Das schwarze Licht der Moderne: Zur Ästhetikgeschichte der Blindheit 9783110921106, 9783484630345

Homer, Milton, Ossian. The aesthetic history of blindness goes straight to heart of visual modernity. This book examines

164 28 13MB

German Pages 388 [392] Year 2006

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Table of contents :
Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik
ERSTER TEIL. Die Blindheit der Philosophen
I. Objektivierung der Erkenntnis und Ästhetikgeschichte
1. Minerva und die schlechten Augen der Philosophie
2. Etappen einer Philosophiegeschichte der Blindheit
3. Holbachs verdoppelte Blindheitssemantik
4. Exkurs: Dunkel, verborgen, trüb, verrückt – Gebrauchsweisen der Blindheit
5. Blindheit in der Encyclopédie
II. Diderot und die Modernität der Blindheit
1. Die Lettre sur les aveugles, ästhetisch gelesen
2. Abstraktion und Gebrauch der Blindheit
3. Diderots Chimären
III. Potentiale der Blindheit im Brief über die Blinden
1. Blindheit als Metapher
2. Das Tasten der Erkenntnisphilosophie
3. Symbolisierung - die Sprache der Blindheit
4. Sensibilité
IV Gesichtstrübungen und Gefühlsverheißungen
1. Dunkles Sehendwerden bei Johann Gottfried Herder
2. Die Selbstberührung der Wahrnehmung: Vom Spiegelbild zur Anaglyptographie
3. Rousseaus Selbstblendung: Émile und Julie
ZWEITER TEIL
A. Die Blindheit des Deutschen Idealismus
I. Fichtes transzendentale Blindheit
1. Einleitung: Das dunkle Leuchten der Philosophie
2. Hinter dem Vorhang: Zweifeln, Wissen, Glauben
II. Objektiv verdunkelter Schein: Schelling und Hegel
1. Ausgangslage: Die haltlosen Blicke der Reflexion
2. Hegels Geistesphysik des Lichts
3. Ausblick
B. Jean Paul: Poesie zwischen Materialismus und Nihilismus
I. Hinführung
1. Das dunkle Leuchten der Poesie
2. Nihilistische Lichtverhältnisse
3. Jean Pauls gespiegelte Blindheit
II. Vom beginnenden Traum der Wahrheit zum endenden Traum der Täuschungen
1. Das Blindenquartett der Transzendenz: Hesperus
2. Träume, die sich verdunkeln: Titan
3. Zur Schau getragene Blindheit: Flegeljahre
4. Auswertung
DRITTER TEIL. Negation des schwarzen Lichts
I. Romantische Ursprünge des blinden Dichters
1 .Die unbeirrt erleuchteten Augen Homers
2. Ossian: Die Augäpfel des letzten Barden
II. Die Revolution der Blindeninspiration
1. Ankündigung moderner Inspiration: André Chénier
2. Letzte Nachtgesänge: Friedrich Hölderlin
III. Chateaubriands Genie der Blindheit
1. Autorität der Blindheit
2. Christentum und blinde Poeten
4. Die Blindheit der Alten in der Neuen Welt
4. Sakralisierung, Revolution, Autorität: Vom Tagen der Geschichte
IV Imaginationen der Moderne
1. Surnaturalisme der Blindheit
2. Höhepunkt und Ende des blinden Sehertums: Victor Hugo
3. Charles Baudelaires entromantisierte Blinde
4. Ende des Blindentraums: Veräußerlichung der Vision
Schluß: Blindheit als Problemstellung einer Ästhetikgeschichte der Moderne
Tabellen und Abbildungen
Literatur
Register
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Das schwarze Licht der Moderne: Zur Ästhetikgeschichte der Blindheit
 9783110921106, 9783484630345

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C Q M M U N I C A T I C

)

Band 34

S t u d i e n z u r europäischen Literatur- u n d Kulturgeschichte

Herausgegeben von Fritz Nies und Wilhelm Voßkamp unter Mitwirkung von Yves Chevrel und Reinhart Koselleck

Kai Nonnenmacher

Das schwarze Licht der Moderne Zur Asthetikgeschichte der Blindheit

Max Niemeyer Verlag Tübingen 2006

Gedruckt mit freundlicher Unterstützung der Kurt-Ringger-Stiftung, Mainz Die vorliegende Arbeit erhielt den Preis der Stiftung für Medien- und Kommunikationswissenschaften, Mannheim

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN-13: 978-3-484-63034-5 ISBN-10: 3-484-63034-5

ISSN 0941-1704

© Max Niemeyer Verlag, Tübingen 2006 Ein Unternehmen der K. G. Saur Verlag G m b H , München http://www. niemeyer. de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Ubersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz: Johanna Boy, Brennberg Druck: Laupp 8c Göbel G m b H , Nehren Einband: Buchbinderei Geiger, Ammerbuch

Vorwort

Mein besonderer Dank gilt Prof. Charles Grivel, ohne dessen immer neue Aufmerksamkeit für das Übersehene bzw. Ungesehene und ohne dessen kontinuierliche Förderung es nicht nur die vorliegende Arbeit heute nicht gäbe. Diese ist wie Bernd Stieglers Habilitationsschrift Philologie des Auges im Rahmen des DFG-Projekts Theoriegeschichte der Photographie entstanden und gewissermaßen als komplementäres idealistisches Gegenstück zu dessen photographischer Wahrnehmungsgeschichte der Literatur zu lesen. Stellvertretend für alle darüberhinaus am Projekt Beteiligten sei auch ihm, Beate Ochsner und Andre Gunthert für den kollegialen Austausch gedankt. Zu danken habe ich weiterhin der Graduiertenförderung des Landes BadenWürttemberg für die Gewährung eines Promotionsstipendiums, der Hermann LenzStiftung für ihre initiierende Finanzierung meiner Forschungsarbeit in Frankreich und der Kurt-Ringger-Stiftung für ihre Gewährung eines Druckkostenzuschusses. Den Herausgebern von Communicatio, den Professoren Fritz Nies und Wilhelm Voßkamp, bin ich dankbar dafür, dass sie meine Arbeit in ihre Reihe aufgenommen haben; Frau Dr. Ulrike Dedner vom Niemeyer-Verlag danke ich ftir die stets aufmerksame Lektoratsbetreuung. Mein Interesse an der Blindheit wurde beim Schreiben über Andre Gides La Symphonie pastorale geweckt, man kann die fiktiven Tagebuchaufzeichnungen des Pastors über seine blinde Gertrude als Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit lesen. Um sichtbar machen zu können, mit welchen Strategien die diskutierten Texte sich der Blindheit bedienen, wurden Zitate zu Konstellationen zusammengestellt; als Zitierkonvention ist deshalb im Folgenden zu beachten, dass sich im Fließtext Seitenangaben in Klammern auf den je zuletzt angegebenen Text beziehen. Ich hatte Gelegenheit, einzelne Aspekte meiner Forschungen über die Blindheit voranzustellen und zu diskutieren, so bei einem Doktorandenworkshop im elsässischen Lucelle und in Klingenthal, in der Mannheimer Vortragsreihe Fotografische Forschungen, im Athenäum-Jahrbuch für Romantik, bei der Nachwuchstagung der Romanisten in Leipzig zum Thema Körper und Schrift, beim internationalen Doktorandenprogramm an der schwedischen Universität Linköping, bei den Tagungen L'Au-delä et les ombres in Aix-en-Provence und Poetique de l'espace in Clermont-Ferrand. Den Organisatoren und Teilnehmern danke ich für zahlreiche Anregungen, die in diese Arbeit eingegangen sind. Dem Mannheimer

VI

Vorwort

Doktorandenkolleg Literatur und Kulturgeschichte der Moderne für die zahlreichen Oberseminare und für die inspirierenden Workshops im Zisterzienserkloster Bronnbach. Den Professoren Frank Baasner, Jadranka Gvozdanovic, Jochen Hörisch, Hermann H. Wetzel und Reiner W i l d danke ich für ihre wohlwollende und kompetente Unterstützung meiner Arbeit während und nach der Promotion. Weitere Menschen haben mich in dieser Phase begleitet und unterstützt. Mein Dank schließt sie ausdrücklich mit ein. K.N.

Inhalt

Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik

1

E R S T E R TEIL

Die Blindheit der Philosophen

17

I.

17 17 24 25 26 28 29 29 30 31

II.

Objektivierung der Erkenntnis und Ästhetikgeschichte 1. Minerva und die schlechten Augen der Philosophie 2. Etappen einer Philosophiegeschichte der Blindheit a) Descartes: Blindheit des Rationalismus b) Lockes Fenster zu den Ideen c) Berkeleys Zeichentheorie der Sinne d) Condillacs Statue 3- Holbachs verdoppelte Blindheitssemantik a) Blindheit der moralischen und der physischen Welt b) Der eingebildete Gott 4. Exkurs: Dunkel, verborgen, trüb, verrückt Gebrauchsweisen der Blindheit 5. Blindheit in der Encyclopedie a) Kernartikel zur Blindheit b) Philosophie der Privation c) Auswertung

33 39 40 43 46

Diderot und die Modernität der Blindheit 1. Die Lettre sur les aveugles, ästhetisch gelesen 2. Abstraktion und Gebrauch der Blindheit a) Drei Blindenfiguren b) ... und eine vierte 3. Diderots Chimären a) Höhlenauf- und -abstieg b) Präsenz und Potenzierung der Empfindung c) Vermögen und Augenschein d) Sinnesgeleitete Vorstellungen und Chimären

47 47 49 50 51 52 52 54 55 57

VIII

Inhalt

III. Potentiale der Blindheit im Brief über die Blinden 1. Blindheit als Metapher a) Politisch-juristischer Kontext: Blindheit und Legitimität, Blindheit und Autorität b) Philosophischer Kontext: Mechanismus und Innerlichkeit c) Idealismus der Blindheit: Empathie und Sinnesausstattung . . . . d) Auswertung: Metaphorisierung und Ästhetisierung 2. Das Tasten der Erkenntnisphilosophie a) Anschaulichkeit der Ideen b) Wirklichkeitsnähe des Tastsinns c) Verbleibende Sinne d) Ophthalmologie und Molyneux: Sehen und Schauen 3. Symbolisierung - die Sprache der Blindheit a) Spiegelungen und Verzerrungen: Blinde oder symbolische Erkenntnis b) Von der Dioptrik zur Sprachtheorie, von der Linguistik zur Literatur c) Abstraktion als Blindenwissenschaft 4. Sensibilite a) Die Schönheit des Sensualismus: der Blinde als Ästhet b) Blindheit im Wettstreit der Künste c) Taktile Lektüre, Poesie der Stimme d) Von der doppelten Blindensemantik zur Überhöhung der Blindheit IV. Gesichtstrübungen und Gefühlsverheißungen 1. Dunkles Sehendwerden bei Johann Gottfried Herder a) Haptische Ästhetik b) Der Blinde kommt zu sich c) Inszenierung des ersten Blicks 2. Die Selbstberührung der Wahrnehmung: Vom Spiegelbild zur Anaglyptographie a) Medienkritik der Taktilität: Spiegel vs. Abdruck b) Ästhetik der Abwesenheit c) Ekstasis und Hieroglyphen d) Entstehung der Anaglyptographie 3. Rousseaus Selbstblendung: fimile und Julie a) Einleitung: Taktilität des Sehens b) Transparenz und Trübung: die empfindsame Sprache c) Privation und Zirkulation, Seelenschrift und Chimären d) Deismus und Augenschleier, Deprivation und Tod e) Hymnische Selbstblendung

59 59 62 64 67 69 70 71 75 76 79 82 82 84 85 87 87 89 91 92 93 95 96 98 101 104 107 109 113 116 121 121 125 127 129 132

Inhalt

IX

ZWEITER TEIL

A.

Die Blindheit des Deutschen Idealismus

135

I.

Fichtes transzendentale Blindheit 1. Einleitung: Das dunkle Leuchten der Philosophie a) Träumende Philosophen: Heraklit, Kant und Swedenborg . . . b) Doppelte Blindheit in Piatonismus, Christentum und Idealismus 2. Hinter dem Vorhang: Zweifeln, Wissen, Glauben a) Heilung von der Blindheit des Sensualismus b) Krise der Reflexion c) Innerer Sinn als Negation des Seins d) Anschauung der Freiheit

135 135 137 139 143 143 144 146 147

II.

Objektiv verdunkelter Schein: Schelling und Hegel 1. Ausgangslage: Die haltlosen Blicke der Reflexion a) Schillings Verkörperlichung des Lichts b) Verdunklung als Verklärung 2. Hegels Geistesphysik des Lichts a) Sonnenlauf der Geschichtsphilosophie b) Blicklosigkeit des Kunstwerks 3. Ausblick

149 149 150 151 152 154 155 159

B.

Jean Paul: Poesie zwischen Materialismus und Nihilismus

161

I.

Hinführung 1. Das dunkle Leuchten der Poesie a) Hegel und Jean Paul b) Jean Paul und Fichte 2. Nihilistische Lichtverhältnisse a) Blaue und Schwarze Romantik b) Elfte Nachtwache 3. Jean Pauls gespiegelte Blindheit a) Negation und Entzifferung b) Bildlichkeit und Moderne

161 161 163 164 166 167 168 169 170 171

II.

Vom beginnenden Traum der Wahrheit zum endenden Traum der Täuschungen 1. Das Blindenquartett der Transzendenz: Hesperus a) Die Unsichtbare Loge b) Lord: Philosophie als Blindenheilung bei Hofe c) Julius: Blinde Dichtkunst

175 175 176 177 178

X

Inhalt d) Emanuel: Blindheit und Transzendierung e) Viktor: Auffächerung und Bündelung 2. Träume, die sich verdunkeln: Titan a) Spiegel-und Geisterwelt b) Durchbruch zum Licht und mediatisierter Blick c) Augenlicht und Augenfeuer: Idealismus und Psychoanalyse d) Getrübter Traum der Wahrheit und Lianes erste Erblindung e) Sonnenfinsternis und Lianes zweite Erblindung f) Liane und Idoine, Sonnenlicht und Mondschein g) Lindas Nachtblindheit h) Tetralogie der Empfindung und Tetralogie der Vernunft . . . . 3. Zur Schau getragene Blindheit: Flegeljahre a) Kraft und Verstand eines schwedischen Pfarrers b) Doppelperspektive und Schriftverkehr c) Durchsicht und Trübung d) Augen der Augen, Traum des Traums, Liebe der Liebe e) Täuschung der Blindheit f) Brief - Nachtwandler - Traum 4. Auswertung

179 180 182 183 185 187 187 189 191 192 192 194 196 197 200 201 203 205 207

DRITTER TEIL

Negation des schwarzen Lichts

217

I.

Romantische Ursprünge des blinden Dichters 1. Die unbeirrt erleuchteten Augen Homers a) Abgewandter Blick und Blindensprache b) Inspiration und Prophezeihung 2. Ossian: Die Augäpfel des letzten Barden a) Romantische Seifenblasen b) Ossian in Frankreich

217 218 223 225 228 228 230

II.

Die Revolution der Blindeninspiration 1. Ankündigung moderner Inspiration: Andre Chenier a) Der Dichter nach Andre Chenier b) Zur Modernisierbarkeit des Klassizismus: L'Aveugle 2. Letzte Nachtgesänge: Friedrich Hölderlin a) Sänger der Moderne b) Hölderlins Licht und Dunkel c) Die Nacht des blinden Sängers und das ersehnte Tagen . . . .

232 233 233 235 241 242 244 246

Inhalt

XI

III. Chateaubriands Genie der Blindheit 1. Autorität der Blindheit a) Vom Sinn der Blindenbegegnungen b) Vom Licht der Geschichte c) Königtum und Blindheit 2. Christentum und blinde Poeten a) Die ausgestochenen Augen der Nachtigall b) Homer und Ossian c) John Milton 3. Die Blindheit der Alten in der Neuen Welt a) Rene bei den Alten b) Die Autorität des blinden Chactas 4. Sakralisierung, Revolution, Autorität: Vom Tagen der Geschichte

251 253 253 254 255 257 257 259 262 267 267 270

IV. Imaginationen der Moderne 1. Surnaturalisme der Blindheit a) Vom Ideal zum Spleen b) Schwarze Sonnen: Gerard de Nerval c) Traumaufklärung der Augen 2. Höhepunkt und Ende des blinden Sehertums: Victor Hugo . . . . a) Poetik der Vision b) Der Weg aus der schwarzen Nacht c) Der Weg ans Licht 3. Charles Baudelaires entromantisierte Blinde a) Vom Schließen der Fensterscheiben b) Der Blick des Genesenden c) Die Blindenpassanten 4. Ende des Blindentraums: Veräußerlichung der Vision a) Theophile Gautiers L'Aveugle b) Observationen des Blinden c) Die helle Kammer d) Negativität der Photographie

275 275 278 281 283 285 285 290 293 296 296 302 307 311 312 317 325 329

Schluß: Blindheit als Problemstellung einer Ästhetikgeschichte der Moderne

333

Tabellen und Abbildungen Literatur Register

339 341 369

272

Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik

What dreams would he have, not seeing?1

Was Blindheit nicht ist, bleibt in einem Wort zu sagen: Sehen. Denn das Wesen der Blindheit liegt in der Negation. Die vorliegende Arbeit gibt allerdings nicht vor, so lakonisch zeigen zu können, was Blindheit ist. Sie versteht sich vielmehr als Element einer Geschichte der Blindheit, die nach Plotnitsky 2 noch zu schreiben ist und die sich als ästhetische Verdachtsgeschichte gegenüber dem äußerlichen, physiologisch-optischen Teil des Sehens ausnimmt - insofern konstituiert sie im schwarzen Licht der Moderne eine mächtige Gegenerzählung der Ästhetik, der Bildenden Kunst und der Literatur zu triumphalischen Aufklärungsphantasmen, zur technischen Zurichtung der Wahrnehmung und zur verwissenschaftlichten Objektivierung des Blicks. Den bald einsetzenden europäischen Erfolg der literarischen Blindheit hat der blinde Dichter Daniel Leopoldus im Jahre 1735 mit dem kuriosen Titel Geistliche Augensalbe^ vorweggenommen. Im Folgenden wird exemplarisch und ohne Anspruch auf Vollständigkeit nachgezeichnet, über welch weites Spektrum verteilt im 18. und 19. Jahrhundert in Frankreich und auch Deutschland die Philosophie und die Literatur die Blindheit ins Feld geführt haben, ins ästhetische Feld vor allem, mit welchen Verfahren und welchen Wirkungen die Augensalbe jeweils aufgetragen worden ist und was daraus ex negative für eine Geschichte des Sehens in der Moderne zu folgern ist. »S'ils sont condamnes ä vivre dans une profonde nuit, leur infirmite tourne, pour ainsi dire, ä leur avantage, puisque garantis des illusions de la vue, ils ne sont pas, comme nous, assaillis de frayeur: tous les fantömes que l'exaltation de notre imagination cree, leur sont inconnus.« 4 Der Blinde ist ein Wesen, das sichtbar ist, ohne selbst sehen zu können. 5 Er eignet sich auf privilegierte Weise für die Projektionen der reflexiv werdenden Wahrnehmung: Die Vorliebe der Ästhetik für die Blindheit, ihre Typhlophilie, beginnt schon mit Baumgartens

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2 3

4 5

J. Joyce. Ulysses. S. 1 l44f. - Zur Blindheit bei Joyce vgl. S. Danius. The Senses of Modernism. S. 174ff. Α. Plotnitsky. Closing the Eye. S. 76. Vgl. dazu J. Pöschl. Zur Geschichte und Charakteristik des modernen Blindenwesens. S.7. S. Guillie. Essai sur l'instruction des aveugles. S. 61 f. Vgl. J. Bril. Regard et connaissance. S. 173.

2

Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik

Feld der dunklen ästhetischen Ideen - »campus obscuritatis«. 6 Aber nicht das klare Licht des Begriffs erhellt bald dieses schwarze Feld, sondern das Leuchten aus d e m dunklen G r u n d des Idealismus. Sich den Z u m u t u n g e n eines verkürzten Rationalitätsverständnisses 7 entziehend, das den zum Fortschrittsglauben geschrumpften Modernisierungsprozeß begleitet, wird die Negation des menschlichen Königssinnes immer deutlicher zur Selbstbegründungsstrategie des Ästhetischen. Es wäre insofern lohnender, die Austreibung der Einbildungskraft aus den Wissenschaften zu untersuchen, 8 als einseitig die immergleiche These von der wissenschaftsfeindlichen Poesie zu vertreten. Möglicherweise geht ein spontaner Impuls eher dahin, die Blindheit als Gegenmetapher der Aufklärung unter modernisierungsfeindliche Krisenreaktionen zu subsumieren. In der vorliegenden Arbeit soll aber gezeigt werden, daß die Abwesenheit des Sehens f u n damental für die je avancierte ästhetische Diskussion der Moderne geworden ist, als visuelle Opposition geradezu. Das leuchtende Gegenreich des Traumes, das im Gedicht Reve d'aveugle die blinde Autorin Madame Galeron de Calonne beschwört, versöhnt für die Zeit des Gedichts Blindheit u n d Sehen - und damit die Opposition von Traum u n d Wachen, Licht und Dunkel, Vergangenheit und Gegenwart: Quand le sommeil beni me ramene le reve, I Ce que mes yeux ont vu jadis, je le revois; I Lorsque la nuit se fait, c'est mon jour qui se leve, I Et c'est mon tour de vivre alors comme autrefois. l£tres mal definis, choses que je devine, ITout cesse d'etre vague et vient se devoiler, I C'est la lumiere, c'est la nature divine, I Ce sont des traits cheris que je peux contempler. I Et quand je me reveille encor toute ravie, I Et que je me retrouve en mon obscurite, I Je doute, et je confonds le reve avec la vie: IMon cauchemar commence ä la realite.9 Madame de Calonne hat hier bezeichnenderweise auch die reproduktive Einbildungskraft der Aufklärung mit dem produktiven romantischen Vermögen der Vision vermischt und so gewissermaßen den sensualistischen Kernsatz verkehrt: EST in intellectu quod non prius fuerit in sensu, m u ß es demnach heißen. Diese Abwendung von der N a c h a h m u n g läßt sich wie der romantische Mondschein als nostalgischer Konservativismus und weltlose Privation lesen, zugleich aber auch als hochinnovative imaginative Überschreitung einer positivierten Wirklichkeit.

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A. G. Baumgarten. Texte zur Grundlegung der Ästhetik. § 514. S. 4. Vgl. N. Luhmann. Europäische Rationalität. - Zu den Auswirkungen der Modernisierung auf den Körper vgl.: Physiologie und industrielle Gesellschaft. Hrsg von Ph. Sarasin u. J. Tanner. Dies unternimmt die Wissenschaftsgeschichtlerin L. Daston in ihrem Aufsatz. Fear and Loathing of the Imagination in Science. - Vgl. dazu auch ihre Aufsatzsammlung. Wunder, Beweise und Tatsachen. M m e Galeron de Calonne. Reve d'aveugle. In: H.-J. von Schumann. Träume der Blinden. S. 59.

Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik

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Die Brüder Goncourt berichten 1 0 im 19. Jh. von der Begegnung Gautiers mit einem erblindeten Maler: An Farben kann sich dieser nicht erinnern, allerdings erscheinen sie ihm wieder im Traum. U n d tatsächlich wurde der programmatische Ausschluß der Einbildungskraft im Naturalismus zum Projekt, das den Blindentraum der Romantiker als ausgeträumt auswies. Das Sehen geht aber nicht im Gesehenen auf; jeder solche Okulozentrismus beruhte nach Waidenfels auf einer »Blickverkennung«. Da eine Geschichte des Blicks nicht ohne »Sinnesvergessenheit« 11 zu denken ist, m u ß sie immer bezogen bleiben auf ein uneinholbar Fremdes, das diese Geschichte zugleich konstituiert u n d übersteigt. Gleiches gilt für eine Geschichte des Bildes, das in Valerys Worten ja immer »mehr als ein Bild« 12 ist. An der Blindheit konnte diese Differenz verhandelt verhandelt werden: In ihr bleibt das Ästhetische unabgeschlossen, lebendig, gegenwärtig. In der vorliegenden Arbeit soll nicht versucht werden, die neueren Versuche zu ergänzen, die Moderne zu konzeptualisieren. 1 3 Vielmehr erzählen die ausgewählten Problematisierungen der Blindheit anschaulich vom Ende der Anschaulichkeit, sie berichten von der Sattelzeit, 14 dem neuen Verhältnis von Subjekt und Geschichte und dem krisenhaften Obsoletwerden der >alten Augenneuen Augen< des modernen Subjekts müssen von alldem absehen, was ihre unbedingte Selbstbegründung gefährden könnte. Sie müssen erblinden, u m zu sehen. Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts läßt sich im heuristischen Bezug auf die Blindheit eine stringente Asthetikgeschichte formulieren, eine Genealogie ästhetischer Strategien, die sich gegenüber einer bloßen Wahrnehmungsgeschichte ab-

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»Gautier me racontait une conversation qu'il avait eue avec Anastasi. I Le peintre aveugle lui disait qu'eveille, il η avait plus la memoire des couleurs, mais qu'il la retrouvait dans les reves de son sommeil. Les choses, dans la nuit eternelle oü Anastasi est plonge, se rappellent ä lui par un contour et un modelage, mais il ne les voit plus colorees.« E. u. J. de Goncourt, Journal, 1851. Mercredi 21 fevrier. B. Waldenfels. Sinnesschwellen. S. 127 u. 153. Das vielzitierte Diktum findet sich etwa in Fr. Dagognet. Philosophie de l'image. S. 8. - P. Geimer. Ordnungen der Sichtbarkeit. S. 7. Vgl. beispielsweise: Konzepte der Moderne. DFG-Symposion 1997. Hrsg. von G. von Graevenitz. R. Kosellecks Konzept der Sattelzeit meint die Transformationen im von mir gewählten Zeitraum in Prozessen der Individualisierung, der Verzeitlichung, der Verbürgerlichung und kulturellen Vergesellschaftung, aber auch der Selbstorganisation der Kunst als autonomes Sozialsystem. Den Vorwurf an die von Koselleck mitherausgegebenen Geschichtlichen Grundbegriffe, sie gingen traditionell ideengeschichtlich vor und verzichteten auf eine diskursanalytisch fundierte sozialhistorische Semantik, wird man an eine Asthetikgeschichte wie der vorliegenden nicht in dem Maße machen wie an den Historiographen.

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Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik

grenzt durch die poetische Kraft der Negation. Der Bildersturm 1 5 als metaphysisches Argument wurde insofern abgelöst durch den Augensturm als Fundierung der romantischen Kunstreligion. Der Geburtsblinde hört in diesem Verlauf bis etwa 1800 auf, als Exemplum der Erkenntnisphilosophie verhandelt zu werden, u n d wechselt im Verlauf der Ausdifferenzierung des Ästhetischen auf die Seite der Kunstbetrachtung: I m Ubergang von der reproduktiven zur produktiven Einbildungskraft bestimmt die Figur des Blinden zunehmend die romantische Abkehr von der klassischen Nachahmungstheorie. Dies schlägt sich in so unterschiedlichen Debatten wie der Hierarchisierung der Sinne, der Begründung einer synästhetischen Anthropologie und im Wettstreit der Künste nieder; bei der Ausbildung einer selbstreflexiven Kunst u n d eines solchermaßen überhöhten Dichterverständnisses wird die Inversion des Blicks beschworen. Wenn wir die behandelten Epochen grob vereinfachend nach ihren Beziehungen zum Nicht-Sehen einteilen, so folgt auf die Blindheit als Negation der Aufklärung in der empfindsamen Selbstblendung gewissermaßen deren positive Überhöhung, und beide überkreuzen sich im Systemprogramm des Deutschen Idealismus. Im weiteren Verlauf wird die Blindheit in die Wahrnehmungsbrüche der Avantgarde integriert: Z u r poetischen Reaktualisierung des blinden Sängers mischt sich zunehmend die leere Transzendenz des gebrochenen Blicks, bis hin zur absoluten ästhetischen Negativität, hier schließlich fällt die unbesternte Schwärze der Postromantik mit dem alle Bedeutung überstrahlenden Weiß eines entleerten Kunstraumes zusammen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verkehrt sich in realistischen Begründungen der Moderne das dunkle Leuchten zum hellen Geheimnis. In dieser zeitlichen Abfolge gruppieren die folgenden Abschnitte weitgehend die in sich komplexen Interventionen der Blindheit. Die philosophische Beschäftigung mit der Blindheit bezieht sich implizit immer neu auf die abendländisch-platonische Tradition der Metaphysik, die das Licht mit der philosophischen Wahrheit gleichsetzt. Die dunkle Welt sinnlicher W a h r n e h m u n g m u ß in dieser Denktradition überwunden werden, u m zur Welt der Ideen zu gelangen. Daraus wird auch verständlich, daß die Aufklärung, die der E R S T E T E I L behandelt, den Blinden als U n m ü n d i g e n per se zum Licht der Vernunft führen will. Z u den partiell reduzierten, defizitären Sinneskonstruktionen, die der Aufklärung als »Gedankenfiguren« 1 6 dienen, zählt für Gessinger neben dem Taubstummen oder der Maschine 1 7 vor allem der Blinde, an dem sich d a m i t in Sensualismus, Anthropologie u n d Sprachphilosophie der Anspruch einer streng wissenschaftlichen Analyse menschlicher Erkenntnisvermö-

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Vgl. dazu J. Lichtenstein. Le Geste iconoclaste comme inauguration de la metaphysique. J. Gessinger. Auge und Ohr. S. XVIII. Des Weiteren würde ich zu den defizitären Modellen das Kind und den Wilden zählen.

Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik

5

gen abzeichnet. Zur philosophischen Reflexion der Blindheit im 18. Jahrhundert (Kap. I) liegen umfassende Untersuchungen vor, die am Beispiel verstreuter Bemerkungen in der Encyclopedic kurz diskutiert werden. Es soll im Anschluß der Versuch unternommen werden, Diderots Lettre sur les aveugles (Kap. ii) einmal nicht als erkenntnisskeptische Stellungnahme zum Molyneux-Problem zu lesen, sondern bereits hier eine ästhetische Grundlegung der empfindsamen und romantischen Literatur der Blindheit herauszuarbeiten. Meine Lektüre stützt sich auf die Frage aus Diderots — gute Zeit später hinzugefügten — Additions h la Lettre sur les aveugles: »Qu'est-ce que l'imagination d'un aveugle?«18 Kunst ist hier nicht mehr Nachahmung von Natur, sondern Nachahmung von Wahrnehmungsprozessen, und an vier paradigmatischen Blindenfiguren führt Diderot die Ablösung der Blindheit als entsinnlichtem Erkenntnismodell sinnlicher Erkenntnis durch Blindheit als ästhetische Inszenierung ästhetischer Erfahrung vor, die den Ubergang des Repräsentationsparadigmas vom Spiegelbild zur Tastschrift mit sich bringt (Kap. iii). Der von der Wissenschaft ungeheilte Blinde sieht nicht, deshalb weiß er. Ganz richtig schreibt Paulson: »The blind man's arrival is a mythical as well as epistemological event, for if he brings with him no understanding of the visible, then philosophy has a new myth, that of its own totally experiential origin.«19 Der medizinisch möglich gewordene Starstich dient als Urszene der Aufklärung, die allerdings bald im erstarkenden empfindsamen Denken in ihr Gegenteil zu kippen beginnt: Der geheilte Blinde erblickt in einer Vielzahl von Bühnenstükken keineswegs die Wahrheit, sondern die verklärte Natur oder die Tränen der Geliebten. Insbesondere Diderot, Herder und Rousseau zeigen am Blinden die Abkehr von der cartesianisch-rationalistischen Visualität (Kap. iv). Begleitend zur empfindsamen Selbstwerdung öffnet sich der Sprachriß in der Dichtung der Moderne, für den auch die Differenz der Blindensprache herangezogen wird, so in Pöschls Geschichte des Blindenwesens: Der Blinde redet die Sprache der Sehenden, seiner Umgebung, trotzdem sich die Außenwelt in seiner Seele anders spiegelt als in der eines Vollsinnigen. Des Blinden Bewußtseinsinhalt ist daher von dem des Sehenden verschieden, seine Ausdrucksweise jedoch dieselbe. Dieser Umstand kann zu der Annahme berechtigen, daß der Nichtsehende in einer anderen Sprache rede, als in der er denke; [...]. 2 0

In der Blindheit erhält die romantische Vision einen Körper. Von Victor Hugo werden die letzten Worte überliefert, er sehe schwarzes Licht: »Je vois de la lumiere noire.«21 Diese Worte klingen wie eine späte Reminiszenz des franzö-

18 19 20 21

D. Diderot. Additions. In: CEuvres philosophiques. S. 161. W. R. Paulson, Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 11. J. Pöschl. Zur Geschichte und Charakteristik des modernen Blindenwesens. S. 31. P.-L. Rey. La litterature f r a ^ a i s e du XIX e siecle. S. 156. - Als Varianten gibt K. Biermann an: »Aus seiner Agonie sind zwei Worte überliefert: Ich sehe schwarzes Licht, lau-

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Einleitung: Zur Typhlophilie der Ästhetik

sischen Romantikers an den Klassiker Goethe, dessen letzter Wunsch auf d e m Sterbebett gelautet haben soll: »Mehr Licht!« Nicht zufällig zieht sich das Leitmotiv des schwarzen Lichts, der »flamme noire« 22 durch Hugos romantisches Werk: Wo das weiße Licht für die gleißenden Sonnenstrahlen der klassischen clarte stand, wird die Blindheit romantisch, indem sie von innen heraus zu leuchten beginnt. Eine lineare Geschichte der Blindheit wird schon allein wegen der Ungleichzeitigkeit der auftretenden literarischen Phänomene nicht zu schreiben sein, 2 3 gleichwohl bleibt die Ästhetik u m 1800 Kulminationspunkt der Entwicklung: Die künstlerische Revolution bedingt in der literarischem Stil- und Formensprache, in Gattungs- und Themenwahl ein besonderes Interesse für die Blindheit. Die philosophische Leistung des Deutschen Idealismus im Z W E I T E N T E I L nun liegt in der Anstrengung, den nachkantischen absoluten Subjektivismus Fichtes (KAP. A I) - der als Kurzschluß der Reflexion zugleich auf einen inneren Sinn und die Negation der äußerlichen Sehens hinausläuft - zu reobjektivieren. Dies leisten Schelling und Hegel (KAP. A II). Insbesondere Hegels dialektischgeschichtsphilosophisches Modell wird hier auf sein Verständnis des Sehens und des Lichts angewandt, was Konsequenzen für die Opposition der klassischen u n d der romantischen Kunstform hat. In Jean Pauls Romanen ist diese Epochenproblematik in der Blindheit poetisch umgesetzt, was an der Entwicklung der philosophischen Modelle zu zeigen sein wird, die vom Hesperus über den Titan zu den Flegeljahren den Romanen zugrunde liegen (KAP. Β I-II). Das dunkle Leuchten vertritt bald eine emphatische Romantik der mages (Benichou), die der D R I T T E T E I L behandelt. Der blinde Sänger verkörpert einen prophetisch überhöhten Dichter, wie er in den Blinden Homer, Milton u n d Ossian beschworen wird (KAP. I). In der Gegenüberstellung der Blindheit bei Andre Chenier und Friedrich Hölderlin werden die revolutionären Umbrüche in der poetischen Freiheit, in der dichterischen Inspiration und der Stellung des Klassizismus nachgezeichnet (KAP. II). Chateaubriands Werk ist von Blinden durchzogen, die im Kern bereits auf eine bedrohliche Leere u m sie her reagieren (KAP. III). Diese Tendenz wird sich verstärken, so bei Victor Hugo, einem späten Solitär des visionären Selbstverständnisses. An der Figur des Blinden läßt sich die trostlose Entzauberung romantischer H o f f n u n g e n nachzeichnen (KAP. IV): Das dunkle Leuchten verlischt bei Baudelaire u n d Gautier ganz, der Blinde gerät zum Zeichen eines verlorenen metaphysischen Blicks, die Einbildungskraft behauptet

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tec das eine, Dies ist der Kampf zwischen Tag und Nacht das andere.« V. Hugo. S. 132. Vgl. dazu auch: Ph. Regnier. Tombeau de V. Hugo. S. 21 f. V. Hugo. La Corde d'Airain: XXVI. Coups de clairon. »Plays glorifying the cure of cataracts flourished in the 1820s, more than fifty years after the Chevalier de Cerfvol had denounced oculists as hypocrites, more than twenty years after the ancient topos of the blind seer had been evoked by Chateaubriand and Madame de Stael.« W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 16.

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ihre autonome Künstlichkeit. Die symbolistischen Blinden Maeterlincks, die hier nicht mehr behandelt werden, verharren in schwarzer Unbehaustheit, Mallarmes absolutes Buch wird die Ästhetik in eine absolute weiße Leere retten. 24 Der idealistische Blindentraum der Ästhetik hebt um 1750 langsam seine Schleier und verlöscht ein Jahrhundert später wieder, während das Licht der photographischen Industrie und des künstlerischen Realismus aufblendet. So endet schließlich das zitierte Gedicht von Galeron de Calonne: »Mon cauchemar commence ä Ia realite.« Der realistische Blick von außen auf den Blinden stellt sich uneinheitlich dar, überwiegend erhält er nun einen bedrohlichen Charakter: vom geheimnisvoll-dämonischen Blinden im roman-feuilleton wie Eugene Sues Les Mysteres de Paris oder Paul Fevals Les Mysteres de Londres und in Balzacs Facino Cane über die sozial randständigen Existenzen, die etwa Flauberts Madame Bovary verstören, bis hin zur positivistischen Uberwindung der Blindenmetaphysik, wie der spanische Naturalist Benito Perez-Galdos sie in den Romanen Misericordia und Marianela feiert. 25 Andre Gides kanonisierte Tagebuchnotizen eines Pastors, La Symphonie pastorale, die lange Zeit ob ihrer scheinbar schlichten Form unterschätzt wurden, nehmen die gesamten abendländischen Deutungsstränge der Blindheit noch einmal auf, namentlich die antike Inspirationstheorie des Sehers, die christlichen Blindengleichnisse, die wissenschaftlichen Heilungsmethoden und die empfindsame Liebe der blinden Gertrude. Der autobiographische Schreibprozeß beschreibt zuletzt jedoch nur den grausamen Erkenntnisbogen der griechischen Tragödie. Der blinde Amor ist, mehr als eine nur allegorische Figur der Liebe, Personifikation des liebenden Blicks selbst. Der französische Idealismuskenner Lacoue-Labarthe schreibt sich in die Liebesauffassung um 1800 ein, wenn er notiert: Nous nous connaissons plus que je me connais. (Peut-etre ainsi comprendras-tu que je ne puisse jamais m e parier, encore moins m e regarder. Je vis tout aveuglement. Mais cette etrange cecite cesse avec toi. Mais cette clarte en plus, c o m m e si un autre degre etait franchi, c'est precisement ce qui me voue au silence. O u du moins ä une parole rare. Parier dit toujours plus que nous ne pouvons, sommes capables d'entendre dire.) 2 6

Ähnlich wie die Naturauffassung und die Religiosität der Zeit, läßt sich das romantische Liebeskonzept in Hegels Definition als »versöhnte Rückkehr aus sei-

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Vgl. zum absoluten Schwarz und zum reinen Weiß in der Bildenden Kunst das Kapitel von H . Scheugl. Metamorphosen von Schwarz. In: Das Absolute. S. 3 3 3 - 3 4 3 . Z u m spanischen Raum, insbesondere zum Lazarillo, zu Buero Vallejo, Cela, Garcia Märquez, Perez Galdos und U n a m u n o . Juan Cruz Mendizabal. Luces y sombras. El ciego en la literatur hispanica. - Für Italien: L. Olivero Arbellino. L'ombra e le parole. Cecitä e letteratura. Ph. Lacoue-Labarthe. Phrase. S. 7 3 .

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nem Anderen zu sich selbst« 27 verstehen: als Aufhebung des Gegensatzes von Subjekt und Objekt. Caissons Geschichte des bösen Blicks ergänzt die Metaphorik der visuellen Vereinigung: »voir, c'est irradier de la lumiere et done etre visible; c'est se faire image dans le miroir de l'autre, c'est, en somme, se faire objet pour etre sujet«. 28 Das Blindekuhspiel des liebenden Blicks gerät zum Versuch einer Transposition des Sehens. Er wird nach Klinger der Reflexion nicht gelingen: Die romantische Liebe kann nicht zum Du reichen, solange sie vor allem das Ich wichtig nimmt und den Anderen nur als dessen Spiegel wahrnimmt. 2 9 In der Liebe der sehenden Geliebten aus Lamartines Les Tailleurs de pierre zu Graden findet diese Übertragung statt: Gratien erblindet durch einen Unfall, hat aber sein Augenlicht nicht verloren, sondern regelrecht in die Geliebte transferiert. 30 Ein analoges Beispiel für die Verbindung von Liebe und Blindheit liefert Esquiros' Le Magicien, das den alten Blinden als atheistischen Materialisten 31 vorstellt und körperliches und geistiges Sehen trennt: Die Blindheit vertritt einen Rückzug aus der bürgerlichen Realität in eine autonome ideale Welt. 3 2 Und wieder ist es sein Geliebtes, die Tochter Marie, die sein Sehen verkörpert: >Je te vois, enfant; quoique les yeux fermes et eteints, je te vois en moi! Vous etes tout mon soleil, ö m a blonde!< C o m m e sa fille etait l'unique chose au monde qu'il vit.

Klages hat die Blindheit direkt auf die Empfindsamkeit bezogen: Indem sie Akten aus Blindenschulen, biographische Quellen und fiktionale Repräsentationen gemeinsam untersuchte, konnte sie etwa die Verbindung zwischen dem blindenpädagogischen Versuch der sozioökonomischen Integration der Behinderten, der Erfindung der Blindenschrift und den entstehenden positiven Blindenbildern herausarbeiten, umgekehrt bezieht sie die Blindheit der sentimentalen Romanheldin auf die asexuelle Rolle der bürgerlichen Frau. 33 Ein geeignetes französisches Textbeispiel hierzu wäre Un bon petit diable34 der Comtesse de Segur, 27 28 29 30

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G. W. Fr. Hegel. Ästhetik. I. S. 519. M . Caisson. La science du mauvais ceil (malocchio). S. 44. C . Klinger. Dialektik der Romantik. S. 97. »Aussi il ne s'apercevait veritablement plus du tout qu'il etait aveugle quand eile etait lä, et eile y etait tout le jour; seulement, monsieur, sa vue n'etait pas perdue, eile etait transposee de lui en eile. Elle etait ses yeux, eile etait son sens voyant et vivant dans un autre etre que lui [ . . . ] . « Α. de Lamartine. Les Tailleurs de pierre. S. 462. »On peut juger par lä de ce qu'il y avait de tenebres au fond de cet homme; l'oeil de son corps etait ferme ä la lumiere, l'oeil de son äme ä la verite; en dedans comme au dehors, c'etait un puits noir et scelle, oü Dieu, le second soleil, ne brillait jamais.« Esquiros. Le Magicien. »Cette etude ne fit que le tirer du monde reel, avec qui il η avait d'ailleurs jamais pu se mettre en rapport, pour le jeter dans un monde impossible et ideal, qui finit par lui devenir tres familier. Tous les objets se representaient ä cet homme autrement q u a nous.« Esquiros. Le Magicien. M . Klages. Woeful Afflictions. Disability and Sentimentality in Victorian America. Comtesse de Segur. Un bon petit diable. - Vgl. D. Pregardien. Comtesse de Segur. Un Bon Petit Diable.

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hier sind die Rollen aus Lamartines R o m a n : In der moralisierenden Heiratsgeschichte begleitet die blinde Juliette ihren s e h e n d e n Charles ins Erwachsenwerd e n u n d heiratet ihn schließlich. E i n e e m p f i n d s a m e Weiblichkeit m i t niedergeschlagenen A u g e n w i r d dabei skizziert, so erläutert die A u t o r i n in der W i d m u n g a n ihre Enkelin d e n Vorbildcharakter der B l i n d e n . 3 5 U n d später b e m e r k t Juliette a u c h , w e n n sie einmal sehen k ö n n t e , w ü r d e sie w o m ö g l i c h k o k e t t u n d eitel w e r d e n . D e s h a l b schätzt Charles a u c h ihre Blindheit: »C'est ta cecite qui m'a d ' a b o r d attache ä toi«. Es gibt kein reines, interesseloses Sehen. Dies gilt auch f ü r unseren Blick auf ein K u n s t w e r k : »notre r a p p o r t ä Fceuvre d ' a r t est t o u j o u r s interesse«, so Grivel. 3 6 U n d es gilt ebenfalls für d e n Blick autoreflexiver Texte auf das Sehen, d e n n literarische Texte sind n i c h t auf d e n Status einer historischen Q u e l l e zu reduzier e n , 3 7 insofern in i h n e n ein Künstler auf d e m v o r g e f u n d e n e n Feld der W a h r n e h m u n g s m u s t e r interveniert, insofern sie selbst W a h r n e h m u n g s g e s c h i c h t e schreiben u n d weitertreiben. 3 8 D u t r y u n d Servais b e n e n n e n das G r u n d d i l e m m a einer Ästhetikgeschichte d e r Blindheit, das M o t i v einbeziehen zu müssen, o h n e an i h m h ä n g e n zu bleiben. 3 9 D e n n o c h beschränkt sich eine Motivgeschichte 4 0 der Blind-

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»[...] eile marche de pair avec toi pour la douceur, la bonte, la sagesse et toutes les qualites qui Commandern l'estime et l'affection«. Comtesse de Segur. Un bon petit diable, o. P. Ch. Grivel. L'Ethique est-elle soluble en milieu litteraire? S. 158. Die kantische Illusion der Autonomie des Schönen muß, so fordert Grivel, vom Konzept des Profits abgelöst werden: »Donc il faut faire intervenir le profit dans la parole, un texte doit se mesurer ä ses enjeux et les strategies de l'auteur determinent l'allure qu'il prend. Son discours nest jamais reellement du vent, quoique la poudre qu'il jette aux yeux serve parfaitement ä notre aveuglement.« Vgl. die Studien über das Sehen der Literatur: J. Manthey. Wenn Blicke zeugen könnten. - K. Weisrock. Götterblick und Zaubermacht. - Fr. Breithaupt. Jenseits der Bilder. - P. Utz. Das Auge und das Ohr im Text. »De plus, une ceuvre litteraire et en particulier lorsqu'elle pretend ä quelque valeur, ne reproduit pas, mais accomplit.« Ch. Grivel. Idee du Texte. S. 168. »Qu'en est-il du theme du regard ou de son absence comme ressort romanesque - sans necessairement la presence de personnages aveugles? Un tel theme pourrait faire l'objet d'une autre enquete susceptible d'illustrer les differentes fonctions de Γ ceil.« R. Dutry u. G. Servais. Editorial. S. 8. Viele Arbeiten sind von persönlich Betroffenen verfaßt, wie im Falle der Dissertation von P. Baumeister. Die literarische Gestalt des Blinden im 19. und 20. Jahrhundert. Andere wurden von Blindenorganisationen herausgegeben, wie beispielsweise die der Brüsseler Ligue Braille. Beispielsweise: Visages mythiques de la cecite de l'Antiquite au Moyen Age, oder auch Figures litteraires de la cecite du Moyen Age au XX e siecle. - Ausnahmecharakter hat hierbei das Beispiel der Bücher und Kolloquienbände einer Vereinigung blinder Intellektueller mit dem sinnigen Namen >Le Tour d'y voir< (was ja wie >Elfenbeinturm< klingt). Vgl. La cecite et la malvision a travers les contes, mythes et legendes. — F. Nechem. La cecite au miroir des lettres. - Dazu auch deutsche und amerikanische Arbeiten wie. U. Burkhard, Der Blinde als Bild und Gleichnis. J. Twersky. Blindness in Literature. - Viele Textfunde bei einer rein motivischen Analyse

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heit zumeist auf die sozial- und kulturgeschichtlichen Aspekte der Texte. Damit wäre bald die Grenze einer Blindengeschichte erreicht: »Les themes sont toujours ä peu pres les memes: l'aveugle facile ä tromper, ä egarer; l'aveugle mefiant, parfois mechant; l'aveugle tätonnant, trebuchant, fondant sur l'obstacle ou s'y cognant.« 41 Dies gilt in besonderem Maße für die christlichen Topoi bzw. die humanistische Neufundierung des Sehens und der Blindheit im Mittelalter und der Renaissance. 42 Thematologische Zugänge geraten leicht in die Gefahr, spezifisch literaturwissenschaftliche Fragestellungen aus dem Blick zu verlieren: die symbolische Überhöhung oder poetische Alteration der Sinne etwa, die provokative Ironisierung oder schockartige Durchbrechung von herrschenden Wahrnehmungsideologien. Wie anders wären aber die Blinden bei Diderot oder Hugo, Jean Paul oder Baudelaire zu verstehen? So waren einige methodologische Entscheidungen zu treffen: Die parallele Lektüre von philosophischen, ästhetiktheoretischen und literarischen Texten soll nicht etwa ihre Gleichwertigkeit nahelegen, sondern den Übergang der Blindheit innerhalb der drei Wissensfelder nachzeichnen, um so ihre postulierte Interdependenz in Bezug auf die visuelle Negativität aufzuweisen. Das ist umso gerechtfertigter, als sich die Ästhetik im 18. Jahrhundert aus der Erkenntnisphilosophie ableitet und sich später zur Lehre vom Schönen entwickelt. - Wenn auch die gesellschaftliche und kulturelle Realität immer wieder Eingang in die Arbeit gefunden hat, handelt es sich ausdrücklich weder um eine Sozialgeschichte der Blindheit, noch der Literatur. Dies mag bedauerlich sein, läßt aber so den nötigen Raum für eine präzise Textarbeit. - Soweit möglich, wurden Werke in ihrem Gesamtkontext betrachtet, aber der Fokus lag auch hier auf der Beschreibung einer interdiskursiven (J. Link) Konstellation an der Schwelle zur künstlerischen Moderne und nicht auf freistehenden Einzelinterpretationen.

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bietet H . Merkle. Die künstlichen Blinden. - Für den romanischen Raum insgesamt arbeitete M . Capdevila (Hg.). El ciego en la literatura narrativa. Einen zusätzlichen Bezug auf das Verhältnis zwischen Autor und blinder Figur stellte J. Langworthy her. Blindness in Fiction. - Den wichtigsten französischen Werken zur Blindheit werden Einzelstudien gewidmet in: »Figures litteraires de la cecite du Moyen Age au XX e siede«. Sonderheft der Zeitschrift -Voir 12/13 (November 1996). - Stellvertretend für die Schnittstelle zu medizinhistorischen Arbeiten sei hier genannt: Z. Nüßgens. Augenarzt und Staroperationen in den Bühnenwerken des 18. und 19. Jahrhunderts. - Unter die Gruppe der Behinderten allgemein werden Blinde bei H.-J. Uther und H. Bernsmeier subsumiert: H.-J. Uther. Behinderte in populären Erzählungen. - H. Bernsmeier. Das Bild des Körperbehinderten in der Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts. Die sich gegenwärtig formierenden Disability Studies haben, soweit ich sehe, bislang den Blinden noch nicht genügend für sich entdeckt. Alle genannten Studien arbeiten im weitesten Sinne motivgeschichtlich. P. Henri. Le Siecle des Lumieres et la cecite. S. 18. Vgl. L'inscription du regard. Moyen Äge, Renaissance. Hrsg. von M . Gally. - Speziell zur Blindheit in diesem Zeitraum: M. Barasch. Blindness. Z u m Mittelalter besonders: G. Cohen. La Scene de l'aveugle et de son valet dans le theatre fran^ais du moyen age.

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M i t der Denkfigur des blinden Flecks, der bereits im Jahr 1668 von Mariotte der französischen Akademie der Wissenschaften vorgestellt wurde, 4 3 hat sich in den letzten Jahrzehnten dem blinden Seher der Romantik ein Bild beigesellt, das dem Metaphysikverdacht der Postavantgarde Rechnung trägt. Alles Sehen - die Systemtheorie würde dagegen von >Beobachtung< sprechen - bedingt so eine partielle Blindheit. 4 4 Diese so schwer zu denkende Verflechtung, also mit Natorp »ein Sein des Nichtseins und damit auch Nichtsein des Seins«, hat ihren großen abendländischen Ursprung in Piatons Höhlengleichnis, von dem noch die Rede sein wird, sie betrifft die Absolutheit der Gegensätze: »Im überschwänglichen Lichte des reinen Seins würden wir vor Blendung nichts erkennen, im gänzlich lichtlosen Dunkel des absoluten Nichtseins vollends erblinden.« Diese reine Anwesenheit und die reine Abwesenheit von Sein entsprechen der absoluten Ruhe und der absolut ruhelosen Bewegung, die beide kein Leben ermöglichen. Natorp folgert: »Man m u ß also Beides gelten lassen, das heißt aber nicht bloß, das Eine so gut wie das Andre, sondern: das Sein und das All ist zugleich Beides, seiner eignen Natur nach nicht das Eine oder das Andre.« 4 5 Diese Denkfigur ist uneinholbar: So führt Schulte 4 6 an Luhmanns Systemtheorie - die den blinden Fleck zum zentralen Argument der Blindheit eines Beobachters für seine Beobachtung n i m m t - Luhmanns eigenen blinden Fleck in naturwissenschaftlicher, logischer und psychologischer Perspektive vor. Sybille Krämer resümiert einen weiteren Aspekt des blinden Flecks, den Mediengebrauch vergleicht sie dabei mit Fenstern: W i r nehmen sie nicht wahr, solange sie unverzerrt und durchsichtig bleiben, also unauffällig. In der Störung des Mediums macht es sich selbst sichtbar und trübt gewissermaßen ein, denn der transzendierende Blick auf die Oberflächen gelingt nicht mehr: »Medien - so können wir das kulturelle Schema der Medialität charakterisieren - bleiben der blinde Fleck im Mediengebrauch.« 4 7 Hieraus sind Folgerungen für eine Wahrnehmungsgeschichte der Blindheit zu ziehen. Wenn wir berücksichtigen, wie ästhetische Wahrnehmung einsetzt, dieser reve d'aveugle, dann läßt sich die harte Opposition zwischen einer historischen An-

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Edme. Mariotte. Nouvelle decouwerte [sic!] touchant la veüe. Vgl. hierzu u. a. P. Bexte. Blinde Seher. S. 17ff. Vgl. etwa J. Derrida. Grammatologie. S. 282. Zum Thema außerdem: Der blinde Fleck. Hrsg. von Cl. Ennepi. - G. Chr. Tholen u. M. Wetzel. Der blinde Fleck des Sehens. Zudem eine literarische Annäherung an den blinden Fleck: A. Nadaud. La täche aveugle. P. Natorp. Piatons Ideenlehre. S. 497. G. Schulte. Der blinde Fleck in Luhmanns Systemtheorie. http://www.inf.fu-berlin:de/~ossnkopp/eignsinn.html - Vortrag von S. Krämer, gehalten am 24.10.1996 im Rahmen der Universitätsvorlesung »Medien, Computer, Realität. Zur Veränderung unserer Wirklichkeitsvorstellungen durch die Neuen Medien« an der Freien Universität Berlin. Vgl. zur Trübung durch das Medium: St. Hoffmann. Geschichte des Medienbegriffs. S. 49-55.

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thropologie der Sinne 48 hier und dort einem engen Ästhetikbegriff 49 nicht halten. Erst im alltäglichen sinnlichen Weltverhältnis wird Wahrnehmung ästhetisch, wie dies etwa Seel oder Menke gezeigt haben 5 0 - Hess hat in seiner wahrnehmungsgeschichtlichen Analyse der Aufklärung - dem Jahrhundert der sinnesanthropologischen Begründung der Ästhetik 51 - vorgeführt, wie sich Körperpraktiken und ästhetische Autonomie aufeinander beziehen lassen. 52 Für den Bereich der Blindheit hat Paulsons diskursanalytische Studie 53 über die Blindheit zwischen Aufklärung und Romantik drei Redeweisen unterschieden, die die Blindheit thematisieren: die Erkenntnisphilosophie, die Empfindsamkeit und die romantische Vision. Dabei blieb weitgehend außer acht, wie sehr diese drei Komplexe zusammenhängen, sich systematisch ergänzen und genealogisch beerben. Braungart ging so weit, eine andere Moderne auszurufen, die die körperferne Moderne begleitet und die ihrerseits Sinn als leibhaft begründet erfährt. Die Geschichte des Sehens und Körpergeschichte bilden hier ein gemeinsames Kapitel einer Geschichte des Verstehens, die Sinn und Sinnlichkeit aufeinander bezieht. 54 Freilich ist aus einer solchen Sichtweise heraus nur schwer die Ambivalenz des sinnlichen Sinns zwischen materialistischen Maschinenmodellen, empfindsamer Körperorganisation und romantischer Vision zu erklären: Wie erklärt sich demnach der Weg von Holbach über Herder zu Hugo, könnte man fragen. Für die Blindheit verbindet Mentzer einen ophthalmologiegeschichtlichen Uberblick zum Starstich mit seiner Geschichte der literarischen Raumerfahrung. 5 5 Dagegen kann ein medizingeschichtlicher Zugang, 5 6 der sich auf technologische bzw. experimentelle Neuerungen beschränkt, nie kulturelle Praktiken und ästhetische Paradigmen

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La Production du corps. Hrsg. von M. Godelier. - Wahrnehmung und Geschichte. Hrsg. von B. J. Dotzler. - G. Mattenklott. Der übersinnliche Leib. - Außerdem die einschlägigen Bücher von D. Kamper. Für die Blindheit insbesondere die präzise Studie von M. Mayer. Dialektik der Blindheit und Poetik des Todes. Vgl. etwa M . Seel. Ästhetik des Erscheinens. - Chr. Menke. Wahrnehmung, Tätigkeit, Selbstreflexion. Z u Genese und Dialektik der Ästhetik. R. Otte. Die Ordnungen des Leibes in der Aufklärung. - Das achtzehnte Jahrhundert 2 (1990) mit dem Themenschwerpunkt >Die Aufklärung und ihr Körper. Beiträge zur Leibesgeschichte im 18. Jahrhunderte - Leib-Zeichen. Hrsg. von R. Behrens u. R. Galle. - M. Delon u. J.-Chr. Abramovici. Le Corps des lumieres. — R. Haidt. Embodying Enlightenment. J. Hess. Reconstituting the Body Politic. W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. Vgl. G. Braungart. Leibhafter Sinn. - Aus der Perspektive einer visuellen Mediengeschichte des Körpers. S. Lalvani. Photography, Vision, and the Production of Modern Bodies. - Auf die Schrift bezogen: G. Krause. Literalität und Körperlichkeit. A. Mentzer. Die Blindheit der Texte. - Vgl. K. Nonnenmacher. Au royaume des aveugles. L'espace negatif de l'art moderne. Z. Weygand. Les causes de la cecite et les soins oculaires en France au debut d u XIX e siecle.

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miteinbeziehen, die für Modekrankheiten ebenso verantwortlich zeichnen können wie für künstlerische Manifeste. Solche Zusammenhänge sind nur schwer als empirische Kausalität zu denken, wie dies die Studie des Augenarztes Trevor-Roper über den Einfluß von Sehfehlern auf die Kunst 57 am Beispiel der Unschärfe, der Farbigkeit, des Ungleichgewichts beider Augen und der völligen Blindheit nahelegt, sondern eher als ein energetisches Feld kultureller Zirkulationen im Sinne des New Historicism Greenblatts. Literarische Interventionen auf dem Feld der Wahrnehmung - hier der Blindheit - sind ohne technologisch-wissenschaftliche, medienhistorische und andere Querverbindungen zur Augenheilkunde, Erkenntnisphilosophie, Sonderpädagogik oder der Erfindung der Blindenschrift bzw. der Photographie ebensowenig zu erfassen, wie eine Wahrnehmungsgeschichte ohne Rückgriff auf künstlerische Modellierungen und ästhetische Debatten, kollektive Praktiken und populäre Motive verständlich zu machen ist. Die Blindheit der Ophthalmologen, die Blindheit der Pädagogen und die Blindheit der Künstler verknüpfen sich seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert mit der Subjektivierung des Erlebens:58 Die philosophische, die empfindsame und die im engeren Sinne ästhetische Blindheit beziehen sich so aufeinander und gehen hybride Verbindungen ein. Kulturelle Phänomene der Blindheit sind von ästhetischen Konstrukten nicht zu trennen.

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P. Trevor-Roper. The World through Blunted Sight. Vgl. die Argumentation von Dutry: »[...] le theme de l'amour qu'eprouve une aveugle pour un homme voyant et le sujet inverse [...]. Le regard porte par le voyant sur l'aveugle aimee passera [...] par ['observation minuüeuse de ses gestes, accompagnee d'une fascination trouble pour 1'etat d'aveugle.« R. Dutry u. G. Servais. >Editorialrhetorische< Projekt der Blindheit auf den Punkt. Der selbstverschuldete Aberglaube erklärt sich durch »das Bedürfnis, von andern geleitet zu werden« und versetzt den Bedürftigen in die »Blindheit« einer »passiven Vernunft«. 9 Dieser obskurantischen Blindheit stellen die Lumieres eine reaktivierte Vernunft entgegen. Und als fortschrittsoptimistisch versteht sich auch das philosophische Interesse an partiell defizitären Konstruktionen wie dem Blindgeborenen - nach Kant kann er »sich nicht die mindeste Vorstellung von Finsternis machen, weil er keine vom Lichte hat« - oder dem Wilden - er versteht nichts »von der Armut, weil er den Wohlstand nicht kennt«. Sie stehen damit analog zum Unwissenden: Dieser »hat keinen Begriff von seiner Unwissenheit, weil er keinen von der Wissenschaft hat«. 10 Bereits dieses hochabstrahierende methodische Verfah-

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Vgl. dazu D . H u m e . Eine Untersuchung in Betreff des menschlichen Verstandes. S. 30. - Eine Einführung in die Philosophie des Sehens gibt R. Konersmann. Kritik des Sehens. - Den Zusammenhang von Naturphilosophie und Ästhetik zeigt S. Vietta. Die vollendete Speculation fuhrt zur Natur zurück. - Inwieweit der Sehsinn von der Sprachwissenschaft reflektiert wurd, untersucht J. Gessinger. Auge und Ohr. - Die Perspektivierung der Frage auf die Einbildungskraft unternimmt I. Zollna. Einbildungskraft (imagination) und Bild (image) in den Sprachtheorien um 1800. Vgl. P. Henri. Le siecle des Lumieres et la cecite. »And even within the work of one writer such as Diderot, blindness should perhaps not be considered as a single topic or category of analysis, since it appears in two distinct contexts or registers, the first referential, the perception of the blind; the second rhetorical, the figure of the blind man in the philosophes' struggle against religion and superstition.« W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 16. I. Kant. Kritik der Urteilskraft. In: Werke. VII. S. 226f. I. Kant. Kritik der reinen Vernunft. In: Werke. III. S. 517.

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Objektivierung der Erkenntnis undAsthetikgeschichte

ren, a n h a n d eines Defizits die vielfältige menschliche Sinnesausstattung auseinanderzudividieren u n d das Erkenntnispotential der vereinzelten S i n n e zu systematisieren, hat z u n e h m e n d Kritik hervorgerufen. Für die Beschäftigung philosophischer Texte des 18. Jahrhunderts mit der Blindheit ist die Referentialität ein zentraler Aspekt geworden: D e r Blinde dient dem Philosophen als »mind without experience«, 1 1 u m angeborenes und erworbenes Wissen unterscheiden zu k ö n n e n , m i t dem Ziel, alle Vorurteile aus d e m D e n k e n zu eliminieren. D a m i t ist zugleich eine Verbindung v o m »rhetorischen« z u m »referentiellen« Kontext hergestellt, die Paulson nicht gezogen hat: D i e wissenschaftliche Analyse menschlicher Erkenntnisvermögen strebt die Heilung von Blindheit an, u m so nah wie möglich an die äußeren Realitäten zu gelangen; es ist leicht einzusehen, daß Z u p a n c i c den Aufstieg von der D u n k e l h e i t zum Licht als »passage to the >exterior worldEditorialThe Discursive Construction of the Philosophical Gaze«. S. 11-19. Κ. Barck. »Ästhetikc Wandel ihres Begriffs im Kontext verschiedener Disziplinen. S. 57- - K. Barck und M. Fontius haben gezeigt, daß der Begriff der Ästhetik erst im 19. Jahrhundert von Deutschland nach Frankreich importiert wurde, weil die Tradition des Sensualismus dort weiterwirkte. Vgl. dazu M. Fontius. Kommentar zur Karlheinz Barck. S. 63-66.

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Erster Teil: Die Blindheit

der

Philosophen

Mit Baumgartens Aesthetica (1750) wird gemeinhin die Aufwertung sinnlicher Erkenntnis in der Geschichte ästhetischer Theoriebildung angesetzt. Weiterhin vertritt das Klare die überlegene Erkenntnisform des abstrakt-deutlichen Verstandes, das Obskure dagegen das untere Vermögen der sinnlich-verworrenen Erkenntnis. Baumgarten unterscheidet demnach in seiner Schrift Metaphysial (1739): Eine Gesamtheit von Vorstellungen in der Seele ist eine ganze Vorstellung, deren Teile heißen Teilvorstellungen, und die Gesamtheit der dunklen unter diesen ist das Feld der Dunkelheit (Finsternis): dies ist der Grund der Seele. Die Gesamtheit der klaren Vorstellungen ist das Feld der Klarheit (des Lichtes), das die Felder der Verworrenheit, der Deutlichkeit und der Vollständigkeit in sich faßt.24

Bemerkenswert ist, daß bereits hier die innere Nähe der Dunkelheit zum Gebiet des Lichts betont wird. Noch in Christian Wolffs Psychologia empirica25 wird Dunkelheit als ein bloßer Mangel interpretiert, mit Baumgarten erlangt sie nun »ausdrücklich eine positive Bedeutung«. 26 Gerade in der Lichtmetapher symbolisiert Baumgarten die Verbindung von Sinnlichkeit und Geist.27 Die Ästhetik als Disziplin bewahrt in der Folge den hier angelegten Doppelsinn einer »Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis« und als »Kunst des schönen Denkens«,28 woraus sich die prominente Stellung der Blindheit in der ästhetischen Diskussion erklären läßt, vertritt sie doch nun eine spezifische Erkenntnisform. Man ist gewohnt, die Romantik als nachfolgende synästhetisierende Kompensation verwissenschaftlichter Entzauberung einzuordnen, als ästhetische Opposition zur doch unaufhaltsamen Aufklärung also, zumal in Frankreich, wo sie als »une reaction contre tels exces« angetreten sei, d. h. gegen die hier besonders radikale materialistische Philosophie.29 Die Frontenbildung zweier Epochen hat dazu geführt, daß das sehr wohl vorhandene »sentiment« des 18. Jahrhunderts lange Zeit ebenso übersehen wurde wie die »raison« der Romantiker. Ebensogut wie nach dieser gewohnten Deutung ließe sich allerdings das philosophische Bemühen um das Licht der Wahrheit als Erregungsvorlage lesen, die die erahnten Konsequenzen der Modernität doch erstaunlich ängstlich bearbeitet: nämlich die subjektivistische Abkehr von der klassisch transparenten Repräsentation äußerer Wirklichkeit und damit die Reflexivierung und Autonomisierung der Kunst. 24

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A. G. Baumgarten. Texte zur Grundlegung der Ästhetik. § 514. S. 5f. - »Totum repraesentationum in anima perceptio totalis est, eiusque partes perceptiones partiales, et harum quidem obscurarum complexus campus obscuritatis (tenebrarum), qui est fundus animae, complexus clararum campus claritatis (lucis) est, comprehendens campos confusionis, distinctionis, adaequationis, etc.« S. 4f. A. G. Baumgarten. Texte zur Grundlegung der Ästhetik. §§ 34f. H. R. Schweizer. Einleitung. In: A. G. Baumgarten. Texte zur Grundlegung der Ästhetik. S. XIII. Vgl. St. Groß. Felix Aestheticus. S. 140. Im Lat.: »scientia sensitive cognoscendi« und »ars pulchre cogitandi«. - A. G. Baumgarten. Texte zur Grundlegung der Ästhetik. § 533. S. 17. M. Brix. Le romantisme fran^ais. S. 10.

Objektivierung der Erkenntnis und Asthetikgeschicbte

23

Für die philosophische Beschäftigung mit Blindheit sieht Paulson eine aufklärerische udesacralization of the blind, the construction of a new kind of social and cultural status for blindness«. 30 D e m möchte ich entgegenhalten: Die inszenierte Blindenheilung begann vielleicht als Emblem der Mündigkeit - die Objektivierung der Erkenntnis vertretend - , endete aber in den Salons, auf den Bühnen u n d in den Romanen als empfindsame Rührszene. In dieser Ausgangsthese konzentriert sich zugleich die Komplexität der Dialektik der Aufklärung - u n d damit verbunden sind die vergeblichen philosophischen Bemühungen, den Abgrund »im Verhältnis von Anschauung u n d Begriff« 31 durch »analytische Methode, Rückgang auf Elemente, Zersetzung durch Reflexion« (31) wieder zu schließen. Sprachlich entspricht dem die »sauberefn] Scheidung von Wissenschaft und Dichtung« (24). Nicht zufällig qualifizieren Horkheimer und Adorno in ihrer Analyse der Epoche die »Selbsterkenntnis des Geistes [...] als Blindes, Verstümmeltes« (46) und finden für das Umschlagen der Aufklärung das Bild der Erblindung: Das Tatsächliche behält recht, die Erkenntnis beschränkt sich auf seine Wiederholung, der Gedanke macht sich zur bloßen Tautologie. Je mehr die Denkmaschinerie das Seiende sich unterwirft, um so blinder bescheidet sie sich bei dessen Reproduktion. Damit schlägt die Aufklärung in die Mythologie zurück, der sie nie zu entrinnen wußte. (33)

Vietta deutet die erkenntnistheoretische Erhöhung des Menschen als mechanistische Erniedrigung des Menschen zum »Gliedermann u n d Automaten«, also letztlich die aufklärerische »Ambivalenz von Selbsterhöhung und Erniedrigung«. 32 Ahnlich doppelsinnig konstatiert Beguin in seiner klassisch gewordenen Untersuchung über die Romantik, das 18. Jahrhundert habe weder Erstaunen, noch Angst u n d deshalb auch kein Vertrauen gekannt; es sei damit »le siede sourd au destin, aveugle aux signes et images« 33 gewesen. Pointiert ließe sich sagen: Je tautologischer die aufklärerische Wissenschaft, u m so weiter öffnen sich die romantischen Zeichen zu Symbolen des Unendlichen. Zupancic fragt sich, inwiefern die Blindheit für eine genuine Problemstellung der Aufklärung steht 3 4 und sucht nach Gründen für das plötzliche Verschwinden

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33

34

W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 5. M. Horkheimer u. Th. W. Adorno. Dialektik der Aufklärung. S. 24. S. Vietta. Die vollendete Spekulation führt zur Natur zurück. S. 45. Vgl. auch L. Kreimendahl. Philosophen des 18. Jahrhunderts. »[...] le siecle sans etonnement, sans angoisse et par suite sans authentique confiance« Α. Beguin. L'Ame romantique et le reve. S. 65. »[...] whether there is a necessary inner connection between the project of the Enlightenment and the figure of the blind man.« A. Zupancic. Philosopher's Blind Man's Buff. S. 32.

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

24

der Blindheit aus dem Denken der Zeit. 3 5 Verschwunden ist die Blindheit im weiteren Verlauf aber keineswegs, vielmehr hat sie die Seiten gewechselt, wurde über die Empfindsamkeit u n d den Deutschen Idealismus geradezu zur Trophäe einer Ästhetik der Moderne, die in der Nachfolge auch die französische Romantik immer wieder in liturgischer Resakralisierung schwenkte. Diderot formuliert einige Kritikpunkte der Romantiker an einem veräußerlichten Realismus: »mobilite d u sujet et de ses impressions, caractere volatile de la realite, impuissance d u langage ä rendre compte totalement du reel«. 36 Dieses Kapitel betreibt beim Verfasser der Lettre sur les aveugles die Spurensuche u n d soll zeigen, wie das erkenntnisphilosophische Interesse der Aufklärung zur ästhetischen Positivierung der Blindheit führen könnte. Diderot entdeckt beim näheren Hinsehen die Vorteile blinden Philosophierens: On cherche ä restituer la vue a des aveugles-nes; mais si Ton y regardait de plus pres, on trouverait, je crois, qu'il y a bien autant ä profiter pour la philosophic en questionnant un aveugle de bon sens. On en apprendrait comment les choses se passent en lui; on les comparerait avec la maniere dont elles se passent en nous, et Ton tirerait peutetre de cette Comparaison la solution des difficultes qui rendent la theorie de la vision et des sens si embarrassee et si incertaine.37 Die Urszene der Lumieres, das Starstechen des Blinden, hat gewissermaßen deren eigene Erblindung 3 8 eingeleitet.

2.

Etappen einer Philosophiegeschichte der Blindheit

Inwieweit sich die Anschauung, das Bewußtsein, sprachliche Konzepte usf. durch sinnliche Erfahrung ausbilden, diese Frage überprüft die neuzeitliche Erkenntnisphilosophie ex negative an der Blindheit: »Wozu aber hat das Auge nöthig das Licht zu schauen, da es selbst Licht ist?«39 Beginnend mit Descartes' ratio-

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36 37

»In the second half of the eighteenth century, the figure of the blind man seems slowly do disappear from the stage of philosophy. Yet did it really disappear? Or, more precisely, did the structural problem< that required its introduction into philosophy simply vanish?« A. Zupancic. Philosopher's Blind Man's Buff. S. 49f. M. Brix. Le Romantisme fran^ais. S. 282. D. Diderot. Lettre sur les aveugles. In: CEuvres philosophiques. S. 126f. Hervorh.: Κ. N .

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39

»In literature, and especially on the popular stage, a new blind figure appeared: the blind person cured or curable, no longer grotesque or comic or pathetic, but innocent and sensitive, the object not of horror but of sympathetic fascination for the seeing. [...] But if >curing blindness< can be said to constitute a modern myth, it is the word >modern< that must be stressed, for this is no myth related directly to the sacred and its role in society, but a substitute myth produced by the Enlightenment to designate its own activity as destroyer of old myths.« W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 13. Plotin. Die Enneaden. II. S. 409f.

Objektivierung der Erkenntnis und Ästhetikgeschichte

25

nalistischer Grundlegung der modernen Subjektivitätsphilosophie aus einer Radikalisierung des Zweifels und Lockes empiristischer Zurückfiihrung von Ideen auf Sensation und Reflexion über Berkeleys idealistische Widerlegung einer materialistischen Wahrnehmungsrepräsentation der Welt bis hin zu Condillacs sensualistischer Widerlegung des Idealismus durch Eliminierung der Reflexion aus dem Erkenntnisprozeß.

a)

Descartes: Blindheit

des

Rationalismus

Mit Descartes beginnt der Mensch, sich selbst zu begründen, zu ermächtigen und sich selbst aus der natürlichen, entzauberten Welt auszugrenzen. Er gibt dem Konstruierten den Vorzug über das Organische: Der Blinde verkümmert zum geometrischen Modell. Polemisch vergleicht Descartes in seiner Abhandlung über die Methode die Philosophen der »Dunkelheit«, sie glichen »einem Blinden, der, um sich mit einem Sehenden ohne Nachtheil schlagen zu können, ihn in die Tiefe einer dunkeln Höhle lockt«. Descartes hält dem seine eigenen einfachen und klaren Grundsätze entgegen, die wirken, »als ob ich die Fenster öffnete und Licht in diese Höhle fallen ließe, in die sie zum Kampfe hinabgestiegen sind«. 40 Es mag erstaunen, gerade bei Descartes eine so diabolische Blindenfigur zu finden, gleichzeitig zeigt das Beispiel, was auch für das 18. Jahrhundert gilt: Die Philosophen begannen in ihrer Reflexion des Blinden »not on a tabula rasa but in a context already shaped by myth, religion, and the literature of ancient and modern times«.41 Neben dieser schlimmen Höhlenmetapher taucht der Blinde weniger bösartig in seiner Theorie des Sehens auf, sodaß ihn Derrida als »ce penseur de Γ ceil«42 bezeichnet hat. Paradox faßt Zupancic zusammen, Descartes' Figur des Blinden »comes to personify the very essence of seeing«.43 Die neuzeitliche Entdeckung der Perspektive geht mit optisch-geometrischen Theorien des Sehens einher, und die optischen Berechnungen abstrahieren das menschliche Schauen bis zur Unkenntlichkeit. Descartes rationalistische Theorie des Sehens hat insofern nichts mit einer Theorie mentaler Repräsentation zu tun. 4 4 Er beschreibt den Körper als flüssiges Wachs, dem der jeweilige Sinn wie ein Siegel die Form aufprägt, 45 und damit ist ein physikalischer Me-

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41 42 43 44 45

Descartes. Abhandlung über die Methode, richtig zu denken und Wahrheit in den Wissenschaften zu suchen. S. 76f. W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 5. Vgl. dazu: A. Plotnitsky. Closing the Eye. S. 76. A. Zupancic. Philosophers Blind Man's Buff. S. 33. Vgl. dazu J. Gessinger. Auge und Ohr. S. 22. »[...] sed plane eodem modo concipiendum, figuram externam corporis sentientis realiter mutari ab objecto, sicut ilia, quae est in superficie cerae, mutatur a sigillo.« Descartes. Regulae ad directionem ingenii - Regeln zur Ausrichtung der Erkenntniskraft. Regle 12,5. S. 76.

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

26

chanismus des Sehens gemeint, der explizit die äußeren Objekte von den inneren Vorstellungen abtrennt. Descartes ist auf der Suche nach unbezweifelbaren Prinzipien, »die nicht den Vorurtheilen der Sinne, sondern dem Lichte der Vernunft« entnommen sind. 46 Sein Zweifel mißtraut den Sinnen, »denn ich kann meinen, daß ich sehe oder wandele, obgleich ich die Augen nicht öffne und mich nicht von der Stelle bewege, wie dies in den Träumen oft vorkommt«. 47 Die aufklärerische Privilegierung der praktischen Empirie, wie sie etwa La Mettrie formuliert hat, grenzt sich klar von solchen rationalistischen Theorien ab: »Prenons done le baton de I'experience« - in Anspielung auf Descartes fährt er fort: »£tre aveugle et croire pouvoir se passer de ce baton, c'est le comble de l'aveuglement.«48 Descartes trianguläres Modell des Blinden entspricht einem optischen Modell der res cogitans:49 Die Blicke der Augen sind den zwei Blindenstöcken analog, das Licht einer mit diesen Blindenstöcken ertasteten Materie. Nach Glucksmann 50 ist die Höhle bei Descartes rationalistisch verinnerlicht, ein platonisches Heraustreten aus ihr ist damit schon nicht mehr möglich. Die Erkenntnisgewißheit wird mathematisch berechenbar, und zerstört wird dabei ihre sinnliche Natur und Körperlichkeit. In der Dioptrique und im Tratte de la lumiere ou du monde sind die Göttlichkeit des Lichtstrahls und die transzendenten Besonderheiten des Sehaktes zerbrochen. Damit trennt sich die Wahrheit von der Sichtbarkeit und das Denken von der Welt.

b) Lockes Fenster zu den Ideen Auf Descartes bezieht sich Locke explizit, wenn er von erfolglosen Versuchen berichtet, Blinden den Sinn des Wortes >Licht< nur durch Worte, aber ohne deren eigene Erfahrung begreiflich zu machen. Licht ist eine der Ideen, die Lokke empiristisch begründen möchte: Es sei insofern nicht von Belang, ob man — mit Descartes — Licht als eine große Zahl »feiner Kügelchen« definiere, die auf die Augen treffen, oder als ein Spiel, bei dem »Feen den ganzen Tag Federbälle mit ihren Pritschen gegen den Vorderkopf der Menschen schlagen, während sie bei andern vorübergehen.« So erklärt Locke die cartesianische Unterscheidung zwischen dem Licht, das »die Empfindung in dem Menschen verursacht«, und zwischen der Vorstellung, »die dadurch verursacht wird und eigentlich das ist, was man Licht nennt«. 51

46 47 48 49 50 51

Descartes. Prinzipien der Philosophie. S. 85. Descartes. Prinzipien der Philosophie. S. 6. J. Offray de la Mettrie. L'Homme machine - Die Maschine Mensch. S. 28. Vgl. A. Zupancic. Philosopher's Blind Man's Buff. S. 33. Vgl. A. Glucksmann. Descartes c'est la France. Kap. IV.2. J. Locke. Versuch über den menschlichen Verstand. II. S. 25 f, § 10.

Objektivierung der Erkenntnis und Asthetikgeschichte

27

An anderer Stelle vergleicht Locke einen Blindgeborenen mit einem Früherblindeten, der aber doch einmal zu einem früheren Zeitpunkt bereits Farben wahrgenommen hat. An beider Heilung nach langer Zeit der Blindheit überprüft Locke den Unterschied zwischen angeborenen Vorstellungen (»nicht neu, sondern die Seele findet es in sich selbst«) u n d durch die Sinne erworbenen Vorstellungen (»neu und bisher unbekannt«, I, 94). Ein drittes Blindenbeispiel Lockes ist dem ästhetischen Wettstreit eines Bildhauers mit einem Maler e n t n o m m e n : Ein Blinder selbst, so der erste, müsse die Überlegenheit der Statue erkennen, »an der er mittelst seiner H a n d alle Linien des Gesichts u n d des Körpers befühlte u n d voll Bewunderung die Geschicklichkeit des Künstlers rühmte«. Vor das Gemälde geführt, urteilt der Blinde: »dies ist offenbar ein wunderbares und göttliches Meisterstück, da es Ihnen alle die Theile darstellt, von denen ich weder etwas fühlen, noch sonst wahrnehmen kann« (II, 28). Licht, Vorstellungen und die Ästhetik der Sinne sind von Locke in diesen drei Beispielen also jeweils verdoppelt: Diese Verdopplung verweist auf die »innere u n d äußere Wahrnehmung« als die einzigen Wege der menschlichen Erkenntnis. Auch hier steht eine H ö h l e bzw. ein dunkler Raum für das Innere des Menschen, für die verstandesmäßige Struktur der Ideen. Die Sinne sind »die einzigen Fenster, durch welche Licht in diesen dunklen Raum dringt«, und nur durch »eine kleine Oeffnung« werden die »sichtbaren Bilder oder Vorstellungen von den Außendingen« - also explizit nicht die Außendinge selbst - eingelassen. Interessant ist dabei Lockes Bestimmung des Verstandes: Der ist nichts anderes als die O r d n u n g der eindringenden Sinnesreize: [...] blieben die in einen solchen Raum eindringenden Bilder darin, und zwar in einer Ordnung, daß sie sich leicht finden Hessen, so würde er in hohem Maasse dem Verstände des Menschen rücksichtlich aller sichtbaren Gegenstände und deren Vorstellungen gleichen. (I, 166f.)

Lockes Erkenntnisskeptizismus versteht sich als Sinneskritik, wenn er sich fragt, welche anderen einfachen Vorstellungen Geschöpfe an anderen O r t e n des Weltalls »vermittelst zahlreicherer oder vollkommnerer Sinne und Vermögen als die unsrigen haben« (II, 168). Das D e n k e n anderer Welten, das eingangs bereits mit Fontenelle zitiert wurde, ist bei Locke Teil einer erkenntnisskeptischen Radikalinventur, die den Essay über den menschlichen Verstand letztlich als »Ort der Reinigung« von »dunklen, undeutlichen, phantastischen, inadäquaten und falschen Ideen« kennzeichnet. Specht nennt den Essay eine »Robinsonade vor Robinson«, 5 2 weil Locke den Erforscher des eigenen Verstandes immer wieder mit nautischen Metaphern belegt, wenn Robinson nur auf ein reduziertes zivilisa-

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R. Specht. Über angeborene Ideen bei Locke. In: John Locke. Essay über den menschlichen Verstand. S. 59f.

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

28

torisches Inventar des gestrandeten Schiffs zurückgreifen kann, um seine eigene Welt zu begründen. Analog zu diesem gesellschaftlichen Defizit wäre die Blindheit in Lockes Texten eine Robinsonade der Sinnesausstattung, hätte er die Privation in aller konsequenten Radikalität als Autonomie weitergedacht.

c) Berkeleys Zeichentheorie der Sinne Berkeley verneint die Möglichkeit, die Objekte selbst und »Entfernung oder Draußensein« 53 unmittelbar durch das Sehen wahrzunehmen. Die visuellen Ideen haben keine Ähnlichkeit zu taktilen Ideen, beide sind »simply incommensurable«. 54 So wird für Berkeley verständlich, daß ein geheilter Blindgeborener »anfänglich nicht glaubt, daß die Dinge, die er sieht, außerhalb seines Geistes oder in irgend einer Entfernung von ihm selbst seien.« Dem Gesichtssinn sind keine Objekte »außerhalb des Geistes« eigen. Die innere Wahrnehmung ist für ihn die einzige, letzte Realität; damit hat Berkeley Lockes Trennung zwischen innerer und äußerer Wahrnehmung bereits verlassen. In dieser Richtung ist sein oft zitierter Ausspruch Esse estpercipi zu verstehen. Berkeleys philosophische Theorie ist nicht geometrisch und nicht empirisch, sondern soll idealistisch erklären, »wie der Geist oder die Seele des Menschen einfach nur sieht«. 55 So wird die Linie verständlich, die Pape von Berkeley zur Psychologie des 19. Jahrhunderts (Mach und Helmholtz) und bis zum logischen Empirismus der Gegenwart zieht. 56 Für Berkeley haben die einzelnen Sinne keine angeborene Verbindung untereinander, und erst die Erfahrung bringt sie zusammen: »Die Ideen des Gesichts- und des Tastsinnes machen zwei ganz verschiedene und unähnliche Species aus. Die ersteren sind Zeichen und Prognostica der letzteren.« 57 Für ihn ist das Sehen erst in der Verbindung mit den anderen Sinnen eine nach außen gerichtete Angelegenheit, und diese Verbindung ist eine willkürliche, wie die Ideen der Sprache sie sind. Merian erläutert: »Cette liaison est purement symbolique. Elle est la meme qu'entre les mots et les choses, ou entre les mots ecrits, & les sons articules.« 58 Die Ergebnisse der Sprachtheorie und die versuchsweise Vereinzelung Sinne laufen beide auf eine Symboltheorie hinaus, die die rationalistische präsentationstheorie bereits hinter sich läßt: Erinnert sei schon hier an die griffe der rapports bei Diderot, mit denen die ästhetische Konsequenz aus hier problematisierten Lesbarkeit der Welt gezogen wurden.

53 54 55 56 57 58

der ReBeder

G. Berkeley. Abhandlung über die Principien der menschlichen Erkenntnis. S. 41 f. W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 26. Berkeley, zit. nach Η . Pape. Die Unsichtbarkeit der Welt. S. 230. Η. Pape. Die Unsichtbarkeit der Welt. S. 18. G. Berkeley. Abhandlung über die Principien der menschlichen Erkenntnis. S. 42f. Merian 1774. S. 445.

Objektivierung der Erkenntnis und Ästhetikgeschichte

d)

29

Condillacs Statue

Condillacs Statue erhält nach und nach je einen zusätzlichen Sinn, als letzten schließlich den Sehsinn. Dieses Modell abstrahiert den Blinden nicht mehr zu einem geometrisch abstrakten Dreieck, wie dies Descartes tut; die Statue ist auch keine imaginierte Figur wie Molyneux' Blinder, sondern verkörpert — nach einem neuen heuristischen Prinzip 59 - die Imagination selbst als ästhetische Figur. An dieser überprüft Condillac die Beteiligung der einzelnen Sinne an der Erkenntnis. 60 So vermischen sich die Sinnesvorstellungen des Geruchssinns und des Gehörs gar nicht, was dagegen für den Seh- und Tastsinn gelten muß: Es ist schwierig, noch zu trennen, welche Erkenntnis von welchem unserer Sinne stammt. Die Sinnesideen von Lockes Camera obscura wurden von Ueberweg mit Condillacs Statue in Beziehung gesetzt. Beide, Bildplatte und Auge, können kein direktes Bild von sich selbst darstellen. Räumlich hervorragende Glieder dagegen könnten sich, so faßt Lange zusammen, auf der Platte abzeichnen und damit zu einer Vorstellung von sich werden. Außerdem kann die Bildplatte »andre, ähnliche Wesen spiegeln; kann vergleichen, abstrahieren und sich so zuletzt eine Vorstellung von sich selbst bilden. Diese Vorstellung wird dann irgendeinen Ort auf der Platte einnehmen, da, wo diese Glieder auszugehen scheinen.« Lange zieht das Fazit, von einer Projektion nach außen könne nicht die Rede sein, »eben weil die Bilder außerhalb des Bildes sind, genau wie wir uns die veranlassenden Gegenstände als außerhalb unsres gegenständlichen Körpers denken müssen.« 61 Zupancic berichtet von Merians Vorschlag, die synthetische Vermischung von physiologischem Sehen und eidetischem Sehen ganz praktisch aufzuheben und Kinder im Dunkeln aufwachsen zu lassen, bis sie »l'age de la raison« erreichen. Dies konfrontiert sie mit Condillacs Statuenmodell und folgert ein zeitliches Interim zwischen einem »age of reason« und dem »birth of the gaze«.62 Mit der Widerlegung dieser Koinzidenz beginnt die auf klassische Repräsentationsmodelle nicht mehr anwendbare Modernität des Blicks. Mathematisch-optische Modelle können nicht mehr erklären, was sich im Inneren des Menschen vollzieht, nachdem er seine Augen zum ersten Mal geöffnet hat.

3.

Holbachs verdoppelte Blindheitssemantik

Kann die Selbstunterwerfung der Seele unter die Erfahrung ein erstrebenswertes Programm sein? Die vorromantisch-empfindsame Blindheit und ihr pädago-

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J. Gessinger. Auge und Ohr. S. 38. Vgl. meinen Artikel: K. Nonnenmacher. Auf Tuchfühlung mit der Einbildungskraft. Von Condillacs Selbstberührung der Statue zu Jean Pauls Fühlfäden. Fr. A. Lange. Geschichte des Materialismus und Kritik seiner Bedeutung in der Gegenwart. S. 8 5 6 . A. Zupancic. Philosopher's Blind Man's Buff. S. 47.

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Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

gisch-anthropologisches Interesse für den Blinden lassen sich auf Ambivalenzen zurückführen, die bereits in philosophischen Texten der Aufklärer zu finden sind. Die Semantik der Blindheit wird etwa in Holbachs systematischer religionskritischer Synthese Systeme de la nature ou des lois du monde physique et du monde moral auf seltsame Weise verdoppelt. Holbach, der »exzessivste Moralist und Atheist der französischen Aufklärung«, 63 rechnet die Blindheit beiden im Titel unterschiedenen Welten zu; die Beziehungen zwischen ihnen, zwischen einer äußeren Welt der Empirie und einer inneren Welt der Werte, stehen zur Debatte: »sans experience il nest point de raison; sans raison nous ne sommes que des aveugles qui se conduisent au hazard«, fundiert der Philosoph seine Arbeit und fragt weiter, wie Erkenntnisse über ideale Objekte zu verstehen seien, da sie den Sinnen unzugänglich bleiben müssen. 64 Mit den Schleiern vor den Augen fallen die Vorurteile: »Si nous voulons nous faire des idees claires de notre ame, soumettons-la done ä l'experience, renon^ons ä nos prejuges, ecartons les conjectures theologiques, dechirons des voiles sacres qui n'ont pour objet que d'aveugler nos yeux et de confondre notre raison.« 65

a) Blindheit der moralischen und der physischen Welt Zur »moralischen« Welt rechnet das Adjektiv aveugle bei Holbach in Wendungen mit passion, erreur, prejuge, pitie, amour, desir, enthousiasme, und dies durchweg als negatives Attribut, da damit ja eine vorurteilsfreie Inventur des Wissens verhindert wird. Holbachs Vorschlag einer anthropologischen Neubestimmung des Menschen als »Materiepartikel« 66 bricht mit dessen Ausnahmestellung in der Natur und beruft sich auf natürliche Gesetzmäßigkeit und mechanistische Erfahrung - die innere Erfahrung der Reflexion im Gegensatz zu Condillac dabei außer acht lassend. Der Gläubige ist blind und hat eine falsch begründete Moral, der räsonnierende Atheist dagegen sieht, »si sa raison η est pas troublee par des passions aveugles« (II, 12, 374). Insofern könnte man die Blindheit in der moralischen Welt in Paulsons Terminologie als rhetorische bezeichnen. Da jedes persönliche Erkenntnisinteresse korrumpiert, ist der Aufgeklärte »oblige de resister ä l'impulsion souvent aveugle de ses propres desirs« (II, 9, 298), wenn dies nicht gelingt - als Fallbeispiele nennt Holbach u. a. »un ambitieux, un intriguant, un homme fri-

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65 66

H . Mercker. Zwischen Krummstab und Trikolore. S. 24. »Mais comment acquirir de l'experience sur des objets ideaux que jamais nos sens ne peuvent ni connoitre ni examiner?« P. Thiry d'Holbach. Systeme de la nature. I, 10. S. 194. P. Thiry d'Holbach. Syst£me de la nature. I, 7. S. 107. M . Nauman. D'Holbach und das Materialismusproblem in der französischen Aufklärung. S. XLVII.

Objektivierung der Erkenntnis und Astbetikgeschichte

31

vole et dissipe, une femme dereglee, un bei esprit a la mode« (II, 13, 400) - , dann urteilt Holbach in einem aufschlußreichen Bild, Wolken der Leidenschaften blenden solche Menschen, und das schwache Leuchten der Wahrheit, das sie so allenfalls noch erreiche, hinterlasse lediglich vorübergehende Spuren. Die Flucht vor Wolkenbildungen kehrt sich freilich in der romantischen Landschaftsästhetik um zur Flucht vor allzu klarer Wetterlage, wie dies Mme. de Stael etwa in De la litterature und De l'Allemagne an der klimatisch-ästhetischen Trennung einer sonnig-klassischen culture du Midi und einer neblig-romantischen culture du Nord ausgeführt hat. In Bezug auf die »physische« Welt erscheint der Begriff aveugle bei Holbach in deterministischen Verbindungen mit cause, systeme, machine, mattere, necessite, nature, instinct. Es geht hier um ein Desillusionierungsprogramm: »je ne trouverai point mes illusions si douces dans une necessite severe, dans une matiere aveugle et inanimee, dans une nature privee d'intelligence et de sentiment.« (II, 7, 220) Diese Materie gehorcht strengen Regeln, die gefunden werden müssen: »Nous n'appellons causes aveugles«, so definiert er, »que Celles dont nous ne connoissons point le concours, la force et les loix.« (II, 5, 173) Insofern rechnet die Natur nicht zu diesen blinden Gesetzen: »La nature nest point une cause aveugle; eile n'agit point au hazard«, sie ist kausal unsichtbar verknüpft: »tout en eile est lie par des noeuds invisibles, et tous les effets que nous voyons decoulent necessairement de leurs causes soit que nous les connoissions, soit que nous ne le connoissions pas.« Während die Blindheit in der moralischen Welt für Holbach also die Erkenntnistrübung durch Interessen und Glaubenssätze meint, qualifiziert sie die physische Welt geradezu als in ihrer Determiniertheit unabhängig von Glaubenssätzen.

b) Der eingebildete

Gott

Holbachs Atheismus treibt mit einem höheren Wesen zugleich die Einbildungskraft aus. Auf die Frage eines Theologen, »s'il ne vaut pas mieux dependre d'un etre bon, sage, intelligent que d'une nature aveugle«, antwortet Holbach, dieses Götzenbild unserer Imagination führe lediglich zu »l'incertitude, la discorde, l'aveuglement et le delire« (II, 7, 249f.) - wir denken bereits an die Literatur des 19. Jahrhunderts - , so daß der Philosoph die Frage umdreht: Demnach ist es besser, sich den Regeln einer blinden Natur zu unterwerfen als einer übertretbaren göttlichen Ordnung. Bereits einige Kapitel zuvor hatte Holbach das Denken der Theologen von Piatons Enthusiasmus abgeleitet: »de substances incorporelles, de puissances invisibles, d'anges, de demons de vertus mysterieuses, d'effets surnaturels, d'illuminations divines, d'idees innees, etc.« (II, 4, 131 f.) Statt auf Holbachs rationalen ErfahrungsbegrifF beziehen sie sich auf »l'imagination, l'enthousiasme, le fanatisme et les mouvemens de crainte que nos prejuges religieux font naitre en nous«. Die Einbildungskraft hat hierbei durchweg

32

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

die negative Charakterisierung, einen vorurteilslosen Blick zu verhindern (»des hommes prevenus ou aveugles par leur propre imagination« (II, 7, 230), »les caprices d'une imagination eblouie par l'enthousiasme« (I, 17, 383). Diese Vorurteile haben sich in Form des christlichen Katechismus regelrecht auf die Augen gelegt. 67 Die sinnliche Evidenz des Augenscheins war für die so bezeichneten Menschen lebenslang negiert: »ils se croient obliges de defendre soigneusement le bandeau dont eile couvre leurs yeux, et de lutter contre tous ceux qui tenteroient de l'arracher.« (II, 14, 440) Analog zur schmerzhaften W i r k u n g des Lichts auf frisch operierte Blinde, versucht Holbach, sich zu erklären, daß sie ja den Atheismus verurteilen müssen: Das Licht schmerzt beim ersten O f f n e n der Augen. Dieser Gedanke verträgt sich gleichzeitig nur schwer mit Holbachs Aufklärungsoptimismus. G o t t ist ein Gemälde für Blinde, pointiert Holbach u n d fragt weiter, warum man sich in imaginäre Erklärungsräume flüchten müsse statt zur Kausalität der Natur. (II, 5, 158) Freilich entgeht Holbach mit seinem Gegenbild der ewigen Materie letztlich auch nicht der Metaphysik. 6 8 Seinen eigenen Agnostizismus begründet der Philosoph also mit der erkenntnisskeptischen Homologie zweier Privationen. Menschen reden von G o t t wie Blinde von der Farbe. 69 Gleiches gilt für Theologen, die Holbach als Blinde darstellt. 70 Diese doppelte Ridikülisierung führt Holbach zur scharfen Verurteilung all dessen, was über die beschränkte Sinnesausstattung unseres Erkenntnisvermögens hinausgeht. Ein Wesen mit sechs Sinnen würde über unsere Theologie urteilen wie wir über die Farbenlehre Blinder: II faut done que nous nous bornions ä juger avec les cinq sens que nous avons. Un aveugle n'a l'usage que de quatre sens; il n'est point en droit de nier qu'il n'existe un sens de plus pour les autres; mais il peut dire avec raison et verite qu'il n'a aucune idee des effets qu'il produiroit avec le sens qui lui manque. C'est avec ces cinq sens que nous sommes reduits ä juger de la divinite qu'aucun d'eux ne nous montre ou ne voit mieux que nous. Un aveugle, entoure d'autres aveugles, ne seroit-il pas autorise ä leur demander de quel droit ils lui parlent d'un sens qu'ils n'ont point eux-memes, ou d'un etre sur lequel leur propre experience ne leur peut rien apprendre? (II, 4, 138f.)

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»Apres nous avoir imbus des l'enfance de ces maximes si propres ä nous eblouir et ä nous aveugler, il leur est aise de nous faire admettre les plus grandes absurdites sous le nom imposant de mysteres« II, 4. S. 132f. Vgl. dazu H. Mercker. Zwischen Krummstab und Trikolore. S. 40. »Un aveugle ne ne raisonneroit pas bien, s'il nioit l'existence des couleurs, quoique ces couleurs n'existent reellement pas pour lui, mais seulement pour ceux qui sont ä portee de les connoitre; cet aveugle nous paroitroit ridicule s'il vouloit les definir.« II, 4. S. 135. »Les theologiens sont des aveugles qui veulent expliquer ä d'autres aveugles les nuances et les couleurs d'un portrait representant un original qu'ils n'ont pas meme parcouru ä tätons.« II, 4. S. 138f.

Objektivierung der Erkenntnis und Ästhetikgeschicbte

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Holbach versucht im Folgenden den Nachweis, daß sich theologische Begründungen nicht für die Moral eignen, 7 1 so in der politischen Natur- und Vernunftbegründung, »que l'art de gouverner les mortels n'est point l'art de les aveugler, de les tromper, de les tyranniser« (II, 8, 280); optimistisch argumentiert er, die Politik wende sich von selbst zum Guten, wenn Herrschende und Untertanen »leurs vrais rapports, leurs veritables interets« kennenlernten. Erkenntnisskeptizismus u n d Gesellschaftspessimismus hängen offensichtlich nicht zwingend zusammen. Sein Schlußkapitel »Abrege d u code de la nature« beinhaltet eine hymnische A n r u f u n g der Natur, der Tugend, der Vernunft u n d der Wahrheit. Der Philosoph fordert, die lange Zeit von Phantomen u n d Chimären geblendeten Augen m ü ß t e n sich nun auf diese vier richten lassen. 72 Die Naturphilosophie der Aufklärung begreift Denken dabei als »eine Art Weltvernichtung«, so Vietta, weil wir denkend »nicht die realen Dinge selbst« in unserem Kopf bewegen, sondern nur »deren Abbilder, Phantasmen«. 7 3 Holbachs Plädoyer für eine atheistisch-vernunftgeleitete Moral ist gegen eine dogmatische Zensur gerichtet, betrieben »par des enthousiastes dont ['imagination, toüjours egaree dans le vuide [sicf\«. Hier finden sie »des causes fictives, qui η existent que dans leur propre cerveau, ä des etres de raison, ä des puissances chimeriques, que l'on s'obstine ä preferer ä des causes reelles et connues.« (II, 11, 353) Historisch gesehen ist Holbachs Programm folgerichtig, 74 auch wenn andere Aufklärer wie Diderot seine Systematisierungen meiden. Die Asthetikgeschichte freilich sieht mit allen Phantomen und Chimären auch die Einbildungskraft selbst verjagt; ihre Erhöhung zur zentralen ästhetischen Instanz der Fiktion steht damit unmittelbar bevor.

4. Exkurs: Dunkel, verborgen, trüb, verrückt Gebrauchsweisen der Blindheit Betrachten wir kurz das Wortfeld der Blindheit etymologisch, so stoßen wir damit bereits auf die wichtigsten Konnotationen des fehlenden Augenlichts. Für den Mediziner dagegen liegt die Sache überraschend einfach: Mit klaren Definitionen von Erblindung, Blendung und Blindheit leitet Esser seinen medizingeschichtlichen Uberblick zur Blindheit in der Antike ein. Erstere ist »der Vorgang, bei welchem die Sehkraft unter Erhaltung oder Verlust der Augenhüllen

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Vgl. dazu ab II, 8: »Examen des avantages qui resultent pour les hommes de leurs notions sur la divinite, ou de leur influence sur la morale, sur la politique, sur les sciences, sur le bonheur des nations et des individus.« »Fixez enfin nos yeux, si longtems eblouis ou aveugles, sur les objets que nous devons chercher. Ecartez pour toujours et ces phantömes hideux et ces chimeres seduisantes qui ne servent q u a nous egarer.« II, 14. S. 435. S. Vietta. Die vollendete Spekulation. S. 48.

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Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

zugrunde geht«, der Vorgang des Blendens ist »einerseits die gewaltsame Zerstörung des Augapfels u n d andererseits subjektiv die E m p f i n d u n g der Überstrahlung des Auges, die das gewohnte normale M a ß überschreitet«. Auf sie hebt Esser nicht zuletzt deshalb ab, weil ja die Blendung eine durchgängige Praxis antiker Rechtssprechung war. In seiner Untersuchung verwischen sich zuweilen die Grenzen zwischen Literatur u n d Malerei, weil sein Ansatz - ausgehend von kulturellen Artefakten jeglicher Provenienz - sich auf die ästhetische Gestaltung des Themas >Blindheit< u n d deren Relation zu ihrem kultur- u n d sozialgeschichtlichen Kontext konzentriert. Blindheit drittens schließlich ist »der Zustand, der sich aus dem Vorgang der Erblindung als Folge ergibt«. 75 Reine Abwesenheit des Sehvermögens also, ein totales körperliches Defizit. Es fällt in einem anderen als nur physiologischen Sinneskontext schwer, Blindheit in einer so apodiktisch klingenden Diagnose zu definieren, wie es der Mediziner in der Regel tun kann u n d m u ß . Den heranzuziehenden Korpus einer Kulturanalyse des Blicks hat Carl Havelange radikal erweitert. 7 6 Er spitzt seine Geschichte des Blicks an der Schwelle zur Moderne auf die Frage zu, ob die Geschichtsschreibung, einer nicht schon kulturell überformten Wahrnehmung überhaupt beikommen könne. Als Folge tut sich ein riesiger Archivbestand für eine historische Anthropologie des Blicks auf: Aucun regard ne se porte nu et comme intact sur le monde. Aucun des gestes innombrables de la sensation n'est libre de lui-meme, du poids de l'histoire, du poids de la culture, qui necessairement l'habite et chaque fois l'autorise, I'informe et le transforme. 77 Blindheit ist nicht als kulturunabhängiges Faktum gegeben, 7 8 hält Paulson solchen Definitionsversuchen entgegen. »Das Sehen an sich hat seine Geschichte«, bemerkte bereits der Kunsthistoriker Wölfflin, der die Aufdeckung dieser »optischen Schichten« als die elementarste Aufgabe der Kunstgeschichte betrachtet

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Vgl. dazu P. Geyer. Die Entdeckung des modernen Subjekts. Kap. 1.2: > Erkenntnislehre: >repraesentatio< und >imaginatio«. A. Esser. Das Antlitz der Blindheit in der Antike. S. 5. »Le regard [...] est construit dans l'espace de la culture; il est institue et l'on retrouvera les traces de cette institution - ces traces, chaque fois, d'un reflet - dans un ensemble foisonnant, inepuisable, de textes de l'epoque moderne.« C. Havelange. De l'CEil et du monde. S. 27. Um zu veranschaulichen, wie unerschöpflich die Quellenlage sein müsste, wenn wir uns mit der kulturellen Konstruktion des Sehens - und darin zwangsläufig einbezogen: der konstruierten Blindheit - beschäftigen wollen, nennt Carl Havelange so weit auseinanderliegende Texte wie optische Traktate und philosophische Werke, Lehrbücher fur Maler wie für für Mediziner, physiognomische und pädagogische, theologische und magisch-esoterische, biologische und rhetorische Abhandlungen. C. Havelange. De l'oeil et du monde. S. 16. W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 4.

Objektivierung der Erkenntnis und Ästhetikgeschichte

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hat. 7 9 Lorenz gliedert ihren körpergeschichtlichen Methodenüberblick in essentialistische Ansätze, die von transhistorischen bzw. -kulturellen Körperkonstanten ausgehen, u n d in konstruktivistische Ansätze, die der A n n a h m e widersprechen, es gebe einen festen Bestand in der geschichtlichen Körpermetaphorik und kulturellen Körperpraktiken. »Körperlichkeit ist nur über Sprache - gedachte oder geschriebene - erfahrbar und vermittelbar«, erläutert sie u n d verleugnet dabei nicht deren physische Materialität, die sich selbst ständig wandelt: »Vorausgesetzt wird nur, daß es nie möglich sein wird, allgemein u n d dauerhaft gültige Definitionen über die Physis abzugeben«. 80 Z u r G r u p p e der essentialistischen Ansätze zählt Lorenz die Medizin- und Mentalitätsgeschichte ebenso wie Ansätze der Psychoanalyse bzw. der Sozialdisziplinierung; zur zweiten Gruppe rechnen für sie Wissenschaftsgeschichte bzw. Kultursoziologie u n d Poststrukturalismus bzw. Gendertheorie, wobei übrigens verschiedene Ausprägungen der historischen Anthropologie auf beide Gruppen verteilt werden. Diese Richtungen haben in den letzten Jahren zunehmend auch eine Körpergeschichte des Sehens in den Griff genommen, so daß sich heute Befürworter eines engen Ästhetik-Begriffs und eines weiten Aisthetik-Begriffs gegenüberstehen. D a ß diese Trennung selbst ihre Geschichte hat, ist am Übergang vom 18. z u m 19. Jahrhundert zu zeigen. Der Literaturwissenschaftler tut gut daran, sich an der tatsächlichen literarischen Verwendung des Wortfeldes u m aveugler, eblouir u n d cecite zu orientieren, was hier in Verbindung mit etymologischen Überlegungen anhand von Belegen aus der französischen Literatur des 18. u n d 19. Jahrhundert skizziert wird. Bereits eine kurze begriffsgeschichtliche Betrachtung zeigt die schwierige Abgrenzung der wörtlichen Bedeutung der Blindheit von der übertragenen - so bereits im Artikel Aveugle der Encyclopedic,81 Neben unterschiedlichen Graden der Eigentlichkeit ist Blindheit in ihrer D e u t u n g ja nicht zuletzt historisch und kulturell stark variabel. Blindheit, so Paulson in seiner diskursanalytischen Studie zur französischen Blindheit im 18. u n d 19. Jahrhundert, »means very different things, and moreover it is very different things, at different times, different places, and in different kinds of writing.« 82 Sich dennoch etymologisch 8 3 dem Wortfeld der Blindheit zu nähern, könnte die visuelle Metaphorik weniger als philologische Wortspielerei, denn als einen bereits der >eigentlichen< Bedeutung eingeschriebenen Bestandteil ausmachen. 79 80

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H. Wölfflin. Kunstgeschichtliche Grundbegriffe. S. 24. M. Lorenz. Leibhaftige Vergangenheit. S. 11. Sehr hilfreich ist eine mit 60 Seiten Umfang ausführliche thematische Bibliographie zu bestehenden körpergeschichtlichen Arbeiten, auch wenn recht viele ästhetikgeschichtliche Arbeiten zur Visualität scheinbar aus dem Erfassungsraster gefallen sind. J. Le Ron d'Alembert. Artikel >Aveugleblödennützlichen Teil· der Gesellschaft zum Programm. Allerdings ist die irritierende Funktion des Devianten, der gerade in seinem Wahnsinn das Vermögen der prophetischen Rede zugeschrieben bekommt, einer der Hauptmerkmale eines literarischen Interesses an der Blindheit. Die drei Bedeutungskerne des Wortes eblouir sind weitgehend analog zum Verb aveugler, allerdings scheint hier laut Le Petit Robert ein Aspekt ästhetischer Überraschung hinzuzutreten:

eblouir: 1. Troubler

(la vue, ou une personne dans sa vision) par un eclat insoutenable. ( T e c h n o l . ) Saturer (un recepteur) par un rayonnement intense. 2. (Fig. Vieilli) Surprendre par un eclat trompeur, par qqch. de specieux. 3. [Mod.) Frapper d'admiration (la vue ou l'esprit), emerveiller.

Die Uberstrahlung des Auges wird hier als Moment der überwältigenden Epiphanie umgedeutet, die uns auch in der deutschen Rede vom »blendend Schönen« begegnet. So ist frz. eblouissant auch mit der verführerischen Qualität definiert: »qui trompe en seduisant«; auch dt. Blick leitet sich aus mhd. »Glanz, Blick, Strahl, Blitz« her und spielt so auf das plötzliche Aufleuchten, das Strahlen des Auges an. Die Nähe der Blindheit zum Tastsinn schon bei einer etymologischen An87

Vgl. Petit Robert.

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

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näherung mag überraschen. Böhme hat einige taktile Beiworte zum Blick gesammelt, nach denen jeder Sinn, auch der Fernsinn des Sehens, ein Kontaktsinn wäre: Keineswegs erschöpft sich die Charakteristik der Blicke in Lichtschattierungen. Im Gegenteil. Blicke sind stechend, brennend, heiß, lodernd, flammend, feucht, glühend, kalt, anrührend, weich, zart, naß, starr, schmelzend, hart, scharf, stier, starr, gespannt, gebrochen, durchdringend, stumpf, versteinernd, stählern. Diese in hundertfachen Formen noch immer gebräuchlichen Wendungen erschließen das Sehen nicht über das Licht, sondern als Berührungsreiz! 88

Frz. ä l'aveuglette ist mit den beiden Bedeutungskernen »sans y voir clair« u n d übertragen »au hasard, sans prendre de precautions, sans methode« definiert. Wer nicht klar sieht, m u ß tasten u n d seine Umgebung en palpant, ä tätons erkunden, also mit suchenden Berührungen. 8 9 Diese räumliche Orientierungslosigkeit, für die literarisch oftmals der Blindenstock steht, 9 0 hat zugleich aber auch eine medienspezifische Erfindung hervorgebracht: die erhabene Schrift - hier hat sich nach unzähligen Versuchen Louis Brailles Version durchgesetzt, die aus einer Matrixkombination von sechs Punkten ein eigenes Alphabet bildet u n d so dem Blinden die Türe zur Welt der Schrift aufgestoßen hat. Das aus dem Griechischen gebildete Adjektiv anaglyptique bezieht sich dabei nicht nur auf die erhabene, also tastbare Schrift, sondern auch auf das photographische Verfahren des Anaglyphendrucks, das mit zwei Komplementärfarben gedruckt wird u n d durch eine Brille mit Gläsern dieser Farbe einen dreidimensionalen Eindruck vermittelt, weil sie so jeweils ein Auge blind für das zweite Bild macht. Die ästhetische Debatte des 18. Jahrhunderts u m Malerei u n d Bildhauerei hat am Beispiel des Blinden diese Frage der Sicht- u n d Ertastbarkeit von Kunstwerken ausgiebig geführt, u n d sie ist zentral auch für eine Diskussion von Blindheit u n d Literatur: Was

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so

H. Böhme. Der Tastsinn im Gefüge der Sinne. Vgl. auch die gekürzte Version seines Artikels u.d.T.: Plädoyer für das Niedrige. Außerdem in: Anthropologie. Hrsg. von G. Gebauer. S. 214-233. Böhme begründet die taktile Semantik des Sehens mit antiken Wahrnehmungstheorien. Homer und die frühen Tragiker »[...] kamen durchweg darin überein, daß auch (oder sogar) das Sehen eine Kontaktwahrnehmung sei. von den Dingen strömen in ununterbrochenem Fluß feine Hauchbildchen ab (eidola). Sphärisch erfüllen sie alles, stoßen auf unsere Sinne wie auf feine Membrane oder poröse Häute. Sie setzen sich über minimale Berührungsreize in uns fort, bis sie im Geiste zu Vorstellungen optischer, haptischer, olfaktorischer, akustischer Art werden. [...] Die ganze Welt ist fluxus (Fluß) und tactus (Berührung). Hier finden wir die historische Wurzel, warum unsere Wörter für Blickereignissen so durchsetzt sind von der Semantik des Tastsinns und des leiblichen Spürens.« H. Böhme. Der Tastsinn im Gefuge der Sinne. S. 219. So schreibt Esser über die Körperhaltung des Blinden in der Antike: »Auffälliger [als die äußere Erscheinung, Κ. N.] wirkt der Gang des Blinden. Er wird geschildert als unsicher, irrend, ziel- und ratlos, schleppend, stutzend, anstoßend, wankend, tappend, tastend und taumelnd.« A. Esser. Das Antlitz der Blindheit in der Antike. S. 79.

Objektivierung der Erkenntnis und Ästhetikgeschichte

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übersehe ich, wenn ich den Inhalt, das Thema des Kunstwerks sehe? Schließlich werden Descartes' mathematisch abstrahierter Blinder und seine aufklärerischen Brüder erst in der empfindsamen Blendung der Subjektivität sehend. 5.

Blindheit in der

Encyclopedie

Das Wissen hat sich am Blinden zu erweisen, so Diderot: Je me doutais bien, madame, que l'aveugle-nee, ä qui Μ . de Reaumur vient de faire abattre la cataracte, ne vous apprendrait pas ce que vous vouliez savoir, mais je n'avais garde de deviner que ce ne serait ni sa faute, ni la votre. 9 1

Sarasins Geschichte des Körpers setzt punktgenau mit dem Erscheinen des letzten Encyclopedie-Bandes ein. 92 Die knapp 72 000 Artikel, die von 1751 bis 1765 in siebzehn Bänden erschien, wurden vielfach als »Fuchsbau« 93 des Wissens mit unterirdischen Gängen verstanden, denn bei einer äußerlichen alphabetischen Gliederung sind insbesondere die Verweise unter den Artikeln vielsagend. Die »Bibel der Aufklärung« (R. Darnton) wagt in einem nie dagewesenen Umfang eine »Sammlung alles Wissens überhaupt«. 94 In der Hochphase des Sensualismus sortiert das editorische Mammutunternehmen auch den Wissensbestand der Blindheit. Sie begegnet uns nicht nur in den vier ihr gewidmeten Artikeln, 95 sondern in einer überraschenden Vielzahl von Kontexten: Ungefähr hundert Artikel sind für diese Betrachtung relevant. Neben medizinischen Informationen über die Blindheit im engeren Sinne werden immer wieder ihre mythologische Tradition und ihr metaphorischer Aspekt hervorgehoben, und dies nicht nur im sprachwissenschaftlichen, sondern auch im religiösen, moralischen und politischen Sinne. Blindheit erweist sich allerdings in der Encyclopedie vor allem als philosophischer Gegenstand: in der Logik als Beispiel der Negation, erkenntnisphilosophisch einmal als noch nicht erworbene Vorurteilsfreiheit und außerdem als Gegenstand sensualistischer Studien. Schließlich ist hier insbesondere auf die Rolle der Blindheit im ästhetischen Kontext hinzuweisen. Die verstreute Besprechung dieser Artikel und Aussagen im Folgenden und im Diderot-Teil soll als problemgeschichtliches Panorama die Basis für die weiteren Ausführungen zum 18. und dem 19. Jahrhundert bilden. Die Romantiker allerdings, dies sei einschränkend hinzugefügt, werden einer Beherrschbarkeit des Wissens in ei-

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^ 95

S o beginnt Diderots Brief. D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 8 1 . Hervorh.: Κ. N . Ph. Sarasin. Reizbare Maschinen. S. 19. Vgl. U. Kronauer. Alphabetische Ordnung im Labyrinth der Welt. In: Neue Zürcher Zeitung (22. Oktober 2 0 0 1 ) . K. Weimar. Enzyklopädie der Literaturwissenschaft. S. 7. Encyclopedie. I und II. Einträge >aveugleaveuglementaveugler< und >ceciteQuinze-VingtsVue, lesion de la< »De plus, selon que les diverses parties de l'oeil seront diversement affectees, on sera tres-frequemment sujet ä des hallucinations, ä des erreurs, ä des vues confuses, & ä l'aveuglement.« Encyclopedic. II. Eintrag >CInfluenceMedecineEmpirismeMaladieNeigeCaeciteNegation£treInventionPerfectionnerInsensibiliteblinden< Volk. 134 Unter Science, der »connoissance claire & certaine de quelque chose, fondee ou sur des principes evidens par eux-memes, ou sur des demonstrations«, 1 3 5 wird zugleich die Fortschrittsfeindlichkeit der Scholastiker angeprangert. 1 3 6 Alles durch die Aufklärung zu Uberwindende läßt sich an diese Kritik anschließen: Der Artikel Opiniätrete definiert dieses als Übel, als »un entetement aveugle pour un sujet injuste ou de peu d'importance«, 1 3 7 unter Prejuge wird ein falsches Urteil verstanden, »que Pame porte de la nature des choses, apres un exercice insuffisant des facultes intellectuelles; ce fruit malheureux de l'ignorance previent l'esprit, l'aveugle & le captive«. 138 Diese Vorurteile sind »de spectres & de phantomes«. Ergänzend nennt allerdings der Artikel Independance die menschliche Unabhängigkeit: »la pierre philosophale de l'orgueil humain; la chimere apres laquelle l'amour-propre court en aveugle; le terme que les hommes se proposent toüjours, & qui empeche leurs entreprises & leurs desirs d'en avoir jamais, c'est X independance.«139 Der Artikel Liberte will zeigen, d a ß aus der natürlichen Determiniertheit des Menschen nicht notwendigerweise Fatalismus folgt. Freiheit liegt »dans le pouvoir qu un etre intelligent a de faire ce qu'il veut, conformement ä sa propre determination«. 1 4 0 Dazu werden die Stoiker herangezogen, die ihrerseits alles auf »une aveugle fatalite« zurückführen und die Freiheit als »une chimere [...] flateuse« begreifen. Unter Nature wird diese Philosophenschule außerdem mit ihrem Verständnis einer blinden Natur zitiert: »Les Sto'iciens concevoient aussi la nature corame un certain esprit ou vertu repandue dans l'univers, qui donnoit a chaque chose son mouvement; desorte que tout etoit force par l'ordre invariable d ' u n e nature aveugle & par une necessite inevitable.« 141

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»Au contraire, on entend cette faculte que nous appellons raison, lorsqu'on dit que cette raison se trompe, ou qu eile est sujette ä se tromper, quelle est aveugle, qu elle est depravee; car il est visible que cela convient fort bien ä la faculte, & nullement a la lumiere naturelle.« »[...] des superstitions ridicules, des mysteres puerils, quelquefois abominables; des visions & des mensonges destines ä affermir leur autorite & ä en imposer ä la populace aveugle«. Encyclopedie. XII. Eintrag >PhilosophieScienceinkorrektLa Lettre sur les aveugles de Denis Diderot. I. L'invention de l'aveuglewirklichen< Rührung des Philosophen und einer wirkungsbezogenen ästhetischen Kritik der sensibilite, also zum kalkulierten Gebrauch für die Sehenden.

3.

Diderots C h i m ä r e n

a)

Höhlenauf-

und -abstieg

Barbey d'Aurevilly kommentierte bissig das platonische Motiv bei Diderot: »Pour ce qui est de sa Lettre sur les aveugles et de son autre Lettre sur les sourds-muets, toutes les deux de si peu de clarte dans leur exposition et de certitude dans Ieurs resultats, on peut se faire aveugle pour les lire et sourd-muet pour n'en pas parier. Tout ceci nest encore que des ombres dans la caverne, mais ce nest pas Celle de P i a t o n . D i d e r o t beginnt sein Traktat De l'interpretation de la nature mit einem — freilich stark veränderten — Lukrez-Zitat: »Quae sunt in luce tuemur e tenebris.« 26 Licht und Dunkelheit sind im darauffolgenden Text hart in äußere Wirklichkeit und inneres Erleben geschieden, in deren Verbindung der Kern der Naturphilosophie besteht, einer Doppelbewegung des Abstiegs und des Aufstiegs: »Tout se reduit ä revenir des sens ä la reflexion, et de la reflexion aux sens: rentrer en soi et en sortir sans cesse.« 27 Jüttes Geschichte der Sinne deutet den Weg vom Materialismus zum Idealismus einseitiger und nennt sein Kapitel zum 18. und 19. Jahrhundert »Von der Sinnen- zur Verstandeswelt«.28 Vergessen wir Di-

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P. Utz. >Es werde Licht!< D i e Blindheit als Schatten der Aufklärung bei Diderot und Hölderlin. S. 381. J.-A. Barbey d'Aurevilly. Goethe et Diderot. >Diderot£claire et clairvoyants Encyclopddie. VII. Eintrag >Genievidere< hat im aktiven Modus (>videntvidenturGenieLes AveuglesaveugleaveuglementSensMetaphoreCaractere d'imprimerie«. Encyclopedic. IV. Eintrag >DictionnaireAuge des Gesetzes^ 6 nachgewiesen, daß erst im 17. und 18. Jahrhundert die Darstellung von Herrschern üblich wird, über deren Köpfen ein Auge schwebt, umgeben von göttlichen Strahlen. Dieses Zeichen der gottähnlichen Souveränität geht interessanterweise mit der Sakralisierung von weltlicher Herrschaft einher. Die so beliehene Aura der gesetzgebenden Autorität gerät hierbei in Spannung zu einer anderen ikonographischen Tradition, der der blinden Justitia. Brisant wird die Metapher der Blindheit so auch im politischen Kontext der Encyclopedie·. Der Artikel Innovation, der verfassungswidrige Regierungsneuerungen bespricht, trennt recht abstrakt zwischen den politischen Zeiten »de lumieres, de moderation, de tranquillite« und den »jours de tenebres, de trouble, & de rigueurs« Letztere Zeit gebiert »enfans de la douleur & de l'aveuglement«, gewöhnlich zeigen sich diese als »monstres qui portent le desordre, les malheurs, & la desolation.« 17 Der Artikel Obeissance stellt zwar klar: »Refuser de se soumettre aux souverains, c'est renoncer aux avantages de la societe, c'est renverser l'ordre, c'est chercher ä introduire l'anarchie.« Gleichzeitig m u ß diesen untertänigen Gehorsam eine aufgeklärte Einsicht begleiten: »Ainsi Γ obeissance ne doit point etre aveugle. Elle ne peut porter les sujets ä violer les lois de la nature.« 18 - Unter Honnete wird der ehrenhafte, wahrhaftige Mensch gezeichnet. Auch wenn eingeschränkt wird: »sans les passions fortes & vives, sans un fanatisme, ou moral ou religieux, les hommes n'etoient capables ni de grandes actions, ni de grands talens, &C qu'il ne falloit pas eteindre les passions«, wird am Beispiel der jeweiligen Liebe zu einer europäischen Nation die Kehrseite der Leidenschaften vorgeführt: »les passions eclairent sur leur objet, aveuglent sur le reste«, und dies spricht gegen einen demokratischen Frieden: »quelles secousses dans toutes les societes, quels chocs, quelle opposition entre les citoyens, si les passions fortes & vives devenoient communes ä tous les individus!« 19 Die politische Metapher der Blindheit bezeichnet also die bereits bei Holbach vorgefundene Bedeutung von Unmündigkeit; indirekt wird damit die Legitimierung politischer Herrschaft gefordert. Z u m zweiten wird die Blindheit von Individuen auf ganze Gemeinschaften und deren uneinsichtige nationalistische Egoismen übertragen. Insbesondere die Encyclopedie-Belege aus der römischen Rechtsgeschichte lassen sich sowohl wörtlich, als auch übertragen lesen: Der Artikel Loi20 definiert 16 17 18 19 20

M. Stolleis. Das Auge des Gesetzes. Geschichte einer Metapher. Encyclopedie. VIII. Eintrag >InnovationObeissanceHonneteLoiQue m e ferez-vous? dit-il a Μ . Herault. - Je vous jetterai dans un cul de basse-fosse, lui repondit le magistrat. - Eh! monsieur, lui repliqua l'aveugle, il y a vingt-cinq ans que j'y suis.< Q u e l l e reponse, madame! et quel texte pour un h o m m e qui aime autant ä moraliser que moi! N o u s sortons de la vie c o m m e d'un spectacle enchanteur; l'aveugle en sort ainsi que d'un cachot. si nous avons a vivre plus de plaisir que lui, convenez qu'il a bien moins de regret ä mourir.« S. 89f. » [ . . . ] d'une telle suite d'impressions que fait sur lui cette force aveugle, resultent des mouvemens egalement reguliere & utiles ä cet agent« bzw. »Vous voyez que l'enfant contribue ä ceci, c o m m e un agent aveugle, dont l'acrivite est determinee par l'impression agreable ou effrayante que lui cause certains objets. L'ame de la bete est de meme« Encyclopedic. I. Eintrag >Ame des betesEsperanceFanatismeFolieFolieCEilProvidenceHylozo'fsmeVernunftschlüsse< von divergenten Wahrnehmungsweisen und von einer spezifischen sinnlichen Ausstattung der Menschen abhängen.« 53 Doch obwohl sein Artikel sich im Weiteren auf die Blindheit in Stifters Abdias-Novelle bezieht, bleiben die bereits angesprochenen ästhetischen Verfahren des Briefes - alltagsanschauliche Analogieschlüsse, Paradoxien und intertextuelle Verweise, rhetorisch virtuoser Einsatz des metaphorischen Potentials der Blindheit — dort unerwähnt. Insofern müßten wir Kühlmanns These modifizieren: Diderot stellt nicht einfach Thesen auf, sondern bedient sich einer Ästhetik der Blindheit für die Diskussion der genannten philosophischen Probleme, die ähnlich wirkungsorientiert angelegt ist wie etwa Herders philosophische Texte. Ein kapitaler Schritt hin zur literarischen Produktivität der romantischen Blindheit ist demnach bereits um 1750 getan.

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G. W. Leibniz. Die Theodicee. S. 462f. D. Diderot. Additions. S. 163. W. Kühlmann. Von Diderot bis Stifter. Das Experiment aufklärerischer Anthropologie in Stifters Novelle >Abdiassensorium commune< vorgestellt wird. 68 - Der Artikel Sens commurf9 geht davon aus, allen Menschen

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»Faites que vos yeux ne voyent ni lumiere ni couleur, que vos oreilles ne soient frappees d'aucun son, que votre nez ne sente aucune odeur; des-lors toutes ces couleurs, ces sons, & ces odeurs s'evanouiront & cesseront d'exister. Elles rentreront dans les causes qui les ont produites, & ne seront plus ce qu'elles sont reellement, une figure, un mouvement, une situation de partie. aussi un aveugle n'a-t-il aucune perception de la lumiere, des couleurs.« Encyclopedic. IV. Eintrag >DefinitionSensperipatecienne, Philosophie«. »Chaque sens apper$oit les differences de ses objets propres, aveugle sur les objets d ' u n autre sens. II y a done quelqu'autre sens commun & interne, qui saisit le tout, & juge sur le rapport des sens externes.« Encyclopedie. XV. Eintrag >Sens commun«.

Potentiale der Blindheit im Brief über die Blinden

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sei ein solcher eigen, definiert als: »un jugemenc commun & uniforme, sur des objets differens du sentiment intime de leur propre perception« Der Artikelteil Sens externes beantwortet abschließend versöhnlich die erkenntnisskeptische Frage, welche Sinne dem Menschen zur wahren Erkenntnis fehlen. 7 0 Die Sens internes heißen »actions de l'ame ou de l'intellect, auxquelles il est excite par la perception des idees«, hierzu rechnen Leidenschaften, Aufmerksamkeit, Einbildungskraft und Gedächtnis. Die Leidenschaften werden dabei beschrieben als »des affections fortes qui impriment des traces si profondes dans le cerveau, que toute l'economie en est bouleversee, & ne connoit plus les loix de la raison«, die Aufmerksamkeit als »I'impression des objets qui frappent le sensorium

commune,

au moyen des esprits animaux qui s'y portent en abondance«, die Einbildungskraft als »la representation d'un objet absent par des images tracees dans le cerveau« und die Erinnerung als »le souvenir des choses qui ont fait des traces dans le cerveau«. Ausgehend von Hallers Fiebervisionen werden dabei die negativen Seiten der inneren Sinne hervorgehoben, deren Illusionen nur mit Hilfe der äußeren klargestellt werden können: »Quand l'ame ne peut se detromper par les sens externes, de la non-existence des phantömes que les sens internes lui presentent«; die Einbildungskraft wird hierbei regelrecht denunziert. 7 1 Gleichzeitig wird Blinden hierbei dank ihrer fehlenden Zerstreuung durch die äußeren Sinne eine stärkere Einbildungskraft zugeschrieben: D'oü vient que l'attention, l'imagination suspendent Taction des sens externes & les mouvemens du corps? Parce qu'alors rien ne distrayant les sens externes, l'imagination en est plus vive & la memoire plus heureuse. Ceux qui sont devenus aveugles, sont fort propres ä combiner a la fois un grand nombre d'idees. In dieser Ambivalenz gegenüber der körperlichen Erkenntnisbedingtheit endet auch der Artikel. 7 2 D e m am Beispiel der visuellen Privation immer stärker infrage gestellten sensorium commune der äußeren Sinne kommt ein ontologiefundierender Rang zu; die dabei stetig wachsende Potenz der inneren Sinne weckt einerseits Ängste um die Wirklichkeitsnähe des Wissens, wird zugleich aber auch im Blinden positiviert.

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»Peut-etre que les sens plus multiplies que les nötres, se fussent embarrasses, ou que l'avide curiosite qu'ils nous eussent inspire, nous eüt procure plus d'inquietude que de plaisir. En un mot, le bon usage de ceux que nous avons, suffit ä notre felicite.« »Quiconque jettera les yeux sur les tristes effets du derangement de l'imagination, comprendra combien elle est corporelle, & combien est etroite la liaison qu'il y a entre les mouvemens vitaux & les mouvemens animaux.« »Tout indique l'empire de ce corps terrestre; tout confirme l'esclavage, l'obscurcissement de cette ame qui devroit lui commander. [...] Helas! on ne reconnoit plus sa spiritualite au milieu du tumulte des appetits corporels, du feu des passions, du derangement de l'economie animale.«

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Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

Die beiden Artikel Vue7i u n d Vision, Apparition74 behandeln getrennt das äußere u n d das innere Sehen, »l'action d'appercevoir les objets exterieurs par le moyen de l'oeil, ou si vous voulez, c'est l'acte & l'exercice d u sens de voir« einerseits, andererseits gilt: »La vision se passe dans les sens interieurs, & ne suppose que l'action de l'imagination.« Die Erscheinung steht zwischen beiden: Alapparition frappe de plus les sens exterieurs, & suppose un objet au-dehors.« Nachdem der Artikel Vue die hierarchische Stellung dieses Sinnes als »reine des sens« u n d die künstlerische Relevanz hervorgehoben hat, werden Tastsinn u n d Sehsinn ausführlich verglichen: laut Buffon 7 5 ist das Sehen »une espece de toucher [...] ä quelque distance«, wobei der Sehsinn die Ergänzung des Tastens benötigt: »sans le toucher, tous les objets nous paroitroient etre dans nos yeux, parce que les images de ces objets y sont en effet«. Hier wird Cheseldens geheilter Blinder 7 6 eingeführt, der die theoretischen Überlegungen verifiziert hat. Er wird außerdem zitiert, u m zu zeigen, daß wir erfahrungsgeleitet aus dem Schattenwurf die dreidimensionale Form eines Körpers herleiten können. 7 7 Schließlich wird der cartesianische Blinde mit zwei Stöcken herangezogen, u m zu erklären, weshalb wir »les objets droits« sehen, obwohl sie in unseren Augen »peints reverses« sind. 7 8 W ü r d e er n u n geheilt, könnte sich der Blinde sofort auf die Erfahrung der Blindenstöcke beziehen. 7 9 Dieses Bild entstammt Descartes Denken, wie der Artikel Lumiere vorführt. 8 0 - Der Artikel Vision, Apparition n u n beginnt mit Josephs Ägyptenvision u n d Magdalenas Jesuserscheinung, u m zu folgern: »Les

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Encyclopedic. XVII. Eintrag >VueVision, Apparitions Als weitere herangezogene Autoren werden etwa genannt: Newton, Gregori, Barrow, Molyneux, Brighs, Smith, Hartsoeker, Musschenbrceck, S'Gravesande, la Hire und Desaguliers. Außerdem zitiert der Artikel Sens ausführlich Voltaires Wiedergabe des Falls; unter Gout wird der Geschmack des geheilten Blinden an der roten Farbe erwähnt. »C'est aussi l'habitude seule qui nous fait juger de la convexite &C de la concavite des corps, ä la faveur de leurs ombres laterales. L'aveugle de Cheselden regarda d'abord la peinture, comme une table de diverses couleurs; ensuite y etant plus accoutume, il la prit pour un corps solide, ne sachant quel sens le trompoit, de la vue ou du tact.« Encyclopedic. XVII. Eintrag >VueVue£tenduTactempfindsam< und fühlt sich >berührt< oder >ergriffenD'un aveugle-ne ä qui les cataractes ont ete abaissees«. S. 195-203. 1 0 9 D. Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 133f.

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Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

das Molyneux-Problem noch theoretisch in seiner New Theory of Vision (1709, de Joncourt übersetzt Berkeley 1734 ins Französische) auf, in der er untersucht, wie wir mithilfe des Gesichtssinns die objektive Lage, Größe und Gestalt der Dinge erkennen, worin sich die Wahrnehmungen des Gesichtssinns von denen des Tastsinns unterscheiden, und ob es eine Idee bzw. ein Wahrnehmungsobjekt gibt, das beiden Sinnen gemeinsam ist. 110 Mit Cheselden stellt sich 1728 Molyneux' philosophische Grundlegung eines »mind without experience« 111 in dessen Bericht einer Staroperation (Philosophical Transactions) als höchst praxisbezogen heraus. Voltaire kommentiert süffisant: L'aveugle eut de la peine ä y consentir. II ne concevait pas trop que le sens de la vue put beaucoup augmenter ses plaisirs. Sans l'envie qu'on lui inspira d'apprendre ä lire et ä ecrire, il η eut point desire de voir. II verifiait par cette indifference qu'il est impossible d'etre malheureux par la privation des biens dont on n'a pas d'idee: verite bien importante. 1 1 2

Plötzlich läßt sich das hochabstrakte Gedankenexperiment wissenschaftlich verifizieren. Die Faszination des ersten, ungeübten, schockartigen Blicks eines verständigen Menschen hat vorübergehend zur Säkularisierung der Blindenfigur geführt. 1 1 3 Molyneux selbst verneinte die Möglichkeit, daß ein frisch operierter Blinder Kugel und Würfel unterscheiden könne, da die unmotivierte Verbindung zweier Sinnesideen noch nicht durch die Erfahrung hergestellt wurde. 1 1 4 Paulson erläutert: »The newly sighted blind person, in effect, knows the >meaning< without knowing the language, indeed, without realizing that the perceptions from the eyes are the signs of anything.« 115 Lockes Wiedergabe von Molyneux' Frage begründet die abendländische Wahrnehmungstheorie der Moderne nicht als Theorie des Sehens, sondern des Sehend-Werdens. 116 Es wird eine Sinnesfenster zusätzlich geöffnet, um nun die Konvertibilität der einfallenden visuellen Reize mit den taktilen Ideen zu vergleichen, die der Blinde bereits vollständig ausgebildet hat: Man stelle sich nämlich einen blindgebornen M a n n vor, der erwachsen ist und durch sein Gefühl einen Würfel und eine Kugel von demselben Metall und ohngefähr derselben Größe zu unterscheiden gelernt hat, so daß er angeben kann, ob er die Kugel oder den Würfel fühle. N u n nehme man an, beide würden auf einen Tisch gelegt,

110 111 112 113

115 116

Vgl. A. Kulenkampff. George Berkeley. S. 48. W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 24 Voltaire. CEuvres. II, 2. S. 469. Vgl. W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 9. D. Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 128f. W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 37 Vgl. dazu: P. Utz. >Es werde Licht!< Die Blindheit als Schatten der Aufklärung bei Diderot und Hölderlin. S. 3 7 1 - 3 8 9 .

Potentiale der Blindheit

im Brief über die

Blinden

81

und der Blinde erhalte sein Gesicht; hier fragt es sich nun, ob er, ehe er die Kugeln befühlt, sagen kann, welches der Würfel und welches die Kugel s e i ? " 7 L o c k e s e l b s t v e r n e i n t M o l y n e u x ' F r a g e e b e n f a l l s u n d leitet d a r a u s a b , w i e v i e l m e n s c h l i c h e E r k e n n t n i s » d e r E r f a h r u n g f ü r d i e B e r i c h t i g u n g bereits e r w o r b e n e r B e g r i f f e v e r d a n k t « . D e r s c h o c k a r t i g e i n s e t z e n d e D i a l o g d e r S i n n e soll d e n E r f a h rungsanteil an der W a h r n e h m u n g erweisen, d a »das Urtheil g e w o h n h e i t s m ä ß i g d i e E r s c h e i n u n g in ihre w a h r e U r s a c h e « 1 1 8 u m r e c h n e t u n d a u s d e m » W e c h s e l v o n S c h a t t e n in d e r F a r b e « ein » Z e i c h e n f ü r s e i n e G e s t a l t « b e r e c h n e t , a l s o a u s der farbigen Fläche einen E i n d r u c k von räumlicher Erhabenheit. D i e implizite Differenzierung zwischen physiologischer und semantischer Blindheit, zwischen S e h e n u n d S c h a u e n f ü h r t e z u R u s k i n s B e m e r k u n g , ein p l ö t z l i c h g e h e i l t e r B l i n d e r m ü s s e erst n o c h d i e » e i d e t i s c h e S p r a c h e « 1 1 9 d e r P h ä n o m e n e l e r n e n . A u c h D i d e r o t verneint die Möglichkeit der spontanen Unterscheidung von K u g e l u n d W ü r f e l . S e i n e Ü b e r l e g u n g e n f ü h r e n hier z u w i c h t i g e n F o l g e r u n g e n : W i r s e h e n n i c h t b e i m ersten M a l , m ü s s e n erst l a n g s a m v e r s u c h e n , » u n e m u l t i tude de sensations c o n f u s e s « 1 2 0 nach u n d nach durch E r f a h r u n g u n d Reflexion z u e n t w i r r e n . D a s h e i ß t , r a d i k a l f o r m u l i e r t , es g i b t keinerlei e s s e n t i e l l e A b h ä n -

117

J . Locke. Versuch über den menschlichen Verstand. I. S. 147f. Für diese zentrale Textstelle hier das englische Original und die französische Ubersetzung durch Pierre Coste von 1700: »Suppose a M a n born blind, and now adult, and taught by this touch to distinguish between a Cube, and a Sphere of the same metal, and nighly o f the same bigness, so as to tell, when he felt one and t'other, which is the C u b e , which is the Sphere. Suppose then the C u b e and Sphere placed on a Table, and the Blind Man to be made to see. Quaere, Whether by his sight, before he touch'd them, he could now distinguish, and tell, which is the Globe, which the Cube.« J. Locke. An Essay C o n cerning H u m a n Understanding. II.ix.8. S. 146. — Coste (Paris 1989) übersetzt: »Supposez un h o m m e aveugle de naissance et maintenant adulte, accoutume ä distinguer par le toucher un cube d'une sphere faits d'un m e m e metal et ä peu pres de la m e m e grosseur, au point de pouvoir dire, au contact de Tun ou de l'autre, lequel est le cube et lequel la sphere. Supposez maintenant que le cube et la sphere etant places sur une table, la vue soit rendue ä notre homme. on demande s'il pourrait par la vue seule, sans l'aide du toucher, distinguer entre les deux et dire lequel est le cube, lequel est la sphere.« In Diderots Wiedergabe: » O n suppose un aveugle de naissance qui soit devenu h o m m e fait, et ä qui on ait appris a distinguer, par l'attouchement, un cube et un globe de m e m e metal et ä peu pres de m e m e grandeur, en sorte que quand il touche Tun et l'autre, il puisse dire quel est le cube et quel est le globe. O n suppose que, le cube et le globe etant poses sur une table, cet aveugle vienne a jouir de la vue; et Ton demande si en les voyant sans les toucher il pourra les discerner et dire quel est le cube et quel est le globe.« D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 128. Vgl. die deutsche Wiedergabe etwa bei G . W. Leibniz. Neue Abhandlungen über den menschlichen Verstand. S. 106f.

1,8

J . Locke. Versuch über den menschlichen Verstand. I. S. 147ff. J . M . Santos. Die Lesbarkeit der Welt und die Handschrift des Auges. S. 85. - Vgl. dazu J . Ruskin. T h e Elements of Drawing. § 5. Z u dieser Stelle vgl. E. Gombrich, Art and Illusion. S. 2 9 6 . D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 135.

119

'20

82

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

gigkeit zwischen den Sinnen und keinerlei essentielle Ähnlichkeit zwischen den sinnlichen Eindrücken und den Objekten. So endet die klassische Repräsentation von Wirklichkeit. Diderot dreht die Schraube weiter als Locke: zum einen sehe ein erfahrenes Auge besser als ein unerfahrenes,121 außerdem könne nur ein blinder Philosoph 122 die Frage beantworten, wenn er denn geheilt würde, und schließlich müsse auch die Befragung sehr fein und präzise durchgeführt werden, und dies ebenfalls nur vor ausgebildeten Experten, d. h. ohne die üblichen »spectateurs superflus«. Wie sehr die Starstecherei bereits zum rührenden Spektakel geworden war, berichtet Diderot spöttisch aus nächster Nähe: Le malade etait assis; voilä sa cataracte enlevee; Daviel pose sa main sur des yeux qu'il venait de rouvrir ä la lumiere. Une femme ägee, debout ä cote de lui, montrait le plus vif interet au succes de l'operation; eile tremblait de tous ses membres ä chaque mouvement de l'operateur. Celui-ci lui fait signe d'approcher, et la place ä genoux en face de l'opire; il eloigne ses mains, le malade ouvre les yeux, il voit, il s'ecrie: Ah! c'est ma mere!... Je n'ai jamais entendu un cri plus pathetique; il me semble que je l'entends encore. La vieille femme s'evanouit, les larmes coulent des yeux des assistants, et les aumönes tombent de leurs bourses. 123

3.

Symbolisierung — die Sprache der Blindheit

a)

Spiegelungen und Verzerrungen: Blinde oder symbolische Erkenntnis

Menschliche Erkenntnis kann nur entweder blind oder symbolisch sein, so faßt der Enzyklopädie-Artikel Leibnitzianisme die Principes des meditations rationnelles des Philosophen recht pointiert zusammen. 124 So gesehen, ist Erkenntnistheorie immer auch Zeichentheorie: aliquid stat pro aliquo. Das Erkenntnispotential der Blindheit für die symbolische Repräsentation sinnlicher Erkenntnis untersucht Diderot anhand optischer Geräte, mathematischer Maschinen, anhand sprachlicher Repräsentation und in seiner Theorie der Einbildungskraft: »Voilä, disait-il, deux sens qu'une petite machine met en contradiction: une machine plus parfaite les mettrait peut-etre d'accord, sans que, pour cela, les objets en fussent plus reels; peut-etre une troisieme plus parfaite encore, et moins perfide,

121

122

123 124

»[...] en effet, l'oeil experiments d'un homme fait voir mieux les objets que l'organe imbecile et tout neuf d'un enfant ou Tun aveugle de naissance ä qui Ton vient d'abaisser les cataractes.« D. Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 134f. »[...] peut-etre qu'on le rendit philosophe«. D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 127. D. Diderot. Additions. S. 154. »Nous ne pouvons pas toujours embrasser dans notre entendement la nature entiere d'une chose tres-composee. alors nous nous servons de signes qui abregent; mais nous avons, ou la conscience ou la memoire que la resolution ou l'analyse entiere est possible, & s'executera quand nous le voudrons; alors la connoissance est aveugle ou symbolique.«

Potentiale der Blindheit im Brief über die Blinden

83

les ferait disparaitre, et nous avertirait de l'erreur.« 125 Die Symbolisierung der Blindheit markiert hier »une cesure dans l'ordre d u visible«: 126 U m unser eigenes Sehen sehen zu können, m ü ß t e n wir nach Diderot Monster mit zwei Köpfen werden, die sich doppelt in den Blick nehmen können und insofern »ideale Theoretiker des Sehens« 1 2 7 wären. Der Spiegel wird von Diderot in kaleidoskopartigen Brechungen thematisiert: Der Blinde von Puiseaux fragt etwa Diderot, ob ein Maler doch wohl nur Spiegel abmalen müsse, da doch ein Spiegel bereits die Dinge abmale. Keine schlechte Definition der Renaissancemalerei, könnten wir hinzufügen. Wieder zeigt der Blinde, daß er die Sprachspiele zu diesem optischen Gerät und ebenso den Alltagsgebrauch eines Spiegels beherrscht, auch ohne dessen Bedeutung wahrnehmen zu können. 1 2 8 Zwei solcher Blindenszenen vor d e m Spiegel 129 beziehen sich indirekt aufeinander: Ein blinder M a n n kann sich ohne Hilfe des Spiegels rasieren, nur mit Hilfe seiner geübten H a n d . 1 3 0 M l l e de Salignac allerdings weiß genau, wie sich eine Frau vor einem Spiegel schmückt: »Elle faisait quelquefois la plaisanterie de se placer devant un miroir pour se parer, et d'imiter routes les mines d'une coquette qui se met sous les armes. Cette petite singerie etait d ' u n e verite ä faire eclater de rire.« (158) Eine metaphorische Blindendefinition des Spiegels über den Umweg des Tastsinns — »Une machine [...] qui met les choses en relief loin d'elles-memes« - setzt Diderot in Bezug zu Descartes dioptrischer Theorie. 1 3 1 Allerdings weisen zwei Stellen darauf hin, daß der Spiegel der Diskussion grundsätzlicher Probleme der Repräsentation dient, einmal in der Parallelisierung philosophischer Termini mit der Blindendefinition des Spiegels: »Combien de philosophes renommes ont employe moins de subtilite, pour arriver a des notions aussi fausses! mais combien un miroir doit-il etre surprenant pour notre aveugle!« (85) Im Weiteren wird der Spiegel als Sonderfall der Repräsentation gesehen: andere optische Geräte (d. h. hier aber auch: andere philosophische Termini!) vergrößern u n d verschieben die Objekte, bewirken ihre scheinbare A n n ä h e r u n g bzw. Entfernung oder verzerren sie. In einer zweiten Stelle

125 126 127 128

125 130 131

D. Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 85. R. Dutry u. G. Servais. »Editorial». S. 7. Vgl. die Einleitung in: P. Bexte. Blinde Seher. »Le nötre parle de miroir ä tout moment. Vous croyez bien qu'il ne sait ce que veut dire le mot miroir; cependant il ne mettra jamais une glace ä contre-jour. II s'exprime aussi sensement que nous sur les qualites et les defauts de l'organe qui lui manque, s'il n'attache aucune idee aux termes qu'il emploie, il a du moins sur la plupart des autres hommes l'avantage de ne les prononcer jamais mal ä propos.« D. Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 84. Vgl. dazu auch: K. S. Calhoon. Blind Gestures. Chaplin, Diderot, Lessing. D. Diderot. Additions. S. 153. D. Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 84.

84

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

diskutiert Diderot die mediatisierte Anamorphose in direkter Ansprache seiner Briefadressatin am Beispiel eines Zerrspiegels des »cabinet du Jardin Royal«. 1 3 2 Hier verlagert sich also die optische Metapher für die Blindheit philosophischer Repräsentation auf das ästhetische Spiel der Sehenden, wobei Augenschein und Vermögen ähnlich in Konflikt gebracht werden wie im einleitenden Motto des Diderot-Briefs: »Possunt, nec posse videntur«.

b) Von der Dioptrik zur Sprachtheorie, von der Linguistik zur Literatur Der Spiegel steht insgesamt für ein sprachliches Symbolsystem, das eine Unterscheidung zwischen mechanistischer Referentialität und formaler bzw. pragmatischer Logik der Sprache 1 3 3 eröffnet: Blindensprache ist lediglich ein Idealfall sprachlich vermittelter Wahrnehmungsindividualität, »de ce qui se passe en nous ä ce qui se passe au dedans des autres.« 1 3 4 Der Blinde beweist in seiner kompetenten Handhabung des Redens über eine abwesende Repräsentation, daß Sprache nicht mehr der klassischen Episteme der Repräsentation gehorcht. Gessinger bezeichnet Diderots Brief deshalb als »Absage an das Monopol des Auges«. 1 3 5 Der Spracherwerb Blinder ist keineswegs reduziert, nur weil ein Sinn fehlt, sondern er gehorcht eigenständigen Mechanismen: 1 3 6 Statt einer Privation führt Diderot eine folgenreiche Differenz ein. Nicht mehr das Sehendwerden des Blinden ist damit T h e m a der Sprachtheorie, 1 3 7 sondern die Blindensprache wird Medium des Wissens: »Madame, il faut manquer d'un sens pour connaitre les avantages des symboles destines ä ceux qui restent«. 1 3 8 Das schlägt eine Brücke zur Metaphorizität der Blindheit, denn die »expressions heureuses« in Saundersons Optik bedeuten für Sehende »un telescope de plus«: Diderot führt die Sprachdiskussion um Metaphorizität und die Sensualismusdiskussion um einen sens commun zusammen. Sprache ist nicht mehr auf

» [ . . . ] lorsque vous vites venir a vous la pointe d'une epee avec la m e m e vitesse que la pointe de Celle que vous aviez ä la main s'avan^ait vers la surface d u miroir«. D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 137f. 133 Vgl. dazu W. R. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. 13 1 3 4 D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 84. 1 3 5 J . Gessinger. Auge und Ohr. S. X V I I . 1 3 6 » N o u s ne parvenons ä attacher une idee ä quantite de termes qui ne peuvent etre representee par des objets sensibles, et qui, pour ainsi dire, n'ont point de corps, que par une suite de combinaisons fines et profondes des analogies que nous remarquons entre ces objets non sensibles et les idees qu'ils excitent; et il faut avouer consequemment qu'un aveugle-ne doit apprendre ä parier plus difficilement qu'un autre, puisque le nombre des objets non sensibles etant beaucoup plus grand pour lui, il a bien moins de champ que nous pour comparer et pour combiner.« D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 91. 1 3 7 Vgl. J . Gessinger. Auge und Ohr. S. 18. 1 3 8 D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 100. 132

Potentiale der Blindheit im Briefüber die Blinden

85

einen Gemeinsinn zusammenzuführen und kann zugleich eindeutig und mehrsinnig sein. Diderot spricht für Saunderson sogar von einem verdoppelten, gleichzeitigen Licht: »la lumiere vraie et directe de l'expression, et la lumiere reflechie de la metaphore« (110). Uber diesen Umweg führt uns der Sensualismus zur Sensibilite: Die Sprache von Saunderson - der sich nur »ä moitie« selbst versteht — ist nämlich ebenso der Sprache von Idioten ähnlich - »qui font quelquefois d'excellentes plaisanteries« wie auch äußerst geistreichen Menschen — »ä qui il echappe une sottise, sans que ni les uns ni les autres s'en aper9oivent« (111). Chabut zieht eine ähnliche Verbindung von Diderots Diskussion der »creation linguistique« zur »creation litteraire«, 139 was sie etwa an einer Metaphorologie des Schreibens nachweist. 140 Eine ästhetische Lektüre der Lettres sur les aveugles basiert, so konnte gezeigt werden, auf einer Sprache, die sich unserer Verfügung entzieht, sowohl für Fremdsprachige mit wenigen Grundkenntnissen, wie auch für Schriftsteller mit einer genialen Einbildungskraft. 141

c)

Abstraktion

als

Blindenwissenschaft

Die Geometrie ist ein abstraktes Gegenreich zur ästhetischen Anschaulichkeit. Noch Mach bezieht sich in Erkenntnis und Irrtum auf Saunderson, um die Tastanschauung von der Anschauung des Gesichtssinns zu trennen: »Der Name trägt deutlich sein Ursprungszeugnis an sich.« 142 Diderot liefert in seinen späten

140

141

142

M . - H . Chabut. La Lettre sur les aveugles. L'ecriture comme ecart. S. 1246. »Des mots comme >combiner< et >arrangement< evoquent le processus de formation d'un texte [...]« M . - H . Chabut. La Lettre sur les aveugles. L'ecriture comme ecart. S. 1247. »Mais toute langue en general etant pauvre de mots propres pour les ecrivains qui ont l'lmagination vive, ils sont dans le meme cas que des etrangers qui ont beaucoup d'esprit; les situations qu'ils inventent, les nuances delicates qu'ils ape^oivent dans les caracteres, la na'ivete des peintures qu'ils ont ä faire, les ecartent a tout moment des fa$ons de parier ordinaires, et leur font adopter des tours de phrases qui sont admirables toutes les fois qu'ils ne sont ni precieux ni obscurs; defauts qu'on leur pardonne plus ou moins difficilement, Selon qu'on a plus d'esprit soi-meme, et moins de connaissance de la langue.« D . Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 111. Ernst Mach. Erkenntnis und Irrtum. S. 150. - Vgl. dazu S. 343: »Es ist für den Sehenden recht schwer, sich in die Raumvorstellungen des Blinden hineinzufinden. D a ß aber auch diese einen hohen Grad von Klarheit erreichen können, lehren die Leistungen des blinden Geometers Saunderson. Immerhin m u ß für ihn die Orientierung etwas schwerfällig geblieben sein, wie seine in einfachster Weise in quadratische Felder geteilte Tafel beweist. In die Ecken und Mittelpunkte jener Felder pflegte er Nadeln tief einzustecken und deren Köpfe durch Fäden zu verbinden. Seine höchst originellen Darlegungen müssen aber gerade wegen ihrer Einfachheit für Anfänger besonders leicht verständlich gewesen sein: So bewies er den Satz, daß das Volumen der Pyramide gleich sei dem dritten Teil des Volumens eines Prismas von gleicher Basis und Höhe, durch Teilung des Würfels in sechs kongruente Pyramiden mit je einer Seitenfläche des Würfels als Basis und mit dem Scheitel im Mittelpunkte des Würfels.«

86

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

Additions den Ort der Tastanschauung nach, der eben nicht »au bout des doigts«143 liegt, wie Descartes mutmaßte, sondern ebenfalls im Kopf. 144 Der Erwerb geometrischer Ideen beim Blinden 145 interessiert Diderot zum einen, weil er so deren taktile Fundierung der Bewegung, der geraden bzw. gekrümmten Linie etc. zeigen kann: »II ne se passe rien dans sa tete d'analogue ä ce qui se passe dans la nötre: il n'imagine point; car, pour imaginer, il faut colorer un fond et detacher de ce fond les points.« (95) Aus folgenden Überlegungen spricht Diderots Faszination für eine grundsätzlich unverständlich bleibende Vorstellungswelt des Blinden: J'avoue que je n'ai jamais con^u nettement comment eile figurait dans sa tete sans colorer. Ce cube s'etait-il forme par la memoire des sensations du toucher? Son cerveau etait-il devenu une espece de main sous laquelle les substances se realisaient? S'etaitil etabli a la longue une sorte de correspondance entre deux sens divers? Pourquoi ce commerce n'existe-t-il pas en moi, et ne vois-je rien dans ma tete si je ne colore pas? Qu'est-ce que l'imagination d'un aveugle? Ce phenomene n'est pas si facile ä expliquer qu'on le croirait. 146

Im Gegensatz zu den »circonstances assez peu philosophiques«147 des Blinden von Puiseaux abstrahiert der blinde Mathematiker Saunderson von seinen sinnlichen Eindrücken. Dieser fundamentale Vorgang interessiert Diderot an den geometrischen Ideen: »l'abstraction ne consiste q u a separer par la pensee les qualites sensibles des corps« (98) Die Geometrie bildet den höchsten Grad der Abstraktion, hier reduzieren sich Punkte, Linien, Flächen, Körper, Gedanken, Ideen und Sinneseindrücke allesamt auf »des unites numeriques«. Und deshalb dient die von Saunderson konstruierte Algebramaschine ihm zugleich als Geometriemaschine (101) - Diderot hat seinem Text mehrere Abbildungen beigegeben. Auch M lle de Salignac aus den Additions lernt Geometrie, was sie daraus erklärt, daß dies »la vraie science des aveugles« sei — denn deren Vertreter »passe presque toute sa vie les yeux fermes«.148 Nach Diderot ist die Einbildungskraft insgesamt, als innerer Sinn, beim Blinden abstrakter als bei Sehenden und »dans les questions de pure speculation, il est peut-etre moins sujet ä se tromper«. 149 143 144

145

146 147 148 149

D. Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 97f. »Je lui disais un jour: >Mademoiselle, figurez-vous un cube. - Je le vois. - Imaginez au centre du cube un point. - C'est fait. - De ce point tirez des lignes droites aux angles; eh bien, vous aurez divise le cube. - En six pyramides egales, ajouta-t-elle d'elle-meme, ayant chacune les memes faces, la base du cube et la moitie de sa hauteur. - Cela est vrai; mais oü voyez-vous cela? - Dans ma tete, comme vous.PlastiqueBeauteecriture nocturne< ist eine sonographies d. h. nicht auf französischem Alphabet und historischer Orthographie basierend, sondern auf einer Annäherung an die Aussprache. Ein Anwendungsbeispiel von Barbier selbst führt die doppelte Umschrift von »les choses utiles« aus: Zur lediglich annäherungsweisen Lautkette »l-e-ch-o-z-u-t-i-l« 134 und schließlich zur doppelten Punktreihe 5/1-1/6-4/4-1/3-3/6-1/4-4/2-1/2-5/1, mit der jeweils die vertikale und horizontale Position eines Lauts in Barbiers Matrix benannt wird. Dabei folgt der Aufbau dieses Rasters großenteils einer phonetischen Logik: Vokale, stimmlose bzw. stimmhafte Explosiva und Spiranten, Nasale und Liquide, schließlich Halbkonsonanten bzw. Diphthonge, ordnen sich in dieser Lautmatrix. Punktweise wird damit das hier 36-teilige französische Lautsystem Barbiers auf die Haut übertragen. Die Körperoberfläche repräsentiert so den Mundraum, und der Tastsinn versichert sich gleichsam der Präsenz des gesprochenen Worts: Der Körper repräsentiert die Schrift. Diese Haut-Laut-Koordinaten haben nichts mehr mit Haüys Tastlettern gemein, denn der Punkt hat für den Finger entscheidende Vorteile gegenüber der Linie. Louis Braille erblindet mit fünf Jahren. Haüy hat er wohl ebenso getroffen, wie er Barbiers ecriture nocturne 1820 kennenlernt, und nach eigenen Experimenten erfindet er 1824 im Alter von 15 Jahren das bis heute erfolgreichste Schriftsystem für Blinde: »6 points ranges sur deux lignes verticales«.135 Louis Braille wird 1828

133 134 135

M . de La Sizeranne. Les Aveugles, par un aveugle. S. 124fF. Ch. Barbier. Instruction familiaire d'ecriture nocturne. Μ . de La Sizeranne. Les Aveugles, par un aveugle. S. 124ff.

Gesichtstrübungen und Gefiihlsverheißungen

119

z u m Blindenlehrer für Algebra, Geographie u n d Musik ernannt, 1829 erscheint das erste Lehrbuch seiner Schrift, 1837 wird das erste Buch in Braille gedruckt: ein Lehrbuch zur französischen Geschichte. Die Braille-Schrift bezieht sich auf das geschriebene Alphabet u n d besteht wie der Dominostein aus sechs Punkten in zwei Reihen zu je drei Punkten. 1 3 6 Die folgende Übersicht zeigt den Aufbau der Punkte in einer Vierermatrix (Punkte 1 , 2 , 4 u n d 5) mit zehn Kombinationen. Die beiden zusätzlichen Punkte 3 und 6 lassen vier Kombinationen zu. So ergibt sich bereits ein Inventar von 40 Zeichen. Die Vierermatrix nach unten zu verschieben, ergibt nochmals zehn Satzzeichen, u n d ein vorangestelltes ZahlenZeichen läßt die zehn Grundzeichen zu Ziffern werden. Der Punkt ist der Linie überlegen, wenn ein Blinder Schriftzeichen clare et distincte ertasten will: La ligne est appropriee, en effet, ä Γ ceil, mais pas du tout au doigt, qui s'embarrasse facilement quand cette ligne dessine en relief de petits contours. Le point, au contraire, est toujours clairement tangible, alors meme qu'il est fin et rapproche d'autres points. 137

So führt auch der Entwicklungsgang der Blindenschrift von römischen Tastlettern (Haüy), über eine phonetisch-taktile Punktematrix (Barbier) zu einem digitalen Alphabet (Braille). Die Blindenschrift ist nicht nur eine technologische Innovation, sondern zugleich ein ästhetisches Phantasma: Im Jahr 1894 erscheint beispielsweise Lucien Descaves' Roman Les Emmures. Die Protagonistin Annette, die einen Blinden geheiratet hat, entwickelt ihre eigene Blindenschrift u n d hält sie der Version des blinden Louis Braille entgegen: Or, qui sait si Louis Braille aurait muri sa fameuse ecriture sans les germes par Charles Barbier, le Christophe Colomb de cet Americ Vespuce? Et Valentin Haüy, le premier instituteur des aveugles? Clairvoyant comme Barbier! N'importe, Braille est le parangon, il offre la panacee anaglyptographique: c'est un ancien eleve de ['Institution! Elle vit sur lui. Eh bien! puisque les aveugles tiennent tant ä leur Braille, qu'ils le gardent, qu'ils gardent cet aiphabet de prisonnier correspondant secretement avec leurs amis du dehors. 138

Wie von den Nadeldruckern der letzten Jahrzehnte ausgedruckt, ist die erfolgreichste Blindenschrift schließlich eine >digitale< Schrift im strengen Sinne geworden, bezeichnet doch lat. digitus den Finger (frz. doigt). Vergessen wir nicht, daß Jacquard bereits im Jahr 1805 Lochkarten zur Steuerung mechanischer Systeme eingeführt hat.

136

137 138

Im Folgenden werden die Punkte 1 bis 6 zuerst in der ersten Reihe von oben nach unten, dann in der zweiten in der gleichen Richtung nummeriert. M. de La Sizeranne. Les Aveugles, par un aveugle. S. 124ff. L. Descaves. Les Emmures. In: Le Journal (1894). Hier zitiert nach der zweiten Buchaufl. Paris 1925. S. 288f.

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

120 Louis

BRAILLE: BLINDENSCHRIFT

Grundzeichen (= Punkte 1, 2, 4 und 5)

Α

Β

D

C

Ε

F

G

Η

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Zusätzlich Punkt 3 und 6:

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Gesichtstrübungen und Geftihlsverheißungen

3.

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Rousseaus Selbstblendung: Emile und Julie

a) Einleitung: Taktilität des Sehens Im Folgenden haben wir an Rousseaus empfindsamer Blindheit den Zusammenhang zwischen hieroglyphischem Erfühlen und empfindsamer Schrift zu klären. Er schrieb selbst: »La premiere maniere d'ecrire η est pas de peindre les sons mais les objets memes.« 1 3 9 D a ß eine französische Vorromantik - »preromantisme« 1 4 0 - existiert hat, wird erst ab dem 20. Jahrhundert an Autoren des 18. Jahrhunderts nachgewiesen, »dont les ceuvres presentent une sensibilite et des modes d'expression qui s'epanouissent au debut du siecle suivant. 1 4 1 Tendenzen sind nach einer solchen Deutung die Stärkung eines lyrisch-tränenreichen Ichs, das Naturgefühl, die Ö f f n u n g der Literatur zu anderen Künsten und die Suche nach dem Unendlichen: »Ma vue courte me fait mille illusions.« 1 4 2 Die Aufwertung der Sinnlichkeit wird nicht nur als Erkenntnisquelle verstanden, sondern auch als Konkurrenz zur intellektualistischen Rechtfertigung von Moralität. 1 4 3 Gleichzeitig verwandelt die politische Empfindsamkeit die höfische Interaktion in die Gemeinschaftsmoralität des Nationalcharakters. Rousseaus sechs Lettres morales an Sophie verstehen sich als Führer durch das Labyrinth menschlicher Irrtümer; 1 4 4 in ihnen thematisiert der Verfasser aufeinander aufbauend seine persönliche Beziehung zu Sophie, das Glück als Natürlichkeit, die Unsicherheit sinnlicher Erkenntnis, die Kleinheit des anmaßenden Menschen, moralische Authentizität und den Wert der Einsamkeit. Diese Argumentation führt Rousseau zur Blindheit: N o u s ne savons rien, ma chere Sophie, nous ne voyons rien; nous sommes une troupe d'aveugles, jettes ä l'avanture dans ce vaste univers. Chacun de nous n'appercevant aucun objet se fait de tous une image fantastique qu'il prend ensuite pour la regle du

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J . J . Rousseau. Essai sur l'origine des langues. V. S. 73. S o begründet Beguin: »II n'est plus possible d'ignorer que les cenacles de 1830 ont ä peine connu le romantisme allemand et que les grandes revendications morales, religieuses, sociales, de la nouvelle ecole ont trouve en France, des le X V I I I e siecle, sinon leur expression poetique, du moins un vaste echo dans les correspondances, les ecrits intimes et dans quelques ceuvres durables ou ephemeres. Ainsi se confirme que le romantisme fran9ais eut avant tout des origines frangaises; c o m m e toujours, les >influences< n'ont fait que faciliter et autoriser l'eclosion de germes longuement müris dans le sol national.« A. Beguin: L'Ame romantique et le reve. Essai sur le romantisme allemand et la poesie fran^aise. S. 4 4 4 . P. L. Rey. La litterature fran^aise du X I X e siecle. S. 26f. Vgl. auch F. Lotterie. Litterature et sensibilite. - C h . Dedeyan. Jean-Jacques Rousseau et la sensibilite litteraire ä la fin du X V I I I e siecle. J.-J. Rousseau. CEuvres completes. I, 1. S. 73. Vgl. dazu Nikolaus Wegmann. Diskurse der Empfindsamkeit. Zur Geschichte eines Gefühls in der Literatur des 18. Jahrhunderts. S. 37ff. J.-J. Rousseau. Lettres morales. In: Giuvres completes. IV, 6. S. 1112.

122

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

vrai [...] Nous ne voyons ni l'ame d'autrui, parce quelle se cache, ni la nötre, parce que nous n'avons point de miroir intellectuel. Nous sommes de tout point aveugles, mais aveugles η es qui n'imaginons pas ce que c'est que la vüe, et ne croyant manquer d'aucune faculti voulons mesurer les extremites du monde tandis que nos courtes lumieres n'atteignent comme nos mains q u a deux pieds de nous. 1 4 5

Bubner erklärt Rousseau zum ersten Aufklärer, der die Gegenposition der Blindheit innerhalb der Dialektik der aufklärerischen Vernunft erkannt hat. Er ergänzt: »Blindheit inmitten der Helle - diese Gegenrechnung war keineswegs verständlich.« 1 4 6 Die körperliche Bedingtheit der Seele vergleicht Rousseau mit einer Blendung bzw. Verschleierung, 147 und auch wenn er von Blindheit spricht, kann er von sich selbst ausgehen: In seinen Confessions berichtet Rousseau von seiner mehrwöchigen physischen Blendung in Folge eines chemischen Experiments. 148 Wie während seiner langsamen Rekonvaleszenz, hat Rousseaus Denken in gewisser Weise die erkenntnisphilosophische Richtung 149 des Welt-Mensch-Verhältnisses umgekehrt: Statt des sensualistischen Interesses für den Wissensfraw^ durch die Sinneseindrücke geht es vielmehr um den Ausdruck der Empfindungen; Brix bringt Rousseaus Ästhetik auf den Nenner der Autonomie: »il existe autant de mondes que de sensibilites qui peripoivent le reel«. 150 Diese Subjektivierung von Wahrnehmung weist dem Aufstieg ans Licht der äußeren Welt nach aufklärerischer Euphorie wieder eine schwächere Position zu. Die von Rousseau häufig gebrauchten Wendungen »frap[p]er les yeux« bzw. »je ne vois plus que...« meinen in dieser Richtung eine hochsubjektive und unauflösbare Perspektive auf die Welt. Ahnlich Senancour: »Je ne sais ce que je suis, ce que j'aime, ce que je veux; je gemis sans cause, je desire sans objet, et je ne vois rien, sinon que je ne suis pas ä ma place«. 151 Innerhalb dieser existentiellen Bildlichkeit wird auch verständlich, daß häufige Wahrnehmungsverzerrungen wie

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J.-J. Rousseau. CEuvres completes. III, 1092. Hervorh.: Κ. N. R. Bubner. Rousseau, Hegel und die Dialektik der Aufklärung. S. 97. »Mais s'il me reste peu d'acquisitions ä esperer du cöte des lumieres utiles, il m'en reste de bien importantes ä faire du cöte des vertus necessaires ä mon etat. C'est lä qu'il serait temps d'enrichir et d orner mon äme d'un acquis quelle püt empörter avec eile, lorsque ddivree de ce corps qui l'offusque et l'aveugle, et voyant la νέϊαέ sans voile, eile apercevra la misere de toutes ces connaissances dont nos faux savants sont si vains.« J.-J. Rousseau. Les Reveries du promeneur solitaire. S. 70f. »Je courus ä la bouteille pour la deboucher, mais je n'y fas pas a temps; eile me sauta au visage comme une bombe. J'avalai de l'orpiment, de la chaux; j'en faillis mourir. Je restai aveugle plus de six semaines; et j'appris ainsi a ne pas me meler de physique experimentale sans en savoir les ilements.« J.-J. Rousseau. Les Confessions. I, 5. S. 254f. In diesem Kontext liest sich eine Anekdote aus Rousseaus Bekenntnissen als Höhlenmetapher der Selbstbefragung, vgl. J.-J. Rousseau. Les Confessions. I, 3. S. 128. M. Brix. Le romantisme frangais. S. 282. Senancour. Oberman. XLII. S. 181. Hervorh.: Κ. N.

Gesichtstrübungen und Geflihlsverheißungen

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»douce illusion« oder »imagination troublee« durch Abschluß des Körpers ein intensiviertes Empfinden vorführen, der freilich wie in der Angst der Aufklärung einem Wirldichkeitsverlust entspricht. Ästhetisches Zeigen besitzt die Struktur einer Selbstbeziehung: »Im künstlerischen Zeichen schaue ich mich selbst an.« 1 5 2 Als blendendes Fühlen statt eines blitzartigen Sehens faßt Rousseau die Trübung der empfindsamen Sinnesfenster zusammen. Ich fühle alles u n d sehe nichts: Le sentiment, plus prompt que l'eclair, vient remplir mon äme; mais, au lieu de m'eclairer, il me brüle et m'eblouit. Je sens tout et je ne vois rien. Je suis empörte, mais stupide; il faut que je sois de sang-froid pour penser. Ce qu'il y a d'etonnant est que j'ai cependant le tact assez sür [...]. 1 5 3

Rousseaus Traktat Entile blickt von der unverfälschten Natur auf die kulturelle Verfälschung des Menschen u n d stellt insofern eine negative Pädagogik dar1-''* - Emiles Erziehung erprobt so nicht mehr nur das O f f n e n , sondern eben auch das Schließen der Augen: Si les premieres lueurs du jugement nous eblouissent et confondent d'abord les objets ä nos regards, attendons que nos foibles yeux se rouvrent, se raffermißent; et bientot nous reverrons ces memes objets aux lumieres de la raison, tels que nous les montroit d'abord la nature: ou plutöt soyons plus simples et moins vains; bornons-nous aux premiers sentimens que nous trouvons en nous-memes [...]. 1 5 5

Ahnlich charakterisiert Geyer die Weltaneignung des W i l d e n bei Rousseau: »Der Vormensch wird zum Menschen, indem er sich an andere Subjekte u n d an die Welt der Objekte entäußert und wieder zurücknimmt.« 1 5 6 Eine Schule der Sinne ist damit zugleich eine Schule des Empfindens: »Exercer les sens n'est pas seulement en faire usage, c'est apprendre a bien juger par eux, c'est apprendre, pour ainsi dire, ä sentir«. 1 5 7 Wer würde es denn wagen, so fragt der Pädagoge angesichts der >Dunkelheiten< menschlicher Erkenntnis, den »rideau sacre de la nature« (III, 428) zu heben - u n d warnt so vor dem wissenschaftlichen Wissensdrang der Zeit: Das Dunkel ist für Rousseau verlockend geworden, u n d sein Bildungskonzept hieße insofern besser »Entbildung«: 1 5 8 Für Kinder, die die Fensterscheiben ihres Zimmers zur Welt zerstören, empfiehlt Rousseau als

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Th. Metscher. Ästhetik und Mimesis. S. 98. J.-J. Rousseau. Les Confessions. I, 3. S. 150f. Hervorh.: Κ. N. Vgl. G. Mensching. Rousseau zur Einführung. S. 124. J.-J. Rousseau, fimile. IV. S. 600 und Lettres morales. V. S. 1110. R Geyer. Die Entdeckung des modernen Subjekts. S. 268. J.-J. Rousseau. Emile. II. S. 380. Zu den Bildmetaphern der Pädagogik vgl. J. Zirfas. Bildung als Entbildung. Demgegenüber leitet Liebsch allerdings die ästhetische Bildung aus der Skulptur ab, vgl. D. Liebsch. Die Geburt der ästhetischen Bildung aus dem Körper der antiken Plastik.

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Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

Erziehungsmaßnahme das Abdunkeln aller Fenster. 159 Blinde, m u t m a ß t Rousseau an anderer Stelle, haben gegenüber Sehenden einen hochverfeinerten Tastsinn, 1 6 0 kennen im Dunkeln ihren Körper auch genauer und werden zu Führern der Sehenden. Nicht nur sind Sehende damit die Hälfte ihrer Lebenszeit gleichfalls >blindGlaukosNatürliche DialektikSinn< avisiert.« ( 3 4 6 ) D e r abwesende Körper läuft zum Verbalisierungsdrang parallel ( 1 3 7 ) . Seelenschrift u n d Lesesucht, G e n i e k u l t und Autonomieästhetik ( 4 2 5 ) der R o m a n t i k gründen in der empfindsamen Tränenblendung.

d)

Deismus und Augenschleier,

Deprivation

und Tod

Julie rechtfertigt i m 18. B r i e f des dritten Teils gegenüber dem Geliebten ihren E n t s c h l u ß , W o l m a r z u m M a n n zu n e h m e n . N a c h e i n e m Kirchenbesuch sieht sie plötzlich »clairement«, daß sie ihren Herzenswiderstand aufgeben und in die gottgewollte O r d n u n g einwilligen m u ß : »je deplorai le triste aveuglement qui m e l'avoit fait m a n q u e r si longtems«. Sich nun einer das Herz rührenden, deistischen Religiosität hingebend, gibt Julie die bisher nur äußerlich gelebte Religio n auf: »mes prieres n'etoient que des mots, mes raisonnements des sophismes, et j e suivois pour toute lumiere la fausse lueur des feux-errans qui m e guidoient pour m e perdre.« 1 9 5 Ihre Verachtung der Äußerlichkeit trifft hier auch ästhetische und moralische Fragen, von denen entfremdet Schein und Sein auseinandertreten. Julie hält dem ein reines, ideales, von der Realität unverzerrtes, inneres E b e n b i l d e n t g e g e n , 1 9 6 u m schließlich Saint Preux aufzufordern: »vous detruirez ces fantomes de raison, qui n'ont qu'une vaine apparence et fuyent c o m m e une

J.-J. Rousseau. Discours sur l'origine et les fondements de l'inegalite parmi les hommes. Reponse ä Voltaire. S. 227. 1 9 5 J.-J. Rousseau. Julie. III, 18. S. 357. 1% Wörtlich steht: »effigie Interieure« J.-J. Rousseau. Julie. III, 18. S. 358. 194

130

Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

ombre devant l'immuable verite« (358). Julies Absage an ihren Geliebten gibt dabei nicht den Glauben an den Einklang des Menschen mit sich auf; so bemitleidet sie diejenigen, die denken, als hätten sie keinen Körper, oder handeln, als hätten sie keine Seele (362). Der zweite Teil des Briefromans ist nun allerdings von einem Vertreter aufklärerischer und religionsferner Vernunft 197 geprägt, Julies neuem Gatten de Wolmar, der Saint Preux einlädt, um dessen stürmische Gefühle in eine besonnene Freundschaft zu verwandeln. Aber die inneren Bilder entwickeln ein Eigenleben: Saint Preux berichtet im neunten Brief des fünften Teils von Traumbildern, die ihn auf grausame Weise verfolgen. 198 In der Nacht, nachdem er in seiner Verzweiflung über die unerreichbare Nähe zur Geliebten ausgerufen hat: »Que n'est-elle morte!«, erscheinen Bilder des Leids in der Sterbeszene von Julies Mutter (die vor Gram über die gefundene Korrespondenz mit Saint Preux gestorben war). Dabei wird das Gesicht von Julie auf das der Mutter überblendet; diese verschwindet hinter einem unüberwindlichen Schleier. 199 Selbst nachdem Saint Preux erwacht ist, glaubt er sich in seiner »imagination troublee« von den inneren Schreckensbildern umgeben. 200 Er weckt schließlich Eduard, der den »visionnaire« nicht beruhigen kann und mit ihm abreist. Aber auch bei Tag bleibt Saint Preux in seinen Bildern gefangen: »J'etois si occupe de mon funeste reve, que je n'entendois et ne voyois rien; je ne fis pas meme attention dque le lac, qui la veille etoit ä ma droite, etoit maintenant a ma gauche.« (617) Eduard schickt ihn zu Julie, um seinen Verdacht widerlegt zu sehen und ergänzt: »mais surtout ne revenez qu'apres avoir dechire ce fatal voile tissu dans votre cerveau.« Die blaue Idealität der Traumbilder ist nicht von ihren bedrohlich schwarzen Elementen der Imagination zu trennen. Rousseaus Roman führt Visionen des Einklangs von Moral und Glück - und deren Scheitern vor. Als Julie nach siebenjährigem Schweigen wieder einen Brief an Saint Preux richtet, warnt dieser sie vor übermäßiger Frömmigkeit nach der Art asketischer Visionäre: »Alors l'esprit s'epuise, l'imagination s'allume et donne des visions; on devient inspire, prophete, et il n'y a plus ni sens ni genie qui garantisse du fanatisme.« (VI, 7,

197 v g i . d a 7 U G. Bremmer. The Paradox of Sensibility. 1 9 8 »[...] de phantöme en phantöme, toutes leurs apparitions confuses finissoient toujours par celui-lä«. Rousseau. Julie. V, 9. S. 6 1 6 . 1 5 5 »Je voulus lever les yeux sur eile, je ne la vis plus. Je vis Julie ä sa place; je la vis, je la reconnus, quoique son visage fut couvert d'un voile. Je fais un cri, je m'elance pour ecarter le voile, je ne pus l'atteindre; j'etendois les bras, je me tourmentois et ne touchois rien. Ami, calme-toi, me dit-elle d'une voix foible: le voile redoutable me couvre; nulle main ne peut l'ecarter. Α ce mot je m'agite et fais un nouvel effort: cet effort me reveille; je me trouve dans mon lit, accable de fatigue et trempe de sueur et de larmes.« Rousseau. Julie. V, 9. S. 6 1 6 . 2 0 0 »[•··] effraye comme un enfant des ombres de la nuit, croyant me voir environne de phantömes«. Rousseau. Julie. V, 9. S. 6 1 6 .

Gesichtstrübungen

und

Geflihlsverheißungen

131

6 8 5 ) Julie nun antwortet mit einer Apologie der Verblendung, denn das hoffende Verlangen ersetzt allzu gut das eigentliche, reale G l ü c k : »le c h a r m e de l'illusion dure autant que la passion qui le cause. Ainsi cet etat se suffit ä l u i - m e m e , et Tinquietude qu'il d o n n e est une sorte de joui'ssance qui supplee ä la realite.« ( V I , 8 , 6 9 3 ) N u r wer das Begehren selbst verliert, ist zu beklagen: D i e Einbildungskraft als »force consolante« m a c h t dem M e n s c h e n die D i n g e »present et sensible«, die vor d e m Gegenstand selbst allerdings verlöschen müssen: [...] rien n'embellit plus cet objet aux yeux du possesseur; on ne se figure point ce qu'on voit; l'imagination ne pare plus rien de ce qu'on possede, l'illusion cesse oil commence la joui'ssance. Le pays des chimeres est en ce monde le seul digne d'etre habite, et tel est le neant des choses humaines, qu'hors TEtre existant par lui-meme il n'y a rien de beau que ce qui η'est pas. (693. Hervorh.: Κ. Ν.) D a Julie ihrerseits die mystische u n d übertragene Sprache der F r ö m m l e r verurteilt, »qui nourrit le cceur des chimeres de l'imagination«, folgert sie, eine lebhafte Einbildungskraft müsse sich erregender Einflüsse entziehen: »Plus on a le coeur tendre et l'imagination vive, plus o n doit eviter ce qui tend ä les emouvoir« ( 6 9 7 ) . Saint Preux' intensive Schreckensbilder haben sich in gewisser Weise erfüllt, als Julie schließlich stirbt; davon berichtet der elfte B r i e f über eine dreifache Spiegelung der Trauer: Es ist M a d a m e de O r b e , die in ihrer Überwältigung durch den Furor des Verlustes die blinde Trauer in Szene setzt: En entrant, je la trouvai tout-ä-fait hors de sens, ne voyant rien, n'entendant rien, ne connoissant personne, se roulanr par la chambre en se tordant les mains et mordant les pieds des chaises, murmurant d'une voix sourde quelques paroles extravagantes, puis poussant par longs intervalles des cris aigus qui faisoient tressaillir. (VI, 11, 734) Als böser Irrtum stellt sich zum zweiten die lebhafte Einbildungskraft eines nahen Kammerdieners heraus: »les yeux toujours colles sur ce visage, il crut appercevoir un m o u v e m e n t : son imagination se frape; il voit Julie tourner les yeux, le regarder, lui faire un signe de tete.« ( 7 3 6 ) Seine aufgebrachte Versicherung, J u lie lebe d o c h , verbreitet sich wie ein Lauffeuer; i n m i t t e n der folgenden Hysterie k o m m t Saint Preux an. Als sich drittens die traurige W a h r h e i t durchsetzt u n d die Totenwache bei großer Hitze gehalten wird, verändern sich Julies Z ü g e im Z e i c h e n der Verwesung sehr bald, sodaß M a d a m e de O r b e deren Gesicht hinter e i n e m Schleier verbirgt, m i t d e m Ausruf: »Maudite soit l'indigne main qui jamais levera ce voile! maudit soit l'oeil impie qui verra ce visage defigure!« ( 7 3 7 ) . Das Leben imitiert die Kunst, so lesen wir die A n n o t a t i o n zur besagten Stelle: » O n voit asses que c'est le songe de St. Preux, d o n t M a d e de O r b e avoit l'imagination toujours pleine, qui lui suggere Γ expedient de ce voile. [ . . . ] L'evenement n'est pas predit parce qu'il arrivera; mais il arrive parce qu'il a ete predit.« 2 0 1

201

Rousseau. Julie. V, 9. S. 616. Vgl. dazu den Herausgeberkommentar. S. 1809.

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Erster Teil: Die Blindheit der Philosophen

Julies Tod provoziert eine schmerzende Abschließung der Körper, Belebungsversuche durch die Einbildungskraft und visionäre Traumschleier - und diese drei Wirkungen charakterisieren die Ekstase der empfindsamen Blindheit.

e) Hymnische Selbstblendung Rückblickend hat Rousseau die Dunkelheit hinter den künstlichen Schleiern gehaßt, 2 0 2 aber im »Avertissement« zur Julie wird die Liebe als schöpferisch blendende Illusion gezeichnet: »il s'entoure d'objets qui ne sont point, ou auxquels lui seul a donne l'etre, et comme il rend tous ces sentimens en images son langage est toujours figure.«203 Da ja die Bildlichkeit dieser deklamatorischen »Autohypnosen« 204 ungeordnet bleiben muß, ist sie dem Enthusiasmus als »dernier degre de la passion« nahegerückt: Der absolute Blick des Liebenden hat den Preis seiner Selbstblendung: »II ne voit plus que le paradis, les anges, les vertus des saints, les delices du sejour celeste. Dans ces transports, entoure de si hautes images, en parlera-t-il en termes rampants?« Die hymnische Sprache des empfindsamen Briefromans leitet damit die Sprachemphase des Dichters als blindem Künder ein, der den Buchstaben transzendiert. 205 Rousseaus Zusatz zu seinem Briefroman, Les Amours de Milord Edouard Bomston., trägt bereits in nuce das enttäuschte Glücksversprechen der späteren »ecole du desenchantement« in sich: »Aveugles que nous sommes, nous la [= la vie, Κ. Ν.] passons tous ä courir apres nos chimeres. Eh! ne saurons-nous jamais que de toutes les folies des hommes il n'y a que celles du juste qui le rendent heureux?« 206 Das verstärkte Ichgefühl und das erhöhte Kontaktbedürfnis der Empfindsamkeit hat mit Rousseau aus dem Schreiben einen ontologischen Akt 2 0 7 gemacht: Die empfindsame Körperschrift der Seelenintrospektion verdient nicht nur im übertragenen Sinne den Namen Anaglyptographie.

202

Vgl. R. Konersmann. Der Schleier des Timanthes. Kap. >Rhetorik des Heroischens insb. S. 198. 203 J.-J. Rousseau. Julie. Seconde preface. S. 15f. Matzat interpretiert Rousseaus Beharren auf dem illusionären Charakter als Zeichen dafür, daß er noch an »die Vorgaben der klassischen Episteme gebunden« blieb. Der Briefroman ermöglicht Affektivität und Innerlichkeit insofern nur als »Illusion der Illusion«. Vgl. W. Matzat. Diskursgeschichte der Leidenschaft. S. 20. 204 vgl. R.-R. Wuthenow. Die gebändigte Flamme. S. 69 u. 57. 205 »En ecrivant ä ce qu'on aime, il est bien question de cela! ce ne sont plus des lettres que Γοη ecrit, ce sont des hymnes.« Rousseau. Julie. Seconde preface. S. 15f. 206 J.-J. Rousseau. Julie. Appendice: Les Amours de Milord lidouard Bomston. S. 760. 207 v g l . M . Eigeldinger. >Les reveriestranscendental illusionSelbstbewußtseinVom LichtSpekulation, vgl. D . Emundts u. R.-P. Horstmann. Georg Wilhelm Friedrich Hegel. S. 38 und S. 62. G. Gamm. Der Deutsche Idealismus. S. 89. G. W. Fr. Hegel. Ästhetik. I. S. 508.

Objektiv verdunkelter Schein: Schelling und Hegel

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Verdunklung meint bei Hegel nicht die düstere Abwendung von der Wahrheit, sondern die »Individualisierung des Hellen«. 24 Seine Logik schränkt die Definition von Finsternis als »Abwesenheit des Lichts« doppelt ein: Sie hat erstens »nur Bedeutung in Beziehung auf das Auge« und ermöglicht außerdem erst Sichtbarkeit, da »die Finsternis sich im Lichte allerdings wirksam zeigt, indem sie dasselbe zur Farbe bestimmt und ihm selbst dadurch erst Sichtbarkeit erteilt, indem, wie früher gesagt, im reinen Lichte ebensowenig gesehen wird als in der reinen Finsternis.« 25 Daß Hegel mit dem naturwissenschaftlichen Teil seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften — entgegen etwa seiner Rechtsphilosophie - in der Wissenschaftswelt so wenig Erfolg hatte, überrascht heute so wenig wie das ähnliche Schicksal von Goethes Beiträgen zu einer Theorie des Lichts. 26 Feuerbach wandte sich bekanntlich gegen Hegels »Spiritualismus«, 27 und in der Tat nimmt Hegel in seinen Ausführungen die früh formulierte Athertheorie 28 wieder auf, teilweise als Einwand gegen eine rein mechanistisch verstandene Mechanik, die auf Magnetismus, Wärme und Licht nicht anwendbar ist. Er definiert Licht als »erste qualifizierte Materie [...], als reine Identität mit sich, als Einheit der Reflexion-in-sich, somit die erste, noch abstrakte Manifestation,«29 Die Aufhebung der Entzweiung hat bei Fichte »alles Endliche im Unendlichen versenkt«. Wenn Hegel die sich daraus ergebende einseitige Schwärmerei kritisiert, nennt er sie »Anschauen des farblosen Lichts«, 30 weil sie die absolute Identität zu einem Entgegengesetzten macht. Ein solches »Lichtwesen«, wie das reine Ich in seiner formlosen Substantialität am Ende der Phänomenologie heißt, hat sein einfaches Negatives in der absoluten »Finsternis«, und alle Schöpfungen des Lichtwesens sind nur widerstandslose »Lichtgüsse«. 31 Da nun die absolute Synthese des Bestimmten mit dem Unbestimmten ein »Jenseits« ist, bestimmt Hegels Differenz-Schrift die Aufgabe der Philosophie als Vereinigung des Seins mit dem Nichtsein, als werdende Entzweiung auf das Absolute hin, damit aber auch als voranschreitende Verdunklung des Lichts: D a s Absolute ist die Nacht, und das Licht jünger als sie, und der Unterschied beider, sowie das Heraustreten des Lichts aus der Nacht, eine absolute Differenz, - das

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G . W. Fr. Hegel. Enzyklopädie. S. 2 4 2 . G . W. Fr. Hegel. Wissenschaft der Logik. In: Werke. V. S. 108. Hegel zitiert Goethe etwa in den § § 2 7 8 und 3 2 0 seiner Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften ausführlich. Vgl. dazu W. Beierwalces. Piatonismus und Idealismus. S. 186. D . Emundts und R.-P. Horstmann. G . W. Fr. Hegel. S. 86. G . W. Fr. Hegel. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse (1830). In: Werke. IX. S. 111. G . W. Fr. Hegel. Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie. In: Werke. II. S. 94. G . W. Fr. Hegel. Phänomenologie des Geistes. S. 505.

154

Zweiter Teil: Die Blindheit des deutschen Idealismus

Nichts das Erste, woraus alles Sein, alle Mannigfaltigkeit des Endlichen hervorgegangen ist.32

a) Sonnenlauf der Geschichtsphilosophie Adalbert Stifters Erzählung einer Sonnenfinsternis ließe sich leicht geschichtsphilosophisch lesen: »Indes n u n alle schauten, u n d man bald dieses, bald jenes Rohr rückte u n d stellte, u n d sich auf dies u n d jenes aufmerksam machte, wuchs das unsichtbare Dunkel immer mehr u n d mehr in das schöne Licht der Sonne ein [,..].« 3 3 Hegel hat in seinen Vorlesungen die Weltgeschichte auf den Gang der Sonne bezogen: Das Licht geht als »äußerliche physische Sonne« im Osten auf, u n d der geheilte Blinde wird dabei zum Repräsentanten eines weltgeschichtlichen Moments: Man hat oft die Szene geschildert, wenn ein Blinder plötzlich sehend würde, die Morgendämmerung schaute, das werdende Licht und die aufflammende Sonne. Das unendliche Vergessen seiner selbst in dieser reinen Klarheit ist das erste, die vollendete Bewunderung.34 Diese kontemplative Bewunderung schwindet mit der aufgestiegenen Sonne, und der tätig gewordene Mensch hat bis zum Abend des Sonnenlaufs ein Gebäude errichtet, »das er aus seiner inneren Sonne bildete«, das ihm inzwischen mehr bedeutet als die äußerliche Sonne, denn zum Selbstgeschaffenen steht er mit seinem Geist in einem freien Verhältnis. Im Westen geht n u n die Sonne unter, allerdings steigt dafür hier, am »Ende der Weltgeschichte«, die »innere Sonne des Selbstbewußtseins« mit ihrem »höheren Glanz« auf. Insofern hat Hegel Piatons Höhlenmythos weitererzählt: In einem einzigen Sonnenlauf hat sich »das große Tagewerk des Geistes« als dynamisierte Ontologie 3 5 verdichtet. Hegels Licht-Dunkel-Theorie ist im Kontext seiner identitätsphilosophischen Aufhebung der Antinomie von Determinismus und Freiheit, von Mechanismus u n d Teleologie 36 zu verstehen. Das Licht als »Selbst der Materie« 3 7 unterscheidet sich von der höheren Geistesform des Ich nur dadurch, daß »es sich nicht in sich selbst trübt und bricht« (113f.). Wenn Licht an seine Grenze stößt - in der finsteren Materie, dem »rein Selbstlose[n]«-, manifestiert es sich, enthält »das M o m e n t der Negation und also der Bestimmung«. Erst hier »geht die Realität an«, indem nämlich die Gegenstände sich aneinander manifestieren. Das Verhältnis

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G. W. Fr. Hegel. Differenz des Fichteschen und Schellingschen Systems der Philosophie. In: Werke. II. S. 25. A. Stifter. Die Sonnenfinsternis am 8. Juli 1842. In: Gesammelte Werke. XIV. S. 107. G. W. Fr. Hegel. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte. In: Werke. XII. S. 133f. Vgl. D. Emundts und R.-P. Horstmann. G. W. Fr. Hegel. S. 34.

Objektiv verdunkelter Schein: Schelling und Hegel

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»des Erleuchteten und Erleuchtenden, des Manifestierten und Manifestierenden« (118) führt Hegel u. a. am Spiegel aus. Leuchten ist nicht die Eigenschaft eines Körpers, sondern bestimmt diesen in seinem Verhältnis zum Licht: »Der Körper ist als reiner Kristall in der vollkommenen Homogenität seiner neutral-existierenden inneren Individualisierung durchsichtig und ein Medium für das Licht.« (226) Das Innere der Natur ist »der schwarze formlose Stein«, 38 und Hegels >physikalische< Sätze lesen sich in ihrer systematischen Stellung als naturphilosophische Fundierung der Geistesphilosophie, etwa wenn Hegel schreibt: »Das Licht erhellt, der Tag vertreibt die Finsternis«.39 Einleitend wurde die Nähe des Idealismus zum platonisch-christlichen Denken festgestellt. Hegel steht zwar in dieser Tradition, aber er entwickelt sie insofern entscheidend weiter, als sein Denken die bloße Negation der Realität hinter sich läßt, die dem Inhalt nach Idealismus sein mag, der Form nach aber Materialismus. Gott war in der cartesianischen Abstraktionsbewegung vom Denken unabhängig, bei Hegel kann das Unendliche hingegen »irdische Kleider anlegen«. 40 Weil die Dinge also vom Denken durchdrungen sind, weil das Endliche sein Gegenteil zum Wesen hat, bedeutet >Aufhebung< bei Hegel: Das Sein des Endlichen als Nichtsein des Endlichen ist das Sein des Absoluten. Diese dialektische Umfassung des Negativen im Positiven macht das tote Sein des Bestimmten im Widerspruch erst lebendig. In dieser idealistischen Denkbewegung wird der Blinde zum Seher, und das Kunstwerk öffnet seine Augen.

b)

Blicklosigkeit des Kunstwerks

Hegel begründet seine Ansicht, das Innere der Dinge sei als Jenseits des Bewußtseins ebensowenig zu erkennen wie die übersinnliche Welt, mit der Gegenüberstellung von Blindheit und Sehen in reinem Licht oder reiner Finsternis: Das Resultat ist freilich dasselbe, wenn ein Blinder in den Reichtum der übersinnlichen Welt - wenn sie einen hat, er sei nun eigentümlicher Inhalt derselben, oder das Bewußtsein selbst sei dieser Inhalt - und wenn ein Sehender in die reine Finsternis oder, wenn man will, in das reine Licht, wenn sie nur dieses ist, gestellt wird; der Sehende sieht in seinem reinen Lichte sowenig als in seiner reinen Finsternis und gerade soviel als der Blinde in der Fülle des Reichtums, der vor ihm läge.41

Das bedeutet allerdings, bei Hegel hat sich die platonische Metapher vom philosophischen Anspruch zurückgezogen, die reine Idee zu schauen, und Fichtes

36 37 38 39 40 41

G. W. Fr. Hegel. Wissenschaft der Logik. In: Werke. VI. S. 437. G. W. Fr. Hegel. Enzyklopädie. S. 111. G. W. Fr. Hegel. Phänomenologie des Geistes. In: Werke. III. S. 511. G. W. Fr. Hegel. Enzyklopädie. S. 245. L. Colletti. Hegel und die .Dialektik der Materie.. S. 398f. G. W. Fr. Hegel. Phänomenologie des Geistes. In: Werke. III. S. I18f.

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Zweiter Teil: Die Blindheit des deutschen Idealismus

subjektivistische Innerlichkeit durch den dialektischen Einbezug des Objektes erweitert. Eine von menschlichen Erkenntnisformen und vom geschichtlichen Prozeß unabhängige Metasprache scheint so nicht mehr möglich. - An anderer Stelle widerlegt Hegel den zeitgenössischen Versuch, sich Piatons Philosophie »als subjektiven Idealismus« zu denken. In Bezug auf das 7. Buch der Republik korrigiert Hegel gleichfalls die Vorstellung, das Wissen sei nicht in der Seele enthalten, sondern werde ganz von außen in die die Seele gelegt, »wie in blinde Augen das Sehen gelegt werde, wie man den Star steche«. Der hegelianische Piaton dagegen hat bereits das Verhältnis des »Innerlichen und Äußerlichen« durch die »Bestimmung des Geistes aus sich« festgesetzt;42 so wendet sich im Höhlenmythos der Mensch »von der Finsternis an das Helle«, weil das Seelenvermögen bereits dem Organ des Auges innewohnt. Die Vorstellung des Menschen bestimmt die sinnliche Welt »gegen das Bewußtsein des Ubersinnlichen, gegen das Bewußtsein der Idee«.43 Der romantischen Kunstform entspricht nach Hegel ein »Erblinden nach außen und eine Zurückgezogenheit auf das Wesentliche der Individualität, deren Tiefe sich über die ganze Gestalt ergießt«.44 Damit zusammen hängt seine Deutung des romantischen Künstlers: Beim Schlafwandler und beim animalischen Magnetismus schaut nach Hegel »die in ihre Innerlichkeit versunkene Seele ihre individuelle Welt nicht außer sich, sondern in sich selber« an, der Ubergang des magnetischen Schlafes zum Hellsehen führt zu Erklärungen über den leiblichen Zustand und das geistige Innere: Ihre Empfindungen sind aber so unklar wie die Vorstellungen, welche der von dem Unterschied des Hellen und Dunklen nichts wissende Blinde von den Außendingen hat, das im Hellsehen Geschaute wird oft erst nach einigen Tagen klarer, ist jedoch nie so deutlich, daß dasselbe nicht erst der Auslegung bedürfte [...]. 45

In Hegels Ästhetik der Statue setzt er deshalb nicht nur die Vertiefung des Auges mit einem schärferen »geistigefn] Ausdruck« des Gesichts gleich, sondern zieht eine direkte Verbindung der verstärkten »Schatten in den Augenhöhlen« zur »unzerstreute[n] Innerlichkeit«.46 Hegels klassische Kunstform 47 hat die Ver42

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47

G. W. Fr. Hegel. Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie II. In: Werke. XIX. S. 54ff. G. W. Fr. Hegel. Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte II. In: Werke. XII. S. 133f. G. W. Fr. Hegel. Vorlesungen über die Ästhetik II. In: Werke. XIV. S. 392. G. W. Fr. Hegel. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften III. In: Werke. X. S. 156. G. W. Fr. Hegel. Vorlesungen über die Ästhetik II. In: Werke. XIV. S. 392. Vgl. dazu: Wissenschaft der Logik (in: Werke. VI. S. 251), wo Hegel versucht, die Einheit des Subjekt-Objekt-Gegensatzes zu fundieren. Hier wird die Freiheit begründet, indem die »Identität als ein Blindes, d. h. Innerliches« vom »Schein oder Reflexionsmomente« abgelöst wird. Vgl. G. W. Fr. Hegel. Ästhetik. I. S. 8Iff.

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einigung von künstlerischer Idee u n d sinnlicher Darstellung gebracht u n d in dieser objektiven Geistigkeit das Ideal erreicht, das die symbolische vormals nur anstreben konnte und das zu überschreiten die romantische schließlich in ihrer subjektiven Geistigkeit antritt (I, 88 u. 297): Die mit sich selbst gleich gewordene Form ist das Licht, das von innen herausschlägt und mit dem äußeren Lichte zusammenströmt, das Insichsein der Schwere, das sich zerstört und in seinem Verschwinden eben das kraftlose einfache Licht wird, d. h. eben mit dem äußeren eins ist - wie Piaton das Sehen als ein In-Eins-Stürzen des äußeren und inneren Lichtes begreift."48

An Hegels Gegenüberstellung einzelner seinem Dreischritt zugeordneter Künste - hier exemplarisch die klassisch-griechische Skulptur und die romantische Malerei — lassen sich auch die radikal umgeschalteten ästhetischen Lichtverhältnisse zeigen. D a ß »die Wirklichkeit der fürsichseienden Subjektivität« bei einer griechischen Statue getilgt ist, zeigt sich darin, daß ihr »der Ausdruck der einfachen Seele, das Licht des Auges abgeht« (I, 501 f.). Hier wird man unwillkürlich an Condillacs Statue 4 9 denken, die nach und nach mit je einem zusätzlichem Sinn und zu allerletzt mit dem Sehvermögen ausgestattet wird. Auf diese Statue bezieht sich auch Diderot in seinem Brief über die Blinden, wenn er schreibt: »Madame, combien nos sens nous suggerent de choses; et que nous aurions de peine, sans nos yeux, ä supposer qu'un bloc de marbre ne pense ni ne sent!« 50 Diderot bekräftigte die Blicklosigkeit der klassischen Statue: »Creusez l'orbite des yeux ä une statue et remplissez-les d un oeil d'email ou d une pierre coloree, et vous verrez si vous en supporterez l'effet.« 51 Auch Herder kritisierte die Gewohnheit, den Statuen Augäpfel einzusetzen: Ein Blinder betaste das Auge: er fühlt keine Minauderien, keine Augenkünste, die wir treiben, nichts von allem Spielenden der französischen Romanaugen; aber er fühlt großes, edles Licht, die Welt zu sehen: oder tiefer liegende Öffnung, die mehr in sich gezognen Geist zeigt; oder sanfte Helligkeit der Seele! [...] Ein Augapfel im Auge ist wie ein Gewächs; sagt nichts, und macht Schauder! Wer fühlt was bei seinem Auge?52

Während für Herder aber noch die verlebendigende Erfühlung der plastischen Körper im Vordergrund seiner Argumentation steht, bedeutet für Hegel die leere Augenhöhle einen Mangel an Subjektivität auf Seiten des Kunstwerks: »ihr Inneres schaut nicht als sich wissende Innerlichkeit in dieser geistigen Konzen-

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G. W. Fr. Hegel. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften, II, 2, C b) c). Condillac endet schließlich mit der Mensch-Statuen-Analogie: »Sie ist demnach Alles durch Erworbenes geworden. Warum sollte es beim Menschen nicht ebenso sein?« Condillac. Abhandlung über die Empfindungen. S. 222. D. Diderot. Lettre sur les aveugles. S. 144. D. Diderot. Salons. Sculpture. J. G. Herder. Plastik. Paralipomena. S. 1024f.

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tration, welche das Auge kundgibt, aus ihnen heraus.« Auch die Rezeption objektiver Geistigkeit ist damit eine eigene; der Statue tritt kein Betrachter lebendig begegnend gegenüber, denn: »Dies Licht der Seele fällt außerhalb ihrer und gehört dem Zuschauer an, der den Gestalten nicht Seele in Seele, Auge in Auge zu blicken vermag.« Jean Pauls Vorschule der Ästhetik nennt die Malerei »die Mitteltinte und Mittlerin zwischen Poesie und Plastik«, denn in der letzteren schafft die Wirklichkeit die Phantasie, in der Poesie ist es umgekehrt, und die Malerei zwischen beiden »hat schon keine Kleidung mehr an, die einen Leib verdrängte oder ersetzte, statt zu verheißen. Sondern sie öffnet der Phantasie die Schranken, unbekleidet ebensogut als angekleidet.« 53 Hier beginnt nach Hegel das geistige Leuchten des romantischen Kunstwerks: »Der Gott der romantischen Kunst aber erscheint sehend, sich wissend, innerlich subjektiv und sein Inneres dem Inneren aufschließend.« 54 Körperlichkeit wird durch »das Sichzurücknehmen des Geistigen in sich« aufgehoben. Das natürliche Licht konnte nur »an einem Gegenstande leuchten«; das Kunstwerk weiß sich »als sich selber« und verliert dadurch die vormalige Blicklosigkeit, weil Subjektivität als geistiges Licht »in sich selbst, in seinen vorher dunkeln Ort scheint«. 55 Baudelaires bekannte Ablehnung der Skulptur liegt in eben ihrer objektiven Geistigkeit begründet: »Brutale et positive comme la nature, eile est en meine temps vague et insaisissable, parce quelle montre trop de faces ä la fois.« Ihr zieht er die subjektivere Anschaulichkeit der Malerei vor: »La peinture n'a qu'un point de vue; eile est exclusive et despotique: aussi l'expression du peintre est-elle bien plus forte.« 5 6 Baudelaires Definition der Romantik pointiert diese Leistung: »Le romantisme n'est precisement ni dans le choix des sujets ni dans la verite exacte, mais dans la maniere de sentir«. 57 In gleicher Argumentation zählt Hegel die Malerei neben Musik und Poesie zu den romantischen Kunstformen, weil sie zwar die Idee noch zur sinnlichen Anschauung bringt, aber in

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Jean Paul. Vorschule der Ästhetik. S. 431. G. W. Fr. Hegel. Ästhetik. I. S. 501 f. G. W. Fr. Hegel. Ästhetik. I. S. 501f. Das Zitat scheint fast fast wörtlich auf Mörikes Schiaßzeile »Was aber schön ist, selig scheint es in ihm selbst« aus seinem Gedicht Auf eine Lampe (in: Werke. I. S. 735) zu verweisen, wie sie zwischen Martin Heidegger und Emil Staiger ausführlich diskutiert wurde. Brittnacher und Stoermer haben in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, wie nah die semantischen Felder des Schönen und des Scheins miteinander zusammenhängen. Vgl. H. R. Brittnacher u. F. Stoermer. Vom Schein des Schönen und seinen Schatten. S. 12f. - A. Hildebrandt. >Lebwohl, du heiterer Schein!< Blindheit im Kontext der Romantik. - Ergänzend dazu Nordlund, der nach der Erklärung sucht, »[...] why metaphors derived from vision have become so deeply ingrainde in our language of understanding, as we habitually >reflectilluminate,< and >survey< in order to >see< the point or attain >insightwahren< Leben unterscheidbare K u n s t w i r d unauflösbar, u n a u s d e u t b a r , u n e n d lich. D i e Kapitel zu Jean Paul im Folgenden sollen zeigen, wie im D e n k e n der

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Th. W. Adorno. Gesammelte Schriften. VII. S. 201. M. de la Sizeranne. Les Aveugles par un aveugle. S. 36. Das älteste Systemprogramm des deutschen Idealismus. In: Fr. Hölderlin. Sämtliche Werke. IV. S. 311. Auch Fichte definiert seine Wissenschaftslehre als »vollkommen, freie, sich selbst im Besitze habende, Erkenntniss.« Er ergänzt: »Freiheit von irgend einem Gesetze giebt Bewusstseyn dieses Gesetzes. (Dieses Verhältniss ist selbst ein Grundgesetz. Jenes Befangenheit, Blindheit, Mechanismus. Dieses Sehen, durch Befreiung erworben.) Dies das Wesen und die absolut und specifisch verschiedene Welt der Philosophie.« J. G. Fichte. Die Staatslehre. In: Werke. IV. S. 373ff.

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Blindheit um 1800 versucht wird, die Spannung zwischen gewonnener anthropologischer Freiheit und der Verhinderung eines weltvernichtenden Nihilismus aufrechtzuerhalten. Dabei findet eine stetige Verlagerung der Problematik vom Hesperus über den Titan bis zu den Flegeljahren statt. Benjamins Deutung der Frühromantik führte mit Bohrer zu »einer aktuellen Anwendbarkeit fiir eine Theorie der Moderne«. 5 Der aufklärerische Freiheitsgewinn bedeutet einen irreversiblen Sinnverlust, und dieser ist schließlich nur noch im Modus »der historischen Erinnerung und des ästhetischen Scheins« 6 herzustellen; das Beharren der Künstler darauf, Anschaulichkeit und Bedeutsamkeit verbinden zu wollen, läßt neben der Philosophie auch die Poesie aus ihrem dunklen Inneren strahlen: Nach Achim von Arnim verbreitete sie »mitten in den Zeiten der Nacht« einen »blendenden Glanz« unter der »Fahne der Freiheit«. 7 Hörisch sieht gerade in der »Defizienz« die Möglichkeitsbedingung eines poetischen Universalanspruches, nämlich »ihren Grund zu wissen, der immer schon zugrunde gegangen ist und notwendig das vermeintlich Begründete rein entspringen läßt«. 8 In einer solchen Welt erblinden zur gleichen Zeit Goethes Faust 9 und Novalis' Rosenblüthchen. 10 Die intellektuelle Anschauung als Organon transzendentalen Denkens und Voraussetzung der romantischen Kunstphilosophie ist nach Schlegel »der kategorische Imperativ der Theorie«." Benjamins Ursprung des deutschen Trauerspiels hat allerdings gegen den romantischen Symbolbegriff polemisiert, die paradoxe theologische »Einheit von sinnlichem und übersinnlichem Gegenstand« verzerre sich hier zu einer »Beziehung von Erscheinung und Wesen«. 12 Damit ist nach Benjamins Begriff der Kunstkritik der ursprünglich kantianische Begriff der intellektuellen Anschauung in der frühromantisch-fichteanischen Reflexion überboten, weil unmittelbar und unendlich geworden. 13 Gegenüber dem dunklen Leuchten

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Κ. H . Bohrer. Die Kritik der Romantik. S. 25. - Ähnlich S. Vietta. Die vollendete Spekulation führt zur Natur zurück. S. 27. - R.-P. Horstmann. Zur Aktualität des Deutschen Idealismus. H. Schlaffer. Poesie und Wissen. S. 140f. A. von Arnim. Dies Buch gehört dem König. In: Sämtliche Romane und Erzählungen. III. S. 226. J. Hörisch. Erkenntniskritische Nachrede oder Traktat über poetische Einsicht. S. 207. » F A U S T (erblindet): Die Nacht scheint tiefer tief hereinzudringen, I Allein im Innern leuchtet helles Licht [...].« Goethe. Faust. Eine Tragödie. In: Werke. III. S. 346. »Rosenblüthchen, das gute Kind, list geworden auf einmal blind [...]« Novalis. Die Lehrlinge zu Sais. In: Werke. I. S. 92. Fr. Schlegel. Fragmente. 76. In: Kritische Friedrich-Schlegel-Ausgabe. 1. Abt. II. S. 176. W. Benjamin. Ursprung des deutschen Trauerspiels. S. 138. Vgl. dazu Κ. H . Bohrer. Die Kritik der Romantik. S. 26. und M . Frank. »Intellektuale AnschauungUr-Verdrängung< bestimmt«. 66 Wenn Lacan, wie Zizek darlegt, Freuds Gegenüberstellung von cartesianischer Selbsttransparenz und dunkler Undurchsichtigkeit umkehrt zum cartesianischen Subjekt als körperloser rationaler Maschine des Unbewußten, 6 7 dann ist damit auch die Bildlichkeit betroffen, wie sie in den beiden Einleitungen zum dunklen Leuchten der Philosophie und der Poesie skizziert wurde und wie sie die folgende Analyse des Titan zu Reinheit und Trübung der Augen leiten wird. Die vorliegende Arbeit bedient sich zwar keiner psychoanalytischen Methode, liefert aber gewissermaßen das psychopoetische Anschauungsmaterial zu Schönbergs Analyse des Titan, welcher leider weder Autoren wie Bachelard oder Zizek rezipiert hat und sich auch sonst leider nicht auf Jean Pauls reflexive Romanpoetik, sondern sich vielmehr auf die ungespiegelte Geschichte als quasi dokumentarische Fallgeschichte bezieht. 68 Das ist umso bedauerlicher, als die Verfasserin ansonsten gerade im Hinblick auf Albano, Roquairol und Schoppe zu interessanten Analyseergebnissen gelangt.

d)

Getrübter Traum der Wahrheit und Lianes erste Erblindung

Der Traum der Wahrheit, der den Titan einleitet, stellt den »ewig heitern, aber kalten« Olymp der menschlichen Erde gegenüber, »wo die Seele mehr liebt, weil sie mehr leidet, und wo sie trüber, aber wärmer ist«. Aber die Wesen streifen bei Jean Paul nicht, wie er selbst das Idealische der Griechen bespricht, den »Uberfluß der Individualität« 69 ab, sondern sie legen ihn gleichsam an. Statt Ideali-

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G. Bachelard. La Psychanalyse du feu. S. Zizek. Die Nacht der Welt. S. 8. Vgl. Zizeks Einleitung: S. Zizek. Die Nacht der Welt. S. 1 0 - 2 2 . J . Schönberg. Anti-Titan. Jean Paul. Vorschule der Ästhetik. S. 74f.

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Zweiter Teil: Jean Paul: Poesie zwischen Materialismus und Nihilismus

sierung der Realität steht also die Realisierung des Ideals an. Statt der Titanen sieht hier allerdings mit der Göttin der Schönheit, drei Grazien ein anmutiges Quartett in das »irdische Helldunkel« hinunter. Sie nehmen schließlich den »Erdenschleier«, um zur Erde herabzusteigen (11). Poulet hat über die Trübung im Werk von Jean Pauls Geistesverwandtem Charles Nodier geschrieben: Au vague du monde externe correspond le vague de l'esprit qui en prend ä demi conscience. Le changement de Tun fait le changement de l'autre. [...] L'etre qui se trouve plonge dans cette espece de brouillard voit non seulement les objets perdre de leur nettete, mais lui-meme aussi perdre la clarte d'esprit dont il croyait precedemment jouir. [...] O n dirait qu'un voile, ni tout ä fait opaque, ni tout ä fait transparent, est tire sur le champ entier de la pensee. II n'interdit pas la perception des contours ni ['identification des formes, mais il donne ä celles-ci un caractere indecis et Eottant, qui en change moins l'aspect externe que ['interpretation affective qu'on peut tirer. 70

Für die Trübung durch Leiden, die die vier auf der Erde sehen, steht zuvorderst Liane: Sie ist für Albano zeitweise von »reiner Durchsichtigkeit« wie Fenstergläser, die so allerdings auch leicht »zerstoßen« werden. 7 1 Hier liegt die Erklärung für ihre Erblindung, die sich übrigens auch der musikalischen Analyse von Cloot annähert, Liane sei gar kein eigenständiger Charakter - wer wäre denn bei Jean Paul wirklich einer, ließe sich mit einer gewissen Berechtigung zurückfragen - , sondern in ihr habe der Autor lediglich seine Zeichenkonzeption ausgeführt: 7 2 Eine reine Seele spiegelt nach Jean Paul die unreine ab, »ohne sich zu beflekken«. 7 3 Lianes Befleckung qua Erblindung hat einen »hohen reinen Himmel« durch »eine tiefe kalte Wolke« (179) verdunkelt. Noch deutlicher wird Jean Paul, wenn er Liane mit einem wolkenlosen reinen M o n d ohne Nebelhof im tiefen Himmelsblau bezeichnet, »eine glänzende Lilie aus der zweiten Welt, die sich selber das Zeichen ist, daß sie bald in diese fliehe« (180). Nicht nur in der topologischen Opposition des lichten Lilar und des dunkeltrüben Hofes, sondern auch in der Beziehung der Figuren zueinander benutzt Jean Paul die mediale Terminologie von Reinheit bzw. Durchsichtigkeit und Unreinheit bzw. Blindheit. Konsequent wendet Jean Paul sein Bild auch auf die Dichtung selbst an: »So ist dem reinen durchsichtigen Glase des Dichters die Unterlage des dunkeln Lebens notwendig, und dann spiegelt er die Welt ab.« 7 4 Auch in Bezug

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G . Poulet. Nodier. S. 16f. »[...] der reine Albano fühlte neben ihr die Notwendigkeit und das Dasein einer noch zärtern Reinheit; und ihm schien, als könne ein M a n n diese Seele, deren Verstand fast nur ein feineres Fühlen war, verletzen, ohne es selber zu wissen, wie Fenstergläser von reiner Durchsichtigkeit oft zerstoßen werden, weil sie unsichtbar erscheinen.« Jean Paul. Titan. S. 216. - G o l z nennt Liane ein »Geschöpf von idealischer Transparenz«. J. Golz. Welt und Gegen-Welt in Jean Pauls >TitanEs w e r d e Licht!Atala< und >ReneSonnenuntergang< des greisen Dichterlebens und die >Nacht< seines Augenlichts - diese erzeugen »un caractere de melancolie qu'on ne retrouve nulle part«. 6 0 Die Augen der Seele überwinden das sterbliche Auge, dieses Ende des zitierten Abschnitts aus Paradise

Lost dürfte Chateaubriand als poetisches Programm für

sich herangezogen haben:

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Auch Newlyn nennt das dritte und siebte Buch als Schlüsselstellen der eigenen Blindendeutung: »The redemptive and sacrificial overtones which Miltons life-story acquires, and which he himself appears to have been at pains to accentuate, are provoked by the sonnets on his blindness, but perhaps even more famously by the proems of >Paradise Lost< Books III and VII. In these heroic digressions, Milton consolidates the idea of martyrdom which he had constructed in his Defence.« L. Newlyn. >Paradise Lost« and the Romantic Reader. S. 31. Zur Blindheit in Miltons Sonetten vgl. R. F. Hall. Milton's sonnets and his contemporaries. J. Milton. Paradis perdu. Übertragung von Chateaubriand. S. 96 - Deutsche Übertragung von Hans Heinrich Meier. S. 74f.: » [ . . . ] und so suche ich I Dich glücklich wieder auf und spüre wohl I Dein lebenspendend unumschränktes Leuchten, I Doch du besuchest nimmer diese Augen, I Die fruchtlos rollen, deinen scharfen Strahl I Zu finden, und die keinen Tag mehr finden; I So reiner Tropfen hat mir den Kristall I Der Augäpfel ausgelöschet oder I Ein Schleier schlierig sie umgraut. [...]«. J. Milton. Paradis perdu. S. 403. - Vgl. dazu auch CI. Mouchard. Traduire Milton en prose? Fr. R. de Chateaubriand. Essai sur la litterature anglaise. II. S. 123.

266 So much the rather thou Celestial light Shine inward, and the mind through all her powers Irradiate, there plant eyes, all mist from thence Purge and disperse, that I may see and tell Of things invisible to mortal sight.

Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts Brille done d'autant plus intdrieurement, ό celeste lumiere! que toutes les puissances de mon esprit soient pendtrees de tes rayons: mets des yeux ä mon äme; disperse et dissipe loin d'elle tous les brouillards, afin que je puisse voir et dire des choses invisibles ä l'oeil mortel. 61

Chateaubriand setzt Miltons göttliche Schöpfungsgeschichte in Bezug zum vergöttlichten Dichter selbst, was allerdings weit über das Selbstverständnis des Engländers hinausgeht: »Ii est si rempli de genie, de saintete et de grandeur, que sa noble tete η est point deplacee aupres de celle de notre premier pere, en presence de Dieu et des anges.« Und weiter: »En sortant de l'abime des tenebres, il salue cette lumiere sacree interdite ä ses yeux.« 62 Noch mehrfach begründet Chateaubriand die Ausnahmestellung von Miltons Werk über die Enthobenheit des Dichters. In den Vorbemerkungen zu Chateaubriands Ubersetzung schreibt er »que Milton etait aveugle, et qu'il tirait de ses souvenirs une partie de son genie«. 63 Wie wir gesehen haben, kann er sich dabei durchaus auf Miltons Bildlichkeit berufen. An Milton reflektiert Chateaubriand die Schaffensbedingungen eines modernen Homer, versetzt den griechischen Dichter etwa probehalber in das christliche Zeitalter des Absolutismus und folgert: »Quand nous aurons, sur un sujet chretien, un ouvrage aussi parfait dans son genre que les ouvrages d'Homere, nous pourrons nous decider en faveur du merveilleux de la fable, ou du merveilleux de notre religion [,..].« 6 4 Chateaubriands Bild des blinden Engländers dient ihm zur Darlegung seiner Poetik des Wunderbaren und zur Bestimmung des politischen Engagements des Dichters. Die Verbindung von Gesang und Macht wird im 19. Jahrhundert noch mehrfach an Miltons Blindheit exemplifiziert, so wenn Sainte-Beuve die abschreckende Milton-Deutung des Ökonomen Rubichon kritisiert: »l'exemple de Milton qu'il allegue est ä faire trembler; on creve, dit-on, les yeux au rossignol pour qu'il chante mieux: il serait homme ä vouloir son monarque aveugle pour le rendre plus reflechi et plus perspicace.« 65 Barbey d'Aurevilly führt an Milton die Autonomisierung des blinden Denkens vor: »Cherchez-y les yeux du grand poete: [...] les trous d'ombre de Milton, l'aveu-

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J. M i l t o n . Paradis perdu. S. 97. - D e u t s c h e Ü b e r t r a g u n g v o n H a n s H e i n r i c h Meier. S. 76: »So leuchte u m s o mehr, I D u Gottes Licht, ins Innere m i r herein I U n d strahle Kraft in m e i n e m Geiste aus; I D o r t lasse Augen wachsen u n d zerstreue I U n d reinige mir allen D u n s t hinweg, I D a ß ich w o h l sehen u n d erzählen mag, I Was unanschaulich sterblichem Gesicht.« S. 76. Fr. R. de C h a t e a u b r i a n d . Essai sur la litterature anglaise. II. S. I 6 6 f . Fr. R. de C h a t e a u b r i a n d . Le Paradis perdu de M i l t o n . Remarques. Fr. R. de C h a t e a u b r i a n d . G e n i e d u Christianisme. S. 7 5 9 . C h . A. Sainte-Beuve. La reforme sociale en France. In: Causeries d u lundi. X.

Chateaubriands Genie der Blindheit

267

gle, plus beaux que des yeux, et par lesquels passait sa pensee!«66 Die Tendenz zum unbekümmerten Blindensynkretismus setzte spätestens mit dem Ossiankult ein. Bei Chateaubriand findet die Christianisierung des antiken und keltischen blinden Sängers ihren Höhepunkt, so daß der junge Zola in der Schreibschule schon nicht mehr zwischen ihnen und Milton unterscheiden kann: Un jour, le sujet de la narration donnee etait celui-ci: Milton aveugle, dictant ä sa fille ainee, tandis que sa seconde fille joue de la harpe. J'ignore quelles fioritures de style dut broder le jeune lyceen sur ce theme academique. Mais le professeur, M . Levasseur, aujourd'hui membre de l'Academie des Sciences morales et politiques, fut si enchante qu'il lut la narration devant route la classe, et fit solennellement la prediction ä l'eleve Zola d'un talent futur. 6 7

Homer, Ossian und Milton, diese drei sind in der popularisierten Historienmalerei des jungen Schülers Zola verschmolzen zu einer einzigen Autorität des blinden Sängers.

3. Die Blindheit der Alten in der Neuen Welt a) Rene bei den Alten Wie weit Chateaubriands idealisiert-exotisches Amerikabild und das tatsächlich vorgefundene koloniale Provisorium auseinanderklaffen, führt uns Sieburg sehr anschaulich vor Augen. 68 Für die europäische Gesellschaft stilisiert sich der französische Reisende zum melancholischen Suchenden: nach Einsamkeit, nach Ursprünglichkeit, nach enthobenem Dichtertum. Als großes Unternehmen kündigt uns Chateaubriands Erzähler der Neuen Welt diese Suche an: »A l'ombre des forets americaines, je veux chanter des airs de la solitude, tels que n'en ont point encore entendu des oreilles mortelles; je veux raconter vos malheurs, ό Natcbez\«6Atala< und >ReneNon, la poesie n'est pas morte et ne peut mourir.«< Ch. A. Sainte-Beuve. Jasmin: In: Critiques et portraits litteraires. Der Larousse präzisiert: »Romancier, auteur dramatique et voyageur, il fit partie, en 1817, de l'expedition du vaisseau I'Uranie qui executait un voyage de circumnavigation.« Grand Dictionnaire universel du XIX e siecle par Pierre Larousse. J. Arago. Curieux voyage autour du monde. O. P. Hervorh.: Κ. N.

Imaginationen

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der Moderne

W i e j e n e r Ossian a u f einer stillen D ü n e sitzend, beklagt Arago »ces splendides levers et couchers de soleil«, die unwiederbringlichen S o n n e n a u f - und -Untergänge der Vergangenheit: »c'est le cercueil d'un fou qui n'eüt point dü quitter son bourg pyreneen, lui qui, depuis quinze hivers, ne voit plus ni le soleil ni un sourire de frere.« D e r Bruder, von dem hier die Rede ist, ist niemand anderes als Frar^ois Arago. D e r vielseitige und politisch engagierte Physiker lehrte etwa an der nique,

im Pariser Observatoire

u n d in der Academie

Ecolepolytech-

des sciences, schrieb ein p o p u -

läres A s t r o n o m i e b u c h , arbeitete über elektromagnetische P h ä n o m e n e , erforschte das Verhalten von polarisiertem Licht, formulierte eine eigene Lichttheorie und konstruierte selbst verschiedene optische Apparate, darunter Teleskope und M i kroskope. Z u der Zeit, in der Jacques erblindet, hält F r a n c i s eine folgenreiche Rede: Er ergreift darin Partei für die photographischen Erfindungen von Daguerre und verhilft damit der Photographie zum D u r c h b r u c h in Frankreich. Mithilfe der Daguerreotypie, so argumentiert Arago, k ö n n e n die unzähligen Hieroglyphen aus T h e b e n und M e m p h i s o h n e ein Heer von Z e i c h n e r n a u f g e n o m m e n werden, von e i n e m einzigen Photographen n ä m l i c h . 9 1 8 3 9 also, im J a h r des photographischen Erfolgszugs dank des Bruders Francois und zwei Jahre nach seiner eigenen Erblindung, schreibt der Z e i c h n e r Jacques Arago ein Vorwort zu seinem B l i n d e n b u c h , das sich, wie u m seinem Bruder zu antworten, nocheinmal a u f die Exaktheit der zeichnerischen Darstellung beruft. Zugleich beruft er sich auf die elegische Figur des Abschieds als »Strukturgesetz« 1 0 seiner Kunst: Ce ne sont pas seulement ici des souvenirs, ce nest pas seulement la masse et la silhouette des choses et des objets etudies, c'est encore la rigoureuse exactitude des details, la nuance des couleurs; c'est le passe avec tous ses incidents de chaque jour, de chaque heure, qui, comme une consolation du Ciel, vient se placer devant mes yeux eteints. Helas! que vaudrait-il mieux pour moi? N'avoir rien vu, c'est η avoir rien ä regretter. On ne perd reellement qu'apres avoir possede... et j'ai tant perdu!... Mais aussi, vivre dans le passe quand le present est mort ä toute joie, quand l'avenir peut-etre est sans lumiere, c'est-ä-dire sans esperance, n'est-ce pas exister encore?... Oh! ce triste probleme, je η'ose pas le resoudre, tant je redoute la pitie des hommes. Ce qui est vrai pourtant, c'est que la nuit des yeux n'est pas la nuit de l'äme, et que lorsque j'entends une voix chere, lorsque je presse une main amie, il me semble revoir encore ce beau ciel que je ne verrai plus!" Dieses Vorwort ist sicher auch als persönliches D o k u m e n t zu lesen, als publikumswirksamer Paratext u n d als rhetorische R e m i n i s z e n z a u f den T o p o s der

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Zur Rolle Aragos bei der Einführung der Photographie in Frankreich vgl. den Überblick von B. Busch. Belichtete Welt. S. 206ff. Κ. H. Bohrer. Der Abschied. S. 7. J. Arago. Souvenirs d'un aveugle. Voyage autour du monde. S. lf. Hervorh.: Κ. N.

Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts

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empfindsamen Blindheit. Nicht zuletzt liest es sich aber auch als Manifest einer Ästhetik des Verschwindens. Jacques und F r a ^ o i s - die Verwandtschaft der Brüder Imagination und Materialität liegt in ihrem Willen begründet, sich einer >wahren< Realität erst noch zu ermächtigen, aber der eine sucht diese in der imaginären Überschreitung zur tieferen Wirklichkeit einer auratischen Kunst, der andere beruft sich auf die materialen ontologische Selbsteinschreibungen als Spur des Realen. 12 Das folgende Kapitel stellt den blinden Zeichner und den optischen Wissenschaftler in einen literarästhetischen Kontext: Victor Hugo und Charles Baudelaire propagieren wie Jacques Arago einen bedrohten surnaturalisme^3 aus Sorge um den Verlust des Visionären. Der Physiker Fran9ois schaltet wie der Realismus um auf die Exaktheit der observation, und so gilt den observierten Blinden dieser Zeit der sich anschließende Teil. Zuvor soll die Entwicklung vom romantisme des mages zur ecole du desenchantement kurz skizziert werden; Nervals Erzählung Aurelia wird in diesem Kontext als Traumaufklärung der Augen gelesen.

a)

Vom Ideal zum Spleen

Dem Geheimnis einen Sinn entreißen, dem Abgrund eine Form, dem Dunkel ein Licht: Diese dichterische Mission gibt sich Victor Hugos poetische Suche nach dem Ideal. Der romantische Symbolbegriff um 1830 als regelrechte »philosophie du sens« hat sich bis 1840 zum Konzept der chimärischen »desymbolisation« 14 verlagert, der Weltschmerz der 30er Jahre gerät bis 1850 zum Spleen, verwandt der pathologischen Beschreibung in der blindenpsychologischen Literatur: »[...] so bildet sich unter der Decke der langen, lichtlosen Nacht in des Blinden Seele, der mit ihrem Leben auch die Sehnsucht nach Licht eingeboren ist, jene trübsinnige Stimmung, welche bei dem natürlichen Hang des Blinden zur Zurückgezogenheit in sich selbst - sich zur Schwermut gestalten kann; letzteres freilich seltener bei Blindgeborenen als bei Blindgewordenen.« 15

Am Blinden vor und nach 1848 bewahrheitet sich Whales These von der Einbildungskraft als Sensorium kulturellen Wandels und politischer Krisen: To see the production of different, often contradictory, notions of imagination in relation to cultural crises will enable us to uncover a sense of >imagination< as an inte-

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Vgl. R. Berg. Die Ikone des Realen. S. 18. V. Hugo. Philosophie. In: CEuvres completes. Critique. S. 504. - Vgl. dazu außerdem Preface de mes ceuvres et post-scriptum de ma vie. In: CEuvres completes. Critique. S. 699 u. S. 703ff. P. Laforgue. Romanticoco. S. 7. - Zur Symbolisierung bei Hugo in diesem Kontext vgl. J. Seebacher. Le Symbolique dans les romans. In: V. Hugo ou le calcul des profondeurs. Roesner (1886), zit. nach M . Gruss. Über wahnhafte Erkrankungen bei Blinden. S. 4.

Imaginationen

der Moderne

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gral figure in cultural critique and as a complex, often creative, response to cultural change. 1 6

Deshalb betrachtet Whale die Imagination als strategischen ästhetischen Reflex auf eine epistemologische, kulturelle oder Repräsentationskrise, damit zugleich als Zeichen einer solchen Krise (11). Mehr als nur ein Weltverhältnis, vertritt Baudelaires Melancholie eine Ästhetik der Abwesenheit unter den Bedingungen der Modernität, die nach Bohrer »jeder Präsenz schon die Vergangenheitsstruktur einzeichnet«. 17 Derpoete maudit Baudelaire m u ß in Hugo zwar das »Symbol der politischen Ordnung ihrer Zeit« 18 verwerfen, aber Baudelaires Blinde leiten sich als düstere Nachkommen von Hugos leuchtenden Figuren ab, was im Folgenden deutlich werden sollte. Gerade noch der Spleen enthält das Ideal, das Selbst zwischen Erfindung, Zerstörung und Wiedererfindung hin- und hertreibend. 19 Die Aureole des romantischen Dichters bezog ihre Färbung von den Lichtbrechungen des Sonnenuntergangs. 20 So leitet Lamartine mit einer abendlichen Vision im römischen Umland sein Buch Les Visions ou les lois morales ein: Je me souviens aujourd'hui de tous les detaib les plus fugttifi de ce beau coucher de soleiU au mois de mars, dans la Campagne de Rome; je m'en souviens avec plus de presence des objets dans les yeux que je ne la ressentais meme alors. Cette scene a du m'impressionner cependant avec une certaine force, puisqu'elle se retrouve si complete et si vive apres trente ans dans mon imagination; mais je ne la percevais que par mes sens et par le seul instinct, car m o n esprit etait absorbe par la contemplation interieure d'une toute autre nature. II me sembla que le rideau du monde materiel et du monde moral venait de se dechirer tout ä c o u p devant les yeux de m o n intelligence; je sentis m o n esprit faire une Sorte d'explosion soudaine en moi et s'elever tres haut dans un firmament m o ral, c o m m e la vapeur d ' u n gaz plus leger que l'atmosphere, dont on vient de deboucher le vase de cristal, et qui s'elance avec une legere f u m e e dans l'ether. J'y planai, dans cet ether, pendant je ne sais combien de temps, avec les ailes libres de m o n ame, sans avoir le sentiment d u m o n d e d'en bas qui m'environnait, mais que je ne voyais plus de si haut. 2 1

In Nervals visionärem Text Aurelia allerdings verlöscht der romantische Sternenhimmel, der sich bei Lamartine noch ankündigt: »Les etoiles brillaient dans le firmament. Tout ä coup il me sembla qu'elles venaient de s'eteindre ä la fois comme les bougies que j'avais vues ä l'eglise.«22 Nun steht eine schwarze Sonne neben erloschenen Sternen an einem trostlos ewigen Nachthimmel: »Je croyais voir un soleil noir dans le ciel desert et un globe rouge de sang au-dessus des

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22

J. Whale. Imagination Under Pressure. S. 1. Κ. H . Bohrer. Der Abschied. S. 22. K. Biermann. V. H u g o . S. 138. Vgl. Bohrers D e M a n - K o m m e n t a r in: Κ. H. Bohrer. Der Abschied. S. 221. Vgl. L. Porter. Writing Romantic Epiphany. Atala, Seraphita, Aurelia, Dieu. A. de Lamartine. Les Visions ou les lois morales. Einleitung. Hervorh.: Κ. Ν

G. de Nerval. Aurelia. S. 114.

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Tuileries. Je me dis: »La nuit eternelle commence, et eile va etre terrible. Q u e va-t-il arriver quand les hommes s'apercevront qu'il n'y a plus de soleil?«< Bonnets religiöse Lektüre von Aurelia beschreibt den Erzählbogen als Abstieg in die Hölle, u m dem dortigen Dunkel dank heller, himmlischer Visionen zu entkommen, »d'une certitude ä une incertitude, d une conviction ä une denegation, de l'obscurite ä la lumiere, et vice versa.« 2 3 In Nervals El Desdichado begegnet uns die schwarze Sonne mit der melancholischen Laute des Dichter-Sängers. 2 4 Das dialektische Gegenbild des »immer lichter werdenden Verstandes« der Aufklärung sucht Schulz in der Melancholie derer, die sich dem Unbekannten machtlos ausgesetzt sehen, 2 5 dieses Gegenbild der Aufklärung findet sich auch in der schwarzen Sonne, das bereits zum traditionellen Bildschatz der Melancholie rechnet, nun aber einen geschichtsphilosophischen Status erlangt. 2 6 Eine analoge Szene zu Beginn von Theophile Gautiers phantastischer Erzählung Avatar schildert den magischen Gestalttausch der romantischen Kunstform: Octave de Saville tauscht mit dem Grafen Labinski den Körper, um einmal dessen Frau lieben zu dürfen - was aber nicht gelingt, da ja sein Wesen nicht dem des Grafen entspricht. Von schwarzem Licht beschienen, setzt sich Octave zum lustlosen Mahl eines romantischen lebensüberdrüssigen Ekels: Das Sonnenlicht erscheint bleich wie der Mondschein, die Kerzen brennen mit schwarzen Flammen. Die eingeschwärzte Stimmung läßt den Protagonisten bei schönster Wärme frieren wie einen lebenden Toten: »J'ai froid aux plus chauds jours de l'ete; parfois il se fait en moi un grand silence comme si mon cceur ne battait plus«. 2 7 So leuchtet eine schwarze Sonne die Bühnen der Phantastik aus und führt zu neuen ästhetischen Wirkungen, die auch die beunruhigende Seite der Blindheit hervorkehrt: taktile Präsenz des Formlosen, erhabenes Schaudern vor dem Morphing der romantischen Chimären, postmetaphysische Abstraktion, die selbst die Heilsgewißheit des inneren Sehens und der Kontemplation negiert. Sprachmagie und Sprachskepsis zugleich begleiten die Unbehaustheit des Subjekts in der Moderne: In den beiden Gedichten L'Aveugle von Theophile Gautier und Les Aveugles von Charles Baudelaire verdichtet sich die Blindheit zum trostfreien Geheimnis.

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H . Bonnet. Les voies lumineuses de la religion dans >Les Filles du feu< et >AureliaLa tentation du realisme< in: J . Bony. L'Esthetique de Nerval. S. 1 0 1 - 1 2 2 . - Außerdem das Nerval-Kapitel in Bernd Stiegler. Philologie des Auges. G . de Nerval. Α Μ . Β " " * * * . In: CEuvres completes. I. S. 4 5 3 . Vgl. etwa A. Beguins Nerval-Kapitel in: L'Ame romantique et le reve. G . de Nerval. Aurelia. S. 12, 14, 16, 2 0 , 2 2 . - Z u r Vision bei Nerval vgl.: Μ . P. Arnoldi. Gerard de Nerval. L'Itineraire utopique d'un visionnaire. - M . J . Cowles. >La Verite est inutile«. Visionaries o f the Terror in Nodier and Nerval. » M o n äme est-elle la molecule indestructible, le globule qu'un peu d'air gonfle, mais qui retrouve sa place dans la nature, ou ce vide m e m e , image du neant qui disparait dans l'immensite?« G . de Nerval. Aurelia. S. 1 3 2 .

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Christus und seine schroffen Bilder einer letztlich negativen Theologie an. Auch bei Nerval erweist sich das Auge Gottes als leuchtende Schwärze: En cherchant l'oeil de Dieu, je n'ai vu qu'une orbite Vaste, noir et sans fond, d'oü la nuit qui l'habite Rayonne sur le monde et s'epaissit toujours [...] 3 5

Das letzte Gedicht der Anthologie, Vers dores, vergleicht den Augapfel hinter dem dunklen Sein mit Gott - ein Bild, das die Blindheit als konstitutiv für Nervals »reverie super-naturaliste«36 vorführt: Crains dans le mur aveugle un regard qui t'epie: Ä la matiere meme un verbe est attache... Ne la fais pas servir ä quelque usage impie. Souvent dans l'etre obscur habite un Dieu cache; Et, comme un ceil naissant couvert par ses paupieres, Un pur esprit s'accroit sous l'ecorce des pierres! 37

Nervals Gedicht Le Point noir, das auch unter dem Titel Le Soleil et la gloire publiziert ist, beklagt, daß die direkte Betrachtung der Sonne nur ein Adler ungestraft wagen kann; das lyrische Subjekt dagegen sieht einen schmerzhaften schwarzen Fleck vor Augen. Im Traum dann sieht man freilich die äußere Sonne überhaupt nicht, sie bildet vielmehr das Zentrum: Die körperlosen Körper des Traums leuchten selbst, von innen heraus, so Nerval. 38 Als regelrechte »Phosphorologie«39 des Traums hat Froment-Meurices Nerval-Studie diese äußerlichkeitslose Physis bezeichnet. In dem Moment, als der Erzähler seine Aurelia verloren weiß, durchbricht ein fataler Blitz die Dunkelheit 40 , deren Nähe zum Unbewußten Froment-Meurice zur These führt, dieser Blitz hänge mit einer Ästhetik des Erscheinens zusammen: »Le fait est que faire la lumiere sur le plus obscur, qu'on l'appelle ou non inconscient, est ä la fois lui donner le jour et le tuer - en tant qu'obscur.«41 Das Erscheinen des Unsichtbaren bringt es in Hegelscher Dialektik gewissermaßen zum Verschwinden — nicht zuletzt sucht Nervals Erzähler ja nach einem solchen »signe materiel«42 seiner Erscheinungen. Die schwarze Sonne, die leuchtende Chimäre, der Blitz aus tiefster Dunkelheit,

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G. de Nerval. Chimeres. Le Christ aux oliviers. II. In: CEuvres completes, wo? - Zu Nervals und Jean Pauls Traumerzählungen vgl. J. Jackson. Souvent dans l'etre obscur. Reves, capacite negative et romantisme europeen. S. 81-102. G. de Nerval, zit. von Walter Pabst in: Aurelia. S. 175. G. de Nerval. Chimeres. Vers dores. In: GEuvres completes, wo? G. de Nerval. Aurelia. S. 46. M. Froment-Meurice. La Chimere. Tombeau de Nerval. S. 53. G. de Nerval. Aurelia. S. 68. M. Froment-Meurice. La Chimere. Tombeau de Nerval. S. 21. Vgl. auch S. 58. G. de Nerval. Aurelia. S. 142.

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sie stehen für eine Negativität des Sehens, die nicht als statische Privation eines Sehenden gedacht werden kann, sondern als stetiger Zerfall, als Verschwinden als Anderes des Erscheinens.

c)

Traumaufklärung der Augen

Die koexistent sich überlagernden, aber nie zur Kongruenz gelangenden Wahrnehmungsschichten in Nervals Text lassen die äußere Pariser Realität noch durchscheinen, bilden aber ihre eigene, eminent moderne künstlerische Wirklichkeit. Die gesamte Erzählung deutet Tritsmans als Befreiung »sous le signe de l'ordre qui nait du chaos«. 43 Nerval entkleidet die autobiographische Wirklichkeit - die hoffnungslose Liebe zur Schauspielerin Jenny Colon - ihrer trügerischen äußerlichen Ordnung und setzt die Ereignisse bzw. seine Erinnerungen neu zusammen, teilweise in symbolischer Überhöhung und motivischer Wucherung. 4 4 Nervals Freund Theophile Gautier deutete diese Strategie in Aurelia als letzte philosophische Anstrengung der Halluzination, sich selbst zu analysieren, 45 und den Autor selbst schildert er uns als Traumwandler bei Tage: Quelquefois on l'apercevait au coin d'une rue, le chapeau ä la main, dans une sorte d'extase, absent evidemment du lieu oü il se trouvait, ses yeux etoiles de lueurs bleues [...] Quand nous le rencontrions ainsi absorbe, nous avions garde de l'aborder brusquement, de peur de le faire tomber du haut de son reve comme un somnambule qu'on reveillerait en sursaut, sepromenant lesyeuxfermes et profondement endormi sur le bord d'un toit. Nous nous placions dans son rayon visuel et lui laissons le temps de revenir du regard du fond de son reve, attendant que son regard nous renconträt de lui-meme, et il rentrait bien vite, par quelque mot amical ou spirituell 6

Das Wirken der blinden Einbildungskraft verdrängt gleichwohl das Motiv der seherischen Blindheit nicht aus dem Text. Ein Kranker, den der Erzähler besucht — viele sahen in ihm Heinrich Heine — wird mit seinen »yeux illumines d'un reste de fievre«47 als entzehrter Visionär dargestellt. Später wird von einem Anstaltsgenossen und alter ego des Erzählers berichtet, der sprachlos und blind bleibt, halb tot und halb lebendig, »comme un interprete sublime, comme un confesseur predestine ä entendre ces secrets de f a m e que la parole n'oserait transmettre ou ne reussirait pas ä rendre.« 48 Zu Anfang der Erzählung war das Dop-

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B. Tritsmans. Ecritures Nervaliennes. S. 164. Vgl. M . Brix. Le romantisme fran^ais. S. 270. T h . Gautier. Notices romantiques. Gerard de Nerval. In: Histoire du romantisme. S. 150. Th. Gautier. Histoire du romantisme. S. 72. Hervorh.: Κ. N. G. de Nerval. Aurelia. S. 86. G. de Nerval. Aurelia. - Vgl. zu dieser Stelle auch M . Froment-Meurice. La Chimere. Tombeau de Nerval. S. 194f.

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pelgängermotiv bereits angekündigt w o r d e n . 4 9 Der Traum verdoppelt das Leben, so begann Nervals Text ständig fluktuierender Traumbilder und Visionen: »Je fermai les yeux et j'entrai dans un etat d'esprit confus o ü les figures fantasques ou Celles qui m'entouraient se brisaient en mille apparences fugitives.« 5 0 Die Wirklichkeit in Aurelia gelangt demnach nur als zweifache zur Erscheinung, B o n y 5 1 vergleicht deshalb die Dualität von Nervals Erzählen mit Hegels Dialektik. Statt des Intervalls sich öffnender u n d schließender Augen bemächtigt sich die Sprache des Zwischenraums: Le pauvre gar^on de qui la vie intelligente s'etait si singulierement retiree recevait des soins qui triomphaient peu ä peu de sa torpeur. Ayant appris qu'il etait ne a la Campagne, je passais des heures entieres ä lui chanter d'anciennes chansons de village, auxquelles je cherchais a donner l'expression la plus touchante. J'eus le bonheur de voir qu'il les entendait et qu'il repetait certaines parties de ces chants. Un jour; enfin, il ouvrit les yeux un seul instant, et je vis qu'ils etaient bleus comme ceux de l'esprit qui m'etait apparu en reve. Un matin, ä quelques jours de lä, il tint ses yeux grands ouverts et ne les ferma plus. II se mit aussitot ä parier, mais seulement par intervalle, et me reconnut, me tutoyant et m'appelant frere. Cependant il ne voulait pas davantage se resoudre ä manger. Un jour, revenant du jardin, il me dit: »J'ai soif.« J'allai lui chercher ä boire; le verre toucha ses levres sans qu'il put avaler. »Pourquoi, lui dis-je, ne veux-tu pas manger et boire comme les autres? - C'est que je suis mort, dit-il; j'ai ete enterre dans tel cimetiere, ä telle place... - Et maintenant, oü crois-tu etre? - En purgatoire, j'accomplis mon expiation.« 52 Nervals Traum u n d sein Wahnsinn, seine Liebe u n d sein Selbstmord, schließlich das ganze Projekt der Autobiographie eines anderen bilden sich in der doppelten Struktur von Aurelia ab, dessen zweiter Teil ja erst erschien, nachdem Nervals Körper erhängt aufgefunden worden war, der Text wurde materielles Zeichen einer abgebrochenen Selbstbegründung über dem Abgrund. Bei Nerval ist die alte chiastische Struktur des sehenden Blinden u n d des Sehenden, der erblindet, ins Subjekt hineingenommen. D o r t , im zerrissenen Ich, sind Wachen u n d Traum, Reales u n d Imaginäres, Photographie u n d Blindheit überblendet, doppelt belichtet u n d unvereinbar koexistent. A m Ende der Geschichte öffnet der K o m a t ö s e seine blauen, in Traumbildern bereits geschauten Augen, u n d er schließt sie nicht mehr.

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Bei der Begegnung mit diesem Doppelgänger ist der Tod nah, so klingt Ε. T. A. Hoffmanns Motiv der Doppelgängerhochzeit aus den >Elixieren des Teufels< an: »[...] une tradition bien connue en Allemagne, qui dit que chaque homme a un double, et que, lorsqu'il le voit, la mort est proche.« G. de Nerval. Aurelia. S. 22. G. de Nerval. Aurelia. S. 22. ]. Bony. L'Esthetique de Nerval. S. 147. G. de Nerval. Aurelia. S. 158f. Hervorh.: Κ. N.

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2. Höhepunkt und Ende des blinden Sehertums: Victor Hugo a) Poetik der Vision Eine Photographie von Victor H u g o aus dem Jahr 1853 zeigt ihn mit geschlossenen Augen. Der Photographierte selbst betitelte es Hugo, Gott lauschend,53 Über die Exilzeit des Dichters, die zur Zeit der Aufnahme begann, schrieb Raymond: »Poete et prophete, poete et voyant, il s'enfonce dans le noir ä la recherche du jour.« 54 »Voir aveuglement« - so übertitelt Rosa seine Lektüre der Hugo'schen Vision. 5 5 Hugos Diagnose der Gegenwart ist insofern doppeldeutig: »A present, qu'est-ce que la nuit? C'est l'eblouissement.« 56 Das geschlossenen Auges gesehene Unsichtbare, das schwarze Licht der Poesie, das Hugo zuletzt auf dem Sterbebett gesehen haben soll, bestimmt die unzähligen schockartigen Visionen, von denen der Dichter berichtet. Drei dieser Visionen stehen am Anfang dieses Kapitels: Die erste ereignet sich an einem Sommerabend im Jahre 1834 - man erkennt mit bloßem Auge Details des Mondes am klaren Himmel, Pindars »ceil de la nuit«: 5 7 H u g o besucht den Physiker Arago im Observatorium. Der Dichter blickt durchs Teleskop und sieht - buchstäblich nichts: »une espece de trou dans l'obscur«, höchstens »quelque chose comme une brusque arrivee de tenebres«, die satte Schwärze einer tiefen Nacht (639). Aber Arago insistiert, er möge weiter hindurchsehen. Langsam erscheint schemenhaft eine phantastische Welt vor den Augen Hugos: Peu a peu ma retine fit ce quelle avait ä faire, les obscurs mouvements de la machine necessaires s'operent dans la prunelle, ma pupille se dilata, mon ceil s'habitua, comme on dit, et cette noirceur que je regardais commen^a ä blemir. Je distinguai, quoi? impossible de le dire. C'etait trouble, fugace, impalpable ä l'ceil, pour ainsi parier. Si rien avait une forme, ce serait cela. (640)

Diese Szene leitet Hugos Text Promontorium somnii ein. Die unendliche Weite des Universums bewirkt beim Dichter einen schockartigen Wirklichkeitsverlust, diese Erfahrung wird Hugos Ausgangspunkt für seinen Text über die schöpferische Vision: »L'effet de profondeur et de perte du reel etait terrible. Et cependant le reel etait lä. Je touchais les plis de m o n vetement, j'etais, moi. Eh bien, cela aussi etait. Ce songe etait une terre.«

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Photograph war Auguste Vacquerie. Paris, Musee V. Hugo. Vgl. die Abbildung in K. Biermann. V. Hugo. S. 93. M. Raymond. Victor Hugo et le creusement de la reverie. S. 258. G. Rosa. Voir aveuglement. >La nuit transparente«. II. S. 19-39. V. Hugo. Philosophie. In: CEuvres completes. Critique. S. 484. V. Hugo. Promontorium somnii. In: CEuvres completes. Critique. S. 640.

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Eine zweite Szene aus Hugos letzter Serie der Legende des siecles zeigt recht unbescheiden den Dichter im Gespräch mit Dante, der nach f ü n f h u n d e r t Jahren erwacht, seine schwarzen Augen öffnet u n d von seiner lichtlos-formlosen Vision berichtet: Et je sends mes yeux se fermer, comme si, I Dans la brume, a chacun des cils de mes paupieres I Une main invisible avait lie des pierres. I J'etais comme est un pretre au seuil du saint parvis, I Songeant, et, quand mes yeux se rouvrirent, je vis I L'ombre·. l'ombre, hideuse, insondable, I De l'invisible Rien vision formidable, I Sans forme, sans contour, sans plancher, sans plafond, I Oil dans l'obscurite l'obscurite se fond; I Point d'escalier, de pont, de spirale, de rampe; I L'ombre sans un regard, l'ombre sans une lampe; I Le noir de l'inconnu, d'aucun vent agite; I L'ombre, voile effrayant du spectre eternite.58 Die nihilistische Leere, die von ferne an Chateaubriands blinden mal du siecle erinnert, ist in Hugos schwarzen Visionen geradezu Voraussetzung seiner sakralsäkularen Apotheosebilder. Dante als alter Ego des Dichters Hugo schließt die Augen in der Zeit der Kathedrale - wie H u g o die Wende zum 14. Jahrhundert nennen würde - und öffnet sie im 19. Jahrhundert wieder. U m nichts mehr zu sehen als die formlose Dunkelheit der Moderne. Der kurze, dichte Text Hugos über das Genie schließlich enthält eine dritte Szene der visionären Wirklichkeitsdurchbrechung: Er geht vom plötzlichen Blitz aus, der einen beim Lesen unvorbereitet treffen kann. Die Buchseite zerreißt wie der Tempelvorhang, ein Loch tut sich auf: »Par ce trou, l'infini apparait.« 59 Der Leser wird zugleich erleuchtet u n d geblendet, gibt sich dem wogenden Aufscheinen u n d Verlöschen der Visionen eines Dichtergenies hin: Ces apparitions et ces disparitions, ces departs et ces retours, ces occultations brusques et ces subites presences eblouissantes, le lecteur, absorbe, illumine et aveugle par le livre, les sent plus qu'il ne les voit. II est au pouvoir d'un poete, possession troublante, frequentation presque magique et demoniaque, il a vaguement conscience du va-etvient enorme de ce genie; il le sent tantot loin, tantöt pres de lui; et ces alternatives, qui font successivement pour lui lecteur l'obscurite et la lumiere, se marquent dans son esprit par ces mots - Je ne comprends plus. - Je comprends. (562) W i r stehen hier vor bemerkenswert modernen Bildern, die so gar nicht dem politisch vereinnahmten öffentlichen Bild des Dichtergroßvaters der Französischen Republik entsprechen. Gemeinsam ist ihnen, daß sie sichtbar machen wollen, was über das Sehen hinausgeht. Havelange hat in seiner Kulturgeschichte des Blicks das entgangene Unsichtbare nicht als auflösbaren Rest, sondern als irreduziblen Bestandteil des Wissens bezeichnet: »tache d'ombre bordee de lumiere«. 60 Wol-

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V. Hugo. La Vision de Dante. In: La Legende des siecles. Derniere serie. In: CEuvres completes. III. S. 676. Hervorh.: Κ. N. V. Hugo. Du Genie. In: CEuvres completes. Critique. S. 561. C. Havelange. De Γ ceil et du monde. S. 9.

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len wir einen solchen Zusammenhang der Szenen herstellen, können wir uns auf H u g o selbst berufen: Mit bloßen Augen sehen wir die Sterne leuchten, mit dem Teleskop erkennen wir noch ferne Sonnen, die bereits erloschen sind, aber nur mit dem geistigen Auge sehen wir G o t t - so dekliniert der Autor in Les Choses de l'infini seine Abkehr vom Sehen. Baumeisters Geschichte des Unbekannten in der Kunst interpretiert die Vision als absichtslosen Zwischenzustand der Tätigkeit, die ja ein Ziel benötigt: »Da aber das Unbekannte nicht als Ziel vorangestellt werden kann (es ist völlig unfaßbar u n d unvorstellbar), klammert er sich an seine Idee oder Vision als Ziel.« 61 Victor Hugo verkörpert zugleich H ö h e p u n k t und Ende des romantischen Sehertums, 6 2 u n d er formuliert seinen Dreischritt als Stufen einer visionären Poetik, 6 3 die der bloßen Reproduktion des positiv gesetzten Sehens entgehen will: »Au delä d u visible l'invisible, au delä de l'invisible l'inconnu.« 6 4 Entsprechend ordnet sich der manichäistische Zusammenhang von Dichtung u n d Blindheit bei H u g o jenseits des Visuellen als »l'eblouissement du regard eternel« 65 ein, so im Gedicht Ä un poete aveugle: L'aveugle voit dans l'ombre un monde de clarte. Quand l'oeil du corps s'eteint, l'ceil de l'esprit s'allume. 66

H u g o befürchtete in seinen Ecrits philosophiques, er werde eines Tages »aveugle c o m m e Homere et c o m m e Milton«, 6 7 insofern ist das bewußte Aufgreifen u n d Sichanverwandeln des Blindentopos durch H u g o zu überprüfen. In der Tat hatte er übrigens zeitweise Augenprobleme, es war dann allerdings seine Frau Adele, die allmählich erblindete. 6 8 Im zitierten Gedicht stellt H u g o den angespro-

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W. Baumeister. Das Unbekannte in der Kunst. Vgl. W. Paulson. Enlightenment, Romanticism, and the Blind in France. S. 167— 199. Hugos Argumentation folgt oft dem Dreischritt, so in seinem Konzept von Erde, Meer und Himmel (vgl. In: CEuvres completes. Critique, S. 749), so die Gliederung Mensch, Teufel, Gott seines geplanten Großgedichtzyklus; so die Trilogie seiner Romane, die er im Vorwort zu >Les Travailleurs de la mer< als Dreiheit von religiösem Dogma, gesellschaftlichem Gesetz und Dingwelt der Natur benannt hat; so die Entwicklung der Gesellschaftsform von der Aristokratie über die Monarchie zur Demokratie in >L'Homme qui rit«. - Zur Vision bei V. Hugo vgl.: M. Riffaterre. La vision hallucinatoire chez V. Hugo. - P. Seghers. Victor Hugo visionnaire. - M. Backes. Die Figuren der romantischen Vision. Victor Hugo als Paradigma. V. Hugo. Les Choses de l'infini. In: CEuvres completes. Critique. S. 679. V. Hugo. Claire. In: Les Contemplations. In: CEuvres completes. II. S. 495. V. Hugo. Ä un poete aveugle. In: Les Contemplations. In: CEuvres completes. II. S. 286. V. Hugo. Du Genie. In: CEuvres completes. Critique. S. 563. Vgl. ihren Brief an V. Hugo vom 25. Februar 1866. In: CEuvres completes. XIII. S. 764.

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Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts

chenen D i c h t e r o h n e Augenlicht - w o h l der blinde Ossian-Übersetzer Baour-Lormian - in eine Reihe mit den Großen: »Chante! Milton chantait; chante! Homere a chante«. Die so personifizierte Überschreitung des Sehens in der Kontemplation meint aber weniger nur diese eine überhöhte Dichterfigur, sondern den Anspruch von Hugos Poesieverständnis ganz allgemein, eine Programmatik, die in anderer Form im kanonisch gewordenen Vorwort zum Theaterstück Cromwell ausformuliert ist. H u g o s S a m m l u n g Les Contemplations zertrümmert ihr Material mit poetischen Mitteln, um den Oberflächen ein Geheimnis zu entreißen: L'oeil perce et franchit le miroir, I Enfant; et contempler les choses, I C'est finir par ne plus les voir. I La matiere tombe detruite I Devant l'esprit aux yeux de lynx; I Voir, c'est rejeter: la poursuite I De l'enigme est l'oubli du sphynx.® »Voir, c'est rejeter« - das Verb rejeter heißt dabei gleichzeitig »zurückwerfen« u n d »verwerfen«, es bezeichnet im Französischen das angespülte Strandgut ebenso wie den Zeilensprung. All dies erst ist poetisches Sehen im Sinne Hugos. Backes' Studie zu H u g o als Paradigma der romantischen Vision geht von der These aus, das Subjekt versuche in der metaphysischen Vision Hugos, ganz über sich selbst zu verfügen; die Defiguration der Figur läßt eine wahrheitsfähige sprachliche Tatsachenabbildung als nicht mehr gelingend erscheinen. Die N ä h e zu Baudelaire liegt für Backes gerade darin, daß sich die allegorische Defiguration an symbolischen Gegenstrategien bricht: Die romantische Vision ist bei H u g o bereits nicht mehr auf »Garantiertheit des Subjektiven in einer höheren Wahrheit u n d einen epigonalen Piatonismus« 7 0 zu reduzieren. Sie bereitet gleichzeitig und doch eigentlich ungleichzeitig die Postromantik von Baudelaires Tableaux vor. Zur Blindheit bei Hugo hat Paulson Vorarbeiten geleistet, die psychoanalytisch das poetische Schaffen ex nihtlo erklären, als eine moderne Vision des Dichters ohne »absent father«, d. h. angesichts eines geköpften Königs in der postrevolutionären Gesellschaft. Gegenstand von Paulsons Analyse ist vor allem der Roman L'Homme qui rit,71 in d e m der grotesk verunstaltete Gwynplaine von der

® V. Hugo. Magnitudo parvi. In: Les Contemplations. In: CEuvres completes. II. S. 383f. - Vgl. dazu Hilberers Fazit seiner Strukturanalyse: »>Contempler< heißt, so hat uns Magnitudo parvi gelehrt, die Dinge in der dunklen Vielfalt ihrer Materialität so lange zu betrachten, bis sie schließlich >absterben< und körperlos durchsichtig auf Gott, das Eine, das Licht werden.« Th. Hilberer. V. Hugo. >Les Contemplations«. Struktur und Sinn. S. 238. - Ganz richtig interpretiert Bressolette Hugos Haltung in den »Contemplations« als eine solche dialektische Entwicklung: »Voir, pour Hugo, c'est avancer dans l'aventure de la vision; ce n'est plus une vue, ce n'est plus un regard, c'est une voyance, c'est une vision«. Μ. Bressolette. L'Aventure du voir dans >Les Contemplations« de V. Hugo. S. 295. 70 M. Backes. Die Figur der romantischen Vision. S. 11 f. 71 Vgl. M. Milner. Victor Hugo. L'Homme qui rit.

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Blinden Dea geliebt wird - sie erhält dabei unter anderem den Beinamen »une voix«. 72 Zwei Kapitel heißen programmatisch: »Oculos non habet et videt« und »La cecite donne des lemons de clairvoyance«. 73 Für Paulson stellt neben der Dunkelheit, dem Abgrund und der Unsicherheit des Wahrgenommenen schließlich auch die Blindheit eine Bedrohung des Dichtersehens dar. 74 Dies greift m. E. zu kurz, vielmehr ist das Dichtersehen bereits bei Hugo nur noch in seiner Bedrohung, also die Vision nur aus der Wahrnehmungskrise heraus darstellbar. - Zu den zahlreichen Aspekten der Blindheit in den visionären Gedichtzyklen und der Kohärenz des blinden Sehertums über die einzelnen Werkgrenzen hinweg liegt, soweit ich sehe, bislang keine Arbeit 75 vor; in unserem Rahmen können nur einige Fährten gelegt werden. Hugo spricht in seinem Gedicht Ce que dit la bouche d'ombre von der »affreux soleil noir d'oü rayonne la nuit!« 76 und entwirft ein grandioses Gegenbild, das die Körper-Geist-Gegensätze poetisch aufbricht. Uberhaupt ist sein Schreiben von antithetischen Strukturen und ihrer Durchbrechung und gegenseitigen Uberlagerung durchzogen. In dieser Reihung stehen Blindheit, Dunkelheit und Geist in paradigmatischer Beziehung; paradox werden sie mit ihren Opponenten - Seher, Flamme und Materie - vermischt und bezeichnen damit den schöpferischen Prozeß aus dem Nichts. Der blinde Seher hält die Hugo'sche Spannung zwischen Erhabenem und Groteskem: Done, la matiere pend a l'ideal, et tire I L'esprit vers l'animal, l'ange vers le satyre, I Le sommet vers le bas, l'amour vers l'appedt. I Avec le grand qui croule eile fait le petit. I C o m m e n t de tant d'azur tant de terreur s'engendre, I C o m m e n t le jour fait l'ombre et le feu pur la cendre, I Comment la cecite peut naitre du voyant, I C o m m e n t le tenebreux descend du flamboyant, I C o m m e n t du monstre esprit nait le monstre matiere, I Un jour, dans le tombeau, sinistre vestiaire, ITu le sauras [...]. 7 /

Hugos poetische Lichtmetaphysik, erwa in den Gedichtsammlungen Les Contemplations, Les Rayons et les ombres und Les Voix interieures, propagiert im Rahmen seiner bemerkenswert optimistischen Geschichtsphilosophie den heilsgeschichtlichen Aufstieg ans Licht. Aus Gautiers Beschreibung der Lichtverhältnisse in Contemplations spricht seine ganze Hugo-Verehrung:

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Vgl. dazu M. Grimaud. Competence narrative et nom propre. V. Hugo. L'Homme qui rit. I. S. 348ff. u. S. 365ff. Im Rahmen seines diskursanalytischen Herangehens unterscheidet Paulson die skeptische, die empfindsame und die visionäre Blindheit. Eine solche Studie könnte etwa ausgehen von Lasters Artikel zur letzten Unsicherheit des lyrischen Ich ausgehen, das »vision« von »science« trennt. Vgl. A. Laster. Les Avatars du contemplateur. - Weitere Arbeiten zum Visionär Hugo. J. Neefs. Marges d'ombre. - V. Brombert. Victor Hugo and the Visionary Novel. - R Georgel. La vision en silhouette. - Μ. Dassonville. Victor Hugo peintre et visionnaire. V. Hugo. Ce que dit la bouche d'ombre. In: Les Contemplations. XXVI. V. Hugo. Ce que dit la bouche d'ombre. In: Les Contemplations. XXVI.

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Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts

Dans Les Contemplations, la partie qui s'appelle Autrefois est lumineuse comme l'aurore; celle qui a pour titre Aujourd'hui es: coloree comme le soir. Tandis que le bord de l'horizon s'illumine incendie d'or, de topaze et de pourpre, l'ombre froide et violette s'entasse dans les coins; il se mele ä l'oeuvre une plus forte proportion de tenebres, et, ä travers cette obscurite, les rayons eblouissent comme des eclairs.78

b) Der Weg aus der schwarzen Nacht Ein irdisches und ein himmlisches Licht, »deux clartes du deuil«, betrachten einander im Gedicht Magnitude

parvi gegenseitig in der allgegenwärtigen, unend-

lichen Nacht: »ces deux yeux de la nuit I Dans l'immensite se regardent.« 7 9 Bei einer solchen Kontemplation der Dunkelheit 8 0 werden Hugos Protagonisten häufig beobachtet: Im Roman Les Travailleurs de la mer, der von Hugos Exilerfahrung auf der Insel Guernesey getragen ist, wagt die tragische Figur des Fischers Gilliatt mit seinem Dampfschiff die technologische Bezwingung der Naturgewalten. Auch Gilliatt betrachtet die Schwärze: »Parfois la nuit, Gilliatt ouvrait les yeux et regardait l'ombre. II se sentait etrangement emu. L'oeil ouvert sur le noir.« Hugo erklärt später diese Szene als Erkenntnis der Privation angesichts des gestaltlosen Seins des Unerkennbaren: »L'homme devant la nuit se reconnait incomplet. II voit l'obscurite et sent l'infirmite. Le ciel noir, c'est l'homme aveugle.« 8 1 Eine solche Erkenntnis, die ganze Wahrheit sowenig zu erkennen wie der Blinde das Licht, wird in der machtlosen Macht des blinden Sängers zum Gebet. Mit den Augen der Dunkelheit selbst verkehrt sich die Privation in einen Uberschuß, die dem Unbekannten 8 2 gegenüber, dem Geheimnis und dem Unendlichen, sich zum poetischen Erkenntnisprinzip verwandelt: litre impuissant, c'est une force. En presence de nos deux grandes cecites, la destinee et la nature, c'est dans son impuissance que l'homme a trouve le point d'appui, la priere. [...] La priere s'adresse ä la magnanimite des tenebres; la priere regarde le mystere avec les yeux meme de l'ombre, et, devant la fixite puissante de ce regard suppliant, on sent un desarmement possible de l'lnconnu. 83 78

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Th. Gautier. Les Progres de la poesie fran^aise depuis 1830. In: Histoire du romantisme. S. 389. V. Hugo. Magnitudo parvi. In: Les Contemplations. In: CEuvres completes. II. S. 389. - Vgl. dazu: »O deuil! est le baton de cet aveugle immense I Marchant dans cette immense nuit.« V. Hugo. Horror. In: Les Contemplations. In: CEuvres completes. II. S. 508. Ph. Lejeune. L'ombre et la lumiere dans >Les contemplations«. - A. Hof. Le sens du mot >ombre< dans >Les rayons et les ombresQue regardes-tu la avec tant de soin? Que cherches-tu dans les yeux de cet etre? Y vois-tu l'heure, mortel prodigue et faineant?< je repondrais sans hesiter. >Oui, je vois l'heure; il est l'Eternite!«« Ch. Baudelaire. L'Horloge. In: CEuvres completes. I. S. 299. Ch. Baudelaire. Danse macabre. In: CEuvres completes. I. S. 97. Ch. Baudelaire. Salon de 1859. In: Curiosites esthetiques. S. 383. P. Labarthe. Baudelaire et la tradition de l'allegorie. S. 439 u. S. 435.

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Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts

schwarzer Deckel, auf den der nach oben gewandte Blick trifft. 192 Poulet faßt seine Baudelaire-Deutung in der Spannung von Gegenwärtigkeit und Abwesenheit zusammen, die den metaphysischen Blick verdunkelt: »Plus je persiste ä lever les yeux vers celui dont mon sort depend, plus je sens honteusement ce qui me separe de lui.« 193 Das Umherirren der Blinden weist auf eine negative Unendlichkeit, in der die dialektische Spannung von Nähe und Ferne, Höhe und Tiefe erhalten bleibt: Leurs yeux, d'oü la divine etincelle est partie, Comme s'ils regardaient au loin, restent leves Au ciel; on ne les voit jamais vers les paves Pencher reveusement leur tete appesantie.

Die Schlußzeilen von Baudelaires Gedicht ziehen die Aufmerksamkeit zurück auf den Betrachter selbst, der sich mit dem Umherirren der Blinden vergleicht, aber im Unterschied zu ihnen nicht einmal mehr an den Himmeln nach dem Göttlichen sucht. Lp rise du plaisir jusqu'ä l'atrocite, Vois! je me traine aussi! mais, plus qu'eux hebete, Je dis: Que cherchent-ils au Ciel, tous ces aveugles?

Wenn es im von der Zensur verbotenen Text Femmes damnees heißt: »Ne me regarde pas ainsi, toi, ma pensee! [...] I Jamais un rayon frais n'eclaira vos cavernes«, 194 dann ist das Denken des Dichters gewissermaßen veräußerlicht zum Blindenblick einer Poesie der Moderne. Klinkerts und Labarthes Interpretationen des Gedichts haben die Entwicklung vom ersten zum zweiten Quartett als Bewegung vom Sinneseindruck zur Metaphysik der Leere gedeutet: die Betrachtung führt als ein »erst noch zu leistendes potentielles Sehen« zum paradoxen Ergebnis, daß die Imagination die ewige Stille der Blindheit erst erschafft. 195 Die Hieroglyphe wird Sinnbild einer modernen Welt, die als »dictionnaire hieroglyphique«196 dient und ins Geheimnis versetzt wird: Die Außenwelt wie die Innenwelt erscheinen ästhetisch verfremdet, sprachlich eigenständig und unlesbar verschlüsselt. Klinkert ordnet den Blinden bei Baudelaire ein: »Dieser Blinde ist kein Seher mehr wie Cheniers Homer oder Hugos blinder Dichter. Durch den Wegfall eines privilegierten Zugangs zur

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»Partout l'homme subit la terreur du mystere, I Et ne regarde en haut qu'avec un oeil tremblant. I En haut, le Ciel! ce mur de caveau qui l'etouffe [ . . . ] I Le Ciel! couvercle noir de la grande marmite I O ü bout l'imperceptible et vaste Humanite.« Ch. Baudelaire. Le Couvercle. In: CEuvres completes. I. S. 141. G . Poulet. Baudelaire. In: ders. La Pensee indeterminee. IL S. 145. Ch. Baudelaire. Femmes damnees. In: CEuvres completes. I. S. 155. T h . Klinkert. Beispielanalyse: Baudelaire >Les AveuglesLes Aveugles«. S. 251. Das Gedicht beginnt: »Man setzt ihn hinter einen Gartenzaun. I Da stört er nicht mit seinen Quälerein: I >Sieh dir den Himmel an!< Er ist allein: I Und seine Augen fangen an zu schaun. I Die toten Augen. [...]« G. Heym. Der Blinde. In: Dichtungen und Schriften. »Die Augen quellen aus der engen Haft, I Ein paar von weißen Knöpfen. Denn der Strahl I Des weißen Mittags schreckt die Toten nicht. I Der Himmel taucht in das erloschene Licht I Und spiegelt in dem bleiernen Opal.« R. M . Rilke. Pont du Carrousel. Das Buch der Bilder. In: Sämtliche Werke. I. S. 393. P. Pelissier. Mes Regrets. In: Poesies d'un sourd-muet. S. 102.

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Lichts

D i e Erläuterung des Gedichts durch den Poeten ist interessant: O h n e das Sehen versagt die Kunst zwangsläufig. D e r T a u b e kann im Gegensatz zum Blinden, so argumentiert Pelissier, über den B l i c k a u f die W i r k l i c h k e i t eine tieferliegende Analogie herausarbeiten, die dieser vorausgeht und sie erklärt: L'infirmite de l'aveugle est done universelle, sans compensation. C'est une privation physique contre laquelle l'art ne pourra jamais rien. L'infirmite qui provient de la privation de l'ou'fe peut etre compensee par les avantages de l'intelligence et temperee par la jouissance de la vue, organe sublime qui nous fait contempler Dieu dans son ceuvre, et qui, par la puissance de l'analogie, nous donne une idee de ce qui est abstrait. 202 D i e romantische Blindenpoesie gründete a u f der imaginativen Negation des äußerlichen Sehens. Ihre eigene Negation ebnet den W e g für den Erfolgszug des Visuellen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: Das vielbeschworene >Tagen< hat nicht zur entzauberten Positivierung der W i r k l i c h k e i t geführt, sondern vielmehr zur M o d e r n i t ä t des impressionistischen und des realistischen Blicks, zur »esthetique de la >vueRegard et malediction< aus J. Bril. Regard et connaissance. Avatars de la pulsion scopique. Zum bösen Blick allgemein: J.-P. Vernant. La mort dans les yeux. - G. Izzi. Scrittori della jettatura. - R. Klein. La forme et l'intelligible. - Th. Rakoczy. Böser Blick, Macht des Auges und Neid der Götter. - P. Bettez Gravel. The malevolent eye. - R. Ulmer. The evil eye in the Bible and in Rabbinic literature. - P. W. Schienerl. Dämonenfurcht und böser Blick. - L. DiStasi. Mal occhio (evil eye): the underside of vision. - Th. Hauschild. Der böse Blick. - Außerdem zwei historische Studien: O . Jahn. Über den Aberglauben des bösen Blicks bei den Alten. - L. Schneider. Der böse Blick. »Le feu voit, tout au moins le feu ethere, et la consequence est bien que les astres voient, tout ce qui est lumineux voit, y compris les miroirs.« - Zur »wilden« Herkunft dieses Körperdenkens schreibt Caisson: »La >pensee sauvage< est cette pensee qui, par le mythe, donne au sujet son equivalence avec des objets du monde [...] Le sens est anterieur ä la productivity subjective, et nous y retrouvons notre egalite avec le monde sensible oü nous vivons et qui seul nous permet de vivre. Ce sujet est done corporel, mais sa corporeite n'est pas celle d'une chose qui η est que chose; car le sens est dans les choses memes et non le produit de notre libre activite.« M. Caisson. La science du mauvais ceil (malocchio). S. 47f. Th. Gautier. Zit. nach: G. Poulet. Gautier. In: La Pensee indeterminee. II. S. 123. Hervorh.: Κ. N. »Atteindre le typique et s'y fixer, e'est atteindre, semble-t-il, l'eternel, l'immuable. L'oeuvre s'immobilise hors du temps, exempte de tout vice de forme, mais aussi de toute vie interne. Elle se veut intacte, inattaquable, en pleine lumiere, en pleine surface.« G. Poulet. Gautier. S. 119.

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Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts

cette lumiere aveuglante des pays chauds« 2 1 2 —, aus einer regelrechten Angst vor dem Unbestimmten, »le vague, l'indefinissable, le non-visualisable«. 213 Als am Ende des Gedichts Le Souper des armures der H a h n bei Morgengrauen kräht, verschwinden die Nachtgespenster. U n d Baudelaire bezieht sich auf Gautier, wenn er fragt: »Qui pourrait concevoir une biographie du soleil?« 214 Eigeldinger hat in seiner Studie Le Soleil de la poesie detailliert nachgewiesen, daß Gautier sich als poete solaire vom poete nocturne Baudelaire unterscheiden läßt: Baudelaire betont die lebensspendende u n d zerstörerische Ambiguität der Sonne. Der Sonnenaufgang wird als Erneuerung, als Lichtexplosion interpretiert, aber das helle Tageslicht erscheint als brutal und trivial, weshalb Baudelaire das verlöschende Licht der A b e n d d ä m m e r u n g u n d künstliche Beleuchtung sucht. 2 1 5 Gautier dagegen meidet alles Neblige, Wolkige, Trübe u n d scheint von einer regelrechten Angst vor der Nacht getrieben zu sein, einer Angst auch vor dem Nichts u n d der Abwesenheit: Im Gedicht Tenebres schreibt er: »l'aveugle nuit semble prendre des yeux«. 2 1 6 So sucht Gautier das gleißende Mittagslicht u n d Fromentins schattenloses Wüstenlicht. 2 1 7 Im Roman Mademoiselle de Maupin schreibt er: »Je veux que le soleil entre partout, qu'il y ait le plus de lumiere et le moins d'ombre possible«, 218 in der Erzählung Spirite erlebt Malivert w u n derbaren Blendungen, die in ihrem verfeinerten Lichterspiel ausführlich zitiert werden sollen: Enfin Malivert se coucha et ne tarda pas a s'endormir. Son sommeil fut leger, transparent et rempli de merveilleux iblouissements qui η avaient pas le caractere des reves, mais bien plutot celui de la vision. Des immensites bleuätres, oil des trainees de lumiere creusaient des vallees d'argent et d'or se perdant en perspectives sans bornes, s'ouvraient devant ses yeux fermes\ puis ce tableau s'evanouissait pour laisser voir ä une profondeur plus grande des ruissellements d'une phosphorescence aveuglante, comme une cascade de soleils liquefies qui tomberait de l'eternite dans l'infini; la cascade disparut ä son tour, et a sa place s'etendit un ciel de ce blanc intense et lumineux qui revetit jadis les transfigures du Thabor. De ce fond, qu'on eüt pu croire Γ extreme paroxysme de la splendeur, pointaient 5a et lä des elancements stellaires, des jets plus vifs, des scin-

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Th. Gautier. Salon de 1847. VII. Peintres d'eglogues et de bucoliques. ppp G. Poulet. Gautier. In: ders. La Pensee indeterminee. II. S. 114. Ch. Baudelaire. Theophile Gautier. In: L'Art romantique. S. 661. M. Eigeldinger. Le Soleil de la poesie. Gautier, Baudelaire, Rimbaud. S. 72, 76, 83, 99. Th. Gautier. Tenebres. In: Poesies diverses. Μ. Eigeldinger. Le Soleil de la poesie. S. 15ff. - Gautier berichtet über Eugene Fromentins Reiseberichte, wie der Blick in südlichen Ländern geblendet wird, sobald die abgedunkelten Innenräume betreten werden. Vgl. Th. Gautier. Eugene Fromentin: In: Le Moniteur universel (28. Mai 1859). Auch in Ecrits sur l'art (3). - Ähnliches erzählt er über die Augen, die ans »sobre regime du gris« gewöhnt sind und plötzlich dem blendenden Licht Ägyptens ausgesetzt sind. In: Th. Gautier. Tableaux a la plume. Exposition de tableaux modernes II. Th. Gautier. Mademoiselle de Maupin. S. 135.

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filiations plus intenses encore. II y avait dans cette lumiere, sur laquelle les etoiles les plus brillantes se fussent decoupees en noir, comme le bouillonnement d'un devenir perpetuel. De temps en temps, devant cette irradiation immense passaient, comme des oiseaux devant le disque du soleil, des esprits discernables non par leur ombre, mais par une lumiere differente. Dans cet essaim, Guy de Malivert crut reconnaitre Spirite, et il ne se trompait pas, quoiqu'elle ne parüt qu'un point brillant dans l'espace, qu'un globule sur la clarte incandescente. Par ce reve quelle provoquait, Spirite avait voulu se montrer a son adorateur dans son milieu veritable. L'äme, denouee pendant le sommeil des liens du corps, se pretait ä cette vision, et Guy put voir quelques minutes avec I'oeil interieur, non pas l'extramonde lui-meme, dont la contemplation n'est permise q u a des ames tout ä fait degagees, mais un rayon filtrant sous la porte mal fermee de l'inconnu, comme d'une rue sombre on voit sous la porte d'un palais illumine en dedans une raie de vive lumiere qui fait presumer la splendeur de la fete. Ne voulant pas fatiguer l'organisation encore trop humaine de Malivert, Spirite dissipa les visions et le replongea de l'extase dans le sommeil ordinaire. Guy eut la sensation, en retombant dans la nuit du reve vulgaire, d'etre pris comme un coquillage dans une päte de marbre noir par des te'nebres d'une densite impenetrable; puis tout s'effa^a, meme cette sensation, et Guy, pendant deux heures, se retrempa dans ce non-etre d'oü la vie jaillit plus jeune et plus fraiche. 219 N a c h der dichten A b f o l g e der Erscheinung von schläfriger Vision über transzendente Bläue u n d K a s k a d e n v o n Sonnenlicht bis hin zur weißen H i m m e l s w e i t e u n d zu flüchtigen Lichtreflexen ist es bezeichnend, d a ß G u y de Maliverts Ekstase der idealistischen Körpernegation gerade noch entgeht, aber a m A b g l a n z die Pracht eines spirituellen Festes erahnt, nach der die Beschreibung der Rückkehr in seinen K ö r p e r durch Bilder absoluter Dunkelheit zeigt, wie sich das

clair-ob-

scur bei Gautier zugespitzt hat. D a s reine Licht des Ästhetizismus taucht die Z ü g e der Gautierschen Protagonisten in ein statuarisches Weiß: »une blancheur lactee, m a r m o r e e n n e , eblouissante, lumineuse« etwa in Partie carre'e,220 u n d in der Erzählung ]ettatura

erstrahlt die H a u t der Geliebten als »une p e a u d ' u n e blan-

cheur eblouissante a rendre j a u n e le lait, la neige, l'albätre, la cire vierge, et tout ce qui sert aux poetes ä faire des comparaisons blanches«. 2 2 1 W e n n Gautier von blicklosen A u g e n spricht - » m a prunelle sans paupiere« bzw. »son grand ceil sans paupiere« heißt es in den G e d i c h t e n 2 2 2 - , spricht er d e m n a c h als Sonnendichter. Dies gilt auch für das G e d i c h t L'Aveugle, das in der S a m m l u n g Emaux et Camees11^

steht u n d sich einem einzelnen Blindenmusiker

w i d m e t , der wie bei Baudelaire vorerst als unzeitgemäßes Relikt in der modernen Stadt äußerlich beschrieben wird:

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Th. Th. Th. Th. Th.

Gautier. Gautier. Gautier. Gautier. Gautier.

Spirite. In: CEuvres completes. IV. S. 73f. Hervorh.: Κ. N. Partie carree. In: CEuvres completes. X. S. 56. Jettatura. In: CEuvres completes. IV. S. 73f. Hervorh.: K. N. S. 155. Poesies completes. II. S. 198. / I. S. 103. L'Aveugle. In: CEuvres completes. V. S. 107f.

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Un aveugle au coin d'une borne I Hagard comme au jour un hibou, I Sur son flageolet, d'un air morne ITätonne en se trompant de trau, Et joue un ancien vaudeville I Qu'il fausse imperturbablement; I Son chien le conduit par la ville, I Spectre diurne ä 1'oeil dormant.

Gautier allerdings sieht völlig vom Blick des Blinden ab u n d wendet sich sein e m verrätselten Innenleben zu: Les jours sur lui passent sans luire I Sombre, il entend le monde obscur I Et la vie invisible bruire I Comme un torrent derriere un mur! Dieu sait quelles chimeres noires I Hantent cet opaque cerveau! I Et quels illisibles grimoires I L'idee ecrit en ce caveau!

Wie können wir uns angesichts dieser W e n d u n g Poulets D i k t u m erklären? »II n'y a pas d'etre moins introspectif que Gautier«, 2 2 4 schreibt dieser. Das Unsichtbare hat bei Gautier kaum etwas mit Baudelaires suchendem Blick an einem leeren H i m m e l zu tun. Die Blindheit ist zur existentiellen Privation geworden, die dunkle Realität verbirgt sich hinter einer getrübten Wand, und wie in H o f mannsthals Chandos-Brief rückt die Autonomie der Hirngespinste in den Vordergrund: Innerlichkeit gerät zur unlesbaren Signatur der Moderne. Die beiden Schlußstrophen personalisieren diese existentielle Situation n u n wieder zum lesbaren Sinnbild der Kerkergefangenschaft, die wir bereits bei Diderot ausführlicher besprochen haben. Die Nacht ist auch bei Gautier ewig geworden, aber die Schlußwendung weitet sich unvermittelt zur christlichen Jenseitshoffnung: Ainsi dans les puits de Venise, I Un prisonnier ä demi fou, I Pendant sa nuit qui s'eternise, I Grave des mots avec un clou. Mais peut-etre aux heures funebres, I Quand la mort souffle le flambeau, I L'äme habituee aux tenebres IY verra clair dans le tombeau!

Labarthe hat die drei letzten Strophen, die sich dem Innerlichen zuwenden, als befragende, vergleichende u n d hypothetische weiter ausdifferenziert. Wollte man Parallelen zu Baudelaires Blindensonett herstellen, man fände sie im tastenden Umherirren, der Grenz- und der Lesbarkeitsmetaphorik, dem erloschenen Leuchten, dem verstörend düsteren Grundcharakter inmitten der hellen Gegenwart. Beide beziehen sich in negativer Begrifflichkeit auf die Ewigkeit, die still u n d dunkel bleibt. Bei Gautier bleibt allerdings im alten Musikstück ein tröstlicher Vergangenheitsbezug bestehen. Fehlt ihm auch der Traumvergleich und die Asthetisierung des blinden Blicks, so wird doch über das Gehirn und die Schrift der Zeichencharakter der W a h r n e h m u n g stark betont. Baudelaire verharrt fragend in der Negativität, während Gautier mit Erlösungshoffnungen endet.

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G. Poulet. Gautier. In: La Pensee indeterminee. II. S. 115.

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Gautiers ästhetische Solarisation der Welt ist zugleich vom Anspruch der Realisten zu unterscheiden, die »das hinter den Chiffren verborgene Unsichtbare ans Licht«225 bringen wollen. Was bei Baudelaire der tote Blick des Blinden an einen leeren Himmel ist, findet seine Entsprechung in einem gefährlichen Schneesturm von Gautiers Roman Le Capitaine Fracasse. Die Augen leuchten im Schneesturm blind und todmüde, und auch danach kündet eine gespenstisch gestaltlose Landschaft in eiskaltem Licht von Gautiers Gegenbild der gleißenden Sonne, der horreur blanche: La pauvre rosse qui le trainait n'en pouvait plus; ses jambes se roidissaient; des frissons couraient Sur sa peau fumante et baignee de sueur. Un effort de plus, et eile tombait morte; dejä une goutte de sang perlait dans ses naseaux largement dilates par ('oppression de la poitrine, et des lueurs vitrees passaient sur le globe de l'oeil. Le terrible dans le sombre η'est pas difficile ä concevoir. Les tenebres logent aisement les epouvantes, mais l'horreur blanche se fait moins comprendre. Cependant, rien de plus sinistre que la position de nos pauvres comediens, päles de faim, bleus de froid, aveugles de neige et perdus en pleine grande route au milieu de ce vertigineux tourbillon de grains glaces les enveloppant de routes parts. [...] Enfin l'ouragan tomba, et la neige, suspendue en l'air, put descendre moins tumultueusement sur le sol. Aussi loin que l'oeil pouvait s'etendre, la Campagne disparaissait sous un linceul argente. 226

Tatsächlich geht in der geschilderten Romanszene während des Schneesturms einer der Schausteller verloren, und als kurz darauf auch noch die Nacht hereinbricht, erscheinen die Verhältnisse von Grund auf verkehrt: Die Erde verbreitet ihr kalt-silbriges Leuchten gegenüber einem schwarzem Himmel.

b)

Observationen des Blinden

Welches Schicksal erfährt bei der hier skizzierten Entwicklung nun die Figur des Blinden? Die Negation auf zweiter Stufe in der postromantischen Ästhetik ähnelt dem Versuch, Blinde zu blenden: Pour aveugler un aveugle, il suffit de lui mettre un bandeau sur les yeux; et en disant cela, je parle de I'aveugle qui est enveloppe de tenebres completes, de l'aveugle dont la retine est detruite, le cristallin aneanti, le nerf optique paralyse, et non point de l'aveugle qui, semblable au voyant fermant les yeux, conserve encore un reste de vision ä l'aide duquel il distingue le jour de la nuit. 2 2 7

225

226

227

A. de Toro. Formen des Sehens im französischen Kultursystem des 19. Jahrhunderts. S. 56. Th. Gautier. Le Capitaine Fracasse. S. 164. - Zur silbernen Klarheit der Photographie hat Gautier ein Verhältnis, das von Baudelaire recht verschieden ist. Vgl. B. Stiegler. Philologie des Auges. S. 327-349. M. du Camp. Les Soeurs aveugles de Saint-Paul. In: ders. La Charite privee ä Paris. S. 392.

318

Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts

Es ist schwer möglich und wohl auch kaum erstrebenswert, die postromantischen Blinden auf einen Nenner zu bringen, der über das hinausgeht, was hier Negation des schwarzen Lichts genannt wurde, also Negationsbewegungen der idealistischen Negation. Conrad Ferdinand Meyers Gedicht Das Auge des Blinden kann für diesen Schritt als Motto dienen: »Ist es trunken? Loht's im Wahnsinn? I Es ist leer. Es ist erloschen!« 228 Wir wollen dennoch kurz einige weitere signifikante Blinde in der französischen Literatur des 19. Jahrhunderts nennen, um die anfangs am Bild des geschlossenen Fensters postulierte Umschaltung eines äußeren auf ein inneres Geheimnis, von der analogischen Verzauberung der Welt auf die realistische Oberflächenbeobachtung mit dem Anspruch auf Tiefendurchdringung aufzuzeigen: »Das Kameraauge sieht tatsächlich für dich, auch wenn du blind wärest.« 229 In der vorliegenden Arbeit fehlte bislang Balzac, der mit dem blinden Musiker Facino Cane und der venezianischen Geschichte seiner Geldgier einen tragisch überhöhten Blinden erschaffen hat: Figurez-vous le masque en platre de Dante, eclaire par la lueur rouge du quinquet, et surmonte d'une foret de cheveux d'un blanc argente. L'expression amere et douloureuse de cette magnifique tete etait agrandie par la cecite, car les yeux morts revivaient par la pensee; il s'en echappait comme une lueur brülante, produite par un desir unique, incessant, energiquement inscrit sur un front bombe que traversaient des rides pareilles aux assises d'un vieux m u r . 2 3 0

Am Anfang der Geschichte problematisiert Balzac das Verhältnis von Beobachtung und Einbildungskraft: »Chez moi l'observation etait dejä devenue intuitive, eile penetrait l'äme sans negliger le corps; ou plutot eile saisissait si bien les details exterieurs, quelle allait sur-le-champ au delä.« Zwar lehnt Balzacs realistische Programmatik ästhetischen Piatonismus ab, aber von seiner intensiven Beschäftigung damit zeugen Werke wie Le Livre mystique, La Recherche de l'Absolu, Le Chef-d'oeuvre inconnu. In Seraphita schreibt Balzac regelrecht einem prophetischen Essentialismus das Wort: »pour les Voyants, tout est d'une realite pure.« 231 Aber auch in seinen als >realistisch< eingeschätzen Werken ist es das zweite Gesicht des Schriftstellers, das die Wahrheit des Romans garantiert, so etwa im Vorwort zu La Peau de chagrin, wo er den »ecrivains reellement philosophiques« eine wissenschaftlich nicht erklärliche Fähigkeit zuweist: »C'est une sorte de seconde vue qui leur permet de deviner la verite dans toutes les situations possibles.« 232 Nicht sklavisch reproduzierend, sondern spiritualisierend und verklärend, zeigt

228 229 230 231 232

C. F. Meyer. Sämtliche Werke. II. S. 2 0 8 . Chr. Türcke. Erregte Gesellschaft. Philosophie der Sensation. S. 1 9 5 . H. de Balzac. Facino Cane. In: CEuvres completes. Scenes de la vie parisienne II. Η. de Balzac. Seraphita. Kap. 3: >Seraphitas-SeraphitusRealismus< der Welterfahrung Blinder ausmacht. Für ersteres stehen die geheimnisvollen Blinden in den Populärromanen Eugene Sues Les Mysteres de Paris und Paul Fevals Les Mysteres de Londres;

für letzteres Maupassants Sozialstudie

u n d Villiers de l'Isle-Adams Erzählung Vox populi

L'Aveugle

der Contes cruels. Aus beiden

genannten Perspektiven erklärt sich die Irritationskraft blinder Figuren, wie sie

241

242

»Bien des aveugles ne sont pas tout ä fait maitres d'eux-memes et ont, dans le caractere, des defauts qui resultent de leur infirmite. Beaucoup d'entre eux sont tourmentes par des souffrances indefinies qui souvent se traduisent par des irregularites d'humeur dont ils ne sont pas trop responsables. Le manque d'equilibre dans le systeme nerveux n'est point rare chez des etres incomplets; c'est lä une maladie contre laquelle »la morale« est impuissante et que les observations ne guerissent pas. Lorsqu'un aveugle se complait dans l'admiration de soi-meme, lorsqu'il ment sans avoir un motif determinant de fausser la verite, on peut etre certain qu'il est malade et que sa cecite se complique d'une nevrose qui, sans se manifester par des phenomenes exterieurs, impriment une certaine deviation aux facultes de l'esprit.« M. Du Camp. Les Jeunes-Aveugles. S. 347. E. Zola. Le Roman experimental.

322

Dritter Teil: Negation des schu/arzen Lichts

sich etwa in Champfleurys Monsieur de Boisdhiver243 und Flauberts Madame Bovary244 finden. Der Realismus in der Kunst bezeichnet, so sagten wir, weniger eine >objektiveauthentische< oder gar >wahre< Form der Repräsentation von Wirklichkeit, sondern in erster Linie die Ausweitung des legitimen Anspruchs symbolischer (künstlerischer, ästhetischer) Repräsentation auf Wirklichkeitsbereiche, die der Kunst bis dahin verschlossen waren. 2 4 5 Der blinde Rhapsode bildete den H ö h e p u n k t einer ästhetisch-sakralisierenden Wiederaufwertung der Blindenfigur, die auf deren philosophisch-analytische Indienstnahme im 18. Jahrhundert folgt u n d wiederum in eine sozialrealistische Säkularisierung im vorangeschrittenen 19. Jahrhundert mündet: Ainsi en va-t-il de la cecite representee. II pourrait etre tentant de poser en guise de postulat une progression lineaireprogresanimation< hat die Beseelung in den Kontext der visuellen Bewegung gestellt. R. Barthes. La Chambre claire. Kap. I. S. 4 u. 20; II. S. 36. »[...] oü 1'afFect (l'amour, la compassion, le deuil, Γ elan, le desir) est garant de l'etre.« R. Barthes. La Chambre claire. S. 176. >»[...] (ce qui est cache est pour nous, Occidentaux, plus >vrai< que ce qui est visible).« R. Barthes. La Chambre claire. S. 41.

Imaginationen der Moderne

329

me dans le mythe de la Femme sans Ombre, il ne reste plus quun corps sterile. C'est par cet ombilic tenu que le photographe donne vie; s'il ne sait pas, soit manque de talent, soit mauvais hasard, donner ä l'äme transparente son ombre claire, le sujet meurt ä jamais. (169) Nach alledem wird es nicht überraschen, daß Barthes, um das punctum zu erläutern, eine Photographie von Kertesz aus dem Jahr 1921 ausgewählt hat, die einen ungarischen Zigeunergeiger zeigt, geführt von einem Jungen. Denn der Geiger ist blind. 274 Sein Schatten fällt auf einen Erdweg in Mitteleuropa, den Barthes selbst bereiste und auf den er sein eigenes »denkendes« Auge richtet. Einmal fragt sich Barthes, nachdem ihn im Cafe mehrfach der schweifende Blick eines jungen Mannes streifte, über die »unbegreifliche Umkehrung« des Photographischen: »wie kann man ansehen ohne zu sehen?« — »comment regarder sans voir?« (172) Gezeigt hat er dies in seiner camera lucida.

d) Negativität der

Photographie

Friedrich Kittlers Übergang von der Camera Obscura zur Photographie orientiert sich an der Möglichkeit einer Negativität der Bildenden Kunst: »Das Negativ aller Malerei« sei demnach nicht in der symbolischen Bedeutung oder der imaginären Wirkung der Farben, sondern in ihrer schlichten Gegebenheit zu finden, es »hauste in ihrer nackten Materialität«. 275 Dass nun Jacques Le Riders Geschichte der Farbe der Blindheit ein Kapitel widmet, deutet auf dieselbe Tatsache. 276 Analog zur Ästhetik der schwarzen Sonne, wie sie für die Romantik diskutiert wurde, ist für die Photographie die Negativität ihrer Repräsentationsverfahren konstituierend: »La tache de ce soleil noir, dechirure qui nous donne, sous l'apparence de l'eclat eblouissant, le negatif de l'inepuisable profondeur negative.« 277 Die Negativität des photographischen Lichts liegt im chemischen Teil des photographischen Prozesses begründet, der zeitlich kontrollierten Schwärzung von Silbersalzen: 278 Das Licht verdunkelt die entsprechenden Stellen, und erst die Fixierung des empfindlichen Trägers soll in einem zweiten Schritt verhindern, daß dieser Prozeß bis zur völligen Schwärze 279 weiterschreitet. Entstanden ist das Negativ eines Bildes. Lemagny nannte deshalb die Photographie »l'art de constituer des formes avec du noir«, und die Diskussion um den »Wirklichkeit-

R. Barthes. La Chambre claire. S. 74. Fr. Kittler. Optische Medien. S. 157. 2 7 6 J. Le Rider. Les couleurs et les mots. Insbesondere ist der von Le Rider verfolgte Zusammenhang zwischen malerischer Abstraktion u n d Befreiung des Schreibens vom Mimetischen hier zu beachten. 2 7 7 M . Blanchot. L'Amitie. S. 51. 2 7 8 Zu chemischen Experimenten im 17. Jahrhundert mit Silbersalzen, die durch Licht geschwärzt werden, vgl.: B. Busch. Belichtete Welt. S. 161. 279 v g l . dazu: Ch. Grivel. Noir absolu de l'image. - Ch. Grivel. Noir. 274

275

330

Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts

scharakter« 280 der Photographie drehte sich um diesen Prozeß: Talbot bezeichnete die Photographie in nächster Nähe zur mythologischen Gründungsszene der Malerei Skiagraphie, und noch Raoul Haussmann prägt den Begriff Melanographie, beide erscheinen korrekter als der im 19. Jahrhundert ebenfalls gebräuchliche Ausdruck Heliographie. An der Frage des Spur- oder Abdruckcharakters der Photographie scheiden sich die beiden großen Deutungsstränge der Medienästhetik. 281 Daston und Galison sprechen der Photographie das Gütesiegel metaphysischer oder aperspektivischer Objektivität ab und reduzieren sie auf einen simplen mechanischen Rest. Paradoxerweise geriet allerdings die Objektivität zum subjektiv faszinierenden Symbol einer Ausschlußbewegung des Subjektiven, das bislang im »titanischen Künstler« verkörpert war. 282 Flusser formuliert das Gebot in testamentarischem Ton: »Das wissenschaftliche Universum [...] soll nicht vorgestellt werden«. 283 Seine Herleitung des technischen Bildes aus einer wissenschaftlichen SchwarzWeiß-Optik beschreibt so die Austreibung der Farben aus der Bilderflut, freilich ohne sich den naheliegenden Goethe-Verweis verkneifen zu können: Schwarz ist totale Abwesenheit aller im Licht enthaltenen Schwingungen, Weiß totale Gegenwart aller Schwingungselemente. Schwarz und Weiß sind Begriffe, zum Beispiel theoretische Begriffe der Optik. Da schwarz-weiße Sachverhalte theoretisch sind, kann es sie in der Welt tatsächlich nicht geben. Aber schwarz-weiße Fotos, die gibt es tatsächlich. D e n n sie sind Bilder von Begriffen der Theorie der Optik, das heißt, sie sind aus dieser Theorie entstanden. [...] Der Nachteil einer solchen schwarz-weißen Weltanschauung wäre freilich, daß diese Mischung nicht farbig, sondern grau ausfiele. Grau ist die Farbe der Theorie. (38f.)

Es wäre vereinfacht, die Wahrnehmungsrevolutionen des 19. Jahrhunderts allein und direkt aus den technologischen Neuerungen der photographischen Industrie herzuleiten. Vielmehr entfachen sich in der Diskussion um die Zurichtung der Sinne ältere ästhetische Debatten über das Sehen der Moderne neu: Die Theoriegeschichte der Photographie beerbt die westliche »Bildtradition«, 284 mithin die Begründung des Kunstcharakters bzw. der Autorschaft und die objektive Wiedergebbarkeit der Wirklichkeit. In der Frage, ob die Photographie mimetisch oder symbolisch ist, aktualisiert sich die ästhetische Alternative zwischen der Ähnlichkeit und der Projektion des sinnlichen Erfassens: Wir legen ja bereits vor Talbots Phantasma der photographischen Selbstfixierung der Natur »in die Dinge hin-

280

H. von Amelunxen. Die aufgehobene Zeit. S. 60. »Qui dit >trace< ne dit pas >empreinteOberfläche< der modernen Lebenswirklichkeit treten Kunst und Literatur als Statthalter der >Tiefe< und ihrer humanen Potentiale entgegen.«288 Die Photographie, die eben noch als trauriger Gegenpart der poetischen Blindheit gehandelt wurde - und die dieser ihren Erfolgszug in den Wissenschaften289 und dem Photojournalismus290 verdankt - , vereinigt die vormaligen Gegensätze schon bald in sich und tritt sogar in den Dienst des Spiritismus, des Symbolischen und des Phantastischen.291 In Anlehnung an Barthes' Begrifflichkeit und zugleich gegen dessen Konzept gerichtet, spricht Grivel vom »9a n'a jamais ete«292 der Photographie. Der dunkle Raum hinter den Büchern auf der Photographie Szene in einer Bibliothek in Talbots The Pencil of Nature293 hat insofern nur noch wenig mit der Schwärze zu tun, der Victor Hugo seine poetischen Visionen entgegensetzt. Denn die Photographie hat laut Tisserons Untersuchung des photographischen Unbewußten ihren Status gewechselt: »La photographie n'est plus seulement l'ombre de son objet. Elle est sa lumiere interieure en quel-

285

286 287 288 285

290

291 292 293

Chr. Menke. Wahrnehmung, Tätigkeit, Selbstreflexion. Zu Genese und Dialektik der Ästhetik. S. 22. R. Krauss. Impressionismus. Der Narzißmus des Lichts. B. Kleimann. Das ästhetische Weltverhältnis. S. 23ff. G. Plumpe. Der tote Blick. S. 173. Um einem Photographieverständnis zu entgehen, das letztlich jede Photographie mit Bezug auf das technische Dispositiv als wissenschaftlich kennzeichnet, verlagert Gunthert die Diskussion auf die Rezeption des Bildes als wissenschaftlicher Erkenntnisquelle. Vgl. A. Gunthert. La Retine du savant. Amar zeigt die Querverbindungen zwischen Bildtechnologie und Drucktechnik, Soziologie bzw. der Ökonomie des dokumentarischen Bildes und der bildjournalistischen Entwicklung, vgl.: P.-J. Amar. Le Photojournalisme. Vgl. Ch. Grivel. Fantastique-Fiction. - Ch. Grivel. Fantastique, Fiction, Vision. Ch. Grivel. Maeterlinck. Le n'a jamais ete< de la photographie. Die Interpretation von B. Busch hat B. Stiegler wiederaufgenommen. Vgl.: B. Busch. Belichtete Welt. S. 203. - B. Stiegler. Philologie des Auges. Einleitung.

332

Dritter Teil: Negation des schwarzen Lichts

que sorte piegde, une lumiere interieure appelee ä briller eternellement dans un scintillement triomphal.« 2 9 4 Mit dem Ausdruck >Negativität der Photographie< ist hier eine U m k e h r u n g gemeint, die sich zum einen aus der chemischen Schwärzung der Belichtung ergibt. Das Negativ ist nach Frizot an Innerlichkeit gebunden, u n d die Negation der Licht-Schatten-Opposition führt zu einer chiastischen Verkehrung ihrer Zuschreibungen: Dans la photographie comme dans la realite, l'ombre et la lumiere n'existent pas l'une sans l'autre mais l'une par rapport ä l'autre. Cependant, dans la realite, c'est la lumiere qui, bien qu'impalpable, est materielle: sa vitesse, son intensite se mesurent. Alors que l'ombre n'est qu'une absence de lumiere, negativite absolue. Mais en photographie, c'est le contraire. 295

Z u m anderen geht mit der Negativität der Photographie zugleich die Negativität des Bildkonzepts an sich einher: »Das Bild wird n u n zum O r t einer Veräußerlichung, einer partiellen Enthüllung des Unsichtbaren. M a n begreift die Negativität als O f f e n b a r u n g u n d Epiphanie.« 2 9 6 In Bezug auf das verkehrte HellDunkel-Verhältnis war für die Aufklärung der Idealismus, was einem wie auch immer gearteten >visuellen Positivismus< der Piktorialismus war, u n d insbesondere die symbolistische Bedeutung des negativen Lichts ist hier von grundlegender Bedeutung. 2 9 7 Über die Negativität hat die säkulare Selbstsakralisierung der Poesie u m 1800 sich gegen 1900 auf die Photographie als Kunstform übertragen: »De tous les arts profanes, la photographie est, du fait de son rapport ä la lumiere et ä la transfiguration, celui dont l'imaginaire se tient au plus pres d'un art sacre«. 298

294 g Tisseron. Le Mystere de la chambre claire. Photographie et inconscient. S. 73. 295 J.-Cl. Lemagny. Noirs et mythes. S. 260. 296 M. Frizot. Negative Ikonizität. Das Paradigma der Umkehrung. S. 414. 297 M. Frizot. Negative Ikonizität. Das Paradigma der Umkehrung. S. 427 u. 433. 298 S. Tisseron. Le Mystere de la chambre claire. Photographie et inconscient. S. 62.

Schluß: Blindheit als Problemstellung einer Ästhetikgeschichte der Moderne

Au cent quinze Central, nous disions, par jeu: Mehr Licht! Et je m'obstinais ä traduire: trop de lumiere, meme lors que la terre a tremble.1 D i e Asthetikgeschichte der Blindheit ist keine Wahrnehmungsgeschichte unter anderen, sondern sie betrifft die visuelle Modernität von Kunst in ihrem Kern. Dies hat sich in den drei Schritten der vorliegenden Arbeit an einem Korpus aus erkenntnisphilosophischen, ästhetischen und literarischen Texten gezeigt. Ein erster Teil führte von der Objektivierung der Wahrnehmung im Starstich z u m empfindsamen Sehen der Anaglyptographie. D u r c h die Säkularisierung des vormals göttlichen Lichtstrahls bei Descartes trennt sich die Wahrheit von der Sichtbarkeit u n d das D e n k e n von der Welt. D i e Aufwertung einer produktiven Einbildungskraft ist das Produkt einer sensualistischen Kritik an einer dogmatischen Einbildungskraft, wie Holbach sie systematisch formuliert. Diderots vier Blindenfiguren im Brief über die Blinden und der spätere Zusatz zeichnen den Weg von der Aufklärung zur Empfindsamkeit als folgerichtigen Prozeß nach, wobei Diderot die Zeichenprozesse der Symbolisierung und die Metaphorizität der Blindheit miteinander zur ästhetischen Problematisierung des radikalen Materialismus miteinander verknüpft. D i e Faszination der Privation - als Anschauungsgegenstand der rationalistischen Analyse und als experimentelles Setting einer philosophischen Logik der Negation - läßt sich in D e c k u n g bringen mit dem Beginn der Subjektivität: Die Kategorie der leiblichen Erfahrung ist auf Kosten mathematischer Modelle in den Vordergrund gerückt, so anhand etwa von M o lyneux' Infragestellung eines sensus communis,

der alle Sinnesdaten zu bündeln

hätte, die ihrerseits je auf dieselbe objektive Welt verweisen müßten. Der Starstich als Urszene der Aufklärung inszenierte einerseits im Niederstechen der eingetrübten Augenlinse des Blinden den Selbstausgang aus dem u n m ü n d i g e n Absehen von der kritischen Sinnlichkeit der Sensualisten. Andererseits schlug gerade im emphatischen Berühren der Seele das Starstechen u m

Ph. Lacoue-Labarthe. Phrase. S. 92.

334

Schluß: Blindheit als Problemstellung

einer Ästhetikgeschichte

der Moderne

zur hochsubjektiv affizierenden Rührszene, zur Anaglyptographie empfindsamen S c h r e i b e n s . D e r W i d e r s p r u c h zwischen O b j e k t i v i e r u n g u n d S u b j e k t i v i e r u n g der W a h r n e h m u n g spitzte sich in der ästhetischen D e b a t t e u m die B l i n d h e i t zu. N a c h d e m der erste Blick nach und nach seinen Status als erkenntnisphilosophisches E x p e r i m e n t verloren hat, wird er z u m Faszinosum einer intensivierten E m p f i n d u n g . Rousseaus fortschrittskritisches D e n k e n ist hier nicht als M o dernisierungsrückschritt, sondern als Aufklärung im Bewußtsein ihrer eigenen D i a l e k t i k zu verstehen, als Verschwinden des Körpers in der Aufwertung des Selbstgefühls, das M a n f r e d Frank als Vorläufer des Selbsthewußtseins

beschreibt. 2

Gerade da das Subjekt der M o d e r n e , d. h. eine von der äußeren W i r k l i c h k e i t abgeschnittene Innenwelt, keinen evidenten S i n n m e h r schaffen kann, wird bei Herder Subjektivität aus d e m Sensualismus u n d zugleich ästhetische Erfahrung aus der Physiologie hergeleitet. D e r Tastsinn - bei D i d e r o t n o c h Vertreter einer materialistischen W a h r n e h m u n g - wird mit Herders Ästhetik der Plastik bis 1 8 0 0 als realitätsrettender, täuschungsresistenter Sinn der Präsenz bzw. des Kontakts umgedeutet u n d erhält in dieser Zeit seine eigene Schrift, den empfindsamen Text, die Anaglyptographie. D i e M o d e r n i t ä t des idealistischen Sehens hat der zweite Teil nachgewiesen: als Dialektik von M a s k e und Vision. D e r Phänomenalismus reiner Bewußtseinsinhalte kann nicht m i t referentiellen Wirklichkeitsverweisen operieren. M i t d e m E n d e der abendländischen ontologischen Metaphysik, den der D e u t s c h e Idealismus markiert, gerät auch das Sehen in die Krise der Reflexion, wie sie von J e a n Paul in das Bild des Doppelspiegels gebracht wird: Das transzendental geschlossene innere Sehen wurde a n h a n d von Fichtes radikaler Negation eines außersubjektiven N i c h t - I c h s als philosophisches E p o c h e n p r o b l e m identifiziert, a u f das Schelling u n d Hegel zu reagieren haben. D i e Vereinigungsphilosophie versucht die A u f h e b u n g des Dualismus, der nach M i c h e l Serres n u r m e h r zwischen körperlosem »spectre« u n d u n d leblosem »squelette« unterscheiden k a n n . 3 Das dunkle Leuchten in sich selbst deutet, so wurde gezeigt, ebenso a u f die verunsicherte A b d u n k l u n g metaphysischer H o f f n u n g e n wie a u f den ästhetischen S c h e i n der Freiheit. D i e Aporien weltloser Innerlichkeit u n d reflexiver Haltlosigkeit verlangen nach der W i e d e r a n b i n d u n g an die Materie, Hegel n e n n t sie das »Negative des Lichts, als ein D u n k l e s b e s t i m m t « . 4 Insofern läßt sich aus Hegels dialektischem M o d e l l der prozessualisierten Blindheit selbst schon - und n i c h t erst aus seiner Ästhetik im engeren S i n n e - eine T h e o r i e der W a h r n e h m u n g formu-

2 3 4

Vgl. M . Frank. Selbstgefühl. M. Serres. Les cinq sens. S. 24. G. W. Fr. Hegel. Enzyklopädie der philosophischen Wissenschaften im Grundrisse. In: Werke. X I X . S. 121.

Schluß: Blindheit als Problemstellung einer Ästhetikgeschichte der Moderne

335

lieren, die das in der Einleitung zitierte Modernitätskriterium der »Sinnesvergessenheit« ernst nimmt, wie es Bernhard Waidenfels formuliert hat. Durch Hegels eigene Innerlichkeitskritik an Jean Paul wurde der Dichter häufig - und in Verkennung dessen eigener Programmatik - als ästhetischer Nihilist diskreditiert. An den Blinden im Hesperus, dem Titan und den Flegeljahren wurde im Gegenteil Jean Pauls Abarbeitung am Piatonismus und am Fichteanismus nachgezeichnet, die auf eine hegelianische Dialektik hinausläuft: Die Prozessualisierung der Negation bezeichnet das Intervall zwischen Nicht-Sein und positiviertem Sein, zwischen dem Starren des aufklärerischen Blicks und der Selbstblendung in empfindsamen Tränen. Wo die Starstecherszene im Hesperus mit dem Lord die Philosophie zur Aufklärung geführt hatte, mußte der Sohn, die Dichtkunst, seine Augen schließen. Die chiastische Vertauschung des platonischen Modells, wie sie den Idealismus kennzeichnet und an Hölderlins beiden Odenfassungen Der blinde Sänger und Chiron in der Schwebe des sakralisierten Dichters vs. der Erdung des Halbgotts existentiell wird, ist bei Jean Paul in der Überkreuzung von Helle und Durchsichtigkeit gegenüber Trübung und Dunkel als Medientheorie der Blindheit poetisch präzise umgesetzt. Und so muß gelten: Der dialektisch gewordene Blick der Moderne ist im Deutschen Idealismus bereits angelegt. Uber die Negativität der Einbildungskraft wurde der Weg vom blinden Seher zur Photographie skizziert. Die Moderne setzt mit der Abkehr der Imagination vom Sichtbaren der spiegelbildlichen Repräsentation ein. So weist auch Andres' Geschichte der Phantasie auf die Schwierigkeit ihrer nicht-negativen Bestimmung hin. 5 Zwischen Sein und Nichtsein steht die Sehen-Blindheit-Opposition analog zur Gegenüberstellung von Wissen und Nichtwissen, wie sie Hogrebes Buch über natürliche Erkenntnis nachgezeichnet hat: »Hinter Ahnungen kann erkenntnistheoretisch nicht zurückgegangen werden, und Wissen läßt sich nicht übertreffen.«6 Deshalb wird das Nicht-Zugängliche durch eine Wahrnehmungsstörung bzw. einen Wahrnehmungsschleier hindurch doch präsent. Wo der Philosoph die Ahnung stark macht, wurden in der vorliegenden Arbeit die Visionen eines Blinden behandelt. In Haverkamps Theorie der Latenz bleibt das Verbergende je der Transparenz der Mittel und den manifesten Gestalten vorgelagert.7 Perniola sieht heute nur noch im >Schatten< der Kunst, der für den enigmatischen, kryptischen Charakter der künstlerischen Erfahrung steht, die Möglichkeit von Größe jenseits einer Banalisierung des Transitorischen, jenseits einer restlosen Vermarktung der Kunst oder ihrer Selbstauflösung in Kommunikation oder An-

5 6 7

Ph. Andres. La fantaisie dans la litterature fran^aise du X I X e siecle. S. 12ff. W. Hogrebe. Ahnung und Erkenntnis. S. 21. A. Haverkamp. Figura cryptica. S. 19 u. S. 15.

336

Schluß: Blindheit als Problemstellung einer Ästhetikgeschichte der Moderne

t i - K u n s t . 8 In e i n e m prozessualen Verständnis der visuellen Negativität wird die Blindheit z u m i m m e r n e u e n Ausgangspunkt der Avantgarde. W i e sehr der Aufstieg z u m Licht und die unaufhaltsame Verdunklung m i t geschichtsphilosophischen Modellen verbunden bleibt, k o n n t e neben Cheniers u n d Hölderlins Blinden in Frankreich an der Blindheit bei Chateaubriand u n d H u g o gezeigt werden. M e h r als ein fait

divers, stellen das Brüderpaar des erblin-

denden Zeichners Jacques Arago und seines Bruders, des A s t r o n o m e n u n d B e fürworter der E i n f ü h r u n g der Photographie in Frankreich, Francois Arago, das Gegenwartspaar von Imagination und Materialität in den medienhistorischen Kontext des 19. Jahrhunderts: D i e Krise des transzendierenden Sehens führt v o m Ideal der creatio ex nihilo,

wie sie H u g o heroisch inszeniert, zum Spleen im A n -

gesichts des Transitorischen bei Baudelaire. D e r Dreischritt eines dogmatischen Spiritualismus, eines radikalen Materialismus u n d eines objektiven Idealismus entspricht in unserem K o n t e x t d e m Wissens-Dreischritt der göttlichen Inspiration des blinden Sehers, der vernunftoptimistischen Blindenheilung der Aufklärung u n d der m o d e r n e n Poesie des blinden Sängers. D a ß zu B e g i n n des 19. J a h r h u n d e r t s der blinde Sänger, a u f den sich die K ü n s t e berufen, u n d der Photograph ein s c h a r f opponiertes Paar von I n n e r lichkeit u n d O b j e k t i v i e r u n g der W a h r n e h m u n g bilden, weist a u f die intensive Bearbeitung der als B e d r o h u n g e m p f u n d e n e n Wahrnehmungsapparaturen, die zu dieser Zeit geradezu explosionsartig erfunden werden. 9 N a c h d e m das innere Sehen des Idealismus entweder selbst den W e g in seine eigene schlagwortartige Veräußerlichung oder in eine radikale Sinnverweigerung angetreten hat, werden die vormaligen Zuschreibungen an den blinden Sänger n u n innerhalb der P h o tographie bzw. i m m o d e r n e n O b s e r v a t i o n s - B e g r i f f verhandelt: als Verinnerlic h u n g des äußeren Sehens. Erst dieser Schritt m a c h t die M o d e r n i t ä t des Sehens nachvollziehbar, das sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts an der intensiven Verbindung von Wahrnehmungserforschung, Malerei, Kunstkritik u n d realistischer Literatur nachweisen läßt u n d a u f die B e t o n u n g einer Negativität der Photographie gegen 1 9 0 0 führt, wie sie in Barthes' B e g r i f f der mathesis gularis

sin-

greifbar bleibt.

E i n e G e s c h i c h t e des schwarzen Lichts als Ästhetikgeschichte der Blindheit bleibt bis über die klassische M o d e r n e hinaus fortzuschreiben, bis zur längst nicht m e h r utopischen Informatisierung der Sinne durch einen ins Auge eingepflanzten M i k r o c h i p . A u c h noch die Informatisierung des Auges weist Anklänge an den erkenntnisphilosophischen Ausgangspunkt der vorliegenden Arbeit auf:

M. Perniola. Die Kunst und ihr Schatten. Mit W. Benjamin bereiten sich neue Medien in den alten vor, eine Argumentation, die bereits zu einigen Vorgeschichten der Photographie geführt hat. Sie beruhen in der Regel auf der skizzierten Opposition. Vgl. etwa A. Geiger. Urbild und fotografischer Blick. Diderot, Chardin und die Vorgeschichte der Fotografie in der Malerei des 18. Jahrhunderts.

Schluß: Blindheit als Problemstellung einer Asthetikgeschichte der Moderne

337

Wer seine gesamte Kindheit in einem dunklen Raum verbrächte, könnte daher später optische Signale, auch wenn sie bis zum Gehirn gelangen würden, nicht mehr interpretieren: »Sie müssen sich das wie einen Computer ohne Software vorstellen«, erklärt Sachs. Menschen, die von Geburt an blind sind, gehören daher nicht zum Zielpublikum der Mikrochips. 10 »Nigra s u m , sed formosa.« - »Schwarz bin ich, aber schön.« - Vigny h a t m i t diesem Z i t a t aus d e m H o h e l i e d in seinem Text über die W a h r h e i t in der K u n s t " die Paradoxie des Sehens bezeichnet, das zwischen d e m schwarzen Licht u n d der »nuit spectrale« 1 2 d e r w e i ß e n D u n k e l h e i t oszilliert. Mehr Licht — wie es G o e t h e a u f d e m Sterbebett gesucht h a b e n soll - ist in der M o d e r n e n i c h t zu h a b e n .

10 11 12

T. Hein. Bilder aus künstlichen Sehzellen. A. de Vigny. La Verire dans l'art. In: CEuvres completes. S. 1078. Vgl. Fr. Noudelmann. Image et absence.

Tabellen und Abbildungen

Erkenntnis und Ästhetik: Blindenfiguren bei Diderot Charles Barbier: Ecriture nocturne Louis Braille: Blindenschrift (vgl. Levitte 1880) Höhlengleichnis von Piaton Platonische Tetralogie im Hesperus Fichteanisch-Hegelianische Doppel-Tetralogie im Titan Hesperus in platonischer und idealistischer Lesart Der Blindentraum des Idealismus im Titan Strukturanalogien der Blindheit bei Fichte, Hegel und Jean Paul Dialektik der Blindheit in den Flegeljahren

51 118 120 140 182 194 211 212 212 213

Literatur

1. Primärliteratur

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Register

Abbt, T h o m a s 101 Abramovici, Jean-Christophe 12 Adam, Aniko 105, 208, 270, 313, 3 2 2 Adolphe 102 Adorno, T h e o d o r W. 23, 114, 144, 244, 3 2 7 Alexis, Paul 2 6 7 Allere, Beate 173 Alter, Andre 87, 118, 164, 2 0 9 , 2 2 9 , 271 Amar, Pierre-Jean 331 Amelunxen, Hubertus von 109, 330 Andres, Philippe 3 3 5 Antoine, Philippe 104, 2 6 7 , 2 9 9 Anzieu, Didier 107 Arago, F r a n i 0 i s 2 7 6 , 277, 278, 3 3 6 Arago, Jacques 276, 277, 278, 2 8 5 , 336

161,

241,

297,

297,

Arendt, Dieter 167 Aristoteles 19, 20, 7 2 , 7 5 , 93, 138 Arnim, Achim von 1 1 5 , 1 6 2 Arnim, Bettina von 115, 162 Arnoldi, Maria Pia 2 8 1 Asmuth, Christoph 145 Assmann, Aleida 109, 179, 198 Aubineau, Leon 221 Augustinus 141 Baader, Franz von 2 2 7 Baasner, Frank 53 Bachelard, Gaston 187 Bachmann, Asta-Maria 171 Backes, Michael 2 8 7 , 288, 2 9 2 Baierl, Redmer 164, 166 Balzac, Honore de 7, 105, 240, 2 4 1 , 2 9 6 , 318, 319 Banville, Theodore de 3 0 2 Baour-Lormian 229, 2 8 8 Barasch, Moshe 10 Barberis, Pierre 2 5 1 , 264, 269

Barbey d'Aurevilly, J u l e s - A m e d e e

266

221,

Barbier, Charles 116, 117, 118, 119 Barck, Karlheinz 21 Barthes, Roland 2 5 6 , 259, 3 2 7 , 3 2 8 , 3 2 9 , 331, 3 3 6 Bäßmann, Henning 36 Bataille, Georges 243, 3 0 7 Baudelaire, Charles 6, 10, 55, 158, 2 1 2 , 251, 278, 279, 280, 288, 291, 295, 296, 297, 298, 299, 300, 301, 302, 303, 304, 305, 306, 307, 308, 309, 310, 311, 312, 314, 315, 316, 317, 319, 327, 336 Bauer, Josef 116 Baumann, Gerhard 195 Baumeister, Pilar 9, 6 7 Baumeister, Willi 287, 2 8 7 Baumgarten, Alexander Gottlieb 1, 2, 21, 22, 57, 9 6 Bavcar, Evgen 326 Bays, Gwendolyn 304 Bechtel, Fritz 36 Beguin, Albert 23, 9 7 , 98, 121, 137, 232, 233, 241, 245, 275, 281 Behrens, Rudolf 12 Beierwaltes, Werner 1 3 9 , 1 5 3 , 2 4 1 Beisel, Inge 87, 127 Bellour, Raymond 2 0 4 Belting, Hans 1 1 5 , 1 1 6 Benichou, Paul 6, 142, 2 1 7 , 2 1 9 , 2 2 5 , 229, 2 6 9 B e n j a m i n , Walter 107, 108, 114, 115, 139, 162, 181, 2 9 5 , 2 9 9 , 3 0 2 , 3 0 3 , 305, 3 0 7 Benthien, Claudia 7 7 , 107 Berg, Ronald 2 7 8 Bergengruen, Maximilian 173 Bergmann, Harald 241 Berkeley, George 25, 28, 68, 78, 79, 80, 144

Register

370 Berman, Marshall 304 Bernsmeier, Helmut 10 Bertaux, Pierre 244 Berthelot 62 Bertin 239 Bescond, Luden 259 Beßlich, Philipp W. 36 Betzier, Monika 147, 148 Bexte, Peter 1 1 , 2 0 , 8 3 , 1 1 2 Biermann, Karlheinrich 5, 279, 285, 291 Blake, William 262 Blanc, Charles 225 Blanc, Louis 47 Blanchot, Maurice 243, 328, 329 Bloch, Ernst 199 Blumenberg, Hans 21, 141 Bock, Martin Frederic 304 Böhme, Gernot 140 Böhme, Hartmut 38 Bohrer, Karl Heinz 162, 163, 173, 245, 277, 279, 301, 307 Boisacq-Generet, Marie-Jeanne 208, 210 Bon, Frangois 8, 319, 320 Bonnerot, Louis 263 Bonnet, Henri 280 Bonstetten, Charles Victor de 223 Bony, Jacques 93, 220, 281, 284 Borgards, Roland 93 Borges, Jorge Luis 105, 106 Böschenstein, Bernhard 243 Bosse, Heinrich 171, 173, 190 Bossuet, Jacques Benigne 256 Bouchet, Andre du 243 Boulmier, Joseph 222 Bradford, Richard 263 Braille, Louis 9, 38, 116, 118, 119, Braungart, Georg 12, 96 Breithaupt, Fritz 9 Bremmer, Geoffrey 130 Brentano, Clemens 1 0 5 , 1 1 5 , 2 2 8 Bressolette, Michel 288 Bril, Jacques 1 , 3 1 3 Brinkmann, Richard 167 Brisseau, Michel 79 Brittnacher, Hans Richard 158 Brix, Michel 22, 24, 105, 122, 208, 270, 283, 295, 313, 319, 322 Brombert, Victor 289 Brook, Donald 59 Brose, Karl 165

217, 209,

120

227,

Brosse, de 103 Brown, Eleanor Gertrude 262 Brum, Jose Thomaz 313 Bubner, Rüdiger 122, 137 Bühlmann, Regula 172 Buisine, Alan 304 Bunuel 175 Burckhardt, Jacob 2 2 1 , 2 2 2 Bürger, Gottfried August 229 Burkhard, Ursula 9 Burt, E. S. 232 Busch, Bernd 277, 329, 331 Buschendorf, Bernd 165 Büttner, Stefan 142 Caisson, Max 8, 222, 298, 313 Calhoon, Kenneth S. 83 Calonne, Mme Galeron de 2, 7 Camoes, Luiz Vaz de 222 Casanova, Nicole 251 Castagnary, Jules-Antoine 298, 299 Cellier, L. 104 Cervantes Saavedra, Miguel de 72, 222 Chabut, Marie-Helene 85 Chadbourne, Richard M. 259 Champfleury 105 Char, Rene 243 Charcot, Jean-Martin 225 Chateaubriand, Francois Rene Vicomte de 6, 66, 182, 210, 218, 224, 240, 251, 252, 253, 254, 255, 256, 257, 258, 259, 260, 261, 262, 263, 264, 265, 266, 267, 268, 269, 270, 271, 272, 274, 286, 292, 293, 298, 336 Chelebourg, Christian 324 Chenier, Andre 6, 218, 219, 232, 233, 234, 235, 236, 237, 238, 239, 240, 241, 243, 246, 273, 310, 336 Chenier, Jean-Marie 263 Cheselden 71, 74, 79, 94, 98, 99 Chouillet, Jacques 49, 53 Christian, William Α., Jr. 136, 165, 175, 225, 323 Christin, Anne-Marie 208, 268 Cicero 227 Claudel, Paul 275 Clement, Jean-Paul 251 Cloot, Julia 179, 188, 203, 205 Cockerman, Harry 313 Cocteau, Jean 232 Cohen, Gustave 10 Coleridge, Samuel Taylor 262

Register

Colletti, Lucio 155 Collier, Peter 304 Colon, Jenny 283 Comte, Auguste 299, 326, 327 Condillac 25, 29, 30, 50, 68, 79, 107, 125, 143, 157 Constantine, David 245, 250 Cornelissen, Maria 248 Cousin, Victor 143 Cowles, Mary Jane 281 Crary, Jonathan 108 Crawford, Robert 229, 230 Cromwell, Oliver 263 Dagognet, Francois 3 Dällenbach, Lucien 173 Dante Alighieri 2 2 2 , 2 3 1 Darnton, R. 39 Dassonville, Michel 289 Daston, Lorraine 2, 330 Daumier, Honore 105 Daviel, Jacques 79, 82 Decke-Cornill, Albrecht 164 Dedeyan, Charles 121 Degas, Edgar 105 Delacroix, Eugene 298, 301 Delon, Michel 12 Delvaille, Bernard 224 Demodokus 259 Derrida, Jacques 11, 25, 108, 110, 111, 112, 223, 243 Desaugiers 102, 103 Descartes 24, 25, 26, 29, 39, 64, 74, 75, 78, 83, 86, 89, 100, 135, 159, 160, 333 Descaves, Lucien 116, 119 Detering, Heinrich 230 de Man, Paul 110 Diderot, Denis 5, 10, 18, 24, 28, 33, 39, 46, 47, 48, 49, 50, 51, 52, 53, 54, 55, 57, 58, 59, 60, 61, 63, 64, 65, 66, 67, 68, 69, 70, 71, 76, 77, 78, 79, 80, 81, 82, 83, 84, 85, 86, 87, 88, 90, 91, 92, 93, 94, 95, 96, 97, 99, 104, 106, 107, 111, 157, 248, 259, 267, 316, 333, 334 Didi-Huberman, Georges 105, 108, 225 Dieguez, Manuel de 260 DiStasi, Lawrence 313 Dittberner, Hugo 232 Döring, Tobias 273 Dotzler, Bernhard J. 12 Droit, Roger Pol 135

371 Drost, Wolfgang 297 Dulon 170, 204 Dürbeck, Gabriele 48 Dutry, Raoul 9, 13, 20, 83, 103, 104, 322, 323 Du Camp, Maxime 320, 321 EichendorfF, Joseph von 115, 296 Eigeldinger, Marc 132, 280, 314 Emundts, Dina 152, 153, 154 Enghien, Due d' 255 Ennepi, Claubril 11 Eriksson, Yvonne 111 Esquiros 8 Esser, Albert 33, 34, 38, 204, 225, 275 Ette, Ottmar 299 Fabre, Jean 104, 234 Faguet, Emile 233, 234 Fechner-Smarsly, Thomas 116 Ferchichi, Mohammed Hedi 95 Feval, Paul 321 Fichte, Johann Gottlieb 6, 135, 136, 137, 139, 140, 143, 144, 145, 146, 147, 148, 149, 150, 152, 153, 155, 160, 161, 164, 165, 173, 178, 193, 194, 211, 212, 213, 334 Flaubert, Gustave 7, 152, 243, 300, 322 Flusser, Vilem 330 Fontenelle, Bernard de Bovier de 17, 27 Forster, Georg 115 Frank, Manfred 47, 141, 162, 163, 165, 334 Frazer, James George 108 Fremy, Arnould 239 Freycinet, Louis de 276 Friedrich, Hugo 237 Frizot, Michel 332 Froment-Meurice, Marc 282, 283 Frye, Lawrence O. 248 Funk, Gerald 305 Gaier, Ulrich 243 Galison, Peter 330 Galle, Roland 12 Gaily, Michele 10 Gamm, Gerhard 145, 150, 152, 159 Ganzer, Holle 248 Garrigues, Emmanuel 327 Gaudard, Charles-Francois 220, 224, 225 Gautier, Theophile 3, 6, 218, 234, 272, 280, 283, 289, 290, 295, 311, 312, 313, 314, 315, 316, 317, 319

372

Register

Gawoll, Hans-Jürgen 217 Gebauer, Gunter 38, 104 Gehlen, Arnold 108 Geiger, Annette 336 Geimer, Peter 3, 330 Georgel, Pierre 289 George III. von England 255 Gerbaud, Jean-Marie 236 Gessinger, Joachim 4, 18, 25, 29, 48, 76, 84, 100 Geyer, Paul 34, 123, 126, 127 Gide, Andre 7, 217 Gipper, Andreas 48 Giraud, Victor 251 Glaudes, Pierre 260 Glucksmann, Andre 26 Gnam, Steffen 301 Godelier, Maurice 12 Goethe, Johann Wolfgang 6, 52, 106, 137, 148, 153,162, 164,182, 195, 206, 229, 256, 258, 267, 330, 337 Golz,Jochen 182,188 Gombrich, Ernst 81 Goncourt, Edmond et Jules de 3 Göttler, Fritz 244 Graevenitz, Gerhart von 3 Gravel, Pierre Bettez 313 Greenblatt, Stephen 13 Grimaud, M. 289

Häntschzel, Jörg 105 Harich, Wolfgang 164 Harris, Elizabeth 116 Hartog, Francois 267 Hauschild, Thomas 313 Haussman, Baron 302 Haussmann, Raoul 330 Haüy, Valentin 104, 116, 117, 118, 119 Havelange, Carl 34, 112, 113, 286, 287 Haverkamp, Anselm 335 Hedinger-Fröhner, Dorothee 169, 170 Hegel, Georg Wilhelm Friedrich 6, 7, 8, 21, 98, 99, 122, 135, 137, 140, 149, 150, 152, 153, 154, 155, 156, 157, 158, 160, 163, 164, 165, 166, 184, 185, 187, 190, 191, 193, 194, 195, 196, 197, 199, 210, 211, 212, 213, 226, 246, 248, 255, 269, 284, 327, 334, 335 Hein, Till 337 Heine, Heinrich 283 Heinse, Wilhelm 106, 182, 272, 273 Heise, Jens 95, 98 Helmholtz, Hermann von 28, 149 Helmreich, Christian 136, 165, 175, 180 Helvetius, Claude-Adrian 53 Henning, Aloys 36, 79 Henri, Pierre 10, 18, 36, 204, 280, 305, 324

Grivel, Charles 9, 172, 325, 329, 331 Groll, Oliver 141 Groß, Steffen 22 Grosse, Nina 241 Grossman, Kathryn 292 Grotius, Hugo 264 Grünbein, Durs 297 Grass, Magdalene 278 Guibert, Herve 326 Guillie, Sebastien 1, 17, 67, 101, 111, 325 Guitton, fidouard 232, 238 Gunthert, Andre 331 Günthert, Hermann 139 Guys, Constantin 303

Henrich, Dieter 127,211 Heraklit 137 Herbecq-Hardy, Frangoise 116 Herder, Johann Gottfried 5, 12, 59, 67, 69, 93, 94, 95, 96, 97, 98, 99, 100, 101, 104, 106, 114, 124, 136, 143, 157, 159, 163, 229, 334 Hess, Jonathan 12 Heym, Georg 311 Hieber, Jochen 245 Hilberer, Thomas 288 Hildebrandt, Alexandra 158 Hillebrand, Bruno 217 Hirschberg, Julius 79 Hoefele, Andreas 273 Hof, A. 1 1 , 1 1 1 , 2 0 4 , 2 9 0 , 3 0 9 Hoffmann, Christoph 1 1 , 2 0 4 , 2 8 4 , 3 0 9 Hoffmann, Ε. Τ. A. 11, 204, 284, 309 Hoffmann, Stefan 1 1 , 2 0 4 , 2 8 4 , 3 0 9 Hofmann, Werner 1 1 2 , 1 1 4 , 2 2 8 Hogrebe, Wolfgang 109, 335 Holbach, Paul Thiry d' 12, 29, 30, 31, 32, 33, 47, 62, 64, 66, 68, 89, 136, 333

Haberer, Brigitte 245 Habermas, Jürgen 159 Haidt, Rebecca 12 Hall, R. F. 265 Hamenachem, Miriam 210 Hamon, Philippe 312 Hampe, Michael 327 Hanimann, Joseph 300

373

Register Hölderlin, Friedrich 6, 52, 80, 135, 150, 161, 163, 2 1 8 , 2 2 3 , 2 3 2 , 241, 242, 243, 244, 245, 246, 248, 250, 273, 305, 335, 3 3 6 Homer 6, 38, 53, 54, 89, 104, 105, 178, 208, 217, 218, 219, 221, 222, 225, 226, 227, 229, 230, 234, 2 3 6 , 237, 2 3 8 , 2 3 9 , 2 4 2 , 2 5 2 , 2 5 9 , 260, 2 6 2 , 2 6 4 , 2 6 6 , 2 6 7 , 272, 273, 274, 287, 302, 3 1 0 Horaz 97, 138

140, 237, 247, 164, 223, 235, 257, 269,

Hörisch, Jochen 1 6 2 , 1 6 5 , 1 7 3 , 2 1 1 Horkheimer, M a x 23, 114, 144, 3 2 7 Horster, Detlef 159 Horstmann, Rolf-Peter 152, 153, 154, 162 Howarth, W. D. 2 3 3 Hubner, Patrick 2 6 7 Hugo, Victor 5, 6, 10, 12, 219, 224, 228, 232, 278, 279, 285, 286, 287, 288, 289, 290, 291, 292, 293, 294, 295, 296, 297, 305, 307, 310, 327, 331, 3 3 6 Hulin 2 5 3 Humboldt, W i l h e l m von 151 Hume, David 18 Hüppauf, Bernd 2 4 7 Immerwahr, R a y m o n d 95 Irmscher, Hans Dieter 96 Iser, Wolfgang 2 9 9 Izzi, G. 3 1 3 Jaccottet, Philippe 2 4 3 Jackson, John 282 Jacobi, Friedrich Heinrich 136 Jäger, Lorenz 244 Jahn, Otto 313 Jallais, A. de 101 Jamme, Christoph 150 Janin, Jules 222, 234 Jasmin, Jacques 2 7 6 Jauß, Hans Robert 303 Jean Paul 6, 10, 115, 135, 136, 137, 158, 161, 163, 164, 165, 166, 168, 169, 170, 171, 172, 173, 176, 177, 178, 179, 180, 181, 183, 184, 185, 186, 187, 188, 190, 191, 192, 193, 194, 195, 197, 198, 199, 2 0 0 , 2 0 1 , 2 0 3 , 205, 206, 207, 210, 211, 212, 214, 219, 242, 249, 253, 281, 304, 334, 3 3 5 Jimack, Peter 124

140, 167, 175, 182, 189, 196, 204, 213, 282,

Joncourt, de 8 0 Jouan, Fran$ois 2 3 3 Joyce, James 1 Jütte, Robert 52 Kadish, Doris Y. 224 Kaiser, Herbert 165, 177, 209, 263 Kamper, Dietmar 12, 88, 110, 111 Kant, Immanuel 18, 136, 137, 138, 139, 142, 143, 147, 148, 150, 152, 165, 171, 211 Karpenstein-Eßbach, Christa 2 9 9 Käuser, Andreas 93 Keith, Hans 171, 173 Kemp, Wolfgang 299, 3 1 2 Kierkegaard, Soren 159 Kies, Albert 2 0 8 King, Everard H. 2 6 0 Kittler, Friedrich 3 2 9 Klages, M a r y 8 Klein, Robert 313 Kleinstück, Johannes 301, 306 Kleist, Heinrich von 20 Klingemann, August 166, 167 Klinger, Cornelia 8 Klinkert, Thomas 55, 109, 110, 310, 311 Klopstock, Friedrich Gottlieb 242, 2 4 6 Knigge, Meinhard 247 Koch, Manfred 243 Kohle, Hubertus 87 Köhler, Erich 234, 252, 268 Kojeve, Alexandre 135 Kommerell, Max 169 Konersmann, Ralf 17, 18, 132 Koschorke, AJbrecht 110, 116, 128 Koselleck, Reinhart 3, 255 Krämer, Sybille 1 1 , 1 0 7 , 1 0 8 Krause, Günter 12 Krauss, Rosalind 331 Kreimendahl, Lothar 23 Kretschmer, Reinhold 116 Kristeva, Julia 280 Kronauer, Ulrich 39, 4 0 Krozova, Alfred 2 9 9 Krüger, Manfred 281 Kruse, Christiane 112 Kühlmann, W i l h e l m 69, 9 9 Kühne, Ulrich 308, 3 0 9 Kulenkampff, Arend 80 Kurz, Gerhard 190, 242, 257 Labarthe, Patrick 146, 243, 309, 310, 3 1 6

374 Lacoue-Labarthe, Philippe 7, 146, 243, 333 Laforgue, Pierre 2 7 8 Lalvani, Suren 12 Lamartine, Alphonse de 8, 2 2 1 , 2 2 7 , 2 2 8 , 231, 2 3 6 , 2 6 2 , 2 7 9 , 3 2 4 Lange, Friedrich Albert 2 9 Langen, August 173, 185 Langworthy, Jessica 10 Lanthony, P. 105, 106 Lanwerd, Susanne 2 5 7 Larousse, Pierre 2 7 6 Larrissy, Edward 2 2 9 Laster, Arnaud 2 8 9 Lavigne, Jean-Frangois 139 La Mettrie, Julien Offray de 17, 26, 61 La Sizeranne, Maurice de 117, 118, 119 Leclerc, Yvan 2 2 4 Leclercq, Pierre-Robert 241 Lefebvre, Jean-Pierre 241 Leibniz, Gottfried Wilhelm 69, 81, 95, 135, 159, 181, 2 2 6 Lejeune, Philippe 2 9 0 Lemagny, Jean-Claude 329, 3 3 2 Lemercier, Nepomucene 2 3 7 Lenz, Jakob Michael Reinhold 2 1 8 , 2 2 9 Leopoldus, Daniel 1 Lepenies, Wolf 3 0 2 Lessing, Gotthold Ephraim 83, 103, 104, 105 Levin, David Michael 21 Le Grand 103 Le Rider, Jacques 3 2 9 Lhotzky, Martin 2 3 0 Lichtenberg, Georg Christoph 2 1 8 Lichtenstein, Jacqueline 4 Liebsch, Dimitri 123 Liechti, Martin 107 l'Isle-Adam, Villiers de 321, 3 2 4 Link, Jürgen 10, 2 3 2 Link-Heer, Ursula 125 Locke, John 25, 26, 27, 28, 29, 68, 70, 72, 80, 81, 82 Loheide, Bern ward 145 Lorenz, Maren 35, 2 4 4 Lotterie, Florence 121 Louis IX. 116 Ludwig, Ralf 79, 135, 160, 2 0 3 Luhmann, Niklas 2, 11 Lukrez 52, 7 8 Lüsebrink, Hans Jürgen 113 Mach, Ernst 28, 70, 85, 149, 3 0 8 , 3 0 9

Register Macpherson, James 229, 2 3 0 Maeterlinck, Maurice 7, 2 2 8 Maillol, Aristide 105 Mallarme, Stephane 7, 3 0 5 Manthey, Jürgen 9, 48, 124 Marchangy, M . de 2 2 9 Mariotte, Edme. 11 Martin, Klaus 12, 21, 94, 95, 107, 158, 171, 2 3 0 , 2 4 4 , 2 7 3 Martin-Haag, £liane 4 8 Marx, Karl 159, 3 2 2 Mattenklott, Gert 12, 106, 128 Matussek, Peter 95 Matzat, Wolfgang 132 Maupassant, Guy de 321, 3 2 4 Maurois, Andre 2 6 3 Maxwell, Catherine 2 6 2 Mayer, Mathias 12, 48, 109, 110, 2 2 6 Mein, Georg 112, 113, 2 4 2 , 2 4 9 Meitinger, Serge 2 5 1 Melesville 102 Meli, Alfred 116 Mendiäbal, Juan Cruz 7 Menke, Christoph 12, 331 Mensching, Günther 123 Mentzer, Alf 12, 48, 111, 142 Mercker, Hans 30, 3 2 Merian 28, 29 Merkle, Harry 10, 3 0 7 Metscher, Thomas 1 1 0 , 1 2 3 Meyer, Conrad Ferdinand 3 1 8 Michelet, Jules 2 5 8 Milner, Max 2 2 3 , 2 2 4 , 251, 288, 3 2 2 Milton 6, 53, 54, 90, 104, 170, 190, 208, 218, 219, 221, 222, 223, 225, 231, 234, 252, 257, 260, 262, 263, 264, 2 6 5 , 2 6 6 , 2 6 7 , 274, 2 8 7 Möller, Gisela 171 Molyneux 5, 29, 48, 49, 50, 51, 70, 71, 74, 77, 79, 80, 81, 97, 125, 3 3 3 Monet, Claude 105 Montaigne 20, 21, 2 1 9 Montalbetti, Christine 2 6 7 Montandon, Alain 113 Morgan, Michael 4 8 Mörike, Eduard 158 Mortier, Roland 48, 2 5 3 Mouchard, Claude 262, 2 6 5 Müller, Götz 149, 183, 2 4 3 Müller, Patrick 149, 183, 2 4 3 Münchow, Wolfgang 7 9 Musset, Alfred de 2 3 0 , 295

Register

Nadaud, Alain 11 Nancy, Jean-Luc 146, 244 Napoleon Bonaparte 255, 256 Nauman, Manfred 30 Nechem, Fodil 9 Neefs, Jacques 289 Nerlich, Michael 113 Nerval, Gerard de 143, 208, 218, 278, 279, 280, 281, 282, 283, 284, 295, 304 Newly η, Lucy 265 Nietzsche, Friedrich 111, 142, 159, 160, 232 Nodier, Charles 101, 188, 207, 208, 209, 210, 218, 281, 295 Nonnenmacher, Kai 12, 29, 106, 148, 164, 170, 218 Nordlund, Marcus 158 Noudelmann, Fran$ois 325, 337 Novalis 135, 145, 162, 163, 187, 191, 245 Ochsner, Beate 46, 208 Oehlenschläger, Eckart 173 Olivero Arbellino, Licia 7 Olivet, Fabre d' 104 Ortel, Philippe 312 Ossian 6, 53, 218, 223, 225, 228, 229, 230, 231, 242, 252, 253, 256, 257, 259, 260, 261, 262, 267, 269, 271, 273, 274, 276, 277, 288 Otte, Rainer 12 Ovid 238 Pape, Helmut 28, 113 Paradis, Marie-Therese de 204 Paulsen, Wolfgang 166 Paulson, William R. 5, 6, 12, 18, 19, 23, 24, 25, 28, 30, 34, 35, 49, 80, 84, 101, 113, 116, 141, 142, 208, 226, 228, 287, 288, 289 Pazzini, Karl-Josef 107 Pehl, Theo 248 Pelissier, P. 311 Perec, Georges 276 Perez-Galdos, Benito 7, 326 Pemiola, Mario 336 Petrarca, Francesco 231 Petterson, Thorsten 99 Pfannkuche, Walter 167 Pfotenhauer, Helmut 96 Pichois, Claude 251 Pindar 285

375 Planche, Gustave 221 Piaton 11, 31, 52, 96, 97, 127, 136, 139, 140, 142, 146, 153, 154, 156, 157, 171, 177, 181, 200, 211, 219, 225, 226, 227, 288, 318, 335 Ple, Bernard 327 Plotin 24, 227 Plotnitsky, Arkady 1 , 2 5 , 2 2 3 , 2 4 6 Plumpe, Gerhard 331 Poe, Edgar Allan 305 Porter, Laurence Μ. 271, 279 Pöschl, Joseph 1 , 5 , 2 2 3 Poulet, Georges 188, 310, 313, 314, 316 Pregardien, Daniele 8 Proß, Wolfgang 167 Proudhon, Pierre Joseph 263 Proust, Joelle 48 Proust, Marcel 48 Rakoczy, Thomas 313 Rankl, Maximilian 172 Rasch, Wolfdietrich 173 Raymond, Didier 21, 95, 108, 204, 285 Raymond, Marcel 21, 95, 108, 204, 285 Redman, Harry 262 Regnier, Philippe 6 Reulecke, Anne-Kathrin 1 1 2 , 1 1 3 , 1 1 4 Rey, Pierre-Louis 5, 121 Richard, Jean-Pierre 110, 158, 159, 160, 167, 239, 259, 267, 306 Richardson, Samuel 206 Richier, P. 225 Rieger, Dietmar 234 Riffaterre, Michael 287 Rilke, Rainer Maria 311 Rohrmoser, Günter 159 Rorty, Richard 159,160 Rosa, Guy 285 Rose, Marilyn Gaddis 263 Rose, Ulrich 199 Rouche, Max 167 Roulin, Jean-Marie 2 5 1 , 2 6 0 Rousseau, Jean-Jacques 5, 49, 60, 89, 109, 117, 121, 122, 123, 124, 125, 126, 127, 128, 129, 130, 131, 132, 143, 177, 182, 191, 232, 256, 281, 334 Rousseaus, Nicolas 49, 122, 128, 132, 191 Rubichon 266 Ruchet, Georges 280 Rupp, Gerhard 108 Ruskin, John 81

376 Sachs-Hombach, Klaus 96 Sainte-Beuve, Charles Augustin 239, 251, 262, 266, 276, 295 Salignac, Melanie de 51, 66, 67, 69, 77, 78, 79, 83, 86, 87, 91, 92, 259 Santos, Jose Μ . 81 Sarasin, Philipp 2, 39 Sartre, Jean Paul 243, 304 Sattler, D. E. 245, 248 Saunderson, Nicholas 49, 50, 51, 57, 60, 63, 67, 68, 69, 70, 71, 76, 84, 85, 86, 87, 91, 92, 104, 107 Scarfe, Francis 234, 237, 238 Schelling, Caroline 151 Schelling, Friedrich Wilhelm Joseph 6, 135, 136,137,140,145, 149, 150, 151, 152, 159, 164, 166, 187, 334 Scheugl, Hans 7 Schienerl, Peter W. 313 Schiller, Friedrich 137, 163, 242, 247 Schiller, Helmut 137, 242, 247 Schlaffer, Heinz 109, 114, 162, 172, 227, 228, 242 Schlegel, Friedrich 137, 162, 183, 257 Schleiermacher, Friedrich 137, 138, 257 Schmidt, Ernst A. 234, 248 Schmidt, Jochen 234, 248 Schmitz, Hermann 149, 173, 174 Schmitz-Emans, Monika 173 Schneck, Ernst-Peter 322, 323 Schneider, Helmut J. 21, 172 Schneider, Ludwig 21, 313 Schneider, Monique 21, 308 Schneiders, Werner 21 Schnell, Ralf 107 Scholz, Oliver 139 Schönberg, Jutta 187 Schrey, Helmut 262 Schröder, Thomas 248 Schulte, Günter 11 Schulz, Gerhard 280 Schumacher, Ralph 139 Schumann, Hans-Joachim von 2, 142 Schweizer, Hans Rudolf 22 Scott, David 261, 299 Scribe, Eugene 102 Seebacher, Jacques 278 Seel, Martin 12, 97, 171 Seghers, P. 287 Segur, Comtesse de 8, 9 Senancour, Etienne de 122 Serres, Michel 334

Register Servais, Gerard 9, 13, 20, 83, 104, 322, 323 Shakespeare, William 231 Sheilley, Percey Bysshe 263 Sieburg, Friedrich 254, 267, 272 Siemek, Marek 146 Simmel, Georg 299 Simon, Gerard 78, 107 Sloterdijk, Peter 268, 305 Smernoff, Richard 239 Sollers, Philippe 243 Sophokles 246, 247 Soring, Jürgen 128 Specht, Reiner 27 Spittler-Massolle, Hans-Peter 49 Sprengler, Peter 164 Stackelberg, Jürgen von 128 Stael, Germaine de 6, 31, 143, 150, 170, 224, 229, 260, 262 Staiger, Emil 1 5 8 , 2 4 8 Stamelman, Richard 109, 110, 306 Starl, Timm 300, 301 Starobinski, Jean 125, 234, 304, 305 Stenger, Gerhardt 48 Stiegler, Bernd 149, 281, 317, 327, 328, 331 Stifter, Adalbert 69, 99, 154 Stoermer, Fabian 158 Stolleis, Michael 62 Stolzenberg, Jürgen 162 Strobach, Hermann 229 Sturma, Dieter 126 Sue, Eug£ne 7, 321, 322 Swedenborg, Emanuel von 137, 138, 327 Szondi, Peter 245 Tabucchi, Antonio 105 Taisne, Anne-Marie 233 Talbot, William Henry Fox 296, 328, 330, 331 Tanner, Jakob 2 Tasso, Torquato 222, 231 Taylor, Charles 137 Thelot, Jeröme 298 Thierry, Augustin 221, 254 Thiesse, Anne-Marie 229 Tholen, Georg Christoph 11 Thornton, Lawrence 322 Thurber, James 105 Tieck, Ludwig 135, 206 Tieghem, Paul van 230, 260 Timmermann, Jens 227

Register

Tisseron, Serge 325, 330, 331, 332 Toro, Alfonso de 3 1 7 , 3 2 7 Torra-Mattenklott, Caroline 106, 124, 128 Trevor-Roper, Patrick 13 Tritsmans, Bruno 283 Türcke, Christoph 318, 3 2 8 Turine, Gael 326 Tuzet, Helene 280 Twersky, Jacob 9 Ulmer, Rivka 313 Unger, Christoph 195, 199 Uther, Hans-Jörg 10 Utz, Peter 9, 48, 52, 80, 142, 163, 169, 175, 248, 249 Valery, Paul Ambroise 3 Vasseleu, Cathryn 20, 141 Vergil 55, 56 Vernant, Jean-Pierre 313 Verne, Jules 323 Vernes, F. 209 Verniere, Paul 48, 70 Veysse, Jean-Marie 1 4 7 , 1 4 8 Vietta, Silvio 18, 19, 23, 33, 162 Vignon, Eugene 222 Vigny, Alfred de 219, 220, 337 Villemain, Abel 4 7 , 2 2 1 , 2 2 9 , 2 3 6 Villey, Pierre 275 Vinson, Hartmut 164 Volland, Sophie 51 Wagner, Birgit 125 Wagner, Peter 113 Wais, Kurt 251 Waldenfels, Bernhard 3, 141, 149, 335 Walser, Martin 244

377 Wanecek, Ottokar 116, 117 Washington, George 255 Wegmann, Nikolaus 121 Wehle, Winfried 318 Weimar, Klaus 39 Weiner, Dora B. 217 Weisrock, Katharina 9 Wells, Herbert George 64 Welschinger, Henri 3 2 4 Wetz, Franz Josef 151, 159 Wetzel, Michael 1 1 , 1 1 0 Weygand, Zina 12 Whale, John 278, 279 White, Deborah 300 Wieland, Christoph Martin 94, 95, 96, 182, 206 Wiesing, Lambert 136 Wiethölter, Waltraud 1 8 1 , 1 8 4 Wilkending, Christa 171 Wölfel, Kurt 163, 182, 183, 189, 193 Wolff, Christian 22, 138 Wölfflin, Heinrich W. 34, 35 Wordsworth, William 263 Wulf, Christoph 104, 244 Wunenberger, Jean-Jacques 78, 112, 141 Wuthenow, Ralph-Rainer 92, 132, 173 Zehnpfennig, Barbara 140 Zeuch, Ulrike 107 Ziolkowski, Theodore 117 Zirfas, Jörg 123 Zischler, Hanns 106 Zizek, Slavoj 187 Zola, Emile 239, 240, 267, 296, 321 Zollna, Isabel 18, 48 Zupancic, Alenka 19, 23, 24, 25, 26, 29, 138 Zweig, Stefan 1 0 5 , 2 5 1 , 2 5 2