Be griff vollständig, da die Handlung nicht strafbar ist. Wer in einem Anderen den Willen zur Begehung einer Mißthat hervorgerufen hat, wird nicht als (intellektueller) Thäter (i. e. S.), sondern als „Anstifter" bezeichnet: § 48. 2. Man kann eine Handlung nicht nur in der Weise bewirken (n. 1), daß man sie selbst körperlich ausführt, sondern auch in der Weise, daß man sie durch eine fremde (als Werkzeug benutzte) bewegende Kraft, welche ohne entsprechende Willensrichtung thätig ist. ausführen läßt, mag diese benutzte fremde Kraft eine mechanische, thierische, oder menschliche sein. So lange und soweit dann diese Kraft in Bewegung (thätig) ist, ist auch der sie in Bewegung Sehende (der „Thäter") als handelnd anzusehen; vgl. §3 n. 7. 3. Demgemäß (n. 2) ist auch Derjenige der „Thäter" einer Mißthat, welcher
Thl. I. Alischn. III. Theilnahme. — § 47.
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mit dem zum Thatbestände gehörenden Dolus es veranlaßt, daß ein Anderer nicht doloser Weise oder gar int Zustande der Willensunfreiheit die äußere Handlung vornimmt; ebenso: RII. 5. März 80 (E. I, 250; R. I, 429), Rill. 17. Jan. 80 (E.I. 146: sollte auch der ohne Dolus handelnde Andere sich eines Fahrlässig keitsvergehens schuldig und insofern strafbar machen), Schütze s. 148 n. 3, ML. s. 241; vgl. auch Lucas, d. subj. Verschuldung, s. 104. Wie dies herbeigeführt worden, ist gleichgültig; ein stillschweigend ertheilter Auftrag kann ebensowohl ge nügen, als ein zwingender Befehl: OT. 23. Sept. 73 (D. XIV, 568: der Dienstherr ließ es bewußter Maßen geschehen, daß die Knechte in gutem Glauben sich für ihn einer fremden Sache bemächtigten). Tritt dann der so als Werkzeug Mißbrauchte von der bereits begonnenen Ausführung vor ihrer Vollendung aus freier Ent schließung zurück (z. B. weil ihm das Wesen der Sache klar geworden ist), so liegt ein strafbarer Versuch jenes Thäters vor. — Diese Auffassung trifft selbst da zu, wo gerade Derjenige, dessen Recht durch die Handlung verletzt wird, zur Vornahme derselben (ohne sie' als solche zu wollen) durch Täuschung Seitens eines Andern veranlaßt worden ist: Schütze s. 419 n. 7; Beisp. § 223 n. 25, § 267 n. 17. — Da gegen bleibt eine solche Auffassung selbstverständlich da ausgeschlossen, wo es in der Natur der betr. Mißthat liegt, daß äußere Handlung nnd Dolus in derselben Person zusammen treffen, z. B. bei mehreren Fleischesverbrechen und beim Meineide (inso fern das Gesetz nicht Leistung eines Eides durch einen Andern gestattet). Aehnlich verhält es sich, wenn der Thatbestand einer Mißthat durch gewisse bei der Person des Thäters obwaltende thatsächliche Voraussetzungen bedingt ist; Beisp. siehe n. 13. —- Zn Betreff des Falles, wo Jemand einen Strafunmündigen zur Begehung einer Mißthat veranlaßt, vgl. Abschn. IV n. 3. 4. Ebenso ist als „Thäter" anzusehen, wer mit deut zum Thatbestände erfor derlichen Dolus die äußere Handlung durch einen Andern vornehmen läßt, sobald dieser Andere sie zwar auch bewußt und rechtswidrig, aber ohne denjenigen Dolus ausführt, welcher für den betr. Straffall erheischt wird: RII. 11. Mai 86 (E. XIV, 121: Motive), BGr. §§ 46.47; vgl. Bind. GR. 1,85; contra: Meves. StRZ. XIII, 162; z. B. wenn A den B veranlaßt, eine fremde Sache aus dem Ge wahrsam eines Dritten unmittelbar in den des A zu bringen, und Beide dabei den Willen hegen, daß A sich dieselbe rechtswidrig zueigne (§ 242 n. 42); ebenso: Rll. 10. Juni 84 (R. VI, 416); oder wenn C auf Veranlassung des D eine Urkunde fälscht, damit dieser rc. Gebrauch davon mache: kommt es dann nicht zu diesem be absichtigten Gebrauche, so steht nichts im Wege, den D des Versuchs der „Urkunden fälschung" und den C der Beihülfe zu diesem Verbrechen schuldig zu erachten. So macht sich der eignen Verübung der schweren Urkundenfälschung (§ 268) schuldig, wer in der Absicht, sich einen Verutögensvortheil zu verschaffen, sich eines in seine In tentionen nicht eingeweihten Dritten in der Weise bedient, daß dieser (mit dem in § 267 vorgesehenen Dolus) eine einfache Urkundenfälschung verübt: Rill. 8. Dez. 80 (E. III, 95). Ebenso ist der Inhaber eines Verkaufsgeschäftes Hehler, wenn er es veranlaßt, daß sein Kommis eine gestohlene Sache mit Kenntniß von diesem Diebstahl für das Geschäft erwirbt: OT. 17. Okt. 72 (O. XIII, 534); handelte dann der Kommis gleichfalls „seines eigenen Vortheils wegen", so ist auch er Hehler (dagegen liegt keine „Mitthäterschaft" vor, weil nicht beide „gemeinschaftlich ausführ ten"; vgl. n. 10 ff.). Ein anderer hierher gehöriger Fall ist der, wo ein Brenner mit der Absicht der Steuerverkürzung ordnungswidrige Eimnaischungen vornehmen läßt; handeln seine Dienstleute hierbei zwar an sich bewußt und insofern rechts widrig, aber ohne den auf Steuerverkürzung gerichteten Dolus, so daß sie selbst nur eine Ordnungsstrafe verwirken, so muß dennoch beit Dienstherrn die volle De fraudationsstrafe treffen, indem seine Leute bezüglich der Defraudation immerhin bloße Werkzeuge sind; so: RII. 5. März 80 (cit. n. 3). 5. In den unter n. 3. 4 erwähnten Fällen kommt es lediglich aus den Dolus an, welchen der Urheber im Augenblicke der Ausführung der betr. Handlung hat; wohnte ihm in diesem Augenblicke der betr. Dolus (die Kenntniß: § 59) bei, so ist er als Thäter strafbar, selbst wenn er diesen Dolus im Augenblicke, wo er den An dern zur That veranlaßte, noch nicht gehabt hatte, sofern er nach erlangter Kenntniß die noch mögliche Hinderung der Ausführung unterließ: OT. 10. Dez. 74 (O. XV, 856: der Angeschuldigte hatte, ohne Kenntnis von einer verfügten Viehsperre zu be sitzen, einen Andern mit der Einführung von Vieh beauftragt, und dann nach Er-
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Thl. I. Abschn. III. Theilnahme. — § 47.
langung jener Kenntniß die von dem Beauftragten in gutem Glauben bewirkte Ein führung nicht verhindert). 5a. Ob dagegen bei solchen Vergehen, welche nur oder doch auch fahrlässig begangen werden können, die Handlung des (straflosen) Dritten dem Auftraggeber strafrechtlich zuzurechnen ist, wenn und soweit der Auftrag für jene Handlung kausal und (zwar nicht doloser Weise ertheilt, immerhin aber) normwidrig war, erscheint als bedenklich; es bejaht RII. 14. Zuni 81 (E. IV, 252). 6. Die Uebernahme der „Verantwortlichkeit" für eine fremde That kann (von besonderen Vorschriften z. B. des R.-Preßgesetzes abgesehen) eine Bestrafung nicht rechtfertigen, sofern nicht darin der Thatbestand einer Anstiftung zu finden ist: OT. 14. Juni 74 (O. XV, 672). 7. Auch Derjenige ist „Thäter", welcher sich durch Unterlassung einer gebotenen Handlung strafbar macht; vgl. § 1 n. 8. 8. Eine Mißthat kann nur von Demjenigen begangen werden, welcher eines Willens fähig ist, also nur von einem Individuum, nicht von einer juristische n Person, und ebensowenig von einer Mehrheit von Personen als solcher. Demgemäß kann eine Behörde, eine Handelsgesellschaft (Handelsfirma) oder die kollegialische Direktion einer Aktiengesellschaft rc. nie „Thäter" sein, sondern nur die einzelnen handelnden Mitglieder derselben: Münch. 3. Mai 72, 4. Febr. 73 (BE. II, 125; III, 43); das gilt auch von Abgabenhinterziehungen: OT. 31. Oft. 72, 12. Mai 75 (O. XIII, 562; XVI, 365) und überhaupt von allen nur mit Geldstrafe bedrohten Handlungen: ML. f. 129. Dagegen ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, daß juristische Personen, Handelsfirmen rc. als civiliter haftbar für Oie von einem An dern verwirkten Geldstrafen und Kosten in Anspruch genommen werden, und daß dies im Strafverfahren geschehe; vgl. OT. 20. Nov. 73 (O. XIV, 735). 9. Ist der objektive Thatbestand einer vorsätzlichen Mißthat nicht durch Einen allein, sondern durch das zusammenwirkende Handeln Mehrerer hergestellt worden, so hat Jeder nur Dasjenige zu vertreten, was er selbst gethan hat, bezw. was durch seine Handlung versucht worden ist, vorausgesetzt, daß er sich dabei an den Handlungen der Nebrigen in keiner Weise betheiligt und dieselben ebensowenig zur Herbeiführung des von ihm Gewollten benutzt hat. Erfüllt dann sein eigenes Thun nicht den Thatbestand der durch das Zusammenwirken vollendeten Mißthat, so kann er nur etwa wegen Versuchs derselben gestraft werden. 10. Ist dagegen eine Mißthat durch das bewußte und gewollte Zusam menwirken Mehrerer ausgeführt worden, war also der Wille jedes Einzelnen darauf gerichtet, daß dieselbe durch die zusammenwirkende Thätigkeit Aller ins Werk gesetzt werde, so begehen Alle, welche sich an jener Thätigkeit mit dem zum Thatbestände erforderlichen Dolus (n. 17.18) selbst betheiligen, die Gesammt-That „gemeinschaftlich" und Jeder wird (vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 50 59) als Thäter (der Gesmnmt'That) bestraft, so als hätte er Alles allein gethan, was durch die Thätigkeit Aller bewirkt oder (als demnächstiger Erfolg) verursacht worden ist; alle sind dann „Mitthäter" (§ 50): OT. 26. 9too. 74 (O. XV, 812). — Demgemäß ist die von Mehreren gemeinschaftlich verübte Wegnahme einer fremden Sache rc. für Alle „Raub", wenn auch nur Einer die Wegnahme vorgenommen und ein Anderer die (von Allen gewollte) Gewalt angewendet hat: Münch. 21. März 73 (StRZ. XIII, 334); ebenso ist ein von Mehreren gemeinschaftlich verübter Diebstahl für Alle ein schwerer, wenn auch nur Einer von ihnen eine Waffe (mitKenntniß der Anderen) bei sich führte: § 243 Nr. 5 (n. 73), das Waffentragen Eines von mehreren gemein schaftlich einen Hausfriedensbruch Ausführenden fällt Allen zur Last. In gleicher Weise trifft die Strafe der schweren (tödtlichen) Körperverletzung sämmt liche Mitthäter, selbst wenn der gedachte Erfolg erwiesenermaßen nur durch die von einem Einzelnen oder durch das Zusammenwirken mehrerer von Verschiedenen zuge fügten Verletzungen verursacht ist: RlV. 7. Mai 86 (E. XIV, 119), OT. 5. Sept. 73, 5. Febr.. 24. Juni 74, 22. Dez. 75 (O. XIV, 511; XV, 54. 161; XVI, 812). Ebenso ist für die Frage nach der Quantität und nach dem Werthe der von Mehreren gemeinschaftlich gestohlenen Gegenstände (vgl. § 370 Nr. 5; FFP.-Ges. §6) das Gesammtquantum der letzteren maßgebend; ebenso: Rill. 2. Febr. 85 (R. VII, 79); vgl. § 242 n. 52. Mitthäter einer Contrebande oder Ein schwärzung (VZollges. §§ 134. 146) sind nicht blos Diejenigen, welche unmittel bar die Grenzüberführung bewirken, sondern auch Diejenigen, welche die gleichfalls
Thl. I. Abschn. III. Theilnahm. — § 47.
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zum Thatbestände gehörigen vorhergehenden oder nachfolgenden Handlungen vor nehmen, sofern ein nach Zeit und Raum verbundenes Zusammenwirken stattfindet: RI. 23. Sept. 80, 7. Jan. 86, »III. 2. Juli 83, Rll. 11. Jan. 87 (K. II. 20; XIII, 223; IX, 42; R. IX, 33). — Der obige Grundsatz findet auch da Anwendung, wo der gemeinschaftliche Wille auf die gleichzeitige Verübung einer Mehrheit von Handlungen (z. B. auf die gleichzeitige Mißhandlung Mehrerer) gerichtet war, welche sich ebendeshalb als ein einheitlicher Straffall charakterisirt: Rl. 10. Mai 86 (R. VIII, 348: es sei daher im Falle der einheitlichen Mißhandlung Mehrerer gleich gültig, ob der einzelne Mitthäter bei der Mißhandlung eines jeden der Damnifikaten persönlich betheiligt war), OT. 31. Okt. 72 (O. XIII, 572); vgl. Rill. 17. Dez. 81 (E. V, 306). — Dagegen bleibt derselbe da ausgeschlossen, wo Mehrere zwar gleichzeitig und in einer äußeren Verbindung thätig sind, wo aber jeder nur für sich und zur Ausführung des eigenen Willens handelt, z. B. wenn Mehrere gleich zeitig und neben einander unbefugt jagen, Jeder aber nur für sich dem Wilde nach stellt. ohne die Uebrigen zu unterstützen (§ 293 n. 5); ähnlich wenn mehrere gleich zeitig. aber jeder für sich stehlen oder in eine fremde Wohnung eindringen. 11. Ein gemeinschaftliches Handeln wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Eine mit einem weiter gehenden — im Uebrigen aber übereinstimmenden — Dolus handelt, als der Andere (Beisp.: der Eine will Giftmord, der Andere nur Beibringung von Gift mit der Absicht der Gesundheitsbeschädigung: OT. 13. Juli 74, O. XV, 489), oder daß bei dem Einen ein die That besonders qualificirender Umstand obwaltet, bei dem Andern nicht (Beisp.: der Eine handelt bei einem ge meinschaftlich ausgeführten Todtschlag mit Ueberlegung, der Andere nicht: Rill. 26. April 83. R. V, 287). Vgl. aber n. 15. 12. Das StGB, unterscheidet nicht, in welcher Weise die zum Begriffe der Mit thäterschaft erforderliche Gemeinschaft des Willens (n. 10) entstanden ist: ob sie auf einer vorher (ausdrücklich oder stillschweigend) getroffenen Verabredung oder Uebereinkunft, oder ohne eine solche auf einem augenblicklich (wenn auch erst während der Ausführung der That) entstandenen Einverständnisse beruhte; vgl. RII. 17. Dez. 81, Rill. 11. Jan. 83 (E. V, 306; VIII, 42), OT. 11. Jan 76 (O. XVII, 21); Hälschn.. GSaal XXV, 93. Demgemäß ist davon abgesehen worden, in Betreff der strafrechtlichen Begriffe des Komplotts und der Bande besondere Vorschriften zu treffen: Motive s. 65. Diese haben (von abweichenden Einzelbestimmungen abge sehen; vgl. §§ 83. 243 Nr. 6) für die Anwendung des Strafgesetzes eine weitere Be deutung nicht, vielmehr kommt cs in allen solchen Fällen (z. B. wenn Mehrere die Ausführung in der Weise verabredet hatten, daß sie die dazu erforderlichen Einzel handlungen unter sich vertheilten) lediglich darauf an, ob demnächst eine „gemein schaftliche Ausführung" der That im Sinne des § 47 Statt gefunden hat. Sonach ist die Betheiligung an der Vereinbarung noch nicht strafbar, so lange es noch nicht zur Ausführung gekommen ist (vgl. § 43 n. 7), und nur die bei der stattgehabten Ausführung selbstthätig Betheiligten sind „Mitthäter"; die übrigen können nur etwa (geeigneten Falles) als Anstifter oder Gehilfen jener strafbar sein; ebenso: Rll. 17. Mai 81, Rill. 9. Febr. 81 (E. IV, 177; R. III, 309. 28); vgl. n. 13, OA. 9. Juni 69 (O. X, 405), Geyer, HH. II, 412. — Hiernach kann von einem (eine verwirkte Strafe ausschließenden) Rücktritte vom Komplotte rc. keine Rede sein, so lange die Ausführung desselben noch nicht begonnen wurde. Ist ein Mit-Komplottant, welcher sich nicht an der Ausführung betheiligt, als Anstifter oder Gehülfe der Uebrigen anzusehen, so kommen in Betreff des Rücktritts die Grundsätze zur Anwendung, welche beim Rücktritte von der Anstiftung oder der Beihülfe gelten; vgl. n. 16, § 48 n. 51. 13. Da die Mitthäterschaft dadurch bedingt ist, daß die Mehreren die (von Allen gewollte) strafbare Handlung „gemeinschaftlich ausführen" (vgl. Motive s. 65), so kann nur Derjenige Mitthäter sein, welcher (mit dem Gemeinschafts-Dolus) eine derjenigen Handlungen vorgenommen hat, wie sie der Thatbestand des betr. Straf falles erfordet, durch welche also ein thatbestandliches Moment erfüllt wird (eine Thatbestandshandlung; vgl. n. 1, §43: „Anfang der An sführung" und dort n. 6); eine andere, die Verübung der Thatbestandshandlungen nur vorbereitende, oder fördemde Thätigkeit (z. B. Wachestehen rc.) genügt dazu nicht, kann vielmehr nur unter den Begriff der Beihülfe fallen: BGr. §§ 21. 23. 45 ff, BL. s. 152, Schütze s. 148. 157, Hälschn., GSaal 25 s. 81. 104, OT. 31. Okt. 72, 17. Mai, 10. Okt.,
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7. Nov. 73, 6. März 77 (O. XIII, 572; XIV, 377. 625. 709; XVIII, 180), Münch. 4. San., 13. Dez. 73, 7. Suli 77. 7.. 14. März 79 (StRZ. II, 146, III, 195; BE. VII, 305; IX, 134. 153); vgl. HStR. I, 428 ff., ML. s. 248; contra: Rill. 12. Mai 80. 26. San. u. 9. Febr. 81, RI. 7. San. 81, Rll. 17. Mai 81, 16. Oft. 83 (E. II, 160; III, 181; IV, 177; IX, 75; R. I, 764; II, 757; III, 28. 309), Münch. 27. Nov. 85, 9. Nov. 86 (BE. III, 545; IV, 230), Dresd. 7. Ang. 71, 19. Oft. 74, 19. März 77 (SGZ. XV, 248; XIX, 118; XXII, 38), Stuttg. 8.-15. Apr. 74 (StZ, IV, 49), Manh. 23. Mär; 74 (BA. 41 s. 233), Meckl. OG. (GSaal 24 s. 91), Schm. f. 115ff.; id., SGZ. XVI, 355, Otto n. 5, welche überall Mitthäterschaft annehmen, wo die Thätigfeit der zu einer Mißthat Mitwirfenden ans einer gemeinsamen Ab sicht hervorging, ohne in Betreff der Art jener Thätigfeit zu unterscheiden; dem gemäß genüge schon eine bloße Vorbereitungshandlung; der Mitthäter unterscheide sich vom Gehülfen nur durch das subjeftive Moment, daß dieser die fremde That unterstützen, jener die That als seine eigne wolle: eit. Rll. 16. Ost. 83. Sn letz terem Sinne erfannten Rill. 10. San. 87, 3. Mai 86 (E. XV, 295; R. VIII, 337), daß schon die Herbeischaffung von Werfzeugen zur Begehung, das Wachestehen oder die Beseitigung von Hindernissen, z. B. das Weglocken des zu Bestehlenden Mit thäterschaft begründen sönne. Vgl. auch § 43 n. 7. — Hiernach wird der Anstifter dadurch, daß er auch zur Ausführung der That als Gehülfe mitwirft, nicht zum Mitthäter: OT. 24. Febr. 75 (O. XVI, 147). Treffen dagegen die obigen Voraus setzungen zu, so fommt aus das Maß der Thäligfeit des Einzelnen und auf die Bedeutung derselben für den erzielten Erfolg ebensowenig Etwas an, als darauf, ob es zur Herbeiführung dieses Erfolgs der Handlung des Einzelnen bedurfte, oder ob sie entbehrlich war: eit. Dresd. 7. Aug. 71. Ebenso ist es gleichgültig, ob Alle in gleicher Weise, zu derselben Zeit und an demselben Orte oder ob sie in verschiedener Weise, an verschiedenen Orten und sueeessive thätig waren; vgl. Rill. 11. San. 83, 1. Suli 85 (E. VIII, 42; R. VII, 453), Münch. 16. San. 75 (StZ. V, 11), OT. 3. Nov. 75 (O. XVI, 710); insbesondere ist es nicht erforderlich, daß jeder Mitthäter an der letzten, die Mißthat vollendenden Handlung sich betheiligt habe: OT. 14. Sunt 71, 11. Nov. 75 (O. XII, 412; XVI, 719); vgl. § 3 n. 13. ' 14. Nur ein positives Thun sann (Mit-) Thäterschaft begründen, nicht ein rein passives Verhalten, z. B. ein wissentliches Geschehenlassen: OT. 26. Febr. 75 (O. XVI, 161), oder ein bloßes Billigen (Zustimmen): RI. 15. San. 80 (E. I, 145), es sei denn, daß hierin eine maßgebende Anordnung und ein positives Mitwirfen zur Handlung zu finden wäre; vgl. RI. 13., 17. San. 81 (E. III, 268 ff.), OT. 8. Ost. 75 (Ö. XVI, 645: der Leiter eines faufmännischen Geschäfts hatte eine vom Profuristen vorgenommene Handlung vorher gebilligt). Die vorherige Zustimmung zu einer im gemeinsamen Snteresse getroffenen Verfügung über eine im gemeinsamen Besitz befindliche, gemeinsam anvertraute fremde Sache stellt eine positive Betheili gung an jener Verfügung dar: eit. Ri. 13. San. 81. Ein gemeinschaftlich verübter Betrug sann angenommen werden, wenn Semand ein falsches Vorbringen gleich zeitig im Namen eines Anderen, dabei Anwesenden, macht und dieser dazu schweigt; so: OT. 22. Satt. 74 (O. XV, 36), bzw. wenn der Eine mit seinem Wissen auf Täuschung berechnete Handlungen durch den Andern geschehen läßt und sich dem nächst die Ergebnisse der Täuschung zu Nutze macht: OT. 31. Ost. 76 (O. XVII, 701); vgl. § 263 n. 53. Dagegen läßt sich nicht behaupten, daß ein Geschäftsgenosse im Zweifel für alle im Geschäftsbetrieb (dolos) begangenen strafbaren Handlungen verantwortlich fei, wenn er nicht seinerseits Umstände darlege., welche seine Mit thäterschaft ausschlössen: Rll. 30. Sept. 81 (E. V, 106). 15. Nur das „gewollte Zusammenwirfen" (n. 10) begründet Mitthäterschaft. Für Dasjenige, was einer der Mitthäter bei der Ausführung über das ooit Allen gemeinschaftlich Gewollte hinausgehend thut (Exeeß), haften die Uebrigen nicht, — ebenso: OT. 13. Nov. 78 (O. XIX, 532); — es sei denn, daß sie während der Ausführung Kenntniß von der Exeeßhandlung erlangen, sie geschehen lassen und da durch zur Ausführung des von ihnen Gewollten benutzen, (dadurch genehmigen sie es); contra: Rill. 21. San. 86 (R. VIII, 80: läßt letztere Einschränfung nicht gel ten; bei der Ausführung vorfommende erschwerende Umstände sonnten immer nur dann zugerechnet werden, wenn auch hierüber zum Voraus Einverständniß bestanden habe). Ein Mitthäter steht sonach für die seinem Einverständnisse fremden Hand lungen der übrigen nicht ein, ohne Unterschied, ob letztere der gemeinsamen That
Thl. I. Abschn. III. Theilnahme. — § 47.
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einen anderen strafrechtlichen Charakter verliehen, oder ob sie nur einen erschwerenden Umstand derselben bildeten; er ist z. B. im Falle eines Raubs, wenn er keine (Gewalt wider eine Person rc. wollte, nur wegen Diebstahls, tut Falle eines Diebstahls mittels Gebrauchs eines falschen Schlüssels, wenn er letzteren für den echten hielt, nicht aus § 243, sondern nur aus § 242 zu bestrafen. — Demgemäß liegt kein Widerspruch vor, wenn ein Mitthäter der That mit, der andere der That ohne erschwerende Untstände schuldig befunden wird: OT. 13. Zuli 75 (O. XVI, 543). — Das Gleiche gilt aus ähnlichem Grunde von der Verurtheilung eines Mitthäters wegen Diebstahls, des an deren wegen Mundraubs (§ 370 Nr 5): RH. 13. Febr. 85 (E. XII. 8); vgl. unten n. 17. 10. Will ein Mitthäter vor Vollendung der gemeinschaftlich begonnenen Aus führung von derselben zurücktreten, so thut er nicht genug, wenn er diesen seinen Willen den Uebrigen erkennbar macht und sich an der ferneren Ausführung nicht mehr betheiligt: er bleibt nur dann straflos, wenn er die Vollendung durch die Uebrigen verhindert; vgl. § 48 n. 51. Thut er dieses nicht, oder gelingt es ihm nicht, so kann ihnt zwar das nach seinem erkennbar gemachten Ausscheiden von den Uebrigen Gethane nicht zugerechnet werden: er bleibt aber wegen des vorher Ge schehenen haftbar, ist sonach mit der Versuchsstrafe zu.belegen. Vgl. Schw. s. 123. 124, Otto n. 12. 17. Sodann (n. 13) kann nur Derjenige Mitthäter sein, bei welchem die per sönlichen Eigenschaften, Verhältnisse oder Beziehungen obwalten, die vom Gesetze als Thatbestands-Momente des betr. Straffalls in der Person des Thäters vorausgesetzt werden (eben weil jeder Mitthäter so angesehen wird, als sei er Alleinthäter); vgl. § 50, welcher diesen Grundsatz in Betreff der straferhöhenden oder -mindernden persönlichen Eigenschaften rc. ausdrücklich ausspricht; ebenso: Ri. 30. März 82 (R. IV, 290), Schütze s. 146, Geyer. HH. II, 408; IV, 169. Dem gemäß kann sich z. B. nur ein Beamter als Mitthäter eines Anltsvergehens schuldig machen, als Thäter, (Mitthäter) einer Unterschlagung nur wer den Gewahrsam der betr. fremden Sache hatte; Andere, welche sich an einer solchen That betheiligen, können nur als Anstifter oder Gehülfen strafbar sein: cit. Ri. 30. März 82, Eisenach 19. Apr. 71, Manh. 5. Okt. 78 (StZ. I, 185; BA. 44 s. 250); contra: HSR. I, 438; vgl. n. 25, § 48 n. 4, § 293 n. 7. — Hiernach besteht die Möglichkeit, daß eine gemeinschaftlich verübte That, trotz des gleichen Dolus und der gleichartigen Thätigkeit aller Mitwirkenden rechtlich bei dem Einen anders zu charakterisiren ist, wie bei betn Andern; Beisp.: beim Kindesmorde begeht der fremde Mitthäter der Mutter eine gemeine Tödtung: BL. s. 152; contra: Herzog, StRZ. XII, 231; vgl. § 50 n. 5; § 217 n. 16. 18. Abgesehen von den unter n. 13. 17 hervorgehobenen Verschiedenheiten unterscheidet sich die Beihülse von der Mitthäterschaft durch die Natur des bei beiden erforderten Dolus. Während der Wille des Mitthäters auf die Selbst begehung der That (roenn auch unter Mitwirkung oder durch Benutzung Anderer) gerichtet' ist (n. 8. 9), will der Gehülfe nur die (mit Nothwendigkeit vorausgesetzte) strafbare Thätigkeit eines Andern (des Thäters) fördern, nicht eine eigene, sondern eine fremde Absicht verwirklichen; bei ihm kommt es sonach nicht aus den für den einzelnen Straffall erforderlichen Dolus an, sondern lediglich auf den Willen, das von dem Andern Gewollte zu unterstützen: Mot. s. 64; ebenso: Rill. 12. Mai 80, 21. San., 9. Febr. 81, RH. 17. Mai 81 (ritt. n. 13), Dresd. 17. April 71 (Dr. Ann. 8 s. 317); contra: HStR. I, 371, Fuchs i. GA. 29 s. 170, Birkmeyer t. GSaal 37 s. 275. 329. Fehlt es an dem Willen der Selbstbegehung, so kann auch die Vornahme einer Thatbestandshandlung (n. 13) nie (Mit-) Thäterschaft, sondern nur (möglicher Weise) Beihülfe sein: Derjenige, welcher Gewalthandlungen vornimmt, um einem Andern die Vornahme unzüchtiger Handlungen an einer Frauensperson möglich zu machen (h 176 9tr. 1), ist nicht Mitthäter, sondern Gehülfe; ebenso: RI. 7. San. 81, Rill. 18. Okt. 86 (E. III, 181; XIV, 28); contra: Dresd. 10. April 74 (StZ. IV, 315), Schw. s. 152, HStR. I, 438, Fuchs 1.e. — Demgemäß kanneine und dieselbe Art der äußern Thätigkeit je nach der Verschiedenheit des dabei ob waltenden Dolus sich bald als Mitthäterschaft bald als Beihülfe charakterisiren; z. B. das Forttragen einer einem Andern zum Zwecke der rechtswidrigen Zueignung weggenommenen Sache: cit. Rl. 7. San. 81, Rüd. n. 2; vgl. Geyer, HH. II, 381 und oben n. 13. — Dagegen kann in der zum Voraus versprochenen Begünstigung (§ 257 Abs. 3) an und für sich niemals Mitthäterschaft gefunden werden, selbst,
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Thl. I. Abschn. III. Theilnahme. — § 47.
wenn der Begünstiger die That als seine eigene wollte; vgl. Rill. 10. Jan. 87 (E. XV, 295).
18a. Der Redakteur einer periodischen Zeitschrift ist im Falle des § 20 Abs. 2 des RPreßges.'s kein auf Grund der besonderen Preßbestimmnngen auf zufassender selbstständiger Thäter, sondern Mitthäter des Verfassers: RI. 15. Nov. 83 (E. IX, 186; R. V, 688); vgl. OT. 12. Dez. 77 (O. XVIII, 780), Schw. Preßges. s. 98 ff., Thilo Preßges. s. 78, v. Liszt RPreßrecht s. 187. Gemäß dem cit. §20 kann der Verleger einer solchen Zeitschrift neben dem Redakteur nicht höchstens als Gehülfe, sondern unter Umständen auch als Mitthäter strafbar sein: RIV. I I. Mai 86 (R. VIII, 355). 19. Ein Mitthäter kann gleichzeitig Anstifter oder Gehülfe einer oder mehrerer anderer Mitthäter sein, dann trifft ihn die Strafe nur einmal; jener Um stand kommt nur als Strafzumessungsgrund in Betracht; vgl. § 48 n. 11. 20. Bei Unterlassungsdelikten ist jeder Unterlassende Alleinthäter; er hat die durch diese Unterlassung herbeigeführten Folgen ganz zu vertreten, selbst wenn ein Dritter sich durch Nichterfüllung der auch ihm obliegenden Pflicht desselben De likts schuldig gemacht hat; Beisp.: die mehreren Mitglieder einer Handels-Gesell schaft rc. verabsäumen die Anmeldung des Gewerbes zur Versteuerung: OT. 24. Juni 74 (O. XV, 434); ebenso: Schwalbach. GSaal 31 s. 611: contra: Olsh. n. 8. Von einer Mitthäterschaft Mehrerer kann hier nur dann die Rede sein, wenn Alle zur gemeinschaftlichen Vornahme der gebotenen Handlung verpflichtet waren. — Dagegen ist Derjenige, welcher durch Unterlassung einer Handlung, zu deren Vor nahme er verpflichtet war, die Mißthat eines Andern fördert (z. B. der Dienstbote, welcher dem angegriffenen Herrn keine Hülfe leistet, oder die Verschließung der Thüre unterläßt, um einem Dritten einen Diebstahl möglich zu machen), nicht Mitthäter, sondern Gehülfe; contra: Schw. s. 121. 21. Bei Fahrlässigkeitsvergehen ist eine Mitthäterschaft undenkbar, eben weil diese durch die Gemeinschaft des Dolus bedingt ist (n. 10. 11); ebenso Schw. s. 120; contra: v. Wächter, d. Buße s. 61 für den Fall, wo der Wille Jedes auf die leichtsinnige Handlungsweise gerichtet sei. sdann war aber doch der Wille kein gemeinsamer^. Wird ein unglückliches Ereigniß durch das zusammentreffende fahr lässige Verhalten Mehrerer verursacht, so haftet jeder nur für seine eigene Fahr lässigkeit, somit für das durch die Andern Verursachte mir insoweit, als ihm die Nichtberücksichtigung des von diesen Bewirkten, bezw. der Möglichkeit eines demnächstigen fremden Thuns als eigene Fahrlässigkeit angerechnet werden kann; ögV in Betreff des Näheren § 59 n. 22. Sind hiernach Mehrere als Urheber anzusehen, so ist Jeder selbständiger (fahrlässiger) Thäter; die Mehreren treten zu einander nicht in das Verhältniß der Mitthäter. — Bei solchen Mißthaten, welche sowohl fahrlässig als vorsätzlich begangen werden können, ist die Konkurrenz fahrlässiger und vorsätzlicher Thäter sehr wohl möglich; vgl. Thl. I. Abschn. III n. 7; z. B. in dem oben unter n. 3 erwähnten Falle, wenn dem als Werkzeug mißbrauchten ohne Dolus handelnden Dritten eine Fahrlässigkeit zur Last fällt. 22. Eine Anklage ist nicht erschöpft, wenn über die in ihr behauptete Gemeinschaftlichkeit keine Entscheidung getroffen ist: OT. 20. Apr. 66 (O. VII, 255). — Dagegen stellt die Gemeinschaftlichkeit an und für sich keinen „erschwerenden" (die auch ohne sie vorhandene Strafbarkeit erhöhenden) Umstand dar, ist also auch prozessualisch nicht als solcher zu behandeln (vgl. StPO §§ 266. 293ff.): OT. 6. Jan. 70 (O. XI, 7). Dies erleidet jedoch Ausnahmen; vgl. §§ 119. 123.223 a. 243 Nr. 6; dadurch wird aber die Anwendbarkeit des § 47 nicht ausgeschlossen. 23. Der Umstand, daß eine Mißthat theilweise eine gemeinschaftliche war, schließt nicht aus, daß dieselbe demjenigen Angeklagten gegenüber, welcher sie nach dem Zusammenwirken allein fortgesetzt hat, als eine einheitliche erscheint: Rll. 1. Okt. 86 (R. VIII, 577). 24. Begeht Jemand eine Mißthat in Gemeinschaft mit einem Andern, dessen Handlung „nicht strafbar" ist, weil es ihm an der erforderlichen Willensfreiheit fehlt (§§ 51—54), so kann von „Mitthäterschaft" keine Rede sein. Dagegen haftet der Erstere, wenn bei ihm die Voraussetzungen der Mitthäterschaft zutreffen, auch für das durch den Andern Bewirkte; vgl. n. 3. 25. 25. Der Thäter hat auch das von einem Gehülfen Ausgeführte zu ver treten, sobald er bei seiner eigenen Handlung Kenntniß von der (bereits stattge-
Thl. I. Absch». III.
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Theilnahme. — § 48.
§ 48. Als Anstifter wird bestraft, wer einen Anderen zu der von demselben begangenen strafbaren Handlung durch habten oder vorausgesehenen) Hülfeleistung hatte; er läßt dann die Hülfshandlung als Mittel zur Begehung seiner That dienen und macht dadurch die Thätigkeit des Gehülfen zu seiner eigenen; vgl. § 243 Nr. 5. 6. Demgemäß liegt Raub oder Noth zucht (§ 176 Nr. 1) vor, auch wenn die Gewalthandlungen rc. nicht von dem die Wegnahme oder die unzüchtige Handlung Verübenden, sondern von einem Gehülfen ausgingen (vgl. n. 17. 18; § 176 n. 5); contra: BGr. § 58, Merkel, HH. 111, 724. 26. Dasselbe tritt da ein, wo Jemand bei Verübung einer Mißthat sich bewußter Weise die von einem Dritten selbständig und ohne alle Beziehung auf jene That (vielleicht ohne jeden Dolus) vorgenommene Handlung zu Nutze macht und diese Handlung als Mittel der Begehung der eigenen That dienen läßt, es sei denn, daß die im Einzelfalle anzuwendende Strafbestimmung erkennen lasse, daß der aufgestellte Grundsatz hier außer Anwendung bleiben soll; vgl. übrigens § 243 n. 30. — Das Gesagte gilt namentlich da, wo es in Frage steht, inwieweit Jemand für den Erfolg einzustehen habe, welcher durch das Zusammenwirken mehrerer von verschiedenen Personen ausgegangener, an sich selbständiger Hand lungen herbeigeführt worden ist. Wer mit der Kenntniß von der vorhergegangenen That eines Anderen und mit der Absicht handelt, daß seine Handlung in Verbindung mit dem durch den Andern bereits Bewirkten jenen Erfolg herbeiführen solle, steht unzweifelhaft für diesen Gesammterfolg ein, z. B. wenn A, wissend, daß B dem C Gift in unzureichender Menge beigebracht hat, diesem seinerseits eine zweite Dosis beibringt, um durch das so verstärkte Gesammtquantum denselben zu todten, so ist er der Thäter der bewirkten Tödtung. selbst wenn die von ihm selbst beigebrachte Dosis zur Herbeiführung dieses Erfolges nicht ausgereicht hätte. Derselbe Grund satz muß aber auch da Anwendung finden, wo das Gesetz den Urheber einer gesetz widrigen Handlung für den von ihm nicht gewollten Erfolg haften läßt, z. B. bei der schweren oder tödtlichen Körperverletzung (§§ 224.226); wenn daher Jemand einen Andern, wissend, daß dieser vorher.durch einen Dritten eine Mißhandlung erlitten hat. seinerseits abermals mißhandelt, so steht er für den Gesammterfolg beider Mißhandlungen ein, selbst wenn feststände, daß seine Thätigkeit für sich allein denselben nicht herbeigeführt haben würde. In diesem Falle bedarf es in Betreff des eingetretenen Gesammterfolges weder eines Dolus noch einer Fahrlässigkeit, weil die citt. §§ von beiden gänzlich absehen; vgl. § 224 n. 11. 27. Ueber die Begriffe der Vorsätzlichkeit und Fahrlässigkeit vgl. § 59.
§48. Inhalt: Abmahnen: 38. Anleitung: 35. Anreiz: 84. Ansehen, Mißbrauch: 31. 32. Anstlster, mehrere: 23. 42. Anstiftung: 20 ff. • z. Anstiftung ic.: 6. z Versuch: 26. 50. Aufforderung: 34. Auftrag: 34. Begünstigung: 14. Bervnlfe zur Anstiftung rc.: 6. Billigung: 36. 39. 40. Bitte: 34. DoluS: 1. 2. 7. 20. 45. Drohung: 30. 31. Entschlossener: 24. Erfolg, nicht gewollt.: 44. Exceß: 43—45. Fahrlässigkeit: 2. 20. 22. Feststellung: 15 ff. 20. 47. 48.
Genehmigung: 36. 39. 40. Gesetz, welcheSk 10. 49. 50. Gewalt, Mißbrauch: 31. 32. GewerbSmaßigkeit: 5. Hauptthäter, bestimmt: 22. • Ermittelung: 9. 17. • straflos: 8. Hauptthat: 7. . bestimmte: 41. • Mehrheit: 12. Hehlerei: 13. 14. Hotzdlebstahlr 19. Irrthum: 33. Komplott, 36. Leidenschaft: 23. 37. Mehrheit d. Hdll.: 11. 12. Mineralien: 19. Mit.Ansttfter: 24. 42. Mittel: 28—40. Ort: 10.
Rath: 35. Reue, thät.: 51. Rücktritt: 51. Selbstbegehung, mögl.t 4. Steuervergehen: 33. Strafantrag: 46. Ueberredung: 34. Unterlagen: 28. Unternehmen: 27. Verabredung: 36. Verjährung: 10. Versprechen: 29. Versuch: 26. 50. • d. Anstiftung: 25. Verwechslung: 44. Vortheil, eigner: 2a. Wette: 34. Wunsch: 23. Zeit: 10. Zweck: 21.
Grundsätze, welche bei der Anstiftung und Beihülfe gleichmäßig gelten. 1. Als Dolus wird bei der Anstiftung und Beihülfe nur die in den §§ 48. 49 angedeutete Willensrichtung vorausgesetzt; neben dieser bedarf es nicht auch des jenigen Dolus, welcher zum Thatbestände der Hauptthat gehört, z. B. der bei dieser Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch.
11. Ausl.
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Thl. I. Abschn. III. Theilnahme. — § 48.
Geschenke oder Versprechen, durch Drohung, durch Mißbrauch des Ansehens oder der Gewalt, durch absichtliche Herbeiführung erheischten Absicht, sich (selbst) eine fremde Sache zuzueignen, oder der (zum Thatbestände des Mordes erforderlichen) Ueberlegung. 2. Umgekehrt gehört zum Thatbestände der Anstiftung und Beihülfe der in den §§ 48. 49 erforderte Dolus selbst dann, wenn es in Betreff der Hauptthat eines gleichen Dolus nicht bedarf; die Hülfeleistung zu einer Abgabenhinter^iehung ist daher nur strafbar, wenn der Gehülfe wußte, daß die betr. Handlung des Thäters den Voraussetzungen einer Defraude entspreche: OT. *17. Juni 59 c. Pohle. Eine fahrlässige Anstiftung (Beihülfe) giebt es nicht; vgl. Thl. I Abschn. III n. 7. 8, unten n. 20 und § 59 n. 23. 3 Es ist nicht, erforderlich, daß der Anstifter oder Gehülfe von seiner Theil nahme Vortheil gehabt habe: OT. 24. Okt. 67 (O. VIII, 636). 4. Ein Dritter kann auch zu solchen Mißthaten anstiften oder Hülfe leisten, welche er selbst als Thäter (oder Mitthäter: § 47 n. 17) gar nicht hätte begehen können; z. B. ein Nichtbeamter zu einem Amtsvergehen, ein Nichtkaufmann zu einem Bankerutt, ein Unverheiratheter zu einer Doppelehe rc.: RI. 27. Jan. 81, 22. Juni 82 (E. VI, 414; R. II, 762; IV, 599), OT. 21. Febr. 72, 15. Sept. 75 (O. XIII, 159; XVI, 580), Herzog. StRZ. XI, 271, Rüd. s. 195 n. 13; 720 n. 3, Puch. § 48 n. 5, Geyer, HH. II, 366. 395, Schütze s. 146 n. 12; 154 n. 18; 161 n. 20; 525 n. 12; vgl. § 50 n. 3. 5, § 242 n. 31, Abschn. 28 n. 2. In wiefern dasselbe bei rein militärischen Verbrechen rc. Nichtmilitärs gegenüber zu treffe, ist in der Doktrin streitig. Koppmann, Mil.-StGB. s. 149 verneint, Olsh. s. 195 und Hecker, GA. 30 s. 128 ff. bejahen diese Frage. Hecker, welcher dieselbe besonders eingehend bespricht, erkennt an, daß unter der Herrschaft der partikularen Mil.-Strafgesetzbücher, mit alleiniger Ausnahme des Bayerischen, das Gegentheil der Fall gewesen; dies sei aber eben durch § 2 des D. Mil.-StGB.'s geändert worden. Es ist jedoch sehr zweifelhaft, ob der Gesetzgeber mit der allgenreinen Vor schrift des eit. § 2 jene Aenderung, welche mittelbar alle Nichtmilitärs in dem aus gedehntesten Maße den Bestimmungen des Mil.-StGB.'s unterwerfen würde, wirk lich treffen wollte. Eine so grundsätzliche und so weitgehende Abweichung von dem bisherigen Rechtszustande fast sämmtlicher deutscher Staaten wäre sicherlich in dem Gesetzentwürfe und in den Kammerverhandlungen irgendwie zur Sprache gekommen. Außerdem mußte in jenem Falle aber auch das Mil.-StGB selbst obige Aenderun gen berücksichtigen, mithin Bestimmung darüber treffen, welche Strafen für NichtMilitärs an Stelle rein militärischer Strafen, insbesondere des Arrests treten sollten. Ohne eine solche Bestimmung erscheint es namentlich als durchaus willkührlich, dem Arrest Gefängnißstrafe zu substituiren; eher bildete Haft ein Analogon des Arrests, indem beide wenigstens in Betreff ihrer Dauer übereinstimmen, im § 52 des Mil.StGB.'S auch bezüglich der Verjährung einander gleichgestellt werden; inzwischen ist der Arrest mit seinen durch die Rangverhältnisfe beherrschten Abstufungen intensiv so sehr von der Haststrafe verschieden, daß dieses Auskunftsmittel gleichfalls nicht Platz greifen kann. Dem etwaigen Bedürfnisse von Strafbestimmungen für die Theilnahme der Civilpersonen an rein militärischen Verbrechen rc. ist ohnehin be züglich der praktisch wichtigsten Fälle schon durch selbständige Strafsatzungen (§§ 112. 141. 142 des StGB.'s) abgeholfen worden; vgl. außerdem § 49a (n. 10a), § 257 (n. 4). Gleichwohl hat sich RH. 1. April 87 (E. XV, 396; R. IX, 218) in den Motiven für die entgegengesetzte Ansicht und hierbei dahin ausgesprochen, daß Arrest der Haftstrafe gleichzustellen sei. 5. Ebenso ist die Anstiftung oder Beihülfe zu einer Mißthat, zu deren That bestand die Gewerbs- oder Gewohnheitsmüßigkeit gehört, (z. B. zu einem Gewerbepolizeivergehen rc.) selbst dann strafbar, wenn der Theilnehmende selbst nicht gewerbsmäßig rc. handelte, vorausgesetzt, daß er Kenntniß von diesem beim Haupt thäter obwaltenden Umstande hatte: OT. 14. Mai 64, 24. Mai 72 (O. IV, 501; XIII, 315): vgl. RI1. 4. Mai 83 (A. VIII, 43); oder wenn er selbst Mitthäter war, bezüglich solcher Einzelhandlungen, auf welche sich seine Mitthäterschaft nicht mit erstreckte; so: Ri. 8. Juni 82 (R. IV, 545: bedenklich); vgl. unten d. 11,
§ 284 n. 9. 6.
Die Anstiftung (Beihülfe) zu einem Verbrechen (Vergehen) stellt selbst
Thl. I. Abschn.
in.
Theilnahme. — § 48.
115
oder Beförderung eines Irrthums oder durch andere Mittel vor sätzlich bestimmt hat. wieder ein Verbrechen (Vergehen) dar, zu welchem ein Dritter anstiften oder Hülfe leisten kann; vgl. § 48, welcher die Anstiftung eines „Andern", nicht blos deS Thäters vorsieht; im § 49 ist „Thäter" im weiteren Sinne (§ 47 n. 1) ge« braucht. Demgemäß sind die Anstiftung zu einer Anstiftung oder Beihülfe und die Beihülfe zu einer Anstiftung nach Maßgabe der §§ 48. 49 zu bestrafen, voraus« gesetzt, daß es nicht blos zu der beförderten Anstiftung (Beihülfe), sondern auch zu der Hauptthat gekommen ist (n. 7); vgl. § 257 Abs. 3, RI. 8. Juli 86, OT. 17. April 74 (E. XIV, 318; O. XV, 238: speziell in Betreff der Beihülfe zur Anstiftung), Schw.s. 134, Puch. § 48 n. 2, § 49 n. 6, Geyer, HH. II, 387, Rubo s. 435 (nimmt dasselbe f. 454 auch in Betreff der Beihülfe zur Beihülfe an, vgl. jedoch unten den Schluß der Note); ebenso (in Betreff der Anstiftung zur Anstiftung): OT. 14.Apr. 53 (Entsch. dess. 25 s. 212), 19.Jan. 56 (JMbl. s.45); ähnlich: Rüd. s. 190 n.8; 178 n.4 u. Otto § 49 n.9 (sie halten nur die Beihülfe zur Anstiftung, wie diejenige zur Beihülfe durch § 49 für aus geschlossen) ; contra: Herzog, StRZ. XI, 264 und (in Betreff der Anstiftung zur Bei hülfe, sowie in Betreff der Beihülfe zur Anstiftung oder znr Beihülfe) OT. 20. Febr. 56, 8. Okt. 58 (GA. IV, 469; VI, 624), 8. Jan. 58 c. Peglau. OT. 2. Okt 61 (O. I, 563) nahm an: in der Anstiftung des Anstifters könne eine (mittelbare) Anstiftung des Hauptthäters gefunden werden; ähnlich Geyer 1. c. II, 377. 387. Diese letztere Auf fassung wird jedenfalls bei der zu einer Beihülfe geleisteten Beihülfe zntreffen, da darin unbedenklich auch eine Beihülfe zur Hauptthat zu finden ist; es tritt somit die Bestrafung nach Maßgabe des § 44 (48) ein, nicht aber eine Minderung der dort angedrohten (geminderten) Strafe durch Kombinirung der beiden citt. tztz: Beisp.: Hergäbe des nöthigen Reisegeldes, damit sich der Hülfeleisten-Wollende an Ort und Stelle begeben könne; ebenso: HStR. I, 383. Vgl. übrigens BL. s. 154, 155, 158, Schütze s. 156 n. 3 und Rubo 1. c. 7. Die Strafbarkeit der Anstiftung (Beihülfe) ist wesentlich durch die „Be gehung" (§§ 48. 49) derjenigen Mißthat bedingt, zu welcher angestiftet oder Hülfe geleistet wurde; es muß sonach der (objektive und subjektive) Thatbestand erfüllt sein; contra: Zimmermann, GSaal 32 s. 130 (läßt bei der Anstiftung eine an sich d. h. objectiv strafbare Handlung genügen); ein strafbarer Versuch der Hauptthat genügt (vgl. § 48: „begangenen That"; §. 49: „zur Begehung"). Dagegen ist der erfolglose Versuch einer Anstiftung oder Beihülfe als solcher nicht strafbar. Inwiefern Letzteres bezüglich der Anstiftung zu Verbrechen und gewissen Vergehen eine Ausnahme er leide, wird unter n. 25 und in den Bemerkungen zu § 49a erörtert. — Demgemäß kann von einer „Anstiftung" („Beihülfe") keine Rede sein, wenn „eine strafbare (Haupt-) Handlung nicht begangen" ist, weil es an irgend einem der Begriffs merkmale fehlt, durch deren Zusammentreffen der strafbare Thatbestand hergestellt wird, insbesondere dann, wenn der Thäter ohne den erforderlichen Dolus handelte, sei es. daß derselbe überhaupt nicht den Willen hatte, die That zu begehen, sei es, daß dieser Wille nicht frei war (§§ 51—54); vgl. Rill. 9./16. Juni 84 (E. XI, 56: speziell für den Fall des § 51), n. 25. Hierher gehört der Fall, wo der Angestiftete der Anstiftung keine Folge leistet, die ihm angesonnene äußere That aber (etwa im Einverständnisse mit dem durch dieselbe zu Verletzenden oder mit der Polizeibehörde) lediglich zu dem Zwecke begeht, um den Anstiftenden zur Be strafung zu bringen: £)£. 18. Apr. 55 (Entsch. dess. 30 s. 319). Aehnlich verhält es sich in dem Falle, wo der Hauptthäter das Vorhandensein eines der zum gesetzlichen Thatbestände gehörenden Thatumstände nicht kannte (§ 59), z. B. wenn Derjenige, welcher mit einem Kinde unter 14 Jahren eine unzüchtige Handlung vornimmt (§ 177 n. 3), von jenem Alter des Kindes, oder wenn bei einer Blutschande (Ehebruch rc.) der Thäter von dem betr. Verhältnisse keine Kenntniß besaß; in einem solchen Falle ist auch der Gehülfe als solcher selbst dann straflos, wenn ihm jener Umstand bekannt war; ebenso: Rubo s. 445, Olsh. § 49 n. 1; § 59 n. 8; contra: Rill. 2. Juli 80 (R. II, 151), OT. 20. Mai 68 (O. IX, 339), Münch. 5. Aug. 85, 20. Jan. 86 (BE. III, 588; IV, 109), Otto § 59 n. 6, Herzog, GSaal XXV, 454. — In allen solchen Fällen kann eine Bestrafung des Theilnehmers mir insoweit erfolgen, als seine Handlungsweise in einer andern Weise den Thatbestand einer (selbstständigen) Mißthat erfüllt; vgl. § 47 n. 3: Beisp.: A verkauft eine fremde
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Thl. I. Abschn. III. Theilnahme. - § 48.
Die Strafe des Anstifters ist nach demjenigen Gesetze fest zusetzen, welches auf die Handlung Anwendung findet, zu welcher er wissentlich angestiftet hat. [I. Entw.: § 40 Nr. 1; II. Entw.: § 46; Pr. StGB.: § 34 Nr. 1. 35). Dgl. §§47. 49. 49a. 50. 63. 85.110—112. 141. 159. 161. 333. 334. 357; VZollges. v. 1.Zuli 1869 § 149; Mil.-StGB. §§47.115; StPO. §§ 3.56.97.102.293ff. Preußen: Vgl. Ges. v. 26. März 1856 (GS. s. 203) § 2; Forstdiebst.-Ges. §4. nicht in seinem Gewahrsam befindliche bewegliche Sache an den gutgläubigen B, und veranlaßt dadurch den letzteren, die Sache dem Inhaber wegzunehmen: da B nicht Dieb ist, kann auch A nicht Anstifter zu einem Diebstahle sein; ebensowenig hat er selbst einen Diebstahl (durch Benutzung des B als seines Werkzeugs) verübt, da die Sache durch die Wegnahme nicht ihm zugeeignet werden sollte; dagegen erfüllt seine Handlung den Thatbestand des Betrugs: OT. 14. Mai 58 (GA. IV, 567). 6. Das unter n. 7 Gesagte ist nicht auf solche Fälle auszudehnen, wo der Thatbestand der (vollendeten oder versuchten) Hauptthat vollständig vorliegt, wo aber der Thäter wegen eines nur seine Person betreffenden individuellen Grundes straflos bleibt, z. B. wegen jugendlichen Alters (§ 55. 56. 58), Rücktritts, thätiger Reue (§ 46; vgl. dort n. 1), Verjährung (§ 67), naher Verwandtschaft (§ 247 Abs. 2) rc. Diese kommen dem Theilnehmer nicht zu statten; ebenso: OT. 14. Juni 77 (O. XVIII, 415: speziell in Betreff der Exterritorialität). Vgl. Abschn. IV, n. 3. 9. Wie der Versuch der Anstiftung oder Beihülfe (n. 7), ebenso ist die An stiftung (Beihülfe) zum Versuche als solchem unmöglich; vgl. n. 26, §49 n. 17. 9a. Die Strafbarkeit des Anstifters (Gehülfen) ist nicht durch die Ermitt lung und Bestrafung des Hauptthäters bedingt; vgl. n. 17. 18. 10. Rach dem unter n. 7 an die Spitze gestellten Grundsätze fällt die Straf barkeit des Anstifters (Gehülfen) weg. wenn die Hauptthat am Orte oder zur Zeit ihrer Begehung straflos war, sollte auch eine gleiche Handlung da und zur Zeit, wo die Anstiftung (Beihülfe) stattfand, mit Strafe bedroht sein: OT. 9. Okt. 56 (ZMbl. s. 343), HStR. I, 155, id., GSaal 30 s. 74 (nimmt jedoch den Fall aus, wo eine im Auslande verübte erlaubte, im Jnlande strafbare Handlung, der Absicht des Thäters entsprechend, im Jnlande ihre Wirksamkeit ausgeübt habe). Ebenso tritt z Straflosigkeit des am Jnlande thätigen Gehülfen in dem umgekehrten Falle ein, wo die Hauptthat zwar am ausländischen Orte der Begehung, nicht aber» wie z. B. eine gegen den fremden Staat verübte Zollhinterziehung, nach inländischen Gesetzen strafbar ist: Rill. 12. April 76 (E. XIV, 124). War dagegen die Hauptthat nach der einen wie nach der andern Gesetzgebung strafbar, so sind im Uebrigen in Betreff der Anstiftung (Beihülfe) die Gesetze des Orts und der Zeit ihrer eignen Be gehung maßgebend (unbeschadet der Vorschriften der §§4—7 und des §2 Abs. 2); ebenso: Rill. 14. Juni 83 (E. IX, 10: speziell in Betreff der im Jnlande ge leisteten Beihülfe zu einer im Auslande verübten Mißthat), Bind. HB. 1,424 (: nur bezüglich der Beihülfe). Wenn daher Hauptthat und Anstiftung (Beihülfe) unter verschiedenen Gesetzen verübt sind, so muß der Richter bei Bestrafung der letzteren diejenigen Gesetze zu Grunde legen, welche auf die Hauptthat Anwendung gefunden haben würden, wenn diese ebenda und zu derselben Zeit verübt wäre, wie die An stiftung rc.; vgl. cit. Rill. 14. Juni 83, v. Bar Internationales Recht s. 558, Hälschn. I. c. u. GSaal 24 s. 85; contra: Schütze s. 56 n. 3, id., GA. XXI, 168, Herzog, StRZ. XI, 268, OT. 10. April 56 (JMbl. s. 124), welche nur die Gesetze der Hauptthat für entscheidend halten. Hiernach steht Nichts im Wege, den inlän dischen Gehülfen im Jnlande nach inländischen Gesetzen zu bestrafen, sollte auch die Hauptthat von einem Ausländer im Auslande begangen und somit hier nicht zu verfolgen sein: OT. 5. Febr. 58 (GA. VI, 273). Umgekehrt kann der blos im Auölande thätig gewesene Anstifter (Gehülfe) zu einer im Jnlande am Hauptthäter zu bestrafenden Mißthat im Jnlande nur insoweit strafrechtlich verfolgt werden als hier die Bestrafung der im Auslande verübten Mißthaten statthaft ist: Hälschn., GSaal 30 s. 73; freilich nahm RIV. 24. Juni 84 (E. XI, 20) an, daß, wenn auch der Ort der äußeren Thätigkeit des Gehülfen zu einer im Jnlande verübten Miß-
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that im Auslande gelegen sei, die so geleistete Beihülfe gleichwohl als im Inlands begangen angesehen und den inländischen Gesetzen unterzogen werden könne [?]; vgl. jedoch Olsh. i'. 9, Bind. 1. c. — Da übrigens die Strafbarkeit des Anstifters rc. erst mit der Verübung der Hauptthat beginnt, so kann vor diesem Augenblicke auch die Verjährung für den ersteren nicht ihren Lauf beginnen; contra: Rubo s. 447 (unter Berufung auf § 67 Abs. 4). — In Betreff der Zuständigkeit vgl. StPO. § 3. 11. Aus dem Grundsätze, daß Theilnahme erst durch die Verübung der Hauptthat strafbar wird (n. 7), folgt ferner, daß stets nur ein Straffall vorliegt, mithin nur einmalige Bestrafung statthaft ist, wenn eine und dieselbe Person durch mehrere selbständige Handlungen verschiedener Art (als Mitthäter, Anstifter oder Gehülfe) an der Mißthat eines Andern Theil genommen hat: Rill. 1. Mai 80, RH. 9. Dez. 81, 5. Mai, 7. Juli 84, 26. Sept. 82 (E. II, 145; V, 227; X, 406; XI, 37; R. IV, 715), Dreöd. 29. Jan. 72. (StZ. I, 327), OT. 22. Okt. 74, 12. Apr. 77 (O. XV, 706; XVIII, 266), Geyer, HH. II, 412. Eventuell kommt in solchen Fällen, wo die Mitschuld an einem Delikte in verschiedenen leichteren und schwereren Formen in Frage steht, (ähnlich, wie in den Fällen eigentlicher Jdealkonkurrenz) die schwerste Form allein in Betracht: eit. Rill. 5. Mai 84; vgl. Rll. 20. April 86 (R. VIII, 303: nahm in einem Falle, wo der Anstifter demnächst bei Ausführung der That Hülfe geleistet hatte, sogar geradezu Jdealkonkurrenz an und erklärte gleichzeitig die kumulativ auf Anstiftung wie Beihülfe gerichtete Fragestellung für statt haft). Als Strafzumessungsgrund kann der Richter jedoch in Betreff eines der Mitthäterschaft schuldig Befundenen eine funs untren be Anstiftung der übrigen Thäter berücksichtigen: eit. Rll. 26. Sept. 82, selbst in Schwurgerichtssachen (trotz der mangelnden Feststellung der Anstiftung durch die Geschworenen): OT. 28. Dez. 57 e. Pagendortel. 12. Umgekehrt ist derjenige, welcher durch eine einmalige Handlung zu einer Mehrheit selbständiger Miß thaten (desselben oder verschiedener Thäter) anstiftet oder Hülfe leistet, Theilnehmer an jeder derselben in Realkonkurrenz: Rill. 9. April 81, RI. 3. Nov. 81, Rll. 9. Dez. 81 (E. IV, 95; V, 227; R. III, 684. 782), OT. 13. Dez. 71, 22. Juni 75 (O. XII, 648; XVI, 478), v. Liszt s. 149; vgl. unten § 74 n. 8a; contra: Otto n. 1, Merkel, HH. IV, 227, Olsh. n. 26, Köhler, BA. 39 s. 204. In solchem Falle muß daher auch die einmalige Handlung zum Gegenstände mehrerer schwurgerichtlicher Fragen gemacht werden (StPO. § 292 Abs. 3); ebenso: Rll. 30. März 83, Ri. 7. Febr. 84 (E. VIII, 153; Rh. A. 74, III, 72). 13. Der Urheber (Mitthäter) einer Mißthat, durch welche eine fremde Sache rechtswidrig erlangt worden ist, kann sich in Beziehung auf dieselbe Sache nicht auch noch der Hehlerei im Sinne des § 259 (Partirerei) schuldig machen. In Betreff des Anstisters (Gehülfen) zu jener Mißthat ist jedoch das Gegentheil anzunehmen, da die Hehlerei im StGB, als ein selbständiger, von der Hauptthat thatbestandlich verschiedener Straffall behandelt wird; vgl. § 259 n. 2, Rill. 24. März 87 (R. IX, 193: ob bei der Anstiftung und Hehlerei Ideal- oder Realkonkurrenz anzunehmen sei, hänge vott den thatsächlichen Verhältnissen des Falles ab). 14. Inwiefern sich der Anstifter oder Gehülfe demnächst (in Real-Konkurrenz) auch noch der Begünstigung des Hauptthäters (§§257. 258) schuldig machen und umgekehrt der Thäter (Theilnehmer) durch spätere Anstiftung eines Dritten zu seiner Begünstigung eine weitere selbständige Mißthat begehen könne, darüber vgl. § 257 n. 1 ff. 14a Das StGB, bedroht in mehreren Fällen (vgl. insbesondere die §§ 120. 121. 141. 203. 219. 354. 355) Anstiftung und Beihülfe, unabhängig von der Hauptthat, mit besonderen Strafen und erhebt sie dadurch zu selbständigen Ver gehen, zu welchen wiederum (und abgesehen von dem unter n. 6 Gesagten) ange stiftet sowie Hülfe geleistet werden kann. v. Kries, Z. f. StR. VII, 534 verneint Letzteres mit Rücksicht auf den oben n. 11 erörterten Grundsatz in Betreff des Haupt thäters (sollte dieser auch als solcher, wie z. B. in dem Falle des § 120 der sich selbst befreiende Gefangene, straffrei sein) und in Betreff aller Derjenigen, welche sich bereits anderweit in schwererer Form an der Hauptthat betheiligt haben; Med ist jedoch, in solcher Allgemeinheit, sehr bedenklich; vgl. § 120 n. 10, § 219 n. 2. • 14b. Ebensowenig läßt sich mit v. Kries 1. c. s. 527 allgemein behaupten, daß
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die Grundsätze über Anstiftung und Beihülfe in Betreff solcher Personen ausge schlossen seien, zu deren Schutz das übertretene Strafgesetz gerade erlassen ist, ob schon dies in manchen Fällen, insbesondre in denen der sog. nothwendigen Theil nahme (Abschn. III n. 2), als der offenbaren Absicht des Gesetzgebers entsprechend, zutrifft. 15. Gemäß § 293 der StPO, muß die einen Fall der Anstiftung (Beihülfe) betreffende Fest- (Frag-) stellung den Thatbestand derselben genau und er schöpfend umfassen. — Insoweit die einzelnen §§ (48. 49) gewisse Thätigkeiten be grifflich vollständig gleichstellen, ist es statthaft, sie in Einer Frage alternativ zusammenzufassen, während das Gegentheil gilt, wenn es sich um verschiedene selb ständige Thatbestände handelt (ohne Unterschied, ob das Gesetz selbst jene Thatbestände in verschiedenen oder in Einer Vorschrift normirt hat), weil die allgemeine Bejahung derselben es ungewiß lassen würde, ob sich für den einzelnen Thatbestand die nöthige Stimmenmehrheit ausgesprochen habe: Rill. 2. März 81 (R. III. 93). Im Uebrigen vgl. Abschn. III n. 10, unten n. 48, § 49 n. 6, § 243 n. 5, OT. 20. Dezbr. 55 (JMbl. 56 s. 18). 16. Außer den Begriffsmerkmalen der Anstiftung und Beihülfe muß die Festresp. Fragestellung auch den vollständigen Thatbestand der Hauptthat ent halten (n. 7): die Bezeichnung des Gattungsbegriffes (z. B. „Diebstahl" rc.) kann die genaue Angabe der Begriffsmerkmale nicht ersetzen: OT. 10. Mai 67 (O. VIII, 308). Ebenso muß ausdrücklich festgestellt werden, daß die Hauptthat auch wirklich „begangen" worden sei: Rll. 15. Zan. 86, RIV. 15. Febr. 87 (E. XIII, 234; R. IX, 137: erachteten in dieser Hinsicht den Geschwornenspruch, daß Angeklagter den NN. zur Hauptthat bestimmt, bezw. ihm zu derselben Hülse geleistet habe, für un genügend). Dies geschieht aber wohl schon durch Beibehaltung der Worte des §: „zu der von demselben begangenen Handlung rc."; vgl. Rill. 25. Juni 83 (E. IX, 22). Sind Thäter und Anstifter (Gehülfe) gleichzeitig vor Gericht gestellt, so kann eine einfache Bezugnahme auf die den ersteren betreffende Frag- und Feststellung für den letzteren genügen; ebenso: Rill. 2. März 81 (R. III, 93); vgl. OT. 9. Aug., 9. Sept. 68 (O. IX, 420. 470), Löwe s. 561. Dagegen ist es, in Ermangelung einer solchen Bezugnahme. (besonders in schwurgerichtlichen Sachen) unstatthaft, die den Anstifter (Gehülfen) betreffende Feststellung durch ein Zurückgehen auf die hin sichtlich des Thäters erfolgte zu ergänzen; vgl. eit. Rll. 15. Jan. 86, OT. 18. März 58 (GA. VI, 403). Steht der Theilnehmer allein vor Gericht, so muß in schwur gerichtlichen Sachen stets der volle Thatbestand der Hauptthat in die Frage mit auf genommen werden, und ebenso in anderen Sachen eine eigne entsprechende Feststel lung erfolgen, in letzteren außerdem, wenn der Hauptthäter bereits verurtheilt worden war, aus dem Urtheile erhellen, daß der Richter die Beweise für die Merk male der Hauptthat von neuem selbständig geprüft hat (StPO. § 266): Rill. 9. Juli 81 (E. IV, 368: dazu genüge nicht die bloße Bemerkung, daß die Erwägungen des wider den Hauptthäter ergangenen, in der Hauptverhandlung verlesenen Urtheils zuträfen, und auch gegenwärtig zu derselben thatsächlichen Feststellung führen müßten). 17. Der namentlichen Bezeichnung des Hauptthäters in der den Anstifter rc. betr. Frage bedarf es nicht (n. 9). Vgl. Löwe s. 561 n. 3. 18. Die Richter (Geschwornen) dürfen sich bei ihrer thatsächlichen Feststellung nicht mit sich selbst in Widerspruch setzen; sie dürfen daher in demselben Ver fahren und auf Grund derselben Beweisaufnahme denselben Thatbestand dem Haupt thäter gegenüber nicht anders feststellen, als dem Anstifter rc. gegenüber, mithin nicht letzteren der Theilnahme an der That des ersteren schuldig erklären, wenn sie rücksichtlich dieses die That für unerwiesen erachten: OT. 17. Okt. 57 (GA. V, 833). Dagegen steht, trotz der Nicht-Schuldig-Erklärung des als Thäter Mit-Angeklagten, Nichts int Wege. Jemanden der Anstiftung (Beihülfe) zur That in Beziehung auf einen anderen, wenngleich ungenannt gelaffenen Thäter schuldig zu finden: OT. 9. Mai 66 (O. VII, 288); es ist daher auch statthaft, in dieser Weise den Geschwor nen eine Eventualfrage vorzulegen: OT. 23. Jan. 67 (O. VIII, 41); vgl. StPO. § 292 Abs. 2. — Wird der Anstifter (Gehülfe) in einem besonderen Verfahren ver folgt, so kann in Betreff seiner das Verschulden des (benannten) Hauptthäters fest gestellt werden, selbst wenn dieser früher (in einem anderen Verfahren und somit auf Grund einer anderen Beweisaufnahme) nicht schuldig befunden worden war:
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OT. 10. März 59 (JMbl. 60 s. 87). Vgl. Oppenh. Pr. Strafverf. Art. 31 n. 16-18; Art. 81 n. 12; Art. 97 n. 17-21. 33. 19. Wird, entgegen der thatsächlichen Feststellung, der Anstifter als Thäter oder der Thäter als Gehülfe verurtheilt, so begründet dies im ersteren Falle min destens dann nicht, wenn aus betn Urtheile erhellt, daß jener Irrthum für die Strafausmessnng einflußlos war, und im zweiten Falle nie zu Gunsten des Derurtheilten die Revision: Rl. 24. Okt. 81 (R. III, 632); vgl. § 44 n. 9, § 244 n. 11. Anstiftung. 20. Die Anstiftung setzt als Dolus (vgl. n. 1) die „Vorsätzlichkeit" vor aus, der Anstifter muß gewollter Weise den Willen des Thäters zur Verübung der (konkreten) That hervorgerufen haben; diese letztere muß also dem Anstifter bewußt gewesen sein; vgl. Abs. 2: „wissentlich". Da dieses „Wissen" durch das „vorsätzlich" mit zum AuSdrucke gebracht wird, so bedarf es nicht seiner besonderen Feststel lung; Abs. 2 hebt dasselbe nur deßhalb hervor, um anzudeuten, daß der Anstifter für den Exceß des Thäters nicht hafte; vgl. Mot. f. 65. Dagegen ist die Vorsätz lichkeit wesentlich: Münch. 28. Jan. 78 (BE. VIII, 45). — Einen Fall, wo aus nahmsweise eine fahrlässige Anstiftung für strafbar erklärt ist, sieht das BNachdr.-Ges. § 20 vor; contra: HStR. I, 397. 21. Welchen Zweck der Anstifter verfolgt, ist unerheblich; die Strafe trifft auch Denjenigen, welcher „anstiftet", um die Bestrafung des Andern herbeizuführen (agent provocateur). Int Uebrigen vgl. n. 26, Köster i. BA. 40 s. 61 ff., Geyer i. HH. IV, 161. 22. Da der Anstifter den Willen deö Thäters zttr Verübung der That hervor gerufen haben muß (n.20), so kann ein Willensunfreier nicht angestiftet wer den: contra: Zimmermann (cit. n. 7). Ebendeshalb kann bei eigentlichen Fahrlüssigkeitsvergehen, z. B. bei demjenigen des § 163, von Anstiften keine Rede sein; vgl. n. 8, Münch. 27. April 77 58 freigesprochenen Taubstummen in eine Anstalt anzuordnen; die zu § 51 n. 13 er wähnte RT.'s-Resolution bezog sich auf den Fall des § 58 mit. §59. Aberration: 3. Abqabenhmterzkehung: 1. Absickt: 1. Abwehr: 1. Allgemeinsteltung: 9. 10. Atter: 11. Anordnung, pol.: 9. Anstifter: 10. 22. Beamter: 11. Begünstiger: 10. Beweislast: 14. Bewußtsein: 2. 9. Beziehung, pcrsönl.: 11. DoluS: 1 ff. 9. 16. . Feststellung: 4. 5. . Objekt: 2. 3. • Zweck: 1. 2. Eigenschaft, pers.? 11. Erfolg: 12. 19. 20. Fahrlässigkeit: 2. 19. 28. 30. . Folge: 19. 20. 22. 26. • • Abwendung : 24.
Inhalt: Fahrlässigkeit. Folge,'mittelb.: 22. Rechtswahn: 15. • Gehülfe: 22. Rechtswldrigkeit: 11. Sache, Beziehung: 11. • Gemeinschaft: 21. Schlüssel: 11. • Mitthäter: 11. • Pstichtversaumniß: 27. Selbsthülfe: 1. Strafantrag: 18. Feststellung: 4—6. Strafausschließung: 16. Förmlichkeit: 9. Strafgesetz, Unkenntniß: 15. Frevelhaftigkeit: 2. Strafmilderung: 16. Gehülfe: 10. 23. Strafverfolgung: 18. Gesichtspunkt, veränd.: 30. Thatumstand: 11. Gestattung, bedingte: 9. Theilnahme: 2. 10. 22. Handlung, strafbare: 8. Irrthum: 16—18. Uebertretvngen: 9. 18a. Kenntniß: 5. 12. 13. Unkenntniß: 5. 13. 15. 25. Verwandtschaft: ll. • tränn? 12. Verwechslung: 2. Mild. Umstand: 17. Vorsatz: 1. 2. 4. 30. Nichtkeuntniß. Grund: 13. Vorschrift, polizeiliche: 9. 16. 25. Oblekt, Treffen: 2. 3. Wille: 1. 2. Omissivdelikt: 9. Zurechnungsfähigkeit: 8. Person, Beziehung: 11. Zweck: 1. Polizei-Uebertretung: 9.
1. Abgesehen von den Fahrlässigkeitsvergehen und gewissen anderen Mißthaten, meist Omissivdelikten (n. 18a), seht jeder Straffall die Vorsätzlichkeit der Hand lung d. h. den Willen voraus, sie zu begehen; sie muß aus diesem Willen hervor gegangen sein. Dies gilt nicht blos da, wo das Gesetz diese „Vorsätzlichkeit" als Begriffsmerkmal ausdrücklich hervorhebt, sondern allgemein ; es tritt daher Straf losigkeit ein, wenn der Thäter handelt, ohne daß sein Wille auf dieses Handeln gerichtet war. Waltet dagegen beim Thäter im Augenblicke der Handlung der Wille ob, sie zu begehen, so kommt es (in Ermangelung ausdrücklicher das Gegen theil aussprechender Gesehesvorschriften) weiter nicht darauf an, welche Absicht ihn leitete, und welchen Zweck er durch seine That verfolgte. Eine Handlung hört deshalb nicht auf, eine vorsätzlich verübte zu sein, weil Absicht oder Zweck an sich erlaubt oder gar berechtigt waren, z. B. wenn sie zur Abwehr eines Angriffs oder zur Ausübung einer (an sich statthaften) Selbsthülfe geschah: sie bleibt da-
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zum gesetzlichen Thatbestände gehören oder die Strafbarkeit er höhen, so sind ihm diese Umstände nicht zuzurechnen. her strafbar, sofern nicht die Voraussetzungen der Nothwehr oder eines Nothstandes vorlagen: OT. 8. Nov. 66. 22. Juli 68 (O. VII, 608; IX, 426). Zur Charakterisirung dieses Gegensatzes zwischen Vorsatz einer- und Absicht, bzw. Zweck anderer seits kann man mit RIV. 29. Okt. 86, 27. Juni 84 (E. XV, 12; R. VI, 481) das vorsätzliche (strafbare) Handeln auch als ein solches Handeln destniren, durch welches der Thäter mit Bewußtsein alle Deliktmerkmale verwirklicht, bzw. als ein Handeln mit dem Bewußtsein von dem durch die Handlung herbeizuführenden, strafbaren Erfolge. Ob letzterer an sich dem Handelnden genehm war oder von ihm nur als unvermeidlich für die Erreichung eines anderen Zwecks hingenommen wurde, ist strafrechtlich gleichgültig: cit. RIV. 27. Juni 84, Rill. 23. Dez. 81 (E. V, 314). 2. So oft es daher zum Begriffe eines Straffalles gehört, daß ein bestimmtes Objekt (Peiffon oder Sache) durch die vorsätzliche Handlung des Thäters betroffen worden sei, ist dem Erforderuifle der „Vorsätzlichkeit" nicht genügt, wenn der Thäter mir die äußere Handlung (z. B. einen Schlag, das Abfeuern eines Schusses rc.) gewollt hat; vielmehr bedarf es auch noch des Bewußtseins des Thäters im Augenblicke der That, daß dieselbe das (demnächst getroffene konkrete) Objekt treffen werde oder doch mindestens treffen könne, vorausgesetzt, was diesen letzteren Fall betrifft, daß der Wille des Thäters den als möglich gedachten Erfolg mitumfaßte (dolus eventualis). Waltete dieses Bewußtsein ob, so ist es gleichgültig, ob auch die Absicht dahin ging, gerade jenes Objekt zu treffen: OT. (Pl.) 3. Apr. 71, OT. 22. Jan. 75 (O. XII,194; XVI, 73); eine Verwechslung, welche es herbeiführt, daß der zur Ausführung gebrachte Wille sich gegen ein anderes Objekt richtete, als beabsichtigt war, schließt die Vorsätzlichkeit der Handlung in Beziehung auf das wirklich getroffeue Objekt nicht aus; vgl. §211 n. 9. Ebenso handelt derjenige, welcher in der Absicht, ein bestimmtes Individuum zu tobten, einen explodirenden Gegenstand unter eine größere Menge wirst und eine Mehrheit derselben tobtet oder verletzt, in Betreff aller vorsätzlich, wenn er, die allgemein zerstörende Wirkung des Mittels kennend, dasselbe gegen die anwesende Menge (also auch gegen jeden Einzelnen derselben) zur Anwendung bringt und grade durch die sich weithin er streckende Wirkung auch den Einzelnen, gegen welchen sich seine Absicht richtete, zu treffen bemüht ist; vgl. BGr. § 98. Dasselbe gilt da, wo sich eine Handlung (z. B. ein Schuß) gewollter Weise gegen eine Mehrheit von Personen richtete mit der Ab sicht, eine derselben zu treffen: OT. 22. Jan. 75 (O. XVI, 73). Das Gesagte findet auf alle Theilnehmer Anwendung: OT. 2. Febr. 65 (O. V, 444). — Begeht dagegen Jemand eine bestimmte Handlung nur mit dem Bewußtsein der Möglich keit, daß durch dieselbe eine bestimmte Wirkung auf ein konkretes Objekt hervor gebracht werden könne, so liegt (von den obengedachten Fällen des do us eventualis abgesehen) nur eine Frevelhaftigkeit (Fahrlässigkeit) vor. 1 3. Umgekehrt ist eine That, bei welcher dasjenige Objekt, gegen welches sich die Willensthätigkeit des Handelnden richtete, verfehlt und dafür ein anderes außer halb der Willensrichtung liegendes getroffen wird (Aberration), in dieser Be ziehung nicht vorsätzlich verübt; vgl. § 211 n. 10. 4. Da, wo das Gesetz ausdrücklich die „Vorsätzlichkeit" der Handlung als wesentliches Begriffsmerkmal hervorhebt, muß der Jnstanzrichter sich über das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein jenes Dolus ebenso ausdrücklich aussprechen; eine Verurtheilung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die thatsächliche Feststellung die „Vorsätzlichkeit" mit umfaßt. — Hat dagegen das Gesetz dieser Vorsätzlichkeit in der Begriffsbestimmung keine Erwähnung gethan, sie vielmehr als selbverständlich vorausgesetzt, so bedarf es der ausdrücklichen Feststellung derselben nur, wenn ihr Vor handensein bestritten war: Rll. 24. Okt. 79, Rill. 25. Okt., 3. Dez. 79 (R. I, 16.18; E. I, 169), während die Aufnahme jenes Punktes in die schwurgerichtliche Frage auch in letzterem Falle unterbleiben muß (StPO. § 293); contra: H. Meyer i. Holtz. StPRecht II, 149, Freudenstein i. GA. 31s. 102. 5. Auf alle bisher erwähnten Fälle bezieht sich § 59 nicht; er hat es nicht mit der Vorsätzlichkeit und überhaupt nicht mit der Willensrichtnng zu thun, aus welcher die Handlung hervorging, sondern lediglich mit der Kenntniß des Thäters von
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Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 59.
Bei der Bestrafung fahrlässig begangener Handlungen gilt diese Bestimmung nur insoweit, als die Unkenntniß selbst nicht durch Fahrlässigkeit verschuldet ist. anderen (außerhalb der Handlung selbst liegenden) zum gesetzlichen Thatbestände ge hörenden oder seine Strafbarkeit erhöhenden Th a tum ständen. Insoweit das Gesetz eine solche Kenntniß (das Wissen) gewisser Thatumstände ausdrücklich als Be griffsmerkmal hervorhebt, versteht es sich wiederum von selbst, daß der Znstanzrichter über diese nach Maßgabe der Prozeßgesehe eine ausdrückliche Feststellung treffen muß, daß also das im Eingänge der n. 4 Gesagte hier gleichfalls zutrifft. Ebenso: Rill. 3. Dez. 79 (E. I, 169). 6. Anders dagegen gestaltet sich die Sache, wenn die gesetzliche Begriffsbe stimmung der Kenntniß des Angeklagten von jenen Thatumstände» (n. o) keine ausdrückliche Erwähnung thut. Auch in diesen Fällen ist sie. nach der positiven Vorschrift des §, als ein (unterstelltes und somit selbstverständliches) Begriffs merkmal anzusehen, dessen Abwesenheit Straflosigkeit zur Folge hat; es würde da her nach allgemeinen prozeßrechtlichen Grundsätzen das unter n. 4. 5 Gesagte auch hier zutreffen, und die Feststellung jener Kenntniß in positiver Form („daß der Angeklagte bei seiner Handlung jene Thatumstände gekannt oder gewußt habe") wenigstens dann unerläßlich sein, wenn dieselbe bestritten oder eine sie betreffende Fragstellung beantragt worden ist. Aus praktischen Gründen hatte aber bei der Abfassung des Pr. StGB.'s (§ 44) die Kommission der II. K. (auf deren Vorschlag der eit. § aus § 60 des Entwurfs von 1847 in das Pr. StGB, übernommen war: KBII. f. 39) vorgezogen, die „Unbekanntschaft" unter den „die Strafbarkeit aus schließenden Gründen" (Tit. IV I. c.) aufzuführen, um die Beweiserhebung in Be ziehung auf dieses, lediglich im Innern des Angeschuldigten zu suchende, Begriffs merkmal nicht zu sehr zu erschweren. Man ging davon aus, daß der vernünftige Mensch bei einer freiwilligen Handlung in der Regel ihre Bedeutung vollständig zu übersehen vermag, daß in den meisten Fällen der Mangel einer genauen Kenntniß der begleitenden äußeren Umstände lediglich auf einer Frevelhaftigkeit zu beruhen pflegt, und daß das Erforderniß eines positiven Nachweises für die vorhanden ge wesene Kenntniß fast regelmäßig Straflosigkeit nach sich ziehen würde. Die'er Auf fassung hat sich §59 angeschlossen, indem er die Nicht Zurechnung der (äußern) die Strafbarkeit bedingenden oder erhöhenden Umstände davon abhängig mackt, daß der Thäter sie „nicht kannte" (Abs. 2: „Unkenntniß"); vgl. die Motire s. 74. Folgeweise braucht das Nichtvorliegen der thatsächlichen Voraussetzungen des § 59 nur dann festgestellt zu werden, wenn das Gegentheil ausdrücklich behauptet war: Rill. 10. Dez. 79, 4. Jan. 82, Rl. 2. Jan. 82 (R. I, 134; IV, 9. 5), und es muß, damit der § überhaupt Anwendung finde, ausdrücklich festgestellt sein, daß der Angeschuldigte „bei Begehung der That den betr. Thatumstand nicht gekannt habe", dem entsprechend also auch in Schwurgerichtssachen die Frage formulirt werden, sofern sie überhaupt zu stellen ist, mithin nicht die völlige Strafausschließung betrifft (Abschn. IV, n. 8 a. E.). Vgl. Rill. 15. März 82, 20. Dez. 83, 3. März 84, 1. Juli 85, RI. 28. April 84 (E. VI, 85; X, 11, 234. 337; XII, 337), OT. 1 i. Juni 54, 27. März 73 (Entsch. dess. 28 s. 184, O. XIV, 220); contra: RI. 4. F.»br. 84 (A. IX, 298), OT. 10. Dez. 75 (O. XVI, 792: unter Bezugnahme auf die Motive, insofern sie sich s. 75 dahin äußern, daß im Falle behaupteter Unkenntniß der An geklagte nicht seine Unkenntniß zu beweisen habe, sondern gegen denselben der Be weis zn erbringen sei; vgl. unten n. 14), GÄ. IX, 748, Münch. 4. Dez. 7C (BE. VI, 579), Rüd. n. 4. 5, ML. s. 166, Schw. s. 454. Bind. II, 608, v. Buri, GSaal 29 Beil. s. 191. 7. Die (festgestellte) Zurechnungsfähigkeit des Angeklagten schließt nicht aus, daß er die That ohne Kenntniß von den ihre Strafbarkeit bedingenden Um'tänden verübt haben könne: OT. 13. Mai 68 (O. IX, 313). Dagegen genügt ztr Aus schließung des § 59 schon bloßer dolus eventualis, nt. a. W. es reicht zur An wendbarkeit des § nicht hin, daß der Thäter sich in Betreff eines Thatbqtandsmerkmals rc. blos im Ungewissen befunden habe, es wird vielmehr die be'timmte gegentheilige Annahme erfordert: Rill. 3. März 84, RIV. 7. Aug. 87 (E. X, 234. 237; R. IX, 361), Münch. 8. März 72, Darmst. 9. Nov. 74 (BE. II, 48; HE. s.
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83: es genügt bei einem aus § 176 n. 3 Angeklagten das Bewußtsein, daß er es möglicher Weise mit einem Kinde unter 14 Zähren zu thun habe, bezw. ein Zweifel über das Alter), Dresd. 5. Nov. 75 (SGZ. XX, 204: die Strafbarkeit werde nicht beseitigt, wenn der Thäter es darauf ankommen lasse, in welchem Alter sich das Kind befinde), Olsh. n. 6: vgl. jedoch Rill. 4. Jan. 82 (eit. n. 6: Motive). 8. Die Ausdrucksweise „bei Begehung einer strafbaren Handlung" ist nicht korrekt, weil, wenn dem Thäter ein zum gesetzlichen Thatbestände gehörender Thatumstand (Merkmal) nicht zugerechnet wird, seine Handlung nicht „strafbar" ist; jene Worte sind daher lediglich auf den objektiven Thatbestand zu beziehen. 9. Der Grundsatz des § gilt allgemein, also auch bei Abgaben- (z. B. Wechselstempel-) Hinterziehungen: OT. 26. Okt. 75 (O. XVI, 690); contra: Rill. 20. Nov. 82 (E. VII, 240: mindestens dem Wortlaute der Mot. nach; es handelte sich jedoch damals nicht, wie in dem durch das OT. entschiedenen Falle, um einen unverschuldeten faktischen, sondern um einen Rechtsirrthum; daß § 15 des Wechselst.Ges.'s gleich den meisten Strafvorschriften der Abgabengesetze weder einen strafbaren Vorsatz noch schuldhafte Fahrlässigkeit voraussetze, erkannte auch dasOT. an); des gleichen bei Uebertretungen; vgl. OHG. 20. Sept. 72, OT. 15. Jan. 74 (StZ. II, 17; O. XV, 30), Berlin 22. Dez. 84 (Johow V, 404) und unten n. 18a. Ueber die Frage, ob dies bei gewissen Uebertretungen eilte Ausnahme bzw. Einschränkung er leide, vgl. Thl. II. Abschn. 29 n. 9. 10. Aus der Allgemeingeltung des § (n. 9) folgt ferner, daß er nicht nur beim Thäter i. e. S., sondern bei Jedem Anwendung findet, welcher für eine Mißthat verantwortlich ist, also auch beim Anstifter, Gehülfen und Begünstiger; (Beisp.: wenn der Gehülfe die Rückfälligkeit des Hauptthäters nicht kannte; vgl. Schütze s. 129 n. 10). In Betreff der Strafbarkeit dieser Personen in solchen Fällen, wo der Hauptthäter straflos bleibt, weil ihm § 59 zur Seite steht, vgl. § 48 n. 7. 10a. Ebenso kommt § 59 dem verantwortlichen Redakteur einer periodischen Druckschrift zu Gute, falls dessen Thäterschaft an sich. bezw. im Uebrigen nach § 20 des RPreßges.'s feststeht; die Schlußworte dieses § „wenn nicht durch besondere Umstände die Annahnte seiner Thäterschaft ausgeschlossen ist" sind namentlich nicht etwa an Stelle des § 59 getreten, da sie sich nur auf die äußere That beziehen, mithin bloß den Fall vor Augen haben, wo die (äußere) Thäterschaft des Redak teurs überhaupt nicht anzunehmen ist: OT. (Pl.) 9. Okt. 76 (O. XVII, 645). 11. Vorausgesetzt wird die Unkenntniß eines „zum gesetzlichen Thatbestände (d. h. zu den wesentlichen Begriffsmerkmalen) gehörenden oder die Strafbarkeit er höhenden Thatumstandes", also irgend eines thatsächlichen Bestandtheiles des betr. Straffalles. Als derartige Thatumstände sind anzusehen die in der Begriffs bestimmung eines Straffalls vorausgesetzte Rechtswidrigkeit der Handlung und die die Strafbarkeit bedingenden oder erhöhenden Eigenschaften und Verhältnisse einer Person (des Angeklagten oder eines Dritten) oder Sache, mag letztere durch die Handlung betroffen oder zu ihrer Verübung angewendet sein; Beisp.: Alter, Beamtenqualität, verwandtschaftliche Beziehung, die Eigenschaft eines Schlüssels als eines für ein Schloß bestimmten (§ 243 Nr. 3) rc. In allen diesen Fällen kommt es aber nur auf die Kenntniß von wirklichen äußerlich erkennbar werdenden „Thatumständen", nicht auf die der rechtlichen Folgen an, welche sich an jene knüpfen; sonach genügt es, wenn der Thäter weiß, daß bei Jemanden die Voraussetzungen des Art. 4 des HGB.'s zutreffen, sollte ihm auch unbekannt sein, daß jener deshalb gesetzlich ein „Kaufmann" sei: OT. 4. März 75 (O. XVI, 196). 12. Entscheidend ist nur die Kenntniß, welche „bei Begehung der Handlung" obwaltete; es kommen daher nur solche Thatumstände in Betracht, welche zur Zeit jener Begehung bereits „vorhanden" waren, und somit dem Handelnden bekannt sein konnten. Demgemäß findet der § in solchen Fällen, in welchen die Strafbar keit einer Handlung durch den demnächstigen Eintritt eines nicht gewollten Erfolgs bedingt oder erhöht wird, auf die Kenntniß von diesem Erfolge oder der Möglich keit (Wahrscheinlichkeit) eines solchen keine Anwendung; Beispp.: §§ 224. 226. 227. 307. 312. 314—316. 321—324. 326—328. Vgl. n. 19 a. E., § 224 n. 12. 13. War dem Thäter einer der im § erwähnten Thatumstände unbekannt, so ist es gleichgültig, wodurch diese Nichtkenntniß veranlaßt worden, ob sie ent schuldbar war oder nicht; der § bleibt nicht deshalb außer Anwendung, weil „dem Angeschuldigten der betr. Umstand nur in Folge seiner eigenen Unachtsamkeit Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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entgangen sein könne": RII. 16. April 80, Rill. 15. März 82 (E. I, 368; VI, 85), OT. 4. Jan. 79 (O. XX, 8). Dagegen kann in einem solchen Falle ein Fahrlüssigkeitövergehen vorliegen. 14. Aus dem unter n. 6 Gesagten ist nicht zu folgern, daß dem Angeklagten die Beweislast in Betreff seiner Unbekanntschaft obliege, daß also in Ermangelung eineS solchen von ihm geführten Beweises die betr. Frage mit rechtlicher Nothwendigkeit zu verneinen sei; vgl. Motive s. 75, OT. 10. Dez. 75 (cit. n. 6); der Richter hat daher auch in Betreff dieses Punktes von Amtswegen die nöthigen Ermitte lungen anzustellen: Rill. 15. März 82 (cit. n. 13), OT. 13. Nov. 63, 21.Febr. 66 (O. IV, 200: VII, 114). Dgl. n. 18a (a. E.). 15. Aus die Unkenntniß des Strafgesetzes und auf den s. g. Rechts wahn findet § 59 keine Anwendung; ebenso: HStR. I, 260. Das Gegentheil ist der Fall, wenn die Unbekanntschaft mit dem Vorhandensein von Thatbestands momenten auf einem Rechtsirrthum beruht: OT. 15. März 76 (O. XVII, 199); insbesondere also, wenn ein Rechtsirrthum bezüglich der bei Beurtheilung eines Straffalles in Betracht kommenden civilrechtlichen Verhältnisse vorliegt; daffelbe gilt aber auch von einem Irrthume rücksichtlich der Grundsätze des Kirchenrechts: RI. 17. Mai 81 (R. III, 336), OT. 4. Mai 76 (O. XVII, 320). Desgleichen von einem Mißverständnisse, betreffend den Inhalt eines (auf Grund gesetzlicher Vorschrift) wider den Angeklagten erlassenen (polizeilichen) Verbots: Rill. 15. März 82 (E. VI, 85). — Vgl. bezüglich des Näheren Abschn. 4 n. 7. 16. Ferner bleibt der § außer Anwendung, wenn der Angeschuldigte irriger Weise das Vorhandensein eines Strafausschließungsgrundes annahm; ebenso: RII. 28. Sept. 83 (E. IX, 150); vgl. Rill. 23. Sept. 82 (E. VII, 100: betr. Unkenntniß einer die Straffrer-Erklärung des tz 233 ausschließenden Thatsache); daffelbe gilt, wenn Jemand eine Handlung, welche nach polizeilichen Vor schriften nur beim Vorhandensein gewisser Bedingungen gestatte ist, in der irrigen Meinung vornimmt, jene Bedingungen seien erfüllt: OT. 4. Dez. 62 (O. III, 152); vgl. n. *9. 17. Dagegen tritt auch in solchen Fällen Straflosigkeit ein. wenn es dem Thäter in Folge jenes Irrthums an dem zum Thatbestände erforderlichen Do lus fehlte; ein Beisp.: § 53 n. 10. 17. Die gleichen Grundsätze (n. 16) sind maßgebend, wenn der Angeklagte bei der That irriger Weise das Vorhandensein eines strafmildernden Umstandes annahm, z. B. wenn der Todtschläger deshalb in Zorn versetzt war, weil er die irrige Meinung hegte, daß der Getödtete ihn schwer beleidigt habe (§ 213); contraf v. Buri, GSaal 29 Beil. s. 200; oder wenn ein strafmündiger Thäter sich irrigerweise für strafunmündig hielt. 18. Ebenso verhält es sich, wenn der Irrthum kein Thatbestandsmerkmal, sondern ein lediglich die Statthaftigkeit der Strafverfolgung bedingendes Moment, z. B. das thatsächliche Vorliegen eines Grundes, welcher die Verfolgung von einem Strafantrage abhängig macht, zum Gegenstand hatte: vgl. § 247 «. 12. 18a. Gegenüber der Regel, daß Strafbarkeit durch die Vorsätzlichkeit deö Handelns bedingt wird (n. 1), begründen zwei Kategorien strafbarer Handlungen eine Ausnahme, einmal nemlich die eigentlichen Fahrtüssigkeitsvergehen, d. h. solche Mißthaten, welche begriffswidrig eine Fahrlässigkeit zur Voraussetzung haben, und sodann diejenigen Handlungen, bei denen Vorsätzlichkeit zwar fern Thatbestands merkmal bildet, der Thatbestand aber durch die Vorsätzlichkeit des Handelns nicht ausgeschlossen wird. Bei den Handlungen der ersten Kategorie wird die Fahrlässig keit als Begriffsmerkmal in den betreffenden Strafgesetzen stets zum Ausdruck ge bracht; dagegen erhellt die Zugehörigkeit zur zwecken Kategorie regelmäßig nicht unmittelbar aus dem Wortlaute der bezüglichen Strafsanktion; es ist daher unstatt haft, aus der oben erwähnten Regel den Schluß herzuleiten, als ob jede nicht förmlich als Fahrlässigkeitsvergehen qualifizirte Mißthat ein vorsätzliches Vergehen sei, vielmehr muß beim Fehlen einer ausdrücklichen Vorschrift aus dem Grund und Zweck der Norm oder aus dem Zusammenhange der einzelnen Bestimmungen des Gesetzes entnommen werden, ob der Gesetzgeber blos das vorsätzliche, oder ob er gleichzeitig das fahrlässige Verhalten hat treffen wollen; vgl. Rl. 27. Mai 81, RIV. 25. Febr. 87 (E. IV, 233; R. IX, 160). Für alle diese Fälle gilt Abs. 2 des §, indem dessen Bestimmung, wie die Mot. s. 75 hervorheben, gegen die Anschauung sichern soll, als ob dadurch, daß daß die Zurechnung der im h erwähnten Umstände
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zum dolus ausgeschlossen ist, auch eine Zurechnung zur culpa nicht stattfinde, vor ausgesetzt, daß die Handlung selbst zu denjenigen gehört, welche im Gesetze auch dann, wenn sie nur aus Fahrlässigkeit begangen werden, mit Strafe bedroht sind. Die Worte „fahrlässig begangene Handlungen" umfassen daher nicht aus schließlich die eigentlichen Fahrläsfigkeitsvergehen, fonbent auch die Mißthaten jener zweiten Kategorie (zu denen z. B. die durch die §§ 145. 330, HGB. Art. 249 Nr. 2, Gew.-O. § 146 Nr. 2, Personenst.'s-Ges. § 69. nicht aber die ib. § 67 verpönten Handlungen gehören), letztere, sofern sie eben fahrlässig begangen sind; ebenso: Rll. 12. Oft. 80. 14. Juni 81, »III. 18. Juni 81, Rl. 27. Mai 81, 16. März 62 (E. II, 321: IV, 255. 307. 233; VI, 111). Münch. 4. Dez. 76 (BE. VI, 579) wandte den Abs. 2 dem zufolge auch auf alle „Uebertretungen" an, bei welchen die Vor sätzlichkeit nicht zum Thatbestände gehöre; ähnlich: Münch. 3. Nov. 73, 24. Dez. 74 (BE. III, 497; IV, 601); vgl. übrigens Thl. II Abschn. 29 n. 8—10. — Damit die Straflosigkeit gemäß Abs. 2 ausgeschlossen sei, wird der Beweis erfordert, daß die Unkenntniß durch Fahrlässigkeit verschuldet war; der mangelnde Beweis des Gegentheils genügt dazu nicht; so: cit. Münch. 4. Dez. 76. Jedenfalls liegt auch in dieser Hinsicht dem Angeklagten keinerlei Beweislast ob: vgl. Rll. 4. April 82 (R. IV, 306) und oben n. 14. 19. Bei den eigentlichen Fahrlässigkeitsvergehen (mit Ausnahme ein zelner, insbesondere des fahrlässigen Falscheides und der im RGes. v. 21. Mai 1878 §3 vorgesehenen Zuwiderhandlung) besteht das Wesen der Strafbarkeit darin, daß durch einen vermeidlichen Irrthum oder den Mangel an der nöthigen Voraussicht (Vorsicht) ein unbeabsichtigter vom Recht reprobirter bezw. rechtsverlehender Er folg eingetreten ist; vgl. Rill. 15. Febr. 82 (R. IV, 165), BL. s. 123. — Eine an sich befugte Handlung kann mit Rücksicht auf eine nicht gewollte Folge derselben eine fahrlässige und deshalb strafbar sein, z. B. wenn Jemand bei Ausübung eines Rechts (des Hausrechts, des Züchtigungsrechts, der Nothwehr rc.) über die statthaften Grenzen fahrlässigerweise hinausgeht (unbeschadet des im § 53 Abs. 3 vorgesehenen Strafausschließungsgrundes): OT. 19. März 73 (O. XIV, 212). — Auf der anderen Seite läßt das Gesetz bei einzelnen strafbaren Handlungen den Thäter unbedingt für die verursachte, aber nicht gewollte Folge haften (§§ 178. 220. 221. 224. 226. 227. 229. 239. 251. 307. 309. 312.314. 316. 321-324. 327. 328); bei tziesen kommt es auf eine Fahrlässigkeit in Betreff der letzteren nicht an; vgl. § 222 n. 16. 17, Wahlberg, Z. f. StR. II. 207; contra: HStR. I, 275. 20. Nach dem unter n. 19 i. A. aufgestellten Satze ist die Frage, ob das Verhalten des eines Fahrlässigkeitsvergeheus Angeklagten ein fahrlässiges gewesen sei, nicht in abstracto, sondern mit Rücksicht auf die verursachte Folge zu prüfen; es ist daher nicht entscheidend, ob die Handlung an sich eine unvorsichtige oder gar verbotene, z. B. gegen ein Gesetz oder eine Polizeiverordnung verstoßende war; ebenso: Rill. 15. Febr. 82 (cit. n. 19); desgleichen bleiben civilrechtliche LandesVorschriften (z. B. ALR. I, 6 § 10 ff.) hier außer Betracht, vielmehr kommt es wesentlich darauf an, ob die Möglichkeit der durch die Handlung verursachten Folge eine so naheliegende war, daß der Angeklagte sie bei gewöhnlicher Sorgfalt und Umsicht erkennen konnte und demgemäß sein Thun und Lassen einrichten mußte: OT. 1. Febr., 14. März 72, 20. Nov. 74, 5. Oft. 77 (O. XIII, 110, 209; XV, 808; XVIII, 623), Manh. 14. Dez. 72 (BA. 39 s. 17). Dabei ist selbstverständlich das Maß der eigenen Urtheilsfähigkeit und Einsicht des Angeklagten in Betracht zu ziehen; im Uebrigen aber kommt es, wenn die obigen Voraussetzungen zutreffen, auf den Grad (das Maß) der Verschuldung nicht an: Rill. 29. Dez. 83 (A. IX, 226), OT. 18. Jan. 66. 20. Oft. 70 (O. VII, 35; XI, 526), HS. II, 74; vgl. § 163 n. 5. — Sonach ist keineswegs erforderlich, daß der Angeklagte sich jener Möglich keit wirklich bewußt gewesen sei: cit. Manheim, — und noch weniger, daß er die Gefahr gewollt habe; contra: John, fortges. Vbr. s. 71. — Aus dem Gesagten folgt, daß ein Verhalten, welches mehrere Folgen nach sich zog, sehr wohl in Beziehung ans eine derselben ein fahrlässiges sein kann, während ihm diese Eigenschaft in Be treff anderer nicht beiwohnte, sollten letztere auch aus jener hervorgegangen sein, z. B. wenn eine fahrlässig verursachte Körperverletzung in einer nicht vorherzusehen den Weise den Tod des Verletzten nach sich zog. 21. Die eingetretene Folge (n. 19) muß durch das fahrlässige Verhalten deS Angeschuldigten „verursacht" („herbeigeführt") sein (vgl. §§ 222. 230. 309. 314.
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329 - und außerdem §§ 121. 163. 318. 319. 326. 345. 347). Es genügt daher nicht, daß nur überhaupt eine gleiche Folge wie die eingetretene, durch die Fahrlassigkeit hätte bewirkt werden können, vielmehr muß der wirklich eingetretene Erfolg in seiner individuell-konkreten Gestaltung durch das fahrlässige Verhalten verursacht sein; vgl. § 222 n. 3. — Ob eine fahrlässige Handlung und ein eingetretener Er folg in ursächlichem Zusammenhange stehen, ist Sache der thatsächlichen Feststellung: Dresd. 15. Juni 77 (SGZ. 22 s. 81). 21a. Es genügt, wenn jene Folge auch nur mittelbar durch die fahrlässige Handlung veranlaßt wurde: Rill. 29. März 82 (E. VI, 146), OT. 1. Febr. 72, 9. Jan. 73, 3. Dez. 74 (O. XIII, 110; XIV, 35; XV, 843). Manh. 25. Mai, 15. Juni 72, 20. Dez. 73 (BA. 38 s. 201. 203; StZ. III, 328); dabei ist es gleichgültig, ob ihr Eintritt ein nothwendiger war, oder möglicher Weise noch ab zuwenden gewesen wäre: OT. 14. Sept. 66 (O. VII, 477). Endlich kann auch nicht gefordert werden, daß die Handlung des Angeklagten die alleinige Ursache der eingetretenen Folge gewesen sei; selbst wenn zu dieser andere, vom Angeschul digten nicht ausgegangene Thatumstände mitwirkten, genügt es für seine Haftbarkeit, wenn sein Thun wesentlich zur Herbeiführung der Folge mitgewirkt hat, und mit Rücksicht aus die vorauszusehende Möglichkeit eines solchen Kausalzusammenhanges in seiner Person ein fahrlässiges war (n. 20); vgl. die oben citt. Entscheidungen, OT. 23. Juni 71, Wolfenb. 19. Nov. 72 (O. XII, 346; StRZ. XIII, 94). Das gilt namentlich, wenn er bei seinem Thun jene außerdem mitwirkenden Umstände kannte, oder doch die naheliegende Möglichkeit ihres späteren Eintritts zn über sehen vermochte, und dennoch die nöthige Vorsicht verabsäumte. Vgl. § 222 n. 4. — Anlangend den in solchen Fällen zu führenden Beweis, so läßt sich nicht ver langen , daß gerade alle Zwischen- und Nebenursachen vollständig festzustellen sind, und alle [in ihrer konkreten Gestaltung^ vom Thäter vorauszusehen waren, es ge nügt vielmehr, wenn der Zusammenhang zwischen Handlung und Erfolg soweit erkennbar ist, daß an der geschlossenen Kette sich kausal bedingender Ereignisse kein Zweifel besteht und dieser Zusammenhang insoweit auch zur Schuld zugerechnet werden kann; ob die Unerkennbarkeit oder Unerweislichkeit gewisser Zwischenglieder als so erheblich erscheint, um das Gegentheil anzunehmen, ist lediglich Thatfrage; so: cit. Rill. 29. März 82. 22. Nach denselben Gesichtspunkten (n. 20ff.) ist der Fall zu beurtheilen, wo daS zusammentreffende fahrlässige Verhalten Mehrerer irgend ein unglückliches Ereigniß zur Folge gehabt, oder wo zu letzterem ein eigenes (fahrlässiges oder vorsätzliches) Handeln des vom Unglücksfalle Betroffenen mitgewirkt hat. Auch hier kommt es darauf an, inwiefern das Thun des einzelnen Angeklagten im Hin blicke auf jenen Gesammterfolg ein „fahrlässiges" und für den Eintritt desselben so bedeutsam war, daß es als durch ihn (mit-) verursacht (herbeigeführt) angesehen werden kann. Kannte der Angeschuldigte das vorhergegangene (vorsätzliche oder fahrlässige) Verhalten der Andern, oder konnte er die Möglichkeit eines künftigen derartigen Verhaltens voraussehen, so ist ihm auch dieses als eigene Fahrlässigkeit zuzurechnen: OT. 30. Juni, 23. Okt. 74 (O. XV, 458, 712). — Hiernach kann es sehr wohl geschehen, daß mehrere Personen bezüglich eines und desselben Erfolgs als fahrlässige Thäter erscheinen (: RI. 5. Dez. 83. E. X, 8), oder daß neben einem vorsätzlich handelnden Thäter noch ein zweiter vorhanden ist, welcher aus Fahrlässigkeit zur Herbeiführung jenes Erfolgs mitgewirkt und sich dadurch der fahrlässigen Verursachung desselben schuldig gemacht hat. Dagegen darf man in einem solchen Falle nicht von einer „Mitthäterschaft" oder von einem „gemein schaftlichen fahrlässigen Handeln" sprechen, da diese Begriffe durch die Gemein schaft des Dolus bedingt sind; vgl. § 47 n. 10; es ist daher auch gleichgültig, ob zwischen den Thätigkeiten der einzelnen Mitwirkenden eine Verbindung resp. Be ziehung stattfand, oder nicht; vgl. OT. 18. Febr. 69, 26. Jan. 75 (O. X, 102; XVI, 76). 23. Aus dem Gesagten (n. 22) folgt ferner, daß eine Handlung, welche, wenn vorsätzlich begangen, nur unter den Begriff der Anstiftung oder Beihülfe zn der Mißthat eines Andern fallen würde, als fahrlässige Thäterschaft angesehen werden kann, z. B. wenn Jemand fahrlässiger Weise etwas sagt oder thut, wodurch er (ohne es zu wollen) bei einem Andern den Entschluß zur Begehung einer Mißthat hervorruft, oder dem Urheber einer (vorsätzlichen oder fahrlässigen) Mißthat Hilfe leistet, bezw. die Mittel zur Verübung gewährt (unvorsichtiges Stehenlassen
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6 60. Eine erlittene Untersuchungshaft kann bei Fällung des Urtheils auf die erkannte Strafe ganz oder theilweise an gerechnet werden. [I. Entw.: § 53; II. Entw.: § 53; Pr. StGB.: (fehlte)). eines geladenen Gewehrs, mit welchem ein anderer eine Tödtung bewirkt rc.); con Dasselbe gilt von Demjenigen, welcher vorsätzlich einen Andern zu einem fahrlässigen Verhalten mit dem Bewußtsein veranlaßt, daß durch dasselbe ein Unglück herbeigeführt werden könne. Es konkurriren dann ein fahrlässiger Ur heber neben einem vorsätzlichen, oder zwei (selbstständige) fahrlässige Urheber; contra : ML. s. 180, welcher die fahrlässige Veranlassung der fahrlässigen That eines Andern nicht für strafbar erachtet. — Dagegen ist „Theilnahme" an einem Fahrlässigkeits vergehen ebensowenig denkbar, wie „Theilnahme aus Fahrlässigkeit": Ri. 5.' Dez. 83 (E. X, 8: speziell in Betreff der Beihülfe), OT 26. Jan. 75 (cit. n. 22); vgl. Thl. I Abschn. III, n. 7. 8; § 48 n. 22. 24. Nach den entwickelteil Grundsätzen (n. 20 ff.) versteht es sich von selbst, daß die Verantwortlichkeit des Urhebers eines Fahrlässigkeits-Vergehens dadurch nicht ausgeschlossen wird, daß die mögliche Abwendung der Gefahr durch das Versehen eines Dritten unterblieben ist; vgl. OT. 8. Mai 72 (O. XIII, 297); Manh. 14. Dez. 72 (BA. 39 s. 17). 25. Die Unkenntniß eines Gesetzes (eines civilrechtlichen Grundsatzes) oder einer Polizeivorschrift ist für sich allein noch nicht als „Fahrlässigkeit" anzusehen: OT. 15. Dez. 74, 9. Apr. 75 (O. XV, 871; XVI, 279); vgl. n. 20. Wohl aber kann sie in einer solchen ihren Grund haben: OT. 18. Sept. 78 (O. XIX, 422: betraf einen fahrlässigen Falscheid). Letzteres trifft regelmäßig zu. wenn die Kenntniß Pflicht, insbesondere Berufspflicht (n. 27) ist, während ein bloßer Irrthum über den Inhalt und die Bedeutung einer Gesehesvorschrift auch in solchen Fällen unter Umständen entschuldbar sein kann: Rill. 12. Nov. 81 (E. V, 161). 26. Der Eintritt in eine Thätigkeit ohne den Besitz der hierzu nöthigen Befähigung und Kenntnisse kann im Falle eines demnächstigen unglücklichen Erfolgs dieser Thätigkeit als „Fahrlässigkeit" angesehen werden, wenn der Handelnde sich seiner Unkenntniß bewußt sein mußte und sonach jenen Erfolg vorhersehen konnte (n. 20): OT. 2. Nov. 75 (O. XVI, 705). Namentlich entbindet der Umstand, daß die Gew.-O. den Betrieb gewisser Gewerbe z. B. des Bauhandwerks, nicht mehr von einem Befähigungs-Nachweise abhängig macht, keineswegs von der Pflicht, den Mangel eigner Kenntniß nöthigensalls durch Heranziehen Sachverständiger zu ersetzen: OT. 30. Mai 76 (£). XVII, 394). 27. Ein Fahrlässigkeitsvergehen kann durch kulpose Verabsäumung einer Pflicht (z. B. einer Berufspflicht) verübt werden; OT. (Pl.) 24. Sept. 60 (JMbl. s. 421), OT. 7. Apr. 69, 4. Febr. 70 (O. X, 203; XI, 78); Beisp.: wenn ein Gastwirth einem kranken Reisenden die Aufnahme versagt (vgl. $ 221 n. 5): OT. 8. Juni 59 (GA. VII, 551), oder im Falle des § 367 Nr. 12: OT. 29. Sept. 71 (O. XII, 480). 28. Insoweit es sich um dasselbe Thun derselben Person und um dieselbe Wirkung dieses Thuns handelt, schließen sich Vorsah und Fahrlässigkeit wechsel seitig aus; es darf daher der Richter, welcher die vorsätzliche Herbeiführung eines Erfolges für erwiesen erachtet, nicht wegen fahrlässiger Verursachung desselben strafen. Doch kann Fahrlässigkeit nicht lediglich daraus gefolgert werden, daß die Vorsätzlichkeit nicht erwiesen sei; vgl. OT. 21. Sept. 75 (O. XVI, 590). 29. War die Handlung, durch welche fahrlässiger Weise eine Folge verursacht worden ist, auch an sich strafbar, so liegt Ideal-Konkurrenz vor. 30. Ein der vorsätzlichen Begehung eines Deliktes Angeklagter kann nicht wegen fahrlässiger Begehung desselben verurtheilt werden, ohne vorher auf die Veränderung des' rechtlichen Gesichtspunkts hingewiesen zu sein (StPO. § 264): RI. 12. Juni 82 (E. VI, 349). tra: HStR. Is. 25.
§60. 1. „Untersuchungshaft" ist die Entziehung der Freiheit, welche aus Anlaß einer präsumtiv verübten strafbaren Handlung gegen den Urheber derselben zum Zwecke und während der Untersuchung von der dazu berufenen Behörde ins Werk
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Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschließung u. Milderung. — § 60.
gesetzt ist; somit gehört auch die erste polizeiliche Festnahme hierher: OA. 4. Jan.
73 (O. XIV, 21: schloß aber die einstweilige Detention in der eigenen Wohnung oder in einem Wachtlokale rc. aus). Vgl. StPO. §§ 127 (Abs. 2). 128. Ebenso gehört dahin die Haft, welche in Folge eines auf Grund des § 229 1b. erlassenen
Haftbefehls erduldet wird. 2. Die rc. Untersuchungshaft kann nur „bei Fällung des Urtheils" auf die „erkannte" Strafe angerechnet werden: aus dieser Fassung folgt, daß die Vorschrift nur auf diejenige Untersuchungshaft zu beziehen ist, welche der Verurtheilte im Laufe des wegen des betr. Straff alles eingeleiteten, dem Urtheile vorherge gangenen Verfahrens erlitten hat. Sind daher gegen denselben Angeschuldigten zwei getrennte Untersuchungen geführt und durch zwei besondere Urtheile beendigt worden, so kann in jedem der letzteren nur diejenige Untersuchungshaft angerechnet werden, welche wegen dieses Straffalles ins Werk gesetzt war.- Münch. 8. Febr. 73 (BE. III, 58). Wird dagegen wegen mehrerer realiter konkurrirenden Straffälle in einem Urtheile erkannt, so ist die Anrechnung statthaft, selbst wenn in Betreff des Falles, welcher die Veranlassung zur Untersuchungshaft gab, Frei sprechung erfolgt: Rll. 21. Jan. 81 (E. III, 264), OT. 16. Juli 75 (O. XVI, 550: sollte auch die Voruntersuchung nicht gleichzeitig geführt und verschiedene Verwei sungsbeschlüsse erlassen sein). Rill. 9. März 81 (R. III, 126) dehnt dies aus den Fall aus, wo die jene Haft veranlassende Beschuldigung bereits vorher, durch Ein stellungsbeschluß, ihre Erledigung findet, sofern nur die Haft zu derjenigen Straf verfolgung in Bezug stehe, auf welche sich die Urtheilsfällung bezieht, was schon dann zutreffe, wenn die Untersuchung sich auf beide Strafthaten erstreckt habe und die Verfolgung beider in derselben Anklageschrift bewirkt sei. Jedenfalls hindert der Umstand, daß die Haft gleichzeitig auch in einer anderen Untersuchung erlitten wurde, die Handhabung des § nicht, sofern nur keine zweimalige Anrechnung statt findet: RII. 28. Stov. 82 (R. IV, 850). 3. Nur die „bei Fällung deS Urtheils" bereits „erlittene Untersuchungshaft" ist der Anrechnung fähig; es ist daher unstatthaft, im Urtheil Bestimmung über die Anrechnung einer noch nicht erlittenen, demnächst aber bis zum Eintritte der Rechtskraft zu erleidenden Untersuchungshaft zu treffen. Inwiefern die letztere Haft anzurechnen sei, ist ein für alle Mal durch das Gesetz geregelt (StPO. § 482). — Eine Untersuchungshaft ist nicht „erlitten", wenn dieselbe zwar verhängt, dem An geschuldigten aber verstattet war, unterdessen eine Strafe abzubüßen; hier kommt also (für die Dauer der Strafverbüßung) § 60 nicht zur Anwendung: Rill. 23. Okt. 80 (II, 380). — Wird eine Untersuchungshaft in Folge eines thatsächlichen Irr thums für erlitten erachtet, so kann deren Anrechnung im Wege der Revision nicht angefochten werden: Rll. 9. Nov. 80, RI. 29. Sept. 81 (R. II, 479; III, 561). Dasselbe gilt, wenn die Anrechnung auf einem thatsächlichen Irrthum über die Dauer der Untersuchungshaft beruht: Rll. 12. Nov. 83. Ri. 3. Jan. 87 (E. IX, 244, XV, 136).
4. Daß die Untersuchungshaft eine unverschuldet erduldete gewesen, ist nicht erforderlich, zumal die ergehende Verurtheilung nothwendig ein Verschulden vorausseht; ebensowenig wird erheischt, daß jene Untersuchungshaft durch das unbe rechtigte Thun oder durch das Versehen eines Dritten (eines Richters, Zeugen, Mitangeschuldigten) veranlaßt worden sei. — Der Jnstanzrichter wird derartige Um stände bei dem ihm zustehenden Ermessen (n. 6) berücksichtigen. 5. Die Anrechnung kann nur „bei Fällung des Urtheils", d. h. im Urtheile selbst „auf die erkannte Strafe" erfolgen. Eine Nachholung durch ein Nachtrags-Urtheil (derselben Instanz) ist unstatthaft; ebenso: RII. 22. Nov. 81 (E. V, 173: selbst, wenn sie noch vor dem Schluffe der Sitzung erfolge; anders liege der Fall da, wo die Anrechnung vom Gerichte beschlossen gewesen und nur aus Ver sehen unverkündet geblieben, wo also nur die Publikation zu vervollständigen sei), Münch. 22. Juni 83 (BE. II, 423). — Doch kann die Anrechnung im Falle des § 394 Abs. 1 (a. E.) der StPO, auch durch den Revisionsrichter angeordnet werden. Ueber die Zulässigkeit derselben im Falle der Wiederaufnahme des Verfahrens. — § 413 ib., r vgl. Löwe s. 690. 6. Die fakultative Fassung des § („kann") legt dem erkennenden, die Strafe abmessenden Richter eine nach seinem Ermessen zu handhabende Befugniß bet. Findet derselbe keine Veranlassung, von jener Gebrauch zu machen, so braucht er
Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderrmg. — § 60.
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dies nicht durch Angabe von Gründen zu rechtfertigen, sollte auch der Angeklagte die Anrechnung beantragt haben: OT. 10. Febr. 75 (O. XVI, 115); das Gegentheil folgt nicht aus § 266 der StPO.; nur die rechtsirrthümliche Annahme: die Anrech nung sei gesetzlich unstatthaft, könnte eine Nichtigkeit begründen; ebenso: RII. 28. Nov. 82 (cit. n. 2), Olsh. n. 7. 7. Die Anrechnung soll auf „die erkannte Strafe" erfolgen (vgl. § 7: „die zu erkennende Strafe"). Es muß daher zunächst die verwirkte Strafe im Urtheil bestimmt, und dann nähere Verfügung darüber getroffen werden, bis zu welchem Maße die erlittene Untersuchungshaft auf diese Strafe anzurechnen sei. Nichtbeob achtung dieser Regel könnte als Gefehesverletzung Nichtigkeit begründen, wenn nicht zu ersehen wäre, oll bei der ersten Strafzumessung das im zutreffenden Gesetze an gedrohte Strafmaß inne gehalten sei. 8. Zn Betreff der Strafart, auf welche die Anrechnung erfolgen kann, ent hält das Gesetz keine Beschränkung; jene ist daher grundsätzlich nur bei denjenigen Strafen ausgeschlossen, mit deren Begriff sie unvereinbar erscheint, d. h. bei den Todes- und bei den lebenslänglichen Freiheitsstrafen, dagegen selbst bei solchen Strafen, welche nicht in einer Freiheitsentziehung bestehen (Geldstrafe. Verweis), statthaft; contra (in Betreff des Verweises und aller Ehrenstrafen): Rubo s. 502, Olsh. n. 8. Unzulässig würde es dagegen sein, die Anrechnung nicht für die zu nächst „erkannte" Geldstrafe, sondern nur für die dieser eventuell substituirte Frei heitsstrafe vorzunehmen: OT. 11. Juli 72 (O. XIII, 417); vgl. n. 12. 9. Hiernach (n. 8) würde die Anrechnung auf eine Nebenstrafe grundsätzlich nicht unzulässig sein; es springt indessen in die Augen, daß es thatsächlich schwer zu rechtfertigen wäre, eine verwirkte Ehrenstrafe oder die Zulässigkeit der Po lizeiaufsicht, die Einziehung eines einzelnen Gegenstandes oder die Vernich tung einer Schrift rc. strafbaren Inhalts durch eine erlittene Untersuchungshaft für verbüßt zu erachten. Insoweit die zuletzt erwähnten Maßnahmen aus sicherheitspolizeilichen Gründen geboten erscheinen, ist die Anrechnung gänzlich unstatthaft. — Nichts steht im Wege, die neben einer Freiheitsstrafe angedrohte Ehren strafe (§§ 32. 35) zu erkennen, sollte auch jene Freiheitsstrafe selbst durch Anrechnung in Wegfall gerathen; vgl. n. 11. 10. Auf eine zuerkannte Buße und auf die zur Last gelegten Kosten kann eirfe Anrechnung nie erfolgen (sie sind nicht „Strafe"). 11. Nur „auf die erkannteStrase" kann die Anrechnung stattfinden; dem gemäß können die Folgen, welche von Gesetzeswegen an.eine Verurtheilung geknüpft find (vgl. § 31), durch Anrechnung der Untersuchungshaft nicht beseitigt werden. 12. In Betreff des Maßes der Anrechnung enthält der § keine Vorschriften; es läßt fich daher nicht aufstellen, daß die Anrechnung nur nach dem gesetzlichen Umwandlungsmaßstabe der Freiheitsstrafe (§ 21) erfolgen könne, zumal da die „Untersuchungshaft" keiner Art der Freiheitsstrafen genau entspricht, es auch an einem Umwandlungsmaßstabe für die „Haft" gänzlich fehlt; ebenso: RI. 3. Jan. 87 (E. XV, 143). Demzufolge ist der Jnstanzrichter befugt, die ganze Dauer der Untersuchungshaft auf die gleiche Dauer der verhängten Freiheitssirafe (sollte diese auch in Zuchthaus bestehen) in Anrechnung zu bringen: OT. (Pl.) 8. Apr. 72 (O. XIII, 244). Dagegen darf er die Anrechnung nicht über das gedachte Maß ausdehnen, eine längere Freiheitsstrafe nicht durch eine kürzere Untersuchungshaft für verbüßt erachten (das wäre nicht mehr eine „Anrechnung"); sonach muß der die Dauer der Untersuchungshaft übersteigende Theil der Freiheitsstrafe nothwendig auftecht erhalten bleiben; ebenso: OT. 3. März 76. 16. April 78 (O. XVII, 165; XIX, 227); contra: Rubo N..7, vgl. übrigens n. 3. Bei Geldstrafen empfiehlt es sich, sie zunächst in die entsprechende Freiheitsstrafe umzuwandeln und dann nach dem Maße dieser die Untersuchungshaft auf die ganze Strafe anzurechnen (vgl. n. 8): wird Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe erkannt, so entspricht es dem Gedanken des Gesetzgebers am besten, die Anrechnung zunächst bei letzterer eintreten zu laffen. Gleichwohl läßt sich in beiden Beziehungen nicht aufstellen, daß eine un mittelbare Anrechnung auf die Geldstrafe (nach einem vom Richter zu ermeffenden Maßstabe) unstatthaft sei: Rüd. n. 5; contra: Puch. n. 5, Otto n. 3. 13. Die Anrechnung kann für den übrig bleibenden Rest keine Abänderung der Strafart zur Folge haben; der Rest einer erkannten Zuchthausstrafe ist
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§ 61. Eine Handlung, deren Verfolgung nur auf All trag eintritt, ist nicht zu verfolgen, wenn der zum Antrage sonach nicht in Gefängniß umzuwandeln, sollte er auch für sich allein die Dauer eines Zahres nicht erreichen: Schw s. 237, Schütze s. 189, Otto n. 6, Olsh. n. 10 ; contra: Rüd. n. 7; vgl. § 19 n. 4. 14. Der Grundsatz der relativen Rechtskraft (StPO. §§ 372. 398) gilt auch bezüglich der urtheilsmäßig ausgesprochenen Anrechnung der Untersuchungs haft: Rill. 4. Dez. 80 (R. II, 602). 15. § 60 schließt nicht aus, daß der Richter, ohne von der Befugniß zur Anrechnung Gebrauch zu machen, die erlittene Untersuchungshaft bei der Strafzu messung berücksichtige: RII. 21. März 82 (R. IV, 264). — Inwiefern jene Befugniß bei Handhabung des § 2 in Betracht zu ziehen sei, darüber vgl. dort n. 20. 16. Im Uebrigen vgl. § 23 n. 5, § 245 n. 2.
§61. Anstiftung: 6. Antrag, an roen? 19. . bei wem? 19. 20. . fl. Nicdtbetheiligte: 18. • Qualifizirung? 17. Antragsdelikt: 1. Antragsteller, Recht: 39. • Rechtsmittel? 39. Anzeige: 16. Bedingung: 23. Befassung: 17. 18. 38. Befragung: 14. Begünstigung: 6. Beleidigung: 41. Beihülfe: 6. Berechtigter: 10. 27. Beschränkung: 23. Beweis: 15. 33. 34. 35. Buße: 16. Civilklage: 22. 40. Einstellung: 37. Einziehung: 16. Entgelt: 13. Entsch.-Anfp.: 12. 16. 21. 22. 40. Ermächtigung: 5. Feststellung: 35. Form: 15.
Inhalt: Freisprechung: 37. Frist: 37. • Beginn: 26. • Kenntniß: 27—30. » Kenntniß, Beweis: 33. 35. • • mehr. Betheil.: 29. • -mit dem Lage*: 26. • Monat: 25. • Nachholung: 34. • Personen-Vanzes: 27. • präklusiv: 32. • Unterbrechung: 32. • Dersaumniß: 32. • Vertreter: 27. Gesetzeöwechsel: 44. Hehlerei: 7. Inhalt: 16. Korververletzung: 41. Konkurrenz, id.: 9. Mangel, Folge: 34. 37. Maßnahme, polizeiliche: 3. Motiv: 13. Nachholung: 34. Offizialdelikt: 1. Patentschutz: 42. Preßerzeugniß: 43. Privatklage: 12. 21.
Preßvorschrift: 2. 43. nfl von Amtöwegen: 35. rung, fremde: 5. l. Restitution: 24. Revision: 35. 37. Richter, Befassung: 17. 18. 38. • Prüfung: 35. SchiedSmann: 19. Schrift: 17. • Unbrauchbarmacheu: 4. Strafverfolgung: 2. 18. . aller Betheil.: 18. Thäter, Bezeichnung: 18. Thatbestand, welcher? 8. Tyeilnehmer: 6. Verfahren: 8. 35. Vergleich: 11. 12. Dery. perf.: 4. 6. 18. 24. 31. Der Haftung: 3. Sen ahrung: 26. 32. 33. Ser ohnung: 11. 12. Ser Vertrag: 11. 12. Verzicht: 11. 12. Vorbehalt: 23. Wiederholung: 38. Wirkung: 38.
a
1. Die Motive (f. 75) nennen die Straffälle, deren „Verfolgung nur auf An trag eintritt": „Antragsverbrechen (-Vergehen)"; alle übrigen werden paffend als Offizialdelikte bezeichnet. Die §§ 61 ff. gelten auch für diejenigen der ersteren Fälle, welche durch in Kraft erhaltene Special-Gesetze vorgesehen sind, in sofern diese keine abweichenden Bestimmungen treffen: OT. 1. Nov. 78 (O. XIX, 510); vgl. EG. § 2 n. 2. 2. Nach der ausdrücklichen Fassung des § 61 ist die Statthaftigkeit der Straf„Verfolgung" der Handlung durch den Antrag bedingt; dem entsprechend thut § 64 Abs. 2 der in Folge der Zurücknahme des Antrags gebotenen „Einstellung des Verfahrens" Erwähnung. Es ist daher nicht korrekt, wenn die betr. Vor schriften im Abschn. IV unter den „Gründen, welche die Strafe ausschließen rc.", ihre Stelle gefunden haben, und wenn der Antrag gelegentlich (z. B. in den §§ 63. 65. 195. 198) als „Antrag auf Bestrafung" bezeichnet wird; vgl. auch Nachdr.-Ges. v. 11. Juni 1870 §§ 37. 35; vielmehr erhellt aus jener Fassung des die ganze Materie wesentlich regelnden § 61, daß die sämmtlichen Vorschriften der §§ 61—65 nicht als materielle, den Thatbestand und die Strafandrohung betreffende, sondern recht eigentlich als solche zu betrachten sind, welche das Strafverfahren regeln, d. h. als Prozeßvorschriften; ihre richtige Stelle würde die Strafprozeßordnung sein. Das Gegentheil ist nicht daraus zu folgern, daß sich an die Beobachtung oder Nichtbeobachtung derselben materielle Folgen knüpfen; das Gleiche tritt bei allen wesentlichen Prozeßvorschriften (z. B. bei den Rechtsmittelfristen) ein. Vgl. n. 35, RI. 12. Juli 80, Rll. 4. April 82, Rill. 14. April 80 (E. II, 221; VI, 161; R. I, 601), die zu tz 2 „. 18 citt. Erkk. deS OT.'S. Carlsr. v. 16. März 82,
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Berechtigte es unterläßt, den Antrag binnen drei Monaten zu stellen. Diese Frist beginnt mit dem Tage, seit welchem der Münch. 3. Dez. 83, (5831. 48 s. 226; BE. II, 526), Dochow, HH. IV, 241, Heinze s. 67, Koch. GA. XIX, 164; K. Schmidt, der § 380 der StPO., s. 35ff.; contra: Rill. 3. Jan. 80 (E. I, 44), Münch. 29. Juni 80 (BE. I, 60), Schw. f. 239, Fuchs s. 33, Sieber n. 55 ff., v. Bar, GA. XIX, 641. Bind. II, 464. Demgemäß trifft auf die §§ 61 ff. der § 5 des EG.'s z. StPO, zu, insofern derselbe ausspricht, daß die prozeßrechtlichen Vorschriften der Reichsgesehe durch die StPO, nicht be rührt werden; vgl. eit. Rill. 14. April 80. 2 a. Die rechtliche Bedeutung des sog. Antragrechts ist eine rein negative, sie besteht eben nur darin, daß der Berechtigte durch Nichtstellung des Antrags die gerichtliche Verfolgung verhindern kann; einen Anspruch darauf, daß die Staatsan waltschaft dem gestellten Antrage gemäß auch wirklich einschreite, hat jener nicht; vgl. OT. 23. Nov. 77 (O. XVIII, 740). — Zn Betreff der Befugnisse, welch nach letzterer Richtung hin dem durch ein Antrags- oder Offizialdelikt Verletzten zustehen, vgl. StPO. §§ 170ff. 3. So lange es am erforderlichen Strafantrage fehlt, ist die Strafverfolgung unstatthaft; dadurch werden aber vorbereitende Maßnahmen (Beweiserhebungen, Beschlagnahmen rc.) seitens der Staatsanwaltschaft, der Behörden (Beamten) des Polizei- und Sicherheitsdienstes sowie des Amtsrichters, im Falle der Gefahr beim Verzüge nicht ausgeschlossen: OT. 27. März 73 (O. XIV, 220), Löwe f. 381; vgl. (in Betreff der Beschlagnahme von Druckschriften) Schwarze RPreßges. f. 142. Das gilt auch von den gegen die Person des Thäters zu richtenden Maßnahmen, z. B. von seiner vorläufigen Ergreifung und Verhaftung; vgl. StPO. §§ 127. 130 und (in Betreff der Frist und Fortdauer der vorläufigen Haft): ib. § 126. 3a. Nur die Strafverfolgung wird durch den Strafantrag bedingt; somit bedarf es desselben nicht für das objektive Verfahren des § 42; vgl. dort n. 1. 4. 6. 4. Die in den §§ 61—65 entwickelten Grundsätze erleiden theilweise eine Ab änderung in denjenigen Fällen, wo nicht die Verfolgung einer strafbaren Hand lung überhaupt, sondern nur die Verfolgung gewisser Personen wegen einer solchen Handlung mit Rücksicht auf das Verhältniß, in welchem sie zum Verletzten stehen, vom Antrage des letzteren abhängig gemacht ist (§§ 247. 263. 289. 292). Vgl. unten d. 6. 18.24. 31; § 63 n. 4. Hierauf beruht die Unterscheidung zwischen absoluten und relativen Antragsdelikten. 5. Was die §§ 61—65 in Betreff des Erfordernisses eines „Antrags" bestim men, ist auf die Fälle nicht auszudehnen, in welchen das Gesetz die Verfolgung von einer Ermächtigung abhängig macht; z. B. §§ 99. 101. 197. — Dagegen ist es gleichgültig, ob der „Antrag" von der durch die Mißthat verletzten PrivatPerson, von einer Behörde ober von einer fremden „Regierung" ausgehen muß; vgl. §§ 102. 103. 6. Eine Gesetzesvorschrift, welche die Verfolgung eines Straffalls von dem Antragendes Verletzten abhängig macht, ist auch da maßgebend, wo es sich um die Verfolgung des Versuchs jener Mißthat, der Theilnahme an derselben (in allen Formen) oder der einfachen Begünstigung eines bei derselben Detheiligten han delt. Zwar betrachtet das StGB, die Begünstigung als ein selbständiges Vergehen: es hat aber in den §§ 63. 247 Bestimmungen getroffen, welche unverkennbar auf der Voraussetzung beruhen, daß die den Strafantrag betreffenden Vorschriften auch auf die Begünstigung eines Antragsvergehens anzuwenden seien (sie hätten sonst gar keinen Sinn); dazu kommt, daß die „vor der That zugesagte" Begünstigung »als Beihülfe zu bestrafen ist"; es fehlt an jedem inneren Grunde, weshalb in diesem Falle die Begünstigung ohne den bei der Beihülfe unerläßlichen Strafantrag verfolgbar fein sollte; selbstredend darf die einfache Begünstigung nicht strenger be handelt werden: Puch. n. 3, Otto n. 17, Sieber n. 16. 136, Meves, StRZ. XIII, 511, Villn. s. 70; contra: Schw. s. 250, id., GSaal 24 f. 376. HStR. I, 717. Vgl. unten n. 43. — Bei relativen Antragsdelikten (n. 4) wird jene Vorschrift selbstredend nur rücksichtlich desjenigen Betheiligten wirksam, welcher in der be treffenden Beziehung zum Verletzten steht. • 7. Die Verfolgung der Hehlerei (in beiden Formen) ist ohne Antrag statt haft, sollte es auch zur Verfolgung der Hauptthat eines solchen bedürfen: OT.
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zum Antrage Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntniß gehabt hat. [I. Entw.: § 54; II. Entw.r § 59; Pr. StGB.: § 50]. Vgl. §§ 62-65.182. 195. 198. 232; Zollkartel m. Oestr. v. 9. März 1868 § 17; Mil.-StGB. §§ 51. 127.. 153; Seem.-O. v. 27. Dez. 1872 §§ 81. 84; Preßges. § 19; Nachdr.-Ges. §§ 27. 35—38. 43. 45; Markenschuh-Ges. v. 30. Nov. 1874 §§ 14. 17; die Urheber-Gess. v. 9, 10. u. 11. Jan. 1876 § 10, — § 9, — § 14; Patentges. v. 25. Mai 1877 n. 34. — StPO. §§ 127. 130. 156. 259. 414 ff. 502. Preußen: Gef. v. 24. April 1854, betr. die Verletzung der Dienstpflichten des Gesindes rc. §§ 1. 2. 15. Febr. 72, 13. März 74, 9. Jan. 79 (O. XIII, 154; XV, 151; XX, 25), Dresd. 20. März 71 (Dr. Sinn. VIII, 330). 8. Für das Erfordernd des Antrags ist stets derjenige Thatbestand ent* scheidend, welchen der Richter als vorliegend betrachtet, in Schwurgerichtssachen derjenige, welcher durch den Spruch der Geschwornen festgestellt wurde: OT. 9. Okt. 74, 19. Sept. 77 (O. XV, 648; XVIII, 571); die davon abweichenden Annahmen in der erhobenen Anklage oder in einem vorhergegangenen Eröffnungsbeschlusse stnd nicht maßgebend. Ist daher in der ohne Antrag erhobenen Anklage des StA.'s die That als ein Offizialdelikt bezeichnet worden, so ist das Verfahren einzustellen (n. 36), wenn der Richter findet, daß ein Slntragsdelikt vorliege: OT. 31. Mai 72, 20. Febr.. 14. Zuni 73 (O. XIII, 324; XIV, 151. 436). Ebenso ist umgekehrt die Verfolgung statthaft, wenn die Anklage ohne Antrag wegen eines Antragsvergehens erhoben war, der erkennde Richter aber demnächst findet, daß ein Offizialvergehen vorliege; das gilt selbst für den Richter der höheren Instanz, wenn der erste Richter trotz jenes Mangels wegen des Antragsvergehens gestraft und nur der Angeschul digte das Rechtsmittel ergriffen hatte: OT. 1. Apr. 73 (O. XIV, 244). — In Be treff des in solchen Fällen zu beobachtenden Verfahrens vgl. n. 36. 9. Enthält eine Handlung den Thatbestand eines Antragsvergehens in IdealKonkurrenz mit dem eines Offizial-Vergehens, so ist in Ermangelung des Antrags die Verfolgung des letzteren statthast, während sie in Betreff des ersteren ausge schlossen bleiben muß: OT. (Pl.) 22. Jan. 72, OA. 29. März 73 (O. XIH. 55; XIV, 238). Manh. (BA. 39 s. 252), Münch. 19. Zuli 72, 19. Juni 74 (BE. II. 200: StZ. IV, 135), OHG. 14. Jan. 73 (Puch. Zeitschr. III, 549), Geyer. GSaal 26 f. 279; contra: Schlieder, BA. 40 f. 148 in Betreff der Fälle, wo das Erforderniß des Antrags auf einem Jntereffe des Verletzten beruht; vgl. n. 17. Das gilt auch dann, wenn das Antragsvergehen das strenger bestrafte ist, so daß das für dieses maßgebende Strafgesetz Anwendung finden müßte, wenn beide Veraehen verfolgbar wären (§ 73): Dresd. 3. Apr. 71, Münch. 19. Juni 74, Stuttg. 3. Febr. 76, OT. 26. März 79 (GA. XIX, 612; StZ. IV, 135; WGbl XI, 325; O. XX, 156); contra: Merkel, HH. IV, 230. — Nicht minder gilt es in den Fällen einer Gesetzeskonkurrenz (§ 73 n. 6), sofern das Offizialvergehen das geringer verpönte ist; contra: Ruhstrat. GSaal 24 f. 140. 149, Fuchs s. 76. — Diese Grundsätze kommen selbst da zur Anwendung, wo die Anklage lediglich wegen des Antragsdelikts erhoben war, der gestellte Antrag demnächst aber rechtsgültig zurückgenommen worden ist: OT. 13. Nov. 74, 23. Mürz 75 (O. XV, 776; XVI, 255): vgl. StPO. §§ 153. 263. — Ergeht in jenen Fällen vor Ablauf der Antragsfnst eine Frei sprechung, ohne daß dieselbe Thatbestandsmerkmale des Antragsvergehens mit um faßt, so kann wegen des letzteren der bisher nicht gestellte Slntrag mit Erfolg nach geholt werden; vgl. Schw., SGZ. XX, 103, Löwe f. 389, Keller StPO. s. 278 b; Geyer, Lehrb. des StP.-R.'s s. 841; in diesem Sinne erkannte OT. 12. Okt. 76 (O. XVII, 660), daß der von der Beschuldigung des groben Unfugs Freigesprochene wegen derselben Handlung als Körperverletzung (Beleidigung) verfolgt werden könne, wenn der dessallsige Antrag zur Zeit der früheren Prozedur noch nicht ge stellt gewesen sei; OT. 12. Juni 77 (O. XVIII, 397) entschied dasselbe sogar tnt Falle der Verurteilung wegen Unstlgs; ev. sei die dessallsige Strafe für absorbirt zu erklären oder auf die andere Strafe anzurechnen; ebenso: Löwe 1. c.; contra jedoch; RI. 3. März 81 (E. III, 385: anscheinend nicht bloß für die Fälle der vorgängigen
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Verurteilung, sondern auch für diejenigen der Freisprechung), Münch. 8. Nov. 81
(BE. I, 490), Jena 75 (Voll. 23 s. 366); vgl. § 62 n. 3, § 73 n. 18. 10. Ueber die Person des Antragsberechtigten und über die Statthaftigkeit oder Nothwendigkeit einer Vertretung vgl. n. 27. § 65 n. lg. 10a. Da es sich in dieser Materie nicht um ein Thatbestandsmerkmal handelt, (n. 1), so ist es völlig gleichgültig» ob dem Thäter bei Begehung der That die thatsächlichen Voraussetzungen für die Gültigkeit des demnächst gestellten Antrags bekannt oder unbekannt waren: Rill. 28. Sept. 85 (R. VII, 535); vgl. § 247 n. 12. 11. Für die Statthaftigkeit der Strafverfolgung kommt es lediglich auf die Thatsache an, ob der Strafantrag bei der dazu berufenen Behörde (n. 19 ff.) formund zeitgerecht gestellt bezw. ob derselbe zurückgenommen ist; alle diesen Gegenstand betreffenden zwischen dem Thäter und dem Verletzten stattgehabten Abkommen (Versprechen, Verträge, Vergleiche, Verzichte) sind daher von den strafgerichtlichen Behörden in keiner Weise zu berücksichtigen, insbesondere kann einem gestellten Antrage die rechtliche Wirksamkeit nicht deshalb abgesprochen werden, weil der Antragsteller vorher oder später auf sein Antrags recht verzichtet oder die Zurücknahme des gestellten Antrags zugesagt hatte; hierauf bezügliche landesgesetzliche Vorschriften sind durch das die Materie erschöpfend regelnde StGB, außer Kraft gesetzt worden: RI. 13. Jan. 81, Rll. 1. April 81 (E. III, 221; R. III. 181), OT. 20. Febr., 6. Nov. 73. 9. Nov. 76 (O. XIV, 152. 730; XVII, 728), Münch. 18. Mai 72, 21. April 73 (StZ. I, 264; II, 310), Manh. 15. Juli 76, Stuttg. 3. Mai 76 (BA. 42 s. 257; WGbl. XI, 395), OHG. 13. Okt. 76 (GA. 25 f. 70: betr. einen vor Gericht erklärten Verzicht auf die Antragstellung). Schütze s. 171, Nessel s. 69, Reber n. 547ff.; contra: Schw. s. 244, id., SGZ. XVII, 39, id., GSaal 25 s. 257. Puch. § 64 n. 4, Löwe s. 701, Klebs und Bar. GA. XIX, 576. 646, Münch. 21. März. 74, Dresd. 27. März. 29. Mai 74 (StZ. III, 279; IV, 106. 261; SGZ. XVIII, 338: ersteres Erk. erachtete eine vor Gericht abgegebene Erklärung, auf Bestrafung nicht antragen zu wollen, selbst dann als eine unwiderrufliche und bin dende „Entsagung", wenn sie in Erwartung einer zu leistenden Entschädigung abgegeben sei). — Ein solches vertragsmäßiges Abkommen, wenn es civilrechtlich als wirksam anzusehen ist, kann nur im Civilrechtswege zur Erzielung eines Ersatz anspruches wegen Vertragsbruchs gellend gemacht werden. — Inwiefern die Zurücknähme eines gestellten Strafantrags dessen Erneuerung ausschließe, darüber vgl.
§ 64 n. 26. 11a. Desgleichen bildet, wenn die That selbst mit ausdrücklicher Einwilligung des Verletzten begangen wurde, dieser Umstand kein Hinderniß für die Antragsstellung deffelben; ebenso: Rill. 7. Juni 86 (E. XIV, 202); contra: GSaal 37 s. 74. 12. Dagegen ist ein Verzicht auf das Recht, im Wege der Privat- oder Nebenklage eine erlittene Beleidigung rc. selbst zu verfolgen, unbedenklich statthaft und wirksam. So schon früher, nach Maßgabe der Landesgesetze; vgl. für Preußen Anh. z. AGO. § 227, AKO. v. 28. Aug. 1833 und 20. Dez. 1834, EG. z. Pr. StGB. Art. XVII. XVIII, OT. 2. Nov, 70 (StA. 80 s. 128); für Ödem: Münch. 16. Aug. 73, 28. April 77 (BE. III, 333; VII, 173). Hieran hat namentlich auch die StPO, nichts geändert; vgl. dort § 420, Löwe s. 701, Rll. 1. April 81 (R. III, 181: Mot.). Eine „Verzeihung" oder „Versöhnung" schließt un zweifelhaft einen solchen Verzicht in sich. — Ob ein Verzicht zu seiner Wirksamkeit einer Annahme seitens des Mitthäters bedürfe und ob er bis zur erfolgten Annahme widerrufen werden könne, ist nach den Landesgesetzen zu beurtheilen; nach den dt. Pr. Gesetzen sind beide Fragen zu verneinen. — Der Verzicht rc. eines Berechtigten berührt das Recht der übrigen nicht. 13. Aus dem unter n. 11 an die Spitze gestellten Grunde kommt es auf das Motiv des Verletzten zurStellung oder Zurücknahme seines Antrags nicht an: OT. 27. März, 14. Juli 73 (O. XIV, 220. 506: im ersteren Falle hatte der Antragsteller rechtsirrthümlich geglaubt, er sei zur Stellung des Antrags verpflich tet), noch darauf, ob der Antragsteller aus eigenem Antrieb oder auf Veranlassung (Anregung) eines Anderen handelte: Münch. 13. Dez. 80 (BE. I, 265). Ebenso wenig bedarf es der Absicht, das vom Gesetz gewährte Antragsrecht auszuüben, oder auch nur des Bewußtseins von diesem Rechte: OT. 18. Sept. 74 (O. XV, 574). — In Betreff des Falles, wo der Verletzte den gegen eine bestimmte Person
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gerichteten Antrag deshalb zurücknimmt, weil er sich von deren Nicht-Schuld über zeugte, vgl. § 64 n. 19. — Nach dem Gesagten darf der Zurücknahme des Straf antrags die Wirksamkeit nicht deshalb versagt werden, weil sie gegen Entgelt stattgefunden habe; contra: Schw. s. 244. Doch nahmen OT. 3. März 73, 2. April 75 (O. XIV, 181; XVI, 266) an, daß ein Rechtsanwalt der Disciplin anheimfalle, wenn er ein solches Geschäft vermittle, es sei denn, daß es sich um einen Straffall handle, wegen dessen die Zuerkennung einer Buße verlangt werden könnte. 13a. Immerhin muß aber der Antrag von dem „Verletzten" als solchem ge stellt sein; ein Antrag, durch welchen die Staatsanwaltschaft kraft ihres amtlichen Berufs den Untersuchungsrichter mit der Untersuchung befaßt, genügt daher nicht, sofern aus seiner Fassung die Absicht jener Behörde, ihn gleichzeitig als Verletzter zu stellen, nicht klar erhellt: OHG. 18. Juni 75 (Entsch. dess. XVIII, 123). 14. Der Staatsanwalt ist befugt, den Verletzten amtlich zu einer Erklä rung darüber zu veranlassen, ob er einen Strafantrag stellen wolle; vgl. OT. 27. März 73 (D. XIV, 220), Löwe s. 381; contra: Schw. s. 246; vgl. n. 36. 15. Die Stellung des Strafantrags war ursprünglich an keine besondere Form gebunden: mündliche Anbringung genügte. Anders nach der StPO., deren § 156 Abs. 2 bestimmt, daß der Antrag bei einem Gerichte oder der Staatsanwalt schaft „schriftlich" [mittete Einreichung eines Schriftstücks^ oder „zu Protosoll", bei einer andern Behörde „schriftlich" angebracht werden müsse; vgl. unten n. 19. Demgemäß können solche Anträge bei den Behörden (Beamten) des Polizeiund Sicherheitsdienstes, welche der cit. § 156 Abs. 2 ausschließlich unter den „anderen Behörden" versteht (: Löwe s. 403, Voitus Controv. I, 225, Meves Strafverf. s. 44, Olsh. n. 13), gültiger Weise nicht zu Protokoll, sondern nur schriftlich ange bracht werden: RII. 23. Nov. 80, Ri. 5. Jan. 82 (E. III, 55; R. IV, 17). Manh. 7. Febr. 80, Münch. 1. März 80 (BA. 46 s. 12; BE. I, 102). Als „schriftlich angebracht" gilt auch der von einer Behörde auf Veranlaffung des Verletzten nieder geschriebene, von letzterem unterzeichnete Antrag: RI. 28. Juni 80. 5. Jan. 82 (E. II, 125; R. IV, 17); vgl. Rill. 2..Febr. 81 (ib. III, 3); und zwar selbst dann, wenn jene Niederschrift der Unterzeichnung zeitlich nachfolgte; so: cit. Ri 28. Juni 80. Zn allen Fällen muß aber der schriftlich angebrachte Antrag vom Antragsbe rechtigten (oder einem Vertreter beffeiben) unterzeichnet sein, wozu übrigens nicht nothwendig die Unterschrift des Namens erfordert wird, sondern auch jedes andere zur Kundmachung des Willens des Ausstellers geeignete Zeichen, z. B. die Unter kreuzung, Stempelung rc. genügt: RII. 29. März 81 (E. III, 442) ; namentlich ge nügt bei Analphabeten die bloße Unterkreuzung: RH. 6. Mai 81 (R. III, 283: ein Zweifel an der Echtheit rechtfertige nicht die Zurückweisung des Antrags; viel mehr habe das Gericht von Amtswegen für die nöthige Aufklärung zu sorgen), ja es soll nach RII. 24. Febr. 82 (E. VI, 69) ausreichen, wenn ein Dritter mit dem Namen des Berechtigten unterzeichne, sofern nur die Schrift konkret den Willen des Letzteren zum Ausdrucke bringe, nach Münch. 19. Febr. 86 (BE. IV, 121), wenn der Berechtigte ein bloßes Formular unterzeichne und der Gendarm rc. dasselbe nachträglich ausfülle. Dagegen ist unter einem „Protokolle", dessen Aufnahme nur einem Gerichte oder der Staatsanwaltschaft zusteht, eine schriftliche, der Unterschrift des Antragenden nicht bedürfende Registratur über die mündliche Anbringung zu verstehen; so: RI. 28. Juni 80, Rill. 30. April 85 (E. II, 253; XII, 173); contra: Voitus Controv. I, 218; diese Anbringung kann bei einem Gerichte vom Gerichtsschreiber ohne richter liche Mitwirkung, bei der Staatsanwaltschaft jedoch nur von einem Mitgliede der selben protokollirt werden: Löwe s. 402. — Die Antragsstellung nichtbevormundeter Taubstummen unterliegt auch in formeller Hinsicht keinen Besonderheiten: RII. 3. Juli 85 (R. VII, 465). — Hinsichtlich der Antragsstellung durch einen Bevollmächtigten oder eine Handelsfirma vgl. § 65 8 ff. 6. 16. Der § macht die Verfolgung der strafbaren „Handlung" von der Stel lung des Strafantrags abhängig;'der Antrag muß sonach inhaltlich den Willen des Antragstellers erkennen lassen, daß wegen dieser „Handlung" die Strafverfolgung stattfinde: OT. 6. Febr. 73, Stuttg. 22. Dez. 75, Darmst. 4. Dez. 76 (O. XIV, 114; WGbl. XI, 234; HE. II, 146), Reber n. 419; dies ist der Fall bei der mit der Bitte, das Weitere zu veranlaffen, verknüpften Anzeige einer Beleidigung seitens des Beleidigten: OT. 3. März 76 (O. XVII, 163); desgleichen bei dem Antrage eines beleidigten Beamten, die zunächst an seinen Vorgesetzten erstattete
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Anzeige dem Staatsanwalte mitzutheilen: OT. 10. Dez. 75 (O. XVI, 789); vgl. n. 19. — Ob sonst in einer bloßen Anzeige der That oder des Thäters (in der Beanspruchung einer Civilentschädigung im Wege des Anschlußverfahrens rc.), in dem „Verlangen einer Buße" oder in irgend einem Thun (z. B. der Vorführung des Mißthäters) ein Antrag zu finden sei, ist Gegenstand der Auslegung im Einzelfalle: Rill. 17. April 80,.5. März 81 (R. I, 614; III, 115), Münch. 16. Febr. 72 (BE. II, 33), OT. 3. Mai, 5. April 76 (O. XVII, 305. 253: die Anzeige bei einem zuständigen Beamten könne grundsätzlich sehr wohl als Straf antrag sich darstellen, sofern aus den Umständen kein anderweitiger Zweck der An zeige erhelle); OT. 16. Apr. 78 (O. XIX, 223); contra (in Betreff des Anschlußverfahrens): Manh. 15. Zuni 73 (BA. 38 s. 260). Rücksichtlich der Privatklage vgl.
n. 21. 22. 17. Hat der Verletzte die Verfolgung der „Handlung" beantragt, so ist es für die Statthaftigkeit jener gleichgültig, ob und wie er diese Handlung rechtlich qualifizirt hat; der Richter wird durch den Antrag zur Entscheidung über die That in allen Beziehungen und nach allen möglichen Gesichtspunkten der Straf barkeit berufen; er darf dieselbe somit anders charakterisiren, als es im Antrage geschehen war: RII. 2. Nov. 80 (R. II, 432), OA. 17. März 73, OT. 13. März, 24. Mai, 26. Sept. 73, 16. Juni, 16. Juli, 1. Dez. 75 (O. XIV, 202. 374. 471. 584; XVI, 449. 549. 768), Stuttg. 18. Dez. 72 (StZ. IV, 11). Das gilt selbst dann, wenn es zur Verfolgung der That nach der irrigen Qualifizirung des Verletzten eines An trags gar nicht bedurft hätte; ebenso: Rill. 9. März 81 (R. III, 130). Auch be gründet es keinen Unterschied, wenn die unrichtige Qualifizirung auf einer unrich tigen Auffassung bezw. Darstellung des Sachverhalts beruhte, wenn z. B. wegen vorsätzlicher Körperverletzung Antrag gestellt war und sich durch die demnächstige Untersuchung ergiebt, daß die Körperverletzung blos eine fahrlässige war: Rill. 8. Okt. 81, 22. April 82 (E. III, 97; VI, 309). — Ist der Inhalt einer veröffent lichten oder einem Andern mitgetheilten Schrift für einen Dritten verletzend, so genügt der auf eine jener Stellen bezügliche Strafantrag des letzteren, um die Ver folgung in Betreff aller statthaft zu machen, weil durch die einheitliche Veröffent lichung rc. der ganzen Schrift nur ein Vergehen begangen sein kann; contra: OT. 31. Okt. 72 (O. XIII, 526), Reber n. 401; vgl. außerdem § 68 n. 16, § 74 n. 14, § 194 n. 3. — Diese Grundsätze waren in Preußen auch für die im Civilverfahren stattfindende Verfolgung (EG. z. Pr. StGB. Art. XVI) maßgebend; eine andere Qualifizirung galt hier nicht als ein Hinausgehen über den Klageantrag. In Be treff der jetzigen Privatklage vgl. StPO. §§ 424. 153. 263, Löwe s. 704. — Gleiches gilt von der Strafzumessung: das in dieser Hinsicht (bezüglich des Strafmaßes und der Strafart) eintretende richterliche Ermessen ist daher ebensowenig von den Anträgen des Antragsberechtigten oder Privatklägers abhängig: Münch. 13. April 77 (BE. VII, 146), Löwe 1. c. 17a. Auch schadet es nicht, wenn in dem Antrage die Zeit (oder der Ort) der „Handlung" irrig angegeben ist: Münch. 26. Jan. 78 (BE. VIII, 41). 18. Der auf Verfolgung der „Handlung" gerichtete Antrag macht dieselbe gegen alle Betheiligten statthaft (: § 63), selbst, wenn im Antrage eine zu ver folgende Person gar nicht genannt noch bestimmt bezeichnet war; das Gegegentheil ist weder aus dem Schlüsse des § 61 (Berechnung der Frist von der Kenntniß der „Person des Thäters" ab) noch aus der Faffung des § 63 („wenn nur gegen eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen ist") zu folgern, vielmehr beruht die Vorschrift des § 63 gerade darauf, daß nur die Handlung zum Gegen stände des Antrags gemacht zu werden braucht: Rill. 17. Dez. 81, Ri. 12. Okt. 82, 6. Dez. 86, RIV. 25. Jan. 87 (E. V, 268; A. VI, 265, R. VIII, 728; IX, 95), OT. 26. Juni 73, 11. Juni 74 (O. XIV, 471; XV, 401), Münch. 30. Okt. 74 (BE. IV. 494). Demgemäß genügt auch ein irriger Weise gegen einen Nicht-Betheiligten gerichteter Antrag zur Verfolgung des wirklichen Thäters rc., sobald nur der Wille des Verletzten, daß die Handlung verfolgt werde (n. 16), erkennbar gemacht war; ebenso: citt. Rill. 17. Dez. 81, Ri. 6. Dez. 86, RII. 19. Sept. 82 (E. VII, 35); contra: OT. 8. Jan. 73 (O. XIV, 32), Fuchs, GSaal 26 s. 145; vgl. auch Schwarze, SGZ. XX, 99. Anders gestaltet sich die Sache bei relativen Antragsdelikten (n. 4); hier muß der Antrag in erkennbarer Weise gegen die Persvn des Thäters gerichtet, es muß ersichtlich sein, daß der Verletzte, des zwischen ihm und jenem be-
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stehenden, ihm bekannten Verhältnisses ungeachtet, die Strafverfolgung wolle; eben so: cit. RHI. 17. Dez. 81, Rll. 19. Sept. 82 (Mot.): contra: Reber n. 31; vgl. § 63 n. 4. — Der wegen Veröffentlichung eines Artikels in einem bestimmteu Zei tungsblatte gestellte Antrag erstreckt sich nicht von selbst auf die Publikation desselben Artikels in anderen Bättern: Münch. 31. Zan. 80 (BE. I, 93). 19. Der Strafantrag richtet sich selbstverständlich an die zur Strafverfol gung berufene Behörde (Staatsanwalt rc.). Daß dieses im Antrage ausdrücklich gesagt, und daß darin die richtige Behörde genannt sei, ist nicht erforderlich. Ebensowenig bedarf es der unmittelbaren Anbringung des Antrags bei derselben: es genügt, wenn dieser rechtzeitig an ein Organ jener Behörde gelangt: Motive s. 75, Münch. 19. Juli 73 (BE. III, 317). Organe der Staatsanwaltschaft sind die Behörden und Beamten des Polizei- und Sicherheitsdienstes: GDG. § 153, StPO. § 156 Abs. 2. schierem § gemäß kann der Antrag jedoch auch bei einem Gerichte (mit voller Wirksamkeit) angebracht werden. Daß dem (zu einer der gedachten Be rufsklaffen gehörenden) Beamten, bei welchem der Antrag angebracht wird, eine besondere Zuständigkeit für den konkreten Fall beiwohne, wird nicht erfordert, da die betr. Pflicht eine allgemeine ist: OHG. 7. Febr. 73 (JMbl. s. 103; StZ. II, 209: der Antrag war bei einem örtlich unzuständigen Staatsanwalt angebracht), Dtesd. 30. April 75 (StZ. V, 261), OT. 4. März 79 (O. XX, 120), Nessel s. 52, Schw. StPO. s. 299 (speziell in Betreff der Gerichte); contra: Fuchs s. 41. Demgemäß ist unter „einem Gerichte" int § 156 der StPO, nicht ein bestimmtes, sachlich oder örtlich zuständiges, sondern jedes Gericht, z. B. auch ein Militärgericht zu verstehen: Rll. 20. Sept. 87 (R. IX, 446). — Dagegen genügt ein bei einer anderen Be hörde angebrachter Antrag nicht zur Wahrung der Frist des § 61, sollte jene auch instruktionsmäßig angewiesen sein, derartige nicht zu ihrer Zuständigkeit gehörende Anträge an die wirklich berufene Behörde abzugeben; das gilt z. B. von der An bringung des Antrags bei der vorgesetzten Dienstbehörde des denunzirten Be amten: OT. 22. Jan. 70 (O. XI, 20); und zwar selbst dann, wenn der Verletzte (z. B. ein Soldat) nach den ihn bindenden Vorschriften seinen Antrag zunächst an die ihm vorgesetzte Behörde richten muß: OT. 23. März 70 (O. XI, 204). Läßt jedoch eine mit Unrecht angegangene Behörde rc. den Antrag rechtzeitig an den zur Verfolgung zuständigen Staatsanwalt rc. gelangen, so wird hierdurch die Frist gewahrt: OA. 5. Okt. 72, OT. 26. Sept. 73 (O. XIII, 506; XIV, 584), Münch. 27. Avril 77 (BE. VN, 168), Löwe s. 403. 19a. Die Staatsanwaltschaft (ein Staatsanwalt) kann, wenn selbst verletzt, den Strafantrag bei sich selbst anbringen und ihn zu diesem Zwecke schriftlich in ihren (seinen) Akten niederlegen: RI. 16. Juni 81 (E. IV, 264). 20. Jedenfalls genügt es, wenn der Strafantrag rechtzeitig an die zur Ver folgung berufene Behörde gelangt; daß er innerhalb der Frist auch an das zustän dige Gericht gelange, wird nicht gefordert. 21. Die Erhebung der Privatklage rc. (StPO. §§ 414ff.) schließt den er forderlichen Antrag von selbst in sich. Sie wahrt, falls sie rechtzeitig erfolgt, die int § 61 vorgeschriebene Antragsfrist, selbst wenn sie noch gar nicht zur Kenntniß des Staatsanwalts oder des Gerichts gelangt ist (vgl. StPÖ. § 421), oder wenn die Vorladung des Beklagten wegen Verabsäumung einer prozessualischen Vorschrift vernichtet wird: OT. 3. 3)ea. 74 (O. XV, 831), oder wenn die Anstellung der Pri vatklage von einem gesetzlich hierzu nicht befugten Bevollmächtigten ausgegangen ist: OT. 28. März 77 (ib. XVIII, 253), oder wenn die vorgeschriebene Einzahlung des Kosten-VorschusseS unterblieben ist: Wolfenb. 23. März 77 (Br. Z. 25 f. 6). Da gegen hat der bei der Vergleichsbehürde angebrachte Dermittelungsantrag (StPO. § 420) diese Wirkung nicht; ebenso: Münch. 30. Dez. 80 (BE. I, 236), Löwe s. 701, Dalcke StPO. § 282, Scherer, GSaal 31 s. 344; contra: Medem, ib. 33 s. 497, Puch. StPO. s. 705: desgleichen nicht eine bloße Anmeldung, welche keinen Strafantrag, sondern lediglich den Antrag auf Bewilligung einer Frist zur Anstellung der Klage enthält: OT. 11. Juli 76 (GA. 24 s. 450). — Das oben Gesagte schließt nicht aus, daß die Frist vorher schon durch Stellung des Antrags bei einem der unter n. 19 erwähnten Beamten gewahrt werde: Rll. 20. April 83 (E. VIII, 207: Mot.), Münch. 11. Jan. 75 (StZ. IV, 325); dies erlitt früher eine Ausnahme da, wo die Verfolgung einer Mißthat grundsätzlich nur im Wege der Privatklage, nicht
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auch in dem der amtlichen Strafverfolgung stattfinden konnte (vgl. EG. z. Pr. StGB. Art. XVI); hier bedurfte es zur Wahrung der Frist der förmlichen Anstellung der Privatklage; contra: OT. 21. Nov. 66 (O. VII, 654). Solche Fälle gieot es jedoch jetzt schwerlich mehr; § 416 der StPO, kommt in dieser Hinsicht nicht in Betracht. Dgl. unten n. 38 und Rll 4. März 81 (E. III, 373), Münch. 12. Juli 80 (BE. I, 149). — Die Anstellung der Privatklage rc. nach Ablauf der Frist des § 61 ist, in Ermangelung eines zeitig vorher gestellten Antrags auf amtliche Strafverfolgung, selbst dann nicht mehr statthast, wenn die Handlung von einem anderen rechtlichen Gesichtspunkte aus als ein jener Klage nicht unterliegendes Officialvergehen aufge faßt werden könnte: OT. 8. März 76 (O. XVII, 178). 22. Die Anstellung einer Klage auf Ersah des durch die Mißthat erlittenen Schadens beim Civilrichter wahrt die Antragsfrist nicht: Manh. 15. Juni 73 (BA. 38 s. 260). 23. Aus dem unter n. 11 aufgestellten Grundsätze folgt ferner, daß es dem Antragsberechtigten nicht zustehen kann, die Wirksamkeit eines gestellten Antrags oder die Zurücknahme eines solchen an Bedingungen, Vorbehalte oder Be schränkungen zu knüpfen. Ein Antrag, welcher nicht erkennen läßt, daß der Be rechtigte die sofortige Verfolgung der That lediglich nach Maßgabe deö Gesetzes wolle, genügt den Erfordernissen deS § nicht; ein an eine Beschränkung (z. B. auf einen einzelnen Gesichtspunkt der Strafbarkeit eingeschränkter), an einen Vorbehalt oder an eine Suspensivbedingung geknüpfter Antrag ist sonach als nicht gestellt anzusehen: OT. 20. Okt. 71 (O. XII, 523: beil.), v. Bar, GA. XIX, 715: contra: Reber n. 400. 422 (in Betreff der Beschränkung auf einen Gesichtspunkt), MÜ. s. 369 u. Olsh. n. 24 (wollen einen Vorbehalt als nicht geschrieben ansehen), HStR. I, 717 u. (theilweise) Bind. HB. I, 655ff. Doch ist die in Form einer Bedingung gekleidete Verwahrung gegen pekuniäre oder persönliche Belästigungen, welche in Folge der Antragstellung etwa entstehen könnten, nicht als eine wirkliche Bedingung anzusehen: Münch. 30. Mai 76 (BE. VI, 270), ebenso nicht die gleichfalls nur uneigentliche Bedingung, daß ein der Vergangenheit angehöriges bezw. als ver gangen gedachts Ereigniß eingetreten oder nicht eingetreten sei: vgl. Rll. 16. April 86 (E. XIV, 96). Auch erleidet das Gesagte da eine Ausnahme, wo der Antrag sich auf die Verfolgung einer von mehreren bei der That betheiligten Personen be schränkt (dann gilt derselbe als für alle gestellt); vgl. § 63 n. 2. Dagegen ist ein Antrag, welcher auf einzelne Theile eines Schriftstücks strafbaren Inhalts beschränkt wird, nicht allein an sich statthaft, sondern auch nur unter dieser Beschränkung wirksam: RIV. 21. Mai 86 (R. VIII, 377); vgl. § 74 n. 14. — Umgekehrt ist eine dem Antrage hinzugefügte Resolutivbedingung als nicht geschrieben zu behandeln; vgl. Dresd. 9. Dez. 72 (StZ. II, 259). Im Uebrigen schadet es nicht, wenn die den Antrag enthaltende Schrift noch anderweitigen Inhalt hat: Münch. 13. Dez 80 (BE. I, 265). — Eine beschränkte oder suspensiv bedingte Zurücknahme des ge stellten Antrags ist wirkungslos: OA. 7. Febr. 73, OT. 20. Okt. 71, 4. April 79, 7. Nov. 73 (O. XH, 523: XIV, 126; XX, 198; Entsch. best. 71 s. 340); wird später die Bedingung erfüllt, so bedarf es der Wiederholung der Zurücknahme erklärung; contra: Dresd. 29. Sept. 71 (StZ. I, 70). Dresd. 28. Aug. 74 (StZ. V, 50) nahm sogar an. die Zurücknahme werde wirksam, wenn der Angeschuldigte sich durch förmliche Erklärung der Bedingung unterwerfe. 24. Der Antrag kann schon vor dem Beginne der dreimonatigen Frist ge stellt werden, also namentlich auch, bevor der Antragsteller den Thäter kannte; das Gegentheil folgt nicht aus dem Schlußsätze des §: Rill, 17. April 80 (R. I, 614), OT. 7. Okt. 75 (O. XVI, 642), Reber v. 451. Ob dies auch bei relativen Antragsdelikten (n. 4) gelte, ließ das zuletzt eit. Erk. unentschieden; vgl. n. 18. — Dagegen fordern Rill. 3. Jan. 80 bis (E. I, 44: R. I, 180. 182) zur Wirksamkeit des Antrags, daß die betr. Handlung zur Zeit oer Stellung desselben (sofort unb unbedingt) verfolgbar sei; vgl. § 172 n. 15. 24a. Die Frist ist bei einer fortgesetzten Mißthat [beren rechtliche Mög lichkeit vorausgesetzt, vgl. § 74 n. 3] nicht für jede einzelne zeitlich getrennte und den vollen Thatbestand des Delikts erfüllende Handlung, sondern' für alle mit Rücksicht auf die letzte Fortsetzungshandlung zu bemessen; so: RIV. 18. März 87 (E. XV, 370); contra: Rill. 29. Jan. 81 (E. III, 326); vgl. § 67 n. 5).
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25. Die „Monate" sind Kalendermonate: Mot. s. 75; es ist daher gleichgültig, wieviel Tage der Monat zählt: Dresd. 26. Juli 78 (SGZ. 23 s. 47). 26. Die Frist beginnt „mit dem Tage, seit welchem rc."; es ist daher der ganze Tag in die Frist einzurechnen: RI. 22. Dez. 79. Rill. 16. Nov 81 (E. I, 40; R. III, 716), OT. 3. Dez. 73 (O. XIV, 769), Dresd. 14. Dez. 74, 19. April 75, 26. Juli 78 (SGZ. XIX, 210. 365; XXIII, 47), Stuttg. 16. April 79 (WGbl. XVI, 43), Münch. 25. Okt.' 82 (BE. II, 253), Schw. s. 246, Otto n. 11, ML. s. 356; vgl. § 67 [n. 9] und die Mot. s. 77; contra: Schütze s. 169 n. 11. Da gegen bleibt der ganze letzte Tag für die Stellung des Antrags frei; ebenso.- cit. Rill. 16 Nov. 81, Münch. 15. Febr. 78 (BE. VIII. 76); contra: Rubo s. 506. 27. Entscheidend ist der Tag, „seit welchem der Berechtigte von der Handlung und von der Person des Thäters Kenntniß gehabt hat". Unter dem „Berechtigten" ist nur der Verletzte selbst sowie derjenige, welcher kraft Ge setzes das Antragsrecht für jenen (§ 65) oder neben demselben (§§ 195. 196. 232) ausübt, zu verstehen, nicht ein bloßer Bevollmächtigter, sollte dessen Vollmacht auch die Stellung von Strafanträgen mit umfassen: RII. 24. März 82 (E. VI, 119); vgl. § 65 n. Iff. 8. In Betreff der Fristberechnung in dem Falle, wo der Antrag durch einen Vertreter des Verletzten zu stellen ist, vgl. § 65 n. 16. 17. — Ist der Verletzte ein Personen-Ganzes (eine Behörde, Korporation, juristische Per son rc.: § 65 n. 5a), so kommt es auf die Kenntniß an, welche der dasselbe ver tretende einheitliche Vorstand erlangt; fehlt es an einem das Ganze nach außen vertretenden Individuum, oder liegt die Vertretung einer kollegialischen Mehrheit ob. so beginnt der Lauf der Antragsfrist erst mit dem Tage, wo die Mißthat zur Kenntniß des Kollegiums rc. als solchen gelangt: OT. 9. Juli 74 (O. XV, 372); es muß daher die Sache in einer Versammlung desselben zur Erörterung gekommen sein: Reber n. 454; vgl. RII. 4. Mai 83 (A. VIII, 7), Bind. HB. I, 642. 28. „Kenntniß" einer Thatsache ist eine mit dem objektiven Sachverhalte übereinstimmende Ueberzeugung; eine bloße Vermuthung oder ein Verdacht genügt nicht; ebenso: Dresd. 6. Nov. 76 (StZ. VII, 17); vgl. Bind. HB. I, 643 (: Kennt niß sei mehr als Verdacht, und weniger als Gewißheit); dagegen ist es gleichgültig, wie jene Ueberzeugung gewonnen, es reicht hin, wenn sie durch Schlußfolgerungen aus anderen bekannten Thatsachen hergeleitet worden ist: Manh. 15. Juni 72 (BA. 38 s. 260). Ob eine solche Ueberzeugung dem Verletzten beigewohnt habe, unter liegt der richterlichen Beurtheilung; dem Verletzten selbst steht in dieser Beziehung kein maßgebendes Ermeffen zu: OT. 15. Dez. 74 (O. XV, 864). / 29. Kenntniß „von der Handlung" besitzt der Berechtigte noch nicht, wenn ihm nur die allgemeine Kenntniß vorgekommener strafbarer Handlungen einer be stimmten Kategorie beiwohnt; die Kenntniß muß sich vielmehr auf die konkrete Handlung beziehen: OT. 14. März 77 -(O. XVIII, 207). Dazu gehört zwar nicht, daß ihm alle Einzelheiten des betreffenden Vorgangs, wohl aber, daß ihm die jenigen Thatumstände, welche die Handlung als ein gerade ihn verletzendes An tragsdelikt qualifiziren — insbesondere also auch die vom Gesetz vorausgesetzte Willensrichtung (Vorsah, Fahrlässigkeit) kund geworden seien; vgl. § 301 n. 11, Rl. 7. Febr. 84 (E. X, 141), OT. 4. März 75 (O. XVI, 193), Herzog. StRZ. XIV, 277, Schw., SGZ. XX, 100. Gehört zu jenem Thatbestände der Eintritt eines (vom Thäter gewollten oder nicht gewollten) Erfolges, so muß auch dieser eingetreten und zur Kenntniß des. Verletzten gelangt sein, damit der Fristenlauf beginne. RI. 23. März 80 (E. II; 62) fordert überdies Kenntniß von der Verfolgbarkeit der Hand lung; vgl. n. 24; § 172 n. 15. Ein Irrthum in der rechtlichen Qualifizirung der That hemmt den Fristenlauf nicht. Bei einer beleidigenden Schrift genügt die Kenntniß ihres wesentlichen Inhalts; diejenige ihres wörtlichen Inhalts ist dazu nicht erforderlich: Manh. 24. Aug. 78 (BA. 44 s. 294). 30. „Von der Person des Thäters" hat der Verletzte nur dann Kenntniß, wenn er sie in einer für Andere erkennbaren Weise individuell zu bezeichnen ver mag; es genügt nicht, wenn er derselben bei der That ansichtig geworden ist, ohne sie zu kennen: OT. 6. Juni 74 (O. XV, 372); contra: Jena 74 (Voll. 23 s. 67; hier hatte der Verletzte anfänglich eine unrichtige Person für den Thäter gehalten und aus Schonung für sie den Antrag nicht gestellt; erst nach drei Monaten er mittelte sich der wahre Thäter; das Erk. verwarf den nunmehr gestellten Antrag als verspätet, weil der Verletzte sofort in der Lage gewesen sei, den Antrag gegen
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eine bestimmte, d. h. erkennbar zu machende Person zu richten); vgl. übrigens Schwarze, SGZ. XX, 99. Ein bloßer Verdacht, selbst, wenn er durch Anhaltspunkte unterstützt ist, steht jedenfalls der „Kenntniß" nicht gleich: Rill. 17. April 80 (R. I, 614); vgl. n. 28. 31. Haben sich an einer That Mehrere (als Mitthäter, Anstifter oder Ge hülfen) betheiligt, deren Person dem Verletzten successive bekannt geworden ist, so beginnt der Lauf der Antragsfrist erst mit der Kenntniß von allen Betheiligten; wer dem Verletzten früher bekannt geworden war, kann sich nicht darauf berufen, daß für ihn allein die Frist verstrichen sein würde; RlH. 17. April 80 (R. I, 614), OT. 18. Febr. 74 ( O. XV, 91), Bind. HB. I, 639; contra jedoch RPl. 2. Jan. 84 (E. IX, 390: läßt die Frist für Alle beginnen mit dem Tage, an welchem der Antragsberechtigte von der Person auch nur eines der Thäter Kenntniß erhält); vgl. § 63 n. 3. Das erleidet eine Ausnahme bei relativen Antragsdelikten (n. 4). 32. Die Frist ist eine präklusivische, nicht zu erstreckende; unverschuldete Versehen oder thatsächliche Hindernisse, welche dem Verletzten die Stellung des Antrags unmöglich machen (z. B. wenn der Verletzte seiner Freiheit beraubt ist), hemmen den Lauf derselben nicht und begründen ebensowenig eine Restitution: v. Bar, GA. XIX, 715, Olsh. n. 32 (: § 44 der StPO, gestatte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur bei Prozeßfristen); contra: Medem, GSaal 29 s. 576. Die zu Gunsten der Militär-Personen für die Zeit eines Krieges vorgeschriebene Einstellung des Civilverfahrens ist auf die Antragsfrist nicht auszudehnen: OT. 7. Marz 73 (GA. XXI, 269); contra: Nestel s. 42. Im früheren Civilverfahren (vgl. EG. z Pr. StGB. Art. XVI) fand eine Abänderung derselben ebensowenig durch Uebereinkunft der Parteien statt: OT. 24. Okt. 55 (GA'. III, 832). — Endlich bleiben alle straf- und civilrechtlichen Grundsätze über die Unterbrechung oder den Still stand der Verjährung hier außer Anwendung (Fristversäumniß ist keine Verjäh rung): OT. 27. Jan. 60 (GA. VIII, 264). 33. Die Verfolgung ist nur dann statthaft, wenn die Jnnehaltung der Antragssrist feststeht; der mangelnde Nachweis des Ablaufs derselben genügt nicht: Münch. 26. Juni 74 (StZ. IV, 104); contra: Münch. 12. Juli 80 (BE. I, 149) und (anscheinend) Rill. 17. April 80 (R. I, 614: erwog, es laste sich aus den Akten nichts Sicheres dafür entnehmen, daß der Thäter als solcher dem Verletzten schon früher mit einiger Sicherheit bekannt gewesen sei). — Inwiefern der Zeitpunkt der erlangten „Kenntniß" durch die eignen Erklärungen des Verletzten festzustellen sei, darüber vgl., I. RII 2. Febr. 85 (E. XII, 34: erachtete dessen unter dem Er bieten der Beeidung gemachte Versicherung gegenüber unsubstantiirten Behaup tungen des Gegentheils im konkreten Falle für ausreichend), OT. 27. Okt. 71 (O. XII, 540) und tnt Uebr. n. 35. 34. Es ist statthaft, beit versäumten Antrag auch nach Einleitung des gericht lichen Verfahrens, ja selbst noch im Hauptverfahren erster oder zweiter Instanz nachzuholen, sofern nicht die Frist inzwischen abgelausen ist; vgl. RII. 20. April 83, RIV. 21. Jan. 87 (E. VIII, 207; R. IX, 83), ÖT. 7. März 72, 4. Mai 75 (D. XIII, 196; XVI, 343), Münch. 21. Sept. 74, 7. April 76 (StZ. IV, 264; BE. VI, 179); v. Bar, GA. XIX, 717, HStR. I, 711, Löwe s. 381; contra: Bind. I, 91. Jedenfalls kann der Nachweis, daß der Antrag wirklich vor Erhebung der Anklage gestellt worden sei, noch'in zweiter Instanz geführt werden: OT. 11. März 57 (JMbl. s. 194). 35. Im Strafverfahren hat der befaßte Jnstanzrichter von Amtswegen die Frage, ob die betr. Mißthat ein Antragsvergehen darstelle, zu prüfen und über die thatsächlichen Grundlagen dieser Frage (— vorbehaltlich des unter n. 8 Gesagten — mit Ausschluß der Geschwornen) zu entscheiden: OT. 9. Nov. 74, 11. Jan. 76 (O. XV, 753; XVII, 19); vgl. oben n. 2. Ebenso hat derselbe von AmtSwegen (und ohne Mitwirkung der Geschworenen: Rl, 12. Juli 80, 16. Mai 81, Rill. 1. Mai 84, E. II, 221; DA. 47 s. 265; R. VI, 331) zu prüfen, ob der erforderliche Antrag wirklich gestellt und ob dies rechtzeitig geschehen sei: OT. 20. Febr. 73, 12. Sept. 78. Dresd. 12. Mai 73 (O. XIV, 151; XIX, 402; SGZ. XVIII, 49). (Inwiefern dies durch die §§ 359. 368 der StPO, für die Berufungs instanz eine Beschränkung erleide, darüber vgl. Löwe s. 635, Olsh. n. 38). Es kann daher von einer darauf bezüglichen Beweislast des Verletzten oder des An geklagten keine Rede sein, z. B. in Betreff der Zeit, um welche der Verletzte von Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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der Handlung und Person des Thäters Kenntniß erhielt, RI. 15. Jan. 85 (E:. IX, 397), OT. 27. Okt. 71, (O. XII, 540), Ellwangen 2. Okt. 73 (WGbl. VII, 282). Klebs u. v. Bar, GA. XIX, 576. 716, Reber n. 485. 491; vgl. oben n. 33; comtra: (mindestens für Privatklagen): Münch. 12. Juli 80 (eit. n. 33): (für das frtühere Civilverfahren: hier nehme die Behauptung des Ablaufs der Frist die rechtliche Natur eines Einwands an): OT. 28. Okt. 53, 6. Nov. 68, 5. Mai 76 (StA. X, 260; GA. VIT, 66; XXIV, 353) und (für Privatklagen im Gebiete der Pr. NSttPO. insbesondere): OT. 17. Juli, 8. Dez. 75 (O. XVI, 521; GA. XXIII, 496). Bei Prüfung jener Fragen sind wegen des wesentlich prozessualischen Charakters der ganzen Vorschrift (n. 2) diejenigen Bestimmungen nicht maßgebend, welche den Be weis der Mißthat selbst betreffen: Rill. 17. April 80, RII. 14. April 82 (R. I, 614; IV, 324), OT. 19. Dez. 77 (O. XVIII, 805). Demgemäß bedarf es rücksichtlich iihrer nicht einer förmlichen Beweiserhebung (in der Hauptverhandlung), z. B. der zeugemeidlichen Abhörung des Staatsanwalts rc., welcher den Antrag zu Protokoll genommen hat (StPO. § 156): eit. Rill. 17. April 80; der Verlesung des betr. Schriftstücks- RI. 16. Juni 81 (E. IV, 264: selbst, wenn die Antragstellung bestritten werde), OA. 4. Okt. 71, OT. 7. Febr. 73 (O. XII, 493; XIV. 127); vgl. Löwe s. 520 (erblickt in der Nichtverlesung mindestens keinen Nichtigkeitsgrund), einer Mittheilung der Schrift an den Angeklagten oder der Anerkennung der Unterschrift durch Letzteren: OT. 6. April 75 (O. XVI, 271). Endlich ist § 266 Abs. 1 der StPO, auf das (formale) Erforderniß eines Antrags und seine Voraussetzungen nicht auszudehnen; es reicht aus, wenn das Vorhandensein eines Antrags sich aus den Akten ergiebt: RHI. 31. Dez. 79, 21. April 80, RII. 2. Nov. 80 (E, I, 43; R. I, 637; II. 430); vgl. Stuttg. 8. Juli 74 (WGbl. VIII, 219); OT. 4. Okt. 76 (O. XVII, 641). Der Mangel jener Feststellung begründet selbst dann keine Nichtigkeit, wenn das Vorhandenseins eines (rechtzeitigen) Antrags förmlich bestritten war: eit. Rill. 31. Dez. 79, OT. 11. Febr. 74 (O. XV, 65). Aus denselben Gründen ist der Revisions richter ev. gleichfalls berufen, selbständig mithin auch in thatsächlicher Hinsicht und unter Berücksichtigung des gesummten Inhalts der Akten, 31t prüfen, ob ein zulänglicher Antrag vorliege, bezw. ob in einer Kundgebung ein solcher zu finden und ob derselbe rechtzeitig gestellt sei, z. B. wann der Verletzte die den Fristenlauf begründende Kenntniß erlangte: eitt. Rill. 17. April 80, RII. 2. Nov. 80, RII. 3. Mai 81. »III. 5. März 81 (E. IV, 145; R. III, 115), OT. 16. Okt. 72, 6. Febr., 13. März 73, 9. April 74, 16. April, 23. Okt. 78. Münch. 16/ Febr. 72, Manh. 14. April 77 (O. XIII, 526; XIV, 114. 202; XV, 218; XIX, 223. 474; BE. II, 33; BA. XLIII, 154), Löwe s. 647; contra (mit Bezug auf die württ. StPO.): Stuttg. 10. Okt/ 77, 6. Febr. 78 (WGbl. XIV, 103. 210). — Die Revision gegen landgerichtliche Urtheile zweiter Instanz kann auf Verletzung der Normen über den Strafantrag, seine Form und Fristen, wegen des prozessualischen Charakters dieser Normen nicht gestützt werden (StPO. § 380); so: K. Schmidt (eit. n. 2) s. 39ff. und die dort mitgetheilte Rechtsprechung der OLG. Berlin, Colmar, Frankfurt, Hamburg , Han nover, Karlsruhe, Marienwerder, München, Posen; contra: die ebendort relatirte der OLG. Braunschweig. Celle, Dresden. Königsberg, (des letzteren auch bezüglich der Form des Antrags), Naumburg, Stuttgart. Rill. 3. Jan 80 (E. I, 44) erblickte in der Aufhebung eines Urtheils wegen "mangelnden Strafantrags eine ev. die An wendung des § 397 der StPO, begründende Aufhebung wegen einet das Strafgesetz betreffenden „Gesehesverletzung" (?); vgl. n 2. 36. Da die das Antragserforderniß betreffenden Fragen in keiner Beziehung zur Schuldfrage stehen (: Ri. 12. Juli 80 eit. n. 35), so werden sie stets mit ein facher Stimmenmehrheit entschieden; vgl. StPO. § 262, Löwe s. 225. — Es ist dem erkennenden Richter, in Schwurgerichtssachen dem Schwurgerichte gestattet, über die Präjudieialfrage, ob der Antrag zeitig gestellt sei, vorweg und besonders zu ver handeln bezw. zu entscheiden: eit. Rl 12. Juli 80. 37. Findet der befaßte Strafrichter, daß es an dem erforderlichen Straf antrage fehlt, so hat er nicht amtliche Schritte zu thun, um die Nachbringung desselben zu veranlassen (vgl. n. 14). Ebensowenig darf er „freisprechen", viel mehr muß er sich darauf beschränken, das Strafverfahren „einzustellen" (§ 64 Abs. 2; StPO. § 259). Auf diese Weise bleibt für den Fall nachträglicher Antragsstellung die Zulässigkeit der erneuerten Verfolgung gesichert: RII. 13. Juli 81 (R. III, 479), ohne daß zu dem Behufe die Einstellung als „nur zur Zeit stattfindend" qualifieirt
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zu werden braucht: RH. 31. Mai 81 (E. IV, 211). Die dem dt. § 259 gemäß erfolgende Einstellung kann nur durch Urtheil, nicht durch bloßen Beschluß ge schehen (der Gesetzesentwurf enthielt die entgegengesetzte Bestimmung): Schw. StPO, s. 419, und sie muß im Tenor ausdrücklich ausgesprochen werden (StPO. § 263), sollte auch wegen realkonkurrirender Offizialvergehen eine Verurteilung ergehen: 9tII. 2. Nov. 80 (R. II, 432). Aehnliches gilt für den Fall der Jdealkonkurrenz, mag wegen des ideell konkurrirenden Offizialvergehens eine Verurteilung oder eine Freisprechung erfolgen; vgl. n. 8. 9; contra (mindestens in Betreff der ersteren Alternative): Rill. 23. Febr. 82 (R. IV, 210). Keinesfalls darf alsdann wegen des Antragsvergehens ein Schuldausspruch stattfinden und es steht, sofern dies dennoch geschieht, dem Angeklagten die Revision zu, wenn auch im Urtheile festge stellt sein sollte, daß jener Ausspruch auf die Strafverhängung (wegen des Offizial vergehens) ohne allen Einfluß geblieben sei: dt. Rill. 25. Febr. 82. Vgl. § 67 n. 9. 38. Zst der Antrag rechtzeitig gestellt und nicht zurückgenommen worden, so ist die Sache so zu behandeln, als ob es eines Antrages zur Verfolgung gar nicht bedurft hätte. Deshalb ist es gleichgültig, ob die Verfolgung (durch den Staats anwalt oder durch den Verletzten selbst) sofort oder erst nach einer längeren oder kürzeren Frist erfolgt; einer Wiederholung des Antrages oder einer Beschwerde gegen einen die Strafverfolgung ablehnenden Bescheid des Staatsanwalts bedarf es in keiner Weise: Manh. 4. Juli 74 (BA. 41 s. 228); vgl. n. 32. Es kann sich dann nur noch darum handeln, ob dle Verjährungsfrist abgelaufen sei; ebenso: RH. 4. März 81 (E. III, 373). 39. Inwiefern der Antragsteller demnächst an dem von Amtswegen eigeleiteten Verfahren Theil nehme, ob ihm z. B. Rechtsmittel zustehen, welchen Einfluß sein Tod auf das schwebende Verfahren ausübe rc., richtet sich nach der Strafprozeßgebung. Nach der früher in Preußen geltenden blieb er dem Verfahren ganz fremd, wenn er nicht als Privatkläger oder (im Gebiete des Rheinischen Rechts) als Civilkläger aufgetreten war. Vgl. jetzt die §§ 435 ff. der StPO. 40. Die Verabsäumung der Antragsfrist schließt eine Civilklage auf Ersatz des durch die Mißthat erlittenen Schadens nicht aus; in Betreff des Verlangens einer Buße vgl. § 62 n. 5. 41. Für den zur Verfolgung von Beleidigungen und Körperverletzun gen erforderlichen Antrag enthalten die §§ 195—198 und 232 zum Theil besondere, von den Bestimmungen der §§ 61—65 abweichende Vorschriften. 42. In Betreff der Sonderbestimmungen von Spezialgesetzen vgl. n. 1. Ob § 12 oder § 19 des RPatent-Ges.'s v. 25. Mai 1877 eine solche Bestimmung enthalte, darüber vgl. Rill. 4. Febr. 82, RII. 24. März 82, 14. Nov. 84 (E. VI, 10. 119; XI, 266), § 65 n. 3. Rücksichtlich der Strafverfolgung wegen Nachdrucks rc. vgl. Gef. v. 11. Juni 1870 §§ 27. 35. 36. 43. 45 und tue Urheber-Gest. v. 9., 10., 11. Jan. 1876. Die auf Antrag der österr. Zollbehörden zu verfolgenden Zuwider handlungen der österreichisch-ungarischen Zollgesetze find keine Antragsdelikte im Sinne der §§ 61 ff., die Worte „auf Antrag" int Zollkartell v. 23. Mai 81 § 17 vielmehr gleichbedeutend mit „auf Ersuchen": 91111. 30. Juni 87 (E. XVI, 235); vgl. Dresd. 3. Juni 73 (SGZ. 22 s. 343); contra: Bind. HB. I. 617. 43. Wenngleich die im § 21 des Preßges.'s v. 7. Mai 1874 vorgesehenen Hand lungen des Redakteurs rc. einer Druckschrift selbständige, mit einer besonderen Strafe bedrohte Vergehen darstellen, haben sie doch immer den Thatbestand einer durch den Inhalt eines PreßerzeugnisseS von einem Andern begangenen Mißthat zur Voraussetzung; gehört daher letztere zu denjenigen „Handlungen", deren Derfolgung durch einen Strafantrag bedingt ist, so gilt ein Gleiches von der Verfolgung der oben genannten Personen auf Grund jenes §21; vgl. § 185 n. 30, Fuchs s. 166, Nessel s. 35. 44. Während das Mil.-StGB. im § 51 die Verfolgung militärischer Ver brechen rc. allgemein für unabhängig von dem Antrage des Verletzten rc. erklärt, trifft § 127 ib. die gleiche Bestimmung bezüglich mehrerer Antragsdelikte des ge meinen Strafrechts, sofern diese im Felde begangen werden. Letztere Bestimmung ist jedoch unwirksam, wenn der Straffall erst nach Entlassung des Thäters aus dem Soldatenstande zur Sprache kommt, und zwar schon deshalb, weil die Ent scheidung der Frage, ob ein Antrag erforderlich fei, sich nach der Zeit richtet, wo die Strafverfolgung angehoben wird (§ 2 n. 18); contra: Hecker, GA. 30. s. 126.
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§ 62. Wenn von mehreren zum Antrage Berechtigten einer die dreimonatliche Frist versäumt, so wird hierdurch das Recht der übrigen nicht ausgeschlossen. [I. Entw.: § 55; II. Entw.: § 60; Pr. StGB.: $ 51.] 194-198. 232. — StPO. § 415.
Vgl. §§ 61. 63-65.
§ 63. Der Antrag kann nicht getheilt werden. Das ge richtliche Verfahren findet gegen sämmtliche an der Handlung 45. Einfluß eines Gesetzeswechsels auf das Erforderniß eines Antrags, vgl. § 2 n. 18.
§62. 1. In Betreff der Person des „zum Antrage Berechtigten" vgl. §61 n. 27, § 65 n. 1 ff. Unter „mehreren Berechtigten" sind selbstredend nur solche zu verstehen, welche gleichzeitig (neben einander) berechtigt sind: Rill. 7. Dez. 81 (E. V, 190); vgl. § 65 n. 16. 2. Sind mehrere Personen zum Antrage berechtigt, so ist die Befugniß eines Jeden von der des Andern abhängig. Für Jeden läuft die Frist des § 61 von der durch ihn erlangten Kenntniß an. 3. Hat von mehreren durch „eine und dieselbe" Handlung Verletzten nur einer den Antrag gestellt, so muß sich die Verfolgung und Bestrafung auf das dem An tragsteller gegenüber begangene Delikt beschränken; vgl. jedoch OT. 10. April 78 (O. XIX, 210). Früherhin war daher, auf den Grund des von anderen Verletzten rechtzeitig gestellten Antrags eine nochmalige Verfolgung und, falls die ursprünglich erkannte Strafe nicht ausreichend erschien, die Verhängung einer Zusahstrafe statt haft: vgl. § 61 n. 9, Herzog, GSaal 26 s. 202; contra: v. Bar, GA. XIX, 648, Dochow, HH. III, 338, Meves s. 178, Rüd. n. 2. Ebenso war wegen derselben Handlung die Anstellung mehrerer Privatklagen zulässig: OT. 7. Okt. 74, 5. Okt. 76 (O. XV, 627; GA. XXIV, 541). Das Gegentheil ist jedoch gegenwärtig Rech tens, indem § 415 der StPO, bestimmt, daß, wenn einer der Berechtigten die Privatklage erhoben habe, den übrigen nur der Beitritt zu dem eingeleiteten Ver fahren zustehe, und daß jede frucht lediglich über eine prozessuale Voraussetzung des Verfahrens getroffene oder auf Gründen aus der Person des Antragsberechtigten beruhende, sondern) in der Sache selbst ergangene Entscheidung ihre Wirkung zu Gunsten des Beschuldigten auch gegenüber solchen Berechtigten äußere, welche'' die Privatklage nicht erhoben haben; da diese Bestimmung ferner auf der An schauung beruht, daß es dem Grundsätze ne bis in idem widerstreite, Jemanden wegen derselben That mehreren gleichzeitigen oder auf einander folgenden Unter suchungen auszusetzen (Mot. s. 224), so folgt, daß auch int Wege des Offizialver fahrens keine neue bzw. mehrtnalige Verfolgung eintritt. Ebenso: RI. 3. März 81, RII. 25. Febr., 22. April 81 (E. III, 388. 362; R. III, 100. 74. 240), Kronecker. GA. 33 s. 14; contra: Voitus s. 430 und Dalke StPO. s. 259 (beziehen den cit. § 415 Abs. 2 nur auf diejenigen Fälle, wo es sich um die Verletzung einer einzigen Person handelt, zur Rüge derselben aber verschiedene Personen berechtigt sind). 4. Ein auf den Antrag eines Verletzten angehobenes Verfahren konnte früher auf die durch dieselbe That einem Andern zugefügte Verletzung ausgedehnt werden, wenn dieser vor dem ersten Urtheil ebenfalls den Antrag stellte; contra: OT. 14. Nov. 66 (O. VII, 623). Dies ist gegenwärtig durch den unter n. 3 cit. § 415 der StPO, gesetzlich und zwar in der Weise geregelt, daß der Beitritt zu dem eingeleiteten Verfahren in der Lage, in welcher sich dasselbe zur Zeit der Bei trittserklärung befindet (mithin zulässiger Weise selbst noch nach dem Erlaffe des ersten Urtheils), erfolgt. 5. Wer die rechtzeitige Stellung des Antrags versäumt hat. kann in dem auf den Antrag anderer Verletzten eingeleiteten Strafverfahren eine „Buße (§§ 188. 231) nicht verlangen", weil der befaßte Richter den Thatbestand in Beziehung auf die ihm zugefügte Verletzung nicht feststellen noch wegen derselben auf Strafe erkennen kann; contra: v. Kirchm. s. 54. Vgl. Schw. StPO. s. 565. 1.
Dfe Vorschrift des § ist auf den Fall einer einheitlichen Handlung
Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ansschließung u. Milderung. — § 63.
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Betheiligte (Thäter oder Theilnehmer), sowie gegen den Be günstiger statt, auch wenn nur gegen eine dieser Personen auf Bestrafung angetragen worden ist. [I. Gtitln.: § 56; II. Entw.: § 61; Pr. StGB.: § 52.] 194-198. 247. 289 Abs. 5. 232.
Dgl. §§ 61. 62. 64. 65.
beschränken, bei welcher sich Mehrere betheiligt haben, bleibt also da ausge lassen, wo mehrere selbständige Handlungen, sei es von denselben, sei es von verschiedenen Personen, verübt sind, sollten diese Handlungen auch ganz gleichartig sein: OT. 17. Febr. 75 (O. XVI, 128). — Im Falle der Ideal-Konkurrenz mehrerer Antragsdelikte genügt der einmalige, in Betreff der Handlung gestellte Antrag, um die Verfolgung aus allen Gesichtspunkten statthaft zu machen; vgl. § 61 n. 17. 2. Da in der Regel nur die Verfolgung der strafbaren „Handlung", nicht die des einzelnen Thäters rc. durch das Erforderniß des Antrags bedingt ist (§ 61 n. 16ff.), so genügt der in Betreff der Handlung gestellte Antrag zur Verfolgung aller bei der That Bet heiligten, und ebenso wird die Zurücknahme des Antrags in Betreff aller wirksam (§ 64), beide sind „untheilbar". Dabei macht es keinen Unterschied, ob Antrag oder Zurücknahme ausdrücklich in Betreff aller betheiligten Personen ausgesprochen, oder ob umgekehrt jener oder diese auf einzelne der Betheiligten beschränkt, bzw. ob einzelne der letzteren davon ausgeschloffen wurden; eine solche Beschränkung hat nicht die Unwirksamkeit der ganzen Erklärung zur Folge: Rill. 1. April 82 (E. VI, 152: Fall, wo geradezu erklärt war, daß die Bestrafung des Mitschuldigen nicht beantragt werde), OHG. 19. Sept. 73 (StZ. III, 86); das Gegentheil gilt, wenn ein Strafantrag unter der ausdrücklichen Be dingung der Nichtbestrafung der Mitbetheiligten gestellt ist; so: Ottos. 120, Nessel s. 49, Ölsh. n. 23; vgl. oben § 61 n. 23 (Eingang), cit. RHI. 1. April 82 (Mot.). 3. Aus der Uniheilbarkeit des Antrags folgt, daß die Berechnung der An tragsfrist nicht für jeden einzelnen Betheiligten selbständig nach dem Tage be rechnet werden darf, seit welchem der Verletzte von seiner Person Kenntniß hatte (tz. 61), daß vielmehr ein in Betreff eines Betheiligten rechtzeitig gestellter Antrag in Betreff aller wirksam werden muß; vgl. § 61 n. 31. 4. Der Grundsatz des § bleibt da außer Anwendung, wo es eines Strafan trags nicht zur Verfolgung der Handlung überhaupt, sondern nur zur Verfolgung des einzelnen Thäters (mit Rücksicht auf das zwischen diesem und dem Ver letzten bestehende persönliche Verhältniß) bedarf (§ 61 n. 4); der Mangel eines An trags schließt dann die Verfolgung der übrigen, nicht in jenem Verhältniß stehenden Betheiligten nicht aus; das in dieser Hinsicht in den §§ 247. 289 ausdrücklich Aus gesprochene gilt nicht blos für die dort erwähnten Fälle, sondern allgemein (z. B. auch im Falle des § 263): Dresd. 24. März 73. OT. 7 Mai 78, 9. Jan. 79 (StZ. III, 53; O. XIX, 244; XX, 25). Ebenso kann ein nur gegen letztere gerichteter Antrag die Verfolgung jenes nicht rechtfertigen: OT. 21. Jan. 52 (ZMbl. s. 111); vgl. §. 61 n. 18. — Stehen mehrere Betheiligle in solchem Verhältnisse, so bedarf es in Be treff eines jeden eines auf ihn bezüglichen Antrags: Reber n.432; contra: Rubo s. 509; auch ist es hier dem Verletzten unbenommen, seinen Antrag auf Einen zu beschränken und den Andern davon auszuschließen, oder auch die Zurücknahme des in Betreff aller gestellten Antrags zu theilen; contra: OT. 17. Dez. 73 (O. XIV, 803), ML. s. 368, Fuchs, GSaal 26 s. 251, Bind.HB. 1,639; vgl. § 64 n. 1. 5. Der § fordert keineswegs, daß das „gerichtliche Verfahren" gegen sämmtliche Beiheiligten ein einheitliches sei (etwa gar mit der Wirkung, daß die Verurtheilung oder Freisprechung eines Betheiligten die demnächstige Verfolgung der übrigen ausschlösse), ja nicht einmal, daß die (gleichzeitige oder successive) Ver folgung sämmtlicher Mitschuldigen, überhaupt stattfinde, er bezieht sich vielmehr, gleich den §§ 61. 62. 64. 65, nur auf die Statthaftigkeit der Verfolgung (in Betreff der Nothwendigkeit derselben disponirt die StPO.); vgl. tz. 172 n. 6, OT. 17. Jan. 73, Dresd. 22. Febr. 75 (GA. 21 s. 186; StZ. X, 265); contra: Dresd. 27. März 74, Freib. 23. Jay. 73 (StZ. IV, 106; BA. 39. s. 77). Es kann daher, unbeschadet der Vorschrift des §, sehr wohl geschehen, daß einer von mehreren Be theiligten (im Wege der öffentlichen oder der Privatklage) allein verfolgt werde, und es darf z. B. im Falle der Anstellung einer solchen Privatklage das Verfahren
K
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Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 64.
§ 64. Die Zurücknahme des Antrages ist nur in den gesetzlich besonders vorgesehenen Fällen und nur bis zur Ver kündung eines auf Strafe lautenden Urtheils zulässig. nicht etwa gleichwohl wider alle eröffnet (contra: Kiehl, GA. 34 s. 61) oder so lange beanstandet werden, als jene Klage nicht auch wider die übrigen gerichtet worden ist (contra: OT. 6. Okt. 75, D. XVI, 635), vielmehr hat die Untheilbarkeit des (in der Privatklage liegenden) Strafantrags nur die Folge, daß dem Antrags-Erforderniffe in Betreff aller Betheiligten genügt, und daß von nun an auch die Verfolgung der Uebrigen (im Wege der öffentlichen oder der Privatklage) unbeschränkt statthaft ist. Eben deshalb rechtfertigt selbst ein förmlicher Verzicht auf das Recht, gegen einen der Betheiligten die Privatklage anzustellen, nicht die Abweisung der wider einen anderen erhobenen Klage: Münch. 13. Jan. 81 (BE. 1,274).
§64. Inhalt: Andere Gesetze: 2. Auf Strafe lautende- Erk.: 9ff. Ausland: 8. Bedingte Zurücknahme: 17. Bevollmächtigter: 14. Einstellung: 22. 23. Erben de- Verletzten: 7. Erneuerung de- Antrag-: 26. Form: 14.
Kosten» 25. Minderjähriger: 6. Motiv: 19. Privatklage: 3. 7. 20. 26. Prozeßfraae: 21. Rechtskraft: 13. 10. Regel, Ausnahme: Iff. Strafmandat: 10.
Theilnehmer: 11. Untbeilbarkeit: 11. 18—20. 26. Verkündung: 12. Vertreter: 5. 26. Verzicht: 16. Widerruf: 26. Widerspruch d. Deschuld.: 24. Zurücknahme, wo? 15.
1. Abs. 1 dieses § bestimmte in seiner ursprünglichen Gestalt, daß nach Ver kündung eines auf Strafe lautenden Erkenntniffes der Antrag nicht zurückgenommen werden könne; er ließ durch diese negative Fassung erkennen, daß die Statthaftig keit der Zurücknahme als selbstverständlich und in dem Antragsrecht mit enthalten erachtet werde. Die Novelle stellte die gegenwärtige Fassung her und machte da durch die Unstatthaftigkeit der Zurücknahme des Antrags zur Regel, die Statt haftigkeit derselben zur Ausnahme. — In Betreff älterer Fälle vgl. Art. IIIib. 2. Diese Regel (n. 1) gilt auch für solche Straffülle, welche in anderen (älteren oder neueren Reichs- oder Landes-) Gesehen vorgesehen sind, wie z. B. im Markenschutz-Ges. v. 30. Nov. 1874, es sei denn, daß diese anderen Gesetze be sondere Verfügungen treffen, wie z. B. das Nachdrucks-Ges. (§ 27): Mot. s. 30, RI 21. Dez. 82 (A. VII, 1). 2a. Die Anwendung der Regel (n. 1) setzt voraus, daß der Antrag bei der zuständigen Behörde, bezw. so gestellt war, daß dadurch die Frist des tz 61 gewährt wurde (§ 61 n. 19). Der bei einer unzuständigen Behörde gestellte Antrag kann daher, solange er nicht durch Vermittlung der letzteren in die Hände der Staats anwaltschaft oder eines Organes derselben gelangt ist. stets zurückgenommen werden. Dagegen kommt die Regel nach jenem Zeitpunkt sofort zur Geltung, sollte auch eine Untersuchung in Folge des Antrags noch nicht eingeleitet sein. 3. Der § hat an dem Rechte, eine wegen eines Antragsvergehens angehobene Privatklage zurückzuziehen, Nichts geändert, es sei denn, daß nach besonderen landesgesehlichen Bestimmungen der Weg der Privatklage der einzige Weg wäre, um zur Erzielung einer Strafe zu gelangen. Von letzteren Fällen abgesehen, hat die betr. Bestimmung des § hinsichtlich der Privatklage nur die praktische Folge, daß trotz der Zurückziehung der Klage die Staatsanwaltschaft noch einschreiten und die weitere Verfolgung (im gewöhnlichen Strafverfahren) betreiben kann, sofern das unter n. 20 Gesagte nicht entgegensteht; ebenso: Rll. 20. April 83 (E. VIII, 207). Demgemäß steht § 431 der StPO, welcher die Zurücknahme der Privatklage bis znr Verkündigung des Urtheils erster Instanz und, wenn zulässige Berufung ein gelegt ist, bis zur Verkündigung des Urtheils zweiter Instanz gestattet, keineswegs, wie Schw. StPO. s. 572 annimmt, mit § 64 h. 1. in Widerspruch; ebenso: Rill. 14. April 80 (R. 1,601). — Andererseits ist § 64 nicht etwa, in Betreff der Belei digungen und Körperverletzungen, durch § 416 der StPO, modifizirt worden, viel mehr steht auch einer dieserhalb nach Maßgabe des letzteren §, mithin im öffent lichen Interesse erhobenen Klage der Staatsanwaltschaft gegenüber, das Recht, den Antrag zurückzunehmen, dem Antragsberechtigten nach wie vor zu: Rill. 14. April 80. 4. Wo die Zurücknahme des Antrags ausnahmsweise zulässig ist (vgl. §§ 102
Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschließung u. Milderung. — § 64.
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Die rechtzeitige Zurücknahme des Antrages gegen eine der vorbezeichneten Personen hat die Einstellung des Verfahrens auch gegen die anderen zur Folge. [I. Entw.: § 57; II. Entw.: § 62. — Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I. III. — Pr. StGB.: §53.] Vgl. §. 61—63. 65. 176. 177. 194-198. 232; Nachdr.Ges. v. 11. Juni 1870 § 27 und die zu § 61 citt. RGess. v. Jan. 1876; StPO. §§ 267. 315. 431-433. 450. 502. 503. bis 104. 194. 232. 247. 263. 292. 303. 370), kaun, wenn Mehrere zur Stellung des Antrags berechtigt sind, Jeder nur den von ihm selbst gestellten Antrag zurücknehmen. Dgl. § 196 n. 22. 5. Zn solchen Fällen ist auch der als Vertreter eines Andern zur Stellung des Antrags Berechtigte befugt, seinen Antrag demnächst zurückzunehmen, vgl. § 65 n. 14. — Wird der aus eigener Person Berechtigte nach Stellung des Antrags handlungsunfähig (§. 65 n. 11 ff.), so geht das Zurücknahmerecht auf seinen Vertreter über; Gleiches tritt bei einem Wechsel in der Person des Vertreters ein. 6. Der achtzehnjährige Minderjährige, welcher selbständig einen Straf antrag zu stellen befugt ist (§ 65), kann denselben auch selbständig zurücknehmen: OA. 23. Febr. 70 (O. XI, 109); vgl. § 65 n 17 ff. 7. Den Erben des Verletzten, aus welche das diesem zustehende Antragsrecht nicht übergeht (vgl. § 65 n. 7), steht es ebensowenig zu, den von jenem gestellten Antrag zurückzunehmen: v. Bar, GA. XIX, 714, Fuchs s. 62, Nessel s. 57, Meves s. 103; contra: Schw. s. 253, Otto n.7, Rubo s. 510. Der das Gegentheil bestim mende Art. 106 Abs. 7 des sächs. revid. StGB.'s ist eben in Folge der §§ 61—65 h. 1. außer Kraft getreten: Dresd. 13. Aug. 75, 11. Febr. 76 (StZ. V, 263; SGZ. XXI, 49). Anders verhält es sich mit der Privatklage; das dem Kläger in dieser Beziehung zustehende Zurücknahmerecht könnte an und für sich auch den Erben nicht versagt werden. Nach § 433 der StPO, hat aber der Tod des Privatklägers die Einstellung des Verfahrens sogar von Rechtswegen (mithin auch gegen den Willen der Erben) zur Folge, und ist es in dem dort ausgenommenen Falle den Angehöri gen überlassen, ob sie die Fortsehung der Klage bet Gericht erklären wollen. 8. Die Statthaftigkeit der Zurücknahme eines Antrages ist, selbst wenn die That im Auslande verübt war, nur nach den inländischen Gesetzen zu beur theilen: OT. 18. Juni 68 (O. IX, 387). 9. Nur die Verkündung eines „auf Strafe lautenden Erkenntnisses" schließt die demnächstige Zurücknahme aus, also nicht eine Freisprechung und eben sowenig die Verlesung des auf „schuldig" lautenden Geschwornenspruchs: Dresd. 23. Juni 71 (SGZ. XVI, 84). Erstere hat dagegen diese Wirkung selbst dann, wenn der Bestrafung nicht der (dem Richter zur Zeit unbekannte) Antrag des Berechtig ten, sondern derjenige eines irrig für berechtigt gehaltenen Dritten zu Grunde lag: OT. 6. Dez. 76 (O. XVII, 796), oder wenn das Erkenntniß die That nicht als Antrags-, sondern als Officialdelikt auffaßte: RI. 4. Dez. 82 (E. VIII, 175). Daß das Strafurtheil rechtskräftig sei, bzw. werde, ist nicht erforderlich; namentlich läßt die später (in höherer Instanz) erfolgende Vernichtung desselben das Zurücknah merecht nicht wieder aufleben, sollte es auch zu einer neuen Verhandlung und Ent scheidung in erster Instanz kommen: RII. 12. Nov. 80 (E. II, 420), eit. RI. 4. Dez. 82, OT. 17. Dez. 73, 2. Juni 75 (O. XIV, 802; XVI, 410), Münch. 21. März 74 (StZ. III, 278: Fall, wo das Urtheil wegen Unzuständigkeit des Gerichts vernichtet ward), Manh. 16. April 74, Stuttg. 23. Febr. 76 (BÄ. 41 s. 167; WGbl. XII, 132), Schw., SGZ. XVIII, 289, Meves s. 106; contra: Otto n. 1. 10. Ein (von einer richterlichen oder von einer Verwaltungs-Behörde ausge gangenes) Strafmandat (Verfügung rc.) steht einem Straf - Erkenntnisse gleich, wenn es durch Ablauf der Einspruchsfrist rechtskräftig (vollstreckbar) geworden ist; so: Münch. 14. Nov. 74 (StZ. IV, 266). Vgl. StPO. §450. 11. Durch die Verkündung des, Einen der Theilnehmer verurtheilenden, Erkenntnisses wird die Zurücknahme des Antrags in Betreff Aller, auch der erst später Ermittelten ausgeschlossen: Dresd. 23. Juni 71 (SGZ. XVI, 84), OT. 20. Jan., 3. März, 1. Juni 75 (O. XVI, 54. 187, 406); contra: Münch. 14. Nov. 74 (eit. n. 10).
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Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 64.
12. 13. „Verkündung" eines Erkenntnisses ist derjenige Akt, durch welchen das Gericht seine Entscheidung (hier also die Strafverhängung) als eine endgültige, nicht mehr zurückzuziehende, abgiebt. Im mündlichen Verfahren erfolgt diese „Ver kündung" regelmäßig durch einen in der Sihung bewirkten Ausspruch: Dresd. 13. März 74 (StZ. IV, 108); wo dies nicht geschieht, wird die (im Gesetze vorge schriebene) Publikation an den Angeklagten als „Verkündung" anzusehen sein; vgl. Dresd. 13. Okt, 74 (SGZ. XVIII, 247); jedenfalls genügt hier die bloße Abfassung (und selbst die allseitige Unterschrift) des Urtheils nicht. Vgl. StPO. §§ 267. 315. — Der Akt der Verkündung muß beendigt sein: Rubo n. 7, OlSh. n.4; contra: Dochow, HH. IV, 282, Bind. HB. I, 649. 14. Die Zurücknahme des Antrags ist ebensowenig, wie früher die Stellung desselben, an eine bestimmte Form gebunden (Schw. s. 251 will sogar concludente Handlungen zulassen; contra: Fuchs, StRZ. XI, 503, Meves s. 104): die StPO, hat hieran nichts geändert; ebenso: Rll. 26 Jan. 83 (E. VIII, 79); vgl. § 61 n. 15 und in Betreff der Statthaftigkeit einer Vertretung des Berechtigten durch einen Bevollmächtigten §65 n. 8. 9. Im Geltungsbereiche des gemeinen Rechts ist jedoch Spezialvollmacht nöthig: OT. 9. Sept. 75 (O. XVI, 569). Der zur Stel lung eines Antrags Bevollmächtigte hat deshalb nicht die Befugniß, beii gestellten Antrag wieder zurückzunehmen; vgl. OT. 9. Sept. 75 (O. XVI, 569). -r- Inhalt lich muß die Erklärung erkennen lassen, daß der Berechtigte die Verfolgung nicht mehr wolle; daher genügt es nicht, wenn er ausspricht: „ihm liege nichts an der Verfolgung": OT. 26. Juni 73 (O. XIV, 471). 15. Die Zurücknahme muß da, wo der Antrag gestellt wurde, bezw. da, wo in Folge desselben das Verfahren anhängig ist, erfolgen: Stuttg. 3. Mai 76 (WGbl. XI, 395). Demgemäß genügt die bei einem Organe der Staatsanwaltschaft ge machte Erklärung, so lange die Sache noch in deren Händen beruht: OHG. 19. Sept. 73 (StZ. III, 86), während selbst eine unmittelbar bei der Staatsanwaltschaft be wirkte Zurücknahme unwirksam ist, wenn das Gericht bereits mit der Sache befaßt ist, und von jener nicht rechtzeitig d. h. vor Verkündung des Strafuriheils Kennt niß erlangt: OT. 8. Mai 74, 9. Febr. 77 (O. XV, 296; XVIII, 123); contra: Rubo s. 512. 16. Nur die wirklich in Gemäßheit der n. 9 erklärte Zurücknahme des Antrags, nicht ein in dieser Beziehung zwischen dem Verletzten und betn Angeschuldigten zu Stande gekommenes Abkommen (Vertrag, Vergleich, Versöhnung, Verzicht) ist zu berücksichtigen; vgl. § 61 n. 11. Ebensowenig darf die erklärte Zurücknahmt als ein Verzicht auf das Antragsrecht angesehen werden. 17. Ueber die Unstatthastigkeit einer bedingten (beschränkten rc.) Zurück nahme vgl. § 61 n. 23. 18. Nach Abs. 2 erstreckt sich die Untheilbarkeit des Antrags (§63) auch auf die Zurücknahme desselben; es findet daher das zu § 63 Bemerkte hier ana loge Anwendung. Demgemäß kommt dem auf Grund des RPreßges.'s § 20 ver folgten Redakteur die Zurücknahme deS gegen den Verfasser gerichteten Antrags zu Gute: RI. 15. Nov. 83 (E. IX, 186); vgl. §47 n. 18a. 19. Auf das Motiv der Zurücknahme kommt nichts an; vgl. § 61 n. 13. Doch wird vorausgesetzt, daß der Verletzte den Antrag auf Verfolgung der Mißthat überhaupt oder wenigstens in Beziehung auf eine der bei derselben wirklich betheiligten Personen zurücknehme. Nimmt der Verletzte einen gegen eine bestimmte Person gerichteten Antrag deshalb zurück, weil er sich inzwischen von ihrer Unschuld überzeugt habe, so bleibt die Verfolgung des wahren Thäters rc. statthaft, insofern der Richter auch seinerseits den Andern für schuldlos hält; im entgegengesetzten Falle wird die Zurücknahme int vollen Maße auch in Betreff anderer Betheiligten wirk sam; ebenso: OT. 12. Dez. 76 (O. XVII, 817), Hüppner i. GSaal 38 s. 385; contra: Dresd. 29. Juni 85 (ib. f. 390). 20. Im Falle einer Privatklage kann die Zurücknahme des Antrags nur gleichzeitig mit der Zurücknahme der jenen einschließenden Klage erfolgen; die Zu rücknahme der Privatklage sowie die eines vom Privatkläger gegen ein freisprechen des Erkenntniß ergriffenen Rechtsmittels schließt die Zurücknahme des Strafantrags in sich; so: OT. 3. Jan. 73 (Entsch. dess. 71 f. 972), Münch. 22. März 73 (StRZ. XIII. 336), OT. 6. Okt. 75 (O. XVI, 635: sprach gleichzeitig, im Widerspruch mit Meves s. 108, aus, daß die in Betreff eines der Beklagten zurückgezogene Privatllage ge-
Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschlleßung u. Milderung. - § 65.
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§ 65* Der Verletzte, welcher das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat, ist selbstständig zu dem Antrage auf Bestrafung berechtigt. mäß § 64 allen gegenüber als zurückgezogen gelte). Dies erleidet nach Münch. 29. Dez. 77 (BE. VII, 547) eine Ausnahme, wenn die Zurücknahme der Klage vor jeder Verfügung über letztere und unter der Erklärung erfolgt, daß man die Sache im Offizialverfahren verhandelt haben wolle. Jedenfalls ist keine Zurücknahme des Strafantrags enthalten in einem an den Schiedsmann gerichteten Antrage, den Sühnetermin aufzuheben, weil die Sache inzwischen bei der Staatsanwaltschaft an hängig gemacht sei: OT. 13. Juli 75 (GA. 23 s. 497). — In Betreff der Form, in welcher Privatklagen zurückgenommen werden, vgl. StPO. §. 431. 21. Die Wirkung der Zurücknahme ist eine Prozeßfrage, über welche der erkennende Richter vorab allein zu entscheiden hat, ohne zuvor die thatsächlichen Grundlagen solcher Entscheidung durch einen Spruch der Geschworenen feststellen zu lassen: OT. 11. Jan. 76 (O. XVII, 18); vgl. § 61 n. 2. 35. - 22. Erfolgt rechtzeitig die Zurücknahme des Antrags, so ist „das Verfahren einzustellen" (ohne Rücksicht darauf, ob der Antragsteller dadurch auf die Straf verfolgung Verzicht zu leisten beabsichtigte: OGH. 19. Sept. 73, StZ. III, 86) und zwar, wenn bereits die Hauptverhandlung im Gange ist, stets durch Erkenntniß; vgl. § 61 n. 37. — Eine solche „Einstellung des Verfahrens" schließt eine demnächstiae Verfolgung derselben That vom Gesichtspunkte eines Offizialdelikts nicht aus: OT. 10. Nov. 75 (O. XVI, 717). 23. Die Einstellung des Verfahrens ist selbstredend nur insoweit auszusprechen, als es des Antrags zur Strafverfolgung bedurfte, so daß eine andere realiter konkurrirende selbständige Handlung oder ein ohne Alltrag zu verfolgender Ange schuldigter (§ 247 rc.) davon nicht berührt wird: RI. 19. Dez. 81 (E. V, 274), OT. 13. März 74 (O. XV, 151). 24. Der Angeschuldigte hat nicht das Recht, der Zurücknahme des Antrags zu widersprechen und eine Entscheidung über die erhobene Anklage zu verlangen. 25. Die durch das angehobene Verfahren verursachten Kosten fallen dem seinen Antrag zurücknehmenden Verletzten zur Last: StPO. § 502; vgl. Gerichts kosten-Ges. v. 18. Juni 1878 §69; selbst die dem Beschuldigten erwachsenen; so: Schw. StPO. §617, Löwe s. 772; contra: Voitus s. 484, Dorend. StPO. s. 318. — In Betreff der durch eine zurückgenommene Privatklage erwachsenen Kosten vgl. StPO. § 503 Abs. 2. — Es ist statthaft, durch Vereinbarung den Kostenpunkt zu regeln; insbesondere kann der Verfolgte die Kosten übernehmen; contra: Klebs, GA. XIX, 577, Meves, StRZ. XII. 118. — Gegen das Urtheil der Strafkammer, welches, dem cit. § 502 der StPO, zuwider, die Kosten der Staatskaffe auferlegt, steht der Staatsanwaltschaft die Revision (nicht die Beschwerde) zu: RH. 14. April 82 (R. IV, 322). 26. Die rechtsgültig erfolgte Zurücknahme des Antrags kann nicht widerrufen werden; ebenso: Stuttg. 23. Mai 77 (WGbl. XIII, 242); selbst, wenn sie vor Ein leitung jeder gerichtlichen Untersuchung stattfand; vgl OHG. 19. Sept. 73 (cit. n. 15). Demgemäß kann ein zurückgenommener Antrag auch nicht mehr (innerhalb der Frist) erneuert (noch ein neuer Antrag gegen andere bisher noch nicht zur Untersuchung gezogene Betheiligte (n. 18) gestellt) werden (darin würde ein Wider ruf der Zurücknahme liegen): ÖT. 14. April, 14. Juli 71 (O. XII, 202. 413: aus dem nicht durchgreifenden Grunde: weil das Gesetz nur von einem Antrage spreche), OT. 3. Okt. 73 (ib. XIV, 548), Schw. s. 252, Rüd. n. 7, Schütze s. 171, id., GA. XX, 304, Puch. n. 4, Meves s. 107; contra: Antr. d. GStA.'s (O. XIII, 57), Neffe! s. 71, Rubo s. 513; vgl. OT. 21. Nov. 72 (O. XIII, 619: entschied, daß der Vertreter eines handlungsunfähigen Verletzten, welcher einen vor seiner gesetz lichen Bestellung von ihm gestellten Antrag nach der erfolgten Bestellung zurück genommen hatte, denselben wiederholen könne). Eine zurückgenommene Privatklage kami gleichfalls nicht erneuert werden: StPO. § 432.
§65. Ablösender: 9a. Administrator: 9a.
Inhalt»
Beamter: 8. 9a. 20. Befugniß, indivld,: 7.
Behörde r 5a. 9a. 20, Besitz; 3.
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Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 65.
So lange der Verletzte minderjährig ist, hat der gesetzliche Vertreter desselben, unabhängig von der eigenen Befugniß des Verletzten, das Recht, den Antrag zu stellen. Bevollmächtigter: 8. 9. 15. Buhe: 7. 19. Curator: 9a. Eurator ad hoc: 14. 15. Ehefrau: 2. 8. 11. 14. 20. Evemann: 2. 8. 11. 14. 20. Erbe: 7. Ersatzpflichtiger: 3. Frist: 16. Geisteskranke r 12. 13a. Geschäftsführer: 8 ff. Guts-Inspektor: 9a. Handln,,gS-Unfähiger: 11 ff.
Kind uns. väterlicher Gewalt: 20. Minderjähriger: 17. 18. 19. • Privatklage: 19. Mutter: 1. 13. Oberförster: 9a. Ober-Bormundschaft: 14. Pächter: 3. Personen-GanzeS: 5a. Person, jurift: 5a. Privatklage: 19. 20. Recht, verletzte-: 3. Recht, Untergang: 6. Staats-Oberhaupt: 10.
Taubstummer: 12. Bater: 13. 20. Verletzter: I ff. 15. • Behinderung: 15. • Mehrheit: 5. Ve,mögenS-Recht: 3. Verschwender: 9a. 11. Versuch: 4. Vertreter: 13 ff. • Zunuknahme: 18. Verwalter: 9a. Vormund: 13. 14. Wechsel d. Vertretung: 10. 16.
1. Zur Stellung des Antrags berechtigt ist, von besonderen Vorschriften ab gesehen (vgl. §§ 4 Nr. 3. 102. 103. 170. 182. 189. 195 196. 288), der „Verletzte", „Beleidigte": §§ 104. 195, „Betheiligte": § 196, d. h. Derjenige, in dessen Recht durch die Mißthat unmittelbar (vgl. cit. § 196) eingegriffen worden ist: OHG. 7. Febr. 73 (StZ. II, 219), Rüd. n. 1, Schw. s. 240, Schütze s. 170; vgl. § 61 n. 27. Demgemäß können Nachtheile, 'welche nicht durch die Mißthat an sich, sondern erst in weiterer Folge sich ergeben, z B. die der Mutter eines mißhandelten Kindes obsallende Wartung und Pflege desselben, die Eigenschaft eines „Verletzten" nicht begründen; so: Rll. 16. Apr. 80 (E. I, 370). 2. Angriffe auf die Geschlechts ehre einer Ehefrau verletzen gleichzeitig das Recht des Ehemanns, somit steht ihm auch das Antragsrecht zu: Münch. 21. März 72 (BE. II, 90); contra: OT. 24. Zan. 72 (O. XIII, 70). Verbrechen im Sinne des §§ 176.177 find zwar jetzt nicht mehr Antragsverbrechen; vgl. aber § 179. 3. Bei strafbaren Eingriffen in ein fremdes Vermögensrecht ist zunächst der Berechtigte (Eigenthümer rc.) .„verletzt", selbst wenn er die Ausübung seines Rechts durch Vertrag (z. B. Verpachtung) zeitweise auf einen Andern übertragen hat, oder wenn ihm ein voller Ersatzanspruch gegen einen Dritten zusteht; Münch. 1. @*pt. 73 (BE. III, 334). OT. 21. April 74 (O. XV, 244); nicht minder aber auch derjenige, dessen rechtlich geschützter Besitzstand oder dessen Benutzungsrecht beeinträchtigt ist, sollte das letztere auch lediglich auf einem persönlichen (obliga torischen) Rechtsverhältnisse beruhen; ebenso: Rill. 22. Zuni 81, 11. Nov. 86, Rll. 1. Jul. 81 (E. IV, 326. 346 ; R. VIII, 703). Dasselbe gilt von Demjenigen, welchem durch die That eine Ersatz- oder Erstattungspflicht oder die Verbindlichkeit zur Last fällt, anderweitig für die Bedürfnisse des zunächst Verletzten zu sorgen: OT. (Pl.) 14. Sept. 54, OT. 19. Nov. 56 (JMbl. s. 410; GA. V, 101), OT. 14. Dez. 71 (O. XII, 655), Dresd. 20. Juni 73 (StZ. III, 118), HS. II, 451. Contra: Münch. 27. Nov. 74, Dresd. 24. April 74 (StZ. IV, 375. 376: versagen das Recht dem Inhaber oder ersatzpflichtigen Aufbewahrer), Otto n. 8, v. Bar, GA. XIX, 648, Ruhstrat, GSaal 24 s. 144, Merkel, HH. III, 712 (sie betrachten nur den dinglich Berechtigten als verletzy, Rill, 22. Juni 81, Dresd. 12. April 73. Stuttg. 17. Sept. 73, Münch. 27. Nov. 74 (E. IV, 326; SGZ. XVII, 20; WGbl. VII, 269; StZ. III, 250; BE. IV, 544: lassen eine vertragsmäßige Ersatz pflicht, z. B. der Postanstalt, nicht genügen). OHG. 7. Febr. 73 (StZ. II, 219: erheischt eine unmittelbare Vermögensbeschädigung); ähnlich Rüd. n. 1, Nessel s. 24, Reber n. 321 ff. 371 (antragsberechtigt sei, wer die Dispositionsbefugniß über das verletzte Recht habe); ferner Rubo s. 514 (hält Denjenigen für den Verletzten, gegen den die Mißthat begangen sei und der in dieser Hinsicht ein Thatbestandesmerkmal derselben bilde, beim Diebstahl daher nicht den Eigenthümer als solchen, sondern Denjenigen, welchem die Sache weggenommen worden). Bei Patentverlehungen ist der Patentinhaber, für den Fall aber, daß derselbe die ausschließliche Ausübung des Patentrechts auf einen Anderen übertragen hatte, (trotz § 19 des Ges.'s vom 25. Mai 1877) dieser Andere antragsberechtigt, und zwar ausschließlich, wenn der Patentinhaber bei Eingriffen in jenes Recht kein eigenes vermögensrechtliches Inter esse mehr hat; so: Rll. 14. Nov. 84 (E. XI, 266). Ueber die Person des Verletzten
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Bei bevormundeten Geisteskranken und Taubstummen ist der Vormund der zur Stellung des Antrages Berechtigte. [I. ent».: § 58; II. Entw.: § 63; Pr. StGB.: § 54.] Dgl. §§ 61-64. 195-197. 233; Nachd.-Ges. v. 11. Juni 1870 §§ 3.18. 28 und die zu § 61 eit. Ges. v. 9. 10. u. 11. Jan. 1876. bezw. Antragsberechtigten bei Vergehen gegen das Markenschuh-Ges. v. 30. Nov. 1874 vgl. RI. 2. Juli 85, Rill. 6. Dez. 86 (E. XII, 327; XV, 293). Dgl. im Uebrigen § 123 n. 21, § 247 n. 10, § 292 n. 29, § 300 n. 8, § 303 n. 16. 4. Bei einem strafbaren Versuche ist antragsberechtigt, wer durch die Miß that, wenn sie vollendet worden wäre, verletzt sein würde. 5. Sind durch die That.mehrere Personen in ihren Rechten verletzt, so hat Jeder ein selbständiges Antragsrecht (§ 62). Das gilt auch da, wo das beein trächtigte Recht Mehreren in ungetheilter Gemeinschaft zustand; und zwar ohne Unterschied, ob diese Gemeinschaft durch ein gültiges Rechtsgeschäft begründet oder ohne ein solches nur thatsächlich vorhanden war; contra (wie es scheint): OT. 17. Dez. 73 (O. XIV, 801). — Ist in ein zur ehelichen Gütergemeinschaft gehörendes Recht eingegriffen worden, so hat auch die Ehefrau ein selbständiges Antragsrecht, selbst wenn die Verfügungsgewalt dem Mann ausschließlich zusteht. — Hat Einer von mehreren an der Sache Berechtigten den Antrag gestellt, so wird der Richter nicht mit der ganzen Sache, sondem blos mit der dem Antragsteller zugefügten Rechtsverletzung befaßt; vgl. in Betreff des Näheren § 62 n. 3. 6. Ist ein Personen-Ganzes z. B. eine Behörde, Korporation oder sonstige juristische Person verletzt, so kann der Strafantrag nur von diesem Ganzen aus gehen; der Vorsitzende als solcher ist dazu nicht befugt: Münch. 3. Okt. 73 (StZ. III, 106); vgl.: Rill. 8. Febr. 82 (R. IV, 135); ebensowenig steht den einzelnen Mitgliedern ein Antragsrecht zu, insofern sie nicht individuell mit verletzt sind: Rl. 16. Juni 81 (E. IV, 264), Reber n. 326; contra: OA. 10. Jan. 72, OT. 18. April 74 (O. XIII, 21; XV, 866): vgl. unten n. 9a; § 194 n. 4. - Ist eine Handlungsgesellschaft die Verletzte, so steht ihr auch als solcher das Antragsrecht zu und kann der Antrag unter der Gesellschaftsstrma gestellt werden: Rill. 6. Dez. 86 (E. XV, 293); vgl. § 288 n. 11. 6a. Die durch die Mißthat begründete Befugniß zur Stellung des Strafan trags erlischt nicht durch den demnächstigen Verlust oder Untergang desjenigen Rechts, in welches eingegriffen war; contra: Reber n. 340. 344. 7. Das Antragsrecht ist kein Vermögensrecht, sondern eine individuelle in das Gebiet des öffentlichen Rechts einschlagende Befugniß, welche eben deshalb nicht auf einen Andern übertragen werden kann und nicht auf die Erben übergeht: Reber n. 388 ff., Fuchs s. 55 (will aber diejenigen Delikte ausnehmen, bei welchen eine Buße verlangt werden kann); vgl. § 64 n. 7. Aus demselben Grunde muß der Antrag, um wirksam zu sein, noch bei Lebzeiten des Antragsberechtigten an die zuständige Behörde gelangen; § 192, I, 13. des ALR.'s findet hier keine Anwen dung: Rlll. 9. Juni 84 (E. XI, 53), OT. 12. Dez. 77 (O. XVIII, 779). — Eine Ausnahme machen, für den Nachdruck rc. das BGes. v. 11. Juni 1870 §§ 3. 18. 28 und die Urheber-Gesetze v. Jan. 1876; contra: Dochow, HH. IV, 271. 8. Dagegen kann jene Befugniß durch einen Bevollmächtigen ausgeübt werden, und zwar nicht nur in der Weise, daß der Bevollmächtigte den aus der eigenen Entschließung des Auftraggebers hervorgegangenen Antrag übermittelt, son dern auch so, daß diese Entschließung selbst einem Andern übertragen wird; vgl. n. 9 a, Rill. 1. Mai 80 (E. II. 145), Bolze, GSaal 32 s. 433; contra (in Betreff des letzteren Punkts): RH. 20. April 80 (E. 1,387: außer den Fällen des § 65 Abs. 2. 3 sei keine Vertretung int Willen, sondem nur eine Vertretung in der Willens erklärung zugelassen; privatrechtliche Vorschriften über den Vollmachtsvertrag kämen hier, bei der Ausübung von im öffentlichen Recht wurzelnden Befugnissen, entweder gar nicht oder nur in zweiter Linie in Betracht), Herzog, GSaal 33 s. 389. Hierzu genügt auch eine General-Vollmacht: eit. Rill. 1. Mai 80 (sofern das Antrags recht nicht auf einem persönlichen Verhältnisse zum Thäter beruhe); vgl. eit. RII. 20. April 80 (: sofern im einzelnen Falle angenommen werden könne, daß die Stellung des Antrags dem wirklichen Willen des Auftraggebers entspreche), RII,
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7. Dez. 81 (E. V, 190); vgl. § 289 n. 13; contra: Münch. 1. Juni, 29. Aug. 77 (BE. VII, 212. 404 unter Bezugnahme auf das Bayer. StPGes. v. 10. Nov. 1848), Rubo f. 504; vgl. § 64 n. 14; diese gewährt die Befugniß, auch wegen solcher Straffälle den Antrag zu stellen, welche der Bevollmächtigung vorhergingen. OT. 13. Okt. 75, 30. Jan. 78 (O. XVI, 651; XIX, 41) hielten sogar eine „vermuthete Vollmacht" im Sinn des Pr. ALR. I. 13 §§ 119 ff. für ausreichend; contra (mit Recht): Rill. 17. Juni 82, Rl. 2. Juli 85 (E. VII, 4; XII, 327), Olsh. n. 15. — Der Bevollmächtigung steht eine negotiorum gestio nicht gleich. Stellt daher ein nichtbevollmächtiater Dritter den Antrag Namens des Verletzten, so hat dieser jenen Schritt innerhalb der Antragsfrist zu genehmigen: cit. RI. 2. Juli 85, Münch. 2. Juni 76 (BE. VI, 277). Dasselbe gilt von dem Falle, wo der Antrag in Ueber* schreitung einer ertheilten Vollmacht gestellt wird. Civilrechtliche Bestimmungen, welche der Ratihabition rückwirkende Kraft zuerkennen, z. B. § 188. 1.5; §§ 142. 239. I, 13 des Pr. ALR.'s, sind auf die erst nach Ablauf der Frist erfolgende Ge nehmigung solcher Anträge nicht anwendbar; vgl. Münch. 1. Juni, 29. August 77 (cit. n. 8); contra: OT. 28. Mai 73 (O. XIV, 406). Dies trifft mindestens dann zu, wenn der Verletzte dem Gericht (Staatsanwalt) früher selbst erklärt hatte, vorläufig keinen Antrag stellen zu wollen, und bei dieser Erklärung bis zum Ende der Antragsfrist verblieben ist: OT. 18. Okt. 77 (O. XVIII, 658). — In Betreff solcher Fülle, wo der Berechtigte thatsächlich verhindert ist, den Antrag zu stellen, vgl. n. 15. — In Ermangelung einer Vollmacht steht es sogar dem (selbst nicht ver letzten) Ehemanne — von den Fällen des § 195 abgesehen — nicht zu, wegen einer die Rechte der Ehefrau verletzenden Mißthat die Verfolgung zu beantragen, es sei denn, daß er (als ihr gesetzlicher Vertreter) das betr. Recht der Frau wahrzuneh men und zu verwalten berufen wäre; z. B. nach dem C. civ. art. 1428; vgl. n. 9a. — Der einen beurlaubten Beamten Vertretende kann das Antragsrecht des letzteren nicht ausüben: OT. 12 Nov. 74 (O. XV, 817). 9. Die Bevollmächtigung (n. 8) ist an keine besondere Form gebunden; eine mündliche Vollmacht genügt; ebenso: Rll. 21. März ?! (E. III, 425); desgleichen eine stillschweigende: RII. 19. Dez. 79 (R. I, 162), Münch. 5. Juli 81 (BE. I, 441); es bedarf daher auch nicht des sofortigen Nachweises derselben: hat der zur Zeit Bevollmächtigte den Antrag rechtzeitig gestellt, so kann der Nachweis der früheren Bevollmächtigung zu jeder Zeit (auch in einer höheren Instanz) nachgeholt werden: OT. 23. Febr. 72, 30. Sept. 73. 8. Juni 74, 3. Mai 76 (O. XIII, 179; XIV, 594; XV, 430; XVII, 305), Münch. 12. Juli 80 (BE. I, 149); contra: Münch. 1. Juni 11s 10. Mai 79 (BE. VII, 212; IX, 275); das gilt selbst dann, wenn jener bei Stellung des Antrags sich gar nicht als „Bevollmächtigter" zu erkennen gegeben hatte: cit. RII 19. Dez. 79, RII. 10. Dez. 80 (R. II, 625: hier hatte der mündlich Bevoll mächtigte gar mit dem Namen des Mandanten unterzeichnet), OT. 31. Okt. 72, 24. März 76 (O. XIII, 572 j XVII, 217). Vgl. § 61 n. 15 a. E. 9a. Inwiefern der mit der Verwaltung einer fremden Sache oder Ange legenheit Betraute auch befugt sei, den Strafantrag wegen eines Eingriffes in das betr. Recht zu stellen, ist nach dem Inhalte des Uebertragungs-Aktes und nach den maßgebenden Civilgesehen zu beurtheilen: vgl. jedoch RII. 20. April 80 (cit. n. 8); die Frage wird in der Regel in Betreff Desjenigen, welchem die selbstän dige Leitung und Verwaltung eines Vermögenstheiles übertragen worden, zu be jahen sein, z. B. in Betreff des gerichtlich' bestellten Pflegers eines Nachlasses: RII. 16. Febr. 83 (E. VIII, 112); in Betreff eines Sequesters, des Curators eines Verschwenders oder Abwesenden: Fuchs s. 48; contra: Herzog, GSaal 33 f. 401; ebenso in Betreff eines „Gutsverwalters", Administrators rc. (Pr. ALR. I, 14 §§ 109ff.): OT. 28. Mai, 30. Sept. 73 (O. XIV, 406. 590); Rill. 1. Mai 80 (cit. n. 8: es sei denn, daß zwischen dem Thäter und dem Verletzten persönliche Be ziehungen von strafrechtlicher Bedeutung beständen, oder daß sich aus anderen Grün den im einzelnen Falle Zweifel über den Umfang des generellen Auftrags ergäben); ähnlich: RII. 20. April 80, 7. Dez. 81 (citt. n. 8); vgl. jedoch Rill. 13. Dez. 86, RIV. 14. Nov. 84 (E. XV, 144; R. VI, 734: erkannten, daß dem Prokuristen einer Handelsgesellschaft bezw. einem Gutsadministrator als solchem nicht ohne Weiteres das Antragsrecht zuzuerkennen, daß vielmehr in jedem einzelnen Falle aus der ihnen ertheilten Vollmacht zu entnehmen sei, ob die Antragsstellung dem Willen des Vollmachtgebers entspreche); desgl. in Betreff des Bediensteten einer Privat-
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Eisenbahn-Gesellschaft, welchem die Oberaufsicht über eine Räumlichkeit (Bahnhof) übertragen ist: OT. 11. Febr. 74 (O. XV, 68: Hausftiedensbruch), nicht aber in Betreff eines Oekonomie-Guts-Jnspektors; so: Dresd. 15. Mai 71 (StZ. I. 49). — Derselbe Gesichtspunkt ist maßgebend, wenn es sich fragt, welche Behörde (Be amter) dazu berufen ist, wegen eines strafbaren Eingriffs in die Rechte des Staats, einer Gemeinde rc. die Verfolgung zu beantragen; einem mit der Be aufsichtigung eines Forstes beauftragten (Staats- oder Communal-) Oberförster ist die betr. Befugniß nicht abzusprechen: OT. 6. Rov. 73 (O. XIV, 696); daffelbe gilt von einem Domänen-Rentamte, sollte es auch zur Anstellung einer Civil klage zum Schutze des betr. Rechts nicht befugt sein: OT. 3. Rov. 74 (O. XV, 737). 10. Ein Staats-Oberhaupt vertritt völkerrechtlich alle Mitglieder seiner Familie nach außen; es kann daher für dieselben auch den erforderlichen Antrag stellen; die gleiche Befugniß hat der die Person des Staatsoberhauptes vollständig vertretende Botschafter: OT. 19. Juni 67 (O. VIII, 385). 11. Der Verletzte kann in der Regel den Strafantrag selbst nur dann stellen, wenn er civilrechtlich handlungsfähig ist: Abs. 3. Dieses Recht geht indessen durch eine nur auf die Vermögensverwaltung bezügliche Beschränkung (z. B. durch eine Prodigalitätserklärung) noch nicht verloren; der von einer solchen Betroffette kann daffelbe persönlich ausüben, selbst wenn es sich um einen strafbaren Ein griff in ein Vermögensrecht handelt; vgl. n. 9a. — Eine verletzte Ehefrau kann den Antrag ohne beit zur Anstellung einer Klage erforderlichen Beitritt (Ermächti gung rc.) des Mannes stellen: OT. 8. März 71 (O. XU, 148). 12. Der „Geisteskranke" ist zur Aeußerung eines Rechtswillens unfähig; er kann, selbst wenn er nicht bevormundet ist, einen wirksamen Antrag nicht stellen; vgl. n. 13a; ebenso: Reber s. 334; contra: Olsh. n. 13, Bind.HB. I, 628 (: halten bei nicht bevormundeten Geisteskranken die Möglichkeit gültiger Antrags stellung für nicht unbedingt ausgeschloffen); dagegen verliert ein vorher gestellter Antrag nicht dadurch seine Wirksamkeit, daß sein Urheber demnächst in Geisteskrank heit verfällt (obgleich er jenen dann selbst nicht mehr zurücknehmen kann): Dresd. 19. Jan. 72 (SGZ. XVI, 242). — Der nicht bevormundete Taubstumme ist zur Stellung des Antrags befähigt (das Wort „bevormundeten" bezieht sich auf „Taub stumme" mit); ebenso: Rll. 3. Juli 85 (R. VII, 465). — Der bevormundete Geistes kranke (Taubstumme) bleibt so lange zur Ausübung des Rechts unfähig, bis die Vormundschaft aufgehoben worden ist; contra früher: OT. 25. April 61 (0.1,328). Die Zuordnung eines conseil judiciaire (nach 0. eiv arl. 499) steht einer Bevor mundung nicht gleich: Puch. n. 5. Das Gegentheil gilt von einer (im Gebiete des Gemeinen Rechts) wegen (bloßer) Geistesschwäche angeordneten Curatel; so: Rill. 26. Febr. 81 (R. III, 84: hiermit sei gemäß Abs. 3 betn Curator die ausschließliche Antragsberechtigung gewahrt, ohne daß der Strafrichter in eine Prüfung nach Vor handensein, Art und Grad der geistigen Störung, wie nach der Beobachtung der Gesehesnormen für die Vormundschaftsbestellung einzutreten hätte). Vgl. unten n. 13a. 13. Statt deö Handlungsunfähigen (n. 11) ist der gesetzliche Vertreter befiel» ben (Vater, Vormund rc.) zur Stellung des Strafantrags, berufen: Abs. 2. 3. Die Frage, wer der gesetzliche Vertreter fei, ist nach der Landesgesetzgebung zu beant worten; ebenso: Rll. 16. April 80. Ri 8. Okt 85 (E. I, 370; XII, 415); vgl. Mot. s. 76. Die Mutter eines Kindes hat als solche kein Antragsrecht, insofern sie nicht Vertreterin des letzteren (z. B. durch Vollmacht) ist: OT. 20. Jan. 71, 10. April 78 (StA. 60 s. 250; O. XIX, 211); vgl. n. 8; das gilt nach Pr. ALR. selbst dann, wenn der Vater verstorben und eine Vormundschaft für das Kind noch nicht be stellt ist: OT. 21. Nov. 72 (O. XIII, 619). Dagegen erkannten Münch. 28. Nov. 77, 5. Juni 78. 29. Okt. 86 (BE. VII, 431; VIII, 372; BE. IV, 296) unter Bezugnahme auf die Entstehungsgeschichte des § der Mutter das Antragsrecht als Ausfluß der ihr nach Maßgabe der Civilgesetze zustehenden Erziehungsgewalt allgemein zu; das erstere Erk. erachtete daher die Mutter auch nach den Grundsätzen des Pr. ALR. und ohne auf dessen Bestimmungen über die s. g. vermuthete Vollmacht zurückzu greifen, für antragsberechtigt, wenn der Vater durch Krankheit an der Stellung des Antrags verhindert fei; nach Gemeinem Rechte habe sie jene Befugniß sowohl bei Lebzeiten des Mannes als auch später, so lange sie nicht zur zweiten Ehe schreite, vorausgesetzt, daß vom Vater über die Erziehung nicht anderweitig verfügt sei. Jedenfalls steht ihr nach Bayer. LR. jene Befugniß für die Dauer der Abwesenheit
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ihres Mannes zu, wenn Letzterer ihr die Obhut über das Kind anvertraut und sie hierdurch stillschweigend mit der Vertretung des Kindes beauftragt hat.- SRL 8. Okt. 85 (E. XII, 415). Vgl. auch Hamb. 11. Juli 71 StRZ. XII, 443). - Münch. 29. Mürz 73 (StZ. Il, 260) hält die Mutter eines unehelichen Kindes unter der Herrschaft des Pr. ALR.'s (vgl. dort §§ 621 ff. II. 2) stets für antragsberechtigt, sollte auch ein Anderer zum Vormund bestellt sein; contra (selbst für den Fall, wo noch kein Vor« mund bestellt ist): RII. 16. April 80, Ri. 7. Juni 80 (E. I, 370; R. II, 36: unter gleichzeitiger Berücksichtigung der Pr. Vorm.-O.); keinesfalls ist darum hier der Vor mund als solcher von dem Antragsrecht ausgeschlossen. — Nach Bayer. LR. ist als gesetzlicher Vertreter eines minderjährigen, unehelichen Mädchens nicht schon von Rechtswegen dessen Stiefvater anzusehen: Rl. 5. Jan. 82 (R. IV, 17). 13a. In Preußen kann der bestellte Vormund den Antrag schon stellen, bevor ihm die Bestallung, ausgehändigt ist; vgl. Vorm.-O. § 24; ebenso früher: OT. 15. Febr. 74. 22. Mai 75 (O. XV, 65; XVI, 375). In Betreff des Falles, wo ein bevormundetes Kind legitimirt wird, vgl. RII. 14. Jan. 87 (E. XV, 176). — Die Befugnisse des einem minderjährigen Kinde bestellten Vormundes hören auf, sobald jenes die Großjährigkeit erreicht, selbst wenn dasselbe geisteskrank und somit handlungsunfähig ist: Stuttg. 8. Nov. 72 (StZ. II, 152). — Für eine geisteskranke, aber noch nicht entmündigte Person kann der Antrag nach §§ 90. 91 der Pr. Vorm.-O. durch einen ihr zu diesem Zwecke zugeordneten Pfleger gestellt werden: OT. 25. April 78 (O. XIX, 233). 14. In Ermangelung positiver landesgesetzlicher Bestimmungen ist die vor mundschaftliche Behörde nicht als die Vertreterin des Bevormundeten anzu sehen, und somit zur Stellung oder Zurücknahme eines Strafantrags nicht berechtigt. Ebenso ist der Vormund bei Ausübung des ihm im Abs. 2 bezw. 3 des § 65 bei gelegten Rechts an eine Anweisung oder Zustimmung (Ermächtigung) jener Behörde nicht gebunden; vgl. Reber n. 335. Das gilt auch für das Gebiet der Pr.Vorm.-O. v. 5. Juli 1875: vgl. dort §§ 27. 42. 51; die im letzten § dem Vormundschafts-Gericht überwiesene „Aufsicht" über die Thätigkeit des Vormunds kann den letzteren da nicht beschränken, wo sein individuelles Ermessen maßgebend sein soll. Die zur Zeit der Herrschaft des Pr. ALR.'s II, 18 bestehende (jedoch keineswegs unbedenkliche) Praxis des Pr. OT.'s, daß die Wirksamkeit der Zurücknahme eines seitens des Vormunds gestellten Antrags von der Zustimmung der vormundschaftlichen Behörde abhängig sei (O. XII, 540; XV, 219. 524; XVI, 793), hat jetzt keinen gesetzlichen Boden mehr; ebenso: OT. 19. Jan. 77 (O. XVIII, 46); vgl. übr. auch OT. 4. Nov. 75 (O. XVI, 713); contra: Meves s. 103. Ebenso steht es der vormundschaftlichen Be-'' Hörde nicht zu, an Stelle des Vormundes einen Andern (tutor ad hoc, Pfleger) mit der Ausübung des AntragSrechts zu betrauen (z. B. wenn jener den Antrag nicht stellen will). Das erleidet da eine selbstverständliche Ausnahme, wo einer der Gründe vorliegt, aus welchen nach der bestehenden Civilgesetzgebung eine solche Ersetzung statthaft ist: OT. 10. Juni, 9. Dez. 74 (O. XV, 374. 846), z. B. wo der Vertreter selbst der zu verfolgende Mißthäter ist; (hier erscheint der Verletzte bis zu jener Ersetzung so, als habe er keinen Vertreter, es kann sonach auch die Antrags frist nicht zu laufen anfangen): Rill. 7. Dez. 81 (E. V, 190), OT. 7. März 72 (O. XIII, 196), OT. 14. März 77 (O. XVIII, 207: nach Kurhess. Recht), Jena (Voll. XIX, 247), Ruhstr., GSaal 24 s. 137; contra: Fuchs s. 63. 71 (sieht in diesem Falle vom Erfordernisse des Antrags ganz ab); vgl.II. 16j oder wo die eigene Ehefrau oder ein sonstiger naher Angehöriger des Vertreters die That verübt hat, und dieser um deswillen die Antragsstellung pflichtwidriger Weise unterläßt; (hier ist jedoch bis zu seiner Ersetzung der Fristenlauf nicht etwa gehemmt: cit. Rill. 7. Dez. 81; contra: OA. 14. Febr. 72, O. XIII, 146). Eine fernere Ausnahme begründet § 86 der Pr. Vorm.-O. für alle Fälle, wo der Vormund, wenn auch nur thatsächlich, ver hindert ist, den Antrag zu stellen, (z. B. weil er von der Mißthat keine Kenntniß hat noch auch in Kenntniß gesetzt werdey kann, indem er selbst dem Gerichte, bezw. der Staatsanwaltschaft unbekannt ist), und es erfüllt die in solchen Fällen erfolgte Ernennung eines Pflegers ihren Zweck sogar dann, wenn sie von einem örtlich unzuständigen Gericht ausging: RII. 3. Mai 81 (E. IV, 145). 15. Inwiefern ein Handlungsfähiger, welcher thatsächlich an der Aus übung seines Antragsrechts bezw. an der Bestellung eines Bevollmächtigten (z. B. durch Abwesenheit) verhindert ist, durch einen ohne ausdrücklichen Auftrag seine Ge-
Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — §. 65.
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schäfte Wahrnehmenden (ein Beisp.: OT. 14.Dez. 71, O. XII, 655), oder durch einen von Gerichtswegen bestellten Curator rc. vertreten werden kann, ist nach den maßgebenden Civilgesetzen zu beurtheilen (vgl. n. 8. 9a. 13). In Ermangelung posi tiver gesetzlicher Vorschriften dürfte es nicht statthaft sein, ihm einen Curator ledig lich zu betn Zwecke zu bestellen, damit dieser statt seiner den Strafantrag stelle und so an die Stelle seiner die eigene Entschließung sehe (n. 8). 16. Für den gesetzlichen Vertreter beginnt der Lauf der Antragsfrist mit seiner Kenntnißnahme (§61 n. 27). Fehlt es zur Zeit an einem (qualifizirten: vgl. n. 14) Vertreter, kann also ein solcher auch keine Kenntniß erlangen, so bleibt der Fristenlauf ausgesetzt: OT. 7. März 72 (O. XIII, 196); demgemäß kommt die Zeit nicht in Anrechnung, während welcher ein demnächst bestellter Specialvormund vor seiner Bestellung Kenntniß besaß: Dresd. 2. April 75 (SGZ. XIX, 364). Zm Falle eines Wechsels in der Person des Vertreters beginnt der Fristenlauf mit der Kenntnißnahme des ersten; der neue Vertreter muß sich also die Rechtslage ge fallen lassen, wie er sie von seinem Vorgänger überkam: Rill. 7. Dez. 81 (dt. n. 14); contra: Rubo s. 516, Bind.HB. 1,629; jener Lauf ruht aber während der Zeit, in welcher es nach dem Abgänge des ersten an einem mit jener Kenntniß versehenen Vertreter fehlt (der Antragsberechtigte muß während dreier Monate die Kenntniß „gehabt haben": §61): Reber f. 347, Olsh. n.21. — Die Eigenschaft eines Ver treters hört selbstredend mit dem Tode des Vertretenen auf; später lernn daher schon um deswillen kein Antrag mehr gestellt werden: Rll. 3. Mai 81 (E. IV, 145). Stirbt der Verletzte vor Bestellung eines Vertreters, so ist die Strafverfolgung überhaupt ausgeschlossen: Rll. 16. April80 (E. 1,370). Vgl. oben n. 7. 17. Von dem unter n. 11 aufgestellten Grundsätze macht § 65 in Betreff des Minderjährigen, welcher das achtzehnte Jahr vollendet hat, eine Ausnahme: dieser kann selbständig (also ohne Mitwirkung und selbst gegen den ausgesprochenen Willen seines Vertreters) den Strafantrag stellen und den von ihm gestellten zurück nehmen; daneben ist dem Vertreter ein ebenso selbständiges Recht beigelegt, welches sich auch auf solche Mißthaten erstreckt, welche vor dem Beginne des Vertretungsverhältniffes verübt wurden. Jedes dieser Rechte erlischt, sobald die auf den An trag des Andern angehobene Verfolgung zu einer (nicht mehr abzuändernden) Verurtheilung oder Freisprechung geführt hat. Das Antragsrecht des Minderjähri gen kommt nie zur Existenz, wenn dasjenige des Vormunds schon erloschen war, bevor jener das achtzehnte Jahr vollendet hatte, da derselbe bis dahin ausschließ lich (auch bezüglich der Antragsstellung) vom Vormund vertreten wurde, § 62 daher hier außer Betracht bleibt; ebenso Olsh. n. 20; contra: Bind.HB. I, 628. Im ent gegengesetzten Falle beginnt die dreimonatliche Frist für den Minderjährigen mit dem Tage seiner Kenntniß, bezw., wenn er diese Kenntniß schon vor Vollendung des 18. Jahrs besaß, mit letzterer: Olsh. 1. c.; contra: Reber s. 465, Schw. n. 4. 18. Der vom Vertreter gestellte Antrag kann von demselben zurückgenom men werden (§ 64 n. 1), nicht aber vom Vertretenen, sollte dieser auch das 18. Le bensjahr vollendet haben; diese Befugniß steht ihm nur dann zu, wenn er die volle Selbständigkeit erlangt und dadurch das Vertretungsverhältniß sein Ende erreicht hat; ebenso: RHI. 28. Avril 84 (A. X, 97); contra: Schw., SGZ. XVIII, 189. 19. Das Recht, seloständig eine Privatklage anzustellen oder als Neben kläger aufzutreten, steht dem achtzehnjährigen Minderjährigen nicht zu; vgl. StPO. §§ 414 (Abs. 3). 435 und Mot. zur StPO. s. 221. 20. Für den Fall einer einer Ehefrau, einem Kinde unter väterlicher Gewalt oder einem Beamten zugefügten Beleidigung (Körperverletzung) ertheilen die §§ 195. 196. 232 auch dem Ehemanne, bezw. dem Vater oder dem amtlichen Vorgesetzten die selbständige Befugniß, die Strafverfolgung zu beantragen. Diese Vorschriften, neben welchen auch für die dort vorgesehenen Fälle § 65 in voller Kraft geblieben ist (: RI. 8. Oft. 85, E. XII, 415), sind aus andere Fälle, in denen es des Antrags zur Strafverfolgung bedarf, nicht auszudehnen; das Gegentheil folgt nicht aus den §§ 176. 188. 190. II, 1 noch aus § 62. II, 2 des Pr. ÄLR.'s: OT. 24. Jan. 72 (O. XIII, 70). — Jene Befugniß schloß das Recht zur selbständi gen Verfolgung im Wege der Privatklage nicht in sich; contra.- OT. 14.Juni 72, 4. Mai 75 (StA. 85 s. 246; GA. 23 s. 333). Jetzt steht dieses Recht, sowie das Recht als Nebenkläger aufzutreten, jenen Dritten auf Grund der StPO. §§ 414 (Abs. 2). 435 zu.
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Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 66.
§ 66. Durch Verjährung wird die Strafverfolgung und die Strafvollstreckung ausgeschlossen. [I. Entw.: § 59; II. Entw.: § 64; Pr. StGB.: § 45.]
Dgl. §§ 67—72. 5 Nr. 2.
§66. 1. Indem dieser § ausspricht, daß die „Strafverfolgung rc. durch Ver jährung ausgeschlossen werde", erkennt er an, daß die ganze Lehre als eine straf prozeßrechtliche aufzufassen ist; vgl. n. 6. 7, § 61 n. 2, Posen 1. Juni 81, 10. Dez. 84, Hamm 26. April 83 (vgl. K. Schmidt, § 380 der StPO. s. 44), Rüd. n. 2. 3; contra: SRI. 12. Juli 80 (R. II, 188: Verjährung sei Erlöschung der Schuld), Rill. 8. Okt. 85 (E. XII, 434). OT. 29. Mai 77 (O. XVIII, 347), Münch. 25. Jan. 87 (BE. IV, 319), Heinze, HH. II, 601, K. Schmidt 1. c., Samueli, GSaal 32 s. 5 und (theilweise) v. Risch, ib. 36 s. 241 ff. 2. Der Ausdruck „Strafverfolgung" ist hier in weiterem Sinne zu verstehen, indem er gleichzeitig die Geltendmachung der auf Spezialgesetzen beruhenden CivilHaftbarkeit gewisser Personen für die von anderen verwirkten Geldstrafen mit umfaßt; demzufolge und gemäß § 68 kann die Verjährung zu Gunsten jener Haft baren vollendet sein, während sie bezüglich der eigentlichen Thäter noch läuft; vgl. Rill. 25. Mai 82 (E. VI, 381). 3. Die Verjährung gehört der öffentlichen Ordnung an; sie ist daher von den bei der Strafverfolgung betheiligten Beamten von Amts wegen zu berücksichtigen; dem Angeschuldigten liegt in dieser Beziehung keine Beweislast ob. Ein Verzicht oder vertragsmäßiges Übereinkommen über Fristen und Wirkungen der Verjährung sind gänzlich unwirksam. Civilgesetzliche Vorschriften bleiben hier außer Anwendung. 4. Findet der Staatsanwalt, ehe er die Strafverfolgung angehoben hat, daß die Verjährung abgelaufen sei, so sieht er von jener ab; es bedarf dann keiner richterlichen Entscheidung. Dagegen kann der Untersuchungsrichter den Antrag auf Voruntersuchung nicht ohne Weiteres wegen Verjährung abweisen, er muß vielmehr zu dem Behufe einen Beschluß der Strafkammer erwirken: StPO. § 178. 5. Die G erichte haben die Verjährungsfrage stets mit Rücksicht auf den von ihnen als vorliegend anerkannten Thatbestand, also nicht nach der davon abwei chenden in der Anklage rc. der That beigelegten Charakterisirung zu beurtheilen: RU. 9. Okt. 83 (A. VIII, 488); vgl. OT. 28. Juni 61 (O. I, 471, § 61 n. 8.) 6. Diese Prüfung (n. 5) ist in jeder Sachlage vorzunehmen. Nach Eröffn nung des Hauptverfahrens kann nur der durch den Eröffnungsbeschluß befaßte Richter über die Verjährungsfrage entscheiden, und auch dieser nur durch ein förm liches Erkenntniß, da er nur so die für die Entscheidung maßgebenden Momente festzustellen vermag. Im schwurgerichtlichen Verfahren gebührt diese Feststellung zufolge § 262 der StPO., welcher es ausdrücklich ausspricht, daß die Voraussetzungen der Verjährung in der Schuld frage nicht begriffen seien, dem Schwurgerichte, nicht den Geschworenen. Gleichwohl darf die richterliche Entscheidung bezüglich der Zeit der «Begehung der That von der im Geschwornenspruch darüber getroffenen Fest stellung nicht abweichen: SRIV. 7. Dez. 86 (E. XV, 107), Löwe s. 562. Demgemäß empfiehlt letzterer, da, wo die Begehungszeit streitig ist, die Zeitangabe in der Frage an die Geschworenen so zu fassen, daß die Antwort der richterlichen Beur theilung nicht vorgreife, ein Auskunftsmittel, welches vom cit. RlV. 7. Dez. 86 aus dem schwerlich stichhaltigen Grunde verworfen wird, daß ev. immerhin die Möglichkeit eines Widerspruchs zwischen der Annahme der Geschworenen und dem Richterspruche obwalten würde. 7. Der mit der Verjährungsfrage befaßte Revisionsrichter ist zwar, was die Zeit der Begehung und die Qualifikation der That betrifft, an die vorrichterlichen Feststellungen gebunden: dagegen hat er selbständig aus den Akten zu prüfen, ob eine Unterbrechung der Verjährung stattgefunden habe; ebenso: Rill. 8., 19. Okt. 85 (E. XII, 434; XIII, 57), Löwe s. 647 ff., v. Risch I. c. — Die Frage, inwiefern derselbe eine nicht geltend gemachte Verjährung von Amtswegen berücksichtigen müsse, hängt mit der unter n. 1 besprochenen zusammen; cit. Rill. 8. Okt. 85 und Löwe s. 660 bejahen sie für alle Fälle, wo die Beschwerde auf Verletzung des materiellen Rechts gegründet sei, contra (anscheinend): Rill. 30. Juni 87 (R. IX,
Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 66.
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391: Motive). Jedenfalls hat der Revisionsrichter von Amtswegen zu beurtheilen, ob während des Revisionsverfahrens die Verjährung abgelaufen sei (§ 67 n. 15). — Ob h 453 Abs. 4 und § 459 Abs. 3 der StPO, zu denjenigen Vorschriften ge hören, deren Verletzung durch Berufungsurtheile im Wege der Revision gerügt werden könne, wird von der Rechtsprechung der OLG-, entgegen der oben n. 1 vertretenen Ansicht, gemeinhin bejaht; vgl. K. Schmidt 1. c. s. 45. 8. Erkennt das Gericht (mit einfacher Stimmenmehrheit: StPO. § 262), daß die Verfolgung verjährt sei, so darf dasselbe nicht freisprechen; es muß viel mehr seine Entscheidung dahin formulieren, daß „das Verfahren eingestellt", oder daß die „Strafverfolgung für unstatthaft (ausgeschlossen) erklärt werde"; ebenso: Rüd. n. 3, Olsh. ». 8; contra: Still. 8. Okt. 85. 21. Juni 82 (E. XII, 434; R. IV, 595: Motive), Colmar 16. Mai 85 (Franz s. 71), Bind. GR. I, 186, Löwe s. 518. In dem Urtheile ist erkennbar zu machen, welcher Thatbestand vor liegend befunden worden (n. 5), indem sich nach der Qualifikation der That die Dauer der Verjährungsfrist benützt; eines weiteren Eingehens auf die Schuldfrage bedarf es nicht; vgl. Rll. 9. Okt. 83 (A. VIII, 488), Ölsh. n. 2. 3. v. Risch 1. c.; contra: Löwe § 259 n. 8 (insofern er annimmt, datz über die Verjährungsfrage stets erst nach Entscheidung über die Schuldfrage zu entscheiden sei). Erklärt die Strafkammer den Angeklagten zwar für schuldig, jedoch wegen eingetretener Ver jährung ic. für straffrei, so steht demselben, um den Schuldspruch zu bekämpfen, die Revision zu: Rill. 11. Juni 81 (E. IV, 355: Motive). 9. Im Falle der Verurtheilung begründet, da die Verjährung eben nur die Strafverfolgung ausschließt, den strafbaren Thatbestand aber nicht berührt (n. 1), der Mangel einer Feststellung, aus welcher erhellt, daß die Verjährungsftist noch nicht abgelaufen oder daß sie rechtzeitig unterbrochen sei, keine Nichtigkeit, wenn der Angeklagte die Verjährungseinrede gar nicht erhoben hatte; contra: OT. 14. Okt. 70, 11. Nov. 78 (O. XI, 512; XIX, 393); vgl. § 61 ». 35. 10. Die in den §§ 66—69 für die Verjährung der Strafverfolgung (ihren Stillstand, Unterbrechung rc.) aufgestellten Grundsätze gelten allgemein, mag die Verfolgung im Wege der öffentlichen oder in dem der Privatklage statt finden. 11. Durch eine richterliche Entscheidung, welche die nur vom Staatsanwalt angehobene Strafverfolgung für unstatthaft erklärt, wird der durch die Mißthat Verletzte nie behindert, seine Privatentschädigung beim Civilrichter geltend zu.machen; für diesen ist dann die Entscheidung des Strafrichters in keiner Weise bindend, sollte auch (wie nach dem EG. z. Pr. StGB. Art. XII § 1 und nach dem EL. EG. Art. VI) die Civilklage in derselben Frist, wie die öffentliche Klage ver jähren. — Vgl. EG. z. CPO. § 14. 12. Die Wirkungen der eingetretenen Verjährung der Strafverfolgung sind höchst persönlich; vgl. § 68. Es ist daher in Betreff eines jeden bei einer Miß that Betheiligten selbständig zu untersuchen, ob rücksichtlich seiner die Verjährung abgelaufen sei; keiner kann sich auf ein den Ablauf der Verjährung für einen An dern anerkennendes, rechtskräftiges Urtheil berufen. Zu Gunsten dieses Anderen bewirkt jedoch ein solches Urtheil, mag dasselbe auf Freisprechung oder auf Ein stellung des Verfahrens gelautet haben (n. 8), den Verbrauch des Klagerechts mit der Wirkung, daß er wegen derselben That selbst nicht aus einem anderen Gesichts punkte weiter verfolgt werden kann: RIV, 28. Jan. 87 (R. IX, 99). 13. Inwiefern trotz der eingetretenen Verjährung eine Einziehung oder die Unbrauchbarmachung von Schriften rc. strafbaren Inhalts angeordnet werden könne, darüber vgl. § 42 n. 6. 14. Bei Prüfung der Moralität und der individuellen Strafbarkeit einer un verjährten Handlung kann der Richter, wie das ganze frühere Verhalten des An geschuldigten, so auch eine verjährte Mißthat als Strafzumessungsgrund berück sichtigen: OT. 2. März 53 c. Deutsch. 15. Ueber das Fortbestehen der besonderen, die Verjährung betreffenden Bestimmungen solcher Spezialstrafgesehe, welche neben dem StGB, in Kraft geblieben sind, vgl. Einl. Bestimmungen (s. 18) n. 1. 2. 16. Auf die im Jnlande erfolgte Theilnahme an einer im Auslande ver übten Hauptthat findet das inländische Verjährungsrecht, namentlich § 67 Anwen dung (§ 3); vgl. § 48 n. 10, Rill. 14. Juni 83 (E. IX, 10). Oppenhoff, D.Strafgesetzbuch. 11. Aust. 13
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Thl. I. Abschn. IV. Straf-AuSschließung u. Milderung. — § 67.
§ 67. Die Strafverfolgung von Verbrechen verjährt, wenn sie mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zucht haus bedroht sind, in zwanzig Jahren; wenn sie im Höchstbetrage mit einer Freiheitsstrafe von einer längeren als zehnjährigen Dauer bedroht sind, in fünfzehn Jahren; wenn sie mit einer geringeren Freiheitsstrafe bedroht sind, in zehn Jahren. §67. Abgabenbinterziehg.: 8. 9. 17. 21. Anschuldigung, falsche: 7. Anstifter: 11. Bankerutt: 16. Begehung: 4 ff. Beginn: 4—9. Beihülfe: 2. 11. Bigamie: 16. Deiertion: 7. Ehebruch: 16. Eheerschleichung: 16. Entführung: 7. Erfolg: 4. Festungshaft: 3. Fremden-Polizei: 7. Feuer-Polizei: 7. Freiheitsberaubung: 7.
Inhalt: Gehülfe: 11. Gew.-Steuer-Dergehea: 6. Gewerbebetrieb: 6. 9. 18. 21. GewerbSanlage: 7. 9. 18. Gewerbömaßlgkeit: 6. Höchstbetrag: l. Jahr: 13. Konkurrenz, ideale: 21. Mildernde Umstände: 1. Milit..Psticht: 8. Mitthäter: 10. Monat: 13. Nachdruck16. Omissivdelikt: 8. Personenstandöbeamter: 20. Preßvergehen: 8. 9. 19. Rechtsmittel: 15.
Reiz: 1. SeemannS-O. 15. Staatswald. Baum: 7. Stempel. Hinterziehung: 8. Steuervergehen: 6. 8. 9. 17. Stillstand: 23. Strafunmündiger: 1. Strohdach: 7. Tag: 9. 12. Thätigkeit: 4a. • fortdaueinde: 5. Thatbestand: 1. Unterbrechung: 22. Verfahren, Lauf: 14. Versuch: 2. Zuständigkeit: 4. Zustand, rechtswidr.: 7.
1. Für die Beurtheilung, welche Verjährungsfrist für den einzelnen Straffall gilt, ist stets der Höchstbetrag derjenigen Strafe maßgebend, mit welcher der vom Richter als vorliegend erkannte Thatbestand im Allgemeinen nach dem zutreffenden Strafgesetze belegt werden kann. In Betreff des Einflusses, welchen die vom Gesetz bei der Strafandrohung berücksichtigten straf-erhöhenden oder mildernden Umstände auf die Verjährungsfrist ausüben, vgl. § 1 n. 2. 3. — Die prozessualische Regelung der strafgerichtlichen Zuständigkeit ist für die Dauer der Verjährungsfrist gänzlich einflußlos. 2. Demgemäß richtet sich die Verjährung des Versuchs einer Mißthat oder der Beihülfe zu einer solchen nach dem Höchstbetrage der Strafe, von welcher diese Handlungen im Allgemeinen betroffen werden konnten, nicht aber nach den für die vollendete (Haupt-) That geltenden Grundsätzen. — Bezüglich der im Jnlande erfolgten Theilnahme an einer im Auslande verübten Hauptthat vgl. § 66 n. 16.
2a. Im Falle eines Geseheswechsels ist auch die Verschiedenheit der Fristen der Verjährung zu berücksichtigen, wenn es in Frage kommt, welches Gesetz das mildere sei; in Betreff des Näheren vgl. § 2 n. 19. 2b. Läßt sich der Zeitpunkt der Begehung der That nicht genau, sondern nur nach einem größeren Zeitpunkt feststellen, so ist die Verjährung als vollendet zu betrachten, sobald nur ein Theil jenes Zeitraums über die Verjährungsfrist hin ausreicht: OT. 14. Okt. 70, Manh. 27. Mai 79 (O. XI, 512; BA. 45 s. 145). 3. Die fünfzehnjährige Verjährungsfrist (Abs. 1) findet auch da Anwendung, wo im Höchstbetrage lebenslängliche Festungshaft bzw. Gefängnißstrafe angedroht ist (Mil.-StGB. §§ 16. 93. 100 rc.); vgl. Rubo s 519; contra: Bind. GR. I, 182 (nimmt hier zwanzigjährige Frist an). — Unter den „mit rc. Ge fängnißstrafe bedrohten Vergehen" (Abs. 2) sind gemäß § 1 nur solche Vergehen zu verstehen, welche mit prinzipaler Gefängnißstrafe bedroht sind; alle blos mit Geldstrafe bedrohten verjähren in drei Jahren, sollte auch die ev. eintretende (subsidiäre) Gefängnißstrafe drei Monate weit übersteigen: Rll. 27. Jan. 80 (E. I, 167). 4. Die Verjährung beginnt „mit dem Tage, an welchem die Handlung be gangenst" (Abs. 4), d. h. mit der vollständigen Beendigung der betr. Thätig keit: ob es zur Vollführung der That aller vom Thäter vorgenommenen Einzel-
Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 67.
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Die Strafverfolgung von Vergehen, die im Höchstbetrage mit einer längeren als dreimonatlichen Gefängnißstrafe bedroht sind, verjährt in fünf Jahren, von anderen Vergehen in drei Jahren. Handlungen bedurfte, ist dabei gleichgültig: OT. 11. Sept. 61 (O. I, 529). Dagegen bleibt der Zeitpunkt, wo der durch die Handlung herbeigeführte „Erfolg" nach Beendigung jener Thätigkeit eintrat, außer Berücksichtigung (Abs. 4). Immer hin muß aber die Handlung schon an sich strafbar gewesen, es müssen also auch die sonstigen äußeren Umstände, welche die Strafbarkeit bedingen, gegeben sein, be vor die Verjährung beginnen kann und es bleibt daher der Erfolg nur dann außer Betracht, wenn er nicht die Bedingung der Strafbarkeit überhaupt, sondern nur diejenige der vollen oder erhöhten Strafbarkeit ist, d. h. wenn ohne ihn eine Hand lung nur als Versuch zu charakterisiren wäre, oder wenn derselbe lediglich ein die Strafbarkeit erhöhendes Thatbestandsmerkmal bildet; so: RII. 30. Dez. 81 (E. V, 282). Mit gleichem Rechte, wie in dem Falle, wo der Erfolg die Strafbarkeit überhaupt bedingt, wird letzterer auch da zu berücksichtigen sein, wo die Handlung zwar schon an sich strafbar ist, aber aus einem ganz anderen rechtlichen Gesichtspunkte (n. 21), wo z. B. mit einer Baupolizeiübertretung oder dem Vergehen aus § 330 fahr lässige Brandstiftung ideell konkurrirt; contra: RII. 2. Nov. 83 (E. IX, 152). Vgl. n. 8a. 5. Bei einer fortgesetzten oder fortdauernden strafbaren Thätigkeit (also auch bei dem sog. „fortgesetzten Verbrechen", wenn ein solches angenommen werden kann), beginnt die Verjährung erst mit der gänzlichen Beendigung derselben: Rill. 11. Febr. 80, 29. Nov. 83, 3. März 84, 23. April 85. Ri. 13. Juni 82, RII. 2. Nov. 83 (A. I, 341; E. VI, 412; IX, 152; X, 203; R. V, 740; VII, 247), OT. 26. Nov. 55 (Entsch. dess. 31 s. 271), Münch. 12. Dez. 86 (BE. IV, 260), Hälschner, GA. VIII, 446 ff., BL. s. 302, ML. f. 408; contra: im Allg. v. Wächter GA. VIII, 5ff., Heinze, HH. II, 617, und (theilweite): Bind. HB. I, 837. 6. Ebenso beginnt die Verjährung der Straffälle, bei welchen Gewerbsoder Gewohnheitsmäßigkeit Begriffsmerkmal ist (z. B. Gewerbsunzncht, Glücks spiel, Gewohnheits-Hehlerei), erst mit der gänzlichen Beendigung des gewerbs- oder gewohnheitsmäßigen Treibens, weil nicht der Einzelfall als solcher, sondern die Gesammtthätigkeit das Vergehen darstellt: RI. 4. Juni 83 (E. VIII, 390: Motive), Abh. i. GA. VII, 312, John ib. IX, 511, BL. s. 302; contra: von Wächter 1. c., Heinze, HH. II, 617, Rubo s. 521. — Dasselbe gilt von dem Beginne oder der Fortsetzung eines Gewerbebetriebs ohne die erforderliche Konzession rc. (Gew.-O. §§ 16. 25. 147 Nr. 1); ebenso: cit. Rl. 4. Juni 83; demgemäß können auch für die Feststellung des unbefugten Gewerbebetriebes solche Fälle herangezogen werden, welche, wenn sie allein Gegenstand der Verfolgung wären, verjährt sein würden: OT. 18. April 77 (O. XVIII, 278); vgl. § 260 n. 2. 7. Bei Mißthaten, deren Thatbestand in der Behauptung (Fortsetzung) eines gewissen gesetzwidrigen Zustandes besteht (§ 74 n. 9a), beginnt die Verjährung erst mit dem Aufgeben des rechtswidrigen Verhaltens; Beispiele: Freiheitsberaubung, Entführung (§ 234), Aufbewahren entzündbarer Gegenstände an feuergefährlichen Orten; ebenso: Rill. 5. März 81 (R. III, 117), Münch. 18. Mai 85 (BE. III, 391), BL. s. 302. Bind. HB. I, 835; contra: v. Wächter, GA. VIII, 5; vgl. JMVf. v. 28. Aug. 1852 und unten § 171 n. 6. (Aehnliches bestimmt § 76 des Mil.-StGB.'s in Betreff der Verjährung der Fahnenflucht (Desertion), obschon letztere (regelmäßig; vgl. § 141 n. 10) nicht zu den sog. dauernden Delikten zählt. Rücksichtlich der Dienstentziehung eines Militärpflichtigen vgl. n. 8, § 140 n. 10.) — Anders ver hält es sich mit solchen Straffällen, wo nicht die im Gesetze als Deliktsthatbestand bezeichnete strafbare Thätigkeit, sondern nur die Folgen des Delikts und der durch dasselbe geschaffene rechtswidrige Zustand fortdauern; vgl. cit. Rill. 1. Febr. 82. Dahin gehört die Errichtung oder Veränderung einer gewerblichen Anlage ohne die vorschriftsmäßige Genehmigung: OT. 14. Okt. 58 (JMbl. s. 359); contra: OT./2. Juni 74, 30. Sept. 75, 14. März 78 (O. XV, 344; XVI, 620; XIX, 137), Münch. 22. Febr. 81 (BE. I, 302); die Herstellung eines Baues ohne die vorge-
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Die Strafverfolgung von Uebertretungen verjährt in drei Monaten. schriebene polizeiliche Erlaubniß oder unter eigenmächtiger Abweichung von dem genehmigten Bauplane: OT. 22. Okt. 74, 5. Mai 76 (O. XV, 709; XVII, 332), Jena (Doll. 25 s. 151) und unten § 367 n. 87; die verbotswidrige Errichtung eines Gebäudes in der Nähe eines Staatswaldes (Ordonn. v. Aug. 1669 Tit. 27 Art. 28): OT. 19. Febr. 57 c. May, die verbotswidrige Auflegung eines neuen Strohdaches: KH. 24. Mai 34 (RA. 21; II, 14); die deichpolizeilichen Vorschriften zuwider vorgenommene Zerstörung (Verlegung) eines Deiches (Pr. Ges. v. 28. Jan. 1848 § 1): RI. 14. Febr. 81 (E. III, 382), indem in allen diesen Fällen das Strafbare in der verbotswidrigen Handlung, nicht in dem Bestehen (Bestehen lassen) der betr. Anklage liegt: (dadurch wird aber der Frage nicht präjlldizirt, inwiefern es nach Ablauf der Verjährungsfrist statthaft sei, im polizeilichen Wege die Anlage zu beseitigen). — Dasselbe gilt von der falschen Anschuldigung; vgl. § 69 n. 7. 8. Bei Omissivdelikten beginnt die Verjährung erst mit dem Ende der strafbaren Unterlassung, daher regelmäßig erst mit der endlichen Vornahme der Handlung oder mit dem Aufhören der Verpflichtung, bezw. dem Ablauf der Zeit, innerhalb welcher die Handlung noch vorgenommen werden konnte und sollte; ebenso: RII. 2. Nov. 83 (E. IX, 152). Beisp.: Nichtleistung des schuldigen Mili tärdienstes (§ 140), Nichtanmeldung eines Ersahreservisten I. Kl. b. Bez.-Feldw.: OT. 7. März 68 (O. XIX, 119); Versäumung der dem Rheder eines die Bundes flagge führenden Schiffes obliegenden Pflicht, die mit dem Schiffe vorgenommenen Veränderungen anzuzeigen (BGes. v. 25. Okt. 1867 §§11. 12. 15): OT. 22. Sept. 74 (O. XV, 683); Verabsäumung der vorgeschriebenen Anmeldung eines Dienstboten oder beherbergten Fremden oder der Beschäftigung jugendlicher Fabrikarbeiter (Gew.O. § 138): RI. 21. Dez. 83 (E. IX, 353), OT. (Pl.) 11. April 53 (JMbl. s. 239), OT. 7. Febr. 61, 7. Okt. 73 (0.1,241; XIV, 606). Eine Verpflichtung hört nicht nothwendig mit dem Ablauf der für deren Erfüllung vorgeschriebenen Frist auf; vielmehr ist im Einzelfalle zu prüfen, ob dieses nach dem Zwecke der betreffenden Bestimmung anzunehmen, oder ob die Frist nur vorgeschrieben sei, um nachdrücklich auf die rechtzeitige Erfüllung hinzuwirken: OT. 2. Nov. 71 (O XII, 562), Jena (Voll. 25 s. 272), Bind.HB. 1,841. Demgemäß beginnt die Verjährung der in den §§ 17. 68 des Personenst.-Ges.'s v. 6. Febr. 1875 vorgesehenen Uebertretung (Untere lassung der Geburtsanzeige) nicht schon mit dem Ablauf der im cit. § 17 bestimm ten Frist: Jnn.-MVs. 31. Okt. 1877 (LMbl. 78 s. 2), WGbl. XII, 335, Hinschius s. 78. Dasselbe gilt von der Frist, welche Jemandem zur Beobachtung des § 12 des RJmpfges.'s v. 8. April 1874 von der Behörde gestellt ist: Dresd. 17. Dez. 77 (SGZ. 22 s. 218); desgleichen (bei Stempelhinterziehungen) von der Frist, binnen welcher der Stempel nachzukassiren war; contra: OT. 6. Mai 53, 16. Okt. 74 (GA. 1,566; O. XV, 683); von dem Zeitpunkte für Berichtigungen nach Maßgabe des Preßges.'s § 11: Berl. 28. Febr. 84 (Johow V, 278); endlich von der im § 17 des Pr.Ges.'s v. 21. Mai 1861 für die Anmeldung eines Gebäudes zur Gebäudesteuer bestimmten Frist: OT. 6. Juli, 6. Nov. 77. 16. Jan. 78 (O. XVIII, 506. 691; XIX, 25). Die gleiche Wirkung jedoch, wie das Aufhören der Verpflichtung, hat bei Hinter ziehungen jährlich wiederkehrender Steuern, der Ablauf des Kalenderjahres, indem sich dort mit jedem neuen Jahre, in welchem die Jahressteuer nicht erlegt wird, ein neues Steuervergehen vollzieht. RI. 4. Juni 83 (E. VIII, 390) rechnet dahin auch die Fälle des cit. § 17 deö Ges.'s v. 21. Mai 1861; contra: cit. OT. 6. Juli 77, Berl. 7. Febr. 81 (Johow II, 240). — Die Uebertretung des § 15 des Bayer. Häusersteuer-Ges.'s v 15. Aug. 1828 ist überhaupt kein Omissivdelikt; hier beginnt jedoch die Verjährungsfrist nach der Absicht des Gesetzes erst mit dem Ablaufe der in den §§ 24ff.ib. vorgesehenen Reklamationsfrist; so: Münch. 14. Juli 77 (BE. VII, 315), in Fällen des § 14 ib. mit dem Zeitpunkte der nachträglich etwa erfolgten Angabe des wahren Miethertrages oder mit Beendigung des Revisionsverfahrens: Münch. 19. Juni, 25. Sept. 83 (BE. II, 380. 494). 8a. Was von Omissivdelikten gilt (n. 8), gilt [n ähnlicher Weise auch von Commissivdelikten durch Unterlassung; hrer beginnt die Verjährung daher
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Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem die Handlung begangen ist, ohne Rücksicht auf den Zeitpunkt des eingetretenen Erfolges. [I. Entw.: § 60; II. Entw.: § 65; Pr. StGB.: § 46. 47.] Vgl. §§ 66. 68. 65». 171. 245. 250 Nr. 5; EG. § 7 und die dort dt. Gess.; Gew.-O. § 145; Nachdr.Ges. v. 11. Zum 1870 §§ 33. 34. 37. 38. 43. 45; Mil.-StGB. §§ 52. 76; Seem.-O. v. 24. Dez. 1872 § 100; RPreßges. vom 7. Mai 1874 § 22 und die zu § 61 dt. Gess. v. 9., 10., 11. Jan. 1876. Preußen: Vgl. Jagd-Pol.-Ges. v. 7. März 1850 § 20; Ges. v. 22. Mai 1851 Art. V; Forstdiebst.-Ges. § 18; Ges. betr. d. Rheinschifffahrtsgerichte, v. 8. März 1879 § 14. mit dem Tage der Beendigung der Unterlassung bezw. mit dem Tage des Eintritts des Erfolges, durch welchen die Beendigung herbeigeführt wird: RH. 2. Nov. 83 (E. IX, 152: Motive). Dgl. n. 4. 9. Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt „mit dem Tage" der Begehung der Mißthat, so daß dieser ganze Tag in die Frist eingerechnet wird; war daher eine Uebertretung am 3. Mai verübt, so ist die dreimonatige Verjährung mit dem Beginne des 3. August abgelaufen: Mot. s. 77. R1V. 25. Juni 86 (R. VIII, 493); vgl. Nachdr.-Ges. v. 11. Juni 1870 §§ 33. 34. 37. Seem.-O. v. 17. Dez. 1872 § 100. — Dieser Grundsatz erleidet Ausnahmen bei Gewerbe-Polizeivergehen, ZollKontraventionen und Desrauden, Ordnungswidrigkeiten gegen die Zollvorschriften, bei Wechselstempelhinterziehungen und Brausteuerdefrauden rc. (Gew.-O. § 145; Zollges. v. l.Juli 1869 § 164; Wechselstemp.-Ges. v. 10. Juni 1869 § 17; Braust.Ges. v. 31. Mai 1872 § 40); hier beginnt die Verjährung „vom Tage" der Be gehung an; dieser wird also in die Frist nicht eingerechnet; ebenso: Bind.HB. 1,835; contra: Olsh. n. 8. 10. Für sämmtliche Mitthäter beginnt die Verjährung mit der letzten Hand lung, welche einer der Mitthäter (als solcher) vorgenommen hat; ebenso: Schw. s. 260, Otto n. 6, Puch. ». 9, Bind. 1. c. f. 839; contra: HStR. 1,700. 11. In Betreff des Anstifters und Gehülfen beginnt die Verjährung mit dem Tage, an welchem die Hauptthat begangen wurde (weil erst alsdann die Straf barkeit jener beginnt); ebenso: RII. 30. Dez. 81 (dt. n. 4), BGr. §40, Geyer, HH. II, 375, Schütze s. 209, Otto n. 6., Bind. GR. 1,164; contra: Schw. s. 260 (in Se treff der Beihülfe), Rubo s. 523, Olsh. n. 5, ML. s. 408; vgl. § 48 n. 10. - Das Gegentheil gilt von der Begünstigung, selbst von der vorher zugesagten. 12. Der letzte Tag der Frist muß gänzlich abgelaufen sein, damit die Verjährung eintrete. 13. Die Berechnung der Verjährungsfrist erfolgt nach Kalender-Jahren (Monaten); vgl. § 19. 14. Die Verjährung läuft in jedem Stadium des Verfahrens, so lange noch keine rechtskräftige Entscheidung zur Hauptsache ergangen ist. Das gilt na mentlich auch dann, wenn die Sache nach stattgehabter Anmeldung rc. des zulässi gen Rechtsmittels z. B. der Revision ruhen bleibt: OT. 14. Juli, 30. Sept. 73 (O. XIV, 504. 589), § 68 n. 26. 15. In Betreff der Verjährung der außerhalb des Bundesgebietes ver übten Zuwiderhandlungen gegen die Seemanns-O. v. 24. Dez. 1872 vgl. dort § 100; diese Vorschrift ist auf andere außerhalb des Reichsgebiets begangene Mißthaten nicht auszudehnen. 16. Verjährung der Bigamie vgl. § 171; D. des Ehebruchs und der Ehe erschleichung vgl. § 69 n. 8; V. des Bankerutts vgl. § 281 bezw. KO. § 209 n. 38; V. des Nachdrucks vgl. BGes. v. 11. Juni 1880 tz§ 33-38. 43. 45, RI. 22. Dez. 84 (E. XI, 333). 17. In Betreff der Verjährung der Strafverfolgung bei Zuwiderhandlungen gegen die Vorschriften über die Entrichtung öffentlicher Abgaben und Gefälle vgl. EG. § 7 und die Bemerkungen zu demselben. 18. Die durch die Gew.-O mit Strafe bedrohten Handlungen verjähren in drei Monaten; vgl. 1. c. § 145 und oben n. 6. Ausgenommen sind nur die in den
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§ 68. Jede Handlung des Richters, welche wegen der begangenen That gegen den Thäter gerichtet ist, unterbricht die Verjährung. §§ 146. 153 1. c. vorgesehenen Vergehen; für diese sind die Vorschriften des StGB.'s maßgebend. — Vgl. aber n. 21, §73 n. 10. 19. Gemäß § 22 des RPreßges.'s verjährt die Strafverfolgung „derjenigen Verbrechen und Vergehen, welche durch die Verbreitung von Druck schriften strafbaren Inhalts begangen werden, sowie der sonstigen in jenem Gesehe mit Strafe bedrohten Vergehen" in sechs Monaten. Dahin gehören alle durch die Presse begangenen, unter die allgemeinen Strafgesetze fallenden Verbrechen und Vergehen (einschließlich der strafbaren Mitwirkung zur Herstellung des Preßerzeugnisses, z. B. der Correktur: RI. 23. Febr. 80, R. I, 373) sowie die in den §§ 18. 21. 28 des Preßges.'s selbst vorgesehenen Vergehen, nicht aber die durch die Presse begangenen ^Übertretungen und die ^Übertretungen im Sinne des § 19 ib., (diese unterliegen der allgemeinen Vorschrift des § 67 Abs. 3: Schw. RPreßges. s. 130) noch das int § 19 des RGes.'s v. 21. Okt. 1878 vorgesehene Vergehen der Verbreitung verbotener sozialdemokratischer Druckschriften: Rl. 15. Dez. 83 (E. IX, 291). — Die übrigen Vorschriften der §§66 ff. finden, bei mangelnder besonderer Regelung im Preßgesehe, auf Preßdelikte überhaupt Anwendung: Rl. 24. März 81 (E. IV, 216). Landesgesehliche Bestimmungen über diesen Gegenstand sind nicht mehr in Kraft, hinsichtlich der durch die Presse begangenen gemeinen Vergehen rc. schon in Folge der Einführung des StGB.'s, hinsichtlich aller übrigen in Folge des die Landes-Preßpolizei-Gesetzgebung beseitigenden Preßges.'s; vgl. OT. 26. Okt. 75 (O. XVI, 693), EG. § 2 n. 10. — Bei Verstößen gegen das Preßges., z. B. gegen § 6 desselben, beginnt der Lauf der Verjährung nicht etwa schon mit der Drucklegung, sondern erst mit der durch das Erscheinen verwirklichten Verbreitung, d. h. mit der Veröffentlichung der Druckschrift: Berl. 6. Jan. 87 (GA. 35 s. 67). 20. Zuwiderhandlungen der Rheinischen (elsaß-lothringischen) Personen stands-Beamten gegen Art. 50 des Rh. BGB.'s verjährten in dreißig Jahren: Gilb. n. 5. Gemäß § 11 des RGes.'s v. 6. Febr. 1875 werden ähnliche Verstöße durchweg nur noch disziplinarisch durch die Aufsichtsbehörde geahndet (n. 24). 20a. Bezüglich der Verjährung der Forst die b stähle in Preußen vgl. Forstdiebst.-Ges. § 18, bezüglich derjenigen der Zuwiderhandlungen gegen die Bayern Trift- und Floßordnungen vgl. Münch. 29. April 85 (BE. III, 375). 21. Im Falle des ideellen Zusammentreffens (§73) kann die Straf verfolgung rücksichtlich der einen Qualifikation verjähren, während sie in Betreff der anderen statthaft bleibt. Das erleidet eine Ausnahme, wenn eine strafbare Hand lung den Thatbestand eines Gewerbe-Polizei- und den eines Steuer-Ver gehens in sich vereinigt, weil hier die Grundsätze der Jdeal-KDnkurrenz ausgeschlossen bleiben, und — nach Verschiedenheit der Umstände — nur die Strafe eines jener Vergehen (ev. unter Berücksichtigung des andern bei der Strafzumessung) verhängt werden darf, das letztere also für sich allein überhaupt nicht zu bestrafen ist (Gew.Ö. §§ 147. 148); die Verjährungsfrage ist sonach lediglich mit Rücksicht auf das zu be strafende Vergehen zu beurtheilen: OT. 26.Jan. 70, Löst., 26.Nov. 75 (O.XI,57: XVI, 625. 762); contra: Rn. 23. Juni 82 (E. VI, 371), OT. 4. März 73, 11. Zum 77 (O. XIV, 185; XVIII, 381), Berl. 9. Mai 81 (Johow II, 208); vgl. OA. 1. Dez. 69, OT. 15. Sept. 70, 31. Jan. 74 (O. X, 750; XI, 454; XV, 47) und § 73 n. 10. 22. Ueber die Unterbrechung der Verjährung siehe § 68. 23. In Betreff des Stillstandes (des zeitweisen Rühens) der Verjährung vgl. § 69. 24. Die Vorschriften über die Verjährung der Strafverfolgung finden auf Disciplinar Verfolgungen keine Anwendung; vgl. Thl II Abschn. 28 n. 7; contra: Rubo s. 518.
§68. Abgabenhinterziehung: 8. 11. Administrativ-Verfahren: 8. Akten-Einsendnng: 25. » Notiz:
Inhalt: Allgemeingeltung deS §: 1. 41. 42. Auswanderung: 15. Angeschuldigter: 6. 33. Befassung: 11. 12. 30. • Kenntniß: 38. Berichteritatter: 26. AuSsührungShaudlung: 15. Beweisaufnahme: 29. 31.
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Die Unterbrechung findet nur rücksichtlich desjenigen statt, auf welchen die Handlung sich bezieht. BeweiSIast:?40.
Civilklaqe: 44. Civilrichler: 4. 44. Einstellung deS Derf: 19. 38. Einziehung: 37. Entlastungobeweis: 29. 31. Ermittlungsverfahren: 12. 30. 42. Eröffn,mgsbeschluß: 19. Erekulivbeamter: 15. Flökaldehörde: 8. 11. Flucht: 6. Frist: 39. gegen den Thäter: 27—35. - irrige Bezeichnung: 32. • Kenntniß: 33. Geisteskrankheit: 6. Geschäftsbetrieb, innerer: 13. Haftzuftand: 15. Handlung, welche? 12 ff. • AuSkuhrung: 15. fonngerecht 14. ■ vorbereitende: 23. Hauptverhandlung: 20—23. 35. • Anordnung: 15. 22.
Hauptverhandlung, gegen wen? 35. Schritt, Unbrauchbarm.: 37. • Vertagung: 23. Sitzung, Ansetzung: 20.1 Skrutinialverfahren.- 12. 30. Vorbereitung: 20. 35. Staatsanwalt: 2. 3. 11. 20. 42. • Vorladung: 15. 20. Strafantrag: 5. 11. Hemmniß, Beseitigung: 13. 34. Strafgesetz, besond.: 41. Monitorium: 13. Strafverfügung, pol.: 8. Nachdruck: 44. Thatbestand, obj., Feststellung: 30. Neubeginn: 39. Theilnehmer: 27. Nichtigkeit: 14. Trennung mehr. Sachen: 21. Pol.'Beam1er: 3 Pol.»Strafverfüzung: 8. Uebertretung: 18. 19. UntersuchungSbatt: 15. Pol.-Richter: 10. 18. Unzuständiger kl.: 19. Preßvergehen: 42. Urtheil: 14. 22. Privatklage: 4. 43. Prüfung v. AmtSw.: 40. Verbind, mehr. Sachen: 17. 21. Verfahren von AmtSw.: 12. 29. Ralhst..Beschl.: 19. VeriolgungSakt: 12. 31. 42: Rechtsmittel: 6. 24—26. Verfügung, schriftliche: 36. Reproduktion: 13. Verwaltungsbeamter: 8. Richter, welcher? 7. 9—12. Vollstreckung: 15. • auSländ.: 15. Wechselstempel: 41. - Befassung: 11. 12. 30. wegen der That: 16. 17. • zuständiger: 10. 19. Zeitpunkt: 3. 16. Ruhendleiben: 38. Zuständigkeit: 10. 19. Schiedsmann: 4.
1. Aus dem inneren Zusammenhange, in welchem § 68 mit § 67 steht, sowie aus den Reichstagsverhandlungen, aus welchen seine jetzige Fassung hervorgegangen ist, ergiebt sich, daß die Unterbrechung der Verjährung nur nach Maßgabe der hier gegebenen Bestimmungen erfolgen kann, und daß abweichende landesgesetzliche Vorschriften, vorbehaltlich des unter n. 41 Gesagten, außer Kraft gesetzt sind: OT. (Pl.) 4. Jan. 73 (O. XIV, 23); contra: Otto n. 1 (weil die betr. Vorschriften pro zessualischer Natur seien; dabei wird aber übersehen, daß die Verjährung zu den im StGB, erschöpfend geregelten Materien gehört). — Ueber den Einfluß eines Geseheswechsels in dieser Materie vgl. § 2 n. 19. 2. Nur die Handlungen des Richters unterbrechen, nicht die der mit der Strafverfolgung betrauten Behörde (Staatsanwaltschaft rc.). Es ist nicht zu verkennen, daß dies dem Begriffe der Verjährung (Verlust des Rechts durch unter lassene Verfolgung desselben Seitens des dazu Berechtigten während eines be stimmten Zeitraums) nicht entspricht, und daß der dafür im Reichstage angeführte Grund „der Staatsanwaltschaft könne nicht schwer fallen, die Unterbrechung durch den Richter herbeizuführen" in sich keine Berechtigung trägt und thatsächlich unrichtig ist. Jene Vorschrift hatte bis zum Inkrafttreten der StPO, eine grundsätzliche Ver schiedenheit der Anwendung des § 68 nach der Verschiedenheit des prozessualischen Verfahrens zur Folge, indem dieselbe Handlung (z. B. die Ansetzung eines Termins, einer Vorladung, einer Zustellung rc.) da die Verjährung unterbrach, wo sie vom Richter ausging, während ihr jene Wirksamkeit mangelte, wo (wie nach französisch rechtlichen Verfahren) alle jene Handlungen ausschließlich in die Hand des StA.'s gelegt waren. Diese Uebelstände sind in der Praxis vielfach hervorgetreten; die Rechtslehre hat die ganze Vorschrift als eine verfehlte erkannt; vgl. BL. s. 802, Heinze, HH. II, 620. 3. Die Thätigkeit eines polizeilichen Beamten, z. B. eines Hülföbeamten der Staatsanwaltschaft (GVG. § 153) kann eine Unterbrechung der Verjährung nie bewirken; das galt von den Handlungen eines (Rheinischen) Friedensrichters, sobald er als ein solcher Hülfsbeamter thätig war. Dasselbe gilt jedoch nicht von der jetzigen amtsrichterlichen Thätigkeit nach Maßgabe des § 160 der StPO., da die Amtsrichter keine Hülföbeamten der Staatsanwaltschaft (in bent hier fraglichen Sinne) sind; vgl. GVG. §§ 152. 153; vgl. n. 12. 4. Ebenso wird die Verjährung nicht durch prozessualische Maßnahmen unter brochen, welche von dem Privatkläger (Nebenkläger) ausgehen, speziell auch nicht durch den Sühneversuch (StPO. § 420); Art. XVIII Abs. 2 des EG.'s z. Pr. StGB, und § 493 der NStPO. wurden bereits durch § 68 außer Kraft gesetzt; contra: Rüd. Q. 5. — Verschieden hiervon ist die Frage, ob die Antragsfrist des § 61 durch die Anbringung des Vermittlungsgesuchs gewahrt werde; in Betreff ihrer vgl. § 61 n. 19.
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Nach der Unterbrechung beginnt eine neue Verjährung. [I. Enlw.: § 61; II. Entw.: § 66; Pr. StGB.: §§ 47. 48.] Vgl. §§ 66. 67. 69; Nachdr.-Ges. v. 11. Sunt 1870 §38; und die zu § 61 eilt. Ges. v. 9., 10., 11. Jan. 1876; StPO. §§ 453. 459. 5. Dasselbe gilt von der Anbringung des Antrags Seitens des Verletzten. Der Umstand, daß die Antragsfrist noch nicht verstrichen ist, hindert den Ab lauf der Verjährung nicht: Dresd. 15. Juni 74, 8. März 75 (SGZ. XIX, 28. 293); vgl. § 69 n. 1. 6............... ebenso von allen Handlungen oder Zuständen des Angeschuldigten, z. B. von der Einlegung eines Rechtsmittels seitens desselben, seiner Geistes krankheit, Flucht rc. 7. Abs. 1 legt die unterbrechende Kraft „jeder Handlung des Richters" bei, welche rc. Aus dieser Fassung ergiebt sich, daß unter „dem Richter" Derjenige zu verstehen ist, welcher in einer dem bestehenden Strafprozeßgesetze entsprechenden Weise mit der Untersuchung oder Entscheidung des betr. Strasfalles befaßt ist; im Uebrigen kommt auf feine Stellung und seinen sonstigen Beruf nichts an. Dem gemäß konnte früher eine Unterbrechung der Verjährung (für den Bereich eines jeden Bundesstaats) nur durch den inländischen Richter und denjenigen Richter eines andern Bundesstaats erfolgen, dessen Zuständigkeit durch das Rechtshülfeges. v. 21. Juni 1869 anerkannt war, so daß seine Entscheidung auch für die übrigen Bundesstaaten die Rechtskraft begründete; vgl. n. 15, Heinze, HH. II, 623; contra: OT. 29. Mai 77 (cit. § 66 n. 1), Rüd. n. 7, Schütze f. 211, Puch. n. 4. - Da seit dem Inkrafttreten der R.-Justizgesehe ganz Deutschland auch in prozessualischer Hinsicht als Inland gilt (vgl. oben s. 17 n. 4), so besteht jetzt jene Beschränkung unter den einzelnen Bundesstaaten nicht mehr. — In Betreff der Frage, inwiefern zu den „Handlungen des Richters" auch diejenigen eines dem Amtsgerichte zur un entgeltlichen Beschäftigung überwiesenen Gerichtsassessors gehören, vgl. Rill. 11. März 86, Rl. 27. Mai 86 (E. XIII, 408; XIV, 153). 8. Wo nach besonderen Gesetzen ein Verwaltungsbeamter dazu berufen ist, eine in den Strafgesetzen vorgesehene Strafe zu verhängen oder auch nur vor läufig und unbeschadet des zu beschreitenden Rechtswegs in der Weise festzusetzen, daß sie eventuell zur Vollstreckung gelangen kann, ist auch diese seine Thätigkeit als eine richterliche und somit er selbst als „der Richter" im Sinne des § 68 anzusehen; ebenso: Dresd. 19. Juni, 28..Aug. 76 (SGZ. 21 s. 162. 241). Das gilt sowohl von ' den so auf Grund landesgesetzlicher Kompetenzvorfchriften ergehenden Strafverfü gungen der Polizeibehörden, z. B. von den auf Grund des Pr. Ges.'s v. 14. Mai 1852 (Kreis-O. v. 13. Dez. 1872 § 63) bzw. des Pr. Ges.'s v. 23. April 1883 durch die örtliche Polizeiverwaltung oder den Amtsvorsteher vorzunehmenden „vorläufigen Straffestsetzungen", als auch von den im administrativen Strafverfahren wegen einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften über die Erhebung öffentlicher Ab gaben und Gefälle (in der Form eines Resoluts oder im Wege der Submission) ergehenden Strafbescheiden; letzteres war früher streitig. Jetzt ist Beides gesetzlich anerkannt und zwar durch die §§ 453. 459 der StPO. — Dagegen reicht eine blos vorbereitende Thätigkeit einer Verwaltungsbehörde nicht aus, z. B. diejenige, welche den Administrativ- rc. Behörden in Beziehung auf die Strafver folgung eines ohne Erlaubniß ausgewanderten Reservisten rc. obliegt (§ 360 Nr. 3), der Strafantrag eines Stempelfiskals: Berl. 24. Okt. 81 (Johow IV, 245). Ja es dürfte gegenwärtig sogar der vorbereitenden Thätigkeit der zum Erlaß von Strafverfügungen berufenen Verwaltungsbehörden (in Ermangelung besonderer, ausdrücklich das Gegentheil bestimmender Vorschriften wie z. B. des WechselstempelGes.'s v. 10. Juni 1869 § 17) die Wirkung einer richterlichen die Verjährung unter brechenden Handlung abgehen, da die cit. §§ 453. 459 diese Wirkung nur den Strafverfügungen rc. selbst beilegen; vgl. n. 12; contra: Bind. HB. I, 850; vgl. Münch. 24. Jan. 79 (BE. IX, 41). 8a. Inwiefern militärgerichtliche Verfügungen die Verjährung unterbrechen, darüber vgl. OA. 6. Juli 72 (O. XIII, 391). 9. 9lur die Handlungen des berufenen (untersuchenden oder erkennenden) Strafrichters, nicht die eines lediglich mit der Civil-Entschädigungsklage befaßten Civil'Richters unterbrechen die Verjährung; vgl. n. 44.
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10. Nur der sachlich für den betr. Straffall zuständige Richter kann die Verjährung unterbrechen: BL. s. 303; Heinze, HH. II, 623; contra: OT. 9. Zuni 55 (JMbl. s. 348), 20. Juni 72 (O. XIII, 376: die Handlung eines mit einem Verbrechen rc. irrthümlich befaßten Polizeirichters genüge), OT. 25. Febr. 76, 4. März 79 (O. XVII, 144; XX, 120), Schw. s. 264, Schütze s. 211. Dem für die schwereren Straffälle berufenen Richter steht die Zuständigkeit auch in Betreff der leichteren Fälle zu: Manh. 7. Febr. 74 (StZ. III, 283); vgl. StPO. § 269 u. Mot. s. 160. Die örtliche Unzuständigkeit benimmt den richterlichen Hand lungen nicht die Unterbrechungskraft (sie ist keine absolute); vgl. HS. I, 540; contra: Rubo s. 527; in einem solchen Falle hat selbst eine Unzuständigerklärung die unterbrechende Wirkung (auch sie ist „gegen den Thäter gerichtet"): OT. 21. März 72 (O. XIII, 220). Dies gilt gegenwärtig um so gewiffer, als § 20 der StPO, ausdrücklich besagt, daß die einzelnen Untersuchungshandlungen eines (örtlich) un zuständigen Gerichts nicht schon dieser Unzuständigkeit wegen ungültig sind. Jene Wirkung wohnt sogar der Handlung eines örtlich unzuständigen Richters eines miberen Bundesstaats bei; vgl. n. 7. 11. Der Richter kann nur dann die Verjährung unterbrechen, wenn er in ge setzlicher Weise mit der Sache befaßt ist (n. 7). Die Wirkung tritt sonach nicht ein, wenn es an denjenigen Voraussetzungen fehlte, welche das Einschreiten des Richters nach der Strafprozeßordnung bedingten, z. B. an der hierzu erforderlichen „Anklage" (Klage) des Staatsanwalts oder einer Privatperson (: OT. 26. Okt. 75, O. XVI, 693) oder an dem für nothwendig erklärten Antrage des Verletzten (RI. 13. Febr. 82, E. VI, 37; OT. 15. Mai 79, O. XX, 260), oder wenn die zunächst zum Einschreiten berufene Verwaltungsbehörde die ihr vorbehaltenen Schritte noch nicht gethan hat. Demgemäß unterbricht die Mittheilung, welche ein Richter in Betreff eines zu seiner Kenntniß gelangten Straffalles, bestehenden Vor schriften entsprechend, an den Staatsanwalt gelangen läßt, die Verjährung nicht (sie ist auch keine richterliche gegen den Thäter vorgenommene Handlung: n. 27 ff.). Vgl. übrigens n. 12. 29 a. E. 12. Dagegen macht es keinen Unterschied, ob die richterliche Thätigkeit sich schon als Strafverfolgung charakterisirt, oder einen nur vorbereitenden Charakter an sich trägt. Somit genügt eine Handlung, welche der Richter auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift ohne Antrag des Staatsanwalts z. B. wegen einer Verzugs gefahr vorzunehmen hatte, und ebenso die von ihm (auf den Antrag des StA.'S) im s. g. Skrutinial- (Ermittlungs-) Verfahren vorgenommenen Maßnahmen, wenn sie ihrer Natur nach zur Unterbrechung geeignet sind (n. 13ff.); vgl. n. 30, StPO. §§ 163. 160. Dasselbe nahm RIV. 11. Mai 86 (E. XIV, 134) bezüglich einer Handlung an, welche ein Richter im administrativen Strafverfahren (n 8) auf Requisition der Verwaltungsbehörde vorgenommen hatte [?]. (Ob nicht etwa schon in der Requisition selbst eine Unterbrechungshandlung zu erblicken sei, kam damals nicht zur Sprache.) Keinesfalls stellt die bloße Entschließung des Richters, wider Jemanden eine Untersuchung einzuleiten, eine Unterbrechungshandlung dar: Dresd. 15. Febr. 78 (EGA. 23 s. 22). 13. Um die Verjährung zu unterbrechen, muß die Handlung vom Richter als solchem vorgenommen, sie muß eine „richterliche" (ein Akt der Strafge richtsbarkeit) sein, und sich objektiv als solche kennzeichnen, d. h. sie muß er kennen lassen, daß sie dahin abzielt, in Beziehung auf eine als begangen unter stellte Mißthat im gesetzlich geregelten Verfahren zur Ermittelung des (ob jektiven oder subjektiven) Thatbestandes und zur Bestrafung des Schuldigen zu führen: OT. 20. Juni 72 (O. XIII, 367). Demgemäß genügt jede Verfügung, welche die Beschaffung eines Beweismittels (z. B. der Abschrift einer Urkunde zu den Untersuchungsakten: Dresd. 6. Febr. 72, SGZ. XVI, 79) zum Gegenstände Hatz nicht minder eine solche, welche den Zweck verfolgt, einer gesetzlich vorgeschrrebenen Förmlichkeit des Verfahrens zu genügen, z. B. die Verfügung, die Akten dem Staatsanwalt vorzulegen, damit dieser einen Antrag stelle. Dagegen scheidet Alles aus, was ein Richter lediglich als Aufsichtsbehörde verfügt: OT. 18. Juni 75 (O. XVI, 466), oder was nur den inneren, für die Untersuchung selbst nicht wesentlichen Geschäftsbetrieb zwischen den bei der Untersuchung zusammenwirkenden Beamten betrifft und lediglich dazu dient, den äußeren Gang des Verfahrens vor zubereiten oder im Gange zu erhalten, z. B. die richterliche Präsentation einer
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Strasklage (OT. 30. Nov. 75, O. XVI, 764), bloße Akten-Notizen, Repro duktionsverfügungen(: Colmar 16. Mai 85, Franz s. 71), Monitorien oder Be schwerden wegen Nichtvollzugs einer Requisition, ebenso solche Erkundigungen bei anderen Behörden, welche gar nicht auf eine Aufklärung des Sachverhalts hinzielen, sondern lediglich den äußeren Geschäftsbetrieb (z. B. die Beseitigung eines diesen stören den thatsächlichen Hemmnisses) betreffen: vgl- OT. (Pl.) 30. Okt. 54 (Entsch. dess. 29 s. 265), OT. 28. Febr. 62 (O. II, 280), Dresd. 10. Zuli 74 (StZ. IV, 269); contra: OT. 13. Jan 69 (O. X, 20); dieses Erk. kann unter der Herrschaft des § 68 nicht mehr als maßgebend angesehen werden; insbesondere ist ihm nicht zu zustimmen, wenn es dafür hält, daß da, wo ein äußeres vom Willen des Richters unabhängiges Hinderniß (i. c. die Abwesenheit anderer eine Vorbestrafung des Angeschuldigten betreffender Akten) den Fortgang der Untersuchung hemme, jede Thätigkeit des Richters, durch welche er seine fortdauernde Aufmerksamkeit auf die Sache bekunde, die Verjährung unterbreche. Wohl aber unterbricht eine Anfrage wegen rechtlicher Hemmnisse, z. B. eine solche über den Stand des anderen Straf verfahrens mit Rücksicht auf § 164 Abs. 2 oder § 191: Rll. 16. Dez. 79 (GA. 27 s. 452). 14. Eine ihrer Natur nach zur Unterbrechung der Verjährung geeignete Handlung verliert ihre Wirksamkeit noch nicht deshalb, weil sie formell nicht allen für Handlungen ihrer Art vorgeschriebenen Vorschriften entspricht, sobald sie nur nicht gänzlich nichtig ist. Ein vom Revisionsrichter wegen materieller Gesetzesver letzung vernichtetes instanzgerichtliches Urtheil behält seine die Verjähmng unter brechende Wirkung. Anders verhält es sich, wenn das Urtheil wegen Verletzung einer wesentlichen Vorschrift des Verfahrens vernichtet ist; auch in diesem Falle bleibt aber die dem Urtheil vorhergegangene Hauptverhandlung zur Hervorbringung jener Wirkung geeignet. Dagegegen' ist letztere selbst formell gültigen Handlungen abzusprechen, wenn dieselben erweislich oder gar ausgesprochener Maßen lediglich zum Zwecke der Unterbrechung der Verjährung vorgenommen werden, z. B. der aus schließlich zu solchem Zwecke erfolgenden Erneuerung eines (in Kraft verbliebenen) Haftbefehls. 15. Nur der eigenen Handlung des Richters ist die unterbrechende Wirkung beigelegt, nicht der Thätigkeit anderer Beamten, welche die richterliche Anord nung zur Ausführung bringen; diese darf nicht so angesehen werden, als sei sie vom auftraggebenden Richter selbst ausgegangen; die betreffenden Maßnahmen sind feine, „richterlichen", sondern lediglich Vollstreckungshandlungen. Demgemäß unterbricht zwar der Erlaß des richterlichen Vorladungs- oder Haftbefehls, nicht aber die dem zufolge durch einen Vollstreckungsbeamten bewirkte Vorladung oder Verhaftung; vgl. n. 39; contra: OT. 11. Febr. 74 (O. XV, 68), Schw. s. 265, Otto n. 6, Olsh. n. 4, Bind. HB. I, 850; vgl. OT. 4. Dez. 73 (O. XIV, 771). Jenes muß insbesondere da gelten, wo das Gesetz selbst die Ausführung einer vom Gerichte angeordneten Maßnahme einem andern Beamten übertragen hat (Beisp.: die frühere Beschrei bung eines vernichtenden Erkenntniffes des höchsten Gerichtshofes am Rande des vernichteten durch den Sekretär des Jnstanzgerichts in Gemäßheit des franz. Ges.'s v. 27 vent. VIII art. 85): eit. OT. 4. Dez. 73. Ebenso verhält es sich mit der Beförderung einer richterlichen Verfügung an den zur Vollstreckung berufenen Beamten und mit dem ins Werk gesetzten Haftzustande des Angeschuldigten (dieser ist nicht als eine andauernde Handlung des Richters anzusehen; contra.'Heinze, HH. II, 625, Olsh. n. 13). — Dagegen sind die richterlichen Handlungen, welche ein anderer Richter (selbst ein ausländischer, vgl. n. 7) im Aufträge (auf Requisition) des mit der Untersuchung befaßten vornimmt, so anzusehen, als seien sie vom letzteren selbst vorgenommen. 16. Die unterbrechende Handlung muß „wegen der begangenen That" vorgenommen sein. Sie muß erkennen lassen, daß bei der Vornahme der Zweck vorgewaltet habe, der (unter n. 13) erwähnten Aufgabe des Richters in Beziehung auf eine bestimmte konkrete (wenn auch vielleicht zunächst nur als möglich gedachte) That zu genügen; ist dieses der Fall, so bleibt es gleichgültig, ob diese That da mals schon rechtlich so qualistcirt worden war, wie es später im Urtheil geschah: OT. 3. Mai 72 (O. XIII, 293), Manh. 7. Febr. 74 (StZ. III, 283). Münch. 25. Jan. 87 (BE. IV, 319), BL. s. 303; contra: Bind. HB. I, 851 (: insofern er die Mög lichkeit annimmt, daß im Falle idealer Konkurrenz die Verjährung der Strafverfol-
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gung aus dem einen strafrechtlichen Gesichtspunkte unterbrochen werde, aus dem andern nicht). Demgemäß erkannte RIV. 7. Dez. 86) E. XV, 107), daß, wenn eine Voruntersuchung nur auf Kindesmord gerichtet gewesen sei, die in derselben vorgenmnnlenen richterlichen Handlungen die Verjährung iu Betreff der Uebertretung aus § 367 Nr. 1 nicht unterbrochen hätten, sollte auch die Beiseiteschaffung der Leiche damals zur Sprache gekommen und als Belastungsmoment für die Anschul digung aus § 217 ermittelt worden sein. Ebenso erklärte OT. 26. Okt. 75 (O. XVI, 693) ein Strafverfahren, das sich zwar auf denselben Zeitungsartikel bezog, welcher Gegenstand der neuen Verfolgung war, aber eine andere Stelle dieses Ar tikels betraf, zur Unterbrechnng der Verjährung für ungeeignet; vgl. übrigens § 61
n. 17, § 74 n. 14. 17. Es läßt sich nicht mit Münch. 24. Jan. 80 (BE. I, 90), Schw. n. 6 und Heinze (HH. II, 625) grundsätzlich aufstellen, daß in einem mehrere selbständige Straffälle umfassenden Strafverfahren eine nur auf einen jener Fälle bezügliche richterliche Handlung stets die Verjährung in Betreff aller unterbreche; ebenso: Bind. HB. I, 851. 853, Otto n. 12. Dagegen kann diese Wirkung augenommen werden, wenn jene — den einen Straffall betreffende — Handlung gleichzeitig da hin abzielte, die verbundene Hauptverhandlung vorzubereiten und die Verhängung einer „Gesammtstrafe" (§ 74) wegen aller herbeizuführen; vgl. n. 21. 18. Ein amtsrichterlicher Strafbefehl (StPO, h 447) unterbricht unzweifel haft die Verjährung; ebenso aber auch die amtsrichterliche Verfügung, durch welche der Antrag auf Erlaß eines solchen abgelehnt wird: Münch. 27. Juni 85 (BE. III, 425); vgl. n. 19. Die Behändigung des Strafbefehls bezw. das Datum derselben kommt hierbei nicht in Betracht: Jena 76 (Voll. 24 s. 80). 19. Dasselbe gilt von dem über das Ergebniß der (Vor-) Untersuchung er gehenden Beschlusse (contra: Dresd. 10. Juli 74, SGZ. XVIII, 365), und zwar nicht blos, wenn durch denselben das Hauptverfahren eröffnet wird, sondern auch, wenn das Gericht seine Unzuständigkeit ausspricht (n. 10) oder das Verfahren einstellt und den Beschuldigten außer Verfolgung setzt; insoweit im letzteren Falle später das Verfahren wieder aufgenommen werden kann, unterliegt die Unter brechung keinem Bedenken; vgl. n. 38. Hierher gehört namentlich auch der Einstellnngsbeschluß im Falle des § 208 der StPO.; ebenso: Löwe s. 462. Der wegen eines Vergehens das Hauptverfahren eröffnende Beschluß unterbricht die Ver jährung selbst dann, wenn der erkennende Richter demnächst die betr. Handlung nur als Uebertretung qualifizirt: OT. 2. Febr. 71, Manh. 22. Dez. 77 (O. XII. 72; BA. XLIII, 373); vgl. n. 10, Rill. 19. Okt. 85 (E. XIII, 57). 20. Ebenso unterbrechen alle gesetzlich vorgeschriebenen die Hauptverhand lung vorbereitenden richterlichen Handlungen, z. B. die richterliche Ansetzung eines Sitzungstermins oder die richterliche Verfügung, durch welche die Vorladung von Zeugen oder die Herbeischaffung sonstiger Beweismittel zu jenem Termine an geordnet wird; vgl. n. 35. 39 und Münch. 24. Juli 83 (BE. 11,446); desgleichen die vor der Terminsbestimmung und zum Zweck derselben durch den Vorsitzenden ge troffene Anordnung von Erhebungen über den Aufenthalt des Angeklagten rc: Münch. 22. Juli 85 (BE. III, 583) und die zur Vermeidung unnöthiger Kosten und Verzögerungen erfolgende Wiederaufhebung jenes Termins: 9111. 20. @ept. 84 (A.
X, 455). 21. Ein gerichtlicher Beschluß, welcher die Verbindung mehrerer getrennt ge führter Untersuchungen zu Einem Hauptverfahren, oder die Trennung bis dahin verbundener Untersuchungen anordnet (StPO. §§ 4. 13. 236), unterbricht die Ver jährung; vgl. n. 17. 22. Alle im Laufe des Hauptverfahrens vom erkennenden Gerichte (sei es in der Form eines Beschlusses oder in Form eines Urtheils) ergehenden, den Gang des Verfahrens oder die Entscheidung betreffenden Anordnungen rc. unterbrechen die Verjährung. Das gilt namentlich von dem En du rt heile, sollte es auch auf Freisprechung lauten; vgl. n. 14. 23................. ebenso von einem Vertagungöbeschlusse (Urtheil) des befaß ten Gerichts: OT. 23. Jan. 62 (Rh. Sache: O. II, 220). 24..................ebenso von den gesetzlich vorgeschriebenen, die Zulassung eines eingelegten Rechtsmittels betreffenden Verfügungen des Richters a quo. 25..................in gleicher Weise von den Verfügungen, durch welche das ein
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Rechtsmittel instruirende Gericht demnächst die Einsendung der Akten an das zur Entscheidung berufene höhere Gericht anzuordnen hat. 26............... ebenso von der Ernennung desjenigen Richters, welcher (nach dem maßgebenden Strafprozeßgefetze) dem erkennenden Gerichte Bericht über die Sache zu erstatten hat. — Dagegen sind die Vorbereitungen, welche der be stellte Richter für seine Person zu jenem Zwecke trifft, zur Unterbrechung nicht geeignet. Demgemäß läuft die Verjährung während der Zeit, deren der Bericht erstatter in der (Berufungs- oder Revisionsinstanz) bedarf, um sein Referat auszu arbeiten; die schriftliche Ausarbeitung selbst ist nur dann eine Unterbrechungshand lung, wenn das Strafprozeßgeseh sie vorschreibt; vgl. n. 27, § 67 n. 15. 27. Um die Verjährung zu unterbrechen, muß die richterliche Handlung „ge gen den Thäter (als solchen) gerichtet sein" , („sich auf ihn beziehen": Abs. 2). „Thäter" ist hier (wie sich aus Abs. 2 ergiebt) im weiteren Sinne zu verstehen: vgl. § 47 n. 1. Sie muß daher auch nach Außen hin in die Erscheinung treten: Dresd. 31. Mai 78 (SGZ. 22 s. 340: die bloße Abfassung des Urtheils gehöre daher als ein innerer Vorgang nicht hierher). Doch ist die Frage, ob eine richterliche Handlung gegen den Thäter gerichtet sei, nicht lediglich aus dieser selbst zu entnehmen, sondern im Zusammenhange mit den sonstigen Vorgängen zu entscheiden; für die im Ermittelungsverfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft pflichtgemäß zu treffenden Verfügungen bezeichnet jener Antrag die Richtung, sofern der Richter nicht ausdrücklich eine abweichende Richtung zum Ausdruck gebracht hat: RH. 28. Nov. 84 (R. VI, 768). Vgl. n. 13. 30. 28. Das trifft zunächst bei allen unmittelbar gegen die Person eines der That Verdächtigen gerichteten (richterlichen) Verfolgungsakten zu, z. B. bei Haft befehlen, Steckbriefen rc. 29. Zst der Richter durch eine wider eine bestimmte Person erhobene Strafklage (Anklage, Beschuldigung) mit der Untersuchung aegen diese Person befaßt (n. 20), so sind alle Voruntersuchungshandlungen und Verfügungen, welche dahin abzielen, den Sachverhalt der betr. That ins Klare zu stellen, und ihren subjektiven oder objektiven Thatbestand zu ermitteln, als „gegen den Angeschuldigten gerichtet" anzusehen. Insbesondere ist es nicht erforderlich, daß der Zweck der betreffen den Maßnahme dahin gegangen sei, ein Belastungsmoment gegen ihn zu er mitteln oder aufzuklären; vielmehr gehören auch alle auf seinen Antrag ode^ in seinem Interesse bewirkten Entlastungsbeweiserhebungen hierher, weil sie einen wesentlichen Theil des ganzen gegen ihn geführten Untersuchungsver fahrens bilden; ebenso: Rll. 20. Sept. 84 (A. X, 455). Richt anders verhält es sich mit solchen Maßnahmen, welche auf die Ermittlung des Verschuldens eines Andern (vielleicht noch nicht Beschuldigten) abzielen. Demgemäß unterbrechen die Voruntersuchungshaudlungen der erwähnten Art die Verjährung in Betreff aller (zur Zeit) Mitangeschuldigten, und zwar selbst dann, wenn in der Folge ein ge meinschaftliches Handeln nicht festgestellt werden oder das speziell Ermittelte auf den Einzelnen keinen Bezug haben sollte; vgl. Rill. 19. Okt. 85 (E. XIII, 57), Cöln 4. Juni 83 (Rh.A. 74, II, 32), Otto n. 11. 12. Rill. 12. Jan. 85 (E. VI, 364) legte die unterbrechende Wirkung sogar einem Zeugenverhör bei, mit welchem nicht sowohl die Ueberführung des (flüchtigen) Angeschuldigten, als vielmehr die Fort schaffung bezw. Rückgabe eines Asservats angestrebt worden war. — Dieselben Grundsätze sind auch da maßgebend, wo nach der Strafprozeßgesetzgebung der Richter von Amts wegen einschreitet, ohne an die Bedingung einer vom Staats anwalt angehobenen Strafklage gebunden zu sein. Es richtet sich dann nach jener Prozeßgebung, von welchem Augenblicke an die Untersuchung als gegen den ein zelnen Betheiligten gerichtet anzusehen ist. 30. So lange noch nicht in der gedachten Weise (n. 29) die sVor-j Untersuchung gegen eine bestimmte Person eingeleitet ist, läßt sich nicht sagen, daß rich terliche (Vor-) Untersuchungshandlungen, welche nur die Feststellung des objektiven Thatbestandes oder die Ermittlung des zur Zeit noch ganz unbekannten Thäters zum Gegenstände haben, gegen diesen Thäter gerichtet seien; sie unter brechen die Verjährung nicht; vgl. RI. 27. April 82 (E. VI, 212), Stuttg. 7. Juni 76 (WGbl. XII, 134). Das Gegentheil tritt ein, sobald erkennbar wird, daß eine solche Untersuchungshandlung dahin abzielt, das spezielle Verschulden irgend eines
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der Betheiligung Verdächtigen (wenn auch zur Zeit noch nicht Angeschuldigten) ins Klare zu stellen, um danach zu bemessen, ob gegen ihn eine Anschuldigung zu er heben sei (vgl. n. 12). Das gilt vor Allem dann, wenn der Staatsanwalt das betr. Individuum als der That verdächtig bezeichnet und den Richter zur näheren Er mittlung und Aufklärung der Beweismomente veranlaßt hat. Es muß aber auch da gelten, wo der mit der Voruntersuchung (oder mit dem Ermittlungsverfahren) befaßte Richter von Amtswegen Beweiserhebungen vornimmt, welche (in erkenn barer Weise) dahin abzielen, das Verschulden eines ihm der Betheiligung ver dächtig Scheinenden festzustellen, ungeachtet im Uebrigen das Verfahren gegen eine andere bereits angeschuldigte Person gerichtet war; — gegenwärtig mindestens dann, wenn die Voraussetzungen des § 189 der StPO, zutreffen; vgl. jedoch RI. 24. Nov. 79 (E. I, 231: sprach der Verfügung zur Vorladung eines Mitthäters als Zeugen und der unterlassenen Vereidung desselben int Verhöre wegen dort abgelegten Geständniffes die unterbrechende Wirkung ab, obschon jene Verfügung dahin abzielte, ev. auch die Mitthäterschaft klarzustellen, da sie immerhin nur dem Zeugen gegen über getroffene Anordnungen und keine gegen den Geladenen als Thäter gerichtete Handlungen gewesen seien), Rill. 7. Juni 83 (E. VIII, 362). Zn solchen Fällen ist es dem Richter dringend zu empfehlen, sich durch eine geeignete in den Akten niedergelegte Erklärung klar darüber auszusprechen, gegen wen sich seine Unter suchungshandlung richte. 31. Demgemäß (n. 30) ist eine Beweiserhebung des Richters, durch welche ein eine bestimmte Persönlichkeit belastendes Moment ermittelt wird, in Betreff dieser die Verjährung selbst dann zu unterbrechen geeignet, wenn sich bis dahin gegen sie noch kein Verdacht der Betheiligung ergeben hatte. 32. War eine richterliche Handlung gegen eine namentlich, aber irrthümlich bezeichnete Person gerichtet, so unterbricht sie die Verjährung dennoch gegen Den jenigen, welcher in erkennbarer Weise bei jener irrigen Bezeichnung gemeint war: OT. (bis) 10. Jan. 72 (O. XIII, 16. 19). 33. Die Unterbrechung der Verjährung ist nicht dadurch bedingt, daß Der jenige, gegen welchen sich die richterliche Handlung richtete, unmittelbar davon be troffen werde, oder daß er auch nur Kenntniß davon erlange, und dadurch in den Stand gesetzt werde, sich während der ganzen Verjährungsfrist gegen die Ver folgung zu vertheidigen (Beisp.: eine Kontumazial-Verhandlung): OT. 10. Jan. 72 (O. Xlir, 16); contra: Jena 20. Dez. 71 (StZ. I, 266: erheischte eine Handlung, durch welche der Thäter als Angeschuldigter behandelt werde). 34. Maßnahmen, welche nicht „gegen den Thäter" gerichtet sind, sondern nur dahin zielen, Hemmnisse der richterlichen Thätigkeit (z. B. einen Kompetenzkonflikt) zu beseitigen, sind zur Unterbrechung der Verjährung ungeeignet. Doch kann hier die Verjährung ruhen (§ 69 n. 5). Im Uebrigen vgl. n. 13 a. E. 35. Die dem Haupt verfahren angehörenden oder dieses vorbereitenden richterlichen Handlungen (n. 10—23) unterbrechen die Verjährung nur in Betreff desjenigen Angeschuldigten, auf welchen sie sich unmittelbar beziehen (Abs. 2). Es sind jedoch richterliche Anordnungen, welche die Herbeischaffung eines Beweismittels (z. B. die Vorladung eines Zeugen) zum Hauptverfahren zum Gegenstände haben, als wider alle Angeschuldigten gerichtet anzusehen, über welche in diesem Haupt verfahren entschieden werden soll; dagegen unterbricht die Verfügung der Vorladung des einzelnen Angeschuldigten selbst nur in Betreff dieses letzteren. — Eine gegen den Thäter gerichtete Handlung ist als solche nicht zugleich gegen den für die ver wirkte Geldstrafe Haftbaren gerichtet; vgl § 66 n. 2, Rlll. 25. Mai 82 (E. VI, 381). 36. Alle zur Unterbrechung der Verjährung geeigneten schriftlichen Ver fügungen ic. thun diese Wirkung mit dem Tage, unter welchem sie vom Richter in den Akten erlassen sind, sollten dieselben auch demnächst erst mundirt (ausge fertigt) und sonach erst später nach außen wirksam werden. Die in der Abfaffung der Schrift liegende Anordnung bildet wesentlich einen Theil derjenigen Thätigkeit, welcher der Gesetzgeber jene Wirkung beilegt. Es darf dabei vorausgesetzt werden, daß der gewissenhafte Richter jede Äntedatirung eines eventuell die Verjährung unterbrechenden Schriftstücks grundsätzlich unterlassen werde. 37. Handlungen, welche lediglich dahin abzielen, daß die Einziehung einer Sache oder die Unbrauchbarmachung einer Schrift rc. selbständig erkannt werde
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§ 69. Ist der Beginn oder die Fortsetzung eines Straf verfahrens von einer Vorfrage abhängig, deren Entscheidung (§ 42), unterbrechen die Verjährung der Strafverfolgung des Thäters nicht. Da gegen werden jene Maßnahmen selbst nicht durch Verjährung ausgeschlossen; sie stellen keinen Akt der „Strafverfolgung" (§ 66) dar; vgl. § 71 n. 2. ‘ 38. Eine Unterbrechungshandlung verliert diese ihre Wirkung nicht durch eine demnächst erfolgende Einstellung oder durch ein Ruhenbleiben des Verfah rens: OT. 1. Mai 61 (GA. IX, 496); vgl. n. 19. 38a. Von einer unterbrechenden Wirkung kann selbstredend keine Rede sein, wenn die Handlung erfolgt, bevor der Lauf der Verjährung begonnen hat (vgl. § 67 n. 8); in solchem Falle beginnt daher auch nicht (arg. Abs. 3) die Verjährung von jener Handlung an zu laufen: Ri. 16. Sept. 80 (R. II, 212).
39. Nach jeder die Verjährung unterbrechenden Handlung „beginnt eine neue Verjährung". Die durch Einleitung der Voruntersuchung erfolgte Unterbrechung wird daher nicht etwa dadurch perpetuirt. daß das Gericht in Folge jener Einleitung zu einer Entscheidung über Erhebung der Anklage berufen ist: OT. 4. Juni 78 (O. XIX, 300). Ebenso läuft die Verjährungsfrist in der Zeit zwischen der Verfügung des Termins zur Hauptverhandlung und dem Termin selbst: RII. 25. Mai 83 (E. Vin, 310), Münch. 28. Dez. 86 (BE. IV, 271); contra: OT. 11. Febr. 74 (O. XV, 68); vgl. n. 15. Für diese neu beginnende Verjährung (ihre Frist, den Lauf und die Unterbrechung derselben) gelten dieselben Grundsätze, wie für die erste; ebenso: Rill. 19. Okt. 85 (E. XIII, 57: demgemäß beginne die neue Verjäh rung mit, nicht nach dem Tage der Unterbrechung), Colmar 16. Mai 85 (Franz f. 70: speziell bezüglich der auf landesgesehlichen Sonderbestimmungen — n. 41 — beruhenden, kürzeren Fristen); insbesondere kann auch sie in derselben Weise wie jene unterbrochen werden; es beginnt dann der Lauf der Verjährung zum dritten Male u. s. w.; contra: BL. s. 304, Rubo s. 529. 40. Auch die Frage, ob die Verjährung unterbrochen worden, hat der Jnstanzrichter von Amtswegen zu prüfen; es liegt also dem Angeschuldigten in dieser Beziehung keine Beweislast ob; vgl. § 66 n. 3—9. Inwiefern dies auch für den Revisiönsrichter gelte, und inwiefern er die Frage selbständig aus den Akten zu prüfen habe, darüber vgl. § 66 n. 7. 41. Insoweit ein neben dem StGB, in Kraft verbliebenes besonderes. (Reichs- oder Landes-) Strafgesetz für die behandelten Straffälle in Betreff der Unterbrechung der Verjährung abweichende Vorschriften enthält, haben auch diese ihre Geltung bewahrt. Vgl. Einl.-Bestst. (s. 18) n. 2, OT. 29. Juni 76 (O. XVII. 477: betraf die bezüglichen Sondervorschriften des (franz.) Ruralges.'s v. 28. Sept. 1791), Schütze f. 209, Rüd. s. 249; contra (in Betreff landesgesehlicher Vorschriften): Bind. GR. I, 183. 42. Die Handlungen des mit einer Strafsache befaßten Richters unterbrechen die Verjährung für jede weitere (noch statthafte) Strafverfolgung, ohne Unter schied, ob daS betr. Verfahren durch die Staatsanwaltschaft oder einen Privat klüger veranlaßt war, ob die neue Verfolgung durch diesen oder durch jene be trieben wird. 43. Die Einleitung des Strafverfahrens unterbricht die Verjährung der CivilEntschädigungs-Klage ebensowenig wie die Anstellung der letzteren die Ver jährung der Strafverfolgung unterbricht; vgl. aber EG. z. Pr. StGB. Art. XII, EL. EG. Art. VI. — Das Gesagte gilt auch in Nachdruckssachen rc.; vgl. Nachdr.Ges. § 38 und die Urheber-Gess. v. Jan. 1876. §69. 1. Die Verjährungsfrist ist ein tempus continuum; sie beginnt und läuft fort ohne Rücksicht darauf, ob der zur Strafverfolgung berufenen Behörde das Ein schreiten möglich war oder nicht; abweichende civilrechtliche Vorschriften bleiben hier außer Anwendung: BL. s. 304, Heinze, HH. II, 614; contra: OT. 13. Jan. 69 (O. X, 20); vgl. n. 12. — Demgemäß läuft die Verjährung der Strafverfol gung auch dann, wenn die Statthaftigkeit der letzteren durch ein anderes zur Zeit noch nicht eingetretenes Ereigniß, z. B. durch den Strafantrag des Verletzten
Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 69.
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in einem anderen Verfahren erfolgen muß, so ruht die Ver jährung bis zu dessen Beendigung. [I. Entw.: (fehlte); II. Entw.: § 67; Pr. StGB.: (fehlte). Dgl. §§ 164. 191; Seem.-O. v. 24. Dez. 1872 § 100; StPO. § 261. Preußen: Dgl. Ges. v. 31. Jan. 1845; NStPO. §§ 8. 486. bedingt ist, sowie nicht minder, wenn der Angeschuldigte in Geisteskrankheit verfallen und deshalb nicht zu verfolgen, oder wenn er flüchtig und nicht aufzu finden ist; vgl. § 68 n. 5. 6. 2. Don diesem Grundsätze (n. 1) macht § 69 für den Fall eine Ausnahme, wo der Beginn rc. der Strafverfolgung von der Losung einer Vorfrage abhängt welche in einem anderen Verfahren erfolgen muß, wo also nach gesetzlicher Vor schrift die Strafverfolgung ausgeschlofien bleibt, so lange nicht die in jenem andern Verfahren herbeizuführende Entscheidung der Vorfrage erfolgt ist; dagegen bleibt der § außer Anwendung, wenn das Ruhenbleiben der Verfolgung nicht absolut ge boten ist, sondern ans bloßen Zweckmäßigkeitsgründen bis zur Erledigung eines andern Verfahrens gewartet wird. 3. Als „Vorfrage" ist jede Frage anzusehen, welche nach gesetzlicher Vor schrift in einem andern Verfahren entschieden sein muß, ehe mit der Strafverfol gung begonnen oder fortgefahren werden darf. Daß diese Entscheidung irgend ein Thatbestandsmoment des betr. Straffalles zum Gegenstand habe und demnächst für den erkennenden Strafrichter bindend sei oder sein könne, ist nicht erforderlich; vgl. Motive s. 77, welche den Grund der ganzen Vorschrift lediglich darin finden, „daß in den hierher gehörigen Fällen die Fortsetzung der Untersuchung durch die mit ihr in Verbindung stehende Sache gehindert ist, und daß überhaupt erst durchs die Er ledigung der letzteren diejenige Grundlage gewonnen wird, auf welcher die Unter suchung fortgesetzt werden könn". — Sonach findet § 69 auf Fragen, welche der eigenen Kognition deS Strafrichters unterliegen (z. B. die der Zurechnungsfähigkeit des Angeschuldigten) keine Anwendung: Darmst. 19. April 74 (HE. s. 28). 4. Ebensowenig wird erheischt, daß die Vor-Entscheidung (n. 3) in einem ge richtlichen Verfahren und durch eine richterliche Behörde erfolgen müsse; es genügt, wenn die Entscheidung einer Verwaltungsbehörde vorhergehen muß; dagegen findet der § auf andere das gerichtliche Verfahren blos vorbereitende Handlungen einer andern Behörde keine Anwendung; vgl. § 68 n. 15. — Sonach ist § 69 nicht auf den Fall auszudehnen, wo die gerichtliche Strafverfolgung (z. B. einer Abgabenhinterziehung) ausgeschlossen bleibt, bis ein der betr. Verwaltungsbehörde anheimgestelltes administratives Strafverfahren seine Erledigung gefunden hat: OT. (Pl.) 31. März 56 (Entsch. dess. 33 s. 192); dagegen wird die Verjährung hier durch die Straffestsetzung der Verwaltungsbehörde unterbrochen: § 68 n. 8. \ 5. Demgemäß gehört vor Allem der Fall hierher, wo in Folge eines erhobenen Kompetenz-Konflikts (oder sonstigen Konflikts) ein angehobenes strafgericht liches Verfahren einstweilen eingestellt wird, bis über die streitige Frage der Zu ständigkeit oder der Statthaftigkeit der Strafverfolgung von einer andern Behörde Entscheidung ergangen ist; vgl. GVG. § 17, EG. z. GVG. § 11, Pr. Ges. v. 13 Febr. 1854. 6. Aehnlich verhielt es sich, wenn eine präjudizielle Civil-Berechtigungs Einrede oder die Stempelpflichtigkeit einer Urkunde vorweg vom zuständigen Civilrichter entschieden werden mußte; vgl. für Preußen: Ges. v. 31. Zan. 1845; Ges. v. 14. April 1856 Art. II; NStPÖ. § 486; Ges. v. 24. Mai 1861 § 14; oder, wenn eine den Thatbestand einer Mißthat bedingende Status frage der (bindenden) Vorweg-Entscheidung des Civilrichters bedurfte; vgl, C. civ. art. 327. Inzwischen bestimmt § 261 Abs. 1 der StPO., daß, wenn die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurtheilung eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses abhange, das Straf gericht auch über dieses nach den für den Beweis in Strafsachen geltenden Vor schriften entscheiden solle, wogegen Abs. 2 ib. das Gericht für befugt erklärt, die Untersuchung auszusetzen und einem der Betheiligten zur Erhebung der Civilklage eine Frist zu bestimmen oder das Urtheil des Civilrichters abzuwarten. Demgemäß sind der cit. § 14 des Ges.'s v. 24. Mai 1861 und C. civ. art. 327 in Wegfall gekommen: ebenso (speciell in Betreff des cit. § 14): RII. 24. April 83 (E. VIII,
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Thl. I. Abschn. IV. Stras-Ausschließung u. Milderung. — § 70.
§ 70. Die Vollstreckung rechtskräftig erkannter Strafen verjährt, wenn 224), Berl. 1. Dez. 84 (Zohow V, 260), Löwe s. 511; contra: Berl. 20. März 82 (Johow III, 275), Dalcke StPO- s. 173. Dagegen dürfte das cit. Ges. v. 31. Jan. 1845, soweit eö Forst- und Feldrügesachen betrifft, mit Rücksicht auf § 3 Abs. 3 des EG.'s z. StPO, in Kraft geblieben sein; vgl. Schw. StPO. s. 113; contra: Löwe 1. c. (weil es dazu einer neuen landesgesehlichen Anordnung bedurft habe). Selbst dann, wenn der Strafrichter von der im cit. tz 261 Abs. 2 der StPO, ver liehenen Besugniß Gebrauch macht, liegt kein Fall des § 69 vor, eben weil dafür keine gesetzliche Nothwendigkeit bestand. 7. Ferner gehören hierhin die Fälle der §§ 164 Abs. 2, 191, betr. falsche Anschuldigung und Verläumdung: RII. 16. Dez. 79 (GA. 27 s. 452), Münch. 26. Marz 77 (BE. VII, 116: Mot.), Schütze s. 210, Heinze, HH. II, 614, Otto s. 133; contra: Schw. s. 261. 267 (rechnet den Fall der falschen Anschuldigung nicht hierher, weil diese ein fortdauerndes Delikt sei [?]). 8. Endlich gehören hierher auch die Fälle der Eheerschleichuna (§ 170) und des Ehebruchs (tz 172), deren Verfolgung durch die vorherige Auflösung oder Scheidung der Ehe bedingt ist: RII. 28. Dez. 86, NIV. 8. Febr. 87 (E. XV, 122. 261: speziell in Betreff des Ehebruchs) OT. 19. Juni 61, 20. Jan. 69, 23. Sept. 75, 25. Jan. 77 (O. I, 450; X, 34; XVI, 611; XVIII, 75), Dresd. 29. Aug 73 (SGZ. XVII, 307), Schw. s. 267; id., GSaal 24 s. 69, Rüd. n. 2; s. 306 n. 5; contra: Meyer s. 133 n. 4; s. 136 n. 13, Puch. n. 2. — Aehnlich verhält es sich im Falle einer Entführung (§§ 237. 238), wenn der Entführer die Entführte geheirathet hat, so lange die Ehe nicht für ungültig erklärt ist: Schw. s. 267; id., GSaal 24 s. 73; vgl. cit. RII. 28. Dez. 86 (Motive); contra: Puch. n. 1. 9. Das Gegentheil ist der Fall, wenn gegen einen in der Untersuchung ver nommenen Zeugen eine Verfolgung wegen Meineids eingeleitet wird, vorausgesetzt, daß das maßgebende Prozeßgesetz die Aussetzung der ersten Uitterfudjung bis nach Beendigung der letztern nur gestattet und nicht gebietet: Münch. 26. März 77, 31. Mai 83 (BE. VII, 116; BE. II, 366). Die StPO, enthält ein solches Gebot nicht. 10. Waltet ein Hinderniß der im § erwähnten Art ob, so ruht, wenn die Strafverfolgung noch nicht angehoben war, die Verjährung ohne Rücksicht darauf, ob die zeitweilige Nichtverfolgung ihren Grund in jenem Hindernisse hatte. Tritj dagegen das Hinderniß erst im Lause eines Strafverfahrens ein, so wird der § nur dann anwendbar, wenn wirklich aus dem angegebenen Grunde mit der Fort setzung inne gehalten wird; er bleibt ausgeschlossen, wenn jenes Verfahren nichts destoweniger fortgesetzt, dann aber aus einem andern Grunde unterbrochen wird; so: Darmst. 9. Okt. 71 (HE. s. 30); contra: Olsh n. 9. 11. Trifft der tz zu, so „ruht" die Verjährung bis zur Beendigung des Vor verfahrens, d. h. bis in diesem die Entscheidung erfolgt und endgültig (rechtskräftig) geworden ist. Von diesem Augenblicke an setzt sich der früher begonnene Lauf der Verjährung (von selbst) in der Weise fort, daß die früher verstrichene Frist mit zur Berechnung gelangt. 12. Das Pr. OT. hat den Grundsatz des § 69 dahin verallgemeinert, daß er überall Anwendung finden müsse, wo ein gesetzliches (auf einer ausdrücklichen Gesetzesvorschrift beruhendes) Hinderniß der Strafverfolgung oder ihrer Fortsetzuug zeitweilig entgegensteht, insbesondere da, wo ein civilgerichtliches Strafver fahren suspendirt bleiben muß, solange der zum Beurlaubten st an de gehörende Angeschuldigte zu einem dienstlichen Zwecke einberufen ist (StGB. s. d. Heer §§ 7, 13, BGbl. 1867 f. 232): OT. 14. März 67, 20. März 73 (O. VIII, 180; XIV, 215); contra: Puch. n. 5, Heinze, HH. 11,614, StGZ. XIII, 439, Olsh. n. 10 (letzterer speziell auch wegen des durch Art. 31 der R-Verfass. geschaffenen Hindernisses); vgl. Puchelt, StRZ. XII, 589. Obige Ansicht unterliegt jedenfalls in der Allge meinheit, wie sie aufgestellt worden, erheblichen Bedenken. — Für einen besonderen Fall ist jener Grundsatz anerkannt durch die Seem.-O. v. 24. Dez. 1872 § 100. 1.
Die Verjährung der Strafvollstreckung schließt diese für die Zukunft aus,
Thl. 1. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 70.
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1) auf Tod oder lebenslängliches Zuchthaus oder auf lebens längliche Festungshaft erkannt ist, in dreißig Jahren; 2) auf Zuchthaus oder Festungshaft von mehr als zehn Jahren erkannt ist, in zwanzig Jahren; 3) auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren oder auf Festungs haft von fünf bis zu zehn Jahren oder Gefängniß von mehr als fünf Jahren erkannt ist, in fünfzehn Jahren; 4) auf Festungshaft oder Gefängniß von zwei bis zu fünf Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als sechstausend Mark erkannt ist, in zehn Jahren; 5) auf Festungshaft oder Gefängniß bis zu zwei Jahren oder auf Geldstrafe von mehr als einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark erkannt ist, in fünf Jahren; 6) auf Haft oder auf Geldstrafe bis zu einhundertfunfzig Mark erkannt ist, in zwei Jahren. hebt aber die Verurtheilung nicht auf; es treten daher die Folgen der lehteren (vgl. § 31) trotz der Strafverjährung ein. Dagegen begründet eine verjährte Strafe nicht die Rückfälligkeit, insoweit diese durch die Verbüßung (und nicht schon durch die rechtskräftige Verurtheilung) bedingt ist (§ 245). 2. Nur die Vollstreckung der Strafe verjährt nach Maßgabe des § 70, nicht auch die Vollstreckung der in dem Urtheile des Strafgerichts dem Verletzten zuge sprochenen Civil-Entschädigung oder Erstattung. Als eine solche Civil-Entschädigung ist auch die in den §§ 188.231 erwähnte „Buße" zu betrachten. Zn Betreff dieser Verurtheilungen richtet sich die Verjährung lediglich nach den civil rechtlichen Grundsätzen; vgl. C. d'instr. er art. 642; ebenso: Meves s. 110; contra: Rubo s. 532 (hält die Buße für unverjährbar); desgleichen Olsh. n. 5 (zumal, da die CPO. die Vollstreckbarkeit der Urtheile auf keine bestimmte Zeit beschränke). 3. Ebenso verhält es sich mit den dem Angeklagten zur Last gelegten Kosten; sie sind nicht Strafe, sondern ein dem Staate rc. verschuldeter Ersah: KH. 9. März 31 c. Grewelling, Heinze, HH. II, 626; contra: Meves s. 110. 4. Die Verjährungsfrist richtet sich nach den „erkannten Strafen"; es bleibt daher ohne Einfluß, wegen welcher Mißthat, von welchem Gerichte und in welchem Verfahren (kontradiktorisch oder in contumaciam rc.) diese verhängt sind. 5. Der § läßt die Vollstreckung „der erkannten Strafen" (Mehrzahl) ver jähren; daraus folgt, daß die Gesammtheit der (durch ein Erkenntniß kumulativ) verhängten Strafen'zusammen verjährt, nicht jede einzelne für sich. Für die Ver jährungsfrist ist dann die Haupt strafe entscheidend; ist Geldstrafe neben einer Freiheitsstrafe erkannt, so ist die letztere maßgebend: § 71 und Motive s. 77. Ebenso: Puch. n. 8, Bind. GR. I, 187; contra: Rubo s. 531. 6. Das unter n. 5 Gesagte gilt insbesondere auch dann, wenn die Verurthei lung (in einem Erkenntniß) wegen mehrerer realiter konkurrirender Straffälle erfolgte, mag eine einzige Gesammtstrafe oder eine Mehrheit kumulirter Strafen er kannt sein; auch hier liegt nur eine einzige Verurtheilung vor, deren Vollstreckung ebenfalls eine einheitliche sein muß; der Angeschuldigte, welchem dabei die Milde rungen im Strafmaße (§ 74 Abs. 3. § 75 Abs. 3, § 77 Abs. 2, § 78 Abs. 2) zu Theil werden, wird nicht dadurch beschwert, daß aus derselben Veranlassung die Verjährungsfrist verlängert wird: Puch. n. 8, Bind. GR. I, 187; contra: v. Kirchm. s. 58 (läßt das Gesagte nur insoweit gelten, als eine Gesammtstrafe erkannt ist); ähnlich Rüd. n. 1, Olsh. n. 6, Otto § 71 n. 1 (arg. § 71: „wegen derselben Handlung"; vgl. aber Motive s. 77). — Sind in einem solchen Falle mehrere Freiheitsstrafen nebeneinander verhängt (§§ 75. 77), so richtet sich die Verjährungsfrist nach der schwereren Strafart; mehrere verhängte Geldstrafen (§ 78) sind zusammen zu rechnen. — Nicht minder findet der obige Grundsatz Anwendung, wenn über zwei KonkurOppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. ?lufl.
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Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 70.
Die Verjährung beginnt mit dem Tage, an welchem das Urtheil rechtskräftig geworden ist. [I. Entw.: § 63; II. Entw.: § 68; — Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I. — Pr. StGB.: § 49.] Bgl. §§ 66. 71. 72. renzfälle nicht in einem, sondern in getrennten Verfahren und Erkenntnissen entschieden worden ist, sofern das zweite Erkenntniß nach Anleitung des § 79 die Grundsätze von der Realkonkurrenz nachträalich zur Geltung gebracht hat. — Das Gegentheil tritt ein, wenn die getrennten Aburtheilungen durchaus selbständig er» folgt sind, sei es, weil man von der Realkonkurrenz keine Kenntniß hatte, oder weil man sie mit Rücksicht auf § 79 nicht berücksichtigen konnte. Zrn ersteren Falle wird dagegen das oben Gesagte wieder anwendbar, sobald nachträglich (vgl. § 79 n. 23) eine Mehrheit selbständig durch verschiedene Urtheile erkannter Strafen auf ein ein» heitliches Maß zurückgeführt wird. 7. Die Novelle hat in Nr. 2 hinter den Worten „auf Zuchthaus" eingeschaltet „oder Festungshaft", und demgemäß der Nr. 3 eine dieser Aenderung entsprechende Fassung gegeben, wodurch eine in dieser Materie bisher fehlende Kongruenz her gestellt wurde; vgl. Mot. s. 33. 8. Die Nrn. 4. 5 leiden insofern an einem Redactionsversehen, als beide den Fall einer zweijährigen Strafe mit umfassen; bei diesem nicht zu hebenden Wider» streite wird der mildern Vorschrift der Nr. 5 der Vorzug zu geben sein. 9. Für die Verjährung einer (allein) verhängten Geldstrafe ist nur der Be trag derselben (nach Nr. 4. 5 oder 6), nicht die Dauer der substituirten Frei» heitsstrafe maßgebend, sollte auch die letztere zur Vollstreckung zu bringen fein; eine Geldstrafe von mehr als 6000 Mark verjährt somit in zehn Zähren, obgleich die substituirte Gefängnißstrafe ein Jahr nicht übersteigen kann (§ 29) und daher als Prinzipalstrafe in fünf Jahren verjähren würde (Nr. 4. 5). Ebenso: Münch. 20. Mürz 80 (BE. I, 112). 10. Für die Verjährung eines Verweises (tz 56 Nr. 2) fehlt es an einer Vor schrift: da solcher sich als die mildeste aller Strafen darstellt, so ist es unbedenk lich, für denselben die zweijährige Verjährung (Nr. 6) gelten zu lassen; ebenso: Bind. Grundr. I, 187; contra: Rubo s. 532 (Verweis sei unverjährbar). 11. In Betreff der Verjährung der Nebenstrafen vgl. § 71 n 2; § 72 n. 2 ff. 12. Das Maß der „erkannten Strafen" ist für die Verjährungsfrist auch bcimT entscheidend, wenn dieselben im Urtheil demnächst durch Anrechnung einer erlittenen Untersuchungshaft (§60) eine Verkürzung erfahren haben; contra: Puch. n. 5. Dasselbe dürfte von der Anrechnung einer im Auslande vollzogenen Strafe gelten, obgleich § 7 in dieser Beziehung von einer Anrechnung auf die „zu erkennende Strafe" spricht. 13. Die auf die „erkannten Strafen" anwendbare Verjährungsfrist (n. 4) bleibt auch dann maßgebend, wenn eine theilweife Begnadigung oder eine Theilv ollstreckung stattgefunden hat. und demnächst nur'noch ein verbliebener geringerer Rest nachträglich zu vollstrecken ist: Puch. n. 5, Heinze, HH II, 616, Olsh. n. 7; contra: Bind. GR. I, 188 (will hier die durch Begnadigung ermäßigte als „er kannte Strafe" behandelt wissen); Rubo s. 533 (die durch Begnadigung festgesetzten Strafen seien unverjährbar). Dabei macht es keinen Unterschied, auS welchem Grunde die Vollstreckung unterbrochen, ob dieses durch eine Versäumniß des betr. Beamten oder auf den Wunsch oder durch ein Verschulden des Verurtheilten (Flucht ic.) geschehen war. 14. Auch die durch schwurgerichtliche Kontumazial- („auf Ausbleiben ergangene") Erkenntnisse verhängten Strafen unterliegen der Verjährung des § 70, selbst wenn auf Grund derselben eine Vollstreckung gegen die Person des Ver urtheilten nicht stattfinden kann, dieselbe vielmehr durch die Gestellung oder Ver haftung des Angeschuldigten sofort gehemmt wird; vgl. Pr. Ges. v. 3. Mai 1852 Art. 44, Pr NStPO. § 459, C. d’iustr. er. art. 476 (dieser sieht den Fall der Strafverjährung ausdrücklich vor). Gegenwärtig findet eine schwurgerichtliche Ver handlung in Abwesenheit des Angeklagten nicht mehr statt. 15. Die Verjährung der Strafvollstreckung beginnt mit der Rechtskraft des
Thl. I. Abschn. IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 71.
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§. 71. Die Vollstreckung einer wegen derselben Handlung neben einer Freiheitsstrafe erkannten Geldstrafe verjährt nicht früher, als die Vollstreckung der Freiheitsstrafe. [I. Gntro.: (fehlte); II. Entw.: § 69; Pr. StGB.: (fehlte).) Dgl. §§ 70. 72. Urtheils; in Betreff deS Eintritts dieser vgl. § 30 n. 4. Bis zum gedachten Zeitpunfte kann nur von der Verjährung der Strafverfolgung die Rede fein. 16. Die Verjährung beginnt „mit dem Tage" des Eintritts der Rechtskraft; dieser Tag ist also in die Frist einzurechnen; dagegen muß der letzte Tag der Frist vollendet sein, damit die Verjährung eintrete. 17. Unter „Jahren" sind in Nr. 1—6 Kalenderjahre zu verstehen. 18 In Betreff der Unterbrechung der Verjährung und des Wieder beginns ihres Laufs nach der Unterbrechung vgl. § 72. 19. Die Vorschrift des § findet auch aus solche Verurtheilungen Anwendung, welche aus einem besonderen neben dem StGB, in Kraft verbliebenen Straf gesetze erfolgt sind, insofern nicht ein solches Gesetz gerade in dieser Beziehung ausdrückliche abweichende Vorschriften enthält. 20. In Betreff der Verjährung der Vollstreckung einer vor dem In-KraftTreten des StGB.'s rechtskräftig erkannten Strafe vgl. § 2 n. 21. 21. Aus die im Disciplinarverfahren ergangenen Verurtheilungen und ihre Vollstreckung bezieht sich § 70 nicht mit; contra: Rubo s. 534.
§71. 1. Die Vorschrift dieses § ist die Konsequenz des Grundsatzes, daß alle „er kannten Strafen" als Ganzes zusammen verjähren (§ 70 n. 5. 6). 2. Dieser Grundsatz findet auch in Betreff der als Nebenstrafe erkannten Einziehung einzelner Gegenstände (§ 40) oder der Unbrauchbarmachung der Schriften rc. strafbaren Inhalts (§ 41) Anwendung: Rüd. s. 261; contra: John, StRZ. XII, 67. Erscheint dagegen eine dieser Maßnahmen nach dem Ablaufe der Verjährungsfrist aus einem polizeilichen (präventiven)Gestchtspunkte als geboten, so ist es statthaft, sie in einem neuen Verfahren nach Anleitung des § 42 selbständig zu erkennen; der Umstand, daß sie früher bereits gegen den Thäter ausgesprochen worden war, kann da, wo die Vollstreckung dieses Urtheils rechtlich unmöglich ge worden ist, das durch § 42 zugelassene Verfahren nicht ausschließen; vgl. § 42 n. 6, § 68 n. 37; contra: Rüd. I. c., Heinze, HH. II, 592 3. Anders verhält es sich mit der Aberkennung der bürgerlichen Ehren rechte oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter, sowie mit dem Verlust der öffentlichen Aemter rc. und der aus öffentlichen Wahlen hervor gegangenen Rechte. Da ihre Wirkung nach § 36 mit der Rechtskraft des Ur theils eintritt, sie also sofort als vollstreckt gelten, so kann eine Verjährung dieser Vollstreckung nicht mehr Platz greifen. Das erkennt der cit. § 36 ausdrück lich an, indem er die Zeitdauer der Ehrenstrafen von dem Tage an berechnet, an welchem die außerdem verhängte Freiheitsstrafe verbüßt, verjährt oder erlaffen worden ist. 4. Dasselbe gilt selbstverständlich von den als Folge einer Verurtheilung von Geseheswegen eintretenden Unfähigkeiten (§ 31). 5..................ebenso von der Zulässigkeit der Polizeiaufsicht; vgl. § 38 Nr. 3, welcher auch hier die Zeitdauer von dem Tage an laufen läßt, an welchem die gleichzeitig verhängte Freiheitsstrafe — verjährt rc. ist. 6. Die im § 362 für statthaft erachtete „Ueberweisung" der aus § 361 Nr. 3—4 Verurtheilten an die Landespolizeibehörde, durch welche die letztere er mächtigt wird, jene „nach verbüßter Strafe" in ein Arbeitshaus unterzubringen, — ist zwar als eine „Besserungs-Nachhast" qualificirt (Motive s. 22), hat aber darum nicht minder den Charakter einer (Neben-) Strafe; sie ist sonach auch ver jährt, sobald die Vollstreckung der Hauptstrafe verjährt ist: ML. f. 412, Jnn.-MVs. v. 27. Juli 1875 (VMbl. s. 182); vgl. übrigens § 362 n. 5. 6a. 7. Dagegen ist die verordnete Unterbringung eines freigesprochenen (Strafunmünd igen in ein Erziehungs- oder Besserungshaus (§ 56 Abs. 2) keine Strafe, sie unterliegt somit auch nicht der Verjährung der §§ 70 ff.
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Thl. I. Abschn. IV. Straf Ausschließung u. Milderung. — § 72.
§ 72. Jede auf Vollstreckung der Strafe gerichtete Hand lung derjenigen Behörde, welcher die Vollstreckung obliegt, so wie die zum Zwecke der Vollstreckung erfolgende Festnahme des Verurtheilten unterbricht die Verjährung. §72.
1. Auch hier ist unter „Strafe" die Gesammtheit der gegen den Verurtheilten „erkannten Strafen" zu verstehen; vgl. § 70 n. 5. 6; contra: Rubo s. 535. Daher genügt jede auf Vollstreckung einer dieser Strafen gerichtete amtliche Handlung, um die Verjährung der Vollstreckung im Ganzen zu unterbrechen, mag es sich dabei um eine Haupt- oder Nebenstrafe handeln; insbesondere wird die Verjährung der verhängten Freiheitsstrafe auch durch eine Vollstreckungshandlung unterbrochen, welche auf die Beitreibung der Geldstrafe, oder auf die angeordnete Einziehung eines Gegenstandes oder die Unbrauchbarmachung einer Schrift rc. abzielt: Puch. n. 3. 2. Das Gesagte (n. 1) erleidet nur in Betreff der Aberkennung der Ehrenrechte oder der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter, sowie in Betreff des Verlustes der öffentlichen Aemter rc. und der Zulässigkeit der Polizeiauf sicht eine Ausnahme. Da diese ohne äußern Vollstreckungsakt von selbst wirksam werden und eben deshalb selbst gar nicht verjähren (vgl. § 71 n. 3—5), so kann auch eine Maßnahme, welche dahin abzielt, sie wirksam werden zu lassen, z. B. die Entfernung aus einer amtlichen Stellung oder die Abnahme eines Ordens rc.. nicht die Wirkung haben, in Betreff der Vollstreckung der übrigen Strafen die Verjährung zu unterbrechen. 3. Da die Verurtheilung in die Kosten des Verfahrens keine Strafe ist. (§ 70 n. 3), so unterbrechen die auf Beitreibung dieser Kosten abzielenden Maß nahmen nicht die Verjährung der Strafvollstreckung. 4. Als Unterbrechungshandlung ist zunächst jeder Strafvollzug selbst an zusehen, also die Einstellung des zu einer Freiheitsstrafe Verurtheilten in die betr. Strafanstalt, sowie sein Aufenthalt in derselben; ebenso die Beitreibung der Geld strafe, die Ertheilnng des Verweises rc. Selbst eine freiwillige Einzahlung der Geldstrafe oder eines Theiles derselben genügt; die im § erheischte amtliche Handlung liegt dann in der Empfangnahme des Geldes. 5. Ist es zu einem solchen (theilweisen) Strafvollzüge noch nicht gekommen/ so genügt jede auf deffen Bewirkung zielende Handlung derjenigen Behörde, welcher „die Vollstreckung obliegt", d. h. derjenigen, welche durch'die betr. Strafprozeßgesetzgebung dazu berufen ist, die Vollstreckung zu bewirken. Diese war im Geltungsbereiche der Pr. Vdn. v. 3. Jan. 1849 das Gericht, welches in erster In stanz erkannt hatte; in demjenigen der Pr. NStPO. (§ 430) die Staatsanwalt schaft bei dem Gerichte erster Instanz; im Gebiete des C. d’instr. er. das öffentliche Ministerium (I. c. artt. 165. 197. 376), sowie bezüglich der Geldstrafen und Ein ziehungen eine der Verwaltungsbehörden (Negierung, Prov.-Sleuer-Direction rc.), welche dabei „im Namen des öffentlichen Ministeriums" handelte, vgl. I. c. art. 197 Rh. Exek.-Vdn. v. 24. Nov. 1843 § 1 Nr. 9. - Jetzt ist jene Behörde all gemein die Staatsanwaltschaft des Landgerichts, selbst in den vor die Schöffen gerichte gehörigen bzw. verwiesenen Sachen, es sei denn, daß für letztere die Straf vollstreckung den Amtsrichtern übertragen worden wäre: StPO. § 483. 6. Demgemäß wird die Verjährung unterbrochen durch die von der Bollstreckungsbehörde (n. 5) ausgegangenen Anordnungen (Befehle, Requisitionen), daß die Strafe in Vollzug zu sehen sei. Ebenso haben die Beschlüsse bezw. Ent scheidungen, welche mehrere durch verschiedene Erkenntnisse verhängte Strafen auf eine Gesammtstrafe zurückführen (vgl. § 79 n. 23), eine unterbrechende Wirkung (sie sind auf die Vollstreckung „gerichtet"). 7. Dagegen haben die auf Grund jener Anordnungen von den beauftragten (Vollstreckungs-) Beamten vorgenommenen Handlungen jene Wirkung nicht; diesen Beamten „liegt die Vollstreckung nicht ob", sie vollziehen nur den ihnen ge wordenen Auftrag; contra: Bind. HB. I, 858. Eine Ausnahme macht hier nur die zum Zwecke der Vollstreckung erfolgte Festnahme des (zu einer Freiheits-
Thl. I. Abschn IV. Straf-Ausschließung u. Milderung. — § 72.
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Nach der Unterbrechung der Vollstreckung der Strafe be ginnt eine neue Verjährung. [1. Entw.: (fehlte); II. Entw.: § 70; Pr. StGB.: § 49.] Dgl. §§ 70. 71. strafe) Verurtheilten; sie unterbricht, auch wenn sie nur durch einen untergeordneten Vollstreckungsbeamten bewirkt ist. Der Akt der Festnahme genügt, sollte dieselbe auch noch nicht zur wirklichen Vollstreckung führen, z. B. wenn der Festgenommene wieder entspringt: diese Ausnahme bestätigt den an die Spitze gestellten Grundsatz. 8. Hiernach (n. 5—7) unterbricht zwar ein von der Vollstreckungsbehörde aus gegangener, an eine andere gerichteter Befehl (Anordnung, Requisition), den zur Freiheitsstrafe Verurtheilten festzunehmen (ihn an die Strafanstalt abzuliefern oder in die letztere aufzunehmen (z. B. der Erlaß oder die öffentliche Bekannt machung eines Streckbriefs); ebenso die Anordnung: die Geldstrafe rc. int Exeku tionswege einzuziehen oder die geleistete Zahlung anzunehmen, nicht aber die desfallsigen Anordnungen der angegangenen Zwischenbehörden (3. 99. des Landraths) noch der Zahlbefehl rc. des Exekutors, noch (früher) das Schreiben, mit welchem eine Rheinische Regierung rc. den Urtheilsauszug an den Beamten des öffentlichen Ministeriums gelangen ließ, damit dieser die der uneinziehbaren Geld strafe substituirte Freiheitsstrafe vollstrecken lasse; vgl. § 68 n. 15. 9. Wird eine andere Behörde von der zur Vollstreckung berufenen um Ver anlassung des Strafvollzugs requirirt, weil die betr. Handlungen außerhalb des der letzteren überwiesenen Bezirks vorzunehmen sind, so ist rücksichtlich der Hand lungen der requirirten Behörde zu unterscheiden, ob diese zu denjenigen gehört, welchen im Allgemeinen eine Vollstreckung „obliegt", oder nicht; im ersteren Falle unterbrechen ihre Anordnungen rc. die Verjährung, im letzteren nicht. 10. „Auf die Vollstreckung gerichtet" sind nur diejenigen Handlungen, welche geeignet und dazu bestimmt sind, die Vollstreckung unmittelbar herbeizuführen. Hierher gehören die (von der berufenen Behörde selbst ausgehenden) amtlichen Auf forderungen: die Freiheitsstrafe anzutreten, oder die Geldstrafe zu zahlen, nicht aber eine Ausstandsbewilligung; contra: Schw. s. 270 (mindestens in Betreff der Geldstrafe). Schütze s. 212 n. 31, Bind. HB. I, 859, noch die Benachrichtigung, daß ein Begnadigungsgesuch abgelehnt sei. 11. Befindet sich der Verurtheilte in Untersuchungshaft, so unterbricht die Anordnung, ihn in die Strafanstalt zu bringen, und wenn diese gleichzeitig zur Aufbewahrung der Untersuchungsgefangenen dient, die Anordnung, daß der Ver haftete nun als Strafgefangener zu behandeln sei, die Verjährung. 12. Durch die Maßnahme unberufener Personen, z. B durch die von einem inkompetenten Beamten oder einem Privatmanne ausgehende Haftnahme, selbst wenn sie aus Anlaß eines amtlich ergangenen Steckbriefes erfolgte, wird die Ver jährung nicht unterbrochen; (es wäre das keine „Festnahme" im Sinne des §); contra: Schw. n. 2, Heinze, HH. 11,264, Otto n. 4, Schütze s. 212. 13. Eine zur Sicherung einer Geldstrafe genommene Hypotheken-Eintragung unterbricht nicht die Verjährung; vgl. Kr.-, Inn.-, I.-, u. FMVf. v. 14. Juni 1872; auch bleiben Landesgesetze, welche eine eingetragene Forderung für alle Zukunft der Verjährung entziehen, hier außer Anwendung. 14. Das zu § 68 n. 14 (i. f.) Gesagte gilt analoger Weise auch hier. 15. Sind gegen dieselbe Person mehrere (durch verschiedene Urtheile ver hängte) Freiheits- oder mehrere Geldstrafen zu vollstrecken, so unterbrechen die vor genommenen Vollstreckungshandlungen die Verjährung in Betreff aller, sobald sie in erkennbarer Weise dahin abzielten, zur Vollstreckung aller zu führen. DaS gilt (im gedachten Falle) auch von der Verbüßung der einen Freiheitsstrafe, weil diese als die begonnene Vollstreckung der Gesammtheit aller anzusehen ist. Hätte die Voll streckung der einen schon begonnen, ehe das zweite verurtheilende Erkenntniß rechts kräftig wurde, so muß nach dem Eintritte dieser Rechtskraft verfügt werden, daß sich an die bereits begonnene Verbüßung der ersten Strafe die der zweiten unmittel bar anschließen solle. Ist dies geschehen, so verjährt die zweite Strafe nicht während der Verbüßung der ersten. In beiden Fällen macht es keinen Unterschied, ob die zu verbüßenden Freiheitsstrafen gleichartige oder verschiedene waren. 15a. Dagegen unterbricht an und für sich die aus einer anderen Veranlassung bewirkte Festnahme oder die wegen einer andern That angeordnete Untersuchungs-
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Thl. I. Abschri. V. Zusammentreffen mehrerer straft. Handlungen. — § 73.
Fünfter Abschnitt. Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen.
§ 73. Wenn eine und dieselbe Handlung mehrere Straf gesetze verletzt, so kommt nur dasjenige Gesetz, welches die haft die Verjährung der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe nicht. Wohl aber würde in einem solchen Falle die Anordnung, den Verhafteteil nach der demnächstigen Be endigung der Untersuchungshaft in die Strafanstalt zu bringen, sich als Unterbrechungsakt darstellen. 16. Die Unterbrechung der Verjährung findet stets nur in Betreff desjenigen von mehreren Verurtheilten statt, gegen welchen die Vollstreckungshandlung ge richtet war. 17. Nach jeder Unterbrechungshandlung beginnt eine neue Verjährung, für welche in allen Beziehungen dieselben Grundsätze maßgebend sind, wie für die zuerst begonnene. Das gilt namentlich auch von der erforderlichen Frist: sie richtet sich nach den für die „erkannte (volle) Strafe" gegebenen Vorschriften, sollte auch diese Strafe bereits theilweise vollstreckt, und somit nur noch der verbliebene ge ringere Rest zu vollstrecken sein; contra: Bind. HB. I. 859. Die vor der Unter brechung abgelaufene Verjährungszeit ist nicht auf den neu beginnenden Fristenlauf anzurechnen. 18. Der durch Unterbrechung der begonnenen Vollstreckung herbeigeführte Wie derbeginn des Laufs der Verjährung wird weder durch eine Zustimmung (Ur laub rc.) der Behörde (vgl. n. 10), noch dadurch gehemmt, daß der Verurtheilte sich widerrechtlich (z B. durch Entspringen aus der Strafhaft) der Vollstreckung ent zogen hat; vgl. n. 7. 19. Ebenso hemmen andere thatsächliche, der Vollstreckung entgegentretende Hindernisse den Lauf der Verjährung nicht.
§73. 1. Dieser § bebandelt den Fall der s. g. Ideal-Konkurrenz, während die (Der Ausdrucks „Ideal-Konkurrenz" ist an dieser Stelle wie überall sonst im Buche, entsprechend der Terminologie der Motive s. 78, nur in dem engeren, die sog. gleichartige Jdeal-Konkurrenz ausschließenden Sinne gebraucht; vgl. n. 4. Ueber die sog. GeseheS-Konkurrenz im Gegensatz zu der hier fraglichen Verbrechens-Konkurrenz vgl. n. 6). — Ob im Falle mehrfacher Gesehesverletzung die Voraussetzungen dieser oder jener Konkurrenz vorliegen, ist Gegenstand der thatsächlichen Feststellung: RI. 1. Juli 80 (E. II, 255). Eine Feststellung, welche solches zweifelhaft läßt, begründet ev. Nichtigkeit des betr. Erkenntnisses: Rll. 11. März 81 (E. III, 430), OT. 26. Nov. 73 (O. XIV, 755). Vgl. § 74 n. 18. 34. 2. „Eine und dieselbe Handlung" (im Gegensatz gegen „mehrere selbstständige Handlungen": § 74) bezeichnet ein einheitliches, in sich abgeschlossenes Thun, welches alle Begriffsmerkmale eines bestimmten Straffalles (einschließlich des dazu erforderlichen Dolus) in sich vereinigt. — Für den Begriff der Einheitlichkeit (Selbst ständigkeit) der Handlung erscheint nicht sowohl das Zusammentreffen von Zeit und Ort, als vielmehr die rechtliche Natur des Angriffsobjekts und die einheitliche Be schaffenheit des konkreten Thuns, insbesondere der Willensrichtung, des Angeklagten von entscheidender Bedeutung, ohne daß darum die subjektive Willkühr des letzteren mehreren vom Gesetze als selbständig angesehenen Handlungen den einheitlichen Charakter beizulegen vermöchte; so: Rl. 13. Okt. 83 (R. V, 607). Namentlich er langen zwei zeitlich auseinander liegende Handlungen dadurch allein, daß der Thäter schon bei Begehung der einen die andere in seinen Willen aufgenommen hatte und erstere zum Zwecke der letzteren verübte, noch nicht die Eigenschaft einer einzigen, durch ein und dieselbe Handlung verübten Rechtsverletzung: RII. 3. Okt. 82, Rill. 28. Jan. 84, »IV. 14. Dez. 86 (E. VII, 60; X, 53; R. VIII, 762). Wohl aber kann dies der Fall sein, wenn die erste Handlung den durch die Natur der Sache noth§§ 74—79 die s. g. Real-Konkurrenz zum Gegenstände haben.
Thl. I. Abschn. V. Zusammentreffen mehrerer strasb. Handlungen. — § 73.
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schwerste Strafe, und bei ungleichen Strafarten dasjenige Gesetz, welches die schwerste Strafart androht, zur Anwendung. sI.-Entw.: § 64; II. Entw.: § 71; Pr. StrGB.: § 55.] Vgl § 7; Braumalzst.-Ges. v. 4. Juli 1868 § 35: Branntweinst.-Ges^ v. 8. Juli 1868 § 67; Gew.-O. 5§ 147. 148; DZollges. v. 1. Juli 1869 §§ 158. 159 ; Braust.-Ges. v. *31. Mai 1872 § 37. Preußen: Vgl. Steuer.-O. v. 8. Febr. 1819 §§ 84. 86. 87. wendig gemachten ersten Schritt zur Realisirung der Absicht der Gesammthandlung bildet, vorausgesetzt, daß die verschiedenen Einzelakte gegen daffelbe Rechts gut gerichtet sind: Rill. 11.' Dez. 84 (E. XI, 355: demnach begründe die Verfälschung eines Nahrungsmittels — Nahrungsmittel-Ges. § 10 Nr. 2 — mit dem durch den Verkauf desselben verübten Betrüge Ideal-, nicht Real-Konkurrenz). — Im Uebrigen wird zur Erläuterung des Begriffs „eine und dieselbe Handlung" im Gegen satz zu „mehreren selbständigen Handlungen" (§ 74), insbesondere auch bezüglich des sog. fortgesetzten Delikts aus die Bemerkungen zu §74 verwiesen. — Die hiot. s. 86 durch die Nothwendigkeit gerechtfertigt, den Gefahren, welchen die den An griffen der Forst- und Jagdfrevler preisgegebenen Schutzbeamten rc. in höherem Maße als andere Beamte ausgesetzt sind, möglichst vorzubeugen. Hieraus sowie aus der Quelle jener §§ (dem Pr. Ges. v. 31. März 1837) folgt, daß dieselben nur bei derjenigen Ausübung des Amtes (Rechtes) Platz greifen, welche auf den Schmtz der Waldungen und Jagden gegen Forst- und Jagdfrevel und auf die Handhabung der Forst- und Jagdpolizei abzielt, daß sie also ausscheiden, sobald der Beamte ic. in anderer Weise rc'. thätig ist, z. B. in Ausübung des Fischereischutzes: RII. 7. Felbr. 82 (R. IV, 132), oder bei der Beaufsichtigung von Forstarbeiten, bei Bericht erstattungen in seiner Wohnung u. bergt; vgl. Sten. Ber. s. 437, RI. l.Nov. £1 (E. V, 413: hier hatte ein Forstbeamter als Arbeitgeber einen Arbeiter zum Berlassen der Arbeit, bezw. des Waldes aufgefordert und hierbei Widerstand erfahren), OT. 13. Sept. 72 (O. XIII, 449) und unten n. 10; contra: Meves, StRZ. XII, 603. Dasselbe tritt ein, wenn Nachbarn über die Grenzen der beiderseitigen Forst- (Jagd-) Bezirke in Streit gerathen (insofern dabei Jeder nur sein vermeintliches Recht zur Geltung bringen will, sind die vorfallenden Thätlichkeiten nicht als „Widerstand" oder „Angriff" zu qnalifiziren: Sten. Ber. s. 436), sowie überhaupt, wenn der Widerstand nur gegen die Ausübung des Jagdrechts rc. gerichtet ist: Rill. 29. Mai 80. RIV. 21. Okt. 84 (E. II, 170; R. VI, 641). - Dagegen ist die Strafandrohung nicht auf die Personen der Forst- oder Jagdfrevler zu beschränken; vgl. jedoch cit. Rill. 29. Mai 80 (Mot.), noch auch auf solche Fälle, welche die Amtsbezw. Rechtsausübung besonderer Gefahr aussetzen: RI. 20. Mai 86 (R. VIII, 367). 10. Demgemäß finden die citt. §§ zunächst auf denjenigen Widerstand (An griff) Anwendung, welchen ein Forstbeamter rc. innerhalb des zu beaufsichtigenden Forstes (Waldes, Jagdreviers) erführt; vgl. § 113 n. 13, Pr. MVf. 12. März 1342 (JMbl. s. 109). Dabei sind die durch das Forst- (Wald-, Jagd-) Revier führenden Wege, selbst Landstraßen, als Theile desselben zu betrachten: OT. 20. März 70, 17. Juli 76 (O. XI» 199; XVII, 531). Jene Anwendbarkeit ist sodann aber auch auf die Fälle auszudehnen, wo zwar der Widerstand (Angriff) außerhalb des Forstes rc. stattfindet, der Vorfall aber im unmittelbaren Zusammenhang mit einer vom Förster rc. in seinem Revier begonnenen Berufsthätigkeit steht: ÖT. 30. Juni 73, 30. Jan. 74, 6. Jan. 75 (Q XIV, 480; XV, 47; XVI, 25), Dresd. 23. Sept. 72 (StZ. II, 82). Das gilt namentlich da, wo der vom Förster im Revier betroffene Urheber einer Mißthat (wäre es auch nur eine Uebertretung) entflieht, von jenem verfolgt wird, und nun, außerhalb der Reviergrenze angehalten, Widerstand leistet: D$. 10. März 71 (O. XII, 154). Dagegen bleibt der § ausgeschlossen, wenn ein Forstbeamter eine Haussuchung nach gestohlenem Holze vornimmt, bzw. zu einer solchen zugezogen wird: OT. 13. Sept. 72 (cit. n. 9), Olsh. n. 9, oder wenn ein Forstauf seher außerhalb des beaufsichtigten Waldes einen der Verübung eines Forst- rc. Frevels Verdächtigen anhält rc.: OT. 1. Mai 72, 17. Dez. 75, 10. Jan. 77 (O. XIII, 289; XVI, 811; XVIII, 20); contra (in Betreff der letzterwähnten Fälle): Stutta. 18. Febr. 74 (StZ. I>* 18); ähnlich: Meves n. 7, Olsh. n. 4; und überhaupt: die Rechtsprechung des RG.'s; vgl. Rill. 15. Mai 80, RII. 1. Okt. 80. 4. Okt. 81,8. Dez. 82, 19. Febr. 84, Ri. 21. Febr.. 13. Okt. 81, 20. Mai 86, RIV. 27. Juni 84 (E. II, 167. 306; VII, 272; X, 106; R. III, 62. 582. 624; VIII, 367; VI, 478); sie erachtet den § für anwendbar auf alle Fälle des Widerstands, welcher den Forst- rc. Be amten (mit Einschluß der vereideten Privataufseher: n. 7) bei irgend einer in Hand habung des Forst- oder Jagdschutzes zuständiger Weise vorgenommenen Amtshand lung geleistet werde. 11. Welche Rechte den Forst-Beamten und den übrigen im § aufgezählten Personen zur Handhabung des auszuübenden Schuhes zustehen, ist nach den betr.
Thl. II. Abschn. VI. Widerstand gegen die Staatsgewalt. — § 117.
301
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt in den Füllen des Absatz 1 Gefängnißstrafe bis zu Gnem Jahre, in Landes- und Reichsgesehen zu beurtheilen. (Anlangend die ersteren Gesetze, so wird die verbindliche Kraft derselben, insoweit sie bezüglich der Sammlung und Sicherung der Beweismittel von den allgemeinen Vorschriften der StPO, abweichen, aus § 3 Abs. 3 des EG.'s z. StPO, hergeleitet; vgl. RHI. 20. Nov. 84, RIV. 5. Okt. 86. E. XI, 321; R. VIII, 598.) Aus der Gleichstellung der Berechtigten rc. mit den Beamten bei Ausstellung des Thatbestandes folgt nicht, daß jenen auch im Uebrigen die den letzteren beigelegten Befugnisse zustehen: RI. 13. Okt. 81 (cit. n. 10), Stuttg. 19. Juni 72 (StZ. I, 341). 11 a. Anlangend insbesondere die Befugnisse der Forst- und Jagd beamten als solcher, so ist in räumlicher Hinsicht hervorzuheben, daß die Recht sprechung des RG.'s (: RII. 19. Febr. 84, RIV. 27. Juni 84, RI. 20. Mai 86, cit. n. 10) diese Beamten (mit Einschluß der vereideten Privatförster rc.) in Preußen für befugt erachtet, den Forst- und Jagdschutz nicht blos in den ihnen überwiesenen Schutzbezirken, sondern auch in den benachbarten Revieren auszuüben, z. B. die in letzteren betroffenen, einer Jagdkontravention verdächtigen Personen nach dem Jagd scheine zu fragen; vgl. jedoch n. 10. Dagegen wird zu einer Beschlagnahme (von Jagdgeräth rc.) im Sinne des § 98 der StPO, sowie zu einer Haussuchung behufs Beschlagnahme von Werkzeugen, welche zur Verübung eines Holzdiebstahls benutzt wurden (und zwar sogar da, wo die Beschlagnahme selbst auf Grund besonderer Be stimmungen auch Anderen gestattet wäre; vgl. n. 11b) die Eigenschaft eines Hülfsbeamten der Staatsanwaltschaft erfordert (n. 7): RIV. 29. Jan., 5. Okt. 86 (E. XIII, 270: R. VIII, 398). Das Eindringen in eine Wohnung behufs Feststellung der Person eines verfolgten Jagdfrevlers steht gemäß §§ 7.10 des Pr. Gef.'s v. 12. Febr. 1850 auch den jener Eigenschaft entbehrenden Forstbeamten, z. B. den ver eideten Privatförstern zu: cit. RIV. 5. Okt. 86. — Im Uebrigen vgl. § 113 n. 10 ff., und, bezüglich der den Beamten ohne Rücksicht auf ihre amtliche Stellung etwa zustehenden Befugnisse: unten n. 11b. 11b. Bei „Waldeigenthümern, Forst- und Jagdberechtigten" sowie den von diesen bestellten, unvereideten „Aufsehern" kann selbstredend nicht von einer „Amts", sondern nur von einer „Rechts-Ausübung" die Rede fein: Rill.20.Nov. 84 (E. XI, 321). Letztere haben daher auch nur in ihren Revieren den Forst- bzw. Jagdschutz auszuüben; dies schließt jedoch nicht aus, daß der Widerstand, welchen ein im Revier auf frischer That betroffener und vorläufig festgenommener Jagd frevler rc. außerhalb des Reviers, auf dem Transport zu der zuständigen Behörde, leistet, unter den § falle, da der Aufseher gemäß §§ 127. 128 der StPO, zum Trans port ebenso, wie zur vorläufigen Festnahme berechtigt, ja verpflichtet war: RIV. 29. Jan. 86 (R. VIII, 102). Die Befugniß zur vorläufigen Festnahme schließt das Recht ein, die Sachen, welche der Festzunehmende mit sich führt, mit demselben oder, wenn dieser sich der Festnahme entzieht, auch allein in Verwahr zu nehmen; ein hierbei geleisteter Widerstand ist daher gleichfalls auS § 117 strafbar: RII 20. März 83 (E. VIII, 288); vgl. OT. 9. Juli 79 (O. XX, 329). Jede gesetzlich gestattete Pfändung (zur Sicherung des Beweises oder des Ersatzes für er littenen Schaden, vgl. z.B. Pr. ALR. I, 14 §§ 414 ff., FFP.-Ges. § 77) ist unzweifel haft eine rechtmäßige Rechtsausübung: RII. 31. Mai 81 (R. III, 352), OT. 13. Nov. 62, 12. März 69 (O. III, 117; X, 153). Cit. Rill. 20. Nov. 84 folgert aus § 16 des Pr. Forstd.-Ges.'s die Befugniß des Waldeigenthümers bzw. des von ihm be stellten Aufsehers, die Werkzeuge, welche der in des ersteren Walde auf frischer That ertappte Holzdieb zur Verübung desselben bei sich führte, in Beschlag zu nehmen. Münch. 19. Juli 75 (BE. V, 362) aus gemeinrechtlichen und bayerischen Vorschriften die Befugniß des Jagdberechtigten, unter gleichen Voraussetzungen das Gewehr des Jagdfrevlers zu pfänden. Einen ähnlichen Schluß schon aus § 295 zu ziehen, wie dies OT. 20. Febr. 73 (O. XIV, 152) thut, ist höchst bedenklich; vgl. § 113 n. 15, Olsh. n. 6. 12. Die beim Widerstande angewendete Gewalt braucht nicht „an der Per son" des Beamten rc. ausgeübt zu sein, da dies nach Abs. 2 ein straferschwerendes Moment darstellt: OT. 6. Jan. 75 (O. XVI, 25); es genügt sonach das gewaltsame Festhalten der Gegenstände, welche der Beamte mit Beschlag belegen will: OA.
302
Thl. II. Abschn. VI. Widerstand gegen die Staatsgewalt. — § 117.
den Fällen des Absatz 2 Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monate ein. [I. Entw.: § 102; II. Entw.: § 115; Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. 1; Pr. StGW. (fehlte).) Vgl. §§ 118.119.113. Preußen: Vgl. Waffengebrauchsges. v. 31. März 1837; FFP.-Ges. § 17. 8. Sept. 69 (O. X, 526), Münch. 19. Juli 75 (BE. V, 362), nicht aber bloßer Un gehorsam. 13. Der Widerstand rc. wird durch den irrigen Glauben des Thäters, er -sei zur Vornahme der Handlung, in welcher der Andere ihn stört, berechtigt, — nicht straflos, so: OT. 4. Dez. 63, 13. Juni 66 (O. IV, 241; VII, 356); vgl. § 113
ii. 24. 14. Bleiben die §§ 117—119 dem unter n. 9. 10 Gesagten zufolge ausge schlossen, so wird dem Forstbeamten ev. der Schutz des § 113 zu Theil; vgl. dort ii. 6. 18, OT. 11. Sept. 61 (O. I, 526). 15. Auf den Widerstand, welcher nicht gegen eine der im § 117 aufgezählten Personen selbst, sondern gegen einen zur Unterstützung derselben Zugezogenen geleistet wird, finden die §§ 117—119 keine Anwendung, sofern nicht der Zugezo gene als ein „bestellter Aufseher" anzusehen ist; dagegen greift § 113 Platz, wenn jene Unterstützung einem Beamten gewährt wurde; hier kann es geschehen, Mi beide Bestimmungen neben einander zur Anwendung kommen, indem derjenige, welcher dem Beihelfenden Widerstand leistete, aus § 113, der dem Forstbeamten Widerstand Leistende and h 117 bestraft wird: OT. 4. Dez. 68 (O. IX, 703). 16. Wenngleich ein thätlicher Angriff nothwendig ein vorsätzlicher ist, so ist darum doch nicht eine durch denselben verursachte Körperverletzung mit Noth wendigkeit eine vorsätzliche: OT. 10. Dez. 75 (O. XVI, 792); vgl. § 118 n. 3. 17. Im Abs. 2 wird ein solcher (Widerstand) Angriff vorausgesetzt, wie er im Abs. 1 näher bezeichnet ist; es muß also auch hier der Angriff ein „thätlicher" (§ 113 n. 44) sein; eine bloße Drohung ohne begleitende Thätlichkeiten kann daher nur als „Widerstand", nicht aber als „Angriff" qualifizirt werden; contra: Schw., SGZ. XV, 268. 18. Als „Drohung mit Schießgewehr rc." ist nur eine solche anzusehen, welche den sofortigen Gebrauch der Waffe in Aussicht stellt. Der bloße Besitz einer Waffe und die Nichtbefolgung der Aufforderung, sie abzugeben oder abzulegen, sind für sich allein noch keine derartige Drohung: OT. 1. Febr. 66 (O. VII, 75). Da gegen braucht das Gewehr nicht geladen zu sein, sofern nur der Thäter beabsichtigte, bei dem Beamten rc. die Furcht vor der Verwirklichung der Drohung mittels Abschießens des Gewehrs hervorzurufen; ebenso: Rill. 25. Okt. 83 (E. IX, 176); contra: Olsh. n. 7. — Die Drohung muß sich, wie die Gewalt (im Abs. 2), unmittelbar gegen die Person richten; es genügt nicht, wenn nur Sachen, z. B. Thiere bedroht werden: OlSH. 1. c. 19. Was unter einem „gefährlichen Werkzeuge" zu verstehen sei, unter liegt der thatsächlichen Prüfung des Jnstanzrichters, für welchen die angeführten Beispiele (Schießgewehr, Aexte) einen Anhalt abgeben. Unter Umständen kann auch ein Knittel für ausreichend erachtet werden: OT. 15. Juli 69 (O. X, 510). Vgl. im Uebrigen § 223a n. 3 und andererseits Olsh. n. 7. 20. Während es für die Gewalt gegen die Person [§§ 249. 252. 255] aus reicht , daß die Vergewaltigung der letzteren bezielt wurde, erfordert die „Gewalt an der Person", daß bte Gewalthandlung die Person selbst getroffen hat, auf letztere also eine Einwirkung geschehen ist: RII. 23. Juni 87 (E. XVI, 172: dem gemäß genüge kein Fehlschuß, es sei denn, daß durch den so verursachten heftigen Luftdruck die Person empfindlich berührt worden wäre); contra: HSM. II, 818, Merkel IV, 117 (insofern sie „Gewalt an der Person" für gleichbedeutend mit „Gewalt gegen die Person" halten). Auch genügt es nicht, wenn die gewaltthätige Handlung nur mittelbar auf die Person eingewirkt hat, sie muß vielmehr unmittelbar wider dieselbe gerichtet gewesen sein; vgl. n. 12, OT. 23. Febr. 66, 7. Jan. 69 (O. VII, 126; X, 15). 21. Die Novelle hat lediglich die Strafen verschärft, sonst nichts geändert. 22. In Betreff älterer einschlägiger Gesetze vgl. EG. § 2 n. 7.
Thl. II. Abschn. VI. Widerstand gegen die Staatsgewalt. — §§ 118.119.
303
§ 118. Ist durch den Widerstand oder den Angriff eine Körperverletzung dessen, gegen welchen die Handlung begangen ist, verursacht worden, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß strafe nicht unter drei Monaten ein. [I. Entw.: § 103; II. Entw.: § 116; Pr. StGB.: (fehlte; vgl. jedoch Pr. Ges. v. 31. März 1837 § 4).]
Vgl. §§ 113.117. 119. 223.
8119. Wenn eine der in den §§ 117 und 118 bezeich neten Handlungen von Mehreren gemeinschaftlich begangen wor den ist, so kann die Strafe bis um die Hälfte des angedrohten Höchstbetrages, die Gefängnißstrafe jedoch nicht über fünf Jahre erhöht werden. [I. (Sntro.: § 104; II. Entw.: § 117; Pr. StGB.: (fehlte; vgl. aber Pr. Ges. v. 31. März 1837 §§ 5. 6).] Vgl. §§ 113. 117. 118. 47. 23. Bedingte Zuständigkeit der Schöffengerichte in Fällen des Abs. 1: GVG. § 75. — In Betreff der Feststellung des Thatbestandes vgl. StPO. § 266. Demgemäß bedarf es der thatsächlichen Begründung, daß die Voraussetzungen des § zutreffen: Rill. 20. Nov. 80 (R. II, 543), namentlich auch, daß der Beamte rc. sich in der rechtmäßigen Ausübung seines Amts rc. befunden habe, und zwar selbst, wenn es sich um einen „Angriff" handelt: vgl. n. 1, OT. 19. Juli 72 (eil. ib.); contra in Betreff der Anklage wegen Angriffs (sofern in solcher Hinsicht kein Zlveifel angeregt worden): Olsh. n. 3. Die schwurgerichtliche Frage hat bei Anklagen der letzteren Art jenen Punkt nicht zu umfassen, sondern sich an den Wortlaut des § zu halten; vgl. Rl. 22. Dez. 81 (R. Hl, 819). §118. 1. Dieser § ist, wie sich aus seiner Stellung und aus der Bezugnahme im § 119 ergiebt, nur auf den im § 117 vorgesehenen Fall zu beziehen. 2. Als „Körperverletzung" ist jede „körperliche Mißhandlung oder Gesund heitsbeschädigung" (§ 223) anzusehen; ebenso: RII. 1. Zuli 84 (E. XI, 24); contra: Meves, StRZ. XII, 289. 3. Vorsätzlichkeit der Körperverletzung bildet hier kein Thatbestandsmerk mal: OT. 25. Juni 75 (D. XVI, 494); es genügt vielmehr, wenn die Körperver letzung durch den Widerstand rc. „verursacht" worden, wenn sie also die durch diesen herbeigeführte Folge gewesen ist, sollte auch der Thäter ohne den Willen, diese Folge herbeizuführen und selbst ohnei das Bewußtsein, daß sie durch seine Handlung herbeigeführt werden könne, gehandelt haben: Dresd. 19. Aug. 72, Jena 17. Nov. 72 (StZ. II, 83; III, 5); vgl. § 117 n. 16, § 224 n. 9. 12. 13. Eben deshalb kommt es, wenn der Widerstand rc., durch welchen die Körperverletzung ver ursacht wurde, von Mehreren gemeinschaftlich verübt worden ist, nicht darauf an, wer von ihnen die Körperverletzung zugefügt hat, sondern alle trifft die Strafe des § bzw. des § 119: OT. 1. Dez. 76 (O. XVII, 782). — War die Körperverletzung vorsätzlich zugefügt, so liegt Ideal-Konkurrenz mit der Mißthat des § 223, ev. der §§ 223a—226 vor. 4. Mit Rücksicht ans das unter n. 3 Gesagte ist der Versuch deö im § 118 vorgesehenen Verbrechens nicht möglich; vgl. § 224 n. 17; contra: Olsh. n. 6. §119. 1. „Mehrere"; dazu genügen zwei Personen; vgl. § 83 n. 1, § 123 n. 26. 2. Ueber den Begriff der „Gemeinschaftlichkeit" vgl. § 47 n. lOff., § 118 n. 3, § 123 n. 27, § 223a n. 5, Still. 11. Jan. 83, 1. Juli 85 (E. VIII, 42; R. VII, 453: letzteres Erk. speziell in Betreff des Falles, wo sich die Thätigkeit des Einen in Drohung mit Gewalt, diejenige des Anderen in einem thätlichen Angriffe äußert).
304
Thl. II. Abschn.
VI.
Widerstand gegen die Staatsgewalt. — §
120.
§ 120. Wer einen Gefangenen aus der Gefangenanstoalt oder aus der Gewalt der bewaffneten Macht, des Beamten older desjenigen, unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Be wachung er sich befindet, vorsätzlich befreit oder ihm zur Selbstbefreiung vorsätzlich behülflich ist, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. [I. Gntro.: §99; II. Entw.: § 118; Pr. StGB.: §94.] Vgl. §§ 121.122. 347; Mil.-StGB. §§ 58 Nr. 11. 79. 80.144. 159; - GDG. §. 75. Preußen: Vgl. Ges. v. 4. Juni 1851 §§ 9. 10. 3. Die hier fakultativ angedrohte Strafschärfung tritt für diejenige Striafe ein, welche ohne Rücksicht auf die Gemeinschaftlichkeit aus § 117 Abs. 1 oder 2 hzw. aus § 118 Abs. 1 oder 2 zu verhängen wäre. 4. In den Fällen des § 119 ist die Zulassung mildernder Umstämde (§ 118) nicht ausgeschlossen: OT. 1. Juni 75 (O. XVI, 404).
§120. 1. „Gefangener" ist jeder, welcher durch ein Organ der Staatsgewalt in Ausübung dieser Gewalt und in gesetzlich gebilligter Form in Haft genommen wurde; vgl. Münch. 18. Juli 85 (BE. III, 478): contra: Rill. 19. April 82, RIV. 1. Mai 85 (R. IV, 356; E. XII, 162), insofern sie überdies fordern, daß die Hast« nähme aus Gründen des öffentlichen Interesses erfolgt sei. Die bloße Ankündigung der Haft genügt nicht: Dresd. 19. April 75 (SGZ. XX, 14), ist aber auch anderer« seits nicht erforderlich: Dresd. 5. Jan. 77 (ib XXI, 346). Gefangene sind daher auch die vorläufig festgenommenen (noch gar nicht in eine Anstalt gebrachten oder oii die Wache abgelieferten) Personen, ohne Unterschied, ob die Festnahme auf Grund eines wider sie als Beschuldigte, Verurtheilte oder Zeugen erlassenen ge« richtlichen Befehls (StPO. §§ 50. 69. 133. 134. 215. 229. 235. 370. 427. 489) oder ohne einen solchen (ib. § 127) geschah: eit. Rill. 19. April 82, RIV. 1. Mai 85, RI. 12. Okt. 85 (E. XII, 162. 426), OT. 26. Mai 52 (GA. 1,77), Dresd. 12. Febr. 75 (SGZ. XIX, 241),Stenglein, Z. f. StR. IV, 490, und die auf dem Transporte, in einem vorläufigen Aufbewahrungsorte oder auf Außenarbeit Befindlichen; ferner Arbeitshäusler (StGB. § 362): Still. 18. Dez. 86 (E. XV, 217), Olsh. n. 2; die zum civilrechtlichen Sicherheitsarrest Gebrachten (CPO. § 798): OT. 7. Apr. 65 (O. VI, 53); desgleichen Dienstboten, welche unbefugt ihren Dienst verlassen haben und im polizeilichen Zwangswege der Herrschaft zugeführt werden, so: OT. 1. Okt. 74 (O. XV. 602); vgl. Münch. 9. Jan. 82 (BE. II. 108: Fall des § 347); des« gleichen die im öffentlichen Jntereffe einer (öffentlichen oder Privat«) Irrenanstalt übergebenen Geisteskranken; so: OT. 30. Nov. 77 (O. XVIII, 755). — Dagegen gehören die von einer Privatperson (befugter Weise: vgl. StPO. § 127) „Ergriffenen", bevor sie an einen zuständigen Beamten abgeliefert und von diesem übernommen sind, nicht hierher: RIV. 19. Jan. 86 (E. XIII, 254), Schw. s. 351; contra: Schütze s. 271, noch überhaupt die auf Grund des § 55 in eine Erziehungs-Anstalt ge« brachten Kinder: RI. 8. Nov. 86 (E. XV, 39). — Zu den Strafgefangenen insbe sondere zählen diejenigen, welche eine blos disziplinarische Freiheitsstrafe, z. B. die akademische Karzerstrafe (nicht etwa bloßen Schularrest) verbüßen; vgl. Olsh. n. 2. 2. Vorausgesetzt wird, daß die Haftnahme in Ausübung der Staatsgewalt, also von einem (im Allgemeinen) hierfür zuständigen Beamten bewirkt sei. Im Uebrigen kommt auf die Recht Mäßigkeit der Gefangenschaft Nichts an; vgl. § 113 n. 10—14 (das dort Gesagte gilt auch hier). 3. Fernere Voraussetzung ist auf Seiten des die Ergreifung vollziehenden Be« amten die (ausdrücklich erklärte oder aus den Umständen sich ergebende) Absicht, die ergriffene Person in Haft zu nehmen, wenn hiermit auch die Absicht, den Er griffenen in ein Gefängniß abzuführen, nicht nothwendig verbunden sein muß; es genügt daher nicht die Feststellung, daß Jemand ergriffen sei, um fortgeführt zu werden: Dresd. 6. Juli 74 (SGZ. XVIII, 364; i. c. konnte die Fortführung blos
Thl. Is. Abschn. VI. Widerstand gegen die Staatsgewalt. — § 121.
305
§ 121. Wer vorsätzlich einen Gefangenen, mit dessen Be aufsichtigung oder Begleitung er beauftragt ist, entweichen läßt deshalb beabsichtigt sein, um den Ergriffenen vor der Verübung fernerer Thätlich keiten abzuhalten). Vgl. n. 1. 4. Ein Gefangener behält diese Eigenschaft auch dann, wenn er in eine Kran kenanstalt gebracht wird, in welcher ihm die Selbstbestimmung über seinen Auf enthalt nicht gewahrt ist: Puch. n. 2; contra: Schw. 351. 5. „Gefan genanstalt" bezeichnet hier alle in bleibender Weise zur Aufbe wahrung von Gefangenen bestimmten Räumlichkeiten, also auch polizeiliche, nicht aber ein Haus-Arrestlokal. Es gehören dahin die soa. Polizeigewahrsame, die zur Aufnahme kranker Gefangenen bestimmten Stuben in Krankenhäusern und die Irrenanstalten, in welchen Geisteskranke auf obrigkeitliche Anordnung aufgenommen wer den: Olsh. n. 4; contra (in Betreff der Polizeigewahrsame): Rttbo n. 3; vgl. n. 1. 4. 6. Ein kriegsgefangener feindlicher Offizier, welcher auf Ehrenwort an einem Orte (wäre es auch eine Festung) internirt ist, befindet sich weder in einer Ge fangenanstalt, noch in „der Gewalt der bewaffneten Macht", noch unter einer „Be wachung" ic.; vgl. Mil.-StGB. § 159. 7. * Die Beaufsichtigung rc. durch einen Nichtbeamten mutz amtlich aufge tragen sein, wenn der § zutreffen soll; vgl. n. 1. 8. Die Verhinderung einer Verhaftung gehört nicht hierher. 9. Geschah die Befreiung rc. „vorsätzlich", so kommt auf das Motiv der Handlung Nichts an; insbesondere brauchen die Voraussetzungen einer Begünsti gung nicht obzuwalten: ebensowenig wird erfordert, daß die Absicht auf eine dauernde Befreiung gerichtet sei; contra: Schw. s. 350. 352; vgl. n. 12. 10. Die Selbstbefreiung eines Gefangenen, selbst die mit Gewalt verübte, ist straflos, insoweit nicht § 122 zutrifft, oder der Thatbestand einer anderen Mißthat vorliegt; vgl. aber Mil.-StGB. hh 79. 80. Trägt die Selbstbefreiung durch Ausbruch den Charakter einer vorsätzlichen theilweisen Zerstörung des Gefängnisses an sich, so wird § 305 oder § 303 anwendbar: Puch. n. 1. Dagegen fällt die Unter stützung, welche ein sich selbstbefreiender Gefangener einem Andern bei der Selbst befreiung leistet (sofern nicht § 122 zutrifft), unter das Strafverbot des § 120; contra: Schütze s. 271. Das gilt auch vom Versuche der Hülfeleistung. — Der § versteht übrigens unter dem „behülflich sein" die Anstiftung zur Selbstbefreiung nicht mit; letztere ist daher aus § 120 nicht strafbar: OT. 1. Okt. 74, Manh. 13. Nov. 75 (O. XV, 602; BA. 42 f. 9). Dagegen macht sich der Gefangene selbst, wenn er zu feiner Befreiung oder zum Behülflichsein zu seiner Selbstbefreiung einen andern anstiftet, aus § 120 bzw. § 121 und § 48 strafbar; so: RI. 29. Nov. 80, Rill. 13. Nov. 82 (E. III, 140; R. IV, 812); contra: Herzog u. v. Kräwel i. GSaal 34 s. 81. 505, Schw. n. 7, Geyer u. v. Kries, Z. f. StR. II, 315; VII, 521 ff. 11. Macht sich ein mit der Beaufsichtigung re. des Gefangenen Beauftrag ter der That schuldig, so wird § 121, und wenn dieser ein Beamt.er ist, § 347 anwendbar. Der an dem Verbrechen des Beamten Theil nehmende Dritte ist dann nach dem Grundsätze des § 50 nur aus § 120, und wenn er selbst mit beauftragt war, aus § 121 zu bestrafen. 12. Verstößt Jemand gegen § 120, um den Gefangenen einer ihm drohenden Bestrafung oder der ferneren (fortgesetzten) Strafvollstreckung zu entziehen, so liegt ev. ideale Konkurrenz mit Begünstigung. § 257, und nicht etwa Geseheskonkurrenz (§ 73 n. 6) vor; ebenso.- Rlll. 20. Nov. 82 (E. VII, 244), Stenglein, Z. f. StR. IV, 487. 13. Bedingte Zuständigkeit der Schöffengerichte: GDG. § 75. 14. Zn Betreff der während des Belagerungszustands verübten Auf forderung zur Befreiung eines Gefangenen sowie der ev. eintretenden Zuständigkeit der Kriegsgerichte vgl. Pr. (B.-) Ges. v. 4. Juni 1851 §§ 9. 10. §121. 1. Ueber den Begriff des „Gefangenen" vgl. § 120 n. 1—4. 2. Der Auftrag zur Beaufsichtigung rc. muß von einem zuständigen Beam ten ertheilt sein; daher findet der § keine Anwendung auf Denjenigen, welchem die Oppenhofs, D. Strafgesetzbuch. 11.
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306
Thl. II. Abschn. VI. Widerstand gegen die Staatsgewalt. — §§ 121. 1 22.
oder dessen Befreiung befördert, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. Ist die Entweichung durch Fahrlässigkeit befördert worden, so tritt Gefängnißstrafe bis zu drei Monaten oder Geldstrafe bis zu dreihundert Mark ein. [I. Entw.: § 100; II. Entw.: § 119; Pr. StGB.: § 95.] Vgl. §§ 120. 122. 347; Mil.-StGB. §§ 58. 144. 159; GVG § 27 Nr. 2; StPO. § 447.
§ 122. Gefangene, welche sich zusammenrotten und mit vereinten Kräften die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten angreifen, denselben Widerstand leisten oder es unternehmen, sie zu Handlungen oder Unterlassungen zu nöthigen, werden wegen Meuterei mit Gefängniß nicht unter sechs Monaten bestraft. ursprünglich beauftragte Privatperson eigenmächtiger Weise die Beaufsichtigung weiter übertragen hat: OT. 23. Febr. 55 (Entsch. dess. 30 s. 325). In einem solchen Falle kann es sich nur darum handeln, inwiefern sich der zuerst Beauftragte -aus Abs. 1 oder 2 strafbar gemacht habe. Vgl. jedoch RI. 25. Sept. 82 (E. VII, 103: Fall, wo der ursprünglich Beauftragte ein Beamter war). 3. Begeht ein mit der Beaufsichtigung rc. betrauter Beamter die That. so wird § 347 anwendbar; vgl. 120 n. 11. 4. Die §§ 120. 347 sprechen von „Demjenigen, unter dessen Beaufsichtigung, Begleitung oder Bewachung sich der Gefangene befindet", während bet § 121 nur der aufgetragenen „Beaufsichtigung oder Begleitung" Erwähnung thut; die Weg lassung des Wortes „Bewachung" dürfte bedeutungslos sein, da sein Begriff in der „Beaufsichtigung" mit enthalten ist. 5. Die „Beförderung der Befreiung" bezieht sich namentlich auf die Be förderung einer Selbstbefreiung; vgl. tz 120. Sie kann sowohl durch ein Thun als durch ein Unterlassen geschehen: Rill. 19. April 82 (R. IV, 356). 6. Außer dieser Beförderung hebt § 347 noch die vorsätzliche „Bewirkung" einer Befreiung hervor; sie wird im § 121 in der „Beförderung" mitenthalten sein; vgl. § 347 n. 6 ; contra: Schütze s. 272. Dasselbe gilt von der „Erleichterung" (§ 347 Abs. 2); vgl. Rill. 19. April 82 (eit. n. 5). — Überhaupt sollte im § 121 ebenso wie im § 347 jede vorsätzlich oder fahrlässig verschuldete Beseitigung der Gefangenschaft abseiten der für die Aufrechterhaltung der letzteren verantwortlichen Personen geahn det werden: Rill. 2. Juli 83 (E. IX, 40). 7. Der Versuch des hier vorgesehenen Vergehens ist (wohl aus Versehen) nicht für strafbar erklärt, muß also straflos bleiben (sofern nicht etwa § 120 zutrifft); ein mißlungener Versuch ist keine „Beförderung zur Befreiung". 8. In Betreff der Anstiftung seitens des Gefangenen selbst vgl. § 120 n. 10. 9. Zuständigkeit der Schöffengerichte in Füllen des Abs. 2, Erledigung solcher Fälle durch Strafbefehle: GVG. § 27; StPO. § 447.
§122. 1. Wer als Gefangener anzusehen, darüber vgl. § 120 n. 1—4. 2. § 122 verpönt zwei verwandte Mißthaten, die „Meuterei" der Gefan genen (Abs. 1. 3) und den „gewaltsamen Ausbruch" derselben (Abs. 2), welchen Mißthaten die Thatbestandsmerkmale des „Zusammenrottens" und des Handelns mit „vereinten Kräften" gemeinsam sind; ebenso: Zohn, HH. III, 146; vgl. RII. 1. Juni 80 (E. II, 80): contra: BL. s. 364, Schw. s. 353, Olsh. n. 2. § 96 des Pr. StGB.'s subsumirt freilich, gleich dem Pr. Ges. v. 11. April 1854 (n. 13), beide Mißthaten unter den Begriff der Meuterei; die Mot. s. 86 heben aber ausdrücklich her» vor, daß im § 122 die Begriffsbestimmung des Thatbestands der Meuterei anders [enger] als im Pr. StGB, aufgestellt sei; bemerkenswerth ist auch, daß Abs. 3 des § 122 nur von Gewaltthätigkeiten gegen Personen, der entsprechende Abs. 2 des eit. § 96 dagegen von solchen gegen „Personen und Sachen" spricht. Vgl. n. 14.
Thl. II. Abschn. VI.
Widerstand gegen die Staatsgewalt. — § 122.
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Gleiche Strafe tritt ein, wenn Gefangene sich zusammen rotten und mit vereinten Kräften einen gewaltsamen Ausbruch unternehmen. Diejenigen Meuterer, welche Gewaltthätigkeiten gegen die Anstaltsbeamten oder die mit der Beaufsichtigung Beauftragten verüben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. [I. Entw.: § 101; II Entw.: § 120; Pr. StGB.: § 96.]
Vgl. §§ 113—115.120; R.>Versass. Art. 68; Pr. (B.-)Ges. v. 4. Juni 1851 § 10; Mil.-StGB. §| 103—105; Seem.-O. v. 27. Dez. 1872 §§87.91.
Preußen: Vgl. Ges. v. 11. April 1854 (GS. s. 143). 3. Ueber den Begriff der „Zusammenrottung" vgl. tz 115 n. 1—5. Diese braucht aber hier (Abs. 1. 2) nicht, wie im Falle des § 115, eine öffentliche zu sein; hieraus, sowie aus der sonstigen Verschiedenheit der bei der Meuterei rc. und dem Aufruhr obwaltenden äußeren Verhältnisse ist zu folgern, daß auch zwei Gefan gene sich „zusammenrotten" und eine Meuterei rc. begehen können: Rll. 1. Juni 80 (cit. n. 2), RI. 22. Okt. 85 (E. XIII, 17), OT. 24. Ökt. 72 (O. XIII, 555), Manh. 9. Jan. 73, Dresd. 30. Juli 75 (StZ. III, 89; V, 286), Münch. 26. Juni 76. Stuttg. 21. Nov. 77 (BE. VI, 307; WGbl. XIV, 52: Fälle des Abs. 2); contra: v. Kirchm. s. 89, John f. 145. — Der Begriff der Zusammenrottung wird dadurch nicht aus geschlossen, daß die Gefangenen sich bereits vorher in einer Anstaltszelle zusammen befanden: cit. Rll. 1. Juni 80, OT. 4. Dez. 61 (O. II, 118), cit. Manh. und Münch., Schütze s. 269; contra: v. Kirchm. s. 89; vgl. § 115 n. 1; noch dadurch, daß außer den (zwei oder mehreren) Gefangenen keine anderen (unbetheiligten) Personen in dem gemeinsamen Raume anwesend waren: cit. Rll. I. Juni 80. Dagegen liegt kein Zusammenrotten vor, so lange die in verschiedenen Zellen detinirten Gefangenen noch räumlich von einander getrennt sind: Rill. 25. Sept. 80 (E. III, 1). Es wird eben ein Zusammenstehen oder Zusammentreten zu einem sofortigen gewaltsamen Handeln erfordert, welches sich als solches auch äußerlich zu erkennen giebt, und zwar in einer anderen als der den „Angriff" rc. (Abs. 1) oder den „gewaltsamen Ausbruch" (Abs. 2) bethätigenden Handlung; vgl. cit. Stuttg. 21. Nov. 77; contra: Rll. 1. Juni 80. Rill. 29. April 86 (E. II, 80; U. VIII, 322: in Betreff des letzteren Punkts, mindestens für den Fall eines Ausbruchs; hier könne sich jenes die beson dere Gefährlichkeit der Handlung begründende Zusammenhalten in dem Zusammen wirken, der Genleinschaftlichkeit und Gleichzeitigkeit der Ausführung je nach der Wahl und dem Gebrauch der dazu geeigneten Drittel bezw. in der gemeinschaftlichen Ver abredung und gemeinschaftlichen Ausführung von Gewalthandlungen zur Beseitigung der den unmittelbaren Ausbruch hindernden Sicherheitsvorkehrungen erkennen lassen). 4. Die Fassung des § 122 weicht insofern von der des § 115 ab, als sie an zudeuten scheint, jeder einzelne Gefangene sei nur dann strafbar, wenn er sich nicht nur an der Zusammenrottung, sondern auch unmittelbar an den übrigen Handlungen (Angreifen rc.) betheilige. Aus der Hinzufügung der Worte „mit vereinten Kräften" und aus Abs. 3 ist indessen zu entnehmen, daß Jeden, welcher sich in der durch die Zusammenrottung herbeigeführten Vereinigung zur Zeit und mit dem Bewußtsein befindet, daß durch die Gesammtheit mit vereinten Kräften die im § vorgesehenen Handlungen vorgenommen werden, die Strafe des Abs. 1 oder Abs. 2 trifft, während die selbst Gewaltthätigkeiten Verübenden in Fällen des Abs. 1 aus Abs. 3 zu strafen sind; vgl. § 115 n. 8, Rill. 18. Dez. 86 (E. XV, 217), OT. 8. März 76 (O. XVII, 185); contra: John s. 144, Olsh. n. 4. Diese Selbstbegehung bildet sonach in den Fällen des Abs. 1 einen straferhöhenden Umstand und ist prozessualisch als solcher zu behandeln; vgl. § 115 n. 14. 5. Abs. 1 ist nicht auf den Fall zu beschränken, wo die Zusammenrottung in einer Gefangenanstalt verübt wird; er trifft auch da zu. wo sich Gefangene auf dem Transporte befinden oder außerhalb einer Anstalt beschäftigt werden;
vgl. n. 12. 6.
Die „mit der Beaufsichtigung Beauftragten" brauchen nicht Beamte zn
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Thl. II. Abschn. VI. Widerstand gegen die Staatsgewalt. — § 122.
sein; es genügt, wenn sie amtlich beauftragt waren; Beisp.: die Faktoren für ein zelne in der Anstalt eingeführte Arbeitszweige. 7. Ueber den Begriff eines „Angriffs" vgl. § 113 n.44. Hier ist zwar der Angriff nicht als „thätlicher" bezeichnet; ohne eine Thätlichkeit wird aber ein An griff nicht denkbar sein. 8. Ueber den Begriff des „Widerstandes" vgl. § 113 n. 26—29. Zu be merken ist, daß hier der Widerstand nicht durch „Gewalt oder Bedrohung mit Ge walt" geleistet zu sein braucht, es kann daher auch ein passives Verhalten genügen, insoweit solches „mit vereinten Kräften" möglich ist; ebenso: Schütze s. 270, ML. s. 691, John 1. C.; contra: Olsh. n. 5. 9. Ebensowenig wird die ausdrückliche Feststellung erfordert, daß der Wider stand (der Angriff) „in oder während der Ausübung des Amtes" stattge funden habe; die Anstaltsbeamten werden als fortwährend amtlich thätig ange sehen. 10. Zn Betreff des „Unternehmens zu Handlungen oder Unterlassungen zu nöthigen" vgl. § 82 n. 1 ff., § 114 n. 3, Rill. 18. Dez. 86 (E. XV, 217). Auch hier ist zu beachten, daß § 122 nicht wie § 114 von einer Nöthigung „durch Ge walt oder Drohung" spricht (vgl auch §§ 105. 240); ohne Anwendung eines der artigen Mittels wird freilich ein „Unternehmen der Nöthigung" nicht denkbar sein; gleichwohl bedarf es hier der ausdrücklichen Feststellung eines solchen nicht. 11. Ein gewaltsamer „Ausbruch" (Abs. 2) ist nur denkbar aus einer ge schlossenen Räumlichkeit und in der Weise, daß eine Befreiung durch theilweise Zer störung der Verschlußmittel stattfinde. Sonach ist Abs. 2 auf andere mit Anwen dung von Gewalt bewirkte Selbstbefreiungen nicht auszudehnen; sie sind nur straf bar, wenn Abs. 1 zutrifft. Vgl. § 120 n. 10, Schütze s. 268. 12. Beim „Unternehmen eines Ausbruchs" ist es nicht erforderlich, daß jeder der Zusammengerotteten für sich die Selbstbefreiung beabsichtige resp. ausführe; es genügt, wenn auch nur ein Einzelner derselben in der angegebenen Weise das Freie zu gewinnen sucht. — Die Absicht, zu entfliehen, wird überhaupt nicht erfordert, der Begriff des „Ausbruchs" daher nicht ausgeschlossen, wenn die Gefangenen das Freie blos suchten, um sich über die Behandlung im Gefängnisse zu beschweren und dann in dasselbe zurückzukehren: Ellw. 31. Okt. 77 (WGbl. XIV, 27). — Im Uebr. vgl. oben n. 3. 4. 13. Der § 5 des Pr. Ges.'s v. 11. April 1854, welcher auch die außerhalb der Gefangen an st alt beschäftigten Gefangenen mit Strafe der Meuterei bedrohte, wenn sie sich zusammenrotteten und entflohen oder zu entfliehen versuchten, ist für besei tigt zu erachten, da er in den (die Außenarbeit der Gefangenen mit berücksichtigen den) § 122 nickt mit aufgenommen ward. 14. Im Abs. 3 sind unter „Gewaltthätigkeiten" diejenigen Gewalthand lungen gegen die Beamten rc. zu verstehen, durch welche der im Abs. 1 erwähnte Angriff rc. öerübt wurde. Zu Abs. 2 hat Abs. 3 keine Beziehung; vgl. n. 2; ebenso: Olsh. n. 9 (trotz seiner von dem oben n. 2 Gesagten abweichenden Ansicht). Es sind daher auch die zum Zwecke des Widerstandes oder der Nöthigung angewendeten Bedrohungen hierher zu zählen. Dagegen gehören Gewalthandlungen an Sachen (n. 11) nicht hierher. 15. Die Rädelsführer werden hier nicht (wie beim Aufruhr: § 115 Abs. 2) von der schwereren Strafe des Abs. 3 betroffen, wenn sie nicht selbst Gewaltthätig keiten verübt haben. 16. Insoweit es sich um das Unternehmen einer Nöthigung oder eines Aus bruchs handelt, ist der Versuch in den Thatbestand des vollendeten Vergehens ge zogen, die §§ 43—46 bleiben daher außer Anwendung. Der Versuch eines Angriffs oder Widerstandes ist dagegen straflos; vgl. § 115 n. 16. 17. Zn Betreff der Anstiftung und Beihülfe vgl. § 115 n. 17. 18. 18. Die disciplinarische Bestrafung in der Strafanstalt wegen einer Meuterei rc. schließt die strafrechtliche Verfolgung nicht aus: OT. 3. Dez 63, 25. Sept. 77 (O. IV, 236; XVIII, 588).
Thl. 1l. Abschu. VH. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 123.
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Siebenter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen wider die öffentliche Ordnung.
8 123. Wer in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitzthum eines Anderen oder in ab§123. Absicht: 19. 25. Aufforderung sich zu cntf.: 13 ff. • Grund: 17. • wer? 14. 15. • wie? 16. Beamter: 13—15. 20. 21. Befriedetes Besitzthum: 4. Berechtigung: 8. 9. Bewegl. Gegenst.: 2—6. Dienst, öffentl.: 6. 8. 14. 21. Dienstbote: 13. 14. Dolus: 19. 25. Duldung: 19. Ehemann: 8. 14. 21.
Inhalt: Eindringen: 7. Feldpolizei: 29. Gasthof: 1. 12. Gemeinschaft: 28. Geschäftsraum: 3 6. Inhaber: 1. 4 13 21. Hausfrieden: 1. Lokal, öffentl.: 6. 8. 11-14. 21. Mehrere: 27. Miether: 1. 8-10. 14. 15. Mutter, Kind: 13. Mitbewohner: 2. 4. 14. 15. Raum, abgeschlofs.: 5. • d. Publ. gebffn.: 11. 13.
Raum, z. öff. Dienst: 6. 8. 14. 21. Schiff: 2-4. Schule: 6. 6a. Strafantrag: 21. 22. Vermiether: 1. 8. 10. Verweilen: 7. 13. 18. Waffe: 23—25. Wagen: 2. 3. 4. 6. Widerrechtlichkeit: 8—12. • Bewußtsein: 25. Wirthölokal: 11. 13. Wohnung: 2. 21. Zögerung: 18. Zweck: 7. 9. 12a. 19.
1. Dieser § will nicht das Eigenthum, sondern den Hausfrieden sichern. Objekt ist das Hausrecht, d. h. das Recht Jemandes auf ausschließliche Geltung seines Willens in den von ihnl bewohnten Raumen: ML. s. 479. Deshalb genügt es, wenn Jemand eine Räumlichkeit in einer rechtlich begründeten oder geschützten Weise inne hat, sollte auch das Recht dazu ein blos persönliches oder gar be strittenes sein; vgl. jedoch Rll. 10. Dez. 79 (E. I, 121: spricht nur von dinglich oder persönlich berechtigten Inhabern einer Wohnung rc.) und Wolsenb. 27. Febr. 77 (Br. Z. 24 s. 97: hielt schon den faktischen Zustand, daß bestimmte Räumlichkeiten als Wohnung benutzt werden, für ausreichend). Sonach hat auch der Miether (AfterMiether. ein aufgenommener WirthshanS-Logirgast rc.) auf den Schutz des § und zwar selbst dem Eigenthümer (Vermiether) gegenüber Anspruch: OA. 11. Mai 72, OT. 8. März. 18. Dez. 72, 30. Jan. 73 (O. XIII, 199. 344. 673; XIV, 96), Dresd. 11. Aug. 73 (SGZ. XVII, 272). Wer eine Wohnung blos precario- imie hat, kann den § mindestens gegen die Angriffe Dritter, welche kein befferes Recht auf jene haben, anrufen: OT.'l6. April 78 (O. XIX, 225). 2. „Wohnung" bezeichnet hier den Inbegriff derjenigen in einem Gebäude (Schiffe, Wagen) befindlichen Räumlichkeiten, welche einer Einzelperson oder i einer zusammengehörenden Mehrheit (z. B. einer Familie) zum ständigen Aufenthalte dienen oder zur Benutzung freistehen: Rl. 16. April 85 (K. XII, 132); dabei ist es gleich gültig, ob die einzelne Räumlichkeit zum gewöhnlichen Aufenthalte bestimmt ist. Der durch einen Vorhang abgegrenzte Theil eines Zimmers kann als Wohnung angesehen werden: OT. 21. März 79 (GA. 27 s. 370). Hat in einem Schiffe der Schiffer seine Wohnung, so ist daS ganze Schiff, mithin auch dessen Decke als be wohnt anzusehen; so: NI. 31. Mai 80 (A. II, 116). — Das Vergehen kann anch von einem Mitbewohner deffelben Gebäudes verübt werden; vgl, OT. 29. Oft. 69 (O. X, 680). 3. „Geschäftsräume" gehören hierher, auch wenn sie außerhalb der Woh nung des Inhabers liegen. Ob sie abgeschlossen, oder offen, oder gar dem Publikum geöffnet sind ist für jenen Begriff unwesentlich; im letzteren Falle kann dagegen die „Widerrechtlichkeit" des Eindringens in Frage kommen; vgl. n. 6. 11. — Demge mäß kann selbst ein Wagen einen solchen Raum darstellen; Beisp.: wenn Landleute, die zu Markte kommen, ihre Produkte unmittelbar von ihrem Wagen ausverkaufen: OT. 27. April 76 (O. XVII, 286), ebenso eine vorzugsweise zur Aufbewahrung von Handwerksgeräth dienende (offene und unverschließbare) Steinbruchshütte, welche ev. aber auch als „befriedetes Besitzthum" anzusehen ist; so: OT. 20. April 76 (GÄ. 24 s. 346), ferner ein zum Betriebe gewisser Geschäfte bestimmter Raum eines (un bewohnten) Passagierdampfers, z. B. die Kajüte des Capitänö. ein besonderes Büffett- oder Kassenzimmer, nicht aber das dem Publikum zur Fahrt eingeräumte
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 123.
geschlossene Räume, welche zum öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, oder wer, wenn er ohne Befugniß darin verweilt, auf die Aufforderung des Berechtigten sich nicht entfernt, wird wegen Hausfriedensbruches mit Gefängniß Deck, noch der Wagen eines Lohnfuhrmannes oder ein Eisenbahn-Coups: RII. 22. Jarl. 86 (E. XIII, 312). — Ob auch der Wartesaal eines Bahnhofs einen Geschäftsraum (der betr. Eisenbahngesellschaft) oder mindestens einen „abgeschlossenen zum öffentlichen Dienst bestimmten Raum" darstelle, erscheint als zweifelhaft; vgl. jedoch OT. 17. Jan. 77 (O. XVIII, 39). 4. „Besitzthum" ist jede Räumlichkeit, welche ein Anderer in einer rechtlich geschützten Weise inne hat (vgl. n. 1). Dieselbe muß „befriedet" (nicht wie nach § 346 Nr. 1 des Pr. StGB.'s „befriedigt"), d. h. des gesetzlich (der Person) ge währten „Hausfriedens" theilhaftig sein, unter dem Schuhe des Hausfriedens stehen; ebenso: Rill. 16. März 81 (R. III, 143). Daraus folgt, daß es hierbei nicht sowohl auf eine Befriedigung, also nicht auf eine die Räumlichkeit von andem abgrenzende oder abschließende Vorrichtung ankommt, als vielmehr darauf, daß sich das Besihthum in äußerlich erkennbarer Weise als ein den Zwecken der Häuslichkeit dienendes kennzeichne: OT. 29. März 76 (O. XVII, 221: rechnete daher den Hausflur hierher, gleichviel, ob der Zugang durch eine Thüre abgesperrt sei oder nicht), RII. 6. April 80 (R. I, 547: ein Besihthum, welches eingefriedigt sei, sei darum noch kein befriedetes, es gehöre hierzu eine Zusammengehörigkeit des Besitzthums mit einem bewohnten Hause, welche die Ausdehnung des Hausfriedens auf dasselbe erwirke), John. HH. III, 154; contra: Ri. 12. Dez. 84 (E. XI, 293: es genüge, wenn unbewegliches Gut vom berechtigten Inhaber befriedet, d. h. in äußerlich erkennbarer Weise mittels zusammenhängender Schuhwehren gegen das be liebige Betreten durch Andere gesichert sei). OT. 27. April 76 (eit. n. 3: befriedetes Besihthum bezeichne einen äußerlich erkennbar umgrenzten Theil der Erdoberfläche), OA. 6. Dez. 73 (O. XIV, 786: rechnete jeden Raum hierher, welcher durch eine äußere Abgeschlossenheit das ausschließliche Verfügungsrecht des Andern erkennbar mache, z. B. einen in den rohen Mauern dastehenden noch unbewohnten Neubay), OT. 15. Juni 75, Dresd. 2. Jan. 74 (O. XVI, 444; StZ. IV, 114: erklärten dasselbe von einem zur Zeit unbewohnten Wohngebäude); Schw. s. 356, Olsh. n. 4. — Hiernach ist der zu einer Wohnung gehörende Hofraum, Garten, Stall ic. als (mit) „befriedet" anzusehen, sobald jene Zugehörigkeit äußerlich erkennbar ist, ohne Unter schied, ob er (vollständig) eingefriedigt ist oder nicht: eit. Rill. 16. März 81, OT. 10. Dez. 74 (O. XV, 860: in Betreff eines Pferdestalls); vgl. Rill. 10. Dez. 79 (E. I, 121: erkannte, daß Flur, Vorplätze und selbst Treppen, vermittelst deren die Hausbewohner zu den ihrer Benutzung überlassenen Räumlichkeiten gelangen, als solche den Zwecken der Häuslichkeit dienten, und daher als integrirende Bestandtheile zu einer Wohnung gehörten); — nicht aber ein getrennt liegender, wenn auch völlig eingehegter Raum (hier wird nach Umständen § 368 Nr. 9 anwendbar). — Beweg liche Sachen, z. B. ein Schiff oder Wagkn, bilden in keinem Falle ein „befriedetes Besihthum": RII. 22. Jan. 86 (E. XIII, 312). — Eine vermietete Wohnung ist nach Exmission des Miethers als „befriedetes Besihthum" des Vermieters anzu sehen. selbst wenn dieser das Haus selbst nicht mit bewohnt: OT. 7. Febr. 78 (O. XIX, 64). — Ein „befriedetes Besihthum" kann auch im gemeinschaftlichen Besihe Mehrerer sich befinden; vgl. n. 14. 4a. Der einem sog. Arbeitervereine re. für gewisse Abende zu seinen Ver sammlungen eingeräumte Saal stellt weder die „Wohnung" dieses Vereins, noch einen „Geschäftsraum" desselben noch sein „befriedetes Besihthum" dar: Diesd. 11. Juni 75 (StZ. V, 290). 5. Ein „Raum" ist „abgeschlossen", wenn er durch eine erkennbare Vor richtung von anstoßenden Räumlichkeiten getrennt und begrenzt ist: OT. 17. Zan. 73 (O. XIV, 60). Im Gegensatze zum „umschloffenen Raum" (§ 243) kann ein „abgeschlossener Raum" auch ein beweglicher Gegenstand sein: OT. 27. April 76 (eit. n. 3). 6. Die „zum öffentlichen Dienste bestimmten" re. Räume sind hlbst dann, wenn sie vermöge dieser ihrer Bestimmung dem Publikum zugänglich sind,
Thl. II. Abschu. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 123.
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bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. gegen ein widerrechtliches (z. B. einem berechtigten amtlichen Verbote zuwider bewirktes) Eindringen geschützt: OT. 17. Jan. 73 (dt. n. 5): vgl. n. 3.11. — Zu den Räumen der gedachten Art gehört auch eine öffentliche Schule, während das Lokal einer Privatschule zu den „Geschäftsräumen" zu zählen ist. Ebenso ge hört zu ersteren der in einen Eisenbahnzug eingeschobene, den mitfahrenden Post beamten zum Aufenthalte und zur Verrichtung ihrer Dienstgeschäfte überwiesene Postwagen, nicht aber ein zum Transport von Reisenden dienender Postwagen, auf welchen letzteren ebensowenig eine der anderen Bezeichnungen „Wohnung" rc. paßt: OT. 27. April 76 (eit. n. 3). 6a. Der § fordert wirkliches Eindringen; ein verhinderter Versuch ge nügt nicht: Dresd. 1. Juni 74 (SGZ. XVIII, 343). Doch erblickte ein Meckl. OG. (GSaal 27 s. 220) jenes schon in dem Oeffnen der Thüre eines Schulzimmers, ver bunden mit Hineinrufen in dasselbe; ähnlich: Dresd. 14. Juni 75 (StZ. V, 289: Angeklagter hatte das Schulzimmer wiederholt geöffnet und sich auf die Zimmer schwelle, zwischen Flügel und Pfoste der Thüre gestellt). 7. Das „Eindringen" ist nicht durch die Ueberwindung eines Widerstandes oder sonstigen Hindernisses bedingt, seht auch nicht nothwendig eine offene Miß achtung des Willens des Berechtigten voraus, vielmehr liegt ein solches überall vor, wo Jemand in eine fremde Räumlichkeit gegen den bekannten oder auch nur ver mutheten bzw. zu vermuthenden) Willen des Inhabers eintritt: Rl. 16. April 85 (E. XII, 132), OA. 10. Okt. 73, OT. 1. März 72, 9. Dez. 74.15. Juni 75.14. Jan., 23. Juni 76, 15. Nov. 78, 15. Jan. 79. Münch. 26. April 75 (O. XIV, 627; XIII, 190; XV, 851; XVI, 444; XVII, 30. 455; XIX, 539; XX, 31; StZ. V, 189); contra: Schw. s. 358 (hält ein Einschleichen für nicht genügend). Auf jenen Charakter des Eintrittts kann aus der gewaltsamen oder tumultuarischen Art, wie er bewirkt worden, oder aus dem dabei verfolgten unberechtigten (unerlaubten) Zwecke geschloffen werden; vgl. OT. 6. Mai 70 (O. XI, 290); so z. B. ist ein Eindringen anzunchmen, wenn der 'Eintritt in die Wohnung zum Zwecke eines Mundraubs (§ 370 Nr. 5) oder eines strafbaren Angriffs auf den Hausherrn und dessen Angehörige erfolgt: RI. 9. Juli 83 (A. VIII, 191), OT. 30. Juni 76 (O. XVII, 478); vgl. n. 12a. Dagegen folgt aus der Widerrechtlichkeit des Zwecks allein nicht nothwendig, daß eilt „Eindringen" stattgefunden habe; vgl. n. 9, Olsh. n. 9. — Das unangefoch tene Verweilen'in einem fremden Besitzthum rc., in welches man widerrechtlich eingedrungen ist, setzt dieses Vergehen nicht fort: eit. OT. 1. März 72, wie die so fort befolgte Aufforderung, sich zu entfernen, das widerrechtliche Eindringen nicht straflos macht: RI. 16. April 85 (E. XII, 132). 8. „Widerrechtlich" ist das Eindringen, sobald es das Recht (den „Haus frieden") des Inhabers (oder Eines von mehreren Mit-Inhabern), oder das Auf sichts-Recht Desjenigen verletzt, welchem die Handhabung der Ordnung oder die Aufsicht in einem Dienstlokale zusteht. Eine vorhandene, wenn auch nur obligato rische oder bestrittene Berechtigung zur Handlung beseitigt die Widerrechtlichkeit: OT. 5. Okt. 70, O. XI, 497; contra: Wolfenb. 23. März 77 (Br. Z. 24 s. 98); es sei denn, daß nach der geltenden bürgerlichen Gesetzgebung ein vorhandener Besitz stand selbst gegen die Eingriffe eines materiell besser Berechtigten geschützt wäre; das trifft nach Pr. ALR. I, 7 § 169 beim Miether (Pächter) als unvollständigem Besitzer selbst dann zu, wenn das Recht des Autors desselben bestritten ist; vgl. OT. 13., 18. Dez. 72 (O. XIII, 660. 673). Ueberhaupt ist die Berechtigungsfrage wesentlich nach den maßgebenden bürgerlichen Gesetzen zu beantworten, z. B. inwie fern es einem Vermiet her gestattet sei, während der Miethzeit gegen den Willen des Miethers zu einem an sich statthaften Zwecke in die vermietheten Räume zu dringen; Beispp.: OT. 23. März 70, 30. Jan. 73 (O. XI, 191: XIV, 96), 31. März 76 (O. XVII, 234: nach Pr. Gesetzen müsse der Vermiether, selbst wenn er ein recht liches Interesse am Betreten der Miethwohnung habe, im Falle der Weigerung des Miethers richterliche Hülfe in Anspntch nehmen), RIV. 29. März 87, OT. 7. Febr. 79 (E. XV, 391; O. XX, 74: selbst behufs Geltendmachung seines Pfand- bzw.
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. b. öffentl. Ordnung. — § 123.
Ist die Handlung von einer mit Waffen versehenen Pers on oder von Mehreren gemeinschaftlich begangen worden, so tritt Gefängnißstrafe von Einer Woche bis zu Einem Jahre ein. [I. ent».: § 214; II. Ent».: § 121; Pr. StGB.: § 346 Nr. 1.] Vgl. §§ 124. 342 Preußen: Vgl. FFP.-Ges. § 9.
Retentionsrechts dürfe der Vermiether nicht eindringen rc., wenn er sein Recht auf andere Weise geltend machen könne); oder nach dem Ablaufe der Miethzeit die Räume wieder in Besitz zu nehmen oder aber Thüren und Fenster auszuhängen, um den Miether zur Räumung zu nöthigen; Beispp.: OT. 7. Juli 64, 16. gtcbr. 70, 6. Jan. 75, Dresd. 29. Dez. 73 (O- V, 58; XI, 102; XVI, 18; StZ. IV, 113), Münch. 19. Juli 81 (BE. I, 447): vgl. John, HH. III, 157.158. — Der gegen das Verbot des Ehemanns, aber mit Zustimmung der Frau bewirkte Eintritt in die Wohnung beider ist unberechtigt: OT. 6. März 74 (O. XV, 133). Der Ehemann darf in die Wohnung seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau dringen, nicht aber in die Wohnung eines Dritten, bei welchem jene sich (mit dessen Zustimmung) auf hält: »II. 25. Nov. 79 (R. I, 95), OT. 16. Sept. 74, 19. Febr. 75 (O. XV, 5.67; XVI, 143). Eine von ihrem Manne thatsächlich getrennt lebende Frau soll sich nach Rill. 4. Febr. 82 (E. VI, 14), OT. 15. Jan. 79 (O. XX, 31) sogar durch das Eindringen in die eigne Ehewohnung aus § 123 strafbar machen, wenn sie dies nicht in Geltendmachung ihres an sich unbeschränkten Rechts zum Aufenthalte in jener Wohnung, bzw. behufs Fortsetzung des ehelichen Zusammenleben, sondern zur Er reichung eines anderen und zwar widerrechtlichen Zweckes, z. B. um die von ihr eingebrachten Sachen zu holen, thut; vgl. jedoch n. 9. 9. Ein widerrechtliches Eindringen wird durch einen erlaubten Zweck, (z. B. Geltendmachung einer begründeten Forderung. Holen einer dem Eindringen den gehörigen Sache) nicht zu einem berechtigten und somit nicht straflos: Dreöd. 8. Dez. 71, Carlsr. 13. Sept. 81 (SGZ. XVI, 188; BA. 48 s. 8); vgl. n. 8. 13. Umgekehrt genügt ein widerrechtlicher Zweck für sich allein noch nicht, um beim Vorhandensein einer anderweitigen Berechtigung das Eindringen zu einem wider rechtlichen zu machen: RI. 16. April 85 (E. XII, 132), Dresd. 27. Sept. 72 (StZ. II, 85); vgl. n. 7. 8 a. E. Hat aber Jemand eine (auf gewisse Fälle oder zu ge wissen Zwecken) beschränkte Befugniß zum Betreten einer fremden Räumlich keit, so handelt er widerrechtlich und macht sich strafbar, wenn er (bewußter Weise) über jene Beschränkung hinaus, z. B. zu einem anderen Zwecke eindringt: RI. 24. Nov. 79, 16. April 85, RII. 2. Mai 84 (E. I, 21; XII, 132; R.VI, 332), OT. 30. Okt. 73, 5. Nov. 73, 7. Apr. 76 (O. XIV, 674. 684; XVII, 271); vgl. „. 8 a. E. Aus ähnlichen Gründen ist der Vermiether, welcher sich den Aufenthalt int vermietheten Raum vorbehalten hat, strafbar, sofern er dort Handlungen vornimmt, welche das Recht des Miethers widerrechtlich hindern, und trotzdem die Aufforderung des letzteren, sich zu entfernen, nicht beachtet: RII. 6. Mai 81 (E. IV, 124). 10. Inwieweit die Vermiethung eines Theils eines Gebäudes das Recht gewähre, solche Räume zu betreten, welche der gemeinsamen Benutzung dienen z. V. Flur, Treppe, Boden rc., ist nach dem abgeschlossenen Vertrage zu beurtheilen; ein nachträgliches Verbot des Vermiethers, diese Räume zu betreten, nimmt dem Miether das bereits erlangte Recht nicht. Dagegen kann ein Dritter nicht aus dem Rechte des Miethers (z. B. weil er diesen besuchen wolle) für sich ein Recht der Benutzung herleiten; er muß einem Verbote des Vermiethers Folge leisten, und macht sich eventuell durch ein Eindringen strafbar; vgl. OT. 16. Febr. 80 (O. XI, 102) und unten n. 14; contra: Olsh. n. 10. 11. Der Zutritt $u einem dem Publikum für einen gewissen Zweck geöff neten Amts- oder Pnvatlokale steht Jedem frei, welcher jenem Zwecke entsprechen will; dagegen ist der zu andern Zwecken bewirkte Eintritt ein „unbefugter" (n. 9. 13), z. B. wenn Jemand ein WirthSlokal nicht als Gast betritt: OT. 12. Juni 72 (O. xm, 344). Auch bleibt der Inhaber eines solchen Lokals berechtigt, dasselbe ganz zu schließen, oder einzelnen Personen den Zutritt oder Aufenthalt nach seinem Ermessen zu versagen: Rill. 18. Juni 81 (E. IV, 322), Dresd. 10. Nov. 71 (StZ. 1,71), OA. 11. Mai 72, OT. 19. Juni 72. 14. Okt.. 27. Nov. 74 (O. XIII. 300. 363; XV, 609. 816); Schütze s. 276; contra: Schw. s. 356; vgl. Dresd. 27. Sept.
Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 123.
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72 (StZ. II, 84; SGZ. XVI, 87: sprach jenes Recht einem Wirthe nur da zu, wo
der Andere durch sein Verhalten dazu Anlaß gegeben habe; vgl. n. 13). 12. Besondere Umstände, z. B. Feuersgefahr, können ein an sich widerrecht liches Eindringen zu einem berechtigten machen. So wird auch einem Ga st hofs besitz er ein gewisses Anssichtsrecht über das einem eingekehrten Gaste eingeräumte Zimmer zustehen, vennöge dessen er in dasselbe zur Handhabung der polizeilichen Ordnung rc. auch gegen den Willen jenes eindringen darf: OT. 23. März 70 (O. XI, 9); contra: John 1. c. 12a. Ein behufs Verübung einer andern Mißthat, B. eines Diebstahls, be gangener Hausfriedensbruch hört um dieses Zweckes willen nicht auf, nach § 123 strafbar zu sein: RI. I. Mai 84 (K. XI, 166), OT. 2. April, 22. Okt. 75 (O- XVI, 264. 688); vgl. n. 7. 19. 13. Wer nicht „widerrechtlich" (n. 8) in eine fremde Räumlichkeit „eingedrun gen" ist, diese vielmehr in strafloser Weise betreten hat, ist verpflichtet, sie auf die Aufforderung des Inhabers sofort zu verlassen; er macht sich strafbar, sobald er „ohne Befugniß" d. h. ohne ein ihm zustehendes, einen rechtlichen Anspruch be gründendes Recht dort „verweilt". Dazu genügt es. wenn der Grund, welcher den Eintritt zu einem berechtigten oder wenigstens geduldeten gemacht hatte, in zwischen weggefallen z. B. das in der Räumlichkeit'vorzunehmende Amtsgeschäft beendigt ist: OA. 21. Sept. 72. OT. 20. Rov. 72 (O. XIII, 470. 611). oder die zum Eintritte stillschweigend ertheilte Zustimmung eben durch das Verlangen der Entfernung zurück genommen wird: OT. 31. März 76 (O. XVII, 236), wogegen freilich Derjenige, welcher sich vertragsmäßig verpflichtet hat, das Verweilen Jenlands in seiner Wohnung zu einem gewissen Zwecke zu dulden, nicht befugt ist, die ^Ent fernung zu fordern, bevor jener Zweck erreicht wurde: RI. 20. Okt. 87 (E XVI, 225). So ist der Gläubiger, welcher zur Geltendmachung seiner Forderung die Wohnung des Schuldners betritt, auf dessen Aufforderung zum Verlassen derselben verpflichtet: OT. 17. Okt. 76 (O. XVII, 663); z. B. der Vermiether, der sich in die vermiethete Wohnung beim Auszuge des Miethers begiebt, um demselben zu er klären, daß er sein Retentionsrecht ausüben wolle, sofort nach Abgabe dieser Er klärung: OT. 28. März 78 (O. XIX, 174). Dagegen steht in Bayern gemäß Min -Bekanntm. v. 30. Sept. 1879 einem Gläubiger das Recht zu, der auf sein Anstehen stattfindenden Vollstreckungshandlung des Gerichtsvollziehers beizuwohnen: Münch. 7. Sept. 86 (BE. IV, 290). Beruhte das Betretungs-Recht auf der der Räumlichkeit vom Inhaber gegebenen bleibenden Bestimmung (Beisp.: ein Schank lokal n. 11), so wird das Verweilen zum unbefugten, sobald der Inhaber seinen entgegengesetzten Willen kundgethan hat; eö bedarf dann außerdem noch einer be sonderen (also et), einer zweiten) Aufforderung, sich zu entfernen, um das längere Verweilen strafbar zu machen; vgl. OA. 11. Mai 72 (O. XIII, 300); iontra: OT. 27. Nov. 74 (O. XV, 817); vgl. auch RII. 30. Sept. 81. Rill. 7. Jan. 84. OT. 11. Dez. 72, 27. Okt. 76 (E. V, 109; R. VI, 25; O. XIII, 650; XVII, 699: halten mehrmalige Aufforderung augenscheinlich nie für nöthig); ebenso: Ortmann, SGZ. 21 s. 97. — Die Abhaltung einer öffentlichen Auktion und die Einladung zu letzterer benimmt dem Inhaber des Auktionslokals nicht das Recht, die Entfernung der Kauflustigen zu verlangen: OT. 23. Jan. 78 (O. XIX, 30). — Eine Mutter kann den Aufenthalt ihres bei ihr wohnenden minderjährigen Kindes nicht ohne Weiteres zu einem unberechtigten machen, indem sie dasselbe wegen schlechter Aufführung zum Verlassen der Wohnung auffordert; vielmehr muß zuvor das zwischen beiden be stehende Wohnungsverhältniß auf gesetzlichem Wege gelöst werden: OT. 17. Juli 79 (O. XX, 336). In Ermangelung einer vorherigen rechtsgültigen Dienstentlassung (: RII. 3. Nov. 79, «.1,33; vgl. Pr. MR. § 116,11,5), begeht ein Dienstbote dadurch, daß er sich auf die Aufforderung der Herrschaft aus der Gesindestube bezw. vom Gute überhaupt auf die dementsprechende Aufforderung der Herrschaft nicht entfernt, keinen Hausfriedensbruch, da sein dortiges Verweilen kein unbefugtes war: RII. 27. April 80, RIV. 22. Dez. 85 (E. I, 398; XIII, 189), OT. 7. Jan. 76 (O. XVII, 11); contra: Fuchs, GA. 29 s. 178; vgl. Rill. 12. Nov. 81 (E. V, 235) und unten n. 15. Das Gegentheil nahm OT. 21. Nov. 77 (O. XVIII, 724) von einem Subalternbeamten an, welcher wegen momentaner Trunkenheit von dem BüreauVorsteher aus dem Geschäftsräume gewiesen wurde; derselbe habe die Berechtigung, dort zu verweilen, nur insoweit er seinen Dienst ordnungsmäßig versehe [?]. —
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 1L3.
Inwiefern das Verweilen auf einem Gemeindekirchhof ein unbefugtes und der Todtengräber zur Fortweisung der dort Verweilenden befugt sei, darüber vgl. Berlin 3. Nov. 81 (Zohow III, 374). 14. Die „Aufforderung sich zu entfernen" muß vom „Berechtigten" d. h. von Denjenigen ausgehen, welchem die Verfügungsgewalt über die inne gehabte Räumlichkeit zusteht. Ist er selbst verhindert, z. B. abwesend, so steht die Befugniß Demjenigen zu, welcher in seiner Vertretung die Benutzung oder die Überwachung hat: OT. 12. Sept. 73, 18. März 74 (O. XIV, 532; XV, 153); der Haussohn ist kraft vermutheter Vollmacht legitimirt, seinen abwesenden Vater bei dem Schuhe des gestörten Hausfriedens zu vertreten: OT. 1. Dez. 75 (O. XVI, 767); desgleichen die Ehefrau, ihren abwesenden Mann: OT. 9. Juli 78 (O. XIX, 361: dieses Recht könne zwar nicht im Widerspruch mit dem erklärten Willen des Mannes ausgeübt werden; darum schließe jedoch die von letzterem ertheilte Erlaubniß zum Eintreten die Befugniß der Frau, bei veränderter Sachlage das längere Verweilen zu unter sagen, keineswegs aus); vgl. n. 21. Selbst Dienstboten können unter Umständen zur Wahrung des Hausrechts berufen sein: Ri. 16. April 85 (E. XU, 132). —Schon ein blos vorübergehendes Jnnehabungsrecht genügt: demgemäß ist z. B. ein Forstbeamter in dem ihm zur Abhaltung einer Holzversteigerung überlassenen Wirthslokale während der Dauer des Geschäfts zur Ausübung des Hausrechts befugt: OT. 23. Jan. 78 (O. XIX, 30). — Im Falle des gemeinschaftlichen Besitzes Mehrerer (vgl. n. 4) kann jeder Mitbesitzer die Aufforderung ergehen lassen, vgl. Rill. 10. Dez. 79 (E. 1,121), so z. B. bezüglich des Hausflurs auch der Inhaber einer Miethwohnung (im Hintergebäude), welcher den Flur gemeinschaftlich mit den übrigen Hausbewohnern benutzt: RII. 3. Nov. 79 (R. I, 33), OT. 29. März 76 (cit. n. 4). — Bei den „zum öffentlichen Dienste" bestimmten Räumen ist der diesen Dienst leitende, und in seiner Abwesenheit der die Räumlichkeit beaufsichtigende Beamte (oder dessen thatsächlicher Vertreter) der Berechtigte. Derselbe ist hierzu selbst einem anderen, in Ausführung eines Amtsauftrags thätigen Beamten (eines anderen Ressorts) gegenüber berechtigt, falls zur Ausübung dieser Berechtigung genügender Grund, wie z. B. Ruhestörung vorliegt: OT. 20 Mai 74 (O. XV, 323). 15. Nur wer sich selbst in der Jnnehabung der Räumlichkeit befindet, kann einen unbefugt dort Verweilenden zur Entfernung wirksam auffordern; andererseits wird erfordert, daß der Aufgeforderte dieselbe Räumlichkeit nicht (selbst, wenn auch ohne rechtlichen Anspruch auf Mitbenutzung) als Wohnung inne habe; vgl. OT. 13. Sept. 77 (O. XVIII, 557): somit findet § 123 keine Anwendung. wenn der Miether nach dem Ablaufe der Miethzeit, trotz der Aufforderung des Vermiethers die Wohnung nicht verläßt; so: Münch. 30. Mai 73 (BE. III, 265); ähnlich: RII. 24. Febr. 80 (E. I, 222: betraf eine bisherige Dienstwohnung); vgl. übrigens die n. 13 citt. RII. 3. Nov. 79, 27. April 80, Rill, 12. Nov. 81. 16. Die Aufforderung, fich zu entfernen, kann auch stillschweigend durch Handlungen ausgedrückt werden. 17. Aus welchem Grunde der Inhaber die Entfernung verlangt, und ob er einen Grund angegeben, ist für den Thatbestand gleichgültig. Immerhin muß die Aufforderung aber in Wahrung des Hausrechts geschehen; fordert daher ein Wirth blos in Erfüllung einer ihm obliegenden Pflicht, nämlich wegen Eintritts der Po lizeistunde, zum Fortgehen auf, so trifft den Ungehorsamen nicht die Strafe des § 123, sondern diejenige des § 365 Abs. 1. 18. Die Strafbarkeit ist nicht schon dadurch gegeben, daß die Entfernung nicht sofort und augenblicklich erfolgt, wenn nur der Angeklagte durch sein Verhalten bekundet, daß er sich nicht mit dem Verbote in Widerspruch setzen will und dasselbe auch nach kurzer Frist befolgt, sollte dies gleich unter Streiten und Schelten ge schehen; wo die Grenze zu ziehen, und inwiefern eine Verzögerung der Ent fernung als Nicht-Entfernen anzusehen sei, unterliegt der Beurtheilung des Einzel falles : Rill. 28. April 80 (R. 1,689), Meckl. OG., GSaal 24 s. 95, Schw. s. 358. 19. Als Dolus wird die Vorsätzlichkeit der Handlung und das Bewußtsein sowohl von der Eigenschaft des betretenen Gegenstandes als einer „Wohnung rc." wie von der Widerrechtlichkeit des Eindringens oder dem Mangel der Befugniß zum auf forderungswidrigen Verweilen vorausgesetzt (§ 59); vgl. RII. 22. Jan. 86 (E. XIII, 312), OT. 30.. 31. März 76 (O. XVII, 232. 235); wird dies bestritten. so ist eine hierauf bezügliche Feststellung unerläßlich, sonst nicht: OA. 24. Jan. 74 (O. XV,
Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehell w. b. öffentl. Ordnung. — § 123.
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40), Münch. 1. April 80, 3. Mai 81, 7. Febr.. 18. Marz 85 (BE. I, 36. 356; 111,330. 345). Somit ist der Eintritt Desjenigen, welcher der Meinung war, der Inhaber werde ihn dulden, nicht strafbar, (selbst wenn jener einen unerlaubten oder wider rechtlichen Zweck verfolgte: Münch. 30. Nov. 80, BE. I, 225; vgl. n. 9), und eben sowenig das Verweilen dessen, welcher die Aufforderung, sich zn entfernen, für nicht ernstlich gemeint ansah: Münch. 21. Febr. 79 (BE. IX, 108). — Dagegen bedarf es nicht der Absicht, das Hausrecht zu verletzen: OT. 23. Okt. 72 (O. XIII. 552), cit. Münch. 18. März 85; ja es ist nicht einmal das Bewußtsein von dieser Verletzung erforderlich, zum mindesten dann nicht, wenn der Mangel desselben auf einem straf rechtlichen Irrthum beruhte: cit. RII. 22. Jan. 86. 19 a. Wer wissentlich das Eindringen rc. durch eine pflichtwidrige Unterlassung, z. B. durch pflichtwidriges Nichtverschließen einer Thüre erleichtert, ist als Ge hülfe strafbar: Münch. 18. März 85 (BE. III, 345); vgl. n. 27. 20. Ein Beamter, welcher in Ausübung seines Amts oder in Veranlassung derselben einen Hausfriedensbruch begeht, wird aus § 342 bestraft. 21. Zur Stellung des Antrags (Abs. 2) ist derjenige berechtigt, dessen Haus frieden gestört ist, also der zeitige Inhaber, und wenn dieser ein Personen-Ganzes ist, dessen Vorstand und Organ, bei einer Familienwohnung mithin das Haupt der Familie und nur dieses; contra: Darmst. 24. Juni 72 (StZ. II, 42). Die übrigen Mitglieder der Familie, insbesondere die Frau, der Haussohn sind zur selbständigen Stellung des Antregs nicht legitimirt, selbst wenn sie zur Zeit der That In Ver tretung des damals abwesenden Hausherrn befugt waren, an den Thäter die Auf forderung, sich zu entfernen, ergehen zu lassen (n. 14): Rill. 9. Juni 84 (E. XI, 53: es sei denn, daß nicht die Frau die Wohnung ihres Mannes, sondern dieser die jenige der Fran theile), OT. 14. April 75 (O. XVI, 281): Dresd. 9. Juni 73, 23.Jan. 74 (StZ. III, 90; SGZ. XVIII, 203). Dagegen erkannte OT. 21. Okt. 75 (O. XVI, 686): sei das Hausrecht in der Person der ihren abwesenden Mann vertretenden Frau verletzt worden, so könne diese auch in Vertretung deß Mannes und unbeschadet seines Widerspruchsrechts den Antrag stellen. — Ob die Verwalter fremden Vennögens antragsberechtigt seien, ist mit Rücksicht auf deren rechtliche Stellung sowie die Umstände des einzelnen Falles zu entscheiden, und regelmäßig bei denjenigen Personen zu bejahen, welche eine selbständige Funktion der Art aus üben: OT. 8. Jan. 79 (O. XX, 18). Dagegen folgt aus der Stellung eines Pro kuristen nicht ohne Weiteres dessen Befugniß, die Verfolgung eines in den Räum lichkeiten des Prinzipals verübten Hausfriedensbruchs zu beantragen: OT. 3. Mai 78 (O. XIX, 241). — Bei Dienstlokalen ist derjenige antragsberechtigt, welchem zur Zeit die Handhabung der Ordnung oder die Wahrung des Jnnehabungs-Rechts zustand; also bei Schulzimmern der betr. Lehrer: Dresd. 14. Juni 75 (StZ. V, 289), im Falle eines in einer Gerichtssitzung verübten Hausfriedensbruchs der fungirende Richter, bzw. der Vorsitzende des zur Zeit fungirenden Kollegiums: OT. 17. Jan. 73 (O. XIV, 160); bei dem Bureau eines Stadtmagistrats, welches zugleich Dienst lokal des Bürgermeisters ist, der letztere: OT. 28. Jnni 76 (O. XVII, 470: ob auch der Magistrat, blieb unentschieden). Ein Gleiches gilt selbst von untergeordneten Beamten, wenn sie zeitweilig die dienstliche Oberaufsicht über ein Dienstlokal haben. Demgemäß sind z. B. in Betreff eines in einem Polizeiwachtlokale verübten Hausfriedensbruchs die damals gerade wachthaltenden Schutzmänner die Antragsberechtiyten: OT. 16. Nov. 75 (O. XVI, 730). OT. 6. März 77 (O. XVIII, 179) erachtete m einem Falle, wo Jemand, entgegen dem von der Regierung als Schulaufsichtsbehörde erlaffenen Verbote, in ein Schullokal eingedrungen war und dort Unterricht ertheilt hatte, jene Behörde für antragsberechtigt (bedenklich, denn es handelte sich doch nicht um die Bestrafung der Verletzung des staatlichen Auf sichtsrechts als solchen, sondern immerhin nur um die Bestrafung eines Hausfriedens bruchs). 22. Das Erforderniß des Strafantrags fällt fort, wenn eine der Voraus setzungen deö Abs. 3 vorliegt: Mot.s.88; OA. l.Juni 72, OT. 6.Juni72,14. Febr. 73 (O. XIII, 327. 344; XIV, 142), Stuttg. 9. April 73. Wolfenb. 10. Sept. 75, Dresd. 9. Juni 73 (StZ. II, 312; V, 292; SGZ. XVII, 186). 23. Die Strafschärfung, welche eintreten soll, wenn der Thäter „mit Waffen versehen" war, beruht auf der „Gefährlichkeit des Falles" (: Mot. s. 88), d. h. auf dem erhöhten Maße der Friedensgefährdung. Demgemäß ist unter „Waffe" nicht
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffeutl. Ordnung. — § 123.
blos dasjenige zu verstehen, was bestimmungsmäßig diese Eigenschaft hat, es kann vielmehr als solche jedes Werkzeug angesehen werden, welches zur Beibringung be deutender Körperverletzungen geeignet ist (3. 33. ein Messer, Knittel rc.); vgl. Rill. 18. Sott. 83 (E. VIII, 44: alle gefährlichen Werkzeuge). Ob dies anzunehmen sei, beurtheilt sich nach den Umständen des Einzelfalls; eS wird wesentlich darauf mi« kommen. ob der Beschuldigte sich (eventuell) des Werkzeugs zu gedachtem Zwecke zu bedienen beabsichtigte, oder ob nicht wenigstens durch den Anblick desselben und die Art, wie es geführt wurde, bei dem Andern die Vesorgniß hervorgerufen werden konnte: ein derartiger Gebrauch möge vom Thäter (eventuell) beabsichtigt sein; im ersteren Falle genügt der Besitz einer äußerlich nicht sichtbaren Waffe. Vgl. HS. II, 479, Eisenach 17.Zan.73 (StRZ. XIII, 320), § 223a n.3, §243 n. 72ff.; contra: Rubo n. 11. 24. Der Eindringling war „mit Waffen versehen", wenn er, sei es im Augenblicke des Eindringens, sei es bei dem darauf folgenden unbefugten Verweilen (auch nur) eine Waffe zur Hand hatte. Somit genügt es, wenn er sich den Ein tritt mittels der Waffe erzwang, ohne dieselbe demnächst in das Haus mitzunehmen, oder wenn er sich nach dem Eindringen einer in der betr. Wohnung vorgefundenen Waffe bemächtigte, um sich in dem durch das Eindringen ermöglichten Verweilen zu erhalten: Rill. 4. Mai 85 (E. XII, 183), Olsh. ,1. 25; contra (in Betreff des erste ren Falles): Schw. n. 17. 25. Als D 0 llls (in Betreff der Waffe) genügt im Allgemeinen das Bewnßtsein, mit einer Waffe (in dem unter n. 23 entwickelten Sinne) versehen zu sein (§59). Dagegen bedarf es an sich nicht der Absicht, das betr. Werkzeug zu ge brauchen, bzw. durch dasselbe den Hausfriedensbruch zu ermöglichen: OT. 31. San. 72 (O. XIII, 101), es sei denn, daß hieraus die Natur des Werkzeugs als Waffe zu folgern wäre (n. 23); Beisp.: Jemand führt die Waffe nur in Folge seines Be rufs: Olsh.. n. 25; contra: Schw. n. 17. — Wird die Eigenschaft des Werkzeugs als Waffe aus dem Eindruck hergeleitet, den dasselbe auf den Andern machen konnte, so muß sich der Thäter auch der Möglichkeit dieses Eindrucks bewußt sein. Sonst ist eS gleichgültig, ob die Waffe äußerlich sichtbar und der Thäter sich dessen bewußt war; vgl. Olsh. n. 25; contra: dt OT. 31. Zan. 72. Rüd. n. 10. 26. „Mehrere": dazu genügen zwei Personen: OT. 6. Juni 72, 14. Febr. 73 (O. XIII, 344; XIV, 142); vgl. § 83 n. 1; § 119 n. 1. 27. Ueber den Begriff der „Gemeinschaftlichkeit" vgl. § 47 n. 8ff., § 223a n. 5. Demgemäß müssen die Mehreren zu einander im Verhältnisse von Mitthätern stehen; wer z. B. mit anderen nicht dolos und daher straflos Handelnden ein dringt rc.. ist nicht nach Abs. 3 strafbar, selbst wenn er sich jener als Werkzeuge be diente: Rill. 9. Oft. 80 (E. III, 7); contra: Olsh. n. 26 (: insofern er nur eine Mehr zahl von Thätern, nicht aber Mitthäterschaft fordert) Auch hier kann Mitthäter nur sein, wer selbst eine Thatbestandshandlung vornimmt, also „eindringt" oder „unbefugt verweilt", mithin nicht der Anstifter oder Gehülfe, z. B. Derjenige, welcher dem Eindringenden die Thüre öffnet: OT. 10. Okt. 73, 6. März 77 (O. XIV, 625; XVIII, 179); contra: Dresd. 19. März 77 (SGZ. 22 s. 38); vgl. Schw., SGZ. XX, 106. — Auch beim „unbefugten Verweilen resp. Nichtentfernen" bildet die ge meinschaftliche Absicht, bezw. eine (ausdrückliche oder stillschweigende) Vereinigung das Kriterium: Dresd. 1. Juni 74, OT. 15. Mai 74, 17. Jan. 77 (StZ. IV, 182; O. XV. 308; XVIII, 39); vgl. Rill. 18. Juni 81, RI. 6. Nov. 82 (E. IV, 322; VII, 395: bewußtes bzw. gewollteö Zusammenwirken). — Dagegen bedarf es keiner vor herigen Verabredung; es kann vielmehr ein erst im Augenblicke der Vergehensver übung hervortretendes, den Mehreren bewußt werdendes und ihr Verhalten mit bestimmendes Einverständniß genügen: OT, 17. Okt. 76 (O. XVII, 663). Demnach kann der von einem Einzelnen ausgegangene Hausfriedensbruch durch den Hinzu tritt Anderer sich zu einem gemeinschaftlichen gestalten: OT. II. Jan. 76 (ib. 21). — Wirken die Mehreren zur Vollbringung der That nicht zusammen, so kommt Abs. 1 zur Anwendung: Jena 74 (Voll. 23 s. 70). 28. Unbedingte Zuständigkeit der Schöffengerichte in Fällen des Abs. 1, bedingte in Fällen des Abs. 3: GVG. § 27 Nr. 2, § 75 Nr. 2; Zulässigkeit amts richterlicher Strafbefehle in Fällen der ersteren Art: StPO. § 447. 29. In Preußen verwirkt, wer, außer den Fällen des § 123, von einem Grundstücke, auf dem er ohne Befugniß sich befindet, auf die Aufforderung des Be rechtigten sich nicht entfernt, die im FFP.-Ges. § 9 normirte Strafe.
THI.II. Abschn.VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — §§ 124.125.
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§ 124. Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammen rottet und in der Absicht, Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Sachen mit vereinten Kräften zu begehen, in die Wohnung, in die Geschäftsräume oder in das befriedete Besitzthum eines Andern oder in abgeschlossene Räume, welche znm öffentlichen Dienst bestimmt sind, widerrechtlich eindringt, so wird jeder, welcher an diesen Handlungen Theil nimmt, mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. [L Entw.: § 214
II. Eiitw.: § 112; Pr. StGB.: § 214.]
Vgl. §§ 115. 123.125.
§ 125. Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammen rottet und mit vereinten Kräften gegen Personen oder Sachen Gewaltthätigkeiten begeht, so wird jeder, welcher an dieser Zu sammenrottung Theil nimmt, wegen Landfriedensbruches mit Gefängniß nicht unter drei Monaten bestraft. §124. 1.
Ueber den Begriff der „Menschenmenge" vgl. § 85 n. 11—13; § 125 Hier ist zu berücksichtigen, daß es sich um einen Hausfriedensbnlch, also um ein massenhaftes Eindringen in eine einzelne engbegrenzte Räumlichkeit handelt. 2. Zn Betreff des „öffentlichen Zusammenrottens" vgl. die Bemerhingen zu § 115 n. 1—6; die Motive (s. 89) besagen ausdrücklich, daß die Zusam menrottung nicht zum Zweck des widerrechtlichen Eindringens stattgefunden zu haben brauche. Ueber die Bedeutung der Worte „mit vereinten Kräften" und: „Zeder, welcher an diesen Handlungen Theil nimmt" vgl. das. n. 8. 10. Als „Theil nehmend" sind hier nur die wirklich Eindringenden anzusehen. 3. Das „widerrechtliche Eindringen" und die im § speziell aufgezähl ten Räumlichkeiten finden ihre Erläuterung in den Bemerkungen zu den ent sprechenden Voraussetzungen des § 123 n. 1—12. 4. Dem Eindringen ist hier das unbefugte Verweilen nach geschehener Aufforderung, sich zu entfernen, nicht gleichgestellt: wo lediglich ein solches vorliegt, kann nur §123 Anwendung finden. 5. Es genügt die erkennbar gewordene „Absicht" der zusammengerotteten Menschenmenge, „Gewaltthätigkeiten" der erwähnten Art zu begehen. Werden letztere verübt, so bildet § 125 die Strafnorm. Daß jeder einzelne Theilnehmer beabsichtige, seinerseits Gewaltthätigkeiten zu begehen, erfordert der § 124 nicht: John. HH III, 161, Olöh. n. 2; vgl. n. 2.
n. 1.
§125. 1. Die Worte: „Wenn sich eine Menschenmenge öffentlich zusammen rottet und mit vereinten Kräften . . . ." finden ihre Erläuterung in dem zu § 115 n. 1—8 Gesagten; in Betreff des „Theilnehmens" an der Zusammen rottung vgl. § 115 n. 10. — Was hier speziell unter „Menschenmenge" zu ver stehen sei, hängt von den Umständen des konkreten Falls, insbesondere von den Verhältnissen der Zeit, des Orts, den zur Aufrechterhaltung bzw. Herstellung der öffentlichen Ruhe und Ordnung vorhandenen obrigkeitlichen Kräften rc. ab; der Be griff ist daher hier nicht grundsätzlich auf eine ungemessene Vielheit (§ 85 n. 11), oder auf das ganze (theilweise) Zusammenbringen einer Klasse des Volks bezw. der Gemeindemitglieder zu beschränken noch erfordert derselbe einen Haufen zusammen gelaufener durch kein Band unter sich verbundener Menschen: Rll. 23. Okt. 83 (E.
X, 143). 2. Eines Eindringens in eine fremde Wohnung rc. bedarf es hier nicht. 3. Zum „Begehen von Gewaltthätigkeiten gegen Personen oder Sachen" genügt es, wenn die physische Kraft eines Menschen in Bewegung ge setzt und damit auf Personen oder Sachen eingewirkt wird; einer Körperverletzung
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Thl.II. Abschn. Vir. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — §§ 125.126.
Die Rädelsführer, sowie diejenigen, welche Gewaltthätig keiten gegen Personen begangen oder Sachen geplündert, ver nichtet oder zerstört haben, werden mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft; auch kann auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß strafe nicht unter sechs Monaten ein. [I. Entw.: § 284; II. Entw.: § 123; Pr. StGB.: § 284.] Preußen: Vgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 10 (GS. s. 453).
§ 126.
Wer durch Androhung eines gemeingefährlichen
bzw. Beschädigung bedarf es nicht: Rill. 3. Febr. 82 (E. V, 377). Zuweit geht Rill 29. Nov. 80 (A. III, 7), indem es jede Handlung genügen läßt, in deren Vor nahme der Wille des Handelnden, von seiner körperlichen Kraft in der Richtung auf Personen oder Sachen Gebrauch zu machen, einen äußerlich erkennbaren Aus druck gefunden habe: darum könne dieselbe Handlung je nach Umständen eine wirk liche Gewaltthat, oder aber nur eine Drohung mit solcher (n. 4) darstellen; ob das Eine oder Andre zutreffe, sei konkret zu prüfen. Keinesfalls ist unter „Gewalt thätigkeiten gegen Sachen" lediglich das in Abs. 2 erwähnte „Plündern. Vernichten oder Zerstören" derselben zu verstehen; contra: John s. 163. 4. Den „Gewaltthätigkeiten gegen Personen" stehen Drohungen nicht gleich, da diese im StGB, neben der Gewalt genannt werden; vgl. z. B. tz 118. 114; ebenso: MII. 29. Nov. 80 (eit. n. 3). 5. In Betreff der „Sachen" macht es keinen Unterschied, ob sie beweglich oder unbeweglich, ob sie Privat- oder öffentliches Eigenthum sind. Dagegen wird vorausgesetzt, daß sie nicht dem Thäter selbst gehören. 6. Das Vergehen ist vollendet, wenn auch nur Eine Person aus der zu sammengerolleten Menge „Gewaltthätigkeiten" begangen hat: Schütze s. 279. 7. Der § fordert auf Seiten der Theilnehmer nicht das Bewußtsein, daß durch ihr Auftreten der allgemeine Rechtsfriede gestört werde: Olsh. ». 2; contra: Dresd. 27. Juli 74 (StZ. IV, 284). 7a. In Betreff des „Rädelsführers" und Derjenigen, welche selbst „Ge waltthätigkeiten begangen rc. haben" (Abs. 2), vgl. § 115 n. 12—14. 8. „Plündern" begeht derjenige Theilnehmer an einem „Landfriedensbruche", welcher während Verübung des letzteren, die von der Menge ausgeübte Störung der öffentlichen Ordnung benutzend, im Gewahrsam einer Person, wider welche der Landsriedensbruch gerichtet ist, befindliche Sachen mit Kenntniß ooit diesem Um stande und in der Absicht rechtswidriger Aneignung wegnimmt; gleichgültig ist eS hierbei, ob jener die Sachen unmittelbar aus den Räumen des Inhabers weg nimmt, oder ob die Sachen aus diesen Räumen schon vorher von einem anderen Theilnehmer, sei es zum Zwecke der Zerstörung, sei es behufs Ueberlasfung an die Genossen oder aus unbestimmter Absicht herausgeworfen wurden: Dresd. 1. Dez. 73 (StZ. III, 298); vgl. Mil.-StGB. § 129 und Olsh n. 3. 9. Bloße Beschädigung von Sachen rechtfertigt die Anwendung des Abs. 2 nicht. 10. Beim Vorhandensein mildernder Umstände fällt die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht weg. 11. Ein „Landfriedensbruch" kann leicht in einen Aufruhr (§ 115) über gehen, wenn die Gewaltthätigkeiten mit einem Widerstande gegen die einschreitende öffentliche Macht verbunden sind. 12. Ueber die Zuständigkeit im Falle der Verübung während eines Be lagerungszustandes vgl. Pr. (B.-)Ges. v. 4. Juni 1851 § 10.
§ 126. 1.
Das hier vorgesehene Vergehen heißt in der Rechtslehre Landzwang.
2. In Betreff des Begriffs der „Androhung" vgl. § 48 n. 30; § 106 n. 2.3.
Thl.II. Abschn.VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 126. 127.
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Verbrechens den öffentlichen Frieden stört, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. [I. E»tw.: | 213; II. Entw.: § 124; Pr. StGB.: § 213.] Dgl. §§ 240. 241. 253 bis 255.
§ 127. Wer unbefugterweise einen bewaffneten Haufen bildet oder befehligt oder eine Mannschaft, von der er weiß, Sie muß hier ein „gemeingefährliches Verbrechen" zum Gegenstände haben; ob dasselbe als ein sofort oder als ein in der Zukunft zu verübendes angekündigt wird, ist für den Thatbestand gleichgültig, sobald nur die übrigen Voraussetzungen des § zutreffen; vgl. v. Buri, GSaal 27 s. 231; contra: Schw. n. 6 (beschränkt den § auf künftige Verbrechen). 3. „Gemeingefährliche Verbrechen" sind die im Abschn. 27 (§§ 305 bis 307. 311—313. 315. 321—324) vorgesehenen. — Auf die Drohung mit einem ge meingefährlichen Vergehen ist die Vorschrift nicht auszudehnen. 4. Zum Unterschiede von den §§ 240. 241 erheischt der § die „Störung des öffentlichen Friedens". „Frieden" bezeichnet hier die (innere) Zuver sicht, daß man durch die staatliche Rechtsordnung gegen Verbrechen geschützt sei, solche nicht zu befürchten habe. Die Bezeichnung desselben als „öffentlichen" Friedens deutet an, daß durch die Drohung die Zuversicht rc. nicht eines Einzelnen, sondern einer Gesammtheit von Personen gestört sein müsse: Mot. f. 89, OT. 5. Juli 71 (D. XII, 374). Diese Gesammtheit braucht keine umfangreiche, äußer lich von andern Personen scharf geschiedene zu sein; diejenige der Personen einer Nachbarschaft, der Bewohner eines Hauses, der Angehörigen einer Familie kann genügen; contra: BL. s. 369, HStR. II, 496, ML. s. 607. — Zn einer zunächst an einen Einzelnen gerichteten Kundgebung kann unter Ulnständen die Bedrohung einer Gesammtheit gefunden werden: Rll. 2. Okt. 82 (E. VII, 393). 5. Da der § den Versuch nicht mit Strafe bedroht, so liegt Strafbarkeit nur vor, wenn die Drohung mit dem Willen des Thäters (vgl. n. 7) zur Kenntniß Anderer gekommen und der Frieden der bedrohten Gesannntheit (in der unter n. 4 angegebenen Weise) gestört worden ist; ebenso: Münch. 6. Dez. 80 (BE. I, 262), HStR. II, 497: contra: John, HH. III, 164. Zene müssen daher auch die (ernstlich oder nicht ernstlich gemeinte) Drohung für eine ernstlich gemeinte angesehen und das angekündigte Uebel als genleingefährliches Verbrechen (n. 3) erkannt haben; ebenso: v. Buri, GSaal 29 Beil. s. 83; auf eine mehr oder weniger genaue Bezeichnung desselben kommt es nicht an, noch daß alle Bedrohten Kenntniß davon erlangt, oder daß sich die Drohung speziell gegen Diejenigen gerichtet habe, welchen die Kenntniß gewordeil ist, sobald nur auch ihr Frieden dadurch gestört wurde. Eine ernstlich gemeinte, aber nicht für ernstlich gehaltene Drohung fällt nicht unter den §: v. Buri 1. c. — Ort der vollendeten That ist ebendeshalb nicht der Ort, wo die Drohung ausgestoßen wurde, sondern derjenige, wo jene Kenntnisnahme [ober viel mehr jene Störung! erfolgte; vgl. Münch. 23. Nov. 82 (BE. II, 261). 6. Auf eine durch die Drohung zu erzielende Neben-Absicht (Widerstand, Nöthigung rc.) kommt hier Nichts an. 7. Als Dolus wird das Bewußtsein erheischt (§ 59), daß die Drohung ge eignet sei, den öffentlichen Frieden (einer Gesammtheit) zu stören; ebenso: Rll. 2. Okt. 82 (E. VII, 393), und daß sie zur Kenntniß mehrerer Betheiligter kom men könne und würde; so: Rll. 29. Mai 83 (A. VIII, 111); vgl. n. 5. Olsh. n. 3 fordert überdies, daß der Wille (wenigstens als dolus eventualis) auf eine solche Störung gerichtet sei: contra.- Rubo n. 4. Die Absicht, die angedrohte That wirklich auszuführen, wird jedenfalls nicht erfordert: ML. s. 607, v. Buri, GSaal 27 f. 229. Vgl. n. 5.
§127. 1. Wo das Gesetz (vgl. Pr. Verfass. Art. 29, Ges. v. 11. März 1850 § 7) eS verbietet, sich bewaffnet zu sammeln, liegt das im § 127 vorausgesetzte „unbefug terweise" („ohne gesetzliche Befngniß") vor, falls nicht ausnahmsweise eine besondere Befugniß zu jener Handlung erlangt ist. 2. Nicht jede Vereinigung mehrerer Personen, welche (jeder für sich und zu
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen ro. b. öffentl. Ordnung. — §§ 127.1128.
daß sie ohne gesetzliche Befugniß gesammelt ist, mit Waffen oder Kriegsbedürfnissen versieht, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Wer sich einem solchen bewaffneten Haufen anschließt, würd mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. [t. Entw.: § 109; II. Entw.: § 125; Pr. StGB.: § 97.1 Vgl. § 360 Nr. 2; § 1367
Nr. 9; EG. § 2 Abs. 2. Preußen; Vgl. Verfass, v. 31. Jan. 1850 Art. 29; Ges. v. 11. März 1850 § 7.
'
§ 128. Die Theilnahme an einer Verbindung, deren Da sein, Verfassung oder Zweck vor der Staatsregierung geheiim gehalten werden soll, oder in welcher gegen unbekannte Obere Gehorsam oder gegen bekannte Obere unbedingter Gehorsam versprochen wird, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis einem individuellen Gebrauche) Waffen bei sich führen, ist deshalb schon ein „be waffneter Haufen" (z. B. eine geladene Jagdgesellschaft); dazu muß vielnuehr bei Bildung der Vereinigung die Absicht vorwalten, daß sie wenigstens eventmell in ihrer Gesammtheit und vermittelst ihrer Bewaffnung irgendwie thätig sein so'lle, wäre es auch nur durch den drohenden Eindruck, den ihr vereinigtes bewaffnetes Auftreten auf Andere machen kann (daher auch: „befehligt"). Sonach bleibt der § außer Anwendung, wenn bei einer kirchlichen rc. Feier ein Aufzug bewaffneter Personen stattfindet, zumal wenn dabei die Waffe nur ein Kostümstück darstellt: OT. 10. April 70 (O. XI, 221). Doch erfordert der § keineswegs, daß bei Bil dung des bewaffneten Haufens rc. ein strafbarer Zweck verfolgt werde; vgl. Schiühe s. 281. — Das „Bilden" eines bewaffneten Haufens kann nach Rubo n. 2 und Oksh. n. 3 auch dadurch geschehen, daß ein schon versammelter Haufen vom Thäter mit Waffen versehen wird. 3. Ueber den Begriff „Mannschaft" im Gegensatz zu „bewaffneten Haufen" vgl. § 81 n. 5; jene braucht noch nicht nothwendig bewaffnet zu sein. 4. Die Strafe des Abs. 2 trifft nur Denjenigen, welcher (selbst bewaffnet) sich einem „solchen", d. h. einem unbefugt gebildeten, bewaffneten Haufen (nicht Den jenigen, welcher sich einer unbewaffneten ohne Befugniß gesammelten Mannschaft) anschließt. 5. Als Dolus genügt (in den Fällen beider Absätze) ein bewußtes Handeln.
§128. 1. „Theilnahme" ist hier nicht im technischen Sinne der §§ 47ff. aufzu fassen , sondern mit: Betheiligung gleichbedeutend.. Die gewöhnlichste Form der selben bildet die Mitgliedschaft (auch ohne den Nachweis einer besonderen Thätigkeit in Verfolgung der Zwecke der Verbindung); doch kann sie auch in onberer Weise, nämlich durch Förderung der Verbindungszwecke stattfinden und braucht namentlich der „Stifter" nicht gleichzeitig Mitglied zu sein; vgl. RI. 1. Mai 82, 20. Mai 86, 26. Sept. 87 (E. VI, 215; R. VIII, 363; IX, 464); contra: Olsh. n. 1 (fordert imbedingt Mitgliedschaft). 2. Eine Vereinigung Mehrerer ist nur dann eine „Verbindung", wenn sie nach Organisation und Zweck einen bleibenden Bestand haben soll; vgl. Rill. 21./23. Dez. 85 (E. XIII, 273: jede organisirte Bereinigung von längerer, in con creto zu bemessender Dauer, welche die Unterordnung ihrer Mitglieder unter den Gesammtwillen für die Dauernder Mitgliedschaft voraussetze, wobei jedoch der Beitritt mit der Unterordnungserklärung' zusammenfallen. beides durch concludente Handlungen ausgedrückt und zugleich bte Gründung der Verbindung, auch ohne ge schriebene Statuten, vollzogen werden könne; eine politische Partei als solche sei noch keine „Verbindung"). Gleichwohl erkannte RII. 8. Nov. 87 (E. XVI, 294), daß ein zu einem vorübergehenden Zweck, speziell zur Beeinflußung einer bestimmten Reichstagswahl, vorläufig auf 6 bis 8 Wochen zusammengetretener Verein vom That-
Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergeh, w. d. öffentl. Ordnung. — §§128.129.
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zu sechs Monaten, an den Stiftern und Vorstehern der Ver bindung mit Gefängniß von Einem Monat bis zu Einem Jahre zu bestrafen. Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Be kleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. [I. Entw.: § 110; II. Entw.: § 126; Pr. StGB.: § 98.] Vgl. §§ 129. 35. 36. Preußen: Vgl. Verfass, b. 31. Zan. 1850 Art. 29. 30; Ges. v. 11. März 1850.
§ 139. Die Theilnahme an einer Verbindung, zu deren Zwecken oder Beschäftigungen gehört, Maßregeln der Verwal tung oder die Vollziehung von Gesetzen durch ungesetzliche Mittel zu verhindern oder zu entkräften, ist an den Mitgliedern mit Gefängniß bis zu Einem Jahre, an den Stiftern und Vorstehern der Verbindung mit Gefängniß von drei Monaten bis zu zwei Jahren zu bestrafen. richter als Verbindung im Sinne des § angesehen werden könne. Daß sie eine Ein wirkung auf öffentliche Angelegenheiten bezwecke, wird nicht erfordert; ebenso: Olsh. n. 2, HStR. II, 502; contra: dt. Rill. Dez. 85 (: nur nicht nothwendig auf poli tische Gegenstände im engeren Sinne), John, HH. III, 165. Noch weniger hat der § einen strafbaren Zweck zur nothwendigen Voraussetzung: Schütze s. 281. Frei maurerlogen sollten nach einer Aeußerung des Justiz-Ministers bei Berathung des § 98 des Pr. StGB.'s nicht hierher gehören: KB. II, 64; vgl. jedoch Rubo n. 1. 3. Die Absicht der „Geheimhaltung" bedarf keiner förmlichen Verabredung, sondern kann sich auch von selbst und stillschweigend ergeben: Rill. 21./23. Dez. 85 (dt. n. 2). 4. Hat eine Verbindung, deren Centralorganisation im Auslande besteht, im Jnlande Mitglieder, so hat sie auch im In lande bestand und Dasein; wird dieses Dasein vor der inländischen Regierung geheim gehalten, so unterliegt die in ländische Mitgliedschaft dem §, sollte auch die Verbindung an sich im Auslande nicht geheim gehalten werden; so: Rll. III. 13./18. Juni 87 (E. XVI, 165). Vgl. auch RI. 20. Mai 86 (dt. n. 1: erklärte den Umstand, daß eine auf den Umsturz des Bestehenden, auch in Deutschland, gerichtete Verbindung im Auslande ihren Sitz habe, für gleichgültig, wenn der Angeklagte ein Deutscher sei und während seines Aufenthalts im Deutschen Reiche jener angehörte). 5. Auf den im Abs. 2 der §§ 128. 129 angedrohten „Verlust der Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Aemter" kann auch neben einer Gefängnißstrafe unter drei Monaten erkannt werden: OT. 15. Febr. 77 (O. XVIII, 130: beil.). Im klebri gen vgl. § 35 n. 5. Es genügt die Beamteneigenschaft (§ 359) zur Zeit der That; so: Olsh. n. 5; contra: Rubo § 35 n. 8. 6. Fälle der Jdealkonkurrenz mit dem Verbrechen aus § 86 werden in RII. III. 10./21. Okt. 81, 13./18. Juni 87 (E. V, 60; XVI, 165) erörtert. 7. In Betreff älterer einschlägiger Gesetze vgl. EG. § 2 n. 44. 8. Die Verhandlung über eine unter den § fallende Mißthat kann nie dem Schöffengerichte überwiesen werden: GVG. §75 Nr. 14.
§ 129. 1. Begriff der „Theilnahme" und „Verbindung" vgl. § 128 n. 1. 2. 2. Unter „Zweck" ist hier nicht nothwendig der Endzweck, das letzte einem Thun gesetzte Ziel zu verstehen: RII. 8. Nov. 87 (E. XVI, 294). Die Anwendbarkeit des § wird nicht dadurch bedingt, daß es zur Ausführung der betr. „Zwecke" bereits gekommen ist; die Aufforderung zur Verfolgung dieser Zwecke stellt übrigens schon eine „Beschäftigung" mit dem Gegenstände derselben dar: Rill. 21./23. Dez. 85 (E. XIII, 273). Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch 11. An fl.
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. n. Vergeh, w. d. öffentl. Ordnung. — §§ 129.130.
Gegen Beamte kann auf Verlust der Fähigkeit zur Be kleidung öffentlicher Aemter auf die Dauer von Einem bis zu fünf Jahren erkannt werden. [I. Entw.: § 111; II. Entw.: § 127; Pr. StGB.: § 99.] Vgl. §§ 128. 35. 36. Prenßen: Vgl. die zu § 128 citt. Gesetze.
§ 130. Wer in einer den öffentlichen Frieden gefähr denden Weise verschiedene Klaffen der Bevölkerung zu Gewallt3. Die „Vollziehung von Gesehen", wie sie hier zu verstehen ist, geschieht nicht blos durch Beamte, sondern durch alle die Maßregeln, welche jene Gesetze $iir Erreichung ihrer Zwecke anordnen; eine Verbindung, zu deren Zwecken die Verbrei tung sozialdemokratischer, gemäß dem Ges. v. 21. Okt. 1878 verbotener Schriften gehört, fällt aber schon um deswillen unter den §, weil jene Thätigkeit wider die jenige der das Gegentheil anstrebenden Polizeiorgane gerichtet und überdies gesetz widrig, ja sogar strafbar ist; RIV. 2. Jan. 85 (E. XI, 350). 4. Ungesetzlich ist ein Mittel, sobald seine Anwendung gegen eine gesetzliche Vorschrift verstößt; daß dieselbe auch an sich strafbar sei, ist nicht erforderlich: Schw. n. 5; contra: Meyer s. 105, John, HH. III, 167. — Eine Verbindung, welche dahin abzielt, daß sich die Mitglieder nicht wegen der von einzelnen begangenen Mißthaten anzeigen, ist nicht „ungesetzlich", insoweit nicht ein bestehendes Gesetz es den Bürgern zur Pflicht macht, gewisse Handlungen zur Anzeige zu bringen: OT. 17. Nov. 54 (GA. III, 130). —- Zn der gesetzwidrigen Nichtanmeldung von Ver sammlungen einer Verbindung ist ein „ungesetzliches Mittel", nicht aber gleichzeitig ein „Zweck" oder eine „Beschäftigung" im Sinne des § zu finden ; so: RH. 8. Nov. 87 (dt. n. 3). 5. Im Uebrigen vgl. § 128 n. 5. §130. 1. Dieser § will der Gefahr entgegentreten, welche der „öffentlichen Sicher heit droht, roeim nicht einzelne Personen zu Gewaltthätigkeiten gegeneinander an gereizt werden, sondern wenn eine in einer gewissen Besonderheit erkennbare Mehr heit als Ganzes genommen zum Gegenstände öffentlicher Anfeindungen gemacht wird: Mot. s. 90. — Demgemäß ist unter „öffentlichem Frieden" hier nicht wie int § 126 die innere Zuversicht des Individuums iu Betreff der vorhandenen Rechtssicherheit (vgl. I. c. n. 4), sondern der äußere Frieden der Allgemeinheit zu verstehen. Theilweise anders: RI. 24. Okt. 81 (R. III, 632: „der Zustand des beruhigenden Bewußtseins der Staatsangehörigen, iu ihren berechtigten Interessen genügend geschützt zu sein und zu bleiben"). Die Gefahr muß nicht blos für einen vorher zu bemessenden begrenzten Kreis, fonbent in einer vorher nicht zu übersehenden Ausdehnung obwalten; dagegen ist es nicht erforderlich, daß das ganze Land von den Folgen der Anreizung bedroht werde: OT. 29. Sept. 54 c. Kitsche; contra: v. Buri, GSaal 27 s. 233. — Hiernach ist „Gefährdung des öffentlichen Friedens" nicht gleichbedeutend mit „Gefährdung der öffentlichen Ordnung" (vgl. Ueberschr. des Abschn. 7), da eine solche auch da vorliegt, wo nur Thätlichkeiten zwischen Einzel personen zu besorgen sind. 2. Die Anreizung geschieht „in einer den öffentlichen Frieden gefährden den Weise", wenn durch dieselbe eine Gefahr, d. h. zum Mindesten die nahe liegende Möglichkeit einer gewaltthätigen Störung des allgemeinen Friedens ein getreten ist; dieses Begriffsmerkmal ist wesentlich, es darf nicht aus der öffentlichen Anreizung rc. als selbstverständlich gefolgert werden: Wolfenb. 18. Okt. 72 (StZ. II, 156), Münch. 17. Mai 73 (BE. III, 252; vgl. auch RlV. 9. Febr. 86 (R. VIII, 109); contra: Rill. 10. Nov. 80, RI. 22. Dez. 86 (E. II, 431; XV, 116: schon eine ent fernte Gefahr genüge), OT. 17. Mai 76 (O. XVII, 353: die Realisirung der Mög lichkeit einer Friedensstörung brauche nicht in der nächsten Zukunft gedacht zu sein), Wolfenb. 8. Jan. 75 (StZ. IV, 289), Münch. 24. März 76 (BE. VI, 126). Einer wirklich stattgehabten Störung des Friedens bedarf es jedenfalls nicht: citt. RI. 24. Okt. 81, 22. Dez. 86 (: erblickten eine solche Störung schon darin, daß verschiedene Klassen der Bevölkerung von einer feindseligen, zu Gewaltthätigkeiten geneigten Stimmung
THI. II. Abschtt. VII. Verbr. u. Vergehen m. d. öffentl. Ordnung. — § 130.
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thätigkeiten gegen einander öffentlich anreizt, wird mit Geld strafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. [I. Entw.: § 112; II. Entw.: § 128; Pr. StGB.: § 100.] Vgl. §§110.111.126; Preß.
gef. v. 7. Mai 1874 §§ 23 ff.
gegen einander wirklich ergriffen worden; es genüge zur Anwendung des §, wenn die Anreizung auch nur geeignet sei, diese Stimmung hervorzurufen), OT. 19. Mai 73 (O. XIV, 210). Vgl. unten n. 7. Ebensowenig setzt der § nothwendig die Gefahr der Verwirklichung gerade derjenigen Gewaltthätigkeiten voraus, zu welchen angereizt worden: Manh. 10. Juni 75 (StZ. VI, 201); vgl. n. 6. — Ob eine Anreizung den öffentlichen Frieden gefährde, beurtheilt sich nach dem Augenblicke der Handlung, nicht nach dem Einflüsse, welchen demnächst die gegebenen Verhältnisse auf die Wirksamkeit derselben ausüben, es wird daher die abstrakte, nicht die konkrete Gefähr lichkeit des gebrauchten Mittels gefordert; so: cit. Rill. 10. Nov. 80. 3. Mit Rücksicht auf das unter n. 1 Gesagte sind unter den „verschiedenen Klassen der Bevölkerung" solche Mehrheiten von Peiffonen zu verstehen, welche wegen gleicher Lebensstellung oder wegen einer Uebereinstimmung der Ansichten, Zwecke oder Interessen als verbunden betrachtet und deshalb unter einer gemein schaftlichen Bezeichnung zusammengefaßt werden; es genügt, wenn durch die Kollek tivbezeichnung die unter jener Mehrheit begriffenen einzelnen Personen bestimmt er kennbar und äußerlich unterscheidbar gemacht sind: Mot. s. 90. — Hiernach wird keineswegs erfordert, daß die zur „Klasse" gehörenden Personen eine besondere Rechtsstellung im Staate einnehmen, vielmehr genügt jeder Kollektivbegriff, nach welchen! sich eine Mehrheit in irgend einer Weise z. B. nach Abstammung, Sprache, Religion (:OT. 21. Mai 73, O. XIX, 386), Beschäftigung, Ansichten so von Andern unterscheidet, daß danach die Zugehörigkeit des Einzelnen erkannt werden kann. Die Bezeichnung nach einem Parteinamen, z. B. die Reaktion, die Junker, die Bourgeoisie (OT. 19. März 73, O. XIV, 210), die Sozial-Demokraten, die Infalli bilisten (OT. 20. Juni 73, GA. 21 s. 519) — kann unbedenklich für ausreichend er achtet werden, ebenso: die „besitzenden Klassen", die „Ungebildeten" rc., sobald der Jnstanzrichter findet, daß dabei die obigen Voraussetzungen zutreffen: OT. 12. Juni 74 (O. XV, 398), Schütze s. 287, Pnch. n. 1; vgl. RI. 24.Okt. 81 (cit. n. 1: betr. die Inschrift „Tod den Deutschen"); contra: Schw. s. 369, Rüd. n. 3. Die für den Be griff wesentliche Erkennbarkeit der Zugehörigkeit der Einzelnen wird durch den Zu satz : „es seien mcht alle unter die Kollektivbezeichnung fallenden Personen gemeint" nicht ausgeschlossen (dann wären die zugehörigen Personen erkennbar gemacht, nicht aber die davon wieder ausgenommenen). Immerhin wird aber zur Anwendbarkeit des § vorausgesetzt, daß verschiedene Klassen, nicht also blos Einzelne aus denselben (z. B. die zufällig in einem WirthShause Anwesenden dieser Klassen) gegen einander angereizt worden seien: RII. 23. Sept. 87 (R. IX, 458). 4. Ueber den Begriff des „AnreizenS" vgl. § 112 n. 2; eS bedarf dazu keines ausdrücklichen Auffordernd (§ 112 hebt dieses neben dem Anreizen hervor). Ebenso: Rill. 10. Nov. 80 (E. II, 431). 5. Das Anreizen muß „öffentlich" geschehen sein; vgl. über diesen Begriff § 85 n. 1 ff. Hier ist zu berücksichtigen, daß es sich um eine durch die Anreizung herbeigeführte Gefährdung des öffentlichen Friedens handelt. — Zur Annahme einer „öffentlichen Anreizung" genügt es, wenn die betr. Kundgebung (z. B. ein Preßerzeugniß) der Allgemeinheit zugänglich gemacht worden ist: es bedarf dann nicht mehr des Nachweises, daß sie zur Kenntniß Einzelner (der den betr. „Klassen" angehörigen Personen) gelangt sei; das Gegentheil ist nicht daraus zu folgern, daß § 130 die „Verbreitung rc. von Schriften rc." nicht ausdrücklich erwähnt, § 85 stellt diese der Kundmachung „vor einer Menschenmenge" gleich, deren es hier nicht be darf; ebenso: Wolfenb. 11. Apr. 76 (Br. Z. 23 s. 145). 6. Es muß „zu Gewaltthätigkeiten" angereizt sein. Eine Anreizung zu bestimmten Gewalthandlungen wird nicht erfordert: RlV. 9. Febr. 86 (R. VIII, 109), Wolfenb. 18. Okt. 72 (StZ. II, 156). Auch ist es gleichgültig, ob die Gewalt thätigkeiten den Personen oder den Sachen der Angefeindeten drohen. *7. Die Worte „zu Gewaltthätigkeiten gegen einander anreizt" sind nicht
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 13(0a.
§ 130a. Ein Geistlicher oder anderer Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes öffentlich vor einer Menschenmenge, oder welcher itt einer Kirche oder an einem anderen zu religiösen Versamm lungen bestimmten Orte vor Mehreren Angelegenheiten des Staats in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstände einer Verkündigung oder Erörterung macht, wird mit Gefängniß oder Festungshaft bis zu zwei Jahren bestraft. dahin zu deuten, als müsse die Anreizung wechselseitige Gewaltthätigkeiten in Aus sicht stellen; es reicht hin, wenn die zu einer Klasse der Bevölkerung gehörenden „einzelnen Personen zum Gegenstände öffentlicher Anfeindung gemacht werden" ; Mot. s. 90, — wenn also die Anreizung geeignet ist, eine Mißstimmung hervor zurufen, welche zu Gewaltthätigkeiten gegen die Mitglieder jener einzelnen Klasse führen kann. 8. Selbst die an den Eintritt einer Bedingung (eines Zeitpunkts) geknüpfte Anreizuna kann allsreichen: Wolfenb. 11. Apr. 76 (dt. n. 5); vgl. übr. n. 2. 9. Als Dolus genügt das Bewußtsein, daß die Handlung zu Gewaltthätig keiten führen und daß durch diese der Friede gefährdet werden könne; daß das Eine oder Andere beabsichtigt sei, kann nicht gefordert werden; ebenso: Münch. 24. Mürz 76 (dt. n. 2); vgl. Rill. 10. Nov. 80 (cit. n. 4: ber § verlange nicht eine auf Aus führung der Gewaltthätigkeiten direkt, statt blos auf die Anreizung dazu gerichtete Absicht), Nil. 8. Jan. 84 (E. IX, 417: der § fordere kein absichtliches Anreizen, sondern nur ein vorsätzliches im Gegensatze zum Anreizen aus Fahrlässigkeit; es genüge also das Bewußtseiil, daß derjenige Erfolg, von welchem das Gesetz die Strafbarkeit abhängig mache, durch die Handlung herbeigeführt werden könne und das Einverständniß mit diesem Erfolge, wenn er eintreten sollte; dieser Erfolg sei dann eventuell gewollt). In: Falle der Verbreitung aufreizender Schriftstücke ist der Dolus nicht nothwendig als ausgeschlossen zu erachten, wenn Polizeiorgane den Inhalt jener Schriftstücke vorher kannten und gleichwohl nicht einschritten: Dresd. 7. Juni 75 (StZ. V, 295). 10. Beschlagnahme von Druckschriften; vgl. § 111 n. 11.
§ 130a. 1. Dieser § war ursprünglich im StGB, nicht enthalten. Abs. 1. der sog. Kanzelparagraph, wurde in dasselbe durch Ges. v. 10. Dez. 1871 eingeschoben und in Elsaß-Lothringen durch Ges. v. 15. Juli 1872 eingeführt, Abs. 2 ist eine neue Bestimmung der Novelle. 2. Der Begriff eines „ Religion s die ne rs" ist weiter als der eines „Geistlichen" und umfaßt den letzteren mit; vgl. § 337 (: „ein Geistlicher oder Religionsdiener"); er bezeichnet Jeden, welcher berufsmäßig (nicht blos mechanische) Handlungen vornimmt, auf die der Zweck des betr. Religionsbekenntnisses wesentlich gerichtet ist, insbesondere die Besorgung des Gottesdienstes, die Verwaltung der Sakramente und die Unterweisung der versammelten Gemeinde in- den Satzungen der Religion (vgl. § 59, II, 11 Pr. ALR). Beisp.: der Regulare eines geistlichen Ordens: OT. 12. Apr. 60 e. Schäfer; ein Menonitenprediger: OT. 9. Febr. 59 (Entsch. desi 40,2, 11). Dagegen gehören Küster. Organisten und ähnliche Kirchen(Synagogen-) Beamten nicht hierher; contra: Voitus s. 32 (zu § 34 Nr. 7 des GVG). Sind nach den Satzungen einer Religionsgemeinschaft einzelnen Gemeindegliedern Handlungen der gedachten Art übertragen, so ist jedes derselben, sobald es sich in Funktion befindet, ein „Religiousdiener", ohne daß es auf seine sonstige Stellung (Besoldung rc.) ankäme: cit. OT. 9. Febr. 59. Vgl. § 196 n. 7. 3. Geschehen die Handlungen „in Ausübung des Berufs", so ist es gleichgültig, ob diese Ausübung eine rechtmäßige war. — Das Vergehen.kann durch Verkündung von Erlassen geistlicher Oberen begangen werden; als Dolus ge nügt dann das Bewußtsein von dem den öffentlichen Frieden gefährdenden Inhalt deö Erlasses; so: OT. 10. Juni 75 (O. XVI, 433); vgl. n. 14.
Thl.II. Abschil.VlI. Verbr. u. Vergehen w.
b.
öffentl. Ordnung. — § 130a.
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Gleiche Strafe trifft denjenigen Geistlichen oder anderen Religionsdiener, welcher in Ausübung oder in Veranlassung der Ausübung seines Berufes Schriftstücke ausgiebt oder verbreitet, in welchen Angelegenheiten des Staates in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weise zum Gegenstände einer Verkündi gung oder Erörterung gemacht sind. [I., II. Entw. (fehlte). - Ges. v. 10. Dez. 1871 (RGbl. f. 442); Els.-Lothr. Ges. v. 15. Juli 1872 (EL. Gbl. Nr. 19); Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I. - Pr. StGB, (fehlte).) Vgl. §§ 130.131. 4. Die Worte „in Veranlassung der Ausübung des Berufs" sind nicht gleichbedeutend mit „in Veranlassung des Berufs", oder mit „in Beziehung auf den Beruf" (§ 196): es wird vielmehr hier (rote in den §§ 340.342) voraus gesetzt, daß die Handlung ihre Veranlassung in einer konkreten (vorhergegangeneit oder noch vorzunehmenden, berechtigten oder mißbräuchlichen) Berufsthätigkeit des Thäters habe, durch diese herbeigeführt worden sei: OT. 14. Zuli 73 (O. XIV, 502). Demgemäß genügt es nicht, wenn der Geistliche in Ausübung seines Berufs, z. B. in einer Predigt, die demnächst (außerhalb der Berufsthätigkeit) vorzunehmende Handlung ankündigt und seine Zuhörer auffordert, sich dabei einzufinden (dann wäre jene Handlung nicht durch die Ankündigung rc. „veranlaßt", sondern umge kehrt die beabsichtigte Handlung war die Veranlassung der Ankündigung rc.), noch überhaupt, wenn er blos bei Gelegenheit einer amtlichen Thätigkeit handelt; vgl. § 340 n. 2. 5.
6.
Ueber den Begriff des „öffentlich" vgl. § 85 n.
1 ff., § 130 n. 5.
In Betreff der „Menschenmenge" vgl. §85 n. 11 — 13. 7. Durch die Wiederholung des Wortes „welcher" vor: „in einer Kirche..." ist angedeutet, daß in dem hier hervorgehobenen Falle von den vorhergegangenen Erfordernissen („in Ausübung rc. seiites Berufs, öffentlich vor einer Menschenmenge") abzusehen ist, daß also die nunmehr folgenden Voraussetzungen genügen: OT. 28. San. 75 (O. XVI, 89). 8. Rücksichtlich der den „Kirchen" gleichgestellten „anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte"' vgl. § 166 n. 18, § 167 n. 8; die Ab weichung in der Fassung: „in" und „an anderen rc. Orten" ist nicht wesentlich; sie besteht auch zwischen § 166 und § 167. 9. Das StGB, läßt zwar (nach den obwaltenden Umständen) zwei Personen als „Mehrere" gelten; doch wird ein nur vor wenigen Personen gehaltener Vortrag schwerlich den „öffentlichen Frieden" gefährden können: Schw. n. 5. 10. Der RT. hat einen Abänderungsantrag abgelehnt, welcher dahin ging, die Worte „Angelegenheiten des Staats" durch „Staats-Einrichtungen oder Anordttungen der Obrigkeit" zu ersetzett; auf diese ist daher jener Ausdruck nicht zu beschränken; andererseits wurde hervorgehoben, daß unter demselben nicht die Angelegenheiten „der jeweiligen Regierung" zu verstehen seien: Sten Ber. s. 535 b. Es wird daher eine Angelegenheit erheischt, welche wesentlich in den Bereich der Staatsverwaltung fällt: es genügt nicht, wenn ein Gegenstand möglicher Weise unter gewissen Voraussetzungen der Regierung Veranlassung geben könnte, sich der einst einmal mit demselben zu beschäftigen und in Beziehung auf ihn Maßnahmen zu treffen, da Nichts existirt, was nicht in dieser Weise eine Staats-Angelegenheit werden könnte. Der Gegensatz ist hier namentlich in rein „kirchlichen Angelegen heiten" zu finden. — Erörterungen über erlassene, zu erlassende oder nicht zu er lassende Gesetze gehören unzweifelhaft hierher: OA. 26. Okt. 72, OT. 20. Febr. 73 (O. XIII, 558; XIV, 150); desgleichen Erörterungen über die Reichstagswahlen : RIV. 11. Dez. 85 (E. XIII, 169) und über die Maßregeln, welche das Verhalten des Staats der Kirche gegenüber betreffen: OT. 22. S"ni 75 (O. XVI, 478). Manh. 10. Sunt 75 (StZ. VI, 201) rechnete dazu auch die durch ein Staatsgeseh geregelten Rechtsverhältnisse der Altkatholiken; allein die staatliche, bezw. gesetzliche Regelung eines Rechtsverhältnisses macht letzteres selbst noch nicht 311 einer Angelegenheit des Staats.
326
Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — tz 131.
§ 131. Wer erdichtete oder entstellte Thatsachen, wissend, daß sie erdichtet oder entstellt sind, öffentlich behauptet oder 11. Die Worte „in einer den öffentlichen Frieden gefährdenden Weife" hat der RT. statt der ursprünglich vorgeschlagenen: „in einer Weise, welche den öffentlichen Frieden zu stören geeignet erscheint", gewählt; es ist daher das zu §130 ii. 1. 2 Gefügte auch hier maßgebend; vgl. jedoch RI. 16. Febr. 85 (R. VII, IW), welches Erk. den Begriff des öffentlichen Friedens hier so deutet, wie das dort cit. RI. 24. Okt. 81. Daß die zu besorgende Friedensgefährdung in Gewaltthätigkeiten bestehen müsse, ist hier nicht gesagt, eine Störung des Friedens wird aber nicht füglich denkbar sein ohne ein gewisses gewaltthätiges Vorgehen; jedenfalls genügt eine „Störung der Ordnung" nicht. Andererseits wird nicht gefordert, daß Einige der Zuhörer an der „Erörterung" Aergerniß genommen haben: cit. Rl. 16. Febr. 85. 12. Zm Uebrigen ist § 130a nicht aus den §§ 130.131 zu erläutern; es be darf also nicht der Behauptung rc. erdichteter rc. Thatsachen, und ebensowenig eines Verächtlichmachens von Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrig keit: Motive s. 3. 13. Die im Abs. 2 vorgesehenen Handlungen setzen im Wesentlichen denselben Thatbestand voraus, wie diejenigen des Abs. 1, wenn davon abgesehen wird, daß im Abs. 1 das Mittel der Begehung die mündliche Rede, hier die „Ausgabe, bezw. Verbreitung von Schriftstücken" ist, und daß hier der Geistliche rc. stets „in Ausübung oder in Veranlaffung der Ausübung seines Berufs" handeln muß (n. 7). Unter „Schriftstücken" sind Preßerzeugnisse mit verstanden. Vgl. Sten. Ber. s. 1340. Ueber den Begriff „Verbreitung von Schriftstücken" vgl. § 85 n. 14. Hiernach ist das bloße Vorlesen eines Schriftstücks keine Verbreitung desselben (son dern nur seines Inhalts; hier kommt ev. Abs. 1 zur Anwendung); das Gegentheil gilt vom Vertheilen von Abschriften oder Abdrücken; vgl. Meves n. 4. Vom „Ver breiten" unterscheidet Meves das „Ausgeben" dadurch, daß letzteres vom Verfasser selbst ausgehe; es liege schon in der Abgabe eines Schriftstücks an die Redaktion (Druckerei) eines öffentlichen Blatts behufs der Insertion; vgl. jedoch Rubo n. 7, Anh. z. Sch. s. 15. 14. Auf den Endzweck des Thäters kommt es nicht an: Anh. z. Sch. s. 15, Olsh. n. 7; diese fordern aber ein vorsätzliches Handeln in dem Sinne, daß der ganze Thatbestand auf dem Wissen und Willen des Thäters beruhen müsse, ev. reiche dolus eventualis aus; ebenso: RI. 16. Febr. 85 (cit. n. 11), welches Erk. übrigens das Bewußtsein genügen läßt, daß die bezügliche Aeußerung geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu gefährden; vgl. auch oben n. 3, OT. 22. Juni 75 (cit. n. 10), Schw. n. 9; contra: v. Buri, GSaal 27 s. 237 (hält sogar bloße Culpa für strafbar). 15. Die Strafe ist Gefängniß bis zu zwei Zähren oder Festungshaft von gleicher Dauer; der Entwurf enthielt nur erstere Strafe; der RT. schob, um eine mildere Beurtheilung zuzulassen, die Worte: „oder Festungshaft" ein; sonach darf auch die Gefängnißstrafe zwei Jahre nicht übersteigen. 16. Durch § 130a sind alle lan des gesetzlichen Strafvorschriften, welche ein „durch den Mißbrauch eines geistlichen Amtes verübtes Vergehen gegen die öffentliche Ordnung" zum Gegenstand haben, ersetzt und unwirksam geworden, sollte auch der dort vorgesehene Thatbestand von demjenigen dieses § abweichen und über denselben hinausgehen; vgl. EG. § 2 n. 4.
§131. 1. Nach den Motiven (s. 90) sollte durch die Fassung des § der Thatbestand des § 101 des Pr. StGB.'s „auf das Erheblichste beschränkt werden"; insbesondere wollte man da, wo es sich blos um „Kritik und Urtheil" handelt, „der gesunden Meinung des Volks überlassen, die Grenzen zulässiger und unzulässiger Kritik zu ziehen"; nur das Behaupten von „Thatsachen" sollte eine Strafbarkett begründen. 2. Daraus (n. 1) ergiebt sich, daß das Wort „Thatsache" hier beit Gegen satz gegen „Kritik und Urtheil" bildet. Demgemäß bezeichnet dasselbe hier etwas (angeblich) konkret Geschehenes, objektiv so in die äußere Wirklichkeit Getretenes, daß man sich über sein Existentwerden eine Ueberzeugung verschaffen kann: OT. 17. April 73 (O. XIV, 285); contra: OT. 13. Juli 75 (O. XVI, 544). Dagegen sind
Thl. II. Abschn. VII. Verbr. it. Vergehen w. d. ösfeutl. Ordnung. — § 131.
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verbreitet, um dadurch Staatseinrichtungen oder Anordnungen der Obrigkeit verächtlich zu machen, wird mit Geldstrafe bis Meinungsäußerungen über den inneren Werth oder die (dereinstigen) Folgen einer „Thatsache" nicht selbst als „Thatsache" anzusehen: OT- 30. Juni 73, 5. März 74 (O. XIV, 476; XV. 127), und noch weniger allgemeine Urtheile, Raisonnements, sowie allgemeine Verdächtigungen in Beziehung auf vorgebliche Ansichten und Tendenzen der Regierungsorgane: Wolfenb. IG. Febr. 72 (GSaal 24 s. 298). — Besteht die Thatsache in einer menschlichen Handlung, so bildet der Wille, welcher bei ihrer Vornahme leitend war, einen wesentlichen Bestandtheil derselben: durch ihn wird die That wesentlich charakterisirt. Dagegen dürfen die Motive, Absichten und Zwecke, welche für die Fassung jenes Wittens maßgebend waren, nicht als eine besondere Thatsache aufgefaßt werden; ihre Besprechung fällt wesentlich in den Be reich der unbeschränkt freigegebenen Kritik: Rill. 14. Juli 80 (R. II, 197), Darmst.' 9. April 77 (GA. 25 s. 463). John. HH. III, 175; vgl. Mot. s. 91, welche die „Ver dächtigung einer Maßregel der Regierung in ihren Motiven und Zwecken" aus drücklich nur dann für strafbar erklären, wenn sie „durch Behauptung bestimmter verwerflicher Thatsachen" erfolgt, diese „verwerflichen Thatsachen" also von der Verdächtigung der Motive und Zwecke unterscheiden; contra: RIV. 9. Febr. 86 (R. VIII, 109), OT. 17. April, 24. Mai 73, 5. März. 16. Mai 74, 4. Febr. 76 (O. XIV, 285. 395; XV, 127. 313; XVII, 88); Manh. 8. Mai 73, 4. Juli 74 (StZ. II, 370; VI, 212) j ebenso: OT. 10. März 75 (O. XVI, 214: sofern sich die Behauptung auf einen in seiner Individualität erkennbaren Einzelvorgang beziehe), OT. 20. Okt. 74 (O. XV, 692: vorausgesetzt, daß sich die Behauptung nicht als Darlegung einer blos subjektiven Ansicht kundgebe) , eit. OT. 13. Juli 75 (: bei dem Ziehen von Schlußfolgerungen aus einem bestimmten Verhalten der Staatsgewalt sei zu unter scheiden, ob jene als subjektive Meinung über die möglichen Folgen jenes Verhaltens erscheinen oder ob als Resultat etwas angeblich Geschehenes, bereits Vorhandenes, z. B. der in der Vergangenheit liegende Beweggrund des Gesetzgebers, der mit einer bestimmten Maßnahme gewollte Zweck der Regierung hingestellt werde; „That sache" bilde hier den Gegensatz zu allgemeinen Raisonnements, subjektiven Meinungs äußerungen und Schlußfolgerungen, beschränke sich aber nicht auf das äußerlich erkennbar in die Erscheinung Getretene); ähnlich: Rill. 8. März 82 (R. IV, 232). In der Besprechung von Zuständen kann die Behauptung von Thatsachen gefunden werden, wenn diese Zustände als die Resultate einer gleichmäßigen, sich stetig wiederholenden Thätigkeit hingestellt sind; so: OT. 4. Jan. 79 (O. XX, 7). — Oo eine Behauptung sich blos als straflose Kritik, bezw. als straflose Verdächtigking von Motiven, Zwecken und Absichten der Obrigkeit, oder aber als Entstellung rc. der Thatsachen kund gebe, ist eine thatsächliche, der Prüfung des Revisionsrichters entrückte Frage: eitt. Rill. 14. Juli 80, 8. März 81, OT. 20. Okt. 74. 3. 4. Die behauptete Thatsache muß „erdichtet" oder „entstellt", d. h. sie muß absichtlich in einer Weise dargestellt sein, daß sie entweder in allen Theilen der Wahrheit entbehrt oder in wesentlichen Punkten vom wahren Sachverhalt ab weicht. 5. „Behaupten" bezeichnet hier die Mittheilung einer angeblich stattgehabten Thatsache an einen Anderen, welche sich als freiwillige (zum Zweck der Kenntnißgabe gemachte) Aeußerung des eigenen Wissens oder der eigenen Anschauung, nicht als das Weiter-Erzählen des von Andern Gehörten darstellt: Dochow, HH. III, 450; vgl. OT. 21. Jan. 75 (O. XVI, 69: erblickte den Unterschied zwischen einer [erlaufcten] Kritik und der Behauptung von Thatsachen wesentlich darin, daß bei ersterer eine subjektive Ansicht als solche zum Ausdruck gebracht werde, während die letztere sich als Darstellung eines angeblich existent gewordenen Hergangs charakterisire). In welcher Form diese Mittheilung erfolgt, ist gleichgültig, ob sie z. B. eine vertrauliche oder unüberlegte war, ob sie als positive Versicherung oder bedingungsweise oder in der Fassung einer Schlußfolgerung, einer Vermuthung oder eines Verdachts gemacht wird: Dresd. 28. Febr. 73, OT. 14. Mai 73 (SGZ. XVII, 84; O. XIV, 395). Demgemäß gehört der Wiederabdruck eines Zeitungsartikels ohne Angabe der Quelle hierher. Dagegen reicht die bloße „Erwähnung" einer Thatsache, welche nicht als Ausdruck des eigenen Wissens oder Willens sich darstellt, nicht hin, um ein Behaupten anzunehmen, z. B. die auf Befragen ertheilte Antwort:
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zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. [I. Entw.: § 113; II. Entw.: § 129; Pr. StGB.: § 101.]
Vgl. §§ 186. 187.
ein Aktenheft enthalte die Verhandlungen über die ... . Thatsache: OT. 28. Dtft.
69 (GA. XVIII, 59). — Das „Behaupten" braucht nicht nothwendig durch Worte
zu geschehen; auch Zeichen rc. können genügen. 6. Dagegen bezeichnet „Verbreiten" eine freiwillige Mittheilung oder Be kräftigung, weiche es erkennen läßt, daß man Etwas weiter bringe, was man vor her durch Andere erfahren hatte; vgl. § 192 (: „Form der Behauptung oder Ver breitung" rc.), Dresd. 25. Zan. 71 (StZ. I, 76), OT. 4. Apr., 30. Juni 73 (O. XIV, 254.476), Stuttg. 12. Juli 73 (WGbl. VII, 268), BL. s. 462, Meyer s. 151 n. 4, Schütze s. 285. Dabei ist es gleichgültig, ob der Verbreitende sich die „Behau,ptungen" hat aneignen, ob er sie zu den seinigen hat machen wollen: OT. 17. Ju.ni 65c. Saalfeld. Daher genügt die Uebergabe oder das Verlesen einer fremden Schrift, oder die Mittheilung eines angeblich bestehenden Gerüchts; ebenso die Ver öffentlichung einer fremden Aeußerung (der Wiederabdruck eines Zeitungsartikels zc.), mit oder ohne Angabe der Quelle: OT. 15. Jan., 24. Mai 73, 17. Dez. 74 (0. XIV. 49. 397; XV, 882). Vgl. jedoch § 186 n. 3. 7. Aus dem Gesagten (n. 6) folgt, daß ein wiederholtes Mittheilen der selben Thatsache an verschiedene Personen nicht als ein einmaliges „Verbreiten" angesehen werden kann, daß vielmehr jede einzelne selbständige Mittheilung den Thatbestand des vollendeten Vergehens (als „Behaupten" oder „Verbreiten") dar stellt, daß somit die Wiederholung eine Real-Konkurrenz begründet: OT. 9. Juli 62 (GA. V, 712), OA. 15. Dez. 69 (O. X, 786). 8. Sowohl das „Behaupten" als das „Verbreiten" ist durch die Freiwillig keit der Handlung, bedingt: wer bei seiner obrigkeitlichen Vernehmung als Zeuge ein gehörtes Gerücht rc. mittheilt, kann sich dadurch nicht des im § 131 vorgesehenen Vergehens schuldig machen. 9. Für den Thatbestand ist es gleichgültig, ob der Hörer die ihm mitgetheilte Thatsache bereits kannte oder ob der Mittheilende die Kenntniß des Hörers vor aussetzte: OT. 4. April 73 (O. XIV, 254); contra: John s. 176. Sonach fällt auch das Weitererzählen einer bereits allgemein verbreiteten Thatsache unter das Strasverbot, nicht aber die bloße Besprechung einer allseitig bekannten Thatsache, so lange sie nicht den Charakter einer Bekräftigung annimmt. 10. Ueber den Begriff des „öffentlich" vgl. § 85 n. 1 ff., § 130 n. 5. Das an der zuletzt cit. Stelle (in Betreff verbreiteter rc. Schriften) Ausgeführte findet hier ebenfalls Anwendung; Dresd. 18. Oft 75 (SGZ. XX, 176) bezieht übrigens das Wort „öffentlich" nur auf „behauptet", nicht auch auf „verbreitet" [?]. 11. Als Dolus wird zunächst das „Wissen" vorausgesetzt, daß die bekundete Thatsache unwahr (erdichtet oder entstellt) fei; der Mangel der Ueberzeugung von der Wahrheit genügt nicht: OA. 17. Jan. 63 (O. XIV, 60); durch bloße Fahr lässigkeit kann das Vergehen nicht begangen werden. Jene Kenntniß von der Un wahrheit genügt, sollte auch dabei insoweit ein Irrthum obwalten, als der Erzählende die entstellte Thatsache für erdichtet, oder die erdichtete nur für entstellt hält. 12. Sodann wird die Absicht erheischt, durch die Mittheilung eine Staats einrichtung rc. verächtlich zu machen („um . .. zu ..."): RII. 21. März 81 (R. III. 147), Dresd. 3. Sept. 75 (SGZ. XX, 124), BL. s. 373, Schütze s. 285, Olsh. n. 4; contra: Schw. n. 11 (läßt auch hier das Bewußtsein genügen [?]). Diese Absicht wird jedoch nicht nothwendig dadurch allein ausgeschlossen, daß der letzte Zweck des Thäters ein anderer (an sich erlaubter) war, und daß dessen Aeußerung nur als Mitel zur Erreichung dieses anderen Zweckes diente: cit. RII. 21. März 81, RIV. 7. Juli 85 (JMbl. s. 351: sie sei daher wohlvereinbar mit der Absicht, Kritik zu üben), OT. 9. Okt. 77, Münch. 26. Mai 77 (O. XVIII, 623; BE VII, 207). Immer hin muß aber die behauptete Thatsache objektiv geeignet sein, erstere Folge herbeizu führen (es kommt daher auf die Beurtheilung eines Unbefangenen. und nicht auf die Auffassung Derjenigen an, an welche sich die Mittheilung zunächst richtete); ebenso: cit. RII. 21. März 81, 23. Jan. 80 (E. I, 161), cit. Münch. 26. Mai 77; contra: Rill. 8. März 82 (R. IV, 232). Ob derselben jene Eigenschaft beiwohne, hat ev. auch
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der Revisionörichter zu prüfen; so: cit. Münch. — Ein beabsichtigtes Gehässigmad)eil genügt nicht (das Wort: Haß, welches im § 101 des Pr. StGB.'s stand, ist bezeichnender Weise nicht wiederholt worden): cit. RH. 23. Jan. 80 (: daher genüge es nid)t, wenn eine Einrichtung rc. als hart oder grausam dargestellt werde), Schw. n. 10. Doch liegt im Herabsetzen des sittlichen Werthes einer Staatseinrid)tung und in dem Darstellen derselben als einer aus unsittlichen Motiven hervorgegangenen, zu unsittlichen Zwecken getroffenen, ein Verächtlichmachen dieser Einrichtung: RIV. 8. Febr. 87 (GA. 35 s. 59). 13. Das hier vorgesehene Vergehen gehört zu den „wider die öffentliche Ord nung" verstoßenden (Abschn. VII); demgemäß sind unter den (verächtlich zu machen den) „Staatseinrid)tungen und Anordnungen rc." nur solche zu verstehen, welche entweder dem gesammten Deutschen Reiche oder demjenigen Staate angehören, in dessen Bereich die Handlung verübt wird; vgl. Abschn. VI n. 2, Münch. 4. Mai 74 (BE. IV, 197); contra: Wolfenb. 28. Nov. 71 (StZ. I, 148). 14. „Staatseinrichtung" ist jeder konkrete, wesentlid)e und dauernde Be standtheil der Staatsverfassung oder des Verwaltungsorganismus; es müssen „Staats einrichtungen" d. h. eine einzelne als solche erkennbar gemachte Staatseinrid)tung verächtlich gemad)t sein; es genügt nicht, wenn der Staat selbst (oder das Deutsche Reich) oder seine (Gesammt-) Einrid)tung veräd)tlid) gemacht werden soll; contra: OT. 5. März 74 (O. XV, 127), Olsh. I, 486. Dagegen ist eine Staatseinrichtung unzweifelhaft die Staatsverfassung (sowohl im Ganzen als in ihren wesentlichen Bestandtheilen: Münd). 15. Juni 78, BE. VIII. 322); desgleid)en jede dauernde ge setzgeberische Maßnahme, welche die Erreid)ung des Staatszwecks überhaupt 311111 Gegenstände hat, wie z. B. die Anordnung des § 130a des StGB.'s: OT. 20. Okt. 74 (O. XV, 692); ferner die Organisation eines Verwaltungszweigs, z. B. des Mili tärwesens: Wolfenb.. 28. Nov. 71 (StZ. I, 148); die Staatslehranstalten: Münd). 26. März 77 (BE. VII, 207) und die Schuleinrid)tungen der einzelnen Pr. Provinzen: RIV. 8. Febr. 87 (GA. 35 s. 59); der Bundesrath und der Reichstag; daß letztere mid) „politische Körperschaften" sind, und als solche beleidigt werden können (§§ 196. 197), schließt die Anwendbarkeit des § 131 nicht aus, wenn die Einrichtung als sold)e b. h. als Bestandtheil der Reick)s- bzw. Staatsverfassung und z. B. nicht etwa blos der grade tagende Reichstag (die Gesammtheit oder Majorität seiner dermaligen Mitglieder) in Beziehung auf einen konkreten Beschluß verächtlich gemacht wird: ÖT. 30. Jan. 73 (O. XIV, 102). 15. Allgemeine (vom Staate gesetzlich anerkannte) Red)tsverhältnisse, auf welchen die staatliche Ordnung wesentlich mit beruht, z. B. Ehe, Familie, Eigen thum, sind nur insoweit als „Staatseinrichtungen" anzusehen und kommen als solche nur insoweit in Betracht, als gerade deren staatlid)e Anerkennung durch die Hand lung verächtlich gemacht werden soll. Beisp.: die gesetzlid) eingeführte Civilehe: Münch. 6. März 75, 29. Sept. 76 (StZ. V, 38; VI, 19). 16. Als „Obrigkeit" ist jede Behörde und jeder Beamte anzusehen, welck)er berufen ist, auf dem ihm anvertrauten Gebiete der Staatsverwaltung selbständig An ordnungen zu treffen, und sie zur Ausführung bringen zu lassen; es wird also wesent lich vorausgesetzt, daß demselben ein Imperium beiwohne; vgl. § 110 n. 4. 5. Den Gegensatz bilden diejenigen Beamten, welche nur den Beruf haben, Anordnungen rc. Anderer zur Ausführung zu bringen. 17. „Anordnungen der Obrigkeit" hat hier iiid)t ganz dieselbe Bedeutung wie im § 110 (vgl. dort n. 4), da es sich hier nicht, wie dort, um einen „Ungehor sam" handelt, die Vorschrift des § 131 also nicht auf solche Anordnungen beschränkt werden darf, welchen (allgemein) Gehorsam zu leisten wäre: OT. 22. Apr. 64, 12. Sept. 66 (O. IV, 474; VII, 449). — Dagegen ist auch hier aus ibcr Wahl dieses Ausdrucks und aus seiner Gleichstellung mit „Staatseinrichtungen" zu folgern, daß die Vorschrift nur auf solche Anordnungen bezogen werden darf, weldien in dauernder Weise eine Allgemein-Geltung beigelegt ist, und deren fernere Wirksamkeit durch das Verächtlichmachen gefährdet wird; vgl. Mot. s. 91 (: „werden Maßregeln der Regierung, welche das Wohl und Wehe Aller betreffen, durch Behauptung bestimmter verwerflicher Thatsachen in ihren Motiven und Zwecken verdächtigt, so wird die Gefährdung der Rechtsordnung größer sein rc."), Meyer n. 6; contra: ML. s. 686. — Demgemäß gehören Instruktionen der Central-Organe, nack) welchen die Behörden die Gesetze handhaben sollen, unzweifelhaft hierher, nicht aber einzelne,
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§ 133. Wer unbefugt sich mit Ausübung eines öffent lichen Amtes befaßt oder eine Handlung vornimmt, welche nur eine abgeschlossene Thatsache bildende Maßnahmen, Verwaltungsakte, Entscheidungen, Urtheile, welche keine auch künftig in allgemein verbindlicher Weise anzuwendende Regel in sich schließen: Dresd. 5. Febr. 72, 1. Febr. 75 (StZ. I, 315; V, 297), Schw. n. 8, Ottendorf, BA. 41 s. 295; contra: RII. 21. Juni 81, MV. 9. Febr. 86 (E. IV, 297; R. VIII, 109), OT. 22. Zuni 75, 16. Mai, 3. Nov. 74 (O. XVI, 474; XV, 313. 735: die beiden letzten Erkenntnisse betrafen eine Kriegserklärung, welche erst nach Beendigung des Krieges verächtlich gemacht war); vgl. auch Manh. 4. Juli 74 . XIV, 484. 754; XVII, 569). Gegenwärtig findet in solchen Prozeßsachen, welche vor einem Landgerichte oder einem Gerichte höherer Instanz verhandelt wer den, Anwaltszwang statt. wogegen in den übrigen Prozeßsachen die Parteien den Prozeß selbst oder durch jede prozeßfähige Person als Bevollmächtigten führen können: CPO. §§ 74. 75, Rechtsanw.-O. §§ 26. 27; vgl. auch StPO. §§ 170. 430 Abs. 2. Demgemäß können in der Folge fingirte (Sessionen zur Umgehung des G e» sehes (nach obiger Richtung hin) nicht mehr vorkommen, da ja auch der Cessionar ev. von einem Rechtsanwälte vertreten sein müßte. — Was außerhalb der durch die sog. Reichsjustizgesetze beherrschten Rechtsgebiete zmn ausschließlichen Geschäfts kreise der Sachwalterschaft (Anwaltschaft) und Advokatur gehört, beurtheilt sich auch jetzt noch nach der Landesgesehgebung: Rill. 21. Febr. 80 (R. I, 406). Die An fertigung von Schriften in Rechtssachen, welche nicht zur ordentlichen streiti gen Gerichtsbarkeit oder zu deren Ausübung gehören (EG. z. GVG. § 2, EG. z. CPO. § 3, Mot. z. Rechtsanw.-O. s. 97), ist im Bereiche der Pr. AGO. und im Bezirke des vormaligen AG.'s Greifswald kein den Rechtsanwälten ausschließlich übertragenes Geschäft: OT. 8. Febr. 65, 23. Sept. 68. 17. Nov. 74 (O. V, 469; IX, 504; XV, 780). Für daS Kgr. Sachsen vgl. die sächs. Advokaten-O. v. 3. Juni 1859 §§ 1. 9 und das cit. Rill. 21. Febr. 80. Vgl. jedoch (namentlich auch, was die Frage des Fortbestehens einschlägiger landesgesehlicher Strafbestimmungen und die sog. Winkeladvokatur betrifft): Rill. 5. März 81 (R. III, 121). 13. Die Beglaub igung einer Urkunde (Unterschrift) kann nur unter öffent licher Autorität von einem dazu berufenen Beamten ausgestellt werden; so: OA. 22. Dez. 73 (O. XIV, 813). 14. Die Erhebung von Chausseegeld ist keine „Handlung, welche nur kraft eines öffentlichen Amtes vorgenommen werden darf": OT. 5. Mai 76 (GA. 24 s. 350).
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§ 133. Wer eine Urkunde, ein Register, Akten oder einen sonstigen Gegenstand, welche sich zur amtlichen Aufbewahrung an einem dazu bestimmten Orte befinden, oder welche einem Beamten oder einem Dritten amtlich übergeben worden sind, vorsätzlich vernichtet, bei Seite schafft oder beschädigt, wird mit Gefängniß bestraft. 15. Als Dolus genügt in beiden Fällen die Vorsätzlichkeit der Handlung an sich, verbunden mit dem Bewußtsein der mangelnden Befugniß: OT. 15. April 53 c. Tafelski. Wird jenes Bewußtsein bestritten, so bedarf es der. ausdrücklichen Feststellung nach Anleitung des § 59: OT. 28. Jan. 70 (O. XI, 63). — Ein fahr lässiges Hinausgehen über die Grenzen der Amtsbefugniß fällt nie unter diesen §: DZ. 11. Febr. 69 (O. X, 87).
§133. 1. Die erste Alternative des § setzt voraus, daß sich ein Gegenstand an einem „zur amtlichen Aufbewahrung desselben bestimmten Orte befinde", d. h. zu dem Zwecke, ihn dauernd zu erhalten: es gehören also solche Sachen nicht hierher, welche sich, wie z. B. das Mobiliar einer Amtsstube, zur Benutzung seitens der Beamten, am betr. Orte befinden. Dagegen ist es gleichgültig, ans welchem be sonderen Grunde die „Aufbewahrung" stattfindet; vgl. n. 4. 10, OlSH. n. 1; contra: John, HH. III, 182, HStR. II, 838 (rechnen nur die im Interesse der Rechtsordnung aufbewahrten Sachen hierher;; nicht minder, wem die betr. Gegenstände gehören: OT. 11. Jan. 67 (O. VIII, 28). Demgemäß ist die That an der eignen Sache z. B. einem Ueberführungsstücke möglich. 2. Der Ausdruck „amtlich" ist nicht ausschließlich aus § 359 zu erläutern (vgl. § 31 n. 6), sondern hat auch im § 133 eine weitere Bedeutung, indem er namentlich den durch die Gesetze bestimmten Wirkungskreis öffentlicher Körperschaften, insbesondere gesetzgebender und Stadtverordneten-Versammlungen mitumfaßt; dem zufolge ist die Aufbewahrung der zum Gebrauche solcher Körperschaften dienenden Urkunden rc. an einem dazu bestimmten Orte eine „amtliche" im Sinne des §; so: OT. 5. Jan. 77 (O. XVIII, 13). Zu den der „amtlichen Aufbewahrung" unterliegenden Gegenständen zählen ferner die als Standesregister dienenden Kirchenbücher nebst dem dazu gehörigen Kirchensiegel: OT. 12. Nov. 74, 18.März 75 (O. XV, 768; XVI, 243). Ebenso befinden sich, wenigstens im Gebiete des Pr. ALR.'s, die zum Kirchen vermögen gehörenden Urkunden bei dem mit der Ver waltung dieses Vermögens (von seinem geistlichen Vorgesetzten) betrauten Geist lichen „zur amtlichen Aufbewahrung"; so: OT. 16. Nov. 76 (O. XVII, 743); vgl. jedoch § 359 n. 28. 29. Hat ein Pr. Oberpräsident auf Grund der Annahme, daß eine Pfarrstelle dem zeitigen Pfarrverwalter den sog. Maigesehen zuwider übertragen sei, die Beschlagnahme des Pfarrvermögens verfügt und der von ihm ernannte Commissar die Vermögens-Verwaltung übernommen, so befinden sich von da ab die zum Pfarrvermögen gehörigen Papiere, selbst wenn sie der Commissar nicht in Beschlag genommen hat, im Pfarrhause „zur amtlichen Aufbewahrung" durch den Commissar: OT. 19.£)tt. 76 (O. XVII, 678). — Ob die „amtliche Aufbewahrung" eine materiell gerechtfertigte war, ist gleichgültig: § 133 ahndet die Beeinträchtigung der amtlichen Autorität als solcher, sollte von letzterer auch sachlich ein zu weit gehender Gebrauch gemacht sein; so: dt. OT. 19. Okt. 76. 2a. Zur Anwendbarkeit des § (1. Alternative) wird nicht erfordert, daß für die „amtliche Aufbewahrung" ein einziger Ort ausschließlich, noch daß ein solcher ausdrücklich (durch Gesetz oder höhere Anweisung) zu diesem Zwecke bestimmt sei; es genügt, wenn nach Zweck und Wesen der Urkunden rc. von dem zur Auf bewahrung Verpflichteten irgend ein Ort ausersehen sein muß: OT. 12. Nov. 74 (cit. n. 2). — Das Gerichtslokal ist für die gerichtlichen Akten Aufbewahrungs ort: die Beiseiteschaffung jener aus diesem Lokal fällt unter § 133: OT. 10. Mai 52 c. Behrends. — Befindet sich die Urkunde rc. an dem zu ihrer Aufbewahrung bestimmten Orte, so verschlägt es nichts, wenn im Uebrigen unvorschriftsmäßig mit ihr verfahren worden ist; vgl. OT. 15. Dez. 71 (O. XII, 656).
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 133.
Ist die Handlung in gewinnsüchtiger Absicht begangen, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. [I. Entw.: § 118; II. Entw.: § 131; Pr. StGB.: § 106.]
Vgl. §§ 274.304. 348.
3. Die „Beamten", von welchen der § bei der zweiten Alternative spricht, brauchen nicht nothwendig Registratur- oder Archiv-Beamte zu sein. „Dritter" bezeichnet hier den Gegensatz zum „Beamten". Dahin gehören z. B. Schreiber, Boten, Aktenträger: Schw. s. 378. Im Uebrigen vgl. n. 5. 4. Daß die „amtlich übergebenen Gegenstände" solche seien, an deren Erhaltung ein öffentliches Interesse bestehe, und daß namentlich einem so übergebenen Schriftstücke eine Beweiskraft in amtlicher Beziehung beiwohne, ist nicht unbedingt erforderlich: RI. 15. Mai 84, RIV. 3. Okt. 84 (E. X, 387; R. VI, 593). Abgesehen davon, ist die Untersuchung über die Bedeutung der Sache für das öffentliche Interesse im einzelnen Falle auch darum eine müßige, weil die Frage» welchen Gegenständen die amtliche Fürsorge zuzuwenden sei, dem Ermessen der hierfür zuständigen Behörde anheimfällt: cit. RI. 15. Mai 84; vgl. n. 2. 5. Immerhin müssen aber die Gegenstände so geartet sein, daß sie nach der Uebergabe weiterer amtlicher Verfügung unterworfen bleiben sollen, bzw. weiterer amtlicher Behandlung unterliegen können; dies trifft nicht zu bei einem nicht unterschriebenen Zustellungsformular: cit. RIV. 3. Okt. 84, Stuttg. 21. Zan. 74 (StZ. IV, 24), wohl aber bei einer zum ortsüblichen Umlauf amtlich übersandten Ankündigung eines Zwangsverkaufs: RII. 13. Febr. 85 (E. XII, 67). 5. Unter dem „amtlich übergeben" ist nicht etwa nur ein mit besonderen Förmlichkeiten oder Feierlichkeiten verknüpfter Akt oder die Uebermittelung der Ge genstände unmittelbar durch eine amtliche Person von Hand zu Hand zu verstehen: RI. 21. Dez. 82 (A. VII, 9). Ferner ist es auch hier unerheblich, ob der amtliche Gewahrsam aus einem gesetzlich gerechtfertigten Grunde hervorgegangen ist: RII. 13. Juni 84 (R. VI, 426: der § stelle nicht, wie § 137, das Tha'tbestandsmerkmal der Zuständigkeit auf). Auch wird der Begriff der amtlichen Uebergabe nicht noth wendig dadurch ausgeschlossen, daß weder der Uebergebende noch der Empfänger ein Beamter im Sinne des § 359 ist (n. 2); ebenso: Ri. 15. Mai 84, OT. 5. Jan. 77 (E. X, 387: O. XVIII, 13: sofern jene nur in dem durch die Gesetze oder reglementären Vorschriften geordneten Geschäftsgänge erfolge). Endlich braucht die Ur kunde nicht für längere Zeit anvertraut, etwa zur Aufbewahrung übergeben zu sein, es genügt vielmehr jede amtliche Uebergabe, welche den Gegenstand in die Ver fügungsgewalt eines „Dritten" bringt und erkennen läßt, daß die Eigenschaft dieses Gegenstands als eines der Verfügung öffentlicher Organe vorbehaltenen fortdaure: cit. RI. 15. Mai 84 (: Angeklagter hatte eine ihm zur Unterzeichnung und demnächstigen Rückgabe zugestellte Urkunde sofort zerrissen). 6. Zur Anwendbarkeit des § wird erfordert, daß die Urkunden rc. zur Zeit der That sich noch an dem zu ihrer Aufbewahrung bestimmten Orte „befinden" (1. Alternative), oder noch in der Obhut dessen, dem sie amtlich übergeben wurden (2. Alternative); vgl. Schw. n. 6, Olsh. n. 2; contra: Rill. 17. Nov. 80 (R. II, 531: die Eigenschaft einer amtlich aufbewahrten oder übergebenen Sache daure fort, bis sie durch Erfüllung der der Sache innewohnenden Zweckbestimmung oder durch eine anderweite amtliche Verfügung wieder beseitigt werde). Demgemäß macht sich derjenige, welchem der betr. Beamte oder Dritte die Urkunde rc. frei« willig und ohne Vorbehalt übergeben hat, durch deren Vorenthaltung nicht aus § 133 strafbar: RII. 13. Febr. 85 (E. XII, 67), OT. 23. Apr. 75 (O. XVI, 311), und zwar selbst dann nicht, wenn der Beamte rc. zur Abgabe der Urkunde nur durch Täuschung bewogen wurde: OT. 4. Sept. 57 (GA. V, 852); contra: citt. Rill. 17. Nov. 80, RII. 13. Febr. 85. Doch setzt der'Beamte, Rechtsanwalt rc., welcher ihm anvertraute Akten mittels eines Privatboten zum Amtslokale zurück sendet, die ihm obliegende Verwahrung durch eben jenen Boten fort; so: OT. 3. Okt. 62 (O. HI, 45); vgl. übrigens n. 4 (i. f.). Ebenso ist ein Exekutionsbefehl noch in dem Augenblicke, wo der Exekutor ihn zu seiner Legitimation dem Exequendus vorzeigt, ein dem Exekntor „amtlich übergebener": OT. 10. Dez. 73 (O.
XVI, 788).
Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 134.
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§ 134. Wer öffentlich angeschlagene Bekanntmachungen, Verordnungen, Befehle oder Anzeigen von Behörden oder Be7. Das Vergehen kann auch von dem betreffenden Beamten oder „Dritten" selbst begangen werden: RI. 8. Nov. 80, RII. 9. Zum 85 (E. II, 425; XII, 247), OT. 18. März 75, 5. Jan. 77 (citt. n. 2), John. s. 184, Olsh. n. 6; contra: Dresd. 9. Apr. 75 (StZ. V, 297); vgl. übrigens n. 12. 8. „Bei Seite schaffen" bezeichnet hier die vorsätzliche rechtswidrige Ent fernung einer Sache aus der zeitweiligen Verwahrung; die Definition des Begriffs in RII. 13. Febr. 85 (E. XII, 67: jede vorsätzliche unbefugte Handlung, durch welche eine Sache dem Berechtigten unzugänglich gemacht wird) sieht vom Erforderniß der örtlichen Entfernung ab; vgl. jedoch Olsh. n. 5. Eine lediglich zum Zwecke eines augenblicklichen unbefugten Gebrauchs bewirkte Wegnahme gehört nicht hierher; vgl. OT. 21. Sept. 60, 12. Nov. 74 (O. I, 28; XV, 768); dagegen kann ein zweitweiliges Verstecken genügen; vgl. § 348 n. 16; überhaupt genügt jede Beseitigung, welche die Sache der Disposition des Berechtigten, wenn auch nur vorübergehend, entzieht: RI. 8. Nov. 80 (E. II, 425), cit. OT. 12 Nov. 74; vgl. Ri. 21. Dez. 82 (eit. n. 5: Entziehung auf unbestimmte, nicht ganz kurze Zeit); contra: cit. OT. 21. Sept. 60 (forderte die Absicht der dauernden Entziehung). — Selbst eine Unter lassung kann nach Umständen ein Beiseiteschaffen darstellen (Commissivdelict durch Unterlassung): Rll. 9. Juni 85 (E. XII, 247), nicht aber ein bloßes Verheimlichen durch Nichteintragung in die Registrande; so: Dresd. 19. Jan. 74 (StZ. IV, 203). — Daß durch die Beiseiteschaffung Jemandem ein Nachtheil zugefügt sei, seht der § nicht voraus: cit. RI. 8 Nov. 80. Immerhin liegt aber int Begriffe des Beiseite schaffens von Urkunden rc. die Beziehung auf den'Berechtigten, dem sie unzugäng lich gemacht werdeit sollen; demgemäß muß die Behörde, welcher sie entzogen werden sollten, bereits zur Zeit der Beiseiteschaffung als berechtigte Behörde bestanden haben; so: OT. 13. Juni 78 (GA. 26 f 437). 9. „Beschädigen" begreift bei einer Schrift das Verfälschen nicht in sich; vgl. § 348 Abs. 2, welcher beide Wörter neben einander aufführt. Eine Rasur, durch welche der Inhalt einer fremden Schrift alterirt wird, stellt keine Beschädi gung des Schriftstücks, sondern eine Verfälschung dar; so: Stuttg. 22. Dez. 75 (WGbl. XI, 326). 10. Als Dolus genügt die „Vorsätzlichkeit" der Handlung, verbunden mit dem Bewußtsein des Thäters von der Rechtswidrigkeit derselben bzw. davon, daß er über die Sachen nicht, wie geschehen, verfügen durfte; so: RI. 21. Dez. 82 (cit. n. 5); einer Absicht „die öffentliche Ordnung zu verletzen" (Ueberschr. des 7.Ab schnitts), bedarf es nicht: OT. 15. Dez. 71 (cit. n. 3), Stuttg. 22. Dez. 75 (WGbl. XI, 326: selbst das Bewußtsein von einer solchen Verletzung sei nicht erforderlich), noch eines besonderen, gerade auf Beseitigung rc. gerichteten, diese als Zweck der Handlung verfolgenden Vorsatzes: cit. Ri. 21. Dez. 82. 11. Die im Abs. 2 verlangte „gewinnsüchtige Absicht" braucht nicht nothwendig auf Erzielung eines Vermögens-Gewinnes gerichtet zu sein (anders im Falle des § 349): OT. 9. Febr. 77 (O. XVIII, 122), Schütze s. 286 n. 30, Puch. s. 176; contra: John s. 185, ML. s. 686, HStR. II, 840. Eine solche kann daher an genommen werden, wenn die Handlung geschah, um in einer Untersuchung ein Be weisstück zu beseitigen: OT. 1. April 59 (GA. VII, 387); vgl. jedoch OT. 11. Jan. 78 (GA. 26 s. 57: rechnete die bloße Hinhaltung einer Disciplinarentscheidung nicht hierher). Immerhin muß sie aber den eigenen Gewinn des Thäters, nicht (aus schließlich) den eines Anderen im Auge haben; vgl. Rubo s. 625. — Die Absicht, einen Schaden zuzufügen, ist hier der Gewinnsucht nicht gleichgestellt (vgl. § 349). 12. Der Thatbestand dieses § kann leicht mit einer andern Mißthat z. B. Ar restbruch (:R1I. 13. Juni 84, R. VI, 426), Diebstahl, Vernichtung rc. einer Urkunde rc. ideell konkurriren. Wenn ein Beamter eine ihm anvertraute Urkunde vorsätzlich vernichtet rc., so wird § 349 anwendbar; dann liegt jedoch keine Ideal- sondern Geseheskonkurrenz (§ 73 n. 6) vor: Ri. 8. Nov. 80 (E. II, 425), vgl. John s. 184 Olsh. § 348 n. 17; contra: Dresd. 13. März 76 (StZ. VI, 219). 1.
Daß die „Bekanntmachung" rc. der Behörde rc. innerhalb der Amts-
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Thl.II. Abschn.VII. Verbr. u. Vergeh, w. d. öffentl. Ordnung. — §&134. 135.
amten böswillig abreißt, beschädigt oder verunstaltet, wird mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark oder mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. [I. Entw.: § 119; Is. Entw.: § 132; Pr. StGB.: § 107.] Vgl. § 135.
§ 135. Wer ein öffentliches Zeichen der Autorität des Reichs oder eines Bundesfürsten oder ein Hoheitszeichen eiines Bundesstaats böswillig wegnimmt, zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug daran verübt, wird mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. [I. Entw.: § 97; II. Entw.: § 133. -Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I; —Pr. StGB.: § 93 Nr. 3.] Vgl. §§ 103a. 134. befuanisse erlassen sei, ist nicht erforderlich; ein hierauf bezüglicher Antrag ward im RT. abgelehnt: Stenogr. Ber. s. 645 2. Es genügt nicht, wenn die von einer Behörde rc. ausgegangene Bekannt machung rc. privatim „angeschlagen" ist; es muß vielmehr auch dieses Anschlägen amtlich d. h. aus einer amtlichen Veranlassung und in der Weise sowie zu dem Zwecke bewirkt sein, daß jene dadurch der Kenntnißnahme der Allgemeinheit zu gänglich gemacht werde („öffentlich"); ein amtliches Anheften in einer Privatwohnung z. B. zum Zwecke der Zustellung an den abwesenden Bewohner genügt nicht: Dresd. 21. Zuni 71 (StZ. I, 73). 3. Entspricht das Anheften der Bekanntmachung rc. den obigen Voraussetzungen (n. 2), so kommt auf die Art, wie sie befestigt worden ist, Nichts an: Dresd. 17. März 73 (StZ. III, 5); contra: Münch. 25. April 73 (StZ. II, 312: erheischte eine mechanische Verbindung, und hielt deshalb ein bloßes Aufhängen für nicht genügend, weil dann ein „Abreißen" nicht möglich sei). 4. „Böswillig" ist die Handlung, wenn sie geschah, um den Zweck des Anschlags (die Veröffentlichung) zu verhindern oder um die Behörde zu verhöhnen, bzw. die Wirksamkeit ihrer Amtsthätigkeit zu beeinträchtigen; somit gehört ein Ab reißen rc. auS Muthwillen rc. nicht hierher, sollte dabei auch das Bewußtsein der Unrechtmäßigkeit obwalten. Vgl. auch John, HH. III, 186, HStR. II, 842 und Olsh. n. 3 (fordert, daß die Handlung aus einer bösen oder schlechten Gesinnung hervorgegangen sei). 5. Das (gleichzeitige) Abreißen sämmtlicher Anschläge an derselben Stelle stellt ebenso wie dasjenige desselben Anschlags an verschiedenen Stellen immer nur Einen Straffall dar; so: Bind. HB. I, 556. 6. Bedingte Zuständigkeit der Schöffengerichte: GVG. h 75 Nr. 14.
§ 135. 1. „Zeichen der Autorität" rc. sind diejenigen bildlichen oder schriftlichen Darstellungen, welche dazu dienen, die Ausdehnung oder die Handhabung der Staatsgewalt, oder eines ihrer Organe äußerlich erkennbar zu machen; insbeson dere solche, welche angebracht oder aufgestellt sind, um eine Grenze oder ein Amtslokal zu bezeichnen. Gleichgültig ist es dabei, ob die Grenze die Landesgrenze oder die einer inneren Landeseintheilung (z. B. der Provinzial-, Bezirks-, KreisEintheilung, des Grenz- oder Steuer-Bezirks) sei. Auch die in Preußen herkömm liche Bezeichnung der Provinz, des Regierungs-, Kreis- und Landwehr-Bezirks ist hierher zu zählen; nicht aber ein Meilenzeiger oder Schlagbaum. — Im Auslande angebrachte Zeichen, z. B. die Wappen von Gesandtschaftshotels und Konsulaten, sind nicht ausgeschlossen) vgl. Olsh. n. 1. 2. Ein solches Zeichen ist ein „öffentliches", wenn es aus amtlicher Ver anlassung in einer der Allgemeinheit zugänglichen (sichtbaren) Weise angebracht ist, um dem unter n. 1 erwähnten Zwecke zu dienen. Daher gehört die auf einer höheren Gestattung beruhende Bezeichnung eines Privat-Geschäfts-Lokals mit dem landes herrlichen Wappen nicht hierher.
Thl. II. Abschn. VH. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung.— § 136.
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§ 136. Wer unbefugt ein amtliches Siegel, welches von einer Behörde oder einem Beamten angelegt ist, um Sachen zu verschließen, zu bezeichnen oder in Beschlag zu nehmen, vor sätzlich erbricht, ablöst oder beschädigt oder den durch ein solches Siegel bewirkten amtlichen Verschluß aufhebt, wird mit Ge fängniß bis zu sechs Monaten bestraft. [I. Entiv.: § 120: II. Entw.: § 134; Pr. StGB.: § 108.] Vgl. §§ 299.354; VZollges.
§§ 42. 43. 94-96. 151. 159; CPO. § 712. Preußen: Vgl. Steuer-O. v. 8. Febr. 1819 §87.
Ueber den Begriff des „böswillig" vgl. § 134 n. 4. 4. Die Worte „oder beschimpfenden Unfug daran verübt" hat die No velle eingeschaltet, um auch solche Handlungen zu treffen, welche, ohne sich in einem „Wegnehmen rc." eines jener Zeichen zu äußern, eine Beschimpfung solcher Zeichen enthalten: Mot. f. 49. Das Wort „böswillig" ist auf diese Worte nicht mitzube ziehen; mithin sind Handlungen bloßen Muthwillens nicht ausgeschlossen. Im Uebr. vgl. §§ 166, 168 und die Bemerkungen zu denselben. § 136. 1. Das strafbare Moment der in diesem § bezeichneten Handlungen bildet das Zuwiderhandeln gegen die behördlichen Anordnungen, die aktive Mißachtung der amtlichen Sperre oder Aussonderung: Rll. 13. Febr. 83 (E. VIII, 35), OT. 26. Nov. 74, 29. März 76 (O. XV, 813; XVII, 224). 2. „Siegel" umfaßt auch Siegelmarken: Rill. 22. Dez. 80 (E. III, 286); des gleichen die von einer Steuer-Behörde angelegten Bleiverschlüsse (Plomben). Doch wird bei Verletzung eines zollamtlichen Waarenverschlusses § 136 durch VZollges. § 151 ausgeschloffen; vgl. § 159 ib. — Auf anderweite Verschlüsse z. B. Kunstschlösser ist § 136 nicht auszudehnen. 3. Eine Siegel-Anlage ist eine „amtliche", sobald sie durch einen dafür an sich zuständigen Beamten zu einem amtlichen Zwecke oder in seinem Aufträge durch einen Dritten angelegt ist; trifft dieses zu, so kommt auf die Natur jenes Zwecks weiter Nichts an: OT. 14. März 62 (O. II, 305). Die eigenmächtige Er brechung eines Amtssieaels, welches ein Beamter unter Ueberschreitung seiner Zu ständigkeit bzw. seiner Befugnisse (seines Auftrags) angelegt hatte, fällt nicht unter § 136: RII 13. Febr. 83 (E. VIII, 35); vgl. OA. 23. April 69 (O. X, 261). 4. Für den Thatbestand ist es gleichgültig, ob die Siegelanlage oder der da durch bewirkte Verschluß in einer ihrem Zwecke'vollständig entsprechenden Weise bewirkt war; vgl. OL. 13. Mai 61 (O. I, 397) und n. 5. 5. Ein „amtlicher Verschluß" kann durch Beschädigung derjenigen ander weitigen Vorrichtungen „aufgehoben" werden, welche in Verbindung mit dem Siegel den Verschluß vermitteln (z. B. eine Bindfadenverschnürung, Papierstreifen rc.). Ja es bedarf zur strafbaren „Aufhebung des Verschlusses" nicht nothwendig einer auf Beseitigung rc. des Siegels gerichteten Handlung, vielmehr genügt jede Hand lung, welche dahin abzielt, die durch die Siegelaniage bezweckte amtliche Sperre zu beseitigen; dgl. n. 1 und die dortigen Citate; daS cit. Erk. 26. Nov. 74 erachtete den § sogar in einem Falle für anwendbar, wo durch die Siegelanlage das Ver bot des Zutritts zu einem Raum erkennbar gemacht und diesem Verbote lediglich durch Benutzung eines von der Versiegelung thatsächlich nicht berührten, weil ge heimen Zugangs entgegengehandelt war. 6. Dagegen liegt kein Fall des § vor, wenn ein behufs der Beglaubigung mit einem amtlichen Siegel versehenes Schriftstück, z. B. die Abschrift eines Pfän dungsprotokolls, von dem Platze seiner Anheftung rechtswidriger Weise entfernt wird: Münch. 23. Mai 81 (BK. I, 435). 7. Als Dolus wird Vorsätzlichkeit der Handlung und das Bewußtsein erfordert, zur Siegelabnahme nicht berechtigt zu sein: OT. 15. Sept. 64 (O. V, 108), HStR. II, 844; contra (in Betreff letzteren Punktes und vorbehaltlich des unter Umständen anwendbaren § 59): John, HH. III, 189. Als selbstverständ liches Thatbestandsmerkmal bedarf die Vorsätzlichkeit nur im Bestreitungsfalle 3.
Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Nu fl.
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. n. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — § 1137.
§ 137. Wer Sachen, welche durch die zuständigen Be hörden oder Beamten gepfändet oder in Beschlag genommen ausdrücklicher Feststellung; das gilt namentlich auch bei der unbefugten Änfhelvung des Verschlusses; so: OT. 29. März 76 (cit. n. 1), Olsh. n. 5. Dgl. StPO, §'.266. 8. Im Nebrigen sind Motiv und Erfolg der Handlung gleichgültig.
§ 137. Inhalt: Absicht: 38. Beamter: 16. 17. Bei-Seiie-Schaffen: 30—35. Benachtheiligung: 36. Benutzen: 32. Beschlagnahme: 2 ff. • Aufhebung: 23. 24. • Ausdehnung: 14. - Beginn: 1. 8. 9. • Dauer: 23. 24. ■ Erneuerung: 24. • Formvorschr.: 21. ■ Interesse, wessen: 1. 2. - polizeiliche: 7. 7a. 16. • rechtmäßig: 18. • strafgerichtl.: 7. 16. • theilweise: 6. ■ Verhinderung: 22. • Wiederaufhebung: 23. 24. • Wirksamkeit: 23. 24. Charakter d. Verg.: 1. Dolus: 37. 38. Dritter: 10. 18. 25—28. Eigenthümer, fremb.: 25. 26. Entziehen: 30 ff.
Ermeffen: 18. Forderung: 4. 13. 14. 35. • Cession: 35. • Gültigkeit: 19. • Zahlung: 23. 25. Formvorfchrift: 21. 7. 8. Gebäude, Grundst.: 4 9 ff. 14. Gepfändeter: 25. Gerichtsvollzieher: 27c. Gewahrsam. 17. Handlung, posit.: 30. 31. Irrthum: 18. Kaffenbeamter: 7a. Klostergut: 12. Konkurrenz: 38. 39. Konkurs: 3. Landschaft: 17. Observation: 10. 35. Pertinenz: 14. 37. Pfändung vgl. Beschlagnahme. Pfändung. Privat«: 2. Pfandrecht: 31. Platzveränderung: 33. 24. Pol -Beamte: 7: 7a. 15. 16. Retentionsrecht: 31. 8.t
Sache: 4. 14. Sache, konkrete: 5. • unpfändb.: 20. Sequestration: 10. Sicherheitsarrest: li. Strafantrag: 38. Snbhastation: 4. 9. lfr. Tbäter: 25—28. Theilung: 9. Umzug, Mitnahme: 32. Veräußerung: 31. Verbot zu verfugen: 5. 7—9. Verbringen: 31. Verheimlichen: 31. Verhinderung: 22 Vermiether: 8. 27 b. Verschwender: 3: VerwaltungS-Deh örde17. 21.. 7a. Verwarnung: 29. Vieh: 5. 20. 30. 32. Vollendung: 36. Werthminderung: 34. Zerstörung: 34. Zuständigkeit: 15. 16. 17. 40 Zwangsvollstreckung: 8—13.
1. Der § hat seine Stelle in dem von den „Vergehen gegen die öffentliche Ordnung" handelnden VII. Abschnitte gefunden; das Wesen dieses Straffalles, des sog. Arrestbruchs, liegt sonach in der Nichtachtung des amtlichen Akts und in dem Eingriffe in die durch denselben begründete Verfügungsgewalt der Behörde; ebenso: Rlll. 1. Mai 80 (R. I, 705); nicht in der Verletzung' der Rechte des Gläu bigers rc.: RI. 16. Sept. 80 (E. II, 230), OT. 4. Zuli 77 (O. XVIII, 499), wenngleich mit der Strafbestimmung gleichzeitig auch der Zweck verfolgt wird, dem durch bie, amtliche Verfügung geschaffenen Rechtszustande strafrechtlichen Schutz zu gewährend Rill. 12. April 83 (E. VIII, 256). — Demgemäß ist unter einer „gepfändeten (in Beschlag genommenen) Sache" eine solche zu verstehen, welche durch eine Amtshandlung „verstrickt", d. h. der Verfügung der sonst berechtigten Privatperson entzogen und der Verfügung der amtlich thätigen Behörde rc. unterworfen worden ist, mag dies zur Sicherung eines öffentlichen oder eines Privat-Jnteresses geschehen sein: OA. 29. März 73 (O. XIV, 240), Dresd. 1. Aug. 73 (SGZ. XVII, 273). Ob eine solche Verstrickung stattgefunden habe, und von welchen! Augenblicke an sie ihre Wirkungen thue. beurtheilt sich — unter Zugrundelegung obiger Begriffsbestimmung — nach den maßgebenden Prozeßgesetzen. 2. Es scheiden daher diejenigen Pfändungen aus, zu welchen ein Privater (wäre es auch der Fiskus als Vermögenssubjekt) aus eigenem Rechte übergeben kann (vgl. § 413 ff. L 14 Pr. AM.; FFP.-Ges. § 77): OT. 6. Mai 70, 2. Okt. 78 (O. XI, 290; XIX, 444). Doch ist die Wegnahme der nach § 77 des Pr. FFP.-Ges.'s ge pfändeten Sachen durch § 17 ib. unter gewissen Voraussetzungen mit einer Uebertretungsstrafe bedroht. 3. Ebenso gehören solche Maßnahmen nicht hierher, durch welche die Verfü gungsgewalt über gewisse Gegenstände (zumal über ganze Vermögensmassen) zwar dem zur Zeit Berechtigten entzogen, aber nicht auf eine Behörde, sondern auf einen Dritten übertragen wird, welcher dieselbe im Interesse von Privatpersonen selbständig (wenn auch unter Aufsicht der Behörde) ausüben soll; z. B. die Kon kurseröffnung (KO. § 5); vgl. OT. 3. Dez. 68 (£>. IX, 692); contra: Rll. 6. Zuli 86 (E. XIV, 286: selbst in Betreff der vom Konkursverwalter dem Schuldner zum Gebrauch belassenen Sachen; die Konkurseröffnung enthalte eine Beschlagnahme des zur Masse gehörigen Vermögens, welches letztere der richterlichen Gewalt unter-
Thl. II. Abschn. VII. VerLr. u. Vergehen w. b. öffentl. Ordnung. — § 137.
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worden sind, vorsätzlich bei Seite schafft, zerstört oder in an derer Weise der Verstrickung ganz oder theilweise entzieht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. [I. Entw.: § 272; II. Entw.: § 135; Pr. StGB.: § 272.] Dgl- § 288.
Preußen: Vgl. Subh.-O v. 15. Mürz 1869 § 8ff., FFP.-Ges. § 17. warfen werde und ihr auch nach der Besitznahme seitens des Konkursverwalters unterworfen bleibe), OA. 9. Nov. 72 (OT. XIII, 584), oder eine Prodigalitäts erklärung; ebenso: eit. Nil. 6. Juli 86, OA. 29. März 73 (O. XIV, 240). 4. Auf die Natur der „Sache" kommt Nichts an; es gehört jedes Dermögensobjekt hierher, welches gepfändet (in Beschlag genommen: n.*l) und der Verstrickung entzogen werden kann. -- Das gilt namentlich auch von Grundstücken; sie lassen sich zwar nicht als Ganzes „bei Seite schaffen" und werden auch durch eine unbefugte Wiederbesitznahme der vorhergegangenen Beschlagnahme nicht entzogen: OT. 22. Dez. 51 (Entsch. dess.22 f.75); dagegen trifft der § zu, insoweit trennbare Bestandtheile eines solchen z. B. bewegbare Pertinenzstücke, hängende Früchte rc. davon getrennt, Holz gefällt, Steine gebrochen, Tors gestochen oder die Materialien eines Gebäudes ab gebrochen .und bei Seite geschafft werden: Nil. 18. Jan. 81 (E. III, 255), OT. 1. März 67. 15. Sept. 69 (O. VIII, 145; X, 563), Dresd. 1. Aug. 73 (StZ. III, 99); vgl. n. 9. 11. 14. — Ebenso sind Forderungen nicht ausgenommen, insoweit obige Voraussetzungen bei ihnen zutreffen: Nil. 8. Nov. 81, 8. Mai 85 (R. III, 691; E. XII, 184), OT. (Pl.) 31. März 56, 3. Juli 71 (JMbl. s. 146; O. XII, 360), Schütze s. 503; contra: NI 8. Dez. 81 (E. V, 204), Antr. d. GStA.'s zu OT. 3. Juli 71 (1. c.), Puch. s. 177, Schw. s. 381; vgl. n. 5. 13. 35. 5. Wesentlich ist. daß die konkrete Sache von der Beschlagnahme rc. be troffen, („verstrickt") sei. Eine nur in genere verschuldete Sache kann der angelegten Beschlagnahme nicht entzogen werden: OT. 21. Febr. 72 (O. XIII, 163); dasselbe ist da anzunehmen, wo aus einer größeren Mehrheit (z. B. einer Heerde) nur eine Anzahl nicht individuell bezeichneter Stücke „in Beschlag genommen" ist; contra: OT. 2. März 64 (O. IV, 396). — Ferner reicht eine, lediglich an die Person er lassene und diese verpflichtende Verfügung (Dispositionoverbot rc.) nicht aus, falls nicht auch (nach Maßgabe der geltenden Gesetze) eine sachliche Vinkulirung damit verbunden ist; vgl. jedoch RI. 16. Nov. 82 (E. VII, 292), Darmst. 3. Juli 76 (HE. s. 92) und unten n. 7. Ein solches an einen Einzelnen erlassenes und nur diesen verpflichtendes Dispositionsverbot genügt jedenfalls nicht, die Handlung Dritter strafbar erscheinen zu lassen: OT. 3Ü. März 70 (O. XI, 208). Dasselbe galt, wenn die im Besitze eines Dritten befindliche Sache eines Exequendus auf Grund des Pr. Ges.'s v. 20. März 1854 § 18 insofern in Beschlag genommen war, als jenem Dritten untersagt wurde, sie an den Exequendus herauszugeben, und jener trotzdem kraft (vermeintlichen) eignen Rechts über die Sache verfügte: OT. 13. Juli 75 (O. XVI, 538); eine solche Untersagung war sogar dem Exequendus gegenüber wirkungslos, wenn die diesem nach dem eit. § 18 (Abs. 1) zu machende, zur Perfektion der Beschlagnahme erforderliche Weisung unterblieb: OT. 30. Nov. 77 (O. XVIII, 760). - Endlich ist eine Arrestverfügung in Betreff solcher Sachen, über welche der Arrestat zur Zeit der Behändigung der Verfügung jede (thatsäch liche und rechtliche) Disposition verloren hatte, keine Beschlagnahme: RII. 18. Nov. 79 (R. I, 81).
6. Dagegen ist es für den Thatbestand unwesentlich, ob die in Beschlag ge nommene Sache eine amtliche Verwahrung (vgl. AM. I, 14 §§ 92ff., CPO. § 712) zur Folge hat: OT. 16. März 77 (GA. 25 s. 125) und ob sie überhaupt dem Gewahrsam des bisherigen Inhabers entzogen, oder in demselben belassen wor den ist (damit er sie im amtlichen Aufträge aufbewahre rc.): Jena 25. Jan. 72 (StZ. I, 273). Dresd. 9. April 77 (SGZ. 22 s. 42). Selbst die Gestattung des zeit weiligen persönlichen Gebrauchs ändert daran Nichts: Dresd. 21. Aug. 74 (SGZ. XIX, 53). Vgl. n. 7. 7. Es gehören hierher die Beschlagnahmen, welche im polizeilichen oder gerichtlichen Wege zur Vorbereitung eines Strafverfahrens (zur Sicherung der Beweiserhebung, einer künftigen Einziehung rc.) vorgenommen werden, z. B. die eines Ueberführungsstückö oder eines Schriftstücks strafbaren Inhalts; contra: John,
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Thl. II. Abschn. VII. Verbr. u. Vergehen w. b. öffentl. Ordnung. — § 1 37.
HH. III, 191, insbesondere auch Diejenigen der Gegenstände einer Contrebau de rc., obgleich hier das Eigenthum sofort auf den Staat übergeht (VZollges. § 15 G): Rill. 4. Mai 86 (E. XIV, 112); contra: RII. 29. März 81, 2. Juli 80 (R. III, 17 4). — Eine solche Beschlagnahme war in der Pr. Gesetzgebung an keine besondere Foirm gebunden; es genügte die amtliche Besitznahme, nicht aber, in Ermangelung beson derer dies aussprechender Gesehesvorschriften, ein bloßes Verbot: die Sache zu ver bringen oder dgl., zumal wenn dasselbe nur von einem untergeordneten Polizei-Weamten (n. 16) ausging; contra: OT. 4. Febr. 69 (O. X, 74). Vgl. auch OT. 1. Jmni 75, 31. Okt. 76 (ib. XVI, 401; XVII, 701). — § 94 der StPO, unterscheidet zwischien dem einfachen „Znverwahrungnehmen" oder sonstigen „Sicherstellen" und der „Weschlagnahme", indem er unter letzterer, den Mot. s. 153 zufolge, die ausdrücklüche (regelmäßig nur dem Richter zustehende) Anordnung des Znverwahrungnehme ns versteht. In diesem engen Sinne ist der Ausdruck „Beschlagnahme" hier (n. 7) nicht zu deuten, vielmehr schon das einfache Znverwahrnehmen sowie das sonsti ge Sicherstellen unter demselben mitzuverstehen, wie denn auch die StPO, selbst (v gl. Löwe s. 377) an jener Terminologie nicht strenge festhält, sondern den Ausdruck bmld für die thatsächliche Besitznahme, bald für die ausdrückliche Anordnung derselben gebraucht. Besondere Formen für die Beschlagnahme schreibt im Uebrigeu Lie StPO, gleichfalls nicht vor, wenn von § 109 ib. abgesehen wird. Die Vernaichlässigung der in letzterem § getroffenen Bestimmungen macht jedoch die Beschlag nahme nicht unwirksam (n. 21), ja es ist unter der Herrschaft der StPO, nncht einmal eine förmliche Besitzergreifung, geschweige denn ein Entziehen aus dem Ge wahrsam für nothwendig zu erachten und schon ein bloßes Dispositionsverbot oals mögliche Form einer rechtswirksamen Beschlagnahme anzuerkennen, so: Rill. 25.3Jini 83 (A. VIII, 192). 7a. Ferner gehören hierher die Beschlagnahmen, welche in Angelegenheiten der administrativen Polizei, z. B. als sanitätspolizeiliche Präventivmaßregeln, zuständiger Weise angeordnet werden (Pr. ALR. II, 17 § 10); vgl. RII. 23. Okt. 83 (E. IX, 121), RII. 30. Mai 84 (A. X, 204: betr. das Verbot der Fortschaffung beanstandeten Fleisches). Das trifft jedoch nicht zu bei Beschlagnahmen, welche Beamte der administrativen Polizei anordnen, um Eigenthümer vor Vemögenswerlusten als Folgen strafbarer Handlungen sicher zu stellen, oder ihnen dafür Ersatz zu verschaffen: RII. 9. Dez. 81 (R. III, 786). — Das Anhalten eingezahlter falscher Münzen, welches instruktionsmäßig (vgl. Pr. Postdienst-Jnstr. v. 1863 § 7) Kassenunb Postbeamten zur Pflicht gemacht ist, stellt eine „Beschlagnahme" dar; so: ÖT. 6. März 67 (O. VIII, 152). 8. Nicht minder gehören hierher die zum Zwecke einer Zwangsvollstreckung vorgenommenen Pfändungen bezw. Beschlagnahmen beweglicher oder unbeweglicher Gegenstände des Schuldners. Wann eine Pfändung beweglicher Sachen als bewirkt anzusehen sei, beurtheilt sich nach der Prozeßgesehgebuua; vgl. CPO. §§ 712. 713 und unten n. 21. Dies schließt jedoch nicht aus, daß schon, bevor eine Pfändung (nach Maßgabe der zutreffenden Prvzeßgesehe) vollendet ist, die fraglichen Sachen, wenn auch nicht als „gepfändet", doch als „in Beschlag genommen" (im Sinne des § 137) zu betrachten seien, sofern der Exekutor mit den betr. Maßnahmen schon be gonnen und bereits Hand auf jene Sachen gelegt hat; so: OT. 13. Nov. 67 (O. VIII, 705); vgl. I». 21, Dresd. 9. April 75. 9. April 77 (SGZ. XIX, 364; XXII, 42), OT. 9. Okt. 78 (O. XIX, 446). — Dabei ist es für die Wirksamkeit der Beschlagnahme gleichgültig, ob jene Maßnahme in Gegenwart des Exequendus statt gefunden hat, bezw. ihm später amtlich mitgetheilt worden ist oder nicht: OT. 18. Dez. 72 (O. XIII, 572). — Inwiefern Sachen, welche dem Pfandrechte des Dermiethers unterworfen sind, einer anderweiten Zwangsvollstreckung unterliegen, und zwar mit der Wirkung, daß selbst der Vermiether sich bezüglich ihrer aus § 137 strafbar machen kaun, darüber vgl. RII. 16. März 83 (E. VIII, 117). 9. Eine zum Zwecke der Zwangsvollstreckung (». 8) eingeleitete Subhastatiou (Zmmobiliarversteigerung) wird nach der (gemäß § 757 der CPO. auch hinfüro gel lende») Pr. Subh.-O. v. 15. März 1869 § 9 als Beschlagnahme wirksam, sobald die
sie anordnende gerichtliche Verfügung dem Schuldner mitgetheilt ist, sollte auch die Eintragung in das Hypotheken- bezw. Grundbuch noch nicht stattgefunden haben: OT. 12. Mai 70, 11. Zan. 71, 5. März 73, 20. Nov. 78 (O. XI, 293; XII, 22: XIV, 188; XIX, 542). — Dieselbe Wirkung hat es, wenn dem Besitzer eines verhypothezirten
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Grundstücks „in seinen [bem Rechte des Gläubigers nachtheiligen) Dispositionen durch richterliche Verfügung Schranken gesetzt sind" (§§ 441. 442. I, 20 ALR.); so: OT. 18. Dez. 67, 1. Febr., 19. Juli 71 (D. VIII, 796; XII, 66. 422). — Dagegen ist das Gesagte auf eine zum Zwecke einer Theilung eingeleitete Subhastation mcht auszudehnen: OT. 8. Febr. 71 (£). XII, 81). — Auf dem Stamm stehende Bäume gehören weder zu den Früchten im Sinne des § 714 der CPO.» noch nach dem Pr. ÄLR. zu den beweglichen Sachen; demgemäß bedarf es zu deren Beschlagnahme in Preußen gemäß § 442,1, 20 des ALR. (außer dem generellen Arrestbefehle) einer besonderen richterlichen Verfügung, durch welche der Arrest vollzogen wird; so: RII. 4. Jan. 81 (E. III, 174). 10. In gleicher Weise (n. 8. 9.) ist die zum Zwecke einer Zwangsvollstreckung ins Werk gesetzte gerichtliche Sequestration („Zwangsverwaltung") eines Jmmobile's (Gutes rc.) eine Beschlagnahme: OT. 2. Oft. 61 (O. I, 559), Dresd. 1. Aug. 73, 21. Febr. 79 (SGZ. XVII, 273; XXIII, 281). Auch diese ist (im Gel tungsbereiche der Pr. AGO.) als bewirkt anzusehen, sobald die sie anordnende ge richtliche Verfügung dem davon Betroffenen amtlich mitgetheilt worden ist, sollte auch die Uebergabe an den Sequester noch nicht stattgefunden haben: OT. 26. Nov. 73, 10. Nov. 76 (O. XIV, 758; XVII, 733). Hier erstreckt sich aber die Wirksamkeit der Beschlagnahme nur auf die im Besitze des Gedachten, nicht auf die int Besitze eines Dritten befindlichen Gegenstände: OT. 6. Febr. 73 (O. XIV, 115), noch auf Miethzinsforderungen des Schuldners: RHI. 23. Dez. 81 (R. III, 833: betraf Sächs. Recht); vgl. n. 13. — Das oben Gesagte gilt auch von der int Sub hastation s verfahren nach dem Zuschlagsurtheil bis zur Berichtigung des Kauf geldes auf Rechnung des Erstehers eintretenden oder fortgesetzten Sequestration (nach der Pr. Subh.-O. § 57): OT. 13. Dez. 72 (O. XIII, 66); — nicht aber von einer sog. „Observation" (nach der AGO. I, 24 §§ 114. 115), eine solche ist vielmehr nach den für die Beschlagnahme von Forderungen geltenden Grundsätzen (n. 13. 35) zu beurtheilen; vgl. jedoch OT. 20. Nov. 78 (O. XIX. 542), RII. 2. April 80 (E. I, 287). Eine bestellte Observation steht der demnächstigen zum Zwecke der Exekution statt findenden Beschlagnahme des Gutes nicht entgegen: OT. 25. April 73 (O. XIV, 309). 11. Das Gleiche (n. 8) gilt von einem auf eine konkrete Sache angelegten Sicherheitsarreste. Vgl. CPO. §§ 796 ff. 12. Nicht minder stellt bei einem Klostergute das Nehmen in einstweilige Verwahrung und Verwaltung, welches auf Grund des Pr. Ges.'s v. 31. Mai 1875 im Aufträge einer Bezirksregierung erfolgt, eine Beschlagnahme dar; so:OT. 3. Okt. 76 (O. XVII, 637). 13. Die Beschlagnahme einer Forderung erfolgte nach § 101,1, 24 der Pr. AGO. durch das an den Drittschuldner ergangene Arrestatorium in Verbindung mit dem an den Exequendus gerichteten Inhibitorium. Das Pr. OT. hat die letztere dieser beiden Maßnahmen für genügend erachtet, um in Betreff des Exequendus eine wirksam angelegte Beschlagnahme anzunehmen: OT. 16. Sept. 64, 11. Okt. 71 (O. V, 119’; XII, 507); contra: $ntr. d. GStA.'s (O. XII, 360), Koch z. Pr.StGB. § 272 n. 8. — Unter der Herrschaft der CPO. ist Pfändung (Arrest) von Geldforde rungen jedenfalls erst mit der Zustellung des betr. Beschlusses an den Drittschuldner als bewirkt anzusehen; vgl. ib. §§ 730 (Abs. 3). 608.810; ebenso: Rill. 23. Dez. 81 (R. III, 833); die Zustellung des im cit. § 730 (Abs. 1) gedachten Gebots an den Exequendus ist dazu nicht erforderlich; letzterer kann sich mithin des Vergehens aus § 137 schuldig machen, sofern er nur sonst von der Pfändung rc. Kunde erhalten hat; so: RII. 8. Nov. 81 (R. II, 691). —Ueber die Möglichkeit der Entziehung einer Forderung aus der Verstrickung vgl. n. 35. — Inwiefern die Pfändung bzw. zwangs weise Ueberweisung einer Forderung auf konkrete Sachen die Pfändung bzw. Be schlagnahme dieser Sachen selbst enthalte (n. 5), darüber vgl. Rl. 16. Nov. 82 (E. VIT, 292). 14. Die auf eine Sache angelegte Beschlagnahme umfaßt nach Pr. Recht alle Pertinenzstücke derselben mit, selbst solche, welche im Augenblicke, wo jene Maß nahme erfolgte, zeitweise davon entfernt waren; ihre Nichterwähnung im Beschlag nahme-Protokolle ist gleichgültig: OT. LI. Febr. 74, 10. März 75 (O. XV, 67: XVI, 223), es sei denn, daß durch die Erwähnung einzelner Pertinenzstücke der Schluß gerechtfertigt wird, daß die übrigen von der Verstrickung frei bleiben sollten: RI. 24. Nov. 79 (R. I, 92). Nur solche bewegliche Sachen, welche erst nach der Beschlag-
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nähme eines Grundstücks auf dasselbe gebracht und dessen Pertinenzien geworden sind, gehören dahin nicht; so: OT. 15. Oft. 74 (O. XV, 675: auf die Grundsätze weS Civilrechts komme es in dieser Hinsicht nicht an). Von den Früchten werden dmrch die Beschlagnahme eines Grundstücks die noch stehenden ergriffen: RII. 16. Apr. 80 (E. I, 368), OT. 14. Sept. 77 (O. XVIII, 565); auch die erst seitdem erzeugten, jfo* wie nach § 49, I, 2 des Pr. ALR.'s die bereits abgesonderten, aber zur Fortsehumg der Wirthschaft nöthigen und bestimmten Früchte, ja nach § 30 des Pr. Ges.'S v. 5. Mai 1872, falls Realgläubiger konkurriren, alle noch vorhandenen abgesondertten, dem Exequendus gehörigen Früchte: cit. RII. 16. Apr. 80, OT. 16. Mai 1870, 115. Okt. 74, 29. Apr. 75 (O. XI, 175; XV, 677; XVI, 326). Nach eben diesem § 30 be halten zu Gunsten der Realgläubiger die zum Betriebe der Landwirthschast bestimmtten Gegenstände, selbst, wenn sie als hierzu nicht mehr tauglich außer Gebrauch geseeht sind, die Pertinenzeigenschaft bis zu ihrer räumlichen Trennung vom Grundstüccke; daffelbe gilt sogar von solchen dem Real- oder Hypothekenrecht mit unterworfemen Pertinenzien, welche vom Grundbesitzer veräußert worden sind: OT. 29. Sept., 119. Mai 76, 9. Jan. 79 (O. XVII, 623. 371; XX, 24); vgl. jedoch OT. 31. Jan. 78 (D. XIX» 46: nahm an, daß die zum Betriebe einer Dampfschneidemühle bestinnntten Geräthschaften, auch ohne von der Mühle räumlich getrennt zu werden, ihre Peirtinenzqualität verlören. sobald ihnen jene Bestimmung entzogen, sie z. B. als abtgenuht durch neue erseht würden.) — Inwiefern die Beschlagnahme eines Grundstmcks nach Bayer. Rechte gleichzeitig den Fruchtgenuß entziehe, darüber vgl. Müwch. 29. Mai 76. 27. Okt. 83, 1. April 87 (StZ. VI, 225; BE. II, 566; IV, 359); in Be treff der gewillkürten Pertinenz-Eigenschaft nach jenem Rechte vgl. Rl. 18. Juni 83 (E. VIII, 422). — Zu den Pertinenzstücken eines Gebäudes gehören (nach dem Pr. ALR. § 89,1, 2) die Materialien, welche von dem eingefallenen oder eingertffenteil Gebäude noch vorhanden sind; vgl. OT. 28. April 76 (O. XVII, 290) und oben n. 4; nicht aber (speziell nach Sächs. Recht) die persönlichen Miethforderungen des Be sitzers: Rill. 23. Dez. 81 (R. III, 833). Soll im Gebiete des Pr. Ges.'s v. 4. März 1879 die Zwangsvollstreckung in die zur Jmmobiliarmasse gehörigen beweglichen Gegenstände für sich allein, insbesondere in das Gutsinventar oder die Gutsvorräthe erfolgen, so ist sie nach den Vorschriften der CPO. über Mobiliarexekutioiren zu erledigen: RII. 21. April 82 (E. VI, 227). — Pertinenzstück einer Hypothekensorderung ist im Geltungsbereiche des Pr. ALR.'s das Hypothekendokument: RII. 22. Dez. 82 (E. VII, 361); vgl. n. 35. — In Betreff der Wirkung eines Irrthums über die Pertinenzeigenschaft vgl. unten n. 37. 15. Die Beschlagnahme rc. muß von einem (sachlich und örtlich für den kon kreten Fall) „zuständigen" Beamten (Behörde) vorgenommen fetnj: es reicht also nicht hin, wenn dem betr. Beamten im Allgemeinen (für gewisse hier nicht vor liegende Fälle) eine ^Zuständigkeit beiwohnte; ebenso: Dresd. 21. Febr. 79 (SGZ. 23 s. 281). Im Geltungsbereiche der Pr. AGO. handelte eine Polizeibehörde, welche auf Grund einer gerichtlichen, an alle Gerichts- und Polizeibehörden gerichteten, dem Exekutionssucher offen behändigten Exekutionsordre die Beschlagnahme vor nahm. in zuständiger Weise: OT. 13. Mai 74 (O. XV, 304). Wenn zum Kommis sar behufs Ausführung einer Beschlagnahme nach Maßgabe des Art. 3 deö Pr. Ges.'s v. 21. Mai 1874 ein Beamter ernannt ist, so gilt dessen Stellvertreter int Amte nicht ohne Weiteres als ihm für die Ausführung jenes Kommissoriums substituirt: OT. 6. Apr. 76 (O. XVII, 263). 16. Zur Anordnung von Beschlagnahmen und Durchsuchungen behufs Vor bereitung eines Strafverfahrens (n. 7) sind nur der Richter, bei Gefahr im Verzüge auch die Staatsanwaltschaft und deren Hülfsbeamte befugt: StPO. §§ 94. 98. 102.105.107.108. Dagegen kann die Ausführung einer solchen Maßregel eben sowohl durch andere, dem Gericht oder jenen Hülfsbeamten untergeordnete und von diesen beauftragte Beamte geschehen, welche ev. auch ermächtigt sind, die bei der Durchsuchung nöthig werdenden Beschlagnahmen zu bewirken: Rill. 25. Juni 83 (A. VIII, 192). Außerhalb des Amtsbezirks eines Hülssorgans der Staatsanwaltschaft kann jedoch die Ausführung einer von letzterem zuständiger Weise angeord neten Beschlagnahme nur durch ein sachlich und örtlich zuständiges Organ statt finden; so: RII. 13. Apr. 83 (R. V, 244). — In Angelegenheiten der administrativen Polizei (n. 7a) sind durchweg die Ortspolizeibehörden und deren Organe berufen, Sachen mit Beschlag zu belegen; vgl. Rn. 23. Okt. 83 (E IX, 121), OT. 24. Sept.
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62 c(O. III, 25: betraf einen auf Grund einer Polizei-Vdn. vom Abdecker eingefangelten Hund). 17. Zur Anordnung einer Exekution sind mehrfach Verwaltungsbehörden zuständig, z. B. in Preußen die Regierung in dem durch die Vdn. v. 26. Dez. 1808 § 42 Nr. 2 vorgesehenen Falle: OT. 7. Mai 68 (O. IX, 312); ebenso eine Landschafts Direktion (AGO. I, 24 § 128; Anh. $ 172): OT. 26. Okt. 66 (O. VII, 583). Vgl. Oppenh. Ressortgess. s. 130 ff., Rill. 24./31. Jan. 87 (E. XV, 323). 18. Obgleich § 137 nicht (wie § 113) die „Rechtmäßigkeit" der Beschlag nahme als eine wesentliche Vorallssetzung seiner Anwendbarkeit hervorhebt, so folgt dennoch aus der dort geforderten Zuständigkeit der Behörde rc., daß jene Maßnahme an sich gesetzlich zulässig sein muß: Rll. 13. Juni 84 (E. X, 425: dies treffe übrigens bei ehrengerichtlichen Untersuchungen wider Rechtsanwälte zu; zuständig sei hier der Untersuchungsrichter). Ebenso müssen bei Vornahme des Aktes die nothwendigen Voraussetzungen desselben gegeben sein: RIV. 25. Mai 86 (E. XIV, 151). 'Demgemäß entbehrt z. B. ein Zwangsvollstreckungsakt des Schutzes des §, wenn er sich nicht auf einen vollstreckbaren Titel gründet oder wenn dieser Titel nicht nach Vorschrift der CPO. § 671 zugestellt ist: RIV. 25. Mai 86, OT. 9. Juli 69 (O. X, 496); contra (in Betreff eines Verstoßes wider den cit. § 671 der CPO): RII. 16. Sept. 84 (A. X, 457); vgl. übrigens Olsh. n. 7 (erachtet das Nicht vorliegen einer vollstreckbaren Urtheilsausfertigung — CPO. § 662 — für nicht aus reichend , um den Thatbestand des § 137 auszuschließen). Von solchen Fällen ab gesehen ist jede formell angelegte Beschlagnahme zu respektiren und Abhülfe gegen angeblich dabei vorgekommene Beeinträchtigungen im geregelten Verfahren zu suchen. Das gilt namentlich, insoweit die Beschlagnahme dem Ermessen des sie anord nenden oder ausführenden (zuständigen) Beamten unterlag; Irrthümer, in die er dabei verfiel, berechtigen nicht dazu, die Beschlagnahme nunmehr als nicht be wirkt anzusehen, und derselben die verstrickten Sachen zu entziehen: RI. 3. Jan. 84 (E. IX, 403), OT. 5. März 73 (O. XIV, 188). Ebenso macht der Umstand, daß die zum Zwecke der Zwangsvollstreckung in Beschlag genommene Sache nicht dem Exequendus gehörte, ihre Beiseiteschaffung selbst dann nicht straflos, wenn sie sich nicht einmal int Besitze des Exequendus (sondern z. B. in dem eines Mitbewohners des selben Hauses rc.) befunden hatte, da auch diese Frage der Prüfung des Beamten unterlag; so: OT. 18. Febr. 70, 7. Mai 75 (O. XI, 87; XVI, 358). Das dürfte aber nicht auf die Fälle auszudehnen sein, wo der pfändende Beamte sich in Be treff des Besitzers nicht irrte, er mithin (unzuständiger Weise: n. 15) gerade gegen den Dritten pfänden wollte; vgl. . John s. 194, Olsh. n. 7 (beide halten übrigens die Pfändung bei einem Dritten stets, mithin selbst im Falle der bona fides des Pfändenden, für ungeeignet, um einer Ventrtheilung aus § 137 zur Grundlage zu dienen). Auch verschlägt es Nichts, wenn die Beschlagnahme in einem Rechtsstreite angeordnet ist, welcher mit Unrecht blos gegen eine Frau, und nicht gleichzeitig gegen deren Mann anhängig gemacht wurde: Dresd. 6. Nov. 74 (SGZ. XIX, 149). Vgl. ferner Dresd. 21. Febr. 79 (cit. n. 15: betr. eine ohne Antrag der Betheiligten angeordnete Sequestration), Rl. 16. Nov. 82 (E. VII, 292: erkannte, daß der Zweifel, ob eine richterliche, dem Drittschuldner gemachte Auflage nach der CPO. gerecht fertigt war, der Anwendung des § nicht entgegenstehe [V]). 19. Demgemäß ist der Angeklagte nicht mit dem Einwände zu hören, die Forderung, wegen welcher die Exekutions-Beschlagnahme erfolgte, sei unbegründet (getilgt); die formell bestehende Beschlagnahnte ward dadttrch nicht ungültig, es mußte int gesetzlichen Wege die Wiederaufhebung nachgesucht werden. 20. Aus demselben Grunde (n. 18) wird die Anwendbarkeit des § dadurch nicht ausgeschlossen, daß besondere Rechtsgründe obwalteten, aus welchen die Sache nicht hätte in Beschlag genommen werden sollen; z. B. wenn „zuviel", oder wenn dem § 715 der CPO. zuwider das unentbehrliche Handwerksgeräth, die letzte Kuh rc. in Beschlag genommen ist; auch diese Thatsachen unterliegen der Prüfung der betr. Beamten; Abhülfe gegen vorgekommene Irrthümer ist im Wege des geregelten Verfahrens zu suchen: OL. 28. Nov. 73, 16. Juni 74 (O. XIV, 763; XV, 406), Münch. 2. Mai 85 (BE. III, 379); contra: Olsh. n. 7; OT. 28. Nov. 73 (O. XIV, 763) nahm dasselbe an bezüglich einer entgegen dem BGes. v. 21. Juni 1869 er folgten Beschlagnahme des künftigen Arbeitslohns; vgl. jedoch n. 18. 21. Ebensowenig schließt ein Verstoß wider formelle Vorschriften die An-
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wendbarkeit des § aus. es sei denn, daß jener so erheblich wäre, daß er dem amt lichen Akte den Charakter einer Beschlagnahme rc. entzöge; ebenso: Rl. 3. Jan. 84 (E. IX, 403). Waun letzteres anzunehmen sei, beurtheilt sich nach den das Ver fahren regelnden Gesetzen. Ob diesen zufolge der betr. Verstoß zur Aufhebung der amtlichen Maßnahmen führen könnte, ist in solcher Hinsicht nicht entscheidend: cit. RI. 3. Jan. 84, Münch. 19. Febr. 86 (BE. IV, 120: betr. einen Verstoß wider § 679 der CPO.), und noch viel weniger, ob die vernachlässigte Förmlichkeit eine nicht lediglich instructionell vorgeschriebene sei; vgl. jedoch RIV. 25. Mai 86 (E. XIV, 151: Mot.). Für den Geltungsbereich der Pr. AGO. ward selbst die Aufnahme eines Pfändungsprotokolls durch den Exekutor nicht für eine wesentliche Fönnlichkeit, sondern nur als ein Beweismittel angesehen, welches durch andere Beweismittel erseht werden könne: OT. 15. Mai 61, 2. März 64 (O. I, 404; IV, 396). Gleiches dürfte nach den Grundsätzen der CPO. trotz der Vorschrift des § 682 ib. anzunehmen sein; vgl. Olsh. n. 7. Dagegen er achtete OT. 13 Juli 74 (O. XV, 490) eine auf Grund der Pr. Vdn. über Steuer exekutionen v. 30. Juli 1853 bewirkte Pfändung wegen Verabsäumung jener Förinlichkeit als nicht geschehen-, weil § 18 dieser (jetzt durch die Vdn. v. 7. Sept. 1879 ersetzten) Vdn. jene Förmlichkeit ausdrücklich vorschrieb. Jedenfalls verstrickte jedoch auch nach letzterem Verfahren der Akt der Pfändung wenigstens da, wo er der Ausnahme der Verhandlung vorhergehen mußte, die betr. Sache mit der Wirkung, daß Derjenige, welcher dieselbe schon vor dem Eintritte des für jene Aufnahme ge eigneten Zeitpunktes bei Seite schaffte, aus $ 137 strafbar war: OT. 16. Okt. 75 (O. XVI, 660); vgl. n. 8. — OT. 2. Sept. 59 (GA. VII, 717) erachtete den § nicht deshalb für ausgeschlossen, weil im Pfändungs-Protokolle die Gründe nicht an gegeben waren, aus welchen der Exekutor von der Wegnahme der gepfändeten Sachen aus dem Gewahrsam des Gepfändeten abgesehen, oder weil er unterlassen hatte, diese Sachen mit dem Dienstsiegel zu belegen. Aehnlich erkannte Rl. 16 Sept. 80 (E. II, 230) in Betreff der Verabsäumung der im § 712 Abs. 2 der CPO. vor geschriebenen Formen; letztere möge den Erwerb des im § 709 ib. erwähnten Pfand rechts hindern; die Pfändung an sich sei gemäß § 712 Abs. 1 ib. schon durch die amtliche Besitzergreifung bewirkt; vgl. Münch. 22. Mai 83, II. Mai 87 (BE. II, 359; IV, 465); contra jedoch: RIV. 17. Okt. 87 (E. XVI, 273). Jedenfalls ist zu folge § 712 eine förmliche, auf erkennbare Weise ersichtlich gemachte Besitzergreifung nothwendig; inwiefern zu dem Behufe die Erklärung des Gerichtsvollziehers, daß gewisse vorhandene Sachen mit Beschlag belegt würden, ausreiche, darüber Dgl. RII. 21. April 82, Rill. 28. Sept. 81. 30. April, 12. Okt. 85, RIV. 22. Zurr. 86 (E. VI, 227; E. V, 35; R. VII, 264. 572; VIII, 479), Carlsr. 10. März 82. Minch. 23. März 82 (BA. 48 s. 105; BE. II, 124). — Das Eingangs Gesagte gilt richt minder von der Vernachlässigung der das Verfahren vor oder nach der Pfändunc rc. betreffenden Formvorschriften; vgl. Münch. 9. Dez. 80 (BE. I, 230); insbesondere diejenigen, welche nur die Sicherung der (bereits) gepfändeten Sachen betresien: Dresd. 21. Aug. 74 (StZ. V, 40). 22. Nur die Beiseiteschaffung rc. wirklich in Beschlag genommener Sahen fällt unter den §; vgl. n. 5. 21. Wer bei einer ihm drohenden Zwangsvollstrecking Vermögenstheile (noch ehe sie in Beschlag genommen sind) bei Seite schafft, um die Befriedigung des Gläubigers zu vereiteln, verwirkt die Strafe des § 288, Derjenige aber, welcher die Vornahme der Beschlagnahme durch den Beamten verh.ndert, kann nur aus § 113 strafbar sein: OT. 15. Jan. 59 c. Silber. 23. Die Dauer der Wirksamkeit einer erfolgten Beschlagnahme ist ebensills nach den maßgebenden Prozeßgesetzen zu beurtheilen; fehlt es an bezüglichen Vorschriften, so ist anzunehmen, daß die amtliche Maßnahme auch nur durch etteit amtlichen Akt außer Kraft trete: insbesondere wird durch eine nach der VollstreckuyzsBeschlagnahme bewirkte Zahlung oder durch die Zustimmung des Exekutionssuckprs das Pfandstück nicht ohne Weiteres frei; vgl. OT. 13. Febr. 61, 9. Mai 66, 19. März 74 (O. I, 260; VII, 284; XV, 163), Carlsr. 17. Nov. 81 (BA. 48 s. 9) und unten n. 27a. 37. Ebenso wird die zum Zwecke der Zwangsvollstreckung be wirkte Pfändung oder Beschlagnahme noch nicht durch den demnächstigen gerichtliyen Verkauf aufgehoben: sie dauert fort, bis die Sachen dem Ersteher übergeben woven sind; eine frühere Beiseiteschaffung fällt unter § 137: Rl. 10. Nov. 81 (R. III, 7)2: speziell für den Fall, wo erst im Augenblicke der Uebergabe das Eigenthum iuf
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den Ersteher übergeht), Rll. 9. März 83 (E. VIII, 113: wenn auch der Eigenthums übergang schon mit Verkündung des Zuschlagsbescheids erfolge). OT. 22. Zan. 73 (D. XIV, 73). Vgl. n. 3a. 21. — Hat dagegen ein Gerichtsvollzieher Sachen ge pfändet und einem Dritten anvertraut, so hört, wenn er dieselben demnächst, ohne nachträgliche Beobachtung der im § 712 Abs. 2 der CPO. vorgeschriebenen Maß regeln, in den Gewahrsam des Schuldners gelangen läßt, die Pfändung als eine rechtswirksame zu bestehen auf; so: RIV. 17. Okt. 87 (E. XVI, 273); vgl. n. 21. — Die Aufhebung einer präventivpolizeilichen Beschlagnahme ist so wenig, wie deren Anordnung, an die Beobachtung gewisser Formen gebunden und kann daher auch in der endgültigen Verfügung über den beschlagnahmten Gegenstand enthalten sein: RIV. 25. Mürz 87 (E XV, *388: betr. einen aus sanitätspolizeilichen Gründen be schlagnahmten und demnächst verscharrten Thierkadaver; die demnächstige Beseitigung des letzteren wurde nicht als unter § 137 fallend erachtet). 24. Ferner verliert der § 137 seine Anwendbarkeit mit dem Augenblicke, wo die Sache thatsächlich der angelegten Beschlagnahme vollständig entzogen wird, so nach aufhört, eine „gepfändete rc." Sache zu sein. Ist das geschehen, so kann an derselben Sache das Vergehen demnächst nur dann verübt werden, wenn sie neuerdings gepfändet, oder tmrd) eine neue Thatsache der früheren Beschlagnahme wieder unterworfen worden war. Demgemäß verstößt Derjenige, welcher seine eigene, bei einem Andern (aus Irrthum) mit Beschlag belegte Sache ohne Kennt niß von dieser Maßnahme wieder in seinen Gewahrsam bekommen hat, und sie nun verbringt, nicht gegen § 137, sollte ihm auch inzwischen von jener Beschlag nahme Nachricht geworden sein: OT. 22. Zuni 70 (O. XI, 371). — Eine von einem Dritten in gutem Glauben vorgenommene Translozirung der Sache hat obige Wirkung nicht, wenn die Sache gleichwohl nach wie vor in der Verwahrung des bestellten Hüters geblieben ist: Münch. 22. Mai 83 (BE. II, 359). 25. Abgesehen von dem unter n. 5 i. M. vorgesehenen Falle unterscheidet das Gesetz nicht in Betreff der Person des Thäters; die Strafe trifft Jeden, welcher sich der vorgesehenen Handlung schuldig macht. Das gilt zunächst von Demjenigen, bei welchem die Beschlagnahme erfolgt war (dem Gepfändeten), mochte die Sache aus seinem Gewahrsam in einen amtlichen oder in den eines bestellten Hüters ge langt, oder ihm zur Aufbewahrung belassen sein (n. 6), — und zwar selbst dann, wenn bei ihm (irrthünllich) eine fremde Sache mit Beschlag belegt war; er darf dieselbe in einem solchen Falle nicht dem (an sich zur Rückforderung berechtigten) Eigenthümer zurückgeben, muß vielmehr diesen zum gerichtlichen Weg verweisen: OT. 14. Juni 72 (O. XIII, 360). Auch ein Drittbesiher, in dessen Händen Sachen des Schuldners zum Zwecke der Exekutionsvollstreckung in Beschlag genommen sind, ist nicht ausgeschlossen: OT. 17. Juli 74 (O. XV, 512). 26. Nicht minder trifft die Strafe den Eigenthümer, welcher seine (mit Unrecht) bei einem Dritten in Beschlag genommene Sache wegnimmt, sollte auch an ihn ein Arrestatorium nicht ergangen sein; er muß sein Recht bei Gericht gel tend machen: Rll. 28. Okt. 79 (A. I, 27), OT. 22. Juni 77 (O. XVIII, 466), Münch. 9. Dez. 80 (BE. I, 230). 27. Dasselbe gilt von dem bestellten Hüter, wenn er die Sache verbringt. 27 a. Desgleichen von dem Gläubiger, welcher die Pfändung rc. erwirkte, sollte er auch im Einverständnisse mit dem Gepfändeten gehandelt haben (n. 23); so: Rill. 1. Mai 80 (dt. n. 1); vgl. jedoch Puch. s. 177. 27b. Desgleichen (unter Umständen) von dem pfandberechtigten Vermiether; vgl. n. 8 (a. E ). 27c. Desgleichen von dem Gerichtsvollzieher, welcher die von einem anderen Gerichtsvollzieher wirksam gepfändeten und in Besitz genommenen Sachen aus diesem Besitze entfernt und von Neuem für einen anderen Gläubiger pfändet: Rill. 12. April 83 (E. VIII, 256). 28. Endlich findet der § auch auf jeden Dritten Anwendung, welcher die betr. Handlung vornimmt, gleichviel, ob er dabei im Interesse des Gepfändeten thätig war oder nicht: (2) ÖT. 20. Dez. 71 (O. XII, 667. 669). 29. Die Strafbarkeit ist nicht durch eine vorherige Verwarnung bedingt: OT. 4. Apr. 72, Dresd. 3. Mai 75 (O. XIII, 228; SGZ. XX, 15). 30. Als ein „Entziehen auö der Verstrickung" ist jede Handlung anzusehen, durch welche die Beschlagnahme als solche ganz oder theilweise, dauernd oder
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vorübergehend unwirksant gemacht wird. Es gehört dazu ein positives Hände ln: bloßes Unterlassen, z. B. die bloße Fortsetzung des in gutem Glauben d. h. o>hne Kenntniß von der Pfändung erlangten Besitzes bezw. die unterlassene Rückgabe mach erlangter Kenntniß (Dresd. 4. Juni 77, SGZ. 22 s. 147; vgl. n. 24). oder die Niicht» befolgung der amtlichen Aufforderung, den Ort anzugeben, wo sich die in Beschilag genommene Sache zur Zeit befinde, reicht für sich allein nicht hin; wenn dagegen Derjenige, in dessen Gewahrsam die Sache war, sich weigert, den Verbleib Der selben anzugeben, nachdem er sie (befugter Weise) in eine andere Räumlichkeit ge bracht (z. B. das gepfändete Vieh znr Weide geschickt) hat, so kann in der Verlbindüng beider Handlungen ein Bei-Seite-Schaffen rc. gefunden werden: OT. 22. Jan. 64 (£). IV, 316). Dasselbe gilt, wenn Jemand, mit dem Transport der gepfändeten Sachen zum Versteigerungslokale beauftragt, einzelne derselben unter der Vorspiege lung, sie seien zerbrochen, zurückläßt: Carlsr. 15. Sept. 80 (BA. 46 f. 310); vgl. n. 31.34. Ebenso ist aus § 137 strafbar, wer, ohne Kenntniß von der Pfändmng zu besitzen, den Auftrag zur Verwendung der gepfändeten Sache gegeben hat, wenn er nach erlangter Kenntniß den Auftrag aufrecht erhält, nicht zurücknimmt, und in Folge dessen die Verwendung stattfindet; so: RH. 28. Okt. 79 (A. I, 27). 31. Im Uebrigen kommt auf die Natur der Handlung (n. 30) Nichts an; es bedarf nicht nothwendig eines Verbringens (Derheimlichens) der Sache, und ebensowenig einer Ortsveränderung; Beispiel: wenn die Sache mit dem Gebävde, in welchem sie sich befindet, einem Dritten gänzlich überlassen, oder wenn der die gepfändeten Sachen abholende Beamte durch Täuschung veranlaßt wird, statt einer in Beschlag genommenen besseren eine nicht gepfändete schlechtere Sache mitzu nehmen: RIV. 14. Jan. 87 (E. XV, 205: ev. liege hier Jdealkonkurrenz mit Betrug vor), OT. 14. Mai 58. 11. Jan. 72 (GA. VI, 715; O. XIII, 34); oder wenn eine Beschlagnahme durch Unkenntlichmachung derselben, z. B. durch Ablösen der betr. Zettel ihrer Wirksamkeit beraubt wird: RII. 30. Mai 84 (eit. n. 7a). Dasselbe gilt von einer Verfügung, welche die Sache dem Pfand- oder Retentionsrechte Dritter unterwirft: OT. io! Dez. 60 (O. I, 111). — Dagegen gehören andere Verfügungen (Verkauf rc.) nicht hierher, sofern die Sache nicht gleichzeitig der amtlichen Maß nahme (z. B. durch Uebergabe an den Käufer) entzogen wird: OT. 12. Mai 69, 3. Jul. 78, Dresd. 9. April 77, Münch. 20. Sept. 81 (Ö. X, 314; XIX, 353; SGZ. XXII, 42; BE. I, 460). 32. Auch ein nur vorübergehendes, zeitweiliges Entziehen aus der Derstrickung ist strafbar (». 30, Münch. 3. März 83, BE. II, 313); dazu genügt es, wenn die Sache in einem Augenblicke, wo die Beschlagnahme sich als wirksam erweisen soll, in eine Lage gebracht ist, daß jene Wirksamkeit nicht eintreten kann (sollte die Sache sich auch noch in der Wohnung des Gepfändeten befinden: OT. 20. Dez. 76, O. XVII, 833). Der Exequendus darf zwar die in seinem Gewahrsam belassene äudete Sache ferner (unbeschadet der Substanz) benutzen; dagegen steht in der weder ihm noch einem zum Hüter bestellten Dritten zu, sie vom Orte der Verwahrung zeitweise zu entfernen, es sei denn, daß dies bei der Beschlagnahme ausdrücklich gestattet, oder aus der Natur der Sache als selbstverständlich zu folgern wäre; z. B. wenn das gepfändete Vieh regelmäßig zur Weide auSgetrieben wird, oder wenn es sich um Geräthe (Thiere) handelt, mit welchen ein Fuhr- und Schiffereigeschäft betrieben wird. In solchen Fällen bleibt die herkömmliche Behandlunasunb Benutzungsart auch ferner mit der Maßgabe statthaft, daß der Zweck der Be schlagnahme dadurch nicht beeinträchtigt werden darf; Strafbarkeit würde sonach eintreten, wenn die (an sich beut Herkommen entsprechende) Ortsveränderung bewußter Weise zu einer Zeit ins Werk gesetzt wurde, wo der Verkauf rc. der Sache bewirkt werden sollte: OT. 17. Mai 71 (O. XII, 274). 33. Tritt für den Verwahrer der Sache die Nothwendigkeit einer Platz. Veränderung ein, z. B. beim Wechsel einer Miethwohnung rc., so hat er die Pflicht, hiervon der Behörde rc., von welcher die Beschlagnahme ausgegangen war, Anzeige zu machen, und wenn die Ortsveränderung die Sache auS dem unmittel baren Bereiche jener Behörde bringen würde (Verziehen an einen andern Ort rc.), deren Erlaubniß nachzusuchen. Unterläßt er dies, so tritt Strafbarkeit ein, wenn die Handlung thatsächlich die (zeitweilige) Unwirksamkeit des amtlichen Verfahrens zur Folge gehabt hat und der Handelnde sich dieser (möglichen) Folge bewußt war; Notorietät der Handlung kann die Anzeige ersetzen: OT. 28. Febr., 5. Juni
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73 (D. XIV. 181.410); vgl. OT. 14. Juni 79 (ib. XX, 296), Dresd. 22. Juli 72 (StZ. II, 87; SGZ. XVI, 341), KH. 19. Mai 42 (RA. 33. II, 34). 34. Auch ein theilweises „Zerstören" der Sache erfüllt den Thatbestand; ebenso kann in der Veränderung der Sache durch Beseitigung einzelner Theile eine „thei-lweise" Entziehung gefunden werden: OT. 3. Mar 77 (D. XVIII, 319: an scheinend gestohlene Stangen waren zugespitzt und so bereit Vergleichung mit den Stubben unmöglich gemacht worden); dem steht aber eine die Substanz nicht ver ändernde Werthverminderung nicht gleich; ebenso: Rlll. 12. Okt. 85 (R. VII, 572)- Carlsr. 15. Sept. 80 (dt n. 30) erblickte ein „theilweises" Entziehen darin, daß Jemand (durch falsche Angaben) es dahin brachte, daß eine gepfändete Sache bei der Versteigerung nicht vorlag.und deshalb unter dem Preise losgeschlagen wurde. 35. Eine in Beschlag genommene Forderung kann der Verstrickung nur in der Weise entzogen werden, daß das Forderungsrecht entweder aufgehoben („zer stört'"), oder aber so auf einen Dritten übertragen wird, daß es zu den Zwecken der Beschlagnahme nicht mehr geltend gemacht werden kann. Ein solcher Fall würde eintreten, wenn das individuelle (nicht blos in genere bestimmte) Objekt der Forderung in einer Weise zerstört oder bei Seite geschafft ist, daß der Verpflichtete seiner Verbindlichkeit dadurch enthoben wird; ebenso: RH. 8. Mai 85 (E. XII, 184); vgl. jedoch Münch. 14. Juni 83 (BE. II, 377). Dasselbe ist da anzunehmen, wo Jemand seine gültig wider ihn in Beschlag genommene Forderung durch Cession des in seinem Besitze verbliebenen Schulddokuments nach der maßgebenden Gesetz gebung wirksam auf einen gutgläubigen Dritten überträgt und es so herbeiführt, daß die Zahlungen des Schuldners an diesen und nicht an den Exekutionssucher zu bewirken sind; vgl. Pr. ALR. I. 10 §§ 23—25; I, 11 §§ 395—397, Pr. Hyp.-O. v. 20. Dez. 1783 § 234, Pr. Ges. v. 5. Mai 1872 $§ 38. 49; dt. RII. 8. Mai 85, — oben n. 14, OL. 8. Nov. 71 (O. XII, 572); contra: Antr. d. GStA.'s (O. XII, 367), ferner da, wo Jemand die Forderung von dem (gutgläubigen) Bürgen des Drittschuldners einzieht, vorausgesetzt, daß dadurch die Schuld des letzteren nach dem maßgebenden Civilrecht getilgt wird: Carlsr. 3. Dez. 86 (BA. 52 s. 104). Von solchen Fällen abgesehen, ist ein Entziehen der Forderung aus der Verstrickung undenkbar, wenn dem Drittarrestaten durch das ihni behändigte Arrestatorium die Auszahlung an den Exequendus wirksam untersagt worden ist. Da eine dessenungeachtet bewirkte Zahlung den Drittarrestaten dem Exekutionssucher gegenüber nicht entlasten würde, somit die Forderung für den letzteren fortbestehen bliebe, so kann dieselbe weder für den sie leistenden Drittarrestaten noch für den sie annehmenden Exequendus eine Strafbarkeit begründen, sollte auch jener aus der bereits einmal geleisteteten Zah lung (unbegründete) Einwände gegen die nochmalige Zahlung herleiten oder that sächlich zu einer solchen nicht mehr im Stande sein (beides läßt das Bestehen der „Forderung" unberührt); vgl. cit. Rll. 8. Mai 85, OT. 2. Febr., 3. Juli 71 (O. XII, 68.360); contra: John, HH. III, 192. Dasselbe muß von einer durch den Exequen dus vorgenommenen Cession gelten, insofern nicht durch dieselbe für den Drittarre staten die Verpflichtung begründet wird, trotz der Beschlagnahme an den Cessionar zu zahlen (siehe oben): dt.' Antr. d. GStA.'s; contra: RII 8. Nov. 81 (R. III, 691), OT. 27. Okt., 8. Nov. 71 (O. XII, 542. 572); vgl. n. 13. — Wäre dagegen die Ar restanlage unvollständig erfolgt, z. B. nur das Inhibitorium an den Exequendus und nicht auch das Arrestatorium an den Drittschuldner ergangen, so daß sie also für den letzteren nicht wirksam werden könnte, so läge gar keine gültige Arrestan lage vor und würde aus diesem Grunde der trotz des Inhibitoriums Zahlung annehmende Exequendus nicht strafbar sein; vgl. n. 4. 36. Das Vergehen wird durch das „Entziehen aus der Verstrickung" d. h. dadurch vollendet, daß die durch die Pfändung rc. begründete Verfügungsgewalt der Behörde über die Sache dauernd oder zeitweise aufgehoben wird: RII. 18. Jan. 81 (E. III, 255: Fall, wo der Eigenthümer eines beschlagnahmten Hauses Bretter desselben losgebrochen und einem unterrichteten Dritten gemäß vorheriger lieberem» kunft an Zahlungsstatt überliefert hatte; hier sei die That erst durch die Uebergabe an letzteren vollendet worden, dieser mithin als Gehülfe strafbar, sollte die Uebergabe auch jenseits der Grenze des betr. Grundstücks, immerhin aber in dessen unmittel barer Nähe erfolgt sein). —Die Benachtheiligung eines Andern ist kein wesentliches Erforderniß des Thatbestandes: Rll. 16. März 83 (E. VIII, 117), OT. 22. Jan., 6. Jnni 73 (O. XIV, 73. 413), Dresd. 2. Sept. 72 (SGZ. XVI, 366). Daher ist es
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— § 138.
§ 138. Wer als Zeuge, Geschworener oder Schöffe be^ gleichgültig, ob die Sache später zur Beschlagnahme wieder zurückgebracht, oder ob der betr. Gläubiger nachträglich befriedigt wird. Vgl. n. 23. Doch kann bier so vollendete Arrestbruch nicht durch ein weiteres Fortbringen an einen dritten' Ort noch einmal begangen werden, sofern nicht inzwischen eine neue Beschlagnahme sstattgefunden hat: OT. 19. Sept. 78 (O. XIX, 423); vgl. n. 24. 37. Als Dolus wird — abgesehen von der Vorsätzlichkeit der Handlung ffelbst die Kenntniß vorausgesetzt, daß die Sache von der (zuständigen) Behörde in Be schlag genommen sei, verbunden mit beut Bewußtsein, daß durch die Handlung; die Verstrickung (wenn auch nur zeitweise) unwirksam gemacht werde: Rill. 1. Man 80 (R. I, 705), OT. 4. April 72, 28. Febr. 73, 16. Juni 74 (O. XIII, 228; XIV, 181; XV, 406). Namentlich muß sich das Bewußtsein des Handelnden auch auf die: Zu ständigkeit der betr. Behörde (des betr. Beamten) sowie überhaupt daraus erstrecken, daß die Beschlagnahme an sich gesetzlich zulässig gewesen sei: RII. 13. Jumi 84 (E. X, 425: jedoch vorbehaltlich der Strafbarkeit im Falle eines bloßen Zweifels an jener Zulässigkeit bzw. Zuständigkeit: dolus eventualis); contra: OT. 26. Zuni 73 (OT. XIV, 465). — Wie jene Kenntniß erlangt worden, ist gleichgültig: OT. 26. Apr. 72, 22. Jan. 79 (O. XIII, 282; XX, 45: demnach genüge schon priivate Kenntniß). Liegt sie vor, so ist die irrige Meinung: die vorliegende Beschlagnahme gehöre nicht zu den durch den § geschützten, oder sie sei als materiell ungegrmndet (n. 19) nicht zu beachten, oder dieselbe hindere den Eigenthümer der mit Unrecht bei einem Dritten gepfändeten Sache nicht, diese wegzunehmen, oder man sei aus arideren Gründen trotz des Bestehens der Pfändung rc. zur Handlung gesetzlich be rechtigt, — eine die Bedeutung des Strafgesetzes betreffende, somit nicht geeignet, die Strafbarkeit auszuschließen: Rl. 11. März 80, Rill. 1. Mai 80 (E. I, 272; R. I, 705), OT. 24. Nov., 18. Juli 70, 6. April 76, 4. Juli 77 (O. XI, 565. 427; XVII, 268; XVIII, 499); contra (in Betreff eines Falles der letzterwähnten Art): OT. 5. Febr. 79 (O. XX, 71). Dagegen schließt der Mangel jener Kenntniß den Dolus selbst dann aus, wenn er auf einem Rechtsirrthüm (civilrechtlicher Art) beruhte, z. B. auf der Meinung, durch die Beschlagnahme eines Grundstücks würden die Pertinenzien nicht mit verstrickt: RII. 16. April 80, 25. Jan. 81 (E. I, 368; R. II, 755) oder die Pfändung rc. habe in Folge einer Einigung mit dem Gläubiger zu bestehen aufgehört (n. 23); vgl. cit. Rill. 1. Mai 80 und GA. VIII, 706. 38. Eine über das erwähnte (n. 37) Bewußtsein hinausgehende Absicht wird nicht erfordert; auf den Grund oder Zweck der Handlung kommt Nichts an: Dresd.^ 2. Sept. 72 (SGZ. XVI, 366). Insbesondere bedarf es nicht der Absicht, die Sache der Beschlagnahme zu entziehen: OT. 1. Oft. 68, 7. März, 28. April 76 (O. IX, 530; XVII, 174. 290); noch einer eigennützigen (gewinnsüchtigen) Absicht, noch der Absicht (bzw. des Bewußtseins), einen Andern (z. B. den Exekutionssucher) zu benachtheiligen: Rill. 1. Mai 80, RII. 16. März 83 (R. I. 705; E. VIII, 117), Dresd. 22. Juli 72 (StZ. II, 87), OT. 4. April 72. 26. März 79 (O. XIII, 228; XX. 160), Münch. 3. Juni 87 (BE. IV, 421). Ja selbst die Verwendung des Pfandobjekts zum Zwecke der Erhaltung eines anderen (z. B. das Verfüttern gepfändeter Kartoffeln an eine gleichfalls gepfändete Ziege) füllt unter den §: Dresd. 12. März 77 (SGZ. 22 s. 34). — Durch eine über jenen Dolus hinausgehende Absicht kann die That in IdealKonkurrenz den Charakter einer andem Mißthat, z. B. des Diebstahls, annehmen; vgl. n. 28. 31. Doch liegt ein solcher Fall nicht nothwendig bzw. stets vor, wenn ein Dieb die beschlagnahmten Diebstahlsobjekte wiedenlm wegnimmt: Ri. ll.Okt. 80 (E. II, 318). 39. Im Falle einer Geseheökonkurrenz (z. B. bei Materien im Sinne des § 2 Abs. 2 des EG.) wird § 137 durch die speziellere Vorschrift selbst dann ausgeschlossen, wenn diese eine geringere Strafe androht; vgl. tz 73 n. 6, Münch. 9. Febr. 83 (BE. II, 397 : speziell bez. des Bahr. Forstges.'s Art. 59 Nr. 8). 40. Die Strafverfolgung ist nicht (wie im Falle des § 288) durch einen An trag des Verletzten bedingt: OT. 27. Okt. 71 (O. XII, 542.) — Bedingte Zustän digkeit der Schöffengerichte: GVG. §75 Nr. 2.
§ 138. 1. Unter den „Zeugen" sind hier die in Civilprozeßsachen „berufenen Zeu gen" mit verstanden; vgl. n. 6. Dasselbe gilt von den Zeugen, welche in einem
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rufen, eine unwahre Thatsache als Entschuldigung vorschützt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Monaten bestraft. Dasselbe gilt von einem Sachverständigen, welcher zunl Erscheinen gesetzlich verpflichtet ist. Die auf das Nichterscheinen gesetzten Ordnungsstrafen wer den durch vorstehende Strafbestimmung nicht ausgeschlossen. [I. @nho.: § 121; II. Entw.: § 136; Pr. StGB.: § 109.] Dgl. § 279; CPO. §§ 345. 355. 372—374; StPO. §§ 50. 69. 75—77; GVG. § 27. Preußen: Vgl. Bdn. v. 3. Zan. 1849 § 20; Krim.-O. §§ 310. 311. 315. 337. 352; Rh. StPO. Artt. 81. 82; NStPO: §§ 157. 158. sonstiigen reichs- oder landesgesetzlich geregelten Verfahren, z. B. in einem ehren gerichtlichen, Disciplinar-, Verwaltungsgerichtsverfahren berufen werden: Olsh. n. 3. 2. Jemand ist „als Geschworener berufen", sobald er als solcher ausgeloost und hiervon amtlich in Kenntniß gesetzt ist; vgl. Jena 76 (Voll. 24 s. 275). Vgl. GVG. § 93. Eine wahrheitswidrige Einsprache gegen die Aufnahme in die Vorschlagsliste — ib. § 89 — fällt nicht unter den §; contra: Schw. n. 3. Z. Es wird ein wissentliches Handeln vorausgesetzt („vorschützt"); ein Ver sehen, selbst ein verschuldetes, genügt nicht. Daß ersteres den gewollten Erfolg ge habt habe, ist kein Erfordernis, die Erfolglosigkeit vielmehr nur bei der Strafzu messung zu berücksichtigen: Mot. s. 91, RI. 14. Dez. 82 (A. VII, 111). 4. Ueber den Begriff „unwahre Thatsache" vgl. § 263 n. 39ff. — Es be gründet keinen Unterschied, ob durch die unwahre Angabe das Nichterscheinen (eine Verspätung: Rubo s. 628) oder ein Gesuch um Entbindung oder endlich die Wei gerung der Vernehmlassung entschuldigt werden soll. Aus dem Ausdrucke „Ent schuldigung!" ist nicht zu folgern, daß der § die Fälle der Weigerung wegen an geblich mangelnder Verpflichtung (Qualifikation) unberührt lasse: Jena 76 (cit. l). 2); contra: Olsh. n. 1 („Entschuldigung" enthalte ein Anerkenntniß der Verpflich tung, bilde daher einen Gegensatz zur Weigerung), HStR. II, 853. 5. Eine nachträglich (zur Abwendung bezw. Beseitigung der Ordnungs strafe rc.) vorgebrachte Entschuldigung fällt nach dem Zwecke des Gesetzes und nach der Fassung der Motive s. 91 nicht unter den §; contra: Olsh. n. 4, John, HH. III, 197 (letzterer bezieht den § sogar nur auf solche Entschuldigungen). — Auf die Form der Entschuldigung kommt nichts an. Ebensowenig berührt es den That bestand, wenn die betr. Eingabe nicht an das Gericht, sondern an die Staatsan waltschaft gerichtet ist; vgl. Rl. 14. Dez. 82 (A. VII, 111). 6. Die Anwendung des § wird durch das wirkliche Bestehen eines (nicht geltend gemachten) Ablehnungsgrundes rc. nicht ausgeschlossen, vgl. n. 7, noch auch durch die erklärte Bereitwilligkeit, zu anderer Zeit und vor einem anderen Gerichte das erforderte Zeugniß abzulegen: Rl. 14. Dez. 82 (A. VII, 111). 7. Von den „Sachverständigen" (Abs. 2) gilt dasselbe, was unter n. 1 von den Zeugen gesagt wurde; vgl. Mot. z. CPO. s. 497. In Betreff der Ver pflichtung, den gerichtlichen Aufforderungen zur Abgabe eines Gutachtens nachzu kommen, sind die Prozeßgesetze entscheidend; vgl. Oppenh. Pr. Strafverf. § 20 n. 26. Stach französisch-rechtlichem Verfahren (C. de Proc. art. 316, C. d’instr. art. 43. 44) liegt jene Pflicht wenigstens denjenigen Sachverständigen ob, welche die betr. Kunst rc. zu Erwerbszwecken ausüben. Gegenwärtig bilden § 372 der CPO. und § 75 der StPO, die Norm. Das Bestehen eines gesetzlichen Weigerungsgrundes — CPO. § 373, StPO. § 76 — schließt die „Verpflichtung zum Erscheinen" nicht aus (n. 6); vgl. jedoch Löwe s. 286. 8. Die im Abs. 3 aufrecht erhaltenen Vorschriften haben einen vorwiegend disciplinarischen Charakter; vgl. jetzt: StPO. §§ 50. 77, CPO. §§ 345. 374, GVG. §§ 56. 96. Ev. tritt Straskumulation ein (die §§ 73ff. finden hier keine Anwendung): Olsh. n. 7; contra (anscheinend): Mot. s. 91. 9. Durch den § werden die in den Prozeßgesetzen gestatteten Zwangsmaß nahmen, um einen Zeugen rc. zum Erscheinen und zur Vernehmlassung anzu halten. nicht berührt. Vgl. CPO. §§ 345. 355. 374, StPO. §§ 50. 69. 77. 10. Zuständigkeit der Schöffengerichte: GVG. § 27.
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Thl. II. Abschn. VH. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — §? 139.
§ 139. Wer von dem Vorhaben eines Hochverrmths, Landesverraths, Münzverbrechens, Mordes, Raubes, Menschen raubes oder eines gemeingefährlichen Verbrechens zu einer Zeit, in welcher die Verhütung des Verbrechens möglich ist, glaub hafte Kenntniß erhält und es unterläßt, hiervon der Behörde § 139.
1. Die Anzeigepflicht ist auf die im § aufgezählten Verbrechen, denen das RGes. v. 9. Juni 1884 § 13 noch die in §§ 5—7 ib. bezeichneten zugesellt, beschränkt, also auf andere Mißthaten, z. B. räuberische Erpressung (§ 255 stellt sie nur im Be treff der Bestrafung dem Raube gleich), Münzvergehen, gemeingefährliche ÄZer gehen und Fahnenflucht nicht auszudehnen (in Betreff des h 112 des Pr. StGB.'s vgl. EG. § 2 n. 22). Die §§ 77. 104. 105 des Mil.-StGB.'s finden nur auf „Personen des Soldatenstandes" Anwendung: Th. 2 Tit. 1 1. c. (Überschrift). — Weitergehende eine Anzeige bei Strafe gebietende Landesvorschriften sind iburd) den § außer Kraft gesetzt; vgl. EG. § 2 n. 42. Doch nimmt Wolff, GA. 27 f- 315 an, daß solche Vorschriften, zumal für die Beamten, in der Folge erlaffen werden könnten. 2. Die Anzeigepflicht erstreckt sich auch auf die im Auslande zu begehenden Mißthaten, falls sie nach dem StGB. (§ 4) zu bestrafen sein würden. 3. Glaubhaft ist, was nach den Umstanden bei Verständigen Glauben finden konnte; es kommt nicht darauf an, ob der Angeklagte es selbst geglaubt, sondern nur, ob er es für glaubhaft gehalten hat; ähnlich: ML. s. 690, Schütze s. 287; con tra: John, HH. III, 199, Wolff s. 302, Schw. s. 386. Doch muß das Vorhaben wirklich vorhanden sein: Schütze I. c. 4. Nur von dem „Vorhaben" eines der gedachten Verbrechen muß Anzeige gemacht werden, und auch nur so lange, als dadurch die Verübung verhütet werden kann. Die Pstiä)t, eine vollendete Mißthat allzuzeigen, kann nur durch eine amt liche Stellung begründet werden; vgl. § 346. Dies erleidet eine (scheinbare) Aus nahme bei den „gemeingefährlichen Verbrechen", insofern diese während des Be stehens der Gefahr fordauern, indem hier die allgemeine Anzeigepflicht ebendeshalb erst dann erlischt, wenn die Gefahr wegfällt oder sich verwirklicht: RI. 7. Juni 86 (E. XIV, 214). Val. HStR. II, 857. Auch sonst wird die Anzeigepflicht dadurch^ daß zur Zeit der Kenntnißnahme die Ausführung des Vorhabens bereits begonnen hatte, nicht ausgeschlossen, wenn damals die Vollendung noch verhütet werden konnte: Schw. s. 386; contra: Schütze s. 287, John s. 198. 5. Die in den §§ 83. 86 vorgesehenen Verabredungen und Vorbereitungen zum Hochverrathe stellen für sich allein schon einen vollendeten Hochverrath dar; con tra: Olsh. n. 1 (: rechnet dahin nur die Verbrechen aus §§ 81. 82); die Nichtanzeige eines derartigen „Vorhabens" würde also von jenem Gesichtspunkte aus nicht straf bar sein (n. 4). Insoweit aber jene Verabredungen (Vorbereitungeil) darauf gerichtet sind, demnächst einen schwerer (aus §§ 80—82) zu bestrafenden Hochverrath zu be gehen, handelt es sich allerdings auch jetzt noch um ein erst noch zu verübendes Verbrechen; die Nichtanzeige eines solchen Vorhabens fällt sonach unter § 139: Schütze s. 288; contra: OT. 28. Nov. 55 (GA. VI, 63). 6. Die Anzeige muß „der Behörde" gemacht werden, welche den Beruf hat, Verbrechen rc. zu verhindern, also der zunächst berufenen Polizeibehörde; in wiefern eine Anzeige bei einer andern Behörde genüge, hängt davon ab, ob dadurch das Nöthige geschehen sei, um der Verübung des Verbrechens rechtzeitig zuvorzu kommen. Doch glaubt Wolff s. 311, daß Unkenntniß des richtigen Wegs dem An zeigepflichtigen nie schade; ebenso: HStR. 11,858. 7. Insoweit nur eine individuelle Person durch das beabsichtigte Verbrechen bedroht wird, genügt auch eine dieser gemachte Anzeige; ist dieselbe handlungs unfähig, so muß die Anzeige an ihren gesetzlichen Vertreter gerichtet werden; contra: Wolff s. 312. Sind mehrere Personen bedroht, so muß die Anzeige an jede erfolgen, damit jede gewarnt sei. Ist das nicht ausführbar, so kann nur eine an die Behörde gerichtete Anzeige vor der Strafe des § 139 schützen. Das Letztere gilt stets von dem Vorhaben solcher Verbrechen, welche» wie diejenigen im Sinne
Thll.Il. Abschn.VII. Verbr. u. Vergehen w. d. öffentl. Ordnung. — §§ 139.140.
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oder der durch das Verbrechen bedrohten Person zur rechten Zeit Anzeige zu machen, ist, wenn das Verbrechen oder ein strafbarer Versuch desselben begangen worden ist, mit Gefäng niß zu bestrafen. [I. er auferlegten Eides" (§ 153) eine Versicherung auf einen früher in der angegebemen Weise ausgeschwornen assertorischen Eid abgiebt, nicht also z. B. ein Vormund als solcher und mit Rücksicht auf den von ihm bei Uebernahme der Vormundschaft geleisteten allgemeinen Versprechungseid: OA. 3. Mai 73 (O. XIV, 335). Aus gleichem Grunde ist „Zeuge" hier nur derjenige, welcher in einem schwebenden Verfahren zur Bekundung von Thatsachen berufen bzw. vernommen wird; so: OT. 13. Juli 72 (O. XIII, 427). 6. Es begründet nicht allein bei den Zeugen, sondern auch bei den für Gut achten der betreffenden Art „ein- für allemal vereideten" Sachverständigen keinen Unterschied, ob die Versicherung rc. der Vernehmung vorhergegangen oder nach gefolgt ist; nur muß in letzterem Falle, wenn der Zeuge rc. von Neuem vorgerufen und befragt wird, die Versicherung wiederholt werden; dies gilt selbst, wenn der ursprünglich vom Zeugen geleistete Eid ein promissorischer war: Rll. 6. April 80, RHI. 25. Febr. 80, 8. Jan. 81 (E. I, 349; R. I, 398; 11,704); vgl. Löwe s. 270. 6a. Der „Berufnng auf den Eid" steht die bloße Hinweisung auf den selben (seitens der Behörde) nicht gleich: Rll. 10. Dez., 18. Sept. 80, 16. April 83 (E. III, 100; R. II, 216; V, 250), OA. 3. Mai 72 (cit. n. 5). Doch ist für jene Berufung keine sakramentelle Form vorgeschrieben, es genügt vielmehr jede Ver sicherung der Wahrheit unter Bezug auf den geleisteten Eid: Rill. 8. Jan. 81 (R. II, 704), und ist eine solche in den Worten: „Ich berufe mich auf den rc. Eid" ohne weiteren Zusatz unzweifelhaft enthalten: Rill. 14. Jan. 84 (R. VI, 34).
Zu Nr. 3. 7. Die Nr. 3 enthält, gleich den Nr. 1. 2, keine selbständige Strasvorschrist, sondern ist aus den §§ 153. 154 zu ergänzen, bezw. zu erläutern; vgl. n. 1. 5. Sie hat daher regelmäßig ein richterliches oder administratives Verfahren, welches durch eidliche Erklärungen'der Betheiligten (Parteien) oder der Zeugen die Wahrheit als Grundlage einer 'künftigen Entscheidung zu ermitteln bezweckt, zur Voraussetzung, und trifft z. B. dann nicht zu, wenn durch eine falsche diensteidliche Versicherung nur eine bem dienstlichen Verkehre mit dem Vorgesetzten entsprungene Erklärung über die Erfüllung einer amtlichen Obliegenheit bestärkt wird, z. B. wenn ein Exe kutor, ohne als Zeuge in einem schwebenden Verfahren berufen zu sein, die Richtig keit eines falschen Exekutionsberichts (vgl. § 348 n. 7) auf seinen Diensteid versichert; so: OT. 30. Mai 77, 13. Juli 72, 27. März 73 (O. XVIII, 229; XIII, 427: XIV, 229); contra: OT. 10. Sept. 57 (JMbl. s. 380: eutschied, daß ein Beamter, welcher eine wahrheitswidrige Anzeige in Betreff einer angeblich begangenen Mißthat mache, und die Wahrheit auf seinen Diensteid versichere, dadurch ein „falsches Zeugniß" ab lege, sollte er auch einen Thäter nicht namhaft gemacht haben); vgl außerdem § 153 n. 2. 5, § 154 n. 3ff. — Aus gleichem Grunde bleibt die Nr. 3 außer Anwendung, wenn eine falsche diensteidliche Zeugenbekundung vor einer Behörde abgegeben wird, welche zwar zur Führung von (administrativen) Untersuchungen und zur Entgegen nahme diensteidlicher Erklärungen, nicht aber zur Abnahme von Eiden zuständig ist; so: OT. 14. April 75 (O. XVI, 282). 8. Der Begriff des „Beamten" ist hier nicht in dem engeren Sinne des § 359 (vgl. dort n. 1) aufzufassen, umfaßt vielmehr Jeden, welchem ein „öffent liches Amt" (vgl. § 31 n. 6) übertragen ist, und welcher mit Rücksicht auf diese ihm übertragene Berufsthätigkeit einen Derpflichtungseid („Diensteid") geleistet hat; es gehören daher auch Advokaten und Anwälte hierher: v. Kirchm. s. 104; contra: Puch. n. 4; — nicht aber Vormünder, Kuratoren, Konkursverwalter. ^Bedienstete
Thl. II. Abschn. IX. Meineid. - § 156.
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§ 156* Wer vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eidesstatt zuständigen Behörde eine solche Versicherung wissent lich falsch abgiebt oder unter Berufung auf eine solche Versiche rung wissentlich falsch aussagt, wird mit Gefängniß von Einem Monat bis zu drei Jahren bestraft. [I. Entw : § 138; II. Entw.: § 154; Pr. StGB.: § 129.] Vgl. §§ 157—161. 163. Preußen: Vgl. AM. I, 9 § 486; II, 18 §§ 220. 403; AGO. III, 7 § 86. von Privatgesellschaften rc. — Daß sich Jemand fälschlich für einen Beamten ausgegeben hat, kann die Anwendung der Nr. 3 nicht begründen; vgl. n. 2 und v. Zagemann 1. c. 9. Daß der geleistete Diensteid sich auf solche Versicherungen mit erstreckt habe, kann nicht gefordert werden; contra: Schw. n. 4, Schütze s. 310. 10. Auf die Form der „Versicherung" (mündlich, schriftlich rc.) kommt Nichts an, ebensowenig ist der Gebrauch des Worts „Versicherung" sakramentell; andere gleichbedeutende Worte haben dieselbe Wirkung. Doch genügt auch hier nicht die bloße Hinweisung auf den Eid (seitens der Behörde); vgl. n. 6a und das dort cit. Rill. 18. Sept. 80, noch die Versicherung auf Dienstpflicht: Olsh. n. 6. 11. Die Versicherung muß eine „amtliche" sein, d. h. sie muß einen Gegen stand der Amtsthätigkeit betreffen. Dagegen ist es gleichgültig, ob die „Versiche rung auf den Diensteid" den nmßgebenden Prozeßgesetzen entsprach und ob es nicht vielmehr im Einzelfalle einer förmlichen Eidesleistung bedurft hätte; hielt die be faßte Behörde eine solche Versicherung für ausreichend, um darauf hin die Bekun dung als ihrem Zwecke entsprechend anzusehen, so hatte diese die Wirkung der vor geschriebenen Eidesleistung, nnd muß derselben auch für die Bestrafung gleichgeachtet werden; so: OT. 21. April 53 (GA. I, 394), Antr. d. Pr. GStA.'s (O. 1. 81), Meyer s. 122, Rüd. n. 4; contra: OT. (Pl.) 13. Nov. 54 (Entsch. dess. 30 s. 340); vgl. OT. 19. Dez. 60 (O. I, 188), § 146 n. 3 und oben n: 1. 3. — Eine Umschreibung bzw. Auflösung des Begriffs „amtliche Versicherung" in der schwurgerichtlichen Frage ist unstatthaft; vgl. StPO. § 293. 12. Zu den „amtlichen Versicherungen" im Sinne des § dürfte auch die von einem Beamten nach Maßgabe der CPO. § 351 Abs. 2 abgegebene gehören, ob schon sie nicht gerade die Stelle einer eidlichen Versicherung vertritt. — Die StPO, läßt eine Versicherung auf den Diensteid an Stelle des Zeugeneides nicht zu, in dem eine in diesem Sinne lautende Bestimmung des Entwurfs gestrichen, gleich zeitig aber anerkannt wurde, daß in Forstrügesachen die Landesgesehgebung ge mäß § 3 des EG. z. StPO, nach jener Richtung hin freie Hand behalte (Komm.Protokoll f. 59 ff., 857 ff.). Hierauf beruht §25 Abs. 1 des Pr. Forstdiebst.-Ges.'s. Wie bei der Abgabe von Zeugnissen, so findet, gemäß § 72 der StPO., auch bei der Abgabe von Gutachten keine Berufung aus den Diensteid mehr statt; letzteres erleidet jedoch gemäß §79 ib. dann eine Ausnahme, wenn der Diensteid die Er stattung von Gutachten der betreffenden Art im Allgemeinen umfaßt, was z. B. bei dem Diensteide der Pr. Kreiswundärzte zutrifft, so oft es sich um eine in Strafsachen entstandene chirurgische Frage handelt: RH. 15. Zum 83 (E. VIII, 357). § 156.
1. Dieser § setzt eine „zur Abnahme einer Versicherung an Eidesstatt" (im Allgemeinen) zuständige Behörde voraus; vgl. § 154 n. 2ff., HStR. II, 918; contra: Rli 25. Juni 80, 11. Dez. 85 (E. II, 123; XIII, 161: fordern sachliche Zuständig keit für den konkreten Fall). Eine Zusammenstellung der Fälle, in welchen die Pr. Gesetzgebung eine solche Versicherung zuläßt, enthält GA. VIII, 764. Zuständige Behörden im Sinne des § sind die Civilgerichte: RII. 1. 5. Dez. 82, RIV. 13. Febr. 85 (E. VII, 287; R. VII, 106: mindestens insoweit es sich um Glaubhaftmachung thatsächlicher Behauptungen im Sinne des § 266 der CPO. handle), speziell die Pr. Amtsgerichte (zumal als Vormundschaftöbehörden): RI. 13. Nov. 82 (E. VII, 275), die Standesämter: vgl. Personenst.'s Ges. § 45, die Pr. Kommissionen für die
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Thl. II. Abschn. IX. Meineid. — § 156.
Einschätzung zur Einkommensteuer (Ges. v. 1. Mai 1851 bzw. 25. Mai 18,73 §§ 14c. 26), wenn sie von einem Reklamanten eine eidesstattliche Erklärung ülber sein Einkommen entgegennehmen: RI. 17. April 82, Rill. 24. Mai 86 (E. VI, 19)6; XIV,-170), OT. 9. März 54 (GA. II, 689); desgleichen ein Pr. Erbschaftssteuerannt (Ges. v. 30. Mai 1873): RI. 13. Nov. 79 (E. I, 99); nicht aber ein mit Korporatiomsrechten und genehmigten Statuten versehener, der Staatsaufsicht unterstellter Privattverein, bzw. dessen Organe (diese sind überhaupt keine Behörde, d. h. kein unmitkelbares oder mittelbares Organ der Staatsgewalt): Rill. 20. Apr. 81 (R. III, 2318). — Die StPO, kennt eidesstattliche Versicherungen, sog. Handgelübde, nicht, sellbst nicht im § 55. 2. Von andern Bedingungen als der „Zuständigkeit der Behörde" ist tote Strafbarkeit nicht abhängig gemacht; die Vorschrift ist somit nicht auf die in foen §§ 153. 154 vorgesehenen Fälle zu beschränken: Puch. n. 1. Insbesondere ist es nicht erforderlich/ daß die rc. Versicherung (durch eine den konkreten Fall betreffende amtliche Verfügung rc.) „auferlegt" oder gefordert worden sei: KBII. s. 75, Rill. 24. Mai 86 (cit. n. 1). Ebenso ist es gleichgültig, ob im konkreten Falle ein berechtigter Anlaß zur Ab- bzw. Entgegennahme derselben vorlag. Ebendeshalb ist die Anwendbarkeit des § nicht ausgeschlossen, wenn die (zuständigen) Behörd-en nicht überall korrekt verfahren, wenn z. B. die unter n. 1 erwähnte Kommission Unterlasten hat, den Inhalt der abzugebenden Erklärung nach Vorschrift des dort cit. § 14c. wörtlich zu bezeichnen. Vgl. Rl. 17. April 82, Rill. 24. Mai 86 (citt. n. 1). 3. Nur dann scheidet der § aus, wenn die eidesstattliche Besicherung sich auf einen Gegenstand erstreckte, über welchen die Abgabe einer solchen nach dem Gesetze überhaupt unzulässig war: Nil. 11. Dez. 85, Rill. 24. Mai 86 (E. XIII, 161; XIV, 170), OT. 24. Sept. 60, 18. Juli 70 (O. I, 81; XL 425), § 153 n. 4; contra: RI. 13. Nov. 82 (E. VII, 275: Mot.). Zur Annahme einer solchen Unstatthaftigkeit genügt es aber nicht, wenn das maßgebende Prozeßgesetz für den Einzelfall eine förmlicheEidesabnahme vorschreibt (ohne eine eidesstattliche Versicherung aus zuschließen); so: Antr. d. Pr. GStA.'s (O. I, 82), JMVf. v. 25. Juni 1857; con tra: RII. 25. Juni 80 (cit n. 1), OT. 24. Sept. 60, OT. 3. Apr. 68 (O. I, 82; IX, 256), Schw. n. 4, Rüd. n. 2, Dochow, HH. IIL 239. Jedenfalls trifft das Eingangs Gesagte nicht zu, wenn die Eidesabnahme nur für den nicht vorliegenden Fall des Erforderns der Berechtigten vorgeschrieben, im Uebrigen aber dem richterlichen Ennessen freie Hand gelassen ist: RII. 2. Dez. 87, OT. 24. Sept. 60 (E. XVI, 372; O. I, 82: betr. die Bestätigung eines Vermögens- bzw. Nachlaß-Inventars), wenn bei einem Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Abnahme der eidesstattlichen Vesickerung auf einem konstanten, mit dem Gesetze nicht in direktem Widerspruch stehenden Gerichtsgebrauche beruht; so: Rill. 25. Febr. 84 (R. VI, 151). Vgl. § 155
n. 3. 11. 4. Vorausgesetzt wird im ersten Falle des § eine (assertorische) „Versiche rung", bei deren Abgabe bereits die Wistenschaft von der objektiven Unwahrheit des Versicherten obwaltet; der Bruch einer promistorischen Angelobung gehört nicht hierher, insofern es sich nicht um eine „Aussage", d. h. um den zweiten Fall des § handelt; vgl. Puch. n. 1. — Im Uebrigen vgl. § 153 n. 18; die dort cit. Erk. v. 9. Okt. und 24. Nov. 75 betrafen Fälle des §*156. 5. Gleichgültig ist es, ob die Versicherung mündlich (persönlich oder durch einen Spezial-Bevollmächtigten) abgegeben oder schriftlich eingereicht wurde (wie z. B. diejenige von Zeugen: RII. 1. 5. Dez. 82, E. VII, 287). Um dies klar zu machen, war in § 129 des Pr. StGB.'s die Fassung des Entwurfs: „vor einer rc. Behörde" durch Streichung des Wörtchens „vor" geändert worden; ebenso fehlte das „vor" in den Entwürfen zum B.-StGB.; es wurde erst in Folge eines RT.'s Beschlusses in die jetzige Fassung wieder aufgenommen, und zwar offenbar blos aus stylistischen Gründen, ist hier daher gleichbedeutend mit „gegenüber": OT. 19.Apr. 71, 19. März 73, 11. Sunt 74 (O. XII, 217; XIV, 213; XV, 384), Schw. n. 7, HStR. 1. c.; contra: Meyer s. 122. Es genügt selbst die Einreichung einer solchen schriftlichen Versicherung durch einen Dritten, wenn sie mit dem Willen des Versichernden erfolgte: OT. 12. Sept. 78, 8. Jan. 79 (O. XIX, 402; XX, 16). 6. Wesentlich ist, daß die Versicherung „an Eidesstatt" abgegebene, sei, wozu auch der Fall gehört, wo die Worte „an Eidesstatt" durch völlig gleichbe-
Thl. IT. Abschn. IX. Meineid. - § 157.
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§ 157* Hat ein Zeuge oder Sachverständiger sich eines Meineides (§§ 154, 155) oder einer falschen Versicherung an Eidesstatt schuldig gemacht, so ist die an sich verwirkte Strafe auf die Hälfte bis ein Viertheil zu ermäßigen, wenn deutende (z. B an Stelle des Eides) ersetzt sind, nicht aber der Fall, wo Worte anderer Bedeutung (z. B. solche, welche ein bloßes Erbieten zur eidlichen Bekräfti gung enthalten) gebraucht sind; eine Versicherung der letzteren Art genügt nicht: RH. 28. Dez. 86 (E. XV, 126). Insbesondere ist eine Versicherung auf einen früher geleisteten Partei-, Zeugen-, Sachverständigen-, oder Diensteid', sowie auf einen früher geleisteten promissorischen Eid nicht (als ein maius) der Versicherung „an Eidesstatt" gleich zu stellen; sofern in einem solchen Falle § 155 Nr. 2. 3 nicht zu trifft. bleibt die That straflos: OT. 30. März 65 (int).), 19. Nov. 73, OA. 3. Mai 73 (O. VI, 35; XIV, 335. 732). 7. Die „Berufung" auf eine solche Versicherung kann auch stillschweigend geschehen. Daß sie in derselben Angelegenheit erfolge, ist hier nicht, wie im § 155 Nr. 2, erforderlich: HStR. II, 919. 8. Zum Thatbestände gehört nicht die Benachtheiligung eines Andern: OT. 10. Okt. 61 c. Schwenecke. In Betreff der Frage, ob die einen ganz unerheblichen Nebenpunkt betreffende, falsche Versicherung strafbar sei, vgl. § 154 n. 8. 9. Der Zeitpunkt der Vollendung einer „falschen Aussage" (des zweiten Falles des §) bemißt sich nach dem zu § 154 n. 18 Gesagten. 10. Neben einer drei Monate erreichenden Gefängnißstrafe kann auf den Ver lust der rc. Ehrenrechte erkannt werden: § 161 Abs. 2. 32. 11. Auch bei einer falschen eidesstattlichen Versicherung ist Bei hülfe mög lich; ein Beispiel: OT. 19. Nov. 56 (ZMbl. 57 s. 51); vgl. § 154 n. 23. § 157. 1. Dieser § findet auf den Meineid einer Partei (§ 153) keine Anwendung; (sie kann die Eidesleistung unbedingt ablehnen); Schw. n. 4; contra: Rüd. n. 1. 2. In den vorgesehenen beiden Fällen tritt die Strafermäßigung ein, mag der Zeuge (Sachverständige) seine Aussage beeidet (§ 154) oder in einer der durch die §§ 155.156 vorgesehenen Weisen bekräftigt haben. 3. Der § kommt nur demjenigen zu Statten, bei welchem dessen Voraus setzungen zutreffen, nicht auch dem Theilnehmer (§ 50): RF. 10. Aug. 81 (E. IV, 377), OT. 20. März 74, 15. Sept. 75 (O. XV, 167; XVI, 578). 4. Das falsche Zeugniß rc. wird dadurch nicht straflos, daß die Vernehmung unstatthafter Weise erfolgt oder trotz eines berechtigten Widerspruchs vom Be amten erzwungen worden ist. Auch in solchen Fällen greift nur eine Strafer mäßigung nach § 157 Platz. 5. Ermäßigt wird die „an sich verwirkte", mithin konkrete (eventuell die Versuchs-) Strafe; diese ist zunächst vom Jnstanzrichter zu arbitrireu. Doch wird uicht unbedingt erfordert, daß letzteres in der Urtheilsbegründung ausdrücklich ge schehe, sofern diese kein Bedenken bietet, daß der Richter den § in der That berück sichtigt habe: RF. 28. Juli 84 (E. XI, 42). Wird die an sich verwirkte Strafe auf einjähriges Zuchthaus arbitrirt, so besteht die ermäßigte Strafe zufolge Abs. 2 in Gefängniß von mindestens vier und einem halben Monat: Rl. 30. Mai 81 (E. IV, 267). Strafunmündigen gegenüber ist die nach Maßgabe des § 157 ermäßigte Strafe, conform dem § 57, nochmals zu ermäßigen und es beträgt daher, wenn jene zufolge § 157 Abs. 2 nur in Gefängniß besteht, das Minimum der zu verhängenden Strafe eintägiges Gefängniß, das Maximum stets die Hälfte desjenigen Strafmaximums., welches in concreto den Strafmündigen gemäß § 157 hätte treffen können; so: Ri. 22. Nov. 83 (E. IX, 245). — In Betreff der auch hier neben der Gefängnißstrafe statthaften Ehrenstrafe vgl. § 161 Abs. 2. 32. 6. Die Vorschrift der Nr. 1 ist nicht auf den Fall auszudehnen, wo sich der Zeuge rc. durch Angabe der Wahrheit einer Verfolgung wegen einer Uebertretung ausgesetzt hätte; ebenso: Münch. 3. April 76 (BE. VI, 173). Dies gilt selbst dann, wenn der Zeuge auch in solchem Falle das Recht hatte, das Zeugniß zu verweigern; vgl. LtPO. § 54; CPO. § 349.
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Thl. H. Absch». IX. Meineid. - § 157.
1) die Angabe der Wahrheit gegen ihn selbst eine Verfol gung wegen eines Verbrechens oder Vergehens nach sich ziehen konnte, oder 2) der Aussagende die falsche Aussage zu Gunsten einer Person, rücksichtlich welcher er die Aussage ablehnen durfte, erstattet hat. ohne über sein Recht, die Aussage ablehnen zu dürfen, belehrt worden zu sein. 7. Nur eine dem Zeugen rc. selbst drohende Strafverfolgung rechtfertigt die Anwendung der Nr. 1; handelt es sich um die einem „Angehörigen" drohende Ge fahr, so kann nur Nr. 2 in Betracht kommen. 8. Die Gefahr einer Strafverfolgung mutz für den Zeugen rc. objektiv rorhanden gewesen sein; in dieser Beziehung genügt sein Vermeinen nicht. Dagegen bleibt die Nr. 1 auch dann anwendbar, wenn die Angabe der Wahrheit nicht für sich allein, sondern mir in Verbindung mit anderen Thatsachen» auf welche das ab zulegende Zeugniß sich nicht zu beziehen hatte, eine Strafverfolgung rc. nach sich ziehen konnte: OA. 13. Juli 72 (O. XIII, 422). — Ob die zu befürchtende Verwlgung mit der Sache, in welcher der Eid geleistet wurde, in Verbindung steht, ist einflußlos: Schw. n. 8. 9. Der Umstand, daß der Zeuge rc. nach den Prozeßgefetzen befugt war, seiner Vernehmlassung die Verwahrung hinzuzufügen, daß er über Alles, was ihn selbst einer strafrechtlichen Verfolgung aussehen könnte, Stillschweigen beobachten werde, und daß er über diese Befugniß nicht belehrt worden war, schließt weder die Bestrafung des Meineides rc. noch die Strafermäßigung auö Nr. 1 aus. 10. § 157 Nr. 1 ist ebensowenig daun ausgeschlossen, wenn Jemand sich dirch eigenes Verschulden in die Lage gebracht hat, durch Angabe der.Wahrheit sich einer Verfolgung auszusitzen, noch wenn er durch Zurücknahme des von ihm ge stellten Antrags die Einstellung des Verfahrens, in welchem er als Zeuge rernomnien wurde, hätte herbeiführen können: Münch. 31. Jan. und 24. Aug. 74 (BE. IV, 75. 355). 11. Die Strafermäßigung aus Nr. 2 greift nur insoweit Plah, als die fasche Aussage zu Gunsten der betr. Person erstattet ist und eine Ablehnung der Ver nehmlassung nach den maßgebenden Prozeßvorschriften zulässig war. Lehtere snd seht in den §§ 51. 54. 76 der StPO., und in den §§ 348 Nr. 1—3. 349 Nr. I 2. 373 der CPO. enthalten, nicht auch in § 52 der StPO., noch in den §§ 348 Nr 4. 5. 349 Nr. 3 der CPO., da in den dort vorgesehenen Fällen die Ablehnuugchefugniß, obschon deren Ausübung regelmäßig auch hier nur gewissen anderen Per sonen zu Statten kommen wird, dennoch nicht „rücksichtlich" dieser, sondern schlehthin verliehen ist. Der Ablehnungsbefugniß steht das Verbot, gewisse zu dem An geschuldigten in naher Beziehung stehende Personen als Zeugen zu vernehnen, gleich: Rüd. n. 5, Puch. n2: contra: Schw. n. 12. Die Justizgesetze kennen jedoch ein solches Verbot nicht; vgl. StPO. § 57. 12. Unter „einer Person, rücksichtlich welcher rc." ist, wenn die falche Aussage in einer Strafsache erstattet wird, nicht nothwendig ein Angeschuldigter zu verstehen: Nürnb. 14. Febr. 74 (StZ. III, 305), noch, wenn die Erstattung in ehern Civilprozesse stattfindet, eine der Prozeßparteien; vgl. CPO. § 349 Nr. 1. 2. Sets ist hier aber eine andere „Person" als der Aussagende selbst gemeint. Demgenäß kommt die Nr. 2 trotz des dt. § 349 Nr. 1. 2 dann nicht zur Sprache, wenn die falsche Aussage eine Frage betraf, deren (richtige) Beantwortung dem Zeugen sebst einen unmittelbaren vermögensrechtlichen Schaden verursacht oder ihm zur Unchre gereicht haben würde. 13. Ist die „Belehrung" unterblieben, so findet die Nr. 2 Anwendung, sebst wenn jene nicht gesetzlich vorgeschrieben, oder wenn für den vernehmenden Beanten kein Anlaß erkennbar war, eine solche zu ertheilen. — §§ 348. 367. 373 der CPO. und §§ 51. 52. 57. 72. 76 der StPO, schreiben dieselbe ausdrücklich vor; vgl. cuch Pr. JMVf. v. 14. Okt. 1878 (JMbl. s. 155), welcher zufolge die Ertheilung der 9e-
Thl. II. Abschn. IX. Meineid. — §§ 157. 158.
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Ist hiernach Zuchthausstrafe unter Einem Jahre verwirkt, so ist dieselbe nach Maßgabe des § 21 in Gefängnißstrafe zu verwandeln. [I. (Sittm.: (fehlte); II. E»tw.: § 155; Pr. StGB.: (fehlte).) Vgl. §§ 154-156;
CPO. §§ 348. 349. 367. 373; StPO. §§ 51. 52. 54. 57. 72. 76.
§ 158. Gleiche Strafermäßigung tritt ein, wenn der jenige, welcher sich eines Meineides oder einer falschen Versichelehrung und die auf dieselbe abgegebene Erklärung in dem über die Verhandlung aufzunehmenden Protokolle festzustellen ist. 14, Da die §§ 157. 158 keine selbständige Deliktsform schaffen wollten, den dort hervorgehobenen Thatumständen vielrnehr nur die Bedeutung strafmindernder Momente, spezieller Strafmilderungsgründe beiwohnt, so ist in den Fällen der §§ 154. 155. der § 73 Nr. 2 des GVG. nicht anwendbar, sondern die Zuständigkeit dss Schwurgerichts trotz jener Thatumstände nach wie vor begründet: Rl. 25. Jan. 83, Rill. 21. Mai 83 (E. VIII, 177 ; R. V, 372). Die Voraussetzungen der §S sind durch die Geschwornen festzustellen; dem Antrage, eine hieraus bezügliche Neben frage zu stellen, muß nothwendig entsprochen werden; vgl. StPO. §§ 295. 296, NI. 27. April 80 (E. I, 423), und es muß diese Nebenfrage die Worte der §§ bei behalten; vgl. Löwe s. 570 n. 6. Zur Verneinung der auf § 157 oder § 158 ge gründeten Frage ist eine Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen nöthig; vgl. StPO. §§ 262. 307 Abs. 2. 15. Im Falle des Abs. 2 kann unmittelbar auf Gefängniß erkannt werden; mi§ dem Worte „verwirkt" ist nicht zu folgern, als ob zunächst Zuchthausstrafe verhängt werden müsse und die Gefängnißstrafe erst als die sie im Vollzüge er setzende Maßnahme in Betracht konnne: RI. 30. Mai 81 (E. IV, 267). Im Nebrigen vgl. n. 5. §
158.
1. Dieser § bezieht sich auf alle in den §§ 153 — 156 behandelten Fälle, mag es sich um eine im eigenen Interesse abgegebene Erklärung rc. oder um ein Zeugniß (Gutachten) handeln; ebenso: Rl. 25. April 87 (E. XVI, 29). 2. Von einem strafermäßigenden Wid errufe kann selbstverständlich erst dann die Rede sein, wenn die Mißthat vollendet oder in strafbarer Weise versucht wor den ist; vgl. in dieser Beziehung § 153 n. 22. 23, § 154 n. 18. 20. 3. Der Umstand, daß zwei Erklärungen derselben Person sachlich in Wider spruch zu einander stehen, genügt nicht, um der jüngsten dieser Erklärungen die Bedeutung eines Widerrufs beizulegen; letzterer liegt vielmehr nur vor, wenn in der späteren Erklärung zum Ausdruck gebracht ist, daß dadurch die frühere Angabe abgeändert werden soll: RII. 6. Dez. 87 (R. IX, 697: betraf einen Fall des § 163). 3a. Die Strafermäßigung ist durch die Rechtzeitigkeit des Widerrufs be dingt; dazu gehört das Zusammentreffen beider Voraussetzungen: daß er geschehen sei vor einer erfolgten Anzeige (oder der Einleitung einer Untersuchung) und bevor ein Nechtsnachtheil rc. eingetreten ist: Rill. 5. Okt. 81 (R. III, 599: Fall des § 163), OT. 9. Jan. 67 (O. VIII, 13). 4. Die Anzeige (die Einleitung der Untersuchung) macht einen spätern Wider ruf selbst dann wirkungslos, wenn der Thäter zur Zeit noch keine Kenntniß von jener erlangt hatte: OT. 9. Jan. 67 (cit. n. 3), Münch. 12. Juli 79 (BE. IX, 379). — Andere die Freiwilligkeit des Widerrufs beeinträchtigende Momente, z. B. der Zwang der Eidesleistung, kommen nicht in Betracht: RII. 6. Dez. 87 (cit. n. 3). 5. Die „Anzeige" muß „gegen den Meineidigen" rc. erfolgt sein; es ist somit erforderlich, daß er in einer an eine zuständige Behörde gerichteten Mit theilung des Meineides rc. verdächtig bezeichnet sei; von wem die Anzeige ausging, ist gleichgültig. Zuständig ist hier jede Behörde, welche den Beruf hat, für die Verfolgung begangener Mißthaten thätig zu sein (StPO. §§ 156 ff.). Die bloße Bemängelung einer Zeugenaussage durch den Angeklagten während der gericht lichen Verhandlung stellt noch keine Anzeige dar; hierzu ist vielmehr die bestimmte, Oppenhoff, D. Stiafgesetzvuch 11. Aufl.
25
Thl. II. Abschn. IX. Meineid. — § 158.
386
rung an Eidesstatt schuldig gemacht hat, bevor eine Anzeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn eingeleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen aus der fal schen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft. [I. (Snhv.: (fehlte); II. Entw.: § 156; Pr. StGB.: (fehlte).)
161. 163.
Vgl. §§ 153-157.
unmittelbare Behauptung eines strafbaren Falscheides erforderlich, mit deren Aufstellung ein über den Zweck der Vertretung des eigenen Interesses und der Wahrheitsermittelung für die verhandelte Sache hinausgehender, selbständiger Zweck verfolgt, bzw. mitverfolgt wird; so: Rill. 5. Okt. 81 (eit. n. 3: Fall des § 163 Abs. 2). 6. Die „eingeleitete Untersuchung" braucht keine gerichtliche zu sei», es genügt. wenn eine dazu gesetzlich berufene Behörde (z. B. ein Staatsanwalt oder Polizei-Beamter) Maßnahmen ergriffen hat, um den Thatbestand aufzugären, oder die Verfolgung herbeizuführen. Vgl. StPO. §§ 159 ff. Doch liegt h der wörtlichen Aufnahme einer Aussage in das Sitzungsprotokoll, selbst, wenn sie vom Staatsanwalte beantragt war, nicht (nothwendig) die Einleitung einer Unter suchung: RH 7. Nov. 82 (E. VII, 154). Keinesfalls bedarf es der Eröffnung des Hauptversahrens. — Die Frage, in welchem Zeitpunkte eine Untersuchung ;egen eine bestimmte Person eingeleitet sei, ist keine rein thatsächliche: Münch, i2. Juli 79 (eit. n. 4). 7. Der den Widerruf ausschließende „Rechtsnachtheil" muß „für einen Andern", also für ein anderes Rechtssubjekt entstanden sein; die durch den Neineid bewirkte Störung der öffentlichen Ordnung genügt dazu nicht. 8. „Rechtsnachtheil" ist jede Beeinträchtigung, welche der Andere inanem ihm zustehenden Rechte oder in seiner Rechtsstellunger fährt; ebenso: Rlll. 24. Mai 82 (R. IV, 510: jede äußerlich erkennbare Beeinträchtigung der Rechtslage); der Aus druck ist somit nicht auf entstandene eigentliche Vennögeusnachtheile beschränkt; die Verlängerung einer Haft, der Erlaß eines nachtheiligcn (noch nicht rechtskräfigen) Erkenntnisses können hierher gerechnet roerbeii: ebenso: Rll. 30 Jan. 83 (R. V, 74). Eben dahin gehört z. B. die einstweilige Einstellung einer Zwangsvollstrekung: Rll. 6. Dez. 87 (eit. n. 3). Doch ist nicht der in der falschen Eidesleistung selbst begrifflich enthaltene, sondern nur derjenige Rechtsnachtheil gemeint, welcher als eine materiell üble Folge aus jener bereits erwachsen ist; daher schließt der bloße Erwerb irgend eines Anspruchs seitens des Thäters den § nicht aus, fofert zur Verwirklichung dieses Anspruchs noch nichts geschehen ist, eine nachtheiliae Aenderung der Rechtsverhältnisse sich noch nicht vollzogen hat: RI. 25. April 87, Rill. 5 Juli 83 (E. XVI, 29; R. V, 505). Hat Jemand der Steuerkommission gegenüber eine falsche eidesstattliche Erklärung über sein Einkommen abgegeben, so ist hiercuö ein Rechtsnachtheil erst dann „entstanden", wenn die zu definitiver Feststellung der Ein schätzung zuständige Behörde ihren Willen zu erkennen gegeben hat, den hcheren Steueranspruch fallen zu lassen: eit. Rill. 24. Mai 82. 9. Auf das Motiv des Widerrufs kommt Nichts an; ebenso: Rll. 7.Nov. 82 (E. VII, 154: Fall des § 163). 10. Der Widerruf muß rechtzeitig „bei derjenigen Behörde" erfolgt sein, „bei welcher die Aussage abgegeben war"; es genügt nicht, wenn er an ehe an dere Behörde zur Weiterbeförderung an jene gerichtet worden ist, falls ihn diese nicht rechtzeitig an die zuständige hat gelangen lassen: Schütze s. 313. Dcch ist die Ausdrucksweise des Gesetzes hier nicht im engsten Wortverstande auszulegei, die unterstellte Identität der Behörde vielmehr als bestehen bleibend zu erachten, wenn die einzelnen Personen als Träger derselben wechseln, der Widerruf nur mitelbar an die Behörde gelangt, oder vor einem andern Organe der in ihrer Gesamntheit einheitlich eonstruirten Behörde erfolgt: Ri. 15. Nov. 83 (E. IX, 333). Dem^mäß ist ein auf der Gerichtskanzlei erklärter Widerruf als bei dem Gerichte seilst er folgt anzusehen; so: Münch. 28. Jan. 76 (BE. VI, 19), Löwe s. 174; vgl. Rill. 5. Juli 83 (R. V, 505: hier hatte ein Sachs. Oberamtsrichter die falsche Erkläung,
Thl. II. Abschu. IX. Meineid. - § 159.
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§ 159* Wer es unternimmt, einen Anderen zur Bege hung eines Meineides zu verleiten, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, und wer es unternimmt, einen Anderen zur wissentund ein Kassenaccessist desselben Amtsgerichts den Widerruf entgegengenommen). Ebendeshalb leistet der in der Hauptverhandlung erfolgte Widerruf eines vor dem Untersuchungsrichter desselben Landgerichts oder einem von diesem beauftragten Richter abgelegten Zeugnisses dem § Genüge: cit. RI. 15. Nov. 83, Münch. 29. Mürz 78 (BE. VIII, 118). 11. Daß der Widerruf in demselben Rechtsverfahren, bzw. in derselben Untersuchung erfolge, in welcher die falsche Aussage gemacht war, ist nicht unbe dingt erforderlich: Münch. 29. März 78 (cit. n. 10). 12. Eine bestimmte Form ist nicht vorgeschrieben; es kommt daher darauf nicht an, ob der Meineidige rc. ausdrücklich erklärt, er widerrufe oder nehme seine Aussage zurück: Münch. 29. März 78 (cit. n. 10) vgl. aber n. 3. 13. Zn Betreff der Zuständigkeit rc. vgl. § 157 n. 14. Da der Widerruf einen Strafmilderungsgrund darstellt, so bedarf die Rechtzeitigkeit der positiven Feststellung; es genügt nicht, wenn es heißt: „es sei nicht erwiesen, daß die An zeige rc. vor dem Widerrufe Statt gefunden habe". 14. Bezüglich der Strafverhängung vgl. § 157 n. 5. 15. — Treffen die Vor aussetzungen der §§ 157. 158 zusammen, so findet doch nur eine einmalige Straf ermäßigung statt; ebenso: RH- 12. Okt. 83 (E. IX, 74). 15. Der Widerruf des Meineidigen kommt seinen Theilnehmern nicht zu Statten. Dagegen ist auch die Strafe des Theilnehmers zu ermäßigen, wenn er durch einen rechtzeitigen Widerruf dem Eintritt eines Rechtsnachtheils für einen Andern zuvorkommt; vgl. Schütze, GA. 21 s. 168.
§ 159. 1. Hier ist das erfolglose Unternehmen der Verleitung eines Anderen zu einem Meineide, der Versuch der Anstiftung zum Meineide als ein selbständiges (vollendetes) Verbrechen aufgefaßt. Hat die Verleitung die Ausfchwörung des Meineides oder einen sei es strafbaren, sei es gemäß § 46 straflosen Versuch dieses Verbrechens (: Rill. 15. März 86, E. XIV, 19) wirklich zur Folge gehabt, so werden die Grundsätze der Anstiftung (§48) anwendbar. Demgemäß weicht die Bedeutung der Worte: „Wer es unternimmt . . ." von der im § 82 gegebenen Begriffs bestimmung insoweit ab, als sie hier nicht auch die gelungene Verleitung umfassen: BL. s. 132. Im Uebrigen ist jene Begriffsbestimmung auch hier zu berücksichtigen; vgl. OT. 6. Zuli 71 (O. XII, 375); contra: Rn. 9. Nov. 80. Rill. 4. Zuni 83 (E. III, 26 ; VIII, 354). 2. Sonach findet § 159 auf jedes „Unternehmen, zu verleiten" Anwendung, bei welchem aus irgend einem Grunde §48 nicht zutrifft, sei es, daß es an einer der Voraussetzungen einer strafbaren Anstiftung fehlte, oder daß der zu Verleitende das ihm angesonnene Verbrechen nicht verübt hat, (z. B. weil er aus prozessualischen Gründen zum Eide gar nicht zugelassen wurde, oder weil er gutgläubig, fahrlässig oder nicht fahrlässig, den Eid leistete), oder endlich daß er den Meineid zwar ver übt hat, aber nicht in Folge der Anstiftung, sondern aus einer anderweitigen Ent schließung (z. B. weil er vorher schon entschlossen war): RII. 20 April 86 (R. VIII, 302), OT. 9. Dez. 63, Münch. 31. März 76 (O. IV, 248; BE. IV, 150) und unter li. 7. — Bei einer auf „Anstiftung zum Meineide" gerichteten Anklage kann unbe denklich eine Hülfsfrage aus § 159 gestellt werden: StPO. § 294. 3. „Meineid" sind hier die in §§ 153—155 vorgesehenen Verbrechen; auf den Eidesbruch (§ 162) bezieht sich der § nicht; ebenso: BL. s. 390. 4. Zm Begriffe der „Verleitung rc." liegt es, daß der Verleitende das Ver brechen des „Anderen" wolle, daß er also von der Unrichtigkeit der zu beschwö renden rc. Thatsache Kenntniß habe nnd diese Kenntniß auch bei dem Anderen vor aussetze: RIV. 6. Mai 87 (GA. 35 s. 166), OT. 9. Dez. 63 (O. IV, 248). Dagegen wird eine besondere Vorbereitung, Ueberlegung oder Berechnung, überhaupt ein besonderer, vom gewöhnlichen Vorsähe abweichender Dolus nicht erfordert: Rill. 4. Juni 83 (E. VIII, 354). 5. Die „Verleitung" muß sich auf den vollständigen Thatbestand des zu
388
£1)1.11. Abschn. IX. Meineid. — §§ 159. IGO.
lichen Abgabe einer falschen Versicherung an Eidesstatt zu ver leiten, mit Gefängniß bis zn Einem Jahre bestraft. [I. Entw.: § 139; II. Entw.: § 157; Pr. StGB.: § 130.].
Vgl. §§ 49a. 153-156.
§ 160* Wer einen Anderen zur Ableistung eines falschen Eides verleitet, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft, verübenden Verbrechens rc. beziehen, letzterer daher (in objektiver wie subjektiver Hinsicht: n. 4) festgestellt bzw. in die schwurgerichtliche Frage aufgenommen werden: Rill. 12. Nov. 79, RI. 21. Marz 81 (R. II, 283: R. III, 152). Dagegen ist es nicht unbedingt erforderlich, daß der Thäter dem zu Verleitenden bestimmte konkrete Thatfachen angebe, welche dieser erhärten solle, noch daß die Thatsachen, auf deren wahr heitswidrige Bekundung der Verleitungsversuch sich bezog, in jener Frage enthalten seien: Rill. 15. 16. Nov. 83 (E. IX, 280), OT. 25. Nov. 75 (O. XVI, 756). 6. Eine bloße Vorbereitungshandlung, wie die Schaffung eines Mittels zur Verleitung, z. B. die Anfertigung eines die Aufforderung zum falschen Zeug nisse enthaltenden, aber nicht abgesandten Briefs erfüllt den Thatbestand nicht: Rill. 11. Okt. 83 (R. V, 592). Ebensowenig der erfolglose Versuch, Jemanden zu bestim men, daß er einen Dritten zum Meineide verleite: Münch. 15. Mai 74 (BE. IV, 210), Geyer. Z. f. StR. II, 310; contra: 9111. 9. Nov. 80 (E. III, 26), RI. 4. Dez. 84 (R. VI, 777: nahm das Gegentheil sogar in einem Falle an, wo ein die Verlei tung bezweckender Brief in die Hände der Mittelsperson gar nicht gelangt war), Olsh. n. 3; vgl. übrigens § 49a. Keinesfalls trifft der § zu, wenn der zum Mein eid zu verleitende Dritte eine noch gänzlich unbestimmte Persoil ist: RI. 22. Mai 82 (R. IV, 504). 7. Auf die Zulässigkeit und Erheblichkeit der Eidesleistung, zu welcher verleitet werden soll, kommt es nicht an; ebenso ist es gleichgültig, ob der Rechts streit, in welchem die Eidesleistung erfolgen soll, schon anhängig ist, ob der Richter den Eid zulassen würde und ob der Zeuge bereits, zum Zeugnisse aufgerufen ist; OT. 26. Okt. 59 (GA. VII, 827), Münch. 31. Mürz. 15. Mai 76 (BE. VI, 150. 223: es genüge auf Seiten des zu Verleitenden die abstrakte Möglichkeit der Begehung eines Meineids); vgl. auch Rill. 10. April 80 (A. I, 551). RII. 21. März 82, Rill. 10. Juni 82, Ri 10, Juli 82 (R, IV, 267. 559. 684) gehen noch weiter, indem sie von der Unterscheidung zwischen absoluter und relativer Unmöglichkeit (§ 43 n. 9. 10) ganz absehen; die Ursache, aus welcher der Eintritt des gewollten Erfolges unter blieben sei, bzw. unterbleiben mußte, z. B. die Eidesunmündigkeit des zu Ver leitenden, komme nie in Betracht; in demselben Sinne erkannte RIV. 4. Febr. 87 (E. XV, 259: bezüglich eines Falles, wo die zu beschwörende Thatsache eine nur ver meintliche Unwahrheit enthielt); contra (speziell in Betreff der Eidesunmündigkeit): Münch. 11. Mai 82 (BE. II, 133); vgl. ferner: GM. II, 252; GA. I, 391; V, 420; VIII, 330; XI, 110, TL. s. 764, Manh. (BA. 43 s. 264). 8. Da hier recht eigentlich der Versuch der Anstiftung für eine selbständige Mißthat erklärt ist (n. 1), so kann von einem „Versuche" des Verbrechens weiter keine Rede sein. Damit fallen auch die Strafausschließungsgründe des § 46 fort: RII. 29. Apr. 84 (E. X, 324), Puch. n. 1, Dochow, HH. III, 241'; vgl. Rill. 11. Okt. 83 (eit n. 6); contra: Schütze s. 314, HStR. II, 927. 9. Eine Strafermäßigung nach Analogie der §§ 157. 158 greift hier nicht Platz. 10. In Betreff der neben der Freiheitsstrafe zu verhängenden Ehren strafe vgl. §§ 161 (n. 2-5) und Abs. 2. 32. 11. Theilnahme an diesem Verbrechen ist möglich; ebenso: Manh. 17. Mai 79 (BA. 45 s. 195: speziell in Betreff der Anstiftung); contra (bez. letzterer): Olsh. n. 7, (bez. der Beihülfe) HStR. II, 928. 12. Zuständigkeit der Strafkammern: GVG. § 73.
§160. 1. Unter „Ableistung eines falschen Eides" ist hier der Thatbestand eines der in den §§ 153—155 vorgesehenen Verbrechen unter Ausscheidung der dort er heischten Wissentlichkeil zu verstehen: der § will Denjenigen bestrafen, welcher
Thl. II. Abschn. IX. Meineid. — §§ 160. 161.
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neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, und wer einen Anderen zur Ableistung einer fal schen Versicherung an Eidesstatt verleitet, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Der Versuch ist strafbar. [I., II. Entw.. Pr. StGB.: (fehlte).] Vgl. §§ 153-156. 159. 32. 43—46.
§ 161. Bei jeder Verurtheilung wegen Meineides, mit Ausnahme der Fälle in den §§ 157 und 158, ist auf Verlust einen Andern in irgend einer Weise induzirt, unabsichtlich einen zugeschobenen rc. Eid unrichtig auszuschwören, oder als Zeuge (Sachverständiger) eine Unwahrheit zu bekunden, und zwar ohne zu unterscheiden, ob der Verleitete sich dabei einer Fahrlässigkeit schuldig und hierdurch strafbar macht, oder uicht; ebenso: Rl. 29. Jan. 85 (E. IX, 418), OT. 14. März 77, Münch. 27. April 77 (O. XVIII, 205; BE. VII, 165). Daß der Verleitende selbst die Falschheit des Beschworenen kennen muß, liegt schon im Wort „verleiten". Dagegen muß er bei betn „Andern" Unkenntnis vor aussetzen: nähme er (irriger Weise) das Gegentheil an, so würde nicht § 160, sondern § 159 Platz greifen: RH. 20. April 86 (R. VIII, 302). — Aehnlich verhält es sich mit der Verleitung zttr Versichertmg an Eidesstatt (§ 156). 2. Das vollendete Vergehen hat die wirkliche Ableistung des falschen Eides rc. zur Voraussetzung: RI. 29. Jan. 85, RIV. 5. Juni 85 (E. XI, 418; XII, 254); contra: Rubo n. 5. Vgl. aber Abs. 2. 3. Wird von dem „Andern" kein mir objektiv falscher Eid, sondern ein Mein eid geschworen, während der Erste lediglich mit dem nach § 160 erforderlichen Dolus (n. 1) gehandelt hatte, so kann nicht von einer vollendeten Verleitung aus § 160, sondern nur von einem Versuche derselben (Abs. 2) die Rede sein: RI. 29. Jan. 85 (E. XI, 418). 4. Der § scheidet ganz aus, wenn der Andere die Eidesleistung rc. als solche gar uicht gewollt z. B. die eine eidesstattliche Erklärung enthaltende Schrift ohne Kenntniß ihres Inhalts und Zwecks unterzeichnet hat: RIV. 14. Dez. 86 (E.
XV, 148). 5. Auf den Verlust der Ehrenrechte kann (fakultativ) erkannt werden, sobald die gleichzeitig verhängte Gefängnißstrafe drei Monate erreicht: § 32.
§161. 1. Abs. 1 dieses § enthält insofern eine Ausnahme von dem Grundsätze des § 32, als er für die vorgesehenen Fälle die Aberkennung der rc. Ehrenrechte (in der nach §32 Abs. 2 zu bestimmenden Dauer) unbedingt gebietet. Von Rechts wegen d. h. ohne ausdrücklichen Ausspruch des Gerichts tritt Eidesunfähigkeit in Folge einer Verurtheilung wegen Meineids nicht ein: Rill. 24. Jan. 80 (R. I, 269). 2. Als „Meineid" sind in den einzelnen Gesehesvorschriften nur die in den §§ 153—155 vorgesehenen Fälle bezeichnet (vgl. §§ 157—159). Demgemäß ist auch Äbs. 1 auf die aus einem der §§ 153—155 erfolgenden Verurtheilungen zu be schränken und namentlich auf den Fall des § 159 nicht auszudehnen; das ergiebt sich in überzeugender Weise aus der Entstehungsgeschichte des § (vgl. O. XII, 229 Note); das Gegentheil ist nicht ans der keineswegs überall zutreffenden Ueberschrift des Abschn. IX zu folgern: RI. 10. Juni 80 (E. II, 93), OT. (Pl.) 4. Dez. 71, 8. April 72 (O. XII, 612 ; XIII, 224), Darmst. 30. Sept. 72 (StZ. II, 92), Rüd. n. 1. 3, Schütze s. 316, Puch. n. 2; contra: Meyer n. 1; vgl. n. 3. 3. Die Anwendbarkeit des Abs. 1 auf den Versuch des Meineids und die Theilnahme am Meineide richtet sich nach den §§45,48,49. Demgemäß ist beim Versuche und bei der bloßen Beihülfe zwar auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, nicht aber auf die (im § 45 unerwähnt gebliebene) Eidesunfähigkeit zu erkennen, während den Anstifter (d. h. den wirklichen Anstifter, nicht auch den jenigen, welcher die Verleitung blos erfolglos unternommen hat (n. 2): OT. 3. Dez. 75, O. XVI, 770) stets beide genannten Nebenstrafen treffen müssen: Rill. 12. Nov.
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Thl. II. Abschn. IX. Meineid. — §§ 161. 162.
der bürgerlichen Ehrenrechte und außerdem auf die dauernde Unfähigkeit des Verurtheilten, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden, zu erkennen. In den Fällen der §§ 156 bis 159 kann neben der Ge fängnißstrafe auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkamnt werden. [I. Entw.: (fehlte); II. Entw.: § 158; Pr. StGB.: (fehlte).) Vgl. §§ 153-156.15>9. 32.45.
§ 162. Wer vorsätzlich einer durch eidliches Angelöbniß 85 (E. XIII, 76), OT. 12. Dez. 72, 25. April 73, 14. Jan. 74. 2.. 7.. 14. Juli. 15. Sept. 75 (O. XIII, 656; XIV, 313; XV, 27; XVI, 515, 518, 546, 578); nnd zwar selbst dann, wenn der Hauptthäler sich im Falle des § 157 oder § 158 befindet: RF. 10. Aug. 81 (E. IV. 377: speziell in Betreff des § 1*57 Nr. 1); vgl. § 45 n. 4; contra: Dvchow, HH. III, 249 (hinsichtlich des Versuchs). 4. Liegt einer der in den §§ 157. 158 vorgesehenen Strafermäßigungsgründe vor, so ist die (fakultative) Aberkennung der Ehrenrechte statthaft, wenn zu Zucht haus verurtheilt wird: § 32. Dasselbe gilt in dem Falle des § 159. 5. Dagegen kann in den Fällen der §§ 156—159 neben einer Gefängnißstrafe (Abs. 2) nur, wenn diese drei Monate erreicht, auf den Verlust der Ehrenrechte er kannt werden: § 32: contra: v. Liszt, falsche Aufs. s. 230. 6. Die im Avs. 1 angedrohte „dauernde (d. i. lebenslängliche) Unfähig keit, als Zeuge oder Sachverständiger eidlich vernommen zu werden", ist unbedingt vorgeschrieben, also nothwendig zu verhängen, sogar (trotz § 57 Nr. 5) wider Personen unter 18 Zähren; ebenso: RI. 29. Juni 82 (E. VI, 416). Diese Unfähigkeit umfaßt auch die eidesstattliche Versicherung. Sie ist im Uebrigen (abge sehen von der inhaltlichen Verschiedenheit) nach denjenigen allgemeinen Grund sätzen zu handhaben, welche für die Aberkennung der Ehrenrechte maßgebend sind. Ihre Wirkung beginnt daher mit der Rechtskraft des Urtheils (§36); sie ist beim Zusammentreffen mehrerer Straffälle äuszusprechen, selbst wenn sie nur durch einen dieser Fälle verwirkt war (§ 76). 7. Abs. 1 a. E. spricht nur von Zeugenvernehmungen rc.. nicht auch von Par teieiden in eigener Angelegenheit. Nach der Pr. AGO. I, 13 §25; I, 10 § 227 Nr. 7 konnte jedoch ein zum Zeugnisse Unfähiger auch nicht zur Ableistung eines Erfüllungs' oder Reinigungseides verstattet werden: OT. (Pl.) 4. Juli 64 (Entsch. dess. 51 s. 15). Die CPÖ. trifft keine derartige Bestimmung; doch ertheilt sie, wenn einer wegen wissentlicher Verletzung der Eidespflicht rechtskräftig verurtheilten Partei ein „richterlicher Eid" auferlegt wird, dem Prozeßgegner das Recht, die Zu rücknahme dieses Eides zu beantragen, während sie, falls einer so verurtheilten Partei ein Eid vom Gegner zu- oder zurückgeschoben worden ist, den Widerruf der Zuschiebung (Zurückschiebung) mindestens dann gestattet, wenn die Verurtheilung erst nach der Zuschiebung (Zurückschiebung) erging bzw. dem Gegner bekannt wurde: §§ 439. 422. 432 ib. Im Uebr. vgl. EG. z. CPO. § 14 Abs. 2 Nr. 2. 8. Auch ein Eidesunfähiger verwirkt durch einen demnächst geschwornen Meineid die im StGB, angedrohten Strafen; vgl. § 153 n. 4; § 154 n. 12. 9. Personen, welche nach den Strafgesetzen unfähig find, als Zeugen eidlich vernommen zu werden, sind uneidlich zu vernehmen: StPO. § 56: CPO. § 358. Die eidliche Vernehmung in der Hauptverhandlnng begründet die Revision, sollte sie auch mit Zustimmung oder gar auf den Antrag aller Betheiligten erfolgt, oder die die Eidesunsühigkeit bedingende Verurtheilung gar nicht zur Sprache gekommen bezw. dem Richter unbekannt 'gewesen sein; vgl. Rill. 24. Mai 84 (R. VI, 370), Löwe s. 259. 649. Anders, wenn eine solche Vernehmung nur int Vorverfahren stattgefunden hat (da die Thatsache der Beeidigung später nicht ungeschehen gemacht werden kann): Rill. 24. April 80 (R. I, 655). 1.
Ein Angelöbniß mittels eidesstattlicher Versicherung genügt nicht,
Thl. II. Abschn. IX. Meineid. — §§ 162. 163.
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vor Gericht bestellten Sicherheit oder dem in einem Offenbarungseide gegebenen Versprechen zuwiderhandelt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. [I. @ntro.: § 140; II. Entw.: § 159; Pr. StGB.: § 131].
§ 168. Wenn eine der in den §§ 153 bis 156 bezeich neten Handlungen aus Fahrlässigkeit begangen, worden ist, so tritt Gefängnißstrafe bis zu Einem Jahre ein. um eventuell die Strafbarkeit aus § 162, einen sog. Eidesbruch zu begründen. Dagegen steht auch hier die im § 155 Nr. 1. 2 erwähnte Erklärung resp. Versiche rung unter Berufung auf den früher geleisteten Eid dem Eide gleich. — Eine „Sicherheitsbestellung" int Sinne des § ist der StPO, fremd; dagegen ist dieselbe int Civilprozeßverfahrcn nach Maßgabe des § 101 der CPO. zulässig: Olsh. n. 3. 2. Der zweite int § vorgesehene Fall des Eideöbruchs setzt nicht nothwendig einen „vor Gericht" geschwornen „Offenbarungseid" voraus; vgl. § 153 n. 5, Olsh. n. 4; contra: BL. s. 390, Doch., HH. III, 242. — Die CPO., die StPO, und die KO. kennen keinen Offenbarungseid mit promissorischem Inhalte (n. 4). 3. Die Falschschwörung des a ssertorischeu Theiles eines Offenbarungseides fällt unter § 153 (vgl. dort n.5). Macht Jemand nach Verübung dieses Verbrechens sich auch noch einer Zuwiderhandlung gegen den promissorischen Theil jenes Eides schuldig, so liegt Real-Konkurrenz vor, da es sich um ein neues selbständiges Thun handelt: »II. 12. April 81 (E. IV, 76), OT. 26.. März 62 (O. II, 314); contra: Bind. HB. I, 559. Demgemäß ist es unstatthaft, bei einer lediglich aus § 153 er hobenen Anklage eine fernere Frage aus § 162 zu stellen: OT. 22. Nov. 67; contra: OT. 29. Jan. 68 (O. VIII, 748; IX, 67); ähnlich: OT. 2. Febr. 76 (O. XVII, 80); — es sei beim, daß der Angeklagte dazu (und nicht etwa blos zu der Art der Fassung jener Frage) seine Zustimmung ertheilt hätte (StPO. § 265): eit. »II. 12. April 81. 4. Der § versteht unter dem „in einem Offenbarunqseide gegebenen Ver sprechen" ein innerlich und sachlich mit dem Zwecke des Manisestationsverfahreus in Verbindung stehendes Versprechen, mithin nicht jedes beliebige, diesem Zwecke fremde Gelöbuiß, welches in jenen Eid aufgenommen ist: Rill. 20. Mai 82 (R. IV, 503). Jenes Versprechen ist regelmäßig auf getreuliche Anzeige gerichtet, wenn sich in der Folge ergeben sollte, daß bei der Manifestation des Vermögens Etwas außer Acht gelassen sei; vgl. § 33, I, 22 Pr. AGO. 5. Das Versprechen (n. 4) kann nicht als gebrochen angesehen werden, wenn demselben gemäß Uebereinkunft ein anderer Inhalt gegeben und nur gegen diesen gehandelt war, ohne daß das veränderte Versprechen beschworen worden: Rill. 20. Mai 82 (eit. n. 4). 6. Auf die Zuwiderhandlung gegen andere VersprechungSeide. als die im § genannten, z. B. gegen allgemeine eidliche Angelöbniffe (als Vormund, Be amter re.) ist der § nicht auszudehnen: OA. 3. Mai 73 (O. XIV, 335).
§ 163. 1. Es wird hier vorausgesetzt, daß der vollständige Thatbestand eines der in den eit. §§ 153—156 vorgesehenen Verbrechen re. mit der Modifikation vorliege, daß statt der dort erheischten „Wissentlichkeit" der Falschheit eine „Fahrlässig, fett" bei der Bekundung von etwas objektiv Unwahrem obwalte. Es muß daher die Feststellung jenen Thatbestand mit umfassen. 2. Sonach findet der § auch auf einen aus Fahrlässigkeit unrichtig ausgeschworenen Ueberzeugungs- (CPO. § 424 Abs. 2. 3), Glaubens- oder Igno ranz eid Anwendung: Rill. 7. Okt. 82 (E. VII, 185: speziell im Falle vernach lässigter Erkundigung vor Leistung des Glaubenseides), Dresd. 5. Jan. 72, OT. 7. Sept. 74 (StZ. 1,275; O. XV, 535); ebenso auf einen (assertorischen) Offen barungseid; letzteres wurde schon früher anerkannt, für das Gebiet des Gemeinen Rechts durch OT. 3. Febr. 64 (O. IV, 338), für den Geltungsbereich der Pr. AGO. durch OT. 29. Sept. 71, 8. Mai 73, 5. Jan. 77 (£). XII, 485; XIV, 350; XVIII,
392
Thl. II. Abschn. VII. Meineid. — § 163.
Straflosigkeit tritt ein, wenn der Thäter, bevor eine An zeige gegen ihn erfolgt oder eine Untersuchung gegen ihn ein geleitet und bevor ein Rechtsnachtheil für einen Anderen aus der falschen Aussage entstanden ist, diese bei derjenigen Behörde, bei welcher er sie abgegeben hat, widerruft. [I. Entw.: § 141; II. Entw.: § 160; Pr. StGB.: § 132].
Vgl. §§ 153-156.
15: der entgegengesetzte §33 (Schlußsatz), 1,22 1. c. sei durch § 163 außer Kraft getreten), und unterliegt gegenwärtig (vgl. CPO. § 711) um soviel weniger einem Zweifel; vgl. RH. 7. Dez. 80, 21. April 82, MV. 7. Jan. 85 (A. III, 12: E. VI, 205; R. VII, 20). Ueber die (faktische) Möglichkeit eines fahrlässiger Weise falsch geschworenen Ueberzeugnngseids vgl. RII. 27. Febr. 85 (E. XII, 58), über diejenige eines solchen Sachverständigen-Eides: v. Prittwih, GA. 30 s. 153, Olsh. n. 3. 3. Da der fahrlässige und wissentliche Eid verschiedene, selbständige Thatbe stände haben (n. 1), so kann, wenn objektiv ein Meineid vorliegt, „Fahrlässig keit" nicht lediglich daraus gefolgert werden, daß die „Wissentlichkeit" nicht be wiesen sei: RI. 24. Juni 80 (E. II, 120), OT. 21. Sept. 75 (O. XVI, 590), Drrsd. 18. Okt. 75 (SGZ. XX. 175). 4. Der de lege ferenda erhobene Einwand, der § strafe nicht sowohl ein fahr lässiges Ha n dein, als vielmehr eine fahrlässige Unwissenheit, erledigt sich drrch die Erwägung, daß der Schwörende es eben unterlassen hat, sich zuvor genügend über die Thatsachen zu unterrichten oder dieselben in das Gedächtniß sich zurückzu rufen, daß daher recht eigentlich seine Fahrlässigkeit in der Unterlassung eines ge botenen Handelns gestraft wird: Mot. s. 95. Um so gewisser schließt der Umstand, daß der Schwörende von der Richtigkeit der bekundeten Thatsachen überzeugt ge wesen ist, an und für sich die Anwendung des § nicht aus (im entgegengesejten Falle würde sogar regelmäßig Strafbarkeit aus §§ 153ff. vorliegen); vgl. 9611. 16. Febr. 83 (E. VIII, 108: wo jedoch anerkannt wird, daß eine besondere Pflcht, sich durch Erkundigungen oder anderweitige Thätigkeit vorzubereiten, für Beigen nicht bestehe). Beispiel: Zeuge rekognoscirt einen Unschuldigen als den Thäter, in dem er die aus sonstigen Momenten, z. B. den Aussagen anderer Zeugen gewomene Ueberzeugung von der Identität der Person leichtfertiger Weise für das Ergelniß seiner eigenen sinnlichen Wahrnehmungen hält; vgl. übrigens Fuchs, GSaal36 s. 13. 5. Auf den „Grad" der Fahrlässigkeit kommt Nichts an; die civilrechtlche Abstufung der culpa ist dem StGB, fremd; ebenso: RII. 30. Juni 85 (E. XII, 317). — Eine solche kann sowohl bei einem Rechts- als bei einem faktischen Irrthume obwalten (: RI. 7. Jan. 81, A. III, 137), z. B. wenn es sich darum handelt, ob der Eid den Schwörenden zur Angabe einer bestimmten Thatsache verpflichte: OT. 4. März 53 c. v. Maltzahn, OT. 18. Sept. 78 (O. XIX, 422). Rechtsunkennniß ist regelmäßig nur dann als Fahrlässigkeit anzunehmen, wenn der Schwörende rach Lage des konkreten Falls die Pflicht hatte, sich die richtige Kenntniß zu verschaffn; eine allgemeine derartige Pflicht besteht nicht: Ri. 21. Juni 80 (R. II, 89). — Dasselbe gilt überhaupt von dem Falle, wo der Eid, resp. dessen Inhalt fahrlässger Weise mißverstanden ist; contra: Meckl. OG. (GSaal 26 s. 468: hielt den § nur da für anwendbar, wo eine Thatsache in gutem Glauben eidlich bekräftigt worien, die objektiv unwahr sei und von deren Unrichtigkeit der Schwörende sich bei sduldiger Sorgfalt hätte Ueberzeugung verschaffen können); vgl. auch OT. 21. Sept.75 (cit. n. 3). Als fahrlässiger Meineid kann es angesehen werden, wenn die Been dung ihrem buchstäblichen Wortsinne nach wahr, aber unwahr in dem Sinne ist, auf den es nach der Sachlage ankam; so: OT. 13. Mai 68 (O. IX, 330); vgl. §153 n. 18. Wer als Zeuge (nichtdoloser Weise) eine erhebliche Thatsache verschwsgt, handelt fahrlässig, wenn er bei Anwendung der einem Zeugen obliegenden Sorgalt und Aufmerksamkeit sich der Erheblichkeit jener Thatsache bewußt sein mußte: RI. 2. Okt. 84 (9391. 50 s. 378). 6. Ob Fahrlässigkeit vorliege, ist eine thatsächliche, vom Revisionsriäter nicht nachzuprüfende Frage (sofern der Begriff jener nicht verkannt ist): RII. 7. 2ez. 80, 30. Juni 85 (A. III, 12; E. XII, 317).
Thl. II. Abschn. X. Falsche Anschuldigung. — § 164.
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Zehnter Abschnitt.
Falsche Anschuldigung.
§ 164* Wer bei einer Behörde eine Anzeige macht, durch welche er Jeniand wider besseres Wissen der Begehung einer strafbaren Handlung oder der Verletzung einer Amtspflicht be7.
Bezüglich der Wiederholung eines fahrlässigen Falscheides vgl. § 154
n. 22 und das dort cit. RIV. 4. Jan. 87. 8. Anstiftung und Beihülfe zum Vergehen aus § 163 sind rechtlich nicht möglich; vgl. §48 n. 22, §49 n. 9, Dochow, HH. III, 242; contra: OlSh. n. 4. Dagegen ist die Verleitung durch § 160 verpönt. Der des Vergehens aus § 160 Verdächtige darf in einer Untersuchung aus § 163 nicht als Zeuge beeidigt werden, wenn es sich um denselben Falscheid handelt (StPO. § 56): RI. 2. Okt. 84 (cit. n. 5). 9. In Betreff des die Straflosigkeit herbeiführenden Widerrufs gilt hier das zu § 158 n. 1 ff. Gesagte; die Wortfassung des Abs. 2 stimmt genau mit jener des cit. § 158. (Demnach findet Abs. 2 auch auf Parieieide Anwendung: RI. 25. April 87, E. XVI, 29. — Auch hier ist zu einer dem Angeklagten nach theiligen Entscheidung gemäß § 262 der StPO, eine Mehrheit von zwei Drittheilen der Stimmen nöthig.)' Dagegen findet § 157 hier keine Anwendung. 10. Beim Eidesbruche (§ 162) bleibt § 163 ausgeschloffen. ' 11. Inwiefern die fahrlässige Verletzung der Eidespflicht die Wiederauf nahme eines Strafverfahrens, bzw. die Restitutionsklage begründe, darüber vgl. StPO. §§ 399 (Nr. 2), 402 (Nr. 2), CPO. § 543 (Nr. 1. 3).
§164. Inhalt: Amtspflicht: 10. Anzeige: 5. 6. 8. • konkr.: 6. 8. Beamter: 16. Behörde, welche? 1—4. Beleidigung: 20. Beschuldigung: 6—11. ■ falsche: 11. 12.
Buße: 19. Dienstvergehen: 10. Dolus: 13. 15. Handlung, strafbare: 8. 9. Innehalten: 22—24. Konkurrenz: 20. 21. Landesherr: 4. Privatklage: 5.
Selbstanklage: 6. Strafantrag: 18. Strafausschließungsgrund: 9. 11. Verjährung: 9. 24. Vertheidigung: 13. 17. Dor-Entscheidung, bind.: 25. 26. Zeugniß, falsches: 13. 21.
1. Ueber den Begriff „Behörde" im Allgemeinen vgl. § 114 n. 7ff. 2. Die Anzeige muß „bei einer Behörde" gemacht sein. Daß die ange gangene Behörde zur Verfolgung strafbarer Handlungen rc. befugt oder gar die in casu dazu berufene sei, wird nicht erheischt; ebenso: RII. 4. Mai 83 (A. VII, 11); es genügt, wenn sie die Berufspflicht hatte, die ihr gemachte Anzeige an die zur Verfolgung zuständige gelangen zu lassen: OT. 23. Okt. 63, 13 Apr. 68, 23. Apr. 74 (O. IV, 132; IX, 291; XV, 257), Münch. 9. Nov. 77 (BE. VII, 473: sprach gleichzeitig aus, daß jene Berufspflicht eine allen Staatsbehörden gemeinsame sei); vgl. RII. 23. Dez. 79 (R. I, 170: betr. die Pr. Amtsvorsteher). 3. Damit die Anzeige „bei einer Behörde gemacht" sei, wird nicht erfordert, daß dieselbe unmittelbar an die Behörde gerichtet und in ihre Hände gelangt sei, vielmehr reicht es hin, wenn sie bei einem untergeordneten Organe derselben (welches selbst keine Behörde ist', aber den Beruf hat, derartige Anzeigen zu Pro tokoll zu nehmen bzw. weiter zu befördern), z. B. bei einem Pr. Magistratssekretär, Gendarmen oder Schutzmann angebracht ist: RII. 4. Mai 83 (A. VIII, 11), OA. 2. Nov. 70 (O. XI, 358), Puch. n. 2, Schw. n. 1; contra: Jena 1. Febr. 72 (StZ. I, 276); vgl. Herzog, StRZ. XII, 609; vorausgesetzt, daß Jenes eben geschah, damit der Beamte die Anzeige als solche der Behörde übermittle: Rill. 2. April 81, 8. Jan. 83 (R.
IV, 192; E. VIII, 5). 4. Auch eine an den Landesherrn gerichtete Anzeige ist geeigneten Falles aus § 164 strafbar; so: OT. 12. Sept. 60, 23. Apr. 74 (GA. VIII, 829; O. XV, 257). In Betreff solcher Anzeigen vgl. jedoch § 185 n. 35.
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Thl. II. Abschn. X
Falsche Anschuldigung. — § 164.
schuldigt, wird mit Gefängniß nicht unter Einem Monat be straft; auch kann gegen denselben auf Verlust der bürgerlichem Ehrenrechte erkannt werden. 5. „Anzeige" ist eine (aus eigner Entschließung: n. 13) zum Zwecke der amt lichen Kenntrnßnahme gemachte Mittheilung. Vgl. n. 15. Zn welcher Weise sie be>= wirkt wird, ist gleichgültig ; eine Privatklage (Injurienklage) genügt, vorausgesetzt, datz sie bezweckt, eine strafrechtliche oder disciplinarische Verfolgung des Betreffenden herbei zuführen: Rll. 7. Nov. 79, RI. 22. Okt. 83 (R. I, 44; V, 620), OT. 1. Mai, 6. Okb. 74 (O. XV, 270. 612); vgl. Stuttg. 13. März 78 (WGbl. XIV, 272: contra: Schütz« s. 318: desgleichen ein (demnächst zurückgenommener) Antrag auf Verfolgung; ogL Ri. 19. Jan- 80 (R. I, 245). Auch bloße Handlungen können genügen, nicht aber das heimliche Zustecken eines gestohlenen Gegenstandes (es liegt darin noch feine Mittheilung an eine Behörde). 6. Durch die Anzeige muß „Jemand", also eine andere individuell erkennbar gemachte Person (§ 165: „der Verletzte") „beschuldigt" sein; auch hier kommt awf das wie? Nichts an; insbesondere bedarf es keiner namentlichen Bezeichnung. Die Anzeige gegen eine erdichtete Person gehört nicht hierher: Münch. 17. Okt. 74 (StA. IV, 306); desgleichen nicht eine falsche Selbstanklage; wohl aber eine in die Forun einer Selbstanklage (eines Geständnisses) eingekleidete, mit falscher Unterschrift versehene Beschuldigung (n. 7); so: Rll. 22. Sept. 82 (E. VII, 47). 7. Die Form der „Beschuldigung" ist gleichgültig; es bedarf nicht noth», wendig der direkten Behauptung der zur Anzeige gebrachten Thatsache: eine aus anderen (wahren) Thatsachen gezogene oder zu ziehende (falsche) Schlußfolgerung genügt: OT. 1. Nov. 61, 2. Juni 75 (O. II, 33; XVI, 410); ja unter Umständen schon die bloße Bezugnahme auf die Mittheilungen Anderer, die Anzeige eines „Ver dachtes" oder eines „Gerüchts": cit. OT. 2. Juni 75. 8. Gegenstand der beschuldigenden Anzeige muß eine konkrete, als solche er kennbare „strafbare Handlung" (Dienstvergehen) sein: OT. 1. Okt. 62 (O. III, 37) ; es reicht hin, wenn dieselbe den Charakter einer Uebertretung hat. Das verurtheilende Erkenntniß muß ausdrücklich feststellen, welcher Mißthat rc. der Andere beschul digt worden (: OT. 2. Mai 66, O. VII, 258); Feststellung der einzelnen BegriffsMerkmale ist nothwendig, insoweit in dieser Beziehung ein Bestreiten stattgefunden hat: OT. 20. Okt. 64 (O. V, 182); sonst genügt die Bezeichnung des Gattungsbegriffs: OT. 3. Dez. 73 (O. XIV, 769); vgl. jedoch Rill. 2. Juli 81 (R. III, 457: besprochen zu § 102 n. 10). 9. Ist die angezeigte Handlung nach Inhalt der Anzeige eine strafbare, so kommt Nichts darauf an, ob sie vom Anzeigenden richtig (rechtlich) qu alifizirt, ferner ob ihre Verfolgung zur Zeit statthaft oder irgendwie (z. B. durch Verjährung) ausgeschloffen war: Rill. 25. Febr. 80 (E. I, 229), OT. 14. Juni 65 (O. VI, 180); Schütze s. 318 schließt den Fall der Verjährung aus, wenn der Angeklagte diese kannte; vgl. unten n. 11.15: endlich, ob sie geeignet war, den Betroffenen verächtlich zu machen oder in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen (§§ 186. 187): Münch. 15. April 76 (BE. VI, 186). Die bloße Möglichkeit des Vorhandenseins in der Anzeige nicht angedeuteter Strafausschließungsgründe hebt den Inhalt der Behauptung nicht auf: Rill. 16. Okt. 80 (E. III, 228). 10. Der Vorwurf der „Verletzung einer Amtspflicht" (in abstracto) ge nügt nicht: Manh. 30. Sept.76 (BA. 42 s. 338); vgl. n. 8. Zu den „Amtspflichten" gehört auch die, daß der Beamte in und außer dem Amte Nichts thue, wodurch er sich der Achtung, des Ansehens oder des Vertrauens, welche sein Beruf erfordert, un würdig zeigen würde: OT. 4. Febr. 58 (JMbl. s. 143). 11. Die Beschuldigung muß objektiv falsch sein; eine theilweise Falschheit genügt: Münch. 28. Sept. 73 (BE. III, 378); ebenso das Verschweigen eines Um stands, durch welchen der angezeigte Hergang rechtlich einen wesentlich anderen Cha rakter annahm: RIV. 29. März 87 (E. XV, 391), OT. 18. Mai 65. OA. 22. Dez. 73 (O. VI, 136; XIV, 811), z. B. das Verschweigen eines Strafausschließungsgrundes; ebenso: RI. 2. Nov. 82 (E. VII, 207: Anzeige wegen übler Nachrede unter Derschweigung des Umstands, daß der Anzeigende die ihm nachgesagte That, einen Diebstahl, wirklich verübt hatte); contra: OT. 19. Nov. 73 (O. XIV, 729); bloße
Thl. II. Abschn. X. Falsche Anschuldigung. — § 164.
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So lange ein in Folge der gemachten Anzeige eingeleitetes Verfahren anhängig ist, soll mit dem Verfahren und mit der Entscheidung über die falsche Anschuldigung inne gehalten werden. [I. Entw.: § 142: II. Entw.: § 161; Pr. StGB.: § 133.] Vgl. §§ 165. 186. 187. 191. 32; StPO. § 501; R.-Gerichtskosten-Ges. § 69 Abs. 2.
Uebertreibungen, welche die strafrechtliche Oualifikation der begangenen That nicht ändern, vielmehr nur für die Strafzumessung erheblich sind, reichen dagegen nicht hm: RII. 16. Okt. 85 (E. XIII, 12). — Desgleichen nicht ein irrtümliches Fürfalfchhalten. — Zur Feststellung jenes Thatbestandsmerkmals genügt nicht der Nach weis, daß die thatsächliche Behauptung, in welche die Anschuldigung eingekleidet wurde, unwahr, z. B. daß ein Geständniß der Schuld, welches der Angeklagte als ihm gegenüber vom Denuntiirten abgelegt zur Anzeige gebracht hat, blos vorgespiegelt ist: Rill. 21. April 87 (E. XVI, 37). 12. Daß die Anzeige die Einleitung einer Untersuchung zur Folge ge habt, und daß sich hierbei die Falschheit derselben herausgestellt habe, ist nicht er forderlich: OT. 9. März 54 c. v. d. Schulenburg. Auch verschlägt es nichts, wenn die Anzeige ein Antragsdelikt betraf, ob der gestellte Antrag später zurückgenommen wird: Stuttg. 13. März 78 (eit. n. 5). 13. Als Dolus werden zunächst die Vorsätzlichkeit und Freiwilligkeit der Handlung erheischt; wer, amtlich zum Zeugnisse oder zur Verantwortung aufgerufen, lügenhafte Aufschlüsse über Thatsachen giebt, macht keine falsche „Anzeige": Rill. 15. Mürz. 83, RIV. 21. Okt. 84 (E. VIII, 162; R. VI, 641), OT. 24. Mai 52 (GA. I, 84), es sei denn. daß die angezeigten Thatsachen in gar keiner Verbindung mit den Gegenständen der Vernehmung ständen und diese gar keinen Anlaß zur Erhe bung der Anschuldigung gegeben hätte, letztere vielmehr lediglich in der Absicht er hoben würde, eine Verfolgung des Beschuldigten herbeizuführen: so: RH. 11. Jan. 87 (R. IX, 31). — Ebenso gehören wechselseitige Bezüchtigungen mehrerer (sich ver theidigenden) Mitbeschuldigten nicht hierher; vgl. aber n. 16. 14. Sodann muß der Anschuldigende „wider besseres Wissen" d. h. mit der Kenntniß gehandelt haben, daß die angezeigte Thatsache unwahr sei; vgl. Rll. 16. Jan. 80 (E. I, 80: selbst eine frivole, ohne den Glauben an ihre Begründetheit erhobene Anzeige sei darum noch nicht wider besseres Wissen gemacht); contra: Herzog. GSaal 32 s. 108; H., SGZ. XIX, 161 (schon die mangelnde Ueberzeugung von der Wahrheit genüge); vgl. hiergegen jedoch M. S. ib. f. 348ff. Jenes bessere Wiffen muß nachgewiesen werden; es folgt nicht mit Nothwendigkeit aus dem Miß lingen des versuchten Beweises des guten Glaubens noch aus dem Nachweise, daß die thatsächliche Behauptung, in welche die Anschuldigung eingekleidet wurde, be wußter Maßen unwahr war: Rill. 21. April 87 (eit. n. 11). Ueber falsche, aber nicht (erweislich) wider besseres Wiffen gemachte Anschuldigungen vgl. § 186 n. 6b. 15. Endlich bedarf es auch des Bewußtseins (§59). daß die gemachte An zeige geeignet sei, gegen den Denuntiirten ein Strafverfahren oder ein diseiplinarisches Einschreiten herbeizuführen; daß letzteres beabsichtigt wurde, ist nicht erforder lich: RI. 18. Jan. 81, 1. Jum 82 (A. III, 138; R. IV, 522), OT. 11. Juli 72, 9. Nov. 76, 9. Jan. 77 (O. III, 404; XVII, 726; XVIII, 19), Schütze s. 318; contra: OT. 1. Mai 74 (O. XV, 270), ML. s. 485, Schw. n. 8, Meyer s. 128 n. 7; vgl. auch Rill. 2. April 81 (R. III, 192: Mot.); noch weniger, daß die Absicht auf Herbei führung einer Bestrafung oder einer sonstigen Benachtheiligung gerichtet war: OT. 3. Nov. 76 (GA. 23 s. 515); vgl. Schw. und ML. 1. c. Selbst das Bewußtsein, daß eine Derurtheilung thatsächlich unmöglich sei, schließt die Anwendbarkeit des § nicht aus, sofern nur jenes ersterwähnte Bewußtsein vorlag; der Feststellung des letzteren bedarf es nur im Bestreitungsfalle: RII. 22. Sept. 82 (E. VII, 47). 16. Auf den Endzweck des Thäters kommt es überhaupt nicht an; namentlich wird die falsche Anschuldigung dadurch nicht straflos, daß sie zum Zweck einer Vertheidigung (z. B. zur demnächstigen Begründung eines Restitutionsgesuchs) angebracht wurde; § 193 findet hier keine Anwendung: RI. 3. April 84 (E. X, 274), OT. 11. Juli 72 (O. XIII, 404); vgl. aber n. 13. 17. Ein Beamter kann durch eine amtliche Anzeige das Vergehen der fal schen Anschuldigung verüben; vgl. § 344.
Thl. II. Abschn. X. Falsche Anschuldigung. — § 165.
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§ 165. Wird wegen falscher Anschuldigung auf Straffe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugniß zuzusprechen, die Verurtheilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung, sowie die Frist zu derselben, ist in dem Urtheile zu bestimmen. 18. Die Verfolgung ist nicht durch einen Antrag des Denuntiirten bedingst; der Tod desselben schließt jene nicht aus. 19. Aus eine an den Verletzten zu erlegende „Buße" (§ 188) kann wegen falscher Anschuldigung nicht erkannt werden; vgl. dagegen § 165. 20. Mit einer falschen Anschuldigung kann eine (verleumderische) Beleidigumg (§ 187) ideell konkurriren; ebenso: OT. 9. Rov. 76 (eil. n. 15), Münch. 15.Apr. 76 (eit. n. 9); contra: Herzog, GSaal 32 s. 102. 21. Wird eine falsche Anschuldigung später als Zeugniß beschworen, so liegt Real-Konkurrenz vor; beide Handlungen sind selbständig; contra: Münch. 25.01t. 75 (StZ. V, 268: wenn beide Handlungen aus demselben Entschlüsse her vorgegangen seien und denselben Zweck verfolgten; vgl. § 74 n. 3). — Die bloße Ergänzung der ursprünglichen Anzeige ist wohl nicht als neue selbständige Anschul digung anzusehen. Dagegen begründen mehrere selbständige Wiederholungen RealKonkurrenz. Münch. 13. Huni 74 (BE. IV, 248) nahm letztere ferner in einem Falle an, wo die falsche Beschuldigung in demselben Schriftstücke, aber gegen zwei Per sonen und wegen getrennter Handlungen erhoben war; vgl. jedoch § 74 n. 14. 22. Im Abs. 2 ist unter dem „in Folge der Anzeige eingeleiteten Ver fahren" nicht blos eine förmliche Untersuchung, sondern jedes zur Aufklärung ver anlaßte amtliche Vorverfahren, insbesondere das blos vorbereitende Verfahren der Staatsanwaltschaft zu verstehen; ebenso: RH. 17. April 83 (E. VIII, 184), des gleichen ein bloßes Diseiplinarverfahren: Rll. 9. Mai 84 (E. X, 381: Mot.). So iange es dahin nicht gekommen ist, kann von einem gebotenen Innehalten keine Rede sein; § 191 findet hier nicht analoge Anwendung: OT. 20. Mai 70 (O. XI, 328). , 23. Das eingeleitete Verfahren ist so lange „anhängig", bis es in der den Prozeßgesetzen entsprechenden Weise zum Abschluß gekommen ist; vgl. jedoch Rll. 17. April 83 (eit. n. 22: erkannte. daß die Einstellung eines vorbereitenden Verfah rens der Staatsanwaltschaft nicht nothwendig durch ausdrückliche Einstellungs-Ver fügung nach Maßgabe des § 169 der StPO., sondern auch stillschweigend geschehen, mithin aus konkludenten Handlungen gefolgert werden könne; die durch den eit. § 169 vorgeschriebene Benachrichtigung des Antragstellers sei nur eine Folge der Einstellung, ihre Unterlassung daher niemals entscheidend). Dagegen braucht der jene Wirkung herbeiführende Entscheidungsakt noch nicht rechtskräftig (§ 30 n. 4) geworden zu sein, um die „Anhängigkeit" des Verfahrens aufzuheben. 24. Im Uebrigen vgl. bezüglich des Jnnehaltens § 191 ff., § 69 n. 3. 7. 25. Führt das in Folge der Anzeige eingeleitete Verfahren zu einer rechts kräftigen Verurtheilung des Dennntiirten, so wird dadurch die Verfolgung aus § 164 insoweit erledigt, als auf diese Weise festgestellt worden ist, daß die An schuldigung keine falsche war; vgl. § 190; contra: Rüd. n. 7. 26. Dagegen ist jede andere dort ergangene Entscheidung, insbesondere die Freisprechung (Einstellung des Verfahrens) für den über die „falsche Anschuldi gung" erkennenden Richter in keiner Weise bindend; dieser muß die Frage der „Falschheit" selbständig prüfen, und darf namentlich dem Angeklagten den Wahr heitsbeweis nicht deshalb abschneiden, weil der Denuntiirte bereits rechtskräftig freigesprochen sei (in dieser Beziehung findet § 190 keine analoge Anwendung); contra: GA. XIII, 880. Dies gilt selbst, wenn dem Anzeigenden, weil er die An zeige wider besseres Wissen gemacht habe, auf Grund der StPO. § 501 (vgl. Gerichtskostenges. v. 18. Juni 1878 § 69 Abs. 2) die Kosten des früheren Verfahrens zur Last gelegt wurden. § 165.
1. „Verletzter" ist hier der Denuntiirte; vgl. § 164 n. 6. 2. Die im Abs. 1 angeordnete Maßnahme ist vom Strafrichter von Amts-
Thl.ll. Abschn.XI. Vergeh., welche sich a. d. Religion beziehen. — §§ 165.166.
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Dem Verletzten ist auf Kosten des Schuldigen eine Aus fertigung des Urtheils zu ertheilen. [I. Entw.: § 143; II. Entw.: § 162; Pr. StGB.: § 134.] Vgl. §§ 164. 200.
Elster Abschnitt. Vergehen, welche sich auf die Religion beziehen.
§ 160. Wer dadurch, daß er öffentlich in beschimpfenden Aeußerungen Gott lästert, ein Aergerniß giebt, oder wer öffentwegen (ohne Antrag des Verletzten) im entscheidenden Theile des Erkenntnisses ausdrücklich auszusprechen. Dem Verletzten steht in Betreff dieser Anordnung kein Rechtsmittel zu, da die StPO, hier weder Privatklage noch Nebenklage gewährt. 3. Die Bestimmung der „Art der Bekanntmachung" muß sich darüber aussprechen, ob sie durch Anheftung an einzelnen (genau zu bezeichnenden) Stellen oder durch Abdruck in einem oder mehreren (genau zu bezeichnenden) Blättern er folgen, ob sie das ganze Urtheil oder nur den entscheidenden Theil umfassen soll; vgl. § 200; contra: Olsh. u. 1 (: stets sei nur letzterer zu veröffentlichen). 4. Zu den gemäß Abs. 1 vom Schuldigen zu erstattenden (ev. seitens des Verletzten auf denr Prozeßwege einzuklagenden) Kosten rechnet Münch. 14. Sept 86 (BE. IV, 292) auch diejenigen, welche dem Verletzten dadurch erwachsen sind, daß er sich zum Vollzüge der Bekanntmachung eines RechtSanwaltS bedient hat [V]. 5. Die Nrtheilsausfertignng (Äbs. 2) ist dem Verletzten, ohne, daß darauf erkannt worden, und ohne Kostenvorschub zu liefern; die Kosten derselben fiitb als baare Auslagen vom Schuldner einzuziehen: Olsh. n. 2. 6. Vgl. im Uebrigen die Bemerkungen zu § 200. § 166. 1. Ueber den Begriff des „öffentlich" vgl. § 85 n. 1 ff. Demgemäß kaun die in einem Omnibus den zufällig anwesenden Fahrgästen gegenüber gefallene got teslästernde ic. Aeußerung als eine öffentlich geschehene erachtet werden; vgl. § 85 n. 2, Rill. 26. März 81 (R. III, 167). Einer Menschenmenge bedarf es hier nicht: Dresd. 21. April 73 (StZ. III, 7). Bei Druckschriften lästernden rc. Inhaltes kann jenes Thatbestandsmerkmal schon in der vom Verleger an einen Abnehmer er folgten Ueberlassung von Exemplaren enthalten, mithin schon vor Verbreitung der letzteren unter das Publikum, erfüllt sein: Rill. 23. Dez. 81 (R. III, 826). Dagegen erkannte Rill. 24. Febr. 87 (R. IX, 151), daß eine Lästerung, ausgesprochen in einer Schule, zu welcher nur die Schüler und Schulbeamten Zutritt haben, nicht öffent lich verübt sei. 2. Das Vergehen der „Lästerung Gottes" setzt den Gottesbegriff voraus, wie er in den konkreten Bekenntnissen der „christlichen Kirchen" und der „anderen mit Korporationsrechten innerhalb deS Deutschen Reichs bestehenden Religionsgesellschäften" enthalten ist, so: Rll. 3. März 82 (E. VI, 77), v. Liszt s. 365, Olsh. n. 2, Fuld b. Bödiker III, 92ff.; contra: OT. 21 Okt. 69 (O. X, 651: rechnet dahin jede Herabwürdigung des Begriffs der Gottheit außerhalb der metaphysischen Speku lation). Eine solche liegt in einer Lästerung Christi: Rill. 13. Dez. 79 (R. I, 143), OT. 13. Mai 68, 27. Sept. 76, OA. 15. Febr. 73 (O. IX, 423; XIV, 143; XVII, 604), Münch. 12. Okt. 77 (BE. VII, 452); contra: Schw. n. 4a; ebenso in einer Lästerung des Heiligen Geistes: OT. 20. Jan. 75, 16. Nov. 76 (O. XVI, 60; XVII, 745). 3. Die Gotteslästerung muß (nach einer durch den RT. beschlossenen Fassungs änderung) „in beschimpfenden Aeußerungen" geschehen sei. Man wollte da durch philosophische Erörterungen vom Thatbestände ausscheiden und ebenso leicht fertige Redensarten, bei welchen sich der Sprecher nichts Arges denkt, und ein kränkender Wille nicht zur Erscheinung kommt: Sten. Ber. s. 639 ff. Hiernach ge-
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Thl. II. Abschn. XL Vergeh., welche sich o. d. Religion beziehen. — § 166.
lich eine der christlichen Kirchen oder eine andere mit Korporationsrechten innerhalb des Bundesgebietes bestehende Religionshört zum Begriffe des (im § an drei verschiedenen Stellen hervorgehobenen) „Beschimpfens", daß eine Aeußerung, bildliche Darstellung oder Handlung in be wußter nach außen erkennbar gemachter Weise etwas Herabwürdigendes in sich schließe; ebenso: Münch. 4. April 79 (BE. IX, 203): vgl. auch Rill. 13. Dez. 79 (cit. n. 2: in Beziehung auf Wesen oder Verhältnisse, welche Verehrung, HeiligHaltung rc. forderten, bekunde eine „beschimpfende Aeußerung" die Verachtung des Heiligen, dessen, was Achtung und Verehrung fordere; die Bethätigung eines bloßen Mangels an Achtung genüge nicht), 91111. 11. März 82, 5. Febr. 85 (E. VI, 88; R. VII, 83: der Begriff „Beschimpfung" erfordere gemeinhin einen stärkeren Grad beleidigender Mißachtung; die Grenze zwischen Beschimpfung und beleidigender Kundgebung zu finden, sei Thatfrage). Dagegen gehen DreSd. 15. Dez. 71, 5. April 72 (StZ. I, 276; SGZ. XVI, 280) zu weit, wenn sie verlangen, daß jenes Herabwürdigende sich durch die äußere Form kundgebe; vgl. n. 8. Daß unter „Aeuße rungen" hier auch bildliche Darstellungen rc. zu verstehen sind, darüber vgl. Schütze f. 346, Meves, GSaal 27 s. 337 und unten 6. 4. Außerdem muß (nach derselben vom RT. beschlossenen Fassungsänderung) durch die Gotteslästerung ein „Aergerniß" gegeben sein, d. h. sie muß eine Ver letzung des religiösen Gefühls Anderer herbeiführen; vgl. Mot. s. 96. Es reicht in dieser Hinsicht aus, wenn diese Wirkung auch nur bei einer einzigen Person her vorgerufen wurde: Rl. 12. Zuli 80 (E. II, 196). Dagegen genügt es nicht, wenn die betr. Aeußerung blos geeignet »var, Aergerniß zu erregen: RII. III. 10. Ott. 87 (E. XVI, 245), BL. s. 395; contra: Zena 76 (Voll. 24 s. 280), Rüd. n. 2; vgl. § 183 n. 4.
4a. Hiernach gehören bloße Flüche und dgl. nicht hierher. 5. Unter „den christlichen Kirchen" sind in Preußen die „römisch-katholische, die lutherische, die refonnirte und die unirte (evangelische)" zu verstehen; vgl. Pr. Patent v. 30. März 1847, Verfass, v. 31. Jan. 1850 Art. 15; contra: Villn., GSaal 31 f. 513 (rechnet auch die griechisch-katholische und die anglikanische Kirche hierhin). Ein gegen die „christliche Kirche" oder gegen das „Christenthum" gerichteter Angriff trifft jede der verschiedenen christlichen Kirchen: OT. 20 Febr. 56 c. Gräbert. Stuttg. 29. Jan. 79 (WGbl. XV, 337). Werden die Angehörigen einer christlichen Kirche im Allgemeinen angegriffen, so kann hierin ein Angriff auf die betreffende Kirche selbst gefunden werden: Manh. 5. Mai 77 (BA. 43 s. 298). 6. Der Angriff muß gegen eine „christliche Kirche" als solche, als Ganzes gerichtet sein; die Herabwürdigung eines Bruchtheils (Mehrheit, Minderheit) genügt nicht: Dresd. 18. Dez. 74 (StZ. V, 43); vgl. jedoch Still. 3. Dez. 81 (E. V, 188: zählt eine staatlich geschlossene, ihre besondere Organisation besitzende christliche Landeskirche zu den „christlichen Kirchen"). Demgenräß ist die Beschimpfung der sog. „Altkatholiken" (ihrer Kirche, ihrer Einrichtungen rc.) selbst, wenn man sie noch als Angehörige der „römisch-katholischen Kirche betrachtet, keine Beschimpfung der letzteren oder ihrer (entsprechenden) Einrichtungen, zumal wenn die betr. Aeuße rungen gerade den Gegensatz der „altkatholischen" zur „römisch-katholischen" Kirche rc. hervorheben sollen: Münch. 15. Sept. 73 (StZ. III, 101), v. Wänker, BA. 40 s. 168; ähnlich: Köln 21. März 73, HG. Konstanz u Abh. (v. Bering, Arch. f. KRecht 30 f. 329. 341. 323. 343: diese betrachteten die „Altkatholiken" als aus der Kirche ausgeschieden), Villn. 1. c. s. 533 (zur katholischen Kirche gehörig sei für den Richter, was die staatlich anerkannten Organe der Kirche darunter verständen); contra: OT. 24. Mai 73, 20. Okt. 74, 27. Sept. 76 (O. XIV, 399; XV, 687; XVII, 604: so lange die Altkatholiken selbst ihre Zugehörigkeit zur katholischen Kirche be haupteten. und nicht staatsgesetzlich das Gegentheil festgestellt sei), OT. 25. Sept., 17. Okt. 77 (O. XVIII, 587. 653; das letztere Erk. fand im Pr. Ges. v. 4. Juli 1875 eine gesetzliche Anerkennung jener Zugehörigkeit); ähnlich: Manh. 16. Juni 73 (Bering 1. c. s. 336), Meves 1. c. s. 345. Im Uebrigen vgl. n. 7. 11. 7. Alle übrigen „Religionsgesellschasten" bedürfen um deffelben Schuhes theilhaftig zu werden, der „Korporationsrechte"; da derartige ReligionSgesellschaften nicht als Ganzes (als Konfession) Korporationsrechte erlangen, so genügt es, wenn eine Gemeinde derselben diese Rechte in irgend einem Bundesstaate
Thl. II. Abschn. XI. Vergeh., welche sich a. b. Religion beziehen. — § 166.
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gesellschaft oder ihre Einrichtungen oder Gebräuche beschimpft, ingleichen wer in einer Kirche oder in einem anderen zu religiösen erhalten hat. Demgemäß ist das Judenthum eine Religionsgesellschaft im Sinne des § 166: OT. 11. Okt. 77 (0. XVIII, 644). Unter den christlichen Religions gesellschaften gehören dazu nach Villn. 1. c. die Herrnhuter und Altkatholiken (vgl. n. 6), nicht aber die Deutschkatholikeu und Wiedertäufer. — Religionsgesellschaften, welche keine Korvorationsrechte haben, finden in den Vorschriften über Beleidigungen ihren Schutz: Mot. z. Pr. StGB. s. 39, vgl. Zimmermann, GA. 25 s. 103 und andererseits § 185 n. 7. 8. Die „Beschimpfung" einer Kirche rc. seht nicht nothwendig eine an sich beleidigende Form voraus; es genügt, wenn der Inhalt der Rede rc. beschimpfen der Natur ist: n. 3, Darmst. 22. April 73, 13. Dez. 75 (StZ. II, 315; HE. s. 43: das erste Erk. verstattete den Beschuldigten jedoch, wie in den Fällen des § 186, zum Wahrheitsbeweise); contra: Dresd. 21. Aug., 18. Dez. 74 (StZ. V, 44. 43), Meves 1. c. s. 340. Jedenfalls ist eine grobe Schmähung stets eine „Beschimpfung" im Sinne des §: OT. 29. Okt. 75 (O. XVI, 705). Die Ausdrücke „Herabwür digung" und „Geringschätzung" sind unter Umständen ausreichend, um das Merk mal der „Beschimpfung" herzustellen: Rill. 11. März 82 (E. VI, 88). Dagegen soll nach RI. 21. Febr. 84 (E. X, 146), OT. 27. Sept. 76 (O. XVII, 603) in einer Verspottung nicht nothwendig eine Beschimpfung zu finden sein [?]. Das Tra vestien einer Glaubensformel, welches seinen Angriff gar nicht gegen die betreffende Kirche rc.. sondern gegen ganz andere Personen und Verhältnisse richtet, fällt schon um deswillen nicht unter den §; so: Wolfenb. 31. März 74 (StZ. III, 311); vgl. n. 9. — Die Beschimpfung kann auch durch bildliche Darstellungen und symbolische Handlungen verübt werden: Rill. 23. Dez. 81 (E. V, 354), Darmst. 4. Mai 74 (HE. s. 17); vgl. n. 3. — Die Bestimmung der Grenze zwischen Beschimpfung und strafloser Kritik ist thatsächlicher Natur: Rill. 31. März 80, 5. Febr. 85 (R I, 521; VII, 83). 9. „Einrichtung" der Kirche ist nicht jede Anordnung der Kirchenverwaltung, vielmehr nur eine äußerliche, mit den Religionsübung in organischem Zusammenhange stehende, allgemein gültige und bindende Gewohnheit der Kirche; so: RlV. 16. Mai 84 (A. X, 110); vgl. RII. 9. Nov. 86 (R. VIII, 692: unter Einrichtungen der Kirche sei die allgemeine Ordnung der Kirche als solcher, d. h. alles besten zu verstehen, was ihre Aufgaben, Interessen, Rechte und Pflichten, sowie ihr Verhältniß zu ihren Mitgliedern und nach Außen betreffe). Die Beschimpfung einer „Ein richtung (eines Gebrauchs)" einer Kirche rc. ist unbedingt strafbar, selbst wenn dieselben nicht zum Wesen der Kirche rc. gehören: OA. 15. April 68 (O. IX, 271). Doch enthält die Einkleidung eines an sich harmlosen Vortrags in die äußere Form einer kirchlichen Einrichtung, z. B. einer Predigt, nicht unter allen Umständen eine Beschimpfung der letzteren: Rl. 21. Febr. 84 (E. X, 146); vgl. n. 8. 15. 10. Der Reichstag hat die im Entwürfe neben den Einrichtungen und Ge bräuchen aufgezählten Lehren einer Kirche und die Gegenstände ihrer Verehrung gestrichen; Sten. Ber. s. 640ff. Dagegen wird die Beschimpfung einer wesentlichen Lehre einer Kirche oder der Gegenstände ihrer Verehrung sehr leicht eine Beschim pfung der Kirche selbst bezw. einer Einrichtung (eines Gebrauchs) derselben in sich schließen; ebenso: Rill. 30. Nov. 81, Rl. 5 Juli 86 (R. III, 755; VIII, 511: ev. sei dies ausdrücklich festzustellen). Letzteres gilt namentlich von Beschimpfung der Bibel und der zehn Gebote (sie involviren Beschimpfungen der christlichen Kirchen): Rill. 12. Nov. 85 (R. VII, 659: bezüglich einer Beschimpfung der Bibel als solcher, d. h. in ihrer dogmatischen Bedeutung für den christlichen Lehrbegriff, nicht bezüglich der ihr Grundwesen und ihre Bedeutung für Christenglauben und Christenkirche unbe rührt lassenden Beschimpfung irgend eines Bestandtheils derselben), Dresd. 21. Aug., 4. Sept., 4. Dez. 74 (StZ. V, 44. 45), OT. 25. Sept. 77 (O. XVIII, 584), von beschimpfenden Aeußerungen über das Dogma von der Unfehlbarkeit des Papstes: Rill. 28. Juni 83 (R. V, 677 Note), nicht aber von Beschimpfungen des Lehramts der Apo stel; so: Dresd. 19. Mai 76 (SGZ. 21 s. 881). Dgl. ferner Rill. 8. Nov. 83, RlV. 13. Nov. 85 (E. IX, 158; R. VII, 664: erkannten, daß eine Beschimpfung Luthers, wenngleich sie als solche nicht unter den § falle, dennoch im Einzelfalle nach den
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Thl. II. Abschn. XI. Vergeh., welche sich a. d. Religion beziehen. — § 166.
Versammlungen bestimmten Orte beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. [I. Entw.: § 144; II. Entw.: § 163; Pr. StGB.: § 135.]
Vgl. § 304.
konkreten Umständen und der Absicht des Redenden einen Angriff gegen die luthe rische Kirche darstellen und als solcher strafbar sein könne). 11. Die Messe, der Cölibat, die Heiligsprechung, die Marien- und Heiligenverehrung, die Ertheilung des Ablasses gehören zu den Einrich tungen der katholischen Kirche; vgl. Rl. 8. Nov. 80, 5. Jan. 82 (E. II, 428; BA. 48 s. 252), OT. 24. Mai 73, 23. Okt. 72, 29. Mai 68, 30. Juni 74 (O. XIV, 399; XIII, 548; IX, 352; XV, 463); ferner die Concile: Rill. 31. März 80 (R.L521); die Beichte und das geistliche Ordenswesen: Münch. 4. April 79 (BE. IX, 203). Doch fällt ein Angriff, welcher nicht gegen die Messe an sich, sondern gegen die alt katholischen Priester gerichtet ist, und dahin lautet, daß diese durch Celebrirung drr Messe ein Sakrileg verübten, nicht unter den §: OT. 3. Jan. 77 (O. XVIII, 7). 12. Das christliche bzw. apostolische Glaubensbekenntniß ist gleichfalls eine Einrichtung der christlichen Kirche: Rill. 30. Nov. 81 (R. III, 755), Wolfen?. 31. März 74 (eit. n. 8), OT. 6. März 79 (O. XX, 129); ebenso die Christusverehrunz: RI. 8. Nov. 80 (eit. n. 11). 13. Aehnlich verhält es sich mit der Union der evangelischen Kirche: OL. 15. April 68 (eit. n. 9). Sonntagsheiligung und geistliches Lehramt finb Einrichtungen der evangelischen, die Einsegnung der Ehe eine solche der luthrrischen Kirche: RII. 9. Nov. 86, Rill. 6. März 84 (R. VIII, 692; A. IX, 492). Selbst die den evangelischen Geistlichen gestattete Ehe kann, im Gegensatze zum Cölibat der katholischen Geistlichen, als eine Einrichtung der evangelischen Kirche angesehen werden: OT. 27. April 76 (O. XVII, 286); contra: Dilln., GSaal 31 s. 535, Ols>. n. 10. Jedenfalls gehört die Confirmation hierher, der Confirmationsscheh, bzw. der Akt seiner Ertheilung aber nur dann, wenn er mit dem Confirmationsakt so innig zusammenhängt, daß er als ein Bestandtheil desselben erscheint: Rill. 3. Dez. 81 (eit. n. 6.) 14. Der Ausdruck „Gebräuche" ist auf kirchliche, nicht aber auf Ritnckhandlunaen zu beschränken; daß dieselben wesentlich seien, ist nicht erforderlich (n. 9 ; es kann daher auch das Einsammeln freiwilliger Opfergaben während des Gottesdierstes hierher gezählt werden; vgl. OT. 14. Juli 69 (O. X, 507: fand hierin ehe „Einrichtung" der Kirche, falls es auf kirchenobrigkeitlicher Anordnung oder ars Herkommen beruhe); contra: Meves 1. c. s. 348; ebenso stellt eine von den kirchlichen Behörden zu Zwecken der Kirche angeordnete Hauskollekte einen „Gebrauch" dm: RII. 30. Nov. 80 (R. II, 581). Desgleichen die in der protestantischen Kirche üblichen Leichenbestattungsfeierlichkeiten: Münch. 2. April 86 (BE. IV, 128), die vorgeschriebere oder herkömmliche Amtstracht der Geistlichen: Rill. 11. März 82 (E. VI, 88), Dresd. 21. Aug. 74 (eit. n. 10); und die Tonsur der katholischen Geistlichen: Darms. 4. Mai 74 (eit. n. 8), ferner der Gebrauch der Israeliten, das Gebet in der Symgoge mit bedecktem Haupte und mit dem Gebetmantel bekleidet zu verrichten: Münch. 11. Mai 83 (BE. II, 415). Dagegen gehört das Verpachten der Kircheistühle nicht hierher. 15. Die Einrichtung re. muß als solche beschimpft sein; daher genügt kene Kundgebung, welche sich lediglich auf eine Besonderheit des Einzelaktes und der Ait feiner Vornahme bezieht, z. B. auf den Inhalt einer Predigt: Rill. 31. März 8) (eit. u. 11), OT. 13. Jan. 70 (O. XI, 31). Doch kann in einer sich zunächst ms einen einzelnen gottesdienstlichen Akt beziehenden Kundgebung sehr wohl ein Beschimpfen der ganzen Einrichtung, nach welcher jener vorgenommen worden, liegen; ebenso: eit. Rill. 31. März 80, Münch. 4. April 79 (eit. n. 11). 16. Daß durch die „Beschimpfung der Kirche" ein Aergerniß gegeben sä (n. 4) oder daß ein zu der betr. Religionsgesellschaft Gehörender dieselbe wahrge nommen habe, wird nicht gefordert: RI. 18. Jan. 83 (A. VII, 219)', OT. 23. Ok.
72 (eit. n. 11). 17. Dasselbe gilt in Betreff des „beschimpfenden Unfugs" (Schlußsatz. Es genügt daher, wenn der Unfug objektiv ein beschimpfender ist; daß das religiöp Gefühl irgend Jemandes auch wirklich verletzt worden sei, wird nicht erfordert. Ji
Thl. II. Abschn. XI. Vergeh., welche sich a. d. Religion beziehen. — § 167.
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§ 167. Wer durch eine Thätlichkeit oder Drohung Jemand hindert, den Gottesdienst einer im Staate bestehenden Religionsgesellschaft auszuüben, ingleichen wer in einer Kirche oder in es ist hier, wo nicht, wie in den beiden anderen Fällen des § 166, die Oeffentlichfeit der Handlung zum Thatbestände gehört, vielmehr nur die Verübung derselben in einer Kirche rc. verlangt wird, keineswegs nöthig, daß sie gegenüber der Allge meinheit oder einem größeren Kreise von Personen stattfinde, sie kann auch einzelnen Freunden des Thäters gegenüber, nach Umständen sogar ohne Anwesenheit irgend einer anderen Person als des Thäters selbst erfolgen; ein Herüberziehen der Vor aussetzungen deS § 360 Nr. 11 ist unzulässig, da ein innerer Zusammenhang zwischen beiden §§ nicht besteht; so: Manh. 10. Juli 75 (StZ. V, 307). Ebendeshalb wird auf Seiten des Thäters nicht das Bewußtsein erfordert, daß seine Handlung ge eignet sei, öffentliches Aergerniß zu erregen: RII. 27. März 85 (R. VII, 195: betr. ehe brecherische Beischlafsvollziehung auf einem Kirchhofe). Immerhin muß aber das Beleidigende gerade die kirchliche, resp. religiöse Seite betreffen. Mithin gehören z. B. Thätlichkeiten oder Injurien, welche unter den in einer Kirche Anwesenden vorfallen und an sich nicht geeignet sind, das religiöse Gefühl der Mitglieder der betr. Religionsgesellschaft zu verletzen, nicht hierher. Dgl. Münch. 2. Okt. 74 (StZ. IV, 306), Meves 1. c. f. 351, § 168 n. 5. Ob der Unfug an Gegenständen, die dem Gottesdienste gewidmet sind (vgl. Pr. StGB. § 135), oder in anderer Weise ver übt wird, ist gleichgültig; er kann auch in bloßen Aeußerungen, z. B. in beschim pfenden , an den dienstthuenden Geistlichen gerichteten Zurufen bestehen: Manh. 10. Juli 75 (StZ. V, 309), Rill. 8. März 83 (A. VII, 442: Mot.). 18. Im Schlußsätze sind den Kirchen „andere zu religiösen Versamm lungen (Mehrzahl) bestimmte Orte" gleich gestellt, d. h. solche, an welchen bestimmungsmäßig wiederholt religiöse Handlungen stattzufinden pflegen; dagegen brauchen die Orte jenem Zwecke nicht ausschließlich zu dienen; ebensowenig wird erheischt, daß die betr. Religionsgesellschaft Korporationsrechte habe, oder daß ihre Versammlungen öffentlich seien, es gehören sonach auch Privatkapellen, Leichenhäuser und Kirchhöfe hierher, auf welchen ortsgebräuchlich durch Versammlungen religiöse Handlungen vorgenommen werden: § 167 n.6, 9tII. 27. März 85 (eit n. 17: bez. der Kirchhöfe), Puch. n. 4. Münch. 10. Aug. 81 (BE. I, 545) rechnet selbst einen üblichen Prozessionsweg hierher; vgl. jedoch Villn., GSaal 31 s. 536. 19. Auf das religiöse Bekenntniß und auf die religiösen Ueberzeugungen des Thäters kommt es in den Fällen des § nie an: OT. 13. Mai 68, 17. Mai 78 (O. IX. 323; XIX, 269). 20. Als Dolus genügt der Wille der Kundgebung, verbunden mit dem Be wußtsein von der betr. Eigenschaft der Aeußerung (Handlung): OT. 13. Mai 68, 21. Okt. 69 (O. IX, 323; X,'651), Münch. 4. April 79 (BE. IX, 203). Das gilt namentlich auch von der „Beschimpfung"; es bedarf dazu keineswegs der Absicht, eine Kirche rc. zu beschimpfen oder herabzuwürdigen, oder das religiöse Gefühl Anderer zu verletzen: Rill. 8. Nov. 83 (E. IX, 158), OT. 27. Sept. 76 (O. XVII, 604). Manh. 10. Juli 75 (n. 17). § 193 kommt daher hier nicht zur Anwen dung: OT. 28. Sept. 76 (O. XVII, 617). Dagegen schließt der Mangel des Bewußtseins, daß die Aeußerung eine öffentliche gewesen (: Ri. 18. Jan. 83, eit. n. 16) oder daß der Gegenstand der Beschimpfung eine Einrichtung der christ lichen Kirche re. sei. die Strafbarkeit aus (§ 59): OT. (Pl.) 9. Okt. 76 (O. XVII, 645). 21. Die vorsätzliche öffentliche Wiederholung einer strafbaren Aeußerung re. stellt ein neues (in Real-Konkurrenz) begangenes Vergehen dar: OT. 4. Okt. 65 (O. VI, 349). 22. Wird durch die Handlung eine gottesdienstliche Verrichtung gestört, so kann auch der Thatbestand des im § 167 vorgesehenen Vergehens, und wenn eine dem Gottesdienste gewidmete Sache zerstört oder beschädigt wird, der des § 304 in Jdealkonkurrenz (§73) vorliegen.
§ 167. 1. Selbstverständliche Voraussetzung für die Anwendung des § ist die Wider rechtlichkeit des Thuns: RIV. 5. April 87 (E. XVI, 15). la. Ueber den Begriff der „Thätlichkeit" vgl. § 94 n. 1, über den der Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Nirfl. 26
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Thl. II. Abschn. XI. Vergeh., welche sich a. d. Religion beziehen. — § 1167.
einem anderen zu religiösen Versammlungen bestimmten Orte durch Erregung von Lärm oder Unordnung den Gottesdienst oder einzelne gottesdienstliche Verrichtungen einer im Staiate bestehenden Religionsgesellschaft vorsätzlich verhindert oder stört, wird mit Gefängniß bis zu drei Jahren bestraft. [I. Entw.: § 145; II. Entw.: § 164; Pr. StGB.-. § 136.] Dgl. §§ 166. 339. Drohung: § 48 n. 30. Namentlich wird hier keine Bedrohung mit einer verbotemen, bzw. strafbaren Handlung erfordert; contra: Bind. II, 527. 2. Es reicht hin, wenn irgend „Jemand" (Geistlicher oder Laie) an der Ausübung des Gottesdienstes rc. gehindert wird. RIV. 9. Juni 65 (R. VII, 363) definirt den „Gottesdienst" als die Vereinigung der Mitglieder einer Religiomsgesellschast zur religiösen Erbauung durch Verehrung und Anbetung Gottes in dem dazu bestimmten Raume nach den Vorschriften, Gebräuchen und Formen ihrer «Gemeinschaft; die Voraussetzungen dieses Rechtsbegriffs, Ort. Zweck und Bestimmlung der Dereingung sowie der in derselben vorgenommenen Verrichtungen seien wesentlich thatsächlicher Natur, die Entscheidung über ihre Existenz namentlich von den den Kultus und RituS betreffenden Gesetzen sowie Uebungen der einzelnen Reli gionsgesellschaften abhängig; vgl. auch Rill. 7. Jan. 86 (R. VIII, 18: erkannte, daß nur für die konkrete jüdische Gemeinde und thatsächlich zu entscheiden sei. ob die Verlesung der Thora zum Gottesdienste gehöre). Als „Ausübung des Gottesdienstes" ist nicht nur eine der Gottesverehrung gewidmete Ritualhandlunq einer kirchlichen Allgemeinheit (z. B. der Gesang der versammelten Gemeinde: OT. 11. Sept. 67, 28. Apr. 69, D. VIII, 498; X, 273) sondern auch eine (nach der Lehre der betr. Re ligionsgesellschaft) sakramentale Handlung Einzelner anzusehen, nicht aber die An dacht eines Einzelnen (in einer Kirche), noch auch die Hausandacht, so lange sie, wie zur Zeit sowohl bei der katholischen wie evangelischen Kirche der Fall, nicht zu den allgemein gültigen Einrichtungen der betr. Religionsgesellschaft gehört; so (in Betreff der Hausandacht): Meves, GSaal 27 s. 358, Schütze f. 347. 3. Ob die „im Staate bestehende Religionsgesellschaft" als solche vom Staate anerkannt sei, bzw. Korporationsrechte habe, ist hier gleichgültig; es genügt vielmehr das thatsächliche Bestehen derselben: OT. 3. Sept. 52 c. Wolf, Münch. 14.Slot).83(BE. II, 569). — Unter „Staat" ist hier der Bundesstaat, in welchem die Handlung vorfällt, im Gegensatz zum „Bundesgebiet" (§ 166) zu verstehen: Villn., GSaal 31 s. 582. 4. Der Andere muß „gehindert" sein, den Gottesdienst auszuüben (nicht „verhindert", vgl. unten „verhindert oder stört"); ob diese „Hinderung" den Er folg gehabt habe, den Anderen von der Ausübung rc. abzuhalten, ist unwesentlich; eine wesentliche Erschwerung genügt; erfolglose Hinderung ist nicht als ein (straf loser) Versuch anzusehen: Puch. s. 195. 5. Der „Verhinderung rc. des Gottesdienstes in einer Kirche rc." ist die einer „einzelnen gottesdienstlichen Verrichtung" gleichgestellt; als solche ist jede Ritualhandlung Einzelner anzusehen, selbst wenn ihr ein sakramentaler Charakter nicht beiwohnt; die Mitwirkung eines Religionsdieners ist nicht unerläßlich. Eben deshalb ist es ohne Bedeutung, ob der dazu Berufene für seine Person eine reli giöse Weihe oder einen amtlichen Charakter hat oder ob er ein von der betr. Religionsgesellschast bestellter Bediensteter ist, ob derselbe seine Dienstfunktionen über schritt oder sich gar einer strafbaren Verletzung Anderer schuldig machte; so: RI. 6. Dez. 80 (A. III, 14). — Somit gehört auch eine unter Zuziehung eines Geistlichen vorgenommene Eidesabnahme hierher, nicht aber die nur durch einen Richter bewirkte: OT. 2. März 60 (GA. VIII, 412). Ein kirchliches Begräbniß ist eine gottes dienstliche Verrichtung: OT. 5. Juli 76 (O. XVII, 489); ebenso die kirchliche Ein segnung einer Ehe. sollte der Geistliche hierbei auch wider gesetzliche Vorschriften verstoßen haben: OT. 18. Febr. 76 (GA. 24 s. 226). — Eine Ritualwidrigkeit oder das Zuwiderhandeln wider ein instruktionelles Verbot nimmt dem Gottesdienste oder einer gottesdienstlichen Verrichtung noch nicht diesen ihren Charakter: RII. 11. Mai 80, Rill. 27. Nov. 82 (A. II, 13; R. IV, 847), OT. 18. April 55 c. Lax (eine
Thl. II. Abschn. XI. Vergeh., welche sich a. d. Religion beziehen. — § 167.
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jüdische Todtenfeier hatte am Nachmittag statt am Vormittag stattgefunden). — Ob die gottesdienstliche Verrichtung rc. eine regelmäßige oder nur gelegentliche, durch ungewöhnliche Veranlassung herbeigeführte gewesen, ist gleichgültig, sobald nur in Betreff deS Ortes die Voraussetzungen des § zutreffen; vgl. n. 6. 6. In Betreff der „Kirche" oder des „anderen zu religiösen Versamm lungen bestimmten Ortes" vgl. § 166 n. 18. Auch hier wird nicht erfordert, daß der Ort einen rein kirchlichen Charakter an sich trage, ausschließlich zu kirch lichen Feierlichkeiten benutzt werde, z. B. daß ein Friedhof nicht gleichzeitig zu welt lichen Geschäften bestimmt sei: OT. 5. Juli 76 (cit. n. 5). Mit Rücksicht auf den Umstand, daß hier (abweichend von § 166) die gottesdienstliche Handlung (n. 5) geschützt werden soll, sind selbst die sog. Stationen der katholischen Kirche, der Weg, welchen öffentliche Prozessionen zu nehmen pflegen, insbesondere die bei dieser Gelegenheit errichteten Altäre rc. hierher zu zählen, nicht aber solche Orte, an wel chen nur zufällig eine einzige gottesdienstliche Handlung vorgenommen wird, z. B. bei einer vorzunehmenden Beerdigung das Sterbehaus oder der Weg, den der Leichen zug nimmt; vgl. Schütze f. 347; contra: Meyer n. 4. 7. Der Gottesdienst rc. „in einer Kirche rc." kann auch durch einen außerhalb Befindlichen (durch lauten Lärm rc.) gestört werden: Rill. 23. Febr. 81, IV. 27. Jan. 85 (E. III, 397; R. VII, 55), OT. 5. Juli 76 (cit. n. 5). Darmst. 7. Okt. 72 (StZ. II, 92); nt. a. W. für die Anwendbarkeit des § ist nicht der Ort, wo die störende Handlung stattfindet, fonbern derjenige Ort entscheidend, wo sie ihre Wirkung äußert: OT. 8. Jan. 78 (O. XIX, 8). Villn. 1. e. Dies gilt selbst dann, wenn der erstere Ort das eigne Haus des Thäters ist, da dieser Umstand, von ganz besonderen Fällen z.B. dem eines Brandausbruchs abgesehen, zur Störung des Gottesdienstes nicht berechtigt: RI. 8. Dez. 81 (E. V, 258).'— Die „Unordnung" braucht keine geräuschvolle zu sein: Manh. 10. Juli 75 (StZ. V, 309). Es genügt, wenn der An geklagte „Lärm oder Unordnung erregt", sollte er selbst auch nur in seinem gewöhn lichen Redeton gesprochen haben: OT. 18. Febr. 76 (cit. n. 5). In dem demonstra tiven Verlassen einer gottesdienstlichen Versammlung ist nicht nothwendig die Erre gung von Lärm oder Unordnung zu erblicken, wie denn überhaupt die Frage, ob Unordnung entstanden sei, wesentlich thatsächlicher Natur ist: Rill. 6. Mai 82 (R. IV, 436). Lautes Beten kann unter Umständen dahin gerechnet werden: RII. 11. Mai 80 (A. II, 13). 8. Die „Störung" braucht sich nicht nothwendig auf alle bei der gottes dienstlichen Verrichtung Betheiligten oder aus den fungirenden Geistlichen zu er strecken ; es genügt die Störung einzelner am Gottesdienste rc. Theil nehmender Per sonen: OT. 9. Dez. 64, 25. März 68 (O. V, 348; IX, 217), Meyer n. 6; contra: OT. 14. Jan. 52 c. Dorn, Schütze s. 347. Auch genügt schon eine Störung von kürzerer Dauer: Manh. 10. Juli 75 (cit. n. 7). 9. Daß int Augenblicke der Erregung von Lärm rc. gerade ein Akt des Geist lichen selbst stattfinde und daß dieser Akt sich in dein regelmäßigen Rahmen der von ihm vorzunehmenden Funktion halte, wird nicht erfordert: RI. 17. Jan. 84 (E. X, 42); vgl. d. 5. 10. Ob eine gottesdienstliche Handlung bereits begonnen habe, ist eine thatsächliche Frage; eine „Verhinderung" im Sinne des § liegt übrigens auch dann vor, wenn durch die Erregung von Lärm rc. der ordnungsmäßige Beginn der gottesdienstlichen Verrichtung, sei es auch nur während kürzerer Zeitdauer, unmög lich gemacht ist: Rill. 3. März 87 (R. IX, 169). 11. Als Dolus genügt die Vorsätzlichkeit der äußern Handlung, verbunden mit dem Bewußtsein ihres störenden Charakters: OT. 1. Mai 72, 17. März 75 (O. XIII, 286 ; XVI, 230); vgl. jedoch HStR. II, 716. Das Recht auf Wahrung der persönlichen Ehre läßt den Betroffenen nicht da straflos erscheinen, wo er seine Ge nugthuung mit Störung gottesdienstlicher Verrichtung sucht; das Gegentheil gilt, wenn Jemand (irriger Weise) glaubt, auf Grund bestimmter (kommunalrechtlicher) Vorschriften zu der störenden Handlung befugt zu sein: Ri. 6. Dez. 80 (A. III, 14). 12. Ein Beamter kann sich dieses Vergehens auch (ohne Thätlichkeit) durch Mißbrauch seiner Amtsgewalt oder durch Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben schuldig machen: § 339 Abs. 3. 13. Der Zwang zur Ausübung eines Gottesdienstes gehört nicht (wie nach § 136 des Pr. StGB.'s) hierher, kann vielmehr nur unter §§ 240. 241 fallen.
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Thl. II. Abschn. XI. Vergeh., welche sich a. b. Religion beziehen. — § 1(68.
§ 168. Wer unbefugt eine Leiche aus dem Gewahrsmm der dazu berechtigten Person wegnimmt, ingleichen wer unbefwgt ein Grab zerstört oder beschädigt, oder wer an einem Graibe § 168.
1. Nur die Wegnahme einer ganzen Leiche fällt unter § 168; die Wtegnahrne einzelner Theile einer Leiche aus dem Gewahrsam des dazu Berechtigten ist im § 367 Nr. 1 mit einer Uebertretungsstrafe bedroht (man wollte Aerzte und Situdirende, welche leichtsinniger Weise zu wissenschaftlichen Zwecken derartige Hamdlungen vornehmen, nicht mit Gefängniß strafen: Motive, Anl. 3 s. 47). 2. Die Leiche muß aus dem Gewahrsam eines „dazu Berechtigten" wEggenommen sein; der Gewahrsam der Polizeibehörde (z. B. bei einer gefundemen fremden Leiche) genügt; contra: Puch. n. 1. Ebenso gehört die Wegnahme viom Kirchhofe hierher: der Gewahrsam befindet sich dann bei der betr. Gemeinde; dort kann sich auch der Todten grab er des Vergehens schuldig machen: L»T. 10. Dez. 63 (D. IV, 249), Schütze s. 348; desgleichen ein früher zum Gewahrsam (z. B. als nächster Verwandter oder Erbe) Berechtigter: Villn., GSaal 31 s. 584. — Ein „Wegnehmen" liegt nach Villn. 1. c. auch dann vor, wenn Jemand sich der Leiche, ohne sie wegzutragen, bemächtigt und so den Berechtigten an Ausübung des Gewahrsams hindert oder wenn er sie zerstört. — Werden die mit der Leiche be erdigten sonstigen Sachen in der Absicht der rc. Zueigmmg weggenommen, so liegt ein (ideell konkurrirender) Diebstahl vor: cit. OT. 10. Dez. 63. 3. Dagegen folgt aus der'Stellung des § im Abschn. XI, daß er keine An wendung mehr finden kann, wenn die weggenommene Leiche von einem Arzte rc. zu wissenschaftlichen rc. Zwecken erworben und dadurch Gegenstand deö Privateigenthums geworden war; es werden dann ev. die Vorschriften über Diebstahl rc. maßgebend. Ebenso: HStR. 11,717. 4. „Grab" ist die (äußerlich erkennbare) Stelle, an welcher die Leiche eines Menschen zur dauernden Ruhe niedergelegt worden ist: OT. 15. Nov. 77 (O. XVIII, 717); contra: Villn. s. 585: rechnet auch eine provisorische Ruhestätte hierher; vgl. auch Olsh. n. 6. Zu einem „Grabe" wird daher ein Ort erst durch die darin niedergelegte Leiche: Rill. 12. März 85 (ti. XII, 168: erkannte gleichzeitig, daß der in die Erde versenkte Sarg mit betn Todten einen Theil, ja den wesentlichsten Theil deö Grabes ausmache), BL. s. 398; bloße Monumente, sowie noch nicht in Benutzung genommene Erbbegräbnisse gehören nicht hierher. Dafielbe gilt von Hünengräbern u. dgl., bei welchen eine Verletzung des religiösen Gefühls Anderer nicht denkbar ist. 5. Die „Zerstörung (Beschädigung)" eines Grabes ist nicht nothwendig durch die Berührung der darin befindlichen Leiche oder Gebeine bedingt; noch weniger bedarf es einer solchen beim „beschimpfenden Unfuge"; entscheidend ist, ob durch die Handlung die Ruhestätte des Todten in einer die Pietät oder das religiöse Gefühl Anderer verletzenden Weise eine Aenderung erfahren habe. Inzwischen erkannte OT. 15. Nov. 77 (cit. n. 4), daß das Wiedereröffnen eines Grabes, die Herausnahme und Wegschaffung der Leiche, indem hierdurch das Grab als sol ches beseitigt werde (n. 4), stets eine Zerstörung desselben in sich schließe. Zur „Be schädigung" fordert Villn. 1. c., daß der Todte weniger gewahrt sei. Dahin gehört das Losbrechen und Entfernen der Sargdeckel (behufs Unterbringung fernerer Särge): Rill. 12. Mürz 85 (cit. n. 4). Das bloße Ausreißen der auf dem Grabhügel stehen den Blumen und Sträucher stellt keine Beschädigung des Grabes dar, da jene keinen Theil desselben bilden; so: Meves, GSaal 27 s. 370; vgl. jedoch RII 1. Juli 87 (R. IX, 399: Mot.). OT. 20. März 67 (O. VIII, 189: hielt die Frage für eine wesentlich thatsächliche), Ri. 26. Okt. 82 (E. VII, 190: Abpflücken äußeren Blumen schmucks von einem Grabe begreife ohne Weiteres weder eine Beschädigung des Grabes selbst noch eines Grabmals: § 304). Ob darin ein „beschimpfender Unfug" zu erblicken sei, hängt von den oben angedeuteten Gesichtspunkten und von den. Motiven ab, welche den Thäter leiteten; vgl. n. 6, cit. RII. 1. Juli 87; entrüstete Aeußerungen, welche die Handlung begleiten und nicht das Andenken des Todten beschimpfen, sondern blos gegen die Personen gerichtet sind, die die Blumen rc. ge setzt haben, kommen hierbei nicht in Betracht: Dresd. 11. Sept. 74, StZ. V, 49),
Thl.II. Abschn. XII. Verbr. rc. in Bezieh, a. d. Personenstand. — §§ 168.169.
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beschimpfenden Unfug verübt, wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehren rechte erkannt werden. [I. Entw.: § 146; II. Entw.: § 166; Pr. StGB.: § 137.] 1. 32. 35.
Vgl. §§ 304. 367. Nr.
Zwölfter Abschnitt. Verbrechen und Vergehen in Beziehung auf den Personenstand.
§ 169. Wer ein Kind unterschiebt oder vorsätzlich ver wechselt, oder wer auf andere Weise den Personenstand eines Anderen vorsätzlich verändert oder unterdrückt, wird mit GeObjekt des Unfugs muß vielmehr das Grab selbst sein: cit. 9111. 1. Zuli 87. Dgl. § 166 n. 17. — Wird durch dieselbe Handlung mit dem Grabe das Grabmal vor sätzlich und widerrechtlich zerstört rc., so liegt Zdealkonkurrenz mit dem im § 304 vorgesehenen Vergehen vor. 6. Als Dolus genügt das Bewußtsein, daß die (vorsätzlich vorgenommene) Handlung eine unbefugte sei, und daß durch sie Gräber zerstört rc. werden: OT. 15. Mai 72 (O. XIII, 310). Auf eine Absicht des Thäters (z. B. der Zueignung) kommt Nichts an. Namentlich wird der Dolus nicht dadurch ausgeschlossen, daß keine Verletzung des religiösen Gefühls Anderer rc. beabsichtigt war. noch dadurch, daß die Handlung lediglich zum Zwecke der Raumgewinnung bzw. anderweitiger Beerdigung geschah; vgl. Rill. 12. März 85, OT. 15. Nov. 77 (citt. n. 4). Anlangend jedoch die Verübung beschimpfenden Unfugs (an einem Grabe), so liegt es schon int Begriffe desselben, daß die Handlung in der Absicht geschehen sein muß, den Verstorbenen herabzuwürdigen und sein Andenken zn beschimpfen: RII. l.Zuli 87 (cit. n. 5); vgl. übr. OT. 8. Febr. 71 (O. XII, 78). / 7. Der Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte rc. kann nur verhängt werden, menn die Gefängnißstrafe drei Monate erreicht: § 32. 35.
§169. 1. Die „Unterschiebung" oder „Verwechslung" muß ein Kind (infans) zum Gegenstände haben, welches wegen seines zarten Alters selbst über seine Abstammung keine Auskunft geben kann: vgl. BL. s. 399, Schütze s. 321 n. 4; contra: Schw., HH. III, 282. Auf ältere Personen kann sich nur die anderweitige „Ver änderung rc. des Personenstandes" beziehen. 2. Ein todtes Kind kann nicht untergeschoben noch mit einem anderen todten Kinde verwechselt werden. Wohl aber ist die Verwechselung eines solchen mit einem lebenden Kinde möglich: OT. 8. März 76 (O. XVII, 181: beil.), Schwarze, HH. III, 281. 3. „Personenstand" ist hier der auf Abstammung beruhende Familienstand, das familienrechtliche Verhältniß einer lebenden Person zu anderen lebenden Per sonen: RI. 7. Febr. 84. 7. Dez. 85 (E. X, 86; XIII, 129), ML. f. 482 rechnet auch das Adoptivverhältniß hierhin. 4. Nur die Veränderung des Personenstandes eines „Anderen", zur Zeit Lebenden, nicht die des eigenen Standes fällt unter das Strafverbot; contra: OT. 8. März 76 (cit. n. 2, insofern dasselbe auch die „Veränderung" des Personen standes eines Todten, z. B. eines Kindes durch deffen erst nach seinem Tode auf genommene Geburtsurkunde für möglich hält; es genüge, daß das Kind überhaupt gelebt, mithin einen Personenstand einmal gehabt habe). 5. Der Personenstand eines Menschen ist „verändert", sobald ein (thatsäch licher) Zustand herbeigeführt ist, in welchem er einen andern Personenstand ausübt oder genießt, als bis dahin gesetzlich der Fall war, oder (wie Ri. 7. Febr. 84,
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Thl. II. Abschn. XII. Verbr. rc. in Bezieh, a. b. Personenstanb. — § 16®.
fängniß bis zu drei Jahren und, wenn die Handlung in ge winnsüchtiger Absicht begangen wurde, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. Der Versuch ist strafbar. [I. Entw.: § 147; II. Entw.-. § 167; Pr. StGB.: § 138.] Dgl. Personenst.'s-Gies. v. 6. Febr. 1875; StPO. § 435. Rill. 17. Zan. 84, E. X, 86; R. VI, 38, befintren), vermöge besten sein familienrechtliches Verhältniß sich als ein anbered barstellt, als es wirklich ist. Somit ge nügt ein gelegentliches Ausgeben für einen Dritten nicht. Trifft jenes zu, so macht es keinen Unterschieb, ob bte Handlung mit Kenntniß (Zustimmung) Desjenigen geschah, dessen Personenstanb geändert ist; contra: Schw. HH. III, 280. 6. Demgemäß (n. 5) ist der Thatbestand z. B- erfüllt, wenn Jemand ein Ki nd einer fremden Person in der Absicht und mit dem Erfolge übergiebt, daß das selbe nunmehr als deren Kind gilt, und daß selbst der staatlichen Behörde die Er forschung seines jetzigen Verbleibs unmöglich gemacht ist: Dresd. 9. Juli 77 (SGZ. 22 s. 166; vgl. übrigens Rill. 17. Jan. 84 (U. VI. 38). 7. Nicht minder dann, wenn die Urkunde, auf welcher der Beweis des Abstammungsverhältnisses eines Menschen wesentlich beruht, wahrheitswidrig hergestellt oder abgeändert, z. B. wenn ein Standesbeamter (Geistlicher) durch Täuschung ver anlaßt wird, ein Kind als von einer anderen Mutter geboren rc. in die Geburts haus-) Register einzutragen, vorausgesetzt, daß die so aufgenommene Urkunde in Betreff der Mutterschaft beweisende Kraft habe (eine nach franz. rc. Rechte bestrittene Frage; vgl. Gilb. C. civ. a. 341 n. 8ff.); dabei macht es keinen Unterschied, ob vor her schon eine andere richtige Eintragung desselben Kindes bewirkt worden war oder nicht: OT. 8. Juli 57. 2. Nov. 60 (GA. V, 695; VIII, 830). 8. Dasselbe (n. 6.7) gilt von der wahrheitswidrigen Anerkennung der Vaterschaft eines außerehelichen Kindes (vor dem Standesbeamten), sofern die Landesgesetze der Anerkennung rechtliche Wirkungen für die Abstammung des Kindes zuerkennen, wie es z B. bei der Pr. Gesetzgebung der Fall ist: RI. 10. Nov. 79 (E. I, 9). Gleiche Wirkung und strafrechtliche Bedeutung hat nach Bayer. LR. eine solche Anerkennung in einem gerichtlichen Protokolle, sowie die diesbezügliche Er klärung der Mutter vor der Pflegschaftsbehörde: Ri. 7. Dez. 85 (E. XIII, 129). Vgl. Personenst.'s-Ges. § 25. 9. Dagegen bleibt der § ausgeschlossen. wenn die Eintragung eines neugebornen Kindes in die GeburtS- (Tauf-) Register unter richtiger Angabe der Eltern, aber mit der unrichtigen Bezeichnung derselben als Eheleute veranlaßt wird, weil dann in Betreff der Abstammungsfrage (n. 3) nur Richtiges beurkundet, das Bestehen der Ehe aber durch den Geburtsakt nicht bewiesen wird: OT. 4. Dez. 73 (D. XIV, 778); vgl. OT. 9. Juli 57 (GA. V, 705); contra: RII. 1. Okt. 80. Rill. 8. Mai 80. RIV. 4. Jan. 87. OT. 11. Febr., 8. März 76 (E. II, 303; R. 1,746; IX, 9; O. XVII, 108. 181: unter spezieller Bezugnahme auf das Personenst.'s-Ges.), Dresd. 31. Mai 72 (StZ. II, 92); vgl. § 271 n. 16. 10. „Unterdrückt" wird der Personenstand, wenn einem Menschen der ihm zustehende Stand entzogen wird, ohne ihm einen andern beizulegen; ebenso: Rl. 7. Febr. 84 (E. X, 86); vgl. Rill. 17. Jan. 84 (R. VI, 38: definirt „Unterdrückung rc." als die Herbeiführung eines thatsächlichen Zustands, vermöge besten verhindert oder mindestens erschwert werde, daß das wirklich vorhandene familienrechtliche Ver hältniß einer Person zur praktischen Geltung gelange); dies kann z. B. geschehen durch heimliches Unterbringen eines infans in einem Findelhause rc. ohne Nennung der Mutter rc. oder durch Angabe einer fingirten Person als Mutter int Geburtsalte: dt. Ri. 7. Febr. 84, OT. 14. Juni 76 (O. XVII, 421); vgl. n. 15. Dagegen liegt in der absichtlichen Nichtanmeldung beim Standesamte in Verbindung mit dem heimlichen Verbringen des Kindes in's Ausland nicht nothwendig (nach Zweck und Erfolg) eine Unterdrückung, wenn sie auch starke Indizien dafür bilden: so: cit. Rill. 17. Jan. 84; vgl. jedoch cit. Ri. 7. Febr. 84. — Die Unterdrückung kann auch zum Zwecke der „Veränderung" stattfinden, ohne daß dieselbe darum einen anderen rechtlichen Charakter hätte; ebendeshalb ist Jdealkonkurrenz der Unter-
Thl. II. Abschn.XII. Verbr. rc. in Bezieh, a. d. Personenstand. — § 170.
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§ 170. Wer bei Eingehung einer Ehe dem anderen Theile ein gesetzliches Ehehinderniß arglistig verschweigt, oder wer den anderen Theil zur Eheschließung arglistig mittels einer solchen Täuschung verleitet, welche den Getäuschten berechtigt, die Gültigdrückung mit (vollendeter) Veränderung ausgeschlossen, indem letztere jene thatbestandlich mit umfaßt: eit. RI. 7. Febr. 84. 11. Daß die „Veränderung rc." für den davon Betroffenen nachtheilig sei, wird nicht erfordert: Mot. s. 99. 12. Die Strafbarkeit wird durch den Tod des „Andern" nicht aufgehoben. 13. Als Dolus reicht das Bewußtsein hin, daß durch die Handlung der Personenstand verändert rc. werde, verbunden mit einer auf Rechtsverletzung gerichteten Absicht; daß letztere gerade dahin gegangen sei. jene Folge herbeizuführen, ist nicht erforderlich; vgl. OT. 27. März 67 (Ö. VIII, 201), Schw. n. 11; contra: Rill. 17. Jan. 84 (eit. n. 10: der Vorsatz müsse bei der Unterdrückung darauf gerichtet sein, daß durch die herbeigeführte faktische Lage die praktische Wirksamkeit des wahren familienrechtlichen Verhältnisses zurückgehalten oder behindert werde). Keinesfalls ist es für den Thatbestand von Bedeutung, ob der Thäter den Personenstand für immer oder nur vorübergehend zu unterdrücken beabsichtigte: Münch. 24. März 80 (BE. I, 113); doch nimmt Rill. 29. Nov. 83 (R. V, 740) an. daß der Vorsatz auf einen Zustand von einer gewisien Dauer gerichtet sein muffe. 14. Das Vergehen wird erst vollendet durch den Erfolg, welcher jedoch (namentlich bei der „Unterdrückung") kein dauernder zu sein braucht: Rl. 7. Febr. 84, OT. 14. Juni 76 (eilt. n. 10). In denselben Handlungen kann eine vollendete „Unterdrückung" und eine blos versuchte „Veränderung" erblickt werden: eit. RI. 7. Febr. 84, vgl. n. 10. Daß in den unter n. 8 erwähnten Fällen der durch § 26 des Personenst.'s'Ges.'s vorgeschriebene Randvermerk noch nicht gemacht ist, hindert die Vollendung der „Veränderung" nicht: Rl. 7. Dez. 85 (eit. n. 8). 15. Die straferschwerende „gewinnsüchtige Absicht" braucht nicht auf einen Vermögensvortheil gerichtet zu sein: Rüd. n. 5; contra: Meyer n. 4, ML. s. 483. 16. Häufig trifft mit dieser Mißthat eine andere zusammen, z. B. Aussetzung eines Kindes (§221), Menschen- oder Kinderraub (§§ 234. 235), Bewirkung der Ausnahme falscher Personenstandsurkunden (§§ 271. 272); in der Regel liegt hier Jdealkonkurrenz vor. Vgl. RHI. 8. Mai 80, RI. 7. Febr. 84 (R. I, 746; E. X, 86), OT. 8. März 76 (O. XVII, 181) und oben n. 10. 14. 17. Im Gebiete des französischen Rechts konnte früher eine Strafverfolgung wegen Unterschiebung re. eines Kindes nicht eintreten, bevor im Civilverfahren endgültig über die Kindschaftsfrage (filiation) entschieden war: C. civ. art. 327. Vgl. jetzt StPO. §261 und oben § 69 n. 6. 18. Die Verjährung beginnt mit dem Abschluffe der betr. Handlung, sollte auch demnächst die Verdunkelung des Personenstandes fortdauern: Schütze s. 322, John. GA. IX, 510; contra: Rill. 29. Nov. 83 (R. V, 740: sofern die Fortdauer jener Verdunkelung durch spätere, dies bezweckende Thätigkeitsakte herbeigeführt werde; alsdann nehme das Vergehen den Charakter eines fortgesetzten Delikts an), Schw. n. 15, id., HH. III, 383, ML. s. 385. 483. Vgl. übrigens n. 16. 19. Bedingte Zulässigkeit der Nebenklage: StPO. § 435.
§170. 1. Dieses Vergehen kann nur von einem der Eheschließenden verübt werden (: „dem anderen" re.). 2. Als „gesetzliches Ehehinderniß" ist nur ein solches anzusehen, welches die abgeschlossene Ehe als nichtig oder ungültig erscheinen läßt (impedimentum dirimens); welche dazu gehören, ist nach den maßgebenden Ehegesetzen zu beurtheilen. — Ein Scheidungs gründ, welcher die Gültigkeit der abgeschloffenen Ehe nicht beeinträchtigt (z. B. das Unvermögen: ALR. II, 1 § 696. 697, verheimlichte Schwan gerschaft u. dgl.) reicht nicht hin; vgl. n. 5; contra: v. Kirchm. s. 113. 3. Das „Verschweigen (Verleiten re.)" muß ein „arglistiges" sein; dazu bedarf es außer der Kenntniß von dem Vorhandensein des verschwiegenen Ehe-
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Thl. II. Abschn. XII. Verbr. rc. in Bezieh, a. b. Personenstand. — § 17(0.
seit der Ehe anzufechten, wird, wenn aus einem dieser Grümde die Ehe aufgelöst worden ist, mit Gefängniß nicht unter birei Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag des getäuschtten Theils ein. [I. Entw.: (fehlte); II. Entw.: § 168; Pr. StGB.: (fehlte); Braunschw. StGiB. § 182; Kgl. Sachs. StGB. § 205; Bahr. StGB. Art. 268.] Hindernisses und von der Unrichtigkeit der vorgespiegelten Thatsachen („Täusckumg") auch des Bewußtseins, daß der Andere durch eine irrige Auffassung zum Abschlmsse einer Ehe veranlaßt werde, welche er sonst nicht eingegangen sein würde. — Wer blos aus Lässigkeit oder, um den andern Theil nicht unglücklich zu machen, werschweigt, ist nicht aus § 170 strafbar; so: Bind. II, 605. 4. Die Worte: „mittels einer solchen Täuschung" beziehen sich nicht lauf das vorhergegangene „Verschweigen eines Ehehindernisses", finden vielmehr ilhre Erläuterung in den folgenden Worten; „welche .... berechtigt rc.". Es wird so nach vorausgesetzt, daß die stattgehabte Täuschung es sei, welche den getäuschten Ehegatten berechtigt, die Gültigkeit der Ehe anzufechten. Die Täuschung eimes Dritten und seine Befugniß, die Gültigkeit der Ehe anzufechten, genügen nutzt. 5. Bedingung der „Bestrafung" (d. h. der Strafverfolgung) ist, daß die Ehe vorher „aufgelöst", d. h. für „nichtig" oder „ungültig" erklärt worden sei (§ 171); dem steht eine Scheidung nicht gleich: Puch. n. *2, Bind. HB. I, 601; vgl. n.. 2; contra: Schütze n. 323, Schw. n. 3. Diese Auflösung muß auf den Antrag des andern Ehegatten (vgl. n. 4) und gerade aus dem Grunde erfolgt sein, in Betreff dessen dem Angeklagten ein Verschweigen oder eine Täuschung zur Last fällt. Daß das die Auflösung der Ehe aussprechende Civilurtheil die Handlungs weise des Angeklagten als eine „arglistige" qualifizire, ist nicht erforderlich. 6. Die Auflösung muß vor^ dem zuständigen Gerichte mit civilrechtlicher Wirkung ausgesprochen sein. Von dieser Zuständigkeit sind die geistlichen Ge richte jetzt allgemein ausgeschloffen; vgl. RGes. v. 6. Febr. 1875 § 76. Hat das Erkenntniß civilrechtliche Wirksamkeit, so kommt es weiter nicht darauf an, ob kirch lich die Ehe als fortbestehend angesehen wird: OT. 30. Jan. 61 c. Rausch (Ehe bruch betr.). 7. Das die Auflösung aussprechende Urtheil muß rechtskräftig geworden sein, ehe eine Verfolgung eintreten kann. Ob die Bestrafung wegfalle, wenn vor dem Eintritte der Rechtskraft der andere Ehegatte stirbt, hängt davon ab, ob nach den maßgebenden Civilgesetzen, dieses Todes ungeachtet, jenes Urtheil noch rechts kräftig und wirksam werden kann. 8. Die vom zuständigen Gerichte ausgesprochene Auflösung der Ehe ist dem nächst für den Strafrichter insoweit bindend, als dieser nicht mehr prüfen darf, ob jene Entscheidung mit Recht getroffen worden sei: OT. 6. Juni 55 (GA. III, 702: Ehebruch betr). Dagegen hat der Strafrichter seinerseits den Thatbestand des Straffalles selbständig zu prüfen, er kann daher das „Verschweigen eines Ehehinderniffes" oder eine „arglistige Verleitung zur Eheschließung durch Täuschung" für nicht erwiesen erachten, selbst wenn diese Thatsachen vom Civilrichter festgestellt und der ausgesprochenen Auflösung der Ehe zu Grunde gelegt waren: OT. 24. Okt. 61 (O. II, 20: Ehebruch betr.). Vgl. StPO. § 261. 9. Da die Auflösung der Ehe nur eine Bedingung der Strafverfolgung (n. 5) und kein Thatbestandsmerkmal (im Sinne der StPO. § 266) bildet, so ist die ausdrückliche Feststellung derselben im verurtheilenden Erkenntnisse nicht unbedingt, sondern nur im Bestreitungsfalle nothwendig (: OT. 7. Mai 63, O. III, 431), und steht bei schwurgerichtlichen Verhandlungen nicht den Geschworenen, sott« dem dem Schwurgerichte zu; ebenso: RH. 28. Dez. 86 (E. XV, 122: Mot.). 10. Außer dem Getäuschten haben auch die im § 65 Abs. 2. 3 genannten Personen ein selbständiges Antragsrecht: Schw. n. 6; contra: Meyer n. 5. 11. Der Lauf der Antragsfrist beginnt mit der (nach dem Abschlüsse der Ehe erfolgten) Kenntnißnahme von der stattgehabten Täuschung (§ 61), nicht erst mit der Rechtskraft des die Ehe auflösenden Urtheils: HStR. I, 719, Meyer n. 4,
Thl. II. Abschn.XIII. Verbr. «.Vergehen w. d. Sittlichkeit. — §
171.
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Dreizehnter Abschnitt.
Verbrechen und Vergehen wider die Sittlichkeit. § 171. Ein Ehegatte, welcher eine neue Ehe eingeht, bevor seine Ehe aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt worden ist, ingleichen eine unverheirathete Person, welche mit einem Ehegatten, wissend, daß er verheirathet ist, eine Ehe ein geht, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft. Reber, n. 470, Doch., HH. IV, 273; contra: Schrv. n. 4, Rüd. n. 4, Puch. n. 2. Vgl. § 172 n. 15. 12. 13.
In Betreff der Verjährung vgl. § 69 n. 8. Bedingte Zulässigkeit der Nebenklage: StPO. § 435.
§171. 1. Das Gesetz spricht allgemein, trifft also den im Jnlande eine Doppelehe eingehenden Ausländer auch dann, wenn die Gesetze seiner Heimath Poly'gamie gestatten; contra: Puch. n. 2; vgl. Villn., GSaal 30 s. 125. 2. Vorausgesetzt wird „ein Ehegatte", somit eine wenigstens formell (in einer von der Civilgesetzgebung anerkannten Weise abgeschlossene) erste „Ehe". Auf die Rechtsbeständigkeit derselben kommt es nicht an; so lange sie nicht „aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt ist" (Abs. 3), beseitigt das Vorhandensein eines Nichtigkeitsgrundes die Anwendbarkeit des § nicht: Stil. 17. Okt. 82 (E. VII, 133: Mot.), OT. 7. Mai 69 (O. X, 296). Eine „Ehe" ist anzunehmen, sollte sie auch nur in der für einen der beiden Ehegatten vorgeschriebenen Form abgeschlossen sein; ein Beisp.: OT. 2. Juli 63 (O. III, 540). 3. Damit eine neue Ehe statthaft sei, muß die erste in einer civilrechtlich wirksamen Weise „aufgelöst, für ungültig oder für nichtig erklärt sein". Auch hier würde es genügen, wenn diese Auflösung rc. in der für einen der beiden Ehegatten vorgeschriebenen Form erfolgt, z. B. wenn eine sog. gemischte Ehe durch das nur für den einen der Ehegatten zuständige Ehegericht geschieden worden ist; contra: Schw., HH. III, 292. — Inwiefern eine Ehe durch eine Todes- oder durch eine Verschollen'Erklärung aufgelöst werde, beurtheilt sich nach der Landesge setzgebung. Das Nähere darüber findet sich bei Hinschius Personenst.'s-Ges. s. 119ff. — Das eine Scheidung (Nichtig Erklärung rc.) aussprechende Urtheil muß rechts kräftig geworden sein, ehe es wirksam werden kann; vgl. § 170 n. 7. 8. Ueber den Beginn der Rechtskraft des Scheidungsurtheils nach Pr. Recht vgl. Villnow, GA. 23 f. 171. Im Gebiete des französischen Rechts war eine Ehe nicht als ge schieden zu betrachten, bevor der Standesbeamte die Scheidung auf Grund des dieselbe gestattenden Erkenntnisses ausgesprochen hatte (C. civ. art. 264, 266; RGes. v. 6. Febr. 1875 § 55 Abs. 2): OT. 6. Nov. 73 (O. XIV, 696); seit dem Jnkrafttreten der CPO. hat jedoch auch dort das erkennende Gericht die Trennung der Ehe selbst auszusprechen (und sind hiermit die bezogenen, Sonderbestimmungen in Wegfall gekommen): Cöln 1. Sept. 80 (RA. 71,11,44); vgl. EL. Ausf.-Ges. v. 2. Juli 1879 § 11. 4. Zum Thatbestände genügt die „Eingehung" der (zweiten) Ehe d. h. die Vornahme desjenigen formellen Aktes, welcher nach der maßgebenden Civilgesehgebung zur Abschließung einer Ehe erfordert wird. Es wird somit nicht erheischt, daß die so abgeschlossene Ehe eine gültige sei, sie wird vielmehr regelmäßig schon wegen des Bestehens der ersten Ehe nichtig sein. — Einer hinzutretenden fleischlichen Vermischung bedarf es zur Herstellung des Thatbestandes nicht. 5. Als Dolus wird bei dem sich wiederverheirathenden Ehegatten voraus gesetzt das Bewußtsein von der wirklichen oder möglichen Fortdauer seiner früheren Ehe: RI. 31. März 81 (E. IV, 38), BL. s. 403, Schütze s. 327; vgl. OT. 24. Juni 64 (O. V, 20), ML. s. 639 u. Villnow, GSaal 30 s. 122, und es schließt der Mangel
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Thl. II. Abschn.XIll. Verbr. u. Vergehen w. d. Sittlichkeit. — §§171.172.
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnrßstrafe nicht unter sechs Monaten ein. Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt mit dem Tage, an welchem eine der beiden Ehen aufgelöst, für ungültig oder nichtig erklärt worden ist. [I. ©nt».: § 148; II. ©nt».: § 169; Pr. StGB.: § 139.1 Vgl. § 338; Personen stands. rc. Ges. v. 6. Febr. 1875 §§ 34.41. 42; GDG. § 73.
§ 172. Der Ehebruch wird, wenn wegen desselben die dieses Bewußtseins die Strafbarkeit selbst dann aus, wenn er auf einem Rechtsirrthume beruht: Rill. 15. Okt. 83 (E. IX, 84). — Demgemäß kann die Berufung des Angeklagten auf seinen guten Glauben an das erfolgte Ableben seines ersten Gatten nur durch die Feststellung widerlegt werden, jener habe gewußt, daß der erste Gatte noch lebe, oder doch wenigstens im Zweifel gestanden, ob derselbe bereits gestorben sei; so: cit. Ri. 31. Mürz 81. — Dagegen muß der andere Theil, um strafbar zu sein, „wissen", daß jener verheirathet fei, und ist dieser Punkt als ein vom Gesetze ausdrücklich aufgestelltes Thatbestandsmerkmal stets besonders festzustellen: Rill. 20. Dez. 83 (A. IX, 105: Mot.). 6. Das Verbrechen ist mit dem „Eingehen" der Ehe vollendet, und wird durch das demnüchstige Bestehen des Verhältnisses nicht fortgesetzt; hat jenes unter der älteren Strafgesetzgebnng stattgefunden, so ist trotz der Dauer der Ehe unter der neuen Gesetzgebung doch nur erstere anwendbar, insoweit nicht § 2 zutrifft; Abs. 3 steht dem nicht entgegen; vgl. Bind. HB. I, 247 und andererseits OT. 25. Jan. 77 (O. XVIII, 75; führte die Bestimmung des Abs. 3 darauf zurück, daß bis zu dem dort erwähnten Zeitpunkte das Verbrechen fortdauere). Ebendeshalb ist Ort der That, gleichviel, wo die zweite Ehe fortgesetzt wird, stets nur derjenige Ort. wo dieselbe abgeschlossen wurde, hiernach also auch der Gerichtsstand zu bemessen; vgl. Dresd. 21. Juli 76 (SGZ. 21 s. 120). 7. Der Versuch der Eingehung einer Doppelehe kann nur da vorliegen, wo mit der Vornahme der die Eheschließung dokumentirenden Förmlichkeiten d. h. also mit dem im Personenst.'s-Ges. v. 6. Febr. 1875 § 52 vorgeschriebenen Akte thatsächlich der Anfang gemacht ist (vgl. § 43 n. 6), darf also nicht in einem Verlöbnisse, im Abschlüsse eines Ehevertrags, in der Veranlassung eines Aufgebotes, ja nicht einmal in dem Erscheinen der Brautleute vor dem Standesbeanlten und in deren Gesuche um sofortige Trauung gefunden werden: Rill. 15. Okt. 83 (E. IX, 84); vgl. Köln 24. Sept. 60. Dresd. 30. Juli 75, OT. 6. Okt. 76, Münch. 17. Febr. 83 (GA. VIII, 695; SGZ. XX, 261; O. XVII, 644; BE. II, 398), Schütze s. 329; contra: Puch. n. 2, OT. 30. Jan. 78 (O. XIX, 45). 8. Die Verjährung der Strafverfolgung beginnt „mit dem Tage, an welchem eine der beiden Ehen aufgelöst rc. ist". Auch hier muß das eine solche Auflösuna rc. anssprechende Urtheil rechtskräftig geworden und mußte nach französischrechtlichem Verfahren die durch Urtheil für statthaft erklärte Ehescheidung durch den Civilstandsbeamten ausgesprochen sein; vgl. n. 3. 9. Die Verjährung einer unter der älteren Gesetzgebung eingegangenen Doppelehe ist nach den damals geltenden Grundsätzen (unter Berücksichtigung des § 2) zu beurtheilen: OT. (Pl.) 19. Dez. 59 (JMbl. 60 s. 26), v. Wächter, GA. VIII, 5; contra: Abh. ib. VII, 313, Hälschn. ib. VIII, 441; vgl. n. 6, John, GA. IX, 305. 361. 10. Ein Personenstandsbeamter, welcher wissentlich einen bereits Derheiratheten traut, ist nicht als dessen Gehülfe, sondern aus § 338 zu bestrafen. Für andere Personen kommen dagegen die Grundsätze von der Anstiftung oder Bei hülfe zur Anwendung; vgl. § 48 n. 4. 11. Zuständigkeit der Strafkammern: GDG. § 73 Nr. 2.
§172. 1. Als „Ehebruch" ist nur ein Beischlaf, nicht eine naturwidrige Befrirdigung des Geschlechtstriebes anzusehen: BL. s. 406; Schw. n. 9. — Zu jenem ge nügt die Geschlechtsvereinigung. Vgl. § 173 n. 1; § 177 n. 6.
Thl. n. Abschn. XIII. Verbr. u. Vergehen w. d. Sittlichkeit. — § 172.
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Ehe geschieden ist, an dem schuldigen Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen mit Gefängniß bis zu sechs Monaten bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Anttag ein. [I. Ent.: § 149; II. Entw.: § 170; Pr. StGB.: § 140.] 2. Der Ehebruch seht nicht eine unbedingt gültige Ehe voraus; es genügt, wenn die bürgerliche Gesetzgebung das Verhältniß in dem Maße als ein zu Recht bestehendes auffaßt, daß es nur durch eine gerichtliche Auflösung oder Nichtig erklärung beseitigt werden kann) nur dann, wenn die bürgerliche Gesetzgebung selbst das Verhältniß von vorne herein als ein rechtlich gar nicht existirendes betrachtet, bleibt die Möglichkeit eines Ehebruchs ausgeschlossen: RI. 12. April 86 (R. VIII, 277), Antr. des GStA.'s zu OT. 9. Dez. 59 (GA. VIII, 267); vgl. § 171 n. 2, Schw. n. 1, Schütze s. 325; contra: 538. s. 406, welcher eine gültige Ehe erheischt. 3. Eine die Ehe nicht auflösende Trennung von Tisch und Bett schließt die Möglichkeit und Strafbarkeit eines Ehebruchs nicht aus; vgl. n. 12. 4. Als Dolus genügt das Bewußtsein bzw. die Kenntniß, daß der Ehegatte zur Zeit im Sinne der n. 2. 3 verheirathet sei. Das gilt auch vom anderen Konkumbenten; doch bedarf es einer desfallsigen Feststellung nur im Falle aus drücklichen Bestreitens jener Kenntniß: Rill. 20. Dez. 83 (A. IX, 105). Schütze s. 326 läßt schon das Wissen von dem möglichen Fortbestände der Ehe genügen. 5. Der mit dem Ehegatten konkumbirende Dritte ist strafbar, auch wenn es bei jenem an einem Begriffsmerkmale (z. B. an dem erforderlichen Dolus) fehlt; das Gegentheil ist nicht aus der Bezeichnung: „Mitschuldiger" zu folgern. Dem gemäß macht sich der eine fremde Ehefrau Nothzüchtigende in Ideal-Konkurrenz auch des Ehebruchs schuldig, wenn er Kenntniß von der Ehe derselben hatte. 6. Ebenso ist die Verfolgung des Ehebruchs selbst (trotz § 63) statthaft, wenn die Verfolgung des Mitschuldigen wegen unzureichender Beweise nicht stattfinden kann: OT. 28. Sept. 75 (GA. 23 s. 515); vgl. § 63 n. 5. 7. Die Einwilligung des andern Gatten zur Begehung des Ehebruchs macht letzteren nicht straflos: Rill. 7. Zuni 86 (E. XIV, 202); vgl. n. 9. 14; contra: Bind. HB. I, 715, v. Kries. Z. f. StR. VII, 532. 7a. Setzen die Personen, welche eine Doppelehe in gutem Glauben einge gangen sind, nach erlangter Kenntniß von der früheren Ehe des Einen das ge schlechtliche Verhältniß fort, so machen sie sich des Ehebruchs schuldig. 7b. Das Vergehen wird durch die Beischlafsvollziehung vollendet. Erging daher in der Zeit zwischen dieser und der „Scheidung" der Ehe eine Verurtheilung der (des) Schuldigen wegen einer anderen Mißthat. so kommen die §§ 74. 79 zur Anwendung: Ri. 6. Nov. 82 (R. IV, 787). 8. Zeder einzelne ehebrecherische Akt stellt das vollendete Vergehen dar, jede Wiederholung begründet Real-Konkurrenz: Puch. n. 1; contra: OT. 20. Jan. 69, Dresd. 15. Juli 74 (O. X, 34; SGZ. XVIII, 367), welche bei einem von den selben Personen wiederholt verübten Ehebruch ein „fortgesetztes Vergehen" annehmen, HStR. II, 474. Vgl. § 74 n. 13. 9. Die „Bestrafung" (richtiger: Strafverfolgung) ist dadurch bedingt, daß die Ehe geschieden sei; vgl. in dieser Beziehung § 170 n. 5—9. Dem dort Ge sagten zufolge hat im schwurgerichtlichen Verfahren das Schwurgericht dieses Erforderniß festzustellen: RH. 28. Dez. 86 (E. XV, 122). Ob die Scheidung mit Recht erfolgte, oder aus irgend einem civilrechtlichen Grunde nicht ausgesprochen , werden durfte, ist gleichgültig: RHI. 7. Juni 86 (cit. n. 7). 9a. Die Scheidung muß wegen „desselben Ehebruchs" (d. h. derselben konkreten Handlung) erfolgt sein, welcher zum Gegenstände der Strafverfolgung ge macht wird; es genügt daher nicht, wenn aus anderen Gründen geschieden ist, sollte auch jener Ehebruch festgestellt, aber aus irgend einem Grunde der Scheidung nicht zu Grunde gelegt sein: Ri. 1. Juni 82 (E. VI, 334), OT. 25. Okt. 65 (O. VI, 403); contra: OT. 22. Okt. 74 (O. XV, 708: fordert blos, daß die Ehe überhaupt wegen Ehebruchs unter den Beschuldigten geschieden sei), während RH. 28. Dez. 86 (cit. n. 9) da, wo die Ehe wegen ehebrecherischen Verkehrs, — ohne Beschränkung auf spezielle Beischlafsakte, — geschieden und auch die strafgerichtliche Feststellung
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Thl. II. Abschn. XIII. Aerbr. u. Vergehen w. d. Sittlichkeit. — § 172.
(z. B. der Geschwornenspruch) allgemein gehalten ist, Identität annimmt, glerichviel, ob die einzelnen Akte, aus denen der Ehebruch hergeleitet worden, identtisch seien oder nicht (Die Frage hängt mehr oder weniger mit der unter n. 8 er örterten zusammen.) Jedenfalls kommt, wenn nur in einem späteren, z. B. die Vermögensverhältnisse der Geschiedenen betreffenden Urtheile der Ehebruch als er wiesen angenommen wird, der § nicht zur Anwendung: Münch. 11. März 80 (BE. 1,109). Dagegen hindert es nicht, wenn außer dem Ehebruch auch noch andere Thatsachen zur Rechtfertigung der Scheidung festgestellt sind: OT. 4. Mai 64 ((£). IV, 490), noch auch, was die Bestrafung des Mitschuldigen betrifft, wenn dieser -als solcher im Scheidungsurtheile ungenannt geblieben ist: RII. 12. Febr. 84 (R. VI, 107). 10. Eine Ehe ist auch dann „wegen desselben Ehebruchs" geschieden, totenn das Scheidungsurtheil sich auf einen, die dringende Vermuthung der verletzten ehelichen Treue begründenden „unerlaubten Umgang" (AM. II, 1 § 6'73) stützt; (der eit. § 673 soll nur den Beweis des Ehebruchs erleichtern; unter der „verletzten ehelichen Treue" ist nichts anders als der wirkliche Ehebruch zu Ver stehen); es genügt, wenn das Scheidungsurtheil dieselbe konkrete Handlung zur Grundlage nimmt; dagegen muß selbstverständlich der Strafrichter den begangenen Ehebruch feststellen: RII. 16. Dez. 81, 8. Okt. 86, »III. 8. Febr. 82 (E. V, 266; XIV, 352; R. IV, 138), OT. 24. Okt. 61, 30. Juni 65, 9. Sept. 71 (O. II, 20; VI, 226; XII, 321), Schw. n. 4; contra: Rubo s. 159. 11. Das die Ehescheidung aussprechende Urtheil muß rechtskräftig gewor den sein; vgl. § 171 n. 3; daher bleibt die Strafverfolgung ausgeschloffen, wenn vor eingetretener Rechtskraft der andere Ehegatte stirbt: OT. 18. Dez. 68 (O- IX, 755). In Betreff des französisch-rechtlichen Verfahrens vgl. § 171 n. 3. 12. Eine, das Band der Ehe bestehen laffende Trennung von Tisch und Bett steht einer Scheidung nicht gleich; vgl. n. 3, Schw. n. 3; contra: Rüd. n-4. 13. Im Falle doppelten Ehebruchs (wenn beide Konkumbenten verheirathet waren) genügt die Scheidung der einen Ehe, um den betr. Ehegatten als Ehebrecher und den andern als Mitschuldigen zu bestrafen. Dgl. n. 14. 14. Der Antrag auf Verfolgung (Abs. 2) steht dem andern Ehegatten zu, selbst wenn er in den Ehebruch eingewilligt hatte; ebenso: Rill. 7. Juni 86 (E. XIV, 202), oder wenn er sich auch seinerseits eines (im Scheidungsurtheil festge stellten) Ehebruchs schuldig gemacht haben sollte; eine analoge Anwendung des §198 (betr. die Antragstellung bei wechselseitigen Beleidigungen) greift hier nicht Platz; vgl. n. 5. — Waren beide Konkumbenten verheirathet, so genügt der Antrag eines der andern Ehegatten. 15. Die Antragsfrist beginnt ihren Lauf ganz nach Maßgabe des § 61, nicht erst von der Rechtskraft des Scheidungsurtheils: Antr. der RAnwaltsch. z. Rill. 3. Jan. 80. Meyer n. 13, ML. s. 638, HStR. I, 719, Villnow und Conrad. GA. 23 s. 171; 35 s. 17, Dochow i. HH. IV, 273, Fischer, GSaal 31 s. 54; 32 s. 496; contra: Rill. 3. Jan. 80 bis (E. I, 44; R. I, 180), OT. 6. Nov. 73, 22. Okt. 74, 23. Sept. 75. Dresd. 29. Aug. 73, Jena 74, Manh. 26. Juni 77 (O. XIV, 697; XV, 708; XVI, 611; StZ. III, 313, Voll. 22 s. 188; BA. 43 s. 207), Ri. 23. März 80, RII. 1. April 81, Münch. 7. Juli 76 (E. II, 62; R. III, 181; BE. VI, 366: datirten die Frist gar erst von dem Tage, wo der Antragsberechtigte von der Rechtskraft des Urtheils Kenntniß erlangte). Bind. HB. I, 643, Schütze s. 327, Meves, StRZ. XIII, 262; vgl. § 170 n. 11. Ein vor Verkündung des Scheidungsurtheils gestellter Antrag genügt: OT. 19. Febr. 73 (O. XIV, 145); contra: cit. RIÜ. 3. Jan. 80 (bis), Münch. 27. Nov. 85 (BE. III, 608), Schütze s. 327; vgl. § 61 n. 24. 16. Ueber den Beginn der Verjährung vgl. n. 11, § 69 n. 8; contra: Conrad, GA. 35 s. 17 (will die Verjährung nicht erst mit der Rechtskraft des Scheidungsurtheils beginnen, sondern nur während des Scheidungsprozeffes ruhen lassen). 17. Die Vorschrift der artt. 298. 308 des C. civil, nach welcher gegen die schuldige Frau „Einsperrung in einem Besserungshause" durch das Schei dungsurtheil verhängt werden sollte, ist mit Beseitigung jener Strafe unwirksam geworden. Dagegen sind die gemeinrechtlichen Bestimmungen über die Eheschei dungsstrafen (Nov. 117 cap. 8 § 2, cap. 9 §§ 4. 5), da letztere gleichzeitig eine Ent schädigung des unschuldigen Theils bezwecken, in Kraft geblieben, wenn davon ab-
Thl. ll. Abschn. XIII. Verbr. u. Vergehen w. d. Sittlichkeit. — § 173.
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§ 173. Der Beischlaf zwischen Verwandten auf- und absteigender Linie wird an den ersteren mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, an den letzteren mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Der Beischlaf zwischen Verschwägerten auf- und absteigender Linie, sowie zwischen Geschwistern wird mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. Neben der Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürger lichen Ehrenrechte erkannt werden. Verwandte und Verschwägerte absteigender Linie bleiben straflos, wenn sie das achtzehnte Lebensjahr nicht vollendet haben. [I. Entw.: § 150; II. Entw.: § 171; Pr. StGB.: § 141.] Vgl. §§ 174. 32. 35. 55;
Personenst.'s-Ges. v. 6. Febr. 1875 § 33; GVG. § 73. gesehen wird, daß die Vorschrift, betr. Straferhöhung wegen wissentlich falscher Anschuldigung des Ehebruchs, dadurch gegenstandslos geworden ist, daß gemäß § 172 die strafrechtliche Verfolgung wegen Ehebruchs erst nach der Scheidung statt finden kann: Rill. Civilsen. 28. März 84 (A. X, 183).'
§173.
1. Auch hier genügt als „Beischlaf" die erwiesene GeschlechtsVereinigung: OT. 31. März 65 (O. VI, 46); vgl. § 177 n. 6. Andere unzüchtige Handlungen (vgl. § 174 n. 1) fallen nicht unter den §. 2. Das Strafverbot gilt für die leiblichen (Bluts-) Verwandten; auf Adoptiv- und Pflegeeltern findet nur § 174 Abs. 1 Anwendung: vgl. §52 Abs. 2. Zn Betreff der Frage der Blutsverwandtschaft ist für den Strafrichter lediglich die Thatsache der natürlichen Abstammung entscheidend; hierauf bezügliche civilrechtliche Vermuthungen sind für ihn ebensowenig maßgebend, als ergangene civilgerichtliche Entscheidungen: StPO. §261; vgl. §217 n. 2, § 169 n. 16, RI. 17. Okt. 83 (R. V, 613), OT. (Pl.) 27. Febr. 54 (JMbl. s. 193; mb.), Oppenh. Pr. Strafverf. §22 n. 73—76. Ebenso hindert Art. 340 des C. civ. den Strafrichter nicht, die (uneheliche) Vaterschaft zu ermitteln und festzustellen. 3. „Verschwägerte auf- und absteigender Linie" umfaßt Stief- und Schwieger eltern und Kinder: Mot. s. 100. Für dieses Verhältniß ist es gleichgültig, ob die dasselbe begründende Ehe zur Zeit noch besteht, oder vorher durch Tod, Scheidung rc. wieder aufgelöst ist (das Ehehinderniß dauert fort: RGes. v. 6. Febr. 1875 § 33; L. 14 pr. D. 23, 2): Rill. 7. April 80, RII. 22. April 84 (R. I, 548; E. X, 302), OT. 18. Jan. 54, 31. März 65 (JMbl. 54 s. 127; O. VI, 45), Münch. 1. Juni 72, 6. Jnni 74, 3. März 76 (BE. II, 167; StZ. IV, 135; VI, 249). 4. In Betreff der Verwandtschaft (Verschwägerung) macht es keinen Unter schied, ob das Verhältniß auf ehelicher oder unehelicher Zeugung beruht; ebenso: RII. 21. Sept. 80, Rl. 19. Febr. 85 (E. II, 239; XII, 275); das gilt auch im Geltungsbereiche des Pr. ALR.'s; die dort (§ 44.1,1) gegebene Begriffsbestimmung der „Stiefverbindung" steht nicht entgegen, einen zwischen dem einen Ehegatten und dem unehelichen Kinde des andern gepflogenen Beischlaf aus Abs. 2 zu be strafen: OT. 27. Febr. 54 (eit. n. 2), 24. Sept. 62, 27. Jan. 69, 21. Jan. 79 (O. III, 28; X. 59; XX, 42). Dgl. RGes. v. 6. Febr. 1875 § 33. Ebensowenig kommt es in Betracht, daß uneheliche Kinder nach dem C. civ. durch ihre Eltern (außer diesen selbst) keine Blutsverwandten im civilrechtlichen Sinne haben. 4a. Demgemäß (n. 3. 4) bezeichnet der in der Feststellung gebrauchte Aus druck „Stieftochter" zur Genüge das Verhältniß einer „Verschwägerten abstei gender Linie": Ri. 19. Jan. 80 (R. I, 246). 5. Für die Bestrafung der Ascendenten ist es gleichgültig, ob der betr. Descendent in die Handlung eingewilligt und überhaupt sich strafbar gemacht hat: OT. 31. März 65, 18. Juni 69 (O. VI, 45; X, 429); vgl. Abs. 4. 6. „Geschwister" umfaßt die Halbgeschwister; auch hier macht die uneheliche
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Thl. II. Abschn. XIII. Verbr. u. Vergehen w. d. Sittlichkeit. — § 174.
§ 174. Mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren werden bestraft: Abstammung keinen Unterschied: Dresd. 1. Dez. 71 (SGZ. XVI, 127). Dagegen ist Abs. 2 auf die Verschwägerten der Geschwister nicht auszudehnen. 7. Zeder einzelne Beischlaf stellt das vollendete Verbrechen rc., wiederholte Verübung selbst dann ein Realkonkurrenz dar, wenn die verschiedenen Einzelhandlungen zwischen denselben Personen vorgekommen find: OT. 27. Jan. 69, 17. Mai 73 (O. X, 59; XIV, 369); vgl. § 172 n. 8, § 174 n. 3, Bind. HB. I, 556. 7a. Bezüglich der Jdealkonkurrenz von Mißthaten aus § 173 mit solchen aus § 174 vgl. § 174 n. 5. 8. Der Glaube der Thäter, nach den civilrechtlichen Bestimmungen der LandeSFesetze (mit oder selbst ohne Dispens) einander heirathen zu können, schließt den Dolus nicht aus: OT. 21. Jan. 79 (eit. n. 4). Ja der § findet selbst dann AnWendung, wenn dem Beischlaf eine formelle Eheschließung unter den (gutgläubigen) Konkumbenten vorhergegangen ist: RI. 10. Nov. 81 (E. V, 159). Dasselbe gilt von der irrigen Annahme, der Begriff der Schwägerschaft sehe ein durch eheliche Geburt begründetes Verhältniß voraus: § 59 n. 15, RI. 19. Febr. 85 (eit. n. 4). 9. Neben der Gefängnißstrafe kann auf den Verlust der Ehrenrechte re. nur dann erkannt werden, wenn jene drei Monate erreicht: §§ 32. 35. 10. Die Vorschrift des Abs. 4 (Straflosigkeit des noch nicht achtzehnjäh. rigen Descendenten) bezieht sich auf Geschwister nicht mit. 11. Ueber die Vollendung des achtzehnten Lebensjahres vgl. § 55 n. 3. 12. Wenn auch der nicht achtzehn Jahre alte Descendent (für seine Person) „straflos" bleibt, so ist doch seine Handlung ein Vergehen; ein Dritter kann sich also durch Theilnahme an demselben strafbar machen; vgl. § 55 n. 1. 2. 13. Zuständigkeit der Strafkammern: GVG. § 73 Nr. 2.
§
174.
1. „Unzüchtig" ist jede das Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung gröblich verletzende Handlung: Rill. 16. Febr. 81, 19. Febr. 83 (E. IV, 87; VIII, 128), OHG. 16. Febr. 72 (StZ. I, 230), Münch. 27. April 78 (BE. VIII, 205); contra: RI. 15. Dez. 79, Rll. 10. Dez. 82 (R. I, 149; A. VI, 285: insofern, als das Gesetz, hier § 184, zwischen gröblicher und minder gröblicher Verletzung keinen Unterschied mache); vgl. § 176 n. 20, Carlsr. 3. Okt. 79 (BA. 45 s. 339: betr. eine Anklage aus § 176 Nr. 3; hierher gehöre schon das Anblicken der Geschlechtstheile eines Kindes durch einen Mann, falls dieser den Anblick in unzüchtiger Weise durch äußere Handlungen, z. B. durch Aufheben der Röcke oder durch Terleitung des Kindes, den Körper seinen Blicken freiwillig auszusehen, sich verschifft habe), Stuttg. 26. Nov. 77 (WGbl. XIV, 55: rechnete nicht hierhin das Betauen einer weiblichen, durch die Kleider verhüllten Brust). Ob dadurch auch das Scheingefühl des von der Handlung Betroffenen (subjektiv) verletzt werde, ist nicht mt» scheidend : OT. 24. Nov. 64 (O. V, 295). Ebensowenig wird erfordert, daß die Handlung auf Befriedigung des Geschlechtstriebes oder auf Vollziehung des Teischlafes gerichtet sei: »III. 28. Febr. 80 (R. I, 404), OT. 19. Mai 52 c. Düsbirg. Immerhin muß aber eine geschlechtliche Beziehung obwalten, die Handlung dcher subjektiv dazu bestimmt sein, die geschlechtliche Sinnenlust entweder des Thäters oder des Mitbetheiligten, wo nicht beider, zu erregen: RI. 14. Juni 83 (R. V, 453). Das Geschlecht beider Personen ist gleichgültig. 2. Durch die Zustimmung der mißbrauchten Person werden die vorgeseheien Handlungen nicht straflos. 3. Jede Einzelhandlung der erwähnten Art (Nr. 1—3) erfüllt den Tat bestand; jede selbständige Wiederholung begründet, selbst wenn sie mit demseben Individuum stattfand, Realkonkurrenz: OT. 26. Nov. 68, 19. März 69 (O. IX, 6r7; X, 173: Fälle des § 173), BGr. § 142; vgl. § 74 n. 3. 13, § 172 n. 8, § 173 n 7. Es ist unstatthaft, mehrere derartige Fälle in einer schwurgerichtlichen Frage;usammenzufassen: StPO. § 292 Abs. 3, Löwe s. 561. 4. Wird die unzüchtige Handlung (9tr. 1—3) an einem Kinde unter vierzchn Jahren vorgenommen, so wird in Jdealkonkurrenz § 176 (als der strengere) anweidbar: Manh. 26. Okt. 72 (StZ. II, 372); contra: Schneider, BA. 41 f. 145 insofrn, als er den § 174 auf die mit Kindern unter 14 Jahren verübte Unzucht nicht be zieht, daher keine Jdealkonkurrenz annimmt.
Thl. II. Abschn. XIII. Verbr. u. Vergehen w. d. Sittlichkeit. — § 174.
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1) Vormünder, welche mit ihren Pflegebefohlenen, Adoptivund Pflegeeltern, welche mit ihren Kindern, Geistliche, Lehrer und Erzieher, welche mit ihren minderjährigen Schülern oder Zöglingen unzüchtige Handlungen vor nehmen; 4a.
Zuständigkeit der Strafkammern: GVG. § 73.
Zu Nr. 1. 5. Blutsverwandte und Verschwägerte, selbst solche der aufsteigenden Linie (§ 173), werden durch den § ebenfalls betroffen, wenn sie zugleich Vormünder rc. sind; ebenso (bez. des Stiesvaters als bestellten Vormunds, Adoptiv- oder Pflege vaters): RI. 4. Dez. 82, 22. Zuni, 23. Dez. 85 (E. VII, 307; XII, 292; R. VII, 759), OT. 77c. Bausch, Münch. 30. März 78 (BE. VIII, 130); contra: (insofern sie bei Stiefeltern das pflegeelterliche Verhältniß für ausgeschlossen erachteten): RI. 25. Nov. 80r Manh. 12. Mai 77, Jena 77 (E. III, 64; BA. 43 s. 155; Voll. 25 s. 273), Schw. HH. III, 307, GSaal 23, f. 428, Sengler, BA. 42 s. 134. OT. 15. Sept. 69 (O. X. 557) scheint dasselbe in Bezug auf den mütterlichen Großvater und Vormund eines unehelichen KindeS indirekt anzuerkennen; contra: Schw. 1. c.; OT. 18. Juni 75 (O. XVI, 467) erachtete die Vaterschaft über ein uneheliches Kind sogar für verein bar mit der „Pflegevaterschaft", mindestens dann, wenn dem Vater das erstere Verhältniß unbekannt blieb. Dagegen erleidet das Eingangs Gesagte jedenfalls zu Gunsten der leiblichen Eltern eines ehelichen, und der Mutter eines unehelichen Kindes eine Ausnahme, indem bei ihnen das Elternverhältniß entschieden vorwaltet, für sie das Kind stets „Kind" und nicht „Pflegebefohlener rc." ist; sie sind daher nur im Falle blutschänderischen Beischlafs, dann aber mit der gleichen Strafe zu bestrafen (§ 173 Abs. 1); ebenso: Schw. 1. c.; contra: (bezüglich des Falles, wo die Mutter Vormünderin ist): Olsh. n. 11. 6. Der Begriff „Vormund" ist hier nicht schlechthin aus den partikularen Landesgesetzgebungen, sondern aus dem StGB, zu entnehmen; er setzt ein persön liches Äutoritäts- bzw. Abhängigkeits-Verhältniß, ein Recht sowie eine Pflicht zur Beaufsichtigung der Person und zu persönlicher Pflege (Fürsorge) voraus; demgemäß gehört ein lediglich zur Vermögensverwaltung bestellter Spezialvormund nicht hierhin: Rill. 9. Dez. 86 (E. XV, 72); so z. B. nicht der Gegenvormund der Pr. Vormundsch.'s-O., da dieser nur für das Vermögen, nicht für die Person des Mündels zu sorgen hat (Hülfsorgan in letzterer Hinsicht ist der Waisenrath); contra: Villnow, GSaal 30 s. 132. Das Gegentheil gilt vom Bei-Vormunde des C. civ. Art. 396. — Ob die Bestellung zum Vormunde genau allen formellen civilrecht' lichen Vorschriften entsprach, ist unerheblich: OT. 20. Jan. 65, 1. März 67 (O. V, 434; VIII, 141), desgleichen, ob dieselbe materiell gerechtfertigt, ob z. B im Falle einer gerichtlichen Entmündigung wegen Geisteskrankheit der Entmündigte wirklich geisteskrank war: Manh. 9. Febr. 78 (BA. 44 s. 44), oder ob die Handlung nicht etwa stattfand, während jener einen lichten Augenblick hatte: Rill. 19. Nov. 83 (A. IX, 3). 7. In Betreff der „Adoptiv-" und der „Pflegeeltern" vgl. § 52 n. 15. 14, HStR. II, 237 und oben n. 5. Volljährigkeit der Adoptivkinder schließt die Anwendung des § nicht aus: Ri. 22. Juni 85 (E. XII, 292). Ein Pflegschafts. Verhältniß, bei welchem die ältere Person der verpflegte Theil ist, kommt hier nicht in Betracht: Dresd. 21. Febr. 79 (SGZ. 23 f. 283). 8. „Geistliche" werden von der Strafe dieses § nur dann betroffen, wenn sie die Handlungen mit „Schülern oder Zöglingen" (z. B. den Confirmanden, den regelmäßigen Besuchern der Christenlehre: RI. 17. Nov. 84, E. XI, 271) verüben; somit gehören Beichtväter nicht bierher: Schw. n. 9; vgl. § 181 Nr. 2. 9. Die Strafbarkeit des „Lehrers" beruht nicht auf einer amtlichen Anstel lung, sondern auf dem Mißbrauche der Stellung als Lehrer. Das Wesentliche für letzteren Begriff ist hier das Verhältniß geistiger und sittlicher Unterordnung, wie es sich regelmäßig zwischen Lehrenden und Lernenden entwickelt, wenn der Unter richtsgegenstand danach geartet ist und der Unterricht selbst nach Zeit, Ziel und Plan einen gewissen dauernden Bestand hat, mithin nicht in gelegentlichen, vorübergehen-
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Thl. II. Abschn. XIII.
Verbr.». Vergehen, w. d. Sittlichkeit. - § 174.
2) Beamte, die mit Personen, gegen welche sie eine Unteersuchung zu führen haben oder welche ihrer Obhut mnvertraut sind, unzüchüge Handlungen vornehmen; 3) Beamte, Aerzte oder andere Medizinalpersonen, welche in Gefängnissen oder in öffentlichen, zur Pflege vion Kranken, Armen oder anderen Hülflosen Bestimmten An stalten beschäftigt oder angestellt sind, wenn sie mit dien in das Gefängniß oder in die Anstalt aufgenommemen Personen unzüchüge Handlungen vornehmen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. [I. Entw.: § 131; II. Ent.: § 172; Pr. StGB.: § 142.] Vgl. §§ 176.177; Gew.°O. § 153; GVG. § 73 Nr. 2. den Unterweisungen besteht; trifft jenes zu, so genügt ein Unterricht, welcher sstch nur aus einzelne Wissenszweige, künstlerische oder technische Fertigkeiten beschränkt, sollte er auch nicht aus einem förmlichen Vertrage beruhen und nicht berufsmäßig noch gegen Entgelt ertheilt werden: Rill. 31. März 84 (E. X, 345). 10. „Erzieher" sind nur solche Personen, welchen die geistige und körper liche Pflege von Kindern als ihrem (gewerbsmäßigen) Berufe entsprechend, aus besonderem Vertrauen übertragen worden ist (daher: „Zögling"), nicht solche Per sonen, welche durch eine verwandtschaftliche Beziehung als nächste Angehörige dazu berufen waren: Rl. 27. April 82 (E. VI, 233), OT. 15. Sept. 69 (dt n. 5), rwch gar solche, welche Kinder in geistiger und sittlicher Hinsicht überhaupt nicht zu überwachen, sondern nur gegen Zahlung von Kost- und Lehrgeld (z. B. als Oekonomie-Eleven) in die Lehre sowie in's Hans genommen haben: OT. 1. März 76 (O. XVII, 149); namentlich ist ein Lehrherr nicht ohne Weiteres als „Erzieher" anzusehen: Dresd. 3. Dez. 77 (SGZ. 22 s. 213). Der Gegensatz zum „Lehrer" kenn zeichnet sich aber dadurch, daß es sich bei dem Erzieher nicht, wie bei jenem, um Unterweisung in bestimmten Fächern handelt: cit. RI. 27. April 82. 11. Die Ausdrücke „Lehrer", „Erzieher" und „Schüler" umfassen auch Lehrerinnen. Erzieherinnen und Schülerinnen; vgl. n. 1; ebenso: HStR. II, 237.
Au Nr. 2—3. 12. Ueber den Begriff eines „Beamten" im Allgemeinen vgl. § 359. Diesem § zufolge findet die Nr. 2 nicht ohne Weiteres auf die von der Polizeiverwaltung mit einem einzelnen Gefangenen-Transport beauftragten Personen Anwendung: RI. 22. Dez. 81 (E. V, 418); vgl. OT. 7. Mai 75 (O. XVI, 356), OT. (Pl.) 24. April 54 (Entsch. dess. 28 s. 164). Zn der Nr. 3 sind unter Beamten nicht blos die förmlich „angestellten" (tz 359) Bediensteten der erwähnten Anstalten, sondern auch die (nicht lediglich vorübergehend) dort „beschäftigten" zu verstehen, vgl. OT. 21. Mai 62 (O. II, 420), HStR. II, 237, Rüd. n. 2; contra: Rill. 6. 13. Nov. 84 (R. VI, 710: auch in Nr. 3 feien „Beamte" nur solche im Sinne des § 359, demgemäß z. B. die Krankenwärter in einer unter staatlicher Obhut stehenden Heil- oder Irrenanstalt dazu nicht zu rechnen), Olsh. n. 15. 13. Der Ausdruck „Untersuchung" (Nr. 2) bezeichnet den Inbegriff aller behufs Feststellung des Verdachts einer strafbaren Handlung ausgeführten Amts handlungen; demgemäß findet der § auf einen nur zu einzelnen Untersuchungsakten, z. B. zur verantwortlichen Vernehmung, befugten Beamten keine Anwendung: RIV. 13. Mai 84 (A. X, III). Gleichwohl ist jener Ausdruck nicht auf gerichtliche Unter suchungen zu beschränken. 14. „Obhut" seht ein Autoritäts- oder Aussichtsverhältniß voraus; contra: OT. 13. Nov. 63 (O. IV, 202: hielt die Passagiere eines Postwagens für anvertraut der Obhut des diesen allein führenden Postillons). — Die „Obhut" muß eine amtlich übertragene, die Ausübung einer amtlichen Pflicht sein; dies trifft nicht zu bei dem Verhältnisse eines Bürgermeisters zu dem von ihm ohne amtliche Der-
Thl. II. Abschn. XIII/ Derbr. u. Vergehen w. d. Sittlichkeit. — § 175.
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§ 175. Die widernatürliche Unzucht, welche zwischen Per sonen männlichen Geschlechts oder von Menschen mit Thieren begangen wird, ist mit Gefängniß zu bestrafen; auch kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden.. [I.Gntro.: § 152; II.Entw.: § 173; Pr. StGB : § 143.; pflichtung angenommenen, auf feinem Arntsbüreau- als Privatgehülfen beschäftigten Schreiber: OT. 9. Nov. 75 (O. XVI, 715). 15. Unter „Gefängniß" sind (wie unter „Gefangenanstalt": § 120 n. 5) alle in bleibender Weise zur Ausnahme von Gefangenen bestimmten Räumlichkeiten mit Einschluß der polizeilichen Arrestlokale zu verstehen: Dresd. 16^ Juni 76 (SGZ. 21 f. 146: erachtete daher in der thatsächlichen Feststellung, daß eine kgl. WeiberEorrektions-Anstalt ein „Gefängniß" darstelle, keinen Nichtigkeitsgrund). § 175. 1. „Widernatürliche Unzucht" bezeichnet hier die eigentliche Sodomie in ihren beiden Formen (die sodomia ratione sexus in der Beschränkung auf Männer d. h. die Päderastie und die sodomia ratione generis oder.Bestialität), nicht andere unzüchtige Handlungen: Mot. s. 100, Still. 17. Mai 82 (R. IV, 493). 2. Zum Thatbestände des ersten Falles des § wird stets eine Berührung des männlichen Gliedes mit dem Körper einer anderen männlichen- Person voraus gesetzt: RI. 20. Sept. 80 (E. II, 237: ob im Einzelfalle, z. B. bei nicht entblößtem Gliede, eine solche Berührung anzunehmen, sei Sache der thatsächlichen Beurtheilung); vgl. (in Betreff der Frage, inwiefern es von Gewicht fei, wenn der Körper des passiv Betheiligten bekleidet -gewesen): Dresd. 7. Juni 75 (SGZ. XX, 21). Inzwischen fällt, dem oben n. 1 Gesagten gemäß, nicht jede unsittliche Be rührung jener Art unter den §, insbesondere nicht wechselseitige Onanie (gegen seitige Manustupration): Rill. 17. Mai 82 (eit. n. 1), Rll. 25. Apr. 82 (E. yi, 211), OT. 13. April 63, 6. Nov. 73 (O. III. 385; XIV, 707), Stuttg. 29. Nov. 76 (WGbl. XII, 412: selbst wenn die durch Benutzung Dritter getriebene Onanie mit Umar mungen verbunden gewesen sei). BL. s. 413; vgl. Billnow, GSaal 30 f. 134; contra: Schw. n. 2, Schütze s. 339, es werden vielmehr beischlafsartige oder doch mindestens beischlafsähnliche, d. h. also solche Akte erfordert, bei denen die Befriedigung des Geschlechtstriebes entweder durch die immissio seminis in den Körper öder durch das Reiben des männlichen- Gliedes an den, Körper des Anderen bezweckt wird: RH. 25. April 82 (eit), 23. Apr. 80, Rill. 24. Apr. 80, OT, 15. März 76, 24. Okt. 77, Jena 77, Manh. 15. Dez.. 17. Febr. 77 (E. I, 395; R. I, 662; O. XVII, 200; XVIII, 662 ; Voll. 25 s. 275; BA. 43 s. 371; 44 s. 42), HStR. II, 240; vgl. außer dem OT. 31. Mai 67, 28. Nov. 73 (O. VIII, 356; XIV, 766: betr. das Herbeiführen eines Samenergusses in den Mund), Münch. 20. Apr. 82 (BE. II, 129). — Ob der beabsichtigte Erfolg erreicht worden, ist für den Thatbestand unwesentlich: OT. 21. Febr., 10. Sept. 62, Münch. 19. Juni 74 (O. II, 271. 551; StZ. IV, 135); contra: HStR. 1. c. — Unzucht, an einer Leiche verübt, füllt nicht unter den §. 3. Unzucht „zwischen Personen männlichen Geschlechts" ist nicht dadurch bedingt, daß die That mit Wissen und Willen des passiven Theils verübt sei; sie kann daher z. B. an einem Schlafenden verübt werden; man wühlte den Ausdruck „Zwischen rc.", um ev. den passiven Theil gleichfalls mit Strafe zu bedrohen (n. 4): 9111. 21. März 81 (R. III, 151). Dgl. HStR. II, 240. 4. Die widernatürliche Unzucht ist auch an dem sie (freiwillig) Duldenden strafbar, selbst wenn er eine Befriedigung des eigenen Geschlechtstriebs nicht gesucht hat: OT. 2. Okt. 61, 5. Juni 74 (O. I, 561; XV, 363), Manh. 15. Dez. 77 (cit. n.l), es sei denn, daß er die Bedeutung der Handlung des Andern gar nicht begriff, da auch diese That „Vorsätzlichkeit" d. h. den Willen der Verübung voraussetzt. 5. Widernatürliche Unzucht mit Knaben unter 14 Jahren wird am Er wachsenen nach § 176 (vgl. dort n. 18), am Knaben ev. nach § 175 bestraft. 6. Zum zweiten Falle des §, Unzucht mit einem Thiere, wird zwar keine Vereinigung der Gefchlechtstheile, wohl aber erfordert, daß der Thäter seinen Ge schlechtstheil mit dem Körper btö Thieres in Berührung gebracht habe, und zwar zwecks Erregung oder Befriedigung der Geschlechtslust, mithin in wollüstiger d. h. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Anfl.
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Thl. II. Abschn. XIII. Verbr. u. Vergehen w. d. Sittlichkeit. — § 176..
§ 176. straft, wer
Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird Le
auf Herbeiführung eines Geschlechtsgenusses gerichteter Absicht: RI. 13. Jan. 81, 30. Oft. 82 (E. III, 200; R. IV, 775); vgl. DreSd. 17. Juli 74, 7. Juni 75 (StZ. IV, 314; SGZ. XX, 21). Ob jener Genuß schon in der bloßen Erregung des Wolllusttriebes oder aber im Samenerguß gesucht worden, ist gleichgültig: Rill. 5. März 81 (R. III, 113); noch viel weniger wird zur Vollendung der That erheischt, tdaß jene Absicht erreicht, z. B. ein Samenerguß, erfolgt sei: eit. RI. 13. Jan. 81; wgl. jedoch HStR. II, 240. Auch erleidet der § keine Beschränkung auf den Mißbramch von Thieren des anderen Geschlechts: RI. 13. Jan. 81.
8 176. 1. „Unzüchtige Handlung" (Nr. 1. 3), vgl. tz 174 n. 1. — Die Dorrte: „Wer an Personen rc." in Nr. 1 sind gleichbedeutend mit den Worten: „Wer nnit Personen rc." in Nr. 3 (man wollte offenbar in Nr. 1 nur die Wiederholung !des Wortes „mit" vermeiden); ebenso: -RI. 10. Okt. 81 (R. III, 621). In beiden Fälllen wird eine Mitbetheiligung des Körpers der betreffenden „Person" erfordert,, es muß letzterer mit dem Angeklagten in geschlechtliche Beziehung getreten sein: eit. RI. 10. Okt. 81, Manh.28. Juni 79, Münch. 3. Apr. 80 (BA. 45 s. 171; BE. 1,1114). Vgl. n. 19. 2. Jede Einzelhandlung erfüllt den Thatbestand, jede selbständige Wietderholung begründet Real-Konkurrenz; vgl. 6 174 n. 3. Contra: Dresd. 6. Okt. 73. 5. Juni 74 (StZ. III, 313; IV, 274: betrafen Verbrechen nach Nr. 3, verübt an bient* selben Kinde). 3. Objekt der unter Nr. 1. 2 vorgesehenen Verbrechen kann nur eine „ FrauemsPerson" (auch eine solche Übeln Leumundes: OT. 16. Juni 52 c. Stein) sein. Der Ausdruck begreift hier wie im § 177 jede weibliche Person, mithin auch Mädchen unter 14 Jahren (§ 176 Nr. 3): Manh. 7. Nov. 74, 11. Sept. 75 (BA. 40 s. 3(66 ; 41 s. 321), OT. 23. Febr. 76 (O. XVII, 136); vgl. § 177 n. 5; contra: HStR.. II, 227, Blum § 177 n. 4, Schneider. GSaal 28 s. 222. (Letzterer Ansicht zufolge wäre die gewaltsame Verübung unzüchttger Handlungen an einer Dreizehnjährigen, ja die gewaltsame rc. Mißbrauchung derselben — § 177 — als Unzuchtsverbrechen gar nicht zu bestrafen, so oft hinsichtlich des Alters § 59 zuträfe! Freilich pflegt man sich im gewöhnlichen Leben des Ausdrucks „Frauensperson" nur bei Erwachsenen au bedienen, darum aber ebensowenig bei Vierzehn- und Fünfzehnjährigen. Rach seinem natürlichen Wortverftande ist derselbe weder auf ein gewisses Alter noch auf geschlechtsreife Personen beschränkt.) — Aehnliche an einer männlichen Person ver übte Handlungen können nur unter § 175 oder § 240 fallen. 4. Die unter Nr 1.3 aufgezählten Verbrechen können auch von einer Frauens person begangen werden. 5. In den Worten der Nr. 1.3 „durch Drohung rc. zur Duldung unzüch tiger Handlungen nöthigt, resp. verleitet" unterscheidet der § nicht zwischen un züchtigen Handlungen, welche der Nöthigende (Verleitende) selbst, und zwischen solchen. die ein (von ihm begünstigter) Dritter vornimmt. Eine „Nüthigung (Verlei tung)" im Sinne des § kann daher auch von einem Andern als dem Verüber der unzüchtigen Handlungen ausgehen; so: HS. II, 316. 320, HStR. II, 224, Puch. n. 3. Münch. 23. Juni 76 (BE. VI, 297: bezog die in Nr. 3 verpönte Verleitung zur Dul dung unzüchtiger Handlungen sogar vorzugsweise auf Fälle der letzteren Art, indem Fälle entgegengesetzter Art regelmäßig schon in der ersten Alternative der Nr. 3 begriffen seien); contra: OT. 26. Okt. 59, 17. Okt. 61 (GA. VII, 833; VIII, 828). Hinsichtlich des Falles, wo Gewalt (erste Alternative der Nr. 1) für einen An deren ausgeübt wird, vgl. § 47 n. 18. 25. 6. In Betreff der Kenntniß des Angeklagten von dem bewußtlosen rc. Zu stande oder dem Kindesalter des Verletzten (Nr. 2. 3) wird § 59 anwendbar; vgl. dort (namentlich auch in Betreff des dolus eventualis) n. 7. 11, Ri. 28. April 84 (E. X, 337), und rücksichtlich der Feststellung: ib. n. 6. Demgemäß ist es unstatt hast, eine deSfallsige schwurgerichtliche Frage überhaupt 311 stellen; ebenso: Rill. 28. Jan. 82. 1. Juli 85 (R. IV, 86; E. XII, 337). 7. Ein Versuch der unter Nr. 1—3 vorgesehenen Verbrechen ist möglich: OT.
Thl. II. Abschn. XIII. Brrbr. u. Vergrhrn w. b. Sittlichkeit. - §. 176.
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1) mit Gewalt unzüchtige Handlungen an einer Frauens person vornimmt oder dieselbe durch Drohung mit gegen wärtiger Gefahr für Leib oder Leben zur Duldung un züchtiger Handlungen nöthigt; 2) eine in einem willenlosen oder bewußtlosen Zustande be findliche oder eine geisteskranke Frauensperson zum außer ehelichen Beischlafe mißbraucht, oder 9. Sept. 70 (O. XI, 445: Fall der Nr. 3); Beisp.: wenn die zum Zwecke der Vor nahme angewendete Gewalt (Nr. 1) nicht zum Ziele führt. Vgl. n. 19. 8. Zst durch eine der betr. Handlungen der Tod des Verletzten herbeigeführt worden, so wird § 178 anwendbar. 9. Die Berücksichtigung mildernder Umstände ward nachgelassen, weil „er* fahrungsmäßig die angewendete Gewalt oft einer sog. vis haud ingrata sich nähere, oder die Verletzte vorher den Thäter zur That gereizt habe, oder auch die That nicht als eine ihr angethane empfindliche Schmach ansehe": Mot. s. 101. Obgleich diese Gründe nur . X, 116). — Aus dem Gegen satze „Sehvermögen auf einem oder beiden Augen" folgt, daß unter „Gehör" das Hörvermögen im Ganzen zu verstehen ist; der tz bleibt ifomit ausgeschlossen, wenn dem Verletzten das Gehör auf einem Ohr verblieben ist. 4a. „Sprache" ist die Fähigkeit, sich durch artikulirte Laute Anderen ver ständlich zu machen; dazu genügt noch nicht der Verlust der Stimme. 5. Als „erhebliche Entstellung" sind sülche Verunstaltungen anzusehen, welche, wenn sie auch nur an einzelnen Körpertheilen vorfindlich sein sollten, den noch die äußere Gesammterscheinung des Menschen wesentlich verändern, bzw. ver schlechtern: Rill. 1. Febr. 82 (E. VI, 4). Dahin kann eine thalergroße, trichterförmige Vertiefung in der Mitte der Stirne gerechnet werden (: Rl. 7. März 81, R. Iil, 126), während minder erhebliche Gestaltveränderungen von Körpertheilen, die nicht in die Augen fallen, dem oben Gesagten zufolge nicht dahin gehören. Das (künst liche) Verbergen eines Defekts (z. B. desjenigen eines Auges durch ein Glasauge) reicht für sich allein nicht aus, um das Begriffsmerkmal der „Entstellung" zu besei tigen; entscheiden kann hier nur, ob der betr. Körpertheil nach den Lebensverhältniffen des Verletzten Dritten gegenüber derart bedeckt zu werden Pflegt, daß der Mangel als erhebliche Entstellung nur unter besonderen Umständen (nach außen) er kennbar sein und empfunden würde:'R!I. 1. Okt. 86 (E. XIV, 344). — Die Ent stellung muß „dauernd" sein, braucht aber nicht nothwendig zeitlebens zu dauern;
520
Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 224.
Zeugungsfähigkeit verliert, oder in erheblicher Weise dauernd entstellt wird, oder in Siechthum, Lähmung oder Geisteskrankes genügt, wenn deren Ende sich im Voraus nicht bestimmen läßt: Rubo n. 9, Olsh. n. 7. 6. „Siechthum" ist ein chronischer, den ganzen Organismus ergreifender Krankheitszustand, welcher ein Schwinden der Körperkräfte zur Folge hat; sonach genügt ein auf einen (wichtigen) Körpertheil beschränktes anhaltendes Leiden für sich allein nicht; dagegen braucht jener Zustand kein unheilbarer zu sein, sofern nur dessen Heilung überhaupt oder doch der Zeit nach sich nicht bestimmen läßt: Rl. 29.Okt.83, RH. 13.Jan. 88, RHI. 9. April85 (R. V, 649; X.32; E. XII, 127: daher werde nicht erfordert, daß der Krankheitsprozeß abgeschlossen sei), Dresd. 25. März, 28. Mai 72 (SGZ. XV, 206. 251). WGbl. VI, 699; vgl. v. Holder ib. XL 236. 7. „Lähmung" ist jede dauernde Unfähigkeit, einen bestimmten Bewegungsapparat des Körpers zu denjenigen Bewegungen zu gebrauchen, zu welchen er von der Natur bestimmt ist: Gutacht. d. Pr. Deput. f. d. Med.-Wesen (Vierteljahrschr. f. gericht. Med. XVI, Heft 1); vgl. Geyer, HH. III, 542; contra: Dresd. 25. März 72 (SGZ. XV, 206: rechnete auf Grund eines Gutachtens des Sächs. Med.-Kollegiums nur die Bewegungsunvollkommenheiten hierher, welche in einer Funktions störung der Nerven oder Muskeln, nicht solche, welche in einer Erkrankung der Knochen, Bänder und Gelenke ihren Grund haben) und Liman (in Kasper's Hdb. 5. Aufl. s. 477: definirt die „Lähmung" als die aufgehobene Funktion der Bewegungs- und Empfindungsnerven). Die Bewegungsunfähigkeit braucht übrigens weder unheilbar (: RI. 29. Okt. 83, eit. n. 6) noch vollständig zu sein; in letzterer Hinsicht genügt vielmehr eine wesentliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit: OT. 15. Mai 74. Meckl. OG. (O. XV, 311; GSaal 28 s. 511); contra (in beiderlei Hinsicht): Geyer, GSaal 26 s. 290; vgl. auch John, GA. 25 s. 411. - Im Uebrigen vgl. n. 8a. 8. „Geisteskrankheit" ist eine (von dem leidenden Zustande des Körpers unabhängige) Störung der Geistesthätigkeit: eine als Theilerscheinung eines vor übergehenden Körperleidens (z. B. einer Gehirnerschütterung) zeitweise vorwaltende Betäubung genügt nicht. Dauer und Nnheilbarkeit des Zustandes sind für den Begriff nicht wesentlich; ebenso: Ri. 29. Okt. 83 (eit. n. 6: speziell in Betreff der Nnheilbarkeit), ML. s. 437, Geyer, HH. III, 536; contra (in Betreff der Dauer): Puch. n. 4, Olsh. n. 9. 8a. „In Siechthum rc. verfallen" kennzeichnet diejenigen Verletzungen, deren Folgen so schwer auf den Körper oder Geist einwirken, daß dadurch gewissermaßen die Integrität des ganzen Menschen aufgehoben wird: Dresd. 2. Okt. 74 (eit. n. 3). Demgemäß kommt hier, was namentlich die Lähmung (n. 7) betrifft, nicht jede Lähmung eines einzelnen Körpertheils, sondern nur eine solche Affektiou in Be tracht, welche mittelbar den ganzen Menschen, bzw. welche dessen Organismus in einer umfassenden Weise ergreift: Rill. 1. Febr. 82, RI. 23. Febr. 82, 25. Sept. 84 (E. VI, 4. 65; R. VI, 565). 9. Die schwerere Strafe des § tritt ein, wenn eine der aufgezählten Erschei nungen die unmittel- oder mittelbare „Folge" der „Körperverletzung" war, weitn also in dieser der Grund des Eintritts jener Folge lag. Sonach trifft der § auch dann zu, wenn die Eimvirkung auf den Körper zunächst eine andere Folge, und durch diese mittelbar jene Nachtheile herbeigeführt hat. z. B. wenn der Miß handelte in Folge des erhaltenen Stoßes fiel und durch den Fall einen Knochen bruch erlitt: OT. 23. Okt. 68 (O. IX, 583), oder wenn der durch die Einwirkung auf den Körper hervorgebrachte psychische Eindruck eine Geisteskrankheit herbei führte, oder wenn die Mißhandlung eine Amputation, Trepanation re. nöthig machte (vgl. Schw. s. 547 Note). Anders gestaltet sich die Sache, wenn durch die Hand lung in einer vom Thäter nicht gewollten Weise noch eine andere fremde Kraft in Bewegung gesetzt wird, durch welche der Mißhandelte eine Verletzung erleidet, wenn sich z. B. das geladene Gewehr, womit Jemand einen Andern stößt, entladet und den letzteren beschädigt; die bei dieser Handlung obwaltende Fahrlässigkeit (Frevel haftigkeit) genügt nicht, um den Thäter wegen der Folgen der nicht gewollten Entladung aus § 224 verantwortlich zu machen; contra: OT. 8. Jan. 69 (O. X, 18).
Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 224.
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heit verfällt, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren oder Gefängniß nicht unter Einem Jahre zu erkennen.
[I. Entw.: $ 198; II. Entw.: § 219; Pr. StGB.: §§ 192a. 193.] Vgl. §§ 225. 227 bis 229. 231. 239. 251. 340; GVG. § 73 Sir. 2; Sprengstoff-Ges. § 5.
10. Gleichgiltig ist es, ob der eingetretene Erfolg. nothwendig eintreten mußte, oder irgendwie abzuwenden gewesen wäre: OT. 9. Juli 63, 6. Dez. 66 (O. III, 559; VII, 693), Münch. 4. Febr. 73 (BE. III, 107). 11. Dagegen hat der Thäter die eingetretene Folge nicht zu vertreten, wenn zu ihrer Herbeiführung andere, ihm in keiner Weise zur Last fallende Schädlich keiten mit gewirkt haben, ohne deren Hinzutritt dieselbe nicht eingetreten sein würde: OT. 22. Okt. 74, 9-Febr. 75 (O. XV, 703; XVI, 110: demnach sei eine aus § 224 bzw. § 226 gestellte Frage nicht erschöpft, wenn der Spruch der Ge schworenen nur feststelle, die Mißhandlung habe den Erfolg in Verbindung mit anderen Umständen herbeigeführt, jener Spruch müsse auch feststellen, ob der Ange klagte die letzteren nicht zu vertreten habe, und ob der Erfolg ohne sie nicht einge treten wäre), namentlich also dann, wenn eine solche Schädlichkeit erst später hin zutrat; z. B wenn der Verletzte seinen Zustand durch ein späteres ungeeignetes Verhalten selbst so verschlimmert hat, daß erst dadurch jene Folge veranlaßt wurde; contra: Rill. 4. Juni 83 (R. V, 403: entscheidend sei allein, ob die That einen der jenigen Faktoren darstelle, welche den Erfolg verursachten; der solchen Falls be stehende Causalzusammenhang werde durch die Mitwirkung von Zwischenursachen nur dann aufgehoben, wenn feststehe, daß durch letztere der Erfolg selbständig, auch ohne jene That herbeigeführt worden wäre, der Erfolg also in keiner Weise durch die That, sondern ansschließlich durch andere Umstände verursacht sei). Waren da gegen jene Schädlichkeiten schon früher vorhanden, so wird zu unterscheiden sein. Zunächst bleiben solche körperliche Zustände, welche an sich nicht nachtheilig sind und daher auch zur Herbeiführung der Folge selbst nicht mitgewirkt haben, durch die aber ihr Eintritt erleichtert worden ist, z. B. Alter, dünne Beschaffenheit der Knochen, des Schädels rc. ganz außer Betracht; sie können den Thäter von der Verantwortlichkeit nie entbinden: OT. 6. Dez. 66 (O. VII, 693). Handelt es sich aber um eine anderweitige spezielle Schädlichkeit, z. B. um einen früher vorhandenen leidenden oder krankhaften Zustand, welcher zu der eingetretenen Folge so wesent lich mitgewirkt hat, daß diese ohne ihn durch die Körperverletzung nicht'herbeigeführt werden konnte, so haftet der Thäter für diese Folge nur dann, wenn er von jenem leidenden rc. Zustande Kenntniß hatte: die Annahme des Gegentheils würde dazu führen, daß selbst die geringfügigste Körperverletzung, welche einem Schwerverwun deten ohne Kenntniß von diesem Zustande zugefügt wird, aus § 224 oder 226 zu bestrafen wäre, sobald sie nur irgendwie zur eingetretenen Folge (z. B. zum Tode) mitgewirkt hat; vgl. § 227 Abs. 2; contra: Rlll. 28. Sept. 81 (E. V, 29), OT. 3. Juli 67, 21. Febr. 68 (O. VIII, 437; IX, 149). Aus der anderen Seite gehen OT. 22. Mai 57. 27. Jan. 58, 5. Febr. 63 (GA. V, 390; VI, 242; O. III, 253), Abh. i. GA. V, 385 zu weit, wenn sie jene Kenntniß vom Vorhandensein der anderen mitwirkenden Schädlichkeit zur Begründung der Verantwortlichkeit für den Erfolg nicht für genügend erachten, sondern auch noch den Nachweis erheischen, daß der Thäter gewußt habe oder habe wissen müssen, wie seine That in Verbindung mit jener Schädlichkeit die nachtheilige Folge herbeiführen werde oder könne. Die diesen Fall vorsehenden, auf die Lex Aquilia bezüglichen, in der Auslegung sehr bestrittenen Stellen des Römischen Rechts bleiben hier selbstverständlich außer Anwendung. Vgl. ii. 13, § 47 n. 25. 26. Berner. GSaal XIX, 5. 12. Abgesehen von dem unter n. 11 in Betreff des Bewußtseins von dem Vorhandensein einer andern Schädlichkeit Gesagten, gehört zum Thatbestände der „schweren Körperverletzung" kein anderer Dolus als zu dem der leichten; es ge nügt also die Vorsätzlichkeit der Handlung (§ 223 n. 21). Insbesondere muß der Dolus in keiner Weise mit auf die demnächst eingetretene Folge gerichtet sein; ja § 224 wird durch § 225 ausgeschlossen, wenn jene Folge beabsichtigt war; vgl. RF. 11. Aug. 83 (E. IX, 67), OT. 8. Sept. 71 (O. XII, 436). ML. s. 438. Der Grundsatz des § 59 bleibt in Betreff der (später eingetretenen) Folge der Handlung außer An wendung; vgl. dort ii. 12. 13. Ebensowenig bedarf es einer Fahrlässigkeit in Betreff der eingetretenen
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Thl. II. Abschn. XVII.
Körperverletzung. — § 224.
Folge; selbst der Nachweis, daß solche nicht obwaltete, schließt den § nicht aus; ieä kommt sonach in keiner Weise daraus an, ob der Thäter jene Folge vorhergeseh,en habe oder vorhersehen konnte; vgl. Sten. 29er. s. 666, §59 n. 19, § 222 n. 1 9, 9tIH. 28. Sept. 81. RF. 11. Aug. 83 (citt. n. 4. 12), RH. 27. Mai 87 (E. XVI, 129), OT. 8. Sept. 71, 1. Okt. 73 (O. XII, 436; XIV, 593), Schw. s. 543; contna: BL. s. 483, id. GSaal XIX, 5, Schuhe s. 396, HStR. I, 326; vgl. aber n. 9. 1114. Bei einer von Mehreren gemeinschaftlich verübten Körperverletzung ist jeder Mitthäter für die verursachte Folge verantwortlich, selbst wenn die von ihnn persönlich zugefügte Verletzung weder für sich allein, noch in Verbindung mit am» dern zu jener Folge irgendwie mitgewirkt hat; es sei denn, daß die schwerere That im Exceß verübt war; vgl. § 47 n. 10, 15, RIV. 7. Mai 86 (E. XIV, 119). 15. Auch für die Bestrafung des Anstifters oder Gehülfen zu einer bten Voraussetzungen des § entsprechenden Körperverletzung kommt es auf Dolus oder Fahrlässigkeit in Betreff der eingetretenen Folge nicht an: sie sind alö Betheiligte bei einer schweren Körperverletzung zu strafen, selbst wenn die Anstiftung nur auf eine leichte Körperverletzung gerichtet war, oder wenn der Gehülfe nur von einer zu begehenden leichten Körperverletzung Kunde hatte (es bleiben sonach die Grund sätze in Betreff des Excesses des Angestifteten außer Anwendung): OT. 17. Apr. 56 (JMbl. s. 159), HS. II, 155, Berner, GSaal XVIII, 303, Rüd. n. 9, Schw. s. 543. — Anders im Falle des § 225 ; vgl. dort n. 3. 16. Da zum Thatbestände objektiv der Eintritt der im § gedachten Folge ge hört. so liegt das Verbrechen da nicht vor, wo zwar nach der Natur der Verletzung jene Folge hätte eintreten müssen, wo dieselbe aber dennoch nicht eintrat, weil der Verletzte vorher aus einem anderen Grunde starb: OT. 30. Juli 53 (GA. I» 572); vgl. OT. 20. Febr. 73 (O. XIV, 151). Ebendeshalb scheidet die Anwendbarkeit des § aus, wenn jene Folge zur Zeit der richterlichen Entscheidung noch nicht eingetreten ist, sollte das ärztliche Gutachten sie auch als eine unausbleibliche bezeichnen: Rill. 28. Sept. 81, RI. 25. Mürz 86 (citt. n. 4). 17. Aus der Natur des erforderten Dolus (n. 12—14) folgt, daß ein 29er» such dieses Verbrechens nicht denkbar ist; zum Thatbestände desselben würde noth» wendig der Willen gehören, eine der im § gedachten Folgen herbeizuführen; da ein solcher jedoch zum vollendeten Verbrechen nicht erforderlich ist, so kann er nicht Begriffsmerkmal des Versuchs sein; vgl. §43 n. 4, RF. 11. Aug. 83 (E. IX, 67), OT. 30. Juli 53 (cit. n. 16), BL. f. 483, id., GSaal XVIII, 301, Schw. f. 547, Rüd. n. 8; contra: TL. s. 853, HS. II, 153. — Handelte der Angeklagte mit jener Absicht, so liegt ein Versuch des im § 225 vorgesehenen Verbrechens vor; vgl. dort n. 2. 18. Trotz der Verschiedenheit des Dolus (n. 12) kann das Verbrechen des § mit einem Tödtungsversuche ideell konkurriren; vgl. § 223 n. 21. 19. Mildernde Umstände können nach § 228 Berücksichtigung finden. 20. Ueber die Statthaftigkeit einer dem Verletzten zuzusprechenden Buße vgl. § 231, welcher auch hier Anwendung findet. 21. In Betreff der von einem Beamten in Ausübung seines Amtes degangenen schweren Körperverletzungen vgl. § 340, in Betreff schwerer Körperver letzungen durch Anwendung von Sprengstoffen: RGes. v. 9. Juni 1884 §5. 22. Die Umstände, welche eine Körperverletzung zu einer „schweren" machen, sind prozessualisch als straserhöhende (StPO. §§ 262. 292 ff.) zu behandeln. Die schwurgerichtliche Frage muß so gefaßt werden, daß die Vorsätzlichkeit nur auf die Handlung, nicht auf den eingetretenen Erfolg zu beziehen ist. Das geschieht am besten durch Stellung einer Nebenfrage (StPO. § 295) oder durch Hervor hebung des erschwerenden Umstands am Schlüsse der Hauptfrage vermittelst eines „und zwar so, daß rc."; vgl. JMVf. v. 29. März 1853 (JMbl. s. 134), die in GA. II, 534. 668 erwähnten JMVff. und Löwe s. 565. 23. Inwiefern es statthaft sei, die im § durch „oder" alternativ neben ein andergestellten Folgen auch in der Feststellung oder in der schwurgerichtlichen Frage alternativ zusammenzufassen, darüber vgl. Oppenh. Strafverf. s. 174. 384, Mot. z. StPO. s. 199, Löwe s. 560. Für den vorliegenden Fall erachteten OT. 13. Okt., 17. Nov. 53 (GA. II, 120.94) eine Feststellung, die eS zweifelhaft ließ, welche Alternative als erwiesen angenommen sei, für nicht genügend [V]. 24. Zuständigkeit der Strafkammern: GVG. §73 Nr. 2. — Im Uebrigen vgl. § 223a n. 12.
Thl. H. Abschn. XVII. Körperverletzung. — §§ 225. 226.
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§335» War eine der vorbezeichneten Folgen beabsichtigt und eingetreten, so ist auf Zuchthaus von zwei bis zu zehn Jahren zu erkennen. sl. Entw.: (fehlte); II. Entw.: § 220; Pr. StGB.: (fehlte).) 231. 239.
Vgl. §§ 223. 224.
§ 226 Ist durch die Körperverletzung der Tod des Ver letzten verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren oder Gefängniß nicht unter drei Jahren zu erkennen. [I. Entw.: § 199; II. Entw.: § 221; Pr. StGB.: § 194.]
228. 231. 239. 340.
Vgl. §§ 223. 224. 227.
§ 225. 1. Hier wird der vollständige Thatbestand des § 224 mit dem (ferneren) er schwerenden Umstande erheischt, daß die Folge von dem Thäter beabsichtigt war. Eventueller Dolus genügt: Rüd. n. 1, Geyer, HH. IV, 368, Olsh. n. 2. 2. Der Versuch dieses Verbrechens ist möglich; das Gegentheil folgt nicht aus den Worten: „war die Folge — eingetreten"; vgl. § 224 n. 17, RF. 11. Aug. 83 (E. IX, 67). 3. Den Anstifter oder Gehülfen trifft die Strafe des § nur, sofern er Kennt niß von dem auf Herbeiführung jener Folge gerichteten Dolus des Thäters hatte: § 59; sonst wird § 224 anwendbar; vgl. § 224 n. 15; § 212 n. 6. 4. „Mildernde Umstände" können hier eine Ermäßigung der angedrohten Strafe nicht herbeiführen; § 228 bezieht sich auf diesen § nicht mit.
§ 226. 1. Die Worte: „Ist durch die Körperverletzung der Tod des Verletzten verursacht worden ..." (vgl. § 220) sind gleichbedeutend mit der Fassung des § 224: „Hat die Verletzung zur Folge, daß . . ." Es treffen daher die dort n. 9—11. 16 gemachten' Bemerkungen auch hier zu. 2. Ebenso gilt in Betreff des Dolus rc. das zu § 224 n. 12. 13 Bemerkte; sonach wird vorausgesetzt, daß der Wille nicht auf Verursachung des Todes ge richtet war, weil sonst § 212, und wenn der Vorsatz ein überlegter war, § 211 zutreffen würde; deshalb bedurfte es hier einer dem § 225 entsprechenden Vorschrift nicht. — In Betreff der schwurgerichtlichen Fragstellung vgl. § 224 n. 21. 22, Rill. 12. Mai 80 (R. I, 759). 3. Zn Betreff der Frage, inwiefern eine Reihe zeitlich getrennter Miß handlungen, welche in ihrem Zusammenwirken den Tod herbeigeführt haben, als Eine einzige That aufgefaßt werden können, vgl. § 223 a n. 6 bezw. das dort cit. RI. 17. Jan. 84. 4. Auch hier ist der Versuch des Verbrechens undenkbar; vgl. § 224 n. 17. Handelte der Thäter mit dein Willen, durch die Körperverletzung den Tod herbei zuführen, so liegt Mord- oder Todtschlagsversuch vor; vgl. n. 2. 5. Ebenso gilt hier, was zu § 224 n 14. 15 in Betreff der Mitthäter, An stifter und Gehülfen gesagt ist. Demgemäß und dem oben n. 2 Gesagten zufolge liegt ein unlösbarer Widerspruch vor, wenn die Geschwornen zwei Angeklagte einer gemeinschaftlich verübten vorsätzlichen Körperverletzung schuldig erklären, die Frage aber, ob durch diese Körperverletzung der Tod des Verletzten verursacht sei, in Be zug auf einen der Angeklagten bejahen und in Bezug auf den andern verneinen: OL. 28. Jan. 76 (GA. 24 s. 30). — Vgl. auch § 212 n. 6. 6. Mildernde Umstände finden nach Maßgabe des § 228 Berücksichtigung. Das erleidet nur dann eine Modifikation, wenn der Tod die Folge einer beabsich tigten schweren Körperverletzung (§ 225) war; vgl. § 73 n. 15. 6 a. E.; contra: John, GA. 25 s. 404. 7. Ist ein aus § 226 Angeklagter freigesprochen worden, weil die Geschwore nen zwar die Handlung aber nicht deren Vorsätzlichkeit als erwiesen annahmen, so kann eine neue Anklage aus § 222 selbst dann nicht mehr erhoben werden, wenn zum Nachweise der Fahrlässigkeit neue thatsächliche Momente geltend gemacht wer den (ne bis in idem): RH. 21. Dez. 80 (R. II, 654).
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Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 227.
§ 227. Ist durch eine Schlägerei oder durch einen von Mehreren gemachten Angriff der Tod eines Menschen oder eine schwere Körperverletzung (§ 224) verursacht worden, so ist jeder, welcher sich an der Schlägerei oder dem Angriffe betheiligt hat, § 227. Absicht: 6. 13. 14. Angriff: 5. 6. 9. Anstifter: 2. Betheiligung: 9—12. Beweis: 14. 16. DoluS: 1. 6. 13. 14. 19. 20. Einheit, Ort, Zeit: 5a. Fahrlässigkeit: 14. Fragstellung: 16. Gegner: 11.
Inhalt: Gehülfe: 2. Gemeinschaftlichkeit: 1. 19. Hineinziehen: 15—18. 22. Mild. Umstande: 23. Mitthäter: 1. 6. Nothwehr: 9. 18. Schlägerei: 4. 6. 9. Strafantrag: 3. Theilnehmer: 2. 19. Tod, verursacht: 7.
Urheber: 14. 17. 19 ff. * Ermittelung: 11. 22. Mehrheit: 19. Verabredung: 6. Verletzter: 12. Verletzung: 20. Versuch: 21. Verursachung: 7. Vorsatz: vgl. DoluS. Waffe: 8.
1. Die Vorschrift dieses § ist wesentlich kriminalpolizeilicher Natur; sie be straft die Betheiligung an einem Raufhandel rc., wenn durch letzteren der Tod (die schwere Körperverletzung) eines Menschen verursacht worden ist, ohne Rücksicht darauf, ob und was den Betreffenden außer jener Betheiligung noch zur Last fällt. Es bedarf hier keiner „Mittäterschaft" (vgl. §47 n. 10), also keiner Gemeinschaft des Dolus; vgl. n. 14. 15. — Mit dem im § vorgesehenen Vergehen kann eine vorsätzliche Tödtung (Körperverletzung rc.) ideell konkurriren, wenn ein Einzelner der Betheiligten oder mehrere gemeinschaftlich sich in der Schlägerei rc. der betreffen den Mißthat schuldig machen; der dies ausdrücklich vorschreibende Abs. 3 des § 195 des Pr. StGB.'s ist als selbstverständlich gestrichen worden; vgl. n. 19, Rill. 10. Dez. 87 (R. IX, 716), Münch. 12. Jan. 74 (StZ. III, 330). Eine rechtskräftige Verurteilung aus § 227 schließt daher die nachträgliche Verfolgung des Verurtheilten wegen der fr. Tödtung rc. ans (ne bis in idem): Münch. 21. Mai 84 (BE. III, 134).
2. Dritte, bei der Schlägerei selbst nicht Betheiligte, können sehr wohl zu einer solchen anstiften oder Hülfe leisten; ebenso kann auch ein Selbstbetheiligter den übrigen (insbesondere den im Abs. 2 erwähnten) Hülfe rc. leisten: OT. 18. März 69 (O. X, 162). 3. Die Verfolgung ist nicht bnrd) einen Antrag des Verletzten bedingt.
Zum Abs. 1.
4. „Schlägerei" (Raufhandel), im Gegensatze zu einer wechselseitigen Miß handlung zweier Personen, ist ein in Thätlichkeiten ausgebrochener Streit unter mehreren (mindestens drei) Personen; daß auf jeder Seite niehrere Personen, und daß auch der Verletzte dabei „betheiligt" (n. 9) gewesen seien, wird nicht erfordert: OT. 14. Apr. 64 (O. IV, 456), Manh.' 21. Nov. 74, 23. Okt. 75 (BA. 41 f. 47; 42 s. 13). Vgl. n. 5.' 5. Der „Angriff" muß von mindestens zwei Personen ausgegangen sein: OT. 31. Jan. 67 (O. VIII, 82). — Eine berechtigte Thätigkeit kann nie ein Angriff genannt werden; dagegen kann eine berechtigte (erlaubte) Thätigkeit rc. durch Ueber» schreitung der Grenzen des Erlaubten zur unberechtigten werden: OT. 16. Dez. 69 (O. X, 795); ging dann der Exceß nur von Einem aus, so bleibt der § außer An wendung. — Die alternative Feststellung „Schlägerei oder Angriff" ist ausreichend: Olsh. n. 6. 5a. Einheit des Orts und der Zeit gehört nicht zum Begriffe einer Schlä gerei oder eines Angriffs. Vielmehr kann eine ununterbrochene Reihe fortgesetzter, an verschiedenen Orten verübter Mißhandlungen eine und dieselbe Schlägerei rc. darstellen: Rill. 27. Nov. 80 (E. III, 236), Münch. 16. Jan. 75 (BE. V, 710). Ja OT. 3. Nov. 75 (O. XVI, 710) nahm sogar an, der Umstand, daß Jemand von verschiedenen Personen an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten ange griffen wurde, hindere nicht, das Ganze als einen einheitlichen Angriff aufzufassen, wenn die Kenntniß von der Absicht und dem Zwecke des Einen t>en Andern zur selbständigen Mitwirkung bestimmt habe. (In casu lag zwischen den einzelnen Vor fällen ein einstündiger Zeitraum.) Vgl. § 223a n. 5. — Die Einheit der Schlägerei ist ein wesentlich thatsächlicher Begriff: cit. Rill. 27. Nov. 80.
Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 227.
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schon wegen dieser Betheiligung mit Gefängniß bis zu drei Jahren zu bestrafen, falls er nicht ohne sein Verschulden hin eingezogen worden ist. 6. Ob die Schlägerei (der Angriff) als solche verabredet war, ist für den Thatbestand des Abs. 1 gleichgültig. Haben sich mehrere verabredet, einer bestimmten Person eine Körperverletzung zuzufügen, so werden sie in der Regel Mitthäter der letzteren sein. 7. Der Tod (die schwere Körperverletzung) mutz „durch die Schlägerei (den Angriff) verursacht", er muß also durch bei der Schlägerei rc. verübte Thätlich keiten herbeigeführt sein; vgl. in Betreff des Näheren § 226 n. 1, § 224 n. 9—15; demgemäß bleibt der § außer Anwendung, wenn jene Folge lediglich einem andern, den bei der Schlägerei rc. Betheiligten vollständig frentben Ereignisse zuzuschreiben ist, während die bloße Mitwirkung noch anderer Ursachen unwesentlich ist; ebenso: R1I. 2. Nov. 83 (E. IX, 148: hier hatte einer der Angreifer seinen Tod, welcher ohne jenen Angriff nicht hätte eintreten können, durch eigene Unvorsichtigkeit herbei geführt und der Jnstanzrichter irriger Weise um deswillen angenommen, daß der Tod zwar bei dem Angriffe, aber nicht durch denselben verursacht worden sei), RIV. 11. Nov. 84 (E. XI, 237: erachtete den § für anwendbar in einem Falle, wo der Angegriffene sich selbst und zwar durch ein Versehen die tödtliche Verwundung bei gebracht hatte). — Der Causalzusammenhang muß den Angeklagten nachgewiesen werden; es liegt ihnen in dieser Beziehung kein Gegenbeweis ob:' OT. l.Juli 69 (O. X, 471). — Ob der Erfolg vorauszusehen war, ist gleichgültig: Dreöd. 25. Okt. 75 (SGZ. XX, 179); vgl. n. 14. 8. 3ft durch die Schlägerei rc. keine der unter n. 7 erwähnten Folgen verur sacht worden, so bleibt der § außer Anwendung; dagegen werden Diejenigen, welche sich bei einem solchen Vorfalle einer Waffe rc. bedient haben, von der Strafe des § 367 Nr. 10 betroffen. 9. Die Ausdrücke „sich betheiligen" und „Betheiligung" sind hier nicht auf den technischen Begriff der Theilnahme (§§47 ff.) zurückzuführen: Dresd. 2. Okt. 74 (StZ. V, 70). Als „betheiligt" an der Schlägerei ist vielmehr Jeder anzu sehen, welcher sich unter den Streitenden befunden hat und irgendwie dabei thätig war: RI. 17. Okt. 81 (E. V, 170: wer physisch oder intellektuell dazu mitwirke, daß geschlagen werde), OT. 8. Mai 62 (O. II, 384), Geyer, HH. III, 553; contra: OT. 31. Okt. 62, 13. Sept. 67 (O. III, 98; VIII, 515: erachten die bloße Anwesen heit unter den Streitenden für genügend). Demgemäß ist die Art und Weise, wie sich die streitende Thätigkeit kund gab, gleichgültig; anreizende Worte rc. können ausreichen; es bedarf nicht deS Nachweises, daß der Angeschuldigte selbst geschlagen habe: OA. 22. Febr. 71 (O. XII, 105). Ebendeshalb kann aus § 227 bestraft wer den, wer einen Andern im Zustande der Nothwehr tobtet, wenn die Tödtung bei einer Schlägerei vorfiel, welche er selbst durch herausfordernde Worte veranlaßt hatte: Manh. 23. Okt. 75 (cit. n. 4); vgl. n. 18. Dagegen ist Derjenige, welcher aus der Entfernung Hülfe leistete (z. B. die Thüre verschloß, die Lichter auslöschte, durch Ruf anreizte'rc. rc.), nicht „Betheiligter". — Dieselben Grundsätze sind auch in Betreff der Betheiligung an einem Angriffe maßgebend. 10. Die Betheiligung muß zu der Zeit stattgefunden haben, wo die Ver letzung zugefügt wurde; wer sich vorher entfernte oder erst später hinzukam, ist nicht strafbar: OT. 12. Dez. 63. 7. Juli 70, 3. Nov. 75 (O. IV, 228; XI, 401; XVI, 710), Geyer, HH. IV, 380, Schw. n. 15; vgl. übrigens n. 5a; contra: Rill. 27. Nov. 80, 15. Juni 83 (E. III, 236; VIII, 369), Münch. 16. Jan. 75 (cit. n. 5a), Rüd. n. 4, Olsh. n. 10. 11. Die Strafvorschrift ist bei dem Falle einer „Schlägerei" (und keines „An griffs") nicht auf diejenigen Betheiligten zu beschränken, welche Gegner des Getödteien rc. gewesen sind, oder mit ihm gerauft haben; auch die Streitaenosfen des letzteren werden mit betroffen: Rill. 15. Juni 83 (cit. n. 10), OT. 6. Okt. 74 (O. XV, 616); selbst wenn sie bei derselben Gelegenheit gleichfalls verwundet worden sind: Manh. 23. Okt. 75 (BA. 42 s. 13); vgl. n. 12. • 12. Wer selbst die Körperverletzung erlitten hat, wird, auch wenn er an der Schlägerei rc. mit „betheiligt" war (n. 9. 10) dieserhalb nicht von der durch
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Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 227.
Ist eine der vorbezeichneten Folgen mehreren Verletzungen zuzuschreiben, welche dieselbe nicht einzeln, sondern nur dlirich ihr Zusammentreffen verursacht haben, so ist jeder, welchem einte Abs. 1 angedrohten Strafe betroffen: OT. 13. Mat 59 (ZMbl. s. 187), ML. f. 45:3; contra: Schw. n. 11; es sei beim, daß außer ihm noch ein Anderer eine schwere Körperverletzung rc. erlitten hatte: OT. 27. Okt. 70 (O. XI, 535); auch bleibt jemer selbstverständlich für alle von ihm selbst verübten Handlungen (Körperverletzung tc.) verantwortlich: OT. 28. Apr. 69 (ib. X, 274). 13. Der Dolus besteht hier in der Vorsätzlichkeit der konkreten, von bemt Einzelnen vorgenommenen Handlung. verbunden mit dem Bewußtsein einer Be theiligung an der Schlägerei rc.: OT. 10. Febr. 54 (GA. II, 670), Manh. 21. Now. 74, cit. n. 4; daß der Vorsatz (Wille) auf die Betheiligung gerichtet gewesen ftei, ist nicht erforderlich: OT. 24. März 66 (O. VII, 99). 14. Ebensowenig wird erfordert, daß in Beziehung auf die durch die Schbägerei rc. verursachte Folge (Tod rc.) dem Angeklagten oder überhaupt einem bei* bei jener Betheiligten nachweislich irgend eine Vorsätzlichkeit oder auch nur einte Fahrlässigkeit zur Last falle: OT. 27. Nov. 63 (D. IV, 221); vielmehr genügt es, wenn objektiv die Tödtung rc. durch die Schlägerei rc. verursacht ist. damit Jeder, welcher sich an derselben mit dem unter n. 13 erwähnten Dolus betheiligt hat, der Bestrafung anheimfalle. Man darf somit hier nicht von einer vermutheten Verschuldung bei der Tödtung rc. sprechen; selbst der Nachweis des Gegentheils würde den Einzelnen nicht von der Strafe befreien. Ebenso ist es für die Be strafung aus Abs. 1 gleichgültig, ob ein Anderer als Urheber der Tödtung rc. er mittelt ist: Rill. 15. Juni 83 (E. VIII, 369), OT. 31. Okt. 62, 3. Juli 63, 4. März 68 (O. III, 98. 543; IX, 174), und ob der Angeklagte von dessen Betheiligung an der Schlägerei rc. Kenntniß besaß; das Gegentheil folgt nicht aus § 59: Manh. 21. Nov. 74, cit. n. 4. 15. Ein „Hineingezogensein ohne eigenes Verschulden" ist bei einer Schlägerei, nicht aber bei einem Angriffe denkbar; vgl. § 3G7 Nr. 10; contra: Schütze s. 398. Dasselbe ist vorzugsweise bei denjenigen Personen anzunehmen, welche entweder selbst angegriffen worden sind, oder sich lediglich zu einem berechtigten Zwecke, z. B. um Frieden zu stiften, um Beschädigungen abzuwenden oder um Ver letzte wegzuschaffen, unter die Streitenden begeben und sich dabei lediglich Verthei digungsweise verhalten; ebenso RI. 10. Nov. 87 (R. IX, 584). Das Gegentheil gilt von denen, welche anfänglich ohne Verschulden hineingezogen, sich demnächst frei willig. also ohne Noth an der Schlägerei betheiligten ] m. a. W. unverschuldet in eine Schlägerei hineingezogen ist nur Derjenige, welchen rücksichtlich seiner gesammten Betheiligung, mithin nicht blos rücksichtlich des Beginns, sondern auch rücksicht lich des Verlaufs derselben keine Schuld trifft; so: OT. 28. April 75 (O. XVI, 312). — Auf die Art und den Grad des Verschuldens, insbesondere, ob neben dem eige nen ein fremdes Verschulden wirksam war, kommt eö, bezüglich des Thatbestandes, nicht an: Rill. 27. Nov. 80 (cit. n. 5a). 16. Das unverschuldete Hineingezogensein bildet einen Strafausschließungs grund; so lange dasselbe nicht erwiesen wird, ist Strafbarkeit auzunehmen; es be darf daher auch (in Ermangelung des gegenseitigen Behauptens: StPO. § 266 Abs. 2) nicht der Feststellung, daß solches nicht stattgefunden habe: OT. 12. Nov. 73 (O. XIV, 711); contra: Rubo n. 6, Olsh. n. 7. Ob Jenes anzunehmen sei, hat der Jnstanzrichter von Amtswegen zu prüfen: von einer Beweislast des Ange schuldigten kann keine Rede sein. 17. Auch wenn ein unverschuldetes Hineingezogenfein festgestellt, und daher eine Bestrafung aus Abs. 1 ausgeschlossen ist, trifft Jeden die durch seine persön liche Handlung verwirkte Strafe (§ 223 ff.), insofern ein solcher Fall nach dem unter n. 15 Gesagten überhaupt vorkommen kann. 18. Denjenigen, welcher schuldbarer Weise in eine Schlägerei verwickelt worden ist, trifft die Strafe des Abs. 1 selbst dann, wenn er demnächst in derselben nur Nothwehr ausgeübt hat: OT. 17. Okt. 67 (O. VIII, 607); die Nothwehr schützt einen solchen nur gegen die Bestrafung auS Abs. 2 bzw. aus §§224. 226; vgl. n. 9, Rill. 27. Nov. 80 (cit. n. 5a).
TH1. II.
Abschi,. XVII.
Körperverletzung.
— §§ 227. 228.
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dieser Verletzungen zur Last fällt, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu bestrafen. [I. Entw.: §200; II. @ntm.f §222; Pr. StGB.: § 195.]
231. 367 Nr. 10; GVG. § 73 Nr. 2.
Vgl. §§224. 226. 228.
§ 228. Sind mildernde Umstände vorhanden, so ist in den Fällen des § 223 Absatz 2 und des § 223a auf Gefängniß bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bis zu eintausend Mark, in den Fällen der §§ 224 und 227 Absatz 2 auf Gefängniß nicht unter Einem Monat, und im Falle des § 226 auf Gefängniß nicht unter drei Monaten zu erkennen. [I. Entw.: § 201; II. Entw.: § 223; — Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I. - Pr.
StGB.: § 196.] Vgl. §§ 223-227. 212. 367 Nr. 10. 370 Nr. 5.
Zum Abs. 2.
10. Wird Derjenige unter den Betheiligten ermittelt, welcher die schwere tc. Körperverletzung zugefügt hat, so trifft ihn (in Jdeal-Konkm-renz) die hierdurch ver wirkte Strafe: dasselbe gilt von mehreren „Mitthätern"; vgl. n. 1. Ist dagegen die im Abs. 1 bezeichnete Folge nicht durch eine einzelne, sondern durch das Zu sannnenwirken mehrerer, von verschiedenenBetheiligten (ohneGemeinschafts-Dolus) zugefügter Verletzungen verursacht, so wird Jeder der Urheber jener Verletzungen von der schwereren Strafe des Abs. 2 betroffen. Das gilt selbst, wenn nicht alle, sondern nur einer oder nur einzelne dieser Urheber ermittelt werden. — Die Ur heber solcher Verletzungen, welche zur Herbeiführung jener Folge nicht (erweislich) mitgewirkt haben, sind nur aus Abs. 1 bzw. wegen der ihnen persönlich zur Last fallenden Mißthat (leichter Körperverletzung rc.) zu strafen. Dasselbe tritt ein. wenn von verschiedenen Personen verschiedene Verletzungen zugefügt sind, und sich nicht feststellen läßt, welche derselben (im Einzelnen oder im'Zusammenwirken) die ein getretene Folge verursacht hat. 20. „Verletzungen" bezeichnet hier nicht bloß äußere Wunden oder Be schädigungen im Innern des Körpers, sondern umfaßt alle thätlichen Einwirkungen auf den Körper, welche nachweislich eine mitwirkende Ursache der eingetretenen Folge gewesen sind: OT. 2. Apr. 62 (O. II, 331). Sie müssen vorsätzlich zugefügt sein; ein lediglich fahrlässiges Handeln genügt nicht; contra: Olsh. n. 17. 21. Der Versuch des im Abs. 2 vorgesehenen Verbrechens ist aus den zu § 224 n. 17 entwickelten Gründen nicht denkbar; dagegen kann mit dem Vergehen des Abs. 1 der Versuch des im § 225 vorgesehenen Verbrechens sowie der Versuch eines Mordes oder Todtschlags ideell konkurriren. 22. Das „Hineinziehen ohne eigenes Verschulden" (Abs. 1) schließt (vom Falle der Nothwehr abgesehen: n. 18) die Strafe aus Abs. 2 nicht aus; in Betreff der hier genannten Personen kann dasselbe nur bei der Strafzumessung in Betracht kommen: OT. 28. April 75, dt. n. 15. 23. Im Falle des Abs.2 finden mildernde Umstände nach Maßgabe des § 228 Berücksichtigung. 24. Zuständigkeit der Strafkammern: GVG. tz 73 Nr. 2. §
228.
1. § 228 sprach in seiner ursprünglichen Fassung ausdrücklich nur von den Fällen der §§ 224. 227 Abs. 2. 226 und schloß die Ermäßigung der Strafe allge mein aus, wenn die Handlung gegen Verwandte aufsteigender Linie begangen war. Da letztere Bestimmung bei erweislicher Provokation zu Härten führte, so hat die Novelle dieselbe gestrichen. — vgl. Mot. zur Nov. s. 53, — und demgemäß auch eine gemilderte Strafe für die Fälle des § 223 Abs. 2 normirt. Außerdem sind durch die Novelle die Fälle des neu eingeschalteten § 223a berücksichtigt. Dagegen ist der § auch jetzt noch unanwendbar auf die Fälle des § 225. * , 2. Ob mildernde Umstände anzunehmen sein, unterliegt dem thatsächlichen Ermessen des Jnstanzrichters. welcher dabei die im § 213 speziell hervorgehobenen Thatsachen berücksichtigen kann.
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Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 229.
§ 229. Wer vorsätzlich einem Anderen, um dessen Ge sundheit zu beschädigen, Gift oder andere Stoffe beibringt, welche die Gesundheit zu zerstören geeignet sind, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. § 229. 1. Der Ausdruck „Gift" ist beibehalten, weil er der Auffassuug des gemeinen
Lebens enspricht und weil durch den Zusah „oder andere Stoffe, welche die Ge sundheit zu beschädigen [^erstürm] geeignet sind", genugsam angedeutet wird, daß auch Gift objektiv dieselbe Eigenschaft haben müsse. Mag sich auch die Natur eines ' Stoffes als „Gift" nach den Grundsätzen chemischer und medizinischer Wissenschaft nicht allgemein bestimmen lassen, so handelt es sich doch hier nicht um eine solche ab strakte Feststellung des Begriffs. Der § hat nicht durchweg Stoffe im Auge, welche unbedingt unter allen Umständen gesundheitsschädlich sind; vielmehr ist im Einzelfalle mit Rücksicht auf die Qualität und Quantität deS Stoffes, auf die körperliche Beschaffenheit desjenigen, welchem derselbe beigebracht worden, überhaupt auf die besonderen Umstände 31t entscheiden, ob der Stoff jene Eigenschaft besitze. So: die Mot. s. 114. Vgl. unten n. 3. 2. Im Allgemeinen bezeichnet „Gift" einen Stoff, welcher geeignet ist, auch in kleiner Dosis durch seine chemische Beschaffenheit die Gesundheit zn zerstören; vgl. Skrzeczka, StRZ. VI, 258. 266; Lion, GA. XIV, 797; Gutachten d. Pr. wiss. Dep. f. d. Med.-Wesen (Beil. z. I. Entw. d. StGB.'s s. 28). Ist die Qualität eines Stoffes als Gift festgestellt, so bedarf es daneben nicht noch der ferneren Feststel lung, daß derselbe jene Eigenschaft habe: RI. 30. Zuni 81 (R. III, 449), QT. 11. April 56 (Entsch. dess. 33 s. 218); vgl. n. 4. 3. Eine wegen ihrer Kleinheit durchaus unschädliche Quantität eines im Allgemeinen zu den giftig gerechneten Stoffes ist nicht als „Gift" im Sinne des § anzusehen; mit einer solchen kann weder eine Vergiftung noch ein VergiftungsVersuch begangen werden: OT. 16. März 63 (O. III, 396). Ist dagegen die bei gebrachte Quantität so groß, daß sie bei irgend einem Menschen gesundheitszerstörend wirken kann, so ist sie „Gift" und geeignet als Mittel zur Begehung des Ver brechens zu dienen, sollte es auch an anderen Bedingungen der Wirksamkeit im konkreten Falle fehlen, z. B. die nur zur Vergiftung eines KindeS ausreichende Menge einem Erwachsenen beigebracht sein; so: ÖT. 11. Apr. 56 (eil. n. 2), 17. Jan., 21. Mai 62, 3. Nov. 77 (O. II, 207. 411; XVI, 706), HS. II, 168, HStR. II, 105, Schw. n. 8; vgl. jedoch oben n. 1, RI. 14. Jan 84 (E. X, 178). 4. Mit Rücksicht auf den schwer zu bestimmenden Begriff des Gifts führt der § neben demselben auch noch andere Stoffe auf, „welche geeignet sind, die Gesund heit zu zerstören"; vgl. n. 1. Daraus folgt, daß auch zu diesen Stoffen nur solche zu zählen sind, welche, wie das Gift, eine chemisch-dynamische Wirkung ausüben, nicht also diejenigen, welche nur durch ihre Form oder Schwere auf mechanischem Wege den Körper beschädigen: HS. II, 167, Rüd. n. 3; contra: HStR. II, 104, Puch. n. 1, ML. s. 446, Geyer, HH. III, 562, Olsh. n. 2 (zählen z B. auch zer stoßenes Glas hierher). — Vorausgesetzt wird auch hier, daß der Stoff geeignet sei, die Gesundheit zn „zerstören"; eine bloße Schädlichkeit genügt nicht. — Die alter native Feststellung „Gift oder ein anderer Stoff rc." ist zulässig: Olsh. n. 4. 5. Die „Vorsätzlichkeit" bezieht sich zunächst aus die Handlung der Bei bringung, seht aber sodann auch die Kenntniß (das Bewußtsein) voraus, daß der beigebrachte Stoff Gift oder sonst zur Zerstörung der Gesundheit geeignet sei; ebenso: Ri. 14. Jan. 84 (eil. d. 3), HStR. II, 105. 6. Außer der Vorsätzlichkeit (n. 5) erheischt der § die Absicht, „die Gesund heit zu beschädigen" (Gift wird häufig als Arznei benutzt). Es genügt jede auf Störung des Gesundheitszustandes gerichtete Absicht, sollte jene auch nur in der Erregung vorübergehender Schmerzen bestehen: OT. 21. Mai 62 (O. II, 411), HS. 1. c.; ein auf Lebensgefährdung gerichteter Vorsah gehört nicht zum Thatbe stände: Olsh. 11. 6: contra: Bind. II, 520. War der Vorsah auf Tödtung gerichtet, so liegt Mord (Todtschlag) oder der Versuch dieser Verbrechen vor, selbst, wenn die Absicht hahin ging, den Andern nach und nach zu tödten. Jener Vorsah schließt
Thl. II. Abschn. XVIT. Körperverletzung. — §§ 229. 230.
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Ist durch die Handlung eine schwere Körperverletzung ver ursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren und, wenn durch- die Handlung der Tod verursacht worden, auf Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder auf lebensläng liches Zuchthaus zu erkennen. [I. Entw.: § 202; II. Entw.: § 224; Pr. StGB.: § 197.] Vgl. §§ 224. 225. 231. 211 ff.
§ 2B0» Wer durch Fahrlässigkeit die Körperverletzung eines Anderen verursacht, wird mit Geldstrafe bis zu neunhun dert Mark oder mit Gefängniß bis zu zwei Jahren bestraft. übrigens die Absicht, die Gesundheit zu beschädigen, nicht aus. so daß Mord und die Mißthat des §229 ideell konkurriren können: OT. 22. Juni 75 (O. XVI, 481), ML. s. 447; contra: HStR. II, 104. 7. Das Gift rc. muß „beigebracht", d. h. in irgend einer Weise in den Organismus eingeführt sein. Dahin gehört auch das Einathmenlassen narkotisch wirkenden Giftes: ML. s. 446. Es genügt, wenn der Andere veranlaßt wird, selbst den Stoff (ohne Kenntniß von seiner gesundheitzerstörenden Eigenschaft) zu sich zu nehmen: Geyers. 563; vgl. §47 n. 3, § 220 n. 3, § 223 n. 25; in dieser Beziehung ist sonach der Begriff des Beibringens hier ein anderer als im § 218, welcher die Kenntniß der Schwangeren voraussetzt (vgl. § 218 n. 8). Umgekehrt setzt der § nicht nothwendig eine heimliche Beibringung voraus; sie könnte z. B. auch gewaltsam erfolgen. 8. Das Verbrechen ist mit der Beibringung des Stoffes vollendet, sollte auch eine Gesundheitsbeschädigung nicht herbeigeführt sein: OT. 11. April 56, 21. Mai 62 (cit. n. 2. 3), Schütze s. 404. Es kann dann von Anwendilng der für den Ver such geltenden Grundsätze, z. B. von Straflosigkeit wegen thätiger Reue (§ 46 Nr. 2) keine Rede sein: Geyer I. c., ML. s. 447; contra: Schw. n. 4. 9. Beim Abs. 2 sind in Betreff der Verursachung deS Todes oder einer schweren Körperverletzung § 224 n. 9—16, und § 226 n. 1. 2 anwendbar. 10. Ein Versuch des im Abs. 1 vorgesehenen Verbrechens ist möglich, und nach Maßgabe der §§ 44. 46 strafbar: OT.'l6.Nov. 54 (JMbl. 55 f. 34), 21. Mai 62 (cit. ii.3). Dagegen ist ein Versuch des in Abs. 2 erwähnten Verbrechens aus den zu § 224 n. 17 entwickelten Gründen undenkbar; ebenso: Rüd. n. 5, Olsh. n. 8; contra: HS. II, 171, Schütze s. 404. § 230.
1. Ueber den Begriff der „Fahrlässigkeit" und die „Verursachung" einer Körperverletzung durch dieselbe vgl. § 59 n. 19—27, § 222 n. 3-7. — Es ist uicht erforderlich, daß der Thäter alle Einzelheiten des eingetretenen Erfolgs, sondern nur, daß er eine Körperverletzung überhaupt als mögliche Folge seines Handelns voraussehen konnte: Rl 23. März 82 (R. IV, 271). 2. „Körperverletzung" umfaßt auch hier jede Gesuudheitsbeschädignng; ebenso: OT. 17. April 79 (O. XX, 215); vgl. § 223 n. 19. 20. Es gehören da her hierhin alle nachtheiligen Einwirkungen auf den Körper, selbst die durch geistige Affektionen z. B. durch ein Erschrecken hervorgebrachten. — Der Gegensatz zwischen schweren und leichten, bezw. nicht schweren fahrlässigen Körperverletzungen kommt hier nur bei der Strafzumessung, sonst nicht in Betracht; anders bei § 233 und bei § 255 Abs. 1 der StPO.; vgl. Olsh. n. 7; contra (in Betreff des cit. § 255): Löwe s. 515. 3. Der Strafe des § unterliegt auch Derjenige, welcher wissend, daß er an der Syphilis leidet, mit einer andern Person den Beischlaf vollzieht, und diese an steckt: OT. 6. Sept. 61 c. Hoffmann. Dgl. § 223 n. 21. 3a. Bei mehreren zeitlich getrennten Körperverletzungen ist Realkonkurrenz ausgeschlossen, wenn jene durch eine und dieselbe Unterlassung verursacht wurde; das Gegentheil trifft zu, wenn jeder der Unfälle auf eine selbständige, gleichartige Un terlassung zurückzuführen ist: Nil. 1. Nov. 87 (E. XVI, 290). Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. - §§ 230. 231.
War der Thäter zu der Aufmerksamkeit, welche er aus den Augen setzte, Der möge seines Amtes, Berufes oder Ge werbes besonders verpflichtet, so kann die Strafe auf drei Jahre Gefängniß erhöht werden. [I. Entw.: §203; II. Entw.: § 288; Pr. StGB.: § 198.] Vgl. §§ 222. 231. 232. 316. 326. 327. 330; Gew.-O. §§ 18. 107. 143ff.; RZmpfges. v. 8. Apr. 1874; Nahrungsm. Ges. v. 14. Mai 1879 § 14; StPO. §§ 414. 416.
§ 331. In allen Fällen der Körperverletzung kann auf Verlangen des Verletzten neben der Strafe auf eine an den selben zu erlegende Buße bis zum Betrage von sechstausend Mark erkannt werden. 4. In Betreff der Voraussetzungen des Abs. 2 vgl. § 222 n. 6ff.; in Betreff der Kunstfehler der Aerzte vgl. ib. n. 12, OT. 17. April 79 (eil. n. 2). — Wer bei Ausführung einer Zmpfnng fahrlässig handelt, wird mit Geldstrafe bis zu 500 Mark oder mit Gefängnisstrafe bis zu drei Monaten bestraft, sofern nicht nach dem StGB, eine härtere Strafe eintritt: RZmpfges. § 17. — Als Fahrlässigkeit im Sinne des Abs. 2 kann es unter Umständen angesehen werden, wenn ein Schlächter unterläßt, die von ihm geschlachteten Schweine vor dem Verkaufe des Fleisches auf Trichinose untersuchen zu lassen, selbst wenn letzteres nicht polizeilich vorgeschrieben ist: OT. 3. Nov. 75 (O. XVI, 708); vgl. § 222 n. 5. Doch ist int Falle der unterlassenen mikroskopischen Untersuchung nicht stets Fahrlässigkeit anzunehmen: OT. 18. April 79 (O. XX, 217). 5. In Betreff fahrlässiger Ueberschreitung des Züchtigungsrechts, ins besondere desjenigen der Lehrer vgl. § 223 n. 6, § 222 n. 11. 6. Die Verletzung allgemein anerkannter Regeln der Baukunst durch den Leiter des Baues zieht nach § 330 Bestrafung nach sich, sobald dadurch eine Ge fahr für Andere entstanden ist: wird dadurch eine Körperverletzung herbeigeführt, so wird unbedenklich § 230 Abs. i anwendbar. Vgl. § 222 n. 7. 10. 7. Zm § 326 ist die Verübung einer gemeingefährlichen Handlung der in den §§ 321 — 324 bezeichneten Ärt aus Fahrlässigkeit, wenn durch dieselbe ein Schaden verursacht worden ist, mit einer (geringeren) Strafe bedroht; dagegen droht § 327 eine (schwerere) Strafe an, weiln die Verletzung der zur Abwehr einer ansteckenden Krankheit angeordneten Absperrungs.Maßregeln die Erkrankung eines Menschen zur Folge gehabt hat. Beide Thatbestände können leicht mit dem des § 230 ideell konkurriren; über die Verschiedenheit der im § 326 und der hier vor ausgesetzten Fahrlässigkeit vgl. § 222 n. 17. — Bezüglich der Zdealkonkurrenz fahr lässiger Körperverletzung mit einer Gefährdung im Sinne des § 316 vgl. dort n. 5, § 319 n. 7, in Betreff einer solchen mit einem Vergehen nach Maßgabe deö Nahrungsm.-Ges.'s § 14 vgl. § 367 n. 45 und int Uebr. Abschn. XVII n. 2. 8. Eine nur auf'Antrag (§ 232) verfolgbare fahrlässige Körperverletzung kann int Wege der Privatklage verfolgt werden: StPO. § 414. Die öffentliche Klage ist gemäß § 416 ib. nur dann zu erheben, wenn dies int öffentlichen Znteresse liegt. Im Uebrigen vgl. § 185 „. 30, § 188 n. 16.
§231. 1. Dieser § findet in „allen Fällen" der „Körperverletzung" (§§ 223 bis 230; vgl. § 207), mit Ausnahme der tödtlichen (StPO. § 444 Abs. 4), Anwen dung: Sten. Ber. s. 668; also auch beim Raufhandel (§227); ebenso im Falle der Beibringung von Gift (§229): Herzog GSaal 27 s. 198ff., und bei der fahrlässigen Körperverletzung: Jena (Voll. XX, 271). Die Anwendbarkeit des § wird auch da durch nicht ausgeschlossen, daß mit der Körperverletzung eine andere Mißthat ideell konkurrirte, sollte auch die Strafverhängung aus dem die letztere betreffenden Gesetze erfolgen; vgl. § 188 n. 20, § 340 n. 10, RII. 22. Mai 85 (E. XII, 223: Mot.), Stengl., GSaal 24 s. 343; contra: Merkel, HH. IV, 229. Dagegen scheidet der § aus, wenn die Bestrafung lediglich wegen einer andern Mißthat erfolgt, deren Thatbestand die Begriffsmerkmale einer Körperverletzung mit umfaßt; Beisp.: §§ 118.
Thl. II. Abschn. XVII. Körperverlehung. - § 231.
531
Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines wei teren Entschädigungsanspruches aus. Für diese Buße hasten die zu derselben Verurtheilten als Gesammtschuldner. [I. Gntro.: (fehlte); II. Entw.: § 225; Pr. StGB.: (fehlte).)
§§ 414ff. 443ff. 495.
Vgl. § 188; StPO.
221. 239. 251. 315. 321. 340; vgl. § 340 n. 10, Stengl. l.c., Herzog l.c. — Entgegen dem Eingangs Gesagten, erläutert eine andere Ansicht, welcher namentlich v. Wächter sdie Buße, Leipz. 1874] f. 49ff. huldigt, die Ausdrücke „Körperverletzung" und „Verletzter" nicht aus den §§ 223ff., sondern faßt sie ganz abstrakt auf, indem sie stets eine wirkliche, dem Angeschuldigten (als Urheber oder Theilnehmer) zur Last fallende Verletzung (Beschädigung) des Körpers fordert; sie halt den § daher für unanwendbar auf die blos Betheiligten an einem Raufhandel und bei einer Ver giftung ohne Gesundheitsbeschädigung, wohl aber für anwendbar, wenn Jemand einen Anderen im Zweikampf verwundet (§ 205), obgleich hier der Grundsatz der Jdealkonkurrenz (§ 73) ausgeschlossen ist, und ebenso bei denjenigen Mißthaten, deren Thatbestand die Begriffsmerkmale einer Körperverletzung mit umfaßt. Eine dritte Meinung, deren Hauptvertreter Schw. n. 1 ist, erläutert jene Ausdrücke zwar aus den §§ 223 ff., verlangt aber gleichfalls eine wirkliche Verletzung des Körpers; vgl. n. 3. 2. Nicht minder wird der § anwendbar, wenn wegen Versuchs einer Körper verletzung (z.B. im Falle des §225) gestraft wird; vgl. Stengl l.c. s.345, Dochow sdie Buße, Jena 1875] s. 38, Rüd. n. 1; contra: Herzog I. e., welcher hierbei jedoch von der irrigen Voraussetzung ausgeht, daß bei einem solchen Versuche eine wirk liche Verletzung niemals vorliege. 3. Die Abss. 1. 2 dieses § stimmen im Wesentlichen mit § 188 überein; die dort gemachten Bemerkungen sind daher auch hier zu berücksichtigen; vgl. aber n.5. — Abs. 1 weicht von dem Abs. 1 des § 188 nur insofern ab, als er von der Be dingung: „wenn die Beleidigung nachtheilige Folgen für die Vermögens verhältnisse, den Erwerb oder das Fortkommen des Beleidigten mit sich bringt" — gänzlich absieht, weil man von der Annahme ausging, daß „der Nachtheil schon in der (Körper-) Verletzung nachgewiesen sei": Sten. Ber. s. 669; vgl. OT. 27. Nov. 78 (O. XIX, 546). Die „Buße" setzt daher hier nicht nothwendig einen Vermögens schaden voraus, sondern umfaßt die Entschädigung für jeden durch die Verletzung entstandenen körperlichen oder psychischen Schaden mit, so z. B. Schmerzensgelder, Entschädigung für die bloße Erschwerung der üblichen Thätigkeit oder für den Ver lust der Zeugungsfähigkeit; vgl. § 188 n. 17. 32, Ri. 7. März 87, RII. 6. Juli 83 (E. XV, 352; R. V, 507), Münch. 18. Juni 84, 24. Mürz 85 (BE. III, 99. 347) u. West bei Voll. 22 s. 22 (folgert sogar aus § 231, daß nunmehr auch beim Civilrichtn auf Schmerzensgeld selbst da geklagt werden könne, wo daffelbe durch die Landeögesehgebung beseitigt sei, ohne daß eine frühere Unterscheidung zwischen Real injurie und Körperverlehung weiter Berücksichtigung finde). Contra: Dochow s. 36. Doch kann der Richter die Zuerkennung einer Buße versagen, weil die Schmerzen nicht erheblich gewesen; so: eit. Münch. 24. März 85. 4. Der Umstand, daß der Verletzte selbst der Urheber des Streits war, schließt die Anwendbarkeit des § nicht aus. 5. Die im Abs. 3 enthaltene Vorschrift fehlt im entsprechenden § 188; in Be treff des Grundes vgl. dort n. 29. Danach beruht die hier angeordnete Haftung aller zur Buße Verurtheilten als „Gesammtschuldner" wesentlich auf der Ein heit der dem Verletzten zugefügten Unbilde. Daraus folgt, daß die Buße hier mir im einmaligen Betrage zugesprochen und daß sie gegen die verschiedenen Betheiligten nicht verschieden bemessen werden darf; contra: Puch. n. 4. Dagegen ist es dem Verletzten auch hier nicht verwehrt, sein „Verlangen" einer Buße auf ein zelne der Betheiligten zu beschränken (§ 188 n. 8); contra: Stengl. 1. c. s. 354. Nicht minder steht es dem Jnstanzrichter zu, die Verurtheilung zur Buße gegen einzelne der bestraften Betheiligten auszusprechen, während er bei andern davon absieht; ebenso: OT. 28. Sept. 76 (O. XVII, 620). 6. Abs. 3 gilt für alle Fälle, wo wegen einer und derselben Körperverlehung
532
Thl. II. Abschn. XVII. Körperverletzung. — § 232.
§ 232. Die Verfolgung leichter vorsätzlicher, sowie aller durch Fahrlässigkeit verursachter Körperverletzungen (§§ 223. 230) tritt nur auf Antrag ein, insofern nicht die Körperver letzung mit Uebertretung einer Amts-, Berufs- oder Gewerbspflicht begangen worden ist. Ist das Vergehen gegen einen Angehörigen verübt, so ist die Zurücknahme des Antrages zulässig. Die in den §§ 195, 196 und 198 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. [I. Entw.: § 203; II. Entw.: § 226; - Nov. v. 26.Febr. 1876 Art.I. - Pr. StGB.: §§ 189. 198 Abs. 2; 203.] Vgl. §§ 61—65. 195. 196. 199.340; Mil.-StGB. §§ 51. 127; StPO. §§ 414ff. 428.431. 435. gegen Mehrere auf Strafe erkannt wird, sollten diese Mehreren auch nicht „Teil nehmer" fein. Er ist sonach auch da anwendbar, wo mehrere Personen bestraft werden als (selbständige) Urheber einer durch Fahrlässigkeit verursachten Körper verletzung (ebenso: RI. 29. Nov. 83, E. IX, 223, HStR. II, 113; contra: Olsh. n. 1), oder wegen ihrer Betheiligung an einer Schlägerei rc. (§ 227). Demgemäß kann, wenn Jemand bei demselben Vorfalle durch mehrere Personen mißhandelt worden ist und von einer unter ihnen einen Schlag erhalten hat, an beffeit Folgen er län gere Zeit krank gewesen ist, gegen alle solidarisch auf eine nach jenen Folgen be messene Buße erkannt werden: OT. 28. Sept. 76 (cit. n. 5). Werden Mehrere gar als Mitthäter verurtheilt, so ist es vollends unstatthaft, die Zusprechung der Buße von dem Nachweise abhängig zu machen, wer von ihnen die Verletzung beigebracht habe: Rill. 1. Juli 82 (E. VII, 12). 7. Die Gesammthaftung aller zur Buße Verurtheilten tritt, auch wenn sie im Urtheile nicht ausgesprochen ist. von Gesetzes wegen ein. Demgemäß ist sie nicht dadurch bedingt, daß die Verurtheilung Aller in demselben Verfahren und in demselben Erkenntnisse ausgesprochen werde, vielmehr greift sie auch da Platz, wo gegen die verschiedenen Betheiligten in verschiedenen Verfahren Verurtheilungeu ergehen, sobald nur feststeht, daß es sich bei allen um dieselbe Körperverletzung handle. Es empfiehlt sich, in einem solchen Falle, im ergehenden zweiten Urtheil eine darauf bezügliche, ausdrückliche Entscheidung zu treffen, um spätern Zweifeln vorzubeugen. 8. Die Ge sammt-Schuld ist eine Soli dar- (keine Korreal-) Schuld; der zahlende Schuldner hat (in Ermangelung positiver das Gegentheil vorschreibender Landesgesetze; vgl. Pr. ALR. I, 6 § 34: C. civ. art. 1213ff. ;Sächs. BGB. § 1036) gegen die übrigen keinen Rückgriff; vgl. Puch. n. G. 9. Die Verurtheilung eines bei der Körperverletzung Betheiligteu zur Buße schließt die Geltendmachung weiterer Entschädigungsansprüche auch gegen alle übrigen Betheiligten aus, selbst, wenn der Verurtheilte zahlungsunfähig ist; vgl. v. W. s. 71. — Unter einem „weiteren Entschädigungsansprüche" ist Schmerzens geld einbegriffen: Meckl. OG., GSaal 26 s. 544; vgl. n. 3.
§232. 1. Leichte vorsätzliche Körperverletzungen sind diejenigen, welche der Begriffs bestimmung des § 223 entsprechen und weder den Charakter einer gefährlichen (§ 223a: RIV. 12. Okt. 86, E. XIV, 360; OT. 29. Mai 77. O. XVIII, 351; Dresd. 14. Aug. 76, SGZ. 21 f. 212; Jena, Doll. 25 s. 361) noch den einer schweren Verletzung (§ 224) an fich tragen; insbesondere gehören auch die Fälle des § 223 Abs. 2 hierhin: Mot. s. 115, Sten. Ber. s. 807 ff., Schw. n. 1 ff., Geyer, HH. III, 555; contra: Schimmelpfennig, GA. XIX, 732 (rechnet dahin alle Verletzungen, welche keine erheblichen Nachtheile zur Folge haben). — Auf die in den §§ 94? 96. 98. 100. 118. 122 und 340 vorgesehenen Fälle ist § 232 nicht anzuwenden. 2. Ebenso gehören Fälle der „Vergiftung" (§ 229) nicht hierher, da eine solche keine Verletzung des Körpers vorausseht; contra: Reber n. 21. 3. In Betreff der Stellung des Antrags vgl. §§ Glff. und die Bemerkungen
Thl. II. Absch». XVII. Körperverletzung. — § 233.
533
§ 233. Wenn leichte Körperverletzungen mit solchen, Be leidigungen mit leichten Körperverletzungen oder letztere mit ersteren auf der Stelle erwidert werden, so kann der Richter für beide Angeschuldigte, oder für einen derselben eine der Art oder dem Maße nach mildere oder überhaupt keine Strafe ein treten lassen. [I. Eiitw.- (fehlte); II. @ntro.:;§ 227; Pr. StGB.: § 188.] Vgl. §§ 199.198; StPO. § 500. zu denselben, und in Betreff der Bedeutung der Worte: Amt, Beruf und Ge werbe" vgl. § 222 n. 8—16. — Wenn auch die Fassung des Nachsatzes des Abs. 1 von derjenigen des § 230 Abs. 2 abweicht, so ist doch der Sinn der an beiden Stellen gemachten Voraussetzung, bezüglich der fahrlässigen Körperverletzungen, der selbe, jener Nachsatz soll unter den letzteren gerade diejenigen treffen, welche im § 230 Abs. 2 mit einer höheren Strafe bedroht sind. Demgemäß muß in der Fahr lässigkeit selbst die „Uebertretung einer Amtspflicht rc." enthalten sein; ob die Hand lung, bei welcher die Fahrlässigkeit vorkam, eine pflichtwidrige war, ist gleichgültig; vgl. Rll. 25. Okt. 81 (E. V, 74), OT. 8. Sept. 73 (O. XIV, 518); contra: OT. 1. Mai 72 (O. XIII, 288). Bei vorsätzlichen Körperverletzungen dagegen, auf welche obiger Nachsah gleichfalls Anwendung findet (: Ri. 9. Febr. 82, E. VI, 24), muß die Handlung als solche die „Uebertretung einer Amtspflicht rc." in sich schließen. Dahin gehört die wissentliche Ueberschreitung des dem Lehrherrn zu stehenden Züchtigungsrechts (§ 223 n. 10). Zn Betreff der Fälle des § 340 vgl. n. 1. Bezüglich der Amtsausübung decken sich die §§ 232. 340 nicht: RI 17. Nov. 83 (E. IX, 204); vgl. § 359 n. 2, § 222 n. 8 i. f. 4. Der durch die Nov. eingeschaltete Abs. 2 (in Verbindung mit dem jetzigen § 64) beschränkt das Recht der Zurücknahme des Antrags auf die Fälle, wo das Vergehen (vorsätzliche oder fahrlässige Körperverletzung) gegen eine Person begangen ist, welche zur Zeit der That ein^ „Angehöriger" (h 52 Abs. 2) des Thäters war; daß das Angehörigkeits - Verhältniß zur Zeit der Zurücknahme des Antrags noch fortdauere, wird nicht erfordert: OT. 21. Nov. 77 (O. XVIII, 728); vgl. §52 n. 18. Die Frist für die Ausübung dieses Rechtes normirt § 64. 5. Zn Betreff der in Abs. 3 in Bezug genommenen §§ 195. 196 und 198 vgl. die Bemerkungen zu diesen. Der'Begriff der „Wechselseitigkeit" ist hier nicht ganz derselbe, wie im § 198 („wechselseitige Beleidigungen" vgl. dort n. 1), weil Körperverletzungen die Nähe des Thäters und des Verletzten voraussehen, während Beleidigungen auch aus größerer Entfernung zugefügt werden können; eine Körper verletzung und die Erwiderung derselben durch den Verletzten sind daher nur dann als „wechselseitige" anzusehen, wenn beide sich als ein zusammenhängender unge trennter Vorfall darstellen (vgl. Pr. NStPO. § 508: „wechselseitige Mißhandlun gen rc., welche bei demselben Vorfall stattgefunden haben"). Von einer Wechsel seitigkeit der Körperverletzungen kann nur bei vorsätzlichen Handlungen die Rede sein; die Erwiderung einer fahrlässigen durch vorsätzliche Verletzung gehört nicht hierher; contra: Reber n. 247 i, Schütze s. 400; vgl. § 233 n. 2. 6. Die Vorschrift der §§ 198. 232 ist nicht arg. § 233 auf den Fall auszu dehnen, wo von einer Seite eine Beleidigung, von der andern eine Körper verletzung zugefügt wurde: Rüd. n. 4, Reber n. 247; contra: Schw. n. 6, Puch. n. 4.
§ 233. 1. Unter „leichten Körperverletzungen" sind selbstredend nur strafbare, d. h. also vorsätzliche oder fahrlässige leichte Körperverletzungen zu verstehen. Fehlt daher bei einer angeblichen Körperverletzung der ersteren Art das Thatbestandsmerkmal der Widerrechtlichkeit, so trifft der § nicht zu, sollte auch der Gegner sich hinsichtlich dieses Punktes im Irrthum befunden haben: Rill. 23. Sept. 82 (E. VII, 100). 2. Der Begriff einer leichten v o rsä hl ich en Körperverletzung ist hier derselbe, wie im § 232; vgl. dort n. 1. 2 und (in Betreff der Frage, ob § 233 bei den in Ausübung des Amtes verübten Mißhandlungen Anwendung finde): § 340 n. 9.
534
Thl- U. Abschn. XVIII. Verbr. u. Vergeh, w. d. pers. Freiheit. — tz 234.
Achtzehnter Abschnitt**). Verbreche» und Vergehen wider die persönliche Freiheit.
§ 284> Wer sich eines Menschen durch List, Drohung oder Gewalt bemächtigt, um ihn in hülfloser Lage auszusetzen Demgemäß besitzt auch dieser § in Folge der Novelle eine beschränktere Tragweite, als früher, insofern gegenwärtig auch von seiner Anwendbarkeit alle sog. gefähr lichen Mißhandlungen (§ 223a) ausgeschlossen sind; ebenso: Rll. 28. Okt. 79, RIV. 12. Okt. 86 (R. I, 23; E. XIV, 360), OT. 2. Nov. 77, 27. Nov. 78, Wolfenb. 22. Nov. 78 (O. XVIII, 687; XIX, 546; Br. Z. 26 s. 46). Der Begriff der leichten fahrlässigen Körperverletzungen hat dagegen keine Aenderung erfahren, es gehören dahin vielmehr alle fahrlässigen Verletzungen, welche feilte schweren (vgl. § 224) sind, namentlich auch die mittels einer „Waffe" (vgl. § 223a) zugefügten. 3. Eine fahrlässige Körperverletzung kann mit einer vorsätzlichen oder auch mit einer Beleidigung „erwidert" werden, nicht aber umgekehrt. 4. Ist eine leichte Körperverletzung mit einer schweren erwidert worden oder umgekehrt, so bleibt § 233 auch in Betreff der ersteren außer Anwendung: OT. 11. Okt. 70 (GA. XIX, 59). 5. Bei einer continuirlichen Reihenfolge gegenseitiger Angriffe lassen sich die einzelnen Thätlichkeiten nicht dergestalt trennen und gegen einander abwägen, daß jede derselben mir mit der erfolgten Erwiderung aufzurechnen, und daß dem gemäß bei der letzten, unerwidert gebliebenen die Straflosigkeit nothwendig ausge schlossen wäre: Dresd. 14. Mai 75 (SGZ. XX, 17). 6. Die hier dem Richter beigelegte Befugniß: „eine der Art oder dem Maße nach mildere Strafe eintreten zulassen", ist nicht auf die dem Richter überall zu stehende Abmessung innerhalb der vom Gesetze bestimmten Grenzen zu beziehen, spricht vielmehr die Gestattung aus, an Stelle der im zutreffenden § angedrohten Strafe eine dem Maße oder der Art nach mildere zu verhängen. Sonach kann so wohl wegen der Körperverletzung, als wegen der Beleidigung (Verläumdung) bis ans Haft oder Geldstrafe im geringsten statthaften Maße hinabgegangen werden: Münch. 9. Sept. 74 (StZ. IV, 152), selbst bei der Mißhandlung eines Ascendeu ten: OT. 5. Okt. 71 (O. XII, 495). Aus Verweis kann dagegen auch hier mir wider Personen unter achtzehn Jahren erkannt werden: Olsh. n. 3. 7. Im Uebrigen sind hier die Bemerkungen zu § 199 zu berücksichtigen. Dem gemäß (§ 199 n. 3. 5. 8) ist es auch hier gleichgültig, ob der Antrag vom Verletzten oder vom Ehemann rc. (§ 232 Abs. 3) gestellt war (: Münch. 12. Nov. 86, BE. IV, 235), ist auch hier unter dem „Richter" nur der erkennende Richter gemeint (: Cöln 14. April 80, RA. 72, II, 47), und in dessen freies, durch die Revision nicht anfecht bares Ermessen die gänzliche oder theilweise Aufrechnung der Strafen gestellt; vgl. OT. 9., 12. Jan. 77 (O. XVIII, 19. 36). — Der zeugenvereidlichen Vernehmung des nicht Mitangeklagten Verletzten steht § 56 der StPO, nicht entgegen: RH. 15. April 87 (R. IX, 234).
*) Achtzehnter Abschnitt.
1. Indem das StGB, die in diesem Abschnitte zusammengefaßten Mißthaten „als Verbrechen rc. wider die persönliche Freiheit" qualificirt, versteht dasselbe unter persönlicher Freiheit nicht etwa die Willens-Freiheit. Es ist vielmehr als Regel anzuerkennen, daß die hier fraglichen Mißthaten ebensowohl gegen willens unfähige, wie gegen willensfähige Personen verübt werden können, da jene mindestens insofern frei sind, als nicht willkürlich über sie verfügt werden darf, und ihnen ohnehin eine gewisse Willensfähigkeit, wenn auch nicht im juristischen Sinn, bei wohnt; vgl. § 234 n. 5, § 236 n. 4, Villn., GA. 24 s. 105, v. Buri, GSaal 27 s. 517ff.; contra: Bruck, Verbr. g. d. Willensfreiheit.
§234. 1. Dieses Verbrechen, der sog. Menschenraub, kann gegen Personen jedes Alters verübt werden.
Thl. II. Abschn. XVIII. Verbr. u. Vergeh, w. b. pers. Freiheit. — § 234.
535
oder in Sklaverei, Leibeigenschaft oder in auswärtige Kriegs oder Schiffsdienste zn bringen, wird wegen Menschenraubes mit Zuchthaus bestraft. [I. Entw.: § 204; II. Entw.: § 229; Pr. StGB.: § 204.]
.
(Nr. 1. 3). 139. 141. 221. 239.
Vgl. §§ 81 (Nr. 1). 90
2. „Bemächtigung" ist die Unterwerfung des Andern unter die eigene Macht (thatsächliche Herrschaft), so daß jenem die freie Selbstbestimmung entzogen wird. Einer Ortsveränderung (Entführung) bedarf es nicht. 3. Die „List" kann in falschen Vorspiegelungen bestehen, vermöge deren der Andre formell einwilligte, sich zu unterwerfen. In Betreff der „Drohung" vgl. § 48 n. 30. Daß der Gegenstand derselben eine verbotene Handlung sei, wird hier ebensowenig, wie in den Fällen der §§ 235. 236 erfordert; contra: Bind. II, 527. 4. Es ist nicht unerläßlich, daß die „List" oder die „Drohung" gegen die Person des Geraubten angewendet sei; es genügt, wenn dieselben überhaupt nur das Mittel darstellen, durch welches die Bemächtigung ermöglicht wurde, sollten sie auch gegen dritte Personen ausgeübt sein: HStR. II, 138, Schw. n. 1; contra: Geyer, HH. III, 602. Villn. 1. c. s. 114; vgl. § 235 n. 3. 5. Dasselbe gilt von der „Gewalt": v. Buri 1. c. s. 523; contra: Bruck, Villn. 1. c. Sie ist auch ohne die Ueberwindung eines geleisteten Widerstands, und ohne daß ein entgegengesetzter Wille des Entführten obgewaltet habe, möglich (z. B. bei Personen, welche keinen Willen haben); contra: Geyer 1. c. 6. Die Herbeiführung eines bewußtlosen Zustandes (Berauschtseius rc.) kann nach den Umständen als List oder Gewalt angesehen werden. 7. Zn Betreff der Begriffe „Aussehen und hülflose Lage" vgl. § 221 n. 3—7. Inzwischen hat der letztere Ausdruck-hier einen weiteren Sinn, als im § 221, da es sich dort ausschließlich um eine (unmittelbare) Gefährdung des Leibes oder Lebens handelt, hier aber auch die sonstigen Existenzbedingungen in Betracht kommen. Gleichwohl gehört das bloße Verlocken zur Auswanderung in ferne Gegen den, in denen man dem Elende preisgegeben ist, nicht hierher; contra: HS. II, 187 n. 1. Daß die Absicht auf eine längere Dauer der hülflosen Lage gerichtet sei, wird nicht erfordert, Vgl. Villn. 1. c. s. 117. 8. Ob „Sklaverei" und „Leibeigenschaft" im Auslande gesetzlich aner kannt sind, ist gleichgültig: v. Buri, Bruck II.ee.; contra: HStR. II, 139. — „ Aus wärtige Kriegs- oder Schiffsdienste" ist nicht gleichbedeutend mit: Kriegs oder Schiffsdienste eines auswärtigen Staats; vielmehr kommt der § auch dann zur Anwendung, wenn die Absicht dahin ging, den Geraubten einer Rebellenarmee einzureihen oder auf ein auswärtiges Handelsschiff als Dienstthuenden zu bringen; immer aber müssen wirklich Kriegs- oder Schiffsdienste gemeint sein, es genügt daher nicht, wenn Jemand sich eines Andern bemächtigt, damit er im Kriege oder auf einem Schiffe als Diener irgend einer Person thätig sei; der Ausdruck „auswärtig" ist nicht im Gegensatz zu Deutschland, sondern im Gegensatz zum Vaterland des Ge raubten zu nehmen: Villn. 1. c. 9. Olsh. v. 6 hält die alternative Fragestellung „durch List oder Drohung (Gewalt)" und „um rc. auszusehen oder in Sklaverei rc. zu bringen" für unzu lässig; dem dürfte jedoch, zum Mindesten bezüglich des ersten Punkts, nicht beizu pflichten sein. 10. Das Verbrechen ist mit der „Bemächtigung" vollendet; die Wiederfreigebung vor Erreichung der Absicht ist kein freiwillig aufgegebener Versuch. 11. Das Verbrechen dauert so lange, als der Andere der Herrschaft des Thäters unterworfen ist; erst mit der Beendigung der letzteren beginnt der Lauf der Verjährung; vgl. § 67 n. 7.8. Die Herschast wird durch die Aussetzung rc. beendet, sollte auch die hülflose Lage (die Freiheitsberaubung) fortdauern; contra (in Betreff der Freiheitsberaubung): v. Buri 1. c., Bruck 1. c. 12. Jdealkonkurrenz mit dem Falle des § 221; vgl. dort n. 14. 13. Neben den §§235.239 sind landesrechtliche Strafverbote des SclavenHandels, z. B. die Pr. Verordn, n. 8. Zuli 1844 § 3, in Kraft geblieben: Rüd. EG. § 5 n. 5, Olsh. ib. n. 2.
536
Thl. II. Abschn. XVIII. Verbr. u. Vergeh, w. b. pers. Freiheit. — § 235.
§ 335. Wer eine minderjährige Person durch List, Dro hung oder Gewalt ihren Eltern oder ihrem Vormunde entzieht, wird mit Gefängniß und, wenn die Handlung in der Absicht geschieht, die Person zum Betteln oder zu gewinnsüchtigen oder unsittlichen Zwecken oder Beschäftigungen zu gebrauchen, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. [I. Entw.: §§ 206. 207; II. Entw.: § 230; Pr. StGB.: §§ 206. 205.] Vgl. §§ 169. 180. 234. 237. 238. 361 Nr. 4.
§235. 1. Das Wesen dieses Verbrechens, des sog. Kinderraubs, liegt in der Ver eitelung des Erziehungs- und Aufsichtsrechts der Eltern rc. Deshalb schließt die Einwilligung des Minderjährigen die Strafbarkeit nicht aus: Dresd. 24. Jan. 73 (StZ. II, 279). Dagegen genügt die einem minderjährigen Selbstentzieher ge leistete Beihülfe nicht, es wird Thäterschaft erfordert: Schütze f. 413. Ebensowenig gehört die Entziehung aus der obervormundschaftlich angeordneten Zwangserziehung hierher: Rl. 8. Nov. 86 (E. XV, 39). 2. Die Frage der Minderjährigkeit ist nach den für die Statusverhält nisse des Kindes maßgebenden Eivilgesetzen zu beurtheilen. Nach französischem rc. Rechte gilt der Emanzipirte nicht mehr für minderjährig. — Dieselbe Wirkung hat jede Großjährigerklärung; so: Villn. 1. c. f. 117. — Den Minderjährigen ist hier eine geisteskranke oder eine andere unter Vormundschaft oder Kuratel stehende Per son nicht gleich zu achten. 3. Bezüglich der „List, Drohung oder Gewalt" vgl. § 234 n. 3—6, bezüglich der List insbesondere: Rl. 21. Juni 86 (R. VIII, 465: Heimlichkeit sei noch nicht mit List gleichzustellen, letztere erfordere vielmehr die Ausführung irgend eines kluaen Anschlags), RIV. 28. Jan. 87 (E. XV, 340: nur eine gegen den von der List Betroffenen beobachtete Heimlichkeit des Handelns könne in.Betracht kommen, wenn Heimlichkeit überhaupt im Begriffe der List enthalten sei). Eine Täuschung oder doch ein auf Täuschung berechnetes Mittel wird hier zur List nicht erfordert: RH. 27. Jan. 88 (E. XVII, 90). Bei Prüfung der Frage, ob dieses Begriffsmerk mal zutreffe, ist der Zweck des Gesetzes (n. 1) zu berücksichtigen. Die List kann sowohl gegen das Kind selbst, wie gegen die Eltern rc., ja unter Umständen sogar gegen Dritte, z. B. eine Behörde (das Vormundschaftsgericht, einen Vollstreckungs beamten) angewendet werden; vgl. § 234 n. 4, ritt. Rl. 21. Juni 86, RIV. 28. Jan. 87, OT. 10. März 76 (O. XVII, 194), Dresd. 24. Jan. 73 (eit. n. 1). 4. Die Einwilligung der Eltern rc. schließt den § aus, sollte auch gegen das Kind Gewalt rc. angewendet sein: OT. 4. Juli 66 (O. VII, 412). 5. Unter den „Eltern" sind die Adoptiv- und Pflegeeltern einbegriffen; so: Olsh. n. 3, Rubo n. 2. Es sind nicht Vater und Mutter als ein Ganzes, sondern der Vater oder die Mutter zu verstehen, je nachdem dem einen oder dem anderen das elterliche Erziehungs- und Aufsichtsrecht (n. 1) zusteht, bzw. übertragen worden ist, deshalb kann sich sogar der Vater oder die Mutter selbst des Vergehens schul dig machen: Rl. 21. Juni 86 (R. VIII, 465), Dresd. 9. Apr. 77 (SGZ. 22 f. 40), Stuttg. 22. Jan. 79 (WGbl. XV, 339: betraf den Vater eines unehelichen Kindes). Ebenso beide Eltern und mit ihnen einverstandene Dritte, wenn das Vormundschafts gericht das Erziehungsrecht jenen entzogen und einem Vormund übertragen hat; alsdann darf der Strafrichter nicht prüfen, ob letzteres unter den gesetzlichen Voraussetzungen geschehen sei, sondern muß jene Anordnung, so lange sie besteht, als fest stehende Thatsache der strafrechtlichen Beurtheilung zu Grunde legen; so: Rl. 29. Jan. 80 (A. I, 353). 6. Ein Kind ist „seinen Eltern rc. entzogen", sobald es in eine Lage gebracht ist, wo es nicht mehr ihrer Willensbestimmung, sondern derjenigen eines Andern, Unberechtigten unterworfen ist; zeitweiliges Entziehen genügt: Dresd. (eit. n. 1); doch fordert v. Buri, GSaal 29 Beil. s. 82 einen auf eine gewisse Stabilität berechneten Zustand; ähnlich: Geyer, HH. IV, 401, Olsh. n. 1. Ebenso genügt es zur Anwendbarkeit des Schlußsatzes, wenn die.Absicht nur auf einen vorübergehen-
Thl. II. Abschn. XVIII. Verbr. u. Vergeh w. b. pers. Freiheit. — § 236.
537
§ 336. Wer eine Frauensperson wider ihren Willen durch List, Drohung oder Gewalt entführt, um sie zur Unzucht zu bringen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und, wenn die Entführung begangen wurde, um die Entführte zur Ehe zu bringen, mit Gefängniß bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. [I. Entw.: § 208; II. Entw.: § 231; Pr. StGB.: §§ 207. 209.] Vgl. §§ 237. 238. den „Gebrauch" gerichtet war, die Entziehung nur zu vorübergehenden, nicht bouenv den „gewinnsüchtigen rc. Zwecken rc." stattfand; contra: Villn. 1. c. s. 118. 6a. Der Umstand. daß dem Berechtigten prozessuale Zwangsmaßregeln behufs Herausgabe des Kindes zustehen, schließt die Anwendung des § nicht ans: RI. 21. Zuni 86 (crt. n. 5). 7. Als Dolus werden, außer der Vorsätzlichkeit der Handlung an sich, die Kenntniß von der Minderjährigkeit des Entführten und das Bewußtsein vorausge setzt, daß derselbe der Gewalt der Eltern rc. entzogen werde: OT. 4. Juli 66 (eit. n. 4), Dresd. (eit. n. 1). Daß letzteres bezweckt sei, wird nicht erfordert. Ueber» Haupt kommt es für den einfachen Thatbestand auf den Zweck der Handlung nicht an; dieser hat nur für die Anwendung des Schlußsatzes Bedeutung. 8. Der Ausdruck „unsittlicher Zweck" ist hier im engem Sinne (vgl. Abschn. 13) zu nehmen; vgl. H. Meyer, GSaal 33 f. 149; contra: Olsh. n. 8. 9. Das Vergehen dauert so lange, als der Minderjährige sich in der Macht des Thäters befindet bzw. der gesetzlichen Beaufsichtigung und Einwirkung entrückt ist; ebenso: RIV. 28. Jan. 87 (E. XV, 340); während dieser Zeit läuft die Ver jährung nicht; vgl. § 67 n. 7. 8. §
236.
1. Subjekt des Verbrechens kann nicht allein ein Mann, sondern auch eine Frauensperson z. B. eine Kupplerin sein (n. 6. 7); contra: Puch. n. 1. 2. Daß die Entführte unbescholten sei, wird nicht erfordert. 3. Ebensowenig ist der § auf die Entführung selbständiger Frauenspersonen beschränkt: auch die Ehefrau eines Andern kann entführt werden, ebenso die eigene Braut, nicht aber die eigene Ehefrau: HS. II, 329.331, Puch. n. 1; contra (in Betreff der Braut): v. Wächter Abh. I, 75. 4. Die Entführung muß „wider den Willen" (richtiger: ohne den Willen; vgl. § 237) der Frauensperson stattfinden; das schließt nicht aus, daß die Mißthat auch an einer willensunfähigen Person begangen werden könne; vgl. Villn. 1. e. s. 105. Dagegen genügt es nicht, wenn die Entführte durch List veranlaßt worden ist, in die Entführung zu willigen. Demgemäß muß die als Mittel der Begehung erwähnte „List" den Erfolg gehabt haben, daß jene etwas that, wodurch sie sich in die Ge walt des Andern gab, ohne dies zu wollen. 5. In Betreff der „List. Drohung oder Gewalt" vgl. § 234 n. 3—6. 6. Zum Begriffe des „Entführens" gehört hier ein Hinbringen an einen andern Ort, an welchem die Frauensperson der willkürlichen Behandlung eines Andern (Unberechtigten) preisgegeben ist: HS. II, 330. Dieser Andere braucht nicht der Entführer selbst zu sein. Mit dem Hinbringen ist das Verbrechen vollendet, sollte auch der geschlechtliche Zweck noch nicht erreicht sein. 7. „Unzucht" bedeutet hier: Beischlaf; contra: Olsh. n. 5, Schw. n. 2; ein „Bringen zur Unzucht" bleibt auch da möglich, wo derselbe Zweck früher be reits ohne Entführung erreicht war. Ferner wird diese Absicht nicht dadurch aus geschlossen, daß der entferntere Zweck auf Eingehung der Ehe gerichtet ist, daß z. B. der Thäter durch das „Bringen zur Unzucht" den Widerstand der Entführten oder ihrer Eltern wider die Heirath brechen will. Daß der Zweck des Entführers dahin gehe, für sich selbst die Entführte zur Unzucht oder Ehe zu bringen, wird nicht erfordert, vgl. n. 1. 6. Ebensowenig braucht die Absicht auf einen dereinst anzuwendenden Zwang gerichtet zu sein: Villn. 1. c. s. 119. 8. Das Verbrechen setzt sich fort (und die Verjährung bleibt ausgeschlossen), so lange die Vergewaltigung andauert: § 67 n. 7. 8.
538
Thl. II. Abschn. XVIII. Verbr u. Vergeh, w. b. pers. Freiheit. — § 237.
§ 337. Wer eine minderjährige, unverehelichte Frauens person mit ihrem Willen, jedoch ohne Einwilligung ihrer Eltern oder ihres Vormundes, entführt, um sie zur Unzucht oder zur Ehe zu bringen, wird mit Gefängniß bestraft. Die Verfolgung tritt nur auf Antrag ein. [I. Entw.: § 209; II. Guttu.: §232: Pr. StGB.: §§ 208. 209.] 236. 238.
Vgl. §§ 235.
9. Zur Antragstellung ist das entführte Frauenzimmer berechtigt. Die Antrag sfr ist kann nicht beginnen, bevor die Vergewaltigung aufgehört hat. 10. Die Vorschrift des § 238 bezieht sich auf den Fall des § 236 mit. § 237.
1. Zn Betreff der Minderjährigkeit vgl. § 235 n. 2. 2. Zu den „unverehelichten" Frauenspersonen gehört auch die eigene Braut. Ebenso eine Wittwe; contra: Rubo n. 4. Die Entführung einer minder jährigen Ehefrau mit ihrem Willen ist nur als Ehebruch strafbar. 3. Die einwilligende Entführte ist nicht Theilnehmerin am Vergehen und überhaupt nicht strafbar, es sei denn wegen Ehebruchs (n. 2). 4. Unter „Eltern rc." sind alle Diejenigen zu verstehen, welchen elterliche Rechte in Beziehung auf die Eheschließung zustehen, mithin alle Diejenigen, deren Einwilligung erforderlich ist, wenn der Minderjährige eine gültige Ehe abschließen will; es gehört daher nach französischem rc. Rechte auch der Familienrath hierher; ebenso: Geyer, HH. III, 617, Rüd. n. 5; contra: Olsh. n. 4. Bedarf es der Ein willigung mehrerer Personen, so genügt der Mangel der Zustimmung einer derselben, mit die Strafbarkeit zu begründen: Schütze s. 420. 5. Die „ Einwilligung" der Eltern rc. schließt die Bestrafung auch dann aus, wenn sie durch listige Täuschung herbeigeführt war. Das Gegentheil gilt, wenn die Einwilligung sich darauf beschränkte, daß die Minderjährige sich (zu an deren Zwecken) in Begleitung des Entführers entfernte; so: HStR. II, 244; contra (anscheinend): Schütze s. 417 n. 10. 6. Ueber den Begriff der „Entführung" vgl. § 236 n. 6. Eine solche liegt nicht vor, wenn Jemand die Frauensperson nicht selbst weggebracht, sondern sie nur beredet hat, allein ihren Eltern rc. zu entfliehen oder ihr zur Ausführung eines solchen Vorhabens behülflich gewesen ist; ebenso: Ri. 8. Mai 82 (E. VI, 292). Dagegen erfordert der Thatbestand nicht, daß die Frauensperson unmittelbar aus der von ihr und den Eltern bewohnten Räumlichkeit weggebracht sei, noch wird er dadurch ausgeschlossen, daß jene physisch bei dem Gelangen an den andern Ort mitthätig war: cit. RI. 8. Mai 82. Demgemäß kann eine Entführung ohne Rechts irrthum dann angenommen werden, wenn die Frauensperson freiwillig das elterliche Haus verlaffen hat und mit dem Angeklagten zusammengetroffen ist, sofern festge stellt wird, daß durch die demnächstige Thätigkeit des letzteren eine Entziehung aus der elterlichen Gewalt bewirckt worden ist: OT. 22. Zuni 77 (GA. 25 s. 456). 7. Ueber das „Bringen - zur - Unzucht" vgl. § 234 n. 7. Auch hier wird durch diesen Ausdruck die Fortsetzung eines vor der Entführung begonnenen unzüchtigen Verkehrs mit umfaßt: Rill. 17. Nov. 87 (E. XVI, 391). 7a. In Betreff der Vollendung des Vergehens und der Verjährung gilt das zu § 234 n. 9. 10 Gesagte. 8. Zur Stellung des Strafantrags ist jeder der beiden Eltern sowie der Vormund selbst dann berechtigt, wenn der Betreffende seine Einwilligung zur Heirath gegeben hatte. Nach den Grundsätzen des französischen Civilrechts kann der Antrag auch von dem zur Ertheilung des Ehekonsenses berufenen Familienrath aus gehen; vgl. n. 4. Olsh n. 6 und Meyer n. 2 sprechen auch der Entführten selbst das Antragsrecht zu; contra: Schw. n. 4. 9. Hat der Entführer die Entführte geheirathet, so wird § 238 anwend bar. Auch in diesem Falle kann der Strafantrag von jedem Berechtigten (o. 8), nicht blos vom Kläger gestellt werden; vgl. § 238 n. 3. Die dreimonatige Antragsftist (§ 61) beginnt mit dem Tage, wo der Berechtigte von der Entführung und der Person des Thäters Kenntniß hatte, sollte auch die Klage aus Ungnltigerklä-
Thl. II. Abschi,. XVIII. Berbr. u. Berg. w. d. pers. Freiheit. — §§ 238.239.
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§ 238. Hat der Entführer die Entführte geheirathet, so findet die Verfolgung nur statt, nachdem die Ehe für ungültig erklärt worden ist. [I. Entw.: § 210; II. Entw.: § 233; Pr. StGB.: § 209.] Bgl. §§ 226. 237. 69.
§ 239. Wer vorsätzlich und widerrechtlich einen Menschen einsperrt oder auf andere Weise des Gebrauches der persönlichen Freiheit beraubt, wird mit Gefängniß bestraft. rung der Ehe erst später angestellt werden: Puch. n. 4, HSLR I, 719; n. 6, Meyer n. 2, Olsh. n. 5, Schw., GSaal 24 s. 73.
contra:
Rüd.
§ 238.
1. Dieser § bezieht sich ans die beiden Fälle der Entführung (§§ 236. 237) und auf alle Theilnehmer an der Mißthat. Dagegen findet er keine Anwendung, wenn nicht der Entsührer selbst, sondern ein Dritter, in dessen Interesse jener han delte, die Entführte geheirathet hat; ebenso: Olsh. n. 2; contra: Schütze f. 418, HStR. II, 244, Geyer, HH. III, 618. 2. Nur die Ungültigerklärung (nicht Scheidung) der Ehe macht die Verfol gung statthaft; aus welchem Grunde jene erfolgt, ist gleichgültig, es wird nicht erfordert, daß sie wegen der „Entführung" ausgesprochen sei; contra: Villn. I. c. s. 120. Ebenso begründet es, obschon das StGB, im § 171 der Nichtigerklärung neben der Ungültigerklärung gedenkt, nach der offenbaren Absicht des Gesetzgebers keinen Unterschied , ob die Ehe für nichtig, oder blos für ungültig erklärt worden ist; vgl. n. 3, § 170, Olsh. n. 3; contra: Rubo n. 4. Das betreffende Urtheil muß rechtskräftig geworden fehl, ehe die Verfolgung eintreten kann. 3. Auch die auf den Antrag des Staatsanwalts (vgl. C. civ. art. 184, CPO. § 586) erfolgte Nichtigerklärung der Ehe macht die Strafverfolgung (beim Vorhandensein des erforderlichen Antrags) statthaft; vgl. § 237 n. 9. 4. So lange die Verfolgung nach § 238 ausgeschlossen ist, darf nicht zur Verhaftung des Entführers wegen der Entführung geschritten werden. 5. Die 'Verjährung ruht, so lange die Ehe nicht für ungültig erklärt ist; vgl. § 69 n. 8, HStR. II, 244. — Zn Betreff der Antragsfrist vgl. § 237 n. 9. §239.
1. Ein „Einsperren" liegt da vor, wo dem in einem umschlossenen Raume Befindlichen das Verlaffen desselben durch Versperren der Ausgänge verwehrt ist. In welcher Weise dieses Verwehren bewirkt wird, ist gleichgültig (Beisp.: bestellte Wächter). Ein nur scheinbares Hinderniß genügt nicht, sollte auch in Betreff der Qualität desselben auf Seiten des Einzusperrenden oder auf beiden Seiten ein Irr thum obwalten, z. B. wenn das Schloß einer Thüre ordnungsmäßig durch das Heben des Hebels geöffnet werden kann, wogegen die Möglichkeit, eine verschlossene Thür dadurch, daß man sie selbst in die Höhe hebt, den Verschluß nicht zu einem blos scheinbaren macht: RlV. 19. Febr. 86, 10. Nov. 85 (E. XIII, 426; R. VII, 657); vgl. OT. 20. Mai 59 (GA. VII, 714), Geyer, HH. III, 591, Olsh. n. 7. Ueberhaupt bedarf es keineswegs einer absoluten Unmöglichkeit, sich einen Ausgang zu ver schaffen: es reicht hin, wenn dem freien Ausgange sachliche Hinderniffe entgegen gesetzt sind, deren Ueberwindung für den Betreffenden (wegen seiner Individualität, seines Alters, seiner Gebrechlichkeit rc.) mit erheblichen Schwierigkeiten (mit Gefahr für Leben und Gesundheit rc.) verknüpft ist: RII. 13. Febr. 80, RHI. 18. Zuni 81 (A. I, 354; R. III, 416), Stil. 8. Febr. 84 (A. IX, 300: wenn die Mittel, den Ausgang zu gewinnen, ungewöhnlich, gefährlich oder anstößig seien, wohin auch die jenigen Ausgänge zählen möchten, die in so eigenthümlicher Weise angebracht worden, daß sie sich nur durch besondere Aufmerksamkeit als solche erkennen ließen), OT. 20. März 73 (O. XIV, 214); vgl. RII. 10. Apr. 83 (E. VIII, 210), OT. 10. März 65, 9. Juli 68 (O. V, 551; IX, 444). Unbedenklich kann eine Einsperrung da an genommen werden, wo die Freiheit nur durch besondere Geschicklichkeit oder durch gefährliches Klettern zu erlangen war: OT. 27. Mai 64 (O. IV, 545). 2. Aus der Gleichstellung der „auf andere Weise" erfolgenden „Beraubung
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Thl. II. Abschn. XVIII. Verbr. u. Vergeh, w. b. pers. Freiheit. — § 239.
Wenn die Freiheitsentziehung über eine Woche gedauert hat, oder wenn eine schwere Körperverletzung des der Freiheit Beraubten durch die Freiheitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden ist, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zn erkennen. Sind mil dernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Monat ein. des Gebrauches der persönlichen Freiheit" mit der Einsperrung folgt, daß es sich auch bei jener um die Freiheit in der Wahl des Aufenthaltsorts handelt; ebenso: RI. 18. Oft. 80 (R. II, 346); contra (anscheinend): Rill. 7. Juli 80 (E. II, 292: die zweite Alternative umfasse jede andere Hinderung des Freiheitsgebrauchs, als Einsperrung; ob jener gehindert worden, sei eine blos thatsächliche Frage des kon kreten Falles); es gehört nicht blos das Festhalten an einem Orte, sondern auch das erzwungene Fortbewegen nach einem anderen Orte hierher: HS. II, 182, eit. RI 18. Okt. 80 (unter besonderen näher festzustellenden Umständen). RI. 27. Sept. 83 (A. VIII, 382); contra: Villn., GA. 24 s. 110 (die Worte „auf andere Weife" seien hier gleichbedeutend mit: „auf ähnliche Weise"). Hiernach wird keineswegs ein engerer Gewahrsam erheischt: ebensowenig braucht sich die Handlung dem That bestände der Einsperrung zu nähern: HS. 1. c., OT. 19. Febr. 68 (GA. XVI, 291: ein in einem Kahne Befindlicher war verhindert worden, zu landen); contra: OT. 11. März 68 (O. IX, 188), Schw. n. 7; vgl. n. 3. 3. Erheischt wird eine „Beraubung des Gebrauchs der Freiheit", es muß eine, wenn auch nur vorübergehende, doch in ihrer Wirkung vollständige Aufhebung der persönlichen Freiheit stattgefunden haben, eine bloße Beschränkung oder Erschwe rung der freieren Bewegung genügt nicht: Rill. 26. April 82 (E. VI, 231: zwei Badenden waren die Kleider kurze Zeit vorenthalten worden), OT. 19. Jan. 65 (O. V, 426); ebensowenig eine bloße „Nöthigung" zu einem anderweitigen Thun oder Unterlassen im Sinne des § 240: OT. 11. März 68 (eit. n. 2). Ob das eine oder andere anzunehmen sei, unterliegt der thatsächlichen Beurtheilung des Einzelfalls. Doch können beide Thatbestände ideell konkurriren; contra: Bind. 11,531; vgl. § 240 n. 1, Geyer. GSaal 27 s. 382. 4. Für den Thatbestand ist die Dauer der Freiheitsentziehung (von den Fällen des Abs. 2 abgesehen), ohne Belang: RII. 28. Nov. 82 (E. VII, 259), Münch. 3. Juni 82, 12. Juli 86 (BE. II, 140; IV, 281); vgl. Rill. 7. Juli 80 (E. II, 292: rechnete dahin die durch einen Privaten unbefugt zur Constatirung der Person be wirkte vorläufige Festnahme), — desgleichen, ob der Eingesperrte sich der Frei heitsentziehung überhaupt bewußt geworden sei; so: cif. RII. 28. Nov. 82. 5. Mit welchen Mitteln die Freiheitsberaubung ausgeübt wird, ist gleich gültig; Beisp.: List, psychischer Zwang; vgl. Rill. 7. Juli 80 (eit. n. 2: speziell in Betreff deö letzteren). Auch Derjenige macht sich des Vergehens schuldig, welcher durch Täuschung eines Beamten re. eine ungerechtfertigte Arretirung oder eine un gerechtfertigte Aufnahme Jemandes in ein Irrenhaus bewirkt: OT. 27. Jan. 71 (O. XII, 54), Schw. n. 3; vgl. Geyer s. 591. 594; es kany dann ideell der Thatbestand des § 164 konkurriren. Vgl. aber n. 8. 6. Die Handlung muß „widerrechtlich" sein; daher scheiden die in Aus übung eines Erziehungs-, Züchtigungs-, Haus- und Dienstherrschaftsrechts oder einer Pflicht, z. B. einer Amts-, Berufs- und Aufsichtspflicht oder zur „gebotenen Nothwehr" bewirkten Freiheitsberaubungen, sowie die bona mente bewirkte Einsperrung eines hülfsbedürftigen re. Menschen hier aus; vgl. n. 8, Münch. 31. Dez. 74 (StZ. IV, 360), Schütze s. 409. — Im Nebrigen beseitigt ein erlaubter Zweck die Widerrechtlichkeit einer Freiheitsberaubung nicht: OT. 18. Sept. 72 (O. XIII, 459); eine zum Schutze des eignen Rechts durch Einsperrung eines Andern (z. B. eines fluchtverdächtigen Schuldners) geübte eigenmächtige (Lelbsthülfe fällt mithin unter das Strafverbot: OT. 2. Juli 68 (O. IX, 426); vgl. RII. 28. Nov. 82 (E. VII, 259). Dagegen charakterisirt sich die unmittelbar nach Verübung einer wider rechtlichen Handlung erfolgte, und bis zur Beseitigung der Widerrechtlichkeit fort-
Thl. II. Abschn. XVIII.
Verbr. u. Vergeh, w. d. pers. Freiheit. — § 239.
541
Ist der Tod des der Freiheit Beraubten durch die Frei heitsentziehung oder die ihm während derselben widerfahrene Behandlung verursacht worden, so ist auf Zuchthaus nicht unter drei Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. [I. Entw.: § 211; II.Entw.: § 234; Pr. StGB.: §§210.211.] Vgl. §§341.224.226. Preuße»: Vgl. Ges. v. 12. Febr. 1854 §§ 2. 3; NStPO. §§ 11.122ff. gesetzte Einsperrung des so Handelnden [unter Umständen) als Akt erlaubter Selbsthülfe, ja sogar als Nothwehr; nur darf dieselbe nicht auf einen unbetheiligten Dritten ausgedehnt werden, selbst wenn lediglich auf solche Weise die Einsperrung des Anderen möglich bzw. wirksam sein sollte; vgl. Rill. 18. Juni 81 (R. III, 4IG), § £3 n. 2. 11a bzw. das dort besprochene, gleichfalls eine Anklage aus § 239 be treffende NH. 10 April 83, und unten n. 8. 7. Die Freiheitsbeschränkung, welche nach Art und Dauer auf der eigenen fortwährenden Willensbestimmung des Beschränkten selbst beruht, kann, auch wenn zu ihrer Herbeiführung eine andere Person mit thätig ist, in Betreff der letzteren nicht „widerrechtlich" sein. Contra: Rubo n. 7. 8. „Widerrechtlich" ist eine Freiheitsberaubung auch dann, wenn sie tu Ueb^rschreitung einer vorhandenen Befugniß (z. B. des väterlichen Züchtigungsrechtö: OT. 25. Okt. 77, O. XVIII, 669) vorgenommen oder über die Grenzen der letzteren ausgedehnt wird; ebenso: RI. 13. Febr. 88 (E. XVII, 127). Dagegen wird die an sich berechtigte Freiheitsberaubung noch nicht zu einer widerrechtlichen durch Verabsäumung einer unwesentlichen Formvorschrift oder durch Anwendung eines ver werflichen Mittels, z. B. einer Täuschung; tigl. RII. 19. März 86 (E. XIII, 426). 9. Der Ehemann hat in Preußen nicht das Recht, seine Frau der Freiheit zu berauben: OT. 7. Febr. 66 (O. VII, 88). 10. Als Dolus werden außer der „Vorsätzlichkeit" der äußeren Handlung der Wille, den Andern der Freiheit zu berauben, und das Bewußtsein der Wider rechtlichkeit erfordert; vgl. Ri. 11. Mai 85 (E. XII, 194), OT. 25. Febr. 70, Manh. (O. XI, 129; 3331.38 s. 237). Der rechtsirrthümliche Glaube an eine nicht vor handene Berechtigung schließt die Bestrafung aus: OT. 6. Jan. 58 c. Hillert. — Der ausdrücklichen Feststellung jenes Bewußtseins bedarf eS int Bestreitungöfalle: OT. 7. Nov. 60 (GA. VIII, 839), dt. Manh.; ähnlich: Dresd. 3. Dez. 77 (SGZ. 22 s. 215; Fall des § 240). Wird dasselbe (Bewußtsein) nicht angenommen, so muß die Feststellung erkennen lassen, über welche für das Merkmal der Widerrecht lichkeit erheblichen Umstände Angeklagter sich in einem faktischen oder rechtlichen Irrthum befand: RIV. 27. Juni 84 (R. VI, 481). 11. Ein weitergehender Dolus (n. 10) wird nicht erheischt; insbesondere ist es nicht erforderlich, daß die Freiheitsberaubung der Endzweck der Handlung (und nicht daS bloße Mittel zur Erreichung eines anderen Zwecks) sei: Ri. 27. Sept. 82, RIV. 27. Juni 84 (A. VIII, 382; R. VI, 484); vgl. n. 6; noch, daß der Wille dahin gehe, dem Damnifikaten außer der Freiheitsberaubung noch einen andern Nachtheil zuzufügen: OT. 26. April 61, 10. März 65 (O. I, 362; V, 551). 12. Ist die Freiheitsberaubung rc. das Mittel zur Begehung einer anderen Mißthat, so liegt Ideal-Konkurrenz vor; vgl. n. 3; Beisp.: Einsperrung eines Beamten, um ihn an einer Amtshandlung zu hindern; dann konkurrirt der That bestand des § 113 oder $ 114: OT. 4. April 67 (O. VIII, 237); contra: Schütze s. 415, Geyer, s. 591, Bind. II. 532; vgl. § 113 n. 33. 13. Ein Beamter wird wegen vorsätzlicher widerrechtlicher Freiheitsberaubung aus den §§ 341. 345. 358 bestraft. 14. Das Vergehen der Freiheitsberaubung seht sich so lange fort, als der Zu stand der herbeigeführten Unfreiheit des andern andauert; erst mit dem Aushöreit desselben beginnt die Verjährung; vgl. § 67 n. 7. 15. Im Abs. 2 bezeichnet „Woche" die Zeit von sieben (vollen) Tagen; vgl. § 19. 16. Zu der „widerfahrenen Behandlung" (Abs. 3) gehören auch die Ent ziehung der Luft, ungesundes Lokal, schlechte Ernährung rc. rc.
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Thl. II. Abschn. XVIII.
Verbr. u. Vergeh, w. d. pers. Freiheit. — § 240.
§ 340. Wer einen Anderen widerrechtlich durch Gewalt oder durch Bedrohung mit einem Verbrechen oder Vergehen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nöthigt, wird mit 17. Ueber die „Verursachung einer schweren Körperverletzung" (des Todes) durch die Freiheitsberaubung vgl. § 224 n. 9 ff., § 59 n. 19. Auf eine Buße kann hier nicht erkannt werden; vgl. § 231 n. 1, Habermaas, Zd. Konkurr. s.36. 18. Ein Versuch der in Abss. 2. 3. vorgesehenen Verbrechen ist aus den zu § 224 n. 17 entwickelten Gründen nicht denkbar. Handelte der Thäter mit dem Vorsätze, eine jener Folgen herbeizuführen, so liegt ein Versuch deS im § 225 vorge sehenen Verbrechens oder ein Mord- (Todtschlags-) Versuch vor. § 240. 1. Erheischt wird ein „Nöthigen" zu einem bestimmtrn (konkreten) künftigen Thun, Dulden oder Unterlasten. Es muß sonach auf den Willen des Andern eingewirkt, dieser Wille muß erzwungen sein (vis compulsiva); Gewalthandlungen, welche ohne Weiteres in Beziehung auf die Person des Andern einen von ihm nicht gewollten Zustand herbeiführen, ohne daß er selbst dazu mitwirkt (z. B. ge waltsame Exmission), oder welche bem Andern unmittelbar die Vornahme einer ge wollten, oder die Hinderung einer fremden Handlung unmöglich machen (vis abso luta, z. B. eine Einsperrung, welche ihn am Weggehen hindert), fallen nicht unter den Begriff der „Nöthigung", da sie sein Wollen unberührt lassen; so: OT. 11. Dez. 73 (D. XIV, 797), Rüd. n. 4, John, Z. f. StR. I, 222ff.. Meves n. 5; contra: RI. 17. Suni 80, Rill. 19. Juni 80, Rll. 23. Sept. 81, RlV. 29. Sept. 85 (E. II, 184.287; IV, 429; R. VII, 545), OT. 18. Sept. 72. 22. Sunt 78 (O. XIII, 459; XIX, 328), HStR. II. 120, Merkel. HH. III, 727, Olsh. n. 3; vgl. § 177 n. 1. 2. Die Nöthigung zu einer „Duldung" ist nicht durch die Zustimmung des Genöthigten zu der zu duldenden Handlung bedingt, es genügt vielmehr die Ent schließung, den Widerstand wider die Handlung aufzugeben; Rll. 6. Mai 81, RlV. 29. Sept. 85 (E. IV, 124; R. VII, 545) halten selbst letztere für nicht unbedingt nothwendig: „dulden" umfasse hier auch das Erdulden eines unabwendbaren Uebels; vgl. n. 1. Gegenstand der erzwungenen Duldung kann auch die Behaup tung (Fortsetzung) eines Besitzstandes sein: Dresd. 28. Okt. 78 (SGZ. 23 s. 101). — Die Nöthigung zu einer „Unterlassung" ist nicht allein in Beziehung auf einen bereits gefaßten Entschluß möglich; der § wird auch anwendbar, wenn der Zwang sich auf einen demnächst erst zu fassenden Entschluß bezog: OT. 30. Apr. 62 (dt. n. 1), Wolsenb. (GSaal 26 s. 413: fordert jedoch, im Widerspruche mit ersterem Erk-, daß der Bedrohte irgend Gelegenheit oder Veranlassung zu dem Entschlüsse gehabt habe, an besten Fassung er durch die Bedrohung gehindert werden soll). 3. Sn Betreff der „Wi der rech tli chkeit" vgl. § 239 n. 5ff. Hier kommt es nur auf die Widerrechtlichkeit des ausgeübten Zwanges bzw. des zu dem Behufe angewandten Mittels, nicht darauf an, ob die zu erzwingende Handlung rc. erlaubt, oder gar durch eine Pflicht geboten, bzw. ob der Nöthigende dieselbe zu fordern berechtigt war: RH. 21. Okt. 79, Rill. 24. Dez. 79, 5. San. 81, 26. S"ni 80, 22. Apr. 82 (E. I, 5; II, 286; III, 179; R. II, 124; IV, 379), OT. 14. San., 18. Nov. 74, Manh. 5. Suni 75 (O. XV, 27. 792; BA. 41 s. 193), HS. II, 180, v. Buri, GSaal 33 s. 409; contra: Sena 74 (Voll. 22 f. 88), Sohn 1. c.; vgl. Kronecker, Z. f. StR. III, 638 (bezieht „widerrechtlich" nur auf „Gewalt", was sachlich zu keinem andern Resultate führt). Die Widerrechtlichkeit scheidet daher aus, wenn die An wendung der „Gewalt" oder die „Bedrohung" sich als erlaubte Selbsthülse, als Nothwehr oder als die Ausübung eines anderen gleichwerthigen Rechts charakterisirt, bzw. vom Thäter in Folge eines thatsächlichen oder civilrechtlichen Srrthums dafür gehalten wurde: RI. 13. San. 81, 13. Nov. 82, 11. Mai 85, Rill. 22. April, 11. Okt. 82 (E. III, 222; XII, 194; R. IV, 806. 379. 743). Dagegen ist jenes Begriffsmerkmal erfüllt, wenn ein Nichtbesiher wider den Besitzer sich unbefugter Weise, statt im geordneten Rechtswege, durch Gewalt Recht zu verschaffen sucht: RlV. 31. März 85 (R. VII, 216). — Obiges gilt selbst von der Nöthigung zur Unter lassung einer strafbaren Handlung; sie ist strafbar, wenn nicht die Voraussetzungen der Nothwehr rc. vorliegen; contra: OT. 5. Suni 61 (GA. IX, 567), Schütze s. 410, Bruck, Verbr. g. d. Willensfreiheit, s. 57.
Thl. ir. Abschn. XVIir. Derbr. u. Vergeh, w. d. pers. Freiheit. — § 240.
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Gefängniß bis zn Einem Jahre oder mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft. Der Versuch ist strafbar. [I. @utro.: § 212; II. Entm.: § 235; — Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I. — Pr. StGB.: § 212.] Vgl. §§ 106. 107. 114. 126. 167. 239. 241. 253ff. 339. Gew.-O. § 153; Seem.-O. v. 27. Dez. 1872 § 89. 4. Ueber den Begriff der „Gewalt" vgl. § 52 n. 4, § 106 n. 1, § 114 n. 3. 4. Unter diesem Ausdrucke ist hier nur Gewalt, welche (unmittelbar oder mittelbar) wider eine Person (deren Körper) gerichtet ist, zu verstehen: Rill. 5. Jan. 81 (cit. n. 3); vgl. Schütze s. 409; contra: Wanjeck, GA. 27 s. 196, Olsh. n. 3. Demgemäß kann die Gewalt z. B. auch im Entziehen der Nahrung, im Einschließen oder in der Aufrechterhaltung eines ohne verbrecherischen Vorsatz herbeigeführten Zustands der Freiheitsentziehung bestehen: Rll. 30. Okt. 85 (E. XIII, 49); vgl. ferner Rill. 18. März 86 (E. XV, 138). Gewalt an Sachen genügt an und für sich nicht. Inzwischen erblicken Rll. 1. Dez. 82, Rill. 14. 15. Juni 83, 18. März 86, Manh. 5. Juni 75 (E. VII, 269; IX, 58; R. VIII, 188; BA. 41 s. 193) in dem Unbewohnbannachen einer Miethwohnung behufs Austreibung des Miethers (§ 123 n. 8) eine mittelbar gegen die Person des letzteren geübte Gewalt [*?]; vgl. jedoch RIV. 11. Febr. 87 (GA. 35 s. 63). — Zum Begriff der Gewalt im Sinne des § gehört nicht die Ueberwindung oder Verhindenmg eines von der anderen Seite ge leisteten Widerstands: cit. Rill. 18. März 86, noch daß jene eine unwiderstehliche sei: cit. Rll. 30. Okt. 85. Dieselbe kann auch gegen andere Personen, selbst Nichtangehörige verübt werden; so: Rll. 17. Jan. 88 (E. XVII, 82), Geyer, HH. III, 576; vorausgesetzt, daß sie mittelbar auch den zu Nöthigenden trifft; vgl. n. 5, §48 n. 30, Meves s. 207. — List ist hier nicht zur Gewalt zu rechnen: Schw. n. 1; contra: HStR. II, 122. — Daß die erzwungene Handlung unmittelbar auf die Gewaltanwendung folge, wird nicht gefordert. 5. Ueber den Begriff der „Bedrohung" vgl. § 48 n. 30. 31, § 106 n. 2. 3, § 126 n. 5, § 241 n. 2 und Schw.. GSaal XIX, 132. Dieselbe muß hier ein Ver brechen oder Vergehen zum Gegenstände haben; diesen steht ein militärisches Ver brechen (Vergehen) gleich: Mil.-StGB. §§ 1.2; demgemäß genügt die Bedrohung mit einer falschen Anschuldigung; war solche geeignet, als Zwangsmittel zu dienen, so schließt der Umstand, daß sich die Anschuldigung als falsch widerlegen ließ, die Bestrafung nicht aus: OT. 14. Apr. 55 c. Troost; desgleichen die Be drohung eines Kaufmanns mit dem öffentlichen Ausgebote einer von demselben verschuldeten Forderung, insoweit ein solches Ausgebot die öffentliche Kennzeichnung des Bedrohten als eines Schuldners, welcher sich der Erfüllung seiner Verbindlich keiten entziehe, mithin eine Beleidigung enthalten würde: OT. 3. Dez. 75 (O XVI, 772); vgl. § 185 n. 2 und andererseits Schütze s. 410. Zu den „Vergehen", deren Androhung der § unter Strafe stellt, gehört die Nöthigung selbst, deren Be griff der § ja eben erst aufstellt, wohl nicht und es ist daher die bloße Drohung mit Gewalt nicht schon als Bedrohung mit einem Vergehen zu erachten, die betr. Handlung muß vielmehr an sich und abgesehen davon, daß mit ihr gedroht wird, die sämmtlichen Merkmale eines Verbrechens rc. enthalten: Rill. 20. März 84 (E. X, 361); vgl. n. 7. Andererseits genügt es nicht, wenn sie sich blos ihrem ab strakten Charakter nach als Verbrechen rc. darstellt, wie z. B. eine nach § 193 straflose Beleidigung, eine durch Nothwehr oder erlaubte Selbsthülfe gerechtfertigte Gewaltthat: Rll. 30. Juni 82, Ri. 19. Nov. 81, Rill. 18. Juni 85, RIV. 4. Juli 84 (E. VI, 405; R. III, 500; VII, 402; A. X, 304); vgl. n. 3. — Die Bedrohung braucht kein vom Drohenden selbst zu verübendes Verbrechen rc. zum Gegenstände zu haben: Schütze s. 410, Bruck f. 51; noch auch mit der unmittelbaren Aussicht sofortiger Verwirklichung verknüpft zu sein: Darmst. 8. Febr. 75 (HE. s. 5). Eben sowenig wird erfordert, daß sie wider den zu Nöthigenden selbst oder einen seiner Angehörigen gerichtet sei: Rill. 21. Mai 81 (R. III, 317); vgl. n. 4; noch daß sie unmittelbar ihm gegenüber ausgesprochen werde, sofern sie nur bestimmt ist, zu seiner Kenntniß zn gelangen; vgl. §48 n. 30, § 241 n. 1, OlSh. n. 5. 6. Zum Thatbestände der „Nöthigung" gehört nicht, daß die Drohung ernst lich gemeint (d. h. mit dem Willen der eventuellen Ausführung gepaart), oder
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Thl. II. Abschn. XVIII. Verbr. u. Vergeh, w. d. pers. Freiheit. — § 241.
§ 341. Wer einen Anderen mit der Begehung eines Ver brechens bedroht, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. [I. (Sntro.: §213; n. Entw.: §236; Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. 1. — Pr. StGB. § 213.] Dgl. §§ 126. 240. 253. 254; GVG. § 75 Nr. 14. daß ihre Ausführung objektiv möglich fei, sofern nur hex Bedrohte beides annehmen konnte: 91111. 24. Dez. 79 (E. II, 286), OT. 11. Nov. 63 (D. IV, 164). Der Dolus besteht demnach in dem Bewußtsein, daß Letzteres der Fall und die Drohung widerrechtlich sei, 'verbunden mit der auf Erreichung des Zweckes mittels der Drohung gerichteten Absicht; ebenso: cit. Rill. 7. Causalität („durch Gewalt rc.") liegt vor, wenn ohne die Einwirkung eines solchen Zwangs der freie Wille des Betreffenden sich anders bestimmt haben würde; daß diese Causalität eine absolut nothwendige war, und daß keine anderen Causalitätsfaktoren daneben mitwirkten, ist nicht erforderlich: Rill. 23. Sept. 82 (A. VI, 436). — Eine Nöthigung, welche nicht durch Gewalt oder Bedrohung mit einem Vergehen rc., sondern durch Verübung eines solchen (z. B. einer Beleidi gung) bewirkt wird, fällt nicht unter den §: RG. 7. Nov. 79 (GA. 27 s. 457). 7a. Es liegt nur Ein Straffall vor, wenn durch einen einmaligen Gewaltakt (Drohung) der Andere zu einer Mehrheit von Handlungen genöthigt wird, sollten diese auch zu verschiedenen Zeiten vorgenommen werden. 8. Das Vergehen ist vollendet, sobald der Genöthigte mit dem ihm zugemutheten Verhalten den Anfang gemacht hat: Geyers.578. Dies gilt selbst, wenn jenes Verhalten in einer bloßen „Duldung" bestand (sollte sie auch nur kurze Zeit gedauert haben und erfolgreicher Widerstand ihr gefolgt sein), gleichviel, ob der Zwang durch Gewalt oder Drohung geübt wurde: Schw., SGZ. XIX, 134; contra: (in Betreff der Gewalt): Bruck f. 61. 9. In Betreff des Nöthigungsversuchs vgl. §114 n. 5. Macht sich Jemand nach einem erfolglosen Nöthigungsversuche durch eine neue selbständige Handlung eines erneuerten Versuchs oder des vollendeten Vergehens schuldig, so liegt Real konkurrenz vor; contra: John d. fortges. Verbr. s. 93. 10. Die Novelle hat durch Streichung des früheren Abs. 3 des § das Ver gehen aus der Reihe der Antragsvergehen geschieden, sonst Nichts geändert. 11. Ein Beamter, welcher eine Nöthigung durch Mißbrauch der Amtsgewalt verübt, wird ans den §§ 339. 358 bestraft. 12. Tritt zu dem im § 240 aufgestellten Thatbestand der „Nöthigung" die Absicht der Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvortheils hinzu, so liegt Erpressung (§ 253) vor. 13. Hat die Nöthigung die Theilnahme an einer Vereinigung von Gewerbtreibenden oder Arbeitern zur Erlangung günstigerer Lohn- oder Arbeits bedingungen, oder die Hinderung des Rücktritts von einer solchen Vereinigung zum Gegenstände, so liegt in Jdealkonkurrenz auch der (niilder bestrafte) Thatbestand des im § 153 der Gew.-O. vorgesehenen Vergehens vor; dieses letztere Vergehen sann aber auch durch Ehrverletzungen oder Verrufserklärnngen verübt werden; ferner be darf es keines Zwangs rc., es genügt ein „Bestimmen" sowie der Versuch eines solchen; vgl. § 210. 14. In Betreff des Unternehmens der Nöthigung des Schiffers durch einen Schiffsmann vgl. Seem.-O. v. 27. Dez. 1872 §§*88-91 und HStR. I, 103. 15. Ueber das Verhältniß des § 240 zu § 17 des Pr. FFP.-Ges.'s vgl. Rll. 10. Okt. 82 (E. VII, 116). — Im Uebrigen vgl. § 176 n. 26.
§ 241.
1. Das hier vorgesehene Vergehen muß gegen „einen Anderen", d. h. gegen individuell bestimmte Personen gerichtet sein; demgemäß fällt z. B. die Be drohung der gesummten Einwohnerschaft eines Orts nicht unter § 241 (sondern, je nach Umständen, unter §126): Münch. 6. Dez. 80 (BE. 1,262). — Der „Andere" braucht keine willensfähige Person 311 sein, er muß aber int Allgemeinen befähigt sein, Bedrohungen als solche zu empfinden: Olsh. n. 5; vgl. unten n. 2. 9. 2. Ueber den Begriff der Drohung und „Bedrohung" vgl. § 48 n. 30. 31, § 106 n. 2. 3. Die Drohung kann daher auch durch konkludente Handlungen
Thl. II. Abschn. XVIII. Verbr. u. Vergeh, w. b. pey'. Freiheit. — § 241.
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geschehen: RIV. 18. Mai 86 (R. VIII, 362), OT. 5. Febr. 79 (O. XX, 73), muß aber nach den Umständen des konkreten Falls geeignet sein, bei dem Bedrohten die Furcht vor der Verwirklichung hervorzurufen; vgl. Geyer, HH. III, 583; contra: RI 24. Febr. 81 (E. IV, 10); trifft dies zu, so kommt es auf die Tauglichkeit des Mittels nicht an: OT. 5. Okt. 76 (GA. 24 s. 581: Drohung mit einer ungeladenen Pistole), noch darauf, ob die Drohung ernstlich gemeint war; vgl. § 240 n. 6, Jena (Voll. 26 s. 168). — Derjenige, an welchen sich die Drohung richtete, muß von derselben mit dem Willen des Drohenden (n. 8) Kenntniß erlangt haben; es ist dann gleichgültig, ob dies unmittelbar durch die Kundgebung des Drohenden selbst, oder demnächst durch die Mittheilung Anderer bewirkt ist; ebenso: Münch. 23. Nov. 82 (BK. II, 261). Dagegen ist der Thatbestand nicht erfüllt, wenn nur dritte Per sonen, an welche die Kundgebung nicht gerichtet war, von derselben Kenntniß er langten, sollte auch dadurch für sie eine Störung ihres Rechtsfriedens herbeigeführt sein; in solchem Falle kann eine Bestrafung nur aus § 126 hergeleitet werden. 3. Aus den Worten „mit der Begehung eines Verbrechens" ist nicht zu folgern, daß die Drohung ein vom Droher selbst zu begehendes Verbrechen zum Gegen stände haben müsse; so: RI. 1. Mai 82 (K. IV, 422), Olsh. n. 1 (unter Bezug nahme auf die Materialien). Doch fordert Rill. 30. Nov. 81 (E. V, 214), daß das Verbrechen immerhin als ein vom Droher herbeizuführendes Uebel in Aussicht gestellt werde. 4. Das in Aussicht gestellte Uebel muß (objektiv) ein „Verbrechen" dar stellen, und als solches dem Bedrohten erkennbar gemacht sein. Hiernach genügt die Bedrohung mit einem einfachen Diebstahl nicht, selbst wenn er für den eventuellen Thäter (wegen seiner Rückfälligkeit) den Charakter eines Verbrechens annehmen würde; ebenso: Brucks.49, Olsh. n. 1; contra: Geyer, HH.IV,395, Villn., GA. 24 s. 123 (falls der Drohende den Bedrohten von seiner zweimaligen Bestrafung be nachrichtigt habe). Dasselbe gilt um so viel mehr von einer That, welche zwar objektiv ein Verbrechen darstellen, aber unter den konkreten Umständen, z. B. wegen Nothwehr, straflos sein würde; vgl. n. 7, §240 n. 5. — Münch. 10. Juni 80 (BE. I, 25) erachtete die Androhung einer Körperverletzung (mittels einer Schußwaffe) für genügend, wenn dieselbe nach den Umständen des konkreten Falles leicht die in den §§ 224. 226 vorgesehenen Folgen nach sich ziehen könnte P]. Der ausdrücklichen Feststellung der Art bzw. Gattung des angedrohten Verbrechens bedarf es nicht, sofern nur das Urtheil die Thatsachen bezeichnet, in welchen jenes gefunden wird: Rill. 22. Juni 81 (E. IV, 326). 5. Durch Hinzufügung einer Bedingung zur Drohung wird der Thatbestand des § nicht nothwendig ausgeschlossen, zumal wenn jene in eine künftige Handlung des Bedrohten gestellt ist: Rill. 14. Juli 80, RIV. 4. Juli 84, 18. Mai 86 (A. II, 307; X, 304; R. VIII, 362). Dies soll zwar nach dem cit. RlV. 4. Juli 84 wohl der Fall sein, wenn der Bedrohte gar nicht beabsichtigt habe noch (füglich) in die Lage kommen könne, jene Handlung vorzunehmen, weil derselbe alsdann durch die Drohung nicht betroffen, mithin sein Rechtsfriede nicht gestört werde; vgl. jedoch n. 9. Durch eine der Drohung beigefügte Bedingung kann die That den Charakter der Nöthigung (§§ 240. 114) annehmen. 6. Die Androhung eines sofort zu vollziehenden Verbrechens ist, wenn der Vollzug sofort stattfindet, straflos, weil ihr dann jede selbständige Bedeutung mangelt: v. Jagemann, BA. 44 s. 110; vgl. Carlsr. 26. Jan. 80 (BA. 46s. 101: nahm dasselbe an bezüglich einer während einer Schlägerei von einem der Mißhan delnden ausgestoßenen Drohung); es sei denn, daß die Verübung des Verbrechens nur als Verstärkung der Drohung wirken soll und daher zugleich als Ankündigung weiterer Verbrechen auftritt; so: Geyer 1. c. 6a. Der Thatbestand ist nicht durch eine ausdrücklicher Feststellung bedürfende Gefährlichkeit der Drohung bedingt: OT. 15. Dez. 74 (O. XV. 869). 7. Eine Drohung, welche sich als Akt der Nothwehr darstellt (§53 n. 12a), fällt selbstredend nicht unter den §: RII. 3. Mai 87 (GA. 35 s. 200); vgl. n. 4, v. Jagemann s. 109, GA. IX, 567. 8. Der Dolus besteht hier in dem Willen zu drohen, verbunden mit dem Bewußtsein, daß die Drohung von dem Bedrohten für ernstlich gemeint gehalten werden könne bzw. daß sie geeignet sei. dessen Rechtsfrieden zu stören; einer weiter gehenden Absicht bedarf es nicht; ebenso: Rill. 15. Nov. 79, RIV. 18. Mai 86 Oppen Hof f, D. Strafgesetzbuch. 11. Aust.
35
Thl. II. Abschn. XIX.
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Diebstahl u. Unterschlagung. — § 242.
Neunzehnter Abschnitt. Diebstahl und Unterschlagung.
§ 242» Wer eine fremde bewegliche Sache einem Anderen (R. I, 73; VIII, 362); contra: RI. 24. Febr. 81, RIV. 1. gebt. 87 (E. IV, 10; GA. 35 s. 56: der Wille müsse darauf gerichtet sein, im Bedrohten Furcht vor der Verwirklichung der Drohung hervorzurufen), Munch. 14. Nov. 81 (BE. I, 553); ähnlich: v. Buri, GSaal 29 Beil. s. 84; vgl. Stuttg. 10.Okt.77 (WGbl. XIV, 109); auch wird nicht erheischt, daß der Drohende das in Aussicht gestellte Uebel selbst als ein Verbrechen erkannt habe; ebenso: Bind. II. 534. Was den Willen zu drohen betrifft, so reicht schon eine blos unbestimmte Absicht hin, bei welcher der Thäter es darauf ankonimen läßt, ob die Drohung zur Kenntniß des Bedrohten gelange oder nicht; so: Dresd. 3. Dez. 77 (SGZ. 22 s. 214: der Angeklagte hatte, aus dem Wirthshause geworfen, die Drohworte zum Fenster hineingerufen). 9. Das Vergehen wird durch die Bedrohung, bzw. durch die Kenntnißnahme derselben seitens des Bedrohten vollendet; daß dieser die Bedrohung als eine ernstlich gemeinte betrachtet und sich vor derselben gefürchtet (§ 126) oder auch nur Verständniß von ihrer Bedeutung gehabt habe, wird hier nicht erheischt; vgl. RI. 24. Febr. 81, 21. Sept. 82 (E. IV, 10; R. IV, 705), 91111. 15. Nov. 79 und Münch 14. Nov. 81 (eilt. n. 8), Stuttg. 17. März 75 (WGbl. IX, 374); contra: v. Liszt s. 329. — Demzufolge ist am Orte jener Kenntnißnahme der Gerichtsstand der be gangenen That begründet: Münch. 23. Nov. 82 (eit. n. 2). 10. Die Aenderung des § durch die Novelle entspricht derjenigen des § 240 vgl. dort n. 10. 11. Bedingte Zuständigkeit der Schöffengerichte: GVG. § 75 Nr. 14. § 242. Absicht: 40—46. 60. • d. Benutzung: 6. 41. d. Bereicherung: 45. • .Gewinns.: 44. 45. 60. • Psandnahme: 41. 45. • Verpfandung: 41. 42. • Verschenken: 42. Zerstörung: 4. 41. • Zueignung: 2. 4. 41. 42. 43. 45. Auftrag: 21. 36. Baum: 21. 36. 55. 60. Bernstein: 8. Besitz vgl. Gewahrsam. Besitzer, redl.: 7. Betrug: 42. Bewußtsein: 40. Bienen: 10. 20. Blutegel: 10. Bodencrzeugn., vgl. Feldfrüchte. Brief. Postbeamter: 22. Diebstahl, Bear.: 1. 44. 45. • einfacher: 49. Dienstbote: 21. 27—29. 31. Dolus: 40—46. 60. Dünger: 11. 12. 53. Ehrenrechte: 49. Eier: 10. Eigenthum: 6. 7. Einbruch, Einsteigen: 49. Einwilligg. d. EigthrS.: 35. 36. d. Inhaber-: 34. • erzwungen: 34. Entgelt: 46. Entwenden: 1. 44. 54. Erbschaft: 16. 31. Erlaubniß: 34—36. Eßwaare: 44.
Inhalt: Feldfrüchte: 14. 50 ff. • aufgeladen: 57. « geerntet: 57. Schober :c.: 56. • Wemb, Quantität: 52. Feld-Pol.-Gess.: 44. 50—61. Feststellung: 1. 6. 16. 59. 59. • Gewinnsucht: 58. 59. Fischereirecht: 9. Furtcrdiebsrahl: 45. GaS: 3. 18. Gebrauch, rechtswidriger: 6. 41. Gebrauchsdiebstahl: 6. 41. Gefangener: 23. 41. Gehege: 9. 12. Gehülfe: 46. 49. Geldwerth: 2. Gemeinschaftlichkeit: 6. 37. 46. Gewahrsam: 16. Gewahrsam, Anvertrauen an An dere: 21—29. • Albeiter :c.: 21. 27—29. • Brief: 22. • Behältniß, verschloss.: 31. • Bienen: 10. 20. • Dieb: 30. • Dienstbote: 21. 27—29. 34. • Entfernung: 18. 27 ff. • Forstaufseher: 21. • Fuhrmann: 18. 28. • GaS: 3. 18. • Gast: 24. 25. • Gasthof: 25. • Gefangener: 23. ■
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• •
Handlnngsdiener: 21. 27—29. Heerde: 28.
Gewahrsam, Hund: 16. - Irrthum: 19. 34. 40. 43. • Kind: 16. « Ladengehülfe: 21. 27—29. « Nachlaß: 16. 31. - Nähe: 18. • Niemandes: 16. • Räumlichst.: 17.31.23. 29.39. - Rechtmäßigkeit: 30. • Stellvertreter: 21—29. • Schäfer: 28. • Schwachsinniger: 16. • Thiere: 9. 10. 12. 16. 17. 20. 21. • Uebergabe: 16. • Vergessen: 19. - Verlust: 18-29. - wessen t 16. • Winen: 17. • Zurücklassen: 18. 19. Gewinnsucht: 44. 45. Grab: 8. 32. Grundstück: 14. 15. Haare: 14. 16. Handelsgesellschafter: 6. Hehlerei: 48a. Heimlichkeit: 38. Hirt: 28. Holz: 54; vgl. Baum. Holzdiebstahl: 54. 58. Honig: 10. Jagdrecht: 9. 12. Jnnehabung, vgl. Gewahrsanu Irrthum: 19. 34. 40. 43. Kehricht: 11. 14. 53. Leiche: 8. 32. Leuchtgas: 3. 18. Luft: 3.
Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl u. Unterschlagung. — § 242.
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in der Absicht wegnimmt, dieselbe sich rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Diebstahls mit Gefängniß bestraft. Der Versuch ist strafbar. [I. Entw.: §§ 215. 216; II. Entw.: § 237; Pr. StGB.: §§ 215-217.] Vgl. §§ 243
bis 245. 247. 248. 32. 370 Nr. 2. 5.6; Mil.-StGB. §§ 127—136.138.160. 161; EL. EG. Art. 12; GVG. §§ 27. 28. 75. Preußen: Vgl. Forstdiebst.-Ges. §§ Iff.; FFP.-Ges. §§ 1-8. 18—25. 68. Mineral: 8. Mitbesitz: «. 37. Miteigenthümer: 6. Mitthäter: 3t*. 4»>. Nachlaß.- 7. 21. 31. Nest: 10. Nutzungsberechtigter: 7. Okkupation: 3. 6—11. Pachter: 7. Pfand: 41. 45. Quittung: 4. 7. 34. Rechteiridrigkeit: 30. 34—36. 41—42. Rural-Geseh (Rh.): 51. Sacke: 2 ff. . bewegliche: 13—15. ■ Bezeichnung: 5. • fremde: 6. 7. 40.
• bcnenlofe: 8ff. >
für sich bestehende: 14.
Sache, unbewegliche: 14. 15. - Theile: 14. - unt-'rperliche: 2. • veigessene: 19. • verlorene: 18—20. • werthlese: 3. Schabernack: 44. Schriftstück: 4. Stellvertreter: 21—29. Straßenkoth: 11. 14. Stroh: 57. Tauben: 20. Teich: 9. 10. Theilnahme: 46.48.1. Thierfang: 9—12. 20. Tors: 55. Uebergabe: 16. 33. Unmündiger: 33. Unterschlagung: 21. 31. Urkunde: 4. 7.
Verfügungsgewalt: 16—31. Vergessen: 19. Verhältniß zu § 370 Nr. 5: 44. 47. Verkauf einer fremden Sache: 42. Verschenken: 42. Verstecken: 39. Versuch: 39. 48. Verzehren: 33. Vollendung: 39. Wachs: 10. Wasser: 3. Wegnahme: 16 ff. 33—39. • berechtigte: 34—36. Werther-satz: 48 b. Wiese: 52. Wild: 9. Zerstörung: 4. 41. Zueignung: 2. 4. 41—43. 43. • unentgeltliche? 45. Zuwenden an Dritte: 42.
1. Der Begriff „Diebstahl" (Stehlen) ist an sich ein allgemein bekannter; die ihm im gemeinen Leben beigelegte Bedeutung stimmt mit der.Gesetzesdefiuition überein. Gleichwohl hat der Richter auch hier alle Begriffsmerkmale ausdrücklich festzustellen: StPO. §§ 266. 293; so insbesondere die Absicht der rechtswidrigen Zueignung: Rl. 14. Zuni 80 (R. II, 63). Dagegen braucht die thatsächliche Fest stellung die gestohlene Sache nicht naher zu bezeichnen; vgl. n. 48. 2. „Sache" ist hier jeder körperliche Gegenstand; das; er einen nach Geld schätzbaren Werth habe, ist nicht erforderlich: OT. 23. Juni 69, Dresd. 6. Juli 74. 10. Jan. 79 (O.X, 442; StZ. IV, 364; SGZ. 23 s. 148), HStR. II, 281, v. Buri. GSaal 30 s. 418; contra: John, Z. f. StR. I, 267. Die Wegnahme eines für werthlos erachteten Gegenstandes ist nur insoweit straflos, als es dabei an der Absicht einer rechtswidrigen Zueignung fehlte. — An unkörperlichen Sachen (Rechten, Gedanken, z. B. literarischem Eigenthum, technischen Geheimnissen) kann ein Dieb stahl nicht verübt werden, wohl aber an einem (die Gedanken rc. enthaltenden) Manuskripte; vgl. § 246 n. 3a, BL. s. 500. 3. Demgemäß können auch Wasser, Luft (z. B. erwärmte Luft, Leuchtgas), sobald sie sich in fremdem Eigenthume und Gewahrsam befinden, gestohlen werden: RII. 11. Mai 86 (E. XIV, 121), OT. 9. Jan. 63, 8. Sept. 65, 11.* April 66 (O. III, 201; V, 339; VII, 213); 7. Febr. 78 (ib. XIX, 61: gleichviel, ob der Thäter gleiches Wasser aus andern Theilen derselben Wasserleitung unentgeltlich hätte entnehmen dürfen). Dazu genügt aber die einmalige Benutzung der Triebkraft des Wassers nicht (es fehlt die Zueignung): OT. 29. Sept. 70 (O. XI, 492). Ebensowenig ge hört hierher der Eingriff in ein fremdes ausschließliches Wasser-Okkupationsrecht; vgl. n. 8 ff. 4. 5. Dasselbe gilt von Urkunden und sonstigen Schriftstücken rc., selbst wenn sie nicht als geldwerthes Papier oder als merkwürdige Handschrift einen Werth haben: OT. 24. Juni 53 c. Lantzke (D. eines Telegramms); OT. 13. Febr. 54 c. Benze (D. einer Paßkarte); OT. 24. Febr. 58 c. Lehmann (D- eines Wechsels); RII. 11. Febr. 81, OT. 29. Oft. 62, 6. März 63. 5. Oft. 65, OA. 14. Oft. 68 (E. III, 344; O. III, 91. 322; VI, 360; IX, 553: Unterschlagung eines Hypotheken dokuments, bzw. Pfandscheins), Rl. 1. Mai 84, RIV. 19. Juni 85 (E. X, 369; XII, 313: D. eines Sparkassenbuchs, N. eines Schuldscheins). OT. 29. Okt. 73 (GA. XXI, 549: U. eines Jnhaberpapieres), OT. 19. Nov., 25. Juni 74, 27. Juni 76 (O. XV, 803. 442; XVII, 459: D. eines unterzeichneten, aber noch unausgefüllten Wechselformulares, D. einer Quittung, selbst einer solchen, welche erst nach 30 Tagen Beweis liefert, und bis dahin durch Zurückforderung bzw. Protest unwirksam ge-
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Thl. II. Abschn. XIX.
Diebstahl 11. Unterschlagung. —- § 242.
macht werden kann); vgl. n. 2.41, § 246 n. 3, CPO. §§ 722ff. — Geschieht die Wegnahme einer Urkunde nicht in der Absicht der Zueignung (um von derselben als Eigner Gebrauch zu machen), sondern lediglich in der. dem Eigenthümer ein Beweismittel zu entziehen, so kann nur § 274 Nr. 1 Anwendung finden; ebenso: RII. 26. San. 83 (E. VIII, 79). 6. Die Sache muß eine „fremde" sein, sie mutz also im Eigenthnme eines Andern stehen: OT. 23. Oft. 67 (O. VIII, 629); eine Feststellung: „die Sache habe dem Angeschuldigten nicht gehört" würde zur Anwendung des § nicht genügen. Die Wegnahme der eigenen Sache zum Nachtheile eines anderen Berechtigten kann mir unter § 289 fallen (einen Gebrauchsdiebstahl kennt das StGB, nicht; vgl. aber n. 41). Die Wegnahme der eigenen Sache in der irrigen Meinung: sie sei eine fremde, wäre nur ein Putativvergehen: Schütze s. 426; contra: HS. II, 424 (hält einen Versuch für möglich). — Der Mit-Eigenthümer (Miterbe, die in Güter gemeinschaft lebende Ehefrau) kann an einer Gemeinschaftssache einen Diebstahl be gehen, vorausgesetzt, daß er nicht den ausschließlichen Gewahrsam derselben hatte (im entgegengesetzten Falle kann er nicht „wegnehmen", sondern nur unterschlagen: n. 37): RII. 12. Apr. 81, Rill. 27. März 84 (E. IV, 83; R. VI, 239), OT. 25. Apr. 73, 6. Nov. 77 (O. XIV, 311; XVIII, 696: im Gebiete des Nh. Rechts ständen die Artt. 883. 792 des C. civil diesem Sahe nicht entgegen), HStR. II, 283. Ebenso ein Handelsgesellschafter, selbst, wenn er zu allen Rechtshandlungen für die Gesellschaft befugt ist: OT. 2. Mai 73 (O. XIV, 332). —. Die Feststellung, daß die Sache eine „fremde" war, genügt, der namentlichen Bezeichnung des Eigenthümers bedarf es nicht. 7. Die Frage des Eigenthums und des Eigenthumsüberganges ist nach den maßgebenden Civilgesehen zu lösen (: Rill 27. März 84, cit.‘ n. 6), die desfallsige Feststellung daher, unter der Behauptung der Verletzung eines Civilgesehes, mittels der Revision anfechtbar: StPO. § 376, Oppenh. Pr Strafvers. s. 516. — Der C. civ. urt. 1138 läßt bei Translativgeschäften das Eigenthum durch den Ver tragsabschluß ohne Uebergabe übergehen. — Gemäß § 221 I, 9, Pr. AM. er wirbt der Nutzungsberechtigte das Eigenthum an den hängenden Früchten mit ihrer Entstehung; dasselbe gilt vom redlichen Besitzer (§ 189 I, 7 ib.): OT. 20. Suli 73 (O. XIV, 449): in beiden Fällen kann der Eigenthümer der fruchttragenden Sache einen Diebstahl an den Früchten begehen. — Der Gläubiger, welcher eine ihm vom Schuldner zur Unterschrift vorgelegte Quittung unterzeichnet, erlangt dadurch das Eigenthum an derselben; jener kann sie stehlen, solange sie ihm nicht übergeben ist: OT. 31. Oft. 73 (O. XIV. 679). Dagegen begeht im Bereiche des Pr. Ges.'s v. 12. ZulL 1875 der minderjährige Haussohn, welcher die von ihm ohne väterliche Ge nehmigung, mithin unwirksam veräußerten Gegenstände dem Käufer wieder ent wendet, keinen Diebstahl: RH. 18. Dez. 83 (R. V, 792). — Nach dem Pr. AM. (I, 11, § 579) läßt sich nicht aufstellen, daß das Eigenthum an dem vorher deponirten Betrage einer gewonnenen Wette erst durch Richterspruch übergehe: OT. 23. März 75 (O. XVI, 253). — Nachlaßsachen sind für jeden Nichterben fremde Sachen, sollte die Erbschaft auch noch nicht angetreten sein; vgl. jedoch n. 16. 8. An herrenlosen Sachen ist kein Diebstahl möglich. Das trifft zunächst zu bei den von ihrem bisherigen Eigenthümer preisgegebenen (derelinquirten) Sachen (: RII. 29. März 81. R. III, 174: betr. die verscharrten Kadaver wegen der Rinder pest konstszirter und getödteter Thiere), zu denen jedoch nicht ohne Weiteres die von den Angehörigen eines Verstorbenen der Leiche mit in's Grab gegebenen Gegen stände gehören: OT. 9. Dez. 63, Dreöd. 24. Aug. 77 (O. IV, 249; SGZ. 22 f. 168); vgl. n. 32. Dasselbe gilt nicht minder von den bisher in Niemandes Eigenthum gewesenen Sachen, sollte auch dem Staate oder einem Privaten das ausschließliche Recht zu ihrer Besitznahme (Okkupation) zustehen; der Eingriff in dieses Recht kann nur aus einem dies besonders vorsehenden Strafgesetze geahndet werden: Mot. s. 139; Münch. 23. Mai 73, 19. Sitnt 76 (BE. III, 254; VI, 295); Pr. Gess. v. 26. März 1856 und 22. Febr. 1867 (die unbefugte Gewinnung von Mineralien und Bernstein betr.). Vgl. n. 12. 9. Demgemäß ist die unbefugte Besitznahme der dem Sagd- und FischereiRechte unterworfenen Thiere kein Diebstahl, sondern zum Gegenstände besonderer Strafvorschriften gemacht: §§ 292 ff. 368 (Nr. 10. 11 ), 370 (Nr. 4). Diese Vor schriften scheiden aus und die Diebstahlsfrage greift Platz, wenn sich das Wild in
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einem umzäunten Gehege (: Rill. 6. Dez. 79. R. I, 120) oder die Fische in einem Behältnisse oder Teiche befanden. Die größere oder geringere Ausdehnung des Teiches rc. rc. ist dabei unwesentlich: OT. 17. März, 6. Nov. 73 (£>. XIV, 377. 692: das letztere nahm dasselbe in einem Falle an, wo zwei verschiedenen Eigen thümern gehörende, unter sich durch keine Abschließung getrennte Waldreviere zu sammen eingehegt waren); contra: JKanzl. Schwerin (GSaal 25 s. 57), Rotering, GSaal 35 s. 363; vgl. auch das unten cit. Rill. 16. Apr. 83 (Mot.). Ferner ist es keineswegs erforderlich, daß das Gehege den Voraussetzungen eines umschlossenen Raumes (§ 243 Nr. 3. 7) entspreche: es können in dasselbe (für Menschen) unver schlossene Thüren führen, sobald sie nur den Thieren nicht den freien Ein- und Aus tritt gestatten: Rill. 16. Apr. 83 (E. VIII, 273: es komme lediglich darauf an, ob sich die Thiere im Besitze des Okkupationsberechtigten befänden, was sich auf Grund des int betr. Landestheile geltenden Civilrechts nach den thatsächlichen Verhältnissen des einzelnen Falles und zwar, schon wegen der verschiedenen Verhältnisse der Einparkung sowie wegen der großen oder geringen Ausdehnung des umzäunten Raumes, möglicher Weise verschieden beurtheile), OT. 17. Dez. 57 (GA. VI, 117); ebenso wird der Begriff des Geheges nicht nothwendig durch einzelne Lücken in der Umschließung oder durch ein gelegentliches Offenbleiben der Thhren aufgehoben, es kommt in jedem Einzelfalle darauf an, wie nahe die dadurch gebotene Möglichkeit der Entfernung des Wildes liegt: OT. 18. Jan. 66, 21. Oft. 68, 13. Nov. 69 (O. VII, 30; IX, 573; X, 765). Daß fremde Menschen innerhalb des Geheges woh nen, ist gleichgültig: OT. 9. Febr. 75 (ib. IX, 108). Die Umschließung des Raumes kann auch in ausreichender Weise durch einen Fluß bewirkt sein: OT. 31. Mai 67, 4. März 68 (ib. IX, 167. 168), 9. Febr. 75 cit. Ueberhaupt genügt jede Umzäunung, welche ohne den Austritt des Wildes gerade absolut unmöglich zu machen, denselben dennoch regelmäßig und von außergewöhnlichen Veranlassungen abgesehen zu ver hindern pflegt: OT. 9. Febr., 10. Mai 75 (O. XVI, 108. 861). — Ein Teich ist ein umschlossener und daher die freie Fortbewegung der Fische in das zu- und ab fließende Wasser hindernder Wasserraum, welcher bestimmungsmäßig zur Aufbe wahrung lebendiger Fische dient: OT. 17., 30. März 65, 7. Okt. 68, 28. Apr. 69 (O. VI, 9. 41; IX, 542; X, 270); contra: RII. 5. Febr. 84 (E. X, 78: nach §§ 176ff., I, 9 des Pr. ALR.'s befänden sich die Fische in jedem nicht über die Grenze des Grundstücks reichenden geschlossenen Gewässer, ohne Rücksicht auf die Bestimmung und Größe des letzteren, int Eigenthumsbesitze des Grundstücksbesitzers und seien daher stets Objekte eines eigentlichen Diebstahls; gleichzeitig sprach das RG. aus, daß der Begriff eines geschlossenen Gewässers nicht auf solche Gewässer zu be schränken sei, denen es zu jeder Zeit, auch bei Hochwaffer, an einer für den Wechsel der Fische geeigneten Verbindung fehle.) Das von einem Teiche Gesagte ist auf einen (nicht zur Aufbewahrung von Fischen bestimmten) Wasserpfuhl nicht auszu dehnen; dasselbe nahm OT. (Pl.) 11. Jan. 58 (JMbl. s. 98) von einem PrivatLandsee an; ebenso: Rotering 1. c. s. 361; contra: cit. RII. 5. Febr. 84 (Mot.). — Vgl. n. 12. 10. Noch weniger kann ein Diebstahl an solchen Sachen verübt werden, tvelche der freien Okkupation unterliegen, z. B. an abgeworfenen Hirschgeweihen (OT. 19. Okt. 75, O. XVI, 664; vgl. jedoch Meves s. 250), an den dem freien Thier fange nicht entzogenen Thieren, sowie an den Nestern und Eiern nicht jagdbarer Vögel. Das gilt auch von den in einem fremden See befindlichen Blutegeln; vgl. Hann. Pol.-StGB. v. 29. Mai 1867 § 262; dagegen ist es Diebstahl, wenn Blutegel aus einem zur Zucht bestimmten Teiche (n. 9) weggenommen werden: OT. 29. Nov. 54, 21. März 55 (GA. III, 133. 718). Aehnlich verhält es sich mit dem Honig und dem Wachs wilder Bienen, sollten sie sich auch in einer mehr oder weniger festen Verbindung mit einem fremden Baume befinden; sie werden dadurch nicht ein Zuwachs des Baumes und gelangen nicht in den Gewahrsam des Be sitzers des letzteren: OT. 2. Okt. 57 (GA. V, 836). Vgl. n. 12. 11. Anders verhält es sich mit dem Straßenkot'h; er bildet einen Theil der Straße; vgl. n. 14; contra: OT. 13. Mai 68 (O. IX, 328). 12. An ursprünglich herrenlosen Sachen (n. 8—10) ist ein Diebstahl von dem Augenblicke an möglich, wo ein Anderer sie (berechtigter oder unberechtigter Weise) durch Okkupation in seine Verfügungsgewalt gebracht und dadurch das Eigenthum (sei es für sich, sei es für den Berechtigten, vgl. § 246 n. 4) erworben
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hat: OT. 31. Mai 67 (O. VIII, 357). Das ist anzunehmen, sobald ein bis dahin herrenloses Thier sich in einer von einem Andern (wenn auch Unberechtigten) ge legten Schlinge (Reuse rc.) gefangen hat, sollte jener auch noch keine Kenntniß da von erlangt haben: OT. 30. Sept. 69. 18. März 74 (O. X, 604; XV, 154), nicht aber, wenn ein Wild das ihm vom Jagdberechtigten gelegte Gift zu sich genommen hat, und in der Nähe, innerhalb des Jagdbezirks, verendet ist: RII. 24. Okt. 79 (R. I, 14).
12a. Der Soldat, welcher in Feindesland eine freiitbe, den gesetzlichen Vor aussetzungen einer „Beute" nicht entsprechende Sache wegnimmt und sich zueignet, begeht einen Diebstahl und kein unbefugtes Beutemachen: OT. 7. Mai 74 (O. XV, 292). 13. „Beweglich" ist jede Sache, welche fortbewegt und sonach weggenom men werden kann; die civilrechtlichen Vorschriften sind hier nicht maßgebend; auch alle nach dem Civil-Gesetz für unbeweglich erachteten bewegbaren Pertinenzstücke eines Jmmobile's gehören hierher. 14. Es ist nicht erforderlich, daß die Sache vorher schon als für sich be stehender bewegbarer Gegenstand existirt habe; Diebstahl liegt auch dann vor, wenn dieselbe bis dahin mit einer andern (unbeweglichen oder beweglichen) Sache oder mit der Persoll des Inhabers (z. B. die Haare; contra: WGbl. V, 244) verbunden war und erst durch den Wegnehmenden selbst getrennt und dadurch zu einer für sich bestehenden beweglichen Sache gemacht wird z. B. die Dielen in einem Hause rc. rc.: Rill. 1. Okt. 81 (E. V, 42), OT. 22. Febr. 66 (O. VII, 123). Das selbe gilt von der unbefilgten Wegnahme eines Theiles der Substanz eines Grund stücks (3. 39. der Erde, Steine rc.) oder der aufstehenden Früchte (z. B. der Trau ben am Stock: Stuttg. 10. Jan. 77, WGbl. XII, 409); unter Umständen selbst der Blumen: Dresd. 3. Aug. 74 (SGZ. XIX. 49), insofern nicht ein anderes Gesetz, z. B. ein in Geltung verbliebenes Forst- oder Feldpolizeigesetz, eine andere Be strafung androht; vgl. n. 50ff., § 370 Nr. 2; contra: Wolfenb. 27. Okt. 71 (StZ. I, 134: hielt geringfügige Feldentwendungen, welche nicht durch ein Feldpolizeigesetz vorgesehen sind, für straflos. — Auch hier ist selbstverständlich, daß Derjenige, wel cher ein fremdes Grundstück (Gebäude) inne hat, 3. 53. der Miether eines ganzen Hauses oder eines selbständigen Gebäudetheils, Bestandtheile desselben nicht weg nehmen, also nicht stehlen, sondern mir unterschlagen kann: cit. Rill. 1. Okt. dl, OT. 20. Mai 73 (O. XIV, 384); vgl. übrigens n. 17 a. E. 15. Dagegen gehören ähnliche Handlungen, durch welche von einem Grundstücke Theile desselben getrennt werden, ohne ihnen die Eigenschaft der Unbeweg lichkeit zu nehmen, nicht hierher; z. B. das Verrücken von Grenzsteinen (§ 274 Nr. 2), Abgraben und Abpflügen (§ 370 Nr. 1). 16. Wesentlich ist, daß der Dieb die fremde Sache „einem Andern weg nehme". Dieser muß sich also im berr. Augenblicke in ihrer Jnnehabung kefinden, die volle Verfügungsgewalt über sie haben; vgl. § 246 (: „Besitz oder Gewahrsam"), Rill. 17. März 84 (E. X, 257); contra: Antrag der RAnwaltschaft schaft (ib.: der „Andere" könne daher auch ein VermHensbegriff, 3. B. eine hereditas iacens sein). Für die Bestimmung dieser Begriffe darf nicht auf die civ.lrechtlichen Grundsätze über „Besitz" oder „Gewahrsam" zurückgegangen werden: ins besondere ist die bei jener Jnnehabung obwaltende Willensrichtung nicht entschndend, vielmehr kommt es lediglich auf das thatsächliche (äußere) exklusive Verhältniß zur Sache, auf das physische Vermögen ausschließlicher thatsächlicher Herrschastsausübung hinsichtlich derselben an: Rill. 1. Okt. 81, Rll. 7., 13. Dez. 81 (E. V, 42. 218. 222), Schütze s. 428; vgl. § 246 n. 24ff., Rotering. GSaal 35 s. 351; contra: HStR. II, 284, Merkel, HH. III, 641, Olsh. n. 16. Nach diesem tbatsäch. lichen Machtverhältniß ist auch die Frage zu beurtheilen, ob die Jnnehabung auf einen Andern übergegangen sei: sonach genügt dazu nicht die in einem Vertrage zur Bewirkung des Eigenthnmsübergangs abgegebene Erklärung: „die Uebergabe werde beiderseits als erfolgt angenommen" (Pr. ALR. 1,7 §70ff.): OT. 26. Febr., 4. De;. 68 (O. IX, 155. 697). — Jene Jnnehabung setzt eine menschliche Persönlichkeit voraus (L. 1 § 15, D. 47, 4); so: cit. Rill. 17. März 84; sie kann bei einen Kinde oder Geistesschwachen sein (vorausgesetzt, daß der Geistesschwache des Willens, die körperliche Herrschaft über die Sache auszuüben, int natürlichen Sinne fähig ist; so: Rill. 19. Juni 80 (E. II, 332); contra: HStR. II, 289, nicht aber b;t
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einem bewachenden Hunde; dagegen kann ein Mensch durch den bewachenden Hund seine Jnnehadung ausüben. — Waltet jenes thatsächliche Machtverhältniß ob, so ist es gleichgültig, in welcher Lage sich die Sache befindet, ob sie z. B. zur Zeit mit einer unbeweglichen Sache (: cit. Rill. 1. Olt. 81) oder selbst mit der Person des Inhabers fest verbunden ist (die Haare rc. vgl. n. 14). — Im Urtheile bedarf es nicht nothwendig der namentlichen Bezeichnung desjenigen „Andern", welchem die Sache weggenommen wurde: OT. 4. Okt. 61 (O. I, 575) noch der besonderen Feststellung des Gewahrsams dieses Anderen zur Zeit der That, da solche ja schon in der Feststellung der Wegnahme rc. enthalten ist: Münch. 15. Juli 85 (BE. III, 476). — An Sachen, welche zur Zeit in Niemandes Gewahrsam stehen, z. B. an den bis zum Tode des Eigentümers in dessen Besitz verbliebenen Sachen, so lange sie nicht in den Gewahrsam des Erben, des Gerichts oder eines Dritten thatsächlich übergegangen sind, an verlorenen Gegenständen, verlaufenen Thieren ist ein Diebstahl nicht möglich; vgl. n. 18 — 20, cit. Rill. 17. März 84, Dresd. 21. Dez. 74 (StZ. V, 82: betraf Holz, welches bei der Abfuhr, aber noch im Walde selbst, un bemerkt vom Wagen gefallen war), Dresd. 12. März 75 (SGZ. XIX, 302: betraf vom Wasser fortgeführte Sachen; diese seien, gleichviel, ob sie noch auf dem Wasser schwämmen oder irgendwo angeschwemmt seien, als verlorene Sachen zu betrachten, sollte auch der bisherige Inhaber zu deren Wiedererlangung sofort Anstalten ge troffen haben). Dgl. Münch. 2. Mai 87 (BE. IV, 398). 17. Der Gewahrsam (in dem unter n. 16 entwickelten Sinne) ist nicht noth wendig durch die Wissenschaft bedingt, daß die Sache überhaupt und wo sie existire, sobald sie sich nur objektiv in einer Lage befindet, in welcher sie unserer ausschließ lichen Willensbestimmuug unterliegt; ebenso: BL. s.503, Merkels.641, Olsh. n. 16; contra (mindestens theilweise): Rill. 26. Okt. 81 (R. III, 642). Daher hat der Inhaber einer geschlossenen Räumlichkeit gleichzeitig den Gewahrsam aller dort be findlichen Sachen, sogar der verlegten, insoweit sie daselbst nicht thatsächlich der Willensbestimmung emes Andern unterworfen sind (n. 18); vgl. RII. 18. Jan. 81 (E. III, 201: betr. zu verzollende Güter, welche, ihren Behältern entfallen, im Zollgebäude umherlagen), OT. 16. März 66 (O. VII, 181), BL. s. 503; contra: Dresd. 4. März 72 (StZ. I, 353: wer eine von einem Andern gestohlene oder ver steckte Sache auf seinem Grundstücke finde, habe nicht deren Gewahrsam). — Durch das Gesagte wird nicht ausgeschlossen, daß eine Sache, welche sich in einer von zwei Personen gemeinschaftlich benutzten Wohnung befindet, nach den obwaltenden Um ständen doch nur der Verfügungsgewalt eines derselben unterworfen sei: OT. 24. Jan. 68 (O. IX, 59).
18. Der Gewahrsam (n. 16. 17) geht verloren durch den Eintritt eines thatsächlichen Verhältnisses, nach welchem die Sache der Willensbestimmung des Betreffenden nicht mehr unterworfen ist. sei es, daß er nicht mehr zu ihr gelangen kann, oder daß diese (erkennbar) in eine Lage gekommen ist, in welcher sie der Willensbestimmung eines Andern unterliegt. Hieraus folgt, daß der Inhaber die Verfügungsgewalt durch bloße Entfernung vom Orte, wo sich die Sache befindet, noch nicht verliert, so lange er durch Rückkehr oder aus der Entfernung über sie wirksame Bestimmung zu treffen vermag: Ri. 24. Mai 80 (E. II, 64: sollten auch außer ihm noch Andere zur Sache Zutritt haben und sich dadurch in der Möglichfeit befinden, physisch auf dieselbe einzuwirken), Münch. 6. Sept. 72, 18. Juli 85 (StZ. II, 103: BE. III, 478). Der Gasfabrikant behält die Verfügungsgewalt über das in den Hauptröhren befindliche Leuchtgas, so lange es nicht die Gasuhr eines Abonnenten passirt hat: OT. 28. Sept. 65 (O. VI, 339); vgl. RI. 11. Mai 86 (E. XIV, 121: betr. Wasser einer Wasserleitung); der Fuhrmann die über ein angebundenes Pferd, auch wenn er sich momentan entfernt: OT. 17. April 57 c. Hähnchen. Ja selbst der Gewahrsam des Wracks eines gestrandeten Schiffs und seines Inhalts geht durch das Verlassen desselben seitens der Schiffsmannschaft nicht verloren, falls letztere die Absicht hatte, die Sachen nicht den Wellen preiszugeben, sondern sobald als irgend thunlich an das Land zu bringen: Rill. 7. Febr. 84 (E. X, 84); vgl. R.-Strand-O. v. 17. Mai 1874 §§ 7. 12. 19. Aehnlich verhält es sich mit solchen Sachen, welche aus Irrthum, Ver geßlichkeit rc. an einem nahen Orte zurückgelassen oder absichtlich irgendwo ver steckt sind. Der Gewahrsam dauert fort, sofern nur der Verbleib der Sache dem Gedächtnisse nicht entschwunden ist, und keine äußeren Hindernisse obwalten, dieselbe
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Thl. II. Abschn. XIX.
Diebstahl u. Unterschlagung. — § 242.
zurückzuholen: OT. 12. März 68, 4. März 69, 5. Febr. 74, 30. Nov. 75 (D. IX, 196; X, 126; XV, 56; XVI, 764), Manh. 26. Oft. 72 (Ml. 39 s. 246), Mü'.nch. 12. Sept. 73, 1. Zuni 74 (StZ. III, 61; IV, 99). Selbst wer die Sache in eimem fremden Hause verloren hat, und dort in dem Bewußtsein, daß dies der Fall sei, nachsucht, bewahrt den Gewahrsam bis dahin, daß er das Suchen als erfolglos aufgiebt oder ein Anderer Besitz von der Sache ergreift; so: OT. 27. Sept. 77 ,(O. XVIII, 597). 20. Dasselbe gilt von Thieren, welche die Räumlichkeiten ihres Herrn zzeitweise verlassen, so lange sie die Gewohnheit und die Möglichkeit der Wiederlkehr haben (Pr. AM. 1,9 § 109); vgl. RIV. 12. Febr. 86 (E. XIII, 341), OT. 28. Mai 73 (O. XIV, 408), Dresd. 22. Dez. 71 (StZ. I, 281). Beisp.: ausfliegende Biemen (vgl. Rh. Rur.-Gef. v. 1791 Tit. 1 Abschn. 3 Art. 5). Dagegen geht der Gewehrsam eines Thieres verloren, sobald es sich verlaufen hat und den Rückweg wicht mehr finden kann: OT. 28. Okt. 64, 25. Juni 69 O. V, 221; X, 450). — Das Gesagte erleidet eine AnSnahme, insoweit nach besonderen Landesgesehen (n. 7) an dere Grundsätze in Betreff deS Eigenthums und des Eigenthumserwerbes an Thieren maßgebend sind. Das gilt z. B. nach Pr. ALR. I, 9 § 111—113, Feldpol.-O. v. 1. Nov. 1847 § 40 (vgl. Kreis-O. v. 13. Dez. 1872 § 135 IV, 3. Ges. v. 26. Juli 1876 §84) von ausfliegenden Tauben, falls der Eigenthümer derselben nicht das Recht hat, Tauben zu halten, indem alsdann die „im Freien" (d. h. außerhalb des Aufbewahrungsorts) angetroffenen Tauben dem freien Thierfange unterliegen: OT. 23. Jan. 57, 7. März 78 (GA. V, 565; O. XIX, 118), wogegen es im umgekehrten Fälle bei den allgemeinen Regeln verbleibt, mithin ev. § 242 Platz greift; so: eit. RIV. 12. Febr. 86, contra: eit. OT. 23.Jan. 57. Für das Gebiet des Rheinischen bzw. Badischen Rechts vgl. in dieser Materie C. civ. artt. 524. 564, die (links rheinischen) Dekr. v. 4. Aug. 1789 Art. 1, Dekr. v. 4.—II. Aug. 1789 Kap. 3 Art. 2, Jnstr. v. 20. Aug. 1790 Kap. 3 Art. 7 (v. Dan. I, 114); eit. Rh. Rur. Ges. Tit. 2 Art. 12; Sir. 29. I, 369; 45. II. 236 u. Roller. BA. 52 s. 189. Für das Gebiet des Gemeinen Rechts fehlt es (von etwaigen partikularrechtlichen Vorschriften ab gesehen) an dergleichen Sonderbestimmungen über Tauben: Rill. II. Juni 85 (E. XII, 308). 21. Der Gewahrsam einer Sache (n. 16) geht dadurch allein noch nicht ver loren (n. 18), daß man sie einer zu uns in einem persönlichen Abhängigkeits oder Vertretungsverhältnisse stehenden Person zur Ausführung einer aufge tragenen Arbeit, zur Beaufsichtigung, Verwahrung oder zeitweisen Benutzung in unsern eigenen Räumen überläßt. Das gilt vor Allem von der Ueberlassung an Dienstboten (: RII. 11. Nov. 81, R. III, 711), und zwar selbst daun, wenn sich der Dienstherr zeitweise aus seinen Räumen entfernt: OT. 3. Mai 67, 30. April 69 (O. VIII, 286; X, 282), Dresd. 2. Juni 71 (StZ. I, 88); oder wenn der (anwesend bleibende) Dienstherr dem Dienstboten die Schlüssel zu den die Sachen enthaltenden Gelaffen anvertraut hat: OT. 21. Jan. 61, 1. Okt. 63 (0.1.286; IV, 87); contra: HS. II, 436; oder wenn die Sachen mit Erlaubniß des Dienstherrn in einem dem Dienstboten gehörigen Behältnisse aufbewahrt werden; so: Manh. 9. Febr. 77 (BA. 44 s. 28). Selbst die gegen den Willen des Dienstherrn bewirkte Jnnehabung eines Dienstboten entzieht jenem die Verfügungsgewalt über die (in seinen Räumen verbliebene) Sache nicht, wenn der Dienstbote dieselbe für den Herrn ausüben wollte; vgl. OT. 23. Nov. 59 (GA. VII, 837) und unten n. 27. Auch geht der Gewahrsam nicht etwa durch den Tod des Dienstherrn und die Ab wesenheit des Erben auf den Dienstboten über, sollten demselben auch nach gesche hener Versiegelung die Schlüssel vom Notar übergeben worden sein; so: eit. Manh. 9. Febr. 77; vgl. jedoch n. 31. — Dasselbe gilt von den Sachen, welche ein Arbeit geber in den eigenen Räumen oder an einer von ihm angewiesenen Arbeitsstelle einem gedungenen Wächter oder Arbeiter (Ladengehülfen, Handwerksgesellen re.) zur Bewachung, Benutzung, Bearbeitung, zum Verkauf re. überläßt: RI. 5. April 80 (E. II, 1), RIV. 16. Mai 85 (R. VII, 302: namentlich gehe, in Ermangelung eines besonderen, erkennbaren Akts, der Gewahrsam des zu bearbeitenden Materials nicht auf den Meister über, welcher in der Werkstelle die Aufsicht führe und in Be treff der Verwendung deffelben Bestimmung zu treffen habe), OT. 18. Sept. 67, 13. Juni 68. 21. April 70, 8. Sept. 74 (Ö. VIII, 521; IX, 376; XI, 248; XV, 538); z. B. wenn ein Waldeigenthümer die Aufsicht über das Holz oder die Fällung
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eines im Walde stehenden Baumes einem Arbeiter übertragen hat; letzterer begeht, wenn er unbefugt Bäume abhaut und sich zueignet, keine Unterschlagung, sondern einen Holzdiebstahl; nimmt er dagegen im Walde Holz weg, welches ein Anderer (berechtiger oder unberechtigter Weise) gefällt hatte, so verübt er einen Diebstahl: OT. 13. Nov. 73 (O. XIV, 717). Gleiches gilt, Mangels besonderer Umstände, von einem angestellten Förster bezüglich der Bäume des seiner Obhut anvertrauten Waldes: Rll. 2. Dez. 81, 24. Sept. 86 (E. V, 180; XIV, 305). Vgl. n.26-28. 36. 62.
22. Ebenso (n. 21) verhält es sich mit den Briefen, welche ein Postbeamter für die Postanstalt versendet rc.; die Abnahme der Freimarke von einem solchen ist Diebstahl, selbst wenn eine höhere Marke durch die tarifmäßige erseht wird; so: Dresd. 25. Aug. 71 (SGZ. XV, 280). Dagegen erachtete Dresd. 19. April 75 (StZ. V, 350) es für Unterschlagung und nicht für Diebstahl, wenn ein Postbeamter sich Gelder aus Briefen zueigne, welche ihm von Dritten übergeben oder in dem von ihm zu leerenden Briefkasten vorgefunden wurden, gleichviel, ob diese Gelder deklarirt oder nicht deklarirt waren. 23.............ebenso mit den Sachen, welche eine Gefängnißverwaltung einem Gefangenen zum Gebrauche überläßt, so lange jener sich entweder in der An stalt oder außerhalb derselben, aber unter besonderer Aufsicht der Gefängnißbeamten befindet: OT. 28. Juni 61, 7. Mai 78 (O. I, 468; XIX, 245), Meckl. ÖG. (GSaal 28 s. 512); vgl. n. 41. 24.............. ebenso mit den Sachen, welche ein Gastwirth einem eingekehrten Gaste zum Gebrauche in dem ihm angewiesenen Zimmer überläßt: OT. 12. April 55 c. Karlsheim. Anders gestaltet fich die Sache, wenn einem Andern ein möblirtes Quartier vermiethet worden ist: Rll. 12. Zuli 80, 18. Febr. 81 (R. II, 184; E. III, 358: unter Bezugnahme auf §§ 270. 272, I, 21; § 1, I, 7 des Pr. AM.). Kiel 2. Mai 71 (StZ. I, 135); contra: BL. s. 504. Zn Betreff des Miethers eines ganzen Hauses (oder eines selbständigen GebäudetheilS) vgl. n. 14. 25. Die Sachen, welche ein einkehrender Reisender in das ihm überlassene Gasthofszimmer bringt, bleiben, (auch bei momentaner Abwesenheit) in seinem Ge wahrsam,.so lange er jenes Zimmer inne hat; nach seiner Abreise gehen die von ihm (aus Irrthum rc.) zurückgelassenen Gegenstände in den Gewahrsam des Wirthes über: HS. II, 432; vgl. n. 18. 27. 28. 26. Der Gewahrsam einer Sache geht auch dadurch nicht verloren, daß man sie momentan in die Hand eines (fremden) Dritten gelangen läßt, sobald man selbst anwesend bleibt, und so die Willensbestimmung über die Sache behält; z. B. wenn der Inhaber eines Verkaufslokals einem Kaufliebhaber gestattet, innerhalb des Lokals eine verkäufliche Sache zum Zweck der Besichtigung rc. in die Hand zu nehmen: OT. 30. Zuni 70 (O. XI. 387); vgl. n. 27. 28, Schw.. SGZ. XVIII, 193. RI. 5. Jan. 80 (E. I, 289) nahm dasselbe sogar für den Fall des bereits abgeschlossenen Verkaufes an, sofern der Verkäufer den Besitz nicht vor der Bezahlung übertragen wollte. Vgl. jedoch Ortmann, SGZ. 24 s. 26. 27. In den unter n. 21—26 erwähnten Fällen gestaltet sich die Sache anders, wenn besondere Umstände es erkennen lassen, daß der Herr die thatsächliche Willens bestimmung über die in den Händen des Andern befindliche Sache verloren hat, und daß dieselbe auf den Letzteren übergegangen ist, z. B. wenn der Dienstbote rc. die Herausgabe der Sache an den Herrn verweigert oder den Besitz der versteckt gehaltenen Sache geleugnet hat; vgl. HS. II, 436. Hierzu genügt es aber nicht, wenn dem Dienstboten rc. die Sache zu einem ihm aufgetragenen Verbrauche über lassen worden ist: OT. 20. April 70 (O. XI, 248). 28. Ebenso geht der Gewahrsam über, sobald der Stellvertreter (Arbeiter. Dienstbote rc.) die anvertraute Sache (mit oder ohne Einwilligung des Herrn) aus den Räumlichkeiten des letzteren entfernt, um sie auswärts zu benutzen oder zu beaufsichtigen: OT. 12. März 69 (£). X, 154), Dresd. 29. Nov. 75 (StZ. IV, 294: betraf Saatkorn, welches ein Knecht zur Aussaat erhalten und auf das Feld geschafft hatte), HS. II, 437, Merkel f. 640; contra: OT. 11. März 57 c. Berg mann (betr. eine der Obhut eines Schäfers anvertraute Heerde). OT. 22. Febr. 60 c. Dziodeck (in Betr. eines zum Transporte von Sachen gedungenen Fuhrmanns), OT. 8. Apr. 70 (O. XI, 243). 29. Stimmt der Stellvertreter eines Andern eine Sache in Empfang, welche
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der letztere bis dahin noch nicht gehabt hat und erst durch die Handlung des ersteren erwerben soll, so erlangt der Vertretene den Gewahrsam nur dann, wenn der Ver treter mit der Absicht handelte, die Sache für ihn zu erwerben, oder wenn derselbe demnächst etwas thut, wodurch sie dessen Willensbestimmung unterworfen wird, z. B. wenn er das erhobene Geld in die Kasse des Herrn legt. Sonst erlangt der Ver treter selbst den Gewahrsam, ohne Unterschied, ob die Empfangnahme in oder außer den Räumen des Herrn stattfand: OT. 17. Juli 57 c. Färber, 12. Mai 66 c. Schwarh (betr. Handlungsreisende, welche Geld für ihren Prinzipal einkassirten), OT. 5. Febr. 68 (O. IX. 102: betr. einen Prokuristen, welcher in Abwesenheit des Prinzipals Gelder vereinnahmte). OT. 19. Mai 76 (O. XVII, 373), HS. II, 434. Das muß jedenfalls da gelten, wo der Zahlende den Stellvertreter zum Eigenthümer machen wollte (weil er etwa ihn für den Herrn des Geschäfts hielt). Contra: OT. 28. Sept. 65, 12. Dez. 66 (O. VI, 337; VII, 703) für den umgekehrten Fall, wo der Zahlende Besitz und Eigenthum auf den Herrn übertragen wollte; vgl. § 246 n. 8—10. 30. Beim Diebstahl kommt auf die Rechtmäßigkeit des Gewahrsams Des jenigen, welchem die Sache weggenommen wird, Nichts an: auch dem Diebe kann die Sache wieder gestohlen werden: OT. 23. Nov. 60 (O. I, 43); selbst von einem Mitthäter; dieser stiehlt dann dieselbe Sache zweimal: TL. s. 902; contra: Rill. 2. Febr. 85 (E.XI, 439), OA. 9. Dez. 68 (O. IX, 715: wer die von ihm gestohlene, aus seinem in den Gewahrsam eines dritten Unberechtigten gelangte Sache wiederum wegnehme, begehe nicht abermals einen Diebstahl). 31. Hat Jemand den Gewahrsam einer fremden Sache erlangt, so kann er an ihr nicht mehr einen Diebstahl, sondern nur eine Unterschlagung begehen; z. B. wenn der Nachlaß eines Verstorbenen sich im Gewahrsam eines im Hause allein zurückgebliebenen Dienstboten befindet; vgl. jedoch n. 21. — Das gilt selbst von Demjenigen, welchem ein verschlossenes Behältniß ohne den zugehörigen Schlüssel anvertraut ist: die Zueignung der darin befindlichen Sachen ist kein Dieb stahl: Rill. 26. DU. 81, RII. 13. Dez. 81 (R. III, 643; E. V,222), OT. (Pl.) 12. Dez. 53 (ZMbl. 54 s. 90); contra: Merkel s. 695. 32. Selbst die Wegnahme bei einer Leiche befindlicher Sachen kann unter besonderen Umständen Diebstahl sein: OT. 16. Mai 76 (O. XVIi, 347: Jemand war ganz nahe bei seiner Wohnung vom Tode ereilt worden; es wurde angenom men, daß die Hinterbliebene Wittwe thatsächlich in der Lage, den Besitz an jenen Sachen auszuüben, gewesen sei, m. a. W. den Gewahrsam derselben gehabt habe), Rill. 20. April 81 (A. III, 468: Diebstahl, verübt an einer Leiche in einer Leichen halle). — Einer Leiche mit ins Grab gegebene Sachen befinden sich bei Erbbe gräbnissen im Gewahrsam der betr. Familie, sonst in demjenigen der betr. Kirchen gemeinde; vgl. § 168 n. 2. Dresd. 24. Aug. 77 (O. XVIII, 168); contra: Rotering, GSaal 35 s. 360. 33. Zur „Wegnahme" gehört, daß die Sache aus der fremden in die eigene Verfügungsgewalt gebracht werde. Demgemäß ist das Laufenlassen eines fremden Hauöthiers, das Ausfliegenlassen fremder Bienen noch keine vollendete Wegnahme, diese wird vielmehr erst durch das Einsangen bewirkt; kommt es zu letzterem nicht, so liegt höchstens ein Diebstahlsversuch vor: BL. s. 528, 530; vgl. n. 39. Ebendes halb stellt das Verzehren der fremden Sache, oder das Verzehrenlassen durch das eigene Thier keine Wegnahme dar; insofern einer solchen Handlung keine sich als Diebstahl charakterisirende Wegnahme vorherging, kann sie nur als Sachbeschädi gung (Weidsrevel rc.) strafbar sein. — Die Wegnahme kann durch eine fremde Kraft bewirkt werden, z. B. durch einen Dritten, einen apportirenden Hund rc. 34. Außerdem ist der Begriff der „Wegnahme" dadurch bedingt, daß sie ohne Zustimmung des (verfügungsfreien) Inhabers geschehe: OT. 3I.Okt. 60 (GA. VIII, 840); die Zustimmung eines Schwachsinnigen oder eines Kindes beseitigt den Thatbestand eines Diebstahls nicht: OT. 13. Juni 57 (GA. V, 697), HStR. II, 289, Merkel s. 644; vgl. jedoch Rill. 19. Juli 80 (dt. n. 16). Gleichgültig ist es dagegen, ob der Inhaber zur Ertheilung jener Zustimmung seinerseits befugt war; ebenso: HStR. IE 288; nicht minder, ob er sie freiwillig oder gezwungen ge geben hat: die Annahme des erzwungen Gegebenen kann Erpressung, aber nicht Diebstahl sein: OT. 13. Nov. 56 (GA. V, 64). Bedingte Zustimmung ist ohne Er füllung der Bedingung keine Zustimmung; Beisp.: Wegnahme einer in Erwartung der Zahlung ausgestellten Quittung: OT. 25. Juni 74, eit. n. 4; vgl. Schw., SGZ.
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XVIII, 196. Ein Geschehenlassen (Nichthindern) der Wegnahme ist noch nicht als Zustimmung aufzufassen, z. B. wenn der Inhaber den beobachteten Dieb ertappen will (OT. 10. Apr. 74, O. XV, 225), oder wenn ihm die Sache so schnell wegge nommen wird, daß er keine Zeit hat, es zu verhindern: OT. 20. Jan., 23. Juni 69 (O. X, 39. 445). Die Zustimmung des Inhabers schließt selbst dann den Thatbe stand des Diebstahls aus, wenn der Wegnehmende sie nicht kannte, seinerseits also mit vollem Dolus handelte: OT. 4. Nov. 59 (GA. VIII, 132; Angeklagter hatte einen Dienstboten zu bestimmen gesucht, ihm Abends Sachen seines Herrn ans dem Fenster zuzuwerfen: der Dienstbote theilte dies dem Herrn mit, und warf dann auf dessen Anweisung jenem die Sachen wirklich zu; es lag sonach eine mit Zustimmung des Herrn erfolgte Besihübertragung vor). Wohl aber ist Diebstahl in dem ana logen Falle anzunehmen, wo der Dienstbote im Aufträge seines Herrn die Sache in einer Räumlichkeit des letzteren niederlegt und der Angeklagte sie von dort in diebischer Absicht wegholt: Oldenb. 8. Apr. 61 (Old. Arch. VIII, 113). Macht sich dagegen der Inhaber durch seine Zustimmung einer Unterschlagung schuldig, so ist der Wegnehmende wegen Theilnahme an letzterer strafbar; vgl. § 246 n. 40. 35. Durch die Einwilligung des (verfügungsfreien) Eigenthümers der Sache zu der betr. Handlung wird das Begriffsmerkmal der „Wegnahme", wenn diese aus der Jnnehabung eines Dritten geschieht, nicht beseitigt; wohl aber kann dadurch die beabsichtigte Zueignung zur berechtigten werden, und deshalb der That bestand des Diebstahls wegfallen: Merkel s. 646. 653; vgl. n. 43. 36. Auch Derjenige begeht einen Diebstahl, welcher, zur Entnahme eines ge wissen Quantums aus einem größeren (fremden) Vorrathe befugt, in bewußter Ueber* schreitung dieser Befugniß Mehr rc. wegnimmt: OT. 30. März 70 (O- XI, 212). — Dasselbe' gilt von dem mit der Fällung eines fremden Baumes Beauftragten, wenn er jene Handlung vornimmt, nicht in der Absicht den Auftrag zu vollziehen, son dern um sich den Baum zuzueignen: OT. 23. Jan. 63, 20. Jan. 71 (O. III, 238; XII, 45); contra: Merkel s. 645; vgl. n. 21. 37. Der Mitbesitzer kann sich dadurch, daß er die Sache dem Mitbesitze des Anderen entzieht, sie also diesem „wegnimmt", eines Diebstahls schuldig machen: OT. 10. Okt. 62, 25. Nov. 64 (O. III, 76; V, 301). 38. Die Wegnahme braucht nicht eine heimliche zu sein, weder in objektiver (vgl. n. 34), noch in subjektiver Beziehung; vom Falle des gewaltsamen Diebstahls abgesehen, ist es sehr wohl denkbar, daß der Dieb entweder durch die Offenkundig keit seiner Handlungsweise jeden Verdacht von sich abzulenken, oder durch seine Schnelligkeit sich und die öffentlich weggenommene Sache in Sicherheit zu brin gen sucht. 38a. Daß mit der Wegnahme eine Vermögensbeschädigung auf Seiten des Eigenthümers verbunden sei, ist nicht unbedingt nöthig; vgl. n. 2.45; contra: HStR. II, 303. 39. Die Wegnahme und mit dieser der Diebstahl sind vollendet, sobald der Erfolg eingetreten, die Sache mithin aus der fremden in die eigene Verfüaungöge* walt gebracht ist (n. 33); daß die erlangte Herrschaft eine bereits gesicherte sei, wird dazu nicht erfordert: RG. 4. Nov. 79, RI. 25. Jan. 83, RII. 29. Sept. 85 (GA. 47 s. 458, E. VIII, 177; R. VII, 539). Merkel s. 664. Das StGB, bekennt sich daher 3111* sog. Apprehensionstheorie, welche zur Vollendung Besitzergreifung verlangt, und verwirft sowohl die Kontrektations- wie die Ablationstheorie, von welchen jene ein diebisches Berühren genügen läßt, diese ein Wegbringen fordert; vgl. BL. s. 504, Darmst. 23. Oft. 76 (HE. s. 141). — Wann jenes anzunehmen sei, hat der Richter der Thatfraae nach der Belegenheit des Einzelfalles zu beurtheilen. Er kann an nehmen, daß ein Taschendiebstahl mit der Entfernung der Sache aus der fremden Tasche noch nicht vollendet, und daß der sie unmittelbar darauf aus der Hand des Wegnehmenden empfangende Dritte Theilnehmer, und zwar Mitthäter (nicht bloßer Gehülfe) sei; vgl. n. 46. — Von jenem Gesichtspunkte aus ist es auch zu beur theilen, ob ein vollendeter Diebstahl vorliege, so lange sich der Dieb mit der in seine Gewalt gebrachten Sache noch in den Räumen des bisherigen Inhabers be findet; ein prüfendes Jn-die-Hand-Nehmen, sowie ein bloßes Bereitlegen genügen dazu nicht; wohl aber die Bemächtigung, um die Sache zu behalten (mitzunehmen); ist eine solche erfolgt, so liegt, auch wenn demnächst der Dieb überrascht und ge nöthigt wird, die Sache zurückzulassen, ein vollendeter Diebstahl vor: Rill. 22. Dez.
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80 (R II, 660: betr. Getreide, welches die Thäter schon in Säcke gefüllt hatten), OT. 10. Apr., 20. 28. Oft. 74 (O. XV, 225. 692. 717), Dresd. 24. Mai 75 (SGZ. XX, 18), BL. s. 504, Merkel s. 364; vgl. jedoch cit. RII. 29. Sept. 85 (betraf einen dem im cit. NlII. 22. Dez. 80 entschiedenen fast gleichen Fall). — Hat der Dieb die Sache in den Räumen des bisherigen Inhabers versteckt, um sie später weg zuholen, so fragt es sich, ob dadurch die Verfügungsgewalt dem bisherigen In haber entzogen und auf den Dieb übergegangen ist, — eine Frage, welche, wie das auf sie bezügliche Moment der Wegnahme, svorwiegendj thatsächlicher Natur ist: OT. 20. Nov. 75 (O. XVI, 765). Sie ist durchweg zu bejahen, wenn die Sache so versteckt ist, daß sie voraussichtlich beim Suchen gar nicht oder nur in Folge eines nicht zu erwartenden Zufalles gefunden werden konnte; trifft dieses zu, so ist der Diebstahl vollendet, selbst wenn der Dieb sich demnächst entfernt und dadurch, daß ihm die betr. Räumlichkeit nunmehr unzugänglich wird, die Verfügungsgewalt (zeitweise) wieder verliert; im entgegengesetzten Falle, z. B. wenn die Sache an dem Versteckorte nicht lange ungesunden bleiben konnte, ist der Diebstahl nicht voll endet: OT. 28. Juni 61, 12. Dez. 62, 23. Sept. 63. 5. Nov. 73 (0.1,468; III, 171; VI, 67; XIV, 681), Dresd. 2. Juli 71, 9. Dez. 72 (StZ. I, 88; II, 281). Der Dieb stahl kann aber auch deshalb nicht vollendet sein, weil die versteckte Sache minde stens noch nicht in den vollständigen Gewahrsam des Thäters gelangt war, z. B. weil sie wegen ihrer Beschaffenheit (Menge) oder wegen der Beschaffenheit der Räum lichkeiten rc. sich ohne Gefahr nicht sofort in Sicherheit bringen ließ: Dresd. 24 Juli 74 (SGZ. XIX, 16). Vgl. Rill. 9. Juli 85 (E. XII, 353: erachtete im lehtgedachten Falle unter Umständen auch die Annahme eines vollendeten Diebstahls für be gründet). Schw., SGZ. XVIII, 198. 199, BL. s. 505. Contra: HS. II, 433, HStR. II, 286 (betrachtet durchweg den Diebstahl als nicht vollendet, so lange sich die Sache noch in den Räumen des bisherigen Inhabers befindet). — War in den ge dachten Fällen der Diebstahl nicht vollendet, so stellt das spätere Wegholen der (im Gewahrsam des bisherigen Inhabers verbliebenen) Sache unzweifelhaft einen neuen (vielleicht schweren) Diebstahl dar. Das Gleiche würde im Falle eines früher vollendeten Diebstahls nur dann anzunehmen sein, wenn der Gewahrsam der Sache inzwischen dem Dieb wieder entgangen und auf einen Andern übergegangen wäre; ebenso: cit. Rill. 9. Juli 85 (: letztere Eventualität sei übrigens nicht schon in dem Erwachsen eines vorübergehenden Hindernisses, die Herrschaft auszuüben, z. B. in dem Abschließen des betr. Gebäudes seitens des Eigenthümers, zu finden). 39a. Mit einem vollendeten Diebstahle kann ein versuchter sehr wohl ideell konkurriren, z. B. wenn der Thäter überrascht wird, bevor er Alles, was er sich an eignen wollte, weggenommen hat; vgl. § 73 n. 4. 40. Als Dolus wird zunächst' das Bewußtsein (§ 59) erfordert, daß Me Sache eine fremde sei, welche zu nehmen man kein Recht hat (n. 34), und daß sie sich im Gewahrsam eines Andern befinde: Münch. 16. Sept. 72 (StZ. II, 103). Wer in dem irrigen Glauben handelt, er sei zur Wegnahme berechtigt, ist selbst dann kein Dieb, wenn der Irrthum auf einer Rechtsunkenntniß beruhte: OT. 1. März 65 (O. V, 529); vgl. s. 135 n. 7. Auch genügt es nicht, wenn der Angeklagte nur wußte, daß sein vermeintliches Recht ein bestrittenes oder gefährdetes, oder daß die eigmmächtige Wegnahme in anderer Beziehung (z. B. als Selbsthülfe) widerrechtlich sti: OT. 9. Sept. 58 (JMbl. s. 23). — Aus demselben Grunde liegt kein Diebstahl wr, wenn jener in der Voraussetzung handelte, der Inhaber werde die Wegnahme zenehmigen: Wolfenb. 5. Juli 72 (StZ. II, 181), Stuttg. 30. Dez. 74 (WGbl. IX, 17t); vgl. n. 34. 43. 41. Sodann erheischt der § die „Absicht, sich die Sache (rechtswidrig) zu zueignen". d. h. thatsächlich sie in sein Vermögen und sich in die Lage zu bringm, alle Rechte eines Eigenthümers ausüben zu können: OT. 29. Oft. 62 (O. III, 91), (: sich die Sache exkmsiv dienstbar zu machen: Merkel s. 648). — Der entweicherde Gefangene, welcher fremde Gegenstände nur deshalb mitnimmt, weil er flch ih:er nicht entledigen kann (z. B. die Fesseln oder die Gefangenentracht, wenn er kene andere Kleidung hat), begeht keinen Diebstahl; vgl. Meckl. OG. (cit. n. 23); contia: Schw., SGZ. XVIII, 197, desgleichen, wer durch die Wegnahme sich lediglich nn Unterkommen im Gefängnisse verschaffen will: Rll. 11. Juli 84 (R. VI, 536). — Die Absicht. die Sache sofort zu zerstören oder zu unterdrücken (z. B. eite Urkunde § 274), oder sie zu beschädigen und dann zurückzugeben, ist nicht cls
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„Absicht der Zueignung" anzusehen- Rl. II.Nov. 84, RHI. 7. Zuni 82 (E. XI, 239; R. IV, 537), OL. 17. Okt. 73 (O. XIV, 648). Dresd. 15. Aug. 73 (SGZ. XVII, 306); anders, wenn Jemand eine Sache zerstört zur Bethätigung des Wil lens, über die Sache als sein Eigenthum zu verfügen und j. B. nicht blos, um sich ihrer nach gemachtem Gebrauche zu entledigen: Rill. 21. Sept. 81 (R. 111,516); vgl. jedoch HStR. II, 299, v. Buri, GSaal 30 s. 11. Dasselbe gilt von der lediglich auf eine zeitweilige (mit keinem Verbrauche verbundene) Benutzung gerichteten Absicht, sollte auch durch diese Benutzung in anderer Beziehung ein rechtswidriger Vermögensvortheil gesucht sein: Dresd. 4. Okt. 72 (StZ. II, 188; SGZ. XVII, 44), OT. 12. März 74 (O. XV, 147); vgl. n. 6, §§ 289. 290; so von der Absicht, eine Sache, z. B. eine Flasche, als Fortschaffungsmittel zu benutzen: cit. Rill. 21. Sept. 81. Das Gegentheil tritt ein, wenn die Absicht auf gänzlichen oder theilmeisen Ver brauch sich richtete: OT. 29. Sept. 70 (O. XI, 492)'; eine solche Absicht waltet in dessen nicht nothwendig überall ob, wo ein vorübergehender mit allmäligem Ver schleiße verbundener Gebrauch (z. B. das vorübergehende Tragen eines fremden Kleides, die augenblickliche Benutzung eines fremden Pferdes rc. bezweckt war: Merkel s. 651; wohl aber, wenn ein fremdes Werthpapier (ein Sparkassenbuch rc.) weggenommen wird, um dasselbe ganz oder theilweise zu verwerthen und dann zurückzugeben: Ri. 1. Mai 84, Rill. 13. Dez. 86 (E. X, 369; R. VIII, 751), OT. 8. Sept. 57 (Entsch. dess. 34 s. 333); vgl. § 246 n. 3. 32; Ortmann (SGZ. 24 s. 29: in letzterem Falle sei bei nur theilweiser Verwerthung nur der betr. Werthsantheil das Objekt des Diebstahls [?]). Hinsichtlich der Wegnahme in der Absicht, die Sache zu verpfänden oder als Pfand für eine Forderung zu behalten, vgl. n. 42. 45. 42. Die Absicht muß dahin gehen, sich selbst die Sache zuzueignen. Wer bewirkt, daß eine frenlde Sache unmittelbar aus dem Gewahrsam des Inhabers in den eines Dritten übergeht, damit dieser sie sich rechtswidrig zueigne, kann höch stens Gehülfe am Diebstahle des letzteren oder Anstifter sein: OT. 18. März 70 (O. XI, 182)^ vgl. § 47 n. 4. Ein solcher Fall liegt z. B. vor, wenn Jemand eine fremde Sache einem Dritten, welcher weiß, daß jener nicht der Eigenthümer ist, verkauft und denselben dadurch veranlaßt, die Sache dem Inhaber wegzunehmen und sich zuzueignen; hier ist der Ankäufer der Dieb, der Verkäufer je'nach Um ständen Anstifter; vgl. Dresd. 5. Marz 75 (SGZ. XIX, 297), HStN. II, 292. Ebenso liegt aber auch dann kein Diebstahl auf Seiten des Verkäufers vor, wenn der An käufer ihn für den Eigenthümer lt, mithin selbst im guten Glauben war (hier begeht jener vielmehr einen Betrug: OT. 14. Mai 58 (GA. VI, 567); vgl. §48 n. 7, HStR. 1. c.; contra: Schütze s. 472, welcher es für genügend erachtet, wenn die Absicht dahin ging, die Sache in ihrem Werthe (Preise) sich zuzueignen [?], ML.s. 523, Merkel s. 643. — Dagegen ist Diebstahl anzunehmen auf Seiten des jenigen, welcher eine Sache rechtswidrig wegnimmt, mit sie einem Dritten im Wege eines translativen Nechtsgeschäftes zu übertragen, z. B. sie ihm zu schenken oder zu verpfänden (um eine solche Verfügung zu treffen, muß er zunächst die Sache sich selbst zueignen): Rill. 3. Juli 84 (E. XI, 08), OT. 10. April 74, 5. Juli 76 (O. XV, 225; XVII, 493), Münch. 24. März 81 (BE. I, 330), JK. Schwerin (GSaal 25 s. 56), — wovon jedoch Ri. 7. Jan. 84. Rill. 20. Dez. 83 (E. IX, 382; R. V, 797) den Fall ausnehmen, wo der Verpfänder mit der Absicht der Wiedereinlösung und im Bewußtsein, bezw. in der in den Verhältnissen begründeten sicheren Ueberzeugung handelte, hierzu jeder Zeit, bezw. zur rechten Zeit im Stande zu sein; vgl. § 24*6 li. 34, — und nicht minder auf Seite dessen, welcher, um sich die Sache zuzueignen, die äußere Handlung des Diebstahls durch einen Anderen, z. B. seinen Dienstboten, vornehmen läßt, wogegen der letztere nur als Gehülfe strafbar sein kann; vgl. § 47 n. 4; contra: OT. 5. Dez. 77 (O. XVIII, 771). 43. Die Absicht muß endlich auf eine „rechtswidrige" Zueignung gerichtet, d. h. der Thäter muß sich bewußt sein, daß er auf die von ihm beabsichtigte Zu eignung kein Recht habe. Aus den bezüglichen Worten des § ist jedoch nicht zu folgern, daß schon die bloße Absicht genüge, ein Diebstahl daher selbst dann vor liege, wenn die Zueignung zwar nicht rechtswidrig ist, vom Thäter aber irriger Weise dafür gehalten wird (Beisp.: in n. 34. 35); die Zueignung muß vielmehr auch objektiv jene Eigenschaft besitzen; vgl. § 246 („sich rechtswidrig zueignet"); ebenso: HStR. II, 290; contra: Merkel s. 653. War die Zueignung objektiv keine rechtswidrige, so wird sie dies auch nicht durch die Art oder die Mittel ihrer Ver-
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wirklichung, sollten letztere gleich widerrechtlich oder gar strafbar sein: OA. 10. Jan. 74 (O. XV. 19); oben n. 40. 44. Das Römische Recht forderte zum Thatbestände des furtum eine gewinn süchtige Absicht (lucri faciendi gratia), beschränkte aber den gesuchten Gewinn nicht auf die Erlangung von Dermögensvortheilen, sondern betrachtete als solchen auch die Wegnahme einer Sklavin libidinis causa, sowie das unentgeltliche Weiter verleihen einer von einem Andern entliehenen Sache, ließ also die Verschaffung eines sinnlichen Genusses oder die Befriedigung eines geistigen Verlangens (des Wohlthätigkeitssinnes rc.) genügen. Dadurch wurde die Fixirung und Begrenzung dieses Begriffsmerkmals wesentlich erschwert. Erst als man anfing, in der Wissen schaft und in der Gesetzgebung den Begriff des „Diebstahls" selbst zu beschränken, und die im Römischen Recht darunter mitbegriffenen furtum usus, furtum possessionis und Unterschlagung davon ausschied, ward es möglich, auch jene „Gewinnsucht" konkreter und schärfer zu fassen'. Es ward nunmehr allgemein anerkannt, daß der gesuchte Gewinn eben nur in der Erlangung der Sache selbst zu bestehen brauche, daß daher jenem Erfordernisse vollständig genügt sei, wenn die Absicht auf die rechts widrige Zueignung (Aneignung) der fremden Sache gerichtet war. Demgemäß hatte das Pr. StGB, in der Begriffsbestimmung des Diebstahls (§ 215) anstatt der gewinnsüchtigen nur die Absicht der rechtswidrigen Zueignung erheischt. Daß hierdurch eine über diese Absicht der rechtswidrigen Zueignung hinausgehende gewinn süchtige Absicht aus dem Begriffe ausgeschieden sei, hatte" der Pr. Gesetzgeber da durch zum klarsten Ausdrucke gebracht, daß die Gess. v. 13. und 14. April 1856 bei den durch § 349 Nr. 3 deö Pr. StGB.'s und durch die §§ 41 ff. der Pr. FPO. vor gesehenen „Entwendungen" die Verhängung der Diebstahlsstrafe von dem Vorhanden sein einer „gewinnsüchtigen Absicht" abhängig machten, obgleich anerkannter Maßen die dort vorgesehene „Entwendung" den vollständigen Thatbestand des Diebstahls voraussetzte/ die hier ausnahmsweise die Diebstahlsstrafe begründende „gewinn süchtige Absicht" also kein Begriffsmerkmal jedes Diebstahls (Entwendung) sein konnte. Das erkannten OA. 6. Jan. 69 und (nach längerem Schwanken auch das OT. durch) OT. 3. Juli. 7. Okt. 69, 30. März 70 (O.' X, 5. 484. 626; XI, 212) vollständig an. — Diesen Standpunkt hat das D. StGB, bewußter Weise fest gehalten: während nämlich der I. Entw. (§215) die „Gewinnsucht" in die Begriffs bestimmung aufgenommen hatte, ist dieselbe im II. Entw. (§ 237) wiederum aus geschieden worden und die Mot. s. 118 führen näher aus, daß dieselbe für den That bestand von keiner entscheidenden Bedeutung sein könne. Bei den Reichstagsberathnngen ward zwar von einzelnen Rednern auf jenes vermeintliche Begriffserforderniß noch mals hingewiesen (vgl. Sten. Ber. s. 673), ein hierauf bezüglicher Antrag aber nicht gestellt, vielmehr schließlich die Definition des Entwurfs allseitig angenommen. Sonach ist „Gewinnsucht" kein Thatbestandsmerkmal des Diebstahls: Rill. 7. Juni 82 (R. IV, 537), Darmst. 1. Febr. 75, Wolfenb. 14. Nov. 76. OT. 28. Nov. 76 (HE. s. 13; Br. Z. 24 s. 6; O. XVII, 763). BL. s. 501, v. Kirchmann, s. 150, Schütze s. 430, Puch. n. 1, ML. s. 520, Schaper, HH. II, 196, Merkel s. 655. War die rechtswidrige Zueignung beabsichtigt, so ist das entferntere Motiv des Thäters (Gewinnsucht, Rachsucht, Muthwille,' Chikane, Schabernack rc.) vollständig gleich gültig; vgl. Antr. d. GStA.'s z. OT. 16. Nov. 67 (O. VIII, 719). Umgekehrt genügt eine gewinnsüchtige Absicht zur Erfüllung des Thatbestandes nicht, so bald der Gewinn in etwas Anderem als in der rechtswidrigen Zueignung beste hen sollte. 45. Demgemäß (n. 44) darf auch nicht gefordert werden, daß die Absicht auf eine „Bereicherung" gerichtet sei; ebenso: RI. 17. Juni 80, 11. Juli 81, Rill. 7. Juni 82 (E. II, 184; V, 4; R. IV, 537), OT. 16. Nov. 77 (O. XVIII, 719), BL. s. 502; contra: OT. (Pl.) 30. April 77 (O. XVIII, 297: Mot.). Das Gesetz verlangt nur die Absicht einer „rechtswidrigen", nicht die einer „unentgeltlichen" Zueignung; contra: HStR. II, 293ff. 303! Auch derjenige begeht einen Diebstahl, welcher in der gedachten Absicht sich einer fremden Sache bemächtigt, um sich durch sie für eine ihn: gegen den Andern zustehende Forderung bezahlt zu machen: Rl. 9. Febr. 80 (E. I, 193: hier war hie Sache der Gantmasse des Schuldners weg genommen worden; das Gesetz mache den Begriff des Diebstahls nirgends von dem Zwecke der rechtswidrigen Aneignung abhängig), cit. RI. 17. Juni 80 (sofern die für eine Geldforderung weggenommene Sache nicht selbst in Geld bestehe; s.
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Diebstahl it. Unterschlagung. — § 242.
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jedoch unten), OT. IC. Sept. 74 (D. XV, 565), cit. OT. 16. Nov. 77; contra: Stuttg. 26. San. 76 (WGbl. XII, 200), Carlsr. 18. März 80 (BA. 46 s. 102); nicht minder, wer eine Sache mit der Absicht, ihren Dermögenswerth zu ersetzen, wegnimmt (: CarlSr. 7. Febr. 81, BA. 47 f. 137) oder auch sofort an ihrer Stelle jenen Werth in baarem Gelde niederlegt; in allen diesen Fällen liegt sowohl die Wegnahme einer fremden Sache als die Absicht der rechtswidrigen Zueignung vor, also Alles, was das Gesetz verlangt. Ebenso: Meyer s. 185, ML. s. 521, Rüd. n. 15, Schütze s. 430, Merkel s. 655.^658; contra: HS. II, 426. 442 und die Mot. s. 369; vgl. auch Schw. n. 16. Der Umstand: „daß der Thäter nicht durch die Wegnahme allein sich die Sache aneignen will, sondern zugleich auf Grund seines Anspruchs auf Befriedigung aus dem Vermögen des Schuldners, welchem er die Sache wegnimmt", ist bedeutungslos, da Handlung und Absicht nach wie vor rechtswidrig bleiben; mit Recht macht daher Schütze 1. c. den Motiven den Vorwurf, daß sie dem Gesehbuche selbst widersprechen, wenn sie aufstellen, daß „in der Ab sicht der rechtswidrigen Zueignung die Absicht ausgedrückt liege, sich die fremde Sache ohne Entgelt zuzueignen" (vgl. die Rede des Abg. Bähr im RT. Sten. Ber. s. 673). — Ohne Grund beruft man sich für jene Auffassung auf ein prakti sches Bedürfniß: die in dieser Beziehung angeregten Bedenken erledigen sich ander weitig in befriedigender Weise: Nimmt Jemand seinem Schuldner eine Sache weg, bloß um sie als Pfand bis zur demnächstigen Befriedigung zu behalten, so will er sich dieselbe nicht zueignen; es liegt also kein Diebstahl vor (ebenso: RII. 1. Juli 81, R. III, 453) Dasselbe gilt da, wo der Thäter die Sache nimmt, um sie sofort in den Nutzen des Eigenthümers 311 verwenden, z. B. wenn der Pferdeknecht beni Herrn Futter wegnimmt, um es an die Pferde des letzteren zu verfuttern (das oben n. 42 Gesagte trifft hier nicht zu, weil es sich nicht um ein translarives Rechtsge schäft handelt); insoweit ein solcher Fall nicht zum Gegenstände einer besonderen Strafbestimmung gemacht ist (vgl. § 370 Nr. 6), kann eventuell nur die Strafe der Sachbeschädigung Anwendung finden. Ebenso begeht keinen Diebstahl, wer eine konkrete Sache, deren Tradition zu fordern er das Recht hat, dem Verpflichteten unbefugter Weise wegnimmt: er handelt zwar rechtswidrig, aber er beabsichtigt nicht eine rechtswidrige Zueignung: Abg. Meyer im RT. (Sten. Ber. s. 674), Merkel, HH. III, 654, ML. s. 522; vgl. n. 43. Endlich stellen auch die eigenmächtige An eignung einer verkäuflichen Waare bei zufälliger Abwesenheit des Verkäufers gegen Hinlegüng des Verkaufspreises, und die eigenmächtige Nmwechslung fremder Geld stücke gegen andere gleichwerthe einen Diebstahl nicht dar. wenn der Handelnde dabei von der Voraussetzung ausging, daß der Eigenthümer jener Gegenstände mit dem Verkaufe oder der Nmwechslung einverstanden sein werde: auch'dann wollte er keine rechtswidrige Zueignung (n. 40). Dagegen fehlt es an jenem Grunde, einen Diebstahl in den seltenen Fällen nicht anzunehmen, wo der Umwechselnde sich bewußt ist. daß der Andere gerade auf die individuellen Geldstücke, welche er besitzt, ein Gewicht legt und sie gegen andere ihm minder werthe nicht umwechseln will, oder wo Zemand eine fremde nicht käufliche Sache sich aneignet und dafür ihren (vermeintlichen) Werth in Geld (oder gar einen andern nicht fungibeln Werthgegenstand) an die Stelle legt; geschah letzteres ohne die (wenigstens präsumirte) Zu stimmung des Eigenthümers, so liegt Diebstahl vor, zumal sich in einem solchen Falle die „Gleichheit" des Werths gar nicht feststellen läßt. Dasselbe ist endlich da anzunehmen-, wo der Gläubiger seinem Schuldner Geld (oder gar andere, nicht fungible Sachen) wegnimmt, um sich dadurch für seine Forderung bezahlt zu machen; hier ist die Annahme eines Diebstahls um so unbedenklicher, als das Motiv zu einer solchen Handlungsweise regelmäßig in der Unsicherheit der gesuchten Befriedigung liegen wird, der Thäter mithin, indem er für die genommene Sache einen gefähr deten Anspruch aufgeben wollte, keineswegs einen vollgültigen Entgelt leistete. Vgl. RlV. 10. März 85 (E. XII, 88). Darmst. 1. Febr.' 75, Antr. d. GStA.'s (cit. n. 44), ML. s. 522, Herzog, v. Buri. GSaal 26 s. 220; 30 s. 418; contra: cit. M. 17. Juni 80 (in Betreff der Wegnahme baaren Geldes zur Deckung einer Geldfor derung), Ruhstrat, Z. f. StR. I, 383. 46. Haben sich mehrere Personen an der Ausführung eines Diebstahls betheiligt, so sind diejenigen, welche eine Thatbestandshandlung mit dem zur Selbst begehung erforderlichen Dolus vornahmen, Mitthäter, während die übrigen nur als Gehülfen betrachtet werden können: §47 n. 8. 13. 15. 18; contra: die dort (n. 13)
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cit. Rechtspr. des RG.'s und Rill. 21. Jan. 86 (R. VIII, 80), insofern sie zur Mitthäterschaft nicht gerade die Vornahnte eiuer Thatbestandshandlung fordern. Demgemäß kann Derjenige, welcher nicht die Absicht hat, die Sache sich selbst zu zueignen (n. 42), auch wenn er sich an der Wegnahme betheiligt, nur Gehülfe sein; contra: ZK. Schwerin (GSaal 25 s. 56). Beim Vorhandensein des erforderlichen Dolus kann der Znstanzrichter ohne Rechtsirrthum Mitthäterschaft annehmen, wenn der Eine die fremde Sache aus dem Gewahrsam des Inhabers wegnahm, der An dere aber sie sofort aus den Händen des Ersten in Empfang nahm' und in Sicher heit brachte: OT. 16. Zuni 65 (O. VI, 187), 18. Dez. 68 (Ö. IX, 753: betr. einen im Freien ausgeübten Taschendiebstahl), oder wenn der Eine die Sache allein aus einem Gebäude heraus holte, draußen aber ein wartender Zweiter sich am Weg tragen betheiligte: OT. 12. Jan. 55 (Entsch. dess. 29 s. 418); vgl. n.39. 47. Ueber die Unterscheidung der im § 370 Nr. 2.5 vorgesehenen „Wegnahme" oder „Entwendung" rc. von dem Diebstahl vgl. dort n. 17. 18. Wer eine Ent wendung im erstgedachten Sinne zu verüben beabsichtigte, statt dessen aber irrthümlicher Weise andere Sachen wegnimmt, ist nur dann nicht aus § 242 zu bestrafen, wenn sich annehmen läßt, daß er, im Falle der Entdeckung des Irrthums während der That, die Sachen sofort zurück gegeben haben würde; so: Rill. 4. Dez. 80 (E. III, 165: i. c. hatten sich die Sachen in einem Bündel befunden); bedenklich; vgl. dagegen Geyer, Z. f. StR. II, 306. 48. Ein (strafbarer) Diebstahlsversuch liegt vor, wenn mit der Handlung des Wegnehmens begonnen ist: RIV. 21. Okt. 84 (R. VI, 641: die Annahme, daß Derjenige, welcher, um einen Strohdiebstahl auszuführen, am Thatorte angelangt, eine Strohschütte aufhebe, nicht, um sich dieselbe zuzueignen, sondern um sich zu überzeugen, ob dort kein Wächter verborgen sei, eine bloße Vorbereitungshandlung vornehme, sei nicht rechtsirrig). Zur Erläuterung jenes Begriffs vgl. n. 39, § 43 n. 6 und die dort aufgeführten Beispiele. Dahin gehört ferner das Suchen nach einem zu stehlenden Gegenstände in einem fremden Raume, selbst, wenn der Dieb stahl deshalb nicht zur Vollendung gelangt, weil der gesuchte Gegenstand an dem Orte nicht vorhanden ist, oder weil der Thäter dort Nichts findet , was ihm des Stehlens werth erscheint; vgl. § 43 n. 10. Demgemäß bedarf es nicht der Ermitt lung und Feststellung Dessen, was der Thäter zu stehlen Willens war; es genügt festzustellen, daß er „eine fremde Sache rc." zu stehlen versucht habe: OT. 24. April 57 c. Kern, 4. Juni 57 c. Grube. — Dagegen genügt der in der Absicht zu stehlen (aber ohne Einst eigen rc.: § 43 n. 6. 9, § 243 n. 6) bewirkte Eintritt in eine fremde Räumlichkeit (nebst dem Herumwandeln in derselben) für sich allein noch nicht, um den Anfang der Ausführung anzunehmen (es ist keine Thalbestandshand lung); vgl. RH. 5 Juni 83 (R. V, 407: hier hatten Angeklagte, mit Brechwerk zeugen versehen, und, ohne sich im Falle des § 243 Nr. 7 zu befinden, ein mehrere Wohnungen enthaltendes Haus betreten, um in eine bestimmte dieser Wohnungen Diebstahls halber einzubrechen, waren jedoch vor dem Beginn des Einbrechens verhaftet worden), Rll. 19. Okt. 83 (E. IX, 81); contra: OT. 20 Febr. 74, 26. April 76 (O. XV, 106; XVII, 282); vgl auch Dresd. 12. Jan. 74 (StZ. IV, 161: schon das Rütteln an einer Thüre könne als Versuch angesehen werden; vgl. jedoch § 243 n. 26) • id. 27. April 77 (SGZ. 22 s. 49: unterschied, ob der Eintritt mit dem festen Entschluß zu stehlen oder nur zur Erforschung einer Gelegenheit, zu stehlen, erfolgte; im ersteren Falle liege ein Versuch, im letzteren eine bloße Vorbereitungs handlung vor). 48a. Inwiefern den Dieb und den Theilnehmer am Diebstahl neben der hier durch perwirkten Strafe auch noch die Strafe der Begünstigung oder Hehlerei treffen könne, darüber vgl. §§ 48 n. 13. 14; 257 n. 2; 258 n. 10; 259 n. 2, und in Betreff der Frage, ob in der Verurtheilung eines des Diebstahls Angeklagten als bloßen Hehlers oder in derjenigen des angeblichen Hehlers als Diebs eine un statthafte mutatio libelli enthalten sei, vgl. Thl. I Abschn. III n. 9. 48b. Auf den Werth-Ersatz der gestohlenen Sache hat der Strafrichter (als solcher) nur da zu erkennen, wo besondere gesetzliche Bestimmungen (z. B. Pr- Forstdiebst.-Ges. § 9, Pr. FFP.-Ges. § 68) dieses vorschreiben; vgl. Pr. FMVf. v. 8. Juni 1854 (JMbl. s. 306), OT. 4. Febr. 1859 (GA. VII, 347). 49. Den int § 242 vorgesehenen Thatbestand bezeichnet § 244 als „einfachen
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Diebstahl". — Neben einer drei Monate erreichenden Gefängnißstrafe kann auf den Verlust der Ehrenrechte rc. erkannt werden; vgl. §§ 248.32.35. 50. Da § 2 des EG.'s alle besonderen Forst- und Feldpolizeigesetze des Bundes- und Landesstrafrechts aufrecht erhalten und hiermit gleichzeitig der Landesgesehgebung das Recht vorbehalten hat, in diesen Materien auch für die Folge neue, den Vorschriften des StGB.'s derogirende Bestimmungen zu erlassen (EG. §2 n. 13, §5 n. 2), so wird in den Fällen, wo ein solches Gesetz zutrifft, die ordentliche Diebstahlsstrafe aus den §§ 242 ff. ausgeschlossen, selbst wenn der betr. Thatbestand an sich den Voraussetzungen des § 242 vollständig entspricht; vgl. EG. § 2 n. 7, EL. EG. Art. II. — Insoweit es dagegen an solchen besonderen Landesgesehen fehlt, fällt auch die Wegnahme rc. von'zur Zeit noch nicht eingeernteten Boden-Erzeugnissen unter den Begriff und das Strafverbot des Diebstahls; ebenso: Münch. 24. März 77, 25. Mai 78 (BE. VII, 109; VIII, 289); contra: Wolfenb. (GSaal 25 s. 70); vgl. oben n. 14. 51. Das Eingangs der n. 50 Gesagte galt in Preußen von den die Ent wendung von Bodenerzeugnissen rc. betreffenden Bestimmungen des linksrheinischen Ruralges.'s v. 1791, der §§ 41—43. 45 der Feldpol.-O. v. 1. Nov. 1847 (Gess. v. 13. April 1856 u. 22. Mai 1852 Art. III) und des Art. III der NED. Die beiden letzteren Gesetze schlossen unter gewissen Voraussetzungen ausdrücklich sämmtliche Diebstahlsstrasen (§§ 215. 224 des Pr. StGB.'s), mithin auch diejenigen des schweren und rückfälligen Diebstahls (nicht aber diejenigen des Raubes) aus; OT. 13. m. 64, 24. Nov. 65, 1. Zuni 72 (D. V, 171.287; XIII, 328). Alle obenerwähnten Bestimmungen wurden durch § 96 des Pr. FFP.-Ges.'s v. 1. April 1880 aufgehoben und durch die §§18 ff. ib. ersetzt, von welchen §§ jedoch bezüglich ihres Verhältnisses zum StGB, dasselbe gilt, was oben in solcher Hinsicht von jenen älteren Bestimmungen gesagt wurde. — In Betreff des Näheren vgl. n. 52 ff. 52. Nach § 45 der Pr. FPO. v. 1847 sollten die in den §§ 41—43 ib. für die Wegnahme von Feldproducten angedrohten Strafen nicht Platz' greifen, vielmehr die gewöhnlichen Diebstahlsstrafen eintreten, wenn jene (mit der Absicht rechtswi driger Zueignung vorgenommene) Wegnahme außerdem in „gewinnsüchtiger Absicht" [b. I). behufs Erlangung eines nicht lediglich in der Befriedigung eines momentanen Bedürfnisses (Gelüstes) bestehenden Vermögensgewinnes^ stattgefunden hatte. Das Pr. FFP.-Ges. wiederholt diese Bestimmung nicht (nach den Mot. s. 28 aus denl schwerlich — vgl. oben n. 44. 45 — zutreffenden Grunde, weil jeder Dieb stahl, mithin auch jede der fraglichen Entwendungen eine gewinnsüchtige Absicht vor aussehe); statt dessen ist die Anwendung der dort für Entwendungen angedrohten Strafen im §6 ib. davon abhängig gemacht, daß der Werth deö Entwendeten zehnMark nicht übersteige, woraus von selbst folgt, daß die Entwendung werth vollerer Objekte unter die Regel des § 242 fällt. (Hierbei ist jedoch das zu § 47 n. 10 a. E. Gesagte zu berücksichtigen; gehen daher Mehrere zusammen aus, aber Jeder nur, um für sich zu entwenden so findet keine Zusammenrechnung des von ihnen Entwendeten statt, sollte auch ihr Zusammensein die That jedes Einzelnen fördern; in letzterem Falle würde nur, je nach Umständen, Beihülfe an den durch die Andern verübten Entwendungen mit der Einzelthat konkurriren; vgl. v. Buri, Z. f. StR. II, 288 und auf der anderen Seite OT. 8. Okt. 73, O. XIV, 613.) — Daß schon in der FPO. v. 1847 (§ 42 Nr. 2) der Ausdruck „Entwendung" den vollen Thatbestand des Diebstahls bezeichnete, sprach OT. 2. März 70 (O. XI, 133) ausdrücklich aus; vgl. n. 44.47. Dasselbe gilt um so unbedenklicher vom FFPGes.; vgl. Mot. z. dems. s. 27. 28. 32. 53. In wesentlicher Uebereinstimmung mit § 42 Nr. 2 der cit. FPO.. verpönt § 18 Abs. 1 des FFP.-Ges.'s die Entwendung von Gartenfrüchten, Feldfrüchten und anderen Bodenerzeugnissen aus Garten- und Obstanlagen, Wein bergen, Baumschulen, Saatkämpen von Aeckern, Wiesen, Plätzen, Gewässern, Wegen oder Gräben. Er beschränkt daher nicht blos die Anwendbarkeit des § 242, sondern auch diejenige des § 370 Nr. 5; doch bestimmt Abs. 2, daß beim Vorliegen der Vor aussetzungen des § 370 Nr. 5 eine Verfolgung auch aus Abs. 1 nur auf Antrag eintrete. Ob die Entwendung von Blumen, Epheublättern rc. von Gräbern eines Kirchhofs als Entwendung aus einer „Gartenanlage" (cit. § 18) oder als Diebstahl anzusehen, sei, beurtheilt sich nach den besonderen Umständen des Falles: Rl. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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Abschn. XIX.
Diebstahl u. Unterschlagung. - § 242.
26. Okt. 82, Rill. 15. Zan. 83 (E. VII, 190; R. V, 30); demgemäß trifft Ersteres zu, wenn die Grabstätten gartenähnlich angelegt sind: Rill. 8. Febr. 83 (R. V, 96). 54. Der (n. 53) eit. § 18 umfaßt unter den Bodenerzeugnissen selbstredend auch Holz rc., kommt jedoch bei Holz- und ähnlichen Entwendungen nur insoweit zur Anwendung, als diese nicht schon durch das Pr. Forstdiebst.-Ges. (n. 58) verpönt, bzw. nicht auf einem hauptsächlich zur Holznutzung bestimmten Grundstücke verübt sind. Ebenso: Rill. 1. Juni 81 (E. IV, 268). Demgemäß bezieht sich die im § 18 hinsichtlich der Saatkämpe getroffene Vorschrift nur aus die Entwendungen aus solchen Saatkämpen, welche nicht zu den im Forstdiebst.-Ges. § 1 erwähnten ge hören, indem sonst § 3 9ir. 9 des letzteren Platz greift: Mot. z. FFP. Ges. s. 32. — Auf die Entwendung von Bamnstützen wandte die Pr. Praxis, OT. 13. Okt. 64 (O. V, 171) rc., den §43 Nr 1 der FPO. v. 1847 an; inzwischen dürfte der dieser Strafvorschrift entsprechende § 30 Nr. 5 des FFP.-Ges.'s solche Fälle nicht umfassen, hier vielmehr, je nach dem Werthe des Entwendeten, der cit. § 18 oder aber § 242 zutreffen. Vgl. Münch. 6. Febr. 74 (StZ. III, 338: betrachtete die Baum stützen als Zubehör des Baums und ihre Entwendung, ebenso, wie dies durch Münch. 19. Juni 83, BE. II, 442 vom Abhauen und Entwenden lebender Bäume außerhalb eines Forstes ausgesprochen wurde, als Feldpolizeifrevel im Sinne des Bayer. Pol.-StGB.'s Art. 112), während Münch. 23. Nov. 75 (BE. V, 524) die Anwendbarkeit des § 242 auf die Entwendung neuer, noch nicht zu Stützen ver wandter und mit dem Boden in Verbindung gebrachter, sondern auf dem Felde gelagerter Hopfenstangen anerkannte. Im Uebr. vgl. n. 57a. 58a. 55. Torf ist im (n. 53) cit. § 18 ebensowenig wie im § 42 Nr. 2 der FPO. v. 1847 unter den „Bodenerzeugnissen" mitverstanden; die Wegnahme ungestochenen Torfs „aus fremden Grundstücken" fällt unter § 370 Nr. 2 (vgl. dort n. 11), die jenige bereits gestochenen bzw. aufgestapelten Torfs unter § 242: OT. 12. Dez. 61 (O. II, 147), Rill. 7. Juli 80 (R. II, 166). 56. Der cit. §42 Nr. 2 der FPO. fand auch auf bereits geerntete und eingesammelte Früchte rc. Anwendung: OT. 30. Nov. 57 (JMbl. 58 s. 45), 25. Okt. 61 (O. II, 24). Die Anwendbarkeit wurde durch das Ausdreschen der Früchte und das Aufladen derselben auf einen- Wagen zur Abfuhr nicht be seitigt, so lange sie sich noch auf dem Felde rc. befanden: OT. 30. Okt. 63 (O. IV, 140). Dasselbe gilt vom übrigbleibenden Stroh; dieses war nicht als das Pro dukt einer weiteren Bearbeitung anzusehen, sondern nach wie vor ein Bodenerzeugniß: OT. 21. Dez. 60 (O. I, 194). Dagegen schloß das Unterbringen der geern teten Früchte (auf dem Felde) in Schober (Mieten. Gruben rc.) die Anwen dung der Nr. 2 nur dann nicht aus, wenn es blos geschehen war, um die Früchte vor den Einflüssen der Witterung zu bewahren; die Diebstahlsstrafe griff daher stets Platz, wenn jenes Unterbringen außerhalb des Feldes oder wenn es zu dem Zwecke geschah, um die Früchte rc. gegen Dritte zu schützen: OT. 5. Mai 69 (ib. X, 289), oder wenn die Miete rc. überhaupt zum (definitiven) Verwahrungsorte für die be reits vollständig eingeheimsten Früchte bis zu deren Verwendung diente: OT. 29. Mai 74, 29. Nov. 77 (O. XV, 338; XVIII, 751). Auch durste die Nr. 2 auf andere als die darin genannten Oertlichkeiten (z. B. auf einen Hofraum) nicht ausgedehnt werden: OT. 25. Apr. 61 (O. I, 327). — Gleiche Grundsätze gelten für die Hand habung des cit. § 18 des FFP.-Ges.'s. Vgl. Rill. 1. Juni 81 (E. IV, 268: betr. Holz von einem seitens des Eigentümers abgehauenen sog. Knick), RH. 7. Febr., 18. April 82 (E. V, 385; R. IV, 351). Demgemäß findet 242 Anwendung, wenn daS ent wendete Getreide durch Unterbringung in einen Staken — nicht etwa nur vorüber gehend zum Schutz gegen die Witterung, — eingeheimst war, um in dieser auf dem Felde ausgesonderten Aufbewahrungsstätte relativ dauernd untergebracht zu werden, sollte auch der Staken demnächst eingerissen worden sein: RH. 2. Nov. 83 (E. IX, 163). 56a. Saatkartoffeln gehören nicht zu den im cit. § 18 genannten Pro dukten; vgl. OT. 21. Mai 79 (O. XX, 275); eine an ihnen verübte Entwendung fällt daher unter den § 242, sofern nicht § 370 Nr. 5 zutrifft; vgl. dort n. 18. 57. Während die §§ 19 ff. des Pr. FFP.-Ges.'s bezüglich der Entwendungen int Sinne des § 18 Abs. 1 ib. (n. 54) Bestimmungen treffen, welche den §§ 243 ff. des StGB.'s theilweise analog bezw. entsprechend sind, verpönen die §§24. 25 ib. ähnlich, wie §41 Nr. 1.5—7 der cit. FPO., im Interesse der öffentlichen Ordnung die unbefugte Aneignung gewisser Gegenstände, welche vielfach keinen Werth haben
Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl u. Unterschlagung. — § 242.
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und von den Eigenthümem aufgegeben sind, so das Abschneiden rc. von Viehfutter an Grenzrainen, Wegen rc., das schädliche Abpflücken von Laub oder Zweigen rc. (auch auf Forstgrundstücken, vgl. unten n. 58), das Aufsammeln von Dungstoffen auf Aeckern rc.. das Graben rc. von Knochen und das Halten einer Nachlese. Treffen jedoch bei diesen Handlungen ausnahmsweise die Voraussetzungen der Entwendung zu, so werden jene §§ 24. 25 durch die §§ 18 ff. ib. sbzw. durch die §§ 242ff.] ausgeschlossen. Vgl. Mot. z. FFP.-Ges. s. 33. Im Einzelnen ist zu bemerken, daß unter betn „Aufsammeln von Dungstoffen" nur das allmälige Zusammenbringen der auf Aeckern, Wiesen, Gärten, Weinbergen rc. zerstreut liegen den Stoffe dieser Art verstanden wird: die Wegnahme einer Quantität aufgeschüt teten Düngers ist Diebstahl (§242): OT. 3. DIt. 61 (O. I, 567); vgl. n. 11, §370 n. 7; ferner, daß §25 cit. unter „Nachlesehalten" nur das Absuchen der Felder nach vollständig beendigter Ernte begreift, daß daher das frühere Absuchen unter die §§ IM. cit., bezw. unter die §§ 242ff. fällt; vgl. Mot. z. FFP.-Ges. s. 34. Ueber den Begriff „Beendigung der Ernte" vgl. § 368 n. 27. 57a. Bezüglich der unter das Bayer. Pol.-StGB. v. 26. Dez. 1871 fallenden Entwendungen von Feldprodukten rc. vgl. n. 54, Ri. 3. Juli 84 (R. VI, 497), Münch. 6. Mai 85 (BE. III, 380). 58. Das oben (n. 50) Gesagte gilt auch von den in Betreff des Holz- (Forst). Diebstahls ergangenen Gesetzen. Demgemäß blieb das Pr. Holzdiebst.-Ges. v. 7. Juni 1852 für die darin vorgesehenen Fälle vollständig in Kraft, obgleich auch dort unter „Diebstahl" (§1.2) der vollständige Thatbestand des §242 zu verstehen war. Dagegen schied dasselbe aus und die §§ 242ff. wurden anwendbar, wenn das Holz vorher (berechtigter oder unberechtigter Weise) vom Stamme oder Boden ge trennt worden war: OT. 2. Mai 66, 22. Sept. 75 (O. VII, 264; XVI, 598); vgl. n. 21. Dasselbe galt von den als Objekten des „Holzdiebstahls" (1. c.) be sonders aufgezählten Gegenständen: von dem durch Zufall abgebrochenen rc. Holze, Spähnen, Abraum rc. und von Waldprodukten anderer Art, sobald der Berechtigte sie für sich (durch Einsammeln, Zurichten, Aufstellen rc.) in Besitz genommen hatte: OT. 16. Dez. 69, 5. Nov. 73 (O. X, 789; XIV, 685); behauptete dann der Dieb, er habe von dieser Besitznahme keine Kenntniß gehabt, so wurde § 59 anwendbar: OT. 18. März 59 c. Stärke. Unter „Spähnen, Abraum, Borke" (1. c.) waren die zufälligen Abfälle der Holzbearbeitung zu verstehen: OA. 22. Dez. 69 (O. X, 805); daher gehörten ganze Theile eines Baumes und die absichtlich zum Zwecke der Be nutzung als Lohe abgelöste Baumrinde nicht hierher: OT. 25. Febr. 57 (JMbl. s. 135). — Dieselben Grundsätze gelten jetzt für das v. 1. Okt. 1879 ab an Stelle des Ges.'S v. 1852 getretene Pr. Fostdiebst.-Ges. v. 15. April 1878, dessen hier interessirende materielle Bestimmungen von jenen älteren hauptsächlich insofern ab weichen, als das entscheidende Kriterium für den Holz- bez. Forstdiebstahl nicht mehr, wie früher, darin besteht, daß das Holz rc. auf Grundstücken, auf welchen dasselbe hauptsächlich der Holznutzung wegen gezogen wird, sondern darin, daß es aus hauptsächlich zur Holznutzung bestimmten Grundstücken gestohlen wird, und daß der dritte Rückfall nicht mehr mit der gewöhnlichen Diebstahls-, sondern mit einer im Gesetze selbst vorgesehenen geschärften Strafe bedroht ist. Demzufolge unterliegt auch jetzt noch die Entwendung von stehendem Holze, selbst solchem, welches bereits Besihhandlungen erfahren hat, z. B. von entwendeten zu Markpfählen bemttzten Baumstümpfen, nicht der Strafe des § 242, sondern der Holz-(Forst-)Diebstahlsstrafe: RII. 5. Okt. 83 (E. IX. 72). 58a. Ueber das Verhältniß des § 242 zum Bayer. Forstges. v. 28. März 1852 bezw. 26. Sept. 1879, speziell über den Begriff des „aufgearbeiteten, zum Verkauf oder Verbrauche zugerichteten Holzes", dessen Entwendung, selbst wenn es noch im Walde lagert, jenem Gesetze zufolge unter den § 242 fällt, vgl. RI. 4. März 86, 23. Sept. 80 (E. XIII, 383; A. II, 308), über die Grundsätze des Sächs. RechtS in Betreff der Harzentwendungen: Rill. 5. Juli 83 (E. IX, 60). 59. Diejenigen Momente, welche es bedingen, daß die an sich unter den Be griff des Diebstahls fallende Handlung mit den milderen Strafen des § 370 Nr. 2 5 oder der in n. 50 ff. besprochenen Gesetze zu belegen ist, stellen sich als „vom Strafgesetze besonders vorgesehene, die Strafbarkeit vermindernde Umstände" im Sinne der §§ 262. 266. 295. 296 der StPO, dar; ebenso Rill. 28. Jan. 82 (E. V, 404: speziell bezüglich der Fälle des § 370 Nr. 5). Der Jnstanzrichter hat ihr
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Thl. II.
Abschn. XIX.
Diebstahl u. Unterschlagung. — § 243.
§ 243. Auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren ist zu er kennen, wenn Vorhandensein von Amtswegen zu berücksichtigen; erachtet er sie für unerroiefen, so braucht er ihrer im Erkenntnisse keine Erwähnung zu thun: die Bestrafung aus § 242 wird durch die Feststellung seines Thatbestandes vollständic gerechtfertigt, falls nicht außerdem einer jener strafmindernden Umstände eine Feststellung ge funden hat. Ausdrückliche (positive oder negative) Fest- bezw. Fragstellung wegen des letzteren ist nur dann unerläßlich, wenn das Vorhandensein desselben behauptet, bzw. dieserhalb die Stellung einer schwurgerichtlichen Frage beantragt war. Als dann genügt der (eine Mehrheit von zwei Drittheilen der (Stimmen erheischende) Ausspruch: das Vorhandensein jenes Umstandes sei nicht erwiesen, um denselben auszuschließen; vgl. § 370 n. 23, Rill. 9. Nov. 81 (R. III, 701: insofern dort die Nothwendigkeit der gerichtlichen Prüfung durch die Berufung des Vertheidigers auf § 370 Nr. 5 motivirt wird), cit. Rill. '28. Jan. 82 (speziell in Beweff des Stim menverhältnisses), Löwe s. 524. Contra: ^Rll.2G. 9lpr. 81, OT. 7. Dez. 71, 12. Juni 74, 11. April 78 (R. III, 249; O. XII, 628; XV, 399; XIX, 213: hielten eine erschöpfende positive oder negative Feststellung in Betreff derjenigen Momente, welche die Anwendbarkeit des einen oder anderen Gesetzes bedingen, stets, mithin auch ohne desfallsigen Antrag, für geboten; im Zweifel komme das mildere Gesetz zur Anwendung), und (in Betreff des letzteren Punktes, auch): citt. Rill. 9. Nov. 81, 28. Jan. 82, RII. 18. Dez. 83 (R. V, 793). — Keinesfalls aber kann nach dem Eingangs Gesagten, wenn die Strafkammer darüber getheilter Meinung ist, ob ein gemeiner Diebstahl oder eine Entwendung im Sinne des § 370 Nr. 5 ic. vorliege, gleich als ob zwei ganz verschiedenartige Delikte in Frage ständen, auf Freisprechung erkannt werden: citt. Rill. 28. Jan. 82, RII. 18. Dez. 83. 60. Ein aus § 242 Angeklagter kann, ohne Hinweis auf den veränderten Gesichtspunkt, nicht aus §370 Nr. 5 verurtheilt werden (StPO. §264): Rill. 30. Nov. 81 (E. V, 199). 61. Ueber die bei gewiflen Fällen des § 242 eintretende Zuständigkeit der Schöffengerichte vgl. GVG. §§ 27 (Nr. 4). 28. 75 (Nr. 6). Bezüglich des Ver fahrens in den nach n. 50 ff. zu beurtheilenden Sachen vgl. Pr. FFP.-Ges. §§ 53ff. und Pr. Forstdiebst.-Ges. §§ 19 ff. in Verbindung mit § 3 des EG. z. StPO, und oben § 69 n. 6. — Die Verfolgung der in den §§ 20. 21 des FFP.-Ges.'s svgl. n. 57] vorgesehenen Vergehen steht, auch im Vorverfahren, den Amtsanwälten selbst da zu, wo die Bearbeitung der schöffengerichtlichen Vergehenssachen der Staatsan waltschaft des Landgerichts überwiesen ist: JMVf. 27. Okt. 1880. §243.
1. Die hier vorgesehenen Fälle werden im § 244 als „schwere" Diebstähle bezeichnet. Zu denselben gehüen nicht die durch das Pr. FFP.-Ges. oder § 370 Nr. 5 verpönten Entwendungen, wenn sie unter einem der im § 243 erwähnten Um stände verübt werden; vgl. cit. FFP.-Ges. §§ 19. 20; § 370 n. 21. 2. Neben der Zuchthausstrafe kann auf Zulässigkeit der Polizei-Aufsicht erkannt werden: § 248. — Beim Vorhandensein mildernder Umstände tritt Gefängniß nicht unter drei Monaten ein (: Schlußs.), neben welchem außerdem der Verlust der rc. Ehrenrechte verhängt werden kann; das gilt auch vom Diebstahls versuche, wenn die Strafe drei Monate erreicht: §§ 32. 35. 248. 3. Daß dem Thäter möglich war, den Diebstahl ohne erschwerende Umstände, z. B. ohne Einbruch oder Einsteigen auszuführen, schließt die Strafe des § nicht aus: RH. 27. April 80, 25. Mai 83, Rill. 18. Dez. 80 (R. I, 684; II, 649; V, 387), OA. 20. Jan. 69, OT. 4. Nov. 74 (O. X, 36; XV, 746); vgl. n. 13. 21. 4. Realkonkurrenz kann angenommen werden, wenn Jemand Sachen ohne erschwerende Umstände stiehlt, und unmittelbar darauf in derselben Wohnung andere Sachen unter solchen Umständen stiehlt oder zu stehlen versucht; so: Rill. 15. Mai 80 (R. I, 787); vgl. jedoch § 73 n.4; § 242 n. 39a. 5. Es kommt nur als Strafzumessungsgrund in Betracht, wenn bei einem Diebstahle mehrere der hier unter Nrn. 1—7 vorgesehenen Umstände konkurriren. 6. Der Beginn der Ausführung eines schweren Diebstahls (Versuch) liegt vor, sobald mit einer Thatbestandshandlung begonnen ist, sei diese die Wegnahme
Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl u. Unterschlagung. — § 243 Nr. 1. 2.
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1) aus einem zum Gottesdienste bestimmten Gebäude Gegen stände gestohlen werden, welche dem Gottesdienste ge widmet sind; 2) aus einem Gebäude oder umschlossenen Raume mittels Einbruchs, Einsteigens oder Erbrechens von Behältnissen gestohlen wird; selbst oder eine der den gewollten Diebstahl qualifizirenden Handlungen z. B. Ein bruch, Einschleichen es ist sonach nicht erforderlich, daß die begonnene qualifizirende Handlung (z. Ä. das Einsteigen rc.) vollendet worden sei: § 43 n. 6, OT. 1. Febr. 66 (O. VII, 67), Merkel, HH. III, 685; doch muß im Falle des Einschleichens (Nr. 7) festgestellt werden, daß der Diebstahl erst bei Nachtzeit ausgeführt werden sollte: Münch. 5. Jan. 81 (BE. I, 395). Im Uebr. vgl. § 242 n. 48, und, insbesondere auch, was die Fälle der Nr. 5 betrifft, HStR. II, 335 ff. 7. Zuständigkeit der Strafkammern; vgl. GVG. § 73 Nr. 5. — Wird einer der im § vorgesehenen straferhöhenden Umstände erst in der Hauptverhandlung be hauptet oder statt des in der Anklage wirklich hervorgehobenen einer der anderen im § vorgesehenen Umstände unterstellt, so gelangt § 264 Abs. 2 bzw. Abs. 1 der StPO, zur Anwendung; Rill. 23. Febr. 85 (R. VII, 138) nahm Letzteres sogar da an, wo statt „Einbruchs" das in derselben Nr. 2 verpönte „Erbrechen eines Be hältnisses" in Frage kommt [?]. Alternative Feststellung der verschiedenen Umstände ist statthaft; vgl. Mot. z. StPO. s. 199, Oppenh. Pr. Strafverf. f. 384, Olsh. n. 59 (läßt dieselbe nur in beschränktem Maße zu).
Zu Nr. 1.
8. Vorausgesetzt wird, daß das Gebäude in dauernder Weise „zum Gottes dienste", nicht, daß es zum öffentlichen Gottesdienste bestimmt sei; auch eine Privatkapelle gehört hierher. — Zst nur ein einzelner Raum eines Gebäudes zum Gottesdienste bestimmt, so wird der § anwendbar, wenn aus diesem oder einem demselben Zwecke dienenden Nebenraume gestohlen ist; ebenso: HStR. II, 315. 9. Der § unterscheidet nicht zwischen den verschiedenen Religionsgesell schaften: der Gottesdienst einer jeden im Staate bestehenden Gesellschaft (vgl. § 167) wird geschützt; ob sie Korporationsrechte habe, ist gleichgültig. 10. Nicht minder ist es gleichgültig, ob der Dieb zu derselben oder überhaupt zu irgend einer Religionsgesellschaft gehört. 11. Uebereinstimmend mit Nr. 2 (aber abweichend von Nr. 7) erheischt Nr. 1, daß der Diebstahl „aus dem Gebäude rc." verübt sei. Dadurch wird zum Ausdrucke gebracht, daß die Anwesenheit des Diebes im Gebäude kein Erforderniß des Thatbestandes ist, daß es vielmehr genügt, wenn sich die Sache im Gebäude befand (z. B. wenn der Dieb die That durch Hineinlangen von außen her verübte): OT. 10. Okt. 53. Jena 29. Okt. 73 (GA. III, 854: StZ. IV, 167). Ebendeshalb ist aus obiger Fassung nicht zu folgern, als bedürfe es zur Vollendung des Diebstahls des Herausbringens der Sache aus dem Gebäude; vielmehr kommen auch hier die allgemeinen Grundsätze in Betreff der Vollendung des Diebstahls (§ 242 n. 39) zur Anwendung: OT. 27. Sept. 71, OA. 20. April 72 (O. XII, 466; XIII, 271). 12. Ein Gegenstand ist „dem Gottesdienste gewidmet", sobald er (mittel oder unmittelbar)'zu einem liturgischen Zwecke oder zur Erhöhung der Feierlichkeit dient; daß er sakramentaler Natur oder geweiht sei, wird nicht erfordert: OT. 24. Juni 64 (O. V, 28). Dagegen gehören nicht hierher Gegenstände, welche blos zur Bequemlichkeit der die Kirche Besuchenden dienen, z. B. Kirchensihe; vgl. jedoch Temme Gem. StR. s. 352; noch auch ausgelegte Gesang- rc. Bücher, das Geld im Opferstocke rc. Desgleichen nicht die in den Synagogenleuchtern befindlichen Lichte, wohl aber die Jahrtagslichte, d. h. Wachskerzen, welche nach jüdischem Ritus bei Verrichtung gewiffer Gebete angezündet werden: WGbl. XII, 473.
Zu Nr. 2. „auS* d. Gebäude rc.: 23. 41. Ausgang: 37. Bassin: 18.
Inhalt: Behältniß: 18. 38.-42. • Bestimmung: 38. - Briefcouvert: 36.
Behältniß, Diebst.d. Behältnisses: 41* - Kiffen: 38. • Sachbeschädigung: 31.
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Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl u. Unterschlagung. - § 243 Nr. 2.
Behältniß: Sack: 38. Sparbüchse: 38. Stoff? 38. Umhüllung? 38. Zimmer x.: 38. Einbruch: 17. 26—31. Ausbruch: 37. innerer: 28. Oeffnung: 30. Sachbeschädigung: 31. v. außen: 28. wer? 30. 36. Zeit: 29. Zweck: 30. Einsteigen: 17. 25. 32—37. • Avschließung: 34. 35. Durchwaten: 34. Durchzwängen: 35. inneres: 33. Hinderniß, sächl.: 34. Oeffnung: 34. 35.
Einsteigen, Thüre: 45. • Ueberschreiten: 34. 35. - Verschluß: 35. • v. außen: 33. • wer? 36. • Zugang: 34. 35. • Zweck: 30. Erbrechen: 39. 40. - wo? 41. Fest-, Fragstellung: 17. 24 a. Gauklerwagen: 14. Gebäude: 13—16. . Backofen: 13. . bewohnt? 16. 24. . fest? 14. . Gauklerwagen: 14. . Grubenbau? 13. • Neubau: 13. • Schaferkarre: 14. • unvewegl.: 14. • verschlossen: 13.
„in" d. Gebäude x. 23. 33. 41. Mitbewohner: 24. „mittels": 30. 36. Kaum, umschloss.: 17—22. 25. 32. . Aalfang: 18. • Eingang: 21. . Grubenbau: 18. - Umschließung: 19—22. Sachbeschädigung: 31. Schalerkarre: 14. Schiff: 15. Schlüssel, echter: 43. Theilnehmer, mehrere: 30. 44. Ueberschreiten: 20. 34. Verschluß: 13. 17. 29. 35. 39. - Zerstörung: 29. 39. • Versuch: 44. Vertiefung: 34. Wasserlaul: 34. Wer? 30. 44.
13. „Gebäude" bezeichnet ein unbewegliches (durch Menschenhand hergestelltes) Bauwerk, welches einen Theil der Erdoberfläche einnimmt, und eine weitergehende Zweckbestimmung, als die der Umfriedung des Raumes, erkennen läßt, speziell die Bestimmung, Personen, Thieren oder Sachen gegen äußere Einflüsse Schutz zu ge währen: Rill. 12. März 81, RII. 19. Febr. 84 (E. III, 411; X, 103). Vgl. Rll. 16. Jan. 83 (E. VIII, 102: ein nach seiner äußeren Erscheinung und inneren Ein richtung als ein einheitliches Ganze sich darstellendes Bauwerk), Rill. 24. Sept. 81 (E. IV, 433: ein Bauwerk, welches in einer mehr oder weniger engen Verbindung mit dem Erdboden stehe), RHI. 12. März 81 (E. III, 411: erachtet es für bedenk lich, auf die Errichtung oberhalb der Erde ein unbedingtes Gewicht zu legen). Im Uebrigen kommt es weder auf die Natur und Dauer des Zwecks (Beisp.: Cirkus-, Ausstellungs-Gebäude), noch auf die Größe an, sofern das Bauwerk nur den Ein tritt von Menschen ermöglicht: Rll. 28. Nov. 82, 19. Febr. 84, Rill. 29. Jan. 83 (E. VII, 262; X, 103; R. V, 71). Doch wird, zum Unterschiede von „Hütten" (StGB. §§ 306.308), eine dem Zweck entsprechende Dauerhaftigkeit und Festigkeit des verwendeten Materials erfordert; so: cit. Rll. 19. Febr. 84; vgl. Dresd. 20. Dez. 75, 17. Aug. 77 (SGZ. XX, 259; XXII, 167: sprachen mit Rücksicht auf die mangelnde Dauerhaftigkeit rc. des Materials einer aus lose mit einander ver bundenen Pfählen und einigen Schütten Stroh hergestellten Obsthütte bzw. einer aus eingerammten Pfählen und aufgenagelten Brettern in leichter Zusammenfügung errichteten Kirschbude die Eigenschaft eines „Gebäudes" ab). In sonstiger Hinsicht ist die Beschaffenheit des zum Bau verwendeten Stoffs (Stein, Lehm, Holz rc.) nicht entscheidend. Ferner bedarf es keines den Zutritt von Außen hindernden Ab- oder Verschlusses: es ist daher auch gleichgültig, ob der Dieb dasselbe für geschlossen gehalten hat: RII. 27. April 80. 16. Jan. 83 (R. I, 684; E. VIII, 102), OT. 10. Juli 67 (O. VIII, 464); contra: Meckl. OG. (GSaal 24 s. 102: ein ord nungsmäßiger Verschluß sei nothwendig, so z. B. genüge eö nicht, wenn ein ver quollenes und deshalb nicht verschließbares Fenster mittels eines Bindfadens zuge bunden gewesen, welchen der Dieb zerrissen habe); vgl. n. 27; desgleichen, ob das Bauwerk gemäß seiner wirthschaftlichen Bestimmung zu einer abgesonderten Be nutzung dienen soll: cit. RII. 16. Jan. 83 (es sei daher nicht rechtsirrig, wenn die unter Einem Dache befindlichen und unter sich zusammenhängenden, äußerlich als Ein Gebäude sich darstellenden Wohnungs-, Stall- und Scheunenräume für Ein Gebäude erachtet würden). — Demgemäß ist ein in den rohen Mauern dastehender Neubau ein „Gebäude": OT. 21. Juni 62, 13. Febr. 63 (O. II, 458; III, 290); ebenso (unter Umständen) ein alleinstehender Backofen und ein Kegelbahuhäuschen: OT. 22. März 54 c. Mörke, Münch. 19. Aug. 85 (BE. III, 591). Dagegen gehört eine natürliche (als Keller rc. benutzte) Höhle nur dann hierher, wenn sie durch Menschenhand eine den obigen Voraussetzungen entsprechende Vervollständigung er halten hat; dazu kann eine Bedachung genügen; vgl. OT. 23. Jan. 74 (O. XV, 38). — Grubenbaue (Schächte und Stollen) sind keine Gebäude: cit. Rill. 12. März 81; vgl. n. 18. — Der zu einem Gebäude gehörende „umschlossene Raum" ist nicht als Theil deffelben anzusehen, sondern selbständig zu beurtheilen; vgl. n. 18ff. 14. Ist das Bauwerk unbeweglch (n. 13), d. h. kann es nicht in seiner
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Gesammtheit (unbeschadet seiner Gestalt und Verbindung) fortbewegt werden, so kommt es weiter nicht darauf an, ob es fest mit dem Boden verbunden ist: ein hölzernes, lose auf dem Boden aufgesetztes, aber wegen seiner Schwere nicht fort zubewegendes Haus rc. ist ein Gebäude: RII. 19. Febr. 84 (E. X, 103), HStR. II, 317; contra: OT. 10. Sept. 70 (O. XI, 433); vgl. Münch. 2. Zuni 76 (BE. VI, 281: selbst ein bestimmungsgemäß zerlegbarer Bau, wie z. B. eine Marktbude, könne unter Umständen als „Gebäude" betrachtet werden). Dagegen gehört eine Aunt Fortbewegen bestimmte Räumlichkeit auch dann, wenn sie zum regelmäßigen Aufenthalt und zum Uebernachten benutzt wird (Gauklerwagen, Schäferkarre rc.), nicht hierher: OT. 8. Zuli 53 (ZMbl. f. 368), OStA. Wolfenb. 4. März 77 (Br. Z. 24 s. 94). Vgl. n. 18. 15. Wenn auch die Nr. 7 für den dort vorgesehenen Fall ein bewohntes Schiff „einem bewohnten Gebäude gleichachtet", so steht solches doch nicht einem „Gebäude" im Sinne der Nr. 2 gleich: OA. 10. Mai 71, OT. 19. April 72, 31. Jan. 73 (O. XII, 256; XIII, 268; XIV, 105); contra: Lübeck 20. Zuli 72 (GA. XXI. 118; StRZ. XII, 543). Vgl. n. 18. 16. Daß das Gebäude bewohnt gewesen sei, wird hier nicht erfordert; vgl. n. 24. 17. Nach den Mot. s. 120 ward von einer Definition des Begriffs des „um schlossenen Raums" abgesehen, weil dieser Begriff dem gemeinen Leben ange höre und daher ohnedies dem Verständnisse des Laien zugänglich sei. — Die Um schreibung bzw. Auflösung desselben in der schwurgerichtlichen Frage ist unstatthaft; vgl. Mot. z. StPO. s. 199, Kommiss.-Protok. s. 447 ff. 18. Der „umschlossene Raum", welcher hier dem Gebäude gleich gestellt ist, hat mit diesem das gemein, daß er einen Theil der Erdoberfläche bilden und den Eintritt normal großer Menschen überhaupt gestatten muß (: RII. 28. Nov. 82, 19. Febr. 84, Rill. 29. Jan. 83, eilt. n. 13: daher gehören z. B. Hunde- oder Kaninchenställe, Taubenschläge, gewöhnliche Backöfen nicht hierher; vgl. n. 38): ob derselbe sich bis unter die Oberfläche erstreckt, ist ohne Belang: eit. RII. 19. Febr. 84; er unterscheidet sich vom Gebäude durch die erkennbare Zweckbestimmung, welche lediglich dahin abzielt, das Eindringen von Menschen zu verhindern (n. 19. 20); contra: Rin. 12. März. 23. April 81 (E. III, 411; R. III, 242: insofern sie unter irdische Theile der Erdfläche, speziell Bergwerksschächte ebendahin rechnen). Einen erheblichen Anhaltspunkt für diese Unterscheidung bietet der Umstand, ob die Räumlich keit auch von oben gedeckt ist, obgleich derselbe nicht als unbedingt entscheidend angesehen werden kann. — Nach der andern Seite bildet das „Behältniß" den Gegensatz gegen den „umschlossenen Raum", vgl. n. 38ff. — Hiernach stellt weder ein bewohnter Wagen (n. 14) noch ein Schiff einen solchen Raum dar: eit. Rill. 23. Apr., 24. Sept. 81, 7. Zuni 83 (E IV, 433; VIII, 364), OT. 11. Juli 78 (O. XIX, 368); contra: ML. s. 532, wohl aber ein umschlossenes Bassin: OT. 14. Mai 58 c. Welke; dasselbe gilt von einem aus Planken ausgezimmerten, mit dem Erd boden festverbundenen, zum Fangen und Aufbewahren von Aalen dienenden sog. Aalfange; vgl. OT. 15. Jan. 58 (GA. VI, 120), von der unter n. 13 beschriebenen Kirschbude: Dresd. 17. Aug. 77 (eit. n. 13), nicht aber von abgeschlossenen Rämnen im Innern eines Gebäudes: Rl. 23. Febr. 80 (E. I, 216); vgl. n. 38. Manh. (BA. 41 s. 377) erachtete den sog. Trippel, b. h. die Gallerie, welche sich um das zweite Stockwerk der Schwarzwaldhäuser hinzieht und nur vom Innern derselben zugäng lich ist, für einen (zmn Hause gehörigen) umschlossenen Raum. 19. Der Raum muß „umschlossen", d. h. mit einer Vorrichtung umgeben sein, welche in erkennbarer Weise dazu bestimmt und (relativ) geeignet ist, das Eindringen von Menschen abzuwehren; ebenso: RII. 19. Febr. 84, 19. März 86, RI. 8. Apr. 86, Rill. 30. Oft. 84 (E. X, 103; XIII, 423; XIV, 226; R. VI, 637); contra (insofern, als nicht die Bestimmung, sondern lediglich das Geeignetsein ent scheiden soll): Rill. 21. Mai 85 (R. VII, 320: Mot.). Die Umschließung muß fest d. h. so unbeweglich sein, daß sie nicht in ihrer Gesammtheit fortbewegt werden kann; auch genügt es nicht, wenn sie aus lose auf einander gelegten Steinen be steht, so daß sie ohne Gewalt und Zerstörung auseinander genommen und ebenso leicht wieder hergestellt werden kann: OT. 4. Nov. 70 (O. XI, 547); vgl. Dresd. 24. Sept. 77 (SÄZ. 22 s. 176: betr. eine mit Stroh und Dünger überdeckte Kartoffel grube). Dagegen bedarf es keiner festen Verbindung mit dem Boden; auch hier
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reicht es hin, wenn die Unbeweglichkeit auf der eigenen Schwere beruht. Contra: citt. RII. 19. Febr. 84, RI 8. Apr. 86, Rill. 21. Jan 80, 23. Apr. 81 (R. I, 252; III, 242), OT. 30. Okt. 61, 14. Juli 64 (O. II, 28; V, 86), insofern sie die Unbemieglichkeit für den Begriff eines umschlossenen Raumes überhaupt nicht als wesentlich erachteten. 20. Durch die Umschließung soll das Eindringen von Menschen abgewehrt werden (n. 19); ebenso: RF. 29. Aug. 82 (R. IV, 696); somit genügt ein durch ein faches Ueberschreiten zu überwindendes Hinderniß nicht: OA. 20. April 72 (O. XIII, 271), die Einfriedigung muß vielmehr eine ihrem Zweck entsprechende Höhere, haben: RII. 4. April 84 (Ä. X, 16). Auf der andern Seite wird nicht erfordert, daß das Hinderniß unüberwindlich sei; eine erhebliche Erschwerung der Ueberwin dung reicht hin; vgl. eit. NF. 29. Aug. 82 (: ein nicht ganz unerhebliches Hinder niß). — Dagegen ist es gleichgiltig, worin jene Vorrichtung besteht, ob sie durch Menschenhand hergestellt oder von Natur vorhanden ist. Ein obigen Voraussetzungen entsprechender Wasserraum kann als hinreichende Umschließung angesehen werden (anders, wenn er zugefroren ist): Dresd. 5. Mai 71, 27. Mai 72 (StZ. I, 90; II, 105); dem steht der Umstand nicht entgegen, daß das Wasser als Mittel der Ueber-schreitung benutzt werden kann. OT. 2. Nov. 78 (O XIX, 526) hält einen Fluß selbst dann für eine hinreichende Umschließung, wenn er das Durchwaten gestatte. — Dasselbe gilt von einer umschließenden Vertiefung, z. B. einem Graben, wenn er so breit und tief und sein Rand so steil ist, daß er weder überschritten, noch durchgangen werden kann. Ebenso verhält es sich, wenn eine Räumlichkeit im Ganzen so tief liegt, daß durch den steilen Rand der Zutritt von allen Seiten ver hindert wird. — Auch dann, wenn zusammen gehörende Gebäude in unmittel barer Verbindung selbst die Umfriedigung bilden, liegt ein, die Gebäude selbst mit umfassender, umschlossener Raum vor; vgl. Nr. 7. — Daß die Umschließung zur Erfüllung desselben (besondere«) Zwecks an derselben Stelle dauernd bestimmt sei, wird nicht erfordert: Rill. 21. Jan. 80, Nil. 19. Febr. 84 (citt. n. 19: be trafen eine Markt- bzw. eine zur Aufbewahrung von Sachen aufgestellte Bude); vgl. n. 13. 21. Um ihrem Zwecke (». 19. 20) zu entsprechen, muß die Umschließung eine vollständige sein; sie darf also keine, den freien Zutritt ins Innere gestattende Unterbrechung haben, wie z. B. eine unverschließbare Thür; contra (in Bezug auf letztere): Rill. 18. Dez. 80 (R. II, 649: sofern der Eingang nicht für jeden sichtbar offen stehe), Meckl. OG. (GSaal 26 s. 545); vgl. auch Schw. n. 8 und RII. 4. April 84 (eit. n. 20: legt gleichfalls Gewicht darauf, ob die offene Stelle für Jedermann erkennbar sei). Dagegen nimmt eine Oeffnung, welche ein unter den Begriff des Einsteigens fallendes Eindringen zuläßt, dem Ramne nicht den Charakter eines umschlossenen. Das gilt z. B. von einer mehrere Fuß über der Erde befindlichen Oeffnung in der umgebenden Mauer re., von einer ein Hinabsteigen in die Tiefe gestattenden Luke: OT. 11. März 57 (GA. VII, 396). In derartigen Fällen kommt Vieles auf die thatsächliche Gestaltung, besonders auf die Natur der Umschließung und auf die Größe und Höhe der Oeffnung re. an. — Ebenso wird der Begriff der Umschließung dadurch nicht aufgehoben, daß in derselben verschließbare Ein gänge angebracht sind, welche zur Zeit des Diebstahls nicht verschlossen, oder mittels Durchgreifens zu öffnen waren: Dresd. 5. Mai 71. Münch. 1. Mai 80 (SGZ. XVI, 77; BE. I, 124), HStR. 11,316; contra: BL. f. 510; demgemäß ist es gleichgültig, ob der Dieb die Zugänge nicht gekannt oder für verschlossen ge halten hat: OT. 10. Juli 67 (O. VIII, 464). Dresd. 6. Okt.. 29. Dez. 73 (SGZ. XVIII, 64. 157) oder ob er sie aus anderen Gründen, z. B. zur Vermeidung eines Umwegs, unbenutzt ließ: RII. 28. Nov. 82, 19. März 86 (E. VII, 262; XIII, 423). Nur dann, wenn die Eingänge regelmäßig und in einer für Jeden sichtbaren Weise offen zu stehen pflegen, könnte, je nach Lage des Falles, der Raum als zur Zeit nicht „umschloffen" angesehen werden: cit. RII. 19. März 86, OT. 23. Sept. 75 (O. XVI, 609). Desgleichen mangelt einem Raume jene Eigenschaft nicht um des willen, weil man in denselben durch die Thür des anliegenden, bewohnten Hauses des Besitzers und durch dieses Haus selbst gelangen kann: RF. 29. Aug. 82 (cit. n. 20). Sonach schließt der Umstand, daß der Dieb möglicher Weise in den Raum hätte kommen können, ohne einzubrechen rc.. die Anwendung der Nr. 2 noch nicht aus; vgl. n. 3. 13.
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22. Sind die Merkmale eines umschlossenen Ramnes vorhanden, so begründet es keinen Unterschied, wenn derselbe mehreren Eigenthümern in abgetrennten, jedoch unter sich nicht unbefriedigten Parzellen gehört; auch dann muß der Um schließung der gesetzliche Schuh gegen Eingriffe dritter von Außen eindringender Personen zu Theil werden: Rill. 21. Mai 85 (R. VII, 320), OT. 25. April 55 (GA. III, 569). Dies gilt selbst, wenn die Einfriedigung nicht speziell zum Schuhe desjenigen Raumes, aus welchem gestohlen wurde, hergerichtet ist. wenn z. B. der Thäter nicht in derjenigen Abtheilung, in welche er zunächst eingestiegen war, son dern in derjenigen eines anderen Eigenthümers, in welche er nunmehr ohne Ein steigen gelangen konnte, gestohlen hat: so: OT. 4.DR.77 (O.XVIII,618); contra: Antr. d. GStA. (ib.). 23. In Betreff der Bedeutung der Ausdrucksweise: „aus einem Gebäude rc." vgl. oben n. 11. Das dort Gesagte erleidet bei dem „mittels Einsteigens" verübten Diebstahle insofern eine Ausnahme, als dieser letztere Begriff den Eintritt des Diebes in das Gebäude rc. vorausseht; vgl. n. 32. 33. — Auch hier ist wesentlich, daß sich die zu stehlende Sache im Gebäude rc. befand; ein Diebstahl, welcher mittels Er brechung eines an der Außenseite desselben angebrachten, mit dem Innern in keiner Verbindung stehenden Schaukastens verübt ist, gehört nicht hierher: OT. 8. Juli 53 c. Perplies, wohl aber ein Getreidediebstahl, welcher mittels Durchbohrens des Bodenbeschlusses in der Weise ausgeführt wird, daß die darauf lagernden Körner durchrinneu: OT. 15. Sept. 53 (GA. 1,711). Eine gleichzeitig als öffentlicher Durch gang benutzte, mithin den Zwecken des öffentlichen'Verkehrs dienende Hausflur ver liert darum nicht nothwendig die Eigenschaft eines inneren Theils eines Gebäudes; ob das Eine oder Andere zutreffe, ist eine thatsächliche, der Nachprüfung des Nichtig keitsrichters entzogene Frage: Dresd. 1. April 78 (SGZ. 22 s. 275). 24. Die Bestrafung aus Nr. 2 wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Dieb selbst Mitbewohner des Gebäudes war und zu andern Zeiten sowie Zwecken befugter Weise auf demselben Wege sich den Eingang verschafft hatte: OA.7. Sept. 70 (£>. XI, 436). 24a. Nach den Mot. s. 120 ist für die erhöhte Strafbarkeit des mittels Ein bruchs oder Einsteigens verübten Diebstahls vorzugsweise die besondere Geflisse nt lichkeit und Hartnäckigkeit des Diebs entscheidend. Die Begriffe „Einbruch", „Einsteigen" und „falscher Schlüssel" sind nicht, wie im Pr. StGB., definirt wor den, weil man sie als dem gemeinen Leben angehörig erachtete: Mot. 1. c. Ihre Auflösung bezw. Umschreibung in der schwurgerichtlichen Frage ist unstatthaft; vgl. n. 17. 25. Für den Begriff des „Einbruchs" oder des „Einsteigens" ist es gleich gültig, ob in das Gebäude selbst, aus welchem demnächst gestohlen worden ist, oder in einen mit dem letzteren in Verbindung stehenden umschlossenen Raum eingebrochen bzw. eingestiegen wurde. 26. „Einbruch" ist die gewaltsame Eröffnung eines Eingangs (Zugangs) tu eilt Gebäude oder in einen umschlossenen Raum, bei welcher die Substanz der Umschließung oder ihr mechanischer Zusammenhang verletzt wird: RI. 21. Okt. 80 (E. II, 371: demnach genüge nicht die Aufhebung des lediglich durch das Gesetz der Schwere bewirkten, sofort mit Beendigung der Kraftanwendung wieder vorhan denen Zusammenhanges der Umschließung), RF. 27. Juli 86 (R. VIII, 536: Mot.). Dresd. 5. April 72,' 13. Jan. 74 (SGZ. XV, 258; XVIII, 157: Oeffnen einer Thüre durch Rütteln, Heben, Stoßen genüge nicht), Schw. u. 13; vgl. u. 40; contra: Rill. 1. Dez. 80. RII. 5. Juli 81, RlV. 29. Okt. 86 (R. II, 589; E. IV, 353; XV, 12: es genüge, wenn mittels Gewalt an den Einfriedigungsmitteln das den Zugang verwehrende Hinderniß smomentan^ beseitigt werde); vgl. OA. 7. Juni 71 (O. XII, 313; erachtete jede gewaltsame d. h. niittels einer widerrechtlichen Kraft anstrengung ausgeführte Oeffnung (eines Behältnisses) für ein „Erbrechen"), RI. 23. Juni 87 (R. IX, 381: ebenso, speziell das Zurückbiegen der Bügel einer Reise tasche), Olsh. n. 17 (fordert stets eine Beschädigung der Umschließung). — Als im mechanischen Zusammenhange stehend ist alles Verbundene anzusehen, was nach seiner Bestimmung in der ungetrennten Verbindung bleiben soll, z. B. das Gefüge eines Behältnisses, das Gehänge einer Thüre (trotz ihrer Beweglichkeit). Ist dieser mechanische Zusammenhang aufgehoben worden, so bedarf es einer Substanzverletzung (eines „Brechens") nicht; vgl. OA. 20 Jan. 69 (O. X, 36), eit. Dresd.
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5. Apr. 72. Daher ist das (ohne Beschädigung bewirkte) Ausheben eines werschlossenen Thorflügels ein Einbruch: 91111. 1. Juni 81 (R. III, 361), OT. (PR.) 5. Mai 56 (JMbl. s. 183); contra: OStA. Wolfenb. 14. März 74 (StZ. III, 344), Olsh. I. c.; ebenso das Lockern und Ausziehen eines Nagels, Haspens oder eimer Schraube, die Herausnahme einer Fensterscheibe durch Zurückbiegen der Bleieünfassung: Dresd. 10. Febr. 71, 13. April 74, (SGZ. XV, 118; XVIII, 283); conbra: Merkel, HH. III, 676; nicht aber das ohne Beschädigung erfolgende Auseinander« biegen der lockeren Thorflügel eines verschlossenen Scheunenthors: OT. 12. Jcan. 55, 29. Jan. 79 (Entsch. dess. 29 s. 418; O. XX, 50); contra: ritt Rill. I. Dez. 80, RII. 5. Juli 81, OA. 10. Juni 68 (O. IX, 369); noch das bloße Jndiehö.heheben eines lose aufliegenden Strohdachs: cit. RI. 21. Okt. 80. Dgl. n. 35. 40.. 27. Das Maß der anzuwendenden Kraftanstrengung (Gewalt n. 26) ist mit Rücksicht auf den zu bewältigenden sachlichen Widerstand zu bemessen; die Gewcalthandlung darf nicht lediglich aus dem Grunde geleugnet werden, weil die Kraftanstrengung eine nur unbedeutende, nicht gesteigerte gewesen sei: OA. 30. Sept. 68, 20. Jan. 69 (O. IX, 526; X, 36). Das Zerbrechen einer Fensterscheibe ist Einbruich: OT. 24. Febr. 60 c. Lehmann. Dasselbe gilt von dem Zerreißen eines Gazefensters oder der Papierverklebung, welche den leeren Raum einer fehlenden Fensterscheibe verschließt, vorausgesetzt, daß jene die Bestimmung hatten, das Eindringen von Außen zu verhindern. Aehnlich verhält es sich mit dem Durchschneiden eines die Ausgangsthüre zuhaltenden Strickes. Dagegen erkannte Stuttg. 20. Jan. 75 (StZ. IV, 3Q5), daß das Zerschneiden eines das Fenster festhaltenden Bindfadens wicht (nothwendig) einen Einbruch darstelle. 28. Nur das von Außen bewirkte Eindringen in das Gebäude oder den verschlossenen Raum ist „Einbruch", nicht dasjenige, durch welches der Dieb im Innern des Gebäudes rc. in einen ihm hier versperrten Raum dringt; in einem solchen Falle kann nur von dem „Erbrechen eines Behältnisses" die Rede sein; vgl. n. 18. 33. 38. 39. Ein Eindringen von Außen liegt aber auch dann vor, wenn man in das Gebäude aus einem an dasselbe angebauten, selbständigen Nebengebäude (durch eine nicht zum Eingänge bestimmte Oeffnung) eindringt: Rill. 9. Juni 80 (R. II, 46). 29. Einem Einbrüche steht es nicht gleich, wenn der Dieb vor Verübung des Diebstahls die zum Verschlüsse bestimmten Vorrichtungen beschädigt und dadurch ben demnächstigen Verschluß unmöglich macht: OT. 3. Juli 57 (GA. V, 698). Dagegen trifft der § zu, wenn die frühere Beschädigung selbst schon den Charakter eines Einbruchs an sich trug, der Diebstahl aber erst nach einem Zwischenräume unter Benutzung dieses früher bewirkten Einbruchs erfolgt; vgl. n. 30. 30. Ein Diebstahl wird nur dann „mittels Einbruchs oder Erbrechens eines Behältnisses" verübt, wenn der Dieb selbst oder ein Theilnehmer (§ 47 n. 10. 25) den Einbruch rc. rc. bewirkt: OT. 14. Sept. 57, 20. März 68 (Entsch. dess. 37. 2 s. 22; O. IX, 148), Dresd. 23. Juni. 1. Aug. 73 (StZ. III, 117; SGZ. XVII, 271), HS. II, 472 n. 5; wobei jedoch das in Betreff der sog. fingirten Thäterschaft unter § 47 n. 3 Gesagte zu beachten ist; vgl. n. 46. Es genügt daher nicht, wenn der Dieb eine vorgefundene, von einem Andern zu einem andern Zwecke (be rechtigter oder unberechtigter Weise) gewaltsam bewirkte Oeffnung zur Ausführung des Diebstahls benutzt (er benutzt dann nicht den „Einbruch rc." d. h. nicht die Handlung des Andem, sondern nur den von diesem hergestellten sachlichen Zustand der Oeffnung). Dresd. 21. Apr. 76 (SGZ. 21 s. 52) nahm Aehnliches sogar in einem Falle an, wo die Beseitigung eines Verschlusses (vgl. § 243 Nr. 4) in diebi scher Absicht und von einem Mitthäter, aber vor dem Eingehen der Diebstahlsge meinschaft bewirkt und dies seinem späteren Genoffen bei Verübung des Diebstahls bekannt war; hier fei ersterer wegen schweren, letzterer wegen leichten Dieb stahls zu bestrafen; ähnlich: OT. 24. Okt. 78 (O. XIX, 477); vgl. übrigens §47 n. 25. 26. Die gemeine Meinung geht noch weiter, indem sie, entgegen der in früheren Ausgaben dieses Buchs vertretenen Ansicht, fordert, daß der Dieb (oder Theilnehmer) gerade zum Zwecke der Diebstahlsverübung eingebrochen (oder einge stiegen) sei; vgl. die citt. Erkk. Rill. 23. Juni 80, 25. Mar, 19. März 81. RII. 25. März 81 (R. II, 102; III, 327; E. III, 423. 440), Münch. 26. Okt. 72 (BE. II, 268), Hälschner, Schütze s. 437, Schw. n. 46, Rüd. n. 1, Olsh. n. 25. Doch besteht darüber Streit, ob es genüge, wenn beim Einbruch (oder Einsteigen) zwar eine
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diebische Absicht obgewaltet hat, diese aber auf Verübung eines anderen (einen anderen Gegenstand'betreffenden) Diebstahls, selbst eines mit geringerer Straff be drohten, z. B. eines bloßen Mundraubs (§ 370 Nr. 5) gerichtet war, der demnächst verübte Diebstahl daher auf einem neuen, erst nach geschehenem Einbruch (bzw. Einsteigen) gefaßten Entschlüsse beruhte; für die Bejahung sprachen sich aus: cit. RHI. 19. März 81, Münch. 16. Okt. 72, Darmst. 9. Dez. 72 (StRZ. XIII, 69; HE. s. 19), Wolfenb. 14. Nov. 76 (Br. Z. 24 s. 6); für die Verneinung: RI. 9. Apr. 85 (R. VII, 218), Dresd. 8. März, 10. Dez. 75 (StZ. V, 353; SGZ. XX, 254), Geyer. Z. f. StN.II, 301, während RPl. 7. Juli 86 (E. XIV, 312) unterscheidet, ob eine einheitliche oder ob mehrere selbständige Thaten vorliegen, und im ersteren Falle einen schweren, im andern einen einfachen Diebstahl annimmt. 31. Da das Gesetz hier das Zusammentreffen des Diebstahls mit dem (eine Sachbeschädigung nothwendig in sich schließenden: n. 26) Einbrüche zum Gegenstände besonderer Strafandrohung gemacht hat, so findet § 73 keine Anwen dung; contra: Riv. 29. Okt. 86 (E. XV, 12): vgl. § 73 n. 6. Dagegen steht die Straflosigkeit oder Unverfolgbarkeit. des Diebstahls der Verfolgung und Bestrafung wegen Sachbeschädigung nicht entgegen; vgl. § 247 n. 21. 32. „Einsteigen" ist der von Außen bewirkte Eintritt in ein „Gebäude" oder einen „umschlossenen Raum", welcher mittels körperlicher Ueberwindung einer das Eindringen von Menschen hindernden sachlichen Abschließungsvorrichtung ge wonnen wird, gleichviel, ob dies durch eigentliches Steigen oder durch Springen, Sichhinablaffen, Kriechen rc. geschieht; vgl. n. 34, Rll. 8. Okt. 86 (R. VIII, 601). Daß die Abschließung eine vollständige Umschließung bilde, wird bei einem Gebäude nicht erfordert (n. 13); dagegen liegt eine vollständige Umschließung im Begriffe des „umschlossenen Raumes", die aber dadurch nicht aufgehoben wird, daß in den lehtern zur Zeit unverschlossene Eingänge führen (n. 21). 33. Nur der vonAußen (aus dem Freien oder von einem angebauten Hause aus: Rll. 16. Jan. 83, E. VIII, 102) in das Gebäude rc. bewirkte Eintritt stellt ein „Einsteigen" dar, nicht das im Innern des Gebäudes bewirkte Eindringen in eine verschlossene Abtheilung desselben (diese ist ein „Behältniß": n. 28. 38): OA. 19. Febr. 69, Stuttg. 24. Dez. 74 (O. X, 103; StZ. IV, 364); contra: Dresd. 29. Sept. 71, Jena 30. Okt. 72. Manh. 7. Apr. 77. Münch. 4. Febr. 78 (StZ. I. 11?; II, 181; BA. 43 f. 212; BE. VIII, 50), ML. s. 533. HStR. II, 321, Schw. s. 591 (falls die Abtheilungen „völlig" getrennt seien). — Der Dieb muß in das Innere des Gebäudes eingedrungen fein; ein äußeres Hinan- oder Hinaufsteigen am Gebäude, um etwas von dessen äußeren Bestandtheilen (z. B. das Blei der Dachrinnen) oder auö dem Innern mittelst Durchgreifens von Außen her zu stehlen, genügt hier nicht: OT. 7. Apr. 52, Dresd. 13. Nov. 72, Münch. 25. Apr. 74 (GA. I, 94; SGZ. XVII, 57; StZ. IV, 51); contra: Meyer n. 7; vgl. n. 23. Das Eindrirgen mit einem Theile des Körpers genügt, wenn dadurch der Schwerpunkt in das Innere des Gebäudes gebracht ist; vgl. Manh. 20. Sept. 73 (StZ. III, 115), Schütze s. 437; contra: Rill. 14. Mai 81 (E. IV, 177), Schw. n. 17. 34. Wesentlich für den Begriff ist die Neberwindung einer das Eindringen von Menschen hindernden sachlichen AbschließungSvorrichtung (n. 32): eine Vorrichtung, welche in Wahrheit gar nicht hindert und durch die gewöhnliche Fort bewegung des Körpers (z. B. durch ein Ue6erstreiten) überwunden werden kann, gerügt dazu nicht: Manh. 1. März 73 (BE. 39 s. 136), Dresd. 10. Mai 75 (SGZ. XX. 16). Ist dagegen ein wirkliches sachliches Hinderniß überwunden worden, so kommt auf seine Bedeutendheit und die Art der dasselbe überwindenden Körper bewegung Nichts an: ein Durchkriechen durch eine vorhandene, aber nach Lage oder Enge den freien Zugang nicht gewährende Oeffnung genügt: Rill. 13. März 80 (R. [, 470), Jena 8. Juni 71, Dresd. 6. Aug. 72 (StZ. I, 79; II, 103); contra: Rill. 12. !lpr. 82 (E. VI, 187: speziell bezüglich des Durchkriechens durch eine unterhalb der Einfriedigung befindliche Oeffnung); vgl. auch Rill. 21. Jan. 86, Rll. 5. Juni 85 (E. XIII, 257; R. VII, 348); ebenso das Durchklettern, Durchwaten oder Ueber* sprirgen eines den Raum abschließenden (Wasser-) Grabens: Dresd. 27. Mai 72 (StZ. II, 105); vgl. n. 35. Daß die zu benutzende Oeffnung als solche vermöge ihrer Dimensionen oder ihres Verschlusses Schwierigkeit darbiete, ist übrigens nicht nothvendig, letztere kann auch in der Schwierigkeit bestehen, die Oeffnung zu er reichn: Rl. 20. Dez. 80 (E. III, 173).
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35. Außerdem wird zum Wesen des „Einsteigens" erfordert, daß die benutzte Oeffnung (oder die benutzte Leiter: Rill. 9. Juni 80, R. II, 46) nicht nach der bau lichen Einrichtung des betretenen Raums in bleibender Weise zum Eingänge (Zugänge) für Menschen bestimmt sei Dagegen ist ein „Einsteigen" nicht aus geschlossen, wenn der Eigenthümer rc. rc. sich der Oeffnung gelegentlich selbst zum Betreten des Raums bedient hat; vgl. OT. 3. Juli 74 (O. XV, 475), Dresd. 11. Juni 75 (SGZ. XX, 30), oder wenn die Oeffnung den Zugang nur zu gewissen Theilen des Gebäudes zu vermitteln bestimmt ist, und der Dieb dieselbe dazu be nutzt hat, um in einem anderen Theile zu stehlen: Ri. 15. Juni 82 (E. VI, 350); vgl. Ri. 20. Dez. 80 (cit n. 34). Ebenso verschlägt es Nichts, wenn einer Oeffnung, welche nach ihrer baulichen Einrichtung und äußern Erscheinung zum Eingänge nicht dienen soll, vom Eigenthümer diese Eigenschaft in beschränktem Maße (für gewisse Personen und zu gewissen Geschäften) beigelegt ist: OT. 20. Jan. 65 (O. V, 427). Bei einer horizontal in zwei Hälften getheilten Thüre ist die Benutzung der oberen Hälfte zum Eintritt während des Verschlusses der unteren keine be stimmungsmäßige ; dasselbe gilt vom Durchkriechen durch eine unter dem Thore frei bleibende Oeffnung (n. 34). Vgl. OT. 6. Jan. 54, Dresd. 6. Aug. 72, 11. Juni 75, 22. Febr. . VIII, 79; XVII, 731: für die entgegengesetzte Ansicht hatte man geltend gemacht, daß das äußerlich zu Stande gekommene Geschäft so lange bestehe, bis es durch die Parteien oder durch Nichterspruch förmlich aufgehoben sei); nicht aber der Scheinverkäufer: Carlsr. (BA. 44 s. 208). Dagegen werden die auf Grund einer simulirten (Session an den vermeintlichen Cessionar gezahlten Gelder dessen Eigenthum, falls derselbe schon bei der Empfangnahme Willens war, das Geld für sich zu erwerben; er macht sich daher durch die Zueignung des Geldes nicht aus § 246, wohl aber aus § 266 Nr. 2 strafbar; vgl. n. 10, RII. 13. März 83 (R. V, 168: scheint den § 246 auch beim Mangel jener Bedingung für ausgeschlossen zu erachten). 14. Wo bei Veräußerungen der Eigenthumsübergang durch die Ueber* gäbe bedingt ist, kann der im Gewah^am verbliebene Veräußerer sich keiner Unter schlagung schuldia machen, so lange die Uebergabe nicht erfolgt ist: OT. 21. Juni 67, 4. Dez. 68 (O. VIII, 399; IX, 697); doch genügt eine fingirte Tradition, ein sog. constitutum possessorium, falls diese nach civilrechtlichen Grundsätzen'die wirk liche Uebergabe erseht: Rl. 7. Mai 83 (R. V, 323); vgl. n. 10. — Wird eine Waare vom Verkäufer in die Räume des Käufers gebracht, und in der Erwartung sofortiger Zahlung dort niedergelegt, so fehlt es an einer das Eigenthum übertragenden Uebergabe; die Waare bleibt daher (bis zur Zahlung) für den Käufer eine fremde Sache, an welcher er eine Unterschlagung begehen kann: OT. 6. Juli 77 (0. XVIII,
Thl. TI. Abschn. XIX. Diebstahl u. Unterschlagung. — § 246.
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509). Wer dagegen ein Thier. z. B. ein Pferd, zur Tödtung dem Abdecker überliefert, begiebt sich dadurch seines Eigenthums, falls kein desfallsiger Vorbehalt ge macht ist oder aus den Umständen erhellt; so: Manh. 23. Febr. 78 (BA. 44 s. 197). Vgl. n. Ga. 15. Das Eigenthum an einer Sache geht nicht durch die einem Andern ouf* getragene Verarbeitung verloren; die Grundsätze der Spezifikation bleiben bei einer vertragsmäßig vorgenonnnenen Verarbeitung ausgeschlossen: OT. 25. Okt. 55 c. Däumchen. 16. Der Erwerb, welchen ein Gewerbsgehülfe mit oder ohne Auftrag seines Meisters rc. durch Gewerbshandlungen macht, wird dadurch nicht von Rechtswegen Eigenthum des Meisters, sollte auch der Gehülfe vertragsmäßig zur Ablieferung verpflichtet sein: OT. 2. Juni 58 c. Berndt. 17. Das H olz, welches einem Beamten zur Befriedigung des eignen Be darfs und mit dem Verbote, es zu veräußern, geliefert wird, bleibt bis zum Ver brauche eine ihm fremde Sache; er macht sich durch anderweitige Zueigmmg einer Unterschlagung (h 350) schuldig; so: OT. 3. Marz 69, 27. Juni 73 (O. X, 118; XIV, 474 [?]); ähnlich: 9HII. 8. Mai 80 (R. 1,745), Rll. 16. Jan. 80 (E. I, 75: ob der Beamte Eigenthümer werde oder nicht, beurtheile sich in jedem einzelnen Falle nach den Modalitäten des Anstellungsverhältnisses, bezw. den Intentionen der dabei betheiligten Personen und Behörden); contra: Meves, StRZ. XIII, 453. Vgl. § 350 n. 10. 18. Für den Frachtführer ist das ganze ihm zum Transport anvertraute Frachtgut eine fremde Sache, selbst wenn im Ladescheine das Quantum desselben zu gering angegeben war: obgleich in einem solchen Falle durch die Annahme des ge ringeren Quantums und die Zahlung der Fracht jedes weitergehende Forderungs Recht des Adressaten gegen den Frachtführer erlischt (HGB. Art 408 Abs. 1), bleibt die Zueignung des Ueberschusses Seitens des letzteren widerrechtlich und strafbar: OT. 3. Mai 65 (O. VI, 84) 19. Bäume auf dem Stamme gehen dadurch, daß sie zum Zwecke der Fäl-' lung an einen Andern verkauft werden, (auch nach franz. rc. Rechte) noch nicht in das Eigenthum des letzteren über; der verkaufende Grundeigenthümer macht sich durch deren nochmaligen Verkauf an einen Dritten nicht einer Unterschlagung (mög licher Weise aber eines Betruges, vgl. § 263 n. 60) schuldig: OT. 18. Jan. 54 c. Schiemang. 19a. Nach dem Pr. ALR. (l, 21) gehören die bei Beendigung der Pachtzeit hängenden, noch nicht reifen Früchte dem Verpächter, sind daher für diesen trotz der dem Pächter gemäß §§ 597 ff. 1. c. etwa zustehenden Vergütung, keine fremden Sachen: OT. 31. Okt. 78 (O. XIX, 507). 20. Zehnten sind, so lange die Ablieferung nicht erfolgte, in der Hand des Zehntpflichtigen keine fremden Sachen; der Zehntberechtigte ist nicht Miteigenthümer der vom Boden getrennten Früchte: OT. 26. Jan. 54 c. Maternus. 21. Ein Miteigenthümer, Miterbe oder Gesellschafter kann an den in seinem Gewahrsam befindlichen Gemeinschaftssachen in Betreff des Antheils der Nebrigen eine Unterschlagung begehen: Rl. 26. Febr. 80, Rll. 12. April 81 (A. I, 473; E. IV, 83), OT. 8. Nov. 76 (O. XVir, 719); dies trifft trotz Art. 100. 102. 1)4 des HGB.'ö zu, wenn der Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft Waaren auS dem der Gesellschaft gehörigen Lager zu seinem Privatnutzen verwendet: OT. 1. Nov. 76 (O. XVII, 706), oder wenn er so mit den für Rechnung der Gesellschaft vereinnahmten Geldern verfährt; OT. 6. März 79 (GA. 27 s. 372: sollte er auch dieselben Vertragsbrüchiger Weise für sich haben erwerben wollen und der Absender sie für ihn allein bestimmt haben [?]; vgl. n. 3.10. 30). Vgl. § 242 n. 6. — Ein Gesellschafter macht sich der Unterschlagung von Gesellschaftsgeldern selbst dann schuldig, wenn er berechtigt gewesen wäre, solche Gelder auf sein Conto zu ent nehmen, sofern er die Gelder eben nicht in dieser Weise und Absicht entnimmt: Rill. 5. Juli 82 (E. VII, 18). 22. Ein Mitbesitzer kann sich selbst dann der Unterschlagung der betr. Sache schuldig machen, wenn sich der Eigenthümer derselben im Mitbesitze befand: SGZ. VII, 139; vgl. § 242 n. 37. Der Mitbesitzer einer fremden Sache.wird jedoch da durch, daß er der von einem anderen Mitbesitzer verübten Unterschlagung derselben nicht widerspricht, noch nicht Theilnehmer: Dreöd. 14. Nov. 73 (StZ. III, 347). Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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Diebstahl u. Unterschlagung. — § 246.
23. Der Faustpfandgläubiger, welcher tum dem Rechte, das Pfandobjekt zu verkaufen, in gutem Glauben Gebrauch macht, den nach Abzug seiner Forderung verbleibenden Nest des Erlöses aber sich rechtswidrig zueignet, begeht dadurch keine Unterschlagung; so: Münch. 9. Mai 73 (StZ. 11,325); vgl. n. 7ff. Wohl aber liegt eine Unterschlagung (und zwar an der Sache, nicht am Erlöse verübt) vor, wenn jener die Sache widerrechtlich und heimlich zum Nachtheile des Pfandbestellers ver äußert: OT. 1. Mai 62 (O. II, 375); vgl. n. 24. 24. Zur Unterscheidung vom Diebstahl wird bei der Unterschlagung voraus gesetzt, daß die Sache im „Besitz" oder „Gewahrsam" des Thäters gewesen sei; diese beiden Ausdrücke finb hier nur zur Erläuterung gehäuft; durch sie soll die that sächliche Jnnehabung (Verfügungsgewalt) bezeichnet werden. Vgl. in Betreff derselben § 242 n. 16 ff. 14 (a. E.). Namentlich ist auch hier für den Begriff des Gewahrsams die Unterscheidung zwischen sog. Civil- (juristischem) und Natnralbesih (Detention) bedeutungslos: RI. 11. Juli 81 (E. V, 4). Demgemäß kommt es auf die rechtliche Natur jenes Gewahrsams rc. nicht an; unzweifelhaft gehört der „unvollständige Besitz" des Pr. ALR.'s (1,7 § 6) hierher, z. B. der des Faustpfandgläubigers: OT. 1. Mai 62 (cit. n. 23). — Auch Derjenige, für welchen ein An derer den Gewahrsam ausübt, kann sich (durch eine über die Sache getroffene Verfügung) der Unterschlagung schuldig machen, desgleichen, wer eine ihm behufs Erlangung eines Darlehns anvertraute Sache mit Genehmigung des Eigenthüniers in Pfand gegeben hat; so: RII. 21. März 82 (E. VI, 117; jener habe durch die Uebertragung des Gewahrsams auf den Pfandgläubiger den durch den Leihvertrag erworbenen unvollständigen Besitz nicht verloren; — insofern hätte also der Aus druck „Besitz" neben „Gewahrsam" ausnahmsweise doch noch eine selbständige Be deutung); contra (für das Gebiet des gemeinen Rechts): Ri. 13. Juli 87 (E. XVI, 241: weil jenem Rechte zufolge der Besitz auf den Pfandgläubiger über-, mithin für den Eigenthümer wie für den die Sache an den Pfandgläubiger Hingebenden verloren gehe) 25. In welcher Weise der Thäter den Gewahrsam rc. erlangt hatte, ist gleich gültig, sofern nur die Sache in seiner Hand eine fremde blieb, mag dieses durch ein (die spätere Rückgabe bedingendes) Rechtsgeschäft, durch einen Zufall (z. B. durch Finden: OT. 3. Nov. 74, O. XV, 739), durch Irrthum oder wie sonst geschehen sein; selbst die Anvertraunng zu einem unerlaubten Zwecke schließt die Möglichkeit einer demnächstigen Unterschlagung nicht aus. Demgemäß gehört auch der Fall hierher, wo Jemand eine Sache in der irrigen Meinung einer vorhandenen Be rechtigung (z. B. als verineintlich nächster Erbe) in Besitz genommen hatte: OT. 19. Juni 68 (O. IX, 398); vgl. jedoch u. 30. 26. Inwiefern Sachen, welche Dienstboten, Arbeitern, Gefangenen,^ eiugekehrten Gästen anvertraut werden, in deren Gewahrsam übergehen, oder in dem der Herrschaft rc. verbleiben, ob also jene daran einen Diebstahl oder eine Unterschlagung begehen können, darüber vgl. § 242 n. 21 ff. 27. Die Strafe trifft auch den früheren Eigenthümer der Sache, welcher trotz des Ueberganges des Eigenthutnrechts den Gewahrsam zeitweilig behalten hat. 28. Wer den Gewahrsam der Sache nicht hat, kann sich an deren Unterschlagung nicht als Mitthäter, sondern nur als Anstifter oder Gehülfe betheiligen; Vgl. n. 40, § 47 n. 17.
29. In der richterlichen Feststellung, daß Jemand einem Andern eine Sache anvertraut habe, ist die Feststellung des Gewahrsams des letzteren mitenthalten: OT. 3. März 76 (O. XVII, 166). 30. Die Unterschlagung wird dadurch begangen, daß man eine fremde, bereits im eigenen Gewahrsam befindliche Sache demnächst (rechtswidrig) „sich zu eignet". Somit gehört der Fall nicht hierher, wo Jemand schon bei Besitznahme der fremden Sache mit der Absicht der Zueignung handelte (dann erfolgte die Zu eignung schon durch die Besitznahme); contra: Rill. 17. März 84, 18. Juni 85 (E. X, 257; R. VII, 407: sofern die Besitznahme nicht den Thatbestand einer anderen Mißthat begründe); vgl. auch OT. 19. Mai 76, Dresd. 13. März 76 (O. XVII, 373; SGZ. 21 f. 40). Das gilt namentlich da, wo der Gewahrsam durch eine mit einerrechtswidrigen Zueignung verbundene Mißthat (z. B. Diebstahl, Erpressung, Jagd frevel rc.) erlangt war: in einem solchen Falle kann nur wegen dieser Mißthat ge straft werden; spätere Verfügungen über die Sache sind keine Unterschlagung: Mot.
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s. 123, RI. 5. Sunt 82 c. Müntz, OT. 8. März Gl (GA. IX, 646); Merkel, HH. III, 698. Ebenso sind solche Fälle auszuscheiden, wo jemand sich eine fremde Sache im guten Glauben einer vorhandenen Befugniß zugeeignet (z. B. eine gestohlene Sache ohne Kenntniß vom Diebstahl angekauft') hat; auch hier fällt eine spätere (nach Er langung jener Kenntniß) über die bereits früher zugeeignete Sache getroffene Ver fügung nicht unter den Begriff der Unterschlagung; contra: Meckl. OG. (GSaal 24 s. 314); vgl. n. 25. — Dagegen schließt eine andere unrechtmäßige (nicht mit Zu eignungsabsicht verbundene) Erlangung des Gewahrsams eine demnächstige „Unter schlagung" nicht nothwendig aus, und zwar selbst dann nicht, wenn das Mittel dieser Erlangung ein Vergehen, z. B. Betrug, war: RII. 26. April 87 (E. XV, 426). 31. Weil der vorgängige Gewahrsam rc. des Thäters vorausgesetzt wird, kaun die „Zueignung" hier nicht durch eine Wegnahme der Sache bewirkt werden; es wird vielmehr wesentlich eine andere positive Thätigkeit erfordert, welche erkennen laßt, daß der Besitzer jene dadurch tu sein Vermögen bringen wolle, um die Rechte des Eigenthümers über sie ausüben zu können; ebenso: ÖT. 3. Zuli 78 (O. XIX, 350: ein positiver Kontrektationsakt sei nöthig); vgl. RII. 6. Mai 81 (R. III, 286: sprach gleichzeitig aus, daß die Frage, ob in einer thatsächlichen Verfügung über die Sache oder in einer anderweitigen Aeußerung des Inhabers jener Wille sich manifestire. eine thatsächliche, mithin'nicht revisionsfähige sei). 32. Hierher gehören zunächst alle Arten des Verbrauchs der Sache, sollte btiinit auch keine Verzehrung (Zerstörung) der Substanz der körperlichen Sache ver bunden sein; z. B. Verausgaben fremder Geldstücke, Verwerthung eines rc. Werth papiers, unbefugte Ausfüllung und Begebung eines Wechselblanketts, (gänzliche oder theilweise) Entwerthung eines Sparkassenbuchs durch Einziehung des Guthabens (: Rill. 13. Dez. 86, ÖT. 21. San. 63. 30. Mai CG, 27. Jan. 76. E. XV, 147; O. III, 225; VII, 317; XVII, 68; vgl. jedoch n. 3, ML. s. 510); die Realisirung eines fremden Pfandscheins durch Einlösung des Pfandes (darin liegt eine Aneignung des Pfandscheins: OT. 19. Dez. 55, GA. IV, 256); ja selbst der Fall, wo Gelder in die Kasse des Eigenthümers zwar wirklich abgeliefert werden, der Abliefernde sich dieselben jedoch fälschlich als persönliche Einlage gutschreiben läßt; so: Darmst. 29. Mai 76 (HE. s. 72); vgl. übrigens § 263. 33. Dasselbe gilt von allen mit der Sache vorgenommenen Rechtsgeschäf ten, welche einen Eigenthumsübergang vermitteln sollen (Verkaufen. Verschenken rc.), selbst, wenn bei einer solchen Eigenthümsübertragung das Recht der späteren Wie dererwerbung (Rückkauf) vorbehalten wird: OT. 5. Rov. 73, 9. Sept. 74 (O. XIV, 682; XV, 550), es sei denn, daß die Nebenverabredung den ernstlichen Willen des Verkäufers rc. zum Ausdruck brächte, mir unbeschadet der Rechte des (unbekannten) Eigenthümers über die Sache zu verfügen: Rill. 12. Suni 84 (E. XI, 17); vgl. n. 34, Dresd. 7. März 73 (StZ. III, 17), HStR. II, 353; oder wenn die Verschenkung gerade an den zum Empfange Berechtigten geschieht: Jena 76 (Voll. 23 s. 374); ja (unter Umständen) schon von dem bloßen Anbieten zum Verkaufe rc. OT 16. Juni 74, 6. Sept- 75, Dresd. 22. Juni 74. 7. März 79, Münch. 28. Sept. 82 (O. XV, 408; XVI, 555; SGZ. 18 s. 349; 23 s. 342; BE. II, 185); n. 61. 34. Richt minder gilt das Gesagte (n. 31) von allen Rechtsgeschäften, durch welche ein dingliches Recht an der Sache begründet werden soll, insbesondere von einer Verpfändung. Eine solche stellt unzweifelhaft eine (theilweise) Ver äußerung, somit recht eigentlich eine Rechtshandlung dar, welche nur als Ausfluß des Eigenthumörechts ausgeübt werden kann; ohne Berechtigung vorgenomnten, charakterisirt sie sich sonach mit Nothwendigkeit als Akt der Zueignung, selbst, wenn der Thäter mit der ernstlichen Absicht einer späteren rechtzeitigen Wieder einlösung handelte, da dies die rechtliche Natur seiner Handlung in keiner Weise ändert: OT. 17. April 72, 5. Nov. 73 (O. XIII, 255; XIV, 683), Meyer n. 5. 6; das Gegentheil könnte nur in solchen Fällen angenommen werden, wo der Handelnde im Bewußtsein, jederzeit zur Wiedereinlöse im Stande zu sein, das Geschäft selbst gar nicht als eine ernstliche Verpfändung angeseheit hätte; (Beisp.: der Verwahrer einer fremden Werthsache versetzt diese in einem öffentlichen Leih hause für einen unbedetltenden Betrag, um sie sicher unterzubringen, oder der ver mögende Käufer einer Sache, deren er dringend bedarf, hat die Börse vergessen und läßt eine fremde Werthsache znrück, um den Verkäufer wegen der unverweilt nachzuliefernden Bezahlung zu beruhigen, vgl. n. 46). Contra: Rill. 24. April 80
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(E. II, 22: sofern der Verpfänder nicht in der Absicht handelte, die weggegebene
Sache dem Eigenthümer dauernd zn entziehen, noch der Ueberzengnng ermangelte, die Sache rechtzeitig wieder einlösen zn können), ähnlich: 91III. 27. Okt. 80 (R. II, 402), Manh.. id. 6. Dez. 73 (BA. 38 s. 337; 40 s. 38), Münch. 22. Sept. 76 (BE. VI, 457: forderte jedoch zur Exkulpirnng des Angeklagten eine gegründete Aussicht auf Erfüllbarkeit der Einlöse-Absicht und die Abwesenheit eines dolus eventuaEis), Meckl. OG. (GSaal 27 f. 225), Dresd. 6. März. 13.Nov., II. Aug. 71, 23. März 77 (StZ. I, 23. 185; GA. XIX. 814; SGZ. XXII. 37: die beiden letzteren Erkk. er achteten es sogar für unwesentlich, ob der Thäter mit dem Glauben, zur späteren Wiedereinlöse im Stande zu sein, bezw. mit der wohlbegründeten Aussicht auf die Mittel dazu, gehandelt habe); vgl. Mot. s. 123 (: es sei nach der Willensrichtung des Thäters zu entscheiden, ob darin eine Unterschlagung oder nur ein unerlaubter Gebrauch der Sache zu finden sei), HS. II. 510. 515, HStR. II, 352, Schütze s. 443, Schw. n. 15, SGZ. XV, 87, GSaal 23 s. 446, Merkel s. 699, ML. s. 511. — Gleichgültig ist es, ob die Sache bei der Verpfändung als eigne, oder als fremde bezeichnet war; daß int letzteren Falle der Eigenthümer die unentgeltliche Heraus gabe fordern kann (§ 77 ff. I, 15 Pr. AM.), schließt die „Zueignung" nicht aus: OT. 5. Mai 65 c. Detzer (beil.); contra: Abh. GA. IX, 360, XIII, 379: arg. §89, I, 20 AM. welcher aber keinen Schluß c contrario zuläßt, und unzweifelhaft scholl durch § 225 des Pr. StGB.'s außer Kraft gesetzt war. — Verpfändet ein Bevoll mächtigter die anvertrallte Sache zum Nachtheil des Auftraggebers, so lvird (iit Ideal-Konkurrenz) auch § 266 Nr. 2 anwendbar; vgl. n. 8. 10. 40. 35. Inwiefern andere mit der Sache vorgenommene Maßnahmen, z. B. ein Bei-Seite-Schaffen, Verbringen, Verstecken, Verheimlichen, als Akte der „Zueignung" anzusehen sind, ist nach der dabei obwaltenden Absicht vom Thatrichter zu beurtheilen. Zur Bejahung ist keineswegs unerläßlich, daß die Sache mv3 dem Gewahrsam des Angeklagten herausgebracht, oder daß sie örtlich den Nachfor schungen entzogen oder verborgen worden; noch weniger bedarf es des Eintritts einer Unmöglichkeit der Rückgabe: OT. 17. Okt. 57 (GA. VI, 121). Das Hinschaffen der Sache an einen andern Ort kann genügen (z. B. lvenn ein Beamter mntlid) empfangene Gelder aus dem Amtslokale in ferne Wohnung mitnimmt): OT. 22. Apr. 69, 24. Apr. 70, 15. März 71 (O. X, 250: XI, 122; XII, 161); ebenso ein Derstecken: OT. 14. Okt. 58 (GA. VIII, 108), oder eine an der Sache vorgenommene Veränderung, durch welche ihre Wiedererkennnng erschwert wird: OT. 4. Mai 70 (O. XI, 280); ein Vermischen mit den eignen Sachen: Rill. 19. April 83 (A. VIII, 22), OT. 12. Dez. 74 (O. XV, 876); oder eine (die demnächstige Veräu ßerung vorbereitende) theilweise Zerstörung: OT. 23. Sept. 68 (O. IX, 501); vgl. n. 38. 36. Ebenso verhält es sich mit dem Vorenthalten der Sache, mit der Ab leugnung des Besitzes, mit dem Vorgeben, die Sache bereits veräußert zu haben, mit dem Abschlüsse eines Scheinvertrags über dieselbe, mit der unwahren Versiche rung der bestimmungsmäßigen Verwendung (von Geldern) und mit der Verweige rung der schuldigen Rückgabe; vgl. RG. 26. Febr. 80, 16. Okt. 82 (BA. 46 f. 103; 48 s. 358). RII. 22. Nov.' 81, RIV. 22. Znni 86. Rill. 28. Apr. 87 (E. V, 252; R. VIII. 481; IX, 291), OT. 6. Mai 64, 30. Apr. 69, 17. Dez. 74, 17. Zuli 78 (O. IV, 491; X, 282; XV, 876; XIX, 377), Dresd. 8. Zan. 72 (StZ. I, 290), Münch. 11. März 87 (BE. IV, 352), HStR. II, 351, Merkel f. 700; contra: OT. 28. Febr. 62 (O. II, 277); ferner mit der Zurückbehaltung eines Theils auszuzah' lender Gelder bei der Auszahlung: OT. 8. Nov. 76 (O. XVII, 719). Za schon der (in äußerlich erkennbarer Weise) gefaßte Entschluß, die Sache von nun an als Eigenthümer zu besitzen, verbunden mit der Bethätigung dieses Entschlusses durch ferneres Behalten derselben kann genügen: OT. 20. Nov. 74 (O. XV, 804). Da gegen ist noch keine Zueignung die (einstweilige) Zurückbehaltung einer Geldsumme zur Sicherstellung einer Forderung: OT. 3. März 76 (O. XVII, 171), die Nichter füllung der vertragsmäßigen Verpflichtung, die betr. Sache aus dem Pfandbesihe eines Dritten zu befreien: OT. 3. Juli 78 (cit. n. 31), die bloße Unterlassung der Rückgabe als solche: Rl. 21. Juni 80 (A. II, 221), selbst die trotz desfallsiger Auf forderung des Berechtigten stattfindende: RII. 13. Juli 81 (E. V, 404). 37. Der Finder einer Sache macht sich keiner Unterschlagung schuldig, wenn er schon bei der Besitzergreifung die Absicht der Zueignung hatte, weil der § vor-
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ausseht, das; der Thäter den Gewahrsam schon vor der Zueignung gehabt habe (n. 30;; der § kann daher auf den Finder nur dann Anwendung 'finden, wenn letzterer die Absicht der Zueignung erst hinterdrein faßt und ausführt; contra: Mot. s. 124, denen zufolge der Thatbestand der Unterschlagung sich im Falle einer mit jener Absicht stattfindenden Besitzergreifung zwar nicht schon in letzterer, wohl aber in einer nachfolgenden dieselbe Absicht manifestirenden Thatsache ^Handlung^j erfüllen soll; ebenso: Dresd. 12. März 75, 13. März 76. Münch. 16. Febr. 77 (SGZ. 19 s. 302; 21 f. 40; BE. VII, 66). — Hielt der Finder zur Zeit der Zueignung die Sache für derelinquirt. so ist in keinem Falle von einer Unterschlagung die Rede; vgl. n. 4. 49a. — Der Begriff des Findens wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die verlorene Sache nicht zufällig angetroffen, sondern aufgesucht worden ist: cit. Dresd. 13. März 76. 38. Eine lediglich auf Zerstörung (Beschädigung) der Sache bezw. darauf abzielende Handlung, jene Sache dem Eigenthümer zu entziehen und letzteren in seinem Vermögen zu beschädigen, schließt eine Zueignung nicht in sich, ist vielmehr nur als Vermögensbeschädigung rc. zu bestrafen: Rill. 7. Juni 83, Rl. ll.Nov. 84 (A. VIII, 295; E. XI, 239), HS. II, 510; vgl. n. 35 a. E. und § 242 n. 41. 39. Ebensowenig kann eine unbefugte Benutzung der Sache, welche nicht mit einem wenigstens theilweisen Verbrauche (n. 32) verbunden ist, als „Zueig nung" angesehen werden; vgl. § 242 n. 41. Dagegen erachtete Dresd. 28. Febr. 79 (SGZ. 23 s. 344) das Tragen eines (gefundenen) Rings (am Finger) nicht unter allen Umständen für ungeeignet, um den Schluß auf die erfolgte Zueignung zu be gründen. 39a. Da die Zueignung ein Rechtsbegriff ist, so muß der Jnstanzrichter in den Etttscheidnngsgründen die Handlung bezeichnen, in welcher er die Zueignung gefunden hat; so: Stuttg. 24. Dez. 75 (WGbl. XI, 271). Vgl. StPO. § 266. 40. Gleichgültig ist es, ob der Inhaber der Sache die Zueignung selbst vor nimmt, oder in seinem Interesse die betr. Handlung durch einen Dritten vor nehmen läßt. Dieser Dritte kann, selbst wenn er dolose handelt, nicht als Thäter, sondern nur als Gehülfe angesehen werden: OT. 18. März 70, Münch. 22. Juli 76 (O. XI, 182; BE. VI, 391); vgl. n. 29. Rll. 7. Dez. 81 (E. V, 218) nimmt eine Unterschlagung auf Seiten des Inhabers sogar dann an, wenn ein Dritter die Sache mit seiner Zustimmung sich selbst zueigne; der Inhaber verfüge hier schenkweise über die Sache, jener Dritte sei bloßer Gehülfe; ähnlich: Rll. 7. Febr. 82 (R. IV, 129), Schütze s. 442. Keinesfalls wird eine Unterschlagung dadurch aus geschlossen, daß der Inhaber sich die Sache blos zueignete, um sie einem Dritten zuzuwenden: Dresd. ll.Sept. 74 (StZ. V, 83); vgl. § 242 n. 42 und RI. 11. Juli 81 (E. V, 4: der Vertreter einer eingetragenen Genossenschaft hatte der letzteren anvertraute Wechsel Namens und im Jntereffe dieser Gesellschaft weiter girirt). — Stellt ein Dritter, im Einverständnisse mit dem Thäter und um diesem die rechts widrige Aneignung zu ennöglichen, unrichtige Berechnungen auf, so macht er sich als Gehülfe strafbar: OT. 8. Nov. 76 (O. XVII, 719). 41. Die Zueignung muß „rechtswidrig" d. h. eine solche sein, auf welche man kein Recht hat: ÖT. 19. Jan. 72, 20. Nov. 74 (O. XIII, 51; XV, 804). Somit schließt die (vorher oder gleichzeitig ertheilte) Zustinnnung des Eigenthümers die Strasbarkeit selbst dann aus, wenn der Thäter keine Kenntniß von derselben hatte; dagegen hat die nachträgliche Genehmigung des Eigenthümers (z. B. die Bewilligung einer Frist zur Erstattung der unterschlagenen Gelder: RI. 24. Jan. 81, BA. 47 s. 60, Münch. 9. Juli 75, BE. V, 337) nicht die gleiche Wirkung. — Rechtswidrig ist die Handlung auch dann, wenn sie in einer über die Grenzen einer vorhandenen Berechtigung hinausgehenden Weise erfolgt, z. B. wenn Der jenige, welcher befugt ist, ihm anvertraute fremde Sachen rc. zu einem aufgetragenen Zwecke zu verwenden, dieselben für sich verbraucht; oder wenn Derjenige, welcher ermächtigt war, eine fremde Sache zu verpfänden, diese Verpfändung im eigenen Interesse unbefugter Weise oder für einen höheren als den ihm gestatteten Betrag bewirkt: OT. 7. Juni 71, 12., 17. Apr. 72 (O. XII, 311; XIII, 254. 255), HS. II, 506. (Nach Gemeinem Rechte ist der Pfandinhaber ohne Zustimmung des Verpfänders zu einer Afterpfändung (seines Pfandrechts) befugt: OA. 14. Okt. 68, O. IX, 553.) Dagegen charakterisirt die bloße Vernachlässigung der vorgeschriebenen Formalitäten eine an sich berechtigte Veräußerung, z. B. die Verwerthung von Kommissionsgut
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im Falle des Art. 375 des HGB.'s, noch nicht als Unterschlagung: hier fehlt eben die Absicht rechtswidriger Zueignung: OT. 3. Zuli 78 (O. XIX, 350); vgl. n. 44. 42. Eine unbefugte Veräußerung der Sache hört deshalb nicht auf, rechts widrig zu sein, weil der Thäter von vorne herein ihre spätere Wiedererwerbung und Rückgabe beabsichtigte; vgl. n. 34. 46, RI. 20. Mai 80 (R. I, 808). Ebenso wenig hebt die Möglichkeit oder Wahrscheinlichkeit eines (von Anfang an gewollten) demnächst au leistenden Ersahes die Strafbarkeit auf, sollte auch ein solcher späterer Ersah in irgend einer Weise (z. B. durch vorher geleistete Kaution >oder durch Hinlegen einer antezipirten Gehaltsquittung in die spoliirte Kasse) mehr über weniger sicher gestellt sein: OT. 8. Nov. 67, Manh. 11.Okt.73 (O. VIII, 692; StZ. III, 205). Dasselbe gilt von einem später (nach Vollendung der Unterschlagung) wirklich geleisteten Ersähe: RH. 29. Okt. 80 (A. II, 520), OT. 27. Okt. 71 (O. XII. 540). Inwiefern dagegen die Ueberzeugung, zum sofortigen Ersätze im Stande zu sein, den Dolus ausschließe, darüber vgl. n. 46. 34. 43. Selbst ein gleichzeitiger vollständiger Ersah würde der Handlung den Charakter der Rechtswidrigkeit nur dann nehmen, wenn es sich um durchaus fun gible Sachen handelte, z. B. um den Austausch fremder Geldstücke gegen andere ganz gleich werthe; vgl. u. 7. Insbesondere kann es nicht genügen, eine indivi duelle Sache durch denjenigen Werth zu ersehen, welchen dieselbe für Dritte oder im Handelsverkehr hat, da sie für den Eigenthümer einen höheren Affektions rc. -Werth haben kann, welcher ihm nicht widerrechtlich entzogen werden darf: OT. 27. Juni 68 (O. IX, 412). Inwiefern in solchen Fällen die Strafbarkeit wegen Abwesenheit des Dolus wegfalle, darüber vgl. n. 45 ff. 44. Ebenso wird die Rechtswidrigkeit der Zueignung durch das Vorhandensein einer Gegenforderung oder eines Kompensationsanspruchs nicht beseitigt (nur Forderungsrechte können durch Kompensation aufgehoben werden, nicht daö Eigenthumsrecht): OT. 26. Sept. 72, 13. Juni 73 (O. XIII, 477; XIV, 419),Cöln 29. April 80 (RA. 71, II, 7); contra: Münch. 29. Juli 87 (BE. IV, 568). Dem gemäß schließt der Umstand, daß der Inhaber sich für eine vermeintlich rechtmäßige Forderung bezahlt machen wollte, eine Unterschlagung an sich nicht aus; wohl aber kann hier in Frage kommen, ob jenem das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit der Zueignung (n. 45. 47) beiwohnte: Rill. 5. Mai 80, Rll. 28. März 82, Münch. 14. Juni 84 (E. II. 48; VI, 125; BE. III, 96: betrafen zugeeignetes Geld), OT. 19. Jan. 72, 29. Mai 74 (O. XIII, 51; XV, 339). Vgl. n. 36. 41 a. E. 44 a. Obgleich sich das Delikt gegen das Eigenthum richtet, so gehört dennoch die Zufügung eines (dauernden oder vorübergehenden) Vermögens Nachtheils nicht zu dessen Thatbestände: Rill. 15. Dez. 82 (E. VII, 349); vgl. n. 48. 44b. Auf die Person des Verletzten und die Natur seines Rechts fomtitf es nicht an; der § hat den Begriff „Unterschlagung" dem § 225 des Pr. StGB.'s gegenüber insofern erweitert, als letzterer nur die Rechte der Eigenthümer, Besitzer oder Inhaber schützen wollte; so: OT-20. Nov. 74 (O. XV, 804). Ebenso ist es gleichgültig, ob bei dem Verletzten die Ueberzeugung vom Verluste seines Eigenthums entstanden sei: OT. 17. Juli 78 (ib. XIX, 377). 45. Der Dolus besteht hier, wie beim Diebstahle, in der Absicht der Zueig nung, mit dem Bewußtsein, daß die Sache eine fremde und daß die Zueignung rechtswidrig sei: OT. 6. Okt. 74, 3. März 76 (O. XV, 624; XVII, 170). ES wird daher hier das zu § 242 n. 41—45 Gesagte in vollem Maße anwendbar. Ins besondere bedarf es auch hier keiner über jene Absicht der Zueignung hinausgehenden „Gewinnsucht", überhaupt keiner aus Erlangung eines Vermögensvortheils gerichteten Absicht: Motive s. 123, RI. 20. Mai 60, 11. Juli 81. RIV. 22. Juni 86 (R. I, 808; VIII, 481; E. V, 4), OT. 1. Nov. 72 (O. XIII. 579), BL. s. 516. Der Mangel jenes Bewußtseins in dem einen oder andern Punkte schließt dagegen die Strafbarkeit selbst dann aus, wenn er die Folge eines Rechtsirrthums war; vgl. § 242 n. 40, Rill. 22. Juni 81 (E. IV, 328), Manh. 8. Juli 76 (BA. 42 s. 261). 46. Demgemäß (n. 45) schließt auch die Absicht eines dereinstigen Ersatzes (n. 42), z. B. die Absicht fremde Gelder als verzinsliches Darlehn zu behandeln (: 911111 22. Juni 81, E. IV, 328), den Dolus nicht aus, sollte gleich der Thäter dabei die Ueberzeugung hegen, daß er zu einer späteren Zeit im Besitze der zu einem solchen Ersätze erforderlichen Mittel sein werde; vgl. Rill. 10. Dez. 81 (E. V, 304), OT. 17. März 70, OA. 29. Juni 70 (O. XI, 176, 383), oder, daß er
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den Ersatz aus Grund der Anspannung seines Kredits werde leisten können: OT. I I. Juli 79 (GA. 27 s. 537). Straflosigkeit kann also mir dann eintreten, wenn der Thäter mit der Ueberzeugung handelte, daß er sofort und jederzeit zur vollständigen Ersetzung der betr. (fungiblen) Sache durch andere gleichwerthe im Stande sei (n. 47): Nil. 7. Okt. 81 (E. V, 52), OT. 21. Okt. 68 (O. IX, 570); vgl. n. 34, Hälschn., GA. XV, 13, HS. II, 519; contra: Schw. s. 616, Dresd. l.Nov. 72, Manh. 5. Febr. 76 (StZ. II, 189; BA. 43 s. 301 halten den Dolus schon dann für ausgeschlossen, wenn der Veräußerer einer fungiblen, zn einer bestimniten späteren Zeit abzuliefernden Sache überzeugt war, gerade zn dieser Zeit zum vollständigen Ersätze befähigt zu sein; dies soll nach eit. Manh. jedoch da eine Ausnahme erleiden, wo die besondere Art des Auftrags oder eine besondere Verabredung jene Verwendung untersagt habe); vgl. auch VL. s. 516. Das bloße Bereithalten der Mittel zur Rückerstattung schließt selbst redend den Dolus nicht nothwendig aus: RII. 25. Juni 86 (E. XIV,‘ 242). 47. Da zum Dolus wesentlich auch das Bewußtsein von der Rechtswi drigkeit gehört (n. 45), so trifft der § nicht zu, wenn der Thäter in der Ueber zeugung handelte, daß ihm ein Rechtsanspruch auf die betreffende Verwendung zu stehe oder daß der Eigenthümer der Sache mit der vorgenommenen Handlung sofort einverstanden sein werde: Mot. s. 124, Rll. 28. März 82 (eit. n. 44), Rill. 20.Nov. 82 (R. IV, 831), Dresd. 6. Juni 73 (SGZ. XVII, 183), HStR. II, 357. Dagegen genügt die bloße Hoffnung, der Andere werde sich zu einer demnächstigen Gutheißung bewegen lassen, noch nicht, um die Strafbarkeit zu beseitigen. 48. Ein weiter gehender Dolus wird nicht erheischt, insbesondere nicht die Absicht und selbst nicht -einmal das Bewußtsein einer Benachteiligung deS fremden Rechts, noch eine (weiter gehende) „Absicht, zu unterschlagen": Rill. 15. Dez. 82 (E. VII, 349), OT. 23. Mai 61, 17. März 70 (O. I, 406; XI. 176); vgl. n. 44 a.
49. Bloße Fahrlässigkeit (Unachtsamkeit) genügt nie zum Thatbestände der Unterschlagung: OT. 7. März 60 c. Schulz. 49a. Der Dolus muß zur Zeit der Zueignung vorhanden sein; es genügt daher nicht, wenn der Thäter erst nach der Zueignung sich der Rechtswidrigkeit der selben bewußt wird, und dennoch nicht den zugeeigneten Gegenstand herausgiebt noch Ersah leistet: OT. 14. Juni 79 (O. XX, 298). 50. Eine den Worten des § entsprechende thatsächliche Feststellung schließt an sich die des erforderlichen Dolus in sich; nur dann, wenn der Angeklagte das Vorhandensein einzelner Merkmale dieses Dolus bestreitet, bedarf es einer ausdrück lichen Feststellung derselben: Rill. 21. Jan. 80 (E. I, 290), OT. 15.Juli 54,6. Sept. 65 (RA. 50. II. 10; O. VI, 277), Münch. 20. Okt. 85 (BE. III, 528). 51. Vollendet wird die Unterschlagung durch die erste eine Zueignung dar stellende Handlung, sollte auch der Augenblick, wo die Sache dem Berechtigten aus zuhändigen war, noch nicht gekommen sein: OT. 9. Mai 67 (O. VIII, 33). Durch spätere über die Sache getroffene Verfügungen re. wird dann das Vergehen ebenso wenig fortgesetzt als erneuert. Vgl. n. 30. Des Eintritts einer Benachtheiligung des Berechtigten bedarf es zur Vollendung nicht, wie eine solche überhaupt nicht zu den Merkmalen des Thatbestandes einer Unterschlagung gehört: OT. 26. Nov. 75 (O. XVI, 759).
52. Demgemäß (n. 51) beginnt auch der Lauf der Verjährung (nicht mit der Erlangung des Gewahrsams, sondern) mit dem Tage, an welchem die (erste) Zneignungshandlung zum Abschlüsse gekommen ist; sie wird durch spätere ander weitige Verfügungen über die Sache nicht unterbrochen. 53. Aus demselben Grunde (n. 51) begeht Derjenige, welcher den Gewahrsam niehrerer (demselben Dritten gehöriger) fremder Sachen gleichzeitig erlangt hat, mehrere Unterschlagungen in Real-Konkurrenz, wenn er sich jene durch verschie dene selbständige Handlungen zueignet. 54. Dasselbe gilt da, wo Gelder re. wiederholt unterschlügen und dann wieder gedeckt sind; contra: Schw. n. 28a, welcher nur in Betreff des schließlich fehlenden Betrages eine (einmalige) Unterschlagung annimmt (dann würde der That bestand gänzlich wegfallen, wenn der unterschlagende Kassenbeamte schließlich alles wieder gedeckt hätte); vgl. n. 42. 43. — Die Annahme einer Realkonkurrenz ist nicht um deswillen unstatthaft, weil die Höhe der einzelnen, unterschlagenen Be träge und die Zeit der einzelnen Unterschlagungsfälle sich nicht genau feststellen
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läßt: Rill. 14. Jan. 80 (R. I, 227). — Inwiefern tut Falle mehrerer auf Wruitb eines einheitlichen Entschlusses vorgenommener Zueignungen ein einziges, fortge setztes Delikt angenommen werden könne, darüber vgl. § 74 n. 3ff., Rill. 3. März 84 (E. X, 203). 55. Real-Konkurrenz liegt ferner vor, wenn Jemand zur Verdeckung einer verübten Unterschlagung eine Urkundenfälschung oder (durch trügerische, den Ersah hinausschiebende Vorspiegelungen) einen Betrug begeht: RII. 13. Mai 87 (GA. 35 s. 211). 56. Neben der Gefängnißstrafe kann, wenn diese drei Mottate erreicht, auf den Verlust der Ehrenrechte rc. erkannt werden: §§ 248. 32. 35. 57. War die Sache betn Thäter „anvertraut", so kann eine Schärfung der Gefängnißstrafe bis zu fünf Jahren eintreten; die Mot. s. 123 bezeichnen diesen Fall als „Veruntreuung". „Anvertraut ist eine Sache, wenn der Gewahrsam der selben kraft eines (vertragsmäßigen) Rechtsgeschäfts mit der Verpflichtung erlangt ist. sie zurückzugeben oder einem Dritten abzuliefern; vgl. RII. 12. Juli 81, Ri. 7. Mai 83 (E. IV, 386; R. V, 323), Merkel, HH. III, 696; im Uebrigen sind Natur, Rechtsgültigkeit und Zweck des betr. Rechtsgeschäfts gleichgültig; Beisp.: Hinterlegungs-, Sachmiethe-, Verarbeitungs-, Leih-, Auftrags-, Verpfändungsvertrag, Precariura: Schütze s. 444. Letzterer rechnet auch vertragsähnliche Rechtsverhältnisse, z. B. Vormundschaft hinzu; ebenso: RI. 22. Nov. 83 (E. IX, 337: speziell die Vor mundschaft); vgl. § 266 Nr. 1; Matth. 24. März 77 (BA. 43 s. 123) schließt mit Rücksicht auf die Vorgeschichte des §, nur diejenigen Sachen aus, deren Besitz rc. durch Finden oder Zufall (Pr. StGB. § 226) erlangt wurde. — Daß die Sache unmittelbar aus der Hand des Vertrauenden in die Hand des Angeklagten gelaugt sei, ist nicht erforderlich; demgemäß gehört dahin auch Geld, welches ein zum In kasso Bevollmächtigter von den Schuldnern seines Mandanten erhält: cit. Rll. 12. Juli 81. — Dem Falle, wo der ursprüngliche Gewahrsam auf obige Weise er langt ist, steht der Fall gleich, wo der in anderer Weise erlangte Gewahrsam auf Grund einer später getroffenen Uebereinkunft fortgesetzt wird: Rill. 26. Okt. 81 (R. III, 642), cit. Ri. 7. Mai 83, HStR. II, 349. — Der Umstand, daß ein ver schlossenes Behältniß ohne den Schlüssel hinterlegt wird, benimmt den in diesetn Behältnisse befindlichen Gegenständen nicht die Eigenschaft anvertrauter Sachen: cit. Rill. 26. Okt. 81, RII. 13. Dez. 81 (E. V, 222). 58. Abs. 2 gestattet beim Vorhandensein mildernder Umstände die Ver hängung einer bloßen Geldstrafe, schließt daher die Gefängnißstrafe nicht als unftatt' haft aus. — Er bezieht sich auch auf den Fall der Veruntreuung. 59. In Betreff der Unterschlagungen der Beamten vgl. §§ 350. 351. 60. Ein Anfang der Au sführung einer Unterschlagung ist nicht denkbar, so lange die Sache noch nicht in den Gewahrsam des Angeschuldigten gekommen ist: der Versuch, eine fremde Sache in seinen Gewahrsam zu bekommen, um sie dem nächst zu unterschlagen, ist nicht strafbar: OT. (Pl.) 28. März 59 (JMbl. s. 170), Merkel s. 708; contra: Schütze s. 445. 61. Begebt Jemand eine Unterschlagung dadurch, daß er eine fremde in seinem Gewahrsam befindliche Sache rechtswidrig auf einen Dritten überträgt, so ist die Betheiligung dieses Dritten bei der fraglichen Handlung nicht Hehlerei, weil diese eine vorher vollendete Mißthat vorausseht, hier aber erst durch die Veräuße rung die Unterschlagung verübt wird; jener Dritte macht sich vielmehr nur als Theilnehmer an letzterem Vergehen strafbar: § 259 n. 7, § 266 n. 21, Rll. 7. Dez. 81, 28. Mai 80 (E. V, 218; R. I, 831), OT. 24. Okt. 67 , 12. Jan. 72. Munch. 14. Sept. 82 (O. VIII, 636; XIII. 35; BE. II, 180), Merkel s. 708. Das Umgekehrte tritt ein, wenn der Inhaber sich die Sache vorher schon zugeignet hatte nnb sie dann erst durch eine neue Handlung auf einen von der vorher vollendeten Unterschlagung Unterrichteten überträgt (n. 51), wenn er z. B., nachdem die Unterschlagung durch den Akt der Veräußerung vollendet war, die Sache erst später an den Kcufer überliefert: RIV. 13. Jan. 88 (E. XVII, 59); als vorhergegangenen Akt der Zu eignung kann der Jnstanzrichter das Wegstecken der Sache, das Anbieten znm Lerkaufe, die Ableugnung eines Fundes rc. ansehen: cit. OT. 12. Jan. 72, OT. 4. April 78. Münch. 19. Juli 73 (O. XIX, 194; StZ. II, 376); vgl. n. 33. 62. Unter gewissen Voraussetzungen bleibt der Urheber einer Unterschlagung
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§ 247. Wer einen Diebstahl oder eine Unterschlagung gegen Angehörige, Vormünder oder Erzieher begeht, oder wer einer Person, zu der er im Lehrlingsverhältnisse steht, oder straflos; bei anderen ist die Verfolgung durch einen Antrag des Verletzten be dingt. Das Nähere siehe bei § 247. 63. Die früher im Gebiete des franz. Rechts streitige Frage, ob, wenn der Thatbestand eines Vergehens rc. die Existenz eines vertragsmäßigen Verhältnisses vorausseht, oder in sich schließt, der Beweis des letzteren selbst im Strafverfahren nur in derjenigen Weise statthaft sei, wie er vor dem Civilrichter geführt werden könnte, oder ob auch hier die allgemeinen Vorschriften über den Beweis in Straf sachen zur Anwendung kommen, ist jetzt im Sinne letzterer Alternative durch § 261 der StPO, erledigt. Die dort dem Strafrichter allgemein ertheilte Befugniß, da, wo die Strafbarkeit einer Handlung von der Beurtheilung eines bürgerlichen Rechts verhältnisses abhängt, die Untersuchung auszusetzen und einem der Betheiligten zur Erhebung der Civilklage eine Frist zu bestimmen oder daS Urtheil des Civilgerichts süber die civilrechtliche Vorfrage^ abzuwarten, wird sich namentlich, gegenüber ganz unbegründeten, lediglich zur Umgehung einer Civilklage erhobenen Denunciationen wegen Unterschlagung oder Betrugs, wie sie in Fällen aufgelöster Sozietätsver trüge, Geschäftsverbindungen. Auftragsverhältnisse rc. öfter vorkommen, als praktisch erweisen: Mot. z. StPO. s. 189. 64. 64. Anläßlich desselben konkreten Vorgangs kann ein aus § 242 Angeklagter wegen Unterschlagung, ein auS § 246 Angeklagter wegen Betrugs verurtheilt werden, indem es sich hier nur um eine andere subjective Betheiligung, eine andre Willens richtung des Angeklagten bezüglich desselben Thuns, nicht um eine andere als die in der Anklage bezeichnete That (StPO. §§ 153.265) handelt: Ri. 10. Jan. 84, RlV. 10. März 85 (E. IX, 420; XII, 88). 65. Ueber die Zuständigkeit vgl. GAG. §§ 27. 28.75. § 247. Inhalt: Angehöriger: 3. Ascendent: 16. Begünstigung: 1. Diebstahl: 2. 10. 21. DoluS: 12. 20. Ehegatte: 17. 18. Entwendung: 2. Erzieher: 5. „gegen": 10. 11. 19.
Gesinde: 8. Häusliche Gemeinschaft: 6. Hehlerei: 1. 22. Jdealkonkurrenz: 21. Irrthum: 12. 20. Kenntniß: 12. 20. Kost oder Lohn: 6. 7. Lehrling: 7. Sachbeschädigung: 21.
Strafe r 13. Tbeilbarkeit: 15. Theilnahme: 1. 15. 22. Uubedeut. Werth: 9. Verletzter: 10. 15. Verschwägerter: 16. Versuch: 1. Verwandter: 16. Bonn und: 4.
1. Zn den Abss. 1. 2 umfassen die Ausdrücke „Diebstahl" und „Unterschlagung" auch den Versuch dieser Mißthaten (vgl. § 65 n. 4), alle Arten der Theilnahme an solchen und die Begünstigung (Abs 3; §61 ». 6); dagegen sind die Vorschriften auf die Hehlerei nicht auszudehnen. Vgl. n. 22. 2. „Diebstahl" ist auf alle Arten des Diebstahls (nicht aber auf Raub) zu beziehen, also auch auf die Fälle des schweren Diebstahls und auf die nur als Nebertretung zu bestrafenden Entwendungen (Feld-, Holz-, Eßwaaren-Diebstahl); vgl. § 370 Schlußsatz. Seine Anwendbarkeit bei Entwendungen im Sinne der §§ 18—21 des Pr. FFP.-Ges.'s spricht § 22 ib. ausdrücklich aus. 2a. Für die Anwendbarkeit des § ist lediglich entscheidend, daß das betr. Ver hältniß zur Zeit der That bestanden habe; vgl. n. 17; contra: Schw. SGZ. 22 s. 163 (in Betreff des Angehörigkeits-Verhältnisses, für dessen ganze Dauer die Wohlthat des § dem Thäter ex ratione legis zu Statten komme). 3. Ueber den Begriff des „Angehörigen" vgl. §52 Abs. 2. Sind die Eltern (Stiefeltern) die Verletzten (n. 10), so hat nicht blos der Vater, sondern auch die Mutter das Antragsrecht, sollte auch die Verwaltung des elterlichen Ver mögens dem Vater (Ehemann) allein zustehen: RII. 12. Jan. 83 (A. VII, 224); vgl. n. 11; und es ist letztere, die Mutter, befugt, dieses Recht sogar gegen den Willen ihres Mannes auszuüben: Ri. 20. März 84 (E. X, 210). 4. „Vormund" ist hier Derjenige, welchem die Sorge für eine handlungs unfähige Person unmittelbar übertragen ist, nicht also ein nur für die VermögensVerwaltung bestellter Vormund (Curator), der Gegenvormund des Pr., sowie der
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Thl. II. Abschn. XIX.
Diebstahl u. Unterschlagung. - § 247.
in deren häuslicher Gemeinschaft er als Gesinde sich befindet, Sachen von unbedeutendem Werthe stiehlt oder unterschlägt, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. Nebenvormund des franz. Rechts, noch der die obervormundschaftlichen Funktionen ausübende Beamte; ebenso: Meves s. 215; contra: Merkel, HH. 111,709 (zäht auch den Vormund eines Verschwenders hierher). 5. Unter „Erziehern" sind Lehrer (Lehrherren, Lehrmeister) nichtmitbegriffen, insofern ihnen nicht die ganze Leitlmg der körperlichen und sittlichen Ausbildung übertragen ist: Dresd. 17. Febr. 71 (GA. XIX, 815), Münch. 8. Apr. 72 (StZ. I, 190), HStR. II, 277; vgl. tz 174 n. 10. C). Die Worte „oder wer...................... unterschlägt" fanden sich im Abs. 1 ursprünglich nicht; vielmehr machte Absatz 1 nach seiner ursprünglichen Fassung die Strafverfolgung von einem Antrage in allen Fällen abhängig, wo ein Diebstahl rc. gegen Personen begangen wird, in deren Lohn oder Kost der Thäter sich befindet, und zwar ohne Rücksicht aus den Werth des Objekts. Die Novelle hat dies durch obige Worte in beiderlei Hinsicht geändert. 7. Unter den zum Verletzten „im Lehrlingsverhältniß Stehenden" sind alle Lehrlinge begriffen, auch die nicht in häuslicher Gemeinschaft mit ihm sich befinden den, nicht aber Gehülfen und Gesellen, selbst im Falle der häuslichen Gemeinschaft mit dem Verletzten: Sten. Ber. s. 822 (Schwarze). — Lehrling ist jeder, welcher bei einem Lehrherrn zur Erlernung eines Gewerbes in Arbeit tritt, ohne Unterschied, ob die Erlernung gegen Lehrgeld oder unentgeltliche Hülfeleistung stattfindet, oder ob für die Arbeit Lohn gezahlt wird: Gew.-Ö. § 115 (alte Fassung). Da hiernach zum Wesen des „Lehrlingsverhältnisses" nicht gehört, daß der Lehrling von seinem Meister Lohn oder Kost erhalte, so ist der Umfang des § 247 durch die Novelle insofern sogar noch erweitert worden. — Meves s. 216 zählt auch die Handlungs und Apothekerlehrlinge (Gew.-O. § 126 bzw. jetzt § 154, HGB. I, Tit. VI) und da, wo partikularrechtlich bei der Land- und Forstwirthschaft Lehrlinge auftreten, selbst diese hierher. 8. Der Ausdruck: „Gesinde" ist hier nur in engerem Sinne zu nehmen, mithin nur aus die eigentlichen Dienstboten, bzw. solche Personen zu beziehen, welche sich zur Verrichtung der niederen Dienste im Hauswesen, in der Wirthschaft rc. vertragsmäßig für eine längere Zeitdauer verpflichtet haben (Sten. Ber. s. 815). Demgemäß gehören nicht hierher Gesellen und Gewerbegehülfen (ib. s. 822, RI. 19. Öft. 85, E. XIII, 14), Taglöhner, Stückarbeiter sowie alle anderen nur vorüber gehend beschäftigten Personen, noch auch Hauslehrer, Privatsekretaire, Handlungs reifende, Gouvernanten, Gesellschafterinnen; desgleichen nicht s. g. Hausoffizianten, ungeachtet das Pr. ALR. (§ 117 ff. II. 5) die letzteren in gewissem Betrachte zum Gesinde zählt, noch die in Preußen gleichfalls der Gesindegesehgebung in mehr facher Hinsicht unterworfenen Schiffsleüte; vgl. Oppenhoff Ress.-Ges s. 188, Meves s. 217. Zur Feststellung des Begriffs bleiben landesgesetzliche Bestimmungen hier überhaupt außer Frage. — Das Gesinde muß sich in der „häuslichen Gemein schaft" deS Verletzten befinden; dazu genügt es nicht, wenn der Thäter zufällig oder in Felge des Dienstverhältniffes in Gebäuden wohnt, welche mit dem Hause des Verletzten in Verbindung stehen, oder wenn er zwar freie Wohnung in einem Raume des Hauses hat, auch regelmäßig zu den Mahlzeiten der Dienstherrschaft zugezogen wird, im Uebrigen aber gänzlich getrennt von der Hausgemeinschaft lebt: es ist vielmehr erforderlich, daß er mit dem Verletzten so zusammenwohnt, wie dies unter den Angehörigen einer Familie zu geschehen pflegt: so: Lasker, Schwarze, Sten. Ber. s. 820. 822; contra: Meves s. 218; vgl. auch BL. s. 506 (definirt „häusliche Gemeinschaft" als eine solche Hausgenoffenschaft, welche dem Thäter freien Zutritt zu den Gegenständen gewähre). — Das Zusammentreffen des Gesindeverhältnisses und der häuslichen Gemeinschaft genügt zur Anwendbarkeit des § nicht» vielmehr muß ersteres Verhältniß auch gerade zwischen dem Diebe und dem Bestohlenen bestehen; Diebstähle gegen Dritte, z. B. gegen die in der häuslichen Gemeinschaft befindlichen Angehörigen des Dienstherrn verübt, gehören nicht hierher: RIV. 2. Febr. 86 (R. VIII,
Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl u. Unterschlagung. — § 247.
603
Ein Diebstahl oder eine Unterschlagung, welche von Ver wandten aufsteigender Linie gegen Verwandte absteigender Linie oder von einem Ehegatten gegen den anderen begangen worden ist, bleibt straflos. 109), OT. 25.311- 78, Münch 31. März 83 (O. XIX. 39; BE. II, 404); contra: Voitus, «Saal 30 s. 317. 9. Der vage Ausdruck „von unbede utendem Werthe" fand sich schon im § 370 Nr. 5, ist dort aber näher präzisirt durch die sonstigen Thatbestandsmerkmale („Nahrungsmittel n\", „zum alsbaldigen Verbrauche"). Eine Mehrheit gestohlener rc. Sachen, welche zwar, jede einzeln für sich betrachtet, von unbedeutendem, wegen ihrer Menge jedoch von nicht unbedeutendem Werthe sind, schließt die Anwendung deS § aus. Dagegen findet eine Zusannnenrechnung der Werthe der in einer Reihe ganz gleichartiger Einzelakte gestohlenen rc. Sachen, vom Falle eineö fortgesetzten Ver gehens abgesehen, nicht statt: Rill. 30. Zuni 84 (A. X, 311). — Im Nebrigen ist die thatsächliche (mithin vom Nichtigkeitsrichter nicht nachzuprüfende: Stuttg. 31. Dez. 77, WGbl. XIV, 111) Frage, ob eine Sache von unbedeutendem Werthe sei, nach den Umständen jedes einzelnen Falles zu beurtheilen und hierbei auch die Vermögenslage des Verletzten (sowie des Thäters: WGbl. XVI. 394) mehr oder weniger in Betracht zu ziehen. Doch sind die Vermögenslage und die Schätzung des Verletzten nicht [imbebiitgt] maßgebend: OT. 9. Mai 79 (GA. 27 s. 538). 10. In Betreff der Person, „gegen welche der Diebstahl rc. begangen wird" („des Verletzten"), vgl. § 65 n. 1. 3; contra: Bind. HB. 1,622 (: antragsberechtigt im Sinne des Abs. 1 sei nicht jeder Verletzte, sondern stets nur der Eigenthümer). Hiernach ist der Eigenthümer der Sache selbst dann verletzt, wenn sie (beim Diebstahl) nicht aus seinem Gewahrsam weggenommen wurde, oder wenn er für dieselbe einen Ersatzanspruch gegen Dritte hat: Rill. 29. Mai 80 (E. II, 73), OT. (Pl.) 30. Apr. 77, Dresd. 12. Apr., 17. Juni 72. Stuttg. 19. Nov. 73 (O. XIII, 297;StZ. I, 332; II, 113; III, 210); vgl. Stuttg. 1. Dez. 75 (WGbl. XI, 330). Hatte den Gewahrsam ein Anderer inne, so wurde die That snach Maßgabe des zu § 65 n. 3 Gesagten^ ebensowohl gegen den letzteren begangen, und sind daher zwei Verletzte vorhanden: RII. l.Zuli 81 (E. IV, 346); vgl. Ri. 20. März 84 (E. X, 210). Dies erleidet eine Ausnahme, wenn jener Andere ein unredlicher Besitzer war; so: OT. l.Zuli 64 (O. V, 43); vgl. jedoch eil. OT. 30. Apr. 77 (nahm einen auch strafrechtlich geschützten Besitzstand zu Gunsten Jemandes an, welcher die später gestohlene Sache gefunden und sich demnächst rechts widrig zugeeignet hatte, selbst freilich, weil diese Unterschlagung verjährt war, nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden konnte; das Rechtsverhältnis des Inhabers zum Eigenthümer komme hier nicht in Betracht); ferner cit. RII. 1. Juli 81 (scheint gleichfalls zwischen redlichen und unredlichen Besitzern nicht zu unterscheiden). — Ein Dienst bote, welcher sich Geld zueignet, welches ihm ein Dritter zur Verabfolgung an seinen Herrn (ohne Auftrag des letzteren) übergeben hatte, begeht die Unterschlagung mit „gegen" jenen Dritten: OT. 9.Febr.72 (O.XIII,135). Munch. 6.Mai 73 (StZ. II, 326). 11. Abs. 1 scheidet aus, wenn die Mißthat nicht allein „gegen" eine der dort ausgezählten Personen, sondern gleichzeitig „gegen" einen nicht dazu gehörigen Dritten begangen wird, sei es daß letzterer Miteigenthümer, sei es daß er sonst Verletzter (n. 10) ist: Rill. 29. Mai 80. RII. 1. Juli 81 (citt. n. 10), OT. 27. März 74. 9. Febr. 60 (O. XV, 193; RA. 55, II, 42); vgl. jedoch Bind. (cit. n. 10). Das gilt z. B. da, wo eine zur Gütergemeinschaft gehörige Sache gestohlen wird; die Mit berechtigung der Frau läßt die Verfolgung ohne Strafantrag statthaft erscheinen, wenn nicht sie. fonbent nur der Mann in einem der gedachten Verhältnisse sich be findet, sollte letzterem auch das Verwaltungs- und Veräußerungsrecht in Betreff jener Sache zustehen: OT. 13. Nov. 72, 20. Jan. 75 (O. XIII, 591; XVI, 62); vgl. n. 3. 12. Die Anwendbarkeit des Abs. 1 ist lediglich durch das Bestehen eines der angedeuteten Verhältnisse bedingt, ohne daß es dabei auf die Kenntniß des Schul'n von diesem Verhältnisse, oder auf sein Vermeinen über ein solches ankäme: . l.Zuli 64 (O. V, 43); es bedarf daher des Antrags nicht, wenn das Vergehen „gegen einen Dritten" (mit) begangen war, sollte der Schuldige seinerseits auch geglaubt haben, er verletze durch die That nur die Rechte eines Angehörigen rc.: § 59 n. 18, RII. 1. Juli 81 (E. IV, 346), OT. 20. Jan. 75, Stuttg. 22. tzuni 75
S
604
Thl. II. Abschn. XIX. Diebstahl u. Unterschlagung. — §§ 247. 248.
Diese Bestimmungen finden auf Theilnehmer oder Begün stiger, welche nicht in einem der vorbezeichneten persönlichen Verhältnisse stehen, keine Anwendung. [I. Entw.: § 222; II. Entw.: § 242; — No», v. 26. Febr. 1876 Art. I. III. — Pr. StGB.: § 228.] Vgl. §§ 50. 52. 61-65. 289 Abs. 5; 370 Schlußsatz; Gew.-O. § 115; Mil.-StGB. § 127.
Preußen: Vgl. FFP.-Ges. § 22.
§ 348. Neben der wegen Diebstahls oder Unterschlagung (O. XVI, 62; StZ. V, 85), HS. II, 453, Merkel, HH. III, 711, Redner n. 118. 183, Schw. s. 622; contra: OT. 17. Mai 58 (GA. VI, 710). Vgl. übrigens n. 20. 13. Ist der Antrug gestellt, so erfolgt die Bestrafung nach den allgemeinen Grundsätzen, event, daher auch nach § 244; vgl. dort n. 17. 14. Die Vorschriften über die Untheilbarkeit eines Strafantrags und seiner Zurücknahme finden hier keine Anwendung: Abs. 3; vgl. § 61 n. 6, § 63 „. 4; contra: RIV. 17. Zan. 88 (R. X, 38: Abs. 3 treffe nur eine Sonderbestimmung für den Fall, wo kein Antrag gestellt werde; er gestatte daher nicht den Schluß, daß die Regel des § 63 außer Anwendung bleibe, wenn der wirklich gestellte Antrag sich nur wider einen von mehreren in den bezüglichen persönlichen Verhältnissen zum Berichten Befindlichen richte). 15. Die Bestimmung des Abs. 1 ist, soweit sie Vergehen wider Angehörige, Vormünder oder Erzieher betrifft, durch § 263 auf den Betrug ausgedehnt. 16. Abs. 2 spricht (im Gegensatze zu § 52 Abs. 1) mir „von Verwandten" der auf- und absteigenden Linie, ist also auf die Blutsverwandten zu beschränken und auf Verschwägerte nicht auszudehnen: Schütze s. 447 n. 19. 17. Zwischen Ehegatten wird der § wirksam, sobald die betreffende Hand lung zur Zeit des Bestehens der Ehe stattfand, sollte die letztere auch seitdem auf gelöst worden sein; vgl. n. 2 a. 18. Eine Ehescheidung beseitigt für die Zukunft die Anwendbarkeit des § 247. Das ist auf eine Trennung (von Tisch und Bett rc.), welche das Band der Ehe fortbestehen läßt, nicht auszudehnen. •19. Ueber die Bedeutung der Worte „gegen Verwandtere." vgl. oben u. 10; ist durch die That außer dem Descendenten noch ein Dritter in seinen Rechter ge kränkt, so gilt analog das unter n. 11 Gesagte. 20. Da der § die gegen einen Descendenten verübten Diebstähle für straflos,, erklärt, so muß der irrige Glaube des Schuldigen: er verletze durch seine Hand lung nur daS Recht seines Descendenten, die gleiche Wirkung ausüben: Merkel 1. c., Schw., SGZ. 22 s. 162, v. Buri. GSaal 29 Beil. s. 197; contra: Rüd. n. 3, HS. 11,452, HStR. 11,307, Bind. II, 475; vgl. Abh., GA. V, 643. 21. Die Straflosigkeit des Diebs ist auf einen begleitenden und qualifizirenden Umstand (z. B. den Einbruch), wenn dieser für sich allein ein Vergehen (z. B. das der Sachbeschädigung) darstellt, nicht auszudehnen, zumal da, wo lejteres gegen eine dritte Person (z. B. den Eigenthümer des vom Bestohlenen bewohnten Hauses) verübt ist; vgl. § 73 n. 6. 12; contra: v. Bar, GA. XIX, 651, Rihstr., GSaal 24 s. 140. 149, Fuchs s. 82. Ebenso schließt Abs. 2 die Bestrafung vegen einer ideell konkurrirenden Untreue (§ 266) nicht aus: § 61 n. 9, Ri 24. Nco. 87 (E. XVI, 343).
22. Die im § vorgesehene Handlung ist an sich eine Mißthat, welche mr an der betr. Person nicht ohne Antrag (Abs. 1) oder gar nicht bestraft wird (Als. 2); diese Ausnahmebestimmungen sind daher auf die in keinem der erwähnten Verhält nisse stehenden Theilnehmer und Begünstiger nicht auszudehnen: Abs. 3, RI. 19. Dez. 81 (E. V, 274). Ueber die Frage, inwiefern Abs. 3 auch auf die Fäle der sog. persönlichen Begünstigung zu beziehen sei, vgl. § 257 n. 17. — Hinsichtlih der Hehler (Partirer) vgl. § 259 n. 25. § 248. 1. Die (rein fakultative) Vorschrift des § gilt auch für die Bestrafung des Ver suchs oder der Theilnahme an einem der genannten Straffälle: §§ 45. 43. 49.
Thl. II.
Abschn. XX. Raub
und Erpressung.
— §§ 248. 249.
605
erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte, und neben der wegen Diebstahls erkannten Zucht hausstrafe auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. [I. @ntro.: §§216.223; II. Enlw.: § 243; Pr. StGB.: §§216.218.219. 227.] Bgl.
§§ 32. 35. 38. 45. 48. 49. 242-244. 246. 256.
Zwanzigster Mschnitt. Raub und Erpressung.
§ 249. Wer mit Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben eine frenide bewegliche Sache einem Anderen in der Es kann daher wegen eines versuchten schweren Diebstahls auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht nur neben Zuchthaus erkannt werden. Sti Betreff des Verlusts der Ehrenrechte vgl. §§ 32. 35. §249.
1. Die Mot. s. 124 heben hervor, daß der „Raub" nicht als ein „durch Ge walt gegen die Person verübter Diebstahl" noch als eine „durch diebische Absicht ausgezeichnete Gewalt", sondern als ein besonderes gegen Person und Eigen thum zugleich begangenes Verbrechen betrachtet sei. Demgemäß bleiben alle die Bestrafung des „Diebstahls" betreffenden Vorschriften (z. B. § 247) hier ausge schlossen, soweit sie nicht für den Raub ausdrücklich wiederholt sind. 2. Dagegen umfaßt die Begriffsbestimmung des § den vollständigen Thatbestand des Diebstahls, wie er im § 242 aufgestellt wird; alles zu § 242 behufs Erläuterung jenes Begriffs Bemerkte ist daher hier zu berücksichtigen, es sei denn, daß sich aus den, den Raub unterscheidenden besonderen Merkmalen nach weisen ließe, daß jene Grundsätze hier außer Anwendung bleiben müssen: Ri 30. März 82 (R. IV, 288), BL. s. 509, Merkel, HH. III, 715‘ff.; vgl. n. 13. 3. Demgemäß wird auch der Raub erst durch die „Wegnahme" vollendet: Mot. s. 124. Fand eine solche gar nicht statt, wurde vielmehr der Andere durch Gewalt genöthigt, die Sache herauszugeben, so kann nur Erpressung (§ 253. 255), nicht Raub vorliegen; ebenso: RI. 30. März 82 (dt. n. 2). 4. Die gewaltsame Besitznahme unbeweglicher Sachen ist nicht Raub und nur insofern strafbar, als sie den Thatbestand eines anderen Straffalles enthält. 5. Mit Rücksicht auf das unter n. 1 Gesagte trifft die Strafe des Raubes auch bei solchen Gegenständen zu, deren „Diebstahl" wegen besonderer dabei ob waltender Umstände mit geringeren (Uebertretungs-) Strafen bedroht ist (§ 242 n. 47. 50 ff.) Insoweit die Voraussetzungen der §§ 249 ff. vorliegen, bleiben die be sonderen, derartige „Entwendungen" rc. vorsehenden Strafbestimmungen außer An wendung: RI. 8. Mai 82 (E. VI, 325: bezüglich des § 370 91. 5), OT. 11. Febr. 70 (D. XI, 94), HStR. II, 366; vgl. Pr. Ges. v. 22. Mai 1852 Art. III, Pr. NEV. Art. XIII, welche zwar die Strafen des schweren Diebstahls, nicht aber die des Raubes ausschlossen: § 252 n. 2. Ueber das Verhältniß des § 249 zu § 244 vgl. § 73 n. 6. 6. lieber den Begriff der „Gewalt" vgl. § 113 n. 29ff.; die GewaltanWendung muß hier das Mittel sein, welches die Wegnahme ermöglichte, sei es, daß dadurch'dem Andern die Hinderung der Wegnahme unmöglich gemacht oder daß er zu ihrer Duldung genöthigt wurde. Dieselbe braucht keine für den Angegriffenen unüberwindliche („unwiderstehliche": §52) zu sein; contra: v. Buri, GSaal 29 Beil, f. 22; es genügt eine Gewalt, welche dahin abzielt, diejenige Krastanstrengung zu überwinden, welche der Inhaber macht, um sich im Besitze der Sache zu erhalten,
606
Thl. II. Abschn. XX. Raub und Erpressung. — § 249.
Absicht wegnimmt, sich dieselbe rechtswidrig zuzueignen, wird wegen Raubes mit Zuchthaus bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein. [I. Entw.: § 227; II. Entw.: § 244; Pr. StGB.: §§ 230. 231.] 250-252. 256. 139. 32. Preußen: Vgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 10. (GS. s. 453).
Vgl. §§ 242. 244.
z. B. ein Wegreißen aus den festhaltenden Händen: OT. 27.'März 67, 6. Jan. 69 (O. VIII, 204; X, 4), Dresd. 4. Juni 75 (SGZ. XX, 25: erachtete es sogar für gleichgültig, ob der Verletzte den Gegenstand gerade in der Voraussicht der Weg nahmehandlung des Thäters festgehalten habe). Ebensowenig wird erfordert, daß die Gewalt eine Gefahr für Leib oder Leben begründe. Dagegen ist es nicht als Gewalt anzusehen, wenn einer Person eine Sache entrissen wird, ehe sie dieselbe schützen kann; vgl. n. 9, HStR. 11,368. 7. In Betreff der Frage ob die Gewalt zum Zwecke der beabsichtigten Weg nahme angewendet sein müsse, oder ob es genüge, wenn die zu einem andern uner laubten Zwecke ausgeübte Vergewaltigung demnächst bewußter Weise zur Verübung der Wegnahme benutzt worden ist, vgl. § 243 n. 30, OT. 20. Dez. 61 (O. II, 175), HS. II, 530, HStR. II, 371, Schw. s. 624, Merkel s. 719, Schütze s. 453, ML. s. 480. Villnow, Raub rc. s. 23, v. Buri 1. c. 8. Die Gewalt muß „gegen eine Person" angewendet sein; dagegen ist es nicht nothwendig, daß diese Person der Inhaber der Sache sei, wenn nur der Kausalnexus feststeht: Mot. s. 125; vgl. Rill 21. Mai 81 (R. III, 317: Mot.), HStR. II, 370, v. Buri 1. c.; contra: Villnow s. 8 (körperliche Gewalt gegen eine dritte Person falle unter den Begriff der Drohung). 9. Der Gewalt steht ein listiges, einem Widerstände vorbeugendes Ver halten, z. B. Betäuben oder Einschließen des Inhabers, nicht gleich: HStR. II, 367ff., Merkel, f. 718, Villnow s. 9; ebensowenig die Benutzung eines vorhandenen hülflosen Zustandes: Schütze s. 452. Contra: v. Buri 1. c. s. 17. 10. In Betreff der „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" vgl. § 48 n. 30, § 52 n. 7 ff., § 106 n. 2 ff. Auch hier muß die Drohung die unberechtigte Zufügung eines Uebels zum Gegenstände haben, somit genügt es nicht, wenn ein in Lebensgefahr Schwebender mit Versagung der begehrten Hülfe bedroht wird. Daß die Gefahr „auf andere Weise nicht abwendbar war" (§ 52)/ wird nicht erheischt (vgl. § 176. 177). — Auch hier ist es nicht unerläßlich, daß die Drohung sich gegen die Person des Inhabers der Sache richte (vgl. n. 8). Da gegen versteht sich von selbst, daß auch die Drohung das Mittel gewesen sein muß, die Wegnahme zu bewirken (z. B. durch Hinderung eines Widerstandes); die er zwungene Besitzübertragung Seitens des Inhabers fällt unter § 255; vgl. n. 3. 11. Ueber die Verübung eines Raubes durch mehrere gemeinschaftlich Han delnde vgl. § 47 n. 10. Beispiele: OT. 19. März, 22. März 63, 18. Jan., 27.Apr. 66 (O. III, 353. 468; VII, 36. 252). 12. Ein Diebstahl kann auch durch die nicht vom Thäter, sondern von einem Gehülfen angewendete Gewalt rc. den Charakter des Raubes annehmen, wenn jener bei seiner That Kenntniß von dieser Gewaltanwendung hatte', und sie so zur Verübung des Diebstahls benutzte: OT. 18. Jan. 66 (eit. n. 11); vgl. §47 n. 25; contra: v. Buri 1. C. s. 40. 13. In prozessualer Hinsicht sind die den Thatbestand des Diebstahls zum Raube stempelnden Umstände als besonders vorgesehene, die Strafbarkeit erhöhende (StPO. §§ 262. 295) zu behandeln; ebenso: Löwe s. 524. 569. 154. Wird die Frage aus § 249 unter Verneinung der Gewalt rc. bejaht, so ist die Diebstahlsstrafe zu verhängen; vgl. Löwe s. 529, OT. 2. Jan. 56 (GA. IV, 207). 14. Der Versuch eines (gewollten) Raubes kann angenommen werden, sollte auch nur erst mit einem Theile der Thatbestandshandlungen, sei es mit der Ge waltanwendung rc. oder aber mit der Wegnahme begonnen sein: Mot. s. 125; vgl. § 243 n. 6.
THI..H. Abschn. XX.
Raub und Erpressung. — § 250.
607
§ ü$50. Auf Zuchthaus nicht unter fünf Jahren ist zu erkennen, wenn 1) der Räuber oder einer der Theilnehmer am Raube bei Begehung der That Waffen bei sich führt; 2) zu dem Raube Mehrere mitwirken, welche sich zur fort gesetzten Begehung von Raub oder Diebstahl verbunden haben; 3) der Raub auf einem öffentlichen Wege, einer Straße, einer Eisenbahn, einem öffentlichen Platze, auf offener See oder einer Wasserstraße begangen wird; 15. Zn Betreff der Zulässigkeit der Polizeiaufsicht vgl. § 256. Beim Vorliegen mildernder Umstände kann auf jene nicht erkannt werden: OT. 6. Zuni 73 (O. XIV, 413), wohl aber auf den Verlust der rc. Ehrenrechte rc.: §§ 32. 35.
§
250. 1.
Zulässigkeit der Polizeiaufsicht, vgl. § 256.
Zu Rr. 1. Vgl. § 243 Nr. 5, 2. Dgl. die Bemerkungen zu § 243 Nr. 5. Auch hier wird nicht erfordert, daß der Thäter ev. von der Waffe Gebrauch zu machen beabsichtigte; doch for dert v. Buri, GSaal 29 Beil. s. 28ff., daß jener mit derselben mindestens schrecken wollte. Nach v. Buri 1. c. soll aus Nr. 1 auch Derjenige strafbar sein, welcher den Anderen durch seinen Hund habe zusamnienreißen lassen; die Zähne des Hundes seien in diesem Falle die „Waffe" [V]; vgl. jedoch Rll. 1. Zuni 83 (R. V, 393). 3.
Zu Nr. 2. Vgl. § 243 Nr. 6. Vgl, die Bemerkungen zürn cit. § 243 Nr. 6.
Zu Nr. 3. Vgl. § 243 Nr. 4. 4. Diese Nr. 3 stimmt in Betreff der aufgezählten Oertlichkeiten mit § 243 Nr. 4 insoweit überein, als sie (in veränderter Reihenfolge) auch öffentliche Wege Straßen, Eisenbahnen, öffentliche Plätze und Wasserstraßen nennt. Da aber hier die anderweitige Begrenzung fehlt, welche § 243 Nr. 4 in Betreff der Objekte der Wegnahme enthält, so ist hervorzuheben, daß der auf einer Eisenbahn (Locomotivoder Pferdebahn; vgl. § 243 n. 61a; Villn. s. 32) verübte Raub nur dann hierher gehört, wenn er mit Gewalt rc. gegen eine die Eisenbahn als „Weg" („Straße"), somit als Transportmittel benutzende Person, nicht also, wenn er gegen eine auf dem Bahndämme sich befindende Person verübt wird. Aehnlich verhält es sich mit der „Wasserstraße" (ein gegen einen Badenden verübter Raub gehört nicht hier her). Dagegen ist es gleichgültig, ob der Eisenbahnzug in Bewegung ist oder ruht. Ein nicht auf der Eisenbahn, sondern auf dem Bahnhöfe oder einem Nebengeleise verübter Raub gehört nicht hierher. Vgl. Meves, GSaal 26 s. 266 ff. 5. Sodann zählt die Nr. 3 noch die „offene See" auf: dieser Ausdruck bezieht sich nur auf daS Meer, und zwar auf denjenigen Theil desselben, welcher „offen" d. h. nicht von der Küste aus durch Kanonen zu beherrschen ist; vgl. § 8 n. 3; ebenso: v. Buri 1. c. s. 41, Merkel HH. III, 720, Olsh. n. 3; contra: Villn. s 33 (erblickt in jenem Ausdrucke den Gegensatz zu dem Theile deö Hafens oder der Mündung der Flüsse, in denen das Seewasser hineiuspüle, weshalb derselbe den von der Küste aus beherrschten Theil des wirklichen Meeres nicht ausschließe); ähn lich: Meves, StRZ. XIII, 421. Schiffbare Landseen gehören, gleich den Häfen, Flüssen und Canälen, zu den „Wasserstraßen" und auch dies nur, wenn sie als Verkehrswege dienen; vgl. Villn. I. c. (legt diese Eigenschaft auch den bloß flößbaren Landseen rc. bei). 5a. Ein Fall der Nr. 3 liegt nicht vor, wenn der zu Beraubende zwar auf offener Straße verfolgt worden, von dieser aber abgebogen war und nun erst ein-
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Thl. II. Abschn. XX
Raub und Erpressung. — §§ 250. 251.
4) der Raub zur Nachtzeit in einem bewohnten Gebäude (§ 243 Nr. 7) begangen wird, in welches sich der Thäter zur Begehung eines Raubes oder Diebstahls eingeschlichen oder sich gewaltsam Eingang verschafft oder in welchem er sich in gleicher Absicht verborgen hatte, oder 5) der Räuber bereits einmal als Räuber oder gleich einem Räuber im Jnlande bestraft worden ist. Die im § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß strafe nicht unter Einem Jahre ein. [I. Entw.: § 228; II. Entw.: § 245; Pr. StGB.: § 232.] Vgl. §§ 245. 249. 251. 252. 256. 32.
§ 351. Mit Zuchthaus nicht unter zehn Jahren oder mit lebenslänglichem Zuchthaus wird der Räuber bestraft, wenn bei dem Raube- ein Mensch gemartert, oder durch die gegen ihn verübte Gewalt eine schwere Körperverletzung oder der Tod desselben verursacht worden ist. [I. Entw.: § 229; II. Entw.: § 246; Pr. StGB.: §§ 233. Nr. 2.3.] Vgl. §§ 224. 256. geholt wird, wohl aber dann, wenn jener bereits auf der Straße überwältigt, beutnächst aber in ein Haus geschleppt und dort erst ausgeplündert wurde; so: v. Buri 1. e.; vgl. übrigens § 3 n. 10. Zu Nr. 4. Vgl. § 243 Nr. 7. 6. Insoweit diese Nr. 4 mit der cit. Nr. 7 des § 243 übereinstimmt, sind die Bemerkungen zu der letzteren zu vergleichen. Durch die hinter dem SBorte „Ge bäude" eingeschaltete Anführung jener Nummer sollte angedeutet werden, daß die dort gegebenen Erläuterungen des Begriffs „Gebäude", nach welchen bemfetben der dazu gehörige Raum rc., und ein bewohntes Schiff gleich geachtet werden, auch hier gelten. Dagegen scheidet hier die fernere Erläuterung, daß die Nr. 7 auch dann Anwendung finde, wenn zur Zeit des Diebstahls Bewohner int Gebäude nicht an wesend sind, insofern aus, als der Raub Gewalt rc. gegen eine Person voraussetzt. — Die Worte: „zur Begehung eines Raubes oder Diebstahls", deuten auf die Ab sicht; vgl. tz 243 n. 91. 7. Zn Nr. 4 ist der Fall zugesetzt worden: „wenn sich der Thäter in das be wohnte Gebäude gewaltsam Eingang verschafft hat". Ob die Gewalt zur Ge winnung des Eingangs an Personen oder an Sachen verübt worden, ist gleichgül tig ; auch braucht tm letzteren Falle die Gewaltanwendung nicht den Voraussetzungen eines Einbruchs zu entsprechen. Dagegen steht dieser gewaltsamen Eingangs-Ver schaffung die durch Einsteigen oder Anwendung eines falschen Schlüssels gewonnene nicht gleich. — Zm Hause selbst muß dann nochmals Gewalt, und zwar hier gegen eine Person »angewendet werden: v. Buri s. 43. Zu Nr. 5. Vgl. § 244. 245. 32. 8. Hier genügt der erste Rückfall; vorausgesetzt wird aber eine Vorbestrafung als Räuber (aus §§ 249—251) oder gleich einem Räuber (aus §§ 252. 255). — Int Uebrigen vgl. die Bemerkungen zu den §§ 244. 245. 9. Beim Vorhandensein mildernder Umstände kann auf den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden: § 32. §251.
1. „Martern" bezeichnet die Zufügung schmerzhafter Mißhandlung, welche grade in der Absicht der Schmerzzufügung bewirkt wird; v. Buri s. 45 rechnet auch Peinigungen der Seele hierher; contra: Villn. s. 38.
Thl. II. Abschn. XX.
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Raub und Erpressung. — § 252.
§ 252 Wer, bei einem Diebstahl auf frischer That be troffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitze des gestohlenen Gutes zu erhalten, ist gleich einem Räuber zu bestrafen. [I. Entw.: § 227; II. Entw.: § 247; Pr. StGB.: § 230 Abs. 2.] bis 251. 256. 214. Preußen: Vgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 10 (GS. s. 453).
Vgl. §§ 249
2. Ueber die „Verursachung einer schweren Körperverletzung" vgl. § 224 n. 1 ff.; ob die eingetretene Folge beabsichtigt war (tz 225), oder auch nur vorhergesehen werden konnte, ist hier für den Thatbestand unwesentlich; vgl. § 59 n. 19. Hatte der Räuber die Verursachung des erfolgten Todes gewollt, so konkurrirt ideell Mord oder Todtschlag: Rll. 17. Juni 81, 17. Febr. 85 (E. IV, 287; R. VII, 127), OT. 4. Sept. 74, 1. April 75, Münch. 4. Jan. 73 (O. XV, 518; XVI, 260; m. III, 1); vgl. § 211 n. 18. 3. Für den Thatbestand ist es unwesentlich, welcher Mensch gemartert rc. wurde, und ob die Marter rc. ein Mittel zur Begehung des Raubes war. Vgl. § 249 n. 8, Villn. s. 38, welcher übrigens die Worte „bei dem Raube" für gleich bedeutend mit „bei Gelegenheit des Raubes" hält, und daher meint, das „Martern rc." könne auch nach Verübung des Raubes geschehen sein; vgl. § 252 n. 3. 4. Neben der Zuchthausstrafe kann Polizeiaufsicht für zulässig erkannt werden: § 256. 5. Ueber die Bestrafung mehrerer Mitthäter, wenn die betr. Gewalthand lungen nur Einzelnen derselben zur Last fallen, vgl. § 47 n. 10ff. § 59, und HStR. II, 376. Alsdann ist es nicht unerläßlich, daß festgestellt sei, von wem gerade jene Gewalthandlungen ausgegangen sind, sobald nur erwiesen ist, daß dieselben bei dem Raube und zum Zwecke desselben von irgend einem der Mitthäter zugefügt waren, und daß sie die betr. Folge gehabt haben. 6. Hat die bei einem (unvollendet gebliebenen) Raubversuche verübte Ge walt eine der im § vorgesehenen Folgen gehabt, so ist nach § 44 auf Zuchthaus von 2'/z bis zu 15 Jahren zu erkennen; ebenso: HStR. II, 376: contra: v. Buri f. 48 (hält die volle Strafe des § 251 für verwirkt, während bei dem blos ver suchten Martern rc. der § ganz außer Anwendung bleibe).
§ 252. 1. Der Diebstahl bildet im Falle des § 252 ein bloßes Thatbestandsmerkmal des hier vorgesehenen Verbrechens, des s. g. uneigentlichen Raubs oder räuberischen Diebstahls; der Thäter ist daher nicht noch daneben (§ 74) wegen Diebstahls zu strafen: OT. 22. Nov. 77 (O. XVIII, 730). Ueber daS Ver hältniß des § 252 zu § 244 vgl. § 73 n. 6. 2. Der Ausdruck „Diebstahl" umfaßt hier alle Arten der Entwendung, namentlich auch solche, welche wegen der dabei obwaltenden besonderen Umstände für sich allein nicht mit der Diebstahls-, sondern (aus § 370 n. 5 oder einem beson deren Gesetze, z. B. dem Pr. Forstdiebst.-, dem Pr. FFP.-Ges.) nur mit einer Uebertretungsstrafe zu ahnden sein würden; vgl. § 249 n. 5, Ri. 8. Mai 82, RlV. 5. März 86 (E. VI. 325; XIII, 391); contra: OT. 26. Sept. 72, 12. Jan. 76 (O. XIII, 478; XVII, 25), Meyer n. 3, Puch. n. 2. 3. Die Worte: „bei einem Diebstahl" sind nicht auf den Fall zu be schränken, wo der Diebstahl noch nicht vollendet war (vgl. „des gestohlenen Gutes"); es genügt, wenn der Dieb „auf frischer That" betroffen wurde, d. h. wenn zwischen dem Diebstahl und dem Betreffen eine solche sachliche Verbindung, eine solche Continuität obwaltet, daß das Ganze als ein zusammenhängender Vor fall erscheint: OT. 27. März 67, 13. Nov. 68 (O. VIII, 204; IX, 633). Demgemäß gehört auch der Fall hierher, wo der Dieb bei einer unmittelbar nach der That eingetretenen Verfolgung angehalten wird. Vgl. § 214 n. 5, Mot. s. 125, Merkel s. 723, v. Buri s. 51; contra: Villn. s. 41. 4. In Betreff der Gewalt und Drohungen rc. vgl. § 249 n. 6ff. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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Thl. II. Abschn. XX. Raub und Erpressung. — § 253.
§ 253. Wer, um sich oder einem Dritten einen rechts widrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, einen Andern durch Gewalt oder Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unter5. Der § trifft nur zu, wenn die Handlung geschah, „um sich im Besitze" des Gestohlenen zu erhalten, nicht da, wo der Dieb nur seine Person sichern wollte (Mot. s. 125), selbst wenn er sich bewußt war, daß er mit seiner Person auch tote gestohlene Sache, z. B. ein bereits angezogenes Kleidungsstück, in Sicherheit bring«e; contra (für letzteren Fall): v. Buri s. 52. Verfolgte der Thäter beide Zwecke, Io bleibt der § anwendbar. Ob jener (im § vorgesehene) Zweck erreicht wurde, iist gleichgültig: HStR. II, 378, Villn. s. 41. 6. Der Thäter soll „gleich einem Räuber" bestraft werden. Es werden sonach auch die §§ 250. 251 anwendbar, wenn ihre Voraussetzungen zutreffen: Mot. s. 125; zu dem Behufe muß jedoch festgestellt werden, daß der betr. Erschwerung.sgrund nicht blos bei dem Diebstahle, sondern bei der That im Ganzen, also auch bei der Anwendung der Gewalt oder der Drohungen vorgelegen habe: OT. 22. No»v. 77 (eit. n. 1), Schw., SGZ. 21 s. 204; vgl. Jena 76 (Voll. 24 s. 274). — Neben der Zuchthausstrafe kann die Zulässigkeit der Polizeiaufsicht ausgesprochen werden: § 256. 7. Mit Rücksicht auf das n. 6 in. Gesagte liegt keine Veränderung des recht lichen Gesichtspunkts im Sinne des § 264 Abs. 1 der StPO, vor, wenn bei einer Anklage aus § 252 im Eröffnungsbeschlusse weder der § 250 oder § 251 noch ber die Anwendung des einen oder anderen bedingende, erschwerende Umstand erwähnt ist, während der Vorschrift des § 264 Abs. 2 der StPO, schon durch die jenen Um stand umfassende Fragestellung genügt wird: RH. 14. März 82 (R. IV, 242).
§
253.
1. Begriff der „Nöthigung", vgl. § 240 n. 1. 2. 2. In Betreff des Begriffs „Gewalt" vgl. § 52 n. 4, § 106 n. 1 , § 113 n. 29— 39, § 240 n. 4. Die Gewalt darf hier nicht gegen eine Person geübt sein, indem sonst § 255 anwendbar wird; contra: v. Wächter u. Katz. GSaal 27 s. 161; 31 s. 431. (Andere Gewalt, als eine gegen die Person geübte, wird freilich für letztere regelmäßig den Charakter einer im § neben der „Gewalt" aufgeführten Drohung annehmen: gleichwohl erscheint das Auskunftsmittel v. Wächter's, im § 255 gegen die constante Terminologie des StGB.'s, vgl. §§ 176. 177. 249, die Worte „mit gegenwärtiger Gefahr" auf „Gewalt" mitzubeziehen, hier also unter „Gewalt" nur eine höchst gefährliche, im § 253 aber eine minder gefährliche Gewalt gegen die Perlon zu verstehen, als sehr bedenklich.) — Auch eine an sich berechtigte Gewalt-Anwendung (z. B. Seitens eines Beamten) ist strafbar, wenn dadurch ein widerrechtlicher Vermögensvortheil erpreßt werden soll. Vgl. n. 3a. 3. In Betreff der „Drohung" vgl. §48 n. 30, §106 n.2ff. Daß dieselbe eine Mißthat zum Gegenstände habe (§ 240) oder eine gegenwärtige Gefahr oder gar eine solche für Leib und Leben begründe (§§ 249. 252. 255), wird hier nicht er fordert: RI. 9. Febr. 80 (R. I, 325), OT. 30. Jan. 74 (O. XV, 46); es kann vielmehr die Bedrohung mit einer pflichtwidrigen Unterlassung, z. B. der Nichter füllung einer kontraktlichen Verbindlichkeit oder mit der Nichtbeseitigung eines schon vorhandenen Uebels, ja mit der Ausübung eines Rechts, der Stellung eines Straf antrags, der Anbringung einer (begründeten oder unbegründeten) Denunziation, der Veröffentlichung eines Witz-Artikels, einer Thatsache durch die Presse genügen (das Strafbare liegt im Zweck): Mot s. 126, RI. 12. Febr. 80, Rill. 26. Febr. 81, 3. Juli 84, RIV. 25. Juni 86 (E. I, 205; III, 426; XIV, 264; R. VI, 508), OT. 13. Nov. 73, 30. Jan., 8. Okt. 74, 4. Apr., 27. Juni 76, 9. Febr. 77. 10. Jan. 79, Dresd. 26. März 77, Manh. 30. Dez. 78 (O. XIV, 714; XV, 46. 637; XVII, 248. 459; XVIII, 120; XX, 28; SGZ- 22 s. 36; BA. 45 s. 15); contra (in Betreff der angedrohten Geltendmachung eines bestehenden Rechts): Villn. f. 12; dies gilt na mentlich von dem Ji,-Aussicht-stellen einer (begründeten oder unbegründeten) Klage; ebenso: RI. 18. Dez. 82 (BA. 49 s. 282), Münch. 2. März 87 (BE. IV, 448); contra: Münch. 26. Jan. 72 (BE. II, 11). Dagegen ist überall festzuhalten, daß ein Uebel, also ein Nachtheil für Leben, Freiheit, Ehre, Vermögen rc. in Aussicht ge stellt sei, dessen Bevorstehen die Willensfreiheit des Andern zu beschränken geeignet
Thl. II. Abschn. XX.
Raub und Erpressung. — § 253.
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lassung nöthigt, ist wegen Erpressung mit Gefängniß nicht unter Einem Monat zu bestrafen. Der Versuch ist strafbar. [I. ent».: §§230.231; II. Entw.: §248; Pr. StGB.: §§234.235.] Vgl. §§ 114. 126. 240. 241. 254—256. 339. Preußen: Dgl. Ges. v. 4. Juni 1851 § 10 (GS. s. 453). ist;; ebenso: Stil. 22. Nov. 81 (E. V, 171); vgl. Rill. 9. Mürz 81 (E. III, 429 betir. die Nichterlangung eines erwarteten Gewinns); daher ist die Erklärung des zudringlichen Bettlers, er werde nicht weggehn, bis er etwas erhalte, für sich allein noch kein Erpressnngsversuch: Merkel, HH. III, 727. Andererseits genügt ein blos relatives Uebel, z. B. die gewaltsame Verhinderung einer Abreise: OT. 16. Juli 75 (O. XVI, 549). Die Bezeichnung der Handlung, durch welche das Uebel erreicht werden soll, ist nicht erforderlich: cit. OT. 16. Juli 75. Auch reicht unter Umständen schon die indirekte Hinweisung auf den event. Eintritt des Uebels hin: Ri. 24. März 84 (E. X, 216). Immerhin muß aber der Vorsatz auf Beugung des Willens eines Andern gerichtet sein. Ob die Redewendung dahin zielte oder auf eine bloße Dar stellung der Sachlage, ist Thatfrage: Rill. 14. Jan. 86 (R. VIII, 55); vgl. n. 4. 3a. Die Verwirklichung des angedrohten Uebels muß irgendwie von der Macht oder dem Willen des Drohenden abhängen; so: cit. Rill. 14. Jan. 86. Doch wird es genügen, wenn solches mindestens nach der (vom Thäter gewollten) Meinung des Andern der Fall war. Alsdann kann auch die Androhung eines von einem Dritten zuzufügenden Uebels den Thatbestand erfüllen; vgl. RlV. 25. Febr. 87 (E. XV, 333). — Andererseits seht der § die Identität des Bedrohten mit dem jenigen, welcher den Vermögensvortheil verschaffen soll, voraus; contra: Rill. 21. Mai 81 (R. III, 317). Doch wird nicht erfordert, daß letzterer (Vortheil) gerade aus dem Vermögen des Bedrohten zu leisten sei, und daß die den Gegenstand der Nöthigung bildende „Handlung rc." denselben unmittelbar gewähre, der § umfaßt vielmehr auch den Fall, wo der Bedrohte zu einer „Handlung rc." genöthigt wird, um einen Dritten zur Gewährung jenes Vortheils zu bestimmen: OT. 24. Mai 76 (O. XVII, 375), es sei denn, daß es sich nicht um eine für den Dritten maßgebende Anordnung, sondern um eine bloße Verwendung, eine bloße Bitte handelte, deren Gewährung lediglich Sache der Gefälligkeit jenes Dritten wäre; so: Rill. 26. Febr. 81, 8. Febr. 83 (E. III, 426; R. V, 94). Ferner ist es gleichgültig, ob das ange drohte Uebel den Bedrohten allein und unmittelbar, oder ob dasselbe zunächst einen Dritten treffen würde (Beisp.: Bedrohung eines Vaters mit einer Denunciation gegen den Sohn): Rill. 9. Juni 80 (A. II, 130), Dresd. 18. Aug. 73, OT. 10. Nov. 75, 15. März 77 (SGZ. XVII, 305; O. XVI, 716; XVIII, 220). Dies gilt sogar dann, wenn jener Dritte mit dem Droher im Einverständnisse handelte: Dresd. 27. Febr. 74 (StZ. IV, 181), oder wenn derselbe gar der Droher selbst wäre (Beisp.: der Sohn droht mit Selbstmord, falls der Vater kein Geld gebe; contra: SBiün. f. 12). — Die Drohung braucht nicht ernstlich gemeint (noch ausführbar: RII. 21. Jan. 81, Rill. 9. März 81, E. III, 262. 429) zu sein, sofern nur die Absicht dahin geht, bei dem Bedrohten die Besorgniß ihrer Verwirklichung zu erregen: RI. 9. Febr. 80 (R. I, 325) und der Bedrohte diese Verwirklichung für möglich (bevorstehend) hält (bezw. was den Versuch betrifft, für möglich halten konnte); vgl. cit. RII. 21. Jan. 81, OT. 20. Jan. 75, 30. Mai 77 (O. XVI, 58; XVIII, 355). — Ob das angedrohte Mittel in seinem Erfolge für den Bedrohten schädlich oder unschädlich war, ist gleichgültig: OT. 9. Febr. 76 (O. XVII, 101). Ebensowenig wird der That bestand des Vergehens ausgeschloffen, wenn der Thäter sich zur Erreichung seiner Absicht (n. 4) einer obrigkeitlichen Person als Mittelsperson bedient: Manh.21.Juni 79 (BA. 45 s. 193). 3b. Bei Beamten greift § 253 auch dann Platz, wenn statt der „Gewalt" oder „Drohung" als Mittel „Mißbrauch der Amtsgewalt" oder „Androhung eines bestimmten Mißbrauchs derselben" angewandt worden ist: § 339 Abs. 3. 4. Der Dolus muß dahin gerichtet sein, „sich oder einem Dritten einen (rechts widrigen) Vermögensvortheil zu verschaffen". Wer dies nicht beabsichtigt, vielmehr nur in der Absicht handelt, einem Andern die Mittel zur Abwendung einer von ihm beschlossenen und von jenem befürchteten, mithin bereits drohenden Maß-
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Thl. II. Abschn. XX. Raub und Erpressung. — § 253.
regel an die Hand zu geben, verfällt nicht der Strafbestimmung des §: OT. 9. Febr. 76 (O. XVII, 103). Welches Motiv den Thäter leitete, bezw. welche Befriedigmng er in dem Erfolge der That erstrebte, ist gleichgültig: RII. 19. März 80 (R. 1,4195: Angeklagter hatte Jemanden mit Anzeige eines von diesem an seiner, des Amge klagten, Ehefrau verübten Sittlichkeitsverbrechens bedroht, falls derselbe nicht als Sühne für sein Verbrechen eine bestimmte Summe an die Ortsarmenkasse zahle; die nicht unbedenkliche Frage, ob jener stch hierbei der Rechtswidrigkeit des für die Kasse als Dritten erstrebten Vermögensvortheils bewußt gewesen (n. 5), blieb, alö thatsächlich entschieden, ungeprüft). — Ein Vermögensvortheil liegt vor. wenn die Vermögenslage in irgend einer Beziehung verbessert, z. B. wenn ein Forderumgsrecht, ein Beweismittel, ein Besitzstand (z. B. durch Abnöthigen der in fremdem Besitze befindlichen eigenen Sache) erworben oder ein Vermögensnachtheil abgewendet wird; vgl. Mot. s. 126, §263 n. 2—10. Ja schon die Erlangung der Adresse eiines latitirenden Schuldners kann unter Umständen einen solchen Vortheil darstellen: Rill. 20. April 81 (A. III, 470). Auch eine sog. reiche Heirath kann unter Umständen als Vermögensvortheil aufgefaßt werden; vgl. § 263 n. 34; contra: Kah, GSaal 31 s. 440; desgleichen eine Beamtenstelle: Rill. 8. Febr. 83 (R. V, 94). Ein Zwangsvergleich im Konkurse enthält nicht nothwendig einen Vermögensvorltheil für den Gemeinschuldner: RII. 23. Febr. 86 (R. VIII, 136). — Eine Bereicherung gehört nicht zum Vergehensbegriffe: RI. 24. März 84 (E. X, 216). 5. Der gesuchte Vermögensvortheil muß ein (bewußter Weise: OT. 13. Febr. 74, O. XV, 84) „rechtswidriger", d. h. ein solcher sein, auf welchen man kein Recht hat: Mot. s. 126, Rill. 17. Dez. 81, Rl. 5. Jan. 82 (E. V, 352; R. IV, 18); Merkel s. 733. Schütze s. 456 und Olsh. n. 11 fordern überdies, daß durch dessen (erzwungene) Gewährung das Vermögens-Recht des Andern benachteiligt werde; vgl. auch Villnow s. 49, Waag u. Katz, GSaal 31 s. 241. 443; contra: v. Liszt s. 296 und (anscheinend auch) Rill. 8. Febr. 83 (cit. n. 4 a. E.); es muß anerkannt werden, daß letztere Ansicht zwar nicht dem abstrakten Begriffe der Erpressung, wohl aber der Fassung des § und einer Vergleichung derselben mit derjenigen des § 263 besser entspricht; vgl. § 263 n. 6. 5a. Demgemäß scheidet der § in allen solchen Fällen aus, wo Jemand gegen Auf gabe eines wirklich begründeten Rechtsanspruchs von dem Verpflichteten die Leistung, z. B. die Erfüllung einer fälligen Forderung erzielen will: Rill. 17.März 80 (E. I, 318), OT. 29. Jan. 75 (O. XVI, 95), sollte letztere auch bestritten und schwer beweisbar fein:. Rill. 11. Dez. 82 (E. VII, 378), OT. 7. Dez. 76, 14. März 78 (O. XVII, 797; XIX, 141) oder gar der Beweise ganz entbehren: cit. RI. 5. Jan. 82; contra: Münch. 28. Dez. 82 (BE. II, 274); vgl. auch Rill. 30. April 81 (E. IV, 167)das Gegentheil tritt ein, wenn die Forderung anderweit mit Beschlag belegt war: RII. 12. Okt. 80 (R. II, 325), oder wenn die Berichtigung (Uebernahme) von einem Dritten, Nichtverpflichtrten (z. B. einem Angehörigen des Schuldners) erstrebt wird; vgl. Sten. Ber. s. 684, cit. Rill. 20. April 81 (: sollte die Absicht hierauf auch nur an zweiter Stelle, nur eventuell gerichtet sein), OT. 17. Sept. 75, 19. Juni 78, Dresd. 16. April 77 (O. XVI, 585; XIX, 312; SGZ. 22 s. 48); contra: Meyer n. 5; cit. Rill. 17. Mürz 80; vgl. § 263 n. 2. — Für den Begriff der Rechtswidrigkeit ist nur die juristische Unrechtmäßigkeit entscheidend; das Bestehen einer blos moralischen Ver pflichtung zu dem begehrten Thun oder Unterlassen schließt die Rechtswidrigkeit nicht aus: OT. 24. Mai 76 (cit. n. 3), 13. Sept. 77 (O. XVIII, 564). Die Berichtigung einer verjährten Forderung stellt daher einen rechtswidrigen Vermögensvortheil dar, sofern der Schuldner bereits (sei es auch nur außergerichtlich) erklärt hatte, von der Verjährungseinrede Gebrauch machen zu wollen: Dred. April 75 (StZ. V, 365); des gleichen die Befreiung von einer judikatmäßigen Schuld, sollte die Verurteilung auch auf einem Meineide beruht haben: so: OT. 4. April 76 (cit. n. 3); contra: Bind. 11,561, Rüd. n. 3a, Olsh. n. 13. Ist es dagegen noch nicht zu einer Ver urtheilung gekommen, so soll nach Rill. 11. Juni 81 (E. IV, 279), OT. 15. März 77 (O. XVIII, 220) das Bestreben des Beklagten, von einer nach seiner Ueberzeugung unbegründeten Forderung befreit zu werden, als ein auf Erlangung eines rechts widrigen Vermögensvortheils gerichtetes selbst dann nicht anzusehen sein, wenn der Gegner bereits durch ein (noch nicht rechtskräftiges) Urtheil zum Erfüllungseide ver stattet war; vgl. übrigens § 263 n. 6, Rill. 30. April 81 (E. IV, 167), welches erkannte, daß die Absicht, den Gegner durch Drohungen zur Unterlassung eines
Thl. II. Abschi,. XX. Raub und Erpressung. — § 253.
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(ungerechten) Prozesses zu bestimmen, zwar in der Regel den subjektiven Thatbestand der Erpressung nicht erfülle, daß dies aber eine Ausnahme erleide, wenn der Droher sein Recht für schwer nachweisbar, den Ausgang des Prozesses daher für unsicher anzusehen Grund hatte, Rll. 23. Dez. 87 (R. IX, 748: erkannte in ähnlichem Sinne: ein rechtswidriger Vortheil könne in der Zurücknahme einer Klage nur dann gefunden werden, wenn der eingeklagte Anspruch begründet oder doch mindestens zweifelhaft sei). — Uebermäßige Entschädigung ist selbst dann ein rechtswidriger Vermögens vortheil, wenn sie den Höchstbetrag der gesetzlich zulässigen Buße (hh 188. 231) nicht erreicht: OT. 9. Febr. 77 (O. XVIII, 120). In Preußen entspricht das Verbot der Verabfolgung von Loosen an Auftäufer durch die Lotterie-Collekteure dem Gesetze; die trotzdem stattfindende Verabfolgung stellt daher für den Aufkäufer einen rechts widrigen Vermögensvortheil dar: OT. G. Juli 77 (O. XVIII, 512). Das Gegentheil gilt von der Erstattung des durch falsches Spiel verlorenen Geldes: Rll. 10. Nov. 85 (R. VII, 635). 5b. Da den Angeklagten überall keine Beweislast trifft, so kann die Rechts widrigkeit nicht lediglich damit begründet werden, daß jener die behauptete Rechtmäßigkeit nicht nachgewiesen habe; dies schließt jedoch nicht aus. daß der Jnstanzrichter einen Anspruch um deswillen, weil es an jedem Anhalte für dessen Begründung mangle, für einen rechtswidrigen erachte: OT. 9. Nov. 77 (O. XVIII, 703). Das Bewußtsein von der Rechtswidrigkeit des gesuchten Vermögensvortheils bedarf nur im Bestreitungs falle der ausdrücklichen Feststellung: Rill. 17. März 80 (E. I, 318), OT. 9. Dez. 75 (O. XVI, 785), ritt. OT. 4. April 76, 9. Nov. 77. 6. Daß der Vortheil auch für einen „Dritten" gesucht sein könne, ist aus drücklich hervorgehoben worden, weil die Zuwendung an einen Andern hier unmit telbar bewirkt werden kann, während beim Diebstahl der Zuwendung an einen Andern die Zueignung (Wegnahme) des Diebes vorhergehen muß; vgl. § 242 n. 42. Dieser „Dritte" muß entweder ein physisches oder ein juristisches, zum Erwerbe des Vermögensvortheils befähigtes Rechtssubjekt sein; dazu gehört im Geltungsbereiche des Pr. ALR., auch ohne Rücksicht auf ihr spezielles Verhältniß zur Gemeinde und zum Gemeindevermögen, eine Ortsarmenkafle: Rll. 19. März 80 (eit. n. 4). 7. Eine successive, aber gleichlautende Bedrohung mehrerer Personen (z.B. die Bedrohung des Vaters und des Sohns mit Verhaftung des letztem) zur Erreichung eines und desselben rechtswidrigen Vermögensvortheils stellt kein fortgesetztes Vergehen dar, sondern begründet Realkonkurrenz: RI. 1. Juli 80 (R. II, 148). 8. In Betreff der Vollendung des Vergehens vgl. § 240 n. 8. Danach bedarf es nicht der Erlangung des gesuchten Vennögensvortheils: Mot. s. 126. Ja es ist da. wo die erzwungene Handlung in der Ertheilung einer Zusage bestand, gleich, wenn hierbei auf Seiten des Bedrohten von vorn herein die Absicht der rrfüllung obwaltete: Rill. 9. März 81 (eit. n. 3). Immerhin mnß aber die erzwungene Handlung zur Vermittelung von Vermögensvortheilen an sich geeignet, das bewußte Mittel sein, durch welches mindestens indirekt der Genöthigte dem Thäter den von diesem gewollten Vortheil zuwendet: sonst kann mir ein Fall des § 240 oder ein bloßer Erpressungsversuch vorliegen; so: Rill. 8. Jan. 83 (E. VIII, 5). — Im Uebrigen vgl. bezüglich des Versuchs § 114 „. 6. Rill. 23. Apr. 85 (R. VII, 245) betrachtet als solchen auch den Fall, wo der Thäter den erstrebten VermögensVortheil nur irriger Weise für einen rechtswidrigen hält [V]; vgl. § 43 n. 9. 10. Zum Versuche wird nicht erfordert, daß der Bedrohte rc. mit der verlangten Handlung schm den Anfang gemacht habe: OT. 8. Okt. 74 (O. XV, 637). Ja es ist, wenn bricflich gedroht wurde, nicht einmal nöthig, daß die Drohung schon zur Kenntniß des Bedrohten gelangt sei; vielmehr stellt hier bereits das Aufgeben des Briefs auf die Post einen Versuch dar: Rill. 20. Sept. 63 (A. VIII, 296). — Der Versuch der Nöchigung zu einer „Handlung" ist mit der zur Kenntniß der Bedrohten gebrachten Drohung beendigt, die Anwendbarkeit des § 46 Nr. 1 (freiwilliger Rücktritt) daher hier ausgeschlossen, und ebensowenig von § 46 Nr. 2 (thätiger Reue) die Rede: Rll. 12.März 80 (R. I, 453), OT. 13 Nov. 73 (O. XIV, 714: in Betreff des § 46 Nr. 1); vgl. § 46 n. 14. 15. 9. In Betreff der Nebenstrafen vgl. §§ 256. 32. 35. 10. Im Uebr. vgl. die Bemerkungen zu § 240 sowie § 289 n. 11.
S
Thl. II. Abschn. XX. Raub und Erpressung. — §§ 254. 255. 256.
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§ 354. Wird die Erpressung durch Bedrohung mit Mord, mit Brandstiftung oder mit Verursachung einer Ueberschwemmumg begangen, so ist auf Zuchthaus bis zu fünf Jahren zu erkennen. [I. Entw.: § 231; II. Entw.: § 249; Pr. StGB.: § 235 Abs. 2.] Dgl. §§ 253. 255. 257.126. 240. 241; GVG. § 73 Nr. 2. Preußen: Vgl. Ges. v. 4. Zuni 1851 § 10 (GS. s. 453).
§ 255. Person oder tiger Gefahr gleich einem
Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine unter Anwendung von Drohungen mit gegenwär für Leib oder Leben begangen, so ist der Thäter Räuber zu bestrafen.
[I. Entw.: § 232; II. Entw.: § 250; Pr. StGB.: § 236.] Vgl. §§ 249-251. 253. 254. 256. 126. 240. 241. Preußen: Vgl. Ges. v. 4.Juni 1851 § 10 (GS. s. 453).
§ 256. Neben der wegen Erpressung erkannten Gefäng nißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben der wegen Raubes oder Erpressung erkannten Zuchthaus strafe auf Zulässigkeit von Polizei-Aufsicht erkannt werden. [I. Entw.: § 231; II. Entw.: § 251; Pr. StGB.: §§ 235. 231.] Vgl. §§ 32. 249-255. §254.
1. Auch hier braucht die in Aussicht gestellte Gefahr keine gegenwärtige zu sein: RI. 9. Febr. 80 (R. I, 325). — Ob eine Bedrohung mit „Tödtung" als Drohung mit „Mord" anzusehen sei, ist nach der Belegenheit des Einzelfalles that sächlich zu prüfen. Schütze f. 457 nimmt an. daß „Mord" hier auch Todtschlag umfassen solle; contra: Villnow s. 51, v. Buri u. Katz, GSaal 29 Beil. s. 68, 31 s. 438; vgl. eit Ri. 9. Febr. 80. 2. Neben Zuchthausstrafe kann auf Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt werden: § 256. — Zuständigkeit der Strafkammern: GVG. § 73 Nr. 2. § 255.
1. Die Mot. s. 127 nennen den hier vorgesehenen Fall: „räuberische Er pressung". 2. In Betreff der „Gewalt gegen eine Person" und der „Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben" vgl. § 253 n. 2, § 249 n. 6. 9, § 48 n. 30, § 52 n. 9, § 106 n. 2 ff. Das dort Gesagte gilt hier mit der Maßgabe, daß die Gewalt zum Zweck der Nöthigung angewendet sein muß. Die Beschränkung auf Drohungen mit einer schweren Leibesgefahr wäre ungerecht fertigt; so: Villnow s. 51. 3. Gegenüber einem Geschwornenspruch, welcher es ungewiß läßt, ob ein Fall des § 253 oder des § 255 vorliege, welcher z. B. die nach der Fassung des § 255 alternativ gestellte Frage bezüglich der „gegenwärtigen Gefahr rc." verneint, im Uebrigen aber bejaht, ist gemäß § 309 der StPO, zu verfahren: Rl. 29. Sept. 84 (E. XI, 103). 4. Der Thäter soll „gleich einem Räuber" bestraft werden; es werden daher auch die §§ 250.251 anwendbar, sobald ihre Voraussetzungen zutreffen: Mo tive s. 127. Vgl. § 252 n. 6. Neben der Zuchthausstrafe kann Polizeiaufsicht für zulässig erklärt werden: § 256. 1.
Zu § 256 vgl. §§ 32. 35. 249 n. 15.
Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — § 257.
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Ginundzwanrigster Abschnitt. Begünstigung und Hehlerei.
§ 257. Wer nach Begehung eines Verbrechens oder Ver gehens dem Thäter oder Theilnehmer wissentlich Beistand leistet, um denselben der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die §257. Angehöriger: 24. 25. Anstiftung: 1. 2. 3. 29. Arbeitshaus: 12. Beamter: 11. 14b. Begünstigter: 3. • Bekanntschaft: 9a. Bestrafung: 18. Begünstigung: 1. d. Begünstigers: 3. • Beihülfe: 1. 2. 3. 5. 6. 28. Bestrafung: 11—14. Dieb ic.: 23. DoluS: 4. 8-10.
Inhalt. Feststellung: 8. Geldstrafe: 14a. Gnadengesuch: 14. Hauptthat, Vollendung: 5. 27. Hehlerei: 23. Holzdiebstahl: 30. Mineralien: 30. Persönliche Begünstigung: 10 ff. Polizeiaufsicht: 12. Sachliche Begünstigung: 10. 15 ff. Sicherung der Vortheile: 15 ff. Strafantrag: 11. 19. Strafe: 22.
Theilnahme: 1. Theilnehmer: 1. 2. Nebertretung: 4. 30. Unterlassung: 7. Untersuchungshaft: 11. Versuch: 5. 16. Vollstreckung: 13—15. „vor" Begehung: 5. 6. 27. Vortheil, eigener: 21. 25. 10. wann: 5. 6. 27. willentlich: 8. 9. 22. Zeit: 5. 6. 27. Zweck: 10. 11 ff. 16. 17.
1. Das Gesetz betrachtet die „Begünstigung" nicht als Betheiligung an der Mißthat des Hauptthäters, sondern als ein selbständiges Vergehen, welches man gemeinhin als strafbaren Eingriff in die Rechtspflege des Staats qualistzirt, ob gleich hiermit nur Eine Seite des Vergehens gekennzeichnet wird. — Demgemäß ist die Theilnahme an einer Begünstigung (Mitthäterschaft, Anstiftung, Beihülfe) unzweifelhaft möglich, und strafbar; contra: *2$tHitoro s. 73 (in Betreff der Beihülfe; diese sei nicht denkbar, ohne selbst zur Begünstigung zu werden). Ja sogar die An stiftung (Beihülfe) zur eignen (des Anstiftenden, bzw. Gehülfen) Begünstigung ist (als weitere Mißthat) strafbar: RI. 7. April 81, 11. Juni 83 (E. IV, 60; R. V, 421), OT. 14. Nov. 77 (O. XVIII, 712: nahm jedoch bloße Zdealkonkurrenz an, wenn die Entschließung zur Anstiftung schon in der Entschließung zum Begehen der Haupt that enthalten war); contra: ML. s. 277, Olsh. n. 8, Geyer. Z. f. StR. II, 315, Herzog, GSaal 34 s. 81. 2. Aus demselben Grunde kann ein bei der Hauptthat Betheiligter sich demnächst durch Begünstigung eines andern Theilnehmers (abermals) strafbar machen: OT. 27. Sept. 76 bis (O. XVII, 596. 601: ob Real- oder blos Ideal-Konkurrenz anzunehmen, sei eine thatsächliche, nach den Umständen des konkreten Falls zu ent scheidende Frage). Jena (Voll. XX, 316), Puch. n. 5, ML. s. 277, Merkel, HH. III, 741, Olsh. n. 27, Abh., StZ. I. 65. 81; contra: Stuttg. 28. Dez. 76, Münch. 20. Apr. 77, Dresd. 2. Dez. 78 (WGbl. XII, 441; BE. VII, 155; SGZ. 23 s. 140), Manh. 3. Febr. 77 (BA. 43 s. 120: sprach sich gleichzeitig gegen die Möglichkeit ideeller Konkurrenz aus), Schw. n. 26, id. GSaal 24 f. 376, v. Buri u. Herzog ib. 29 f. 34. 161, v. Kries, Z. f. StR. VII, 565; vgl. n. 29, §48 n. 14, §258 n. 10, Meves. StRZ. XIII, 492. 3. Ebenso kann der Begünstiger demnächst sowohl durch einen bei der Haupt that Betheiligten als durch einen Dritten begünstigt werden; vgl. ML. s. 277; contra: Dillnow, Raub rc. s. 73. . 3a. Strafbare Begünstigung ist auch bei solchen Mißthaten möglich, welche der Begünstiger selbst nicht hätte begehen können: RII. 10. Mai 81 (E. IV, 158). 4. Sie kann bei allen Verbrechen und Vergehen (einschließlich bloßer Fahrlässigkeitsvergehen: Schütze s. 162) vorkommen, selbst bei den im StGB, nicht vorgesehenen; contra: Schw. n. 7; diesen steht ein militärisches Verbrechen (Ver gehen) gleich: Mil.-StGB. §§1.2, RII. 1. April 87 (E. XV, 396); vgl. jedoch § 48 n. 4. Ebendeshalb ist auch Begünstigung der Anstiftung zu einem Vergehen rc., bzw. des Anstifters möglich, ohne daß gleichzeitig der Hauptthäter begünstigt wird: §48 u. 6; vgl. RI. 8. Juli 86 (E. XIV, 318: Fall des Abs. 3). Bei Uebertretuugen
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Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — § 257.
Vortheile des Verbrechens oder Vergehens zu sichern, ist wegen Begünstigung mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark oder mit Gefängniß bis zu Einem Jahre und, wenn er diesen Beistand findet (in Ermangelung besonderer dies bestimmender Gesetze, vgl. n. 30) eine Be günstigung nicht statt. Demgemäß ist dieselbe in Beziehung auf solche Mißthateu, deren Bestrafung sich nach dem Objekte richtet, so daß nach Maßgabe des letzteren derselbe Thatbestand sich bald als Vergehen, bald als Uebertretung charakterisört (z. B. Abgabenhinterziehungen), bald möglich, bald nicht möglich: Rl. 26. Sept. 81, 7. Jan. 86 (E. V, 23; XIII, 223), OT. 8. Nov. 61, 7. Febr. 62 (O. II, 44. 238). Ebenso kann eine Begünstigung stattfinden, wenn eine — an sich als Uebertretung strafbare — That durch die Rückfälligkeit des Thäters zum Vergehen wird: OT. 25. Jan., 5. Nov. 56 (GA. V, 88: damals unterlag die Richtigkeit dieses Satzes Bedenken, welche jetzt dadurch gehoben sind, daß die Begünstigung als selbständiges Vergehen aufgefaßt ist); ebenso: Bind. II, 568; contra: Merkel s. 739. In beiden Fällen ist die Strafbarkeit des Begünstigers durch seine Kenntniß von den die That als Vergehen charakterisirenden Umständen bedingt (n. 8). — Der obige Grundsatz findet auch im Falle des Abs. 3 Anwendung. 5. Der Versuch eines Verbrechens oder Vergehens ist selbst mindestens ein Vergehen; es fällt daher auch die Begünstigung des Urhebers rc. eines solchen Ver suchs unter den §: Mot. s. 128. Letztere verliert diese rechtliche Bedeutung nicht, wenn der Urheber des Versuchs demnächst seine Thätigkeit wieder aufnimmt und die begonnene Mißthat vollendet. Alsdann kann jedoch die Begünstigung mit der Beihülfe konkurriren. Vgl. n. 6. 6. „Beistandleisten" bildet den Gegensatz zum „Beihülfe leisten", indem beide eine fremde Mißthat, aber in entgegengesetztem Sinne zur Voraussetzung haben. Wie der Gehülfe dem Urheber einer Mißthat vor oder bei deren Verübung, so ist der Begünstiger ihm nach der Verübung, und in Bezug auf die Folgen der selben förderlich. Der Ausdruck „Beistand" ist demgemäß auf die bereits be gangene Mißthat und nicht etwa auf ein späteres, anderweitiges Thun des Begünstigten zu beziehen, eine „Begünstigung" vielmehr sehr wohl möglich, ungeachtet der Begünstigte selbst sich vollkommen unthätig verhält, ja von dem ihm geleisteten Beistände gar keine Kenntniß besitzt; vgl. n. 11; contra: Villn. s. 83. 7. Folgeweise ist der Ausdruck „Beistandleisten" nicht aus § 49, sondern aus sich selbst zu erklären; er umfaßt mindestens jede positive Thätigkeit, welche die in § 257 bezeichnete Richtung verfolgt: Dresd. 1. Juni 77 (SGZ. 22 s. 79); vgl. n. 16. Der Beistand kann aber auch durch ein pflichtwidriges Unterlassen, z. B. durch eine Nichtanzeige Seitens eines zur Anzeige Verpflichteten (vgl. § 347) geleistet werden: Münch. 10. März 76 (BE. VI, 86: betraf die unterlassene Eintragung eines Geschäfts in die Handelsbücher), Puch. n. 7; contra: Merkel f. 740. Dasselbe gilt von einem unbeeidigten falschen Zeugnisse (des Nichtwissens rc.): Dresd. 27. Sept. 72 (StZ. 1,133); ebenso von der Ableugnung des Besitzes der in gutem Glauben erlangten, vom Verbrechen rc. herrührenden Gegenstände: Dresd. 28. Jul. 73 (StZ. III, 120); nicht minder von der an einen Dritten gerichteten Aufforderung, den Thäter rc. nicht ju verrathen: OA. 1. Dez. 71 (O. XII, 553). 8. Der Beistand muß „wissentlich" geleistet sein: der Begünstiger muß wissen, daß der Andere ein Verbrechen rc. begangen hat; es wird somit insoweit eine Kenntniß von der Natur der That vorausgesetzt, daß danach der Charakter derselben als eines Verbrechens oder Vergehens erkannt werden konnte; ebenso: RI. 26. Sept. 81 (eil. n. 4)j contra: Bind. II, 567, Stenglein, Z. f. StR. IV, 490; trifft dies zu, so ist es gleichgültig, ob der Begünstiger rechtsirrthümlich die That für eine Uebertretung hielt. Auch bedarf es keiner weiteren Kenntniß von der speziellen Natur des begangenen Verbrechens rc.: eil. Rl. 26. Sept. 81, RlI.27.Nov.85,15.Okt.86, R1V. 29. Okt. 86, (E. XIII, 81; R. VIII, 621. 650), HS. II, 257, Merkel s. 741 ; vgl. jedoch v. Buri s. 47 (verlangt, daß das vom Begünstiger gemeinte und das wirklich verübte Vergehen derselben Gattung seien, wie z. B. Unterschlagung — Diebstahl, Betrug) und unten n. 22. Dagegen muß (objektiv) der Thatbestand des Verbrechens rc. des Hauptthäters nach Maßgabe der Prozeßgesetze (StPO. §§ 266.293) festgestellt werden: Wolfenb. 27. Sept. 72 (StZ. II, 194).
Thl. II. Abschn. XXL
Begünstigung und Hehlerei. — § 257.
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seines Vortheils wegen leistet, mit Gefängniß zu bestrafen. Die Strafe darf jedoch, der Art oder dem Maße nach, keine schwerere sein, als die auf die Handlung selbst angedrohte. 9. Das „Wissen" (n. 8) besteht in der Ueberzeugung, daß der Begünstigte die That begangen habe; inwiefern diese Ueberzeugung durch vorhandnen Zweifel ausgeschlossen werde, unterliegt der thatsächlichen Beurtheilung des Einzelfalls; die Kenntniß von der rechtskräftigen Verurtheilung des Begünstigten (n. 12) schließt die Verneinung jenes Wissens nicht nothwendig aus; ebenso: RIV. 17. DIt. 84 (R. VI, 633: doch genüge dolus eventualis). * 9a. Es wird keineswegs erfordert, daß der Begünstiger den Begünstigten persönlich gekannt oder mit ihm in unmittelbarer Verbindung gestanden habe; man kann durch Vermittelung eines Dritten auch einen Unbekannten begünstigen: OT. 16. Juni 53 (GA. I, 578), v. Buri s. 29; vgl. n. 6. 10. Die Beistandleistung muß stattfinden, „um den Thäter rc. der Bestrafung zu entziehen oder um ihm die Vortheile des Verbrechens rc. zu sichern" d. h. also zum Zwecke der Vereitelung der Bestrafung oder zum Zwecke der Ausnutzung der Strafthat; das bloße Bewußtsein, daß die (gewollte) Handlung eine jener Folgen (nothwendig) haben werde, genügt nicht: RI. 15. Mai 82 (R. IV, 487) und unten n. 25 ; vgl. jedoch: Ri. 8. Dez. 81 (R. III, 778). Sowohl mit dem einen wie mit dem anderen Zweck ist das Handeln „des eigenen Vortheils wegen" (n. 21) vereinbar, durch Feststellung des letzteren Umstandes daher eine Anklage aus § 257 noch nicht ausgeräumt: cit. RI. 8. Dez., 18. Jan. 81 (E. III, 255). 11. Ein Beistand „um den Thäter der Bestrafung zu entziehen" (sog. persönliche Begünstigung) seht, wie sich schon aus dem Begriff „entziehen" ergiebt, ein rechtswidriges Handeln voraus; vgl. n. 14, RI. 9.Juni 87 (E. XVI, 204: Mot.), Olsh. ii. 15. Er kann geleistet werden, noch ehe von irgend einer Seite Schritte zur Herbeiführung einer Bestrafung geschehen sind, bei Antragsvergehen, bevor der Antrag gestellt ist; ebenso: Bind. II, 569, Samuely, GSaal 32 s. 13. Demgemäß erkannte OT. 28. Okt. 74 (O. XV, 719), daß eine Begünstigung des Urhebers einer Unterschlagung in der Beschaffung der Mittel zunl Ersähe der unter schlagenen Summe gefunden werden könne, sofern dieselbe eben geschehe, um die StrafVerfolgung abzuwenden; vgl. RH. 7. Dez. 83 (E. IX, 242: nahm dasselbe in einem Falle an, wo mit der Schadloshaltung des Bestohlenen die Bitte an den haussuchenden Beamten, die diesem obliegende Anzeige zu unterlassen, verbunden worden war, erblickte hier freilich den Schwerpunkt der Verschuldung in der letzterwähnten Thatsache). RII. 6. Apr. 86 (E. XIV, 88: Begünstigung könne schon darin gefunden werden, daß man den zur Anzeige eines Offizialdelikts entschlossenen Verletzten bestimme, von dieser Anzeige abzustehen). Bei Antragsvergehen sind jedenfalls Be mühungen zu dem Zwecke, daß der Verletzte keinen Antrag stelle oder den gestellten zurücknehme, keine Begünstigung.- Schw-, GSaal 24. s. 384, Waldthausen, GA. 29 s. 397. Das Gegentheil soll von dem gegen den Willen des Verletzten (durch Gewalt oder List) bewirkten Verhindern der Antragsstellung gelten; so: Bind II, 569, Merkel, HH. IV, 428; contra: Olsh. n. 3. Jedenfalls gehört dahin die Beförderung der Flucht eines Verbrechers in's Ausland (seitens eines Auswanderungs-Agenten rc.): Münch. 15. Jan. 86 (BE. IV. 107). — Dagegen genügt nicht die Absicht, Jemanden von der Untersuchungshaft zu befreien; ebenso: St'englein, Z. f. StR. IV, 491; contra: Meves, StRZ. XIII, 517, Olsh. n. 17. 12. Der persönlichen Begünstigung macht sich ferner schuldig, wer dem gerichtlichen Verfahren mit der im § geforderten Absicht belastende Beweismittel ent zieht, unter Umständen auch/wer im Ermittelungsverfahren Unwahres aussagt: RII. 21. März 84 (R. VI, 214), nicht aber, wer sich weigert, der Polizeibehörde Aus kunft über den Aufenthalt einer strafbaren Person (z. B. eines Deserteurs) zu geben, da em Zeugnißzwang den Polizeibehörden nicht zusteht: Rill. 22.9hm. 83 (E. IX, 433). 13. Der Ausdruck „Bestrafung" umfaßt nicht allein die Verhängung, sondern auch die Vollstreckung der Strafe (oder eines einzelnen Theils derselben; vgl. § 244.245): Rill. 20. Nov. 82, RI. 11. Juni 83 (E. VII, 244; VIII, 366), RIV. 17. Okt. 84 (cit. n. 9). Demgemäß macht sich des Vergehens schuldig, wer etwas thut, um die (ver diente: n. 9) Strafvollstreckung zu verhindern: OT. 29. Febr. 56 (JMbl. s. 110), z. B.
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Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — § 257.
Die Begünstigung ist straflos, wenn dieselbe dem Thäter oder Teilnehmer von einem Angehörigen gewährt worden ist, um ihn der Bestrafung zu entziehen. sich unter fälschlicher Annahme des Namens des Verurtheilten zur Verbüßunig der verhängten Freiheitsstrafe gestellt (vgl. § 271 n. 19), oder ferner, wer trügerische Mittel anwendet, um einen unmotivirten Strafaufschub zu Gunsten des Berurthieilten zu erwirken: RI. 9. Juni 87 (E. XVI, 204). — Die durch die Landespolizeibechörde zu handhabende „Stellung unter Polizeiaufsicht", und „Unterbringung ün ein Arbeitshaus" (§ 362 Abs. 2) bilden einen Theil der „Bestrafung": OT. 22.Santi59 (GA. VII, 542). 14. Dagegen scheidet hier Alles aus. was sich als Akt der statthaften Ver theidigung in dem gesetzlich geregelten Verfahren charakterisirt; es kann daher die Thätigkeit des dem Angeklagten zur Seite stehenden Vertheidigers als solchen nie unter das Strafverbot fallen. Dasselbe gilt von Demjenigen, welcher dem Verurtheilten behülflich ist, im Wege der Begnadigung einen Straferlaß zu er zielen. Da das Gesetz den Gnaden-Erlaß als unbeschränktes Vorrecht der Krone betrachtet, so kann solcher nie als ein „der Strafe Entziehen" aufgefaßt werden; selbst das auf Täuschung berechnete Vorbringen unwahrer Thatsachen in einem Gnadengesuche gehört nicht hierher, zumal der § in Betreff der benutzten Mittel keine Unterscheidung macht; er setzt ein nicht im legalen Wege bewirktes „Entziehen" voraus, und das kann der Gnadenerlaß schon deshalb nicht sein, weil er lediglich auf der inneren, jeder richterlichen Nachprüfung entzogenen Entschließung des Landes Herrn beruht: Schw. 1. c., Meyer s. 215, Meves, StRZ. XIII, 520; contra: OT. 15. Sept 67, 4. Mai 70 (O. VIII, 538; XI, 283), Abh. GA. XVIII, 394, Schütze s. 163, Rüd. d. 4, Merkel, HH. III, 740; IV, 427, Villn. s. 83. 14a. Ebenso verhält sich die Sache, wenn ein Dritter dem Verurtheilten die Mittel gewährt, die ihm auferlegte Geldstrafe zu zahlen; ebenso: OT. 7.März 78 (O. XIX, 122); vgl. § 28 n. 15, Meves 1. c. s. 518, Villn. s. 83; contra: Lehmann, GA. XIX, 784. Doch sind öffentliche Aufforderungen dazu mittels der Presse und dergleichen * Bescheinigungen über den Empfang des zu solchem Zwecke Gezahlten durch §§ 16. 18 des Preßges.'s unter Strafe gestellt. 14 b. Macht sich ein Beamter der persönlichen Begünstigung eines Mißthäters schuldig, zn dessen Verfolgung rc. er mitzuwirken hat, so wird (unter ge wissen Voraussetzungen) statt des § 257 der § 346 anwendbar. 15. Der zweite Fall der Begünstigung, das Beistandleisten, um dem Thäter „die Vortheile des Verbrechens zu sichern" (sog. sachliche Begünstigung), seht nicht nothwendiger Weise voraus, daß jene Vortheile Vermögensvortheile seien; contra: Merkel s. 742, Bind. II, 571, v. Buri s. 47 (rechnet deshalb z. B. bloße Liebhabereien, Neigungen, Affektionen nicht hierher). Das im Interesse des Thäters geschehene Abkaufen unterschlagener (gestohlener) Gegenstände ist eine „Sicherung der Vortheile rc."; so: Münch. 21. Aug. 74 (BE. IV, 346). Das Gegentheil nahm Manh. 1. Aug. 76 (BA. 42 s. 258) hinsichtlich der Vereinnahmung des KupplerlohnS an; diese stelle blos den Bezug der Vortheile dar; hier scheint jedoch der Ausdruck „sichern" zu buchstäblich genommen zu sein. Sachliche Begünstigung kann ferner in unwahren, einem Beamten gegenüber gemachten Angaben über den Erwerb einer vom Hauptthäter strafbar erlangten, diesem zuzusichernden Sache gefunden werden: RIV. 9. Juni 85 (R. VII, 364). 16. Der an sich berechtigte Widerstand gegen eine ungesetzliche Haussuchung fällt, wenn er zugleich stattfand, um Jemandem die Vortheile einer Mißthat 311 sichern, nicht etwa deshalb unter den tz; so: RII. 10. Nov. 82 (R. IV, 804). 17. Der Beistand muß zu dem Zwecke geleistet werden, um eine der beiden im § erwähnten Folgen herbeizuführen (n. 10); daß dieser Zweck erreicht worden, ist nicht lerforderlich; RII. 7. Dez. 83 (E. IX, 242), OT. 15. Sept. 67, 5. Jan. 76 (O. VII, 538; XVII, 3); wird er verfehlt, so liegt nicht etwa blos ein (strafloser) Versuch des Vergehens vor. Immerhin muß aber der Beistand wirklich geleistet, mithin Etwas geschehen sein, was unmittelbar die Lage des Anderen in Betreff der bezweckten Folge verbessern sollte und dazu auch an sich, sei es allein, sei es unter Hinzutritt anderer Umstände rc., geeignet war; die bloße Vorbereitung einer solchen
Thl. II. Abschn. XXL Begünstigung und Hehlerei. — § 257.
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Die Begünstigung ist als Beihülfe zu bestrafen, wenn sie vor Begehung der That zugesagt worden ist. Diese Bestimmung leidet auch auf Angehörige Anwendung. [I. Entw.: §§ 43. 44; II. Entw.: § 252; Pr. StGB.: §§ 37. 38.] Vgl. §§ 247. 258. 260. 261. 346. 52. 63; Rechtsh.-Ges. §§ 22. 23; VZollges. v. 1. Juli 1869 § 149; GVG. §§ 27. 75; StPO. §§ 3. 56. 97. 102. Preußen: Vgl. Forstdiebst.-Ges. §§ 5ff.; FFP.-Ges. §§ 6. 8; Ges. v. 26. März 1856 § 2 (die unbefugte Gewinnung v. Mineralien betr.). Thätigkeit genügt nicht; ob die incriminirte Handlung einen blos vorbereitenden Akt oder wirkliche Beistandsleistung darstelle und ob sie dazu an sich geeignet war, sind wesentlich thatsächliche Fragen': RI. 9. Juni 87 (E. XVI, 157: hier hatte der Jnstanzrichter im Durchsuchen eines Terrains nach Schmuggelwaren, welche vom Manne der Angeklagten abgeworfen worden, eine bloße Vorbereitungshandlung er blickt), OT. 28. Dlt. 74 (O. XV, 719). 18. Die Bestrafung des Begünstigers ist nicht durch die Ermittelung und Bestrafung des Begünstigten bedingt: ÖL. 12. Mai 69 (Ö. X, 313). Auch schließt der Umstand, daß die Hauptthat gemäß §4 im Jnlande nicht verfolgbar ist (: OT. 7. Sept. 53, GA. I, 579), oder daß der Hauptthäter aus ihm individuellen Gründen straflos bleibt, die Bestrafung des Begünstigers nicht aus: §247 Abs. 2. 3 ; vgl. §48 n. 8. Freilich kann da, wo der Hauptthäter unbedingt straflos blei ben muß, wie im Falle des § 247 Abs. 2, von einem „der Bestrafung Entziehen" keine Rede sein und ist daher die Möglichkeit persönlicher Begünstigung (n. 11) hier von vornherein thatsächlich ausgeschlossen; vgl. n. 16, Bind. II, 468, Olsh. n. 2, Gretener, Begünst. s. 139; contra: Schw., GSaal 24 s. 376, Herzog, GA. 29 s. 112. ff.; ebendeshalb kann eine solche nicht mehr stattfinden, nachdem die Strafe für die Hauptthat vollständig verbüßt (erlassen) oder die Verjährung (der That, der Strafe) eingetreten ist; vgl. Olsh. u. Bind 1. c.; wohl aber ist in allen solchen Fällen sachliche Begünstigung sowohl rechtlich wie thatsächlich möglich. 19. 20. Dagegen ist die Verfolgung Desjenigen, welcher den Urheber eines Antragsvergehens begünstigt hat, ebenfalls' durch die Stellung des Antrags Seitens des Verletzten bedingt; vgl. in Betreff des Näheren § 61 n. 6, wie in Betreff der Zurücknahme des Antrags § 64 Abs. 2. 21. Handelt der Begünstiger „seines Vortheils wegen", so tritt (vorbehalt lich des unter n. 22 Gesagten) Gefängnißstrafe (bis zu fünf Jahren: § 16) ein. Ein Handeln zum Vortheil eines Dritten hat nicht dieselbe Wirkung: Dresd. 16. Juni 71 (StZ. I, 122: ein Fall des § 259). Jener Fall kann nicht allein bei der per sönlichen, sondern auch bei der sachlichen Begünstigung vorkommen; auch hier können beide Absichten neben einander bestehen: RII. 18. Jan. 81 (E. III, 255). — Der gesuchte eigene Vortheil braucht kein an sich rechtswidriger zu sein: cit. RII. 18. Jan. 81 (hier hatte sich Angeklagter durch Annahme der Objekte der Strafthat für eine rechtmäßige Forderung bezahlt machen wollen), und ebensowenig ein Vermögens vortheil; contra: Merkel s. 742, v. Buri s. 47. Es genügt, wenn die Absicht nur auf den gewöhnlichen vom Wiederverkäufer im kaufmännischen Verkehr gesuchten Gewinn gerichtet war: OT. 1. Mai, 25. Sept. 73. 5. Jan. 75 (O. XIV, 324. 579; XVI, 14: Fälle des § 259); contra: Meves 1. c. s. 501; oder wenn nur ein vor übergehender Genuß (z. B. eine Bewirthnng) gesucht wird; Begünstigung des eigenen Vortheils wegen kann ferner angenommen werden, wenn eine Ehefrau in der Absicht gehandelt hat, von ihrem Manne gestohlene Lebensrnittel, z. B. daö Fleisch gestohleitet Schaafe, in der gemeinschaftlichen Wirthschaft zu verwenden (§ 258): OT. 15. Juni 75 (O. XVI, 443); nicht minder liegt ein solcher Fall vor, wenn ein Handelsgehülfe durch billigen Ankauf für das Geschäft sich die Geneigtheit seines Prinzipals zu verschaffen sucht. — Auch darf nicht gefordert werden, daß der ge suchte Vortheil in unmittelbarem Zusammenhange mit der begünstigenden Handlung stehe, da der § Nichts davon enthält; contra: Schw., GSaal 24 s. 387.392, Meves 1. c. 456. — Daß der gesuchte Vortheil wirklich erlangt sei, wird in keiner Weise erheischt. 22. Die Strafe darf keine schwerere sein, als die (in abstracto) „auf die Handlung selbst angedrohte": Abs. 1 Schlußs.; mildernde Umstände, welche dem
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Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — § 257.
Hauptthäter zur Seite stehen, bleiben hier nutzer Betracht. — Wird obige Majßbestimmung innegehalten, so steht Nichts im Wege, den Begünstiger strenger zu. bestrafen, als den Hauptthäter: OT. 29. Jan. 73 (O. XIV, 92). — Jener Schlußsatz; be greift nach seiner Stellung auch den Fall, wo der Begünstiger des eigenen Vortheils wegen handelte; ist daher die Handlung mit Geldstrafe oder Festungshaft bis zu 5 Zähren bedroht, so cessirt die Vorschrift, daß eigennützige Begünstigung stets- mit Gefängniß zu bestrafen sei: Schw. n. 27, Villn. s. 94; contra: 2fteöes 1.‘ c. s. 485, v. Buri s. 48. — Mit Rücksicht auf die Vorschrift jenes Schlußsatzes ist es aller dings in manchen Fällen für die Strafzumessung von Erheblichkeit, ob der Begün stiger diejenigen Thatumstände gekannt hat, welche für den strafrechtlichen Charakter der That des Begünstigten von Bedeutung sind; so: Rll. 15. Okt. 86 (dt. h. 8). 23. Die einem Diebe (Unterschlager, Räuber) des „eigenen Vortheils wegen" geleistete Begünstigung nimmt den Charakter der Hehlerei an; vgl. §258. 24. Ueber den Begriff der „Angehörigen" (Abs. 2) vgl. § 52 Abs. 2. 25. Abs. 2 findet auch dann Anwendung, wenn der Begünstiger (außer den Fällen des Abs. 3 und des § 258) seines Vortheils wegen handelte; ebenso: Rill. 21. Dez. 81 (E. V, 277), nicht aber wenn derselbe neben dem Zwecke, den Angehörigen der Bestrafung zu entziehen, auch den verfolgte, jenem die Vortheile der That zu sichern: Münch. 10. März 76 (BE. VI, 86), Villnow s. 88. Letzterem Falle ist der Fall nicht gleichzustellen, wo Jemand nur zu erstgedachtem Zwecke handelte, dieser aber anders nicht erreicht werden konnte, als daß dem Thäter, wenn auch ohne des Begünstigers Willen, zugleich die Vortheile der That gesichert wurden: dt. München; vgl. n. 10. 26. Die Strafausschließung des Abs. 2 umfaßt nicht lediglich die eigne (per sönliche) Begünstigung eines Angehörigen, sondern auch die Theilnahme an der von einem Dritten verübten, z. B. die Anstiftung eines Dritten zu solcher That: RI. 29. Apr. 86 (E. XIV, 102), nicht aber die Begünstigung eines Dritten, Hauptthäters, selbst, wenn sie gleichzeitig geschah, um einen mitschuldigen „Angehörigen" der Strafe zu entziehen: OT. 1. April 57 c. Eistel, 27. Jan. 58 c. Maaß; contra: Schw. 1. c. s. 390. 27. Im Abs. 3 beziehen sich die Worte „vor Begehung der That" auf das strafbare Thun des Begünstigten (Hauptthäters oder Theilnehmers). Es ge nügt, wenn die Zusage vor der Vollendung des Thuns des Begünstigten gemacht war; vgl. n. 7, Rl 23. Sept. 86 (R. VIII, 551: betr. den zugesagten Ankauf von Gegenständen einer dereinstigen Contrebande). 28. Trifft die Voraussetzung des Abs 3 zu, so ist die Begünstigung als Bei hülfe zur Hauptthat selbst dann zu bestrafen, wenn nur ein Gehülfe begünstigt wurde. 29. Hatte der Begünstiger den Thäter vor Begehung der That zu derselben durch die Zusage der künftigen Begünstigung vorsätzlich bestimmt, so liegt Anstif tung vor, mit welcher dann die spätere Begünstigung realiter konkurrirt; vgl. n 1; contra: Rill. 3. Nov. 87 (E. XVI, 374), Stuttg. 4?Sept. 74 (WGbl. IX, 59). — Ebenso kann die vorherige Zusage eine Förderung der Hauptthat (z. B. durch Be stärkung des Vorsatzes des Thäters) enthalten und sich daher als eigentliche Bei hülfe charakterisiren; vgl. Ri. 23. Sept. 86 (dt. n. 27: Mot.); contra: RH. 8. Juni 83, Ri. 8. Juli 86 (E. VIII, 317; XIV, 318), insofern dort aus der Geschichte und Fassung des § gefolgert wird, daß dies immer zutreffe, der im Abs. 3 vorgesehene Fall mithin nicht etwa nur eine mit der Strafe der Beihülfe belegte Art der Be günstigung darstelle. Freilich ergiebt die Fassung des Abs. 3, daß der Fall hier stets nur einmal und zwar „als Beihülfe" bestraft werden soll. Dagegen kann in der vorher zugesagten Begünstigung, selbst wenn der Begünstiger die Hauptthat als seine eigene wollte, niemals Mitthäterschaft liegen, es sei denn, daß zu der Verabredung des auf die Hauptthat gerichteten Complotts, abgesehen von der Begünsti gungshandlung. noch eine Unterstützung bei Ausführung der That hinzutrete: Rill. 10. Jan. 87 (E. XV, 295). 30. Das RGes. v. 24. Juni 1887, betr. die Branntw.-Besteuerung, § 22, das Pr. Forstdiebst.-Ges. § 5, das Pr. FFP. Ges. §§ 6.8 und das Pr. Ges. v. 26. März 1856 (die unbefugte Gewinnung rc. von Mineralien betr.) § 2 sehen die Begünsti gung der dort erwähnten Uebertretungen besonders vor. 31. Unbedingte, bezw. bedingte Zuständigkeit der Schöffengerichte: GVG.
Thl. II. Abschn. XXL
Begünstigung und Hehlerei. — § 258.
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§ 358. Wer seines Vortheils wegen sich einer Begünstigung schuldig macht, wird als Hehler bestraft, wenn der Begünstigte 1) einen einfachen Diebstahl oder eine Unterschlagung be gangen hat, mit Gefängniß, §§ 27 (Nr. 8). 75 (Nr. 8. 9). — Bezüglich der Frage, inwiefern, falls der Begüristigte aus einem anderen strafrechtlichen Gesichtspunkte, als dem der Anklage, verurtheilt wird, auch der Begünstiger auf diese Veränderung zuvor hingewiesen werden müsse, vgl. RII. 27. Nov. 85 (E. XIII, 134) und im Uebrigen Thl. I, Abschn. III, n. 9, § 40 n. 13, § 120 n. 12, § 244 n. 11, KO. § 212 n. 14.
§ 258. 1. Dieser § behandelt die Hehlerei (i. e. S.), welche durch Begünstigung der Person des bei einer Mißthat Betheiligten verübt wird, während § 259 diejenige Hehlerei (Partirerei) zum Gegenstände hat, welche sich nur auf die durch eine Mißthat erlangten Sachen bezieht. 2. Der § 258 setzt den vollen Thatbestand der Begünstigung, sowie unbe dingt ein Handeln „seines Vortheils wegen" voraus; ebenso: Dresd. 17. Aug. 78 (SGZ. 22 s. 172); sonach treffen alle Bemerkungen zu § 257 Abs. 1 hier zu; der Schlußsatz des Abs. 1 desselben bleibt hier ausgeschlossen: Villn. s. 93; contra: Merkel, HH. III, 743 ; desgleichen Abs. 2 Lb. Der Thatbestand des Abs. 3id. kann ideell mit der Hehlerei konkurriren; contra: Manh. 3. Febr. 77 (BA. 43 s. 120). In Betreff der Möglichkeit einer realen Konkurrenz vgl. n. 9. 3. Das zum Thatbestände der Begünstigung erforderliche Wissen („wissent lich" ; vgl. § 257 n. 8) umfaßt hier die Kenntniß, daß sich der Begünstigte einer der unter Nr. 1 oder 2 aufgezählten Mißthaten schuldig gemacht habe (dem „Wiffen" steht ein „Nicht-darum-sich-kümmern" nicht gleich: Dresd. 21. Sept. 74, SGZ. XIX, 57; noch auch ein „Den-Umständen-nuch-annehmen-müssen": § 259). Gleichwohl be darf es nicht der speziellen Kenntniß davon, welche der bort alternativ zusammen gefaßten Mißthaten begangen war; es genügt, wenn der Hehler im Allgemeinen wußte, daß der Begünstigte eine jener Handlungen verübt habe: ein Irrthum in Betreff der Alternativen schließt die Bestrafung nicht aus: OT. 4. Zuli 62, 1. April 73 (O. II, 515; XIV, 243), Dresd. 28. Zuli 73 (SGZ. XVII, 279). — Der Hehler macht sich nur insoweit strafbar, als der objektive Thatbestand mit seinem Wissen (Meinen) übereinstimmt; es trifft ihn also nur die Strafe aus Nr. 1, wenn er den bei einem schweren Diebstahl Betheiligten in der irrigen Meinung begünstigte, der selbe habe sich nur eines einfachen Diebstahls oder einer Unterschlagung schuldig gemacht, oder wenn er umgekehrt irriger Weise annahm, der vom Begünstigten ver übte einfache Diebstahl sei ein schwerer gewesen; ebenso: RlV. 15. März 87 (E. XV, 364). Ebendeshalb bleibt der § ganz außer Anwendung, wenn Derjenige, welcher den Urheber eines aus § 242 strafbaren Diebstahls an Holz in der Mei nung begünstigt, jener habe einen bloßen „Forstdiebstahl" (als Uebertretung) be gangen: OT. 21. März 66 (O. VII, 183); vgl. aber n. 10. 4. Zn der Nr. 1 sind unter „einfachem" Diebstahl nur die aus § 242 zu bestrafenden Handlungen zu verstehen, nicht solche Entwendungen, welche nach be sonderen Gesehen (z. B. § 370 Nr. 5, Feld-, Holzdiebstahl rc.) lediglich als Uebertretungen zu ahnden sind; vgl. n. 3. 11. In der Nr. 2 deuten die Worte: „oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbrechen" auf die in den §§ 252. 255 vorgesehenen Fälle. 5. Die Feststellung des Znstanzrichters muß die Merkmale der vom Begün stigten begangenen Mißthat mit umfassen (StPO. § 266); vgl. § 257 n. 8, § 259 n. 5, OT. 6. Sept. 67; contra: OT. 9. Zuli 69, 2. Mai 73 (O. VIII, 486; X, 495; XIV, 332). — War wegen letzterer bereits früher auf Strafe erkannt, aber aus einem anderen strafrechtlichen Gesichtspunkte, z. B. wegen Jagdfrevels und wollte der Begünstigte den Thäter lediglich dieser Strafe entziehen, so kann die Feststellung, daß jene That in Wirklichkeit einen Diebstahl rc. dargestellt habe, die Anwendung des § 258 nicht rechtfertigen: Rill. 21. Dez. 81 (E. V, 277). 6. In Betreff der Nebenstrafen vgl. §§ 262. 32. 35. 7. Besteht der Beistand im Aufbewahren der gestohlenen Sachen (z. B.
Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — §§ 258. 259.
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2) einen schweren Diebstahl, einen Raub oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbrechen begangen hat, mit Zucht haus bis zu fünf Jahren. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß strafe nicht unter drei Monaten ein. Diese Strafvorschriften finden auch dann Anwendung, wenn der Hehler ein Angehöriger ist. [I. Entw.: § 234; II. Entw.: § 253; Pr. StGB.: §§ 237. 238.] Vgl. §§ 257. 26Off. 244 ff. 32; GVG. §§ 27. 73. 75; StPO. §§ 3. 56. 97. 102. Preußen: Vgl. die zu § 257 bezogenen Gesetze.
§ 259. Wer seines Vortheils wegen Sachen, von denen er weiß oder den Umständen nach annehmen muß, daß sie mittels während der Strafverbüßung des Diebes), so seht sich das Vergehen so lange fort, als jenes dauert, bezw. bis die Sache dem Dieb zurückgegeben wird; erst von da ab lauft daher die Verjährung: RI. 19. Juni 82 (E. VI, 412); vgl. § 67
n. 5. 7. 8.
In Betreff des Versuchs einer unter Nr. 1 fallenden Hehlerei vgl. § 257
n. 16. — Der Versuch des unter Nr. 2 gedachten Verbrechens ist unbedenklich strafbar; contra: Villn. s. 75. 9. Da die Hehlerei eine selbständige Mißthat ist, so kann der Theilnehnier an einem Diebstahle sich durch demnächstige Begünstigung eines andern Theilnehmers einer Hehlerei (i. e. S.) schuldig machen; vgl. § 48 n. 13. 14, § 257 n. Iff., § 259 n. 2 und der dort eit. Antr. des GStAnw.'s (nahm Realkonkurrenz an im Falle der Anstiftung und demnächstiger Hehlerei), StZ. I, 68. 81; contra: OT. (Pl.) 29. Okt. 55 (Entsch. dess. 31 s. 241), OT. 7. April 64, Münch. 20. April 77 (30. IV, 442; BE. VII, 155), Meyer n. 12, v. Buri, GSaal 29 s. 35; wider die Anwend barkeit der Grundsätze über die Realkonkurrenz bei Vergehen im Sinne der §§ 257 Abs. 3 und 258 sprach sich aus: Stuttg. 4. Sept. 74 (WGbl. IX. 59: weil § 257 Abs. 3 die Fälle des § 258 mitumfasse). Manh. 3. Febr. 77 (eit. n. 2) erklärte sich sogar gegen die Möglichkeit einer ideellen Konkurrenz der Hehlerei mit der Theil nahme am Hauptverbrechen. 10. Das Pr. Forstdiebst.-Ges. § 5, das Pr. FFP. Ges. §§ 6. 8 und das Pr. Ges. v. 26. März 1856, die unbefugte Gewinnung re. von Mineralien betr., §2 bedrohen die in Beziehung auf die daselbst erwähnten Uebertretungen verübte Heh lerei mit besonderen Strafen. — Der dort gebrauchte Ausdruck „Hehlerei" ist jetzt im Sinne des StGB.'s (§§ 258. 259) aufzufassen. 11. Zuständigkeit der Strafkammern in den Fällen des § 258 Nr. 2: GVG. §73 Nr. 2; unbedingte, bezw. bedingte Zuständigkeit der Schöffengerichte: GVG. §§ 25 (Nr. 8), 75 (Nr. 9). Eine Verurteilung auf Grund der Nr. 2 darf, gegen über einer Anklage aus § 257, § 258 Nr. 1 oder § 259, ohne vorherige Beobachtung der Vorschrift des § 264 Abs. 1 der StPO, nicht erfolgen; gemäß derselben Vor schrift genügt bei einer Anklage aus § 243 nicht die vorherige Hinweisung auf die Möglichkeit einer Verurteilung wegen Hehlerei oder Begünstigung: RII 15. Okt. 86 (R. VIII, 623). Im Uebr. vgl. Thl. I Abschn. III n. 9. §259. Absatz, Mitwirken: 20—23. 18. Angehöriger: 25. Ankauf: 16. 17. Annahme a. Zahlung rc.: 18. Annehmen müssen: 5. 10. An sich bringen: 18. 19. Ausland, Ausländer: 23. 25. Beschlagnahme, Entziehung: 6. Diebstahl, routatio libelli V 30. DoluS: 10-12. 22. Ehrenrechte: 27.
Inhalt: Eintauschen: 9. 18. Erlangung: 6—9. Feststellung: 3. 5. 10. 13. 18. 26. Finden: 8. 11. 18. Gegenstand: 4. Geld, falsches: 6. Genuß, Mltgenuß: 3. 19. Geschenknahme: 18. Gewahrsam: 8. 13. 14. Glaube, guter 8. 12. 18. Hauptthäter strafb.? 2. 5. 23.
Haupttbat, Vollendung: 7. Hehlerei, zweite: 8. 23. Irrthum: 11. „mittels" e. Mißthat: 5. Partirerei: 1. Pfandnahme: 16. 17. 3. Polizeiaufsicht: 27. Realkonkurrenz.'26. Sicherung: 13. 24. Strafantrag: 25. Theilnahme: 11. 19. 29.
Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — § 259.
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einer strafbaren Handlung erlangt sind, verheimlicht, ankauft, zum Pfande nimmt oder sonst an sich bringt oder zu deren Absätze bei Anderen mitwirkt, wird als Hehler mit Gefängniß bestraft. [I. Entw.: § 233; II. Gntjo.: § 254; Pr. StGB.: §§ 237. 238.] Vgl. § 260—262;
GVG. §| 27. 75: StPO. §§ 3. 56. 97. 102. Preußen: Vgl. die zu § 257 bezogenen Gesetze. Tbeilmahme an Vortheilen: 19. Tyeilmeymer: 2. Uebertnerung: 5. Verheimlichen: 14.15.
Verheimlichen, Beihülfe: 15. Verpfänden: 22 a. Versuch: 21. 28. Verwerthung: 13.
Vollendung: 7. 16. Ll. Vortheil: 3. 19. 24. Wissen: 10—12. • Zeit: 12.
1. Dieser § behandelt den Fall der sog. Partirerei. Ihr Thatbestand kann mit dem der Begünstigung oder der Hehlerei i. e. S. (§ 257 oder 258) zusammen treffen , wenn die Verheimlichung rc. geschah sowohl des eignen Vortheils wegen als um dem Diebe die Vortheile seines Vergehens zu sichern. 2. Der Thäter einer Mißthat kann sich an der durch diese erlangten Sache nicht demnächst einer Hehlerei schuldig machen; er ist daher nur wegen der Hand lung, durch welche er die Sache erlangte, zu bestrafen. Das gilt auch in Betreff derjenigen Sachen, welche ein anderer Mitthäter sich zugeeignet hat, weil jeder Mitthäter als Urheber der ganzen That angesehen wird: §47 n. 10, OHG. 20. Rov. 76 (GA. 25 s. 235). — Dagegen können Anstifter und Gehilfen unzweifelhaft that sächlich die Sache, welche der Thäter durch die Mißthat erlangt hatte, später durch eine neue selbständige Handlung an sich dringen rc. und somit in Realkonkurrenz auch noch die Strafe der Hehlerei verwirken, da diese als ein von der That des Thäters ganz verschiedenes Vergehen aufzufassen ist: Rll. 30. Dez. 81, 19. Juni 83. 25. März 84 (E. V, 282; VIII, 371; R. VL 219), OT. 27. Sept. 76 (O. XVII, 601), 15. Jan. 79 (ib. XX, 30: sofern beide Handlungen nicht der Ausfluß Eines verbrecherischen Willens seien), Schütze s. 462, StZ. 1,68, 327 Schw., GSaal 24 s. 368, Merkel. HH. III, 745; contra: OT. 7. April 64, 5. Jan. 71 (O. IV, 442; XII, 10); vgl. § 48 n. 13 und das dort eit. Rill. 24. März 87, § 258 n. 9. 3. Ueber den Sinn der Worte: „seines Vortheils wegen" vgl. § 257 n. 21. Danach kann ein sinnlicher Genuß genügen: RII. 1. April 81, Rill. 22. Sept. 80 (E. IV, 48; R. II, 240), auch braucht der gesuchte Vortheil kein be sonderer, nur durch strafbare Erlangung der Sache ermöglichter zu sein: RII. 28. Mai 80, Ri 31. Jan. 81 (E. II, 69; R. 11,772: es genüge daher der ge wöhnliche kaufmännische Gewinn, welcher beim Ankauf zum Marktpreise rc. durch den Weiterverkauf der Sache in demselben oder in verarbeitetem Zustande gesucht werde), OT. 1. Mai 73 (O. XIV, 324). Ebenso ist es gleichgültig, ob der Thäter im Stande war, von der Sache den bezweckten Vortheil zu ziehen: OT. 6. Juni 73 (O. XIV, 414) und ob letzterer wirklich erlangt wird: eit. Ri. 31. Jan. 81. Wenn dagegen OT. 13. Juni 77 (O. XVIII» 412) im Falle völliger Gleichwertigkeit der Gegenleistung die Annahme des Handelns zum eignen Vortheile für ausgeschlossen erachtet, so trifft dies, abgesehen von dem Vorgesagten, mindestens da nicht zu, wo die Absicht auf Sicherung einer Kundschaft (: RH. 11. Nov. 79, A. I, 141), insbe sondere dahin ging, den Hauptthäter zu fernerem Liefern gestohlener rc. Sachen zu bestimmen und diese zu Preisen unter dem Werthe zu erstehen: RI. 6. Dez. 80 (E. III, 169), noch da, wo es sich um die Erlangung eines Gegenstands der besonderen Vorliebe handelte; vgl. OT. 1. Febr. 77 (GA. 25 s. 149). Andererseits genügt zur Feststellung jenes Thatbestandsmerkmals nicht der Ausspruch, daß Angeklagter die Sache weit unter ihrem wirklichen Werthe gekauft habe, da der Ankauf gleichwohl aus anderen Gründen und Zwecken erfolgt sein kann: Ri. 21. Febr. 81 (R. III, 61). — Wer eine Sache „zum Pfand nimmt", um für eine bestehende Forderung nach träglich Sicherheit zu erlangen, handelt offenbar seines Vortheils wegen; bei dem Leihen auf ein Pfand ist dasselbe jedoch nicht ohne Weiteres anzunehmen; hier müssen vielmehr besondere Umstände hinzutreten und dargethan werden, z. B. daß es dem Darleiher überhaupt darum zu thun gewesen sei, sein Geld nutzbar anzulegen, oder daß er sich bei der späteren Verwerthung des Pfands habe bereichern wollen rc.; so: Dresd. 23. April 77 (SGZ. 22 s. 47). 4. Gegen stand der Sachenhehlerei kann jede körperliche Sache sein z. B.
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Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — § 259.
eine Urkunde: OT. 6. Juni 73 (O. XIV, 414); desgleichen ein Grundstück, z. B. wenn es durch Betrug erlangt war; ebenso: Bind. II, 576. 5. Der Hehler soll wissen rc., daß „die Sache mittels einer strafbaren Handlung erlangt sei"; somit muß objektiv diese Erlangung rc. feststehen; ein irriges Dafürhalten des Thäters genügt nicht. Walten bei der betr. Handlung alle Begriffsmerkmale einer „strafbaren" ob, so ist es für den Thatbestand der Hehlerei unerheblich, wenn der Thäter aus einem ihm individuellen Grunde nicht zu bestrafen (verfolgen) ist; vgl. Thl. I, Abschn. IV, n. 3, §247 n. 1. 22, RII. 6. Juni 82 (E. VI, 336), Colmar 3. Mai 84 (Franz s. 56); contra (bezüglich der Fälle des § 55): Stuttg. 29. Dez. 75 (WGbl. XI, 305), Bind. II, 573. Ferner ist es gleichgültig, ob die Handlung sich als Verbrechen. Vergehen oder Uebertretung charakterisirt: Mot.s. 128; ob sie durch das StGB, oder durch ein Landesgesetz verpönt ist: OT. 24. Mai 76 (O. XVII, 378). Somit gehören auch Entwendungen im Sinne des § 370 Nr. 5 und ähnliche Fälle hierher, insoweit nicht ein in Kraft befindliches besonderes Gesetz (z. B. Pr. Forstdiebst-Ges. § 5, Pr. FFP.-Ges. §§ 6. 8. Pr. Ges. v. 26. März 1856 §2) für die Hehlerei eine specielle Strafandrohung enthält; vgl. OT. 5. Juli 76 (O. XVII, 484). — In Betreff der Feststellung der Begriffs merkmale der „strafbaren Handlung" vgl. §258 n. 5. Rill. 31. Jan. 80 (E. 1,180); contra: Rl 5. April 80 (R. I, 537: schien eine dem Wortlaut des § entsprechende Feststellung für genügend zu erachten, wenn das objektive Vorliegen der Hauptthat nicht bestritten worden); vgl. auch Rl. 28. Febr. 84 (E. X, 155). ' Die Feststellung: „Angeklagter habe annehmen müssen, daß die Sache mittels rc. erlangt sei", bringt das objektive Vorhandensein des Thatbestandes der Hauptthat nicht genügend zum Ausdruck. Ebensowenig genügt in dieser Hinsicht die Feststellung, die Sache sei entwendet worden: Stuttg. 27. März 78 (WGbl. XIV, 308); vgl. jedoch Münch. 12. Oft 82 (BE. II, 194). 6. Eine Sache ist mittels einer Mißthat „erlangt", wenn letztere das Mittel war, durch welches einem Unberechtigten die Verfügungsgewalt über die ihm fremde Sache wurde, sei es daß diese durch die Mißthat erst in den Gewahrsam des Unberechtigten überging, oder daß der letztere die bereits in seinem Gewahrsam befindliche fremde Sache durch die Mißthat sich zueignete. Die Sache muß, gleich viel, ob die Hauptthat sich als ein Delikt wider das Vermögen oder als eine an dere Strafthat darstellt, mit Verletzung der Vermögensrechte eines Andern erlangt sein und die so geschaffene rechtswidrige Vermögenslage durch die Handlung des Hehlers perpetuii^, dem in seinem Vermögen Verletzten die Wiedererlangung der Sache, auf welche er ein Recht hat, erschwert oder unmöglich gemacht werden: Rill. 11. Dez. 84 (E. XI, 342). — Demgemäß kann eine Sache, welche durch Diebstahl, Unterschlagung, Betrug (OT. 21. Febr. 54 e. Falke), unberechtigte Okkupation (Jagd frevel rc.) erlangt wurde, verhehlt werden, nicht aber die (eigene) Sache, welche durch eine Mißthat hervorgebracht oder in strafbarer Weise verändert worden ist (z. B. falsches Geld); desgleichen nicht die Sache, welche in Ausübung eines Rechts, jedoch unter Vernachlässigung der für diese Ausübung bestehenden polizeilichen Vorschriften erworben wurde, wie z. B. das vom Jagdberechtigten während der Schonzeit erlegte Wild: RI. 9 Oft, 22. Juni 82 (E. VII, 91; R. IV, 600), OT. 24. Mal 76. 2). Juni 79 (O. XVII, 378; XX, 314); contra: RII. 27. Sept. 81 (E. IV, 440: Mot), noch das eigne, verbotswidrig eingeführte Vieh: Rl. 15. Mai 82 (R. IV, 487), noch das durch Gewerbsunzucht (§361 Nr. 6) erworbene Geld: cit. Rill. 11. Dez. 84. noch die in Folge Bettelns erlangte Gabe: RPl. 17. April 82 (E. VI, 218: veil die Erlangung nicht auf der strafbaren Handlung des Bettelns, sondern auf der frei willigen Besihübertragung seitens des Eigenthümers beruhe); contra: cit. Rll. 27. Sept. 81. Das Gegentheil soll nach Meyer n. 2, Schw., GSaal 24 s. 392, Bind. II, 576, Olsh. n. 5 von Sachen gelten. welche einer Beschlagnahme vorsätz lich entgegen sind [?], nach OT. 4. Juli 77 (O. XVIII, 493) von Sachen, welche der Gläubiger eines Gemeinschuldners unter der Herrschaft der Pr. Konk.-O. durch einen „besonderen Vertrag" im Sinne des § 309 ib. erlangt hatte. — Gehört zum Thatbestände eines Vergehens die Gewerbsmäßigkeit. so kann Hehlerei selbst dann angenommen werden, wenn nur solche Sachen in Frage stehen, welcke bei einem einzigen der die Gewerbsmäßigkeit konstatirenden Fälle erlangt sind: Rill. 16. Juni
80 (R. II, 72); vgl. § 48 n. 5. 7. Nur eine durch eine Mißthat „erlangte" Sache kann verhehlt werten; die;
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Mißthat muß daher dem Akte des Verheimlichens rc. zeitlich vorhergehen, vorher vollendet sein liiib nicht etwa erst durch letzteren ihre Vollendung erhalten; die frühere Thätigkeit eines Dritten in Beziehung auf die Sache ist nur dann strafbar, wenn sie sich als Theilnahme an der Hauptthat darstellt; vgl. § 246 ». 61; ebenso: 9111. 28. Mai 80, RK 12. Sept. 81. RlV. 19. Juni 85 (E.II, 69; XII, 313; H. III, 496): contra: Schütze s. 462. 8. Die Sache muß noch im Augenblicke der Verheimlichung rc. eine durch eine Mißthat „erlangte" sein. Sie behält diese Eigenschaft, so lange sie sich im Gewahrsam desjenigen befindet, welcher sie durch die Mißthat „erlangt" (n. 6) halte; in der Hand eines Dritten aber nur, wenn sein Gewahrsam ein aus dem Gewahrsam des Ersten abgeleiteter und mit dessen Fehlern behafteter war, d. h. luemt er den Gewahrsam (mittel- oder unmittelbar) durch eine Uebertragung Seitens des Ersteren und mit der Kenntniß von der strafbaren Erlangung überkommen hatte; das gilt auch, wenn eine wiederholte Besitzübertragung (mit jedesmaliger Kenntniß von der fehlerhaften Erlangung) vorhergegangen war. Demgemäß kann auch eine bereits einmal verhehlte Sache demnächst von einem Andern nochmals verhehlt werden: OT. 10. Dez. 69 (O. X, 780). — Dagegen Hort eine Sache auf, eine durch eine Mißthat „erlangte" zu sein, sobald sie in die Hand eines (zur Zeit) gutgläubigen Dritten übergegangen ist: Dresd. 8. Febr. 75 (SGZ. XIX, 239), Rüd. n. 5, Schw. n. 9; contra: RII. 20. Juni 84 (R. VI, 451: es sei denn, daß jener Dritte Eigenthümer der Sache, z. B. durch Ersitzung, geworden wäre), OT. 6. Mai 56 c. Mader, 1. April 57 c. Beyer. Merkel s. 746, Bind. II, 575 und (an scheinend): RI. 13. Okt. 81 (E. V, 58: sprach sich, streng genommen, nur dahin aus, daß Jemand nicht deshalb straflos sei, weil er seinen Vormann für einen gutgläubigen Besitzer gehalten habe); ebenso, wenn der Dritte den Gewahrsam selbstän dig (nicht durch Uebertragung eines Andern) überkommen hat, wenn er also den (fehlerhaften) Gewahrsam des Andern nicht fortsetzt, z. B. wenn Jemand die vom Diebe versteckte Sache findet unb dann mit Kenntniß vom Diebstahle verheimlicht; contra: OT. 8. Nov. 67 (O. VIII, 688); in solchen Fällen kann nur Unterschlagung (§ 246) angenommen werden. 9. Nur die Verhehlung solcher individuell bestimmter (vertretbarer oder unver tretbarer) Sachen, welche unmittelbar durch die Mißthat erlangt sind, ist ans § 259 strafbar, nicht also z. B. die des dafür durch Tausch (Umwechselung), Ver kauf rc. erlangten Erlöses oder sonstigen Entgelts (der mir gestohlenem Gelde gekauften Sachen rc.); ebenso: RII. 6. Juli 80 (R. II, 164: nahm daher Partirerei in Bezug auf eine Geldunterschlaguna nur dann an, wenn genau dieselben Geldstücke gehehlt seien und der Hehler diese Eigenschaft derselben gekannt rc. habe), Ri. 15. Nov. 80. 26. Juni 82, RII. 29. Juni 83 (E. II, 443; VIII, 433; R. IV, 622), Münch. 18. Jan. 78 (BE. VIII, 23), OT. 18. April 79 (O. XX, 217), Merkel s. 745, Bind. II, 574; contra: Rill. 16. Juni 80 (R. II, 72: betr. Gelder, welche durch Verwerthung des Objekts der Hauptthat, eines Sparkassenbuchs, gelöst waren), Dresd. 5. März 75 (SGZ. XIX, 297; beil.). GSaal 24 s. 394; Dresd. Ann. III, 83; vgl. Dresd. 7. Juli 76 (SGZ. XXI, 109: Partirerei sei in Betreff einer Sache möglich, welche aus einer anderen, durch eine Mißthat erlangten, mittels Spezifikation ent standen ist, z. B. in Betreff der aus unterschlagenem Stoffe verfertigten Leinewand) und Schütze s. 461. In einem Falle, wo der Zeuge eines Diebstahls sofort nach der That die Einräumung eines Antheils am Objekte desselben, einen Hundertmark schein, begehrt und zugesagt erhalten, demnächst auch die Hälfte des eingewechselten Geldes empfangen hatte, nahm Rill. 15. Juni 81 (E. IV, 321) zwar Hehlerei an, aber nicht des Geldes, sondern der ideellen Hälfte des Scheins, welche jener auf obige Weise „an sich gebracht" habe; vgl. jedoch n. 18 und im Uebr. n. 19. 10. Dem „Wissen", daß die Sache durch eine Mißthat erlangt sei, ist („aus praktischen Gründen": Mot. s. 128) gleichgestellt worden. wenn der Hehler „den Umständen nach annehmen muß" (nicht: „...........hätte annehmen müssen"), daß dem so sei, d. h. wenn er auch ohne specielle Kenntniß nach Lage der Sache durch Schlußfolgerungen dahin gelangt ist, daß er an der Richtigkeit jener (objektiv wahren) Thatsache kernen Zweifel hegt. Ebenso: Bind. II, 620; vgl. RII. 29. Sept. 82, 22. Dez. 85 (E. VII, 85; R. VII, 752: in jenen Worten handle es sich um eine bloße Beweisregel, Sachhehlerei sei kein Fahrlässigkeitsdelikt), Bruck s. 45 ff., Lucas, subj. Verschuldung s. 115. Daher reicht es nicht hin, wenn der Verheimlicher in Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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leichtfertiger Weise, ohne an die Art der Erlangung zu denken, handelt; vgl. cit. RH. 29 Sept. 82 (: dagegen gehöre der Fall, wo der Angeklagte sich der Erwägung jener Umstände absichtlich entzogen habe, in das Gebiet des indirekten dolus); contra: Rill. 28. April 80, RH. 30. Sept. 81 (E. II, 140; R. III, 567: eventueller Dolus sei schon in den Worten „von denen er weiß rc." einbegriffen; durch die andere Alternative solle zwar nicht die Fahrlässigkeit im gewöhnlichen Sinne, wohl aber eine culpa lata, der höchste, dem Dolus nahezu gleichstehende Grad der Fahrlässig keit getroffen werden), ML. s. 590, Merkel s. 747; vgl. RHI. 23. Okt. 80 (A. II, 521: fordert überwiegende Gründe für die Voraussetzung unredlichen Erwerbs, solche Gründe, denen sich nur der Uebelwollende verschließen könne; bloßes Vermuthen oder Vermuthenmüssen reiche nicht aus), OT. 8. Nov. 76 (O. XVII, 720). Keines falls genügt es, daß der Erwerber einer Sache unterlassen hat, sich zu überzeugen, daß dieselbe nicht durch eine strafbare Handlung erlangt sei: cit. Rll. 30. Sept. 81. — Die Bejahung einer beide Alternativen als solche umfassenden schwurgerichtlichen Frage rechtfertigt die Anwendung deS §: RII. 14. Mai 80 (R. I, 777), OT. 12. Febr. 73 (O. XIV, 128). 11. Das Wissen rc. (n. 5. 10) braucht auch hier nicht in einer Kenntniß von
der konkreten Mißthat (ihrem Charakter, ihrem Urheber und ihren einzelnen Umständen) zu bestehen, durch welche die Sache erlangt wurde; es genügt die Kennt niß, daß diese Erlangung überhaupt durch irgend eine Mißthat bewirkt worden sei: RI. 5, 8. April 80. Rll. 12. Okt. 80, 4. Okt. 81 (E. II, 324; R. I, 537. 538; III, 589), OT. 1. Dez. 70, 1. April 73 (O. XI, 583; XIV, 243), Dresd. 3. Nov. 71, Münch. 19. April 75 (StZ. I, 189; V, 98); vgl. § 258 n. 3, wenn auch diejenige Kenntniß nicht ausreicht, welche bloß darin besteht, daß jene Erlangung auf unrecht mäßige oder unredliche Weise stattgefunden habe: Rill. 22. Sept. 84 (A. X, 460), Dresd. 23. Aug. 78 (SGZ. 23 s. 50). Demgemäß ist es für den Thatbestand un wesentlich , wenn der Hehler sich über die Natur der Mißthat, durch welche die Sache erlangt war, im Irrthume befindet. Wissen und objektive Wahrheit müssen nur insoweit übereinstimmen, als es für den Thatbestand von Erheblichkeit ist, d. h. daß die Sache überhaupt durch eine Mißthat erlangt sei. Es liegt somit auch dann Hehlerei vor, wenn der Angeklagte z. B. glaubte, die gestohlene Sache sei unter schlagen: OT. (Pl.) 23. März 57, Dresd. 23. Okt. 74 (JMbl. s. 172; StZ. V, 97). Verheimlicht rc. dagegen Jemand eine gestohlene rc. Sache in der irrigen Meinung, sie sei gefunden, so kann ihn, da er sich nach seiner Auffassung nicht der Hehlerei, sondern der Theilnahme an einer Fundunterschlagung schuldig macht (n. 7), weder die Strafe der einen noch der andern treffen, nicht die der Hehlerei, weil der dazu erforderliche Dolus (das Wissen, daß die Sache durch eine zur Zeit bereits vollendete Mitthat erlangt war), fehlt, noch die der Unterschlagung, weil eine solche nicht vorliegt:^ OT. 21. April 54 (GA. II, 559); contra: Schaper. HH. II, 205. 12. Die Wissenschaft rc., daß die Sache durch eine Mißthat erlangt sei, muß in dem Augenblicke obwalten, wo der Angeklagte die im § vorgesehene Hand lung vornahm: RH. 19. Okt. 83 (R. V, 616), OT. 17. Mai 76, 11. Juni 77 (O. XVII, 353; XVIII, 526), Münch. 12. Okt. 82 (BE. II. 194: dieser Umstand bedürfe daher auch ausdrücklicher Feststellung). Hierbei ist das unter n. 8 Ausgeführte zu berück sichtigen. Daraus folgt, daß, wer erst nach dem redlichen Erwerbe der Sache erfährt, daß sie gestohlen rc. war, durch demnächstige Verheimlichung, Verkauf rc. sich keiner Hehlerei schuldig macht (in seiner Hand war die Sache nicht mehr eine durch eine Mißthat erlangte): OT. 26. Nov. 57, 21. Febr. 68 (JMbl. 58 s. 4; O. IX, 148), Schw. n. 7, Schütze s. 462* contra: Stuttg. 23. Dez. 74, Meckl. OG. (StZ. IV, 379; GSaal 24 s. 314), cit. OT. 17. Mai 76 (beil.). Dagegen ist nicht jede Erlangung des Gewahrsams schon als Erwerb der Sache anzusehen, da hierzu nock die Absicht gehört, über dieselbe aus eigner Macht Verfügung treffen zu können; dem gemäß ist auch Derjenige Hehler, welcher eine Sache, in deren Besitz er ohne Kemtniß von der strafbaren Art ihrer Erlangung gekommen ist. demnächst mit jener Kemtniß „an sich bringt", d. h. in der Absicht, über sie Verfügungsgewalt auszuüben, ernirbt: OT. 14. Okt. 59 c. Tautenhahn; vgl. n. 18. 13. Die int § aufgezählten auf die Sache bezüglichen Eiuzelhandlrngen „Verheimlichen rc." haben das mit einander gemein, daß'sie auf eine Sicheiung oder Verwerthung der Sache abzielen. Dagegen sehen sie keineswegs mit RothWendigkeit voraus, daß der Hehler selbst den Gewahrsam erlangt habe, z. Ä. im
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Falle der Mitwirkung zum Absähe; vgl. n. 16. — Alternative Feststellung, z. B. „tan sich bringen oder zum Absähe mitwirken", ist statthaft: RlL 20. Dez. 81 (R. III, 813). 14. „Verheimlichen" bezeichnet eine Handlung, welche dahin abzielt, die Existenz der durch eine Mißthat rc. erlangten Sache zu verbergen und die Rücker stattung derselben an den Eigenthümer oder die Beschlagnahme zu vereiteln: OT. 26. Jan. 53 (GA. I. 405), z. B. die Entfernung eines Wiedererkennungszeichens: OT. L Dez. 70 (O. XI, 583). Es wird dabei ein positives Thun vorausgesetzt, eine bloße Unterlassung, z. B. ein Verschweigen, die Nichtanzeige des Verbrechens rc., selbst die Weigerung, den Ort des gestohlenen Gutes anzugeben, genügen nicht: cit. O'T. 26. Jan. 53. Dagegen bedarf es keiner Besihhandlüng; eine Verheimlichung kaun daher angenommen werden, wenn z. B. Derjenige, in dessen Wohnung der Dieb rc. die Sache verborgen hat, den Gewahrsam gegen besseres Wissen der die Herausgabe fordernden Behörde ableugnet: OT. 21. Jan. 57 c. Seiffert; vgl. n. 13. 16. — Die Verheimlichung braucht nicht im Einverständnisse mit dem Dieb rc. geschehen zu sein: OT. 27. Mai 53 (GA. I. 408). 15. Die Beihülfe zu einer vom Diebe rc. selbst vorgenommenen Verheim lichung rechtfertigt die Anwendung des § 259 nicht, es sei denn, daß zu einer vom Diebe vorgenommenen Veräußerung (also „zum Absähe") mitgewirkt wäre; jene Handlung kann daher nur als Begünstigung (§ 257 oder 258) strafbar sein; vgl. OT. 17. Juni 63 (O. III, 502). 16. Die Ausdrücke „Ankäufen" und „zum Pfande nehmen" sind als Beispiele des generellen Ausdrucks „Ansichbringen" (n. 18) aufgezählt. Es wird sonach auch bei jenen vorauögeseht, daß die Sache durch das Kauf- rc. Geschäft in die Verfügungsgewalt des Hehlers gelangt sei; so lange dies nicht geschehen, genügt der Abschluß eines Kauf- rc. Vertrags noch nicht: Rll. 20. Mai 81, 29. Sept. 82, RIV. 13. Jan. 88 (E. IV, 184; VII, 85; R. X, 33), OT. 9. Juli 58 (Entsch. dess. 39. 2 s. 25). Contra: Villn. s. 101. Doch ist die Erlangung der Verfügungsgewalt nicht nothwendig durch eine förmliche Besitzergreifung bedingt; vgl. OT. 26. Febr. 68 (O. IX, 150, welches nur in seiner Begründung zu weit geht); der Umstand, daß Ankäufer ein Handelsgewerbe treibt, wozu die Anschaffung von Waaren derselben Gattung gehört, ist gleichgültig: Münch. 26. Oft. 78 (BE. VIII, 519). 17. Hehlerei kann durch Ankauf oder Annahme der Sache zum Pfande nur dann verübt sein, wenn alle wesentlichen Merkmale eines solchen Rechtsgeschäfts (z. B. Einigung über den Kaufpreis) vorliegen: OT. 5. Juli 67 (O. VIII, 448), Dresd. 17. Juli 71 (SGZ. XV, 241). Dagegen wird nicht erheischt, daß das Rechts geschäft im Nebrigen durchaus rechtsverbindlich sei und eine Klage begründe: OT. 12. Dez. 52 (GA. I, 408). 18. „An-sich-bringen" bezeichnet (ebenso wie „Ankäufen" und „zum Pfande Rehmen": n. 16) eine abgeleitete Erwerbart. d. h. einen Erwerb, durch welchen Jemand die Sache aus dem Gewahrsam eines Anderen mit dessen Einverständniß in die eigne Verfügungsgewalt bringt, um über sie als die seinige zu verfügen: Rill. 25. Sept. 80, 8. Dez. 87 (E. II, 401; R. IX, 711), OT. 26. Juni 73, 17. Mai 76, 9 April 78 (O. XIV, 472; XVII, 353; XIX, 208). Demgemäß genügt eine Vereinbarung, durch welche Jemandem ein Anspruch auf die Sache oder ein Antheil an derselben eingeräumt wird, für sich allein noch nicht; vgl. jedoch Rill. 15. Juni 81 (cit. n. 9), Villn. s. 101 (deutet jenen Ausdruck als das Erwerben eines persön lichen oder dinglichen Rechts auf die Sache, möge es nun rechtsverbindlich oder nur scheinbar sein), und ebensowenig ein bloßes Ansich- oder Jnverwahrnehmen, wenn es auch zum beiderseitigen Vortheile geschieht: OT. 8. Oft. 74 (O. XV, 642); vgl. OT. 14. Sept. 76 (ib. XVII, 559), noch das bloße Gutheißen der Annahme einer Schenkung seitens des Ehemanns der Beschenkten: Rll. 19. Okt. 83 (R. V, 616). Wer eine gestohlene (vom Diebe versteckte) Sache findet, oder wer sie dem Diebe wieder stiehlt, „bringt" sie nicht „an sich": OT. 5. Febr. 68, Dresd. 4. März 72 (O. IX, 107; StZ. I, 253); contra: OT. 8. Nov. 67 (O. VIII, 688), noch der jenige, welchem der Gewahrsam der Sache übertragen wird, um sie für einen Andern sei es zu besitzen (Depositar, Kommodatar rc.), sei es zu verkaufen; er macht sich erst durch eine „Verheimlichung" bezw. durch ein „Mitwirken zum Absähe" der Hehlerei schuldig: cit. OT. 9. April 78. Das Gegentheil gilt unbedenklich von demjenigen, welcher die Sache eintauscht, in Zahlung, zum Geschenke oder als
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Thl. II. Abschn. XXL Begünstigung und Hehlerei. — § 259.
Darlehen annimmt: DreSd. 26. Juni 71, Jena 26. Juni 72 (StZ. 1,9.1; II. 19(5), RI. 27. Nov. 79 (GA. 28 f. 31). — Daö Ansichbringen setzt nicht nothwendig ein persönliches Zugreifen voraus, ein solches kann vielmehr auch in concludentten Handlungen, welche der Thätigkeit Anderer hinzutreten, enthalten sein: Rll. 18. Jam. 87 (R. IX, 62). — Von wem der Hehler die Sache an sich gebracht habe, bedurrf nicht der Feststellung: OT. 9. Juni 75 (O. XIV, 432). Wohl aber sind im Urtheile die Thatsachen anzuführen, aus welchen das Begriffsmerkmal des „Ansichbringeins" gefolgert wird (StPO. § 266): »III. 9. Juni 80 (A. II, 131), OT. 3. Oft. 77 (JD. XVIII, 616). 19. Die bloße Theilnahme an den Vortheilen, z. B. das Mitgenießen .gestohlener Sachen, speziell gestohlener Eßwaaren ist (selbst in Verbindung mit bunt Herrichten derselben) noch nicht Hehlerei; ebenso: »HI. 25., 22. Sept. 80, 9. Jmli 85 (E. II, 401: R. II, 240; VII, 484), Rl. 13. Oft. 83, »II. 20. Nov. 63 (ib. V, 609; E. IX, 199: nur, wenn zuvor ein Wechsel in der Verfügungsgewalt und im Gewahrsam eingetreten, dem Genusse mithin eine Schenkung, eine Theilung oder ein sonstiger Akt vorhergegangen sei. aus welchem erhelle, daß der Angeklagte irgend welche Verfügungsgewalt über die gestohlenen Gegenstände oder einen Theil derselben erworben, m. a. W. jene „an sich gebracht" habe, könne von Hehlerei die Rede sein); vgl. Bind. II, 574 (rechnet das Mitgenießen nicht dahin, weil es ein Zer stören sei), Münch. 9. Dez. 86 (BE. IV, 301); contra: Dresd. 26. Juni 71, 3. Dez. 75 (StZ 1, 193; SGZ. XX, 251: betrachteten Denjenigen als Hehler, welcher mit dem Diebe vom Ertrage seiner strafbaren Thätigkeit lebe, oder den Aufwand für eine gemeinschaftlich unternommene Reise vom Thäter aus dem durch die Mißthat z. B. eine Fälschung erlangten Gelde bestreiten lasse). Das gilt namentlich von einer Ehefrau, wenn sie von ihrem Manne den Unterhalt annimmt, welchen dieser aus den durch strafbare Handlungen erlangten Mitteln schöpft, wogegen auch sie strafbar ist, wenn sie das von ihrem Manne so Erlangte ihres Vortheils wegen „an sich bringt, verheimlicht oder zu dessen Absatz mitwirkt": »III. 15. Jan. 81 (R. II, 728: Ersteres könne freilich nach Lage des konkreten Falles eine Ausnähme erleiden, sei es wegen der Beschaffenheit und des Umfangs der vom Mann beschafften Mittel in dem Verhältniß zum wirklich Erforderlichen, sei es wegen der Art der Verwendung durch die Frau), Münch. 26. Juni 83 (BE. II, 385).
20. Die „Mitwirkung zum Absätze" der Sache bei Anderen ist deshalb in den § mit aufgenommen worden, weil eine solche helfende Thätigkeit nicht immer unter den Begriff einer (selbständigen) Verheimlichung fällt, und auch nicht als Theilnahme bestraft werden kann, da die von Jenem über die gestohlene Sache ge troffene Verfügung keine neue Mißthat desselben darstellt. Demgemäß ist die An wendbarkeit des § überhaupt nicht dadurch bedingt, daß der (durch einen Anderen bewirkte) Absah, zu welchem mitgewirkt worden, selbst strafbar sei. Auch hier ist aber daran festzuhalten, daß die Sache zur Zeit noch eine durch eine Mißthat er langte sein muß; vgl. n. 8. 12. — Eine Mitwirkung zum Absätze ist auch bei ge stohlenen Geldstücken möglich; doch ist in der bloßen Einwilligung, daß aus den von einem Andern gestohlenen Geldern Zahlungen für den Einwilligenden erfolgen, von besonderen Umständen abgesehen, kein solches Mitwirken enthalten: »II. 8. Mai 83 (E. VIII, 265).
21. Eine (vollendete) Mitwirkung zum Absähe ist nur da anzunehmen, wo es wirklich zum Absätze gekommen ist; die erfolglose Aufforderung zum Ankaufe gehört nicht hierher; ebenso: Meyer n. 8 c., Schw. n. 18, Meves, StRZ XIII, 525, v. Buri, GSaal 29 s. 58; contra: »II. 20. Dez. 81, »IV. 29. Sept. 84, 9. Juli 86 (E. V, 241; R. VI, 570; VIII, 531: auch brauche die Handlung des Hehlers nicht unmittelbar auf den Absah gerichtet zu sein; jener Ausdruck umfasse vielmehr jede Thätigkeit, welche dahin ziele, den Absah zu ermöglichen, zu erleichtern oder für ihn vortheilhaftere Bedingungen zu schaffen; ein Mitwirken könne daher schon in dem behufs der Veräußerung unternommenen Transport der Sachen nach einem anderen Orte gefunden werden, desgleichen in Schritten, welche die Werthsermittelung zum Zwecke des Verkaufs betreffen), OT. (Pl.) 30. März 67, OT. 1. März 72 (O. VIII, 218; XIII, 189), 9. April 78 (eit. n. 18: doch bedinge der Begriff ein Handeln, durch welches die auf den Absah gerichtete Absicht demjenigen gegenüber erkennbar werde, an den man abzusetzen beabsichtige), Geyer, GSaal 27 s. 373; vgl. n. 28
Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. — § 260.
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§ 260. Wer die Hehlerei gewerbs- oder gewohnheitsmäßig betreibt, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft. [I. Entw.: § 235; II. Entw.: § 255; Pr. StGB.: § 239.1
Dgl. GVG. § 73. Preußen: Vgl. Forstdiebst.-Ges. § 6 Nr. 3; FFP.-Ges. h 21 Nr. 2. und Rll. 8. Mai 83 (eit. n. 20: Mitwirkung zum Absätze sei die Mitthätigkeit zum Zwecke des Absatzes). 22. Nur das „Mitwirken zum Absätze", nicht der selbständige Absatz fällt unter die Strafbestimmung: OT. 26. Juni 73 (O. XIV, 472); contra: Schütze s. 462. Eine solche Mitwirkung liegt aber auch da vor, wo ein Dritter die gestohlene Sache int Austrage des Diebes (im Uebrigen aber selbständig) veräußert: OT. 8. Dez. 70 (O. XI, 594). 22a. Auch das Verpfänden ist ein „Absah"; vgl. § 246 n. 34. 23. Wer Sachen in einer nach § 259 strafbaren Weise „an sich bringt", macht sich durch demnächstige Veräußerung oder durch ein demnächstiges „Mitwirken zum Absätze" derselben nicht einer neuen Hehlerei schuldig; vgl. n. 2. 22. Demgemäß kann ein Ausländer, welcher die Sachen so im Auslande an sich gebracht hat und dieselben demnächst im Jnlande veräußert, bzw. zu deren Absatz mitwirkt, hier nicht verfolgt werden; vgl. RI. 15. März 80 (E. I, 279); contra: Bind. HB. I, 422. Da. gegen trifft einen Dritten, welcher zum Weiterverkäufe (wissentlich) mitwirkt, als (zweiten) Hehler die Strafe des §. 24. Der Thatbestand der Partirerei ist aus den §§ 257. 258 in keiner Weise zu ergänzen; es bedarf daher nicht der Absicht, dem Diebe rc. die Vortheile seiner Mißt hat zu sichern: OT. 27. Mai 53 (GA. I, 408), Münch. 20. Nov. 85 (BE. III, 541), noch wird die Strafbarkeit der Handlung dadurch beseitigt, daß sie geschah, um einen Angehörigen der Bestrafung zu entziehen: OT. 9. April 74 (O. XV, 218). Umgekehrt tritt hier die strengere Strafe'des § 258 Nr. 2 nicht ein, sollte auch die Sache von einem schweren Diebstahle rc. herrühren. 25. Die Hehlerei stellt eine selbständige Mißthat dar (n. 2); für ihre Be strafung ist es daher bedeutungslos, welche Strafe der Hauptthäter verwirkt hat; der Schlußsatz des § 257 Abs. 1 findet hier keine Anwendung; es kann leicht ge schehen, daß dessen Handlung unter ein milderes Strafgesetz fällt (: OT. 5. Jan. 64 c. Heider). oder gar nicht zu bestrafen ist, z. B. wegen eines persönlichen Verhältniffes (§ 247 Abs. 2), oder weil § 56 die Bestrafung ausschließt, oder weil die That im Anslande von einem Ausländer verübt, oder, bei Antraasvergehen, weil kein Antrag gestellt war; vgl. RII. 12. April 81 (E. IV, 83). OT. 2. Mai 73, 27. Juni 76. 9. Jan. 79, Dresd. 20. März 71. 23. Okt. 74. 3. Dez. 75. Münch. 19. April 75 (O. XIV, 332; XVII, 458; XX, 25; StZ. I, 27; V, 98. 99; XX, 251); vgl. § 257 n. 18. Ebenso ist die Verfolgung des Hehlers nicht deshalb durch einen Antrag des Verletzten bedingt, weil es eines solchen zur Verfolgung des Haupt thäters bedarf (§ 247): § 61 n. 7. 26. Aus demselben Grunde (n. 25) genügt zur Annahme mehrerer realiter konkurrirender Hehlereien nicht die Feststellung, daß die gehehlten Sachen aus ver schiedenen Diebstählen herrührten: OT. 13. Juli 76 (O. XVII, 516). 27. In Betreff der Nebenstrafen vgl. §§ 262. 32. 35. 28. Der Versuch der Partirerei ist, abgesehen von den Fällen der §§ 260, 261 Abs. I, 2, nicht strafbar. 29. Eine Theilnahme an derselben ist sehr wohl möglich. 30. Bedingte, bezw. unbedingte Zuständigkeit der Schöffengerichte: GVG. §§ 75 (Nr. 9). 27 (Nr. 8). — Der Haupthäter ist gegenüber bem Hehler „Theilnehmer" im Sinne des § 56 Nr. 3 der StPO.; Freisprechung von der Anklage der Hauptthat bildet kein Hinderniß, daß der Freigesprochene als Zeuge im Verfahren wegen der Hehlerei nach Maßgabe der eit. Nr. 3 uneidlich vernommen werde: Rll. 4. Okt. 81 (R. III, 589). — Im Uebrigen vgl. Thl. I Abschn. III. n. 9, RIV. 13. Dez. 87 (R. IX, 722: erkannte, daß wider einen der Hehlerei Angeklagten ohne dessen Zustimmung wegen Anstiftung verhandelt werden könne). §260.
1. Dieser § bezieht sich auf beide Arten der Hehlerei (§§ 258, 259). 2. Gewerbe bezeichnet eine fortgesetzte, auf Erzielung eines Erwerbes (d. h.
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Thl. II. Abschn. XXI. Begünstigung und Hehlerei. - § 260.
eines Vermögensvortheils, der aber nicht in der Gestalt eines Geldbetrages zur Er scheinung zu kommen braucht) gerichtete Thätigkeit derselben Art: RII. 4. März 80, Still. 16. Oktober 80 (R. I. 726; II, 336), OA. 17. Mai 73 (O. XIV, 377), Dresd. 23. Febr., 7., 21. Juli 73 (SGZ. XVII, 188. 217. 281; StZ. III, 121); vgl. jedoch v. Buri, GSaal 29 f. 53 (rechnet zum Wesen eines gewerbsmäßigen Betriebes, daß Andere sich darauf verlassen können). Sonach wird eine Handlungsweise (z. B. Hehlerei) „gewerbsmäßig betrieben", wenn Jemand aus der fortgesetzten Ver übung derselben eine Erwerbsquelle zu machen sucht; ebenso: Münch. 26. Okt. 78 (BE. VIII, 519), gleichviel, ob dieser Erwerb ganz oder theilweise zum Lebensunter halte oder zu einem anderen Zwecke dienen soll (contra: cit. Dresd. 21. Juli 73). Doch nluß die Absicht von Anfang an auf fortgesetzte Hehlerei des Erwerbes wegen erichtet sein: Still. 2. Febr. 81 (R. III, 4). Eine mit solcher Absicht vorgenommene unzelhandlung kann als der Beginn der „gewerbsmäßigen" Thätigkeit angesehen werden, sollte es auch nicht zu ferneren Handlungen gekommen sein: Stil. 1. Nov. 81, Still. 25. Jan. 83 (R. III, 669; V, 59), OA. 6. Okt. 72, OT. 17. Sept. 75 (O. XIII, 507; XVI, 585); contra: ML. s. 339, HS. II, 564; ebenso kann der Jnstanzrichter aus einer festgestellten Einzelhandlung einen thatsächlichen Schluß auf früher verübte oder später beabsichtigte Handlungen derselben Art und daraus auf einen „gewerbsmäßigen Betrieb" schließen (: OT. 1. Dez. 71; O. XII, 601), oder die Gewerbsmäßigkeit einer festgestellten (im Inlands verübten) Einzelhandlung aus solchen Fällen folgern, welche abgeurtheilt, oder im Auslande verübt oder als Einzelhandlungen verjährt sind: OT. 12. Nov. 57 c. Schäfer, 11. Dez. 63 c. Lenzing, 11. Sept. 74, 15. Dez. 76 (O. XV, 556; XVII, 827). Hiernach bedarf es zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit keiner Vorbestrafung wegen Hehlerei: Mot. s. 129. — Im Uebr. vgl., in Betreff der Feststellung der Gewerbsmäßigkeit: citt. Rill. 2. Febr. 81, Stil. 1. Nov. 81. 3. In Betreff der „Gewohnheitsmäßigkeit" vgl. § 150 n. 4. Hier wird daher (im Gegensatz zur Gewerbsmäßigkeit: n. 2) stets eine Mehrheit von Fällen erfordert. Fälle, wo der Angeklagte blos die Erlöse aus gehehlten Sachen an sich brachte, zählen nicht mit: RI. 26. Juni 82 (R. IV, 622); vgl. § 259 n. 9. 3a. Eine fortgesetzt auf Erzielung eines Vermögensvortheils gerichtete Absicht erfüllt weder den Begriff der Gewerbs- noch den der Gewohnheitsmäßigkeit: RIV. 9. Dez. 87 (R. IX, 714). 4. Die Gewerbs- (Gewohnheits-) Mäßigkeit ist nicht durch ein Sich-Einlassen mit mehreren Personen bedingt: OT. 2. Mai 73 (O. XIV, 332). Durch wieder holte Begünstigung desselben Thäters, sowie durch mehrmalige Verheimlichung rc. verschiedener durch dieselbe Mißthat erlangter Sachen kann eine wiederholte, und also eine gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Hehlerei begangen werden: OT. 24. Apr. 74 (O. XV, 260). 5. Wird auf das Vorliegen mehrerer Fälle die Anklage gewerbs- oder gewohn heitsmäßiger Hehlerei gegründet, die Gewerbsmäßigkeit rc. vom Richter jedoch als unerwiesen angenommen, so muß das Urtheil näher motiviren, was zur Erfüllung jener Begriffe fehle: StPO. § 266 Nr. 2, OT. 4. März 75 (O. XVI, 182). 6. Da das Wesen der Gewerbs- (Gewohnheits-) Mäßigkeit in der gewollten Wiederholung derHandlungsweise liegt, so umfaßt dieselbe auch alle vorgekommenen Einzelfälle: es kann daher gewerbs- öder gewohnheitsmäßige Hehlerei als solche nur einmalige Strafverhängung aus § 260 rechtfertigen; vgl. § 74 n. 10, Münch. 14. Dez. 78 (BE. VIII, 612); contra: OT. 23. April 75 (O. XVI, 307: sofern die Gewerbsmäßigkeit rc. nicht eben in der Konkurrenz der gerade vorliegenden Fälle gesunden werde, jeder der letzteren vielmehr für sich allein und selbständig den Charakter der Gewerbs- und Gewohnheitsmäßigkeit an sich trage). Da aber auch jeder Einzelfall strafbar ist, die Wiederholung also in dieser Beziehung Realkon kurrenz darstellt, so trifft hier das zu § 74 n. 11 Gesagte zu Liegen daher mehrere Fälle schwerer Hehlerei (§ 258 Nr. 2) vor, so können sie nach §§ 258. 74 als Ein zelfälle mit Zuchthaus bis zu fünfzehn Jahren bestraft werden, obgleich sie als Gewohnheitshehlerei nach § 260 nur die einmalige Verhängung einer zehnjährigen Zuchthausstrafe rechtfertigen würden; vgl. § 74 n. 11, § 180 n. 9; contra: HS. II, 564 n. 2, Rüd. n. 4, Merkel. HH. III, 748, Bind. GR. I, 146, Schütze s. 463. 7. Im Uebrigen kommt es bei Anwendung des § 260 nur als Strafzumessungs-
B
Thl. II. Abschn. XXL Begünstigung und Hehlerei. — §§ 261. 262.
631
§ 261. Wer im Jnlande wegen Hehlerei einmal und wegen darauf begangener Hehlerei zum zweiten Male bestraft worden ist, wird, wenn sich die abermals begangene Hehlerei auf einen schweren Diebstahl, einen Raub oder ein dem Raube gleich zu bestrafendes Verbrechen bezieht, mit Zuchthaus nicht unter zwei Jahren bestraft. Sind mildernde Umstände vorhan den, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter Einem Jahre ein. Bezieht sich die Hehlerei auf eine andere strafbare Hand lung, so ist auf Zuchthaus bis zu zehn Jahren zu erkennen. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter drei Monaten ein. Die in dem § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. [I. Entw.: § 236; II. Entw.: § 256; Pr. StGB.: § 240.] Vgl. §§ 244. 245. 250 Nr. 5.267 ff. 262. 32; EL. EG. Art. 12; GVG. § 73.
§ 262. Neben der wegen Hehlerei erkannten Gefängniß strafe, kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte und neben gründ in Betracht, ob Fälle der leichten oder schweren (§ 258 Nr. 1 oder 2) Hehlerei vorliegen. 8. Trifft die Gewerbs-(Gewohnheits-) Mäßigkeit mit wiederholtem Rückfalle (§ 261) zusammen, so wird das zu § 73 n. 4 Gesagte anwendbar. 9. Zn Betreff der Bestrafung der Theilnehmer vgl. § 50 n. 5, das dort cit. RII. 20. Mai 81 und R1V. 6. Dez. 87 (R. IX, 708: die bloße Kenntniß von
dem gewerbsmäßigen Handeln des Hauptthäters ersetze die beim Gehülfen mangelnde Gewerbsmäßigkeit nicht). Ersterem Erk. zufolge ist sogar die Möglichkeit begründet, daß der Gehülfe aus § 260 (und § 49) bestraft werde, während den Hauptthäter nur die Strafe aus § 258 oder § 259 trifft. 10. Als Ort der Gesammtthätigkeit, bez. als Begehungöort ist jeder Ort anzusehen, wo eine der Einzelhandlungen stattgefunden hat; so: Löwe s. 222; vgl. oben § 3 n. 12. — Zuständigkeit der Strafkammern: GVG. § 73 Nr. 6. Zur schwur gerichtlichen Verfahren kann wegen der Gewerbs- bzw. Gewohnheitsmäßigkeit als eines „die Strafbarkeit erhöhenden Umstands" (StPO. § 295) eilte Nebenfrage gestellt werden: RlV. 8. Okt. 86 (E. XIV, 356). 11. Gewerbs- oder gewohnheitsmäßige Hehlerei gefrevelten Holzes ist im Pr. Forstdiebst.'Ges. § 6 besonders vorgesehen. Vgl. ferner FFP.-Ges. § 21.
§ 261. 1. Dieser § sieht die im zweiten Rückfalle verübte Hehlerei vor; die „abermals begangene Hehlerei" ist der zur Aburtheilung vorliegende dritte Fall. Es macht keinen Unterschied, ob die Vorbestrafungen Fälle des § 258 oder 259 zum Gegenstände hatten. Ebendies gilt von dem neuen Falle. 2. Eine Vorbestrafung wegen Hehlerei begründet den Rückfall für einen demnächstigen Diebstahl oder Raub, nicht aber umgekehrt. 3. Die Strafe des Abs. 1 tritt nur dann ein, wenn der Hehler wußte oder den Umständen nach annehmen mußte, daß die Hauptthat zu den dort erwähnten Verbrechen gehöre: RlV. 15. März 87 (E. XV, 364). 4. Im Uebrigen vgl. die Bemerk!, zu §§ 244. 245, § 257 n. 31, § 260 n. 8 und, Hez. der Zuständigkeit der Strafkammern, GVG. § 73 Nr. 6.
§ 262. 1. Auf den Verlust der Ehrenrechte rc. kann neben der Gefängnißstrafe nur dann erkannt werden, wenn diese drei Monate erreicht: §§ 32. 35.
Thl. II. Abschn. XXII.
632
Betrug und Untreue. — §§ 262. 263.
jeder Verurtheilung wegen Hehlerei auf Zulässigkeit von PolizeiAufsicht erkannt werden. [I. Entw.: §§ 233 234; II. Entw.: § 257; Pr. StGB.: §§ 237-240.]
Dgl.
§§ 257—261. 248. 32. 35. 38.
Zweinn-xnmn;igster Abschnitt. Betrug und Untreue.
§ 268. Wer in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, das Ver2. Auf Zulässigkeit der Polizeiaufsicht kann auch dann erkannt werden, wenn dies wegen der Hauptthat nicht statthaft wäre: daß die dabei verhängte Gesängnißstrafe drei Monate erreiche, ist nicht erforderlich. 3. Vgl. im Uebrigen die Bemerkungen zu § 248.
§263. Abgabe, Hinterziehung: €6—68. • Nichterhebung: 68. Absicht: 2—11. 49. • Erreichung: 10. • Schaden, Abwendung: 3. 6. • Zahlungsauüstand: 3. - zu beschädigen: 11. • zu ersetzen: 7. • zu tauschen: 49. Almoien: 36. Angehönge: 76—60. Anpreisung: 47. Armenunterstntzung 36. Begünstigung: 79. Beschädigter, Getäuschter: 60—65. Betrug, Begriff: 1. Bettelet: 36. Beweismittel. Entziehung. Verschaffung: 2. 6. 26. Drandentschädigung: 73. Ehaufseegeld: 68. Darlehn, Erlangung: 2. Dienstbote: 37. 74. Dolus: 3—11. 46. 49. Ehrenrechte, Verlust: 75. Gi^enbahnfahrt: 51. 66. Entstellen: 49. 51—53. Ersatz: 6. 7. 16. 29. Exekutionsaufschub: 3. 23. Feststellung: 31. 32. 49. 59. Fordenmg, Erwerb2. Gerichtsvollzieher: 65. Geringfügigkeit: 71. Geschenk: 36. Grunderlohn: 14. Handlung, positive: 52—51. Zrrthum: 55—65. . Absicht: 49. • Arglist: 58. - bei wem? 60—65. • Benutzung: 56. • Glaubhaftigkeit: 58. - Mittel, tauglich? 58. . Motiv: 35. 57. • Notar: 64. . ' Prozehgegner: 62. 63.
. Rechts«: 41. . •
Richter: 61. 63. Ueberzeugung: 57.
Inhalt: Onrtljum, Unterhaltung: 56. 54a. • venneidlicher: 58. • Verpflichtung: 35. 36. • Vorsätzlichkeit.- 49. • Zweifel: 57. Kausalzusammenhang: 32ff. 61. 65. Klage: 26. 61. Kollektiren: 36. Kommissionär: 69. Konkurrenz: 50. 72. Konventionalstrafe: 57. Kieditireu: 2. 18. 25. 36. Meineid: 60. Mildthätigkeit: 36. Minderjähriger: 70. Mittel, taugliche-: 58. Moralische Pflicht: 36. 52. Namen, falscher: 32. 50. Nichtschuld, Annahme: 56. Notar r 64. Postsendung, falsche Deklarirg.: 3. Prämie: 28c. Prozeß: 26. 61-64. Rechtsgeschäft, Eingehung: 15. 34. Richter: 61. 63. Sache, fremde, Verkauf: 60. Schemgebot: 44b. Simulation: 31. 54. 67. Stempelhinterziehung: 66. 67. Thatsache: 39—54. • Eigenschaft: 39. 47. - falfche: 48-51. . Kenntniß: 43. 49. • Möglichkeit: 39. ■ Nichtkenntnih: 43. • Rechnung: 42. • Recht: 40. • RechtSregel: 41. • Schlußfolgerung: 42. • spezielle: 47. • Versprechen: 37. 46. • Willensrichtung: 37. 46. Theilnahme: 79. Umstände, mildernde: 76 Unterdrücken: 37. 49. 52—54. • Handlungen: 51. « Untreue: 72. • Vetschweigen: 37. 52—54. Urkundenfälschung: 72. Urtheil: 61—63.
Vermogensbeschädigung: 13—31. « Au-gabe, unneth.: 16. • Betrag: 31. . Beweismittel: 6. 26. . Darlehen: 25. . Erwerb, Gelegenheit: 14. • Ersatz, gleichzeitig: 16. • • {unterer: 7. 29. • Ersatzklage? 13. • ExekutionSaufschub: 23. • Gefährdung: 25. • Gegenteilig., Zahsg.: 15. 19. • Geschärt, gewagte-: 14. ■ • zwerfeitig: 15—17. • Geschenk: 36.14. • Gewinn. Beziehung: 12. • Handlung, eigene: 33. » Hoffnung, Entziehung: 14. • Hypothek: 21. 22. > Kauf: 14. • Klagerccbt: 13. 18. • ' Kompensation: 29. • Kredrtirung: 2. 18. 25. 36. • Kundschaft: 2. 14. . LuxuS: 13. 16. • Mildthätigkeit: 36. ' Prozeß: 25. • Quittung, Erlangung: 26. • Recht, erworbenes: 13—15. • . fruchttragend: 13. • • gefährdetes: 18. 25. • • Gefährdung: 25. ■ • klagbar? 13, « • Verletzung: 13. 14. • rechtswidrige: 31. • Schuld, Zahlung: 27. • Schuldner, zahlungsunfähiger 25. • Simulation: 31. 67. . Staat: 66-68. - Verbdlchkt., Uebernahme: 24. • Erfüllung: 27. • Velkaufögewinn: 16. • vermeidlich? 28. • Vollendung: 10. 29. • Vorhand. Perm.: 14. 66. • Vortheile aus dem Geschäfte selbst: 15. • vorübergehend: 22. . Wechsel: 24. 26.
Thl. II. Abschn. XXII. Betrug imb Untreue. — § 263.
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mögen eines Anderen dadurch beschädigt, daß er durch Vor spiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung Der mögensbeschädigung, wechsel seitige: 17. . treffen? 60. • Zahlung, verzögerte: 23. - zeitweilige: 22. DermtogenSvorthcil: 2—10. • AibeitS.iuftrag: 4. 14. . Beweismittel: 2. 6. 26. . Besitzstand: 2. • Darlehn: 2. - dauernd: 2. . Entgelt: 4. . Entziehung: 14. - Erlangung« 9. 10. . Ersatz: 7. 29. . ExekutionSaufschub: 3. 23.
VermogenSvortheil, tzordeinng: 2. . Foitkommen: 2. . Klage: 2. 6. - für wen? 9. • Konkurs: 6. - Kreditiern,g2. 18. 25. 36. - mittelb.: 8. - rechtöwidr.: 6. 7. - LWaden, Beziehung: 12. • Schadensersatz: 6. • Schadensabwendung: 3. 6. • unmittelbar: 8. • Verdeckung: 5.
.
Wechsel: 2. 6.
■
Zahlung, verfuihte: 2.
Dermogensvortheil. zeitweilig: 2. Verschweigen: 52—54. Versuch: 26. 32. 58. 77. Vertrag: 15. 17. 34. 37. 46. 47. 52-55. Vertrag, Nichterfüllung: 37. 46. Vollendung: 10. 21. 29. Vorspiegelung: 49. 51. 53. - Bewußtsein: 49. . Handlungen: bist. . Verschweigen: 52—54. Wechsel: 2. 6. 24. 26. 50. 61. ZabluugSsähiakeit: 44«. 54. Zahlung, versuchte: 2. Zechprellerei: 54.
1. 2. Der § erheischt die „Absicht» sich oder einem Dritten einen rechts widrigen Vermögensvortheil zu verschaffen". Vgl. § 253. Als Vermögens Vortheil ist nicht blos jeber Erwerb eines Vermögensrechts (eine Vermögensvermchrung), sondern auch febe (thatsächlich) günstigere Gestaltung der Vermögenslage anzusehen: Darmst. 26. Febr. 72, OT. 14. Nov. 77 (HE. s. 15; O. XVIII, 707), speziell eine solche in Bezug auf Sicherung und Realisirung von Rechten, besonders von bestrittenen: Rill. 10. Jan. 80, RH. 3. Dez. 80 (E. I,*55; B. II, 599). Es ge nügt der geschäftsübliche Gewinn: RI. 6. Juli 82 (B. IV, 675); der Erwerb einer Forderung: OT. N. Okt. 60 c. Schramm; die Erlangung der Befriedigung für ein unsicheres Guthaben, sollte diese auch nur theilweise und dennoch gegen Cession der ganzen Forderung erfolgen: OT. 16. Mai 77 (O. XVIII, 341); die Zahlung einer Schuld durch einen Äichtverpflichteten, z. B. den Schuldner des eigenen -Schuldners: Stnttg. 2. Dez. 74 (StZ. IV, 380), OT. 26. Apr. 76 (O. XVII, 279: selbst wenn der wirkliche Schuldner zahlungsfähig war); contra: Rill. 17. März 80 (E. 1,318: sofern der gezahlte Betrag bett wahren Werth der Forderung nicht aus irgend einem Grunde z B. wegen Insolvenz des-Schuldners, übersteige); die Be freiung von der Pflicht der Pfandbestellung für eine Schuld: OT. 5. Mai 76 (O. XVII, 331); vgl. n. 21; die Realisirung und Sicherung eines bereits erworbenen (unrechtmäßigeiO Vermögensvortheils, z. B. durch den Verkauf einer gestohlenen Sache; so: Manh. 21. März 74 (BA. 40 s. 145); die Erlangung oder Beibehaltung eines Besitzstandes oder der Möglichkeit, (zeitweise) über eine fremde Sache (z. B. über fremdes Geld) zu verfügen: cit. Rill. 10. Jan. 80, OT. 2. April 73 (O. XIV, 247); contra: Wolfenb. 13. Okt. 71 (StZ. I, 189); desgleichen die Erlan gung eines Beweismittels für ein Vermögensrecht (z. B. einer Schuldverschreibung, eines Wechsels); die Verschaffung des Absatzes einer Waare, die Erzielung (Erhal tung) einer Kundschaft, die Beseitigung eines Konkurrenzgeschäfts; RI. 7. April 81 (R. III, 202), OT. 28. Sept. 77, 29. Mai 74 (O. XVIII, 611; XV, 340); vgl. jedoch n. 14. Der gesuchte Vortheil braucht kein bleibender (dauernder) zu sein; es stellt daher die Erlangung einer verfrühten Zahlung einen Vermögensvortheil dar; nicht minder die Erlangung eines Darlehns oder die Erwerbung einer Sache auf Kredit, und zwar selbst dann, wenn eine spätere Zahlung beabsichtigt und nach der Vermögenslage für genügend gesichert gehalten wurde: Rill. 25. Juni 85 (E. XII, 395), Dresd. 1. Nov. 72/6 Mai 73 (StZ. II, 202; SGZ. XVII, 47. 185), OT. 27. Jan., 8. Juli 75 (O. XVI, 86. 526); contra: Merkel, HH. III, 762. — In Betreff des besseren Fortkommens vgl. § 268 n. 3. 3. In gleicher Weise ist auch die (gänzliche oder zeitweilige) Abwendung eines drohenden Vermögensnachtheils ein Vermögensvortheil, da durch dieselbe ein gefährdetes Recht zu einem gesicherten wird: OT. 24. März 71, 1. Juni 72 (O. XII, 771; XIII, 331), DreSd. 17. März 73. 10. Febr. 79 (SGZ. 17 f. 115; 23 f. 218: das Sichern eines Vermögensvortheils stehe dem „Verschaffen" gleich). Dies gilt um so mehr, wenn man jenen Vermögensnachtheil zu erleiden verpflichtet, seine Abwendung oder Hinausschiebung also rechtswidrig war. Demgemäß genügt die Absicht, die Zahlung einer fälligen Schuld oder einer verwirkten Geldstrafe (Nntersuchungskosten) oder eine begonnene (drohende) Executionsvollstreckung abzuwenden oder hinauszuschieben, vollständig zur Erfüllung des Dolus: OT.
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Thl. II. Abschn. XXII. Betrug itnb Untreue. — § 263.
wahrer Thatsachen einen Irrthum erregt oder unterhält, wird wegen Betruges mit Gefängniß bestraft, neben welchem auf 10. Jan. 73, 14. Juni 79 (O. XIV, 41; XX, 296), ©ärmst. 26. Febr. 72 (HE. s. 15), Rüd. n. 3. Hiernach kann in der durch Benutzung eines Postscheins über eine falsch deklarirte Postsendung herbeigeführten Hinausschiebung einer Zwangs vollstreckung ein Betrug erblickt werden.- Rll. 23. März 80 (R. I, 499: je nach Umstanden), OT. 26. April 71, 31. Oft. 72, 8. Juli 74, 25. April 78 (O.Xll,235; XIII, 568; XV, 478; XIX, 230). Contra: Schw. n. 6, Meves, StRZ. XII, 164, Zimmermann, GSaal XIV, 307; vgl. Mot. s. 132, JMVf. v. 26. Jan. 1872 (JMbl. s. 23), § 268 n. 2. 4. Der Erwerb einer fremden Sache gegen gleichzeitigen vollständigen Ent gelt gewährt keinen Vermögensvortheil; hierbei ist aber in'Betreff des vollstän digen Entgelts das zu § 242 n. 45 und zu §246 n. 43. 46 Gesagte zu berücksich tigen; vgl. n. 16. 17. — Demgemäß ist es kein Betrug, wenn ein Arbeiter sich durch Täuschung den einem Andern zugedachten Auftrag zur Verrichtung einer gegen entsprechenden Entgelt zu leistenden Arbeit verschafft; so: OT. 28. März 56 (GA. IV, 751), vgl. jedoch n. 2. 5. Die Verdeckung einer früher begangenen Mißthat oder eines früher ver schafften unredlichen rechtswidrigen Vortheils sowie die Abwendung einer Unter suchung stellen für sich allein keinen (Vermögens-) Vortheil dar: OA. 1., 22. April 68, OT. 10. Jan. 73 (O. IX, 243. 287; XIV, 41), Münch. 2. Nov. 78 (BE. VIII, 524: Fall des § 349). Das Gegentheil tritt ein, wenn durch jene Verdeckung der früher gewonnene Vortheil gesichert werden soll: OT. 17. Dez. 62, OA. 14. Mai, 6. Sept. 71 (O. III, 7; XII, 287. 426); vgl. n. 3, § 268 n. 2. 5. 5a. Es genügt die thatsächliche Verbesserung der Vermögenslage (n. 2); der erstrebte Vermögensvortheil wird daher dadurch nicht ausgeschlossen, daß recht lich mit der Erlangung des Vortheils lästige, seinen Geldwerth erreichende oder gar übersteigende Verpflichtungen verbunden sind (wie es ja beim Betrüge schon wegen der aus demselben erwachsenden Ersahpflicht durchweg der Fall ist): Rill. 10. Jan. 80 (E. I, 55). Vgl. n. 13. 34, § 253 n. 4. 6. Der gesuchte Vermögensvortheil muß ein „rechtswidriger", d. h. ein solcher sein, welchen zu beanspruchen man nicht das Recht hat: Rl. 10. Nov. 79, 29. Apr. 86, Rill. 17. Dez. 81 (R. I, 48; VIII, 310; E. V, 352), OT. 13. Dez. 71. 13. Mai 72, 14. März 73, Münch. 17. Juli 75, 11. Mai 82 (O. XII, 644; XIII, 302; XIV, 204; BE. V, 360; BE. II, 82). Die Definition Merkel s s. 772, ein Vermögensvortheil sei rechtswidrig, wenn das Objekt, um welches es sich handle, dem Vermögen eines Anderen durch das Mittel der Täuschung entzogen werde, ist hier wohl zu enge gefaßt, bzw. sie greift in andere Thatbestandsmerkmale des Be truges hinüber. Vgl. auch HStR. II, 273; GSaal 31 s. 250. 443: rechtswidrig ici der Vortheil, auf dessen Wegnahme das Civilrecht einen Anspruch gebe (: Waag), bzw. dessen Objekt nicht auf civilrechtlichem Wege durch Klage zu erlangen sei (: Katz). — Doch braucht der Vortheil kein objektiv (absolut) rechtswidriger zu sein, es kann vielmehr ein Vortheil, ohne an sich rechtswidrig zu sein, diese Eigenschaft dadurch erlangen, daß er durch unerlaubte Mittel erzielt wird; dies gilt z. B. von dem Gewinne, den ein Kaufmann durch Absatz seiner Waare sucht, und von dem Gewinn ans einem Dahrlehne, falls der Verkäufer, bzw. Darlehnsempfänger den Käufer bzw. Darleiher lediglich durch Täuschung (z. B. über die Beschaffenheit des Kaufobjekts) zum Ankäufe 'oder zur Hingabe des Darlehns bestimmt hat: RI. 22. Jan. 80 (R. I, 261), OA. 26. Apr. 71, OT. 18. Nov. 74, 21. Jan. 27. Mai 75, 21. März. 28. Sept. 77 (O. XII, 227; XV, 793; XVI, 86. 390; XVIII, 240. 611); vgl. OT. 27. Sept. 76 (O. XVII, 606: betraf die Erzielung eines höheren Kauf preises durch das vorgespiegelte Vorhandensein eines mehrbietenden Konkurrenten); vgl. Rill. 10. Jan. 80, RI. 3. Mai 80 (E. I, 55; R. I, 715) und unten n. 16; contra: HStR. II, 273 ff. Ebendeshalb schließt die Angemessenheit des für eine Dienstleistung geforderten Lohns die Rechtswidrigkeit des in diesem Lohne gesuchten Vermögensvortheils nicht aus. wenn der Angeklagte den Anderen durch umvahre Angaben zu bestimmen gesucht hat, ihm jene Dienstleistung aufzutragen: OT. l.Rärz 77 (O. XVIII, 175). Dagegen ist nicht jeder Vortheil, welcher durch unerleubte Mittel erzielt wird, darum allein schon ein rechtswidriger; namentlich stellt die auf
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Geldstrafe bis zu dreitausend Mark, sowie auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann. solche Weise herbeigeführte Realisirung eines bereits bestehenden, unbestrittenen und fälligen Anspruchs durch den Pflichtigen keinen solchen Vortheil dar: RI. 20. Okt. 81, 91111. 17. Dez. 81 (K. III, 629; E. V, 352), sollte auch die betreffende Forde rung eine unsichere sein: Rll. 26. Jan. 83 (R. V, 59); vgl. n. 27. Inwiefern Aehnliches von einem zwar an sich begründeten, aber bestrittenen, urkundlich nicht nachweisbaren Ansprüche gelte, ist streitig; vgl. Rll. 3. Dez. 80 (R. II, 599; betr. eine Anklage aus § 253), OT. 30. Nov. 66, 17. Jan. 68 (O. VII, 677; IX, 32: erachtete die Absicht, für einen solchen Anspruch unbefugter Weise ein Beweismittel oder eine günstigere Klage zu gewinnen, als eine auf einen rechtswidrigen Vortheil gerichtete) einer- und Rll. I. Juli 84 (R. VI, 493: leugnet die im § erheischte Ab sicht in allen Fällen, wo Jemand einen nach seiner Ueberzeugung fälligen Rechts anspruch zu verwirklichen suche; durch das Mittel der Täuschung werde ein an sich rechtsmäßiger Vortheil nicht zu einem rechtswidrigen), OT. 14. Juni 76, 24. Okt. 78 (O. XVII, 424; XIX, 482) andererseits, sowie im Uebriqen § 253 „. 5. Ganz unbedenklich genügt jedoch die Absicht, die Zahlung einer schuld oder den Ersatz eines (drohenden oder erlittenen) Schadens auf Kosten eines Nichtverpflichteten (z. B. einen zu hohen Prozentsatz im Konkurse zum Nachtheile der übrigen Gläubiger), oder in einer über die Verpflichtung hinausgehenden lästigeren Weise (z. B. die Ausübung eines au sich begründeten Rechts trotz des einem Anden zustehenden Zurückbehaltungs-rc. Rechts oder auf Kosten der dem Schuldner nach § 715 der CPO. zustehenden Kompetenz) zu erlangen: OT. 23. Nov. 65, 27. Jan., 20. Okt. 70, 13. Juli 74, 18. Febr. 75. 16. Mai 77 (O. VI, 485; XI, 60. 536; XV, 495; XVI, 137; XVIII, 341), Dresd. 2. Mai 73 (SGZ. XVII, 176), Carlsr. 2. Dez. 80 (BA. 47 s. 8). — Die Provision aus einem bewußt unerlaubten, auf rechtswidrige Benachtheiligung Dritter zielenden Geschäfte ist ein rechtswidriger Vermögensvortheil: Rll. 12.Nov. 80 (E. II, 436); ebenso die Erlangung von Geld ohne dessen (spätere) Verwendung zu denjenigen Zwecken, zu welchen der Hingeber die Zahlungspflicht kontraktlich übernommen hatte: Rill. 11. Mai 81 (R. III, 294); ebenso der bei Gründung einer Aktiengesellschaft durch Vorspiegelung eines höheren als des be dungenen Kaufpreises erzielte Grüuderlohn; beschädigt wird hier das Vermögen der Aktienkäufer: OT. 10. Okt. 77 (O. XVIII, 62-5); vgl. n. 14. 7. Die Absicht eines späteren Ersatzes schließt die Annahme einer auf rechtswidrige Vermögensvortheile gerichteten Absicht nicht aus: OT. 19. April 66 (O. VII. 233; bei!.), Dresd. 1. Nov. 72 (StZ. II, 202); vgl n. 4. 16.29, Rill. 25. Juni 85 (E. XII, 395). Auch wird die Rechtswidrigkeit des Zustands durch dessen bloße Nichtbeseitigung (seitens des Verletzten) nicht aufgehoben : Rill. 10. Jan. 80 (E. I, 55). 8. Ob der Vermögensvortheil unmittelbar oder nur mittelbar gesucht wird, ist gleichgültig: OT. 11. März 74 (O. XV, 143: Fall des § 268), Carlsr. 2. Dez. 80 (BA. 47 s. 8). 9. Da es gleichgültig ist, ob der Thäter „sich oder einem Dritten" den Vortheil verschaffen wollte, so bedarf es nicht nothwendig der namentlichen Be zeichnung desjenigen, für welchen der Vortheil gesucht wird: OT. 25. Juni 62 c. Barthold. Dagegen genügt nicht die Feststellung: Angeklagter habe auf die Ge fahr hin gehandelt, ein Dritter möge die obwaltenden Umstände zur Erzielung eines rechtswidrigen Vortheils für sich benutzen: OT. 3. Juli 68 (O. IX, 433). 10. Ob der gesuchte Vortheil erlangt worden, ist gleichgültig; das Vergehen wird durch die zugefügte Vermögensbeschädigung vollendet: Rill. 10. Jan. 80 (E. I, 55), Münch. 13. März 76 (BE. VI, 107), HStR. II, 275. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob die Erreichung der Absicht auf dem eingeschlagenen Wege möglich war, oder ob der Vortheil auf einem andern erlaubten Wege hätte erreicht werden können: OT. 7. Dez. 54 e. Naumann. 10a. Da der § die „Absicht" der Verschaffung eines rechtswidrigen Vermöaensvortheils fordert, so genügt nicht schon das Bewußtsein, daß die That einen solchen Vortheil zur Folge haben werde, selbst nicht in Verbindung mit dem demnächstigen Eintritte dieser Folge, bzw. mit der Annahme jenes Vortheils; so: Rll. 1. Juli 84 (cit. n. 6). RIV. 28. Sept. 86 (E. XV, 9), OT. 15. Juni76 (O. XVII,
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Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann ausschließ lich auf die Geldstrafe erkannt werden. Der Versuch ist strafbar. 435: ein Reservist hatte sich, zu einer Schießübung einberufen, um sich eine ehren vollere Stellung zu verschaffen, für einen Unteroffizier ausgegeben und in Folge dessen auch eine höhere Löhnung bezogen). — Durch die Feststellung, daß dem Be schuldigten jedes Bewußtsein der Rechtswidrigkeit gefehlt habe, ist auch die auf Verschaffung eines rechtswidrigen Vermögensvortheils gerichtete Absicht verneint: OT. 28. Juni 76 (O. XVII, 469). 11. Dagegen braucht die Absicht nicht auf „Beschädigung des Vermögens eines Andern" gerichtet zu sein, vielmehr genügt hier das Bewußtsein, daß eine solche die Folge sein werde oder doch sein könne (vorausgesetzt, was den letzteren Fall betrifft, daß der Wille des Thäters die als möglich erkannte Folge ev. mit umfaßte, dolus evcntualis: § 59 n. 2, HStR. II, 270, Ölsh. n. 42); vgl. Rl. 6. Dez. 80, 8. Juni 82. 25. Sept. 84, Rll. 23. März 80. 1. Juli 84, 91111. 21. Dez. 81 (E. III, 142; V, 277; XI, 245; R. I, 499; IV, 547; VI, 493), OT. 4. Jan., 27. Juni 77 (O. XVIII, 10. 473); contra: OA. 11. Jan. 71 (O. XII, 26: erachtete selbst dieses Bewußtsein für unwesentlich). 12. Einer Wechselbeziehung zwischen betn gesuchten Vortheile und der dem Andern zugefügten Vermögensbeschädigung bedarf es nicht, jener braucht na mentlich nicht in der Erlangung besten zu bestehen, was dem Vermögen deS Andern entzogen wird: Ri. 7. April 81 (R. III, 202), OT. 8. Okt. 69, 11. März 74 (Fall des § 268: O. X, 628; XV, 143); contra: OT. 22. März 54 (GA. II. 694). HS. II, 373 ff., Schütze s. 471, Merkel s. 764 ff., ML. s. 565 (nehmen die Nothwendigkeit einer Wechselbeziehung, nicht aber die einer Gleichheit von Vortheil und Nachtheil an). — Demgemäß genügt die Absicht, den Lohn zu erlangen, welchen ein Dritter für die Täuschung in Aussicht gestellt; contra: Rill. 21. Dez. 81 (besprochen unter n. 32a). — In demselben Sinne erkannte OT. 4. Jan. 77 (cit. n. 11), daß, wenn Jemand behufs Umgehung des ausländischen Zolls seinen Spediteur über die Natur einer Waare täusche und jener nun wegen falscher Deklaration in Geldstrafe genommen werde, ein zum Nachtheil des Spediteurs verübter Betrug vorliege, ungeachtet der gesuchte Vortheil nur int Falle des Gelingens der Zolldefraude zu erlangen, dann aber jede Benachtheiligung des Spediteurs ausgeschlossen war; vgl. jedoch n. 11. 13. „Vermögensbeschädigung" ist jede ungünstigere Gestaltung der Ver mögenslage: RI. 6. Dez. 80 (E. 111,142), OT. 3. Juni 75 (O. XVI. 425) ober," wie RPl. 20. Apr. 87 (E. XVI, 1) definirt, jede Verminderung des Gesammtwerths des Vermögens (in Geld) Hierbei kommen in Betracht alle Vermögensrechte, selbst die nicht fruchttragenden, z. B. nur Kosten verursachende Luxnsgegenstände, nicht aber vollkommen werthlose Objekte, wie z. B. eine ungültige Anweisung auf die demnächst fällig werdende Rate eines Beamtengehalts: Rll. 19. Sept. 82 (E. VII, 95), oder gar Sachen, deren Besitz verboten ist, wie z. B. falsche Banknoten rc.: OT. 9. Dez. 75 (O. XVI, 788). Gleichgültig ist, ob das Recht durch eine Klage geschützt war, und ob durch die Beeinträchtigung eine Ersahklage begründet wird: OA. 11. Jan. 71 (O. XII. 26), ob dem Benachtheiligten Mittel zur Abwendung des Verlustes zu Gebote standen, z. B. ob da. wo die Beschädigung in dem Ein gehen eines nachtheiligetr Vertrags bestand, letzterer auf civilrechtlichem Wege an fechtbar sei: cit. OT. 3. Juni 75, Manh. 22. Juni 78 (BA. 44 s. 268); endlich, wenn die Beschädigung in der Belastung des Vermögens mit einer Schuld bestand, für welche zur Zeit der That ein Rechtsgrund fehlte, ob später dem Thäter ein ent sprechender Anspruch gegen den Beschädigtett wirklich entstanden ist: OT. 22. Dez. 76 (O. XVII. 844); vgl. n. 28ff. Unt so unbedenklicher hat die Verfolgung wegen Betrugs nicht zur Voraussetzung, daß der Betrogene zuvor die Verwirklichung seiner civilrechtlichen Ansprüche mittels einer Civilklage versucht habe: Wolfenb. 17. Dez. 78 (Br. Z. 26 s. 49). — Inwiefern (vertragsmäßige) Stipulationen zu Gunsten Dritter den Gegenstand einer Beschädigung des Vermögens dieser Tritten bilden können, darüber vgl. n. 15a, Rill. 15. März 83. Rl. 16. Dez. 86 (E. VIII, 164; R. VIII, 763).
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Wer einen Betrug gegen Angehörige, Bormünder oder Er zieher begeht, ist nur auf Antrag zu verfolgen. Tie Zurück nahme des Antrages ist zulässig. [I Enlw.: §§ 237. 238; II. Entw.: § 258; - Nov. Art. I; - Pr. StGB.: §§ 241
-243.] Vgl. §§ 264. 265. 247. 52. 32. 35; HGB. (RGes. v. 18. Juli 1884) Art. 2496; GVG. §§ 27 (Nr. 6). 73 (Nr. 7). 75 (Nr. 10); StPO. §261.
13a. Eine Veränderung der Vermögensbestandtheile als solcher stellt an sich noch keine Vermogensbeschädigung in obigem Sinne (n. 13) dar; überhaupt läßt sich die Frage, ob letztere vorliege, durchweg nicht abstrakt, sondern nur nach der Individualität des konkreten Falls, nach den individuellen Vermögens verhältnissen des Getäuschten beantworten, wobei stets die Gesammtheit der auf dessen Vermögen ausgeübten Wirkungen zu beachten ist: RPl. 20. April 87 (E. XVI, 1). Daß der Getäuschte eine auf sein Vermögen bezügliche Verfügung ledig lich deshalb, weil er in Irrthum verseht war, getroffen hat, genügt nicht, um jenes Begriffsmerkmal als erfüllt zu erachten: eit. RPl. 20. Apr. 87. 14. Wesentlich ist, daß das vorhandene Vermögen beschädigt sei; ebenso Rl. 7. Zuni 80 (E. II, 89: demgemäß sei auch bei einem aleatorischen Geschäfte die Frage, ob in dessen Eingehung eine Vermögensbeschädigung vorliege, nur nach dem zur Zeit des Vertragsabschlusses gegebenen Vermögensstande zu beurtheilen); dazu genügt ein mittelbarer Schaden, desgleichen ein entgangener Gewinn, vorausgesetzt, daß er mit Sicherheit würde gemacht worden sein, wenn die Täuschuugshandlung nicht vorgekommen wäre und der Getäuschte ein Recht besaß, in diejenige Lage ver setzt zu werden, welche für ihn den Gewinn ermöglichte: RPl. 20. Apr. 87 (E. XVI, 1); vgl. Rill. 24. San. 84. 7. Dez. 81 (E. X, 48; R. III, 772), OT. 14. Febr. 9. Dez. 68 (O. IX, 136, 707: würden beim Abschlüsse eines aleatorischen Geschäfts die Aussichten auf ein Ergebniß günstiger dargestellt, als sie wirklich sind, so be stehe die Vermögensbeschädigung in der Erlangung eines geringere Ehaucen dar bietenden Anspruchs); ferner unten n. 15a; nicht aber die Entziehung einer bloßen spes, z. B. die Nichterlangung eines in Aussicht stehenden Geschenks: Rill. 12. Okt. 85 (E. XIII, 8), OT. 8. Sept. 54 (GA. VII, 716), oder die Entziehung der Gelegen heit, durch Ausübung einer Gewerbshandlung etwas zu verdienen, z. B. einer Kundschaft: OT. 28. März 56 (eit. n. 4). Münch. 12. Febr. 74 (BE. IV, 90). es sei denn, daß es sich um eine bereits bestehende Geschäftsverbindung handelte: Rll. 28. Febr. 82 (E. VI, 75), OT. 23. April 79 (O. XX, 223: sofern letztere auf einen ausdrücklichen oder stillschweigenden Vertrag zurückzuführen sei); vgl. n. 2. 4. Das selbe gilt, wenn Jemand einem Kaufliebhaber einen höheren Preis abverlangt, als er ev. selbst (oder sein Kommittent) für genügend erachtet: OT. 27. Nov. 68 (O. IX, 620); vgl. übrigens n. 6. 66. — Wohl aber liegt eine Vermögcnsverringerung, bzw. ein .Betrug vor, wenn der zum Abschlüsse eines Kaufs Bevollmächtigte mit dem Verkäufer zum Schein einen höheren Kaufpreis, als dieser beansprucht, ver einbart und den Ueberschuß sich aneignet, sollte auch jener höhere Preis dem Werthe des Kaufobjekts entsprechen; der Ueberschuß wäre alsdann eben ein Gewinn ge wesen. welcher kraft Gesetzes dem Machtgeber zu Statten kam: hier kann daher auch nicht von einer Ausgleichung des Gewinns und Schadens (n. 16) die Rede sein: OT 18. Febr. 74 (Ö. XV, 88: der Machtgeber war eine Aktiengesellschaft, deren Gründer sich auf obige Weise des sog. Gründerlohns versicherten, nachdem sie schon vor der Gründung sich ein Verkaufsversprechen hatten geben lassen). Als Verringerung des Vermögensbestandes ist auch die Beeinträchtigung eines be dingten oder eventuellen Rechts (z. B. eines Vorkaufsrechts) auzusehn: OT 12. Juli 71, 13. März 73 (O. XII, 387; XIV, 199); desgleichen die Verursachung von Unkosten: Rll. 24. Juni 84 (R. VI, 463). 15. Demgemäß (n. 14) ist die Nichterzielung desjenigen Gewinnes, welchen ein durch Täuschung zum Abschlüsse eines Rechtsgeschäfts Veranlaßter dem nächst aus diesem Rechtsgeschäfte zu ziehen hoffte, für sich allein noch keine „Ver mögensbeschädigung", weil dadurch die Vermögenslage nicht schlechter wird, als wenn die Täuschung und der dadurch veranlaßte Geschäftsabschluß nicht stattge funden hätten: RPl. 20. Apr. 87, Rll. 6. Nov.. 5. Okt. 83. RlV. 21. Nov. 85 (E.
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Thl. II. Abschn. XXII. Betrug und Untreue. — § 263.
XVI, 1; X, 362; R. V, 577; VII, 687). OT. 19. Mai 64, 10. Jan. 67 (O. IV, 512; VIII, 20); vgl. RII. 29. April 81 (E. IV, 117), OT. 28. Mai 68, 15. April 69 (O.
IX, 347; X, 233). Anders gestaltet sich die Sache, wenn durch die Täuschung nicht der Abschluß des Rechtsgeschäfts herbeigeführt worden ist, eine solche vielmehr erst später bei der Beurkllndung oder Erfüllung desselben stattgefunden hat, »wenn alsdann z. B. statt der echten Waare eine verfälschte geliefert, oder ein sog. Keller wechsel oder ein Werthpapier zu einem seinen Kurswerth übersteigenden Betrage in Zahlung gegeben wird; in diesem Falle war durch den Vertragsabschluß ein Recht erworben, welches beschädigt werden konnte: cit. RPl. 20. Apr. 86, OT. 3. Juli, 2. Okt. 68. 22. Zan.. 15. Äpr. 69, OA. 11. Oft. 71 (O. IX, 431, 537; X, 46. 233; XII, 504). Vgl. n. 16. 22. — Nicht minder liegt eine Vermögensbeschädigung vor, wenn zu einem bestimmten Zwecke anvertraute Gegenstände zu einem anderen Zwecke verwendet werden, welcher deren Wiederlangung für den Eigenthümer schwerer und unsicherer macht: Manh. 15. Nov. 76 (BA. 43 s. 46). — Der Verkauf einer gestohlenen (und daher vindizirbaren) Sache bewirkt gleichfalls eine Vermögensbeschädigung: Manh. 21. März 74 (cit. n. 2). Dagegen wird durch die vertrags widrige Begebung eines sog Sicherheits- und Depotwechsels das Vermögen des Indossatars nicht beschädigt; wohl aber kann darin eine Beschädigung des Ver mögens des Ausstellers enthalten sein: RI. 15. Nov. 80 (E. III, 35); vgl. n. 52. 15a. Der geschädigte Vermögensanspruch braucht nicht nothwendig ein recht lich erworbener zu sein; so: 94111. 14. Jan. 80 (E. I, 68: der Werkmeister eines Fabrikanten hatte durch die Vorsgiegelung, die Arbeiter verlangen höhere Löhne, solche erhalten, und die Lohndifferenz sich angeeignet; hier wurde Beschädigung des Vermögens der Arbeiter angenommen, da diese zwar kein kontraktliches Recht auf die Lohnserhöhung gehabt hätten, thatsächlich aber mehr erhalten haben würden, wenn sie nicht vom Angeklagten durch das Verschweigen jener Bewilligung des Fabrikanten darum gebracht wären); vgl. auch OA. 2. Äpr. 71 (O. XII, 227). 16. Mit Rücksicht auf das unter n. 13a Gesagte beseitigt ein gleichzeitiger vollständiger Ersah die Vermögensbeschädigung': OT. 28. Mai. 18. Dez. 68 (O. IX, 347. 751); daher trifft der § int Falle des Austausches gleicher Werthe nicht zu; ebenso: RII. 5. Okt. 83 (R. V, 577); Es sind daher bei einem zweiseitigen Geschäfte die in der Vermögenslage herbeigeführten Veränderungen im Äanzen ins Auge zu fassen und Leistung und Gegenleistung (jenachdem sie bereits gemacht oder nur für die Zukunft versprochen sind) nach demjenigen Werthe gegeneinander abzu wägen, den sie im konkreten Falle individuell gerade für die Person haben, welche sie zu gewähren oder zu erlangen hat. Sonach kommt es nicht auf denjenigen Werth an, welchen die Gegenleistung nach einer (etwa durch Sachverständige zu bewirkenden) Wertschätzung im Verkehr haben würde, sondern lediglich auf den Werth, den dieselbe individuell für den Getäuschten hat, ob also die betr. Sache für ihn augenblicklich und für den Zweck, zu welchem er sie erwerben wollte, oder für einen anderen gleichzeitig von ihm ins Auge gefaßten, ihm ebenso genehmen Zweck jenen Werth hatte und ob. —- wenn dies nicht der Fall, — für ihn die Möglichkeit vorhanden ist, dieselbe sofort ohne Verlust, Schwierigkeit und Unzu' träglichkeiten wieder zu veräußern; vgl. RPl. 20. Apr. 87 (E. XVI, 1: Mot.); ähnlich: RI. 20. April, 6. Juli 82 (R. IV, 364. 675: scheinen jedoch selbst int Falle der lehtgedachten Möglichkeit die Vermögensbeschädigung für nicht ausgeschlossen zu erachten). Demgemäß ist Vermögensbeschädigung anzunehmen, wenn Jemand bei einem zweiseitigen Geschäfte in Folge einer Täuschung der Disposition über ein Vermögensobjekt Derlnftig bezw. mit einer Schuld belastet wird und dafür nicht die vertragsmäßige, sondern eine andere, (individuell) ihm minder werthe Gegen leistung erhält, wobei jedoch die eigne Schätzung des Getäuschten nicht entscheidet und namentlich ein etwaiger Affectionswerth der hingegebenen Sache außer Betracht bleibt: cit. RPl. 20. Apr. 87; vgl. RII. 17. Okt. 84, Rill. 16. Mai 87 (R. VI, 627; E. XVI, 93), Ri. 20. Okt. 81 (E. V, 137: selbst der spätere Weiterverkauf mit Gervinn beseitige die bereits beim Empfange der Gegenleistung erlittne Beschä digung nicht), OT. 2. Juni 69, 9. Febr. 71,'24. Okt. 72. (O. X, 758; XII, 87; XIII, 552), Münch. 11. Mai 82 (BE. II, 82); contra: OT. 27. März 74 (O. XV, 194). Ebendeshalb läßt sich z. B. die Frage, ob der Beitritt zu einer Versicherungsgesellschaft auf Gegenseitigkeit das Verntögen des Beitretenden im Sinne des § beschädige, nicht abstrakt, sondern nur nach den konkreten Umständen des Einzelfalls
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beantworten: cit. RPl. 20. Apr. 87; vgl. RII. 2. Oft. 85, Ri. 29. Apr. 86 (E. XII, 392; XIV, 229). — Bei der Täuschung über die Herkunft einer angekauften Waare wird der Thatbestand des Betrugs nicht schon dadurch ausgeschlossen, daß die innere Güte der Waare ans der einen Bezugsquelle der Güte derjenigen aus der andern gleich ist; es muß vielmehr auch der gangbare Preis der beiderlei Waaren der gleiche sein: Rill. 10. Marz 80 (E. I, 266); vgl. RI. 20. Sept. 83 (K. IX, 171); ähnlich entschied OT. 15. Dez. 75 (O. XVI, 797) in einem Falle, wo statt der ver tragsmäßig zu liefernden Waare eine von anderer Beschaffenheit geliefert worden war; vgl. ferner Rill. 16. Mai 87, RI. 29. Sept. 83 (E. XVI, 93; R. V, 555: betr. das Rathertheilen und Gewähren von Heilmitteln seitens eines sich für einen approbirten Arzt ausgebenden Kurpfuschers, bezw. den Verkauf von angeblichem Culmbacher Bier). — Daß durch die Möglichkeit eines Ersatzes oder durch das Vorhandensein eines demnächst geltend zu machenden Regreßanspruchs die Vermögensbeschä digung nicht ausgeglichen werde, ist selbstverständlich; vgl. n. 13. 29, OT. 26. April 76 (cit. n. 2). 17. Hiernach kann es beim Abschluffe eines zweiseitigen Geschäfts geschehen, daß sich beide Kontrahenten wechselseitig beschädigen und betrügen; dann ist nicht etwa nur strafbar, wer dem Anderen den größeren Schaden zugefügt hat; eine Aufrechnung der Schadenszufügung findet nicht statt. 18. Eine durch Täuschung herbeigeführte Vermögensbeschädigung behält diesen ihren Charakter auch dann, wenn es sich um die Erwerbung eines Rechtsanspruchs handelte, welcher im Falle der Wahrheit der vorgespiegelten Thatsachen rechtlich nicht besser gesichert sein würde, sobald nur im gedachten Falle die Lage thatsäch lich eine günstigere gewesen wäre. Hat z. B. Jemand unter dem falschen Vorgeben eines ihm mündlich von einem Dritten ertheilten Auftrags bei einem Kaufmann Waaren auf Kredit entnommen, so liegt ein Betrug vor, selbst wenn ein wirk lich ertheilter mündlicher Auftrag nicht genügt hätte, eine Klage gegen den Machtgeber zu begründen, sobald nur thatsächlich auf dessen Bereitwilligkeit zu zahlen gerechnet werden konnte; vgl. OT. 5. Mai 69 (O. X, 290). Davon abgesehen, liegt im gedachten Falle eine Vermögensbeschädigung auch darin, daß der Kaufmann (nach Pr. ALR. I, 9 § 13) von dem Bevollmächtigten die Abtretung seiner Klage gegen den Machtgeber fordern kann, während dieses Recht bei der blos vorgespiegelten Voll macht gegenstandslos ist: OT. 13. Juni 67 (O. VIII, 370). 19. Daß die kontraktlich übernommene Gegenleistung noch nicht gezahlt ist, steht der Annahme einer durch den Vertragsabschluß erlittenen Vermögensbeschädigung nicht entgegen: OT. 1. Juni 61 c. Dange; vgl. n. 24. 20. Die Abtretung des Eigenthums an einen Andern (ohne vollständigen Entgelt) ist auch dann eine Vermögensbeschädigung, wenn letzterer bereits vorher den Gewahrsam der Sache hatte: OT. 19. Mai 70 (O. XI, 324). Die Möglich keit einer Vermögensbeschädigung auf Seiten des Käufers mittels Täuschung über einzelne Kaufbestandtheile wird nicht durch einen Kauf in Bausch und Bogen ausgeschloffen: RI. 20. April 82 (R. IV, 364). 21. Die Entziehung eines Hypothekenrechts (einer Bürgschaft) ist eine Ver mögensbeschädigung, auch wenn nicht feststeht, daß sonst die persönliche Forderung nicht genügend gesichert sei; so: OT. 22. Jan. 69, 3. April 78, OA. 25. Okt. 73, Manh. 17. Mai'76 (O. X, 46; XIV, 670; XIX, 188; BA. 42 s. 273); vgl. übr. n. 16. 22. Zum Thatbestände des vollendeten Betrugs genügt eine nur vorüber gehende Verschlechterung der Vermögenslage, z. B. die zeitweilige Entziehung der VerwaltungS- oder Verfügungsgewalt über eine Sache: RIV. 14. Jan. 87 (R*. IX, 49), OT. 30. Sept. 64, 24. Okt. 72 (O. V, 144; XIII, 552); die Verzögerung einer fälligen Zahlung: RI. 8. März 80 (A. I, 476), OT. 6. Nov. 63 (O. IV, 161), die zeitweilige hypothekarische Belastung eines Grundstücks: OT. 5. Juli 61 (O. I, 506), oder das zeitweilige Entbehren eines Aequivalents für ein hingegebenes Vermögens objekt: OT. 24. Okt. 72 (O. XIII, 552), Dresd. 31. Mai 75 (SGZ. XX, 20); vgl. d. 2.15. 16. In der Prolongation eines Wechsels kann eine Vermögensbeschädigung selbst dann erblickt werden, wenn der Schuldner (schon) zur Zeit derselben, resp. am ursprünglichen Verfalltage keine Zahlungsmittel besaß; so: Rll. 21. Okt. 79. »III. 16. Febr. 81 (R. I, 12; A. III, 253); vgl. übr. Rill. 9. Juni 87 (E. XVI, 161). 23. Demgemäß ist auch die Verkümmerung des Rechts eines Gläubi gers. aus dem Vermögen seines Schuldners Befriedigung zu erlangen, eine
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Vermögensbeschädigung, sollte diese Verkümmerung auch nur durch die Verzögeriung seiner Befriedigung, z. B. durch Hinausschiebung der Exekution, oder dmrch Entziehung eines einzelnen Exekutionsobjekts ans der begonnenen Vollstreckung stattfinden: Ri 23. Okt. 79 (R. I, 13), OT. 12. Jan.. 1. Juni. 11. Juli 72. 8. Juli 74, 21. Juni 76, 12. Febr. 79 (O. XIII, 40. 331.413; XV, 478; XVII, 443; XX, 78), Manh. 29. Juli 73 (BA. 40 s. 93), Mmtch. 9. Juli 75 (BE. V, 336); contra: Schw. n. 6. Der Notar, welcher einen simulirten Verkaufsakt aufnimmt, wissend, daß dadurch die Gläubiger des Verkäufers in der ihnen zustehenden Exekutionsvwllstreckung behindert werden sollen, leistet dadurch Hülfe zum Betrüge; so: DT. 31. Jan. 68 (O. IX, 85). 24. Ebenso stellt die Uebernahme einer formell rechtsbeständigen Verbind lichkeit eine Vermögensbeschädigung dar, selbst wenn der Verpflichtete sich durch einen ihm obliegenden Gegenbeweis von der Erfüllung befreien kann: OT. 9. Jan. 73, 26. Mai 76 (O. XIV, 34; XVII, 382), Dresd. 10. Jan. 73 (SGZ. XVII, 83), Manh. 28. Nov. 74 (BÄ. 41 s. 16), Merkel s. 774; durch das Gelingen dieses Gegenbeweises wird der früher vollendete Betrug nicht beseitigt: OT. 1. März 67 (O. VIII, 150); vgl. n. 13. Das gilt namentlich von der durch Täuschung herbei geführten Ausstellung oder Acceptation eines Wechsels für eine Nichtschuld, oder voll der Ausstellung zweier Wechsel über den vollen Betrag einer nur einmal ver schuldeten Summe:' Rill. 7. Jan. 80 (R. 1,196), OT. 5. April. 22. Mai 67, 20. Febr. 73 (O.VIII, 238. 321; XIV, 151, Stuttg. 14. Febr. 72 (StZ. II, 197); vgl. RI. 6. Dez. 80 (E. III, 142: nahm in einem ähnlichen Falle an, daß sogar die Absicht des Thäters, den Wechsel zur Verfallzeit einzulösen, den Thatbestand des § nicht ausschließe); contra: Abh. i. GA. V, 751, HS. II, 357, welche erst im Falle der Geltendmachung eines so entstandenen Wechsels einen Betrug (Betrugsversuch) an nahmen; vgl. OT. 10. Dez. 62, Münch. 27. Sept. 79 (O. III, 166; BE. IX, 441), welche die Uebernahme einer (wegen Minderjährigkeit des Ausstellers) unverbind lichen Wechselschuld nicht als Vermögensbeschädigung betrachteten. — Ebenso ver hält es sich mit der Abtretung eines Forderungsrechts: Münch. 4. Okt. 73 (StZ. III, 123); desgl. mit der Belastung in einer laufenden Rechnung: OT. 20. Febr. 73 (O. XIV, 151).
25. Eine Vermögens gefährdung stellt eine Vermögensbeschüdigung dar, wenn nach der konkreten Sachlage schon die eingetretene Gefahr eines Verlnsts, also die Ungewißheit darüber, ob nicht ein Verlust eintreten werde, den Vermögens werth vermindert: RPl. 20.Apr 87. Rill. 8. Nov. 83. (E. XVI, 1; IX, 168), OT. 10. Dez. 69 (O. X, 782); z. B. die Erlangung eines unsichern Forderungsrechts oder die Annahme eines zweifelhaften Zahlungsmittels: cit. Rill. 8. Nov. 83, OT. 19. Juni 73, 6. März 74 (O. XIV, 448; XV, 132), insbesondere die Hingabe eines Darlehns an einen unsicheren Schuldner, sollte auch später die Rückzahlung erfolgen: OT. 26. Okt. 70, 29. Nov. 71, 28. Mai 73 (O. XI, 529; XII, 598; XIV, 407); die Erlangung einer zweifelhaften Hypothek oder die Gewährung eines Kredits statt der zu beanspruchenden Baarzahlung: OT. 6. Nov. 63,-18. Sept. 74 (O. IV, 161; XV, 576), Dresd. 12. Mai 71 (GA. XIX, 765); vgl. n. 16; die Nothwendigkeit, einen Rechtsstreit führen zu müssen, die Verwicklung in einen Prozeß (oder in ein Gantverfahren) RIV. 5. Dez. 84 (R. VI, 784). ,ÖT. 5. Juli 65, 14. Febr. 71, 10. Juni 74, Manh. 10. Nov. 77 (O. VI, 233; XII, 110; XV, 381; BA. 43 s. 345); vgl. HStR. II, 253ff. Contra: Schw. n. 6. 7. Anders liegt der Fall, wenn die bioße Möglichkeit eines künftigen Vermögensschadens begründet wird, eine actuelle Beeinträchtigung des Vermögenszustandes daher nicht vorliegt; Beispiel: Versendung von FenerwerkSkörpern mittels Eisenbahntransports; vgl. Rill. 22. Febr., 8. Nov. 83 (E. VIII, 68; IX, 168). 26. Das Eingangs der n. 25 Gesagte gilt ferner von der (die Beweiölast er schwerenden) Entziehung eines Beweismittels: Rill. 12. Okt. 85 (E. XIII, 6), OT. 11. Dez. 67 (O. VIII, 786), sowie umgekehrt von dem Falle, wo der Gegner eine bevorzugte Klage oder ein Beweismittel für einen ein Vermögensrecht betreffenden Anspruch (z. B. eine Quittung über eine nicht geleistete Zahlung oder eine Bescheinigung über nicht bewilligte Zahlungsfristen) erlangt: QT. 30. Nov. 66 (O. VII, 677), Münch. 13. März 76 (BE. VI, 107: mithin liege in einem solchen Falle nicht etwa ein bloßer Versuch vor, wenn der Thäter seinen Endzweck doch nicht erreichte, wenn dem Verletzten vielmehr gelang, die ihm aus dem Mangel des Be-
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meismittels drohenden Folgen abzuwenden). Ebenso verhält es sich mit der Werterbegebung eines bereits bezahlten Wechsels: OT. 25. Sept. 62 (III, 32); vgl. n. 24. 51. • 27. Dagegen enthält die Auflösung eines doloser Weise zu Staude ge kommenen Vertrags keine Vermögensbeschädigung auf Seiten desjenigen Contraheuten, roelchem im Falle der Klage auf Erfüllung eine alle Vertragsansprüche vernichtende exceptio doli entgegengestanden hätte: Rill. 7. Juli 84 (E. XI, 72). Ebendies gilt von der bloßen Erfüllung einer Verbindlichkeit; es ist daher kein Betrug, wenn Jemand durch Täuschung veranlaßt wird, dasjenige zu leisten, was er rechts verbindlich schuldet: Rill. 25. Oft. 83 (R. V, 640), OT. 17. Febr. 70 (Entsch. dess. 44.2.93), sollte auch die Forderung durch Urtheilsspruch noch nicht festgestellt fein: OT. 24. Oft. 78 (O. XIX, 483); vgl. n. 6. 16. Das Gegentheil ist der Fall, wenn Jemand, um Sicherheit bzw. Deckung für eine Forderung zu erhalten, seinen Schuldner durch Täuschung veranlaßt, ihm Vermögensstücke zu überliefern; so: Rill. 10. Jan. 80 (E. I, 55). 28; Gleichgültig ist es, ob die herbeigeführte Vermögensbeschädigung un vermeidlich war: OT. 19. Sept. 55 c. Baum; vgl. n. 13. 28a. Um so viel weniger schließt der Verkauf einer Aktie rc. zum Tages kurse die Möglichkeit eines Betrugs aus; er seht nur den Käufer in die Lage, durch sofortigen Weiterverkauf der Aktie rc. den etwaigen Vermögensschaden auf Andere zu übertragen; ev. wären dann diese die „Beschädigten"; sö: OT. 21. Oft. 75 (GA. 23 s. 560); vgl. n. 28 b. 28b. Die Beschädigung des Vermögens einer Aktiengesellschaft ist mit telbar eine Beschädigung des Vermögens der Aktionäre. Ob dieselbe sofort oder erst später, ob sie zum Nachtheile der jetzigen oder zum Nachtheil der späteren Aktienbe sitzer existent wird, ist gleichgültig: Dresd. 16. April 77 (SGZ. 22 s. 46); vgl. n. 28a. 28c. Eine Vermögensbeschädigung zum Nachtheile dessen, welcher an einen Nichtberechtigten Leistet, wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß jener sonst dieselbe Leistung (unentgeltlich) einem Andern gemacht hätte: Rl. 12. 81 (A. III, 583: betr. Erschleichung einer Ausstellungsprämie). 29. Durch die Absicht und Möglichkeit eines später zu leistenden Ersatzes wird die Vermögensbeschädigung nicht aufgehoben; die demnächstige Leistung eines solchen beseitigt dieselbe nur für die Zukunft, macht also den früher vollendeten Betrug nicht straflos: OT. 27. Jan. 70. 20. Febr. 73 (O. XI. 60; XIV, 151); vgl. Rill. 10. Jan. 80 (E. I, 55). Dasselbe gilt von einer eine Kompensation ermöglichenden Gegenforderung des BetrügerS: OT. 7. Febr., 13. Juni 73; contra: OT. 20. Sept. 71 (O. XIV. 125. 419; XII, 475). Noch unbedenklicher wird der durch einen Verkaufsabschluß verübte Betrug durch die spätere Annullirung des Vertrags nicht wieder aufgehoben: OT. 18. Sept. 74 cit. n. 25. Vgl.». 4. 7.13.16.25. 30. Auch die Vermögensbeschädigung muß eine rechtswidrige sein. Als eine solche ist die durch den Ehemann bewirkte Belastung der Gütergemeinschaft mit einer simulirten Forderung zum Nachtheile der Frau auch dann anzusehen, wenn jener unbeschränkt befugt war, ernstlich gemeinte Schulden zu machen; vgl. R1I. 12. Nov. 80, 17. Oft. 82 (E. II, 436; VII, 133: im zweiten Falle war die Ehe eine ungültige, weil bigamische; gleichwohl genieße die Frau nach dem Pr. ALR., so lange die Ehe nicht für nichtig erklärt sei, die Rechte einer in Gütergemeinschaft lebenden Ehefrau), OT. 30. Sept. 68 (O. IX, 518). 30a. Für die Frage, ob ein Betrug im In lande verübt sei, ist es ohne Belang, ob die Vermögensbeschädigung im Jnlande eintrat, eine im Zulande befindliche Person betraf; so: Rl. 25. Sept. 84 (E. XI, 245); vgl. § 3 n. 10. 31. Die Feststellung des Betrags der zugefügten Vermögensbeschädigung, (d. h. also die Bezifferung der Differenz zwischen dem Geldwerth des Vermögens vor der Täuschung und demjenigen des Vermögens nach sowie in Folge derselben) ist nicht geboten: Rl. 22. April 80, Rill. 9. Juni 87 (R. I, 645; XVI, 161), und ebensowenig diejenige des Betrags des erstrebten Vermögensvortheils OT. 22. April 79 (O. XX, 219). Jena 77 (Voll. 25 s. 163) erachtete mit der Feststellung der auf Erlangung eines rechtswidrigen Dermögeusvortheilö gerichteten Absicht auch das Bewußtsein des Thäters vom Eintritte der Beschädigung des Vermögens eines An deren (n. 11) für festgestellt [?]; vgl. n. 12. 32. Die Vermögensbeschädigung muß „durch (gewollte: Rill. 26. Mai 82, Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aust.
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E. VI, 360) Erregung rc. eines Irrthums" zugefügt sein. Es ist kein Betrug, wenn Jemand durch Täuschung veranlaßt wird, etwas zu thun, waS er auch ohnedies zu thu» Willens und bereit war: RI. 10. Nov. 79 (R. I, 48), OT. 31. Jan. 68 (O. IX, 77): doch schließt die bloße Möglichkeit, daß der durch Täuschung zu einem Handeln Veranlaßte ebenso gehandelt hätte, wenn er nicht ge täuscht worden wäre, die Anwendung des § nicht aus; so: Manh. 15. Nov. 76 (BA. 43 s. 46). Jedenfalls wird der Thatbestand des Betrugs Versuchs nicht durch die Möglichkeit ausgeschlossen, daß die im Falle des Gelingens zugefügte Vermögensbeschädigung mtd) ohne die beabsichtigte Jrrthumserregung eingetreten sein würde: OT. 20. Dez. 76 (O. XVII, 832); vgl. n. 38. Ebendeshalb genügt nicht schon der Gebrauch eines falschen Namens beim Abschlüsse eines Vertrags, wenn nicht eben hierdurch die Beschädigung verursacht, z. B. eine Klageverfolgung erschwert ist; vgl. Dresd. 2. Sept. 73 (StZ. II, 116). Aus demselben Grunde ist es kein Betrug, wenn Jemand ein erschlichenes (echtes) Wechselaccept weiter begiebt, ohne der Erschleichung Erwähnung zu thun: DreSd. 20. Okt. 73 (SGZ. XVIII, 87), noch auch, wenn ein Käufer den Verkäufer durch Täuschung bestimmt, ihm die be reits gezahlte Kaufpreissumme wieder vorzuzeigen, letztere dann plötzlich einstreicht, um durch Verweigerung der Rückgabe einen Nachlaß am Kaufpreis zu erzwingen, und seinen Zweck auf diesem Wege auch wirklich erreicht; so: Münch. 17. Aug. 77 (BE. VII, 382); vgl. übrigens n. 33. Wohl aber kann jener Zusammenhang darin gefunden werden, daß die Diskontirung von Gefälligkeitswechseln durch das falsche Vorgeben, es seien reelle Geschäftswechsel, herbeigeführt wurde: OT. 25. Mai 77 (O. XVIII, 345). — Jener Kausalzusammenhang bedarf der ausdrücklichen Feststellung: OT. 10. Dez. 68, 4. Febr. 70 (O. IX, 718;' XI, 75), Münch. 16. Nov. 77 (BE. VII, 475). 32 a. Ein Kausalzusammenhang zwischen der Jrrthumserregung und dem ge suchten „VermögenSvortheil" ist nicht erforderlich; contra: Rill. 21. Dez. 81 (E. V, 277: mindestens insofern, als der strafbare Vorsatz des Thäters die Täuschung und die dadurch verursachte Vermögensbeschädigung als die ihm Gewinn bringen den Faktoren in Bewegung setzen müsse); vgl. n. 12. 33. Da es kaum denkbar sein wird, daß die Jrrthumserregung, also etwas rein Geistiges, unmittelbar eine Einwirkung auf das Vermögen als etwas Sach liches ausübe, so wird wesentlich vorausgesetzt, daß durch die JrUhumSerregung der Getäuschte zu irgend einem Thun oder Unterlassen bestimmt werde, welches die Vermögenöbeschädigung zur Folge hat: OT. 16. Febr. 72 (GA. XX, 111). Sonach genügt ein mittelbarer Kausalzusammenhang zwischen Täuschung und Beschädi gung: Stuttg. 14. 3cm. 74, Dresd. 16. Jan. 74 (WGbl. VIII, 233; StZ. IV, 184), und -war selbst dann, wenn der durch die Täuschung erregte Irrthum die Ursache des Irrthums einer andern Person ist, welcher für diese letztere die Vermögensbe schädigung hervorruft: RI. 25. Sept. 84 (E. XI, 245: demgemäß stelle die Täuschung auch bei nur mittelbarem Zusammenhang eine Betrugs- und keine bloße VorbereitungsHandlung dar). Daß der Betrüger selbst, nach der Jrrthumserregung, noch eine weitere Thätigkeit zur Herbeiführung der Vermögensbeschädigung entwickelte, gehört nicht zu den Merkmalen des Betrugs: RHI. 3. Dez. 79 (R. I, 111). 34. Welcher Natur dasjenige Thun (Unterlassen) gewesen, zu welchem der Getäuschte veranlaßt worden, ist für den Thatbestand gleichgültig; dasselbe braucht sonach nicht in der Eingehung eines Rechtsgeschäfts zu bestehen: ein Betrug kann sehr wohl auch in Beziehung auf ein bereits bestehendes Rechtsverhältniß, namentlich in Bezug auf die Erfüllung eines Vertrags verübt werden: OT. 26.Okt. 53, Darmst. 8. Mai 76 (GA. II, 832; HE. f. 64). Ebensowenig braucht die Handlung in einer unmittelbaren Disposition über Vermögensrechte zu bestehen; beispiels weise kann eine durch Täuschung herbeigeführte sog. reiche Heirath nach Umständen unter den Begriff des Betrugs fallen: § 253 n. 4, RII. 21. Mai 86 (E. XIV, 137: dann nämlich, wenn die Absicht des Ehemannes von vornherein darauf gerichtet war, das Vermögen der Frau nicht für die Zwecke der Ehe, sondern selbstnützig für sich zu verwenden); contra: Merkel s. 763; vgl. auch Rill. 22. Jan. 83 (E. VIII, 12), Olöh. n. 26. 44. Sogar eine strafbare Handlung kann genügen. 35. War der erregte Irrthum für den Getäuschten der B e st i m m u n g s g r » n d, welcher ihn zu dem beschädigenden Handeln oder Unterlassen veranlaßte, so ist es unwesentlich, ob derselbe sich für rechtlich verpflichtet erachtet hatte, so zu han-
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dein rc.; der § trifft auch da zu, wo er aus freier Entschließung und mit dem Be wußtsein seiner Handlungsfreiheit thätig war: OT. 6. Nov. 63, 8. Znni 66, 26. Apr., 27. Sept. 76 (O. IV, 161; VII, 388; XVII, 279. 606). 36. Demgemäß liegt ein Betrug auch da vor. wo Jemand durch Täuschung veranlaßt ist, eine vermeintliche moralische Pflicht zu erfüllen, ein Geschenk (eine Unterstützung) zu geben, odereine Mildthätigkeit zu üben; z. B. wenn ein Bettler durch falsche Vorspiegelungen den Glauben erregt, daß er nur durch einen Unglücksfall momentan hnlfSbedürftig geworden sei; vgl. Ni. 4. Juli 81, Rill. 26.' Mai 82 (E. IV, 352; VI, 360), ÖT. 6. März 56, 6. Sept. 76 (JMbl. 56 s. 115; O. XVII, 545), Dresd. 30. DU. 71, 17. März 73, 10. April 76 (SGZ. XVI, 56; XXI, 51; StZ. III, 24), Molfenb. 9. Sept. 73 (StZ. III, 124), m. f. 556, HStR. II, 249, ML. s. 563; contra: OT. 7. Okt. 62 (O. III, 82: bei!.), und für den Fall einer gemeinen Bettelei unter lügenhaften Vorspiegelungen: OT. 22. Sept. 53 (Entsch. dess. 26. 155); cit. Wolfenb. -- Jedenfalls trifft tz 263 zn, wenn sich die Täuschung auf die Person bezog, welcher das Geschenk zufließen sollte, z. B. angeb liches Kollektiren für milde Zwecke; RII. 3. Nov. 85 (Ii. VII, 638), Münch. 17. Jnli 75 (BE. V, 360), Rnd. n. 8; contra: Merkel Abh. s. 200 (nimmt hier Unterschlagung an); sowie da, wo eine Gemeinde-Armenverwaltung durch Täuschung zur Verab reichnng einer Unterstützung veranlaßt ist (sie will keine Mildthätigkeit üben, sondern eine Pflicht erfüllen): OT. 8. Jnli 70 (O. XI, 394). — Vgl. WGbl. VII, 247. 37. Wegen des Mangels des Kausalzusammenhanges zwischen Täuschung und Vermogensbeschädigung stellt die Nichterfüllung einer Verbindlichkeit,' oder der Mißbrauch einer vertragsmäßig erworbenen Be fügn iß (z. B. Ueberschreitnng der vertragsmäßigen Anzahl der Exemplare eines verlegten Werks Seitens des Ver legers) keinen Betrug dar: Dresd. 4. Dez. 71 (StZ. I, 293). Anders, wenn schon beim Eingehen der Verbindlichkeit deren Nichterfüllung beabsichtigt, die betreffende Zusage daher (von vorne herein) nicht ernstlich gemeint, sondern nur die Form, bzw. das Mittel war, vom Mitkontrahenten die ausbedungene Gegenleistung zn erlangen; vgl. n. 46, Dresd. 11. Febr. 78 (StZ. VIII, 228: betraf das Erschwindeln von MiethPfennigen); contra: Dresd. 8. Mai, 17. Nov., 16. Dez. 71,2. Sept. 72 (SGZ. XV, 157; XVI, 91. 235. 361; StZ. II, 116), Mnnch. 28. Febr. 73 (StZ. II, 292). Schw., SGZ. XVI, 294. 38. Liegt der Kausalzusammenhang vor, so wird die Strafbarkeit nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Beschädigung auch ohne die Täuschung (in Folge eines anderen Ereignisses) eingetreten sein würde; vgl. n. 32; noch dadurch, daß andere Umstände für den die Beschädigung herbeiführenden Entschluß des Geschädigten mitbestimmend waren: Rill. 23. Febr. 81 (K. III, 392), OT. 10. Okt. 77, Münch. 15. Juli 85 (O. XVIII, 625; BE. III, 474). Immerhin ist aber zwischen Veran lassung und Ursache zu unterscheiden; war die Täuschung nur die (entferntere) Ver anlassnng für das Thun deö Geschädigten, nicht der eigentliche Bestimmungsgrund, so fehlt überhaupt der Kausalzusammenhang nnd ist daher mindestens kein vollendeter Betrug gegeben: cit. Rill. 23. Febr. 81 (i. c. hatte Angeklagter fälschlich die Hypotheken freiheit seines Guts behauptet und das Grundbuchamt ans Anfrage dies irriger Weise bestätigt); vgl. n. 61. 39. Der Irrthum muß „durch Vorspiegelung einer falschen oder durch Ent stellung einer wahren Thatsache" rc. erregt sein. In Betreff des Begriffs „That sache" vgl. § 131 n. 2, § 186 n. 7. 8. Die ältere Rechtsprechung hat dem Begriffe hier mitunter eine engere Bedeutung beigemessen und von demselben namentlich innere Zustände deS Menschen grundsätzlich ausgeschlossen; contra (mit Recht): Haager, GSaal 27 s. 575; vgl. n. 45. 46. Ob die Thatsache der Vergangenheit angehören, oder zur Zeit noch bestehen soll, ist gleichgültig: OT. 12. Okt. 60 c. Günther; ebenso ob sie mit Sicherheit festgestellt werden kann; es genügt, wenn auf ihre Existenz eine Schlußfolgerung zu ziehen ist: OT. 2. Dez. 69 (O. X, 758). Demgemäß gehören nicht allein alle Eigenschaften und Zustände eines Gegenstandes der Kürpermelt, z. B. das Gewicht eines Gegenstandes bei Verkäufen nach Gewicht: OT. 9. Jan. 77 (O. XVIII, 18), Münch. 23. Jan. 85 (BE. III, 321), die Realisirbarkeit, bzw. Er weislichkeit einer Erbschaft: OT. 4. Jan. 77 (GA. 25 s. 56); die amtliche Eigenschaft einer Person: OT. 22. Dez. 76 (O. XVII, 846) hierher, sondern auch Dasjenige, was nur der Gedankenwelt angehört, sobald es als Feststehendes. Anerkanntes, nach Außen erkennbar Gewordenes erscheint: OT. 23. Okt. 73 (O. XIV, 659); z. B.
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der Curs eines Werthpapiers: OT. 21. Apr. 74 (O. XV, 244), sowie überhaupt der Werth von Sachen und die Art seiner Ermittelung (selbst wenn letztere cituf einer Selbstschähung des Angeklagten, mithin auf dessen subjektiver Ansicht bernhien soll): OT. 15. Nov. 76 (O. XVII, 740); vgl. Dresd. 30. Nov. 75 (SGZ. XX, 15: betraf die Versicherung, eine Bank sei gut, abgegeben bei einem Geschäfte in Papieren derselben). Ob die vorgespiegelte Thatsache thatsächlich, juristisch oder moralrsch möglich war, ist gleichgültig, sofern nur der Glaube an ihre Existenz hervorgerufen werden sollte (Beisp.: der Besitz übernatürlicher Kräfte rc.): OT. 15. Dez. 65 (O. V, 365), cit. OT. 23. Okt. 73. OT. 16. Juli 75 (O. XVI, 550), HStR. II, 202; contra: Zimmerm., GSaal 29 s. 131. 40. Hiernach ist auch das Vorhandensein eines Rechts bzw. Rechtsan spruchs eine Thatsache: OT. 21. Jan. 63, 12. Febr. 79 (O. III, 225; XX, 7.8: jeder Rechtserwerb setze eine Thatsache voraus; wer sich auf ein Recht berufe, be haupte damit gleichzeitig eine Thatsache, aus welcher dasselbe hervorgegangen sei); vgl. OT. 18. Jan. 78 (ib. XIX, 28: eine „Thatsache" sei freilich nicht die Vornahme einer juristischen Interpretation als einer geistigen Thätigkeit; wohl aber könne im Vorhandensein einer bestimmten Rechtsüberzeugung über Inhalt und Bedeutlrng einer Willenserklärung bei dem Erklärenden, bzw. die Erklärung Annehmenden eine innere „Thatsache" erblickt werden). 41.................. ebenso das Bestehen einer Rechtsnorm (einer feststehenden Ge richtspraxis, eines Verwaltungsgrundsahes); ein Betrug kann daher durch Erregung eines Rechtsirrthums verübt werden: Rill. 7. Jan. 80 (R. I, 196: betraf eine Täuschung über die rechtlichen Folgen der Unterzeichnung eines Wechsels). Rl. 3. Okt. 81 (ib. III, 579), OT. 17. Okt. 67, 8. Juli 70 (O. VIII, 605; XI, 403). Daraus darf jedoch nicht gefolgert werden, daß die wissentliche Ueberschreitung einer gesetzlich (obrigkeitlich) festgesetzten Taxe, selbst ohne Hinzutritt besonderer Umstände, einen Betrug darstelle; vgl. Dresd. 24. Nov. 73 (StZ. III, 357); § 352 n. 5. 42. Ebenso gehört hierher das absichtliche Ziehen einer falschen (thatsächlichen) Schlußfolgerung aus richtigen Voraussetzungen, z.B. die Angabe eines falschen Ergebnisses einer in ihren einzelnen Aufstellungen richtigen Berechnung: OT. 8. Febr. 67 (O. VIII, 107); vgl. n. 40. 43.................. ebenso die vorgegebene Nichtkenntniß eines dem Gebiete des Thatsächlichen angehörenden Umstands: OT. 12. April 61 c. Dahlström. 43a..................ebenso die Vorspiegelung des Besitzes sicherer Heilmittel und der Fähigkeit, die einzig sichere Belehrung über Heilung gewisser Krankheiten zu ertheilen: OT. 13. März 79, Münch. 20. April 82 (GA. 27 s. 373; BE. II, 58) oder sich auf die Heilung von Krankheiten aller Art zu verstehen: Rill. 12. Mai 87 ^ (GA. 35 s. 209: mindestens unter Unlständen). 44..................ebenso die voraussichtlich künftige Rentabilität eines Unter nehmens; contra: HS. II, 361 (sofern die Vorspiegelung sich nicht zugleich auf eine Wahrheitsentstellung rücksichtlich der Thatsachen gründe); vgl. n. 15. 39.47. 44a.................. ebenso die Vorspiegelung der eigenen (augenblicklichen) Solvenz: Rill. 3. 10. April 80 (R. I, 535. 563: seien daraufhin Waaren geliefert worden, so könne Betrug angenommen werden, wenn auch die Absicht, das Gekaufte nicht zahlen zu wollen, nicht feststehe), z. B. die falsche Angabe eines Creditsuchenden, ein sicherer Mann zu sein: RII. 1. Juni 83 (R. V, 395). Doch ist jene Vorspiegelung nicht schon in einer Bestellung auf Credit seitens eines zur Zeit insolventen Kauf manns (implicite) enthalten; so: Rill. 7. April 80 (E. II, 5): vgl. n. 46. 54. 44b. Ferner kamt in der Abnahme und Annahme von Schein geboten (bei einer Versteigerung) das Vorspiegeln einer falschen bzw. das Unterdrücken einer wahren Thatsache erblickt werden: RII. 30. Nov. 79 (GA. 28 s. 35), OT. 20. Sept. 78 (O. XIX, 425). 45. Ebenso ist die unwahre Versicherung einer bei einem Dritten vorwal tenden Absicht, z. B. daß ein Dritter bereit sei, eine fremde Verbindlichkeit zu er füllen, als Trassat einen Wechsel zu acceptiren, zur Herstellung eines Betruges ge eignet: RI. 24. Sept. 83 (R. V, 542), OT. 24. Mai 71, 23. Okt. 73 (O. XII. 284 ; XIV, 659), Münch. 7. Mai 83 (BE. II, 414). 46. Dasselbe gilt nicht minder von dem Vorspiegeln'rc. der eigenen Ab sicht, in irgend einer Weise zu handeln; ebenso: Ri. 8. März, 6. Dez. 80, Rill. 11. Mai 81, 25. Okt. 83 (E. I, 305; III, 142; R. III, 294; V, 640). Namentlich
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durch Uebernahme einer Verbindlichkeit, welche nicht zu erfüllen man von An fang an entschlossen war, ein Betrug verübt werden, wenn jene lediglich als Mittel zur Erlangung einer ausbedungenen Gegenleistung diente, sollte lehere auch nur in einem Handgelde, z. B. in sog. Miethpfennigen bestehen: cit. Rill. 25. Okt. 83, Ltuttg. 12. Nov. 73, Manh. 6. Juli 72, 14. Juli 77, Wolfenb. 8. März 77 (StZ. III, 214; BA. 38 s. 241; 43 s. 216; Br. Z. 24 s. 65), Darmst. 25. Okt. 75 (HE. s. 43: betraf eilt Eheversprechen), Haager, GSaal 27 s. 564, Zimmermann, ib. 29 s. 138; vgl. n. 37. Dem entsprechend erblickten RI. 10. Juni 80 (R. II, 54), OT. 3. Juni 75, 10. Apr. 78 (O. XVI, 425; XIX, 208) in dem fälschlichen Vorgeben, vtitc Schuld (einen Wechsel) zur Stelle (mit aufgezähltem Gelde) zu bezahlen, bzw. ein Kaufgeschäft gegen Baarzahlung eingehen zu wollen, Rill. 24. Jan., 11. Dez. 80 (R. I, 272; II, 629), OT. 19. Nov. 74 (O. XV, 795) in einer nicht ernstlich gemeinten Bestellung (einer Waare bei einem Kaufmanne) die Vorspiegelung einer falschen Thatsache; vgl. auch n. 54. Contra: die frühere Rechtsprechung des Pr. OT.'s, welche annahm, die angeblich vorhandene eigene Willensrichtung in Beziehung auf ein späteres Thun oder Unterlassen, insbesondere auf die künftige Erfüllung einer übernommenen Verbindlichkeit, sei zu sehr dem Wechsel der Ent schließung ausgesetzt, um für eine „Thatsache", also für etwas Fertiges, zur Existenz Gelangtes gelten zu können; vgl. OT. 24. Nov. 53, 22. Sept. 65 (Entsch. desf. 26 s. 418; O. VI. 326); ferner OT. 3. Nov. 77 (O. XVIII, 689: betr. Verlassen des Dienstes nach Empfang eines unter Verschweigung der desfallsigen Absicht begehrten Lohnvorschusses); ähnlich: Dresd. 2. Sept. 72, Münch. 28. Febr. 73, 13. Mai 75 (StZ. II. 116. 292; BE. V, 202), Meckl. OG. GSaal 28 s. 506), Merkel HH. III, 753, HStR. II. 263. 47. Die Thatsache muß konkreter, spezieller Natur sein; allgemeine Ur theile und Anpreisungen in Betreff gewisser, einer Person oder Sache angeblich bei wohnender, durchaus relativer und eben deshalb objektiv gar nicht festzustellender Eigenschaften gehören nicht hierher. Dagegen kann unbedenklich in der Versicherung bestimmter angeblich vorhandener Eigenschaften, zumal solcher, welche, wenn sie Sachen betreffen, Gegenstand der Gewährleistung sein würden, das Vorbringen falscher Thatsachen gefunden werden; z. B. in Versicherungen über die Vermögensläge oder die Zahlungsfähigkeit einer Person (§ 207, I, 14 Pr. ALR. steht dem nicht entgegen): OT. 10. Okt. 66 (O. VII, 523); oder über den Werth eines Dermögensstückes (i. c. eines Grubenfeldes): Dresd. 19. Juli 78 (SGZ. 23 s.43); oder über den Ursprung, den Einkaufspreis oder eine spezielle Qualität einer Waare, insbesondere über die Gesundheit eines verkauften Stückes Vieh oder über die „Güte" einer Forderung: RI. 22. Jan. 80, 29. Sept. 83 (R. I, 261; V, 555: in letzterem Falle hatte ein Wirth gewöhnliches Bier als Culmbacher und zu dem höheren Preise des letzteren verkauft; hier werde die Anwendbarkeit des § 263 durch das Nahrungsm.Ges. v. 14. Mai 1879 § 10 nicht ausgeschlossen), Rill. 9. Juli 83 (A. VIII, 198), OT. 27. Okt. 66, 8. März 71 (O. VII, 588; XII, 142), Dresd. 8. März 72, 14. Jan. 78, Münch. 27. Juli 77 (StZ. 1.361; SGZ. 22 s.243; BE. VII, 328), id. 1. Juni 86 (BE. IV, 91: betr. die fälschliche Versicherung, ein Stück Tuch reiche zur An fertigung eines ganzen Anzugs hin), Dresd. 9. Juli 75 (SGZ. 20 s. 74); vgl. n. 51. Ob durch ein solches Vorbringen wirklich ein Irrthum erregt worden sei, i|t selbstin jedem Einzelfalle Gegenstand der thatsächlichen Beurtheilung. Gerade hier ist zit berücksichtigen, daß im kaufmännischen Verkehr unzählige Reklamen, Anpreisungen und Empfehlungen unter Hervorhebung spezieller Eigenschaften und Thatsachen vorkommen, welche kaum auf Glauben Anspruch machen und regelmäßig nicht geglaubt, durch die also auch eine Täuschung und Vermögensbeschädigung nicht herbeigeführt werden. 48. Die „vorgespiegelte" Thatsache muß objektiv „falsch" sein; wer eine wahre Thatsache in der irrigen Meinung, sie sei falsch, vorbringt, begeht, selbst wenn er dadurch täuscht, keinen Betrug. Ebenso genügt eS nicht, wenn der Andere durch die vorgebrachten wahren Thatsachen zu irrigen Schlüssen veranlaßt wird, insofern nicht mit jenem Vorbringen das Unterdrücken anderer damit int Zusammenhange stehender wahrer Thatsachen zusammentrifft. — Die Falschheit muß dem Angeschul digten nachgewiesen werden; es liegt ihm nicht ein Wahrheitsbeweis ob: OT. 9. März 71 (O. XII, 149). Jene bedarf der ausdrücklichen Feststellung, obgleich sie schon im Begriffe des Vorspiegelns enthalten ist; vgl. § 223 n. 23; contra: Wolfenb. 17. Dez. 78 (Br. Z. 26 's. 49). Fiiim
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49. Der Ausdruck „Vorspiegeln" hat die Anwendung arglistiger Veramstaltnngen oder Kunstgriffe (manoeuvre* tVaudulouses des franz. C. pen.) nicht Anr nothwendigen Voraussetzung: n. 58, Manh. 5. £!t. 78 (BA. 44 s. 248). Doch liegt im Begriffe des „Vorspiegelns" wie in dem des „Entftellens" und „Unterdrückens", daß die Handlung vorsätzlich, also mit der Kenntniß vom wahren Sachverhcrlte und mit dem Willen geschehe, den Andern in Irrthum zu versehen: IG. G2 (O. III, 79): ein fahrlässig es Vorspiegeln (Entstellen, Unterdrücken) ist nicht denkbar: OT. 2. Dez. 69 (O. X, 763). Jene Kenntniß ist durch die Feststellung einor „Vorspiegelung rc." genügend zum Ausdrucke gebracht; es bedarf daneben nicht der besonderen Hervorhebung derselben: OT. 26. Okt. 70 (O. XI, 529), Munich. 13. Juli 82 (BE. II, 159). 50. Besteht die vorgebrachte falsche Thatsache in der einem zuständigen Be amten gegenüber erfolgten Annahme falschen Namens (§ 360 Nr. 8), so liegt ein Fall der Ideal-Konkurrenz vor; vgl n. 32. 51. Nicht allein durch Aeußenmgen, sondern auch durch konkludente Hand lungen können unwahre Thatsachen vorgespiegelt und wahre entstellt (unter drückt) werden: Rl. 3. Jan. 81, Rill. 28. Jan. 82, 16. Febr. 81 (R. II, 600; IV, 89; A. III, 256). z. B. durch den Gebrauch eines unrichtigen Maßes rc., oder durch die täuschende Herrichtung einer verkäuflichen oder zu liefernden Waare; Dresd. 15. Sept.71, OT. 30. April. 5. Mai 74 (StZ. I, 123; O. XV, 264. 272); durch die zn letzterem Zwecke benutzte Wirkung chemischer Gesetze, indem z. B. sog. Kunst wein statt des bestellten Tranbenweins geliefert wird: RI. 20. Okt. 81 (E. V, 137), Manh. 5. Juni 75 (BA. 41 s. 225); durch das heimliche Besteigen eines zur Ab fahrt fertigen Eisenbahnwagens: Rl. 20. Juni 80 (R. III, 424: die Strafnachzahlung im Betretungsfalle sei für die vollendete Betrugshandlung einflußlos), OT. 26. Mai 76 (O. XVII, 383; vgl. n. 68); durch Vorweisen eines von einem Anderen gelösten, unübertragbaren Eisenbahnbillets an den controlirenden Schaffner: Rl. 7. Febr. 87 (R. IX. 114), durch Einziehung einer cedirten Forderung seitens des Cedenten: Rll. 12. Juli 81 (R. III, 476); durch Hingabe eines werthlosen oder durch Weiterbegebung eines bereits bezahlten Wechsels: OT. 25. Sept. 62, 25., 7. Sept. 77 (O. III, 32; XVIII, 589.549); durch falsches Spiel (falsche Würfel rc.): OT. 12. Dez. 62 c. Bormann. 7. Juli 58 c. Stnder; ja sogar durch den Gebrauch des eigenen Namens, meint dadurch (gewollter Weise) ein Irrthum in Betreff der richtigen Person her vorgerufen wird: Münch. 28. Mai 74 (StZ. IV, 60). — Aehnlich verhält es sich, wenn ein Apotheker statt der vom Arzte verschriebenen schlechtere und wohlfeilere Droguen despensirt, diese sich aber nach dem Preise der echten bezahlen läßt. Vgl. n. 52. 47. — Darum stellt zwar nicht jede bewußt vertragswidrige Leistung (z. B. die Lieferung schlechten Baumaterials, dessen Beschaffenheit schwer erkennbar ist) ein „Vorspiegeln rc." dar; wohl aber kann Solches angenommen werden, mentt jener der Schein einer vertragsmäßigen Leistung gegeben wird: Rill. 5. Juli 86, RI. 10. Jan. 87 (E. XIV, 310; R. IX, 15). e 52. Das Vorbringen falscher und das Entstellen wahrer Thatsachen setzen eine positive Thätigkeit voraus: ein lediglich negatives Verhalten, ein Unterlassen, z. B. das Verschweigen einer Thatsache genügt für sich allein dazu nicht. Dagegen kann ein „Unterdrücken wahrer Thatsachen" auch in -pflichtwidrigem Ver schweigen gefunden werden, sobald dasselbe geeignet ist, einen Irrthum zu er regen (vgl. ’§ 170: „arglistig verschweigt"); nur darf man hier nicht von einem allgemeinen Rechte auf Wahrheit sprechen, vielmehr wird eine besondere, anderweitig gegründete Pflicht, die Wahrheit zu sagen, vorausgesetzt: OT. 24. Okt., 28. Nov. 72 (O. XIII, 552. 635), Manh. 19. Juli 79 (DA. 45 s. 180: betraf das pflichtwidrige Verschweigen von Vermögensansprnchen seitens des Gantschuldners bei der notariellen 'Aufstellung der Gantmasse), z. B. wenn die betr. Mittheilung eine amtlich gebotene ist: OT. 8. Mai 78 (O. XIX, 248); oder wenn Jemand sich einem Andern gegen über speziell verpflichtet hat, ihn von gewissen Vorkommnissen in Kenntniß zn setzen: Dresd. 8. Dez. 71 (SGZ. XVI, 188). Es reicht aber auch aus, wenn der Angeschuldigte sich zwar nicht ausdrücklich zu einer solchen Mittheilung verpflichtet, aber Handlungen vorgenommen hat, welche für ihn die Verbindlichkeit begründeten, gewisse dazu in Beziehung stehende ihm bekannte Thatsachen zur Kenntniß des Andern zn bringen (Beisp.: ein Lotterie-Kollekteur verkauft ein LooS, wissend daß es schon als Niete gezogen ist): Rll. 12. Juli 81 (dt. n. 51), OT. 1. März 72,
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30. Okt. 73, (O. XIII, 89; XIV, 679), Dresd. 8. Apr. 72 (StZ. I, 294). Das Gegen-
theil gilt, wenn Jemand bei der Begebung eines Wechsels verschweigt, daß die Valuta noch nicht gezahlt ist (WO. Art. 23); so: OT. 10. Juli 73 (D.* XIV, 491); ii. 15 a. (5. — Jene Pflicht braucht auch nicht nothwendig eine rechtlich zwin gende zu fein, es genügt, wenn sie (nach der allgemeinen Rechtsanschauung) durch die Rücksichten der Redlichkeit im Berkehr oder' der Moral geboten war: OT. 1. Marz 67, 30. Jan. 68, 2. Juli 69, 31. Okt. 73, 20. Jan. 75 (O. VIII, 142; IX, 77; X, 478; XIV, 679; XVI, 58), eit. OT. 1. März 72; z. B. beim Abschlüsse eines BertrageS (auch beim Viehhandel): OT. 19. Nov. 69 (O. X, 725), Manh. 2. April 78 (BA. 44 f. 168). Contra: Rll. 9. Nov. 80, 4. Nov. 79. RI. 3. Jan. 81 (E. II, 430; R. I, 35; II, 690), Münch. 1. Juni 87 (BE. IV, 467) und Haager, GSaal 27 f. 588; diese fordern die Verletzung einer Rechtspflicht, und zwar Haager eine solche, welche nach beit Grundsähen des Civilrechts eine Nichtigkeits- oder Entschädigungs klage begründe; die citt. Erk. v. Nov. 80 und Juni 87 entschieden ferner, daß der Verkäufer in Ermangelung besonderer das Gegentheil vorschreibender Gesetze nicht die Rechtspflicht habe, dem Käufer unaufgefordert latente Mängel des Kaufobjekts, selbst solche, welche eine Gewährleistung bedingen, aufzudecken; vgl. HS. II, 364, HStR. II, 259, Merkel s. 752. Jedenfalls ist ein „Unterdrücken" in dem Verschweigen von Thatsachen, auch ohne daß eine Rechtspflicht zur Mittheilung derselben besteht, dann zu finden, wenn diesem (Verschweigen) ein actives, auf Täuschung angelegtes Verhalten des Angeklagten hinzutritt; so: RI. 15. März 80, RIV. 20. Dez. 87 (E. I, 314; R. IX, 742). — Hierbei ist übrigens in Betracht zu ziehen, daß der Eintritt in ein bestilnmtes Rechtsgeschäft regelmäßig die Behauptung gewisser Eigenschaften und Umstände stillschweigend in sich schließt (Beisp.: wer eine Sache verkauft, be» hauptet damit, daß er die Disposition über sie habe), daß daher das unredliche Verschweigen erheblicher Thatsachen bei Vertragsabschlüssen in gar vielen Fällen schon mit Rücksicht auf das unter n. 51 Gesagte als Täuschung im Sinne des § erscheint; vgl. ML. s. 557, ferner oben n. 46. — Das (unredliche) Verschweigen einer Thatsache bei der Verabredung eines Rechtsgeschäfts kann als Unterdrückung der selben angesehen werden, wenngleich es für die rechtliche Wirksamkeit jenes Geschäfts ohne Einfluß war: OT. 8. Nov. 76 (O. XVII, 721). 53. Das unvollständige Vorbringen wahrer Thatsachen und das Verschweigen eines wesentlichen Theils derselben stellt nicht nur eine Unterdrückung, sondern auch eine Entstellung wahrer oder selbst die Vorspiegelung falscher (weil nicht wahrheitsgetreuer) Thatsachen dar; z. B. wenn Jemand beim Vorlesen einer Schrift absichtlich eine Stelle übergeht; vgl. OT. 27. März 67, Münch. 11. Aug. 85 (O. VIII, 220; BE. III, 502). Ebenso ist bei einem von Mehreren geplanten Unter nehmen daö Stillschweigen des Einen zu den Vorspiegelungen der Anderen als positive Thätigkeit (n. 52), und zwar als eine zur Jrrthumserregung mitwirkende Bestätigung jener Vorspiegelungen zu betrachten: Rill. 15. März 80 (E. I, 309), OT. 13. Juni 76 (GA. 24's. 587); § 47 n. 14. 54. Nach dem unter n. 51. 52 Gesagten ist das Verschweigen der eigenen Zahlungsunfähigkeit beim Abschlüsse eines Rechtsgeschäfts (z. B. beim Zehren in einem Wirthshanse) als das „Unterdrücken" jener Thatsache (oder als das Vor spiegeln der Zahlungsfähigkeit und des Willens zu zahlen: ». 44a. 46) anzusehen, wenn der Thäter durch irgend ein Thun bei beut Andern den Glauben an seine Zahlungsfähigkeit hervorgerufen hat: RI. 3. Jan. 81, Rill. 16. Febr. 81, 28. Jan. 82 (citt. n. 51), Dresd. 15. Sept. 71. 26. Febr. 72, 11. August 73 (SGZ. XV, 283; XVI, 235; XVII, 284), Zäpe, SGZ. XIX, 84; contra: ÖT. 24. Nov. 53 (Entsch. dess. 16 s. 418, welches in einem solchen Falle den Thatbestand des Betrugs unbe dingt verneinte). — In Betreff der Scheingebote vgl. n. 44 b. 54a. Endlich kann ein „Unterdrücken" von Thatsachen in Handlungen gefnndeit werden, welche bezwecken, die Aufklärung eines bei dem Andern vorwaltenden Irrthums durch einen Dritten zu verhüten: OT. 7. Febr. 77 (O. XVIII, 99); vgl. n. 56. 55. Durch die Vorspiegelung (Entstellung, Unterdrückung) der rc. Thatsache muß (gewollter Weise) ein „Irrthum erregt" sein; es folgt dies nicht von selbst aus dem Vorbringen unwahrer Thatsachen rc. Die Jrrthumserregung braucht im Uebrigen nicht für sich allein schon eine rechtsverletzende zu sein: OA. 26. April 71 (O. XU, 227).
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56. Der Erregung eines Irrthums ist die „Unterhaltung" eines folgert gleichgestellt; dazu genügt nicht die Benutzung eines schon bestehenden Jrrthnnus, das bloße Belassen in demselben; vielmehr muß der Andere durch die Vorspiegielnng rc. in seinem Irrthum bestärkt, in seinem irrigen Glauben erhalten sein: RLI. 27. Nov. #3 (A. IX, 9: fordert eine äußere Thätigkeit zu diesem Behufe), O'T 23. Mürz 70, Manh. 29. Juli 73 (O. XI, 185; BA. 40 s. 93). Es kommt soncvch 'wesentlich darauf an. daß das Verhalten des Angeklagten für den im Irrthume Befangenen mit ein Bestimmungsgrund war, die vermögenschädigende Handlung vorzunehmen; vgl. Mot. s. 129. ' Demgemäß ist die Annahme einer freiwillig a.ngebotenen Nichtschuld oder einer falsch adressirten Sache für sich allein noch fein Betrug, es sei denn, daß das bewußte Verschweigen des wahren Sachverhalts (n. 52) dazu mitgewirkt hat, den im Irrthum Befangenen zur Vornahme seiner Handlung zu veranlassen. Vgl. RI 15. März 80 (E. I, 314: betr. Annahme b«d Betrags einer bereits getilgten Schuld). 57. Der erregte rc. Irrthum braucht nicht in einer festen, jeden Zweifel aus schließenden Ueberzeugung zu bestehen: es genügt eine irrige Anschauung, welche den Getäuschten zu irgend einem Thun (Unterlassen) bestimmt; deshalb schließt d»er Umstand, daß bei einem Vertragsabschlüsse die Möglichkeit einer Täuschung vorge sehen und daß für einen solchen Fall eine Konventionalstrafe stipulirt ist. die An nahme eines durch solche Täuschung verübten Betruges nicht aus: OT. 28. Mai 68, 15. April 69 (O. IX, 347; X, 233). 58. Gleichgültig ist, ob der erregte Irrthum ein leicht vermeidlicher war: RG. 24. Sept. 83, Rl. 12. Juni 84. Rll. 20. Sept. 87 (BA. 50 s. 154. 237; K. IX, 441), OT. 28. Febr. 73, 9. Jan. 77 (O. XIV, 181; XVIII, 18). Steht die Jrrthumserregung fest, so kann der Thatbestand des (vollendeten) Betrugs nicht deshalb verneint werden, weil das angewendete Mittel nicht geeignet gewesen sei, jenen Er folg herbeizuführen (von der Untauglichkeir des Mittels könnte nur bei einem Ver suche die Rede sein), oder weil der Getäuschte sich nicht hätte täuschen lassen sollen bzw. dürfen: OT. 31. Jan. 66, 21. Juni 76 (O. VII, 64; XVII, 443): vgl. jedoch n. 61. 65. Ebendeshalb bedarf es auch keiner besonderen Arglist: OT. 15. Okt. 56 c. Heinsills; vgl. n. 49. 59. Die Person des Getäuschten muß in der thatsächlichen Feststellung er kennbar gemacht werden; der nalnentlichen Bezeichnung bedarf es nicht: OT. 26. Febr. 69 (O. X, 111). Dagegen ist die Feststellung der Person des Beschädigten (n. 60) nicht nöthig: OT. 12. März 74 (GA. 22 s. 265). 60. Der Getäuschte braucht nicht selbst der Beschädigte noch ein Vertreter desselben zu sein: Rill. 23. Febr. 81, Rll. 12. Juli 81 (E. III, 392; R. III, 476), OT. 30. Sept. 73, 7. Febr. 77 (O. XIV, 540: XVIII, 99). Manh. 29. Juli 73. Dresd. 7. Aug. 76 (BA. 40 s. 93; SGZ. 21 ). 211); vgl. Motive zu Pr. Entw. v. 1847 s. 77, HS. II, 375; contra: Köstlin, Abh. s. 154, Ortloff. Lüge rc. II, 471. Auch ist es nicht erforderlich, daß der Getäuschte rechtlich befugt war. über Vermögensstücke des Beschädigten zu verfügen: es genügt, wenn er faktisch in der Lage dazu war: ML. s. 564; contra: Merkel s. 764, Schütze s. 472. — Hiernach ist es Betrug, wenn Jemand eine fremde, nicht in seinem Gewahrsam befindliche Sache einem Dritten verkauft und diesen so veranlaßt, in gutem Glauben die Sache weg zunehmen: OT. 14. Mai 58 (GA. VI, 567); es liegt dann kein vom Ersteren durch Benutzung des Anderen als Werkzeugs verübter Diebstahl vor, weil die Sache nicht ihm, sondern dem Wegnehmenden selbst zugeeignet wird; contra: Schütze 1. c. Dasselbe gilt da, wo Jemand gegen Entgelt für einen Andern unter dessen Namen eine Freiheitsstrafe abbüßt; contra: Rill. 21. Dez. 81 (E. V, 277), Merkel s. 772, ML. s. 565. 61. Demgemäß kaun ein Betrug auch in der Weise verübt werden, daß im Prozesse durch eine Täuschung des Richters eine die Rechte der einen Partei beeinträchtigende Entscheidung oder Verfügung herbeigeführt wird. Zwar schenkt der Richter in der Regel dem einseitigen Vorbringen einer Partei keinen Glauben, sondern entscheidet nach den geführten Beweisen; die Einreichung einer Klage ist daher für sich allein noch kein Betrugoversuch: OT. 9. März, 19?Okt. 70 (O. XI, 153. 518); vgl. Ri 4. April 81 (A. III, 473). Wird aber grade durch ein Beweis mittel die Täuschung des Richters herbeigeführt, z. B. durch eine falsche, simulirte oder erschlichene Urkunde, durch eine Urkunde über einen inzwischen befriedigten
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Anspruch, insbesondere durch einen bezahlten, jedoch nicht guittirten Wechsel, durch eine wahrheitswidrige Quittung oder durch ein unrichtiges, mittels Täuschung der gerichtlich ernannten Sachverständigen erlangtes Gutachten, so kann unbedenklich ein Betrug angenommen werden; so: Rill. 18. Dez. 80, RI. 26. Sept. 87, 1. Nov. 80, RU 20. Sept. 87 (E. III, 169; XVI, 193; R. II, 421; IX, 441), cit. RI. 4. Apr. 81, OT. 8. März 71, 6. April. 6. Qkt. 75, 22. Nov., 14. Dez. 76, 12. Jan. 77, Dresd. 29. Sept. 73, 16. Jan. 74 (O. XII, 137; XVI, 271.637; XVII, 752. 823; XVIII, 36; SGZ. XVIII, 44; StZ. IV, 184), Münch. 6. Juli 77 (BE. VII, 288), OHG. 25. Sept. 76 (Entsch. dess. 21 s. 120); vgl. übrigens das unten Gesagte, insbesondere das dort referirte RIV. 29. Juni 86. Gleiches gilt, wenn der Richter unter ähn lichen Voraussetzungen, auf Grund des einseitigen Vorbringens einer Partei, eine für die andere nachtheilige Verfügung trifft, z. B. einen Arrest verhängt, eine Erefiition verfügt oder eine verfügte Exekution einstweilen aussetzt: Rill. 17. März, 22. Mai 80, Rll. 8. Juni 80 (R. I, 479.808; E. II, 91), OT. 9. April 63, 13. März 67. 12. Febr. 79 (O. III, 382; VIII, 171; XX, 78). Eben darum stellt die so stattgehabte, erfolgreiche Geltendmachung einer erdichteten Forderung bzw. eines hinfälligen Pfandrechts im gerichtlichen Vertheilungsverfahren einen Betrug dar: RG. 24. Sept. 83 (BA. 50 f. 154), Münch. 19. Jan. 74. Dresd. 26. April 75 (BE. IV, 41; StZ. V, 370). In solchen Fällen wird die Strafbarkeit auch dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Richter dem Antrage nicht hätte stattgeben sollen: OT. 11. Juli 72 (O. XIII, 413); contra: Meves, LtRZ. XIII, 63. — Sind dagegen keine derartige!! Täuschungsmittel angewendet, so kann die Aufstellung einer unwahren Behauptung int Prozesse nicht als Betrug aufgefaßt werden, sollte auch demnächst eine unrichtige richterliche Entscheidung (Verfügung) darauf ergangen sein; vgl. Rill. 25. Febr. 80, 30. Dez. 81 (E. I, 227; V, 321: im ersteren Falle hatte Angeklagter unter den ihm zugesprochenen Kosten erdichtete unbescheiniqte Auslagen mit Erfolg liquidirt; es wurde kein Betrug angenommen, weil der Gegner nicht durch Täuschung des Richters, sondern dadurch geschädigt sei, daß letzterer die ihm obliegende Prü fung jener Kosten unterlassen habe; im zweiten Falle hatte der Richter eine Zwangs vollstreckung auf unwahre Behauptungen hin sistirt, ohne daß letztere ihm gemäß § 688 der CPO. glaubhaft gemacht waren). Das gilt umsomehr damt, wenn der Richter aus prozessualischen Gründen gehalten ist, ohne Rücksicht auf seine eigene Ueberzeugung von der Wahrheit oder Unwahrheit des Vorbringens der Parteien, in einem bestimmten Sinne zu erkennen, indem hier von einer Täuschung, bezw. von einem Kausalnexus zwischen Täuschung und Vermogensbeschädigung überhaupt keine Rede sein kann; vgl. Dresd. 28. Febr., 13. März 79 (SGZ. 23 s. 339. 357), RIV. 29. Juni 86 (R. Vlil, 506: Angeklagter hatte, unter Verschweigung einer Theilzahluug, für die ganze ursprünglich verschuldete Summe ein Urtheil erwirkt; hier fehle jener Kausalnexus, weil der Prozeßgegner wegen ungenügenden Beweises dieser Theil zahlung, mithin auf Grund der Beweiöregeln des Prozesses verurtheilt worden sei). Ebendeshalb ist Jdealkonkurrenz von Betrug und Falschschwörung eines zugeschobenen Eides nicht möglich; vgl. Pfizer (WGbl. XV, 197); contra: Stüttg. 17. Sept. 78 (ih. 86). — Das „frevelhafte Leugnen" und „muthwillige Chikanen" im Prozesse werden von den durch die Pr. AGO. I, 23 §§ 52. 53; I, 24 § 40 bedrohten Civilstrafen be troffen : OT. 23. Febr. 54 (GA. III, 611). Die CPO. § 543 Nr. 4 gewährt da, wv das Urtheil von einer Partei oder ihrem Vertreter durch wirklichen Betrug erwirkt worden ist, der Gegenpartei die Restitutionsklage. 62. Aehnlich verhält es sich mit der Täuschung des Prozeßgegners; er wird betrogen, wenn er im Prozesse durch Jrrthumserregung zu einem ihn beschädigenden Thun (Unterlassen) veranlaßt wird, sollte dabei auch eine Täuschung des Richters nicht vorgekommen sein: Ri. 14. Apr. 87 (R. IX, 232), Dresd. 12. Juli 71 (StZ. I, 58). 63. Ein Betrug zum Nachtheil eines Dritten kann in der Weise verübt wer den, daß ein Rechtsstreit fingirt wird, indem die beiden (vermeintlichen) Prozeßgegner durch ihr Zusammenwirken den Richter täuschen und so ein materiell un richtiges Urtheil erschleichen: Rll. 12. Nov. 80 (E. II, 436: hier hatte sich der formell Beklagte in contumaciam verurtheilen lassen), OT. 5. Juli 61, 11. Oft. 78. Dresd. 14. Juli 76. 24. Jan. 79 (O. I, 506; XIX, 460; SGZ. 21 s. 169; 23 s. 243). 64. Ebenso kann die Täuschung des einen Alt aufnehmenden Notars den
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Thatbestand des Betrugs herstellen, sofern durch jene Täuschung die Vermogens beschädigung (eines Dritten) herbeigeführt ist; dagegen genügt es nicht, wenn beide Parteien im Einverständnisse den Notar getäuscht haben, und sich demnächst her ausstellt, daß eine derselben durch den Vertragsabschluß einen Nachtheil erlitten hat: OT. 22. Mai 57 c. Sandler. Ist durch die Täuschung des Notars die falsche Be urkundung einer für Rechte rc. erheblichen Thatsache zu Stande geTommen, so liegt außerdem der Thatbestand des § 271 (272) vor. 65. Dasselbe gilt von der Täuschung eines mit einer Vollstreckung beauftragten Exekutors (Gerichtsvollziehers): Rl 23. Cft. 79 (cit. n. 23: betr. Freigebung gepfändeter Sachen vom Pfande auf Grund falscher Vorspiegelungen). Doch nah men Rill. 8. Mai 80. OT. 2. Juli 79 (R. I, 744; O. XX, 319) keinen Betrug an, wenn Jemand den Besitz gewisser einzuziehender oder zu pfändender Sachen fälschlich ableugne und der Exekutor, hierdurch getäuscht, von der Vollstreckung ab stehe, da ein Exekutor trotz aller solcher Ausflüchte vorgehen muffe, die Vermögensbe schädigung daher in jenem Falle die Folge des pflichtwidrigen Verhaltens des Be amten. nicht diejenige der Jrrthumserregung sei. Vgl. n. 32. 58.61. 66. Auch die durch Täuschung herbeigeführte Beschädigung des Staats Ver mögens ist ein Betrug; dazu genügt aber in der Regel der Thatbestand einer Abgaben- (Steuer- Zoll- rc.) Hinterziehung nicht, da durch eine solche dem Staate nicht ein erworbenes Vermögensrecht entzogen, sondern ein erst zu er werbendes vorenthalten wird, während das Forderungsrecht des Staates unverletzt fortbesteht: HS. II, 359, HStR. II, 258 (Defraudation sei an sich ein Omissiv-, Betrug ein Kommissivdelikt), Schütze s. 472, Merkel s. 762; vgl. jedoch Rill. 24. Jan. 84 (E. X, 48: Motive). Abgesehen davon, sind aber auch die Hinterziehungen von Steuer-, Zoll- und Postgefällen regelmäßig durch andere, theils ältere, im § 2 Abs. 2 des EG.'s aufrechterhaltene, theils neuere Vorschriften besonders verpönt: Rill. 26. Juni SO, RI. 28. Cft. 80, Rll. 13. Juli 86 (R. II, 113; E. II, 405; XIV. 293). OT. 17. Jan., 20.Nov. 73, 12. Juni 77 (O. XIV, 63. 739; XVIII, 400), Cöln 3. Juni 84 (RA. 75, II, 38); vgl. auch §§ 275. 276. 280. 364, Telegr.-Ges. v. 16. Mai 1869 § 2, Wechselst.-Ges. v. 10. Juni 1869 § 23, Postges. v. 28. Okt. 1871 § 27 Nr. 3, welche die Benutzung falschen oder entwertheten Stempelpapiers rc. mit besonderen Strafen bedrohen. — In solchen Fällen greift nur die Defraudationsstrafe, die Be trugsstrafe aber dann Platz, wenn durch die Defraude zugleich ein erworbenes Ver mögensrecht des Staats beeinträchtigt wird, z. B. wenn Jemand durch Täuschung des betr. Beamten die Herabsetzung der Einschätzung zu einer direkten Besteuerung herbeiführt, weil dadurch das Forderungsrecht des Staates selbst eine Schmälerung erleidet. In Fällen der letzteren Art kommen die Grundsätze von der Ideal-Konkurrenz zur Anwendung, es fei denn, daß die betr. Abgabegesetze in dieser Beziehung eine abweichende Vorschrift enthielten; vgl. in Betreff des Näheren § 73 n. 8. 9. Dagegen erblickten RPl. 4. Apr. 81, OT. 28. Sept. 76 (E. IV, 50; O. XVII, 607) in dem Verhalten eines unter Vorbehalt der Nachversteuerung fixirtrn Brauers, welcher in das zur Ermittelung der Nachsteuer dienende Brauregister falsche Ein träge macht, feine Defraude, sondern Betrug, während cit. Rill. 26. Juni 80 hier weder das Eine noch das Andere annahm, vielmehr nur eine Ordnungsstrafe als verwirkt erachtete. 67. Die Simulation eines niedrigeren Preises, als verabredet war, in der über einen Vertrag aufgenommenen Urku nde ist in Preußen weder als Stempel steuerhinterziehung noch als ein zum Nachtheile des Stempelfiskus verübter Betrug zu bestrafen, da die Stempelsteuer nicht von dem Rechtsgeschäfte, sondern von dem Akte (dem Beweismittel) erhoben, also nur insofern verschuldet wird, als die Ur kunde einen Beweis liefert: OT. (Pl.) 9. März 57 (Eutsch. dess. 36 s. 430). DaS Gegentheil gilt, wenn es sich um eine für die gerichtliche Uebereignung von Grundeigenthum zu entrichtende Kostenabaabe handelt, für deren Berechnung der Werth des entäußerten Grundstücks maßgebend ist, vorausgesetzt, daß solche Fälle nicht als Defraudationen besonders verpönt und daß die allgemeinen Thatbestandsmerkmale des Betrugs erfüllt sind: Rill. 24. Jan. 84 (E. X, 48). 68. Die Nichterhebung einer verschuldeten Abgabe (z. B. des zu zahlen den Chausseegeldes) durch den mit der Empfangnahme Beauftragten, und die Ge stattung der freien Eisenbahnfahrt durch einen Bahn-Bediensteten stellen für sich allein den Thatbestand des Betruges nicht dar (es fehlt die Jrrthumserregung):
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OT. 26. Okt. 53, 15. Sept. 54 (GA. II, 126. 833). Dagegen fällt eine solche Hand lung, wenn sie von einem Beamten gegen Entgelt vorgenommen wird, unter § 332. — Jenes gilt von der Benutzung eines Eisenbahnzugs ohne Fahrbillet: Wolfenb. 7. Rov. 71 (StZ. I, 158), es sei denn, dag sie heimlich stattfindet: ». 51, OT. 26. Mai 76 (O. XVII, 383: daß ein Schaffner den Thäter selbst in den Waggon, i. c. einen leeren Güterwaggon gebracht, schließe die Heimlichkeit und Jrrthumserregung bezüglich der übrigen Aufsichtsorgane der Eisenbahngesellschaft nicht aus); demgemäß sind besondere, einen Fall der ersteren Art vorsehende, Gesetze nicht auf gehoben: cit. Wolfenb.; vgl. OT. 21. Dez. 70 (D. XI, 606). Betrügereien im Fracht verkehr mit Eisenbahnverwaltungen. verübt durch unrichtige Gewichtsangabe auf den Frachtbriefen, fallen unbedenklich unter den § 263; so: OT. 12. Juni 77 (cit. ii. 66). Daß nach dem Betriebsreglement v. 1874 die Eisenbahnverwaltungen im Falle solcher Angaben zur Festsetzung von Eouventionalstrafen befugt sind, ändert hieran selbstredend Nichts: Rill. 2. Juni 80. RIV. 11. Febr. 87 (K. II, 11; K. XV, 266). - Im llebr. vgl. n. 51. 69. Ein Kommissionär, welcher unbefugter Weise (HGB. Art. 360ff. 376) die für den Kommittenten zu kaufende Waare selbst liefert, oder die zu verkaufende selbst als Käufer behalt, verübt einen Betrug, wenn er unter dem Borgeben, er habe von einem Dritten ge- oder an einen Dritten verkauft, sich die vorbedungene Provision oder die Preisdifferenz zahlen läßt: OT. 29. Okt. 56 c. Link. 70. Ein Minderjähriger, welcher durch das Borgeben: er sei großjährig, einen Andern täuscht und dadurch an seinem Vermögen beschädigt, verwirkt die Be trugsstrafe, selbst wenn nach dem Civilgesetze (3. 23. nach dem Pr. ALN. I, 5 §§ 31 bis 36; I, 4 §§ 21. 22; II, 2 §§ 131—133) ein solcher Vertrag dem Minderjährigen gegenüber unwirksam ist: OT. 27. Nov. 63 (O IV, 221). 71. Treffen die Merkmale des § 263 zu. so darf der durch die Strastlage der Staatsanwaltschaft mit der Sache befaßte Richter nicht wegen Unerheblichkeit (Geringfügigkeit) der Täuschung bzw. Schädigung von der Bestrafung absehen; contra: schütze s. 470 n. 3, s. 474 n. 13. 72. Ist ein Betrug durch eine Urkundenfälschung bewirkt worden, so waltet Jdealkonkurrenz ob; vgl. § 268 n. 11 und oben n. 64. Mit dem Thatbe stände des Betrugs kann ferner ideell konkurriren Arrestbruch (: § 137 n. 31), Un treue (: Dresd. 8. Dez. 71, StZ. I, 294), ein Vergehen ans § 288, § 352 oder § 353 (:RII. 4. Dez. 85, Ri. 28. Apr. 81, E. XIII, 138; IV, 227, OT. 30. Mai 76, O. XVII, 388), ein Vergehen aus § 10 Nr. 1 oder Nr. 2 des Nahrungsm. -Ges.'s (: Rill. 11. Dez. 84, Ri. 29. Sept. 83, 12. Dez. 87, E. XI, 355; Ii. V, 555; IX. 717). In wiefern dasselbe vom Meineide und von der Erpressung (§ 253) gelte, darüber vgl. ii. 61 bzw. Kah, GSaal 31 s. 425. — Die Bestrafung aus § 14 des Markenschuh-Ges.'s v. 30. Nov. 1874 absorbirt nicht nothwendig die Betrugsstrase: OT. 21. März 77 (O. XVIII, 240). — Im Uebr. vgl. n. 50. 66. 74, § 265 n. 11, § 246 n. 55. 73. Nach dem Pr. Ges. v. 8. Mai 1837 §§ 17. 28 sollte die „in böslicher Ab sicht bewirkte Aufstellung einer den wirklich erlittenen Verlust übersteigenden Brand entfchädigungsforderung bei der betr. Mobilarfeuerversicherungsgesellschaft" die Betrugsstrafe des ALR. nach sich ziehen. Das Pr. OT. nahm an, daß diese Vor schriften in Kraft verblieben und daß nur an Stelle der früheren Strafandrohung diejenige des Pr. StGB.'s § 242, bzw. jetzt des § 263 getreten sei, daß mithin zur Verhängung dieser Strafen ebensowohl die Feststellung des Thatbestands des cit. § 28 rote diejenige des Thatbestands des Betrugs genüge; vgl. (namentlich auch, was die Erläuterung des cit. § 28 betrifft): O. I, 354; II, 548; IV, 322; VII, 734; IX, 301; X, 286; XI, 239; XVI, 810. Gemäß § 2 des EG.'s dürste indessen der cit. § 28 als eine die „Materie" des Betrugs betreffende Strasvorschrift durch Ein führung des StGB.'s außer Kraft gesetzt, also nunmehr nur dieses (§§ 263. 264) maßgebend fein; die entgegengesetzte Annahme würde dazu führen, daß dieselbe Handlung in Preußen mit der Strafe des vollendeten, außerhalb Preußens aber vielleicht nur mit der Strafe des versuchten Betrugs zu belegen wäre; ebenso: RllE 4. Dez. 80 (E. III, 85); contra: Meves. StRZ. XI, 561. 74. Vorschriften, welche das gleichzeitige Vermiet hen eines Dienstboten bei mehreren Herrschaften mit Strafe bedrohen (Pr. Ges.-O. v. 8. Nov. 1810 u. 31, Rh. Gcs.-O. v. 19. Aug. 1844 § 12, Hann. Pol.-StGB. v. 25. Mai 1847
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§ 297), sind nicht aufgehoben; sie schließen indessen die Betrugsstrafen nicht aus (§73), wenn der Thatbestand dieses Vergehens festgestellt wird: OT. 9. April 62 (O. II, 338); vgl. n. 37. 46. Dagegen ist § 8 der Nass. Ges.-O. v. 15. Mai 1819, welcher eine solche Handlung im Falle einer gewinnsüchtigen Absicht mit der Betrugsstrafe bedrohte, als gesetzliche Vorschrift außer Kraft getreten: OT. 10. März 75 (O. XVI, 220). 75. In Betreff der rc. Ehrenrechte rc. vgl. §§ 32. 35. 76. Beim Vorhandensein mildernder Nmstände-(2lbs. 2) kann der Jnstauzrichter nach seinem Ermessen sich auf die Verhängung der im Abs. 1 angedrohten (Geldstrafe (bis zu 3000 Mark) beschränken; er ist aber auch nicht behindert, auf Gefängniß mit oder ohne Geldstrafe und (geeigneten Falles) auf den Verlust der Ehrenrechte rc. zu erkennen. Vgl. n. 71. 75. 77. Zum Thatbestände eines Betrugs-VersuchS (Abs. 3) wird eine Täuschuugshandlunq erfordert, welche bereits den Anfang der Ausführung der Hauptthat enthält: Äünch. 15. April 73 (StZ. II, 293). Dagegen bedarf es weder des Gelingens der unternommene» Täuschung noch des Anfangs des gewollten Erfolgs der Vermögensbeschädigung; der Richter kann in dem zum Zwecke der Vermogens beschädigung begonnenen Unternehmen der Täuschung, z. B. im Vorbringen einer falschen'Thatsache, einen Versuch (den Anfang der Ausführung des ganzen Ver gehens) finden: OA. 11. Okt. 71, Münch. 12. Febr. 74 (O. XII, 504; StZ. III, 360); vgl. £>. IV, 78; VII, 281; X, 717: XI, 428. Daß der Andere sich nicht täuschen ließ, z. B. weil er dafür zu vorsichtig, oder weil ihm die Unwahrheit der vorge spiegelten Thatsache bereits früher bekannt war, schließt den Thatbestand des Ver suchs nicht aus: Still. 17. März 80 (R. I, 479), OT. 15. Nov. 71, Dresd. 1. März 75, Münch. 17. Juli 75, Cöln 20. März 84 (O. XII, 578; SGZ. XIX, 295; BE. V, 360, RA. 75, II. 36), sofern nur das angewendete Mittel an sich zur Herbeifüh rung einer Täuschung geeignet war: OT. 4. Mai 75, Münch. 8. Jan. 73 (O. XVI, 342 ; StRZ. XIII, 280); contra (in Betreff des letzteren Punkts): Rll. 18. Febr. 81 (A. III, 241); vgl. § 43 n. 9. Ebensowenig ist ein Versuch ausgeschlossen, wenn die Vollendung des Betrugs das Zusammenwirken Mehrerer voraussetzt, einer der selben jedoch seine Mitwirkung nur zum Scheine zugesagt und schon vor jeder Aus führungshandlung der Anderen den zu Täuschenden benachrichtigt oder sonstige Schritte gethan hat, welche das beabsichtigte Vergehen von vornherein vereitelten: RIV. 26.' Jan. 86, OT. 12. Okt. 76 (R. VIII, 98; Ö. XVII, 651); hier sowie überall, wo das Mißlingen der Täuschung lediglich aus der individuellen Beschaffenheit der Verhältnisse des konkreten Falles refultirt, kann nur von relativer, nicht von absoluter (die Strafbarkeit ausschließender) Unmöglichkeit der Ausführung (§ 43 n. 8>. die Rede sein: OT. 1. März 77 (O. XVIII, 175). Das Gegentheil ist der Fall, wenn es sich um ein der Entwerthung durchaus unzugängliches Objekt handelte; vgl. jedoch Rll. 19. Sept. 82 (eit. n. 13), oder wenn die Handlung des Getäusch ten (n. 33. 34- absolut irrelevant war, wie z. B. die Unterzeichnung einer Vertragsurkuude seitens der Frau, sofern der vom Manne allein abgeschlossene Vertrag auch ohne ihre Zustimmung für beide gleich wirksam blieb; contra: Stil. 1. Dez. 82 (E. VII, 265). Vgl. im Uebr. n. 26. 32. 33. 78. Die Fassung des Abs. 4 stimmt wörtlich mit der deö § 247 Abs. 1 über ein. wenn davon abgesehen wird, daß die an beiden Stellen hinter dem Worte „Erzieher" ursprünglich vorfindlichen Worte „oder solche Personen, in deren Lohn oder Kost er sich befindet", durch die Novelle gelöscht und die im § 247 an deren Stelle getretenen Worte hier nicht wiederholt sind; es sind daher die Bemerkungen zu diesem § sowie zu § 52 Abs. 2 zu berücksichtigen. — Auch hier ist der Betrug „gegen" den au seinem Vermögen Beschädigten verübt, sollte auch der Getäuschte ein Anderer gewesen sein (n. 60). — Die Vorschrift ist auf alle Arten des Betrugs, also auch auf den rückfälligen (§ 264) anzuwenden, nicht aber auf den Fall des § 265; vgl. dort n. 1. 79. Abs. 4 wiederholt die Vorschrift des § 247 Abs. 3, daß Abs. 1 ib. auf Theilnehmer oder Begünstiger, die nicht im Verhältnisse eines Angehörigen rc. zum Beschädigten stehen, keine Anwendung finde, nicht; gleichwohl ist dieser Grund satz auch hier maßgebend, da jener Abs. 1 die Strafbarkeit der betr. Handlung ganz unberührt läßt und das Erforderniß des Antrags lediglich auf dem persönlichen Verhältnisse beruht (§ 50).
Thl. II.
Abschn. XXII.
Betrug und Untreue. — §§ 264. 265.
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§ 364, Wer im Jnlande wegen Betruges einmal und wegen darauf begangenen Betruges zum zweiten Male bestraft worden ist, wird wegen abernials begangenen Betruges mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldstrafe von einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß strafe nicht unter drei Monaten ein, neben welcher zugleich auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann.' Die im § 245 enthaltenen Vorschriften finden auch hier Anwendung. [I. Gntro.: (fehlte); II. Entw.: § 259; 245. 32, GVG. § 73 Dir. 7.
Pr. StGB.: (fehlte).)
Vgl. §§ 263. 244.
§ 365, Wer in betrügerischer Absicht eine gegen Feuers gefahr versicherte Sache in Brand setzt, oder ein Schiff, welches als solches oder in seiner Ladung oder in seinem Frachtlohn versichert ist, sinken oder stranden macht, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren und zugleich mit Geldstrafe von eiuhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark bestraft. 80. Abs. 2 des § 247 gilt für den Betrug nicht; dieser bleibt daher strafbar, sollte er auch gegen einen Verwandten in absteigender Linie oder gegen den Ehegatten verübt sein. 81. In Betreff der Zuständigkeit vgl. GVG. §§ 27. 73. 75, in Betreff der Befugniß des Gerichts, die Untersuchung auszusetzen rc.. wenn die Strafbarkeit von der Beurtheilung eines bürgerlichen Rechtsverhältnisses abhängt, vgl. StPO. §201, und oben § 24G n. 03. Zur Erläuterung des Grundsatzes ne bis in idem in der Anwendung auf Betrug vgl. RHI. 15. Nov. 80 (E. XV, 133).
§ 264. 1. Die Voraussetzungen dieses § stimmen (trotz der etwas abweichenden Fas. sung: „einmal" rc.) mit denjenigen des § 244 überein; es sind daher hier die Be merkungen zu letzterem zu berücksichtigen, namentlich auch das dort (». 11. 10) in Betreff des Versuchs und der Theilnahme Gesagte; vgl. Ri 3. Mai 80, Rill. 29. Sept. 80 (E. II, 42; R. II, 275). Der einzige Unterschied liegt darin, daß hier die Rückfälligkeit nur durch Vorbestrafungen wegen Betrugs begründet wird. Die Bestrafung wegen einer ideell mit Betrug konkurrirenden Fälschung kommt gleichfalls in Anrechnung, sofern das Strafurtheil den Thatbestand beider Mißthaten festgestellt und danach verurtheilt hat; vgl. § 73 n. G. 13, § 208 n. 11. Wenn Manh. 12. Juni 75 (BA. 41s. 357) in Betreff einer unter der Herrschaft deS Badischen StGB.'s zum Zwecke des Betrugs verübten Fälschung anders erkannte, so rührt dies daher, daß nach jenem StGB, keine Zdealkonkürrenz vorlag; vgl. BA. 42 s.
88. 273.
2. ebenso: 3. 4.
Die Verhängung der Geld- neben Zuchthausstrafe ist hier obligatorisch;
Ri. 16. Sept. 80 (A. II, 314). In Betreff des Verlustes der rc. Ehrenrechte vgl. §§ 32. 35. Zuständigkeit der Strafkammern: GVG. § 73 Nr. 7.
§ 265. 1. Dieser § ist zwar (abweichend vom I. Entwürfe) in den vom „Betrüge" handelnden Abschnitt aufgenommen worden, er setzt aber einen besonderen Thatbe stand voraus, welcher aus der allgemeinen Begriffsbestimmung des Betrugs (§ 263) nicht zu ergänzen ist. Sonach bedarf es weder der Vorspiegelung rc. von Thatsachen, noch einer Jrrthumserregung rc., noch endlich einer durch diese bewirkten
654
Thl. II. Absch». XXII. Betrug und Untreue. — § 2fi.V
Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe nicht unter sechs Monaten ein, neben welcher auf Geld strafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann. [I. Entw.: § 288; II. Entw.: § 2G0; Pr. StGB.: 8 244.]
biS 308. 323. 32.
Vgl. $§ 303. 305. 30fi
Vermögensbesck)ädigung (n. 10). Demgemäß finden auch die den Rückfall betreffen den Vorschriften des § 264 hier keine Anwendung, insofern nicht festgestellter Maßen and) die Merkmale des Betrugs zutreffen. 2. Unter „betrügerischer Absicht" ist die Absicht zu verstehen, die Ver sicherungssumme für sich oder einen Anderen ganz oder theilweise rechtswidrig zu gewinnen: Mot. s. 130. Somit bedarf es auch in dieser Beziehung nicht der Fest stellung des zum „Betrüge" erforderlichen Dolus: OT. 26. Nov. 69 (O. X, 744). Ist die Brandstiftung rc. aus einer andereil Ursache, z. B. zur Verdeckung eines be gangenen Vergehens verübt, so bleibt der § ausgeschlossen. 3. (Gleichgültig ist es, von welcher Art die in Brand gesetzte rc. Sache, ob sie eine eigne oder fremde und ob sie geeignet war, das Feuer einem Gebäude k. mitzutheilen oder nicht. 4. Die versicherte Sache muß selbst in Brand gesetzt rc. sein; nur da, wo es hierzu gekommen, liegt das vollendete Verbrechen vor; es reicht nicht hin, wenn nur das Gebäude rc. in Brand gesetzt ist, in welchem sich die versicherte Sache befand; dagegen kann in Fällen dieser Art ein strafbarer Versuch vorliegen. War die versicherte Sache vor Anzündung des Gebäudes rc. bereits in Sicherheit ge bracht, so daß in Betreff ihrer von einem Versuche der In-Brand-Setzung feine Rede ist, so scheidet § 265 aus; vgl. n. 11; § 263 n. 72. 5. Der „Jn-BrandSehung" steht eine Zerstörung durch Pulver oder aridere explvdirende Stoffe nicht gleich, insofern die letztere nicht einen Brand verur sacht hat; § 311 findet hier keine Anwendung. 6. Das sofortige Wiederlösck)en des bewirkten Brandes schließt die Be strafung aus § 265 nicht aus; § 310 ist hier nicht anwendbar; contra: Schw. n. 9. 7. Ist der Brandstiftung rc. eine Ueberversicherung vorhergegangen und die Geltendmachung einer ungerechtfertigten Entschädignngsforderung auf dieselbe gefolgt (Pr. Ges. v. 8. Mai 1837 bzw. § 263), so ist jede dieser Handlungen, wenn sie auch alle aus derselben Absicht hervorgingen, die Versicherungssumme rechts widrig zu gewinnen, eine selbständige; es liegt sonach Real-Konkurrenz (§74), nicht ein sog. fortgesetztes Verbrechen vor: RH. 21. Zan. 88 (E. XVII, 62: bezüglich der Thatbestände aus § 265 und § 263), OT. 15. (22.) Sept. 53 (GA. II, 560), ML. s. 391, Olsh. II. 4; contra: OT. 5. Jan. 57 (GA. V, 406 ind.), HStR. II, 279, John fortges. Verbr. s. 97, Merkel HH. III, 781, Schw. n. 5. 8. Das Strandenmachen k. eines Schiffs fällt nur dann unter das Straf verbot, wenn entweder daS Schiff selbst oder seine Ladung oder sein Frachtlohn versichert war; zu letzterem gehören auch die Neberfahrtögelder; dagegen sind solckie Fälle auszuscheiden, wo ein anderer der im § 783 des HGB.'s aufgezählten Gegen stände (Bodmerei-, Havereigelder rc.) versichert ist: Meyer n. 4. - 9. Es genügt, wenn in Betreff der Sache ein Versicherungsvertrag ab geschlossen ist; ob derselbe in rechtsverbindlicher Weise zu Stande gekommen sei, und einen Ersatzanspruch begründe, ist dann nicht wesentlich. 10. Zum Thatbestände deS § 265 gehört die Einforderung oder Empfang nahme der Versick)ernngssumme in keiner Weise. Vgl. n. 1. 11. Die im § vorgesehenen Handlungen werden häufig den Thatbestand einer andern Mißthat, z. B. der Beschädigung ftemder Sachen (§§ 303. 305), der gemein gefährlichen Brandstiftung (§§ 306 — 308), oder des Betrugs in sich schließen, es kommen dann die Grundsätze von der Ideal-Konkurrenz (§ 73) zur Anwendung: OT. 6. Febr. 68 (O. IX, 112), Schw. n. 7, Olsh. n. 4; contra: HStR. II, 279 (: § 265 setze Umstände voraus, welche die Beurtheilung der That als gemeingefähr lichen Verbrechens ausschlössen), John s. 96, Merkel s. 780; vgl. v. Buri, GSaal31 Beil. s. 45. 12. Zn Betreff des Abs. 2 vgl. §§ 32.
Thl. II. Abschii. XXII. Betrug und Untreue. — § 266.
655
§ 266. Wegen Untreue werden mit Gefängniß, neben welchem auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden kann, bestraft: § 266.
1. Die beiden ersten Nrn. dieses § erheischen ein „absichtliches Handeln (Verfügen) zum Nachtheil" eines Andern, während Nr. 3 von einem „absicht lichen Benachtheiligen" spricht. Der Sinn beider Ausdrucksweisen ist insofern derselbe, als in allen drei Fallen vorausgesetzt wird, daß der Wille des Thäters aus die Zufügung eines Nachtheils gerichtet gewesen sei: OT. 24. März 71, 13. Dez. 72, 7. Mai 75, 2. April 79 (O. XII, 177; XIII, 629; XVI, 357; XX, 176), Merkel, HH. III, 783; IV, 441; contra: Rill. 28. Zan. 80, Ri. 23. März 80, 24. Sept. 83, 8. Dez. 84, 17. Jan. 87. RII. 2. Juli, 21. Sept. 80 (E. I, 172. 329; XV, 211; R. II, 154; V, 542; VI, 785) A. II, 314: „absichtlich" sei hier gleichbedeutend mit „vorsätzlich", mithin schon das bloße Bewußtsein des Erfolgs ausreichend); ebenso: OA. 14. Dez. 72 (O. XIII, 667: Fall der Nr. 2), Manh. 11. Okt. 73, 6. Juni 74, 18. Dez. 75, 1. Aug. 76, 9. März, 2. April 78 (BA. 40 s. 41. 222; 42 s. 15. 262; 44 s. 99. 286), Darmst. 29. Mai 76, Dresd. 25. März 78 (HE. s. 72; StZ. VIII, 233), Scbw. n. 1, Rüd. n. 2, Bind. II, 597; demgemäß schließe im Falle des Verbrauchs (der auftragswidrigen Verwendung) von Geldern rc. des Mündels (Auftraggebers) selbst die Absicht des dereinstigen Ersatzes den Dolus nicht aus; entweder überhaupt, so citt. RII. 2. Juli 80 (Fall der Nr. 1) und Darmst.. 29. Mai 76 (Fall der Nr. 2), oder doch, wenn der Thäter das Bewußtsein habe, daß die Deckung, bzw. der Ersatz nicht vollkommen sicher gestellt sei; so: citt. OA. 14. Dez. 72, Manh. 1. Aug. 76, 9. März 78 (Fälle der Nr. 2). — Dagegen braucht nicht der Nachtheil des Anderen zunächst oder unter allen Umständen beabsichtigt zu sein, es genügt, wenn für den Fall, daß die betr. Handlung dereinst einen nachtheiligen Erfolg überhaupt haben möchte, dieser Nachtheil nach dem Willen des Handelnden seinen Auftraggeber treffen soll: OT. 20. Dez. 76 (O. XVII, 830), eit. OT. 2. April 79; vgl. StflL 21. Nov. 82 (E. VII, 279). — Stets wird aber das Bewußtsein der Rechtswidrigkeit erfordert; wer in dem guten Glauben handelt, daß er so, wie geschehen, zu verfahren befugt sei, verübt keine „Untreue": OT. 14. April 75 (O. XVI, 287). 2. Das Vergehen aus § 266 setzt auf Leiten des Thäters nicht nothwendig voraus, daß zu seinen Obliegenheiten eine eigentliche Vermögensverwaltung gehöre: Rll. 15. Okt. 80, RK. 28. Aug. 84 (E. II, 345; XI. 244). Wohl aber muß die Benachtheiligung das Vermögen zum Gegenstände haben: dafür spricht die Stelle des Abschnitts unter den Vergebungen gegen das Vermögen und seine historische Bedeutung; sonstige Pflichtwidrigkeiten, z. B. die vorsätzliche Ver nachlässigung der Erziehung eines Mündels, gehören nicht hierher. Vgl. Rill. 21./28. Apr. 87 (E. XVI, 77), Merkel s. 783; contra: ML. s. 487. — In Betreff der Frage, was als VermögenSbenachtheiligung anzusehen sei, gilt das zu § 263 n. 13—31 Gesagte; vgl. Rill. 20. Sept. 86 (E. XIV, 401: „zum Nachtheile han deln" in Nr. 1 sei gleichbedeutend mit „das Vermögen beschädigen" in § 263). Demgemäß wird ein dauernder Nachtheil nicht erfordert: RII. 2. Juli. 21. Sept. 80 (citt. ». 1). — Es genügt, wenn durch die Handlung des Vormundes rc. die nutzbringende Anlegung von Mündelgeldern rc. zeitweilig verhindert, oder wenn der Mündel rc. einer Gefahr rücksichtlich der Wiedererlangung der Gelder ausgesetzt wird: eit. Rll. 21. Sept. 80 (in Betreff der Gefährdung), OA. 23. März 70 (O. XI, 187); vgl. n. 4, Manh. 24. März 77 (BA. 43 s. 122: die nicht rechtzeitige Ablieferung stelle schon an sich einen Nachtheil dar). Die Vermögensbeschädigung wird durch das Vorhandensein einer Gegenforderung des Angeschuldigten nicht aus geschlossen. 3. Auch durch Unterlassungen kann das Vergehen begangen werden (: Rill. 23. Nov. 85, R. VII, 692: Mot.), z. B. durch absichtliches' Verjährenlassen einer Forderung, absichtliches Verabsäumen einer Hypothekeneintragung, eines Rechts mittels rc. Ausgenommen sind die Fälle der Nr. 2, da der dort gebrauchte Aus druck „verfügen" eine positive Thätigkeit vorausseht; vgl. Schütze s. 478, HStR. II, 394; contra: Rill. 26. Jan. 85 (E. XI, 412), OT. 27. Juni 77 (O. XVIII, 473), Olsh. n. 9.
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Thl. ir. Al'schn. XXII.
Sftrufl lind Untreue. — § 266.
1) Vormünder, Kuratoren, Güterpfleger, Sequester, Massen verwalter, Vollstrecker letztwilliger Verfügungen und Ver walter von Stiftungen, wenn sie absichtlich zum Nach theile der ihrer Aufsicht anvertrauten Personen oder Sachen handeln; 4. Die gewollteBenachteiligung muß wirklich eingetreten sein (derVersuch ist nicht strafbar); ebenso: Rill. 2L./28. Apr. 87, RH. 17. Zan. 88 (E. XVI, 77; H. X, 37: demgemäß gehöre eine Vermögensgefährdung nur dann hierher, wenn sie bereits eine nachtheilige Veränderung des Vernlögenszustands enthalte, eine VerMinderung des Vermögenswerths bewirkt habe). 5. Erfüllt die Handlung gleichzeitig die Begriffsmerkmale einer andern Miß that (z. B. der Unterschlagung, des Betrugs), so wird § 73 anwendbar: Rill. 2. Okt. 80 (R. II, 293: speziell bez. der Unterschlagung). OT. 9. April, 30. Zuni 69 (O. X. 21G. 465), Dresd. 8. Dez. 71 (SGZ. XVI,'188). Manh. 24. März 77 (cit. n. 2), 15. Juni 78 (BA. 44 s. 173), Münch. 4. März 87 (BE. IV. 449); Unterschlagung eines Mündelguts ist stets auch „Untreue" (Nr. 1): Manh. 11. Okl. 73 (cit. n. 1), 15. Dez.77(BA. 43 s. 372); vgl. n. 19, § 246 n. 10, RI. 26. Jan. 80 (R. I, 273); contra: Puch. n. 3, Bind. HB. I, 363.
Zu Nr. 1.
6. Die Nr. I ist auf andere Personen als die genannten, insbesondere auf solche, welche in einem blos vertragsmäßigen, eine freie Wahl der Personen gestatten den Privatverhältnisse stehen, z. B. auf Haus- und Wirthschafts-Beamte,' Beamte von Aktien- und anderen Handels-Gesellschaften, Gewerbsgehülfen und Dienstboten nicht auszudehnen; ebensowenig auf Rechtsbeistände (§ 356). Doch unterliegen der Strafbestimmung des § gemäß ausdrücklicher GeseheSvorschrift, nämlich gemäß dem RGes. über die vorgeschriebenen Hülfskassen v. 7. Apr. 1876 (RGes. v. I. Juni 1884) § 34 und dem RGes., betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, v. 15. Juni 1885 §42 (zu deren Erläuterung auf Rill. 20. Sept. 86, E. XIV, 401 verwiesen wird) die Mitglieder des Vorstands, des Ausschusses oder einer örtlichen Verwaltungsstelle, bzw. die Vorstandsmitglieder, die Rechnungs- und Kassenführer einer Ortskrankenkasse, wenn sie absichtlich zum Nachtheile der Kasse handeln, während Art. 249 des HGB.'s (RGes. v. 18. Juli 1884) wider persönlich haftende Gesellschafter, Mitglieder des Aufsichtsraths und Liquidatoren einer Kommanditgesellschaft aus Aktien sowie wider Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsraths einer Aktiengesellschaft für den analo gen Fall (des Handelns zum Nachtheil der Gesellschaft) besondere und zwar streugere Strafen androht. 6a. Zu den in Nr. 1 Genanntengehört der Aftererbpfleger des Bad. LR.'s (: RF. 28. Aug. 84, E. XI, 244) und speziell zu den „Vormündern" der Gegen vormund der Pr. Vorm. O. (: Rll. 15. Okt. 80, E. II, 345) sowie der Nebenvormund des franz. rc. Rechts. 7. Die in Nr. 1 genannten Personen werden nur dann von der Strafe ge troffen, wenn sie die Handlung zu einer Zeit vornehmen, wo sie die betr. Funktion ausüben, also z. B. nicht ein gewesener Vormund, welcher die in seinen Händen verbliebenen Gelder veruntreut, sollte auch die Vormundschaft durch den Tod des Mündels beendigt worden sein; daß jener alsdann noch die schwebenden Geschäfte erledigen muß, ändert hieran Nichts, da er alsdann immerhin nicht als Vormund des Verstorbenen bzw. zu dessen Nachtheil handelt: Rll. 10. Dez. 80 (R. II, 622). 8. Der Vater unterliegt der Vorschrift, wenn er Vormund ist und als solcher handelt, wie dies im Bezirke des OLG.'s Cöln (Pr. Vorm.-O. § 95) und nach Bad. LR. nach dem Tode der Mutter des Minderjährigen der Fall ist: RI. 10. Nov. 17. Jan. 87 (E. XVI, 307; XV, 211); vgl. §§ 989/990, II, 18 des Pr. ALR.'s, GM. II, 563. § 247, welcher die gegen Verwandte absteigender Linie rc. verübten Diebstähle rc. für straflos erklärt, ist auf Untreue nicht auszudehnen; trifft diese mit einem solchen Diebstahle (Unterschlagung) ideell zusammen, so schließt § 247 mir die Verfolgung des letzteren, nicht auch die der ersteren aus: RI. 24.-Nov. 87 (E. XVI, 343), Rüd. ». 4; contra: OT. 23. Febr. 54 (Entsch. dess. 27. s. 408); vgl. n. 5. 9. Dagegen kann bei bestehender Ehe der Vater minderjähriger Kinder
Thl. II. Abschn. XXII. Betnig und Untreue. — § 266.
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2) Bevollmächtigte, welche über Forderungen oder andere Vermögensstücke des Auftraggebers absichtlich zum Nach theile desselben verfügen; auch int Gebiete des frariz. Rechts (trotz Art. 389 des C. civ.) durch die Nr. 1 nie mals getroffen worden, und ebensowenig, wenn zur Sicherung des Vermögens diesen Minderjährigen (irriger und unstatthafter Weise) ein Gegeuvormund bestellt ist, dieser letztere: Rl. 30. Okt. 84 (E. XI, 196); vgl. das dort cit. RG. 10. Dez. 80, entschied, daß ein zum „Vollstrecker lehtwilliger Verfügungen" oder zum „MassenVerwalter" Bestellter nicht aus § 266 bestraft werden könne, wenn eine lehtwillige Verfügung gar nicht existirt habe oder ein Konkurs gar nicht eröffnet worden sei. — Anders liegt der Fall, wettn die Ernennung eines Vormunds zwar auS einer irrigen Voraussetzung hervorgegangen, aber nicht unstatthafter Weise erfolgt ist: OT. 18. Sept. 67 (O. VIII, 525). 10. Die Untreue seht die Verletzung einer Pflicht voraus, welche dem Vor mund rc. als solchem oblag (n. 15); daher ist die kvntraktwidrige Weigerung, eine Schuld zu zahlen, für welche ieht der Mündel angegangen werden kann, noch keine Untreue: OT. 6. Nov. 57 (GA. VI, 130). Ebendeshalb trifft die Nr. 1 in Angelegenheiten nicht zu, für welche dem Mündel wegen kollidirenden Interesses des Vormunds ein Pfleger bestellt worden ist: Rill. 28. Jan. 86 (K. XIII, 333), noch kann in dem Unterlassen des Ersatzes veruntreuter Gelder eine neue Untreue des Vormunds oder eine Fortsetzung der früheren erblickt werden: Rill. 23. Nov. 85 (R. VII, 692). Dagegen erachtete Rll. 15. Okt. 80 (cit. n. 6a) es für gleichgültig, vb der Vormund rc. bei Verübung der Untreue den Kreis seiner gesetzlichen Befug nisse überschreite; es genüge, wenn derselbe sein Amt, welches ihn zur Treue gegen den Pflegebefohlenen nach allen Richtungen hin verpflichte, zum Gegentheil miß brauche (i. c. hatte der erkrankte Vormund dem Angeklagten mit Rücksicht auf dessett Eigenschaft als Gegeuvormund die Verwaltung des Müudelguts anvertraut). 10a. Der Volmund, welcher sich beim Verkaufe eines Mündelgutes ein Proxenet ikum versprechen läßt, macht sich der Untreue, der jenes Proxenetikum Zahlende der Theilnahme schuldig: OT. 16. Febr. 70 (O. XI, 102). 11. Der Ausdruck: „zum Nachtheile der ihrer Aufsicht anvertrauten Sachen" ist auf die zu beaufsichtigenden oder zu verwaltenden Vermögensmassen in ihrem Gesammtbestande zu beziehen (individuelle Sachen können nicht „benachtheiligt" werden); vgl. jedoch Rll. 8. Mai 85 (E. XII, 180: Mot). Gleichwohl begründen wiederholte Beuachtheiligungen Realkonkurrenz: RI. 26. Jan. 80 (R. I, 273). Zu Nr. 2. 12. Die Nr. 2 lehnt sich an die Vorschrift im Art. 287 Abs. 2 des sächs. StGB.'s und bezweckt eine Ergänzung der Vorschriften über Unterschlagung, insofern letztere rechtswidrige Verfügungen über fremde Forderungen und solche körperlichen Sachen nicht treffen, welche sich nicht int Gewahrsam des Thäters be finden; vgl. Rill. 4. Febr. 84 (E. X, 72: Mot.). 13. Die Nr. 2 unterscheidet nicht zwischen Dollmachts- und anderen Auf trägen, noch zwischen der Uebertraguug einzelner Geschäfte, einer Gattung von Geschäften oder aller Geschäfte der Person; auch kommt es aus die Fornt der lieber* Iragung bzw. Uebernahme des Auftrags nicht an: erfordert wird aber eine wirkliche Uebertragung von Rechtsgeschäften für einen Anderen, die Uebertragung der an Stelle des Machtgebers auszuübenden Verfügungsgewalt, gleichviel ob der Bevollmächtigte mit Dritten int Namen des Machtgebers oder im eigenen Namen kontrahiren soll, ob ihm in einzelnen Punkten Spielraum zur eigenen Entschließung gelassen ist, oder nicht (den Gegensatz bildet der Fall, wo der Geschäftsherr selbst das Rechtsgeschäft abschließt, und sich hierbei nur der mechanischen Thätigkeit eines Andern bedient): Rill. 15. Dez. 80, RI 28. März 87 (E. III, 283; R. IX, 200); vgl. Schütze s. 478, Manh. 30. Jan. 75. 10. Juni 79 (BA. 41 s. 119; 45 s. 181); deshalb gehört das Verhältniß eines Dienstboten oder Tagelöhners als solches nicht hierher Rll. 9. Jan. 83 (E. VII, 377), cit. Manh. 10. Juni 79; desgleichen nicht dasjenige eines bloßen Waldwärters oder Fischereiaufseherö oder eines mit Beaufsichtigung des Fabrikbe triebs und mit Ausführung technischer Arbeiten betrauten Technikers: cit. Rll. 9. Jan. 83, Rill. 10. Dez. 85, RI. 14. Juli 84 (E. XIII, 195; XI, 241). Dagegen Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch 11. Aust.
42
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Thl. II. Abschn. XXII. Betrug und Untreue. — § 266.
ist ein Dienstbote, welcher die dienstliche Funktion hat, bei dem Herumtragen von Waaren von den Kunden seines Herrn, soweit solche sofort Zahlung leisten wollen, die Gelder in Empfang zu nehmen, ein „Bevollmächtigter": RI. 27. April 82 (R. IV, 393). Zn weit geht Dresd. 18. Febr. 78 (SGZ. 22 f. 245), wenn es dahin alle in Verhältnissen des Privatrechts vorkommenden Fälle der Vertretung fremden Vermögens rechnet, sollten die Befugnisse der Vertreter auch nicht ans der Vertrags form des Auftrags entspringen. Daß die Vollmacht (der Auftrag) in einer civil rechtlich gültigen und verbindlichen Weise ertheilt sei, ist nicht erforderlich: OT. ll.Okt. 72, 12. Sept. 73 (O. XIII, 517; XIV, 529: demgemäß finde der § AnWendung, wenn die Handlung zwar nicht der schriftlich übergebenen Vollmacht, wohl aber einer mündlichen Nebenabrede (§ 127,1, 5 Pr. ALR.) zuwiderlief). Rll. 19. Apr. 87 (R. IX, 247) erachtet als „Bevollmächtigten" sogar Denjenigen, welcher den Auf trag zu einem unerlaubten Rechtsgeschäft annimmt p]. — Negotiorum gestio und vorgebliche Vollmacht genügen nicht. Ebensowenig ein Faustpsandvertrag; demge mäß macht sich der Gläubiger durch Begebung eines s. g. Sicherheits- oder DepotWechsels nicht aus Nr. 2 strafbar: RI. 15. Nov. 80 (E. III, 35). 14. Ein Handels-Gesellschafter ist nicht „Bevollmächtigter" im Sinne der Nr. 2; contra: Dresd. 18. Febr. 78 (eit n. 13); vgl. § 242 n. 6, § 246 n. 22; wohl aber jeder Prokurist (HGB. Art. 41), desgleichen der Kommissionär, bzw. wer Waaren als Kommissionsgut d. h. nach den Grundsätzen des Kommissionsgelchäfts zu verkaufen übernommen hat: Ri. 24. Sept. 83 (R. V, 542: regelmäßig), Dresd. 12. Juli 75 (StZ. VI, 7: derselbe sei daher strafbar, wenn er über den Erlös ab sichtlich zum Nachtheile des Kommittenten verfüge), ebenso (jedoch nur unter gewissen Voraussetzungen: HGB. Art. 58. 50) der Handlungsgehülfe (Handlungslehrling, Handlungsdiener): OT. 1. Mai 78 (O. XIX, 237), ferner die Vorstandsmitglieder einer mit Korporativnsrecht bestehenden Innung (als Bevollmächtigte der Znnung, nicht der Jnnungsgenossen): Rll. 1. Okt. 86 (R. VIII, 575: betr. die Ausführung eines ungültigen Beschlusses der General-Versammlung), der Güterexpedient einer Eisenbahn: RI. 10. Zuli 82 (R. IV, 683), der Vorstand (Generaldirektor) einer Aktiengesellschaft oder Erwerbs-Genossenschaft: OT. 30. Nov. 75, 8. März, 27. Nov. 78. Dresd. 23. Juni 75. 25. März 78 (O. XVI, 762; XIX, 130. 547; SGZ. XX, 68; StZ. VIII, 233), Rl. 2. Zuni 87 (R. IX, 356) und die Mitglieder des Vorstands (Anfsichtsraths) einer Aktiengesellschaft: Rll. 21. Nov. 82 (E. VII, 279); vgl. RI. 8. Jan. 83 (R. V, 15). eit. Dresd. 25. März 78 (letzteres bezüglich der Frage, in wiefern das einzelne Mitglied durch seine Mitwirkung beim Fassen nachtheiliger Majoritätsbeschlüsse sich ctud Nr. 2 strafbar machen könne). — Inzwischen werden die in Nr. 2 erwähnten Handlungen der Vorsteher von Aktiengesellschaften re. regel mäßig durch die strengere Strafbestimmung des Art. 249 des HGB.'s (n. 6) gedeckt werden. 14 a.' Selbst Beamte (§ 359) sind nicht grundsätzlich von dem Bereiche der Nr. 2 ausgeschlossen; so können (Pr.) Bürgermeister (auch die von der Regierung kommissarisch bestellten) in ihrer verwaltenden (wirtschaftlichen) Amtsthätigkeit als „Bevollmächtigte" (der Stadtgemeinde) angesehen werden: RIV. 3. Nov. 86 (E. XV, 41). In Betreff der Gerichtsvollzieher vgl. CPO. $§ 674. 675. 716. 720, Rill. 26. Jan. 85 (E. XI, 412). 14b. Mit dem rechtsgültigen Widerruf der Vollmacht hört die Eigenschaft eines „Bevollmächtigten" auf; der bisherige Bevollmächtigte kann sich daher von da ab des Vergehens aus § 266 nicht mehr schuldig machen; vgl. n. 7; contra: Rll. 4. Juni 86 (E. XIV, 184). 15. Die Nr. 2 verpönt nur Verfügungen, welche der Bevollmächtigte als solcher, d. h. auf Grund der ihm ertheilten Vollmacht, vornimmt, nicht auch Hand lungen, welche außerhalb des VollmachtsverhältnisseS liegen: OT. 11. Juli 79 (O. XX, 331); vgl. n. 10. 19. 16. Dem Wesen des VollmachtsverhältnisseS entsprechend, fittb hier unter „Forderungen" des Auftraggebers mir solche gegen Dritte, nicht Forderungen gegen den Bevollmächtigten selbst zu verstehen: OT. 11. Juli 79 (O. XX, 331: demgemäß sei in der Aufstellung fingirter Ausgabeposten zur Ausgleichung einer Schuld des Bevollmächtigten keine Untreue zu finden). Vgl. übr. n. 18. 17. Wesentlich ist, daß der Angeklagte über ein „Vermögensstück" (ein activum) des Vollmachtgebers, über eine zur Zeit in dessen Vermögen sich befindende
Thl. II. Abschn. XXII. Betrug und Untreue. — § 266.
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„Forderung rc." verfügt habe; vgl. Rll. 25. Juni 80 (referirt zu § 246 n. 10). Somit gehört eine Verfügung über den Erlös aus Forderungen rc. des Vollmacht gebers nicht hierher, wenn dieser Erlös nicht selbst Eigenthum des letzteren geworden ist: Rll. 13. März 83, Rl. 24. Sept. 83 (R. V, 168. 542); contra: Kronecker. GA. 34 s. 402, noch auch der Fall, wo ein mit Aufsuchung von Bestellungen Beauftragter eine ermittelte Bestellung einem andern Gewerbetreibenden zur Äealisirung über weist: Münch. 28. Sept. 72 (LtZ. II, 118); dasselbe gilt von der Belastung des Vermögens des Auftraggebers mit einer Schuld: RHI. 4. Febr. 84 (E. X, 72), z. B. wenn ein Prokurist fremde Wechsel zum Nachtheile seines Prinzipals acceptirt; ebenso (in Betreff des Vorstandes einer Aktiengesellschaft): OT. 14. Nov. 78 (O. XIX, 534). Doch nimmt die Rechtsprechung an,' daß vor der Begebung ein eigner Wechsel in der Hand des Ausstellers, ein Äccept in der Hand des Acceptanten ein „Vermögensstück" deö Ausstellers bzw. Acceptanten bilde; vgl. Rll. 9. Mai 84, 4. Juni 86. Rill. 1. März 86 (E. X, 385; XIV, 184; XIII,'376), OT. 13.Sept. 78 (O. XIX, 414); contra: Dresd. 19. Okt. 74 (SGZ. XIX, 142). Ebenso kann in der über eine simulirte Forderung errichteten Hypothekennrkunde als einem Kredit papier ein Vermögensstück des Eigenthümers der verhafteten Grundstücke gefunden werden; so: Rll. 19. April 87 (R. IX, 247). — Das von den Mitgliedern einer Genossenschaft (RGes. v. 4. Juli 1868) zu deren Betriebskapital als Geschäftsantheil eingezahlte Geld bildet, indem es in das Gesellschaftseigenthum übergegangen ist, ein 'Vermögensstück der Genossenschaft als solcher. Der Bevollmächtigte der letzteren macht sich daher aus Nr. 2 strafbar, wenn er dergleichen Geschäftsantheile nicht austretender Mitglieder statutenwidrig an diese auszahlt oder zu ihren Gunsten verrechnet: Ri. 8. Jan. 83 (R. V, 15). 18. In dem „Verfügen über Vermögensstücke des Auftraggebers" ist eine Maßregel zu verstehen, welche in irgend einer Weise eine Veränderung in dem Ver hältnisse des Auftraggebers zu dem betr. Vermögensstücke herbeiführt: Rill. 26. Jan. 85 (E. XI, 412: auf den Erfolg, nicht auf die Art des Handelns komme es an). Demgemäß stellt das bloße Verspäten der Ablieferung vereinnahmter Gelder kein „Verfügen" dar: cit. Rill. 26. Jan. 85; vgl. n. 3. Wohl aber gehört hierhin der Fall, wo der Beauftragte die Bezahlung eigner Schulden, z. B. ihm persönlich zur Last fallender Auslagen aus dem Vermögen des Machtgebers herbeiführt (er verfügt dann über die betr. Geldbeträge des letzteren): RIV. 9. Nov. 86 (E. XV, 41). 18a. Die Verfügung muß „über rc. Vermögensstücke des Auftraggebers" ge troffen werden, letztere daher zum unmittelbaren Gegenstände haben und gerade als solche, d. h. in Bezug auf jene Stücke dem Auftraggeber „zum Nachtheile" gereichen; contra: Rl 10. Juli 82 (R. IV, 683: erkannte! daß unrichtige Gewichtsangaben im Frachtbriefe seitens des Güterexpedienten einer Eisenbahn die Bestrafung aus Nr. 2 begründen könnten, insofern jener auf solche Weise das Betriebsmalerial der Bahn, mithin Vermögensstücke derselben gegen eine geringere als die ihr gebührende Vergütung in Anspruch nehmen lasse). 19. Die widerrechtliche Aneignung anvertrauter Sachen ist in dem Aus drucke „verfügen" einbegriffen, sowie denn Nr. 2 überhaupt zwischen den im Besitze des Bevollmächtigten befindlichen und anderen Sachen nicht unterscheidet; so Manh. 6. Juni 74. 30. Jan. 75 (BA. 40 s. 222; 41 s. 119). Gleichwohl hielt DreSd. 18. Febr. 78 (SGZ. 22 f. 245) die Jdealkonkurrenz der Unterschlagung „anver trauter" Sachen (§ 246 a. E ) mit Untreue im Sinne der Nr. 2 für ausgeschlossen, weil letzteres Vergehen in dem ersteren aufgehe; contra (mit Recht): Darmst. 29. Mai 76 (HE. s. 72); vgl. n. 5, § 246 n. 10. 20. Ein „Verfügen zum Nachtheile rc." wird dadurch nicht nothwendig aus geschlossen, daß der Werth des betreffenden „Vermögensstücks" des Auftraggebers (z. B. des Geldes desselben) dem Verkehrswerthe des Gegenstandes gleich ist, welchen jener dafür empfängt: Rll. 6. Juli 80 (E. II, 215: der Bevollmächtigte eines Hotelbesitzers hatte die vollen Ladenpreise für gelieferte Backwaaren aus der Hotelkasse entnommen und den vom Bäcker vertragsmäßig gewährten Rabatt in eignen Vortheil verwandt). 21. Die unbefugte Entnahme von Geldern aus einer Kasse von Seiten des Kassenverwalters zum Zwecke der Darleihung derselben an einen Dritten enthält, so lange letztere noch nicht stattgefunden, die Kaffe daher noch keinen Nachtheil er litten hat, keine vollendete Untreue; demgenläß macht sich jener Dritte durch An-
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Thl. II. Abschn. XXII.
Betrug und Untreue. — § 266.
3) Feldmesser, Versteigerer, Mäkler, Güterbestätiger, Schaff ner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer, Stauer und an dere zur Betreibung ihres Gewerbes von der Obrigkeit verpflichtete Personen, wenn sie bei den ihnen übertrage nen Geschäften absichtlich diejenigen benachtheiligen, deren Geschäfte sie besorgen. Wird die Untreue begangen, um sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen, so kann neben der Ge fängnißstrafe aus Geldstrafe bis zu dreitatlsend Mark erkannt werden. [I. Entw.: § 240; II. Entw.: § 261; Pr. StGB.: § 246.] Vgl. §§ 32. 336; HGB. Art. 66 ff. 249 (31®es. v. 18. Juli 1884); Gew.-O. § 36; RGes. üb. b. eingeschriebenen HülfSkassen. v. 7. Apr. 1876 (RGes. v. 1. Juni 1884) § 34; RGes. v. 15. Sunt 1883, betr. die Krankenversicherung der Arbeiter, § 42. Preußen: Vgl. EG. z. HGB. Art. 9 §§ 1.4; Crim.-O. § 357 Nr. 11. nähme der Gelder nicht der Hehlerei schuldig; so: RF. 12. Sept. 81 (R. Ill, 496). Dagegen ist, wer zur Vollendung der Untreue durch Annahme der Objekte des Vergehens wissentlich mitwirkt, als Gehülfe (§49) strafbar; vgl. 91111. 1. Juli 86 (R. VIII, 507); letzteres Erk. scheint sogar die Möglichkeit einer Mitthäterschaft an zunehmen; vgl. jedoch § 47 n. 17.
Zu Nr. 3. 22. Ueber die Anstellung (und Beeidigung) der Feldmesser, Versteigerer (Auktionatoren), Güterbestätiger, Schaffner, Wäger, Messer, Bracker, Schauer, Stauerrc. vgl. Gew.-O. § 36; über die der Mäkler: HGB. Art. 66 ff.. Pr. EG. z. dems. v. 24. Juni 1861 Art. 9; insoweit jetzt §266 Nr. 2 zutrifft, ist durch denselben § 5 des cit. Art. 9 erseht. 23. Bei den in der Nr. 3 aufgezählten Personen wird eine obrigkeitliche Verpflichtung vorausgesetzt; diese muß sonach von einer (Staats- oder Gemeinde-) Behörde erfolgt sein; die durch eine Korporation bewirkte (Gew.-O. §36) genügt nicht; bei Mäklern reicht es aus, wenn die von der Handelskammer (Korporation)ausgegangene Ernennung von einer Behörde genehmigt und eine amtliche Vereidung erfolgt ist; vgl. Pr. EG. z. HGB. Art. 9 §§ 1. 4. — Eine amtliche Anstellung ohne demnächstige Verpflichtung rechtfertigt die Anwendung der Nr. 3 nicht: OT. 24. Mai 56 c. Buhl. — Dagegen gehört ein amtlich verpflichteter Arzt (Thierarzt rc.) hierher: Dresd. 8. Dez. 71 (SGZ. XVI, 188). 24. Die Worte: „bei den ihnen übertragenen Geschäften" sind nicht gleich bedeutend mit: „durch die rc. Geschäfte"; es ist daher nicht erforderlich, daß die Benachtheiligung durch die Art der Ausführung des Geschäfts herbeigeführt werde; es genügt, wenn sie in anderer Weise bei der aufgetragenen Handlung und in Betreff des Gegenstandes erfolgte, auf welchen sich die Thätigkeit bezog; es kann dann ge schehen, daß das Vergehen ideell mit einem anderen z. B. Diebstahl konkurrirt: OT. 22. Juni 59 (GA. VII, 557: der Angeklagte, ein verpflichteter Kornmesser, hatte einen Theil des zu vermessenden Getreides gestohlen). 25. Die unbefugte Disposition über erhobene Gelder kann eine Benachtheiligung des Auftraggebers in sich schließen: OT. 25. März 59 c. Stonner. 26. Bezüglich des Verlusts der rc. Ehrenrechte rc. vgl. §§ 32. 35. 27. Ueber die Absicht: „sich oder Andern einen Vermögensvortheil zu verschaffen" (Abs. 2) vgl. § 263 n. 2—12. Daß der gesuchte Vermögensvortheil ein „rechtswidriger" sei, kann hier nicht gefordert werden; ebenso: OT. 27. März 79 (GA. 27 s. 375). 28. Die im Pr. Regl. v. 15. April 1848 enthaltenen Strafandrohungen gegen Auktionatoren kommen nach wie vor zur Anwendung, insoweit der betr. That bestand nicht jetzt unter die Nr. 2 oder 3 des § 266 fällt.
Thl.
II. Abschn. XXIII.
Urkundenfälschung. - § 267.
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Dreiundzmanjigster Abschnitt.
Urkundenfälschung.
§ 267. Wer in rechtswidriger Absicht eine inländische oder ansländische öffentliche Urkunde oder eine solche Privat§ 267. Absicht: 1—7. 23. 25. 27. 29. - b. Gebrauch: 5. « Beweismittel, Erlangg.: 3. - deS Fortkommen-: 1. - Erreichung: 6. 29. • West- (Frag.) ftelluag: 7. • RechtSverb. Gcltendmchg.: 2. - Mißthat, Verheiml.: 3. 33. • VermogenSvortheil rc.: 1. • zu fälschen: 4. • zu gebrauchen: 23. • zu schaden: 1. • zu lauschen: 25. 27. 29. Analphabet: 20. 62. Anfertigq., falsch!.: 15—21. 48. 49. • Beamter, Beurkdg.: 44. 49. • Berechtigung: 15. 18. • Dritter, Werkzeug: 17. • Ermächtigung: 18. • Feststellung: 18. • Mitthäter: 16. • Namen, falsd'.: 18—21. - osfentl. Nrk.: 49. 44. . Qualifizirung, falscher 19. • Schein d. Echtheit: 20. • Selbftvetpflichtung: 17. • Thäter: 16—18. 48. • Unterschrift: 18—21. vgl. unt. Urkunde. . wer? 16—18. 44. 49. Auslöschen: 14. Beschädigter: 17. Beschädigung b. Urs.: 14. Betrug: 28. 33. 35. Beurkundung, falsch.: 49. 44. Datum: II. 12. 64DoluS: 1—7. 16. 23. 27. 29. Ehrenrechte: 31. Existenz der Person: 19. 132. • der Schrift: 10. 38. FiskuS. Betheiligung: 11. 26. Fest-Fragstellung: 12. 18. 26. 37. 60. 123.
Abdruck: 46a. Abrechnung: 121. Abschrift: 46. 145. Advokat, Akten: 118. Aktie: 107. Almosenaesuch: 114. Analphabet: 62. Anweisung: 71. 127. Anzeige: 75. 76. Auftrag an eigne Ordre: 109. Aufzählung: 65 ff. Auktionsverhandlung: 75. 79. ausländische: 146. AuSftandSvewilligung: 120. Avisbrief: 116. 133. Banknote: 107. Beglaubigung: 46. 80. 84 ff. Begriff? 37. 39 ff. Benachrichtrgg., amtl.: 74. 46a.
Inhalt: Gebrauch: 22—30. 123. . Absicht: 5. 23. • Besitz der Urkunde: 24. - Beziehung z. Rechtsgesch.:
Täuschung, Beschädigter: 17. 26. - Betrug: 30. 33. 35. - Gehülfe. 30. - Gelingen: 29. - Mittel: 27. 28. - Recht-verhältniß: 27. 50 ff. . durch Andere: 24. 30. • wessen? 25. 26. 26a. 52. . Fragstellung: 26. . Hergäbe z. Gebrauch: 30. • Zweck, Erreichung: 29. . Recht, Begründung: 27. Testament: 27. Thäter: 16-18. 22. 30. • Täuschung r 25. 30. Unterschrift: 18—21. 44. 58-63. vgl. d. W. • Analphabet: 20. . Testament: 27. • Einwilligung de- Inhaber-: • Verdecken e. andern That: 33. 18. 19. Gebrauch, wer? 22. • Schein der Echtheit: 20. 21. • wie? 24. 30. • womit? 42. • Wiederholung: 32. . Wirkung. Crvrlrecht: 27. vgl. das Wort unter Urkunde. » Zweck vgl. Täuschung. Untersiegelung: 19. 44. Urkunde: 9. 37 ff. Gehülfe: 16. 22. 30. Verdeckung e. and. Th.: 11. 33. Getauschter: 17. 21. Verfälschen: 9—14. Grenzaufseher: 27. Handzeichen r 62. - Aenderung: 10—14. • Auslöschen: 14. Konkurrenz: 32—34. • Berechtigung: 11. Kcntrebande: 34. - Beschädigung: 14. Namen, falscher: 18—21. • Datum: 12. • Getäuscht. Mitwrkg.: 16. 21. • Echtheit? 9. • nicht existirend: 19. • Unterschrift; vgl. unten. ■ Erheblichkeit: 12. - Existenz, vorherige: 9. . Dornamen: 19. • erkennbar: lu. 12. Qualifikation, falsche: 19. • Hinzufügen: 10. Rechtsanwalt: 24. 30. Recht-verhältniß, Beziehung: 27. • Papier re. 14. • Pers., Charakter: 12. 50—52. . - Identität: 12. 18. Rechtswidrigkeit: 1—7. 11. 15. 18. • Ziffern: 12. Reise-Legitimation: 1. 102. Vernichtung der Urkunde: 14Schein der Echtheit: 20. Versuch: 22. 29. 30. 35. Siegel: 19. 44. Vollendung: 6. 13. 22. 29. Simulation: 11. 18. 27. Stempel. FiSkirS: 11. 26. Wechsel: 12. 28. 37. l26ff. Werkzeug. Dritter: 17. 30. Steuerdefr.: 34. Täuschung: 25—30. Zolldefrande: 34. Zweck, vgl. Täuschung. • and. Mittel: 28.
Urkunde: 37 ff. Bericht: 75. Bescheinigung: 80. 102. 139. Beschluß, gerichtl.: 68. Bestellbrief: 27. 110. Beurkundung: 45. 49. Beurtheilung, obj.: 50. 53. • Civil-Entschdg.: 39. 50. - Civil-Gesetz: 39. 42. 50. BeweiS: 39. 40. 43. 47. . Erheblichkeit f. d. W. • vollständig? 53. Bitte um Geldsendung: 113. - Mildthätigkeit: 114. Brauanzerge: 84a. Brennereibetriebs-Plan: 85. Brief, Absender: 40. 53a. 98. Buch, amtl.: 104. Bürgschaft: 115. 137. Causa debendi: 134.
Civrl-Entscherdung: 49. 42. 50. Civil-Recht: 39. 42. 50. DarlehnSgesuch: 112. Datum: 11. 12. 64. Deposital-Aunahme-Befehl: 73. Diemt-Entlafsung: 122. ■ FührunaSa tieft: 103. 142. DiSposttronSfah.: 54. 136. 137. Druckschrift r 42. Ehefrau: 137. Einrede: 54. 134—137. EintrittS-Marke: 57. 68. Eisenbahnbillet: 57. 58. 106a. Erheblichkeit, obj.: 50. 53. • Beweis, and. Richtung: 54. 56. 119. 127. • - vollständig: 53. • Standpkt. Civilrecht.: 42.50. Erlaß, lande-herrl.: 65.
662
Thl. II. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. — § 267.
urkunde, welche zum Beweise von Rechten oder Rechtsverhält nissen von Erheblichkeit ist, verfälscht oder fälschlich anfertigt ElscheinungSbefthl: 67. Exekution-gesuch: 117. Existenz der Person; 19. - Schrift: 10. 38. Faktura: 111. Fest. (Frag.) stellung: 37. Fleischbeschau: 89. 104. Formfehler: 43. 54—56. 127. Frachtbrief: 124. • Avisbrief: 116. 133. Freimarke: 108. FuhrungSattest: 103. 14L Garantie: 56. 119. Gebiihrenfeststellung: 72. Gebührennote: 70. GeburtSakt: 27. Geldpacket. JnhaltS-Anz.: 98. Gemeinde-Dertretung: 45. 79a. Gerichtsbeschluß: 68. Geschäftsverkehr, innerer: 73. Grenzstein: 41. 57. Haftbefehl: 67, Handelsbuch: 138. HolzabzahlungStabelle: 100. Holztransportartest; 102. Holzverabfolgeschein: 100. Iagoschein: 102. Jnhaberpapier: 107. Insinuation: 77. Kataster: 83. 104. Kerbholz: 41. 57. Kirchenbuch: 80. Klageschrift: 117. Konrrollbuch. amtl.t 104. Kosten. Feststellung: 69. 72. • Liquidation: 70. . Vorschuß Aufforder.: 113. Legitimattonsschein: 90. 102. Liquidation: 70. Lohnschreiberbogen: 105. Mahnbrief: 116. Maischbottich, Vermeff.: 84. Mandat: 69. 71. . Mangel: 54-56. 127. Marte: 41. 57. 58. Meßbrief: 86. Milde Zwecke: 66a. 109. Milit.'Absch.: 102. Minderjähriger: 136. Mittel: 42. Muthung. Präsentatum: 82. Mutterrolle: 83. Nichtigkeit: 64. 134—137. Nothschlachtzeugniß: 89. Notorietät: 57. Objektive Beurth.: 50. 53. 143. öffentliche: 43—49. 146. • AmtScharakt.: 44. . AmtSsiegel: 44. • Anzeige-Protok.: 66. • Aufzählung: 65 ff. • ausländische: 146.
öffentliche, Beamter. Dezeichngg.: 44. . Beamter. Existenz: 48. fcitel: 48. • Beglaubigung: 46. . Beurkundung: 49. > Feststellung: 46. • Privat-Jnt. Vertretung: 45. > Uuterjchrrft: 44. • Nntersiegelung: 44. ■ Zustandrgkt.: 43. 48: Papier a. d. Inh.» 107. 109. Passtrschein: 102. Personenstand: 27. 80. 3. Pers. Fähigkeit: 54-56. 136. 137. - Existenz: 19. » haftbare Erkennbarkeit: 58. • Verschiedenheit: 19. Pfändungsverhandlung: 75. Pfandschein: 81. Pferde-Legitimations-Attest: 102. Plombe: 87. 17. Polizeiliche Legitimation: 102. Polizei-Verordnung: 66. Postalisches: 44. 93 ff. 104. 108. Präsentatum, amtl., 82. Privat-Urkunde: 50 ff. . Aufzahlung: 109 ff. PreiSkourant: 140. Proviantverzeichniß: 86. PrüfungSzeugnrß: 101. Quittung: 37. 119. 90a. Rath, amtl.: 74. Rechnung: 116. 124. Rechnungsbeleg: 39. 70. Recht. Ratur: 61. • westen? 52. Rechtsbegriff r 37. • objektiv: 50. 53. 143. Rechtsfähigkeit: 54. 136. 137. Rechtsgeschäft. Gültigkeit: 42. 134—137. • Mängel: 54. 134—137. - Werth: 54. 135. • zweiseitig: 112. 122. RechtSverhältniß: 50—52. ■ Natur. Erkennbarkeit» 50. » privatrechtl. 1 51. • westen! 52. Register, amtl.: 104. Reste-Legitimationr 1. 102. RestitutronSpflicht: 56. 119. Repif.-Buch (Mehlbestand): 85. Rezept: 143. Rollkatte: 125. Rückgabe: 119. Schrift? 41. • Existenz: 10. 38. » Nothwendigkeit: 41. 57. • Venfiztrung: 42.
Schuldverschreibung: 134. - ö. d. Inhaber: 107. 109. Siegel: 19. 41. 44. 57. Sinn, konventioneller: 50. 57. • zweifelhaft: 37. 50. 57. Sitzung-protokoll: 68. Soll-Einnahme-Beleg: 70. Staat. Verirrt»,ng: 45. Stempel: 41. 57. 61a. 95. 109. . FiSkus: 11. 17. 18. 27. Stempel-Papier rc.: 103. Steuerliche-: 51. 83—89. Strafabbußung. Anzeige. 78. Taxe: 53. Telegramm: 63. 99. 123. Thatsache: 40. 47. Theaterbillet: 57. 58. Unterschrift: 18-21. 44. 58-C3 • einseitig: 112. 122. • eigene: 63. • Firma: 59. • gedruckte: 42. • .aez.«: 63. • Handzeichen r 62. • Mangel: 51-56. . Namen-schrift: 19. 59.
.
»pro«: 63.
• Prokurist: 63. • Stempel: 57. 17. • Unterkrruzung: 62. 44. ■ unerläßlich? 56. • unvollständig: 61. • Vertreter; 63. • Vornamen: 19. • wo: 60. Untersiegeluag: 19. 44. UnterfuämngSverhandlung: 69. Unvollstandigkeit: 50. 53. 127. 128. Urtheil: 68. DervstichtungSgrund: 134. VersendunzS-Legit.-Schein: 90. DerÜcherungS-Antrag: 92. Verständlichkeit: 50. 57. Vertrag, Auflösung: 112. 122. Derwahrbefehl: 67. Vollmacht: 109. 110. 137. • zu milden Beiträgen: 109. DorladungSbesehl: 67. Wahlzettel: 144. Waldhammer: 41. 57. Wanderbuch: 102. Wechsel rc.: 12. 27. 28. 37. 126—133. Wildpassirschein: 102. Zahlungsanweisung» 71. 127. Zahlungsaufforderung: 69. Zahlung-versprechen a. Inh.: 107. Zeugniß, Prüfung: 101. 141. Zoll-DersendungS-Schein: 87. ZuftettungS-Ulk.: 67. 77.
1. Der § erheischt eine „rechtswidrige Absicht" d. h. den Willen, eine Folge herbeizuführen, welche einem begründeten Rechtszustande zuwiderläuft, diesen verletzt, speziell: eine auf Benutzung des Falifikats wider die Rechte Dritter gerichtete Absicht (: OT. 6. Sept. 75, O. XVI, 555); ähnlich: RlH. 4. Febr. 80, RII. 13. Okt. 82, RIV. 29. April 84 (E. I, 293; A. VI, 296; R. VI, 323: die Absicht, eine widerrechtliche Aenderung eines bestehenden bzw. durch die Urkunde begründeten Rechtszustands herbeizuführen, bezw. das bewußte Erstreben eines rechtswidrigen, d. h. eines Erfolgs, welcher, ohne entsprechende Befngniß des Handelnden, einen bestehenden Rechtsznstand zu verändern geeignet sei), Rill. 5. Febr. 81 (E. III, 337: „rechtswidrig" sei hier in einem anderen Sinne zu verstehen, wie im § 263). Da gegen erblickt Rll. 22. Okt. 80 (E. II, 376) in jenem Thatbestandsmerkmal im
Thl. II. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. — § 267.
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und von derselben zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht, wird wegen Urkundenfälschung mit Gefängniß bestraft. [I. E»tw.: §§ 241. 244. 245; II. Entw.: §262; Pr. StGB.: §§ 247. 250.] Vgl.
§§ 268-270. 363; VZollges. v. 1. Znli 1869 § 159. Preußen: Vgl. Steuer-O. v. 8. Febr. 1819 §§ 86. 87.
Wesentlichen nur das Erforderniß des vorsätzlichen Handelns, da „Absicht" hier gleichbedeutend mit „Vorsah" sei, und die Rechtswidrigkeit des Vorsatzes nur ge fordert werde, um durch Hervorhebung dieses allgemeinen Erfordernisses des straf rechtlichen Dolus dem Mißverständnisse vorzubeugen, als ob auch ein nicht rechts widriges Gebrauchmachen, z. B. zum Zwecke einer Neckerei, unter den § falle. Vgl. ferner Ri. 12. Febr. 80, OT. 14. Sept. 76 (GA. 28 s. 155; 24 s. 589) und unten n. 3. — Eine rechtswidrige Absicht liegt selbst dann vor, wenn der Thäter die be absichtigte Folge nur irrtümlicher Weise für eine rechtswidrige hält: RI. 28. Juni 86 (R. VIII, 493), wogegen ein (thatsächlicher oder civilrechtlicher) Irrthum, in Folge dessen jener sich der Rechtswidrigkeit seiner Handlung nicht bewußt ist, den Dolus stets ausschließt: cit. RIV. 29. Apr. 84. — Auf die sonstige Natur der Ab sicht kommt Nichts an; insbesondere braucht letztere nicht auf Verschaffung eines Vermögensvortheils oder auf Zufügung eines Schadens gerichtet zu sein (eine solche hat nach § 268 eine Strafverschärfung zur Folge). — Ist ein Legitimationspapier rc. lediglich 3um Zwecke des besseren Fortkommens gefälscht worden, so schließt § 363 den § 267 aus; vgl. OT. 24. März 76 (O. XVII, 215), § 363 n. lff. 2. Demgemäß ist es keineswegs unerläßlich, daß die Absicht dahin gehe, das jenige Rechtsverhält n iß, für dessen Beweis die „Urkunde" von Erheblichkeit ist, zur Geltung zu bringen; vgl. unten n. 26. 27. 3. Die Absicht ist selbst dann eine „rechtswidrige", wenn sie gerichtet ist auf Beschaffung eines falschen Beweismittels für eine an sich wahre Thatsache (n. 21): RI. 12. Febr. 60 (GA. 28 s. 155), OT. 15. Okt. 75, Manh. 11. Mai 78 (O. XVI, 657; BA. 44 s. 152), oder zu einem an sich erlaubten Zwecke, z. B. zur Erlangung eines mit Unrecht zurückbehaltenen Arbeislohns: Stuttg. 11. März 74 (StZ. IV, 60), oder zu einer gesetzlich statthaften Eheschließung: OT. 6. Sept. 75 (O. XVI, 555: Jemand hatte eine falsche Sterbeurkunde seiner von ihm geschiedenen Frau einem katholischen Pfarrer vorgelegt, um so zur Trauung mit einer anderen Person zu gelangen; hierin sei eine Verletzung der Rechte des Pfarrers enthalten); oder zur Abwendung (Milderung) einer Strafe: RI. 3. Nov. 81, RII. 4. Jan. 84. 6. Febr. 85, Rill. 16. März 85 (E. V, 149; IX, 399; XII, 170; R. VII, 86: selbst im Falle der Unschuld des Thäters), Münch. 19. Juni 75 (BE. V, 277), OT. 26. Sept. 77 (O. XVIII, 592); contra: Rill. 1. Mai 80 (E. II, 34). Vgl. im übr. RI. 3. Juni 80 (E. II, 173), RIV. 21. Nov. 85, Rill. 10. Mai 82 (E. XIII, 65; R. IV, 466: speziell bezüglich der Frage, inwiefern eine Braut durch Aenderung des Geburtsdatums im Geburtsatteste sich auS § 267 ober aus § 363 strafbar machen könne), Carlsr. 3. Okt. 79 und Schneider (BA. 45 s. 369ff.). — Gemäß RII. 1. Mai 85 (R. VII, 266) soll selbst die envariete Genehmigung des Namensträgers einer fälschlich angefertigten Urkunde jenes Begriffsmerkmal nicht ausschließen, sofern nicht auch den anderen Personen gegenüber die rechtswidrige Absicht durch besondere Umstände ausgeschlossen werde; vgl. n. 18. 4. War die Absicht eine rechtswidrige, so bedarf es nicht außerdem noch der Absicht: „eine (falsche) Urkunde anzufertigen rc.", in dieser Beziehung genügt ein bewußtes Handeln. 5. Die rechtswidrige Absicht muß nicht nur bei der Fälschung, foubem auch bei dem demnächstigen Gebrauche vorwalten: RII. 29. Nov. 81 (R. III, 752), OT. 14. Nov. 72 (O. XIII, 597); vgl. n. 22, § 268 n. 6. 6. Die Vollen düng des Vergehens ist nicht dadurch bedingt, daß die Ab sicht erreicht wurde oder doch mindestens erreichbar war (nur bei einem Versuche kommt die Tauglichkeit des Mittels in Betracht). Vgl. n. 23. 29. 7. Die „rechtswidrige Absicht" ist ein Begriffsmerkmal des (einfachen) Thatbestandes, also kein erschwerender Umstand. 8. Ueber die Begriffe „Urkunde", „öffentliche Urkunde" vgl. n. 36ff. 9. Die „Verfälschung" einer Urkunde setzt voraus, daß eine solche vorher
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exijstirt habe. Daß dieselbe echt gewesen, wird nicht erfordert, auch eine fälschlich angefertigte oder verfälschte Urkunde ist nach ihrer objektiven Erscheinung eine „Ur kunde" und kann weiter verfälscht werden; contra (in Betreff einer fälschlich ange fertigten Urkunde): RH. 8. April 81 (E. IV, 69), Merkel, HH. III, 792, Mommsen i. GSäal 36 s. 47. 10. „Verfälschung" einer Urkunde ist eine unberechtigte Abänderung der selben in einem für den Beweis erheblichen Punkte, durch welche ihr Charakter als Urkunde nicht aufgehoben wird; ebenso: RlV. 19. Sept. 84 (R. VI, 552). Ri. 17. Jan. 81 (E. III, 324: Fall des § 348) faßt den Begriff weiter: Verfälschung sei jede unbefugte Umänderung der Urkunde, welche das Verständniß ihres ursprüng lichen Inhalts beeinträchtige. Ist eine „Abänderung" festgestellt, so ist es unwe sentlich, ob der frühere Inhalt der Urkunde ermittelt wurde oder nicht: OT. 8. April 70 (O. XI, 244). 11. Die Abänderung muß eine unberechtigte (n. 10) fein; eine von dem zur Verfügung über die Urkunde ausschließlich Befugten oder im Einverständnisse aller Betheiligten vorgenommene, den wahren Sachverhalt entstellende Verän derung gehört daher nicht hierher, sollte auch die Absicht auf Täuschung eines Dritten gerichtet gewesen sein; vgl. RI. 23. Jan. 82 (E. V, 430: betr. Eintragungen im Handelsbuche: n. 138), Rill. 14. Dez. 81 (E. V, 260), OT. 1. März 67 (D. VIII, 142); vgl. n. 15. 18. 141. Dies gilt sogar dann, wenn die Urkunde (in ihrem ur sprünglichen Zustande) zu Gunsten eines Dritten, Nichtbetheiligten, beweisfähig war; so: Manh. 15. Juli 76 (BA. 43 s. 4: betraf eine vom Gläubiger am Rande seines Schuldscheins gemachte, die Zahlung bekundende und sie nach Badischem Civilrechte beweisende Bemerkung; selbst, wenn dieselbe auf Veranlassung des Schuldners gemacht worden, bleibe deren Abänderung durch den Gläubiger straflos, sofern nicht festgestellt werde, daß der beiderseitige Wille auf vertragsmäßige Schaffung einer Beweisurkunde gerichtet gewesen sei). — Sonach ist es keine Urkundenfälschung, wenn eine Urkunde von den betheiligten Privatpersonen im allseitigen Einverständ nisse nachträglich verändert wird, um dadurch eine stattgehabte Stempeldefraude zu verdecken: OT. 8. Juli 68, OA. 16. Sept. 68 (O. IX, 434. 499); contra: Rll. I. Nov. 87 (E. XVI, 262). Giebt dagegen der die Urkunde aufnehmende Be amte derselben (zur Abwendung der Stempelstrafe rc.) ein unrichtiges Datum, oder ändert er das Datum nachträglich, so wird § 348 anwendbar. Selbstredend ist der Eiaenthümer des urkundlichen Gegenstands nicht schon als solcher ein Be rechtigter im oben gedachten Sinne;. vgl. Mommsen i. GSaal 36 s. 45. 12. Die Aenderung (n. 10) muß eine solche sei, welche irgendwie für die die Urkundenqualität bedingende Beweiskraft, also bei einer Privaturkunde zum Beweise eines Rechts rc. (vgl. n. 39 ff.) erheblich ist, sollte sie im Uebrigen auch geringfügig erscheinen: OT. 28. Febr. 62. 5. Mai 74, OA. 27. April 70 (O. II, 278- XI. 264; XV, 277). Die Hinzufügung einer Wohnungsangabe oder irgend einer Charakterisirung nach Stand rc. bei dem Namen oder der Unterschrift einer Partei kann ge nügen; ebenso eine Aenderung im Datum, z. B. wenn dadurch die Jdentitätsfrage in Betreff der Person oder des Objekts des Rechtsgeschäfts berührt wird: OT. 23. April 69 (O. X, 255), Dresd. 13. Ott. 73 (SGZ. XVIII, 84); die Hinzufügung des Domizilvermerks beim Wechsel: Rll. 20. Sept. 81 (E. IV, 410), Münch. II. Febr. 78 (BE. VIII, 63); ja je nach Umständen sogar der einem Schuldscheine (Wechsel) beigefügte Zusah „unter Verpfändung meines Ehrenworts"; so: Münch. 30. Mai 76 (BE. VI, 270). Umgekehrt kann der Abänderung der mit Ziffern geschriebenen Summenangabe in einem Wechsel der Charakter einer Verfälschung abgesprochen werden, wenn der Wechsel außerdem noch eine in Buchstaben ge schriebene (nach Art. 5 der WO. dann allein maßgebende) Angabe- der Summe enthielt, welche keine Aenderung erlitten hat: OT. 13. Jan. 60 c. Vallentin. — Die (unbefugte) Abänderung ist selbst dann, wenn sie dem wahren Sachverhalte entspricht, eine Verfälschung: Ri. 17. Jan. 81 (eil. n. 10), Rill. 9. Febr. 81 (R. III. 20: Mot.). 13. Es unterliegt der thatsächlichen Beurtheilung des Einzelfalls, inwiefern eine Abänderung und somit die Verfälschung anzunehmen sei, wenn der ursprüng. liche Inhalt mehr oder weniger erkennbar geblieben ist. 14. Eine „Verfälschung einer Urkunde" liegt nur dann vor, wenn diese durch die an ihr vorgenommene Aenderung den Charakter als Urkunde nicht gänzlich
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verloren hat (». 10): OT. 29. Mai, 4. Dez. 61 (O. I, 409; II, 115). Hat die Schrift in Folge jener Veränderung aufgehört, eine Urkunde zu fei», z. B. ist die Unterschrift gelöscht, oder der ganze Inhalt unleserlich gemacht worden, so liegt eine Vernichtung (Beschädigung) derselben, und nicht eine Urkundenfälschung vor; es f Dez. 85 (E. XIII, 85: Mot.). Macht unter mehreren Miturhebern der Fälschung nur Einer von der Urfmibe Gebrauch, so ist nur er „der Thäter", die übrigen können nur Gehülfen sein: OT. 11. Jan. 70 (O. XI. 35). Macht ein Dritter von der gefälschten Urkunde Gebrauch, so kann er nur aus § 270, der Fälscher nur als feilt Gehülfe strafbar sein; vgl. n. 30, Dresd. 24. Febr. 72 (StRZ. XII, 168); contra: StI. 22. Juni 86 (R. VIII, 481). In Betreff der Fälle, wo der Dritte in gutem Glauben, nur als Werkzeug des Fälschers, oder wo zwar beide dolos, aber mit verschiedenem Dolus handeln, vgl. n. 30, § 47 n. 3. 4. Bei einer auf Urkundenfälschltng lautenden Anklage kann eine Hülfsfraqe aus § 270 gestellt werden (StPO. § 294): OT. 13. Mai 72 (O. XIII, 303). (Sine Verurthetlung aus § 270 statt aus § 267 bezw. § 268 bildet für den Verurtheilten keinen Revisionsgrund (sofern nicht abzusehen oder aus den Entscheidungsgründen zu entnehmen ist, daß jener Irrthum die Strafzumessung zum Nachtheile des Verurtheilten beeinflußt habe): StI. 16. März 82 (R. IV, 248). — Im Uebr. vgl. § 270 n. 7. 23. Hat der Fälscher die gefälschte Urkunde rc. gebraucht, so ist es für den Thatbestand unwesentlich, ob er diesen Gebrauch schon bei der Fälschung beab sichtigt hatte; vgl. übrigens u. I und § 268 n. 6. 23 a. Es ist nicht erforderlich, daß die Fertigung rc. und der Gebrauch der Urkunde in räumlich oder zeitlich getrennten Akten stattfinde: Carlsr. 81 (cit. n. 19). 23b.. Desgleichen nicht, daß man von der Urkunde aus eigenem Antriebe und aus freien Stücken Gebrauch mache. Demgemäß begründet die mit dem Willen, zu täuschen, stattfindende Vorlage einer verfälschten Urkunde bei Gericht das That bestandsmerkmal des Gebrauchs selbst dann, wenn sie auf Antrag des Prozeßgegners und zur Erfüllung der Editionspflicht geschieht: Still. 18. Dez. 80 (E. III, 169).
24. Der Gebrauch einer Urkunde setzt nicht nothwendig den eigenen Gewahr sam derselben voraus: man kann eine Urkunde „gebrauchen", welche ein Anderer (z. B. der vertretende Rechtsanwalt, der Getauschte selbst) in Händen hat: OT. 22. Mai 66 (O. VII, 257), z. B. durch Bezugnahme bei einem neuen Geschäfte: Dresd. 6. Febr., 4. Mai 74 (StZ. IV, 188; V, 132). 24a. Unter „Gebrauch" ist hier überhaupt nicht lediglich eine bestimmte Art von Gebrauch, nicht lediglich die bestimmungsmäßige Verwendung der Urkunde, sondern jeder Gebrauch zu verstehen, welchen die Urkunde als solche (n. 27) zuläßt: Stil. 20. Juni 82 (R. IV, 583: Mot.), sollte dabei auch eine sinnliche Wahrnehmung der Urkunde seitens des zu Täuschenden nicht stattfinden: Stil. 25. Juni 86 (E. XIV, 242), jedes Gebühren mit der Urkunde, welches darauf gerichtet ist, einen Anderen in den Irrthum zu versetzen, daß die Urkunde unverfälscht sei; so: Still. 30. Sept. 82 (E. VII, 53: eine besondere Veranstaltung, z. B. das direkte Aus händigen oder Vorlegen an den Dritten, sei hierzu nicht erforderlich, zumal wenn die Urkunde sich schon an einem Orte befinde, wo sie, wie der Thäter wisse und wolle, dem Dritten zugänglich sei und von ihm eingesehen oder sonst benutzt werden werde), Still. 29. Apr. 86 (R. VIII, 319), cit. Stil. 25. Juni 86 (betr. Einreichung einer Abschrift der verfälschten Urkunde zu Civilprozeßakten, verbunden mit dem Hinweise auf die Strafakten, zu denen der Angeklagte das Original eingereicht hatte). Die Ueberlassung der Urkunde über einen zweiseitigen Vertrag an den Mitkontrahenten, bzw. das'Liegenlassen derselben zu Händen des letzteren kann (unter Umständen) einen Gebrauch darstellen; vgl. StI. 16. Mai 81, Carlsr. 81 (BA. 47 s. 221. 167), in Betreff einer Quittung deren Aushändigung an den Schuldner
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seitens des mit der Zahlung an den Gläubiger Beauftragten: Rill. 1. Juli 82 (R. IV, 660), desgleichen das bloße Vorlesen, z. B. eines gefälschten Haftbefehls: RIV. 10. Dez. 86 (E. XV, 110); vgl. ferner Rill. 27. Juni 87 (E. XVI, 228: Mot.). Darin, daß ein Steuerpflichtiger eine verfälschte Brauanzeige (n. 84 a) zur Einsicht des revidirenden Steuerbeamten bereit hält, kann ein Gebrauch jener Urkunde ge funden werden; so: OT. 11. Mai 76 (O. XVII, 338). Dagegen erkannte 91111. 31. März 80 (R. I, 513), daß die mit einer Aufforderung zum Zahlen verbundene, mündliche Behauptung, man habe einen Wechsel in Händen, ohne Produktion des letzteren, einen Gebrauch desselben selbst dann nicht darstelle, wenn der Thäter den (gefälschten) Wechsel wirklich bei sich führte. Im Uebr. vgl. n. 27. 30. 25. Der Gebrauch muß (in rechtswidriger Absicht, vgl. n. 5, und) unmittelbar (: n. 30, Rill 28. Febr. 80, E. I, 230) „zum Zwecke einer Täuschung", also einem Andern gegenüber gemacht werden, welcher dadurch in Irrthum verseht werden soll. Diesem Erfordernisse ist genügt, wenn sich der Gebrauch osten sibel an einen Dritten (vollständig Eingeweihten) richtete, die Absicht aber gerade dahin ging, hierdurch auf einen Andern einzuwirken, ihn zu täuschen. 26. Zn Beziehung auf die Person des durch den Gebrauch zu Täuschenden unterscheidet das Gesetz nicht. Es wird nicht erheischt, daß derselbe bei dem durch die Urkunde zu beweisenden Rechtsverhältnisse selbst irgendwie betheiligt sei; ein einem Dritten (z. B. dem Staate, dem Richter, vgl. § 263 n. 61) gegen über gemachter Gebrauch kann hinreichen: Ri. 5. Febr.. 11. Okt. 80, RII. 10. Febr. 82 (E. 1,186; II, 320; V, 437), Wolfenb. 29. Dez. 76, Dresd. 5. Nov. 77, Münch. 14. Dez. 77 (Br. Z. 24 s. 49; StZ. VIII, 238; BE. VII, 519). Ebensowenig ist erforderlich, daß die Absicht dahin gerichtet sei, die Rechte Desjenigen zn verletzen, welcher durch den Gebrauch getäuscht werden soll. Demgemäß ist die namentliche Bezeichnung des zu Täuschenden in der Feststellung nicht unerläßlich: OT. 25. April 55 c. Mangau. Dagegen muß der „Gebrauch zum Zwecke der Täuschung" ausdrücklich festgestellt werden: RI. 21. Okt. 80 (R. II, 366). 26a. Ob der Thäter über eigne oder fremde Rechte und Rechtsverhältnisse täuschen will, ist an sich gleichgültig: Rill. 18. Dez. 80 (E. III, 169); desgleichen, ob er in eignem oder fremdem Interesse handelt: Rll. 4. Dez. 83 (R. V, 755). 26b. Ebenso (arg. § 263), ob der Gebrauch die Herbeiführung einer Täu schung oder blos die Unterhaltung einer (bereits herbeigeführten) Täuschung be zweckt: Rill. 11. Jan. 86 (E. XIII, 245), Dresd. 6. Febr., 4. Mai 74 (citt. n. 24); Vgl. n. 28. 27. Der Gebrauch muß die Urkunde als solche und als falsche (d. h. ihren wahrheitswidrigen für den Beweis erheblichen Inhalt) zum Gegenstände haben, dieser muß das Mittel der bezweckten Täuschung sein: Rill. 5., 12. März 83 (E. VIII, 187), OT. 14. Juni 73 (O. XIV, 562). Der Grund der Strafandrohung liegt darin, daß bei der Urkundenfälschung das nach der Idee des Gesetzgebers vorzugsweise zur Feststellung und zum Beweise von Thatsachen bestimmte Mittel in strafbarer Absicht dazu mißbraucht wird, eine Täuschung herbeizuführen. Dem gemäß muß der Dolus gerade dahin gerichtet sein, in Beziehung auf die durch die Urkunde zu beweisende Thatsache zu täuschen, glauben zu machen, dieselbe verhalte sich nicht so, wie sie in Wirklichkeit begründet ist, sondern so, wie sie sich nach der (wahrheitswidrigen) Urkunde darstellt: OA. 12. Jan. 70 (D. XI, 24); contra: Rll. 14. Dez. 83 (A. IX, 10), OT. 15. Okt. 75 (cit. n. 3: betraf den Gebrauch eines Scheins, welcher mit einem echten, verloren gegangenen gleichlautend war); vgl. Stuttg. 11. Okt. 76 (WGbl. XII, 445). Hiernach reicht es nicht hin, wenn die beabsichtigte Täuschung sich nicht auf die Thatsache bezog, zu deren Nachweis die Urkunde nach ihrer Fassung objektiv sich eignet, sondern auf andere Thatsachen, für welche dieselbe nur zufällig oder indirekt beweisfähig sein kann; z. B. wenn in einem Geburtsakte die richtig benannte Mutter des Kindes wahrheitswidrig als Ehefrau eines namhaft gemachten Mannes bezeichnet wird (vgl. § 271 n. 16), oder wenn eine Urkunde über einen Vertragsabschluß der Parteien nur zu dem Ende gefälscht rc. wird, um dadurch später die zeitweilige Anwesenheit an einem be stimmten Orte und so für einen andern Ort ein alibi darzuthun; oder wenn eine Quittung über die Zahlung des Kaufpreises eines gefallenen Stückes Vieh nur deshalh fälschlich angefertigt und gebraucht wird, um daraus der Viehversicherungs gesellschaft gegenüber den Nachweis herzuleiten, daß daS Vieh gefallen sei (contra:
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OT. 22. Juni 54 c. v. Semmern), ober wenn die bezweckte Täuschung gar nicht den Zuhält, sondern nur die Identität der (übergebenen rc.) Urkunde zum Gegen stände hatte: OT. 22. Jan. 70 (O. XI, 119). — Umgekehrt braucht aber jener Dolus auch nicht weiter zu gehen, als in Betreff der durch die Urkunde zu beweisenden Thatsache zu täuschen; es ist daher keineswegs erforderlich, daß der Gebrauch dahin abziele, das durch die Urkunde zu beweisende Rechtsverhältniß zur Geltung zu bringen oder zu benutzen (n. 2); ebenso: RI. 28. Sept. 82, Rill. 5., 12. März 83 (E. VII, 52; VIII, 187); nicht minder ist es gleichgültig, ob der Gebrauch Demjenigen gegenüber geschieht, welcher nach der Urkunde in jenem Rechtsverhältnisse steht (n. 26): OT. (Pl.) 30. Juni 56 (Entsch. dess. 34 s. 347), und ob durch den Gebrauch nach dem Gesetz für den Getäuschten Rechte entstehen konnten: OT. I I. Juli 55 c. Spitzbarth (der Angeklagte hatte einen fälschlich unter dem Namen eines Anderen ausgestellten auf eigene Ordre lautenden, aber mit keinem Giro ver sehenen Wechsel einem Dritten znm Unterpfande gegeben). Ebensowenig wird er heischt, daß zwischen Demjenigen, dem gegenüber der Gebrauch gemacht wird, und dem durch die Schrift zu beweisenden Rechtsverhältnisse ein bestimmter Rechts nexus, also ein auf jenes Verhältniß sich beziehendes Recht des ersteren begründet werde, oder daß zwischen der Handlung des Urkundenfälschers (der Fälschung selbst oder dem Gebrauche) und dem durch die gefälschte Urkunde zu beweisenden Rechtsverhültniffe nach Absicht und Zweck noch eine besondere Beziehung stattfinde, oder daß jene Handlung aus jenes Rechtsverhältniß von Einfluß sei; contra: OT. (Pl.) 13. Juli 57 (Entsch. dess. 36 f. 424), welcher einen solchen Einfluß der Handlung des Fälschers auf jenes Rechtsverhältniß für wesentlich erachtete, in dieser Beziehung aber auch eine entfernte und indirekte Beziehung zwischen beiden für ausreichend hielt, z. B. wenn der Angeklagte einen Andern zur Eingehung eines Rechtsgeschäfts dadurch bestimmte, daß er ihnr gefälschte, zu seinen eigenen Gunsten sprechende Schulddokumente dritter Personen vorlegte und dadurch bei jenem die Meinung hervorrief, er werde sich wegen eines aus jenem Rechtsgeschäfte etwa zu besorgenden Schadens an diese vorgespiegelten Forderungen halten, aus ihnen Er satz erlangen können, obgleich ihm besondere Befugnisse bezüglich jener Forderungen nicht eingeräumt waren. Diese Auffassung unterlag schon nach dem Pr. StGB, den erheblichsten Bedenken, nach der Fassung des § 267 ist sie völlig unhaltbar, da dieser in Bezug auf den Akt der Fälschung jede „rechtswidrige Absicht" für genügend erachtet und beim Gebrauche mir überhaupt den „Zweck der Täuschung" erheischt; dazu konlmt, daß der Charakter einer „öffentlichen Urkunde" gar nicht mehr durch ihre Beweiserheblichkeit für ein Rechtsverhältniß rc. bedingt ist: Schw., GA. 22. s. 4. — Demgemäß ist es „Urkundenfälschung", wenn Jemand ein Schulddokument fälschlich anfertigt und gebraucht, mit als Gläubiger einer bedeutenden Forderung reich zu erscheinen und dadurch die erforderliche Einwilligung des Vaters zur Heirath mit der Tochter zu erwirken (: OT. 7. Dez. 54 c. Naumann), oder ein Darlehn rc. zu erlangen (: Rll. 10. Febr. 82, RI. 28. Sept. 82; E. V, 437; VII, 52; Carlsr. 8 l, cit. n. 19), oder wenn Jemand sich in einer gefälschten rc. Schrift als Schuldner darstellt, um als ärmer zu erscheinen und dadurch die Herabsetzung einer Steuer-Einschätzung herbeizuführen (: OT. 11. Mai 54, GA. II, 659), oder wenn ein Grenzaufseher durch einen auf den Namen eines Andern gefälschten Brief Waaren im Auslande bestellt und ihre Einschwärzung über die Grenze in Auftrag giebt, um dann seinerseits deren Beschlagnahme vorzunehmen (: OT. 19. Okt. 54 c. Wölke). Auch die Einmischung eines falschen Testaments unter die Papiere des Verstorbenen, damit der Erbe es finde und vollziehe, stellt einen „Gebrauch zum Zwecke der Täuschung" dar. — Dagegen liegt kein „Gebrauch" vor, wenn eine ge fälschte Urkunde einem Beamten znm Zwecke der Beglaubigung oder Stempelung vorgelegt wird: OT. 30. Jan. 68 (O. IX, 74), Münch. 11 Okt. 73 StZ. III, 134); contra: 8*11. 1. Nov. 87, 6. Febr. 85 (E. XVI, 262; R. VII, 86); vgl. auch Ri. 11. Okt. 80 (E. II, 320: nahm an, daß in dem Einregistrirenlassen ein Gebrauch gefunden werden könne), oder wenn dies nur zum Zwecke einer bloßen Jnformationseinziehung geschieht: 9*11. 29. Nov. 81 (R. III, 752). — Dgl. über diese Frage im Allgemeinen Antr. d. Pr. GStAnw. (GA. V, 606); Abh. u. Schw. (ib. IV, 424; V, 598; XXII, 4), Merkel s. 797. 28. Die Anwendbarkeit des § wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß außer der Urkunde noch andere Mittel zur Herbeiführung der Täuschung benutzt werden,
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sobald nur der Gebrauch der Urkunde mit zur Erreichung dieses Zweckes dienen sollte: RI. 16. März 82 (R. IV, 248), DreSd. 13. Zan. 73 (StZ. II, 294). Die Ausstellung eines Wechsels rc. unter falschem Namen ist daher eine Urkundenfälschung selbst dann, wenn der Aussteller jenen Namen dem Empfänger des Wechsels rc. gegenüber schon vorher angenommen hatte: RI. 3. Okt. 81 (R. III. 577), OT. i. April 79 (O. XX, 172). Dagegen ist der § unanwendbar, wenn bei einer ledig lich durch andere Mittel (z. B. durch falsche Vorspiegelungen) bewirkten Täuschung nachträglich auch noch eine falsche Urkunde benützt wird, nicht um durch sie aber mals zu täuschen, sondern lediglich um die Entdeckung des früher vollendeten Be truges rc. zu verhindern; so: OT. 26. Mai 52, Münch. 24. Jan. 79 (GA. II, 264; BE. IX, 50); vgl. übrigens n. 26b. 29; oder wenn derjenige, welchem gegenüber von der Urkunde Gebrauch gemacht wird, die Unechtheit der Unterschrift kennt, aber in den Irrthum versetzt ist. der Unterzeichner sei von betn Namensträger zum Unter zeichnen ermächtigt worden: Rill. 18. Apr. 82, RIV. 9. Okt. 85 (E. VI, 202; R. VII, 568: hier sei Mittel der Täuschung nicht der Gebrauch der Urkunde als solcher, .sondern jene außerhalb der Urkunde liegende Vorspiegelung). 29. Darauf, ob die bezweckte Täuschung gelingt, kommt nichts an; durch bett Gebrauch zu jenem Zwecke ist das Vergehen vollendet: Mot. s. 132, Rl. 16. März 82 (R. IV, 248), Dresd. 21. Aug. 76 (SGZ. 21 s. 215), Münch. 30. Mai 79 (BE. IX, 299); vgl. n. 6. Demgemäß ist es auch gleichgültig, ob das gefälschte Stück geeignet war, eine Täuschung hervorzubringen: Dresd. 29. Sept. 73 (SGZ' XVIII, 44), Schw., GA. 22 s. 3; contra: Puch. n. 9 (ev. liege nur ein Versuch mit untaug lichem Mittel vor); desgleichen, ob die Täuschung bereits durch andere Mittel be wirkt war: OT. 2. Mai 66 (O. VII, 257); vgl. n. 28. 30. Die Urkunde muß als solche gebraucht sein (n. 27); das ist nicht der Fall, wenn der rc. Fälscher die gefälschte Urkunde einem Andern (z. B. dem Rechts anwalt) lediglich zu dem Zwecke übergiebt, damit dieser sie (in gutem oder bösem Glauben) demnächst einem Dritten gegenüber gebrauche. Hatte der Empfänger der Urkunde Kenntniß von der Fälschung, so geschah die Uebergabe an ihn nicht „zum Zwecke der Täuschung"; gebraucht er demnächst die Urkunde, um einen Dritten zu täuschen, so macht er sich aus § 270 strafbar und der Fälscher kann nur als Ge hülfe, bzw. Anstifter angesehen werden (vgl. n. 22): OT. 7. Dez. 54 c. Limburg, Manh. 30. März 72 (StZ. I, 296); contra: Rill. 28. Febr. 80 (R. I, 400: nahm an. daß mit der Ausführung des Auftrags durch eine unterrichtete Mittelsperson voll endete Urkundenfälschung und zwar auf Seiten des Auftraggebers vorliege), Rl. 16. März 82 (ib. IV, 248: erblickte in dem Auftraggeber und der Mittelsperson unter Umständen Mitthäter). Befand sich dagegen der Empfänger der Urkunde in gutem Glauben, so kann er zwar getäuscht sein, diese Täuschung ist dann aber nicht sowohl durch den Inhalt des Schriftstücks (den er gar nicht zu kennen bratete), als durch den ertheilten Auftrag bewirkt worden; erst, wenn er demnächst den auf getragenen, die Täuschung eines Dritten bezweckenden Gebrauch von der Urkunde macht, ibird das Vergehen des Fälschers vollendet, indem dieser so anzusehen ist, als habe er selbst die Gebrauchshandlung (durch Benutzung des Anderen als seines Werkzeuges) vorgenommen: Dresd. 24. Mai 72, 25. Juli 73 (SGZ. XVI, 278; StZ. III, 133), OT. 14. Juni 73 (O. XIV, 562). Kommt es dazu nicht, so liegt nur ein Versuch (§ 268) vor; vgl. oben n. 22, Manh. 6. Dez. 73, Münch. 5. Aug. 76 (BA. 40 s. 293; BE. VI, 420); contra: Rll. 10. Febr. 82 (E. V, 437: die Uebergäbe eines gefälschten Wechsels rc. an einen Rechtsanwalt zum Zwecke der Einklagung enthalte zwar nicht immer, aber regelmäßig einen vollendeten Gebrauch), Dresd. 19. Okt. 74 (StZ. V, 119: nahm dasselbe stets an, wenn die Urkunde einem Advokaten zutn geeigneten Gebrauche überliefert werde), Mütlch. 9. Juli 75 (BE. V, 336: ebenso in Betreff der Ueberlieferung eines gefälschten Wechsels an den Ge richtsvollzieher zur Anstellung der Wechselklage); vgl. auch Rill. 27. Juni 87 (R. IX, 384: Mot.), Dresd. 5. Nov. 77 (cit. n. 26), Darmst. 23. Nov. 72 (HE. s. 57). 31. In Betreff der Zulässigkeit einer Neben st rase vgl. § 280. 32. Macht der Fälscher von der gefälschten Urkunde wiederholt durch ver schiedene selbständige Handlungen mit dem erforderlichen Dolus Gebrauch, so liegt Real-Konkurrenz vor. Zwar kann ihn die Strafe des § 267 nur einmal treffen, weil zum Thatbestände der „Urkundenfälschung" wesentlich die Fälschung gehört, deren er sich nur einmal schuldig gemacht hat. Dagegen ist es unbedenklich, die
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übrigen Gebrauchshandlungen aus § 270 zu bestrafen, welcher dadurch, daß diese Handlungen vom Fälscher selbst verübt wurden, nicht ausgeschlossen wird, vielmehr überall Anwendung findet, wo nicht wegen des Zusammentreffens des Gebrauches mit der strafbaren Fälschung § 267 maßgebend ist; der Umstand, daß eine wieder holte Fälschung nicht vorliegt, hebt die Anwendung des § 270, dessen Thatbestand durch den wiederholten Gebrauch vollständig hergestellt luitb, nicht auf: Rill. 2. Febr. 81 (E. III, 311: sofern keine besonderen Umstände vorlägen, aus denen sich dielhat' sächliche Einheit der mehreren Gebrauchsakte ergebe), Dannst. 18. Aug. 73 (HE. s. 79), Zena 74 (Voll. 22 s. 169), Dresd. 4. Mai 74 (eil. n. 24); vgl. § 270 n. 2. 3; contra: OT. 9. Febr. 53 c. Seemann, (nahn: hier ein „fortgesetztes Verbrechen" an: von einem solchen kann indessen jedenfalls da keine Rede fein, wo der Fälscher bei der Fälschung nur einen einmaligen Gebrauch beabsichtigte, der später wiederholte Gebrauch also auf einem neuen Entschluffe beruhte), Dresd. 24. Febr. 71 (SGZ. XV, 122), Bind. HB. I, 558, Merkel s. 798. 802; vgl. auch Rll. 28. Juni 81 (E. I V. 341: Mot.). 32 a. Ebenso liegt Realkonkurrenz in dem umgekehrten Falle, d. h. da vor, wo Jemand von mehreren durch ihn gefälschten rc. Urkunden in Einer Hand lung Gebrauch macht: Meckl. OG., Münch. 21. März 79 (GSaal 28 s. 515; BE. IX, 159), Bind. HB. I, 558; contra: Rl. 18. Dez. 81, Rill. 11. Nov. 86 (BA. 48 s. 51; E. XV, 290), zum Mindesten dann, wenn der Fälscher nicht schon bei der Anfertigung rc. der Urkunden die Absicht hatte, dieselben zusammen zu gebrauchen; so: DreSd. 8. Febr. 75 (SGZ. XIX, 234). Vgl. übrigens Münch. 21. Juli 77 (BE. VII, 322). 33. * Desgleichen da, wo die Urkundenfälschung lediglich zur Verdeckung einer andern, früher begangenen Mißthat diente (n. 3): OT. 28. Febr.. 11. April 62, OA. 4. Mai 70 (O. II, 78. 347; XI, 282), wogegen Jdealkonkurrenz begründet ist, wenn jene das Mittel zur Ausführung einer ohbmi Mißthat z. B. eines Betrugs war: Münch. 15. April 73 (StZ. II, 293); contra: Dresd. 18. Dez. 71 (StZ. I, 297); vgl. § 73 n. 6, § 268 n. 11. 34. Wird eine Kontrebande oder Zolldefraude mittels Fälschung eines amtlichen Waaren Verschlusses verübt, so tritt neben der Strafe des Zollver gehens die für die Fälschung öffentlicher Urkunden festgesetzte Strafe ein: VZollges. v. 1. Juli 1869 §§ 153; d. h. also nach Befinden der Umstände die Strafe des § 267 oder 268; die Absicht, die verschuldete Zollabgabe zu defraudiren, ist unbedenklich als eine auf Erzielung eines Vermögensvortheils abzielende (§ 268) anzusehen. — Aehnliche Vorschriften enthält für Preußen die Steuer O. v. 8. Febr. 1819 §§ 86. 87. Vgl. § 73 n. 8. 9. 35. Der Versuch der einfachen Urkundenfälschung (§ 267), z. B. die Fälschung ohne Hinzutritt des (anfänglich gewollten) Gebrauchs ist nicht als solcher, sondern mir insoweit strafbar, als die Voraussetzungen einer andern Mißthat, z. B. eines Betrugs (-Versuchs) vorliegen. 36. Ist ein civilgerichtliches Urtheil auf eine fälschlich angefertigte oder ver fälschte Urkunde gegründet, oder ist eine solche Urkunde in der Hauptverhandlung eines durch rechtskräftiges Urtheil geschlossenen Strafverfahrens als echt vorgebracht worden, so gestattet (im ersteren Falle) die CPO. § 543 (Nr. 2) die Restitutions klage , (im zweiten Falle) die StPO. §§ 399 (Nr. 1). 402 (Nr. 1) die Wiederauf nahme jene s Strafverfahrens. Urkunde.
37. Das Gesetzbuch hat davon abgesehen, eine Begriffsbestimmung der „Ur kunde" zu geben, weil „dieselbe als bekannt und feststehend" vorauszusehen sei: Mot. s. 131; auf diesem Wege sind freilich die „erheblichen Schwierigkeiten, welche die Begriffsbestimmung des Pr. StGB.'s .§ 247 Abs. 2 hervorgerufen habe" (Mot. 1. c.), in keiner Weise gehoben. Jener Begriff wird stets ein spezifisch rechtlicher, bei der Handhabung im Einzelfalle oft bestrittener bleiben.- Aehnliches gilt von der Frage, ob eine Urkunde die Eigenschaft einer „öffentlichen" oder einer „Privatnrkunde" besitze und ob sie „zum Beweise von Rechten rc. erheblich" sei. Gleich wohl liegt in Schwurgerichtssachen die Entscheidung über diese Fragen den Ge schworenen ob und darf ihnen nicht durch Umschreibung, bzw. Auflösung der betr. Rechtsbegriffe entzogen werden, indem die StPO, als Aufgabe der Geschworenen nicht allein die Feststellung des rein Thatsächlichen, sondern auch die Vergleichung
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der in concreto bewiesenen mit den vom Strafgesetze in abstracto als strafbar be zeichneten Thatsachen (Subsumtion der That unter den Verbrechensbegriff) betrachtet. Demgemäß muß auch bei Anklagen wegen Urkundenfälschung die sckwurgerichtliche Frage die Thatbestandsmerkmale mit den Worten des Gesetzes auffuhren, wogegen die Specialisirung des concreten Thatbestands nur, insoweit dies als nöthig erscheint, um die Identität der That außer Zweifel zu stellen, geboten und in Uebrigen der Prüfung des Richters überlassen ist; vgl. Mot. zur StPO. s. 199, RHI. 7. April 80, Nil. 2. Nov. 80 (R. I, 556; II, 431). Folgeweise entbindet selbst die (zur Fest stellung der Identität stattfindende) wörtliche Wiedergabe der angeblich gefälsch ten Urkunde nicht von der Aufnahme jener nach dem Wortlaute des Gesetzes sormulirten Merkmale in die zu stellende Frage. Ist ein diesem (abstrakten) Wort laute entsprechender Geschwornenspruch ergangen, so kann die darauf gegründete Entscheidung unter der Behauptung, daß der Begriff der Urkunde überhaupt, der öffentlichen oder der rechtserheblichen Privat-Urkunde von den Geschwornen ver kannt sei, regelmäßig nur erfolglos mittels der Revision angefochten werden: citt. Erkk. v. 7. April u. 2. Nov. 80, Rl. 24. Nov. 81 (R. III, 738: selbst im Falle der wörtlichen Wiedergabe der Urkunde); vgl. Löwe s. 562. 648. — Für das Verfahren bei der Strafkammer vgl. § 266 der StPO. Die Feststellung, „eine Schrift habe als Rechnungsbeleg (zum Nachweise der Höhe einer Rechnung) gedient", genügt nicht, um ihre Urkundenqualität zu begründen: OT. 12. Juni 56 c. Holzerland; die Feststellung einer Urkunde als eines Wechsels macht die besondere Feststellung der Rechtserheblichkeit derselben nicht entbehrlich: RH. 28. Juni 81 (E. IV, 341). 38. Zur Feststellung des Thatbestands der Fälschung ist die jeweilige Ex ist e n z der gefälschten Urkunde nicht unerläßlich, wenn der Nachweis des Inhalts auf an derem Wege geführt werden kann: OT. 20. Febr. 66, 4. März 75 (O. VIII, 130; XVI, 184), Carlsr. 10. April 80 (BA. 46 s. 89); auch bedarf es dazu nicht noth wendig der genauen Ermittlung des Wortlauts; es genügt, wenn überhaupt mir die Voraussetzungen der Urkunde für dargethan zu erachten sind: OT. 6. Dez. 66 (O. VII, 699). 39. Durch die Strafbestimmungen der §§ 267 ff. sollte das Beweismittel der Urkunde gegen rechtswidrige tauschende Veränderungen geschützt werden (n. 27). Die Frage, ob etwas eine „Urkunde" sei, ist daher nach den die Beweisführung betreffenden gesetzlichen Vorschriften zu entscheiden: OT. 29. Zan. 55 (Entsch. dess. 30 f. 308). Diese Entscheidung liegt selbstverständlich dem (zur Feststellung des That bestandes berufenen) Strafrichter ob, er mutz dabei von der Unterstellung der Echtheit ausgehen: Nil. 16. Dez. 81 (E. V, 262), OA. 22. Dez. 69 (O. X, 809), und ist an vorhergegangene auf denselben Gegenstand bezügliche civilgerichtliche Entscheidungen in keiner Weise gebunden: Dresd. 16. Mai 73 (SGZ. XVII, 181); vgl. StPO. § 261; Mot. s. 188. 40. Hiernach ist „Urkunde" ein körperlicher, von Menschenhand gefertigter oder zugerichteter Gegenstand, durch welchen seiner Bestimmung gemäß irgend eine Thatsache dargethan, erwiesen wird; ebenso: Nil. III, 19. Dez. 87 (E. XVII, 103: dadurch, daß die Urkunde das Produkt bewußter menschlicher Thätigkeit mit jener Zweckbestimmung sei, unterscheiden sie sich vom bloßen Augenscheinsobjekt). Daß dieselbe allen Erfordernissen eines Beweismittels im Civilprozesse entspreche, kann nicht allgemein gefordert werden: Dresd. 18. Dez 71 (SGZ. XVI, 189), Merkel s. 789 ff. Ebensowenig ist allgemein erforderlich, daß jene schon bei ihrer Anferti gung dazu bestimmt gewesen sei, als Beweismittel zu dienen, diese Bestimmung kann ihr vielmehr unter Umständen auch erst später beigelegt werden, und zwar nicht lediglich vom Verfertiger selbst, sondern auch von einem Dritten (z. D. dadurch, daß ein Schriftstück vom Untersuchungsrichter als Ueberführungsstück mit Beschlag belegt wird), ja sogar durch einen widerrechtlichen Akt jenes Dritten: cit. Rll. III, 19. Dez. 87; vgl. OT. 20. Okt 75 (O.XVI, 667). Contra: RII. 23. Jan. 80. 19. Mai 82. Rill. 22. Okt. 83 (E. I, 162; VI, 289; R. V, 625), insoweit sie überhaupt nicht fordern, daß der rc. Gegenstand die Bestimmung habe, zum Beweise einer Thatsache zu dienen, sondern nur, daß er zu diesem Beweise geeignet sei; vgl. n. 53b, Mommsen, GSaal 36 s. 34 ff. 39. Jedenfalls macht der Umstand, daß eine Schrift rc. znr Aufklärung einer Thatsache brauchbar ist, sie noch nicht zur Urkunde; I. c., ML. s. 619. Hiernach beurtheilt sich die Frage, ob und in welchen Füllen ein Brief als „Urkunde" zu betrachten sei; (ontra: Schütze s. 486, welcher
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unter gleichzeitigem Hinweise auf § 299 jedem Briefe von rechtlicher Bedeutsamkeit, ohne Rücksicht auf seinen Zweck und den Willen seines Verfassers, Urkundenqualität beilegt; vgl. n. 53b. Zu Betreff der „Thatsache" ist das zu § 263 n. 39 ff. Bemerkte zu berücksichtigen: auch hier genügt ein der Gedankenwelt Angehörendes, (an geblich) zur Existenz Gekommenes (sog. innere Thatsachen, Ergebnisse der Reflexions thätigkeit : cit. R1I. 23. Zan. 80). Zn Betreff der rechtlichen Bedeutsamkeit der zu erweisenden Thatsache vgl. n. 47. 50, v. Buri, Riedel, GSaal 37 s. 173; 38 s. 534; 39 s. 36. 161 und andererseits John, Z. f. StR. V, 1; VI, 1. 41. Der Begriff der Urkunde ist daher nicht auf Schriften beschränkt: auch andere, ihrer Natur nach beweisende Gegenstände, z. B. Grenzsteine, Kerb hölzer, Eintritts- rc. Marken, sowie geeigneten Falles Siegel, Stempel (: Rl. 12. Jan. 85, E. XU, 17), der Anschlag eines Waldhammers, die, allgemeinem Bergwerksgebrauche ßemäß, unter Mitwirkung des betr. Grubenbeamten und Ar beiters, in das Gestern geschlagene sog. Gedingstufe, gehören hierher: n. 57,88, Dresd. 16. Mai 73, OT. 9. Sept. 74 (SGZ. XVII, 181; O. XV, 551); contra (für Braunschweig in Betreff des Waldhammers): Wolfenb. 18. Mai 72 (StZ. II, 200), nicht aber, an und für sich, eine Wage; so: Münch. 1. Dez. 86 (BE. IV, 299), noch die an Holzhaufen, blos zur Unterscheidung, angebrachten Zahlenzeichen: Rill. 31. Mai 86 (E. XIV, 175). 42. Gleichgültig ist, welche Mittel dazu gedient haben, um die beweisende Kraft des Gegenstandes zu begründen. Insbesondere macht es bei Aufzeichnungen keinen Unterschied, womit sie angefertigt, ob sie geschrieben oder mechanisch verviel fältigt sind, sobald ihnen nur die unerläßliche Beweiskraft beiwohnt: RIV. 11. Dez. 85 (E. XIII, 168), OT. 16. Jan. 68 (O. IX, 23: Druckschrift). OT. 4. April 61, 25. Okt. 66, 13. März 67, 12.Juli 71 (0.1,331; VII, 572; VIII, 171; XII, 392: gedruckte Unterschrift) und unten n. 61a; vgl. übrigens n. 46a. Trifft jene Voraus setzung zu, so kommt es nicht in Betracht, ob nach dem Civilgesetz die Gültigkeit des beurkundeten Rechtsgeschäfts durch die schriftliche Form bedingt ist, noch, ob die Schrift (z. B. eine mechanisch vervielfältigte) rekognoszirt oder verifizirt werden kann: Dresd. 22. März 72. 16. Mai 73 (StZ. I, 364; III, 132; SGZ. XVII, 181); vgl. n. 58. 43. „Oeffentlich" ist eine Urkunde, welche erkennbar von einer öffentlichen Behörde innerhalb der Grenzen ihrer Amtsbefugnisse, oder von einer mit öffentlichem Glauben versehenen Person (d. h. von einer der öffentlichen Urkundenpersonen im eigentlichen Sinne, Notar und bergt., deren Beurkundungen durch positives Gesetz öffentlicher Glaube beigelegt ist: Rill. 31. Mai 86, E. XIV, 175) innerhalb des ihr zugewiesenen Geschäftskreises in der vorgeschriebenen Form aufgenommen ist, um als Beweismittel für eine Thatsache zu dienen, und der eben deßhalb volle Beweiskraft beiwohnt, ohne daß es dazu einer Rekognition bedürfte; vgl. §§ 271. 348, CPO. § 380, Mot. s. 132, Rl. 10. März 84 (E. X, 192: § 380 der CPO. scheide, insofern er von „Behörde" spreche, die Organe einer solchen im Allgemeinen nicht aus), OT. 29. Jan., 13. Mai 72. 24. Jan. 73, 18. April 77 (O. XIII, 91. 303; XIV, 85; XVIII, 279). Dresd. 10. März. 20. Okt. 73 (StZ. III, 23. 365). Die nicht von einer Behörde, sondern von einer politischen Körperschaft (§ 197), z. B. einer Pr. Gemeindeversammlung oder einem Ausschuß derselben aufgenommenen Verhandlungen sind keine öffentlichen Urkunden: RH. 13. März 85 (E. XII, 91). — Die Statt haftigkeit eines Gegenbeweises nimmt einer Urkunde nicht den Charakter der Oeffentlichkeit: OT. 26. Febr. 73 (O. XIV, 168). Jener Begriff hat für das ganze Reich gleichmäßige Geltung; dagegen ist die Frage, welche Behörden und Urkunds personen zur Herstellung der einzelnen öffentlichen Urkunden befugt und welche Formen dabei zu beobachten sind, durchweg nach den maßgebenden Landes-Gesehen zu beurtheilen; vgl. vgl. Pr. AGO. I, 10 § 123, Still. 29. März 83 (R. V, 199). — Eine Bescheinigung, welche ein Beamter unter Ueberschreituug seiner desfallsigen Amtsbefugnisse ausgestellt hat, kann nur eine Privaturkunde sein: Münch. 30. Mai 73 (StZ. II, 327); vgl. WGbl. VII, 257 und n. 103. Dagegen wird eine Urkunde des Charakters der Oeffentlichkeit nicht dadurch entkleidet, daß der zu ihrer Auf nahme befugte Beamte in ihr u. A. Etwas bezeugt, was ihm zu bezeugen nicht zustand: Dresd. 16. Juli 75 (SGZ. XX, 73), noch dadurch, daß eine unwesentliche Formvorschrift vernachlässigt worden ist; vgl. Rl. 10. Jan. 84 (E. X, 35: Fall des § 348). Carlsr. 10. Apr. 80 (BA. 46 s. 89). Selbst im Falle eines wesentOppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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lichen Formmangels, kann, wenn dieser sich nur auf einen Theil des Inhalts de« zieht, die Urkunde im Uebrigen die Eigenschaft einer öffentlichen bewahren: RIV. 24. Juni 85 (E. XII, 331); 44. Für die Oeffentlichkeit der Urkunde ist die ausdrückliche Hervorhebung des Amtschara kterö der Person, von welcher sie ausgegangen sein soll, nicht unerläßlich; es reicht hin, wenn derselbe durch die Schrift so erkennbar gemacht ist, daß daraus die Befugniß jener Person zur Aufnahme entnommen werden kann (n. 43): OT. 19. Nov. 62, 1. Juni 71 (O. III, 133; XII, 294). Aus der Bei. drückung eines Amtssiegels folgt.nicht mit rechtlicher Nothwendigkeit die An nahme eines Amtscharakters: OT. 17.Juni 65 (O. VI, 194). — Der Unterschrift des Beamten oder Untersiegelung bedarf es nur insoweit, als dadurch die volle Beweiskraft bedingt ist. — Ob die Unterkreuzung einer Verhandlung durch die Partei geeignet sei, die Unterschrift der letzteren zu ersehen, beurtheilt sich nach den bestehenden (Prozeß-) Gesehen; desgleichen ob die Zuziehung eines Schreibebeistandö erforderlich sei: die desfalls für gerichtliche Urkunden getroffenen Anhangsbestim mungen der Pr. AGO. sind auf andere Urkunden, z. B. auf das vom Vorsteher eines Postamts über die Bestellung einer Postsendung aufgenommene VernehmungsProtokoll nicht auszudehnen: OT. 23. März 77 (O. XVIII, 248). 44a. Amtliche Aufzeichnungen, welche nicht dazu dienen sollen, über eine That sache (für oder wider Dritte) einen urkundlichen, authentischen Beweis zu liefern (n. 43), sondern nur im Interesse des inneren Dienstes, z. B. zum Zwecke der geschäftlichen Controls vorgeschrieben sind, gehören nicht hierhin: RlV. 12. Dez. 84 (E. XI, 291), Münch. 28. Juni 78, 28. Dez. 85 (BE. VIII, 341; BE. III, 612). 45. Treffen dagegen die untern.43 erörterten Bedingungen zu, so ist die Be schaffenheit der beurkundeten Thatsache, bzw. die Natur des beurkundeten Rechts verhältnisses gleichgültig: RI. 21. Mai 83 (E. VIII, 409). Ebenso erleidet der Begriff einer öffentlichen Urkunde durch die in § 359 enthaltene Definition des BegriffS „Beamter" keine Einschränkung: RII. 26. Juni 83 (ib. 372). Oeffentliche Urkunden sind daher nicht blos solche, welche ein (unbetheiligter) Beurkundungs Beamter aufnimmt, damit sie für dritte Personen als Beweismittel dienen, sondern auch solche, welche ein Beamter als Vertreter eines ihm anvertrauten PrivatJnteresses (z. B. des Staates, einer Gemeinde rc.) in Beziehung auf ein die ver tretene Persönlichkeit angehendes Rechtsgeschäft herstellt, sofern seine Amtsstellung der von ihm unterzeichneten Urkunde die volle Beweiskraft gewährt: OT. 11. Febr. 67, 20. Mai 71 (O. VIII, 782; XII, 275); Beisp.: ein von einem mittel- oder unmittelbaren Staatsbeamten ausgestelltes Sparkassenbuch: Dresd. 13. Jan., 10. März 73 (SGZ. XVII, 78. 113). Letzteres trifft jedoch bei Protokollen der Badischen Bürgermeister über die Versteigerung von Gemeindeeigenthum nicht aus Carlsr. 2. Juni 82 (BA. 48 s. 214). 45a. Ein Privatschriftstück, welches später öffentlichen Aktenstücken einverleibt, oder äußerlich mit solchen verbunden, z. B. zu polizeilichen oder gerichtlichen Akten ein gereicht wird, und so in den Gewahrsam einer Behörde gelangt, gewinnt dadurch nicht die Eigenschaft einer öffentlichen Urkunde: Rill. 15. Juni 85 (E. XII, 270).
46. Privat-Schriftstücke, deren Inhalt durch einen zuständigen Beamten beglaubigt, festgestellt oder genehmigt ist, haben den amtlichen Charakter auch rücksichtlich derjenigen Thatumstände, welche in der beglaubigten rc. Privat schrift enthalten sind, selbst, wenn letztere ohne den amtlichen Zusah gar keine Ur kunde gewesen wäre: Dresd. 12. Mai 73 (SGZ. XVIII, 48); Beisp.: n. 84—89. 145. Das Gegentheil gilt, wenn blos die Unterschrift beglaubigt ist (vgl. Pr. Ges. v. 8. März 1880 § 5); hier hat nur der Beglaubigungsvermerk jene Eigenschaft. 46 a. Ebenso wird eine bloße Abschrift, falls deren Uebereinstimmung mit dem Original von einem zuständigen Beamten in der vorschriftsmäßigen Form beglaubigt wird, hierdurch zur öffentlichen Urkunde, und zwar zu einer echten selbst dann, wenn jene Uebereinstimmung in Wirklichkeit nicht besteht, die Abschrift vielmehr (beabsichtigte) Abweichungen enthält: Rill. 19. Febr. 83 (A. VII, 322). Dagegen ist der Abdruck einer öffentlichen Urkunde, z. B. einer amtlichen Bekanntmachung, in einer (zumal nicht offiziellen) Zeitschrift nicht selbst wieder eine solche Urkunde, sollte auch das Original dem Verleger zur Insertion zugegangen sein: DreSd. (SGZ. XX, 340); vgl. n. 63. 143.
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46b. Die Uebersehung einer (in fremder Sprache abgefaßten) öffentlichen Urkunde hat gleichfalls nicht selbst wieder die Eigenschaft einer solchen, sollte auch der Ueberseher als Dolmetscher ein für allemal vereidet sein: RII. 29. Nov. 81 (E. V, 255). Das Gegentheil gilt, wenn Jemand als gerichtlicher rc. Dolmetscher förmlich angestellt ist, in Betreff einer ihm vom Gerichte rc. aufgetragenen Ueber sehung (: eit. Rll.), sowie in Betreff der kraft gesetzlicher Ermächtigung (vgl. Rh. Not.-O. Art. 34) vom Beurkundungs-Beamten selbst angefertigten Uebersehungen. — Einer Uebersehung wird regelmäßig nicht einmal die Eigenschaft einer Privat urkunde im Sinne des § beiwohnen; eine Ausnahme soll jedoch nach eit. Rll. be züglich der Uebersehungen von Personenstands-Urkunden § 45 Abs. 3 deö Personenstands-Ges.'s begründen [?]. 47. In Betreff der durch die öffentliche Urkunde zu beweisenden Thatfache enthält der § keine Beschränkung (n. 45). Diese Thatsache braucht daher nicht, wie bei Priväturkunden und in bm Fällen der §§ 271. 348 Abs. 1 zum Be weise von Rechten oder Rechtsverhältnissen, bzw. für Rechte rc. erheblich zu sein; vgl. OT. 25. März 74 (O. XV, 185); contra: Merkel s. 790. 48. Eine öffentliche Urkunde ist „fälschlich angefertigt", wenn einer von einem Unberechtigten hergestellten Urkunde (n. 15 ff.) der Schein beigelegt ist, als sei sie von einem zuständigen Beamten 01159690119011; z. B. wenn Jemand unter seinem richtigen Namen aber unter unberechtigter Beilegung eines Amtscharakters eine Urkunde ausstellt. Ob in Wirklichkeit der Beanite oder die Behörde, deren Namen mißbraucht wurde, existirt (bezw. noch existirt), ist gleichgültig; es genügt, wenn die Behörde, ihre Existenz vorausgesetzt, zur Herstellung einer solchen Urkunde befugt gewesen wäre: OT. 25. Nov. 64, Dresd. 28. Jan. 78 (O. V, 305; SGZ. 22 f, 244). Carlsr. 10. April 60 (BA. 46 s. 89). Ein Meckl. OG. (GSaal 28 s. 515) hielt sogar die Befugniß der betr. Behörde (in concreto) für nicht unerläß lich; es genüge, wenn letztere jene Befugniß haben, wenn sie ihr durch Ministerialkonzession rc. beigelegt sein konnte; vgl. n. 43. 49. Außerdem liegt die fälschliche Anfertigung einer öffentlichen Urkunde auch da vor, wo ein zuständiger Beamter vorsätzlich eine falsche Beurkundung vor nimmt; contra: Ri. 17. April 82 (R. IV, 343), OT. 7. Dez. 76 (O. XVII,* 798); vgl. § 270 n. 1; dieser Fall ist in den §§ 348. 349 zum Gegenstände besonderer Strafbestimmungen gemacht. 50. „Privaturkunden" sind alle Urkunden, welche keine öffentlichen Ur kunden sind: RII. 30. Okt. 82 (K. VII, 194). Sie gehören nur dann hierher, wenn sie „zum Beweise von Rechten oder Rechtsverhältnissen von Erh eb l i ch k ei t sind". Sonach genügt es nicht, wenn sie beim Vorhandensein sonstiger anderweitig zu beweisender Umständr möglicher Weise einmal eine solche Erheblich keit erlangen können, zumal sich kaum eine Schrift rc. oder eine sonstige That sache wird denken lassen, die nicht unter der Konkurrenz irgend welcher sonstiger Umstände für einen zu führenden Beweis erheblich werden könnte; vielmehr muß der Urkunde jene Beweiserheblichkeit an und für sich (objektiv), d. h so bei wohnen, daß dieselbe lediglich aus ihrem Inhalte erkennbar sei, ohne daß es dazu noch der Berücksichtigung der besonderen Umstände, welche bei der Entstehung oder Benutzung der Schrift obwalteten, oder der Verhältnisse und Beziehungen bedürfte, in welchem die betr. Personen zu einander standen: RI. 26. Jan. 82, 13. Dez. 83 CR. IV, 74; A. IX, 9), OT. 1. Nov. 61, OA. 23. Sept. 69, 12. Jan. 70 (O. II. 37; X, 809; XI, 24). Demgemäß ist es nicht entscheidend, welchen Sinn der Getäuschte (nach den ihm bekannten konkurrirenden Umständen) derselben beilegen zu müssen glaubte: Lüder, GA. VII, 854; vgl. n. 57. Andererseits ist einer Schrift, wenn dieselbe an sich, d. h. objektiv als geeignet erscheint, Rechtsverhältnisse zu begründen bzw. dafür ein Beweismittel zu liefern, die Eigenschaft einer Privaturkunde nicht um deswillen abzusprechen, weil sie nach Lage des konkreten Falles solche Rechts verhältnisse (zu Gunsten des Verfertigers derselben rc.) nicht begründet hat noch be gründen konnte: RI. 3. Juni 80, RII. 5. Febr. 84, RIV. 6. Apr. 86 (E. II, 173; R. VI, 89; VIII, 262). Doch trifft jene Bedingung nicht zu bei einer schriftlichen Bestellung, bzw. Kaufsofferte, welche einen in Wirklichkeit nicht existirenden Gegen stand betrifft (Pr. ALR. § 51, I, 5): RII. 1. Juni 83 (E. VIII, 351). - Es ist nicht erforderlich, daß die Schrift die rechtserhebliche Verfügung rc. ausdrücklich
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ausspreche; es reicht hin, wenn sie sich aus dem Zusammenhange klar ergiebt: OT. 23. April 63 c. Krause. 51. Die Rechte und Rechtsverhältnisse rc., für deren Beweis die Privat urkunde erheblich ist. brauchen nicht nothwendig Vermögens- oder privatrecht licher Natur zu sein: auch Verhältnisse des öffentlichen Rechtes (z. B. solche des Strafrechts, die Sleuerpflichtigkeit) kommen in Betracht: Rill. 5. 12. Marz 83 (E. VIII, 187), OT. 28. Juli 55 (GA. III, 712), Dreöd. 13. Mai 73 (SGZ. XVII, 179), Merkel s. 788: Beisp.: eine Schrift, durch welche sich Jemand eines Vergehens schuldig bekennt: Rll. 22. Sept. 82 (E. VII, 47), OT. 12. Okt. 54 c. Holzerland, ein Reklamationsgesuch, betr. Zurückstellung vom Militärdienst: RlV. 23. Sept. 84 (R. VI, 558); vgl. § 271 n. 12. — Auch begründet es keinen Unterschied, ob die Urkunde für das Entstehen (Bestehen) oder für das Erlöschen eines Rechts beweiserheblich ist: Nl. 15. Jan. 80 (R. I, 233). Andererseits wird nicht erfordert, daß die Schrift über ein bereits konstituirtes, d. h. in seinen thatsächlichen Voraus setzungen und Bedingnissen schon zur Fertigkeit gediehenes Recht oder Rechtsver hältniß, bzw. über die entsprechende Verbindlichkeit laute; so: Wolfenb. 29. Dez. 76 (Br. Z. 24 s. 49); vgl. n. 53. 52. Ebensowenig wird erfordert, daß sich die Schrift auf Rechtsverhältnisse rc. des Angeklagten oder des zu Täuschenden beziehe; es genügt die Beweis erheblichkeit für irgend ein Rechtsverhältniß: Rill. 5., 12. März 83 (cit. n. 51), OT. 7. Jan. 63 (O. III, 196); vgl. n. 27. 50; § 271 n. 12. 53. Die Privaturkunde muß (in der Unterstellung ihrer Echtheit: n. 146, Rl. 18. Dez. 84, BA. 51 s. 11) zum Beweise rc. „von Erheblichkeit" sein; dazu wird nicht erfordert, daß dieselbe für sich allein den vollständigen Beweis eines ganzen Rechtsgeschäfts rc. liefere: OT. (Pl.) 29.Jan. 55 (Entsch. deff. 30 s. 308), OT. 31. Mai 61, OA. 13. Juli 70 (O. I, 420; XI, 414), Dresd. 19. Jan. 72, 25. Aug. 73 (SGZ. XVI, 216; XVII, 307), Wolfenb. 29. Dez. 76 (cit. n. 51). Eine Erheblichkeit für den Beweis hat eine Urkunde (objektiv) auch dann, wenn durch dieselbe eine rechtlich erhebliche Thatsache (§§ 271.348), d h. ein einzelnes für die Existenz und Bedeutung eines bestimmten konkreten (als solchen erkennbaren) Rechtsverhältnisses rc. wesentliches Moment dargethan wird, sollte es auch zum Begriffe jenes Rechtsverhältnisses im Ganzen noch des Hinzutritts anderer Momente bedürfen, welche eben deßhalb noch anderweitig nachzuweisen sind; ebenso: RI. 31. Jan. 81, Rill. 8. Mai 80, 26. April 83 (E. IV, 3; R. I, 751; A. VIII, 24). Dagegen ist es unerläßlich, daß die Schrift für sich allein und selbständig ein für das Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechts rc. wesentliches Moment, d. h. ein Begriffsmerkmal eines bestimmten Rechtsverhältnisses darthue, weil sich nur dann sagen läßt, die Schrift sei objektiv für den Beweis jenes Rechtsverhältnisses erhebt lich (n. 50); vgl. Antr. d. Pr. GStA.'s, OT. 8. Apr. 69 (O. II, 37; X, 212); contra: Rill. 4. Febr. 80, RlV. 19. Apr. 87 (E. I, 293; R. IX, 250). Merkel s. 790, ML. s. 621, vgl. ferner Rll. 29. Okt. 84 (E. XI, 183), O. I, 331; VI, 106; IX, 169. Auch muß das Rechtsverhältniß (seiner Natur nach) aus der Urkunde soweit erkennbar sein, daß die Bedeutsamkeit des einzelnen nachgewiesenen Moments für dasselbe beurtheilt werden könne: OT. 15. Juli 69, 16. Mai 72 (GA. VII, 848; O. II, 404). Demgemäß ist z. B. eine Schrift, welche lediglich das Resultat einer stattgehabten Taxe auSspricht, für sich allein keiue Privat-Urkunde, sollte auch von ihrem Ausfalle nach einem anderweitig zu beweisenden Uebereinkommen zweier Parteien der Abschluß eines Vertrages abhängig gemacht sein: OT. 29. Okt. 62 (O. III, 94). 53a. Demgemäß (n. 53. 50) und speziell im Hinblick auf die Worte „von Erheblichkeit ist", genügt die Feststellung nicht, daß eine Urkunde nach dem (gerade bei formlosen Schriftstücken zur Geltung kommenden) Grundsätze der freien Beweiöwürdigung (CPO. § 259) vom Civilrichter möglicher Weise, unter Berück sichtigung des gesummten Inhalts der Gerichtsverhandlungen, für erheblich znm Beweise von Rechten rc. oder gar da, wo das Gesetz keinen Beweis, sondern bloße Glaubhaftmachung fordert'(CPO. §§ 44. 68. 99. 202. 800 rc.), für geeignet zur Glanbhaftmachung erachtet werden könnte; contra: Rill 9. Febr. 81, 1. Juli 82 u. (in Betreff der Glaubhaftmachung): Rll. 16. Dez. 81 (E. IV, 4; V, 262; R. IV, 660). — Dagegen wird nicht verlangt, daß das wirkliche oder vermeintliche Recht rc., um dessen Nachweis es sich handelt, ein unbedingtes, die Bewsiserheblichkeit daher unter
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allen Umständen zutreffend bzw. roirffnm sei; vgl. n. 50. 51, Münch. 8. Nov. 80 (BE. I, 258). 53b. Ob eine Schrift rc. dazu geeignet war, gerade dasjenige Rechtsverhältniß darzuthun, zu dessen Nachweise sie nach der Absicht des Thäters dienen sollte oder von ihm gebraucht wurde, ist nicht entscheidend: RI. 21. Okt. 80.1 l. Jan. 86 (R. II, 366; VIII, 30), OT. 16. Dez. 72 (O. XIII, 669). Rill. 22. Okt. 83 (R. V, 625), OHG. 1. Dez. 76 (Entsch. dess. 21 s. 351) erachteten es sogar für gleichgültig, ob die Schrift nach der Absicht des Verfassers überhaupt bestimmt war, „zum Beweise von Rechten rc. von Erheblichkeit zu sein", sofern sie nur ob jektiv dazu geeignet sei; das letztere Erk. betrachtete demgemäß Briefe, welche in der Absicht, zu schaden, falsche Nachrichten mittheilen, als Beweisurkunden im Sinne des §, indem dieselben für den Fall der Erreichung ihres Zwecks Entschädigungsansprüche begründeten; ebenso: Mommsen, GSaal 36 f. 48; ähnlich: Münch. II. März 80 (BE. I, 110), Ri. 18. Dez. 84 (BA. 51 f. 11), RII. 6. Febr. 85 (R VII, 86: insofern dessen Motive alle stempelpflichtigen Verhandlungen dahin zählen, und zwar um deswillen, weil sie für den Stempelanspruch beweisend seien); vgl. jedoch n. 40. 53. 53a. 54. Da die Beweiskraft Bedingung der Urkundenqualität ist, so fällt letztere weg, sobald der Akt wegen irgend eines aus demselben erkennbaren formellen oder materiellen Mangels absolut nichtig und wirkungslos und eben deshalb unter allen Umständen zur Beweisführung unbrauchbar ist: OT. 29. Febr. 56 (GA. IV, 396): vgl. John, Z. f. StR. IV, 32. Wohnt ihm aber trotz jenes Mangels noch immer irgend eine Beweisfähigkeit bei, so hört er nicht deshalb auf, eine „Urkunde" zu sein, weil seine sowie des verbrieften Rechtsgeschäfts Gültigkeit und Rechtsbe ständigkeit durch eine Einrede, z.B. wegen eines Mangels in der Form oder in der Rechtsfähigkeit der disponirenden Personen, angefochten werden kann, sollte auch deshalb eine Vernichtung oder Ungültigerklärung erfolgt sein: Antr. d. Pr. GStA.'s (GA. VI, 853). Vgl. n. 134, Mommsen, GSaal 36 s. 47. 51 ff. 55. Eine öffentliche Urkunde, welche als solche wegen eines Formmangels keine Geltung hat, kann eine Privaturkunde darstellen, wenn sie den Voraussetzun gen dieser entspricht; vgl. C. civ. art. 1318. 56. Ebenso kann eine Privatschrift auch dann, wenn das Rechtsgeschäft, zu dessen Nachweis sie bestimmt war, als solches durchaus ungültig ist. doch noch als Urkunde gelten, wenn durch sie Thatsachen enviesen werden, aus welchen nach einer anderen Richtung hin ein Rechtsverhältniß z.B. die Pflicht zur Rückgabe einer Sache oder zur Gewährleistung oder eine Bereicherungsklage begründet wird: OT. 8. Okt. 56 (JMbl. s. 339), 27. März 63 (GA. XI, 367: (Session einer nich tigen Forderung); vgl. n. 119. 127. 138. 57. Da die Rechtserheblichkeit einer Privaturkunde nur nach ihrem objektiven Inhalte beurtheilt, also nur aus ihr selbst hergeleitet werden kann (n. 50), so ist nur dasjenige eine Privaturkunde im Sinne des § 267, was für sich allein einen verständlichen Sinn hat; es genügt nicht, wenn aufgezeichnete Worte, Buchstaben, Zahlen oder sonstige Zeichen nur dadurch für ein Rechtsverhältniß erheblich sind, daß ihnen durch eine aus dem Schriftstücke selbst nicht erkennbare Uebereinkunft der Interessenten eine ihnen an sich nicht beiwohnende konventionelle Bedeutung beigelegt ist: OT. 7. Juli 55, 17. April 63, 7. Sept. 64 (Entsch. dess. 31 s. 256; O. III, 402; V, 91), Dresd. 11. Juli 73 (SGZ. XVIII, 78). Mommsen. GSaal 36 s. 46; contra: RII. 19. Mai 62 (E. VI, 289); vgl. Ri. 31. Jan. 81 (ib. IV, 3). — Jener verständliche Sinn braucht aber nicht durch vollständige Sahbildungen aus gedrückt zu sein: auch einzelne Wörter rc. können ausreichen, wenn ihre Bedeutung und beweisende Kraft aus dem übrigen Inhalte des Schriftstücks zu entnehmen sind (: OT. 16. Jan. 68, O. IX, 23), — oder wenn die betr. Form für ein bestimmtes Rechtsgeschäft so allgemein üblich und demzufolge auch so allgemein bekannt ist, daß eben wegen dieser Notorietät der Sinn des Schriftstücks und seine Beweis erheblichkeit aus ihm selbst ohne Zuhülfenahme anderer dem Einzelfalle angehöriger Umstände sofort erkennbar werden. Das letztere gilt von den Bezeichnungen auf einem Grenzsteine, den Kerbhölzern, Siegeln und Stempeln (auf Waaren), dem Anschlage eines Waldhammers (vgl. n. 41), der Bezeichnung eines Baumes mit dem Namen des Ankäufers (: OT. 13. Dez. 72, O. XIII, 661), sobald bei ihnen die gedachte Voraussetzung zutrifft; ebenso von gestempelten Eisenbahn-
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fahrtbillets OT. 9. Febr.65 (O. V,478; vgl. n. 106a); von E intritts-Marken zu öffentlichen Anstalten (SGZ. VIII» 139; X, 118); von Theaterbilletsrc. Zn allen solchen Fällen unterliegt es der thatsächlichen Prüfung des Jnstanzrichters, ob die betr. Art der (sonst unverständlichen) Bezeichnung eine so allgemein gebräuchliche und demgemäß eine so allgemein bekannte fei, daß danach ihre Bedeutung aus ihr allgemein erkennbar werde. Vgl. R1H. 26. Okt. 65 (E. XIII, 71: betr. Geldrollen, welche mit der Bezeichnung ihres Inhalts und mit einem zu dieser Bezeichnung in Beziehung gebrachten Namen vesehen waren). (Nach dem Pr. FFP.Ges. § 35 ist die unbefugte, aber ohne „betrügliche Absicht" — vgl. Mot. zu jenem Ges. s. 36 — bewirkte Nachahmung, Veränderung des Zeichens des Waldhammers oder der Loos nummer ic. an Bäumen rc. als Ue&ertretung strafbar.) 58. Die Beweiskraft einer Privatschrist, durch welche der Abschluß eines Rechtsgeschäfts dargethan werden soll, ist wesentlich dadurch bedingt, daß auS ihr diejenige Person erkennbar sei, welche für den Inhalt einzustehen hat: Dresd. 6. März 71, 22. März 72, 21. Juli 73 (SGZ. XV, 84; XVII, 279 ; StZ. I, 364). Hierzu bedarf es nicht nothwendig einer Unterschrift; vgl. Rill. 9. Febr. 81, 1. Juli 82, 20. März 84 (E. IV, 4; X, 304; R. IV, 660): es genügt, wenn die Haftbarkeit sowie die Person des Haftbaren in anderer Weise aus der Schrift (ohne Hinzunahme weiterer, aus jener selbst nicht erhellender Umstände) hervorgehen: Dresd. 12. Mai, 25. Aug. 71, 7. Febr. 76 (SGZ. XV, 176. 250; XX, 351); vgl. n. 47. 57. 62. Demgemäß wird nicht verlangt, daß die Urkunde den eivilprozeßrechtlichen Erfordernissen der Rekognitionsfähigkeit entspreche: Dresd. 11. Juli 73 (SGZ. XVIII, 78); vgl. n. 42, eit. Rill. 9. Febr. 81 (Motive). 59. Aus demselben Grunde ist es nicht unerläßlich, daß die Unterschrift eine Namensschrift oder Firma darstelle; auch eine andere Bezeichnung der betr. Persönlichkeit kann genügen: OT. 18. Okt. 52 (GA. II, 260), 19. Okt. 53 e. Hilliger (hier lautete die Unterschrift: „die Verwaltung der Dauermühle"). 60. Findet sich eine Namensschrift nicht unterhalb, sondern an einer an dern Stelle eines Schriftstücks, so unterliegt es der Prüfung des Richters der Thatfrage, ob nach der Gestalt des Ganzen jene Namensschrift zum Inhalte in einer solchen Beziehung stehe, daß sich annehmen lasse, Derjenige, welcher die Schrift mit seiner Namensschrrft versehen, habe durch diese den Inhalt als richtig und gegen sich verbindlich erkennen wollen: OT. 4. Dez. 67 (O. VIII, 758), OA. 15. Juni 68 c. Benedict, Dresd. 11. Juli 73 (SGD. XVIII, 78). 61. Nach dem unter n. 58 Gesagten kann auch eine unvollständige Un terschrift, wenn sie für sich allein oder unter Zuhülfenahme anderer durch die Schrift selbst an die Hand gegebener Umstände den haftbaren Aussteller genügend erkennbar macht, zur HersteÜung einer Urkunde genügen: OT. 2. Nov. 65 (O. VI, 435: ein Steuerempfänger hatte unter einen seine gedruckte Unterschrift tragenden Steuerzettel eine Quittung gesetzt und diese nur mit den Anfangsbuchstaben seines Namens unterzeichnet). Vgl. OT. 19. April 62 (O. II, 340). Dagegen genügt nicht ein unter eine Rechnung gesetztes, ununterschriebenes: „empfangen", wenn es auch von den Parteien als ausreichende Quittung angesehen wurde (n. 50. 58); contra: Rill. 20. März 84 (eit n. 58), Schw. GA. 21 s. 6. 61a. Daß die Unterschrift geschrieben sei, kann nicht grundsätzlich gefordert werden; in der Regel wird vielmehr die Herstellung derselben durch Aufdrücken des Namens mittels einer mechanischen Vorrichtung, insbesondere eines Namens oder Firmenstempels, genügen: Rill. 20. März 84 (E. X, 304); vgl. n. 42. 62. Nach gemeinem und Pr. Rechte kann auch eine nurunterkreuzteSchrift als Urkunde gelten, sofern diejenigen Bedingungen vorliegen und diejenigen Förmlichkeiten erfüllt sind, von welchen die Beweiskraft abhängig gemacht ist: OT. 5. Febr. 62. 15. Mai 63, 15. Juli 64, 8. Sept. 65, 10. Sept. 69 (O. II, 287; III, 446; V, 89; VI, 294; X, 551); contra (für Pr. Recht): OT. 11. Okt. 71 (ib. XII, 504). Fehlt es an jenen Voraussetzungen, so ist eine nur unterkreuzte Privatschrist keine Urkunde: OT. 24. März 71 (ib. XII, 179). Das gilt nach französischem Rechte unbedingt: Gilb. C. pen. L. III. ch. 3 § 3 n. 70. Gegenwärtig kommt bei nichtunterschriebenen Schriftstücken der Grundsatz der freien Beweiswürdiguug zur An wendung (EPO. § 259). Daraus folgt jedoch nicht, daß solche Schriftstücke, so fern ihr Inhalt danach beschaffen ist» nothwendig als Privaturkunden im Sinne des § zu erachten seien (n. 53a); contra: Rill. 1. Juli 1882, RII. 6. Mai 84 (R.
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IV. 660; VI, 356); vgl. auch RII. 29. Okt. 84, RIV. 8. Juli 84 (E. Xi, 183; R. VI, 529). 63. Dem unter n. 58 erwähnten Erfordernisse ist durch die einer Schrift hin zugefügte Unterschrift nur dann genügt, wenn sie sich äußerlich als eine solche dar stellt, welche entweder vom Träger jenes Namens, oder von einem durch Auf trag zur Abgabe der Unterschrift Berechtigten (z. B. von einem Institor) ausge gangen ist; daher reicht dieselbe nicht hin, sobald in irgend einer Weise, z. B. durch ein vorgesetztes „(gez.)" aus der Schrift selbst erkennbar ist. daß dem nicht so sei: OT. 23. Febr. 70 (O. XI, 119); ebenso, wenn sich vor der Namensschrift ein „pro“ findet; ist dann nicht außerdem auch noch die Unterschrift des angeblichen Vertreters hinzugefügt, so liegt keine Urkunde vor: OT. 14. Okt. 61 (O. II, 12); vgl. in Betreff des Prokuristen: HGB. Artt. 41. 44. — Aus demselben Grunde ist ein die Unterschrift des angeblichen Absenders wiedergebendes, von der Telegraphenanstalt an den Adressaten befördertes Telegramm (die „Depeschenausfertigung") keine Urkunde; die Telegraphenanstalt hat nicht den Beruf, abgegebene Erklärungen zu „beurkunden" (§§ 27h 272), sie ist nur Beförderungsanstalt; so: Münch. 29. Dez. 73 (StZ. III, 220), Geiler. BA. 43 s. 330; contra: RPl. 6. März 83, Scherer (E. VIII, 92; GSaal 28 s. 601: jene Anstalt handle nur als eine Maschine, was sie thue, thue der sie mündlich oder durch Einreichung einer sog. Originaldepesche in Thätig keit Setzende selbst), OT. 18. Zuni 70 (O. XI, 367: ein an den Adressaten gelangtes Privattelegramm von rechtserheblichem Inhalte sei eine Urkunde, wenn eine vom Absender unterschriebene Originaldepesche abgegeben worden); vgl. n. 123, OT. IV. Civ.-Sen. 2. Mai 61 (Entsch. desf. 45 f. 57).' Zm Uebr. siehe n. 46 a. 123. 64. Der Mangel des Datums nimmt einer Schrift in der Regel nicht den Charakter der Urkunde: OT. 16. Mai 62 (O. II, 404). Ist aber die Angabe des Datums Bedingung der formellen Gültigkeit einer Urkunde (Beisp. WO. Art. 4. 96), so fragt es sich, ob der Schrift nach emer andern Richtung die Rechtserheblichkeit bleibt; vgl. n. 54. 56. 64a. Durch die Durchkreuzung einer Urkunde hört letztere nicht nothwendig auf, beweisfähig zu sein; so: RI. 16. März 82 (R. IV, 248); vgl. CPO § 384. Hiernach sind als öffentliche Urkunden zu betrachten: 65. Die Originale landesherrlicher Erlasse, sobald sie inhaltlich geeignet sind, eine Thatsache zu beweisen. 66.............die Originale der von einer zuständigen Behörde erlassenen Polizeiverordnungen; contra früher: OT. 7. März 62 (O. II, 291). 66 a.............die Einträge in die Grund- und Hypothekenbücher: Dresd. 21. Juli 76 (SGZ. 21 s. 174). 67.............. gerichtliche Vorladungs-, Erscheinungs-, Verwahr- oder Haftbefehle: OT. 28. Febr. 62 (O. II, 278). 68...............gerichtliche UntersuchungsVerhandlungen, insbesondere die gerichtlichen Beschlüffe und Urtheile, sowie die Sitzungsprolokolle: OT. 14. Sept. 53, 13. Nov. 61 (JMbl. 54 s. 67; O. II, 53), nicht aber amtliche Anzeigen, welche von untergeordneten Polizeibeamten über eine Uebertretung ihrer vorgesetzten Be hörde gemacht werden (sie beweisen nicht den dort bekundeten Vorgang); so: RII. 20. Nov. 83 (R. V, 724). 69............. eine von einer zuständigen Behörde erlassene Zahlungsaufforderung (ZahlungsMandat), sollte auch die gesetzliche Widerspruchsfrist (vgl. Pr. Vbn. v. 21. Juli 1846 § 28) noch nicht abgelaufen sein: OT. 25. Jan. 67, 8. Okt. 69 (O. VIII, 59; X, 626). Das ist auszudehnen auf die unter dem Mandate rc. befind liche Gebührennote, sobald sich jenes auf diese mit bezieht: eil. OT. 25. Jan. 67. 70............. eine gerichtlich aufgestellte Kostenliquidation und die Eintragung eines Gebührenbetrages in den „Soll-Einnahme-Belag": OT. 18. Okt. 52 (GA. II, 260); nicht aber eine aus die Rückseite einer gerichtlichen Urkunde gesetzte ununterschriebene Kostennote: OA. 29. Juni 70 (O. XI, 379) noch die schriftliche ErHebung oder Quittirung eines Gerichtsvollziehers über seine Gebühren und Aus lagen: RI. 20. April 82 (R. IV, 361). 71............. eine richterliche Zahlungsanweisung: OT. 9. Febr. 53 c. Eckert. 72.............eine amtliche Gebührena«Weisung: OT. 14. Sept. 60 c. Hopff, Münch. 30. Mai 73 (BE. III, 257). 73. Dagegen hat ein Deposital-Annahme-Befehl nur für den geschäft-
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lichen Verkehr der betr. Behörde Bedeutung, ist also keine Urkunde: OT. 10. Okt. 66 (O. VIII, 587); contra: OT. 12. Zuni 56 c. Holzmann, betr. eine von einem Ge meindevorstand an den Gemeinde-Empfänger erlassene Annahmeverfügung. 74. Ebenso ist eine amtliche Benachrichtigung über die Lage eines Pro zesses, sowie ein Rath in Betreff seiner Weiterbetreibung keine Urkunde: OT. 25. Jan. 52 c. Baumgarten. 75. Die von den Gerichtsvollziehern über Vollstreckungshandlungen aufgenommenen Protokolle (CPO. § 682), mit Einschluß der focj. Karenzakte und der Verhandlungen über abgehaltene Zwangsversteigerungen, sowie die (vorherigen) Bekanntmachungen derselben über Zeit und Ort der Versteigerung sind öffentliche Urkunden; vgl. RII. 14. Juni 81, 10. Okt. 84 (E. IV, 283; R. VI, 613), OA. 24. Mai 71, OT. 17. Dez. 58 (O. XII, 285, GA. VII, 120). Das Gegentheil gilt bezüglich der der Dienstbehörde erstatteten Berichte und Anzeigen jener Beamten über den Erfolg, die Unausführbarkeit der Vollstreckung rc., indem solchen Schriftstücken die Beweiskraft mangelt; so: eit. RII. 14. Juni 81, OT. 16. Nov. 64, Manh. 1. Aug. 76 (O. V, 267; BA. 42 s. 275); contra: OT. 31. Mai 76 (O. XVII, 396). 75 a. Ferner sind öffentliche Urkunden die Eintragungen in die notariellen Protestregister (nach der Pr. AGO. § 123, I, 10): RII. 7. Mai 80 (E. I, 426). 75b...........die Beurkundung einer Sühne durch die Vergleichsbehörde (StPO. § 420): Scherer. GSaal 31 s. 345; vgl. § 359 n. 17. 76...........die Anzeigeprotokolle der Polizei- und Aussichts- (Forst-, Wald-, Feld- rc.) Beamten, sobald ihnen gesetzlich eine formelle Beweiskraft beiwohnt. 77........... eine Post zustellungsurkunde (sowohl das Original wie die dem Requisiten belassene Abschrift); vgl. RII. 7. Febr. 82. Rill. 31. Mai 86 (E. VI, 17; R. VIII, 417), OT. 13. Mai 68 (O. IX, 320), und die Jnsinuationsbescheinigung eines (Badischen) Polizeidieners in einer zur bürgermeisteramtlichen Zuständigkeit gehörigen Polizeistrafsache: Manh. 2. Nov. 78 (BA. 44 s. 298), wogegen die Bescheinigung einer Privatperson über eine von ihr bewirkte Zustellung amtlicher Schriftstücke nicht einmal die Eigenschaft einer rechtserheblichen Privaturkunde hat: Rill. 15. Juni 85 (E. XII, 270). 78........... die Anzeige eines Gefängnißbeamten, daß ein Verurtheilter seine Freiheitsstrafe abgebüßt habe: OT. 21. Juni 67 (O. VIII, 394). 79........... die Beurkundung eines Gemeindebeschlusses (in Bayern); so: Münch. 9. Febr. 74 (BE. IV, 87); vgl. jedoch n. 43, § 197 u. 2. 79a........... das Protokoll eines Badischen Bürgermeisters über einen von ihm bei dem Gemeinderechner bzw. dem Rechner einer weltlichen Ortsstiftung vorge nommenen Kassensturz: RI. 28. Nov. 81, 10. Jan. 84, 19. April 79 (E. V, 246; X, 35; BA. 45 s. 86), selbst, wenn es vom Rechner nicht mitunterzeichnet ist: eit. Erk. 10. Jan. 84; vgl. § 348 n. 5. 7. 80. Dasselbe gilt von den Standesregistern (vgl. RGes. v. 6. Febr. 1875), bzw. den in denselben enthaltenen Urkunden und den aus ihnen gefertigten Aus zügen (letzteren, gemäß RII. 11. Febr. 87, R. IX, 124, sogar dann, wenn die betr. Eintraaung in das Register gar nicht hineingehörte [?]), sowie von den die Zwecke jener Register erfüllenden Kirchenbüchern und den durch die Pfarrer daraus er theilten Zeugnissen, sofern sie sich als Auszüge aus den Kirchenbüchern zu er kennen geben (Pr. AGO. I, 10 § 128): OT. 10. März 52 (GA. II, 266). tinb das zur öffentlichen Beglaubigung erforderliche Amtssiegel beigedrückt ist; so: Rill. 29. März 83 (R. V, 199); andere „Bescheinigungen" gleichen Inhalts sind keine Ur kunden: OT. 3. Nov. 54 (GA. III, 140). Ebenso sind die solchen Auszügen beige fügten die Unterschrift und Amtseigenschaft des Ausstellers beglaubigenden amtlichen Atteste öffentliche Urkunden: OT. 26. Juni 56 c. Wieschmann. — Das Gesagte ist auf die vom Küster geführten sog. Trauaufnahmebücher (§ 271 n. 16) und auf die vom Lehrer einer Menonitengemeinde ausgestellten Zeugnisse nicht aus zudehnen: OT. 14. Okt. 63 (O. IV, 106). — Die seit Einführung der bürgerlichen Standesregister geführten Kirchenbücher besitzen keine Beweiskraft und daher nicht die Eigenschaft öffentlicher Urkunden: Hinschius s. 36, Gilb. C. pen. art. 145 n. 23. 30; noch auch diejenige rechtserheblicher Privaturkunden; so: Manh. 2. Nov. 78 (BA. 44 s. 301); contra: Riv. 19. Apr. 87 (R. IX, 250). — Die Urkunde über die Anerkennung eines unehelichen Kindes vor dem Standesbeamten ist nur dann eine öffentliche Urkunde, wenn diese Anerkennung im Geburtsakte selbst oder an deffen
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Rande oder im Heirathsakt der Eltern konstatirt ist: Jnn.-JMVf. v. 20. Mai 1878 (VMbl. s. 115). Im Uebr. vgl. «. 46 a. 81.............. ebenso von Pfandscheinen eines (staatlich bestellten) Leihamts: OT. 11. Dez. 67 (O. VIII, 782). 82. Ein amtlicher Präsentationsvermerk ist eine öffentliche Urkunde, wenn dadurch eine für ein Rechtsverhältniß erhebliche Thatsache festgestellt wird, z. B. das Präsentatum auf einer Rechtsmittelschrift oder auf einer Muthung (Pr. Bergges. v. 24. Zuni 1865 §§ 12.25); vgl. Oppenh. Bergges. n. 111. 83. Dieselbe Eigenschaft haben die Grundstenermutterrolle und die daraus amtlich ertheilten Auszüge: OT. 1. Febr. 55 e. Kappert; ebenso die KlaffensteuerVeranlagungslisten der Pr. Einschätzungskommissionen (Ges. v. 25. Mai 1873): Rll. 27. Mai 84 (R. VI, 370); vgl. OT. 14. Nov. 55 (GA IV, 260: nahm dasselbe von den auf Grund deS früheren Ges.'ö v. 1. Mai 1851 gefertigten Steuerrollen an, aber nur, wenn sie gemäß § 10 ib. von der Regierung festgestellt worden). 84. Die Verhandlung, welche ein Steuerbeamter über die ihm aufgetragene Vermessung eines Maischbottichs aufnimmt, ist eine öffentliche Urkunde, wenn das Resultat derselben für die Steuerberechnung bei künftigen Einmaischungen maß gebend und sonach beweisend ist; desgleichen die von einem Steuerpflichtigen nach § 16 des Brausteuer-Ges.'s v. 31. Mai 1872 über einen beabsichtigten Brauakt erstattete schriftliche Anzeige, wenn sie Seitens der Steuerbehörde festgestellt und mit dem Quittungsvermerk des zuständigen Hebebeamten versehen ist, in Betreff ihres ganzen Inhalts, insbesondere auch in Betreff der darin enthaltenen Deklaration des Bierzuges: OT. 11. Mai 76 (O. XVII, 338). —- Bezüglich der Brauregister fixirter Brauer vgl. Rill. 20. Dez. 63 (E. X, 11). 85.............ebenso der von einem Branntweinbrenner aufgestellte, von einer Steuerhebestelle festgestellte Betriebsplan einer Brennerei: OT. 6. Apr. 54 c. Beckmann. 86.............ebenso die Eintragung, welche ein mit Venviegung der zur Zuckerbereitung bestimmten Rüben beauftragter Steuerbeamter über daS Resultat dieser Verwiegung in den vorgeschriebenen Notirbüchern macht (Pr. Znstr. v. 19. August 1846, VMbl. s. 149): OT. 26. April 60 (JMbl. s. 362), und der von einem Steuerbeamten in das Revisionsbuch eines Bäckers oder Mehlhändlers eingetragene Vermerk über die bei der Revision vorgefundenen Mehlbestände: OT. 23. Nov. 59 (GA. VIII, 139). 87.............ebenso die von einem Flußschiffer der Steuerbehörde eingereichte, von dieser ausgefertigte Proviantdeklaration; die spätere Abänderung des darin erhaltenen (vom Schiffer selbst angefertigten) Proviantverzeichnisses stellt eine Verfälschung der amtlichen Ausfertigung dar: OT. 5. Juli 55 c. Thürnagel; des gleichen der über die Tragfähigkeit rc. eines Flußschiffes von der Steuerbehörde ausgestellte Meßbrief. Wird später unter einen solchen von jener Behörde ein Vermerk über einen stattgehabten Wechsel des Eigenthums am Schiffe gesetzt, so bildet dieser mit dem Briefe ein Ganzes; Beseitigung desielben ist daher Verfälschung des Meßbriefes: OT. 23. Sept. 63 (O. IV, 70). 88............. ebenso ein für den Transport im Grenzbezirke erforderlicher ZollLegitim ations-Schein (VZollges. § 119. 120); er beweist eine für die Zollfreiheit erhebliche Thatsache: OT. 14. Dez. 54 (GA. III, 137), OT. 3. Dez. 52 c. Pieper (: selbst da, wo ein solcher Versendungsschein von einem dazu ermächtigten Privaten (VZollges. § 1236) ausgestellt sei, weil dieser dadurch eine amtliche Stellung erhalten habe [?]), desgleichen ein zollamtlicher (durch Plomben) hergestellter Waarenverschluß (VZollges. § 159): RI. 23. Dez. 85, Rll. 1. Febr. 87 (E. XIII, 193; XV, 214).
89.............ebenso jede Quittung einer Finanzbehörde über Bezahlung von Staatsabgaben: Haager, BA. 43. s. 85, und eines Nassauischen Gemeinderechners über Zahlungen an die Gemeindekasse: RI. 10. März 84 (E. X, 192). 90............. ebenso das Nothschlachtzeugniß eines Sächs. Gemeindevorstan des (Sächs. Schlachtsteuer-Ges. v. 25. Mai 1852 § 5): Dresd. 5. Jan. 77 (SGZ. 21 s. 274), gleich den in Bayern (Oberfranken) vom Fleischbeschauer über seinen Befund in das vorgeschriebene Fleischbeschanbuch eingetragenen Aufzeichnungen: Rl. 22. Okt. 83 (E. IX, 139), und den Zeugnissen der Bayer. Fleischbeschauer über die Erlaubniß des Schlachtens rc., ungeachtet diese Zeugnisse noch der ortspolizeilichen
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Bestätigung bedürfen: Münch. 22. März 80 (BE. I, 115); vgl. § 359 n. 20 und Rll. 27. Jan. 88 (E. XVII, 94: speziell bezüglich der Atteste der Pr. Fleischbeschauer). 91.............ebenso das Protokoll eines die Polizei leitenden Beamten, welches in Angelegenheiten einer Pr. Provinzial-Feuer-^ocietät eine Thatsache fest stellt oder bescheinigt: OT..26. Febr, 73 (O. XIV, 168). 92.............ebenso die unter einem Feuerversicherungsantrage sich fin dende Bescheinigung der Ortspolizeibehörde, daß der Aushändigung der Police in polizeilicher Hinsicht kein Bedenken entgegenstehe (Pr. Ges. v. 6. Mai 1837 § 14): OT. 6. Jan. 56 (GA. VI, 135). 93.............ebenso ein Posteinlieferungsschein, d. h. eine Bescheinigung der Postbehörde über die Aufgabe einer Postsendung: Rill. 8. Nov. 83 (E. IX, 240: in Betreff einer Geldeinzahlung; vgl. CPO. § 691 Nr. 5), OT. (Pl.) 29. Jan. 55 (Entsch. dess. 30 f. 380), OT. 16. Jan. 63 (O. III, 232); derselbe verliert die Eigenschaft einer (öffentlichen) Urkunde weder durch den Ablauf der Frist, an welche die Gewährleistungspflicht der Behörde gebunden ist: OT. 24. Okt. 52 (GA. II, 266), noch dadurch, daß der ausstellende Postbeamte selbst Aufgeber der Sendung war: OT. 5. April 66 (O. VII, 205); vgl. § 348 n. 3. 94............. ebenso eine Postanweisung zur Auszahlung eines an die Post eingezahlten Betrags, sobald ihr die postamtliche Bescheinigung über die erfolgte Einzahlung, bzw. Eintragung in die Bücher hinzugefügt ist, gleich letzterer Be scheinigung selbst: OT. 8. Nov. 65, 21. April 70, Dresd. 22. März 75, Münch. 5. Sept. 79 (O. VI, 448; XI, 252; SGZ. XIX, 305; BE. IX, 427); in diesem Falle ist auch die von dem Absender selbst eingeschriebene Summenangabe als Theil der öffentlichen Urkunde anzusehen: cit. OT. 8. Nov. 65. Alles dieses gilt selbst, wenn die Annahme der Einzahlung regelmäßig nicht hätte erfolgen dürfen: OT. 4. Juli 56 c. Scheibe. Zn Betreff der Postanwersungs-Abschnitte vgl. Rill. 26. Okt. 81 (R. III, 649), in Betreff der mit dem Postvennerk versehenen Abschnitte zu Post paketadressen: RI. 15. Juni 85 (E. XII, 323), und in Betreff der Ausfüllung solcher Abschnitte mit dem Namen rc. des Absenders: Rill. 9. Febr. 88 (E. XVII, 141: letztere stelle an sich, und von besonderen Umständen abgesehen, überhaupt keine Urkunde dar). 95. Ebenso sind die Poststempelabdrücke, welche die Zeit der Aufgabe oder Ankunft einer Postsendung angeben, öffentliche Urkunden; nicht minder die von den Postbeamten der Adresse zugefügten Frankaturzeichen; contra: (früher) OT. 7. Sept. 64 (O. V, 91), Puch n. 4. Vgl. n. 57. 108. 96. Dagegen ist ein unterzeichneter Postauslieferungsschein, d. i. die Quittung des Adressaten über die von der Post bewirkte Ablieferung einer Sendung nur eine Privat-Urkunde: OT. 21. Dez. 53 c. Stüber. 97. Ebenso der auf einem Briese vom Aufgeber gemachte und unterzeichnete Vermerk über die Entnahme eines Po st Vorschuss es; er beweist den der Post er theilten Auftrag zur Einziehung des betr. Betrages und in der Hand der Postan stalt die Auszahlung des letzteren an den Absender, sowie demnächst in der Hand des Adressaten die jenem Aufträge gemäß an die Postanstalt geleistete Zahlung: OT. 28. Mai 63, 13. März 67 (O. III, 470; VIII, 171). Dabei ist es gleichgültig, ob bei Abfaffung jenes Vermerks, und bei der Annahme des Briefs auf der Post instruktionsmäßig verfahren sei, nicht minder, ob von Seiten der Postanstalt auf Grund jenes Vermerkes die Auszahlung des Vorschusses geleistet zu werden pflegt, oder geleistet worden ist, weil dadurch Sinn und Wesen der Schrift selbst nicht ver ändert werden: OT. 20. Dez. 58, 10. Dez. 69 (JMbl. 59 s. 67; O. X, 781). 98. Die Angabe des Absenders eines Briefes auf der Adreffe ist keme Ur kunde: Dresd. 25. Aug. 71 (SGZ. XV, 250), desgleichen die (nichtunterschriebene) Inhaltsangabe auf einem mit einem öffentlichen Siegel verschlossenen Geldpakete. Wohl aber kann gemäß Rill. 16. März 85 (E. XIII, 170; R. VII, 180) eine Brief adresse selbst als rechtserhebliche Privaturkunde in Betracht kommen und sogar noch nach richtiger Aushändigung des Briefs Gegenstand einer Fälschung sein. 99. Eine öffentliche Urkunde ist der auf dem Kuvert eines Telegramms unter Benutzung des vorgeschriebenen Formulars gemachte amtliche Vermerk über die Höhe des Botenlohns: Dresd. 2. Febr. 74 (StZ. V, 138). 100. Desgleichen ein von einem Forstkassenbeamten ausgestellter Schein, welcher
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die Verabfolgung des verkauften Holzes an den Käufer gestattet: OT. 20. Mai 71 (O XII, 275). — Dagegen ist eine von einem Forstbeamten (als Grundlage einer demnächstigen Holzverwerthung) aufgestellte Holzabzählungstabelle sowie ein „Holzwerbelohnzettel", welcher als Nachweis für den Betrag des zu zahlenden Holzhauerlohns bestimmt ist, darum noch keine Urkunde: OA. 18. Jan. 71 (O. XII, 34). 101. Die Prüfungs-Zeugnisse der staatlich dazu berufenen Personen und die amtlichen Approbationen zum Gewerbebetriebe sind öffentliche Urkunden; vgl. OT. 27. Juni 56, Münch. 7. März 74 (GA. IV, 703; SlZ. III, 373). 102.............ebenso die zur Handhabung einer polizeilichen Beaufsichtigung vor geschriebenen amtlichen Bescheinigungen über die Richtigkeit einer Thatsache, selbst loemt sie nur zur Legitimation der Polizei gegenüber dienen, insbesondere Reisepässe, Legitimationsscheine, Militärabschiede, Wanderbücher (vgl. §§ 363. 348); amtliche Atteste, betr. die Ermächtigung zum Sammeln freiwil liger Gaben für milde Zwecke, z. B. für Abgebrannte; vgl. Meckl. OG., Dresd. 24. Juli 76 (GSaal 28 s. 515; SGZ. 21 s. 207). und unten n. 103; die gemäß § 10 des R.'Jmpfges.'s v. 8. April 1874 seitens öffentlicher Jmpfärzte ausgestellten Scheine: RII. 14. Dez. 83 (A. IX, 10); To dtenscheine der Bayer. Leichenbe schauer: Münch. 12. Jan. 80 (BE. 1,87); Jagd scheine (Pr. JPol.-Ges. v. 7. März 1850 § 14); contra: OT. 23. Mai 55 (GA. IV, 261); Holztrans Portatteste (Forst-O. f. Ostpreußen rc. v. 3. Dez. 1775 § 14 Nr. 14; Publ. v. 4.Juni 1873; Vdn. v.30.Juni 1839); contra: OT. 14. Nov. 55c. Steppat; Pferdelegitima tionsatteste.(Pr. Vdn. v. 13. Febr. 1843 § 7): RII. 2. Apr. 86, OT. 29. Apr. 57 (R. VIII, 247; GA. V, 575: selbst, wenn die in jener VO. enthaltenen Formvor schriften nicht überall erfüllt seien); contra: OT. 1. Juni 55 (GA. III, 370), und zur Legitimation beim Viehtransport dienende Ursprungsatteste: RI. 17. Juni 80 (R. II, 76), OT. 4/ März 79 (GA. 27 s. 376). — Vgl. übrigens oben n. 1, § 363 n. 1 ff. 103. Dasselbe gilt von den auf Grund gesetzlicher Vorschriften ausgestellten Bescheinigungen einer Ortsbehörde über die Führung oder die Vermögens verhältnisse (Hilfsbedürftigkeit rc.) eines Menschen (vgl. übrigens § 363) und von dem in der D. Wehrordn II §8 Nr. 3 gedachten Führungsatteste der Militärbe behörden : Dresd. 20. Jan. 71, 19. März 77 (SGZ. XV, 80;' XXII, 33). Inwiefern den Pr. Gemeinde- bzw. Ortsvorstehern das Recht zur Ausstellung amtlicher Be scheinigungen überhaupt eingeräumt sei, darüber vgl. Rill. 20. Dez. 79, 7. Mai 81, RII. 3. Juni 81, 26. Oft 86 (R. I, 166; E. IV, 155. 246; XIV, 4), OT. 20. Dez. 76, 18. Apr. 77 (O. XVII, 831; XVIII, 279), und über die Befugmß einer Bayer. Ortspolizeibehörde, die Dauer des Besitzes eines zu prämiirenden Pferdes zu bescheinigen: Rl. 25. Febr. 86 (E. XIII, 367). 104.............ebenso von amtlich geführten Büchern, Registern, Katastern, Inventarien rc., welchen eine urkundliche Beweiskraft beiwohnt: z. B. von dem behufs Erhebung der Bergabgaben zu führenden Absatzregister: HMJnstr. v. 29. Jan. 1866 (Zeitschr. f.Berg-rc. Wesen 14 s.60). Dagegen sind die zur Kontrole der Einnahmen und Ausgaben eines Beamten bestimmten Bücher nicht als Ur kunden anzusehen, sofern ihnen nicht anderweitig, z. B. durch eine Unterschrift, ein Anerkenntniß, einen Beglaubigungsvermerk oder durch eine ausdrückliche Gesehesvorschrift eine besondere Beweiskraft beigelegt ist: n.44a, §348 n. 8, OT. 19. Dez. 56 (GA. V, 277: betr. die zur Kontrole des Transports der Geldbriefe dienende Postgeldkarte), OT. 4. Dez. 61, 26. März 62, OA. 1. Apr. 68, Münch. 26.Jan. 74 (O. II, 115.316; IX, 243; StZ. III, 372). Im Uebr. vgl. §271 n. 6. 105. Desgleichen nicht das zur Kontrole rc. des Arbeitsverdienstes eines Lohnschreibers geführte Verzeichniß (sog.Kanzleizettel), so lange nicht seine Rich tigkeit amtlich beglaubigt ist: OT. 3. Febr. 54 c. Masur. Dagegen ist eine solche amtliche Beglaubigung eine öffentliche Urkunde: OT. 25. Nov. 70, 6. Sept. 71, 15. März 72 (O. XI, 574; XII, 428; XIII, 310). 106. Die Schätzungen der amtlich bestellten Hypothekenschätzer (in Bayern) sind keine öffentlichen Urkunden; sie erlangen öffentlichen Glauben erst mit ihrer vorschriftsmäßigen Verlautbarung: Münch. 9. Oft. 80 (BE. I, 252). Doch erkannte Ri. 26. Nov. 85 (E. XIII, 112) denselben die Eigenschaft rechtserheblicher Privat-
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urkunden zu, selbst wenn sie nicht als Beilagen zu hypothekenamtlichen Protokollen oder zu Notariatsurkunden genommen seien. 106a. Oeffentliche Urkunden sind dagegen ferner: Fahrbillete. Abonnements- und Freifahrtkarten einer Staatseisenbahn: RI. 21. Mai 83 (K. VIII, 409), Stuttg. 5. März 74, Darmst. 14. Sept. 74 (StZ. IV, 66; HE. s. 65); vgl. n. 57; contra: Dresd. 20. Aug. 69 (SGZ. XIV, 47). 107. Jnhaberpapiere (Banknoten. Aktienrc.) sind, obschon § 149 sie unter gewissen Voraussehungen dem Papiergelde gleichstellt, gleichzeitig unzweifelhaft (öffentliche oder Privat-) Urkunden, sollte es auch an der zur gültigen Ausstellung derartiger Papiere erforderten landesherrlichen Genehmigung fehlen: OT. 9. Febr. 65 (O. V, 472); ebenso die auf dieselben gesetzten Außer-Curs-SetzungsVermerke; die Verfälschung eines solchen Vermerks ist daher (sofern nicht § 149 zu trifft, vgl. dort n. 2) unbedenklich als Urkundenfälschung, nicht als Vernichtung einer Urkunde (§ 274 Nr. 1) zu bestrafen (das Papier selbst ist dadurch gefälscht). — In Betreff der Sparkassenbücher und der einzelnen Einträge in dieselben vgl. Dresd. 3. Mai 78 (SGZ. 22 s. 336) und oben n. 45. 108. Vom Staate ausgegebene Stempelpapiere, Stempelblankette, Stempelabdrücke, gestempelte Briefkuverts, Stempel-, Post- und TelegraphenFreimarken, welche zu künftiger Verwendung auf Vorrath angefertigt werden, und in ihrem ursprünglichen Zustande noch Nichts beweisen, sind keine „Urkunden"; sie stellen (wie das Papiergeld) nur Staats-Werthzeichen dar, deren Fälschung rc. zum Gegenstände besonderer Strafvorschristen gemacht ist; vgl. §§ 275. 276. 364, EG. § 2 Abs. 2, Telegr.-Mark.-Ges. v. 16. Mai 1869 § 2, Wechselst.-Ges. v. 10. Juni 1869 §23, RPostges. v. 28. Okt. 1871 §27 Nr. 3; SGZ. IV, 389; contra: ib. IV, 140. — Dagegen sind die auf Stempelabdrücken rc. angebrachten amtlichen Entwerthungszeichen, wenn sie als solche erkennbar sind, z. B. der Poststempel auf einer Postfreimarke (vgl. n. 95) öffentliche Urkunden, und die (instruktionSmäßig vorgeschriebenen) gleichem Zwecke dienenden Privatvermerke Privat - Urkunden; vgl. indessen § 274 n. 11, § 364. 108a. Im Uebrigen vgl. § 348 n. 3 ff. Zu den srechtserheblichen) Privat-Urkunden gehören: Eine Vollmacht, selbst wenn sie aus einen nicht näher bezeichneten Ueberbringer lautet: OT. 29. Jan. 55 (Entsch. dess. 30 s. 308), OT. 3. Jan. 1861, 17. Jan. 62 (O. I, 133; II, 108); sie ist kein bloßes „Legitimationspapier" (§363): OT. 8. Sept. 69 (O. X, 521). Dabei ist es gleichgültig, ob aus der Schrift die Annahme des Auftrages durch den Bevollmächtigten hervorgeht: OT. 22. April 54 Zippel. — Das Gesagte gilt auch von einer Vollmacht zum Empfang milder Bei träge, zu deren Leistung gleichzeitig aufgefordert wird: OT. 31. Mai 65 (O. VI, 164)- insbesondere von einer Kollektenliste, welche in objektiv erkennbarer Weise her gestellt ist, um die eingegangenen und Dom Beauftragten abzuliefernden Beiträge nachzuweisen: OT. 20. Jan. 75 (O. XVI, 61), vgl. n. 114. Ebenso von dem an einen Dritten gerichteten Aufträge: „an eigne Ordre" (d. h. also an einen künftig erst zu benennenden Dritten) auszuzahlen, sowie von dem darunter gesetzten Acceptationsvermerke des Adreffaten(§ 251,1, 16 ALR. trifft hier nicht zu): £>i. 18. Apr. 55 (GA. III, 713). HO. . . . ein Bestellbrief (Bestellzettel), auch wenn er keine Bevollmächti gung enthält, (er bekundet die Zustimmung zu einem abzuschließenden Kaufgeschäfte): OT. 8. Okt. 62 (O. III, 64), Dresd. 18. Dez. 71 (StZ. I, 297). Ob die Bestel lung mit gleichem Erfolge auch mündlich hätte bewirkt werden können, ist gleich gültig: OT. 5. Dez. 60 (O. I, 159). Auch ist es nicht unerläßlich, daß der Be stellbrief an einen namentlich bezeichneten Adressaten gerichtet sei, sobald nur aus demselben ersichtlich ist, daß der Aussteller die Ausführung der Bestellung durch irgend einen dazu Befähigten gutheißen wolle: OT. 3. Jan. 61 (O. I, 133); ahn lich indirekt: OT. 17. Jan. 62 (ib. II, 208); contra: OT. 4. Jan. 56 c. Brehmer. — Ist der Adressat bezeichnet, so schaden kleine Ungenauigkeiten'in der Rechtschrei bung seines Namens rc. nicht: cit. OT. 8. Okt. 62. — Der Bestellbrief verliert die Eigenschaft einer (beweisenden) Urkunde dadurch nicht, daß eine gesetzwidrige (z. B. durch Einschwärzung zu bewirkende) Art der Erfüllung ausbedunaen wird: OT. 19. Okt. 54. c. Wölke. 109.
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111. Aehnlich (n. 110) verhält es sich mit der einer Waarensendung zugefügten Faktura; vgl. n. 116. 112. Ein zweiseitiger, mir von einem der Kontrahenten unterzeichneter Ver trag ist jedenfalls für den Unterzeichner verbindlich, insofern also auch eine Ur kunde: OT. 17. Nov. 71 (O. XII. 592). Desgleichen ist ein schriftliches Darlehns gesuch, selbst wenn es nicht gleichzeitig eine Bevollmächtigung zur Empfangnahme des Darlehns enthält, eine Urkunde; zwar beweist es nicht die Hergäbe eines Darlehns, wohl aber, daß der Betreffende fetnfer Seits die Zustimmung zu einem abzuschließenden pactum de mutuo dando gegeben habe, aus welcher gegen ihn Schadensersatzansprüche hergeleitet werden könnten, wenn er später die Annahme des Darlehns verweigert: OT. 15. Febr. 67 (O. VIII, 127), welches Gewicht darauf legt, daß im Falle der Hingabe und Annahme einer Geldsumme aus jenem Schreiben ihre Qualität als Darlehn gefolgert werden könne; das dürfte aber, da eö nicht objektiv durch die Schrift dargethan ist, zur Annahme der Urkundenqualität nicht genügen. 113. Dagegen ist das Schreiben, wodurch Jemand seinen Vater um eine Geldsumme, ein Rechtsanwalt seinen Klienten um einen Vorschuß bittet, nicht als Urkunde zu betrachten (die Voraussetzungen der n. 110. 112 treffen hier nicht zu); contra: OT. 1. Mai 67, 25. Nov. 64 (O. VIII, 281; V, 305). 114. Ein schriftliches Gesuch um ein Almosen ist keine Urkunde: OT. 16. Febr. 53 (GA. II, 261), Dresd. 20. Zan. 71 (GA. XIX, 537). 115. Eine Schrift, welche eine Verbürgung enthält, ist selbst dann eine Urkunde, wenn sie die Hauptschuld nicht genau bezeichnet: OT. 16. Mai 62 (O. II, 404). Verbürgung kann in einer schriftlichen Bitte „einem Dritten Kredit zu geben" gefunden werden: OT. 21. Nov. 66 (O. VII, 652). Die Mitunterzeichnung einer fremden Schuldverschreibung mit dem Zusatze: „als Bürge" stellt eine gültige Verbürgung dar (§ 202, I, 14 AM ): OT. 10. Juni 1868 (O. IX, 368). Ueber die Verbürgung einer Frau vgl. n. 139. 116. Eine Rechnung (ein Mahnbrief) ist die einseitig aufgestellte Behaup tung eines Rechtsanspruchs, und sonack keine Urkunde: Rill. 1. Zuli 82 (R. IV, 660: vorbehaltlich der Fälle, wo eine Rechnung dafür, daß nicht mehr, als in der selben enthalten, gefordert werde, daß eine Arbeit rechtzeitig geliefert worden, einen Beweisbehelf zu liefern geeignet sei), OT. 19. Okt. 53, 27. Zan. 58 (GA. II, 281; VI, 138); vgl. n. 111. 124; contra: RlV. 8. Zuli 84 (R. VI, 529). Als bloße Rechnung ist anzusehen die Angabe des Frachtbetrags in einem Avisbriefe, den eine Eisenbahnverwaltung an den Adreffaten eines angekommenen Frachtstückes sendet, um ihn zum Abholen zu veranlassen: OT. 12. Zan. 66 (O. VII, 17). Zn Betreff wirklicher Frachtbriefe vgl. n. 124. 117. Das Gegentheil gilt von einer gerichtlich eingereichten und präsentirten Klageschrift; vgl. RII. 20. Zan. 80 (E. I, 155: sprach dies jedoch nur bedingt aus), RlV. 19. März 86 (E. XIV, 1: betr. eine nach § 636 der CPO. zu beurtheilende Ladung); contra: OT. 3. Juni 69 (O. X, 394). Dasselbe erkannte Rl 20. Dez. 86 (R. VIII, 770) bezüglich einer bei der Staatsanwaltschaft eingereichten Strafanzeige. In Betreff eines Exekutionsgesuchs vgl. OT. 25. März 74, 4. Zan. 79 (ib. XV, 185; GA. 27 s. 112). 118. Anlangend die Privat- (Manual-) Akten eines Advokaten, so erachtete Dresd. 23. Febr. 74 (StZ. IV, 106) zwar nicht solche Akten im Ganzen wohl aber die in denselben enthaltenen rechtserheblichen Registraturen und Briefconcepte als Urkunden (nach Sächs. Rechte). 119. Eine Quittung ist eine Urkunde, auch wenn sie nur als Rechnungs beleg gefordert oder zu Gunsten eines nicht genannten „Inhabers" ausgestellt ist: OT. 11. Zan. 70 (O. XI, 35), oder wenn sie ersehen läßt, daß nicht an den zum Empfang berechtigten Gläubiger, sondern an einen Dritten gezahlt ist; sie beweist immerhin die Thatsache der Zahlung und kann eventuell einen Anspruch auf Rück zahlung begründen: OT. 21. Febr. 55 (GA. III, 714); contra: OT. 27. April 64 (O. IV, 477: betraf die Vernichtung der Quittung; auch hier konnte indessen nicht die Urkundenqualität, sondern nur die Frage zweifelhaft sein, ob die Vernichtung „zum Nachtheile" eines Anderen geschehen sei; vgl. § 274 Nr. 1). 120. Ebenso ist eine schriftliche Ausstandsbewilligung für die Erfüllung einer Verbindlichkeit auch dann eine Urkunde, wenn sie ohne Angabe einer Fristbe-
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stirnrnung erfolgt, daher jeden Augenblick widerruflich ist: OT. 8. Sept. 58 c. Brömel; ähnlich: OT. 6. März 63 c. Fragstein. 121. Dasselbe gilt von einer Abrechnung, welche die gegenseitige Aufrech nung dokumentirt, und den danach dem Einen zukommenden Saldo feststellt, sollte dieselbe auch die einzelnen zur Berechnung gekommenen Posten nicht enthalten: OT. 17. Sept. 62 (O. III, 7). 121a. Desgleichen von dem Pfandscheine einer Leihanstalt; die dort vorfindliche Angabe (Veranschlaglmg) des Werths des verpfändeten Gegenstands ist rechtserheblich: Ri. 19. Oft. 82 (E. VII, 422). 122. Eine Urkunde ist ferner jede einseitige Bescheinigung eines Kontrahenten, daß ein zweiseitiger Vertrag wieder aufgelöst sei. oder daß er von demselben zurücktreten wolle: OT. 17. Mai 54 c. Meyer, z. B. eine Schrift, durch welche die Auflösung eines Dienstverhältnisses bescheinigt, oder (trotz eines bestehenden Dienstverhältnisses) die Erlaubniß zu anderweitiger Vermiethung des Dienstboten ertheilt wird; contra: OT. 27. März 63 (O. IV, 225). 123. Die Aufzeichnung, welche einem Telegraphenbüreau zum Tele graphiren an einen Anderen eingehändigt wird, ist eine (Privat-) Urkunde, wenn sie inhaltlich den Voraussetzungen einer solchen entspricht und eine Unterschrift trägt: sie würde in einem zwischen dem Adressaten und dem Absender entstandenen Rechts streite ein Beweismittel für die von dem letzteren ausgegangene Erklärung darstellen: Münch. 29. Dez. 73 (StZ. III, 220), OHG. 1. Dez. 76 (Entsch. dess. 21 s. 351); vgl. OT. 2. Mai 61 (Entsch. dess. 45 s. 57: entschied, daß eine solche Aufzeichnung dem Erfordernisse der schriftlichen Errichtung eines Vertrages genüge), Förster, Th. u. Pr. 1,452; contra: Bind. I, 110. — Dagegen ist die Aushändigung einer solchen Aufzeichnung an den Telegraphenbeamten kein „Gebrauch der rc. Urkunde" im Sinne des § 267, weil dieser jenem Beamten gegenüber gemachte Gebrauch nicht den rechtserheblichen Inhalt der Urkunde zum Gegenstände hat (n. 27), sondern sich lediglich auf die Identität des Absenders bezieht, in Betreff welcher die Niederschrift Nichts beweist: RPl. 6. März 83, Rill. 15. Mai 80 (E. VIII, 92; R. I, 793), cit. Münch. 29. Dez. 73. id. 14. Dez. 77 (BE. VII, 519), Geiler, BA. 43 s. 330 ; vgl. Telegr.-O. v. 21. Juni 1872 § 10; contra: cit. OHG. 1. Dez. 76, Dambach und (anscheinend) Darmst. 10. Juli 76 (GSaal 23 s. 293; 28 s. 616). Im Uebr. Vgl. n. 63. 124. Ein Frachtbrief ist eine Urkunde (HGB. §§ 291. 292); ebenso: Still. 18. Dez. 80 (E. III, 169: betraf die Fälschung der Gewichtsangabe), RI. 11. Sem. 86 (R. VIII, 30: selbst in Betreff eines vor dem Abschluß des Frachtvertrags alls gestellten, letzteren mithin nicht bekundenden Frachtbriefs). Diese Eigenschaft ist auf die nicht vom Absender in den Frachtbrief aufgenommene, sondern vom Frachtführer (der Versendungsanstalt) demnächst hinzugefügte Frachtberechnung nicht auszudehnen; sie ist nur eine aufgestellte Rechnung: OT. (Pl.) 9. Jan., 5. Juni 71 (O. XII, 21. 307); vgl. n. 116. 117; contra: Still. 8. Mai 80 (R. I, 751: mindestens, sofern und nachdem der Frachtbrief angenommen sei; vgl. HGB. §§ 406. 410), Dresd. 16. Oft. 74 (StZ. v, 129: mindestens in Betreff der Frachtbriefe einer Eisenbahnverwaltung, vgl. Formular zum Betriebsregl., BGbl. 1870 s. 419 ff.), Münch. 12. März 86 (BE. IV, 126: sogar eine öffentliche Urkunde, falls sie von einem Organ der Staatseisenb.-Verwaltung herrühre). 125. Die einem Fuhrknechte eingehändigte Rollkarte d. h. das Verzeichniß der zu verfahrenden Stücke, der Adreffaten und der zu erhebenden Frachtsätze ist keine Urkunde: OT. (Pl.) 5. Juni 71 (cit. n. 124). 126. Ein (gezogener oder eigener) Wechsel, sowie jedes in denselben einge tragene Nebengeschäst (Annahme des Bezogenen, Giro. Wechselbürgschaft, Prolon gation rc.) sind unzweifelhaft Urkunden. Das gilt auch von einem auf eigene Ordre gezogenen, vom Bezogenen acceptirten, aber noch nicht girirten Wechsel (er hat für den Aussteller volle Wirksamkeit: WO. Art. 23): OT. 17. Juli 62 (O. II, 542); vgl. n. 128. — Das Gegentheil nahm OT. 8. Apr. 69 (O. X, 212) an in Betreff eines von einem Andern als dem Bezogenen auf den Wechsel gesetzten Annahme vermerks, welcher sich nicht als Ehrenannahme kennzeichne; contra: Dresd. 23. Jan. 74 (StZ. IV, 187). 127. Eine Schrift, welche wegen irgend eines Formmangels nicht als Wechsel Geltung hat, ist doch als Urkunde anzusehen, wenn durch sie nach irgend
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einer andern Richtung hin ein für ein Recht rc. erhebliches Moment bewiesen wird, z. B. wenn sie einen schriftlichen Zahlungsauftrag oder eine Anweisung darstellt: OT. 10. Dez. 56 c. Nietsche, 30. Jan. 57 c. Ulrich; vgl. n. 56. Demgemäß ist ein vom Ehemann auf die Ordre seiner mit ihm in Gütergemeinschaft lebenden Ehefrau gestellter, von letzterer auf einen Dritten „girirter" Wechsel eine Urkunde: OT. 25. Febr. 59 c. Paul. — Das Gesagte gilt namentlich auch da, wo eine Schrift zwar keinen vollständigen Wechsel, wohl aber ein wesentliches Erforderniß eines solchen enthält, so daß sie durch spätere Zusätze zum vollständigen Wechsel gemacht werden kann. Hiernach sind ein auf eigene Ordre gezogener, weder mit einem Giro noch mit einem Accepte versehener, und ein auf eigene Ordre ge stellter eigener oder trassirt-eigener Wechsel, welcher mit keinem Giro ver sehen ist, selbst, wenn die bestrittene Frage, ob sie wirklich „Wechsel" seien, zu ver neinen sein sollte (vgl. in dieser Beziehung OT. 22. Okt. 57, 16. Sept. 68: StA. 26 s. 298: 39 s. 1, Volkm. u. Löwy Wechsel-O. s. 46. 360), „Urkunden", weil die Unterschrift des Ausstellers rc. für das (in dem Schriftstücke genügend erkennbar gemachte) Rechtsgeschäft ein wesentliches Merkmal darstellt: OT. 15. Sept. 65 (O. VI, 314), Dresd. 29. Jan. 75 (SGZ. XIX, 292); contra: OT. 15. Febr. 56 c. Bocke, 9. Dez. 58 (JMbl. 59 s. 58), welche mit Unrecht darauf das entscheidende Gewicht legen, daß ein solches Schriftstück in seinem jeweiligen Zustande weder ein Recht noch eine Pflicht begründe; (nur die Rechtserheblichkeit kommt in Frage; deshalb ist es auch ohne Bedeutung, daß aus einem solchen unvollständigen Wechsel ein Berechtigter noch nicht zu ersehen ist). 128. Schriftliche Aufzeichnungen, welche einWechsel-Nebengeschäft (Accept, Giro, Wechselbürgschaft rc.) darstellen, sind selbst dann Urkunden, wenn die Schrift in ihrem übrigen Hauptinhalte nicht als vollständiger Wechsel anzusehen ist, sobald nur aus dem Gesammtinhalte erhellt. daß der Verinerk ein Wechsel-Nebengeschäft zum Ausdrucke bringe. Das trifft namentlich da zu, wo ein solcher Vermerk z. B. ein unterzeichnetes Accept (Giro) sich auf einem (gar nicht oder nur theilweise aus gefüllten, oder nicht unterzeichneten) Formular eines gezogenen Wechsels findet: RI. 3. Mai 80. Rill. 28. Okt. 82 (R. I, 715; E. VII, 183), OT. 2. März 64, 26. Sem., 3. Mai 65, 2. Okt. 67, 13. Jan. 76, OA. 9. Nov. 69 (O. IV, 398; V, 439; VI, 80; VIII, 558; X, 703; XVII, 28), Dresd. 15. Dez. 73, 7. Dez. 74, 17. Sept. 77 (StZ. III, 371; IV, 130; SGZ. XXII, 174), Münch. 8. Aug. 79 (BE. IX, 412). Vgl. auch § 269 n. 5. Als Accept ist nach Art. 21 der WO. die auf dem unvollständigen Wechsel ohne weiteren Beisatz sich findende Namensschrift des Bezogenen anzusehen. Ist der Bezogene noch ungenannt, so genügt jede auf ein Wechselformular gesetzte fremde Namensschrift, welche durch spätere Einschreibung des Namens des Betreffenden als Bezogenen die Bedeutung eines Accepts zu erlangen geeignet ist. Dasselbe gilt von einer aus ganz leerem Papier sich befindenden, eine Wechsel-Annahme in sich schließenden unterzeichneten Erklärung, nicht aber von einer bloßen Namensschrift auf sonst ganz leerem Papier, weil aus ihr allein die Natur des Rechtsgeschäfts, zu welchem dieselbe niißbraucht werden kann, noch nicht erkenn bar wird (n. 53). 129. Die Fälschung eines Giros ist selbst dann strafbar, wenn ein vorher gehendes Giro mangelhaft, und somit die rechtliche Wirksamkeit des folgenden in Frage gestellt ist: Dresd. 26. Mai 71 (SGZ. XV, 184). 130. Wer als unrechtmäßiger Inhaber (z. B. als Dieb, Finder) mithin un befugter Weise ein auf dem Wechsel befindliches Blanko-Giro auf einen Andern ausfüllt, begeht eine Wechselsälschung: OT. 4. Dez. 62 (O. III, 155). Das Gegen theil dürste gelten, wenn er seinen eigenen Namen einschreibt; vgl. § 269 n. 6. 131. Die Löschung eines unter einem Blanko-Jndoffament befindlichen ansgefüllten Indossaments stellt (arg. Art. 36 der WO.) unter den geeigneten Voraus setzungen den Thatbestand einer Wechselfälschung dar: OT. 4. Dez. 62 (eit. n. 130: Ml). 132. Ziehung eines Wechsels auf eine nicht existirende Person (sog. Keller wechsel) ist keine Urkundenfälschung, sondern kann nur unter den Begriff des Betrugs fallen; der Wechsel ist echt und der Zieher haftet nach Wechselrecht: die Nichtexistenz des Bezogenen hat keine andere Wirkung, als die verweigerte Acceptation durch den existirenden Bezogenen; das Gegentheil gilt von dem einem solchen Wechsel
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unter den Namen einer fingirten Person hinzugefügten Accepte; ebenso: RI. 26. Jan. 82 (R. IV, 74). 133. Die Benachrichtigung, welche der Inhaber eines Mangels Zahlung protestirten Wechsels an seinen Vormann absendet (WO. Art. 45), ist eine Urkunde; das ist aber auf eine in das Schreiben mit aufgenommene unquittirte Netourrechnuug nicht anszudehnen: OT. 8. Okt. 63 (O. IV, 93); vgl. n. 116. 134. Mit Rücksicht auf das unter n. 54 Gesagte ist ein Wechsel, bzw. Accept selbst nach Ablauf der dreijährigen Frist des Art. 77 der Wechsel-O. eine Urkunde: RII. 5. Febr. 84 (R. VI, 89), ein Schuldschein, durch welchen sich Jemand zu einer bestimmten Leistung verpflichtet, selbst dann, wenn er wegen Nichtangabe des Verpflichtungsgrundes zur Begründung einer Klage nicht ausreicht: OT. 9. Febr., 15. Sept. 65, 11. Mai 66, 10. April 67 (O. V, 472; VI, 314; VII, 290; VIII, 250). — Die Ungültigkeit der einem Schuldbekenntniß zugefügten Pfand verschreibung benimmt jenem nicht die Urkundenqualität: OA. 14. Febr. 72
(O. XIII, 142). 135. Aus demselben Grunde (n. 54) macht es keinen Unterschied, ob es sich um ein den Werth von 150 Mark übersteigendes Geschäft handelt, dessen Gültigkeit von der (vollständigen) schriftlichen Abfassung abhängig gemacht ist (ALR. I. 5 §§ 131.133.134). Hier kommt es nur auf die Beweisfähigkeit der Schrift an; diese erfüllt für die durch sie festgestellten Merkmale das Erforderniß jener Gesetze; das Geschäft würde also gültig sein, wenn die übrigen Merkmale außerdem schriftlich festgestellt sind; auch kann der Mangel der schriftlichen Form durch einseitige Er füllung (§ 156 1. c.) erseht werden. 136. Ebenso verhält es sich, wenn eine in ihrer Dispositionsfähigkeit beschränkte Person ohne den erforderlichen Beistand ein Rechtsgeschäft abgeschlossen hat. Die ihre Einwilligung beweisende Schrift ist eine Urkunde, da diese Einwilli gung ein wesentliches Erforderniß für das Zustandekommen jenes Geschäfts ist; auch hier können die übrigen Erfordernisse durch andere Beweismittel ergänzt wer den; eventuell begründen solche Schriften ein Rückforderungsrecht des dem Dispositionsnnfähigen Gegebenen, insofern es noch vorhanden oder nützlich verwendet ist (ALR. II, 1 § 334): OT. 26. Okt. 59 (GA. VII, 845). 137. Das Gesagte (n. 136) trifft zu, wenn eine Ehefrau ohne Einwilligung des Mannes Verträge schließt: OT. 31. Jan. 66 (O. VII, 62), z. B. eine Voll macht ausstellt, sollte auch nicht feststehen, daß einer der Spezialfälle vorliege, in welchen sie ohne den Mann dazu befugt ist: OT. 23. April 53 c. Krause. Ebenso muß es von einer Verbürgung der Frau gelten, selbst wenn es an den Voraus setzungen ihrer rechtlichen Wirksamkeit fehlt; contra: OT. 6. Nov. 53 (GA. II, 261), John. Z. f. StR. IV, 32. 138. Mit Rücksicht auf das unter n. 53 Gesagte sind Handelsbücher nicht als Urkunden zu betrachten, da sie für sich allein zum Beweise für irgend ein that sächliches Moment nicht geeignet sind; contra: Rill. 9. Febr. 81 (E. IV, 4), Schw. f. 683, Meyer n.7, Rüd. n.8, Merkel s. 789. ML. s. 621; vgl. Dresd. 6. März 71 (SGZ. XV, 84), Puch. s. 271. Keinesfalls sind Einträge unwahren Inhalts oder spätere Abänderungen richtiger Einträge durch den Berechtigten (n. 11. 18.) aus § 267 zu bestrafen: RI. 23. Jan. 82 (E. V, 430), Dresd. 22. Juni 74 (StZ. V, 122), Mommsen, GSaal 36 f. 43; contra: John 1. c. f. 48ff. 139. Desgleichen nicht Bescheinigungen, welche ein Verpflichteter sich selbst über angeblich von ihm geleistete Zahlungen ausgestellt hat: OT. 5. März 69 (SD. X, 132). 140. Ein Preiscourant ist gleichfalls keine Urkunde (daS dadurch bekundete Angebot bindet nicht). 141. Desgleichen sind keine Urkunden (im Sinne des §) Privatschristen. welche eine außergerichtliches Zeugniß über irgend welche Thatsachen enthalten; so (von den Fällen abgesehen, wo es sich um eine Glaubhaftmachung im Sinne der EPO. handle; vgl. oben n. 53a): RII. 16. Dez. 81, Still. 5., 12. März 83 (E. V, 262; VIII, 187); contra: Riv. 19. Apr. 87 (R. IX, 250); vgl. auch Stil. 4. Nov. 87 (R. IX, 555: betr. einen vom Jagdberechtigteil ausgestellten Wildpassirschein), John 1. c. s. 40 ff. 69. 142. Eine Urkunde ist ferner nicht ein Privatführungsattest (das Gegen theil folgt nicht aus § 363), noch das Attest eines Privatarztes über einen Ge-
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§ 268. Eine Urkundenfälschung, welche in der Absicht begangen wird, sich oder einem Anderen einen Vermögensvor theil zu verschaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen, wird bestraft, wenn 1) die Urkunde eine Privaturkunde ist, mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann; 2) die Urkunde eine öffentliche ist, mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren, neben welchem auf Geldstrafe von einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark erkannt werden kann. sundheitszustand rc. (§§ 277—279). Dagegen erkannte Ri. 19. Apr. 86 (R. VIII, 298), daß eine schriftliche geschäftliche Empfehlung als rechtserhebliche Privaturkunde in Betracht kommen könne. 143. Gleiches gilt von einem ärztlichen Recepte; ebenso: Carlsr. 14. Febr. 81 (BA. 47 s. 68); contra: Dresd. 12. Mai 73, Stuttg. 29. Nov. 76 (SGZ. XVII, 179; WGbl. XII, 408 ; ersteres Erk., weil das Recept zur Rechtfertigung des Arztes oder Apothekers dienen könne, letzteres, weil ein gehörig datirtes und unterschriebenes Recept u. a. einen Beleg für die Forderung des Apothekers und ev. die Grundlage für Ansprüche gegen einen Armenverband bilde); das Gegentheil tritt jedenfalls ein, wenn dasselbe von einem Gemeindebeamten mitunterzeichnet bezw. visirt ist, um die Zahlungspflicht der Gemeinde zu begründen; alsdann stellt es sogar eine öffentliche Urkunde dar: Dresd. 12. Mai 73 (SGZ. XVII, 180). 144............... ebenso von einem Wahlzettel, so lange er noch nicht in die Wahlurne gelegt ist: OT. 4. Jan. 79 (O. XX, 9). 145..............ebenso endlich von allen unbeglaubigten Abschriften einer Ur kunde, sofern ihnen nicht durch ein besonderes Gesetz eine Beweiskraft beigelegt ist: Rill. 19. Febr. 83 (A. VII, 322: von ganz besonders gestalteten Ausnahmefüllen abgesehen). OT. 28. Jan. 53 (GA. II. 260). Dresd. 9. Febr. 74 (StZ. V, 105: die beschränkte Beweiskraft, welche das Sächs. Exek.-Ges. v. 28. Febr. 1834 §§91.94 solchen Abschriften beilege, komme hier nicht in Betracht). In Betreff der be glaubigten Abschriften vgl. oben n. 46a. 146. Ob die Urkunde eine in- oder ausländische, d. h. ob sie in Wahr heit oder nach dem ihr fälschlich beigelegten Scheine) im In- oder Auslande her gestellt wurde, ist auch bei Privaturkunden gleichgültig. Die Frage, ob die Urkunde eine „öffentliche" sei, beurtheilt sich lediglich nach dem am ostensiblen Orte ihrer Entstehung geltenden Rechte; eine in diesem Sinne „ausländische" Urkunde ist da her selbst dann eine „öffentliche", wenn ihr letztere Eigenschaft nur nach dem betr. ausländischen, nicht nach den inländischen Gesehen beiwohnt, und wenn sie in Wahrheit im Znlande angefertigt ist; vgl. RH. 26. Juni 83 (E. VIII, 372). § 268. 1. Der § setzt eine „Urkundenfälschung", also den vollen Thatbestand des § 267 voraus, welcher durch die hier erheischte Absicht rc. näher qualifizirt ist; diese ist sonach prozessualisch als ein erschwerender („begleitender") Umstand zu be handeln: OT. 29. Nov. 71 (O. XII, 599). Dasselbe gilt eventuell von der Eigen schaft der Urkunde als einer öffentlichen (Nr. 2). Die zu jeder Urkundenfälschung erforderliche rechtswidrige Absicht muß auch hier ausdrücklich festgestellt, bezw. in die schwurgerichtliche Frage aufgenommen werden: RI. 6. Dez. 80 (E. III, 168); vgl. übrigens n. 2. 2. Zn Betreff der Absicht einen Vermögensvortheil zu verschaffen" vgl'. § 263 n. 2 ff. Demgemäß braucht der letztere nicht in einer Vermögensver mehrung zu bestehen: Manh. 20. Okt. 77. OT. 15. Febr. 78 (BA. 43 f. 305; O. XIX, 72); namentlich gehört auch die Abwendung eines Vermögensschadens hier hin: RI. 11. Febr. 86 (R. VIII, 112). Der gesuchte Vermögensvortheil muß (arg. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch. 11. Aufl.
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Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängniß strafe ein, welche bei der Fälschung einer Privaturkunde nicht unter Einer Woche, bei der Fälschung einer öffentlichen Ur kunde nicht unter drei Monaten betragen soll. Neben der § 267) ein rechtswidriger d. h. ein solcher sein, den zu beanspruchen man kein Recht hat; vgl. § 263 n. 6. 7, Münch. 30. Mai 73 (StZ. II, 327), Puch. n. 2, ML. s. 623; contra: 8*1. 5. Febr., 3. Mai 80, Rill. 16. Oft. 84 (E. I, 186; II. 42; XI, 155: der Thäter müsse zwar in rechtswidriger Absicht handeln, doch brauche diese nicht auf einen rechtswidrigen Vermögensvortheil gerichtet zu sein), cit. OT. 15. Febr. 78, Schw. n. 2, Olsh. n. 1; doch hat die Stellung einer desfallsigen Frage, selbst, wenn sie beantragt ist, zu unterbleiben. — Es reicht hin, wenn die Absicht auf die Er langung prozessualer Vortheile (z. B. einer Restitutionsklage: CPO. § 543) gerichtet war: Rll. 4. März 81 (E. III, 370: betraf eine Anzeige wegen Meineids), oder wenn sie dahin ging, für eine an sich begründete Forderung ungeachtet eines dem Schuldner zustehenden Zurückbehaltungs-Rechts sofortige Zahlung zu erlangen: Dresd. 2. Mai 73 (StZ. III, 136), oder einen bereits erlangten, aber in seinem Fortbestände gefährdeten Vermögensvortheil sich zu sichern, z. B. der Pflicht zur Erstattung. unterschlagener Gelder sich zu entziehen: RI. 7. Mai 80, 18. Dez. 81, 3. Zuli 82, Rll. 5. Febr. 84 (E. II, 53; X, 76; BA. 48 f. 51; R. IV, 669), Dresd. 8. Zuni 77, 8. Nov. 78 (SGZ. 22 s. 84; 23 s. 104); oder einem acceptirten Wechsel Verkehrsfähigkeit zu verschaffen: Münch. 11. Febr. 78 (BE. VIII, 63). Dasselbe gilt von der Erlangung eines herkömmlichen Geschenks: Darmst. 18. Aug. 73 (HE. s. 79), von der Stundung einer Forderung, der Abwendung bez. Hinausschiebung einer drohenden Exekution und von der Aufnahme eines (ernstlich gemeinten) Darlehns; vgl. n. 8, § 263 n. 2. 3. 6, Rl. 3. Mai 80 (E. II, 42), cit. Dresd. 8. Juni 77, Darmst. 5. Dez. 75 (HE. s. 65), Stuttg. 23. Dez. 74, 13. Juli 75 (StZ. V, 134. 135: ob hier die Absicht vorliege, sich einen Vermögensvortheil zu verschaffen, sei Thatfrage); desgleichen von der Schaffung eines Beweismittels für eine begründete Forderung; so: Manh. 11. Mai 1878 (BA. 45 s. 143). Jene Absicht ist selbst dann nicht nothwendig ausgeschlossen, wenn mittels der gefälschten Urkunde eine unbe gründete Forderung gedeckt werden sollte, da hiermit gleichzeitig die Erlangung wirklicher Vermögensvortheile (z. B. Aufrechterhaltung einer Geschäftsverbindung, Hinausschiebung eines ungünstigen Prozeßangriffs) beabsichtigt sein kann; so: Dresd. 27. April 74 (StZ. V, 133). Dagegen stellt keinen Vermögensvortheil dar das bloße Verhindern der Entdeckung (Feststellung) einer (vollendeten) Unterschlagung, Steuep defraude rc. sowie das Bewahren vor der Verurtheilung zu einer criminellen Geld strafe; vgl. § 263 n. 5, Rill. 1. Mai 80 (E. II, 34). cit. Rl. 18. Dez. 81, 3. Juli 82, Münch. 1. Juli 78 (BE. VIII, 365), während bezüglich einer auf privatrechtlicher Grundlage, z. B. auf Statuten beruhenden Geldstrafe (einer Conventionalstrafe) das Gegentheil gilt: Rl. 11. Febr. 86 (R. VIII, 112). Desgleichen das Erwirken der Zustimmung eines Dritten zu einem Rechtsgeschäfte (z. B. zu einer Zahlung), wenn es dieser Zustimmung rechtlich nicht bedurfte: Rl. 3. Juni 80 (E. II, 173). 3. Die Absicht, sich oder einem Andern „ein besseres Fortkommen" zu verschaffen, ist, wie sich aus § 363 (vgl. dort n. 1) ergiebt, für sich allein vom Ge setzgeber nicht als eine auf Verschaffung eines Vermögensvortheils abzielende ange sehen worden; ebenso stellt die Erlangung irgend einer Stellung in der bürger lichen Gesellschaft an sich noch keinen „Vermögensvortheil" dar, wenn nicht andere Umstände dabei zutreffen, welche einen solchen in Aussicht stellen; daher genügt zur Anwendbarkeit des § 268 nicht die Absicht, in einer Lehranstalt oder in einem Bor delle Aufnahme zu finden: OT. 13. Okt. 52 (GA. 11,267), OT. 21. Dez. 55 c. Thieme, noch diejenige, ein staatsbürgerliches Recht (z. B. das Jndigenat, den Adel), eine amtliche oder gewerbliche (durch Prüfung oder staatliche Verleihung rc. bedingte) Stellung, oder ein Familienrecht z. B. eine Heirath zu erlangen. Das Gegentheil gilt jedoch, wenn die durch eine solche Stellung in Aussicht gestellten Vermögens vortheile, z. B. durch eine Heirath eine „gesicherte Existenz" erstrebt worden, (eine solche Absicht ist auf mehr als auf ein „besseres Fortkommen" gerichtet): OT. 15.Juli, 17. Dez. 53 (GA. II, 265). Ebenso ist die Absicht, eine freie Eisen bahnfahrt zu gewinnen, keine blos auf ein „besseres Fortkommen", sondern auf
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Urkundenfälschung. — § 268.
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Gefängnißstrafe kann zugleich auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden. [I. Entw.: §§ 241. 244. 245; II. Entw.: § 263; — Pr. StGB.: §§ 247. 250. 251.] Vgl. §§ 267. 269-273. 363; VZollges. v. 1. Juli 1869 § 153. Preußen: Dgl. Steuer-O. v. 8. Febr. 1819 §§ 86. 87. Verschaffung eines rechtswidrigen Vortheils gerichtete: Dresd. 2. Znni 71 (GA. XIX, 818). Inzwischen ist das Verhältniß des § 268 zu § 363 ein sehr streitiges und das Nähere hierüber zu § 363 n. I ff. mitgetheilt. 4. Der gesuchte Vermögensvortheil braucht nicht zugleich eine Beschädigung des Vennögens eines Andern herbeizuführen, (die Absicht, einen Schaden zuzufügen, genügt für sich allein): OT. 11. März 74 (O. XV, 143); vgl. n. 8. § 263 n. 11. 5. Bei der „Absicht, einem Anderen Schaden zuzufügen", ist als „Scha den" jede Beeinträchtigung eines Rechts, jede ungünstigere Gestaltung des Rechts zustandes anzusehen; daß derselbe das Vermögen zum Gegenstände habe, ist hier nicht erforderlich: OT. 24. März 70 (O. XI, 192), Münch. 30. Mai 76 (BE. VI, 270: betraf einen Schaden an der Ehre); es genügt daher die Absicht, Jeman den zu beleidigen: Rill. 5./12. März 83 (E. VIII, 187); contra: Merkel, HH. III, 800. Selbst die Verletzung eines öffentlichen Jntereffes gehört hierher, z. B. wenn ein Militärpflichtiger sich dem Militärdienste zu entziehen sucht; vgl. § 274 („Absicht einem Andern Nachtheil zumfügen") und dort n. 1 ff. In Betreff der Vermögensbeschadigung vgl. § 263 n. 13 ff. Als eine solche ist die Verdeckung einer mit Geld strafe verpönten Steuerdefraude nicht zu erachten: Rill. 1. Mai 80 (E. II, 34); vgl. § 174 n. 7. — In der thatsächlichen Feststellung bedarf es nicht nothwendig der namentlichen Bezeichnung des zu Beschädigenden: OT. 24. Sept. 52 c. Weitzker. 6. Die im § erheischte Absicht muß nicht nur bei dem Gebrauche der Ur kunde obwalten, sondern auch schon bei der Fälschung bestanden haben (sonst könnte ev. nur § 270 Platz greifen, vgl. dort n. 2); ebenso: Ri. 21. Okt. 80 (R. II, 366). Daß diese Absicht erreicht worden und überhaupt thatsächlich erreichbar gewesen sei, ist auch hier nicht erforderlich; vgl. § 267 n. 5. 6; ebenso: Rl. 5. Febr.
80 (E. I, 186). 7. Unter der gedachten „Absicht" ist nur der gewollte, einen rechtswidrigen Vortheil oder eine rechtswidrige Beschädigung enthaltende Erfolg, nicht aber der Beweggrund eines solchen Willens (der Endzweck) und die weiteren denselben be stimmenden Momente zu verstehen; so: Darmst. 5. Dez. 75 (HE. s. 68: Jemand hatte seiner kranken Frau den Schrecken einer gegen ihn eintretenden Vermögensexekution ersparen wollen). In Betreff der Feststellung dieser Absicht vgl. n. 2, § 267 n. 7, Rl 21. Okt. 80 (dt. n. 6), OT. 15. Mai 74 (O. XV, 310). 8. Der durch den Gebrauch zu Täuschende braucht nicht identisch zu sein mit Demjenigen, welchem ein Schaden zugefügt werden soll, oder von welchem der Ver mögensvortheil gesucht wird: Rl. 5. Febr. 80 (E. I, 186). Daher reicht es hin, wenn zur Abwendung einer Exekution der damit beauftragte Exekutor oder daS Gericht durch Vorlegung einer falschen Urkunde getäuscht ist, während der Ge winn auf Kosten des extrahirenden Gläubigers gesucht wird: OT. 7. Mai 53 c. Palm; insbesondere entspricht der Gebrauch vor Gericht unbedingt den Voraus setzungen des §, da der Richter ein vorgelegtes Beweisstück nothwendig berücksich tigen muß: OT. 30. Sept. 54 c. Schmuck, OT. 18. Dez. 57 c. Gloger; vgl. § 263 n. 60. 61, § 267 n. 26. 9. Im Falle der Nr. 1 wird selbstverständlich eine Privat urkunde der im § 267 gedachten Art vorausgesetzt. 10. Da die unter 9tr. 1 oder 2 vorgesehene That ein Verbrechen darstellt, so ist auch der Versuch strafbar. Letzterer ist anzunehmen, sobald mit der Ausführung der Gesammtthat der Anfang gemacht ist, z. B. mit der Fälschung, sollte es auch noch nicht zu einer Gebrauchshandlung gekommen sein, insofern nur der Wille des Angeklagten bei der Fälschung auf einen demnächst zu machenden Gebrauch gerichtet war: Rl. 2. Okt. 82 (E. VII, 54), OT. 6. Jan. 64, Münch. 30. Mai 76 (O. IV, 270; BE. VI, 270). Dies gilt sogar dann, wenn der Angeklagte den Gebrauch nur bedingter Weise, bezw. im Falle gewisser Eventualitäten, selbst solcher ihm nicht genehmer, beabsichtigte: RlV. 27. Mai 87 (R. IX, 352), Haager, BA. 43 s. 86;
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Urkundenfälschung. — § 269.
§ 269» Der fälschlichen Anfertigung einer Urkunde wird es gleich geachtet, wenn Jemand einem mit der Unterschrift eines Anderen versehenen Papiere ohne dessen Willen oder dessen Anordnungen zuwider durch Ausfüllung einen urkundlichen In halt gibt. [I. Entw.: § 242; II. Entw.: § 264; Pr. StGB.: § 248.]
Vgl. §§ 267 ff. 280.
contra: Manh. 6. Sept. 76 (ib.) — Der freiwillige Rücktritt von einer versuchten
„Urkundenfälschung" (§ 46 Nr. 1. z. B. das Aufgeben des Willens, Gebrauch au machen) hat Straflosigkeit zur Folge, selbst wenn die bereits gefälschte Urkunde nicht vernichtet worden ist; ebenso: Haager 1. c. s. 87; contra: GM. II. s. 575 (verlangte Vernichtung der Urkunde). Ein solcher liegt jedoch nicht vor, wenn der Thäter von der Urkunde nur deshalb keinen Gebrauch machte, weil es unter den obwaltenden von seinem Willen unabhängigen Umständen zur Erlangung des beab sichtigten Vermögensvortheils jenes Gebrauchs nicht erst bedurfte; so: Dresd. 1. Nov. 75 (SGZ. XX, 205). 11. Mit dem im § 268 vorgesehenen Verbrechen rc. kann ein Betrug (Betrugsversuch) ideell konkurriren; vgl. § 264 n. 1, Still. 3. Dez. 79, RI. 3. Mai 80 (E. I, 111; II, 42), Manh.. id. 17. Mai 76 (BA. 39 s. 290, 42 s. 273), Münch. 15. April 73, 22. Mär- 78 u. Abh. (StZ. II, 293; IV, 1; BE. VIII, 114), Wol fenb. 12. März 77 (Br. Z. 24 s. 93); contra: Dresd. 18. Dez. 71, 13. Zan. 73. 4. Okt. 78 (StZ. I, 297; II, 294; SGZ. 23. s. 97), Merkel s. 801. Ein Mekl. OG. (GSaal 28 s. 508) nahm in einem Fall, wo Jemand den Cessionsakt über das Sparkassenbuch eines Andern mit dessen Namen unterzeichnet sowie übergeben, und demnächst erst den Cessiouspreis empfangen hatte, sogar Realkonkurrenz an; vgl. jedoch Jena 76 (Voll. 24 s. 82). 12. In Füllen der Nr. 1 ist die Strafkammer zuständig: GVG. § 73. § 269. 1 Dieser § stellt der in den §§ 267. 268 gedachten „fälschlichen Anfertigung" die widerrechtliche Ausfüllung eines Blank etts gleich. Es wird daher im Uebrigen der Thatbestand eines der gedachten §§ vorausgesetzt, also auch der Gebrauch der Urkunde: Mot. s. 132, und bei einer Privaturkunde die Rechtserheblichkeit: Dresd. 17. März 73 (StZ. II, 24). Demgemäß sind die sämmtlichen in § 267 ober § 268 erforderten Begriffsmerkmale ausdrücklich festzustellen: RII. 18. Jan. 81 (E. III, 227). 2. Das Papier muß „mit der Unterschrift eines Andern versehen" sein; daraus folgt nicht, daß das Papier außer der Namensunterschrist und über derselben auch noch andere Aufzeichnungen enthalten müßte: die Namensunterschrist genügt; ebenso: RII. 29. Sept. 82 (A. VI, 297); diese muß echt oder wenigstens vom Angeklagten für echt gehalten sein; sonst liegt Urkundenfälschung im Sinne des § 267 vor: OT. 15. April 63 (O. III, 393). Daher genügt hier eine gedruckte Namensschrift nicht: OT. 25. Okt. 66 (O. VII, 572); vgl. § 267 n. 16. 3. Dadurch, daß die Schrift außer der Namensschrif. auch noch andereAufZeichnungen enthält, aus welche sich jene bezieht, wird der h nicht ausgeschlossen, vorausgesetzt, daß die Schrift in ihrem ursprünglichen Zustande nicht bereits eine „Urkunde" war, ihr vielmehr erst durch die unbefugte Ausfüllung der „urkundliche Inhalt" gegeben wird: Manh. 5. Mai 73 (StZ. III, 221); die rechtswidrige Ver änderung des Inhalts einer „Urkunde" wäre „Verfälschung": § 267: OT. 17.Sept. 56 (JMbl. s. 320). Vgl. jedoch Rill. 9. Dez. 86 (E. XV, 67: erkannte, daß die Anwendbarkeit des § nicht dadurch bedingt werde, daß das „Papier" einen urkundlichen Inhalt im Sinne des § 267 noch gar nicht habe, daß es vielmehr genüge, wenn dasselbe, wie z. B. ein ohne Angabe des Zahlungstags, sonst aber vollständig ausgefülltes und mit Acceptvermerk versehenes Wechselformular, nur diejenige Ur kunde nicht vollendet enthalte, welche es bei vollständiger Ausfüllung zum Ausdruck zu bringen seiner Natur nach bestimmt sei). 4. Gleichgültig ist es, ob das Papier dem Angeschuldigten anvertraut oder ob es in anderer Weise (etwa durch ein Vergehen) in seinen Besitz gelangt war: OT. 9. Febr. 59 (GA. IX, 408).
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Urkundensälschung. — § 270.
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§ 270* Der Urkundenfälschung wird es gleich geachtet, wenn Jemand von einer falschen oder verfälschten Urkunde, wissend, daß sie falsch oder verfälscht ist, zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht. [I. Entw.: § 243; II. Entw: § 265; Pr. StGB.: § 24!).] Vgl. §§ 267-269. 273. 28Q. 363. 5. Ein „Ausfüllen" ist in jedem Hinzufügen von Schristzeichen zu finden, wodurch das Ganze den ihm früher nicht beiwohnenden Charakter einer Urkunde er langt: OT. 17. Sept. 56 (cit. n. 3). Ob die zugefügten Schristzeichen räumlich über der Unterschrift oder an anderer Stelle sich befinden, ist unwesentlich. Demgemäß fällt die widerrechtliche Ausfüllung eines Wechsel-Formulars, auf welchem sich ein von einem Dritten unterzeichneter Annahmevermerk findet, unter diesen §, sollte auch der jetzt erst entstehende Wechsel selbst vom Ausfüllenden mit dem eigenen Namen unterzeichnet sein (dadurch wird das sich auf den Inhalt des Wechselte beziehende Accept des Dritten mit ausgefüllt); vgl. RU. 29. Sept- 82 (cit. n. 2), OT. 21. Nov.. 13. Dez. 61. 30. Jan. 63'(O. II, 84.156: III, 250); contra: Dresd. 4. Mai 74 (StZ. V, 132: nahm hier eine Fälschung im Sinne der §§ 267. 268 an und hielt die Anwendbarkeit des § 269 für ausgeschlossen, da es sich nicht um ein jedes urkundlichen Inhalts entbehrendes Papier handle: n. 3), während Dresd. 16. April 75 (StZ. VI, 5) in einem Falle, wo das widerrechtlich ausgefüllte Blan koaccept mittete Betrug erzielt worden war. blos Betrug erblickte, weil die gewinn süchtige Absicht schon durch die Subsumtion der Handlungsweise des Thäters unter § 263 mit getroffen und gedeckt werde. — Ebenso verhält es sich, wenn Jemand auf die Rückseite eines eine Namensschrift tragenden Papiers in der Weise einen regel rechten Wechsel schreibt, daß nun jene Namensschrift sich als (Blanko-) Giro darstellt: OT. 11. Jan. 72 (O- XIII, 30). 6. Dagegen gehört die widerrechtliche Ausfüllung eines Blanko-Indossa ment S mit dem eignen Namen (als Indossatar) nicht hierher, weil der Inhaber alS solcher auch durch das unausgefüllte Blanko-Indossament genügend legitimirt war (WO. Art. 12); vgl. § 267 n. 130. 7. Der § trifft nicht blos da zu, wo Jemand durch die Ausfüllung über haupt unbefugt handelt, sondern auch da, wo ein zur Ausfüllung an sich Berech tigter durch die Art der Ausfüllung (z. B. durch Einschreibung eines höheren als des vom Auftraggeber bestimmten Betrags) seine Befugnisse überschreitet: RI. 6. Dez. 80 (R. I, 610), RII. 29. Sept. 82 (cit. n. 2), OT. 8. Nov. 76, Dresd. 23. Nov. 74 (O. XVII, 718; StZ. V, 136), Schw. n. 6. 8. In der Natur eines Wechsels als Sicherheitswechsels und der Ein schränkung des Weiterbegebungsrechts liegt noch keine Einschränkung des Ausfül lungsrechts: RII. 8. Dez. 82 (A. VII, 123). 9. Sind bei der Ausfüllung andere früher schon auf dem Papiere befindliche Schriftzeichen mit benutzt, so kommt es nicht darauf an, welche Bedeutung diese Zeichen ursprünglich hatten, sobald sie nur nach der AusMung so zu lesen sind, daß dem Ganzen der Charakter einer Urkunde beiwohnt: OT. 21. Dez. 64 (O. v, 383: dem ursprünglich sich vorfindenden, undeutlich geschriebenen Worte „Ihr" waren die Buchstaben „echsel" hinzugefügt, so daß nun das Ganze als „Wechsel" zu lesen war). 10. Inwiefern es einen Unterschied begründe, wenn die so zu Stande gekom mene Urkunde wegen eines Mangels in der Form oder in der Qualifikation des Unterzeichneten nichtig ist. darüber vgl. § 267 n. 54 ff. 134ff. 11. Eine Verurtheilung aus § 267 bzw. § 268 statt aus § 269 motivirt nicht die Aufhebung des Urtheils: Rill. 9. Dez. 86 (E. XV, 67). § 270.
1. „Falsche Urkunde" umfaßt hier die fälschlich angefertigte (§ 267) und die durch unbefugte Ausfüllung eines Blanketts hergestellte Urkunde (§ 269); ebenso: RII. 20. März 85 (E. XII, 112); desgleichen die von einem zuständigen Beamten vorsätzlich falsch aufgenommene Beurkundung (§ 348); (auch diese ist „fälsch lich angefertigt"; vgl. § 267 n. 49); der Dritte (Nichtbeamte), welcher eine solche,
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Urkundenfälschung. — § 271.
§ 271. Wer vorsätzlich bewirkt, daß Erklärungen, Ver handlungen oder Thatsachen, welche für Rechte oder Rechts wissend, daß sie falsch ist re., gebraucht, verwirkt die Strafe des § 270, da er nach §50 von der Strafe der §§ 348. 349 nicht betroffen werden kann; contra: Rll. i. Febr. 84, OT. 7. Dez. 76 (E. X, 68; O. XVII, 798: hier sei § 273 anzuwenden), Merkel s. 802. Dagegen scheidet § 270 aus und ist ev. § 273 anwendbar, wenn die Urkunde von einem zuständigen Beamten aus Irrthum falsch aufgenommen war; vgl. § 273 n. 1; ebenso: Ri 7. Okt. 80 (R. II, 300). — Es bedarf der aus drücklichen Feststellung, daß die betreffende Urkunde die im Gesetze vorgesehene Eigenschaft habe, da§ sie mithin, wenn es sich um eine Urkunde im Sinne des § 267 handelt, eine öffentliche oder eine rechtserhebliche Privaturkunde sei: eit. Rll. 20. März 85, OT. 5. Zuni 76 (O. XIX, 302); vgl. n. 5. 2. Es genügt, wenn die Urkunde objektiv den Charakter einer falschen oder verfälschten an sich trägt; es ist keineswegs erforderlich, daß Derjenige, von welchem die Fälschung rc. ausging, dabei mit Dolus gehandelt habe; ebenso: Rll. 8. April 81 (E. IV, 69), OT. 22. Zuni 76. 20. März 77 (GA. 24 s. 590; O. XVIII, 234). Daher trifft die Strafe des § auch Denjenigen, welcher die Fälschung selbst ohne Dolus oder sonst straflos (z. B. als Ausländer im Auslande) verübt hat, demnächst aber von dem so entstandenen Schriftstücke in strafbarer Absicht im Jnlande Gebrauch macht: eit. Rll. 8. April 81, Dresd. 13. Jan. 73 (StZ. 11,294; SGZ. XVII, 80); vgl. § 268 n. 6. 3. AuS demselben Grunde trifft auch den aus §§ 267 — 269 strafbaren Fäl scher noch die Strafe des § 270 (nach den Grundsätzen von der Real-Konkurrenz), wenn er demnächst durch eine neue selbständige Handlung von derselben Urkunde nochmals Gebrauch macht (§ 267 n. 32). 4. Gleichgültig ist es, ob der Gebrauchende die Urkunde als echt empfan gen hatte; die Unterscheidung der §§ 147. 148 greift hier nicht Platz. 5. Ueber den „Gebrauch zum Zwecke der Täuschung" vgl. § 267 n. 22ff. Außer dem „Zwecke der Täuschung" wird auch hier die im § 267 über Haupt bei der Urkundenfälschung, insbesondere auch bei dem Gebrauche vorausge setzte „rechtswidrige Absicht" erheischt: Rll. 20. März 85 (E. XII, 112), OT. 14. Nov. 72 (O. XIII, 597); vgl. § 267 n. 5. 22. Diese muß stets ausdrücklich fest gestellt werden, da § 270 keine vollständige, in sich abgeschloffene Norm enthält, sondern eben aus § 267 zu ergänzen ist, es sich daher hier nicht um ein sog. still schweigendes Merkmal handelt: Rill. 26. Juni 80 (A. II, 224), citt. Rll. 20. März 85. OT. 14. Nov. 72. 5. Juni 78; contra: Rll. 22. Okt. 80 (E. II, 376: Mot.). Doch erachtete OT. 6. März 78 (O. XIX, 109) jene Absicht für genügend festgestellt, wenn der Ausspruch der Geschworenen auf eine weitere, dieselbe Handlung als Betrug auffassende Frage die Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu ver schaffen, ergebe. 6. War diese rechtswidrige Absicht auf Erzielung eines Vermögensvortheils oder aus Schadenszufügung gerichtet, so tritt die Strafe des § 268 ein. 7. Haben die Geschworenen bei einer Anklage aus § 267 oder 268 den An geklagten zwar des Gebrauchs der Urkunde re., nicht aber der fälschlichen Anferti gung derselben für schuldig erklärt, so können sie, wenn keine eventuelle Frage aus § 270 gestellt war, nicht noch zu einer (ergänzenden) Erklärung darüber veranlaßt werden, ob die Urkunde falsch gewesen sei und jener dies gewußt habe, indem hier keiner der in § 309 der StPO, vorgesehenen Fälle vorliegt; vgl. OT. 4. Mai 76 (O. XVII, 326: Rh. Sache). — Im Uebr. vgl. § 267 n. 22. 8. Eine alternative Feststellung aus den §§ 270. 273 ist unstatthaft (StPO. §§ 260. 292 ff.); nimmt der Richter daher an, daß nothwendig entweder der That bestand des § 270 oder der deS § 273 vorliege, so muß dennoch Freisprechung er folgen: RU. 1. Febr. 84 (E. X, 68).
§271. Beamter. Täuschung: 1 • Zuständigkeit: 5. Betrug: 3. Beurkundung: 1. 5—7. • falsche: 11, 13.
Inhalt. BeweiSerdeblichkeit: 1. 6. 10. 12. 13. 16. Bücher: 6. DoluS: 4. 19. 27. Dritter. Selhstbelastung: 2. 26.
Ehrenrechte: 29. Eidesleistung: 18. Feststellung: 1. FreiheitSstr. Abbüßung: 19. Gebrauch: 29.
Ihl. II. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. — § 271.
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Verhältnisse von Erheblichkeit sind, in öffentlichen Urkunden, Büchern oder Registern als abgegeben oder geschehen beurkundet WerichtSbkt., frein?.: 14. 15. Oer.-Bollz..««.: 20. Identität: 15. Kirchenbuch: 16. Konkurrenz: 29—31. Kontrebanve: 30. Matschbott. Vermessung: 21. Mil.-»ushetung: 23. Namen, falscher: 13. 24. Notar: 14. 15. NotorietatSakt: 17.
Personenstand: 16. Person, Eigenschaft: 4. 13. 16. Pfarrer: 5. 16. Postsendung - 25. Prüfung: 23. Register: 6. 27. Rerognitionszeuge: 15. Simulation: 11. Steuerhinterziehung: So. Testament, Uebergabe: 26. Thäter: 3.
Unterzeichnung? 9. Urkunde: 6—8. • auSländ.: 8. • Unterzeichnung: 9. Urkundenfälschung, intell.: 1. Vernehmung, gerichtl.: 24. Verwahrsam, amtl.: 7. Vollendung: 9. Vorsätzlichkeit: 4. Zollhinterziehung: 30. Zollvers.-schein: 22.
1. Die §§ 271—273 behandeln die sog. intellektuelle Urkundenfälschung, d. h. die Fälle, in welchen durch Täuschung eines Beamten (oder einer sonstigen Urkundsperson: CPO. §380) herbeigeführt worden ist. daß ein öffentliches (authen tisches) Beweisstück für eine Unwahrheit hergestellt wurde; ebenso: RIV. 3. Mürz 85, RI. 25. Febr. 86 (E. XII, 62; XIII, 367). Wird der Beamte nicht getäuscht, nimmt er vielmehr die wahrheitswidrige Beurkundung wissentlich vor, so trifft ihn selbst die Strafe aus § 348 oder § 349, den ihn dazu wissentlich Veranlassenden aber die Strafe des Anstifters (oder Gehülfen) und nicht die des §271: Rill. 19. Okt. 85 (E. XIII, 52), Meyer n. 3; contra: Rüd. n. 3, Schw. n. 6. Gemäß dem cit. Rill. 19. Okt. 85 soll übrigens § 271 nicht blos dann Platz greifen, wenn festgestellter Maßen Theilnahme am Vergehen des § 348, bzw. letzteres selbst nicht vorliegt, sondern auch, wenn nur nicht das Gegentheil erweislich ist; vgl. jedoch cit. RI. 25. Febr. 86. 2. Thäter ist, wer die wahrheitswidrige Beurkundung „bewirkt", d. hwer selbst vorsätzlich den Beamten durch Täuschung veranlaßt, die Beurkundung vorzunehmen, nicht aber der Anstifter jenes: Münch. 11. Nov. 73 (StRZ. III, 225). Daß der Thäter an der Beurkundung selbst theilnehme, wird nicht erfordert; es kann sein, daß ein gutgläubiger Dritter als sein Werkzeug die unwahre Erklärung abgiebt; ebenso: 91111. 6. Dez. 83 (E. IX, 288: dies treffe jedoch nicht zu, wenn der Zusammenhang zwischen dem Thun beider nur ein entfernter und zufälliger sei), oder daß eine die Urkunde vorbereitende Mittelsperson getäuscht wird, und daß diese Täuschung sich auf den beurkundenden Beamten selbst überträgt: Ri. 25. Febr. 86 (E. XIII, 367); es kann aber auch, (zumal im Falle der zweiten Alternative des §, der Beurkundung des „Geschehens von Thatsachen") das Mittel der Täuschung gar nicht in einer unwahren Erklärung, sondern in einer anderen dolosen Handlung des Thäters bestehen: Ri. 7. Mai 83 (R. V, 331: ein Pr. Bergrevierbeamter war zur Constatirung der Fündigkeit dadurch veranlaßt worden, daß Angeklagter Mineral von der Art des gemutheten am venneintlichen Fundorte künstlich eingebracht hatte). 3. Alle gemeinschaftlich zur Täuschung Mitwirkenden sind Mitthäter (§47), auch Diejenigen, welche sich an der falschen Erklärung selbst nicht betheiligt haben; vgl. n. 2; contra: OT. 7. Jan. 63 (O. III, 192), Merkel s. 805, welche nur den Er klärenden als Thäter, alle anderen Mitwirkenden nur als Gehülfen ansehen; vgl. § 47 n. 10. 4. Die „Vorsätzlichkeit" besteht hier in dem Willen, die äußere Handlung vorzunehmen, verbunden mit dem Bewußtsein, daß dadurch eine falsche Beurkun dung z. B. daß ein urkundlicher Vermerk in einem amtlichen Register rc., zu Wege gebracht werde und daß dieselbe für Rechte oder Rechtsverhältniffe erheblich sei: RIV. 20. März 85, 20. Sept. 87 (R. VII, 190; IX, 451); einer genaueren Be kanntschaft mit der betr. amtlichen Einrichtung bedarf es nicht: OT. 4. Okt. 71 (O. XII, 491). Ist die „Erklärung" in einer dem Erklärenden „nicht zustehenden Eigenschaft" abgegeben worden, so muß jener in dem Bewußtsein des Mangels dieser Eigenschaft gehandelt haben: OT. 15. Jan. 79 (O. XX, 28). Ebenso schließt bei einer Erklärung auf falschen Namen die irrige Ueberzeugung, zum Gebrauch des Namens berechtigt zu sein, den Dolus aus: cit. RIV. 20. Sept. 87. Daß Ab sicht und Zweck auf die Herstellung einer falschen Beurkundung gerichtet gewesen seien, kann dagegen nicht gefordert werden: RI. 28. Febr. 84 (A. IX, 493), cit. RIV.
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Thl. II. Absch». XXIII. Urkundenfälschung. - § 271.
werden, während sie überhaupt nicht oder in anderer Weise oder von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft 20. Sept. 87, OT. 4. Mai 75 (O. XVI, 333); contra: DZ. 17. Nov. 65 (O. VI, 373), noch daß dieselbe im Uebrigen eine „rechtswidrige" (§ 267) sei. 5. „Beurkunden" bezeichnet die Thätigkeit eines Beamten rc., welcher (nach den am hebe. Orte geltenden Gesetzen) dazu berufen ist. ein authentisches beweisen des Schriftstück über eine stattgehabte Thatsache rc. herzustellen: OT. 6. Nov. 73 (O. XIV, 688): vgl. § 348. Im Uebrigen kommt auf die Qualität der Stellung des Beamten Nichts an. Der § bleibt ausgeschlossen, wenn der die Schrift auf nehmenden Person die Eigenschaft eines Beamten oder einer sonstigen Urkunds person mangelte oder doch die Befuqniß zur Beurkundung einer Thatsache rc. der gerade fraglichen Art abging, jene Äeurkundung daher außerhalb der Grenzen der Amtsbefuanisse derselben, bzw. des ihr zugewiesenen Geschäftskreises lag. sollte sie auch an Stelle des berufenen Beamten gehandelt haben; vgl. RII. 3. Juni 81 (E. IV, 246), OT. 26. Mai 75 (O. XVI, 387). — Wird eine Urkunde fälschlich unter dem Namen eines zur Aufnahme berufenen Beamten angefertigt, so liegt eine fälsch liche Anfertigung (§ 267. 268) vor. 6. Die Beurkundung muß in „öffentlichen Urkunden, Büchern oder Registern" bewirkt sein; es muß sonach auch den letzteren die Eigenschaft einer „öffentlichen Urkunde" (die authentische Beweiskraft) beiwohnen (§ 267 n. 43 ff.). Dahin gehören die Handels-, Schiffs- und Standesregister (HGB. Art. 12, BGes. 0.25. Oft 1867 § 4, Personenst.'s-Ges. § 15): Olsh. n. 2, die durch höhere (Minist.-) Verfügungen vorgeschriebenen Strafverbüßungsregister der Gefangenanstalten: RII. 5. Jan. 83, 4. Nov. 84 (E. VII, 373; XI, 188), das im Pr. Gefängniß-Regl. v. !6. März 1881 (JMbl. s. 80) vorgeschriebene Gefangenbuch: RIV. 24. Juni 85 (E. XII, 315), nicht aber die durch Bundesraths-Ddn. v. 16. Juni 1882 vorge schriebenen Strafregister: Ri. 19. Sept. 87 (R. IX, 432), die (zum Zweck der Controle» mithin blos im Interesse des inneren Dienstes) von den Gefangenwärtern über Untersuchungsgefangene zu führenden Listen bzw. Register: RI. 4. Febr.^ 1. Apr. 86 (E. XIII, 334; XIV, 11): speziell für Bayern und Württemberg), die in einzelnen Pr. Provinzen zu statistischen Zwecken eingeführten s. g. Seelenlisten: RIV. 20. Apr. 86 (E. XIV, 99), das auf polizeilicher Anordnung beruhende Register über die An meldungen Neuanziehender: Rll. 2. Juni 85 (E. XII, 228), noch endlich die Loose bücher der Pr. Lotterieeinnehmer: OT. 19. Oft 76 (O. XVII, 681); vgl. auch n. 27. — Anlangend jedoch die oben erwähnten Handelsregister, so ist Art. 249a Nr. 1. 3 des HGB?s (neue Fassung: RGes. v. 18. Juli 1884) zu beachten. 7. Es ist nicht erforderlich, daß die Urkunde bestimmungsmäßig in amtlichem Verwahrsam bleiben müsse; der tz trifft zu, auch wenn die Urkunde in Urschrift an eine Partei abgegeben wird: OT. 14. Dez. 54 c. Schenk. 8. Ausländische Urkunden rc. gehören hierher, wenn bei ihnen die Voraus setzungen deS § nach den am Orte ihrer Entstehung geltenden gesetzlichen Vorschriften zutreffen („in- und ausländische": § 267). 9. Zur Vollendung des Vergehens gehört, daß die beweisende Beurkun dung vollständig hergestellt worden sei: Dresd. 26. Mai 71 (SGZ. XV, 182). Daß die Beurkundung auch von dem sie dolose „Bewirkenden" selbst unterzeichnet sei, ist für den Thatbestand nicht wesentlich. 10. Entspricht die Urkunde rc. denjenigen formellen Bedingungen nicht, von welchen das Gesetz ihre Beweiserheblichkeit abhängig macht, so findet der § keine Anwendung: OT. 3. Nov. 54 (GA. III, 140); vgl. § 263 n. 54 ff. 11. Die Beurkundung muß falsch, es muß also Dasjenige unwahr sein, wofür durch die Mitwirkung des dazu berufenen Beamten rc. ein amtliches Be weismittel geschaffen ist; sonach bleibt der § ausgeschlossen, wenn die auf der amt lichen Thätigkeit beruhende Beweiskraft für das wahrheitswidrig Bekundete nicht wirksam wird; ebenso: RI. 30. Nov. 82, Rill. 6. Dez. 83 (E. VII, 335; IX, 288). Diese Beweiskraft bezieht sich in der Regel nur auf das, was der Beamte als durch seine eigenen Sinne wahrgenommen konstatirt (CPO. § 383). Daher trifft § 271 nicht zu, wenn die Beurkundung wahrheitsgetreu dahin geht, daß Jemand vor jenem eine gewisse Erklärung abgegeben habe, sollte auch der Inhalt dieser Erklärung unwahr sein, z. B. die Konstatirung eines von den Parteien simnlirten Rechts-
Thl. If. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. — § 271.
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oder von einer anderen Person abgegeben oder geschehen find, wird mit Gefängniß bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu dreihundert Mark bestraft. [I. Entw.: §§ 250. 251; II. Etttw.: § 266; Pr. StGB.: § 255.] Vgl. §§ 272. 273.
348. 349; Seem.-O §§ 93. 99; GVG. § 75 Nr. 14.
geschäftes; sie fällt ebensowenig unter § 271, wie die Anfertigung einer Privatur kunde über ein von (allen konkurrirenden) Parteien flmulirtes Geschäft unter den § 267: OT. 3. Nov. 55 (GA. III, 845). Ebendeshalb sind unrichtige, auf Mittheihing Dritter beruhende Angaben über die Zeit des Todes in dem Todtenscheine der Bayer. Leichenschauer keine falsche Beurkundungen im Sinne des §: eit. RI. 30. Nov. 82. Vgl. ferner n. 24. Hat dagegen das Gesetz ausnahmsweise dem Inhalte einer amtlichen Verhandlung authentischen Glauben auch in Betreff solcher Thatsachen beigelegt, welche der Beamte nicht selbst wahrgenommen hat, die vielmehr nur vor ihm bezeugt sind (CPO. § 383 Abs. 3), so findet § 271 auch auf diese Anwendung; Beispiele siehe n. 15. 16. 12. Die beurkundete falsche Thatsache rc. muß „für Rechte oder Rechts verhältnisse von Erheblichkeit sein". Es ist sonach das zu § 267 n. 50ff. Gesagte zu berücksichtigen, obgleich § 271 die Fälschung einer öffentlichen, nicht die einer Privaturkunde zum Gegenstände hat (vgl. § 267 n. 47). Erheblich im Sinne des § 271 ist eine Thatsache rc., wenn ihr Vorhandensein oder Nichtvorhandensein von Einfluß auf die Gestaltung konkreter, erkennbarer Verhältnisse ist, deren allge meine Normen durch das Privatrecht oder das öffentliche Recht eines Staates be stimmt werden. Zn diesem Sinne erheblich sind z. B. die Feststellungen bei ge wissen Volkszählungen, da nach der bestehenden Gesetzgebung die Gesammtbevölkerungszahl der einzelnen Staaten den Maßstab für die Bertheilung der Zollvereins einkünfte und der für das Reichsheer zu leistenden Matrikularbeiträge bildet, nicht aber solche Feststellungen, welche lediglich zur Grundlage künftiger Gesetze dienen sollen: OT. 7. Sept. 74 (O. XV, 529: erklärte darum die Resultate der im Jahre 1872 für das ganze Reich angeordneten Viehzählung nach den in Preußen gelten den Gesetzen für nicht rechtserheblich). 13. Da gerade den beurkundenden falschen Thatsachen rc. die „Erheblich keit für Rechte rc." beiwohnen muß, so findet der § keine Anwendung, wenn in Folge der Täuschung des Beamten lediglich einer in der Urkunde angeführten Person eine falsche Bezeichnung, Qualität (Rang, Titel rc.) beigelegt worden ist, es sei denn, daß dieser Bezeichnung für das Geschäft selbst (z. B. in Betreff der Jdentität der Person rc. oder in Betreff der Rechtsstellung, in welcher sie ihre Erklärung abgab) eine Erheblichkeit beiwohnte, z. B. ein Minderjähriger als großjährig (und somit als unbeschränkt verfügungsfähig), eine Ehefrau als unverehelicht (und somit bei ihren Rechtsgeschäften an keine eheherrliche Mitwirkung gebunden) aufgeführt wäre; in letzteren Fällen trifft der § zu. weil dann die Erklärung als „von einer Person in einer ihr nicht zustehenden Eigenschaft abgegeben" beurkundet worden ist. Vgl. § 267 n. 19, unten n. 24, Ri 6. Juli 85 (R. VII, 469). Als Beispiele solcher Beurkundungen, auf welche fich der § bezieht, können angeführt werden: 14................die Akte der freiwilligen Gerichtsbarkeit, bei welchen ein zur Beurkundung von Privatrechtsgeschäften berufener Beamter durch Täuschung veranlaßt wird, eine Unwahrheit zu konstatiren, z. B. wenn sich Jemand unter falschem Namen vor einem Notar gestellt, und durch diesen eine über eine rechtserhebliche Thatsache abgegebene Erklärung (auf jenen Namen) beurkunden läßt, oder wenn die Parteien vor den Augen des Notars eine Zahlung mit Scheinmünzen bewirken und ihn dadurch veranlassen, die wirklich geschehene Zahlung als in seiner Gegenwart geschehen zu beurkunden. (Anders wenn das wirklich gezahlte Geld später in Abwesenheit des Notars zurückgegeben würde.) 15. Dasselbe (n. 14) gilt, wenn die Identität der vor einem Beurkundungs beamten eine Erklärung abgebenden, ihm unbekannten Person nach Anleitung der maßgebenden Gesetze durch zugezogene Rekognitionszeugen wahrheitswidrig zum Protokolle des Beamten versichert worden ist. Insoweit hier.die^Jdentitüt
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Thl. II. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. - § 271.
nach dem Gesetze als feststehend angesehen wird, stellt die Handlung den Thatbe stand des § dar; vgl. OT. 7. Jan. 63 (O. III, 193); n. 11. 16. Sodann gehören zu den Beurkundungen der hier fraglichen Art die von Staatsbeamten aufgenommenen Personenstandsakte und die vor Einführung der bürgerlichen Standesregister bewirkten Eintragungen in die Kirchenbücher über die Taufen, Trauungen, Beerdigungen rc.: Ri. 13. März 84 (E. X, 243: Mot.), OT. 26. Sept. 62 (O. III, 35); insbesondere auch die über die Beerdigung einer Todtgeburt: OT. 7. April 1869 (O. X, 190); nicht aber das (in Preußen) vom Küster über die Anmeldungen künftiger Trauungen geführte sog. Trauaufnahme buch: OT. 25. Okt. 71 (O. XII, 527). Bei jenen Urkunden gilt das oben n. 11 a. E. Gesagte: sie beweisen nicht nur, was der Beamte als von ihm selbst wahr genommen beurkundet hat, sondern auch (bis zum Nachweise der Fälschung oder unrichtigen Eintragung) die Wahrheit desjenigen, was von den erschienenen Per sonen dem Beamten über die zu konstatirenden PersonenstandSverhältnisse zu Pro tokoll erklärt worden ist: RGes. v. 6. Febr. 1875 § 15. Daher wird § 271 an wendbar , wenn Jemand wider besseres Wissen eine wahrheitswidrige Erklärung über die Geburt oder den Tod eines Menschen in einer solchen Urkunde abgiebt, z. B. eine unrichtige Person als Mutter des Neugeborenen oder einen unrichtigen £)rt, z. B. in den Geburtsregistern einer größeren Stadt eine unrichtige Straße und Hausnummer als Ort der Geburt bezeichnet: Rill. 16. Nov. 81, 12. Juli 87, Rll. 13. Juni 84 (R. III, 717; IX, 415; A. X, 208), oder wenn Jemand wahrheits widriger Weise (: RI. 10. Nov. 79, E. I, 9) oder unter Annahme eines falschen Namens ein uneheliches Kind als Bater anerkennt. Das Gesagte gilt aber nicht weiter, als die Beweiskraft der Urkunde reicht. Daher trifft der § nicht zu, wenn bei einer Geburtsanzeige die Mutter des Kindes wahrheitsgemäß angegeben, gleich zeitig aber eine unrichtige Angabe in Betreff der Person des Vaters oder des Ehe mannes der Mutter erfolgt, wenn z. B. der Deklarant die Mutter wahrheitswidrig als seine Ehefrau bezeichnet: OT. 9. Juli 57, 4. Dez. 73 (GA. V, 705; O. XIV, 778); vgl. OT. 21. April 52 (StA. VI, 109); contra: Rill. 8. Mai 80 (R. I, 746), OT. 11. Febr., 8. März 76 (D. XVII, 108. 181); — ebenso wenn im richtig auf genommenen Sterbeakt die Aeltern des Verstorbenen unrichtig angegeben oder gar nur unrichtig als Eheleute bezeichnet werden (insofern nicht hierdurch die Identität des Verstorbenen selbst eine Aenderung erleidet): Gilb. pen. art. 145a. n. 14. 15; art. 147 n. 53. 69. 70. 75; contra: RIV. 17. Jan. 88 (R. X, 42). In allen diesen Fällen wird die Vaterschaft (Aelternschast) sowie das eheliche Verhältniß nicht durch die Relatirung im Geburts- oder Sterbeakte bewiesen. Vgl. ferner Rill. 20. Jan. 87, Rl. 21. Mai 87 (E. XV, 256; XVI, 87: Fälle, wo in einem Sterbeakte die Deklarantin, eine Ehefrau, als Wittwe und in einem Heirathsakte ein minderjähriger Zeuge als volljährig angegeben war). — Giebt in einer Geburtsurkunde der Änzeigende fälschlich an, daß er bei der Niederkunft zugegen gewesen sei, so verfällt er dem §, nicht, weil er eine rechtserhebliche falsche ^Thatsache", sondern weil er eine rechtserhebliche „Erklärung", betreffend eine ihm nicht zustehende Eigenschaft (Personenst.'s-Ges. § 18) beurkunden läßt; so: Rll. 20. Mai 81, Rill. 5. Nov. 81 (E. IV, 194; R. III, 686). — Falsche Anaaben, welche in Abwesenheit des Standes beamten eingetragen werden, fallen, selbst wenn dieser später unterzeichnet, nicht unter den §: RIV. 3. März 85 (E. XII, 62); contra: Olsh. n. 2. — In der Regel wird mit einer bei Aufnahme eines Personenstandsaktes begangenen intellektuellen Urkundenfälschung das Vergehen der Veränderung des Personenstandes (§ 169) ideell konkurriren. Hier konnte nach französischem Rechte die Strafverfolgung auch wegen der Urkundenfälschung nicht eher erfolgen, bis im Civilverfahren endgültig über die Personenstandsfrage entschieden war; vgl. jedoch für jetzt § 169 n. 16, § 69 n. 6. 17. Das unter n. 16 von den Personenstandsurkunden Gesagte ist auf die nach Art. 70ff. des G. civ. aufgenommenen Notorietätsakte nicht auszudehnen, da denselben, obschon sie vom Gesetze dazu bestimmt sind, bei Heirathen den Mangel von Personenstandsurkunden zu ersehen, die den letzteren beiwohnende Beweiskraft nicht beigelegt ist. Demgemäß ist die Bekundung einer Unwahrheit durch die ver nommenen Zeugen nicht als intellektuelle Urkundenfälschung zu betrachten: Gib. C. pen. art. 147 n. 62; vgl. § 154 n. 5. 18. Es ist intellektuelle Urkundenfälschung, wenn Jemand unter Annahme des
Thl. II. Abschn. XXIU. Urkundenfälschung. — § 271.
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Namens eines Andern einen diesem auferlegten Eid vor Gericht ausschwört, und es so bewußter Weise bewirkt, daß wahrheitswidrig amtlich festgestellt wird, dieser Andere habe den Eid geleistet; vgl. O. I, 70 Note. 19. ... ebenso, wenn Jemand sich unter dem Namen eines Andern zur Abbüßung einer dem letzter« zuerkannten Freiheitsstrafe gestellt und es so bewirft, daß in den vorgeschriebenen Registern rc. der Strafanstalt, sowie der Voll streckungsbehörde die Abbüßung durch den Verurtheilten wahrheitswidrig bekundet wird, vorausgesetzt, daß jener dabei mit dem unter n. 4 erwähnten Bewußtsein Handelle; vgl. 91III. 4. Jan. 83 (R. V, 9), OT. 4. Oft. 71, 30. Okt. 72 (D. XII, 491; XIII, 561), Münch. 11. Nov. 73 (StZ. III, 225). 20.............ebenso, wenn Jemand sich einem Gerichtsvollzieher rc. wahr heitswidrig als diejenige Person vorstellt, welcher derselbe eine Zustellung zu machen hat, und die behändigte Abschrift in Empfang nimmt, um dadurch zu verhindern, daß Derjenige, für den sie bestimmt ist, Kenntniß davon erlange: Gilb. C. pen. art. 147 n. 81. 21.............ebenso, wenn ein mit Vermessung eines Maischbottichs be auftragter Steuer-Beamter durch Täuschung veranlaßt wird, eine unrichtige, der Berechnung der Maischsteuer zu Grunde zu legende Thatsache in seinem Protokolle zu konstatiren: OT. 18. Febr. 59. 5. Okt. 60 (GA. VII, 409; VIII, 804). 22.............ebenso, wenn Jemand einen zuständigen Beamten durch Täuschung veranlaßt, einen thatsächlich unrichtigen Versendungs-Legitimationsscheiu nach Anleitung des § 119 des VZollges.'s v. 1. Juli 69 auszustellen: OT. 14. Dez. 54 (GA. in, 137); vgl. § 267 n. 90. . 23............. ebenso, wenn Jemand sich unter dem Namen eines Andern zu einer Prüfung oder zu einer Militäraushebung vor den von Staatswegen dazu berufenen Personen gestellt, und es so bewirkt, daß durch diese in wahrheits widriger Weise bescheinigt oder berichtet wird, als habe jener Andere die Prüfung bestanden, oder als sei der Militärpflichtige dienstuntauglich befunden worden; vgl. Gilb. C. pen. art. 147 n. 14; ThdCp. 2 p. 113. 23a.............ebenso (unter Umstünden) die Erwirkung eines auf einen falschen Namen rc. rc. ausgestellten Passes (§ 348 n. 5); so: Dresd. 31. Jan. 79 (SGZ. 23 s. 244); vgl. jedoch n. 28. 24. Dagegen gehört die Abgabe einer unwahren Erklärung zu einem amtlichen Vernehmungsprotokolle, fomie die Unterzeichnung des letzteren mit einem unrichtigen Namen an und für sich nicht hierher, weil in beiden Fällen das Protokoll nicht die Bestimmung hat, die Wahrheit des Bekundeten zu erweisen (n. 11); ebenso: RI 13. März, 18. Dez. 84 (E. X, 243 ; XI, 314: betr. eine falsche Namensabgabe im Hauptverhandlungstermin), Rill. 29. Sept. 84, RII. 4. Nov. 84 (E. XI, 126. 188), OT. 29. Juni 77 (O. XVIII, 491); contra: Merkel s. 804. Anders gestaltet sich die Sachlage, wenn der betr. Beamte, speziell ein Richter, sich nicht darauf beschränkt, die Erklärungen des Komparenten als solche zu protokolliren, sondern, durch die falsche Namensangabe getäuscht, den Kompa renten unter dem falschen Namen selbst aufführt, mithin unmittelbar beurkundet, daß eine andere Person, als der wirklich Vernommene, die protokollirten Erklärungen abgegeben habe; vgl. RI. 27. Apr. 60, RII. 18. Febr., 21. Jan., 29. Nov. 81 (R. I, 686; III, 58; E. III, 204; V, 175), Münch. 15. Febr. 82 (BE. II, 114); contra: citt. RI. 13. März, 18. Dez. 84, RII. 4. Nov. 84 (: es komme nicht darauf an, in welches Gewand die Erklärung des Angeklagten eingekleidet worden; selbst eine durch die falschen Angaben verursachte Verurtheilung auf einen fremden Namen rechtfertige nicht die Anwendung des §); vgl. auch RI 6. Juli 85 (R. VII, 469: betr. das Protokoll einer Verwaltungsbehörde). — Jedenfalls wird der § anwend bar, wenn der Verurtheilte durch jene Angaben vorsätzlich bewirkt, daß der falsche Name auch in das Strafverbüßungsregister (n. 6) übergeht: cit. RII. 4. Nov. 84. 25. Ebenso verhält es sich, wenn Jemand einen Brief mit einem unwahren Vermerk, als enthalte derselbe Geld, zur Post giebt, und sich darüber einen Empfangsschein ausstellen läßt, weil letzterer nicht die Wahrheit der Inhaltsangabe, sondern nur die Einlieferung eines so bezeichneten Briefs darthut. 26. Die Uebergabe eines versiegelten Testaments zum gerichtlichen (nota riellen Protokoll (AM. I, 12 §§ 66ff. lOlff. 139; C. civ. art. 976) bewirkt nur, daß die Erklärung des Testators: „der übergebene Aufsah sei sein Testament rc.", nicht
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Thl. ir.
Abschn. XXIII.
Urkundenfälschung. — § 272.
§ 272. Wer die vorbezeichnete Handlung in der Absicht begeht, sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen, wird mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren bestraft, neben welchem auf Geldstrafe von einhundertfunfzig bis zu sechstausend Mark er kannt werden kann. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnißstrafe ein, neben welcher auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann. [I. Entw.: §§ 246. 250; II. Entw.: h 267; Pr. StGB.: §252.) Vgl. §§ 271.273.349. aber, daß auch der Inhalt der letztwilligen Erklärung selbst beurkundet werde; daher liegt kein Fall des § vor, wenn Jemand in ein für einen Andern niedergeschriebenes Testament ohne dessen Wissen andere Verfügungen mit aufnimmt und eS so bewirkt, daß jener die Schrift ohne Kenntniß von den Zusähen als sein Testament übergiebt: OT. 5. Mürz 57 c. Wolters: vgl. 2, § 267 n. 17. 27. Desgleichen fallen falsche Angaben bei den durch das die Krankenver sicherung rc. betr. RGes. v. 15. Juni 1883 § 49 vorgeschriebenen Anmeldungen und die Aufnahme derselben in das über die Anmeldungen von der Gemeindebehörde geführte Register nicht unter den §, da letzterem hinsichtlich der angemeldeten That sachen keine Beweiskraft beigelegt ist: Rill. 4. Apr. 87 (E. XV, 414). Ob solche Register zu den öffentlichen (n. 6) überhaupt gehören, ließ das Erk. unentschieden; Münch. 28. Dez. 85 (BE. III, 612) verneinte auch diese Frage. 28. Ebenso liegt kein Fall des § vor, wenn Jemand sich auf fremden Namen ein zu Controllzwecken vorgeschriebenes polizeiliches Abzugsattest oder Gesinde dienstbuch ausstellen läßt: RIV. 20. Apr. 86 (E. XIV, 99); vgl. n. 6. 29. Der § 271 setzt nicht, wie § 267, zur Vollendung des Verbrechens voraus, daß der Urheber der Fälschung von dem Schriftstücke Gebrauch gemacht habe. Käme indeffen ein solcher hinzu, so könnte darin doch keine zweite selbstständige, aus § 273 zu strafende That gefunden werden, da aus §§ 267. 270 folgt, daß auch hier Derjenige, welcher von der Strafe der Fälschung betroffen wird, sich durch den späteren Gebrauch der gefälschten Urkunde nicht abermals strafbar mache. Dagegen trifft auch den Fälscher die Strafe des § 273, sobald aus irgend einem Grunde die Fälschung an ihm nicht gestraft werden kann, z. B. weil er bei dieser ohne Dolus handelte, oder weil er sie als Ausländer im Auslande verübte: Präj. Oldenb. (B. 18); vgl. § 270 n. 3. In Betreff wiederholten Gebrauchs vgl. § 267 n. 32. 30. Hat die intellektuelle Urkundenfälschung oder der Gebrauch der gefälschten Schrift zur Ausführung einer Kontrebande oder Zollhinterziehung gedient, so sind, selbst wenn beide Mißthaten durch eine und dieselbe Handlung begangen wurden, die Strafen beider zu kumuliren: VZollgef. § 159; ebenso im Falle einer Steuerdefraude nach der Pr. Steuer-O. v. 8. Febr. 1819 § 86: OT. 18. Febr. 59, 5. Okt. 60 (eit. n. 21); letzteres gilt aber nicht für die neuen Pr. Landestheile; vgl. die beiden Vdn. v. 11. Mai 1867 § 67 bezw. § 35. 31. Wird ein Beamter durch dieselbe Täuschung zu mehrfachem Eintrag veranlaßt, so liegt dennoch nur Ein Straffall vor, während Realkonkurrenz anzunehmen ist, wenn Jemand durch verschiedene von ihm getäuschte Beamten dieselbe Thatsache beurkunden läßt: Bind. HB. I, 558. 32. Auf den Verlust der rc. Ehrenrechte kann nicht erkannt werden; § 280 bezieht sich auf die §§ 271—273 nicht mit. 33. Die Verhandlung wegen einer unter den § fallenden Mißthat kann nie den Schöffengerichten überwiesen werden: GDG. § 75 Nr. 14.
§ 272. 1. Der „Vermögensvortheil" muß sich aus dem Inhalte der Beurkun dung, aus der Konsequenz der beurkundeten Thatsache ergeben; daher gehört der Fall nicht hierher, wo Jemand die That (§ 271) blos verübt, um den hierfür vom
Thl. II. Absch». XXIII. Urkundenfälschung. - §§ 273. 274.
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§ 273. Wer wissentlich von einer falschen Beurkundung der im § 271 bezeichneten Art zum Zwecke einer Täuschung Gebrauch macht, wird nach Vorschrift jenes Paragraphen und, wenn die Absicht dahin gerichtet war, sich oder einem Anderen einen Vermögensvortheil zu verschaffen oder einem Anderen Schaden zuzufügen, nach Vorschrift des § 272 bestraft. [I. Entw.: §§ 246. 250; II. Entw.: § 268; Pr. StGB.: § 252 Abs. 2.]
§§ 271. 272. 270.
Vgl.
§ 274. Mit Gefängniß, neben welchem auf Geldstrafe bis zu dreitausend Mark erkannt werden kann, wird bestraft, wer 1) eine Urkunde, welche ihm entweder überhaupt nicht oder Anstifter zugesicherten Lohn zu verdienen; so: Münch. 19. Juni 75 (BE. V, 279). — Im Uebr. vgl. die Bemerkungen zu den §§ 268. 271.
§273.
1. Dieser tz seht eine „Beurkundung der im h 271 bezeichneten Art" voraus, d. h. eine von einem zuständigen Beamten aus Irrthum aufgenommene, eine ma terielle Unwahrheit beweisende Beurkundung: § 270 n. 1; vgl. übrigens das dort cit. Erk. 7. Dez. 76; dagegen ist nicht erforderlich, daß ein Dritter vorsätzlich den Be amten durch Täuschung zu dieser falschen Beurkundung veranlaßt habe, da diese „Vorsätzlichkeit" den (objektiven) Charakter der Urkunde selbst nicht berührt. 2. Im Uebrigen sind die Bemerkungen zu §§ 270. 271 zu vergleichen.
§ 274. 1. Beide Nrn. dieses § erheischen gleichmäßig die „Absicht, einem Andern Nachtheil zuzufügen" (die Fassung „Nachtheile" in Nr.U hat sich durch ein Versehen bei der dritten Lesung im Reichstage eingeschlichen). Diese ist gleichbedeutend mit der im § 268 erforderten „Absicht, einem Andern Schaden zuzufügen"; vgl. dort n. 4. 5. Auch hier braucht der Nachtheil kein vermögensrechtlicher zu sein: OA. 17. Jan. 73 (O. XIV, 62), HStR. II, 562; contra: Merkel s. 806 ff. Ebensowenig wird ein bleibender Nachtheil vorausgesetzt: sonach schließt die Absicht eines später zu leistenden Ersatzes den Thatbestand nicht aus. Der Umstand, daß der vor herrschende Beweggrund des Thäters Eigennutz, Gewinnsucht war, ist mit der im § erheischten Absicht wohl vereinbar; so: Rill. 1. Febr. 83 (R. V, 80); vgl. Rill. 3. Nov. 87 (R. IX, 552: es genüge die Feststellung, Angeklagter habe aus Eigenniltz mit dem Bewußtsein gehandelt, daß der eigene Nutzen ohne Verletzung des fremden Rechtsgebiets nicht erreichbar sei ['?]). Ja sogar der Endzweck, sich selbst vor Schaden zu bewahren, schließt die Anwendung des § nicht nothwendig aus, es sei Venn, daß der Thäter in Ausübung gesetzlich erlaubter Selbsthülfe und inner halb der Schranken derselben handelte oder doch zu handeln vermeinte; so: Rll. 24. Juni 87 (E. XVI, 150). Im Uebr. vgl. n. 7. 21. — Wer der Benachtheiligte sei (der Eigenthümer oder ein Miteigenthünler der Urkunde oder ein Dritter), ist gleichgültig. . 2. Auch die Beeinträchtigung eines erst zu erwerbendes Rechtes ist ein Nachtheil; contra: Meyer n. 4; vgl. auch § 263 n. 2. 14. Sonach trifft der § zu, wenn Jemand einen ihm irrthümlich zugegangenen für einen Andern bestimmten Waarenbestellbrief (§ 267 n. 110) unterdrückt, um Jenem das gewinnbringende Ge schäft-zu entziehen; vgl. RI. 15. Juni 84 (E. X. 391), OT. 19. Okt. 66 (O. VII, 558). 3.
Ob die beabsichtigte Benachtheiligung eingetreten sei, ist unerheblich; der § bleibt anwendbar, auch wenn die Urkunde rc. wieder hergestellt oder der Beweis demnächst anderweitig erbracht wird: OT. 2. Nov. 66. 27. Nov. 68, 20. Sept. 78. OA. 17. Jan. 73 (O. VIII, 597; IX, 683 ; XIV, 62; XIX, 427); vgl. n. 7. 8. 4. In Betreff der Ehren strafen vgl. §§ 280. 32. 35. 5.
Zu Nr. L
Begriff der „Urkunde" vgl. § 267 n. 37ff. Auch hier muß die vernichtete
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Thl. II. Abschn. XXIII.
Urkundenfälschung. — § 274.
nicht ausschließlich gehört, in der Absicht, einem Anderen Nachtheile zuzufügen, vernichtet, beschädigt oder unter drückt, oder rc. Privaturkunde „zum Beweise von Rechten rc. von Erheblichkeit" sein (§ 267 n. 50ff.); ebenso: OT. 4. Jan. 79 (O. XX, 9), Schrv., SGZ. 23 s. 231, Olsh. n. 2; contra: Rl. 8. Nov. 80, 91111. 22. Okt. 83, Rll. 6. Mai 84. 9UV. 28. Okt. 87 (E. II, 425; IX, 141; R. VI. 356; IX, 537), HStR. II, 560, Merkel s. 807, Herzog, GSaal 26 s. 229. 6. Die Urkunde muß dem Thäter „überhaupt nicht oder nicht ausschließlich gehören", sie muß für ihn (ganz oder theilweise) eine fremde sein; vgl. hierüber § 242 n. 6—8. Letzteres trifft unzweifelhaft zu bei einer durch die gemeinsame Thätigkeit Mehrerer behufs Beurkundung ihrer gegenseitigen Rechte und Verpflichtungen geschaffenen Urkunde (Pr. ALR. § 304, I, 9): RII. 21. März 84 (E. X, 213). Es genügt aber auch, wenn ein anderer ein erworbenes Editionsrecht hat (HGB. Art. 37); ebenso: RHI. 4. Febr. 80 (E. I, 181: Mot.); contra: Merkel s. 807, HStR. II, 561. Dresd. 22. Jan. 72 (StZ. I, 379) erachtete die Vernichtung rc. der eigenen einem Andern als Faustpfand übergebenen Urkunde, wenn sie während der berechtigten Jnnehabung des letzteren geschehe, für strafbar (: Verpfändung sei „Veräußerung"). 7. Der „Nachtheil", welcher nach Nr. 1 beabsichtigt sein muß, ist nicht schon in der formalen Rechtsverletzung zu finden, welche jede Vernichtung rc. einer ganz oder theilweise fremden Urkunde mit sich bringt: Manh. 17. Juni 76 (BA. 43 s. 273). Doch genügt die Absicht, einem Andern (für immer oder zeitweise) diejenigen Vortheile zu entziehen, welche für ihn aus der Urkunde als einem Beweismiktel entspringen: OT. 6. Juni 69, OA. 17. Jan. 73 (O. X, 422; XIV, 62); dieselbe umfaßt daher auch prozessuale Nachtheile (: RII. 5. Okt. 83, A. VIII, 385), und braucht nicht so weit zu gehen, den durch die Urkunde zu begründenden Rechts anspruch unwirksam zu machen: OT. 24. Juni 63, 19. März 68 (O. III, 516; IX, 206); demgemäß ist es unerheblich, ob jener Rechtsanspruch wirklich begründet war, oder ob ihm irgend ein durchgreifender Einwand entgegenstand, z. B. daß derselbe simulirt oder der Angeklagte durch Täuschung zur Ausstellung der Urkunde verleitet worden sei: Rill. 23. Okt. 80, RII. 3. Dez. 86 (R. II, 374; VIII, 722), OT. 22. Okt. 63, 8. Mai 68. 9. Juni 69, 23. Febr. 70 (O. IV, 127; IX, 314; X, 299; XI, 118). — Nicht minder ist dem Erforderniß des Dolus (n. 1) genügt, wenn ein ergangenes Zahlungsmandat unterdrückt wird, um den Adressaten zu verhindern, rechtzeitig seine Einwendungen vorzubringen: OT. 11. März 70 (O. XI, 166). — Nach Pr. Recht ist die Beschädigung rc. einer Urkunde über ein Zinsversprechen nicht etwa wegen Mangels jener Absicht straflos, wenn der Inhaber der Urkunde über den Rückempfang der Darlehnssumme vorbehaltlos quittirt hatte, da die hierdurch begründete Ver muthung der Tilgung der Zinseuschuld sich durch den bloßen Nachweis eines münd lichen Vorbehalts heben läßt: OT. 5. Juli 76 (D. XVII, 492). Ebenso ist die Mög lichkeit einer Benachtheiligung, bez. die Annahme einer darauf gerichteten Absicht nicht ausaeschlossen bei einer Urkunde, deren angeblicher Aussteller seine Unterschrift eidlich diffitirte und von der Anklage des Meineides rechtskräftig freigesprochen wurde, indem der Inhaber der Urkunde deren Echtheit nach § 144, I, 10 der AGO. noch immer in einem neuen Prozesse darthun kann: cit. OT. 5. Juli 76. Dagegen ist die Absicht, sich der Strafe der Stempeldefraude zu entziehen, keine solche im Sinne der Nr. 1: Rill. 4. Febr. 80 (E. I, 181); vgl. § 268 n. 5. Inwiefern eine (vorherrschend) gewinnsüchtige Absicht mit der Absicht der Benachtheiligung Anderer verträglich sei, darüber vgl. n. 1 und RI 15. Juni 84 (E. X. 391). Das bloße Bewußtsein, daß durch die Vernichtung rc. einem Andern Nachtheil zugefügt werde, genügt nicht; .so: Wundt, BA. 43 s. 276; vgl. § 266 n. 1. — Daß der Andre durch die Handlung auch wirklich einen Nachtheil erlitten habe, ist nicht erforderlich: Ri. 19. Jan. 84 '(E. X, 43); vgl. n. 3. 8. 8. „Beschädigung" einer Urkunde ist jede mit letzterer vorgenommene Ver änderung, welche deren Zweck, als Beweismittel zu dienen, beeinträchtigt, sei es daß der äußere Bestand der Urkunde, sei es daß ihr materieller Gehalt, sei es, daß beide dadurch betroffen werden; so: RI. 19. Jan. 84 (E. X, 43). — Dahin gehört die Löschung der Unterschrift: RII. 29. Juni 80 (R. II, 135: selbst wenn die Durch-
Thl. II. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. — § 274.
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2) einen Grenzstein oder ein anderes zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmtes Merkmal streichung der Unterschrift mit Bleistift geschehen und der Name leserlich geblieben sei; immerhin sei dadurch die Beweiskraft der Urkunde mit Rücksicht auf § 384 der CPO. gemindert worden); vgl. RI. 3. Juli 82 (R. IV, 670: betr. Löschung des in eine Sannnelliste zum Nachweise der Zahlung eingetragenen Namens des Gebers). Ebenso unbedenklich kann bezw. muß in dem Zerreißen eines Schuldscheins rc. eine „Beschädigung" desselben gefunden werden: cit. RI. 19. Jan. 84, OT. 17. Juli 74 (O. XV, 513). — Ob die Beeinträchtigung der Integrität einer Urkunde eine so geringfügige sei, daß sie nicht als „Beschädigung" angesehen werden könne, ist eine rein thatsächliche, nicht revisionsfähige Frage: OT. 20. Sept. 78 (cit. n. 3.) — Daß der frühere Zustand der Urkunde sich leicht' Herstellen läßt oder daß die Stücke einer zerrissenen Urkunde, zusammengefügt, immer noch als Beweisstücke benutzt werden können, schließt jedenfalls die Anwendbarkeit des § nicht aus (CPO. § 384): citt. Rll. 29. Juni 80, Rl. 19. Jan. 84. 9. „Unterdrücken" hat hier nicht den in § 263 n. 52st. entwickelten Sinn, weil es sich um eine körperliche Sache, nicht wie dort um einen ideellen Begriff (der Wahrheit) handelt; der Ausdruck kommt vielmehr mit dem „Beiseiteschaffen" des § 133 überein. Eine Urkunde ist „unterdrückt", sobald sie (bewußter Weise) durch eine sachliche Behandlung in eine solche Lage gebracht ist, daß sie dadurch der Benutzung des Berechtigten zu ihrem bestimmungsmäßigen Zwecke entzogen wird, sei es, daß ihr Verbleib der Kenntniß des letzteren entrückt, sei es, daß sie für ihn in dem Maße unerreichbar geworden ist, daß er zu ihr auch mittels der paraten obrigkeitlichen Hülfe nicht gelangen kann; vgl. Rill. 6. März 80 (A. I, 481: Weg nahme eines Wechsels aus der Hand des vorzeigenden Inhabers und unterlassene Rückgabe trotz wiederholter Aufforderung; daö Bestehen eines Klagerechts bezüglich der Rückgabe sei bedeutungslos), Ri. 15. Juni 84 (E. X, 391: Vorenthaltung eines irrthümlich an den Angeklagten abgegebenen Briefs), OT. 2. Nov. 66, 22. Jan. 69 (O. VII, 597; X, 50), John. HH. III, 185. Heimlichkeit der Handlung wird nicht erfordert: cit. Ri. 15. Juni 84, OT. 24. Juni 63 (O. III, 516). Ein vorübergehen des Entziehen genügt, wenn es in eine Zeit fällt, wo der Berechtigte Veranlassung hatte, sich der Urkunde zu bedienen, und gerade dies ihm unmöglich gemacht wurde; sonst ist ein zeitweiliges Vorenthalten der Urkunde nicht als ein Unterdrücken der selben anzusehen; vgl.' jedoch OT. 30. April 74 (O. XV, 265: hielt die nur momentane Entziehung eines Wechsels für genügend, da der Wechselinhaber jederzeit über den selben zu verfügen berechtigt, und dieses Recht durch zeitweilige Entziehung beein trächtigt sei), cit. Rill. 6. März 80, OT. 10. Jan. 77 (O. XVIII, 20). — Ebenso trifft dieser Begriff nicht zu, wenn die Handlung dahin abzielte, nicht dem Anderen das Beweismittel zu entziehen (n. 7), sondern sich selbst ein solches zu verschaffen; z. B. wenn der Schuldner eine vom Gläubiger in Erwartung der Zahlung ausge stellte Quittung an sich nimmt und ohne zu zahlen jenem vorenthält: Ri. 22. Jan. 80 (E. I, 159), OT. 31. Oft. 73 (O. XIV, 677); eine solche Handlung kann Diebstahl oder Unterschlagung sein. 10. Unterschied zwischen der Vernichtung re. einer Urkunde und einer durch theilweises Auslöschen der Schrift bewirkten Fälschung: § 267 n. 14. 11. Die Entwerthungszeichen einer Stempel- re. Freimarke sind Ur kunden (§ 267 n. 108); gleichwohl fällt ihre Vertilgung nicht unter Nr. 1, wenn sie vom sAllein-Z Eigenthümer der Freimarke ausging; daraus, daß jenes Zeichen da zu dienen soll, eine nochmalige Verwendung zum Nachtheile des Fiskus zu ver hindern, folgt nicht, das letzterer als Miteigenthümer der Schrift, der Marke oder des Entwerthungszeichens anzusehen sei. Vgl. § 275 n. 12. Zu Nr. 2. Vgl. § 370 Nr. 1; Pr. Ges. v. 7. April 1869 (GS. s. 729); Bayer. Vermarkungs-Ges. v. 16. Mai 1868. 12. Aus der Stellung der Nr. 2 im Abschn. 23 („Urkundenfälschung") folgt, daß hier den „zur Bezeichnung einer Grenze oder eines Wasserstandes bestimmten Merkmalen" insofern ein urkundlieher Charakter beiwohnen muß, daß sie ge eignet sind, als Beweis für eine Begrenzung zu dienen; dagegen ist hier von dem Erfordernisse abzusehen, daß der betr. Gegenstand von Menschenhand gefertigt sei
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Thl II. Abschn. XXIII.
Urkundenfälschung. — § 274.
in der Absicht, einem Anderen Nachtheil zuzufügen, weg nimmt, vernichtet, unkenntlich macht, verrückt oder fälsch lich setzt. [I. Entw.: § 269: II. Eutw.: § 239: Nr. 7. 6; Pr. StGB.: § 243 Nr. 8.7.] Vgl. §§ 280. 32.35.92 (Nr. 2). 133. 348. 303. 304. Preußen: Vgl. FFP.-Ges. § 30 Nr. 3. (§ 267 n. 40); auch ein von Natur vorhandener Gegenstand, z. B. eine zwischen zwei Grundstücken freigelassene Bodenfläche (ein Grenzrain, ein Grenzgraben) kann jene Bedeutung haben: OT. 8. April 66 (O. VII, 220). 13. Das Merkmal muß dazu „bestimmt" sein, zum Zwecke des Beweises für die Zukunft (also in bleibender Weise; contra: Rill. 22. Mai 80, 16. April 83, R. I, 811; V, 251; Stuttg. 28. Zan. 84, StZ. IV, 68) zur Bezeichnung einer Grenze (zwischen Immobilien) oder eines Wasserstandes zu dienen. Im Uebrigen ist es gleichgültig, wem die betr. Grundstücke oder das Merkmal selbst gehören; ins besondere wird Nr. 2 dadurch nicht ausgeschlossen, daß der Angeklagte Eigenthümer beider Grundstücke und des sie scheidenden Merkmals ist; auch ihn trifft die Strafe, wenn er jenes Zeichens verrückt rc., z. B. um einen Servitutberechtigten oder Pächter (des einen Grundstücks) zu benachtheiligen: Rill. 26. April 83 (R. V, 292: speziell in Betreff einer Wegegerechtsame), OA. 1. Dez. 69 (O. X, 756), Dreöd. 2. Nov. 74 (StZ. V, 139: handle es sich um die Bezeichnung der Richtung und deö Umfangs einer Wegegerechtsame, so sei nicht einmal das Vorhandensein zweier Grundstücke erforderlich); contra: OT. 18. Dez. 57 (GA. VI, 127). Immerhin wird aber erfor dert, daß das Merkmal die Bestimmung habe, Eigenthum oder sonstige dingliche, und nicht blos persönliche Rechte abzugrenzen; so: Rill. 16. April 83 (R. V, 251), Antr. des GStAnw. z. OT. 10. Zan. 67 (O. XVIII, 17): Zeichen, welche lediglich zur Scheidung oder Sonderung der Nutzungen eines Grundstücks dienen» fallen daher nicht unter den Begriff der Grenzzeichen: RlV. 12. Dez. 84 (R. VI, 809: als letztere seien nur die zur Zndividualisirung eines Grundstücks dienenden zu verstehen); contra: eil. OT. 10. Jan. 67. 14. Die „Bestimmung", zur Bezeichnung einer Grenze rc. zu dienen, kann einem Gegenstände (z. B. einem Steine) nur durch einen für beide Nachbarn rc. maßgebenden, äußerlich erkennbar gewordenen Willensakt beigelegt werden. Dazu bedarf es keiner besonderen Förmlichkeiten (z. B. der im Pr. ALR. I, 17 §§ 383 biS 388 erwähnten: OT. 19. Mai 70, O. XI, 323). noch eines Setzens rc. unter amtlicher Autorität rc. (: OT. 28. Jan. 64, O. IV, 329); es genügt, wenn das Grenzmerkmal als solches von beiden Nachbarn ausdrücklich oder stillschweigend anerkannt worden ist: Rll. 20. Jan. 88 (R. X, 46), OT. 16. Dez. 64 (O. V, 349); daS gilt auch von den zur Bezeichnung der Höhe des Wasserstandes dienenden Zeichen (§ 2 des Pr. Vorfl.-Edikts v. 15. Nov. 1811 steht dem nicht entgegen, da er nur die zwangsweise erfolgende Bezeichnung des Wasserstandes regelt; contra: GM. 11, 554). Dagegen ist ein einseitig von einem Nachbar gesetztes, vom andern nicht anerkanntes Merkmal kein zur Bezeichnung der Grenze „bestimmtes"; ebenso: Rll. 25. Jan. 84 (R. VI, 49); vgl. jedoch RH. 18. April 82 (E. VI, 199: erkannte letzteres -war an; gleichwohl sei die Anwendbarkeit des § nicht durch die civil rechtliche Gültigkeit des Grenzzeichens bedingt, und habe den Charakter eines solchen objektiv jedes Merkmal, welches nach der Intention derjenigen, die dasselbe herge stellt, zur Bezeichnung der Grenze dienen solle). Ob das Merkmal die Grenze richtig angiebt, ist gleichgültig: eit. Rll. 20. Jan. 88. 15. Die „Bestimmung" eines Grenzmerkmals als solchen ist genügend erkenn bar, wenn sie aus seinem Vorhandensein (z. B. nach dem OrtSgebrauch) entnommen werden kann; besonderer jene Bestimmung anzeigender Bezeichnungen bedarf es dann nicht. Bezüglich der Grenzhügel vgl. Pr. ALR. I, 17 § 368 u. Rll 18. April
82 (E. VI, 199). 16. Durch eine Amtshandlung erlangt ein Gegenstand die Bedeutung eines Grenzmerkmales nur dann, wenn dem betr. Beamten die Befugniß beiwohnte, eine derartige Bestimmung in einer für die Parteien wenigstens vorläufig maßgebenden Weise zu treffen. Das gilt selbst da, wo es sich nm die Grenze zwischen einem
Thl. II. Alisch,,. XXIII. Urkundenfälschung. — § 274.
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Grundstücke und dem benachbarten Wege handelt; die einseitig von der Ortsbehörde erfolgende Bezeichnung der streitigen Weges-Grenze durch einen Stein giebt diesem nicht den Charakter eines Grenzsteins, sofern nicht besondere Gesetze jener Behörde ausdrücklich das fragliche Recht beilegen. Auf dem linken Rheinufer steht ein solches Recht (nach Arr. ti. 23. mess. V; Ges. v. 9. vent. XIII art. 6; Min.-Jnstr. v. 7. prair. XIII; Dekr. v. 16. Okt. 1813; StRG. v. 8. Nov. 1813; Pr. Ress.-Regl. v. 20. Juli 1818 §2) nicht den Bürgermeistern, sondern nur den Regierungen (Präfekten) zu, welche dazu berufen sind, die Breite der Bicinalwege festzustellen, und somit den die festgestellten Grenzen bezeichnenden Steinen die Eigenschaft von Grenzsteinen beizulegen: OT. 7. Febr. 56 (JMbl. s. 67). Dagegen sollen nach Rll. 18. April 82 (eit n. 15) im Gebiete der Pr. Kreis-O. v. 13. Dez. 72 (vgl. dort §§ 59. 61. 65) die Amtsvorsteher bzw. die von ihnen beauftragten Gemeindevorsteher befugt sein, behufs Herstellung eines öffentlichen Weges in seinen alten Grenzen Grenzzeichen zu errichten [V]. Inwiefern das von einem Bayer. Feldgeschwornen errichtete Grenzzeichen auf strafrechtlichen Schutz Anspruch habe, darüber vgl. Ri. 8. Dez. 87 (E. XVII, 10). — Beruht das Grenzmerkmal auf einem Urtheile, welches unter zwei Nachbarn ergangen ist, so bindet dieses Urtheil (trotz § 261 der StPO.) den Straf richter, wenn einer jener Nachbarn einer nach Erlaß des Urtheils verübten Grenz verrückung beschuldigt wird; vgl. Mot. z. StPO. s. 189. 17. Zu den Grenzsteinen rc. gehören die zur Bezeichnung der BergwerksfeldesGrenzen auf der Erdoberfläche gesetzten Loch steine; vgl. Pr. Berggesetz v. 24. Juni 1865 §§ 39.40, nicht aber die behufs Legung eines trigonometrischen Netzes über die Landestheile errichteten Marksteine; vgl. § 304 n. 8. 18. Zu den Wasserstands Merkmalen zählen nicht allein die Merkpfähle, sondern auch die nach dem Pr. Vorfl.-Edikt v. 15. Nov. 1811 zur Vergleichung be stimmten sog. Fixpunkte: OT. 28. März 67 (O. VIII, 213). 19. Ein Grenzmerkmal rc. ist „fälschlich gesetzt", wenn ein Unberechtigter (z. B. der eine Nachbar ohne Mitwirkung des anderen) einen Gegenstand, welcher zur Grenzbeurkundung geeignet ist (n. 15), zum Zweck, daß er als Grenzmerkmal diene, an einer andern, von der bisher als Grenzlinie geltenden verschiedenen Stelle anbringt. Daß der Gegenstand als Grenzmerkmal von den Betheiligten anerkannt sei, wird hier (selbstredend) nicht gefordert: RI. 10. Marz 81 (E. III, 410). Die Anwendbarkeit des § wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß die fälschlich vor genommene Umgrenzung nur eine vorläufige sein sollte: Ri. 5. Nov. 87 (E. XVI, 280). — (Die wegen fälschlicher Setzung erfolgende Verurtheiluug eines der Grenz steinverrückung Angeklagten enthalt keine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts im Sinne der StPO. § 264 Abs. 1: RI. 23. Jan. 82, R. IV, 62). 20. Der Thatbestand ist im Uebrigen nicht dadurch bedingt, daß die Grenze durch die Wegnahme rc. unkenntlich gemacht worden sei, Manh. 12. Okt. 1872 (StZ. 11,297; BA. 43 s. 302). 21. In Betreff der „Absicht, einem Anderen Nachtheil zuzufügen", vgl. n. 1—3.7; demgemäß muß die Wegnahme rc. den Zweck verfolgen, einen Anderen zu bcnachtheiligen: RI. 1. Mai 81 (DA. 50 s. 316); dazu genügt es, wenn die Hand lung dahin abzielte, dem Anderen diejenigen Vortheile zu entziehen, welche für ihn aus einem rechtlich begründeten Besitz- oder Rechtszustande entspringen, z. B. wenn ihm das durch das Grenzmerkmal rc. gewordene Beweis-Moment entzogen werden sollte: OT. 7. Juni 66. 28. März 67 (O. VII, 331; VIII, 213), Manh. 12. Okt. 72 (cit. n. 20). Trifft dies zu. so konnnt weiter Nichts darauf an, ob der durch das Grenzmerkmal bekundete Besitzstand rechtlich begründet war, oder ob daö Abkommen, auf welchem er beruhte, aus irgend einem Grunde angefochten werden konnte; vgl. n. 14; (ontra: OT. 14. Mai 58 (GA. VI. 427). Noch weniger kann gefordert wer den, daß dem Andern ein weitergehender Schaden zugefügt sei, z. B. durch Aneig nung oder Benutzung eines jenseits des alten Grenzzeichens liegenden Raumes: OT. 5. Mai 66 (O. VII, 280). — Die Absicht, sich im (bestehenden) Besitze zu schützen, ist der Absicht der Nachtheilszufügnng nicht gleichzustellen: Rill. 9. März 81 (A. III, 368). 22. Beim Mangel jener Absicht (n. 21) ist das unbefugte Vernichten, Be schädigen rc. von Grenz- oder Wasserstaiidö-Merkmalen in Preußen als Übertretung strafbar: FFP.-Ges. § 30 Nr. 2. Oppenhoff, D. Strafgesetzbuch 11. Aufl.
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Thl. II. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. — § 275.
§ 275. Mit Gefängniß nicht unter drei Monaten wird bestraft, wer 1) wissentlich von falschem oder gefälschtem Stempelpapier, von falschen oder gefälschten Stempelmarken, Stempelblanketten, Stempelabdrücken, Post- und TelegraphenFreimarken oder gestempelten Briefkuverts Gebrauch macht. §275.
1. Unter „Stempelabdruck" ist hier die Bezeichnung eines Gegenstandes (z. B. eines Wechsels, Kartenspiels rc.) mit einem Stempel zu verstehen, welche zum Nachweise der Entrichtung einer Stempelsteuer dient; vgl. Nr. 2, OT. 2. Juli 69, 2. Febr. 72 (O. X, 478; XIII, 115). Ebenso kann von einem „Stempel bla nkett" nur da die Rede sein, wo der auf dem Blankett befindliche Stempel ein Werthzeichen, die Quittung über Entrichtung der betr. Abgabe bildet: Jena 76 (Voll. 24 s. 174). — Der Ausdruck „gestempelte Brieskuverts" umfaßt die gestempelten Streif- und Kreuzbänder mit, wogegen unter „Post-Freimarken" hier alle übrigen beim Postverkehr gebräuchlichen Werthzeichen, mithin auch die mit Marken versehenen Correspondenzkarten begriffen sind: Meves s. 247. 2. „Falsches" („unechtes": Nr. 2) Stempelpapier rc. ist dasjenige, welches von einem Unberechtigten in einer der echten ähnlichen Form so „angefertigt" ist. daß es geeignet erscheint, statt des echten gebraucht zn werden. Dabei ist es gleich gültig, ob zur Herstellung nachgemachte mechanische Vorrichtungen, oder diejenigen benutzt sind. welche der Staat selbst zur Herstellung benutzen läßt. — Dagegen ist „gefälschtes" Stempelpapier rc. dasjenige, welches urspünglich echt, nachträglich von einem Unberechtigten so verändert („verfälscht": Nr. 3)'worden ist, daß es einen höherekk Werth repräsentirt. Die Fälschung muß also das Werthzeichen selbst betroffen haben: Jena 76 (cit. n. 1). 3. Der § unterscheidet nicht, ob das falsche Stempelpapier rc. inländisches oder ausländisches war; ebenso: Rll. 20.Juni 82 (K. VI, 387); vgl. OT. 22. Dez. 69, 5. Okt. 70 (O. X, 806; XI, 496); contra: Olsh. n. 2, HStR. II, 565; er trifft somit nach Z 4 Nr. 3 auch dann zu, wenn ein Deutscher sich einer der vorgesehenen Handlungen im Auslande in Betreff eines ausländischen Stempels rc. schuldig macht: Dambach, GSaal 23 s. 266, Schw. n. 1; contra: Rüd. n. 1. ' 4. Als „Gebrauch" (Nr. 1) bezw. als „Verwendung" (Nr. 2. 3; § 276) kommt nur diejenige Benutzung in Betracht, welche das Stempelpapier rc. als solches zum Gegenstände hat und (beim Gebrauche echter Werthzeichen) die Ent richtung der Abgabe vermittelt: vgl. n. 8. 10; § 276. 5. Einer anderen als der in den einzelnen Nummern hervorgehobenen Willens richtn ng bedarf es nicht; insbesondere also nicht einer gewinnsüchtigen oder auf Schadenszufügung, und ebensowenig einer auf Verübung einer Stempel rc.Hinterziehung gerichteten Absicht: OT. 2. Jan. 73 (O. XIV, 5). 6. In Betreff der Ehren strafen vgl. § 280 n. 1. 7. Durch § 275 sind § 2 des B.-Telegr.-Marken Ges.'s v. 16. Mai 1869 und § 23 Absatz 1 des B.-Wechselst.-Ges.'s v. 10. Juni 1869, soweit sie sich auf die An fertigung unechter oder die Verfälschung echter Marken rc. und die wissentliche Be nutzung solcher gefälschter Marken rc. bezogen, außer Kraft gesetzt; ebenso: Merkel, HH. III, 810, Rüd. s. 637, Bind. HB. I, 339, Olsh. n. 9.
Zu Nr. 1.
7a. „Gefälscht" ist hier gleichbedeutend mit „verfälscht" (vgl. § 270): Olsh. n. 5, HStR. II, 566; contra: Sont.. GA. 19 s. 294. 8. Mit Rücksicht auf daö unter n. 4 Gesagte genügt es nicht, wenn Jemand falsches Stempelpapier rc. an einen Anderen (von der Fälschung Unterrichteten oder Nichtunterrichteten) zum Zwecke späterer Verwendung veräußert; vgl. n. 4; contra: NH 20. Juni 82 (E. VI, 387), Colmar 19. Sept. 85 (Franz s. 82); das Gegen theil tritt mir bei dem Verkaufe von Spielkarten ein. welche mit einem falschen rc.
Thl. II. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. - § 275.
707
2) unechtes Stempelpapier, unechte Stempelmarken, Stempelblankette oder Stempelabdrücke für Spielkarten, Pässe oder sonstige Drucksachen oder Schriftstücke, ingleichen wer unechte Post- oder Telegraphen-Freimarken oder gestempelte Briefkuverts in der Absicht anfertigt, sie als echt zu verwenden, oder 3) echtes Stempelpapier, echte Stempelmarken, Stempelblankette, Stempelabdrücke, Post- oder TelegraphenFreimarken oder gestempelte Briefkuverts in der Absicht verfälscht, sie zu einem höheren Werthe zu verwenden. [I. Entw.: § 247; II. Entw.: § 270; Nov. v. 26. Febr. 1876 Art. I; Pr. StGB.: § 253.] Vgl. §| 276. 280. 364; EG. § 2 Abs. 2; Postges. v. 28. Okt. 1871 h 27 Nr. 3; Telegr.-Marken-Ges. v. 16. Mai 1867 § 2; Wechselst.-Ges. v. 10. Juni 1869 § 23: EL. Ges. v. 14. Juli 1871; Spielkartenst.-Ges. v. 3. Juli 1878; Ges. v. 20. Juli 1879 § 17.
Preußen: Vgl. Mempelmarken-] Ges. v. 2. Sept. 1862 § 4; Vdn. v. 4. Juli 1867 | 9 it. Ges. v. 23. Dez. 1867 (GS. f. 1065.1921). Stempelabdrucke versehen find, weil die (Stempelung der Karten gegen Entrichtung der Abgabe vor dem Verkaufe geschehen muß, bei ihnen also von einer späteren Verwendung des (falschen rc.) Stempels keine Rede mehr sein kann; vgl. OT. 2. Febr. 72 (O. XIII, 115, welches nur in seiner Begründung zu weit geht). Noch weniger ist ein „Gebrauch" eines Stempelpapiers rc. darin zu finden, wenn lediglich die auf dasselbe geschriebene Urkunde (der mit dem falschen Abdrucke ver sehene Wechsel rc., die mit dem falschen Stempel versehenen Karten) wissentlich zu ihren speziellen Zwecken benutzt werden: Merkel s. 810. DaS Spielen mit Kartell, welche nicht mit dem erforderlichen Stempel versehen sind (mithin sowohl das Spielen mit ungestempelten als dasjenige mit falsch gestempelten Karten) ist aus dem RGes. v. 3. Juli 1878 § 10 strafbar. 9. Der Thatbestand der Nr. 1 schließt gleichzeitig eine Stempelsteuerhinterziehnng in sich; diese wird durch die Verhängung der oben angeordneten Strafe mitgesühnt, insofern nicht ein besonderes Reichs- oder Landesgesetz anordnet, daß außerdem auch diese zu erkennen sei; letzteres ist in Betreff des Spielkartenstempels der Fall; vgl RGes. v. 3. Zuli 1878 § 12 Abs. 2; ein Landesgeseh ähnlichen In halts existirt für Preußen nicht; vgl. § 276.
Zu Nr. 2. 3.
10. Diese Nummern erheischen beim Thäter die „Absicht, das Stempelpapier rc. als echt rc. zu verwenden"; er muß also selbst einen Gebrauch des selben in der oben (n. 4. 8) erwähnten Art beabsichtigen; es genügt nicht, wenn er die Anfertigung vornimmt, um Anderen das Mittel zur Verübung des unter Nr. 1 erwähnten Vergehens zu verschaffen, oder um die unechten Werthzeichen an Dritte, Gutgläubige abzusetzen (das wäre keine „Verwendung"); contra: Nil. 20. Juni 82 (eit. n. 8). Hiernach ist die Nr. unzweifelhaft zu enge gefaßt; vgl. § 146 n. 9.10. 11. Ueber den Begriff der „Anfertigung unechten Stempelpapiers rc." vgl. n. 2. Es gehört hierher auch der Fall, wo von einem (benutzten oder unbe nutzten) echten Stempelbogen der obere Theil mit dem Stempelabdrucke abgeschnit ten und auf einen leeren Bogen aufgeklebt wird: OT. 15. Juli 55 (GA. III, 716) vgl. § 276, B.-Wechselst.-Ges. v. 10. Juni 1869 § 23 Abs. 2. 12. Das Auslöschen eines die Verwendung eines Stempelbogens bewirken den oder konstatirenden Schriftsatzes oder eines auf einem Stempel oder auf einer Freimarke sich findenden Entwerthungs Zeichens ist weder Verfälschung eines echten noch Anfertigung eines neuen unechten Stempelpapierö rc.: OT. li. Juni, 19. Dez. 66 (O. VII, 340. 735); contra: Antr. d. GStA.'s (ib., 340); vgl. RPostges. v. 28. Okt. 1871 § 27 Nr. 3. Ebensowenig findet § 274 Nr. I Anwendung, es sei denn, daß der entwerthete Stempelbogen rc. dem Thäter nicht gehört hätte; vgl.
708
Thl. II. Abschn. XXIII. Nrkundeiifälschnng. — §§ 276. 277.
§ 276. Wer wissentlich schon einmal zu stempelpflichtigen Urkunden, Schriftstücken oder Formularen verwendetes Stempel papier oder schon einmal verwendete Stempelmarken oder Stempelblankette, ingleichen Stempelabdrücke, welche zum Zeichen stattgehabter Versteuerung gedient haben, zu stempelpflichtigen Schriftstücken verwendet, wird, außer der Strafe, welche durch die Entziehung der Stempelsteuer begründet ist, mit Geldstrafe bis zu sechshundert Mark bestraft. [I. Gntro.: §§ 248.249; II. Eiitw.: tz 271; Pr. StGB.: (fehlte).) Vgl. §§ 275.364. 73; Telegr.-Marlen-Ges. v. 16. Mai 1869 § 2; Wechselst.-Ges. v. 10. Juni 1869 § 23; RPostges. v. 28. Okt. 1871 § 27 Nr. 3.
§ 277. Wer unter der ihm nicht zustehenden Bezeichnung als Arzt oder als eine andere approbirte Medizinalperson oder § 274 n. 11. Dagegen ist die abermalige Verwendung bereits einmal verwendeter Stempel- rc. Werthzeichen zum Gegenstände besonderer Strafandrohungen gemacht; vgl. § 276 und die dort ». 4 citt. Gesetze. Dasselbe gilt vom Verkaufe (Feilhalten) eines entwertheten Stempelzeichens: § 364. Die betreffenden Vorschriften sind auf Postbriefnlarken nicht auszudehnen. 13. Die Nrn. 2. 3 bedrohen die in der Absicht der Verwendung vorgenommene Fälschung (Verfälschung) für sich allein mit Strafe; es bedarf sonach nicht eines hinzutretenden Gebrauchs: £)&. 5. Okt. 70 (O. Xs, 496.) 14. Der Falscher (Verfälscher), welcher demnächst von den Falsifikaten Gebrauch macht, verwirkt nicht neben der Strafe aus Nr. 2 (3) noch die Strafe aus Nr. 1; dagegen wird diese unbedenklich anwendbar, wenn ihn aus irgend einem Grunde die Strafe der Nr. 2 (3) nicht treffen kann; vgl. § 271 n. 27. 15. Die durch die Novelle bewirkte Streichung der Worte „Kalender" und „Zeitungen" in Nr. 2 war durch § 30 Abs. 4 des RPreßges.'s geboten, weil dieser die Kalender und Zeitungen von Stempelabgaben befreit. §276. 1. Der Thatbestand dieses § ist nicht dadurch bedingt, daß die betr. Stempelzeichen mit einem Entwerthungszeichen versehen gewesen und daß ein solches^ gelöscht worden sei; es genügt die Handlung mit der Kenntniß der früher stattge habten „Verwendung". ‘Ueber diesen Begriff vgl. § 275 n. 4. 8. 2. Auch dieser § findet bei den im Auslande in Betreff ausländischen Stempelpapiers rc. verübten Zuwiderhandlungen nach Maßgabe des § 4 Nr. 3 AnWendung; vgl. § 275 n. 3. 3. Die im § vorgesehene Handlung wird regelmäßig auch eine StempelsteuerHin terziehung darstellen; für diesen Fall schreibt der § die kumulirte Verhängung beider Strafen vor. 4. Die im § 23 Abs. 2 (in.) des BWechselst.- Ges.'s v. 10. Juni 1869 ent haltene entsprechende Strafandrohung ist durch § 276 ersetzt und beseitigt. Ebenso: Merkel, HH. 111, 811, Rüd. n. 3, Bind. HB. 1, 339. Dagegen findet § 276 auf die abermalige Benutzung bereits verwendeter Post- oder Telegravhen-Frei marken keine Anwendung; solche ist aus § 27 Nr. 3 deS RPostges.'s v. 28. Okt. 1871 bzw. auS § 2 des Telegr.-Marken.-Ges.'s v. 16. Mai 1869 (als Hinterziehung) zu strafen. 5. Das Veräußern oder Feilhalten von bereits einmal verwendetem Stempelpapier rc. ist in § 364 mit einer Nebertretungsstrafe bedroht. § 277. 1. Bezeichnet sich ein Nicht-Approbirter in einem (den richtigen Namen tragenden) Zeugnisse als „Arzt rc.", so trifft der Thatbestand des § 277 ideell mit dem der Gew.-O. § 147 Nr. 3. (29) zusammen. Dagegen ist (von besonderen Kom plikationen abgesehel») Jdealkonkurrenz der in den §§ 277. 279 vorgesehenen Miß-
Thl. II. Abschn. XXIII. Urkundenfälschung. - §§ 277. 278. 279.
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unberechtigt unter dem Namen solcher Personen ein Zeugniß über seinen oder eines Andern Gesundheitszustand ausstellt oder ein derartiges echtes Zeugniß verfälscht, und davon zur Täu schung von Behörden oder Versicherungsgesellschaften Gebrauch macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. [I. Entw.r'tz 252; II. Eutw.: § 272; Pr. StGB.: § 256.] Bgl. §« 278-280. 32. 35; Gew.-O. §§ 29. 30. 147; EL. Ges. v. 15. Zuli 1872.
§ 278. Aerzte und andere approbirte Mediziiialpersonen, welche ein unrichtiges Zeugniß über den Gesundheitszustand eines Menschen zum Gebrauche bei einer Behörde oder Ver sicherungsgesellschaft wider besseres Wissen ausstellen, werden mit Gefängniß von Einem Monat bis zu zwei Jahren bestraft. [I. Entw.: 6 253; II. Eutw.: § 273; Pr. StGB.: § 257.] Bgl. $§ 277. 279. 280. 32. 35; Gew. O. §§ 29. 30.
§ 279. Wer, um eine Behörde oder eine Versicherungs gesellschaft über seinen oder eines Anderen Gesundheitszustand zu täuschen, von einem Zeugnisse der in den §§ 277 und 278 thaten mit den in den §§ 567. ‘268 vorgesehenen ausgeschlossen; vgl. Ri. l. Dez. 81 (K. VI, I) und oben § 73 n. 6, § 267 n. 142. 2. „Approbirte Medicinalperson" ist auch die mit einem Prüfungszeugnisse versehene „Hebamme"; vgl. cit. Gew.-O. § 30, Merkel, HH. III, 811; contra: Rill. 27. März 84 (£. X, 340), Meyer n. 1. Ueberhaupt beschränken die §§ 277 ff. jenen Begriff nicht ans die in § 29 der Gew -O. angeführten Personen; selbst landesrechtliche Vorschriften kommen dabei in Betracht: Rl. 8. Mai 82 (E. VI, 260: red)nete demgemäß für Bayern die Bader hierher). 3. Aus der Interpunktion (dem Komma hinter „verfälscht") erhellt, daß auch die unberechtigte „Ausstellung " eines Zeugnisses rc. nur beim hinzutretenden Gebrauche strafbar ist. 4. Die Täuschung muß sich auf den attestirten Gesundheitszustand beziehen; das Zeugniß muß inhaltlich unwahr sein; vgl. § 279, OT. 13. Okt. 75 (GA. 23 s. 539); contra: Rüd. n. 1, Olsh. ii. 4. Eine auf Erzielung von Vermö' gensvortheilen rc. gerichtete Absicht [§ 268] schließt die Anwendung der §§ 277. 27!) nicht aus: RI. 1. Dez. 81 (cit. n. 1). 5. Mehrmaliger Gebrauch (bzw. Gebrauch zur Täuschung verschiedener Behörden rc.) begründet stets nur Einen Straffall; so: Bind. HB. I, 558. 6. In Betreff der Ehrenstrafen vgl. § 280 n. 1. § 278.
1. Das Zeugniß muß materiell unrichtig fein; Bezeugung der Wahrheit, welche der Aussteller irriger Weise für unwahr hielt, gehört nicht hierher. — Eine unrichtige Schlußfolgerung genügt: Rl. 14. Dez. 82 (A. VII, 124). 2. Als (ärztliches) Zeugniß über einen „Gesundheitszustand" ist auch dasjenige anzusehen, welches lediglich die Thatsache einer Schwangerschaft oder Ent bindung bekundet: OT. 1. Febr. 67 (O. VIII, 89). 3. Gleichgültig ist es, ob das Zeugniß von der Behörde selbst, oder von einem Privaten zum Zwecke deö Gebrauchs bei der Behörde erfordert wurde: OT. 1. März 61 (O. I, 272; beil.). 4. Dagegen muß der Arzt rc. (vgl. § 277 n. 2) wissen. daß das Zeugniß zum Gebrauche bei einer Behörde rc. bestimmt sei: cit. OT. 1. März 61. 5. In Betreff der Ehrenstrafen vgl. § 280 n. 1.
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Thl. II. Absch». XXIV. Banker»«. — §§ 279. 280. [§281], KO. § 209.
bezeichneten Art Gebrauch macht, wird mit Gefängniß bis zu Einem Jahre bestraft. [I. Entw.: § 254; II. Entw.: § 274; Pr. StGB.: § 258.]
Vgl. § 280.
§ 380. Neben einer nach Vorschrift der §§ 267, 274, 275, 277 bis 279 erkannten Gefängnißstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden. [I. Entw.: §§ 252-254; II. Entw.: § 275; Pr. StGB.: §§ 253. 256-258.]
§§ 32. 35.
Vgl.
Vierundjwanrigster Abschnitt*).
Bankerntt. § 200.
Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt
§280.
1. Auf den Verlust der rc. Ehrenrechte rc. kaun nur erkannt werden, wenn die Gefängnißstrafe drei Monate erreicht: §§ 32. 35. *) Vierundzwanzigster Abschnitt.
1. Das StGB, verpönte (in den tzh 281—283) nur solche rechtswidrige Hand lungen, welche von Kaufleuten, die ihre Zahlungen eingestellt haben, oder mit Rück sicht aus die Zahlungseinstellung eines Kaufmanns von Dritten begangen wurden. Dagegen erhielt § 2 Abs. 3 des EG.'s bis zum Erlasse eines Reichsgesetzes über den Konkurs die einschlägigen landesgesetzlichen Strafvorschriften aufrecht, soweit sie sich auf im StGB, nicht vorgesehene Handlungen bezogen. Die einheitliche Regelung der Materie war dadurch ganz wesentlich der Reichs-Konkurs-Ordnung vor behalten, und es hat letztere, erlassen am 10. Febr. 1877 und seit dem 1. Okt. 1879 in Kraft, diese Aufgabe in der That erfüllt. Die durch sie herbeigeführten Aende rungen bestehen hauptsächlich darin, daß einestheils mehrere bisher nicht (allgemein) verpönte Handlungen unter Strafe gestellt sind, anderentheils der Bankerutt (Bank bruch) nicht mehr auf Kaufleute beschränkt ist, sondern sich auch auf Nichtkausleute erstreckt, und zwar mit der Maßgabe, daß bei diesen sowohl wie bei jenen nicht etwa die Zahlungsunfähigkeit an sich, sondern die Thatsache der Zah lungseinstellung oder diejenige der Konkurseröffnung die Voraussetzung für die Strafbarkeit bildet. Statt jedoch den Vorschriften des StGB.'s ergänzende bzw. ausdehnende Bestimmungen hinzuzufügen, trifft die KO. selbständige Strafvor schriften. welche den Inhalt der im § 3 des EG.'s z. KO. ausdrücklich für aufge hoben erklärten §§ 281—283 vollständig in sich aufnehmen. Demgemäß entsprechen die §§ 209. 212. 210 der KO. den §§ 281—283 des StGB.'s, wogegen die §§ 211. 213 neue Strafbestimmungen enthalten und § 214 eine die §§ 209—211 erweiternde Bestimmung trifft. Gemäß § 3 des EG.'s z. KO. wurden, vorbehaltlich gewisser Ausnahmen, die den Konkurs betreffenden Vorschriften der Reichsgesehe, insbesondere also auch die Strafvorschrift des HGB.'s Art. 249a, nicht berührt, die einschlägigen landesgesetzlichen Vorschriften dagegen gemäß § 4 ib. und vorbehaltlich der im § 5 ib. gemachten Ausnahmen (vgl. EG. § 2 n. 11) aufgehoben. 2. Dem (n. 1) Gesagten gemäß werden weiter unten an Stelle der aufge hobenen §§ 281—283 die entsprechenden §§ der KO. wiedergegeben sowie erläutert, und es wird, deö Zusammenhangs sowie der Vollständigkeit halber, in Betreff der übrigen Strafbestimmungen derselben in gleicher Weise verfahren.
§ 209 der KO,
Inhalt:
Thl. II. Absch». XXIV. Bankerutt. — [§281], KO. § 209.
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haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen betrtiglichen Bankerotte Einzel-HandU.. limit. 29. • Mehrheit: 33—35. • Zeitpunkt: 32. Fest-, Fragstellung: 16. 20. 24. 42. 47. 62. Forderung: 40. 45. Fuhrleute: 14. 47. 52. 54. Gehmlfe: 30. 37. 41a. 45. Genwffenschaft 15. GeiverbSoetrieb, ausschließlich: 9. • eigener. 4. • -e,ing: 16. 47. 49. 50. 54. Glambiger: 23. 45. • einzeln Befried igg.: 26. 41. Gutsbesitzer. Reben-Gerv.: 3. Handelsvncher: 46—68. • Aufbewahrung: 60. • Bilanz: 55. 67. 66. 67. • Bücher: Eintragung, waS? 64. 66. • Führung, schleckte: 63—68. • Führg. Unteilaffg: 46—54. • Inventar: 55. 57—66. • Verm.-Uebers.: 63-67. • - Verzeichniß: 55. 57. 66. • Vernichtung rc.: 58—62. - welche? 56Ü
Handelebncher, wer? 46—54. • Zahl: 56. Handelsfrau: 13. 46. Handelsgeschäft: 2. 8. 9. Handelsgesellschaft: 15. 46. Handels-Register: 10 12. 50. Handl.'Gehulfe: 8. HandwkS.'Detr.: 13. 47 ff. 53. 54. Hausirer: 16. 47—49. 54. Hocker: 16. 47—49. 54. Kaufmann: 1—17. 24. 47. 54. • Fragstellung: 24. Kommis: 8. Konkurrenz: 33—35. 41. 68. Konkurs: 20. 45. Ko» Poration, kaufm.: 10. Lotte»ie: 4. 5. Makler: 17. 8. Minderjähriger: 14. Namen, eig.: 12. Naturprod.. selbstgew.: 3. Prokurist: 8. 12. 13. 46. RechtSkr., relat.: 35. Richter, Befassung: 35. Schiffer: 16. 47. 52. 54. Simulation: 43. Steuer: 50. 11.
Trödler: 16. 47—49. 54 Unzurechnungsfähigkeit: 24. Verheimlichen: 39—42. 61. 62. Verjährung: 38. Vermogens-Beschadignng: 25. Vermögensstück: 40. Vermögens'Uebersicht: 63. 64. Vermbgensunzulanglichkeit: 19. Vernichtung: 58—60. 62. Versuch: 31. 36. 38. Vollendung: 31. 32. Wirth: 16. 51. 53. Zahlungs-Einstellung: 18—24. ■ Ausdehnung: 20. • Bewußtsein: 28. • dauernd? 18. • Erekution: 19. • erklärte? 20. • Feststellung: 2o. • Felgen, dauernd: 31. • Gläubiger, Zahl: 23. - Veranlassung? 21. - verschuldet: 24. - Zeitpunkt: 20. 21. Zahlungsunfähigkeit: 18. Zeit: 20. 30—32. 43. 65. Ziegelei: 3.
1. Mit dem 1. Okt. 1879 trat § 209 der KO. an Stelle des § 281 des StGB.'s, dessen Fassung sich von derjenigen jenes § 209 mir darin unterschied, daß statt: „Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist" gesagt war: „Kaufleute, welche ihre Zahlungen eingestellt haben". Diese Ausdehnung der Strafvorschriften wegen „betrüglichen Bankerutts" auf NichtkaufTeutc gilt jedoch nur bezüglich der in Nr 1. 2, nicht also auch bezüglich der in Nr. 3. 4 erwähnten Fälle, da bei Nichtkaufleuten (vorbehaltlich des unter n. 15 Gesagten) von „Führung der Handelsbücher" keine Rede sein kann. Für Kaufleute tritt durch die KO. die Aenderung ein, daß zur Begründung des Thatbestandes im Sinne sämmtlicher Nrn. 1—4 nicht mit Nothwendigkeit die Feststellung der Zahlungseinstellung erfordert wird, daß vielmehr auch die Feststellung der Konkurseröffnung genügt. — Die nähere Begrenzung des Begriffs „Kaufmann" ist hiernach noch jetzt zur Erläuterung der bezüglichen Strafvorschriften unentbehrlich. la. Da zur Zeit der Abfassung des StGB.'s der Begriff eines „Kauf manns durch die Reichs-Gesetzgebung bereits festgellt war, so ist diese Begriffs bestimmung auch hier als maßgebend anzusehen, zumal die Artt. 18. 52 des Pr. EG.'s z. HGB. (EG. z. Pr. StGB. Art. XII, §. 2. 3) dies für das Pr. StGB, ausdrücklich ausgesprochen hatten. Anderweitige, landesgesetzliche Vorschriften kommen bei der Frage, ob Jemand Kaufmann sei, nicht in Betracht. — Demgemäß ist „Kaufmann" . wer gewerbsmäßig Handelsgeschäfte treibt (HGB. Art.4): n. 16, OT. 30. Okt. 72, 12. Febr. 74, OA. 21. März 74 (O. XIII, 558; XV, 70. 175), Schw. n. 1, Puch. n. 1, Merkel, HH. III, 817; contra: Dresd. 17. März 73 (SGZ. XVII, 118), Rüd. n. 2; vgl. Abh., WGbl. VII, 53. 2. Was ein „Handelsgeschäft" sei (n. la), ist nach den Artt. 271- 277 des HGB.'s zu beurtheilen; demgemäß gehört dahin auch eine über den Umfang des Handwerks hinaus betriebene Färberei: OT. 12. Apr. 77 (GA. 25 s. 225). Der Handel mit Immobilien kann nicht die Eigenschaft als „Kaufmann" begründen (Art. 275 I. e.): Münch. 2. Sept. 73 (StZ. III, 71). Ein Jmmobilarkaüs stellt selbst dann kein Handelsgeschäft dar, wenn er zur kaufmännischen Verwerthung des Holzbestandes erfolgt: Rll. 24. Febr. 88 (H. X, 189). Da Art. 271 Nr. 1 und Art. 273 Abs. 2 I. c. nicht blos den Kauf rc. zum Zwecke der Weiterveränßerung, sondern auch die gewerbliche Weiterveräußerung der zu diesem Zwecke angeschafften Waaren zu den Handelsgeschäften zählen, so kann die Eigenschaft eines Kaufmanns nicht lediglich deshalb verneint werden, weil Jemand in der betreffenden Zeit nicht er weislich Sachen zur Wiederveräußerung gekauft rc. habe: OT. 17. März 75 (O. XVI, 228). Es begreift übrigens Art. 271 Nr 1, insofern er die Anschaffung de-
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Thl. II. Abschn. XXIV. Bankerutt. — [§ 281], KO. § 200.
mit Zuchthaus bestraft, wenn sie in der Absicht, ihre Gläu biger zu benachtheiligen, weglicher Sachen zum Zwecke der Weiterveräußerung nach geschehener Bearbeitung gleichfalls für ein Handelsgeschäft erklärt, mir solche Fälle, wo die Sachen trotz der Bearbeitung bewegliche Sachen bleiben, während Art. 272 Nr. 1 ib. nur solche Geschäfte im Auge hat, bei denen die zu bearbeitenden Rohmaterialien vom Unter' nehmer gar nicht angeschafft, sondern ihm von Anderen zum Zwecke der Bearbeitung überliefert werden: OT. 21. März 78 (O. XIX, 155); vgl. n. 7. 3. Ein Handelsgeschäft stellt nicht dar der Verkauf selb st gewonnen er Naturprodukte, selbst, wenn diese vorher be- oder verarbeitet worden: OT. 22. Zuni 65 (O. VI, 207), noch der Betrieb einer Ziegelei, bei welchem die ver arbeitete Erde den eigenen Grundstücken entnommen wird: OT. 8. Mai 69 (O. X, 304), noch das Gewerbe eines Müllers, welcher das aus selbstgewonnenen Früch ten gemahlene Mehl verkauft: OT. 16. Zuli 69 (O. X, 513). — Dagegen ist ein Gutsbesitzer, welcher gewerbsmäßig Handelsgeschäfte treibt, als Kaufmann zu betrachten, sollte für ihn jener Gewerbsbetrieb auch nur ein landwirthschaftliches Nebengewerbe darstellen (Beisp.: Branntweinbrennerei, Zuckerfabrikation rc., sobald dabei nicht blos selbstgewonnene Produkte verarbeitet werden); daß nach dem EG. z. Pr. Konk.-O. Art. XIV und nach dem Pr. EG. z. HGB. Art. 31 ein Gutsbe sitzer in dem gedachten Fall in Beziehung auf die Anwendung der Vorschriften der Konk.-O. nicht zu den Kaufleuten gezählt werden sollte, kommt hier nicht in Be tracht; vgl. cit. OT. 22. Juni 65. 4. Wer aus dem Absätze angeschaffter Lotterie-Loose ein Gewerbe macht, ist Kaufmann; für ihn sind die Loose zwar nicht „für den Handelsverkehr bestimmte Werthpapiere", wohl aber als „Waaren" anzusehen (HGB. Art. 271 Nr. 1); ebenso: OHG. 4. März 78 (Entsch. dess. 23 s. 213: speciell in Betreff der Kollekteure der Braunschw. Lotterie). Das Gegentheil gilt vom Veranstalter einer Lotterie, welcher die selbstgeschaffenen Loose abseht, und vom Verheuerer von Loosen, welche nur ihn persönlich verpflichtende Promessen ausstellt. 5. Daß der Handel mit gewissen Gegenständen, z. B. Loosen einer nicht ge nehmigten Lotterie, verboten und strafbar ist, schließt nicht aus, den denselben gewerbsmäßig Betreibenden als „Kaufmann" im Sinne der §§ 209 ff. der KO. an zusehen; contra: Goldschm. HR. I, 526, Endemann HR. § 75'Nr. 7. 6. Difserenzgeschäfte, welche nicht auf reelle Lieferung, sondern nur auf Zahlung der Kursdifferenz abzielen, sind lediglich als Spiele anzusehen; der Betrieb solcher Geschäfte macht noch nicht zum Kaufmann: Münch. 29. Mai 74 (StZ. IV, 69). Vgl. KO. §210 n.7. 7. Unternehmer von Bauten (Zimmerleute, sofern sie sich mit der Ueber nahme der Herstellung unbeweglicher Sachen befassen, Maurer, Schieferdecker, die Unternehmer von Straßen-Pflasterungen und Regulirungen rc. rc.) gehören als solche nicht zu den Kaufleuten: OT. 3. März 76, OHG. 2. Mai, 10. Nov. 74 (O. XVII, 167; Entsch. d. OHG s XIII, 343; XV, 257), Manh. 28. Jebr. 79 (BA. 46 s. 40). Ebenso ist die Anschaffung von Rohmaterialen zum Zwecke der Verwendung im Wege der Bauunternehmung kein Handelsgeschäft: OT. 21. März 78 (cit. n. 2); selbst der Umstand, daß der Preis dem Bauherrn nicht für die Leistung als Ganzes berechnet wird, daß vielmehr die zum Bau verwandten Materialien einzeln und getrennt berechnet, bzw. bezahlt werden, schließt die Annahme eines bloßen Werkverdings nicht aus: citt. OHG. 10. Nov. 74, Manh. 28. Febr. 79; vgl. jedoch cit. OHG. 4. Mai 74. 8. Nur Derjenige ist Kaustnann, welcher die Handelsgeschäfte als eigenes Gewerbe betreibt; Handlungsgehülfen, Kommis, Prokuristen, Handels mäkler rc. gehören als solche nicht hierher, selbst wenn sie das Geschäft allein führen; ebenso: OT. 7. Zuni 77 (O. XVIII, 369), wohl aber Agenten, welche gewerbsmäßig Handelsgeschäfte vermitteln (HGB. Art. 272 Nr. 4; .271 Nr. 4; 273 Abs. 2): Rill. 30. Okt. 84 (R. VI, 674). 9. Der Handel braucht nicht das ausschließliche, nicht einmal das HauptGeschäft (der Haupt-Beruf) zu sein, sobald er nur gewerbsmäßig svgl. § 260 n. 2] betrieben wird: RI. 8. Febr. 83, RIV. 4. Nov. 84 (E. VIII, 147; R. VI, 694), OT. 30. Mai 76 (O. XVII, 384); vgl. n. 3.
Thl. II. Abschn. XXIV.
Bankerutt. — [§ 281], KO. § 203.
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10. Durch die Eintragung in das Handels- (Firmen-) Register oder durch den Beitritt zu einer kaufmännischen Korporation ist die Eigenschaft eines Kauf manns nicht bedingt; vgl. Pr. EG. z. HGB. Art. 3 Nr. 4. 11. Auch die Gewerbesteuerpflichtigkeit sowie die Zahlung der betreffen den Steuer sind für den Begriff eines Kaufmanns nicht maßgebend (HEB. Art 11); OT. 28. Oft. 70, 17. Febr. 71 (O. XI, 536; XII, 104). 12. Es ist gleichgültig, ob der die Handelsgeschäfte Treibende die betr. Hand lungen selbst vornimmt, oder durch einen Andern, z. B. durch einen Prokuristen vornehmen läßt (HGB. Art. 6 Abs. 3), nicht minder, ob er dabei unter eignem 9tümen auftritt, oder ob dazu ein Anderer, z. B. auf Grund eines simulirten Ueber* tragungsakts. seinen Namen hergiebt und diesen in das Firmenregister hat eintragen lassen: OT. 1. Nov 72 (O. Xlli, 579). 13. Eine Handelsgeschäfte gewerbsmäßig betreibende Frau (Handelsfrau) hat alle Rechte und Pflichten eines Kaufmanns, sollte sie auch ihr Gewerbe durch einen Prokuristen rc. betreiben lassen (HGB. Art. 6). Doch ist die Ehefrau eines Kauf manns wegen ihrer Thätigkeit im Geschäfte regelmäßig nur als Gehülfin ihres Mannes anzusehen (Art. 7 Abs. 3ib.), sollte sie auch thatsächlich das Geschäft vor wiegend oder gar ausschließlich leiten; zur kaufmännischen Eigenschaft der Frau wird vielmehr erfordert, daß jenes in ihrem Namen oder int Namen beider Ehe leute als Gesellschafter betrieben werde (Art. 4. 6. 15. 85 ib.), was in erster Linie durch die von beit Eheleuten etwa abgegebenen Erklärungen, durch die Anmeldung int Handelsregister rc. (Art. 12 ib.) erwiesen wird: OT. 30. Mai 70 (O. XVII, 384). 14. Ein gewerbsmäßig Handelsgeschäfte betreibender Minderjähriger kann sich eines Bankerutts (wegen unrichtiger und mangelhafter Buchführung rc.) schuldig machen, sollten auch die Bedingungen nicht erfüllt sein, von denen das Gesetz die Zulässigkeit eines solchen Betriebs abhängig macht; vgl. Pr. EG. z. HGB. Art. 37. 38; contra: OT. 15. Sept. 79 (O. XX, 354); nicht aber der Vormund des minder jährigen Geschäftsinhabers; vgl. n. 8. 15; Br. Z. 23 s. 166. 15. Die Mitglieder einer offenen Handelsgesellschaft sowie die per sönlich haftenden Mitglieder einer Kommanditgesellschaft sind Kaufleute, nicht aber die bloßen Kommanditisten (selbst nicht im Falle des Art. 168 des HGB.'s), die stillen Gesellschafter und die Theilhaber an einer Aktiengesellschaft, noch selbst die Mitglieder des Vorstandes einer solchen oder einer eingetragenen Ge nossenschaft, trotz der diesen obliegenden Buchführung; vgl. HGB. (BGes. v. 11. Juli 1870) Artt. 112. 122. 165. 206. 241. 249. 249a. 252. 256. Pr. EG. z. HGB. Art. 12 § 8; (Pr. Konk.-O. § 307), BGes. V. 4. Juli 1868, RUI. 10. Mai 83 (R. V, 359: speciell in Betreff der Mitglieder einer offenen Gesellschaft: die Bevollmächtigten solcher Mitglieder könnten nicht Mangels Buchführung rc. zur Verantwortung gezogen werden, selbst wenn sie außerdem als besonders bestellte Vertreter der Gesellschaft fungirt hätten, wohl aber die Erben der Gesellschafter, falls der Gesellschaftsvertrag die Fortdauer der Gesellschaft mit diesen stipulire), OT. 7. Juni 77, (Pl.) 9. Nov. 74 (O. XVIII, 369; XV, 753); Merkel s. 819. Hinsichtlich der zuletzt Genannten, d. h. hinsichtlich der vorerwähnten Vorstandsmitglieder vgl. jedoch § 214 der KO. und im Uebrigen die mit Einführung der KO. nicht außer Kraft getrete nen Art. 206. 249. 249 a des HGB.'s. Vgl. n. 22. 16. Die im Art. 10 des HGB.'s erwähnten „Höker rc." (vgl. n. 47ff.) sind „Kaufleute", insoweit bei ihnen die unter n. 1 a gedachte Begriffsbestimmung zu trifft; da sie jedoch von der Pflicht zur Buchführung entbunden sind, so gilt in Betreff ihrer (abgesehen von dem unter n. 58 Gesagten) dasselbe, was in Betreff der Nichtkaufleute gilt (n. 1). 17. Auf andere Personen als Kaufleute, z. B. auf Handelsmäkler, sind die Vorschriften der §§ 209 (Nr. 3. 4). 210 (Nr. 2. 3) der KO. nicht auszudehnen; vgl. n. 8; der nach dieser Richtung hin diöponirende § 262 des Pr. StGB.'s verlor mit Einführung des StGB.'s seine Kraft; vgl. EG. § 2 n. 22. 18. Der Begriff der „Zahlungseinstellung" ist lediglich aus der Reichs gesetzgebung (vgl. WO. Art. 29 Nr. 1; HGB. Art. 314 Nr. 1), nicht aus einem Landesgesetze zu erläutern; daher müssen ältere Entscheidungen des Pr. OT.'s, welche wesentlich auf der Begriffsbestimmung des § 113 der Pr. Konk.-O. beruhen, außer Betracht bleiben; contra: OT. 29. Mai 77 (GA. 25 s. 458). Die KO. enthält keine Definition des Begriffs. — Im Sinne des StGB.'s bzw. der KO. stellt ein
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Thl. II. Adschn. XXIV. Bankerutt. - [§ 281], KO. § 209.
Schuldner seine Zahlungen [besser: das Zahlen] ein, sobald er aushört, seine fälli gen Verbindlichkeiten zu erfüllen. Dazu genügt es nicht,. wenn eine einzelne fällige Zahlung aus einem auf das konkrete Rechtöverhältniß bezüglichen besonderen Grunde nicht geleistet wird, vielmehr muß die Erfüllung der fälligen Verbindlichkeiten über haupt (das Zahlen) eingestellt sein; ein solches kann aber aus der Nicht-Erfüllung einzelner Verpflichrungen gefolgert werden (so bei einem Kaufmanne aus der Nicht bezahlung des ersten fälligen Wechsels: RH. 11. Satt. 81, E. III, IVO); ebenso schließt die Berichtigung einzelner (zumal kleinerer) Schuldbeträge die „Zahlungseinstellung" nicht aus, wenn im klebrigen ihre Voraussetzungen vorliegen: Rill. 25. Okt. 7V (R. I, 18), OT. 15. Sept. 71, 11 Okt. 76, Manh. 8. Juli. 25. Nov. 76 (O. XII, 453; XVII, 649; BA. 42 s. 274; 43 s. 50). — In der Regel wird die Zahlungseinstellung auf einer wirklichen oder vermeintlichen oder auch nur fingirten Zahlungsun fähigkeit beruhen; unerläßliche Bedingung ist dies aber nicht, da das Gesetz nichts davon besagt; ebenso: eit. Manh. 25. Nov. 76, Münch. 3. Juli 85 (BE. III, 575); contra: OT. 3. Dez. 75 (StZ. VI, 22: fordert wirkliche, vermeintliche oder fingirte Zahlungsunfähigkeit); ähnlich (anscheinend): Rill. 22. Jan. 81 (E. III, 294), RI. 3. Nov. 79 (R. I, 31: besinnt die Zahlungseinstellung als die thatsächlich ausgeprägte Nichterfüllung der fälligen Verbindlichkeiten gegen andringende Gläubiger wegen Zahlungsunfähigkeit, scheint daher sogar stets wirkliche Zahlungsunfähigkeit zu fordern); ebenso: RII. 23. Okt.83 (E. IX, 161: sie liege vor, wenn der Schuld ner aus Unvermögen aufgehört habe, seine laufenden Verbindlichkeiten im Allge meinen zu erfüllen); vgl. KO. § 94 (: „Zahlungsunfähigkeit ist insbesondere anzu nehmen, wenn Zahlungseinstellung erfolgt ist") u. die Mot. z. KO. f. 1503. — Für den Begriff der Zahlungseinstellung ist es unwesentlich, ob der betr. Zustand ein dauernder sei; ein zeitweiliges Nicht-mehr-Zahlen genügt zur Erfüllung des That bestandes des Bankerutts: OT. 3. Juli 72 (O. XIII, 383); contra; HStR. II, 406, Schw. s. 709; vgl. Mot. z. KO. s. 322. 19. Aus dem Gesagten (n. 18) ergiebt sich, daß „Zahlungseinstellung" nicht gleichbedeutend ist mit Vermögeusunzulänglichkeit; eine solche kann vorhanden sein, ohne daß deshalb der Schuldner zu zahlen aufhört, z. B. wenn seine Schulden zur Zeit noch nicht fällig sind, oder wenn er noch soviel Kredit besitzt, um auch ohne Zahlung die Gläubiger der fälligen Schuld (zeitweilig z. B. durch Hingabe neuer Wechsel, oder durch Erlangung eines Zahlungsausstandes) zu be friedigen: RII. II. Jan. 81 (E. III. 190), OT. 19. Juli 71 (O. XII, 419). Umge kehrt kann auch bei völliger Suffizienz des Aktivvermögens eine „Zahlungsein stellung" erfolgen, z. B. wenn vorhandene Werthobjekte nicht sofort in Baar um zusehen sind (: eit. RII. 11. Jan. 81), oder wenn das Nichtzahlen lediglich in einer Unordnung der Geschäftsführung oder in der Fingirung einer Zahlungsunfähigkelt (bzw. in dem Nichtzahlenwollen: Rill. 22. Jan. 81, E. III, 294) seinen Grund hat. — Demgemäß ist die Annahme einer Zahlungseinstellung nicht dadurch bedingt, daß eine Exekutionsvollstreckung vergeblich versucht wurde (: OT. 15. Sept. 71, O. XII, 453), noch wird solche nothwendig dadurch ausgeschlossen, daß ein Gläubiger im Wege einer Zwangsvollstreckung seine Befriedigung erwirkt hat. 20. Ebenso ergiebt sich auS n. 18, daß die Annahme einer Zahlungseinstellung lveder durch die Erklärung des Schuldners: er sei insolvent (Münch. 9. Sept. 73, StZ. III, 73, OT. 3. Dez. 75, eit. n. 18), noch durch eine vorhergegangene oder nachfolgende Konkurseröffnung (Falliterklärung re.) bedingt ist; vgl. WO. Art. 29 Nr. 1, HGB. § 314 Nr. 1. Wohl aber kann in der Erklärung eines Schuld ners, seine Gläubiger nicht befriedigen zu können, verbunden mit dem Vorschlage eines Akkords, eine Zahlungseinstellung erblickt werden: Rill. 25. Okt. 79 (R. 1,18). — Der Strafrichter hat die Frage der Zahlungseinstellung selbständig zu prüfen, ohne an frühere eivilrechtliche Entscheidungen gebunden zu sein (StPO- § 261 Abs. 1): OT. 6. Dez. 66, 1. Nov. 72 (O. VII, 695; XIII, 579); er kann dieselben bejahen, selbst wenn der Civilrichter die Konkurseröffnung re. (gleichviel, aus welchem Grund) abgelehnt, oder die Zahlungseinstellung nicht als erwiesen betrachtet, wenn ein (außergerichtliches) Arrangement die Eröffnung des Konkurses re. abgewendet, oder wenn das eröffnete Konkurs- re. Verfahren durch Akkord (Konkordat, Ver gleich re.) seine Erledigung gefunden hat: OT. 27. Sept. 65 (O. VI, 232), Manh. 25. Nov. 76 (eit. n. 18). Ebenso ist eine vorhergegangene eivilrechtliche Entscheidung über den Zeitpunkt der erfolgten Zahlungseinstellung (KO. § 23) für den Straf-
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richter in keiner Weise maßgebend: OT. 14. Nov. 61 (O. II, 68); vgl. OT. 15. Sept., 11. Oft. 76 (ib. XVII, 564.649: betrafen die Handhabung des § 308 der Pr. Konk.-O.). Hiernach durfte früher der Strafrichter das Strafverfahren nicht aussehen, bis im Civilverfahren der Zustand der Zahlungseinstellung rc. festgestellt sei; vgl. jedoch jetzt StPO. § 261 Abs. 2. 21. Die Zahlungseinstellung ist nicht auf den Kreis der Kaufleute beschränkt; sie kann jedoch nach v. Sarwey s. 482 nur bei solchen Nichtkaufleuten vor kommen, welche wie z. B. Landwirthe, Viehzüchter, Bauunternehmer. Geschästsagenten in verschiedenen Kreditverhaltnissen stehen; vgl. übrigens n. 23. — Da, wo (noch jetzt) die Kaustnannseigenschaft ein Erforderniß des BankeruttS bildet (n. 1), ist es gleichgültig, ob die Zahlungseinstellung während des Betriebes des kauf männischen Geschäfts oder erst nach dessen Aufgebung eingetreten ist, vorausgesetzt, daß im letzteren Falle der Grund derselben wesentlich in früherer Ueberschuldung, bzw. tut Ausfalle der früherett Handelsspekulationen lag, und daß sie wegen solcher wahrend des kaufmännischen Geschäftsbetriebes entstatidener Schulden miterfolgte: Rill. 5. Mai. 21. Apr. 80, RII. 1. Apr. 81, Ri. 22. Nov. 86, OT. 21. Okt. 75 (E. 11, 50; IV, 41; XV, 64; R. I, 627;O. XVI, 685); contra: OT. 11. Febr. 74 (O. XV, 70); dabei macht es keinen Unterschied, wie viel Zeit seit Ausgabe des Geschäfts verstrichen ist; § 144 Nr. 1 der Pr. Konk.-O. fand hier schon früher keine Anwendung. Vgl. n. 18.31.32. 21a. Rechtsfähigkeit oder Dispositionsgewalt des Schuldners ist keine Voraussetzung der Zahlungseinstellung, ev. gilt die seitens des Vertreters erfolgende Zahlungseinstellung als solche des Schuldners selbst. Stellt daher der Ehemann die Zahlungen ein, weil er wegen Unzulänglichkeit der gemeinschaftlichen Zahlungsmittel außer Stande ist, die gemeinschaftlichen Verpflichtungen zu erfüllen, so liegt auch auf Seiten der Ehefrau Zahlungseinstellung vor; so: RII. 23. Okt. 83 (E. IX, 161). Vgl. n. 14 und in Betreff unzurechnungsfähiger Schuldner n. 24. 22. Eine Zahlungseinstellung erstreckt sich nothwendig auf die ganze vermögens rechtliche Lage; es ist unstatthaft, sie in Beziehung auf ein Geschäft anzunehmen mit) in Betreff eines anderen gleichzeitig betriebenen zu verneinen: OT. 18. Sept. 62 c. Stocks (beil.); ebensowenig darf sie auf die Handelsgeschäfte beschränkt werde»; contra: Dresd. 3. Juni 72 (StZ. II, 122). Vgl. Pr. EG. z. HGB. § 36, Pr. Konk.'O. §§ 1 ff.; KO. §§ lff. — Doch steht die Konkurseröffnung über das Vermögen einer offnen Handelsgesellschaft und jene über das Vermögen einzelner Gesellschafter rechtlich in feinem Zusammenhange; der als Gesellschafter wegen Bankerutts Be strafte kann daher wegen Bankerutts, verübt in seinem eignen, vom Gesellschastsbetriebe unabhängigen Handelsgeschäfte abermals verfolgt werden: Rl. 9. Juni 84 (E. XI, 5).
23. Gleiche Bedeutung für den Thatbestand des Bankerutts, wie die Zah lungseinstellung, hat die „Eröffnung des Konkurses" über das Vermögen des Schuldners. Die Thatsache der Konkurseröffnung genügt; ob der Eröffnungs beschluß (KO. § 100) mit Recht ergangen ist, entzieht sich der strafrichterlichen Prü fung. Wird jener Beschluß auf sofortige Beschwerde (KO. § 101) aufgehoben, so gilt die Konkurseröffnung als nicht erfolgt. — Hat sowohl eine Zahlungseinstellung als eine Konkurseröffnung stattgefunden, so ist für den Zeitpunkt der Vollendung des Bankerutts (n. 31) dasjenige jener Ereignisse maßgebend, welches sich zuerst zutrug; vgl. v. Sarwey f. 738. 24.. Die Zahlungseinstellung bzw. Konkurseröffnung ist in den durch die §§ 209. 210 der KO. vorgesehenen Fällen ein Begriffsmerkma l. welches der ausdrücklichen Feststellung bedarf; vgl. n. 14.47; § 210 n. 11; dagegen bildet sie keinen Theil des vom Gesetz für strafbar erachteten Handelns. Bei der Zahlungseinstellung rc. kommt nur der thatsächliche Zustand in Betracht, nicht wie er entstanden ist, und ob dabei dem Angeklagten ein Verschulden zur Last falle: OT. 6. April 64 c. Rosen feld, HStR. II, 408ff.; ebensowenig ist erforderlich, daß jene Einstellung rc. durch die in den §§ 209 ff. der KO. besonders hervorgehobenen Handlungen herbeigeführt sei: OT. 4. April 61, l.Juli 64. OA. 13. Nov. 68 (O. h 346; V, 42; IX, 365), Merkel s. 819. 824 (: es ist kaum denkbar, wie eine solche durch Verheimlichung der Handelsbücher herbeigeführt werden könnte); ein in dieser Beziehung angetretener Gegenbeweis ist unerheblich: OT. 15. Sept. 70 (O. XI, 455), HStR. 1. c., Seeger» GÄ. XX, 137. Aus demselben Grunde wird die Strafbarkeit des Bankerutts dadurch
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nicht ausgeschlossen, daß der Angeklagte zur Zeit der Zahlungseinstellung rc. un zurechnungsfähig war: OT. 12. Dez. 69 (O. X, 799); vgl. n. 32. — Hiernach ist die schwurgerichtliche Frage nicht dahin zu fassen, ob jener schuldig sei, seine Zah lungen eingestellt zu haben rc.: OT. 12. Febr. 74 (O. XV, 70). Durch Beibehal tung des hypothetischen Wortlauts deö Gesetzes (: „welcher----- eingestellt hat rc." und „deren Führung ihm gesetzlich oblag") wird das Vorhandensein der betreffen den Begriffsmerkmale der Prüfung der Geschworenen nicht entzogen: RF. 7. Sept. 80 (R. II, 207). Andererseits ist die veränderte Fassung „eingestellt hatte" statt „ein gestellt hat", für die Anwendbarkeit des § 209 bedeutungslos; vgl. n. 30 und das dort cit. Rlll. 15. Jan. 81. 24a. Eine Mehrheit von Gläubigern gehört nicht zu den unerläßlichen Voraussetzungen des Bankerutts; ebensowenig bedarf es eines Mißbrauchs des öffent lichen Kredits, zumal, seitdem die betr. Strafvorschriften nicht mehr ausschließlich wider Kaufleute gerichtet sind; contra: (früher) TL. s. 1008. 25. Zum Thatbestands des „betrüglichen" Bankerutts gehören außer den Erfordernissen des § nicht auch noch die Begriffsmerkmale des Betruges (§ 263): es bedarf weder der Absicht, sich oder einem Andern einen rechtswidrigen Ver mögensvortheil zu verschaffen (: OT. 4. April 55, Entsch. dess. 30 s. 365) noch einer eingetretenen Beschädigung des Vermögens der Gläubiger. Die Bezeichnung „betrüglicher Bankerutt" bezweckt nur, die hier vorgesehenen Fälle von denen des § 210 der KO. durch einen technischen Ausdruck zu unterscheiden. 26. § 209 erheischt für alle unter Nr. 1—4 aufgezählten Fälle die „Absicht" des Thäters, seine Gläubiger zu benachteiligen; das bloße Bewußtsein, es werde eine Benachtheiligung eintreten, genügt nicht; contra: Merkel s. 818. Anderer seits wird nicht erfordert, daß diese Absicht erreicht sei, die Strafbarkeit wird also dadurch nicht ausgeschlossen, daß die Gläubiger demnächst dennoch zu ihrer Befriedi gung gelangen; vgl. n. 25, OT. 20. Sept. 76 (O. XVII, 578: beit.). — Unter „seinen Gläubigern" sind die Gläubiger überhaupt zu verstehen (ohne Unterschied, ob deren Forderungen'aus Handelsgeschäften herrühren oder nicht); eine lediglich aus Benachtheiligung eines einzelnen Gläubigers gerichtete Absicht erfüllt den That bestand nicht, sofern nur der Gesammtheit der Gläubiger Nichts entzogen werden sollte. Dagegen ist jede Beeinträchtigung oder Verminderung der Konkursmasse als desjenigen Objekts, aus welchem die Gläubiger überhaupt, soweit möglich, ihre Be friedigung erhalten sollen, eine Benachtheiligung Aller: Münch. 28. Dez. 72 (BE. II, 307); eine hierauf gerichtete Absicht erfüllt den Dolus, selbst, wenn ein einzelner Gläubiger aus dem beseitigten Vermögensobjekte vorzugsweise Befriedigung fordern konnte, und die Absicht zunächst dahin ging, diesem Einzelgläubiger jenes Vorzugs recht zu entziehen (der nicht befriedigte Einzelgläubiger nimmt dann an der Vertheilung der Gesammtmasse Theil, so daß also auch die übrigen benachtheiligt werden). Inwiefern die unbefugte (auf Kosten der übrigen erfolgende) Befriedigung eines Einzelgläubigers durch den Cridar eine Benachtheiligung im Sinne des § darstelle, dar über vgl. n. 41. 27 Eine „Benachtheiligung der Gläubiger" liegt darin, wenn die Liquidirung der Masse oder die Flüssigmachung der Aktiva erschwert oder verzögert wird. Dasselbe gilt von einer zeitweiligen Vorenthaltung einzelner zur Masse gehöriger DermögenSstücke. 28. Die beabsichtigte Benachtheiligung muß mit der Zahlungseinstellung (Kon kurseröffnung) und der dadurch herbeigeführten Nichtbefriedigung der Gläubiger in Verbindung stehen. Deshalb ist jene Absicht wesentlich durch das Bewußtsein von der bereits eingetretenen oder bevorstehenden Zahlungseinstellung rc. bedingt: OT. 20. Nov. 67, 12. Febr. 74, Manh. 28. Jan. 76 (O. VIII, 738; XV, 70; BA. 44 s. 49). Merkel s. 819; vgl. n. 30—32. 29. Die Aufzählung der unter Nr. 1—4 vorgesehenen Einzelhandlungen. durch welche im Falle einer Zahlungseinstellung rc. der betrügliche Bankerutt be gangen wird, ist limitativ, die Ausdehnung auf andere ähnliche Fälle unstatthaft: OT. 14. Nov. 61 (O. II, 68). 30. Für den Thatbestand ist es gleichgültig, ob die Einzelhandlung vor oder nach der Zahlungseinstellung (Konkurseröffnung) stattgefunden hat, insoweit das eine oder andere thatsächlich möglich ist: Rill. 15. Jan. 81, OT. 17. Okt., 20. Nov. 67, Manh. 28. Jan. 76 (E. III, 250; O. VIII, 603. 738; BA. 44 s. 49: Fälle der
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Nr. 1), OT. 14. Nov. 61 (eit. n. 29: Fall der Nr. 2), OT. 22. Okt. 62 (O. III, 84: Fall der Nrn. 1. 2. 4); contra: Rubo s. 923; vgl. Dresd. 15. Sept. 73 (StZ. III, 375). Die unterlassene (ungenügende) Buchführung (Nr. 3.4) kann füglich der Zahlungseinstellung rc. nur vorhergehen. Doch ist erforderlich, daß jene Handlungen mit der Zahlungseinstellung in Verbindung stehen, d. h. mit bewußter Beziehung auf die Nichtbefriedigung der Gläubiger erfolgen: OT. 28. Zan. 75, Dresd. 4. Zar,., 25. Juni 75 (O. XVI, 90; StZ. VI, 19); vgl. n. 28. — Demgemäß ist auch die Strafbarkeit des Anstifters (Gehülfen) nicht durch die Kenntniß von einer bereits stattgehabten Zahlungseinstellung rc. bedingt; es genügt in dieser Beziehung das Bewußtsein desselben, daß eine Zahlungseinstellung rc. bevorstehe: Münch. 10. Febr. 81 (BE. I, 293), OT. 26. Mai 69 (O. X, 348); vgl. n. 28. 31. Die Vollendung des Verbrechens ist wesentlich dadurch bedingt, daß die Voraussetzungen des Thatbestandes in ihren Wirkungen zusammentreffen, insbeson dere die Zahlungseinstellung (Konkurseröffnung) mit den erheischten Handlungen; gehen diese der Zahlungseinstellung rc. vorher, so tritt Vollendung erst mit letzterer ein; es findet sonach das alsdann geltende Strafgesetz Anwendung; so: Rill. 29. Sept. 80 (E. II, 338), OT. 6. Dez. 72 (O. XIII, 647), Bind. HB. I, 246; vgl. § 2 n. 22. — Außerdem ist es im letzterwähnten Falle unerläßlich, daß die Folgen der Einzelhandlungen noch fortdauern; die Strafe des vollendeten Bankerutts bleibt daher außer Anwendung, wenn vor dem Eintritte der Zahlungseinstellung rc. die verheimlichten Vermögensstücke wieder herbeigeschafft, die Anerkennung rc. der fingirten Schulden wirkungslos gemacht, die verheimlichten Bücher wieder zum Vor schein gebracht sind: Rill. 2. April 81 (R. III, 190), OT- 14. Nov. 6l (O. II, 68), Merkel s. 820; ans demselben Grunde deckt die zur Zeit der Zahlungseinstellung rc. bestehende geordnete Buchführung die frühere unordentliche Buchführung, es sei denn, daß jene wegen ihres Zusammenhanges mit dieser eine Vermögensübersicht doch nicht gewährt; so (speziell in Betreff einer Anklage wegen einfachen Bankerutts): RI. 21. Nov. 81 (E. V, 415); vgl. jedoch KO. § 210 n. 12. — Hinsichtlich des Versuchs vgl. n. 36, hinsichtlich des Orts der That: § 3 n. 10. 32. Ebenso ist bei einer nach Vornahme der Einzelhandlung stattfindenden Zahlungseinstellung rc. ein Bankerutt im Sinne des § 209 Nr. 3. 4 oder des § 210 Nr. 2. 3 nur dann anzunehmen, wenn zur Zeit ihrer Verübung noch Schulden vorHanden waren, welche vor oder während des kaufmännischen Geschäftsbetriebes ent standen sind, nicht also aus der Zeit nach Aufgabe des Handelsgeschäfts herrühren; vgl. n. 21. 31, RII. 1. April 81 (E. IV, 41). 32a. Handlungen aus der Zeit nach vollständiger Beendigung des Konkursverfahrens fallen nicht unter die Vorschriften der §§ 209.210; so (in Betreff des § 210): Rill. 8. 15. Okt. 83 (E. IX, 134). Vgl. § 210 n. loa. 33. Ans dem unter n. 24 Ausgeführten folgt, daß, wenn Jemand sich meh rerer der im h 209 oder § 210 der KO. vorgesehenen (selbständigen) Handlungen, oder einer derselben wiederholt schuldig macht, Real-Konkurrenz vorliegt, ob gleich die vorhandene Zahlungseinstellung rc. für alle identisch ist (ebenso, wie die Eingehung mehrerer neuer Ehen Seitens eines Verheiratheten Real-Konkurrenz be gründet, obgleich das Begriffsmerkmal der bestehenden ersten Ehe bei allen identisch ist): Merkel s. 821, Habermaas, Id. Konk. s. 64; contra: Rill. 15. Nov. 79, 5. Juni, 29. Sept.. 3. Nov. 80, RF 7. Sept. 80, RII. 17. März 82 (E. I, 101; II, 338; R. 11, 32. 277. 437. 210; IV, 257), OT. 15. Juli 64, 7. Febr. 68, 6. Okt.. 9. April 74, 3. April 79 (O. V, 87; IX, 118; XV, 222. 613; XX, 193), 3. Dez. 75 (O. XVI, 770: nahm daher an, daß eine erst nach Vollendung einer der Einzelhandlungen geleistete Unterstützung nicht als Begünstigung (§ 257), sondern als Beihülfe zu bestrafen sei, wenn die weitere Einzelhandlung erst später unternommen worden), Manh. 28. Jan. 76 (eit. n. 30), Münch. 3. Juli 85 (BE. III, 575), BL. s. 553, GA. XVIII, 289, Hälschner ib. XVIII, 666, Schw. s. 712, Rüd. n. 5; vgl. n. 67. 68. 34. Ebenso sind die Fälle des einfachen Bankerutts einer- und des betrüglichen Bankerutts andererseits, sofern es sich dabei nicht um daffelbe positive oder negative äußere Verhalten handelt (wie in den Fällen des § 209 Nr. 3. 4 im Ver gleiche mit § 210 Nr. 2), von einander unabhängige selbständige Handlungen, welche eine Real-Konkurrenz begründen; es kann sonach Derjenige, welcher bereits wegen einfachen Bankerutts bestraft ist, demnächst noch wegen betrüglichen Bankerutts verfolgt werden: OT. (Pl.) 12. Mai 62, OT. 26. Juni 67, 16. Febr. 77, 14. März
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§
209.
1. Vermögensstücke verheimlicht oder bei Seite geschafft haben, 78 (O. II. 395; VIII, 404; XVIII, 141; XIX, 139), Dresd. 1. Sept. 73 (SGZ. XVII, 309), Habermaas, Zd. Äons. f. 64; contra-. RII 17. März 82, Rill. 22. Ja». 83 (E". VI, 94; R. V, 52), ML. s. 580, HStR- II, 417. Vgl. ferner Seeger GA. XX. 137ff. — Inwiefern Realkonkurrenz der in den §§ 209. 210 der KO. vorgesehenen Mißthaten mit der im §211 ib. vorgesehenen möglich sei, darüber vgl. §211 der KO.» n. 13. 35. Demgemäß (n. 33.34) sind verschiedene selbständige Handlungen, durch welche Jemand gegen eine der Nrn. 1—4 des § 209 oder der Nrn. 1—3 des § 210 verstößt, auch prozessualisch als verschiedene Straffälle zu behandeln, der Richter darf daher nur diejenige konkrete Handlung, zum Gegenstände seiner Entscheidung machen, mit welcher er durch die Anklage (den Eröffnungsbeschluß) befaßt ist; contra: Ri. 3. Nov. 84 (E. XI, 251), OT. 15. Juli 64 (dt. n. 33); ebenso wird nur in Betreff jeder Einzelhandlung eventuell die relative Rechtskraft wirksam: OT. 24. Febr. 70; contra: OA. 16. Febr. 70 (O. XI, 127. 99). 36. Ein Versuch des betrüglichen Bankerutts liegt vor, wenn der Schuldner nach erfolgter Zahlungseinstellung (Konkurseröffnung) mit der Ausführung einer der unter Nr. 1.2.4 vorgesehenen Handlungen beginnt, nicht minder dann, wenn er Gleiches im Hinblick auf eine erst bevorstehende, von ihm vorgesehene Zahlungs einstellung rc. thut (n. 28): OT. 17. Juli 59 (GA. VII, 496); die Strafbarkeit ist dann nicht durch den wirklichen Eintritt der Zahlungseinstellung rc. bedingt; z. B. wenn Zahlungsunfähigkeit nur fingirt werden sollte. Vgl. RI. 9. Nov. 85 (E. XIII, 41). Merkel s. 820 (fordert im letzteren Falle, daß die betr. Handlungen auf die Herbeiführung einer Zahlungseinstellung hinzielen). Contra: HStR. II, 411 (insofern er die Möglichkeit versuchter Aufstellung rc. erdichteter Schulden, — Nr. 2 — leugnet), Rubo s. 408. 926 (hält einen strafbaren Versuch für unmöglich). 37. Zn Betreff der Theilnahme gelten die allgemeinen Grundsätze; vgl. Mot. s. 134, § 48 n. 4. § 49 n. 13 und oben n. 13. § 212 der KO. steht dem nicht entgegen; vgl. n. 42, § 212 n. 2. Bez. des Dolus des Theilnehmers siehe n. 30. 38. Die Verjährung eines BankeruttS beginnt (nach § 67 Abs. 4) mit der Vollendung der Mißthat, also wenn die Einzelhandlung der Zahlungseinstellung (Konkurseröffnung) vorherging, erst mit dem Eintritte der letzteren: Rll. 15. Febr. 81, Rl 26. Juni 82 (E. III, 350; VII, 391: betr- die versäumte Bilanzziehung), OT. 1. Juli 64, 14. Dez. 70, 28. Sept. 76, 6. Febr. 77, 23. Jan. 78 (O. V, 42; XI, 598; XVII, 623; XVIII, 96; XIX, 31); vgl. n. 31. Anders verhält es sich mit einem vor der Zahlungseinstellung rr. verübten Versuche; vgl. n. 36. 38a. Ueber die Wirkung, welche die Eröffnung eines Strafverfahrens wegen betrüglichen Bankerutts auf die Schließung eines Zwangsvergleichs und die ergehende Verurtheilung auf einen geschlossenen Zwangsvergleich äußert, vgl. KO. §| 162. 183. 38b. In Betreff des Abs. 2 des § 209 vgl. §§ 32. 35 des StGB.'s.
Zu Nr. 1. 39. DaS „Verheimlichen" („Beiseiteschaffen") von Vermögensstücken seht eine Handlung voraus, welche (bewußter Weise) die Sache der Wahrnehmbar keit oder Erreichbarkeit für die Gläubiger in der Weise entzieht, daß denselben da durch die Geltendmachung ihrer Rechte, wenn auch nur zeitweilig, unmöglich ge macht, erschwert oder verzögert wird. Es bedarf nicht nothwendig einer Heimlichkeit der Handlung selbst oder einer Entfernung der Sache von ihrem bisherigen Orte; vgl. n. 40; contra: Dresd. 15. Sept. 73, 18. Oft. 78 (SGZ. 18 s. 51; 23 s. 99: inso fern sie zum „Beiseiteschaffen" eine Ortsveränderung und im Falle eines Verkaufs die Besitzergreifung des Käufers an den Kaufobjekten fordern). Auch die Verwen dung von Geldern zu unnöthigen Ausgaben oder zur Flucht kann unter diesen Begriff fallen, wenn dabei die im § vorausgesetzte Absicht obwaltete: OT. 2. Febr. 70 (O. XI. 66), Merkel s. 817; ebenso das Verschleudern (Verschenken) von Werthobjekten. — Es ist statthaft, die schwurgerichtliche Frage alternativ auf „ein Ver heimlichen oder Beiseiteschaffen" zu richten; vgl. n. 62. Mot. z. StPO. s. 199; Oppenh. Pr. Strafverf. s. 384, O. V, 87. Die kumulative Feststellung bildet keinen
Thl. II. Abschn. XXIV. Banker»«. — [§281], KO. §209.
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2. Schulden oder Rechtsgeschäfte anerkannt oder auf gestellt haben, welche ganz oder theilweise erdichtet sind, Nichtigkeitsgrund, zumal dieselbe Handlung beide Mer-kmale erfüllen kann: 91111. 15. Zan. 81 (E. III, 250). 40. Zu den „Vermögensstücken" gehören auch unbewegliche Sachen: auch sie können als zum Vermögen gehörig der Wahrnehmbarkeit entzogen werden (z. B. durch einen simulirten Verkauf); vgl. RII. 22. Juni 80, Dresd. 15. Sept. 73 (E. II, 118; SGZ. 18 s. 51: ersteres Erk. hält, in Widerspruch mit letzterem, bei Grundstücken sogar ein „Beiseiteschaffen", z. B. durch eine ernstlich gemeinte Veräußerung, bzw. Auflassung für möglich), HStR. II, 410; dasselbe gilt von Forderungen. Dagegen gehört das' Verschweigen einer Schuld nicht hierher. — Ausgeschlossen sind solche Vermögensstücke, welche nicht zur Konkursmasse gezogen werden können (durch ihre Verheimlichung rc. werden die Gläubiger nicht benach teiligt: Münch. 28. Dez. 72 (BE. II, 307), so die zur Kompetenz gehörigen Klei dungsstücke und die erst nach der Konkurseröffnung erworbenen Sachen: Sarwey s. 739. 41. Die Befriedigung eines einzelnen Gläubigers zum Nachtheile der übri gen (KO. § 211) gehört an sich hierher, wenn diese Benachtheiligung beabsichtigt war (n. 26); vgl. Darmst. 22. Juni 74 (HE. s. 29), Dresd. 17. Sept. 77 (SGZ. 22 s. 178); contra: Schütze f. 494, HStR. II, 422, Rubo n. 5. Da nun aber in der „Absicht, einen Gläubiger vor den übrigen zu begünstigen", schon die Absicht, die übrigen zu benachtheiligen, enthalten ist, jene Voraussetzung sonach in den Fällen des § 211 der KO. stets zutrifft, so liegt in solchen Fällen Gesetzeskonkurrenz (§ 73 n. 6/ vor und schließt daher hier § 211 als der speciellere den § 209 aus; so: 9111. 17. März 82 (E. VI, 94: ideelle Konkurrenz zwischen den Thatbeständen jener §§ sei nur dann vorhanden, bzw. möglich, wenn neben der Absicht, einzelne Gläubiger zu begünstigen, und unabhängig davon, noch die besondere Absicht obgewaltet habe, die Gläubigerschaft durch Beiseiteschaffen von Vermögensstücken zu benachtheiligen); ähnlich: Rill. 12. Juli 83 (R. V, 518: ein Fall der letzterwähnten Art, mithin ideelle Konkurrenz liege z. B. vor, wenn die Begünstigung eines Gläubigers, z. B. der Ehefrau, für den Schuldner das Mittel sein solle, um im Effekt für sich selbst einen Theil der Aktiva zu retten; ein anderer sei der, wo durch dieselbe einheitliche Hand lung dem Gläubiger Vermögensstücke zugewandt würden, welche seine Forderung, bzw. deren Werth überstiegen); vgl. OT. 3. Okt. 61 (O. 1,568: legte bereits dem mit § 211 im Wesentlichen übereinstimmenden § 308 der Pr. Konk.-O. eine ähnliche Wirkung, gegenüber der dem § 209 Nr. 1 der KO. entsprechenden Vorschrift des Pr. StGB.'s, bei); contra: HStR. 1. c. 42. Wenn ein Dritter im Interesse eines Schuldners, welcher seine Zah lungen eingestellt hatrc., Vermögensstücke deffelben verheimlicht rc., so kommt ledig lich § 212 der KO. zur Sprache, es sei denn, daß der Schuldner selbst des betrüglichen Bankerntts schuldig wäre, und jenes Verheimlichen rc. sich als Beihülfe zu dieser That darstelle; vgl. n. 37, § 212 n. 2.
Zu Nr. 2. 43. Die „Anerkennung" kann indirekt (z. B. durch ein Nichtbestreiten im Prozesse) erfolgen: OT. 14. Nov. 61 (O. II, 68). — Auch die Anerkennung einer bereits vor dem Beginne des kaufmännischen Geschäfts „erdichteten" Schuld fällt unter Nr. 2; ebenso die Anerkennnng einer älteren, durch eine frühere Zah lungseinstellung und demnächstigen Akkord oder in anderer Art getilgten Schuld: OT. 13. Jan. 65. Dresd. 4. Jan. 75 (O. V, 420; SGZ. XIX, 247), nicht aber diejenige einer solchen Schuld, deren Geltendmachung die Verjährungseinrede mit Erfolg entgegengesetzt werden könnte. — Desgleichen gehört die Anerkennung eines nicht begründeten Vorzugsrechts für eine an sich gegründete Schuld hierher: Dresd. 2. März 74 (StZ. IV, 196). 44. Die „Erdichtung", also die Nichtexistenz der Schuld muß erwiesen werden; dem Angeschuldigten liegt nicht der Beweis der Existenz ob: OT. 4. April 61 c. Pöttgen. Vgl. StPO. § 260. 45. Derjenige, welcher im Einverständnisse mit dem Cridar eine erdichtete
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Thl. H. Abschn. XXIV. Bankerutt. - [§ 281], KO. § 209.
3. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder Forderung als Gläubiger im Konkurse rc. anmeldet, kann Gehülfe an dem Bankerutte des Letzteren sein; außerdem kann in Jdeal-Konkurrenz § 212 Nr. 2 der KO. Anwendung finden; vgl. dort n. 2. Zu Nr. 3. 46. Zn Betreff der Nothwendigkeit der Buchführung sind die Vorschriften des HGB.'s maßgebend, welches (Art. 28) allgemein „jeden Kaufmann" für ver pflichtet erklärt, „Handelsbücher zu führen"; in Betreff einer Ausnahme vgl. n. 47ff. — Zene Pflicht liegt jedem persönlich haftenden Theilhaber an einem kauf männischen Geschäfte ob, sollte mid; bei der Arbeitsvertheilung ein Einzelner die Sorge für die Buchführung allein übernommen haben: RlV. 30. Apr. 86, OT. 30. Mai 76 (R. VIII, 331; O. XVII, 393: zum Mindesten den nicht ausdrücklich ge mäß Art. 99. 102 des HGB.'s von der Geschäftsführung ausgeschloßnen), OT. 23. Febr. 66 (O. VII, 124: selbst den so ausgeschloßnen), Dresd. 11. März 78 (SGZ. 22 s. 297h vgl. RI 25. Jan. 86 (E. XIII. 309: betr. den Zeitpunkt des Er löschens dieser Pflicht, wenn der Theilhaber einer offnen Handelsgesellschaft stiller Gesellschafter werde). Ebenso steht jeder Kaufmann für die Ordnungsmüßigkeit der Buchführung selbst dann ein. wenn er dieselbe einem Dritten übertragen hat: Rill. 17. Nov. 80 (R. II, 523), OT. 1. Juli 58, 27. Mai 59 (GA. VII, 569). Das gilt auch von einer Handel sfr au, welche in vorschriftsmäßiger Weise einen Pro kuristen bestellt hat. 47. Bon der Pflicht zur Buchführung (einschließlich der Bilanzziehung: n. 55, OT. 16. Mai 78, O. XIX, 261) sind nach Art. 10 des HGB.'s „Höker, Trödler, Hausirer und dergleichen Handelsleute von geringem Gewerbebetriebe, Wirthe, gewöhnliche Fuhrleute, gewöhnliche Schiffer, und Personen, deren Gewerbe nicht über den Umfang des Handwerksbetriebs hinausgeht", entbunden, obgleich auch diese Personen „Kaufleute"' sind (n. 16). Sie werden daher wohl Minderkaufleute im Gegensatz zu den Vollkaufleuten genannt. 48. Die Ausdrücke „Höker, Trödler, Hausirer" sind, soweit die Landesgesetzgebung von dem ihr im Art. 10 Abs. 1 des HGB.'s vorbehaltenen Rechte keinen Gebrauch gemacht hat, nicht aus der Spezialgesetzgebung des Einzelstaats, sondern nur aus der Bundesgesehgebung, also aus dem HGB. und der Gew.-O. sowie eventuell aus dem allgemeinen Sprachgebrauchs zu erläutern; vgl. OT. 10. Mai 67 (O. VIII, 312). Hiernach sind unter den aufgezählten Personen nur solche zu verstehen, welche mit angekauften, von ihnen im Wesentlichen unverarbeitet gelasse nen Waaren einen kleinen Detail-Handel zum Absätze an Konsumenten treiben, und unter Hökern insbesondere nur solche Händler, die mit ihren Waarenvorräthen auf Märkten, Straßen, unter Thorwegen rc. sitzen (hocken): RIV. 2. Dez. 87 (R. IX, 690); vgl. jedoch Rill. 16. Okt. 80 (R. II, 340: hielt es mit dem Begriffe „Höker" vereinbar, daß Jemand das Gewerbe eines solchen in größerem Umfange und in kaufmännischer Art betreibe). 49. Im cit. Art. 10 sind die Worte „von geringem Gewerbebetriebe" sprach lich nur auf „dergleichen Handelsleute", nicht auch auf die zuvor speziell aufgezählten „Höker rc." zu beziehen. Es ist daher nicht zwischen Hökern rc. von geringem und solchen von größerem Gewerbebetriebe zu unterscheiden, vielmehr sind alle Höker rc. zur Buchführung rc. nicht verpflichtet; die Größe ihres Gewerbebe triebes ist daher nur insoweit von Einfluß, als es auf diese bei Entscheidung der Frage ankommt, ob sie überhaupt als Höker rc. anzusehen sind (n. 48); vgl. Rill. 16. Okt. 80 (cit. n. 48); contra: OT. 25. Jan. 67 (cit. ib). Dagegen entbindet der Umstand, daß Jemand neben anderem Handel auch Trödelhandel rc. treibt, jenen nicht allgemein von der Pflicht der Buchführung: RIV. 30. Jan. 85 (R. VII, 65), Manh. 24. März 77 (BA. 43 s. 125); vgl. n. 53 a. 50. Nur diejenigen „Handelsleute von geringem Gewerbebetriebe" sind von der Pflicht der Buchführung entbunden, welche einen den Geschäften der Höker rc. ähnlichen („dergleichen") Handel treiben: Rill. 30. April 81, Ri. 28. März. 21. Nov. 81 (E. IV, 119. 281; R. Iir, 720), OT. 8. Mürz 67. 22. Jan. 69, Manh. 21. Dez. 78 (O. VIII, 160; X, 46; BA. 44 s. 359). Es wird daher auch
Thl. II. Abschn. XXIV.
Bankerutt. - [§ 881], KO. § 209.
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bei diesen Personen ein kleiner Detailhandel vorausgesetzt, bei welchem die gekauften Waaren an die Konsumenten abgesetzt werden, ohne daß sie in der Zwischenzeit eine wesentliche Veränderung erfahren hätten; vgl. n. 48. Im Uebrigen kommt auf die Natur des Geschäfts (die Art der Waare tc.) Nichts an. Ob ein Gewerbe betrieb ein „geringer" gewesen, ist vom Jnstanzrichter selbständig nach dem Umfange der betriebenen Geschäfte (bzw. nach der Höhe des Umsatzes und nach der Bedeutung sowie den Verhältnissen des Orts, wo das Geschäft betrieben wurde: Manh. 10. Nov. 77, BA. 43 s. 345; id. 21. Dez. 78 cit.) zu prüfen. Er ist da bei an frühere in Betreff derselben Geschäftsführung ergangene civilrechtliche Ent scheidungen nicht gebunden (StPO. § 261); vgl. OT. 16. Mai 78 (C. XIX, 261. Gleichwenig sind der gezahlte Steuersatz, der Umstand, daß der Betreffende früher in das Handels- (Firmen-) Register eingetragen war, und die Eröffnung des kauf männischen Konkurses maßgebend: OT. 19. Juni 67, 17. Febr. 71, 8. Mai 73 (O. VIII, 378); XII, 104; XIV, 350). Letzteres gilt jedoch nur vorbehaltlich der be sonderen Bestimmungen, welche von den einzelnen Landesgesehgebungen auf Grund des Art. 10 des HGB.'s behufs genauerer Feststellung der dort aufgezählten Klassen getroffen und zumeist in den verschiedenen Einf.-Gess. z. HGB. enthalten sind; vgl. Rill. 16. Okt. 80 (R. II, 339). — Wird ein Verkaufsgeschäft zugleich als Hansir2C. und als Ladengeschäft betrieben, so ist zur Entscheidung darüber, ob nach Art und Umfang desselben der cit. Art. 10 Anwendung finde, das Geschäft in seiner Totalität in's Auge zu fassen: Rll. 17. Seht. 86 (R. VIII, 541). — Setzt ein Kauf mann nach erfolgter Zahlungseinstellung bzw. Konkurseröffnung und demuächstiger Erlangung eines Akkords sein Geschäft fort, so richtet sich die Pflicht der Buch führung rc. nach dem Umfange des neuen Geschäftsbetriebes, nicht nach dem des früheren, sollten auch aus diesen! die Aktiva und die Akkordschuld in daö neue Ge schäft übernommen sein: OT. 23. Nov. 70 (O. XI, 561). 51. Zu den im cit. Art. 10 genannten Personen (n. 47) gehören Wirthe aller Art, also auch große Gasthofsbesiher und Restaurateure: Ri. 28. März 81 "(cit n. 50), OT. 30. Nov. 64, 8. März. 11. Dez. 67 (O. V, 311; VIII, 160. 788); nicht aber Delikatessenhändler: Wolfenb. 27. Juni 73 (StZ. III, 228). Bei der Berathung wurde dem vorgeschlagenen Worte „Schenkwirthe" später der generelle Ausdruck „Wirthe" substituirt. Ist mit bent Wirthschaftsbetriebe ein anderes kaufmännisches Geschäft, z. B. ein Delikatessenhandel (Wein-, Cigarrengeschäft), verbunden, so nluß die wegen des letztern erforderliche Buchführung auch die Wirthschaftsge schäfte mit umfassen; so: cit. Wolfenb.; vgl. n. 50. 53n, OT. 1. Aug. 70 (O. XI, 339). 52. Als „gewöhnliche Fuhrleute und Schiffer" sind diejenigen zu be trachten, welche einen geringfügigen, nicht kaufmännisch eingerichteten Geschäftsbetrieb haben; dagegen ist es gleichgültig, ob die letzteren mit eigenen oder mit gemietheten Schiffen die Frachtschifffahrt betreiben; Prot. z. HGB. s. 533. 1275 ff. — Dresd. 16. Nov. 74 (StZ. V, 140) zählte dahin Schiffer, welche Steinhandel von ge ringem Umfange betreiben, indem sie Steine aufkaufen, verschiffen und weiter ver kaufen. 53. Die Frage, ob ein Gewerbe über „den Umfang des Handwerksbe triebs hinausgehe", kann nur bei solchen Geschäften aufgeworfen werden, welche in der Bearbeitung oder Verarbeitung beweglicher Sachen (vgl. HGB. Art. 271 Nr. 1; 272 Nr. 1) bestehen. Werden angeschaffte Sachen in unveränderter Gestalt wieder verkauft, so tritt eine Befreiung von der Buchführung nur dann ein, wenn die oben unter ». 48—52 erwähnten Voraussetzungen zutreffen. Bei Beurtheilung obiger Frage kommt dagegen weniger die Abgrenzung vom Kaufmännischen, als die jenige vom Fabrik bet rieb in Betracht, es entscheiden nicht sowohl die Art und der Umfang des Absatzes (sowie die zum Eröffnen von Absatzquellen unternommenen Geschäftsreisen) als die Art und der Umfang der Herstellung, die Art der hierzu benutzten gewerblichen Hülfsmittel (Maschinen oder Werkzeuge), die Qualität, nach Befinden auch die Zahl der beschäftigten Arbeiter, der Grad der Ausnuhnng der Arbeitstheilung, die Beschaffenheit der eigenen Arbeitsleistung des Gewerbsunternehmers, die Größe der Anlage und ähnliche Verhältnisse sz. B. der für das Ge schäft in Anspruch genommene Credit und damit verbundene Wechselverkehr ic.]: Rill. 17. April 80. 2. Juli 83, Ri. 12. April 83 (E. I, 379; R. V, 488. 233), OT. 23. Jan. 67 (O. VIII, 46), Goldschmidt, HR. I § 46a. Keinesfalls ist der Oppenboff, T. TN'.ifgesetzl'uch.
11.
dtufl.
46
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Thl. II. Abschn. XXIV.
Bankerutt.
[§281], KO. § 209.
Umstand, ob maschinelle Vorrichtungen benutzt sind, allein entscheidend: RIV. 19. Febr. 86 (R. VIII, 127). Ebensowenig entscheiden auch hier die gezahlte Steuer und der Umstand, ob der Angeschuldigte in das Handelsregister eingetragen war (n. 50): OT. 13. Juni 67 (D. VIII, 368), sofern nicht die auf Grmid des Art. 10 des HGB.'s ergangenen Landesgesetze (n. 50) das Gegentheil bestimmen; vgl. cit. Rill. 17. Apr. 80. Völlig unerheblich ist es, ob der Betrieb von vorneherein als ein über den Umfang des Handwerks hinausgehender beabsichtigt war oder erst später eine solche Ausdehnung erlangt hat: cit. RIV. 19. Febr. 86. 53a. Betreibt ein Kaufmann (an einem anderen Orte) ein Nebengeschäft, welches, für sich allein betrachtet, keine Buchführung erfordert (n. 47ff.), so mutz zum mindestens die Buchführung über das Hauptgeschäft die Einwirkung jenes Neben geschäfts auf die gesammte Vermögenslage erkennen lassen: Rill. 1. Febr. 82 (E. V, 407); vgl. n. 51. 54. Nach den unter n. 36—53 entwickelten Grundsätzen ist die Pflicht zur Buchführung auch bei solchen Kaufleuten zu beurtheilen, welche ihr Geschäft bereits vor Einführung des HGB.'s begonnen hatten, und zwar selbst dann, wenn der betr. Geschäftsbetrieb ihnen damals noch nicht die Eigenschaft eines Kaufmanns bei legte: OT. 27. Mai 65. 21. Mürz 67 (O. VI, 153; VIII, 196). 55. Der Ausdruck „Handelsbücher" bedeutet in den Nrn. 3.4 und im § 210 ib. lediglich dasselbe was das HGB. in den Artt. 28. 32 unter diesem Ausdrucke im Auge hat: Rll. 9. April 80 (R. I, 562). Er umfaßt daher auch das von dem Kaufmann beim Beginn seines Gewerbebetriebes und später periodisch aufzunehmende Vermögensverzeichniß (Inventar und Bilanz); vgl. HGB. Art. 29ff., welche diese Aufzeichnungen in erster Linie in dem von den „Handelsbüchern" handelnden Tit. 4 des 1. Buchs aufzählen; das Gegentheil ist nicht daraus zu folgern, daß das HGB. gelegentlich (z. B. im Art. 33- die Bilanz neben den Handels büchern nennt, und daß § 210 Nr. 3 die Unterlassung der rechtzeitigen Ziehung der Bilanz noch neben der Unterlassung der Buchführung für strafbar erklärt: Rill. 17. Nov. 80, RI. 18. Febr. 85 (R. II, 523; E. XIII, 354), OT. 7. Nov. 66. 18. Juli 72, 8. Febr. 76 (O. VII, 608; XIII, 429; XVII, 96); vgl. n. 56. 57, cit. § 210 n. 16 ff. — Ein Inventar (eine Eröffnungsbilanz) ist selbst dann aufzunehmen, wenn Jemand ein bisher von einer offnen Handelsgesellschaft betriebenes Geschäft, an welchem er als Gesellschafter betheiligt war, ganz erwirbt und von da ab untereigner Firma führt: Rill. 28. Febr., 7. März 87 (K. XVI, 55). — Inventar und Bilanz müssen schriftlich aufgestellt und unterschrieben werden: HGB. Art. 29.30; ein Ziehen der Bilanz im Kopfe genügt nicht: OT. 21. Okt. 57 c. Lange; vgl. Pr. Konk.°O. § 116. Ebensowenig genügen ununterschriebene Zusammenstellungen: OT. 23. Jan. 78 (O. XIX, 31), noch Zusammenstellungen auf losen nicht chronologisch geordneten Blättern: Dresd. 11. März 78 (SGZ. 22 s. 257). Die Bilanz wird auch nicht durch einen Abschluß der übrigen Conti ersetzt: OT. 2. Juli 58 (Entsch. dess. 39 s. 345). Dagegen ist eine wirklich gezogene Bilanz wegen des bloßen Mangels der Unterschrift nicht nothwendig als nichtig und nicht vorhanden anzu sehen; vgl. KO. § 210 n. 16a. Im Uebr. vgl. KO. § 210 n. 16 ff. 56. Abgesehen von den das Inventar und die Bilanz betreffenden Vorschriften hat das HGB. absichtlich in Betreff der Zahl und der Gattung der zu führen den Handelsbücher Nichts bestimmt, „weil sich jene nach der Natur und der Aus dehnung des betriebenen Geschäfts richten müßten". Demgemäß sind unter den „Büchern, deren Führung dem Kaufmanne gesetzlich obliegt", diejenigen zu verstehen, welche nach kaufmännischen Grundsätzen für das konkrete Geschäft erforder lich sind, um den nöthigen Ueberblick über dasselbe zu behalten; vgl. Mot. z. HGB. s. 20. Das gilt z. B. von einem Briefkopirbuch (zur Eintragung aller abgesendeten Handelsbriefe); vgl. Rill. 16. Okt. 84 (E. XI, 161: rechnet das Kopirbuch sogar unbedingt zu den Handelsbüchern, deren Führung dem Kaufmann gesetzlich obliege); contra: Jena (StZ. I, 305); vgl. jedoch n. 57; ebenso von der Aufbewahrung der empfangenen Handelsbriefe: bedurfte es derselben mit Rücksicht auf die Natur des Geschäfts, so sind auch diese gesummten Briefe als ein „Handelsbuch" anzusehen; vgl. RIV. 15. Jan. 86 (R. VIII, 60: Mot.) ; contra: OT. 23. Jan. 78 (cit. n. 55). Ein Kassenbuch und ein Wechselkopirbuch sind nicht unerläßlich: Rill. 21. Dez. 82 (A. VII, 135). Das sog. Beibuch ist kein Handelsbuch im Sinne des HGB.'s: OHG. 21. Okt. 74 (Entsch. dess. XIV, 260). Dasselbe gilt von bloßen Notizbüchern.
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4. ihre Handelsbücher vernichtet oder verheimlicht oder so geführt oder verändert haben, dass dieselben keine Uebersicht des Vermögenszustandes gewähren. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnissstrafe nicht unter drei Monaten ein. [I. Entw.: § 255; II. Entw.: § 276; Pr. StGB.: § 259.] Vgl. §§ 32. 35; EG. §2 Abs. 3; HGB. Artt. 4. 10. 28-40; 314 Nr. 1; B.-EG. z.HGB. v. 5.Juni 1869 § 2; KO. §§ 210ff.. 23.162. 183; EG. z. KO. § 3. Preußen: Vgl. EG. z. Pr. StGB. Art. XII Nr. 2; Crim.-O. §§ 201. 356; Konk.-O. v. 8. Mai 1855 §§ 113. 114. 307—309. 322. 340. 341. indem diese nur die Grundlage für die Eintragungen in die Handelsbücher enthal ten: RII. 9. April 80 (R. I, 562); vgl. Rill. 14. Mai 81 (ib. III, 304). — Die Vorschriften eines (vor Einführung des HGB.'s) bestätigten Kaufmannsstatuts können hier keine Berücksichtigung finden: ÖT. 19. Zuni 67 (O. VIII, 378); eben sowenig etwaige bei einzelnen Kategorien von Kaufleuten bestehende Gebräuche; dem gemäß ersetzen z. B. lose, nach Art des Hauptbuchs in Soll und Haben eingerich tete und alphabetisch geordnete Zettel über das Rechtsverhältniß eines Buchhändlers mit den einzelnen Verlegern nicht ein gebundenes und paginirtes Hauptbuch, wenn diese Einrichtung auch beim Buchhandel üblich sein sollte: RI. 16. Apr. 88 c. V. 57. § 209 Nr. 3 und die erste Alternative des § 210 Nr. 2 greifen nur dann Platz, wenn der Fallit Handelsbücher überhaupt mit) nicht etwa blos ein einzelnes derselben, z. B. das Briefkopirbuch, zu führen unterlassen hat: RPl. 9. Zan. 86, RIV. 3. Okt. 84. Rill. 16. Oft. 84 (E. XIII, 235; XI, 142. 161: speziell die erste Altern, des § 210 Nr. 2), OT. 23. Jan. 78 (eil. n. 55); contra: OT. 3. April 79 (O. XX, 193: erkannte, daß die im § 209 Nr. 3. 4 enthaltenen Merkmale sich nicht gegenseitig ausschlössen, daß vielmehr neben unterlassener Buchführung zugleich un ordentliche angenommen werden könne).
Zu Nr. 4. 58. Diese Nr. sieht von der Voraussetzung der Nr. 3: „daß die Führung der Bücher gesetzlich oblag", ab; die in der Absicht, die Gläubiger zu benachtheiligen, vorgenommene Vernichtung rc. der Bücher (n. 55. 56) fällt selbst dann unter die Strafvorschrift. wenn es der Führung derselben nicht bedurfte (Beisp.: ein Höker ic.: n. 47): OT. 4. April 55 (Entsch. dess. 30 s. 365), HStR. II, 411, Merkel s. 818; contra: Dresd. 17. März 73 (SGZ. XVII, 118), Schütze s. 493ff. Immerhin muß aber der Thäter ein Kaufmann (im weitern Sinne des Worts) sein, da bei Nicht kaufleuten von Führung der „Handelsbücher" keine Rede ist. 59. Als „Vernichtung" eines Buchs ist eö nicht anzusehen, wenn dasselbe sofort durch eine wortgetreue Abschrift erseht und diese fortgeführt ist; vgl. OT. 10. Mai 72 (O. XIII, 298); vgl. aber n. 65. 60. Nach Art. 33 des HGB.'s soll der Kaufmann die geführten Bücher zehn Jahre lang aufbewahren; auch nach dem Ablaufe dieser Frist wäre eine in der Absicht, die Gläubiger zu benachtheiligen, bewirkte Vernichtung strafbar; vgl. jedoch n. 32a. 61. In Betreff des Begriffs der „Verheimlichung" vgl. n. 40. 41; auch hier genügt ein temporäres Vorenthalten; vgl. OT. 8. Juni 59 e. Katzer. 82. Alternative Befragung der Geschworenen: ob der Angeklagte seine Bücher vernichtet oder verheimlicht habe, ist statthaft: OT. 15. Sept. 58 c. Schlesinger; vgl. n. 39, Mot. z. StPO. s. 199, Löwe f. 560. 63. Die Bücher sollen ordentlich, d. h. so geführt werden, daß sie „eine Uebersicht des Vermögensstandes gewähren; vgl. § 210 n. 14. Diese Eigen schaft muß den Büchern objektiv beiwohnen, so daß nicht blos der sie Führende, sondern auch jeder sachverständige Dritte aus ihnen (ohne Beihülfe) jene Uebersicht gewinnen kann: Rill. 30. April 81 (E. IV, 119), OT. 30. Juni 71 (O. XII, 358: betr. die jährlich zu ziehende Bilanz). Solches ist nicht der Fall, wenn die Ueber sicht erst auf Grund besonderer, außerhalb des Inhalts der Bücher liegender Er gänzungen sich gewinnen läßt; so: Dresd. 20. Dez. 75 (SGZ. XX, 257). Dagegen
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Thl. II. Abschn. XXIV. Bankerntt. — [§ 281], KO. § 209.
wird zur Ausschließung des Thatbestandes eine eigentliche Uebersichtlichkeit nicht erfordert, es genügt daher zur Anwendung der betr. Strafvorschriften nicht, wenn die Uebersicht bloö erschwert (und die abstrakte Möglichkeit vorgefallener, durch die Bücher nicht aufzudeckender Versehen gegeben) ist: Rill. 30., 23. Okt. 80 (R. II, 417. 376). Selbst wirkliche Irrthümer in den Buchungen kommen nur dann in Betracht, wenn sie für die Uebersicht des Vermögensstands von Erheblichkeit sind: Rill. 17. Nov. 80 (R. II, 523). Demgemäß liegt einer der hier fraglichen Fülle nur da vor, wo aus den Büchern entweder gar keine oder nur eine ungenaue, unklare, im* richtige Uebersicht gewonnen werden kann, vorausgesetzt im letzteren Falle, daß die Unvollständigkeit oder Unrichtigkeit und Ungenauigkeit für die Klarstellung der ge summten Vermögenslage von Bedeutung ist, oder wo die Ueberwindung der Schwie rigkeiten selbst für Sachverständige nur mit Aufwendung besonderer und unverhältnißmäßiger Mühe möglich erscheint: cit. Rill. 30. Okt. 80; vgl. cit. Dresd. 20. Dez. 75; contra: OT. 18. Juni 70 (O. XI, 369: es reiche schon hin, wenn die Bücher zwar das ganze geschäftliche Material enthielten, aber nicht in kaufmännisch geordneter Weise). Genügt die Gesammtheit der geführten Bücher jenem Erfordernisse, so bleibt die Nichtsührung oder unordentliche Führung eines sonst erforderlichen Buches straflos: ein solcher Mangel kann durch die genauere rc. Führung der übrigen Bücher ersetzt werden; vgl. cit. Rill. 17. Nov. 80, RI. 13. Juli 85 (R. VII, 492), OT. 10. Mai 72 (O. XIII. 298). 64. Die durch die Bücher (Inventar, Bilanz rc.) zu gewährende „Uebersicht" muß die ganze „Vermögenslage" umfassen; die Buchführung darf sich daher nicht auf die Handelsgeschäfte oder'einen Theil derselben beschränken, muß sich viel mehr auf alle (auch die Privat-) Geschäfte (aller persönlich haftender Geschäftstheil haber) erstrecken, welche auf die Vermögenslage von Einfluß sein können: OT. 4, Juni 68, 25. Apr. 72 (O. X, 398: XIII, 273); contra: OT. 18. Mai 66 (O. VII, 306: betr. eine Bilanz). — Alle Kommissions- und Gefälligkeits- Wechselgeschäfte sind aufzunehmen. 65. Abgesehen von den die Aufstellung des Inventars und die alljährliche Ziehung der Bilanz betreffenden Vorschriften (vgl. § 210 Nr. 3) enthält das HGB. in Betreff der Zeit, innerhalb deren die Buchführung zu bewirken ist, keine Vor schriften; auch hier kommt sonach Alles auf das durch die Natur und den Umfang des Geschäfts bedingte Bedürfniß an (: ob durch die Verzögerung die erforderliche unausgesetzte Uebersicht über die Vermögenslage beeinträchtigt werde). 66. Das Inventar und die Bilanz muffen den Werth der vorhandenen Vermögensstücke (zweifelhafte Forderungen nach ihrem präsumtiven Werthe), sämmt liche Schulden (nicht blos die Handelsschulden) aller Geschäftstheilhaber (contra: OT. 18. Mai 66, O. VII, 306) angeben und einen das Verhältniß der Aktiv- zn der Passiv-Maffe darstellenden Abschluß enthalten: HGB. Artt. 29. 31. 239a; OT. 5. Okt. 70 (O. XI, 495). Gefälligkeitsaccepte (Giros) sind im Passivum nach ihrem vollen, im Aktivum nach ihrem präsumtiven Werthe aufzuführen: OT 17. Juli 63 (O. IV, 14); vgl. RHI. 14. Mai 82 (R. III, 304; betr. einen sog. Sicherheits- oder Depotwechsel). 67. Die Bilanz soll eine Uebersicht der Vermögenslage auf Grund der ge führten Bücher gewähren; ist daher die Bilanz nur deßhalb unrichtig, weil jene Bücher unordentlich geführt waren, stellt sie also das nach den letzteren sich erge bende Resultat richtig dar, so kann nur wegen der ungenügenden Führung der übrigen .Bücher, bzw. der Buchführung im 'Ganzen, nicht wegen unterlassener Ziehung einer gehörigen Bilanz gestraft werden: OT. 7. Febr. 68, 30. Juni 71 (O. IX, 118j XII, 358). Dagegen schließt die Bestrafung der unordentlichen Fühnmg der übngen Bücher eine' gleichzeitige Bestrafung wegen gänzlicher Unterlassung der Bilanzziehnng (§ 210 Nr. 3) nicht aus: OT. 17. Febr. 71 (O. XII, 104); vgl. n. 33ff. 68. Im Falle der mangelhaften rc. Buchführung liegt das Strafbare in der Nichtbefolgung der gesetzlichen Vorschrift, welche dem Kaufmann die Führung über sichtlicher rc. Bücher zur Pflicht macht; demgemäß bildet eine fortgesetzte schlechte Buchführung, bzw. eine wiederholte Veränderung der Bücher doch nur einen ein zigen Straffall. Dagegen begründet die wiederholte (selbständige) Vernichtung (Verheimlichung) der geführten Bücher Realkonknrrenz; vgl. n. 33—35.
Thl. II. Abschii. XXIV. Bankerutt. — [§ 283], KO. z 210.
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§ 310* Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder Uber deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden wegen einfachen Bankerutts mit Gefängniss bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie § 210 der KO. 1. Die Fassung des § weicht von derjenigen des.tz 283 des StGB.'s in der selben Weise ab, wie die Fassung des § 209 von derjenigen des § 281 des StGB.'s. Auch hier hat die Ausdehnung der Bestimmung auf Nicht-Kaufleute keine alle Nrn. des § umfassende Bedeutung; sie bezieht sich vielmehr nur auf die Nr. 1; um dies bezüglich der Nr. 3 noch deutlicher zum Ausdruck zu bringen, sind in jener Nr. vor „unterlassen haben" die Worte: „gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs" eingeschaltet worden. Zm Uebr. vgl. hinsichtlich des Verhältnisses der Bestimmungen der KO. zu denen des § 283 oben § 209 n. 1. 13. la. Auch sonst sind die Bemerkungen zu § 209 zu vergleichen; insbesondere in Betreff der Voraussetzungen eines „Kaufmanns" n. 1—17, der „Zahlungs ei nstellung" n. 18—24, der Zeit der Begehung der Einzelhandlungen n. 30—32a, und der Verjährung n. 38. 1 b. Desgleichen in Betreff der Konkurrenz mehrerer Einzelhandlungen; vgl. § 209 n. 33 ff. 67. 68. Keinesfalls steht die Verurtheilung der Mitglieder einer in Konkurs gerathenen offenen Handelsgesellschaft wegen Bankerutts der weiteren Ver folgung eines solchen Mitglieds aus § 210 Nr. 1—3 entgegen, wenn es sich um dessen Privatvermögen handelt, und über dieses gleichfalls ein (selbständiges) Konkursver fahren eröffnet worden ist: Rill. 9. Juni 84 (E. XI, 5). 2. Der Thatbestand des einfachen Bankerutts erfordert weder Vorsatz (Dolus) noch Fahrlässigkeit im technischen Sinne; gleichwohl ist letzterer kein reines Formaldelikt, sondern sehr stets ein subjektives Verschulden voraus, welches sich eben in den unter Nr. 1—3 erwähnten Einzelhandlungen kund geben soll; diese begründen eine gesetzliche (durch Gegenbeweis zu entkräftende) Vermnthnng für einen die Rechte der Gläubiger gefährdenden und darum strafbaren Leichtsinn. Vgl. RPl. 9. Jan. 86 RI. 18. Febr. 86, Rill. 5. Apr. 86, RlV. 4. Jan. 87, RII. 1. Nov. 87 (E. XIII, 235.354; XIV, 80; K. IX, 5. 546). Es bedarf deshalb auch nicht deS weiteren Nachweises einer besonderen Fahrlässigkeit: Rill. 17. Sept. 81 (E. IV, 418), OT. ll.Okt. 71. 6. Dez. 72. 10. Sept. 73, 13. Okt. 76 (O. XII. 508; XIII, 647; XIV, 523; XVII, G62), HStN. 11,414; vgl. jedoch citt. RPl. 9. Jan. 86, Ri. 18. Febr. 86, (Mot.). Selbst eine rechtsirrthümliche Auffassung in Betreff der Pflicht zur Buchführung oder Bilanzziehung bzw. die Unkenntniß oder irrige Auslegung der betr. handelsgesehlichen Vorschriften schließt die Bestrafnng nicht aus: Rill. 1. Febr. 82, 11. Sum 83, Ri 8. Febr. 83, RlV. 19. Febr. 86. RII. 4. Juni 86 (E. V, 407; VIII, 147; R. V, 425; VIII, 127. 421), dt. OT. 13. Okt. 76; contra: Rill. 13. März 80 (R. I, 467: betraf die Auslegung des Art. 29 Abs. 2 des HGB.'s; ein desfallsiger Irrthum könne unter Umständen entschuldbar sein), HStR. 1. c. Das Gegentheil gilt von faktischen Irrthümern, insbesondere solchen über Thalumstände, welche die Eigenschaft des Angeklagten als Voll- oder Minderkaufmanns (Höker's rc.) bedingten, speciell über die Art oder den Umfang des eignen Geschäftsbetriebs: cit. Rill. 1. Febr., 11. Jan. 82 (R. IV, 35), OT. 20. April'76 (O. XVII, 275), sofern der Irr thum bzw. die Unkenntnis nicht durch pflichtwidrige Unterlassung der aufzuwendenden Sorgfalt, mithin eben durch Fahrlässigkeit verschuldet ist (§59 Abs. 2): Rill. 28. Jan. 82 (R. IV, 92), während das Bewußtsein des übermäßigen Aufwands oder der Uebermäßigkeit deS VerlustS beim Differenzhandel (Nr. 1) nie gefordert wird: citt. RII. 1. Nov. 87, Rill. 5. Apr. 86; vgl. jedoch cit. RlV. 4. Jan. 87 (: Mot.). 3. Ebensowenig bedarf es eines Kausalzusammenhangs zwischen den einzelnen Thatbestandsmomenten: Rill. 28. Jan. 82 (R. IV, 92), speziell zwischen der Zahlungseinstellung rc. und dem Anfwande rc. (Nr. 1); vgl. KO. § 209 n. 24, oder zwischen jener und der unterlassenen rc. Buchführung bzw. Bilanzziehung (Nr. 2. 3): RII. 15. Febr. 81, 17. Jan. 82. Ri. 20. Juni 82 (E. III, 350; VII, 391; R. IV, 48), Wolfenb. 9. Febr., 4. Mai 77 (Br. Z. 24 s. 103 ff.). 3a. Da der einfache Bankerutt zwar ein eigenartiges Vergehen ist, welches
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Iljl.II. Abschi,. XXlV. Bankerntt. — [§ 283], KO. § 210.
1. durch Aufwand, Spiel oder Differenzhandel mit Waaren oder Börsenpapieren übermässige Summen verbraucht haben oder schuldig geworden sind, sich der Klassifikation der Strafthaten in vorsätzliche und Fahrlässigleitsvergehen entzieht (n. 2), immerhin aber mit den Fahrlässigkeitsvergehen die größte Verwandt' schaft hat, so erscheint es als zweifelhaft, ob Theilnahme an demselben möglich sei; inzwischen bejaht RlV. 1. Nov. 87 (E. XVI, 277) diese Frage bezüglich der Beihülfe in denjenigen Fällen, wo die in Nr. 1—3 vorgesehenen Thätigkeiten oder Unterlassungen mit Vorsah begangen werden. 4. Durch die Eröffnung der Untersuchung und die Verurtheilung wegen einfachen Bankerutts wird der Zwangsvergleich im Konkurse nicht ausgeschlossen; vgl. Pr. Konk.-O. § 189 Abs. 2, StA. 63 f. 354; 54 s. 1, Sarwey s. 653'.
Zu Nr. 1.
5. Die unter Nr. 1 aufgeführten Handlungen begründen die Strafbarkeit ans § 210 selbst dann, wenn sie der Zahlungseinstellung rc. zeitlich nachfolgen: KO. § 209 n. 31, RI 21. Juni 86 (E. XIV, 221). 5a. Nr. 1 fordert keine fortgesetzt leichtsinnige Handlungsweise; vielmehr kann schon ein einmaliger übermäßiger Aufwand rc. genügen: RI. 21. Juni 86 (E. XIV, 221) und unten n. 7. 5b. Der Ausdruck „Aufwand" ist nicht auf den Aufwand für die eigne Person des Schuldners oder besten Haushaltung zu beschränken: Aufwand kann namentlich auch in übermäßigen Ausgaben für ein betriebenes Geschäft (d. h. also in Ausgaben, welche die durch den Umfang und die Leistungsfähigkeit desselben gesteckten Grenzen übersteigen und zu dem thatsächlich vorhandenen Geschäftsvermögen in keinem angemessenen Verhältnisse stehen) oder in solchen für andere an sich be rechtigte Zwecke gefunden werden: Ri. 5. Okt. 82, RlV. 27. Mai 84 (E. VII, 90; R. VI, 383), OT. 4. Mai 70 (O. XI, 281). Ebensowenig erleidet jener Ausdruck eine Einschränkung durch die Motive oder Charaktereigenschaften, auf welche der Aufwand zurückzuführen ist: RII. 25. Febr. 87 (E. XV, 309: namentlich seien unter demselben nicht lediglich solche Ausgaben zu verstehen, welche in einer Neigung zum Wohlleben oder Prunk oder in Genußsucht ihren Ursprung haben). Aufwendungen für gewagte Handelsspekulation fallen jedoch an sich und von ganz besonderen Um ständen abgesehen nicht unter jenen Begriff: cit. RII. 25. Febr. 87, Rill. 2. Juli 87 (E. XVI, 238). — Bei Abwägung der statthaften Höhe der Haushaltungskosten ist die soziale Stellung des Schuldners nur in beschränktem Maße zu berück sichtigen, die Rücksicht auf die Erhaltung des Kredits rechtfertigt vermeidliche Ausgaben überhaupt nicht: RlV. 24. Juni 84 (R. VI, 470). Ob der Angeklagte durch eigne Thätigkeit oder durch Unterlassung der Controlle über sein Haus- und Ge schäftspersonal den Verbrauch verursacht hat, ist ohne Belang: cit. RII. 25. Febr. 87. — Daß sich genau feststellen lasse, welche einzelnen Ausgaben als übermäßige erscheinen, wird nicht gefordert: cit. RlV. 24. Juni 84. 6. Die Worte: „mit Waaren oder Börsenpapieren" sind auf „Spiel" nicht mitznbeziehen; es gehört sonach jedes Spiel (nicht blos das Börsenspiel) hierher: Merkel s. 825, Sarwey s. 740; contra: Rill. 13 /20. Dez. 86 (E. XV, 277: insofern es darunter nur den eigentlichen Spielvertrag, nicht gleichzeitig das s. g. Börsenspiel versteht), Schw. s. 718, Puch. n. 4 u. (anscheinend) OT. 3. April 79 (GA. 27 s. 467). Dieses Erk. erläutert gleichzeitig den Begriff des „Spiels" im Gegensatz „zum Differenzhandel": Waaren und Börsenpapiere könnten, auch wenn sie wirklich ge liefert würden, noch immer Gegenstand eines „Spiels" sein, insofern damit lediglich die Eingehung eines gewagten Geschäfts beabsichtigt werde, bei welchem der Kauf preis den Einsatz darstelle und Gewinn oder Verlust von dem Kurswerthe abhange, den das Papier in ^unbestimmter) Zukunft haben werde; ob im Einzelfalle ein solches Spiel oder ein reeller Handel bezweckt worden, sei eine thatsächliche, der Nachprüfung des Nichtigkeitsrichters entzogene Frage. — Dagegen genügen gewagte Unternehmungen nicht, insofern sie nicht' als „Spiel oder Differenzhandel rc." zu qualifiziren sind. 7. „Differenzhandel" sind solche Geschäfte, welche gar nicht oder nur schein bar einen wirklichen Kauf (Lieferung) zum Gegenstände haben, sondern von vorne
Thl. II. Abschn. XXIV. Bankerult. — [§ 283], ÄD. § 210.
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2. Handelsbücher zu führen unterlassen haben, deren Führung ihnen gesetzlich oblag, oder dieselben ver heimlicht, vernichtet oder so unordentlich geführt haben, dass sie keine Uebersicht ihres Vermögens zustandes gewähren, oder 3. es gegen die Bestimmung des Handelsgesetzbuchs Herein lediglich auf Zahlung der am Verfall- (Stich.) Tage sich herausstellenden Preis- oder Kursdifferenz gerichtet sind; daher bleibt der § da ausgeschlossen, wo ein Lieferungsgeschäft ernstlich gemeint war; so: OT. 3. April 79 (cit. n. 6), Antr. des GStA.'s (O. VIII, 197), Meyer n. 6, Merkel s. 825; vgl. Rl. 20. Juni 79 (A. I, 27); contra: OT. 21. März 62, 30. Jan. 67. 17. Apr. 72 (O. II, 306; VIII, 77; XIII, 255), 24. Febr. 59 (GA. VIII, 755), Abh., GA. 1. c.; diese nahmen an: ein Differenzhandel liege auch da vor, wo bei einem auf Zeit geschlossenen Geschäfte die wirkliche Lieferung der Waare beabsichtigt war. demnächst aber Zahlung der Differenz an die Stelle trat, oder wo die gelieferte Waare sofort wieder veräußert wurde; ähnlich: Puch. n. 4. Jedenfalls ist Differenzhandel anzunehmen, wenn beim Abschlüsse von Zeitgeschäften wenigstens auf Seiten des Beschuldigten von vorn herein es nicht auf Lieferung rc. abgesehen war, vielmehr nur eine Spekulation auf die Differenz vorlag: RII. 31. März 80, RHI. 10. April 80, 25. Mai 82 (E. I, 282; K. I, 563; IV, 516), OT. 22. Mai 75. Wolfenb. 9. Febr. 77, Stuttg. 10. Juni 78 (O. XVI, 378; Br. Z. 24 s. 105; WGbl. XV, 61). Das trifft jedoch selbstredend nicht zu bei effektiven Ankäufen von Papieren mit der Spekulation auf den Wiederverkauf beim Steigen der Kurse: cit. Rill. 25. Mai 82. — Als „DifferenzHandel" kann auch der Abschluß eines einzigen Differenzgeschäfts angesehen werden: n. 5a, Rill. 5. Apr. 86 (E. XIV, 80), OT. 7. Mai 58 c. Heideprim. Dagegen ist eine Mehrheit selbständiger Geschäfte dieser Art nur als ein einheitlicher '„Differenzhandel" anzusehen: Merkel 1. c.; contra: cit. Rill. 5. Apr. 86 (: nahm so gar an, daß jede bloße Prolongation eines Differenzgeschäfts, selbst die von vorne herein beabsichtigte, einen neuen Differenzhandel darstelle, so daß der im § geforderte Erfolg nicht ausgeschlossen sei, wenn das Gesammtergebniß fortgesetzter Spekulationen dieser Art nicht Verlust, sondern Gewinn gewesen). 8. Die „Uebermäßigkeit" der verbrauchten rc. Summen ist mit Rücksicht aus die Gesammtvermögenslage des Schuldners zu bemessen, und eine auf dieser Grundlage getroffene Entscheidung rein thatsächlicher Natur: Rill. 5. Apr. 86 (E. XIV, 80). Manh. 4. Nov. 76 (BA. 42 s. 343). Vgl. n. 5. 9. Ob bei den durch den Differenzhandel erlittenen Verlusten dem Kaufmann ein Verschulden zur Last fällt, ob dabei vorzugsweise unvorhergesehene Umstände mitwirkten, ist unerheblich (das Schuldbare liegt im übertriebenen Differenzhandel selbst): cit. Rill. 5. Apr. 86, OT. 8. Sept. 71 (O. XII, 435); vgl. n. 2. 4. Zu Nr. 2. 3. Dgl. KO. § 209 Nr. 3. 4. 10. Ueber die Verpflichtung zur Buchführung sowie Bilanzziehung und über die von derselben entbundenen Personen vgl. KO. § 209 n. 46—57. 63—68. 11. Diese Verpflichtung (n. 10) bildet ein wesentliches und nicht etwa selbst verständliches Begriffserforderniß für den Thatbestand der Nrn. 2. 3, und zwar, was die Nr. 2 betrifft, selbst für die Fälle der „Verheimlichung sKO. § 209 n. 39—41], Vernichtung oder unordentlichen Führung der Handelsbücher" (insofern weicht daher § 210 von § 209 ab; vgl. dort n. 58); ebenso: Merkel s. 825. Demgemäß muß sie in jedem einzelnen yoHe besonders festgestellt werden. Dazu genügt an sich schon die Feststellung des Angeklagten als Kaufmanns: Rll. 17. Jan. 82 (R. IV, 48), OT. 9. Febr. 76 (StZ. VI, 23); nur dann, wenn jener ein bloßer Minderkauf mann zu sein behauptet, muß der Jnstanzrichter darüber (negativ oder positiv) eine ausdrückliche Feststellung treffen; vgl. jedoch Rill. 5. Juni, 23. Okt. 80 (R. II, 32. 376: scheinen letztere Feststellung stets zu fordern, doch genüge, in Ermangelung ausdrücklichen Bestreitens der Eigenschaft eines Vollkaufmanns, die Feststellung, daß Angeklagter seine Pflichten aus Art. 29 des HGB.'s nicht erfüllt habe). ' 12.' Bei dem einfachen Bankerutt kann nicht, wie beim betrüglichen (vgl.KO.
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Thl. II. Absch». XXIV.
Bankerott. — [§ 2S.3], KO. § 210.
unterlassen haben, die Bilanz ihres Vermögens in der vorgeschriebenen Zeit zu ziehen. [I. Entiv.: t> 257; II. Entw.: § 278; Pr. StGB.: § 261.] Vgl. HGB. Artt. 4. 10. 28-40; EL. Ges. ti. 30. Aug. 1871 Artt. 7. 8; KO. §§ 209. 214; EG. z. KO. § 3. Preußen: Vgl. Krim.-O. § 357 Nr. 11; Konk.-O. v. 8. Mai 1855 § 180 Abs. 2. 307-309. 340. 341; EG. z. Pr. StGB. Art. XII §§ 2. 3. § 209 n. 31), gefordert werden, daß die Verletzung obiger gesetzlicher Pflichten (n. 10), bzw. deren Folgen bis zur. Zahlungseinstellung rc. fortgedauert haben; es deckt daher hier der Umstand, daß in letzterem Zeitpunkte ordnungsmäßig geführte Han delsbücher vorliegen, und daß im letzten Jahre eine Bilanz gezogen ist, nicht den Mangel (die Mangelhaftigkeit) der Buchführung bzw. den Mangel der Bilanz ziehung in früheren Jahren; so: RIH. 2. April 81 (R. III, 190: hinsichtlich der Buchführung), Rll. 17. Jan. 82, RI. 26. Juni 82, OT. 2. Nov.70, Wolfenb. 9. Febr., 4. Mai 77 (R. IV, 48; E. VII, 391; O. XI, 542; Br. Z. 24 s. 103ff.: hinsichtlich der Bilanzziehung); contra: Rl. 21. Nov. 81 (E. V, 415: in Betreff der Buchführung bzw. Bilanzziehung, sofern sie trotz der früheren unordentlichen Buchführung eine Vermögensübersicht gewähre). 13. Die Verurtheilung wegen unordentlicher Buchführung enthält, einer Anklage wegen unterlassener Buchführung gegenüber, keine Veränderung des rechtlichen Gesichtspunkts (StPO. § 264): Rll. 1. März 81 (R. III, 87). 14. Die unterlassene oder unordentliche Führung der erforderlichen Handels bücher wird weder durch die Schwierigkeit dieser Aufgabe, noch durch den Man gel der dazu nöthigen Kenntnisse und Fähigkeiten straflos (wer diese Kenntnisse rc. nicht besitzt, soll nicht Geschäfte der betreffenden Art betreiben): Rill. 17. Nov. 80 (R. II, 523). OT. 10. Mai 67. 13. Mai 74, 4. Dez. 77 (O. VIII, 312; XV, 307; XVIII, 765). Ebensowenig entschuldigt der irrthümliche Glaube an die eigene Fä higkeit noch die irrige Meinung, die Buchführung genüge den gesetzlichen Anforde rungen: OT. 2. Juni 71 (O. XII, 300), oder man habe durch Annahme eines tauglich erscheinenden Buchhalters seine kaufmännischen Pflichten erfüllt: Rill. 17. Sept. 81 (E. IV, 418). — Wohl aber steht dem Angeklagten der Nachweis frei, daß er aus gerechter, die Präsumtion der Fahrlässigkeit (n. 2) ausschließender Ursache nicht in der Lage gewesen sei, der gesetzlichen Pflicht in vollem Umfange uachzukonnuen; dahin gehört der Fall, wo ein Gesellschafter (h 209 n. 46) durch den andern getäuscht worden ist, wo z. B. der letztere Geschäfte oder Ausgaben hinter dem Rücken des ersteren gemacht hat, ohne daß diesem solche Operationen aus eig-^ ner Fahrlässigkeit unentdeckt geblieben sind: Rill. 7. Jan. 80, OT. 27. Febr. 79 (E. I, 49; GA. 27 s. 377). Dagegen bildet eine (andauernde), die eigenhändige Buchführung bzw. Bilanzziehung unmöglich machende Krankheit keinen Strafaus schließungsgrund: Rll. 11. Dez. 85 (R. VII, 730). e 15. Während § 209 Nr. 4 erheischt, daß die Bücher „so geführt rc. oder verändert seien, daß sie keine Uebersicht des Vermögenszustandes gewähren", setzt die obige Nr. 2 voraus, daß die Bücher „so unordentlich geführt seien, daß sie keine Uebersicht rc. gewähren". Der Sinn beider Vorschriften ist derselbe: eine „Veränderung" der Bücher, welche die Uebersicht derselben erschwert, würde sich immer auch als eine „unordentliche" Führung charakterisiren; vgl. § 209 n. 63. Demgemäß ist das in der Nr. 2 zugesetzte „so unordeutlich" nicht ein für sich bestehendes von dem Nichtgewähren einer Uebersicht verschiedenes Merkmal, es wird vielmehr durch den Zusah: „daß rc." erläutert, fällt also mit dieser Wirkung zusammen: OT. 29. April 59 c. Grünbaum. . 15a Im Gegensatz zu der unterlassenen bzw. unordentlichen Buchführung: (KO. § 209 n. 30 und unten n. 22) und in Uebereinstimmung mit den in Nr. 1 erwähnten Einzelhandlungen (: n. 5), kann eine strafbare „Vernichtung (Ver' h ei m l i ch u n g)" der Handelsbücher noch nach der Zahlungseinstellung rc. stattfinden: RI. 10. Juni 86 (R. VIII, 451); nicht aber erst nach vollständiger Beendi gung des Konkursverfahrens: Rill. 8.. 15. Okt. 83 (E. IX, 134), dt. »I. 10. Juni 86 (vorausgesetzt, daß dann ein Interesse der Gläubiger am Vorhandensein der Bücher nicht mehr bestand); contra: Rl 8. Dez. 84 (E. XI, 386). — Findet die
Thl. LI. Abschn. XXIV. Sons mit t. — [§ 283], KO. § 210.
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Zahlungseinstellung rc. erst statt, nachdem der Angeklagte aufgehört hat, Kaufmann (oder Dollkaufmann) zu fein, so mutz jene mit dem früheren kaufmännischen Geschäft und den aus diesem etwa noch herrührenden Rechten bzw. Verbindlichkeiten in Zu sammenhang gestanden haben, damit die Vernichtung rc der Handelsbücher straf bar sei: § 209 n. 21, RI. 22. Nov. 86 (E. XV, 64). — Die Zurückbehaltung und Vorlegung einer wortgetreuen Abschrift der Handelsbücher macht die Vernichtung der letzteren nicht straflos: Rll. 6. Dez. 87 (E. XVI, 426). In, liebt. vgl. § 209 n. 61. 62. 16. Die Ziehung der Bilanz bildet einen Theil der dem Bollkausmann zur Pflicht gemachten Buchführung; die ungenügende Erfüllung dieser Pflicht fällt daher unter § 209 9t r. 3 oder 4, bzw. unter § 210 Nr. 2, sofern in Folge dessen, in Ver bindung mit der mangelhaften sonstigen Buchführung, keine Uebersicht der Vermögenslage aus den Büchern zu gewinnen ist: Rill. 17. Nov., 28. April 80 (R. II, 523; E. II, 30). Da aber das HGB. für die Bilanzziehung bestimmte Fristen vorgeschrieben hat, so ist die Nicht-Jnnehaltung dieser letzteren in Nr. 3 noch zum Gegenstände einer besonderen Strafandrohung gemacht, welche Platz greift, auch wenn int Uebrigen die gezogene Bilanz den gesetzlichen Vorschriften entspricht. 16a. Ob eine nichtunterschriebene Bilanz überhaupt als Bilanz int Sinne der Nr. 3 anzusehen sei, ist nach den Umständen jedes einzelnen Falles zu prüfen: RPl. 20. Zuni 83 (E. VIII, 424); vgl. Rill. 30. Okt. 80, Ri 5. Okt. 82 (R. II, 417; E. VII, 87: bejahten jene Frage unbedingt); contra: Rll. 14. Juni 81 (ib. III, 403). — Der unterlassenen Ziehung der Bilanz steht die Nichtvollendung derselben gleich: OT. 14. Juli 75 (O. XVI, 545), nicht aber deren Mangelhaf tigkeit (n. 16, Rill. 17. Nov. 80, R. II, 523), es sei denn, daß letztere so erheblich wäre, daß sie den Zweck der Bilanz, einen das Verhältniß des Aktivs und Passivs darstellenden Abschluß zu bilden, aus welchem für sich allein und unmittelbar, wenn auch nicht nothwendig fehlerfrei, der Vermögensstand zu erkennen ist, geradezu ver eitelte: RI. 18. Febr. 86, 10. Jan. 87, Rill. 21. Juni 82 (E. XIII, 354; XV, 174; R. IV, 592), noch die Nichtaufbewahrung (verschieden von der Vernichtung: Nr. 2) der gezogenen Bilanz; so: OStA. Wolfenb. 24. Dez. 76 (Br. Z. 24 s. 80); vgl. übrigens § 209 n. 60. 17. Die Bilanz muß zuerst beim Beginne des Geschäfts (bzw. bei Uebernahme eines bereits bestehenden Geschäfts: Rill. 29. Sept. 87, GA. 35 s. 312) d. h. dann ge zogen werden, wenn der Kaufmann thatsächlich beginnt, Handelsgeschäfte zu machen; dies gilt, trotz Art. 110 des HGB.'s in gleicher Weise von einer Gesellschaft, sollte auch in jenem Zeitpunkte weder aktives noch passives Gesellschaftsvermögen eristiren: Rill. 12. April 82 (R. IV, 316). Sie ist demnächst alljährlich d. h. in jedem Betriebs-, nicht in jedem Kalenderjahr (: Rll. 2. Dez. 79, R. I, 129) zu ziehen: HGB. Art. 29; also zum zweiten Male spätestens am Schluffe des mit der Eröff nung des Geschäfts beginnenden Betriebsjahres: OT. 16. Mai 66 (O. VII, 302), Matth. 4. Nov. 76 (BA. 42 s. 343) und diese Operation am Schlüsse jedes fol genden Betriebsjahres zu wiederholet!. Will der Kaufmann dett Zeitpttnkt verlegen, so muß er die nächste Bilanz vor Ablauf des begonnenen Jahres ziehen: Rill. 30. Okt. 80, 21. Juni 82 (R. II, 417; IV, 592), OT. 31. Mai 67. 28. Febr. 68 (O. VIII, 354; IX, 118). Die jährliche Bilanzziehung ist selbst dann geboten, wenn nach Art. 29 des HGB.'s eine zweijährige Inventur des Waarenlagers ge nügt: Rll. 13. Febr.. 27. April 80, Rill. 13. März 80 (E. I, 421; R. I, 354. 467), OT. 6. März, 15. Mai 77 (O. XVIII, 182. 332); vgl. n. 20. — Die Bilanzziehung muß zu der angegebenen Zeit nicht blos begonnen, sondern auch beendigt sein, doch ist es dem richterlichen Ermessen überlassen, je nach Umständeu eine Frist zur Voll endung der Bilanz zuzubilligen: OT. 5. Okt. 66. 25. April 72 (O. VII, 509; XIII, 273). Landesgesetzliche Vorschriften, welche rückfichtlich der zu belassenden Frist nähere Bestimmungen treffen, sind im Hinblick aus die gleichmäßige Geltung der Reichsgesetze int ganzen Reiche für beseitigt zu erachten; vgl. Pr. EG. z. HGB. Art. 60 Nr. 3: contra: OT. 7. Febr. 68 (Ö. IX, 118: in Betreff des Statuts der Stettiner Kaufmannschaft v. 15. Nov. 1821 § 14). — Angebliche Geschäftsüberbürdung kann die Verzögerung der Bilanz nicht entschuldigen": OT. 11. Sept. 67 (O. VIII, 501).
18. * Der Lauf der Jahresfrist für die Bilanzziehnng wird durch den Eintritt eines neuen Gesellschafters tiicht unterbrochen, wenn dadurch nicht gleichzeitig
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Thl. II. Abschn. XXIV. Banker»«. — KO. § 211.
§ 311« Schuldner, welche ihre Zahlungen eingestellt haben, oder über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, werden mit Geßingniss bis zu zwei Jahren bestraft, wenn sie, obwohl sie ihre Zahlungsunfähig in den Verhältnissen des Geschäfts zu den Gläubigem etwas geändert wird: OT. 16. Mai 66 (O. VII, 302). 19. Ist die Bilanzziehung in einem Zahre (strafbar) verzögert worden, so be ginnt die Berechnung des neuen Jahres, an dessen Schluß die neue Bilanz gezogen werden muß, mit dem Zeitpunkte, mit welchem das vorige abschloß, nicht mit dem Zeitpunkte, wo die Bilanz für das letzte Jahr (verspätet) gezogen wurde: OT. 25. April 72 (O. XIII, 273); vgl. n. 21. 20. Die alljährlich zu ziehende Bilanz muß auch den Bestand solcher Waaren lager umfassen, in Betreff deren es nur alle 2 Jahre der Aufnahme eines genauen Inventars bedarf (HGB. Art. 29 Abs. 2); dabei ist das vorjährige Inventar mit den erkennbaren (aus den andern Handelsbüchem sich ergebenden) Aenderungen zu Grunde zu legen: OT. 22. Febr., 17. April 72, 14. Juli 75, 6. März, 15. Mai 77, Dresd. 18. Sept. 76 (O. XIII, 177. 255; XVI, 545; XVIII, 182. 332; SGZ. XXI, 218). 21. Die wiederholte Verabsäumung der jährlichen Bilanzziehung während mehrerer Jahre stellt mehrere selbständige Straffälle dar; es wird daher § 74 anwendbar: contra: Rill. 5. Juni 80 (R. II, 32), OT. 7. Febr. 68 (O. IX, 118), Schw. s. 712; vgl. n. 16. 19, § 209 n. 33-35. 68. 22. Eine erst nach der Zahlungseinstellung rc. unterlassene Bilanzziehung begründet nicht den Thatbestand des Bankerutts: Rill. 16. Febr. 81 (R. III, 51); vgl. n. 15a.
§ 211 der KO. 1. § 211 trifft das strafbare Verhalten des Schuldners gegen einzelne seiner Gläubiger im Verhältniß zu anderen; die Vorschriften über Betrug und Unterschlagung reichen hier nicht aus; es ist dem § 23 Nr. 2 der KO. gemäß gefaßt und entspricht im Uebrigen den §§ 308. 340 der Pr. Konk.-O. sowie dem § 195 9t. 2. 6 des Hamb.-Krim.-GB.'s: Mot. z. KO. Ueber das Verhältniß des § 211 zu § 209 vgl. dort n. 41. 2. Begriff, Feststellung der „Zahlungseinstellung rc.": § 209 n. 18—22a. 3. Abweichend von den §§ 308. 340 der Pr. Konk.-O. beschränkt § 211 die Strafbarkeit nicht auf solche Handlungen, welche in die Zeit nach der Zahlunas; einstellung, bzw. nach dem Antrage auf Konkurs-Eröffnung fallen; ebenso: Rl. 23. Sept. 80, RII. 10. Mai 81 (A. II, 320; III, 587). Auch ist die Strafbarkeit nicht dadurch bedingt, daß die betr. Handlung gemäß § 23 Nr. 2 der KO. anfechtbar sei, mithin spätestens in den letzten zehn Tagen vor jenem Ereigniffe vorgenommen wurde: v. Sarwey s. 742. 4. Dagegen muß der Schuldner zur Zeit der Handlung im Zustande der (mit der Zahlungseinstellung in ursächlichen Zusammenhang stehenden) „Zahlungsun fähigkeit" sich befunden und diese seine Zahlungsunfähigkeit „gekannt" haben. Ob letztere in der Unzulänglichkeit des Vermögens oder in derjenigen der Zahlungsmittel ihren Grund hatte, ist gleichgültig. Demgemäß wird materielle Vermögensunzulängichkeit nicht nothwendig erfordert; andererseits reicht dieselbe nicht aus, wenn der Schuldner mittels Anspannung seines Kredits seinen Gläubigern noch immer gerecht werden konnte; ebenso: Rill. 18. Juni 83 (R. V, 449); vgl. KO. § 209 n. 19. 5. Außer jener Kenntniß (n. 4) und der Vorsätzlichkeit der Handlung an sich, wird zum Dolus die „Absicht" erfordert, den einen Gläubiger „vor den übrigen zu begünstigen". Rl. 13. Febr. 82 (R. IV, 162) verlangt in dieser Hinsicht, daß der Wille gerade auf die Herbeiführung eines solchen Erfolgs gerichtet sei; contra: Rill. 25. Febr. 82, 19. März 83 (ib. s. 205. A. VII, 443: lassen das Bewußtsein von der Begünstigung rc. als der unausbleiblichen Folge des eignen Handelns ge nügen). Jene Absicht seht nothwendig das Bewußtsein voraus, daß die übrigen Gläubiger durch die Handlung benachtheiligt werden oder doch event, benachtheiligt
THI. II. Abschn. XXIV. Bankerutt. — KO. § 211.
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keit kannten, einem Gläubiger in der Absicht, ihn vor den übrigen Gläubigern zu begünstigen, eine Sicherung oder Befriedigung gewährt haben, welche derselbe nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte. [I., II. Entw.: (fehlte); Pr. StGB.: (fehlte).] Vgl. KO. §§ 212. 214.23 Nr. 2. Preußen: Vgl. Konk.-O- v. 8. Mai 1855 §§ 308. 340. werden können: RH. 10. Oft. 82 (E. VII, 142: der erste Richter hatte es für bedeu tungslos erachtet, ob der Schuldner geglaubt habe, im Interesse aller Gläubiger zu handeln, wenn er einen drängenden Gläubiger durch dessen Befriedigung zur Ruhe bringe). — Dagegen kommt es aus das Motiv des Schuldners nicht an; es ist daher gleichgültig, ob derselbe z. B. aus Freundschaft, oder aus verwandtschaftlichen Rücksichten gehandelt hat, oder etwa um ein Zwangsverfahren bzw. die Eröffnung des Konkurses abzuwenden, welche gerade von dem betreffenden Gläubiger eingeleitet bzw. beantragt waren; ebenso: cit. RI. 13. Febr. 82. 6. Unter den „übrigen Gläubigern" sind die sämmtlichen Gläubiger zu verstehen, welche im Falle des Konkurses Konkursgläubiger werden; eine Begünsti gung vor einzelnen Hypothekengläubigern, welche die Lage der Konkursgläubiger als solcher ganz unberührt ließe, bzw. eine nur hierauf gerichtete Absicht würde nicht ausreichen: Rill. 11. Dez. 60 (R. II, G26); vgl. Rll. 11. San. 81, 6. Znli 86 (E. III, 190; XIV, 286). Dagegen erachtete Rill? 24. Nov. 87 (E. XVI, 402) den § in einem Falle für anwendbar, wo der Angeklagte durch den Verkauf eines Gutsinventars an seine persönlichen Gläubiger zu deren Gunsten einzelne Hypothekengläu biger, deren persönlicher Schuldner er nicht war, benachtheiligt hatte, indem der § unter dem Ausdrucke „Gläubiger" (an beiden Stellen) die absonderungsberechtigten Realglänbiger mitbegreife; vgl. n. 8. 7. Daß jene Absicht (n. 5) erreicht und daß den übrigen Gläubigern schließ lich irgend ein Nachtheil erwachsen fei, gehört nicht zum Thatbestände. Demgeinäß wird die That nicht etwa erst durch den Eintritt eines solchen Nachtheils vollendet, noch die Strafbarkeit ausgeschlossen, wenn das Geleistete später, sei es auf Grund eines das geschloffene Rechtsgeschäft aufhebenden Urtheils sei es aus freien Stücken erstattet wird, oder wenn die übrigen Gläubiger durch irgend einen sonstigen Zwischenfall dennoch ihre volle Befriedigung erlangen; vgl. Rill. 25. Okt. 79 (R. I, 18), OT. 14. Dez. 60. 8. Dez. 71, 28. Ökt. 74, 7. April 76. 2. Okt. 78 (O. I, 180; XII, 636; XV, 718; XVII, 270; XIX, 441), oder wenn die dem einen Gläu biger „gewährte Sicherung" (n. 8) sich in der Folge als unwirksam erweist, z. B. wenn eine bestellte Hypothek nicht gedeckt wird: Rill. 11. Dez. 80 (R. II, 626). Andererseits ist die Anwendung des § nicht etwa umgekehrt durch die civilrechtliche Anfechtbarkeit des betreffenden Rechtsgeschäftes bedingt; vgl. n. 1, OT. 4. Mai 66 (O. VII, 278).
8. Die strafbare Leistung muß an einen „Gläubiger" d. h. an Jemand erfolgen, welcher zur Zeit der Leistung bereits Gläubiger war. Eine Leistung an einen Nichtgläubiger auf Grund eines mit lehterenl zu gleicher Zeit geschlossenen Vertrags, durch welchen jener erst jetzt Gläubiger wird, fällt nicht unter den §, sondern kann nur nach § 209 Nr. 1 strafbar sein; vgl. OT. 21. März 78 (O. XIX, 153). Unter dem Ausdrucke „Gläubiger" sind übrigens hier die Realgläubiger mit» verstanden; vgl. n. 6, OT. 11. Nov. 68 (O. IX, 628), desgleichen Gläubiger unter auffchiebe nder Bedingung, z B. der Bürge, sofern er im Falle seinerseits erfolgender Zahlung gegen den Hauptschuldner seinen Regreß nehmen kann: Rll. 14. Dez. 86 (E. XV, 90). Wer einen vom Schuldner auf ihn gezogenen Wechsel aus Gefällig keit acceptirt, ist Gläubiger jedenfalls vom Verfalltage an, wenn der Schuldner bis dahin ihn nicht liberirt noch ihm Deckung verschafft hat: OT. 4. Mai 66 (O. VII, 278). 8a. Die Worte „einen Gläubiger" schließen selbstredend den Thatbestand nicht ans, wenn der Angeklagte durch dieselbe Handlung statt Eines Gläubigers mehrere oder gar alle bis auf einen begünstigt; eine Mehrheit beuachtheiligter
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Thl. II. Abschn- XXIV. Bankerutt. — KO. § 211.
Gläubiger kann daher begrifflich in keinem Falle gefordert werden: Rill. 14. Okt. 86 (R. VIII, 617). Vgl. n. 13. 9. Die Leistung (n. 8) muß in dem „Gewähren einer Sicherung oder Be friedigung" bestehen, „welche der Gläubiger ^entweder gar] nicht oder nicht in der Art oder nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte." Das trifft z. B. zu, wenn der Gemeinschuldner zur Decknng einer fälligen Geldforderung Waaren rc. an Zah lungsstatt hingiebt oder wenn er einem Gläubiger für dessen Forderung einen voll streckbaren Titel gewährt, um auf diesem Wege eine Pfändung zu ermöglichen; so: citt. RII. 1. Nov., 8. April 81; vgl. RII. 31. März 82) Rill. 18. Juni 83 (K. VI, 149; R. V, 449). Eine Hypothekenbestellung ohne das Bestehen einer desfallsigen Verpflichtung gehört selbstredend gleichfalls hierher: RI. 23. Sept. 80 (A. II, 320: selbst, wenn der betr. Gläubiger schon früher dazu gedrängt habe), es sei denn, daß sie dem Gläubiger, z. B. der Ehefrau des Gemeinschuldners, kein befferes Recht ge währte, als dieser bereits besaß: Rill. 11. Dez. 80 (R. II, 626). 10. Dagegen macht sich der Schuldner, selbst wenn er in Begünstigungsab sicht (n. 5) handelt, nicht aus § 211 strafbar, sofern er mir das gewährt, was (in Wirklichkeit oder doch nach seiner Meinung: Rill. 8. Febr. 83, 6. Nov. 84, R. V, 90; VI, 708) der betreffende Gläubiger sowohl überhaupt als in der Art und zu der Zeit beanspruchen konnte; vgl. Rill. 7. Juni 82 (R. IV, 541: Zahlung einer fälligen Schuld). In dieser Hinsicht kommen namentlich die §§ 39 ff. der KO. und Art. 29 (Nr. 1), 98 (Nr. 4) der WO. in Betracht; vgl. RII. 11. Jan. 81 (E. III, 190: betr. Befriedigung des auf dem cit. Art. 29 Nr. 1 beruhenden Anspruchs eines Wechselinhabers durch Faustpfandbestellung), OT. 11. Nov. 68, 4. März 75 (O. IX, 628; XVI, 196); daher fällt z B. die Anerkennung einer nach § 46 der KO. be gründeten Kompensation nicht unter den §; vgl. cit. OT. 11. Nov. 68. — Dem Schuldner liegt nicht der Nachweis ob, daß seine Leistung zu denen der letzteren Kategorie gehöre; auch hier gilt vielmehr der Grundsatz der freien Beweiswürdigung; vgl. OT. 28. Okt. 74 (O. XV, 718). — Beruft sich der Schuldner in jener Hinsicht auf seinen guten Glauben, so muß das Urtheil sich darüber aussprechen: cit. Rill. 8. Febr. 83. 11. Die persönlich hastenden Gesellschafter einer die Zahlungen einstellen den rc. Handelsgesellschaft (KO. § 209 n. 15) werden ev. gleichfalls von der Strafe des § betroffen. Hinsichtlich der Mitglieder des Vorstandes einer Aktienge sellschaft rc. vgl. KO. § 214. — Dagegen verfallen die Erben des Schuldners, welche eine der im § vorgesehenen Handlungen vornehmen, nicht, wie nach § 308 der Pr. Konk.-O., in Strafe. (Sie können sich nur aus § 212 Nr. 2 der KO. straf bar machen.) 12. Ebensowenig bedroht die KO. den Gläubiger, welcher sich „die Sichel rung oder Befriedigung gewähren" läßt, mit Strafe. Die desfallsigen Strafbe stimmungen der Pr. Konk!-O. §§ 309. 341 ib. fund des Pr. EG. z. HHB. Art. 52 § 3] wurden nach den Mot. z. KO. als unbillig erachtet: „der Gläubiger verfolge nur sein Recht; wegen Verletzung des Konknrsanspruchs der Uebrigen könne er wohl civilrechtlich unwirksam handeln sKO. § 23 Nr. 2], aber nicht bestraft werden". Hieraus folgt, daß die bloße Annahme jener Vortheile auch nicht (wie im Falle der Vereitelung einer Special-Erekntion: tz 288 n. 10) als Theilnahme am Vergehen des Schuldners betrachtet und zur Strafe gezogen werden darf, wogegen im Uebri gen die allgemeinen Grundsätze über Theilnahme (Anstiftung, Beihülfe) in Bezug auf das Vergehen des tz 211 ev. auch dem Gläubiger gegenüber zur Anwendung kommen: RII. 12. Nov. 80, 10. Jan.. 10. Febr. 82, RI. 27. Jan.. 21. März 81, Rill. 21. Dez. 81, Ri. Civils. 10. März 83 (E. II, 439; IV, 1; V, 275. 435; R. III, 135; IV, 28; Civil-E. VIII, 91), v. Liszt s. 368; comra: v. Kries, Z. f. StR. VII, 547. 13. Mehrfache Begünstigungen von Gläubigern sollen nach Rill. 5. Febr. 83, 20. Okt. 84, RIV. 18. Sept. 85 (R. V, 86; VI, 640; VII, 517) stets nur Ein Delikt, keine Nealkonkurrenz begründe [?]; cit. Rill. 5. Febr. 83, RIV. 26. Sept., 17. Okt. 84, RII. 16. Juni 85 (R. VI, 570. 633; VII, 399) leugnen ferner die Mög lichkeit einer solchen zwischen dem Vergehen aus § 211 und einfachem Bankerutt, sofern es sich um dieselbe Zahlungseinstellung rc. handle; hier könne nur von idealer Konkurrenz die Rede sein; höchst bedenklich; vgl. § 209 n. 34. Eine entgegenstehende Ansicht scheint bezüglich der Nealkonkurrenz von Fällen des § 209 mit denen des § 211 in Rill 12. Juli 83 (R. V, 518: Mot.) angedeutet zu werden.
Thl. N. Abschn. XXIV. ©mtferutt. - [§ 282J, KO. §212.
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§ 212. Mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren wird be straft, wer 1. im Interesse eines Schuldners, welcher seine Zah lungen eingestellt hat, oder über dessen Vermögen das Konkursverfahren eröffnet worden ist, Ver mögensstücke desselben verheimlicht oder bei Seite geschafft hat, oder
§ 212 der KO.
1. Die Abweichungen der Fassung dieses § von derjenigen des § 282 des StGB.'s entsprechen genau den Abweichungen der Fassung des § 209 von derjeni gen des § 281 des StGB.'s. Außerdem fehlten in § 282 Nr. 2 vor „erdichtete Forderungen" die Worte: „in dem Verfahren". Im Uebr. vgl. 10, §209 n. I. 2. § 212 sieht gänzlich davon ab, ob der Schuldner selbst sich strafbar ge macht habe; er seht eine zwar im Interesse des Schuldners, aber als eigne verübte That voraus; es handelt sich also nicht um eine Theilnahme am Bankerutt des letzteren (die Theilnahme ist ganz nach den allgemeinen Grundsätzen zu beur theilen: Mot. s. 134); ebenso: RI 17. Jan. 84 (E. IX, 430); diese kann mit dem hier vorgesehenen Verbrechen nicht nur ideell, sondern (z. B. Beihülfe durch Rath) auch realiter konkurriren: OA. 21. März 74 (O. XV, 175), HStR. II, 421; vgl. § 209 n. 37. 42. 45; contra: OT. 24. Nov. 75, Man. 28. Zan. 76 (O. XVI, 751-/BA. 44 s. 49), Merkel s. 822 (halten im Falle der Beihülfe Jdealkonkurrenz für nicht vor handen und nur die §§ 209, 49 für zutreffend), Rüd. n. 8 (hält mit § 212 die Be theiligung Dritter am betrüglichen Bankerutt für erschöpfend geordnet); vgl. ferner v. Kries, Z. f. StR. VII, 543ff. — Aus dem Eingangs Gesagten folgt außerdem, daß zwischen der hier vorgesehenen Handlung und dem (accessorifchen) Vergehen der (sachlichen) Begünstigung im Sinne des § 257 keine Geseheskonkurrenz herrscht: RIV. 29. Nov. 87 (R. IX, 684). 3. Demgemäß wird der § nicht dadurch ausgeschlossen, daß der Schuldner, welcher seine Zahlungen eingestellt hat, eine juristische Person ist. Insbesondere kann sich der Vertreter einer solchen, ebenso wie der Vertreter einer physischen Person des Verbrechens aus § 212 schuldig machen; vgl. Mot. z. KO. Dies gilt auch von den im § 214 erwähnten Vorstandsmitgliedern. 4. Hier bedarf es nicht der „Absicht, die Gläubiger des Gemeiuschuldnerö zu benachtheiligen": OT. 10.Jan. 72, OA. 21. März 74 (O. XIII, 18; XV, 175); contra: BL. s. 556; ebensowenig braucht durch die Handlung den Gläubigem ein Nachtheil erwachsen zu sein. — Vgl. im Uebrigen in Betreff des Dolus n. 3. 7—9. 5. Der Gemeinschuldner, welcher nicht selbst Vermögensstücke verheimlicht, noch erdichtete Schulden rc. ausstellt re., kann sich durch Anstiftung eines Dritten sehr wohl aus §§ 212. 48 strafbar machen; ebenso: v. Kries I. c. 5a. Macht sich Jemand in Bezug auf dieselbe Zahlungseinstellung sowohl einer nach Nr. 1 als auch einer nach Nr. 2 strafbaren Handlung schuldig, so ist Realkonkurrenz vorhanden; vgl. § 209 n. 33; contra: Mauh. 28. Jan. 76 (eil. n. 1: hier liege ebensowohl wie da, wo Jemand blos eine dieser Handlungen, aber mehr mals vorgenommen habe, nur Ein Verbrechen vor). * 5b. Nach dem Tode des Gemeinschuldners, welcher seine Zahlungen ein gestellt hat rc., kann das in Nr. 1 vorgesehene Verbrechen selbstredend nicht mehr verübt werden, wohl aber dasjenige der zweiten Alternative der Nr. 2, welches auch beim Konkursverfahren über einen Nachlaß möglich ist.
Zu Nr. 1.
Aus der (dem Eingänge des § 209 entsprechenden) Fassung: „Wer im In teresse eines Schuldners, welcher seine Zahlungen eingestellt hat rc. —" ist nicht zu folgern, daß das Verbrechen der Nr. 1 erst nach der Zahlungseinstellung re. ver übt werden könne: Dresd. 25. Juni 75 (StZ. VI, 19), Mauh. 28. Jan. 76 (eit. n. 1), Merkel s. 823; contra: OT. 14. Nov. 61 (O. II, 68), v. Sarwei)!s. 743. Vgl. n. 7. 6.
10, § 209 n. 30.
7. Vorausgesetzt wird die Kenntniß von einer bereits erfolgten oder drohen-
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Thl. II. Abschn. XXIV.
Baiikerutt. - [§ 282], KO. §§ 212. 213.
2. im Interesse eines solchen Schuldners, oder, um sich oder einem Anderen Vermögensvortheil zu ver schaffen , in dem Verfahren erdichtete Forderungen im eigenen Namen oder durch vorgeschobene Per sonen geltend gemacht hat. Sind mildernde Umstände vorhanden, so tritt Gefängnissstrafe oder Geldstrafe bis zu sechstausend Mark ein. [I. Entw.: § 256; II. Entw.: § 277; Pr. StGB.: § 260.] Vgl. §§ 49. 32. 35; KO.
§§ 209.214;