Das parlamentarische Untersuchungsverfahren vor dem Verfassungsgericht: Eine Betrachtung zum Rechtsschutz vor und nach dem Erlaß des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) und in Thüringen [1 ed.] 9783428512218, 9783428112210

Seit jeher sind im deutschen Parlamentsrecht die Kompetenzen und das Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsaussch

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German Pages 259 [260] Year 2004

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Das parlamentarische Untersuchungsverfahren vor dem Verfassungsgericht: Eine Betrachtung zum Rechtsschutz vor und nach dem Erlaß des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) und in Thüringen [1 ed.]
 9783428512218, 9783428112210

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JULIA PLATTER

Das parlamentarische Untersuchungsverfahren vor dem Verfassungsgericht

Beiträge zum Parlamentsrecht Herausgegeben von Ulrich Karpen, Heinrich Oberreuter, Wolfgang Zeh in Verbindung mit Peter Badura, Wolfgang Heyde, Joachim Linck Georg-Berndt Oschatz, Hans-Peter Schneider Uwe Thaysen

Band 59

Das parlamentarische Untersuchungsverfahren vor dem Verfassungsgericht Eine Betrachtung zum Rechtsschutz vor und nach dem Erlaß des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (PUAG) und in Thüringen

Von

Julia Platter

Duncker & Humblot · Berlin

Der Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-6674 ISBN 3-428-11221-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier

entsprechend ISO 9706 θ Internet: http://www.duncker-humblot.de

Für Eva und Guntram

Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im Jahre 2002 vom Fachbereich Rechtswissenschaft der Freien Universität Berlin als Dissertation angenommen (Tag der mündlichen Prüfung: 4. Dezember 2002). Literatur und Rechtsprechung konnten noch bis Dezember 2002 berücksichtigt werden. Sie wurde im Dezember 2003 als eines von zwei Werken mit dem Förderpreis der Präsidentin des Thüringer Landtags für Arbeiten zur parlamentarischen Demokratie ausgezeichnet. Mein ganz besonderer Dank gilt meinem Doktorvater und Ersteller des Erstgutachtens, Herrn Professor Dr. iur. Christian Pestalozza, der die Arbeit von Anfang an behutsam und mit gutem Rat und schließlich mit zügiger Tat begleitet hat. Ebenfalls danken möchte ich Herrn Professor Dr. iur. Philip Kunig, der sich bereit erklärt hatte, das Zweitgutachten anzufertigen. Meinem Kollegen, Herrn Dr. iur. Andreas v. Arnauld, danke ich für seine wertvollen Anregungen. Auch den anderen Kollegen und ehemaligen Kollegen aus dem Kreis der wissenschaftlichen Mitarbeiter verdanke ich viel. Die Arbeit widme ich meinem Mann, Herrn Dr. phil. Guntram Platter, und meiner Tochter Eva. Berlin, im Dezember 2003

Julia Platter

Inhaltsverzeichnis Einleitung Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages als Vorbild und Problemfall I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses 1. Grundlagen a) Historische Bezüge und Traditionen aa) Antragsberechtigung und Einsetzung nach Art. 3411 WRV bb) Verfahren im Ausschuß cc) Staatsgerichtshof und parlamentarische Untersuchung b) Entstehungsgeschichte des Art. 44 GG c) Bedeutung in der parlamentarischen Praxis des Deutschen Bundestages d) Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit Streitfällen im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben und Begrenzungen des Untersuchungsthemas a) Inhaltliche Begrenzung des Untersuchungsthemas aa) Das „öffentliche Interesse" bb) Grundsatz der Bestimmtheit des Untersuchungsthemas cc) Bundesstaatliche Kompetenzgrenzen dd) Kernbereich des Handelns der Exekutive ee) Beschränkungen durch spezielle Aufgabenzuweisung an andere Gremien ff) Die Begrenzungen des Untersuchungsthemas nach § 1 PUAG b) Nachträgliche Abänderung oder Erweiterung des Untersuchungsthemas 3. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses a) Die an der Einsetzung Beteiligten b) Form der Einsetzung aa) Form des Antrags bb) Form des Einsetzungsbeschlusses c) Die Zusammensetzung des Ausschusses 4. Das Verfahren im Untersuchungsausschuß/ die Untersuchungstätigkeit a) Die zur Verfügung stehenden Beweismittel aa) Die Beweiserhebung mit Hilfe von Urkunden (1) Aktenvorlagepflicht der Exekutive (2) Beschlagnahme von Beweismitteln (3) Einsichtnahme in Unterlagen bei Gerichten und anderen Behörden bb) Die Beweiserhebung mit Hilfe der Einvernahme von Personen (1) Zeuge oder Angeklagter als sinnvoll aus der StPO zu übertragende Kategorien?

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nsverzeichnis (2) Die Durchsetzung der Aussagepflicht mit Zwangsmitteln (a) Vereidigung der Auskunftspersonen (b) Ordnungsgeld und Beugehaft (3) Sonderfall: Die Erteilung der Aussagegenehmigung an Richter, Beamte und Soldaten cc) Die Beweiserhebung mit Hilfe von Sachverständigen b) Interne Entscheidung über die Erhebung von Beweisen/Schutz des Minderheitsrechts im Βeweiserhebungsverfahren aa) Fragestellung bb) Verfassungsrechtlich verankertes Beweiserzwingungsrecht einer Minderheit? c) Das Verhältnis zu gerichtlichen Untersuchungen und Ermittlungsverfahren 5. Der Abschluß des Untersuchungsverfahrens Verfassungsprozessuale Konstellationen bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen 1. Das Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht a) Zuständigkeitsdeterminierende Prozeßvoraussetzungen aa) Parteifähigkeit gem. Art. 931 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG bb) Zulässiger Angriffsgegenstand und Antragsgegner gem. Art. 93 I Nr. 1,§ 641 BVerfGG cc) Antragsbefugnis gem. §641 BVerfGG b) Zusammenfassung c) Einzelne Streitigkeiten als Prozeßrechtsverhältnis vor dem Bundesverfassungsgericht (nach bisheriger Rechtslage) aa) Streitigkeit um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bei qualifizierter Minderheitsenquete nach Art. 4411 GG (1) Antragsgegenstand gem. § 641 BVerfGG und Antragsgegner .. (2) Antragsbefugnis gem. § 641 BVerfGG (3) Zwischenergebnis bb) Streitigkeiten um ein Einsetzungsverlangen der nicht-qualifizierten Minderheit cc) Streitigkeiten um die Besetzung des Untersuchungsausschusses (1) Angriffsgegenstand und Antragsgegner (2) Antragsbefugnis (3) Ergebnis dd) Prozessuale Durchsetzung der Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses: Der verfahrensrechtliche Grundfall (1) Die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Beweiserhebung: Die Rick-Entscheidung (2) Folgerungen für die verfassungsgerichtliche Durchsetzung gegenüber der Regierung (a) Parteifähigkeit des Untersuchungsausschusses/Antragsgegner (b) Antragsgegenstand und Antragsbefugnis (c) Zusammenfassung nach bisheriger Rechtslage (3) Exkurs: Die Asymmetrie des Rechtsschutzes bei der Durchsetzung von Beweiserhebungsmaßnahmen gegenüber Privaten

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nsverzeichnis (a) Unmittelbare Maßnahmen (b) Mittelbare Maßnahmen (c) Zusammenfassung und Kritik (4) Exkurs: Die Durchsetzung des Amtshilfeanspruchs gegenüber anderen Behörden und Gerichten ee) Verfassungsprozessuale Rechte von Minderheiten bei der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses (1) Die möglichen Antragsteller (a) Die Vertreter der Einsetzungsminderheit im Ausschuß als Antragsteller aus eigenem Recht (b) Die Fraktion im Ausschuß als mögliche Antragstellerin aus eigenem Recht (c) Die Einsetzungsminderheit als Trägerin des Beweiserhebungsrechts/Die Lösung des Bundesverfassungsgerichts ... (d) Minderheitsgruppierungen im Ausschuß als Prozeßstandschafterinnen (e) Die Fraktionen im Bundestag als Antragsteller (2) Die Verpflichteten des Beweiserhebungsrechts/Antragsgegner . (a) Streit um Beweisanträge und ihren Vollzug im Ausschuß .. (b) Durchsetzung der Beweiserhebung unmittelbar gegenüber Dritten? (aa) Gegenüber anderen Verfassungsorganen (am Beispiel des Rechts der Aktenvorlage) (bb) Gegenüber Privatpersonen (3) Zusammenfassung 2. Die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht a) Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit Maßnahmen des Untersuchungsausschusses aa) Der Beschwerdeführer bb) Der Beschwerdegegenstand/einzelne Konstellationen (1) Rechtsschutz gegen die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen (2) Rechtsschutz gegen Maßnahmen im Beweiserhebungsverfahren (3) Rechtsschutz gegen den Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses cc) Die Beschwerdebefugnis/Verletztes Grundrecht b) Zusammenfassung B. Reformen auf Bundesebene I. Reformbestrebungen bis zum Jahr 2001 1. Innerhalb der bisherigen Verfahrensbestimmungen/Die konkrete Normenkontrolle Art. 10011 GG i.V. m. §§ 80-82 BVerfGG als spezielles Verfahren? a) Sachentscheidungsvoraussetzungen der konkreten Normenkontrolle b) Insbesondere: Die Vorlagefrage der Verfassungsmäßigkeit eines Untersuchungsauftrages als zulässiger Prüfungsgegenstand der konkreten Normenkontrolle?

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nsverzeichnis 2. Gesetzliche Reform Vorschläge bis zur Einführung des PUAG II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG 1. Vorfrage: Zulässigkeit eines einfachrechtlichen Untersuchungsausschußgesetzes trotz fehlender Ermächtigungsnorm in Art. 44 GG? 2. Die allgemeine Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeiten nach § 361 PUAG a) Die Zuweisung an ein oberstes Bundesgericht b) Der Ermittlungsrichter als erste Instanz 3. Die Streitigkeit um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses 4. Die Streitigkeit um die Besetzung des Untersuchungsausschusses 5. Durchsetzung von Beweisbeschlüssen gegenüber anderen staatlichen Organen a) Die Erzwingung der Aktenvorlage als solche vor dem Bundesverfassungsgericht aa) Der verfahrensrechtliche Grundfall: Der Untersuchungsausschuß als Antragsteller im Falle der verweigerten oder unvollständigen Aktenvorlage oder der Verweigerung verwandter Auskunftsansprüche.... bb) Antragsrecht einer Ausschußminderheit b) Die Anfechtung der Einstufung von Akten nach Geheimhaltungsstufen vor dem Ermittlungsrichter des BGH (§ 18 III Hs. 2 PUAG) aa) Der Untersuchungsausschuß als Antragsteller bb) Die Ausschußminderheit als Antragstellerin c) Die Durchsetzung des Amtshilfeanspruchs nach § 18IV 4 PUAG vor dem Ermittlungsrichter 6. Der Rechtsschutz für betroffene Privatpersonen im Beweiserhebungsverfahren a) Rechtsweg und Verfahren b) Die Beweiserhebung gegen Dritte durch die Minderheit im Ausschuß .. 7. Rechtsschutz für betroffene Privatpersonen gegen den Einsetzungsbeschluß 8. Rechtsschutz für betroffene Privatpersonen gegen den Abschlußbericht 9. Das Vorlageverfahren nach § 36 II PUAG a) Zulässige Einführung neben dem Organstreitverfahren b) Wahrung der funktionellen Abgrenzung zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit c) Wirkung der Entscheidung nach § 36 II PUAG d) Sonstige Verfahrensbestimmungen gemäß § 36 I I PUAG 10.Die Verfassungsbeschwerde im Rechtsschutzsystem des PUAG 11.Kritik

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C. Reformmodell Thüringen 178 I. Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen der parlamentarischen Untersuchung in Thüringen 178 1. Überblick über den aktuellen Normbestand 178 a) Das Recht der parlamentarischen Untersuchung in Thüringen/ aktueller Normbefund 178 b) Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Thüringen 182 2. Genese der rechtlichen Grundlagen 183

nsverzeichnis II. Die Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im einzelnen 1. Das Verfahren nach Art. 6412 ThürVerf. i.V. m. § 50 ThürVerfGHG a) Verfassungsrechtliche Vorgaben aa) Die möglichen Antragsteller bb) Verfassungsrechtliche Vorgaben zum Verfahrensgegenstand cc) Sonstige verfassungsrechtliche Vorgaben zum Verfahren? b) Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch den Gesetzgeber (§§11 Nr. 7, 50 ThürVerfGHG) aa) Der mögliche Antragsteller und Verfahrensgegenstand (1) § 501 Nr. 1 ThürVerfGHG (2) § 501 Nr. 2 ThürVerfGHG bb) Antragsgegnerschaft? cc) Sonstige Verfahrensvoraussetzungen und die Entscheidung 2. Das Verfahren nach § 51 ThürVerfGHG a) Verfassungsrechtliche Vorgaben aus Art. 64 ThürVerf.? b) Gestaltung durch den Gesetzgeber aa) Antragsteller bb) Gegenstand der Entscheidung und Sachverhaltsaufklärung durch den Gerichtshof cc) Die möglichen Beteiligten gem. §51 II ThürVerfGHG dd) Die Entscheidung des Gerichtshofs ee) Die Rücknahmemöglichkeit nach § 51V ThürVerfGHG ff) Zusammenfassung 3. Das Verfahren nach § 52 ThürVerfGHG a) Verfassungsrechtliche Vorgaben zum verfassungsgerichtlichen Verfahren? b) Gestaltung durch den Gesetzgeber aa) Verfahrensgegenstand bb) Antragsbefugnis cc) Beschwerdebefugnis/Prüfungsmaßstab, §5211 ThürVerfGHG dd) Frist/weitere Verfahrensbestimmungen ee) Der Grundsatz der Rechtswegerschöpfung, § 52 III ThürVerfGHG . ff) Die Entscheidung des Gerichtshofes gem. § 52IV ThürVerfGHG .. gg) Zusammenfassung III. Systematische Stellung der Spezialverfahren zum Organstreitverfahren und zur Verfassungsbeschwerde 1. Position gegenüber dem Organstreitverfahren a) Prozeßvoraussetzungen des Organstreitverfahrens, Art. 80 I Nr. 3 ThürVerf. i.V. m. §§ 38-41 ThürVerfGHG b) Rechtsschutz, den das thüringische Organstreitverfahren innerhalb des parlamentarischen Untersuchungsverfahrens bieten kann/könnte aa) Streitigkeiten bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses .. bb) Streitigkeit bei der Besetzung des Ausschusses cc) Erzwingung der Aktenvorlage und verwandter Auskunftsansprüche durch den Untersuchungsausschuß dd) Streitigkeiten im laufenden Untersuchungsverfahren um die Beweiserhebung/Minderheitsrechte

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nsverzeichnis

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c) Überschneidung/Exklusivität aa) Streit um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bb) Streit um die Besetzung des Ausschusses im Rahmen von Art. 64 I I ThürVerf cc) Durchsetzung des Beweisantragsrechtes der Minderheit im Ausschuß und gegenüber anderen Verfassungsorganen dd) Erzwingung der Aktenvorlage durch den Untersuchungsausschuß .. 2. Position gegenüber der Verfassungsbeschwerde a) Prozeßvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde aa) Die Entscheidung (1) Die Entscheidung durch den Dreierausschuß (2) Die Entscheidung durch den Gerichtshof b) Denkbarer verfassungsgerichtlicher Rechtsschutz durch die Verfassungsbeschwerde c) Überschneidung der Verfassungsbeschwerde und des Verfahrens nach § 52 ThürVerfGHG/Vorrang des letzteren aa) Rechtsschutz gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses bb) Verfassungsgerichtliche Überprüfung von Beweiserhebungsmaßnahmen cc) Rechtsschutz gegen den Abschlußbericht IV. Zusammenfassende Würdigung 1. Erweiterung des Konfliktlösungspotentials im Zusammenhang mit verfassungsrechtlichen Streitigkeiten 2. Erweiterung des Konfliktlösungspotentials im Zusammenhang mit dem Individualrechtsschutz

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Schlußbetrachtung

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Literaturverzeichnis

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Sachverzeichnis

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Abkürzungsverzeichnis AaO./aaO. Abg. abgedr. AbgG Abschn. AG AK AktG ÄndG Anh. Anm. AöR Art. AS RP-SL Aufl. Az. BaWüStHG BayVerfGH BbgVerf. Bd. Bearb. Begr. d. GesEntw. BerlVerf. Beschl. BFH BGBl. BGH BMinG BR Brem Verf. BStBl. BT BV BVerfG BVerfGE BVerwG BVerwGE

Am/am angegebenen Ort Abgeordnete/r abgedruckt Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages (Abgeordnetengesetz) Abschnitt Amtsgericht Alternativkommentar Aktiengesetz Änderungsgesetz Anhang Anmerkung Archiv des öffentlichen Rechts Artikel (auch Plural) Amtliche Sammlung der Oberverwaltungsgerichte Rheinland-Pfalz und Saarland Auflage Aktenzeichen Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg Bayrischer Verfassungsgerichtshof Verfassung des Landes Brandenburg Band Bearbeitung Begründung des Gesetzentwurfs Verfassung von Berlin Beschluß Bundesfinanzhof Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder der Bundesregierung (Bundesministergesetz) Bundesrat Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen Bundessteuerblatt Bundestag Bayrische Verfassung Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts

16 Bzw./bzw. CDU CSU d.h. d.i. dens. ders. Diss. DJT DÖV Drs. DVB1. EGV Erl. ESVGH

etc. f. FAZ F.D.P. ff. Fn. FS GBl. Gesch.Reg. GG GmbHG GR GVB1. GVG GV0B1. HambVerf. HbDStR HchE Herv. d. Verf. HessStHG HK-StPO h.L. h.M. Hrsg. i.d.F. d.Bek. v. i. d. F. v. i.V. m. JbSächsOVG JöR KG

Abkürzungsverzeichnis Beziehungsweise/beziehungsweise Christlich Demokratische Union Christlich Soziale Union das heißt das ist denselben derselbe Dissertation Deutscher Juristentag Die Öffentliche Verwaltung Drucksache Deutsches Verwaltungsblatt Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Erläuterung Entscheidungssammlung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Verwaltungsgerichtshofs von Baden-Württemberg mit Entscheidungen der Staatsgerichtshöfe beider Länder et cetera folgende Seite Frankfurter Allgemeine Zeitung Freie Demokratische Partei folgende Seiten Fußnote Festschrift Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik Geschäftsregister Grundgesetz Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Geschäftsregister Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz- und Verordnungsblatt Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg Handbuch des Deutschen Staatsrechts Entwurf des Verfassungskonvents von Herrenchiemsee Hervorhebung durch die Verfasserin Hessischer Staatsgerichtshof Heidelberger Kommentar herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber in der Fassung der Bekanntmachung vom in der Fassung von in Verbindung mit Jahrbuch des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts Jahrbuch des öffentlichen Rechts Kammergericht Berlin

Abkürzungsverzeichnis Komm. Lfg. LG LKV LL-PDS LsBl.Sml. LT LVerfGE MeVoVerf. MeVoVerfGG m. w. N. NdsStGHG NdsVBl. NdsVerf. n. F. NF/GR/DJ NJW Nr. NStZ NVwZ NWVB1. NWVerf. NWVerfGH OVG PlPr RGBl. RGZ RhPfVerf. Rn. S. SächsVerfGH SchlHVerf. SGG SPD Sten. Ber. Sten. Prot. StGB StGH StPO ThürUAG ThürVerf. ThürVerfGH ThürVerfGHG Tz. u. a. 2 Platter

Kommentar Lieferung Landgericht Landes- und Kommunalverwaltung Linke Liste - Partei des Demokratischen Sozialismus Loseblatt-Sammlung Landtag Entscheidungen der Verfassungsgerichte der Länder Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern Gesetz über das Landesverfassungsgericht Mecklenburg-Vorpommern mit weiteren Nachweisen Gesetz über den Staatsgerichtshof [des Landes Niedersachsen] Niedersächsische Verwaltungsblätter Niedersächsische Verfassung neue Folge Neues Forum/Grüne/Demokratie Jetzt Neue Juristische Wochenschrift Nummer Neue Zeitschrift für Strafrecht Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-westfälische Verwaltungsblätter Verfassung für das Land Nordrhein-Westfalen Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen Oberverwaltungsgericht Plenarprotokoll Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Verfassung für Rheinland-Pfalz Randnummer Seite Sächsischer Verfassungsgerichtshof Verfassung des Landes Schleswig-Holstein Sozialgerichtsgesetz Sozialdemokratische Partei Deutschlands Stenographischer Bericht Stenographisches Protokoll Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Strafprozeßordnung Landesgesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen [Thüringen] Verfassung des Freistaates Thüringen Verfassungsgerichtshof des Freistaates Thüringen Thüringisches Verfassungsgerichtshofgesetz Textzahl und andere

18 UA Urt. v. Var. Verf. VerfGG LSA Verf. LSA VG Vgl./vgl. VwVfG WP WRV z.B. ZfP ZG zit. ZParl

Abkürzungsverzeichnis Untersuchungsausschuß Urteil von/vom Variante Verfassung Gesetz über das Landesverfassungsgericht [Sachsen-Anhalt] Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt Verwaltungsgericht Vergleiche/vergleiche Verwaltungsverfahrensgesetz Wahlperiode Verfassung des Deutschen Reiches (Weimarer Reichsverfassung) vom 11. Aug. 1919 zum Beispiel Zeitschrift für Politik Zeitschrift für Gesetzgebung zitiert Zeitschrift für Parlamentsfragen

Einleitung Im deutschen Parlamentsrecht sind die Rechte und das Verfahren von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen stets Gegenstand der politischen und der wissenschaftlichen Auseinandersetzung gewesen. Unbestritten ist seit der Konstituierung des parlamentarischen Untersuchungsrechts in der Weimarer Reichsverfassung, daß die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Konkretisierung des Enqueterechts eines der vornehmsten Rechte des Parlaments und gleichzeitig Kampfplatz für die widerstreitenden Kräfte des politischen Lebens ist. So haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes dieses Recht aus der Weimarer Verfassung für den Deutschen Bundestag übernommen. Von einer abschließenden, alle verfassungs- und verfahrensrechtlichen Spannungsfelder angemessen behandelnden Lösung aber war das Recht der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages bis in die Gegenwart weit entfernt. Art. 44 des Grundgesetzes - die Grundlage für die Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages - ist in der Staatsrechtslehre und auch von den Parlamentariern selbst von Anfang an wegen seiner Unvollständigkeit kritisiert worden. Die vom Bundestag seither eingesetzten dreiunddreißig Untersuchungsausschüsse hatten nicht nur mit den Fallen und Unwägbarkeiten der zu untersuchenden Sachverhalte an sich, sondern immer wieder mit rechtlichen Problemen zu kämpfen. Drei Problembereiche haben sich dabei herauskristallisiert: der Schutz der Rechte der parlamentarischen Minderheit bei Einsetzung des Untersuchungsausschusses („Einsetzungsminderheit"), die Rechte der Minderheit im Untersuchungsausschuß zur Durchsetzung von Beweisanträgen und der Rechtsschutz Dritter/Privater gegen Maßnahmen des Untersuchungsausschusses. Es war deshalb auch immer deutlicher geworden, daß sich eine Reform des Rechts der Untersuchungsausschüsse auch mit einer Reform des Rechtsschutzsystems sowohl vor dem Bundesverfassungsgericht als auch vor den Fachgerichten werde befassen müssen und sich nicht allein mit einer Neuordnung des Untersuchungsverfahrens werde begnügen können. Denn diese beiden Problemkreise können nicht von einander getrennt betrachtet werden. Ohne adäquate Rechtsschutzformen bleibt das Untersuchungsverfahren in der Beliebigkeit einer sich von Fall zu Fall wandelnden Praxis gefangen. Umgekehrt kann auch das weiseste Gericht den Parteien oder Beteiligten nur diejenigen Rechte zusprechen, deren Inhaber sie bereits nach materiellem Verfahrensrecht sind. Im Jahre 2001 schien dann im Deutschen Bundestag endlich der gesetzgeberische Durchbruch geschafft. Oppositionsfraktionen und Regierungsmehrheit einigten sich ohne Gegenstimme auf ein Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungs2*

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Einleitung

ausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschußgesetz - PUAG -). Eine Änderung des Art. 44 GG ist mit der Verabschiedung des PUAG indes nicht verbunden gewesen. Nicht lange darauf (April 2002) äußerte sich das Bundesverfassungsgericht in einem Urteil zum Parteispenden-Ausschuß des Bundestags (erster Untersuchungsausschuß der 14. Wahlperiode), der noch nach „altem" Recht arbeitete, zu der wichtigen Frage des Beweisantragsrechts als Minderheitsrecht. Diese zeitliche Entwicklung führt zu der interessanten Situation, daß das PUAG nicht mehr ohne weiteres als gesetzgeberische Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch das Bundesverfassungsgericht zur bisherigen Rechtslage gelten kann. All dies war bei der vorliegenden Arbeit zu berücksichtigen. Der erste Teil der Arbeit (Erster Hauptteil, I.) widmet sich der Darstellung des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse nach bisheriger und neuer Rechtslage, unter der besonderen Berücksichtigung der Rechtsschutzfragen. Für die bisherige Rechtslage orientiert sich die Darstellung an der jüngeren Praxis der Untersuchungsausschüsse im Bundestag und der Rechtsprechung der Verfassungsgerichte und Fachgerichte. Am Ende der Untersuchungen des zweiten Hauptteils sollen eine Einschätzung des PUAG hinsichtlich des Rechtsschutzes unternommen und die Frage beantwortet werden, ob die Reform als Erfolg gewertet werden kann. Der dritte Hauptteil beschäftigt sich mit der Rechtslage in Thüringen als Alternativmodell einer Reform. Hätte man die lange bekannten Probleme womöglich auch anders, gar besser lösen können? Gerade im Staatsorganisationsrecht ist die Verfassungsentwicklung in Deutschland keine einspurige Straße. Die Bundesländer gehen hier oft eigene Wege bzw. sogar der verfassungsrechtlichen Entwicklung voran. Die neuen Bundesländer - aber nicht nur sie - haben die Chance des Neubeginns anfangs der neunziger Jahre genutzt und versucht, die Forderungen aus Rechtsprechung und Lehre an das Verfahren der Untersuchungsausschüsse in besseres Recht umzusetzen. Als besonders reformfreudig hervorgetan hat sich in dieser Hinsicht das Land Thüringen. Die ausführliche Regelung des Untersuchungsverfahrens durch die Verfassung und ein Untersuchungsausschußgesetz werden von verfassungsrechtlich oder einfachgesetzlich eingeführten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof flankiert. Das Thüringische Modell ragt dabei als sehr eigenständig heraus. Das Recht der parlamentarischen Untersuchung in Thüringen soll daher als eine Art Gegenmodell Gegenstand des letzten Abschnitts der Untersuchung sein. Die Arbeit schließt mit einer kurzen vergleichenden Betrachtung.

Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages als Vorbild und Problemfall I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses 1. Grundlagen Das Recht des Parlaments, Mißstände aufzudecken, ist vielleicht das Recht, das dem landläufigen Verständnis des Parlaments als „Volksvertretung" gegenüber einem mächtigen Staatsapparat am nächsten kommt, selbst wenn auch hier parteipolitische Taktik eine nicht unbeträchtliche Rolle spielt. Welche Aufgaben hat das parlamentarische Untersuchungsverfahren im Parlament und unter welchen rechtlichen Bedingungen läuft es ab? Diesen Fragen soll in diesem Abschnitt nachgegangen werden, um auf der Grundlage dieser Darstellung die auftretenden Probleme bei möglichen gerichtlichen Auseinandersetzungen diskutieren zu können. a) Historische Bezüge und Traditionen Mögen sich für die Untersuchung von Sachverhalten und die Ermittlung von Tatsachen durch eigens dafür eingerichtete Kommissionen und Expertengruppen auch schon im Altertum Belege finden 1, so ist die Entwicklung des Instituts des Untersuchungsausschusses in Europa eng mit der Ausformung des parlamentarischen Systems im neunzehnten Jahrhundert verknüpft. 2 Am Anfang des neunzehnten Jahrhundertsfinden sich in den frühkonstitutionellen Verfassungen nach der Neuordnung der deutschen Territorien infolge des Wiener Kongresses (1815) durch die Deutsche Bundesakte einige wenige Bestimmungen in den Verfassungen der einzelnen deutschen Länder, die als Vorläufer der parlamentarischen Enquete gelten können3. Keine 1

C. Sallustius Crispus, Coniuratio Catilinae. Dt. Übersetzung: Die Verschwörung des Catilina, Lateinisch und deutsch. Übersetzt, erläutert und mit einem Essay „Zum Verständnis des Werkes" sowie einer Bibliographie versehen von Josef Lindauer, Hamburg 1971. 2 Siehe zum Übergang vom monarchischen Prinzip zum parlamentarisch-demokratischen Prinzip im 19. Jahrhundert, Böckenförde, Der Verfassungstyp der deutschen konstitutionellen Monarchie im 19. Jahrhundert, in: ders. (Hrsg.), Moderne Deutsche Verfassungsgeschichte, (1815-1918), 2. Aufl. Königstein/Taunus 1981, S. 146-170. 3 Sachsen-Hildburghausen, Manifest und Urkunde vom 19. März 1818, Herzoglich Sachsen-Hildburghäusisches Regierungs- und Intelligenzblatt vom 18. April 1818 Nr. 16, Beilage, § 3

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

dieser verfassungsrechtlichen Bestimmungen war jedoch so ausgestaltet, daß der Untersuchungsausschuß über Sanktionsmöglichkeiten verfügt hätte, mit welchen er auf eine Beeinträchtigung des Untersuchungsverfahrens seitens der Exekutive hätte reagieren können. 4 M i t der revolutionären Bewegung des Vormärz (bis 1848) wird dann aber auch der Anspruch der Volksvertretungen auf Ausübung oder zumindest Teilhabe an der Staatslenkung unter anderem durch die Einführung von Kontrollbefugnissen des Parlaments in die Verfassungsurkunden deutlicher gemacht. Den Ansatz eines Untersuchungsrechts enthielt die Paulskirchenverfassung 5 in § 99 6 zu den Enqueten des Parlaments. In einige Verfassungen der Länder nach 1848 wurden ebenfalls Enquetebefugnisse des Parlaments aufgenommen. 7 Soweit diese Verfassungsurkunden überhaupt tatsächlich i m Staatsleben Bestand hatten - was der Paulskirchenverfassung j a nicht beschieden war - kam es dennoch nie zu einer Untersuchung in den genannten Ländern, die den vorhandenen Bestimmungen der Verfassungsurkunde Leben eingehaucht hätte. 8 Einzig in Preußen, dessen revidierte Ver-

Abs. 2, (abgedr. bei Pölitz, Die europäischen Verfassungen seit dem Jahre 1789 bis auf die neueste Zeit, 2. Aufl. Leipzig, 1832-1833, Bd. 1/2, S. 783,784); Sachsen-Weimar-Eisenach, Grundgesetz vom 5. Mai 1816, §§91-93, Weimarisches Wochenblatt, Nr.42-44, Mai 1816, (abgedr. bei Pölitz, aaO., S.759,771); Kurhessen, Verfassungsurkunde vom 5. Januar 1831, Gesetz- und Verordnungs-Sammlung 1831, S. 1, §93 (abgedr. bei Pölitz, aaO.; Bd.I/1, S.613,625f., und bei Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, Stuttgart 1961, S. 201 ff.). 4 Siehe zu den Bestimmungen der Länderverfassungen und im Reich zwischen 1806 und 1918 schon die ausführliche Untersuchung Zweigs, Die parlamentarische Enquete nach deutschem und nach österreichischem Recht, ZfP 6 (1913), S. 265 (273-308); aus neuerer Zeit Steffani, Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtages zur Zeit der Weimarer Republik, Düsseldorf 1960, S. 44-70. 5 Reichs-Gesetzblatt 1849, S. 101-107, abgedr. bei Huber, Dokumente zur Deutschen Verfassungsgeschichte, Bd. 1, S. 375. 6 „Das Recht des Gesetzvorschlags, der Beschwerde, der Adresse und der Erhebung von Thatsachen, sowie der Anklage der Minister steht jedem Hause zu." 7 Gotha, Staatsgrundgesetz vom 26. März 1849, Regierungsblatt, 13. Stück, v. 29. März 1849, §67 (Auszug abgedr. bei Biedermann, Die Untersuchungsausschüsse im Deutschen Staatsrecht, Magdeburg 1929, S.27); Schleswig-Holstein, Staatsgrundgesetz vom 15. September 1849, Schleswig-Holsteinische Anzeigen v. 16. Oktober 1849, S.318, Art. 73 (Auszug abgedr. bei Biedermann, aaO., S.26f.); Waldeck-Pyrmont, Verfassung vom 23. Mai 1849, Fürstlich· Waldeckisches Regierungsblatt 1849, S.27, §66 (Auszug abgedr. bei Biedermann, aaO., S.25) und Verfassungsurkunde von 17. August 1852, Fürstlich-Waldeckisches Regierungsblatt 1852, S. 141, § 64II und III (abgedr. bei Stoerk [Hrsg., bearb. von v.Rauchhaupt], Handbuch der Deutschen Verfassungen, 2. Aufl. München/Berlin 1913, S.481, 488); Hamburg, Konstituanten-Verfassung (nicht in Kraft getreten) vom 11. Juli 1849, Art. 85 (Auszug abgedr. bei Biedermann, aaO., S.25 f.) und Verfassung vom 13. Oktober 1879, Art. 51, Gesetzessammlung der freien und Hansestadt Hamburg, I, S. 353 (abgedr. bei Stoerk, aaO., S. 170, 177).; siehe auch Bayern, Gesetz, den Geschäftsgang des Landtags betreffend, vom 19. Januar 1872, Gesetzblatt 1872, Spalte 173-192, Abschnitt II, Ziffer 2 (abgedr. bei Rehm, [Hrsg.], Quellensammlung zum Staats- und Verwaltungsrecht des Königreichs Bayern, Tübingen 1903, S. 112); zum Ganzen siehe auch Zweig, Die parlamentarische Enquete nach deutschem und nach österreichischem Recht, ZfP 6 (1913), S.265 (282f.). 8 Siehe die Untersuchung von Masing, Parlamentarische Untersuchung privater Sachverhalte. Art. 44 GG als staatsgerichtetes Kontrollrecht, Tübingen 1998, S. 11.

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fassung vom 31. Januar 1850 9 den Kammern die Befugnis gab, zu „ihrer Information Kommissionen zur Untersuchung von Tatsachen zu ernennen", wurden tatsächlich Untersuchungen in Gang gebracht. 10 Aber auch hier wurde das Untersuchungsrecht nicht zum echten Machtmittel des Parlaments ausgebaut. 11 Die Verfassung des Deutschen Reiches von 1871 erwähnt keinerlei Rechte des Reichstages, die als Ansatz eines Untersuchungsrechts verstanden werden könnten. 1 2 Unmittelbares Vorbild konnte somit das Enqueterecht der Parlamente i m neunzehnten Jahrhundert unter den Verhältnissen der konstitutionellen Monarchien nicht sein. 13 M i t der Gründung der ersten deutschen Republik i m Jahre 1919 erhielt der Deutsche Reichstag als Parlament erstmals die Befugnis zu einer echten parlamentarischen Enquete. Dies geschah unter der maßgeblichen Einflußnahme Max Webers. Vorbild für seine Vorstellung des Enqueterechts waren - wie Weber selbst angibt - die Untersuchungsbefugnisse des Englischen Unterhauses. 14 Seiner Initiative während der Verfassungsberatungen zur Weimarer Reichsverfassung (WRV) ist es 9

Art. 82, Gesetz-Sammlung für die Königlichen Preußischen Staaten, 1850, S. 17 (abgedr. bei Stoerk, aaO., S.281); Lammers, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, in: Anschütz/ Thoma, Handbuch des Deutschen Staatsrechts, Bd. II, Tübingen 1932, §94, S.455, bemerkt dazu lapidar, daß das monarchische Prinzip der parlamentarischen Untersuchung abhold gewesen sei. 10 Masing, aaO., S. 11 f. mit Nachweisen aus den Materialien der Kammern; Steff ani, Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtages, S. 54-60. 11 So beschreibt Heck, Das parlamentarische Untersuchungsrecht, S. 10, die „Spitzfindigkeiten", mit denen die echte Wahrnehmung des Untersuchungsrechts im preußischen Landtag von der Regierung zu verhindern gesucht wurde. 12 Gesetz betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches vom 16. April 1871, RGBl. S. 63; siehe zu den Befugnissen des Reichstages Art. 23 („Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Reichs Gesetze vorzuschlagen und an ihn gerichtete Petitionen dem Bundesrathe resp. Reichskanzler zu überweisen."); von Seydel beispielsweise verneinte deshalb auch ein Untersuchungsrecht {von Seydel, Commentar zur Verfassungs-Urkunde für das Deutsche Reich, 2. Aufl. Freiburg i. Br. und Leipzig, 1897, Art. 23, Abschn. III); Laband hielt den Reichstag für befugt, Kommissionen für jeden zu seiner Zuständigkeit gehörenden Gegenstand zu bilden und das von der Regierung befolgte Verfahren und etwa bestehende Übelstände zu überprüfen - allerdings ohne Zwangsbefugnisse gegenüber Verwaltung und Untertanen (Laband, Parlamentarische Untersuchungs-Kommissionen, DJZ XVIII [1913], Sp. 604 [604-605]). 13 Siehe Masing, Parlamentarische Untersuchung privater Sachverhalte, S. 39. 14 Weber, Parlament und Regierung im neugeordneten Deutschland, 1918, abgedr. in: Max Weber, Gesammelte politische Schriften, hrsg. v. Winkelmann, 3. Aufl. Tübingen 1971, S.306 (353 f.). Vgl. zur Struktur der sog. „select committees" Masing, Parlamentarische Untersuchung privater Sachverhalte, S. 15, Fn. 52, der beschreibt, daß die select committees in England von einer anderen verfassungsrechtlichen Basis aus gebildet wurden. Auf wichtige Unterschiede zwischen den select committees und dem Untersuchungsausschuß weist auch der Staatsgerichtshof in einer Entscheidung zu einem Einsetzungsantrag im Landtag des Freistaats Württemberg v. 12. Jan. 1922, StGH 2/21, RGZ 104, 423 (432) hin. Welche europäischen Vorbilder die schmalen Ansätze des parlamentarischen Untersuchungsrechts vor 1919 wiederum hatten, d.h. ob tatsächlich allein die englischen „select committees" als Vorbild gelten können, ist eine verfassungshistorische Frage, auf die Steffani, Die Untersuchungsausschüsse des preußischen Landtages, S.43, Fn.4, näher eingeht.

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zu verdanken, daß in Art. 34 WRV der Untersuchungsausschuß als Kontrollinstrument des Parlaments verfassungsrechtlich verankert wurde. 15 Auf den gedanklichen Anstoß Webers zurückzuführen ist es ebenfalls, daß die Untersuchungsausschüsse in der Weimarer Verfassung nicht nur als Kontrollinstrument der Parlamentsmehrheit gegenüber der Regierung ausgestaltet wurden. Vielmehr war nach Art. 3411 WRV auf Antrag einer relativ kleinen Parlamentsmmderheit von einem Fünftel der Abgeordneten des Reichstages die Parlamentsmehrheit verpflichtet, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen.16 Weber hatte erkannt, daß sich die politische Auseinandersetzung mit der Beseitigung der Monarchie nun nicht mehr vordringlich zwischen Exekutive und Parlament - dem Kampfplatz des Konstitutionalismus im neunzehnten Jahrhundert - , sondern zwischen regierungstragender Mehrheit und parlamentarischer Opposition abspielen würde. Das Minderheitsrecht zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses war eine Erweiterung des Untersuchungsrechts, die in ihrer Deutlichkeit damals auch über die in anderen Verfassungen Europas bereits vorhandenen Untersuchungskompetenzen der Parlamente hinausging und etwas Neues darstellte. Mit der Ausgestaltung des Untersuchungsrechts als Minderheitsrecht in Art. 34 WRV war dem veränderten Verhältnis zwischen Exekutive und Legislative nach dem Ende der Monarchie Rechnung getragen worden, bei dem nicht mehr über die Machtverteilung zwischen Monarch und Parlament zu streiten, sondern das mögliche Aufklärungsinteresse der Parlamentsminderheit gegenüber der regierungsbildenden Parlamentsmehrheit zu bestimmen war. Damit war bezüglich des Untersuchungsrechts der Wechsel von der konstitutionellen Monarchie zur parlamentarischen Demokratie im Verfassungsrecht jedenfalls für den wichtigen Bereich der parlamentarischen Kontrollrechte vollzogen und dogmatisch der Grundstein für die bis heute geltenden Strukturen gelegt.

aa) Antragsberechtigung und Einsetzung nach Art. 3411 WRV Die Einrichtung des Untersuchungsausschusses erfolgte in der Parlamentspraxis des Reichstages in der Weise, daß ein sogenannter „Urantrag" von einer Fraktion gestellt wurde, die über die notwendige Mitgliederzahl (ein Fünftel der Mitglieder des Reichstages) verfügte. Der Reichstagspräsident stellte die Antragstellung fest und erklärte den Antrag für angenommen. Eine förmliche Abstimmung erfolgte 15

Weber beriet sich im Reichsamt des Innern vom 9. bis 12. Dezember 1919 mit Staatssekretär Preuß, dem Verfasser des Entwurfes, der als Grundlage für die Weimarer Reichsverfassung diente, siehe Jellinek, W., Revolution und Reichsverfassung. Bericht über die Zeit vom 9. November 1918 bis zum 31. Dezember 1919, JöR 9 (1920), S. 1 (46); siehe auch Heck, Das parlamentarische Untersuchungsrecht, S. 13 f. 16 Zur Entwicklungsgeschichte vgl. auch Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs vom 1. August 1919, 14. Aufl./4. Bearb. Berlin 1933, Art. 34, Anm. 1.

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nicht. Grund für diese Praxis war das Problem, daß es gegen ablehnende Beschlüsse des Reichstages keine Rechtsschutzmöglichkeit gab, insbesondere kein Verfahren vor dem Staatsgerichtshof in Gang gebracht werden konnte.18 Da in der Geschäftsordnung des Reichstages19 von der Ermächtigung des Art. 3413 WRV („Die Geschäftsordnung regelt das Verfahren des Ausschusses und bestimmt die Zahl seiner Mitglieder.") nicht ausdrücklich Gebrauch gemacht worden war, galten im übrigen für die Besetzung des Ausschusses die allgemeinen Regeln. Die Zahl der Ausschußsitze legte das Plenum durch Beschluß fest (§ 281 GORT). Die Fraktionen bestimmten die (nach dem Proporz auf sie entfallenden) Mitglieder und ihre Stellvertreter (§ 28 II GO-RT).

bb) Verfahren im Ausschuß Für das Verfahren im Untersuchungsausschuß machte die Verfassung zwei Vorgaben. Erstens war der Untersuchungsausschuß durch Art. 3413 WRV verpflichtet, über die Beweise hinaus, die der Ausschuß für erforderlich hielt, diejenigen Beweise zu erheben, die „die Antragsteller" für erforderlich hielten. Wer unter „Antragsteller" in diesem Sinne zu verstehen war, war umstritten. Während einerseits vertreten wurde, daß damit nur die von der Einsetzungsminderheit „entsandte" Gruppe von Abgeordneten im Ausschuß gemeint sein könne oder sogar nur die vollständige Einsetzungsminderheit im Plenum20, die damit ein Beweisantragsrecht der Minderheit nur im Plenum gegenüber einem zuwiderhandelnden Untersuchungsausschuß durchsetzen können sollte, hielten andere damit die Vertreter der Antragsteller im Ausschuß oder auch ein beliebiges Fünftel der Mitglieder des Reichstages beweisantragsberechtigt. 21 17

Siehe die Darstellung der Praxis bei Alsberg, Gutachten zum 34. Deutschen Juristentag, Empfiehlt sich eine Abänderung der Bestimmungen über parlamentarische Untersuchungsausschüsse, um den ungestörten Verlauf des Strafverfahrens und die Unabhängigkeit des Richtertums sicherzustellen?, Verhandlungen des 34. Deutschen Juristentages (hrsg. v. Schriftführeramt der ständigen Deputation), Berlin und Leipzig 1926, Bd. 1, S. 332 (338) mit Nachweisen zu den Parlamentsdrucksachen; weitere Beispiele aus der damaligen Parlamentspraxis bei Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, München 1977, §63, Rn.7. 18 Troßman, aaO., vgl. bereits Alsberg, aaO., S. 340; ders. beurteilt deshalb auch die entsprechende Praxis im preußischen Landtag kritisch (aaO., S.339), da hier jedenfalls eine Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes (Art. 191 WRV) begründet gewesen wäre, die Gründe für die Parlamentspraxis im Reichstag daher nicht übertragbar gewesen wären. 19 Geschäftsordnung des Reichstages vom 12. Dez. 1922, RGBl. II 1923, S. 101. 20 So Lammers, HbDStR II, §94, S.469; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 34, Abschn. 2, S. 217 f.; dieser Interpretation schließt sich auch Löwer für das Grundgesetz in der Erwiderung im Verfahren 2 BvE 1/97 vor dem Bundesverfassungsgericht (abgedr. im Bericht des 1. UA der 13. WP „Plutonium", BT-Drs. 13/10800, Dokument 21, S.274 [317]), an. 21 Zum damaligen Streitstand Lammers, HbDStR II, §94, S.469 f.

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Zweitens bestand die Regelung, daß auf die Erhebungen des Ausschusses die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß anzuwenden seien, Art. 34 III WRV - eine Verfassungsbestimmung, die schon damals wegen ihrer Unschärfe heftig kritisiert wurde. 22 Insbesondere war streitig, ob dem Untersuchungsausschuß auch die Zwangsmittel von Beschlagnahme und Durchsuchung zustünden.23 Da der Reichstag in seiner Geschäftsordnung keine speziellen Bestimmungen für Untersuchungsausschüsse - abgesehen von § 53 GO-RT - 2 4 enthielt, galten im übrigen die allgemeinen Bestimmungen der Geschäftsordnung für die Tätigkeit der Ausschüsse.25 Für den Ablauf der Untersuchung legten die Untersuchungsausschüsse nach dem Vorbild des ersten Untersuchungsausschusses des Reichstages zur Untersuchung der Schuld am Kriege einen Arbeitsplan fest. Bestandteil der Geschäftsordnung des Reichstages ist dieser Arbeitsplan indes nie geworden.26 cc) Staatsgerichtshof und parlamentarische Untersuchung Konnte Art. 34 WRV in seiner Grundstruktur Vorbild für den späteren Art. 44 des Grundgesetzes und der parlamentarischen Untersuchung sein, so fällt auf der verfassungsprozessuale Seite dieses Kontrollrechts und seiner Durchsetzung die WRV als Vorbild aus. Die Ausgestaltung des Untersuchungsrechts des Parlaments in der WRV auf Reichsebene litt - abgesehen von der mangelnden rechtlichen Ausgestaltung im einzelnen, die in dieser Zeit nicht durch eine parlamentarisch gesinnte Ausübungspraxis, einen konsensfähigen Parlamentsbrauch ersetzt wurde 27 - unzweifelhaft an einer entscheidenden, verfassungsorganisatorischen Schwäche: eine Zuständigkeit des Staatsgerichtshofes für Streitigkeiten zwischen Mehrheit und Minderheit im Reichstag war nicht begründet.28 Das Verfahren der Verfassungsstreitigkeit zwi22

Siehe Lammers, HbDStR II, §94, S.470. Zum Meinungsstand Lammers, HbDStR II, §94, S.472, Fn. 131. 24 Diese Vorschrift bestimmte, daß Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nicht beraten werden dürften, ohne zuvor auf die Tagesordnung gesetzt worden zu sein. 25 Siehe zum Untersuchungsausschuß und anderen Ausschüssen im Reichstag auch Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, Berlin 1992 (zugl. Frankfurt a.M. Univ. Diss. 1991), S. 123, 128-130. 26 Siehe Lammers, HbDStR II, § 94, S. 45 f. und S. 468, Fn. 103. Der Ablaufplan war Teil der Geschäftsordnung der Nationalversammlung (Geschäftsordnung der Weimarer Nationalversammlung vom 6. Feb. 1919 [das ist die Reichstagsgeschäftsordnung von 1868 i. d. F. vom 31.Dez. 1918], Sten.Ber., Bd. 326, angenommen in der 1. Sitzung vom 6.Feb. 1919, S.4C] siehe Sten.Ber. S.3163 A), abgedr. bei Jellinek, W., Revolution und Reichsverfassung. Bericht über die Zeit vom 9. November 1918 bis zum 31. Dezember 1919, JöR 9 (1920), S. 1 (90 f.). 27 Siehe zu einer politischen Bewertung der preußischen Untersuchungsausschüsse in der Weimarer Republik, die auch auf die Untersuchungsausschüsse des Reichstags, schon wegen der fast identischen rechtlichen Ausgestaltung (Art. 25 Preuß.Verf. v. 1920) übertragbar ist, Steffani, Die Untersuchungsausschüsse des preußischen Landtages, S. 291-357. 28 Siehe zu den Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofes Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 19, S. 159-175, und Friesenhahn, „die Staatsgerichtsbarkeit", HbDStR II, 23

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sehen den Verfassungsorganen war dem Staatsgerichtshof nur für Verfassungsstreitigkeiten innerhalb eines Landes und dort auch nur subsidiär, soweit nicht i m Land ein anderes Gericht (Landesverfassungsgerichtshof) dafür zuständig war, zugewiesen (Art. 1911. Alt. W R V i.V.m. § 16 Nr. 3 StGHG 2 9 ). Der Staatsgerichtshof konnte sich daher nur in einigen Streitigkeiten anläßlich von Untersuchungsausschüssen in einzelnen Landesparlamenten zu verfassungsrechtlichen Fragen der parlamentarischen Untersuchung äußern. 30 Die fehlende Zuständigkeit für Verfassungsstreitigkeiten auf Reichsebene wurde schon damals kritisiert. A u f dem 34. Juristentag (1926) wurde die Möglichkeit der Einführung der „Verfassungsstreitigkeit" unter ausdrücklicher Bezugnahme auf Streitigkeiten zwischen dem Untersuchungsausschuß und dem Plenum beziehungsweise dem Untersuchungsausschuß und der Regierung erörtert. 31 Bis zum Ende der Weimarer Republik wurde Art. 19 der Verfassung aber nicht mehr geändert. 32 So blieb den oben bereits angedeuteten Zweifelsfragen die verfassungsgerichtliche Klärung auf Reichsebene versagt. 33

§ 98, S. 523-545, dens. auch zu den Reformbestrebungen hinsichtlich der Einführung einer Verfassungsstreitigkeit auf Reichsebene, S. 532f. 29 Gesetz über den Staatsgerichtshof v. 9. Juli 1921, RGBl. S.905. 30 In den zwanziger Jahren hat der Staatsgerichtshof wesentliche verfassungsrechtliche Fragen zum Untersuchungsausschuß anläßlich von konkreten Streitigkeiten zu parlamentarischen Untersuchungen in den Ländern beantwortet: Zu einem Gesetz der bremischen Bürgerschaft, mit dem das parlamentarische Untersuchungsrecht, das in der Bremischen Verfassung nicht verankert war, einfachrechtlich begründet werden sollte, entschied der Vorläufige Staatsgerichtshof in einer Entscheidung vom 12. Juli 1921 (St. 4/21, RGZ 102,425), daß dies mit der Bremischen Verfassung im Widerspruch stehe. Die Enquete-Befugnisse mit ihrer behördlichen, obrigkeitlichen Natur könne der Bürgerschaft nur durch eine Bestimmung von Verfassungsrang, also hier durch eine Änderung der Bremischen Verfassung zugewiesen werden. Die Ablehnung eines Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses durch die Mehrheit im Landtag des Landes Württemberg wegen Verletzung des Bestimmtheitsgebots, erklärte der Staatsgerichtshof für rechtens (Entsch. v. 12. Jan. 1922, StGH 2/21, RGZ 104, 423) und setzte sich mit dieser Begrenzung des Untersuchungsgegenstandes ausführlich auseinander. In einer Entscheidung zu einem Untersuchungsausschuß im Braunschweigischen Landtag (Entsch. v. 18. Juni 1927, StGH 1/27, RGZ 116, Anh. S.45) äußerte sich der Staatsgerichtshof grundsätzlich zu der Frage, inwieweit die Landtagsmehrheit zu einer Abänderung des von der Einsetzungsminderheit bestimmten Untersuchungszieles berechtigt sei. Das Untersuchungsrecht als Minderheitenrecht gestatte die Präzisierung und stilistische Verbesserung des Antrags, nicht aber das Hinzufügen eines neuen Gegenstandes. Das Hinzufügen eines neuen Gegenstandes könne die Untersuchung verzögern oder deren sachliche Erledigung ungünstig beeinflussen. 31 Zu den damaligen Reformbestrebungen siehe die Verhandlungen des 34. Deutschen Juristentages unter dem Thema „Empfiehlt es sich, die Zuständigkeiten des Staatsgerichtshofes auf andere als die im Art. 19 Abs. 1 RVerf. bezeichneten Verfassungsstreitigkeiten auszudehnen?" (aaO. [Fn. 17]), Bd. 2, insbesondere die Ausführungen der Redner Anschütz, S. 193 (203), und Mende, S. 213 (227f.). 32 Siehe bereits Fn.28 und 31. 33 Eine Gesamtanalyse der Tätigkeit von Untersuchungsausschüssen in der Weimarer Zeit unternimmt Steffani in seinem Werk „Die Untersuchungsausschüsse des Preußischen Landtages zur Zeit der Weimarer Republik". Die lückenhafte rechtliche Ausgestaltung des dem Grunde nach sehr wirkkräftigen Instrumentes der parlamentarischen Opposition interpretiert Stef-

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Man wird vielleicht abschließend die Behauptung wagen können, daß der Untersuchungsausschuß als Rechtsinstitut in der Parlamentspraxis der Weimarer Republik denselben Anfechtungen ausgesetzt war wie das parlamentarische System unter der Geltung der Weimarer Reichs Verfassung als Ganzes: Die von Reichstags wähl zu Reichstagswahl immer stärkere parlamentarische Opposition nutzte den parlamentarischen Untersuchungsausschuß immer weniger als Mittel der konstruktiven parlamentarischen Kontrolle als vielmehr als Instrument agitatorischer Parteipolitik. 34 Mit dem faktischen Geltungsende35 der Weimarer Reichsverfassung durch die Machtübernahme durch die nationalsozialistische Partei wurden im Reichstag nach 1933 keine Untersuchungsausschüsse mehr eingesetzt.36 Die verfassungsdogmatische Diskussion um Stellung und Aufgaben des Parlaments wurde zunächst nicht weitergeführt. 37 Erst mit der Diskussion um eine neue deutsche Verfassung nach dem staatlichen Zusammenbruch 1945 wurde wieder über das Institut des Untersuchungsausschusses nachgedacht. b) Entstehungsgeschichte des Art. 44 GG 38 Trotz allem waren die Beratungen zum Institut des Untersuchungsausschusses für das Grundgesetz im Parlamentarischen Rat stark vom Vorbild der WRV geprägt. Der sog. Herrenchiemseer Entwurf (HchE) 39 - der vorbereitende Sachverständigenentwurf für den Parlamentarischen Rat, vorgelegt durch den vom 10.-23. Aug. 1948 einberufenen Verfassungskonvent - nahm die Bestimmungen des Art. 34 WRV in seinem Art. 57 im wesentlichen wieder auf. 40 Art. 57 HchE enthielt eine Klarstellung fani dabei als nur eine von vielen Ursachen für das „Entarten" der Untersuchungsausschüsse zur politischen Agitation (aaO. [Fn.4], S. 355 f.). In ähnlicher Weise wird das Scheitern der Weimarer Republik von Stejfani nicht allein der Weimarer Reichsverfassung angelastet. Hingegen waren gegenüber der Institution des Untersuchungsausschusses die Beratungen über das Grundgesetz noch von Mißtrauen durchsetzt (siehe dazu auch unten Fn.41). 34 Siehe Fn.27. 35 Siehe dazu zusammenfassend Willoweit, Deutsche Verfassungsgeschichte, 4. Aufl. München 2001, S.343-350. 36 Zur Verfassungsgerichtsbarkeit im sog. Dritten Reich siehe Björner, Die Verfassungsgerichtsbarkeit im Norddeutschen Bund und im Deutschen Reich (1876-1918), Frankfurt a. M. 2000 (zugl. Kiel Univ. Diss. 1999), S. 166f. 37 Maurer; Staatsrecht I, München 2001, §2, Rn.73, S.72, faßt zusammen: „Es gibt... keine verfassungsrechtliche Regelung, Institution oder Theorie aus jener Zeit, die als Baustein für die weitere Entwicklung dienen könnte oder auch nur einen weiterführenden Aspekt brächte." 38 Zur Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes insgesamt siehe: Der Parlamentarische Rat 1948-49. Akten und Protokolle, hrsg. für den Deutschen Bundestag von Wernicke, für das Bundesarchiv von Booms, Band 1, Vorgeschichte, bearbeitet von Wagner, Boppard am Rhein 1975, Einleitung, S.XI-LXIX. 39 Verfassungsausschuß der Ministerpräsidentenkonferenz der westlichen Besatzungszone - Bericht über den Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee vom 10. - 23. August 1948, abgedr. in: Der Parlamentarische Rat 1948-49. Akten und Protokolle, hrsg. für den Deutschen Bundestag von Wernicke , für das Bundesarchiv von Booms, Band 2, Der Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, bearbeitet von Bucher, Boppard am Rhein 1981, S.504.

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dahingehend, daß der Untersuchungsausschuß auch zwischen den Sitzungen des Plenums seine Sitzungen durchführen konnte. Als echte Neuerung war die Einrichtung eines Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht für den Fall gedacht, daß die Feststellungen eines Untersuchungsausschusses eine Person in ihrer Ehre angreifen. In diesem Zusammenhang sollte das Bundesverfassungsgericht die Einhaltung der Mindestgrundsätze eines geordneten Verfahrens, namentlich die Einhaltung des Anspruchs auf rechtliches Gehör, nachträglich überprüfen können. Das Bundesverfassungsgericht sollte (nur) zu der Feststellung berechtigt sein, daß die Feststellungen des Ausschusses nicht „nach den Vorschriften der Gesetze" zustande gekommen waren. Der Schutz vor ehrabschneidenden Feststellungen durch einen Untersuchungsausschuß schien der Mehrheit der Delegierten nach den Erfahrungen der Untersuchungsausschüsse im Reichstag und in den Landtagen mit Blick auf die hauptsächlich zu parteipolitischen und agitatorischen Zwecken eingesetzten Untersuchungsausschüsse gegen Ende der Weimarer Republik wichtig. 41 In den Beratungen des Parlamentarischen Rates selbst blieb die Bestimmung über die Untersuchungsausschüsse Gegenstand ausführlicher Diskussionen und zahlreicher Änderungen. 42 Im Gegensatz zu Art. 57 HchE, der wie Art. 34 WRV das Quorum der Antragsteller auf ein Fünftel der Mitglieder des Parlaments festgesetzt sehen wollte, ist in der endgültigen Fassung des Grundgesetzes das Quorum der Antragsteller mit einem Viertel bestimmt.43 Ein Beweisantrags- oder auch Beweisbestimmungsrecht der Minderheit enthielt Art. 57 HchE ebensowenig wie der - noch heute unverändert geltende - Art. 44 GG. 40 Dies tat im übrigen auch etwas später die Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik vom 7. Oktober 1949, Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik 1949, S.5-16, Art. 65. 41 Verfassungskonvent auf Herrenchiemsee, Plenarsitzung vom 22. August 1948, insbesondere die Äußerung des Delegierten Baade als „ehemaliger" Betroffener eines Reichstagsuntersuchungsausschusses, abgedr. in: Der Parlamentarische Rat. Akten und Protokolle, Bd. 2, Dokument Nr. 12, S. 396-402 (mit ausführlichen Hinweisen auf Parlamentsdokumente zu den Untersuchungsausschüssen des Reichstages in Fn. 65, 66); Einfügung eines Verfahrens vor dem künftigen Bundesverfassungsgericht auf Vorschlag der Delegierten Beyerle und Küster, Plenarsitzung vom 23. August 1948, aaO., Dokument Nr. 13, S.415f. 42 Zur Entstehungsgeschichte während der Beratungen zum Grundgesetz im Parlamentarischen Rat siehe die Darstellung bei v. Doemming, Füßlein, Matz (Bearb.), Entstehungsgeschichte der Artikel des Grundgesetzes, JöR N.F. 1 (1951), S. 366-369; bei Rechenberg, in: Kommentar zum Bonner Grundgesetz, Art.44, Zweitbearbeitung November 1977, S. 3—6; in: Das Grundgesetz. Dokumentation seiner Entstehung. Art. 44 GG, bearbeitet und mit einer Einführung versehen von Bachmann, hrsg. von der Forschungsstelle für Zeitgeschichte des Verfassungsrechts, Hannover 1988. 43 Auch dies wohl eine Konsequenz aus der Furcht vor Mißbrauch des Minderheitenrechts, siehe die Äußerung Dr. Katz', Kombinierter Ausschuß für die Organisation des Bundes und für Verfassungsgerichtshof und Rechtspflege (OrgA), 2. Sitzung v. 16. Sept. 1948, S. 1 (abgedr. in: Dokumentation Art. 44 GG, S. 30f.).

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Während noch der Abs. 2 Satz 3 des Art. 57 HchE das Aktenvorlagerecht des Untersuchungsausschusses ausdrücklich festschreibt, enthält Art. 44 GG keine ausdrückliche Bestimmung mehr. 44 Ausführlich wurde über das Verhältnis zwischen Gerichtsbarkeit und Ausschußverfahren beraten. In Abs. 4 des Art. 44 der bis heute geltenden Fassung wird ausdrücklich festgestellt, daß die Beschlüsse des Untersuchungsausschusses der richterlichen Erörterung entzogen, die Gerichte aber auch nicht an die Feststellungen des Untersuchungsausschusses gebunden sind. Das noch im Art. 57 HchE vorgesehene Verfahren zur Überprüfung der Feststellungen des Ausschusses, also im wesentlichen des Abschlußberichts, wurde während der Beratungen gestrichen45 und durch eine Bestimmung ersetzt, die (im Gegenteil) Beschlüsse des Untersuchungsausschusses der richterlichen Erörterung entzog.46 c) Bedeutung in der parlamentarischen Praxis des Deutschen Bundestages Art. 44 GG ist seit Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 die bis heute unveränderte verfassungsrechtliche Grundlage für die sogenannten „Untersuchungsausschüsse" des Deutschen Bundestages. Der Untersuchungsausschuß ist - das kann man bereits dem Text des Art. 44 GG entnehmen - einer der verschiedenen Ausschüsse des Parlaments. Damit gehört er zu den Untergliederungen und Teilorganen des Parlaments, wie auch die anderen Ausschüsse. Im Gegensatz zu den in den Art. 45 GG und 45 a GG genannten Ausschüssen ist er jedoch kein ständiger Ausschuß. Er bedarf der besonderen Einsetzung, ist also ein ad-hoc-Ausschuß. Sinn und Zweck der Einsetzung eines solchen 44

Siehe zum Verlauf der Beratungen im Parlamentarischen Rat Bachmann, Einführende Vorbemerkung, in: Dokumentation Art. 44 GG, S.7f. 45 Zunächst gestrichen in der 6. Sitzung des Organisationsausschusses am 24. Sept. 1948, Sten. Prot. S.59 (abgedr. in: Dokumentation Art. 44 GG, aaO., S.32, 33). Die Regelung wurde vom Allgemeinen Redaktionsausschuß als Abs. 6 noch einmal eingefügt (Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses zu den Formulierungen der Fachausschüsse vom 10. Nov. bis zum 5. Dez. 1948, Drs. 267 (abgedr. in: Parlamentarischer Rat, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland [Entwürfe], hrsg. v. d. Abwicklungsstelle des Parlamentarischen Rates, Bonn 1950, S. 24), um sie im Hauptausschuß erneut zur Beratung zu stellen (siehe die Erläuterung vonLeusser, 2. Sitzung des Hauptausschusses am 1 l.Nov. 1948, Sten. Prot., abgedr. in: Der Parlamentarische Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, hrsg. von der Abwicklungsstelle des Parlamentarischen Rates, Bonn 1950, S. 18). Dort wurde die Bestimmung dann mit knapper Mehrheit endgültig abgelehnt (10:9), aaO., S. 19. 46 Die in der 2. Sitzung des Hauptausschusses schon in diese Richtung zielenden Vorschläge von Dr. Menzel und Dr. Katz wurden abgelehnt (2. Sitzung des Hauptausschusses am 1 l.Nov. 1948, Sten. Prot., abgedr. in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 15-18). Der Fünferausschuß nahm diese Vorschläge in seinem Entwurf (dort Art. 57 VI) wieder auf (Parlamentarischer Rat [Entwürfe] S. 180). In der dritten Lesung des Hauptausschusses (48. Sitzung 9. Feb. 1949, abgedr. in: Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 632) wurde diese Fassung angenommen und inhaltlich nicht mehr verändert.

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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ad-hoc-Ausschusses gehen nicht unmittelbar aus dem Grundgesetz hervor; sie erschließen sich nur mittelbar aus der denkbaren Weite des Begriffes „Untersuchung". Untersuchung in dem hier verwendeten Sinne ist die Aufklärung von Sachverhalten im öffentlichen Interesse. Unter den weiten Begriff des „öffentlichen Interesses" fällt die Untersuchung von sämtlichen Vorgängen aus Regierung und Verwaltung, aber auch die Nachforschung über Vorgänge innerhalb des Parlamentes oder auch die Vorbereitung, also beispielsweise die Tatsachenermittlung zu Entscheidungen über große Sachkomplexe.47 Die genannten möglichen Bereiche der Tätigkeit eines Untersuchungsausschusses werden in der parlamentarischen Praxis üblicherweise mit den Begriffen der Mißstandsenquete bzw. Skandalenquete, der Kontrollenquete und der Gesetzgebungsenquete umschrieben. Rechtliche Bedeutung kommt diesen Begriffen allerdings nicht zu. 48 Der Schwerpunkt der Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse liegt in der heutigen politischen Praxis bei der Mißstandsenquete, weil dem Deutschen Bundestag zur Vorbereitung parlamentarischer Entscheidungen mittlerweile das Instrument der Enquete-Kommission49 zur Verfügung steht und die Untersuchung parlamentsinterner Vorgänge teilweise in die Zuständigkeit des Ältestenrates oder des Präsidiums des Bundestages fällt. 50 Zielrichtung und Gegenstand der Untersuchung werden durch den Untersuchungsauftrag des Einsetzungsbeschlusses durch den Bundestag festgelegt. Der Untersuchungsausschuß ist von sich aus nicht berechtigt, den Untersuchungsauftrag zu erweitern oder zu verändern. Dies ergibt sich direkt aus dem Wortlaut des Art. 44 GG. Das Untersuchungsverfahren als verfassungsrechtliches Institut bleibt nicht auf die auch sonst bestehenden von Verfassungs wegen eingeräumten Rechte des Parlaments begrenzt. Mit dem Recht zur Beweiserhebung steht dem Untersuchungsausschuß ein Mittel zur Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung, welches dem Parlament als Ganzem nicht zur Verfügung steht. Aus Art. 44 I I GG läßt sich entnehmen, daß dem Untersuchungsausschuß „in sinngemäßer Anwendung der Strafprozeßordnung" hoheitliche Mittel bei der Kontrolle von Regierung und Verwaltung, aber auch gegenüber Dritten zu Gebote stehen. Die pauschale Verweisung auf eine Verfahrensordnung - Strafprozeßordnung - , die nicht auf die parlamentarischen Untersuchung zugeschnitten ist, führt zu verschiedenen Problemen. Der Untersuchungsausschuß schließt die Untersuchung mit einem Untersuchungsbericht und evtl. einer Beschlußempfehlung an das Parlament ab. 47

Schneider, in: Kommentar zum Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Reihe Alternativkommentare, Gesamthrsg. Wassermann, Band 2, Art. 38-146, 1989, Art. 44, Rn. 3. 48 Versteyl, in: von Münch/Kunig (Hrsg.), Grundgesetz-Kommentar, Band 2 (Art. 20-69), 5. Aufl. München 2001, Art.44, Rn. 3.; in diesem Sinne auch BaWüStGH, Urt. v. 13. Aug. 1991, GR 1/91, ESVGH 42, 7 (15 f.). 49 Siehe §56 der GO-BT. 50 Schneider, in: AK II, Art. 44, Rn. 3, spricht hier von einer „Erosion" des Untersuchungsrechts.

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Spezielle Rechtsquellen unterhalb der verfassungsrechtlichen Ebene für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses und das Verfahren der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages existierten über fünfzig Jahre lang keine. Eine Ermächtigung an das Parlament, sich auf einfachgesetzlicher Ebene in Form eines Untersuchungsausschußgesetzes eine Rechtsgrundlage zu geben, enthält Art. 44 GG nicht, ebensowenig folgt an dieser Stelle ein Hinweis auf die Geschäftsordnung des Bundestages. Gesetzgeberischen Vorstößen, Einzelheiten des Verfahrens, Rechte und Pflichten des Untersuchungsausschusses und die Rechte sowohl der Mitglieder als auch der jeweilig Betroffenen auf einfachgesetzlicher Ebene weiter auszugestalten, ist lange kein Erfolg beschieden gewesen. In der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages finden sich als weitere Ausgestaltung des Verfahrens nur die allgemeinen Bestimmungen der §§ 54-74 GO-BT 51 zu Ausschüssen, die keine Vorschriften speziell für den Untersuchungsausschuß enthalten. Von der Möglichkeit, wenigstens Teilaspekte des Verfahrens in der Geschäftsordnung des Bundestags eingehender zu regeln, wurde kein Gebrauch gemacht. Die Parlamentspraxis behalf sich seit der 6. Wahlperiode bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und dem Verfahren während der Untersuchung regelmäßig mit den sogenannten IPA-Regeln, einem Gesetzesentwurf aus dem Jahre 1969 einer Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft, der damals auf einem breiten Konsens beruhte, aber dann doch nicht verabschiedet wurde 52. Auf diese Regeln einigte sich nach Konstituierung des Untersuchungsausschusses durch den Bundestag jeder Untersuchungsausschuß zu Beginn seiner Arbeit. 53 In der 14. Wahlperiode (1998-2002) gelang es dann dem Bundestag auf Initiative der Regierungskoalition von SPD und Grünen, ein Untersuchungsausschußgesetz zu verabschieden (im folgenden „PUAG"). Dem folgte eine Anpassung des Bundesverfassungsgerichts. 54 Eine „große" Reform, die auch eine Änderung des Art. 44 GG mit einbezogen hätte, ist hiermit jedoch keineswegs verbunden gewesen. Allerdings scheint die Entwicklung 51

Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (in der Fassung der Bekanntmachung von 12. Feb. 1998, BGBl. I S. 428). 52 Entwurf eines Gesetzes über Einsetzung und Verfahren von Untersuchungsausschüssen des Bundestages, BT-Drs. V/4209; siehe zum Ablauf und den Hintergründen des Gesetzgebungsverfahrens Schindler, Datenhandbuch zur Geschichte des Deutschen Bundestages 1949 bis 1999, Berlin 2000, S.2243; zu Aufgaben und Zielen der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft (IPA) dens., S.3628. 53 Kurze Übersicht bei Lölhöffel, Untersuchungsausschußgesetz, Schwankende Grundlage aus grauer Vorzeit, Das Parlament Nr. 13,20. März 1998, S. 2. Siehe zuletzt für den zweiten Untersuchungsausschuß der 13. WP „Kommerzielle Koordinierung II", Einsetzungsantrag BTDrs. 13/2483 und für den ersten Untersuchungsausschuß der 14. WP „Parteispenden", Einsetzungsantrag BT-Drs. 14/2139. 54 Sechstes Gesetz zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes v. 22. Aug. 2002, BGBl. 12002, S. 3386. Die Materialien dazu: GesEntw SPD Bündnis 90/Die Grünen v. 4. Juni 2002, BT-Drs. 14/9220; PIPr 14/239 v. 6. Juni 2002, S. 23897 B, 23899 A, BeschlEmpf Rechtsausschuß v. 13. Juni 2002, BT-Drs. 14/9462, PIPr 14/243 v. 14. Juni 2002, S.24424B-C; PIPr 14/243 v. 14.6.2002, S. 24424 C, BR Drs. 537/02; BR PIPr 778 v. 12. Feb. 2002, S. 393 Β, 417 A-418B/Anl; BR-Drs. 537/02.

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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des Untersuchungsrechts damit zu einem vorläufigen Abschluß gekommen zu sein. 55 Seit der ersten Konstituierung des Deutschen Bundestages sind - eingeschlossen die dreizehnte Wahlperiode - zweiunddreißig Untersuchungsausschüsse eingesetzt worden. 5 6 Während einige der Untersuchungsausschüsse fast unbemerkt von der Öffentlichkeit ihrer Arbeit nachgingen, sind andere Untersuchungsausschüsse Gegenstand heftiger politischer Auseinandersetzung gewesen. 57 In der zwölften und dreizehnten Wahlperiode spiegeln die eingesetzten Untersuchungsausschüsse auch die Geschichte und die Probleme der Deutschen Wiedervereinigung wider. 5 8 Bemerkenswert an den in dieser Wahlperiode eingesetzten Untersuchungsausschüssen ist insbesondere der Umstand, daß ihre Einsetzung in mehreren Fällen nicht mehr i m Kampf der Opposition gegen die Regierungsmehrheit zustande kam, sondern sie alle auf Beschlußempfehlung von ständigen Ausschüssen hin eingesetzt wurden, mag auch das Untersuchungsthema zunächst noch kontrovers diskutiert worden sein. 5 9 55 Die parlamentarischen Materialien zum Gesetz zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschussgesetz): Gesetzentwurf der ED.P.-Fraktion BT-Drs. 14/363; Gesetzentwurf der Fraktionen SPD, Gesetzentwurf der Fraktion DIE GRÜNEN/Bündnis 90 BT-Drs. 14/2518; PIPr 14/82 v. 21. Jan. 2000, S.7617 A-7627 A; Beschlußempfehlung und Bericht Ausschuss für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung BT-Drs. 14/5790; Änderungsantrag der PDS-Fraktion BT-Drs. 14/5819; PIPr 14/165 v. 6. Apr. 2001 S. 16144 B-16157 A; PIPr 14/165 v. 6. Apr. 2001 S. 161157 Α -B mit der Zusammenführung der Entwürfe BT-Drs. 14/2518 und BT-Drs. 14/2363 zu einer gemeinsamen Ausschußfassung; einstimmige Annahme der BT-Drs. 14/5790 und Ablehnung des Änderungsantrags BT- Drs. 14/5819, PIPr 14/165 vom 6. Apr. 2001 S. 16157 Α-B; BR-Drs. 281-01, BR-PIPr 763 vom 11. Mai. 2001 S. 202B-C/Anl., BR-Drs. 281/01 (kein Antrag auf Einberufung des Vermittlungsausschusses gem. Art. 77 II GG); Gesetz vom 19. Juni. 2001, BGBl. I S. 1142. 56 Siehe die tabellarische Übersicht der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages von 1. bis zur 14. Wahlperiode bei Schindler, Datenhandbuch, S. 2188-2202; siehe auch die statistischen Angaben bei Versteyl, in: vM/K, GGK II, Art. 44, S. 818 f., bis zur zwölften Wahlperiode. In der dreizehnten Wahlperiode kamen der Ausschuß „Plutoniumhandel", eingesetzt am 11. Mai 1995, und der Ausschuß „Kommerzielle Koordinierung II", eingesetzt am 18. Okt. 1996, hinzu. In der 14. WP wurde als erster Untersuchungsausschuß am 15. Dez. 1999 der Ausschuß „Parteispenden" eingesetzt. 57 Eine Darstellung und Analyse der Untersuchungsausschüsse von der ersten bis zur neunten Wahlperiode gibt Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages. Praxis und Reform der parlamentarischen Enquete, Berlin 1985, S. 117-171. 58 In der zwölften Wahlperiode der Untersuchungsausschuß „Kommerzielle Koordinierung I " (1. UA/12. WP) und der Untersuchungsausschuß „Treuhandanstalt" (2. UA/12. WP); in der dreizehnten Wahlperiode der Untersuchungsausschuß „Kommerzielle Koordinierung I I " (2.UA/13. WP). 59 Der Untersuchungsausschuß „Kommerzielle Koordinierung I " (1. UA/12. WP) kam auf der Grundlage von Anträgen der damaligen Oppositionsfraktion der SPD (BT-Drs. 12/654) mit Stimmen von den Fraktionen der damaligen Regierungskoalition CDU/CSU und F.D.P. (BTDrs. 12/662) zustande. Der Untersuchungsausschuß „AIDS-infizierte Blutkonserven" kam sogar auf eine Beschlußempfehlung des Ausschusses für Gesundheit, also eines Fachausschusses, zustande; vgl. BT-Drs. 12/6048 und PIPr 121/186 S. 16103 f. Zuvor war im Plenum diskutiert worden, ob der

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Das parlamentarische Untersuchungsrecht wurde daher jedenfalls in diesen beiden Wahlperioden nicht mehr unter dem Aspekt der Untersuchung als Instrument der Kontrolle in der Hand der parlamentarischen Opposition eingesetzt, sondern diente dem Parlament auch dazu, sich mit den in der Öffentlichkeit diskutierten Problemen als Volksvertretung auseinanderzusetzen. Der jüngste Untersuchungsausschuß im Rahmen dieser Untersuchung, der Parteispenden-Ausschuß, fällt in anderer Weise aus dem Grundschema des von der parlamentarischen Opposition beantragten Untersuchungsausschusses heraus. Hier untersuchten Abgeordnete der Regierungskoalition überwiegend Vorkommnisse der vorangegangenen Regierung: es handelte sich also nicht um eine Minderheitsenquete. d) Befassung des Bundesverfassungsgerichts mit Streitfällen im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen Das Bundesverfassungsgericht hatte in fünf „großen" Entscheidungen Gelegenheit, sich mit Rechtsfragen des Art. 44 GG auseinanderzusetzen. In einer Entscheidung 60 zu einem Untersuchungsausschuß in Schleswig-Holstein61 konnte es sich zu Fragen der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und der Minderheitenrechte äußern, allerdings ohne Bindungswirkung gem. § 311 BVerfGG hinsichtlich der Auslegung des Art. 44 GG, da es sich dort um eine Landesverfassungsorganstreitigkeit gehandelt hatte. In der Entscheidung „Flick" 6 2 entschied das Gericht über das im Grundgesetz nicht ausdrücklich erwähnte Recht des Untersuchungsausschusses auf Aktenvorlage durch die Regierung. In der Entscheidung „Neue Heimat" 63 und der damit in Zusammenhang stehenden Entscheidung „Lappas" 64 ging es um die Zulässigkeit von Beschlagnahme und Durchsuchung im Beweiserhebungsverfahren Untersuchungsgegenstand nicht besser durch eine Enquete-Kommission aufbereitet werden sollte (siehe die Darstellung im Abschlußbericht, BT-Drs. 12/8591, S. 12). Im Falle des Plutoniumhandel-Ausschusses wurden die Anträge von Bündnis 90/DIE GRÜNEN (BT-Drs. 13/1176), SPD-Fraktion (BT-Drs. 13/1196) und den Fraktionen CDU/CSU sowie F.D.P. (BT-Drs. 13/1202) einvemehmlich vom Plenum in den Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung überwiesen. Auf der Grundlage der BeschlEmpf dieses Ausschusses (BT-Drs. 13/1323) wurde der Untersuchungsausschuß eingesetzt (siehe den ersten Bericht des Untersuchungsausschusses „Plutoniumhandel", BT-Drs. 13/10800, S.20f.). 60 Beschl. v. 2. Aug. 1978, 2 BvK 1/77, BVerfGE 49, 70 ff. 61 Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts gem. Art. 99 GG i.V. m. § 13 Nr. 10 BVerfGG und Art. 371 der damaligen Landessatzung „Verfassungsstreitigkeit innerhalb eines Landes". 62 Urt. v. 17. Juli 1984,2 BvE 11,15/83, BVerfGE 67, lOOff., im Verfahren des Organstreits im Zusammenhang mit dem 1. UA/10 WP (Flick-Untersuchungsausschuß). 63 Beschl. v. l.Okt. 1987, 2 BvR 1178, 1179, 1191/86, BVerfGE 77, Iff., Verfassungsbeschwerdeverfahren im Zusammenhang mit dem 3. UA/10 WP (Untersuchungsausschuß „Neue Heimat"). 64 Beschl. v. 1. Okt. 1987, 2 BvR 1165/86, BVerfGE 76,363 ff., Verfassungsbeschwerdeverfahren im Zusammenhang mit dem 3. UA/10 WP (Untersuchungsausschuß „Neue Heimat").

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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des Untersuchungsausschusses. Die Flick-Entscheidung erging in einem Organstreitverfahren, die Entscheidungen „Neue Heimat" und „Lappas" ergingen jeweils auf eine Verfassungsbeschwerde hin. In der Entscheidung zum Parteispenden-Ausschuß65 klärte das Verfassungsgericht Fragen des Beweisantrags- und Beweiserzwingungsrechts der Minderheit. Diese Entscheidungen bilden die in der Einleitung angesprochene Grundlage, auf der die verfassungsprozessualen Verfahren in den neuen Ländern untersucht werden sollen. Ohne eine Betrachtung der parlamentarischen Untersuchung selbst bleibt die verfassungsprozessuale Problematik indes unverständlich. Im folgenden sollen daher zunächst der Ablauf der parlamentarischen Untersuchung und die typischerweise damit verbundenen (verfassungs-)rechtlichen Probleme dargestellt werden, bevor dann die verfassungsprozessuale Seite ab dem II. Abschnitt des ersten Haupteiles beleuchtet wird. 2. Verfassungsrechtliche Vorgaben und Begrenzungen des Untersuchungsthemas Eine der Grundfragen der Diskussion seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts um das parlamentarische Untersuchungsrecht ist die Frage nach dem zulässigen Gegenstand der Untersuchung. Historischer Ausgangspunkt waren die Position von einerseits Zweig, 66 der die Befugnisse des Untersuchungsausschusses als „korollar" (d. h. entsprechend) zu den Befugnissen des Parlaments ansah, gegenüber andererseits der Position von Lewald 67 mit der These von der umfassenden Oberaufsicht des Parlaments. Die damals gegensätzlichen Positionen spiegeln die Diskussion um die Abgrenzung der Aufgabenbereiche zwischen Parlament und Regierung (Krone) im Übergang zur parlamentarischen Demokratie wider. Sie standen damals auch darin aber in gewissem Sinne synonym für die Unterschiede von Rechtsauffassungen in der konstitutionellen Monarchie einerseits und in der Republik andererseits. Mit der Ausweitung des parlamentarischen Zuständigkeitsbereiches im parlamentarischdemokratischen Verfassungssystem des Grundgesetzes hat die Korollartheorie noch formal Bestand, während sie sich inhaltlich der These von der umfassenden Oberaufsicht annähert, d. h. der Gegensatz zwischen beiden Positionen langsam eingeebnet wird. 68 Denn: der Begriff „korollar" ist relativ, beschreibt also die zulässigen 65 Urt. v. 8. April 2002, 2 BvE 2/01, http://www.bverfg.de, Organstreitverfahren im Zusammenhang mit dem 1. UA/14. WP (Parteispenden-Ausschuß). 66 Zweig, Die parlamentarische Enquete nach deutschen und nach östereichischen Recht, ZfP 6 (1913), 265 (267). 67 Lewald, Enquêterecht und Aufsichtsrecht. Eine verfassungsrechtliche Studie, AöR 44 (1923), 269, S.291 f., 293 f., 307f. 68 Zur Bedeutungslosigkeit der „umfassenden Oberaufsicht" im parlamentarischen System Masing, Parlamentarische Untersuchung privater Sachverhalte, S.41 f.; ders. zur unreflektierten Übernahme der „Korollartheorie" im parlamentarischen System, aaO., S. 167-171.

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Untersuchungsgegenstände nur in Abhängigkeit von den Aufgaben und Befugnissen des Parlaments. Je weiter also die Kompetenzen des Parlaments reichen, desto weiter reicht auch der Kreis möglicher Untersuchungsgegenstände.69 Ebensowenig können innerhalb dieser alten Grundsatzdiskussion Begrenzungen des Untersuchungsrechts diskutiert werden, die ihren Grund nicht in der Aufgabenverteilung zwischen Parlament und Exekutive haben, sondern aus Rechtspositionen von dritter Seite, hier besonders im Lichte der Grundrechte zu bestimmen sind.70 Gerade letztgenannte Abgrenzung bereitet nach heutigem Verständnis sehr schwierige Probleme. Artikel 44 GG trifft selbst keine Anordnungen oder ausdrückliche Bestimmungen zum zulässigen Untersuchungsgegenstand.71 Auch das PUAG unternimmt keinen eigenen Definitionsversuch, ungeachtet dessen, daß die dort gefundene Formulierung die oben dargestellte „Korollartheorie" umsetzt. § 1 III PUAG bestimmt: „Ein Untersuchungsverfahren ist zulässig im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten des Bundestages." Methodisch kann sich daher dem zulässigen Untersuchungsgegenstand anstatt durch begriffliche Bestimmung des „Untersuchungsrechts" eher im Wege systematischer Betrachtung der möglichen Begrenzungen des Untersuchungsrechts durch andere Verfassungsbestimmungen genähert werden.

a) Inhaltliche Begrenzung des Untersuchungsthemas aa) Das „öffentliche Interesse" Regelmäßig wird das „öffentliche Interesse" an der zu untersuchenden Angelegenheit als verfassungsrechtliche Grenze des Untersuchungsrechts des Parlaments bemüht, auch wenn dieser unbestimmte Rechtsbegriff im Wortlaut des Art. 44 GG nicht erscheint. 72 69 Siehe Schenke, Empfiehlt sich die gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse?, JZ 1988, 805 (808). 70 In diesem Sinne auch Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, Das Bonner Grundgesetz, Bd. II, Art. 20 bis 78, 4. Aufl. München 2000, Art. 44, Rn. 8. 71 Anders zum Beispiel aus älterer Zeit der Preuß'sche Entwurf für die WRV (§ 52), „... wenn die Gesetzlichkeit oder Lauterkeit von Regierungs- oder Verwaltungsmaßnahmen des Reiches angezweifelt wird...", Deutscher Reichsanzeiger, Nr. 15 v. 20Jan. 1919, Erste Beilage; oder auch die Verfassung des Landes Thüringen v. 11. März 1921, Gesetzessammlung für Thüringen 1921, S. 57 ff. (abgedr. bei Riegel ΉenkelLunau [Hrsg.], Dokumente zum Thüringer Staatsrecht. 1920-1952, Stuttgart 1991, S.51: „...Zweifel an der Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Verwaltungsmaßnahmen der öffentlichen Behörden..."; aus jüngster Zeit die Niedersächsische Verfassung von 1993 (GVB1. S. 107), die dem Untersuchungsausschuß die Aufgabe zuweist, „Sachverhalte im öffentlichen Interesse aufzuklären" (Art. 2711 Nds.Verf.); ähnlich, wenn auch sprachlich ungeschickt die neue Schleswig-Holsteinische Verfassung von 1990 (GVOB1. S. 391), die bestimmt, daß der Untersuchungsausschuß „zur Aufklärung von Tatbeständen [sie] im öffentlichen Interesse eingesetzt wird" (Art. 1811 SchlH Verf.). 72 Den Begriff des öffentlichen Interesses voraussetzend BVerfGE 67,100 (140) - Flick; 77, 1 (39, 44f.)-Neue Heimat.

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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Die Begrenzung der Zulässigkeit von Untersuchungsgegenständen auf Angelegenheiten im öffentlichen Interesse wird einerseits damit begründet, daß andernfalls ohne Grund andere Verfassungsorgane in ihrer Kompetenzsphäre beeinträchtigt werden. Andererseits würden möglicherweise auch Privatpersonen in Untersuchungen einbezogen werden, die deren Persönlichkeitssphäre erheblich beeinträchtigen könnten.73 Als unbestimmter Rechtsbegriff muß der Begriff des öffentlichen Interesses unter Berücksichtigung der Aufgaben und des Zweckes parlamentarischer Untersuchungsausschüsse ausgelegt werden. 74 Es erweist sich aber bald, daß diese Voraussetzung der parlamentarischen Untersuchung keine ernsthaften Einschränkungen auferlegt. War im Sinne der Korollartheorie in der älteren Staatslehre der Inhalt des Untersuchungsziels auf die Aufgaben des Parlaments im Rahmen der Gewaltenteilung begrenzt 75, so ist das öffentliche Interesse, anschließend an den weiten Kompetenzbereich des Parlaments, wie er durch das Grundgesetz umrissen wird, heute nurmehr ein äußerster Rahmen der Untersuchungskompetenz des Parlaments.76 Die Fälle, in denen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses daran scheiterte, daß das öffentliche Interesse - durch die Rechtsprechung77 - verneint wurde, waren daher selten. Der Bayerische Verfassungsgerichtshof hat sich in einer seiner Entscheidungen zum parlamentarischen Untersuchungsausschuß einmal um eine Präzisierung des 73 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn.25; öffentliches Interesse mit Grundrechten abwägend BVerfGE 77, 1 (44 f., 52 f.). Die Notwendigkeit der Abwägung betonend auch BayVerfGH, Entsch. v. 19. April 1994, Vf. 71-IVa-93, VerfGH 47, 87 (125). Der BayVerfGH verweist zu Recht darauf, daß die zunehmend detaillierter gefaßten Untersuchungsaufträge Form und Inhalt der Beweiserhebung bereits antizipieren, so daß schon im Stadium der Einsetzung die Notwendigkeit der Abwägung besteht, aaO., S. 125. 74 BayVerfGH, Entsch. v. 27. Juni 1977, Vf. 31-VI-77, BayVerfGH 30,48 (64), in bezug auf Art. 2 I BayUAG; ohne weitere Erläuterung zum Begriff des öffentlichen Interesses: HessStGH, Entsch. v. 9. Feb. 1972, P. St. 665, ESVGH 22, 136 (138). 75 Für eine Begrenzung des Untersuchungsrechts durch die Aufgabenverteilung im Rahmen der Gewaltenteilung noch der Hessische Staatsgerichtshof, Entsch. v. 24. Nov. 1966, P. St. 414, ESVGH 17,1 (14), nach dem ein lediglich politisches Interesse an der Untersuchung nicht ausreichen, vielmehr die Untersuchung immer einen verfassungsmäßig zulässigen oder gebotenen Beschluß zum Ziele haben soll. 76 Siehe Schröder, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten parlamentarischer Untersuchungsausschüsse?, Gutachten für den 57. Deutschen Juristentag, Verhandlungen des 57. Deutschen Juristentages 1988, Band I, München 1988, (zit. Gutachten) Teil E (E 20), der die Deckungsgleichheit zwischen Parlamentszuständigkeit und Untersuchungsrecht als Axiom des Untersuchungsrechts bezeichnet. 77 ...einmal abgesehen von der Frage, ob dieser Begriff überhaupt in vollem Umfang gerichtlich nachprüfbar ist oder ob hier von vornherein eine Einschätzungsprärogative der antragstellenden Minderheit oder wenigstens des Parlaments als ganzem besteht; siehe Schenke, Empfiehlt sich eine gesetzliche Neuordnung der Rechte und Pflichten der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse?, JZ 1988, 805 (810), der eine Konkretisierungsprärogative des Bundestages befürwortet.

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Begriffs „öffentliches Interesse" bemüht. Insbesondere hat er das öffentliche Interesse auf die Aufklärung eines Sachverhalts und nicht nur auf den Sachverhalt als solchen bezogen.78 Nach der Auffassung dieses Verfassungsgerichts muß dabei ein Gemeinwohlbezug zu erkennen sein, die bloße Erregung öffentlichen Aufsehens oder der Aufmerksamkeit der Medien genügt hierfür nicht. 79 Der Bayrische Verfassungsgerichtshof sieht den Funktionszweck eines Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag nicht mehr erfüllt, wenn Sachverhalte, die bereits länger zurückliegen und an deren Aufklärung kein aktuelles Interesse mehr bestehen kann, untersucht werden sollen oder die Aufklärung von Sachverhalten verlangt würde, die keine irgendwie geartete Tätigkeit des Landtages im Rahmen seiner verfassungsmäßigen Zuständigkeit auslösen könnte.80 Als außerhalb des öffentlichen Interesse stehend wurde vom Bayrischen Verfassungsgerichtshof eine beabsichtigte Untersuchung betrachtet, die einen bereits offenliegenden Sachverhalt erneut aus „propagandistischen Zwecken" aufarbeiten sollte. Der Bayrische Verfassungsgerichtshof weist dabei aber dem Antrag der Minderheit - jedenfalls, was die Untersuchung von Mißständen betrifft - eine Indizwirkung zu, was zu untersuchen im öffentlichen Interesse liegt, auch wenn dies nicht im Sinne einer Einschätzungsprärogative der Minderheit zu verstehen sei.81 Auf den Begriff des öffentlichen Interesses ganz zu verzichten, wie beispielsweise Schneider 82 dies vorschlägt, scheint gerade für diejenige Gruppe von Untersuchungen, die auch oder sogar überwiegend das Verhalten privater Personen zum Gegenstand haben, nicht sachgerecht. Sofern das Verhalten oder die Situation Privater zum Gegenstand der Untersuchung gemacht wird, muß deren grundrechtlich geschützte Rechtsposition berücksichtigt werden. In besonderen Fallkonstellationen, wie der Mißstandsenquete, bei der (unter anderem) das Verhalten einer bestimmten Person im Zentrum der Untersuchung steht, kann schon der Einsetzungsbeschluß die Rechtsposition unmittelbar berühren. 83 Hier muß gerade abgewogen werden zwischen dem öffentlichen Interesse und den möglicherweise betroffenen Grundrechten der jeweiligen Privatperson, deren Verhalten oder Situation zum Thema der Untersuchung wird - eine Konstellation, die vor allem in den Untersuchungsausschüssen „Flick" und „Neue Heimat" zu beachten war. Eine Enquete, die allein dazu bestimmt ist, das Handeln einer Privatperson auszuforschen, ohne daß ein bezug zu Regierungstätigkeit oder Verwaltungshandeln gegeben ist, wäre demnach unzuläs78

BayVerfGH, Entsch. v. 27. Nov. 1985, Vf. 67-IV-85, VerfGH 38, 165 (177). BayVerfGH, Entsch. v. 19. April 1994, Vf. 71-IVa-93, VerfGH 47, 97 (127). 80 BayVerfGH, aaO., 128, wonach auch lange zurückliegende Ereignisse zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht werden können, wenn ein aktueller Bezug zu einer Kontrolltätigkeit des Landtages oder sonstige, mit öffentlichen Bereichen in unmittelbarem Zusammenhang stehende politische oder rechtliche Auswirkungen möglich scheinen. 81 BayVerfGH, aaO., 127f.; weitergehend Rechenberg, in: BK, Art. 44, Rn. 9, der bei der Minderheitsenquete der antragstellenden Minderheit die Kompetenz-Kompetenz darüber zuweist, wann ein öffentliches Interesse an einer parlamentarischen Untersuchung gegeben ist. 82 Schneider, in: AK II, Art. 44, Rn. 11, hält diesen Begriff für überhaupt nicht justitiabel. 83 So der BayVerfGH, Entsch. v. 31. März 1995, Vf. 43-VI-94, VerfGH 48, 34 (36). 79

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sig; eine Nähe der Untersuchung zu staatlichem Handeln ist bei der Mißstandsenquete jedenfalls Voraussetzung.85 Das öffentliche Interesse an der Aufklärung eines Sachverhalts setzt jedoch nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts nicht zwingend voraus, daß der Bundestag aufgrund der Untersuchung des Ausschusses in die Lage versetzt wird, gerade als Gesetzgeber tätig zu werden. 86 Es reicht aus, daß lediglich Empfehlungen politischer Art angestrebt werden. 87 Einer zuvor bereits bestehenden normativen Bestimmung oder Zuweisung eines Gegenstandes zum Gegenstand des öffentlichen Interesses bedarf es nicht. Der Begriff des öffentlichen Interesses ist „faktisch", d. h. er ist daran ausgerichtet, was von der Allgemeinheit als „von Interesse" angesehen wird. 88 Letztendlich grenzt der Begriff des öffentlichen Interesses nicht speziell Kompetenzen des Untersuchungsausschusses ein, sondern dient als Generalklausel, um die Abgrenzung zwischen staatlicher - hier parlamentarischer Tätigkeit - und Privatsphäre zu umschreiben.89

bb) Grundsatz der Bestimmtheit des Untersuchungsthemas Eine weitere Eingrenzung/Voraussetzung des Untersuchungsgegenstandes wurde bereits durch den Staatsgerichtshof des Deutschen Reichs mit dem Grundsatz der Bestimmtheit des Untersuchungsthemas hervorgehoben. 90 Die Bestimmtheit des Untersuchungsthemas (klare und eindeutige Beschreibung des Untersuchungsgegenstandes) ist in zwei Beziehungen von Bedeutung. Zunächst kommt es darauf an, zu welchem Zeitpunkt das Untersuchungsthema inhaltlich eindeutig bestimmt sein muß, ob also bereits der Antrag oder erst der Einsetzungsbeschluß dem Bestimmtheitserfordernis unterliegt. Ist dies geklärt, ist weiter zu fragen, welcher Grad der Bestimmtheit erreicht werden muß. Die verschiedenen einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften treffen dazu unterschiedliche Regelungen.91 Art. 44 äußert sich dagegen weder zum Zeitpunkt noch zum Grad der Bestimmtheit. Das Bestimmtheitserfordernis als rechtswirksames 84 Unzulässigkeit eines sog. „Schusses ins Dunkle" lediglich zur Ausforschung einer Person, BaWüStGH, Urt. v. 13. Aug. 1991, GR 1/91, ESVGH 42, 7 (16). 85 In diesem Sinne BVerfGE 77, 1 (44f.). 86 Zur Diskussion vor der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts „Neue Heimat", BVerfGE 77, 1 ff., siehe Schröder, Gutachten, E23. 87 BVerfGE 77, 1 (44 f.). 88 Zur früheren Diskussion um faktisches und normatives Interesse siehe zusammenfassend Di Fabio, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, Berlin 1988 (zugl. Bonn Univ. Diss. 1987), S. 41-44. 89 Uerpmann, Das öffentliche Interesse, Tübingen 1999, S.80. 90 StGH, Entsch. v. 12. Jan. 1922, StGH 2/21, RGZ 104,423 (430). 91 Siehe dazu die Beschreibung und den Vergleich bei Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 30.

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Prinzip ergibt sich für das Grundgesetz insofern aus dem Rechtsstaatsprinzip, Art. 20 III GG, als einem allgemeinen Verfassungsprinzip. 92 Damit gilt dieses Prinzip aber noch nicht zwingend bereits für den Antrag. Als Parlamentsinternum kann der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nicht ohne weiteres mit der Begründung dem Bestimmtheitserfordernis unterworfen werden, daß jede hoheitliche Tätigkeit dieser Anforderung genügen müsse. Die Bestimmtheit des Untersuchungsthemas muß vielmehr aus der besonderen Struktur des Untersuchungsrechts als Minderheitsrecht heraus begründet werden - eine Argumentation, die auf Landesebene in der Rechtsprechung ihren Niederschlag fand. Der baden-württembergische Staatsgerichtshof 93 hat die Rechtspflicht der antragstellenden Minderheit auf Konkretisierung des Untersuchungsthemas als Spiegelbild des Minderheitsrechts auf Einsetzung begriffen. Wie der baden-württembergische Staatsgerichtshof dann zutreffend folgert, könne man deshalb von der Mehrheit des Parlaments nicht verlangen, auf die Konkretisierung des von der Minderheit vorgegebenen Untersuchungsthemas hinzuwirken, um deren Anliegen zu größtmöglicher Wirksamkeit zu verhelfen. Die Verantwortung für die Bestimmtheit des Untersuchungsthemas im Antragsstadium kann also zu Recht der antragstellenden Minderheit aufgebürdet werden. Der Grundsatz der Bestimmtheit begrenzt die antragstellende Minderheit in der Formulierung des Untersuchungsthemas. Wenn bereits der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses dem Bestimmtheitsgebot genügen muß, kann für den Beschluß des Plenums zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses kein geringerer Maßstab gelten. Hier liegt die Begründung für das Bestimmtheitserfordernis allerdings auch darin, daß der Untersuchungsauftrag Grundlage für das spätere Untersuchungsverfahren ist und insofern allen verfassungsrechtlichen Anforderungen genügen muß, denen hoheitliches Handeln immer unterliegt. 94 Die Frage, die sich an das Problem des Zeitpunktes anschließt, ist die nach dem Grad der Bestimmtheit. In der bereits genannten Entscheidung wies der baden-württembergische Staatsgerichtshof darauf hin, daß der Grad der Bestimmtheit vor dem Hintergrund der typischen Ausschußtätigkeit gesehen werden müsse. Die lückenhafte Tatsachengrundlage bei der Einsetzung, die oft nicht mehr als eine einseitige und sehr vorläufige Wertung erlaube, fordere eine nicht allzu restriktive Auslegung des Begriffes „Bestimmtheit"; es müsse dem Ausschuß unbenommen bleiben, ein Thema umfassender anzugeben, als es auf den ersten Blick nötig erscheine.95 Andererseits entspreche ein Untersuchungsausschuß, der die Regierungs- oder Verwaltungstätigkeit an sich global untersuchen wollte, wiederum dem Bestimmtheitser92

Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 30, m. w. N. BaWüStGH, Urt. 16. April 1977, GR 2/76, ESVGH 27, 1 (8). 94 Zur Tätigkeit des Untersuchungsausschusses als hoheitlichem Handeln BVerfGE 77, 1 (40 f.). 95 BaWüStGH, aaO., 9. 93

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fordernis auf jeden Fall nicht. 96 Dabei ist, wie der Bayerische Verfassungsgerichtshof feststellte, darauf zu achten, daß es nicht dem Untersuchungsausschuß überlassen bleibt zu bestimmen, wie weit die Untersuchung ausgedehnt werden soll. 97 Daneben wird zunehmend der rechtsstaatliche Sinn des Bestimmtheitsgebotes, das auf diese Weise schon zum Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses die Grundrechte des betroffenen Privaten bei der Beweiserhebung schützt, betont.98 Der Bayrische Verfassungsgerichtshof hebt jedoch hervor, daß eine abschließende Definition des Begriffs der Bestimmtheit nicht möglich ist, sondern daß es auf die Auslegung und Anwendung im konkreten Einzelfall ankommt.99 cc) Bundesstaatliche Kompetenzgrenzen Eine weitere Begrenzung des Untersuchungsrechts ergibt sich aus der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. 100 Ebenso, wie der Bundestag bei seiner sonstigen Tätigkeit die Grenzen der bundesstaatlichen Kompetenzzuteilung an den Bund zu beachten hat, ist auch das Untersuchungsrecht des Bundestages auf den Kompetenzbereich des Bundes beschränkt. Heute dürfte Einigkeit darüber bestehen, daß sich die Reichweite der Untersuchungskompetenz in bezug auf die Gesetzgebung aus den Gesetzgebungskompetenzen des Bundes ableitet, sich hinsichtlich der Kontrolle der Verwaltung an Kompetenzen des Bundes im Bereich der Verwaltung orientiert und, soweit es sich um den Vollzug von Bundesgesetzen durch die Länder handelt, aus den Grenzen der Bundesaufsicht gem. Art. 84, 85 GG ergibt. 101 Beispielsweise hat das AG Bonn einen Antrag des sog. U-Boot-Untersuchungsausschusses, der auch das Verhalten von Mitgliedern einer Landesregierung untersuchen sollte, auf Beschlagnahme von Beweismitteln102 zurückgewiesen. 1 0 3 Das Amtsgericht begründete dies damit, daß der Bundestag bei der Festlegung des Untersuchungsgegenstandes die Grenzen der bundesstaatlichen Kompetenzverteilung überschritten habe.104 96 So schon StGH, Entsch. v. 12. Jan. 1922, StGH 2/21, RGZ 104, 423 (430f.). Siehe auch Gutachtliche Äußerung des Justizausschusses des Thüringer Landtags v. 18. Jan. 1994 (LT-Drs. 1/3033, Unzulässigkeit der Ausforschung ganzer Arbeitsbereiche des Kabinetts oder der Ministerien). 97 BayVerfGH, Entsch. v. 27. Juni 1977, Vf. 31-IV-77, VerfGH 30, 48 (65); Entsch. v. 19. Apr. 1994, Vf. 71-IVa-93, BayVerfGH 47, 87 (130). 98 BaWüStGH, Urt. v. 13. Aug. 1991, GR 1/91, ESVGH 42, 7 (14); BayVerfGH, Entsch. v. 19. April 1994, Vf. 71-IVa-93, VerfGH 47, 87 (130). 99 BayVerfGH, Entsch. v. 19. April 1994, Vf. 71-IVa-93, VerfGH 47, 87 (130f.); in diesem Sinne auch schon Steinberger, Gutachten, S. 1181 (1202). 100 BVerfGE 77, 1 (44). 101 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 36-50. 102 1. UA/11. WP „U-Boot-Pläne I I " Einsetzungsantrag der SPD, BT-Drs. 11/50. 103 AG Bonn, Beschl. v. 23. Sept. 1988, 50 Gs 500/88, NJW 1988, 1101-1102. 104 Ein Antrag der GRÜNEN - der allerdings das erforderliche Quorum für den Minderheitsantrag nicht erreicht hatte - zur Untersuchung des Sprengstoffanschlags auf die Justizvoll-

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Schwieriger ist die Grenzziehung, soweit Dritte, d. h. Private, in die Untersuchung einbezogen werden. Bei Mißstandsenqueten, die auch das Verhalten Privater zum Gegenstand haben, versagt die Abgrenzung nach Kompetenzbereichen beispielsweise dann, wenn ein Unternehmen bundesweit tätig ist. Bereits bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses „Neue Heimat" 105 wurde in Zweifel gezogen, ob im Rahmen dieser Enquete nicht in weiten Bereichen Gegenstände zu untersuchen seien, die allein den Ländern zur Kontrolle zu überlassen seien, weil die Aufsicht über die gemeinnützige Wohnungsbaugenossenschaft - dies war im weitesten Sinne Gegenstand der Untersuchung - von den Ländern als eigene Angelegenheit durchgeführt werde. Das Bundesverfassungsgericht hat es demgegenüber für ausreichend gehalten, daß es bei der Untersuchung auch um Verstöße gegen Bundesrecht und um die Verwendung von Haushaltsmitteln des Bundes gegangen ist. Das Bundesverfassungsgericht hat also Anknüpfungspunkte an die Bundesgesetzgebung und die Bundespolitik genügen lassen. Eine Abgrenzungsformel im Bereich der Untersuchungsrechte der Länderparlamente und des Bundestages kann daraus indes schwerlich bereits gebildet werden. Für das im folgenden geschilderte Problem boten denn auch die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Kriterien auch keine Lösungshilfe mehr: Inwieweit dürfen Untersuchungsausschüsse des Bundes mit gleichzeitig zu einer entsprechenden Thematik auf Landesebene arbeitenden Untersuchungsausschüssen der Landesparlamente zusammenarbeiten?106 Diese Frage stellte sich, nachdem der Untersuchungsausschuß „Kommerzielle Koordinierung I " 1 0 7 und der Untersuchungsausschuß „Kommerzielle Koordinierung" des Bayrischen Landtages108 gegenseitige Unterstützung vereinbart hatten. Die Bundesregierung erhob Einwendungen gegen die Weitergabe der stenographischen Protokolle über diejenigen Vernehmungen in öffentlicher Sitzung, für die sie die Aussagegenehmigungen zu erteilen gehabt hatte. Eine Weitergabe komme nur in Betracht, sofern der bayerische Untersuchungsausschuß zur „Kommerziellen Koorzugsanstalt in Celle/Niedersachsen wurde vom Plenum des Bundestages unter anderem mit Hinweis auf das fehlende Kontrollrecht des Bundestages gegenüber den niedersächsischen Behörden zurückgewiesen; Antrag der GRÜNEN vom 30. Apr. 1986, BT-Drs. 10/5426, und dazu der Abgeordnete Dr. Emmerlich im Bundestag, PIPr 10/218, S. 16970B. 105 Übersichtliche Zusammenfassung zu diesem Untersuchungsausschuß bei Simons, Das parlamentarische Untersuchungsrecht im Bundesstaat, Berlin 1991 (zugl. Freiburg Univ. Diss. 1990/91), S. 47-49. 106 In der Praxis sind Doppeluntersuchungen derselben Themen durch Bundestag und Landesparlament schon recht häufig vorgekommen. Beispiele aus der Praxis und Aufarbeitung der Literaturstimmen zur Zulässigkeit der Doppeluntersuchung bei Meyer-Bohl, Die Grenzen der Pflicht zur Aktenvorlage und Aussage bei parlamentarischen Untersuchungsausschüssen - unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Hamburger Verfassung, Berlin 1992 (zugl. Hamburg Univ. Diss. 1991), S. 143 f. 107 Siehe auch Abschlußbericht 1. UA/12. WP „Kommerzielle Koordinierung I", BT-Drs. 12/7600, S.26f. (hier schon einige im Vorfeld gescheiterte Auskunftsersuchen von Untersuchungsausschüssen der Länder) und S.67f. 108 Einsetzungs-Antrag SPD-Fraktion vom 26. Sept. 1991, LT-Drs. 12/2969, Schlußbericht Untersuchungsausschuß v. 6. Juli 1997, LT-Drs. 12/7956.

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dinierung" seine verfassungsrechtlichen Kompetenzgrenzen nicht überschreite. Der bayerische Untersuchungsausschuß „Kommerzielle Koordinierung" sah dagegen keinen Zusammenhang zwischen der Frage der Zulässigkeit von Protokollüberlassungen und den Grenzen der verfassungsrechtlichen Befugnisse eines Landesuntersuchungsausschusses. Die Aussagegenehmigung könne nachträglich nicht mehr eingeschränkt werden. Die konkrete Zusammenarbeit scheiterte dann allerdings, weil die rein quantitativen Probleme der Beweisaufnahme einen Austausch nicht mehr zuließen. Aus diesem Grund ist die Auseinandersetzung zwischen Bundesregierung und Untersuchungsausschuß nicht mehr weiter geführt worden. Der Untersuchungsausschuß sah sich aber - auch verfassungsrechtlich - in der Lage, Mitglieder und Mitarbeiter des bayerischen Untersuchungsausschusses an seinen nichtöffentlichen Sitzungen teilnehmen zu lassen.109 Die Frage der Abgrenzung der Kompetenzbereiche zwischen den Untersuchungsausschüssen des Bundes und der Länder stellte sich in jüngerer Zeit in besonderer Deutlichkeit während der Untersuchung zum „Plutoniumschmuggel".110 Hier waren Mitarbeiter bayerischer Laizdesbehörden in den zu untersuchenden Sachverhalt verwickelt. Der Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages vertrat im Abschlußbericht die Auffassung, daß die Untersuchung sich mittelbar auf Ländermaterien erstrecken könne, aber die so gewonnenen Erkenntnisse nur als Beweismaterial für das die Bundesmaterie betreffende Untersuchungsergebnis verwendet und nicht für die Bewertung der Handlungen von Landesbehörden im Abschlußbericht herangezogen werden dürften. Der Untersuchungsausschuß hat diese Frage allerdings nicht grundsätzlich klären lassen, sondern nur von Fall zu Fall bei der Vernähme von bayerischen Landesbediensteten als Zeugen beraten. Zu einer verfassungsgerichtlichen Klärung der Frage kam es nicht. 111 Erst einmal hat ein Verfassungsgericht sich zu dieser Frage geäußert und einen Untersuchungsgegenstand wegen Kompetenzüberschreitung im Bund/Länderverhältnis scheitern lassen. Der Bayrische Verfassungsgerichtshof hat eine Kontrolle der Landesverwaltung durch einen Untersuchungsausschuß des Landtages für unzulässig gehalten, bei der eine Entscheidung der Landesverwaltung auf Weisung der Bundesregierung getroffen worden war. 112 Indirekt zu einem Scheitern des Untersuchungsauftrages „vor Gericht" kam es bei der Untersuchung „U-Boot-Pläne I I " . 1 1 3 Der für das Untersuchungsergebnis als entscheidend anzusehende Antrag zur Beschlagnahme von Firmenakten wurde vom Amtsgericht Bonn unter anderem wegen mangelnder Untersuchungskompetenz gegenüber den Ländern zurückgewiesen. 114 109

Abschlußbericht, BT-Drs. 12/7600, S.68. 1. UA/13. WP, Abschlußbericht BT-Drs. 13/10800. 111 1. UA/13. WP, Abschlußbericht BT-Drs. 13/10800, S.48. 1,2 BayVerfGH, Entsch. v. 27.Nov. 1985, Vf. 67-IV-85, VerfGH 38, 165 (177). 113 1. UA/11. WP „U-Boot-Pläne II", Einsetzungsantrag der SPD-Fraktion (BT-Drs. 11/50), Abschlußbericht, BT-Drs. 11/8109. 114 AG Bonn, Beschl. v. 23. Sept. 1988, 50 Gs 500/88, NJW 1989, 1101 (1101 f.). 110

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dd) Kernbereich des Handelns der Exekutive Schon die verfassungsrechtliche Konstruktion des Untersuchungsausschusses als „nicht-ständigem Sonderau s schuß" legt nahe, daß das Untersuchungsrecht des Parlaments nach Art. 44 GG nicht als ständige begleitende Überwachung des Regierungshandelns verstanden werden darf. Wenn die Aufgabe des Untersuchungsausschusses Kontrolle ist, so bedeutet dies in diesem Zusammenhang, daß der Untersuchungsausschuß nur ex post tätig werden kann, das Recht der Initiative in der Staatsleitung dagegen bei der Exekutive verbleibt. Vom Wortsinn her muß sich „Kontrolle" zwar zunächst nicht unbedingt auf einen abgeschlossenen Vorgang beziehen. Verfassungsrechtlich ist diese Grenze jedoch durch den Gewaltenteilungsgrundsatz determiniert. Wie das Bundesverfassungsgericht dazu im sog. Flick-Urteil 115 ausführt, setzt die Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk notwendigerweise einen „Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung" 116 voraus, wenn allerdings auch der Umfang dieses Kernbereiches damit noch nicht abschließend bestimmt ist. 117 Gerade die besonderen Befugnisse auch gegenüber Dritten, die dem Untersuchungsausschuß für die Dauer seiner Einsetzung in Art. 44 GG gewährt werden, begrenzen die besonderen Eingriffsermächtigungen, die dem Untersuchungsausschuß verfassungsrechtlich eingeräumt werden, auf jeweils einen konkreten Untersuchungsgegenstand. Wie Schleich zu Recht feststellt, widerspräche umgekehrt ein „ständiger" Untersuchungsausschuß dem Rechtsstaatsprinzip.118 ee) Beschränkungen durch spezielle Aufgabenzuweisung an andere Gremien Abgesehen von den dem Untersuchungsrecht innewohnenden Schranken ist die Kompetenz zur Durchführung von speziellen Untersuchungen bisweilen anderen Gremien als dem Untersuchungsausschuß gem. Art. 44 GG zugewiesen. Auf dem Gebiet der Verteidigung besitzt der Verteidigungsausschuß (Art. 45 a GG) die Kompetenz eines Untersuchungsausschusses gem. Art. 45 a II 1 GG, welche die Kompetenzen des Bundestages nach Art. 441 GG verdrängt (Art. 45 a III GG). 115

BVerfGE 67, 100(139). Ein Begriff, der auf Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 105 (1980), S.564 (598) zurückgeht. 117 So ist der BremStGH (Entsch. v. 1. März 1989, St 1/88, STGH BR 5, 15 [31]) der Auffassung entgegengetreten, daß sich die Regierung pauschal auf diesen Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung berufen kann, ohne daß der Staatsgerichtshof die mögliche Existenz eines solchen „Kernbereichs", wie ihn das Bundesverfassungsgericht in E 67, 100 (139) annimmt, grundsätzlich bezweifelt. Einen grundsätzlichen Anspruch der Regierung auf einen Geheimhaltungsbereich für abgeschlossene Vorgänge gib es nach Auffassung des BremStGH nicht. 118 Schleich, Das parlamentarische Untersuchungsrecht des Bundestages, Berlin 1985, S.57. 1,6

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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Unabhängig davon, ob man den Verteidigungsausschuß als ausnahmsweise verfassungsrechtlich gestatteten Daueruntersuchungsausschuß begreift oder ob man zwischen den verschiedenen Funktionen des Verteidigungsausschusses unterscheidet, ist dem Bundestagsplenum durch die besondere Untersuchungskompetenz des Verteidigungsausschusses gem. Art. 45 a III GG zu möglichen Untersuchungsgegenständen auf dem Gebiet der Verteidigung die Kompetenz entzogen.119 Interne Angelegenheiten des Parlaments - so vor allem Immunitätsentscheidungen betreffend die Mitglieder des Bundestages - werden vom Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität, und Geschäftsordnung entschieden. Ein nach der Wiedervereinigung Deutschlands wichtiger Sonderfall der personellen Angelegenheiten des Bundestages ist nunmehr in §44b des Abgeordnetengesetzes120 geregelt. Der Immunitätsausschuß kann auf Antrag des betroffenen Abgeordneten (§44b I AbgG) oder aber bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte auf eigene Veranlassung (§ 44 b II AbgG) die Überprüfung auf eine hauptamtliche oder inoffizielle Tätigkeit oder politische Verantwortung für den Staatssicherheitsdienst („Stasi") der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik durchführen. Der Untersuchungsgegenstand der S tasi-Verstrickung eines Abgeordneten ist daher durch §44b AbgG auf den Immunitätsausschuß verlagert. Ob dadurch dieser Gegenstand dem Untersuchungsausschuß grundsätzlich entzogen ist, ist fraglich. Im Gegensatz zu der besonderen Untersuchungskompetenz des Verteidigungsausschusses gem. Art. 45 a III GG ist die Zuständigkeit des Immunitätsausschusses nur im Wege eines einfachen Gesetzes begründet. Das verfassungsrechtlich verankerte Untersuchungsrecht kann jedoch nicht durch einfaches Bundesrecht derogiert werden. Der Bundestag könnte also die mögliche Stasi-Verstrickung eines seiner Mitglieder auch weiterhin zum Gegenstand eines Untersuchungsverfahrens machen.121 Eine letzte Grenze des Untersuchungsrechts ergibt sich für den Bundestag auch aus der Mitgliedschaft der Bundesrepublik Deutschland in der Europäischen Union. Durch Art. 23 - Übertragung von Kompetenzen an die Europäische Union - sind be119 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 45 a, Rn. 35 f.; siehe zu einem konkreten Fall (Untersuchungsausschuß „Trans-Nuklear/Atomskandal") Steinberger, Gutachten, BT-Drs. 10/7800, S. 1181 (1194). 120 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages i. d. F. d.Bek. v. 21. Feb. 1960, §44b eingefügt durch ÄndG vom 20. Jan. 1992 (BGBl. I S.67), siehe dazu auch BVerfGE 94, 351 (369): „Das Überprüfungsverfahren nach §44b Abs. 2 AbgG verzichtet - in Abgrenzung zum parlamentarischen Untersuchungsausschuß - gezielt auf die Beweismittel des Zeugen- und Sachverständigenbeweises; es beschränkt sich auf die Überprüfung des Verdachts anhand von Urkunden und Angaben des Betroffenen." 121 Davon scheint auch das Bundesverfassungsgericht auszugehen, da es in einer Entscheidung über die Reichweite der verfassungsgerichtlichen Kontrolle des Prüfungsberichts gem. §44b AbgG eben diese Reichweite durch den Rechtsgedanken der Parlamentsautonomie, wie er in Art. 44IV GG seinen besonderen Ausdruck finde, begrenzt sieht. Es bezeichnet das Verfahren nach §44b AbgG in diesem Zusammenhang ausdrücklich als „parlamentarische Untersuchung", BVerfGE 99, 19 (34 f.).

Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

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stimmte Angelegenheiten, insbesondere auf der Ebene der Gesetzgebung, nicht mehr Teil der Befassungskompetenz des Bundestages. Darüber hinaus besitzt die Europäische Gemeinschaft eigene Organe, die nicht dem bundesdeutschen Parlament verantwortlich sind, sondern (nur) den innergemeinschaftlichen Kontrollmechanismen unterliegen. 122 In diesen Bereichen besteht kein Untersuchungsrecht des Deutschen Bundestages.123

if) Die Begrenzungen des Untersuchungsthemas nach § 1 PUAG Das PUAG verzichtet auf eine Definition des zulässigen Untersuchungsthemas. Schneider zieht daraus den Schluß, daß der Gesetzgeber folglich auch ausdrücklich auf das Erfordernis der Untersuchung im öffentlichen Interesse verzichtet habe.124 Diese Auffassung findet hingegen weder in der Systematik noch in der Entstehungsgeschichte eine Stütze. § 11 PUAG verweist auf die Zulässigkeit im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeit des Bundestages. Wie oben gezeigt, hat das Bundesverfassungsgericht das öffentliche Interesse an einer parlamentarischen Untersuchung als verfassungsrechtliche Voraussetzung der Untersuchung herausgearbeitet. Schon deshalb darf der Gesetzgeber diese Voraussetzungen nicht „beseitigen". Im übrigen war dies vom Gesetzgeber auch nicht beabsichtigt. In den Materialien wird unter anderem auf das öffentliche Interesse als Voraussetzung der Untersuchung ausdrücklich Bezug genommen, ebenso wie auf die bundesstaatlichen Kompetenzgrenzen, auf die Beschränkung auf bereits abgeschlossene Vorgänge und auf das Bestimmtheitsgebot. 1 2 5

b) Nachträgliche Abänderung oder Erweiterung des Untersuchungsthemas Waren vorstehend die verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsrechts darzustellen, soll nun nach den zulässigen nachträglichen Einwirkungen auf das konkrete Untersuchungsthema gefragt werden. Die Anlässe dafür können verschieden sein. Soweit ein - vor allen Dingen per Minderheitsenquete - aus der Mitte des Bundestages vorgeschlagenes Thema den oben aufgezeigten verfassungsrechtlichen 122

Beispielsweise kann auch das Europäische Parlament Untersuchungsausschüsse einsetzen, Art. 193 EGV. 123 Magiern, in: Sachs (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, 2. Auflage München 1999, Art. 44, Rn. 8. 124 Schneider, Spielregeln für den investigativen Parlamentarismus. Das neue Untersuchungsausschuss-Gesetz des Bundestages, NJW 2001, 2604 (2605 ). 125 BT-Drs. 14/5790, S. 13 f. Diese Auffassung vertritt auch Wiefelspütz, Untersuchungsausschuß und öffentliches Interesse, NVwZ 2002, 10 (12).

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Anforderungen nicht genügt, stellt sich die Frage, inwieweit eine Abänderung des Themas bis zur endgültigen Beschlußfassung des Parlaments noch in Betracht kommt. Von der inhaltlichen Abänderung ist zuvor die bloße redaktionelle Bearbeitung abzuschichten. In der Rechtsprechung wird in mehreren Entscheidungen betont, daß eine solche, nicht den „Kern des Untersuchungsthemas" tangierende Veränderung zulässig sei. Eine nachträgliche Korrekturmöglichkeit, die auch bei anderen rechtlichen Vorgängen besteht, manchmal sogar ausdrücklich festgeschrieben ist, so ζ. B. die Berichtigung von offensichtlichen Schreibfehlern und ähnlichem, muß auch für den im Antrag beschriebenen Gegenstand der Untersuchung eröffnet sein. Der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg zieht die Grenze der „redaktionellen Bearbeitung" noch etwas weiter und hält auch stilistische Änderungen und eine Neuformulierung in Form einer „Konkretisierung" für zulässig, solange die Minderheit nicht sachlich daran gehindert wird, ihr Untersuchungsziel zu erreichen. 126 Die „eindeutige" inhaltliche Abänderung des Untersuchungsthemas ist, unabhängig von der verfassungsrechtlichen Beurteilung, in zwei Richtungen denkbar: Die Mehrheit im Plenum kann zum einen an einer Einschränkung des Themas, bzw. an einer Verkleinerung des Untersuchungsgegenstandes interessiert sein. Die Mehrheit könnte zum anderen auch ein Interesse daran haben, den Untersuchungsgegenstand zu erweitern, also mit weiteren Fragen anzureichern. Begreift man das parlamentarische Untersuchungsrecht als ein Recht, das innerhalb des parlamentarischen Systems regelmäßig von der Parlamentsminderheit wahrgenommen wird, so ist klar, daß eine inhaltliche Abänderung des Untersuchungsthemas das Recht der Minderheit zur Durchsetzung der parlamentarischen Kontrolle entscheidend schwächen würde. Wie das Bundesverfassungsgericht schon in seiner ersten Leitentscheidung zum Untersuchungsrecht feststellte, ist das Kontrollrecht mit dem Recht auf Einsetzung des Untersuchungsausschusses noch nicht ausreichend gesichert. Allein die Minderheit darf den Gegenstand der von ihr beantragten Untersuchung endgültig festlegen. Mit der Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes wird die Untersuchung umfangreicher und dadurch womöglich schwerfälliger, könnte die Untersuchung verzögert oder gar blockiert werden. Daraus ergibt sich, daß die parlamentarische Mehrheit das von der Minderheit zur Untersuchung gestellte Thema nicht inhaltlich abändern darf. 127 Diese Aussage steht allerdings unter der Bedingung, daß das von der Minderheit beantragte Thema die oben dargestellten Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechtes wahrt. Weitere Fragen entstehen, wenn das von der Minderheit beantragte Untersuchungsthema den oben dargestellten verfassungsrechtlichen Anforderungen in Teilen nicht genügt. Der baden-württembergische Staatsgerichtshof erwog für diesen Fall eine Pflicht der Parlamentsmehrheit, an der Beschlußreife des Minderheitsan126 BaWüStGH, Urt. v. 16. Apr. 1977, GR 2/76, ESVGH 27,1 (7 f.); siehe auch BayVerfGH, Entsch. v. 27. Juni 1977, Vf. 31-VI-77, VerfGH 30, 48 (61 f.). 127 BVerfGE 49, 70 (86 f.); so auch BayVerfGH, aaO, 60.

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trags aktiv mitzuarbeiten, verwarf diesen Lösungsansatz jedoch. 128 Das Recht der Minderheit, nach einem Streit über die Verfassungsmäßigkeit eines Untersuchungsthemas weitere Anträge einzubringen, erschöpfe sich nicht. Die Minderheit sei für die Nachbesserung des Untersuchungsthemas nicht auf die Hilfe der Mehrheit angewiesen. Von der Mehrheit könne auch nicht erwartet werden, daß sie dem gerade als Minderheitsrecht ausgestalteten Untersuchungsrecht auf diese Weise zum Durchbruch verhelfe. Eine andere Möglichkeit, der teilweisen Verfassungswidrigkeit eines von der Minderheit beantragten Untersuchungsthemas zu begegnen, sah der Bayerische Verfassungsgerichtshof in der Teilstattgabe im Einsetzungsbeschluß des Parlaments.129 Diese Lösung gibt aber der Parlamentsmehrheit letztendlich doch ein Abänderungsrecht, wenn auch nur ein negatives, verneinendes. In einer jüngeren Entscheidung bemühte sich der Gerichtshof dann auch um eine Klarstellung und verneinte ein Abänderungsrecht, soweit das Untersuchungsziel geändert oder gar in das Gegenteil verkehrt werde. 130 Das PUAG zeichnet die Rechtsprechung der Verfassungsgerichte bis zum Jahr 1999131 sehr genau nach. § 211 PUAG bestimmt, daß der Untersuchungsgegenstand grundsätzlich nicht geändert werden darf, es sei denn, die Antragsteller stimmen der Änderung zu. Zugleich aber wird die Möglichkeit der Teilstattgabe zugelassen: der Bundestag kann die Untersuchung auf diejenigen Teile des Antrags beschränken, die von ihm für nicht verfassungswidrig gehalten werden, § 3 III 1 PUAG. Das bedeutet, es gibt ein Abänderungsrecht, es erschöpft sich aber in der teilweisen Ablehnung des Antrags. Ein „schöpferisches" Abänderungsrecht besitzt der Bundestag nicht. 132 128

BaWüStGH, aaO., 8 f. BayVerfGH, aaO., 62. 130 BayVerfGH, Entsch. v. 27Nov. 1985, Vf. 67-VI-85, VerfGH 38,165(182). M.E. ist diese „Klarstellung" wenig hilfreich. Außer für den Fall, daß nur ein kleiner, unwichtiger Teil des beantragten Gegenstandes nicht angenommen wird, liegt in der Teilstattgabe immer eine Verkürzung und damit Abänderung des Untersuchungsthemas. 131 Der NWVerfGH vertrat in einer neueren Entscheidung eine andere Meinung. Nach Auffassung des NWVerfGH stand die Streichung von „unzulässigen" Teilen und die Teilstattgabe nicht in der Macht des Landtages, Urt. v. 17. Okt. 2000, VerfGH 16/98, NVwZ 2002, 75 (76). 132 Schliesky, Art. 44 GG - Zulässigkeit der Änderung des Untersuchungsgegenstandes gegen den Willen der Einsetzungsmehrheit, AöR 126 (2001), S.245 (266, 270), will der qualifizierten Minderheit einen Anspruch auf Ergänzung des Untersuchungsgegenstandes im Falle der Einsetzung einer Mehrheitsenquete geben. Er leitet dies aus der Kontrollfunktion des Untersuchungsausschusses, die vom gesamten Parlament ausgeübt wird, und aus dem Gebot der Effektivität der Kontrolle ab. Letzteres würde leiden, wenn die qualifizierte Minderheit gezwungen wäre, ihre Änderungswünsche durch einen eigenen Einsetzungsantrag durchzusetzen. Diese Argumente laufen auf eine Art „Recht zur Optimierung" des Einsetzungsantrages hinaus. Ein solches hat aber weder die Mehrheit noch die qualifizierte Minderheit. Das Recht des Landtags (d. h. der Mehrheit) zur Abänderung beschränkt sich auf das Recht (und die Pflicht) zur verfassungsrechtlichen Überprüfung des Einsetzungsantrags, für den er als Verfassungsorgan die rechtliche Verantwortung übernimmt. Zu dieser Funktion kann für den Fall der Mehrheitsenquete kein spiegelbildliches Recht der qualifizierten Minderheit gebildet werden. 129

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Außerhalb des Abänderungsrechts im Spannungsfeld zwischen Parlamentsminderheit und Parlamentsmehrheit hat überdies der 3. Untersuchungsausschuß der 12. Wahlperiode 133 für sich in Anspruch genommen, ein eigenes Antragsrecht auf Abänderung und Erweiterung des Untersuchungsthemas aus § 2 V der IPA-Regeln 134 zu haben. Da die Geltung der IPA-Regeln diesem Untersuchungsausschuß im Einsetzungsbeschluß zugrundegelegt wurde, ließ sich ein solches Antragsrecht aus der GO-BT § 6314 135 herleiten. § 3 S. 1 PUAG bestimmt hierzu, daß der Untersuchungsausschuß an dem ihm erteilten Untersuchungsauftrag gebunden ist und eine nachträgliche Änderung eines Beschlusses des Bundestages bedarf, dem auch die Antragsteller zustimmen müssen, § 3 S. 2 PUAG. Das schließt einen eigenen Antrag des Untersuchungsausschusses noch nicht aus. Hingegen erhält das PUAG keinen Verweis auf die Geschäftsordnung des Bundestages. Da das PUAG kein Antragsrecht für den Untersuchungsausschuß vorsieht, muß daraus geschlossen werden, daß er kein solches mehr hat. 3. Die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses a) Die an der Einsetzung Beteiligten Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses erfolgt durch „den Bundestag", was in der Sprache des Grundgesetzes nichts anderes heißt als „das Plenum" des Bundestages. Bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses ist grundsätzlich nach Mehrheitsenquete und Minderheitsenquete zu unterscheiden, je nachdem, auf wessen Initiative der Untersuchungsausschuß zustande kommt. Die Mehrheitsenquete kommt zustande wie andere Beschlüsse des Bundestages auch: Ein Antrag zu einem solchen Beschluß muß laut § 76 GO-BT von einer Fraktion oder von mindestens fünf Prozent der Abgeordneten unterstützt werden. Für den Erfolg des Antrags ist erforderlich, daß die Mehrheit der abgegebenen Stimmen den Beschluß unterstützen, Art. 42 I I 1 u. 2 GG und §48 GO-BT. Ein Antrag, der von weniger als einem Viertel der gesetzlichen Mitgliederzahl (Art. 4411 GG) unterstützt wird, kann nur mit der Stimmenmehrheit Erfolg haben 133

3. UA/12. WP „AIDS-infizierte Blutkonserven", BeschlEmpf und Bericht Drs. 12/8591, S.27 m.w.N. 134 „Der Untersuchungsausschuß ist an den ihm erteilten Auftrag gebunden. Kommt der Untersuchungsausschuß bei seinen Untersuchungen zu der Überzeugung, daß eine Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes wegen des Sachzusammenhangs angebracht ist, so kann er einen entsprechenden Antrag an den Bundestag richten". 135 „Weitergehende Rechte, die den einzelnen Ausschüssen durch Grundgesetz, Bundesgesetz, in dieser Geschäftsordnung oder durch Beschluß [Herv. d. Verf.] des Bundestages übertragen sind, bleiben unberührt." 4 Platter

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und ist dann ebenfalls Mehrheitsenquete. Ein Antrag von weniger als einem Viertel der Abgeordneten wird auch nicht deshalb zu einer Minderheitsenquete, weil ein Viertel der Abgeordneten für diesen Antrag stimmt. Art. 4411 GG verlangt nicht die Zustimmung, sondern den Antrag eines Viertels der gesetzlichen Mitgliederzahl des Bundestages.136 Das PUAG befaßt sich mit der Mehrheitsenquete nicht ausdrücklich, sondern nur mit dem besonders wichtigen Fall der qualifizierten Minderheitsenquete (siehe § 2 mit der Überschrift „Rechte der qualifizierten Minderheitsenquete"). Die eigentliche Minderheitsenquete (qualifizierte Minderheitsenquete) ist ein Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, der nicht von der Mehrheit, aber doch mindestens von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages unterstützt wird (Art. 4411 GG und § 21 PUAG). § 21 PUAG stellt nunmehr fest, daß die Einsetzung des Untersuchungsausschusses auf Antrag einer qualifizierten Minderheit „unverzüglich" zu erfolgen hat. Damit kann nur gemeint sein, daß ein solcher Antrag bei der nächsten Sitzung des Plenums auf die Tagesordnung gesetzt und beraten werden muß, anders als bei anderen Anträgen von Mitgliedern des Bundestages also keine Dreiwochen-Frist seit Verteilung der entsprechenden Drucksache vergangen sein muß (vgl. §20IV GO-BT). 137 Die Rücknahme des Antrags vor Beschlußfassung ist jederzeit möglich. Wurde die Einsetzung des Untersuchungsauftrages vom Bundestag beschlossen, wurde bisher wohl einhellig die Ansicht vertreten, daß eine durch einfachen Mehrheitsbeschluß zustande gekommener Ausschuß mit einfacher Mehrheit wieder aufgelöst werden kann. 138 Strengere Regeln gelten für die vorzeitige Beendigung der qualifizierten Minderheitsenquete: Hier muß ein Auflösungsantrag - im Umkehrschluß zur erforderlichen Einsetzungsminderheit - von mehr als drei Viertel der Mitglieder des Bundestages unterstützt werden. 139 Andernfalls müßte die Parlamentsmehrheit einem qualifizierten Antrag zwar immer stattgeben, könnte den Ausschuß aber jederzeit wieder auflösen. Schwierigkeiten bei der Einordnung als Minderheits- oder Mehrheitsenquete bereiten Enqueten, deren endgültiger Einsetzungsantrag eine konsensfähige Version von verschiedenen Fraktionsanträgen auf der Grundlage der Beschlußempfehlung eines Fachausschusses darstellt oder sogar auf die Initiative eines Fachausschusses 136

Siehe Troßman, Das Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, §63, Rn. 8.3. Man könnte sich fragen, ob sogar die Einberufung des Bundestages notwendig ist. Dies ist wohl nicht der Fall, denn hierfür verlangt das Grundgesetz ein Drittel der Stimmen der Mitglieder des Bundestages (Art. 39 III 3 GG). 138 Rechenberg, BK, Art. 44, Zweitbearbeitung, Rn.5 a.E. 139 So Rechenberg, BK, Art.44, Zweitbearbeitung, Rn.5 a.E.; Maurer, Staatsrecht, 2. Aufl. München 2001, § 13, Rn. 146, S.464. 137

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zurückgeht. Von dieser Einordnung hängt zunächst ab, mit welchen Mehrheiten der betreffende Untersuchungsausschuß wieder aufgelöst werden kann. Noch wichtiger ist aber die Frage, ob und von wem im Verlaufe einer solchen Enquete Minderheitenrechte geltend gemacht werden können. Konkret stellte sich dieses Problem beim 2. Untersuchungsausschuß in der 13. Wahlperiode (Plutoniumschmuggel-Ausschuß). Der Einsetzungsbeschluß, wie er auf der Grundlage der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung 141 zustande kam, war ein Kompromiß von drei (Fraktions-)Anträgen. 142 Zwei der Anträge hätten mit Hilfe der sie unterstützenden Fraktionen auch als Minderheitsantrag gem. Art. 4411 GG Erfolg gehabt, da diese Fraktionen und Koalitionen die erforderliche Stimmenzahl hätten aufbringen können. 1 4 3 Einer der Anträge hätte, da die antragstellende Fraktion von der Mitgliederzahl her zu klein war, von vornherein nur als Mehrheitsenquete Erfolg haben können. 1 4 4 Während des Beweisverfahrens kam es dann zum Streit wegen einer im Ausschuß mehrheitlich beschlossenen Unterbrechung der Beweisaufnahme. Die SPD-Fraktion machte als einer der Initiatoren der Untersuchung im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht unter anderem die Verletzung von Minderheitsrechten geltend.145 Von der Gegenseite wurde dies unter Hinweis auf den interfraktionellen Einsetzungsbeschluß, der nach Auffassung der Gegenseite der Untersuchung den Charakter einer Mehrheitsenquete gab, als unzulässig bezeichnet.146 Eine eindeutige Parlamentspraxis zu dieser speziellen Konstellation, die für den Fall einer späteren Auseinandersetzung im Ausschuß eine Zuordnung zur Art der Minderheits- oder der Mehrheitsenquete ermöglicht, läßt sich nicht nachweisen.147 Das Problem ist dem verfassungsrechtlichen Problem der möglichen Abänderung des Untersuchungsauftrages zwar verwandt, aber doch streng davon zu unterscheiden. Der Bundestag hat hier gerade nicht der (qualifizierten) Minderheit die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verweigert, sondern die Initiative einer Min140

Siehe die einzelnen Nachweise bei Fn. 59. BT-Drs. 13/1323. 142 Siehe bereits Fn.59. 143 Antrag der SPD-Fraktion, BT-Drs. 13/1196 und Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der F.D.P., BT-Drs. 13/1202. 144 Antrag Bündnis 90/DIE GRÜNEN, BT-Drs. 13/1176. 145 Siehe Abschlußbericht BT-Drs. 13/10800, Dokument 18 (Verfahrensantrag durch den Prozeßbevollmächtigten Di Fabio), S. 235. Der Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht auf Erlaß einer einstweiliger Anordnung hatte keinen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht sah die ordnungsgemäße Durchführung des Beweiserhebungsverfahrens ohne den Erlaß der Anordnung nicht als gefährdet, BVerfGE 96, 223 (229-231). 146 Siehe Abschlußbericht BT-Drs. 13/10800, Dokument 21 (Erwiderung des Antragsgegners durch den Prozeßbevollmächtigten Löwer, S. 301 f.). 147 In BVerfGE 96, 223 (230) als Rechtsfrage für das damals erwartete, dann jedoch nicht durchgeführte Hauptsacheverfahren aufgeworfen. 141

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derheit zu einem Mehrheitsbeschluß genutzt. Hätte die Initiatorin hier auch in der Form deutlich machen wollen, daß sie sich als Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 4411 GG versteht, hätte sie auf der Grundlage der Beschlußempfehlung des Geschäftsordnungsausschusses einen eigenen Antrag gleichen Inhalts stellen müssen. Andernfalls ist die Einordnung als Minderheitsenquete nur aufgrund von Vermutungen mit Hilfe von Rückschlüssen möglich. Der Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen ließ in diesem Zusammenhang die Zugehörigkeit der Antragstellerinnen vor dem Verfassungsgerichtshof zur Opposition im Landtag genügen.148 Die Mitgliederstärke der antragstellenden Fraktion(en) gebe evtl. darüber Aufschluß, ob sie einen Einsetzungsantrag (auch) als qualifizierten Minderheitsantrag hätte durchsetzen können.149 Diese Regeln können jedoch in Zeiten der Instabilität von Mehrheitsverhältnissen im Parlament versagen. Der verfahrenstechnische Ausweg für eine Fraktion der parlamentarischen Opposition, im Streitfall einfach einen erneuten Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu stellen, diesmal, ohne sich auf eine Absprache mit der Regierungsmehrheit einzulassen, mag zu Beginn einer Untersuchung oder auch bei noch nicht weit fortgeschrittener Legislaturperiode gangbar sein. Bei einer fortgeschrittenen Untersuchung oder auch, wenn die Untersuchung wegen des nahenden Endes der Legislaturperiode bereits dem Zeitdruck ausgesetzt ist, ist dies keine praktikable Alternative mehr. Gerade weil Meinungsverschiedenheiten hier mit aller Wahrscheinlichkeit erst im fortgeschrittenen Beweisverfahren ausbrechen - über den Gegenstand der Untersuchung konnte ja zunächst Einigkeit erzielt werden - kann also die Frage der Zuordnung zu Minderheits- oder Mehrheitsenquete nicht allein unter dem - in der Praxis wenig relevanten - Aspekt der notwendigen Stimmenzahl für eine vorzeitige Auflösung des Untersuchungsausschusses diskutiert werden. Auch das PUAG zwingt den Bundestag nicht, bereits in seinem Einsetzungsbeschluß festzulegen, ob sich um eine qualifizierte Mehrheitsenquete handelt oder nicht, auch wenn es nunmehr in § 1 II die Einsetzung durch einen Beschluß vorschreibt. Sollte sich eine qualifizierte Minderheit auf eine Abänderung des Einsetzungsantrags einlassen, müßte sie, um ihre Minderheitsrechte zu wahren, den abgeänderten Antrag erneut als qualifizierten Minderheitsantrag einbringen. Auf diese Weise könnten im nachhinein keine Zweifel entstehen. 148 Einen solchen unternimmt der NWVerfGH im Beschl. v. 7. März 1995, Az. 3/95, NWVB1.1995,248 (250). Dem Verfahren war vorausgegangen daß sich Minderheit und Mehrheit im Untersuchungsausschuß (insgesamt 11 Mitglieder) um die Fortsetzung der Beweiserhebung stritten. Obwohl der Untersuchungsausschuß auf Antrag aller Fraktionen eingesetzt worden war, wurde ein Antrag der hierfür verbundenen Oppositionsfraktionen des Landtages, die im Ausschuß mit fünf Mitgliedern vertretenen waren, als Antrag der qualifizierten Einsetzungsminderheit gem. Art. 4111 NW Verf. für zulässig gehalten. Die Begründung dafür lautete, daß im parlamentarischen Regierungssystem bei der Aufklärung von Vorgängen, die im Verantwortungsbereich der Regierung lägen, die Untersuchungsinteressen von Parlamentsmehrheit und Opposition in der Regel auseinander fielen. 149 Als Rechtsproblem für das erwartete Hauptsacheverfahren zu BVerfGE 96, 223 aufgeworfen (229).

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Die rechtlichen Folgen einer Zuordnung als Minderheits- oder Mehrheitsenquete bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses erschöpfen sich nicht in der Frage der Voraussetzung der vorzeitigen Beendigung durch Auflösung und deren Voraussetzungen150, sondern sind von grundlegenderer Bedeutung. Auf das angerissene Problem wird daher noch an einigen Stellen in den folgenden Ausführungen zurückzukommen sein. b) Form der Einsetzung aa) Form des Antrags Die Geschäftsordnung des Bundestages enthält für den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses keine speziellen Bestimmungen. Die Behandlung des Antrags erfolgt daher nach § 76 GO-BT (selbständige Anträge). Nach dieser Bestimmung kann ein selbständiger Antrag von einer Fraktion oder von fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages gestellt werden. Dabei ist es in ersterem Falle nach der parlamentarischen Übung des Bundestages nicht erforderlich, daß alle Fraktionsmitglieder einen selbständigen Antrag unterzeichnen. Es genügt, daß der Fraktionsführer oder einer seiner Stellvertreter für die Fraktion unterzeichnet. Mag diese Vorgehensweise für die sonstigen Fälle von selbständigen Anträgen nicht zu beanstanden sein, kann bei einem Einsetzungsantrag für einen Untersuchungsausschuß diese Praxis für die Unterscheidung von Mehrheits- und Minderheitsenquete unzureichend sein. Was, wenn ähnlich wie im Fall des Untersuchungsausschusses „Plutonium-Schmuggel" eine „große" Fraktion, d. h. eine, die die für die Einsetzungsminderheit nach Art. 4411 GG erforderliche Zahl an Mitgliedern umfaßt, nach dieser Übung einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellt? Stellt sie die Annahme als Mehrheitsenquete dem Bundestag anheim, oder ist ein solcher Antrag grundsätzlich als Minderheitsenquete zu verstehen? Das oben beschriebene Problem trat praktisch in dieser Weise zum ersten Mal in Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß „Plutoniumschmuggel" auf. In der bis dahin üblichen Parlamentspraxis wurde ein Antrag einer entsprechend mitgliederstarken Fraktion immer als qualifizierter Minderheitsantrag akzeptiert. 151 150 Zu denken ist hier an die Geltendmachung von Rechten im Beweisverfahren und verfassungsgerichtliche Durchsetzung dieser Rechte. 151 So Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, §63, Rn. 8.2. Im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung wegen einer Unterbrechung der Beweisaufnahme (BVerfGE 96, 223 ff., zum Verlauf des Verfahrens siehe auch Abschlußbericht BT-Drs. 13/10800, S.55) wurde vom Antragsgegner versucht, die Einsetzung des Untersuchungsausschusses „Treuhand-Anstalt" als Beleg für eine Änderung der Parlamentspraxis in dem Sinne zu verwenden, daß nunmehr qualifizierte Minderheitenanträge gem. Art. 4411 GG nur als solche anerkannt würden, wenn sie tatsächlich von der erforderlichen Anzahl der Abgeordneten unterschrieben worden sind (Abschlußbericht, BT-Drs. 13/10800, Dokument 21, S.301 f.). Weil die Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses auch parteiintern innerhalb der SPD umstritten war, habe die CDU/CSU-Fraktion

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Abgesehen von der Frage, ob der antragstellenden Fraktion für den Untersuchungsausschuß „Plutoniumschmuggel" das Versäumnis in bezug auf die Unterschriften mangels eindeutiger Praxis angelastet werden durfte 152 , sprechen hier die stärkeren Argumente für die „Formenstrenge" in bezug auf Art und Anzahl der Unterzeichner. Zunächst verlangt schon der Wortlaut des Art. 4411 GG den Antrag „eines Viertels der Mitglieder". Die Fraktion als parlamentarische Gruppierung wird dagegen in Art. 44 GG an keiner Stelle, sonst im Grundgesetz nur in einem Artikel beiläufig erwähnt (Art. 53 a 12 GG). Vielmehr sind auch andere Minderheitenrechte im Parlament im Grundgesetz immer bestimmten Quoren als Antragsteller zugeordnet (Art. 39 III GG - Wiedereinberufung des Bundestages, Art. 6112 GG - Präsidentenanklage - , Art. 931 Nr. 2 GG - Antrag auf abstrakte Normenkontrolle - ). Dieses System der Minderheitsrechte darf nicht einfach in Rechte der Fraktionen umgedeutet werden, wobei überdies dieser Verzicht auf Formenstrenge nur den großen Fraktionen zugute käme. 153

bb) Form des Einsetzungsbeschlusses Die Diskussion um die gehörige Form des Einsetzungsbeschlusses ist schon alt. In der Praxis des Reichstages wurde regelmäßig kein formeller Beschluß zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gefaßt. Der von den Antragstellern unterschriebene Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses wurde vom Reichstagspräsidenten als Dringlichkeitsantrag auf die Tagesordnung gesetzt und in der nächsten Sitzung des Plenums aufgerufen. Erfolgten nach dem Aufruf keine Einwände aus dem Plenum hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Antrags und die SPD-Fraktion darauf hingewiesen, daß sie für den Einsetzungsantrag die verfassungsrechtlich vorgesehene Anzahl von Unterschriften beibringen müsse. Dieses Argument hält jedoch einer Nachprüfung nicht stand. In der Plenardebatte, die dem Plenarbeschluß zur Einsetzung des Treuhand-Ausschusses vorausging (PIPr 12/179, S. 15411-15433), findet sich auf die Frage der Anzahl der Unterzeichner kein Hinweis, so daß ein Wandel der Rechtsauffassung „des Parlaments" nicht nachgewiesen werden kann. Zu Recht wiesen die Antragsteller im Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht darauf hin, daß man den Hinweis der CDU/ CSU-Fraktion bei der Einsetzung des Treuhandanstalt-Untersuchungsausschusses auch anders deuten könne. Dieser Hinweis sei nur erfolgt, weil gerade in diesem Fall bekannt war, daß nicht alle Mitglieder der antragstellenden Fraktion geschlossen hinter dem Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses standen (Abschlußbericht BT-Drs. 13/108000, Dokument 23, S.353f.). 152 Die Frage der notwendigen Form des Einsetzungsbeschlusses wird in der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den Antrag auf einstweilige Anordnung nicht tangiert (siehe BVerfGE 96, 223 [230f.]). 153 In diesem Sinne wohl zu Recht die Antragsgegner im Verfahren 2 BvE 1/97, Abschlußbericht BT-Drs. 13/10800, Dokument 21, S.294; anderer Ansicht hingegen Seidel, Die Opposition im parlamentarischen Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG, BayVbl. 2002, 97 (101), der allerdings kein konkretes Beispiel untersucht; siehe zur Unterscheidung von Minderheits- und Mehrheitsenquete bzw. zur Einebnung dieses Unterschiedes mittlerweile die Rechtsprechung des BVerfG zum Parteispenden-Ausschuß, unten II. l.c)ee)(l)(c), S. 121.

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seines Beweisthemas, so galt der Ausschuß als eingesetzt. Diese Parlamentspraxis wurde allerdings schon damals155 von verschiedenen Seiten als unzulänglich kritisiert. In Verbindung mit der Frage, ob und inwieweit das Plenum ein Prüfungsrecht in bezug auf die formalen Anforderungen und das beantragte Untersuchungsthema selbst hat, wird deshalb heute überwiegend ein formeller Beschluß für notwendig erachtet. 156 Anlaß für die Einsetzung ohne förmlichen Mehrheitsbeschluß im Reichstag war damals die Sorge, das Einsetzungsrecht der Minderheit durch einen notwendigen Mehrheitsbeschluß nicht doch wieder zur Disposition der Parlamentsmehrheit zu stellen.157 Ein Verfahren vor dem Staatsgerichts stand für verfassungsrechtliche Streitigkeiten damals nicht zur Verfügung. Dieses Problem besteht für den Deutschen Bundestag nicht mehr. Vielmehr erhält das Parlament als Herr und Auftraggeber der Untersuchung nur durch das Beschlußverfahren Gelegenheit, den Einsetzungsantrag auf seine Rechtmäßigkeit/Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Schröder 158 formuliert in diesem Zusammenhang einprägsam, daß nur durch einen förmlichen Einsetzungsbeschluß das Bundestagsplenum die Verantwortung für die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrags übernehmen könne. 159 Überdies ist mit der Forderung nach einem förmlichen Beschluß zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses auch die Reichweite des Prüfungsrechts/der Prüfungspflicht, etwa gar ein Ablehnungsrecht nach Belieben, nicht von vornherein festgeschrieben. Der Sorge, im Falle einer formellen, sachlich verfassungswidrigen Ablehnung keine rechtlichen Gegenmaßnahmen ergreifen zu können, die noch im Reichstag dazu geführt hatte, daß ein formeller Beschluß als überflüssig bezeichnet worden war, ist die antragstellende Minderheit unter der Geltung des Grundgesetzes enthoben. Gegen einen verfassungswidrigen ablehnenden Beschluß kann die antragstellende Minderheit das Bundesverfassungsgericht anrufen. Es ist daher ein förmlicher Einsetzungsbeschluß zu verlangen. 154 Siehe schon oben I. l.a)aa), S.24. Zu den Nachweisen aus den Reichstagsdrucksachen im einzelnen: Poetzsch-Heffter, Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung, JöR 13 (1925), S. 121-123; ders., Vom Staatsleben unter der Weimarer Verfassung, JöR 17 (1929), S. 75-79; Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, §63, Rn.7; zum älteren Parlamentsrecht im Bundesland Hessen siehe auch HessStGH, Entsch. v. 24Nov. 1966, P. St. 414, ESVGH 17, 1 (5). 155 Siehe beispielsweise Lammers, HbDStR, Bd. II, §94, S.462. 156 Verschiedene Untersuchungsausschußgesetze der Länder sehen einen formellen Beschluß des Parlaments ausdrücklich vor, so z. B. § 21 ThürUAG. Hingegen den Untersuchungsausschuß bereits dann für wirksam eingesetzt, wenn der qualifizierte Minderheitsantrag auf die Tagesordnung gesetzt ist, hält ζ. B. Versteyl, in: vM/K, GGK II, Art. 44, Rn.15. 157 Siehe bereits oben S.26. 158 Schröder, Untersuchungsausschüsse, in: Schneider/Zeh (Hrsg.), Parlamentsrecht und Parlamentspraxis, Berlin und New York 1989, §46, Rn.26. 159 So auch BayVerfGH, Entsch. v. 27. Juni 1977, Vf. 31-VI-77, VerfGH 30, 48 (59), zur Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag.

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Im Bundestag wurde meist für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses ein Beschluß gefaßt. 160 Der Beschluß kommt entweder durch förmliche Abstimmung (§§ 54, 481, II GO-BT) oder in jüngerer Zeit im sogenannten vereinfachten Verfahren zustande. Bei letzterem stellt der Präsident nicht die Frage nach der Zustimmung zu dem Antrag, sondern fragt nur, ob es Widerspruch gegen den Antrag gibt. 161 Auf diese Weise wird den politischen Gegnern erspart, für einen Antrag stimmen zu müssen, den sie inhaltlich mißbilligen. Der Forderung nach einem förmlichen Einsetzungsbeschluß genügt dies, denn auf die Frage des Präsidenten besteht Gelegenheit, verfassungsrechtliche Bedenken gegen den Einsetzungsantrag geltend zu machen. Allerdings determiniert der förmliche Einsetzungsbeschluß noch nicht, ob es sich bei dem eingesetzten Untersuchungsausschuß um eine sog. Minderheitsenquete mit den daraus entspringenden Rechten für die Einsetzungsminderheit handelt. Akut wurde diese Schwierigkeit in der 12. und 13. Wahlperiode aus einem zunächst nicht unmittelbar mit diesem Problem zusammenhängenden Anlaß. Es war dies die Frage, ob der Gruppe der PDS ein stimmberechtigtes Mitglied im Untersuchungsausschuß zuzugestehen sei. Diese Konstellation sorgte unter anderem dafür, daß es in diesen Wahlperioden nicht zu Minderheitsenqueten im klassischen Sinne kam. Die beiden in diesen Wahlperioden zuerst als Minderheitsenqueten eingebrachten Einsetzungsanträge der dreizehnten Wahlperiode wurden im Plenum dem Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung (Geschäftsordnungsausschuß) überwiesen. 162 Grund für die Überweisung in diesen Ausschuß war in beiden Fällen die Forderung der parlamentarischen Gruppe der PDS, einen stimmberechtigten Abgeordneten in den Ausschuß entsenden zu können. Obwohl dem Geschäftsordnungsausschuß für die Untersuchung „Plutoniumschmuggel" drei verschiedene Einsetzungsanträge163 mit von einander abweichender Themenstellung vorlagen, gelang es dem Geschäftsordnungsausschuß durch interfraktionelle Gespräche, sich 160 Nachweise zu den wenigen Ausnahmefällen aus länger zurückliegender Zeit, in denen die Einsetzung durch den Präsidenten nur festgestellt wurde, bei Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, §63, Rn.7. 161 Zu diesem Verfahren ausführlich Steinberger, Rechtsgutachten erstattet dem 2. Untersuchungsausschuß der 11. Wahlperiode des Deutschen Bundestages, BT-Drs. 11/7800, S. 1181 (1183 f.); Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse. Grundlagen und Praxis im Deutschen Bundestag, 2. Aufl. o.O. 1991, S. 54-57; siehe aus neuerer Zeit die Einsetzungsbeschlüsse nach dem vereinfachten Verfahren für den 2. UA/12. WP (Treuhandanstalt), PIPr 12/179, S. 15411 (15433). 162 Zum Plutoniumschmuggel-Untersuchungsausschuß: Einsetzungsantrag BT-Drs. 13/1176 von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und BT-Drs. 13/1196 der SPD und BT-Drs. 13/1202 der Fraktionen von CDU/CSU und der F. D. Ρ.), Einsetzung auf BeschlEmpf des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, BT-Drs. 13/1323. 163 Umfangreichster Antrag: BT-Drs. 13/1176 der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN; weitere Anträge der SPD-Fraktion, BT-Drs. 13/1196 und der damaligen Regierungsfraktionen CDU/CSU und F.D.P., BT-Drs. 13/1202.

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auf einen Auftrag für den einzusetzenden Untersuchungsausschuß zu einigen , der dann auch die ausdrückliche Zustimmung im Plenum fand. 165 In ähnlicher Weise kam es zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses „Kommerzielle Koordinierung II". 1 6 6 Die Frage nach der Zusammensetzung des Ausschusses und der Beteiligung der parlamentarischen Gruppe der PDS verhinderte das Zustandekommen der klassischen Minderheitsenquete. Das PUAG gibt in § 11 den Wortlaut von Art. 4411 GG wieder, stellt also keine bestimmteren Anforderungen an die Form des Einsetzungsantrags. Es bleibt bei dem oben geschilderten Problem hinsichtlich der Eindeutigkeit des Einsetzungsantrags, welches nur so gelöst werden kann, daß der Einsetzungsantrag für eine Minderheitsenquete auch im Hinblick auf die Form von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages, d.h. als Antrag mit den Namen aller Antragsteller, gestellt wird. 167 c) Die Zusammensetzung des Ausschusses Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages setzten und setzen sich im Gegensatz zur Enquete-Kommission (§12 GO-BT) ausschließlich aus Abgeordneten zusammen. Die absolute Zahl der Mitglieder des jeweiligen Ausschusses bestimmte bereits nach früherer Rechtslage der Bundestag, § 57 GO-BT. Die einzelnen Fraktionen durften entsprechend den allgemeinen Bestimmungen der Geschäftsordnung davon so viele Mitglieder bestimmen, wie es ihrer zahlenmäßigen Stärke im Bundestag entsprach. 168 Dieser Grundsatz konnte jedoch nicht vollständig umgesetzt werden, wenn eine so kleine Mitgliederzahl des Gremiums vorgesehen wurde, daß eine proportionale Berücksichtigung aller parlamentarischer Gruppie164

Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, BT-Drs. 13/1323. 165 PIPr 13/35 S. 2747 A. 166 Antrag der SPD-Fraktion BT-Drs. 13/1833, Überweisung an den Geschäftsordnungsausschuß PIPr 13/47 S. 3799 A, Beschlußempfehlung und Bericht des Geschäftsordnungsausschusses BT-Drs. 13/2483, Änderungsanträge der Fraktion der SPD zur Erweiterung des Untersuchungsthemas BT-Drs. 13/2584, Annahme der Beschlußempfehlung des Geschäftsordnungsausschusses und Ablehnung des Antrags der PDS PIPr 13/58 S.4845 D. Es folgten bis zur endgültigen Einsetzung des Untersuchungsausschusses noch zwei Änderungsanträge der SPDFraktion. Der Untersuchungsausschuß wurde auf die Beschlußempfehlung des Geschäftsordnungsausschusses BT-Drs. 13/5843 hin eingesetzt, PIPr 13/132 S. 11937 A. 167 Anders konsequenterweise Seidel, Die Opposition im parlamentarischen Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG, BayVBl. 2002 97 (102), der keine Formenstrenge für den Einsetzungsantrag verlangt und deshalb von einer Minderheitsenquete auch dann ausgehen will, wenn die Untersuchung der Sache nach von der Einsetzungsminderheit initiiert wurde, die Stoßrichtung der Untersuchung der Kontrolle dient und die Berücksichtung des späteren Antrags der regierungstragenden Mehrheit nicht zu einer substantiellen Veränderung der Untersuchung führt. 168 Ein Sonderproblem stellte sich in der zwölften und dreizehnten Wahlperiode mit dem Problem des Status der Gruppen BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und PDS. Siehe zu den entsprechenden Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts Fn. 176.

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

rungen nicht möglich war. 169 Hingegen wird nun ausdrücklich den Fraktionen (nicht hingegen der parlamentarischen „Gruppe") mindestens ein Sitz im Ausschuß zugestanden, § 4 S. 3 PUAG. Das wird in manchen Fällen eine bestimmte Mindestgröße des Untersuchungsausschusses verlangen, unabhängig davon, daß § 4 S. 2 PUAG die „Arbeitsfähigkeit" des Untersuchungsausschusses hervorhebt. In der parlamentarischen Praxis schwankt die Zahl der Ausschußmitglieder eines Untersuchungsausschusses zwischen sieben und fünfzehn. Der Untersuchungsausschuß „AIDS-infizierte Blutkonserven" in der zwölften Wahlperiode bestand nur aus sieben Mitgliedern. 170 Die anderen beiden Untersuchungsausschüsse der zwölften Wahlperiode bestanden aus einmal 11 stimmberechtigten Mitgliedern 171 und einmal 13 stimmberechtigten Mitgliedern 172 mit jeweils zwei nicht stimmberechtigten Mitgliedern aus den damaligen parlamentarischen Gruppen der PDS und Bündnis 90/Die Grünen. In der 13. Wahlperiode waren die zwei eingesetzten Untersuchungsausschüsse jeweils mit elf stimmberechtigten Mitgliedern und einem nicht stimmberechtigten Mitglied aus der parlamentarischen Gruppe der PDS besetzt.173 Ebenso setzte sich der Parteispenden-Ausschuß der 14. WP aus elf Mitgliedern zusammen. 1 7 4 Die parlamentarische Gruppe 175 der PDS stellte in der 12. und 13. Wahlperiode zu den jeweiligen Einsetzungsanträgen für die Untersuchungsausschüsse den Antrag, ein stimmberechtigtes Mitglied in den Ausschuß zu entsenden, da nach § 12 der Geschäftsordnung des Bundestages die Besetzung von Ausschüssen an den Fraktionen und ihrer Stärke ausgerichtet wurde, und die PDS bei der Sitzverteilung der stimmberechtigten Mitglieder keine Berücksichtigung fand. Die jeweiligen Anträge wurden vom Plenum jedoch abgelehnt. Das Bundesverfassungsgericht hielt die Ablehnung für verfassungsgemäß. Allerdings sei der Wortlaut des § 12 GO-BT dabei verfassungskonform auszulegen. Der verfassungsrechtlich in Art. 3812 GG verankerte Grundsatz der Spiegelbildlichkeit bei der Zusammensetzung von Ausschüssen verlange auch die Berücksichtigung von Gruppierungen und Zusammenschlüssen fraktionsloser Abgeordneter - dies aber nur, wenn auf sie aufgrund der gegebenen Größe der Ausschüsse und auf der Grundlage des vom Bundestag je169

BVerfGE 70, 324 (364). BT-Drs. 12/8591, S. 13. 171 Kommerzielle Koordinierung I, BT-Drs. 12/7600, S. 19. 172 Treuhandanstalt, BT-Drs. 12/8404, S.23. 173 Untersuchungsausschüsse der dreizehnten Wahlperiode: „Plutoniumschmuggel": 11 stimmberechtigte Mitglieder und ein nicht stimmberechtigtes Mitglied der Gruppe der PDS, vgl. BeschlEmpf des Geschäftsordnungsausschuß, BT-Drs. 13/1323 und Annahme in der Plenarsitzung vom 11. Mai 1995, PIPr 13/35 S.2746A. „Kommerzielle Koordinierung II", 11 stimmberechtigte Mitglieder und ein nicht stimmberechtigtes Mitglied der Gruppe der PDS, vgl. die BeschlEmpf des Geschäftsordnungsausschusses Drs. 13/2483 und PIPr 13/58 S.4940A-4945D. 174 Einsetzungsantrag der Fraktionen SPD und DIE GRÜNEN vom 23. Nov. 1999, BT-Drs. 14/2139. 175 Zum sogenannten Gruppenstatus siehe § 10IV GO-BT und die Empfehlung des Ältestenrates vom 21. Feb. 1991, BT-Drs. 12/149. 170

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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weils angewendeten Proportionalverfahrens ein oder mehrere Sitze entfielen. Für einen Anspruch auf Einräumung eines Grundmandates in Untersuchungsausschüssen fehle es an der verfassungsrechtlichen Grundlage. 176 § 4 S. 4 PUAG verweist für die Rechte der parlamentarischen Gruppen auf „die allgemeinen Beschlüsse des Bundestages". Für parlamentarischen Gruppen ändert sich daher inhaltlich nichts. Die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuß entsprechen aufgrund des Grundsatzes der Spiegelbildlichkeit denen im Plenum. Der hierdurch vorgeprägten Wiederholung des Problems des Minderheitenschutzes im Kleinen wurde zum Teil bereits nach der alten Rechtslage dadurch vorgebeugt, daß in Anlehnung an den IPA-Entwurf der Vorsitzende und sein Stellvertreter regelmäßig verschiedenen Fraktionen angehörten. 1 7 7 Der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende werden in der konstituierenden Sitzung des Untersuchungsausschusses nach den Vereinbarungen des Ältestenrates gewählt (§58 GO-BT nach alter Rechtslage, nunmehr § 612 PUAG). 178 Schon nach der bisher angewandten Parlamentspraxis gehörte der Vorsitzende nicht unbedingt auch der stärksten Fraktion an. Nunmehr gibt § 611 PUAG den Fraktionen einen Anspruch auf Berücksichtigung bei der Wahl des Vorsitzenden. Die großen Fraktionen wechseln sich dabei im Vorsitz ab. 179 Nach § 71 2. Hs. PUAG muß der stellvertretende Vorsitzende einer anderen Fraktion angehören als der Vorsitzende. § 3 der IPA-Regeln sah außerdem vor, daß der Vorsitzende und der stellvertretende Vorsitzende regelmäßig die Befähigung zum Richteramt besitzen, also Juristen sein (§ 3 IPA-Regeln) sollten; das PUAG trifft hierzu keine Regelung mehr. Die Aufgaben des Vorsitzenden waren für einen Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages allein in § 59 GO-BT (der allgemeinen Vorschrift für die Ausschüsse des Bundestages in der Geschäftsordnung) geregelt und daher nicht spezifisch auf die besondere Problematik des Untersuchungsausschusses zugeschnitten, insbesondere, was die Beweiserhebung durch den Untersuchungsausschuß angeht.180 Auch das PUAG regelt die Aufgaben des Vorsitzenden nicht an her176

BVerfGE 84, 304 (332); 96, 264 (280-282) Zur Besetzungspraxis bis zur 12. WP siehe auch Edinger, Wahl und Besetzung parlamentarischer Gremien, S. 261 f., der sich für ein Grundmandat u. a. im Untersuchungsausschuß ausspricht. 177 Siehe dazu § 3 des sog. IPA-Entwurfes, BT-Drs. Nr. V/4209 (Antrag der Abgeordneten Dr. Schmidt [Wuppertal], Bading, Mertes, Hirsch und Genossen), der allerdings insofern nicht angewandt wird, als er die Bestimmung des Vorsitzenden durch den Bundestag vorschreibt. In dieser Frage geht die Geschäftsordnung (§ 59 GO-BT) vor. 178 Vgl. für die zwölfte Wahlperiode: BeschlEmpf und Bericht des ersten Untersuchungsausschusses (Kommerzielle Koordinierung I) BT-Drs. 12/7600, S.20.; BeschlEmpf und Bericht des zweiten Untersuchungsausschusses (Treuhandanstalt) BT-Drs. 12/8404, S.24, BeschlEmpf und Bericht des dritten Untersuchungsausschuß (AIDS-infizierte Blutkonserven) BT-Drs. 12/8591, S. 15. 179 Siehe bis zur 12. WP die Übersicht bei Versteyl, in: vM/K, GGK II, Art.44, S. 818f.; für die 13. WP: 1. UA (Plutonium-Schmuggel) CDU-Fraktion, BT-Drs. 13/10800 S.23; 2. UA (Kommerzielle Koordinierung II) SPD-Fraktion, BT-Drs. 13/10900, S.27. 180 Aufgaben des Vorsitzenden bei der Beweiserhebung: (1) Sitzungsleitung,

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

vorgehobener Stelle; es bestimmt nur, daß der Vorsitzende die Untersuchung leitet und dabei an den Einsetzungsbeschluß des Bundestages gebunden ist, § 6 II PUAG. Außerdem beruft er den Untersuchungsausschuß ein (§ 8 PUAG) und wirkt in bestimmten Fällen bei der Bestimmung des sogenannten „Ermittlungsbeauftragen" (§10112 PUAG) mit. 4. Das Verfahren im Untersuchungsausschuß/ die Untersuchungstätigkeit Das Verfahren im Untersuchungsausschuß des Deutschen Bundestages gestaltete sich bisher regelmäßig nach den sog. IPA-Regeln, deren Entstehung oben 181 umrissen wurde. Das PUAG regelt das Untersuchungsverfahren im Untersuchungsausschuß nunmehr in den Bestimmungen §§ 8-32. Die „Arbeitsaufnahme" des Untersuchungsausschusses unterscheidet sich zunächst nicht wesentlich von der Konstituierung anderer Ausschüsse. Der Untersuchungsausschuß ist beschlußfähig, wenn die Mehrheit seiner Mitglieder anwesend ist (siehe § 6 I der bisher regelmäßig angewandten IPA-Regeln und nun § 9 I 1 PUAG). Der Untersuchungsausschuß verhandelt öffentlich. Jedoch kann die Öffentlichkeit ausgeschlossen werden (Art. 4411, 2 GG). Die Bedingungen, unter denen die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, konkretisiert § 141 PUAG jetzt näher. 182 In welcher Weise nimmt nun der Untersuchungsausschuß seine Aufgabe, ein Thema zu untersuchen, wahr? Diesem Auftrag wird der Ausschuß gerecht, indem er die zum zu untersuchenden Thema gehörenden Tatsachen ermittelt und darüber Bericht erstattet. 183 Das PUAG setzt die Tatsachenermittlung als Aufgabe des Untersu(2) Zeugenvernehmung, (3) der Vorsitzende wird regelmäßig mit der Durchsetzung des Beweisverfahrens auch vor Gericht beauftragt. Fraglich ist allerdings, ob der Vorsitzende vom Untersuchungsausschuß ermächtigt werden kann, oder ob er dazu vom Bundestag (durch den/die Bundestagspräsidenten/ tin) ermächtigt werden muß. Speziell bei der Akteneinsicht siehe BVerfGE 67,100 (138) zum sogenannten „Vorsitzenden· Verfahren". 181 Siehe oben I.l.c),S.32. 182 Man könnte sich fragen, ob die Aufzählung in § 141 PUAG, die dem Untersuchungsausschuß kein Ermessen über den Ausschluß der Öffentlichkeit einräumt, eine zulässige Konkretisierung von Art. 4412 GG darstellt, insbesondere, wenn die Aufzählung abschließend zu verstehen sein sollte. 183 Er kann sich dabei der Hilfe eines sogenannten Ermittlungsbeauftragten bedienen (§10 PUAG). Er soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Untersuchung durch den Untersuchungsausschuß vorbereiten (§ 10 III 1 PUAG). Er kann dafür Rechte des Untersuchungsausschusses auf Aktenvorlage (§101113 PUAG) und auf Herausgabe (§ 10III4 PUAG) geltend machen (in diesem Zusammenhang ist allerdings nicht ganz einsichtig, warum §101114 PUAG auf § 30 PUAG [Verfahren] und nicht auf § 29 PUAG [Herausgabeanspruch] verweist). Er kann Zeugen informatorisch anhören (§ 10 III 6 PUAG). Zwangsmittel kann er nicht einsetzen (§ 10 III 5 PUAG). Zur Kritik an dieser neugeschaffenen Institution siehe einerseits Schneider,

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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chungsausschusses voraus und wendet sich unmittelbar nur der Erhebung der Beweise zu (§ 17 I PUAG). Zur Erhebung der Beweise faßt der Untersuchungsausschuß Beweisbeschlüsse (siehe nun § 171 PUAG „aufgrund von Beweisbeschlüssen"). Die Mittel, die dem Untersuchungsausschuß verfassungsrechtlich dafür zur Verfügung stehen, sind die Beweiserhebung mit Hilfe der sinngemäßen Anwendung der StPO (Art. 44 II 1 GG) und das Recht auf Aktenvorlage, einer Form des Urkundenbeweises. Beide werden nach der neuen Rechtslage durch das PUAG entweder modifiziert (erstere) oder konkretisiert (letztere). Die zur Verfügung stehenden Beweismittel werden im folgenden unter Punkt a) näher beleuchtet. Zu welchen Mitteln der Ausschuß konkret greift, muß zunächst innerhalb des Ausschusses entschieden werden. Wie bereits dargestellt, spiegeln sich in der Zusammensetzung des Ausschusses die Mehrheitsverhältnisse im Plenum wider. Hervorzuheben ist dabei besonders: Ist die Einsetzung des Ausschusses als Minderheitsrecht (Art. 4411 GG) gestaltet, setzt sich dieses Minderheitenrecht im konstituierten Ausschuß verfassungsrechtlich nicht ohne weiteres fort. Das Grundgesetz kennt keine Anordnung, die der in den Ausschuß entsandten Minderheit oder auch der Einsetzungsminderheit quasi von außerhalb bei der Entscheidungsfindung im Ausschuß besondere Rechte einräumte. Weil aber die Untersuchung mit der Erhebung ganz bestimmter Beweise „steht und fällt", drängt sich die Frage nach Rechten von Minderheiten im Ausschuß besonders auf. Daher ist das Zustandekommen der Entscheidung für einen bestimmten Beweisbeschluß im Anschluß daran genauer zu betrachten (siehe im folgenden unter b). a) Die zur Verfügung

stehenden Beweismittel

Art. 44 II 1 GG bestimmt, daß auf die Beweiserhebung die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß Anwendung finden. Mit dieser Bestimmung sind dem Untersuchungsausschuß selbst Machtbefugnisse eingeräumt, die dem Plenum bzw. dem Bundestag als Ganzem nicht zustehen, vielmehr sonst nur den Gerichten eingeräumt sind. Im Gegensatz zu internen Verfahrensabsprachen, zu denen auch die IPA-Regeln gehörten, ist es dieser Verweis, der dem Untersuchungsausschuß hoheitliche Rechte auch gegenüber Privatpersonen verleiht. Insbesondere die Vernehmung von Personen stellte bei vielen Untersuchungsausschüssen einen wichtigen Beitrag zur Feststellung von Tatsachen dar - bei einigen Untersuchungsausschüssen sogar den wichtigsten Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung. 184 Spielregeln für den investigativen Parlamentarismus, NJW 2001, 20001 (2604); andererseits die Entgegnung von Bachmaier, Der Ermittlungsbeauftragte im Spannungsfeld zwischen gerichtsähnlicher Aufklärungsarbeit und parlamentarischer Auseinandersetzung - ein gesetzgeberisches Experiment für die Zukunft, NJW 2002, 348 (348) und die Erwiderung von Schneider, Letztmals: Der Ermittlungsbeauftragte - eine Duplik, NJW 2002, 1328. 184 ... wenn auch die Überlegenheit des Urkundenbeweises von den Gerichten betont wird, „weil das Gedächtnis von Zeugen aus mancherlei Gründen unergiebig werden kann", BVerfGE 67, 100 (137). Dies gilt wohl gerade für konspirative Vorgänge, wie im Fall des 1. UA/12. WP

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Die „sinngemäße" Anwendung der Strafprozeßordnung hat seit der Einführung des parlamentarischen Untersuchungsrechts auf gesamtstaatlicher Ebene in Art. 34 der WRV (die sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung ist dort in Absatz 3 angeordnet) Praxis und Lehre vor erhebliche Probleme gestellt. Ausgehend von der Frage, wie weit mit dieser Formel das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuß dem Strafverfahren und der dort getroffenen Unterscheidung von Zeugen und Angeklagten angenähert ist, sind zwei Problemkreise hervorzuheben. Einerseits die Frage, ob die Stellung der betroffenen Dritten, d. h. derjenigen Personen, die vom Untersuchungsausschuß dazu herangezogen werden, zur Aufklärung der anstehenden Fragen auszusagen, eher der Stellung eines Zeugen oder auch der Stellung eines Beschuldigten oder Angeklagten ähnelt; je nach Einordnung stehen dem Untersuchungsausschuß mehr oder weniger einschneidende Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Betroffenen zur Tatsachenaufklärung zur Verfügung. Andererseits die Frage, inwieweit der Untersuchungsausschuß gegenüber den Gerichten und vor allen Dingen der Exekutive Anspruch auf Rechts- und Amtshilfe bzw. andere Ansprüche auf Tatsachenoffenbarung hat. 185 aa) Die Beweiserhebung mit Hilfe von Urkunden (1) Aktenvorlagepflicht

der Exekutive

Gegenüber der Exekutive steht dem Untersuchungsausschuß ein direkt aus dem Beweiserhebungsrecht gem. Art. 4411 GG abzuleitendes Recht auf Aktenvorlage zu. Das Bundesverfassungsgericht hat dies in seiner Entscheidung zum Flick-Untersuchungsausschuß186 festgestellt und damit der früher teilweise vertretenen Auffassung, die Verpflichtung zur Aktenvorlage sei ein Bestandteil des Rechts auf Amtshilfe 187 , Art. 44 III GG, ausdrücklich eine Absage erteilt. Der Aktenherausgabeanspruch habe Verfassungsrang und diene der Kontrollaufgabe des Bundestages gegenüber der Bundesregierung. Die Regierung habe demgegenüber ihre Verantwortung zur Wahrung von Dienstgeheimnissen wahrzunehmen. Über die sinngemä„Kommerzielle Koordinierung I", Abschlußbericht BT-Drs. 12/7600, S.65. Andererseits wird die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses immer dann in der Öffentlichkeit besonders stark beachtet, wenn er „spektakuläre" Zeugen lädt. 185 Ob dabei davon ausgegangen werden muß, daß Art. 4411 GG zunächst die Aufgaben des Untersuchungsausschusses, hingegen erst Art. 44 I I 1 GG (sinngemäße Verweisung auf die Strafprozeßordnung) die Befugnisse umreißt (so jüngst Lesch, Zur Verwendbarkeit von StasiAbhörprotokollen durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse, NJW 2000, 3035 [3036]) oder ob man, wie das Bundesverfassungsgericht jedenfalls in der Flick-Entscheidung, von einem direkt aus Art. 4411 GG sich herleitenden Beweiserhebungsrecht ausgeht (BVerfGE 67, 100, LS 2 und 133), kann hier zunächst dahingestellt bleiben. 186 BVerfGE 67, 100 (128 f.) - „Flick". 187 Siehe aus der älteren Literatur exemplarisch von MangoldtlKlein, Das Bonner Grundgesetz, Bd. II, 2. Auflage Berlin und Frankfurt 1966, Art. 44 Anm. III 5 b) und für das genannten Verfahren BVerfGE 67, 100 (119 f.), worin die Bundesregierung diese Meinung vertrat.

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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ße Anwendung von § 96 StPO - die sogenannte „Staatswohlklausel" - habe sie abzuwägen, was sie als die Aktenherausgabe hinderndes Wohl des Bundes oder des Landes ansehe. Das Wohl des Bundes oder eines Landes sei aber der Bundesregierung nicht allein anvertraut. Mithin könne die Berufung auf das Wohl des Bundes gerade gegenüber dem Bundestag dann nicht in Betracht kommen, wenn bereits wirksame Vorkehrungen gegen das Bekanntwerden von Dienstgeheimnissen von beiden Seiten getroffen wurden. 188 Besonders zu berücksichtigen sei auch, daß die Bundesregierung - in bezug auf die sinngemäße Anwendung des § 96 StPO - nicht unbeteiligt, sondern in ihrem Handeln selbst Objekt der Untersuchung sei. Gerade die Bundesregierung müsse indes alles tun, um Zweifel an der Lauterkeit von Regierungs- und Verwaltungsmaßnahmen auszuräumen. Nur unter ganz besonderen Umständen könnten sich aus der Verantwortung der Regierung gegenüber Parlament und Volk Gründe finden lassen, anläßlich derer die Bundesregierung die Preisgabe von Informationen verweigern kann. Der Gewaltenteilungsgrundsatz bedinge unter solchen Umständen einen Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung, also einen grundsätzlich nicht ausforschbaren Initiativ-, Beratungs-, und Handlungsbereich. Dazu gehöre die Willensbildung der Regierung in den Erörterungen und der Vorbereitung von Kabinetts- und Ressortentscheidungen. Insofern erstrecke sich das Kontrollrecht des Bundestages auch nur auf bereits abgeschlossene Vorgänge. 189 Als weiteren Gesichtspunkt im Zusammenhang mit der Verweigerung der Herausgabe von Regierungsakten hob das Bundesverfassungsgericht die drohende Verletzung des grundrechtlich geschützten Bereichs von Privatpersonen hervor. Denn das Dienstgeheimnis diene auch dem Schutz der nichtöffentlichen Sphäre des einzelnen Bürgers. So stand in der Flick-Entscheidung das Steuergeheimnis (§ 30 Abgabenordnung) als Begrenzung für die Beweiserhebung durch Herausgabe von Steuerakten zur Diskussion, das zwar nicht als solches, aber in Hinblick auf durch es konkretisierte Grundrechte wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht Art. 21 i.V. m. Art. 11 GG, oder das Eigentumsgrundrecht, Art. 14 GG, begrenzend wirkt. Das Bundesverfassungsgericht verwies am Beispiel dieser Vorschrift darauf, daß - ebenso wie im Zusammenhang mit dem Staatswohl - sowohl Bundesregierung als auch Bundestag verpflichtet seien, die Grundrechte der betroffenen Privatperson zu schützen. Das Bundesverfassungsgericht machte in der Flick-Entscheidung zwei Verfahrensvorschläge zum Ausgleich zwischen notwendiger Geheimhaltung von staatswohlpolitisch oder grundrechtlich brisanten Unterlagen auf der einen Seite und Aufklärungsinteresse des Bundestages auf der anderen Seite: Zunächst sah es die Möglichkeit, die Geheimschutzordnung des Bundestages für die Fälle heranzuziehen, in denen vom Untersuchungsausschuß geheimhaltungsbedürftige Akten heraus verlangt werden. 190 Mit der Geheimschutzordnung habe der 188

BVerfG 67, 100(136). BVerfG 67, 100 (139). Siehe auch oben S.44 zu diesen inhaltlichen Begrenzungen des Untersuchungsthemas. 190 BVerfGE 67, 100 (135-138). 189

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Bundestag in detaillierter Weise die tatbestandlichen Voraussetzungen geschaffen, um bei seiner Aufgabenwahrnehmung das Dienstgeheimnis wahren zu können.191 Die Einschätzung hinsichtlich der Stufe des notwendigen Geheimschutzes obliegt nach der Geheimschutzordnung der herausgebenden Stelle (§ 3112 GSO-BT). Die damit zum Ausdruck kommende Verpflichtung des Bundestages, in Fragen des Geheimschutzes zu kooperieren, kann sich nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts auch darin niederschlagen, daß die Regierung sensible Unterlagen nur dann herauszugeben braucht, wenn der Untersuchungsausschuß von der Möglichkeit, die Öffentlichkeit auszuschließen, Gebrauch gemacht hat. Macht sich der Untersuchungsausschuß die Einschätzung der Regierung hinsichtlich des Geheimschutzes zu eignen, kann daraus allerdings die Verpflichtung folgen, in der Begründung seiner Beschlußempfehlungen und in seinem Bericht die Mitteilung der von der Regierung übermittelten Tatsachen zu unterlassen, die in den nichtöffentlichen Sitzungen erörtert wurden, es sei denn, sie ist unter Geheimschutzgesichtspunkten auch nach der Auffassung der Bundesregierung unbedenklich.192 Halte die Regierung trotz allem die verlangten Akten zurück, müsse sie dem Untersuchungsausschuß detailliert darlegen, daß eine Herausgabe nicht in Betracht komme. Dafür bestehe die Möglichkeit, besonders sensible Akten nur dem Vorsitzenden und seinem Stellvertreter vorzulegen und so den Ausschuß davon zu überzeugen, daß eine Offenbarung des Akteninhalts gegenüber dem Ausschuß nicht in Frage kommt. 193 Beide Verfahrensvorschläge hatten ihre Schwächen. Schröder wies auf den Umstand hin, daß zunächst die Geheimschutzordnung private Geheimhaltungsinteressen nicht berücksichtige (vgl. § 2 GSO-BT). Darüber hinaus bemängelte er, daß die Abgeordneten aufgrund des Grundsatzes der Indemnität keinerlei Sanktionen bei Geheimnisverrat im Parlament ausgesetzt seien, und außerdem ein Straftatbestand für die unbefugte Weitergabe von Privatgeheimnissen außerhalb des Parlaments fehle. 194 Von noch schwererem Gewicht sind die in der Literatur gegen das Vorsitzendenverfahren vorgetragenen verfassungsrechtlichen Bedenken. Erstens entsteht durch die Anwendung des Vorsitzenden-Verfahrens eine Diskrepanz zum Zeugenbeweis (Aussagegenehmigung). Denn dort es gibt keine Parallele zum Vorsitzenden-Verfahren beim Urkundenbeweis, beispielsweise im Wege der Vernähme eines Geheimnisträgers als Zeugen nur durch den Vorsitzenden. 195 191

BVerfGE 67, 100(135). BVerfGE 67, 100(137). 193 BVerfGE 67, 100 (138 f.); 77, 1 (56). Die interfraktionellen Entwürfe aus den Jahren 1984 und 1986 setzten das Vorsitzenden-Verfahren entsprechend um (BT-Drs. 10/6587 und BT-Drs. 11/1896, dort jeweils §21IV 3). 194 Schröder, Gutachten, E73. Dem vorgelagert ist das Problem, daß im Ausschuß möglicherweise gar nicht ohne weiteres festgestellt werden kann, von welcher Seite die Indiskretionen ausgingen, siehe zu diesen Problem, 1. UA/12. WP (Kommerzielle Koordinierung I), Abschlußbericht BT-Drs. 12/7600, S.29. 195 Schröder, Gutachten, E 74. 192

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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Zweitens fällt jedoch besonders negativ an diesem Verfahrensvorschlag die durch die Verfassung nicht gerechtfertigte Bevorzugung einzelner Mitglieder des Parlaments ins Auge, welche gerade das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang196 als verfassungsrechtlich unzulässig gekennzeichnet hat. 197 Selbst wenn man die Privilegierung einzelner Abgeordneter in ihrer Rolle als Vorsitzende des Ausschusses noch hinnehmen wollte, so bleibt doch zu bedenken, daß gerade der Vorsitzende regelmäßig aus den Reihen der großen Fraktionen bestimmt, auf diese Weise die Stellung der Minderheiten im Ausschuß also weiter geschwächt wird. Trotz aller hier dargestellten verfassungsrechtlichen Bedenken wurde das Vorsitzenden-Verfahren im Plutoniumschmuggel-Untersuchungsausschuß als besonders mit geheimdienstlichen Vorgängen befaßtem Ausschuß mehrfach angewendet und trug dort offenbar zur besseren Sachaufklärung bei. 198 Der verfassungsrechtliche Aktenvorlageanspruch wird mittlerweile vom PUAG in § 181—III näher ausgestaltet. Dabei geht auch das PUAG davon aus, daß die herausgabeverpflichtete Bundesregierung in bestimmten Fällen die Herausgabe von Akten verweigern oder zumindest durch Belegung mit einem Geheimhaltungsgrad ihre Verwendung einschränken kann (§181 PUAG „vorbehaltlich verfassungsrechtlicher Grenzen [...] verpflichtet, [...] vorzulegen."). Die Entscheidung über die Herausgabe liegt nach § 18 II 1 PUAG beim zuständigen Fachminister. Die Gründe, die die Bundesregierung ermächtigen, die Herausgabe zu verweigern, werden vom Gesetz allerdings nicht näher genannt. Das PUAG schreibt nunmehr daneben ausdrücklich die Möglichkeit des Untersuchungsausschusses fest, Beweismittel, Beweiserhebungen und Beratungen mit einem Geheimhaltungsgrad entsprechend der Geheimschutzordnung des Bundestages zu versehen (§15 PUAG). Das Vorsitzenden-Verfahren hingegen hat das Gesetz nicht mit aufgenommen. Die Pflicht zur Amtsverschwiegenheit ist in § 16 PUAG jetzt ausdrücklich normiert. (2) Beschlagnahme von Beweismitteln Da auch die Tätigkeit oder das Verhalten Privater im Zusammenhang mit der Aufdeckung und Untersuchung von Mißständen als Gegenstand der Untersuchung nicht ausgeschlossen ist, können auch „private" Unterlagen, zum Beispiel Unternehmensunterlagen, für den Untersuchungsausschuß von großer Bedeutung sein. Während die Pflicht zur Aktenherausgabe im wesentlichen aus dem Verhältnis der Verfassungsorgane Bundestag und Bundesregierung zueinander beantwortet werden muß 196

Prinzip der formalisierten Gleichbehandlung im sog. Diätenurteil BVerfGE 40, 296 (318); Grundsatz der gleichen Mitwirkungsbefugnisse in BVerfGE 80, 188 (218); 84, 304 (321). 197 Schröder, aaO.; Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 153. 198 1. UA/13. WP, Abschlußbericht BT-Drs. 13/10800, S.36f. 5 Platter

Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

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und die Rechte Dritter erst im konkreten Verfahren an Bedeutung gewinnen können, sind die Rechte Dritter unmittelbar betroffen, wenn dem Untersuchungsausschuß die Möglichkeit eingeräumt wird, Urkundenbeweise unmittelbar bei Privatpersonen zu erlangen. Die Strafprozeßordnung gibt eine Handhabe zur Erlangung von Beweismitteln durch die Möglichkeit der (zwangsweisen) Beschlagnahme von Beweismitteln (§§94, 95 StPO). Lange Zeit war indes umstritten, ob die Befugnisse des Untersuchungsausschusses im Rahmen der sinngemäßen Anwendung der Strafprozeßordnung dieses Zwangsmittel tatsächlich umfassen. Der Bremische Staatsgerichtshof hatte in einer Entscheidung von 1970 199 für einen Untersuchungsausschuß der Bremischen Bürgerschaft erklärt, daß dieser durch die entsprechende Vorschrift der Landesverfassung (Art. 105 V I 2 Bremische Landesverfassung), berechtigt ist, die Beschlagnahme und die Durchsuchung nach § 102 StPO beim Richter zu beantragen. Komme einer Urkunde entscheidender Beweiswert zu, wäre der Untersuchungszweck gefährdet, könnte nicht der Untersuchungsausschuß ein Beweismittel auch gegen den Willen des Verwahrers beschaffen. Der Staatsgerichtshof wies allerdings ausdrücklich daraufhin, daß die Bremische Verfassung im Wortlaut weiter gefaßt sei als das Grundgesetz. Die Vollständigkeit der Sachaufklärung sei das erklärte Ziel der Regelung. Aus diesem Grunde sei ihr auch das Recht auf Durchsuchung und Beschlagnahme zu entnehmen.200 Sowohl die IPA-Regeln (hier § 13IV) wie auch ein Gesetzentwurf aus dem Jahre 1985 des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung 201 sahen die Befugnis des Untersuchungsausschusses vor, die Beschlagnahme beim zuständigen Gericht zu beantragen. Die Vorschrift des IPA-Entwurfes sah für den Eilfall vor, daß bei Gefahr in Verzug ein Ersuchen an die Staatsanwaltschaft gerichtet werden kann (§ 13IV 2). Wenn auch die IPA-Regeln in dieser Frage keine Rechtsverbindlichkeit erzeugen konnten, so sind sie doch ein Indiz für die langjährige Rechtsauffassung des Bundestages gewesen. Das Bundesverfassungsgericht hatte erst im Jahre 1986 Gelegenheit, zu dieser Frage im Zusammenhang mit einem Untersuchungsausschuß des Bundestages Stellung zu nehmen.202 In der Entscheidung zum Untersuchungsausschuß „Neue Heimat" kam das Bundesverfassungsgericht für den Art. 44 II 1 GG zu dem Ergebnis, daß der Untersuchungsausschuß zur Ermittlung von Tatsachen auch vom Zwangsmittel der Beschlagnahme (§§94 ff. StPO) Gebrauch machen könne. Die Verfassungsbeschwerde 199

BremStGH, Entsch. v. 17. Apr. 1970, St. 1/69, NJW 1970, 1309 (1309f.), mit ausführlicher Auseinandersetzung mit den ablehnenden Stimmen in der Literatur. 200 „alle erforderlichen Beweismittel" in Art. 105 V I 2 Brem Verf. gegenüber „die erforderlichen Beweismittel" in Art. 4411, 2.Hs. GG. 201 Dort § 16IV 1 des Entwurfes; siehe auch BVerfGE 77, 1 (52) „Neue Heimat". 202 Verfassungsbeschwerden gegen die Beschlagnahme während der Untersuchungen von Untersuchungsausschüssen der Hamburger Bürgerschaft hatte das Bundesverfassungsgericht schon nicht zur Entscheidung angenommen (siehe Beschl. v. 22. Nov. 1983, 2 BvR 1730/83, NJW 1984, 2276 [2276]), so daß die Entscheidung „Neue Heimat" (E77, Iff.), die die Beschlagnahme gegenüber Privaten für zulässig erklärte, nicht überraschend kam.

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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gegen einen während des Beweiserhebungsverfahrens auf Antrag des Untersuchungsausschusses ergangenen Beschlagnahmebeschluß wurde zurückgewiesen. Das parlamentarische Kontrollrecht sei nicht zu verwirklichen, wenn der Untersuchungsausschuß nicht in die Lage versetzt sei, die erforderlichen Beweise auch dann zu erheben, wenn die freiwillige Mitwirkung verweigert werde. Die sinngemäße Anwendung der StPO nach Art. 44 II 1 GG umfasse die gesamte Beweiserhebung, wie sie die StPO vorsehe. Hierzu gehörten nicht nur die Vorschriften über die zulässige Art von Beweismitteln, sondern auch die Bestimmungen über deren Beschaffung und Sicherung. Die Beschlagnahme als Zwangsmaßnahme sei darüber hinaus nicht allein eine Maßnahme, die im dem Strafverfahren vorausgehenden Ermittlungsverfahren angewendet werde; auch verwaltungsrechtliche Gesetze kennten sie. 203 Trotzdem dürfe die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses in der Frage der Beweiserhebung nicht mit richterlicher Tätigkeit gleichgesetzt werden. Daher sei für die Anordnung der Beschlagnahme der Richter zuständig, wie es auch § 981 StPO bestimme.204 Dieser habe auch die Voraussetzungen der §§94,95 StPO - die Bedeutung des Gegenstandes für die Untersuchung - zu prüfen. Das Untersuchungsverfahren sehe auch im Gegensatz zum staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren keine besonderen Schutzvorkehrungen für den Betroffenen vor, die seine grundrechtlich geschützt Geheimsphäre vor der Publizität des Untersuchungsverfahrens bewahrten. 205 Die gewonnenen Beweise würden im Untersuchungsausschuß erörtert, ohne daß es zuvor zu einem förmlichen Beschluß in bezug auf ihre Beweiserheblichkeit im Untersuchungsausschuß käme. Insoweit sei sicherzustellen, daß grundrechtlich bedeutsame Daten erst dann im Ausschuß erörtert würden, wenn ihre Beweiserheblichkeit im einzelnen und die Frage der Zulässigkeit der Beweiserhebung im Blick auf ausreichende Geheimschutzmaßnahmen geprüft worden seien. Diese Prüfung obliege dem Gericht, das die Beschlagnahme anordne, in sinngemäßer Anwendung von §981 StPO. Das Gericht habe in einem ersten Schritt zu prüfen, ob die Beschlagnahme durch das Gewicht des Untersuchungszwecks und die Bedeutung des Beweisthemas gerechtfertigt ist. Die Herausgabe der beschlagnahmten Gegenstände dürfe dann im weiteren nur angeordnet werden, wenn aus grundrechtlicher Sicht hiergegen keine Bedenken bestehen.206 Bei ersichtlich nur zum Teil beweiserheblichen Unterlagen müsse das zuständige Gericht die Beschlagnahme als vorläufige Maßnahme anordnen und die Unterlagen auf ihre Beweiserheblichkeit für den Untersuchungsgegenstand des Ausschusses durchsehen. Nicht beweiserhebliche Teile der Unterlagen seien vom Gericht freizugeben. Die Prüfung der Beweiserheblichkeit der beschlagnahmten Gegenstände habe das Gericht deshalb vorzunehmen, weil die parlamen203

BVerfGE 77, 1 (48 f.). BVerfGE 77, 1 (51 f.). 205 BVerfGE 77, 1 (54 f.). 206 Aus dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ergibt sich dabei, daß ein auf Tatsachen gegründeter Anfangsverdacht in bezug auf einen Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand besteht; siehe BezG Schwerin, Beschl. v. 26. März 1992, Az.3 Qs 7/92, NVwZ 1994, 95 (95). 204

5=

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tarische Untersuchung im Gegensatz zum Ermittlungsverfahren keine zwingenden verfahrensrechtlichen Vorkehrungen zur Schutze des Geheimhaltungsinteresses des Betroffenen enthalte.207 Hervorzuheben an der „Neue-Heimat"-Entscheidung ist, daß das Bundesverfassungsgericht dem Ermittlungsrichter, d. h. regelmäßig dem Amtsgericht, die Abwägung zwischen der Bedeutung des Untersuchungsauftrages und der Schutzbedürftigkeit der zu erhebenden Daten im vollen Umfang übertragen hat. Einen von vorn herein anzunehmenden Vorrang des parlamentarischen Aufklärungsinteresses gibt es nicht. 208 Der von der Beschlagnahme von Beweismitteln Betroffene hatte nach der bisherigen Rechtslage die gleichen Möglichkeiten des Rechtsschutzes vor Fachgerichten wie bei den anderen mittelbaren Maßnahmen des Zeugniszwanges, nämlich das Rechtsmittel des Beschwerde (§ 304 StPO). Nach der neuen Rechtslage soll die Rechtsgrundlage für die Beschlagnahme nicht mehr die entsprechende Anwendung der StPO, sondern die spezielle Befugnisnorm § 29 PUAG sein, wenn auch für die Einzelheiten in § 29 III 3 PUAG weiterhin auf die StPO verwiesen wird. Danach besteht gem. § 2911 PUAG eine Herausgabepflicht hinsichtlich von Gegenständen für denjenigen, der einen Gegenstand in Verwahrung hat, der für die Untersuchung von Bedeutung sein kann. Weigert sich der Herausgabepflichtige, den Gegenstand herauszugeben, hat der Untersuchungsausschuß, wie auch zuvor bei entsprechender Anwendung der Strafprozeßordnung, zwei rechtliche Handhaben. Er kann einerseits ein Ordnungsgeld festsetzen (§29111 PUAG) oder beim Ermittlungsrichter des BGH die Beugehaft beantragen (§ 29 II 2 PUAG). Die Beugehaft kann - das ist eine Neuerung - auch von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses bei Gericht beantragt werden. Der Untersuchungsausschuß kann andererseits, wie auch schon bei entsprechender Anwendung der StPO, die Beschlagnahme und die Durchsuchung beim Ermittlungsrichter des BGH beantragen (§ 29 III 1 und 2 PUAG). 209 Auch hierfür besteht jetzt ein eigenes Antragsrecht eines Viertels der Mitglieder des Ausschusses.

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BVerfGE 77, 1 (54f.). Gegen einen Zugriff auf Private im Rahmen von Sachstand- und Perspektiv-Enqueten (hier im konkreten Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß Trans-Nuklear/Atomskandal) ausdrücklich Steinberger, Gutachten, BT-Drs. 11/7800, S. 1221 f.). 209 Das Beschlagnahmerecht scheint allerdings enger gefaßt zu sein als das der StPO. § 29 III 1 PUAG macht für den Antrag des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder an den Ermittlungsrichter zur Bedingung, daß die Gegenstände nicht freiwillig herausgegeben werden. Der Gewahrsamsinhaber muß also offenbar zunächst zur Herausgabe aufgefordert worden sein. Diese Anforderung besteht nach StPO nicht, sieht Lemke, in: HK-StPO, § 94, Rn, 13; siehe auch BGH, Beschl. v. 18. März 1992, Az. I BGs 90/92, BGHSt 38, 237 (247). 208

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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(3) Einsichtnahme in Unterlagen bei Gerichten und anderen Behörden Oft ist es auch für den Untersuchungsausschuß von großem Interesse, die Akten eines parallel laufenden Ermittlungsverfahrens einer Staatsanwaltschaft, eines Gerichtsverfahrens, möglicherweise auch eines anderen Untersuchungsausschusses beizuziehen. Die Einsichtnahme in Akten von Landesbehörden kann der Untersuchungsausschuß im Wege der Amthilfe (Art. 44 III und Art. 35 GG) verlangen. Gegenüber den Behörden der Bundesländer ist der Untersuchungsausschuß eine Behörde im Sinne des Art. 351 GG. Die Grenzen der Amtshilfe der Rechts- und Amtshilfe ergeben sich aus den allgemein anerkannten Rechtsgrundsätzen und den Verfahrensvorschriften, die für die ersuchende und die ersuchte Behörde gelten.210 Auch für den Untersuchungsausschuß wird überwiegend davon ausgegangen, daß die Amtshilfe im Rahmen der Vorschriften §§ 4, 5 VwVfG abzuwickeln sei, wobei sich die Grenzen der zu leistenden Amtshilfe nicht aus § 5 II VwVfG ergeben soll, sondern unmittelbar aus den Grenzen des parlamentarischen Untersuchungsrechts. 211 § 18IV 1 PUAG beschränkt sich darauf, die Verpflichtung der Gerichte und Verwaltungsbehörden zur Gewährung von Amtshilfe festzuschreiben. Einzelheiten nennt das Gesetz nicht. bb) Die Beweiserhebung mit Hilfe der Einvernahme von Personen Obwohl, wie erwähnt, der Urkundenbeweis als das zuverlässigere Beweismittel gilt, ist auch im Untersuchungsverfahren die Einvernahme von Personen von erheblicher Bedeutung. Im Zusammenhang hiermit werden dann jedoch die unterschiedlichen Zielrichtungen der parlamentarischen Untersuchung und des Strafverfahrens als dem eigentlichen Regelungsobjekt der Strafprozeßordnung besonders deutlich. (1 ) Zeuge oder Angeklagter als sinnvoll aus der StPO zu übertragende Kategorien? Die Strafprozeßordnung kennt im großen und ganzen zwei verschiedene verfahrensrechtliche Rollen, in denen eine Person im Strafverfahren beteiligt sein kann: die des Zeugen und die des Angeklagten. Die Rechte des Angeklagten sind im Strafverfahren auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Bestimmungen (Art. 101-104 GG) darauf ausgerichtet, dem Betroffenen ausreichende Verteidigungsmöglichkeiten im Hinblick auf die am Ende des Strafverfahrens stehende mögliche Verurteilung zu verschaffen. So hat der Angeklagte im Strafverfahren Mitwirkungsrechte, wie 210

Gubelt, in: vM/K, GGK II, Art. 35, Rn. 13. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), Grundgesetzkommentar, Bd. II, Tübingen 1998, Art. 44, Rn. 51. Anderer Ansicht Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Bd. 4, Rn. 186 f. 211

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zum Beispiel ein eigenes Beweisantragsrecht. 212 Herausragendes Recht des Angeklagten im Strafprozeß ist aber vor allen Dingen das allgemeine Aussageverweigerungsrecht (Prinzip des „nemo tenetur se ipse accusare") 213. Der Angeklagte muß zwar erscheinen, hat aber im Strafverfahren das Recht, zur Sache zu schweigen. Seine Entscheidung, zur Sache nichts zu äußern, muß er nicht begründen. Der Angeklagte ist nicht verpflichtet, im Strafprozeß zur Wahrheitsfindung beizutragen. 214 Der Zeuge hingegen unterliegt der Zeugnispflicht und kann sich dieser Pflicht nur in eng umgrenzten Fällen entziehen (Auskunftsverweigerungsrechte gem. §§53, 53 a, 55 StPO). Für die jeweilige Auskunftsperson im Verfahren der parlamentarischen Untersuchung praktisch bedeutsam wird der Betroffenenschutz regelmäßig in zwei Fallkonstellationen: einerseits bei parallelen Ermittlungs- und Strafverfahren 215 und andererseits dann, wenn natürliche oder juristische Personen infolge einer Untersuchung in rechtliches oder gesellschaftliches Zwielicht geraten könnten.216 Die Formulierung der „sinngemäßen Anwendung der Strafprozeßordnung" gem. Art. 44 II 1 GG gibt als solche keine Antwort auf die Frage, wie Privatpersonen, die in die Untersuchung einbezogen werden, zu behandeln sind. Daß Auskunftspersonen für den Untersuchungsausschuß wie Zeugen im Sinne der StPO zu behandeln sind, leuchtet ein. Ob aber Personen, deren Verhalten selbst Gegenstand einer parlamentarischen Untersuchung ist, damit auch die Rechte des Angeklagten im Sinne der StPO zuzugestehen sind, ist umstritten. 217 Personen, deren Verhalten zum Thema der Untersuchung wird, befinden sich vor dem Ausschuß in einer Verteidigungsposition. Denn Anwürfe, denen ein Einzelner in einer öffentlichen - d. h. in aller Regel auch medienwirksamen - Untersuchung ausgesetzt ist, können für ihn mit schwerwiegenden Auswirkungen verbunden sein. Doch mündet die parlamentarische Untersuchung im Gegensatz zum Strafverfahren gerade nicht in einer möglichen Verurteilung als schärfster staatlicher Sanktion.218 Die IPA-Regeln vermeiden eine ausdrückliche Zuordnung zu einer der strafprozessualen Verfahrensrollen. § 18 IPA-Gesetzentwurf 2,2

§2191 StPO. Aus dem Grundsatz der Menschenwürde abzuleiten, siehe BVerfGE 56, 37 (49); siehe allgemein Kleinknecht/Meyer-Goßner, Kommentar zur Strafprozeßordnung, 45. Aufl. München 2001, Einleitung, Rn.29a, der diesen Grundsatz als dem Strafverfahren „übergeordnet" ohne Bezug auf die Menschenwürde bezeichnet, so daß auch juristische Personen in seinen Genuß gelangen. 214 §§ 136, 243IVI StPO. 2,5 Siehe dazu die Entscheidung des LG Berlin zum Schweigerecht des Zeugen Terlinden vordem Parteispenden-Untersuchungsausschuß gem. §55 StPO (Beschluß vom 14. September 2000. Az.503 Qs 58/00, FAZ v. 20Sept. 2000,1-2; im gleichen Sinne zum Schweigerecht des Zeugen Terlinden VG Berlin (Urt. v. 25. Sept. 2001, Az. VG 2 A42/00 und VG 2 A55/00), Pressemitteilung des VG Berlin Nr.45/2001 v. 18.0kt. 2001. 216 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 124. 217 Für ein zum Zeugnisverweigerungsrecht (Schweigerecht) verdichtetes Aussageverweigerungsrecht spricht sich beispielsweise aus Buchholz, Der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsausschuß, Berlin 1990 (zugl. Kiel Univ. Diss. 1989), S. 108f. 218 Dieses Argument in der Entscheidung des OVG Münster, Beschl. v. 2. Sept. 1986, 15 Β 1849/86, NVwZ 1987, 606 (607). 213

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spricht in der Überschrift von der „Rechtsstellung des Betroffenen". Der Betroffenen-Status einer Person wird zunächst vom Ausschuß ausdrücklich festgestellt (§ 18 II). Der Betroffene hat dann im Beweisverfahren das Recht, eine zusammenhängende Sachdarstellung zu geben.219 Seine Aussagepflicht und sein Aussageverweigerungsrecht entsprechen allerdings (nur) denen des Zeugen im Strafprozeß (§1812), auf ein allgemeines Aussageverweigerungsrecht kann sich der Betroffene während des Beweiserhebungsverfahrens nicht berufen. 220 Darüber hinaus gewähren ihm die IPA-Regeln (§1813) ein Beweisantrags- und Fragerecht und das Recht auf Anwesenheit während der Beweisaufnahme. Einen Beistand kann er hingegen nicht hinzuziehen, außer, es wird ihm vom Ausschuß ausdrücklich gestattet (§ 18 III 5). Da die IPA-Regeln allerdings nicht die Qualität von Rechtsnormen hatten, verschafften sie dem Betroffenen keine subjektiven Rechte, sie hatten nur für die interne Verfahrensgestaltung Bedeutung. Die IPA-Regeln als solche konnten daher die Stellung des Betroffenen im Beweiserhebungsverfahren nicht subjektivrechtlich determinieren. 221 Die Rechtsprechung ist mit Rücksicht auf das Aufklärungsinteresse und die Verfahrenshoheit mit der Zuerkennung von Verfahrensrechten an den Betroffen, abgeleitet aus dem Rechtsstaatprinzip und/oder den Grundrechten, überwiegend zurückhaltend: Dem Betroffenen sei Gelegenheit zu geben, sich zum entscheidungserheblichen Sachverhalt zu äußern und mit seinen Äußerungen auf Gang und Ergebnis des Verfahrens Einfluß zu nehmen. Das Recht auf Anwesenheit auch während der nichtöffentlichen Beweisaufnahme sei dem Betroffenen hingegen nicht zwingend 219

Eine quasi überobligatorische Regelung zugunsten des Betroffenen: Nach Auffassung des OVG Münster, Beschl. v. 2. Sept. 1986,15 Β 1849/86, NVwZ 1987,606 (608), läßt sich dieses Recht nicht schon bereits aus der Verfassung ableiten; die Verfassung gebiete nur, daß der Betroffene im Rahmen des Anspruchs auf rechtliches Gehör überhaupt Gelegenheit erhält, sich zu äußern. 220 Teilweise großzügiger war die Praxis im Flick-Untersuchungsausschuß (1. UA/10. WP): zwar ohne Zuerkennung des Betroffenen-Status, aber mit Zuerkennung eines Schweigerechts nach § 1361 S. 2 StPO, BT-Drs. 10/5079, Tz. 11, S.7). 221 OVG Münster, Beschl. v. 2. Sept. 1986,15 Β 1849/86, NVwZ 1987,606 (607). (Für Hessen anderer Ansicht, nämlich, daß es sich bei den IPA-Regeln, wie sie die Untersuchungsausschüsse in Hessen regelmäßig zur Grundlage der Untersuchung machen, um parlamentarisches Gewohnheitsrecht des Hessischen Landtags handele, VGH Kassel, Beschl. v. 29. Okt. 1995,11 TG 361/95 u. a., NVwZ-RR 1996, 683 [684]). Eine für die Bildung von Gewohnheitsrecht erforderliche opinio iuris des Bundestages, daß es sich bei den IPA-Regeln um geltendes Recht gehandelt habe, existiert nicht; im Gegenteil, die Geltung der IPA-Regeln wird regelmäßig neu vereinbart. Darüber hinaus wies der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung in der 13. WP sowohl bei der Einsetzung des Ausschusses „Plutonium-Schmuggel" (1. UA/13. WP, Beschlußempfehlung BT-Drs. 13/1323) als auch bei der Einsetzung des Ausschusses „Kommerzielle Koordinierung I I " (2. UA/13. WP, Beschlußempfehlung BTDrs. 13/2483) daraufhin, „daß es für das Verfahren von Untersuchungsausschüssen unbefriedigend sei, auf die IPA-Regeln als Sondergeschäftsordnung (Herv. der Verf.) angewiesen zu sein." Im Zusammenhang mit der Vernehmung des Zeugen Schalck-Golodkowski in der Untersuchung „Kommerzielle Koordinierung I " (1. UA/12. WP) stellte der Untersuchungsausschuß im Abschlußbericht ausdrücklich fest, daß kein Rechtsanspruch auf die Feststellung des Betroffenen-Status bestehe, Beschl. und Bericht BT-Drs. 12/7600, S.48f.

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

einzuräumen, ebensowenig das Recht zur Befragung von Zeugen und das Recht zur Stellung von eigenen Beweisanträgen.222 Ohne daß dieses in der Rechtsprechung ausdrücklich festgestellt wurde, blieb es für die Praxis der Untersuchungsausschüsse des Bundestages dabei, daß die von einer Untersuchung des Bundestages betroffene Person weder einen Rechtsanspruch daraufhatte, den Betroffenen-Status nach § 18 II IPA 223 zuerkannt zu bekommen, noch ein allgemeines Aussageverweigerungsrecht geltend machen konnte. Die insgesamt unklare Rechtslage schien in der Praxis dann erträglich, wenn der jeweilige Untersuchungsausschuß nach den IPA-Regeln auch wirklich verfuhr, wenn es um die Rechte des Betroffenen ging. Auf diese Weise waren die Rechte des Betroffenen im Untersuchungsausschuß - jedenfalls nach Ansicht der Rechtsprechung - gewahrt, auch wenn in der Literatur und in der parlamentarischen Praxis 224 zu Recht die Auflösung des SpannungsVerhältnisses zwischen Verfahrensrechten von betroffenen Personen und Aufklärungsinteresse des Untersuchungsausschusses gefordert wurde. 225 ' 226 Die Vergleichbarkeit der Stellung des Zeugen im Strafverfahren und des Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß ist, wie schon ausgeführt, eher herzustellen. In der Entscheidung „Lappas" 227 stellte das Bundesverfassungsgericht keine grundsätzlichen Erwägungen zum Zeugenstatus im Sinne der StPO vor dem Untersuchungsausschuß an, sondern setzte die Existenz dieses Status auch im Untersuchungsverfahren bei der Begründung der Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen voraus. 228 Die Frage der Reichweite des Zeugnisverweigerungsrechts im Beweiserhebungsverfahren aber kann durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum 3. Untersuchungsausschuß des 10. Deutschen Bundestages229 als geklärt gelten. Im Rahmen der Lappas-Entscheidung230 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, daß die Verweisung auf die sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung nicht nur befugnisbegründende, sondern auch befugnisbegrenzende Wirkung habe. Die in der 222 OVG Münster, Beschl. v. 23. Sept. 1986, 15 Β 2039/86, NVwZ 1987, 606 (607f.). Über ein Anhörungsrecht hinaus in bezug auf Verfahrensrechte zurückhaltend auch OVG Hamburg, Beschl. v. 27. Mai 1986, Bs IV 318/86, NVwZ 1987, 610 (611). 223 Anders, wie erwähnt, VGH Kassel, aaO. (Fn.221). 224 Siehe Fn.221. 225 Siehe dazu Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 126 f. 226 In der praktischen Auswirkung scheint das Problem für die Auskunftspersonen eher beim Maßstab des am Untersuchungsgegenstandes ausgerichteten Tatbestands des § 181 Nr. 4 IPARegeln für die Zuerkennung des Betroffenen-Status „wenn sich eine Untersuchung überwiegend oder ausschließlich gegen diese Person richtet" zu liegen. Damit wird der Status des Betroffenen vom Untersuchungsgegenstand, nicht von den möglichen Auswirkungen für den Betroffenen abhängig gemacht. (Siehe den Fall der Ablehnung des Betroffenen-Status für den Zeugen Schalck-Golodkowski in „Kommerzielle Koordinierung I", BT-Drs. 12/7600, S.49.). 227 BVerfGE 76, 363 ff. 228 „Die Zeugenpflicht ist nach deutscher Rechtstradition eine allgemeine Staatsbürgerpflicht." BVerfGE 76, 363 (383). 229 Eingesetzt auf Antrag der F.D.P. (BT-Drs. 10/5575) mit Einsetzungsbeschluß vom 5. Juni 1986 (PIPr 10/219, S. 16964 D). 230 BVerfGE 76, 256 ff.

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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StPO begründeten Auskunftsverweigerungsrechte (§§53,53a, 55 231 ) und die Regelung über die Zulässigkeit bloßstellender Fragen (§ 68 a) gälten auch für das Verfahren vor dem Untersuchungsausschuß. Keine Zeugnisverweigerungsrechte ergäben sich dagegen aus den gesellschaftsrechtlichen Geheimhaltungsbestimmungen (§§ 93,404 AktG und § 85 GmbHG). In Übereinstimmung mit der weit überwiegenden Auffassung der Rechtslehre zu dieser Frage in bezug auf das Strafverfahren stellte das Bundesverfassungsgericht fest, daß die Pflicht des Zeugen zur Aussage aufgrund des öffentlichen Interesses an der Tatsachenermittlung privaten Geheimhaltungsinteressen vorgehe, soweit nicht das Prozeßrecht (sie) selbst diese als schützenswert anerkenne. 232 Unabhängig von den strafprozessualen Vorschriften über die Zeugnisverweigerungs- und Auskunftsverweigerungsrechte sollen die schützenswerten Interessen des Betroffenen über die Grundrechte des Betroffenen aus Art. 21 i.V. m. 11 GG (gemeint ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Ausprägung der informationellen Selbstbestimmung) und Art. 14 GG, gegebenenfalls in Verbindung mit Art. 19 III GG, mit dem Aufklärungsinteresse am Untersuchungsgegenstand unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen sein. 233 Den möglichen Belastungen, denen der Zeuge vor dem Untersuchungsausschuß durch das im Grundsatz öffentliche Untersuchungsverfahren ausgesetzt ist, muß der Untersuchungsausschuß nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts durch die Prüfung begegnen, ob eine öffentliche Beweisaufnahme und Erörterung gerechtfertigt ist und ob die Grundrechte des Betroffenen bestimmte Vorkehrungen der parlamentarischen Geheimhaltung erfordern. 234 Das PUAG verzichtet gänzlich auf eine Unterscheidung von „Zeugen" und „Betroffenen". Es kennt als Auskunftspersonen nur Zeugen. Diesen stehen die Zeugnis231 Das Auskunftsverweigerungsrecht nach §55 StPO kann, so die Rechtsauffassung in den Untersuchungsausschüssen zum Gegenstand Kommerzielle Koordinierung, soweit gegen Zeugen gleichzeitig ein Ermittlungsverfahren läuft (BeschlEmpf und Bericht, BT-Drs. 12/7600, S.54; BeschlEmpf und Bericht BT-Drs. 13/10900, S.75) oder ein Strafverfahren anhängig ist, gegeben sein. In manchen Fällen wurde den Zeugen sogar ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht zugestanden, beispielsweise dem ehemaligen Leiter der Hauptverwaltung Aufklärung im Staatssicherheitsdienst der DDR, Markus Wolf. („Kommerzielle Koordinierung I", BT-Drs. 12/7600, S.54 f.). In einem Fall, in dem der Ausschuß „Kommerzielle Koordinierung I " einem Zeugen kein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht zugestehen wollte und ihm deshalb ein Ordnungsgeld auferlegte, hat das OVG Münster in einer Entsch. v. 24. März 1998 dem Zeugen recht gegeben. Es führte aus, daß die gesamte in Betracht kommende Aussage des Zeugen mit seinem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten in derart engem Zusammenhang stehen könne, daß nichts übrig bleibe, was er ohne Gefahr der Verfolgung wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussagen könnte. In diesen Fällen komme das Auskunftsverweigerungsrecht im Ergebnis einem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht gleich (Az. 5 A216/95, NJW 1999, 80 [80].). 232 BVerfGE 76, 363 (387). 233 BVerfGE 76, 363 (388). 234 BVerfGE aaO.; zur Ausschöpfung der milderen Mittel, bevor ein Ordnungsgeld verhängt wird, wenn sich der Zeuge auf §55 StPO beruft, siehe OVG Münster, Entsch. v. 24. März 1998, Az. 5 A 216/95, NJW 1999, 80 (81).

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

verweigerungsrechte nach §§ 53, 53 a StPO (§ 221 PUAG) und ein dem § 55 StPO entsprechendes Auskunftsverweigerungsrecht (§ 22 II PUAG) zur Seite. (2) Die Durchsetzung der Aussagepflicht mit Zwangsmitteln Soweit eine Auskunftsperson vor dem Untersuchungsausschuß den BetroffenenStatus nicht zuerkannt bekam oder von vornherein als Zeuge angehört werden sollte, konnte der Untersuchungsausschuß bereits nach bisheriger Rechtslage Maßnahmen des Zeugniszwangs ergreifen. Dies war durch die Rechtsprechung seit langem anerkannt. Auch das PUAG kennt Maßnahmen des Zeugniszwangs. Im einzelnen kommen verschiedene Maßnahmen in Betracht, um die Auskunftsperson zur Aussage zu bewegen. (a) Vereidigung der Auskunftspersonen In weiteren Sinne als ein Mittel, die Auskunftsperson zur wahrheitsgemäßen Aussage anzuhalten, kann die Vereidigung des Zeugen betrachtet werden. 235 Soweit ein Untersuchungsausschuß den Betroffenen dazu anhalten wollte, wahrheitsgemäß auszusagen, wurden in der älteren Praxis der Untersuchungsausschüsse des Bundes Betroffene vor dem Untersuchungsausschuß in entsprechender Anwendung des § 59 StPO vereidigt. Für Zeugen (im Gegensatz zu Betroffenen) gingen auch die IPA-Regeln von der Zulässigkeit und der Möglichkeit der Vereidigung nach § 59 StPO aus, § 16 IPA-Regeln. Problematisch ist diese Übernahme eines strafprozessualen Instituts auch hier wieder für den Fall, daß sich eine Untersuchung gegen eine bestimmte Person richtet. Läßt man eine Vereidigung von solchen Auskunftspersonen durch den Untersuchungsausschuß zu, so unterwirft man den Betroffenen der Strafandrohung des Meineides (§ 154 StGB), ohne ihm ausdrücklich ein Aussageverweigerungsrecht/ Schweigerecht zuzubilligen. Würde der Betroffene in einem Strafverfahren vernommen, so bliebe er als Angeklagter im Sinne der StPO unvereidigt. Die IPA-Regeln nahmen darauf insofern Rücksicht, als sie vorsahen, daß der Betroffene im Sinne von § 181 IPA-Regeln nicht vereidigt wird, § 18 III 4 IPA-Regeln. Wie oben erläutert, gab es allerdings für Auskunftspersonen keinen subjektiv-rechtlichen Anspruch auf Anerkennung als Betroffener. Verfahrensrechtliche Abhilfe im Untersuchungsverfahren hätte nur dadurch geschaffen werden können, daß man in den Fällen, in denen das Verhalten einer Person den Kern der Untersuchung bildet, dieser Person im Verfahren auch tatsächlich die Stellung und die Rechte eines Angeklagten parallel der Stellung des Angeklagten im Strafprozeß verleiht. Eine Konse235 „Mittel der Wahrheitsfindung", HessStGH, Urt. v. 9. Dez. 1998, P.St. 1297, ESVGH 49, 19 (22).

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quenz, die der BGH in einer Entscheidung aus dem Jahre I960 im Zusammenhang mit Meineidsverfahren (§ 153 StGB) zum sog. Bayrischen Spielbankenausschuß (Bayrischer Landtag) nicht gezogen hat. Der BGH hielt den Untersuchungsausschuß hier für berechtigt, die durch jene Untersuchung konkret betroffenen Personen wie Zeugen und nicht wie Angeklagte zu behandeln, obwohl er zugestand, daß der Untersuchungsausschuß zumindest auch die Aufgabe hatte, strafbare Handlungen aufzuklären. 237 Die unklare Stellung des Betroffenen im Untersuchungsausschuß mit dem gleichzeitig zugestandenen Vereidigungsrecht ließ den Untersuchungsausschuß damit zur „Meineidsfalle 4' werden. 238 Unabhängig von der Frage der Vereidigung des Betroffenen und dem damit als Sanktion verbundenen Meineidsstraftatbestand bleibt auch eine unbeeidigte, nicht wahrheitsgemäße Aussage mit der Sanktion des § 153 StGB (falsche uneidliche Aussage) bedroht, 239 wenn es sich auch hierbei nur um ein Vergehen, nicht um ein Verbrechen (siehe § 12 StGB) handelt. Ab der vierten Wahlperiode des Bundestages haben seine Untersuchungsausschüsse denn auch keine Zeugen mehr vereidigt. 240 Das PUAG sieht eine Vereidigung von Zeugen nicht mehr vor (siehe § 24 III PUAG). Ausweislich der Materialien ist damit eine Vereidigung von Zeugen nicht mehr statthaft. 241 Hingegen ist jetzt zum Straftatbestand der falschen uneidlichen Aussage gem. § 153 StGB ausdrücklich klargestellt, daß der Untersuchungsausschuß einer anderen zur eidlichen Vernehmung von Zeugen oder Sachverständigen zuständigen Stelle gleichsteht (§ 153 II StGB).

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Urt. v. 19. Feb. 1960, 1 StR 609/59, BGHSt 17, 128 (129). BGH, aaO., 132. Zusammenfassend und insgesamt ablehnend zur bisherigen Praxis: Buchholz, Der Betroffene im Parlamentarischen Untersuchungsausschuß; dort Darstellung der Rechtsprechung bis 1989, S. 72-75. 238 VersteyU in: vM/K, GGK II, Art. 44, Rn. 32. 239 Siehe dazu OLG Köln, Beschl. v. 9. Sept. 1987, Az. Ss 236/87, NJW 1988, 2485-2487. 240 Siehe die im Abschlußbericht des 1. UA/13. WP (Plutoniumschmuggel) geäußerte Rechtsauffassung von der zum Gewohnheitsrecht erstarkten ständigen Übung des Bundestages, wonach Zeugen durch Untersuchungsausschüsse nicht vereidigt würden, BTDrs. 13/10800, S.42. Auch im 2 UA/13. WP (Kommerzielle Koordinierung II) wurde von einer Vereidigung von Zeugen abgesehen, die Zeugen allerdings auf die Möglichkeit der Vereidigung hingewiesen (Abschlußbericht BT-Drs. 13/10900, S. 70). Vor dem Parteispendenausschuß (1. UA/14. WP) verweigerte der Zeuge Leisler-Kiep die Vereidigung. Der Ausschuß sah von einer Erzwingung der Eidesleistung ab (Das Parlament, Nr. 44, 26. Okt. 2001, Bericht hib/ MAR, „Kiep verweigert Vereidigung"). In den Landesparlamenten wird teilweise anders verfahren, siehe beispielsweise HessStGH, Urt. v. 9. Dez. 1998, P. St. 1297, ESVGH 49, 19 (23-24) zu den Voraussetzungen der Vereidigung bei sinngemäßer Anwendung von § 61 Nr. 3 StPO. 241 Siehe BT-Drs. 14/5790, S. 19 „Auf eine mögliche Vereidigung von Zeugen soll ausdrücklich verzichtet werden." 237

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

(b) Ordnungsgeld und Beugehaft Als weitere Maßnahmen zur Durchsetzung der Aussageverpflichtung kommen das Ordnungsgeld (früher § 701 StPO, nunmehr § 271 PUAG), das gegen eine Auskunftsperson, die grundlos die Aussage verweigert, festgesetzt werden kann, und die Beantragung der Beugehaft (früher § 70 II StPO, nunmehr § 27 II i.V. m. III PUAG) beim zuständigen Gericht in Betracht. In der „Lappas"-Entscheidung entschied das Bundesverfassungsgericht, daß diese Maßnahmen dem Untersuchungsausschuß zur effektiven Durchsetzung seines Kontrollrechts zustehen.242 Die Zulässigkeit weniger einschneidender Maßnahmen, wie die Möglichkeit, dem Betroffenen die Kosten seines Fernbleibens aufzuerlegen (§ 701 StPO), und auch die Maßnahme, Ordnungshaft festzusetzen, wenn das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden kann (§701 StPO), setzt das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung voraus. 243 Die Regelungen des § 70 StPO ergänzten sich gegenseitig und sollten ermöglichen, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit die Entscheidung zu treffen, die geeignet erscheine, den Fortgang des Verfahrens zu fördern. 244 Der Untersuchungsausschuß als die die Ermittlungen führende Stelle war schon nach der alten Rechtslage selbst berechtigt, dem Zeugen in entsprechender Anwendung von § 5111 StPO wegen unentschuldigten Ausbleibens oder in entsprechender Anwendung von § 7011 StPO wegen grundloser Verweigerung des Zeugnisses ein Ordnungsgeld aufzuerlegen (sog. unmittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses). Daran hat die neue Regelung in § 271 PUAG nichts geändert. Für die Anordnung der Beugehaft ist auch im Untersuchungsverfahren der Richter zuständig, wie schon durch Art. 104 II 1 GG bestimmt ist (siehe nun § 27 II und III PUAG mit der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters beim BGH). Sie muß vom Untersuchungsausschuß beantragt werden (sog. mittelbare Beweiserhebungsmaßnahmen). (3) Sonderfall: Die Erteilung der Aussagegenehmigung an Richter; Beamte und Soldaten Auch die öffentlich Bediensteten unterliegen der Zeugnis- und Auskunftspflicht. Sie sind allerdings in dienstlichen Angelegenheiten der Pflicht zur Amtsverschwiegenheit unterworfen, die die Zeugnispflicht gegebenenfalls aufhebt. § 54 StPO erzeugt damit im parlamentarischen Untersuchungsverfahren ein Beweiserhebungsverbot, das nur durch die Genehmigung des Dienstherrn beseitigt werden kann. Die Genehmigung entsprechend den verschiedenen beamtenrechtlichen oder damit vergleichbaren Vorschriften (§ 62 BBG, § 39 BRRG, § 71 BMinG) muß allerdings angesichts des mit Verfassungsrang ausgestatteten Untersuchungsrechts des Bundestages regelmäßig erteilt werden. Der Schutzzweck des Dienstgeheimnisses 242 243 244

BVerfGE 76, 363 (383-385). BVerfGE 76, 363 (384). BVerfGE 76, 363 (385).

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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245

richtet sich nicht gegen die parlamentarische Kontrolle. Das PUAG begnügt sich mit einem Verweis auf die entsprechende Anwendung von § 54 StPO in § 23 I PUAG. Die Interessenlage zwischen der zur Genehmigung verpflichteten Exekutive und dem der Sachverhaltsaufklärung verpflichteten Untersuchungsausschuß ist, obwohl es nicht um Urkunden, sondern um Zeugenaussagen geht, mit derjenigen der Aktenvorlage vergleichbar. Auch hier geht es um Informationen aus dem Bereich der Exekutive. Die Genehmigungspflicht ist verfassungsrechtlich der Verpflichtung zur Aktenvorlage gleichzustellen.246 Im PUAG wird dies nun dadurch verdeutlicht, daß für die Erteilung der Aussagegenehmigung auf den Anspruch auf Aktenvorlage verwiesen wird (§ 23 II PUAG mit Verweis auf § 181-III, 1. Hs. PUAG). 247 cc) Die Beweiserhebung mit Hilfe von Sachverständigen Wie im Strafverfahren vor Gericht kann auch der Untersuchungsausschuß Sachverständige zur Aufklärung des Sachverhalts laden (siehe §§72 ff. StPO). Die Frage nach Zwangsmitteln stellt sich in der Praxis kaum, weil der Sachverständige der Aufforderung, dem Untersuchungsausschuß aufgrund seiner Sachkenntnis zu helfen und das für den Sachverhalt erforderliche Sachwissen zu vermitteln, in aller Regel freiwillig nachkommen wird. 248 Das PUAG regelt die Stellung und die Aufgaben des Sachverständigen nun relativ ausführlich in seinem § 28. b) Interne Entscheidung über die Erhebung von Beweisen! Schutz des Minderheitsrechts im Beweiserhebungsverfahren aa) Fragestellung Während in den vorangegangenen Ausführungen die Frage beleuchtet werden sollte, welche Mittel dem Untersuchungsausschuß gegenüber anderen Verfassungsorganen oder Dritten überhaupt zur Verfügung stehen (das „Wie" der Beweiserhebung), 245

Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Bd. II, Art. 44, Rn.46. . . . in einigen jüngeren Landesverfassungen deshalb auch ausdrücklich zusammengefaßt, siehe beispielsweise Art. 48 III 2, 2. Hs.BerlVerf., Art. 54IV SächsVerf., Art. 64IV 2 ThürVerf. Zu einigen Fragen, die sich aus der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Bediensteten in diesem Zusammenhang ergeben können, siehe Scholz, Parlamentarischer Untersuchungsausschuß und Steuergeheimnis, AöR 105 (1980), S.564 (612-614). 247 Vom verfassungsrechtlichen Anspruch des Untersuchungsausschusses auf Aussagegenehmigung gegenüber der Bundesregierung streng zu unterscheiden ist jedoch der Anspruch auf Erteilung der Aussagegenehmigung eines Untersuchungsausschusses eines Landesparlaments für einen Bundesbeamten. Dieser Anspruch ist (nur) einfachrechtlich begründet, siehe dazu BVerwG, Entsch. v. 13. August 1999, Az.2 VR 1/99, BVerwGE 109, 258-268. 248 Siehe auch zur Bedeutung in der Praxis Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 105 f. 246

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

ist die Frage, ob sich der Ausschuß für die Erhebung eines bestimmten Beweises entscheidet (das „Ob 4 ' der Beweiserhebung), wieder Teilkomplex der Frage des Minderheitsschutzes im Untersuchungsverfahren. Kurz zu klären ist, wer im Rahmen des Beweisverfahrens „Minderheit" sein könnte. Während es bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses um den Schutz der qualifizierten Minderheit ging, müssen während der Dauer des Untersuchungsverfahrens die Rechte der in den Ausschuß entsandten Vertreter der Einsetzungsminderheit, 249 zur Besetzung des Ausschusses (im Verhältnis der Stärke der Fraktionen im Plenum), aber auch möglicherweise sonstige Minderheiten im Ausschuß und ihre Rechte in den Blick genommen werden. Ein Konflikt zwischen Ausschußminderheit und Ausschußmehrheit über die Gestaltung des Beweisverfahrens ist in drei Punkten denkbar. Erstens: Es wird dem Beweisantrag einer Ausschußminderheit durch die Mehrheit nicht entsprochen. 250 Zweitens: Die Mehrheit lehnt es ab, Maßnahmen des Zeugniszwangs zu beschließen. Drittens: Die Mehrheit lehnt es ab, ein Rechtsmittel gegen die fachgerichtliche Entscheidung einzulegen, die die Durchführung der Beweisaufnahme untersagt oder entgegen dem Antrag des Untersuchungsausschusses nicht anordnet. Daran schließt sich die Frage an, ob diese Konflikte als Binnenstreit ausgetragen werden müssen oder ob der Minderheit auch nach außen im Verhältnis zu Dritten Parteifähigkeit eingeräumt werden muß. Die beiden letzteren potentiellen Konfliktfelder, die Durchsetzung der Beweiserhebung, wird man als akzessorisch zu der Grundfrage begreifen können, ob der Ausschußminderheit ein verfassungsrechtlich verankertes Beweisantragsrecht zusteht. Das Recht, die Beweiserhebung in bezug auf eine bestimmte Tatsache zu verlangen, wird nur effektiv gewährleistet, wenn der Untersuchungsausschuß die Beweiserhebung im Rahmen seiner rechtlichen Möglichkeiten auch konsequent betreibt bzw. betreiben muß. 251

bb) Verfassungsrechtlich verankertes Beweiserzwingungsrecht einer Minderheit? Betrachtet man das Minderheitsrecht, wie heute überwiegend angenommen, als den Schwerpunkt des parlamentarischen Untersuchungsrechts, so liegt es zur effektiven Ausgestaltung des Untersuchungsrechts nahe, den in der Minderheit befindlichen Antragstellern auch im Ausschuß selbst ein Beweiserzwingungsrecht einzuräumen. Das im Plenum noch wirksame Minderheitsrecht kann sonst im Untersu249

Vgl. oben I.3.c),S.57. Im Gegensatz zu Art. 34 WRV läßt der Wortlaut des Art. 44 GG auf den ersten Blick nicht den Schluß zu, daß der jeweiligen Minderheit parallel zum Anspruch auf Einsetzung des Ausschusses auch ein Anspruch auf Erhebung und Erzwingung von Beweisen zusteht. 251 So auch ausdrücklich der Nds. StGH, Urt. v. 16. Jan. 1996, StGH 2/85, OVGE 39, 507 (509). 250

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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chungsverfahren leicht dadurch unterlaufen werden, daß die Mehrheit i m Ausschuß alle Beweisanträge niederstimmt. 2 5 2 Die W R V hatte den Schutz der Minderheitsinteressen ausdrücklich auch für das Beweisverfahren i m Ausschuß verankert. Art. 3 4 1 2 W R V lautete: „Diese Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller [Herv. d. Verf.] für erforderlich halten." Eine Regelung, die das GG - trotz der großen Ähnlichkeit mit der Vorgängerregelung in der W R V i m übrigen - nicht übernommen hat. Das GG bestimmt nur, daß „die erforderlichen Beweise" vom Untersuchungsausschuß erhoben werden (Art. 44 I 1 GG). Die Entstehungsgeschichte des Art. 44 GG gibt für den Anlaß der Abweichung wenig her. 2 5 3 Teilweise wird in der Literatur das Recht der Minderheit auf Beweiserzwingung als notwendig zur effektiven Verwirklichung des Untersuchungsrechts als Minderheitenrecht erachtet und daher dieses Recht auch direkt aus dem Grundgesetz abgeleitet, 254 teilweise wird ein Beweiserzwingungsrecht der Minderheit oder auch einer Minderheit i m Ausschuß nicht als Bestandteil der parlamentarischen Untersuchung in Art. 44 GG gesehen. 255 Die Rechtsauffassungen in den Untersuchungsausschüssen wechselten allerdings. Die 252

Umstände, die in der Untersuchung des Falles John ( 1. UA/2. WP, Abschlußbericht BTDrs. 2/3728) mehrfach vorkamen, vgl. Partsch, Gutachten, S.E53. 253 Schon Art. 57 II 1 HchE (abgedr. in „Der Parlamentarische Rat", Bd. II, S. 590) spricht nur von den „erforderlichen Beweisen", ebenso die vom Grundsatzausschuß in erster Lesung angenommene Fassung zu Art. 57 II (Stand 18. Okt. 1948), Drs. Nr. 203 (abgedr. „Parlamentarischer Rat"/Entwürfe, S. 7) und die Fassung des Art. 57 II in der Stellungnahme des Allgemeinen Redaktionsausschusses, Drs. 267 vom 10. Nov. 1948 (abgedr. „Parlamentarischer Rat"/Entwürfe, S. 24). Zwar enthält letztere Fassung in der Anmerkung 48 zu Art. 57 die Bemerkung, daß mit diesem Vorschlag der Art. 34 der WRV wiederhergestellt werde, jedoch wird das in bezug auf ein Antragsrecht der Antragsteller im Ausschuß im Wortlaut nicht deutlich. Nicht einmal die Einsetzungsminderheit von einem Fünftel übernahm dieser Vorschlag aus der WRV, vielmehr wurde die Einsetzungsminderheit schon auf ein Viertel der Mitglieder angehoben. Die Anmerkung ist daher nicht eindeutig. Im weiteren Verlauf der Beratungen wird an der Formulierung, daß der Untersuchungsausschuß die „erforderlichen Beweise" erhebt, prinzipiell nichts mehr verändert, außer, daß die Bestimmung in der Fassung der 4. Lesung des Hauptausschusses (Drs. 850, Stand 5. Mai 1949, abgedr. „Parlamentarischer Rat"/Entwürfe, S.245) als Art. 441 erscheint. Auch das Bundesverfassungsgericht räumt ein, daß die Entstehungsgeschichte in diesem Zusammenhang wenig offenbart, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az. 2 BvE 2/01, Absatz-Nr. 108, http://www.bverfg.de/. Die geringe Ergiebigkeit der Entstehungsgeschichte konzediert ebenso Schmidt-Hartmann, Schutz der Minderheit im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 37-40, der selbst die Meinung vertritt, daß das Beweiserzwingungsrecht der Minderheit im Ausschuß inhaltlich in Art. 4411 GG erhalten geblieben ist. 254 Siehe zu dieser Frage eingehend Schmidt-Hartmann, Schutz der parlamentarischen Minderheiten, S. 36-45 m. w. N.; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Bd. II, Art. 44, Rn. 43 m. w. N. 255 ... unabhängig davon, daß ein Beweisantragsrecht für dringend notwendig gehalten wird, so ζ. B. von Schröder (Gutachten, E 112), der sich nach eingehender Analyse der Untersuchungsausschußgesetze der Länder für eine Regelung ausspricht, die den einzelnen Ausschußmitgliedem ohne Zuordnung zur Einsetzungsminderheit ein Beweisantragsrecht gibt. In diesem Sinne auch Seidel, Die Opposition im parlamentarischen Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG, BayVBl. 2002, 97 (106).

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

seit 1969 regelmäßig zu Beginn der Untersuchung zugrundegelegten IPA-Regeln billigten sowohl den „Antragstellern" (gemeint sind die von der antragstellenden Minderheit entsandten Abgeordneten) als auch einem Viertel der Ausschußmitglieder, also möglicherweise einem von der Einsetzungsminderheit verschiedenen Teil des Ausschusses, das Recht zu, die Beweiserhebung zu verlangen (§1211IPA). Im System der IPA-Regeln stand dem Beweiserzwingungsrecht der Minderheit das Recht der Mehrheit, die Zulässigkeit der Beweiserhebung zu prüfen, gegenüber.256 Denn die Ausschußmehrheit beschließt über den Beweisantrag (§§6IV, 12 II IPA). In der parlamentarischen Praxis wurden daher auch Beweisanträge, die von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses eingebracht werden, vom Ausschuß mit Mehrheitsbeschluß beschlossen und das Beweiserhebungsverfahren durchgeführt. 257 Allerdings stützten die Untersuchungsausschüsse ihre Vorgehensweise nicht explizit auf ein etwa nach Rechtsansicht des jeweiligen Untersuchungsausschusses bestehendes, verfassungsrechtlich verankertes Untersuchungsrecht. Im Konfliktfall hatte daher die Mehrheit im Ausschuß jederzeit die Möglichkeit, Anträge einer Minderheit im Ausschuß mit dem Verweis darauf zurückzuweisen, daß dem Antrag die „Erforderlichkeit" im Sinne des Art. 4411 GG fehle. 258 Ohne ein eindeutig verfassungsrechtlich verankertes Beweiserzwingungsrecht blieb auch dessen Begrenzung durch ein mögliches Prüfungsrecht des Ausschusses und damit der Ausschußmehrheit im Unklaren. 259 Auch wenn die verfassungsrechtliche Verankerung dieses Rechte- und Pflichtenverhältnisses bislang nicht eindeutig gelungen ist, bemühten sich die Ausschüsse auch bisher schon (vor Inkrafttreten des PUAG) intern um rechtliche Maßstäbe, was die Prüfung der Erforderlichkeit und die Ablehnung von Beweisanträgen betraf. Die Grenze der zulässigen Beweiserhebung wird möglicherweise dann erreicht sein, wenn über die Beweiserhebung Tatsachen untersucht werden sollen, die nicht mehr zum Beweisthema gehören. Der Untersuchungsausschuß als ganzer darf nicht über den Umweg der erweiterten Beweiserhebung selbständig das Beweisthema abändern. Diese - letzte - Grenze der Beweiserhebung ergibt sich schon aus der Stellung des Untersuchungsausschusses gegenüber dem Parlament, da er nur ein Hilfsorgan des Parlaments ist. 256 In diesem Sinne die Konstellation im niedersächsischen Mauss-Untersuchungsausschuß, vgl. Nds. StGH, Urt. v. 16. Jan. 1986, StGH 2/85, OVGE 39,507 (509). Hier entschied der Nds. StGH, daß der Einsetzungsminderheit keine Einschätzungsprärogative darüber zustehe, ob eine Zwangsmaßnahme im Beweiserhebungsverfahren rechtmäßig sei. Die Entscheidung hierüber müsse der Ausschuß als ganzes treffen. Die Einsetzungsminderheit habe hierbei einen Anspruch auf willkürfreie Entscheidung (aaO., S.828). 257 Für die Praxis der letzten Jahre in der 12. WP: „Kommerzielle Koordinierung I", BeschlEmpf und Bericht Drs. 12/7600, S.66f. und in der 13. WP: „Plutoniumschmuggel", BeschlEmpf und Bericht 13/10800, S.37; „Kommerzielle Koordinierung II", BeschlEmpf und Bericht, BT-Drs. 13/10900, S.78f. 258 Siehe zur Praxis Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 144. 259 De lege ferenda fordern daher die meisten Autoren die verfassungsrechtliche Verankerung des Beweiserzwingungsrechts.

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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Im übrigen spricht das Grundgesetz von den „erforderlichen" Beweisen (Art. 4411 GG). 260 Dieses Zulässigkeitserfordernis nennen auch die IPA-Regeln in § 12II 2. Hs. Erforderlich sind nur solche Beweise, die im Rahmen des Untersuchungsauftrages liegen. Der Begriff „erforderlich" wird in einigen Untersuchungsausschußgesetzen der Länder explizit durch die Anwendung des § 244 StPO ausgefüllt. 261 Auf Bundesebene konnte die Anwendung dieser Vorschrift auf die in Art. 44 II 1 GG bestimmte, sinngemäße Anwendung des Strafprozeßordnung gestützt werden. Abgesehen von der Erforderlichkeit der Beweiserhebungsmaßnahme für den Gegenstand der Untersuchung hat der Untersuchungsausschuß den Antrag auch daraufhin zu prüfen, ob die Grenzen des Beweiserhebungsrechts, wie sie oben dargestellt wurden 262 , gegenüber der Exekutive (zum Beispiel der Kernbereich der Eigenverantwortung der Exekutive), gegenüber den Ländern (Reichweite der Untersuchungskompetenz des Bundestages) oder gegenüber privaten Dritten (Grundrechte) gewahrt bleiben.263 Das Bundesverfassungsgericht hat im Zusammenhang mit der Prüfung von Beweisanträgen schon in der Flick-Entscheidung durchaus deutlich gesehen, daß der Zweck der parlamentarischen Untersuchung, nämlich Kontrolle und Aufklärung von Sachverhalten, letztendlich nicht erreicht werden kann, wenn der Minderheitenschutz nicht auch im Beweisverfahren durchgesetzt werden kann. Das Gericht hat dabei in der Flick-Entscheidung264 an das angeknüpft, was der Art. 44 GG an Minderheitenrechten unbestreitbar enthält, nämlich das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses der qualifizierten Minderheit. Indem das Bundesverfassungsgericht die Einsetzungsminderheit im Organstreit gegen die Bundesregierung aus eigenem Recht für antragsbefugt hielt, gegen die Weigerung der Bundesregierung, die Akten vollständig herauszugeben, vorzugehen, ist der Einsetzungsminderheit damit implizit das Recht zugestanden worden, die Beweiserhebung zu erzwingen. 265 Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Parteispenden-Ausschuß266 entwickelt diesen Ansatz konsequent weiter. Das Beweisantragsrecht der qualifizierten Minderheit nach Art. 4411 GG kann nicht nur der Durchsetzung von Beweisbeschlüssen des Bundestages dienen, sondern ist unmittelbar gegenüber dem Untersuchungsausschuß dazu geeignet, einem zuvor von der politisch verbundenen Minderheit im Ausschuß eingebrachten Antrag zum Vollzug (Beschlußfassung und 260

Der Text des GG lautet: „... der in öffentlicher Verhandlung die erforderlichen Beweise erhebt." 261 Siehe auch § 14 II 2 des Mustergesetzentwurfes der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente (1972), abgedr. in: Recht und Organisation der Parlamente (ROP), hrsg. im Auftrag der interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft v. Burhenne, Bd. 3, Berlin 2001, Ordnungsnummer 23.10.21. 262 Siehe I.2.a). 263 Siehe Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 145 f. 264 BVerfGE 67, 100 (127). 265 Schröder, Gutachten, E109. 266 BVerfG, Urt. v. 8. April, Az. 2 BvE 2/01, http://www.bverfg.de/. 6 Platter

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Durchsetzung) zu verhelfen. Den Begriff der Einsetzungsminderheit hat das Gericht dabei von der konkreten Einsetzungsminderheit eines Untersuchungsausschusses gelöst. Einsetzungsminderheit im Beweiserhebungsverfahren ist jede Minderheit im Plenum, die potentiell auch die Einsetzung eines Untersuchungsauftrages mit Erfolg verlangen könnte. Das vor dem Parteispenden-Ausschuß-Urteil zustande gekommene PUAG will hingegen einen anderen Weg zur Stärkung der Minderheitenrechte gehen. Die Minderheit von „einem Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses" ist gem. §1711 PUAG mit einem eigenen Beweisantragsrecht ausgestattet. Eine personelle Beziehung zwischen den Mitgliedern der Einsetzungsminderheit und der Minderheit im Ausschuß stellt die Regelung nicht her. Trotzdem sind die von der Einsetzungsminderheit entsandten Mitglieder des Ausschusses auf diese Weise in die Lage versetzt, die ihnen für die Sachaufklärung notwendig erscheinenden Beweise vom Untersuchungsausschuß erheben zu lassen. Dem Untersuchungsausschuß ist gleichzeitig die Prüfung der Zulässigkeit der Beweiserhebung auferlegt (§ 17II PUAG „...es sei denn, die Beweiserhebung ist unzulässig, oder das Beweismittel ist auch nach Anwendung der in diesem Gesetz vorgesehenen Zwangsmittel unerreichbar."). 267

c) Das Verhältnis zu gerichtlichen Untersuchungen und Ermittlungsverfahren Art. 44IV 2 GG bestimmt, daß die Gerichte in der Würdigung und Beurteilung des der Untersuchung zugrundeliegenden Sachverhalts frei sind. Das bedeutet, daß gerichtliche Verfahren vom Untersuchungsverfahren unabhängig sind, also parallel denselben Sachverhalt untersuchen können. Die Ziele dieser beiden Arten von Untersuchung sind unterschiedlich. In der Praxis arbeiten Untersuchungsausschüsse mit den Ermittlungsbehörden zusammen. Die Ermittlungsbehörden haben dem Untersuchungsausschuß gem. Art. 44 III GG Amtshilfe zu leisten, in deren Rahmen die Pflicht zu wechselseitigen Kontakten und zur Zusammenarbeit die entscheidende Leitlinie für die Kooperation zwischen Ausschuß und Ermittlungsbehörde bildet. 268 267 Zur verfassungsrechtlichen Bewertung dieser Neuregelung siehe unten eingehend im zweiten Hauptteil, II.5.b)bb), S. 160. 268 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Bd. II, Art.44, Rn. 58 m. w. N.; zu der Verfahrensweise bis zur 11. WP, Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 134. Ein Beispielsfall für eine Untersuchung mit zahlreichen Paralleluntersuchungen der Gerichte und der Ermittlungsbehörden ist der Plutoniumschmuggel-UA (1. UA/13. WP), BeschlEmpf und Bericht, BTDrs. 13/10800, S.24ff. Für das Verhältnis zu Zivilverfahren siehe 3. UA/12. WP (AIDS-infizierte Blutkonserven, 3. UA/12. WP), der sich mit zivilrechtlichen Haftungsfragen auseinandergesetzt und in diesem Zusammenhang ausdrücklich festgestellt hatte, daß der Beschluß eines Untersuchungsausschusses nicht rechtlich zu Schadensersatz verpflichten könne, BeschlEmpf und Bericht BT-Drs. 12/8591.

I. Verfassungsrechtliche Verortung des Untersuchungsausschusses

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Möchte der Untersuchungsausschuß Akten eines Ermittlungs- oder Gerichtsverfahrens einsehen, so richtet sich ein eventueller Anspruch auf Herausgabe gegen die Behörden und Gerichte nach den Regeln über den Amtshilfe-Anspruch. Dieser Anspruch wird einfachgesetzlich nunmehr in § 18IV 1 PUAG niedergelegt.

5. Der Abschluß des Untersuchungsverfahrens Verfahrensziel eines Untersuchungsausschusses ist es, über die ermittelten Tatsachen einen Abschlußbericht zu erstellen und dem Bundestagsplenum darüber Rechenschaft abzulegen (siehe nunmehr § 3311 PUAG). Waren schon die bisherigen Untersuchungsberichte regelmäßig so angelegt, daß sie zunächst den Gang des Verfahrens schilderten, dann die ermittelten Tatsachen berichteten und zuletzt ein Ergebnis formulierten, ist dieser Berichtsaufbau nun auch gesetzlich in § 3311 PUAG niedergelegt. Nicht nur eine bestimmte Minderheit, sondern sogar jedes einzelne Ausschußmitglied kann einen abweichenden Bericht abfassen 269 (siehe nunmehr § 33 I I PUAG). Mit der Annahme oder der Ablehnung des Rechenschaftsberichts endet der Untersuchungsausschuß, ohne daß es eines gesonderten Auflösungsbeschlusses bedarf. 270 Der Bundestag nimmt den Abschlußbericht zur Kenntnis. In einigen wenigen Fällen tauchte dabei die Frage auf, ob das Plenum den Abschlußbericht auch zurückweisen und den Untersuchungsausschuß zu weiteren Untersuchungen veranlassen kann. 271 Der Untersuchungsausschuß kann vom Plenum allerdings auch jederzeit durch einen Auflösungsbeschluß beendet werden. Man wird diesen Beschluß sinnvoll nur mit einer Mehrheit, die größer als die Zahl von drei Vierteln der Abgeordneten ist, im Plenum fassen können, denn nur so kann der sofortigen Einsetzung eines neuen Minderheitenausschusses mit gleichem Untersuchungsthema begegnet werden. 272 Der Untersuchungsausschuß endet, unabhängig davon, ob es ihm gelungen ist, einen Abschlußbericht zu erstellen, mit dem Ende der Legislaturperiode. 273 § 33 III 269

Vgl. dazu § 23 IPA (Ergebnis der Untersuchung): Über den Verlauf des Verfahrens, die ermittelten Tatsachen, das mit einer Begründung versehene Ergebnis der Untersuchung und eine abweichende Auffassung der Minderheit legt der Untersuchungsausschuß dem Bundestag einen schriftlichen Bericht vor, dessen Fassung vom Untersuchungsausschuß festgestellt wird. Jedes Ausschußmitglied hat das Recht, dem Plenum einen abweichenden Bericht vorzulegen. 270 Rechenberg, in: BK (Zweitbearbeitung), Art. 44, Rn. 31. 271 Oberländer-Ausschuß, 3. WP, PIPr 131/7534 D-7535b; FIBAG-Ausschuß, 4. WP, PIPr 37/1581A f. 272 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 102; Maurer, Staatsrecht, § 13, Rn. 146, S.464; Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 164. Zur Frage, ob sich ein Antragsrecht verbrauchen kann, siehe Röchling, in: Damkowski (Hrsg.), Der parlamentarische Untersuchungsausschuß. Ein Handbuch für Wissenschaft und Praxis, S.31. 273 So endete der Rauschenbach-Ausschuß in der 9. WP wegen vorzeitigen Endes der Wahlperiode ohne einen Abschlußbericht; siehe zum Verlauf der Untersuchung Kipke, Die Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, S. 158 f. 6*

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

PUAG bestimmt zwingend, daß der Untersuchungsausschuß auch für den Fall, daß es ihm nicht gelingt, die Untersuchung zum Abschluß zu bringen, einen Sachstandsbericht über den bisherigen Stand des Verfahrens abzuliefern hat.

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen bei Streitigkeiten im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen Ohne eine präzise rechtliche Einordnung schon jetzt vorwegzunehmen, wird man Konflikte zwischen Teilen des Bundestages, zwischen dem Untersuchungsausschuß und anderen Verfassungsorganen oder auch Streitigkeiten innerhalb des Untersuchungsausschusses an der Kategorie der verfassungsrechtlichen Streitigkeit zu messen haben. Der Status der an diesen Konflikten Beteiligten wie auch die in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen legen dies nahe. Eine allgemeine Zuständigkeit für verfassungsrechtliche Streitigkeiten ist vor dem Bundesverfassungsgericht aber nicht begründet. Das gilt unbeschadet dessen, daß der Verwaltungsrechtsweg für Streitigkeiten verfassungsrechtlicher Art (§ 4011 VwGO) nicht gegeben ist und aus diesem Grunde verfassungsrechtliche Streitigkeiten vorstellbar sind, die vor kein Gericht gebracht werden können. Denn der Weg zum Bundesverfassungsgericht ist nur dann eröffnet, wenn die jeweiligen Prozeßvoraussetzungen der durch Art. 93 GG zugelassenen Verfahren vorliegen (Enumerationsprinzip) 274. Auch wenn das Bundesverfassungsgericht in diesem Zusammenhang in einer Serie von Entscheidungen Formulierungen wie „die Eröffnung des Rechtsweges nach Art. 931 Nr. 1 GG, § 13 Nr. 5, 63-76 BVerfGG" 275 , teilweise in Verbindung mit dem Begriff der „verfassungsrechtlichen Streitigkeit" verwendet 276, erfolgt dies immer nur in Ansehung der Tatbestände von Art. 931 Nr. 1 GG, §§ 63-67 BVerfGG, die gerade die Voraussetzungen der verfassungsrechtlichen Streitigkeit umschreiben, nicht etwa als Vorhalt zum gesamten Zuständigkeitskatalog des Art. 93 GG. Soweit der Begriff des Rechtsweges der Zulässigkeitsprüfung in anderen Verfahren vorangestellt wird, erfolgt dies ebenso nur in Ansehung der jeweils konkreten Verfahren. 277 274

Pestalozzi Verfassungsprozeßrecht, 3. Aufl. München 1991, §2, Rn.60, S.62. Klein, in: Benda/Klein, Lehrbuch des Verfassungsprozeßrechts, 2. Aufl. Heidelberg 2001, §18, Rn. 344, S. 143. 275 So in BVerfGE 60, 374 (378); 62, 1 (31); 70, 324 (349); 73, 1 (27); 73, 40 (65); 84, 204 (317). 276 So in BVerfGE 84, 304 (317). In den Organstreitverfahren aus jüngerer Zeit wird der Begriff der „verfassungsrechtlichen Streitigkeit" wieder vermieden, siehe BVerfGE 90, 286 (336f.) - Auslandseinsätze der Bundeswehr-; BVerfGE 94,351 (362f.) - Abgeordnetenüberprüfung - ; BVerfGE 97, 408 (414) - zum Abgeordnetengesetz - ; BVerfGE 99, 19 (28) - Dr. Gysi - . 277 Beispiele anläßlich des Verfahrens nach Art. 931 Nr. 4 GG: BVerfGE 62, 194 (199); 62, 295 (312). Da hier im Grundgesetz von „öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gegeben ist" die Rede ist, ist es hier wohl sogar angebracht, von einem Rechtsweg zum Bundesverfassungsgericht zu sprechen.

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

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Ein eigens auf die Fallkonstellationen der parlamentarischen Untersuchung zugeschnittenes Verfahren existiert derzeit von Verfassungs wegen vor dem Bundesverfassungsgericht nicht. Das neue PUAG hat neue Verfahren auf einfachgesetzlichem Wege eingeführt. In der folgenden Darstellung werden zunächst die in Betracht kommenden verfassungsrechtlich vorgesehenen Verfahren (Organstreitverfahren und Verfassungsbeschwerde) daraufhin untersucht, ob und in welchem Umfang sie dazu geeignet sind, die verschiedenen möglichen rechtlichen Konflikte im Verlaufe einer parlamentarischen Untersuchung einer Entscheidung durch das Bundesverfassungsgericht zuzuführen. Danach sollen die durch das PUAG eingeführten neuen Zuständigkeiten des Bundesgerichtshofes und des Bundesverfassungsgerichts in diesen Zusammenhang gestellt und näher beleuchtet werden. Dies sind insbesondere die in § 17IV PUAG (Entscheidung des Bundesgerichtshofes über die Ablehnung eines Beweisantrags der Ausschußminderheit nach § 17 II PUAG), in § 18 II, 1. Alt. PUAG (Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über die Ablehnung eines Ersuchens auf Aktenvorlage), in § 18 II, 2. Alt. PUAG (Entscheidung des Bundesgerichtshofes über die Rechtmäßigkeit einer Einstufung als Verschlußsache) und in § 36 II PUAG (Vorlageverfahren an das Bundesverfassungsgericht) vorgesehenen Verfahren. 1. Das Organstreit verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht Auf Bundesebene steht für die Streitigkeiten sowohl im Zusammenhang mit der Einsetzung des Untersuchungsausschusses als auch für Streitigkeiten während des Untersuchungsverfahrens zwischen den am Untersuchungsverfahren Mitwirkenden, wenn sie nicht Privatpersonen sind, (nur) das Organstreitverfahren (Art. 931 Nr. 1 GG, §§ 63-67 BVerfGG) zur Verfügung. 278 Von dessen Prozeßvoraussetzungen hängt es ab, ob und in welcher Weise die Mitwirkenden des Untersuchungsverfahrens ihre von der Verfassung zugewiesenen Kompetenzen durchsetzen können. a) Zuständigkeitsdeterminierende

Prozeßvoraussetzungen

Die Verfahrensvoraussetzungen des Organstreits ergeben sich aus Art. 931 Nr. 1 GG in Verbindung mit den Bestimmungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes in den §§ 63-67 BVerfGG. Von besonderer Bedeutung bei Prüfung des Konfliktlösungspotentials des Organstreitverfahrens für Streitigkeiten der obersten Staatsorgane oder Untergruppierungen derselben sind dabei die Voraussetzungen der Parteifähigkeit, der Antragsgegnerschaft (§ 63 BVerfGG), des Antragsgegenstandes (§ 64 278 Zur grundsätzlichen Bedeutung des Organstreitverfahrens siehe Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, §7 Rn. 1-7, S. 95-100; Klein, in: Benda/Klein, Lehrbuch des Verfassungsprozeßrechts, §26, Rn. 976-984, S. 404-406; zur historischen Entwicklung der „Verfassungsstreitigkeit" siehe Umbach, in: Umbach/Clemens, Bundesverfassungsgerichtsgesetz - Mitarbeiterkommentar und Handbuch, Heidelberg 1992, Vor §§ 63 ff., Rn. 7-11.

Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

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BVerfGG) und der Antragsbefugnis (§ 64 BVerfGG), denn diese Verfahrensbestimmungen entscheiden grundsätzlich darüber, ob ein verfassungsrechtlicher Konflikt in diesem Verfahren ausgetragen werden kann. 279 Diese Zulässigkeitsvoraussetzungen bestimmen im Verfahren über das Vorliegen eines „verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses der Beteiligten". 280 ' 281 aa) Parteifähigkeit gem. Art. 931 Nr. 1 GG, § 63 BVerfGG Das Grundgesetz kennt den Begriff der Parteifähigkeit nicht, sondern spricht in Art. 931 Nr. 1 GG nur von „Trägern von Rechten und Pflichten". Das Bundesverfassungsgerichtsgesetz verwendet den Begriff ebenfalls nicht und zählt statt dessen den Kreis der Antragsteller und Antragsgegner auf (§ 63 BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht deutete indes schon früh den Kreis der möglichen Antragsteller im Sinne der Parteifähigkeit, ähnlich der Parteifähigkeit, wie sie das übrige Prozeßrecht kennt. Die Parteifähigkeit könnte damit definiert werden als Fähigkeit, als Subjekt eines Prozeßrechtsverhältnisses vor dem Bundesverfassungsgericht am Organstreitverfahren teilnehmen zu können; sie ist somit Kennzeichen eines kontradiktorischen Verfahrens. 282 Denn nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts dient das Verfahren nach Art. 931 Nr. 1 GG nicht allein dazu, eine objektive Frage des Verfassungsrechts zur Erkenntnis des Bundesverfassungsgerichts zu stellen, sondern setzt voraus, daß sich ein Prozeßrechtsverhältnis mit zwei Beteiligten vor dem Gericht entfalten muß. 283 Ein solches formelles Prozeßrechtsverhältnis setzt ein dahinter stehendes materielles Rechtsverhältnis voraus. 284 Umgekehrt stellt sich aber für die Prozeßvoraussetzung der Parteifähigkeit die Frage, inwieweit durch sie das formelle Prozeßrechtsverhältnis zunächst von der materiellen Rechtsbeziehung abgeschichtet werden kann. Das Bundesverfassungsgericht findet diese Abschichtung in den Bestimmungen der §§ 63,64 BVerfGG wieder. Sie trennen zwischen denjenigen, die in 279

Den allgemeinen Verfahrensbestimmungen in §§ 17 ff. BVerfGG, der Fristbestimmung in § 64 III BVerfGG und weiteren Verfahrensbestimmungen (Beitritt § 651 BVerfGG, Kenntnisgabe § 65 II BVerfGG, Verbindung und Trennung von Verfahren § 66 BVerfGG) kommt keine Ausschlußwirkung in bezug auf die allgemeine Möglichkeit als solche zu, den verfassungsrechtlichen Konflikt vom Bundesverfassungsgericht entscheiden zu lassen. 280 In diesem Sinne Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 7, Rn. 9, S. 103, der vorsichtig formuliert, „daß die Qualifizierung einer Streitigkeit als verfassungsrechtlich oder nicht verfassungsrechtlich oft zugleich Fragen der Parteifähigkeit und der Antragsbefugnis berühren wird." 281 Zwar ist auch der Bund-Länder-Streit gem. Art. 931 Nr. 3 GG i.V. m. §§ 13 Nr. 7, 68-70 BVerfGG eine Streitigkeit um verfassungsrechtliche Kompetenzen, doch handelt es sich um ein Spezialverfahren für den Bundesstaat, dessen es in den Ländern als Einheitsstaaten selbstredend nicht bedarf. 282 Ausführliche Untersuchung bei Arndt, Zum Begriff der Partei im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, AöR 87 (1962), S. 197-239. 283 In eine andere Richtung (nämlich die der prinzipalen Normenkontrolle) deutete zunächst ein obiter dictum in BVerfGE 2, 79 (86). 284 BVerfGE 2, 143 (156).

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

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einem materiellen Rechtsverhältnis stehen, und denjenigen, die eine Streitigkeit vor dem Verfassungsgericht austragen können. 2 8 5 Da schon Art. 931 Nr. 1 GG nicht allein auf diejenigen Beteiligten, d. h. Parteien, 286 abhebt, zwischen denen ein materiellrechtliches Verfassungsrechtsverhältnis bestehen kann, „kann [nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts] unter ,Beteiligter' nicht derjenige verstanden werden, der am Verfahren teilnimmt, sondern der, der am Verfahren teilnehmen darf." 287 Dies setzt § 63 BVerfGG einfachrechtlich um. Zum materiellen Rechtsverhältnis stellte das Gericht demgegenüber fest, daß in jedem Fall eines Verfahrens nach Art. 931 GG Nr. 1 GG eine streitige verfassungsrechtliche Beziehung zwischen den Parteien 288 bestehen müsse und fand diese Prozeßvoraussetzung (allein) in § 64 BVerfGG als einfachrechtlicher Ausgestaltung des Art. 931 Nr. 1 GG wieder. 289 Damit ist auch die in Art. 931 Nr. 1 GG angelegte Möglichkeit der Prozeßstandschaft ausschließlich als Prüfungspunkt der Klagebefugnis gem. § 64 BVerfGG zu betrachten. Das Bundesverfassungsgericht trennte also schon in einer frühen Entscheidung das prozeßrechtliche Verhältnis von dem materiellen Rechtsverhältnis als Prozeßvoraussetzung ab. Versucht man dieses Ergebnis schlagwortartig zu beschreiben, kann man die Bestimmung der Parteifähigkeit ohne vorausschauenden Blick auf den konkret zu entscheidenden Streit als „abstrakte" Bestimmung der Parteifähigkeit bezeichnen.290 Das Bundesverfassungsgericht macht in späteren Entscheidungen allerdings um eine allgemeine Definition dieser Prozeßvoraussetzungen kein Aufhebens mehr. 291 Auf die 285 Kurz hingewiesen sei hier auf die schon lange bemängelte Unstimmigkeit zwischen dem Wortlaut der Verfassung und dem Wortlaut des § 63 BVerfGG in bezug auf den Kreis der Beteiligten, die aber für das Bundesverfassungsgericht nie Anlaß gewesen ist, an der Verfassungsmäßigkeit von §§ 63, 64 BVerfGG zu zweifeln (siehe zu § 641 BVerfGG und dessen Verfassungsmäßigkeit BVerfGE 2, 143 [157]). 286 Die Gleichsetzung von „Beteiligten" mit „Parteien" erfolgt in BVerfGE 2,143 (157) ohne nähere Ausführungen. Dem materiellen Verfassungsrechtsverhältnis (Beteiligte) folgt ohne Einschränkung das formelle Prozeßrechtsverhältnis (Partei); siehe auch BVerfGE 13, 54 (81). 287 BVerfGE 2, 143 (156). 288 BVerfGE 2, 143 (156). 289 BVerfGE 2, 143 (157). 290 Diese Begrifflichkeit wird bei Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, § 26, Rn. 989-991, S. 410 f. entwickelt. Die konkrete Bestimmung der Parteifähigkeit ist dadurch gekennzeichnet, daß sie - wie dann die Antragsbefugnis - an die im konkreten Fall den Streitenden spezifisch zugewiesenen Rechte anknüpft. 291 Neben der weiter oben bei Fn. 289 zitierten Äußerung unterteilt das Bundesverfassungsgericht auch in der Flick-Entscheidung (BVerfGE 67, 100 [124]) und in der ersten Entscheidung zum Gruppenstatus der PDS (BVerfGE 84,304 [308]) scharf in Parteifähigkeit (Antragsberechtigung) und Antragsbefugnis (mit der Beschränkung auf das konkrete Rechtsverhältnis). Allerdings fügt das Bundesverfassungsgericht in der Flick-Entscheidung die Bemerkung hinzu, daß offengelassen werde, ob aus der Parteifähigkeit in diesem Verfahren generell auf die Parteifähigkeit der „Fraktion im Ausschuß" geschlossen werden könne. Die Schlußfolgerung Kleins (aaO., Fn. 290), daß das Bundesverfassungsgericht sich „der abstrakten Bestimmung der Parteifähigkeit" angeschlossen habe, ist deshalb vielleicht zu allgemein, zumal Klein selbst im Zusammenhang mit der Flick-Entscheidung (BVerfGE 67, 100 [124]) auch von einer verwirrenden Argumentation des Bundesverfassungsgerichts hinsichtlich der generellen Parteifähigkeit spricht, siehe dens., aaO., Rn.529.

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Zulässigkeit eines Antrags in einem Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht als solche hat die abstrakte Bestimmung der Parteifähigkeit keinen Einfluß, da sich bei der abstrakten Bestimmung der Parteifähigkeit die Frage nach dem konkreten materiellen Rechtsverhältnis zwar erst bei der Prüfung der Antragsbefugnis, dann aber ohne weitere Einschränkung stellt. Für die Darstellung und den Vergleich des Verfahrensrechts für verfassungsrechtliche Streitigkeiten aus Anlaß einer parlamentarischen Untersuchung ist die so gewonnene scharfe Unterscheidung von Antragsberechtigung und Antragbefugnis bedeutsam, weil auf diese Weise besser dargestellt werden kann, welchen Anteil das Verfahrensrecht an der Verbesserung der rechtlichen Möglichkeiten einzelner Teilnehmer der Untersuchung im Konfliktfalle hat und wo allein das materielle Verfassungsrecht - das materielle Rechtsverhältnis - bestimmte Positionen stärkt oder schwächt. Da Art. 931 Nr. 1 GG i.V. m. § 63 BVerfGG für das formelle Prozeßrechtsverhältnis nur verlangt, daß der Antragsteller überhaupt mit Rechten entweder durch der Verfassung oder durch der Geschäftsordnung eines Verfassungsorgans ausgestattet ist, kann diese Prozeßvoraussetzung auf diese Weise außerdem quasi „vor der Klammer" für alle denkbaren Beteiligten einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit abgehandelt werden: Art. 441 GG nennt den Bundestag als denjenigen, der das Recht hat, einen Untersuchungsausschuß einzusetzen. Die Parteifähigkeit des Bundestages ergibt sich damit bereits aus der isolierten Betrachtung von Art. 44 GG ohne weiteres. Als Verfassungsorgan ist der Bundestag aber ohnehin parteifähig. Der Wortlaut des Grundgesetzes (Art. 4411 GG) spricht des weiteren von „einem Viertel seiner Mitglieder", d. h. der Mitglieder des Bundestages als Einsetzungsminderheit für den Untersuchungsausschuß. Man mag bei der Lektüre des Wortlautes von Art. 931 Nr. 1 GG („andere Beteiligte") und § 63 BVerfGG („mit eigenen Rechten ausgestattete Teile") vielleicht zögern, einer zunächst nur zahlenmäßig bestimmbaren, aber nicht mit Konstituierung des Bundestages zugleich schon konstituierten Minderheit die Parteifähigkeit zuzuerkennen. Denn die Parteifähigkeit ist notwendig an das Vorhandensein des Subjektes geknüpft, dem Kompetenzen zugerechnet werden. 292 Eine Konstituierung des „Teils" wie des Organs zur gleichen Zeit als Vorbedingung schreiben aber weder Art. 931 Nr. 1 GG noch § 63 BVerfGG ausdrücklich vor. Die Bedingungen für den Zeitpunkt der rechtliche Formierung hat das Bundesverfassungsgericht schon in einer frühen Entscheidung näher ausdifferenziert: Während es für die Anerkennung als Teil eines Verfassungsorgans nach § 63 BVerfGG durch Rechte aus der Geschäftsordnung verlangt, daß es sich bei diesen Teilen um ständig vorhandene Gliederungen handelt293, hat es für Teile, die nach dem Grundgesetz mit eigenen Rech292

So Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, §26 Rn. 1004, S.415f. BVerfGE 2, 143 (160). Zu bedenken bleibt dabei immer, daß die auf diese Weise parteifähigen Teile von Verfassungsorganen im Rahmen der Antragsbefugnis als weitere Zulässigkeitsvoraussetzung nur in Prozeßstandschaft für „ihr" Organ Rechte geltend machen können. 293

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

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ten ausgestattet sind, nur verlangt, daß dieser Teil sich bereits konstituiert haben muß, bevor der Antrag gestellt w i r d 2 9 4 . 2 9 5 Das Bundesverfassungsgericht hat dazu schon früh die Einsetzungsminderheit nach Art. 4 4 1 1 GG gezählt, wobei es den konstituierenden A k t hinsichtlich der Beteiligtenfähigkeit/Parteifähigkeit i m Einsetzungsantrag sieht. 2 9 6 Teil des Verfassungsorgans „Bundestag" ist als kleinstmögliche Untergliederung auch der Abgeordnete. Dieser kann jedenfalls eigene Rechte aus der Verfassung, nämlich die Rechte aus Art. 3812 GG, geltend machen. 2 9 7 Typische Verfechterin von Minderheitsinteressen ist in der parlamentarischen Arbeit darüber hinaus die Parlamentsfraktion. Sie stellt in vielen Fällen auch Einsetzungsanträge für Untersuchungsausschüsse. Die Fraktion - in der Verfassung nur beiläufig erwähnt - ist eine Untergliederung des Parlaments (Teil des Verfassungsorgans), die durch die Geschäftsordnung des Bundestages mit eigenen Rechten ausgestattet ist (siehe §§10-12 und anderer Stelle der GO-BT). Daraus ergibt sich ohne weiteres ihre Parteifähigkeit. Über die Fraktion hinaus ist in der zwölften und dreizehnten Wahlperiode als „wesensgleiches Minus" zur Fraktion noch die „parlamentarische Gruppe" hinzugetreten. 298 Deren Parteifähigkeit ergibt sich aus ihrer Nennung in der GO-BT, siehe § 10IV.299 294

BVerfGE 2, 143 (162). Ausschlußwirkung hat das nur für Gruppierungen von Mitgliedern, die sich ausschließlich von Fall zu Fall zusammenfinden, um auf den Geschäftsgang einzuwirken (BVerfGE 2, 143 [160]) und für ad-hoc-Mehrheiten und -Minderheiten (BVerfGE 2, 143 [163 f.]), siehe im einzelnen dazu auch Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, §7, Rn. 14, S. 107 f. 296 Zunächst nur beispielhaft (obiter dictum) für einen antragsberechtigten Organteil in BVerfGE 2, 143 (162); speziell für den Bundesorganstreit im Zusammenhang mit dem FlickUntersuchungsausschuß für die antragstellende SPD-Fraktion bejaht wurde die Frage in der Flick-Entscheidung: Die Antragstellerin sei auch befugt, im Verfassungsstreit als Beteiligte aufzutreten, da sie sich im Antrag gem. Art. 4411 GG als das die Einsetzung veranlassende Viertel der Mitglieder des Bundestages konstituiert habe, BVerfGE 67, 100 (124). In der Literatur ist dieses Ergebnis grundsätzlich unumstritten; siehe Hilf, Untersuchungsausschüsse vor den Gerichten, NVwZ 1987, 537 (544); Achterbergl Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 172. (M. E. nicht zutreffend oder jedenfalls mißverständlich die Aussage von Clemens, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, §§63,64, Rn.6, Fn.4, das Bundesverfassungsgericht habe dies noch nicht entschieden.). 297 Grundlegend vom Bundesverfassungsgericht in der Wüppesahl-Entscheidung ausgeführt, BVerfGE 80,188 (224 f.); zu Beteiligungsrechten in den verschiedenen Ausschüssen siehe BVerfGE 80, 188 (211). 298 Vgl. zu praktischen Gründen der „Entstehung" dieses neuen Status' bereits oben Fn. 168. 299 BVerfGE 84, 304 (LS, 318); vgl. auch zur selben verfassungsrechtlichen Frage, BVerfGE 96, 264 (276-278), in der die Parteifähigkeit vorausgesetzt wird. Allerdings stellt das Bundesverfassungsgericht in der erstgenannten Entscheidung fest, daß die Antragstellerin in ihrem Streit um ihre geschäftsordnungsmäßigen Rechte (Herv. d. Verf.) parteifähig ist. Bei einer abstrakten Bestimmung der Parteifähigkeit hätte es dieses Zusatzes eigentlich nicht bedurft. 295

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

Die Geschäftsordnung räumt auch den Vertretern einer Fraktion in einem Ausschuß (Fraktion im Ausschuß) oder einem Minderheitenquorum beliebiger Ausschußmitglieder (§ 60 II, 61 I I GO-BT) Rechte ein. Beide Untergliederungen sind damit parteifähig gem. § 63 BVerfGG. bb) Zulässiger Angriffsgegenstand und Antragsgegner gem. Art. 931 Nr. 1, § 641 BVerfGG Der Antragsteller im Organstreitverfahren muß geltend machen, daß er, oder das Organ, dem er angehört, durch eine Maßnahme oder ein Unterlassen des Antragsgegners™ in seinen Rechten aus dem Grundgesetz verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in diesem Zusammenhang verlangt, daß die Maßnahme rechtliche Relevanz besitzt. Die rechtliche Relevanz für den Antragsteller ist dann gegeben, wenn der Antragsteller oder das Organ, dem er angehört, 301 aktuell 302 in seinem Rechtskreis oder in den Rechten des Organs, dem er angehört, betroffen ist oder die Maßnahme sich zumindest zu einem die Rechtsstellung des Antragstellers oder des Organs, dem er angehört, beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten könnte.303 Die darunter zu fassenden Einzelakte reichen von Handlungen im Parlament bis hin zum Erlaß eines Gesetzes304. Nur in wenigen Einzelfällen ordnete das Bundesverfassungsgericht die streitige Maßnahme nicht dem Bereich der rechtserheblichen Maßnahmen zu, so den Fall der „bloßen Anwendung der Geschäftsordnung" 305 oder auch Fälle von bloßen Meinungsäußerungen. 306 Die Negativauslese durch diesen Prüfungspunkt ist nicht eindeutig systematisierbar, aber auch letztendlich sehr gering. Eine Unterlassung kann im Organstreitverfahren nur dann angegriffen werden, wenn den Antragsgegner eine Rechtspflicht zum Handeln trifft. 307 300

... „dem Antragsgegner konkret zuzuordnenden Maßnahmen", BVerfGE 99, 19 (31). So schon BVerfGE 1, 208 (228 f.) „in concreto betroffen". 302 ... „aktuelle rechtliche Betroffenheit", in BVerfGE 80,188 (209) durch eine Vorschrift der GO-BT. 303 BVerfGE 2, 143 (169). 304 Siehe bereits BVerfGE 1, 208 (220); hier besteht nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts keine Verfahrenskonkurrenz zu den Normenkontrollverfahren, wie ζ. B. der abstrakten Normenkontrolle nach Art. 931 Nr. 2 BVerfGG, da der Erlaß der Rechtsnorm und nicht die Rechtsnorm selbst Verfahrensgegenstand ist. Zu(m Erlaß) einer Rechtsnorm als Angriffsgegenstand siehe zuletzt BVerfGE 92, 80 (87 unter 3.) m. w.N. 305 BVerfGE 80, 188 (209) - Wüppesahl - . 306 BVerfGE 2, 143 (168); siehe zu der Frage, ob die Beantwortung einer kleinen Anfrage, die eine Äußerung über die Verfassungswidrigkeit einer Partei enthält, eine Maßnahme darstellt, BVerfGE 57, 1 (5) m. w. N.; siehe zu unselbständigen Zwischenschritten, die die abschließenden Feststellungen in einem Verfahren nach §44b AbgG nur vorbereiten, BVerfGE 99, 19(31). 301

307 Ausdrücklich offengelassen hat das Bundesverfassungsgericht in E92, 80 (87), ob bloße Unterlassungen des Gesetzgebers im Organstreitverfahren angreifbar sind (Unterlassung des Wahlgesetzgebers im Zusammenhang mit Überhangmandaten).

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

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In den bisher zwei Entscheidungen ( - Flick - , - Parteispenden-Ausschuß - ) des Gerichts zum Recht der Untersuchungsausschüsse des Bundes im Rahmen eines Organstreitverfahrens wurde die rechtliche Relevanz der angegriffenen Maßnahme - hier Verweigerung der Aktenherausgabe - nicht in Frage gestellt.308 cc) Antragsbefugnis gem. § 641 BVerfGG Die entscheidende Hürde zur verfassungsgerichtlichen Klärung von Konflikten im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß stellt die Antragsbefugnis, wie sie in § 641 BVerfGG einfachgesetzlich ausgestaltet wurde, dar. Antragsbefugt ist, wer geltend machen kann, daß er oder das Organ, dem er angehört, durch die beanstandete Maßnahme oder Unterlassung in seinen ihm durch das Grundgesetz übertragenen Rechten und Pflichten verletzt oder unmittelbar gefährdet ist. Bei genauerer Betrachtung setzt sich die Antragsbefugnis aus verschiedenen Tatbestandselementen zusammen. Zunächst ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Parteifähigkeit im Sinne von § 63 BVerfGG und der Forderung, daß um Rechte aus der Verfassung gestritten werden muß (streitiges verfassungsrechtliches Verhältnis), daß ein Beteiligter eigene, daß heißt ihm selbst zugeordnete Rechte oder Rechte des Organs, dem er angehört (Prozeßstandschaft), geltend machen können muß. Es ist nicht möglich, objektiv die Verletzung von Verfassungsrecht geltend zu machen, vielmehr muß es sich um eine subjektive309 kompetenzielle Position handeln, obwohl der Wortlaut von Art. 93 I Nr. 1 GG eigentlich ersteres nahelegt. Dies stellt im Vergleich zu anderen kontradiktorischen Verfahren in den verschiedenen Prozeßordnungen eine Abweichung dar. Dort kann der Parteifähige zunächst jeden anderen Parteifähigen verklagen, unabhängig davon, ob dem Prozeßrechtsverhältnis auch ein materielles Rechtsverhältnis zugrunde liegt. Nach dem Bestehen des materiellen Rechtsverhältnisses wird gerade zwischen den Parteien des Verfahrens erst in der Begründetheit im Zusammenhang mit der Sachlegitimation gefragt. Wie Klein dazu bemerkt, wird, am zivilprozessualen Standard gemessen, ein Stück der Begründetheitsprüfung in die Zulässigkeitsprüfung vorverlagert. 310 Die insoweit in vergleichbarer Weise der Begründetheit vorgreifende Sachurteilsvoraussetzung der subjektiven Rechtsverletzung bei der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage gem. § 42 II VwGO im Verwaltungsprozeß 308 In der Flick-Entscheidung prüfte das Bundesverfassungsgericht die mögliche Verletzung verfassungsrechtlicher Rechte und Pflichten unter dem topos „verfassungsrechtliche Streitigkeit" und unterstellte dabei, daß die Verweigerung der Aktenherausgabe, um die es bei diesem Verfahren ging, eine rechtlich relevante Maßnahme sei (E67, 100 [123]). Ebensowenig war im Verfahren zum Parteispenden-Ausschuß die Ablehnung eines Beweisantrags als rechtserhebliche Maßnahme strittig (Urt. v. 8. Apr. 2002, Az.2 BvE 2/01, Absatz-Nr. 100, http://www.bverfg.de/). 309 „Subjektiv" ist hier nicht im gleichen Sinne wie bei der„Subjektivität von Grundrechten" zu verstehen, siehe Pestalozzi Verfassungsprozeßrecht, § 7, Rn. 29, S. 31 f. 310 Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, §26, Rn. 1018, S.422.

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ist keine Prozeßvoraussetzung eines kontradiktorischen Verfahrens zwischen zwei gleichgeordneten Parteien. Diese Klagearten sind Klagemöglichkeiten im Über-/Unterordnungsverhältnis zwischen Bürger und Staat. In tatsächlicher Beziehung muß das behauptete Verhalten des Antragsgegners objektiv vorliegen. Hinsichtlich der Behauptung, daß (eigene) Kompetenzen aus der Verfassung verletzt oder unmittelbar gefährdet seien, muß diese Verletzung von Kompetenzen jedenfalls möglich erscheinen.311 Diese Darlegung kann dem Antragsteller nur gelingen, wenn er Inhaber der verfassungsrechtlichen Kompetenz, der Antragsgegner aber auch verfassungsrechtlicher Widerpart in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gerade in dem geltend gemachten Rechte- und Pflichtenverhältnis ist. 312

b) Zusammenfassung Da der Gesetzgeber und in der Folge das Bundesverfassungsgericht den Organstreit nicht als Verfassungsinterpretationsverfahren, sondern als kontradiktorischen Verfahren zur Entscheidung einer konkreten Streitigkeit interpretiert haben313, hat die Antragsbefugnis eine „das Tor zum Organstreitverfahren verengende Tendenz" 314 , da schon in der Zulässigkeit abschließend geprüft wird, ob eine Kompetenz dem Antragsteller oder dem Organ, für dessen Rechte er einen Antrag stellt, grundsätzlich zusteht. Zugespitzt formuliert, können daher nur diejenigen am Verfassungsleben Beteiligten ihre Streitigkeit vor dem Bundesverfassungsgericht austragen, deren verfassungsrechtliche Beziehung schon von vornherein feststeht. Damit ist das Organstreitverfahren in besonderer Weise an das materielle Verfassungsrecht angekoppelt. Letztendlich stellt sich das Organstreitverfahren nicht als allgemeines Verfahren zur Entscheidung von verfassungsrechtlichen Streitigkeiten dar, sondern nur als Anleitung zur Entscheidung von Streitigkeiten zwischen zwei Beteiligten verschiedener, schon bestehender verfassungsrechtlicher Verhältnisse. Das Bundesverfassungsgericht kann das Verfahren in engen Grenzen für weitere Parteien nur erschließen, indem es ihnen von vornherein auf der Ebene des Verfassungs3.1

In einigen Entscheidungen ist die Möglichkeit der Rechtsverletzung mit „Schlüssigkeit" umschrieben (so in BVerfGE 80, 188 [209], obwohl dieser Begriff im Zivilprozeß die im Zusammenhang mit dem behaupteten Anspruch notwendige Darlegung der Tatsachen meint). 3.2 Siehe dazu schon BVerfGE 2, 143 (156). Weitere Beispiele bei Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, §7, Rn.37, S. 117; siehe E80,188 (216) zum streitigen verfassungsrechtliche Verhältnis nur zwischen Abgeordnetem und Fraktion, nicht zwischen Abgeordnetem und Bundestag oder Bundestagspräsident. Zur Frage, ob damit in den Tatbestand von § 641 BVerfGG die Frage der Sachlegitimation und somit ein Prüfungspunkt, der sonst erst in der Begründetheit relevant, aufgenommen worden ist, siehe Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, §26, Rn. 1018, S.422. 3.3 Umbach, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, Vor §§63, Rn.37. 3.4 In diesem Sinne Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, §26, Rn. 1015, S.420f.

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rechts neue, im Sinne von „noch nicht entdeckten'4, Kompetenzen zuteilt, indem es diese den Antragstellern bei der Verfassungsauslegung zugesteht.315 c) Einzelne Streitigkeiten als Prozeßrechtsverhältnis vor dem Bundesverfassungsgericht (nach bisheriger Rechtslage) aa) Streitigkeit um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses bei qualifizierter Minderheitsenquete nach Art. 4411 GG Am Beginn des Verfahrens des parlamentarischen Untersuchungsausschusses steht der Antrag auf Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses im Bundestag. Das verfassungsrechtliche Rechtsverhältnis besteht grundsätzlich zwischen der qualifizierten parlamentarischen Minderheit und dem Bundestag, der, durch eine Entscheidung der Mehrheit, dem Antrag der Minderheit nicht folgt. Der „Grundfall" der vorstellbaren Konflikte ist die Situation, daß die Parlamentsmehrheit einen Einsetzungsantrag der Minderheit im Sinne von Art. 4411 GG zurückweist. Diesem Fall verwandt sind die Fälle, in denen ein Einsetzungsantrag der Minderheit abgeändert oder erweitert wird oder einem Einsetzungsantrag nicht in vollem Umfang stattgegeben wird. (1) Antrags gegenständ gem. § 641 BVerfGG und Antragsgegner Angriffsgegenstand bei Ablehnung des Einsetzungsantrages im Parlament ist eine Unterlassung, nämlich die Weigerung, den Untersuchungsausschuß antragsgemäß einzusetzen. Eine Unterlassung kann nur dann Angriffsgegenstand sein, wenn den Antragsgegner eine Rechtspflicht zum Handeln trifft. Schon der Wortlaut des Art. 4411 GG spricht an dieser Stelle von der Pflicht des Bundestages, den Untersuchungsausschuß einzusetzen. An einen zulässigen Angriffsgegenstand gegenüber dem Bundestag als Ganzes knüpfen für diesen „Grundfall" daher keine Probleme an. Antragsgegner ist der Bundestag, nicht die den Einsetzungsantrag ablehnende Mehrheit. Die in Art. 441 1 GG ausdrücklich genannte Minderheit nimmt nicht Rechte für den Bundestag war, sondern findet sich speziell zur Wahrnehmung des Minderheitenrechts zusammen. Die Abänderung oder Erweiterung eines Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses kann als rechtliches Minus zur Weigerung verstanden werden. Auch hier unterläßt es der Bundestag mit den Stimmen der Mehrheit, dem Antrag der Minderheit Folge zu leisten und setzt statt dessen einen Untersuchungsausschuß 315 Einen solchen Vorgang könnte man vielleicht in der Anerkennung von eigenen Rechten der Fraktionen aus dem Grundgesetz sehen, die damit in die Lage versetzt werden, nicht nur Rechte des Organs „Bundestag" geltend machen zu können, sondern in eigener Sache Anträge zu stellen. Siehe dazu BVerfGE 84, 304 (318, 319); 96, 264 (277).

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mit anderem, wenn auch ähnlichem Untersuchungsgegenstand ein. 316 Abänderung oder Erweiterung sind damit, da in ihnen ebenfalls eine Unterlassung dergestalt gesehen werden kann, daß das Parlament mehrheitlich die Einsetzung des beantragten Untersuchungsausschuß verweigert, taugliche Angriffsgegenstände. (2) Antragsbefugnis gem. §641 BVerfGG Sieht man die qualifizierte Einsetzungsminderheit im Rahmen der Parteifähigkeit als konstituierten Teil des Verfassungsorgans Bundestag an, so ist die Zuordnung der verfassungsrechtlichen Kompetenz aus Art. 4411 GG, nämlich, als konstituierte Minderheit die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu verlangen und die damit korrespondierende mögliche Pflichtverletzung des Bundestages, soweit er sich weigert, ohne weiteres bereits aus dem Normtext ableitbar. Besteht eine Pflicht des Bundestages, einem Einsetzungsantrag stattzugeben, stellen alle unvollkommenen Stattgaben oder Veränderungen konsequenterweise eine zumindestens mögliche Verletzung von verfassungsrechtlichen Kompetenzen der Einsetzungsminderheit dar. 317 (3) Zwischenergebnis Die qualifizierte Minderheit nach Art. 4411 GG kann, sollte der Bundestag einem Einsetzungsantrag nicht Folge leisten oder den Untersuchungsauftrag in irgendeiner Hinsicht abändern, diesen Streit vor das Verfassungsgericht bringen. bb) Streitigkeiten um ein Einsetzungsverlangen der nicht-qualifizierten Minderheit Auch eine Gruppierung von weniger als einem Viertel der Abgeordneten kann im Bundestag einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellen. Scheitert diese Gruppierung mit ihrem Antrag, so ist der Vollständigkeit halber zu fragen, ob auch sie deswegen einen Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht im Organstreitverfahren stellen kann. Kleinere Gruppierungen von Abgeordneten sind im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß im Grundgesetz nicht erwähnt 318 , existieren aber ansonsten in Form der Fraktion, von welcher in der parla316 In der Entscheidung BVerfGE 49, 70 (77), einer Landesorganstreitigkeit in SchleswigHolstein (mit fast wortgleicher Rechtsgrundlage für den Untersuchungsausschuß auf Landesebene), problematisierte das Bundesverfassungsgericht die Frage nach dem Antragsgegenstand (Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes) in Rahmen der Zulässigkeit des Verfahrens nach Art. 99 GG, § § 13 Nr. 10 BVerfGG i.V. m. Art. 37 Nr. 1 LS SchlH a. F. nicht einmal. 317 BVerfGE, aaO. 318 Kleinstes Quorum im Bundestag ist ansonsten das Zehntel der Abgeordneten, das gem. Art. 4212 GG zum Antrag auf Ausschluß der Öffentlichkeit bei Verhandlungen des Bundestages berechtigt ist.

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mentarischen Praxis die Einsetzungsanträge ausgehen. Ihre Rechte ergeben sich aus der Geschäftsordnung (§§ 10-12 GO-BT) und nunmehr auch aus dem Abgeordnetengesetz (§§45-54 AbgG) 319 . Deren Parteifähigkeit nach § 63 BVerfGG wurde vom Bundesverfassungsgericht in verschiedenen Zusammenhängen immer wieder bestätigt, so unter anderem im Zusammenhang mit Streitigkeiten aus dem Untersuchungsausschuß in der Flick-Entscheidung320. Die prozessuale Durchsetzung des Einsetzungsantrags einer (zahlenmäßig) kleinen Fraktion als nicht qualifizierter Minderheit scheitert ganz offensichtlich jedoch auf der Stufe der Antragsbefugnis (§ 64 BVerfGG). Eine Pflicht des Bundestages, dem Antrag einer Fraktion auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu folgen, besteht offensichtlich nicht, wenn die Fraktion nicht auch gleichzeitig das Einsetzungsquorum von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages stellen kann. 321 Gleiches gilt im Zusammenhang mit dem Einsetzungsantrag für die - gegenüber der Fraktion - noch kleinere Gruppierung der „parlamentarischen Gruppe". Sie ist kraft ihrer Anerkennung durch die GO-BT parteifähig (§ 10IV) 3 2 2 , eine Pflicht des Bundestages zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses auf deren Antrag besteht aber aus dem Grundgesetz gerade nicht. 323 Für den Abgeordneten als „kleinstes Element" im Verfassungsorgan Bundestag gilt, daß es ihm schon im parlamentarischen Geschäftsgang nicht möglich ist, einen Antrag mit dem Inhalt der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zu stellen (§§ 75,761 GO-BT). Diese Begrenzung von Wahrnehmungsrechten hat das Bundesverfassungsgericht als zulässig angesehen.324 Daher kann sich hier eine Streitigkeit 319 Gesetz über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Feb. 1996, BGBl. I, S. 326. 320 BVerfGE 67,100 (124); in der weiteren Zulässigkeitsprüfung ging es dann allerdings um die Möglichkeit der Prozeßstandschaft einer Fraktion für den Bundestag gegen die Bundesregierung in Hinblick auf den Anspruch auf Aktenvorlage. 321 Zur Frage, ob eine Fraktion mit ausreichender Mitgliederstärke im Sinne von Art. 4411 GG ohne weiteres mit dem „konstituierten Viertel" gleichgesetzt werden kann, siehe die Ausführungen zu den Formalien des Einsetzungsantrags auf S.53. Das Bundesverfassungsgericht geht von einer möglichen Gleichsetzung in BVerfGE 67,100 (126) (124) und in Urt. v. 8. Apr. 2002, Az.2 BvE 2/01, Absatz-Nr. 95, 97, http://www.bverfg.de/, aus. 322 Dies gilt jedenfalls bei abstrakter Bestimmung der Parteifähigkeit. Allerdings wird in der Entscheidung BVerfGE 84, 304 (318) davon gesprochen, daß „die Antragstellerin" (die parlamentarische Gruppe der PDS) im Streit um ihre geschäftsordnungsmäßigen Rechte (Herv. d. Verf.) parteifähig sei. Ob darin eine Abkehr von der abstrakten Bestimmung der Parteifähigkeit gesehen werden kann, wenn denn eine solche der Rechtsprechung zunächst entsprach (siehe dazu bereits Fn. 299), ist m. E. nicht ganz deutlich. 323 Nach den Regeln der Geschäftsordnung kann die Gruppe bereits gar keine Vorlage einbringen (§§751 Nr. 1, 761 GO-BT). Diese Regelung wurde jedoch in der 12. und 13. WP zugunsten der Gruppen abgeändert (siehe die Beschlußempfehlung des Ältestenrates v. 21. Feb. 1991, BT-Drs. 12/149 unter Nr.2d, abgdr. in BVerfGE 84, 304 [307f.], angewandt für die 12. und 13. WP). 324 Zur Verdeutlichung sei darauf hingewiesen, daß der Abgeordnete im Organstreitverfahren zwar grundsätzlich parteifähig ist, hier aber zunächst ein Recht geltend machen müßte, als einzelner Abgeordneter einen Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses stellen

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vor dem Bundesverfassungsgericht in der Angelegenheit der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gar nicht entwickeln. Bedenkenswert ist vielleicht die Konstellation, daß ein Abgeordneter der qualifizierten Einsetzungsminderheit nach Art. 4411 GG für diese konstituierte Minderheit im Wege der Prozeßstandschaft vor dem Bundesverfassungsgericht auftreten möchte. Soweit es um die Möglichkeit der Prozeßstandschaft des Abgeordneten für den Bundestag als ganzen geht, stehen weder der Wortlaut des Art. 931 Nr. 1 GG noch der des § 63 BVerfGG im Wege. Indes gesteht das Bundesverfassungsgericht dem Abgeordneten zwar ohne weiteres die Geltendmachung eigener Rechte, nicht jedoch die Prozeßstandschaft in bezug auf die Rechte des gesamten Parlamentes zu, auch wenn diese Schlußfolgerung nicht zwingend ist. 325 Ebensowenig kann der Abgeordnete Rechte seiner Fraktion geltend machen.326 Diese Rechtsprechung kann dahingehend verallgemeinert werden, daß dem Abgeordneten ein prozeßstandschaftliches Auftreten nicht eingeräumt ist. Die auf eine Prozeßstandschaft des Abgeordneten gründenden Überlegung, daß ein einzelner Abgeordneter Rechte der Einsetzungsminderheit auch gegen deren Willen vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen kann, steht daher die gefestigte Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Antragsbefugnis des Abgeordneten entgegen. Es bleibt als Ergebnis für den Streit um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses festzustellen, daß eine andere Partei als die qualifizierte Einsetzungsminderheit das Recht auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses gegenüber dem Bundestag nicht geltend machen kann.

cc) Streitigkeiten um die Besetzung des Untersuchungsausschusses War der Einsetzungsantrag im Plenum erfolgreich, so könnte die Besetzung des Ausschusses streitig sein. Wie bereits dargestellt, 327 besteht die verfassungsrechtliche Vorgabe, bei der Bildung eines parlamentarischen Ausschusses alle Gruppierungen von Abgeordneten entsprechend ihrer Stärke gleichmäßig zu beteiligen.328 Maßnahmen und Regelungen, die dieses Recht einschränken, bestehen aufgrund der ebenfalls verfassungsrechtlich verankerten Geschäftsordnungsautonomie des Parlaments allerdings in vielerlei Hinsicht. Sie wirken auch auf das Verfahren der parlazu können. Diese verfassungsrechtliche Streitigkeit wäre der hier interessierenden Streitigkeit um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses vorgelagert. 325 Keine Prozeßstandschaft des einzelnen Abgeordneten für den Bundestag, BVerfGE 2, 143 (166); 32, 157 (162); 40, 296 (308 f.); 62, 1 (32). 326 Keine Prozeßstandschaft des einzelnen Abgeordneten für seine Fraktion, Maurizi Schmidt-B leibtreuì Klein/Ulsamer, Bundesverfassungsgerichtsgesetz Kommentar, München, LsBl.Sml. (Stand 20.Lfg. Juni 2001), §64, Rn.22. 327 Siehe oben I.3.c), S.57. 328 Spiegelbildlichkeit der Zusammensetzung des Parlaments, BVerfGE 80,188 (221 f.); 84, 304 (323).

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mentarischen Untersuchung ein. Auch in diesem Verhältnis könnten Streitigkeiten entstehen. ( 1) Angriffs gegenständ und Antragsgegner Die Besetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses war - wie bei anderen parlamentarischen Gremien - bisher eine Frage, die typischerweise im Rahmen der Geschäftsordnungsautonomie durch die Geschäftsordnung des Bundestages im einzelnen geregelt wurde. Bei der Bezeichnung und Feststellung der rechtserheblichen Maßnahme als Angriffsgegenstand ist mit Blick auf die Steuerung des parlamentarischen Geschäftsgangs deshalb besonders darauf zu achten, ob die Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten der Antragsteller unmittelbar durch eine Maßnahme des Bundestages erfolgt oder schon die Geschäftsordnung die Besetzung des Ausschusses in bestimmten Aspekten vorherbestimmt. Dann liegt die rechtserhebliche Maßnahme in der Annahme der steuernden Geschäftsordnungsbestimmung. Hier kann sich die in § 64 III BVerfGG bestimmte Ausschlußfrist von sechs Monaten bemerkbar machen. Das Bundesverfassungsgericht hat die Angreifbarkeit von Maßnahmen an der Frist aus § 64 III BVerfGG scheitern lassen, wenn es sich dabei um die „bloße Anwendung" von Regelungen der Geschäftsordnung gehandelt hatte. 329 Zu fragen ist mittlerweile auch, inwiefern diese Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auf die Neuregelungen des PUAG zu übertragen sind. Als möglicher Angriffsgegenstand zunächst zu untersuchen ist die Festlegung der Mitgliederzahl für den Untersuchungsausschuß. Wie oben 330 dargestellt, wird die konkrete Anzahl der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses im Einsetzungsbeschluß festgelegt. Das Benennungsrecht für die im Wege der proportionalen Verteilung auf sie entfallenden Sitze kommt den Fraktionen zu (§ 5 PUAG). Soweit die Zahl der Sitze für den zu bildenden Ausschuß nach Auffassung der Antragsteller beispielsweise so niedrig ist, daß der Ausschuß kein verkleinertes Abbild des Parlaments331 darstellt, muß gegen diesen Teil des Einsetzungsbeschlusses vorgegangen werden. 332 Da in der Geschäftsordnung die genaue Zahl der Mitglieder eines Untersuchungsausschusses nicht festgeschrieben ist, ergeben sich insofern auch keine Fristprobleme im Rahmen des § 64 III BVerfGG. 333 329 BVerfGE 80, 188 (210) - Quorum für Vorlagen nach § 75, 761 GO-BT - ; E 84, 304 (320) - Recht auf Grundmandat als Fraktion - . 330 Siehe I.3.a), S.47 f. 331 Siehe zu dieser Voraussetzung für die Besetzung von Ausschüssen BVerfGE 80, 188

(222).

332 Anders formuliert muß die Rechtsverletzung durch diesen Teil des Einsetzungsbeschlusses behauptet werden, vgl. BVerfGE 96, 264 (281 f.), worin davon ausgegangen wird, daß der Einsetzungsbeschluss zulässiger Angriffsgegenstand im Sinne einer Maßnahme nach § 641 BVerfGG ist. 333 In der in Fn. 332 genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts wurde dem Bundestag ein Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Mitgliederzahl in einem Untersuchungs-

7 Platter

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Ein spezielles Problem ergab sich nach der früheren Rechtslage hingegen, wenn die Sitzverteilung zwischen den parlamentarischen Gruppierungen schon aus einem allgemeinen Beschluß des Bundestages zum System zur Berechnung der Zusammensetzung von Ausschüssen nach §§57 I I , 12S.1 GO-BT resultierte. 334 Hier konnte man angesichts der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Maßnahmen als „Anwendung" der Geschäftsordnung daran denken, daß auch hier der Grundsatzbeschluß des Bundestages zur Anwendung eines bestimmten Rechensystems einziger Angriffsgegenstand sein könne, während die Besetzung eines Ausschusses nach diesem System nur eine Anwendung des Beschlusses sei. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Parallele hingegen nicht gezogen. Es sah die Bestimmung eines Berechnungsverfahrens offenbar nur als technisches Mittel, um die verfassungsrechtliche Vorgabe und ihre Konkretisierung nach §§ 12 S. 1, 5711 GO-BT zu erfüllen, den eigentlichen selbständigen rechtlichen Umsetzungsakt aber erst in der Besetzung des Ausschusses.335 Ein entsprechender Antrag gegen die Nichtberücksichtigung bei der Besetzung des Ausschusses wäre daher nach der früheren Rechtslage nicht an § 64 III BVerfGG gescheitert, eine Anschauung, die den Minderheiten im Parlament entgegenkam. Im Gegensatz dazu legt das PUAG die Berechnungsmethode für die proportionale Besetzung des Ausschusses gesetzlich auf die Methode St. LagueiSchepers fest (§ 4 S. 5 PUAG) und erhebt sie damit über den Rang eines technischen Mittels. Sollte eine Fraktion der Auffassung sein, diese Methode führe nicht zur angemessenen Wiedergabe der Mehrheitsverhältnisse im Plenum (beispielsweise im Gegensatz zur Methode d'Hondt), scheitert das Vorgehen gegen die gesetzlichen Vorschrift im Organstreitverfahren an der Frist gem. § 64 III BVerfGG, denn das Gesetz ist nach Ablauf von sechs Monate nach seinem Erlaß nicht mehr zulässiger Gegenstand eines Organstreitverfahrens. Weiterer Stein des Anstoßes könnte auch die Besetzung der Funktion des Vorsitzenden sein. Die Verteilung des Vorsitzes in den verschiedenen Ausschüssen des Bundestages wird allgemein einvernehmlich im Ältestenrat des Bundestages besprochen (früher § 58 GO-BT, siehe nunmehr § 612 PUAG). 336 Die Wahl des Vorsitzenden nach der Konstituierung des Ausschusses ist daher keine echte Wahl 337 , ausschuß zugestanden (aaO., 281 f.) und daher der Antrag der Antragsteller (Gruppe der PDS) in diesem Punkt für unbegründet erklärt. 334 Der Bundestag hatte in den ersten Wahlperioden das System des mathematischen Höchstzahlverfahrens nach d'Hondt beschlossen und angewandt; siehe Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, §68, Rn. 1 (mit Berechnungsbeispielen anhand unterschiedlicher Verfahren). In späteren Wahlperioden beschloß der Bundestag jeweils das System der mathematischen Proportion nach St. LagueiSchepers (siehe speziell zur Bestimmung des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 64), um in der 13. WP für die Besetzung einiger Ausschüsse das System St. Laguei Schepers, für andere das System d'Hondt, soweit das System St. Laguei Schepers nicht zur Wiedergabe der parlamentarischen Mehrheit führt, zu beschließen (vgl. BT-Drs. 13/542). 335 Zum selbständigen Umsetzungsakt als angreifbare rechtserhebliche Maßnahme siehe auch BVerfGE 96, 264 (277). 336 Siehe bereits unter Fn. 178.

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wird aber doch als eigentlicher Umsetzungsakt der Vorbesprechungen im Ältestenrat verstanden werden können. Für die Fristbestimmung nach § 64 III BVerfGG kommt es auch hier auf den Zeitpunkt der „Wahl" des Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses an, nicht bereits auf die Absprache im Ältestenrat. Ein letzter Konflikt kann sich daraus ergeben, daß der Bundestag mit einem einzelnen benannten Mitglied einer Fraktion, ohne das Besetzungsrecht als solches in Frage zu stellen, nicht einverstanden ist. Antragsgegner wäre in einem solchen Fall der Bundestag, Antragsgegenstand die Weigerung des Bundestages, einen bestimmten Abgeordneten in den Untersuchungsausschuß zu wählen.338 (2) Antragsbefugnis Das Recht, das im Zusammenhang mit der Berücksichtigung bei der Sitzverteilung geltend gemacht werden kann, ist der Anspruch auf gleiche Teilhabe am Prozeß der parlamentarischen Willensbildung, der sich aus Art. 3812 GG ergibt. 339 Inhaber dieses Rechtes ist der einzelne Abgeordnete. Dieses Recht kann möglicherweise verletzt sein, wenn ein Antragsteller oder die parlamentarische Gruppierung, der er angehört, bei der Besetzung eines Ausschusses nicht oder nicht in der gebotenen Stärke berücksichtigt wird. 340 Die Wahl des Vorsitzenden Schloß das Bundesverfassungsgericht jedoch in einer neueren Entscheidung nicht in dieses Teilhaberecht ein. Die Ausschußvorsitzenden hätten nicht die Aufgabe, die parlamentarische Willensbildung vorzuformen. Ihre Funktion sei lediglich organisatorischer Art und unterliege daher nicht dem Einfluß des Prinzips gleichberechtigter Teilnahme an den Aufgaben, die dem Bundestag nach dem Grundgesetz übertragen worden sind. 341 Ein Recht der Fraktionen, ihre Vertreter im Ausschuß zu benennen, ist zwar jetzt im PUAG einfachgesetzlich ausgestaltet, kann jedoch nicht ohne weiteres auf eine für die Antragsbefugnis notwendige verfassungsrechtliche Grundlage gestellt werden. Ein solches Recht könnte sich nur auf Art. 3812 GG als verkollektiviertes Teilhaberecht der Abgeordneten gründen. Es scheint allerdings nicht von vornherein 337

So Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S.64. Vgl. dazu BVerfGE 90, 40 (zum Antrag eines Landtagsabgeordneten gegen die Weigerung des sächsischen Landtages, ihn als Vertreter der Linken Liste/PDS in den Untersuchungsausschuß zur Personalüberprüfung zu wählen. Das BVerfG erklärte sich in dieser Sache für unzuständig.) Zu einem ähnlichen Streit zur Besetzung der parlamentarischen Kontrollkommission des Verfassungsschutzes siehe SächsVerfGH, Urt. v. 26. Jan. 1995, Vf. 15-1-9 5, JbSächsOVG 4, 35. 339 Siehe zuletzt BVerfGE 96,264 (278) m. w. N. Zur Anwendung dieses Grundsatzes bei der Benennung von Fraktionsmitarbeitern für die Unterstützung des Untersuchungsausschusses siehe BVerfGE 93, 195 (204). 340 Vgl. zuletzt BVerfGE 96, 264 (277) zum fünften Antrag der Antragsteller. 341 BVerfGE 96, 264 (280). 338

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ausgeschlossen, daß das Benennungsrecht der Fraktionen möglicherweise auf Art. 3812 GG gestützt werden kann. Immerhin ermöglicht es die Absprache in den Fraktionen, daß ein jedes Mitglied des Bundestages, soweit es einer Fraktion angehört, auch Mitglied mindestens eines Ausschusses wird. Die Fraktionen koordinieren in dieser Weise die Teilnahme der Abgeordneten am politischen Prozeß des Bundestages, auch wenn der einzelne Abgeordnete durch die fraktionsinterne Zuordnung zu einem bestimmten Ausschuß gleichzeitig von anderen Ausschüssen ferngehalten wird. (3) Ergebnis Für Streitigkeiten zu Fragen der Besetzung eines Untersuchungsausschusses steht das Organstreitverfahren grundsätzlich zur Verfügung, d. h. Anträge der Abgeordneten in solchen Konflikten sind zulässig. Die Antragsbefugnis ergibt sich aus dem allen Abgeordneten gleichermaßen zustehenden Recht auf Teilnahme am Prozeß der parlamentarischen Willensbildung gem. Art. 3812 GG. 342 Von diesem Recht nicht mehr umfaßt ist allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts die Berücksichtigung bei der Besetzung des Vorsitzes von Untersuchungsausschüssen. dd) Prozessuale Durchsetzung der Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses: Der verfahrensrechtliche Grundfall Ist der Untersuchungsausschuß eingesetzt, führt er die Untersuchung des ihm durch den Bundestag zugewiesenen Untersuchungsauftrags in eigener Verantwortung 343 . Dies zeigt sich insbesondere in der Wahl der Beweismittel zur Aufklärung einer bestimmten Tatsache. Bei der Darstellung des Ablaufes des Untersuchungsverfahrens 344 wurde auf das konkrete Beweismittel abgestellt - nämlich im wesentlichen darauf, ob ein Zeuge berichten soll oder Urkunden über einen bestimmten Sachverhalt Aufklärung verschaffen sollen. Bei der hier in Teil II. verfassungsprozessual ausgerichteten Problemerörterung zeigt sich, daß die verfassungsprozessuale Einordnung weniger von der Art des Beweismittels als vielmehr davon abhängt, wer Ansprüche im Zusammenhang mit der Beweiserhebung geltend macht. Die Frage der Einordnung wiederum ist davon abhängig, ob der Antragsteller und auch der Antragsgegner zum Kreis der Verfassungsorgane und ihrer antragsberechtigten Untergliederungen gehören und davon, ob der Antragsteller dem Antragsgegner gegenüber Rechte aus der Verfassung geltend machen kann. 345 Geht es um die Durchset342

BVerfGE 96, 264 (278). Im Einsetzungsbeschluß können bestimmte Beweismittel nicht vorgegeben werden. 344 Siehe oben I.4.,S.60. 345 Diese aus verfassungsprozessualer Sicht scheinbar selbstverständliche Feststellung widerlegt einen Standpunkt, den Lesch in seinem Beitrag, Zur Verwendbarkeit von Stasi-Abhör343

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zung der Beweiserhebung gegenüber jemandem, der nicht Verfassungsorgan oder Teil eines solchen ist, ist der Rahmen des Organstreitverfahrens hingegen verlassen. Wenn für diesen Fall nicht eine anderes Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zur Verfügung steht, tut sich eventuell eine Lücke im Verfassungsprozeßrecht auf. Die bei der Darstellung des Ablaufes der parlamentarischen Untersuchung gewählte Art der Darstellung nach der Art der Beweismittel wird daher zunächst zugunsten einer Einordnung nach zulässigen und unzulässigen Antragsgegnern modifiziert, um Verfahrenslücken ausmachen zu können.

( 1) Die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Beweiserhebung: Die Flick-Entscheidung Da der Untersuchungsausschuß insbesondere Kontrollaufgaben für den Bundestag gegenüber der Exekutive wahrnimmt, ist die Durchsetzung der Informationsverlangen für den Erfolg der Untersuchung meistens von besonderer Bedeutung. Informationen über Vorgänge in Regierung und Verwaltung können auf zwei Wegen erlangt werden: mit Hilfe der darüber geführten Unterlagen und Akten und durch die Befragung von Amtsträgern. Der Anspruch auf Erteilung einer Aussagegenehmigung unterscheidet sich dabei inhaltlich nicht vom Anspruch auf Aktenvorlage, denn die Weigerungsgründe, die die Regierung in ihrer Eigenschaft als oberste Dienstherrin geltend machen kann, sind, inhaltlich gesehen, dieselben.346 Diese beiden Ansprüche werden im folgenden gemeinsam abgehandelt. Protokollen durch parlamentarische Untersuchungsausschüsse, NJW 2000, 3035 (3036 f. Siehe bereits oben Fn. 185) in jüngerer Zeit vertreten hat. Seiner Ansicht nach sind die gesamten Befugnisse des Untersuchungsausschusses von der generellen Verweisung auf die StPO nach Art. 44 II 1 GG umfaßt, während sich aus Art. 4411 GG nur die Aufgaben des Untersuchungsausschusses ergeben, nicht hingegen bereits seine besonderen Befugnisse. Abgesehen davon, daß diese Ansicht nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Flick-Untersuchungsausschuß in Einklang steht, nach der das Gericht den Aktenvorlageanspruch des Untersuchungsausschusses nicht aus Art. 44 II 1 GG, sondern aus Art. 4411 GG ableitet, kann diese Ansicht auch nur schwer mit den Anforderungen an die Antragsbefugnis gem. § 641 BVerfGG in Einklang gebracht werden. Der Aktenvorlageanspruch müßte dann einer Norm der StPO entnommen werden. Das wäre durch die Anwendung von § 96 StPO immerhin noch vorstellbar. Da sie aber innerhalb der StPO allgemein als Ausnahme vom allgemeinen Amtshilfeanspruch nach Art. 351 GG betrachtet wird (.Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, § 96, Rn. 1), würde dies die Rechtsprechung zum Flick-Untersuchungsausschuß, nach der der Aktenvorlageanspruch gerade vom allgemeinen Amtshilfeanspruch gelöst werden sollte (BVerfGE 67, 100 [128 f.]), konterkarieren. Überdies würde diese Norm dann gleichzeitig in den Rang eines verfassungsrechtlichen Anspruchs erhoben werden müssen, was mit dem Wortlaut der Verfassung nach Art. 44 II 1 GG, der gerade von einer sinngemäßen Anwendung der StPO spricht, nur schwer vereinbar wäre. 346 Deutlicher noch als in der Literatur wird dies durch die Ausformulierung dieses Anspruchs in den neueren Landesverfassungen, die die Flick-Entscheidung zum Vorbild hatten. In diesen Verfassungen sind Aktenvorlagepflicht und Aussagegenehmigung in einem Zusammenhang genannt siehe zum Beispiel Art. 64IV1 ThürVerf.

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Die Grundsatzentscheidung des Bundesverfassungsgerichts, in der sich das Gericht mit der Frage der Kontroll-Kompetenzen des Untersuchungsausschusses gegenüber der Exekutive auseinandersetzte, war die Flick-Entscheidung 347 . 348 Gewisse Teilaspekte zur Frage der Minderheitenrechte sind im Flick-Urteil des Bundesverfassungsgerichts ebenfalls angeschnitten und beantwortet worden, andererseits warf diese Entscheidung auch neue Fragen auf. Der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts lag folgende Konstellation zugrunde: Der erste Untersuchungsausschuß der zehnten Wahlperiode des Deutschen Bundestages wurde vom Bundestag damit beauftragt zu untersuchen, inwieweit Mitarbeiter und Angehörige des Flick-Konzerns auf Mitglieder der Regierung und des Parlaments und Mitarbeiter von Behörden Einfluß genommen hatten, um eine steuerlich begünstigende Entscheidung im Zusammenhang mit einer Reinvestition von Kapital zu erlangen. Im Laufe der Untersuchung beschloß der Untersuchungsausschuß, die Beiziehung der Akten zu diesen Vorgängen beim Bundesminister für Wirtschaft sowie beim Bundesminister für Finanzen und der Ermittlungsakten eines laufenden Ermittlungsverfahrens wegen aktiver und passiver Bestechung zu verlangen. Auf das Herausgabeverlangen des Untersuchungsausschusses gaben beide Bundesminister unvollständige und teilweise geschwärzte Akten heraus. Sie rechtfertigten dies damit, daß die Lückenhaftigkeit durch das Steuergeheimnis geboten sei. Die Herausgabe der Akten zum Ermittlungsverfahren wurde ebenfalls abgelehnt. Der Antrag im Untersuchungsausschuß, es solle mit Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht die vollständige Herausgabe erzwungen werden, wurde von der Ausschußmehrheit abgelehnt. Die Bundestags-Fraktion der GRÜNEN, die Bundestags-Fraktion der SPD, ein einzelnes Mitglied des Ausschusses, das von der Fraktion der Grünen in den Ausschuß entsandt worden war, und eine „Minderheit im Ausschuß" der von der SPD-Fraktion entsandten Mitglieder stellten daraufhin jeweils selbständig einen Antrag vor dem Bundesverfassungsgericht. Das Bundesverfassungsgericht erklärte alle Antragsteller für parteifähig. Für antragsbefugt hielt das Gericht aber nur die antragstellenden Fraktionen im Bundestag. Herr der Untersuchungen sei der Bundestag. Das Recht der Aktenvorlage sei dem Bundestag daher als Bestandteil des parlamentarischen Kontrollrechts zugeordnet. Für ihn dürften die Fraktionen eine Verletzung des Kontrollrechts geltend machen.349 Das Gericht beschreibt damit eine Konstellation, die üblicherweise mit dem Begriff der Prozeßstandschaft 350 umschrieben wird. Eine der beiden Fraktionen (die SPD-Fraktion) sei auch in ihrer Eigenschaft als konkrete Antragsminderheit aus Art. 4411 GG antrags347

BVerfGE 67, 100. Zu den Untersuchungsausschüssen, die sich mit diesem Problem auseinandersetzten, während deren Bestehen es jedoch noch nicht zu einer gerichtlichen Entscheidung kam, siehe Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S. 107-114. 349 BVerfGE 67, 100(125). 350 Dieser Begriff wird vom Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung auch selbst verwandt; BVerfGE 67, 100 (126). 348

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befugt. Das Grundgesetz habe das parlamentarische Untersuchungsrecht auch als Minderheitenrecht ausgestaltet. Das Bundesverfassungsgericht ging offenbar für die konkrete Einsetzungsminderheit nach Art. 4411 GG davon aus, daß diese eigene Rechte geltend macht. Für nicht antragsbefugt hielt das Gericht indes die antragstellenden „Fraktionen im Ausschuß", wobei es nicht danach unterschied, ob diese Fraktion im Ausschuß aus mehreren oder nur aus einem Abgeordneten bestand. Soweit die Antragsteller antragsbefugt waren, war ihr Antrag auch begründet. Das aus Art. 4411 GG - nicht etwa aus Art. 44 III GG (Amtshilfe) - resultierende Aktenvorlagerecht sei im konkreten Fall durch die unvollständige Herausgabe der Akten vom Antragsgegner verletzt worden. Die Regierung könne sich hier nicht auf den ihr grundsätzlich zustehenden Bereich der exekutivischen Eigenverantwortung berufen. Auf die Wahrnehmung des in Art. 441 GG begründeten Beweiserhebungsrechts fänden gemäß Art. 44 II 1 GG die Vorschriften der Strafprozeßordnung sinngemäß Anwendung, so über § 96 StPO auch § 30 AO, wenn die Geheimhaltung bestimmter Angaben und Verhältnisse durch grundrechtliche Verbürgungen geboten sei.

(2) Folgerungen für die verfassungsgerichtliche gegenüber der Regierung

Durchsetzung

Hervorzuheben ist hier noch einmal, daß der „Grundfair - nämlich, daß der Untersuchungsausschuß selbst gegen ein anderes Verfassungsorgan vorgeht - nicht konkreter Gegenstand der Entscheidung war. Dennoch sollte es möglich sein, aus ihr auch Folgerungen für den verfassungsrechtlichen Grundfall (Untersuchungsausschuß im Streit mit einem anderen Verfassungsorgan) und seine verfahrensrechtliche Bedingungen, wie oben beschrieben wurde, zu entnehmen. Dieser Frage soll im folgenden nachgegangen werden.

(a) Parteifähigkeit des Untersuchungsausschusses/Antragsgegner Ausgehend von § 63 BVerfGG kommt es nach der bisherigen Rechtslage für die Parteifähigkeit des Untersuchungsausschusses darauf an, ob er durch die Geschäftsordnung oder durch die Verfassung ein mit eigenen Rechten ausgestatteter Teil des Verfassungsorgans Bundestag ist. Wie dargestellt, hat das Bundesverfassungsgericht in der Flick-Entscheidung allerdings den Bundestag als den eigentlichen Träger des Untersuchungsrechts gesehen. Für die Frage der Antragsbefugnis wird auf diese Zuordnung noch einmal genauer einzugehen sein. Da der Untersuchungsausschuß sowohl in der Geschäftsordnung (§ 55 GO-BT) als auch in der Verfassung selbst (Art. 44 GG) mit der Wahrnehmung dieses Rechtes beauftragt ist, ergeben

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sich bei der Bestimmung der Parteifähigkeit letztendlich keine Hindernisse für die Parteifähigkeit des Untersuchungsausschusses.351 Antragsgegner war im Regelfalle 352 nach bisheriger Rechtslage die Bundesregierung (Art. 62-69 GG). Zu denken war aber auch an den einzelnen Fachminister, wenn beispielsweise gerade seine Behörde oder deren nachgeordnete Behörde zur Aktenvorlage verpflichtet werden sollte. Das Bundesverfassungsgericht berührte diese Frage in der Flick-Entscheidung nur ganz beiläufig, behandelte dabei die Bundesregierung und die beteiligten Bundesministerien zusammen als Antragsgegner, ohne dabei auf deren verfassungsrechtliches Verhältnis zueinander einzugehen.353 Da das Grundgesetz den Fachminister - neben der Bundesregierung als Kollegialorgan - mit eigenen Befugnissen ausstattet (Art. 65 S. 2 GG), erschien nach bisheriger Rechtslage auch eine Antragsgegnerschaft nur der Bundesregierung oder aber nur eines Fachministers zulässig.354 (b) Antragsgegenstand und Antragsbefugnis Jedes Verhalten, speziell aber jedes Unterlassen der Exekutive in bezug auf das Informationsverlangen des Untersuchungsausschusses kann Gegenstand eines solchen Verfahrens sein. In diesem Zusammenhang bereitet das Unterlassen als Antragsgegenstand keine besonderen Probleme, da die Verletzung eines Informationsrechts typischerweise durch Nichtbefolgung eigener Informationspflichten verwirklicht wird. Daraus ergibt sich im übrigen, daß auch die im folgenden beschriebene Konstellation nach bisheriger Rechtslage zum Gegenstand eines Organstreits gemacht werden konnte. Die Bundesregierung gibt Unterlagen und Akten heraus, versieht sie aber mit einer hohen Geheimhaltungsstufe, so daß der Untersuchungsausschuß diese Unterlagen zwar zur Kenntnis nehmen, nicht jedoch in seinem Abschlußbericht verwenden kann. Auch dies stellt eine „unvollständige Aktenherausgabe" dar, da auf diese Weise die Verwertbarkeit der Akten gemindert wird. 351 In diesem Sinne Jekewitz, Parlamentarische Akteneinsicht mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts, DÖV 1984, 187 (194), der daraufhinweist, daß ein „geschlossenes" Vorgehen des Untersuchungsausschusses (also die hier als „Grundfall" bezeichnete verfassungsprozessuale Konstellation) aus politischen Gründen selten sein dürfte. 352 Als Antragsgegner kommen im Organstreitverfahren auch die anderen Verfassungsorgane in Betracht. Ein solcher Streitfall ist allerdings in der parlamentarischen Praxis noch nie vorgekommen. Im übrigen wäre in einem solchen Falle die Frage nach der Zielrichtung des parlamentarischen Untersuchungsrechts ganz neu zu überdenken. 353 Es spricht von dem Streit um die Frage nach dem Umfang des vom 1. Untersuchungsausschuß des 10. Deutschen Bundestages gegenüber der Bundesregierung geltend gemachten Anspruchs auf Herausgabe von Akten aus den Geschäftsbereichen der Bundesminister der Finanzen und der Wirtschaft (BVerfGE 67, 100 [123]). Im Tenor sind die Regierung und die Bundesminister als Antragsgegner zusammengefaßt (aaO, S. 103). 354 So Jekewitz, Parlamentarische Akteneinsicht mit Hilfe des Bundesverfassungsgerichts, DÖV 1984, 187 (195); siehe auch BaWüStGH, Urt. v. 14. März 1985, GR 1/83, ESVGH 35, 161 (162, Finanzminister als Antragsgegner).

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Die Antragsbefugnis des Untersuchungsausschusses bestand nach bisheriger Rechtslage, wenn der Untersuchungsausschuß ein verfassungsrechtliches Aktenvorlagerecht geltend machen konnte. Ob und gemäß welcher verfassungsrechtlichen Grundlage ein solches besteht, war lange Zeit umstritten. In der älteren Literatur wurde teilweise aus dem Umstand heraus, daß ein ausdrückliches Aktenvorlagerecht in Art. 44 GG im Gegensatz zu Art. 34 WRV (dort Abs. 3) nicht erscheint, das Recht der Aktenvorlage auf Art. 44 III GG als einzige Grundlage des Aktenvorlagerechts gestützt.355 Das Bundesverfassungsgericht ist dem ausdrücklich entgegengetreten. Das Aktenvorlagerecht ergebe sich direkt aus dem Untersuchungsrecht des Bundestages (Art. 441 GG) als solchem.356 Durch das Untersuchungsverfahren erhielten die Parlamente die Möglichkeit, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln, wie sie sonst nur Gerichten und besonderen Behörden zur Verfügung stehen, Sachverhalte zu prüfen. Aufgabe der Untersuchungsausschüsse sei es, das Parlament bei seiner Arbeit zu unterstützen. Herr der Untersuchung sei der Bundestag.357 Als Gegenrecht des verfassungsrechtlichen Verhältnisses definierte das Bundesverfassungsgericht den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung. 358 Festzuhalten ist dabei, daß das Bundesverfassungsgericht das Kontrollrecht dem Bundestag zuordnet und nicht etwa auch dem Untersuchungsausschuß selbst. Für die Antragsbefugnis hat die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts zur Folge, daß der Untersuchungsausschuß nicht eigene, sondern Rechte des Organs, dem er angehört, geltend macht, also prozeßstandschaftlich auftritt. Eine Folgerung, die das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung nicht ausdrücklich zu betonen brauchte, da ja gerade der Flick-Entscheidung nicht der „Grundfall" des antragstellenden Untersuchungsausschusses zugrunde lag. Verfahrensrechtliche Folgen für die Zulässigkeitsprüfung des Grundfalles hat die Sichtweise des Bundesverfassungsgerichts im Ergebnis nicht. Für die Sachurteilsvoraussetzung der Antragsbefugnis nach § 64 BVerfGG spielt es keine Rolle, ob die Verletzung von Kompetenzen aus eigenem Recht oder im Wege der Prozeßstandschaft geltend gemacht wird. Bemerkenswert ist es dennoch, denn die Befugnisse, die dem Untersuchungsausschuß gegenüber privaten Dritten eingeräumt sind, gleichen denen einer Ermittlungsbehörde und gehen über die Befugnisse des Bundestages als ganzen für den besonderen Zweck der parlamentarischen Untersuchung hinaus. Überdies ist das Untersuchungsrecht jedenfalls auch als Minderheitenrecht ausgestaltet359 und inso355 Siehe von Mangoldt! Klein, Das Bonner Grundgesetz, Bandii, 2. Aufl. 1966, Art.44, Anm. Nr. 5 Illb, m. w. N. 356 BVerfGE 67, 100 (127 f.). 357 BVerfGE 67, 100(125). 358 BVerfGE 67, 100(139). 359 So schon BVerfGE 49, 70 (85); dies übersieht Seidel (Die Opposition im parlamentarischen Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG, Bay VB1. 2002, 97 [99]), wenn er allgemein der Opposition im Wege eines Fraktionsantrages in Prozeßstandschaft für den Bundestag die Möglichkeit einräumen will, beispielsweise auch gegen den Untersuchungsausschuß selbst vorzugehen, wenn dieser die Untersuchung für den Bundestag nicht sachgerecht und effektiv durchführt. Die Opposition - ein im Grundgesetz nicht vorkommender Begriff - kann ihre

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fern jedenfalls nicht nur dem Bundestag als ganzem zugeordnet. Nicht fernliegend ist daher, den Untersuchungsausschuß als anderen Beteiligten im Sinne von Art. 931 Nr. 1 GG zu sehen, der die besonderen Rechte aus Art. 44 GG als eigene Rechte geltend machen kann. 360 Die Lösung des Bundesverfassungsgerichts ist offenbar der besonderen Konstellation der Flick-Entscheidung geschuldet, bei der das Gericht auf diese Weise wieder an die Einsetzungsminderheit anknüpfen wollte. Am materiell-verfassungsrechtlichen Anspruch als solchem und der Möglichkeit der Geltendmachung im Organstreitverfahren besteht nach der Flick-Entscheidung trotz allem kein Zweifel mehr. Auf den zweiten Blick ergab sich aber für die Geltendmachung des Anspruchs nach bisheriger Rechtsprechung in weiteren Verfassungsstreitigkeiten ein verfahrensrechtliches Dilemma, das aus der Natur des materiell-rechtlichen Anspruchs resultierte. Um über die Berechtigung der Verweigerung der Aktenvorlage inhaltlich entscheiden zu können, mußte das Bundesverfassungsgericht die von der Bundesregierung als „geheim" eingestuften Akten zum Verfahren heranziehen (§ 26 BVerfGG). 361 Tat das Bundesverfassungsgericht dies, waren die Akten damit auch automatisch parteiöffentlich (§ 20 BVerfGG, Recht auf Akteneinsicht). Die Antragsteller konnten das Ziel der Akteneinsicht womöglich also schon dadurch erreichen, indem sie einen Antrag im Organstreitverfahren stellten. Diese zwangsläufige „Vorwegnahme der Entscheidung" konnte das Bundesverfassungsgericht durch einen Beschluß nach §2611 BVerfGG vermeiden. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht mit den Stimmen von zwei Dritteln seiner Mitglieder entscheiden, daß die Beiziehung einzelner Urkunden unterbleibt, wenn ihre Verwendung mit dem Staatswohl unvereinbar ist. Zur Feststellung dieses Tatbestandes hätte das Gericht dann aber auf den Sachvortrag der Bundesregierung vertrauen müssen. Tat es das nicht, blieb nur noch eine verfahrensrechtliche Möglichkeit. Über die Verweisungsvorschrift § 17 BVerfGG blieb die Möglichkeit der nichtöffentlichen Verhandlung nach § 174 III i.V. m. §§ 172 GVG aus Gründen der Gefährdung der Staatsicherheit. Folgte das Gericht der Auffassung der Bundesregierung, konnte es die Antragsteller zur Geheimhaltung der auf diese Weise bekanntgewordenen Tatsachen verpflichten. Der Untersuchungsausschuß kannte dann zwar den Inhalt der geheimhaltungsbedürftigen Akten, durfte ihren Inhalt aber nicht im weiteren Untersuchungsverfahren verwerten, insbesondere nicht im Abschlußbericht verwenden. 362

Rechte allein als Einsetzungsminderheit gem. Art. 4411 GG geltend machen. Eine Verdopplung von Minderheitsrechten, mal als Recht der Einsetzungsminderheit, mal als Recht einer oppositionellen Fraktion, gibt es nicht. 360 In diesem Sinne Stern, in: BK (Zweitbearbeitung März 1982), Art. 93, Rn. 113. Siehe auch die Argumentation der Antragsgegner in BVerfGE 67, 100 (119). 361 Löwer, Der Aktenvorlageanspruch des parlamentarischen Untersuchungsausschusses vor dem Bundesverfassungsgericht, Jura 1985, 358 (365). 362 Low er, aaO., S.365.

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(c) Zusammenfassung nach bisheriger Rechtslage Die verfassungsprozessuale Lage für den „Grundfall" stellte sich nach bisheriger Rechtslage also folgendermaßen dar: Im Streitfall konnte der Untersuchungsausschuß den mit dem Kontrollrecht als solchem verbundenen Anspruch des Bundestages auf Aktenvorlage im Organstreitverfahren geltend machen. Der Antrag konnte sich insbesondere gegen die Bundesregierung oder allein gegen den jeweiligen Fachminister richten. (3) Exkurs: Die Asymmetrie des Rechtsschutzes bei der Durchsetzung von Beweiserhebungsmaßnahmen gegenüber Privaten Für einen wichtigen Teil der Beweiserhebung hat, wie gezeigt, die Flick-Entscheidung den Anspruch auf und die Durchsetzung der Beweiserhebung geklärt. Wie bei der Darstellung des Untersuchungsverfahrens selbst363 geschildert, kann sich ein Beweiserhebungsverlangen des Untersuchungsausschusses sowohl hinsichtlich des Beweismittels „Urkunden" als auch beim Zeugenbeweis aber auch gegen andere als die übrigen Verfassungsorgane, bwz. die Exekutive richten. Das Recht des Untersuchungsausschusses, auch in diesem Bereich Beweise zu erheben, darf mittlerweile als unumstritten bezeichnet werden. 364 Die Befugnisse, die dem Untersuchungsausschuß gegenüber Privatpersonen nach Art. 44 II 1 GG eingeräumt sind, führen dazu, daß der Untersuchungsausschuß diesen Privaten gegenüber „wie eine Behörde auftritt". Ausgehend von dieser Prämisse, war schon nach bisherigem Verständnis von involvierten Privatpersonen um Rechtsschutz bei den Fachgerichten nachzusuchen. Sie konnten gegen mittelbare und unmittelbare Maßnahmen des Untersuchungsausschusses Rechtsschutz in Anspruch nehmen. Daß die durch die Untersuchung betroffene Privatperson gegen die oben geschilderten Maßnahmen des Untersuchungsausschusses Rechtsschutz erlangen kann, erscheint nach dem Wortlaut des Art. 44IV 1 GG allerdings zunächst ausgeschlossen. Art. 44IV 1 GG bestimmt, daß Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse der richterlichen Erörterung entzogen sind. Diese Vorschrift des Grundgesetzes bezieht sich aber nach herrschender Meinung und nach Auffassung der Gerichte nicht auf Beschlüsse, die den Betroffenen im Beweisverfahren mittelbar oder unmittelbar zum Adressaten haben.365 Das Bundesverfassungsgericht hat sich dieser Auffassung, ohne näher auf das Wortlautproblem einzugehen, angeschlossen. Da das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsbeschwerden im Falle „Lappas" und im Falle „Neue Heimat", bei denen es sich gerade um Verfassungsbeschwerden gegen Beschlüsse 363 364 365

Siehe oben 1.4, S. 60. Siehe oben 1.4. a) aa) (2) S. 65 und bb) (2), S. 74. Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Bd. II, Art. 44, Rn.55.

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des Ermittlungsrichters, die auf Antrag des Untersuchungsausschusses ergingen, selbst auch ohne weiteres zur Entscheidung angenommen hat, hielt es sie also - ohne weiteres - der richterlichen Erörterung für zugänglich und umriß dann die Kriterien, die die Fachgerichte bei der Gewährung von Rechtsschutz gegen Maßnahmen innerhalb einer parlamentarischen Untersuchung zu beachten haben. Indes macht die Beschreibung des Verfahrensweges, der zu diesen beiden wichtigen Entscheidungen zum Individualrechtsschutz innerhalb einer parlamentarischen Untersuchung führte, schon deutlich, daß die Rechtslage vor Inkrafttreten des PUAG im Hinblick auf die Rechtswege außerordentlich unübersichtlich war. Die vorangehend genannten Entscheidungen „Lappas" und „Neue Heimat" ergingen beide im Rahmen von Verfassungsbeschwerdeverfahren gegen die richterlich angeordneten Beweiserhebungsmaßnahmen bzw. Maßnahmen zu deren Durchsetzung. Im Fall „Lappas" hatte der Betroffene gegen die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, die die Anordnung der Beugehaft des Amtsgerichts bestätigt hatte, Verfassungsbeschwerde erhoben. Zur Zeit der Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde war die Klage vor dem Verwaltungsgericht gegen den ebenfalls zu Lasten des Beschwerdeführers ergangenen Ordnungsgeldbeschluß noch nicht entschieden. Das Bundesverfassungsgericht hat in dieser Entscheidung den Fachgerichten die Abwägungskriterien vorgegeben. Das aus der „sinngemäßen Anwendung der Strafprozeßordnung" resultierende, in den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten und Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten gespaltene, RechtsschutzSystem hat es nicht kritisiert (dazu sogleich unten). Die Aussagen zum Prüfungsmaßstab und -umfang sind erst einmal eindeutig. Die mit den unmittelbaren und mittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses befaßten Gerichte haben dabei eine umfassende Prüfung des Untersuchungsthemas durchzuführen. „Die Untersuchungsausschüsse üben öffentliche Gewalt aus. Über die in Art. 44 Abs. 2 Satz 2 GG bezeichneten Schranken hinaus haben sie gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu beachten. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht einschränken. Die Grundrechte aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 19 Abs. 3 GG verbürgen ihren Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder individualisierbaren Daten. Dieses Recht darf nur im überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden; die Einschränkung darf nicht weiter gehen als es zum Schutz öffentlicher Interessen erforderlich ist. Das Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses (Art. 44 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG) und der grundrechtliche Datenschutz stehen sich auf der Ebene des Verfassungsrechts gegenüber und müssen im konkreten Fall einander so zugeordnet werden, daß beide so weit wie möglich ihre Wirkung entfalten. Bei der hiernach gebotenen Abwägung sind namentlich Art und Bedeutung des mit der Beweiserhebung verfolgten Ziels im Rahmen des dem Untersuchungsausschuß erteilten Auftrags und die Schutzwürdigkeit und -bedürftigkeit der betroffenen Daten angemessen zu berücksichtigen." 366

366

BVerfGE 77, 1 (46 f.) - Neue Heimat - .

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Somit hängt die Zulässigkeit beispielsweise der Beugehaft als Mittel zur Durchsetzung der Aussagepflicht gegenüber dem Zeugen letztendlich davon ab, wie das Fachgericht die Bedeutung des Untersuchungsauftrages im Verhältnis zum konkreten Grundrechtseingriff gewichtet.367 Das Fachgericht hat also die Tätigkeit des Bundestages in Form des Untersuchungsauftrages an einen Untersuchungsausschuß in allen Aspekten (kompetenzielle Ermächtigung im Verhältnis zu den übrigen Verfassungsorganen und zu den Ländern, öffentlichen Interesse von hinreichendem Gewicht, Bestimmtheitsgebot) verfassungsrechtlich zu prüfen. 368 Dies sind die verfassungsrechtlichen Abwägungskriterien innerhalb der von der Strafprozeßordnung zur Verfügung gestellten Ermächtigungsgrundlagen, die die Fachgerichte zu beachten haben. Ungleich komplizierter hingegen stellte sich das Problem der vom Bundesverfassungsgericht nicht näher beleuchteten Frage nach dem einzuschlagenden Rechtsweg vor das Fachgericht dar, solange das PUAG nicht in Kraft getreten war. Diese Frage bedarf noch einer genaueren Betrachtung. (a) Unmittelbare Maßnahmen Gegen die Maßnahmen, die der Untersuchungsausschuß selbst anordnen kann - aus diesem Grund auch als „unmittelbare Maßnahmen" bezeichnet - , mußte der Betroffene bis zum Inkrafttreten des PUAG vor den Verwaltungsgerichten klagen. 369 Solche unmittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses waren die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gem. § 5112, 1. Alt. StPO gegen den Zeugen bei Nichterscheinen bzw. bei grundloser Zeugnis Verweigerung, §7012 StPO. 370 Eine Maßnahme, die der Untersuchungsausschuß ebenfalls allein aus eigener Kompetenz anwenden konnte, war die Ordnungsstrafe wegen Ungebühr gem. § 178 GVG. Gegen diese Maßnahmen stand dem Betroffenen, was insoweit in den oben genannten Entscheidungen vom Bundesverfassungsgericht nicht in Zweifel gezogen und auch nicht näher besprochen wurde, der Verwaltungsrechtsweg offen. 371 Die Tä367 368

Siehe BVerfGE, aaO., 53. Siehe zu den verfassungsrechtlichen Grenzen des Untersuchungsthemas bereits oben

S.36. 369

Siehe zuletzt OVG Münster, Entsch. v. 24. März 1998, Az. 5 A 216/95, NJW 1999, 80 (80) mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung der Fachgerichte; siehe auch BVerfG, Beschl. v. 13. Sept. 1993, 2 BvR 1666 u. 1667/93, NVwZ 1994, 54 (54). 370 Nach Meinung des BayVGH (Urt. v. 19. Mai 1978, 276-III-77, BayVBl. 1981, 209) ist allerdings nicht schon die Ladung des Zeugen vor den Untersuchungsausschuß mit einer Klage vor dem Verwaltungsgericht angreifbar. Der Zeuge müsse ein evtl. gegen ihn festgesetztes Ordnungsgeld abwarten. Die Ladung konkretisiere nur die kraft Gesetz bestehende Zeugnispflicht (aaO., 211; vom BVerwG durch Urt. v. 21.Nov. 1980, Az.7C85.78, BayVBl. 1981, 300, bestätigt). 371 Zum Verwaltungsrechtsweg gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen Nichterscheinens als Zeuge durch einen Untersuchungsausschuß in Baden-Württemberg siehe

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tigkeit der Untersuchungsausschüsse war demnach, soweit sie Dritte in die Untersuchung mit einbezog, als hoheitliche Tätigkeit zu bestimmen und daher gem. § 401 VwGO im Verwaltungsrechtswege anzugreifen. Als Unterfall dieser Regel konnte es angesehen werden, wenn durch die Spezialzuweisung der Finanzgerichtsordnung eine Zuweisung an die Finanzgerichte bestand.372 Das Bundesverwaltungsgericht verneinte in diesem Zusammenhang das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit (§ 4011 VwGO) deshalb, weil der Untersuchungsausschuß gegenüber dem Betroffenen wie eine Behörde tätig werde. 373 Dies stellt keine Besonderheit zum sonstigen Verständnis des Begriffes der verfassungsrechtlichen Streitigkeit innerhalb von § 4011 VwGO, was die Sicht der Rechtsprechung zu dieser Frage betrifft, dar. Durch die verwaltungsrechtlichen Rechtsprechung wird eine Streitigkeit erst dann als verfassungsrechtlich qualifiziert, wenn „am Verfassungsleben unmittelbar beteiligte Rechtsträger über Verfassungsrecht streiten" (Grundsatz der doppelten Verfassungsummittelbarkeit). 374 Dieses Verständnis der verfassungsrechtlichen Streitigkeit vorausgesetzt375, erscheint es zwingend, daß sich der Betroffene im parlamentarischen Untersuchungsverfahren an die Verwaltungsgerichte wenden muß, will er gegen eine unmittelbare Maßnahme des Untersuchungsausschusses Rechtsschutz in Anspruch nehmen. (b) Mittelbare Maßnahmen Die mittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses sind solche, deren Anordnung in der Strafprozeßordnung (oder schon aufgrund grundgesetzlicher Vorgaben) nur durch den Richter erfolgen darf. 3 7 6 Dazu gehörten nach der alten Rechtslage jedwede Art der Freiheitsentziehung, sei es Ordnungshaft, §§5112,7012 StPO BVerwG, Urt. v. 19. Mai 1988, BVerwG 7C 37.38, E79, 339 (340). Zum Verwaltungsrechtsweg gegen ein Ordnungsgeld wegen grundloser Zeugnisverweigerung, siehe OVG Münster, Entsch. v. 24. März 1998, Az.5 A216/95, NJW 1999, 80 (80), mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung. 372 Siehe BFH, Urt. v. 13. Sept. 1972,1 R189/70, BStBl. II 1973, 119 (119); FG Hamburg, Urt. v. 11. Juli 1985, III 127/85, NVwZ 1986, 598, und auch BFH, Entsch. v. l.Dez. 1992, Az. VII Β 126/92, Entscheidungsgründe Nr. 1 (Juris-Datenbank) zur Vorlage von Steuerakten aus dem Bereich der Finanzverwaltung an einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß. Bei der Herausgabe von Akten aus einem Verfahren des Steuerstrafrechts sind hingegen wieder die Verwaltungsgerichte zuständig, OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß v. 7. Jan. 1986,7 Β 73/85, AS RP-SL 20, 228 (233). 373 BVerwG, Urt. v. 21. Nov. 1980,7C85.78, BayVB1. 1981,214 (214f.). Ablehnend dieser Rechtsprechung gegenüber Di Fabio , Rechtsschutz, S. 116 f. Er ist der Ansicht, diese Streitigkeiten seien als genuin verfassungsrechtliche Streitigkeiten im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht auszutragen. 374 Darstellung der h. M. bei Kopp!Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 12. Aufl. 2000, § 40, Rn. 32, bzw. der Kritik an der h. M. in Rn. 32 a. 375 Analyse und Kritik bei Di Fabio , Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 102-117. 376 Verfassungsrechtliche Grundlage: Art. 104 II 2 GG.

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oder § 178 GVG, sei es Beugehaft, § 70 II StPO, sei es die Anordnung der Durchsuchung oder die Beschlagnahme von Beweismitteln, §§ 102,1051 StPO. 377 Gegen die Anordnung des Richters auf Antrag des Untersuchungsausschusses stand dem Betroffenen die Beschwerde gem. § 304 StPO zu.

(c) Zusammenfassung und Kritik Weil im Beweisverfahren durch das Grundgesetz (Art. 44 II 1 GG) die sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung angeordnet wird, wurde nach der bisherigen Rechtslage der Rechtsschutz gegen mittelbare Maßnahmen des Untersuchungsausschusses den ordentlichen Gerichten zugewiesen. Gegen die unmittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses hatten die Verwaltungsgerichte den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet erklärt. Der von einer Beweiserhebungsmaßnahme Betroffene hat keine Möglichkeit, das Verfassungsgericht direkt anzurufen. Der Rechtsschutz des Betroffenen gegen Maßnahmen des Untersuchungsausschusses ist also durch eine Disparität (Aufspaltung) der Rechtswege gekennzeichnet. Wie Schröder zu Recht feststellt, ist die Folge von alledem, daß die Beweiserhebung ein und desselben Untersuchungsausschusses von verschiedenen Gerichtsbarkeiten mit der Gefahr divergierender Entscheidungen beurteilt wird. 378 Man konnte nicht einmal davon ausgehen, daß wenigstens die Zuordnung einzelner Maßnahmen innerhalb der verschiedenen Gerichtsbarkeiten als geklärt gelten konnte, wie eine Entscheidung des LG Bonn zeigt. Das LG Bonn hatte dort die Auffassung vertreten, daß die Überprüfung aller Beweiserhebungsmaßnahmen des Untersuchungsausschusses den ordentlichen Gerichten zugewiesen sei. 379 Zu einer verfassungsgerichtlichen Entscheidung kam es jedenfalls nach der bisherigen Rechtslage nur dann, wenn der Private gegen Entscheidungen der Fachgerichte im Zusammenhang mit Maßnahmen des Untersuchungsausschusses zum außerordentlichen Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde nach Art. 931 Nr. 4 a GG, §§ 90 ff. BVerfGG griff. Dieses Verfahren konnte nicht vom Untersuchungsausschuß in Gang gebracht werden, denn als dem Bürger gegenüber handelnde Behörde kann der Untersuchungsausschuß bzw. der Bundestag für den Untersuchungsausschuß keine subjektiven Rechte, die in der Verfassungsbeschwerde geltend gemacht 377 Dieses Zwangsmittel zur Erlangung von Beweisen ist streng genommen nicht unmittelbar oder zwangsläufig gegen einen Zeugen gerichtet und wird daher unten gesondert dargestellt. Die Frage, ob der Untersuchungsausschuß bei Gefahr im Verzug die Durchsuchung auch selbst anordnen kann, wurde in BVerfGE 77, 1 (52 f.) offengelassen. In einer Entscheidung vom 20. Feb. 2001, Az. 2 BvR 1440/00, Absatz-Nr. 31, http://www.bverfg.de/, hat das Bundesverfassungsgericht eindringlich auf den Ausnahmecharakter von Art. 13 II GG, der bei Gefahr im Verzug die Anordnung der Durchsuchung auch durch andere Organe als den Richter gestattet, betont. 378 Schröder, Gutachten, E 89. 379 LG Bonn, Beschl. v. 15. Dez. 1997, 31 Qs 98/97 (unveröffentlicht).

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

werden können, in Anspruch nehmen. Zur Erinnerung sei bemerkt, daß sich die Verfahrenskonstellation in diesem Fall immer so dargestellt hat, daß der Beschwerdeführer eine ihn belastende, aus der Sicht des Untersuchungsausschusses also bis dahin erfolgreich durchgesetzte Maßnahme, mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen hat. Bei einer solchen Verfassungsbeschwerde handelte es sich dann um eine „Urteils"-verfassungsbeschwerde gegen eine Entscheidung des Landgerichts oder des Oberverwaltungsgerichts. 380 Im Verfahren der Verfassungsbeschwerde erhielt der Untersuchungsausschuß zwar dann regelmäßig Gelegenheit zur Äußerung (§ 941 BVerfGG) 381 , ein echtes kontradiktorisches Verfahren kam jeweils jedoch nicht zustande. Scheiterte daher der Untersuchungsausschuß vor den Fachgerichten mit der Durchsetzung von Maßnahmen, konnten er oder der Bundestag kein Verfahren vor dem Verfassungsgericht anstrengen. Es blieb dann dabei, daß über die Reichweite des Untersuchungsrechts aus Art. 441 GG, sei es auch in bezug auf das Verhältnis zu Grundrechten der von der Untersuchung Betroffenen nur die Fachgerichte in einer inzidenten Prüfung abschließend zu entscheiden hatten, denn der betroffene Private hat selbstverständlich im Falle einer für ihn günstigen Entscheidung der Fachgerichte keine Verfassungsbeschwerde angestrengt. In der Literatur wurde dieses verfahrensrechtliche Ergebnis mit dem Begriff der „Asymmetrie des Rechtsschutzes" der Untersuchungsausschüsse im Beweiserhebungsverfahren beschrieben. 382 Möglicherweise war hierbei der Begriff „Rechtsschutz" im Verhältnis Untersuchungsausschuß und Bürger zu weitgehend gewählt, denn einen „Anspruch" auf Durchsetzung von kompetenziellen Rechten auch gegenüber Grundrechtsträgern gibt es nicht. Richtig war aber die dahinter stehende Feststellung, daß hier eine - materiell betrachtet - verfassungsrechtliche Frage, nämlich die Frage nach der Reichweite des Untersuchungsrechts aus Art. 441 GG vom Untersuchungssausschuß nicht vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden konnte. Die Rechtmäßigkeit der Beweiserhebung gegenüber Privaten wurde im Instanzenzug der Fachgerichte nach bisheriger Rechtslage abschließend entschieden, denn ein verfassungsgerichtliches Verfahren stand insoweit nicht zur Verfügung. Die insbesondere von Di Fabio vorgetragene Auffassung, daß gegen unmittelbare Maßnahmen des Untersuchungsausschusses unmittelbar die Verfassungsbeschwerde erhoben werden könne,383 hat sich in der Rechtsprechung nicht durchsetzen können. Zwar ist das Organstreitfahren für verfassungsrechtliche Streitigkeiten das „allgemeine" Verfahren zwischen Verfassungsorganen. Die Beweiserhebung gegenüber Privaten ist jedoch materiell ein exekutivisches Recht des Untersuchungsausschusses. Somit betrat der Untersuchungsausschuß in einem solchen Fall 380 Nur die letztinstanzlichen Urteile kommen grundsätzlich in Betracht, denn der Beschwerdeführer hat vor der Erhebung der Verfassungsbeschwerde den Rechtsweg auszuschöpfen, §90111 BVerfGG. 381 Siehe dazu auch BVerfGE 77, 1 (27); 76, 363 (377). In diesen Verfahren wurde jeweils auch dem Untersuchungsausschuß Gelegenheit zur Äußerung gegeben. 382 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 170, m.w.N. 383 Di Fabio , Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 116 f.

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ein Gebiet, in dem über die Rechtsverletzung gem. Art. 19IV GG regelmäßig von den Fachgerichten entschieden wird. Schröder kritisiert zudem, daß der Rechtsweg gegen Beweisbeschlüsse in aller Regel bei den Landgerichten bzw. den Oberverwaltungsgerichten endete, so daß diese damit letztinstanzlich über bundesverfassungsrechtliche Fragen entschieden.384 Schließlich kann man auch die umfassende Prüfungskompetenz des angerufenen Gerichts in einer auf verfassungsrechtlicher Ebene angesiedelten Frage als funktionell unangemessen ansehen.385 Folgt man dieser Kritik, tut sich hier eine verfassungsprozessuale Lücke auf. (4) Exkurs: Die Durchsetzung des Amtshilfeanspruchs anderen Behörden und Gerichten

gegenüber

Gegenüber Gerichten und Behörden hat der Untersuchungsausschuß für die Zwecke der Tatsachenermittlung einen Anspruch auf Amtshilfe. 386 Bis zur Regelung der Grundsätze der Amtshilfe in §§4, 5 VwVfG wurde weithin die Auffassung vertreten, daß gegen die Verweigerung der Amtshilfe nur die Gegenvorstellung und die Dienstaufsichtsbeschwerde zulässig seien.387 Mittlerweile wird jedoch davon ausgegangen, daß die gerichtliche Durchsetzung dieses Anspruches möglich ist. Strittig ist allerdings weiterhin, ob die Verweigerung der Amtshilfe einen Verwaltungsakt darstellt, der im Wege der Verpflichtungsklage erzwungen werden kann oder ob von der ersuchenden Behörde im Wege der Leistungsklage vorgegangen werden muß. 388 Jedenfalls aber ist nach der bisherigen Rechtslage der Verwaltungsrechtsweg gem. § 4011 VwGO eröffnet gewesen. Es fragt sich allerdings, ob für den hier regelmäßig vorliegenden Fall (Untersuchungsausschuß gegen eine Landesbehörde) nicht doch eine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Form des Bund-LänderStreits gem. Art. 931 Nr. 3 GG vorliegen könnte. Das Bundesverwaltungsgericht hat dies in einer jüngeren Entscheidung für den Fall des Ersuchens eines Landesuntersuchungsausschusses zur Erteilung der Aussagegenehmigung durch einen Bundesminister verneint. Die geltend gemachten Amtshilfeansprüche wurzelten im engeren Sinne im einfachen Recht, auch wenn sie mit Blick auf die verfassungsrechtlichen Kompetenzen von Untersuchungsausschüssen auszulegen seien.389 Auch hierin könnte man, wenn man die Bestimmung in Art. 44 III GG für einen materiell verfas384

Schröder, Gutachten, E 90; die Kritik am derzeitigen Rechtsschutzsystem ebenfalls noch einmal zusammenfassend Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 170 m.w.N. 385 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Bd. II, Art. 44, Rn.56. 386 Siehe oben 1.4. a) aa) (3), S. 69. 387 Gubelt, in: vM/K, GGK II, Art. 35, Rn. 19, m. w. N. 388 Kopp/Ramsauer, VwVfG, 7. Aufl. München 2000, §5, Rn.41. 389 BVerwG, Beschl. v. 13. Aug. 1999,2 VR 1/99, BVerwGE 109,258 (259-261). Vielmehr bejahte es eine eigene erstinstanzliche Zuständigkeit nach § 501 Nr. 1 VwGO. 8 Platter

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sungsrechtlichen Anspruch des Untersuchungsausschusses hält, eine verfassungsprozessuale Lücke im Zusammenhang mit der bisherigen Rechtslage erblicken. ee) Verfassungsprozessuale Rechte von Minderheiten bei der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses Wie schon bei der Darstellung des Ablaufes des parlamentarischen Untersuchung selbst dargestellt, 390 ist die Durchsetzung des Rechts auf Beweiserhebung nur die äußere Seite der Beweiserhebung. Die ausschußinterne Entscheidung über das „Ob" der Beweiserhebung ist von mindestens ebenso großer Bedeutung. Der bereits geschilderte Grundfall ist nicht der typische Fall der parlamentarischen Praxis, da sich die politischen Mehrheiten durch die proportionale Besetzung des Ausschusses auch dort für oder gegen einen Beweisantrag zusammen finden. Im Untersuchungsausschuß befinden sich die Vertreter der Einsetzungsminderheit wiederum in der Minderheit. Nachfolgend soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern Minderheitenrechte auch über die Einsetzung des Untersuchungsausschusses hinaus, insbesondere im Beweisverfahren, durchgesetzt werden können. Die Einsetzung des Untersuchungsausschusses ist in Art. 441 GG klar als Minderheitenrecht ausgestaltet. Sehr problematisch ist dagegen eine verfassungsrechtliche Verortung des Beweiserhebungsrechts der Minderheit. Obwohl der Ablauf des Untersuchungsverfahrens selbst für den „Untersuchungserfolg" mindestens so wichtig ist wie die Bestimmung des Untersuchungsthemas, sind im Grundgesetz keine weiteren Minderheitenrechte ausdrücklich normiert. Die Wahl eines bestimmten Beweismittels zu dem in groben Zügen bereits vom Untersuchungsgegenstand vorgegebenen Beweisthema traf der Untersuchungsausschuß schon nach bisheriger Rechtslage durch Beschluß. Im internen Verfahren des Untersuchungsausschusses war er dabei regelmäßig an § 12 II IPA-Regel, der den Antragstellern - d. h. einem Viertel der Ausschußmitglieder oder dem Betroffenen - ein Beweisantragsrecht einräumt, gebunden.391 Da es sich nicht um eine verfassungsrechtliche Bestimmung, nicht einmal um eine solche der Geschäftsordnung des Bundestages handelt, gab sie aber für die Verfahrensvoraussetzungen des Organstreitverfahrens nichts her. Die Existenz und der Inhalt von Minderheitsrechten im Beweiserhebungsverfahren hängen damit von der Auslegung des Art. 4411 GG ab. Minderheitsrechte im Beweiserhebungsverfahren können dabei auf zwei Ebenen wirksam werden. Ausschußintern kann zunächst darüber gestritten werden, welche Beweise in welcher Form und in welcher Reihenfolge erhoben und ob die Beweisbeschlüsse auch durchgesetzt werden. Darüber hinaus könnte man sich fragen, ob eine Minderheit auch unmittel390

Siehe oben I.4.b). Zu dessen Interpretation siehe im einzelnen Engels, Parlamentarische Untersuchungsausschüsse, S.143-147. 391

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bar gegen andere Verfassungsorgane oder auch private Dritte Beweisbeschlüsse mit Hilfe der Gerichte durchsetzen kann. Nicht ganz fernliegend wäre eine solche Möglichkeit jedenfalls dann, wenn der Untersuchungsausschuß es unterläßt, einen einmal gefaßten Beweisbeschluß durchzusetzen. Zum ausschußinternen Streit hat das Bundesverfassungsgericht im Urteil zum Parteispenden-Ausschuß392 einige wesentliche Fragen entschieden. Zu einem „außenwirksamen" Beweisantragsrecht können möglicherweise aus der zeitlich vorangehenden Entscheidung zum Flick-Untersuchungsausschuß393 bestimmte Schlußfolgerungen gezogen werden. ( 1 ) Die möglichen Antragsteller Unter dem Aspekt der Durchsetzung von Minderheitsrechten ist zunächst zu fragen, wer nach bisheriger Rechtslage im Beweiserhebungsverfahren eines Untersuchungsausschusses als Minderheit überhaupt in Betracht kommen konnte. (a) Die Vertreter der Einsetzungsminderheit im Ausschuß als Antragsteller aus eigenem Recht Die politisch am meisten berufenen Personen, die Zielvorstellungen der Einsetzungsminderheit auch im Ausschuß verfolgen, scheinen die Vertreter der Einsetzungsminderheit im Ausschuß zu sein. 394 Aber weder die Verfassung noch die Geschäftsordnung 395 stellten im Rahmen der bisherigen Rechtslage eine Verbindung zwischen der Einsetzungsminderheit und ihren Vertretern im Untersuchungsausschuß her, obwohl die Verlängerung des Minderheitsrechts auf die Vertreter der Einsetzungsminderheit im Ausschuß aus dem oben angedeuteten Grund nahe liegt. 396 Die Geschäftsordnung stattet nur die „Fraktionen im Ausschuß" (§§59IV, 60 II, 61 II, 64 II 3 GO-BT) oder auch numerische Minderheiten von einem Drittel der Mitglieder des Ausschusses (§§ 60 II, 61 II GO-BT) im Ausschuß mit gewissen Verfahrensrechten aus. Von einigen Autoren in der Literatur wird dennoch die Ansicht vertreten, daß sich aus Art. 441 GG ein verfassungsrechtliches Beweisantragsrecht der Minderheit im Ausschuß ergebe. 397 Dabei wird auf die Entstehungsgeschichte des Art. 44 GG verwiesen. Der parlamentarische Rat habe keinesfalls hinter dem Minderheitenschutz des Art. 34 WRV zurückbleiben wollen, der „den Antragstellern" 392

BVerfG, Urt. v. 8. April 2002, Az. BvE 2/01, http://www.bverfg.de/. BVerfGE 67, 100. 394 Vgl. § 12 II IPA-Regeln. 395 Die Geschäftsordnung beachtet die möglichen Vertreter der Einsetzungsminderheit auch insofern nicht, als das Benennungsrecht für die Zusammensetzung des Ausschusses allein bei den Fraktionen liegt. 396 Positiv so geregelt in Art. 54 II 2 Verf. LSA. 397 Schmidt-Hartmann, Schutz der Minderheit im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 31-54; Haberland, Die verfassungsrechtliche Bedeutung der Opposition, Berlin 1995, S. 102; Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Bd. II, Art. 44, Rn. 10. 393

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ein Beweisantragsrecht zubilligte. Selbst wenn aber das Recht der Minderheit in Art. 44 GG nicht hinter dem in Art. 34 WRV zurückbleiben sollte, so ist damit ein gerade der Minderheit im Ausschuß zugeordnetes Beweisantragsrecht nicht dargelegt, denn das Beweisantragsrecht der „Antragsteller" unter Geltung der WRV bezog sich nach überwiegender Meinung auf die Einsetzungsminderheit, erstreckte sich jedoch nicht auf die Vertreter der Einsetzungsminderheit im Ausschuß.398 Daneben sei noch erwähnt, daß mehrere geltende Landesverfassungen dem Passus in Art. 3412 WRV ähnliche Formulierungen enthalten und diese Verfassungen überwiegend ebenfalls nicht dahingehend ausgelegt werden, der Minderheit im Ausschuß ein Beweisantragsrecht zuzubilligen.399 Teilweise wurde in der Literatur die Entscheidung BVerfGE 49, 70 als Beleg dafür angeführt, daß den Vertretern der Einsetzungsminderheit im Ausschuß ein verfassungsrechtlich verankertes Beweiserhebungsrecht zustehe.400 Zuzugeben ist den Vertretern dieser Ansicht, daß das Bundesverfassungsgericht in dieser Entscheidung die Bedeutung des Minderheitsrechts besonders hervorhebt. Das Gericht bezieht dies aber an keiner Stelle auf die Vertreter der Einsetzungsminderheit im Ausschuß. Das Bundesverfassungsgericht hatte im übrigen auch keinen Grund, auf diese Frage einzugehen, da es in dieser Entscheidung um die Frage der Minderheitsrechte bei der Einsetzung des Untersuchungsausschusses ging. Deutlicher äußerte sich zur Frage des Beweisantragsrechts der Minderheit im Ausschuß der bayrische Verfassungsgerichtshof. Zu Art. 25 BV a. F. 401 , der ebenso wie das Grundgesetz ein Beweisantragsrecht einer Minderheit nicht ausdrücklich erwähnte, stellte er klar, daß die Landtagsminderheit nach Art. 251 BV (also die Einsetzungsminderheit) auch ein Recht auf Klärung der Untersuchungsthemen und Erhebung des erforderlichen Beweises hatte. Die einzelnen Angehörigen des Untersuchungsausschusses und damit 398 Lammers, §94, HbDStR II, S.469 f.; Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reichs, Art. 34, Abschn. 2. 399 Siehe Art. 35 BaWüVerf., Art. 48 II 2 BerlVerf., Art. 72 III 2 BbgVerf., Art. 9212 HessVerf., Art. 4112 NW Verf. Freilich war schon bei Art. 3412 WRV umstritten, ob sich das Beweisantragsrecht nur auf die Einsetzungsminderheit als „Antragsteller" im Plenum oder auch auf die Vertreter der Antragsteller im Untersuchungsausschuß bezog (ablehnend beispielsweise Lammers, aaO. [Fn. 23]). In den genannten Landesverfassungen wird überwiegend den Antragstellern im Plenum die Durchsetzung von Beweisanträgen ermöglicht, siehe beispielsweise Art. 9212 HessVerf. und dazu Zinn!Stein, Verfassung des Landes Hessen, Bd. 1, 16. Ergänzungslieferung Januar 1999, Art. 92, Erl. 7 b; nur in der Verf. LS A (Art. 54 I I 2) werden die „Vertreter der Antragsteller im Ausschuß" besonders hervorgehoben, so daß hier klar das Beweisantragsrecht auf die Minderheit im Ausschuß übergeht. (Wenigstens mit dem Recht auf Berücksichtigung bei der Besetzung des Ausschusses versehen ist die Einsetzungsminderheit in Art. 18 II 1 SchlHVerf.). 400 Pieroth, in: Jarass/Pieroth, Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, 5. Aufl. München 2000, Art. 44, Rn.7, so auch Schneider, in: AK II, Art. 44, Rn.5; ihm folgend auch Magiern, in: Sachs, GG, Art. 44, Rn.21. 401 Vgl. nunmehr die neue Fassung des Art. 25 Abs. 4 (Gesetz zur Änderung der Verfassung [Verfassungsreformgesetz - Reform von Landtag und Staatsregierung] v. 20. Feb. 1998, GVB1. S. 39), die die Frage des Beweisantragsrechts jetzt ausführlich regelt.

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die jeweilige Minderheit im Ausschuß seien aber gem. Art. 25 BV (a. F.) nicht mit eigenen Rechten ausgestattet.402 Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zum Parteispendenausschuß an dieser Unterscheidung nichts geändert. Zwar werden dort die entsandten Abgeordneten einer Fraktion im Bundestag, die die Stärke der qualifizierten Minderheit nach Art. 4411 GG erreicht, als Repräsentanten der Einsetzungsminderheit 403 bezeichnet, jedoch ist ihre Parteifähigkeit weiterhin an ihre Funktion als Fraktion im Ausschuß gekoppelt.404 Die verfassungsgerichtliche Rechtsprechung billigt den Vertretern der Einsetzungsminderheit im Ausschuß als solchen (d. h. ohne Anbindung an eine Fraktion) keinen verfassungsrechtlichen Beweiserhebungsanspruch zu. 405 Daraus ergibt sich die verfassungsprozessuale Konsequenz, daß die Vertreter der Einsetzungsminderheit im Ausschuß in einem Untersuchungsausschuß nach dem Grundgesetz nach bisheriger Rechtslage im Oiganstreitverfahren bereits nicht parteifähig (§ 63 BVerfGG) und erst recht nicht antragsbefugt (§ 641 BVerfGG) vor dem Bundesverfassungsgericht waren. Die Vertreter dieser Gruppe konnten daher weder aus eigenem Recht noch im Wege der Prozeßstandschaft ein Organstreitverfahren anstrengen.

(b) Die Fraktion im Ausschuß als mögliche Antragstellerin aus eigenem Recht Nach der bisherigen Rechtslage sind aber die entsandten Vertreter der Fraktionen in den Ausschüssen durch die Geschäftsordnung des Bundestages mit eigenen Rechten ausgestattet (§§59IV, 60 II, 61 II, 64 II 3 GO-BT, „Fraktionen im Ausschuß"). Der abstrakten Bestimmung der Parteifähigkeit folgend, sind damit die Fraktionen im Ausschuß parteifähig gem. § 63 BVerfGG. Das sah auch das Bundesverfassungsgericht in der Flick-Entscheidung und in der Parteispenden-AusschußEntscheidung so. 406 Für ein eigenes Beweiserhebungsrecht der Fraktion im Ausschuß als Grundlage der konkreten Antragsbefugnis (§ 641 BVerfGG) gegen den Bundestag fand (und findet) sich kein Anknüpfungspunkt im Wortlaut der Verfassung. Schon die Fraktionen im Plenum als parlamentarische Gruppierung sind im Grundgesetz nur an einer Stelle erwähnt; im Zusammenhang mit der Besetzung des Gemeinsamen Ausschusses werden ihnen Besetzungsrechte ihrem Stärkeverhältnis im Plenum eingeräumt (siehe Art. 53 a GG). Im Rahmen des Art. 44 GG werden die Fraktionen jedoch nicht 402

BayVerfGH 35, 82 (86). BVerfG, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az. BvE 2/01, Absatz-Nr. 98, http://www.bverfg.de/. 404 BVerfG, aaO., Absatz-Nr. 95. 405 Zu diesem Ergebnis kommen auch Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 173. 406 BVerfGE 67, 100 (124); BVerfG, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az. BvE 2/01, Absatz-Nr. 95 http://www.bverfg.de/. 403

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genannt, auch nicht, anders als in vielen Landesverfassungen 407, im Zusammenhang mit der Besetzung des Ausschusses. Das in Art. 441 GG enthaltene Minderheitsrecht ist gerade nicht den Fraktionen zugeordnet, sondern einer numerischen Minderheit. Erst recht keine Erwähnung in der Verfassung finden die „Fraktionen im Ausschuß". Schmidt-Hartmann gelangt dennoch zu einer Auslegung von Art. 4411 GG, bei der er sogar eine schlichte Übertragung des Quorums von der Einsetzungsminderheit in den Ausschuß als zu wenig minderheitenfreundlich ablehnt und deshalb sogar der „Ein-Personen-Minderheit" - faktisch also auch Fraktionen im Ausschuß - ein eigenes Beweisantragsrecht einräumen will. 4 0 8 Die von ihm vorgenommene Interpretation der Verfassungsnorm im Lichte ihrer Vorgängernorm aus der Weimarer Reichsverfassung überzeugt allerdings nicht. Der methodische Rückblick auf die historische Vorgängernorm (Art. 34 WRV) führt hier nicht weiter, denn die Fraktionen sind in ihr, im Gegensatz zu den Antragstellern, nicht erwähnt. Die vom Bundesverfassungsgericht nur für ein Beweiserhebungsrecht (Aktenherausgabe) gegen die Bundesregierung oder einen Fachminister erhobene Aussage, daß es ein verfassungsrechtlich verankertes Aktenvorlagerecht der Fraktion im Ausschuß nicht gebe409, gilt letztendlich allgemeiner, das heißt auch für Beweiserhebungsrechte im Untersuchungsausschuß.410 Das Bundesverfassungsgericht rückt auch im Parteispenden-Ausschuß-Urteil von dieser Auffassung nicht ab, denn die dort als Antragstellerin zugelassene Fraktion im Ausschuß wird als Prozeßstandschafterin zugelassen, nicht etwa als Inhaberin eines eigenen Beweiserhebungsrechts. 411 (c) Die Einsetzungsminderheit als Trägerin des Beweiserhebungsrechts/Die Lösung des Bundesverfassungsgerichts Schied eine Geltendmachung des Beweisantragsrechts durch Minderheiten des Untersuchungsausschusses aus, so stellte sich nach bisheriger Rechtslage die Frage, ob jedenfalls die Einsetzungsminderheit als Initiatorin des Untersuchungsausschusses über ein ihr zugeordnetes Minderheitsrecht die Beweiserhebung erzwingen konnte. Das Minderheitsrecht der Einsetzungsminderheit aus Art. 4411 GG in einem umfassenderen Sinne auszulegen, es also auch auf die Beweiserhebung auszudehnen, ist der Weg, den das Bundesverfassungsgericht zur Sicherung des Minder407

Berücksichtigung bei der Besetzung des Vorsitzenden-Posten, Art. 25 II BV, Art. 72 II 1 BbgVerf., Art. 34 II 3 MV; jede Fraktion muß - unter Berücksichtigung des Stärkeverhältnisses - vertreten sein, Art. 34 II 1 und 2 M Werf., Art. 9112 RhPfVerf, Art. 18 II 1 SchlHVerf (siehe auch Fn. 399), Art. 64 II ThürVerf. 408 So die sehr weitgehende Ansicht von Schmidt-Hartmann, Schutz der Minderheiten im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 56. 409 BVerfGE 67, 100 (126). 410 Zu diesem Ergebnis kommen auch Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 174. 411 BVerfG, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az. BvE 2/01, Absatz-Nr. 98, http://www.bverfg.de/.

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heitenrechts auch im Beweiserhebungsverfahren beschritten hat. In der Flick-Entscheidung billigte das Gericht der entsprechend mitgliederstarken Fraktion im Rahmen der Antragsbefugnis die Geltendmachung des Aktenvorlageanspruchs auch in ihrer Rolle als Einsetzungsminderheit einen Anspruch auf Aktenvorlage nach Art. 4411 GG aus eigenem Recht zu. Unterstützt die Regierung den Untersuchungsausschuß nicht oder behinderte ihn gar bei seinen Aufgaben als Hilfsorgan 412, verletzt sie damit das Kontrollrecht des Parlaments in seiner Form als Minderheitsrecht der Einsetzungsminderheit. 413 Das Recht der Beweiserzwingung wird damit zum Teil des parlamentarischen Kontrollrechts. 414 Aufgrund des konkreten Sachverhalts im Flick-Verfahren konnte das Verfassungsgericht dies nur für das Beweiserzwingungsrecht (die Durchsetzung eines bereits angenommen Beweisantrags gegenüber einem anderen Verfassungsorgan) entscheiden, denn im Fall Flick war der Beweisantrag der Minderheit im Ausschuß durch Beschluß angenommen worden. Abgelehnt worden war lediglich mehrheitlich, einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht zu stellen.415 Wird aber durch die Nichterhebung eines Beweises das eigene (Kontroll-)Recht der Minderheit verletzt (Beweiserzwingungsrecht), so wird dieses Recht auch dann verletzt, wenn der minderheitlich gestellte Beweisantrag im Untersuchungsausschuß ungerechtfertigt von der Mehrheit des Ausschusses zurückgewiesen wurde (Beweisantragsrecht). Da auch das Bundesverfassungsgericht ausdrücklich vom eigenen Recht der Einsetzungsminderheit sprach, war schon nach der Flick-Entscheidung Art. 4411 GG folgerichtig so auszulegen, daß die Einsetzungsminderheit bereits die Ablehnung eines Beweisantrages durch die Mehrheit im Untersuchungsausschuß auf ihre Verfassungsmäßigkeit überprüfen lassen kann. 416 Denn die Benennung eines eigenen Rechts der Einsetzungsminderheit in dieser Entscheidung wäre überflüssig gewesen, wenn sich die Antragsbefugnis der Einsetzungsminderheit auf eine Prozeßstandschaft zur Geltendmachung einer Verletzung des Kontrollrechts des Bundestages hätte erschöpfen sollen. Im Parteispenden-Ausschuß-Urteil hat das Bundesverfassungsgericht diese Rechtsprechung noch erheblich ausgebaut. Dieses Verfahren bot dem Gericht Gelegenheit, zur Ablehnung von Beweisen durch die Mehrheit des Ausschusses Stellung zu nehmen. Der Untersuchungsausschuß, in dessen Verlauf der Streit über die Be412 . . . ein Begriff, der offenbar untechnisch gemeint ist und nicht im Sinne von Verfassungsorgan und möglichem Hilfsverfassungsorgan. 413 BVerfGE 67,100 (124). Von Löwer, Aktenvorlageanspruch vor dem Bundesverfassungsgericht, Jura 1995, 358 (362), als Recht auf effektive Durchführung eines Untersuchungsverfahrens eingeordnet. 414 Siehe auch Schröder, Gutachten, E109. 415 BVerfGE 67, 100(111). 416 Welche Gründe es für eine verfassungsrechtlich gerechtfertigte Zurückweisung eines Beweisantrages im Untersuchungsausschuß geben mag, ist eine Frage der Reichweite des Überprüfungsrechts im Untersuchungsausschuß. Für die Frage der Fortführung der Beweiserhebung siehe NWVerfGH, Beschl. v. 7. März 1995, Az. 3/95, NWVB1. 1995, 248 (250).

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weiserhebung entstanden war, war der erste Untersuchungsausschuß der 14. Wahlperiode. Er war auf Antrag der regierungstragenden Mehrheit, bestehend aus der SPD-Fraktion und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Aufklärung von Spenden-Affären der vorangegangen, von der CDU/CSU und F. D. P. getragenen Regierung eingesetzt worden. Nach einer Erweiterung des Untersuchungsauftrages durch die Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf das Finanzgebaren von (allen) Parteien wurden im Untersuchungsausschuß später auch Vorgänge im Zusammenhang mit der SPD von der CDU/CSU-Opposition zum Thema gemacht. Dabei wurden mehrere der von der Opposition im Ausschuß gestellten Beweisanträge für unzulässig erklärt, einige bereits gefaßte Beweisbeschlüsse nicht umgesetzt. Der von der CDU/CSU-Fraktion und den von ihr in den Ausschuß entsandten Mitgliedern gestellte Antrag gegen den Untersuchungsausschuß auf Feststellung der Verletzung von Art. 4411 GG durch diese Vorgehensweise hatte in weiten Teilen Erfolg. Das Bundesverfassungsgericht stellte fest, daß die Einsetzungsminderheit nach Art. 4411 GG ein Recht auf Berücksichtigung ihrer Beweisanträge im Untersuchungsausschuß hat. 417 Als Einsetzungsminderheit in diesem Sinne sei nicht nur diejenige Minderheit anzusehen, auf deren Einsetzungsantrag der konkrete Untersuchungsausschuß zustande kommt, sondern auch jede „potentielle" Einsetzungsminderheit. Darunter versteht das Gericht eine Minderheit im Bundestag, die gegebenenfalls selbst einen Untersuchungsausschuß zustandebringen könnte. Diese Minderheit sei auch dann nicht an der Wahrnehmung ihrer Verfahrensrechte im Beweiserhebungsverfahren des Untersuchungsausschuß des Bundestages gehindert, wenn sie zuvor gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses opponiert hat. 418 Das Bundesverfassungsgericht begründet dies damit, daß ansonsten die Minderheit zur Einsetzung eines parallelen Untersuchungsausschusses gezwungen würde, wollte sie in den Genuß ihrer Verfahrensrechte gelangen. Dies wiederum erschwere die parlamentarische Arbeit und belaste sie mit unnötigem Aufwand. Mit der Zuordnung des Beweiserhebungsrechts zur qualifizierten Einsetzungsminderheit hat das Gericht den Art. 4411 GG mit dem Inhalt aufgeladen, den sein historischer Vorgänger, Art. 3411 WRV, nach überwiegender Meinung der Staatsrechtlehre seinerzeit gehabt hat. 419 Das Gericht leugnet dabei nicht, daß die Entstehungsmaterialien keinen Hinweis dafür liefern, daß die Inhaltsgleichheit trotz abweichendem Wortlaut gewollt war, meint aber, daß die Entstehungsgeschichte jedenfalls nicht gegen eine solche teleologische Auslegung spreche. Scheint diese Begründung, die ein Stillschweigen der Materialien in eine positive Aussage umdeutet, auch methodisch nicht ganz zureichend, so ist doch dem Bundesverfassungsgericht zuzugestehen, daß Rechte der Minderheit nicht ernsthaft allein auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses begrenzt sein können, will man den Untersu417 418 419

BVerfG, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az. 2 BvE 2/01, Absatz-Nr. 104, http://www.bverfg.de/. BVerfG, aaO., Absatz-Nr. 110. Siehe oben erster Hauptteil, I. l.a)bb), S.25.

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chungsausschuß nicht letztendlich doch zum Aufklärungsverschleppungsinstrument in den Händen der Mehrheit degradieren. Im Gegensatz zu denjenigen Stimmen in der Literatur, die eine Minderheit im Ausschuß mit dem Beweiserhebungsrecht ausgestattet sehen, hat der methodische Weg des Bundesverfassungsgerichts für sich, daß er sich bestehender Anknüpfungspunkte im Wortlaut der Verfassung bedient. Das für den Sonderfall der Mehrheitsenquete angenommene Beweiserhebungsrecht der „potentiellen" Einsetzungsminderheit geht indes auch über die Reichweite der Vorgängernorm Art. 341 WRV in der Interpretation der seinerzeit herrschenden Meinung hinaus.420 Letztendlich wird damit der bisher angenommene Unterschied zwischen Mehrheits- und Minderheitsenquete erheblich eingeebnet und das Beweiserhebungsrecht einem beliebigen Viertel der Mitglieder Bundestages zugeordnet, soweit es sich zur Durchsetzung eines Beweisantrags vor dem Bundesverfassungsgericht zusammenfindet. Da Art. 4411 GG den Begriff der Fraktion nicht kennt, kann man auch nicht verlangen, daß sich die potentielle Einsetzungsminderheit bereits zuvor als Fraktion oder in anderer Weise im Bundestag formiert hat. Inhaltlich definierte das Bundesverfassungsgericht das Beweiserhebungsrecht als Anspruch auf Befolgung von Beweisanträgen, soweit sie nicht sachwidrig oder mißbräuchlich sind und als Anspruch auf Vollzug von in dieser Weise gefaßten Beweisbeschlüssen, soweit damit die Erfüllung des Untersuchungsauftrages nicht gefährdet wird. 421 Nicht unmittelbar zu entscheiden hatte das Bundesverfassungsgericht, ob darin auch ein Anspruch auf Beweiserzwingung gegenüber Dritten enthalten ist; bei verständiger Würdigung liegt dies jedoch auf der Hand, wie ein Blick auf eine Entscheidung des Niedersächsischen Staatsgerichtshofs 422 zeigt: Für die Einsetzungsminderheit im Sinne des Art. 11 II 2 der Vorläufigen Niedersächsischen Landesverfassung 423 hat der Niedersächsische Staatsgerichtshof einen solchen Antrag im Organstreitverfahren für zulässig erklärt. Diese Rechtsprechung ist auf ein Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht übertragbar, da die vorläufige Niedersächsische Landesverfassung das Beweiserhebungsrecht der Einsetzungsminderheit sogar ausdrücklich bestimmte. Die weitergehende Folgerung des niedersächsischen Staatsgerichtshofes, das Beweiserhebungsrecht setze sich aus ei420 Allerdings für eine ähnliche Interpretation von Art. 34 WRV damals schon Heck, Das parlamentarische Untersuchungsrecht, S.51. 421 BVerfG, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az.2 BvE 2/01, Absatz-Nr. 112f., http://www.bverfg.de/. 422 Nds. StGH, Urt. v. 16. Jan. 1986, StGH 2/85, OVGE 39, 507. 423 Art. 111: „Der Landtag hat das Recht, und auf Antrag von mindestens einem Viertel der Abgeordneten die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen." Abs. 2: „Die Ausschüsse erheben in öffentlicher Verhandlung die Beweise, die sie oder die Antragsteller (Abs. 1) für erforderlich erachten. Die Öffentlichkeit kann ausgeschlossen werden. Der Landtag regelt das Verfahren durch die Geschäftsordnung." Vorläufige Niedersächsische Landesverfassung vom 13. April 1951, Nds. GVB1. Sb I, S.5, mittlerweile ersetzt durch die Verfassung vom 19. Mai 1993 (GVB1. S. 107).

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nem Beweisantragsrecht und erforderlichenfalls aus einem Beweiserzwingungsrecht zusammen424, kann daher auf das Beweiserhebungsrecht unter der Geltung des Art. 4411 GG ebenfalls übertragen werden. Der Niedersächsische Staatsgerichtshof führte dazu aus, das Beweiserhebungsrecht von vornherein auf ein Beweisantragsrecht zu beschränken, die Durchsetzung der Beweiserhebung aber auszuschließen, werde dem Sinn und Zweck des Beweiserhebungsrechts nicht gerecht. Gerade bei der Beweiserhebung gegenüber Privaten müsse die (Einsetzungs-)Minderheit vom Untersuchungsausschuß verlangen können, daß er die Durchsetzung des Beweisbeschlusses auch betreibt, da sie hier nicht - anders als beim Recht auf Aktenvorlage - selbst ein gerichtliches Verfahren in Gang bringen kann. In der angesprochenen Entscheidung hat der Gerichtshof die Prüfung der Verletzung des Minderheitenrechts auf eine bloße Willkürkontrolle beschränkt, da die Prüfung der Rechtmäßigkeit eines Beweisantrags nicht der Minderheit, sondern dem Untersuchungsausschuß zustehe. In der Praxis ist daher die Durchsetzbarkeit des Minderheitenrechts im Zusammenhang mit einer evtl. erforderlichen Beweiserzwingung sehr beschränkt. Nichtsdestoweniger kann vor dem niedersächsischen Staatsgerichtshof die Verletzung des Minderheitenrechts sowohl in seiner Form als Beweisantragsrecht als auch in der Form des Beweiserzwingungsrechts im (dortigen) Organstreitverfahren geltend gemacht werden. Dieses Ergebnis ist auf das Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in Ansehung der bisherigen Rechtslage übertragbar, denn auch hier besteht ein verfassungsrechtlicher Anspruch der Einsetzungsminderheit auf Beweiserhebung. Das Prüfungsrecht der Mehrheit hat das Bundesverfassungsgericht auf die Kriterien der Sachwidrigkeit oder des Mißbrauchs des Beweisantragsrechts beschränkt und dem Untersuchungsausschuß aufgegeben, die Ablehnung eines Beweisantrages zu begründen. Seine eigene Prüfung beschränkt das Gericht darauf, ob die Begründung der Mehrheit nachvollziehbar und der durch die Verfahrensautonomie der Mehrheit eröffnete Wertungsrahmen insbesondere bei der Auslegung des Untersuchungsauftrages in vertretbarer Weise ausgefüllt worden ist. 425 An dieser Stelle soll noch einmal nach der notwendigen Beziehung zwischen der Minderheit im Ausschuß, die einen Beweisantrag oder den Antrag auf Beweiserzwingung gestellt hat, und der (Mit)-Inhaberin des Beweiserhebungsrecht, der Einsetzungsminderheit, gefragt werden. Kann sich die Einsetzungsminderheit jeden beliebigen, an der ablehnenden Mehrheit im Untersuchungsausschuß gescheiterten Beweisantrag auf Aktenvorlage zu eigen machen, oder kann die Einsetzungsminderheit nur dann einen Minderheitsbeweisantrag verfassungsgerichtlich durchsetzen, wenn er von „ihren" Ausschußmitgliedern gestellt wurde? Gegen letztere Einschränkung spricht das Verfahren der Bildung des Ausschusses. Eine direkte Beziehung zwischen der Einsetzungsminderheit und „ihren" Gesandten 424 425

Nds. StGH, Urt. v. 16. Jan. 1986, StGH 2/85, OVGE 39, 507 (509). BVerfG, aaO., Absatz-Nr. 111.

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im Ausschuß - beispielsweise durch ein Benennungsverfahren - besteht formal nämlich nicht, da die Besetzung durch die Fraktionen erfolgt. Das Bundesverfassungsgericht brauchte im Parteispenden-Untersuchungsausschuß-Urteil auf diese Frage nicht genauer einzugehen, weil dort die Einsetzungsminderheit mit derjenigen Fraktion identisch war, deren entsandte Vertreter im Ausschuß die streitbefangenen Anträge gestellt hatten. Diese besondere Situation gestattete es dem Bundesverfassungsgericht, im Rahmen der Antragsbefugnis von der Fraktion im Ausschuß als Repräsentanten der Einsetzungsminderheit zu sprechen. Eine solche Beziehung muß aber nicht zwangsläufig bestehen. Schon im Beweiserhebungsverfahren des Ausschusses können sich beispielsweise weitere Mitglieder einem Beweisantrag einer Minderheit im Ausschuß anschließen. Die personelle Zuordnung „eins zu eins" von Mitgliedern des Ausschusses zur Einsetzungsminderheit kann und muß daher nicht gefordert werden. Letztendlich macht die Einsetzungsminderheit durch ihren Antrag vor dem Verfassungsgericht deutlich, daß sie den verlangten Beweis für unbedingt erhebenswert und notwendig für die Untersuchung erachtet. Allerdings ist auf diese Weise die vom Bundesverfassungsgericht sonst geforderte Eigenschaft eines Antragstellers als „konstituiertem" Teil eines Verfassungsorgans nur noch sehr abgeschwächt vorhanden. Die potentielle Einsetzungsminderheit konstituiert sich erst mit der Antragstellung vor dem Bundesverfassungsgericht. Ihrer Konstituierung geht, anders als der der qualifizierten Einsetzungsminderheit einer Minderheitsenquete, nicht einmal mehr ein Akt der Konstituierung im Parlament voraus. Es bleibt festzuhalten, daß einer Minderheit von einem Viertel der Abgeordneten des Bundestages ein Beweiserhebungsrecht im parlamentarischen Untersuchungsverfahren zusteht und damit diese Minderheit im Sinne von Art. 931 Nr. 1 GG, §§13 Nr. 5, 641 BVerfGG antragsbefugte Antragstellerin sein kann.

(d) Minderheitsgruppierungen im Ausschuß als Prozeßstandschafterinnen Wenn, wie gezeigt, nach bisheriger Rechtslage Minderheiten im Ausschuß keine eigenen verfassungsrechtlichen Kompetenzen im Rahmen des Art. 4411 GG zustehen, ist daran zu denken, daß im Rahmen des § 641 BVerfGG auch die Rechte des Organs, dem der Antragsteller angehört, geltend gemacht werden können. Während das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Parteispenden-Ausschuß im Rahmen der Antragsbefugnis die mögliche Verletzung von eigenen Rechten der Einsetzungsminderheit aus Art. 4411 GG bejaht, bezeichnet es im folgenden Absatz die Fraktion im Ausschuß als befugt, die Minderheitsrechte aus Art. 4411 GG geltend zu machen. Dies kann nur dahingehend verstanden werden, daß es die Fraktion im Ausschuß als Prozeßstandschafterin der Einsetzungsminderheit neben der Einsetzungsminderheit sieht, soweit es darum geht, Beweiserhebungsrechte gegen den Untersuchungsausschuß geltend zu machen. Mit den in § 641 BVerfGG genannten Voraussetzungen der Prozeßstandschaft steht dies nicht in Einklang.

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Gleich, ob man die Einsetzungsminderheit als Teil eines Verfassungsorgans oder aber evtl. als anderen Beteiligten im Sinne von Art. 931 Nr. 1 GG sieht, ist für diese Antragsteller vom Gesetzgeber eine Prozeßstandschaft nicht vorgesehen. Sie ist nur möglich für Verfassungsorgane. Das Gericht erläutert im folgenden nicht näher, warum es dennoch von einer zulässigen Prozeßstandschaft der Fraktion im Ausschuß ausgeht. Sie erscheint auch im Zusammenhang des konkreten Verfahrens überflüssig, da die konkrete Verletzung des Minderheitsrechts im gleichen Umfang von der Einsetzungsminderheit geltend gemacht wird. Die minderheitsschützende Wirkung der Prozeßstandschaft, die es Teilen von Verfassungsorganen ermöglicht, Rechte des Verfassungsorgans auch dann geltend zu machen, wenn die Mehrheit des Verfassungsorgans der Rechtsverletzung gleichgültig gegenübersteht oder sie sogar billigt (Beispiel: Oppositionsfraktion kämpft für Rechte des Bundestages gegen die Regierung), konnte sich im konkreten Fall nicht entfalten. Vielmehr schließt das Bundesverfassungsgericht dieses teleologische Argument mit seinem Hinweis, daß die Fraktion im Ausschuß die Verletzung von Beweiserhebungsrechten (nur) dann geltend machen darf, wenn kein Dissens zwischen ihr und der Bundestagsfraktion vorliegt, gerade aus. Die Rechtsprechung der Parteispenden-AusschußEntscheidung zur Frage der Prozeßstandschaft muß daher abgelehnt oder kann jedenfalls nicht verallgemeinert werden. (e) Die Fraktionen im Bundestag als Antragsteller Zwischen Beweiserzwingungsrecht und Beweiserhebungsrecht als Anspruch zu trennen, war nach bisheriger Rechtslage für diejenigen Antragsteller, die das Aktenvorlagerecht in Prozeßstandschaft für den Bundestag geltend machen konnten, nämlich die Fraktionen, nötig. Sie machten kein originäres Minderheitenrecht geltend, sondern das Aktenvorlagerecht des Bundestages.426 Nur, wenn der Untersuchungsausschuß als Hilfsorgan einen Beweisbeschluß gefaßt hat, können sie dessen Durchsetzung betreiben. Was sie mangels eigenem Beweisantragsrecht nicht konnten, war, einen Beweisantrag selbständig durchsetzen. Dies ist eine Konsequenz dessen, daß nur die Einsetzungsminderheit in Art. 4411 GG als Trägerin des Minderheitenrecht bestimmt ist, nicht hingegen die Fraktionen. Sie können nur einen bereits gefaßten Beweisbeschluß in bezug auf eine Vorlage von Akten, dem die Regierung nicht nachgekommt, geltend machen. Ihre Antragsbefugnis beschränkt sich auf ein Beweiserzwingungsrecht, geltend zu machen in Prozeßstandschaft für den Bundestag.427 426

Hier muß scharf getrennt werden zwischen der Fraktion als solcher und der konkreten Konstellation in der Flick-Entscheidung, in der eine antragstellende Fraktion gleichzeitig durch ihre Größe auch das Quorum der Einsetzungsminderheit erreichte und damit in „ihrer Eigenschaft als konkrete Antragsminderheit im Sinne des Art.44 Abs. 1 Satz 1 GG" eigene Rechte geltend machen konnte, BVerfGE 67, 100 (126). 427 In diesem Sinne schon Jekewitz, Parlamentarische Akteneinsicht mit Hilfe des BVerfG?, DÖV 1984, 187(194).

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

(2) Die Verpflichteten

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des Beweiserhebungsrechts!Antragsgegner

(a) Streit um Beweisanträge und ihren Vollzug im Ausschuß Soweit um Beweisanträge und ihren Vollzug (Beschlußfassung und Durchsetzung) gestritten wird, geht das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Parteispenden-Ausschuß davon aus, daß der Untersuchungsausschuß der richtige Klagegegner ist, denn er sei ein mit eigenen Rechten ausgestattetes Hilfsorgan des Bundestages, dessen besondere Rechte vom Plenum nicht selbst wahrgenommen werden könnten.428 Diese Aussage war dem Flick-Urteil noch nicht in dieser Deutlichkeit zu entnehmen, denn dort war noch der Bundestag als Inhaber des Kontrollrechts bezeichnet worden, so daß man auch diesen als „eigentlichen" Herrn des Untersuchungsrechts als Antragsgegner vermuten konnte. 429 Der Untersuchungsausschuß als mit eigenständigen Rechten ausgestatteter Teil des Bundestags ist unangeachtet dessen nach Art. 931 Nr. 1 GG, §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG der richtige Antragsgegner, da es um sein Handeln oder Unterlassen geht. Dies muß im übrigen auch für den im Urteil zum Parteispenden-Ausschuß nicht behandelten Fall gelten, daß der Untersuchungsausschuß es unterläßt, seine Beweisbeschlüsse mit Hilfe der ihm an die Hand gegebenen Zwangsmittel gegenüber Dritten durchzusetzen.430

(b) Durchsetzung der Beweiserhebung unmittelbar gegenüber Dritten? Nachdem das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Parteispenden-Ausschuß der Einsetzungsminderheit ein Beweiserhebungsrecht zugesprochen hat, scheint die Frage nach einer „Außenwirkung" von Beweiserhebungsrechten jedenfalls rechtspolitisch nicht im Vordergrund zu stehen. Die Einsetzungsminderheit kann gegenüber dem Untersuchungsausschuß feststellen lassen, daß die Nichterhebung von Beweisen ihre Rechte aus Art. 4411 GG verletzt, und ihn indirekt damit zur Erhebung eines Beweises bewegen.431 Die ausschußinterne Durchsetzung des Beweiserhebungsrechtes ist jedoch im Zweifel zeitaufwendig und umständlich. Ins428

BVerfG, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az.2 BvE 2/01, Absatz-Nr. 95, http://www.bverfg.de/. Siehe BVerfGE 67, 100 (125); siehe zur Verpflichtung, Meinungsverschiedenheiten innerhalb des Untersuchungsausschusses über Umfang, Dauer und Bewertung der Beweiserhebung nach Art. 25 II 1 Bay Verf. zunächst an den Landtag als Herrn der Untersuchung heranzutragen, BayVerfGH 35, 82 (88). 430 Nds. StGH, Urt. v. 16. Jan. 1986, StGH 1/85, OVGE 39, 503 (505); im Ergebnis ähnlich auch NW VerfGH, Beschl. v. 7. März 1995, Az.3/95, NWVB1. 1995, 248 (249). 431 Eine „verpflichtende" Wirkung (hier im untechnischen Sinne), einen konkreten Beweis nachzuholen, ist mit der Entscheidung im Parteispenden-Ausschuß nicht verbunden gewesen, der Entscheidung kommt quasi nur die Wirkung eines Neubescheidungsurteils zu, BVerfG, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az. 2 BvE 2/02, Absatz-Nr. 148, http://www.bverfg.de/. 429

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

besondere in einem Stadium der Untersuchung, in der es nicht mehr um den Beweisantrag, sondern nur noch um seine Durchsetzung geht, wäre mit einem Durchgriff der Beweiserhebungsrechte der Effektivität des Minderheitsrechts gedient.

(aa) Gegenüber anderen Verfassungsorganen (am Beispiel des Rechts der Aktenvorlage) Die der Parteispenden-Ausschuß-Entscheidung zeitlich vorangehende Entscheidung zum Flick-Untersuchungsausschuß hat für ein bestimmtes Beweismittel hierzu schon Grundsätze aufgestellt. Dort hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß das Recht auf Aktenvorlage ein wesentlicher Bestandteil des dem Bundestage gegenüber der Bundesregierung zustehenden Kontrollrechts darstellt, 432 zu dessen Wahrnehmung sich der Bundestag der Untersuchungsausschüsse bedient.433 Das verfassungsrechtliche Verhältnis von Anspruch und Verpflichtung besteht für das Recht der Aktenvorlage zwischen den zwei Verfassungsorganen Bundestag und Bundesregierung und ist daher vom Beweisantragsrecht, daß ein Minderheitsrecht innerhalb des Verfassungsorgans Bundestag darstellt, zu unterscheiden. Daneben ordnete das Bundesverfassungsgericht das Aktenvorlagerecht als Bestandteil des parlamentarischen Kontrollrechts auch der Einsetzungsminderheit nach Art. 4411 GG zu. Sie ist - im Gegensatz zur Fraktion des Bundestages - nicht nur Prozeßstandschafterin des Bundestages434, sondern Mitinhaberin dieses Rechts.435 Daraus ergibt sich, daß die Einsetzungsminderheit das Recht auf Aktenvorlage aus eigenem Recht im Organstreit geltend machen kann. Dieses Ergebnis kann auf andere Kontrollrechte, die der Untersuchungsausschuß hat, wie zum Beispiel das Recht, Aussagegenehmigungen für in öffentlichen Diensten Beschäftigte oder sonstige Regierungsauskünfte zu verlangen, ohne weiteres übertragen werden. Im Ergebnis kann also die Einsetzungsminderheit „im Durchgriff" Beweisbeschlüsse des Untersuchungsausschusses gegenüber dem Verfassungsorgan Bundesregierung selbständig durchsetzen. Das in der Flick-Entscheidung gegenüber der jüngeren ParteispendenAusschuß-Entscheidung anders definierte verfassungsrechtliche Verhältnis der Prozeßbeteiligten führt zu der im nachhinein bemerkenswerten Folge, daß die Reichweite des Beweiserhebungsrechts der Minderheit für den Sonderfall der Aktenvorlage viel weiter gefaßt wurde, als es aus der heutigen Sicht nach Erlaß des Parteispenden-Ausschuß-Urteils hätte geschehen müssen. Wie oben angedeutet, steht nach der Entscheidung „Parteispenden-Ausschuß" der Einsetzungsminderheit der Weg zum Bundesverfassungsgericht für jeden ausschußinternen Streit um Beweisanträge und deren Vollzug offen, so daß es formal eines „Durchgriffs" nicht mehr bedürfte. 432 433 434 435

BVerfGE 67, 100 (129). BVerfGE 67, 100(125). Siehe dazu BVerfGE 67, 100 (125). BVerfGE 67, 100 (126).

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

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Auch hier bleibt noch zu fragen, ob die Fraktion im Ausschuß (nur diese Minderheit im Ausschuß ist überhaupt parteifähig gem. § 63 BVerfGG) das Beweiserhebungsrecht in Form des Aktenvorlagerecht prozeßstandschaftlich für den Bundestag gegenüber der Bundesregierung oder dem einzelnen Fachminister geltend machte. 436 Das Bundesverfassungsgericht wies diese Möglichkeit eindeutig zurück. Die Fraktionen im Ausschuß seien nicht befugt, in Prozeßstandschaft eine Verletzung oder Gefährdung des Beweiserhebungsrechts des Untersuchungsausschusses437 durch die Bundesregierung oder durch den Bundesminister zu rügen. Dies komme vielmehr dem Bundestag oder denjenigen, die für ihn in Prozeßstandschaft handeln, zu. 438 Von der Literatur ist dies teilweise als inkonsequent kritisiert worden. 439 Unter Berücksichtigung der Zuordnung des Kontrollrechts in der speziellen Ausformung des Aktenvorlagerechts zum Bundestag (vgl. die Ausführungen zum Grundfall) ist dieses Ergebnis indes stimmig. Hätte man der Fraktion im Ausschuß die Möglichkeit der Prozeßstandschaft für den Bundestag tatsächlich eingeräumt, wären die Grenzen der zulässigen Prozeßstandschaft nach § 641 BVerfGG überschritten gewesen. Ist der Untersuchungsausschuß nur Hilfsorgan, als Untergliederung des Bundestages, ist die Fraktion im Ausschuß nur Teil dieses Hilfsorgans, nicht Teil des Verfassungsorgans. Würde man nun einem Teil des Untersuchungsausschusses ebenso die prozeßstandschaftliche Stellung für den Bundestag einräumen, käme das einer „doppeltgestuften" Prozeßstandschaft gleich. Eine solche Konstruktion ginge über den Ausnahmecharakter der Prozeßstandschaft hinaus. Löwer vermutete darüber hinaus hinter der Auffassung des Bundesverfassungsgericht folgende Gründe: Gäbe man der - möglicherweise nur aus einer Person - bestehenden Fraktion im Ausschuß die Antragsbefugnis als teilrechtsfähigem Teil des Untersuchungsausschusses, so sei nicht sichergestellt, daß die Klageerhebung an den fraktionellen Willensbildungsprozeß rückgekoppelt ist. Dies könne zu einer Schwächung der formierenden Kraft der Fraktion führen. 440 Löwer trug damit eine eher verfassungspolitische Überlegung vor, die das Argument der Unzulässigkeit der „doppeltgestuf436 Einen solchen direkten Anspruch der Minderheit im Ausschuß gegenüber der Regierung gewähren Art. 34IV 1 MeVoVerf. („Auf Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses ist die Landesregierung verpflichtet, Akten vorzulegen und ihren Bediensteten Aussagegenehmigungen zu erteilen.") und in ähnlicher Weise Art. 54IV SächsVerf., Art. 18IV1 SchlH Verf. 437 Daß das Bundesverfassungsgericht an einer Stelle (BVerfGE 67, 100 [126]) doch vom „Beweiserhebungsrecht des Untersuchungsausschusses" spricht, erscheint zumindestens inkonsequent. Dann aber stellt der folgende Satz die Zuordnung des Untersuchungsrechts zum Bundestag als Verfassungsorgan wieder her. Die Formulierung „dies kommt vielmehr dem Bundestag zu" kann nicht so zu verstehen sein, daß hier etwa umgekehrt der Bundestag für den Untersuchungsausschuß prozeßstandschaftlich handeln müsse, denn eine Prozeßstandschaft eines Organs für sein Organteil ist in § 641 BVerfGG nicht vorgesehen siehe Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 7, Rn. 32 am Ende, S. 115. 438 BVerfGE 67, 100 (126). 439 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, §7, Rn. 33, Fn. 116, S. 115; Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, §26, Rn. 1022, S.423f. 440 Löwer, Aktenvorlageanspruch vor dem Bundesverfassungsgericht, Jura 1985, 358 (362).

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

ten" Prozeßstandschaft aber stützt. Der prozeßstandschaftlich auftretende Olganteil muß zu einer in sich konsistenten Willensbildung in der Lage sein. Die Besetzung des Ausschusses spiegelt die Stimmenverteilung nach Fraktionen im Parlament wider. Insofern konstituieren sich im Ausschuß keine eigenständigen Minderheiten, sondern Vertreter bestimmter Minderheiten. Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, den Fraktionen im Ausschuß keine Antragsbefugnis nach § 64 I BVerfGG zuzubilligen, war daher nachvollziehbar. Sie wird auch im Urteil zum Parteispenden-Ausschuß nicht revidiert. Auch dort betont das Bundesverfassungsgericht, daß die Fraktion im Ausschuß für Rechte des Bundestages nicht prozeßstandschaftlich auftreten könne.441

(bb) Gegenüber Privatpersonen Bei Beweisanträgen, die sich nicht gegen die Exekutive richten, ist bei der Frage nach der Durchsetzung von Beweisen folgendes zu beachten: Die verfahrensrechtliche Situation ist hierbei nicht die eines kontradiktorischen In-sich-Verfahrens wie im Organstreitverfahren. Beweisbeschlüsse, die anderes zum Ziel haben als die Aktenvorlage, mußten nach bisheriger Rechtslage vor den Fachgerichten durchgesetzt werden. Die Einsetzungsminderheit (wie bereits oben festgestellt, die - einzige - Trägerin des Minderheitenrechts) hätte im System der bisherigen Rechtslage eigene Anträge vor den Fachgerichten nur stellen können, wenn das ihr zugeordnete Minderheitenrecht mit Außenwirkung, das heißt über das kompetenzielle Verhältnis zwischen Parlament und Exekutive hinaus, in den Bereich der Judikative hinein ausgestrahlt hätte. Diese Fragestellung geht über die Frage nach der verfassungsprozessualen Stellung der Einsetzungsminderheit hinaus, ist aber mit ihr insofern eng verbunden: Hätte die Einsetzungsminderheit nach der bisherigen Rechtslage ein Antragsrecht vor den Fachgerichten gehabt, würde kein Bedürfnis für eine verfassungsgerichtliche Durchsetzung der Beweiserzwingung bestanden haben. Mit der Frage der Außenwirkung des Beweiserzwingungsrechts, das heißt im konkreten Fall der Beschwerdeberechtigung vor den Fachgerichten/nach der Strafprozeßordnung, hatte sich das Oberlandesgericht Köln in einer Entscheidung aus dem Jahre 1985442 im Zusammenhang mit dem Flick-Untersuchungsausschuß auseinanderzusetzen. Die Vorinstanz (LG Bonn) hatte dem Flick-Untersuchungsausschuß die Einsicht in sichergestellte Akten des Flick-Konzerns, die bei der zuständigen Strafkammer aufbewahrt wurden, verweigert. Die Mehrheit im Untersuchungsausschuß lehnte im weiteren die Verfolgung des Anspruchs auf Einsicht in private Unterlagen im Wege des Rechtsmittels der Beschwerde zum Oberlandesgericht ab. Die Fraktion der SPD sowie die Fraktion der Grünen legten darauf ihrerseits selbst Beschwerde beim Oberlandesgericht ein. Diese Beschwerden wurden vom Oberlandesgericht mangels Beschwerdeberechtigung verworfen. Das Oberlandesgericht 441 442

BVerfG, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az. 2 BvE 2/02, Absatz-Nr. 99, http://www.bverfg.de/. Auszugsweiser Abdruck in ZParl 3/86, 381-384.

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führte unter Bezugnahme auf die bereits ergangene Flick-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts 443 aus, daß die SPD-Fraktion auch in ihrer Eigenschaft als Einsetzungsminderheit im Sinne von Art. 4411 GG nicht Einsicht in private Unterlagen verlangen könne. Ein Beweiserzwingungsrecht als Minderheitsrecht bestehe nur gegenüber dem Untersuchungsausschuß, begründe aber im Verhältnis zu Gerichten und Verwaltungsbehörden keine eigene Aktivlegitimation 444 . Eine analoge Anwendung von § 641 BVerfGG komme nicht in Betracht, weil das Organstreitverfahren als Streitigkeit von Verfassungsorganen mit dem Strafprozeß nicht vergleichbar sei. Konsequenz dieser Entscheidung war, daß ein Beweiserhebungsrecht gegenüber der Judikative, der die Entscheidung über Akteneinsicht der in ihrem Gewahrsam befindlichen Akten und die Entscheidung über mittelbare Maßnahmen obliegt, mangels verfahrensrechtlicher Umsetzung nicht zum (durchsetzbaren) Beweiserzwingungsrecht der Minderheit erstarkt. Weitere Vorstöße von Einsetzungsminderheiten in dieser Frage hat es bis jetzt - soweit ersichtlich - nicht gegeben, so daß die Entscheidung des OLG Köln derzeit weiterhin die „Rechtsprechungspraxis'4 repräsentiert. 445 Wollte also die Einsetzungsminderheit als Trägerin des Minderheitenrechts die Durchsetzung des Beweisbeschlusses erzwingen, konnte dies nur über einen Antrag im Organstreitverfahren gegen den Untersuchungsausschuß verfahrensrechtlich erreicht werden. Festzuhalten ist, daß eine Rechtsschutzlücke bei der Durchsetzung des Beweisantragsrechts der Einsetzungsminderheit formal im Rahmen der bisherigen Rechtslage (und unter Berücksichtigung der Entscheidung im Parteispendenausschuß) nicht bestand446, die Durchsetzung aber, da sie nur gegenüber dem Untersuchungsausschuß möglich war, jedenfalls mit dem Problem des im Zusammenhang mit dem Untersuchungsverfahren so belastenden Zeitaufwand behaftet ist. Geht es nur darum, einen Beweisbeschluß umzusetzen, mag dies noch angehen. Anders sieht es allerdings aus, wenn gegenüber einer Entscheidung eines Fachgerichts erster Instanz ein Rechtsmittel eingelegt werden soll. Die Einlegung eines Rechtsmittels ist an kurze Fristen gebunden, so daß jedenfalls eine Hauptsache-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig zu spät kommen dürfte. 443

BVerfGE 67, 100ff. In bezug auf die Verwaltungsbehörden ist die Aussage des OLG auf jeden Fall zu pauschal: Gegenüber Bundesbehörden könnte der Untersuchungsausschuß die Herausgabe von Akten gegen den entsprechenden Fachminister geltend machen, gegenüber Landesbehörden käme es auf die Reichweite der Bundesaufsicht an. 445 Während Jekewitz in seiner Anmerkung (NStZ 1996, 90) das Gericht kritisiert, weil es hier eine Trennung zwischen Bestehen eines Rechts (Minderheitsrecht) und Durchsetzung desselben eingeführt habe, gesteht Schröder in seiner Anmerkung zur nämlichen Entscheidung in ZParl 3/86, 385-386 zu, daß das Unbehagen an der unvollkommen ausgestalteten Durchsetzung des Minderheitsrechts nicht der Rechtsanwendung des OLG anzulasten sei, sondern der unvollkommenen gesetzlichen Ausgestaltung der (verfahrensrechtlichen) Aspekte des Untersuchungsverfahrens . 446 In ähnlichen Sinne auch Jekewitz, Anmerkung, NStZ 1986, 90 (91), der bemängelt, daß in einem entsprechenden Organstreitverfahren wieder nur Verfahrens-, jedoch keine Sachfragen geklärt würden. 444

9 Platter

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

(3) Zusammenfassung Die Minderheitsrechte im Zusammenhang mit dem Beweiserhebungsverfahren stellten sich nach bisheriger Rechtslage prozessual wie folgt dar: Die Einsetzungsminderheit nach Art. 4411 GG war parteifähig (§ 63 BVerfGG) und antragsbefugt (§ 641 BVerfGG) in bezug auf die Verletzung eines ihr zustehenden Beweiserhebungsrechts gegenüber dem Untersuchungsausschuß. Das Beweiserhebungsrecht umfaßte die Beschlußfassung, den Vollzug und die Durchsetzung der Beweiserhebung innerhalb der Grenzen der Sachgerechtigkeit und des Mißbrauchsverbotes. Die Einsetzungsminderheit konnte daneben das Aktenvorlagerecht und verwandte Kontrollansprüche gegen die Bundesregierung als eigenes Recht geltend machen. Vor den Fachgerichten konnte die Einsetzungsminderheit nicht als Partei auftreten. Minderheiten im Ausschuß hatten keine eigenen Beweiserhebungsrechte. Folglich waren sie aus eigenem Recht nicht antragsbefugt im Organstreitverfahren. Ebensowenig konnten sie vor dem Bundesverfassungsgericht prozeßstandschaftlich auftreten. Parteifähigkeit vor den Fachgerichten besaßen sie nicht. 2. Die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht Ein weiteres verfassungsgerichtliches Verfahren, das im Verlaufe des Untersuchungsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht anhängig werden kann, ist die Verfassungsbeschwerde. Soweit natürliche Personen oder juristische Personen des Privatrechts in das Untersuchungsverfahren einbezogen werden, kommt gegen Entscheidungen im Untersuchungsverfahren, die sich für sie als belastende Entscheidungen darstellen, die Verfassungsbeschwerde in Betracht. Soweit allerdings gegen Entscheidungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsverfahren der Rechtsweg zu den Fachgerichten offensteht, ist gemäß des Grundsatzes der Rechtswegerschöpfung (§ 90 II BVerfGG) erst der Rechtsweg vor den Fachgerichten auszuschöpfen. 447 Aus der hier eingenommenen verfassungsprozessualen Perspektive zur parlamentarischen Untersuchung unterscheidet sich das Verfassungsbeschwerdeverfahren in seiner Zielrichtung und Ausgestaltung grundsätzlich von derjenigen des Organstreitverfahrens. Wie oben dargestellt, dient das Organstreitverfahren der Erweiterung des parlamentarischen Kontrollrechts zum Recht der parlamentarischen Minderheit, wie sich insbesondere in der Geltendmachung des Minderheitsrechts durch die Einsetzungsminderheit zeigt. Die Verfassungsbeschwerde wirkt, aus der Sicht des Untersuchungsausschusses bzw. vom Ziel der parlamentarischen Kontrolle aus betrachtet, als verfahrensrechtliche Fortsetzung der Begrenzung des Untersuchungsrechts durch die Grundrechte. Zielrichtung der Verfassungsbeschwerde ist 447

Zur Struktur des fachgerichtlichen Rechtsschutzes siehe oben II. l.c)dd)(3), S. 107.

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es, Rechte privater Dritter zu wahren. Sie wird nur auf deren Veranlassung in Gang gebracht. Die Verfassungsbeschwerde wirkt sich daher auf den Fortgang des Untersuchungsverfahrens hemmend aus 448 .

a) Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde im Zusammenhang mit Maßnahmen des Untersuchungsausschusses aa) Der Beschwerdeführer „Jedermann" kann gem. Art. 931 Nr. 4 a GG i.V. m. § 901 BVerfGG die Verfassungsbeschwerde erheben. Mag auch bei der Qualifizierung der Beschwerdeberechtigung im Einzelfall vieles umstritten sein, so hängt sie doch grundsätzlich davon ab, ob der Beschwerdeführer Grundrechtsträger im Sinne des Grundgesetzes ist. Für Verfassungsorgane und Teile von Verfassungsorganen ist von vornherein klar, daß sie sich nicht auf Grundrechte berufen, also auch nicht als Beschwerdeführer auftreten können. Damit zeigt sich schon anhand dieser Sachentscheidungsvoraussetzung, daß weder der Untersuchungsausschuß noch Minderheiten im Sinne von Art. 44 I 1 GG im Verfahren der Verfassungsbeschwerde beschwerdeberechtigt sind. 449 Da weder Untersuchungsausschuß noch Bundestag noch eine Minderheit im parlamentarischen Untersuchungsverfahren die Verfassungsbeschwerde beantragen können, können all diese dem Bundesverfassungsgericht nicht aus eigener Initiative verfassungsrechtliche Streitfragen zur Klärung in diesem Verfahren unterbreiten. Der verfahrensrechtliche Ausfall wird in der Literatur prägnant mit dem Begriff „Asymmetrie des Rechtsschutzes"450 umschrieben. Wenn dennoch einige wichtige verfahrensrechtliche Streitfragen im Zusammenhang mit Verfassungsbeschwerdeverfahren vom Bundesverfassungsgericht geklärt wurden, wie beispielsweise in der Entscheidung „Neue-Heimat" 451 , so ging dies zwangsläufig nicht auf die verfahrensrechtliche Initiative von Verfassungsorganen oder Teilen von Verfassungsorganen zurück. Die Perspektive, aus der die Verfahrensvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde zu untersuchen sind, ist die des durch eine Maßnahme des Untersuchungsausschusses Beschwerten. Von der Zielrichtung der hier durchgeführten Untersuchung her ist die Verfassungsbeschwerde wegen ihres nicht-kontradiktori448 Der Begriff ist hier nicht im Sinne einer aufschiebenden Wirkung zu verstehen, sondern soll die Prozeßkonstellation verdeutlichen. 449 Siehe zu einer Verfassungsbeschwerde der Fraktion der Grünen, BVerfG, Beschl. v. 27. Jan. 1986, 2 BvR 1315/85 (unveröff.), die wegen UnStatthaftigkeit der Verfahrensart nicht zur Entscheidung angenommen wurde, in der Darstellung bei Schröder, Minderheitenschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, ZParl 3/86, 381 (382). 450 Begriff geprägt durch Ossenbühl, Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, in: Selmer/v. Münch (Hrsg.), Gedächtnisschrift für Wolfgang Martens, Berlin 1987, S. 177, 195 f. 451 BVerfGE 77, 1 zur Zulässigkeit des Einsatzes von Zwangsmitteln der StPO (Beugehaft und Durchsuchung). 9*

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sehen Charakters und ihres auf die Grundrechte und grundrechtsähnlichen Rechte beschränkten Prüfungsmaßstabes nur bedingt ein Verfahren, welches zur Konfliktlösung bei entstehenden Streitigkeiten im Untersuchungsverfahren beitragen kann. Sie kann bei einer verfassungsprozessualen Betrachtung jedoch nicht beiseite gelassen werden, da eben gerade ihre aus der Sicht des Untersuchungsausschusses „bremsende" Wirkung Anlaß für einige Reformvorschläge ist. bb) Der Beschwerdegegenstand/einzelne Konstellationen Mit der Verfassungsbeschwerde können „Maßnahmen der öffentlichen Gewalt" angegriffen werden, Art. 931 Nr. 4 a GG i.V. m. § 901 BVerfGG. Ausgehend vom Ablauf des Untersuchungsverfahrens, kamen nach bisheriger Rechtslage mehrere aus der Sicht des Beschwerdeberechtigten potentiell individualrechtsverletzende Akte als Beschwerdegegenstand in Betracht: 452 - der Einsetzungsbeschluß, - unmittelbare Maßnahmen des Untersuchungsausschusses, wie der Beweisbeschluß, die Zeugenladung, die Aktenanforderung gegenüber Behörden, Aufforderungen an Private zur Vorlage von Unterlagen, Ordnungsmaßnahmen, - Anordnungen der Gerichte auf Antrag des Untersuchungsausschusses wie Zwangsvorführung, Erzwingungshaft, Beschlagnahme (mittelbare Maßnahmen der Beweiserhebung) auf der Grundlage der StPO, - Entscheidungen der Fachgerichte bei Rechtsschutzverfahren gegen Maßnahmen der Untersuchungsausschüsse, - Entscheidungen der Fachgerichte im Rechtsmittelverfahren gegen Anordnungen der Fachgerichte auf der Grundlage der StPO, - der Abschlußbericht. Ob alle diese Maßnahmen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsverfahren überhaupt durch ein Gericht überprüfbar sind, ist angesichts des ausdrücklichen Wortlauts von Art. 44IV GG, der bestimmt, daß die Beschlüsse der Untersuchungsausschüsse der richterlichen Erörterung entzogen sind, zunächst einmal zweifelhaft. Zwischen dem Wortlaut dieser Bestimmung und der Rechtsschutzgarantie nach Art. 19IV GG besteht ein SpannungsVerhältnis, das sich auf den zulässigen Beschwerdegegenstand der Verfassungsbeschwerde auswirkt. Wie aus der Aufzählung oben schon herauslesbar, ist dies aber nicht allein eine Frage der speziellen Verfahrensvoraussetzungen der Verfassungsbeschwerde. Vielmehr ist der der Verfassungsbeschwerde vorgelagerte Rechtsschutz durch die Fachgerichte in die Betrachtung 452 Siehe die Analyse bei Di Fabio , Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 85.

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mit einzubeziehen. Die Fachgerichte haben in ihrer Rechtsprechungspraxis die Aussage von Art. 44IV GG bereits teleologisch reduziert, so daß auf diese Weise auch die Reichweite der Verfassungsbeschwerde erweitert wurde, ohne daß es zu einer Klärung der Auslegung von Art. 44IV GG durch das Bundesverfassungsgericht selbst gekommen wäre. (1) Rechtsschutz gegen die Einsetzung von Untersuchungsausschüssen Beim Typ der Mißstands- und Skandalenquete hat der künftige Betroffene der Untersuchung möglicherweise schon bei der Einsetzung des Ausschusses ein Interesse daran, die Wirkung, die die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Zusammenhang mit der Nennung seiner Person hat, zu vermeiden. 453 Prüfungsgegenstand für die gerichtliche Überprüfung wäre der Parlamentsbeschluß, der die Einsetzung eines konkreten Untersuchungsausschusses bestimmt. Ob gegen den Einsetzungsbeschluß nach der bisherigen Rechtslage überhaupt Rechtsbehelfe gegeben waren, war unter verschiedenen Gesichtspunkten zweifelhaft. In einer älteren Entscheidung des Hessischen Staatsgerichtshofs zu einer Grundrechtsklage (entspricht der Verfassungsbeschwerde) 4 5 4 erklärte der Gerichtshof die Grundrechtsklage gegen die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses für unzulässig, weil die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses eine Maßnahme darstelle, die in aller Regel die Rechte des Bürgers nicht verletzen könne. Unabhängig davon hielt der Gerichtshof den Rechtsweg zu den Fachgerichten deswegen für nicht gegeben, weil es sich bei dem Einsetzungsbeschluß nach herrschender Meinung um einen sog. gerichtsfreien Hoheitsakt455 handele. Deshalb könne es dahingestellt bleiben, ob es sich bei dem Einsetzungsbeschluß um einen Akt der öffentlichen Gewalt 456 handele.457 Der Bayerische Verfassungsgerichtshof folgte in seiner Entscheidung vom 16. Dez. 1983458 der oben beschriebenen Auffassung, daß die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses keine unmittelbare Grundrechtsbetroffenheit nach sich ziehen 453

Im Verfahren vor dem BayVerfG mit Entsch. v. 16. Dez. 1983, Az. Vf. 56-VI-83, VerfGH 36, 211 (211), beantragte der Antragsteller beispielsweise die Aufhebung des Einsetzungsbeschlusses. 454 Beschl. v. 9. Feb. 1972, P. St. 665, ESVGH 22, 136. 455 Nach der heute in dieser Weise nicht mehr vertretenen Lehre von den gerichts- oder auch justizfreien Hoheitsakten sollte es sich als Ausnahmefall zu Art. 19IV GG aufgrund des Gewaltenteilungsprinzips verbieten, bestimmte Regierungsakte einer Kontrolle durch die Gerichte zu unterziehen; siehe zu Nachweisen aus der Literatur Schenke, in: BK, Art. 19IV (Zweitbearbeitung 1982), Rn. 223; siehe auch insb. die Monographie von Schneider, Gerichtsfreie Hoheitsakte, Tübingen 1951. 456 Der Gerichtshof folgt der Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, nach der die Verfassungsgerichtsbarkeit keinen Rechtsweg im Sinne des Art. 19IV GG darstellt. 457 HessStGH, aaO., 139. 458 Vf. 56-VI-83, VerfGH 36, 211 (213).

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

könne, Schloß aber nicht aus, daß unter besonderen Umständen Rechtspositionen des Beschwerdeführers doch unmittelbar betroffen sein könnten. Welche Bedingungen hierzu erfüllt sein müßten, erläutert der Gerichtshof in dieser Entscheidung jedoch nicht. In der folgenden Entscheidung des Bayrischen Verfassungsgerichtshofs (v. 31. März 1995) 459 zu diesem Problemkreis ging der Gerichtshof noch weiter und ließ die Frage der Zulässigkeit einer Verfassungsbeschwerde ausdrücklich dahinstehen. Die Verfassungsbeschwerde wurde als „jedenfalls unbegründet" zurückgewiesen. Das im Rahmen der Zulässigkeit bestehende Problem der Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde zum Rechtsschutz vor den Fachgerichten (vgl. oben zu Art. 19IV GG), konkret also die Frage, ob gegen den Einsetzungsbeschluß zunächst der Verwaltungsrechtsweg hätte beschritten werden müssen, ließ der Verfassungsgerichtshof absichtlich unbeantwortet. 460 Gleichzeitig deutet er dabei das dahinterstehende Problem an, nämlich das Spannungsverhältnis zwischen der Rechtswegegarantie bei Eingriffen in subjektive Rechte (Art. 19IV GG bzw. Art. 8612 BV) 4 6 1 , jedenfalls bei Eingriffen in Grundrechte, und der parlamentarischen Autonomie, wie sie sich im parlamentarischen Untersuchungsrecht ausdrückt, an. 462 Folgt man in der Frage des zu beschreitenden Rechtsweges der sonst von der Rechtsprechung einhellig verfolgten Theorie der doppelten Verfassungsunmittelbarkeit 463, handelt es sich bei einer Klage gegen einen Einsetzungsbeschluß nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne des §4011 VwGO, denn der Antragsteller gehört nicht zu den Verfassungsorganen. Man kann hier durchaus eine Parallele zum sog. öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch ziehen. Hiermit wird dem Bürger ermöglicht, gegen öffentliche Äußerungen von Behörden einen Unterlassungsanspruch geltend zu machen, der dem privatrechtlichen Unterlassungsanspruch auf der Ebene des öffentlichen Rechts nachgeahmt ist, für den Fall, daß staatlicherseits durch öffentliche Äußerungen in Grundrechte eingegriffen wird. 464 Tritt der Untersuchungsausschuß bei der Erhebung seiner Beweise gegenüber dem privaten Dritten wie eine Behörde auf, kann man das in Hinblick auf die Rechtsprechung zum öffentlich-rechtlichen Unterlassungsanspruch auch für das Handeln des Parlaments bei der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses annehmen, soweit durch den Einsetzungsbeschluß in Grundrechte Einzelner eingegriffen werden kann. Damit wäre nach bisheriger Rechtslage der Rechtsweg zunächst zu den Verwaltungsgerichten eröffnet gewesen, bevor dann die Verfassungsbeschwerde erhoben werden konnte. 459 Vf. 43-VI-94, VerfGH 48, 34 (36). 460 AaO., S.38. 461 Dahinter steht die auch vom Bundesverfassungsgericht geteilte Auffassung, daß die Verfassungsbeschwerde selbst nicht einen Rechtsweg im Sinne des Art. 19IV GG darstellt (siehe auch Fn.456). 462 Ausführlich dazu, Di Fabio , Rechtsschutz im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, S. 85-89. 463 Kopp!Schenke, VWGO, §40, Rn.32, 32 a. 464 Siehe zu diesem Anspruch BVerwG, Urt. v. 18. Apr. 1985, Az.3C24/84, BVerwGE 71, 183 (186-189, 199); Urt. v. 23. Mai 1989, Az.7C2/87, BVerwGE 82, 76 {Iii.).

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

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(2) Rechtsschutz gegen Maßnahmen im Beweiserhebungsverfahren Wie bereits dargestellt, erklärten die Verwaltungsgerichte in Ansehung der bisherigen Rechtslage gegen die sog. unmittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses, also diejenigen Maßnahmen, die der Untersuchungsausschuß selbst bewirkt, den Verwaltungsrechtsweg für eröffnet. Die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde stand daher für diese Maßnahmen regelmäßig unter dem Vorbehalt der Rechtswegerschöpfung gem. § 90 II 1 BVerfGG. Der Beschwerdegegenstand gem. Art. 931 Nr. 4 a GG i.V. m. § 901 BVerfGG war die Maßnahme des Untersuchungsausschusses in Verbindung mit den dazu ergangenen Gerichtsentscheidungen. Gegen Maßnahmen im Beweiserhebungsverfahren, die der Untersuchungsausschuß bei Gericht beantragen muß, stand, wie weiter oben dargestellt, die Beschwerde gem. § 304 StPO offen. Die Folge davon war, daß auch hier erst nach Ausschöpfung der Rechtsmittel der StPO Verfassungsbeschwerde eingelegt werden konnte. Hier war der Beschwerdegegenstand nur die gerichtliche Entscheidung.465

(3) Rechtsschutz gegen den Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses Art. 44IV1 GG bestimmt, daß die Beschlüsse des Untersuchungsausschusses der richterlichen Erörterung entzogen sind. Daß unter „Beschluß" in diesem Zusammenhang nicht alle als Beschlüsse abgefaßten Entscheidungen des Untersuchungsausschusses fallen können, geht schon aus dem vorgehend zum Rechtsschutz gegen die Beweiserhebungsmaßnahmen Dargestellten hervor. Art. 44IV 1 GG wird in der Verfassungspraxis im übrigen so verstanden, daß die Wertungen und Aussagen des Untersuchungsausschusses der gerichtlichen Erörterung entzogen sind. 466 Wertun465 So die Konstellation in der „Neue Heimat"-Entscheidung, BVerfGE 77, 1 (18 f.). Etwas komplizierter die Konstellation in BVerfGE 76, 363 (370), in der die Verhängung von Ordnungsgeld gem. § 70 II StPO vor dem Verwaltungsgericht und die Anordnung von Beugehaft vor der ordentlichen Gerichtsbarkeit angefochten worden war. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war allerdings nur die Beschwerdeentscheidung des Landgerichts zur Verhängung von Beugehaft (S. 375). 466 Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Bd. II, Art. 44, Rn. 54, m. w. N. insb. in Fn. 213. Der Wortlaut dieser Vorschrift ist durchaus mißverständlich. Sie steht in einem Spannungsverhältnis zur Rechtsweggarantie aus Art. 19IV GG. Den Verfassungsberatungen kann entnommen werden, daß diese Vorschrift dazu dienen soll, das Parlament vor Kritik aus den Reihen der Richterschaft zu bewahren (vgl. Verhandlungen des Parlamentarischen Rats, 2. Sitzung des Hauptausschusses vom 11. Nov. 1948, Ausschußprotokoll, abgedr. in; Parlamentarischer Rat, Verhandlungen des Hauptausschusses, S. 15-18., bei der allerdings die in diese Richtung zielenden Vorschläge von Dr. Menzel und Dr. Katz noch abgelehnt wurden [siehe auch Fn.46]). Ein - mögliches - Spannungsverhältnis zur Garantie des Art. 19IV GG wurde in den Verfassungsberatungen nicht reflektiert, siehe dazu Di Fabio , Rechtsschutz, S.92f.

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

gen und Aussagen finden sich regelmäßig (nur) im schriftlichen Bericht des Untersuchungsausschusses zum Abschluß des Verfahrens. Diese Bestimmung bildet insofern eine Ausnahme zu Art. 19IV GG. 467 Die Untersuchungsausschüsse waren sich des Spannungsverhältnisses zwischen dem Anspruch auf Rechtsschutz gem. Art. 19IV GG und der in Art. 44IV1 GG vorgesehenen Ausnahme regelmäßig bewußt. Sie bemühten sich teilweise nach eigenem Bekunden um eine Darstellung im Abschlußbericht, die die Gewährung rechtlichen Gehörs von vornherein sachlich nicht erforderlich erscheinen ließ. 468 Für den Fall, daß die Gewährung rechtlichen Gehörs grundsätzlich angezeigt erschien, verfuhren die Untersuchungsausschüsse unterschiedlich. Während der Treuhandausschuß469 im Sinne des § 181 Nr. 4 IPA-Regel nur Betroffenen rechtliches Gehör gewähren wollte (dieser Status war niemandem zuerkannt worden), dagegen den Zeugen nur Gelegenheit zur Korrektur und Ergänzung des stenographischen Protokolls gegeben hat, ging beispielsweise der Ausschuß „Kommerzielle Koordinierung I " unter Berufung auf vorangegangene Untersuchungsausschüsse sehr viel weiter. Dieser Ausschuß unterschied bei der Gewährung rechtlichen Gehörs nicht zwischen Betroffenen im Sinne des § 18 IPA-Regel und den übrigen Zeugen. Er faßte außerdem einen eigenen Verfahrensbeschluß im Hinblick auf die Gewährung des rechtlichen Gehörs. 470 Den in Betracht kommenden Personen wurden die sie betreffenden Ausführungen abgelichtet. Sie konnten dann zu diesen Ausführungen Stellung nehmen. Schon die unterschiedliche Praxis der Untersuchungsausschüsse zeigt, daß die Frage keinesfalls als befriedigend gelöst betrachtet werden konnte. Auch der Abschlußbericht des Untersuchungsausschusses kann demnach, soweit einzelne Personen und ihr Verhalten darin erörtert werden, für diese Personen Rechtsschutz wünschenswert erscheinen lassen. Bisher stand jedoch die ausdrückliche Anordnung des Art. 44IV1 GG dagegen, die den Gerichten eine Prüfung jedenfalls des Abschlußberichts als Beschluß des Untersuchungsausschusses verbietet. Einzelnen Versuchen von Betroffenen, vor den Fachgerichten gegen ihnen nachteilige Behauptungen und Äußerungen im Abschlußbericht vorzugehen, war bisher kein Erfolg beschieden. Eindeutig gefaßt hingegen ein Teil der Landesverfassungen: Art. 72 IV 1 BbgVerf., Art.34 V I 1 MeVoVerf., Art.41IV 1 NRWVerf., Art.91 V I 1 Verf. LSA, Art. 18 V SchlHVerf., Art. 64 V I ThürVerf. 467 Achterberg/Schulte, in: von Mangoldt/Klein/Starck, GG II, Art. 44, Rn. 188. 468 2. UA/12. WP (Treuhandanstalt), BeschlEmpf u. Bericht, BT-Drs. 12/8404, S.38. 469 2. UA/12. WP (Treuhandanstalt), BeschlEmpf u. Bericht, S.38 (im Gegensatz zum Untersuchungsausschuß „Kommerzielle Koordinierung I " - siehe Fn. 470 - fehlt eine Darstellung der vom Untersuchungsausschuß gepflogenen Praxis). 470 1. UA/12. WP „Kommerzielle Koordinierung I", BeschlEmpf u. Bericht, BTDrs. 12/7600, S.73f. mit einer Darstellung der in den vorangegangenen Untersuchungsausschüssen eingehaltenen Praxis.

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

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Dennoch hat das OVG Hamburg in einer Entscheidung aus dem Jahre 1986 471 , bei der der Kläger gegen Passagen aus dem Abschlußbericht vorgehen wollte, in einem obiter dictum angemerkt, daß der Weg zu den Gerichten eventuell dann eröffnet sein könnte, wenn die Verletzung von Grundrechten zum Nachteil des Betroffenen von einem solchen Gewicht ist, daß es dem Gewicht des parlamentarischen Kontrollrechts zumindest gleichkommt.472 Soweit ein Fachgericht überhaupt einen Antrag, der in irgendeiner Weise gegen den Abschlußbericht gerichtet ist, der Auffassung des OVG Hamburg folgend zur Entscheidung annimmt, kann gegen diese Entscheidung, soweit sie den Beschwerdeführer beschwert, folgerichtig auch die Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht erhoben werden. Es stellt sich aber die Frage, ob diese Vorgehensweise eine dem Inhalt des Art. 44IV 1 GG angemessene Behandlung des Problems darstellt. Verzichtet man angesichts des Wortlautes von Art. 44IV 1 GG auf die Möglichkeit des fachgerichtlichen Rechtsschutzes, ist damit der Betroffene noch nicht zwangsläufig rechtlos gestellt. Zu klären ist vielmehr, ob überhaupt zunächst der Weg zu den Fachgerichten beschritten werden muß, oder ob vielmehr außerhalb der Rechtsweggarantie von Art. 19 IV GG unmittelbar die Verfassungsbeschwerde erhoben werden könnte. Möglicherweise läßt sich das in Art. 44IV1 GG ausgesprochene Verbot der richterlichen Erörterung so interpretieren, daß damit nur die Erörterung vor den Fachgerichten gemeint ist. Das Befassungsverbot nach Art. 44IV 1 GG läßt sich entstehungsgeschichtlich als eine Reaktion auf das ungeklärte Verhältnis zwischen (Fach-)gerichten und Untersuchungsausschuß unter der Geltung der WRV deuten. Bei seiner Abfassung wurden die Geltung der Grundrechte als subjektive Rechte und die Einrichtung des Bundesverfassungsgerichts nicht berücksichtigt. Man blieb diesbezüglich während der Beratungen noch ganz in Rechtsproblemen der WRV verhaftet. 473 Dies läßt folgende Auslegung des Art. 44IV1 GG zu: Weil also ein Rechtsweg zu den Fachgerichten nicht besteht, gleichzeitig aber der Abschlußbericht nicht aus dem Geltungsbereich der Grundrechte herausgenommen ist (Art. 1 III GG), ist die Verfassungsbeschwerde gegen den Abschlußbericht unmittelbar zulässig. Der Rechtsweg zu den Fachgerichten kann und muß zuvor nicht beschritten zu werden. cc) Die Beschwerdebefugnis/Verletztes Grundrecht Berührt und verletzt sein könnten das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und das allgemeine Persönlichkeitsrecht, Art. 21, 11 GG. Diese Rechte 471

OVG Hamburg, Beschl. v. 27.5.1986, Bs IV 318/86, NVwZ 1987, 610-612. OVG Hamburg, aaO., 611. 473 Zur Entstehungsgeschichte siehe oben I. l.b), S. 30; zur Interpretation der Entstehungsgeschichte siehe oben Fn. 466. 472

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

verbürgen ihren Trägern Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung oder Weitergabe der auf sie bezogenen und individualisierten Daten. 474 Wenn Geschäftsgeheimnisse betroffen sind, kommt auch das aus Art. 14 GG abgeleitete Recht auf Schutz des eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes in Betracht. 475 Bei Maßnahmen der Beweiserhebung wie Beugehaft und Durchsuchung könnten die Grundrechte auf Freiheit der Person, Art. 2 II 2 GG, und die Unverletzlichkeit der Wohnung, Art. 13 GG, verletzt worden sein. b) Zusammenfassung Die auch nach bisheriger Rechtslage unproblematischen Fälle vorab betrachtet, kann festgestellt werden, daß die Verfassungsbeschwerde nach der Praxis der bisherigen Rechtsprechung zulässigerweise jedenfalls gegen mittelbare und unmittelbare Maßnahmen der Beweiserhebung in Verbindung mit den dazu ergangenen Entscheidungen der Fachgerichte erhoben werden konnte. Selbst bei erfolgreicher Verfassungsbeschwerde wurde nicht über Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der konkreten parlamentarischen Untersuchung entschieden, sondern nur die Entscheidung (regelmäßig eine Entscheidung des jeweiligen Fachgerichts) zur konkreten Maßnahme im Beweiserhebungsverfahren aufgehoben und an ein zuständige Gericht zurückverwiesen (§ 95 II BVerfGG). 476 Auch eine erfolgreiche Verfassungsbeschwerde konnte, formal gesehen, nicht eine konkrete parlamentarische Untersuchung als ganzes in Frage stellen. Betrachtet man den Verlauf des Untersuchungsverfahrens, so blieb der Untersuchungsausschuß weiterhin in der Lage, das Beweiserhebungsverfahren fortzusetzen, er mußte möglicherweise auf andere Beweismittel zur Erforschung der Tatsachen ausweichen. Gerade an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben darf aber, daß die erfolgreiche Arbeit eines Untersuchungsausschusses mit der Erhebung eines ganz bestimmten Beweises stehen und fallen kann. Die faktischen Auswirkungen einer gescheiterten Beweiserhebungsmaßnahme waren daher ganz erheblich. Dieses Ergebnis war daher rechtspolitisch unbefriedigend. Für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses galt gemäß der bisherigen Rechtslage nach der hier vertretenen Auffassung, daß diese vor den Verwaltungsgerichten vom Einzelnen angefochten werden konnte. Besonderer Betrachtung bedarf dabei der Entscheidungstenor sowohl der fachgerichtlichen als auch der verfassungsgerichtlichen Entscheidung. Wehrte sich ein Privater gegen einen Einsetzungsbeschluß bzw. gegen einen Teilaspekt der darin angekündigten Untersuchung, 474

BVerfGE 67, 100 (142); 77, 1 (46). BVerfGE 67,100 (142); 77,1 (46). Eingehend zum Geheimhaltungsinteresse im Beweiserhebungsverfahren Klenke, Zum Konflikt zwischen parlamentarischem Enqueterecht und dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen, NVwZ 1995, 644-649. 476 Zu der Frage, welches das „zuständige" Gericht im Sinne dieser Vorschrift ist, siehe Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 12, Rn.70, S. 199 f. 475

II. Verfassungsprozessuale Konstellationen

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mußte unmittelbar zwischen dem parlamentarischen Untersuchungsrecht und dem konkreten Untersuchungsinteresse und den Grundrechten des Betroffenen abgewogen werden. Die Entscheidung des (Fach-)Gerichts griff damit in ihrem Tenor auch formal unmittelbar auf den Kern der parlamentarischen Untersuchung, den Einsetzungsbeschluß, zu. Die Klageart vor dem Fachgericht und der darauf folgende Entscheidungstenor blieb dem Verwaltungsgericht und der von ihm vorgenommenen Auslegung des Verwaltungsprozeßrechts überlassen. Zu entscheiden war verwaltungsprozessual insbesondere, ob gegen den Einsetzungsbeschluß oder Teilpunkte desselben die Anfechtungsklage gem. § 421 VwGO oder die allgemeine Leistungsklage erhoben werden mußte. Der Einsetzungsbeschluß als parlamentarischer Akt ist schwerlich als Verwaltungsakt (§ 35 VwVfG) zu deuten, denn der Bundestag handelt hier als Verfassungsorgan aufgrund einer verfassungsrechtlichen Kompetenz, die in erster Linie gegenüber anderen Verfassungsorganen besteht, sich dagegen nicht im Über-Unterordnungsverhältnis zwischen Bürger und Staat bewegt. Insbesondere kommt dem Einsetzungsbeschluß regelmäßig keine unmittelbare Rechtswirkung nach außen zu 477 . Nahe liegt hingegen der Vergleich mit dem Rechtsschutz gegen öffentliche Äußerungen von Behörden und öffentlichen Rechtsträgern und dem hiergegen bestehenden öffentlich-rechtlichen Anspruch auf Unterlassung, der im Wege der allgemeinen Leistungsklage in Form der Unterlassungsklage geltend gemacht werden muß. 478 Sieht man diese Parallele als gegeben, konnte mit dieser Klage eventuell das Parlament zur Streichung oder Abänderung des den privaten Dritten betreffenden Untersuchungsgegenstandes verpflichtet werden. Gegen die Entscheidung der Verwaltungsgerichte konnte in der Folge zulässigerweise die Verfassungsbeschwerde erhoben werden. Der Entscheidungstenor der Verfassungsbeschwerde lautete im Erfolgsfall auf Aufhebung der Entscheidung und Zurückverweisung an das zuständige Gericht (§ 95 II BVerfGG). Gegen grundrechtlich relevante Stellungnahmen im Abschlußbericht konnte und mußte nach der hier vertretenen Auffassung unmittelbar die Verfassungsbeschwerde erhoben werden, da Art. 44IV1 GG eine Beurteilung des Abschlußberichts durch die Fachgerichte verbietet, allerdings nicht die Erörterung durch das Bundesverfassungsgericht. Aus der Sicht des Betroffenen Dritten bestand nach der hier vertretenen Auffassung keine Lücke im Rechtsschutz, da selbst gegen den Abschlußbericht der außerordentliche Rechtsbehelf der Verfassungsbeschwerde gegeben ist. Für den Untersuchungsausschuß galt dies hingegen nicht. Unterlag der Untersuchungsausschuß vor den Fachgerichten in den Fällen einer Klage gegen den Einsetzungsbeschluß oder einer Klage gegen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Be477 In diesem Sinne auch BayVerfGH, Entsch. v. 16. Dez. 1983, Vf.56-VI-83, VerfGH 36, 211 (213). 478 BVerwG, Urt. v. 18. April 1985, Az. 3 C34/84, BVerwGE71,183 (188, vorbeugende Unterlassungsklage), - Transparenzlisten - .

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Α. Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages

weiserhebung, hatte er keine Möglichkeit, den Rechtsstreit einer verfassungsgerichtlichen Klärung zuzuführen. Der Rechtsschutz gegen die Einsetzung des Untersuchungsausschusses als auch der Rechtsschutz gegen die Maßnahmen des Untersuchungsausschusses gegen Private im Beweiserhebungsverfahren litt daher an Asymmetrie. Allein der hier befürwortete Weg des unmittelbaren Zugangs zum Verfassungsgericht in Fragen des Abschlußberichtes vermeidet dieses Problem, auch wenn das Verfahren nicht auf Betreiben des Untersuchungsausschusses vor das Verfassungsgericht gebracht wird.

Β. Reformen auf Bundesebene I. Reformbestrebungen bis zum Jahr 2001 1. Innerhalb der bisherigen Verfahrensbestimmungen/Die konkrete Normenkontrolle Art. 10011 GG i.V. m. §§ 80-82 BVerfGG als spezielles Verfahren? Einen zunächst bestechend erscheinenden Vorschlag zur Lösung speziell der Probleme der verfahrensrechtlichen Asymmetrie im Zusammenhang mit der Verfassungsbeschwerde nach der bisherigen Rechtslage bot Meyer-Bohl in seinem Beitrag zur Vorlagepflicht von Untersuchungsaufträgen im Wege des konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 10011 GG an. 479 Zusammengefaßt besagte dieser Lösungsvorschlag folgendes: Um zu vermeiden, daß Fachgerichte durch Zurückweisen eines Beweisantrages aus verfassungsrechtlichen Gründen womöglich das Untersuchungsziel als solches faktisch zum Scheitern verurteilten, sollte die verfassungsrechtliche Seite der Grundlage des Beweisantrages - der Untersuchungsauftrag - nur vom Bundesverfassungsgericht überprüft werden können, und zwar über den Hebel einer Vorlageverpflichtung in Anlehnung an die Vorlagepflicht nach Art. 10011 GG. Beachtenswert ist dieser Vorschlag vor allen Dingen deshalb, weil er eine verfahrensrechtliche Lösung anstrebte, die später in einigen Verfahrensrechten der Länder tatsächlich durch ausdrückliche verfassungsrechtliche Regelung in ähnlicher Weise verwirklicht wurde. 480 Meyer-Bohl wollte allerdings auf bundesrechtlicher Ebene diesen Weg auf der Grundlage des geltenden Verfassungsprozeßrechts beschreiten, ein Ansatz, der zumindest ohne direkte Anknüpfungspunkte in der bisherigen Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgerichts ist und sich darüber hinaus auch nicht ohne weiteres aus dem Normtext ergibt. Nach bisherigem Verständnis, vor allen Dingen dem des Bundesverfassungsgerichts selbst, erfüllt das Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht folgende Aufgabe: Berechtigt und verpflichtet zur Normprüfung sind zwar alle Fachgerichte, die Verwerfungskompetenz ist hingegen beim Bundesverfassungsgericht konzentriert; durch diese Konzentration soll der parlamentarische Gesetzgeber vor der Mißachtung seiner Rechtssätze durch die Richter geschützt werden. 481 Daraus Schloß das Bundesverfassungsgericht weitergehend, daß die Fachgerichte nur 479 Meyer-Bohl, Die Vorlagepflicht von Untersuchungsaufträgen im Wege des konkreten Normenkontrollverfahrens nach Art. 100 Abs. 1 GG, DVB1. 1990, 511-539. 480 Siehe näher dazu Dritter Hauptteil, I.2., S. 189. 481 So schon BVerfGE 1, 184 (197).

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Β. Reformen auf Bundesebene

zur Vorlage des sogenannten nachkonstitutionellen Rechts verpflichtet seien, weil nur der Gesetzgeber unter dem Grundgesetz vor der Mißachtung seines Rechts durch die Gerichte geschützt werden soll. 482 Diese Zweckbestimmung läßt die Überprüfung eines Untersuchungsauftrages nicht unbedingt naheliegend erscheinen, weil das Normenkontrollverfahren vordringlich das Verhältnis zwischen parlamentarischen Gesetzgeber und den Gerichten steuert. Andererseits ist dieses Verfahren auf Bundesebene das wichtigste Vorlageverfahren. Ein Vorlageverfahren bietet sich zur Lösung des Probleme in bezug auf das parlamentarische Untersuchungsverfahren vom Verfahrenablauf her an. a) Sachentscheidungsvoraussetzungen

der konkreten Normenkontrolle

Vorlageberechtigt sind alle staatlichen Gerichte, Art. 10011 GG i.V. m. § 801 BVerfGG. Für die hier interessierende Frage, ob die im Zusammenhang mit dem Beweisverfahren des Untersuchungsausschusses angerufenen Fachgerichte vorlageberechtigt sind, stellen sich an dieser Stelle somit keinerlei Probleme. Das Gericht muß von der Verfassungswidrigkeit der vorgelegten Norm überzeugt sein und diese Überzeugung auch dartun. Es muß für die Entscheidung im Ausgangsverfahren auf die Gültigkeit des Gesetzes ankommen. Das bedeutet, daß das vorlegende Gericht, die Gültigkeit der Norm unterstellt, zu einer anderen Entscheidung gelangen würde als im Falle ihrer Nichtigkeit oder Unvereinbarkeit. Alle bisher genannten Verfahrensvoraussetzungen werfen gegenüber dem bisherigen Anwendungsfällen der konkreten Normenkontrolle nach Art. 10011 GG keine besonderen Probleme auf. Meyer-Bohls Vorschlag steht und fällt mit der Frage, ob der Einsetzungsbeschluß nach dem geltenden Recht ebenfalls zum Vorlagegegenstand gemacht werden kann. Diese Verfahrensvoraussetzung ist daher im weiteren besonders zu untersuchen. b) Insbesondere: Die Vorlagefrage der Verfassungsmäßigkeit eines Untersuchungsauftrages als zulässiger Prüfung sgegenständ der konkreten Normenkontrolle? Art. 10011 GG verlangt als Vorlagegegenstand das „Gesetz". Damit ist in dieser Verfassungsnorm vorausgesetzt, was bis zur Entstehung des Grundgesetzes umstritten war, nämlich das richterliche Prüfungsrecht, d. h. die Zuständigkeit des Richters, Rechtsnormen im richterlichen Verfahren am Maßstab anderer (höherrangiger) Normen zu messen. Aufgrund dieses Zusammenhangs ist das Verfahren nach Art. 10011 GG bisher immer als reines Normenkontrollverfahren verstanden wor482

Siehe dazu Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 13, Rn. 12, S.207f.

I. Reformbestrebungen bis zum Jahr 2001

143

den. Schon bei der Entstehung der Norm ging es nur um die Einzelheiten der Ausgestaltung des richterlichen Prüfungsrechts. 483 Die Streitfragen zum Prüfungsgegenstand in den folgenden Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht bewegten sich daher immer in dem Zusammenhang des Rechtsranges der Norm und des dafür geltenden Prüfungsmaßstabes. Das Bundesverfassungsgericht hat dabei den Art. 10011 GG insofern eng ausgelegt und regelmäßig nur förmliche Gesetze als zulässigen Prüfungsgegenstand angesehen. Diese Begrenzung des Verwerfungsmonopols begründete das Verfassungsgericht in einer seiner frühen Entscheidungen damit, daß es Aufgabe des Bundesverfassungsgerichts sei, zu verhüten, daß jedes einzelne Gericht sich über den Willen des Bundes- oder Landesgesetzgebers hinwegsetze. Gerade die Gefährdung der gesetzgebenden Gewalt durch die Ausweitung des richterlichen Prüfungsrechts (d. h. das Prüfungsrecht der Fachgerichte) sei eines der Hauptbedenken gegen die allgemeine richterliche Prüfungsbefugnis gewesen. Derartige Bedenken bestünden gegen die Überprüfung von Rechtsverordnungen nicht. Auch könne der Gefahr der Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung bei der Überprüfung von Rechtsverordnungen durch die Fachgerichte mit der Anrufung des Bundesverfassungsgerichts in Verfahren nach Art. 931 Nr. 2 GG (abstrakte Normenkontrolle) begegnet werden. Bei förmlichen Gesetzen sei hingegen zu bedenken, daß die gesetzgebenden Körperschaften der Länder das Verfahren der abstrakten Normenkontrolle mangels eigener Antragsberechtigung gerade nicht in Gang bringen könnten. Dies zeige deutlich, daß die Konzentration der (konkreten) Normenkontrolle auch insoweit, als sie Rechtsunsicherheit und Rechtszersplitterung verhindern soll, nur bei Gesetzen, nicht aber bei Rechtsverordnungen erforderlich sei. 484 Später hat das Bundesverfassungsgericht noch verschiedene Ausnahmen von diesem Grundsatz zugelassen. Soweit Ausnahmen zugelassen wurden, kam es dem Bundesverfassungsgericht immer darauf an, daß die Norm „funktionsgleich' 4 mit einem förmlichen Parlamentsgesetz sei. Umgekehrt wurde der Prüfungsgegenstand mit der Begründung der nicht vorliegenden Funktionsgleichheit auch eingeschränkt. 485 Unter dem hier interessierenden Gesichtspunkt, ob auch Parlamentsbeschlüsse - denn darum handelt es sich ja bei einem Einsetzungsbeschluß - Prüfungsgegenstand sein können, findet man tatsächlich eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die einen Parlamentsbeschluß als Prüfungsgegenstand zugelassen hat. 486 Der Entscheidung lag ein Beschluß gem. Art. 72 I I BV zugrunde, mit dem der bayerische Landtag, wie von der Verfassung vorgesehen, einem vom Ministerpräsidenten abgeschlossenen Staatsvertrag zustimmte. Dieser Parlamentsbeschluß wur483 Zur Entstehungsgeschichte der Norm des GG siehe Stern, in: BK (Zweitbearbeitung 1982), Art. 100, S. 3/4; der s., aaO., bringt eine Übersicht zur Diskussion dieser Frage im Kaiserreich und unter der Geltung der WRV in Rn. 5. 484 BVerfGE 1, 184 (197-201). 485 Hamburgisches Bebauungsplangesetz als „satzungsvertretendes" Gesetz, BVerfGE 70, 35 (57 f.). 486 BVerfGE 37, 191 (197).

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Β. Reformen auf Bundesebene

de vom Bundesverfassungsgericht als gesetzesvertretend (Beschluß anstatt eines vom Landtag beschlossenen Zustimmungsgesetzes) qualifiziert. Meyer-Bohl stellt unter Verweis auf die vom Bundesverfassungsgericht akzeptierten Ausnahmen folgende Parallele her: Unter den Wortlaut des Art. 10011 GG könnten auch grundsätzlich nicht-förmliche Gesetze fallen, denn auch das Bundesverfassungsgericht habe gegenüber der Begrenzung auf förmliche Gesetze Ergänzungen und Erweiterungen zugelassen.487 Der Untersuchungsauftrag könne daher nicht etwa nur deshalb als Prüfungsgegenstand der konkreten Normenkontrolle ausscheiden, weil er in der Praxis des Bundestages überwiegend durch einen nichtförmlichen Parlamentsbeschluß zustande komme. 488 Letztendlich komme es nur darauf an, daß der Beschluß, einen Untersuchungsauftrag einzusetzen, den Willen des Parlaments repräsentiere, das auch der Gesetzgeber sei. Es sei daneben auch nicht von vornherein verfassungsrechtlich ausgeschlossen, daß der Untersuchungsauftrag als Gesetz verabschiedet würde. Meyer-Bohl vermutet, daß der Verfassungsgeber nur wegen der Möglichkeit des Einsetzens eines Untersuchungsausschusses „ad hoc" auf ein an die Gesetzgebung angelehntes Verfahren verzichtet habe.489 Im Ergebnis stützt sich sein Ansatz also im wesentlichen auf den Umstand, daß Einsetzungsbeschluß und (förmliches) Gesetz denselben Urheber haben, nämlich das Parlament. 490 Als Grund für eine Erweiterung des nach Art. 10011 GG zulässigen Prüfungsgegenstandes scheinen diese Argumente jedoch nicht überzeugend. In bezug auf die Überlegungen von Meyer-Bohl zur Förmlichkeit des Gesetzgebungsverfahrens einerseits und andererseits die nicht immer gewahrte Förmlichkeit des Einsetzungsbeschlusses sei zugegeben, daß der Begriff des „förmlichen Gesetzes" tatsächlich als reiner Verfahrensbegriff verstanden werden kann in dem Sinne, daß „Gesetz" alles ist, was als Ergebnis eines Gesetzgebungsverfahrens zustande kommt. 491 Schon der weiterführende Gedanke, daß deshalb ein Einsetzungsbeschluß auch als förmliches Gesetz zustande kommen könnte, kann damit aber nicht mehr begründet werden. Wenn das Parlament die Absicht hat, als Gesetzgeber tätig zu werden, also im Zusammenhang mit seinen Kompetenzen insbesondere aus Art. 70ff., 76ff. GG, mag bei Einhaltung des Gesetzgebungsverfahrens eine Inhaltskontrolle dergestalt, ob tatsächlich eine abstrakt-generelle Regelung im förmlichen Gesetzgebungsverfahren verabschiedet wurde, ausfallen. Das Gesetzgebungsverfahren ist hingegen kein Instrument, das dem Parlament für jede seiner Aufgaben unabhängig von der verfassungsrechtlichen Kompetenz zur Gesetzgebung zur Verfügung gestellt wurde. Der Verfassungsgeber hat dem Parlament bei dessen parlamen487 488 489 490 491

Siehe zu den einzelnen Ausnahmen die Nachweise bei Meyer-Bohl, aaO., S. 515. Meyer-Bohl, aaO., 516. Meyer-Bohl, aaO., 517. Meyer-Bohl, aaO., 517. Pestalozza, „Formenmißbrauch" des Staates, München 1973, S. 134.

I. Reformbestrebungen bis zum Jahr 2001

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tarischer Aufgabe der Regierungskontrolle, wie sie Art. 44 GG zugrunde liegt, gerade nicht das Gesetzgebungsverfahren an die Hand gegeben.492 Im übrigen geht auch das Bundesverfassungsgericht, soweit es Ausnahmen vom Erfordernis des förmlichen Gesetzesbegriffs zugelassen hat, bei der Auslegung von Art. 10011 GG letztendlich von einem materiellen Gesetzesbegriff aus. Es nahm bei Prüfungsgegenständen, wenn sie formverschieden vom förmlichen Gesetz waren, immer dann eine Ausnahme (s. o.) an, wenn der Prüfungsgegenstand einem parlamentarischen Gesetz „funktionsgleich" war. 493 Umgekehrt hat das Gericht Haushaltsgesetze - bloß förmliche Gesetze - als Prüfungsgegenstand der konkreten Normenkontrolle zurückgewiesen. 494 Auch der Vergleich mit einem anderen verfassungsgerichtlichen Verfahren zeigt, daß eine Ausdehnung des Prüfungsgegenstandes des Verfahrens nach Art. 10011 GG über den Wortlaut hinaus nicht angezeigt ist. Der Einsetzungsbeschluß als solcher kann durchaus Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens sein, nämlich als Maßnahme oder Unterlassen im Sinne des Art. 931 Nr. 1 GG im Organstreitverfahren. Daher zeigt auch der systematische Vergleich zwischen den verschiedenen verfassungsgerichtlichen Verfahren, daß der Verfassungsgeber bei der konkreten Normenkontrolle nach Art. 10011 GG keinen Anlaß sah, den Prüfungsgegenstand über Gesetze hinaus auszudehnen. Mit dem Mittel der Analogie kann hier nicht gearbeitet werden. Es besteht keine planwidrige Lücke. Denn eine umfassende „verfassungsgerichtliche Zuständigkeit" ist von vornherein nicht Inhalt des Art. 93 GG. Es gibt nur die verfassungsrechtlich und einfachgesetzlich bestimmten einzelnen Verfahren (Enumerationsprinzip). 495 Eine Erweiterung der Zulässigkeitsbedingungen im Wege der Analogie läuft auf die unzulässige Erweiterung von verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Bundesverfassungsgerichts hinaus.496 Darüber hinaus zeigt auch die in Art. 93 II GG vorgesehene Möglichkeit der Zuweisung von weiteren Verfahren auf einfachgesetzlichem Wege, daß eventuelle Verfahrenslücken nur durch den Verfassungs- oder Gesetzgeber geschlossen werden können. So hat auch das Bundesverfassungsgericht die Erweiterung der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Wege der Analogie mehrfach deutlich abgelehnt.497 492

Ebensowenig werden die Kreationsaufgaben des Parlaments, wie ζ. B. die Wahl des Bundeskanzlers (Art. 63 GG), durch Verabschiedung eines Gesetzes wahrgenommen werden können. 493 Deutlich BVerfGE 38, 121 (127): „... Demgegenüber hängt die Zulässigkeit der konkreten Normenkontrolle davon ab, ob das Haushaltsgesetz ein materieller (Herv. d. Verf.) Rechtssatz ist, auf dessen Gültigkeit es bei der Entscheidung des Ausgangsverfahrens ankommt.". 494 BVerfGE 38, 121 (127). 495 Klein, in: Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, § 18, Rn.433, S. 143. 496 In diesem Sinne BVerfGE 2, 341 (346). 497 BVerfGE 1, 396 (408) zur Erweiterung der abstrakten Normenkontrolle auf eine vorbeugende Unvereinbarkeitsprüfung einer noch nicht in Kraft getretenen Norm; speziell zur unzulässigen Ausdehnung der Zulässigkeitsbedingungen der konkreten Normenkontrolle BVerfGE 2, 341 (346); zur Erweiterung des Beschwerdegegenstandes der Verfassungsbeschwerde auf Sekundärrecht der EWG BVerfGE 22, 293 (298); zur unzulässige Vorlage eines Haushaltsgesetzes im Wege der konkreten Normenkontrolle BVerfGE 38, 121 (127). 10 Platter

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Β. Reformen auf Bundesebene

Die von Meyer-Bohl vorgeschlagene Erweiterung der Vorlagepflicht auf fachgerichtliche Entscheidungen, die die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages als Vorfrage zu prüfen haben, erweist sich als nicht gangbarer Weg. 498 Gleichzeitig wird damit auch für die hier interessierende Frage des Rechtsschutzes im Zusammenhang mit Untersuchungsausschüssen deutlich, daß eine Erweiterung der verfassungsgerichtlichen Verfahrensvoraussetzungen eines jeden Verfahrens vor dem Verfassungsgericht im Wege der Analogie nicht möglich ist. Will man die Fachgerichte zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht verpflichten, kommt man um eine eigenständige Regelung nicht herum. Diesen Weg ist der Gesetzgeber dann auch mit der Einführung des § 36 II PUAG gegangen.499

2. Gesetzliche Reformvorschläge bis zur Einführung des PUAG Reformvorschläge für das Verfahren der Untersuchungsausschüsse wurden in den über fünfzig Jahren bis zum Inkrafttreten des PUAG im Jahre 2001 außerordentlich viele gemacht. Parlamentarische Initiativen gab es mehrere. Verschiedene Verfassungsreformkommissionen haben sich des Themas angenommen. Vorschläge kamen auch aus der Wissenschaft. 500 Hauptanliegen der Reformvorschläge waren die Stärkung und konkrete Fixierung der Minderheitsrechte, die Verbesserung des Verfahrensablaufs im Untersuchungsausschuß, die Präzisierung der Eingriffsbefugnisse gegenüber Dritten und nicht zuletzt die Vereinfachung der Rechtsschutzes in bezug auf Minderheitsrechte und in bezug auf Dritte. Wie noch zu zeigen sein wird, war gerade die Verbesserung des Rechtsschutzsystems ein Anliegen, das erst in jüngeren Reformentwürfen in den Mittelpunkt gerückt ist. 501 Im Reformentwurf der Interparlamentarischen Arbeitsgemeinschaft des Bundestages von 1969 sind Regelungen des Rechtsschutzes auf die Regelung der örtlichen Zuständigkeit des Fachgerichts, das über die Anträge des Untersuchungsausschusses entscheidet, beschränkt. 502 Obwohl mit diesem Reformentwurf auch ein Antrag 498 Klein, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 80 Rn. 16, Fn.4. An dieser Stelle bemerkt sei auch schon, daß der im selben Jahr abgegebene Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung über die Verabschiedung eines Untersuchungsausschußgesetzes (BT-Drs. 11/8085) tatsächlich ein solches an die konkrete Normenkontrolle angelehntes konkretes Vorlageverfahren vorschlägt, dies aber in einer eigenen gesetzlichen Bestimmung tut (vgl. § 31 II des Entwurfes S. 10, siehe auch Begründung S. 30). Der Bundestag zieht den Art. 10011 GG als anwendbare Bestimmung nicht in Betracht. 499 Siehe unten II. 9., S. 169. 500 Siehe auch die Chronik bei Schindler, Datenhandbuch, S. 2242-2248. 501 Noch in den IPA-Regeln war eher beiläufig in § 20 die Zuständigkeit des Amtsgerichts Bonn für Anträge des Untersuchungsausschusses - also für mittelbare Maßnahmen des Untersuchungsausschusses - festgehalten. 502 IPA-Regeln (BT-Drs. V/4209), §201.

I. Reformbestrebungen bis zum Jahr 2001

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auf Änderung des Art. 44 GG in bezug auf einen verfassungsrechtlichen Anspruch auf Aktenvorlage verbunden war, sollte damit keine neue Antragsbefugnis für das Organstreitverfahren begründet werden; vielmehr sollte der Ausschuß für Angelegenheiten der Nachrichtendienste darüber entscheiden.503 Auch der Mustergesetzentwurf der Präsidenten der Deutschen Länderparlamente von 1972 504 enthält keine besonderen verfassungsgerichtlichen Zuständigkeiten, obwohl der 45. Deutsche Juristen-Tag sich schon 1964 für eine Zuweisung des Individual-Rechtsschutzes und die Durchsetzung des Minderheitsrechts an das Verfassungsgericht eingesetzt hatte. 505 Ein eigentliches eigenes System des Rechtsschutzes wurde nicht entworfen. Ein Entwurf der CDU/CSU-Fraktion aus dem Jahre 1977 war mit einem Vorschlag zur gleichzeitigen umfassenden Änderung des Art. 44 GG verbunden, ohne einfachgesetzlich mehr als die erstinstanzliche Zuständigkeit des Fachgerichts zu bestimmen. Der Verfassungsänderungsvorschlag enthielt insbesondere ein Beweisantragsrecht einer Minderheit im Ausschuß von zwei Mitgliedern, was jedenfalls die Durchsetzung dieses Rechts im Organstreitverfahren ermöglicht hätte. Detaillierter befassen sich das Mustergesetz der SPD-Fraktionen des Bundes, der Landtage und Bürgerschaften 506 und der darauf beruhende Vorschlag von Thaysen507 mit den Fragen des Rechtsschutzes. Das Mustergesetz weist in seinem § 281 alle fachgerichtlichen Streitigkeiten dem Verwaltungsgericht am Sitz des Landtages zu. Einen Sonderfall hierzu soll die Streitigkeit zwischen Untersuchungsausschüssen des Landes und des Bundes bilden, die dem Bundesverfassungsgericht zugewiesen ist (§ 29). Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts steht allen Beteiligten die Beschwerde, gegen die Beschwerdeentscheidungen allen Beteiligten - also auch dem Untersuchungsausschuß bzw. Landtagspräsidenten - die Beschwerde zum Verfassungsgericht (des Bundes bzw. des Landes) offen (§ 281 u. III). Der Vorschlag von Thaysen wandelt die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichts nach § 28 in eine solche des Verfassungsgerichts um. Beide Entwürfe bemühen sich somit darum, den Rechtsweg in bisher vor verschiedenen Fachgerichten ausgetragenen Streitigkeiten zu vereinheitlichen und die Asymmetrie des Rechtsschutzes im Bereich der Verfassungsbeschwerde zu beseitigen. 503

Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zu den BT-Drs. V/2425, V/3965, V/4445, S. 3 (BT-Drs. V/4514) und Schriftlicher Bericht des Rechtsausschusses zu BT-Drs. V/4514, S. 3; anders noch der Antrag BT-Drs. V/2425, der eine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts vorsah. 504 Abgedr. ZParl 3 (1972), 427-433, bzw. ROP 231021; noch gar nicht mit Rechtsschutzfragen beschäftigen sich die Empfehlungen der Konferenz der Präsidenten der deutschen Länderparlamente zur Regelung des Verfahrens von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, abgedr. ZParl 3 (1972), 433-436. 505 Siehe die Thesen in ZParl 3 (1973), 436-437, These Nr. 11. 506 Entwurf eines Mustergesetzes der SPD-Fraktionen des Bundes, der Landtage und Bürgerschaften über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen, beschlossen am 24./25. September in Hannover, abgedr. bei Thaysen, Ein Mustergesetz zu Einsetzung und Verfahren von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, ZParl 20 (1989), 6-34. 507 Thaysen, Mustergesetz, ZParl 20 (1989), 33 f. 10*

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Β. Reformen auf Bundesebene

I m Bundestag schreibt zum ersten M a l ein Gesetzentwurf der SPD-Fraktion aus dem Jahre 1988 5 0 8 eine allgemeine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts für das „gerichtliche Verfahren" vor (§ 24 des Entwurfes). I m selben Entwurf sind gerichtliche Entscheidungen vorgesehen für „Maßnahmen zur Sicherung der Beweiserhebung" (§16 des Entwurfes). 5 0 9 Dieser Entwurf überweist damit die Rechtsschutzaufgaben, die nach bisher geltender Praxis den Fachgerichten übertragen sind, pauschal an das Bundesverfassungsgericht. 510 Der Gesetzentwurf lag zeitlich vor der vielfältig kritisierten Entscheidung des A G B o n n 5 1 1 i m Zusammenhang mit dem U-Boot-Untersuchungsausschuß, nahm aber insofern das dort auftretende „Problem", daß ein Amtsgericht mit der Entscheidung über einen bedeutsamen Beweisantrag einen Untersuchungsausschuß faktisch zum Scheitern bringen konnte, vorweg. Die Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung aus dem Jahre 1990 5 1 2 griff die Idee, das Untersuchungsverfahren auch auf der verfassungsprozessualen Seite neu zu ordnen, auf, beantwortet das Problem nunmehr auch mit einer differenzierten Lösung. Der Entwurf erklärt in § 311 den Bundesgerichtshof für alle Streitigkeiten zuständig, für die nach Art. 93 GG oder § 13 BVerfGG keine Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts begründet ist, praktisch also für alle Streitigkeiten, für die nach geltender Rechtslage und Pra508

Gesetzentwurf der Fraktion der SPD v. 18. März 1988, BT-Drs. 11/2025. Die Entscheidung über die Entschädigung für Auskunftspersonen traf nach §23 II S. 2 des Entwurfes das Amtsgericht Bonn. Das Ersuchen um Rechtshilfe zur Erhebung von Beweisen sollten an dasjenige Verwaltungsgericht zu richten sein, in dessen Bereich die Untersuchungshandlung vorgenommen werden sollte. 510 Ein Vorschlag, der möglicherweise verfassungsrechtlichen Bedenken begegnet. Immerhin sollten dem Bundesverfassungsgericht hier (wohl aus Gründen der Rechtswegvereinheitlichung und der vermuteten größeren Sachkompetenz) Zuständigkeiten übertragen werden, die bis jetzt aufgrund der bisher geltenden Rechtslage von den Fachgerichten wahrgenommen werden. Auch nach diesem Entwurf wäre es in den entsprechenden Verfahren weiterhin formal um die Anwendung und Auslegung von einfachem Recht (nämlich § 16 des Entwurfs) gegangen. Man hätte daher Zweifel daran haben können, ob eine Zuweisung dieser Art von Art. 93 II GG gedeckt gewesen wäre. Sie wäre es dann nicht gewesen, wenn Art. 93 II GG so auszulegen ist, daß der Gesetzgeber nur verfassungsrechtliche Verfahrensgegenstände aufgrund dieser Ermächtigung zuweisen darf. Zwar nennt Art. 93 II GG keine ausdrücklichen inhaltlichen Grenzen in bezug auf mögliche Verfahrensgegenstände vor dem Bundesverfassungsgericht. Überdies enthält Art. 93 in Abs. I Nr. 4 GG selbst eine Zuständigkeit nicht-verfassungsrechtlicher Art. Andererseits ist umgekehrt der Aufgabenbereich der Fachgerichtsbarkeit vom Gesetzgeber nicht beliebig bestimmbar, d. h. auch einschränkbar. Art. 9511 GG nennt ausdrücklich die Gebiete der ordentlichen, der Verwaltungs-, der Finanz, der Arbeits- und der Sozialgerichtsbarkeit. Die besondere Zuständigkeit für öffentlich-rechtliche Streitigkeiten nach Art. 931 Nr. 4 GG ist überdies ausdrücklich eine subsidiäre (siehe zu dieser Frage ausführlich Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 17, Rn. 11-14, S. 241 f.). 511 Siehe bereits bei Fn. 103. 512 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung zu den Drucksachen 11/1896 und 11/2025 (siehe oben Fn. 508), BTDrs. 11/8085. 509

I. Reformbestrebungen bis zum Jahr 2001

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xis die verschiedenen Zweige der Fachgerichtsbarkeit zuständig waren. Darüber hinaus wird eine neue verfassungsgerichtliche Zuständigkeit kreiert. Im Sinne einer „Auftragskontrolle' 4 (Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages) soll das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses entscheiden, wenn es bei der Entscheidung des Bundesgerichtshof darauf ankommt (§ 31 II 1 des Entwurfes). Die Anlehnung an die konkrete Normenkontrolle ist klar. Sie wird schon durch den Verweis auf die besonderen Verfahrensbestimmungen des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes (§§ 80-82) hervorgehoben. Der Ausschuß für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung hebt die Anlehnung an das Verfahren nach Art. 10011 GG in seiner Begründung zum Gesetzentwurf der 11. Wahlperiode ausdrücklich hervor. 513 Hier erscheint eine verfassungsprozessuale Idee, ähnlich der von Meyer-Bohl (s. o.), allerdings im Unterschied zum Vorschlag von Meyer-Bohl in der Form einer gesetzlichen Erweiterung der Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts aufgrund der Ermächtigung nach Art. 93 II GG. Schon hier sei angemerkt, daß einige der jüngeren Landesverfassungen diese verfassungsprozessuale Idee auch aufgreifen und für ihre eigenen Landesverfassungsgerichte umsetzen. Darüber hinaus übernehmen auch mehrere Gesetzentwürfe der zwölften und vierzehnten Wahlperiode diesen Vorschlag 514. So wird der Entwurf des Ausschusses für Wahlprüfung aus der elften Wahlperiode in der zwölften Wahlperiode noch einmal eingebracht. 515 Auch die beiden Entwürfe der vierzehnten Wahlperiode greifen auf diesen Vorschlag unverändert zurück. 516 Das umfassendste System des Rechtsschutzes aber enthält das PUAG, wie es dann tatsächlich vom Bundestag verabschiedet wurde. 517 Es wird im folgenden Gegenstand einer genaueren Betrachtung sein.

513

Beschlußempfehlung und Bericht, aaO. (Fn.512), S.30. . . . allerdings nicht derjenige der SPD-Fraktion, der wie schon im Gesetzentwurf der 10. Wahlperiode, die pauschale Zuständigkeit des Bundesverfassungsgericht postulierte, siehe Fn. 508. 515 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages (Untersuchungsausschußgesetz) eingebr. von den Abg. Eylmann, Kleinert, Wiefelspütz und Genossen, BT-Drs. 12/418. 516 Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages, Gesetzentwurf der F.D.P.-Fraktion BT-Drs. 14/2363, §31 und Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und Bündnis 90/DIE GRÜNEN; BT-Drs. 14/2518, dort § 37. Im F.D.P.-Entwurf geht die Übernahme von BT-Drs. 11/8085 sogar so weit, daß in der Begründung auf S. 21 zu § 31 nur von der „Ansicht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung" ohne Hinweis auf BT-Drs. 11/8085 die Rede ist. 517 Zu den Materialien siehe bereits oben Fn.55. 514

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Β. Reformen auf Bundesebene

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG 1. Vorfrage: Zulässigkeit eines einfachrechtlichen Untersuchungsausschußgesetzes trotz fehlender Ermächtigungsnorm in Art. 44 GG? Mit der Verabschiedung des PUAG war keine Verfassungsänderung verbunden. Die Verfassung allerdings räumt dem Gesetzgeber weder in Art. 44 noch an anderer Stelle das Recht ein, das „Nähere" der parlamentarischen Untersuchung durch Bundesgesetz zu bestimmen. Die daraus resultierenden Fragen sollen an dieser Stelle kurz dargestellt werden. Schon Partsch wies in seinem Gutachten zum 45. Deutschen Juristentag 518 darauf hin, daß einem Untersuchungsausschußgesetz, wenn es die erwünschte Wirkung haben solle, eine Grundlage in der Verfassung zu geben sei. 519 Schröder griff dieses Argument in seinem Gutachten zum 87. DJT auf und meldete ebenfalls verfassungsrechtliche Bedenken gegen eine Neuordnung des Untersuchungsverfahrens nur mit Hilfe des einfachen Rechts an. Ein solches Gesetz könne nur ein Interpretationsversuch zur Verfassung sein, da der Gesetzgeber zur authentischen Verfassungsinterpretation nicht befugt sei. 520 Von dieser Annahme ging auch die Verfassungsreformkommission aus, da sie ihre Vorschläge für die Reform des Rechts der Untersuchungsausschüsse mit dem Hinweis auf die Notwendigkeit von Grundgesetzänderungen (insb. Art. 44 GG) verband. 521 Mithin kann der Gesetzgeber in einem Gesetz zum parlamentarischen Untersuchungsverfahren ohne entsprechende Verfassungsänderungen beispielsweise weder Minderheitenrechte anders definieren noch hoheitliche Befugnisse des Untersuchungsausschusses gegenüber Privaten einschränken oder erweitern. Ein Untersuchungsausschußgesetz, das echte Neuerungen einführen will, wird daher von vornherein auf schwankender Grundlage stehen. Hinsichtlich des PUAG wird in diesem Zusammenhang noch auf verschiedene Aspekte einzugehen sein.

518

Partsch, Empfiehlt es sich, Funktion, Struktur und Verfahren der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse grundlegend zu ändern? Gutachten für den 45. Deutschen Juristentag, in: Verhandlungen des fünfundvierzigsten Deutschen Juristentages, Karlsruhe 1964, Bandi (Gutachten) Teil 3, München und Berlin 1964, S.217. Partsch bezog dies auf eine Präzisierung der sinngemäßen Anwendung der StPO und die Verankerung von Minderheitsrechten in der Verfassung. 519 Einheit von Gesetz und Verfassung aus der Sicht der Komplexität der Materie, also die Notwendigkeit der Konkretisierung der verfassungsrechtlichen Bestimmungen durch einfaches Recht, verlangt Thaysen, Ein Mustergesetz zu Einsetzung und Verfahren von Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, ZParl 20 (1989), 5(5). 520 Schröder, Gutachten E 121 f.; Seidel, Die Opposition im parlementarischen Untersuchungsverfahren nach Art. 44 GG, BayVBl. 2002, 97 (98). 521 Zwischenbericht der Enquete-Kommission Verfassungsreform, BT-Drs. VI/3829, S. 15; Abschlußbericht BT-Drs. 7/5924, S. 51 f.

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

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Schwer wiegt auch der Einwand, daß der Griff zur Form des Gesetzes einen unzulässigen Eingriff in die durch Art. 4012 GG statuierte Parlamentsautonomie darstellt. 522 Rechtsmaterien, die in den Bereich der Parlamentsautonomie fallen, werden grundsätzlich durch die Geschäftsordnung des Bundestages geregelt. Zur Frage, welche Sachverhalte zwingend in der Geschäftsordnung zu regeln seien und in einem solchen Fall nicht durch ein Gesetz geregelt werden dürfen, hatte sich das Bundesverfassungsgericht in einer Entscheidung zu den Wirtschaftsplänen des Bundesnachrichtendienstes zu befassen. 523 Hier war es um die Frage gegangen, ob der Bund die Einrichtung und Besetzung der parlamentarischen Kontrollkommission zur Kontrolle der nachrichtendienstlichen Tätigkeit des Bundes (sog. PKKGesetz)524 durch Gesetz regeln darf. Das Bundesverfassungsgericht sah in der Regelung der Materie durch ein Gesetz keinen Verstoß gegen Art. 4012 GG. Nach einigen grundsätzlichen Erwägungen zur Autonomie des Parlaments als Schutz vor Gängelungsversuchen durch die Regierung hob das Bundesverfassungsgericht darauf ab, daß durch das Gesetz der „Kern der Geschäftsordnungsautonomie" nicht berührt werde und es sich auch nicht um ein zustimmungsbedürftiges Gesetz handelte, insofern also ein Verstoß gegen Art. 4012 GG nicht vorliege. Diese Auffassung wurde von den Richtern Mahrenholz und Böckenförde in ihren Minderheitsvoten grundlegend kritisiert. Mahrenholz stellte zunächst fest, daß der Bundestag nicht die Wahl zwischen Gesetzesform und Regelung in der Geschäftsordnung habe. Handele es sich bei der zu regelnden Materie um eine solche, die zum Bereich der Geschäftsordnung gehöre, müsse der Bundestag diese auch in der Geschäftsordnung regeln, denn die Gesetzesform gebe preis, daß der Bundestag Herr im Hause seiner eigenen Angelegenheiten bleibe. Die Geschäftsordnung diene dabei - anders als in der Frühzeit des Parlamentarismus, wo es um die Selbständigkeit des Parlaments ging - im wesentlichen dem Minderheitsschutz. Die Kriterien, auf die das Bundesverfassungsgericht seine Entscheidung stützt, gerade die Materie der Parlamentarischen Kontrollkommission nicht diesem Kernbereich zuzurechnen, werden von Mahrenholz verworfen. Auch bei zustimmungsfreien Gesetzen könne der Bundesrat Einfluß nehmen (Art. 77 III und IV GG). Im übrigen sei die Bestimmung eines Kernbereichs der Geschäftsordnungsautonomie methodisch an sich schon problematisch, in der konkreten Entscheidung überdies unzutreffend vollzogen worden. 525 Böckenförde wies überdies darauf hin, daß ein Eingriff in die Geschäftsordnungsautonomie nur durch eine besondere Ermächtigung erfolgen darf. 526 Die in dieser Entscheidung und den dazu abgefaßten Minderheitsvoten dargelegten Argumente sind auch für die einfachgesetzliche Regelung des parlamentari522

Troßmann, Parlamentsrecht des Deutschen Bundestages, §63, Rn. 16.5., S.452. BVerfGE 70, 324. 524 Gesetz über die parlamentarische Kontrolle nachrichtendienstlicher Tätigkeit des Bundes v. 11. April 1978, BGBl. I S. 453. 525 BVerfGE 70, 324 (376-378). 526 BVerfGE 70, 324 (387). 523

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Β. Reformen auf Bundesebene

sehen Untersuchungsverfahrens von Belang. Man könnte die Regelung des PUAG schon dann für verfassungswidrig halten, wenn man von der Prämisse des Bundesverfassungsgerichts ausgeht, daß die Gesetzesform (nur) dann zur Verfügung steht, wenn der Kernbereich der Parlamentsautonomie nicht betroffen ist. Das mit dem parlamentarischen Untersuchungsausschuß geschaffene Werkzeug der Kontrolle könnte durchaus als Teil des Kernbereichs parlamentarischer Autonomie verstanden werden. Wie das Bundesverfassungsgericht an anderer Stelle selbst betont, erhalten die Parlamente dadurch die Möglichkeit, unabhängig von Regierung, Behörden und Gerichten mit hoheitlichen Mitteln selbständig Sachverhalte zu prüfen. 527 Der Hinweis auf die fehlende Außenwirkung von Regelungen der Geschäftsordnung vermag daran nichts zu ändern, da die Verfassung den Untersuchungsausschüssen insoweit die Befugnisse in sinngemäßer Anwendung der Strafprozeßordnung an die Hand gibt. Berücksichtigt man auch die von Mahrenholz und Böckenförde vorgetragene Kritik an der genannten Entscheidung, so scheint eine Regelung der parlamentarischen Untersuchung allein durch einfaches Gesetz ohne Änderung des Grundgesetzes vollends ausgeschlossen. Angelegenheiten, die in die Parlamentsautonomie des Bundestages fallen, dürfen nicht ohne ausdrückliche verfassungsrechtliche Ermächtigung vom Bundesrat mitberaten werden. Unerwähnt blieb in den Minderheitsvoten, daß im förmlichen Gesetzgebungsverfahren noch ein weiteres Verfassungsorgan - der Bundespräsident - am Entstehen der Rechtsnorm beteiligt ist (Ausfertigung und Verkündung, Art. 821 GG), dessen Amtsinhaber in einigen Fällen ein materielles Prüfungsrecht 528 für sich in Anspruch genommen haben. Auch hier ist die Parlamentsautonomie potentiell bedroht, wenn in diesem Zusammenhang zur Gesetzesform gegriffen wird. Insgesamt bestehen daher erhebliche Bedenken gegen die Regelung der parlamentarischen Untersuchung durch einfaches Recht, wie sie nunmehr im PUAG vorliegt. Für die prozessuale Seite gilt dieses Verdikt allerdings in dieser Weise nicht unbedingt. Hier ist der Gesetzgeber möglicherweise freier. Was das Verfassungsprozeßrecht betrifft, kann der Gesetzgeber auf die Ermächtigung zur Ausgestaltung des Verfahrens des Bundesverfassungsgerichts (Art. 94 II GG) und die Ermächtigung, dem Bundesverfassungsgericht weitere Fälle zuzuweisen (Art. 93 II GG), zurückgreifen. Der Gesetzgeber eines Untersuchungsausschußgesetzes bleibt damit aus verfassungsprozessualer Sicht nicht unbedingt an den im Organstreitverfahren vorausgesetzten Zusammenhang zwischen Prozeßrechtsverhältnis und materiell-rechtlichem Rechtsverhältnis gebunden. Für eine denkbare Neuregelung des fachgerichtlichen Rechtsschutzes kann er sich auf seine Gesetzgebungskompetenz aus Art. 741 Nr. 1,7211 GG stützen. 527

BVerfGE 49, 70 (85). Zum Streit über das Prüfungsrecht des Bundespräsidenten und die Handhabung in der Praxis siehe Maurer, Staatsrecht, § 17, Rn. 86-92, S. 587-593. 528

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

153

Unabhängig von den vorgebrachten Bedenken sollen aber i m folgenden die einzelnen Bestimmungen des PUAG zum Rechtsschutz genauer betrachtet werden. 2. Die allgemeine Bestimmung der gerichtlichen Zuständigkeiten nach § 3 6 1 P U A G § 361 PUAG bestimmt als zuständiges Gericht für Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Bundesgerichtshof, soweit nicht Art. 93 GG und § 13 BVerfGG oder auch das PUAG selbst etwas Abweichendes bestimmen. 5 2 9 Bei der Untersuchung des Rechtsschutzes nach dem PUAG müssen daher mehrere Problemebenen in den Blick genommen werden. Vor allem ist der Frage nachzugehen, ob die erstinstanzliche Zuweisung an ein oberstes Bundesgericht i m Einklang mit der Verfassung - hier insbesondere mit Art. 951 GG - steht. Alsdann sind die besonderen Bestimmungen des PUAG zu verschiedenen Konfliktfällen und ihr Verhältnis insbesondere zum Organstreitverfahren und zur Verfassungsbeschwerde zu betrachten: gibt es möglicherweise Überschneidungen oder entstehen neue Lücken? Für den Rechtsschutz von Privatpersonen ist i m Einzelnen zu untersuchen, ob die allgemeine Bestimmung nach § 361 PUAG Auswirkung auf die bisher bestehende Spaltung der Rechtswege und die Anwendung unterschiedlicher Verfahrensordnungen hat. 5 3 0 Auch hier ist außerdem nach der verfassungsrechtlichen Vereinbarkeit zu fragen. 529

So schon die zugrundeliegenden Entwürfe aus den Fraktionen, BT-Drs. 14/2518 (SPD Bündnis 90/GRÜNE-Entwurf), S.9 und BT-Drs. 14/2363 (F.D.P.-Entwurf), S.7. Die beiden Vorschläge zum Erlaß eines Untersuchungsausschussgesetzes bestimmen für die Zuständigkeit des BGH folgendes: „Zuständiges Gericht für die Streitigkeiten nach diesem Gesetz ist der Bundesgerichtshof, soweit Art. 93 des Grundgesetzes sowie § 13 des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes und die Vorschriften dieses Gesetzes nichts Abweichendes bestimmen." Im Εηίτ wurf selbst sind dabei bestimmte Angelegenheiten dem Ermittlungsrichter beim BGH zugewiesen. Die im Entwurf vorgesehenen Zuständigkeiten entsprechen ungefähr den Zuständigkeiten des Amtsrichters zu mittelbaren Beweiserhebungsmaßnahmen bei sinngemäßer Anwendung der StPO (nach bisher geltendem Recht), die Rechtsschutzmöglichkeiten sind dabei aber noch etwas erweitert. Gegen die Entscheidung des Ermittlungsrichters ist die Beschwerde zum Bundesgerichtshof gegeben. (Zuständigkeiten des Ermittlungsrichters im F.D.P.-Entwurf [BT-Drs. 14/2363], die der Zuständigkeit des Amtsrichters entsprechen: Anordnung der Beugehaft, §22 des Entwurfes; Anordnung der Haft zur Herausgabe eines Gegenstandes, der als Beweismittel von Bedeutung sein kann, §2411 des Entwurfes [vgl. §9511 StPO]; Anordnung von Beschlagnahme und Durchsuchung, § 24 III des Entwurfes.) Weitere Zuständigkeiten des Ermittlungsrichters: Entscheidung über die Ablehnung der Anwendung von Zwangsmitteln auf Antrag eines Viertels der Mitglieder des Untersuchungsausschusses (wohl nur im Sinne eines eigenen Antragsrechts der qualifizierten Minderheit im Ausschuß für die mittelbaren Beweiserhebungsmaßnahmen zu verstehen, siehe die Begründung auf S. 14). Entscheidung über die Aufhebung des Geheimhaltungsgrades GEHEIM, § 25 V I des Entwurfes. 530 Siehe unten II. 6., S. 162.

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Β. Reformen auf Bundesebene

a) Die Zuweisung an ein oberstes Bundesgericht Zunächst zur Frage, ob der Bundesgesetzgeber überhaupt einem obersten Bundesgericht die erstinstanzliche Zuständigkeit für bestimmte Angelegenheiten zuweisen darf: Insofern könnte man sich fragen, ob die in Art. 951 GG dem Bund zugewiesene Kompetenz zur Errichtung der obersten Gerichtshöfe der fünf Gerichtszweige nur die Errichtung von Rechtsmittelgerichten gestattet. Das Bundesverfassungsgericht stellte zu dieser Frage schon in einer frühen Entscheidung531 zu erstinstanzlichen Zuständigkeiten des Bundesverwaltungsgerichts fest, daß die Bundesgerichte zwar innerhalb eines Instanzenzuges stehen und grundsätzlich als höchste Rechtsmittelgerichte innerhalb eines Gerichtszweiges gedacht seien. Aus der Bezeichnung „obere" (damals Art. 96 a. F. GG) folge aber keineswegs zwingend, diese Gerichte könnten nur Rechtsmittelgerichte sein. Die Bezeichnung bleibe auch dann sinnvoll und zutreffend, wenn die so benannten Gerichte nach ihrem Zuständigkeitskreis im wesentlichen als Rechtsmittelgerichte tätig sind. Herzog führt darüber hinaus folgende Kriterien zur Rechtfertigung einer erstinstanzlichen und damit ausschließlichen Gerichtszuständigkeit eines Bundesgerichts an: 532 Erstens sei sie gerechtfertigt bei besonderer Affinität zu Bundesinteressen. In diesem Zusammenhang wurde in der Literatur am derzeit praktizierten System mehrfach bemängelt, daß Landesgerichte über Sachverhalte zu entscheiden hätten, die ausschließlich Bundesangelegenheiten betreffen. Da im Falle der Beweiserhebung der Untersuchungsausschuß des Bundestages im Sinne einer Bundesbehörde tätig wird, während andererseits ein Anknüpfungspunkt an ein bestimmtes Bundesland fehlt, dürfte man dieses Kriterium wohl als erfüllt ansehen. Zweitens sollen nach Auffassung Herzogs der Gegenstand und die Art der Entscheidung für eine Zuweisung an das höchste und damit zuverlässigste Gericht sprechen. Billigt man Herzogs Kriterium als solches, so wird man auch hier sagen können, daß die politische Bedeutung eines Untersuchungsausschusses des Bundestages es rechtfertigt, den Bundesgerichtshof mit auftretenden Streitfragen zu befassen. So wurde es in der Literatur als rechtspolitisch bedenklich bezeichnet, daß ein zuständiges Amtsgericht mit seiner Ablehnung eines entscheidenden Beweisantrages einen Untersuchungsausschuß faktisch zum Scheitern bringen konnte.533 Gegen die Einrichtung einer erstinstanzlichen Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes gibt es daher keine verfassungsrechtlichen Einwände.

b) Der Ermittlungsrichter

als erste Instanz

Die unter Richtervorbehalt stehenden Zwangsmaßnahmen in der Beweiserhebung muß der Untersuchungsausschuß beim Ermittlungsrichter beim BGH beantra531

BVerfGE 8, 174 (177) zu Art. 96 a.F. GG. Herzog, in: Maunz/Dürig u.a., Grundgesetz Kommentar, Bd. V, Art.92-146, 39. Lieferung 7/2001, Art. 95, Rn. 48. 533 Siehe Morlok, in: Dreier (Hrsg.), GG Bd. II, Art. 44, Rn. 56. 532

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

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gen, so daß auch nach der neuen Rechtslage über diese Anträge der Einzelrichter entscheidet. In den Materialien wird es nicht eindeutig ausgesprochen, jedoch darf vermutet werden, daß auf diese Weise ein Zwei-Instanzenzug für den Rechtsschutz gegen die besonders einschneidenden Zwangsmaßnahmen eingerichtet werden sollte. Die Zuweisung dieser Aufgabe an den Einzelrichter begegnet keinen Bedenken. Die entsprechenden Zwangsmaßnahmen im Ermittlungsverfahren auf der Rechtsgrundlage der Strafprozeßordnung werden ebenfalls beim Einzelrichter beantragt (vgl. § 162 StPO, § 21 e 11 GVG). 3. Die Streitigkeit um die Einsetzung des Untersuchungsausschusses Das PUAG äußert sich für den Fall des Streits über die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses explizit nur zu dem Sonderfall der teilweisen Ablehnung des Antrags auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (§ 2 III 2 PUAG). Das Recht der Antragstellenden, wegen der teilweisen Ablehnung des Einsetzungsantrags das Bundesverfassungsgericht anzurufen, soll unberührt bleiben. Für die Streitigkeiten bei der Einsetzung wegen Ablehnung oder teilweiser Ablehnung oder unzulässiger inhaltlicher Abänderung bleibt es daher bei der bisherigen verfahrensrechtlichen Lage. Die Einsetzungsminderheit kann hierüber ein Organstreitverfahren in Gang bringen. 534 4. Die Streitigkeit um die Besetzung des Untersuchungsausschusses Das PUAG enthält hierzu keine einschlägigen verfassungsprozessualen Vorschriften. Es bleibt daher dabei, daß die Fraktionen in diesem Zusammenhang ihr verfassungsrechtlich garantiertes Recht auf Gleichbehandlung im Rahmen ihres Stärkeverhältnisses im Organstreitverfahren geltend machen können.535 5. Durchsetzung von Beweisbeschlüssen gegenüber anderen staatlichen Organen a) Die Erzwingung der Aktenvorlage als solche vor dem Bundesverfassungsgericht aa) Der verfahrensrechtliche Grundfall: Der Untersuchungsausschuß als Antragsteller im Falle der verweigerten oder unvollständigen Aktenvorlage oder der Verweigerung verwandter Auskunftsansprüche. Für den verfahrensrechtlichen Grundfall, daß der Untersuchungsausschuß die Vorlage verlangt oder für die Vernähme von Zeugen die Erteilung von Aussagege534 535

Siehe oben Erster Hauptteil, II. l.c)aa), S.93. Siehe oben Erster Hauptteil, II. l.c)cc), S.96.

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Β. Reformen auf Bundesebene

nehmigungen benötigt und der zuständige Bundesminister bzw. die Bundesregierung dies verweigert, sieht das PUAG in § 18 III Hs. 1 eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vor. Ob diese Bestimmung nur auf das auch bisher vor dem Bundesverfassungsgericht durchführbare Organstreitverfahren in diesem Konflikt verweist oder ein durchzuführendes Verfahren auf eine davon unabhängige, einfachrechtliche Grundlage stellen will, ist für den Grundfall noch nicht erheblich. Der Gesetzgeber allerdings geht unmißverständlich davon aus, daß es sich bei dieser Streitigkeit gem. § 18 III ( 1. Hs.) PUAG um einen Organstreit und nicht etwa um ein eigenständiges Verfahren handelt. Dies zeigt die an das Bundesverfassungsgerichtsgesetz neu eingefügte Bestimmung des § 66 a, nach der das Bundesverfassungsgericht in diesen Fällen ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann. 536 Die Verfahrensvoraussetzungen für den möglichen Antragsteller, den möglichen Antragsgegner und der geltend zu machender Anspruch im Rahmen der Antragsbefugnis sind, geht man dennoch von einem nunmehr eigenen Verfahren nach § 18 III PUAG aus, jeweils in ihren Voraussetzungen mit dem entsprechenden verfassungsrechtlichen Verhältnis im Organstreitverfahren zu vergleichen.

bb) Antragsrecht einer Ausschußminderheit 537 Völlig anders stellt sich die Situation für den zweiten in § 18 III Hs. 1 PUAG genannten möglichen Antragsteller, nämlich das Viertel der Mitglieder des Ausschusses, dar. Der Gesetzgeber will durch diese Vorschrift die vielfach als fehlend beklagte, konsequente Erweiterung des Minderheitsrechts auf die Ebene der Beweiserhebung im Ausschuß einfügen. 538 Wie die bereits erwähnte Ergänzung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes durch § 66 a BVerfGG 539 belegt, sieht der Gesetzgeber auch eine Streitigkeit mit diesem Antragsteller als Unterfall des Organstreitverfahrens. In einem Organstreitverfahren wäre bereits die Parteifähigkeit der Ausschußminderheit von einem Viertel der Mitglieder fraglich. Weder Verfassung noch die Geschäftsordnung des Bundestages nennen diese Minderheit, bzw. statten sie mit 536 Eindeutig insoweit auch die Erläuterungen zum GesEntw. (Entwurf eines Sechsten Gesetzes zur Änderung des Bundesverfassungsgerichtsgesetz, BT-Drs. 14/9220), S.5 (... Variante des Organstreits...). 537 Grundsätzlich gegen eine solche Ausdehnung von Antragrechten durch einfaches Rech schon Schröder, Gutachten, Ε116, 122. 538 Das Antragsrecht des Viertels der Mitglieder des Ausschusses ist bereits im Entwurf von SPD- und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- Fraktion zum PUAG in ähnlicher Weise enthalten, siehe BT-Drs. 14/2518, S.5 (§ 19III und IV des Entwurfes). Wiefelspütz sieht in den Regelungen des PUAG insgesamt Aussagen des Bundesverfassungsgerichts zum Recht der qualifizierten Minderheit (Urteil zum Parteispendenuntersuchungsausschuß, Urt. v. 8. Apr. 2002, Az.2 BvE 2/01, http://www.bverfg.de/) vorweggenommen (Wiefelspütz, Die qualifizierte Minderheit im Untersuchungsausschuß, NJ 2002, 398 [401]). 539 Siehe Fn. 536.

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

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Rechten aus, so daß nach dem Wortlaut von Art. 931 Nr. 1 GG in Verbindung mit §§ 13 Nr. 5, 63 BVerfGG die Zulässigkeit des Verfahrens schon an der Parteifähigkeit scheitert. 540 An diesem Punkte könnte man indes daran denken, die Parteifähigkeit für Teile von Verfassungsorganen auch dann zu bejahen, wenn diese zwar nicht der Geschäftsordnung, aber in einem Ausführungsgesetz zu den verfassungsmäßigen Aufgaben des Bundestages genannt sind. Als Beispiel für eine auf einfachem Gesetz anstatt auf der Geschäftsordnung fußenden Parteifähigkeit könnte die Parteifähigkeit des Wahlausschusses für die Wahl der Bundesverfassungsrichter durch den Bundestag nach § 6111 BVerfGG herangezogen werden. In entsprechender Anwendung der Bestimmungen über die Parteifähigkeit kann dieser Ausschuß nach Sinn und Zweck seiner Konstituierung auch als Teil des Verfassungsorgans „Bundestag" gelten.541 Allerdings stützt sich die Regelung des Wahl Verfahrens für die Richter des Bundesverfassungsgerichts auf die verfassungsgerichtliche Ermächtigung an den Bundesgesetzgeber aus Art. 94 II 1 GG. Das Wahlverfahren für die Bundesverfassungsrichter ist damit ausdrücklich aus der Geschäftsordnungsautonomie des Bundestages herausgenommen. Die durch einfaches Gesetz vorgesehenen Gremien des Bundestages für die Wahl erhalten damit ihre Rechte zwangsläufig nicht aus der Geschäftsordnung des Bundestages, so daß für das Organstreitverfahren im Hinblick auf die Parteifähigkeit dieser Gremien von einer planwidrigen Lücke gesprochen werden kann, die einen Analogieschluß notwendig macht. Diese Erwägung kann für das PUAG und dort mit eigenen Rechten ausgestattete Teile des Bundestages nicht herangezogen werden. Art. 44 GG erteilt dem Gesetzgeber, wie schon gesagt, keine Ermächtigung, das Nähere zu regeln. Scheitern würde die Zulässigkeit eines Antrags nach der hier vertretenen Auffassung dann jedenfalls auf der Stufe der Antragsbefugnis. Wie bereits erläutert, gibt das Grundgesetz keiner der Minderheiten im Ausschuß ein verfassungsmäßiges Recht gegenüber der Regierung auf Aktenherausgabe oder Erteilung der Aussagegenehmigung.542 Auch als Prozeßstandschafterin für den Bundestag oder den Untersuchungsausschuß kann sie nicht auftreten. Soweit das PUAG der Minderheit von einem Viertel der Mitglieder im Ausschuß ein solches Recht auf einfachgesetzlicher Ebene verleiht, ist dies für die Antragsbefugnis im Organstreitverfahren unerheblich, da diese die Möglichkeit der Verletzung eines verfassungsmäßigen Rechtes verlangt. Innerhalb des Organstreitverfahrens nach den Vorschriften Art. 931 Nr. 1 GG i.V. m. §§ 13 Nr. 7, 63-67 BVerfGG kann diese Minderheit einen Antrag nicht in zulässiger Weise stellen. Als Ergänzung zum Organstreitverfahren kann das Antragsrecht des Viertels der Mitglieder des Ausschusses daher nicht verstanden werden. 543 540

Siehe auch im Ersten Hauptteil II. l.c)ee), S. 115 f. So Clemens, in: Clemens/Umbach, BVerfGG-Mitarbeiterkommentar, §§63, 64, Rn. 7. 542 Siehe auch im Ersten Hauptteil II. l.c)ee), S. 115. 543 So schon Schröder, Gutachten E116, 122; anders Seidel, Die Opposition im parlamentarischen Untersuchungsverfahren, Bay Vbl. 2002,97 (98), der die Rechtsschutzmöglichkeiten für die Minderheit im Ausschuß nach dem PUAG ganz allgemein als Ergänzung zu den herkömmlichen Antragsmöglichkeiten beim Bundesverfassungsgericht ansieht. 541

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Β. Reformen auf Bundesebene

Dagegen bleibt die Möglichkeit zu diskutieren, ob dieses Antragsrecht (entgegen der auch in den Materialien dokumentierten Auffassung des Gesetzgebers) als ein selbständiges, auf einfachgesetzlicher Ebene begründetes Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht interpretiert werden könnte. Diese Deutungsmöglichkeit kommt deshalb in Betracht, weil Art. 93 II GG dem Bundesgesetzgeber die Zuweisung von weiteren Fällen an das Bundesverfassungsgericht gestattet, auf diesem Wege also eine verfassungskonforme Auslegung des § 18 III Hs. 1 PUAG gefunden werden kann. Näher bestimmt werden muß dann, was der Wortlaut der Verfassung in Art. 93 II GG („sonst durch Bundesgesetz zugewiesene Fällen") für eine Aussage trifft, und ob danach die Einführung eines Verfahrens nach § 18 III Hs. 1 PUAG vom Grundgesetz gestattet ist. Die Formulierung „sonst durch Bundesgesetz zugewiesene Fällen" erklärt sich mit Blick auf Art. 931 GG als Abgrenzung zu den durch das Grundgesetz zugewiesenen Fällen, von denen Art. 93 in Absatz 1 in Nr. 1-4 GG einige aufzählt und für die in Art. 931 Nr. 5 GG auf weitere im Grundgesetz genannte Fälle verweist. Typisch für die im Grundgesetz selbst genannten Verfahren ist, daß regelmäßig die für diese Verfahren wesentlichen Prozeßvoraussetzungen bereits im Grundgesetz selbst formuliert sind. An diese ist der Bundesgesetzgeber gebunden, wenn er von seiner Ermächtigung in Art. 94 II 1 GG, das Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht zu regeln, Gebrauch macht. Bei der Einführung neuer Verfahren auf der Grundlage der Ermächtigung von Art. 93 II GG unterliegt er diesen strengen Bindungen hinsichtlich der Prozeßvoraussetzungen nicht. Die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit von neuen Verfahrensbestimmungen verlangt also eine Unterscheidung danach, ob der Gesetzgeber mit der Einführung eines neuen Antragsrechts den verfassungsmäßigen Bindungen von Art. 931 GG - hier konkret den Bindungen des in Art. 93 I Nr. 1 GG genannten Organstreitverfahrens - unterliegt oder nicht. Dem Gesetzgeber ist es verwehrt, über die Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 93 II GG die von der Verfassung selbst vorgeformten Prozeßvoraussetzungen der einzelnen verfassungsrechtlich vorgesehen Verfahren zu ändern. Will der Gesetzgeber eine „Verfassungsstreitigkeit" vom Bundesverfassungsgericht entscheiden lassen, hat er die verfahrensrechtlichen Vorgaben von Art. 931 Nr. 1 GG zu beachten. Das Antragsrecht nach § 18 III Hs. 1 PUAG für eine Minderheit im Ausschuß bewegt sich offensichtlich im Zuordnungsbereich des Organstreitverfahrens. Das zeigt schon der Kontext, in dem dieses Antragsrecht steht. Damit kann die Verfassungsmäßigkeit dieses Antragrechts nur am Maßstab des Art. 931 Nr. 1 GG gemessen werden. Auf Art. 93 I I GG kann eine solche einfachgesetzliche verfahrensrechtliche Parallele zum Organstreitverfahren nicht gestützt werden. Die Begründung eines einfachgesetzlichen Anspruchs gegenüber einem anderen Verfassungsorgan (hier § 18 III Hs. 1 PUAG als Beweiserzwingungsrecht) hilft über den fehlenden verfassungsmäßigen Anspruch im Zusammenhang mit der erforderlichen Antragsbefugnis gem. Art. 931 Nr. 1 GG nicht hinweg. § 18 III Hs. 1 PUAG ist verfassungswidrig.

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b) Die Anfechtung der Einstufung von Akten nach Geheimhaltungsstufen vor dem Ermittlungsrichter des BGH (§18 III Hs. 2 PUAG) Als Neuerung sieht das PUAG nunmehr eine eigene Zuständigkeit des Ermittlungsrichters für Streitigkeiten um den Geheimhaltungsgrad von herausgegebenen Akten vor. Antragsberechtigt sind auch hier sowohl der Untersuchungsausschuß als Ganzer als auch ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses. Bisher wäre eine solche Streitigkeit ebenso wie die Geltendmachung des Aktenvorlageanspruchs vor dem Bundesverfassungsgericht in einem Organstreitverfahren geltend zu machen gewesen. Damit überschneiden sich zwei Problemkreise: Ist einerseits die Zuweisung an den Ermittlungsrichter des BGH mit Art. 931 Nr. 1 GG vereinbar, und wie verhält es sich andererseits in diesem Zusammenhang mit dem Antragsrecht der Minderheit im Ausschuß in diesem Verfahren? Soweit hier ein Antragsteller ein Verfahren vor dem Verfassungsgericht in Gang setzen kann, könnte die Zuweisung dieser Streitigkeit an den Ermittlungsrichter verfassungsrechtlich unzulässig sein. aa) Der Untersuchungsausschuß als Antragsteller Wie schon im Rahmen der Darstellung der bisherigen Rechtslage ausgeführt, kann der Untersuchungsausschuß gegen einen zu hohen Geheimhaltungsgrad ein Organstreitverfahren gegen die Bundesregierung anstrengen,544 denn es handelt sich um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne von Art. 931 Nr. 1 GG. § 18 III Hs. 2 PUAG soll dem Bundesverfassungsgericht diese Zuständigkeit entziehen oder zumindest einen weiteren „Rechtsweg", d. h. die Möglichkeit einer gerichtsförmigen Entscheidung durch ein Fachgericht über die Streitigkeit, eröffnen. Wurde bisher in der Literatur nur die Frage diskutiert, ob dem Bundesverfassungsgericht im Wege des einfachen Gesetzes auch andere, nichtverfassungsrechtliche Streitigkeiten zugewiesen werden dürfen, ist hier die genau umgekehrte Konstellation angesprochen, nämlich die, ob dem Bundesverfassungsgericht verfassungsrechtliche Streitigkeiten durch Gesetz entzogen werden können. Die Formulierung des Grundgesetzes in Art. 931 GG „Das Bundesverfassungsgericht entscheidet:..." in Verbindung mit der Formulierung in Art. 93 I I GG „wird ferner tätig in den ihm sonst durch Bundesgesetz zugewiesenen Fällen." [Herv. d. Verfasserin] spricht gegen eine Befugnis des Gesetzgebers, die im Grundgesetz vorgesehenen Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts durch einfaches Bundesrecht zu reduzieren, auch wenn ein allgemeiner „Rechtsweg der Verfassungsgerichtsbarkeit" durch Art. 931 GG nicht eingerichtet wird. 545 Zuvörderst ist einzuräu544

Siehe oben im Ersten Hauptteil II. l.c)dd)(l)(b), S. 104. Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, §2, Rn.60, S.62f.; Schiaich/Korioth, Das Bundesverfassungsgericht - Stellung, Verfahren, Entscheidung, 5. Aufl. München 2001, S.53, Rn.72. 545

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Β. Reformen auf Bundesebene

men, daß § 18 III Hs. 2 PUAG dem Wortlaut nach dem Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit für eine bestimmte Fallgruppe von Organstreitigkeiten nicht ausdrücklich entzieht. Zunächst läßt die Formulierung des § 36 PUAG gewisse Eindrücke in dieser Richtung aufkommen, da sie die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes als Regel, die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts und des Ermittlungsrichters aber als Ausnahmen statuiert, wobei sprachlich beide Ausnahmen gleichgeordnet sind. Etwas derartiges war wohl aber mit Blick auf § 361 PUAG ausweislich der Materialien weder ausdrücklich noch inzident beabsichtigt. Die Begründung für eine Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes bzw. des Ermittlungsrichters zur Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung, dessen Entwurfsfassung dem verabschiedeten PUAG entspricht, lautet vielmehr: „... Streitigkeiten nach Absatz 1 [des § 36 PUAG] sind - soweit nicht das Bundesverfassungsgericht zuständig ist - gegeben, wenn der Deutsche Bundestag, einer seiner Untersuchungsausschüsse oder Teile dieser Organe einer der Beteiligten an einer gerichtlich ausgetragenen Auseinandersetzung im Zusammenhang mit einem Untersuchungsverfahren ist." 546 Diese Erläuterung stellt im Gegenteil klar, daß die Zuständigkeiten nach § 361 PUAG in Verbindung mit den im Einzelfall vorgesehenen Zuständigkeiten des Ermittlungsrichters gegenüber den Zuständigkeiten des Bundesverfassungsgerichts subsidiär sind. Dies entspricht auch einer verfassungskonformen Auslegung von § 361 PUAG. Es kann demnach auch keine Wahlmöglichkeit des antragstellenden Untersuchungsausschusses geben, die Herunterstufung der Geheimhaltungsstufe entweder im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht oder im Verfahren vor dem Ermittlungsrichter des BGH zu verlangen. Damit bleibt - so das bemerkenswerte Ergebnis - § 18 III Hs. 2 PUAG ohne Anwendungsfall, weil für diese Streitigkeit das Bundesverfassungsgericht vorrangig zuständig ist.

bb) Die Ausschußminderheit als Antragstellerin Anders stellt sich die Situation möglicherweise für die Minderheit von einem Viertel der Mitglieder des Ausschusses dar. Wie erläutert, fehlt dieser Minderheit das für einen zulässigen Antrag im Organstreitverfahren notwendige, in der Verfassung verankerte Recht auf Aktenvorlage. 547 Daraus läßt sich eventuell ableiten, daß der Weg zum Ermittlungsrichter nach § 18 III Hs. 2 PUAG für diese Antragstellerin eröffnet ist. Allerdings dürfte Art. 93 I Nr. 1 GG dann insoweit nichts anderes bestimmen (§ 361 PUAG). Nach der hier vertretenen Auffassung ist die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts in Art. 931 Nr. 1 für Organstreitigkeiten, d. h. verfassungsrechtliche Streitigkeiten, auf jeden Fall abschließend geregelt. 548 Hier könnte Anders noch der Art. 97 S. 2 HchE:... Es [Das Bundesverfassungsgericht] ist zuständig für Fragen des Bundesstaatsrechts.", abgdr. in: Der Parlamentarische Rat, Bd. 2, S.599. 546 BT-Drs. 14/5790, S. 21. 547 Siehe oben Erster Hauptteil 1.4. b), S. 78 und Erster Hauptteil II. 1. dd) (2) (c), S. 115. 548 Siehe auch oben Zweiter Hauptteil, II.5.a)bb), S. 158.

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

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man angesichts der fehlenden Antragsbefugnis der Minderheit im Ausschuß im Organstreitverfahren (kein verfassungsrechtlich verankerter Aktenherausgabeanspruch für diese Antragstellerin/keine Prozeßstandschaft für anderen Anspruchsinhaber möglich) allerdings der Auffassung sein, daß eine solche Streitigkeit deshalb auch keine verfassungsrechtliche Streitigkeit im Sinne des Art. 931 Nr. 1 GG ist, weil hier „nur" über den einfachgesetzlichen Herausgabeanspruch nach § 181 PUAG gestritten werden soll. Eine solche Interpretation stößt jedoch auf verfassungsrechtliche Bedenken. Nach der hier vertretenen Auffassung läßt sich aus Art. 441 GG kein Aktenvorlageanspruch im Rahmen eines Beweisantragsrechts einer Minderheit im Ausschuß von einem Viertel der Mitglieder ableiten. Ebensowenig gestattet Art. 44 GG mangels Regelungsvorbehalt für den einfachen Gesetzgeber, ein solches Recht einfachgesetzlich festzulegen. Bei dieser Betrachtung ist § 181 PUAG, der der Minderheit von einem Viertel der Ausschußmitglieder ein Beweisantragsrecht in Form eines Aktenvorlageanspruchs zugesteht, mit der Verfassung unvereinbar. Über dieses Recht kann daher auch nicht gem. § 18 III Hs. 2 PUAG gestritten werden. Wie gezeigt, mehren sich hingegen die Stimmen in der Literatur, die aus Art. 441 GG und dem Einsetzungsrecht von einem Viertel der Abgeordneten des Plenums ein verfassungsrechtlich verankertes Beweisantragsrecht ebenso für ein Viertel der Mitglieder des Ausschusses ableiten. Dessen Existenz unterstellt, zeichnet § 181 PUAG nur ein in der Verfassung verwurzeltes Recht der Minderheit im Ausschuß oder ein Recht, das jedenfalls stellvertretend geltend gemacht werden kann, nach. Folglich könnte die Minderheit im Ausschuß dieses Recht auch im Organstreitverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen und müßte dies gem. § 361 PUAG auch tun. § 18 III Hs. 2 PUAG wäre also auch für die Alternative der antragstellenden Minderheit im Ausschuß wegen der vorrangigen Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts ohne Anwendungsbereich. 549 c) Die Durchsetzung des Amtshilfeanspruchs vor dem Ermittlungsrichter

nach § 18IV4 PUAG

Mit der Regelung nach § 18IV 4 PUAG hat der Gesetzgeber drei Aussagen getroffen. Zunächst ist damit festgestellt, daß der Amtshilfeanspruch des Untersu549 Folgt der Ermittlungsrichter der hier vertretenen Ansicht zur Verfassungswidrigkeit des § 181 PUAG, müßte er die Sache gem. Art. 10011 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit der Norm vorlegen. Um ein Verfahren nach § 18 II 2 PUAG handelte es sich nicht, da es um die Verfassungsmäßigkeit einer Norm und nicht um die Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses ginge. Hielte der Ermittlungsrichter entgegen der hier vertretenen Auffassung § 181 PUAG für verfassungskonform, käme ein Verweisungsbeschluß nach § 17 a II 1 GVG an das Bundesverfassungsgericht nicht in Betracht, (siehe zu der fehlenden Möglichkeit der Verweisung an ein Verfassungsgericht im Wege des Verweisungsbeschlusses, OVG Lüneburg, Beschl. v. 21 Mai 1997, Az. 11 M 2469/97, NdsVBl. 1997, 208 [209].) Ein Antrag wäre wegen der vorrangigen Zuständigkeit des Bundesverfassungsgericht unzulässig.

11 Platter

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chungsausschusses gerichtlich durchgesetzt werden kann. Zweitens geht der Gesetzgeber davon aus, daß es sich bei dieser Streitigkeit nicht um eine verfassungsrechtliche Streitigkeit handelt. Außerdem wird drittens gemäß der Vorgabe aus § 361 PUAG anstatt des Verwaltungsrechtsweges die Zuständigkeit dem Ermittlungsrichter als Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit zugewiesen anstatt wie bisher den Verwaltungsgerichten. Die beiden ersten Gesichtspunkte sind schon nach der bisherigen Rechtslage in diesem Sinne von den Gerichten entschieden worden. 550 Eine Änderung gegenüber der bisherigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, die ihre Zuständigkeit gem. § 4011 VwGO bejahten, stellt die Zuständigkeit des Ermittlungsrichters als Teil der ordentlichen Gerichtsbarkeit dar. Die hier gegebene Rechtswegbestimmung ist nur dann zulässig, wenn der Bundesgesetzgeber die Kompetenz für eine solche Zuweisung besitzt. Art. 741 Nr. 1 GG sieht hierfür vor, daß der Bundesgesetzgeber die Gesetzgebungskompetenz für „das gerichtliche Verfahren" besitzt. Unter „gerichtlichem Verfahren" ist die verfahrensmäßige Behandlung von Angelegenheiten durch die Gerichte zu verstehen. 551 Darunter fallen nach überwiegender Meinung 552 die einzelnen Prozeßordnungen für die verschiedenen Gerichtszweige, damit also sowohl die Verwaltungsgerichtsordnung als auch die Strafprozeßordnung. 553 Eine Verlagerung der Zuständigkeit für diesen besonderen Fall der Amtshilfe von den Verwaltungsgerichten auf den Ermittlungsrichter beim Bundesgerichthof unterliegt keinen Zweifeln in Hinblick auf die Gesetzgebungskompetenz. Das zusätzlich vorgesehene Antragsrecht der Minderheit im Ausschuß stößt dagegen auf grundsätzliche Bedenken. Auf diese soll noch genauer im Zusammenhang mit den in ähnlicher Weise vorgesehenen Antragsrechten der Minderheit im Ausschuß vor dem Fachgericht im Zusammenhang mit mittelbaren Beweiserhebungsmaßnahmen (§§ 27 II, 29 I I 2, 29 III 1, 29 III 2 PUAG) eingegangen werden. 6. Der Rechtsschutz für betroffene Privatpersonen im Beweiserhebungsverfahren a) Rechtsweg und Verfahren Das PUAG unterscheidet weiterhin zwischen den mittelbaren (beim Richter zu beantragenden) und den unmittelbaren Maßnahmen, die der Untersuchungsausschuß zur Durchführung der Beweisaufnahme ergreifen kann. Diejenigen Maßnah550

Siehe oben Erster Hauptteil, II. l.dd)(2)(b), S. 113. Degenhart, in: Sachs, GG, Art. 74, Rn.20. 552 Für die insofern nicht völlig unumstrittene VwGO siehe BVerfGE 35, 65 (72); 37, 191 (198); 83,24(30). 553 Anderer Auffassung von Mangoldt/Klein/Pestalozza, Das Bonner Grundgesetz, 3. Auflage, Bd. 8, München 1996, Art. 74 Rn. 125, der meint, die VwGO könne aufgrund der Entstehungsgeschichte des Art. 741 Nr. 1 nicht auf diesen Kompetenztitel gestützt werden. 551

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men, die nach dem Grundgesetz unter Richtervorbehalt stehen, können vom Untersuchungsausschuß jetzt beim Ermittlungsrichter beim BGH beantragt werden (Beugehaft § 27 II und 29 II 2 PUAG, Beschlagnahme und Durchsuchung, § 29 III 1, 29 III 2 PUAG). Hinzu tritt noch die Entscheidung des Ermittlungsrichters, falls die über das Beweismittel verfügungsberechtigte Person der Aufhebung des Geheimhaltungsgrades widerspricht (§ 30IV 2 PUAG). Die übrigen Zwangsmittel kann der Untersuchungsausschuß, wie schon erläutert, selbst veranlassen (Ordnungsgeld wegen unentschuldigtem Ausbleiben des Zeugen und Anordnung der zwangsweisen Vorführung, § 211 PUAG, Ordnungsgeld bei Verweigerung der Herausgabe von Beweismitteln, § 29 II 1 PUAG). Allerdings schweigt das PUAG im einzelnen zu den Rechtsmitteln der betroffenen Person gegen diese unmittelbaren Maßnahmen. Schneider zieht in seiner Besprechung des PUAG den Schluß, daß deshalb der Rechtsweg, wie nach der bisherigen Rechtslage, gespalten sei. Daß heißt, er ist der Auffassung, daß gegen die unmittelbaren Maßnahmen des PUAG weiterhin der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. 554 Diese Auffassung scheint allerdings die Zwänge und Entwicklungen der bisherigen Rechtslage in rechtliche Voraussetzungen des Rechtsschutzes zu verkehren. Der Wortlaut des § 361 PUAG, der von „Streitigkeiten nach diesem Gesetz" spricht, könnte zunächst noch daran denken lassen, daß nur für die verschiedenen Streitkonstellationen, die ausdrücklich im PUAG geregelt sind, die Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs bestimmt sein soll. Die Absicht des Gesetzgebers allerdings zielte auf eine umfassende Zuständigkeit des Bundesgerichtshofes. In der Materialien ist von einem „Grundsatz einer Zuständigkeit des Bundesgerichtshofs" die Rede. Als Streitigkeit im Sinne § 361 PUAG wird dort definiert: „Streitigkeiten nach Absatz 1 [...] gegeben, wenn der Deutsche Bundestag, einer seiner Untersuchungsausschüsse oder Teile dieser Organe einer der Beteiligten an einer gerichtlichen Auseinandersetzung im Zusammenhang mit einem Untersuchungsverfahren ist." 555 Man müßte sich, folgte man Schneiders Auffassung, auch fragen, warum eine solche allgemeine Vorschrift überhaupt geschaffen wurde, da für alle Streitigkeiten, die im PUAG speziell geregelt sind, abgesehen von dem Verfahren nach § 18 III 1 (Bundesverfassungsgericht) eine besondere Zuständigkeit des Ermittlungsrichters beim Bundesgerichtshof begründet wurde. Die Bestimmung der Zuständigkeit des BGH als Beschwerdegericht gem. § 36 III PUAG hätte dann genügt. Es kann auch nicht angenommen werden, daß die Schöpfer des PUAG durch diese hier zur Diskussion gestellte Auslassung den Rechtsweg nur für die durch den Richter angeordneten (mittelbaren) Beweiserhebungsmaßnahmen eröffnen, den bisher von den Verwaltungsgerichten gewährten Rechtsschutz gegen unmittelbare Maßnahmen in der Beweiserhebung hingegen abschneiden wollten. Dies verstieße gegen Art. 19IV GG. Nur eben die „Zersplitterung" des Rechtsweges sollte beseitigt werden. Das alles läßt 554

Schneider, Spielregeln für den investigativen Parlamentarismus, NJW 2001, 2604 (2607). 555 BeschlEmpf, BT-Drs. 14/5790, S.21. 11*

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den Schluß zu, daß der Gesetzgeber vielmehr den Rechtsweg für alle Streitigkeiten im Zusammenhang mit Beweiserhebungsmaßnahmen beim BGH konzentrieren wollte, der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten, wie das Bundesverwaltungsgericht formuliert, damit durch eine „eindeutige und erkennbare Sonderregelung" ausgeschlossen ist. 556 Die Frage der Zuständigkeit für die Entscheidung kann im weiteren aber nicht getrennt gesehen werden von der Frage, wie das zuständige Gericht die ihm angetragene Entscheidung verfahrensrechtlich zu fällen hat. Hierauf gibt die Bestimmung des § 361 PUAG keine unmittelbare Antwort. Da die Befugnisnormen des Untersuchungsausschusses nicht mehr durch die sinngemäße Anwendung der Strafprozeßordnung gewonnen werden, sondern nunmehr im PUAG verselbständigt worden sind, besteht kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Befugnisnormen und den Rechtsbehelfen der Strafprozeßordnung. In den Materialien des PUAG 557 wird auf die Frage der anzuwendenden Verfahrensordnung nicht näher eingegangen. Sie ist jedoch insbesondere für die Rechtsbehelfe gegen die unmittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses von Bedeutung. Schon nach der bisherigen Rechtslage wurden Rechtsbehelfe gegen die unmittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses nicht im Rahmen der Strafprozeßordnung behandelt. Der Grund hierfür war darin zu finden, daß eine Rechtswegbestimmung vergleichbar dem § 361 PUAG nicht existierte. Dies veranlaßte die Verwaltungsgerichte dazu, ihre Zuständigkeit für den Rechtsweg gegen unmittelbare Maßnahmen des Untersuchungsausschusses gem. § 4011 VwGO damit zu rechtfertigen, daß die parlamentarische Untersuchung keine Strafsache (im Sinne des § 13 GVG) sei, und damit zwangsläufig dazu, das verfassungsrechtliche Gebot der analogen Anwendung der StPO in Art. 44 II GG, das womöglich auch für das Rechtsbehelfsverfahren Geltung beanspruchen konnte, zu ignorieren. 558 Mit der Eröffnung des Verwaltungsrechtsweges wurde die Verwaltungsgerichtsordnung als Verfahrensordnung angewendet. Nach § 361 PUAG ist aber nunmehr die Zuständigkeit eines ordentlichen Gerichtes bestimmt, für das zumindest die sinngemäße Anwendung der in der Strafprozeßordnung vorgesehenen Rechtsbehelfsbestimmungen in Betracht kommt. Um das Problem der Verwaltungsgerichte im Zusammenhang mit ihrer Zuständigkeit braucht sich der BGH als nunmehr ausschließlich zuständiges Gericht nicht zu kümmern. Mit der sinngemäßen Anwendung von Rechtsmittelbestimmungen auch für unmittelbare Maßnahmen des Untersuchungsausschusses ist auch nicht zwingend der Umkehrschluß verbunden, daß es sich bei einer parlamentarischen Untersuchung um ein Strafverfahren handelt. Diese Frage kann vielmehr aufgrund der spezialgesetzlich angeordneten Zuständigkeit dahingestellt bleiben. 556 BVerwGE 58, 167 (167 f.); speziell zum Rechtsschutz gegen eine Ordnungsgeldfestsetzung, OVG Berlin, Beschl. 1. Juni 2001, 2L5.01, DÖV 2001, 825 (825). 557 Siehe BeschlEmpf BT-Drs. 14/5790, S.21. 558 Siehe OVG Münster, Beschl. v. 23. Sept. 1986, 15 Β 2039/86, DVB1. 1987, 100 (101), und OVG Berlin, Beschl. v. 1. Juni 2001, 2L5.01, DÖV 2001, 825 (825).

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Dank § 361 PUAG geht es im weiteren nur noch um die Frage des anzuwendenden Verfahrens. Aufgrund der bisherigen Behandlung der Frage durch die Verwaltungsgerichte könnte man das Verfahren nach §§ 23-30 EGGVG näher in Betracht ziehen. Jedoch wird man den Verwaltungsgerichten insofern zustimmen müssen, daß es sich bei einer parlamentarischen Untersuchung nicht um eine Strafsache handelt, deshalb bei einer Maßnahme des Untersuchungsausschusses auch nicht von einer Maßnahme der Strafrechtspflege im Sinne von § 2311 EGGVG gesprochen werden kann. Als Rechtsbehelfsbestimmung zu unmittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses konkret in Betracht zu ziehen sein könnte § 161 a III StPO (gerichtliche Entscheidung gegen Anordnungen der Staatsanwaltschaft bei der Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen). Die Befugnisse des Untersuchungsausschusses und die der Staatsanwaltschaft (§ 161 a II StPO) sind vergleichbar. Ebenso wie die Verwaltungsgerichte nach bisheriger Rechtslage eine Klage schon gegen die Androhung von Zwangsmaßnahmen als selbständige Maßnahme zulassen,559 kann auch das zuständige Gericht gem. § 161a III StPO schon bei Androhung von Zwangsmaßnahmen angerufen werden 560. Gegen die unmittelbaren Maßnahmen des Untersuchungsausschusses ist daher der Bundesgerichtshof als Gericht im Sinne der § 361 PUAG, § 161 a III StPO (entspr.) zuständig. Es fällt allerdings auf, daß die klagende Privatperson gegenüber der bisherigen Rechtslage in einer Hinsicht eine „Verschlechterung" ihrer Position hinnehmen muß. Ein weiteres Rechtsmittel gegen die Entscheidung des BGH steht ihr nicht zur Verfügung (§ 304IV 1 StPO, vgl. auch § 161 a III 4 StPO), während gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ein Rechtsmittel gegeben war. Ein Verstoß gegen die Rechtsweggarantie nach Art. 19IV 1 GG wird hierin aber nicht zu sehen sein. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts enthält Art. 19IV 1 GG nicht die Gewährleistung eines Instanzenzuges.561 b) Die Beweiserhebung gegen Dritte durch die Minderheit im Ausschuß Der Gesetzgeber des PUAG hat angestrebt, das Rechtsschutzsystem im Beweiserhebungsverfahren auf der innerorganschaftlichen Seite zu komplettieren, indem er erstens dem Ermittlungsrichter im Zusammenhang mit dem Streit innerhalb des Ausschusses, ob ein Beweis erhoben werden muß, die gerichtliche Entscheidung zuweist (§ 17, 1. Alt. „Lehnt der Untersuchungsausschuß die Erhebung bestimmter Beweise [ab] oder..." PUAG). Zweitens soll der Ermittlungsrichter auch für den Fall zuständig sein, daß der Untersuchungsausschuß eine unmittelbare Zwangsmaßnahme zur Durchsetzung von Beweisbeschlüssen nicht ergreift (§ 17, 2. Alt. „Lehnt der 559 560 561

OVG Berlin, Beschl. v. 1. Juni 2001, 2L5.01, DÖV 2001, 825 (825). Krehl, in: HK-StPO, § 161 a, Rn. 11. BVerfGE 49, 329 (340f.); 65, 76 (90).

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Untersuchungsausschuß [...] oder die Anwendung beantragter Zwangsmittel [...] ab,...".) Antragsberechtigt ist in beiden Fällen eine Minderheit von einem Viertel der Ausschußmitglieder. Diese Minderheit kann auch eigenständig mittelbare Beweiserhebungsmaßnahmen (Maßnahmen unter Richtervorbehalt) beim Ermittlungsrichter beantragen (siehe §§27 II, 29 I I 2 u. III 1 PUAG). Alle drei Zuständigkeiten sollen zusammengefaßt der Minderheit im Ausschuß ein umfassendes Beweisantrags- und Beweiserzwingungsrecht garantieren. Die Zuständigkeit nach § 17, 1. Alt. PUAG setzt das eigenständige Beweisantragsrecht der Minderheit im Ausschuß voraus (siehe § 17 II PUAG). Der Blick in die Materialien zeigt dabei, daß der Gesetzgeber das Beweisantragsrecht der Minderheit im Ausschuß grundsätzlich als verfassungsrechtlich verankert betrachtet, wenn dort bemerkt wird, „daß die aus Art. 93 GG folgende Berechtigung, ein Organstreitverfahren einzuleiten, durch die jetzt gewählte Regelung unberührt bleibt." 562 Wie bereits ausgeführt, ist diese Prämisse des Gesetzgebers jedoch unzutreffend. Ein solches verfassungsrechtliches Beweiserhebungsrecht der Minderheit im Ausschuß besteht nicht, ein Organstreitverfahren kann folglich von dieser Gruppierung nicht in Gang gebracht werden, da es ihr an der Antragsbefugnis fehlt. Die verfassungsrechtliche Zulässigkeit des Verfahrens nach § 17,1. Alt. PUAG kann von vornherein nur unter dem Gesichtspunkt untersucht werden, ob ein solches Verfahren außerhalb der verfassungsrechtlichen Streitigkeit vom Gesetzgeber eingeführt werden kann. Dies führt wieder auf die Frage zurück, ob Art. 931 Nr. 1 GG eine ausschließliche Zuständigkeit für innerorganschaftliche Streitigkeiten des Bundes begründet. Diese Frage wird man bejahen müssen. Art. 931 Nr. 1 GG weist ausschließlich dem Bundesverfassungsgericht die Zuständigkeit für innerorganschaftliche Streitigkeiten zu. Innerorganschaftlich bedeutet in diesem Zusammenhang zwangsläufig „verfassungsrechtlich" im Sinne von „Streit über verfassungsrechtliche Kompetenzen". Denn auf verfassungsrechtlicher Ebene können die Kompetenzen nicht im Wege des einfachen Gesetzes verändert oder verschoben werden. Das einfachgesetzlich eingeführte Beweiserhebungsrecht der Minderheit im Ausschuß beschränkt in unzulässiger Weise das Untersuchungsrechts des Bundestages aus Art. 4411 GG. Folglich kann es auch eine gerichtliche Zuständigkeit für den Streit um nur einfachgesetzlich begründete Ansprüche nicht geben. Die der gerichtlichen Entscheidung innewohnende materielle Rechtskraft mit der Wirkung inter partes würde im Widerspruch zu der Zuteilung der verfassungsrechtlichen Kompetenzen des Beklagten, des Untersuchungsausschusses als Hilfsorgan des Bundestages, stehen.563 Zwar mag es, wie in den Materialien erläutert, in einem solchen Verfahren vordergründig um Ablehnungsgründe parallel zum Strafprozeß (vgl. § 244 StPO) gehen.564 Dies 562

BT-Drs. 14/5790, S. 17. Ein Ergebnis, das vielleicht hätte vermieden werden können, wenn der Ermittlungsrichter als Schlichter in einem „freiwilligen Schlichtungsverfahren" angerufen werden könnte. Ein solches hatte der Gesetzgeber jedoch eindeutig nicht im Sinn. 564 BT-Drs. 14/5790, S. 17. 563

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ändert allerdings nichts daran, daß eine solche Streitigkeit immer zugleich auch das Beweiserhebungsrecht betrifft, das dem Untersuchungsausschuß als Ganzem oder der Einsetzungsminderheit zugeordnet ist. Zugleich ist damit auch das Urteil über die eingangs als zweite genannte Zuständigkeit gesprochen. Mangels verfassungsrechtlich begründetem Beweisantragsund Beweiserzwingungsrecht kann ein gerichtliches Verfahren dafür nicht eingerichtet werden. Hinsichtlich der dritten Gruppe der Zuständigkeiten (eigenes Antragsrecht der Minderheit im Ausschuß vor dem Fachrichter) mag eingewendet werden, daß es dem Gesetzgeber unbenommen ist, bestimmten Gruppierungen vor den Fachgerichten die Aktivlegitimation oder die Prozeßführungsbefugnis einzuräumen, die diese nach den allgemeinen Regeln des Prozeßrechts nicht oder nicht automatisch innehaben.565 Letztendlich aber ist dies speziell hier wiederum nur dann möglich, wenn auf diese Weise nicht in die Kompetenzen anderer Verfassungsorgane (Bundestag) eingegriffen wird. Ein eigenes Antragsrecht vor dem Fachrichter wäre nur zulässig als einfachrechtliche Ausgestaltung eines verfassungsrechtlich begründeten Beweiserzwingungsrechtes der Minderheit im Ausschuß. Ein solches existiert aber gerade nicht. Die besprochenen Zuständigkeiten des Ermittlungsrichters sind mit der Verfassung nicht vereinbar.

7. Rechtsschutz für betroffene Privatpersonen gegen den Einsetzungsbeschluß Das PUAG äußert sich nicht zu dem Fall, daß eine Privatperson rechtliche Schritte bereits gegen einen Einsetzungsbeschluß unternehmen will, weil sich die Untersuchung auch oder sogar im wesentlichen gegen sie richtet.566 Im Untersuchungsverfahren selbst erhält eine in solcher Weise betroffene Person nach den Bestimmungen des PUAG im Gegensatz zu der bis dahin geführten Diskussion (Betroffenen-Status) keinen eigenen Status. Insofern bleibt es bei der schon bisher bestehenden Unsicherheit, ob zunächst das Fachgericht angerufen oder überhaupt nur die Verfassungsbeschwerde erhoben werden kann bzw. muß. Wie im Zusammenhang mit der bisherigen Rechtslage erläutert, spricht viel dafür, die Frage zunächst durch das Fachgericht behandeln zu lassen.567 Zuständiges Fachgericht ist dann allerdings nicht mehr das Verwaltungsgericht, sondern nach § 361 PUAG der Bundesgerichtshof. 565 Siehe zum Beispiel § 3 ParteiG zur Aktiv- und Passivlegitimation der Parteien unabhängig von der von ihnen gewählten Rechtsform. 566 Auf indirekte Weise erkennt der Gesetzgeber allerdings nunmehr an, daß eine Person bereits durch den Einsetzungsbeschluß in ihren Rechten berührt sein kann, wenn ihr im Verfahren nach § 36 II PUAG nun ein Äußerungsrecht (§ 82 II 2 BVerfGG) eingeräumt wird. 567 Siehe Erster Hauptteil, II.2.a)bb)(l), S. 133.

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Β. Reformen auf Bundesebene

8. Rechtsschutz für betroffene Privatpersonen gegen den Abschlußbericht Einen gerichtlichen Rechtsbehelf für diejenige Privatperson, die sich durch Veröffentlichungen des Untersuchungsausschusses in ihren Rechten beeinträchtigt sieht, kennt auch das PUAG nicht. Unter der Überschrift „Rechtliches Gehör" (§ 321 PUAG) wird dem Untersuchungsausschuß auferlegt, diesen Personen vor Abschluß des Untersuchungsverfahrens Gelegenheit zu geben, zu den sie betreffenden Ausführungen im Entwurf des Abschlußberichts innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen, und das auch nur, soweit diese Ausführungen nicht mit ihnen in einer Beweisaufnahme erörtert worden sind. Der wesentliche Inhalt ihrer Stellungnahme ist in den Bericht aufzunehmen (§ 32 II PUAG). Ausweislich der Materialen dient diese Vorschrift dem Schutz derjenigen Personen, die indirekt in das Untersuchungsverfahren einbezogen worden sind. 568 Diese Regelungen verschlechtern damit womöglich sogar die bisher in der bisherigen Untersuchungspraxis gepflogenen Formen des rechtlichen Gehörs. Denn zur Frage des rechtlichen Gehörs für diejenigen, deren Verhalten direkt Gegenstand der Untersuchung war (nach bisherigem Verständnis der „Betroffene"), äußert sich das Gesetz außer in mittelbarer Form bezüglich der Gelegenheit zur Stellungnahme bereits zum Zeitpunkt der Beweisaufnahme nicht. Die besondere Stellung des „Betroffenen" kennt es nicht mehr, und zu einem möglichen Recht auf Gegendarstellung sagen die Bestimmungen über die Zeugen vor dem Untersuchungsausschuß (§§ 20-27 PUAG) nichts. So bleibt es sogar offen, ob die Gegendarstellung des „wichtigen Zeugen", d. h. des direkt von der Untersuchung Betroffenen, überhaupt in gleicher Weise in den Abschlußbericht aufgenommen werden muß, wie diejenige des indirekt Betroffenen. Die Frage nach gerichtlichem Rechtsschutz bleibt damit, wie auch schon nach der bisherigen Rechtslage, in der Schwebe. Soweit das Problem als ungeklärt zu gelten hat, ob die betroffene Person zunächst um Rechtsschutz vor den Fachgerichten nachsuchen muß oder unmittelbar die Verfassungsbeschwerde erheben kann, stellt sich nun noch die Vorfrage, ob der fachgerichtliche Rechtsschutz nunmehr nur noch vor dem BGH als zuständigem Gericht für Streitigkeiten im Zusammenhang mit der parlamentarischen Untersuchung (§ 361 PUAG) erlangt werden kann. Da der Gesetzgeber den Fall nicht geregelt hat, bleibt es bei der bisherigen Rechtslage. Nach der hier vertretenen Auffassung kann und muß unmittelbar die Verfassungsbeschwerde erhoben werden. 569 Sollte man hingegen die Meinung vertreten, daß aufgrund des Subsidiaritätsgrundsatzes (§ 90 II 1 BVerfGG) auch hier zunächst um Rechtsschutz vor den Fachgerichten nachgesucht werden muß, würde das zuständige Gericht der Bundesgerichtshof sein, da ein Streit über die Berichterstattung des Untersuchungsausschusses gem. § 32 PUAG einen Streit gem. § 361 PUAG (Streitigkeiten nach diesem Gesetz) darstellt. 568 569

BT-Drs. 14/5790, S. 20. Siehe Erster Hauptteil, II.2.a)bb)(3), S. 135.

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9. Das Vorlageverfahren nach § 36 I I PUAG Mit § 36 II PUAG hat der Gesetzgeber durch einfaches Bundesgesetz dem Bundesverfassungsgericht eine neue Zuständigkeit zugewiesen.570 Das Verfahren ist ersichtlich an die Normenkontrolle nach Art. 10011 GG angelehnt. Dies zeigen auch die später dazu ergangenen Verfahrensbestimmungen im BVerfGG in § 82 a (siehe Absatz 1). a) Zulässige Einführung

neben dem Organstreitverfahren

Wie bereits mehrfach problematisiert, kann die Einführung eines neuen verfassungsgerichtlichen Verfahrens grundsätzlich auf Art. 93 II GG gestützt werden, während die einfachgesetzliche Regelung des Untersuchungsverfahrens als solches dem Bundesgesetzgeber durch Art. 44 GG gerade nicht eingeräumt ist. Das Verhältnis dieser beider Verfassungsnormen ist an der Schnittstelle zwischen dem Recht des Untersuchungsausschusses und dem verfassungsprozessualen Verfahren genauer zu untersuchen, wenn, wie hier, gerade für das parlamentarische Untersuchungsverfahren ein neues Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeführt wird. Zur Einführung in das Problem soll noch einmal an die bereits aufgeworfene Frage der Durchsetzung von Minderheitenrechten im Organstreit erinnert werden. Nach der hier vertretenen Auffassung kommt eine Erweiterung der Beschwerdebefugnis im Organstreitverfahren im Wege der einfachgesetzlichen Normierung von Kompetenzen, ungeachtet der Befugnis des Gesetzgebers zur Ausgestaltung des Verfahrens nach Art. 94 II 1 GG, nicht in Betracht, denn Art. 931 Nr. 1 GG verlangt für die Antragsbefugnis die mögliche Verletzung eines Rechtes aus der Verfassung. Bei § 36 II PUAG geht es auf den ersten Blick nicht um die Erweiterung des Kreises der Antrags- oder Beschwerdebefugten. Trotzdem könnte das Organstreitverfahren (Art. 931 Nr. 1 GG) eine solche Sperrwirkung auch gegenüber der Einführung weiterer Verfahren nach Art. 93 II GG entfalten, wenn über diesen gesetzgeberischen Umweg auf ähnliche Weise das Organstreitverfahren um ein weiteres, auch einfachrechtlich normierte Rechte und Pflichten betreffendes Verfahren „ergänzt" würde. Im folgenden soll daher untersucht werden, ob das „Auftragskontrollverfahren" unter diesem Aspekt verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen könnte. Der Prüfungsgegenstand - der Einsetzungsbeschluß des Parlaments - kann nach bisheriger Rechtslage und Rechtsprechungspraxis vor dem Bundesverfassungsgericht direkt nur im Organstreitverfahren angegriffen werden. 571 Wie bereits gezeigt 570

Zur Entstehungsgeschichte der Norm siehe oben Zweiter Hauptteil, I.2., S. 148. Eine Überprüfung mit Hilfe der Verfassungsbeschwerde ist nach der hier vertretenen Auffassung zwar möglich. Noch kein Antragsteller konnte die Überprüfung aber bisher konkret erreichen, siehe S. 133. 571

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Β. Reformen auf Bundesebene

wurde, bedeutet das aber nicht, daß der Einsetzungsbeschluß nicht auch sonst Inzident gerichtlich überprüft werden kann. Wie bereits dargestellt, haben bisher die Fachgerichte bei der Anordnung oder Überprüfung von Maßnahmen im Beweiserhebungsverfahren den zugrundeliegenden Einsetzungsbeschluß für das Untersuchungsverfahren auf seine Verfassungsmäßigkeit untersucht (und in Einzelfällen die Anordnung einer Beweiserhebungsmaßnahme abgelehnt bzw. für rechtswidrig erklärt). 572 Diese Form der Prüfung wurde vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich gebilligt. 573 Wenn auch die Fachgerichte den Einsetzungsbeschluß wie jede Maßnahme der öffentlichen Gewalt überprüfen, spricht unter dem Blickwinkel einer möglichen Sperrwirkung des Organstreitsverfahrens nichts gegen eine Zuweisung dieser Aufgabe an das Bundesverfassungsgericht selbst in einem Zwischenverfahren. Dieses Verfahren lenkt nicht etwa bisherige Gegenstände des Organstreitverfahrens zu einer neuen Zuständigkeit hin. Der Prüfungsmaßstab soll allein die Verfassung, nicht etwa das Untersuchungsausschußgesetz sein. Überlegungen, ob das PUAG im Sinne einer Umgehung der Verfassungsstreitigkeit nach Art. 931 Nr. 1 GG als Prüfungsmaßstab vor dem Bundesverfassungsgericht eingeführt werden darf, erübrigen sich daher. Aus Art. 93 I Nr. 1 GG ergeben sich keine Bedenken gegen die Einführung des Verfahrens nach §3611 PUAG. b) Wahrung der funktionellen Abgrenzung zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit Man könnte sich indes fragen, ob die bisher von den Fachgerichten wahrgenommene Prüfungskompetenz zum Einsetzungsbeschluß als Grundlage der Maßnahmen des Untersuchungsausschusses (Untersuchungsauftrag) vom Gesetzgeber dem Verfassungsgericht übertragen werden darf oder ob darin ein Verstoß gegen die funktionelle Abgrenzung zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit liegt. Art. 92 GG weist beiden - sowohl der Verfassungsgerichtsbarkeit als auch der Fachgerichtsbarkeit - einen eigenständigen Funktionsbereich zu und überantwortet der Fachgerichtsbarkeit bestimmte Reservate (Art. 951 GG). Überdies ist der Individualrechtsschutz über Art. 19IV GG zunächst den Fachgerichten zugewiesen. Diese Aufteilung darf auch bei der Wahrnehmung der Gesetzgebungskompetenz nach Art. 93 II GG vom einfachen Gesetzgeber nicht mißachtet werden. 574 Die Entscheidung des Gesetzgebers, die im Bereich des Rechtsschutzes gegen Maßnahmen des Untersuchungsausschusses schon bisher den Fachgerichten zufallenden Aufgaben auch weiterhin bei einem Fachgericht - wenn auch einem obersten Bundesgericht - zu belassen, zeigt, daß der Gesetzgeber an dieser Aufgabenverteilung 572

Daß sie dazu berechtigt waren, ergibt sich unter anderem schon aus der Aufgabe, Rechtsschutz in Ansehung der subjektiven Rechte zu gewähren, Art. 19IV GG. 573 BVerfGE 76, 363 (388) - Lappas - ; 77, 1 (51) - Neue Heimat - . 57 4 Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, §17, Rn. 12, S.241 f.

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

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festhalten wollte. Bei der „Auftragskontrolle" ist dem Bundesverfassungsgericht von vornherein nicht der Individualrechtsschutz im Beweisverfahren, sondern nur die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses zugewiesen. Diese Prüfung stellt insofern nur eine Vorfrage zur konkreten Abwägung im Einzelfall dar, ob eine Beweiserhebungsmaßnahme zu einem bestimmten Beweisthema angeordnet werden muß bzw. rechtmäßig ist. Dennoch könnte man auch für das Verfahren nach § 36 II PUAG die Befürchtung hegen, daß das Bundesverfassungsgericht den Weg der Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages zu einer letztlich umfassenden Prüfung des Streitgegenstandes nutzt und auf diese Weise in den Aufgabenbereich der Fachgerichte nach Art. 9511 GG eindringt. Der Verweis auf den eingeschränkten Prüfungsmaßstab für das Bundesverfassungsgericht (Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages) allein läßt diese Befürchtung nicht gegenstandslos werden. Daß der jeweils unterschiedliche Prüfungsmaßstab selbst nicht Garant für die Aufgabentrennung zwischen Fachgerichtsbarkeit und Verfassungsgerichtsbarkeit ist, zeigen die Probleme der Abgrenzung der beiden Bereiche im Zusammenhang mit der vom Bundesverfassungsgericht geforderten Verletzung „spezifischen Verfassungsrechts" bei der Urteilsverfassungsbeschwerde und der einmal engeren, einmal weiteren Auslegung im Einzelfall, die das Bundesverfassungsgericht diesem Begriff zugrundelegt. 576 Der Prüfungsmaßstab der Grundrechte kennzeichnet hier nur den Ausgangspunkt des Problems der Abgrenzung zwischen spezifischer Verfassungsrechtsverletzung und einfachrechtlicher Überprüfung als Frage der funktionellen Aufgabenteilung zwischen Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit. Jedoch ist im Verfahren der Auftragskontrolle diese Abgrenzung durch das Prozeßrecht selbst schon entscheidend entschärft. Im Falle der Auftragskontrolle ist dem Fachgericht - hier dem Bundesgerichtshof - die Prüfung und Entscheidung darüber zugewiesen, ob das Bundesverfassungsgericht überhaupt im Wege des Vorlagebeschlusses angerufen wird. Der im Zusammenhang mit der Urteilsverfassungsbeschwerde kritisierte Übergriff des Bundesverfassungsgerichts in Reservate der Fachgerichtsbarkeit kann hier nicht erfolgen, weil es das Fachgericht selbst ist, das darüber entscheidet, ob vorgelegt werden soll oder nicht. 575 Vgl. dazu von den Vorentwürfen den Mustergesetzentwurf der SPD-Fraktionen (Fn.506) und insbesondere den Entwurf von Thaysen (Fn. 507), der auch diese Aufgaben ganz in die Zuständigkeit des Bundesverfassungsgerichts legen wollte. 576 Zum Ganzen Diiwel, Kontrollbefugnisse des Bundesverfassungsgerichts bei Verfassungsbeschwerden gegen gerichtliche Entscheidungen: zu einem KooperationsVerhältnis von Fach- und Verfassungsgerichtsbarkeit, Baden-Baden 2000; Alexy/Kunig/Heun/Hermes, Verfassungsrecht und einfaches Recht - Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, in: Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer, Bd. 61, Berichte und Diskussionen auf der Tagung der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer in Würzburg vom 3. bis 6. Oktober 2001, Verfassungsrecht und einfaches Recht - Verfassungsgerichtsbarkeit und Fachgerichtsbarkeit, Primär- und Sekundärrechtsschutz im Öffentlichen Recht, von Alexy/Kunig/Heun/Hermes/Erbguth/Höfling/Streinz/Epiney, Berlin und New York 2002, S. 7-220.

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Β. Reformen auf Bundesebene

c) Wirkung der Entscheidung nach § 36 II PUAG Für das Verfahren von besonderer Bedeutung ist nicht zuletzt, welche Rechtswirkungen die Vorlage-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entfalten kann oder soll. In den Materialien finden sich hierzu keine Ausführungen. Es darf vermutet werden, daß der Gesetzgeber hierbei die als mißlich betrachtete Rechtslage in den Fällen vor Augen hatte, in denen ein Amtsgericht einen Beweisantrag deshalb abgelehnt hatte, weil es den zugrundeliegenden Untersuchungsauftrag für verfassungswidrig hielt. Die Überprüfung des Untersuchungsauftrages am Maßstab der Verfassung soll nunmehr dem dafür kompetenten Gericht vorbehalten bleiben. Mit dieser funktionellen Überlegung sind allerdings die Rechtsfolgen der Verlagerung der Prüfungskompetenz auf das Bundesverfassungsgericht nicht erfaßt. Hielt nach bisheriger Rechtslage das Fachgericht einen Einsetzungsbeschluß für verfassungswidrig, ergab sich daraus mit Blick auf den Streitgegenstand des Verfahrens aus der Sicht des Untersuchungsausschusses im schlimmsten Falle, daß die Erhebung eines bestimmten Beweises gegenüber einer bestimmten Person unzulässig war. Daraus konnte sich ergeben, daß ein Untersuchungsauftrag faktisch als gescheitert angesehen werden mußte, weil vielleicht der „wichtigste" Beweis nicht erhoben werden konnte. Der Untersuchungsausschuß wurde aber nach der bisherigen Rechtslage nicht gehindert, seine Untersuchung mit der Erhebung weiterer Beweise fortzusetzen. Soll allerdings nun das Bundesverfassungsgericht über die Verfassungsmäßigkeit eines Untersuchungsauftrages entscheiden, käme seiner Entscheidung die Bindungswirkung gem. § 311 BVerfGG zu. Das aus der ΒindungsWirkung fließende Gebot der Selbstaufhebung und Rückabwicklung577 verpflichtete den Bundestag folglich, den Untersuchungsausschuß wegen seines als verfassungswidrig erkannten Untersuchungsauftrages aufzulösen. Andere Vorlageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht, die nicht unter den besonderen Tatbestand des § 31 II BVerfGG (Gesetzeskraft bei Normenkontrollentscheidungen) fallen, bilden jedoch teilweise Ausnahmen zum Grundsatz der Bindungswirkung nach § 311 BVerfGG. Man könnte sich fragen, ob es sich bei einer Entscheidung nach § 36 II PUAG nicht um eine bloße Zwischenentscheidung handeln könnte, die der materiellen Rechtskraft und möglicherweise damit auch der Β indungs Wirkung nach § 31 I BVerfGG, insofern man die Bindungswirkung als Ausdehnung der Rechtskraft in subjektiver Hinsicht versteht 578, nicht fähig ist. Diese Auffassung wird beispielsweise für zwei andere einfachgesetzlich geregelte Vorlageverfahren, für jenes nach § 50III VwGO und für das entsprechende nach § 39 II 2 u. 3 SGG vertreten. 579 Bei 577

Siehe dazu Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 20, Rn. 84. Rennert, in: Umbach/Clemens, BVerfGG, § 31, Nr. 77; Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, §20, Rn. 89, S. 324. 579 Zu diesem Problemkreis insgesamt Sachs, Die Vorlage an das Bundesverfassungsgericht bei Bund-Länder-Streitigkeiten, DÖV 1981, 707 (708). 57 8

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

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diesen Verfahren entscheidet das Bundesverfassungsgericht auf Vorlage des Bundesverwaltungs- oder Bundessozialgerichts über das Vorliegen einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit. Für die Vorlageverfahren nach § 50 III VwGO und § 39 II 2, 3 SGG wird vor allem die Frage diskutiert, ob das Bundesverfassungsgericht an seine eigene (hier nicht der materiellen Rechtskraft fähige) Entscheidung gebunden ist, wenn es dem Bundesverwaltungsgericht die Zuständigkeit gem. § 501 Nr. 1 VwGO abspricht, mit der Folge, daß es die Zulässigkeit für eine Streitigkeit gem. Art. 931 Nr. 3 GG i.V. m. §§71-73 BVerfGG für sich selbst positiv beantworten muß - eine Frage, die das Bundesverfassungsgericht im übrigen für sich verneint. 580 Zu dem hier in Frage stehenden Verfahren besteht also ein wichtiger Unterschied: Bei den Verfahren nach § 50 III VwGO und § 39 I I 2 u. 3 SGG geht es um eine prozessuale Vorfrage, nämlich um eine Frage der Zuständigkeit, bei dem Verfahren nach § 36 II PUAG um eine Vorfrage des materiellen Rechts (Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages). Wie sich zeigt, können zwischen hier genannten Verfahren und dem Verfahren nach § 36 II PUAG also keine Parallelen in bezug auf die Bindungswirkung gezogen werden. Auch für die Divergenzvorlage nach Art. 100 III GG wurde die ΒindungsWirkung nach § 311 BVerfGG problematisiert. 581 Hier ging es um die Frage, ob Art. 100 III GG den Landesverfassungsgerichten mit der Möglichkeit der Vorlage nicht implizit eine Ausnahme von der Bindungswirkung des § 311 BVerfGG gewähre, weil es sich um eine Art Recht auf Wiedervorlage handelt. Auch dieses Problem ist indes keines, das alle Vorlageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht in gleicher Weise betreffen könnte, sondern ist ein spezifisches Problem der Rechtsnatur der Divergenzvorlage. Aus dem Charakter des Verfahren nach § 36 II PUAG als Vorlageverfahren können daher keine Schlußfolgerungen hinsichtlich einer möglichen Ausnahme zur Bindungswirkung gem. § 311 BVerfGG gezogen werden. Sie ist auch eine dem Sinn und Zweck des Verfahrens angemessene Rechtsfolge. Dürfte der Bundestag zumindest formal seine Untersuchung fortführen, obwohl das Bundesverfassungsgericht den Einsetzungsbeschluß für verfassungswidrig erklärt hat, wäre dies der auch ansonsten dem Bundesverfassungsgericht eingeräumten Letzt-Entscheidungskompetenz nicht angemessen. Im übrigen wird dem Bundesverfassungsgericht auch die Möglichkeit einzuräumen sein, allein Teile des Untersuchungsauftrages für verfassungswidrig zu erklären, so daß die Untersuchung in kleinerem Rahmen dennoch weiter fortgeführt werden könnte. Auf diese Weise wird der Untersuchungsausschuß als Hilfsorgan des Bundestags bei seiner Aufgabenwahrnehmung in angemessener Weise geschont. 580 Siehe zuletzt BVerfGE 77, 84 (104); 78,320 (328); anderer Ansicht beispielsweise LechnerlZuck, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 4. Aufl. München 1996, §31, Rn.29. 581 Zum Ganzen: Bethge, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Ulsamer, BVerfGG, § 85, Rn.4.

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Β. Reformen auf Bundesebene

d) Sonstige Verfahrensbestimmungen

gemäß §3611 PUAG

Für Verfahren nach § 36 II PUAG ordnet der Gesetzgeber in § 82 a I BVerfGG vorbehaltlich dessen Absätze 2 und 3 die sinngemäße Geltung der Bestimmungen für die konkrete Normenkontrolle (§§ 80-82) an. Hinsichtlich der Vorlagepflicht und dem Vorlagerecht des Fachgerichtes wird man daher ohne weiteres eine Parallele zu den vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Maßstab bei der konkreten Normenkontrolle ziehen können. Der vorlegende Bundesgerichthof (§ 36 II 1 PUAG) bzw. der Ermittlungsrichter beim Bundesgerichtshof (siehe § 36 I I 2 PUAG) muß dartun, warum er den konkreten Untersuchungsauftrag für verfassungswidrig hält. Auch § 36 II PUAG verlangt - ebenso wie Art. 10011 GG - für die Vorlage, daß es im Ausgangsverfahren auf die Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsauftrages ankommt. Im Gegensatz zur konkreten Normenkontrolle 582 sind damit jedoch regelmäßig keine gesteigerten Anforderungen an die Begründung des vorlegenden Gerichtes zum streitigen Sachverhalt und die für ihn einschlägigen Rechtsnormen verbunden. Die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages ist für die Tätigkeit des Untersuchungsausschusses, insbesondere im Zusammenhang mit der Beweiserhebung, an sich schon Voraussetzung; ein besonderer Zusammenhang muß nicht eigens begründet werden. 583 Auch wenn § 36 II PUAG nicht ausdrücklich bestimmt, daß das Bundesverfassungsgericht nur in der Rechtsfrage entscheidet (vgl. § 81 BVerfGG), wird man davon auszugehen haben, daß das Bundesverfassungsgericht nicht in der Sache selbst zu entscheiden hat, sondern auf die Entscheidung der Vorlagefrage beschränkt ist. 584 Abweichend von den entsprechenden Bestimmungen der konkreten Normenkontrolle in § 821 i.V. m. § 77 Nr. 1 BVerfGG ist im Verfahren nach § 36 II PUAG der Kreis der Äußerungsberechtigten bestimmt. Nur der Bundestag und die qualifizierte Minderheit gemäß Art. 441 GG sind obligatorisch äußerungsberechtigt. 585 Neben den übrigen Verfassungsorganen sind die qualifizierte Ausschußminderheit und Personen immer dann äußerungsberechtigt, soweit sie vom Einsetzungsbeschluß berührt sind (§ 82 II 2 BVerfGG). Mit dem Äußerungsrecht der zuletzt Genannten erkennt der Gesetzgeber indirekt an, daß bereits der Einsetzungsbeschluß Privatpersonen in ihren Rechten beeinträchtigen kann. Das Bundesverfassungsgericht kann in jedem Falle ohne mündliche Verhandlung entscheiden, also auch dann, wenn ein Äußerungsberechtiger dem Verfahren beigetreten ist, § 82a III BVerfGG. 586 582

Siehe zur Entscheidungserheblichkeit der Gültigkeit einer Norm, Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 13, Rn. 18-24, S. 210-212. 583 Vgl. BVerfGE 77, 1 (39) zur Erstreckung der Prüfung auf die rechtlichen Voraussetzungen der Untersuchung und die Wirksamkeit des Antrags des Untersuchungsausschusses durch das Gericht. 584 Siehe die Ausführungen unter c) auf S. 171 f. 585 Diese Einschränkungen wurden vom Gesetzgeber als sachgerecht angesehen, siehe GesEntw BT-Drs. 14/9220, S.5. 586 Siehe GesEntw BT-Drs. 14/9220, S.6.

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

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Für die Möglichkeit der Kammerentscheidung (vgl. § 81 a BVerfGG) fehlt eine eigene Bestimmung. Es muß daher angenommen werden, daß es Kammerentscheidungen in diesem Verfahren nicht gibt.

10. Die Verfassungsbeschwerde im Rechtsschutzsystem des PUAG Das PUAG erwähnt die Verfassungsbeschwerde nicht. Die Bestimmungen zum Verfahren der Verfassungsbeschwerde werden vom PUAG nicht modifiziert. Sieht also das PUAG für betroffene Privatpersonen einen Rechtsbehelf zum BGH bzw. zum Ermittlungsrichter vor, ist die entsprechende Entscheidung eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt, die unter Beachtung des Gebotes der Rechtswegerschöpfung (vgl. § 36 III PUAG) grundsätzlich mit der Verfassungsbeschwerde angegriffen werden kann. Etwas anderes müßte nur gelten, wenn das Vorlageverfahren nach § 36 II PUAG evtl. als spezielleres und damit vorrangiges Verfahren im Rechtsschutzsystem zu gelten hätte. Dann wäre jedenfalls aus dem vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsatz der Subsidiarität die Verfassungsbeschwerde unzulässig. Wie gezeigt, ist das Vorlageverfahren nach § 36 II PUAG indes nicht als eigenständiges Verfahren, sondern als Zwischenverfahren innerhalb eines Verfahrens vor dem BGH oder dem Ermittlungsrichters angelegt. In ihm wird auch nicht die Rechtmäßigkeit der Handlungen des Untersuchungsausschusses als solches, sondern nur die Verfassungsmäßigkeit des Einsetzungsbeschlusses zum Thema. Andere Verfassungsverstöße sollen im Verfahren nach § 36 II PUAG nicht geprüft werden. Das Vorlageverfahren könnte damit überhaupt nur dann der speziellere Rechtsbehelf sein, wenn der Beschwerdeführer nur die Verfassungswidrigkeit des Einsetzungsbeschlusses rügt. Dies setzt jedoch voraus, daß der Beschwerdeführer im Verfahren vor dem BGH oder Ermittlungsrichter das Recht besitzt, die Vorlage nach § 36 I I PUAG an das Bundesverfassungsgericht zu verlangen. Für ein solches Recht gibt es im Wortlaut der Vorlagebestimmung keinerlei Anhaltspunkte. Vorlagerecht und -pflicht liegen allein beim zuständigen Gericht (BGH oder Ermittlungsrichter). 587 So wird Ähnliches gelten wie zur Vorlagepflicht der Gerichte im Zusammenhang mit der konkreten Normenkontrolle. Die Vorlagepflicht ist unabhängig von einer Rüge der Prozeßbeteiligten des Ausgangs Verfahrens (siehe § 80 III BVerfGG). Ebenso aber wird man sagen können, daß die pflichtwidrige Nichtvorlage den Prozeßbeteiligten des Ausgangsverfahrens in seinem Recht auf den gesetzlichen Richter aus Art. 10112 GG verletzt. 588 Dies wiederum kann vom Prozeßbeteiligten (nur) im Wege der Verfassungsbeschwerde gerügt werden. Für die Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde gegen Maßnahmen der Untersuchungsausschüsse und Entscheidungen der Fachgerichte ändert sich daher nichts. 587 In den Materialien wird auf das Verhältnis zur Verfassungsbeschwerde nicht eingegangen. Es findet sich auch kein Hinweis auf ein mögliches Recht der Beteiligten des Ausgangsverfahrens, die Vorlage bei Gericht zu beantragen, Vgl. BT-Drs. 14/5790, S.21. 588 BVerfGE 19, 38 (42 f.); 64, 1 (20f.).

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Β. Reformen auf Bundesebene

Mithin bleibt damit auch das Problem des Rechtsschutzes gegen den Einsetzungsbeschluß und gegen den Abschlußbericht in der Schwebe. 11. Kritik Wird man auch begrüßen, daß es dem Bundestag endlich gelungen ist, das lange im Argen liegende Thema der Neuordnung des Verfahrensrechtes der Untersuchungsausschüsse anzupacken, bleiben dennoch Zweifel bestehen, ob mit dieser Reform tatsächlich das letzte Wort gesprochen sein kann. Grundlegende Schwäche des PUAG aus der Sicht dieser Untersuchung ist der Umstand, daß der Art. 44 GG als verfassungsrechtliche Grundlage mit all seinen rechtlichen Problemen nicht mit neugefaßt worden ist. Die Folgen dieser Unterlassung sind schwerwiegend. Das vom Gesetzgeber so minutiös ausgearbeitete Beweiserhebungsrecht (Beweisantrags- und Beweiserzwingungsrecht) der Minderheit im Ausschuß und die damit verbundenen Antragsrechte vor Gericht (§§ 17IV, 18IV 2. Alt. PUAG beim Ermittlungsrichter und §§18111 1. Alt. PUAG beim Bundesverfassungsgericht) scheitern nach der hier vertretenen Auffassung sämtlich an der fehlenden verfassungsrechtlichen Verankerung. Es bleibt im Ergebnis dabei, daß nur die Einsetzungsminderheit auch die Minderheitenrechte in Sachen des Beweiserhebungsverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht geltend machen kann. Im übrigen bleiben die Anzahl der Typen der Streitigkeiten, die im Organstreitverfahren vor das Bundesverfassungsgericht gebracht werden kann, unverändert. In verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat der Gesetzgeber hingegen den fachgerichtlichen Rechtsschutz neu geordnet. Dieser ist nunmehr beim BGH zusammengefaßt, wobei teilweise über den Ermittlungsrichter beim BGH ein Zwei-Instanzen-Zug geschaffen wurde. Die nach der bisherigen Rechtslage bestehende Aufspaltung des Rechtsweges ist damit beseitigt. Die im Bereich des fachgerichtlichen Rechtsschutzes im Beweisverfahren bisher als problematisch angesehene Lage, daß hier der Untersuchungsausschuß nicht aus eigenem Recht eine abschließende verfassungsgerichtliche Überprüfung der Zulässigkeit des Untersuchungsauftrages verlangen konnte, hat der Gesetzgeber durch ein Vorlageverfahren der Fachgerichte (Ermittlungsrichter/BGH) versucht abzufangen. Ergibt auch die Prüfung am Maßstab des Grundgesetzes, daß insbesondere gegen die Einführung des Auftragskontrollverfahrens keine grundsätzlichen Bedenken bestehen, so ist damit hingegen noch nicht gesagt, ob die Einführung dieses Verfahrens bisher bestehende verfahrensrechtliche Probleme auch auf effektive Weise löst. Aus der Sicht der Verfahrensbeteiligten am Untersuchungsverfahren erweitert oder verbessert sich das Spektrum der Fragen, die gerichtlich (ob fachgerichtlich oder verfassungsgerichtlich) entschieden werden können, nicht. „Gelöst" wird daher nur das Problem der „Fachkompetenz" hinsichtlich der Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages, soweit es in einer gerichtlichen Entscheidung darauf ankommt. Es sei bemerkt, daß durch die Zuweisung aller fach-

II. Gerichtliche Entscheidungen unter Geltung des PUAG

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gerichtlichen Streitigkeiten an den BGH (Ermittlungsrichter des BHG) schon ein fast nicht mehr zu überbietender Standard an Fachkompetenz des entscheidenden Gerichts erreicht sein sollte. Dennoch scheint es angesichts der Bedeutung einer parlamentarischen Untersuchung wohl angemessen, nur das Bundesverfassungsgericht abschließend über die verfassungsmäßige Zulässigkeit einer parlamentarischen Untersuchung entscheiden zu lassen. Die Möglichkeit von betroffenen Personen, gegen fachgerichtliche Entscheidungen Verfassungsbeschwerde zu erheben, besteht auch unter der Geltung des PUAG fort. Die speziellen Fragen des Rechtsschutzes gegen Einsetzungsbeschluß und Abschlußbericht hat der Gesetzgeber des PUAG keiner eigenständigen Lösung zugeführt.

12 Platter

C. Reformmodell Thüringen I. Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen der parlamentarischen Untersuchung in Thüringen Die Thüringische Verfassung kennt ebenso wie das Grundgesetz und die übrigen Verfassungen der Länder den parlamentarischen Untersuchungsausschuß als Kontrollinstrument des Parlaments gegenüber der Exekutive. Grundintention und Grundzüge des Verfahrens entsprechen denjenigen des Grundgesetzes, wie es im ersten Hauptteil, I. beschrieben wurde. Einzelne wichtige Fragen werden jedoch in Thüringen anders gelöst. 1. Überblick über den aktuellen Normbestand a) Das Recht der parlamentarischen Untersuchung in Thüringen/ aktueller Normbefund Rechtsgrundlage für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses im Landtag ist Art. 64 ThürVerf. i.V. m. mit dem ThürUAG 589 und der Geschäftsordnung des Landtages.590 Schon auf der Ebene der Verfassungsrechts sind einige bemerkenswerte Abweichungen zur grundgesetzlichen Regelung festzustellen. Es fällt auf, daß die Thüringische Regelung sehr viel minderheitenfreundlicher als Art. 44 GG ist. Das ThürUAG weitet auf einfachgesetzlicher Ebene die Minderheitenrechte teilweise noch aus. Die folgenden Bestimmungen fallen dabei gegenüber dem Grundgesetz besonders ins Auge. ( 1 ) Das erforderliche Quorum für die Einsetzung einer Minderheitsenquete beträgt ein Fünftel der Mitglieder des Landtages - ist also im Vergleich mit anderen deut589

Landesgesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen v. 7. Feb. 1991 (GVB1. S. 36), geändert durch Art.4 des Gesetzes zur Überleitung der ordentlichen Gerichtsbarkeit, zur Ausführung des Gerichtsstandortgesetzes, zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gerichtsverfassungsgesetzes zur Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes v. 16. Aug. 1993 (GVB1.554), durch §53 des Thüringer Verfassungsgerichtshofgesetzes v. 28. Juni 1994 (GVB1. S. 781) und durch Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Thüringer Landesrechnungshof und des Untersuchungsausschußgesetztes v. 27. Nov. 1997 (GVB1. S.428). 590 Geschäftsordnung des Thüringer Landtags in der Fassung der Bekanntmachung v. 17. Mai 2001, LT-Drs. 3/1583, zuletzt geändert durch Beschl. v. 13. Dez. 2001, LT-Drs. 3/2083.

I. Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen

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sehen Verfassungen klein, die Hürde für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses sehr niedrig. (2) Das Recht der Fraktionen, Mitglieder in den Ausschuß zu entsenden, ist in der Verfassung ausdrücklich genannt, Art. 64 I I ThürVerf. (3) Eine - von der Einsetzungsminderheit unabhängige - Minderheit im Ausschuß von einem Fünftel der Mitglieder kann verlangen, daß die Beweise erhoben werden, die sie für erforderlich hält, Art. 64 III 1 ThürVerf. Es gibt folglich ein verfassungsrechtlich verankertes Beweisantragsrecht der Minderheit im Ausschuß. Einfachrechtlich flankiert wird dieses Recht von einem Antragsrecht einerseits der Landesregierung und andererseits einzelner Mitglieder des Ausschusses (§ 13 II 1 ThürUAG), wobei Anträge von Mitgliedern des Ausschusses nur aus den in § 13114 Nr. 15 ThürUAG genannten Gründen zurückgewiesen werden dürfen. 591 (4) Besondere Aufmerksamkeit widmeten die Verfassungsgeber dem Themenkomplex des Rechtes auf Aktenherausgabe und Aussagegenehmigung. Die Pflichten der Exekutive - zu dieser zählt der Verfassungsgeber im Verfassungstext die Landesregierung, Behörden des Landes sowie die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen - sind in der Verfassung ausdrücklich festgeschrieben (Art. 64IV 2 ThürVerf.). Die Offenbarungspflicht der Landesregierung, die seit dem Flick-Urteil des Bundesverfassungsgerichts verkürzt mit dem Begriff der Pflicht zur Aktenvorlage umschrieben wird, ist in vier verschiedene Einzelaspekte aufgefächert. Diese sind die Vorlage der angeforderten Akten, die Erteilung von Auskünften, die Gewährung von Zugang zu den öffentlichen Einrichtungen und die Erteilung von Aussagegenehmigungen. Ausdrücklich in die Verfassung aufgenommen ist aber auch das entgegenstehende Recht der Landesregierung, die Offenbarung von Tatsachen aus diesem Bereich zu verweigern, wenn ein Geheimhaltungsinteresse besteht592, Art. 64 IV 3, 67 III ThürVerf. Als weitere Grenze der Verpflichtung zur Aktenherausgabe in diesem Sinne ist ausdrücklich der unantastbare Bereich privater Lebensgestaltung hervorgehoben. Festzuhalten ist also, daß die Interessen Privater schon von Verfassungs wegen in die Interessenabwägung, die jeweils bei einem konkreten Antrag des Untersuchungsausschusses vorzunehmen ist, mit einbezogen sind. 593 Die vom Bundes591 Dies ist eine an die Bedürfnisse des Untersuchungsverfahrens angepaßte Regelung nach dem Vorbild des § 244 III StPO. 592 Hierzu eine Anmerkung zum Vergleich der materiell-rechtlichen Lage im Bund und in Thüringen: Dadurch, daß nunmehr der Regierung als Gegenrecht zum Aktenherausgabeverlangen ein Verweigerungsrecht an die Hand gegeben ist, verliert dieses gegenüber jenem jedenfalls sprachlich etwas seinen Ausnahmecharakter, der noch in der Flick-Entscheidung (E67, 100, 139 und LS Nr. 3 c: „nur unter ganz besonderen Umständen") betont wurde, weil nunmehr die Gegenpole, zwischen denen abgewogen werden muß, gleichrangig formuliert sind. 593 Nicht ganz eindeutig scheint das Verweisungsverhältnis zu Art. 67 Abs. III Nr. 1 und 2 ThürVerf. Diese Verweisung soll nur gelten, soweit eine Geheimhaltung nicht möglich oder der

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C. Reformmodell Thüringen

Verfassungsgericht in der Flick-Entscheidung herausgearbeiteten Abwägungskriterien bei der Aktenvorlage und der Erteilung der Aussagegenehmigung sind in Thüringen damit positivrechtlich geregelt. 594 (5) I m Verhältnis der parlamentarischen Untersuchung zum Verfahren vor Gericht in Art. 64 V I 1 Thür Verf. wird klargestellt, daß (nur) der Abschlußbericht der richterlichen Erörterung entzogen ist. 5 9 5 (6) Ein weiterer entscheidender Unterschied gegenüber Art. 44 GG liegt darin, daß Art. 64 in Absatz 7 eine Ermächtigung für den Gesetzgeber enthält, das Nähere in einem Untersuchungsausschußgesetz zu bestimmen. Wie schon einige der obigen Ausführungen (Stellung eines Beweisantrags i m Ausschuß, § 13 I I 1 ThürUAG) andeuten, wiederholt das ThürUAG nicht nur die verfassungsrechtlich vorgegebenen Linien, sondern ordnet beispielsweise den Teilnehmern der parlamentarischen Untersuchung noch weitere Rechte und Pflichten zu. Das ThürUAG bestimmt die Aufgabe eines Untersuchungsausschusses damit, Sachverhalte zu untersuchen, deren Aufklärung i m öffentlichen Interesse liegt, und dem untastbare Bereich privater Lebensgestaltung betroffen ist. Gilt dann umgekehrt, daß bei sichergestellter Geheimhaltung die Landesregierung sich erst gar nicht auf die in Art. 67 III Nr. 2 Thür Verf. genannten Merkmale „Funktionsfähigkeit 4' und „Eigenverantwortung", die nicht nur geringfügig beeinträchtigt sein dürfen, berufen kann? Dafür spricht, daß für den Petitionsausschuß mit seinem entsprechenden Aktenvorlagerecht (Art. 65 II ThürVerf.) nicht auf Art. 64IV 3 ThürVerf. verwiesen wird. Es fragt sich außerdem, in welchem Verhältnis die „Betroffenheit des unantastbaren Bereichs privater Lebensgestaltung" zu dem durch die Verweisung nachgeschalteten Begriff „schutzwürdige Interessen einzelner, die entgegenstehen" in Art. 67 III Nr. 1 ThürVerf. steht. Zwar spricht Art. 64IV 3 ThürVerf. nur vom einem „Betroffensein", Art. 67 III Nr. 2 hingegen von einem „Entgegenstehen", jedoch wird ein Betroffensein des unantastbaren Bereichs der privaten Lebensgestaltung doch regelmäßig gegen eine Herausgabe von Akten sprechen. Hier hat also der Untersuchungsausschuß von vornherein keinen Anspruch gem. Art. 64 IV 2 ThürVerf. gegen die Landesregierung. 594 Über die Fragen einer verfassungsrechtlichen Streitigkeit zwischen Untersuchungsausschuß und Landesregierung hinaus könnte auch einmal das Problem auftauchen, daß der im Sinne von Art. 64IV 3, 67 III ThürVerf. mittelbar durch die Aktenherausgabe betroffene Dritte selbst Rechtsschutz erlangen will, und zwar, weil sich die Landesregierung mit der Herausgabe von Akten einverstanden erklärt. Dieser Fall ist durch die genannten Verfassungsbestimmungen nicht erfaßt. Als Beispiel für eine solche Konstellation siehe OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß v. 7. Jan. 1986, 7 Β 73/85, AS RP-SL 20, 228 (230f., Herausgabe von steuerstrafrechtlichen Ermittlungsakten). Auf diese Konstellation wird im Zusammenhang mit dem fachgerichtlichen Rechtsschutz des betroffenen Dritten im Beweisverfahren noch einmal einzugehen sein. 595 Offenbar wurde die „Rechtsschutzlücke" zuungunsten des Betroffenen gegenüber belastenden Feststellungen im Abschlußbericht bewußt in Kauf genommen. Das ThürUAG enthält in § 15 V nur die Bestimmung, daß der Betroffene vor Beendigung der Beweisaufnahme zu den ihn belastenden Tatbeständen Stellung nehmen kann und dies auch schriftlich. Diese durch das ThürUAG angeordnete Vorgehensweise bleibt sogar hinter der Praxis der Untersuchungsausschüsse des Bundestages zurück. Dort dürfen die genannten Personen zum Abschlußbericht selbst Stellung nehmen.

I. Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen

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Landtag darüber Bericht zu erstatten, § 11 ThürUAG. 596 Daß die Einsetzung des Untersuchungsausschusses eines Beschlusses des Landtages bedarf, bestimmt § 21 ThürUAG. Die Zahl der Mitglieder des Ausschusses ist auf eine Regelzahl von 10 Abgeordneten festgelegt (§41 ThürUAG). Der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses wird bereits vom Landtag und nicht erst vom Ausschuß selbst gewählt (§51 ThürUAG). 597 (7) Besonders hervorzuheben ist im Zusammenhang dieser Untersuchung, daß die auf Bundesebene lange umstrittene Frage der Rechtstellung des von einer Untersuchung Betroffenen im ThürUAG eindeutig geregelt wird. Die Rechtsstellung dieser Personen wurde von der Rechtsstellung des Zeugen abgeschichtet und die eigenständige Rechtsstellung des „Betroffenen" geschaffen. (§15 ThürUAG). Ihm ist ein Auskunftsverweigerungsrecht ausdrücklich eingeräumt (§ 15 112, 1. Hs. ThürUAG). (8) Während der Untersuchungsausschuß des Bundestages für die Beweiserhebung nach der bisherigen Rechtslage auf den pauschalen Verweis in Art. 44 II 1 GG (sinngemäße Anwendung der Vorschriften der Strafprozeßordnung) angewiesen war, enthält das ThürUAG hier teilweise eigene Regelungen und verweist nur für konkrete Maßnahmen des Untersuchungsausschusses auf einzelne Bestimmungen der Strafprozeßordnung. Der thüringische Gesetzgeber hat sich allerdings bemüht, die Aufspaltung des Rechtsweges zwischen unmittelbaren Maßnahmen (Ordnungsgeld/Ordnungshaft) und mittelbaren (Beschlagnahme und Untersuchung) Maßnahmen aufzuheben. 598 Gegen beide Gruppen von Maßnahmen des Untersuchungsausschusses kann/muß der Betroffene eine Entscheidung des Amtsgerichts Erfurt oder 596 Die sog. „Korollartheorie" findet sich in § 1 II ThürUAG als positiver Rechtssatz wieder: Ein Untersuchungsverfahren ist nur zulässig im Rahmen der verfassungsmäßigen Zuständigkeiten des Landtages. 597 § 3 ipA traf zwar eine dem ThürUAG ähnliche Bestimmung, jedoch verfuhr der Bundestag nach der bisherigen Rechtslage, nach der er bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses an die GO-BT gebunden war, gemäß § 58 GO-BT, der die Wahl des Vorsitzenden dem Ausschuß selber zuweist. Das PUAG trifft nunmehr in § 612 eine Regelung, die dem § 58 GOBT entspricht. 598

Die Beseitigung des gespaltenen Rechtsweges scheint ein Nebenprodukt der Neuorganisation der Justiz in den neuen Ländern zu sein. Das Untersuchungsausschußgesetz von 1991 wies die Aufgabe des fachgerichtlichen Rechtsschutzes den damals noch bestehenden Kreisgerichten und Bezirksgerichten zu, die unter anderem die Aufgaben der ordentlichen Gerichtsbarkeit und der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu erledigen hatten (Anlage 1, Kapitel III, Sachgebiet A, Abschnitt III, Ziffer 1 Einigungsvertrag/Gerichtsorganisation). Das Gesetz zur Änderung des Gesetzes über den Thüringer Rechnungshof und des Untersuchungsausschußgesetzes v. 27. Nov. 1997, GVB1. S.428, spricht nur davon, daß die „Bezeichnung" für Kreisgericht und Bezirksgericht in Amtsgericht und Landgericht geändert wird, siehe dort Art. 2 Nr. 11 a) und b). Im übrigen scheint mir eine mögliche Restzuständigkeit der Verwaltungsgerichte im Zusammenhang mit der Aktenvorlage, die Grundrechte Dritter berührt, erhalten geblieben zu sein; vgl. dazu OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß v. 7. Jan. 1986, 7 Β 73/85, AS RP-SL 20, 228 (233).

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C. Reformmodell Thüringen

des Landgerichts Erfurt beantragen.599 Einzelne Probleme, auf die noch einzugehen sein wird, bleiben dennoch bestehen. Für den Untersuchungsausschuß ist klargestellt, daß dieser selbst gegen eine Entscheidung der Fachgerichte Beschwerde erheben kann, § 3011 ThürUAG. (9) Hervorzuheben sind zwei besondere Schlichtungsverfahren, die unabhängig von den Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof sind. Aus der ursprünglichen Fassung des ThürUAG - der Fassung des Gesetzes vor Inkrafttreten der Landesverfassung und vor Konstituierung des Thüringischen Verfassungsgerichtshofs - wurde das Schlichtungsverfahren bei Zweifeln über die Zulässigkeit einer Untersuchung (§ 2 III ThürUAG) übernommen. Hier kann der Justizausschuß durch den Landtag zur gutachterlichen Äußerung angerufen werden. 600 Ein ähnliches gutachterliches Verfahren kann vom Untersuchungsausschuß dann angestrengt werden, wenn der Beweisantrag eines Ausschußmitgliedes nach § 13 II ThürUAG 601 vom Ausschuß zurückgewiesen wird: Eine Kommission602 entscheidet dann über die Zulässigkeit des Beweisantrages, wenn ein Fünftel der Ausschußmitglieder 603 spätestens eine Woche nach Antragstellung eine Entscheidung der Kommission verlangt. Verfassungsgeber und Gesetzgeber waren insgesamt - wie die erste Übersicht zeigt - daran gelegen, das Recht des Untersuchungsausschusses minderheitenfreundlich auszugestalten und die Schwächen der Regelungen der alten Rechtslage auf Bundesebene zu vermeiden. b) Der Verfassungsgerichtshof

des Freistaates Thüringen

Ihr Bemühen um eine moderne Regelung des Rechts der parlamentarischen Untersuchung setzten die Verfassungs- und Gesetzgeber im Bereich des Verfassungsprozeßrechts fort. Zu den „klassischen" Zuständigkeiten eines Verfassungsgerichts in der Bundesrepublik gesellen sich mehrere Verfahren, die speziell an die parla599 Für die Beschwerde gegen das Ordnungsgeld wegen Ungebühr siehe § 11 III 2 ThürUAG (Landgericht Erfurt), für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes wegen Zeugnisverweigerung siehe § 16 V 1 ThürUAG, für Beschlagnahme und Durchsuchung siehe §23 ThürUAG, für das Ordnungsgeld wegen Verweigerung des Eidesleistung siehe § 20 V ThürUAG. 600 Als praktischen Anwendungsfall siehe die gutachterliche Äußerung zum Antrag der Fraktion LL-PDS auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses (LT-Drs. 1/3645, mit ablehnender Stellungsnahme). 601 Die einzelnen Tatbestände sind: (1) Ablehnung wegen Offenkundigkeit der Beweiserhebung, (2) Beweiserhebung vom Untersuchungsauftrag nicht gedeckt oder (3) die Tatsache schon erwiesen, (4) Ungeeignetheit oder Unerreichbarkeit des Beweismittels, (5) mögliche Für-wahrStellung der Behauptung, (6) keine tatsächlichen Anhaltspunkte für die Beweisbehauptung. 602 . . . bestehend aus den beiden dienstältesten Vorsitzenden Richtern der Strafsenate des Thüringer OLG und dem dienstältesten Vorsitzenden des Thüringer OVG. 603 ...bei der Regelbesetzung des Untersuchungsausschusses mit zehn Mitgliedern also zwei Mitglieder des Ausschusses.

I. Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen

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mentarische Untersuchung anknüpfen. An der verfassungsrechtlichen Stellung des Verfassungsgerichtshofes im Gefüge der Verfassungsorgane ändert dies jedoch selbstverständlich nichts. Die Stellung des Verfassungsgerichtshof in Thüringen ist, wie in fast allen anderen Bundesländern auch, die eines selbständigen und unabhängigen Gerichtshofes, Art. 791 ThürVerf. Der Gerichtshof besteht aus einem Spruchkörper. Seine Zuständigkeiten sind im wesentlichen in Art. 801 ThürVerf. niedergelegt. 604 Abgesehen von den Besonderheiten, die hier das Thema der Untersuchung sind, übernimmt die Thüringische Verfassung den überkommenen Kanon von Verfahrensarten, 605 wie er durch das Bundesverfassungsgerichtsgesetz vorgeprägt wurde. 606 Die Verfassung kennt wie das Grundgesetz auch das Organstreitverfahren (Art. 801 Nr. 3 ThürVerf.) und die Individualverfassungsbeschwerde gegen alle Akte der öffentlichen Gewalt (Art. 801 Nr. 1 ThürVerf.). Art. 80 II ThürVerf. ermächtigt den Gesetzgeber, weitere Verfahren vor dem Verfassungsgerichthof einzuführen. Als speziell auf die parlamentarische Untersuchung zugeschnittenes Verfahren tritt auf verfassungsrechtlicher Ebene die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofs zur Entscheidung über die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages gem. Art. 6412, 801 Nr. 7 ThürVerf. (§§11 Nr. 7, 50 ThürVerfGHG) hinzu. Des weiteren hat der Thüringische Gesetzgeber von seiner Ermächtigung in Art. 80 II, V ThürVerf. Gebrauch gemacht und einerseits ein Verfahren für den Streit um die Ansprüche nach Art. 64IV 2 ThürVerf. eingerichtet (§ 51 ThürVerfGHG) 607, andererseits ein Verfahren für bestimmte Streitigkeiten im Zusammenhang mit den Beweiserhebungsmaßnahmen des Untersuchungsausschusses eingeführt (§ 52 ThürVerfGHG). 2. Genese der rechtlichen Grundlagen Die Thüringische Landesverfassung gehört zu der Gruppe der jüngeren Vollverfassungen, die im Zuge der Deutschen Wiedervereinigung und der davon begleite604

Siehe auch die Zusammenfassung der Zuständigkeiten in § 11 ThürVerfGHG. Von der Ermächtigung, Zuständigkeiten auf einfachgesetzlichen Wege einzurichten, hat der Gesetzgeber bisher im Zusammenhang mit dem Gesetz über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid Gebrauch gemacht, vgl. §§7IV, 27IV des Gesetzes über das Verfahren bei Bürgerantrag, Volksbegehren und Volksentscheid vom 19. Juli 1994, GVB1. S.918. 605 Siehe zusammenfassend Pestalozza, Verfassungen der deutschen Bundesländer - Einführung, 7. Aufl. München 2001, S.LXXf. 606 Selbstverständlich bezieht sich das nur auf die Verfahren, die nicht speziell Streitigkeiten im föderalen Gefüge betreffen. 607 § 5111 ThürVerfGHG gibt in Anlehnung an § 14IV ThürUAG die in Art. 64IV 2 ThürVerf. genannten Ansprüche nicht vollständig wieder, sondern nennt nur Aktenvorlage und Aussagegenehmigung. Dies scheint ein Redaktionsversehen zu sein, soll jedoch gewiß nicht die verwandten Ansprüche auf Auskunftserteilung und Zutrittsgenehmigung von der Geltendmachung ausschließen. Zur zeitlichen Abfolge des Inkrafttretens der Rechtsgrundlagen als wahrscheinlichem Grund dieser Ungereimtheit, siehe S. 184 f.

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C. Reformmodell Thüringen

ten Verfassungsbewegung in den neuen, aber auch in einigen der alten Bundesländer verabschiedet wurden. 608 Ein Blick auf die Entstehungsgeschichte der Thüringischen Landesverfassung soll zunächst die Situation, aus der heraus die Verfassung nach der Konstituierung der neuen Bundesländer 1989 entstand, kurz beleuchten. Nach der Neukonstituierung der Länder nach dem 3. Oktober 1990 609 trat in Thüringen zunächst die auf einem Entwurf der CDU-Fraktion und der F.D.P.-Fraktion 6 1 0 beruhende Landessatzung durch Gesetz vom 7. Nov. 1990 in Kraft. 611 Bereits die vorläufige Landessatzung enthielt in § 8 eine Vorschrift zur Einsetzung von Untersuchungsausschüssen. Schon diese Regelung zeichnete sich dadurch aus, daß sie im Vergleich zum Grundgesetz ausführlicher und auch minderheitenfreundlicher gestaltet war; das niedrige Einsetzungsquorum von einem Fünftel der Mitglieder der Landtages war schon dort realisiert (§811 Vorläufige Landessatzung). Der Wortlaut des § 8 der Vorläufigen Landessatzung war von Art. 91 der Verfassung von Rheinland-Pfalz übernommen. Das Verfahren der Beweiserhebung des Untersuchungsausschusses war darin zunächst, wie in Art. 44 II 1 GG auch, nur durch Verweis auf die sinngemäße Anwendung der StPO umrissen. § 8 enthielt im übrigen auch keine Ermächtigungsgrundlage für den Landesgesetzgeber, das Nähere zu regeln. Die Beratungen zur Verabschiedung eines Untersuchungsausschußgesetzes für Thüringen kamen aber schnell in Gang, so daß auf Anregung des Justizausschusses612 ein entsprechender Passus in § 8 der Vorläufigen Landessatzung eingefügt wurde, der die Regelung des Beweisverfahrens durch das geplante Untersuchungsausschußgesetz selbst zuließ. Durch die Neufassung des § 8 IV der vorläufigen Landessatzung613 wurde der Gesetzgeber 614 ermächtigt, Verfahrens Vorschriften für den Untersu608 Siehe zu einer Periodisierung der Entstehung der Landesverfassungen in der Bundesrepublik Deutschland im Überblick, Pestalozza, Verfassungen der deutschen Bundesländer - Einführung, S.XIII-LXXXII. 609 Verfassungsgesetz zur Bildung von Ländern in der Deutschen Demokratischen Republik vom 22. Juli 1990 - Ländereinführungsgesetz - (GBl. I Nr. 51 S. 955) und Artikel 1 des Einigungsvertrag (Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik über die Herstellung der Einheit Deutschlands vom 31. Aug. 1990, BGBl. II, S.885). 610 LT-Drs. 1/3; siehe auch BeschlEmpf des Ältestenrates und Vorläufigen Verfassungsausschusses, LT-Drs. 1/11. 6.1 GVB1.S.1. 6.2 GesEntw von Mitgliedern des Justizausschusses zum Ersten Landesgesetz zur Änderung der Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen, LT-Drs. 1/50 und Änderungsantrag von Mitgliedern des Justizausschusses zu dem Gesetzentwurf von Mitgliedern des Justizausschusses, LT-Drs. 1/80. 613 Erstes Gesetz zur Änderung der Vorläufigen Landessatzung v. 31. Jan. 1991, GVB1. S. 1. 614 Von der Ermächtigung, die gesamte Materie „Untersuchungsausschuß" im Näheren durch ein Gesetz zu regeln, ging man offenbar aus; nur in bezug auf die Eingriffsermächtigungen der StPO im Zusammenhang mit dem Beweisverfahren hielt man die vorläufige Landessatzung für ergänzungsbedürftig, siehe Gesetzentwurf von Mitgliedern des Justizausschusses zum ersten Landesgesetz zur Änderung der Vorläufigen Landessatzung für das Land Thüringen, LT-Drs. 1/50.

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chungsausschuß abweichend von der Strafprozeßordnung zu regeln. Schon bald und noch unter der Geltung der vorläufigen Landessatzung trat das Untersuchungsausschußgesetz Thüringen (ThürUAG) 615 in Kraft. In § 18 I I bestimmte die vorläufige Landessatzung, daß sie spätestens am 31. Dez. 1992 außer Kraft trete und bis dahin durch eine Verfassung des Landes Thüringen zu ersetzen sei. Die Fraktionen der CDU, SPD, LL-PDS, F.D.P. und NF/GR/DJ brachten in der folgenden Zeit jeweils ihre eigenen Verfassungsentwürfe zur Erfüllung dieses Auftrages ein. 616 Eine besondere Verfassungskommission zur Erarbeitung einer gemeinsamen Vorlage an den Landtag 617 - ein Weg, der beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern eingeschlagen wurde 618 - wurde nicht eingesetzt. Vielmehr beriet der Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuß auf der Grundlage dieser fünf Entwürfe zwischen Oktober 1991 und März 1993 und legte dann dem Landtag einen zusammengefaßten Entwurf vor. 619 Der Landtag überwies diesen Verfassungsentwurf an den Ausschuß zurück und beauftragte ihn, zu diesem Verfassungsentwurf Anhörungen durchzuführen und der Öffentlichkeit Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben, um dann eine weitere (zweite) Beschlußempfehlung abgeben zu können. Diese zweite Beschlußempfehlung 620 wurde wiederum dem Landtag vorgelegt, der die Verfassung (vorläufig) annahm621. Die Verfassung wurde durch Volksentscheid endgültig angenommen.622 Die Vorschrift Art. 64 ThürVerf. hat - anders als die entsprechende Bestimmung der Landessatzung - kein unmittelbares Vorbild in den älteren Landesverfassungen der Bundesrepublik oder in ungefähr zur gleichen Zeit zur Beratung anstehenden Verfassungen der anderen neuen Länder. Sie hat auch keinen direkten historischen Vorläufer, abgesehen davon, daß das parlamentarische Untersuchungsrecht seit 1919 als „Gemeingut" des deutschen Verfassungsrechts gelten kann. Zwar enthielt 615

Landesgesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen v. 7. Feb. 1991, GVB1. S.36. 616 CDU-Entwurf: LT-Drs. 1/285, F.D.P.-Entwurf: LT-Drs. 1/301, SPD-Entwurf: LTDrs. 1/590, NF/GR/DJ-Entwurf: LT-Drs. 1/659, LL-PDS-Entwurf: LT-Drs. 1/678. 617 Anders in anderen Bundesländern nach der Wiedervereinigung, siehe dazu von Mangoldt, Die Verfassungen der neuen Bundesländer, 2. Aufl. München 1997, S. 25-35. 618 Die Entstehung der Verfassung für Mecklenburg-Vorpommern wird dokumentiert durch: Die Vorläufige Verfassung/Entscheidungen für unser Land, Band 1, hrsg. v. Landtag Mecklenburg-Vorpommern, Rostock 1993. 619 BeschlEmpf des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses v. 1. Apr. 1993, LTDrs. 1/2106; siehe zum zeitlichen und organisatorischen Ablauf der Sitzungen im Verfassungsausschuß auch aaO., S.2; Beratung im Landtag über diese Beschlußempfehlung am 21. April 1993, PIPr 1/79, S. 5830-5875. 620 BeschlEmpf des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses v. 20. Sept. 1993, LTDrs. 1/2160. 621 Ergebnisse der namentlichen Abstimmungen v. 25. Okt. 1993 in PIPr 1/95, S.7268-7290. 622 Siehe die Bekanntmachung des Ergebnisses der Volksabstimmung v. 26. Okt. 1994, GVB1. S. 1194.

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C. Reformmodell Thüringen

die erste Verfassung des 1920 gebildeten Landes Thüringen vom 11. März 1921 6 2 3 schon eine Regelung zu den Untersuchungsausschüssen (dort § 23), die sich i m Wortlaut gegenüber der W R V als sehr eigenständig erwies. (Das Untersuchungsthema ist - i m Gegensatz zu Art. 341 W R V - auf Zweifel an der Gesetzlichkeit und Lauterkeit von Verwaltungsmaßnahmen der öffentlichen Behörden beschränkt gewesen. Überdies war dort den Fraktionen, denen die Antragsteller angehören, bereits verfassungsrechtlich ein Anspruch auf Vertretung i m Ausschuß eingeräumt.) Die Verfassungsberatungen von 1991-93 lassen aber nicht erkennen, daß bei den Beratungen zu Art. 64 ThürVerf. noch einmal auf diese Regelung Bezug genommen oder an sie angeknüpft wurde, auch wenn die Verfassung von 1921 bei den Beratungen zur Verfassung von 1993 am Rande eine Rolle gespielt hat. 6 2 4 Die Verfassung des Landes Thüringen v. 20. Dezember 1946 6 2 5 enthielt eine Regelung über Untersuchungsausschüsse, die stark Art. 34 W R V ähnelte. Es liegt nahe, daß das dort festgesetzte Einsetzungsquorum von einem Fünftel sein Vorbild in Art. 341 W R V hatte. Ein unmittelbarer Einfluß auf den späteren Art. 64 ThürVerf. läßt sich aber für die Verfassung von 1946 in den Verfassungsmaterialien nicht nachweisen. 626 623 Verfassung des Landes Thüringen vom 11. März 1921, Gesetzessammlung für Thüringen, 1921, S.51, abgdr. bei Riegel Ήenke/Lunau (Hrsg.), Dokumente zum Thüringer Staatsrecht. 1920-1952, Stuttgart 1991, S.51. 624 ... abgesehen davon, daß diese Verfassung sich in die lange Verfassungstradition in thüringischen Landen einreiht; siehe den Überblick bei Starck, Verfassunggebung in Thüringen, ThürVBl. 1992, 10 (10f.). Bei der Vorstellung der fünf durch die jeweiligen Landtagsfraktionen eingebrachten Verfassungsentwürfe (siehe Fn. 616) im Landtag geht der Sprecher der CDU-Fraktion (Abg. Schwäblein) zweimal auf Verfassungen von 1921 und 1946 ein, allerdings mehr im Sinne einer historischen Reminiszenz („...dritte Vollverfassung in der Geschichte Thüringens.", PIPr 1/28 v. 12. Sept. 1991, S. 1708, 1709) und nicht im Zusammenhang mit dem Untersuchungsausschuß (vgl. aaO., S. 1710). Der Sprecher der Fraktion NF/GR/DJ (Abg. Geißler) erwähnt die Verfassung von 1921 als Vorbild in bezug auf die Aufnahme von plebiszitären Elementen in die Verfassung (aaO., S. 1717). Bei der Beratung zur Beschlußempfehlung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses (LT-Drs. 1/2106) werden die Verfassungen von 1921 und von 1946 vom Berichterstatter (Abg. Stauch) allgemein als Vorlagen erwähnt (PIPr 1/79 v. 21. Apr. 1993, S. 5832), jedoch nicht speziell im Zusammenhang mit den Untersuchungsausschüssen (vgl. aaO., S.5835). Die Verfassung von 1921 war hingegen Vorbild in bezug auf die Benennung Thüringens als Freistaat, siehe den Redebeitrag des Abg. Schwäblein (CDU), aaO., S.5844, und den des Justizministers Dr Jentsch, aaO., S. 5859f. 625 Verfassung vom 20. Dez. 1946, Regierungsblatt für das Land Thüringen, 1947, S. 1, abgdr. bei Riegel Ήenke/Lunau, aaO., S. 86, Art. 17. 626 Die geringe Beachtung der Verfassung von 1946 in den Verfassungsberatungen wird bedauernd hervorgehoben von der Abg. Thierbach (LL-PDS) während der Beratung der Beschlußempfehlung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses, PIPr 1/79 v. 21. April 1993, S. 5864 f. (siehe auch schon Fn.624). Abgesehen davon bleibt noch die Frage, ob diese Verfassung wirksam durch das Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparats in der Deutschen Demokratischen Republik vom 11. Feb. 1958, GBl. I S. 117 außer Kraft gesetzt wurde. Dies bestreitet Röper, Verfassungsgebung und Verfassungskontinuität in den östlichen Bundesländern, ZG 1991, 149(164).

I. Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen

187

Die derzeit geltenden Verfassungsbestimmungen zum Untersuchungsausschuß sind durchaus mit Bewährtem der bereits vorhandenen Regelungen in den übrigen Landesverfassungen, die das parlamentarische Untersuchungsverfahren ja auch teilweise ausführlicher und minderheitenfreundlicher 627 als die Bestimmung im Grundgesetz regeln, vergleichbar. Schon die Entwürfe zur künftigen Landesverfassung zeichneten sich in bezug auf die Regelung für Untersuchungsausschüsse des Landtages dadurch aus, daß auch sie in den meisten Aspekten recht minderheitenfreundlich ausgestaltet worden waren. Offenbar waren in dieser Beziehung die Bestimmungen der Vorläufigen Landessatzung (Art. 8) konsensfähig. 628 Die dortige Bestimmung, daß bereits ein Fünftel der Abgeordneten des Landtages die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verlangen kann, wurde von allen Fraktionsentwürfen zur Verfassung aufgegriffen. 629 Auch die Bestimmung, daß jede Fraktion des Landtages mit mindestens einer Stimme im Ausschuß vertreten sein muß, ist in allen bis auf einen der Entwürfe bereits enthalten.630 Die besondere Bestimmung über das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof ist hingegen noch in keinem der Entwürfe enthalten, findet sich aber in schon in der ersten Beschlußempfehlung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses631. Mit der dort vorgeschlagenen Fassung des Artikels zu den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen war seine Entwicklung abgeschlossen.632 Er hat während der noch folgenden Verhandlungen, Anhörungen und Beratungen keine Veränderung mehr erfahren. 633 627 Siehe die Äußerung des Berichterstatters des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses Stauch: „Durch das niedrige Quorum von einem Fünftel der Mitglieder des Landtages zur Einberufung von Untersuchungsausschüssen und von einem Fünftel der Mitglieder zur Beweiserhebung im Ausschuß wurde das gesamte Instrumentarium zu einem Minderheiten- und Oppositionsrecht konzipiert.", PIPr 1/78 v. 21. April 1993, S.5835. 628 Siehe rechtsvergleichend zum Recht der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse vor Inkrafttreten der Landesverfassungen in den neuen Ländern von Mutius/Friedrich, Rechtsgrundlagen für die Tätigkeit der Untersuchungsausschüsse in den neuen Bundesländern, DVB1. 1992, 73 (76). 629 Siehe Blatt Nr. 49 a der Synopse der Entwürfe der Verfassung des Landes Thüringen (zusammengestellt und vorgelegt von der Verwaltung des Thüringer Landtages in der ersten Wahlperiode [ohne Drucksachennummer]). 630 Siehe Blatt-Nr. 50 a, aaO. 631 BeschlEmpf d. Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses zu den LTDrss. 1/285/301/590/659/678, LT-Drs. 1/2106 (siehe Fn.616). 632 Dazu der Berichterstatter des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses Stauch: „Erhebliche Diskussionen verursachten im Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuß die Einschränkungen der Auskunftspflicht der Landesregierung, differenziert nach allgemeinem Ausschuß, Petitionsausschuß und Untersuchungsausschuß, begrenzt aus den Erfordernissen des Datenschutzes und anderer Geheimhaltungsinteressen sowie des Gewaltenteilungsprinzips, wie sie mehrheitlich in Artikel 64 Abs. 4, Artikel 65 Abs. 2 und Artikel 67 Abs. 3 beschlossen wurden." (PIPr 1/79 v. 21. April 1993, S.5835). 633 Siehe die BeschlEmpf zu den LT-Drs. 1/285/301/590/659/678 sowie zur LT-Drs. 1/2106, LT-Drs. 1/2660; zur weiteren Tätigkeit des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses nach Zurkenntnisnahme und Zurücküberweisung der ersten BeschlEmpf durch den Landtag siehe S. 2 von LT-Drs. 1/2160.

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C. Reformmodell Thüringen

Die Einrichtung eines Verfassungsgerichtshofs und die Festlegung der einzelnen verfassungsgerichtlichen Verfahren war von keinen schwerwiegenden Auseinandersetzungen während der Beratungen begleitet. Hier bezeugen die fünf eingebrachten Verfassungsentwürfe (s. o.), daß über die Frage, ob überhaupt ein Verfassungsgericht eingerichtet werden sollte, kein Dissens bestand. Alle Verfassungsentwürfe beschäftigen sich mit dieser Frage und weisen dem zukünftigen Verfassungsgericht von vornherein den überkommenen Verfahrenskatalog zu. 634 Das Organstreitverfahren wurde in allen Entwürfen vorgesehen, die Verfassungsbeschwerde nur im Entwurf der F.D.Ρ nicht. 635 Jedoch enthält keiner der Verfassungsentwürfe bereits eine Regelung, die auf Art. 801 Nr. 7 ThürVerf., der die in Art. 6412 ThürVerf. (Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsauftrages) bestimmte Zuständigkeit wiederholt, hindeutet. Ein Entwurf dieser Verfahrensregelung findet sich erst in der Beschlußempfehlung des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses 636, dort ist sie dann aber schon so formuliert, wie sie später auch in den Verfassungstext eingehen sollte. Die wesentlichen Anstöße für die in Art. 64, 80 ThürVerf. in bezug auf den Untersuchungsausschuß eingeführten Neuerungen gingen also im Ergebnis beide auf die Vorschläge des Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschusses zurück. Wie der Blick auf die damalige Verfassungsentwicklung im Bundesgebiet zeigt, erweist sich der thüringische Ansatz für die Lösung der prozessualen Probleme als recht eigenständig, obwohl (oder vielleicht auch weil) es an Gelegenheiten zur Rezeption nicht mangelte. Denn im damaligen Zeitraum wurde auch in den anderen Bundesländern über die Landesverfassung beraten. Von den Verfassungen der neuen Länder war die thüringische dabei diejenige, bei der die Beratungen als letzte (Verabschiedung durch den Landtag am 25. Oktober 1993) abgeschlossen waren. 637 In den alten Bundesländern ersetzte Schleswig-Holstein 1990 seine Landessatzung durch eine Landesverfassung. 638 Rheinland-Pfalz bereinigte seine Verfassung 1991 grundlegend. 639 1993 ersetzte Niedersachsen seine vorläufige Landessatzung durch eine Vollverfassung. 640 Dort beratene Reformen des Rechts der parlamentarischen 634

Siehe die Synopse der Landtagsverwaltung (Fn. 629), Blatt 79 a, 80 a. Siehe zu den Fundstellen Fn.616. 636 LT-Drs. 1/2106. 637 Brandenburg: Verabschiedung der Verfassung durch den Landtag am 14. April 1992 (GVB1.I S.298). Mecklenburg-Vorpommern: Verabschiedung durch den Landtag am 23. Mai 1993 (GVOB1. S.372). Sachsen: Verabschiedung der Verfassung durch den Landtag am 26. Mai 1992 (GVB1. S.243). Sachsen-Anhalt: Verabschiedung durch den Landtag am 16. Juli 1993 (GVB1. S.600). 638 Verfassung des Landes Schleswig-Holstein v. 13. Juni 1990 (GVOB1. S.391). 639 Dreißigstes Gesetz zur Änderung der Verfassung (Gesetz zur Bereinigung der Landesverfassung) v. 15. März 1991, GVB1. S.73 (allerdings ohne Änderung des Verfassungsartikels zu den Untersuchungsausschüssen [Art. 91]). 640 Niedersächsische Verfassung v. 19. Mai 1993 (GVB1.107). 635

I. Rechtsgrundlagen und Rahmenbedingungen

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Untersuchung und insbesondere seine prozeßrechtliche Neuordnung konnten daher von den thüringischen Verfassungsmüttern und -vätern zur Kenntnis genommen werden. 6 4 1 Eine mit Art. 6412 ThürVerf. vergleichbare Bestimmung (Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes über die Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsauftrages) findet sich in keiner der i m gleichen Zeitraum beratenen Verfassungen. 642 Drei der genannten Länder haben hingegen ein anderes Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof in ihre Verfassung aufgenommen. Mecklenburg-Vorpommern (Art. 53 Nr. 4, §§ 4 5 - 4 7 MeVo VerfGG) 6 4 3 , Niedersachsen (Art. 27 V I I Nds.Verf., §§ 27-29 Nds. StHG) und Sachsen-Anhalt (Art. 75 Nr. 4 Verf. L S A , §§ 4 4 - 4 6 VerfGG L S A ) 6 4 4 entschieden sich für die verfassungsrechtliche Einführung eines 641 Sie lagen dem Verfassungs- und Geschäftsordnungsausschuß bei seinen Beratungen vor, siehe die Ausführungen des Berichterstatters Stauch, PIPr. 1/79 v. 21. Apr. 1993, S.5832. 642 1998 fügte Bayern eine Bestimmung in die Verfassung ein (Art. 25IV 3 Bay Verf.), nach der der Bayrische Verfassungsgerichtshof über die Ablehnung eines Beweisantrages durch den (quasi im Sinne einer ersten Instanz) angerufenen Landtag entscheidet (Gesetz zur Änderung der Verfassung - Verfassungsreformgesetz - Reform von Landtag und Staatsregierung - v. 20. Feb. 1998, GVB1. S. 39). Über diese Frage entscheidet der Verfassungsgerichtshof im Organstreitverfahren (Art. 64 Bay Verf. i.V.m. Art. 2 Nr. 4, 49 BayVerfGHG). 643 Siehe auch die Kommentierung von Thiele, in: Thiele/Piersch/Wedemeyer, Die Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern, Berlin 1995, Art. 53, Rn. 10. Die dokumentierte Entstehungsgeschichte von Art. 53 Nr. 4 MeVoVerf. in den Verfassungsberatungen der Kommission zur Erarbeitung einer Landesverfassung erhellt die Herkunft des neuen Verfahrens nicht. Im Zwischenbericht der Verfassungskommission (LT-Drs. 1/2000 abgedr. in: Die Vorläufige Verfassung, [Fn. 618], S. 250) erscheint das Verfahren zur Vorlage des Untersuchungsauftrages noch nicht (vgl. Art. 51 des Verfassungsentwurfes). Die Erläuterungen im Abschlußbericht dokumentieren, daß der Sachverständige Professor Dr. von Mutius auf die Probleme des Rechtsschutzes, insbesondere das der Asymmetrie des Rechtsschutzes, die auch durch das Vorlageverfahren seiner Ansicht nach nicht vollständig beseitigt werden, näher eingeht. Er bezieht sich dabei, wie es scheint, auf eine bereits der Kommission vorliegende Fassung des Nr. 4, ohne daß aus den Erläuterungen hervorgeht, woher diese stammt, denn als Beratungsgrundlage ist im Bericht die Fassung des Zwischenberichts genannt (LT-Drs. 1/3100, abgedr. in: Die Vorläufige Verfassung, [Fn. 618], S. 141 f.). Die von von Mutius vorgeschlagene Anpassung des Organstreitverfahrens (Möglichkeit der Antragsgegnerschaft auch für NichtVerfassungsorgane) im Landesverfassungsgerichtsgesetz erfolgte jedoch später nicht (vgl. §§ 11 Nr. 1, 35-38 Me Vo VerfGG). 644 Siehe auch die Kommentierung bei Reich, Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt, Bad Honnef 1994, Art.75, Rn.5. Die Herkunft der Verfassungsbestimmung in Sachsen-Anhalt ist klar zu ermitteln. Der Verfassungsentwurf der SPD-Fraktion enthält in seinem § 74 Nr. 4 eine Bestimmung über die Vorlagepflicht der Fachgerichte an das Verfassungsgericht. Der Entwurf enthielt daneben eine dem Organstreit ähnliche Bestimmung über Meinungsverschiedenheiten über die Verfassungsmäßigkeit des Untersuchungsauftrages, bei der die qualifizierte Einsetzungsminderheit, ein Fünftel der Mitglieder des Landtags, eine Fraktion oder der Ausschuß antragsberechtigt sein sollten. In den Verfassungsberatungen zum späteren Koalitionsentwurf (LT-Drs. 1/1334) wurde die Vorlageverpflichtung neu formuliert, der übrige Teil der Bestimmung hingegen fallengelassen, weil er nach Auffassung der Beratenden unter das Organstreitverfahren gefaßt werden konnte (Niederschrift über die Sitzung des Verfassungsausschusses am 15./16.05.1991, abgedr. in:

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C. Reformmodell Thüringen

Verfahrens, das der konkreten Normenkontrolle angeglichen ist und dabei den Untersuchungsauftrag für die Fachgerichte vorlagepflichtig macht, soweit sie ihn für verfassungswidrig halten. Durch die Einführung dieses Verfahren wurde den Fachgerichten die vorher bestehende, inzidente Prüfungsbefugnis entzogen.645 (Dieses Verfahren wurde durch das Parlamentarische Untersuchungsausschußgesetz des Bundes ebenfalls als Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht eingeführt, für die Grundzüge dieses Verfahrens kann daher auf die Ausführungen im ersten Hauptteil 6 4 6 verwiesen werden.) Sehr großen Einfluß hingegen entfalteten die entsprechenden Regelungen in Rheinland-Pfalz auf das thüringische Untersuchungsausschußgesetz und das Gesetz über das Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshofes. Das Untersuchungsausschußgesetz für Thüringen trat vor Inkrafttreten der Landesverfassung noch unter der Geltung der Vorläufigen Landessatzung in Kraft. 647 Es ist, ohne daß dies in den Materialien 648 ausdrücklich Erwähnung findet, fast identisch mit dem Untersuchungsausschußgesetz Rheinland-Pfalz von 1990.649 Die von Rheinland-Pfalz damals eingeführten Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof (Verfahren im Falle der Verweigerung von Aktenvorlage und Aussagegenehmigung/Beschwerde zum Verfassungsgerichthof gegen fachgerichtliche Entscheidung im Untersuchungsverfahren) 650 wurden von Thüringen in das Gesetz über den Verfassungsgerichtshof Verfassung des Landes Sachsen-Anhalt vom 16. Juli 1992 [Materialien und Dokumente], zusammengestellt von der Landtagsverwaltung, o. J./o. O., S. 293 (297-297). In den weiteren Beratungen wurde die Vorschrift dann nicht mehr geändert (siehe Beschlußempfehlung des Verfassungsausschusses, LT-Drs. 1/7000, dort Art. 74). 645 Für die niedersächsische Regelung läßt sich diese Intention besonders gut nachweisen, siehe dazu Berlit, Der niedersächsische Staatsgerichtshof, NdsVBl. 1995, 97 (105). Man war offenbar der Ansicht, daß die mit dem Rechtsschutz für betroffene Privatpersonen befaßten Amtsgerichte mit dieser Frage überfordert seien, siehe den schriftlichen Bericht zum Entwurf einer Niedersächsischen Verfassung, LT-Drs. 12/5840, abgedr. in: Die Verabschiedung der Niedersächsischen Verfassung, hrsg. v. Präsidenten des Niedersächsischen Landtags, 2. Aufl. Hannover 1993, S.157. 646 Siehe Zweiter Hauptteil, II. 9., S. 169. 647 Siehe Fn. 589. 648 Der von allen Fraktionen eingebrachte Gesetzentwurf zum Untersuchungsausschußgesetz ist nur mit einer kurzen Einleitung versehen, siehe LT-Drs. 1/27. Die Beschlußempfehlung des Justizausschusses macht nur wenig Änderungsvorschläge und kommentiert ansonsten den Gesetzentwurf nicht. 649 Landesgesetz über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen (Untersuchungsausschußgesetz - U A G - ) v. 18. Sept. 1990, GVB1. S.261. Einzelne Abweichungen sind beispielsweise die Besetzung der Ausschüsse mit zehn, anstatt mit neun Mitgliedern des Landtags (§41 ThürUAG), der Umstand, daß der Vorsitzende und sein Stellvertreter nicht, wie in Rheinland-Pfalz, die Befähigung zum Richteramt haben müssen, das Fehlen des Verbotes der Besetzung der Kommission nach § 13 III 1 mit Mitgliedern des Verfassungsgerichtshofes (siehe § 13 III 2 RhPfUAG) und die Zulassung der Mitarbeiter der Fraktionen zu nichtöffentlichen Sitzungen und zur Akteneinsicht (siehe das Gesetz zur Änderung des Untersuchungsausschußgesetzes v. 25. Mai 2000, ThürGVBl. S. 101). 650 Siehe § 32 des Landesgesetzes über die Einsetzung und das Verfahren von Untersuchungsausschüssen, RhPfGVBl. 1990, S.261 mit den §§49a und b zum Verfassungsgerichts-

II. Die Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im einzelnen

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übernommen. In Rheinland-Pfalz sollte gerade mit dem Beschwerdeverfahren vor dem Verfassungsgerichtshof gegen Entscheidungen der Fachgerichte ein erster Schritt zur Einführung der (allgemeinen) Landesverfassungsbeschwerde getan werden, 651 die damals in Rheinland-Pfalz noch nicht eingeführt war. 652 Für Thüringen war diese Erwägung unerheblich, da von vornherein die Einführung der Verfassungsbeschwerde geplant war. Hier mag eher von Bedeutung gewesen sein, daß mit dem Beschwerdeverfahren (§ 52 ThürVerfGHG) erstmals auch dem Untersuchungsausschuß die Möglichkeit gegeben wird, fachgerichtliche Entscheidungen im Beweiserhebungsverfahren vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen. 653 Das Verfahren ist somit gleichzeitig eine Alternative zu der von Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Sachsen-Anhalt gewählten Form der „Untersuchungsauftragskontrolle" durch das Verfassungsgericht. Im folgenden soll neben einer Beleuchtung der Verfahren im Einzelnen das Verhältnis dieser Verfahren zu den „klassischen" Verfahren und in diesem Zusammenhang auch die Frage untersucht werden, inwieweit die „speziellen" Verfahren Rechtsschutzlücken vermeiden oder auch schließen, die auf Bundesebene aufgrund der alten Rechtslage bis zum Inkrafttreten des PUAG bestanden.654

II. Die Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im einzelnen 1. Das Verfahren nach Art. 6412 ThürVerf. i.V. m. § 50 ThürVerfGHG Während Art. 6411 ThürVerf. die verfassungsrechtlichen Vorgaben und den verfassungsrechtlichen Rahmen für die Einsetzung des Untersuchungsausschusses gibt, führt Art. 6412 ThürVerf. eine ausdrückliche Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes für die Entscheidung darüber ein, ob der Untersuchungsauftrag, der erteilt werhofgesetz (a.F.), nunmehr §§42,43 (geändert durch Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof v. 8. April 1990, RhPfGVBl. S. 121). 651 Siehe zur Landesverfassungsbeschwerde in Rheinland-Pfalz nunmehr Art. 130 a RhPfVerf., §§44-49 RhPfVerfGHG; Einführung der Verfassungsbeschwerde auf einfachgesetzlicher Ebene durch Landesgesetz zur Änderung des Landesgesetzes über den Verfassungsgerichtshof v. 10. Nov. 1992, GVB1. S.317. Verankerung der Verfassungsbeschwerde in der Verfassung durch das 34. Landesgesetz zur Änderung der Verfassung v. 8. März 2000, GVB1. S.65. 652 Dies geht nicht aus der Begründung zum Gesetzentwurf zum RhPf UAG (vgl. LTDrs. 11/3870) hervor. Dieser ist auch sonst nur äußerst knapp begründet. Ein Mitglied des Rechtsausschusses erläutert dies jedoch in der ersten Beratung des Entwurfes, siehe PIPr 11/77 v. 17. Mai 1990, S. 5607. 653 Siehe dazu im einzelnen unten III.2.c)bb), S.241. 654 Bisher sind noch keine Verfahren im Zusammenhang mit der Tätigkeit eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses gem. §§ 50-52 ThürVerfGHG beim Verfassungsgerichtshof anhängig geworden (Auskunft des Thüringer Verfassungsgerichtshofs/Geschäftsstelle v. 16. Apr. 2002).

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C. Reformmodell Thüringen

den soll, zulässig ist. Die Verfassungsbestimmung gibt durch ihre Formulierung wesentliche Voraussetzungen für das Verfahren vor dem Gerichtshof bereits vor. a) Verfassungsrechtliche

Vorgaben

aa) Die möglichen Antragsteller In Art. 6412 ThürVerf. ist bestimmt, daß „über die Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsauftrages der Verfassungsgerichtshof auf Antrag von einem Fünftel der Mitglieder des Landtages entscheidet". Die möglichen Antragsteller stehen also schon von Verfassungs wegen fest. Unproblematisch scheint auf den ersten Blick, daß die qualifizierte Einsetzungsminderheit nach Art. 6411 ThürVerf. vor dem Verfassungsgerichtshof als Antragstellerin auftreten kann. Stutzen läßt allerdings in diesem Zusammenhang die Formulierung des Art. 6412 ThürVerf., nach der der Verfassungsgerichtshof „über die Verfassungs Widrigkeit entscheidet. Will sich die qualifizierte Einsetzungsminderheit gegenüber dem Landtag durchsetzen, so wird sie die Feststellung verlangen müssen, daß der Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses verfassungsmäßig war. Verfassungswidrig könnte dagegen die Weigerung des Landtags, den Untersuchungsausschuß einzusetzen, sein. Aber dies ist wiederum keine Entscheidung über den Untersuchungsauftrag, sondern über das Handeln oder Unterlassen eines Verfassungsorgans. 655 Zöge man indes aus der Formulierung „über die Verfassungswidrigkeit" die Schlußfolgerung, der Antrag vor dem Verfassungsgerichtshof könne nur auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit lauten, so könnte der „Grundfall" eines Streits bei der Einsetzung von Untersuchungsausschüssen in Thüringen nicht vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden. Ein Ergebnis, das dem Sinn des Rechtsschutzsystems, das der thüringische Verfassungsgeber entworfen hat, in keiner Weise entspricht. Art. 6412 ThürVerf. ist daher so zu lesen, daß über die Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsauftrages nur der Verfassungsgerichtshof endgültig entscheidet. Beantragt werden kann also auch die Feststellung, daß der beantragte Untersuchungsauftrag nicht verfassungswidrig, d. h. verfassungsmäßig ist. So hat es im übrigen auch der Landesgesetzgeber bei Ausgestaltung von § 50 ThürVerfGHG gesehen (§ 501 Nr. 2 ThürVerfGHG). Die Einsetzungsminderheit des Art. 6411 ThürVerf. ist damit mögliche Antragstellerin im Sinne des Art. 6412 ThürVerf. 656 655 Die Vorgabe, daß der Verfassungsgerichtshof gerade über die Verfassungs Widrigkeit zu entscheiden hat, kennt auch das dem Organstreitverfahren vergleichbare Verfahren gem. Art. 13011 RhPfVerf. Hier paßt die Formulierung jedoch, weil der Verfahrensgegenstand hier „ein Gesetz oder die sonstige Handlung eines Verfassungsorgans, soweit es sich nicht um eine Gesetzesvorlage handelt" ist. 656 Entsprechend auch im Sinne des Art. 801 Nr. 7 ThürVerf., der den Inhalt des Art. 6412 insofern wiederholt.

II. Die Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im einzelnen

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Der Wortlaut des Art. 6412 zwingt aber nicht, den Kreis der Antragsteller auf die qualifizierte Einsetzungsminderheit zu beschränken. Das in Art. 6412 ThürVerf. genannte Fünftel der Mitglieder des Landtages wird zur qualifizierten Einsetzungsminderheit in Art. 6411 ThürVerf. nicht in ein Abhängigkeitsverhältnis gestellt. Die grundsätzlich minderheitenfreundliche Tendenz der Verfassung legt eine weite Bestimmung des Kreises der Antragsteller darüber hinaus auch nahe. Deshalb darf der Schluß gezogen werden, daß das in Satz 2 genannte Fünftel nicht mit der Einsetzungsminderheit identisch sein muß. In diesem Falle sind verschiedene andere Antragsteller außer dem der klagenden Einsetzungsminderheit vor dem Verfassungsgerichthof denkbar: (1) Der Landtag beschließt mehrheitlich eine Untersuchung (Mehrheitsenquete). Eine opponierende Minderheit von einem Fünftel im Landtag hält die Untersuchung jedoch für unzulässig. (2) Der Landtag setzt auf den Antrag eines Fünftels seiner Mitglieder einen Untersuchungsausschuß (qualifizierte Minderheitsenquete) ein. Eine nicht mit der Einsetzungsminderheit identische Minderheit von wenigstens einem Fünftel im Landtag hält die Einsetzung des Untersuchungsausschusses für unzulässig. (3) Der Landtag setzt auf Antrag einer Minderheit von wenigstens einem Fünftel der Mitglieder einen Untersuchungsausschuß ein (qualifizierte Minderheitsenquete). Die Landtagsmehrheit beschließt zwar formgerecht die Einsetzung, möchte aber nunmehr die Frage der Zulässigkeit der parlamentarischen Untersuchung vor dem Verfassungsgerichtshof klären lassen. Hierfür genügte dann der Antrag von einem Fünftel aus der Gruppe der Mitglieder des Landtags, die für die Einsetzung gestimmt haben. Die Ein-Fünftel-Regelung in Art. 6412 ThürVerf. würde auf diese Weise der Landtagsmehrheit die verfassungsgerichtliche Überprüfung des Untersuchungsauftrages ermöglichen, ohne gegenüber der Einsetzungsminderheit den Antrag wegen Unzulässigkeit zurückweisen zu müssen. (4) Der Landtag lehnt den Antrag einer qualifizierten Einsetzungsminderheit auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses - möglicherweise unter Verletzung des Grundsatzes aus Art. 6411 ThürVerf. - ab. Eine mit der Einsetzungsminderheit nicht identische Gruppe von einem Fünftel der Abgeordneten möchte nunmehr die Zulässigkeit der Untersuchung unmittelbar vom Verfassungsgerichthof bestätigt wissen. Weitere Konstellationen im Zusammenhang mit Art. 6412 ThürVerf. können sich ergeben, wenn es um die nachträgliche Abänderung oder Erweiterung des Untersuchungsthemas geht. 657 Die (inhaltliche) Abänderung des Untersuchungsthemas und seine Erweiterung sind grundsätzlich genauso zu behandeln, wie die Einsetzung des Untersuchungsausschusses. Davon geht auch der Thüringische Gesetzgeber im Grundsatz aus: § 3 I I 657 Dies wird schon angedeutet in der Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum Gesetz über den Thüringer Verfassungsgerichtshof, LT-Drs. 1/3205, S. 35.

13 Platter

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C. Reformmodell Thüringen

ThürUAG macht die inhaltliche Änderung von der Zustimmung der Einsetzungsminderheit (§ 3IV ThürUAG), die Erweiterung des Untersuchungsgegenstandes von einem (erneuten) Beschluß des Landtags abhängig. Wobei durch den Verweis in § 3IV 2 ThürUAG auf § 3 II ThürUAG zum Ausdruck kommt, daß eine Erweiterung immer zugleich auch eine Abänderung des Untersuchungsthemas darstellt. Zur Wahrung der Rechte der Einsetzungsminderheit darf ein solcher Beschluß nicht gegen ihren Willen gefaßt werden. Einen Abänderungsbeschluß zum Untersuchungsthema darf von Landtag umgekehrt nur gefaßt werden, wenn der Kern des Untersuchungsgegendstandes gewahrt bleibt, und aufgrund der Veränderungen eine wesentliche Verzögerung des UntersuchungsVerfahrens nicht zu erwarten ist (§ 3 I I ThürUAG). 658 Auch folgende Konstellationen sind daher bei der Antragsberechtigung gem. Art. 6412 ThürVerf. zu berücksichtigen: (5) In bezug auf die Abänderung des Untersuchungsthemas könnte hier zunächst ein Streit darüber entstehen, ob die Voraussetzungen zur Veränderung des Untersuchungsgegenstandes auch ohne die Zustimmung der Einsetzungsminderheit vorliegen oder bereits eine Abänderung im Sinne des ThürUAG darstellen. Die Einsetzungsminderheit des ursprünglichen Untersuchungsantrags könnte diese Streitfrage vor den Verfassungsgerichtshof bringen. (6) Vom Wortlaut der Vorschrift her ist auch denkbar, daß die Mehrheit eine Abänderung des Untersuchungsgegenstandes beschließt, die Einsetzungsminderheit mit der Abänderung einverstanden ist, nunmehr aber eine andere Minderheit sich gegen die Abänderung des Untersuchungsthemas zur Wehr setzen möchte. Die hier vertretene Auslegung des Art. 6412 ThürVerf., die es gestattet, daß Einsetzungsminderheit und antragstellende Minderheit vor dem Verfassungsgerichtshof nicht personenidentisch sein müssen, führt dazu, daß die Antragsberechtigung nicht auf die Einsetzungsminderheit im Landtag beschränkt bleiben muß. Die Antragsberechtigung als Prozeßvoraussetzung weist insofern über den Schutz der Einsetzungsminderheit hinaus. bb) Verfassungsrechtliche Vorgaben zum Verfahrensgegenstand Art. 64 I 2 ThürVerf. nennt als Verfahrensgegenstand den „Untersuchungsauftrag". Worin der Auftrag liegt, hat der Gesetzgeber in § 11 ThürUAG abstrakt näher bestimmt (Untersuchung von Sachverhalten, deren Aufklärung im öffentlichen Interesse liegen, und Berichterstattung darüber an den Landtag), auch wenn dort der Begriff „Untersuchungsauftrag" nicht verwendet wird. 659 658 Diese Regelung ist eine verfassungskonforme Konkretisierung des Minderheitsrechts auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses. Sie gießt in einfaches Gesetzesrecht, was in der Entwicklung und Auslegung des Minderheitenrechts im deutschen Verfassungsrecht auch sonst zum Grundverständnis des Minderheitenrechts gehört; vgl. bereits BVerfGE 49, 70 (88) mit einer umfangreichen Untersuchung der Entwicklung bis 1978. 659 Siehe aber beispielsweise §§3 III, 1311,1511 ThürUAG.

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Prüfungsobjekt des Verfassungsgerichtshofs ist der jeweilige konkrete Auftrag unter dem Gesichtspunkt, ob die Grenzen der zulässigen Auftragserteilung eingehalten wurden. Da der konkrete Untersuchungsauftrag auch abgeändert oder erweitert werden kann, sind ebenso Änderungen und Erweiterungen des ursprünglichen Untersuchungsauftrages nach Sinn und Zweck des Art. 6412 ThürVerf. möglicher Verfahrensgegenstand. cc) Sonstige verfassungsrechtliche Vorgaben zum Verfahren? Weitere Verfahrensvoraussetzungen lassen sich dem Wortlaut des Art. 64 I 2 ThürVerf. nicht unmittelbar entnehmen. Das Verfahren ist insoweit in Art. 6412 ThürVerf. nicht über die Bestimmung des Antragstellers und des Verfahrensgegenstands „Untersuchungsauftrag" hinaus gestaltet. Beispielsweise läßt sich der Formulierung nicht entnehmen, ob sich an den Antrag des Fünftels der Mitglieder des Landtages überhaupt ein kontradiktorisches Verfahren - wie beispielsweise im Organstreit - anschließt. Die unvollständige Form der verfassungsrechtlichen Ausgestaltung ließ daher zunächst vermuten, daß Art. 6412 ThürVerf. nur dem Kreis der möglichen Antragstellern im Organstreitverfahren (Teile des Verfassungsorgans Landtag, Art. 801 Nr. 3 ThürVerf.) weitere Antragsteller hinzufügt. 660 Immerhin wäre bei dieser Betrachtungsweise ein von der Einsetzungsminderheit unabhängiges Fünftel der Mitglieder des Landtages von Verfassungs wegen mit eigenen Rechten ausgestattet, was im Organstreitverfahren nach Art. 801 Nr. 3 ThürVerf. diese Minderheit sowohl parteifähig i. S. v. §§38, 11 Nr. 3 ThürVerfGHG als auch antragsbefugt i. S. v. § 391 ThürVerfGHG machen würde. Im Zuständigkeitskatalog des Verfassungsgerichtshofs wird die Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsauftrages aber unter einer eigenen Ziffer aufgezählt (Art. 801 Nr. 7 ThürVerf.) und damit systematisch vom Organstreitverfahren in Art. 801 Nr. 3 ThürVerf. abgesetzt. Diese Trennung im verfassungsrechtlichen Zuständigkeitskatalog spricht dafür, daß es dem Gesetzgeber für das verfassungsgerichtliche Verfahren jedenfalls nicht von Verfassungs wegen untersagt ist, Organstreitverfahren und Verfahren nach Art. 6412, 801 Nr. 7 ThürVerf. in unterschiedlichen Verfahren auszugestalten. Ob es darüber hinaus geboten ist, kann angesichts der einfachgesetzlichen Lage, in der diese Trennung vollzogen wurde, letztlich dahingestellt bleiben.661 660

So die Vermutung von Jutzi, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Freistaats Thüringen, Stuttgart 1994, Art. 80, Rn. 33, noch vor Inkrafttreten des ThürVerfGHG; Jutzi geht aber nicht näher auf Art. 801 Nr. 7 ThürVerf. ein. 661 Wie weit die Trennung einfachrechtlich vollzogen werden kann oder muß, steht damit aber noch nicht fest. Ein typisches Beispiel für verfassungsrechtlich getrennte, einfachrechtlich jedoch (in den meisten Bundesländern und im Bund) zusammengefaßte Verfahren sind die Individualverfassungsbeschwerde und die Kommunalverfassungsbeschwerde. In Thüringen ist 1*

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Der Entscheidungsinhalt der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes ist auf die Entscheidung über die Zulässigkeit des Untersuchungsauftrages festgelegt. Von Verfassungs wegen braucht und darf dem Urteil keine Gestaltungswirkung zukommen oder dem erfolgreichen Antragsteller ein Anspruch zugesprochen zu werden. b) Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben durch den Gesetzgeber (§§ 11 Nr. 7, 50 ThürVerfGHG) Im ThürVerfGHG ist das Verfahren nach Art. 6412, 801 Nr. 7 ThürVerf. als § 50 ThürVerfGHG im siebten Kapitel „Entscheidungen in Untersuchungsverfahren des Landtags" ausgestaltet. Das Verfahren ist darin vollständig vom Organstreitverfahren (§§ 38-41 ThürVerfGHG) getrennt. aa) Der mögliche Antragsteller und Verfahrensgegenstand (1) §501 Nr. 1 ThürVerfGHG Nach § 501 Nr. 1 ThürVerfGHG kann auf Antrag eines Fünftels der Mitglieder des Landtages über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer Untersuchung entschieden werden, wenn der Landtag eine Untersuchung beschlossen hat, die die Antragsteller für unzulässig halten. Der Gesetzgeber hat in § 501 Nr. 1 ThürVerfGHG offenbar die Konstellationen, wie sie oben bei (2) und (3) beschrieben werden, im Auge gehabt. Hier bezieht sich „Antragsteller" eindeutig nur auf die Antragsteller im Verfahren vor dem Verfassungsgericht, denn auf die Einsetzungsminderheit als Antragsteller im Landtag wird mit dem Begriff „Minderheitsantrag" erst in § 501 Nr. 2 ThürVerfGHG bezug genommen. Überdies wäre es wohl praxisfremd, anzunehmen, daß gerade die Einsetzungsminderheit ein Verfahren nach § 501 Nr. 1 ThürVerfGHG anstrengt, weil der Landtag hier ja gerade den verlangten Untersuchungsausschuß eingesetzt hat. Vom Gesetzgeber ebenfalls gesehen wurde die oben beschriebene Konstellation zu (5), wie aus der Entwurfsbegründung hervorgeht: Die Einsetzungsminderheit wehrt sich gegen einen den Gegenstand der Untersuchung abändernden Beschluß.662 Die oben beschriebene Konstellation zu (6), nämlich der Fall, daß sich nicht etwa die Einsetzungsminderheit gegen einen Abänderungsbeschluß zur Wehr setzen möchte, sondern ein davon unabhängiges Fünftel der Abgeordneten nunmehr den Abänderungsbeschluß angreifen will, ist in der Begründung des Gesetzentwurfes zum § 501 Nr. 1 ThürVerfGHG nicht erwähnt, vom Wortlaut her aber nicht ausgeschlossen. die Kommunalverfassungsbeschwerde sogar einfachrechtlich nur als Unterfall der Beschwerdebefugnis zur Individualverfassungsbeschwerde ausgestaltet, siehe § 31 II ThürVerfGHG. Dies ist eine sicherlich wegen der ähnlichen Verfahrenskonstellation zulässige Vorgehensweise. Jedenfalls findet sich in der Literatur keine Kritik. 662 Begr. d. GesEntw. ThürVerfGHG, LT-Drs. 1/3205, S.35.

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(2) §501 Nr. 2 ThürVerfGHG In § 50 Nr. 2 ThürVerfGHG sind die Antragsteller ebenfalls „ein Fünftel der Mitglieder des Landtages". Hier sind Antragsteller vor dem Verfassungsgerichtshof das Fünftel der Mitglieder, das den Minderheitsantrag für zulässig hält, während der Landtag diesen Minderheitsantrag als unzulässig abgelehnt hat. Die Voraussetzungen der Antragstellung und der Antragsteller, wie sie hier beschrieben werden, passen zunächst auf die „klassische" Konstellation der verfassungsrechtlichen Streitigkeit über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Untersuchungsausschüssen: Das Fünftel der Antragsteller vor dem Verfassungsgerichtshof ist jenes, welches den Antrag auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses als Minderheitsantrag gem. Art. 6411 ThürVerf. gestellt hat. Es bleibt die Frage, ob der Gesetzgeber des Verfassungsgerichtshofgesetzes auch die nach der Verfassung mögliche personelle Unterscheidung von Einsetzungsminderheit und Antragstellern im verfassungsgerichtlichen Verfahren umsetzt (vgl. oben Konstellation [4]): Der Landtag lehnt den Einsetzungsantrag einer Landtagsminderheit von einem Fünftel seiner Mitglieder ab; eine mit dieser Gruppe nichtoder nur teilidentische Gruppe von einem Fünftel der Mitglieder schließt sich dem Antrag insofern unterstützend an, als sie nunmehr einen Antrag auf Feststellung der Zulässigkeit des Minderheitsantrags stellt. Auch durch § 501 Nr. 2 ThürVerfGHG ist durch den Wortlaut nicht ausgeschlossen, daß sich das antragstellende Fünftel vor dem Verfassungsgerichtshof personell von der Einsetzungsminderheit unterscheidet (siehe im Wortlaut „... der Landtag einen Minderheitsantrag..." nicht etwa „... der Landtag seinen Minderheitsantrag..." oder ähnlich). Im Grunde hat der Gesetzgeber die „weite" Auslegung der Verfassung Art. 6412 ThürVerf. schon durch die Alternativen von § 501 ThürUAG vollzogen, denn für den aus der Sicht des Untersuchungsrechts als Minderheitenrecht typische Streitfall, daß eine Minderheit ihren Untersuchungsauftrag gegen den mehrheitlichen Beschluß des Landtages vor dem Verfassungsgericht durchsetzen muß, genügte an sich der Tatbestand des § 501 Nr. 2 ThürVerfGHG. Auf diese Weise kann ein beliebiges Fünftel aus der Gesamtzahl der Abgeordneten die Verfassungsmäßigkeit eines Einsetzungsantrags vor dem Verfassungsgerichtshof überprüfen lassen, ohne daß ein erneuter Antrag im Landtag gestellt werden müßte. Klargestellt hat der Gesetzgeber allerdings, daß dem Antrag vor dem Verfassungsgerichtshof ein qualifizierter Minderheitsantrag im Landtag vorausgegangen sein muß. Das ergibt sich aus dem Verweis auf § 2 II ThürUAG. Andernfalls wäre es denkbar, daß der Verfassungsgerichtshof mit der Prüfung eines Untersuchungsauftrages befaßt wird, der im Landtag zunächst gar nicht die Unterstützung einer qualifizierten Minderheit erhalten hat. Aus der Sicht von Art. 641 ThürVerf. ist gegen diese Klarstellung nichts einzuwenden. Der Wortlaut der Verfassung kennt den „Minderheitsantrag" mit der möglichen Unterscheidung von qualifiziertem und einfachen Minderheitsantrag als Begriff insofern nicht, sondern kennt nur das Einset-

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zungsquorum von einem Fünftel der Abgeordneten, d. h. den qualifizierten Minderheitsantrag. bb) Antragsgegnerschaft? In deutlichem Unterschied zur kontradiktorischen Ausgestaltung des Organstreitverfahrens - dort spricht der Gesetzgeber von Antragstellern und Antragsgegnern (§ 38 ThürVerfGHG) - kennt § 50 III ThürVerfGHG nur „die Antragsteller" und „den Landtag" als Beteiligte im Verfahren. Der Landesregierung ist Gelegenheit zur Stellungnahme binnen einer vom Gerichtshof zu bestimmenden Frist zu geben (§ 50 III 2 ThürVerfGHG). Das Fehlen eines Antragsgegners macht besonders deutlich, daß das Verfahren vom Gesetzgeber nicht als streitentscheidendes Verfahren, sondern als feststellendes Verfahren konstruiert ist. Die Verfassung (Art. 64 I 1 ThürVerf.) gibt die Form des kontradiktorischen Verfahrens auch nicht vor. Es gilt im Gegenteil zu vermerken, daß sie dies auch beim zum Vergleich herangezogenen Organstreitverfahren gem. Art. 801 Nr. 3 ThürVerf. nicht vorgibt, sich vielmehr nur der Gesetzgeber aufgrund des Vorbildes des Bundesgesetzgebers für ein kontradiktorisches Verfahren entschieden hat.

cc) Sonstige Verfahrensvoraussetzungen und die Entscheidung Der Antrag muß innerhalb einer Frist von drei Monaten beim Verfassungsgerichtshof eingereicht werden, § 50 II ThürVerfGHG. Dies ist im Vergleich zum Organstreitverfahren, in dem der Antrag innerhalb von sechs Monaten gestellt werden muß, eine strengere Bestimmung. Angesichts dessen, daß aber schon das Untersuchungsverfahren selbst regelmäßig „unter Zeitdruck" arbeitet, ist dies keine unverhältnismäßige Einschränkung des eingerichteten Rechtsschutzes. Beteiligte sind die Antragsteller und der Landtag, §501111 ThürVerfGHG. Der Landesregierung ist ein Recht zur Stellungnahme eingeräumt, § 50 III 2 ThürVerfGHG. Über die Art des Urteils ist einfachgesetzlich keine Anordnung getroffen. Die Verfassung spricht davon, daß der Verfassungsgerichtshof „über die Verfassungswidrigkeit des Untersuchungsauftrages" entscheidet. Nicht gesagt ist damit, ob einer solcherart getroffenen Entscheidung nur feststellende oder gar gestaltende Wirkung zukommt. Im letzteren Fall könnte man eine rechtsgestaltende Wirkung in der Weise annehmen, daß der Untersuchungsausschuß mit der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs als eingesetzt gilt, also den Landtagsbeschluß gem. § 2 I ThürUAG (Einsetzung des Untersuchungsausschusses) ersetzt. Die Zurückhaltung des Gesetzgebers hinsichtlich Inhalt und Wirkung der Entscheidung spricht aber gegen eine Gestaltungswirkung. Offenbar hielt der Gesetzgeber die allgemein angeordnete Βindungs Wirkung einer jeden Entscheidung des Verfassungsgerichts (§ 251

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ThürVerfGHG) für ausreichend.663 Bei systematischer Betrachtung hätte eine von der Bindungswirkung zu unterscheidende gestaltende Wirkung der Entscheidung unabhängig von § 251 ThürVerfGHG angeordnet werden müssen. Der Landtag ist daher nach der Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs verpflichtet, nunmehr den Untersuchungsausschuß mit dem beantragten Untersuchungsthema durch einen (erneuten) Beschluß einzusetzen.

2. Das Verfahren nach § 51 ThürVerfGHG § 51 ThürVerfGHG behandelt das Verfahren zur Durchsetzung der Aktenherausgabe und verwandter Ansprüche gegenüber der Landesregierung, den Behörden des Landes sowie den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen. Damit ist dieses Verfahren eine verfassungsprozessuale Ergänzung zum Beweisverfahren im Untersuchungsausschuß. Die materiell-rechtliche Grundlage für den Anspruch auf Aktenherausgabe und für die damit verwandten Ansprüche findet sich in Art. 64 IV 2 ThürVerfGHG. 664 Der Verfassungsgerichtshof ist - anders als im Zusammenhang der Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, Art. 6412 ThürVerf. (Streit um die Einsetzung des Untersuchungsauftrages) - als letztentscheidende Instanz im Konfliktfall zwischen Exekutive und Untersuchungsausschuß in der Verfassung nicht genannt. Eine spezielle verfassungsrechtliche Ermächtigung innerhalb der Art. 79-80 („Der Verfassungsgerichtshof") zur Einrichtung eines Verfahren besteht nicht. Die Thüringische Verfassung gestattet allerdings dem Gesetzgeber in Art. 80 I I ThürVerf., dem Verfassungsgerichtshof „weitere Angelegenheiten durch Gesetz zur Entscheidung zuzuweisen". Grundlage im Sinne eines Gesetzgebungsauftrages für die Regelung im ThürVerfGHG ist die Zuständigkeitszuweisung in § 14 IV ThürUAG. 665 Daher besteht eine landesverfassungsrechtliche Befugnis für den Landesgesetzgeber, einen Streit um Aktenherausgabe und Aussageverweigerung vor dem Verfassungsgerichtshof näher auszugestalten. Entstehungsgeschichtlich bemerkenswert ist der Hinweis in den Materialien, daß sich der Gesetzgeber für diese Regelung den § 42 VerfGHG Rhpf. zum Vorbild genommen hat. 666 Auch dort beruht die Verfahrensbestimmung „nur" auf der allgemeinen Ermächtigung an den Landesgesetzgeber, dem Landesgerichtshof weitere Verfahren zuzuweisen.667 663

In den Gesetzesmaterialien finden sich speziell zu dieser Frage keine Ausführungen. Siehe zum Inhalt des Rechts auf Aktenherausgabe und der verwandten Ansprüche oben I. l.a), S. 179. 665 §51 ThürVerfGHG als Norm mit den erforderlichen Einzelvorschriften zu § 14IV ThürUAG, siehe Begr. d. GesEntw. LT-Drs. 1/3205, S. 35 [Offenbar Druckfehler bei der Benennung der Vorschrift]. 666 ... was in der Begr. d. GesEntw. LT-Drs. 1/3205, S. 34 auch ausdrücklich vermerkt wird. 667 Dort Art. 1351 Nr. 6 LVerf.Rhpf. 664

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a) Verfassungsrechtliche

Vorgaben aus Art. 64 ThürVerf?

Wie bereits in der kurzen Betrachtung der Rechtslage zum Untersuchungsausschuß bemerkt, ist das Recht des Untersuchungsausschusses, von der Regierung, den Behörden des Landes sowie den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht des Landes unterstehen, die Aktenvorlage, die Erteilung von Auskünften und von Aussagegenehmigung und Zutrittsgewährung zu verlangen, positiv rechtlich bestimmt. Ebenfalls in der Verfassung ausgestaltet sind die diesen Informationsrechten entgegenstehenden Rechte. Was auf Bundesebene im Rahmen des Art. 44 GG bis zur Flick-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts streitig war, ist in Thüringen in die Verfassung integriert, inhaltlich präzisiert und erweitert und kann damit nicht mehr Thema einer verfassungsrechtlichen Auseinandersetzung sein. Dem Verfassungsgerichtshof ist die konkrete Abwägung im Einzelfall überlassen. Art. 64IV 2 ThürVerf. verpflichtet die Landesregierung, den von den Untersuchungsausschüssen (Herv. d. Verf.) vorgebrachten Ansinnen auf Aktenvorlage, Auskunftserteilung, Verschaffung von Zutritt und Erteilung von Aussagegenehmigung Folge zu leisten. Damit ist zugleich klargestellt, daß der Minderheit im Ausschuß, der in Art. 64 III 1 ThürVerf. ein Beweisantragsrecht eingeräumt ist, kein eigenständiges Recht auf Erhebung von Beweisen gegenüber der Landesregierung, den Behörden und anderen, der staatlichen Aufsicht unterstehenden juristischen Personen des öffentlichen Rechts zusteht. Die aus dem Organstreit bekannte, prozessual zugelassene Geltendmachung eines Rechts im Wege der Prozeßstandschaft ist damit aber für ein verfassungsgerichtliches Verfahren nicht von vornherein ausgeschlossen. Sie mag auch ihren Anwendungsbereich haben, denn immerhin kann es sein, daß der Untersuchungsausschuß einen entsprechenden Beweisbeschluß zur Vorlage bestimmter Unterlagen faßt, dann aber auf die evtl. notwendige, verfassungsgerichtliche Durchsetzung verzichtet, d. h. einen entsprechenden Antrag vor dem Verfassungsgerichtshof nicht stellt (unterbliebene Beweiserzwingung). Die Formulierung des Art. 64IV 2 ThürVerf. nennt als Verpflichtete die Landesregierung. Ob deshalb aber auch eine verfassungsgerichtliche Streitigkeit hierüber in der Form eines kontradiktorischen Verfahrens ablaufen muß, gibt Art. 64IV 2 damit noch nicht vor. Verfassungsrechtliche Bindungen des Gesetzgebers bei der Gestaltung des Verfahrens können sich darüber hinaus noch aus anderen Bestimmungen und Grundsätzen des Verfassungsrechts ergeben. Vorab ist klarzustellen, daß es nicht in der Kompetenz des Landesverfassungsgebers liegt, eine Bindung der Organe und Behörden des Bundes herzustellen. Dies ist von ihm selbst aber auch schon durch den Wortlaut der Vorschrift deutlich gesagt. Hingegen hat der Landesverfassungsgeber Bindungen durch das Grundgesetz als der höherrangigen Norm zu beachten. Zu denken ist hier insbesondere an die

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Grundrechte Dritter aus dem Grundgesetz, die durch Aktenherausgabe und Aussagegenehmigung betroffen sein können. Wären sie im Einzelfall betroffen, würde dies eventuell das Aktenherausgaberecht des Untersuchungsausschusses des Landtages entsprechend einschränken. Dies führt im Zusammenhang mit dieser Untersuchung zu der allgemeinen Frage, ob die Landesverfassungsgerichte neben der eigenen Landesverfassung auch das Grundgesetz als Prüfungsmaßstab anwenden müssen. Die Frage läßt sich an dieser Stelle so beantworten, daß der Thüringische Gerichtshof jedenfalls dann das Grundgesetz als Maßstab heranziehen wird, wenn die Vereinbarkeit der Landesverfassung mit ihm als höherrangigem Recht zu prüfen ist. 668 Insgesamt läßt sich sagen, daß die Vorgaben der Landesverfassung an die verfahrensrechtliche Ausgestaltung des Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof sehr offen sind. Als allgemeine Vorgabe könnte man jedoch verstehen, daß der Gesetzgeber das Aktenvorlagerecht als Kompetenz gegenüber anderen Kompetenzen aus der Verfassung, die mit dem Organstreit durchgesetzt werden können, durch zu enge spezialgesetzliche Vorgaben nicht zu einer Kompetenz minderen Ranges machen darf. Insofern könnte die Verfassung den ungeschriebenen Grundsatz enthalten, daß alle Träger einer Kompetenz aus der Verfassung diese unter den gleichen Bedingungen vor dem Verfassungsgerichtshof geltend machen können müssen. Da in der Entwicklung des Verfassungsprozeßrechts bisher nur das Organstreitverfahren als allgemeines Verfahren für verfassungsrechtliche Streitigkeiten existiert und in diesem Verfahren die Parteifähigkeit in unmittelbarer Beziehung zum verfassungsrechtlichen Rechtsverhältnis - also spiegelbildlich zur materiellen Rechtslage - über den Zugang zum Verfassungsgericht entscheidet, stellte sich diese Frage im Verfassungsprozeßrecht bisher noch nicht in dieser Deutlichkeit. 669 Wird jedoch ein spezialgesetzliches Verfahren eingerichtet, könnte dieser Automatismus der Abhängigkeit zu Lasten des Antragstellers aufgelöst worden sein. b) Gestaltung durch den Gesetzgeber aa) Antragsteller In § 51 ThürVerfGHG genannter Antragsteller ist „der Untersuchungsausschuß". Die materielle Rechtslage entspricht dem § 14IV1 ThürUAG, der bestimmt, daß der Untersuchungsausschuß „mit der Mehrheit seiner Mitglieder" beschließen kann, 668 Zuvor ist (soweit möglich) eine grundgesetzkonforme Auslegung der Landesverfassung zu wählen, siehe zum Rundfunkverfassungsrecht Thür VerfGH, Urt. v. 19. Juni 1998, VerfGH 10/96, LVerfGE 8, 337 (349). 669 Ein Gedankengang, der Parallelen zu der im Zusammenhang mit dem PUAG diskutierten „Sperrwirkung des Organstreitverfahrens" (siehe zweiter Hauptteil, II.5.b)bb), S. 158) aufweisen könnte, obwohl die Problemebene eine andere ist, denn es geht nicht um die Zuweisung von verfassungsrechtlichen Verfahren an die Fachgerichte. Auf das Problem wird in der abschließenden Würdigung zurückzukommen sein.

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den Verfassungsgerichtshof anzurufen. Ebenso wie in Art. 64IV 2 ThürVerf. Berechtigter des Anspruchs auf Aktenherausgabe nur der Untersuchungsausschuß als Ganzer ist, ist auch er allein antragsberechtigt vor dem Verfassungsgerichtshof. Die Minderheit im Ausschuß (Art. 64 III 1 ThürVerf.) hat kein selbständiges Antragsrecht. Das Verfahren ist nicht im Sinne einer kontradiktorischen Auseinandersetzung durchgeformt. Ein „Antragsgegner" fehlt. Denn der Antrag wird nicht etwa gegen die Landesregierung, Behörde oder Einrichtung gerichtet, von der die Aktenvorlage oder die Aussagegenehmigung zuvor im Beweisverfahren des Untersuchungsausschusses verlangt worden ist. bb) Gegenstand der Entscheidung und Sachverhaltsaufklärung durch den Gerichtshof Grundproblem einer Entscheidung über die Herausgabe nicht öffentlicher Akten oder auch Informationen ist der Umstand, daß eben jene Dokumente oder Informationen als Entscheidungsgrundlage eben gar nicht ohne weiteres zur Verfügung stehen. Dies wäre verfahrensrechtlich nicht problematisch, falls daß der Antragsteller seinen Antrag zunächst darauf beschränkt und zugleich auch beschränken darf 670 , daß die Begründung der Weigerung der verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht entspricht. Dem Untersuchungsausschuß kann ein solches verfassungsgerichtliches Verfahren nützen, beispielsweise dann, wenn es nicht nur um die Herausgabe von bereits vorhandenen Akten, sondern auch darum geht, Informationen für den Untersuchungsausschuß zusammenzustellen. Hier könnte eine Parallele zum Informationsanspruch des einzelnen Abgeordneten gezogen werden. In einem Fall zum Fragerecht des Abgeordneten und der damit korrespondierenden Auskunftspflicht der Regierung entschied beispielsweise der sächsische Verfassungsgerichtshof zugunsten des Abgeordneten, daß eine Auskunft nicht nach bestem Wissen gegeben worden und das Fragerecht des Abgeordneten dadurch verletzt sei. 671 Man wird hierbei zwar zu bedenken haben, daß der Streit über die Begründung für den Abgeordneten einen anderen Stellenwert hat, da ihm sonst - anders als dem Untersuchungsausschuß - kaum andere Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung als das Fragerecht zur Verfügung stehen. Dennoch könnte in manchen Fällen auch für den 670 Das Bundesverfassungsgericht mußte sich mit dieser Frage in der Flick-Entscheidung nicht auseinanderzusetzen. Dort hatte die Bundesregierung die Bedeutung des parlamentarischen Untersuchungsrechts als solches verkannt, d.h., die für die Weigerung, die Akten herauszugeben, vorgetragenen, rechtlichen Gründe waren nicht geeignet, die Weigerung zu rechtfertigen (siehe BVerfGE 67, 100, 145 f.). 671 SächsVerfGH, Urt. v. 16. April 1998, Vf. 14-1-97, LVerfGE 8,282 (297 f.). Die Entscheidung erging im Organstreitverfahren. Daher lautete der Tenor der Entscheidung, daß die Landesregierung den Abgeordneten dadurch in seinen Rechten aus Art. 5111 Sächs Verf. verletzt hat, daß der Staatsminister die Kleine Anfrage des Abgeordneten nicht nach bestem Wissen vollständig beantwortet hat.

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Untersuchungsausschuß dies die einzige sinnvolle Möglichkeit der Antragstellung sein, nämlich dann wenn es um unvollständig recherchierte Auskünfte geht. § 51 ThürVerfGHG sieht einen solchen Antrag nicht bwz. nicht ausdrücklich vor. Der Antrag des Untersuchungsausschusses richtet sich dem Wortlaut nach „gegen die Verweigerung" (§511, 1. Hs. ThürVerfGHG). Die Rüge der mangelhaften Begründung ist im Gesetzes wortlaut nicht vorgesehen. Vielmehr soll der Antragsteller in seiner Antragsbegründung darlegen, aus welchen Gründen er die Voraussetzungen der Verweigerung für nicht gegeben hält (§511, 2. Hs. ThürVerfGHG). Das setzt in gewissem Sinne voraus, daß sich Untersuchungsausschuß und Landesregierung über die Gründe der Verweigerung ausführlich auseinandergesetzt haben, also alle Argumente ausgetauscht sind. Die Vorschrift zur Entscheidung des Gerichts ist dagegen aus der Sicht dieser Überlegung doppeldeutig. Der Gerichthof entscheidet darüber, ob die Verweigerung „begründet" ist (§ 51 III ThürVerfGHG). Damit könnte die Frage gemeint sein, ob die Verweigerung hinreichend begründet ist oder auch diejenige, ob der Gerichtshof die verfassungsrechtlichen Gründe für eine Verweigerung im konkreten Fall für gegeben hält. Den Materialien läßt sich nicht entnehmen, ob der Gesetzgeber diese Doppeldeutigkeit beabsichtigt hat. 672 Dennoch entspräche dieses Verständnis des zulässigen Streitgegenstands einer verfassungskonformen Auslegung des Streitgegenstandes des Verfahrens nach § 51 ThürVerfGHG. 673 Der verfassungsrechtliche Informationsanspruch des Untersuchungsausschusses (Art. 64IV 2 ThürVerf.) enthält nicht nur das Recht auf Aktenvorlage, sondern auch den Anspruch auf Erteilung von Auskünften. Dieser Anspruch kann durch schlecht dargestellte oder schlecht recherchierte Auskünfte gefährdet werden. Überdies könnte in einem Verfahren über die Begründung der Verweigerung auch schon geklärt werden, ob die gem. Art. 64IV 3 i.V. m. Art. 67 III ThürVerf. den Auskunftsansprüchen entgegenstehenden Gründe für eine Weigerung abschließend aufgezählt sind, oder ob weitere verfassungsrechtliche Gründe es verbieten können, beispielsweise Akten herauszugeben.674 Soll der Gerichtshof hingegen darüber entscheiden, ob die Weigerung der Landesregierung als solches begründet ist, kann er das letztendlich nur, wenn er die streitbefangenen Akten oder Informationen in vollem Umfang zur Verfügung gestellt bekommt. Die allgemeinen Verfahrensbestimmungen zur Beweisaufnahme räumen allerdings dem Verfassungsgerichtshof zur Erlangung „brisanter" Unterla672 In den Materialien findet sich dazu die Erläuterung, daß der Untersuchungsausschuß beschließen kann, den Verfassungsgerichtshof anzurufen, „wenn er die Verweigerung der Aktenvorlage nicht für berechtigt hält" (Begr. d. RegEntw., LT-Drs. 1/3205, S. 35). Das scheint ebenfalls darauf hinzudeuten, daß es dem Untersuchungsausschuß zu diesem Zeitpunkt nicht mehr um die Begründung der Verweigerung, sondern um die Verweigerung als solche geht. 673 Diese wird notwendig, weil der Wortlaut des § 511 ThürVerfGHG an den insofern unvollständigen § 14 Abs. IV ThürUAG angelehnt ist und nicht an Art. 64IV 2 ThürVerf.; siehe Fn. 607. 67 4 Linck, in: Linck/Jutzi/Hopfe, Die Verfassung des Freistaates Thüringen, Art. 64, Rn. 29, hält die Gründe für nicht abschließend aufgezählt.

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gen und Auskünfte mehrere Möglichkeiten ein. § 21 ThürVerfGHG spricht davon, daß der Gerichtshof auf die Beiziehung einer Urkunde mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit verzichten kann, wenn ihre Verwendung mit dem Wohle des Bundes oder des Landes unvereinbar ist. Im Rückschluß kann daraus gefolgert werden, daß der Gerichtshof grundsätzlich auch „brisantes" Material heranziehen kann, wenn er die genannten Voraussetzungen für nicht gegeben hält, aber eine eigenständige Entscheidung darüber treffen muß. Für die Vernehmung von Zeugen und Sachverständigen gilt nach § 22 ThürVerfGHG in ähnlicher Weise, daß sich der Zeuge oder der Sachverständige nicht auf seine Schweigepflicht berufen kann, wenn der Verfassungsgerichtshof die Verweigerung der Aussagegenehmigung mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit für unbegründet erklärt. Die erhöhten Anforderungen, die der Gesetzgeber an die inhaltliche Überprüfung beispielweise der streitbefangenen Akten gestellt hat, machen deutlich, daß der Gerichtshof nur bei erheblichen Zweifeln an der Stichhaltigkeit der von der Regierung gelieferten Gründe der Verweigerung selbst in eine Untersuchung der Tatsachen eintreten soll. Auch im Falle des Streits um eine Weigerung der Landesregierung muß der Gerichtshof erst die Plausibilität der gelieferten Gründe für die Verweigerung prüfen. Hält er die Begründung der Landesregierung nicht für tragfähig, kann er das Material - nach Zwei-Drittel-Mehrheits-Entscheidung - selbst prüfen. Verfahrensrechtlich hervorhebenswert an diesem Prüfungsweg ist für das Verfahren nach § 51 ThürVerfGHG, daß die wichtige Vorentscheidung nach § 21 II bzw. § 22 II 2 ThürVerfGHG, die in der Praxis streitentscheidend sein kann, einer qualifizierten Mehrheit der Richter bedarf. cc) Die möglichen Beteiligten gem. § 51 II ThürVerfGHG Beteiligter ist zunächst der Untersuchungsausschuß selbst. Die Landesregierung (Beteiligte des Verfahrens „sind"..., die Landesregierung...) ist ebenfalls obligatorisch an dem Verfahren beteiligt. Darüber hinaus kann es weitere Beteiligte geben. Einerseits ist „jeder Betroffene" zu beteiligen, soweit er in der Wahrnehmung seiner Rechte berührt ist. Zu beteiligen ist andererseits in den Fällen des § 14 III 1 Nr. 3 ThürUAG 675 jede natürliche und juristische Person, die in ihren Grundrechten betroffen ist (§ 51 II ThürVerfGHG, Var. und 4). 675 Aktenvorlage und Aussagegenehmigung können verweigert werden, wenn das Bekanntwerden des Inhalts der Akten oder durch die Aussage 1. interne Beratungen und Entscheidungen offenbart würden, die zum unausforschbaren Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung gehören, 2. dem Wohle des Landes, des Bundes oder eines anderen deutschen Landes Nachteile bereiten würde, 3. in Grundrechte eingegriffen würde.

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Die Motivation des Gesetzgebers für die Bildung des letzteren Tatbestandes (§ 51 I I Var. ThürVerfGHG) kann leicht erschlossen werden, auch wenn sich in den Materialien hierzu keine Erläuterungen finden. 676 Nach dem Grundsatz-Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Sachen Flick-Untersuchungsausschuß zum Recht des Untersuchungsausschusses auf Aktenherausgabe677 sind im Zusammenhang mit der Pflicht zur Aktenherausgabe auch die Grundrechte Dritter bei der Entscheidung über die Herausgabe zu berücksichtigen. Vom Gesetzgeber des ThürVerfGHG wird dies um den Anspruch auf rechtliches Gehör verfahrensrechtlich konsequent erweitert bzw. ergänzt. Die Formulierung „Beteiligte des Verfahrens sind...'4 läßt darauf schließen, daß es nicht im Ermessen des Gerichtshofs steht, eine Person, die in ihren Grundrechten betroffen ist, zu beteiligen oder nicht. Fragen muß man sich vielmehr, ob der Gerichtshof die Betroffenheit in Grundrechten selbständig zu prüfen hat oder die Beteiligung dieser Personen davon abhängig ist, ob die Landesregierung die Betroffenheit von Grundrechten gerade dieser Person bereits im Zusammenhang mit der verlangten Aktenherausgabe geltend gemacht hat. Für letzteres könnte die Formulierung in § 51 II ThürVerfGHG „... in den Fällen des § 14III1 Nr. 3 ThürUAG..." sprechen. Damit wird auf die parlamentarische Untersuchung und die dort vorgenommene Einschätzung der Betroffenheit durch die Landesregierung verwiesen. Betrachtet man Anlaß und Zweck des Verfahrens nach § 51 ThürVerfGHG, wird dieses Ergebnis bestätigt. Anlaß des Verfahrens und Streitgegenstand sind die Weigerung der Landesregierung, Akten vorzulegen, verlangte Auskünfte zu erteilen, Zugang in Einrichtungen zu gewähren oder Aussagegenehmigungen zu erteilen. Die von der Landesregierung vorgetragenen Gründe für die Verweigerung werden im Verfahren nach § 51 ThürVerfGHG geprüft. Bleiben während des Untersuchungsverfahrens die Grundrechte Dritter fälschlich unberücksichtigt, sei es, weil die Landesregierung sich auf andere Gründe als den des § 14 III 1 Nr. 2 ThürUAG stützt oder gar „grundrechtsrelevante" Teile von Akten herausgibt, ist der Dritte nicht rechtlos gestellt, denn ihm bleibt die Möglichkeit der Klage gegen die Aktenherausgabe.678 Ob jemand im Sinne des § 51 II Var. 4 ThürVerfGHG beteiligt werden muß, hängt deshalb davon ab, ob die Landesregierung (unter anderem) unter Berufung auf den Schutz der Grundrechte eben jenes Dritten die Aktenvorlage oder auch die Erteilung der Aussagegenehmigung verweigert hat. Auf den ersten Blick schwer von der bereits besprochenen Variante abzugrenzen scheint die mögliche Beteiligung nach § 51 I I Var. 3 ThürVerfGHG („jeder Betroffene, soweit er in der Wahrnehmung seiner Rechte berührt ist"). Indes wird davon auszugehen sein, daß sich der Kreis der Beteiligten dieser Gruppe von der in § 51 I I Var. 4 ThürVerfGHG genannten unterscheiden soll. 676

Vgl. Begr. d. GesEntw. zu § 51, LT-Drs. 1/3205, S. 35. BVerfGE 67, 100, LS Nr. 5 a. 678 Fragt sich aber, vor welchem Gericht - eine Frage, die soweit ich sehe, noch nicht praktisch beantwortet worden ist. Hierzu kann zum Vergleich wohl OVG Rheinland-Pfalz, Beschluß v. 7. Jan. 1986, 7 Β 73/85, AS RP-SL 20, 228 (233, Herausgabe von steuerstrafrechtlichen Ermittlungsakten) herangezogen werden. 677

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C. Reformmodell Thüringen

Hier könnte bei der systematischen Auslegung zu berücksichtigen sein, daß der Begriff des Betroffenen bereits ein Bestandteil der parlamentarischen Untersuchung, wie sie im ThürUAG ausgestaltet wird, ist. Der Begriff des „Betroffenen" wird im ThürUAG für denjenigen verwandt, gegen den sich dem Sinn des Untersuchungsauftrages nach die Untersuchung richtet (§1511 ThürUAG). Auch juristische Personen können dabei den Betroffenenstatus beantragen (§ 1512 ThürUAG). Der Betroffene im Sinne des ThürUAG hat im Beweisverfahren nach dem ThürUAG zwar kein eigenes Beweisantragsrecht, kann sich aber am Beweisverfahren beteiligen, indem er an den Sitzungen teilnimmt und dort von seinem Fragerecht bei Zeugen und Sachverständigen Gebrauch macht. Seine Verfahrensrechte im Untersuchungsverfahren werden also im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof durch ein Recht auf Anhörung fortgesetzt. Bei dieser streng auf die Begrifflichkeit des ThürUAG bezogenen Betrachtungsweise bleibt allerdings der Begriff des Betroffenen dem Bereich der Skandalenquete verhaftet. Diese Art von Enqueten stellen jedoch nur einen Teilbereich aus dem Spektrum möglicher Untersuchungsaufträge dar. Im Zusammenhang mit einem Streit um die Vorlage von Akten sind möglicherweise nicht nur die Interessen der Betroffenen einer Skandalenquete schützenswert. Vorstellbar ist auch, daß weitere Betroffene mit schützenswerten rechtlichen Interessen am Verfahren Anteil nehmen wollen und daher sinnvollerweise in den Genuß des Rechts auf Anhörung gem. § 51IV 1 ThürVerfGHG kommen sollen. Die Gesetzgebungsmaterialien jedenfalls geben keinen Anlaß, den Begriff des Betroffenen in § 50 II ThürVerfGHG grundsätzlich nur in Anlehnung am § 151 ThürUAG auszulegen. Bedenkensweit ist daher, ob der im ThürUAG in § 51 gebrauchte Begriff des Betroffenen über den des § 15 ThürUAG und damit über den Anwendungsfall des Betroffenen im Sinne des ThürUAG hinausgeht bzw. verstanden werden kann. Da der Gesetzgeber eine Unterscheidung zwischen den nach dem Vortrag der Landesregierung in ihren Grundrechten betroffenen Personen (so die Beteiligung nach § 51 II Var. 4 ThürVerfGHG i.V. m. § 14 III 1 Nr. 3 ThürUAG) und den in der Wahrnehmung ihrer Rechte Betroffenen unterscheidet, muß eine sinnvolle Abgrenzung gefunden werden. Var. 3 kann daher sicher nicht so verstanden werden, daß bereits jeder, der sich subjektiv in seinen Rechten betroffen fühlt, am Verfahren nach § 51 ThürVerfGHG beteiligt werden muß. So kann es zum Beispiel nicht darauf ankommen, ob ein „Betroffener" sich in der Begründung der Landesregierung übergangen sieht und deshalb auch seine schutzwürdigen Interessen vorsorglich geltend machen will. Verfahrensgegenstand sind nur die Weigerung der Landesregierung oder die dafür gegebene Begründung. Bei der Auslegung von § 51 I I Var. 3 ThürVerfGHG sind deshalb auch die Verpflichteten des Anspruchs aus Art. 64IV 2 ThürVerf. in den Blick zu nehmen. Dies sind nicht nur die Landesregierung selbst, sondern, wie Art. 64IV 2 ThürVerf. ausdrücklich feststellt, auch die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts. Insbesondere Körperschaften der mittelbaren Staatsverwaltung könnten in der Wahrnehmung ihrer Rechte durch ein Aktenvorlageverlangen oder Auskunftsverlangen berührt sein. Das Vorlageverlangen selbst richtet sich aber an/gegen

II. Die Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im einzelnen

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die Landesregierung. Das ergibt sich aus der Zusammenschau von Art. 64 IV 3 ThürVerf. mit dem Verweis auf Art. 67 III ThürVerf. Die Landesregierung muß die Herausgabe oder die Auskunftserteilung entweder durch die ihr zur Verfügung stehenden Aufsichtsmittel durchsetzen oder kann die Durchsetzung mit dem Hinweis auf einen der Gründe in Art. 67 III ThürVerf. verweigern. 679 Juristische Personen des öffentlichen Rechts als Träger der mittelbaren Staatsverwaltung können dabei regelmäßig keine eigenen Grundrechte geltend machen (siehe Art. 42 II ThürVerf. zum personellen Schutzbereich der Grundrechte mit der wörtlich übernommenen Formulierung des Art. 19 III GG), sind aber genauso regelmäßig entweder sogar mit eigenen verfassungsrechtlichen Garantien bedacht (z.B. der gemeindlichen Selbstverwaltungsgarantie, siehe Art. 91 ThürVerf.) oder jedenfalls mit der selbständigen Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben oder Dienstleistungen gesetzlich betraut und damit Sachwalter von Grundrechtsinteressen ihrer Benutzer oder Mitglieder. In dieser Wahrnehmung ihrer Aufgaben sind sie rechtlich neben dem Betroffenen im Sinne von § 15 ThürUAG betroffen und damit am Verfahren im Streit über die Aktenherausgabe/Erteilung der Aussagegenehmigung gem. § 51 II Var. 3 ThürVerfGHG zu beteiligen, weil eine Beteiligung nach dem Tatbestand des § 51 I I Var. 4 ThürVerfGHG mangels Grundrechtsträgerschaft nicht in Betracht kommt. Voraussetzung für den Status eines Beteiligten im Sinne der 3. Var. von § 51 II ThürVerfGHG ist außerdem, daß der Beteiligte in der Wahrnehmung seiner Rechte „berührt" ist. Das „Berührtsein" in der Wahrnehmung eigener Rechten ist schon vom Wortsinn her weniger einschneidend als die „Verletzung" eigener Rechte. Für die beiden oben gefundenen Anwendungsfälle des § 51 II Var. 3 ThürVerfGHG - der Betroffene des Untersuchungsverfahrens nach § 15 ThürUAG und die zur Aktenherausgabe verpflichteten Körperschaften und Anstalten der mittelbaren Staatsverwaltung - wird daher ein Berührtsein immer anzunehmen sein, wenn eine Beeinträchtigung eigener Rechte nicht von vornherein auszuschließen ist. Die Beteiligten nach § 51 II ThürVerfGHG haben im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof einen Anspruch darauf, gehört zu werden ( § 5 1 IV 1 ThürVerfGHG). Ein Beteiligter kann außerdem verlangen, daß die mündliche Verhandlung, soweit nicht auf sie verzichtet wird, unter Ausschluß der Öffentlichkeit erfolgt (§51IV 2 ThürVerfGHG). Die Zustellung der Entscheidung des Gerichtshofs erfolgt an alle Beteiligten, dies geht aus der Rücknahmeregelung hervor (§ 51V ThürVerfGHG; während die allgemeine Vorschrift § 24 III ThürVerfGHG nur die Bekanntgabe an alle Beteiligten vorsieht). 679 Ein praktisches Beispiel für ein Aktenherausgabeverlangen, das eine juristische Person des öffentlichen Rechts betraf, ergab sich im zweiten Untersuchungsausschuß des 10. nordrhein-westfälischen Landtages. Ohne daß sich die Untersuchung direkt gegen die Westdeutsche Landesbank/Girozentrale (WestLB) gerichtet hätte, wurden durch den Untersuchungsausschuß von ihr Unterlagen herausverlangt, die auch wesentliche Informationen über Kunden des Kreditgeschäfts enthielten. Zum Ganzen ausführlich Hake, Zur Aktenvorlagepflicht öffentlichrechtlicher Kreditinstitute gegenüber Untersuchungsausschüssen des nordrhein-westfälischen Landtages, AöR 113 (1980), S.424-449.

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C. Reformmodell Thüringen

dd) Die Entscheidung des Gerichtshofs Hat der Antragsteller allein die Unzulänglichkeit der von der Regierung vorgetragenen Gründe gerügt, stellt der Gerichtshof fest, ob die Landesregierung die von der Verfassung geforderten Anforderungen an die Darlegungen bei einer Auskunftserteilung beachtet hat. Wenn dem nicht so ist, ist der Antrag des Untersuchungsausschusses begründet. Über die Β indungs Wirkung dieser Entscheidung gem. § 25 I ThürfVerfGHG ist die Landesregierung zur Umsetzung dieser Entscheidung verpflichtet. Ist eine Auskunft als mangelhaft, eine Begründung als unvollständig oder nicht nachvollziehbar gerügt, ist die Landesregierung zur Nachbesserung verpflichtet. Rügt der Antragsteller die Verweigerung als solche, stellt der Gerichtshof fest, ob die Verweigerung der Aktenvorlage und Aussagegenehmigung begründet ist, § 51 III ThürVerfGHG. Eine Verpflichtung zur Herausgabe der Unterlagen, bzw. zur Erteilung der Aussagegenehmigung oder sogar die Ersetzung der Aussagegenehmigung der Landesregierung kann durch den Verfassungsgerichtshof nicht ausgesprochen werden. Über die Β indungs Wirkung der Entscheidung gegenüber allen Verfassungsorganen, Behörden und Gerichten gem. § 25 I ThürVerfGHG ist die Landesregierung indes verpflichtet, die Entscheidung umzusetzen. Erklärt der Gerichtshof die Verweigerung für unbegründet, muß die Landesregierung nunmehr die streitbefangenen Akten herausgeben, die erforderlichen Aussagegenehmigungen erteilen, Auskünfte erteilen und Zutritt im erforderlichen Umfang gewähren. ee) Die Rücknahmemöglichkeit nach § 51 V ThürVerfGHG In § 51 V ThürVerfGHG ist bestimmt, daß der Untersuchungsausschuß seinen Antrag bis zur Verkündung der Entscheidung oder, wenn die Entscheidung nicht zu verkünden ist, bis zu dem Zeitpunkt, in dem die Entscheidung zum Zwecke der Zustellung an die Beteiligten abgesandt wird, zurücknehmen kann. Die Regelung reicht insofern über die nach den allgemeinen, vor dem Verfassungsgerichtshof anwendbaren Verfahrensvorschriften § 12 ThürVerfGHG i.V. m. § 2691 ZPO und § 921 VwGO hinaus, als es bei der Rücknahme nach § 51 V ThürVerfGHG bis zuletzt nicht - also auch nach der mündlichen Verhandlung nicht - auf die Einwilligung der anderen Beteiligten ankommt. 680 Die Rücknahmeregelung macht noch auf etwas anderes aufmerksam. Anders als beispielsweise bei der abstrakten Normenkontrolle kann man an der Existenz eines 680 Man könnte sich fragen, ob eine entsprechende Anwendung des § 2691 ZPO bzw. § 921 VwGO zwangsläufig zu dem Ergebnis führen würde, daß der Antrag nur zurückgenommen werden kann, wenn alle Beteiligten im Verfahren nach § 51 ThürVerfGHG einverstanden sind. Die Rücknahmevorschriften aus ZPO und VwGO „passen" insoweit nicht zu diesem Verfahren, als gerade dieses Verfahren keine Parteien kennt, also nicht kontradiktorisch ist. Die Klarstellung des Gesetzgebers enthebt den Rechtsanwender allerdings dieses Auslegungsproblems.

II. Die Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im einzelnen

209 681

objektiven Interesses an der Entscheidung des Gerichtshofes zweifeln. Während dort die Landesverfassungsgerichte und das Bundesverfassungsgericht unabhängig vom Antragsteller entscheiden (können), deutet das Rücknahmerecht des Antragstellers nach § 51 V ThürVerfGHG darauf hin, daß eine Entscheidung nur des Gerichtshofes nur dann erfolgen soll, wenn der Antragsteller seinen Antrag aufrechterhält. Verdeutlicht wird dieses Ergebnis noch durch einen Vergleich mit dem Verfahren nach § 52 ThürVerfGHG. In diesem Verfahren kann der Landtagspräsident nach Abschluß des UntersuchungsVerfahrens das Rechtsmittelverfahren nach § 52 ThürVerfGHG (siehe dort Abs. 1) betreiben. Eine solche Möglichkeit sieht das Verfahren nach §51 ThürVerfGHG nicht vor; ein fortbestehendes Feststellungsinteresses an der Zulässigkeit oder der Unzulässigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage/Aussagegenehmigung kann verfahrensrechtlich von niemandem mehr geltend gemacht werden. Dies bestätigt die Einschätzung, daß das Verfahren nach § 51 ThürVerfGHG nur der unmittelbaren Durchsetzung der Beweisanträge im Untersuchungsausschuß dient, hingegen nicht auch dem objektiven Feststellungsinteresse an verfassungsrechtlichen Fragen der Aktenvorlage.

ff) Zusammenfassung Das Verfahren nach § 51 ThürVerfGHG ist ein verfassungsgerichtliches Anschlußverfahren für einen besonderen Fall der Beweisaufnahme im parlamentarischen Untersuchungsausschuß (Aktenvorlage und Aussagegenehmigung). Der Minderheit im Ausschuß ist kein eigenes und damit „außenwirksames" Beweisantragsrecht eingeräumt. Abgesehen vom Untersuchungsausschuß und der Landesregierung als den Beteiligten des Verfahrens greift das Gesetz über den Verfassungsgerichthof für die Beteiligtenfähigkeit die Grundsätze aus der Flick-Entscheidung des BVerfG für die Grundrechte von Dritten bei der Aktenherausgabe auf und führt diese Grundsätze als Anhörungsrecht in verfassungsgerichtlichen Verfahren fort. Zu beteiligen sind aber auch die wegen ihrer Weisungsgebundenheit zur Herausgabe verpflichteten juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Der Untersuchungsausschuß kann seinen Antrag auch darauf beschränken, die Begründung der Weigerung der Landesregierung, den geltend gemachten Ansprüchen Folge zu leisten, zu überprüfen. Der Gerichtshof überprüft dann, ob die Begründung der Landesregierung den verfassungsrechtlichen Anforderungen entspricht. 681

Zur Fortführung des Verfahrens der abstrakten Normenkontrolle bei öffentlichen Interesse siehe Pestalozza, Verfassungsprozeßrecht, § 8, Rn.4, S. 122 mit zahlreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BVerfG in Fn. 9. Zum objektiven Charakter der abstrakten Normenkontrolle siehe auch aus jüngerer Zeit, SächsVerfGH, Urt. v. 20. Apr. 1995, Vf. 18-11-93, JbSächsOVG 3, 78 (80f.) und Urt. v. 14 Mai 1996, Vf. 44-11-94, LVerfGE 4, 303 (332). 14 Platter

C. Reformmodell Thüringen

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Bei der schwierigen Frage, inwieweit der Gerichtshof die Weigerung der Landesregierung auf ihre Stichhaltigkeit in tatsächlicher Hinsicht überprüfen kann, erweist sich, daß der Gerichtshof im Ergebnis volle Akteneinsicht verlangen kann, dies allerdings an eine Zwei-Drittel-Mehrheit der Richter gebunden ist. Das mag im Extremfall zu dem Ergebnis führen, daß der Gerichtshof als weiteres Verfassungsorgan dem Untersuchungsausschuß die Einsicht in Akten oder die Vernehmung von Zeugen in voller Kenntnis des Sachverhalts verweigert. Da dem Verfassungsgerichtshof aber die Funktion eines unabhängigen Schiedsrichters eben gerade vom Gesetzgeber zugewiesen ist, stört dies letztlich nicht das Verhältnis der Verfassungsorgane zueinander. Das Verfahren dient nur der unmittelbaren Durchsetzung der Aktenvorlage oder der Erteilung der Aussagegenehmigung, ein objektives (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresse nach Ende des Untersuchungsausschusses gibt es nicht.

3. Das Verfahren nach § 52 ThürVerfGHG Das Verfahren nach § 52 ThürVerfGHG schließt sich als weiterer verfassungsprozessualer Baustein für die Streitigkeiten im Zusammenhang mit der parlamentarischen Untersuchung an das Beweisverfahren im Untersuchungsausschuß an. Es soll den Weg zum Verfassungsgericht sowohl für den betroffenen Dritten als auch, und das ist hervorzuheben, für den Untersuchungsausschuß selbst eröffnen. Die Anlehnung an das Verfahren der Verfassungsbeschwerde ist unverkennbar. So kennt auch dieses Verfahren das Prinzip der Rechtswegerschöpfung mit der daran angeschlossenen Möglichkeit der Vorabentscheidung. Ebenso wie bei der Verfassungsbeschwerde hebt der Gerichtshof die Entscheidung des Fachgerichts gegebenenfalls auf, § 52 V ThürVerfGHG.

a) Verfassungsrechtliche

Vorgaben zum verfassungsgerichtlichen

Verfahren?

Art. 64 ThürVerf. enthält keine Vorgaben zu einem verfassungsgerichtlichen Beschwerdeverfahren. Das Beschwerdeverfahren ist nicht unmittelbar mit dem Verfahren der parlamentarischen Untersuchung verbunden. Es kann erst dann in Gang gebracht werden, wenn der ordentliche Rechtsweg mit seinen Rechtschutzmöglichkeiten nach dem ThürUAG bereits beschritten wurde. 682 Aus der Rechtsweggarantie des Art. 42 V 1 ThürVerf. ergibt sich auch keine zwingende Verpflichtung, einen weiteren, außerordentlichen Rechtsbehelf zum Verfassungsgerichtshof in dieser Frage zu eröffnen. Art. 801 ThürVerf. nennt das Verfahren nicht. Art. 80 II ThürVerf. gestattet die Einrichtung weiterer Verfahren durch den Gesetzgeber, erzwingt aber ebenfalls nicht die Einrichtung von ganz bestimmten Verfahren. Auch darin, daß die 682

Siehe auch unten S. 211.

II. Die Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof im einzelnen

211

Verfassung in Art. 801 Nr. 1 ThürVerf. die Verfassungsbeschwerde vorsieht, liegt kein Auftrag an den Gesetzgeber, dieses spezielle Verfahren noch neben der Verfassungsbeschwerde einzurichten. Die Verpflichtung zur Einrichtung der Verfassungsbeschwerde nach Art. 801 Nr. 1 ThürVerf. wurde durch die einfachgesetzliche Ausgestaltung derselben in §§31-37 ThürVerfGHG vollständig abgedeckt. Art. 801 Nr. 1 ThürVerf. verlangt (nur) die Einrichtung eines außerordentlichen Rechtsbehelfes gegen Maßnahmen der staatlichen Gewalt. Beschwerdeberechtigt bei diesem Verfahren sind im Sinne des verfassungsrechtlichen Tatbestandsmerkmals „jedermann" in der Verfassungsbeschwerde nur nichtstaatliche Beschwerdeführer. § 5211 ThürVerfGHG erklärt hingegen auch den Untersuchungsausschuß als Teil eines staatlichen Organs für beschwerdeberechtigt.

b) Gestaltung durch den Gesetzgeber aa) Verfahrensgegenstand Es können diejenigen Entscheidungen der Fachgerichte, die im Zusammenhang mit dem Beweisverfahren ergehen (Entscheidungen im Sinne von § 30 I I ThürUAG) 683 , vor das Gericht gebracht werden. § 30 II ThürUAG wiederum bestimmt, daß gegen Entscheidungen der ordentlichen Gerichte Beschwerde zum Verfassungsgericht erhoben werden kann. Die Beschränkung des Verfahrensgegenstandes auf Entscheidungen der ordentlichen Gerichte scheint auf den ersten Blick die möglichen Verfahrensgegenstände im landesrechtlichen Rechtschutzsystem nicht eigens zu begrenzen, da, wie bereits oben beschrieben, der thüringische Gesetzgeber den fachgerichtlichen Rechtsschutz in vollem Umfange den ordentlichen Gerichten zuweisen wollte, um das Problem der Disparität der Rechtswege zu vermeiden. 684 Wenn ihm dies jedoch nicht gelungen sein sollte, setzt sich diese Unterlassung aufgrund der gewählten Verweisungstechnik in einer echten Beschränkung des Verfahrensgegenstandes bei der Beschwerde nach § 52 ThürVerfGHG fort. Eine Fallkonstellation beispielsweise, die im ThürUAG nicht geregelt ist, weil sie nicht unmittelbar in den Bereich der Beweiserhebungsmaßnahmen des Untersuchungsausschusses gehört, ist eine Konstellation, zu der das OVG Rheinland-Pfalz als Verwaltungsgericht der zweiten Instanz zur abschließenden Entscheidung aufgerufen war. 685 Es ging hierbei um eine Fallkonstellation im Zusammenhang mit der Akten683 In § 30 I I ThürUAG ist davon die Rede, daß die Beschwerde zum Verfassungsgerichtshof gegen Entscheidungen der ordentlichen Gerichte erhoben werden kann. Das könnte umgekehrt bedeuten, daß evtl. außerhalb des ThürUAG verbliebene Zuständigkeiten der Verwaltungsgerichte (Aktenvorlage) nicht im Verfahren nach § 52 ThürVerfGHG vor den Verfassungsgerichtshof gebracht werden können. 684 Siehe Fn.599.