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German Pages 84 Year 1965
DAS KURPFÀLZISCHE MUSEUM IN HEIDELBERG
KULTURGESCHICHTLICHE MUSEEN IN DEUTSCHLAND HERAUSGEGEBEN VON GERHARD WIETEK BAND VIII
GEORG POENSGEN
DAS KURPFÄLZISCHE MUSEUM IN HEIDELBERG
VERLAG CRAM, DE GRUYTER & CO • HAMBURG
Photographien:
Zeichnungen: Gestaltung:
Hermann Speer,Mannheim (Tafel i - i i , 13-19,21,26,32,33, 35, 37-40, 47, 48, sowie die beiden Farbtafeln) Foto Sturm, Kurpfälzisches Museum (Tafel 12, 20,22-25,27"3I> 34. 36 41-46) Johannes Uhlenhaut (S. 33 und 35) Herausgeber und Verlag
Das Erscheinen des Buches wurde durch einen Druckkostenzuschuß der Stadt Heidelberg gefördert
© Copyright 1965 by Cram, de Gruyter & Co., Hamburg 13 Gesamtherstellung: Graph. Betrieb Gebr. Rasch & Co., Bramsche/Osnabrück Klischees: Alesander & Weinert, Hamburg 26
Printed in Germany
URSPRUNG DES MUSEUMS
Der Name »Kurpfälzisches Museum«, den ihr erster beamteter Direktor im Jahre 1921 für die Kunst- und Altertümersammlungen der Stadt Heidelberg erwirkte, bedeutet weit mehr als eine lediglich lokalhistorische Kennzeichnung: indem er einen seit 1804 nicht mehr existierenden geographischen Bereich aufgreift, weist er zugleich auf ein halbes Jahrtausend deutscher und europäischer Geschichte hin, das in die Erinnerung zurückzurufen und beispielhaft anschaulich zu machen, maßgebende Aufgabe dieses Museums bedeutet. Dergleichen gibt es an keiner anderen Stelle. Mit der vor kurzem ins Leben gerufenen »Stiftung Preußischer Kulturbesitz« wird ähnliches für das aufgelöste Kernland des ehemaligen Deutschen Reiches bezweckt, doch handelt es sich dort um die Zusammenfassung einer ganzen Reihe von Museen, Schlössern, Archiven und Bibliotheken, die in ihrer Gesamtheit den Rückblick auf eine Geschichtsepoche ermöglichen. Daß ein französischer Refugie, der Graf C H A R L E S D E G R A I M B E R G , dessen Todesdatum sich am 10. November 1964 zum hundersten Male jährte, seit 1810 bemüht war, durch die Anlage und den Ausbau einer Altertümersammlung in Heidelberg die Erinnerung an die ruhmreiche und schicksalsschwere Vergangenheit des von den pfälzischen Wittelsbachem regierten Kurfürstentums lebendig zu halten, ist heute nur noch wenigen bekannt und wurde erst von Lohmeyer durch die von ihm gewählte Bezeichnung für die Städtischen Sammlungen der alten kurfürstlichen Residenz am Neckar charakterisiert. Während dem Historischen Museum der Pfalz in Speyer vorwiegend die Aufgabe zufällt, die Geschichte des linksrheinischen Teiles der alten Kurpfalz zu verdeutlichen, umfassen die Bestände des Heidelberger Museums den gesamten Komplex der seit der Belehnung des Herzogs L U D W I G I. aus dem Hause Wittelsbach mit der Pfalzgrafenwürde durch Kaiser F R I E D R I C H II. im Jahre 1214 bis zum Frieden von Lun6ville maßgebenden personellen, politischen, wirtschaftlichen und historischen Verhältnisse in dem machtvollen, zeitweise weltgeschichtlich bedeutenden Reich, dessen Mittelpunkt Heidelberg bildete. Nach der Gründung des Großherzogtums Baden 1803 erhielt die Neckarstadt durch die Reorganisation ihrer alten Universität zwar eine neue kulturelle Bedeutung, trat jedoch in kommunaler Hinsicht neben Mannheim und Karlsruhe mehr und mehr in den Hintergrund. Das Verdienst des als junger Mann zufällig auf einer Reise nach Heidelberg gelangten und hier dann, hingerissen von der Schönheit der K A R L LOHMEYER
GRAIMBERG
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Georg Philipp Schmitt: Karl Graf Graimberg (1774-1864) Federzeichnung (1843) 6
Schloßruine, bis zu seinem Tode verbliebenen Ausländers um die Dokumentation der Kurpfalz in ihrer Vergangenheit kann daher gar nicht hoch genug eingeschätzt werden. Die Kunstsammlungen, die er in den über fünf Jahrzehnten seines hiesigen Wirkens aus rein persönlicher Initiative anlegte und zur Schau stellte, enthalten zwar nur wenige Kunstwerke allerersten Ranges, aber sie repräsentieren, vor allem auf den Gebieten der Graphik und Numismatik, die Ära des pfälzischen Kurfürstenhauses in einzigartiger Vielfalt und Vollständigkeit. Seit dem Jahre 1879 im Besitz der Stadt Heidelberg, haben diese Sammlungen mittlerweile durch Vermächtnisse, Stiftungen und Neuerwerbungen aller Art reichen Zuwachs erhalten, der über ihren ursprünglichen Charakter hinaus Möglichkeiten der Erweiterung nach jeder Richtung hin eröffnete. Es gilt jedoch, immer im Auge zu behalten, daß die Geschichte der Kurpfalz, verbildlicht durch Ereignisdarstellungen, Porträts von Landesherren sowie ihrer Angehörigen, Feldherren, Beamten, geistigen und geistlichen Ratgebern, Künstlern oder Baumeistern, Wiedergaben Heidelbergs, seines Schlosses und seiner Umgebung aus allen Zeiten, nicht zuletzt seiner Universität mit ihren Bauten und Lehrkräften, den wesentlichsten Inhalt des Heidelberger Museums bedeutet. Auf ihn muß immer wieder zurückgegriffen und der weitere Ausbau dieses Museums vorwiegend basiert werden. Graimberg hatte zur Vorführung der von ihm gesammelten Kurpfälzischen Altertümer jene Stätte gewählt, die ihm vom Augenblick der Begegnung an zur zweiten Heimat geworden war: das Heidelberger Schloß. Im Torhaus des Gläsernen Saalbaues von Friedrich II. selber Wohnung nehmend, hatte er die von ihm geliebte und in einer Fülle von Zeichnungen und Stichen seiner Hand wiedergegebene Ruine des Stammsitzes der pfälzischen Wittelsbacher in jahrzehntelangem, zähem Ringen mit den badischen Behörden vor weiteren Zerstörungen durch Ubergriffe der Bevölkerung und achtloser Besucher bewahrt. Die Darbietung der »Alterthümerhalle «in nächster Nähe seines Arbeitszimmers erschien ihm dabei als ein ebenso geeignetes Mittel zur Erweckung von Ehrfurcht vor der Geschichte des Landes. Sie war zunächst im Brückentorbau untergebracht, doch erwiesen sich dessen kleine Räumlichkeiten schon bald als nicht ausreichend für die Vorführung der im Jahre 1843 bereits 3681 Objekte umfassenden Kollektionen. So erwarb ihr Urheber um jene Zeit (1839) in der Altstadt ein Anwesen an der Ecke Burgweg-Karlstraße, wo sie für ein Jahrzehnt verblieben, bis sie dann am 15. Juni 1850 oben im Schloß in einem großen Raum über der Kapelle des Friedrichsbaues an neuer, von Graimberg als endgültig für sie erhoffter Stätte der Öffentlichkeit übergeben wurden. Obschon sie dort weiterhin dauernden Zuwachs erfuhren und von Sachkennern betreut wurden, blieben sie, insbesondere nach Graimbergs Tod, während der folgenden Zeiten neben den Schloßführungen mehr oder weniger unbeachtet. 1879 waren sie durch Kaufvertrag mit PHILIBERT, dem ältesten Sohne des Grafen, in den Besitz der Stadt übergegangen. 7
Es bedurfte erst einer glücklichen Gelegenheit, um sie aus ihrem Raritätenkammer-Dasein zu befreien und ihnen eine ihrem Wesen ideal entsprechende Unterkunft zu bieten. Im Jahre 1905 verschied in einem der barocken Adelssitze der Hauptstraße die unverheiratete Tochter des berühmten Chirurgen und Augenarztes MAXIMILIAN JOSEPH VON CHELIUS. Da dessen übrige Nachkommen auf das umfängliche Anwesen keinen Wert mehr legten, konnte es von der Stadtverwaltung erworben und zu musealen Zwecken hergerichtet werden. So ergab sich hier in einzigartiger Weise die Möglichkeit der Vereinigung eines Baudenkmals von allererstem Rang mit ihm sowohl stilistisch und temporär wie im Lokalkolorit entsprechenden künstlerischen Zeugnissen jeder Art. 1712 von dem 1715 geadelten Kupfälzischen Regierungs- und Revisionsrat PHILIPP MORASS, Professor der Rechte an der Universität, an der Stelle der 1693 zerstörten Elenden Herberge, des alten Armenspitals und Pfründenhauses in der damaligen Vorstadt, erbaut, repräsentiert das in der Fassadenordnung und Raumdisposition um ein markantes Mittelportal (Abb. 1) streng symmetrisch gegliederte, dem Stil des europäischen Klassizismus der Spätzeit LUDWIGS XIV. angeglichene Privatpalais die edelste Form barocker Baukunst in Heidelberg. Karl Lohmeyer konnte auf Grund stilistischer Indizien nachweisen, daß es ebenso als ein Werk des verdienstvollen würzburgisch-mainfränkischen Architekten JOHANN ADAM BREUNIG anzusehen ist, wie die heutige Alte Universität, wie die Jesuitenkirche, das Jesuitenkollegium (jetzt katholisches Pfarrhaus und Realgymnasium), das Jesuitengymnasium (heute Seminarienhaus) und wie das von VENNINGEN'sche »Haus zum Riesen« am unteren Ende der Hauptstraße. Das in seinem klassischen Gleichmaß vorbildliche Palais Morass verdient als eine Perle privater Architektur aus der Blütezeit des Absolutismus in Süddeutschland bezeichnet zu werden. Italienische und französische Stilelemente fanden hier die glücklichste Verbindung mit einheimischen Bauformen, und weder die Eingriffe späterer Bewohner (bis 1905) noch die Umwandlung des Hauses in ein Museum taten der markanten Selbstverständlichkeit dieser monumentalen Architektur den mindesten Abbruch. Noch heute wirkt seine barocke Atmosphäre durchaus gegenwärtig, wozu der gepflasterte, von zwei flügelartigen Seitengebäuden umschlossene Binnenhof (Abb. 2, 3) an der Gebäuderückfront besonders beiträgt.
GESCHICHTE DES HAUPTGEBÄUDES
Bereits 1733 befand sich das Palais im Besitz des Generals PHILIPP LUDWIG VON BETTENDORF, dessen ursprünglich über dem Portal angebrachtes Sandsteinwappen (Abb. 4) später in die Ostwand der Durchfahrt eingemauert wurde. Für den Fall des Ablebens seines schwachsinnigen Sohnes CHRISTOPH LUDWIG setzte dieser kurpfälzische Offizier seine beiden Nichten ANNA JULIANA FRIEDERICA VON ZYLLENHARDT u n d CHARLOTTE CHRISTIANA VON HUNDESHAGEN
testamentarisch als Erbinnen ein. 1763 starb jener Sohn und zwei Jahre darauf auch Charlotte Christiana von Hundeshagen, so daß durch Erbvergleich das Haus in der Vorstadt in den alleinigen Besitz der Anna Juliana Friederica von Zyllenhardt überging. Am 18. Juli und 14. August 1778 wurden deren beide 8
Kurfürst Friedrich I. Kupferstich von Dominicus Custos (1601)
Söhne, A U G U S T R U D O L P H und C A R L F R I E D R I C H VON Z Y L L E N H A R D T , durch Vermögensteilung mit ihren beiden Schwestern Besitzer des Anwesens, und es blieb dann Zyllenhardt'sches Eigentum bis zum Aussterben des Geschlechtes im Jahre 1829. Unter den Menschen, die hier im Laufe der Zeit für kürzere oder längere Dauer eine Heimstätte fanden, waren einige von ausgeprägter Individualität und historischer Bedeutung. So scheint der Oberst A U G U S T R U D O L F VON Z Y L L E N H A R D T , ein Urenkel des Generals von Bettendorf, dem das Anwesen 1783 als Alleinerben zufiel, sonderlich originelle Züge und einen liebenswürdig daseinsbejahenden Charakter gehabt zu haben. Auf der bekannten Wiedergabe einer Sympathiekundgebung von zu Unrecht gemaßregelten und nach Neuenheim ausgezogenen Studenten für den sie rehabilitierenden Senat auf dem Universitätsplatz im Jahre 1804 (von F R I E D R I C H R O T T M A N N D . Ä . ) ist dieser damalige Besitzer des Morass'schen Hauses barhäuptig, eine lange Pfeife rauchend und in Begleitung eines großen Neufundländers am linken Bildrand als Zuschauer eigens hervorgehoben. Er war Junggeselle und stellte das um 1760 weitgehend neu ausgestattete Palais mitunter bei repräsentativen Anlässen zur Verfügung. Am Abend des 27. Juni 1803 wurden hier der Sohn und die Schwiegertochter des zum ersten Male als Landesherr nach Heidelberg gekommenen Kurfürsten (späteren Großherzogs) C A R L F R I E D R I C H VON B A D E N D U R L A C H mit Blumen und Gedichten von Handwerkerkindern begrüßt, und im Jahre 1815, als das Hauptquartier der Alliierten vor dem Einmarsch nach Frankreich in der Neckarstadt aufgeschlagen war, bewohnte der Staatskanzler Fürst S C H W A R Z E N B E R G das Anwesen und empfing in dessen Festsaal eine Deputation der Universität, die ihm für die Befreiung von Einquartierung in ihren Gebäuden Dank sagte. Die Fürstin zeigte sich unterdessen auf dem Balkon des Hauses und nahm Ovationen der patriotisch begeisterten Bürgerschaft entgegen.
Fassade des Kurpfälzischen Museums
Im Herbst des gleichen Jahres waren dann Herzog C A R L A U G U S T VON W E I M A R und G O E T H E hier zu Gast. Ihr Besuch galt in erster Linie der Nichte des Hausherrn, L U I S E VON Z Y L L E N H A R D T , geborenen von Lichtenberg, deren Eltern zum Hofstaat des Herzogs in Weimar gehört hatten. Goethe bezeichnete in seiner Tagebuchnotiz über jenen Besuch die damals Zweiunddreißigjährige als »anmutiges Kind«. Ihr Gatte, Staatsrat C A R L VON Z Y L L E N H A R D T , der das Haus nach dem Tode seines Onkels 1820 erbte und hier gelegentlich abstieg, meistens aber in Mauer lebte, nahm verschiedene Mieter in das alte Palais auf. Es existiert ein Kontrakt mit dem bekannten Oberkirchenrat und Professor der Theologie H E I N R I C H E B E R H A R D G O T T L O B P A U L U S , wonach dieser von 1 8 1 7 bis 1824 das zweite Stockwerk innehatte. Auch der bekannte Gynäkologe N Ä G E L E bewohnte hier vorübergehend einige Zimmer, bis im Jahre 1 8 3 1 der vordem in einem Hause am Kornmarkt, Ecke Karlstraße, eingemietete berühmte Chirurg, Augenarzt und Professor der Medizin Maximilian Joseph Chelius das gesamte Anwesen erwarb. Auch er scheint zunächst noch das 9
zweite Stockwerk des Hauptgebäudes vermietet zu haben. Jedenfalls ist in den Jahren 1839 bis 1847 der Philosoph CHRISTIAN K A P P (Vater der JOHANNA KAPP) als in seinem Hause wohnhaft nachweisbar. HENRIETTE FEUERBACH, mit der die Kapps befreundet waren, hat sie hier noch verschiedentlich in Gesellschaft ihres Stiefsohnes Anselm, des angehenden berühmten Malers, besucht. Einige Jahre vorher, 1835, war FRÉDÉRIC CHOPIN Gast des Hauses gewesen. Chelius, mit dem er zufällig in Baden-Baden zusammengetroffen war, hatte ihn dort von einem entzündeten Finger kuriert. Zum Dank dafür spielte der Pianist auf der Durchreise in Heidelberg einen Abend lang dem Arzt und seinen Angehörigen aus eigenen Kompositionen vor. Gleich dem Erbauer des Palais gefiel sich dessen nunmehriger Besitzer in einer aufwendigen Haushaltung. Er war, wie Morass, ein standesbewußter, später geadelter Bürgerlicher und ebenso sorgsam wie jener auf die Repräsentation seiner Würde bedacht. »So verkehrten bei Geheimrat Chelius eine große Anzahl Bekannter und Verwandter«, schrieb der Großherzog Friedrich von Baden in seinen Jugenderinnerungen, »sowie einige seiner Kollegen aus der Medizinischen Fakultät wie TIEDEMANN und Nägele; gewöhnlich wurde dabei von ihm selbst oder von Tiedemann aus ihren reichen Erlebnissen erzählt«. Bei der Feier der 50. Wiederkehr des Tages seiner Doktorierung im Februar 1862 empfing der Hausherr, wie ein Souverän mit seiner Frau, einer geborenen Freiin von Sensburg, im Festsaal thronend, alle Größen der Stadt und Universität zur Gratulation, während das Treppenhaus und die Vestibüle im Schmuck wertvoller Wandteppiche und Läufer prangten. Patienten von höchstem Geblüt stiegen bei dem weltbekannten Mediziner ab, und er selbst pflegte die Durchfahrtshalle nach der Hauptstraße in einer nobel bespannten Equipage zu verlassen, wenn er in der damals noch kleinen Stadt Visiten machte. Ein 1854 von A R Y SCHEFFER in Paris gemaltes Bildnis zeigt ihn mit dem Ordensband der Ehrenlegion im Knopfloch. Seine Popularität in Heidelberg fand, alter Familientradition zufolge, ihren Niederschlag auf der bekannten Redensarten-Lithographie von 1831 »Hitzhot'se segt se hett' se«, wo er, wie immer elegant gekleidet, in ganzer Figur wiedergegeben, den Zylinder in der Hand haltend, einer jungen Kranken den Puls fühlt. Auch sein zweiter Sohn, FRANZ VON CHELIUS (1821-1899), der nach ihm das Palais innehatte, war ein beliebter Arzt und tüchtiger Chirurg. Dessen unverheiratete Tochter Emma, die letzte Herrin des Hauses, die hier bis zum Jahre 1905 mit ihrem in den Akten als Privatier vermerkten jüngeren Bruder Wilhelm zusammen wohnte, benutzte noch einen perlenbestickten Klingelzug an der Eingangstür zum Festsaal im ersten Stockwerk, um ihre Dienerschaft zu alarmieren. Seit dem Tode ihres Großvaters waren von 1876 bis 1926 die östlichen Räume des Erdgeschosses an die Rheinische Kreditund Gewerbebank vermietet. Diese hatte, um ihre Kundschaft mühelos an die Schalter zu leiten, eine mächtige neubarocke Glastür in die Durchfahrtshalle setzen lassen, so daß dem Eintretenden der Durchblick in den Hof und Garten weitgehend versperrt blieb. 10
Monogramm ist CH: Churpate. »Wie geht's meiner Patieatin?« »Hitz hot'se segt se hctt'scü. Lithographie (1831)
Es darf als eine außergewöhnlich glückliche Fügung angesehen werden, daß nach dem Hinscheiden der letzten Inhaber das Palais in den Besitz der Stadt überging, und daß gerade zur gleichen Zeit die Frage der Verbringung der städtischen Kunstsammlungen aus den staatlicher Leitung unterstehenden Räumlichkeiten im Friedrichsbau des Schlosses in ein stadteigenes Gebäude akut wurde. Das von Graimberg gesammelte Altertümer-Material war wie geschaffen, um dem nun erstmalig in öffentliche Hand gelangenden Privatpalais das Fluidum persönlicher Bewohnung zu vermitteln. Da gab es außer Bildnissen, Gemälden und Schnitzwerken früherer Jahrhunderte Möbelstücke aller Art, Uhren, Porzellane und kunstgewerbliche Erzeugnisse, wie sie zum alltäglichen Gebrauch gehörten, und wie sie fast sämtlich dem engeren oder weiteren Daseinsbereich der hier einst Ansässigen entstammten. Die Gefahr der Überhäufung mit derartigen Antiquitäten allerdings konnte bei der relativen räumlichen Beschränktheit nur bedingt vermieden werden. Außerdem entsprach sie weitgehend dem lokalpatriotischen Geschmack der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Erst nachdem Karl Lohmeyer die Ordnung und Leitung der Städtischen Sammlungen übernommen hatte, verwuchsen Architektur und Einrichtung an dieser Stelle zu individueller, die Illusion des Lebendigen weckender Prägung. 11
Mittlerweile hatten seit dem Ankauf des Graimberg-Nachlasses die Städtischen Sammlungen durch verschiedene Vermächtnisse und Schenkungen beträchtlichen Zuwachs erhalten, so 1 8 9 3 durch den Nachlaß des Rats ALBERT M A Y S , eines der sachkundigsten Bearbeiter des städtischen Museumsbesitzes, der diesen nun durch wertvolle Stiche, Medaillen und Münzen aus seinem Privatbesitz bereicherte, und so 1 9 0 2 durch eine Stiftung KLEINSCHMIDT, die verschiedene Gemälde des 19. Jahrhunderts beisteuerte. Die Übernahme des Palais Morass in der Hauptstraße als Museumsgebäude zeitigte dann naturgemäß ganz besondere Schenkungsbereitschaft. Im Jahre 1907 stiftete der aus Heidelberg gebürtige Industrielle ERNST POSSELT seine in Rußland erworbene, recht beachtliche Kollektion von deutschen, niederländischen und italienischen Gemälden des 17. und 18. Jahrhunderts, für die eigens ein Oberlichtsaal im Westflügel des neuen Museums ausgebaut wurde. 1908 übereigneten Nachkommen des Heidelberger Romantikers C A R L PHILIPP FOHR dem Museum Zeichnungen von diesem, seinem Bruder Daniel und anderen Künstlern seiner Zeit, 1 9 1 1 die Schwestern FRIES Bildnisse, Aquarelle und Zeichnungen des 1831 jung verstorbenen anderen führenden Wegbereiters romantischer Malerei ERNST FRIES sowie Porträts aus ihrer Familie. Im Laufe von Lohmeyers zwanzigjähriger Dienstzeit wurden die Sammlungen noch durch folgende weitere Stiftungen bereichert: Stiftung R A H L 1 9 1 3 : Kunstwerke und Dokumente aus dem Nachlaß des Malers K A R L R A H L , Stiftung BÜRKLIN-WOLF 1 9 1 7 : Gemälde des späteren 1 9 . Jahrhunderts, Stiftung GUIDO SCHMITT 1 9 2 3 : Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen von verschiedenen Angehörigen der Malerfamilie Schmitt, Stiftung HAPPEL 1913 und 1921: Gemälde, Aquarelle und Zeichnungen aus dem Nachlaß des Künstlers AUGUST HAPPEL, sowie einige Gemälde des späteren 19. Jahrhunderts, Stiftung AUGUST UND M I L L Y W O L F F 1 9 2 5 : Bildwerke des 1 5 . bis 1 8 . Jahrhunderts aus Holz und Ton, Stiftung Frau EUGENIE SCHLÖSSER 1 9 3 1 : Gemälde des 19. Jahrhunderts. Durch den Zuwachs aller dieser Sammlungen, der weitgehend Lohmeyers persönlichem Charme und seinem unentwegten Spürsinn zu verdanken war, schuf er die Voraussetzungen für den Ausbau des ihm anvertrauten Kunstgutes zu einer Bildungsstätte namhaften Ranges. Ohne jedoch die dafür erforderlichen Ausdehnungsmöglichkeiten zu erhalten, konnte auch er die Fülle des musealen Materials nicht in erwünschter Weise übersichtlich zur Schau stellen. Das Heidelberger Universitätsjubiläum 1936 bot Gelegenheit, ein großes, dem Ostflügel des alten Palais in der Schiflgasse benachbartes Gebäude mit dem Museum zu vereinigen und, dessen Park nördlich begrenzend, eine weiträumige Ausstellungshalle anbauen zu lassen, um für die repräsentative Schau »Heidelberg, Vermächtnis und Aufgabe« Platz zu schaffen. Kurz darauf machte der zweite Weltkrieg die Bergung der gesamten Inventaríen in einem Keller des Schlosses notwendig. Bis zum Frühjahr 1949 diente das Palais Morass mit sämtlichen Nebengebäuden der Besatzungsmacht als Kasino. 12
VERMÄCHTNISSE UND STIFTUNGEN
WIEDERAUFBAU NACH DEM LETZTEN KRIEGE
So stand, als ein Wiederaufbau der Kunstsammlungen in Angriff genommen werden konnte, die Schöpfung des Baumeisters Johann Adam Breunig erneut in ihrem ursprünglichen Charakter zur Verfügung, und es galt nun, die ungewöhnlich seltene Gelegenheit der Verbindung von denkmalpflegerischen Rücksichten mit musealen Belangen wahrzunehmen. In den meisten Fällen ähnlicher Art, wie bei der Rekonstruktion von Schloß-Interieurs oder von Gedenkstätten an berühmte Bewohner eines zur Schau gestellten Hauses sowie von Räumen mit spezifisch heimatlicher Prägung, ist die Bevorzugung lokalgeschichtlicher Besonderheiten selbstverständliches Erfordernis. Hier jedoch erlaubte das Vorhandensein von hinreichend großen Ausstellungssälen in Nachbargebäuden eine äußerst sparsame, lediglich die in den Schmuckformen der Architektur bereits enthaltenen Stilmerkmale unterstreichende Ausstattung des alten Palais. Dieses hat, analog der typischen Gliederung von aristokratischen Stadtsitzen aus der Spätzeit Ludwigs XIV., seitlich der Durchfahrt im Erdgeschoß je zwei Kabinette an der Vorderfront. Westlich entsprechen ihnen zwei gleich große Räumlichkeiten nach dem Binnenhof der Rückfront zu, während dort östlich die Küche und eine Anrichte lagen. Die darüber entlang laufende, außerordentlich edel gestaltete Treppe aus rotem Sandstein mit ihren schräg aufschwingenden, von korinthischen Kapitalen gestützten Bogen und Arkaden (Abb. 6) leitet zunächst zu einem barock überwölbten Vorplatz an der Gartenfront der Bel-Etage, von dort dann geradeaus zu zwei kleinen Empfangsräumen, während die Vorderfront durch einen großen Festsaal mit zwei ihm östlich und westlich benachbarten Salons eingenommen wird. Im zweiten Stockwerk, das gleichfalls noch an dem hier endenden Treppenlauf gelegen ist, nimmt eine Flucht von Wohn- und Schlafzimmern die Straßenseite ein, in ihrer Mitte ein größeres saalartiges Gemach. Der Vorplatz und die beiden Rückfronträume korrespondieren in den Ausmaßen mit den darunter liegenden. Das bemerkenswert hochragende, für Breunig kennzeichnende Mansard-Dachgeschoß, durch Nebenstiegen erreichbar, war, wie üblich, in Dienerschaftsräume und einen darüberliegenden, die Gesamtheit des Hausgrundrisses krönenden Speicher abgeteilt. Die Zyllenhardts ließen gegen Ende des 18. Jahrhunderts sowohl die kleinen Empfangskabinette im Westflügel des Erdgeschosses wie den großen Festsaal und die beiden ihm benachbarten Salons des ersten Stockwerkes im Geschmack und Stil ihrer Zeit mit neuen Stuckdekorationen, Öfen, Wandbespannungen, Reliefs und Wandmalereien versehen. Auch in den Räumen der Wohnetage scheinen sie derartige Auffrischungen und Einbauten von Öfen vorgenommen zu haben, doch zeigen die Deckenstukkaturen gerade hier eine besonders reizvolle Abfolge der Muschel-, Blattwerk- und Bandornamentik vom Beginn des 18. Jahrhunderts, während im Erdgeschoß und ersten Stockwerk verschiedentlich das Rokoko und der Frühklassizismus in Kamin- und Spiegeldekorationen, Supraporten- und Plafond-Ornamentik zum Ausdruck kommen und den Geschmacks wandel der Bewohner dokumentieren (Abb. 15). 13
Tfeppenhaus des Kurpfälzischen Museums
Dieser architektonische Rahmen erlaubte naturgemäß in erster Linie eine innenräumlich angepaßte Unterbringung von zeitgenössischen Erzeugnissen, also Gemälden, Bildwerken und Möbelstücken des frühen und späteren 18. Jahrhunderts, Porzellanen, Münzen, Miniaturen und dekorativen Bauzeichnungen.
RUNDGANG
Die Repräsentationsräume an der Straßenfront des ersten Stockwerkes kamen einer dementsprechend die Mitte zwischen Historismus und Wohnlichkeit haltenden, möglichst sparsamen Ausstattung vorzüglich entgegen. In dem mit mythologischen Stuckreliefs auf blaßblauem Grund geschmückten Festsaal (Abb. 14) wurde der aus der Sammlung Graimberg stammende Ton-Entwurf
FESTRÄUME
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für das Standbild des Kurfürsten C A R L THEODOR auf der Alten Brücke von CONRAD L I N K aufgestellt. Es liegt nahe anzunehmen, daß dieser durch seine Schöpfungen für die Frankenthaler Porzellanmanufaktur bekannte Künstler die Entwürfe für jenen an WEDGEwooD-Produktionen erinnernden Schmuck des Saales geliefert hat. In dem westlichen Seitenkabinett, das seit 1804 mit Panneaus im Stil pompejanischer Wandmalerei von dem Mannheimer Künstler PETER FERDINAND DEURER geschmückt war (Abb. 23), die man 1 9 3 6 ihres schlechten Erhaltungszustandes wegen entfernte, fanden nun in einem die Haupt wand einnehmenden Vitrinenschrank zahlreiche, zum größeren Teil noch von Graimberg erworbene Figurengruppen der Frankenthaler PorzellanManufaktur Aufstellung (Abb. 18). Zwei beachtenswerte große Ruinenlandschaften mit Marktszenen von ALLESSANDRO MAGNASCO, ZU den Ausnahmen italienischer Gemälde der Sammlung Posselt gehörig, kommen an dieser Stelle besonders schön zur Geltung. Ein kleines Durchgangszimmer südlich davon an der Gartenfront mit hell lackierter Holzboiserie sowie mit einer einige Beispiele von Mosbacher (Abb. 19) und Durlacher Fayencen enthaltenden Wandvitrine erhielt durch eine Reihe von Federzeichnungen Graimbergs mit Ansichten des Schlosses sowie durch eine Porträtzeichnung des alten Grafen von GEORG P H I L I P P SCHMITT den Charakter einer Gedenkstätte. Ein kleines, mit Kupferstichen geschmücktes Kabinett mit noch ursprünglich erhaltener Stuckdecke und Holzverschalung aus einem Hause der Grabengasse vom Ende des 18. Jahrhunderts (Abb. 11) stammend und als besonders selten erhaltenes Beispiel bürgerlicher Kunstbeflissenheit im Zeitalter der Aufklärung bemerkenswert, bildet den Übergang zu diesem ursprünglich nicht mit dem Hauptgebäude verbundenen älteren Gebäudekomplex an der Westseite des Hofes. In einem größeren Empfangszimmer, das östlich benachbart in der Flucht der zum Vorplatz des ersten Stockwerks führenden Treppe liegt und dessen frühklassizistisch dekorierte Ofennische heute eine stilvolle Umrahmung für eine marmorne Porträtbüste des langjährigen Hausherrn Maximilian Joseph von Chelius von F R . MOEST bildet, verdient außer dem bekanntlich einzigen Porträt FRIEDRICHS DES GROSSEN von JOHANN GEORG ZIESENIS, ZU dem der König 1 7 6 3 in Salzdahlum eine Modellsitzung genehmigte, ein um 1950 erworbenes großes Familienbild von der Hand des 1 8 0 5 in Heidelberg verstorbenen JOHANN F R I E D R I C H AUGUST TISCHBEIN besondere Erwähnung. Eine sehr reizvolle Seidentapete mit Blumendekor aus der Zeit um 1800, wahrscheinlich Erzeugnis der damals in Heidelberg ansässigen Tapetenmanufaktur, ließ es geboten erscheinen, das dem Festsaal östlich benachbarte Gemach so sparsam wie möglich mit höfischen Bildnissen des 18. Jahrhunderts zu versehen (Abb. 10). In der ehemaligen Kaminnische wurde ein Gipsabguß der im Bayerischen Nationalmuseum befindlichen monumentalen Marmorbüste des Kurfürsten JOHANN W I L H E L M VON GRUPELLO zur Schau gestellt, um die verdienstvolle Rolle dieses in der Pfalz noch heute vielfach verkannten, sehr 15
musischen Landesherrn bei dem Wiederaufbau Heidelbergs nach der Zerstörung des Orléans'schen Krieges gerade hier im Wohnsit2 eines seiner maßgebenden Berater zu verdeutlichen. Zwei beachtliche Möbelstücke, ein holländischer Vitrinenschrank vom Ende des 17. Jahrhunderts und ein von dem Handschuhsheimer Kunsttischler ENGISCH gefertigter Sekretär verleihen dem Raum wohnliches Gepräge. Ihm benachbart an der Südfront des Hauses wurden in einem kleineren Kabinett die markantesten Stücke der Medaillenund Münzsammlung des Museums in Pultvitrinen vorgelegt. Das Hauptstück dieser Sammlung ist eine im Jahre 1 6 6 1 von GEORG PFRÜNDT geprägte Goldmedaille mit dem Bildnis des Kurfürsten K A R L L U D W I G und einer HeidelbergAnsicht auf der Rückseite. (Abb. 16). An den Wänden darüber einige Porträts von höfischen und bürgerlichen Persönlichkeiten der Barockzeit, unter denen die des Heidelberger Ehepaares VON COPPET von GOTTFRIED KNELLER ( 1 6 7 5 ) aus der Sammlung Graimberg, ein Brustbild des Pfalzgrafen GUSTAV SAMUEL LEOPOLD VON ZWEIBRÜCKEN von H E N R I M I L L O T und ein neuerdings erworbenes Kopfstück des von 1648 bis 1688 in Heidelberg amtierenden Predigers der französischen Gemeinde JACQUES LENFANT von ANTOINE PESNE hervorzuheben sind. Ein großer Glasschrank enthält wertvolle kunstgewerbliche Erzeugnisse von Heidelberger Gold- und Silberschmieden, darunter einen sehr schönen kleinen Silber-Altar mit Elfenbeinarbeit aus der St. Anna-Kirche, verschiedene Zunftpokale des 18. (Abb. 17) und 19. Jahrhunderts u.a.m. Über derartige Zeugnisse der Epoche seiner Entstehung und Inneneinrichtung hinaus läßt das Palais Morass in der Flucht der schlichten Wohnräume seines oberen Stockwerks auch noch Schöpfungen der gegen Ende des absolutistischen Zeitalters und am Beginn des 19. Jahrhunderts wirkenden Maler und Bildhauer, so vor allem der in verwandter Umgebung geborenen Generationen von Romantikern heimatlich geborgen erscheinen. Eine der reizvollsten Sehenswürdigkeiten aus ihrem Bereich, die von Carl Philipp Fohr gezeichnete Bildnisfolge von über 40 deutschen Künstlern, Schriftstellern und Kunstfreunden, die um 1818 zu Rom im Café Greco zusammenzutreffen pflegten, ist mit einigen kennzeichnenden Beispielen und anderen graphischen Erzeugnissen jener Zeit (Abb. 21) im westlichsten Gemach dieses Stockwerks zur Schau gestellt, während die übrigen Räume und der durch eine vor kurzem erworbene sehr qualitätsvolle Marmorbüste der VITTORIA CALDONI von RUDOLPH SCHADOW ( 1 8 2 1 ) (Abb. 26) ausgezeichnete Mittelsaal mit Gemälden der Romantikerzeit, vorwiegend von in Heidelberg gebürtigen oder zeitweise hier wirkenden Künstlern wie W I N T E R G E R S T , F R I E S , ROTTMANN, S C H M I T T , KOESTER, SCHLESINGER, W A L L I S , T U R N E R , ISSEL, GÖTZENBERGER U. a. ausgestattet sind (Abb. 25,28-31). Es ist eine Hauptaufgabe des Museums, diese Abteilung durch ihr entsprechende Werke auch von auswärtigen Künstlern zu ergänzen und zu bereichern. So etwa konnten ein Bildnis des Fürsten METTERNICH von THOMAS L A W R E N C E (um 1 8 1 5 , Teilstudie zu dem ganzfigurigen Porträt im Bundes16
MÜNZKABINETT
ROMANTIKER-ABTEILUNG
kanzlerpalais zu Wien), eine Verlobung der Undine von L U D W I G SCHNORR (1816), ein Interieurbild von dem KERSTING-Schüler C A R L W A G N E R , darstellend die Malerin LOUISE SEIDLER mit einer Schülerin beim Malunterricht, eine kleine Venedig-Ansicht von K A R L BLECHEN und zwei Pferdekaufszenen, Frühwerke von F R A N Z K R Ü G E R , sowie als Beispiel der französischen Romantik ein Frühwerk von THÉODORE ROUSSEAU: Landschaft aus der Auvergne (1831) während des letzten Jahrzehnts angekauft werden. VON CAROLSFELD
REKONSTRUKTION DER SAMMLUNG BOISSERÉE
Carl Rottmann: Partie aus dem Heidelberger Stadtwald Bleistiftzeichnung (um 1820)
Auf dem mit einer Marmorstatue »Die Gastfreundschaft« (1868) von K A R L geschmückten Vorplatz und Treppenflur des gleichen Stockwerks wurde eine Rekonstruktion der berühmten Sammlung altdeutscher und altniederländischer Meisterwerke zur Schau gestellt, die sich, durch die Brüder Boisserde zusammengebracht, von 1810-1819 in Heidelberg befand (Abb. 24). Mit den alten, sie erstmalig reproduzierenden Lithographien von JOHANN NEPOMUK STRIXNER und heutigen Photographien ausgestattet, ist dieses einzige Spiegelbild der in die Bestände der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München und des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg eingereihten Galerie besonders geeignet, die Erinnerung an jene geistig erfüllten Jahre wachzuhalten, als bei den rheinischen Kunstsammlern am Karlsplatz die erste Begegnung Goethes mit nordischer Malerei des Mittelalters stattfand. Die Eindrücke, die der Dichter bei zweimaligen Besuchen in Heidelberg (1814 und 1815) von den Anfängen nordischer Tafelmalerei empfing, zählen zu den wesentlichsten, dem Ambiente dieser Stadt in unserer Zeit zu verdankenden Anregungen kulturhistorischer Art. BLÄSER
Seit zwei Jahren sind die vier östlichen Erdgeschoßräume des Palais als Handzeichnungs- und Kupferstichkabinett mit Ausstellungs-, Studien-, Depot- und Verwaltungsabteilung hergerichtet. Damit erhielt einer der wesentlichsten Schwerpunkte des Graimberg-Nachlasses endlich eine ihm gebührend repräsentative, allgemein zugängliche Stätte. Bisher nur sehr unzulänglich montiert und aufbewahrt, führte die rund 15000 Blatt umfassende Sonderkollektion ein mehr oder weniger unbeachtetes Schattendasein im Rahmen der Städtischen Sammlungen, obgleich gerade sie dem Wesen und der Begabung ihres Gründers am meisten entspricht. Ursprünglich nur für einen ganz kurzen Aufenthalt von Karlsruhe, wo er das graphische Verfahren des Kupferstechers CHRISTIAN HALDENWANG erlernte, nach Heidelberg gekommen, um Zeichnungen der Schloßruine als Vorlagen für Reproduktionen zu fertigen, wurde er hier in erster Linie aus dem Bestreben, das ehrwürdige Bauwerk in möglichst vielen und vollständigen Wiedergaben darzustellen, zu dauerndem Aufenthalt veranlaßt. Sein bedeutendes Handzeichnungs- und Kupferstichwerk, 1908 in Städtischen Besitz übergegangen, bildet mithin den ihm gemäßen Grundstock des Kabinetts. Darüber hinaus jedoch sind die durch ihn angelegten und ständig erweiterten Sammlungen von Handzeichnungen, Holzschnitten und Kupfer17
Illustrationen zu Flugblättern aus den Jahren 1621 und 1622
Stichen aller Art aus vier Jahrhunderten sowie einer einzigartig vollständigen Kollektion von Flugblättern aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges gerade auch für dieses von unschätzbar hohem historischen und künstlerischen Wert. Neben einer Vielzahl von Bildnissen und Ansichten erwarb Graimberg die gesamten zeichnerischen Nachlässe des Baumeisters und Bildhauers PETER A N T O N VON V E R S C H A F F E L T und des Malers F R A N Z A N T O N VON LEYDENSDORFF, ferner eine prachtvolle Folge von Gouache-Darstellungen Heidelbergs und seines Schlosses von der Hand des Geometers F R I E D R I C H VON W A L P E R G E N , Zeichnungen und Aquarelle von FERDINAND K O B E L L , F R I E D R I C H ROTTMANN, G E O R G PRIMAVESI, J O H A N N J A K O B STRÜDT, u.a.m. Durch die erwähnten Stiftungen und Vermächtnisse der späteren Zeit, darunter vor allem durch die erwähnten 45 Bildnis-Zeichnungen von der Hand des Heidelberger Romantikers Carl Philipp Fohr, erhielt dieser bereits recht beachtliche Grundbestand dann einzigartig lokalhistorisches Gewicht, das seine Betreuer zu besonderer Aufmerksamkeit verpflichtet. Ihn nach jeder Richtung hin zu erweitern, ist heute noch leichter möglich als die Vervollständigung materiell im einzelnen sehr hoch bewerteter Bestände. So konnten während des letzten Jahrzehnts nicht nur zahlreiche Poträtstiche und Heidelbergensien, sondern vor allem auch Zeichnungen und Aquarelle von Künstlern der romantischen Epoche erworben werden. Daß daneben auch die neuere und zeitgenössische Kunst, wie sie sich durch graphische Zeugnisse einprägsam demonstrieren läßt, dauernde Berücksichtigung fanden, versteht sich von selbst. Wenngleich an Umfang den Handzeichnungs- und Kupferstichkabinetten staatlicher Sammlungen nicht gewachsen, kann dieses neuerdings zur Sonderinstitution des Kurpfälzischen Museums erhobene Kabinett hervorragendes Interesse beanspruchen, zumal sich die Gewinnung eines geschichtlichen Überblicks gerade hier in wünschenswert müheloser und rascher Weise für jeden Besucher vollziehen läßt. Von Objekten mit ganz speziellem Seltenheitswert sei ein vor kurzem erworbenes Kinderbildnis MOZARTS von M E L C H I O R K R A U S aus dem Jahre 1764 erwähnt, (Farbtafel) das, obwohl in Ölfarbe, jedoch auf ein Notenblatt gemalt, den graphischen Beständen eingegliedert zu werden verdiente. Be18
HANDZEICHNUNGS- UND KUPFERSTICHKABINETT
Michael Ostendorfer: Kurfürs: Olthcinrich in einer Sänfte Holzschnitt (1556)
kanntlich hatte der 7 jährige Knabe kurz vorher bei seiner Durchreise in Heidelberg auf der Orgel der Heiliggeistkirche musiziert. FLÜGELBAUTEN
ZEUGNISSE
Aus
DER GESCHICHTE DER KURPFALZ
Die beiden den Binnenhof an der Rückfront des Palais Morass östlich und westlich begrenzenden Flügelbauten konnten, wie der Mitteltrakt, gleichfalls eine vorwiegend barocke Ausstattung erhalten. Sie gehörten an und für sich nicht mit dem Hauptgebäude zusammen, wurden aber von altersher dem Anwesen zugerechnet und mitbenutzt. Der östliche Flügel enthielt die Wagenremise, später das Lapidarium des Museums (heute ist im Untergeschoß eine städtische Weinstube eingerichtet), der westliche dürfte bis zum Tode des alten Geheimrats von Chelius im Obergeschoß als Personalunterkunft, unten als Stall gedient haben. Später befanden sich hier die Tresorräume der Bank, und im Jahre 1907 wurde am Nordende ein großer Oberlichtsaal mit eigenem Treppenhaus zur Aufnahme der Sammlung Posselt hergerichtet. Im Erdgeschoß sind neuerdings die Originale verschiedener Barockdenkmäler Heidelbergs (Abb.5),so der Kornmarktmadonna, des Johann Nepomuk von der Alten Brücke und der Portalfiguren des ehemaligen Jesuitenkollegiums wirkungsvoll aufgestellt. Der Oberlichtsaal darüber aber beherbergt Darstellungen aus der Geschichte der Kurpfalz vom späten Mittelalter bis zu den Katastrophen vom Ende des 17. Jahrhunderts. Als eine ungemein seltene und wertvolle Erwerbung gelang hier im Jahre 1956 bei Gelegenheit der OTTHEINRICH-JubiläumsAusstellung der Ankauf eines der von diesem kunstsinnigen Fürsten in Auftrag gegebenen Bildteppiche aus seinem Nachlaß. 1531 gewebt, zeigt er eine allegorische Verherrlichung der »Prudentia« (Abb. 37) und bezeugt in eindrucksvoller Weise die intensive Beschäftigung des damaligen Pfalzgrafen von Neuburg mit philosophisch-religiösen Problemen, die ihn später als Landesherrn in Heidelberg zu einem Vorkämpfer für die Einführung des protestantischen Glaubens werden lassen sollte. Von weiteren Neuerwerbungen für diese historische Abteilung seien ein Bildnis des Winterkönigs Kurfürst F R I E D R I C H V. von W Y B R A N D DE G H E E S T , ein großes Gemälde von G E R A R D H O N T H O R S T , darstellend die Winterkönigin als Witwe mit einigen ihrer Kinder, ein Knaben19
bildnis des späteren Kurfürsten K A R L von HEINRICH ROOS und schließlich ein ganz figuriges Porträt seiner Schwester LISELOTTE als Herzogin VON ORLÉANS von HYACINTHE RIGAUD (Abb. 21) aufgeführt. Als Dauerleihgabe des Prinzen von Hannover beherrscht den Vorraum des Oberlichtsaales ein weiteres großes Gemälde von GERARD HONTHORST (1629) darstellend die Wiedervereinigung des Winterkönigspaares im Elysium (Abb. 13). Andere Bildnisse (vom Kurfürsten K A R L LUDWIG, seiner Schwester SOPHIE als Kurfürstin VON HANNOVER, seines Sohnes K A R L und seiner Schwiegertochter ERNESTINE, PRINZESSIN VON DÄNEMARK) stammen aus der Sammlung Graimberg. Sofern keine zeitgenössischen Originale erreichbar waren, wurde durch Kopien vorläufiger Ersatz geschaffen, so nach dem bekannten Bildnis Ottheinrichs von BARTHEL BEHAM, nach dem seines Bruders PHILIPP von HANS BALDUNG und nach einem ganzfigurigen Porträt des Kurfürsten Friedrich II. von HANS BESSER. Eine hervorragende Sehenswürdigkeit dieser Abteilung bedeutet ferner das große 1618 geschaffene Gemälde von JACQUES FOUQUIÈRES mit einer Ansicht des Hortus Palatinus und Blick über die Stadt Heidelberg hinweg auf die Rheinebene. Das Bild war 1680 nach dem Tode ihres Vaters in den Besitz der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans gekommen und schmückte jahrzehntelang ihr Wohnzimmer in St. Cloud, bis es später, an die Nachkommen der Kurfürstin Sophie von Hannover in England vererbt, dort auf ein Schloß der Dukes of Sutherland gelangte, deren einer es im Jahre 1909 der Stadt Heidelberg als Geschenk übereignete (Abb. 12). Zwei plastische Bildwerke aus der Zeit um 1700 haben lokalhistorisches Interesse: ein Harfe spielender David stand früher auf der Empore der Heiliggeistkirche, eine neuerdings erworbene Figurengruppe des Heiligen Martin zu Pferde mit dem Bettler gehörte zum Schmucke des ehemaligen Siechenhauses in der Plöck (Abb. 8,9). Durch einen oberhalb der Durchfahrt ansetzenden, in der Flucht des Münzkabinetts verglasten Balkon mit dem Hauptgebäude verbunden, atmen drei kleine, um 1780 wahrscheinlich für Kutscher hergerichtete Wohngelasse oberhalb der ehemaligen Wagenremise noch durchaus den Geist der Epoche ihrer Entstehung. So sind sie, zusammen mit einem sie tangierenden langen Flur und einem großen, daran anschließenden Verbindungsraum zu dem 1936 angeschlossenen Nachbargebäude vorzüglich geeignet, die reichen Bestände an Kunstwerken des 18. Jahrhunderts aus der Sammlung Graimberg zur Geltung zu bringen. Der Aufbau einer dementsprechenden Sonderabteilung des Museums ist noch im Gange. Der höfisch-klerikale Prunk, den die aus den Häusern Pfalz-Neuburg und Pfalz-Sulzbach stammenden katholischen Kurfürsten nach 1685 in ihren Residenzen und allenthalben in ihren Landen entfalteten, zeitigte eine besondere Fülle künstlerischer Erzeugnisse, von denen die Bildwerke kirchlichen Charakters, wenn nicht - wie etwa die KornmarktMadonna MATHIAS VAN DEN BRANDENS oder das Nepomuk-Standbild von der Alten Brücke - in das Museum übergeführt und an Ort und Stelle durch Kopien 20
BAROCK-ABTEILUNG
Caspar Netscher: Familienbild mit Heidelberger Schloßmotiven (1666)
ersetzt, sich zumeist noch an den ursprünglich für sie bestimmten Standorten befinden. So blieb der museale Niederschlag dieser Epoche vorwiegend auf Gemälde und kunstgewerbliche Produktionen (Medaillen, Porzellane, vereinzelte Möbelstücke) beschränkt und war selbst hier für Heidelberg und Mannheim, die ehemaligen Hauptstädte der Kurpfalz, verhältnismäßig gering, nachdem der gesamte Besitz der früheren Landesherren nach 1801 ihrem wittelsbachischen Stammhause zugesprochen worden war und sich heute noch in dessen Obhut und in den Museen des Bayerischen Staates befindet. Es darf in diesem Zusammenhang auf die einzigartigen Möglichkeiten der Entwicklung zu einer Kunstmetropole von Weltrang hingewiesen werden, die Heidelberg zu Beginn des 18. Jahrhunderts oSen standen. Wenn das Schicksal es damals dem Kurfürsten JOHANN WILHELM vergönnt hätte, seine hochgespannten politischen und dynastischen Ziele zu verwirklichen, dann wäre nicht nur die berühmte, 1797 nach München übergeführte Gemäldegalerie aus Düsseldorf, sondern zugleich auch, als Erbteil seiner zweiten Gemahlin ANNA M A R I A LUISA VON M E D I C I , der gesamte Bilderbestand des Palazzo Pitti in Florenz hierher gelangt. Pläne für ein Schloß von immensen Ausmaßen in der Ebene bei Schwetzingen, in dem diese Kunstschätze untergebracht werden sollten, lagen bereits weitgehend ausgearbeitet vor. Nach dem Tode Johann Wilhelms (1716), nach der Verlegung der Kurfürstlichen Residenz unter seinem Bruder und Nachfolger K A R L PHILIPP von Heidelberg nach Mannheim (1720) und schließlich nach der Übernahme auch der bayerischen Kurwürde durch dessen Großneffen C A R L THEODOR (1777) verlor die Neckarstadt dann mehr und mehr den ihr seit Jahrhunderten eigenen Charakter eines kulturellen Mittelpunkts. Das Verdienst Graimbergs, nach der völligen Auflösung der Kurpfalz durch seine Sammlungen die Erinnerung an die große Vergangenheit des Landes wachgehalten zu haben, während das allgemeine Interesse dem Gedeihen des neuen badischen Staates zugewandt war, kann daher nicht hoch genug eingeschätzt werden. Aus der Regierungszeit des Kurfürsten Karl Philipp (1716-1742) gelangen ihm mit allegorischen Gemälden auf die Gründung der Stadt Mannheim durch diesen Landesherrn und auf dessen Verherrlichung von PIERRE LOUIS GOUDREAUX, mit Bildnissen seiner zweiten Gemahlin THERESA KATHARINA LUBOMIRSKA (Abb. 10 rechts hinten) von JEAN RAOUX und anderen höfischen Porträts, darunter vor allem eines des Ministers FREIHERRN HEINRICH W I L HELM VON SICKINGEN von JOHANN GEORG ZIESENIS, kennzeichnende Erwerbungen, die neuerdings durch den Ankauf eines monumentalen Ganzfigurenbildes Karl Philipps von JOHANN PHILIPP VAN DER SCHLICHTEN (1729) eine wertvolle Bereicherung erfuhren. Zahlreicher und für den höfischen Stil nach der Mitte des 18. Jahrhunderts kennzeichnender sind Bildnisse und andere Hinterlassenschaften aus der Zeit CARL THEODORS, darunter, als kulturhistorische Raritäten besonders hervorzuheben, ein Jagdwagen und ein Gala22
Schlitten mit figürlicher Ornamentik. Da die ehemalige Wagenremise des Palais Morass als solche nicht mehr existiert, gilt es, für die Aufstellung dieser beiden Objekte auf die Dauer noch einen geeigneten Raum zu schaffen. Vorderhand fanden sie in den gewölbten Kellergelassen des Hauptgebäudes eine sehr reizvolle, aber noch nicht öffentlich zugängliche Unterkunft (Abb. 7). Der beträchtliche Gemäldebestand der Carl-Theodor-Zeit enthält- außer Porträts des Kurfürsten selbst von Franz Anton von LEYDENS DORFF, GEORGES DE MARÉES, BATONI, u. a - Bildnisse seiner Gemahlin ELISABETH AUGUSTA von DE MARÉES, JOH. HEINRICH TISCHBEIN D.Ä., der ihm morganatisch angetrauten, zur G R Ä F I N HEYDECK erhobenen Tänzerin JOSEFA SEIFFERT von K. H. BRANDT, JOH. PETER HOFFMEISTER u.A., sowie des Reichfürsten K A R L AUGUST VON BRETZENHEIM, Sohnes aus dieser Verbindung, von FRANZ IGNAZ OEFELE. Ferner sind hier zahlreiche Wiedergaben von Angehörigen regierender Häuser von Pfalz-Sulzbach, Pfalz-Zweibrücken und Zweibrücken-Birkenfeld, zumeist von den genannten Künstlern oder von Joh. Georg Ziesenis zu berücksichtigen, sowie Selbstporträts von JOHANN WILHELM HOFNAAS, LEYDENSDORFF, CONRAD MANNLICH, M A R T I N MEYTENS und GEORG K A R L U R L A U B , sowie das bekannte Bildnis des Architekten NICOLAS DE P I G A G E von A N N A DOROTHEA THERBUSCH, oder ein sogenanntes »Wiener Stubenmädchen« von FRIEDRICH OELENHAINZ, ganz abgesehen von Ereignis-Darstellungen wie eines Manövers in Schwetzingen 1748 von PHILIPP HIERONYMUS BRINCKMANN, einer Vorlesung des Professors F R A N Z ANTON M A I im großen Saal des Schlosses zu Mannheim 1780 von SEBASTIAN STASSEN, acht Darstellungen vom Eisgang des Neckars bei Heidelberg im Jahre 1784 von FERDINAND KOBELL (Abb. 22) u.a.m. Durch einige Ankäufe plastischer Bildwerke, wie etwa eines lebensgroßen Kruzifixes von MATTHIAS OBERMAYER, einer Sebastian-Figur aus dem Umkreis von CONRAD L I N K (Abb. 13 vorn links) oder eines Spieltisches mit eingelegtem Wappen des Kurfürsten Carl Theodor aus dem Nachlaß einer seiner Töchter aus der Verbindung mit der Gräfin Heydeck, konnte dieser Abteilung des Museums auch im Hinblick auf dieses Material eine annähernde Abrundung gegeben werden. ERWEITERUNG DURCH ÖSTLICHES NACHBARGEBÄUDE
Die seit 1936 dem alten Gebäudekomplex des Museums südöstlich angegliederte, seit dem ersten Weltkrieg einem Gymnasium als Unterkunft dienende Universitäts-Fechthalle, errichtet 1913, erforderte im Innern gründliche Veränderungen, um musealen Zwecken dienstbar gemacht zu werden. Mehrere darin enthaltene große Säle boten die Möglichkeit, maßgebende Abteilungen, die in den intimen Gemächern des barocken Stadtpalais' nicht zu der ihnen gebührenden Geltung gebracht werden konnten, in wünschenswerter Ausbreitung zur Schau zu stellen. Der Nachteil, daß sich diese Abteilungen den zunächst das Hauptgebäude betretenden Besuchern während des Rundganges nicht in chronologischer Abfolge präsentieren, mußte hier zugunsten jener ausstellungstechnisch weit besseren Bedingungen in Kauf genommen werden. 23
Das galt in erster Linie für den Saal der altdeutschen Gemälde und Bildwerke (Abb. 32), der sich im ersten Stockwerk des Gebäudes unmittelbar der BarockAbteilung anschließt. Auch die hier vorgeführten Kunstwerke entstammen, von einigen Standfiguren abgesehen, hauptsächlich der Sammlung Graimberg und sind zum Teil von hohem Rang. Besonderes Interesse verdient ein großes Tafelbild mit drei Darstellungen aus dem Bilderkreis der Rosenkranzandacht, mittelrheinisch um 1480, Antependium vom ehemaligen Marien-Altar des Dominikanerklosters zu Frankfurt am Main. Ungefähr aus der gleichen Zeit und Gegend herrührend eine Heimsuchung Mariä vor Goldgrund mit Stiftern und Wappen der W Y S VON L Y M P U R G (Abb. 36). Durch einen glücklichen Zufall gelang es, im Jahre 1950 aus dem Kunsthandel das zu diesem Gemälde gehörende Gegenstück mit einer Darstellung von Mariä Tempelgang mit Stifter und dem Wappen derer von Glauburg zu erwerben. Es stellte sich heraus, daß die beiden Tafeln Seitenflügel eines Altars waren, der bei der Eheschließung der beiden Dargestellten gestiftet wurde. Das Mittelstück tauchte noch nicht wieder auf. Da die Ehe der Stifter auseinander ging, gerieten die Seitenflügel in verschiedenen Besitz. - Von den übrigen Gemälden des 15. und 16. Jahrhunderts aus dem Graimberg-Nachlaß sind ferner das Bildnis eines Mannes mit Brief von 1 4 8 4 (JACOPO D E B A R B A R I ? ) in ursprünglichem Rahmen mit Eselsrückenbogen, ein Porträt des Kurfürsten F R I E D R I C H I . (Umkreis von Wertinger) und das Bildnis des ISAEC M I R G E L von L I N D A U (nach Lohmeyer von H A N S K L A U B E R ) hervorzuheben. In den letzten Jahren wurden ein 1 5 2 3 datiertes Männerporträt von P E T E R G E R T N E R , einem der Hofmaler des Pfalzgrafen Ottheinrich, sowie eine Anna Selbdritt-Darstellung des Meisters von Frankfurt hinzu erworben. Als besondere Rarität sind in Vitrinen vier Bände der von M A T T H I A S G E R U N G 1531 mit Miniaturen zur Apokalypse illustrierten alten Bibelhandschrift aus dem Besitz Ottheinrichs zur Schau gestellt. An der Stirnseite des Raumes ist ein durch Spitzbogen abgeteiltes Sondergemach zur heutigen Stätte des Windsheimer Zwölfboten-Altars von T I L M A N R I E M E N S C H N E I D E R hergerichtet (Abb. 33-35). Durch die nach dem letzten Kriege gelungene Identifizierung dieses im Jahre 1861 vom Grafen Graimberg erworbenen Schnitzaltars mit einem als verloren gegoltenen Hauptwerk des Würzburger Meisters von 1509 erhielt das Museum einen besonderen Schwerpunkt. Obschon alter Überlieferung gemäß der Name des großen Künstlers bereits seit jeher damit in Verbindung gebracht worden war, hatte eine um die Mitte des 19. Jahrhunderts vorgenommene Neufassung mit grellbunten Farben und glänzender Vergoldung den ursprünglichen Charakter der Schnitzerei dermaßen entstellt, daß selbst berufene Forscher die Hand Riemenschneiders daran nicht mehr zu erkennen vermochten. Nunmehr förderte eine sorgsame Restaurierung nicht nur dessen meisterliche Arbeit, sondern zugleich auch eine Inschrift auf dem Füllbrett des rechten Flügels zutage, durch die sich das Werk 24
ALTDEUTSCHE ABTEILUNG
ZWÖLFBOTEN-ALTAR VON RIEMENSCHNEIDER
Heilige Notburga, Süddeutsche Glasmalerei (um 1300)
NIEDERLÄNDISCHE GEMÄLDE DES 1 7 . JAHRHUNDERTS (SAMMLUNG POSSELT)
einwandfrei als ein urkundlich belegter Seitenaltar der 1730 abgebrannten Kilianskirche in Windsheim belegen ließ. Die Aufstellung der Figuren des erneuerten Schreines: Christus zwischen den Aposteln Petrus und Andreas und den beiden Doppelgruppen Johannes Thomas (links) und Jakobus der Ältere - Jakobus der Jüngere (rechts) sowie die Rekonstruktion des Postaments sind der spätmittelalterlichen Form angeglichen. Die Figurenreliefs auf den im originalen Zustand erhalten gebliebenen Flügeln zeigen links die Apostel Paulus, Judas Thaddäus und Philippus, rechts Bartholomäus, Matthias (wahrscheinlich Selbstbildnis Riemenschneiders) und Simon (Abb. 33). Auf der Rückseite des rechten Flügelreliefs als einzige ihrer Art eine Entwurfszeichnung des Künstlers für eine tanzende Salome, wahrscheinlich für den Johannes-Altar in München (Abb. 34). Die an den Pfeilern der Scherwände des Saales und seitlich von einigen Gemälden aufgestellten Holzfiguren des 16. Jahrhunderts entstammen zum größten Teil der Stiftung von AUGUST und M I L L Y W O L F F . Eines der bemerkenswertesten Stücke aus dieser Sammlung ist die geschnitzte Ganzfigur eines Knappen. Mit österreichischem Wappen versehen, scheint sie den Bronzestatuen am Maximiliansgrab zu Innsbruck nahe verwandt zu sein (Abb. 38). Eine besonders schöne Heilige Barbara mit alter Fassung, oberrheinisch um 1430, wurde 1950 dem Museum von dem Heidelberger Kaufmann FRANZ LIEBHOLD vermacht (Abb. 32 links). Drei kleine benachbarte Gelasse enthalten als Sehenswürdigkeiten 12 Schlußsteine aus dem ehemaligen Kreuzgang des 1912 auf dem Universitätsplatz ausgegrabenen einstigen Augustinerklosters aus der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, eine Chorgestühlswange aus Kloster Schönau mit Darstellung eines heiligen Ritters von etwa 1490 (Abb. 39), sowie eine sehr seltene Kirchenfensterscheibe, die Heilige Notburga darstellend, süddeutsch um 1300. Gegenüber umfaßt ein planmäßig in verschiedene Kojen unterteilter Raum die erwähnte Gemälde-Sammlung Posselt. In dem 1907 eigens für sie ausgebauten Oberlichtsaal des Westflügels kam diese Sammlung, sehr eng gehängt und durch unschöne Stuckrahmen der Gründerjahre beeinträchtigt, nicht zu der ihr gebührenden kunsthistorischen Geltung. So wurde der Versuch unternommen, durch Unterteilung eines der großen Räume der einstigen Fechthalle in eine Reihe von kleineren Kabinetten die Intimität bürgerlicher Wohnstätten der Holländer des 17. Jahrhunderts annähernd zu erreichen und durch Einlassung der vorwiegend nur noch mit schmalen Leisten umrahmten Bilder in die Hartfaserwände eine Überfüllung zu vermeiden, wie sie sich der testamentarischen Verfügung Posselts gemäß, (wonach alle Bilder in einem Räume vereinigt bleiben sollen) ohne eine solche Hilfsmaßnahme notwendig auch hier hätte ergeben müssen. Die Sammlung, seinerzeit maßgebend durch den sachkundigen Rat WILHELM VON BODES gefördert, enthält zwar keine Werke der führenden niederländischen Meister des 17. Jahrhunderts, doch vermag sie gerade durch das ihr eigene Mittelmaß einen sehr guten Uberblick der verschie25
denen Zweige der Malerei zu bieten, die den Ruhm und die Volkstümlichkeit der Kunst ihrer Epoche ausmachten. So etwa sind aus deren Frühzeit die Landschafter ESAIAS VAN DEN VELDE, J A N VAN GOYEN und ANTONI VAN STRALEN mit kennzeichnenden Arbeiten vertreten, das Bauemstück mit Bildern von DROCHSLOOT, OSTADE und VAN DE VENNE, die Architekturmalerei mit einem Kirchen-Interieur von SAENREDAM, die Rembrandtschule mit biblischen Szenen von W I L L E M DE POORTER und A E R T DE GELDER, das Stilleben durch Kabinettbilder von PIETER CLAESZ, ADRIAENSZ COORTE, CORNELIS DE HEEM, J A N VAN HUYSUM und W I L L E M K A L F , das Seestück durch eine Marine von LUDOLF BACKHUIZEN, die Italianisten durch CLAES PIETERSZ BERCHEM, ABRAHAM STORK und CORNELIS VAN POELENBURGH, die Gesellschaftsmaler durch PIETER CODDE, PIETER VAN SLINGELANDT und GERARD TERBORCH, die Klassizisten vom Ende des Jahrhunderts durch GERARD DE LAIRESSE und HENDRIK VAN L I M BORCH. Von dem aus Heidelberg gebürtigen CASPAR NETSCHER, der später zu den führenden holländischen Gesellschaftsmalern zählte, ist hier ein 1666 datiertes Frühwerk mit Heidelberger Schloßmotiven besonders erwähnenswert (Farbtafel). Es wurde von Lohmeyer in Paris hinzuerworben. Eines der bekanntesten Bilder der Sammlung, ein Maler-Atelier in gotischem Innenraum,bisher TERBORCH zugeschrieben,wurde neuerdings einwandfrei als Schöpfung des ESAIAS BOURSSE, die Örtlichkeit als ein den Künstlern im 17. Jahrhundert zur Verfügung gestelltes Untergelass der Marienkapelle in Nimwegen identifiziert. Einige Bilder italienischer Künstler des 17. und 18. Jahrhunderts (TREVISANI, GUARDI, CANALETTO u.a.) sind, wie die beiden erwähnten Gemälde von Magnasco, an anderen Stellen untergebracht. Es kann nicht Aufgabe des Museums sein, diese in sich geschlossene Sammlung systematisch zu erweitern. Lediglich aus dem Gebiet der vom kurpfälzischen Hof begründeten Kolonie ihres Glaubens wegen ausgewanderter niederländischer Maler in Frankenthal sind nach Möglichkeit kennzeichnende Beispiele heranzuziehen. So gelang die Erwerbung eines großen Gemäldes der ConinxlooSchule (zugeschrieben einer Gemeinschaftsarbeit von CORNELIS MOLENAER und GILLIS MOSTAERT) mit einer Darstellung von Meleager und Atalante auf der Eberjagd in waldiger Landschaft, ferner einer allegorischen Darstellung des Heidelberger Schlosses (Umkreis J A N BREUGHEL d. J . ) und einer PastellZeichnung von J A N MIROU, Neckar-Landschaft mit Blick auf Heidelberg. Im Original nicht mehr nachweisbar, wurde eine qualitätvolle Werkstatt-Wiederholung des Gemäldes von RUBENS, »Susanna und die beiden Alten« nur ausnahmsweise unter besonders günstigen Erwerbsbedingungen als Gegenstück einer in der Größe entsprechenden Jupiter und Antiope-Darstellung von VAN D Y C K angekauft. Eines der seltenen monumentalen Werke des Kölner Barockmalers J O H . W I L H . POTGIESSER, die Anbetung der Könige darstellend (Sammlung Bürcklin-Wolff) bildet im Treppenhaus hierzu eine wertvolle Ergänzung (Abb. 6 ). Den Vorraum des Posselt-Saales schmücken außer einem neuerdings erworbe26
Rudolph Agricola (1443-1485) Philosoph und Humanist
Cosmograph
ftSS'^i'n'ES is.*,. OÀHrH£Oli t . - riöjea ; t -•
Johann Heinrich Hottinga- (1620-1667) Theologe
Heinrich Coccejus (1644-1719) Jurist
Hugo DoneUus (1527-1591) Jurist
nen kleinen Bild von JODOCUS A W I N G H E : »Alegorie auf die Regierung Kaiser R U D O L F S II.« eine monumentale »Vision des Ezechiel« von QUENTIN M A S S Y S d. J., datiert 1560 (Leihgabe aus Privatbesitz), sowie ein Gemälde aus dem Umkreis des französischen Italianisten JACQUES B L A N C H A R D , Herkules und Omphale darstellend, ferner eine sehr schöne Schnitzfigur einer weiblichen Heiligen aus der Schule des J Ö R G Z Ü R N um 1600 (Abb. 9). UNIVERSITÄTS-ABTEILUNG
Wilhelm Xjlander (1532-1576), Graecist
Der Flur und die Räumlichkeiten der Rückfront des Gebäudes werden, zusammen mit einem 1953 dem Museum angegliederten »Bildarchiv zur Universitätsgeschichte«, die Heidelberger Hochschule von ihren Anfängen am Ende des 14. Jahrhunderts bis zu ihrer in der Folge der Reorganisation von 1803 errungenen Weltgeltung durch Bildnisse, Büsten und Dokumente aller Art repräsentieren. Die Erwerbung auch dieser Bestände ist zum großen Teil noch dem Grafen Graimberg zu verdanken. Unter anderem ließ dieser zwischen 1835 und 1843 von dem romantischen Maler Georg Philipp Schmitt 27 PorträtZeichnungen führender Köpfe aus allen Fakultäten anfertigen und räumte ihnen einen Ehrenplatz in seinem Museum ein. »Oft fragt die Neugierde, vielleicht etwas zu voreilig, nach der Ursache, warum man hier die Aufnahme in eine Alterthümerhalle jetzt noch Lebenden zuerkennt, da man solche doch sehen oder irgendwie antreffen und also an ihren Bildnissen eben nichts besonderes besitzen kann«, schrieb er in einer 1847 erschienenen Erklärung zu seiner Sammeltätigkeit. »Wenn aber ein Freund der Künste ehemals auf einen ähnlichen Gedanken kam, ebenfalls in einer Zeit blühender Wissenschaften, unter dem Pfalzgrafen Kurfürsten Karl Ludwig, die Bildnisse der damaligen, durch ihre Gelehrtheit berühmten Professoren der Heidelberger Hochschule auf 27
eben solche Weise wie ich gesammelt und im Jahre 1660 in dem sogenannten »Parnassus Heidelbergensis« in Kupfer gestochen veröffentlicht hat, wer würde jetzt nach hundert sieben und achtzig Jahren nicht begierig seyn, diese Sammlung zu sehen: und wahrlich in einer weit kürzeren Zeit wird man vielleicht noch begierig seyn, wie ein CREUZER, ein PAULUS, ein SCHLOSSER, ein CHELIUS, e i n NÄGELE, e i n PUCHELT u n d TIEDEMANN, e i n MITTERMAIER, e i n ZACHARIÄ
und andere ihrer Collegen ausgesehen haben mögen.« Leider fehlen heute von der einzigartigen Folge, die später zeitweise im Senatssaal der Universität aufgehängt war, gerade einige der hier erwähnten Namen. Die übrigen 22 jedoch haben sich, wenn auch teilweise ein wenig verblaßt, in unverminderter Ausdruckskraft erhalten, in der Mitte eine Bildniszeichnung von Graimberg selbst (Abb. Seite 6 ) . Graimbergs Nachfolger in der Betreuung seines Museums, der Rat Albert Mays, war gleich ihm eine an der Dokumentation der Universitäts-Geschichte hervorragend interessierte Persönlichkeit. Unter den Kunst- und UrkundenSammlungen, die er hinterließ, steht eine große Stich-Kollektion von Bildnissen Heidelberger Professoren aller Zeiten ihrer Bedeutung nach an erster Stelle. In zahlreichen Mappen aufbewahrt, bildete sie einen bisher nur wenig beachteten kostbaren Besitz des 1879 in den Besitz der Stadt übergegangenen Museums. Da K A R L SILLIB, der nach AUGUST THORBECKE, dem bekannten Historiographen der Universität, später nebenamtlich die Leitung der Sammlungen übernahm, Direktor der Universitäts-Bibliothek war, ergab sich nun für ihn die Möglichkeit, auch dort aus den Dubletten jenes Nachlasses von Mays eine Sammlung von Professoren-Bildnissen anzulegen und sie durch Photographien zu erweitern. So bot sich hier zum ersten Mal Gelegenheit, die sehr vielfältigen, künstlerisch und kulturhistorisch außerordentlich interessanten graphischen Bildnisse des 15. bis 18. Jahrhunderts in annähernd umfassender Vereinigung vorzuführen. Dem durchschnittlichen Vorstellungsvermögen müssen die Namen selbst bekanntester Heidelberger Professoren aus der Renaissance- und Barock-Zeit, wie etwa AGRICOLA, SEBASTIAN MÜNSTER, JACOB MICYLLUS, SIMON GRYNÄUS,
Samuel Pufendorf (1632-1664), Jurist
HUGO DONELLUS, PETRUS RAMUS, CASPAR OLEVIANUS, ZACHARIAS URSINUS, JANUS GRUTERUS, PETER V. SPINA, JOHANN HEINRICH HOTTINGER, SAMUEL
und HEINRICH COCCEJUS mehr oder weniger ungreifbar bleiben, solange sie nicht, - möglichst auf dem breiten Hintergrunde jeweils zeitgenössischer Physiognomik und in der visuellen Abfolge ganzer Epochen zur Wirkung kommend, - durch das Bildnis vergegenwärtigt werden können. Der radikale Wandel aller Daseinsverhältnisse im hiesigen Bereich nach der durch den Reichsdeputationshauptschluß besiegelten Phase europäischer Reorganisation unter Napoleon brachte auch für die Heidelberger Universität völlig neue Möglichkeiten mit sich, die von dem greisen Kurfürsten und Großherzog Carl Friedrich ebenso klug und weitblickend erfaßt wurden wie vier Jahrhunderte vorher die Auspizien der Hochschulgründung durch seinen PUFENDORF
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Heinrich E. G. Paulus (1761-1851), Theologe
Friedrich Gundolf (1880-1931), Literarhistoriker Lithographie von Marie Stein-Ranke (1923)
betagten Vorgänger R U P R E C H T I. Die Generation führender Köpfe, die damals aus ganz Deutschland an die Universität der romantisch beschwingten Neckarstadt berufen wurde, bestimmte deren führende Rolle bis in unsere Gegenwart hinein. Unter den erwähnten 27 Professoren aus allen Fakultäten, die Graf Graimberg porträtieren ließ, ist kaum einer, der die Welt nicht um große Erkenntnisse bereichert hätte. In ihrer Mitte befand sich Maximilian Joseph von Chelius. Eine kurz vor seinem Tode (1872) entstandene Photographie seines herrlichen Greisenkopfes (Abb. 41) kennzeichnet zugleich die damit verbundene Problematik physiognomischer Wiedergabe in der Folge der Erfindung des Lichtbildes. Während bis zu deren Auftreten die künstlerische Verarbeitung des Porträts immer noch eine objektivierende Distanz zwischen dem Dargestellten und dem Beschauer mit sich brachte, wird dieser durch Moment-Aufnahmen des Photographen mit dem jeweils Wiedergegebenen unmittelbar konfrontiert und muß bewußt die Tatsache in Betracht ziehen, daß sein absolut lebendig wirkendes Gegenüber das Zeitliche bereits hinter sich gelassen hat. Die in dieser Form versuchte Darbietung eines Querschnittes schöpferischer Bildgestaltung aus sechs Jahrhunderten vor dem Hintergrunde der Heidelberger Universität kann dem damit vertraut Gewordenen deren Eigenart sehr nahe bringen. Wie sich hier aus der konventionell-repräsentativen Auffassung früherer Epochen seit dem allgemeinen Neubeginn um 1800 eine immer freier und persönlicher werdende Kennzeichnung des Gelehrten entwickelte, wie dann der Weg von dem Romantiker Schmitt über F E U E R B A C H , L E N B A C H und A D O L F VON H I L D E B R A N D bis an die Grenzen der Moderne führte und nach dem ersten Weltkrieg von den Heidelberger Professorensöhnen SIEGFRIED CZERNY, W E R N E R G O T H E I N , A R N O L D R I C K E R T u n d F R I T Z HEINSHEIMER
in
einer für die Neckarstadt sehr charakteristischen Weise fortgesetzt wurde, verdient als ein nur ihr gemäßes Phänomen gewürdigt zu werden. Große Persönlichkeiten haben immer und überall das Interesse der Künstler auf sich gelenkt, und manche der an dieser Stelle vorgeführten oder reproduzierten Porträts entstanden an anderen Orten, wohin die Dargestellten als Koryphäen der Wissenschaft berufen worden waren. Ihnen allen jedoch eignet im Ausdruck oder in der Art, sich zu geben, etwas undefinierbar Gemeinsames, das nur demjenigen deutlich wird, der einmal die trotz allen Zeitenwandels nie veränderte Atmosphäre Heidelbergs und seiner Hochschule kennenlernte. Die Neuzeit mit ihren zahlreichen, von hier ausgegangenen Erfindungen und Erkenntnissen hat die geistige Fruchtbarkeit dieser Atmosphäre stärker in den Vordergrund allgemeinen Wissens gerückt als frühere Jahrhunderte. Die Namen CREUZER, T H I B A U T , (Abb. 31) M I T T E R M A I E R , G E R V I N U S , H Ä U S S E R , BUNSEN, H E L M H O L T Z , K U N O F I S C H E R , K U S S M A U L , CZERNY, K R E H L ,
THODE,
C A R L NEUMANN, RICKERT, HAMPE, SALOMON-CALWI, M A X u n d A L F R E D W E B E R , Gustav Radbruch (1878-1949), Strafrechtler Zeichnung von Joachim Lutz (1949)
(Abb.
40)
G O T H E I N , G R A D E N W I T Z , R A D B R U C H , G U N D O L F , L U D W I G CURTIUS
und R Ü S T O W - um nur einige aufzuführen - werden in der ganzen Welt selbst-
verständlich mit Heidelberg verknüpft. Ihnen im Rahmen des Museums gebührende Beachtung zu vermitteln, war daher eine selbstverständliche Pflicht. Der Neuaufbau einer während der letztenjahre ständig erweiterten UniversitätsAbteilung ist im Gange. Die hier reproduzierte Abbildung aus dem Raum der Professoren des späteren 19. und 20. Jahrhunderts (Abb. 40) zeigt noch den jetzigen Zustand in dem für die Aufstellung von Bildwerken des Barockzeitalters vorgesehenen Verbindungsraums des Ostflügels. In drei Sälen des zweiten Stockwerks ist die Malerei der Neuzeit zur Schau gestellt. Es liegt auf der Hand, daß ein Hauptaugenmerk der Museumsleitung auf eine möglichst vielseitige Repräsentation des Schaffens von dem Heidelberger WILHELM TRÜBNER gerichtet sein mußte. So konnten bereits für die Ausstellung zur Feier seines hundersten Geburtstages 1951 eine Reihe von Gemälden und graphischen Arbeiten zur Kennzeichnung der verschiedenen Stadien seiner Entwicklung zu den bis dahin nur vereinzelten Objekten aus seiner Frühzeit hinzuerworben werden. Seitdem kamen unter anderem ein sehr bemerkenswertes Jugend-Selbstporträt von 1871 in Rembrandt-Manier, (Abb. 42) eine Chiemsee-Landschaft von 1889, ein Stift Neuburg-Bild von 1913 (Abb. 44) und das bekannte Ganzfiguren-Bildnis des Sohnes Jörg in Rüstung von 1914 hinzu, so daß im Mittelpunkt dieser Abteilung ein eigener Trübner-Raum besonderes Schwergewicht erhielt. In den benachbarten Kabinetten sind die Vorgänger, Zeitgenossen und Nachfahren des Künstlers mit kennzeichnenden Schöpfungen vertreten. Von Anselm Feuerbach, dessen vorzügliches Bildnis der Mutter von 1867 (Stiftung Bürklin) seit 1917 zu den Sehenswürdigkeiten des Museums gehört (Abb. 43), wurden neuerdings eine Kopie nach dem Münchener Gemälde Samson und Delila von Rubens aus dem Jahre 1848 sowie ein reizvolles Porträt einer Römerin hinzuerworben, von Hans von Marées eine kleine Landschafts-Skizze aus dem Jahre 1857, von HANS CANON ein Bildnis des jungen Trübner, von HANS THOMA ein ganzfiguriges Kinderbild »Ella« (1889), von Lovrs CORINTH ein Kniestück des Schwiegervaters von LEISTIKOW, HENDRIK THORWALD M O R (1900), von GUSTAV SCHÖNLEBER eine Landschaft mit Brücke (um 1900), von M A X SLEVOGT ein Damenbildnis und eine Katzenstudie, von M A X LIEBERMANN eine höchst interessantes Spätwerk, Selbstbildnis des Malers mit Modell im Atelier (um 1930) (Abb. 45). Gehörte die Vervollständigung der zumeist aus den Stiftungen Bürklin-Wolf und Schlösser stammenden Gemälde des späteren 19. Jahrhunderts bereits zu den vordringlichen Aufgaben des Museums - abgesehen von Werken von JOH. WILHELM SCHIRMER, von K A R L R A H L , von den Brüdern OSWALD und ANDREAS ACHENBACH, einer Idealen Landschaft von ARNOLD BÖCKLIN und schließlich von den Heidelbergern BERNHARD FRIES, FAHRBACH und K A R L 30
GEMÄLDE DER ZEIT UM 1 9 0 0
Karl Hampe (1869-1936), Historiker Zeichnung Ton H. Brasch (1921)
ABTEILUNG ZEITGENOSSISCHE KUNST
Melchior Kraus: Wolfgang Amadeus Mozart. Ölskizze (1764)
war diese Epoche nur sehr lückenhaft repräsentiert - , so erwies sich der Neuaufbau einer Abteilung der Kunst des 20. Jahrhunderts nach Trübner erst recht als verpflichtende Notwendigkeit. Eine Universitätsstadt wie Heidelberg muß den in ihr verweilenden zahlreichen jungen Menschen die Handhabe bieten, sich mit der Kunst der Gegenwart vertraut zu machen. Das völlige Fehlen von Beispielen nachimpressionistischer Ausdrucksformen stellte sich hier mehr und mehr als eine empfindliche Lücke heraus, die mit dem Hinweis auf entsprechendes Material in der Mannheimer Kunsthalle keineswegs geschlossen werden konnte. Bei der Vielfalt von Zeugnissen aus allen Stadien geschichtlicher Entwicklung, wie sie gerade das Kurpfälzische Museum aufzuweisen hat, darf dessen Besucher mit Recht erwarten, auch über die Kunst der Gegenwart als Niederschlag des Wesens seiner Zeit hinlänglich unterrichtet zu werden. Bedachtsame Auswahl von Beispielen dieser Kunst, besonders auch auf graphischem Gebiet, wird daher schrittweise vollzogen. Sie wäre jedoch sinnlos, vermöchte sie nicht mit typischen Objekten der Epoche des deutschen Expressionismus dessen grundlegende Bedeutung für das bildnerische Bemühen unserer Tage zu erhellen. Da gerade der südwestdeutsche Raum führende Künstler dieser Epoche wie BECKMANN, H E C K E L , HOFER und HOELZEL beherbergt, erschien es umso gebotener, sie und ihre Zeitgenossen nach Möglichkeit bei Neuerwerbungen zu berücksichtigen. So gelang denn während der letzten 15 Jahre die Zusammenstellung einer zwar kleinen, aber qualitativ bemerkenswerten und als Überblick durchaus bereichernden Kollektion derartiger Kunstwerke. Sie wurde noch in jüngster Zeit durch ein ganzfiguriges Bildnis des mit Heidelberg eng verbundenen Dichters A L F R E D MOMBERT von Karl Hofer sowie durch ein besonders schönes Exemplar der »Rückblickenden« des Bildhauers W I L H E L M LEHMBRUCK (Abb. 47) bereichert, während der Plastiker E D W I N S C H A R F F mit einem recht seltenen expressionistischen Gemälde »Drei Pferde« von 1 9 1 7 und ERNST B A R L A C H mit einer monumentalen Zeichnung »Russische Bäuerin« vertreten ist. Von Adolf Hoelzel, dem deutschen Vorkämpfer abstrakter Kunst, konnte ein interessantes Frühwerk »Mädchen vor der Staffelei« ( 1 9 0 6 ) angekauft werden. H E I N R I C H CAMPENDONCK ist durch zwei Bilder, K A R L SCHMIDT-ROTTLUFF durch ein »Mädchen mit Margeriten« ( 1 9 1 9 ) repräsentiert. Erich Heckel beteiligte sich persönlich an der Stiftung seines Gemäldes »Zirkusreiterin« von 1921. Von Max Beckmann wurde aus Holland ein Spätbild »Der Architekt« von 1944 erworben. Die Abteilung enthält ferner Arbeiten von E M I L N O L D E , ALEXANDER KANOLDT, GEORG SCHRIMPF, JACOBA VAN HEEMSKERK, X A V E R F U H R u.a.m. Ihnen schließen sich diejenigen heutiger Künstler aus Heidelberg: W I L L I B A L D K R A M M , W I L L SOHL, FERDINAND SPRINGER und H A N S N A G E L sowie auswärtiger Maler und Bildhauer an. HAPPEL
Der Abteilung benachbart ist ein kleines Kabinett mit Aquarellen und Zeichnungen aus dem Nachlaß des in Heidelberg wirkenden und verstorbenen 32
LUTZ-KABINETT
Schale der Jungsteinzeit aus Kitchheim'bei Heidelberg
BURGER-GEDÄCHTNISRAUM
VOR- UND FRÜHGESCHICHTLICHE ABTEILUNG
Malers J O A C H I M L U T Z ( 1 9 0 6 - 1 9 5 4 ) (siehe Bildnis Radbruch, S . 2 9 ) ; ferner ein eigener Gedächtnisraum für den zuletzt in Heidelberg lebenden, 1916 gefallenen, bekannten Kunsthistoriker F R I T Z B U R G E R . Seine Angehörigen stellten für diesen Raum vier Gemälde von seiner Hand, Exemplare seiner Bücher und Schriften, Briefe und Dokumente sowie eine Teilstudie von FERDINAND H O D L E R »Mann mit erhobener Schwurhand« für das Monumentalgemälde »Die Einmütigkeit« (1913-1914) im Rathaus zu Hannover zur Verfügung. Eine als Leihgabe der K N O L L AG Ludwigshafen an der Ostseite des Stockwerks untergebrachte pharmazeutische Sammlung enthält unter anderen einen sehr interessanten doppelseitigen Medikamentenschrank des frühen 18. Jahrhunderts, einen reizvoll dekorierten Rezepturtisch der gleichen Zeit mit besonders schönem schmiedeeisernem Aufsatz, zahlreiche wertvolle Fayence- und Porzellangefäße sowie Mörser des 12. bis 18. Jahrhunderts und im Nebenraum ein altes Laboratorium. Im Erdgeschoß des Gebäudes sind vorderhand noch die reichen Bestände des Museums an prähistorischen, römischen und fränkischen Ausgrabungen in Beispielen vorgeführt, wie sie seit über 60 Jahren zutage gefördert wurden und heute noch im Bereich der Neubauten des Universitätsviertels auf dem rechten Neckarufer dauernd zutagetreten (Abb. 48). Während abgesehen von dem in der Eiszeit mehr oder weniger zufällig in das enge Tal südlich des Flusses gelangten Unterkiefer des Homo Heidelbergensis dort bis in historische Zeiten hinein keine menschlichen Siedlungen nachweisbar sind, lassen sich in der weiten Ebene zum Rhein hin fast alle Epochen prähistorischer Entwicklung durch Funde belegen. Insbesondere scheint während der mittleren Jungsteinzeit im Räume von Kirchheim eine Bevölkerung aus dem Rössener Kulturkreis 33
mit bereits ausgeprägten ornamentalen Fähigkeiten seßhaft gewesen zu sein. Der Umfang der römischen Lager und Niederlassungen vom ersten vorchristlichen bis dritten nachchristlichen Jahrhundert in jenem Bereich erweist sich mehr und mehr als einer der bedeutendsten nördlich der Alpen. Leider wurde der große Weihestein einer 1838 in Neuenheim gefundenen Mithräums dem damaligen Großherzog geschenkt und befindet sich heute ebenso im Badischen Landesmuseum zu Karlsruhe wie ein 1893 an der Bergheimerstraße in Heidelberg gefundener monumentaler, abstrakt gestalteter Götterkopf aus der FrühLatène-Zeit. Während der Mithras-Stein selbst mithin hier nur durch einen Gipsabguß repräsentiert werden kann, blieben dem Kurpfälzischen Museum verschiedene kleine Bildwerke der Kultstätte erhalten. Vor ein paar Jahren erwies die Ausgrabung einer originellen Cautes-Figur (Abb. 46) in der Nähe des einstigen Mithräums erneut dessen besondere Bedeutung. Auch von der Besiedlung der Völkerwanderungszeit liegen aus diesem Gebiet zahlreiche bemerkenswerte Fundstücke vor. So etwa ist ein gläsernes fränkisches Trinkhorn als eine Rarität besonderen Ranges hervorzuheben. Es besteht die Absicht, dieser recht bedeutsamen vor- und frühgeschichtlichen Abteilung des Museums binnen kurzem in den erwähnten gewölbten Kellergelassen des Hauptgebäudes eine ihnen gebührend wirkungsvolle Unterkunft zu geben. Ihre jetzige, im Jahre 1950 durchgeführte Aufstellung mit modernen, die Trachten der Römer- und Völkerwanderungszeit illustrierenden Wandmalereien von H O R S T L E M K E entsprach den damaligen räumlichen Möglichkeiten und hat sich trotz der relativen Dichte der hier vereinigten, zum Teil monumentalen Objekte als hinreichend instruktiv bewährt. Die laufenden Ausstellungen, die der Heidelberger Kunstverein in der den Garten des Museums seit 1946 südlich begrenzenden Halle veranstaltet, vermitteln den Kontakt mit dem heutigen Alltag ebenso wie ein vorwiegend der Volkshochschule zur Verfügung stehender Vortragssaal, der neuerdings mit vergrößerten Reproduktionen von Stichen nach Zeichnungen Graimbergs ausgestattet, zur Erinnerung an den Stammvater des Museums den Namen Graimberg-Saal erhielt. Auch die erwähnte Weinstube, die in der warmen Jahreszeit ihren Gästen einen ungewöhnlich schönen Aufenthalt in der Geborgenheit des alten Palais-Gartens mit seinen barocken Denkmälern ( Abb. 3) und der Bronzestatue eines Mädchens von H E R M A N N H A L L E R bietet, kommt dem Einfühlungsvermögen von Gästen aus aller Welt in die Atmosphäre des Hauses ideal entgegen. Ein eigenes städtisches Archiv mit lokalgeschichtlicher Bibliothek ist oberhalb dieses liebenswürdigen Gartenplatzes der römisch-fränkischen Abteilung benachbart. Der hiermit gegebene summarische Überblick der im Kurpfälzischen Museum vereinigten Kunstschätze und Kulturzeugnisse aller Art vermochte das diesem Museum eigene Fluidum ebenso wenig hinreichend zu kennzeichnen wie die außergewöhnlichen Möglichkeiten der Erweiterung seiner Bestände. Vom Musée Carnavalet in Paris abgesehen gibt es kaum eine zweite Heimstätte 34
öffentlicher Sammlungen, die der hiesigen an historischer Aussagevielfalt gleichkäme. Selbst ein Dokument kurpfälzischer Geschichte, beherbergt es die ihm anvertrauten Objekte wie seinesgleichen und bringt besonders die ihm zeitlich entsprechenden in einzigartiger Weise zur Geltung. Leider ist es bisher nicht gelungen, die materiellen und fiskalischen Voraussetzungen für einen diesen Gegebenheiten entsprechenden Ausbau der Schauräume zu schaffen. Solange die Fülle des hier bereits seit Graimberg vorliegenden und heute noch allenthalben erreichbaren Materials nur in gedrängter Enge dargeboten werden kann, muß durch Magazinierungen der ernüchternde Eindruck unorganischer Überhäuftheit sorgsam vermieden werden. Lohmeyer setzte sich daher schon zu seiner Zeit wieder und wieder für eine großzügige Erweiterung der Museumsbaulichkeiten nach Norden zum Neckar hin ein, ohne daß es ihm gelungen wäre, die Stadtverwaltung von der im Sinne Heidelbergs absoluten Notwendigkeit einer nur durch instruktive Breite der Darstellung angemessenen Repräsentation des hier vorhandenen Reichtums an historischen Denkmälern zu überzeugen. Die finanziell bedrängte Lage, in der sich die ehemalige Residenzstadt der kurpfälzischen Landesherren, gerade ihrer Unzerstörtheit wegen, nach 1945 befand, machte es vorderhand immer noch unmöglich, jene Pläne des hochverdienten ersten Museumsdirektors zu verwirklichen. Durch die seit 1956 alljährlich in den weiten Räumen der Ruine des Ottheinrichs-Baues vorgeführten Sommer-Ausstellungen von Kulturbildern aus sämtlichen maßgebenden Abschnitten kurpfälzischer Vergangenheit konnten zwar an jener weltberühmten Stätte um so eindrucksvollere Dokumentationen des hier Bietbaren als Ersatz ausgebreitet werden. Eben sie aber sollten erst recht vor Augen führen, welche eminenten Aufgaben innerhalb seines eigenen Bereichs das Kurpfälzische Museum erfüllen kann, wenn ihm hierfür die notwendigen Ausdehnungsmöglichkeiten gegeben werden. Sie zu erwirken, bleibt unabdingbares Erfordernis der Zukunft.
Gläsernes fränkisches Trinkhora aus Kirchheim (um 600 n. Chr.)
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LITERATURAUSWAHL Benz, Richard: Heidelberg - Schicksal und Geist, Konstanz 1961 Graimberg, Karl von: Die Kupferstiche von Heidelberg und die Alterthümerhalle des Heidelberger Schlosses, Heidelberg 1847 Jensen, Jens Christian: Das Kupferstichkabinett im Kurpfälzischem Museum zu Heidelberg, Ruperto-Carola X V I Jahrgang, 1964, Bd. 36, Seite 109 ff. Leger, Thomas Alfred: Erklärendes Verzeichnis der Denkmäler in der Graimbergischen Altertümersammlung des Heidelberger Schlosses, Heidelberg 1838 (1839, 1843) Lemmens, Gerard Th. M.: Het Capelleken onder de Marienborgse Kerk, Numaga, Jahrgang XII, 1965, Seite 50ff. Lohmeyer, Karl: Kurzer Führer durch das Kurpfälzische Museum der Stadt Heidelberg, Heidelberg 1921 - . - : Heidelberger Maler der Romantik, Heidelberg 1935 - . - : Erinnerungen, Heidelberg 1960, Seite 206ff., 223ff. Mays, Albert: Erklärendes Verzeichnis der städtischen Kunst- und Altertümersammlung zur Geschichte Heidelbergs und der Pfalz im Friedrichsbau des Heidelberger Schlosses, Heidelberg 1881 (1886, 1892) Mugdan, Klaus: Die Gestalt des Grafen Graimberg. Katalog der Ausstellung »Schlösser, Burgen und Ruinen im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses« 1965 Poensgen, Georg: Heidelberg, München - Berlin 1955 - . - : Carl Philipp Fohr und das Café Greco, Heidelberg 1957 - . - : Das Kurpfälzische Museum in Heidelberg, Heidelberg 1963 - . - : (Herausgeber): Goethe und Heidelberg, Heidelberg 1949 - . - : darin: Die Begegnung mit der Sammlung Boisserée in Heidelberg, Seite 145ff. - . - : (Herausgeber): Der Windsheimer Zwölfbotenaltar von Tilman Riemenschneider, München-Berlin 1955, mit Beiträgen von Justus Bier, Max Kantner, Klaus Mugdan, Ottfried Neubecker, Georg Poensgen und Ewald Vetter - . - : (Herausgeber): Ottheinrich. Gedenkschrift zur vierhundertjährigen Wiederkehr seiner Kurfürstenzeit in der Pfalz, Heidelberg 1956 - . - : (Herausgeber): Kataloge der Ausstellungen »Die Heidelberger Universität«, 1953 im Kurpfälzischen Museum sowie: »Johann Wilhelm« (1958), »Ausklang des Barock« (1959) und: »Universität Heidelberg« (1961) im Ottheinrichsbau des Heidelberger Schlosses Sillib, Rudolf: Führer durch die Städtischen Sammlungen in Heidelberg, Heidelberg 1921 Stemper, Annelise: Pfälzer Goldschmiederechnungen im Kammermeister-Rechnungsbuch des Jahres 1661. Ein Beitrag zum Werk Georg Pfründts. Neue Heidelberger Jahrbücher 1952/53, Seite 50 ff. - . - : Der Kampf um die Restitution der Pfalz im Spiegel der Medaillen des Kurfürsten Karl Ludwig. Blätter für Münzkunde und Münzforschung 1954, Seite l f f . - . - : Die Wandteppiche Ottheinrichs in »Ottheinrich« 1956, Seite 141 ff. Wechssler, Sigrid: Das Palais Morass in Seite 361 ff.
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»Goethe und Heidelberg«, Heidelberg 1949,
2. Blick aus der Tordurchfahrt auf den Ostflügel und den Binnenhof und Garten des Museums
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3. Blick aus dem Garten auf den Binnenhof und die Rückfront des Hauptgebäudes. Im Vordergrund eine der originalen Sockelfiguren von den Standbildern Links auf der Alten Brücke (um 1790)
4. Wappen der Familie von Bettendorf (um 1733)
5. Vorhalle des Westflügels mit dem Original der Kornmarktmadonna (um 1718) Im Vordergrund Sockel des Nepomuk-Standbildes (um 1735)
6. Treppenhaus mit »Anbetung der Könige« von Potgießer (um 1670) In der Mitte vorn Jünglingskopf von Verschaffelt (um 1750) 42
7. Jagdwagen und Schlitten des Kurfürsten Carl Theodor (um 1760) im Keller des Hauptgebäudes 43
8. Heiliger Martin und Bettler Holzbildwerk aus dem ehemaligen Armenhaus in der Plöck (um 1700) 44
9. David die Harfe spielend Holzbildwerk von der Orgelempore der Heiliggeistkirche (um 1700) Links: Weibliche Heilige, Umkreis: Jörg Zürn (um 1600)
10. Seidentapetenzimmer mit Schreibsekretär von dem Möbeltischler Engisch (1738) und Abguß der Büste des Kurfürsten Johann Wilhelm von Grupello (um 1700)
11. Kupferstichkabinett aus einem Bürgerhause der Grabengasse (um 1780) 47
12. Jacques Fouquieres Der Hortus Palatinus mit Heidelberger Schloß und Blick auf Stadt und Rheinebene (1619) 48
13. Oberlichtsaal des Westflügels mit großem Gemälde von Gerard Honthorst »Wiederbegegnung des Winterkönigspaares im Elysium« (1629) Links: Heiliger Sebastian, Umkreis: Konrad Link (um 1780) 49
14. Festsaal mit Tonmodell des Carl Theodor-Standbildes auf der Alten Brücke von Konrad Link (um 1786)
15. Stuckdecke in einem Erdgeschoßraum des Ostflügels (Kupferstichkabinett)
16. Kurpfälzische Medaillen des 16. - 18. Jahrhunderts
17. Heidelberger Zunftpokale des 18. Jahrhunderts 53
18. Der Jäger aus Kurpfalz Frankenthaler Porzellangruppe von Johann Gottlieb Lück (um 1760) 54
19. Mosbacher Fayencestücke (um 1780) 55
20. Franz Anton von Leydensdorff Bildnis des Kurfürsten Carl Theodor (1750)
21. Hyacinthe Rigaud Bildnis der Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans (1713) 57
22. Ferdinand Kobell Die Alte Brücke nach dem Eisgang des Neckars im Jahre 1784
23. Peter Ferdinand Deurer: Kronos (1804) Teilstück der Wandmalereien aus dem ehemaligen »Pompejanischen Kabinett« 59
24. Karl Bläser Die Gastfreundschaft. Marmorstatue (1868) Im Hintergrund Rekonstruktion der Sammlung Boisseree
25. Johann Jakob Schlesinger Bildnis des Malers Christian Philipp Koester (um 1840)
26. Rudolph Schadow Marmorbüste der Vittoria Caldoni (1821) 62
27. Rudolph Schadow Bleistiftzeichnung von Carl Philipp Fohr (1818) aus der Folge der Cafe-Greco-Bildnisse 63
28. Joseph Wintergerst Rudolph von Habsburg und der Priester (um 1822) 64
29. Christian Philipp Koester Blick vom Haarlass auf Heidelberg (um 1830) 65
30. Ernst Fries Friedhof an der Peterskirche. Federzeichnung (um 1830) 66
31. Johann Jakob Götzenberger Singabend bei Thibaut. Aquarellierte Zeichnung (um 1830)
32. Altdeutsche Abteilung 68
33. Rechter Flügel des Zwölfbotenaltars von Tilman Riemenschneider Ausschnitt mit den Aposteln Bartholomaeus, Matthias und Simon 69
34. Tanzende Salome. Kreidezeichnung von Tilman Riemenschneider auf der Rückseite des rechten Flügelreliefs vom Windsheimer Zwölfbotenaltar 70
35. Der Windsheimer Zwölfbotenaltar von Tilman Riemenschneider (1509)
36 b. Heimsuchung Mittelrheinisch, Ende 15. Jahrhundert 72
37. Prudentia-Teppich des Pfalzgrafen Ottheinrich (1531)
38. Holzfigur eines Knappen (Ausschnitt) Österreichisch um 1500
39. Ritterfigur aus einer Chorstuhlwange des Klosters Schönau (Ausschnitt) Süddeutsch, Ende 15. Jahrhundert 75
40. Universitäts-Abteilung mit Bildnissen von Max, Marianne und Alfred Weber
41. Maximilian Joseph von Chelius Photographie (1872) 77
45. Max Liebermann: Selbstbildnis im Atelier (um 1930)
46. Cautes aus einem römischen Mithräum (3. Jahrhundert n. Chr.)
47. Aus der Abteilung zeitgenössischer Kunst Edwin Scharff: Pferde (1917) Wilhelm Lehmbruck: Rückblickende (1916) 82
48. Römisch-fränkische Abteilung 84