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German Pages 288 [88] Year 2023
AiD aid-magazin.de
| N DEUTSCHLAND
03 2023 Juni – Juli
Denkmal unter Strom Effekte der Energiewende
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€ (D) 12,95
AUF DEN SPUREN DER OTTONEN
STONEHENGE IM BODENSEE
ESCAPE-ROOM IN HALTERN AM SEE
Burgen, Pfalzen und Klöster im heutigen SachsenAnhalt £ Seite 8
170 Steinhügel entlang des südlichen Seeufers geben Rätsel auf £ Seite 40
Vermittlung mal anders: Geschichte erleben im LWLRömermuseum £ Seite 66
Das neue Sonderheft der ANTIKEN WELT Wie klang die Musik zur Zeit der Pharaonen? Die prächtigen Musikszenen aus den Elitegräbern um 1300 v. Chr. wie dem Grab des Nacht und dem des Nebamun sind sehr berühmt, doch was ist darüber hinaus noch bekannt?
Heidi Köpp-Junk. 2023. 112 S. mit etwa 100 Abb., 21 x 28 cm., kart. 17,95 €
Zahlreiche Instrumente, die in pharaonischer Zeit das erste Mal auftraten, sind
heute noch in Benutzung wie z.B. Klappern, Rasseln und Harfen. Die Autorin vermittelt mit Hilfe archäologischer, bildlicher und textlicher Quellen eine Übersicht. Sie erforscht einen Zeitraum vom Auftreten der ersten Instrumente im 5. Jt. v. Chr. bis zum Ende des Neuen Reiches um 1070 v. Chr.
Musik im Alten Ägypten
Erhältlich ab 22. Juni 2023 im ausgewählten Pressehandel oder jetzt online vorbestellen unter wbg-zeitschriften.de
Editorial
Vermutlich 20 000 gefallene Soldaten, unzählige getötete Pferde – doch kaum Überreste auf den Schlachtfeldern von Waterloo. Wo sind all die Toten geblieben? Forscher warten mit einer makabren Erkenntnis auf. ➔ Seite 44
»Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch« Liebe Leserinnen und Leser, zu den spannendsten Kapiteln der Archäologie in Deutschland zählt aus meiner Sicht das ausgehende Frühmittelalter. Diese – mit Normannen- und Ungarneinfällen sowie der Etablierung der Ottonenherrscha – ausgesprochen ereignisreiche Zeit des 9. und 10. Jh. n. Chr. lässt sich in vielen Regionen bis heute über die spärlichen Schriquellen nur schemenha fassen. Unser Forschungsbeitrag zur Archäologie der Ottonenzeit in Sachsen-Anhalt zeigt, wie neue Ausgrabungen und moderne Prospektionsmethoden längst vergessene Großburgen, Pfalzen und frühe Kirchen dieser Epoche wieder ans Tageslicht holen können. Einfach faszinierend! Dass unser kostbares archäologisches Erbe von vielen Seiten gefährdet ist, führt das Thema des Hees fast schon bedrückend vor Augen. »Denkmale unter Strom« bringt treffend zum Ausdruck, welche gewaltigen Herausforderungen durch Energiewende und Klimawandel auch im Bereich der Archäologischen Denkmalpflege auf uns zukommen werden. Einerseits greifen die dringend benötigten Solarfelder, Windräder und Stromtrassen sowohl im Inland als auch vor den Küsten großflächig in den Untergrund ein und machen Rettungsgrabungen in bisher ungeahntem Ausmaß notwendig. Andererseits kommt es durch den Klimawandel, insbesondere in den Mooren und Seeuferbereichen, bereits jetzt zu einer erheblichen Gefährdung, denn die zunehmende Trockenheit führt zur irreversiblen Schädigung wertvoller organischer Funde, wie Hölzer oder Textilien, die sich seit Jahrhunderten und Jahrtausenden bis heute (!) unter Sauerstoffabschluss erhalten konnten. Die Antwort auf diese enormen Herausforderungen kann nur heißen, groß angelegte archäologische Rettungs- und Schutzprogramme zu fördern und zu realisieren. Unser Titelthema zeigt, was Gebot der Stunde ist. Zahlreiche weitere Beiträge dieses Hes eröffnen Ihnen faszinierende Einblicke in die Vergangenheit, von der Erforschung etwa 4000 Jahre alter bronzezeitlicher Begräbnisplätze auf der Arabischen Halbinsel über die rätselhaen, nach neuesten Untersuchungen offensichtlich jungsteinzeitlichen »Hügeli« im Bodensee bis hin zur Frage, wo denn die geschätzten 20 000 Gefallenen der Schlacht von Waterloo geblieben sind. Machen Sie sich auf eine Überraschung gefasst! Und wie immer informiert Sie Ihre AiD über die aktuellsten Neuentdeckungen aus allen Bundesländern, damit S Sie auf dem neuesten Stand bleiben.
Ihr Dirk Krausse, d h Landesarchäologe, Landesamt für Denkmalpflege Baden-Württemberg AiD 3 | 2023
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INHALT
Solarfelder, Windräder, Stromtrassen – der Landschasverbrauch der Energiewende ist enorm. Die zahllosen Bauvorhaben bedeuten eine große Herausforderung für die Bodendenkmalpflege. Gleichzeitig bieten sich aber auch neue Chancen für die archäologische Forschung. Fachleute aus den Landesämtern zeigen, wie sie mit der schwierigen Situation umgehen und wie sie die sich bietenden Chancen nutzen.
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THEMA 20 Denkmal unter Strom 22
Aufwind – Ausgrabungen unter dem Windrad
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Kulturerbe unter Wasser in Gefahr?
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Klimawandel und archäologisches Erbe
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Der Wald – ein bedrohtes Habitat
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Photovoltaik – Licht und Schatten
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Kiesabbau rund um Haithabu und Danewerk
40 Bei Vermessungsarbeiten im Bodensee wurden entlang des südlichen Ufers über 170 hügelartige Strukturen entdeckt. Die »Hügeli« erregten große mediale Aufmerksamkeit, die Rede war vom »Bodensee-Stonehenge«: Zeit für eine nüchterne und wissenschaliche Betrachtung dieser neuen Befundkategorie.
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INHALT
Von 919 bis 1024 herrschte im Deutschen Reich das sächsische Adelsgeschlecht der Ottonen. Kirchen, Klöster, Burgen und Pfalzen des 10. Jh. zeugen von ihren Wurzeln im Osten des Landes. Archäologische Ausgrabungen in Sachsen-Anhalt brachten in den letzten Jahren viele Details zu den ottonischen Bauten und auch zur Reichsgeschichte zutage.
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Editorial
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Im Blickpunkt
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Forschung Archäologie der Ottonenzeit in Sachsen-Anhalt
Tayma, eine große Oase im Nordwesten Saudi-Arabiens, liegt an einer der ältesten Handelsrouten der Welt, der Weihrauchstraße. Der Platz ist seit 7000 Jahren ununterbrochen besiedelt. Rund um die bewohnte Oase eröffnen zahllose Grabbauten die Möglichkeit, insbesondere die bronzezeitliche Besiedlung näher zu erforschen.
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Weltweit Gräber rund um die Oase Tayma
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Thema: Denkmal unter Strom Europa
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Rätselhae Steinschüttungen im Bodensee
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Die Toten von Waterloo Report
Jeder kennt die Schlacht von Waterloo, 1815 Schauplatz der letzten und entscheidenden Niederlage Napoleons. Unzählige Gefallene wurden an Ort und Stelle bestattet. Doch wo sind sie geblieben? Der Beitrag liefert die Lösung eines Rätsels der Schlachtfeldarchäologie.
Nur wenige Jahre hatte das Militärlager der Römer in Haltern existiert, als es mit der Niederlage 9 n.Chr. schon wieder aufgegeben wurde. Die kurze Episode war durch heige kriegerische Auseinandersetzungen geprägt. Wer sich in diese unruhige Zeit hineinversetzen möchte, ist im Römer-Escape-Room des LWL-Römermuseums bestens aufgehoben.
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Schenefeld gräbt aus!
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Archäologische Forschungen in München
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
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Geschichte hautnah in Haltern am See – Legionär für eine Stunde
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SEHENS
WERT
Wissenswert
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Autoren dieses Hes
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Impressum
Abo-Service AiD
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Bücher und Medien
Für alle Fragen zum Bezug der »AiD« erreichen Sie uns unter: Telefon 02225 7085-361 [email protected] Fax 02225 7085-399
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Ausstellungen
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Bildnachweis
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Rätsel
Bei inhaltlichen Fragen erreichen Sie die Redaktion unter: [email protected]
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Im Blickpunkt Umschlungen in alle Ewigkeit Momentaufnahme aus der Frühbronzezeit Auf einem 12 ha großen Areal bei Wustermark im Landkreis Havelland bot sich der brandenburgischen Landesarchäologie die Möglichkeit, am Rand der Wublitzrinne die Besiedlung seit der ausgehenden letzten Eiszeit bis in die späte Slawenzeit zu erforschen. Einzel- und Mehrfachbestattungen der frühen Trichterbecherkultur sowie Gräbergruppen des Endneolithikums und der frühen Bronzezeit lieferten Einblicke in eine kleinräumige Bestattungslandscha. Als in vielfacher Hinsicht herausragender Befund erwies sich eine frühbronzezeitliche Mehrfachbestattung. In einer annähernd kreisrunden Grube lagen dicht gedrängt, jedoch pietätvoll bestattet sechs Individuen – fünf erwachsene Män4
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ner und ein Kleinkind. Die Hinterbliebenen hatten drei der Männer mit dem Kopf im Süden nach Osten blickend beigesetzt und dabei den linken Arm jeweils über die Hüe des Nebenmannes gelegt. Der vierte Mann lag gestreckt und kopflos mit den Füßen im Süden, während der füne den Blick nach Westen auf die anderen richtete. Das nur fragmentarisch erhaltene Skelett des Kleinkindes ruhte ganz im Westen der Grube. Einzige Beigabe ist eine flächenretuschierte Silexpfeilspitze mit eingezogener Basis. Sie fand sich im Beckenbereich eines der Männer und datiert an den Beginn der Bronzezeit. Die Bestattung wurde im Block geborgen, im Landesamt in einem 3D-Modell erfasst und weiter dokumentiert. Erste anthropologische Analysen lieferten überraschende Ergebnisse: Vier Männer wiesen – teils in Kombination – tödliche Hieb-
Dreidimensionales Modell einer im Block geborgenen frühbronzezeitlichen Bestattung aus Wustermark in Brandenburg: fünf erwachsene Männer und ein Kleinkind teils eng umschlungen in einem Grab.
verletzungen am Schädel, Stichverletzungen und Frakturen auf. Zwei von ihnen – ein älterer und ein junger Mann – waren möglicherweise miteinander verwandt. Diese Frage sollen genetische Analysen klären. Selten spiegeln sich in prähistorischen Befunden Momentaufnahmen oder singuläre Ereignisse, die sich mit menschlichen Schicksalen verknüpfen lassen. Die Mehrfachbestattung von Wustermark überliefert das Geschehen einer brutalen Auseinandersetzung, die an der Wende vom 20. zum 19. Jh. v. Chr. zum gewaltsamen Tod einer Gruppe von Männern führte. | Ralf Lehmphul und Joachim Stark
Der älteste Runenstein Neufund in Norwegen Im Herbst 2021 gruben Steiner Solheim und sein Team vom Kulturhistorischen
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Auf der Vorderseite fallen acht Runen auf. In lateinischen Buchstaben lauten sie »idiberug«. Wurde der Stein »für Idibera« gemacht? Oder beabsichtigte man, den Namen »Idibergu« oder den Sippennamen »Idiberung« zu schreiben? Handelt es sich dabei um die Person, die dort bestattet wurde? Es gibt noch weitere Inschrien. Einige Linien bilden ein Gittermuster, es gibt kleine Zickzackfiguren und andere Muster. Nicht alle ergeben einen sprachlichen Sinn, man gewinnt den Eindruck, dass jemand die Schri nachgeahmt, erforscht oder sogar mit ihr gespielt hat. Vielleicht war der Runenritzer dabei, die neue Technik zu lernen. Weitere Forschungen werden uns sicher mehr über diesen rätselhaen Runenstein verraten. | Jesper Tae Jensen
Cheops-Pyramide reloaded Neue Kammer entdeckt Ein internationales Team hat eine unbekannte Kammer in der Cheops-Pyramide von Gizeh in Ägypten entdeckt. Bereits seit 2016 boten Messungen Anhaltspunkte für einen verborgenen Hohlraum im Bereich der massiven Steinblöcke über dem ursprünglichen Eingang. Wissenschaler der Technischen Universität München konnten nun mit Ultraschall und Endoskopie die Existenz der Kammer sicher
KELTEN T bis 26. November 2023 www.mamuz.at
Der Svingerud-Stein mit den bis dato ältesten Runen. Unten links die rätselhafte Inschrift »idiberug«.
(c) Atelier Olschinsky, Josef Schimmer, Mario Wallner (ZAMG, Archao Prospe ections)
Museum der Universität Oslo in Norwegen ein Gräberfeld aus: Der Platz heißt Svingerud (Gemeinde Hole) und liegt an dem See Tyrifjorden etwa 40 km nordwestlich von Oslo. In einem Brandgrab entdeckten die Ausgräber einen Sandstein mit Runen. Radiokarbondatierungen an verbrannten Knochen und Holzkohle ergaben, dass der Runenstein in der Zeit zwischen Christi Geburt und 250 n. Chr. in das Grab gelangte und somit mindestens 1800 bis 2000 Jahre alt ist. Es handelt sich um die älteste Runeninschri überhaupt. Der sensationelle Fund wird nach dem Ausgrabungsplatz als Svingerud-Stein bezeichnet. Die Entdeckung hat man über ein Jahr lang geheim gehalten. Nun sorgte die Bekanntgabe international für Aufsehen bei Runenforschern und Archäologen. Der Fund wir ein Licht auf die rätselhaen Ursprünge der Runen. Die Art und Weise, wie ältere Runen geschrieben wurden, war sehr unterschiedlich. Seit den Jahrhunderten nach Christi Geburt, der Zeit des Svingerud-Steins, hat sich die Sprache bis zur Zeit der Wikinger und des Mittelalters stark verändert. Die Interpretation des Neufundes ist daher eine große Herausforderung, der sich die Runenexpertin und Professorin für Runologie und Ikonografie Kristel Zilmer vom Kulturhistorischen Museum der Universität Oslo stellt.
nachweisen. Alle Untersuchungen erfolgten im Rahmen des internationalen Projekts »ScanPyramids«. »Die Pyramiden gehören zum Weltkulturerbe. Deshalb müssen wir bei der Untersuchung besonders vorsichtig vorgehen, damit keine Beschädigungen entstehen. Wir arbeiten an der Cheops-Pyramide daher mit Radar- und Ultraschallmessgeräten, die zerstörungsfrei und teilweise sogar kontaktfrei angewendet werden können«, erklärt Christian Grosse vom Lehrstuhl für Zerstörungsfreie Prüfung der Universität München. Nachdem die ersten Messungen erfolgreich verliefen, arbeiteten die Wissenschaler mit Endoskopie: Das Team fand zwischen den Steinen eine Lücke, durch die man einen Hohlstab mit Kameralinse schieben konnte, um anschließend den Raum optisch zu erfassen. Die Kammer ist größer als bislang vermutet. Es existiert ein mindestens 5 m langer Korridor, die Kammer selbst muss noch einmal deutlich größer sein. Im Inneren sind keine Fußspuren oder andere Hinweise auf menschliche Aktivitäten zu erkennen. Daher geht man davon aus, AiD 3 | 2023
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Zypern
LESERREISE
Götterinsel im Mittelmeer
Antike Welt in Zusammenarbeit mit chland uts De in ie log und Archäo
11 Tage Studienreise ab/bis München
ausführliche Besichtigungen im Norden und Süden der Insel
Studienreiseleitung Dr. Frauke Sonnabend und Prof. Dr. Holger Sonnabend
© Dimitris Vetsikas, pixabay
11.11. – 21.11.2023 Reiseprogramm (Änderungen vorbehalten) 1. Tag: München – Larnaka (A) MIttags Flug von München nach Larnaka und Fahrt zum Hotel. 6 Ü: Lordos Hotel****. 2. Tag: Larnaka (F/A) In Larnaka Besichtigung der Lazaruskirche, sowie der Moschee Cami Kebir und des Pierides-Museums. In der Antike hieß Larnaka Kition. Besuch der Ruinen von Kition, aus denen ein Tempel der phönizischen Astarte herausragt. 3. Tag: Salamis und Famagusta (F/A) Die Erkundung des Nordteils der Insel beginnt mit einem Ausflug nach Enkomi. In der Nähe befinden sich die berühmten Königsgräber von Salamis. Anschließend Besichtigung der Ruinen der antiken Stadt Salamis. Zum Abschluss Rundgang durch die Altstadt von Famagusta mit der Festung am Hafen und der von den Osmanen in eine Moschee umgewandelte christliche Kathedrale. 4. Tag: Kantara und Halbinsel Karpaz (F/A) Auf dem Weg in den äußersten Nordosten der Insel Besichtigung der Burg Kantara. Weiterfahrt auf der Karpaz-Halbinsel mit Abstecher zur frühchristlichen Basilika Agios Philon. Den Endpunkt der Halbinsel markiert das Kloster des Apostels Andreas. 5. Tag: Kerynia und Umgebung (F/A) Hoch über Kerynia thront die alte Kreuzfahrerfestung St. Hilarion, von der man mit einem grandiosen Blick auf Girne und die Küste belohnt wird. Das Kastell von Kerynia beherbergt ein Museum, dessen Prunkstück ein Schiffswrack samt Ladung ist. Traumhaft ist die Lage der gotischen Klosterruine von Bellapais. 6. Tag: Lefkosia (Nikosia) Süd und Nord (F/A) Mitten durch Lefkosia verläuft die Grenze zwischen dem Süd- und dem Nordteil der Insel. Im Süden der Stadt lockt das Archäologische Museum. Gegen Mittag Übergang in den türkischen Nordteil. Auf dem Rundgang Besichtigung des Atatürk-Platzes mit der Salamis-Säule, der Bedesten, des Büyük Han und des Girne-Tores. 7. Tag: Larnaka – Limassol (F/A) Morgens Besichtigung der königlichen Kapelle von Pyrga, Kalavosos und Choirokotia. Weiterfahrt nach Limassol. 4 Ü: Mediterranean Beach Hotel****.
8. Tag: Limassol und Umgebung (F/A) Am Vormittag Besichtigung der Ausgrabungsstätte von Kourion sowie dem Heiligtum des Apollon Hylates. Anschließend Besichtigung des archäologischen Museums von Episkopi mit Funden aus Kourion und Besuch der Johanniterfestung Kolossi. Danach stehen die Ausgrabungen von Amathous, die Kreuzfahrer- und Osmanenburg mit Mittelaltermuseum und die türkische Kebir-Moschee auf dem Programm. 9. Tag: Paphos und Umgebung (F/A) Morgens Besichtigung des Heiligtums der Aphrodite bei Kouklia. Die antike Metropole Paphos ist heute die archäologische Vorzeigestätte Zyperns. Der „Archäologiepark“ bietet als besondere Attraktion große Villen aus der Römerzeit mit prächtigen Mosaiken. Es werden die Grotte der heiligen Solomoni, die Paulussäule, die Kirche Agia Kyriaki, das türkische Fort am Hafen und die imposanten Königsgräber von Paphos besichtigt. 10. Tag: Troodos-Gebirge (F/A) Besichtigt werden an diesem Tag die Kirche Panagia Forviotissa bei Asinou, die Kirche Panagia Arakiotissa und die Kirche Metamorfosis tou Sotiros im Troodos-Gebirge. Abschiedsabendessen in einer lokalen Taverne. 11. Tag: Limassol – Larnaka – München (F) Vormittag frei. Nachmittags Fahrt zum Flughafen Larnaka und Rückflug nach München. Ihre Reiseleitung: Prof. Dr. Holger Sonnabend lehrt Alte Geschichte an der Universität Stuttgart. Als Autor veröffentlichte er zahlreiche Bücher zur griechischen und römischen Geschichte. Dr. Frauke Sonnabend Promotion in Alter Geschichte. Ihr Tätigkeitsfeld reicht von Führungen auf der Berliner Museumsinsel und in Ausstellungen bis hin zur Erwachsenenbildung und der Leitung von Studienreisen. Darüber hinaus leitete das Paar bereits viele außergewöhnliche Studienreisen in Italien, Griechenland, Spanien, Frankreich, Marokko, Syrien, Libyen, Israel, Äthiopien und in der Türkei.
Karawane Reisen GmbH & Co. KG in Kooperation mit Schorndorfer Str. 149 · 71638 Ludwigsburg · Ansprechpartner: Susanne Möhler Tel + 49 (0) 7141 2848-13 · [email protected] · www.karawane.de
Reisepreis pro Person in EUR Im Doppelzimmer Einzelzimmerzuschlag
2.385,-320,--
Eingeschlossene Leistungen Linienflüge mit Lufthansa (München – Larnaka – München) in der Economy-Class Flughafensteuern, Gebühren und aktuell gültige Treibstoffzuschläge (Stand Februar 2023) 10 Übernachtungen in den im Reiseprogramm genannten Hotels o.ä. in Zimmern mit Bad oder Dusche/WC Mahlzeiten lt. Reiseprogramm (F = Frühstück / A = Abendessen täglich im Hotel, außer am 10. Tag) Transfers, Ausflüge, Besichtigungen im Reisebus lt. Reiseprogramm Eintrittsgelder lt. Reiseprogramm Deutschsprechende lokale Reiseleitung ab/bis Larnaka Studienreiseleitung ab/bis München: Dr. Frauke Sonnabend und Prof. Dr. Holger Sonnabend Nicht eingeschlossen persönliche Ausgaben wie weitere Mahlzeiten, Getränke, Reiseversicherungen, optionale Ausflüge und Trinkgelder. Teilnehmer Bis 8 Wochen vor Abreise zu erreichende Mindestteilnehmerzahl: 15 Personen, max. 28 Personen. Weitere Informationen unter: www.karawane.de Webcode: 41383 Reiseveranstalter Karawane Reisen GmbH & Co. KG, Ludwigsburg Reisevereinbarungen: www.karawane.de/agb
dass seit rund 4500 Jahren niemand den Hohlraum zu Gesicht bekommen hat. | AiD
Felsbilder aus Ägyptens Wüste Sakrale Prozession im 4. Jt. v. Chr. In der Wüste im Süden Ägyptens finden sich Hunderte von Felsbildern und Inschrien, die bislang kaum untersucht wurden. Die ältesten stammen aus dem 5. Jt. v. Chr., die jüngsten aus arabischer Zeit. Ägyptologen der Universitäten Bonn in Deutschland und Assuan in Ägypten planen, die Felsbilder in einer Datenbank systematisch zu erfassen. »Dieser kulturelle Schatz im Nordosten von Assuan ist bisher weitgehend undokumentiert, geschweige denn publiziert«, so der Ägyptologe Ludwig Morenz von der Universität Bonn. Die Felsbilder haben sich o an abgelegenen Stellen in Wadis – ausgetrock-
Kammer in der CheopsPyramide von Gizeh. Forscher blicken mit einem Endoskop in die Kammer, die vermutlich seit rund 4500 Jahren kein Mensch betreten hat.
Links: Felsbild im Wadi al Agebab im Süden Ägyptens, etwa 3200 v. Chr.: Ein Boot wird von 25 Männern gezogen, offenbar eine sakrale Prozession. Rechts: Ausgrabungen am altpaläolithischen Fundplatz Nyayanga in Kenia: Skelettreste eines Flusspferds, dazwischen Geröllgeräte des Olduvan.
neten Flusstälern – erhalten. Aktuell sind sie durch Steinbrüche bedroht, ein Grund mehr, die Befunde so bald wie möglich zu dokumentieren. Betraut mit der Erforschung der Felsbilder ist Mohamed Abdel Hay Abu Baker im Inspektorat von Assuan des Ägyptischen Antikenministeriums. Im Zuge einer Promotion wird er in Zusammenarbeit mit der Universität Bonn die Datenbank mit Bildarchiv aufbauen, gefördert für ein Jahr durch ein Stipendium aus Exzellenzmitteln von Bund und Ländern. Als Beispiel für die zu erwartenden Schätze wird eine bisher einzigartige Szene aus dem 4. Jt. v. Chr., also noch aus vorpharaonischer Zeit, genannt: Über Unebenheiten und Kanten eines Felsens hinweg ist ein Boot dargestellt, das von 25 Männern mit erhobenen Armen an einem Seil gezogen wird. Offenbar wird hier ein Ritual wiedergegeben – die große Prozession eines Götterbildes, erkennbar an einem Schrein mitten auf dem Boot und Rinderhörnern, wie sie typisch für die sakrale Bildsprache sind. | AiD
Am Anfang war das Fleisch Oldowan-Kultur in Kenia Die Oldowan-Kultur ist nach der OlduvaiSchlucht in Tansania benannt. Dort entdeckte Louis Leakey in den 1930er-Jahren die damals ältesten Steinwerkzeuge. Diese »Geröllgeräte« bestanden aus Bruchstücken, die man mit einem anderen Stein abgeschlagen hatte. Sie wurden vor 2,6 bis 1,7 Millionen Jahren von den frühesten Menschen benutzt, wobei die ältesten Fundorte auf das Afar-Dreieck in Äthiopien beschränkt blieben.
In den vergangenen Jahren fand man in Nyayanga im Westen Kenias vergleichbare Werkzeuge, die in die Zeit vor 3 bis 2,5 Millionen Jahre datieren. Die in der Februarausgabe von »Science« publizierten Ausgrabungen erbrachten zudem Hinweise für den Verzehr sehr großer Tiere durch den Frühmenschen: Knochen von zwei Flusspferden zeigten Schlachtspuren vom Zerlegen, Antilopenknochen Anzeichen, dass das Fleisch abgeschnitten oder zerquetscht worden war und Knochenmark entnommen wurde – in einer Zeit, als der Mensch noch kein Feuer kannte. Das Fleisch wurde also roh verzehrt und möglicherweise vorher zu einer Art Tartar zerstamp, um es leichter kauen zu können: Die Oldowan-Technologie war wie ein künstliches Gebiss, das unseren Vorfahren Zugang zur Nahrungsvielfalt in der afrikanischen Savanne eröffnete. Nicht zuletzt trat ein Paar massiver Backenzähne zutage, die zu Paranthropus gehören, einem Homininen mit muskulösen Kiefern aus einem ausgestorbenen Zweig des Stammbaums. Das wir die Frage auf, wer eigentlich die Oldowan-Technologie nutzte. Man ging bisher davon aus, nur die Gattung Homo, die zum modernen Mensch führt, habe Steinwerkzeuge hergestellt. Der Fund von Nyayanga lässt vermuten, dass schon Paranthropus Steinwerkzeuge verwendete. Paranthropus leidet unter dem Image, ein dummer Weidegänger zu sein. Vielleicht war die Art höher entwickelt als gedacht. Möglich ist jedoch auch, dass die gefundenen Paranthropus-Zähne doch keinen Jäger anzeigen, sondern ein weiteres Beutetier. | Jesper Tae Jensen
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Forschung Mittelalterliche Kaiser zwischen Harz und Unstrut
Archäologie der Ottonenzeit in Sachsen-Anhalt Für die ottonischen Könige und Kaiser war das Gebiet des heutigen Bundes landes SachsenAnhalt ein Kernraum ihres Reiches, wovon zahlreiche Kirchen, Klöster und Burgen des
. Jh., insbesondere aber oft von den Herrschern
besuchte Pfalzen zeugen. Aktuelle archäologische Forschungen werfen neues Licht auf bedeutende Stätten mittelalterlicher Reichsgeschichte.
Von Felix Biermann, Holger Grönwald, Leonhard Helten, Harald Meller und Normen Posselt
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ie Dynastie der Ottonen beherrsch‐ te das Ostfränkische Reich von bis , und die Kaiserkrönung Ot‐ tos des Großen in Rom im Jahr war die Geburtsstunde des Heiligen Römischen Reiches, das bis bestehen sollte. Das Gebiet des heutigen Bundeslandes Sach‐ sen‐Anhalt spielte darin eine besondere Rolle, denn die Ottonen kamen aus der Harzregion und fühlten sich hier zu Hau‐ se. Quedlinburg und Magdeburg nahmen als Herrschaftszentren eine herausragen‐ de Stellung ein, im . und frühen . Jh. entstanden zahlreiche Kirchen, Klöster und Burgen, und am Harz verteilen sich oft besuchte Königshöfe bzw. Pfalzen – die Re‐ sidenzen und Stützpunkte der reisenden Herrscher – von großer politischer Wich‐ tigkeit. Aktuell steht diese einzigartige Herr‐ schaftslandschaft im Fokus der Forschung: Das Landesamt für Denkmalp lege und Ar‐ chäologie Sachsen‐Anhalt führt große Aus‐ grabungsprojekte an mehreren wichtigen Orten der Ottonenzeit durch, unter ande‐ rem in Memleben, Großwangen und Helf‐ ta. Dabei ergeben sich faszinierende neue Erkenntnisse zu den Schauplätzen ottoni‐ scher Reichsgeschichte, zur Organisation und Repräsentation von Herrschaft sowie zu den wirtschaftlichen, militärischen und kirchlichen Strukturen einer Region, die damals das Herz des Imperiums bildete. Memleben – das Herz des Kaisers In Memleben erinnern noch heute die Rui‐ nen eines Klosters an die große Geschich‐ te des kleinen Ortes: In der Pfalz an der Un‐ strut starben Heinrich I. – der erste otto‐ nische König – im Jahr sowie sein Sohn und Nachfolger, Kaiser Otto der Große, im 8
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Jahr ; Ottos Körper bestattete man in Magdeburg, sein Herz aber in Memleben. Zur Erinnerung an die beiden Herr‐ scher, namentlich an Otto I., gründeten Kaiser Otto II. ( – ) und seine Ge‐ mahlin, die byzantinische Prinzessin Theo‐ phanu († ), kurz vor eine Benedik‐ tinerabtei, deren reiche Ausstattung mit Grund und Abgaben die Bestimmung als zentrale Erinnerungsstätte der Familie und Reichskloster verrät. Doch schon stufte sie Heinrich II. († ), der letzte ottonische Kaiser, zur Propstei der ost‐ hessischen Abtei Hersfeld herab – Anzei‐ chen eines rapiden Bedeutungsverfalls. Der Ort fesselt die Forschung seit Langem, denn wo sich die Pfalz und deren Kirche mit Ottos Herz genau befanden, ist bis heu‐
Schauplätze der Ottonenzeit in SachsenAnhalt, die aktuell im Fokus der Forschung stehen: Memleben, die Altenburg bei Großwangen (Ortsteil von Nebra) und Helfta (Ortsteil von Lutherstadt Eisleben).
te nicht geklärt. Das Kloster entstand si‐ cherlich in der Nähe, aber nicht unbedingt innerhalb der Pfalz. Frühere Ausgrabungen hatten die Re‐ likte einer gewaltigen Kirche erfasst, die den hohen Anspruch der Klostergründung des späten . Jh. bestätigt: Eine dreischif‐ ige Doppelchorbasilika von m Länge und m Breite mit zwei Querhäusern, die mit hochrangigen Sakralbauten etwa in Köln – insbesondere mit dem alten Kölner Dom – oder Trier vergleichbar ist und, nach der grundlegenden Erschließung durch den Kunsthistoriker Gerhard Leopold, als ein »Leitbauwerk ottonisch‐imperialer Klosterbaukunst« gilt. Bisher war aller‐ dings ungewiss, ob das Gotteshaus vor sei‐ ner Aufgabe zugunsten der bis heute als Ruine erhaltenen Propsteikirche des . Jh. je fertiggestellt worden war. Die neuen Forschungen bringen wichtige Einsichten zu der monumentalen Klosterkirche, zu ih‐ rem Friedhof und dem weiteren Umfeld bei. Die an den Grundmauern der Kirche be‐ obachteten Baunähte und ‐fugen sowie große Qualitätsunterschiede in der Aus‐ führung lassen mehrere Bauabschnitte er‐ kennen. Das auf Basis einer einheitlichen Planung ausgeführte Großprojekt ent‐ stand nicht in einem Zuge. Das Bodenni‐ veau der östlichen Chorkrypta mit einem mehrlagig erhaltenen massiven Sockel lag über m tiefer als das der nördlichen Ne‐ benapsis. Diese wiederum wies, ähnlich wie die Fundamente der südlichen Ne‐ benapsis, Reparaturen wegen Setzungser‐ scheinungen auf, da die Gründungen der beiden nachträglich angebauten Apsiden unzureichend waren. Aufschluss über die Binnengliederung der Kirche lieferten ei‐ ne Mauerunterlage, die von einer Chor‐ schranke stammen dürfte, sowie ein ge‐ schlossener Fundamentzug im Langhaus zwischen den Vierungen als Sockel einer Mittelschiffsarkade. Die Kirche war in zentralen Bereichen fertiggestellt und wurde wohl auch ge‐ nutzt. Das bestätigen ein beschrifteter Wei‐ hestein, der auf eine erneute Aufwertung Memlebens in den er‐Jahren unter dem salischen Kaiser Heinrich IV. ( – ) schließen lässt, sowie ein Kopfni‐
Blick von Westen über das Klostergelände in Memleben mit der Untersuchungsfläche von 2022 im nachgepflasterten Grundriss der ottonischen Kirche in der Bildmitte. Links hinten die Ruine der Klosterkirche des 13. Jh. mit der erhaltenen Klausur, ganz links die Unstrut.
Isometrische Rekonstruktion der ottonischen Monumentalkirche in Memleben über Aufmaß und Quadrantennetz (5 × 5 m) sowie mit farblich abgesetzten Profilen und Untersuchungsflächen der aktuellen Ausgrabungen.
schengrab innerhalb des östlichen Quer‐ hauses. Die Radiokarbondatierung der Skelettreste des dort bestatteten Mannes auf / belegt die Nutzung der Kir‐ che sogar noch im . Jh. Besonders span‐ nend ist ein bei den Grabungen freigeleg‐ ter Mauerzug neben der Nordostecke der Kirche, der erstmals auf eine vor die Klos‐ tergründung zurückreichende Vorgänger‐ bebauung des . Jh. hinweist. Ob diese zur Pfalz oder gar zu deren Kirche gehörte, werden weitere Ausgrabungen erweisen. Mysteriöse Großburg über der Unstrut Memleben liegt im fruchtbaren Ried der Unstrut gleich unterhalb der Gebirgszüge des Ziegelrodaer Plateaus und der Finne, durch die sich der Fluss seinen Weg bahnt. Über dem schroffen Unstrutdurchbruch, nur , km vom Kloster Memleben ent‐ fernt, be indet sich die Altenburg von Ne‐ bra‐Großwangen, eine der größten früh‐ geschichtlichen Wallanlagen in Sachsen‐ Anhalt. Ihre Lage und ungewöhnlichen Ausmaße haben wiederholt Anlass gege‐ ben, der Wehranlage eine Beziehung zum ottonischen Herrschaftskomplex bei Mem‐ leben zuzusprechen, bis hin zur Überle‐ AiD 3 | 2023
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Forschung Mittelalterliche Kaiser zwischen Harz und Unstrut gung, die Altenburg selbst könne Standort der Pfalz gewesen sein. Man hat hier aber auch den Sitz der Thüringerkönige des . Jh. sowie die Befestigung des Thürin‐ gerherzogs Radulf gesucht, der sich in den er‐Jahren gegen die fränkischen Mero‐ winger erhob. Laufende Feldforschungen sollen die vielen Fragen an das eindrucks‐ volle Monument beantworten. Auf einem steil aufragenden Bergsporn befestigen Wälle und Gräben ein Terrain von etwa m Längsausdehnung und bis zu m Breite. Einer etwa rechteckigen Hauptburg von über m Durchmesser ist im Osten eine Vorburg vorgelagert. Die Angriffsseite im Westen, auf der der Sporn an der Hoch läche ansetzt, wird durch drei hintereinander gestaffelte, von Gräben er‐ gänzte Abschnittswälle geschützt, deren mächtigster noch heute gut m Höhe er‐ reicht. Hohlwege durchqueren die Anlage und deuten an, dass die alte Fernstraße längs der Unstrut direkt durch die Forti i‐ kation führte. Die mit über ha Fläche ge‐ waltige Burg reicht, so zeigen unsere For‐ schungen, in ihren wesentlichen Elemen‐ ten in ottonische Zeit zurück. In der Vor‐ und in der Hauptburg ver‐ teilen sich in weiter Streuung einige Gru‐ benhäuser, Vorrats‐ und Wirtschaftsgru‐ ben sowie eine mit über m Länge sehr ansehnliche Hausstelle mit zwei Herden. Ferner gibt es Stein‐ und Lehmkuppel‐ öfen sowie Pfostenlöcher als Zeugen eben‐ erdiger Bebauung. Bereits wurde ein
kleiner Friedhof freigelegt. Charakteristi‐ sche Funde aus den Siedlungsobjekten – Keramik überwiegend mittelslawischer Art, Tierknochen, Metallsachen wie Lanzen‐ teile, Messer, das Bruchstück eines Bunt‐ metallkreuzes und ein Reitersporn – er‐ möglichen eine Datierung in das . Jh. Die Burg wurde also genutzt, aber keines‐ falls in einem Ausmaß, welches ihre unge‐ wöhnliche Größe gerechtfertigt hätte. Um die Jahrtausendwende wurde alles wieder aufgegeben. Insbesondere deckten die Ausgrabun‐ gen auf, dass es sich bei der Befestigung der
Digitales Geländemodell (Basis: Airborne Laserscanning) der Altenburg. Zentral ist die Hauptburg sichtbar, östlich davon die Vorburg, im Westen sind der Hauptburg drei Abschnittswälle mit Gräben vorgelagert. Gut erkennbar sind auch die Hohlwege, die die Burg von Ost nach West durchziehen.
Luftbild der Altenburg bei Großwangen von Osten mit Grabungsschnitten von 2022. Vorn die Vor-, hinten die Hauptburg, die WallGraben-Züge auf der Angriffsseite verbergen sich im dahinter liegenden Wald. Rechts der Unstrutdurchbruch, dahinter öffnet sich das Tal ins untere Unstrutried.
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Hauptburg nicht um einen zeittypischen Holz‐Erde‐Wall mit Trockenmauerfront handelte, sondern dass hier vor ungefähr Jahren eine imposante freistehende Mörtelmauer errichtet worden war, die sich im Waldboden exzellent erhalten hat: Die über m lange, bis zu , m breite und noch bis zu , m Höhe erhaltene, ur‐ sprünglich weit höhere Mauer mit gesetz‐ ten Schalen und Stein‐Mörtel‐Gusskern war eine gigantische Bauleistung, an der Hunderte von Menschen über viele Mona‐ te gewirkt haben müssen. Sie gehört nicht nur zu den ältesten profanen Mörtel‐Stein‐ bauten Mitteldeutschlands, sondern stell‐ te im weiten Umkreis auch den großar‐ tigsten Wehrbau dieser Art dar. Von wem und zu welchem Zweck wur‐ de dieser ungeheure Aufwand betrieben? Die Nähe der Befestigung zu Memleben, ih‐ re Datierung in das . Jh., ihre kolossalen Ausmaße und die Mörtelmauer – die zeit‐ gleiche Analogien nur bei den wichtigsten Burgen und Pfalzen indet – legen eine ot‐ tonische Initiative nahe, wobei am ehesten die Kaiser Otto I. oder sein Sohn, Otto II., als Bauherren in Betracht kommen. Da sich weder Palastbauten noch die für Königs‐ höfe typischen dichten Siedlungsstruktu‐ ren nachweisen lassen, ist die Altenburg sicherlich nicht mit der Pfalz selbst zu iden‐ ti izieren. Allerdings gehörten zu solchen häu ig nahegelegene, dem Schutz dienen‐ de Burgen, und in diesem Sinne war die Al‐ tenburg gewiss ein zentrales Element des ottonischen Herrschaftszentrums Mem‐
leben. Das erklärt freilich noch nicht die Größe und den hohen Ausbaugrad der Burg. Als Refugium für die Bevölkerung der Umgebung im Gefahrenfalle ergibt ih‐ re Lage direkt an einem wichtigen Weg von und nach Osten keinen Sinn; für eine Burg, die vorwiegend als Wegesperre diente, war ihre Größe hingegen eher von Nach‐ teil, denn eine ganze Armee war zur Ver‐ teidigung einer Forti ikation dieser Di‐ mension notwendig. Möglicherweise hatte einer der Ottonenherrscher weitergehen‐ de Pläne mit dem Memlebener Herr‐ schaftskomplex, die keine Verwirklichung fanden – dessen jäher Bedeutungsverlust bereits unter Heinrich II. wird auch durch das Ende des Reichsklosters erkenn‐ bar. Zuvor kam Memleben aber offen‐ sichtlich eine größere Relevanz zu als bis‐ her gedacht. Kaiserpfalz im Maisfeld Fragen zur Verortung eines Schauplatzes der ottonischen Reichsgeschichte ergaben sich auch in Helfta bei Lutherstadt Eisle‐ ben, gut km nördlich von Memleben. Hier überliefert das Zehntverzeichnis der Reichsabtei Hersfeld im späten . Jh. die »Helphideburg«, einen administrativ‐mi‐ litärischen Stützpunkt in der fränkischen
Landesorganisation. Aufenthalte des ers‐ ten und des zweiten Ottos belegen Helftas Charakter als Pfalz im . Jh. Eine Urkun‐ de von und der Chronist Thietmar von Merseburg († ) berichten, dass Otto der Große hier eine Kirche stiftete, der hei‐ ligen Thüringerprinzessin Radegundis († ) widmen ließ und bei ihrer Einwei‐ hung durch Bischof Bernhard von Halber‐ stadt († ) persönlich anwesend war. Jahrzehntelange Bemühungen der Hei‐ matforschung und Landesarchäologie konnten das frühmittelalterliche Herr‐ schaftszentrum auf den beiden Anhöhen »Kleine Klaus« und »Große Klaus« west‐ lich Helftas lokalisieren. Geophysikalische Prospektionen und die aktuellen Ausgra‐ bungen erbringen nun Gewissheit und De‐ tails: Unter dem unauffälligen Maisfeld sind Relikte ausgedehnter Wall‐Graben‐ befestigungen der Karolinger‐ und Otto‐ nenzeit, von Grubenhäusern und ander‐ weitigen Siedlungsobjekten erhalten, über‐ dies die Reste der spätmittelalterlichen Niederadelsburg Helfta und nicht zuletzt solche der Pfalz: Mit der Freilegung der Ra‐ degundiskirche und des Palastgebäudes gelingt die Wiedergewinnung einer gänz‐ lich verschwundenen ottonischen Resi‐ denzanlage.
Blick auf Helfta von Südwesten während der Ausgrabungen im Sommer 2022. Vorn die »Kleine Klaus« mit den Grabungsschnitten, links benachbart die »Große Klaus«, dahinter die heutige Ortschaft, links im Hintergrund die für das Mansfelder Land typischen Abraumhalden.
Die Ausgrabungen erfassten eine etwa m lange, dreischif ige und kreuzförmi‐ ge Basilika, die auf eine ältere, wenigstens einmal erneuerte Saalkirche ebenfalls be‐ reits erheblicher Ausmaße mit rechtecki‐ gem Chor und halbrunder Apsis zurück‐ ging. Die absolute Datierung der Baupha‐ sen ist derzeit Gegenstand bautypologi‐ scher und naturwissenschaftlicher Analy‐ sen. Die Kirche war noch im Mittelalter auf‐ gegeben und später gründlich abgetragen worden. Trotzdem blieben außer Aus‐ bruchgruben auch Fundamente und mäch‐ tiges Packwerk erhalten. Innerhalb und im Umfeld des Gotteshauses ruhten zahlrei‐ che Tote – gut Bestattungen kamen ans Tageslicht. Sie datieren im Schwerpunkt in das . bis ./ . Jh., wie die häu igen, für jene Zeitspanne typischen Kopfni‐ schengräber, aber auch viele für das ./ . Jh. charakteristische Schmuck‐ und Trachtbeigaben zeigen: emailverzierte Fi‐ beln, Riemenzungen, Ohrringe. Elitären Kontext bestätigen gut zwei Dutzend Tote in steingesetzten Grüften, insbesondere ein vier‐ bis fün jähriges Kind in einem Kopfnischensarkophag aus Muschelkalk, das wohl einer hochadeligen Familie der Ottonenzeit angehörte. Das Hauptgebäu‐ de der Pfalz, das Palatium, erhob sich in
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Forschung Mittelalterliche Kaiser zwischen Harz und Unstrut
Nordostansicht (Structure from Motion-Modell) des Palastgebäudes des 10. Jh. in der Pfalz Helfta. Gut erkennbar ist der lang-rechteckige Grundriss mit Unterteilungen, ein Annex (?) mit einem Eingang in der Nordwest- sowie der Haupteingang mit einer in ein Souterrain führenden Treppe in der Südostecke. An der Südwand schließt der Ofen der Luftheizung an.
prominenter Posi‐ tion gleich nordwest‐ lich der Kirche. Das mit m Länge und bis m Breite sehr große, in diverse Räume unterteilte und ehemals zweistöckige Gebäude kann mit seinen vermörtelten Sand‐ und Kalk‐ steinmauern, sorgfältig verputzten Wänden und mehreren Eingängen – da‐ runter einer ins Souterrain führenden Treppe – als ein zentrales Element des ot‐ tonischen Pfalzkomplexes aufgefasst wer‐ den. Eine aufwendige Heizanlage belegt Wohnkomfort. In einer Zeit, in der man ge‐ meinhin mit Holz und Lehm baute und Pfosten‐ sowie kleine Grubenhäuser das Bild bestimmten, muss der Palast mit sei‐ nen Ausmaßen und Steinmauern einen großen Eindruck gemacht haben. Hier dürften sowohl Otto der Große als auch sein Sohn bei ihren überlieferten Besuchen in Helfta residiert haben – es war das Hauptgebäude des kaiserlichen Hofes (curtis imperialis) zu »Helpidi«, der am . Juni in der bereits angesprochenen, in Azzano in Umbrien (Italien) ausgestell‐ ten Urkunde Ottos des Großen Erwähnung fand. Damals übertrug der Kaiser die Helf‐ taer Kirche an das Bistum Merseburg. Versunkene Säulen kaiserlicher Macht Die Herrschaftszeit der Ottonen, die in der europäischen und deutschen Geschichte als Ausgangspunkt vieler bis heute wirk‐ samer Entwicklungen eine wichtige Stel‐ lung einnimmt, lässt aufgrund der noch vergleichsweise geringen schriftlichen Überlieferung Fragen offen, für deren Be‐ antwortung archäologischen Forschungen eine besondere Bedeutung zukommt. Die hier geschilderten Untersuchungen von Schauplätzen dieser Epoche weisen mit‐ hin stets über Ort und Region hinaus: So 12
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Kopfnischensarkophag in der Helftaer Kirche mit dem Skelett eines vier- bis fünfjährigen Kindes, das zum Hochadel der Ottonenzeit gehört haben dürfte.
werfen sie Schlaglichter auf die architek‐ tonische Repräsentation von Herrschaft, der hohe Relevanz zukam, weil eine weit‐ hin schriftlose Gesellschaft solcher Ver‐ anschaulichung besonders bedurfte und die Basis der Königsmacht institutionell noch eher schwach sowie beständig neu auszuhandeln war. Dass dies oft genug mit Gewalt erfolgen musste, führt der enorme Aufwand vor Augen, der in Befestigungen der Pfalzen oder in mit diesen assoziierte Burgen investiert wurde. Besonders die Al‐ tenburg lässt die hohen Ansprüche erah‐ nen, die Freund und Feind an königliche Wehrbauten – Symbole und zugleich In‐ strumente der Macht – stellten. Die Sa‐ kralbauten von Memleben und Helfta be‐ zeugen wiederum eine weitere Basis otto‐ nischer Herrschaft: deren Legitimation durch den christlichen Glauben. Monumentale Bauwerke wie die Mem‐ lebener Kirche oder die Altenburger Mau‐ er gewähren zugleich Einsichten in die praktisch‐materiellen Grundlagen des Kai‐ sertums: Der Herrscher war in der Lage, enorme Kräfte zu mobilisieren, und er hat‐ te Zugriff auf das notwendige Know‐how. Die Errichtung steinerner Befestigungs‐
oder auch sakraler Großbauten war zwischen Harz und Elbe nicht sehr verbreitet, doch der Kaiser vermochte Baumeister aus dem riesigen, Süd‐ und Westdeutschland, Lothringen sowie Teile Italiens umfassenden Reich heranzubrin‐ gen und so Traditionen der Antike auch dort fruchtbar zu machen, wo sie nicht existierten.
logische, bau/ und kunstgeschichtliche Stu/ dien, aDNA/Untersuchungen zur Auhel/ lung von Verwandtschaftsbeziehungen, verschiedenste Varianten naturwissen/ schaftlicher Datierungen, Analysen von Baustoffen, botanischen und zoologischen Relikten und Ähnliches umfassen. So sind fortwährend neue Erkenntnisse über die lichen und militäri/ militäri politischen, wirtschaftlichen iesem Kern/ schen Strukturen in diesem hes zu u er/ raum des Ottonenreiches warten.
Ottonenzeitliche Scheibenfibeln von Helfta. Die mit Glasfluss verzierten, mit 1,7 bis 1,8 cm Durchmesser nur kleinen Spangen waren nicht nur Trachtutensil und Zierrat, sondern bekräftigten mit ihren kreuzartigen Ornamenten auch das Bekenntnis zum christlichen Glauben.
Zum Forschungsprojekt Die Forschungen zur Ottonenzeit in Sachsen-Anhalt werden vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie SachsenAnhalt (LDA S-A) mit Kooperationspartnern (Memleben: Universität Halle-Wittenberg, Hochschule Anhalt-Dessau, Stiung Kloster und Kaiserpfalz Memleben; Großwangen, Hela: Universität Stettin / Szczecin) realisiert. An den Feld- und Auswertungsarbeiten sind neben den Autoren unter anderem Dr. Gerrit Deutschländer (Geschichte), Mikko Heikkinen (Geophysik), Thomas Koiki (Grabungstechnik), PD Dr. Jörg Orschiedt (Anthropologie) und Robert Prust (Dokumentation) (alle LDA S-A), Dr. Harald Ringbauer (Genetik) vom Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie in Leipzig, Matthias Zötzl (Mineralogie) vom Institut für Diagnostik und Konservierung an Denkmalen in Sachsen und Sachsen-Anhalt (Halle / Saale) sowie das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie in Mannheim (Radiokarbondatierung, archäometrische Studien) beteiligt.
DAS LEBEN DES
BODI EINE FORSCHUNGSREISE I N S F R Ü H E M I T T E L A LT E R 23. 3. – 15. 10. 2023 Gefördert durch:
T I C K E T S . L M B . LV R . D E
Bildungspartnerin:
Siegelring des Bodi, Merowingerzeit, © LVR-LandesMuseum Bonn, Foto: oto: Lothar Loth Kornblum
Die archäologischen Befunde entfal/ ten ihre ganze Aussagekraft durch die kunst/ und baugeschichtliche Kontextua/ lisierung im europäischen und epochen/ übergreifenden Rahmen, ihre Verknüp/ fung mit den Schriftüberlieferungen sowie durch systematische Kleinraumuntersu/ chungen. So wirft die bemerkenswerte Konstellation von Kloster Memleben und Großwangener Altenburg Fragen nach der Bedeutung jenes Pfalzortes an der Unstrut für die ottonischen Könige und Kaiser auf, die nur mit weiteren archäologischen For/ schungen einer Lösung näherzubringen sind. Die wiederholt geäußerte Hypothe/ the/ ben se, der Tod zweier Herrscher in Memleben tige sei mehr oder minder Zufall, der dortige Königshof eher nachrangig gewesen, ver/ liert bereits jetzt an Plausibilität. Die bau/ lichen Spuren in Helfta vermögen ebenfalls falls gen dessen Geltung nachhaltiger zu bezeugen als die Schriftquellen, deren geringe Zahl f sogar zuweilen Zweifel am Charakter Helf/ tas als Pfalz hervorgerufen hatte. Die hier vorgestellten Feldforschungen, gen, die sämtlich fortgesetzt werden, gehen mit Auswertungsarbeiten einher, die archäo/ häo/
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Weltweit Nordarabien in der Bronzezeit
Gräber rund um die Oase Tayma Tayma ist eine der bedeutendsten Oasen im Nordwesten der Arabischen Halb insel. In einem multidisziplinären Forschungsprojekt werden nun die Begräb nissitten ihrer Bewohner untersucht. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf der ausgehenden frühen bis mittleren Bronzezeit (ca.
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v. Chr.), einer
der Blütephasen von Tayma. Von Arnulf Hausleiter
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or mehr als Jahren sind in Tay‐ ma erste Anzeichen einer Kultivierung von Wein und Feigen nachzuweisen. Ei‐ ne dauerhafte Siedlung im Zentrum der früh massiv ummauerten Oase wurde spä‐ testens vor Jahren etabliert. Ausgra‐ bungen der Orient‐Abteilung des Deut‐ schen Archäologischen Instituts (DAI), die im Rahmen eines von der Deutschen For‐ schungsgemeinschaft (DFG) inanzierten Langfristprojekts zwischen und durchgeführt wurden, erbrachten neue Er‐ kenntnisse zur Siedlungs‐ und Umweltge‐ schichte, welche die Rekonstruktion der Oasenwirtschaft im Nordwesten der Ara‐ bischen Halbinsel auf eine neue Grundla‐ ge stellten.
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V.A.E.
Seit dem Beginn der Oasenwirtschaft vor Jahren nahm die Geschichte von Tayma eine beispiellose Entwicklung hin zu einem Ort, der über Jahrtausende mit den umliegenden Plätzen und Regionen kulturelle, wirtschaftliche und soziale Kon‐ takte p legte. Die bisherige, durch meso‐ potamische Texte und biblische Quellen auf das . Jt. v. Chr. fokussierte Rezeption steht nun in einem völlig neuen histori‐ schen Gesamtkontext. Außerhalb der Mau‐ ern, insbesondere im Gebiet südlich der Oase, das durch sein unterschiedlich stark ansteigendes Relief charakterisiert ist, be‐ fanden sich Reste Tausender Grabanlagen. Archäologische Ausgrabungen fanden in Tayma erstmals statt – durch die
Plan der Oase von Tayma im Nordwesten Arabiens mit dem Industriegebiet (Sana’iye) sowie den Friedhöfen al-Nasim und RujumSa’sa‘.
Antikendirektion Saudi‐Arabiens. Die Aus‐ dehnung der modernen Stadt vom Zen‐ trum inmitten der Oase in die umliegen‐ den Bereiche führte insbesondere im In‐ dustriegebiet von Tayma (Sana’iye) ab den späten er Jahren zur wissenschaftli‐ chen Erforschung von Grabkomplexen, die unmittelbar außerhalb der bronzezeitli‐ chen Stadtmauer lagen. Die Ausgrabungen im Industriegebiet erbrachten kreisförmige Gräber, an die rechteckige Kammern in unterschiedli‐ chen Formen, Größen und Kombinationen angebaut waren. Des Weiteren wurden Reihen von Kammern festgestellt, die se‐ parat errichtet worden waren. Diese Gra‐ bungen nahmen einerseits den Keramik‐ befund von Tayma vorweg, der später durch stratigra ische Beobachtungen der DAI‐Grabungen in der Siedlung erzielt wurde; andererseits wurden hier Hinwei‐ se auf interkulturelle Kontakte der Oase erkennbar – in Form von ägyptischen Amuletten aus Fayence (so genannte Ud‐ jat‐Augen) oder eines erst vor Kurzem
publizierten altbabylonischen Rollsiegels ( .– . Jh. v. Chr.), das vermutlich aus Sip‐ par am Euphrat nach Tayma gekommen sein dürfte. Von Notgrabungen zu spektakulären Befunden Die rasche städtebauliche Erschließung auch des Gebiets südlich der ummauerten Oase vor etwa zehn Jahren (al‐Nasim), führte zu weiteren Notgrabungen der An‐ tikenverwaltung. Der größte Teil der iden‐ ti izierten Gräber bestand hier aus iso‐ liert stehenden Rundbauten; größere Komplexe wie im Industriegebiet wurden seltener angetroffen. Das DAI beteiligte sich seit an die‐ sen Grabungen und legte vier kreisförmi‐ ge Gräber mit kreuzförmiger Kammer frei. Ein besonders gut erhaltenes Grab enthielt das Skelett eines männlichen Erwachse‐ nen, dessen Körperteile möglicherweise vor der Bestattung voneinander getrennt worden waren. Aufsehen erregten zwei Bronzewaffen aus Gräbern, die an den
Übergang von der Früh‐ zur Mittelbron‐ zezeit (ca. v. Chr.) datiert werden: eine Fensteraxt des »breiten Typs« und ei‐ ne Lanzenspitze mit langer Tülle. Derartige Zeremonialobjekte sind in Gräbern der Levante und Syriens als »Sta‐ tuswaffen« bekannt, zu denen auch diese Funde typologisch passen. Eine metallur‐ gische Analyse der Fensteraxt deutete al‐ lerdings auf die omanische Halbinsel als Ursprung für das Kupfererz. Der Fund die‐ ser Waffen zeigt in jedem Falle an, dass ver‐ gleichbare Sitten weit über das Gebiet der Levante hinaus verbreitet waren und da‐ mit eine kulturelle Vernetzung mit dem Nordteil der Arabischen Halbinsel bereits zu dieser Zeit bestanden haben muss. Die Datierung des Skeletts mittels C‐Datie‐ rung bestätigte die Belegung der Anlage zu jener Zeit – bei den Waffen handelte es sich also nicht um Erbstücke früherer Perioden. Ein ähnlicher Befund wurde bereits bei den Grabungen der Antikenverwaltung in Sana’iye gemacht, doch waren die Objek‐ te dort in sekundärem Kontext gefunden
Überreste eines Grabbaus, sogenanntes keyhole, das heißt kreisförmiges Grab mit Annex. Im Hintergrund die moderne Bebauung von Tayma.
worden. Die archäometallurgischen Ana‐ lysen dieser Waffen wiesen auf das Wadi Arabah mit den Minen in Timnah oder Fay‐ nan (heute Israel bzw. Jordanien) als Ur‐ sprung des Kupfererzes. Zusammen mit Analyseergebnissen aus anderen Fundor‐ ten Nordwestarabiens, wie Qurayyah, in der Nähe der jordanischen Grenze, sind hier Anzeichen für einen weitgespannten Metallhandel am Übergang von der frühen zur mittleren Bronzezeit erkennbar. Im Kontext der Notgrabungen nahmen Antikenverwaltung und DAI den weiter südlich gelegenen Bereich in den Fokus, das Fundgebiet von Rujum Sa’sa‘. Auf se‐ lektive Grabungen der Antikenverwaltung Anfang der er‐Jahre folgte ein Survey unter Beteiligung des DAI. Identi‐ iziert wurden Anlagen, vor allem ein‐ zelne Gräber in Kreisform, aber auch ver‐ einzelte Komplexe wie im Industriegebiet. Die saudi‐arabische Antikenverwaltung führte im Jahr in diesem Gebiet Not‐ grabungen durch, denn inzwischen hatte man begonnen, einen m breiten Ent‐ AiD 3 | 2023
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Weltweit Nordarabien in der Bronzezeit
wässerungskanal quer durch das Gebiet zu bauen, der die moderne Siedlung vor den Auswirkungen von Starkregenereignissen schützen sollte. Das Vorhaben wurde al‐ lerdings nach m auf Intervention der Antikenverwaltung gestoppt. In diesem Spannungsfeld setzte das neue Projekt der Orient‐Abteilung an, das sich unter dem Titel »Funeräre Land‐ schaften, Kontakte und Mobilität in der Bronzezeit Nordwestarabiens« erstmalig systematisch den Bestattungssitten der Oase von Tayma im . und . Jt v. Chr. wid‐ met. Wie bei den vorausgehenden Projek‐ ten in Tayma kooperieren auch hier das DAI und die Antikenverwaltung Saudi‐Ara‐ biens, gefördert von der DFG. Quadratkilometer mit Gräbern Tayma ist eine der wenigen Siedlungen Nordwestarabiens mit dazugehörigem Gräberfeld, das sich einst über eine Fläche von bis zu km erstreckt haben könnte. Eine besonders dichte Konzentration von bis zu Anlagen be indet sich im Ge‐ 16
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biet Rujum Sa’sa‘, südlich des Distrikts von al‐Nasim. Diese einst obertägigen Bauten waren aus grob behauenen Sandsteinen errichtet, der dort ansteht. Ihre Reste sind heute als Hügel erkennbar, die aus dem Schutt der einst aufgehenden Mauern be‐ stehen. Mittels Satellitenaufnahmen oder Drohnenbe liegungen konnten sie exakt lokalisiert werden. Erste Beobachtungen zu den Überres‐ ten von Grabbauten von Tayma verdanken wir Forschungsreisenden, wie den fran‐ zösischen Dominikanern Antonin Jaussen und Raphael Savignac, die die Oase besuchten. Sie lieferten erste Zeichnungen der von ihnen als »tumuli« bezeichneten Grabbauten und veröffentlichten Fotogra‐ ien. Eines dieser Fotos, welches das Grä‐ berfeld von Rujum Shohar zeigt, vermittelt einen anschaulichen Eindruck von einer Grablandschaft in der Wüste Nordwest‐ arabiens. Dabei ist der zylindrische Au bau der Grabbauten zu erkennen, die andern‐ orts als Turmgräber (engl. »Tower Tombs«) Eingang in die Forschungsliteratur fanden.
Langrechteckiger Grabbau mit mehreren Nutzungsphasen.
In der Tat konnten die stratigra ischen Be‐ obachtungen der Grabungen des Projekts »Funeräre Landschaften« nachweisen, dass es sich bei der Substanz der »Grab‐ hügel« um den Verfall einstmals aufge‐ henden Mauerwerks handelt. Die schiere Anzahl und Dichte der durch Satelliten‐ aufnahmen lokalisierten Anlagen zeigt, wie effektvoll diese Bauten die Grablandschaft in Szene setzten. Das Projekt konnte also auf Vorarbei‐ ten au bauen, war aber gleichzeitig mit der Situation konfrontiert, dass die Landschaft über lange Zeiträume genutzt wurde – zu‐ letzt von mobilen bzw. teilsesshaften Grup‐ pen –, und dass sie Gegenstand von Er‐ schließungsmaßnahmen war, verursacht durch das rapide Wachstum der modernen Siedlung. Auf der anderen Seite hatte die Antikenverwaltung nichts unversucht ge‐ lassen, diese wichtige Kulturlandschaft zu schützen. So hat man große Flächen von Rujum Sa’sa‘ als archäologische Schutzge‐ biete ausgewiesen und eingezäunt, um die archäologischen Reste zu schützen.
Ein neues Projekt – Vorbereitung und Durchführung Vor Beginn der Grabungen wurden zwei weitere intensive Surveys durchgeführt mit dem Ziel, das Ausmaß von Störungen an den Grabanlagen abschätzen zu können. Sie konzentrierten sich auf die beiden größten Schutzzonen südlich der Oase, die noch keine moderne Bebauung aufwiesen. Die Ergebnisse führten zur Entwicklung ei‐ nes Kriterienkatalogs, der als Richtschnur für die Auswahl von Grabanlagen für die Ausgrabungen diente. Von Bedeutung für die Planung war auch die bereits erfolgte Klassi izierung der Bauformen von Grab‐ anlagen in Tayma, die erste Anzeichen für die Häu igkeit des Vorkommens, die Ver‐ teilung und den Erhaltungszustand der Anlagen bot, aber auch für Größe und Bau‐ technik. Zu erwarten waren demzufolge langrechteckige Mehrkammergräber von einer Länge von mehr als m, große Kreisgräber aus bis zu drei Mauerringen teils unterschiedlicher Höhe und mit einer zentralen Kammer und einem Durchmes‐ ser von m sowie kleinere Gräber mit kreuzförmiger Kammer mit einem Durch‐ messer von bis zu m. Weniger klar wa‐ ren hingegen die Informationen zum Be‐ fund der menschlichen Überreste in den Gräbern in Form von Knochenresten.
Erste Versuche einer Datierung waren durch die allgemeine Ähnlichkeit mit kreis‐ förmigen Grabanlagen auf der Arabischen Halbinsel gegeben, die auf neolithische Bauformen Bezug nehmend im . und . Jt. v. Chr. verbreitet waren. Eine zeitgleiche Belegung der Gräberfelder wurde durch
Grabanlage mit mehreren Mauerringen und insgesamt sechs Kammern, möglicherweise nachträglich umgebaut. Kreisrundes Grab mit kreuzförmiger Kammer, wie sie im Ostteil vom Rujum Sa’sa‘ überwiegen.
die Ober lächenkeramik suggeriert, die mit den bronzezeitlichen Waren aus den Sied‐ lungsgrabungen konform ging. Die Ausgrabungen zwischen und erfassten Anlagen, die mit den Befunden aus al‐Nasim eine Gesamtzahl von systematisch erforschten Gräbern ergeben. Die Forschungen des Kooperati‐ onsprojekts zielten darauf ab, die mensch‐ lichen Skelettreste mit den Methoden der Bioarchäologie systematisch zu doku‐ mentieren und zu analysieren. Neben der Mindestanzahl der in einem Grab identi i‐ zierten Individuen werden das Alter zum Todeszeitpunkt, Geschlecht sowie Merk‐ male von Krankheit, Zivilisationsstress und epigenetische Eigenschaften erfasst. Zusammen mit den archäologischen In‐ formationen zum Bestattungskontext er‐ möglicht die Auswertung dieser Daten, die Nutzungsgeschichte der Gräber relativ ge‐ nau nachzuzeichnen und damit Anzeichen für ein soziale Differenzierung innerhalb der Gruppen zu identi izieren, die ihre To‐ ten in den Gräbern bestatteten. Von be‐ sonderem Interesse ist die kulturelle Iden‐ tität der Verstorbenen und ihre Lebens‐ weise, waren kreisrunde Grabbauten doch bereits seit dem Neolithikum von mobi‐ len Hirten in der gesamten Region errich‐ tet worden.
Diese Informationen werden mit den topogra ischen Merkmalen der archäolo‐ gischen Landschaft verknüpft, in denen die Gräber angelegt waren und ein Ort der Trauer und der Totenp lege waren. Die schiere Anzahl der Gräber ließ die Frage au kommen, ob hier allein Bewohner der
Zum Projekt Zu den interdisziplinären Forschungen der Orient-Abteilung des DAI in Nordwestarabien gehören die Projekte »Archäologie der Oasenstadt Tayma« sowie »Funeräre Landschaen, Kontakte und Mobilität in Nordwestarabien während der Bronzezeit«, als Kooperation mit der Heritage Commission des Kulturministeriums von Saudi-Arabien und gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinscha (DFG). Bauwerkserhalt-Projekte mit dem Ziel der präventiven Konservierung werden aus Mitteln des DAI sowohl in der Siedlung als auch im Gräberfeld von Tayma durchgeführt. In der Oase von al-Ula, ca. 150 km südwestlich von Tayma, begannen nun zwei neue Projekte, die von der Royal Commission for AlUla finanziert werden: in der früh- bis mittelislamischen urbanen Siedlung von Qurh / al-Mabiyat und dem bronze-bis eisenzeitlichen Siedlungshügel von Tell Saq.
Oase bestattet worden waren oder Ange‐ hörige im Umfeld von Tayma aktiver mo‐ biler Gruppen. Architektonische Vielfalt Das Untersuchungsgebiet Rujum Sa’sa‘ ist durch ein nach Norden ließendes, peri‐ odisch Wasser führendes Flussbett, den Wadi Burayda‘, in zwei Zonen aufgeteilt.
Ausgrabungen fanden beiderseits davon statt. Im westlichen Bereich wurden elf Gräber untersucht; im östlichen Bereich, wo bereits der Survey des Jahres er‐ folgte, zehn. Die Befunde zeigen eine überraschen‐ de Vielfalt in der architektonischen Ge‐ AiD 3 | 2023
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Weltweit Nordarabien in der Bronzezeit Ausgrabungsarbeiten im Schuttkegel eines kreisförmigen Grabs im Westteil des Ruinengebiets von Rujum Sa’sa‘.
staltung. Gut erhaltene Kreisgräber mit bis zu 6m Durchmesser haben eine lang/ rechteckige bis ovale Kammer, orientiert von Nordwesten nach Südosten; neben einem äußeren Mauerring haben sie inne/ re Ringe unterschiedlicher Größe. Auch wenn nicht mehr alle Kammern bei den Anlagen dieses Grabtyps erhalten waren, so überwiegt dieser im Gebiet westlich des Wadis. Östlich des Wadis sind bislang zwei potenzielle Anlagen dieses Typs erfasst worden. Hier überwiegen eindeutig Anla/ gen mit bis knapp 4m Durchmesser, die ei/ ne kreuzförmige Kammer haben. Die Grä/ ber wurden auf dem Felsboden bzw. auf ei/ ner siltigen Schicht luviatilen Ursprungs errichtet und wiesen zuweilen Bodenplat/ ten auf, die vor der Errichtung der Kam/ mermauern ausgelegt worden waren. Ob diese Gräber zu den »Turmgräbern« zu zählen sind, ist zumindest zweifelhaft, denn es wurden hier zumindest in einem Fall Reste einer Abdeckung beobachtet, die bereits den oberen Abschluss des Grabes gebildet haben könnten. Dazu passt das ge/ ringere Schuttaukommen im Umfeld die/ ser Gräber. Diesem Typ zuzuordnen, doch ungleich größer angelegt, sind zwei Grä/ ber im westlichen Bereich, deren kreuz/ förmige Kammer nicht den Felsboden oder die Siltschicht erreicht, sondern eine ver/ mutlich intentionelle Aufschüttung von Bruchsteinen, die im Ergebnis zu einer Erhöhung der Anlage geführt hat. Zwei andere Gräber im Westteil und im Ostteil haben zwei bzw. sechs Kammern, wobei nicht auszuschließen ist, dass es sich 18
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in einem Fall um eine umgebaute Anlage handelt. Einen Sonderfall stellt die Über/ bauung eines kreisförmigen Grabs durch eine rechteckige Anlage insofern dar, als bisher davon ausgegangen wurde, dass die rechteckigen Anlagen den runden Gräbern chronologisch vorausgehen. In dem jün/ geren Bau wurden Hinweise auf mehrere Phasen entdeckt, die eine zeitliche Tiefe in der Nutzung andeuten. Auf prähistori/
Einzelbestattung in einem der Gräber von al-Nasim, darin eine Lanzenspitze und eine Fensteraxt aus Bronze.
sche Bauformen nimmt schließlich ein kreisförmiges Grab mit drei Mauerringen und einem trapezoiden Anbau Bezug. Es entspricht den so genannten »keyholes« oder »pendants«, die in anderen Oasen entlang von regelrechten Bestattungsstra/ ßen aufgereiht sind. Ob schließlich ein rechteckiges, nach allen Seiten offenes Bauwerk ein Grab ist, konnte noch nicht nachgewiesen werden. Bis zu fünf Individuen in einem Grab Die systematische Dokumentation des Grabbefundes einschließlich der mensch/ lichen Knochenreste zeigt, dass die aus dauerhaftem Material errichteten und weithin sichtbaren Bauten für die Bele/ gung mit mehreren Bestatteten genutzt wurden. Während die anthropologische Auswertung der Skelettreste noch andau/ ert, so ist jetzt schon zu beobachten, dass in manchen Gräbern bis zu fünf Individu/ en bestattet worden sein dürften. Neben Erwachsenen wurden auch Kleinkinder und Kinder beigesetzt. Einzelbelegungen sind dagegen offenbar die Ausnahme. Vor/ untersuchungen auf die Analysefähigkeit des Erbguts ielen aufgrund der Erhal/ tungsbedingungen negativ aus, sodass über die Verwandtschaftsverhältnisse der Bestatteten zueinander derzeit noch kei/ ne Aussagen gemacht werden können.
Bronzene Lanzenspitze mit langer Tülle und Fensteraxt aus dem Grab mit Einzelbestattung von al-Nasim.
Zu den wiederkehrenden Beigaben, welche den sozialen Status der Bestatte‐ ten markieren, gehören pro Grab jeweils Hunderte Mollusken vom Typ Kahnfüßer und Konusmuscheln sowie scheiben‐ bis zylinderförmige Steinperlen – vermutlich Bestandteile von Schmuck und Besatz. Bronzewaffen sind offenbar grundsätzlich weitaus häu iger vertreten, als es das mar‐ kante Vorkommen von Fensteräxten im Norden des Untersuchungsgebiet vermu‐ ten lässt, denn auch weit entfernt davon wurden Waffen oder Reste von Bronze‐ objekten in den Gräbern gefunden. Hin‐ weise auf rituelle Handlungen bei der Be‐ stattung lassen sich in Resten von Schaf‐
oder Ziegenknochen erkennen, die in man‐ chen Grabkammern beobachtet wurden. Keramik, die im Zusammenhang mit der Totenp lege am Grab deponiert worden sein könnte, ist dagegen selten in situ an‐ zutreffen. Die Datierung des Gräberfelds lässt sich bislang anhand von C‐Messungen am menschlichen Knochenmaterial nachvoll‐ ziehen. Dabei deutet sich eine frühere Be‐ legung im Westen des Wadis ( .– . Jh. v. Chr.) gegenüber einer späteren Nutzung östlich davon an (spätes . Jh.– . Jh. v. Chr.). Auch die vorgesehene Datierung aller ausgegrabenen Individuen wird gleichwohl nur Tendenzen abbilden. Der
Beigaben aus einem Kreisgrab östlich des Wadi: Mollusken (Kahnfüßer und Konusmuscheln) und Steinperlen.
Keramikbefund bestätigt diese ersten Be‐ obachtungen. Die Forschungen des Projekts haben wichtige Ergebnisse zur Deutung des Friedhofs der Oase erbracht und zeigen ein weitaus differenzierteres Bild der Bestat‐ tungspraxis als bisher. Die architektoni‐ sche Vielfalt der Binnengliederung kon‐ trastiert die relative Einheitlichkeit der äu‐ ßeren Formen und der Beigabensitte, die wiederum der Sichtbarkeit entzogen war – ganz im Gegensatz zu den dicht nebenei‐ nandergesetzten Bauwerken, von denen viele absichtsvoll auf Anhöhen und Fels‐ sporne gesetzt worden waren. Die Bau‐ formen mit ihren einheitlichen, nach au‐ ßen gerichteten Fassaden lassen vermu‐ ten, dass Abweichungen von der »Norm« nur in einem bestimmten Rahmen möglich waren. Im Unterschied zur frühen Bronzezeit nahm in der mittleren Bronzezeit mit den kleineren Anlagen mit kreuzförmiger Kammer die Einheitlichkeit zu. Die der‐ zeit noch nicht abgeschlossenen Untersu‐ chungen am menschlichen Knochenmate‐ rial werden weitere Aufschlüsse über die Gruppenzugehörigkeiten sowie die Er‐ nährungsgewohnheiten der Bestatteten liefern. Damit könnte auch die Frage be‐ antwortet werden, ob sich an der Schnitt‐ stelle zwischen der Oasensiedlung und der Wüstenlandschaft Menschen unterschied‐ licher Subsistenzformen bestatten ließen – möglicherweise im Bewusstsein einer fernliegenden gemeinsamen Vergangen‐ heit.
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THEMA Denkmal unter Strom Ob Solarfelder, Windräder oder Stromtrassen – die Energiewende ist in vollem Gang. Das betrifft auch allerorts die Bodendenkmalp lege, denn: Wo gebaut wird, bedarf es einer archäologischen Begleitung. Wir werfen daher einen Blick auf die Frage, was die Energiewende und der damit verbundene Landschaftsumbau für das Kulturerbe im Boden bedeutet und welche Auswirkungen sie insbesondere für den Schutz von Denkmalen, Fundstellen, Befunden und Funden mit sich bringt.
Von Ulf Ickerodt und Erich Claßen
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ie Energiewende ist ein Thema, das die archäologische Forschung und Denkmalpflege sehr weitgehend berührt. Daher soll es in diesem He weniger um Forschungsinhalte als um das Management der Denkmale, Fundstellen, Befunde und Funde gehen, die zusammen das sogenannte Bodenarchiv bilden. Im Vordergrund steht im Folgenden also die bodendenkmalpflegerische Praxis selbst. Was bedeutet für sie Energiewende? Welche Auswirkungen hat das Thema auf das Bodenarchiv? Es soll in diesen Beiträgen nicht um die menschheitsgeschichtliche Perspektive gehen, bei der in der Altsteinzeit mit der Entdeckung des Feuers ein Prozess beginnt, der bis zum Bau von Atommeilern und darüber hinaus reicht. Vielmehr sollen die konzeptionellen und praktischen Herausforderungen für die archäologische Denkmalpflege angesprochen werden, die dieser gesamtgesellschalich wirksame und die Menschheit insgesamt betreffende, weitreichende Umbau des Systems von Energieproduktion und -konsumption in unseren Kulturlandschaen mit sich bringt.
Mittels unseres Titelbildes, das bei Hörgertshausen in Bayern aufgenommen wurde, kann die Beziehung von Energiewende und Archäologie am Beispiel einer Erdgasleitung verdeutlicht werden, die eine Siedlung der Hallstattzeit durchschneidet.
Gänsdorf im Landkreis Straubing-Bogen. Für Solaranlagen wurden anfangs riesige Flächen fruchtbaren Ackerlands überbaut. In den landwirtschaftlichen Gunstlandschaften ist üblicherweise auch die Denkmaldichte besonders groß.
Zerstörung von zwei Seiten Das Verschwinden ganzer Denkmallandschaen und Fundregionen ist kein neues Phänomen. Seit Mitte des 19. Jh. weist die Bodendenkmalpflege immer wieder auf die schleichende oder massenhae Zerstörung des archäologischen Erbes hin. Auch die sich seit zwei Jahrzehnten intensivierende Energiewende ist kein neues Thema. Es darf aber nicht vergessen werden, dass die intensive Nutzung fossiler Energieressourcen – wie sie etwa die Braunkohletagebaue wiederspiegeln – durch einen Landschasumbau zur Nutzung erneuerbarer Energien ersetzt wird. Dieser wird das Leben der Menschen, die Landnutzungsformen und das Gesicht unserer Landschaen und Städte tiefgreifend verändern. Als offener Prozess beinhaltet das in der Zukun weitere, auch teilweise nur kurzfristige Dynamiken. Dies hat zwei Effekte: Zum einen zieht die Ausräumung ganzer Denkmallandschaen eine Vielzahl an Rettungsgrabungen nach sich. Zum anderen bedarf die Frage, wie fachlich mit den Folgen des Klimawandels auf die und die dadurch verursachten menschlichen Eingriffe in Bodendenkmäler umzugehen ist, einer Antwort. Auch die Umweltzerstörung hat ei-
ne eigene Geschichte. Diese ist archäologisch greifbar und kann über Fundstellen erforscht oder Denkmale vermittelt werden. Beides sind Aufgaben von Denkmalschutz und -pflege. Die Energiekrise ist eine Mammutaufgabe. Energiewende und Landschasumbau umfassen Maßnahmen wie den Ausbau der Photovoltaik und von Windenergieanlagen oder eine Steigerung der Biogasgewinnung. Hinzu kommt die dafür notwendige Infrastruktur. Ein anderes Thema ist die Umsetzung negativer Emissionstechnologien. Das »Carbon Dioxide Removal« erfolgt in Form von Wiederaufforstung oder Wiedervernässung. Letzteres kann sowohl Naturschutzflächen umfassen oder auch als Standort für PVAnlagen dienen. Energiewende und Landschasumbau werden uns als Gesellschaen und unser Zusammenleben genauso wie die uns umgebende Natur, aber auch unsere Kulturund Stadtlandschaen grundlegend verändern. Aus Sicht der Bodendenkmalpflege stehen in diesem Prozess naturgemäß die Sicherung der archäologischen Sachquellen und der Erhalt archäologischer Denkmale im Vordergrund. Eine Aufgabe, von der in der Folge berichtet wird.
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THEMA Denkmal unter Strom
Aufwind – Ausgrabungen unter dem Windrad In den vergangenen Jahrzehnten kam es zu mehre ren Ausbauschüben der Windenergie. Am Beispiel der damit einhergehenden Erfahrungen in Bran denburg, Sachsen und SchleswigHolstein werden die Unterschiede zwischen Bundesländern, aber auch Binnen und Küstenregionen deutlich.
Von Stefanie Bilz, Jens Greif, Ulf Ickerodt, Thomas Kersting und Michael Strobel
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indenergie soll schon spätestens seit Mitte des 2. Jh. v. Chr. in Mesopotamien als Grundlage für den Betrieb von Pumpwerken genutzt worden sein. Wassermühlen gelten als ihre Vorläufer. In der gelegentlich als klassisch bezeichneten Periode sollen bis Ende des 19. Jh. weit mehr als 100 000 Windmühlen in Nordwesteuropa der Landscha ihr Gepräge gegeben haben. Daher ist der unsere heutigen Landschaen prägende, manchmal als Verspargelung bezeichnete Vorgang kein neuer Prozess. Die Erfolgsgeschichte der aus Gründen der Unterscheidbarkeit als Windenergieanlagen bezeichneten, immer höher hinausreichenden Türme folgt lediglich einer Ent-
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Das Studium historischer Karten offenbart, in welchem Ausmaß Windenergie bereits seit der frühen Neuzeit genutzt wurde. Das Schmettau’sche Kartenwerk (18. Jh.) zeigt zahlreiche Windmühlen (mit markiert) im direkten und weiteren Umfeld der Stadt Jüterbog (Landkreis Teltow-Fläming). Die heutigen Standorte von Windenergieanlagen (blaue Punkte) liegen außerhalb des gesetzlich vorgeschriebenen Schutzradius.
wicklungslogik, die Anfang der 1970erJahre stark vorangetrieben wurde. Die damalige Energiekrise verlangte nach der Identifizierung neuer Energiequellen. Die Inbetriebnahme erster Windenergieanlagen erfolgte in Schleswig-Holstein ab 1983, in Brandenburg und Sachsen im Laufe der 1990er-Jahre. Der Ausbau erhielt dann mit der Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 neue Fahrt. Zu Beginn waren es einzelne Anlagen mit geringer Leistung (max. 1 Megawatt). Diese wurden zumeist im privilegierten Außenbereich errichtet. Im Hintergrund standen damals einfache baurechtliche Verfahren. Die Genehmigung erfolgt über die jeweils zuständigen Kreisbehörden. Die Anlagen waren in jener Zeit und zum Teil bis in die frühen 2000er-Jahre zum Beispiel in Brandenburg vor allem in der Hand von Agrargenossenschaen oder in Sachsen auch in jener von privaten Investoren. Erst später übernahmen zunehmend größere Projektentwicklungsund Beteiligungsgesellschaen die Errichtung von Windenergieanlagen und -parks. Eine denkmalrechtliche Beauflagung erfolgte gerade in dieser frühen Phase nur sporadisch, obwohl das Verursa-
cherprinzip in Deutschland seit den frühen 1990er-Jahren in den Denkmalschutzgesetzen der neuen Bundesländer fest verankert war bzw. in den alten Bundesländern sukzessive im Rahmen von Gesetzesnovellierungen eingeführt wurde. So fanden baubegleitende bzw. -vorgreifende Ausgrabungen teilweise erst im Rahmen von Erweiterungen bestehender Windparks statt und erbrachten bis dahin unbekannte vor- und frühgeschichtliche Besiedlungsspuren. Neues Gesetz – neuer Schutz Das Erneuerbare-Energien-Gesetz leitete eine Wende ein. Seitdem kommt es zu einem markanten Ausbau der Windenergie. Jetzt müssen in Abhängigkeit von Anzahl und Größe der Anlagen Verfahren nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz bzw. auf Grundlage einer Umweltverträglichkeitsprüfung durchgeführt werden. Um den Ausbau zu Windparks raumplanerisch zu lenken bzw. auf eine räumliche Konzentration von Windenergieanlagen hinzuwirken, erfolgt auf Grundlage von Landesentwicklungs- und Regionalplänen die Ausweisung von Eignungs- und Vorranggebieten. Diese Verfahren umfassen eine Prüfung schutzwürdiger öffentlicher Belange. Einer dieser Belange ist das archäologische Erbe. Die Beteiligung der Bodendenkmalpflege an diesen Prozessen bietet einerseits die Möglichkeit, die eigenen Vorstellungen in die Planungen einzubringen, andererseits Schutzziele planungsrechtlich abzusichern. Durch bauvorbereitende oder -begleitende Ausgrabungen werden die betroffenen Bodenquellen erschlossen und zuküniger Forschung zugeführt. Das soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. In Brandenburg konnten neben baubegleitenden Maßnahmen auf bekannten Bodendenkmalen damals bereits vor dem Anrücken der Bautrupps Prospektionen und Voruntersuchungen auf betroffenen Flächen durchgeführt werden. Ziel war es, vorab abzuklären, ob und in welchem Umfang das archäologische Erbe betroffen ist. Dieses Wissen führt dann zur Beauflagung der Projektträger als Verursacher zur Durchführung einer archäologi-
schen Ausgrabung. Diese hat die Dokumentation der zu zerstörenden Bodendenkmalsubstanz zum Ziel. In der Summe wurden im ganzen Bundesland in dieser Zeit 159 Ausgrabungen realisiert, die Quellen aus rund 12 000 Jahren Menschheitsgeschichte erbrachten. Die Zahl der jährlich im Zusammenhang mit der Errichtung und Erschließung von Windenergieanlagen durchgeführten Grabungen pendelte sich in Brandenburg zu jener Zeit bei 10 bis 20 archäologischen Maßnahmen ein. In derselben Zeit wurden dagegen im Jahresmittel insgesamt rund 230 Windenergieanlagen neu errichtet. Im Luftbild dokumentiertes mittelneolithisches Trapez bei Altlommatzsch (Gemeinde Lommatzsch, Kreis Meißen) als Bewuchsmerkmal auf einem Weizenfeld. Deutlich erkennbar ist die Grabgrube im Inneren der Anlage.
Schub durch Atom- und Kohleausstieg Das Reaktorunglück von Fukushima und der in Deutschland daraufhin forcierte Atomausstieg verliehen der »Energiewende« 2011 noch einmal einen erheblichen Schub. Wie der Ausbau erneuerbarer Energien mit dem Schutz archäologischer Kulturgüter in Einklang gebracht werden kann, beschäigt seitdem auch die Bodendenkmalpflege mit besonderem Nachdruck. Dem ansteigenden Trend neu errichteter Windräder folgte in einem regional ungleichzeitigen Prozess der Anstieg der in diesem Rahmen durchzuführenden Ausgrabungen. Seitdem ist eine Entwicklung zu erkennen, die weitgehend parallel zu den Bauschüben der Windenergiebranche verläu. Die zahlreichen Ausgrabungen erfolgten in diesem Zeitraum zu einem kleineren Teil in Brandenburg durch das zuständige Landesamt selbst, in größerem Maße aber durch die im Land tätigen privaten Grabungsfirmen, in Sachsen oder Schleswig-Holstein wiederum durch die archäologischen Landesämter. Aus dem nur wenige Jahre nach dem Ausstieg aus der Kernenergie beschlossenen Kohleausstieg bis spätestens 2038 ergeben sich zusätzlich anspruchsvolle Ziele und Handlungsschwerpunkte. Dies soll an den Beispielen Sachsens und Brandenburgs verdeutlicht werden. Die sächsische Landesregierung hat sich das Ziel gesetzt, die Stromerzeugung durch Windkra bis 2024 nahezu zu verdoppeln. Hierzu müsste die Leistung bzw. die Zahl der 872 im Jahr 2021 installierten Anlagen durch Verdichtung und Repowering erheblich erhöht sowie zusätzliche Flächen bereitgestellt werden. Die kumulierte AiD 3 | 2023
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THEMA Denkmal unter Strom Nennleistung stagniert seit 2019 jedoch bei ca. 1300 Megawatt. Auf Brandenburger Seite erzeugten die 3894 bestehenden Windenergieanlagen dagegen bereits im Jahr 2022 eine Nennleistung von rund 8000 Megawatt. Wurden hier bisher noch 1,9 Prozent der Landesfläche für eine Bebauung mit Windenergieanlagen vorgesehen, lassen Gerichtsentscheide und die Bundesgesetzgebung einen erneuten Anstieg der Landesfläche erwarten, die für ebendiese reserviert werden muss. Welche Auswirkungen diese neuen Entwicklungen auf die denkmalpflegerische Praxis haben, lässt sich derzeit schwer vorhersagen. In der Tendenz ist aber eine Zunahme von Stellungnahmen und Grabungen zu erwarten. »Unsichtbares« Erbe in Wald und Wasser Für die norddeutschen Küstenländer stellt der offshore-Windausbau eine besondere Herausforderung dar. In der Ausschließlichen Wirtschaszone gibt es noch keine eindeutige denkmalrechtliche Regelung. Die Küstenanrainer arbeiten informell der Behörde für Seeschifffahrt und Hydrographie zu. Die Konsequenzen dieses Aus-
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Grundriss eines Schwellbalkengebäudes und Siedlungsgruben, offenbar der Kernbereich eines jungbronzezeitlichen Gehöfts in Casabra (Naundorf, Kreis Nordsachsen). Nicht nur das Windrad selbst beeinträchtigt die Bodendenkmäler: Grabungen im Bereich von Stellflächen für den Kran und Zufahrten. Windpark von Casabra.
baus finden sich aber nicht nur auf See. Der in der Nordsee produzierte Strom wird in Schleswig-Holstein über Trassen zum Festland geführt. Bei den damit verbundenen Erdarbeiten werden lange Schnitte durch die Marsch nötig. Die fachlich begleiteten Maßnahmen geben Aufschluss über die klima- und umweltgeschichtliche sowie über siedlungsgeschichtliche Entwicklungen dieser Region. Im Rahmen des Projekts BalticRim hat das Archäologische Landesamt Schleswig-
Holstein Ansätze und Grundlagen entwickelt, um die Ziele des archäologischen Denkmalschutzes in die maritime Raumplanung einzubringen. Die Ausweisung von zusätzlichen Potenzial- bzw. Vorrang- und Eignungsgebieten in den Mittelgebirgen, im Tiefland und genauso an den Küsten bzw. auf dem Meer stellt die archäologische Denkmalpflege also vor ganz neue Herausforderungen. Insbesondere der Bau von Windenergieanlagen in Waldgebieten ist ohne
sondere Sensibilität erfordert darüber hinaus der Umgang mit obertägigen Denkmalen von überregionaler oder weltweiter Bedeutung wie zum Beispiel den UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten. Dies gilt in Sachsen vor allem für die Montanregion Erzgebirge oder in Schleswig-Holstein für die Welterbestätte Archäologischer Grenzkomplex Haithabu und Danewerk, wo die denkmalpflegerischen Ziele des Umgebungsschutzes in Form von Sichtachsen in die weiteren Raumund Ausführungsplanungen einzubringen sind.
ausgedehnte Rodungen kaum vorstellbar. Archäologische Denkmale wie mittelalterliche Dorfwüstungen, Glashütten, Holzkohlemeiler und Zeugnisse des Erzbergbaus, aber auch vor- und frühgeschichtliche Siedlungs- und Bestattungsplätze würden durch die Rodungsarbeiten ganz erheblich in Mitleidenscha gezogen. Problematisch hieran ist, dass häufig völlig unklar ist, was in den Wäldern abgesehen von den obertägig erhaltenen und in digitalen Geländemodellen ablesbaren Bodendenkmalen noch unerkannt im Boden verborgen ist, da konventionelle Prospektionsmethoden wie zum Beispiel Oberflächenbegehungen in Waldgebieten kaum bis gar nicht systematisch angewandt werden können und auch die Anlage von Sondagen deutlich erschwert ist (vgl. S. 34). Während sich obertägig erhaltene Strukturen meist noch sehr gut identifizieren lassen, ist das Erkennen bisher unbekannter und obertägig nicht erhaltener Bodendenkmale und eine Vorausplanung vor dem Anrücken der Baumaschinen kaum möglich. Um die jeweiligen Ausbauziele zu erreichen, geraten darü-
ber hinaus sogenannte Waldschadensoder Kalamitätsflächen in den Fokus. Hier könnte – so die Hoffnung – zumindest die forstwirtschalich problematische Fällung intakter Baumbestände für den Anlagenbau vermieden werden. Deshalb ist es zu begrüßen, dass Waldgebiete in der sächsischen Regionalplanung vorläufig als weiche Tabuzonen definiert sind. In Wäldern wäre die Aufstellung von Windenergieanlagen zwar grundsätzlich möglich, sollte aber dennoch vermieden werden. Aufgrund der hohen Siedlungsdichte gerade in den sächsischen Mittelgebirgslagen ist allerdings fraglich, wie lange diese Flächen noch aus den Planungen ausgespart werden können. Ähnlich stellt sich – mit landesspezifischen Unterschieden – die Situation in Brandenburg und Schleswig-Holstein dar. Auch außerhalb der Wälder kann sich die Errichtung von Windenergieanlagen erheblich auf archäologische Denkmale auswirken. So groß der Erkenntniszuwachs durch Ausgrabungen auch sein mag, so unwiederbringlich geht »in situ« erhaltene Denkmalsubstanz verloren. Be-
Der Turmholländer von Pahrenz (Hirschstein, Kreis Meißen) stammt aus dem Jahr 1850. Windmühlen spielen in der Lommatzscher Pflege, einem der bedeutendsten Getreideanbaugebiete Sachsens, eine große Rolle.
Ausbau und Ausgrabung – Hand in Hand Zu den künig wohl größten Herausforderungen für die archäologische Denkmalpflege gehört – angesichts der Multifunktionaliät des uns umgebenden Raumes – schließlich der erhöhte Planungsdruck. Weiterhin lässt das im Juli 2022 verabschiedete »Osterpaket« zum beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien, in dem das überragende öffentliche Interesse auch an der Windenergie formuliert wird, eine deutliche Forcierung von WindenergieanlagenNeubauten erwarten. Der akkumulierende Ausbau bringt naturgemäß ein erhöhtes Potenzial an Zielkonflikten auch mit dem archäologischen Erbe mit sich. Diese müssen nun im Rahmen der Beteiligungsverfahren unter massivem Zeitdruck abgearbeitet werden, zumal jede dieser Untersuchungen eine Einzelfallprüfung voraussetzt. Aufgabe der archäologischen Denkmalpflege wird es in den kommenden Jahren sein, die Energiewende so mitzugestalten, dass weder die gesamtgesellschalichen noch die fachlichen Ziele geopfert werden müssen. Dabei ist der zu erzielende Erkenntniszuwachs durch Ausgrabungen im Bereich von Windenergieanlagen nur ein schwacher Trost. Aber vielleicht bietet der Ausbau von Windenergieanlagen auch die Chance, in Zeiten eines durch Klimawandel und andere menschliche Aktivitäten bedrohten Bodenarchivs diese Quellen zumindest zu bergen und zu sichern mit dem Wissen, dass diese Informationen ansonsten möglicherweise unbeobachtet verschwinden würden? In dieser Hinsicht eröffnen sich vermutlich sogar fachliche Perspektiven. AiD 3 | 2023
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THEMA Denkmal unter Strom
Kulturerbe unter Wasser in Gefahr? Mit der beschleunigten Abkehr von fossilen Brenn stoffen, auch als Energiewende bezeichnet, hat die Bautätigkeit in Nord und Ostsee noch einmal erheblich zugenommen. Unter hohem Zeitdruck entsteht OffshoreInfrastruktur für die Stromver sorgung aus regenerativen Quellen. Was bedeutet das für die Archäologie?
Von Detlef Jantzen
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022 wurde die Energiewende von einem kontinuierlichen Prozess zu einer disruptiven Entwicklung. Die bisherige Versorgung mit fossiler, über Gaspipelines nach Westeuropa strömender Energie brach innerhalb weniger Wochen in einer Größenordnung weg, die nicht durch Einsparungen kompensiert werden kann. Stattdessen muss die entstehende Versorgungslücke in enorm kurzer Zeit über andere fossile Quellen gedeckt werden. Folglich rückten die Anlandepunkte in den Fokus, die die Einspeisung von fossi-
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Aus dem Sediment ragende Teile eines hölzernen Schiffswracks in der Ostsee vor Rügen.
ler Energie in die vorhandenen Verteilnetze ermöglichen: Wilhelmshaven, Brunsbüttel, Stade und Lubmin für die Gasversorgung, Rostock für die Ölversorgung. An diesen Stellen ist es mit verhältnismäßig geringem Aufwand möglich, temporäre Infrastrukturen zu schaffen. Diese sollen später durch dauerhae Anlagen für den Umschlag der Energieträger ersetzt werden. Wegen des Zeitdrucks wurden Planungs- und Genehmigungsverfahren für die temporären Anlagen drastisch verkürzt. Eine vorhergehende Bestandsaufnahme des kulturellen Erbes, wie sie bei Infrastrukturmaßnahmen in Gewässern und an den Küsten im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung ebenso erforderlich ist wie bei Maßnahmen an Land, entfiel oder wurde nicht immer mit der notwendigen archäologischen Expertise vorgenommen. Schon die Schaffung temporärer Infrastrukturen verursacht erhebliche Eingriffe in den Meeresboden und an Land. Die Vertiefung von Hafenbecken kann dabei noch als relativ unbedenklich gelten. Die Verbreiterung von Fahrrinnen oder die
Schaffung von Umladestationen vor der Küste ist hingegen mit erheblichen Eingriffen in bislang ungestörte Bereiche verbunden. Im Zweifel führt der Verzicht auf eine qualifizierte Bestandserhebung dazu, dass kulturelles Erbe in Form von Schiffswracks, versunkenen Siedlungen oder anderen Zeugnissen menschlicher Geschichte entweder unerkannt zerstört oder erst im Moment seiner Zerstörung aufgefunden wird. Parallel wurde 2022 das rechtliche Instrumentarium geschaffen, um die Energiewende zu beschleunigen. Mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz 2023 wurde deren Ausbau als überragendes öffentliches Interesse definiert. Das bedeutet nicht die Ausschaltung aller anderen öffentlichen Belange. Die einzelnen Belange müssen nach wie vor gegeneinander abgewogen werden. Es ist allerdings sehr viel aufwendiger geworden, einen Vorrang des Denkmalschutzes vor dem Belang der Energiegewinnung zu begründen. In der Praxis der archäologischen Denkmalpflege wirkt sich das bislang vor allem auf Fälle aus, in denen es um Bauvorhaben im Bereich landschasprägender und raumwirksamer Bodendenkmale geht. Bereits unter den bisherigen Rahmenbedingungen gehörte es zu den schwierigeren Aufgaben der archäologischen Denkmalpflege, die unveränderte Erhaltung solcher Bodendenkmale und einen ausreichenden Umgebungsschutz durchzusetzen. Es steht zu befürchten, dass das unter den neuen Prämissen noch schwieriger wird. Gleichwohl ist durch die neuen Rahmenbedingungen kein rechtsfreier Raum entstanden, in dem Bodendenkmale unkontrolliert beseitigt werden können. Die gesetzlichen Bestimmungen zur Berücksichtigung des kulturellen Erbes in Umweltprüfung und Umweltverträglichkeitsprüfung gelten weiterhin, an Land und in den Küstengewässern (12-SeemeilenZone) auch die Schutzbestimmungen der Denkmalschutzgesetze. Anlass zur Besorgnis sind jedoch die Vollzugsdefizite insbesondere bei Umwelt(verträglichkeits)prüfungen. Auch Jahrzehnte nach Einführung dieser Regelungen ist es keineswegs selbstverständlich, dass eine
ernsthae Auseinandersetzung mit den Auswirkungen auf das kulturelle Erbe stattfindet. Allzu o wird der Informationsstand der Denkmalbehörden mit dem tatsächlichen Bestand des kulturellen Erbes gleichgesetzt und daraus gefolgert, dass nichts Weiteres vorhanden sein kann. Aus den Augen, aus dem Sinn? Tatsächlich spiegelt der Informationsstand der Denkmalbehörden aber nur den Stand der Erfassung wider, der auf der Meldung von Zufallsfunden, auf mehr oder weniger intensiven Bestandsaufnahmen durch Ehrenamtliche oder der Auswertung anderer Register, zum Beispiel der Wrackdatei des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH), beruht. Es liegt auf der Hand, dass der Erfassungsstand unter Wasser deutlich mehr Lücken aufweist als an Land, wo es
die leicht umsetzbare Möglichkeit der Feldbegehung gibt. In der Praxis bedeutet das, dass das tatsächlich unter Wasser vorhandene Kulturerbe nur zu einem geringen Anteil erfasst ist. Um ein Bild vom tatsächlichen Bestand zu bekommen, ist eine Bestandserhebung notwendig, wie sie für andere Schutzgüter und für Gefahrenquellen im Rahmen der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) selbstverständlich durchgeführt wird. Unter Wasser wird die Bestandserhebung dadurch vereinfacht, dass die benötigten Datengrundlagen (SidescanSonaraufnahmen, Subbottom-Profiling, Magnetometermessungen, MulitbeamMessungen etc.) in der Vorbereitungsphase großer Bauvorhaben ohnehin erhoben werden. Die Verfahren, um aus diesen Daten ein möglichst vollständiges Bild des kulturellen Erbes zu gewinnen, sind in
Rest eines Großseglers aus dem 19. Jh., angespült am Darßer Weststrand.
den letzten Jahren erheblich weiterentwickelt worden und erlauben inzwischen sogar, hölzerne Wracks, die vollständig von Sediment bedeckt sind, mit ziemlicher Sicherheit zu identifizieren. Die zur Verifizierung notwendigen Surveys mit Tauchern oder Tauchrobotern lassen sich so auf ein Minimum reduzieren. Der Nutzen einer qualifizierten Bestandserhebung liegt auf der Hand: Kritische Punkte können umgangen, notwendige Sicherungs- und Bergungsmaßnahmen frühzeitig geplant und durchgeführt werden. Unangenehme Überraschungen während der Bauphase lassen sich so weitgehend vermeiden. Hier macht sich jedoch ein elementares Problem bemerkbar: Qualität und Vollständigkeit der Umweltverträglichkeitsstudien unterliegen keiner stringenten behördlichen Aufsicht. Die in einigen Bundesländern einmal zur AiD 3 | 2023
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THEMA Denkmal unter Strom Qualitätssicherung der Umweltverträglichkeitsstudien eingesetzten Stellen – in Mecklenburg-Vorpommern war es die beim Landesamt für Umwelt, Natur und Geologie angesiedelte UVP-Fachstelle – existieren großenteils nicht mehr. David gegen Goliath? Der Schutz des kulturellen Erbes droht also, trotz klarer gesetzlicher Regelungen, einem Aushandlungsprozess zwischen ungleichen Partnern überlassen zu werden. Die ersten Erfahrungen lassen befürchten, dass Zeitdruck und Privilegierung solcher Vorhaben dazu führen könnten, den Aspekt des Unterwassererbes möglichst vollständig auszublenden und erst dann zu reagieren, wenn es sich gar nicht mehr vermeiden lässt. Also immer dann, wenn die Zerstörung kulturellen Erbes entdeckt wird, weil beispielsweise Teile von Schiffswracks aus dem Baggergut ragen. Es war mit Sicherheit nicht die Absicht des Gesetzgebers, Vorhabenträger zu solchem Handeln zu ermuntern. Es trägt auch nichts zur Beschleunigung von Bauvorhaben bei, weil Unterbrechungen durch ungeplante Bergungs- und Sicherungsarbeiten beinahe das Schlimmste sind, was während der Bauphase passieren kann. Aus rationaler Sicht spricht deshalb alles dafür, die Auswirkungen auf das kulturelle Erbe auch in beschleunigten Planungsvorhaben immer rechtzeitig zu betrachten und eine qualifizierte Bestandserhebung vorzunehmen, um mehrere Handlungsoptionen zu bekommen und
unangenehme Überraschungen in der Bauphase zu vermeiden. Ein wichtiges Planungsinstrument ist die maritime Raumplanung. Sie ist entwickelt worden, weil die Küstengewässer und die Meere insgesamt immer mehr Nutzungsansprüchen unterliegen, die nur begrenzt miteinander vereinbar sind. Schiffahrtsrouten, Kiesabbaugebiete, Kabeltrassen und Anlagenstandorte sind nur einige Beispiele. Genau wie an Land ist in der maritimen Raumplanung auch das kulturelle Erbe zu betrachten. Für die Ausweisung von Eignungsgebieten kann es von erheblicher Bedeutung sein, an welcher Stelle, in welcher Dichte und in welcher Qualität archäologische Fundstellen und Denkmale vorhanden sind. So können mögliche Zielkonflikte bereits weit im Vorfeld potenzieller Bauvorhaben erkannt und vermieden werden. Auch hier gilt der Grundsatz: Je qualifizierter die Bestandserhebung, desto aussagekräiger ist ihr Ergebnis und desto mehr trägt es zur Planungssicherheit bei. Die Besonderheit der maritimen Raumplanung besteht jedoch darin, dass es auf der Ebene der Strategischen Umweltprüfung Aufgabe staatlicher Behörden ist, die entscheidungsrelevanten Informationen zu ermitteln und bereitzustellen. Hier gibt es keine Chancengleichheit: Die Denkmalbehörden der Länder sind in ihrer Ausstattung nicht mit dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zu vergleichen, das nicht nur über eigene Schiffe und entsprechende Ausstattung zur möglichst Sidescan-Sonaraufnahme des Wracks eines großen eisernen Schiffs mit dem dazugehörigen Trümmerfeld, das eine Fläche von etwa 30 × 120 m einnimmt.
Wrack eines Schiffs aus dem 18. Jh., aufgenommen mit dem Fächerecholot, 4,5 × 14 m.
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genauen Erfassung von Schifffahrtshindernissen verfügt, sondern mit dieser Ausstattung auch ständige Messfahrten in Nord- und Ostsee durchführt. Schnelles Handeln ist gefragt Projekte wie BalticRIM des Archäologischen Landesamts Schleswig-Holstein haben viel dazu beigetragen, den submarinen Quellen- und Denkmalbestand zu erfassen und fachlich aufbereitet in die maritime Raumplanung einzubringen. Von einer echten Chancengleichheit im Verhältnis zu anderen Schutz- und Sachgütern ist die archäologische Denkmalpflege jedoch nach wie vor weit entfernt. Es besteht also durchaus eine Notwendigkeit, außer der Bestandserfassung des kulturellen Erbes, die im Rahmen konkre-
ter Bauvorhaben durch die Vorhabenträger zu leisten ist, auch eine »archäologische Landesaufnahme unter Wasser« vorzunehmen. Denn bei allen Ansätzen für die Definition von archäologischen Verdachtsflächen unter Wasser, die hilfsweise ins Feld geführt werden können, um besonders sensible Bereiche zu identifizieren, bleibt es eine hervorragende Eigenscha großer Teile des submarinen Erbes, dass seine Verteilung nicht prognostizierbar ist. Die Verteilung von Schiffswracks auf dem Meeresboden beispielsweise folgt, abgesehen von Häufungen in den klassischen Strandungszonen, keinen abstrahierbaren Verteilungsmustern. Auch die aus der historischen Überlieferung bekannten Orte von Seeschlachten liefern keine zuverlässigen Anhaltspunkte, da die beteiligten Schiffe o an ganz anderer Stelle gesunken sind. Wollte man die archäologische Denkmalpflege ernstha in die Lage versetzen, mit einer »archäologischen Landesaufnahme unter Wasser« zur Planungssicherheit für die maritime Raumplanung beizutragen, müssten die zuständigen Landesämter der Küstenländer so ausgestattet werden, dass sie entweder qualifizierte Firmen mit einem flächendeckenden archäologischen Survey beauragen oder diesen selbst durchführen können. In der deutschen Ausschließlichen Wirtschaszone (AWZ), die den Küstengewässern (12-Seemeilen-Zone) vorgelagert ist, kommt noch das Problem hinzu, dass die deutsche Gesetzgebung bislang keine
Gehört auch zum Unterwasserkulturerbe: Reste einer schwedischen Landungsbrücke aus steingefüllten Holzkisten am Strand von Göhren auf Rügen.
rechtssichere Regelung für den Schutz des archäologischen Erbes getroffen hat. Die Ratifizierung der UNESCO-Konvention zum Schutz des archäologischen Erbes unter Wasser muss deshalb ein Vorhaben mit hoher Priorität bleiben. Im Rahmen dieses Prozesses könnte mit Unterstützung des Bundes eine gemeinsame Fachstelle der Landesämter geschaffen werden, die – ausgestattet mit den notwendigen
Ressourcen – sowohl die in der UNESCOKonvention verankerten Konsultationsund Fachaufgaben als auch die Arbeit an der archäologischen Landesaufnahme unter Wasser übernimmt. Es wäre nur recht und billig, wenn die Ratifizierung der UNESCO-Konvention und die Schaffung der gemeinsamen Fachstelle genauso beschleunigt würden wie die Energiewende selbst.
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THEMA Denkmal unter Strom
Klimawandel und archäologisches Erbe Trockenheit, Sturzlut oder Meeresspiegelanstieg – die Liste von Extremwetterereignissen ist lang. Ihre Folgen sind verheerend, längst nicht nur für Mensch und Tier, sondern auch für die Umwelt und damit einhergehend das kulturelle Erbe.
Von Thomas Becker, Stefanie Berg, Sabine Hagmann, Christoph Unglaub und Richard Vogt
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er Klimawandel, der in Mitteleuropa von zunehmender Trockenheit begleitet wird, verursacht Niedrigstände in Seen und Flüssen und fallende Grundwasserspiegel. Niederschläge werden seltener, aber heiger und verursachen Hochwasser, Sturzfluten, Hangrutsche, Steinschlag und Erosion. Zusätzlich bedroht der Meeresspiegelanstieg die Küste, die Halligen, aber auch das Inland, falls hoher Meeresspiegel und Hochwasserlagen zusammenfallen. Für das archäologische Erbe kann Regenerosion den undokumentierten Komplettverlust bedeuten. Das Umweltbundesamt schätzt, dass in Deutschland jährlich 25 Millionen Tonnen Boden durch Regen abgetragen werden und in die Flüsse gelangen. Dabei werden nicht nur fruchtbare Böden, sondern auch das archäologische Erbe weggespült. Die extreme Trockenheit führte im letzten Jahr in verschiedenen Bundesländern zu Trockenstress in tieferen Bodenschichten und damit auch in den archäologischen Horizonten. Dies hat sowohl Folgen für den Erhalt der archäologischen Schichten und Funde als auch auf die Erfassbarkeit des archäologischen Befunds während der Ausgrabung. Gleichzeitig finden aufgrund notwendiger Schutzmaßnahmen sehr große Bodeneingriffe statt, die wahrscheinlich häufig das bis dahin nicht erforschte archäologische Erbe beeinträchtigen. Und dann kam der Mensch Bis in das Jungneolithikum bleiben die Fließgewässer vom Menschen weitestgehend unangetastet. Besonders starke Bodenverlagerungen fanden in der Bronze-, Eisen- und Römerzeit sowie im Hoch30
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Torfabbau im Diepholzer Moor in Niedersachsen. Was mit kleinen bäuerlichen Torfstichen für den Eigenbedarf begann, führen heute Torfabbaugesellschaften im industriellen Maßstab fort. Der Torf dient fast ausschließlich als Anzuchtsubstrat im Gartenbau.
und Spätmittelalter statt. Die Rodung von Wäldern für Ackerflächen setzte Erosionsprozesse in Gang. Das als Kolluvium bezeichnete umgelagerte Bodenmaterial gelangte über die Unterhänge in die Flüsse und führte in deren Auen zu Ablagerungen, dem Auelehm. In römischer Zeit sind starke Eingriffe in Flüsse durch den Bau von Kanälen und Brücken, Hafenanlagen und Uferbefestigungen fassbar. Im Mittelalter nehmen die Eingriffe weiter zu, was durch die Wasserkranutzung vor allem für den Betrieb von Mühlen begründet ist. Zu Beginn des 14. Jh. verursachten harte lange Winter in vielen Gebieten Europas Hungersnöte, die in zu nassen Sommern und daraus resultierenden Missernten begründet sind. Katastrophenereignisse wie das Hochwasser des Winters 1342 (Magdalenenhochwasser) oder die »große Manntränke« (zweite Marcellusflut) von 1362 sind als prägende Naturereignisse gut überliefert. An der Küste datieren erste Deichbaumaßnahmen zum Schutz vor allem von Ackerflächen um 1000 n. Chr.. Die Entwässerung der Marschen verursacht seit der Neuzeit starke Bodensackungen auch in heute küstenferneren Arealen. Damit verstärken die Küstenschutzdeiche den Ef-
fekt der Sturmfluten, da sie über die Flüsse weiter ins Landesinnere vordringen können. Erste Hochwasserschutzmaßnahmen wurden im Landesinneren seit Beginn des 19. Jh. an größeren Flüssen realisiert. Beim Ausbau der Wasserstraßen standen zumeist Gründe des Hochwasserschutzes im Vordergrund. Das Begradigen mittels Durchstich von Flussschlingen hatte beispielsweise am Rhein eine Verkürzung des Flusslaufs um mehrere Kilometer zur Folge. Das schneller abfließende Wasser führte dadurch zu verstärkter Sohlerosion. Damit wurde die Überschwemmungsgefahr im Mittellauf zu Lasten des Unterlaufs vermindert und die Befahrbarkeit für den Schiffsverkehr weiter flussaufwärts ermöglicht. Dies hat aber bis heute zwei Effekte. Einerseits sinken die Grundwasserstände in den Auen und damit auch in den dortigen Trinkwasserentnahmebrunnen. Die lokal angebauten Kulturpflanzen müssen nun aufgrund der daraus folgenden Trockenheit bewässert werden. Andererseits hat das Ausbaggern von Schifffahrtsrinnen zur Folge, dass die Sedimenteinträge am Unterlauf zum Beispiel der Elbe zunehmen. Verschlickungen erhöhen dort den Aufwand für den Erhalt der umgebenden Kulturlandscha.
Vom Torfabbau zur Wiedervernässung Seit dem 18. Jh. wird die Brennstoffgewinnung und die Gewinnung von Landwirtschasflächen auf die Moore ausgeweitet. Vor dem Torfabbau senkte man das Grundwasser künstlich und anhaltend ab. Dazu dienten zunächst größere, tiefer eingeschnittene Hauptentwässerungsgräben, die später durch Pumpwerke unterstützt wurden. Das Drainieren der Moorböden führte wie in den Marschen zu erheblichen Sackungen. Hinzu kommt, dass bei Sauerstoffzufuhr Mineralisierungsprozesse im Torfkörper ausgelöst werden, die im Unterschied zu Mineralböden zu einem irreversiblen Substanzverlust führen und klimaschädliche Gase freisetzen. Im Zuge der Klimadiskussion kommt daher der Wiedervernässung von Mooren als CO2-Senken eine enorme Bedeutung zu. Aber auch der Erhalt des archäologischen
Erbes in Feuchtgebieten und die Biodiversität profitieren von diesem Verfahren. Das Federseemoor im baden-württembergischen Kreis Biberach ist Naturschutzgebiet und archäologische Landscha von europäischem Rang. Neben rund zwei Dutzend vorgeschichtlichen Feuchtbodensiedlungen mit guter Holzund Organikerhaltung sind Bohlenwege, mehr als 50 Einbäume und sechs Wagenräder, die zu den ältesten Rädern der Welt zählen, bekannt. Die rund 3300 ha großen kalkreichen Niedermoore und Hochmoorreste bieten Lebensraum für typische Moorflora und -fauna. Naturwissenschaliche Untersuchungen an Hölzern, botanischen Großresten und Pollen bieten einzigartige Möglichkeiten, die prähistorische Umwelt zu rekonstruieren. Im Federseemoor gehören seit 2011 die Feuchtbodensiedlungen Al-
Extreme Trockenheit führte zu Niedrigständen der Flüsse, hier an der Oder. Die sonst im Wasser liegenden hölzernen Pfosten einer Brückenkonstruktion ragen in die Luft.
leshausen-Grundwiesen, Ödenahlen und Siedlung Forschner zum seriellen transnationalen UNESCO-Welterbe »Prähistorische Pfahlbauten um die Alpen«. Der Schutz begann 1911 mit dem Erwerb von Flächen für den Deutschen Bund für Vogelschutz und seit 1920 für den Denkmalschutz. Eine Bestandserhebung der bekannten archäologischen Fundstellen ergab 1980 eine bedrohliche Verschlechterung der Erhaltung. Ab 1985 einigten sich daher Natur- und Denkmalschutzbehörden auf gemeinsame Schutzmaßnahmen, die von der EU in LIFE- oder LEADER Programmen gefördert wurden. Zwischen 1998 und 2002 wurden Flächen im südlichen Federseeried angekau und vernässt. Zwischen 2009 und 2012 wurden Renaturierungen im Nördlichen Federseeried durchgeführt und die Vernässung im südlichen Federseeried verbessert. AiD 3 | 2023
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Trotz umfassender Wiedervernässung ist aufgrund von Niederschlagsdefiziten die Naturlandscha und das archäologische Erbe weiter durch Austrocknung und sinkende Wasserpegel gefährdet. Das Duvenseer Moor im Südosten von Schleswig-Holstein ist ein weiteres Fallbeispiel aus der Praxis des Denkmalschutzes in Mooren. Der See entstand in einem Toteisloch aus dem Spätglazial. Hier wurden die am Rand befindlichen archäologischen Fundstellen sukzessive von Torf überwachsen. Da das Moor in den letzten Jahrhunderten trockengelegt wurde, konnten diese Fundstellen entdeckt werden. Mesolithische Lagerplatzstrukturen sind dort hervorragend erhalten. Sowohl Haselnussröststätten mit Rindenmatten als auch Flintschlagplätze ermöglichen einen detaillierten Einblick in kurzzeitig genutzte Lager nacheiszeitlicher Wildbeuter über einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren. Ein im Block geborgenes Objekt stellte sich als Überrest einer Fischreuse heraus. Eine Radiokarbondatierung 32
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ergab ein Alter von etwa 890 Jahren, die Reuse datiert also in die späte Slawenzeit. Eine Wiedervernässung des Moores birgt Chancen, aber auch Risiken für das noch im Boden erhaltene archäologische Erbe. So können Funde durch die erforderlichen Erdeingriffe und die Ausbreitung von stark wurzelnden Pflanzen wie Schilf geschädigt werden. Aber auch mikrobiologischen Änderungen im Boden, die durch zufließendes Wasser verursacht werden, können sich negativ auswirken. Dennoch muss das Denkmalschutzziel der Erhalt des Bodenarchivs im Moor sein. Dieses Ziel wird gemeinsam mit der Denkmalbehörde, der Stiung Naturschutz, dem zuständigen Umweltministerium und dem Verein Duvenseer Moor e. V. angegangen. Hochwasserschutz und archäologisches Erbe Durch Klimawandel und intensive Landnutzung bedingt kam es 2002 an der Elbe in Sachsen und 2013 an der Donau in Bayern zu Jahrhunderthochwassern. Neue
Vor einer Hochwasserschutzmaßnahme wurden mehrere Meter starke Ablagerungen aus organischen Materialien, darunter mittelalterliche Reusen, Reste einer Mühle und einer Uferbefestigung, in der Wörnitzaue in Wassertrüdingen dokumentiert. Unten: Detail der Zwirnbindung einer Fischreuse aus dem 12. Jh. aus dem Duvenseer Moor.
Schutzprogramme wurden aufgelegt. Sie bestehen aus dem technischen Hochwasserschutz, dem Deichaus- und -neubau sowie aus einem Gewässeraktionsprogramm mit dem Ziel der Nutzung des natürlichen Wasserrückhaltevermögens. Allein an der Donau zwischen Straubing und Vilshofen in Bayern werden die Deiche auf einer Länge von 69 km ertüchtigt. In einem von 13 Poldern in Sulzbach werden jetzt im dritten Jahr großflächige archäologische Ausgrabungen durchgeführt, um den Bau eines 7,4 km langen Deichs mit Schöpfwerken und neuen Stra-
merkbar. Die Bearbeitung der Flächen und Befunde wird aufwendiger. Die Funde sind im harten Sediment »eingebacken«, so dass ihre Bergungen entweder zu einer Beschädigung führt oder nur mit großem Aufwand möglich ist. Im Hintergrund lauert zusätzlich die aus Starkregen heraus resultierende Gefahr, dass Boden mitsamt den Denkmalen, Fundstellen und Funden abgespült werden kann.
ßen zu realisieren. Stellvertretend für viele andere steht eine 2020 / 21 durchgeführte Ausgrabung, in der auf 3 km Länge über 2000 Befunde der Besiedlung vom Jungneolithikum bis ins Hochmittelalter am Flussufer dokumentiert wurden. Die Herausforderung in Feuchtgebieten, Auen oder auch Niederterrassen ist enorm. Im Grundwasserbereich erhaltene Strukturen belegen wichtige Aspekte des Menschen im Umgang mit Wasser. In diesem Milieu liegen noch organische Bauteile von Brücken, Einbäumen, Booten, Uferbefestigungen, Mühlen etc. Aber gerade hier sind die Kenntnisse besonders gering, da diese Spuren meist im Boden oberflächlich nicht sichtbar, aber gut gesichert liegen. Die Folgen austrocknender Böden für das archäologische Erbe Die Reduzierung des Wasserhaushalts, vor allem die Absenkung des Grundwasserspiegels, hat auch in anderen Bereichen erhebliche Auswirkungen auf das archäologische Erbe. Der steigende Trinkwasserbedarf in den Ballungszentren und die durch die trockenen Sommer erhöhte Notwendigkeit der Bewässerung in der Landwirtscha führt immer weiter zu einer Absenkung des Grundwasserstandes, die Holzbefunde im Boden wie Grabeinbauten oder Brunnen verschwinden lässt. Der Erhaltungsvergleich zwischen Ausgrabungen vor 100 Jahren und heute an den gleichen Plätzen zeigt diesen dramatischen Substanzverlust. Dieser visuell greifbare Verlust findet gleichzeitig im Fundkontext statt, ohne dass dies dann am Befund sichtbar wird. Organische Reste wie Gegenstände aus
Leder und Holz oder große Pflanzen- und Pollenreste sowie Insektenteile vergehen undokumentiert. Bei Metallen setzt aufgrund der Veränderung des Milieus eine Korrosion ein oder verstärkt sich, die über einen längeren Zeitraum zum Vergehen der Überreste führt. Der Verlust all dieser besonderen Fundgruppen ist dabei schwer zu ermessen, da ein Existenznachweis im Nachgang kaum möglich ist und über Vergleichskontexte mit ähnlichen Ursprungsbedingungen abgeschätzt werden kann. Entzug des Wassers im Untergrund oder auch ausbleibende Niederschläge führen zu einem verstärkten und längerfristigen Austrocknen des Oberbodens. Die dadurch entstehende Aushärtung macht sich zunächst bei der Durchführung von archäologischen Ausgrabungen be-
Erhaltene Holzkammer eines frühmittelalterlichen Grabes von Büttelborn in Südhessen, Ausgrabung 1999. Derartige gute Erhaltungsbedingungen werden nur noch selten angetroffen.
Verlust – nicht ersetzbar, aber aufzuhalten? Bodendenkmäler wachsen nicht nach. Dieser Grundsatz gilt auch in Bezug auf die beschriebenen unmittelbaren Folgen des Klimawandels wie Starkregenereignisse oder Hochwasserschutzmaßnahmen. Beides erfordert großflächige Bodeneingriffe und daher auch Dokumentationsmaßnahmen. Die Verluste des archäologischen Erbes sind in den letzten 100 Jahren immens und unwiederbringlich. Präventive Maßnahmen des natürlichen Klimaschutzes wie die Wiedervernässung von Mooren, die Erhöhung des Grundwasserspiegels und die Zunahme des natürlichen Wasserrückhaltes sind sehr wichtige Eckpfeiler der Klimaanpassung. Gleichzeitig stellen sie auch eine Chance dar, den Status quo unseres noch erhaltenen wertvollen Archivs der Naturund Kulturgeschichte in den entsprechenden Landschasbereichen zu halten. So wurde durch das Bundeskabinett am 9. November 2022 die nationale Moorschutzstrategie beschossen, die eine großflächige Wiedervernässung bis 2030 zum Ziel hat. Auch hier werden sich neue Herausforderungen ergeben, um das noch erhaltene archäologische Erbe bei erforderlichen Bodeneingriffen zu schützen.
KELTE T N ÖMER FES F T MAN ANNCHING
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SA/SO S 17./18.6.202 AiD 3 | 2023
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Der Wald – ein bedrohtes Habitat Im Wald können wir uns erholen, er liefert Nutz holz, bewahrt Artenvielfalt, dient als CO Speicher und ist neuerdings Standort für Windkraftanlagen. Nicht zuletzt ist der Wald ein Schutzraum für das archäologische Erbe. Klimawandel und damit verbundene Forstmaßnahmen bedrohen diese Schutzfunktion.
Von Eva Cott und Manuel Zeiler
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eit Ende der 1990er-Jahren treten zunehmend Stürme auf und durch den damit verbundenen Windbruch werden Bodendenkmäler zerstört. Waldsterben drohte in den 1980er-Jahren und findet tatsächlich seit dem trockenen Sommer 2018 mit seiner beispiellosen Dürreperiode weiterhin statt. Die Folgen lassen sich besonders an Fichtenforsten ablesen, die durch Trockenheit stark geschwächt werden. Die verringerte Widerstandskra machte die häufig in Monokulturen stockenden Fichten – bisher 37 Prozent des Waldbestands von Nordrhein-Westfalen – besonders anfällig für den Borkenkäfer. Der Massenbefall führt dazu, dass die Fichten auf einer Fläche von insgesamt 113 km2 abgestorben sind. Dies entspricht 10 Prozent des Waldbestands von NordrheinWestfalen. Die Entwicklung dieser Flächen wird inzwischen fortwährend satellitengestützt überwacht. Aber auch Laubbäume wie die Buche zeigen zunehmende Kro-
Beispiel für eine gelungene Abstimmung zwischen Bodendenkmalpflege und Forst: Räumung des Fichtentotholzes in der Wallburg »Kirchilpe« bei Schmallenberg im Hochsauerland. Die Wallburg datiert in die Eisenzeit und in das Mittelalter.
nenverlichtungen, die mittelfristig zur weiteren Schädigung führen werden. Deswegen ist ein Waldumbau zu klimaresilienteren Pflanzengesellschaen dringend notwendig. Offen liegenden Schadensflächen droht mitunter die Entwicklung regelrechter Adlerfarnwüsten, die das Aufwachsen neu anzupflanzender Bäume oder das Aufkommen einer natürlichen Wiederbewaldung behindern. Der Farn muss mechanisch, im schlimmsten Fall durch Mulchen des Oberbodens, entfernt werden. Ebenso problematisch sind die starke Sonnenexposition, Austrocknung und erhöhte Erosionsanfälligkeit der Schadensflächen. Bäume fällen – wo ist das Problem? Veränderungen in der Forstwirtscha erfordern auch eine Neujustierung der Schutzstrategie für das hier befindliche archäologische Erbe. Denn neben dem Windbruch sind es vor allem forstwirtschaliche Maßnahmen, die Bodendenkmäler gefährden. Der Einsatz immer größerer Vollernter und Rückemaschinen stellt dabei das größte Problem dar. Bodendenkmäler werden überfahren. Ihr Relief wird angeglichen oder tiefe Spurrillen entstehen. Besonders ausgedehnte Denkmalsstrukturen wie Pingen, Hohlwege oder Ackerterrassen wurden in den letzten Jahren auf diese Weise in großer Zahl unwiederbringlich zerstört. Dabei ist das Problem lösbar: Vor der jeweiligen Forstmaß-
nahme können die Art und Weise der Holzernte und die Rückegassen von Forstwirten und Archäologen zusammen festgelegt werden, um Gefährdungen zu unterbinden. Hierbei ist eine denkmalrechtliche Abstimmung und eine detaillierte fachliche Beurteilung der jeweiligen Situation vor Ort wesentlich. So gelang es, dass der tote Fichtenhochwald auf der Wallburg »Kirchilpe« bei Schmallenberg im Hochsauerland gefällt und denkmalschonend beseitigt werden konnte. Das Areal war sehr anspruchsvoll, denn neben Wällen und einem benachbarten Hohlwegbündel waren auch noch Keller- und Podienstrukturen (Gebäudeterrassen) innerhalb der Wallburg zu schützen. Durch kombinierte Fällmethoden (manuelles Fällen kombiniert mit Vollerntereinsatz), einer geeigneten Abtransportstrategie der gefällten Bäume zu den Rückegassen (Vollerntereinsatz und Seilzugtransport) sowie einer klaren Festlegung der Rücketrassen, die mit Schnittgut zur Schonung des Untergrundes belegt wurden, gelang es, Schäden an der Denkmalsubstanz auf ein Minimum zu reduzieren. Voraussetzung ist die aktive Mitarbeit der Forstverwaltung. In einem zweiten Beispiel, einem Hohlwegbündel bei Plettenberg im Märkischen Sauerland, lief ein mit dem Forsteigentümer detailliert ausgearbeitetes Holzerntekonzept ins Leere, da der Eigentümer alle Absprachen missachtete und dadurch das Bodendenkmal verwüstete. Fräsen – Schattenseite mit Biss Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Wiederaufforstung des gerodeten Areals bzw. die Vorbereitung hierzu. Mittlerweile werden häufig die Baumstümpfe samt Oberboden gefräst. Dieses Fräsen nivelliert Reliefstrukturen. Bei der eisenzeitlichen Wallburg »Weilenscheid« im Sauerland führte dies zur Zerstörung gleich zweier Wallabschnitte über eine große Fläche. Mittels archäologischer Ausgrabungen wurden die beschädigten Strukturen untersucht, um das Ausmaß der Schäden zu ermitteln. Es konnten Eingriffe bis in eine Tiefe von 50 cm belegt werden. Die Mittelgebirgsregionen in NordrheinWestfalen sind von den Schadereignissen
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besonders stark betroffen und die Beteiligung der archäologischen Fachämter an Forstmaßnahmen gelingt leider nur teilweise. Um aber zumindest die Veränderungen und Zerstörungen, die im Zuge der Flächenräumungen verursacht wurden, quantifizieren zu können, erfolgt sukzessive ein Abgleich von Geländemodellen aus Airborne-Laserscanaufnahmen, die vor 2018 – also vor der Dürre – und danach aufgenommen worden sind. Wo neuere Bildflüge noch nicht vorliegen, kann mithilfe von Drohnenaufnahmen ein digitales Geländemodell durch das Structure from Motion-Verfahren errechnet werden, um einen Vergleich zu ermöglichen. Ein Beispiel aus dem Bergischen Land aus Hückeswagen zeigt anhand von Wall und Graben einer mittelalterlichen Land-
wehr, wo Schäden zu verzeichnen sind. Im Bereich der roten Markierung, ist deutlich erkennbar, dass der Grenzwall stark eingeebnet und von einer neuangelegten Rückegasse durchschnitten wurde. Außerhalb der roten Markierung ist die Erhaltung wesentlich besser und durch die Räumarbeiten nur punktuell beeinträchtigt. Während die Errichtung der Windkraanlagen im Wald ein Planverfahren mit bodendenkmalpflegerischer Beteiligung voraussetzt, trifft dies für die Räumung und Neubepflanzung von Schadensflächen nicht zu, da es sich um keine Nutzungsänderung handelt. Daher ist eine Sensibilisierung für das archäologische Erbe erforderlich. Häufig ist das Bewusstsein, dass durch die Maßnahmen Bodendenkmäler gefährdet oder zerstört werden
Vor und nach den Dürrejahren ab 2018: Manche Bereiche von Bodendenkmälern sind durch Totholzräumungen stark verändert, gestört oder gar zerstört worden. Innerhalb der rot umrandeten Fläche verdeutlicht das Geländemodell die Schäden: Einebnung des Walls der Landwehr und die tiefen Fahrspuren von Rückegassen.
können, nicht oder nur marginal vorhanden. Erschwert wird die Situation durch die Notwendigkeit der häufig schnellen Beseitigung des durch Schäden betroffenen Holzes und durch den Einsatz nicht informierter Subunternehmer. Deswegen ist es notwendig einerseits die Privatwaldbesitzer, die in NordrheinWestfalen mit 64 Prozent weit über den bundesdeutschen Durchschnitt liegen, die Forstbetriebsgemeinschaen, die von ihnen beauragten Forstunternehmen und die regional tätigen Stellen der Forstbehörde gleichermaßen in Kenntnis zu setzen. Dies geschieht mit gezielten Eigentümerinformationen, Terminen vor Ort, Schulungs- und Fortbildungsveranstaltungen und zukünig mit einem verbesserten digitalen Datenaustausch. AiD 3 | 2023
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Photovoltaik – Licht und Schatten Wo Licht ist, ist auch Schatten. Photovoltaik ist eine wesentliche Säule der Energiewende. Doch nicht nur auf historischen Gebäuden, sondern auch auf Bodendenkmalen kann der Bau von Photovoltaik anlagen problematisch sein.
Von Michael Strobel und Eva Cott
M
it Verabschiedung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes im Jahr 2000 begann ein massiver Ausbau von Photovoltaikanlagen auf Freiflächen mit zum Teil negativen Auswirkungen auf archäologische Fundstellen. Hohe Einspeisungsvergütungen und sinkende Preise sorgten vor etwa 20 Jahren in der gesamten Bundesrepublik für einen Solar-Boom auf landwirtschalichen Nutzflächen. Die Gewinnaussichten waren so groß, dass Solarparks auch auf besten Böden errichtet wurden. Die Auswirkungen reichen von kleinen Eingriffen durch die Modulträger, die in den Boden gedrückt werden, bis hin zu den Bereichen, die für den Leitungsbau und weitere technische Infrastruktur benötigt werden. Mittlerweile gelingt immer häufiger eine bodendenkmalverträgliche Umsetzung solcher Vorhaben. Die Ämter für Bodendenkmalpflege arbeiten daran, den Schutzgedanken auch bei Flächenund Agri-PV-Anlagen (s. u.) zu stärken. Da für den Bau seit jeher von den Kommunen Bebauungspläne aufgestellt werden müssen und die Standortwahl inzwischen auch in Regionalplänen gesteuert werden soll, ist die Bodendenkmalpflege als Trägerin öffentlicher Belange an diesen Planungsprozessen beteiligt. Segen und Fluch Die archäologische Denkmalpflege musste sich zwischen 2005 und 2011 nahezu bundesweit mit einem fast ungesteuerten Flächenzuwachs bei Photovoltaikanlagen auf Freiflächen auseinandersetzen, die auch in Landschaen mit hoher Bodendenkmaldichte errichtet wurden. Während anfänglich vor allem der Einsatz schwerer Technik zum Eindrücken der Ständer auf durchweichten Böden erheb36
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Das Eindrücken der Modulständer kann auf durchweichten Böden erhebliche Schäden an Bodendenkmalen verursachen. Ein Beispiel aus dem Landkreis Straubing-Bogen.
liche Zerstörungen an Bodendenkmalen angerichtet hat, erfolgt die Umsetzung inzwischen weithin nach bodendenkmalpflegerischen Vorgaben, die gegebenenfalls die Fundamentierung und die punktuelle Modulaufständerung ebenso einschließen wie eine archäologische Ausgrabung bei Bodeneingriffen im Bereich von Kabelgräben und Trafostationen. Die Umwandlung von Ackerland in einen Solarpark kann durch Grünlandbedeckung zum Schutz von Bodendenkmalen beitragen, da dadurch die Gefahr der steten Bodenerosion durch intensive ackerbauliche Nutzung vermieden wird. Voraussetzung ist allerdings, dass die Errichtung nach Vorgaben der Bodendenkmalpflege erfolgt und beim Rückbau der Anlage eine tiefgründige Bodenlockerung zur Rückumwandlung in eine Agrarfläche ausgeschlossen wird.
in einem 110 m breiten Randstreifen von Bundesautobahnen oder Schienentrassen errichtet werden. Das 2017 novellierte Erneuerbare-Energien-Gesetz erlaubt nun wieder den Bau von Anlagen auf Ackerund Grünland, das aber in »landwirtschalich benachteiligten Gebieten« nach den Förderkriterien der Europäischen Union liegen muss. Von dieser Öffnungsklausel des Erneuerbare-Energien-Gesetzes haben die einzelnen Bundesländer zeitversetzt und mit unterschiedlichen Verordnungen in den letzten Jahren Gebrauch gemacht. Auf ertragsschwachen Ackerstandorten hat diese Kulissenerweiterung in einzelnen Regionen einen neuen Bauboom ausgelöst, dem die archäologischen Landesämter mit den Erfahrungen der letzten zwei Jahrzehnte gut begegnen können. Im Idealfall werden aber für PV-Anlagen nicht landwirtscha-
Um im ländlichen Raum Zielkonflikte zwischen landwirtschalicher Nutzung und Solarenergiegewinnung zu reduzieren, duren Solarparks zwischen 2011 und 2017 nur noch auf Konversionsflächen – wie zum Beispiel Industriebracheflächen, ehemaligen Militärstandorten, Mülldeponien, Bergbaufolgelandschaen – oder
liche Nutzflächen, sondern Konversionsflächen genutzt. Für den voraussichtlich privilegierten Bau von Photovoltaikanlagen auf landwirtschalich genutzten Moorflächen unter der Voraussetzung einer Wiedervernässung dieser Böden fehlen bislang Erfahrungen. Mag es für Bodendenkmale
unkritisch sein, schwimmende Module auf Wasserflächen zu montieren, birgt die Wiedervernässung vor allem in den Moorgebieten Norddeutschlands (vgl. S. 30) noch ungelöste Probleme. Agri-PV – Lösung nicht nur für Landwirte? Um Energiegewinnung und gleichzeitig eine landwirtschaliche Nutzung zu ermöglichen, befinden sich Agri-PV-Anlagen in der Entwicklung. Dabei werden die Module entweder bodennah in so großen Abständen aufgestellt, dass der Untergrund zwischen den Zeilen bewirtschaet werden kann. Oder sie werden so hoch aufgeständert, dass Fahrzeuge unter den Solarpaneelen hindurchfahren können. Die Wirtschalichkeit und Umweltverträglichkeit der Anlagen ist derzeit Gegenstand intensiver Forschung und Modellversuche unter anderem durch das Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme. Damit Bau und Betrieb von Agri-PV-Anlagen keine Schäden am Boden bzw. archäologischen Kulturgut anrichten, wird es unumgänglich sein, denk-
Spektakulärer Fund – hallstattzeitliches Prunkgrab aus dem 7. Jh. v. Chr. bei Otzing, das von der Archäologischen Staatssammlung München im Block geborgen wurde, um es in den Restaurierungswerkstätten freizulegen.
Erfolgt der Bau auf einem Feld mit guter Bodenbedeckung und bei trockener Witterung, können Gründungsschäden vermieden werden. Darüber hinaus trägt die spätere dauerhafte Begrünung zum Schutz eines archäologischen Denkmals vor Erosion und technikbedingter Verlagerung bei (Gemeinde Nicollschwitz, Stadt Leisnig, Kreis Mittelsachsen).
malpflegerische Belange noch im Forschungs- und Versuchsstadium in die weitere Entwicklung einzubringen und künftig in Genehmigungsverfahren und in der Praxis angemessen zu berücksichtigen. Die Kommission für Land- und Forstwirtscha im Verband der Landesarchäologien steht deshalb mit einem wichtigen Akteur (s. o.) in einem intensiven Austausch. Neben der Berücksichtigung der Archäologie im Planungsprozess sind es die
bodenschonende Errichtung und der ebenso bodenschonende Rückbau, die gewährleistet sein müssen. Ein Gewinn für die Archäologie entsteht, wenn anstelle erosionsintensivem Ackerbau eine denkmalverträgliche Bewirtschaung wie zum Beispiel Grünlandnutzung unter dem Solarmodul erfolgt. Die Kommission für Land- und Forstwirtscha im Verband der Landesarchäologien wird in jedem Fall die weitere Entwicklung mit großer Aufmerksamkeit beobachten.
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Kiesabbau rund um Haithabu und Danewerk Das archäologische Denkmal steht niemals isoliert, sondern ist Teil einer gewachsenen Kulturland schaft. Dieser Zusammenhang wird durch den Kies abbau zerstört. Von Matthias Maluck
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n Deutschland werden täglich rund 54 ha als Siedlungs-, Gewerbe-, Infrastrukturund Verkehrsflächen neu überplant, ein Teil davon überbaut. Als Beimischungen für den dazu benötigten Beton oder Unterbau sind pro Jahr rund 155 Millionen Tonnen Kies und Sand erforderlich, davon etwa 1,8 Millionen Tonnen für Windkraanlagen. Die Gewinnung dieser Rohstoffe gefährdet sowohl Substanz als auch Umgebungsbezug von archäologischen Fundstellen und Denkmalen. Neben den archäologischen Kulturdenkmalen selbst in situ will der Denkmalschutz auch Informationen zur Landschasgeschichte im Umfeld der Fundstellen erhalten. Sie sollen als historische Zeugnisse bewahrt und erforschbar bleiben. Dies ist nicht mehr der Fall, wenn die echte Landscha mit ihrer Geschichte zerstört und als Primärquelle unbrauchbar wird. Dieser Quellenwert kann in Zeiten von »fake news« oder frei erfundenen Interpretationen nicht stark genug betont werden. Dies soll an der UNESCO-Welterbestätte Haithabu und Danewerk im Norden von Schleswig-Holstein, genauer gesagt an dem als Kograben bezeichneten Wallabschnitt verdeutlicht werden. Wall, Wasser, Moor – die Mischung macht‘s Der Handelsplatz Haithabu und die Wallanlagen des Danewerks wurden wegen ihrer herausragenden Bedeutung als Zeugnisse und Quellen zur Wikingerzeit (8. bis 11. Jh. n. Chr.) zum UNESCO-Welterbe. Die Wallanlage sicherte an der Schleswiger Landenge das Grenzland zwischen Skandinavien und dem europäischen Festland. Diese besondere Lage ermöglichte einen intensiven Handel und Austausch über Haithabu. Beides ist an den archäologisch hervorragend erhaltenen Elementen abzulesen. 38
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Geländemodell des Gebiets um den östlichen Kograben (in Rot / Blau) mit den Kiesabbaugebieten (schraffiert) der Umgebung.
Die Konzeption des Danewerks verbindet bewusst Wasser- und Moorflächen zu einem Gesamtsystem. Das westliche Danewerk beginnt etwa an einem schwach ausgeprägten Altmoränenrücken. Eine nach Osten anschließende vermoorte Niederung wird teils durchquert, teils verläu der Wall an ihrem Rand. Er erreicht dadurch sowohl eine gestraffte Linienführung als auch die bestmögliche Ausnutzung der natürlichen Schutzwirkung der Niederung. Zwischen Gewässern verlaufen die Wälle und Mauern weitgehend geradlinig. Auch der fast 6,5 km lange Kograben quert die ebenen Geestflächen schnurgerade zur Schlei. Er bestand aus einem 3 m hohen Erdwall, der durch eine Palisaden-
schen Nord- und Ostsee nach Norden. Die Schleswiger Landenge liegt in ihrem südlichen Teil. Von der Ostsee reicht die Förde der Schlei weit in das Landesinnere hinein. Im Westen der Landenge liegen weitläufige moorige Niederungsgebiete um die damals schiffbaren Flüsse Eider und Treene. Daran schließt das Wattenmeer an. Im 1. Jt. n. Chr. bestand es noch vorwiegend aus schwer zugänglichen küstennahen Mooren und Bruchwäldern sowie aus Salzmarscheninseln und Wattflächen. An der Landenge war die Nord-SüdPassage nur über einen etwa 15 km breiten Korridor möglich, der zugleich die kürzeste Verkehrsverbindung zwischen Nordund Ostsee bot. Hier erstrecken sich die Anlagen des Danewerks hauptsächlich.
brüstung verstärkt war. Davor verlief ein 3 m tiefer, V-förmiger Graben. Sehr wahrscheinlich wurde der Kograben im Jahr 983 nach der Befreiung von der ostfränkischen Herrscha errichtet. Die geradlinige und einheitliche Ausführung erinnert an die streng geometrische Bauidee der gleichzeitig errichteten Trelleborgen. Sie wird auf den dänischen König Harald Blauzahn oder seinen Nachfolger Sven Gabelbart († 1014) zurückgeführt.
Die Schlei bildete sich aus einem Tunneltal, das durch Schmelzwasseraustritt aus Gletschern entstanden ist. Die umgebende Landscha wird stark von Moränen der letzten Eiszeit geprägt. Schwemmkegel aus Sand, Kies und Ton der Gletscher bildeten den Sander der Schleswiger Geest. Diese Voraussetzung ist auch Grundlage für den heutigen Kiesabbau. Die Landscha um Danewerk und Haithabu ist nicht mehr dieselbe wie vor einem Jahrtausend. Niederungsgebiete und Moore mit Erlenbruchwäldern waren damals deutlich ausgeprägter als heute. Die Entwässerung im 19. und 20. Jh. hat die
Dem Kiesabbau zum Trotz Vom mitteleuropäischen Festland erstreckt sich die jütische Halbinsel zwi-
Schematische Darstellung des geologischen Aufbaus der Schleswiger Landenge am Danewerk.
ausgedehnten Feuchtgebiete fast vollständig verschwinden lassen. Bereiche der die Denkmale umgebenden Landscha wurden im Rahmen des Ton- und Kiesabbaus um teilweise mehrere Meter abgegraben. Auch der Kograben wurde dabei über mehrere 100 m zerstört. All diese Veränderungen haben aber die entscheidenden landschalichen Merkmale nicht wesentlich verändern können, die für das Verständnis des Verlaufs der Wälle und die Lage Haithabus notwendig sind. Noch immer sind die damaligen Niederungen als Vertiefungen im Gelände abzulesen und die zwischen ihnen herausragenden Ebenen vorhanden. Die Kiese und Sande als Elemente des Sanders sind in ihrem historischen Aufbau unter der Ackerkrume erhalten. Sie erklären, weshalb dieser Bereich für einen Landtransport besonders geeignet war und sind somit wichtige Puzzlestücke für die Interpretation der Ge-
samtanlage. Der Topografie und dem Bodenaufbau im Umfeld der Denkmale kommen daher weiter große Bedeutung für das Verständnis von Haithabu und Danewerk zu. Die nähere Umgebung der Denkmale sollte also vor Veränderungen durch Bodenauf- oder -abtrag geschützt werden. Neuer Kiesabbau läu diesem Schutzgedanken zuwider. Er droht, die letzten Reste des landschalichen Kontextes von Teilen des Kograbens zu zerstören. Die Denkmale würden zu Inseln in einer abgegrabenen Umgebung. Um den damaligen Umgang nachvollziehbar zu halten, sollten alte Kiesabbaugebiete im Umfeld des Kograbens nicht mehr aufgefüllt werden, sondern als sichtbare Zeugnisse der jüngeren Landschasgeschichte erhalten bleiben. Damit bleibt die Nachvollziehbarkeit der Landschasgeschichte im Sinne einer echten historischen Landscha gewahrt.
UNESCO-Welterbe Haithabu und Danewerk mit Gewässern.
Schleswig
Ochsenweg
SCHLEI
Seesperrwerk
Nordwall DANNEWERKER SEE (EHEMALIG)
E
SCHWANSEN SCHLEI
HADDEBYER NOOR
Verbindungswall
EN
Kiesabbau – auch jener im Zuge von Maßnahmen, die mit der Energiewende verbunden sind – führt in jedem Fall zu einer vollständigen Zerstörung des historischen Landschas- und Bodenarchivs. Durch die vollständige Entnahme der Sedimente verschwindet die historische Schichtung und Mächtigkeit der unterschiedlichen Sedimente inklusive der in ihnen befindlichen umwelt- und menschheitsgeschichtlichen Informationen. Die Landscha kann keine überprüfbare Auskun über Genese und historische Gestalt mehr geben.
Haithabu und Halbkreiswall Eckernförde
SELKER NOOR
TRE
Hauptwall Osterwall Kograben Hollingstedt
RHE
Richtung Nordsee
WINDEBYER NOOR
Krummwall IDE
U R A
HÜTTENER BERGE
ECKERNFÖRDER BUCHT
Europa Fakten und Fiktionen eines Sensationsfundes
Rätselhae Steinschüttungen im Bodensee Im Herbst
gingen die sogenannten Hügeli viral – das »Bodensee
Stonehenge« war geboren. Seither ranken sich darum viele Fragen, Theorien und gar Fehlinterpretationen. Ein Team des Amts für Archäologie Thurgau und der Universität Bern geht dem Rätsel auf den Grund – Zeit für einen Zwischenstand.
Von Urs Leuzinger, Simone Benguerel, Livia Enderli, Florence Gilliard und Thomas Keiser
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or der medialen Aufmerksamkeit, die unmittelbar auf die Präsentation der Vermessungsergebnisse der Untersu‐ chungen des Instituts für Seeforschung Langenragen auf einer Medienkonferenz im Herbst folgte, ging alles seinen normalen Gang. Das Forschungsteam der Landesanstalt Umwelt Baden‐Württem‐ berg informierte das Amt für Archäologie Thurgau, dass auf besagten Vermessungs‐ daten bis m vor dem aktuellen See‐ ufer zwischen Romanshorn und Altnau eine Aufreihung von Steinschüttungen in bis m Wassertiefe zu erkennen seien. Diese Strukturen konnten nach Ansicht der Geologen und Seenforscher nicht natürlich sein. Dennoch wollte das Team vom Amt für Archäologie Thurgau zunächst eine na‐ türliche Entstehung der Steinschüttungen während der letzten Eiszeit nicht voll‐ ständig ausschließen. Um der Sache auf den Grund zu gehen, wurde deshalb eine
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interdisziplinäre Fachgruppe aus Geolo‐ gen, Sedimentologen, Archäologen und Tauchspezialisten zusammengestellt. Als Erstes fanden mehrere Tauchgän‐ ge zu den Steinschüttungen statt. Dabei zeigte sich, dass diese heutzutage teilwei‐ se stark mit Seegras und Muscheln über‐ wucherten Strukturen einen durch‐ schnittlichen Durchmesser von bis m haben und Höhen von , bis zu , m auf‐ weisen. Die Abstände zwischen den mehr‐ heitlich runden Steinkonzentrationen be‐ tragen stellenweise zwischen und m. Die lachen Erhebungen wurden nummeriert und dokumentiert. Im De‐ zember führten die Taucher der Glo‐ bal Underwater Explorers im Auftrag des Amts für Archäologie im Zentrum des »Hü‐ gels« mit der Nummer vor Uttwil eine kleine Sondierung durch. Sie entfernten auf einer Fläche von m Breite und m Länge zwei Steinlagen und bargen insge‐
Ein Taucher führt den Georadarschlitten über die aufgeschütteten Steine von Hügel 5.
samt zehn Holzfragmente, die anhand von C‐Analysen in die Jungsteinzeit und in die Neuzeit datieren. Natürliche »Hügeli«? Um die Frage zu klären, ob die Steinschüt‐ tungen natürlich entstanden oder von Menschenhand geschaffen wurden, galt es herauszu inden, ob die spätglaziale Morä‐ ne direkt an der Basis der Steine ansteht, oder aber ob die »Hügel« nacheiszeitlichen Seesedimenten au liegen. Dazu wandten Forschende der Universität Bern die so‐ genannte re lektionsseismische Analyse über einigen ausgewählten Strukturen an, mittels derer die Beschaffenheit des Un‐ tergrunds bestimmt werden kann. Die Analyse ergab, dass die Steine nicht direkt mit den glazialen Ablagerungen verbun‐ den sind. Der Sachverhalt konnte im Früh‐ ling durch die Untersuchung mit dem von Jens Hornung an der Technischen Uni‐ versität Darmstadt entwickelten Unter‐ wassergeoradar‐Gerät bestätigt werden. Mit einem Messschlitten wurden durch hochfrequente elektromagnetische Im‐ pulse Schichtgrenzen im Untergrund er‐ fasst. Diese Methode zeigte, dass die Stei‐ ne offensichtlich auf den nacheiszeitlichen Beckensedimenten und deutlich über den glazialen Ablagerungen au liegen. Auf dem Georadarbild lässt sich auch erkennen, dass die Steine auf einer alten Strand lä‐ che an der ehemaligen Haldenkante auf‐ geschüttet und dann von jüngeren, fein la‐ minierten Ablagerungen gegen die See‐ mitte hin überdeckt wurden. Den endgül‐ tigen Beweis, dass die Steinschüttungen nacheiszeitlich sind, erbrachten vier Sedi‐ mentbohrungen von Geologen der Uni‐ versität Bern unter der Leitung von Flavio Anselmetti, die auf einer Linie vom Ufer Richtung See im Bereich des »Hügels« Nummer vor Uttwil abgeteuft wurden. Dank der so gewonnenen Sedimentkerne liegt nun ein lückenloses geologisches Pro il von der späten Eiszeit bis heute vor. Besonders interessant sind dabei einige organische Überreste – Reste von Blät‐ tern –, die im Kern BO _ in einer Bohr‐ tiefe von cm zum Vorschein kamen und die sich demnach genau auf der Höhe der ehemaligen Strandober läche abgela‐
gert hatten, auf der man seinerzeit die Stei‐ ne aufschüttete. Künstliche Inseln im lachen Wasser Um mehr über die rätselhaften Steinschüt‐ tungen zu erfahren, wurde der Bodensee am . September bei stürmischem Wetter per Schiff mit einem Arbeits loß be‐ fahren, auf dem sich ein Dreißig‐Tonnen‐ Bagger vom Typ CAT mit m lan‐ gem Arm und Böschungsschaufel befand. Nachdem die Plattform genau positioniert und ixiert war, wurde rechtwinklig zum Ufer unter Wasser ein Graben mittig durch den »Hügel« Nummer angelegt. Eine Stichprobe an Steinen sowie alle freige‐
legten Hölzer wurden geborgen. In den Folgewochen sowie im Mai fanden dann taucharchäologische Untersuchun‐ gen statt. Der m lange Schnitt wurde da‐ bei gereinigt, vermessen und dokumen‐ tiert. Die Steinschüttung besteht aus Ge‐ röllen mit Durchmessern von bis cm. Es dominieren Molassesandsteine, dane‐ ben liegen Gneise, alpine Kalke und Grün‐ gesteine vor. Die Zusammensetzung ent‐ spricht den Gesteinstypen, wie sie in den umliegenden Moränen vorkommen. Zwei im Pro il steckende Pfähle sowie mehrere verstreut liegende Hölzer wur‐ den vom Tauchteam geborgen. Archäolo‐ gische Objekte wie Knochen, Keramik‐
Das Südufer des Bodensees bei Kesswil. Rechts in der Flachwasserzone sind die beiden gewinkelten frühneuzeitlichen Wintermolen, links vier runde Steinschüttungen erkennbar.
scherben oder Steinartefakte kamen kei‐ ne zum Vorschein. Von Beginn an wurde versucht, die Struk‐ turen chronologisch einzuordnen. Eine in‐ tensive Archivrecherche ergab keinerlei Hinweise. Interessant ist, dass alle Schüttungen auf einer Linie gleicher Höhe liegen – die Hügelbasen be inden sich auf , bis , m über dem Meeresspie‐ gel – und somit nahezu parallel zum heu‐ tigen Ufer verlaufen. Die Reste von Blät‐ tern an der Basis von Hügel wurden am Labor der Universität Bern einer Radio‐ karbonanalyse mittels Massenbeschleuni‐ gungsspektrometrie (AMS/LARA) unter‐ zogen – also einer Methode, die anhand AiD 3 | 2023
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Europa Fakten und Fiktionen eines Sensationsfundes präziser Messung des C‐Gehalts eine ge‐ naue radiometrische Datierung liefert. Die Blattfragmente fallen in die Zeit um bis v. Chr. Somit sind das Alter der da‐ maligen Haldenkante und der frühest‐ mögliche Zeitpunkt der Aufschüttung der Steine nachgewiesen. In genau diese Epo‐ che fallen auch neun teilweise dendro‐ chronologisch zeitgleiche Pfähle und Bau‐ hölzer aus Hügel , die mit der Radiokar‐ bonanalyse in die Zeit zwischen und v. Chr. datiert werden konnten. Ein direkter Zusammenhang zwischen den Hölzern aus Esche, Eiche und Pappel und den aufgeschütteten Steinen ist natürlich nicht nachweisbar. Sechs Hölzer aus der Steinkonzentration datieren zudem ins . Jh. n. Chr. Die geologische Auswertung der Bohrkerne und die absolute Höhenla‐ ge der Kulturschichten in der ebenfalls am Südufer des Bodensees gelegenen Pfahlbausiedlung Arbon‐Bleiche – seit UNESCO‐Welterbestätte – lässt ver‐ muten, dass im ./ . Jh. der Bodensee‐ pegel im Vergleich zu heute sehr tief war. Dies erklärt, weshalb die Hügel heutzuta‐ ge mehrere hundert Meter vom Ufer ent‐ fernt liegen. In prähistorischer Zeit befan‐ den sich die Steinschüttungen ebenfalls im See, ragten aber wahrscheinlich – zumin‐ dest während der Wintermonate – als künstliche Inselchen aus dem Wasser. Im Spätherbst untersuchte das Amt für Archäologie Thurgau vor Kesswil den Hügel . Auch dort kamen unter den Steinen mehrere Pfähle zum Vorschein. Die Auswertung dieser jüngsten Tauch‐ grabung wird hoffentlich weitere Indizien zur prähistorischen Datierung und Funk‐ tion der Hügelschüttungen liefern. Fischfanganlage, Kalender, Totenkult? Die große mediale Aufmerksamkeit für das »Stonehenge im Bodensee« – es wurde un‐ ter anderem in der Wochenzeitschrift »Zeit«, auf Arte, in Terra X des ZDF sowie im Schweizer Fernsehen berichtet – führ‐ te nicht nur in der Fachwelt, sondern auch in der breiten Bevölkerung zu zahlreichen Diskussionen, wozu diese knapp km lange Hügelkette am Südufer des Boden‐ sees gedient haben könnte. Dabei zeigte sich, dass die Begriffe »Hü‐ geli« und die ansprechenden Visualisie‐ rungen aus der Vogelperspektive den Blick auf die reale Befundsituation verzerrten. Diese vermeintlich kleinen Steinhaufen – 42
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Steine zu bewegen, um anschließend ein schmackhaftes Fischgericht zubereiten zu können. Die zahlreichen Funde aus den umliegenden Pfahlbausiedlungen zeigen zudem, dass erfolgreicher Fischfang durch die Jahrtausende auch ohne Steineschüt‐ tungen und nur mit Netzen, Angelleinen, Harpunen und Reusen möglich war. Lese‐ steinhaufen der prähistorischen Land‐ wirtschaft machen im feuchten, sandigen Strandbereich ebenfalls keinen Sinn. Mit einem Haus bebaute künstliche Inseln – wie die bekannten Crannogs im Norden Großbritanniens – fallen als Interpretati‐ on auch weg, weil entlang desselben Ufers ja zahlreiche Pfahlbaudörfer bekannt sind und charakteristische Siedlungsabfälle zwischen den Steinen bisher vollständig fehlen. Bleibt noch ein weiteres Erklärungs‐ modell. Es wäre denkbar, dass man jeweils solche Hügel für Verstorbene aufschütte‐ te und auf diesen künstlichen Erhebun‐ gen anschließend Totenrituale ausführte.
Perspektivische Sicht auf die Hügelkette. Der Mensch zwischen den »Hügeli« vermittelt ein Gefühl für die Dimension der einzelnen Steinschüttungen.
Baggerschnittprofil mit jungsteinzeitlichem Pfahl in situ. Die Steine liegen auf den nacheiszeitlichen Seesedimenten.
in der »Zeit« zusätzlich mit einer nicht exis‐ tierenden umgebenden Palisade visuali‐ siert – weisen Durchmesser von bis zu m auf, sind aber mit , bis , m Höhe ver‐ hältnismässig lach. Auch wenn man mit einem gewissen »Verschleifen« der Stein‐ schüttungen während der letzten Jahrtau‐ sende rechnen kann – pyramidenförmige Kegel bzw. Steinkreise à la Terra X‐Re‐ konstruktion sind frei erfunden. Um dieser Darstellungsproblematik Herr zu werden, führte Livia Enderli an der Zürcher Hochschule der Künste (Depart‐ ment Design, Knowledge Visualization) Forschungen durch, wie man den allge‐ mein bekannten, äußerst suggestiven Bild‐ modellen mit Vogelschauoptik und starker Reliefüberhöhung entgegentreten könnte. Mit dem Projekt »versunkene Landschaft« ist dies auf eindrucksvolle Weise gelungen. So zeigte sich, dass die Erbauer der Stein‐ schüttungen im lachen Ufergelände bzw. Flachwasserbereich maximal zwei bis drei Erhebungen oder künstliche Inselchen auf
einen Blick sehen konnten. Dies gilt es zu bedenken, wenn Ideen au kommen, es handle sich um ein astronomisches Ka‐ lenderwerk, das sich auf Sonnwenden und den km entfernten Säntisgipfel – den man vom Ufer aus gar nicht sehen kann – bezog. Auch gleichzeitig entfachte Feuer auf der Hügelkette wirken aus der telege‐ nen Vogelperspektive unbestritten ein‐ drucksvoll. Hinweise auf Brandreste fan‐ den sich bisher – abgesehen von einem ein‐ zigen verkohlten Holzstück – allerdings keine. Zudem dürften die Steinschüttun‐ gen lediglich in den Wintermonaten bei sehr tiefen Wasserständen überhaupt aus dem Wasser geragt haben. Deutlich kleinere Steinsetzungen in Seen in Kärnten (Österreich) dienten dem Anlocken von großen Fischen wie Hecht oder Wels. Solche Fischereianlagen, aller‐ dings aus Zweighaufen bestehend, gibt es auch zahlreich im Bodensee. Es macht wohl wenig Sinn, hochgerechnet mindes‐ tens Tonnen bzw. über Millionen
Wie geht es weiter? Die archäologische Erforschung dieser vor wenigen Jahren neu entdeckten Gelände‐ monumente steckt noch in den Kinder‐ schuhen. Bisher wurden erst zwei Hügel (Nr. und ) näher untersucht. Die mo‐ mentane Auswertung der im Spätherbst durchgeführten Unterwassergra‐ bung wird hoffentlich weitere Erkennt‐ nisse liefern, bisherige Resultate bestä‐ tigen oder falsi izieren und bestenfalls Alter und Funktion klären. Auch den fach‐ lichen Austausch mit archäologischen Forschungsgruppen an anderen Uferab‐ schnitten gilt es beizubehalten. So sind bei‐ spielsweise ein Tauchteam am Zugersee sowie ein weiteres auf deutscher Seite des Bodensees solchen vergleichbaren Stein‐ schüttungen auf der Spur. Noch wichtiger wird es aber sein, dieses beinahe km lange, wahrscheinlich jungsteinzeitliche Bodendenkmal unter Wasser zukünftig vor Zerstörung zu schützen. Dahingehen‐ de Maßnahmen sind vom Amt für Archäo‐ logie Thurgau, unterstützt vom Bundesamt für Kultur, bereits in die Wege geleitet.
Webtipp www.sunkenlandscape.com
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Europa Aus dem Massengrab in die Zuckerfabrik?
Die Toten von Waterloo Das belgische Waterloo war Schauplatz der bekanntesten Schlacht der Napoleonischen Kriege mit unzähligen Gefallenen. Doch wo sind die Gräber? Auf dem Schlachtfeld wurden bei Ausgrabungen bisher kaum Knochen entdeckt. Historiker liefern nun eine überraschende Erklärung mit Folgen für die europäische Schlachtfeldarchäologie.
Von Arne Homann, Robin Schäfer, Bernard Wilkin
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ls am Abend des . Juni bei Wa‐ terloo nahe Brüssel die Sonne hin‐ ter dem Horizont versank, bedeck‐ ten Zehntausende tote und verwundete Menschen und Pferde das Schlachtfeld. Eine Koalition europäischer Herrscher hatte Frankreichs Kaiser Napoleon mit sei‐ nem Weltherrschaftsanspruch endgültig geschlagen. Der Preis war gewaltig. Wohl mehr als Menschenleben kostete der Sieg insgesamt. Man begrub die Toten auf verheerten Feldern und Wiesen, in Dörfern und Weilern – mal einzeln, mal zu mehreren, oft in Massengräbern. Darüber gediehen Gras und Getreide in der Folge besonders gut. Logisch scheint die Vermutung, die knöchernen Überreste des katastrophalen Großereignisses sollten durch Ausgra‐ bungen leicht fassbar sein. Doch das ist nicht der Fall. Seit befasst sich die professionelle Archäologie intensiv mit dem Gebiet der Schlacht. Vor allem ist es die belgische staatliche Bodendenkmal‐ p lege in Form der Agence wallonne du Pa‐ trimoine (AwaP), die primär bei Baumaß‐ nahmen tätig wird. Zum Beispiel im Zuge der umfangreichen Arbeiten bei der Er‐ richtung des eröffneten neuen Mu‐ seums »Memorial « beim Löwenhü‐ gel. Daneben ist das gegründete bri‐ tische Projekt »Waterloo uncovered« hier tätig. Dessen Team arbeitet mit dem gan‐ zen Spektrum archäologischer Methoden: Ausgrabung, Prospektion ‐ auch mit Me‐ tallsuchgeräten ‐, Geophysik. Trotz des großen Aufwandes kamen bisher aber nur sehr wenige menschliche und tierische Skelette bei diesen Grabungen zu Tage. So ein einzelner Toter beim Parkplatz‐ bau am Museum und ein weiterer, der bei dem Weiler Mont‐Saint‐Jean zu‐
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sammen mit zwei wohl in einem Lazarett amputierten Armen verscharrt wurde. Hinzu kamen drei wohl ebenfalls am‐ putierte Gliedmaßen und Teile von Pferden. Zur Erklärung dieser Situation hat man diverse Szenarien bemüht. Etwa den Kno‐
chenhandel zur Produktion von Dünge‐ mitteln um , die starken Veränderun‐ gen des Schlachtfelds durch Erdbewegun‐ gen oder eine intensive Landwirtschaft. Doch alle Ansätze blieben bisher unbe‐ wiesene Vermutungen oder können das Phänomen nur zum Teil erklären. Wellingtons Tee Neuere historische Forschungen von Ber‐ nard Wilkin und Robin Schäfer haben auf‐ gezeigt, dass ein bisher übersehener Fak‐
Ausgrabung eines Steinhaufens bei dem während der Schlacht bei Waterloo schwer umkämpften Hof Hougoumont. Unter den Steinen sind keine Bestattungen zu finden. Im Hintergrund der Löwenhügel (Butte de lion), das größte Denkmal zur Schlacht bei Waterloo.
tor eine wesentliche Rolle spielte: Etwa Jahre nach der Schlacht boomte in Bel‐ gien die Zuckerindustrie. Es lohnte sich, den begehrten Süßstoff aus der heimi‐ schen Zuckerrübe zu produzieren. Doch der europäische Zucker sollte so weiß sein, wie der Rohrzucker aus Übersee. Bei dem dafür notwendigen Filtern kam Knochen‐ kohle – Spodium – zum Einsatz. Ein star‐ ker Anstieg der Nachfrage nach Gebein war die Folge. So stark war die Nachfrage, dass zumindest in Waterloo schließlich selbst Gräber auf dem einstigen Schlachtfeld ge‐ öffnet wurden. Die Überreste von Men‐ schen und Tieren schaffte man in die Fabri‐ ken und verarbeitete sie. Nicht unwahr‐ scheinlich also, dass der bei Waterloo sieg‐ reiche britische Heerführer Wellington, dem danach noch ein langes Leben be‐ schieden war, so manche Tasse Tee mit Zucker süßte, der mit Knochen seiner Sol‐ daten und Of iziere geweißt war.
Natürlich sind viele der Gräber bei Wa‐ terloo auf andere Weise zerstört, die Kno‐ chen unter anderen Umständen entfernt worden. Entsprechende Folgen könnten sich ergeben haben beim landwirtschaftli‐ chen Tiefp lügen, bei Bau‐ und Erdarbeiten, beim Handel mit anatomischem Material oder bei der Produktion von Knochendün‐ ger und Beinschwarz. Das Maß an Zerstö‐ rung, das durch die Entnahme für die in‐ dustrielle Zuckerproduktion entstand, dürf‐ te aber alle anderen Faktoren überwiegen.
Wo sind all die Toten hin? Die theoretischen Folgen dieser Erkennt‐ nisse für die europäische Schlachtfeld‐ archäologie sind klar: Wenigstens in jenen Gebieten, in denen sich in der ersten Hälf‐ te des . Jh. die Verarbeitung von Zu‐ ckerrüben entwickelte, sollte künftig bei der Frage nach dem Verbleib von Schlacht‐ feldbestattungen zwingend immer auch die Zuckerindustrie in Betracht gezogen werden. Damit sind weite Teile Deutsch‐ lands betroffen. Keine Frage: Es gibt Zuckeranbauge‐ biete, aus denen Funde von Schlachtfeld‐ bestattungen vorliegen. Umgekehrt kön‐ nen Knochen auch in solchen Gebieten fehlen, in denen es gar keine Zuckerpro‐ duktion gab. Hier kann weiträumiger Kno‐ chenhandel die Erklärung sein. Aber dann sind da auch diverse archäologisch unter‐ suchte Gräber der Napoleonischen Krie‐ ge: Auf Schlachtfeldern etwa bei Aspern ( ), Wagram ( ) und Borodino ( ), aus Seuchen‐ und Lazarett‐Kon‐ texten bei Kaliningrad und Wilna (Beides Napoleons Russlandfeldzug ) und Leipzig ( ). Und ebenso ist für ältere Schlachtfelder, deren Grabstätten ja um , anders als jene der damals erst kurz vergangenen Napoleonischen Kriege, in der Masse sicher nicht mehr bekannt wa‐ ren, diese Erklärung abzulehnen. Das zei‐ gen unter anderem die Massengräber von Visby ( ), Aljubarrota ( ), Mohács
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), Lützen ( ) und Wittstock ( ). Aber es gibt eben daneben eine Reihe von Schlachtfeldern, auch der Napoleo‐ nischen Kriege, zum Beispiel Azincourt ( ), Bosworth ( ), Lutter am Ba‐ renberge ( ), Minden ( ), Paris ( ) und viele andere, bei denen das Fehlen archäologisch untersuchter Gräber Fragen aufwirft und wo moderne Metho‐ den keine oder kaum Ergebnisse bringen. Wo sind all die Toten hin? Diese Frage wer‐
Menschliches Skelett auf dem Mont St. Jean.
Die Zuckerfabrik bei Waterloo, aktiv 18361871, ca. 1855. Hinten rechts der Löwenhügel (vgl. Abb. S. 44).
den sich Archäologie und Geschichtswis‐ senschaft bei der Arbeit auf und mit histo‐ rischen Schlachtfeldern weiterhin stellen müssen. Die Gebeine gewaltsam zu Tode gekommener Menschen und Tiere sind schließlich auch oft die eindrucksvollsten Belege vergangener Kon likte. Sie können Zeugnis ablegen von dem, was einst auf heute friedlichen Fluren geschah – wenn nicht Habgier und Konsumwillen sie ent‐ fernt haben.
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Report Ortsgeschichte selbst erforschen
Schenefeld gräbt aus! Einmal selbst graben und so nicht nur Einblicke in die Archäologie, sondern auch die Geschichte seines Wohnortes erhalten – in mehreren europäischen Ländern ist das schon längst üblich. In Deutschland ist das noch eine Seltenheit – Grund genug, sich eines der wenigen Projekte dieser Art genauer anzusehen.
Von Ilka E. Rau, Katrin Schöps, Carenza Lewis, Claus von Carnap-Bornheim
W
er an zwei Wochenenden im Mai und Juni in dem Dorf Schene‐ feld in Schleswig‐Holstein den Ge‐ räuschen von Schaufeln und aufgeregten Menschen folgte, konnte ein besonderes Ereignis beobachten: Einwohner der Ge‐ meinde führten archäologische Grabungen durch. Mehr als Personen hoben an zwei Wochenenden in ihren Gärten und auf öffentlichen Flächen Suchgrabun‐ gen von m aus und dokumentierten mit fachlicher Unterstützung akribisch sowohl
Zwar ist in Deutschland die öffentliche Beteiligung an archäologischen Ausgra‐ bungen nicht neu, eine Einbindung der breiten Öffentlichkeit von Anfang bis En‐ de des Prozesses ist hingegen selten. In Großbritannien sind kommunale Grabun‐ gen durchaus üblich. Viele dieser Studien fanden unter Federführung bzw. Beteili‐ gung von Carenza Lewis der Universität Lincoln in Mittelengland statt. Erfahrun‐ gen von dort sowie aus den Niederlanden, Tschechien und Polen bestätigen die vie‐
Funde als auch Befunde. Vom ersten Spa‐ tenstich über die Fundaufnahme bis zum Wiederauffüllen der Suchgrabung bestrit‐ ten die Anwohner die Grabung selbst. Wäh‐ rend die Funde neue Erkenntnisse zur his‐ torischen Entwicklung des Dorfes ergaben, pro itierten auch die Teilnehmenden selbst von der Begegnung mit den Überresten aus der Vergangenheit. Diese positiven Ergeb‐ nisse lassen hoffen, dass es in Zukunft wei‐ tere solche Projekte geben wird.
len Vorteile solcher Projekte für die Ar‐ chäologie, die Teilnehmenden vor Ort und die Gemeinden. Analysen belegen eine positive Auswirkung auf das Wohlbe in‐ den, das Wissen und die Fähigkeiten der Beteiligten. Das gesteigerte lokale Inte‐ resse an verschütteter Geschichte/Ar‐ chäologie kann die historische Identität stärken, Gemeinschaften zusammenbrin‐ gen und das Verständnis für Wissenschaft fördern.
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Links: Das Grabungsmaterial wird bereitgestellt für eine der 31 Suchgrabungen. Rechts: Aktion »Schenefeld gräbt aus«: kleine Sondagen von 1 m2 im eigenen Garten.
Alle packen mit an Der Anstoß zu diesem partizipativen Ar‐ chäologieprojekt gaben Carenza Lewis und Claus von Carnap‐Bornheim (Exzellenz‐ Cluster ROOTS und Direktor des Zentrums für Baltische und Skandinavische Archäo‐ logie, ZBSA). Das Exzellenz‐Cluster ROOTS erforscht mithilfe neuartiger Ansätze und Partnerschaften die Wurzeln der heuti‐ gen sozio‐ökologischen Zusammenhänge und ihre Verbindungen zur Gegenwart, so‐ dass das Projekt perfekt ins Forschungs‐ programm passte. Eine erfolgreiche Durch‐ führung war aber nur unter Beteiligung der wichtigsten archäologischen Institute Schleswig‐Holsteins möglich. Daher haben sich neben ROOTS und dem ZBSA die Christian‐Albrechts‐Universität zu Kiel so‐ wie das Archäologische Landesamt Schles‐ wig‐Holstein zusammengefunden und das Leibniz‐Institut für die Pädagogik der Na‐ turwissenschaften und Mathematik (IPN) mit ins Boot geholt. Für das Projekt iel die Wahl schnell auf Schenefeld, Kreis Steinburg, wo frühere Grabungen zwei Grubenhäuser aus dem . Jh. zutage gefördert hatten und die Mör‐
telanalysen des örtlichen Historikers Rein‐ hard Heesch ein ähnliches Datum für die nahegelegene Kirche bestätigten. Mit tat‐ kräftiger Unterstützung des Bürgermeis‐ ters von Schenefeld, Johann Hansen, wur‐ den die Anwohner ermutigt, an den Gra‐ bungen teilzunehmen und ihre Gärten zur Verfügung zu stellen, um zu untersuchen, ob es sich bei Schenefeld um eine der ältes‐ ten kontinuierlich bewohnten Siedlungen in Schleswig‐Holstein handeln könnte.
Die Resonanz war überwältigend po‐ sitiv. Mehr als Personen nahmen teil. Neben Claus von Carnap‐Bornheim und Carenza Lewis waren zahlreiche Wissen‐ schaftlerinnen und Wissenschaftler der oben genannten Institute anwesend, um den Freiwilligen mit Rat und Tat zu Seite zu stehen; darunter beim Ausfüllen der Grabungsprotokolle oder der Erfassung und Identi izierung der Funde. Mehr als Funde wurden aus den Suchgrabun‐
Gruppenbild mit den Teilnehmenden der Aktion an einem Wochenende im Juni 2022.
Keramikfund vor Ort (18.– 19. Jh.).
gen geborgen, jeder ein Teil des Puzzles von Schenefelds Vergangenheit. Erste Ergebnisse der Grabung bestäti‐ gen eine umfassende Siedlungstätigkeit im späteren . Jt. n. Chr. Neben diesen älteren Keramikfunden aus dem Frühmittelalter fanden sich unerwartet nur sehr wenige Keramikfunde aus der ersten Hälfte des . Jt., die mehrheitlichen Keramikfunde sind neuzeitlich. Weitere Fundkategorien waren Glas, Baukeramik wie Ziegelbruch, Holzkohle, Knochen, Metallfragmente, Schlacke sowie Flint und natürlich mo‐ derner Kunststoff. Inwieweit Schenefeld seit dem . Jt. durchgehend besiedelt war und wo genau sich die Menschen im Mit‐ telalter niederließen, lässt sich anhand der bisherigen Suchgrabungen noch nicht ein‐ deutig klären. Dazu wären weiterführen‐ de Untersuchungen notwendig. Partizipative Archäologie fördert das Wohlbe+inden Um zu erfassen, ob die Teilnehmer von dem Projekt pro itierten, wurden sie ge‐ beten vor und nach dem Grabungswo‐ chenende Fragebögen auszufüllen. Über Prozent der Beteiligten gab an, dass ih‐ nen das Projekt Freude gemacht hat und
sie die Teilnahme weiterempfehlen wür‐ den. Sie hätten viel Neues gelernt und die Chance genutzt, etwas mit Leuten zu un‐ ternehmen, die ihnen wichtig sind. Au‐ ßerdem verdeutlichen die Ergebnisse der Befragungen, dass die Mitarbeit im Projekt den Beteiligten auch persönlich (körper‐ lich, geistig, sozial) gutgetan hat. Ein Groß‐ teil ( Prozent) hat die Atmosphäre bei der Grabung genossen und würde gern noch mehr über die Geschichte und Ar‐ chäologie des Ortes erfahren. Diese positiven Ergebnisse, sowohl für die Archäologie als auch für die Gemein‐ de, verdeutlichen das Potenzial von parti‐ zipativen kommunalarchäologischen Pro‐ jekten. Es wäre daher wünschenswert, dass Gemeinschaftsarchäologie in Zukunft auch hier zulande nicht mehr die Aus‐ nahme ist, sondern zunehmend ein fester Bestandteil archäologischer Forschung wird.
Webtipps https:/ / museum-fuer-archaeologie.de / de / vorstoss-in-die-eigene-geschichte www.cluster-roots.uni-kiel.de
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Report Blick unter das Pflaster der Altstadt
Archäologische Forschungen in München Vom Herzogssitz zur Großstadt: Forschungen zu Funden aus Grabungen in München im Rahmen eines seit
bestehenden Projekts erschließen
ein facettenreiches Bild vom Alltagsleben, der Umwelt und der städtischen Entwicklung. Aktuelle Ergebnisse werden via PopupAusstellungen an verschiedenen Orten der Stadt präsentiert.
Von Elke Bujok, Melanie Marx und Eleonore Wintergerst
D
as Forschungsprojekt »Archäologie München« besteht seit und hat zum Ziel, Funde aus den archäo‐ logischen Untersuchungen in der Stadt München zu erschließen. Anstoß für die Gründung des Projekts gaben die Ausgrabungen am Marienhof in den Jahren / und das große öffent‐ liche Interesse daran. Ermöglicht wurde es durch die Landeshauptstadt München, die das Projekt noch bis mindestens mit einem namhaften Betrag inanziert. Unter Leitung der Archäologischen Staatssamm‐ lung beteiligen sich nicht nur Institutionen und Personen aus den Spezialdisziplinen der Archäologie, sondern auch aus den Fachbereichen Botanik, Zoologie, Anthro‐ pologie, Natur‐ und Geschichtswissen‐ schaften. So kann ein facettenreiches Bild vom Alltagsleben, der Umwelt und der Ent‐ wicklung vom Herzogssitz zur Großstadt ermittelt werden. Lustgarten, Klöster, Wirtshaus Die abgeschlossenen Grabungen am Marienhof bilden mit der immensen Fund‐ menge einen Schwerpunkt des Projekts. Darüber hinaus fanden in der Münchner
Altstadt bereits mehr als weitere ar‐ chäologische Untersuchungen statt, von denen einige ausgewertet und durch Pu‐ blikationen, Vorträge, Ausstellungen und »Funde des Monats« auf der projekteige‐ nen Webseite präsentiert werden. Dazu zählen die Grabungen am Marstallplatz, wo sich bis der von Wilhelm IV. (reg. – ) gegründete Lustgarten be‐ fand. Hier konnten Fragmente eines au‐ ßerordentlich kunstreichen, vielfarbig gla‐ sierten, singulären Kachelofens geborgen werden. Am Max‐Joseph‐Platz kam bei Grabungen die Gruft der Püttrich‐ und Rid‐ lerschwestern zutage. Bis zur Säkularisa‐ tion im Jahr hatte sich hier ein be‐ rühmter Franziskanerkonvent mit den beiden zugehörigen Frauenklöstern be‐ funden. Der Archäologe Tilman Mittelstraß wertete das Fundmaterial aus, und Elke Bujok erforschte die Geschichte der Klöster archivalisch. Bis Anfang diesen Jahres war hierzu die Ausstellung
»Die Nonnen vom Max‐Joseph‐Platz« in der Residenz und der Burg Grünwald zu sehen. Unter dem Titel »Jedem Zecher sein Be‐ cher« untersuchte Melanie Marx mehrere Tausend Glasfragmente des . bis . Jh. aus der Altstadt Münchens. Zusammen mit historischen Quellen und Bildern, anderen Fundgattungen sowie naturwissenschaft‐ lichen Ergebnissen beleuchtete sie den so‐ zialhistorischen Aspekt der Gläser und die Wirtshauskultur. Im Winthirfriedhof im Stadtteil Neu‐ hausen wurden über Skelette ausge‐ graben und im Rahmen eines von der Deut‐ schen Forschungsgemeinschaft inanzier‐ ten Projekts an der Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie unter‐ sucht. Sie liefern Einblicke in das Leben und Sterben am Ende des . Jh. Die Klein‐ funde wurden an der Archäologischen Staatssammlung bearbeitet, am Institut für Bayerische Geschichte der Ludwig‐Maxi‐ milians‐Universität wurden die histori‐ schen Quellen ausgewertet. Stadtgeschichte zum Sehen Einblicke in die Forschungsergebnisse sind mittels Pop‐up‐Ausstellungen an mehreren Standorten der Stadt gegeben. So waren bislang im Schuhhaus Tretter am Marienhof dort geborgene mittelalterliche Schuhe zu sehen, im MVG‐Kundencenter
Kelchgläser aus der Ratstrinkstube und verschiedenen Schächten am Marienhof (16. / 17. Jh.).
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Zum Forschungsprojekt Kooperationspartner sind neben der Archäologischen Staatssammlung das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, das Institut für Vor- und Frühgeschichtliche Archäologie der Ludwig-Maximilians-Universität München, das Münchner Stadtmuseum, das Stadtarchiv München, die Staatssammlung für Anthropologie und Paläoanatomie München, die Untere Denkmalschutzbehörde der Landeshauptstadt München und das Büro für Denkmalpflege Regensburg. Webseite des Projekts: www.archaeologiemuenchen.de
ein ebenfalls von dort stammender Fisch‐ kasten aus dem . Jh. und in der Stadtin‐ formation im Rathaus Glasfunde der Rat‐ strinkstube. Die jüngste Pop‐up‐Ausstel‐ lung zum Thema Gesundheit und Religion fand in drei Apotheken der Innenstadt und im Dom »Zu Unserer Lieben Frau« statt. Sie zeigten Apothekengefäße, Paternosterrin‐ ge und Abfälle ihrer Herstellung sowie re‐ ligiöse Figuren unter anderem vom Ja‐ kobsplatz, Marienhof und der Weinstra‐ ße . Seit ist im Infozentrum der Deutschen Bahn am Marienhof die Aus‐ stellung » aus « mit ausgewählten Funden zu sehen, ein Archäologisches Schaufenster gibt im Münchner Stadtmu‐ seum bis Herbst Einblick in die Be‐ deutung der Ausgrabung inmitten der Stadt. Unter dem Titel »Die Älteste Münch‐ nerin« wurde in der Residenz ein bronze‐ zeitliches Brandgrab gezeigt, das dort in ei‐ nem der Höfe gefunden wurde. Auch in der neuen Dauerausstellung der Archäologischen Staatssammlung ab spielt »Archäologie München« eine Rolle, denn in allen Räumen wird ein Be‐
zug zu München erkennbar sein, und an zentraler Stelle der gewaltige Schacht vom Marienhof aus den Originalhölzern wiederaufgebaut. Mit den ermittelten Fäll‐ daten von bis handelt es sich um die älteste bekannte Holzkonstruktion Münchens. In dem später als Latrine ge‐ nutzten Brunnen hatte sich neben Keramik eine Vielzahl organischer Materialien er‐ halten, sodass er ein einzigartiges datier‐ tes Fundensemble darstellt, das Rück‐ schlüsse auf das Leben vom späten . bis . Jh. zulässt. Die Entwicklung der Par‐ zelle Theatinerstraße , in deren Hinter‐ hof Schacht lag, wird vom Bau des Brun‐ nens bis zur Zerstörung im Zweiten Welt‐ krieg in einer Begleitpublikation nachge‐ zeichnet. Durch die Bearbeitung der ältesten Be‐ siedlungsspuren vom Marienhof und de‐ ren Vergleich mit Funden und Befunden vom Alten Hof, der Maximilianstraße – und der Hochbrückenstraße wird das Bild Münchens vor der Stadtgründung und der Zeit der ersten Stadtbefesti‐ gung klarer. Dabei spielen keramische
Zeichnerische Dokumentation der Hölzer und Schichten von Schacht 5 am Marienhof, der zunächst als Brunnen, später als Latrine benutzt wurde.
Funde als Datierungshilfe eine entschei‐ dende Rolle. Anhand der Funde vom Ma‐ rienhof mit seinen klaren Schichtenab‐ folgen, dendrochronologischen Daten, Radiokarbon‐ und Münzdatierungen erar‐ beitet Eleonore Wintergerst eine Kera‐ mikchronologie und bereitet die Ergeb‐ nisse in einem »Münchner Musterkasten zur mittelalterlichen Keramik« so auf, dass diese schwer vermittelbare Fundgattung begrei bar wird. Der Schwerpunkt des Projekts liegt in der Münchner Innenstadt, jedoch werden auch Außenbezirke berücksichtigt. So leg‐ te Melanie Marx die früh‐ bis hochmittel‐ alterliche Siedlung von München‐Moosach vor, Helga Furtmayr das frühmittelalterli‐ che Gräberfeld von München‐Giesing. Sämtliche Publikationen sind auf der Web‐ seite des Projekts abru bar. Neben den vielen noch unbearbeite‐ ten Ausgrabungen im Stadtgebiet wächst die Zahl der Fundstellen durch neue Bau‐ projekte stetig an, und wir hoffen, die For‐ schungen auch nach fortsetzen zu können. AiD 3 | 2023
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
lokalen Elite als Prestigeobjekte, wurden aber auch wie die Amphoren in weitere Teile Süddeutschlands verhandelt. | T. J. Brestel, G. Wieland
Baden-Württemberg Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart Berliner Straße 12 73728 Esslingen Tel. 0711 90445-228, Fax 0711 90445-444 AiD-Korrespondent: Dr. Thomas Link [email protected]
Megalithgrab ohne Steine
Italischer Wein am Hochrhein Nur wenige Kilometer vom Rheinfall bei Schaffhausen liegt das keltische Oppidum von Altenburg-Rheinau, das sich mit einer Fläche von 315 ha über die Halbinseln Schwaben (Baden-Württemberg) und Au (Kanton Zürich) erstreckt. Hier entstand in der späten Latènezeit eine stadtartige Ansiedlung, die etwa bis Mitte des 1. Jh. v. Chr. existierte. Die verkehrsgeografisch günstige Lage am Hochrhein machte den Ort zu einem wichtigen Umschlagsplatz für Güter aus dem Mittelmeerraum. Nach der Entdeckung keltischer Funde beim Kiesabbau und Forschungsgrabungen durch die Universität Tübingen 1972 bis 1977 dachte man lange, dass auf der Halbinsel Schwaben nur der Bereich unmittelbar östlich des Walls »Schanz« bebaut war. Jüngst ergaben jedoch Prospektionen Hinweise auf eine großflächige Besiedlung. Um dies zu überprüfen wurden 2022 durch das Landesamt für Denkmalpflege drei Flächen von knapp 800 m2 archäologisch untersucht. Tatsächlich zeigten sich neben zahlreichen Pfostengruben auch mehrere große Gruben, die 2 bis 3 m in den anstehenden Kies eingetie waren. Da aus dem Oppidum bisher keine der typischen VierpfostenSpeicherbauten bekannt sind, spricht vieles dafür, dass es sich bei diesen Befunden um Vorratsgruben für die Getreidelagerung handelt. Nachdem die Gruben ihre Bestimmung erfüllt hatten, wurden sie zugeschüttet, wobei große Mengen an Funden hineingelangten. Das reichhaltige Fundmaterial umfasst handgemachte Grobkeramik mit Kammstrichverzierung wie auch einen großen Anteil scheibengedrehter Feinkeramik, darunter bemalte Ware, beides charakteristisch für spätlatènezeitliche Zentralorte. Von besonderem Interesse ist eine erstaunlich hohe Zahl an Importen aus dem Mittelmeerraum, vor allem Scherben römischer Amphoren vom Typ Dressel 1, die die enor50
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me Bedeutung des Weinhandels für das Oppidum belegen. Mit den Amphoren kamen auch italische Bronzegefäße in die Siedlung, wie mehrere Fragmente von Sieben belegen, die beim Weinkonsum Verwendung fanden. Die Importe dienten der
Rheinhausen »Spöttfeld«. »Pseudomegalithische« Anlage mit einer knapp 3 m langen Grube und umgebenden Pfosten.
Jestetten-Altenburg. Fragment eines italischen Bronzesiebes mit stilisiertem Wolfskopf. Länge 6,6 cm.
Dank der ehrenamtlichen Mitarbeiterin Elisabeth Westermann wurde im Neubaugebiet »Spöttfeld« bei Rheinhausen-Oberhausen (Lkr. Emmendingen) im Jahr 2019 ein bemerkenswertes Ensemble aus der Jungsteinzeit dokumentiert. Erhalten war eine langschmale, von Pfosten umgebene Grube. Im Längsprofil war die ebene Sohle fast 3 m lang, 0,6 bis 0,9 m breit und an beiden Enden muldenförmig vertie. Alle Befunde waren maximal 0,6 m tief. Geborgen wurden neun Pfeilspitzen und ein Erntemesser vom Typ Egolzwil aus Silex: Eine kleine Beilklinge besteht aus Eklogit, wie er am Südhang des Monte Viso in Norditalien abgebaut wurde, eine größere aus Pelitquarz, vermutlich aus Plancher-les-Mines in den Südvogesen. Die dritte Beilklinge vom Typ Glis-Weisweil besteht aus Silex, wie er vom Lampenberg im Kanton Basel-Land bekannt ist. Ein Unikat ist die schmale, leicht gebogene, 26,1 cm lange, spitz zulaufende Klinge aus Grauwacke, wohl aus der Gegend bei Lutzelhouse im elsässischen Bruche-Tal, die
Bayern Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege Abt. Bodendenkmalpflege Hofgraben 4 80539 München Tel. 089 2114-358, Fax 089 2114-401 AiD-Korrespondentin: Dr. Doris Ebner [email protected]
Zunder im Beutel Das Grab 146 im frühmittelalterlichen Gräberfeld von Eching-Viecht im Landkreis Landshut war beraubt. Dennoch haben sich außer dem Skelett eines erwachsenen Mannes auch die Überreste seines Gürtels mit daran hängender Tasche in ungestörter Grablage erhalten. Diese war nicht, wie sonst üblich, in der Hügegend, sondern links neben dem Kopf des Toten abgelegt: So wurden diese Beigaben von den Grabräubern übersehen.
an Spitzhacken aus Geweihsprossen erinnert. Neben einem möglicherweise als Keramikglätter verwendeten Kiesel wurde der untere Teil eines Tongefäßes gefunden. Der Befund erinnert an Grabanlagen Südwestdeutschlands, die in ihrem Aufbau Megalithgräbern entsprechen, aber nicht aus Steinen, sondern aus Holz bestanden. Es handelt sich um die bisher älteste datierte »pseudomegalithische« Struktur dieser Art – eine erst vor Kurzem durchgeführte 14C-Datierung der Bodenablagerung aus dem Gefäß ergab ein Alter von 4226 bis 4001 v. Chr. Dies bestätigt die stilistische Einordnung anhand des Glisbeils, der Pelitquarz-Klinge und der Keramik, deren Verzierung der Entzheimer Gruppe des frühen Jungneolithikums zugeordnet werden kann. Alle Gegenstände wurden in funktionsfähigem Zustand deponiert und lassen sich mit der Ausstattung eines Mannes in Verbindung bringen. Glisbeile gelten als Attribut einer hervorgehobenen gesellschalichen Stellung, auch die langschmale Steinklinge könnte dafür stehen. Da keine Knochen gefunden wurden, bleibt offen, ob eine Bestattung oder ein Kenotaph – ein Scheingrab – vorliegt. | G. Kuhnle, A. Groß, P. Pétrequin, U. Seidel, E. Marinova-Wolff
Rheinhausen »Spöttfeld«. Von links: Spitzklinge aus Grauwacke, Beilklinge Typ Glis aus Silex, Erntemesser aus Silex, Beilklinge aus Eklogit, Beilklinge aus Pelitquarz, Pfeilspitzen aus Silex.
Der gute Erhaltungszustand der Funde und der anhaenden organischen Reste ermöglichte konkrete Rückschlüsse zur Niederlegung der Beigaben im Grab vor rund 1400 Jahren. Im Zuge der Freilegung des im Block geborgenen Ensembles konnte eine detaillierte Rekonstruktion des Gürtels, der Tasche und der Aufhängungsvorrichtung erarbeitet werden. Der Ledergürtel hatte eine tauschierte, eiserne Schilddornschnalle mit rundovaler Beschlagplatte und einen ebensolchen rechteckigen Rückenbeschlag. Die Verbindung zwischen Gürtel und Tasche stellten zwei lederne Laschen zu beiden Seiten des Rückenbeschlags sowie ein lederner Befestigungsriemen dar, welcher an Gürtelleder und Tasche angebracht war und abgenommen werden konnte. Ein Taschenriemen war durch eine Öffnung am
Viecht. Rekonstruktion der Tasche.
Viecht. Überreste einer Gürteltasche in situ. Zu erkennen sind zwei Zierbeschläge und die Schnalle zum Verschließen der Tasche.
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
oberen Rand mit einer Schnalle auf dem nierenförmigen Deckel der Tasche verbunden. Die Ledertasche wurde durch einen holzverstärkten Lederdeckel, der mit einer eisernen Einfassung umrandet war, verschlossen. Den Deckel zierten zwei sich gegenüberstehende greifvogelförmige Buntmetallbeschläge. In der Tasche lagen zeittypische Werkzeuge: zwei Eisenmesser, eine Silexklinge, ein eiserner Pfriem sowie die komplette Ausrüstung zum Feuermachen – Feuerstahl, Flintstein und Zunder. Erstmals konnte nachgewiesen werden, dass Rohrkolbensamen als Zunder Verwendung fand. Die besondere Befundsituation ermöglicht Erkenntnisse zu Aufhängung und Gestalt von Gürteltaschen, die auf die Mehrzahl der Funde dieses Typs aus dem 7. Jh. übertragen werden können. | T. Schneider, H. Voß
migen Ziegeln in konzentrischen Kreisen. Der Außenrand bestand aus zwei Lagen und war leicht erhöht gebaut; dem schlossen sich zur Mitte hin acht weitere Reihen an. Im etwa 60 cm messenden, nicht gepflasterten Zentrum ließ sich eine Baugrube samt einer etwa 30 cm mächtigen Pfostenstandspur nachweisen. Der ungewöhnliche Befund lässt sich als Mühlenkonstruktion besonderer Art interpretieren. Vergleiche mit historischen Bildern belegen, dass solche runden Ziegelsetzungen die Mahlbahn sogenannter Pferdemühlen bildeten. Ein senkrecht stehendes Mühlrad war über einen Querbalken mit einem Mittelpfosten verbunden und wurde von außen im Kreis laufenden Pferden angetrieben. Dabei verhinderte die äußere, leicht erhöhte Ziegellage des Mahlbodens ein Herausdrien des Mahlguts. Als Mahlgut ist wohl weniger an Ge-
Berlin Landesdenkmalamt »Altes Stadthaus« Klosterstraße 47 10179 Berlin Tel. 030 90259-3684, Fax 030 90273-700 AiD-Korrespondent: Jens Henker [email protected]
Steinreich am Molkenmarkt
Opperkofen. Drohnenfoto der mit Ziegelsteinen gepflasterten Mahlbahn einer Rossmühle.
Rossmühle in Opperkofen In einem Baugebiet in Opperkofen (Gemeinde Feldkirchen), einem kleinen Ort inmitten einer archäologischen Altsiedellandscha im südlichen Landkreis Straubing-Bogen, überraschte ein ungewöhnlicher archäologischer Befund. Zuerst stieß man auf eine kreisrunde Brunnenfassung, die aus Ziegeln gemauert war. Etwa 70 m von dem Brunnen entfernt wurde im Zentrum der Grabungsfläche eine kreisrunde Struktur mit einem Durchmesser von 5,6 m freigelegt: Die flächige Pflasterung bestand aus eng und exakt aneinandergesetzten, leicht trapezför52
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treide zu denken. Jedoch wurde mit Pferdemühlen unter anderem Färberwaid zerkleinert, um aus dieser Pflanze über verschiedene Arbeitsschritte einen blauen Farbstoff zu gewinnen. Der kurzzeitige Betrieb der Rossmühle düre in das 17. Jh., vielleicht in die Zeit des Dreißigjährigen Krieges gehören. Die trapezförmigen Ziegel stammten dabei ursprünglich aus der gemauerten Einfassung des nahe gelegenen Brunnens, der aufgelassen wurde. Aufgrund der bemerkenswerten vollständigen Erhaltung der Mahlbahn ist die Opperkofener Rossmühle einzigartig in Süddeutschland. | L. Husty
Berlin. Tropfenförmige neolithische Pfeilspitze aus dem mittelalterlichen Zentrum der Stadt.
Bei Grabungen am Molkenmarkt im mittelalterlichen Zentrum Berlins werden immer wieder urgeschichtliche Funde geborgen, überwiegend Feuersteinartefakte. Nach ersten Analysen datieren sie in Mesolithikum und Neolithikum. Von den bisher ausgewerteten 167 Steinfunden wurden 118 als Artefakte klassifiziert. Den größten Anteil bilden Abschläge und Absplisse, zudem gibt es Klingen, Präparationsabschläge, Lamellen und Kernsteine. Sechs Artefakte ließen sich als Werkzeuge definieren und zehn konnten chronologisch genauer eingegrenzt werden. Dabei überwiegt das Mesolithikum. Ein Kratzer könnte spätpaläolithisch bis mesolithisch sein, eine typisch tropfenförmige Pfeilspitze neolithisch. Die Funde stammen überwiegend aus stark durchmischten Zusammenhängen. Nur vereinzelt konnten sie in urgeschichtlichen Befunden dokumentiert werden. Dabei handelt es sich um Pfosten und Gruben, darunter möglicherweise Reste eines Lagerplatzes mit Feuerstelle. Manches weist auf einen sporadischen Schlagplatz hin. Das Material ist jedoch noch nicht
Brandenburg Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum Wünsdorfer Platz 4–5 15806 Zossen Tel. 033702 211-1651, Fax 033702 211-1402 www.BLDAM-brandenburg.de AiD-Korrespondentin: Petra Woidt [email protected]
Zwei Hälen eines Doppelhauses
abschließend ausgewertet. Insgesamt ist die Befundlage schwierig zu interpretieren, da die Bebauung im alten Stadtkern kaum eine Dokumentation zusammenhängender urgeschichtlicher Befunde zulässt. Beachtlich bleibt, dass sich dennoch diese frühen Funde erhalten haben. Auch in der weiteren Umgebung des Molkenmarktes traten immer wieder steinzeitliche Funde zutage. Das Ufer der Spree war offensichtlich ein günstiger Ort für Jäger und Sammler mit ganzjährigem Zugang zu Wasser und Nahrungsmitteln. Entlang des Flusses reihen sich daher die frühen Siedlungsplätze wie an einer Perlenschnur. Für den Fundplatz Molkenmarkt lässt die detaillierte Analyse der Steinartefakte in Zukun auf weitere Ergebnisse hoffen. | R. Koenitz
Salzgraben und Museumsinsel Wo sich heute das Pergamonmuseum befindet, stand im 19. Jh. ein großes Salzmagazin. Es war Teil eines Umschlagplatzes (»Neuer Packhof«) mit Hafen, Zollstelle und Lagerhäusern, der zwischen 1829 und 1834 nach Plänen Karl Friedrich Schinkels im Zentrum Berlins errichtet wurde. Das bis 1868 bestehende preußische Salzregal verschaffte dem Königshaus eine nicht unerhebliche Einnahmequelle. Der Transport erfolgte vornehmlich auf Lastkähnen. Aus diesem Grunde
erfolgte eine Anbindung des Magazingebäudes über den »Salzgraben« – einen parallel zum Kupfergraben verlaufenden Stichkanal, der das Packhofgelände von Nordosten erschloss. Bei aktuellen Bauarbeiten an der »archäologischen Promenade«, für die auf der Museumsinsel unterhalb der heutigen Stadtbahntrasse eine unterirdische Verbindung zwischen Pergamon- und BodeMuseum errichtet wird, gelang es, den Verlauf des Salzgrabens und Reste der Kaimauer zu lokalisieren. Die Mauer war von hoher Qualität. Im Sichtbereich sauber gemauert und verfugt, war sie kanalseitig unterhalb der Wasseroberfläche zudem mit einer mehrere Zentimeter starken Schicht aus »englischem Cement« versehen und davor wiederum durch auf Stoß gesetzte Holzbohlen verstärkt. Die Sohle des Kanals wurde nicht erreicht, stratigrafische Beobachtungen am Randbereich des Kanals deuten jedoch auf eine vergleichsweise flache Kanalführung von 1,5 bis 2,0 m Tiefe hin. Dem Salzgraben war nur eine kurze Lebenszeit beschieden. Der zunehmende Ausbau der Museumslandscha im Herzen der Stadt führte um 1880 zur Verlegung des Packhofes an das Spreeufer bei Moabit, zum Abriss der alten Gebäude und zur Verfüllung und Überbauung des Kanals. | M. Walter, U. Wiegmann
Berlin. Drei Bauphasen: 1) Kaimauer des Salzgrabens um 1830. 2) Fundamentsockel der ersten Stadtbahntrasse um 1880. 3) Fundament des noch bestehenden Stadtbahnviadukts um 1930. Blick von Norden.
Ein für die Niederlausitz seltener Hausbefund aus der Zeit von 1400 bis 1200 v. Chr. gab sich im Vorfeld des Braunkohlentagebaus Jänschwalde zu erkennen. Der ebenerdige, von Nordosten nach Südwesten ausgerichtete Pfostenbau war zweischiffig, beide Haushälen je 8,6 m lang und 5 m breit. Die nordöstliche Häle grenzte ein Wandgraben ab, mit Pfostengruben von 40 bis 50 cm Durchmesser an den Enden. Die Pfosten hatten sehr wahrscheinlich eine mit Lehm verkleidete Flechtwerkwand abgestützt, deren Trümmer im Wandgraben lagen. In Flucht zur Längsachse fanden sich Gruben von Giebelpfostenpaaren. Eine ovale orange Verfärbung in der südwestlichen Ecke dieses
Jänschwalde. Profil eines Ofens in zwei Phasen der Freilegung. Die Feuerstätte befand sich neben dem bronzezeitlichen Haus, ihre Funktion ist unbekannt. AiD 3 | 2023
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
Bremen Freie Hansestadt Bremen Landesarchäologie An der Weide 50a 28195 Bremen Tel. 0421 361-3267, Fax 0421 361-3168 AiD-Korrespondent: Dr. Dieter Bischop dieter.bischop@landesarchaeologie. bremen.de
Römischer Luxus an der Weser
Hausteils deutet auf eine Ofenanlage. Die Verfüllung enthielt reichlich Töpferscherben, Hüttenlehm und Steine. Die südwestliche Häle der Hütte zeichnete sich nicht so deutlich ab. Die Giebelpfosten wichen leicht westlich von der Mittelachse ab, weitere Pfostengruben ordneten sich auf beiden Seiten an. In der nordwestlichen Ecke dieser Hüttenhäle, nicht weit von der angenommenen Flechtwand entfernt, war eine vermutliche Speichergrube 50 cm eingetie. An ihrer Oberfläche lagen viele Scherben eines großen Topfes, auf der Sohle eine kleine Tasse. Weitere Befunde in der Umgebung des Hauses lassen sich mit wirtschalichen Aktivitäten verbinden, so das Relikt eines kleinen Ofens in geringem Abstand zur Hütte. Die Keramik ist zumeist sehr brüchig. Charakteristische Zierelemente wie Buckel, Rillen und Glättliniengruppen sowie die Tonmagerung stützen eine Datierung des Gebäudes in die zweite Häle der Mittelbronze- bis hin zur Jungbronzezeit. | M. Cisielski
Rendezvous mit einer 8000-Jährigen Zwischen dem 7. und frühen 5. Jt. v. Chr. bestattete eine späte Jäger-SammlerFischer-Gemeinscha ihre Toten auf einer Anhöhe beim heutigen Groß Fredenwalde im Landkreis Uckermark. Studierende der Grabungstechnik an der Hochschule 54
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für Wirtscha und Technik in Berlin legten jüngst eine hier im Block geborgene Bestattung frei. Die Ergebnisse wurden nun der Öffentlichkeit vorgestellt. Der oder die Verstorbene war mit stark angewinkelten Beinen ins Grab gelangt und blieb über die Jahrtausende gut erhalten. Nach erster anthropologischer Einschätzung könnte es eine Frau sein, dafür spricht der grazile Schädel. Sie verstarb jung, mit etwa 20 Jahren. Für Krankheiten gibt es keine Anzeichen, die Todesursache ist bisher unklar. Mehr Informationen lässt die ausstehende Entnahme aller Knochen aus dem Block erwarten. Vom Gräberfeld sind mittlerweile zwölf Bestattete bekannt, darunter ein Baby und ein Mann, der aufrecht stehend begraben war. Weitere sind denkbar, da Prospektionen auf eine größere Ausdehnung des Bestattungsplatzes verweisen. 1962 hatten Bauarbeiter erstmals menschliche Knochen bei Groß Fredenwalde freigelegt. In den 1990er-Jahren gelang anhand von 14C-Daten deren Datierung in das 7. Jt. v. Chr. Zwischen 2012 und 2020 kamen weitere Menschenreste und Beigaben bei einer großen, teilweise von der Deutschen Forschungsgemeinscha geförderten Untersuchung zum Vorschein. Seither gilt der Platz als das älteste Gräberfeld Deutschlands. | A. Kotula, Th. Terberger
Präsentation eines im Block geborgenen Skeletts vom Gräberfeld Groß Fredenwalde. Die von den Medien begleitete Veranstaltung in Berlin fand an der Hochschule für Technik und Wirtschaft statt.
Beim Sichten der Funde einer Altgrabung in der Bremer Vahr leuchtete eine blaue opake Glasscherbe aus dem ansonsten relativ unauffälligen üblichen Fundensemble einer älterkaiserzeitlichen Siedlung unweit der Weser hervor. Die dort gefundene einheimische Keramik zeigt, dass der Schwerpunkt der chaukischen Siedlung vor allem im 1. Jh. n. Chr. und vielleicht noch 2. Jh. n. Chr. lag. Im Material fehlen bis auf Fragmente von Basaltmahlsteinen römische Importstücke vollkommen. Umso mehr verwundert die blauweiße Glasscherbe, die ehedem zu einem wahrha luxuriösen römischen Objekt gehörte. Ein kleiner Fortsatz an der unteren Bruchkante der Randscherbe ist der Ansatz einer vertikalen Rippe und lässt klar die Zuweisung des Stückes zu einer Rippenschale zu. Sie war aufwendig in Mosaiktechnik aus einem polychromen Kompositstab erzeugt worden, den man zuvor aus Segmenten blauer, weißer und gelblicher Glasstäbe angefertigt hatte. Das auf diese Weise erschaffene lebendi-
ge Mosaikmuster imitierte geschnittene Onyx- bzw. Achatgefäße. Solche Edelsteingefäße, hochwertige Luxusgegenstände im Römischen Reich, erfreuten sich bei der römischen Oberschicht seit der ersten Häle des 1. Jh. n. Chr. großer Beliebtheit, kamen jedoch nach der Jahr-
hundertmitte aus der Mode. Da die vor allem in Norditalien, der Schweiz und dem Balkan belegten luxuriösen, in Mosaikglastechnik verzierten Glasschalen am ehesten in die tiberisch-claudische Zeit datieren (14–54 n. Chr.), bietet die mögliche Herkun der Bremer Schale Anlass für Diskussionen, ist doch das Aureten eines solch prestigeträchtigen Gegenstandes in den ersten Jahrzehnten nach Christi Geburt äußerst ungewöhnlich. Gelangte das wertvolle Stück vielleicht als diplomatisches Geschenk im Rahmen eines römisch-chaukischen Kontaktes während der Rachefeldzüge des Germanicus (14 – 16 n. Chr.) an die Weser? | D. Bischop
Unweit der Fährstelle Zollenspieker in Kirchwerder liegen elbaufwärts direkt am Kraueler Hauptdeich die Überreste der Riepenburg, die als Turmhügelburg um die Mitte des 13. Jh. zur Sicherung der Elb-
ihres Nebenarms und dem Schließen der Deichlinie entlang des Elbstroms in der zweiten Häle des 15. Jh. verlor die Riepenburg ihre Funktion als Fähr- und Zollstelle, die dann der Zollenspieker mit der Elbquerung bei Hoopte übernahm. In den Jahren von 1508 bis 1512 erfolgte der Abbruch der Burg, während der dazugehörende bäuerlich geprägte Wirtschashof mit seinen Ländereien verpachtet wurde. Von der Burg sind heute nur noch der Rest des auf der Nordseite abgegrabenen Turmhügels und des stark überformten Außenwalls erhalten. Zurückzuführen ist dies auf die intensive landwirt-
herrscha mit der 1278 urkundlich genannten Zoll- und Fährstelle Esslingen errichtet wurde. Nach Auswertung historischer Karten in Verbindung mit dem vorliegenden digitalen Geländemodell stand die Burg auf einer Insel zwischen dem heutigen Hauptstrom und einem Nebenarm der weiter nördlich verlaufenden Gose-Elbe. Der heute noch im Gelände deutlich erkennbare Nebenarm verlief von Norden kommend entlang des östlichen Außenwalls und mündete in Höhe des Riepenburger Bracks in den Strom. Vor der Abdämmung des Nebenarms befand sich hier der Übergang mit der auf dem gegenüberliegenden Ufer vermuteten Anlegestelle bei Laßrönne an der Mündung der Alten Ilmenau in der Winsener Marsch. Mit der Abdämmung der Gose-Elbe und
schaliche Nutzung, das Abgraben von Deicherde sowie den Bau und Abbruch von Nebengebäuden auf dem westlichen Burgareal im 19. und frühen 20. Jh. Da die Stadtverwaltung beabsichtigt, die Riepenburg zu veräußern, wurde das Burgareal 1999 mittels abgeteuer Bohrungen sondiert, um Aufschluss über die Erhaltung der Gräben und Wälle zu gewinnen. Hinzu kamen in den Jahren 2000 und 2016 geophysikalische Prospektionen. Im Ergebnis lassen alle Untersuchungen – einschließlich des digitalen Geländemodells – nur punktuell zum Teil übereinstimmende Merkmale überlieferter Grabenverläufe und ansatzweise nördlich des Turmhügels verschliffene Reste des Innen- und Außenwalls erkennen. | E. Först
Hamburg
Bremen-Vahr. Randscherbe einer in Mosaiktechnik hergestellten, blauweißen Rippenschale, erhaltene Höhe 1,2 cm. Unten zum Vergleich ein vollständig erhaltenes Beispiel.
Archäologisches Museum Hamburg/ Helms-Museum Abteilung Bodendenkmalpflege Museumsplatz 2 21073 Hamburg Tel. 040 42871 - 3882, Fax 040 42871-2684 AiD-Korrespondent: Kay-Peter Suchowa M. A. [email protected]
Der Riepenburg auf der Spur
Hamburg-Kirchwerder. Die Riepenburg am Kraueler Hauptdeich im digitalen Geländemodell mit dem Turmhügel im Zentrum und dem Außenwall im Osten.
Vollständige Rippenschale der frühen Kaiserzeit im Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg.
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
Hessen hessenArchäologie Schloss Biebrich/Ostflügel 65203 Wiesbaden Tel. 0611 6906-136, Fax 0611 6906-137 AiD-Korrespondent: Lars Görze M. A. [email protected]
Licht auf Drachenfüßen Marköbel, Gemeinde Hammersbach, war in römischer Zeit Standort eines Kastells am obergermanisch-rätischen Limes. Die im Mittelalter überregional bekannte Marktgemeinde erhielt 1368 das Stadtrecht und wurde mit Ringmauer und zwei Stadttoren befestigt. Topografisch gehört sie noch zur südlichen Wetterau. Westlich Marköbel konnte ein Sondengänger, der mit Erlaubnis des Landesamtes unterwegs war, einen besonderen Fund bergen. Die zuständigen Denkmalpfleger identifizierten das Objekt als Fragment eines romanischen Kerzenleuchters. Das Stück ist unvollständig und zudem teilweise verbogen. Der obere Teil mit Wachstropfschale und dem Dorn für die Kerze fehlt. Von ursprünglich drei Füßen ist nur einer erhalten. Dieser wird durch einen Drachenkopf mit seitlich angelegten Vorderbeinen gebildet. Daran schließt sich ein aus durchbrochener Rankenornamentik gebildeter Korpus mit drei Seiten an. Der Leuchter besteht aus Buntmetall. Sowohl Bronze als auch Messing sind möglich. Brandspuren und das teils stark verbogene Metall weisen auf Feuereinwirkung hin. Üblicherweise wurden diese Leuchter nach dem Prinzip der verlorenen Form gegossen, wobei man anschließend die Ornamentik herausarbeitete. Die Höhe beträgt knapp 5 cm, die rekonstruierte Breite 8 cm. Vollständig erhaltene Stücke sind 8 bis 12 cm hoch. Es handelt sich also nicht um einen ungewöhnlich kleinen Fund. Im 11. Jh. kam die Sitte auf, neben dem Altarkreuz Kerzen zu positionieren. Hierfür fanden Kerzenleuchter Verwendung, die meist aus Messing oder Bronze, aber auch aus Silber oder Gold gefertigt waren. Der hier vorgestellte Rankenleuchter datiert hingegen etwas jünger und düre aus dem 12. Jh. stammen. Völlig unklar ist jedoch, wie der Fund auf den Acker gelangte. Der nächste Ort und damit die nächste Kirche sind knapp 500 m entfernt. | H. Prison 56
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Marköbel. Ursprünglich bildeten drei stilisierte Drachenköpfe den Fuß des Kerzenhalters.
Kassel. Bemalte gotische Architekturteile der 1795 abgerissenen Unterneustädter Kirche wurden beim Bau der Gewölbekappen des Kastells verwendet.
Recycelte Bauteile unter dem Haus der Jugend Der Vorplatz am Haus der Jugend in Kassel-Unterneustadt soll durch eine Lärmschutzwand und anderweitige Maßnahmen aufgewertet werden. Seit 1953 hat die Stadtjugendpflege ihren Sitz in dem nach schweren Kriegszerstörungen wiederaufgebauten Gebäude mit wechselvoller Geschichte: Das unmittelbar am rechten Fuldaufer gelegene Anwesen wurde 1362 als Jägerhaus erstmals erwähnt und nach zwei Umbauphasen im 16. und 17. Jh. unter den Landgrafen Philipp und Karl zu einer Kaserne und zu einem Magazin umgebaut.
Am Ende des 18. Jh. folgte unter Landgraf Wilhelm IX eine weitere Umgestaltung zum sogenannten Kastell. In guter Kooperation mit allen Beteiligten wurde für die aktuelle Erneuerung des Platzes der alte Bodenbelag entfernt, die darunter liegenden Gewölbekappen der bekannten Zellenkasematten freigelegt und wissenschalich dokumentiert. Die Kasematten sind Teil der Befestigungsanlage, die durch den Abriss und Umbau in der Zeit Landgraf Wilhelms IX. entstand. Die Gewölbe und Mauern wurden überwiegend aus unbehauenen Sandsteinen errichtet. Außerdem fanden recycelte Säulen- und Kapitellfragmente Verwendung, die Hinweise zur Erbauungszeit der Befestigung gaben: Die mit rosa Farbe bemalten Architekturteile gehörten wahrscheinlich zur Unterneustädter Kirche, die 1795 dem Bau einer größeren Straße zur damals neuen Fuldabrücke weichen musste. Im Jahr 1342 erstmals schrilich erwähnt, düre die Kirche aus der Gründungszeit der Neustadt (vor 1283) stammen. Die Ausgrabungen mit der Entdeckung gotischer Architekturteile erlauben also nicht nur indirekt die Zeit der Errichtung der Kasematten unter dem heutigen Haus der Jugend zu bestimmen, sondern geben auch der Stadt Kassel ein Stück ihrer längst verloren geglaubten Geschichte zurück. | E. Saal, T. Warneke
MecklenburgVorpommern
Niedersachsen Niedersächsisches Landesamt für Denkmalpflege Scharnhorststraße 1 30175 Hannover Tel. 0511 925-5203 oder 925-5349, Fax 0511 925-5296 AiD-Korrespondentin: Dr. Marion Heumüller [email protected]
Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern Landesarchäologie Domhof 4/5 19055 Schwerin Tel. 0385 58879-643, Fax 0385 58879-344 AiD-Korrespondent: Dr. Detlef Jantzen [email protected]
Denare in Ostfriesland Unterirdische Gänge in Stralsund 1930 wurde in der Knieper Vorstadt nördlich der Altstadt von Stralsund ein unterirdischer Gang entdeckt. In fast 5 m Tiefe traf ein Brunnenbauer auf einen unausgesteien Stollen mit spitzbogigem Querschnitt von etwa 1,8 m Höhe und 1,2 m Breite, offenbar mit Spaten und Hacken in den harten Geschiebemergel vorgetrieben. Neugierig stieg er in den Gang ein und folgte ihm bis zu einem Quergang, an dessen Enden er zwei holzausgesteie Kammern entdeckte. Der weitere Verlauf des Gangsystems war verschüttet. Im Folgenden wurden die Bewohner der Vorstadt immer wieder durch Erdfälle, also sich plötzlich öffnende Löcher im Boden, beunruhigt. Der Neubau eines Einfamilienhauses in den frühen 1990er-Jahren war Anlass, den Untergrund zu sondieren. Tatsächlich wurde der bis dahin nicht genau bekannte Verlauf des 1930 entdeckten Ganges in Form eines lateinischen Kreuzes nachgewiesen. Trotzdem überraschend war dann 2022 die Entdeckung eines weiteren unterirdischen Ganges ungefähr 80 m südlich der bisher bekannten Stellen. Er fügt sich in das Bild eines ausgedehnten Stollensystems. Aus dessen unmittelbarer Nähe zu zwei Schanzen, dargestellt auf einem Stadt- und Festungsplan von 1764, ergibt sich ein nachvollziehbarer Kontext. Die rund 700 m vor dem eigentlichen Festungswerk der Stadt Stralsund liegenden Schanzen wurden von Marc-René Marquis de Montalembert (1714 – 1800), einem französischen Militär, errichtet. Die von ihm ersonnenen »detachierten Forts« sollten als eigenständig operierende und von der Hauptfestung Stralsund losgelöste Kleinfestungen im vorgelagerten Raum als Artilleriestellungen fungieren. Man erwartete von diesen Forts, dass sie den
Gegner von der Hauptfestung fernhalten sollten. In den nun aufgefundenen Minengängen, die im norddeutschen Flachland erstmals nachgewiesen wurden, sollten Sprengladungen unter feindlichen Belagerungs- und Artilleriestellungen gezündet werden, um den Feind an einer Erstürmung der Festung zu hindern. | G. Möller, C.-M. Schirren
Stralsund. Der »unterirdische Gang« in der Knieper Vorstadt kurz nach seiner Aufdeckung durch eine Tiefbaufirma.
Filsum. Römischer Denar im Fundzustand mit dem Abbild des Marc-Aurel als Caesar, 152 – 153 n. Chr.
Um 1850 wurde bei Filsum im ostfriesischen Landkreis Leer ein Schatzfund aus römischen Denaren entdeckt. Ein Hütejunge fand »Röllchen«, die er unbedacht in ein »sumpfiges Tief« warf. Eine davon – es soll sich um Rollen von einem Viertelfuß Länge gehandelt haben – zersprang, und silberne Münzen kullerten heraus. Einige Münzen konnte er auflesen, der Rest galt seitdem als verloren. Von den ursprünglich 100 gefundenen Münzen befanden sich 1959 noch 27 Stück im Besitz einer Kaufmannsfamilie in Leer, alles Denare des 1. und 2. Jh. n. Chr., die inzwischen verschollen sind. 1963 wurden nahe Filsum beim Pflügen drei weitere Münzen entdeckt. Dies führte zu der Annahme, dass dies der Fundort von 1850 sei. Ein mit dem Archäologischen Forschungsinstitut der Ostfriesischen Landscha zusammenarbeitender Sondengänger nahm sich der Frage an: Zunächst grenzte er gemeinsam mit dem Sohn des Finders aus dem Jahr 1963 das
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
Gebiet auf 7 ha ein. Eine aus fünf ehrenamtlichen Mitarbeitern bestehende Gruppe suchte die Fläche mit Metalldetektoren ab. Und im Frühjahr 2021 wurde man tatsächlich fündig! Im gepflügten Acker konnte ein Areal von ca. 2000 m2 eingegrenzt werden, das daraufhin vollständig ausgegraben wurde. Es konnten 96 silberne Münzen römischer Herkun geborgen werden. Zusammen mit den 27 verschollenen und vier nachträglich geborgenen Stücken umfasst der Filsumer Schatz heute 126 Silbermünzen, die in Größe und Gewicht sehr einheitlich sind. Die älteste Münze ist ein Denar des Kaisers Nero, der zwischen 67 und 68 n. Chr. geprägt wurde, die jüngste eine Prägung des Kaisers Septimius Severus aus dem Jahr 195. Das Gros sind Prägungen des Vespasian, der Adoptivkaiser bis 180 n. Chr., und des Commodus. Denare waren bis zum ersten Viertel des 3. Jh. n. Chr. das wichtigste Nominal im römischen Geldverkehr. Bis heute wurden in Niedersachsen 124 antike Münzhorte dokumentiert. Wie und unter welchen Umständen die Münzen nach Filsum gelangt sind, lässt sich auch durch die Nachuntersuchung nicht mehr klären. | J. F. Kegler
Göttingen-Groß Ellershausen. Rund 150 × 115 cm große, schwarze Verfärbung von einer Holzbohlenkammer aus der Zeit der Schnurkeramik, darin eine Hockerbestattung. Unter der Schulter liegt eine Steinaxt.
Filsum. Restaurierter Denar: Vorderseite Inschrift: AVRELIVS CEASAR AVG P II FIL. Rückseite: Genius exercitus, rechte Hand über einem Altar, in der linken Hand links ein Aquila, das wichtigste Feldzeichen der Legionen.
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Schnurkeramiker in der Bohlenkammer Archäologen der Grabungsfirma Streichardt & Wedekind entdeckten im Ortsteil Groß Ellershausen von Göttingen mitten in einer jungsteinzeitlichen Siedlung mit Hausgrundrissen eine große Grube, die sich als aufwendig gestaltetes Grab entpuppte. Bohlen einer hölzernen Grabkammer hatten annähernd im Quadrat angeordnete schwarze Verfärbungen zurückgelassen. Innerhalb dieses Quadrats zeigten sich Reste eines Skelettes. Der Tote war auf seiner rechten Seite mit angehockten Beinen auf dem Boden des Holzkastens niedergelegt worden. Der rechte Arm war Richtung Oberschenkel gestreckt, die linke Hand auf der Hüe. Eine Steinaxt unter der Schulter und eine Flintspitze am Knie lassen annehmen, dass es sich um einen Mann handelte. Der hölzerne Stiel der Axt hatte sich nicht erhalten, typologisch handelt es sich um eine ungeschweie C-Axt. Die Holzkammer mit flachem Boden war in eine große Grube eingebaut worden. Auch Spuren der die Leiche einst bedeckenden Bretter konnten als schwarze Verfärbungen im hellen Lehmboden abgelesen werden.
Das Grab hat man auf der Stromtrasse »Wahle-Mecklar« geborgen, eine Überlandleitung von Niedersachsen nach Hessen, die in einigen Gebieten, darunter auch im Stadtgebiet von Göttingen, als Erdkabel verlegt wird. Auf sieben Verdachtsflächen dieser Trasse wurden vor Beginn der Kabelverlegung archäologische Untersuchungen durchgeführt. Der Befund einer Bohlenkammer ist in Niedersachsen bisher äußerst selten. Westöstliche Ausrichtung der Bestattung, Hockerlage mit »Blick« nach Südosten und die mitgegebene Axt legen eine Datierung in die Zeit der Schnurkeramik nahe. Die in der Nähe freigelegten Häuser stehen damit offenbar nicht in Zusammenhang, für sie wird eine Einordnung in die Rössener Kultur angenommen. Eine zugehörige Siedlung ist also nicht greifbar. Allerdings sind die umfangreichen neuen Befunde der Trassengrabung noch nicht ausgewertet. Mit dem »SuedLink« kommt schon bald das nächste Großprojekt, das weitere neue Befunde zu im südniedersächsischen Raum bisher unterrepräsentierten Kulturgruppen des Endneolithikums erbringen düre. | B. Arndt
Nordrhein-Westfalen LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland Endenicher Straße 133 53115 Bonn Tel. 0228 9834-173, Fax 0228 9834-119 AiD-Korrespondentin: Dr. Michaela Aufleger [email protected] LWL-Archäologie für Westfalen An den Speichern 7 48157 Münster Tel. 0251 591-3504, Fax 0251 591-8805 AiD-Korrespondentin: Bianca Kühlborn M. A. [email protected] Köln: Römisch-Germanisches Museum/ Archäologische Bodendenkmalpflege Cäcilienstraße 46 50667 Köln Tel. 0221 221-24585, Fax 0221 221-24030 AiD-Korrespondent: Gregor Wagner M. A. [email protected]
Eine Jägerin aus Weeze? Eine ungewöhnlich hohe Anzahl von mindestens 21 tönernen bikonischen Schleudergeschossen fand sich in einem Brandgrubengrab des 4. Jh. v. Chr. in WeezeKnappheide, Kreis Kleve. Als weitere Beigaben lagen eine Keramikschüssel, vier kleine verbrannte Eisenobjekte und zahlreiche Tierknochen im Grab. Ein ähnlich ausgestattetes gleichzeitiges Grab mit nur sechs Schleudergeschossen lag 280 m entfernt im Gräberfeld. Alle Schleudergeschosse haben ähnliche Maße und ein Gewicht, das nur leicht zwischen 21 und 26 g variiert. Da die Geschosse mit einer Schlaufe aus Leder oder Wolle geschleudert wurden, war ihre Flugbahn stark vom Gewicht abhängig. Sie dienten überwiegend zur Jagd. Schleudern werden als typische Hirtenwaffe beschrieben: David besiegte Goliath mit einer Schleuder; Caesar bezeichnete sie als charakteristische Waffen der
Kelten. Daher liegt es nahe, dass hier zwei Jäger oder Krieger bestattet waren. Doch während das Geschlecht des 34 Jahre alten Individuums aus dem Grab mit den 21 Geschossen unbestimmbar bleibt, handelt es sich bei dem anderen um eine ca. 48-jährige, eher weibliche Person. Im Rheinland sind bislang sechs Gräber mit Schleudergeschossen bekannt. Bei allen Bestatteten handelt es sich um Erwachsene zwischen 32 und 48 Jahren, die mit Fleischbeigaben beigesetzt wurden. Zwei davon sind nach der anthropologischen Bestimmung eher Frauen. | J. Rücker
Ältester Kummetkragen im Rheinland Bei Ausgrabungen »auf dem Kleinen Markt« in Geldern, Kreis Kleve, wurde in einer Siedlungsschicht Ende 12. Jh. / erstes Viertel 13. Jh. die Häle eines ledernen Kummetkragens geborgen. Kummete gehören zum Zuggeschirr und wurden um den Hals gelegt. Sie ermöglichen dem Zugtier, etwa einem Pferd, seine Kra optimal zu übertragen. Im Zuge der Restaurierung konnte der seltene Fund rekonstruiert werden. Fünf Teile bildeten Kammern, die man bündig zu einem Schlauch vernähte. Alle Anschlusskanten waren durch rechteckige Lederstücke verstärkt. Füllungsreste lassen einen mit Schafswolle gepolsterten Strohkern annehmen. Der Innendurchmesser düre bei maximal 77 × 36 cm gelegen haben und ist damit eher kleiner. Der spitzovale Lederkragen konnte mit hoher Wahrscheinlichkeit auf einem Kummetbügel oder mit Kummethörnern festgebunden bzw. geschnallt werden. Dies belegen Eisenreste am Kragen.
Geldern. Restaurierter Kummetkragen, die linke Hälfte zeichnerisch ergänzt.
Funde dieser Art stammen im mittelalterlichen Mitteleuropa überwiegend aus urbanem Kontext, was die Bedeutung des Pferdes für das Transportwesen der Städte deutlich macht. Das aktuelle Beispiel ist dafür neben einem Kummet aus Danzig ein überaus seltener Beleg. | F. Bartzok-Busch, P. Jülich
Alte Höfe unter der Altstadt
Weeze-Knappheide. Bikonische Schleudergeschosse aus einem Grab des 4. Jh. v. Chr.
In Wiedenbrück (Kr. Gütersloh) entstand im 9. Jh. auf einer Anhöhe an der Ems ein durch einen Graben befestigter Siedlungsbereich, der im Nordteil die Ausmaße des späteren Kirchhofes umfasste. Der Ausbau der Siedlung zum Königshof mit einer Querhausbasilika (St. Ägidius) erfolgte in der zweiten Häle des 9. Jh. Im 10. Jh. entstand ein großer Baumsargfriedhof. Die Verleihung des Münz- und Marktrechts 952 war Ausgangspunkt einer Entwicklung vom Marktort zur Altstadt. Bisherige Untersuchungen entlang der sich bildenden Nord-Süd-Achse Lange Straße ergaben außer Laufhorizonten und einzelnen Pfostengruben des 11. / 12. Jh. nur wenige Erkenntnisse zur frühurbanen Genese. Über 200 m südwestlich der Ägidiuskirche wurden westlich der Langen Straße nun unter Auffüllungen von knapp 1 m, die im Zuge des frühneuzeitlichen Befestigungsausbaus vorgenommen wurden, Gruben und Reihen von Pfostenlöchern einer mehrphasigen Bebauung mit ungeAiD 3 | 2023
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
treidefeld sichtbar. Sie ergänzen präzise das Bild der ehemaligen Bebauung. Das »Vergeltungslager« wird ab September 2023 Bestandteil einer Sonderausstellung zur Archäologie der Moderne im LWL-Museum für Archäologie in Herne sein. | A. Wunschel
Gerettetes Puzzlestück 2022 grub ein illegaler Sondengänger ein Tüllenbeil im Wald bei Hemer, Märkischer Kreis, aus und wollte es über die Sozialen Medien verhehlen. Dies bemerkte ein lizensierter Sondengänger und meldete den Vorfall der LWL-Archäologie für Westfalen, die daraufhin in Kooperation mit der Polizei das Artefakt noch rechtzeitig sicherstellen konnte. fähr ostwestlich ausgerichteten Häusern vor- und frühstädtischer Zeit entdeckt. Die Ausrichtung der Gebäudegrundrisse widerspricht zum Teil dem späteren Grundstück, das im rechten Winkel zur Langen Straße lag. Da die ältesten Spuren hier bis ins 10. Jh. zurückreichen, umfasste der frühe Marktort bereits ein Großteil der späteren Altstadt. | S. Spiong, R. Süße
Vergeltung aus der Vogelperspektive Im Sommer 1915 gingen im kaiserlichen Berlin Klagen über die schlechte Unterbringung deutscher Kriegsgefangener in Frankreichs afrikanischen Kolonien ein. Die Regierung reagierte nach dem Prinzip der Gegenseitigkeit. Es entstanden »Vergeltungslager«, in denen französische Kriegsgefangene schwere körperliche Arbeit leisten mussten. Eines dieser Lager wurde in Neuenkirchen-St. Arnold bei Rheine errichtet, aber nur kurze Zeit auf diese Weise genutzt. Nach Abzug der »Vergeltungsfranzosen« im August 1915 rückten russische Kriegsgefangene nach. Anschließend diente das Areal bis in die 1930er-Jahre dazu, Munition zu zerlegen. Über 100 Jahre später entsteht hier ein Gewerbegebiet. Geophysikalische Messungen ließen mindestens 49 Standorte ehemaliger Zelte / Baracken erkennen. Grabungen der Firma ARCHAEOnet in den Erschließungstrassen des Gewerbegebiets deckten die Bauten teilweise auf. Drohnenfotos machten unterschiedliche Bewuchsmerkmale im umliegenden Ge60
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Es handelt sich um ein gedrungenes, facettiertes Tüllenbeil mit Öse, gebauchtem Tüllenwulst und Mündungsrippe sowie längeren Bogenrippen. Zwischen den Bogenringen nahe dem Tüllenmund befindet sich eine warzenartige Erhebung. Kurt Kibbert untersuchte diesen Beiltyp 1984 und datierte ihn an den Übergang von der Bronze- zur Eisenzeit (Hallstatt B–C). Die Untersuchungen des LWL-Restaurators Eugen Müsch am Hemer Artefakt zeigten, dass aufgrund der Exaktheit des Gusses sowie der Morphologie der Gussnähte eine bronzene, dreiteilige Form zur Herstellung dieses Objektes angenommen werden kann. Für das Beil findet man Parallelen im Hellwegbereich (Geseke, Soester Börde)
Wiedenbrück. Pfostenlöcher einer mehrphasigen Bebauung, die bis in das 10. Jh. n. Chr. zurückreicht. Unten: NeuenkirchenSt. Arnold. Standorte von Zelten und Baracken auf dem Gelände eines Kriegsgefangenenlagers des Ersten Weltkriegs zeichnen sich sowohl im Grabungsbefund als auch im Bewuchs ab. Oben: Hemer. Spätbronzezeitliches bis früheisenzeitliches Tüllenbeil, Länge 10,6 cm.
sowie sehr ähnliche Stücke im Mittelgebirgsraum Südwestfalens (FröndenbergOstbüren, Billerbeck-Alstätte, Hagen-Südhagen, Erle-Östrich). Diese – für den rechtsrheinischen Mittelgebirgsraum – hohe Zahl an Bronzeartefakten eines Typs, lässt schemenha erkennen, dass ausgehend vom Hellweg als Altsiedellandscha Einflüsse und Menschen in das südlich benachbarte Mittelgebirge vordrangen. Denn mit der späten Bronzezeit beginnt erst die Durchdringung des südwestfälischen Mittelgebirgsraums. Das Artefakt aus Hemer ist dabei ein wichtiges Puzzlestück, um die Vernetzung von Altsiedellandscha und Mittelgebirge sowie die Migration in diesen Raum klarer zu erkennen. | M. Zeiler
Rheinland-Pfalz Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz Direktion Landesarchäologie Festung Ehrenbreitstein 56077 Koblenz Tel. 0261 6675-3005, Fax 0261 6675-3010 AiD-Korrespondent: Dr. Cliff Alexander Jost [email protected]
Von Fälschern, Päpsten und Spielern Im Bereich des Wormser Fischmarktes wurde durch die Außenstelle Mainz der Landesarchäologie Rheinland-Pfalz baubegleitend ein Jahr lang eine Stadtkerngrabung durchgeführt. Hierbei konnten Funde aus knapp 3500 Jahren geborgen und Befunde aus zwei Jahrtausenden Geschichte dokumentiert werden. Römische Feldherren und Kaiser hielten besondere Ereignisse wie militärische Siege häufig auf Münzenprägungen fest. So ließ auch der spätere Kaiser Augustus anlässlich seiner Eroberung der Provinz Asia 29 bis 28 v. Chr. kleine Silbermünzen schlagen. Außerhalb der offiziellen Prägestätten hingegen wurden Fälschungen im Gussverfahren produziert. Davon zeugt der Fund einer seltenen Bleiform für den Guss. Ob die örtlichen Fälscher mit offiziellem Segen dem lokalen Münzmangel abhalfen oder zur persönlichen Bereicherung agierten, muss jedoch ungewiss bleiben.
Worms. Fälscher am Fischmarkt: Römische Bleigussform für augusteische quinarii.
Doch nicht nur Geistliches, sondern auch Glücksspiel herrschte vor, wie ein aus Hirschhorn geschnitzter Spielstein des Mittelalters zeigt. Dieser Spielstein, den die filigrane Darstellung eines Hirschs ziert, düre anhand seiner Machart einer eher gut betuchten Person des 13. bis 15. Jh. zuzuordnen sein. Gespielt wurde damit wahrscheinlich Wurfzabel, eine Art mittelalterliches Backgammon. | J. Eise
Früheisenzeitliche Siedlung in der Südeifel
Worms. Glücksspiel am Fischmarkt: Mittelalterlicher Spielstein aus Hirschhorn.
Auch im 14. Jh. reichte die Macht Roms noch bis nach Worms – erkennbar an einem päpstlichen Bleisiegel Papst Innozenz‘ VI. (1352 – 1362). Eine Untersuchung der im Blei befindlichen Textilreste kann auch heute noch Rückschlüsse auf den Inhalt des zugehörigen Schreibens liefern. Einfachere Briefe wurden mit Schnüren und Fäden, hochoffizielle hingegen mit Seide verschlossen.
Bei Gladbach (Lkr. Bernkastel-Wittlich) in der Eifel stehen tertiäre Quarzschotter an, die einen wichtigen Rohstoff für die Kiesgewinnung darstellen. Im Vorfeld eines geplanten Kiesabbaus untersucht die Landesarchäologie Trier in mehreren Abschnitten ein knapp 2 ha großes Areal, auf dem nach Ausweis von Magnetometermessungen ausgedehnte Siedungsspuren liegen. Bereits während der ersten Kampagne im Herbst / Winter 2022 konnten auf einer
Fläche von etwa 3200 m2 zahlreiche grubenhausartige Strukturen, Pfostenstellungen sowie Siedlungs- und Vorratsgruben aufgedeckt werden. Diese stammen nach Ausweis der gefundenen Gefäßkeramik von Siedlungsaktivitäten, die sich von der älteren bis in die beginnende jüngere Eisenzeit erstreckten. Die archäologischen Baubefunde weisen starke Überlagerungen auf, was zum einen der langen Siedlungsdauer geschuldet ist, zum anderen aber auch von einer hohen Dichte und Dynamik innerhalb der Siedlungsentwicklung zeugt. Eine Rekonstruktion zusammenhängender Grundrisse aus den Pfostenstellungen oder der generellen Siedlungsstruktur ist daher bislang noch nicht möglich. Die Siedlung scheint im Laufe ihres Bestehens durch ein Brandereignis in Mitleidenscha gezogen worden zu sein, wie entsprechende Befunde andeuten: In einem der grubenhausartigen Befunde lagen beispielsweise die Reste einer verkohlten Wand aus Holzbrettern, die nach dem Brand dort entsorgt wurde. Bisher wurden in der Westeifel noch keine großflächigen archäologischen Untersuchungen von im ländlichen Raum gelegenen früheisenzeitlichen Gruppensiedlungen vorgenommen. Die nun begonnenen Ausgrabungen werden also wichtige neue Erkenntnisse zur früheisenzeitlichen Besiedlung in der Region ermöglichen, die bislang vor allem durch Ausgrabungen von Hügelgräbern und befestigten Höhensiedlungen bekannt war. | L. Blöck, M. Heuermann
Gladbach. Bis dato selten Gegenstand von Ausgrabungen: früheisenzeitliche Siedlungsstrukturen in der Südeifel. AiD 3 | 2023
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
Sachsen Landesamt für Archäologie Sachsen Zur Wetterwarte 7 01109 Dresden Tel. 0351 8926-820, Fax 0351 8926-999 www.archaeologie.sachsen.de AiD-Korrespondentin: Dr. Martina Wegner [email protected]
Schwein, Biber oder Bär? Der aktuelle Kiesabbau in der Elbaue gegenüber von Riesa ist eine große Herausforderung für die archäologische Denkmalpflege. Neben der flächigen Sicherung archäologischer Strukturen sind es immer wieder herausragende Funde, die den Aufwand lohnen – so jüngst eine seltene frühe Tierfigur. Nördlich einer Talsandkuppe bei Moritz, auf der über viele Jahrhunderte be-
mals in der Elbaue weit verbreitet. Nicht auszuschließen sind auch Bär oder Widder. Entsprechende Tierfiguren sind in Sachsen zwar in wenigen Exemplaren bekannt, selten aber in einem gesichert datierten Fundverband. Aussagen zur Funktion solcher Figuren sind derzeit noch nicht möglich. Die Interpretationen reichen von Kinderspielzeug bis zu Gegenständen mit magischen Eigenschaen. | W. Ender, A. Schindler
nienz der Besucher zu schließen. Neben einheimischen Bierdosen fanden sich vereinzelt auch solche aus Österreich, Polen und Tschechien. Anhand des Mindesthaltbarkeitsdatums kann zudem eine ungefähre Datierung vorgenommen werden (terminus ante quem). Im Falle des WithFull-Force-Festivals gelingt es mithilfe der Archäologie zudem, einige Klischees über die Metal- und Hardcore-Szene auszuräumen. Denn zahlreiche Weinflaschen belegen, dass neben Bier auch zunehmend andere alkoholische Getränke in der Szene Einzug gehalten haben. | M. Oehlert
Archäologie trifft Heavy Metal Seit mehr als 15 Jahren finden auf dem Gelände des Kieswerkes Löbnitz Ausgrabungen im Vorfeld des Kies- und Sandabbaus statt. Neben zahlreichen Befunden vom Neolithikum bis ins Mittelalter wurden in den letzten Jahren vermehrt BodeneinZeithain. Tonfigur aus einer Siedlung der spätbronze- / früheisenzeitlichen Billendorfer Gruppe, Länge knapp 6 cm. QR-Code: Auf der Seite archaeo3D.de kann der Fund von allen Seiten erforscht werden.
stattet wurde, wechseln in der flachen Elbaue südlich von Zeithain alte Flussschlingen mit dazwischen aufgeworfenen Uferwällen. Auf ihnen wurden mehrere Siedlungsplätze angelegt, nach derzeitigem Kenntnisstand vor allem in der Spätbronze- / Früheisenzeit und im Mittelalter. Aus einer Grube mit früheisenzeitlicher Keramik der älteren Billendorfer Gruppe (7. Jh. v. Chr.) und viel Rotlehm stammt eine kleine Tierfigur aus Ton, die bis auf die alt abgebrochenen Beine und den Schwanz vollständig war. Der massige, gestreckte Körper und der ansatzlose Kopf mit ausgeformten Ohren lassen zunächst an ein Schwein denken. Hingegen kennzeichnen der kräige Schwanzansatz wie auch die spitze Schnauze eher den Biber. Gerade dieses große Nagetier war sicherlich da62
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griffe dokumentiert, die mit dem Metalund Hardcore-Festival »With Full Force« im Zusammenhang stehen, das von 1999 bis 2016 dort stattfand. Zwar bereichern die vor Ort entdeckten Objekte nicht unbedingt die Neuzeitarchäologie, doch verdeutlicht bereits eine kurze Ansprache der Funde, wozu die Archäologie methodisch in der Lage ist. So weisen verbogene Stangen von Gartenpavillons und Unmengen von Zeltheringen auf eine kurzzeitige, aber intensive Nutzung des Areals hin. Leere Grillwurstpackungen, Plastikgeschirr sowie einzelne Einweggrills geben Hinweise auf eine eher einfache, vorwiegend fleischlastige Ernährung. Von Bedeutung sind aber vor allem die Reste diverser Getränkebehälter. So erlauben es die zahlreichen Bierdosen, auf die Prove-
Löbnitz. Verschmäht, aber gut zur Datierung geeignet: ungeöffnetes Bier in einer Plastikflasche. Deren Einführung in Discountern am 1. Oktober 2003 liefert uns einen terminus post quem für die Veranstaltung.
Sachsen-Anhalt Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte Richard-Wagner-Straße 9 06114 Halle (Saale) Tel. 0345 5247-30, Fax 0345 5247-351 www.lda-lsa.de AiD-Korrespondentin: Manuela Schwarz M.A. [email protected]
Schnuller im Grab In Magdeburg-Ottersleben soll der Bereich eines aufgelassenen neuzeitlichen Friedhofs neu bebaut werden. Bei vorgeschalteten archäologischen Grabungen wurden 557 systematisch angelegte neuzeitliche Bestattungen aus der Zeit von 1847 bis 1943 dokumentiert, zudem kamen drei abgetrennte Einfriedungen, die Substruktionen einer Leichenhalle und zwei gemauerte Grüe ans Tageslicht. Bei zwei Dritteln der Bestattungen handelte es sich um Säuglinge und Kinder im Alter von bis zu 12 Jahren, die nicht wie üblich an den Seiten ihrer Eltern, sondern mit Gleichaltrigen zumeist in mehreren Reihen an den Rändern des Friedhofes beerdigt wurden. Todesursache waren laut des Sterberegisters hauptsächlich die typischen Kinderkrankheiten wie Keuchhusten, Masern und Diphtherie. In sieben Fällen hatte man zwei Individuen in einem Sarg beigesetzt – Geschwister oder Mutter mit Kind? Meist wurden recht einfache Weichholzsärge verwendet. Generell fällt ein reicher Fundus an Grabbeigaben auf: von Utensilien zur rituellen Totenwaschung über umfangreiche Kleidung, dekorativen, aber zumeist einfachen Schmuck, Spielzeuge in Form von Puppen aus Porzellan und Gips bis zu diversen Flaschen und bei den Kleinstkindern verschiedene Formen von Schnullern. Der Friedhof Ottersleben stellt schon alleine durch seine Anlage, aber vor allem wegen der Funde eine einmalige Möglichkeit dar, den Bereich der Totenverehrung innerhalb extrem bewegter Zeiten zu beobachten. Er reiht sich mit einer ausgegrabenen Fläche von mehr als 60 % des Gesamtareals in eine Liste ähnlich umfangreicher archäologischer Projekte ein wie in London, Amsterdam, Prag und Berlin. | M. Röder
Magdeburg-Ottersleben. Kinderbestattungen an der südlichen Umfassungsmauer des Friedhofes.
Schleinitz. Armschutzplatte aus einem Grab der Glockenbecherkultur: Ihre Lage am rechten Unterarm spricht für einen Mann, der den Bogen mit der linken Hand spannte. Höhe 10,4 cm.
Armschutzplatte eines Linkshänders? Am Gewerbestandort Schleinitz, heute Meineweh, Burgenlandkreis, wurde im Zuge einer Verursachergrabung ein kleiner Friedhof der Glockenbecherkultur erfasst. Die insgesamt neun Grablegen zeigten durchweg schlechte Knochenerhaltung; anthropologische Detailstudien sind kaum möglich. Die meisten Gräber wurden als einfache Erdgräber angelegt, zwei hingegen
wiesen einen Holzeinbau auf. In einem Fall zeigten die Längsseiten einen Überstand. Es lässt sich vermuten, dass ursprünglich eine Konstruktion in Form eines Tragegestells vorlag. Die andere Grabstelle mit Holzeinbauten fällt allein durch ihre außergewöhnliche Größe von 1,20 m × 1,85 m auf. Der Tote war mit einem reich verzierten Glockenbecher ausgestattet. Das Skelett war mit angehockten Beinen in nordsüdlicher Richtung beigesetzt, der Kopf im Norden mit Blick nach Osten. Diese Lage impliziert bei Glockenbecherbestattungen, dass es sich um einen Mann handelte. Zwischen dem Glockenbecher und der angenommenen Körperachse des Skelettes blieb ein auffällig fundleerer Raum von etwa 40 cm Ausdehnung. Es ist zu vermuten, dass sich hier nunmehr vergangene Beigaben aus organischen Materialien befunden haben könnten. Im Bereich des linken Ellenbogens lag ein kleines Kupferplättchen; in der Position des nicht mehr erhaltenen rechten Unterarms befand sich eine vollständig erhaltene unverzierte Armschutzplatte mit vier Durchbohrungen. Die Platte war aus einem feinkörnigen rötlichen Gestein gefertigt. Die Lage der Armschutzplatte deutet darauf hin, dass der Bestattete Linkshänder war. | U. Moos, L. Nydahl AiD 3 | 2023
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Aktuelles aus der Landesarchäologie
Schleswig-Holstein Archäologisches Landesamt Schleswig-Holstein Schloss Annettenhöh Brockdorff-Rantzau-Str. 70 24837 Schleswig Tel. 04621 387-34 AiD-Korrespondentin: Birte Anspach M.A. [email protected] Lübeck: Hansestadt Lübeck Der Bürgermeister Bereich Archäologie und Denkmalpflege Meesenring 8 23566 Lübeck Tel. 0451 122-7155 AiD-Korrespondentin: Dr. Ingrid Sudhoff [email protected]
Rätsel aus Holz und Stein Am östlichen Ortsrand von Heikendorf im Kreis Plön soll ein neues Wohngebiet auf 20 ha Fläche entstehen. Voruntersuchungen erbrachten umfangreiche Siedlungsspuren des Neolithikums und der späten Bronze-/ frühen Eisenzeit, weshalb 2022 eine Ausgrabung notwendig wurde. Dabei zeigte sich, dass im Gegensatz zu den Voruntersuchungen Siedlungsbefunde der vorrömischen Eisenzeit klar dominieren, wie üblich vor allem Gruben und Feuerstellen. Aus dem Einerlei ragt ein ungewöhnlicher Befund hervor. Eine ehemalige Senke bzw. ein Toteisloch mit einem Durchmesser von 30 m wurde spätestens in der älteren vorrömischen Eisenzeit an den Rändern teilweise mit Steinen ausgekleidet. Im Zentrum befand sich ein Torfkörper mit einem Durchmesser von etwa 15 m, auf dessen Oberfläche eine teils
rostartige Holzpackung lag, darunter auch bearbeitete Hölzer. Auffällig sind der deutliche Bezug der Steinauskleidung zur Holzlage und ein ins Zentrum des Torfkörpers führender, gepflasterter Steg. Im Bereich der randlichen Pflasterung gibt es Brandspuren und Holzkohlekonzentrationen, die auf offene Feuer schließen lassen. Darüber hinaus sind mehrere rundliche, dichte Leichenbrandkonzentrationen von Tieren auf der Pflasterung und Gefäße bemerkenswert. Weiterhin fanden sich mehrere große Fragmente und Hälen von Gefäßen in der Holzpackung neben dem Steindamm. Aus dem Bereich der Holzpackung bzw. dem Torf stammen auch mehrere Metallfunde, darunter ein bronzener Armring und mehrere Nadelfragmente. Alles spricht gegen eine profane Nutzung dieser Anlage. Momentan kann allerdings nicht beantwortet werden, in welchem Rahmen eine sakrale Nutzung in Betracht kommt. Dazu müssen die Ergebnisse zum Abschluss der Grabung und deren Auswertung abgewartet werden. Sicher ist, dass diese ungewöhnliche Befundlage für die vorrömische Eisenzeit in Nordeuropa bisher einzigartig ist. | E. Müller
Lübeck-St. Gertrud. Kleiner Luftschutzbunker aus dem Zweiten Weltkrieg zwischen Mietshäusern der Nachkriegszeit.
Bunker im Wohngebiet Im Lübecker Stadtgebiet werden seit einigen Jahren vermehrt Anlagen zum Luschutz angetroffen. Bislang waren vor allem die großen Hochbunker in der Innenstadt sowie Bauten im Bereich einer eheHeikendorf. Senke mit Pflaster und Auskleidung aus Steinen und Holzpackung im Zentrum.
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maligen Munitionsfabrik in Schlutup bekannt. Jetzt mehren sich Nachrichten über kleine Schutzbunker. So wurde die Bodendenkmalpflege 2022 im Rahmen eines Bauantragsverfahrens auf einen unbekannten Bunker im Stadtteil St. Gertrud aufmerksam. In einem nach dem Zweiten Weltkrieg mit Wohnblocks bebauten Quartier sollte die Bebauung weiter verdichtet werden. Der Bauherr erwähnte dabei einen Bunker aus dem Zweiten Weltkrieg, der jetzt weichen musste. Daher wurde der Antrag von der Bodendenkmalpflege beauflagt, um vor der Zerstörung eine Dokumentation zu gewährleisten. Zu Beginn der Arbeiten war vom Bunker nichts zu erkennen. Lediglich ein Hügel ließ unterirdische Strukturen vermuten. Nach Abtragen des Erdmaterials zeigte sich, dass es sich um einen Betonbunker für eine kleinere Personengruppe handelte. Das Objekt hatte einen L-förmigen Grundriss mit zwei Innenräumen, die durch eine Tür verbunden waren. Der Zugang erfolgte über eine neunstufige Treppe mit Splitterschutzwand. Die Räume wiesen keinerlei Einbauten auf, lediglich technische Vorrichtungen für die Stromversorgung. Etliche Glasflaschen, Wannen und Eimer aus Blech sowie Teile der elektrischen Installation können noch aus der Nutzungszeit stammen. Allerdings fanden sich auch moderne Plastikflaschen. Der Bunker war also vermutlich nach dem Krieg noch längere Zeit zugänglich. Für welche Bevölkerungsgruppen der Schutzbau gedacht war, ist nicht eindeutig zu klären. Anwohner erzählten, dass er wohl zu einem Gartenbaubetrieb gehörte, der hier vor und während des Zweiten Weltkriegs angesiedelt war. | I. Sudhoff
Thüringen Thüringisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Humboldtstraße 11 99423 Weimar Tel. 0361 57 3223-319, Fax 0361 57 3223-390 www.denkmalpflege.thueringen.de AiD-Korrespondentin: Dr. Anja Endrigkeit [email protected]
Alte Wasserwege neu entdeckt 2022 begannen Sanierungsarbeiten an Damm und Durchlass des Altfrauteiches, der als einer von insgesamt 15 historischen Floßteichen bei Neuhaus am Rennweg im Landkreis Sonneberg überdauert hat. Das bot der Bodendenkmalpflege die einmalige Gelegenheit, eine derartige Dammkonstruktion zu untersuchen. Dabei stellte sich vor allem die Frage nach der zeitlichen Einordnung und der Funktionsweise bezogen auf die Art der geflößten Hölzer. Das Holz aus den Wäldern des oberen Schwarzatals wurde bereits ab dem Mittelalter über Schwarza und Saale bis nach Norddeutschland geflößt. Die Lage des Altfrauteiches in den Kammlagen des Thüringer Waldes bis 720 m Höhe legt jedoch eine Errichtung in späterer Zeit nahe, da dieser Raum erst im 17. bis 18. Jh. forstwirtschalich erschlossen wurde. Die archäologische Untersuchung des Dammes umfasste die Aufnahme eines Querschnittes, des Durchlasses sowie eines am Teichgrund liegenden hölzernen
Strebewerkes, das als Stützkonstruktion eines Mönchs – ein regulierbares Ablaufwerk – angesprochen wird. Die Konstruktion war eine Kombination aus Erdschüttung mit ca. 18 m Breite am Dammfuß und einer zum Teich gerichteten hölzernen Wand von 48 m Länge, die den Altfraubach auf eine Höhe von 5 m anstaute. Die Wand bestand aus handbehauenen Stammhölzern mit einer Stärke von bis zu 0,45 m, die in Blockbauweise treppenartig übereinandergesetzt waren. Der Wasserdurchlass erfolgte über zwei parallel verlaufende Holzröhren mit einem Innendurchmesser von bis zu 0,6 m, auf denen im Teich eine Lage aus handbehauenen Spaltbohlen auflag. Diese Lage von 3,2 × 2,7 m Größe kann als Boden eines Mönchs angesprochen werden. Zudem wiesen die im Teichboden verankerten Stützstreben des Mönchs stratigrafisch eine Mehrphasigkeit auf, über deren genaue zeitliche Beziehung derzeit laufende dendrochronologische Untersuchungen Auskun geben sollen. | M. Grosch, Th. Schwämmlein
Jena-Wenigenjena. Stabgürtelhaken im Fundzustand (oben) und nach der Restaurierung. Länge 24,5 cm.
Späteisenzeitliche Siedler am Fuße des Jenzig In der zweiten Häle des Jahres 2021 konnten im Jenenser Ortsteil Wenigenjena beim Neubau eines Wohnquartiers etwa 3500 m2 Fläche archäologisch untersucht werden. Der Fundplatz liegt hochwas-
Altfrauteich. Hölzerne Konstruktionselemente des Damms: Mönch und Röhren.
sergeschützt auf einer alten Flussterrasse am Ausgang eines Nebentals an einer die Saale kreuzenden Furt unter dem markanten Muschelkalkplateau des Jenzig. Die untersuchte Fläche an einem Nordhang war durch ein bis zu 60 cm mächtiges, fundführendes Kolluvium geprägt, unter dem sich teils eine dichte Befundlage zeigte. Erhöht gelegene Bereiche waren hingegen von Erosion betroffen. Trotzdem konnten über 300 prähistorische Befunde dokumentiert werden, darunter vier Grubenhäuser, etwa 200 Pfostengruben, ein Komplex aus sich überschneidenden, vielgestaltigen Materialentnahmegruben und wenige technische Anlagen. Sie gehören überwiegend einem kontinuierlich, frühestens in Latène C2 (um 200 v. Chr.) einsetzenden Siedlungsareal an, das den Großromstedter Horizont und auch noch die ersten Jahrzehnte des 1. Jh. n. Chr. der frühen römischen Kaiserzeit umfasst. Ebenso sind Einflüsse der Przeworsk-Kultur fassbar. Unter einem der 10 bis 21 m2 großen Grubenhäuser fand sich die Standspur eines Webstuhls. Neben dem typischen Siedlungsabfall ist spätlatènezeitliche Graphitton- und Drehscheibenkeramik, eine bronzene Kugelkopfnadel und ein verzierter eiserner Stabgürtelhaken hervorzuheben. Bedeutsam ist der Fund einer fragmentierten flachen Ringperle sowie eines zylindrischen Werkstücks aus Sapropelit, das die Verarbeitung des Rohstoffs vor Ort belegt. Vergleichsexemplare liegen aus späthallstattzeitlichem Kontext vor. Diese und weitere ältere Siedlungsfunde wie Gussformreste wurden wohl während der latènezeitlichen Besiedlung aufgearbeitet und zeugen vielleicht von einer noch längeren Siedlungskontinuität am Platz. | C. Bock, T. Schüler AiD 3 | 2023
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Geschichte hautnah in Haltern am See
Legionär für eine Stunde
Von Werner Hinse
Das römische Hauptlager von Haltern gilt als der am besten erforschte Militärstützpunkt der Römer aus der Zeit von Kaiser Augustus. Es war die mutmaßliche Schaltzentrale für die Erobe rung des rechtsrheinischen Germaniens – und möglicherweise das legendäre Lager Aliso an der Lippe. Hier an der grünen Nahtstelle des Ruhrgebiets mit dem Münsterland gibt es für ArchäologieFans im LWLRömermuseum eine neue Dimension des unterhaltsamen Erlebens von Geschichte: einen Römer EscapeRoom, europaweit einzigartig. Wir haben ihn ausprobiert.
Wir fühlen die Uhr ticken. Es scheint draußen zu regnen, der Wind pfei um die Wachstube. Viele Menschen schreien, grölen und hauen gegen das Tor des Holzbaus. Und drinnen sitzen wir – fünf römische Legionäre. Legionäre, das sind wir aber erst seit wenigen Minuten. Erst seit sich hinter uns Fünfen im Römermuseum in Haltern die große Holztür geschlossen hat und wir ins Jahr 9 n. Chr. versetzt worden sind. Wir haben genau 60 Minuten Zeit. Unsere Aufgabe: Raus aus Aliso, dem von Germanen belagerten Römerlager an der Lippe. Will heißen: Wir müssen versuchen, mit Anleihen aus der römischen Geschichte den Weg aus dem Escape-Room zu finden. Das ist leichter gesagt als getan. In nur einer Stunde müssen wir dafür spannende Rätsel und knifflige Aufgaben lösen. Erst dann ist der Weg frei. Der Escape Room im Wachhaus eines römischen Militärlagers ist einzigartig, sagt der Landschasverband Westfalen-Lippe. Sogar europaweit. Er ist möglichst originalgetreu ausgestattet: Stockbetten mit strohgefüllten Kissen, Schränke, Tische und Hocker. Alles Nachbau, der noch nach frisch gesägtem Holz riecht. »Im Escape Room werden unsere Besucherinnen und Besucher selbst Teil der Geschichte und erleben und gestalten die letzten Stunden von Aliso«, sagt Josef Mühlenbrock, Chef des Römermuseums des Landschasverbands Westfalen-Lippe (LWL) in Haltern am See, stolz. Letzt-
lich ist der Kampf gegen die Uhr auf gut 85 m2 der Reiz des Spiels. Vom gestampften Boden wirbelt bei jedem Schritt Staub auf, es wird drinnen von Minute zu Minute stickiger.
Ein Hingucker für erlebte Geschichte: Das LWLRömermuseum in Haltern mit dem mächtigen Lager-Bollwerk.
chen dafür, dass Aliso mit dem Römerlager in Haltern gleichzusetzen ist. Durch eine List sollen sich die Römer aus Aliso schließlich an den Rhein gerettet haben. So weit die Legende, auf die sich auch die Aufgabe für unser Fünfer-Team im Escape Room beru. Die Sekunden der Stunde ticken schnell herunter. Das ist schon nach der ersten von zwölf Aufgaben zu merken. Das niegelnagelneue Wachhaus mit EscapeRoom direkt hinter der imposanten Mauer auf dem Außengelände des Römermuseums steht am historischen Standort. Das rekonstruierte Bollwerk der Römer stammt aus dem Jahr 2016 und ist sehenswert. Im Maßstab 1:1 ist die Lagerbegrenzung auf 156 m Länge mit Türmen in bis zu 8 m Höhe entstanden. Originalgetreu wie das Wachhaus. Es ist eine mächtige Lagermauer zum Anfassen und Erleben von in diesem Fall römischer Bau- und Kulturgeschichte. Es ist die größte Rekonstruktion der Umwehrungsanlage eines Römerlagers in Holz-Erde-Bauweise, die jemals gebaut
Unbeugsame Römer 30 Jahre lang führt Rom damals Krieg in Germanien. 30 Jahre lang errichten die Römer östlich des Rheins Stützpunkte, bauen Straßen und sichern Wasserwege. Ihr wichtigster Standort liegt im heutigen Haltern am See. Allein im Hauptlager leben damals bis zu 5000 römische Soldaten, wo heutige Halterner ihre Einfamilienhäuser gebaut haben. Aliso ist der einzige überlieferte Name eines Römerlagers in Westfalen. Die Römer versuchten ab 12 v. Chr., das »Freie Germanien« östlich des Rheins ihrem Imperium einzuverleiben. Aus dieser Frühphase stammt das Römerlager in Bergkamen-Oberaden, das 8 oder 7 v. Chr. aufgegeben wurde. Nur kurze Zeit später legten die römischen Legionen ein neues Lager an – im heutigen Haltern am See. Hier war aller Wahrscheinlichkeit nach eine der Legionen stationiert, die in der Varusschlacht des Jahres 9 n. Chr. untergingen, die Legio XIX. »Wir gehen davon aus», sagt Mühlenbrock im Gespräch o. Nur ein Römerlager östlich das Rheins fiel nicht den Germanen in die Hände, sondern konnte der Belagerung durch germanische Kämpfer standhalten: Aliso. Starke Indizien spreAiD 3 | 2023
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Der Halterner Stausee ist eine Attraktion, Wasserreservoir wie auch Freizeiteinrichtung seit 1930. Die umgebende beeindruckende Westruper Heide ist 90 ha groß. Zum 700. Geburtstag der Stadt Haltern am See wurde 1989 am Giebel des Historischen Rathauses von 1577 ein Glockenspiel eingerichtet.
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wurde. Und es wird in Haltern weiter gegraben und geforscht. Über eine 60 m lange Rampe ist die Umwehrung der sogenannten Römerbaustelle Aliso aber selbst mit Rollstuhl und Kinderwagen zugänglich. Und oben gibt es spezielle Datenbrillen für eine digitale Virtual-RealityZeitreise zu den römischen Soldaten. Wir Legionäre für eine Stunde haben solche Hilfen nicht, sind in der schummrig beleuchteten Wachstube auf uns allein gestellt. Schnell werden aus Fremden fünf Menschen, die vor Aufgaben stehen, die sich nur in der Gruppe lösen lassen. Darum geht es auch in den trendigen EscapeRooms. Sie sind bei jungen Menschen beliebt, kombinieren sie doch in der analogen Welt Gewohnheiten aus der OnlineSpielwelt.
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Glockenspiel am alten Rathaus
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Eintauchen in eine ferne Welt Anfassen und Erleben der gesicherten Ergebnisse von Archäologie und Geschichtswissenscha sind seit dem Start 1993 das Ziel des LWL-Römermuseums in Haltern. Über 1200 Originalfunde aus der gesamten Region entlang der Lippe zeugen von der hochentwickelten Kultur der Römer und ihrem Alltag fern der Heimat. Seit 1816 wurden an insgesamt sechs Standorten militärische Anlagen sowie ein Grä-
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Flaesheim Die Haard Baggerloch Flaesheim
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Fernsicht in der Haard
LWL-Römermuseum Weseler Straße 100, 45721 Haltern am See, www.lwl-roemermuseum-haltern.de Auf einer Ausstellungsfläche von rund 1000 m2 sind die bedeutendsten Funde aus mehreren Römerlagern an der Lippe zu sehen. 2016 wurde neben dem Museum die Römerbaustelle Aliso samt rekonstruiertem Wachturm und einem Teil der Lagermauer geschaffen, die 2022 durch das Wachhaus samt Escape-Room ergänzt worden ist. Die Attraktion für Kinder in der Dauerausstellung: Rund 15 000 Playmobil-Legionäre, die die drei römischen Legionen der Varusschlacht darstellen. Glockenspiel am Alten Rathaus Markt 1, 45721 Haltern am See Zum 700. Geburtstag der Stadt Haltern am See im Jahr 1989 hat sie ein Glockenspiel am Giebel des Historischen Rathauses von 1577 bekommen. Um 10.01 Uhr, 12.15 Uhr, 16.01 Uhr und 19.07 Uhr werden mit Rücksicht auf das Läuten der Kirchenglocken täglich zwei von 30 Liedern in Folge gespielt. Das musikalische Spektrum reicht von Beethovens »Hymne Europeen« über »Yesterday« von den Beatles bis hin zu »Over the rainbow« Der Siebenteufelsturm Turmstraße 11, 45721 Haltern am See, www.erlebe-haltern.de / orte / siebenteufels turm Der Siebenteufelsturm von 1502 ist das Wahrzeichen der Stadt am Rande der Altstadt mit vielen inhabergeführten Geschä en. Ein Rest der Stadtmauer aus dem 16. Jh., der Turm und ein Teich erinnern an die Befestigung und den Stadtgraben, der einst die ganze Stadt umschloss und mit Wasser aus der Lippe gespeist wurde. Gut 30 m vom Turm entfernt, befand sich bis 1945 das im Zweiten Weltkrieg zerstörte Römisch-Germanische Museum. Gedenktafel an der Mauer des jetzigen Parkplatzes (Nähe Bushaltestelle).
Durch die Nacht mit Wächter Tourist-Information, Altes Rathaus, Markt 1, 45721 Haltern am See www.haltern-am-see.de / Inhalte / Startseite / Tourismus / index.asp Die Altstadt von Haltern am See lässt sich auch zu später Stunde entdecken. Mit einem Nachtwächter an der Seite lässt sich das Spiel zwischen Licht und Schatten im historischen Ambiente der Stadt erleben. Früher hatte der Nachtwächter einen wichtigen Status in der Stadt und seine Aufgabe bestand nicht nur im Anzünden der Straßenlaternen. Lustige Anekdoten, Geschichte und Geschichten prägen den bis zu 1,5-stündigen Rundgang, der im Winterhalbjahr regelmäßig angeboten wird. Individuelle Führungen sind auf Anfrage (auch für Gruppen) möglich. Halterner See Hullerner Str. 52, 45721 Haltern am See, www.seebad-haltern.de Der Stausee ist die Attraktion von Haltern am See, Wasserreservoir wie auch Freizeiteinrichtung. Der See ist 3 km lang, 2 km breit und hat einen 10-Kilometer-Rundweg. Über eine Million Menschen sowie Industrie und Gewerbe im Münsterland und Ruhrgebiet beziehen ihr Trinkwasser seit 1930 aus dem ausgesandeten Becken. Baden ist erlaubt im großen Seebad, die öffentliche Badeanstalt hat 800 m Natursandstrand. Per Rad nach Haltern www.roemerlipperoute.de Ein Fernradweg entlang der Lippe führt durch Haltern. Die Römer-Lippe-Route von Xanten bis Detmold verbindet die Fundstellen früherer Römerlager mit Römermuseen wie in Haltern am See und speziellen Rast- und Aussichtspunkten. Kleiner Tipp: In Haltern führt die Fähre »Maifisch« ( 51°43’19.1“N 7°14’03.2“E ) die Radler über die Lippe.
Wandern in der Heide Wanderparkplätze Hullerner Straße und Flaesheimer Damm, 45721 Haltern www.westruper-heide.de Die beeindruckende Westruper Heide in unmittelbarer Nachbarscha zum Halterner Stausee ist ein beliebtes Ausflugsziel. Sie erstreckt sich auf dünigem Gelände auf rund 90 ha. Die Heide mit Besenheiden, Sandmagerrasen und Wacholderhainen steht seit 1937 unter Naturschutz. Mit dem Heidehäuschen gibt es dort das »kleinste Heidemuseum der Welt«. Fernsicht in der Haard Start: Recklinghäuser Str. 996, 45721 Haltern am See, www.ich-gehwandern.de / haard-rundwanderung-zumfeuerwachturm-auf-dem-rennberg Auf der Haard, einem 55 km2 großen Naherholungsgebiet zwischen Haltern am See und Recklinghausen, mit einer bewaldeten Hügellandscha gibt es den Feuerwachturm Rennberg. Der Stahlturm hat auf einer Höhe von 32 m eine Aussichtsplattform, die nach gut 140 Stufen nicht nur einen fantastischen Ausblick auf die einst berühmte »grüne Lunge des Ruhrgebiets« bietet. Bei klarer Sicht sind südlich das Ruhrgebiet und nördlich das Münsterland zu sehen. Jupp unner de Böcken Hullerner Straße 107, 45721 Haltern am See, www.jupp.nrw Einen außergewöhnlichen Biergarten gibt es in Haltern im Wald mit Blick auf den See und Sonnenuntergang. Gemeint ist Jupps Erlebnisbiergarten unner den Böcken mit rund 4000 m2 und Platz für 500 Gäste am Südufer des Halterner Sees. Schon drei Mal als »Deutschlands beliebtester Biergarten« ausgezeichnet. Zu den Speisen aus eigener Küche gibt es sechs eigene Biersorten.
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berfeld aus der Zeit von Kaiser Augustus gefunden. Nachgewiesen sind in Haltern durch die Grabungen seit zwei Jahrhunderten das sogenannte Hauptlager mit fester Innenbebauung, eine Schiffsanlegestelle für den Nachschub, Spuren der Lagervorstadt, eine Marinebasis mit Schiffshäusern und Kasernen sowie eine Gräberstraße und ein Marschlager im Osten. Wesentliche Teile des ehemaligen Lagerkomplexes sind heute überbaut. Das Römermuseum
ben kann mit allen Sinnen erfahren werden. Dafür schlüpfen kleine und große Besucher selbst in die Rolle eines Römers. Sie wandern mit dem schweren Marschgepäck eines Soldaten an den Vitrinen vorbei oder versuchen, mit dem Griffel Worte in das Wachs einer Schreibtafel zu ritzen. Ein rekonstruiertes Lederzelt hält eine Überraschung bereit: Eine »Tagesschau« aus dem Jahr 4 n. Chr. informiert über die »aktuellen« Ereignisse in Rom und Germanien.
hat in der Stadt Tradition: Für das erste Römisch-Germanische Museum in Haltern gab es sogar vom deutschen Kaiser Wilhelm II. eine Spende von 10 000 Reichsmark. Das heutige LWL-Römermuseum wurde 1993 zwischen den südlichen Umwehrungen von Feld- und Hauptlager eröffnet und zeichnet in der Architektur des Gebäudes Lage und Konturen des Lagers nach. Die Oberlichter in dem begrünten Dach des Flachbaus sollen an die Zelte der römischen Soldaten erinnern, die auf diesem Gelände vor 2000 Jahren campierten. Didaktik ist in Haltern nicht nur ein großes Wort, sondern Versprechen. Weil es erlebbar ist. Das ist dem Museumpädagogen-Team seit der Gründung des neuen Römermuseums in Haltern 1993 ganz wichtig. Die Dauerausstellung auf rund 1000 m2 informiert nicht nur über die Zeit der Legionäre an der Lippe: Ihr Le-
Das Museum setzt auf modernste Medien und Vermittlungstechnik für kleine und große Besucher, um die Römer zeitgemäß und attraktiv zu präsentieren – nicht nur für junge Menschen. Bei »Reenactments« spielen Freiwillige in selbst nachgebauten Rüstungen das Leben der Soldaten in Aliso nach. Oder rudern im nachgebauten Römerboot auf der Lippe oder dem Halterner Stausee. Und Besucher gehen per Smartphone auf digitale Schnitzeljagd unter den Spitzdächern des gesamten Hauses. Es geht darum, mit digitaler Technik archäologische Praxis greifbarer zu machen, wie bei den aktuell laufenden digitalen Blackbox-Experimenten des Römermuseums mit benachbarten Museen.
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Ab ins Wachhaus – und wieder hinaus Letztlich sind es diese Bemühungen um die erlebbare Vermittlung archäologischer
Funde, die auch zum Wachhaus mit dem publikumsträchtigen Escape-Room geführt haben. »Wir nehmen an«, beginnt Mühlenbrock im Gespräch vor der weißrot gestrichenen Wachstube vorsichtig den Satz. Wegen der räumlichen und funktionalen Nähe des Gebäudes zum Westtor vermuten die Fachleute, dass es sich um ein Wachhaus handelte. Die Funktion des Wachhauses war vielfältig: Möglicherweise prü en römische Legionäre hier Waren und führten Personenkontrollen
Im Kampf gegen die Uhr: Für das gespielte Entkommen aus dem Escape Room müssen zwölf knifflige Aufgaben in 60 Minuten gelöst werden. Der Escape Room ist im neuen Wachhaus hinter dem rekonstruierten Westtor des Hauptlagers untergebracht. Das Wachhaus besteht aus einem Ständerwerk aus 15 m3 Eichenholz, die 20 cm dicken Fachwerkwände aus Weidenruten mit Lehmbewurf. Die 170 m2 große Dachfläche wurde mit Schindeln aus Lärchenholz gedeckt. Alles originalgetreu.
durch. Das Gebäude bot aber auch Schlafmöglichkeiten für die Mauerwache und diente der Lagerung von Waffen und Munition. Das rekonstruierte Wachhaus hat ein Ständerwerk aus 15 m3 Eichenholz, die 20 cm dicken Fachwerkwände bestehen aus Weidenruten mit Lehmbewurf. Bedeckt wird es von 170 m2 Dachschindeln aus Lärchenholz. Alles nach historischen Vorlagen. Denn dem Bau des Wachhauses sind Ausgrabungen und jahrelange Forschung vorausgegangen. »Die Entscheidung für eine Pfostenbauweise fiel auf Basis des archäologischen Befundes an Ort und Stelle sowie unter Rückgriff auf vergleichbare Gebäudetypen«, erzählt Mühlenbrock aus der Vorgeschichte. In wissenscha lichen Kolloquien haben Archäologen des Landscha sverbands die Rekonstruktion des Fachwerkgebäudes mit Bauhistorikern
und Architekten vorbereitet. Seit Juli 2021 zählen die Fundplätze des Niedergermanischen Limes auch zum UNESCO-Welterbe. Im Wachhaus wird es für uns Legionäre auf Zeit mit jeder unserer Aufgaben gefühlt schwerer diese zu lösen. Sieben der zwölf Aufgaben haben wir schon irgendwie enträtselt. Einer in der Gruppe hat immer eine rettende Idee, die uns weiterbringt zur nächsten Aufgabe. Wer hat aber vorhin welchen Faden des Rätsels
übersehen? Wie war das mit dem Jupiter? Wie soll die neue Frage zur Lösung der vorherigen passen? Vor gut einem Jahrzehnt hatten Mühlenbrocks Kollegen von der LWL-Archäologie 2013 in Haltern gegraben und einen Grundriss des heutigen Wachgebbäudes entdeckt, das bisher überhaupt noch nicht bekannt war. »Es gibt diesen Gebäudetypus nur in einigen Lagern hier in Westfalen, nämlich in Oberaden, in Anreppen und bei uns in Haltern«. Weitere Rekonstruktionen auf dem Gelände hinter dem LWL-Römermuseum sind geplant, sagt der LWL-Chefarchäologe Michael Rind. Die Römerbaustelle Aliso wird wohl noch lange eine Baustelle bleiben. Erst einmal aber müssen neue Flächen des ehemaligen Militärlagers in Haltern erschlossen werden, sprich: von den heutigen Eigentümern gekau werden. Welcher Eigenheimbesitzer gibt schon seinen
Garten oder gleich das ganze Haus auf für die Archäologie. Das dauert halt. »Immer neue Methoden wie das Airborne Laserscanning oder Magnetometermessungen liefern uns völlig neue Einblicke«, freut sich Rind. »Man weiß also nicht, was da noch auf uns zukommt«. Die Idee für den Escape-Room, sagt Mühlenbrock, verdankt das Museum übrigens einem jungen Mann, der hier vor drei Jahren sein Freiwilliges Soziales Jahr ableistete: Aaron Osterloh. Auf einer Teamsitzung, so erzählt es Mühlenbrock und schmunzelt dabei, habe Aaron die trendige Nutzung vorgeschlagen. Das Museumsteam verfolgte seinen Vorschlag weiter und setzte ihn um. Übrigens studiert Aaron Osterloh inzwischen Geschichte und Archäologie. Von draußen dringt unentwegt Lärm der Angreifer ein. Der Staub im Raum wird dichter. Wir arbeiten uns langsam vor. Den ersten von uns Legionären steht der Schweiß auf der Stirn, weil der sprichwörtliche Nippel nicht in die Lasche will. Aber dieser kniffelige Tisch im engen Zimmer des Zenturios kostet uns wertvolle Zeit. Was haben wir nun schon wieder übersehen? Manchmal übertönt eine ruhige Stimme den Schlachtenlärm, hil uns mit einem Tipp für die Lösung. Wir sind dankbar. Es geht weiter. Mehr als »nur« ein Museum Das LWL-Römermuseum in Haltern am See ist in den gut drei Jahrzehnten seit der Eröffnung auch ein Stück Freizeitlandscha zwischen Münsterland und Ruhrgebiet geworden. Die Römer von einst bereichern das breite Angebot rund um den Halterner Stausee, der grünen Lunge der früher von Kohle und Stahl beherrschten Metropolregion Ruhrgebiet. Heute, nach dem Ende des Kohleabbaus, ist die Industrielandscha im Süden selbst grün geworden. Das LWL-Archäologiemuseum ist nicht einmal 30 km weiter südlich in Herne angesiedelt. Die historisch verbürgten Römerlager entlang der Lippe verbindet der attraktive Fernradweg Römer-Lippe-Route von Xanten bis Detmold. Es ist eine Entdeckungstour mit dem Fahrrad durch weitgehend flache Regionen von Ostwestfalen bis an den Niederrhein. Durch eine Landscha , die fürs Radeln gemacht zu sein scheint.
Das Zweirad hätte den Römern einst bei der Flucht aus Aliso sicherlich geholfen. Aber beim schweißtreibenden Ratespiel im stickigen Wachhaus stehen wir vor Drehscheiben aus Holz, die uns die Freiheit bringen sollen. Fünf Männer reden durcheinander, jeder wir eine neue Idee ein – im Kampf gegen das Versagen. Es ist zum Verzweifeln. Denn es sind nur noch Minuten, bis die Flucht gelingen muss. Die Meute rattert und klappert an der Tür, lauter denn je. Nur keine Panik. Jeder Schritt, alle Entscheidungen von uns im Escape-Room werden im Hintergrund von Noemi Sandmann und Nora Wieling belauscht und beobachtet. Sie arbeiten für den Dienstleister Adventurebox Escape Room, der selbst in Münster und Karlsruhe Escape-Räume anbietet. Das Unternehmen hat das Erfahrungswissen um den Betrieb solcher Räume beim Aufbau des Spielparcours in der römischen Wachstube mit den zum Teil kniffligen Aufgaben beigesteuert. Mit ihm arbeitet das Römermuseum in Haltern nun erst einmal für die nächsten drei Jahre zusammen, bestätigt Mühlenbrock. Die Firma stellt das Buchungsportal für den Römer-Escape-Room, der bis zu vier Mal am Tag gebucht werden kann. Dann geht das Holztor des Wachhauses sperrangelweit auf, die Sonne scheint herein. Und plötzlich ist es still. Die Schlacht ist geschlagen. In der Tür stehen Sandmann und Wieling in echt. Sprich: Unsere 60 Minuten sind um. Wir haben es nämlich nicht geschafft, rechtzeitig aus Aliso herauszukommen. Eigentlich wären wir fünf Legionäre nun von Germanen gefangen genommen worden. Wer weiß, was sie mit uns gemacht hätten. Aber wir sind fünf Journalisten, die den Escape-Room zufällig zusammengewürfelt ausprobiert haben. Mit dem Duo von Adventurebox lösen wir noch den nächsten Schritt, der uns wirklich ans Ziel gebracht hätte. Hätte, hätte – es wäre wirklich ganz einfach gewesen. Deshalb wird hier natürlich nicht verraten, wie wir es geschafft hätten. Das haben wir dem Team vorher hoch und heilig versprochen. Auch wenn es wirklich auf der Hand liegt. Das ehrliche Fazit: Ein Escape-Room ist eine neue Dimension der Vermittlung für ein Museum. So kurzweilig und unterhaltend habe ich Archäologie lange nicht erlebt. Lohnt sich. AiD 3 | 2023
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Wissenswert Antiker »Stacheldraht« im Lagergraben 2016 entdeckte Oberst a. D. Jürgen Eigenbrod, ein inzwischen verstorbener ehrenamtlicher Mitarbeiter der Koblenzer Bodendenkmalpflege, bei Bad Ems auf dem »Ehrlich« ein römisches Lager; ein zweites, kleineres fand ein Studententeam unter der Leitung von Frederic Auth in 2 km Entfernung auf dem »Blöskopf«. Eine mehrere Jahre dauernde Lehrgrabung der Goethe-Universität unter der Leitung von Auth hat nun ergeben: Die beiden diesund jenseits des Emsbaches gelegenen militärischen Anlagen entstanden im 1. Jh. n. Chr., also vor der Errichtung des Limes, der ab 110 n. Chr. 800 m östlich des kleineren Lagers auf dem Blöskopf verlief.
Bei den Ausgrabungen wurde ein äußerst ungewöhnlicher Befund dokumentiert: Im Graben des kleineren Lagers auf dem Blöskopf hatte sich ein Annäherungshindernis erhalten, das aus zugespitzten Holzpfählen bestand. Entsprechende Vorrichtungen kennen wir aus antiken Schri quellen, kein Geringerer als Caesar erwähnt sie in den Berichten vom Gallischen Krieg, doch wurde bislang noch nie so etwas ausgegraben. Im feuchten Boden des Blöskopfes herrschten ideale Bedingungen, so blieben die hölzernen Spieße, die wahrscheinlich den gesamten, sich nach unten stark verjüngenden »Spitzgraben« spickten, erhalten. Das andere Lager auf dem Ehrlich war immerhin 8 ha groß und konnte um 3000 Soldaten fassen. Es wurde jedoch nie fertiggestellt 72
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Holzspieße im Spitzgraben des römischen Militärlagers auf dem »Blöskopf« bei Bad Ems: Annäherungshindernis für potenzielle Angreifer.
Trägerin des JohannaMestorf-Preises 2023: Iris Nießen.
und nach wenigen Jahren genau wie das kleinere Lager aufgegeben. Ziel der militärischen Aktion war in der Nähe anstehendes Silbererz. Tacitus beschreibt, wie unter dem römischen Statthalter Curtius Rufus 47 n. Chr. ein Versuch scheiterte, in der Gegend Silbererz abzubauen. Tatsächlich konnte das Frankfurter Team ein Schacht-Stollen-System identifizieren, das möglicherweise römisch ist. Die Spuren liegen wenige Meter über dem Emser Gangzug, aus dem man in der Neuzeit 200 Tonnen Silber holte. Offensichtlich haben die Römer zu früh aufgegeben. | AiD
Johanna-Mestorf-Preis 2023 Am 13. März wurde in Kiel der Archäologin Iris Nießen für eine herausragende Arbeit zum Thema Urbanisierung der Johanna-Mestorf-Preis verliehen. Die Johanna-Mestorf-Akademie an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zeichnete damit die Dissertation aus, vorgelegt von der Preisträgerin unter dem Titel »Donau – Ufer – Regensburg« an der FriedrichSchiller-Universität Jena. Iris Nießen untersuchte eine am Ufer der Donau bei Regensburg gelegene Siedlung, die man in den Jahren 2009 bis 2015 ausgegraben hatte. Ihre Auswertung zeichnet ein detailliertes Bild von der Entwicklung einer Hafensiedlung zum vollwertigen Stadtviertel um 1300 n. Chr. »Die interdisziplinäre Arbeit von Iris Nießen zeigt vorbildha die Verflechtung von sozialem und ökologischem Wandel anhand des untersuchten Beispiels. Mit der Verbindung von historischer und archäologi-
scher Analyse kann die Arbeit als Meilenstein der Umweltarchäologie bezeichnet werden«, erklärte Lutz Käppel, Sprecher des Forschungsschwerpunktes »Gesellscha , Umwelt und Kultur der Vergangenheit im Wandel« an der Universität Kiel und Vorsitzender des Preiskomitees der Johanna-Mestorf-Akademie in seiner Laudatio. Die Preisverleihung war gleichzeitig Au akt zur internationalen Kiel Conference 2023: »Scales of Social, Environmental, and Cultural Change in Past Societies«. In der auf die Verleihung folgenden Woche diskutierten über 300 Wissenscha ler aus 30 Ländern neueste Erkenntnisse zu den Verknüpfungen von Umwelt, sozialen Beziehungen, materieller Kultur, Bevölkerungsdynamik und menschlicher Wahrnehmung in der Vergangenheit. Der mit 3000 Euro dotierte Johanna-Mestorf-Preis ist nach der ersten Museumsdirektorin in Deutschland und ersten Professorin im Königreich Preußen benannt und wurde zum sechsten Mal im Rahmen der Konferenz verliehen. | AiD
Römischer Wasserbau in Südhessen? Im südhessischen Ried verläu zwischen Groß-Gerau und Trebur ein Gewässer mit dem Namen »Landgraben« und mündet nordwestlich von Astheim in den Rhein. Der Name geht auf Landgraf Georg I. (1547– 1596) von Hessen-Darmstadt zurück, dem
entscheidender Bedeutung, gewesen. Das Kastell grenze direkt an den Kanal oder – das gelte es zu überprüfen – werde von diesem geschnitten. Im ersten Fall wäre der Kanal mindestens so alt wie das Lager. Im zweiten Fall würde das Lager, das von etwa 40 bis 70 n. Chr. bestand, einen Terminus post quem liefern, das heißt, der Kanal wurde später gebaut als das Lager. | AiD
Mithilfe geophysikalischer Methoden, Bohrungen und kleinerer Ausgrabungen wird die Geschichte des Landgrabens im südhessichen Ried erforscht.
Wie viel Neandertaler steckt im Mensch?
der Bau des Grabens bisher zugeschrieben wurde. Ein Team des Landesamts für Denkmalpflege Hessen und der Universitäten Frankfurt, Mainz und Kiel hat nun Hinweise gefunden, dass der Kanal schon vom römischen Militär bei der Eroberung und Erschließung des rechtsrheinischen Rieds im 1. Jh. n. Chr. künstlich angelegt worden sein könnte. Der Landgraben, der bei Trebur in den heutigen Schwarzbach überging, diente möglicherweise als Transportweg zur Versorgung des römischen Kastells und der zugehörigen Zivilsiedlung in Groß-Gerau. Die Untersuchungen werden von der Deutsche Forschungsgemeinscha mit 370 000 Euro gefördert. Die Mittel ermöglichen geophysikalische Untersuchungen, Bohrungen und kleinere Ausgrabungen. Untersucht werden der ursprüngliche Verlauf und die am Kanal liegenden römischen Siedlungen in Berkach, Groß-Gerau, Wallerstädten, Trebur und Astheim sowie ihr Verhältnis zum Gewässer. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse bilden die Grundlage für zwei Dissertationen in den Fächern Archäologie und Geografie an den Universitäten Frankfurt und Mainz. In der Pressemitteilung der Universität Frankfurt wird Markus Scholz, Professor für Archäologie an der Goethe-Universität, zitiert: Für die Anfangsdatierung des Landgrabens sei das römische Kastell »Biebelslache« bei Wallerstädten von
Bei vielen heutigen Menschen ist ein kleiner Anteil an Neandertaler-Erbgut nachweisbar. Genetische Untersuchungen an Proben aus Fossilien zeigen ebenfalls, dass frühe moderne Menschen und Neandertaler mehrfach Hybride gebildet, sprich Nachwuchs in die Welt gesetzt hatten (dazu AiD 3 / 2016, S. 26). Alte DNA aus Fossilien ist jedoch selten gut erhalten. Anthropologin Katerina Harvati (Universität Tübingen) und Rebecca R. Ackermann (Universität Kapstadt, Südafrika) haben den Einfluss der Hybridisierung nicht mittels Genetik, sondern an fossilen Schädeln untersucht und ihre Ergebnisse im September 2022 in der Zeitschri »Nature Ecology and Evolution« veröffentlicht. Diese Untersuchungen sind insofern von Bedeutung, als Hybridisierung eine Ursache für die Anpassungsfähigkeit unserer Vorfahren sein könnte. Die Studie stützt sich auf eine große Anzahl fossiler Überreste aus dem späten Paläolithikum Eurasiens vor ungefähr 40 000 bis 20 000 Jahren. Die beiden Forscherinnen untersuchten Unterkiefer, Hirnschale und Gesicht auf Anzeichen von Hybridisierung: »Dazu gehören zum Beispiel Übergangsformen zwischen Neandertalern und anatomisch modernen Menschen in der Morphologie, Zahnanomalien oder ungewöhnliche Größen. Dies sind Merkmale, wie sie bei Hybriden verschiedener Säugetiere, einschließlich der
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Wissenswert
Primaten, zu finden sind«, erklären Harvati und Ackermann. Ihre Studie zeigt, dass sich Hybridisierung in Hirnschale und Unterkiefer zeigt, nicht aber im Gesicht. Um die Methode zu verfizieren, schlägt Harvati vor: »Wenn möglich, sollte der Hybridstatus eines Individuums anhand genetischer Daten bestätigt werden, weshalb wir unsere Ergebnisse als zu prüfende Hypothesen betrachten«. Dies ist die erste Studie dieser Art, ein Schritt dahin, gemeinsame Nachkommen von Neandertaler und modernem Mensch an Fossilien zu erkennen, ohne sie genetisch zu untersuchen. | AiD
Liebe auf den ersten Blick? Anatomisch moderner Frühmensch (links) und Neandertaler.
Booster für die Erforschung des Niedergermanischen Limes
Im Netz findet sich ein Interview mit Professor Dr. Jan Bemmann, Leiter des Forschungsvorhabens »Limes und Legion«.
Am 14. März wurde ein Kooperationsvertrag zur Erforschung des Niedergermanischen Limes im LVR-LandesMuseum Bonn unterzeichnet von Ulrike Lubek, Direktorin des Landscha sverbandes Rheinland, und Andreas Zimmer, Prorektor für Forschung und wissenscha lichen Nachwuchs an der Rheinischen Friedrich Wilhelms-Universität Bonn. 74
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Das Projekt mit dem langen Titel »Limes und Legion. Die Wirkmächtigkeit römischer Militärpräsenz am Niedergermanischen Limes, Edition und Interpretation archäologischer Quellen« wird von Bund und Ländern gefördert und ist auf 18 Jahre angelegt (2022–2038). Das Fördervolumen beträgt 10 Millionen Euro. An den vier niederrheinischen Legionsstandorten Bonn, Köln, Xanten, Nijmegen wird schon seit Langem ausgegraben. Bearbeitung und Veröffentlichung der Funde und Befunde hinken dabei weit hinterher. Im Jahr 2021 wurde der gesamte Niedergermanische Limes in RheinlandPfalz, Nordrhein-Westfalen und den Niederlanden als UNESCO-Weltkulturerbe anerkannt (AiD 5 / 2021, S. 72). Das wertvolle Material aus 200 Jahren Sammlungs- und Ausgrabungstätigkeit soll mithilfe des Projekts systematisch wissenscha lich ausgewertet und zugänglich gemacht werden. Antragsteller sind die Abteilung der Vor- und Frühgeschichtlichen Archäologie der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, die Ludwig-MaximiliansUniversität München und das LVR-LandesMuseum Bonn. Das Projekt wird in Kooperation mit der Radboud Universiteit Nijmegen und in enger Abstimmung mit dem LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland durchgeführt. | AiD
Die ersten Maultiere in Europa Das Maultier kam im 1. Jh. n. Chr. mit den römischen Truppen über die Alpen. Davor dienten in Mitteleuropa ausschließlich Pferde als Reittier. Das zeigen Untersuchungen eines Teams der Universität Wien, des ArchaeoBioCenters der Universität München sowie der Staatssammlung für Paläoanatomie München. Die Ergebnisse wurden 2022 im »Journal of Archaeological Science« veröffentlicht. Bis zum Ende der Eisenzeit findet man in den keltischen Siedlungen des Alpenvorlandes ausschließlich Pferde. Als die Römer kurz vor Christi Geburt in die Gebiete nördlich der Alpen vordrangen, brachten sie aus dem Mittelmeerraum Maultiere mit. Letztere wurden vom Militär als Pack- und Arbeitstiere verwendet. Die Römer schätzten diese Kreuzung von Eselhengst und Pferdstute wegen ihrer Kra , Ausdauer und Trittsicherheit im Gebirge. Zudem sind Maultiere anspruchsloser beim Futter und widerstandsfähiger gegen Krankheiten als Pferde und Esel. Das Team untersuchte in der Studie alte DNA von über 400 Equiden aus einer keltischen und sieben römischen Siedlungen in den nördlichen Provinzen des
Foto eines Maultieres aus dem Museum für Haustierkunde in Halle: »Lotte«, weiblich, geboren am 12. 6. 1903, Aufnahme am 23. 1. 1911.
Römischen Reichs – heute Süddeutschland, Ostschweiz und Österreich. Die Überreste von Maultieren fanden sie dabei nur in den römischen Siedlungen. Außerdem zeigten die Untersuchungen, dass Maultiere sich nicht nur anhand ihrer alten DNA identifizieren lassen, sondern auch durch Merkmale insbesondere der vorderen Backenzähne. »Voraussetzung für die sichere Identifikation der Pferd-Esel-Hybridformen sind allerdings umfassende Referenzsammlungen von Equidenskeletten, damit Forscherinnen und Forscher diese mit archäologischen Funden vergleichen können«, erläutert Prof. Dr. Peters, Direktor der Staatssammlung für Paläoanatomie München und Inhaber des Lehrstuhls für Paläoanatomie. »Nicht immer ist im archäologischen Fundmaterial DNA ausreichend gut erhalten, um Tiere sicher bestimmen zu können. Daher ist auch für die Erforschung vergangener Kulturen der Aufbau von umfangreichen naturkundlichen Sammlungen unabdingbar.« | AiD
Heirat im Minoischen Kreta Ein Team des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig konnte bei genetischen Analysen an menschlicher Knochen aus dem östlichen Mittelmeerraum feststellen: Bronzezeitliche Minoer und Mykener heirateten vorzugsweise ihren Cousin ersten Grades. Die Er-
gebnisse wurden in »Nature Ecology & Evolution« veröffentlicht. Insgesamt hat man 100 Genome bronzezeitlicher Menschen aus der Ägäis untersucht. Dabei zeigte sich: Auf Kreta und anderen griechischen Inseln wie auch auf dem Festland war es vor 4000 Jahren üblich, seine Cousine bzw. seinen Cousin ersten Grades zu heiraten. »Mehr als tausend alte Genome aus den verschiedensten Regionen der Welt sind inzwischen publiziert, aber so ein strenges System der Verwandtenheirat scheint es sonst nirgendwo in der Antike gegeben zu haben«, sagt Eirini Skourtanioti, Erstautorin der Studie, die die Analysen durchführte. Wie diese ungewöhnliche Heiratsregel zu erklären ist, können die Wissenscha ler nur mutmaßen. »Vielleicht wollte man auf diese Weise verhindern, dass das ererbte Ackerland immer weiter aufgeteilt wurde? Auf jeden Fall garantierte es eine gewisse Kontinuität der Familie an einem Ort, was etwa für den Anbau von Oliven und Wein eine wichtige Voraussetzung ist«, vermutet Archäologe Philipp Stockhammer, ein weiterer Hauptautor der Studie. | AiD
»Er ist Odins Mann« – Runen von Vindelev entziffert Runologin Lisbeth Imer und Linguist Krister Vasshus vom dänischen Nationalmuseum haben die älteste Inschri identifiGoldener Brakteat aus dem Hort von Vindelev mit der frühesten Erwähnung des nordischen Hauptgotts. Über dem Porträt sind im Halbkreis Runen angeordnet, die jetzt entziffert wurden: »Er ist Odins Mann«.
Lebensbild: Bronzezeitliche Familie bei der Getreideernte.
ziert, die den Hauptgott der nordischen Mythologie erwähnt: Odin. Die Runen befinden sich auf einem Brakteat aus dem Goldschatz von Vindelev, den man erst 2020 entdeckt hatte (AiD 1 / 2022, S. 38). Der Schatz wurde nach 530 n. Chr. vergraben, der Brakteat mit der Inschri datiert in das frühe 5. Jh. – die bis dahin älteste Erwähnung von Odin findet sich auf der Fibel von Nordendorf in Bayern aus der zweiten Häl e des 6. Jh. In Dänemark AiD 3 | 2023
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Wissenswert kannte man bislang nur das Amulett von Ribe (Jütland), das zu Beginn des 8. Jh. aus einem menschlichen Schädelstück gefertigt wurde. Brakteaten sind dünne, einseitig geprägte Goldscheiben, die als Anhänger getragen wurden und an römische Medaillons erinnern. Die Inschri von Vindelev war schwer zu entziffern, da der Brakteat abgegriffen ist und die Runen teils fast verschwunden sind. Die Worte wurden ohne Zwischenräume eingeprägt, zudem in einer mehr als 1500 Jahre alten Sprache. Ein Teil der Inschri lautet »Er ist Odins Mann«. Das bezieht sich auf das Porträt des Mannes auf dem Brakteat, dessen Name oder Spitzname »Jaga« oder »Jagaz« gewesen sein könnte. In der Forschung wird seit 150 Jahren diskutiert, ob die zahlreichen Porträts auf Brakteaten den Gott Odin darstellen könnten. Die Inschri von Vindelev jedoch legt nahe, dass es sich um einen König handelt – wie bei den römischen Medaillons. »Jaga« oder »Jagaz« bezog laut Inschri von Odin seine göttliche Legitimation: Möglicherweise war er nicht nur Herrscher, sondern auch oberster Kultführer der Gemeinscha . Der Brakteat mit der ältesten OdinInschri der Welt ist zusammen mit dem Vindelev-Hort im Dänischen Nationalmuseum in der Ausstellung »Die Jagd nach Dänemarks Vergangenheit« zu sehen. | Jesper Tae Jensen
Rechts: Unterkiefer und Armknochen von Waldmäusen (Apodemus cf. sylvaticus). Unten: Nachweise des Kornkäfers (Sitophilus granaries) aus einer neolithischen Siedlung in Südfrankreich: Kopf und Halsschild, (a – f, h – i, m, o), Extremität (g) und Flügeldecken (j – l, n). Raül Soteras, AgriChange Projekt
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Von Anfang an: Bauern gegen Ungeziefer Sobald der Mensch vor etwa 8000 Jahren in Europa begann, Ackerbau zu betreiben, wurden Schädlinge zum Problem. Das zeigen Überreste von Mäusen und Insekten, die eine Forschungsgruppe der Universität Basel in neolithischen Schichten fand. Untersucht wurden die Sedimente aus drei Brunnen einer Siedlung in der Nähe von Les Bagnoles in Südfrankreich, die etwa in die Zeit von 4300 bis 3700 v. Chr. datieren. Dort blieben aufgrund der permanenten Feuchtigkeit organische Überreste gut konserviert. In einem der Brunnen fanden sich die Knochen von mehr als vierzig Waldmäusen. Offenbar hatten die Abfälle und Nahrungsmittel Schädlinge angezogen. »Die Waldmaus hat sich also wahrscheinlich schon in menschlichen 76
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Siedlungen etabliert, bevor sie dann in der Bronzezeit von der Hausmaus verdrängt wurde«, so Simone Häberle, die zusammen mit Marguerita Schäfer die Überreste bestimmte. Zudem enthielten die Proben Überreste von zahlreichen Insekten – darunter des Kornkäfers, der bis in die Gegenwart gelagertes Getreide befällt, sowie weitere potenzielle Schädlinge wie Samen- und Laufkäfer. »Etwa um 4000 v. Chr. herum haben die Menschen an verschiedenen Orten im westlichen Mittelmeerraum von Nacktweizen, der anfällig für Vorratsschädlinge ist, auf Spelzweizen umgestellt«, sagt Ferran Antolín, der Leiter des Projekts. »Danach scheinen in Les Bagnoles die Hinweise für den Kornkäfer abzunehmen.« Das wertet er als Hinweis dafür, dass die Bauern durch den Umstieg auf resistentere Arten wie Einkorn und Emmer eine geeignete Strategie gegen Schädlinge gefunden hätten. Die Untersuchungen erfolgten im Rahmen des vom Schweizerischen Nationalfonds geförderten Projekts AgriChange. Beteiligt waren die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich und das Deutsche Archäologische Institut. | AiD
Jahreszeitlich angepasste Ernährung beim Homo erectus Ein Team der Goethe-Universität Frankfurt um Wolfgang Müller und Jülide Kubat untersuchte anhand der Zähne die Ernährung des Homo erectus vor 1,4 Millionen bis 700 000 Jahren auf der indonesischen Insel Java und verglich sie mit zeitgleich lebenden Tieren, darunter auch Orang-Utans.
Auf den Zähnen findet man »RetziusStreifen« – feine, parallele Linien –, die beim Wachstum des Schmelzes entstehen und die Entwicklung des Individuums widerspiegeln: Geburt, Abstillen oder Krankheit hinterlassen markante Spuren im Zahnschmelz. Die Wissenscha ler untersuchten mit ausgefeilten Methoden Dünnschliffe, hauchdünne Scheiben von 150 Mikrometern Stärke. Unter anderem wurde der Gehalt von Strontium und Kalzium (Sr / Ca) gemessen. Das Verhältnis dieser Elemente ist von der Nahrung abhängig, erklärt Wolfgang Müller: »Strontium wird –
Autoren dieses Hes
Impressum
Forschung Prof. Dr. Felix Biermann, Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale) und Universität Stettin/Szczecin;
Herausgeber Verband der Landesarchäologien in der Bundesrepublik Deutschland: Dr. Ulf Ickerodt, Prof. Dr. Michael Rind, Prof. Dr. Franz Schopper, Dr. Regina Smolnik, Prof. Dr. Claus Wolf und wbg.
Dr. Holger Grönwald, Prof. Dr. Harald Meller, Normen Posselt M.A., Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie SachsenAnhalt – Landesmuseum für Vorgeschichte, Halle (Saale); Prof. Dr. Leonhard Helten, Martin-Luther-Universität HalleWittenberg, Institut für Kunstgeschichte und Archäologien Europas, Halle (Saale). Weltweit PD Dr. Arnulf Hausleiter, Orient-Abteilung des DAI. Thema Dr. Erich Claßen, Eva Cott M. A., LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland; Dr. Ulf Ickerodt, Jens Greif M.A., Matthias Maluck M. A., Christoph Unglaub M.A., Archäologisches Landesamt SchleswigHolstein; Dr. Thomas Kersting, Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum;
Polierter Dünnschliff eines Zahns des Homo erectus vor der chemischen Analyse mittels Laserablation-Plasmamassenspektrometrie (LA-ICPMS).
Dr. Detlef Jantzen, Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern; Thomas Becker M. A., Landesamt für Denkmalpflege Hessen; Dr. Stefanie Berg, Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege; Sabine Hagmann M. A., Dr. Richard Vogt, Landesamt für Denkmalpflege im Regierungspräsidium Stuttgart; Dr. Manuel Zeiler, LWL-Archäologie für Westfalen;
quasi als Verunreinigung des essentiellen Kalziums – vom Körper nach und nach ausgeschieden. In der Nahrungskette führt das dazu, dass das Strontium-Kalzium-Verhältnis von Pflanzenessern über Allesesser bis hin zu Fleischessern kontinuierlich abnimmt.« Bei der Untersuchung der Hominiden Orang-Utan und Homo erectus entdeckten die Forscher Jahreszyklen, in denen sich die Nahrung änderte, allerdings beim Orang-Utan viel deutlicher als bei Homo erectus. Jülide Kubat, Erstautorin der Publikation, erklärt: »Diese Peaks deuten auf ein reichhaltiges pflanzliches Nahrungsangebot in der Regenzeit hin, während der im Regenwald zum Beispiel viele Früchte gebildet wurden. In der Trockenzeit mussten vor allem Orang-Utans auf andere Nahrungsquellen umsteigen, die vielleicht Insekten oder Eier einschlossen. Homo erectus dagegen war – so zeigen die weniger ausgeprägten Peaks und niedrigeren Sr / CaWerte – als Allesesser und zeitweiser Fleischkonsument weniger vom saisonalen Nahrungsangebot abhängig.« | AiD
Dr. Michael Strobel, Landesamt für Archäologie Sachsen. Europa – Bodensee Dr. des. Simone Benguerel, Florence Gilliard M. A, Thomas Keiser, PD Dr. habil. Urs Leuzinger;
Wissenschaftlicher Beirat Prof. Dr. Alexandra W. Busch, Dr. Erich Claßen, Prof. Dr. Nicholas Conard, Dr. Kerstin P. Hofmann, Dr. Detlef Jantzen, Prof. Dr. Dirk Krausse, Prof. Dr. Hauke Jöns, Prof. Dr. Harald Meller, Prof. Dr. Carola Metzner-Nebelsick, Prof. Dr. Matthias Wemhoff. Redaktion Verantwortlich im Sinne des Presserechts: Dr. Martin Kempa, Verlagsbüro Wais & Partner, Reinsburgstraße 104, 70197 Stuttgart, E-Mail: [email protected]. Allgemeiner Teil: Dr. Erwin Keefer (EK), Dr. Martin Kempa (MK), Annine Fuchs M.A. (AF), André Wais (AW). Kontakt Redaktion: Telefon 0711 621803, Fax 0711 6150340, E-Mail: [email protected]. Aktuelles aus der Landesarchäologie: Dr. Martin Kempa für den Verband der Landesarchäologien in der Bundesrepublik Deutschland c/o Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart. Auslandskorrespondenten Dr. Laura Burkhardt, Halle (Saale); Dr. Michal Ernée, Prag; Dr. Alessandra Giumlia-Mair, Moskau/Meran; Dr. Erwin Keefer, Stuttgart; Dr. Antonella Pedergnana, Zürich; Jesper Tae Jensen, Kopenhagen; Annabell Zander, York. Verlag Veranwortlich für den Anzeigenteil: Claudia Ferber, Michael Heinrich, Joseph-M. Seidel, wbg, Dolivostraße 17, 64293 Darmstadt. Die wbg (Wissenschaftliche Buchgesellschaft) ist ein wirtschaftlicher Verein gem. § 22 BGB durch staatliche Verleihung des Landes Hessen und wird im Register der Stadt Darmstadt geführt. Chefredaktion Zeitschriften: Leoni Hellmayr, Marketing / Vertrieb Zeitschriften: Alexandra Swart. Anzeigenverwaltung Agentur Hanne Knickmann – Kulturprojekte Theaterstraße 7, 69117 Heidelberg Telefon 06221 67342-50, Fax 06221 67342-51, [email protected] www.hanne-knickmann.de Gestaltung und Herstellung Tanja Krichel, Verlagsbüro Wais & Partner, Stuttgart
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Robin Schäfer, Selbstständiger Militärhistoriker; Dr. Bernard Wilkin, Archives de l'Etat à Liège. Report – Schenefeld Ilka E. Rau, M. A., Zentrum für Baltische und Skandinavische Archäologie, Schloss Gottorf, Landesmuseen SH; Dr. Katrin Schöps, Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenscha en und Mathematik; Prof. Dr. Carenza Lewis, University of Lincoln; Prof. Dr. Dr. h. c. Claus von Carnap-Bornheim, Exzellenz-Cluster ROOTS/Zentrum für Baltische u. Skandinavische Archäologie. Report – München Dr. Elke Bujok, Melanie Marx M. A., Dr. Eleonore Wintergerst, Archäologische Staatssammlung. Sehenswert Werner Hinse, freier Journalist, Münster.
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Bücher und Medien
Gladiatoren Die Wirklichkeit hinter der Legende Marcus Junkelmann Oppenheim: Nünnerich-Asmus Verlag 2022, 96 S., 19 Euro Wohl kein deutschsprachiger Autor hat so große Anstrengungen unternommen, das moderne Bild der antiken römischen Gladiatorenkämpfe in nahezu allen Facetten zu relativieren, wie der Historiker und Experimentalarchäologe Marcus Junkelmann. Das vorliegende Buch ist daher folgerichtig der neuste kurzweilige Beitrag einer langen Forschungsreise, die nicht nur verschiedenste Quellen aus dem gesamten Römischen Reich, sondern auch Erkenntnisse aus Grabungen, Knochenuntersuchungen und Felderprobungen rekonstruierter Funde sammelt und zu einem lebendigen Bild kombiniert. Auf nahezu sämtlichen Doppelseiten finden sich Fotografien von Reenactment-Gruppen und Projekten der Experimentalarchäologie, sowie digitale und physische Rekonstruktionen. Doch einigen mit der Materie vertrauten Lesern wird auffallen, dass Junkelmann in seinem mittlerweile siebten Werk zu diesem Thema – eine weitere TV-Doku befindet sich in Arbeit – kaum etwas beizutragen weiß, das aus vorausgegangenen Büchern nicht schon bekannt sein könnte. Für Einsteiger wie gewohnt hervorragend ist das vorliegende Werk jedoch eine empfehlenswerte Lektüre, die vor allem durch griffige Zitate von antiken und modernen Autoren zur Belehrung des geschichtsinteressierten, aber möglicherweise fachfremden Bekanntenkreises anregt. Zahlreiche originale Inschriften, die den gesamten Text begleiten, und ein kompaktes Literaturverzeichnis am Ende ergänzen das Gesamtbild zu einer umfangreichen Quellen- und Faktensammlung. | Michael Becker 78
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BETA ... civilisations volume II Jens Harder Hamburg: Carlsen Verlag 2022, 368 S., 50 Euro Bilder, Bilder, Bilder … die Geschichte der Menschheit und der Welt in Tausenden dreifarbiger Zeichnungen und nur knappen Textzeilen. Das ist »BETA … civilisations volume II«. Widmete sich der Berliner Illustrator Jens Harder im »volume I« der Erdgeschichte vom Auftauchen der ersten Hominiden und Menschen bis zum Jahre 0, so erzählen die mehr als 2000 Zeichnungen von »volume II« die Zeit von 0, dem Altertum, bis heute. Alle seine Zeichnungen basieren auf dem gewaltigen visuellen Erbe, welches von Menschen erzeugt wurde, das heißt einer Fülle von historischen Vorlagen, Karten, Kunstwerken, Bildern und Filmen jeglicher Art. Und das bedeutet auch, dass mit zunehmender Nähe zu heute die Zahl der Zeichnungen parallel zur Entwicklung der Medien immer weiter zunimmt. Wird das Altertum noch auf 62 Seiten behandelt, so sind es im dritten Teil, der Neuzeit, 176 Seiten! Die auf über 360 Seiten ausgebreiteten Zeichnungen und Informationen wirken auf den ersten Blick verwirrend. Doch die sparsame textliche Untermalung gibt Hilfestellung, ebenso wie das Nachwort und die Quellennachweise, die eine Einbettung für die Idee des Autors zur Lektüre bieten. Dieser dritte Band des in mehrjähriger Arbeit entstandenen »Opus Magnum« ist lesens- und studierenswert und lädt zur vertieften Befassung mit unserer Weltgeschichte in Bildern ein. Es ist dabei immer wieder interessant an sich selbst zu testen, wie die Bildauswahl von Harder zu uns spricht. Und Zeit sollte man/frau sich auch dafür nehmen – es lohnt sich. | Matthias Knaut
Heinrich Schliemanns Reisen Tagebücher und Briefe aus Ägypten und dem Vorderen Orient Hrsg. Umberto Pappalardo Darmstadt: wbg Philipp von Zabern 2021, 180 S., 150 farb. Abb., 50 Euro Anlässlich des 200. Geburtstags von Heinrich Schliemann am 6. Januar 1822 veröffentlichte die wbg Wissenschaftliche Buchgesellschaft im vergangenen Jahr zunächst das Buch »Heinrich Schliemann und die Archäologie« (Sonderheft 12.21, ANTIKE WELT). Nun folgt dieses ansehnliche Buch, das einen wenig bekannten Bereich von Schliemanns Leben beleuchtet, nämlich seine vier großen Reisen zwischen 1858 und 1888. Das Buch beginnt mit den Quellen der Reisen, einem Essay über das Schliemann-Archiv in der GennadiusBibliothek im Athener Stadtteil Kolonaki von Natalie Vogeikoff-Brogan und Doreen C. Spitzer, Direktorin des Archivs der American School of Classical Studies in Athen. Es folgen ein kurzer Abschnitt über Schliemanns Leben und einer über seine Tagebücher, die in vielen verschiedenen Sprachen geschrieben wurden. Der Hauptteil des Buches behandelt Schliemanns vier lange Reisen: 1. Reise (1858–1859), 2. Reise (1864), 3. Reise (1886–1887), 4. Reise (1888), unterbrochen von seinen Briefen und Auszügen aus seinen Tagebüchern. Wie der Titel schon andeutet, legt dieses unglaublich schöne Buch den Schwerpunkt auf Schliemanns Reisen nach Tunesien, in die Türkei, in den Nahen Osten und insbesondere auf seine Reisen nach Ägypten, dessen Kultur ihn zutiefst faszinierte. Die vielen schönen Farbfotografien des Buches laden den Leser ein, in die Bilder einzutauchen und sich noch mehr für das beeindruckende Leben Schliemanns zu interessieren, das ihn für immer weltberühmt gemacht hat. | Jesper Tae Jensen
Menosgada Die keltische Stadt auf dem Staffelberg. Ein archäologischer Führer Markus Schußmann Regensburg: Verlag Friedrich Pustet, 2022, 128 S., 101 Abb., 14,95 Euro Die archäologische Erforschung des die Landschaft am Obermain beherrschenden Staffelberges beginnt in den letzten Jahrzehnten des 19. Jh. In der ersten Hälfte des 20. Jh. wird die durch entsprechende Funde zu datierende Höhensiedlung als spätkeltisches Oppidum erkannt und mit dem beim antiken Geografen Ptolemaios erwähnten Ort »Menosgada« identifiziert. Die vorerst letzten Ausgrabungen 2018/19 gaben den Anstoß, dem Felsplateau den vorgestellten Führer zu widmen. Dieser stellt außer der Forschungsgeschichte die wesentlichen, durch Ausgrabungen erhaltenen Funde und Befunde zu den gestaffelten Befestigungen und Toren, zu den mit ihrem Schutz betrauten Kriegern, zu den besiedelten Flächen und ihrer Wasserversorgung, zum Münzwesen, zu Handwerk und Handel, Wegen, Straßen und Plätzen, zur Religionsausübung und schließlich zum Ende der Stadt vor. Dabei erschließen passend platzierte Exkurse die antike Quellenlage, Erscheinungsformen der keltischen Kultur, Religion und Lebensweise sowie die archäologische Prospektion. Auf ihr beruht auch die Übersichtskarte auf der Umschlaginnenseite. Vieles erläutert zusätzlich das Glossar im Anhang. Dies alles macht den Führer zu einem unentbehrlichen Begleiter bei einer Erkundung des Siedlungsplateaus, denn dort sind Rekonstruktionen, von denen viele in grafischer Form präsentiert werden, nicht vorhanden. Archäologische Fundstücke sind naturgemäß nur über ihre Abbildungen im Buch gegenwärtig. | Frank Unruh
In der Redaktion eingetroffen Das Haar als Argument Zur Wissensgeschichte von Bärten, Frisuren und Perücken
Ravenna Hauptstadt des Imperiums, Schmelztiegel der Kulturen
50 – Denkmalpflege in Baden Württemberg 1972–2022
Judith Herrin Darmstadt: wbg THEISS 2022, 605 S., 62 farb. Abb., 39 Euro
Landesamt für Denkmalpflege im RPS et.al. Esslingen am Neckar: LAD RPS 2022, 304 S. 310 Abb., kostenfrei
Ravenna und der Hafen von Classe waren in der Römischen Kaiserzeit der Stützpunkt für die im östlichen Mittelmeer operierende römische Kriegsflotte. Nach dessen Aufgabe wohl Anfang des 4. Jh. verkam Ravenna zu einem Provinzstädtchen. Niemand ahnte, dass es gut ein Jahrhundert später zu einer neuen Blütezeit kommen sollte. Nach der Verlegung der kaiserlichen Residenz im Jahr 402 von Mailand in das von Sümpfen geschützte Ravenna mit seiner guten Anbindung über See nach Konstantinopel wurde Ravenna zunächst die letzte Hauptstadt des Weströmischen Reiches, danach unter Theoderich dem Großen ostgotische Königsstadt. Von 584 bis 751 residierten die Exarchen, die direkten Vertreter des oströmischen Kaisers in Italien, in der Stadt, bevor sie nach einer kurzen Zugehörigkeit zum Langobardenreich Ende des 8. Jh. unter päpstliche Herrschaft geriet. Diese wechselvolle und bewegte Geschichte der Stadt, die heute für ihre bedeutenden Kirchenbauten mit überaus reichem Mosaikschmuck aus dem 5. und 6. Jh. und das Grabmal des Theoderich mit seiner riesigen Kuppel bekannt ist, lässt Judith Herrin, emeritierte Professorin am King’s College in London, in ihrem Buch unterhaltsam, aber dennoch fundiert geschrieben, lebendig werden. In dem in neun Großkapitel unterteilten Werk bringen Schlüsselfiguren dem Leser die Geschichte der Stadt vor dem Hintergrund der Reichsgeschichte näher. Der Autorin ist für diesen leicht lesbaren, umfassenden Überblick über die Stadt und ihre Protagonisten sehr zu danken. | Ellen Riemer
Aufwendige, gut gemachte Jubiläumsbände wie der vorliegende kommen bisweilen schon in etwas inflationärer Weise auf den Büchertisch. Dem Leser kann das nur recht sein, denn institutionell gefördert und finanziert bekommt der Käufer meist viel für sein Geld. Das Motto des vorliegenden Bandes könnte nun fälschlicherweise suggerieren, dass es in »The Länd« vor 1972 keine Denkmalpflege gegeben hätte. Dass dem nicht so ist, zeigen schon die ersten Seiten mit einer recht übersichtlichen bebilderten Synopse, die Weltund Landesgeschichte mit denkmalpflegerischen Höhepunkten verknüpft. Danach folgt als erster von insgesamt 50 Beiträgen der Bericht über den Jahrhundertfund des Fürsten von Hochdorf, eine Initialzündung für die Archäologie im Allgemeinen und die Keltenforschung im Besonderen. Außerdem befassen sich die Hälfte aller Kapitel des stattlichen Bandes mit Themen zur Vorund Frühgeschichte. Im Limesländ darf natürlich Römisches nicht fehlen, ebenso die weiteren durchs UNESCO-Weltkulturerbe geadelten »Komplexe« wie die Pfahlbauten in Seen und Mooren Oberschwabens oder die Höhlen der Schwäbischen Alb, in denen früheste Kunst der Menschheit geborgen wurde. Außerdem auch Neues zur Keltenstadt Heuneburg, wo man in den letzten Jahren immer wieder mit sensationellen Funden und Befunden aufwarten konnte. Das Buch ist also für historisch Interessierte und vor allem für unsere Leser eine wahre Fundgrube, die natürlich manches Bekannte, aber auch viel zur aktuellen Forschung bietet, und dies in bester Präsentation. | AW
Wieviel Steinzeit steckt in mir? Sabine Gaudzinski-Windheuser, Lutz Kindler, Michael Bernal Copano Mainz: RGZM 2020, durchgehend farb. illustr., 50 S., 29,80 Euro In diesem großformatigen und mit viel Liebe zum Detail gestalteten Band begeben sich die beiden Protagonisten, Chip und Flake, auf eine Reise durch den Zeittunnel. Dieser führt sie weit zurück bis in die Urzeit des Menschen. So gelangen sie zunächst ins Afrika vor 2,5 Millionen Jahren, von wo aus sie über insgesamt sechs weitere Stationen den unterschiedlichen Menschenarten begegnen, die es im Laufe der Zeit gegeben hat. Begriffe wie beispielsweise Neandertaler oder Homo sapiens finden hier jedoch kaum Gebrauch. Stattdessen werden hauptsächlich beschreibende Begriffe verwendet, und zwar in dem Sinn, dass sie uns sofort verraten, was im Kern jede einzelne der Menschenarten ausgemacht hat. So tritt beispielsweise der Neandertaler als Rudelmensch auf, denn wie keine andere Menschenart vor ihm arbeitete er im Team und konnte somit Aufgaben bislang ungeahnten Ausmaßes meistern. Die verwendeten Begriffe kommen nicht von ungefähr, sind sie doch Teil der Dauerausstellung von MONREPOS, dem Archäologischen Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution, aus dessen Hause die Autoren stammen. Das Buch ist daher zweierlei: Begleitband zur Ausstellung, aber auch unabhängig davon lesbar. Vom Stil her geht es in Richtung Comic mit drei Erzählebenen. Eine grundlegend beschreibende, eine in Form von Sprechblasen, mittels derer Chip und Flake miteinander kommunizieren, und eine weitere Form von Sprechblase, die sich direkt an die jungen Leser wendet. Für durchgehende Interaktion ist daher gesorgt. Eine pure Freude, nicht nur fürs Auge. | Annine Fuchs
Martin Mulsow (Hrsg.) Stuttgart: Franz Steiner Verlag 2022, Gothaer Forschungen zur Frühen Neuzeit 21, 285 S., 60 Euro Neben Kleidung ist die Gestaltung der Haare das stärkste äußere Merkmal einer Epoche, Gruppe oder Person. Die Aufsätze in diesem Sammelband widmen sich neben medizin- und kunstgeschichtlichen Aspekten auch der sozialen Implikation von Haar- und Bartmoden in Mittelalter und früher Neuzeit.
Eine einmalige Zinnperlentracht der Frühbronzezeit aus Bayern »Powerdressing« vor 4000 Jahren Stefanie Berg und Carola Metzner-Nebelsick (Hrsg.) Lindenberg: Kunstverlag Josef Fink 2022, 156 S., 230 Abb., 17,90 Euro Von der Archäologie über die Anthropologie bis hin zur Restauration. In Nr. 24 der Schriftenreihe des Bayerischen Landesamts für Denkmalpflege nehmen 12 Autoren das Grab einer jungen Frau in den Blick, die vor über 4000 Jahren auf einer Lechterrasse in Schwabmünchen beigesetzt worden war.
Die moderne SteinzeitErnährung Wie wir unseren Speiseplan revolutionieren und unsere Gesundheit verbessern Bill Schindler, Berlin: Allegria/Ullstein 2022, 384 S., 21,99 Euro Rezepte mit ernährungswissenschaftlichem Hintergrund und der Steinzeit als Aufhänger. Im Grunde ein Survival Guide für den supermarkt-fertigproduktgeplagten modernen Mensch.
Lesetipp in eigener Sache – neues AiD-Sonderheft erscheint Leben am Donaulimes Darmstadt: wbgTHEISS 2023, 112 S., 120 Abb. Im AiD-Abo enthalten. Neben der Funktion als Grenze war die Donau auch Verbindungsweg. Bis heute hat der Fluss dieses transnational verbindende Element inne. Daher geht es in diesem Sonderheft weit über die Zeit des Römischen Reichs hinaus; und so finden neben Themen wie Bildung, Schifffahrt und der römischen Präsenz nördlich der Donau auch neue Technologien sowie Fragen der Vermittlung und Erhaltung ihren Platz. AiD 3 | 2023
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Ausstellungen
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Nur Online! Alles bleibt anders Transformationsprozesse in Raum und Zeit Keine Gesellschaft lebt ewig. Diese Tatsache mag erst einmal für Aufregung sorgen – dabei stellt dies den normalen Verlauf der Geschichte dar, denn Gesellschaften und ihre Umwelten verändern sich ständig. Wenn sich grundlegend und dauerhaft etwas verändert, sprechen wir von Transformationen. Das kennen wir heute, und das kennen wir auch aus der Vergangenheit, denn Transformationen bestimmen, wer wir sind, wie wir heute leben, und wie wir uns weiterentwickeln. Die Gründe für solche Transformationen sind zahlreich, divers und kompliziert, denn sie bewegen sich im hoch dynamischen »Mensch-Umwelt«-Spannungsverhältnis. Die digitale Ausstellung des DFG-geförderten Sonderforschungsbereichs der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel zeigt in sieben Transformationen aus der Menschheitsgeschichte, wie verschiedene Ursachen und deren Zusammenspiel Menschen und Umwelt beeinflussten. In diesen spielen auch die heute relevanten Faktoren »Klima und Umwelt«, »Demografie und soziale Ungleichheit«, »mentale Welten«, »Bewegungen von Menschen, Tieren und Objekten« und »Ernährung« eine entscheidende Rolle. Digitale Ausstellung Start 15. Dezember 2022 www. allesbleibtanders.com
Aalen VICTORIA! Der römische Sieg und seine göttlichen Garanten 2020 und 2022 wurden bei Ausgrabungen im Westkastell von Öhringen im Schutt der Kastellgräben die Statuen der römischen Sieges-
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göttin Victoria und des Kriegsgottes Mars gefunden. Sie dienten ursprünglich als Schmuck der Kastelltore und symbolisierten jedem, der hier vorbeikam, den absoluten Sieges- und Herrschaftsanspruch der römischen Armee sowie des gesamten römischen Staates. Ausgehend von den beiden Statuen gibt die Ausstellung einen Einblick in die römische Siegespropaganda, bei der über Jahrhunderte die immer gleichen Bildtypen als Träger klarer politscher Botschaften Verwendung fanden und so in der ganzen damaligen Welt verstanden wurden. 28. Juli 2023 bis 14. Januar 2024 Limesmuseum St.-Johann-Straße 5 73430 Aalen Di bis So 10–17 Uhr www.limesmuseum.de
Asparn/Zaya Aufgezeichnet! Von der Höhlenmalerei zum modernen Comic Steinzeitliche Höhlenmalerei ein Vorgänger unserer Comics? Aber sicher! Urgeschichte und Archäologie faszinieren bis heute viele Menschen. Deshalb gab es immer auch eine populäre Aufarbeitung in Bildgeschichten und Illustrationen. Neben der humorvollen Auseinandersetzung mit unserer Geschichte sind aktuell Wissenschaftscomic und archäologische Zeichnungen wichtige Ausdrucksmittel moderner Feldforschung. 16. April bis 26. November 2023 MAMUZ Schloss Asparn/Zaya Schlossgasse 1 A-2151 Asparn/Zaya Di bis So 10–17 Uhr www.mamuz.at
Aschaffenburg Bad Buchau Das Symposion – nur Wein, Weib und Gesang? Wein tranken die Männer der griechischen Antike meist in Gesellschaft. Es war ein religiöser Akt, um die Wirkung des Gottes Dionysos am eigenen Leibe zu spüren. Die Macht des Gottes fürchtete man, denn er brachte nicht nur leichte Geselligkeit, sondern auch Trunkenheit bis zum Kontrollverlust. Den Wein servierte man deshalb mit Wasser verdünnt aus weiten Schalen: durch langsames Trinken wollte man die Wirkung des Gottes steuern. Das Symposion war aber auch ein gesellschaftlicher Akt. Wen wollte man – wen musste man einladen? Es wurden Musikerinnen engagiert und auch Prostituierte – die eigene Ehefrau beim Symposion dabeizuhaben, wäre keinem Griechen eingefallen! Nicht selten eskalierte die Situation mit Lärm und Belästigung für die Nachbarschaft. Die Ausstellung stellt diese unterschiedlichen Aspekte des antiken Symposions vor: Kostbares Trinkgeschirr verdeutlicht die religiösen Handlungen, aber auch die gesellschaftlichen Vorgänge. Zahlreiche lebhafte Szenen auf den Vasen der Staatlichen Antikensammlungen in München erlauben einen direkten Blick in die Antike ... wenn auch meist durch eine männliche Brille. 31. März bis 29. Oktober 2023 Pompejanum Pompejanumstraße 5 63739 Aschaffenburg Di bis So 9–18 (April-Sept.), 10–16 Uhr (Okt.) www.antike-am-koenigsplatz. mwn.de/pompejanum-aschaffen burg
Auf Zeitreise mit dem Federsee-Express Playmobil on Tour Tickets lösen und los gehts! Der »Federsee-Express« nimmt alle mit auf eine spannende Reise durch Raum und Zeit: Die Fahrt führt von den altsteinzeitlichen Höhlen der Schwäbischen Alb bis zu den letzBerlin, Usbekistan
ten Pfahlbauten am Federsee. An besonderen Stationen wird ein Stopp eingelegt: Dort, wo Jäger Rentiere in die Falle treiben, oder bei den Pfahlbauern, die einige Jahrtausende später schon in Häusern leben. Nebenan kann man Archäologen beim Freilegen spannender Fundstätten über die Schulter schauen. Und die Tour geht noch weiter: durch ein steinzeitliches Straßendorf, vorbei an einer bronzezeitlichen Burg voller wachsamer Krieger und weitgereister Händler bis zu den keltischen Fischfangspezialisten. Hier werden kleine und große Besucher authentisch und mit einer großen Portion Humor in eine Welt voller Abenteuer, atemberaubender Entwicklungssprünge und witziger Momente entführt! 1. April bis 1. November 2023 Federseemuseum Bad Buchau August-Gröber-Platz 88422 Bad Buchau täglich 10–18 Uhr www.federseemuseum.de
Berlin Archäologische Schätze aus Usbekistan Von Alexander dem Großen bis zum Reich der Kuschan Die Ausstellung präsentiert noch
nie außerhalb Usbekistans gezeigte Kunstwerke und Kulturschätze aus der Zeit von Alexander dem Großen bis ins Reich der Kuschan. Ergänzend zu den Exponaten führen eigens produzierte Videoaufnahmen und Computeranimationen der archäologischen Stätten die Gäste durch die lebendige Kulturlandschaft Usbekistans vom 4. Jh. v. Chr. bis in das 4. Jh. n. Chr. 4. Mai bis 5. November 2023 James-Simon-Galerie/Bodestraße 10178 Berlin Di bis So 10–18, Di 10–20 Uhr www.smb.museum
Corinthium Aes Das Geheimnis des schwarzen Kupfers Einer Legende nach entstand das wertvolle Material bei der Zerstörung der Stadt Korinth. Ein anderer Mythos berichtet von einem Bildhauer, der das Material erfand, um den Fund einer Schatzkiste voll Gold zu vertuschen. Wie es wirklich war – wer weiß? Die besondere Legierung besteht aus Kupfer, angereichert mit Gold, Silber oder Arsen. Das Material erhält nach einer aufwendigen Behandlung eine tiefviolette bis schwarze Patina. Das Besondere ist, dass sich diese durch Hautschweiß regenerieren kann, wenn sie beschädigt oder zerkratzt wird. Bereits in der Antike waren die Menschen fasziniert von diesen Eigenschaften. In Griechenland, Rom und Ägypten wurden daher nur Luxusgüter und Kultgegenstände aus diesem geheimnisvollen Material gefertigt. Die Kenntnisse um Zusammensetzung und Herstellung gingen im Lauf der Geschichte fast vollständig verloren. Doch dem Goldschmied Matthias Lehr und der Archäologin Alessandra Giumlia-Mair ist es dank Quellenstudiums und exakter Materialbestimmungen an antiken Objekten gelungen, das Verfahren zu rekonstruieren. In der Ausstellung geben nun moderne und altägyptische Objekte erstmals wieder einige Geheimnisse preis … 6. April bis 27. August 2023 Ägyptisches Museum im Neuen Museum James-Simon-Galerie/Bodestraße 10178 Berlin Di bis So Di 10–18, Do 10–20 Uhr www.smb.museum Klasse und Masse Die Welt griechischer Tonfiguren Über Jahrhunderte hinweg wurden im antiken Griechenland und darüber hinaus Figuren aus gebranntem Ton hergestellt. Lange Zeit galten die Tonfiguren aufgrund
von Material und Größe als billige Massenware ohne große Bedeutung. Dabei wirken die farbenfroh gefassten Figuren fast wie aus dem Leben gegriffen. Heute ist jedoch klar, dass sie im antiken Alltag stets eine wichtige Funktion hatten. Die Ausstellung legt den Fokus auf die Kontexte, in denen Tonfiguren verwendet wurden, und eröffnet somit neue Perspektiven auf dieses oft unterschätzte Medium. 7. Oktober 2022 bis 2. Juli 2023 Altes Museum Am Lustgarten, 10178 Berlin Di bis So 10–18, Do 10–20 Uhr www.smb.museum
Bonn Das Leben des BODI Eine Forschungsreise ins frühe Mittelalter Im Rheinland herrschen 600 n.Chr die Franken. Wer hat das Sagen in ihrem Reich? Wer zählt zur politisch-militärischen Elite? Und wie lebt man als Angehöriger der Oberschicht? Für die Rekonstruktion dieser frühmittelalterlichen Lebenswelten spielen Grabfunde eine zentrale Rolle. Doch die Gräber bergen häufig nur unscheinbare Relikte. Anders ein spektakulärer Fund aus Bislich am Niederrhein: Hier stieß man auf Überreste einer ungewöhnlichen Kriegerrüstung und einen goldenen Siegelring mit dem Namen seines einstigen Besitzers. Wer war dieser Mann namens Bodi, der um 600 n. Chr. bestattet wurde? Die Ausstellung führt diese Funde mit archäologischen Zeugnissen aus ganz Europa zusammen. Sie präsentiert die Ergebnisse neuester Forschungen und gewährt faszinierende Einblicke in das Leben eines hochrangigen fränkischen Kriegers am Beginn des Mittelalters. Ein interaktives Forschungslabor lädt außerdem zu einer spannenden Reise in die Welt der Wissenschaft ein. An mehreren Mitmachstationen dreht sich alles um modernste naturwissenschaftliche Methoden. Begleitpublikation: 36 Euro 23. März bis 15. Oktober 2023 LVR-LandesMuseum Bonn Colmantstraße 14–16, 53115 Bonn Di bis So 11–18 Uhr landesmuseum-bonn.lvr.de
Braunschweig Hanse steinreich Eine LEGO Zeitreise Sechs liebevoll und detailreich gestaltete Hansewelten und eine Hansekogge entführen in das Leben der Kaufleute des Mittelalters.
Zu entdecken gibt es die vier berühmten Kontore in Nowgorod, Brügge, London und Bergen sowie den Hansetag von 1518. Auch die Pestwelle von 1367 in Lübeck wird nachgestellt und das Treiben auf einem der typischen Handelsschiffe der Hanse. Die bunte Zeitreise durch die Jahrhunderte besticht mit allerhand Details und schafft einen unterhaltsamen Zugang zur Geschichte der Hanse. Die berühmten bunten Bausteine prägen ganze Generationen und begeistern Groß und Klein – ein beeindruckendes und einmaliges Erlebnis für die ganze Familie. verlängert bis 27. August 2023 St. Ulrici-Brüdern Schützenstr. 21a 38100 Braunschweig Di bis Sa 10–17:30, So 12–17:30 3landesmuseen-braunschweig. de/braunschweigisches-landes museum
Darmstadt Urknall der Kunst Moderne trifft Vorzeit Wo liegt der Ursprung der Kunst? Dieser Frage ging der Ethnologe Leo Frobenius zu Beginn des 20. Jh. nach. Über zwei Dutzend Expeditionen führten ihn und seine Forschungsteams zu den Höhlenmalereien Europas, Afrikas und Asiens. Der ungarische Forscher Lászlo Almásy entdeckte dabei die berühmte »Höhle der Schwimmer«. Die mitgereisten Künstlerinnen und Künstler fertigten über 8000 gemalte Nachschöpfungen dieser sensationellen Bilderwelten an. Für sie war die Entdeckung der Höhlenmalereien ein Schlüsselerlebnis, viele ließen sich von diesen Uranfängen der Kunst inspirieren. Die Ausstellung geht dieser künstlerischen Auseinandersetzung erneut nach. Rund 80 Leihgaben lassen die Felsbilder in einen Dialog mit Werken der Moderne treten und schlagen den Bogen u.a. zur Kunst von Joseph Beuys, Joan Miró, Paul Klee, Pablo Picasso, Hans Arp, Willi Baumeister und André Masson. Auch von der FrobeniusExpedition aus dem Jahr 1933 selbst werden in der Ausstellung originale Farben und Malutensilien zu sehen sein, die vor wenigen Jahren bei nachträglichen Ausgrabungen vor Ort gefunden wurden. 24. März bis 25. Juni 2023 Hessisches Landesmuseum Darmstadt Friedensplatz 1 64283 Darmstadt Di, Do, Fr 10–18, Mi 10–20, Sa, So, feiertags 11–17 Uhr www.hlmd.de
Freiburg im Breisgau
Halle (Saale)
Untergang und Aufbruch Frühmittelalter am südlichen Oberrhein Wie die Zeit der Römer und Ritter aussah, können sich fast alle vorstellen. Aber was passierte in den rund 500 Jahren dazwischen? Der neue Ausstellungsraum des Archäologischen Museums Colombischlössle präsentiert Erkenntnisse aus dieser spannenden Epoche. War es nur eine Zeit des Untergangs? Lange Zeit ging die Forschung davon aus, die Gesellschaft am südlichen Oberrhein wäre nach dem Ende des Weströmischen Reiches zusammengebrochen. Archäologische Funde wie kostbarer Schmuck, Schwerter von höchster Qualität und Importgüter aus fernen Ländern erzählen eine ganz andere Geschichte. Innerhalb von drei Jahrhunderten verändert sich das Leben der Menschen in vielen Bereichen: Auf den Anhöhen werden Plätze befestigt und ausgebaut, in der Ebene entwickeln sich Höfe und Dörfer. In ihrer Nähe wachsen aus kleinen Friedhöfen über Generationen hinweg große Gräberfelder mit mehreren Hundert Bestattungen. seit 6. Oktober 2022 Archäologisches Museum Colombischlössle Rotteckring 5 79098 Freiburg im Breisgau Di bis So 10–17, Mi 10–19 Uhr www.freiburg.de
Reiternomaden in Europa Hunnen, Awaren und Ungarn Reiternomadische Herrschaften bestanden nicht bloß in den fernen Steppengebieten jenseits unseres Horizonts, sondern auch in Mitteleuropa, in den Ausläufern der eurasischen Steppenzone im Karpatenbecken und an der unteren Donau. Von dort zogen ihre Krieger bis an die Nord- und Ostsee sowie bis nach Spanien und Süditalien. Die Ausstellung führt in die frühmittelalterlichen Reiche der Hunnen, Awaren und Ungarn, in ihre Geschichte und zu ihren archäologischen Hinterlassenschaften. Sie
Glauburg Eine neue Zeit beginnt Die große Ausstellung in der Keltenwelt am Glauberg greift interessante Aspekte der Keltenzeit auf der Basis von neuen Ausgrabungen und Forschungen auf. Über 500 eindrucksvolle Fundstücke aus ganz Hessen geben interessante Hinweise auf die sich verändernde Lebenswelt, darunter reich verzierter Schmuck und wertvolle Waffen ebenso wie Alltagsgegenstände und Handwerksgeräte. Viele Neufunde werden erstmals gezeigt. Komplette Ausstattungen von Gräbern ermöglichen einen Einblick in Bestattungssitten und Jenseitsvorstellungen. Die Ausstellung zeigt auch hier viel Neues – insgesamt eine aufschlussreiche und zugleich anregende Präsentation über die Keltenzeit, wie sie in Hessen noch nie zu sehen war. verlängert bis 31. Oktober 2023 Archäologisches Landesmuseum Am Glauberg 1, 63695 Glauburg Di bis So 10–18 Uhr www.keltenwelt-glauberg.de
hersteller verwendeten Materialien wie Gold, Silber, Korallen, schöne Steine, Perlen, Bernstein und Fayence. Der Schmuck wurde oft von Generation zu Generation weitergegeben. War ein Stück sehr abgetragen, wurde das Silber eingeschmolzen und in derselben Art neu geschaffen. So konnten sich in diesem Schmuck die Erinnerungen von Jahrtausenden erhalten. Gezeigt wird erstmalig aus der großartigen Sammlung von Peter Hösli orientalischer Schmuck aus dem Jemen, dem Oman, aus Saudi-Arabien sowie aus der Levante: Ketten, Arm- und Halsbänder, Ringe, Gürtel, Gehänge, schmuckverzierte Kleider, Kopfbedeckungen Iphofen, Glanz und Geheimnis
bietet auf Grundlage neuester wissenschaftlicher Erkenntnisse und mit herausragenden Exponaten erstmals eine vergleichende Betrachtung dieser zeitlich aufeinander folgenden Kulturen (5.–10. Jh. n. Chr.). Diverse Nationalmuseen und Sammlungen Mittel- und Südosteuropas stellen herausragende Exponate für die Präsentation in Halle zur Verfügung. 16. Dez. 2022 bis 25. Juni 2023 Landesmuseum für Vorgeschichte Richard-Wagner-Straße 9 06114 Halle (Saale) Di bis Fr 9–17, Sa, So und feiertags 10–18 Uhr www.landesmuseumvorgeschichte.de
Iphofen Glanz und Geheimnis Pracht und Macht des orientalischen Schmucks Wie ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht: Orientalischer Schmuck scheint stets verwoben mit Schönheit, Reichtum – und Macht. Zudem wird ihm in traditionellen Gesellschaften eine magische Funktion zugeschrieben. Er wurde getragen, um vor Unheil zu schützen und um Segen zu erlangen. Die Schmuck-
und prunkvolle Gesichtsschleier. Zusammen mit Textilien aus der Sammlung Widad Kawar erwartet die Besucher eine einmalige Sonderausstellung, die von der prächtigen Vielfalt und Schönheit orientalischen Kunsthandwerks zeugt. 26. März bis 5. November 2023 Knauf-Museum Iphofen Am Marktplatz 97343 Iphofen Di bis Sa 10–17, So 11–17 Uhr www.knauf-museum.de
Konstanz Gladiatoren Helden des Kolosseums Grausame Unterhaltung oder der Triumph menschlicher Tapferkeit über den Tod? Mit inszenierten Kampfplätzen und Arenen nördlich der Alpen, lebensgroßen Gladiatoren in originalgetreuer Kampfmontur und interaktiven Medienstationen vermittelt die neue Sonderausstellung im ALM ein umfassendes, aber differenziertes Bild vom Leben und Sterben der Gladiatoren. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse, ausgewählte archäologische Funde sowie hochwertige Rekonstruktionen und Modelle helfen dabei, Fakten und Fiktion zu trennen. AiD 3 | 2023
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Ausstellungen 6. April bis 8. Oktober 2023 Archäologisches Landesmuseum Benediktinerplatz 5 78467 Konstanz Di bis So, feiertags 10–18 Uhr www.alm-bw.de
Archäologie & Playmobil – Burggeschichten Diesmal zeigen die kleinen Playmobil-Bewohner, wie sehr sich die Burgen von der keltischen Heuneburg bis zur spätmittelalterlichen Adelsburg verändert haben. So werden wir Zeuge, wie hinter den Lehmziegelmauern der keltischen Heuneburg Handel getrieben wird. Die Besatzung des spätantiken Burgus hat alle Hände voll zu tun, denn es nähern sich Angreifer, die es auf die Getreidevorräte abgesehen haben. In der hochmittelalterlichen Motte tummeln sich tapfere Ritter und edle Burgfräulein. Und die spätmittelalterliche Adelsburg liegt unter schwerem Kanonenbeschuss! bis 10. September 2023 Archäologisches Landesmuseum Benediktinerplatz 5 78467 Konstanz Di bis So, feiertags 10–18 Uhr www.alm-bw.de
Mistelbach KELTEN Das MAMUZ Museum Mistelbach widmet sich 2023 einer außergewöhnlichen Kultur – den Kelten. Dabei stehen Alltag, Kunst und Rituale im Mittelpunkt, die uns die Lebenswelten der Kelten näherbringen, individuelle Lebensgeschichten erzählen und gängige Klischees widerlegen. Lassen Sie sich von einzigartigen Funden, neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen und übergroßen Repliken zum Anfassen faszinieren! 18. März bis 26. November 2023 MAMUZ Museum Mistelbach Waldstraße 44–46 A-2130 Mistelbach Di bis So 10–17 Uhr www.mamuz.at
München Naga – Die verschüttete Königsstadt Mit Augen und Ohren: Eine archäologische Reise in den Sudan Die immersive Sonderschau holt die Überreste einer einst prachtvollen Tempelstadt des antiken Reichs von Meroë (350 v.C hr. bis 350 n. Chr.) in der sudanesischen
währt die Sonderausstellung tiefe Einblicke in die Forschungsarbeit vor Ort. Sie kombiniert analoge Ausstellungselemente mit Klanglandschaften, die über Aktionen der Besuchenden ausgelöst werden. Eine sinnliche Reise in die Vergangenheit für das Museumserlebnis von morgen. 12. Mai bis 22. Oktober 2023 Staatliches Museum Ägyptischer Kunst Gabelsbergerstraße 35 80333 München Di 10–20, Mi bis So 10–18 Uhr smaek.de
Wittelshofen Zeitszenen: Römer und manch‘ andere Geschichte(n) Playmobil und Zeitreise – inzwischen ein Klassiker, den man nicht mehr missen möchte! Das LIMESEUM präsentiert selbstverständlich römischen Alltag mit den beliebten Figuren. Neben ganz kleinen Alltagsszenen gibt es einige größere Darstellungen wie ein römisches Amphitheater, eine Seeschlacht oder ein Kampf Römer gegen Einheimische jenseits des Limes. Highlight der Sonderausstellung ist ein etwa 10 m2 großer
Zug Zug – eine Schatzkammer der Archäologie Der Kanton Zug ist reich an Archäologie. Seit über 150 Jahren werden immer wieder neue Fundstellen und Funde entdeckt, seit 1930 werden sie der Öffentlichkeit in einem eigenen Museum präsentiert. Die Ausstellung rückt die Highlights der Zuger Archäologie ins Zentrum. Die Palette der archäologischen »Schätze« ist breit und überraschend, denn der wissenschaftliche Wert eines Fundes ist oft höher als der materielle Wert. Von Schwemmholz aus der Zeit der Pfahlbauer bis zum römischen Münzschatz, von der Kiesgrube im Wald bis zur Baustelle im Dorfzentrum: Ausgrabungen, Fundstücke und Persönlichkeiten werden vorgestellt und ihr Beitrag zur Zuger Archäologie gewürdigt. Die Ausstellung richtet sich an Besucherinnen und Besucher jeden Alters. Eine Münzsuche mit Metalldetektor, ein Scherbenpuzzle und weitere interaktive Stationen laden zum Mitmachen und Entdecken ein. Kinder im Schulalter erkunden die Ausstellung mit einer Schatzkarte, die über verschiedene Rätsel zum Code für den Muse-
Manching Im Dienst Roms Legionen und Hilfstruppen »Erste Legion, ditte Kohorte, zweites Manipel, erste Zenturie!« Dieser Einheit werden Asterix und Obelix bei ihrem Eintritt in die römsche Armee zugteilt – wer soll sich das bitteschön merken? Doch zur Sicherung und Erweiterung eines Imperiums bedufte der antike Powerplayer Rom einer professionell strukturierten Streitmacht. Zusammen mit den Machern des Projekts »Mules of Marius« zeigt das Museum, wie die bis zu 6000 Mann starken Infanterieverbände, aber auch die »bararischen« Hilfstruppen organisiert waren. In szenisch arrangierten hochwertigen Modelllandschaften und Zeichnungen erwachen die antiken Soldaten nahezu zum Leben. Und die Gäste dürfen an Mitmachstation selbst so richtig aktiv werden: An einer Trainingsstation heißt es, sebst mit Schild und Gladius gegen den Holzpfahl anzutreten – wer hat das Zeug zum fähigen römischen Soldaten? verlängert bis 1. Mai 2023 kelten römer museum Im Erlet 2 85077 Manching Di bis Fr 9.30–16, Sa, So, feitertags 1017 Uhr www.museum-manching.de 82
AiD 3 | 2023
München, Naga
Wüste ans Licht. Dort forscht ein Münchner Team seit 2013 an einer außergewöhnlichen Entdeckung: Als Unterresidenz der Königinnen und Könige von Meroë war Naga eine strategisch bedeutsame Stadt. Allein ihr Zentrum war gut einen Quadratkilometer groß. Das NagaProjekt setzt mit neuen Erkenntnissen über eine 1800 Jahre verborgene Kultur, mit innovativen Technologien und einem nachhaltigen Restaurierungskonzept Maßstäbe in der modernen Archäologie: Über digitales Storytelling und dreidimensionale Soundscapes ge-
Zeitstrahl mit ausgewählten Szenen von den ersten Lebewesen über Dinosaurier, die Steinzeit, das alte Ägypten und Griechenland, die Römerzeit und das Mittelalter bis heute. Für Kinder gibt es Spieltische und auch ein Gewinnspiel mit Preisen von Playmobil. bis 30. Juli 2023 LIMESEUM und Römerpark Ruffenhofen Römerpark Ruffenhofen 1 91749 Wittelshofen Di bis Fr 10–16, Sa, So, feiertags 11–17 Uhr www.limeseum.de
umsschatz führt. Auf der Kindergalerie können Vorschulkinder ihre Sammelleidenschaft entdecken, und im Atelier stehen neue Werkangebote bereit. 27. Nov. 2022 bis 21. Mai 2023 Museum für Urgeschichte(n) Hofstraße 15 CH-6300 Zug Di bis So 14–17 Uhr www.urgeschichte-zug.ch Informationen zu weiteren Ausstellungen finden Sie unter www.aid-magazin.de/termine www.museenonline.org
Bildnachweis U1/20, S37o Klaus Leidorf; S1 Chris van Houts ; S1u, 50o RPS-LAD, Yvonne Mühleis; S2–3 bei den entsprechenden Beiträgen; S3ml DAI, F. Weigel; S4 O. Reinecke, BLDAM; S5 Museums für Kulturgeschichte in Oslo, Foto Alexis Pantos; S7o ScanPyramids; S7ul Mohamed Abdel Hay Abu Baker; S7ur T. W. Plummer/Homa Peninsula Paleoanthropology Project; S8 Karte: LDA S-A/Anna Swieder. Kartengrundlage: SRTM mit frdl. Genehmigung USGS/NASA, public domain; Gewässer u. Ländergrenzen: GADM, version 1.0, CC BY-NC-SA 3.0 US; S9o LDA S-A/Thomas Jäger; S9u Zeichnung: LDA S-A/Holger Grönwald; S10o Grafik: LDA S-A/Anna Swieder, Datengrundlage abgeleitet aus DGM1 © GeoBasis-DE/LVermGeo LSA, 2013; S10u LDA S-A/Robert Prust; S11 LDA S-A/Thomas Koiki; S12o LDA S-A/Robert Prust, Thomas Koiki; S12u LDA S-A/Normen Posselt; S13 LDA S-A/Friederike Hertel; S14 DAI, S. Lora; S14, 68 (Einklinker) Peter Palm, Berlin; S14/15o DAI, A. Zur; S16, 18o DAI, A. Hausleiter; S17l DAI, F. Weigel; S17r DAI, A. Intilia; S18u DAI, E. Petiti; S18m DAI, J. Kramer; S19 DAI, M. Timm; S21 Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege ArchivNr.1Ds09247, Foto: K. Leidorf; S22 (Schmettau’sches Kartenwerk) © Staatsbibliothek zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, dl-de/by-2–0; S22(Windkraftanlagen) © Landesamt für Umwelt Brandenburg, dl-de/by-2–0; S23, 25 LfA Sachsen, Ronald Heynowski; S24o/u LfA Sachsen; S26, 29 Martin Siegel; S27 LAKD M-V, Landesarchäologie, Jens Auer; S28o/u Institut für Ostseeforschung Warnemünde, Franz Tauber, im Auftrag des LAKD M-V; S30 LDA/Richard Vogt; S31 Daniel Dosdal/BLDAM; S32o BLfD/Bernd Pargmann; S32u, 38, 39, 64u ALSH; S33 Landesamt für Denkmalpflege Hessen/hessenARCHÄOLOGIE, Darmstadt/Ralf Klausmann; S34 LWLArchäologie für Westfalen/Manuel Zeiler; S35 LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland. Foto: Tanja Dujmovic; DGM: Leo Klinke; S36 Kreisarchäologie Straubing-Bogen, Foto: L. Husty; S37u LfA Sachsen, Foto: M. Strobel S40, 42u Amt für Archäologie Thurgau; S41, 83 Marco Thoma, Kesswil; S42o/43 Livia Enderli, Zürcher Hochschule der Künste (Departement Design, Knowledge Visualization); S44 Tony Pollard, Waterloo Uncovered; S45o Chris van Houts; S45u public doain; S46l, 47u Ilka Rau, ZBSA; S46r, 47o Jan Steffen, ROOTS; S48 Archäologische Staatssammlung, Stefanie Friedrich; S49 ReVe, Büro für Archäologie, Agnes Dinkel; S50u A. Groß; S51o P. Pétrequin, em. CNRS/Université de Franche-Comté; S51m Zeichnung Helmut Voß, BLfD; S51u BLfD; S52o Fa. ArchDienst Wellheim; S52u A. Schimmitat, J. Schiefelbein; S53o Archäologie Wiegmann; S53u M. Cisielski; S54o A. Rentsch; S54/55u Museum für Kunst und Gewerbe Hamburg; S55o Landesamt für Denkmalpflege Bremen; S55m Datengrundlage Landesbetrieb Geoinformation und Vermessung Hamburg, Grafik Jörg Räther, Archäologisches Museum Hamburg; S56o/u hessenArchäologie; S57o Hansestadt Stralsund, Amt für Planung und Bau, Abt. Planung und Denkmalpflege/ G. Möller; S57u Sebastian Heibült; S58o Streichardt & Wedekind Archäologie Göttingen; S58u Thomas Schlunck; S59o LVR-LandesMuseum Bonn/Frances Bartzok-Busch; S59u LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland/Edmund Böhm; S60o LWL-Archäologie für Westfalen/ S. Spiong; S60m LWL-Archäologie für Westfalen/Thomas Poggel; S60u LWL-Archäologie für Westfalen/R. Klostermann; S61o/m Landesarchäologie Mainz; S61u GDKE, Direktion Landesarchäologie, Außenstelle Trier/Maureen Heuermann; S62l A. Kaltofen, LfA Sachsen; S62r LfA Sachsen/M. Oehlert; S63o M. Röder, LDA; S63u LDA/K. Bentele; S64o Hansestadt Lübeck, Bereich Archäolgie und Denkmalpflege; S65o TLDA Weimar/D. Bitter; S65u M. Grosch, TLDA, Römhild; S66ol/or/ul, 67 Werner Hinse /whi; s66mr LWL; S66ur, 68–69 Stadt Haltern am See; S70– 71 © Adventurebox Münster; S72o F. Auth; S72u Jan Steffen; S73 Lars Görze, Landesamt für Denkmalpflege; S74o G. Prieto, K. Harvati; S74u Museum für Haustierkunde, Zentralmagazin Naturwissenschaftlicher Sammlungen der MartinLuther-Universität Halle Wittenberg; S75o/m Arnold Mikkelsen, Dänisches Nationalmuseum; S75u Nikola Nevenov; S76 o/u Raül Soteras, AgriChange Project; S77 Alessia Nava/Luca Bondioli; S80 Hans Jakobi; S82 Die Werft, München; U3o Lea Loviskova; U3m Friederike Malisch-Johnigk; U3ul Antonella Pedergnana ; U3ur Florian Huber. Leider ist es uns nicht immer möglich, den Rechtsinhaber ausfindig zu machen. Berechtigte Ansprüche werden selbstverständlich im Rahmen der üblichen Vereinbarungen abgegolten.
Rätsel
Frage 8: Diese hochmittelalterlichen steinernen Sarkophage bzw. in spezieller Steinmetzarbeit angefertigten oder gemauerten Grablegen der Oberschicht finden sich häufig zwischen Harz und Unstrut.
O R
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I
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Frage 9: Um gefällte Bäume aus unzugänglichen Waldparzellen abzutransportieren, sind solche Schneisen in der Forstwirtschaft unumgänglich. Damit Bodendenkmäler dabei nicht zerstört oder gefährdet werden, wünscht sich die Archäologie weniger schweres Gerät, das nicht so tief in den Boden eingreift. Frage 1: Schon in vergangenen Jahrhunderten prägten sie das Landschaftsbild, nicht nur im Norden Deutschlands, ohne dass sich damals irgendjemand daran gestört hätte. 1
2
N
Ü
N
Frage 2: Seine Blütezeit erlebte der heute kleine beschauliche Ort im Mittelalter als Kaiserpfalz. Er ist Sterbeort von Heinrich I. und Otto dem Großen, dessen Herz hier bestattet wurde. Sein Sohn Otto II. und dessen Gemahlin Theophanu gründeten nahebei ein Benediktinerkloster.
M
heutigen Schweizer Ufer des Bodensees zwischen Romanshorn und Altnau.
Ü
I
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Frage 5: Eine solche Waffe, deren Gebrauch auch als Ritualgegenstand diskutiert wird, ist charakteristisch für die Bronzezeit im Nahen Osten. Ein Exemplar des »breiten Typs«, mit seinen auffallenden Öffnungen im metallenen Blatt, fand sich in einem besonders gut erhaltenen Grab in der nordarabischen Oase Tayma.
E
E
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X
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3
Frage 3: Es grenzt schon an Kannibalismus, dass zum Entfärben und Weißen von ZuckerrübenZucker Knochenkohle aus menschlichen Gebeinen verwendet wurde. So geschehen in Belgien in der ersten Hälfte des 19. Jh., als man Gräber der Schlacht von Waterloo öffnete, um aus den Knochen Beinasche dieser Bezeichnung herzustellen.
O
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U
Frage 4: Das Alter der 170 Steinschüttungen dieser im Schweizer Dialekt bekannt gewordenen Monumente wurde aufgrund untersuchter Blätter im Seegrund auf etwa sechseinhalbtausend Jahre bestimmt. Die Schüttungen befinden sich in 3 bis 5 m Wassertiefe 200 bis 300 m entfernt vom
Frage 6: Gesucht wird das Adjektiv einer unter Beteiligung der Betroffenen durchgeführten Maßnahme – so praktiziert während einer archäologischen Grabung im Dorf Schenefeld in SchleswigHolstein, wo auf öffentlichen Flächen, aber auch in privaten Gärten, mehr als 70 Einwohner Suchgrabungen vornahmen.
P
I
I
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Frage 7: In ihm, einem modernen Format der Unterhaltung, erleben Besucher des Römerlagers Haltern Geschichte hautnah, indem sie spielerisch versuchen, durch gegebene Hinweise das Lager binnen einer Stunde zu verlassen, um dem Angriff der Germanen zu entgehen.
Ö
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C A
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Ü
E
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E
Frage 10: Er lagert sich in überschwemmten Flussniederungen ab als überwiegend anthropogenes Sediment aus durch Erosion abgetragenem Material, das seit Jahrtausenden bei der Entstehung von Kulturlandschaften anfällt, sowohl durch Bautätigkeit als auch landwirtschaftliche Eingriffe in den Boden.
A
M
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Frage 11: Der heute inmitten von München gelegene begrünte Platz war bis zum Zweiten Weltkrieg mit zum Teil bis ins Mittelalter reichenden Gebäuden überbaut. In den letzten zehn Jahren entwickelte er sich zur bedeutendsten Ausgrabungs- und Fundstätte der Stadt.
A
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O
Frage 12: Der Ausbau dieses fast 6,5 km langen, weitgehend geradlinigen Abschnitts des Danewerks wird auf den dänischen König Harald Blauzahn und seinen Nachfolger Sven Gabelbart zurückgeführt.
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A Fragen von Udo Jansen
O
Auflösung aus AiD 1 | 2023:
Mitraten und Mitgewinnen
Verlagsbüro Wais & Partner
Lösungswort: Pfahlbaustrandbad
Schicken Sie das Lösungswort
Redaktion AiD, Kennwort: AiD-Rätsel Reinsburgstraße 104, 70197 Stuttgart
Die Gewinner des Rätsels aus Heft 1 | 2023: Je ein Exemplar »Die Habsburger im Mittelalter« aus dem Programm der wbg erhalten Manfred Giesing, 73547 Lorch; Alexander Marini, 79618 Rheinfelden; und Norbert Bremer, 39343 Ingersleben. Wir gratulieren!
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unter Angabe ihres Absenders per E-Mail an [email protected] oder auf einer Postkarte bis spätestens 15. Juli 2023 (Poststempel) an:
Unter den richtigen Einsendungen werden drei Exemplare »Das Leben des BODI« von wbg THEISS ausgelost. Die Auflösung erscheint in der übernächsten AiD. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Die Teilnahme am Gewinnspiel beinhaltet im Gewinnfall das Einverständnis zur Nennung des Namens und des Wohnortes. Soweit im Rahmen des Gewinnspiels personenbezogene Daten von Teilnehmern erhoben, verarbeitet und genutzt werden, werden diese von der wbg ausschließlich zum Zwecke der Durchführung des Gewinnspiels erhoben, verarbeitet und genutzt.
AiD 3 | 2023
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ARCHÄOLOGIE IN DEUTSCHLAND
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VORSCHAU AiD 4 | 2023 erscheint am 21. Juli 2023 Gewichte, Barren, Münzen Tausch und Handel bestimmten von Anbeginn die menschlichen Gemeinscha en. Ein langer Weg führt von den ersten standardisierten Gütern über das Wiegen von Metallen zur Geldwirtscha . Angefangen bei frühbronzezeitlichen Ösenringen und Spangenbarren bis hin zu geprägten Münzen der Eisenzeit lässt sich diese Entwicklung archäologisch durch die Jahrtausende nachvollziehen. Ein Blick auf das ebenso vielfältige wie auch bedeutende Thema macht deutlich: Standardisierung und Normierung spielten für Austausch und Handel seit jeher eine wichtige Rolle.
Klimawandel und Welterbe Der »Archäologische Grenzkomplex Haithabu und Danewerk« ist seit 2018 als Welterbe anerkannt. Ein aktuelles Projekt untersucht mithilfe von Schülern, wie sich Nachhaltigkeit, Klimawandel und Umweltschutz in Bezug auf die Welterbestätte auswirken. Inwiefern ist diese durch die globale Erderwärmung bedroht? Und wie können wir in diesem Fall vor allem Verantwortung für den nachhaltigen Erhalt der Welterbestätte vor Ort übernehmen?
Das Wrack von Alonnisos Seit rund 2400 Jahren liegt das antike Wrack mit einer gigantischen Ladung Weinamphoren auf dem Grund des Ägäischen Meeres vor Alonnisos, der drittgrößten Insel der Nördlichen Sporaden. Dieses einzigartige Zeugnis für Schifffahrt und Weinhandel bei den frühen Griechen kann seit Kurzem von Hobbytauchern besichtigt werden: Das Wrack ist Griechenlands erstes Unterwassermuseum.
Mittelalterliches Gräberfeld von Dalheim Jüngste Studien an den Skelettresten von 151 Individuen, die zwischen ca. 950 bis 1200 n. Chr. auf dem Gräberfeld von Dalheim nahe der Stadt Lichtenau in den Mittelgebirgen bestattet wurden, geben tiefe Einblicke in das Leben der mittelalterlichen Bevölkerung. Im Fokus der Untersuchungen standen insbesondere Fragen zum Zahnstatus und der Ernährung der untersuchten Personen. AiD 3 | 2023
Wer war Bodi?
Hrsg. von T. Valk, E. Nieveler und M. Schmauder. 2023. 288 S., etwa 200 farb. Abb. und Kt., 24 x 28,5 cm, geb. ISBN 978-3-8062-4597-4, € 36,00
Prachtvoller Ausstellungsband zur aktuellen Schau in Bonn
Wie kommt ein Mann Ende des 6. Jahrhunderts zu so exotischen und kostbaren Grabbeigaben wie Siegelring und Lamellenpanzer? Ausgehend von einem erstaunlichen Grabungsfund entwickelt der Katalog zur Ausstellung des LVR-LandesMuseums Bonn ein spannendes Bild des Frankenreichs am Übergang von der Spätantike zum frühen Mittelalter und der damaligen Kriegereliten. Wie in einem Kaleidoskop fügen sich einzelne Themen zusammen und bringen uns die Lebensumstände jenes im Grab 39 bestatteten Mannes näher, dessen Ring seinen Namen verrät: Bodi.
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