Das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage: Hintergründe, theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung [1 ed.] 9783428554225, 9783428154227

Die Untersuchung befasst sich mit dem Instrument der Tierschutz-Verbandsklage, das es ausgewählten Klägern zugunsten der

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German Pages 210 Year 2018

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Das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage: Hintergründe, theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung [1 ed.]
 9783428554225, 9783428154227

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Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Band 101

Das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage Hintergründe, theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung

Von Hendrik Stephan Ley

Duncker & Humblot · Berlin

HENDRIK STEPHAN LEY

Das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage

Tübinger Schriften zum Staats- und Verwaltungsrecht Herausgegeben von Christia n Sei ler in Gemeinschaft mit Jochen von Bernstor f f, Michael Droege M a r t i n He c k e l, K a r l -He r m a n n K ä s t n e r, F e r d i n a n d K i r c h h o f H a n s v o n M a n g o l d t , M a r t i n Ne t t e s h e i m, T h o m a s O p p e r m a n n G ü nt e r P ü t t n e r, B a r b a r a R e m m e r t , M i c h a e l R o n e l l e n f i t s c h J o h a n n e s S a u r e r, Wo l f g a n g G r a f V i t z t hu m sämtlich in Tübingen

Band 101

Das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage Hintergründe, theoretische Grundlagen und praktische Umsetzung

Von Hendrik Stephan Ley

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen hat diese Arbeit im Wintersemester 2017/2018 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

D 21 Alle Rechte vorbehalten

© 2018 Duncker & Humblot GmbH, Berlin

Satz: TextFormA(r)t, Daniela Weiland, Göttingen Druck: CPI buchbücher.de GmbH, Birkach Printed in Germany ISSN 0935-6061 ISBN 978-3-428-15422-7 (Print) ISBN 978-3-428-55422-5 (E-Book) ISBN 978-3-428-85422-6 (Print & E-Book) Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706

Internet: http://www.duncker-humblot.de

Meinen Eltern

Vorwort Dieses Buch dient der Veröffentlichung meiner Dissertation, die ich am 14. August 2017 bei der Eberhard Karls Universität Tübingen eingereicht habe. Die Disputation erfolgte am 28. November 2017. Mit Blick auf das vorliegende Buch möchte ich mich zunächst vielmals bei meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Johannes Saurer, LL. M. (Yale), bedanken. Herzlichen Dank für die Annahme als Doktorand, das Interesse an dem Thema der Doktorarbeit, den wertvollen fachlichen Austausch und die auch im Übrigen überaus engagierte Betreuung auf dem Weg zur Promotion sowie für die sehr schnelle Erstellung des Erstgutachtens. Ein herzlicher Dank gebührt daneben Herrn Prof. Dr. Michael Droege für die ebenfalls sehr schnelle Erstellung des Zweitgutachtens. Ein ganz besonderer Dank gilt schließlich meiner Familie und insbesondere meinen Eltern Jutta und Günter Ley. Meinem Vater sei dafür gedankt, dass er die Mühen des Korrekturlesens übernommen hat. Darüber hinaus möchte ich das Vorwort zum Anlass nehmen, um meinen lieben Eltern ganz allgemein für ihre bedingungslose, unermüdliche und vielfältige Unterstützung über all die Jahre und bei all meinen Vorhaben zutiefst zu danken. Ohne sie wäre nicht nur die Realisierung dieses Buchvorhabens nicht möglich gewesen, weshalb ihnen dieses Buch gewidmet ist. München, im Dezember 2017

Hendrik Ley

Inhaltsverzeichnis Einleitung I.

17

Anlass der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19

II. Gang und Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21 III. Beispielhafter Sachverhalt, Problemaufriss und Lösungsansatz . . . . . . . . . . . . . . . . 24 1. Zur Praxis der Legehennenhaltung seit dem Jahr 1988 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 a) Inhalt des sogenannten Legehennen-Urteils . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 b) Verwaltungs- statt verfassungsgerichtlicher Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 25 2. Zum Ausgleich tierschutzrechtlicher Ungleichgewichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 a) Das ungeklärte Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27 b) Das rechtliche Ungleichgewicht im Tierschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32 c) Ausgleichende Wirkung der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . 34 Erster Teil I.

Die Tierschutz-Verbandsklage im sozialen, politischen und ethischen Kontext

35

Zum deutschen Tierschutzverbandswesen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 1. Die besondere Rolle der Tierschutzvereine . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 35 2. Zur Organisation des deutschen Tierschutzverbandswesens . . . . . . . . . . . . . . . . 36 3. Zur Durchschlagskraft von Tierschutzverbänden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 38

II. Die Tierschutz-Verbandsklage in parteipolitischer Projektion . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 1. Die Tierschutz-Verbandsklage im Bundestagswahlkampf . . . . . . . . . . . . . . . . . 39 2. Die exemplarische Debatte in Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 41 3. Das Abstimmungsverhalten der Parteien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 42 III. Bezugnahme auf ausgewählte tierethische Aspekte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 1. Das Tier – der Versuch einer Begriffsbestimmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 43 2. Überblick zu zwei wichtigen tierethischen Positionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 3. Überblick zur moderneren tierethischen Diskussion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 45

10

Inhaltsverzeichnis Zweiter Teil

I.

Die Tierschutz-Verbandsklage vor dem Hintergrund der Geschichte und der Gegenwart des Tierschutzrechts

48

Zur Geschichte des deutschen Tierschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 48 1. Die Entwicklung des deutschen gesetzlichen Tierschutzrechts . . . . . . . . . . . . . . 48 2. Die Entwicklung der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 52

II. Das Spektrum ausgewählter Rechtsdurchsetzungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . 54 1. Tierschutz durch die Eigentümer und Halter von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 a) Tierschützende Tätigkeit von Eigentümern und Haltern . . . . . . . . . . . . . . . . 55 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 aa) Fälle fehlender Eigentumszuordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 bb) Fälle gegenläufiger Interessen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 56 2. Tierschutz durch die Tierärzte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 a) Tierschützende Tätigkeit von Tierärzten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 aa) Unterstützung der Tierschutzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 59 bb) Kontrolle der Tierschutzbehörden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 3. Tierschutz durch die Staatsanwaltschaften . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 a) Tierschützende Tätigkeit von Staatsanwälten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 61 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 aa) Hohe Hürden des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 62 bb) Tierschutz unterhalb der Schwelle des Strafrechts . . . . . . . . . . . . . . . . . 63 4. Tierschutz durch die Tierrechtskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 a) Tierschützende Tätigkeit von Tierrechtskommissionen . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 aa) Die Tierschutzkommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 64 bb) Die Tierversuchskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 65 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 5. Tierschutz durch die Tierschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 66 a) Zur tierschützenden Tätigkeit der Tierschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . 67 aa) Die landesrechtlichen Tierschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 67 bb) Die betrieblichen Tierschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 III. Ausgewählte ausländische Rechtsdurchsetzungsinstrumente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 69 1. Tierschutz-Ombudspersonen nach österreichischem Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . 70 a) Die österreichische Tierschutz-Ombudsperson . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 70

Inhaltsverzeichnis

11

b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 71 2. Tieranwälte in Strafsachen nach Schweizer Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 a) Der Zürcher Rechtsanwalt für Tierschutz in Strafsachen . . . . . . . . . . . . . . . . 72 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 3. „Indirektes Verbandsklagerecht“ nach Schweizer Vorbild . . . . . . . . . . . . . . . . . 73 a) Zur Zürcher Tierversuchskommission . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 74

Dritter Teil3 I.

Die Tierschutz-Verbandsklage als Herausforderung des deutschen Verwaltungsrechts

75

Grundsatz Individualrechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 1. Entscheidung für den subjektiven Rechtsschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 75 2. Zur Schutznormtheorie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77 3. Subjektive Rechte im Tierschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78 4. Exkurs: Subjektive Tierrechte? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79 a) Anknüpfungspunkt für subjektive Tierrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80 b) Zur Beteiligungsfähigkeit von Tieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 aa) Anlass des Verfahrens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81 bb) Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 c) Prozessuale Umsetzung subjektiver Tierrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82 d) Einordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83

II. Ausnahme Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84

Vierter Teil I.

Die Tierschutz-Verbandsklage und ihr verfassungsrechtlicher Rahmen

87

Die Tierschutz-Verbandsklage als ein Verfassungsauftrag? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87 1. Tierschutz in den Landesverfassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 88 2. Pflichten aufgrund der Staatszielbestimmung Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . . 89 3. Freiheiten betreffend die Staatszielbestimmung Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 90 4. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 91

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

12

Inhaltsverzeichnis 1. Zur Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 2. Zum erschöpfenden Gebrauchmachen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 93 3. Zum gerichtlichen Verfahren, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95 4. Zum Tierschutz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 a) Erlass des Tierschutzgesetzes im Jahr 1972 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 96 b) Verschiedene Einführungen im Jahr 1986 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97 c) Ermöglichung eines Schiedsverfahrens im Jahr 1992 . . . . . . . . . . . . . . . . . . 98 d) Befassung mit einem Gesetzesentwurf im Jahr 1997 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 99 e) Gescheiterte Gesetzesinitiative im Jahr 2004 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 100 f) Ablehnung von Gesetzesentwürfen im Jahr 1995 und 2012 . . . . . . . . . . . . . 101 g) Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 102 5. Zur (Nicht-)Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 a) Zur Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 103 aa) Modelle einer Bundes-Tierschutz-Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (1) BT-Drs. 13/3036 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 104 (2) BT-Drs. 13/9323 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 105 (3) BT-Drs. 17/9783 . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 106 bb) Besondere Berücksichtigung von BR-Drs. 157/04 . . . . . . . . . . . . . . . . . 107 (1) § 17 TierSchG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (2) § 18 TierSchG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 108 (3) § 19 TierSchG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 109 (4) § 20 TierSchG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 110 (5) § 20a TierSchG-E . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 b) Anwendbarkeit der Erforderlichkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 111 c) Maßstab der Erforderlichkeitsklausel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 114 d) Prognose zur Erforderlichkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 117 aa) Gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (1) Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 Var. 1 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 118 (2) Erforderlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 119 bb) Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (1) Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 Var. 2 GG . . . . . . . . . . . . . . . . 120 (2) Erforderlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 121 cc) Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (1) Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 Var. 3 GG . . . . . . . . . . . . . . . . . 123 (2) Erforderlichkeit? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 124 e) Zwischenergebnis und Wertung des Ergebnisses . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 125

Inhaltsverzeichnis

13

Fünfter Teil I.

Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene in vergleichender Perspektive

127

Brandenburg – (k)ein Sonderfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 127

II. Bremen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 1. Verbandsklagerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 a) Statthafter Rechtsbehelf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 129 b) Exkurs: Gefährdung von Forschung und Wirtschaft . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 130 aa) Zeitverlust mit dramatischen Folgen? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 131 bb) Feststellungsklage als Schutz vor Verzögerungen? . . . . . . . . . . . . . . . . . 132 cc) Anordnung der sofortigen Vollziehung als Alternative . . . . . . . . . . . . . . 133 c) Ausschlussgründe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 d) Weitere Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 2. Mitwirkungs- und Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 135 3. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 a) Anerkennungsvoraussetzungen als „Filter“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 136 b) Voraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 137 c) Zuständigkeit und Geltungsbereich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 d) Rücknahme und Widerruf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 138 III. Hamburg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 1. Verbandsklagerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 139 2. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 IV. Nordrhein-Westfalen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 140 1. Verbandsklagerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 a) Statthafte Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 141 b) Gegenstände der Verbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142 c) Beschränkungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 143 d) Zulässigkeitsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 144 e) Präklusion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 f) Frist . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 146 2. Mitwirkungs- und Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 a) Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 147 b) Exkurs: Gefahr für berechtigte Geheimhaltungsinteressen . . . . . . . . . . . . . . 149 aa) Gefahr durch Mitwirkungs- und Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . 149

14

Inhaltsverzeichnis bb) Schutz durch das Verwaltungsverfahrensgesetz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 150 cc) Schutz durch die Verwaltungsgerichtsordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 151 c) Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 3. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 152 4. Geltungsdauer . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154

V. Saarland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 1. Verbandsklagerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 154 2. Mitwirkungs- und Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 3. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 155 4. Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter für Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . 156 a) Person der oder des Landesbeauftragten für Tierschutz . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 b) Aufgaben der oder des Landes-Tierschutzbeauftragten . . . . . . . . . . . . . . . . . 156 c) Ehrenamtliche Tätigkeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 VI. Rheinland-Pfalz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 1. Mitwirkungs- und Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 157 a) Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 158 b) Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 2. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 159 3. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 4. Evaluierung und Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 VII. Schleswig-Holstein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161 1. Verbandsklagerecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 2. Mitwirkungs- und Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 3. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 162 VIII. Baden-Württemberg . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 1. Zweck des Gesetzes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 2. Mitwirkungs- und Informationsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163 3. Rechtsbehelfe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 165 4. Gemeinsames Büro . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 5. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 168 6. Ermächtigungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 169

Inhaltsverzeichnis

15

7. Übergangsvorschrift . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 8. Evaluierung und Bericht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 170 IX. Niedersachsen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 1. Mitwirkungsrechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 171 2. Klagerechte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 172 3. Anerkennung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 173 X. Zusammenfassung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 1. Die statthaften Rechtsbehelfe auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 175 2. Die Mitwirkungs- und Informationsrechte auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . 176 3. Die Anerkennungsvoraussetzungen auf Länderebene . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176 4. Bewertung der landesrechtlichen Gesetze . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 177

Sechster Teil I.

Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis – Untersuchung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung

178

Zum Argument der Klageflut . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 178

II. Erfahrungen im Umwelt- und Naturschutzrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 179 1. Zur Umwelt- und Naturschutzverbandsklage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 180 2. Ergebnisse fremder empirischer Untersuchungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181 3. Übertragbarkeit der Ergebnisse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 III. Das Risiko einer Klageflut im Lichte des Prozesskostenrisikos . . . . . . . . . . . . . . . . 184 IV. Prognose zur Klageflut aufgrund einer eigenen Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Ziel der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 2. Vorgehensweise bei der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 3. Auswertung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 a) Auswertung juristischer Datenbanken . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 188 b) Auswertung der Antworten der Verwaltungsgerichte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 189 4. Zusammenfassung und Einordnung der Untersuchung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 192 Zusammenfassung der Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 195 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 198 Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 207

Einleitung Passenderweise schafften die Befürworter des Instruments der Tierschutz-Verbandsklage in Deutschland erstmals in dem Bundesland den Durchbruch, zu dessen Wahrzeichen ein Esel, ein Hund, eine Katze und ein Hahn zählen: Ausgerechnet Bremen, Sehnsuchtsort von vier, als „Die Bremer Stadtmusikanten“ bekannt gewordenen Tieren,1 hat im Jahr 2007 ein „Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine“2 verabschiedet. Bremen war damit das erste Bundesland, das eine Tierschutz-Verbandsklage ermöglichte.3 Anfangs blieb die neue Gesetzeslage in Bremen ohne Wirkung auf das übrige Bundesgebiet. Seit dem Jahr 2013 ist jedoch eine rege Gesetzgebungstätigkeit auf Landesebene zu registrieren. So hat die Tierschutz-Verbandsklage zwischenzeitlich außer in Bremen auch in Hamburg4, Nordrhein-Westfalen5, dem Saarland6, Rheinland-Pfalz7, Schleswig-Holstein8 und in Baden-Württemberg9 sowie in Niedersachsen10 Niederschlag im Landesrecht gefunden. Mehr noch als die geografische Verbindung11 bietet sich das Märchen der Brüder Grimm über die Bremer Stadtmusikanten thematisch als Aufhänger für eine Arbeit 1

Das Märchen „Die Bremer Stadtmusikanten“ ist abgedruckt bei Rölleke, Grimms Märchen. Text. Kommentar, 2. Aufl. 2015, S. 137–140. 2 Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine v. 25.9.2007 (nachfolgend: Brem.TierSchVKG), Brem.GBl. 2007, 455. 3 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (146). 4 Hamburgisches Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine (Hamburgisches Tierschutzverbandsklagegesetz  – HmbTierSchVKG) = Art.  2 des Gesetzes zur Stärkung des Tierschutzes und des Schutzes der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren v. 21.5.2013, Hmb.GVBl. 2013, 247. 5 Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW) v. 25.6.2013, NRWGVBl. 2013, 416. 6 Gesetz Nr. 1810 über das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände (Tierschutzverbandsklagegesetz – TSVKG) v. 26.6.2013 (nachfolgend: Saarl.TSVKG), Saarl.ABl. I 2013, 268. 7 Landesgesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine (TierSchLMVG) v. 3.4.2014 (nachfolgend: RhPf.TierSchLMVG), RhPf.GVBl. 2014, 44. 8 Gesetz zum Tierschutz-Verbandsklagerecht v. 22.1.2015 (nachfolgend: SchlHTierSchVKG), SchlHGVBl. 2015, 44. 9 Gesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen (TierSchMVG) v. 12.5.2015 (nachfolgend: BWTierSchMVG), BWGBl. 2015, 317. 10 Gesetz über Mitwirkungs- und Klagerechte von Tierschutzorganisationen v. 6.4.2017 (nachfolgend: Nds.TierSchVKG), Nds. GVBl. 2017, 108. 11 Zur Lokalisierung führt Uther, Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Entstehung  – Wirkung  – Interpretation, 2. Aufl. 2013, S.  69, aus: „Auch wenn die

18

Einleitung

über die Tierschutz-Verbandsklage an: „Zentrales Thema“ in dem Märchen über die Bremer Stadtmusikanten „ist die Undankbarkeit und Verantwortungslosigkeit des Menschen, die sich gegen seinesgleichen, gegen die Natur oder, wie hier, gegen Tiere richtet“.12 Das Märchen thematisiert die Einstellung des Menschen zur Umwelt, die „einzig an der Arbeits- und Leistungsfähigkeit orientiert [ist]“.13 Diese Kritik scheint heutzutage berechtigter denn je – man denke beispielsweise an das Thema der Massentierhaltung. Doch welche Rolle spielt die Tierschutz-Verbandsklage in diesem Zusammenhang? Das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage dürfte vielerorts noch recht unbekannt sein. Es stellt sich mithin zunächst die Frage, was sich überhaupt hinter dem Begriff der Tierschutz-Verbandsklage verbirgt. Rechtsbegrifflich lässt sich die Frage beispielsweise unter Verweis auf bremisches Tierschutzrecht folgendermaßen beantworten: „Ein nach § 3 anerkannter rechtsfähiger Verein kann, ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen, nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung Klage erheben auf Feststellung, dass Behörden des Landes oder der Stadtgemeinden gegen Vorschriften des Tierschutzgesetzes oder gegen Rechtsvorschriften, die auf Grund des Tierschutzgesetzes erlassen worden sind, verstoßen oder verstoßen haben.“14

Auf den ersten Blick mag dieser Satz unscheinbar wirken. Doch bei genauerer Betrachtung wird deutlich, welch großes Ausrufezeichen dieser Satz im deutschen Tierschutzrecht setzt. Das liegt an einer Wortfolge, die sich so nicht nur in der zitierten Bremer Regelung wiederfindet: Alle Gesetze über Verbandsklagerechte für Tierschutzvereine ermöglichen es den Tierschutzvereinen, „ohne die Verletzung eigener Rechte“ eine Klage zu erheben.15 Wie zu zeigen sein wird, sind dies nach deutschem Recht äußerst bemerkenswerte Regelungen. Nun wurde zwar beispielhaft aufgezeigt, in welchen Worten die Tierschutz-Verbandsklage ihren juristischen Ausdruck findet. Die aufgeworfene Frage, was sich hinter dem Begriff der Tierschutz-Verbandsklage verbirgt, ist allein damit aber noch nicht beantwortet. Welche Idee steckt also hinter der Tierschutz-Verbandsklage? Durch die Tierschutz-Verbandsklage kann das Problem gelöst werden, dass Tiere keinen gesetzlichen Vertreter haben, welcher zu ihrem Vorteil eine Klage Überschrift signalisiert, daß die Tiere Bremer Stadtmusikanten sind oder werden, so scheint die bewußt gewählte Lokalisierung nur ein Stilmittel zu sein, könnte die Glaubwürdigkeit erhöhen oder auf die Tatsache anspielen, daß im Mittelalter Stadtmusikanten in größeren Städten durchaus aufspielten.“ 12 Uther, Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Entstehung – Wirkung – Interpretation, 2. Aufl. 2013, S. 69. 13 Uther, Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Entstehung – Wirkung – Interpretation, 2. Aufl. 2013, S. 69. 14 § 1 Abs. 1 Brem.TierSchVKG. 15 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (730) – Hervorhebung durch den Verfasser.

I. Anlass der Untersuchung

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erheben und so für ihre Interessen eintreten könnte.16 Da Tiere weder für ihre eigenen Interessen, noch für die Beachtung des Tierschutzrechts eintreten können und insoweit auf einen menschlichen Sachwalter angewiesen sind, kann die Tierschutz-Verbandsklage diese systembedingte und naturgegebene Rechtsschutzlücke ausfüllen.17 Um es mit den Worten des Vereins Menschen für Tierrechte auszu­ drücken: Durch die Tierschutz-Verbandsklage könnten anerkannte Tierschutzverbände quasi „als Anwalt der Tiere tierschutzrelevante Entscheidungen von Behörden gerichtlich überprüfen […] lassen“.18 Dies vorweggeschickt, werden nachfolgend Anlass (I.) sowie Gang und Ziel der Untersuchung (II.) vorgestellt. Außerdem wird beispielhaft dargestellt, welcher Sachverhalt einer Tierschutz-Verbandsklage zugrunde liegen könnte und erörtert, welches tierschutzrechtliche Problem die Tierschutz-Verbandsklage lösen könnte (III.).

I. Anlass der Untersuchung Anlass, sich mit der Tierschutz-Verbandsklage auseinanderzusetzen, geben vor allem zwei Gesichtspunkte: Zum einen handelt es sich bei der Tierschutz-Verbands­ klage um eine aktuelle Thematik. Die Tierschutz-Verbandsklage hat auf Landesebene seit dem Jahr 2013 eine auffallend starke Dynamik entwickelt. Zum anderen handelt es sich bei der Tierschutz-Verbandsklage um eine nach wie vor umstrittene Thematik. So umstritten wie das Thema Tierschutz insgesamt ist, passt es ins Bild, dass die Ansichten auch zur Tierschutz-Verbandsklage selbst sehr auseinandergehen.19 Bestes Beispiel für die Aktualität des Themas ist die Entwicklung in Niedersachsen. Denn dort ist gemäß seinem § 4 erst am 21. April 2017 das Gesetz über Mitwirkungs- und Klagerechte von Tierschutzorganisationen vom 6. April 201720 in Kraft getreten. Aktueller Beleg für den anhaltenden Streit über das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage ist die Situation in Nordrhein-Westfalen. Dort wurde im Januar 2017 der Entwurf für ein „Gesetz zur Aufhebung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine NordrheinWestfalen“21 in den Landtag eingebracht. Dies ist überraschend, weil das nord 16

BR-Drs. 157/04, 1. Hager, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – Rechtspolitische Diskussion, NuR 2016, 831. 18 Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V., Tierschutz-Verbandsklage, https://www.tierrechte.de/themen/tierschutz-verbandsklage (Stand: 31.7.2017). 19 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729. 20 Nds.GVBl. 2017, 108. 21 NRWLT-Drs. 16/14017. Der nordrhein-westfälische Ausschuss für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz hatte empfohlen, den Gesetzentwurf zur Aufhebung des TierschutzVMG NRW abzulehnen (NRWLT-Drs. 16/14419). 17

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Einleitung

rhein-westfälische Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine gemäß seinem § 4 ohnehin mit Ablauf des 31.  Dezember 2018 außer Kraft treten wird. Die SPD-, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN- und die PIRATEN-Fraktionen sowie ein fraktionsloser Abgeordneter stimmten gegen den Gesetzesentwurf, wodurch dieser gegen die Stimmen der CDU- und FDP-Fraktion letztlich abgelehnt wurde.22 Die Aktualität des Themas fordert dazu auf, die Rechtslage rund um die Tierschutz-Verbandsklage (weiter) zu klären. Mit Niedersachsen hat mittlerweile das achte Bundesland die Tierschutz-Verbandsklage eingeführt. Es steht zu erwarten, dass weitere Bundesländer die Tierschutz-Verbandsklage einführen werden. So haben SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in ihrer Koalitionsvereinbarung für die Jahre 2016 bis 2021 beispielsweise angekündigt, die Tierschutz-Verbandsklage in Berlin einzuführen.23 Die acht Bundesländer, die bislang noch keine Tierschutz-Verbandsklage eingeführt haben, können von einer geklärten Rechtslage also profitieren. Je klarer die Rechtslage ist, desto einfacher wird die Entscheidung fallen, ob und gegebenenfalls in welcher Ausgestaltung die Tierschutz-Verbandsklage eingeführt werden soll. Der permanente Streit um die Tierschutz-Verbandsklage lädt dazu ein, möglichst viele Streitpunkte auszuräumen. Hiervon profitieren sowohl die Bundesländer, die die Tierschutz-Verbandsklage bereits eingeführt haben (wie Nordrhein-Westfalen, wo man sich dann möglicherweise nicht mehr mit Gesetzen zur Aufhebung des Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzes beschäftigen müsste), als auch die Bundesländer, die die Tierschutz-Verbandsklage einführen möchten. Denn wenn grundsätzliche Streitpunkte beigelegt werden können, kann sich der Gesetzgeber auf die Details, etwa die konkrete Ausgestaltung oder sachgerechte Änderung eines Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzes, konzentrieren. Dass ein rechtswissenschaftliches Bedürfnis für eine eingehende Befassung mit der Tierschutz-Verbandsklage besteht, zeigt sich auch mit Blick auf die neuere Literatur. So wurden unlängst einige Aufsätze veröffentlicht, die sich – wie schon aus den Titeln hervorgeht  – explizit mit der Tierschutz-Verbandsklage beschäftigen: „Die tierschutzrechtliche Verbandsklage  – eine Einführung“24, „Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht“25 und „Die tierschutzrechtliche Verbandsklage  – Rechtspolitische Diskussion“26 sowie „Zu

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NRWLT-Plenarbeschlussprotokoll 16/140, 3. SPD/DIE LINKE/BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Berlin gemeinsam gestalten. Solidarisch. Nachhaltig. Weltoffen. Koalitionsvereinbarung 2016–2021, S. 155, abrufbar unter https://www. berlin.de/rbmskzl/regierender-buergermeister/senat/koalitionsvereinbarung/ (Stand: 31.7.2017). 24 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729–733. 25 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733–741. 26 Hager, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – Rechtspolitische Diskussion, NuR 2016, 831–835. 23

II. Gang und Ziel der Untersuchung

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Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts“27. Die ersten drei Beiträge gehen ausweislich eines Vermerks der Autoren auf deren Vorträge auf einer wissenschaftlichen Tagung über „Die tierschutzrechtliche Verbandsklage“ am 24.6.2016 in Berlin zurück. Die Tagung, an der „Vertreter von Tierschutz- und Tierarztverbänden, Veterinärämtern sowie Vertreter aus Politik und Wissenschaft“ teilnahmen,28 ist selbst ebenfalls ein Beleg dafür, dass einiger Klärungsbedarf betreffend die Tierschutz-Verbandsklage besteht. Dieses Buch soll einen Überblick zu Hintergründen, theoretischen Grundlagen und der praktischen Umsetzung der Tierschutz-Verbandsklage bieten. Im Folgenden wird aufgezeigt, welchen Gang die Untersuchung zu diesem Zweck nehmen wird und welche Ziele mit der Untersuchung im Einzelnen verfolgt werden.

II. Gang und Ziel der Untersuchung Eingerahmt von Einleitung und Zusammenfassung gliedert sich die Arbeit in sechs Teile. Diese sechs Teile spiegeln sich im Untertitel der Arbeit wider. So beschäftigen sich der erste und der zweite Teil zunächst mit Hintergründen zur Tierschutz-Verbandsklage. Der dritte und der vierte Teil befassen sich anschließend mit theoretischen Grundlagen zur Tierschutz-Verbandsklage. Der fünfte und der sechste Teil widmen sich schließlich der praktischen Umsetzung der TierschutzVerbandsklage. In der Einleitung werden nicht nur der Anlass sowie Gang und Ziel der Untersuchung erläutert. Unter III. wird darüber hinaus anhand eines konkreten Sachverhalts veranschaulicht, welche Fälle einer Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis beispielsweise zugrunde liegen könnten. Zudem findet eine Erörterung des der Tierschutz-Verbandsklage zugrundeliegenden Problems statt und es wird erklärt, warum die Tierschutz-Verbandsklage dieses Problem lösen könnte. Dabei findet eine Differenzierung der – im Zusammenhang mit dem Werben für die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage verwendeten – Begriffe „Vollzugsdefizit“ und „rechtliches Ungleichgewicht“ statt. Es soll die Frage beantwortet werden, ob nach derzeitigem Erkenntnisstand zu Recht mit einem Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht und/oder mit einem rechtlichen Ungleichgewicht im Tierschutzrecht für die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage geworben werden kann. Im ersten Teil wird die Tierschutz-Verbandsklage in einen sozialen, politischen und ethischen Kontext eingebettet. Der Abschnitt über den sozialen Kontext dient dazu, das deutsche Tierschutzverbandswesen überblicksartig vorzustellen. Die Vorstellung erfolgt, weil den Tierschutzvereinen im Rahmen der Tierschutz-Verbands 27

Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316–322. 28 Gieseler, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage. Bericht zur wissenschaftlichen Tagung am 24.6.2016 an der Humboldt-Universität zu Berlin, NVwZ 2016, 1462.

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Einleitung

klage eine ganz besondere Rolle zukommt, das Tierschutzverbandswesen in der rechtswissenschaftlichen Literatur aber gleichwohl relativ wenig Aufmerksamkeit erfährt. Es soll die Frage beantwortet werden, warum ausgerechnet den Tierschutzvereinen im Rahmen der Tierschutz-Verbandsklage die Rolle der Kläger zukommen sollte. Der Abschnitt über den politischen Kontext dient anschließend dazu, die politische Stimmung in Deutschland bezüglich der Tierschutz-Verbandsklage einzufangen. In der rechtswissenschaftlichen Literatur werden zwar mitunter die rechtspolitischen Argumente für und wider die Tierschutz-Verbandsklage ausführlich erörtert. Die Frage, welche Parteien für welche Argumente empfänglich sind, erfährt in diesem Zusammenhang aber  – soweit ersichtlich  – keine Beachtung. Es soll daher die Frage beantwortet werden, welche Parteien zu den Gegnern und welche Parteien zu den Befürwortern der Tierschutz-Verbandsklage zu zählen sind. Dadurch wird auch sichtbar, welche Regierungskonstellationen die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage am wahrscheinlichsten machen. Die Bezugnahme auf ausgewählte tierethische Aspekte soll einen interdisziplinären Bezug herstellen und die Darstellung des Kontextes der Tierschutz-Verbandsklage abrunden. Im zweiten Teil wird in den Rechtsrahmen der Tierschutz-Verbandsklage eingestiegen. Die Darstellung beginnt mit einem kurzen Abriss der Geschichte des Tierschutzrechts in Deutschland. Durch die besondere Berücksichtigung der Geschichte der Tierschutz-Verbandsklage wird sodann der Bogen in die Gegenwart geschlagen. Indem die Entwicklung des Tierschutzrechts und der Tierschutz-Verbandsklage in groben Zügen nachgezeichnet wird, soll der Frage nachgegangen werden, wie das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage historisch einzuordnen ist. Daneben wird auf ausgewählte Rechtsdurchsetzungsinstrumente in Deutschland eingegangen und es wird eine Auswahl ausländischer Rechtsdurchsetzungsinstrumente vorgestellt. Auch wenn in der Literatur teilweise schon eine recht ausführliche Auseinandersetzung mit diesen alternativen, beziehungsweise ergänzenden Instrumenten stattfand, darf ein Überblick zu den verschiedenen Rechtsdurchsetzungsinstrumenten auch in dieser Arbeit nicht fehlen. So soll die Frage erörtert werden, ob die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage angesichts der Vielzahl anderer Rechtsdurchsetzungsinstrumente überhaupt einen Mehrwert verspricht. Im dritten Teil findet eine Einordnung der Tierschutz-Verbandsklage mit Blick auf das System des deutschen Verwaltungsrechts statt. In einem ersten Schritt wird der Grundsatz des Individualrechtsschutzes dargelegt, bevor in einem zweiten Schritt auf den Ausnahmecharakter der Verbandsklage eingegangen wird. Die Befassung mit diesen theoretischen Grundlagen soll die Frage beantworten, was das besondere an Instrumenten wie der Tierschutz-Verbandsklage ist. Es soll somit der Frage nachgegangen werden, ob sich die Tierschutz-Verbandsklage problemlos in das deutsche Verwaltungsrecht einfügt, oder ob dieses herausgefordert, oder gar überfordert wird. Im vierten Teil wird der verfassungsrechtliche Rahmen der Tierschutz-Verbandsklage vorgestellt. Denklogisch mag man die verfassungsrechtlichen Ausführungen

II. Gang und Ziel der Untersuchung

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womöglich vor den verwaltungsrechtlichen Ausführungen vermuten. Es wurde aber bewusst eine andere Gliederung für die Arbeit gewählt. Denn die möglichst frühe Vorstellung des verwaltungsrechtlichen Wesens der Tierschutz-Verbandsklage soll dem Verständnis dienen, warum das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage aufgrund seines Ausnahmecharakters besondere Aufmerksamkeit verdient. Zu Beginn des vierten Teils soll der Frage nachgegangen werden, ob womöglich ein verfassungsrechtliches Gebot zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage besteht. Weiter wird im vierten Teil erörtert, wie die Tierschutz-Verbandsklage im Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern einzuordnen ist. Es soll die Frage erörtert werden, ob den Bundesländern und/oder dem Bund die Kompetenz zur Gesetzgebung hinsichtlich der Tierschutz-Verbandsklage zusteht. Während sich die Literatur mit der Frage der Gesetzgebungskompetenz der Bundesländer zur Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage detailliert auseinandergesetzt hat, hat die Frage nach einer entsprechenden Kompetenz des Bundes erstaunlich wenig Aufmerksamkeit erfahren. Der vierte Teil soll daher auch zu einer fachlichen Diskussion über die Bundesgesetzgebungskompetenz anregen. Von der Klärung dieser Rechtsfrage hängt ab, ob die Debatte über die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage zukünftig (auch) auf Bundesebene oder (nur) auf Landesebene zu führen ist. Im fünften Teil  wird die Ausgestaltung der bereits in Kraft getretenen Tier­ schutz-Verbandsklage-Gesetze auf Länderebene näher untersucht. Durch eine chronologische Herangehensweise soll ein Vergleich von jüngeren mit älteren landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzen ermöglicht werden. Die detaillierte Betrachtung soll Aufschluss über die konkrete Ausformung der einzelnen Gesetze liefern. Sofern es sich anbietet, wird auf die Zweckmäßigkeit einzelner landesrechtlicher Regelungen näher eingegangen. Darüber hinaus sollen manche der Regelungen zum Anlass genommen werden, um in ihrem Kontext ausgewählte, mit der Tierschutz-Verbandsklage einhergehende Probleme zu erörtern. Eine abschließende gröbere Betrachtung soll die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Landesrechts übersichtlich zusammenfassen. Zwar wurden in der Literatur in jüngerer Zeit zum Teil  ebenfalls Gemeinsamkeiten und Unterschiede der verschiedenen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze herausgearbeitet und teilweise einzelne Landesgesetze detaillierter betrachtet. Es fehlt aber bislang an einer übersichtlichen, chronologischen und detaillierten Betrachtung aller Landesgesetze. Eine solche Betrachtung soll diese Arbeit leisten. Im sechsten und letzten Teil wird die Rechtsprechungspraxis zu Tierschutz-Verbandsklagen auf Länderebene untersucht. Die Untersuchung soll Erkenntnisse zur Nutzung (= Anzahl) und zum Nutzen (= Erfolgsquote) der Tierschutz-Verbandsklage liefern. So soll die Frage beantwortet werden, ob das regelmäßig gegen die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage angeführte Argument einer zu befürchtenden „Klageflut“ stichhaltig ist.

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Einleitung

III. Beispielhafter Sachverhalt, Problemaufriss und Lösungsansatz An dieser Stelle wird zunächst anhand eines ausgewählten Sachverhalts veranschaulicht, welche Fälle einer Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis beispielsweise zugrunde liegen könnten. Die Wahl fiel auf einen Sachverhalt aus der Praxis der Legehennenhaltung seit dem Jahr 1988, der bereits Gegenstand eines bundesverfassungsgerichtlichen Urteils war, aber theoretisch auch ein Verwaltungsgericht im Rahmen einer Tierschutz-Verbandsklage hätte beschäftigen können (1.). Anschließend wird erörtert, warum die Tierschutz-Verbandsklage das Problem des rechtlichen Ungleichgewichts im Tierschutzrecht lösen könnte (2.).

1. Zur Praxis der Legehennenhaltung seit dem Jahr 1988 Es fragt sich, welche Sachverhalte nach der Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage verlangen könnten. Dies soll anhand eines konkreten Beispiels veranschaulicht werden. Mitunter wird bei der Argumentation zugunsten der Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage das sogenannte Legehennen-Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1999 angesprochen.29 Auf besagtes Urteil soll auch in dieser Arbeit eingegangen werden. Bei der Lektüre des verfassungsgerichtlichen Urteils mag die Auswahl desselben zunächst überraschen. Denn die Tierschutz-Verbandsklage spielt darin gar keine Rolle. Das Urteil wurde gleichwohl ausgewählt, um nach einer Vorstellung seines Inhalt (a)) aufzeigen zu können, warum eine Notwendigkeit für verwaltungsgerichtlichen neben dem verfassungsgerichtlichen Tierschutz besteht (b)). Nebenbei wird durch die Darstellung der Umstände der früher praktizierten Legehennenhaltung deutlich, welches Ausmaß Tierleid in der Praxis annehmen kann. Dies wiederum mag verdeutlichen, warum es notwendig ist, über Instrumente wie die Tierschutz-Verbandsklage nachzudenken. a) Inhalt des sogenannten Legehennen-Urteils Das Bundesverfassungsgericht hatte in seinem Urteil30 aufgrund eines Antrags der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen auf abstrakte Normenkontrolle über die Vereinbarkeit der Hennenhaltungsverordnung31 mit dem Grundgesetz zu entscheiden. Das Bundesverfassungsgericht kam dabei unter anderem zu dem Ergebnis, dass die überprüften Vorschriften der Hennenhaltungsverordnung bezüglich des Platzbedarfs im Käfig sowie des Zugangs zum Futtertrog nicht mit den 29

S. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. BVerfG Urt. v. 6.7.1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1. 31 Verordnung zum Schutz von Legehennen bei Käfighaltung (Hennenhaltungsverordnung) v. 10.12.1987, BGBl. I 1987, 2622. 30

III. Beispielhafter Sachverhalt, Problemaufriss und Lösungsansatz

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Vorgaben der tierschutzgesetzlichen Ermächtigung vereinbar seien: „Mit beiden Bestimmungen [§ 2 Abs. 1 Nr. 2 S. 1 und § 2 Abs. 1 Nr. 7 S. 1 HS 1 Hennenhaltungsverordnung] werden die gemäß § 2 a Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Nr. 1 und § 1 TierSchG in eine Rechtsverordnung einzustellenden Belange des ethisch begründeten Tierschutzes über die Grenze eines angemessenen Ausgleichs zurückgedrängt, wie ihn das Tierschutzgesetz dem Verordnungsgeber aufgetragen hat“.32 Angesichts der Körpermaße ausgewachsener Legehennen von im Durchschnitt 47,6 x 14,5 x 38 cm und der in der Verordnung festgelegten Mindestfläche des Käfigbodens von 450 qcm sowie unter Berücksichtigung der gängigen Haltung von vier bis sechs Hennen in einem Käfig sei „ein ungestörtes gleichzeitiges Ruhen der Hennen, d. h. eine Befriedigung ihres Schlafbedürfnisses“ sowie eine artgemäße gleichzeitige Nahrungsaufnahme nicht möglich.33 Nachdem in dem angeführten Urteil eine unzulässige Einschränkung der Grundbedürfnisse der Tiere (namentlich Schlaf, Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme) festgestellt wurde, musste das Bundesverfassungsgericht nicht mehr darüber entscheiden, ob die in der Hennenhaltungsverordnung vorgesehene Käfigbodenfläche und damit einhergehende Beschränkungen artgemäßer Bewegungsmöglichkeiten zu Schmerzen, vermeidbaren Leiden oder Schäden im Sinne des Tierschutzgesetzes führen.34 An gleicher Stelle ließ das Bundesverfassungsgericht offen, „[o]b daneben auch weitere artgemäße Bedürfnisse wie insbesondere das Scharren und Picken, die ungestörte und geschützte Eiablage, die Eigenkörperpflege, zu der auch das Sandbaden gehört, oder das erhöhte Sitzen auf Stangen durch die in § 2 Abs. 1 und 2 HHVO getroffenen Regelungen über die Käfighaltung unangemessen zurückgedrängt werden“. Gleichwohl lässt sich feststellen, dass das Bundesverfassungsgericht „unter Bezugnahme auf die Mitteilung der EU-Kommission dem zuständigen Bundesministerium für die künftige Verordnungsgebung detaillierte Vorgaben gestellt [hat]“.35 Das Legehennen-Urteil mag „von allgemeiner Bedeutung für die Auslegung des Tierschutzgesetzes“ sein.36 Doch inwiefern lässt sich ein Bezug des verfassungsgerichtlichen Urteils zur Tierschutz-Verbandsklage herstellen? b) Verwaltungs- statt verfassungsgerichtlicher Tierschutz Man kann davon ausgehen, „dass bei Bestehen einer Tierschutz-Verbandsklage die Käfigbatteriehaltung von Legehennen durch die Verwaltungsgerichte zu einem sehr viel früheren Zeitpunkt für gesetzwidrig erklärt worden wäre, denn der vom 32

BVerfG Urt. v. 6.7.1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 (37). BVerfG Urt. v. 6.7.1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 (38). 34 BVerfG Urt. v. 6.7.1999 – 2 BvF 3/90, BVerfGE 101, 1 (38). 35 Maisack, Rechtspolitische Konsequenzen aus dem Legehennenurteil des BVerfG, ZRP 2001, 198 (203). 36 So Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 2 Rn.12. 33

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Einleitung

BVerfG angewendete § 2 Nr. 1 ist schon seit 1972 in Kraft“.37 Wie sich aus § 10 der Hennenhaltungsverordnung38 ergibt, war diese bereits seit dem 1. Januar 1988 in Kraft. Das heißt, dass seit 1988 bis zum Erlass des Legehennen-Urteils im Jahre 1999 eine Verordnung angewendet wurde, die nicht mit dem Tierschutzgesetz vereinbar war. Diese sachliche Feststellung erfährt eine gewisse Dramatik, wenn man sich vor Augen führt, was das in der Praxis bedeutet: Aus dem Tierschutzbericht von 1999 (Bericht über den Stand der Entwicklung des Tierschutzes) geht hervor, dass in der Legehennenhaltung Ende 1996 deutschlandweit über 42 Millionen Tiere gezählt werden konnten.39 Im Jahr 1997 lebten knapp 90 % der Hennen in einem Käfig.40 Es erscheint angesichts dieser Zahlen nicht als maßlos übertrieben, wenn Tierschutzvereine beklagen: „Viele hundert Millionen Hühner wurden seit 1987 in Käfigen gequält, obwohl diese von Anfang an gegen unser Tierschutzgesetz verstoßen haben“.41 Dies bringt zum Ausdruck, dass Tierleid in der Praxis ein immenses Ausmaß annehmen kann. Damit ist aber noch nicht gesagt, warum eine Tierschutz-Verbandsklage erforderlich sein sollte, obwohl die Hennenhaltungsverordnung letztlich doch auch ohne Tierschutz-Verbandsklage durch das Bundesverfassungsgericht für unvereinbar mit dem Tierschutzgesetz erklärt wurde? Zunächst wird vonseiten der Tierschutzvereine behauptet, dass diese – wäre es ihnen möglich gewesen, eine Tierschutz-Verbandsklage zu erheben – womöglich schon den ersten auf eine Hennen-Käfighaltung zielenden Stallbau letztlich zum Gegenstand eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gemacht hätten.42 Auch in der Literatur wird teilweise davon ausgegangen, dass existierende Tierschutz-Verbandsklagemöglichkeiten dazu geführt hätten, dass die Legehennenhaltung in Käfigbatterien bereits deutlich früher von einem Verwaltungsgericht als gesetzwidrig beurteilt worden wäre.43 Abgesehen von der zeitlichen Komponente ist vor allem Folgendes zu berücksichtigen: Abstrakte Normenkontrollanträge, die gemäß Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG einen „Antrag der Bundesregierung, einer Landesregierung oder eines Viertels der Mitglieder des Bundestages“ voraussetzen, werden außerdem nicht oft gestellt.44 37

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. BGBl. I 1987, 2623. 39 BT-Drs. 14/600, 23. 40 BT-Drs. 14/600, 23. 41 Baumgartl-Simons, Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis, https://www.tierrechte.de/ themen/tierschutz-verbandsklage/die-tierschutz-verbandsklage-in-der-praxis (Stand: 31.7.2017), unter Verweis auf Legebatterien und die sogenannte Kleingruppenhaltung, die ebenfalls Gegenstand einer abstrakten Normenkontrolle war (BVerfG, Beschl. v. 12.10.2010 – 2 BvF 1/07, BVerfGE 127, 293). 42 Baumgartl-Simons, Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis, https://www.tierrechte.de/ themen/tierschutz-verbandsklage/die-tierschutz-verbandsklage-in-der-praxis (Stand: 31.7.2017). 43 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 44 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 38

III. Beispielhafter Sachverhalt, Problemaufriss und Lösungsansatz

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Würde man die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage mit Verweis auf die Möglichkeit von abstrakten Normenkontrollen zurückweisen, so würden gerichtliche Kontrollen zugunsten des Tierschutzes stets von den politischen Konstellationen abhängen. Ob eine Bundes- oder Landesregierung oder ein Viertel der Mitglieder des Bundestages stets die Möglichkeit der abstrakten Normenkontrolle sucht, um Tierschutz durchzusetzen, erscheint mindestens fraglich. Nicht selten dürften Regierungen von einer solch einseitigen Positionierung aufgrund entgegenstehender Interessen, etwa der Wirtschaft oder der Forschung, Abstand nehmen und sich auch im Bundestag nicht das erforderliche Quorum finden. Zudem sind auch Fälle denkbar, die  – anders als die Hennenhaltungsverordnung – nicht zum Gegenstand eines verfassungsgerichtlichen Verfahrens gemacht werden können. Dies leitet über zu einem grundlegenden Problem des Tierschutzrechts, das im Folgenden samt Lösungsansatz erörtert wird.

2. Zum Ausgleich tierschutzrechtlicher Ungleichgewichte Wie sogleich gezeigt wird, fallen im Zusammenhang mit der Tierschutz-Verbandsklage häufig die Worte „Vollzugsdefizit“ und „rechtliches Ungleichgewicht“. Soweit ersichtlich, gibt es keine allgemeingültige Definition von einem Vollzugsdefizit im Bereich des Tierschutzrechts. Im Kontext des Umweltschutzrechts wurde das Vollzugsdefizit beschrieben als „der nicht-konforme Vollzug“45, was sich auch auf das Tierschutzrecht übertragen lässt. In dieser Arbeit wird unter einem Vollzugsdefizit daher verstanden, dass die zuständigen Behörden die einschlägigen tierschutzrechtlichen Normen nicht oder nicht richtig und mithin nicht konform anwenden. Im Rahmen des nun folgenden Problemaufrisses wird Wert darauf gelegt, zwischen einem Vollzugsdefizit (dazu a)) und einem rechtlichen Ungleichgewicht (b)) zu unterschieden. Unter (c)) wird sich zeigen, warum die Tierschutz-Verbandsklage die Lösung des erörterten Problems sein könnte. a) Das ungeklärte Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht Teilweise wird in der Literatur die größte Schwachstelle im Tierschutz „weniger im materiellen Recht, also in den Geboten, Verboten, Erlaubnisvorbehalten und Ermächtigungsnormen des Tierschutzgesetzes, als vielmehr in deren mangelhaftem Vollzug“ gesehen.46 Die Tierschutz-Verbandsklage habe im Tierschutzrecht auch deshalb eine Schlüsselfunktion, weil sie „eine entscheidende Voraussetzung“ zur Behebung des Vollzugsdefizits sei.47 Die Einführung der Tierschutz-Verbands 45

Mayntz, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik. Empirische Untersuchung der Implementation von Gesetzen im Bereich der Luftreinhaltung und des Gewässerschutzes, 1978, S. 2. 46 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a GG Rn. 43. 47 Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 50.

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Einleitung

klage könne „zu einer effektiveren Umsetzung des im Tierschutzgesetz normierten materiellen Schutzniveaus in der Praxis führen, ohne dieses Schutzniveau selber zu verändern“.48 Hauptursache der vor allem vollzugsbedingten Schwäche des Tierschutzrechts (wie des Umweltrechts) sei, dass die durch das Tierschutzrecht geschützten Tiere mangels Rechtsfähigkeit nicht selbst für die Einhaltung des Tierschutzrechts sorgen können.49 Angesichts der Vollzugsdefizite erscheine es notwendig, anerkannten Tierschutzvereinen eine Verbandsklage zu ermöglichen.50 In der Literatur wird von Befürwortern der Tierschutz-Verbandsklage der Eindruck vermittelt, dass Tiere „in besonderem Maße auf menschliche Fürsprecher und Treuhänder angewiesen sind, die in die Lage versetzt werden müssen, diese Interessen und die (untechnisch gesprochen) Rechte der Tiere nicht nur beratend, sondern notfalls auch klageweise geltend zu machen“.51 Dieser Eindruck wird in der Literatur allerdings nicht von allen geteilt. So wird kritisiert, dass ein „prinzipielles Mißtrauen gegenüber den Genehmigungsbehörden“ nicht begründet werde.52 Es werden die Fragen aufgeworfen: „Wie kommt der Gesetzgeber denn eigentlich darauf, daß die Tierschutzbehörden nicht nach Gesetz und Recht entscheiden? Wo ist denn irgendein Nachweis dafür, daß die Genehmigungsbehörden die Tierschutzbelange vernachlässigten?“53 Einerseits könnte man diesen Fragen die Rahmenbedingungen des tierschutzrechtlichen Vollzugs entgegenhalten. Diese würden eine etwaige tatsächliche Vernachlässigung von Tierschutzbelangen zwar nicht akzeptabel, aber fast verständlich erscheinen lassen:54 So kann der Nachweis tierschutzrechtlicher Verstöße für die zuständigen Behörden unter Umständen sehr aufwendig sein und es erscheint zumindest denkbar, dass im Ermessen der Behörde stehende Entscheidungen über 48

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. Kloepfer in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, GG, Ordner 6  – Art.  20a  – 24 (Stand: 184. Aktualisierung 2017), Art. 20a Rn. 103 (Stand: 116. Aktualisierung 2005). 50 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a GG Rn. 43, wonach sich das Tierschutz-Verbandsklagerecht an den §§ 63, 64 BNatSchG orientieren solle. 51 So Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91 unter Hinweis auf den Umstand, dass „die Tiere ihre Lebens- und Wohlbefindensinteressen nicht selbst artikulieren können“. 52 Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre 2004, 256 (258), dessen Kritik sich ausgehend von einem Gesetzesentwurf, der im Jahr 2004 dem Bundesrat vorlag, auf den Gesetzgeber bezieht. 53 Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre 2004, 256 (258). 54 Vgl. Mayntz, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik. Empirische Untersuchung der Implementation von Gesetzen im Bereich der Luftreinhaltung und des Gewässerschutzes, 1978, S. 2, die im Zusammenhang mit dem Umweltschutzrecht unter anderem zu bedenken gibt: „Schließlich sind beim Vollzug etwa auftretende Mängel unter bestimmten finanziellen, technischen und informationellen Bedingungen kaum vermeidbar und können insofern zumindest den Vollzugsbehörden nicht zum Vorwurf gemacht werden.“ 49

III. Beispielhafter Sachverhalt, Problemaufriss und Lösungsansatz

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die Sanktion tierschutzrechtlicher Verstöße aufgrund dienstlicher Abhängigkeiten nicht immer frei von politischen Einflüssen sind.55 Außerdem „ist relativ unstrittig, dass die derzeitige finanzielle und personelle Ausstattung der amtlichen Überwachung im Bereich Lebensmittel, Fleischhygiene, Verbraucherschutz sowie Tierseuchen und Tierschutz häufig unzureichend ist“.56 Auch finden sich Zahlen zur Kontrolldichte, die auf ein Kontrolldefizit schließen lassen. Dazu ein Beispiel aus der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung: Das Kontrollsystem ist zwar „wirksam organisiert“,57 die Kontrolldichte ist aber als „eher niedrig“ zu beurteilen, wenn man berücksichtigt, dass „2012 bei den hauptsächlich in Deutschland gehaltenen Nutztierarten zwischen 2,0 % und 9,1 % aller nutztierhaltenden Betriebe kontrolliert [wurden]; Ausreißer waren die wenigen Betriebe mit Straußenvögeln (13,7 %) und Pelztieren (45,2 %)“.58 Diese Zahlen lassen aber höchstens ein Kontrolldefizit vermuten, belegen aber kein Vollzugsdefizit. Die Frage nach einem Nachweis für eine Vernachlässigung von Tierschutzbelangen durch die Genehmigungsbehörden wird dadurch, wie auch durch schwierige Rahmenbedingungen der Vollzugsbehörden, nicht befriedigend beantwortet. Verschiedene Ausführungen lassen vermuten, dass es im Tierschutzrecht tatsächlich ein Vollzugsdefizit geben könnte. So werden etwa vom Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft als Beispiel für Probleme bei der Durchsetzung von missachtetem Recht die nur ausnahmsweise zulässigen, aber wohl regelmäßig durchgeführten und von den Behörden tolerierten, nicht-kurativen Eingriffe (also „operative und schmerzhafte Manipulationen an Tieren, die dem Zweck dienen, das Management zu erleichtern, 55 Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung. Gutachten, 2015, S.  251, http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Gut achtenNutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017). 56 Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung. Gutachten, 2015, S. 253, http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Gutachten Nutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017). 57 Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Jahresbericht 2012 der Bundesrepublik Deutschland zum mehrjährigen nationalen Kontrollplan nach Verordnung (EG) Nr.  882/2004, 2013, S.  72, http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/ 01_Lebensmittel/06_mnkp_dokumente/mnkp_Jahresbericht_2012.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017). 58 Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung. Gutachten, 2015, S. 250, http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Gutach tenNutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017), unter Bezugnahme auf Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Jahresbericht 2012 der Bundesrepublik Deutschland zum mehrjährigen nationalen Kontrollplan nach Verordnung (EG) Nr.  882/2004, 2013, http://www.bvl.bund.de/SharedDocs/Downloads/01_Lebensmittel/06_ mnkp_dokumente/mnkp_Jahresbericht_2012.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017), s. dort S. 73 f.

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Einleitung

das Risiko für Verletzungen von Tieren und Menschen zu vermindern oder bestimmte Produktqualitäten […] zu erreichen“)59 bei landwirtschaftlichen Nutztieren angeführt.60 Als Beispiel für einen mangelhaften Vollzug wird in der Literatur auch auf die Praxis des Betäubens und Schlachtens in Geflügelschlachtereien verwiesen: Obwohl nach dem Tierschutzgesetz und der Tierschlachtverordnung darauf zu achten ist, bei „den Tieren beim Betäuben und Schlachten ‚nicht mehr als unvermeidbare Aufregung‘ zu verursachen“,61 würden Vögeln durch die Betäubung mittels eines stromführenden Wasserbads „Schmerzen, Stress und Leiden zugefügt“, die durch andere Verfahren verhindert oder jedenfalls drastisch verringert werden könnten.62 Auch Titel rechtswissenschaftlicher Arbeiten wie „Das Qualzuchtverbot. Ein Beispiel für das Vollzugsdefizit im deutschen Tierschutzrecht“63 legen nahe, dass im Tierschutzrecht ein Vollzugsdefizit auszumachen ist. So wird etwa behauptet: „Das Qualzuchtverbot wird trotz seines erheblichen Anwendungsbedarfs in der Praxis nicht angewendet und vollzogen. Die übrigen Vorschriften des TierschutzG finden in vergleichbarer Weise wenig Anwendung.“64 Doch selbst wenn man davon ausgehen möchte, dass das Qualzuchtverbot tatsächlich ein Beispiel für ein tierschutzrechtliches Vollzugsdefizit ist; ein fundierter, empirischer Beleg für ein Vollzugsdefizit als generelles, gravierendes Problem des Tierschutzrechts ist nicht ersichtlich. Trotz der angerissenen und ähnlicher Ausführungen zum Vollzugsdefizit bleibt es dabei: Ein etwaiges rechtliches Vollzugsdefizit auf dem Gebiet des Tierschutzrechts ist bis heute nicht hinreichend sozial-empirisch erforscht,65 weshalb eine belastbare Aussage zum Vollzugsdefizit

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Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung. Gutachten, 2015, S. 98, http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/Gutachten Nutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017). 60 Wissenschaftlicher Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung. Gutachten, 2015, S. 251 und allgemeiner zu Problemen betreffend nicht-kurative Eingriffe S. 98–100, http://www. bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/GutachtenNutztierhaltung. pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017). 61 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a Rn. 43 unter Verweis auf §§ 4, 4a TierSchG, § 3 TierSchlV. 62 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, EU-Tierschlacht-VO Einf. Rn. 34; dies., Rn. 33 f., mit näheren Ausführungen und weiteren Nachweisen zur Betäubung von Hühnern und Puten in stromführenden Wasserbädern. 63 Tropitzsch, Das Qualzuchtverbot. Ein Beispiel für das Vollzugsdefizit im deutschen Tierschutzrecht, 2007. 64 Tropitzsch, Das Qualzuchtverbot. Ein Beispiel für das Vollzugsdefizit im deutschen Tierschutzrecht, 2007, S.  255; dies., S.  259, behauptet: „Das Vollzugsdefizit stellt bis heute das Grundproblem im gesamten Tierschutzrecht dar.“ 65 S. schon Schlacke, Verbandsklagen im Umwelt- und Verwaltungsrecht, in: Welti, Rechtliche Instrumente zur Durchsetzung von Barrierefreiheit, 2013, S. 105; dies. kam schon im Jahr 2008 zu einem entsprechenden Ergebnis (s. Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz. Phänomenologie und Systematik überindividueller Klagebefugnisse im Verwaltungs- und Gemein-

III. Beispielhafter Sachverhalt, Problemaufriss und Lösungsansatz

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und gegebenenfalls seinem Ausmaß im Tierschutzrecht schwer fällt. Anders als in anderen Rechtsbereichen, wie beispielsweise auf den Gebieten der Luftreinhaltung oder des Gewässerschutzes,66 gibt es noch keine entsprechend umfangreiche empirische Untersuchung des Vollzugs des Tierschutzrechts. Es ist nicht ausreichend belegt, ob und gegebenenfalls auf welchen Gebieten des Tierschutzrechts und in welchem Umfang ein Vollzugsdefizit zu beklagen ist. Die trennscharfe Argumentation mit dem Begriff des Vollzugsdefizits fällt auch deshalb schwer, weil sich hinter einem Vollzugsdefizit „ein vielschichtiges Problem“67 verbirgt. In diesem Zusammenhang kann auf das Tierschutzrecht übertragen werden, was für den Bereich des Umweltschutzes zu bedenken gegeben wurde: „Die Mängel der Umweltqualität können zudem eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen auch außerhalb des Gesetzesvollzugs haben, so z. B. eine fehlende, lückenhafte oder ungeeignete gesetzliche Regelung.“68 Vor der Verwendung des Begriffs des Vollzugsdefizits sollte daher auch im Tierschutzrecht stets kritisch hinterfragt werden, ob Tierschutzbehörden geltende Gesetze nicht, beziehungsweise nicht korrekt anwenden, oder ob eine gesetzliche Regelung fehlt, lückenhaft oder schlicht ungeeignet ist, um Tierwohlinteressen zu schützen. Doch selbst wenn im Tierschutzrecht ein Vollzugsdefizit vorliegen würde, müsste dieses von außergewöhnlichem Ausmaß sein, um es als Argument für die Einführung einer Tierschutz-Verbandklage anführen zu können. Denn: Vollzugsdefizite bestehen mutmaßlich auf allen Gebieten der Verwaltung, „ohne dass auch für diese Bereiche eine Einführung von Informations-, Beteiligungs- und Klagerechten zugunsten spezifischer Interessenorganisationen für sachgerecht gehalten wird“.69

schaftsrecht, insbesondere am Beispiel des Umweltrechts, 2008, S. 512 und dort Fußnote 292). Auch in der Zwischenzeit hat eine entsprechende Untersuchung soweit ersichtlich nicht stattgefunden. 66 S. dazu Mayntz, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik. Empirische Untersuchung der Implementation von Gesetzen im Bereich der Luftreinhaltung und des Gewässerschutzes, 1978. 67 So im Kontext des Umweltschutzes Mayntz, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik. Empirische Untersuchung der Implementation von Gesetzen im Bereich der Luftreinhaltung und des Gewässerschutzes, 1978, S. 2. 68 Mayntz, Vollzugsprobleme der Umweltpolitik. Empirische Untersuchung der Implementation von Gesetzen im Bereich der Luftreinhaltung und des Gewässerschutzes, 1978, S. 2. 69 Schlacke, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Mitwirkungsrechten für Tierschutzvereine in Nordrhein-Westfalen. Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Drucksache 14/1432, NRWLT-Stellungnahme 14/0604, 15 = Anhang SchlHLT-Umdruck 16/1850; dies., 14 f., weist mit weiteren Nachweisen darauf hin, dass Vollzugsdefizite verschiedene Ursachen haben und dass Verbandsklagen „allenfalls einen Beitrag zu ihrer Beseitigung liefern [können], ohne dass selbst dieses empirisch bislang nachgewiesen ist“.

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Einleitung

b) Das rechtliche Ungleichgewicht im Tierschutzrecht Wie soeben dargelegt, eignet sich das ungeklärte Vollzugsdefizit im Tierschutzrecht nach derzeitigem Erkenntnisstand eher weniger zur Argumentation für die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage. Die Befürworter der Tierschutz-Verbandsklage sollten sich bis zur Klärung der tierschutzrechtlichen Vollzugssituation daher auf ein anderes Argument konzentrieren: Die Einführung der TierschutzVerbandsklage ist wünschenswert, „[d]a die Buchstaben des Gesetzes bekanntermaßen nur so viel wert sind, wie ihre gerichtliche Durchsetzungsmöglichkeit.“70 Zwischen einklagbaren Tiernutzerinteressen und den nicht einklagbaren Tier­ belangen besteht ein rechtliches Ungleichgewicht.71 Dieses rechtliche Ungleich­ gewicht lässt sich wie folgt veranschaulichen: Gegen eine behördliche Anordnung, beispielsweise zur Beseitigung festgestellter Verstöße und zur Verhütung künftiger Verstöße im Sinne von § 16a TierSchG, steht dem adressierten Tierhalter der Gang durch bis zu drei Instanzen offen.72 Zunächst kann ein Tierhalter regelmäßig per Anfechtungswiderspruch die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsakts begehren, § 68 Abs. 1 S. 1 VwGO.73 Hat der Widerspruch keinen Erfolg, so kann der Tierhalter versuchen, den Verwaltungsakt mit einer Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, abzuwehren.74 Für die Anfechtungsklage ist in erster Instanz das Verwaltungsgericht sachlich zuständig, § 45 VwGO. Hat die Anfechtungsklage vor dem Verwaltungsgericht keinen Erfolg, so ist in zweiter Instanz die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts beim Oberverwaltungsgericht möglich, § 46 Nr. 1 VwGO. Hat die Berufung vor dem Oberverwaltungsgericht ebenfalls keinen Erfolg, so ist die Revision gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts vor dem Bundesverwaltungsgericht denkbar, § 49 Nr. 1 VwGO in Verbindung mit § 132 VwGO. Daneben kann unter Umständen gleichfalls über mehr als eine Instanz eine Entschädigungsklage angestrengt werden.75 Vergleichbar ist die Lage, wenn ein Tierhalter sich nicht gegen eine behördliche Anordnung zur Wehr setzt, sondern für sein Vorhaben die Erteilung einer erforderlichen Genehmigung erreichen will.76 Nach dem regelmäßig vorgelagerten77 erfolglosen Verpflichtungswiderspruch, § 68 Abs. 2, Abs. 1 VwGO, steht dem Tierhalter 70 Obergfell, Ethischer Tierschutz mit Verfassungsrang. Zur Ergänzung des Art. 20 a GG um „drei magische Worte“, NJW 2002, 2296 (2298). 71 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art.  20a GG Rn.  43, Einf. Rn. 91. 72 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 73 Vgl. Dolde/Porsch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 68 Rn. 4 (Stand: 27. EL 2014). 74 Vgl. Pietzcker in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 42 Abs. 1 Rn. 1 und 6 (Stand: 17. EL 2008). 75 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 76 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 77 S. Dolde/Porsch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd.  I (Stand: 32. EL 2016), § 68 Rn. 7 (Stand: 27. EL 2014).

III. Beispielhafter Sachverhalt, Problemaufriss und Lösungsansatz

33

auch für eine Verpflichtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, der erwähnte Instanzenzug offen. Sowohl in der Anfechtungs-, als auch in der Verpflichtungssituation kann ein Tiernutzer seine Interessen also hartnäckig verfolgen. Demgegenüber kann niemand gegen die Untätigkeit der Verwaltung mittels Rechtsbehelf vorgehen.78 Naturgemäß können zunächst Tiere ihre Interessen nicht selbst zum Ausdruck bringen und die Vorschriften zum Schutz der Tiere können – anders als die ihnen entgegenstehenden Rechte von Tiernutzern und Tierhaltern – verfahrensrechtlich auch sonst von niemandem geltend gemacht werden.79 Angesichts des rechtlichen Ungleichgewichts der Tierinteressen auf der einen und der Tiernutzerinteressen auf der anderen Seite „droht eine teilweise Entwertung der tierschutzrechtlichen Bestimmungen“.80 Das Ungleichgewicht in verfahrensrechtlicher Hinsicht lässt befürchten, dass materiell-rechtliche „Abwägungen auch dort zu Lasten des Tierschutzes ausgehen, wo nach der Gesetzeslage eigentlich anders entschieden werden müsste“.81 Es kann angenommen werden, dass „[d]er Weg des geringsten Widerstands“ bei den Tierschutzbehörden von vornherein vorgezeichnet ist, weil nur dann eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Behördenentscheidung droht, wenn die Entscheidung Rechte von Tiernutzern beeinträchtigt.82 Zu bedenken ist, dass die Veterinärämter bei tierschutzrechtlichen Entscheidungen einem Interessenkonflikt ausgesetzt sind.83 Da die Behörden einem „einseitigen interessenorientierten Druck“ ausgesetzt sind und ein „einseitige[s] Prozessrisiko“ besteht, kann sich dies bei der Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe zum Nachteil der Tiere auswirken.84 Auf den ersten Blick scheinen die Begriffe „Vollzugsdefizit“ und „rechtliches Ungleichgewicht“ das Gleiche zu beschreiben. Sie sind im Kontext des Tierschutzrechts jedenfalls auch eng miteinander verwoben.85 So wird beispielsweise behauptet, dass das Ungleichgewicht in Vollzugsdefizite mündet.86 Dies klingt zwar nachvollziehbar, ist aber – soweit ersichtlich – nicht bewiesen. Mit dem rechtlichen Ungleichgewicht allein lässt sich nach derzeitigem Stand deshalb zutreffender und unproblematischer argumentieren. Für die Tierschutz-Verbandsklage kann man 78

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 80 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381). 81 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 82 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 499. 83 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a GG Rn. 43. 84 BR-Drs. 157/04, Anlage, 6 f. 85 S. Hager, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage  – Rechtspolitische Diskussion, NuR 2016, 831 (832), der bezüglich der Verknüpfung von „Vollzugsdefizit-Argument“ und „Ungleichgewichts-Argument“ auf Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91 verweist. 86 Hager, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – Rechtspolitische Diskussion, NuR 2016, 831 (832). 79

34

Einleitung

verallgemeinern, was Schlacke bezüglich eines Entwurfs für ein „Gesetz zur Einführung von Mitwirkungsrechten für Tierschutzvereine in Nordrhein-Westfalen“87 konstatierte: „Der vorliegende Entwurf ist mithin als Beitrag zur Beseitigung der rechtlich bedingten Durchsetzungsschwäche des Tierschutzes zu verstehen und entspricht insoweit funktional vergleichbaren Instrumenten im Naturschutz- und Umweltrecht. Hierauf sollte die Gesetzesbegründung gestützt werden, nicht aber auf das umstrittene Vollzugsdefizit.“88 c) Ausgleichende Wirkung der Tierschutz-Verbandsklage Die Tierschutz-Verbandsklage gleicht das Ungleichgewicht „in dem Dreieck ‚Tiernutzer, Behörde und Tier‘“ aus.89 Durch die Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage kann zwischen den Nutzern von Tieren, den Behörden und den Tieren selbst ein verfahrensrechtliches Gleichgewicht hergestellt werden.90 Sie sorgt für „die erforderliche Waffengleichheit im dreipoligen Verhältnis zwischen Tiernutzern, Behörde und den zu schützenden Tieren“.91 Oder, mit anderen Worten: Durch die Tierschutz-Verbandsklage könnte erreicht werden, dass nicht nur zu viel, sondern auch zu wenig Tierschutz gerichtlich überprüfbar wird.92 Tierschutz-Verbandsklagen hätten außerdem eine präventive Wirkung, die „zu einer sorgfältigeren Verwaltungstätigkeit führen und so die Anlässe für Klagen verringern“ würde.93 Da die Entscheidungen der Tierschutzbehörden von tierschutz­ rechtlicher Seite aus „weder verfahrensrechtlich erzwungen noch einer nachträglichen Kontrolle durch unabhängige Gerichte unterworfen werden“ können, mangelt es ohne Tierschutz-Verbandsklage aus tierschutzrechtlicher Sicht „an einem Drohpotential, das die in einen gleichmäßigen rechtsstaatlichen Normenvollzug gesetzten Erwartungen an die Behörden verstetigen helfen könnte“.94

87

NRWLT-Drs. 14/1432. Schlacke, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur Einführung von Mitwirkungsrechten für Tierschutzvereine in Nordrhein-Westfalen. Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, Drucksache 14/1432, NRWLT-Stellungnahme 14/0604, 15 = Anhang ­SchlHLTUmdruck 16/1850. 89 Hager, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – Rechtspolitische Diskussion, NuR 2016, 831 (832). 90 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 91 Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 51. 92 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 93 BR-Drs. 157/04, Anlage, 10 f. 94 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 499. 88

Erster Teil1

Die Tierschutz-Verbandsklage im s ozialen, politischen und ethischen Kontext Ab dem zweiten Teil der Arbeit liegt der Fokus auf rechtswissenschaftlichen Gesichtspunkten der Tierschutz-Verbandsklage. Zuvor wird die Tierschutz-Verbandsklage in diesem ersten Teil in einen sozialen (I.), politischen (II.) und ethischen Kontext (III.) eingeordnet.

I. Zum deutschen Tierschutzverbandswesen Der Abschnitt über den sozialen Kontext der Tierschutz-Verbandsklage wird dazu genutzt, das deutsche Tierschutzverbandswesen überblicksartig vorzustellen. Der Umstand, dass den Tierschutzvereinen im Rahmen der Tierschutz-Verbandsklage eine besondere Rolle zukommt (1.), wurde zum Anlass genommen, sich etwas näher mit der Organisation des deutschen Tierschutzverbandswesens (2.) und der Durchsetzungsfähigkeit der Tierschutzverbände (3.) zu beschäftigen. So soll die Frage beantwortet werden, ob die Rolle der Kläger mit den Tierschutzvereinen gut besetzt ist.

1. Die besondere Rolle der Tierschutzvereine Dem deutschen Tierschutzverbandswesen wird in diesem Abschnitt besondere Aufmerksamkeit zuteil, weil die Tierschutzvereine im Rahmen der TierschutzVerbandsklage aus gleich zwei Gründen eine besondere Rolle spielen. Ohne dem fünften Teil der Arbeit zu sehr vorgreifen zu wollen, sei zunächst schon an dieser Stelle erwähnt, dass alle bestehenden landesrechtlichen Tierschutz-VerbandsklageGesetze jeweils Tierschutzvereine als potentielle Kläger vorsehen. So ist für die Anerkennung als klageberechtigter Verein stets erforderlich, dass der Verein1 „nach seiner2 Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Tier 1 Im Saarland können neben Vereinen auch Verbände und Stiftungen anerkannt werden, § 3 Abs. 1 S. 1 Saarl.TSVKG; in Baden-Württemberg können neben Tierschutzvereinen auch Stiftungen anerkannt werden, § 5 Abs. 1 S. 1 BWTierSchMVG; in Niedersachsen ist von „Tierschutzorganisationen“ die Rede, § 3 Abs. 1 S. 1 Nds.TierSchVKG. 2 Im Saarland findet sich die Formulierung „nach der Satzung“, was eine unbedeutende redaktionelle Abweichungen darstellt.

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1. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage im Kontext

schutzes fördert“.3 Allein die Tatsache, dass den Tierschutzvereinen im Rahmen der Tierschutz-Verbandsklage die (Haupt-)Rolle des Klägers zukommt, verlangt nach einer näheren Auseinandersetzung mit den Tierschutzvereinen. Aber auch, weil die Tierschutzvereine zu den stärksten Befürwortern der Tierschutz-Verbandsklage gehören,4 erscheint ein näherer Blick auf die Tierschutzvereine angezeigt.

2. Zur Organisation des deutschen Tierschutzverbandswesens Im 19. Jahrhundert begann die bis heute anhaltende Bewegung, dass Menschen Tierschutzvereinen beitraten, um sich zusammen dem Tierschutz zu widmen.5 Initiator für den ersten Tierschutzverein in Deutschland war Albert Knapp, der 1837 in Stuttgart den Verein zur Verhinderung der Tierquälerei gründete.6 So wie in dem Fall des Pfarrers Knapp, dem „Vater des deutschen Tierschutzgedankens“, waren es auch in weiteren Städten oft evangelische Geistliche, die eine Tierschutzorganisation gründeten.7 Teilweise haben sich die Tierschutzvereine auf bestimmte Tiere oder besondere Ziele spezialisiert.8 Durch den Zusammenschluss von Tierschutzvereinen sind Verbände hervorgegangen, auch auf Bundesebene, in Europa und der Welt.9 Aufgabe der Tierschutzverbände ist es vor allem, „Missstände im Umgang mit Tieren aufzudecken sowie Vollzugsdefizite und Rechtsschutz kritisch zu bewerten“.10 Als bedeutendster nationaler Verband ist wohl der Deutsche Tierschutzbund e. V. zu nennen. Dieser wurde 1881 gegründet und war als Dachverband der deutschen Tierschutzvereine und Tierheime gedacht.11 Der Deutsche Tierschutzbund e. V. hat 3

S. § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Brem.TierSchVKG, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 HmbTierSchVKG, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TierschutzVMG NRW, § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Saarl.TSVKG, § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 RhPf.TierSchLMVG, § 3 Abs. 1 Nr. 1 SchlHTierSchVKG und § 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BWTierSchMVG. S. auch den ganz ähnlich formulierten § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Nds.TierSchVKG. Auf die weiteren Voraussetzungen der Anerkennung wird im fünften Teil der Arbeit näher eingegangen. 4 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733. 5 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 15. 6 Alzmann, Zur Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen, 2016, S.  31; Teutsch, Tierversuche und Tierschutz, 1983, S. 21; Tierschutzverein Stuttgart und sein Tierheim, Mehr als 175 Jahre Tierschutz in Stuttgart und Württemberg, http://stuttgarter-tierschutz.de/? cat=2&sub=2 (Stand: 31.7.2017). 7 Ennulat/Zoebe, Das Tier im neuen Recht, 1972, I Rn. 9. 8 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 15. 9 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 15. 10 Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (317); dies. sieht Tierschutzverbände als „wichtige Akteure, um die Rechte der Tiere in Politik und Zivilgesellschaft wahrzunehmen“, an. 11 Deutscher Tierschutzbund e. V., Tierschutz mit Herz und Verstand. Jahresbericht 2015, S. 5, https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Organisation/Jahresbericht. pdf (Stand: 31.7.2017).

I. Zum deutschen Tierschutzverbandswesen

37

es sich unter anderem zur Aufgabe gemacht, dass alle Tiere unversehrt und artgerecht leben können und zwar „im Privathaushalt, in der Wirtschaft, der Forschung und wo immer der Mensch mit Tieren Umgang hat“.12 Der Deutsche Tierschutzbund e. V. ist in 16 Landesverbände untergliedert und ihm gehören insgesamt über 740 örtliche Tierschutzvereine mit mehr als 550 vereinszugehörigen Tierheimen und Auffangstationen an.13 In der Summe zählt der Deutsche Tierschutzbund e. V. über 800.000 Mitglieder, was ihn zur größten Tier- und Naturschutzdachorganisation von Europa macht.14 Der Deutsche Tierschutzbund e. V. ist aber nicht die einzige tierschützende Organisation in Deutschland.15 Als weiterer tierschützender Verband sei beispielhaft der Bundesverband Tierschutz e. V. genannt. Die 1962 gegründete Tierschutz-Dachorganisation vereinigt fast 50 Tierschutzvereine und etwa 4.000 Mitglieder sowie Förderer.16 Insgesamt erscheint das Tierschutzverbandswesen komplex. So stößt man bei Recherchen nach den Verbandsstrukturen und bei der Suche nach einem übergeordneten Dachverband im Tierschutz beispielsweise auch auf den Deutschen Naturschutzring. Bei diesem handelt es sich um einen 1950 gegründeten Dachverband, in welchem „sich knapp 90 Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen, Natursportorganisationen, Erzeugerverbände, Stiftungen und Institute [versammeln], die rund 10 Millionen Menschen erreichen“.17 Ein Gesamt-Dachverband nur für Tierschutzorganisationen ist in Deutschland aber nicht ersichtlich. Es ist davon auszugehen, dass dies auch so bleibt. Denn schon vor über 50 Jahren wurde über die Vor- und Nachteile eines Gesamtverbandes nachgedacht,18 ohne dass seither ein Gesamtverband gegründet worden wäre. Die komplexen Verbandsstrukturen werfen die Frage auf, wie durchsetzungsstark die deutschen Tierschutzverbände sind. Hierauf wird im Folgenden eingegangen.

12 Deutscher Tierschutzbund e. V., Seit 1881 Kampf für die Wehrlosen, S.  1, https://www. tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Broschueren/Seit_1881_Kampf_fuer_ die_Wehrlosen.pdf (Stand: 31.7.2017). 13 Deutscher Tierschutzbund e. V., Tierschutz mit Herz und Verstand. Jahresbericht 2015, S. 5, https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Organisation/Jahresbericht. pdf (Stand: 31.7.2017). 14 Deutscher Tierschutzbund e. V., Tierschutz mit Herz und Verstand. Jahresbericht 2015, S. 5, https://www.tierschutzbund.de/fileadmin/user_upload/Downloads/Organisation/Jahresbericht. pdf (Stand: 31.7.2017). 15 S. schon Stolting/Zoebe, Das Tier im Recht. Ein Handbuch für alle Tierschutzfragen, 1962, S. 146. 16 Bundesverband Tierschutz e. V., Tätigkeitsbericht und Finanzbericht 2015, S. 4, http://www. bv-tierschutz.de/uploads/Geschäftsbericht_2015_web.pdf (Stand: 31.7.2017). 17 Deutscher Naturschutzring (DNR), Leitbild des Deutschen Naturschutzrings, S. 2, https:// www.dnr.de/fileadmin/Der_DNR/Leitbild___Grundsatzprogramm/DNR_Leitbild.pdf (Stand: 31.7.2017). 18 S. Stolting/Zoebe, Das Tier im Recht. Ein Handbuch für alle Tierschutzfragen, 1962, S. 146.

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1. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage im Kontext

3. Zur Durchschlagskraft von Tierschutzverbänden Im Kontext des Naturschutzrechts wurde festgestellt, dass Verbände nicht staatlich beeinflusst sind und „über fachlich qualifizierte und interessierte Mitarbeiter bis hinein in die örtliche Ebene konkretes (auch historisches) Wissen um die Problematik eines Vorhabens [besitzen]“.19 Diese Stärke scheint auch dem vorgestellten Deutschen Tierschutzbund e. V. und den zugehörigen Tierschutzvereinen zuzukommen. Denn ihnen wurden von der Literatur in der Vergangenheit zahlreiche Erfolge bescheinigt.20 Die Arbeit des Deutschen Tierschutzbund e. V. sei „schlagkräftig und erfolgreich“, ohne dass dabei „unmögliche Forderungen“ gestellt oder „utopische Wünsche“ geweckt würden.21 An dieser lang zurück liegenden Einschätzung kann heute noch festgehalten werden. Von den Tierschutzvereinen, die gewisse (im Fünften Teil noch zu erörternde) Anerkennungsvoraussetzungen erfüllen, ist „eine von Engagement und Sachkenntnis geprägte Prozessführung zu erwarten“.22 Blickt man in die Geschichte zurück, so lässt sich sagen, dass es sehr mit dem steigenden Einfluss von Tierschutzvereinen zusammenhing, dass überhaupt selbstständige tierschutzrechtliche Vorschriften erlassen wurden.23 Der Einsatz von Menschen in Tierschutzorganisationen war „für die Durchsetzung des Tierschutzgedankens im positiven Recht ganz wesentlich von Bedeutung“.24 Dass dies auch in der Gegenwart noch so ist, zeigt sich beispielsweise an der Entstehungsgeschichte des ersten deutschen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzes in Deutschland. In Bremen kam es seinerzeit zu einem Bürgerantrag mit dem Titel „Klagerecht für den Tierschutz“ und dem Inhalt: „Die Bürgerschaft (Landtag) möge die Einführung eines Klagerechts für Tierschutzvereine beschließen, mit dem Ziel, Tiere im Land Bremen besser vor Verstößen gegen das Staatsziel Tierschutz im Grundgesetz und in der Bremischen Landesverfassung, das Tierschutzgesetz und nachgeordnete Rechtsvorschriften zu schützen“.25 Dieser von circa 14.600 Bremerinnen und Bremern durch ihre Unterschrift unterstützte Bürgerantrag ging auf den Bremer Tierschutzverein e. V. zurück.26 Die Tierschutzvereine verstehen es also offensichtlich, Bürger zu mobilisieren und Stimmung für tierschutzrechtliche Anliegen zu machen. Ungeachtet der komplexen Verbandsstrukturen sind die Tierschutzverbände und die ihnen zugehörigen Tierschutzvereine also als sehr 19 Sening, Eigenwert und Eigenrechte der Natur?, NuR 1989, 325 (329), der zu dieser Einschätzung im Zusammenhang mit privaten Naturschutzorganisationen kommt. 20 Stolting/Zoebe, Das Tier im Recht. Ein Handbuch für alle Tierschutzfragen, 1962, S. 146. 21 Stolting/Zoebe, Das Tier im Recht. Ein Handbuch für alle Tierschutzfragen, 1962, S. 146. 22 BR-Drs. 157/04, Anlage, 8. 23 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 260. 24 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 260. 25 Brem.LT-Drs. 16/1356. 26 Brem.LT-Drs. 17/39 (zu Drs. 16/1356 und 16/1389), 4.

II. Die Tierschutz-Verbandsklage in parteipolitischer Projektion 

39

durchsetzungsstark einzuschätzen. Die Rolle der Kläger im Rahmen der TierschutzVerbandsklage ist mit den Tierschutzvereinen also gut besetzt. In diesem Zusammenhang soll ein weiterer Aspekt nicht unerwähnt bleiben: Es erscheint sinnvoll, den privaten Einsatz zur Durchsetzung von Gemeinwohlbelangen zuzulassen, weil dadurch „zugleich ein wichtiger Impuls für die Stärkung der Zivilgesellschaft gesetzt und ein Beitrag für die partizipatorische Demokratie geleistet“ wird.27 Das öffentliche Interesse hinsichtlich eines effektiven Tierschutzes kann durch „[d]ie Mandatierung von Verbänden, die sich durch ihren Sach- und Fachverstand besonders empfehlen“ unterstützt werden.28

II. Die Tierschutz-Verbandsklage in parteipolitischer Projektion Der Umstand, dass die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene teilweise eingeführt wurde, „zeigt, dass von Seiten der Politik grundsätzlich ein Interesse besteht, sich für die Belange des Tierschutzes einzusetzen“.29 Fraglich ist in diesem Zusammenhang, welche der etablierten Parteien empfänglich für die Idee der Tierschutz-Verbandsklage sind. Eine Antwort hierauf vermittelt der Blick auf die Wahlprogramme der beiden letzten Bundestagswahlkämpfe (1.), die Debatte in einem ausgewählten Landesparlament (2.) und das Abstimmungsverhalten in einigen der Bundesländer, die die Tierschutz-Verbandsklage bereits eingeführt haben (3.). Diese Einblicke werden die Frage beantworten, welche Parteien tendenziell zu den Gegnern und welche Parteien zu den Befürwortern der Tierschutz-Verbandsklage zählen. Zugleich lässt sich anhand des Ergebnisses ableiten, welche Regierungskoalition die Tierschutz-Verbandsklage – soweit noch nicht geschehen – wohl am ehesten einführen würde.

1. Die Tierschutz-Verbandsklage im Bundestagswahlkampf Einen ersten Eindruck, wie die Parteien in Deutschland zur Tierschutz-Verbands­ klage stehen, vermittelt ein Blick in die Wahlprogramme zu den Bundestagswahlen 2013 und 2017. Ausgewählt wurden die Wahlprogramme von CDU/CSU, FDP, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und von der Partei DIE LINKE. Die CDU/CSU ging in ihrem Regierungsprogramm aus dem Jahr 2013 zwar darauf ein, wie sie die Umwelt schützen möchte, beschäftigte sich dabei aber nicht 27 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (384). 28 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (384). 29 Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (322).

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1. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage im Kontext

mit der Tierschutz-Verbandsklage.30 Auch 2017 hat sich dies nicht geändert. CDU und CSU behandeln in ihrem Regierungsprogramm zwar den Umwelt- und Klimaschutz, nicht aber die Tierschutz-Verbandsklage.31 Die FDP ging unter dem Programmpunkt des Umwelt-, Natur- und Klimaschutzes 2013 zwar auch auf den Tierschutz ein – die Tierschutz-Verbandsklage wird dort aber ebenfalls nicht erwähnt.32 Auch in dem Wahlprogramm 2017 finden sich zwar Ausführungen zu artgerechter Tierhaltung sowie zu Tierernährung, aber keine Ausführungen zur Tierschutz-Verbandsklage.33 Die SPD wollte Tierschutzorganisationen hingegen schon 2013 durch ein Verbandsklagerecht „die rechtliche Handhabe geben, wirkungsvoller gegen TierschutzVerstöße vorzugehen“.34 Diese Ankündigung hat die SPD 2017 wiederholt.35 Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN forderte in seinem Wahlprogramm 2013 unter anderem auch die Tierschutz-Verbandsklage, „[d]amit die Rechte der Tiere besser vertreten werden können“.36 Auch im Wahlprogramm 2017 wird die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage angekündigt.37 Und die Partei DIE LINKE wollte 2013 neben anderen auch Tierschutzverbänden „umfassende Informations-, Beteiligungs- und Klagerechte“ einräumen.38 Auch im Wahlprogramm 2017 findet sich die Tierschutz-Verbandsklage wieder.39 30

S. CDU/CSU, Gemeinsam erfolgreich für Deutschland. Regierungsprogramm 2013–2017, S. 51–53, https://www.cdu.de/sites/default/files/media/dokumente/regierungsprogramm-20132017-langfassung-20130911.pdf (Stand: 31.7.2017). 31 S. CDU/CSU, Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben. Regierungsprogramm 2017–2021, S. 67–69, https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/170703regierungspro gramm2017.pdf?file=1 (Stand: 31.7.2017). 32 S. FDP, Bürgerprogramm 2013. Damit Deutschland stark bleibt. Nur mit uns, S.  74 f., https://www.fdp.de/files/408/B_rgerprogramm_A5_Online_2013-07-23.pdf (Stand: 31.7.2017). 33 S. FDP, Denken wir neu. Das Programm der Freien Demokraten zur Bundestagswahl 2017: „Schauen wir nicht länger zu.“, S. 55, https://www.fdp.de/sites/default/files/uploads/2017/07/25 /20170725-wahlprogramm-wp-2017-v15-online.pdf (Stand: 31.7.2017). 34 SPD, Das Wir entscheidet. Das Regierungsprogramm 2013–2017, S. 90, https://www.spd. de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Bundesparteitag/20130415_regierungsprogramm_ 2013_2017.pdf (Stand: 31.7.2017). 35 S. SPD, Zeit für mehr Gerechtigkeit. Unser Regierungsprogramm für Deutschland., S. 66, https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Bundesparteitag_2017/Es_ist_Zeit_fuer_mehr_ Gerechtigkeit-Unser_Regierungsprogramm.pdf (Stand: 31.7.2017). 36 BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Zeit für den Grünen Wandel. Teilhaben. Einmischen. Zukunft schaffen. Bundestagswahlprogramm 2013 von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, S.  165, http:// www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/Gruenes-Bundestagswahlprogramm-2013. pdf#page=153 (Stand: 31.7.2017). 37 S. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Zukunft wird aus Mut gemacht. Bundestagswahlprogramm 2017, S. 31, https://www.gruene.de/fileadmin/user_upload/Dokumente/BUENDNIS_90_DIE_ GRUENEN_Bundestagswahlprogramm_2017.pdf (Stand: 31.7.2017). 38 DIE LINKE, 100 % sozial. Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2013, S. 71, https://www. mehr-demokratie.de/fileadmin/pdf/DIE_LINKE-Wahlprogramm_2013.pdf (Stand: 31.7.2017). 39 S. DIE LINKE, Die Zukunft, für die wir kämpfen. Sozial. Gerecht. Frieden. Für Alle. Langfassung des Wahlprogramms zur Bundestagswahl 2017, S.  91, https://www.die-linke.de/file

II. Die Tierschutz-Verbandsklage in parteipolitischer Projektion 

41

Ausgehend von den Wahlprogrammen der Bundestagswahlen in den Jahren 2013 und 2017 scheinen CDU und FDP kein Interesse an der Tierschutz-Verbandsklage zu haben, während sich SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE für diese einsetzen.40

2. Die exemplarische Debatte in Baden-Württemberg Der bisherige erste Eindruck soll durch Einblicke in die politischen Diskussionen über die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene ergänzt werden. Da die Debatten in den Länderparlamenten inhaltlich überwiegend ähnlich abgelaufen sind, wird statt aller die baden-württembergische Landtags-Debatte exemplarisch nachgezeichnet. In Baden-Württemberg gab der Minister für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Bonde zu Protokoll, dass die von der grün-roten Landesregierung mit ihrem Gesetzentwurf angestrebte Einführung der Tierschutz-Verbandsklage „ein weiterer Meilenstein in der Umsetzung des Staatsziels Tierschutz“ sei.41 Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ergänzte der Abgeordnete Pix, dass neben der Ethikkommission, der Tierschutzbeauftragten und dem Landestierschutzbeirat nur noch die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage fehle.42 Die Abgeordnete Rolland begrüßte für die SPD-Fraktion, dass Tierschutzverbände (wie die Naturschutzverbände) eine Möglichkeit zur Stellungnahme, Mitwirkung und Klage bekommen sollen.43 Der für die CDU-Fraktion sprechende Abgeordnete Burger sieht hingegen keine automatische Verbesserung für den Tierschutz aufgrund eines Tierschutz-Verbands­ klagerechts und kritisierte den Gesetzentwurf unter zahlreichen Gesichtspunkten.44 Das „verunglückte Gesetz“ sei zum Zwecke einer Verbesserung des Tierwohls nicht nötig.45 Er fand hierfür überwiegend Zustimmung von dem für die FDP/DVPFraktion vortragenden Abgeordneten Bullinger.46

admin/download/wahlen2017/wahlprogramm2017/die_linke_wahlprogramm_2017.pdf (Stand: 31.7.2017). 40 Zu diesem Ergebnis kamen für die Bundestagswahl 2013 schon Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V., 17. Juli 2013: Zur Bundestagswahl: Menschen für Tierrechte präsentieren Wahl-Spezial, https://www.tierrechte.de/presse-a-magazin/pressemittei lungen/17-juli-2013-zur-bundestagswahl-menschen-fuer-tierrechte-praesentieren-wahl-spezial (Stand: 31.7.2017). 41 BWLT-Plenarprotokoll 15/124, 7503. 42 BWLT-Plenarprotokoll 15/124, 7505. 43 BWLT-Plenarprotokoll 15/124, 7506. 44 BWLT-Plenarprotokoll 15/124, 7504 f. 45 BWLT-Plenarprotokoll 15/128, 7714. 46 BWLT-Plenarprotokoll 15/124, 7507 und BWLT-Plenarprotokoll 15/128, 7717.

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1. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage im Kontext

Diese parlamentarischen Stellungnahmen decken sich mit dem ersten, anhand der Wahlprogramme gewonnenen, Eindruck: Während sich die CDU- und FDP (/DVP)-Fraktion gegen die Tierschutz-Verbandsklage ausgesprochen haben, waren die SPD- und die BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN-Fraktion für deren Einführung.

3. Das Abstimmungsverhalten der Parteien Die bisherigen Eindrücke sollen schließlich durch einen Blick auf das Abstimmungsverhalten der Parteien bezüglich Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzen in weiteren, ausgewählten, Bundesländern gefestigt werden. So wurde beispielsweise der Gesetzesentwurf der Landesregierung von Nordrhein-Westfalen47 mit den Stimmen von SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (und der Piraten-Fraktion) gegen die Stimmen der CDU- und FDP-Fraktion verabschiedet.48 Auch in Rheinland-Pfalz stimmten SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für die Tierschutz-Verbandsklage, die CDU stimmte dagegen.49 In Schleswig-Holstein konnten zugunsten der Tierschutz-Verbandsklage die Stimmen (der PiratenFraktion, der Abgeordneten vom SSW,) des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der SPD sowie eines FDP-Abgeordneten gezählt werden, während die anderen FDPsowie die CDU-Abgeordneten gegen die Tierschutz-Verbandsklage stimmten.50 In der schwarz-gelben Parteienlandschaft spricht man sich also eher gegen die Tierschutz-Verbandsklage aus. Eine rot-grüne Koalition wäre mithin mutmaßlich die politische Konstellation, unter der die Tierschutz-Verbandsklage am ehesten eingeführt würde.51 Ganz so pauschal kann die parteipolitische Einordnung aber nicht vorgenommen werden. Dies zeigt sich nicht nur an dem abweichenden Abstimmungsverhalten eines FDP-Politikers in Schleswig-Holstein, sondern auch mit Blick auf das Saarland. Dort wurde der Entwurf eines Tierschutz-VerbandsklageGesetzes auf Landesebene nämlich „einstimmig, mit den Stimmen aller Fraktionen“, also auch den Stimmen der im saarländischen Landtag vertretenen CDUFraktion, angenommen.52 Ein solches Abstimmungsverhalten stellt in der CDU und der FDP bislang allerdings die Ausnahme dar.

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NRWLT-Drs. 16/177. NRWLT-Plenarprotokoll 16/33, 2919. 49 RhPf.LT-Plenarprotokoll 16/68, 4462. 50 SchlHLT-Plenarprotokoll 18/77, 6411. 51 Zu dieser Mutmaßung passt die Feststellung eines Tierschutzvereins, wonach die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene meist vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragt wurde und zumeist wegen CDU und FDP erfolglos blieb (Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V., Tierschutz-Verbandsklage, https://www.tierrechte. de/themen/tierschutz-verbandsklage [Stand: 31.7.2017]). 52 Saarl.LT-Plenarprotokoll 15/16, 1267. 48

III. Bezugnahme auf ausgewählte tierethische Aspekte

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III. Bezugnahme auf ausgewählte tierethische Aspekte Durch die Bezugnahme auf ausgewählte tierethische Aspekte soll die Darstellung des Kontextes der Tierschutz-Verbandsklage abgerundet werden. Wie sich schon aus dem Namen ergibt, dreht sich das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage um den Schutz von Tieren. Zu Beginn der interdisziplinären Bezugnahme wird bestimmt, was – zumindest im Kontext der Tierschutz-Verbandsklage – unter einem Tier überhaupt zu verstehen ist (1.). Daneben wird der ethische Kontext dazu genutzt, um zwei tierethische Grundpositionen (2.) und die modernere tierethische Diskussionen (3.) überblicksartig vorzustellen.

1. Das Tier – der Versuch einer Begriffsbestimmung Die Bezeichnung „das Tier“ ist im Rahmen der tierethischen Diskussion von großer Bedeutung:53 „Wenn Tiere um ihrer selbst willen geachtet werden sollen, dann muss man auch wissen, was sie sind, um die Handlungen ihnen gegenüber auch ethisch reflektiert ausrichten zu können“.54 Die Bezeichnung „Tier“ ist ursprünglich ein biologischer und vor allem zoologischer, mithin ein naturwissenschaftlicher Begriff.55 Unter dem Begriff des Tieres wird „die entwicklungsgeschichtlich zwischen dem Menschen und der Pflanze stehende Form des Lebens“ verstanden.56 Auch wenn der Mensch taxonomisch ebenfalls zu den Tieren zählt, wird die Bezeichnung „Tier“ üblicherweise nur für nicht-menschliche Tiere verwendet.57 Es wird vertreten, dass Menschen und Tiere im Ausgangspunkt unterschiedlich seien, was von der modernen Tierschutz-Bewegung aber zunehmend kritisiert werde.58 Aufhänger für die Frage, ob und gegebenenfalls wie sich Mensch und Tier gleichen oder unterscheiden, ist vor allem das Thema der Schmerzzufügung.59 Inzwischen ist unstrittig, dass die höher entwickelten Arten nicht nur schmerzempfindlich, sondern auch intelligent, vernünftig und in gewisser Weise selbstbewusst sind.60 Auf Anhieb lässt sich die Frage, ob Mensch und Tier gleich oder unterschied 53 Grimm, Das Tier an sich? Auf der Suche nach dem Menschen in der Tierethik, in: Baumbach-Knopf/Achatz/Knoepffler, Facetten der Ethik, 2013, S. 59. 54 Grimm, Das Tier an sich? Auf der Suche nach dem Menschen in der Tierethik, in: Baumbach-Knopf/Achatz/Knoepffler, Facetten der Ethik, 2013, S. 60; ders., S. 59–69, befasst sich näher mit dem Wesenskern des „Tier an sich“. 55 Lorz, Tier = Sache?, MDR 1989, 201. 56 Lorz, Tier = Sache?, MDR 1989, 201. 57 Ach, Tierethik. Tierethik als Bereichsethik, in: Stoecker/Neuhäuser/Raters, Handbuch Angewandte Ethik, 2011, S. 192. 58 Hager, Das Tier in Ethik und Recht, 2015, S. 29. 59 Hager, Das Tier in Ethik und Recht, 2015, S. 29. 60 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 83.

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1. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage im Kontext

lich sind, aufgrund der Kompliziertheit dieses Vergleichs nicht beantworten.61 Eine nähere Untersuchung, ob und in welchem Ausmaß Gemeinsamkeiten, beziehungsweise Unterschiede bestehen, soll an dieser Stelle nicht geleistet werden.62 Für die vorliegende Arbeit soll vielmehr ausreichen, den gesetzlichen Tierbegriff in § 1 TierSchG zu bestimmen: Bezüglich dem rechtlichen Begriff des Tieres lässt sich auf die zoologischen Erkenntnisse oder auf den allgemeinen Sprachgebrauch abstellen.63 Von § 1 S. 2 TierSchG werden grundsätzlich alle lebenden Tiere geschützt.64 An verschiedenen Stellen des Tierschutzgesetzes erfahren die empfindungsfähigen Wirbeltiere einen besonderen Schutz und mitunter wird zwischen warm- und kaltblütigen Tieren unterschieden sowie zum Teil  aufgrund einer sinnesphysiologisch höheren Entwicklung von Tieren differenziert.65

2. Überblick zu zwei wichtigen tierethischen Positionen Es folgt ein knapper Überblick66 zu den tierethischen Positionen der Anthropozentrik und der Pathozentrik: Anhänger der Anthropozentrik, wie beispielsweise Immanuel Kant oder Jürgen Habermas, gestehen allein dem Menschen einen Eigenwert zu und berücksichtigen den Tierschutz nur soweit, als er dem Menschen nützlich ist.67 Der anthropozentrische Tierschutz vereint begrifflich alle Tierschutzpositionen, nach denen Tierschutz im menschlichen Interesse, vor allem für seine humanitäre Entwicklung, erforderlich ist.68 Mittlerweile findet sich in der tierethischen Debatte oft der Ansatz der Pathozentrik.69 Dieser hat den anthropozentrischen Tierschutz inzwischen überwiegend verdrängt.70 Befürworter der Pathozentrik, wie Peter Singer oder Ursula Wolf, set-

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Hager, Das Tier in Ethik und Recht, 2015, S. 30. Eine nähere Untersuchung von ethisch bedeutsamen Unterschieden im Verhältnis von Mensch und Tier nimmt etwa Raspé, Die tierliche Person. Vorschlag einer auf der Analyse der Tier-Mensch-Beziehung in Gesellschaft, Ethik und Recht basierenden Neupositionierung des Tieres im deutschen Rechtssystem, 2013, S. 80–125 vor. 63 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 2. 64 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 1 Rn. 11. 65 v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn. 81 mit entsprechenden Nachweisen im Tierschutzgesetz. 66 Einen ausführlicheren Überblick zu ethischen Grundpositionen und bekannten Vertretern dieser Positionen bietet in jüngerer Zeit etwa Alzmann, Zur Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen, 2016, S. 33–54. 67 Alzmann, Zur Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen, 2016, S.  35; ders., S. 36–39, befasst sich näher mit dem Anthropozentrismus im Sinne von Kant. 68 Teutsch, Mensch und Tier. Lexikon der Tierschutzethik, 1987, S. 18. 69 Küpper, Recht und Ethik im Umwelt- und Tierschutz, 2002, S. 9. 70 Hager, Das Tier in Ethik und Recht, 2015, S. 25. 62

III. Bezugnahme auf ausgewählte tierethische Aspekte

45

zen nicht am Mensch-Sein, sondern an der Leidensfähigkeit an und wollen jedem leidensfähigen Lebewesen um seines selbst Willen Schutz zukommen lassen.71

3. Überblick zur moderneren tierethischen Diskussion Die Überlegungen in Philosophie und Ethik zu dem Verhältnis von Menschen und Tieren reichen bis in die Antike zurück.72 Damals wurde auch bereits „der moralische Status von nicht-menschlichen Tieren“ erörtert, während „die Frage, ob nicht-menschliche Tiere Rechte haben“, jedenfalls schon seit der Aufklärung gestellt wird.73 Diese Themen scheinen auch heute noch Konjunktur zu haben: Zentrale Fragen der ethischen Debatte „über den angemessenen Umgang mit nichtmenschlichen Tieren, die insbesondere seit den 1970er Jahren eine beachtliche Ausdifferenzierung erfahren hat“, drehen sich zum einen um den moralischen Status und zum anderen um Rechte von nicht-menschlichen Tieren.74 Es lässt sich feststellen, dass die Tiere vor allem seit Anfang/Mitte der 1970er Jahre in der Philosophie, vor allem in der philosophischen Ethik, mehr und mehr beachtet wurden.75 Bevor sogleich näher auf bedeutende Autoren speziell zum Thema der Tierrechte eingegangen wird, sei noch Christopher D. Stone erwähnt. Er hat 1972 das Buch „Should Trees Have Standing? – Toward Legal Rights for Natural Objects“ veröffentlicht und ihm wird im Kontext der Ökologiebewegung der 1970er Jahre die „wohl erste wirksame Stimme“ zugeschrieben.76 Stone hatte die Forderung aufgestellt, bedrohten Arten Rechte einzuräumen.77 Als Ausgangspunkt für die zeitgenössische tierethische Debatte kann man das Jahr 1975 wählen, in dem Peter Singer, der „geistige[…] Vater der Tierbefreiungsbewegung“ sein Buch „Animal Liberation“ veröffentlicht hat.78 In diesem Buch plädiert Singer „auf der Basis eines utilitaristisch-egalitaristischen Ansatzes“ dafür, die Tiere moralisch zu berücksichtigen.79 Neben dem Buch von Singer wird

71 Alzmann, Zur Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen, 2016, S.  35; ders., S. 39–50, befasst sich näher mit der Position von Ursula Wolf und dem Pathozentrismus im Sinne von Peter Singer. 72 Ach, Menschenrechte und Tierrechte, in: Pollmann/Lohmann, Menschenrechte. Ein interdisziplinäres Handbuch, 2012, S. 453. 73 Ach, Menschenrechte und Tierrechte, in: Pollmann/Lohmann, Menschenrechte. Ein interdisziplinäres Handbuch, 2012, S. 453. 74 Ach, Menschenrechte und Tierrechte, in: Pollmann/Lohmann, Menschenrechte. Ein interdisziplinäres Handbuch, 2012, S. 454. 75 Grimm, Das Tier an sich? Auf der Suche nach dem Menschen in der Tierethik, in: Baumbach-Knopf/Achatz/Knoepffler, Facetten der Ethik, 2013, S. 33. 76 Richter, Die Würde der Kreatur – Rechtsvergleichende Betrachtungen, ZaöRV 2007, 319 (344). 77 Richter, Die Würde der Kreatur – Rechtsvergleichende Betrachtungen, ZaöRV 2007, 319 (344). 78 Schröter, Tierschutzrecht in der Diskussion, NuR 2007, 468 (469). 79 Wolf, Ethik der Mensch-Tier-Beziehung, 2012, S. 33.

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1. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage im Kontext

auch das Buch „Animals, Men, and Morals. An Enquiry into the Maltreatment of Non-Humans“ von Stanley und Rosalind Godlovitsch sowie John Harris aus dem Jahr 1971 als Meilenstein der modernen Tierethik bezeichnet.80 Großer Einfluss wird daneben Tom „Regan als Begründer der modernen Tierrechtsdebatte“ zugeschrieben, von dem 1982 „All That Dwell Therein: Essays on Animal Rights and Environmental Ethics“ und 1983 „The Case for Animal Rights“ erschienen ist.81 Vor allem in letzterem Buch lässt sich seine „Theorie der Tierrechte“ nachlesen.82 Begrifflich ist darauf hinzuweisen, dass mit dem Wort „Tierrecht“ häufig moralische Rechte im ethischen Kontext beschrieben werden – die Bezeichnung „Tierrecht“ kann aber auch „Rechte im Sinne der Rechtsordnung“ bezeichnen.83 Dem dritten Teil  dieser Arbeit sind nähere Ausführungen zu Tierrechten im Sinne der deutschen Rechtsordnung vorbehalten. Schon an dieser Stelle soll aber eines nicht unerwähnt bleiben: Eine verhältnismäßig neuere Diskussion ist die Frage, ob nicht-menschlichen Tieren Menschenrechte eingeräumt werden sollten.84 Ob neben Menschen weitere Rechtsträger denkbar (beziehungsweise wünschenswert) sind, wird in den USA bereits seit längerer Zeit unter dem Begriff der „Animal Rights“ diskutiert.85 Als Beispiele dafür, dass sich „Eigenrechte der Natur“ entwickeln lassen, haben sich damit auseinandersetzende Autoren regelmäßig auf die „Entstehung von Rechten nichtprivilegierter menschlicher Gruppen“ verwiesen.86 Das „Konzept der Rechte der Tiere“ wurde weltweit bislang nur sehr selten umgesetzt.87 Durchsetzen konnte sich das Konzept etwa (teilweise)88 in Neuseeland in Bezug auf Menschenaffen.89 80 Ach, Tierethik. Tierethik als Bereichsethik, in: Stoecker/Neuhäuser/Raters, Handbuch Angewandte Ethik, 2011, S. 192. 81 Schröter, Tierschutzrecht in der Diskussion, NuR 2007, 468 (469 f.). Ach, Tierethik. Tierethik als Bereichsethik, in: Stoecker/Neuhäuser/Raters, Handbuch Angewandte Ethik, 2011, S. 192, erwähnt darüber hinaus auch noch „Animal Rights and Human Obligations“ (von Regan und Singer 1976 zusammen herausgegeben) und „Practical Ethics“ (Singer, 1979) als einflussreiche Publikationen. 82 Wolf, Ethik der Mensch-Tier-Beziehung, 2012, S. 33. 83 Hager, Das Tier in Ethik und Recht, 2015, S. 56 f. 84 Ach, Menschenrechte und Tierrechte, in: Pollmann/Lohmann, Menschenrechte. Ein interdisziplinäres Handbuch, 2012, S. 457. 85 Richter, Die Würde der Kreatur – Rechtsvergleichende Betrachtungen, ZaöRV 2007, 319 (344). 86 v. Lersner, Gibt es Eigenrechte der Natur?, NVwZ 1988, 988 (990) mit Nachweisen hierzu; ders. gibt als entsprechende Gruppen die der Sklaven, Frauen, Schwarzen, Kinder und Geistesschwachen an. 87 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (732). 88 Nach Raspé, Die tierliche Person. Vorschlag einer auf der Analyse der Tier-Mensch-Beziehung in Gesellschaft, Ethik und Recht basierenden Neupositionierung des Tieres im deutschen Rechtssystem, 2013, S. 299 und dort Fußnote 5 mit weiterem Nachweis, ist in diesem Zusammenhang wohl eine zurückhaltendere Formulierung angezeigt: In dem insofern zu berücksichtigenden Art. 85 des Animal Welfare Act 1999 No 142 von Neuseeland gehe es noch „nicht um das Zusprechen eines allgemeinen Lebensrechts“. Von „Menschenrechten für Menschenaffen“ könne aufgrund einer Beschränkung auf das Gebiet der Tierversuche noch keine Rede sein. 89 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (732).

III. Bezugnahme auf ausgewählte tierethische Aspekte

47

Anlässe, um über das Thema der Tierrechte nachzudenken, gibt es genügend. Man denke nur an die Bereiche der Massentierhaltung, Tierversuche, Jagd, Zirkusse und Zoos.90 Die sich insofern stellenden Fragen sind aber zu vielseitig, zu umfangreich und zu komplex, um sie im Rahmen einer interdisziplinären Bezugnahme gebührend darstellen zu können. Es soll daher bei diesem knappen Überblick bleiben und der Fokus im Folgenden auf die rechtlichen Aspekte der Tierschutz-Verbandsklage gelenkt werden.

90

S. zu diesen Bereichen Wolf, Ethik der Mensch-Tier-Beziehung, 2012, S. 113 und S. 125– 152, die sich in den aufgezählten Bereichen mit Anwendungsproblemen von Tierrechten sowie Menschenpflichten auseinandersetzt; dies., S. 149 f., geht daneben auch auf den Stierkampf ein.

Zweiter Teil2

Die Tierschutz-Verbandsklage vor dem Hintergrund der Geschichte und  der Gegenwart des Tierschutzrechts Nachdem im ersten Teil ein sozialer, politischer und ethischer Bezug zur Tierschutz-Verbandsklage hergestellt wurde, führt dieser zweite Teil in die rechtliche Auseinandersetzung mit der Tierschutz-Verbandsklage ein. Zunächst erfolgt ein kurzer Abriss der Geschichte des Tierschutzrechts in Deutschland (I.). Anschließend werden ausgewählte Rechtsdurchsetzungsinstrumente in Deutschland (II.) und im Ausland (III.) vorgestellt.

I. Zur Geschichte des deutschen Tierschutzrechts Um das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage historisch einordnen zu können, wird zunächst die Entwicklung des deutschen gesetzlichen Tierschutzrechts in groben Zügen nachgezeichnet (1.), bevor die Entwicklung der Tierschutz-Verbandsklage selbst genauer in den Blick genommen wird (2.).

1. Die Entwicklung des deutschen gesetzlichen Tierschutzrechts Die Geschichte des deutschen gesetzlichen Tierschutzes beginnt in Sachsen. Dort wurde im Jahr 1838 die Tierquälerei gesetzlich verboten.1 Zu erwähnen ist des Weiteren das Strafgesetzbuch des 1871 gegründeten Deutschen Reichs. Gemäß § 360 Nr. 13 des Strafgesetzbuchs für das Deutsche Reich2 war eine Geldstrafe in Höhe von „bis zu funfzig Thalern“ oder eine Haftstrafe für denjenigen vorgesehen, der „öffentlich oder in Aergerniß erregender Weise Thiere boshaft quält oder roh mißhandelt“. Die Vorschrift diente dem „Schutz des menschlichen Empfindens“ und ist damit dem anthropozentrischen Tierschutz zuzuordnen.3 Die Wende hin zum ethischen Tierschutz markierte seit dem Jahr 1933 der neue § 145b StGB4, wonach für denjenigen, der „ein Tier roh mißhandelt oder absicht 1

Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 47. RGBl. 1871, 127. 3 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 47. 4 Gesetz zur Abänderung strafrechtlicher Vorschriften v. 26.5.1933, RGBl. I 1933, 295. 2

I. Zur Geschichte des deutschen Tierschutzrechts

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lich quält“ eine Gefängnisstrafe von bis zu sechs Monaten oder eine Geldstrafe vorgesehen war.5 Das Reichstierschutzgesetz vom 24.  November 19336 gilt als erstes Tierschutzgesetz in Deutschland.7 Durch das Reichstierschutzgesetz wurde in Deutschland zum ersten Mal „ein vom Gedanken des ethischen Tierschutzes geprägtes Gesetzeswerk geschaffen, das auch den Straftatbestand des StGB aufnahm“.8 § 9 Abs. 1 Reichstierschutzgesetz drohte demjenigen, der „ein Tier unnötig quält oder roh mißhandelt“, eine Gefängnisstrafe bis zu zwei Jahre und/oder eine Geldstrafe an. In diesem Zusammenhang soll betont werden: „Dass durch dieses Gesetz erstmals in Deutschland der Übergang zum ethischen Tierschutz durchgesetzt wurde […], hat nichts mit dem Nationalsozialismus zu tun, sondern steht in der Kontinuität mit einem sich zeitgleich im gesamten nördlichen Europa durchsetzenden Tierschutzgedanken“.9 Auch nach Erlass des ersten deutschen Tierschutzgesetzes wurde mitunter noch beklagt, dass „[d]as Tier […] sowohl in unserer Rechtsnormenordnung als auch in der Rechtsprechung und Rechtslehre einen ausgesprochen vernachlässigten Platz“ einnehme.10 Das Tierschutzrecht wurde durch das Tierschutzgesetz vom 24. Juli 197211 erneuert und ist – mit einigen Änderungen – bis heute in Kraft.12 Gesondert

5

Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 48. RGBl. I 1933, 987. 7 S. Alzmann, Zur Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen, 2016, S. 66. 8 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95. TierSchG, Vorb. v. § 1 Rn. 4 (Stand: 177. EL 2009). 9 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 3 mit einem Verweis auf OLG Hamm, Rechtspfleger 1950, 35. Auch wenn diese Einschätzung im Ergebnis geteilt wird, ist die Problematik, dass die Nationalsozialisten das Reichstierschutzgesetz erlassen haben, komplex. Denn: „An der Tatsache jedoch, daß trotz einer seit der Reichsgründung immer wieder neu entflammten Debatte um die Novellierungsbedürftigkeit des § 360 Nr. 13 RStGB über einen Zeitraum von mehr als 60 Jahren keine Verbesserungen für den Tierschutz erzielt wurden, dann aber innerhalb von nur wenigen Monaten ein für die damalige Zeit modernes Tierschutzgesetz in Kraft trat, kommt man nicht vorüber“ (Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, S. 271); ders., S. 269–277, setzt sich näher mit dem Reichstierschutzgesetz sowie der nationalsozialistischen Tierschutzbewegung auseinander. Soweit die Nationalsozialisten die Nähe zum Tierschutzrecht suchten, geschah dies wohl vor allem zu Propagandazwecken (s. OLG Hamm, Urt. v. 5.12.1949 – (2) 2 Ss 970/49, Der Deutsche Rechtspfleger, 1950, 35 (36)). Das OLG Hamm kam seinerzeit im Kontext der „Maßstäbe für die Ausmerzung nationalsozialistischer Auswüchse“ zu dem Ergebnis, dass die §§ 1, 9 des damaligen Tierschutzgesetzes zu denjenigen Vorschriften gehören, „die im Zuge gesunder Rechtsentwicklung geschaffen und auch nach heutiger Auffassung vertretbar sind“ (OLG Hamm, Urt. v. 5.12.1949 – (2) 2 Ss 970/49, Der Deutsche Rechtspfleger, 1950, 35 (36)). 10 Felix, Einige Bemerkungen zum Problem des rechtlichen Tierschutzes, JZ 1959, 85. 11 BGBl. I 1972, 1277. 12 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95. TierSchG, Vorb. v. § 1 Rn. 4 (Stand: 177. EL 2009). 6

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

erwähnt sei das Änderungsgesetz von 198613, das „grundlegende Fortschritte gebracht [hat]: die Ethikklausel beim Tierversuch, den Tierschutzbeauftragten, die Tierversuchskommission, die Einbeziehung der Tierzucht in das Tierschutzrecht, die Erlaubnispflicht für den Handel und andere gewerbliche Tätigkeiten, die Berichtspflicht der Bundesregierung“.14 § 1 TierSchG bringt den Grundsatz des Tierschutzgesetzes zum Ausdruck: „Zweck dieses Gesetzes ist es, aus der Verantwortung des Menschen für das Tier als Mitgeschöpf dessen Leben und Wohlbefinden zu schützen. Niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen.“ Diese Worte bringen zum Ausdruck, dass der Gesetzgeber zu einem ethischen Tierschutz steht.15 Ethischer Tierschutz lässt sich so beschreiben, dass „das Tier als ein Mitgeschöpf, ein lebendes und fühlendes Wesen, dessen Achtung und Wertschätzung für den durch seinen Geist überlegenen Menschen ein moralisches Postulat darstellt“ anzusehen ist.16 Dem deutschen Tierschutzgesetz wird nachgesagt, dass es „weltweit zu den strengsten Gesetzen seiner Art“ zu zählen sei.17 Seit dem Jahr 1990 regelt § 90a BGB den juristischen Status von Tieren:18 „Tiere sind keine Sachen. Sie werden durch besondere Gesetze geschützt. Auf sie sind die für Sachen geltenden Vorschriften entsprechend anzuwenden, soweit nicht etwas anderes bestimmt ist.“ Danach sind Tiere „eine eigene Kategorie zwischen Personen und Sachen“.19 Der Gesetzgeber sieht in Tieren „Mitgeschöpfe des Menschen“.20 Zuvor waren Tiere im bürgerlichen Recht den Sachen gleichgestellt.21 Die Gesetzesänderung sollte dazu beitragen, den Grundgedanken zu verfestigen, „daß das Tier ein Mitgeschöpf des Menschen und ein schmerzempfindendes Lebewesen ist, dem gegenüber der Mensch zu Schutz und Fürsorge verpflichtet ist“.22 Es lässt sich konstatieren, dass die Gesetzesänderung „der Forderung nach einem ethisch

13 Erstes Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes v. 12.8.1986, BGBl. I 1986, 1309 in der Fassung der Bekanntmachung v. 18.8.1986, BGBl. I 1986, 1319. 14 Lorz, Das neue Tierschutzrecht, NJW 1987, 2049 (2053). 15 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95. TierSchG, § 1 Rn. 1 (Stand: 177. EL 2009). 16 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95. TierSchG, Vorb. v. § 1 Rn. 3 (Stand: 177. EL 2009). 17 So beispielsweise Exner/Heldmaier, Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände. Mehr Tierschutz oder nur weitere Bürokratisierung?, Forschung & Lehre 2004, 254. 18 Alzmann, Zur Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen, 2016, S. 66. 19 Alzmann, Zur Beurteilung der ethischen Vertretbarkeit von Tierversuchen, 2016, S. 66. 20 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95. TierSchG, Vorb. v. § 1 Rn. 7 (Stand: 177. EL 2009), der in diesem Zusammenhang auch auf § 903 S. 2 und § 251 Abs. 2 S. 2 BGB verweist. 21 BT-Drs. 11/5463, 5. 22 BT-Drs. 11/5463, 1.

I. Zur Geschichte des deutschen Tierschutzrechts

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fundierten Tierschutz gerecht [wird]“.23 Dennoch: Im Ergebnis bringt § 90a BGB „keine wesentliche Veränderung der bisherigen Rechtslage hervor: Tiere werden zwar jetzt als schmerzempfindliche und leidensfähige Lebewesen anerkannt und sind keine Sachen mehr; gleichwohl werden sie bei ihrer rechtlichen Behandlung weiterhin den leblosen Sachen gleichgestellt, als Sachen ‚sui generis‘ gewissermaßen, aber dennoch als Rechtsobjekte ‚Sachen‘“.24 Im Zuge einer Verfassungsreform im Jahr 1994 fand das Staatsziel des Art. 20a GG Eingang in das Grundgesetz – zum Tierschutz, welcher nach Ansicht der Gemeinsamen Verfassungskommission durch die geschützten natürlichen Lebensgrundlagen zumindest nicht in Gänze umfasst wird, gab es jedoch noch keinen Beschluss.25 Auch in der Folge blieben weitere Versuche, eine Staatszielbestimmung Tierschutz in das Grundgesetz aufzunehmen, erfolglos.26 Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wehrte sich hiergegen, weil sie „eine Verwässerung des Grundgesetzes fürchtete und die einfachgesetzlichen Bestimmungen für ausreichend hielt“.27 Dank dem Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz) vom 26. Juli 200228 ist seit dem 1. August des gleichen Jahres der Tierschutz als Staatsziel in Art. 20a GG verankert – der ethische Tierschutz hat in Deutschland seither Verfassungsrang.29 Art. 20a GG lautet seitdem: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Nach der Verkündung des sogenannten Schächt-Urteils des Bundesverfassungsgerichts im Jahr 2002 machten viele Tierschutzvereinigungen hiergegen Stimmung und verlangten mit Nachdruck, dem Tierschutz Verfassungsrang zu verleihen.30 Das Urteil rief zwar nicht nur negative Reaktionen hervor. So wurde in ihm beispielsweise auch eine integrierende Wirkung für die in der Bundesrepublik lebenden Ausländer gesehen.31 Gleichwohl veranlassten das Urteil und die dies 23 Mühe, Das Gesetz zur Verbesserung der Rechtsstellung des Tieres im bürgerlichen Recht, NJW 1990, 2238 (2240). 24 Brüninghaus, Die Stellung des Tieres im Bürgerlichen Gesetzbuch, 1993, S. 93 f. 25 Murswiek in Sachs, GG, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 20a Rn. 1 und Rn. 11 mit weiteren Nachweisen; die Ausführungen der Gemeinsamen Verfassungskommission zum Staatsziel Tierschutz finden sich in BT-Drs. 12/6000, 68–71. 26 Huster/Rux in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 20a Rn. 6. 27 Huster/Rux in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 20a Rn. 6. 28 BGBl. I 2002, 2862. 29 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95. TierSchG, Vorb. v. § 1 Rn. 6 (Stand: 177. EL 2009). 30 Faller, Staatsziel „Tierschutz“. Vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat?, 2005, S. 30. 31 Arndt/Droege, Anm. zu BVerfG, 15.1.2002 – 1 BvR 1783/99, ZAR 2002, 111 (112), wobei „[i]ntegrierend nicht in dem beschränkten Sinne eines umfassenden Aufgehens in der deutschen Gesellschaft unter Aufgabe der eigenen kulturellen Besonderheiten“ zu verstehen sei, sondern

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

bezüglichen negativen öffentlichen Reaktionen die politischen Akteure letztlich dazu, die Staatszielbestimmung Tierschutz doch in die Verfassung aufzunehmen.32 Schon mit der Forderung nach einer verfassungsrechtlichen Verankerung des Tierschutzes ging oft auch die Forderung nach einer Tierschutz-Verbandsklage einher.33 Die Einführung einer tierschutzrechtlichen Verbandsklage ist „nach dem Staatsziel Tierschutz die vorrangige rechtspolitische Forderung seitens des Tierschutzes“.34 Die Entwicklung der Tierschutz-Verbandsklage soll daher im Folgenden besonders in den Blick genommen werden.

2. Die Entwicklung der Tierschutz-Verbandsklage Das Instrument der Verbandsklage fand in den 1970er Jahren Eingang in die rechtspolitischen Debatten.35 Bezüglich zum öffentlichen Umweltschutzrecht gehörender Gebiete wurden schon damals viele rechtspolitische Argumente für und gegen die Verbandsklage erörtert: Für die Ermöglichung einer Verbandsklage wurden unter anderem Vollzugs-, Ungleichgewichts- und Präventions-Gesichtspunkte in die Erörterung einbezogen, während unter anderem Gesichtspunkte der Systemkonformität, des Rechtsfriedens, der Legitimation der Verbände und eine Überforderung der Verwaltungsgerichte gegen die Ermöglichung einer Verbandsklage erörtert wurden.36 Die rechtspolitische Debatte zu der Frage, ob eine Verbandsklage eingeführt werden sollte, nahm in der Hauptsache erst in den 1980er Jahren Fahrt auf.37 Diese Diskussionen drehten sich zu jener Zeit um die Materie des Naturschutzes.38 In der Literatur fand die Tierschutz-Verbandsklage Ende der 80-er Jahre und Anfang der 90-er Jahre Erwähnung. So wurde zu jener Zeit zum Beispiel darüber nachgedacht, wie ein Eigenrecht, beziehungsweise ein zu schützendes Interesse, von nicht-menschlichen Naturgütern vertreten werden könnte und in diesem Zusammenhang auch Natur- und Tierschutzverbände erwähnt.39 Auch wurde damals beispielsweise die Meinung vertreten, dass „eine Verbandsklage – etwa von „vielmehr in dem Sinne, als die der in Deutschland lebenden Gemeinschaft zugrundeliegende Verfassung sie aufnimmt, anerkennt und schützt, anstatt sie als fremde, bei Verfassungsgebung nicht vorhergesehene Elemente abzustoßen oder auszuschließen“ (dies., [112 f.]). 32 Faller, Staatsziel „Tierschutz“. Vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat?, 2005, S. 30 f.; s. auch Scholz in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. III – Art. 16–22 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 20 a Rn. 64 (Stand: 40. Lieferung 2002). 33 Schröter, Tierschutzrecht in der Diskussion, NuR 2007, 468 (469). 34 Schröter, Tierschutzrecht in der Diskussion, NuR 2007, 468 (473). 35 BR-Drs. 157/04, Anlage, 7. 36 S. Bender, Die Verbandsklage, DVBl. 1977, 169 (171 f.). 37 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (149). 38 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (149). 39 v. Lersner, Gibt es Eigenrechte der Natur?, NVwZ 1988, 988 (991 f.).

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Tierschutzorganisationen – […] insbesondere in Fällen der Massentierhaltung auf zivilrechtlichem oder verwaltungsrechtlichen Gebiet nicht völlig sachfremd zu nennen“ sei.40 Einer der ernsthaften Versuche, die Tierschutz-Verbandsklage in Deutschland bundesweit einzuführen, war ein Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein vom 19.2.200441. Diese Initiative lag „[a]uf der Linie der Stärkung von Verbandsklagerechten“.42 Die Bundesratsinitiative blieb jedoch ohne Erfolg.43 Auch im Übrigen blieb bisher jeder politische Versuch zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene erfolglos.44 Allerdings wurde (und wird) die politische Diskussion über die Normierung der Tierschutz-Verbandsklage teilweise auf Landesebene fortgeführt.45 Als Beispiel für ein Bundesland, in dem der Widerstand gegen die TierschutzVerbandsklage besonders groß ist, sei Bayern erwähnt. Dort scheiterte die Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage gleich mehrfach. So wurde 2007 ein Entwurf eines Gesetzes einiger Abgeordneter und der Fraktion von BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN „zur Einführung von Mitwirkungsrechten für Tierschutzvereine in Bayern (Bayerisches Tierschutzverbandsklagegesetz – BayTierSchVklG)“46 abgelehnt47 und auch ein Gesetzesentwurf einiger Abgeordneter und der SPD-Fraktion „zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände (Bayerisches Tierschutzverbandsklagegesetz  – BayTierSchVbklG)“48 wurde abgelehnt49. Ein späterer Gesetzesentwurf einiger Abgeordneter und der SPD-Fraktion „zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände (Bayerisches Tierschutzverbandsklagegesetz – BayTierSchVbklG)“50 blieb ebenfalls erfolglos51 und auch ein weiterer Gesetzesentwurf einiger Abgeordneter und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrecht für Tierschutzvereine“52 hatte keinen Erfolg.53 Gleiches galt für den Anlauf einiger

40 Bohlander, Zur Beteiligung des Tierhalters an Strafverfahren nach dem Tierschutzgesetz, MDR 1992, 736 (738). 41 Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine, BR-Drs. 157/04. 42 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379. 43 Beschluss des Bundesrates vom 5.11.2004 über den Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine, BR-Drs. 157/04 (Beschluss). 44 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 unter Verweis auf einige solcher erfolgloser Versuche. 45 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (145 f.). 46 Bay.LT-Drs. 15/7224. 47 Bay.LT-Plenarprotokoll 15/100, 7509. 48 Bay.LT-Drs. 15/7945. 49 Bay.LT-Plenarprotokoll 15/100, 7510. 50 Bay.LT-Drs. 16/5966. 51 Bay.LT-Drs. 16/7646. 52 Bay.LT-Drs. 16/14506. 53 Bay.LT-Drs. 16/16579.

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

Abgeordneter und der SPD-Fraktion mit einem Entwurf eines Gesetzes „zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzverbände und über Mitwirkungs- und Informationsrechte von Tierschutzverbänden (Bayerisches Tierschutzverbandsklage- und Tierschutzmitwirkungs- und -informationsrechtegesetz  – BayTierSchVbklMIG)“54, der 2015 abgelehnt wurde55. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, konnte sich die Tierschutz-Verbandsklage demgegenüber bisher in Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland sowie in Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Baden-Württemberg und in Niedersachsen durchsetzen. Damit besteht derzeit in der Hälfte der Bundesländer die Möglichkeit, eine Tierschutz-Verbandsklage zu erheben. Unter Berücksichtigung der Entwicklung des deutschen gesetzlichen Tierschutzrechts in Deutschland handelt es sich bei der Tierschutz-Verbandsklage um ein noch recht junges Instrument. Das Instrument befindet sich aber auf dem Vormarsch. Neben dieser historischen Einordnung bleibt fraglich, welcher Stellenwert der Tierschutz-Verbandsklage im Vergleich zu anderen Rechtsdurchsetzungsinstrumenten zukommt. Dieser Frage wird im Folgenden nachgegangen.

II. Das Spektrum ausgewählter Rechtsdurchsetzungsinstrumente Dem Blick in die Geschichte des deutschen Tierschutzrechts und der TierschutzVerbandsklage folgt eine Betrachtung der gegenwärtigen Situation des Tierschutzes. Hierbei wird nicht nur das Spektrum verschiedener, bereits bestehender, Rechtsdurchsetzungsinstrumente vorgestellt, sondern auch jeweils die Frage erörtert, welchen Mehrwert die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage gegenüber den ausgewählten Rechtsdurchsetzungsinstrumenten verspricht. Mitunter wird nämlich angezweifelt, dass sich die Situation des Tierschutzes durch die Möglichkeit von Verbandsklagen überhaupt verbessern könnte.56 In den Blick genommen werden die Eigentümer und Halter von Tieren (1.), die Tierärzte (2.), die Staatsanwaltschaften (3.), die Tierrechtskommissionen (4.) sowie die Tierschutzbeauftragten (5.).57 Vorweggenommen sei Folgendes: Dem Argument, dass schon das deutsche Tierschutzgesetz hohe Standards im Tierschutz gewährleistet und den Belangen der

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Bay.LT-Drs. 17/4480. Bay.LT-Drs. 17/6924. 56 Exner/Heldmaier, Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände. Mehr Tierschutz oder nur weitere Bürokratisierung?, Forschung & Lehre 2004, 254. 57 S. schon Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 500–512, mit einer Erörterung zu den Instrumenten des Tierschutzbeauftragten, des Ombudsmanns, des Tierschutzanwalts, der Tierversuchskommission und zur Tierschutz-Verbandsklage. 55

II. Das Spektrum ausgewählter Rechtsdurchsetzungsinstrumente 

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Tiere umfassend Rechnung trägt,58 kann entgegengehalten werden, dass dadurch noch nicht auch die Einhaltung des umfassenden Tierschutzes gewährleistet wird.59

1. Tierschutz durch die Eigentümer und Halter von Tieren Zuerst wird unter (a)) darauf eingegangen, inwiefern die Tiereigentümer und -halter für Tierschutz sorgen, bevor unter (b)) der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage aufgezeigt wird. a) Tierschützende Tätigkeit von Eigentümern und Haltern Unter Tierschutz versteht man „die gezielte Hilfe für das Tier“ und „die Bewahrung des Tiers vor nachteiligen Einwirkungen“.60 Erfasst werden „alle Bestrebungen und Maßnahmen, um Leben, Wohlbefinden, Unversehrtheit und Würde der Tiere zu schützen“.61 Erwähnt sei an dieser Stelle, dass aus der Eigentumsgarantie, Art. 14 GG, kein „Grundrecht auf Tierschutz“ erwächst.62 Ein besserer tierschutzrechtlicher Vollzug lässt sich folglich kaum über individuelle Eigentumsrechte erreichen.63 Aber: Tierhalter haben „eine besondere Veranlassung und Verpflichtung“ zum privaten Tierschutz.64 Hiervon ausgehend könnte die Tierschutz-Verbandsklage auf den ersten Blick überflüssig sein, wenn die Halter (und Eigentümer) ihrer Veranlassung und Verpflichtung zum Tierschutz von sich aus bereits ausreichend nachkommen. Problematisch ist jedoch, dass der einzelne Tierhalter und -eigentümer zwar sicherstellen kann, dass er sein eigenes Tier dem Tierschutzrecht entsprechend behandelt. Es ist aber nicht ersichtlich, wie er erreichen könnte, dass es ihm auch jeder andere Halter und Eigentümer gleich tut. Auf die tierschützende Tätigkeit von Tiereigentümern und -haltern wird aber auch deshalb nicht weiter eingegangen, weil aus den zwei nachfolgend unter (b)) aufgeführten Gründen durch die Eigentümer und Halter von Tieren offensichtlich kein ausreichender Tierschutz gewährleistet werden kann.

58 Die forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), vfa-Positionspapier „Verbandsklagerecht im Bereich des Tierschutzes“, 2010, S. 2 f., Originaldokument als PDF abrufbar unter https:// www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/positionen/pos-verbandsklagerecht-tierschutz.html (Stand: 31.7.2017). 59 Fest/Köpernik, Das Verbandsklagerecht im Tierschutz, DVBl. 2012, 1473 (1475). 60 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 12. 61 v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn. 42. 62 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (731). 63 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (731). 64 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 14.

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage Der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage wird deutlich, wenn man an Fälle fehlender Eigentumszuordnung (aa)) und an Fälle gegenläufiger Interessen (bb)) denkt. aa) Fälle fehlender Eigentumszuordnung Es ist zu bedenken, dass viele Tiere keinen Eigentümer haben.65 Dies zeigt sich schon mit Blick auf § 960 Abs. 1 S. 1 BGB, einer das Eigentum regelnden sachenrechtlichen Vorschrift des Bürgerlichen Gesetzbuches. Danach sind wilde Tiere „herrenlos, solange sie sich in der Freiheit befinden“. Es handelt sich dabei um Tiere, an denen niemand Besitz hat.66 Beispielhaft könnte man insofern an die Seehunde in der Nordsee denken. In solchen Fällen gibt es nicht nur keinen Besitzer, sondern auch von vornherein keinen Eigentümer, der die Tiere kraft seiner Eigentümerstellung in irgendeiner Art schützen könnte. Der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage ergibt sich insofern daraus, dass die Eigentümerstellung bei diesem Instrument keine Rolle spielt. bb) Fälle gegenläufiger Interessen Des Weiteren ist zu bedenken, dass die Eigentümerinteressen den Interessen des Tierschutzes häufig entgegenstehen.67 Man denke beispielsweise an einen Fleischproduzenten, der auf seiner Fläche so viele Tiere wie möglich halten möchte, um effizient Fleisch produzieren zu können.68 Laut dem sogenannten Fleischatlas 2014, einem Kooperationsprojekt der Heinrich-Böll-Stiftung, des Bundes für Umweltund Naturschutz Deutschland und Le Monde diplomatique, sind „die Gewinnmargen in der Fleischindustrie gering“.69 Unternehmen verfolgen deshalb Größenvorteile, was unter anderem zu einer intensiveren Fleischproduktion mit einer größeren Tierhaltung führt.70 Wie viele Tiere gehalten werden, hat laut Fleischatlas 65 Kloepfer in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, GG, Ordner 6  – Art.  20a  – 24 (Stand: 184. Aktualisierung 2017), Art. 20a Rn. 104 (Stand: 116. Aktualisierung 2005). 66 Schulte-Nölke in Schulze, BGB, Handkommentar, 9. Aufl. 2017, § 960 Rn. 2. 67 Kloepfer in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, GG, Ordner 6  – Art.  20a  – 24 (Stand: 184. Aktualisierung 2017), Art. 20a Rn. 104 (Stand: 116. Aktualisierung 2005). 68 Kloepfer in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, GG, Ordner 6  – Art.  20a  – 24 (Stand: 184. Aktualisierung 2017), Art. 20a Rn. 104 (Stand: 116. Aktualisierung 2005). 69 Heinrich-Böll-Stiftung/Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland/Le monde diplomatique, Fleischatlas 2014. Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel. Neue Themen., 1. Aufl. 2014, S. 12, https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/massen tierhaltung/massentierhaltung_fleischatlas_2014.pdf (Stand: 31.7.2017). 70 Heinrich-Böll-Stiftung/Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland/Le monde diplomatique, Fleischatlas 2014. Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel. Neue Themen.,

II. Das Spektrum ausgewählter Rechtsdurchsetzungsinstrumente 

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2013 erheblichen Einfluss auf die Produktionskosten  – dabei gilt mit Blick auf Heizkosten, Boden- und Arbeitskosten der Grundsatz „je enger, desto günstiger“.71 Es darf zumindest bezweifelt werden, ob angesichts dieser wirtschaftlichen Gesichtspunkte stets alle Tierschutzbelange ausreichend von den Tiereigentümern beachtet werden: Beispielsweise ist „der Eierproduzent […] – unter Strapazierung des Tierschutzrechts – an einer größeren Eierproduktion auf engstem Raum, der Hähnchenproduzent an Tieren mit unnatürlich viel Fleisch der Hähnchen interessiert“.72 Es steht zu vermuten, dass Tiereigentümern oft weniger an behördlichen Tierschutzmaßnahmen, als vielmehr an Ausnahmen, Duldungen oder der Untätigkeit der Tierschutzbehörden liegt.73 Genau in diesen Fällen gegenläufiger Interessen zeigt sich der große Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage. Sie verschafft den Tieren einen eigenen Interessenvertreter.74 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Tiereigentümer sich in vielen Fällen nicht als Interessenvertreter der Tiere eignen.75

2. Tierschutz durch die Tierärzte Als nächstes wird der rechtliche Auftrag an Tierärzte vorgestellt (a)), bevor unter (b)) erneut erörtert wird, inwiefern die Tierschutz-Verbandsklage auch angesichts des Tierschutzes durch Tierärzte einen Mehrwert verspricht. a) Tierschützende Tätigkeit von Tierärzten Neben Tierpflegern sind es vor allem die Tierärzte, die es sich zur beruflichen Aufgabe gemacht haben, sich um die Tiere zu kümmern.76 Die Tierärzte sind der Berufsordnung zufolge „die berufenen Tierschützer“.77 Die Ausbildung der Tierärzte konzentriert sich gerade auf die Gebiete der Gesundheit und des Schutzes von 1. Aufl. 2014, S. 12, https://www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/massen tierhaltung/massentierhaltung_fleischatlas_2014.pdf (Stand: 31.7.2017). 71 Heinrich-Böll-Stiftung/Bund für Umwelt- und Naturschutz/Le monde diplomatique, Fleischatlas 2013. Daten und Fakten über Tiere als Nahrungsmittel, 7. Aufl. 2014, S.  22 f., https:// www.bund.net/fileadmin/user_upload_bund/publikationen/massentierhaltung/massentierhaltung _fleischatlas_2013.pdf (Stand: 31.7.2017). 72 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (731). 73 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (731). 74 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. 75 Kloepfer in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, GG, Ordner 6  – Art.  20a  – 24 (Stand: 184. Aktualisierung 2017), Art. 20a Rn. 104 (Stand: 116. Aktualisierung 2005). 76 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 16. 77 Otto, Öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/477, 1.

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

Tieren.78 So gehört es gemäß § 1 Abs. 1 der Bundes-Tierärzteordnung unter anderem zu den Aufgaben der Tierärzte, „Leiden und Krankheiten der Tiere zu verhüten, zu lindern und zu heilen, zur Erhaltung und Entwicklung eines leistungsfähigen Tierbestandes beizutragen“. Unter anderem mit den Veterinärverwaltungen wurden auf Landesebene amtliche Stellen geschaffen, die für den Tierschutz zuständig sind.79 Die Aufgabe der Tierärzte in den Tierschutzbehörden lässt sich an § 16a TierSchG veranschaulichen. § 16a TierSchG, die Generalermächtigung des Tierschutzrechts, ist eine Normierung eines „‚Wächteramt[es] des Staates‘ für das Wohl der Tiere“.80 § 16a Abs. 1 S. 1 TierSchG lautet: „Die zuständige Behörde trifft die zur Beseitigung festgestellter Verstöße und die zur Verhütung künftiger Verstöße notwendigen Anordnungen.“ Die Vorschrift begründet eine „Rechtspflicht der zuständigen Behörden und damit der dort tätigen Amtstierärzte zur Reaktion, wenn Tierrechtsverstöße geschehen oder drohen“.81 Amtstierärzte stehen in der Regel in der Pflicht, „tätig zu werden und einzuschreiten, wenn sie Tatsachen erfahren, die auf vergangene, aktuelle oder künftige Verstöße gegen Tierschutzrecht schließen lassen“.82 Die Literatur kommt teilweise gar zu dem Ergebnis, dass unter Umständen eine Strafbarkeit des Amtstierarztes durch Unterlassen in Betracht komme, wenn dieser bei Tiermisshandlungen untätig bleibt.83 Die Tierschutzbehörden selbst können aber nicht als Interessenvertreter für die Interessen des Tierschutzes angesehen werden:84 Sie sind als vollziehende Gewalt gemäß Art. 20 Abs. 3 GG nämlich „an Gesetz und Recht gebunden“. Ihnen ob 78 Otto, Öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/477, 1. 79 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, Einf. Rn. 18. 80 Kemper, Die Garantenstellung der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte im Tierschutz, NuR 2007, 790 (792). 81 Kemper, Die Garantenstellung der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte im Tierschutz, NuR 2007, 790 (793). 82 Kemper, Die Garantenstellung der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte im Tierschutz, NuR 2007, 790 (793). Vertreten wird auch, dass § 16a TierSchG den Behörden einen Ermessensspielraum eröffnet, „ob und wie sie tätig wird“ (Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 [Stand: 213. EL 2017], T 95. TierSchG, § 16a Rn. 3 [Stand: 177. EL 2009]). 83 Iburg, Zur Unterlassungstäterschaft des Amtstierarztes bei Nichteinschreiten gegen Tiermisshandlungen, NuR 2001, 77 (79); ders. geht von einer Garantenstellung des Amtstierarztes aus. Auch Kemper, Die Garantenstellung der Amtstierärztinnen und Amtstierärzte im Tierschutz, NuR 2007, 790 (793) sieht bei Amtstierärzten eine Garantenstellung als gegeben an, mit der Folge, dass die Amtstierärzte als Amtsträger „die durch § 17 TierSchG strafrechtlich sanktionierte Verantwortung dafür [tragen], dass dieses durch § 16a TierSchG statuierte Wächteramt auch wahrgenommen wird“. Pfohl, Strafbarkeit von Amtstierärzten, NuR 2009, 238 (241) schreibt Amtstierärzten ebenfalls eine Garantenstellung zu. 84 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 498 f.

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liegt es, für „einen Ausgleich zwischen dem rechtlichen Schutz von Tieren und den Interessen der Tiernutzer“ zu sorgen.85 Sie sind „selbst im strengen rechtlichen Sinne zur Neutralität verpflichtet“.86 Wer neutral ist, kann aber konsequenterweise nicht irgendwelche Interessen, auch nicht die der Tiere, vertreten. Darüber hinaus kommt der Tierschutz-Verbandsklage aus zwei weiteren, nachfolgend unter (b)) vorgestellten, Gründen ein Mehrwert zu. b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage Der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage könnte sich einerseits daraus ergeben, dass Tierschutzvereine die Amtstierärzte bei deren Arbeit unterstützen könnten (aa)) und andererseits aus der Möglichkeit, die Arbeit der Amtstierärzte kontrollieren zu können (bb)). aa) Unterstützung der Tierschutzbehörden Die Ausstattung von Veterinärämtern verschlechtert sich in personeller und sachlicher Hinsicht mehr und mehr.87 Hinzu kommt, dass die Veterinärämter mit Verpflichtungen aus dem Bereich der Lebensmittelüberwachung überfrachtet werden.88 Es wird teilweise erwartet, dass die Tierschutz-Verbandsklage dabei helfe, die in personeller und sachlicher Hinsicht meistens ungenügend ausgestatteten Behörden merklich zu entlasten.89 Eine Tierschutz-Verbandsklage hilft den Behörden, „durch die Einbeziehung von zusätzlichem Sachverstand ihre Entscheidungen auf eine breite und ausgewogene Grundlage zu stellen“.90 Durch die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage kann „die Entscheidungsfindung der zuständigen Vollzugsbehörden verbessert werden“.91 Die Tierschutz-Verbandsklage hat daneben folgenden positiven Effekt: „Verbandsklagen verbreitern den Gegenstand des Streites, entbinden Kreativität und bereiten damit neue Weg [sic!] vor“, sofern den Verbänden neben den Klagerechten

85 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 498 f. 86 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 498 f. 87 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a GG Rn. 43. 88 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a GG Rn. 43. 89 Caspar/Geissen, Das neue Staatsziel „Tierschutz“ in Art. 20a GG, NVwZ 2002, 913 (914) und Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 50. 90 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (382). 91 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380).

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

auch ein vorgeschaltetes Mitwirkungs- und Informationsrecht eingeräumt wird.92 So lassen sich in tierschutzrechtlichen Konfliktsituationen durch eine breit angelegte Diskussion womöglich Lösungen finden, über die ohne die von Verbänden angestoßene Diskussion eventuell nicht nachgedacht worden wäre.93 Von anerkannten Tierschutzvereinen kann auch „ein von Engagement und Sachkenntnis geprägter Vortrag im Widerspruchsverfahren und im Verwaltungsprozess“ erwartet werden, wodurch es auch leichter wird, einen Sachverhalt zu beurteilen.94 Tierschutz-Verbandsklagen könnten bewirken, „dass der Staat am Sachverstand, am Informationsstand, an der fachlichen Kompetenz und an der Einsatzbereitschaft von Verbänden als Teil der Gesellschaft partizipiert“.95 Doch es gibt auch andere Ansätze: Der Schleswig-Holsteinische Richterverband empfiehlt, dass – sofern es ein Vollzugsdefizit überhaupt gebe – zuallererst Ursachenforschung betrieben werden müsse.96 Käme dabei beispielsweise heraus, dass die zuständigen Behörden nur ungenügend über Personal verfügen oder ihre Arbeit unter Organisationsmängeln leidet oder eine unzureichende Weiterbildung oder Motivation der Behördenmitarbeiter zu beklagen ist, so seien diese Mängel direkt zu beheben – dies könne beispielsweise „durch eine bessere Ausstattung der Behörden, durch klare ministerielle Vorgaben und eine verbesserte Fortbildung und Motivierung des Personals“ geschehen.97 Mit Blick auf die Unterstützung der Behörden kann einer Tierschutz-Verbandsklagen also ein Mehrwert zugeschrieben werden. Die Tierschutz-Verbandsklage ist insofern aber nicht alternativlos.

92 Hager, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – Rechtspolitische Diskussion, NuR 2016, 831 (834); ders. bezeichnet Verbandsklagen als „Motor der Entscheidungsfindung“. 93 Hager führt als Beispiel eine artenschutzrechtliche citizen suit zum Schutz einer Fischart („snail darter“) an (Entscheidung Tennessee Valley Authority v. Hill), die einen Dammbau zwar nicht verhindert habe, aber wohl Auslöser für ein Umsiedlungsprogramm war, dass das Überleben des Fisches gesichert habe (Hager, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage  – Rechtspolitische Diskussion, NuR 2016, 831 [833 f.] mit weiteren Nachweisen zu der genannten Entscheidung). 94 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381). 95 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (731). 96 Schleswig-Holsteinischer Richterverband, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zum Tierschutz-Verbandsklagerecht (LT-Drucksache 18/298), 2013, S. 4, http://www.richterverband-sh.de/stelln/2013/03-2013-SH-Richterverband.pdf (Stand: 31.7.2017); ders. kann hinsichtlich des Tierschutzes jedenfalls in Schleswig-Holstein kein für die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage sprechendes Vollzugsdefizit erkennen: „In der verwaltungsgerichtlichen Praxis haben sich bisher jedenfalls keine Anhaltspunkte für ein fehlendes Engagement oder eine fehlende Schlagkraft der Amtsveterinäre ergeben, vielmehr scheint es hierzulande ein vertrauensvolles und erfolgreiches Zusammenspiel von Tierschutzorganisationen, Tierschutzbehörden und Staatsanwaltschaften im Bereich des Tierschutzes zu geben“. 97 Schleswig-Holsteinischer Richterverband, Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zum Tierschutz-Verbandsklagerecht (LT-Drucksache 18/298), 2013, S. 4 f., http://www.richter verband-sh.de/stelln/2013/03-2013-SH-Richterverband.pdf (Stand: 31.7.2017).

II. Das Spektrum ausgewählter Rechtsdurchsetzungsinstrumente 

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bb) Kontrolle der Tierschutzbehörden Eine etwaig erforderliche bessere Behördenausstattung würde im Ergebnis aber doch nur eine Ergänzung und keine Alternative zur Tierschutz-Verbandsklage darstellen. Die soeben angesprochenen Änderungen in personeller und sachlicher Hinsicht würden das in der Einleitung erörterte Problem des rechtlichen Ungleichgewichts im Tierschutzrecht nicht beseitigen und auch nichts daran ändern, dass die Tierschutzbehörden, wie im vorigen Abschnitt ausgeführt, neutral und keine Interessenvertreter der Tiere sind. Die Tierschutz-Verbandsklage hat genau darin ihren Mehrwert. Sie schafft eine ausgleichende Kontrollmöglichkeit und verschafft den Tieren einen eigenen Interessenvertreter.98 Sie erscheint deshalb als eine gute Ergänzung zu dem von den Amtstierärzten geleisteten Tierschutz.

3. Tierschutz durch die Staatsanwaltschaften Als drittes wird die tierschützende Tätigkeit der Staatsanwälte vorgestellt (a)), bevor auch diesbezüglich der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage untersucht wird (b)). a) Tierschützende Tätigkeit von Staatsanwälten Ein Jeder kann die zuständige Behörde informieren und zum Tätigwerden auffordern, sofern ein Sachverhalt für tierschutzwidrig erachtet wird – bleibt die Behörde gleichwohl untätig, besteht die Möglichkeit einer Dienstaufsichtsbeschwerde oder einer Sachaufsichtsbeschwerde.99 Ein als strafbar oder zumindest als ordnungswidrig eingeschätzter Sachverhalt kann von jedermann anzeigt werden und entsprechende Anzeigen müssen von jeder Polizeidienststelle – ungeachtet der örtlichen Zuständigkeit – aufgenommen werden.100 Was strafbar oder ordnungswidrig ist, ergibt sich aus dem elften Abschnitt des Tierschutzgesetzes, der Straf- und Bußgeldvorschriften enthält. § 17 TierSchG lautet: „Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer 1. ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund tötet oder 2. einem Wirbeltier a) aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder Leiden oder b)  länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt.“ § 18 TierSchG zählt sodann auf, was alles als Ordnungswidrigkeit einzustufen ist. Ordnungswidrigkeiten werden von der Polizei der zuständigen Verwaltungsbehörde übergeben, Straftaten werden im Anschluss an die Ermittlungen der Poli 98

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 91. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 87. 100 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86. 99

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zei der Staatsanwaltschaft weitergeleitet.101 Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2014 insgesamt 978 Personen für eine Straftat nach dem Tierschutzgesetz abgeurteilt, von denen 730 Personen auch verurteilt wurden.102 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage Der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage zeigt sich zum einen an den hohen Hürden des Strafrechts (aa)) und zum anderen an dem Erfordernis von Tierschutz unterhalb der Schwelle des Strafrechts (bb)). aa) Hohe Hürden des Strafrechts Die hohen Hürden des Strafrechts sollen anhand von § 17 Nr. 2b TierSchG veranschaulicht werden. Der Nachweis der Verwirklichung von § 17 Nr. 2b TierSchG ist nicht einfach.103 So ist es keine Ausnahme, dass Beschuldigte mit Unterstützung von Sachverständigen in Zweifel ziehen, ob tatsächlich „länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden“ im Sinne des § 17 Nr. 2b TierSchG vorliegen – solche beim Gericht geweckten Zweifel gehen zugunsten des Beschuldigten („in dubio pro reo“) und im Umkehrschluss zulasten der Tiere.104 Aber auch soweit die Hürde des Nachweises der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes genommen ist, steht einer Verurteilung oft noch der fehlende Nachweis der Verwirklichung des subjektiven Tatbestandes entgegen.105 So fehlt es für eine Verurteilung oft an einem erwiesenen Vorsatz und/oder der Strafbarkeit steht ein Verbotsirrtum entgegen.106 Schließlich kann es – selbst wenn der objektive und subjektive Tatbestand nachweislich erfüllt ist, sowie Rechtswidrigkeit und Schuld zu bejahen sind – zu einer Einstellung des Strafverfahrens nach den §§ 153 ff. StPO kommen.107 Wird ein Beschuldigter freigesprochen oder ein Strafverfahren eingestellt, so wird dies „von den Beschuldigten und ihren Verbänden dann oft als Freibrief für die Fortsetzung ihrer bisherigen Praxis angesehen“.108

101

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86. S. Statistisches Bundesamt, Rechtspflege. Strafverfolgung, Fachserie 10 Reihe 3, 2016, S.  56 f., https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/StrafverfolgungVollzug/Strafverfolgung2100300147004.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017). 103 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86. 104 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86. 105 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86. 106 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86. 107 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86. 108 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86 unter Verweis auf ein Beispiel aus der Geflügelwirtschaft. 102

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Auf dem Gebiet des Strafrechts begegnet der Tierschutz also teilweise hohen Hürden. Selbst aus den Reihen der Staatsanwaltschaften wird mitunter bemängelt, dass die Staatsanwälte „die oft komplizierten Tierschutzstrafverfahren ‚auf kleiner Flamme kochen‘“ würden.109 Zusammenfassend sei „[d]er von Tierschützern manchmal erhobene Vorwurf, Art. 20a GG stelle lediglich ein bloßes ‚Lippenbekenntnis‘ des Gesetzgebers dar, […] zumindest im Bereich des strafrechtlichen Tierschutzes berechtigt“  – zumindest auf dem Gebiet des Tierschutzstrafrechts sei die in Art. 20a GG normierte Staatszielbestimmung „eine politische Absichtserklärung ohne jegliche praktische Auswirkung geblieben“.110 Der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage liegt insofern darin, dass es bei dem verwaltungsrechtlichen Instrument keine den strafrechtlichen Tatbestandsvoraussetzungen vergleichbaren hohen Hürden bei der Rechtsdurchsetzung gibt. Zwar mag es auch in Verfahren vor dem Verwaltungsgericht gelegentlich zweifelhaft sein, ob Tierschutzrecht tatsächlich verletzt ist oder nicht. Subjektive Kriterien spielen bei der Beurteilung tierschutzwidriger Zustände durch ein Verwaltungsgericht aber regelmäßig keine Rolle. bb) Tierschutz unterhalb der Schwelle des Strafrechts Der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage erschließt sich – losgelöst von den hohen Hürden des Strafrechts – aber vor allem unter einem anderen Aspekt: Zu bedenken ist, „dass Formen des Umgangs mit Tieren auch dann gesetzwidrig sein können, wenn sie noch nicht die Schwelle zur Strafbarkeit erreichen“.111 Will man eine Verbesserung auch für nur gesetzwidrige, noch nicht strafbare Zustände erreichen, so kann aufgrund der Möglichkeit von Strafanzeigen und staatsanwaltschaftlicher Tätigkeit noch nicht von einem bereits ausreichenden Tierschutz gesprochen werden. Im Übrigen lässt sich auf die Tiere übertragen, was bereits im Kontext der Natur festgestellt wurde: Bei dem Schutz der Natur durch das Straf- oder Ordnungswidrigkeitenrecht ist zu bedenken, dass Konsequenzen „in der Regel erst [entstehen], wenn die Natur geschädigt worden ist und wenn auch ein Täter ausgemacht werden kann. Als Mitteil [sic!] zum vorbeugenden Schutz der Natur sind Sanktionen nur schlecht geeignet“.112

109 Iburg, Mängel des geltenden Tierschutzstrafrechts aus der Sicht der Staatsanwaltschaft, NuR 2010, 395 (396). 110 Iburg, Mängel des geltenden Tierschutzstrafrechts aus der Sicht der Staatsanwaltschaft, NuR 2010, 395 (397). 111 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 86. 112 Sening, Eigenwert und Eigenrechte der Natur?, NuR 1989, 325 (327).

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4. Tierschutz durch die Tierrechtskommissionen Als nächstes wird die tierschützende Tätigkeit der Tierrechtskommissionen vorgestellt (a)). Auch bezüglich dieses Instruments wird anschließend der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage herausgearbeitet (b)). a) Tierschützende Tätigkeit von Tierrechtskommissionen Im Tierschutzgesetz gibt es zwei verschiedene Tierrechtskommissionen, nämlich die Tierschutzkommission (nachfolgend aa)) und die Tierversuchskommission (bb)).113 aa) Die Tierschutzkommission Gemäß § 16b Abs. 1 S. 1 TierSchG wird die Tierschutzkommission vom Bundesministerium berufen, um dieses „in Fragen des Tierschutzes“ zu unterstützen. Es ist vorgesehen, dass die Tierschutzkommission vom Bundesministerium angehört wird, bevor Rechtsverordnungen sowie allgemeine Verwaltungsvorschriften nach dem Tierschutzgesetz erlassen werden, § 16b Abs. 1 S. 2 TierSchG. § 16b Abs. 2 TierSchG ermächtigt das Bundesministerium, „das Nähere über Zusammensetzung, Berufung der Mitglieder, Aufgaben und Geschäftsführung der Tierschutzkommission“ in einer Rechtsverordnung festzulegen. Entsprechende Einzelheiten finden sich in der Tierschutzkommissions-Verordnung114. Erwähnenswert ist, dass gemäß § 2 S. 2 der Tierschutzkommissions-Verordnung vier der zwölf Mitglieder der Tierschutzkommission Sachverständige von überregionalen Tierschutzverbänden sind. Die eine Tierschutz-Verbandsklage fordernden Tierschutzverbände haben also bereits einen gewissen Einfluss auf die Einhaltung des Tierschutzrechts in Form von einem Drittel der Stimmen in der Tierschutzkommission. Alles in allem hat die Tierschutzkommission „eine unterstützende, konsultative Funktion bei der Arbeit des Verbraucherministeriums in allen relevanten Fragen des Tierschutzes“.115

113

Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 54. Verordnung über die Tierschutzkommission beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (Tierschutzkommissions-Verordnung) v. 23.6.1987, BGBl. I 1987, 1557. 115 Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 54. 114

II. Das Spektrum ausgewählter Rechtsdurchsetzungsinstrumente 

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bb) Die Tierversuchskommission Die Tierversuchskommission ist auch unter den Namen „Ethikkommission“ oder „§ 15-Kommission“ bekannt.116 Gemäß § 15 Abs. 1 S. 2 TierSchG ist die Berufung durch die zuständigen Behörden von diese unterstützenden Kommissionen bei „der Entscheidung über die Genehmigung von Versuchsvorhaben“ (Nr. 1) und bei „der Bewertung angezeigter Änderungen genehmigter Versuchsvorhaben, soweit dies in einer Rechtsverordnung nach Absatz 4 vorgesehen ist“ (Nr. 2) angedacht. Eine entsprechende Regelung findet sich in § 15 Abs. 3 S. 2 TierSchG für den Bereich der Bundeswehr. In Deutschland enthält § 15 Abs. 4 S. 1 TierSchG die Ermächtigungsgrundlage für die Regelungen zur Tierversuchskommission in § 42 der Verordnung zum Schutz von zu Versuchszwecken oder zu anderen wissenschaftlichen Zwecken verwendeten Tieren (Tierschutz-Versuchstierverordnung – TierSchVersV)117.118 Diese Verordnung regelt in § 42 TierSchVersV die Qualifikation der Tierversuchskommissionsmitglieder und das Vorschlagsrecht von Tierschutzorganisationen.119 Gemäß § 42 Abs.  1 TierSchVersV müssen die TierversuchskommissionsMitglieder mehrheitlich „die für die Beurteilung von Tierversuchen erforderlichen Fachkenntnisse der Veterinärmedizin, der Medizin oder einer naturwissenschaftlichen Fachrichtung haben“. Dabei ist die Tierversuchskommission gemäß § 42 Abs. 2 TierSchVersV auch mit Mitgliedern zu besetzen, „die auf Grund von Vorschlägen der Tierschutzorganisationen ausgewählt worden sind und auf Grund ihrer Erfahrungen zur Beurteilung von Tierschutzfragen geeignet sind; die Zahl dieser Mitglieder muss mindestens ein Drittel der Kommissionsmitglieder betragen“.120 Aufgabe der Tierversuchskommissionen ist es, ihr Fachwissen in die jeweiligen Verfahren einfließen zu lassen, wobei ihr Votum nicht verbindlich, sondern nur von konsultativer Natur und ihr Einfluss auf die Behörden mithin rein informeller Art ist.121

116

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 15 Rn. 4. = Artikel 1 der Verordnung zur Umsetzung der Richtlinie 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22.9.2010 zum Schutz der für wissenschaftliche Zwecke verwendeten Tiere vom 1.8.2013, BGBl. I 2013, 3125. 118 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95g. TierSchVersV, § 42 Rn. 2 (Stand: 206. EL 2016). 119 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95g. TierSchVersV, § 42 Rn. 1 (Stand: 206. EL 2016). 120 Dies gilt für die Tierversuchskommission nach § 15 Abs.  1 S.  2 TierSchG. S.  zur Tier­ versuchskommission nach § 15 Abs. 3 S. 2 TierSchG (Bundeswehrbereich) die Regelung in § 42 Abs. 3 TierSchVersV. 121 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 507; Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 54. 117

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b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage In der Literatur wurde teilweise die personelle Umgestaltung und rechtliche Modifizierung der schon früh kritisierten122 Tierversuchskommission angeregt.123 Ungeachtet der konkreten Vorschläge macht die Tierversuchskommission die Tierschutz-Verbandsklage aber schon deshalb nicht überflüssig, weil erstere offensichtlich nur im Bereich der Tierversuche Einfluss nehmen kann. Eine Übertragung des „Modell[s] der Tierversuchskommission auch auf andere Bereiche des Tierschutzrechts […] erscheint nicht sonderlich praktikabel“.124 In ihrer momentanen Ausgestaltung kann die Tierversuchskommission aber auch deshalb nicht die gleiche Wirkung wie die Tierschutz-Verbandsklage entfalten, weil letztere aufgrund der Klagemöglichkeit über eine bloß beratende Funktion hinausgeht.125 Hierin liegt also – auch im Vergleich zur Tierschutzkommission – der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage. Die pluralistisch besetzten Tierschutz- und Tierversuchskommissionen können nur beratend wirken.126 Es handelt sich dabei um reine „Diskussionsplattformen“ für die Interessen des Tierschutzes einerseits und die entgegenstehenden Belange der Nutzer andererseits.127 So ist es keine Voraussetzung für den Erlass von Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften, dass die nach § 16b Abs. 1 S. 2 TierSchG anzuhörende Tierschutzkommission diesen zustimmt.128 Auch der Beschluss der Tierversuchskommission entfaltet keine Bindungswirkung für die über den Antrag auf Genehmigung eines Versuchsvorhabens entscheidende zuständige Behörde.129

5. Tierschutz durch die Tierschutzbeauftragten Schließlich wird noch auf die tierschützende Tätigkeit der Tierschutzbeauftragten eingegangen (a)), bevor einmal mehr der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage erörtert wird (b)).

122 S. Brandhuber, Das neue Tierschutzgesetz – ein grundlegender Fortschritt für den Tierschutz?, NJW 1988, 1952 (1956 f.). 123 S. Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 508 mit weiterem Nachweis und Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 54–58. 124 Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 56. 125 S. schon Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 508. 126 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 127 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 128 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, § 16b Rn. 1. 129 Lorz/Metzger, TierSchG, Kommentar, 6. Aufl. 2008, § 15 Rn. 20.

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a) Zur tierschützenden Tätigkeit der Tierschutzbeauftragten Zu unterscheiden ist zwischen den landesrechtlichen Tierschutzbeauftragten (nachfolgend aa)) und den betrieblichen Tierschutzbeauftragten (bb)).130 aa) Die landesrechtlichen Tierschutzbeauftragten Landesrechtliche Tierschutzbeauftragte sind in staatlichen Institutionen auf Ebene der Bundesländer tätig, weshalb sich im Tierschutzgesetz keine Vorschriften zu ihrer Position und ihrem Tätigkeitsbereich finden.131 Sofern ein Bundesland solche Stellen bereits geschaffen hat, kann man tierschutzrelevante Ereignisse auch an den Landesbeauftragten für den Tierschutz, gegebenenfalls auch an einen Tierschutzbeirat, adressieren.132 Hessen war damit Vorreiter bezüglich der Einführung eines landesrechtlichen Tierschutzbeauftragten.133 Der Landestierschutzbeauftragte wurde damals in der Literatur aufgrund „strukturelle[r] Defizite im Bereich des geltenden Rechts“ als „wichtiges Instrument zur Optimierung des Tierschutzes auf Landesebene“ angesehen.134 Ebenfalls einen Tierschutzbeauftragten oder zumindest ähnliche Institutionen haben Baden-Württemberg (Landesbeauftragte für Tierschutz), Bayern (Tierschutzbeirat), Berlin (Tierschutzbeauftragter des Landes Berlin), Brandenburg (Landestierschutzbeirat), Hamburg (Tierschutzbeirat),135 Niedersachsen (Landesbeauftragter für Tierschutz), Saarland (Landesbeauftragter für Tierschutz), SachsenAnhalt (Ansprechpartner für Tierschutzfragen des Landes Sachsen-Anhalt) und Schleswig-Holstein (Vertrauensmann für Tierschutz in der Landwirtschaft), während die anderen Bundesländer kein vergleichbares Amt haben.136 130 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 503. 131 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 503. 132 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 87. 133 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 503. 134 Erbel, Zur Frage der landesgesetzlichen Regelung der Stellung und der Aufgaben eines Tierschutzbeauftragten, DÖV 1992, 189 (191). 135 Die Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Sachstand. Informationen zu Tierschutzbeauftragten in den Bundesländern, WD 5  – 3000  – 052/16, 2016, S.  6, https://www. bundestag.de/blob/434474/d2bc3d212f946bb52c82e3abc78376ae/wd-5-052-16-pdf-data.pdf (Stand: 31.7.2017), kommen zu dem Ergebnis, dass Hamburg trotz eines Tierschutzbeirats kein dem Tierschutzbeauftragten vergleichbares Amt habe. Dies ist nicht nachvollziehbar, da gerade ein Tierschutzbeirat eine ähnliche Institution wie ein Tierschutzbeauftragter ist (so wohl auch Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 503 und Fn. 557). 136 S. Wissenschaftliche Dienste Deutscher Bundestag, Sachstand. Informationen zu Tierschutzbeauftragten in den Bundesländern, WD 5 – 3000 – 052/16, 2016, S. 3–11, https://www. bundestag.de/blob/434474/d2bc3d212f946bb52c82e3abc78376ae/wd-5-052-16-pdf-data.pdf

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

Dies weist Ähnlichkeit mit dem Tätigkeitsfeld der (sogleich vorzustellenden) betrieblichen Tierschutzbeauftragten in Tierversuchseinrichtungen auf.137 Im Unterschied zu letzteren sind mit dem Amt der Landestierschutzbeauftragten auch administrative Aufgaben verbunden.138 bb) Die betrieblichen Tierschutzbeauftragten § 10 TierSchG enthält Bestimmungen zum Tierschutzbeauftragten. So brauchen Einrichtungen und Betriebe im Kontext von Tierversuchen und wissenschaftlichen Zwecken gemäß § 10 Abs. 1 TierSchG unter dort näher bestimmten Voraussetzun­ gen einen Tierschutzbeauftragten. Aus § 10 Abs. 2 S. 1 TierSchG geht hervor, dass die Tierschutzbeauftragten vor allem beratend tätig sind und Stellungnahmen abgeben können. Näheres zum Tierschutzbeauftragten ist in § 5 TierSchVersV geregelt, dessen Ermächtigungsgrundlage sich in § 10 Abs. 2 S. 2 TierSchG findet.139 Nach § 5 Abs. 4 S. 1 TierSchVersV trifft den Tierschutzbeauftragten die Pflicht, „auf die Einhaltung von Vorschriften, Bedingungen und Auflagen im Interesse des Tierschutzes zu achten“ (Nr. 1) sowie „die Einrichtung oder den Betrieb und die mit der Haltung der Tiere befassten Personen zu beraten, insbesondere hinsichtlich des Wohlergehens der Tiere beim Erwerb, der Unterbringung und der Pflege sowie hinsichtlich deren medizinischer Behandlung“ (Nr. 2). § 5 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 bis 3 TierSchG zählt weitere Pflichten des Tierschutzbeauftragten im Zusammenhang mit Tierversuchen auf. In § 5 Abs. 6 S. 1 TierSchVersV ist klargestellt, dass der Tierschutzbeauftragte im Rahmen seiner Tätigkeit keinen Weisungen unterliegt. Tierschutzbeauftragte können „als Sachwalter der Tiere und deren Interessen“ angesehen werden.140 Der Tierschutzbeauftragte ist eine selbstregulative Ausprägung des Normenvollzugs und seine Arbeit kann in Tierversuchseinrichtungen zu einer Verbesserung des betrieblichen Tierschutzes beisteuern.141

(Stand: 31.7.2017); ders., S. 3 und S. 6, wertete in nicht nachvollziehbarer Weise den hamburgischen Tierschutzbeirat anders als etwa den bayerischen Tierschutzbeirat nicht als „vergleichbares Amt“ zum Tierschutzbeauftragten. 137 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 503. 138 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 503. 139 Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95g. TierSchVersV, § 5 Rn. 1 (Stand: 206. EL 2016). 140 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (737). 141 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 501.

III. Ausgewählte ausländische Rechtsdurchsetzungsinstrumente 

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b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage Es gibt in der Literatur Gedankenspiele, die Figur des betrieblichen Tierschutzbeauftragten im Tierversuchsrecht auch für weitere Arten von Tiernutzung einzuführen.142 Denkbar ist auch, dass unabhängigen staatlichen Tierschutzbeauftragten ein Beanstandungs- und Klagerecht eingeräumt wird.143 In ihrer momentanen Ausprägung haben sowohl die landesrechtlichen, als auch die betrieblichen Tierschutzbeauftragten einen großen Nachteil gegenüber der Tierschutz-Verbandsklage: Beiden Arten von Tierschutzbeauftragten ist gemeinsam, dass sie hauptsächlich eher appellativ denn überwachend tätig sind.144 Darin liegt mithin der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage, durch die auch der Klageweg beschritten werden kann. Für Tierschutzbeauftragte ist im Übrigen übertragbar, was schon in Bezug auf Umweltbeauftragte und Umweltombudsmänner zu bedenken gegeben wurde: „Letztlich entsteht eine schwerfällige zentrale Makrostruktur, wo eine bewegliche Mikrostruktur nötig wäre“.145 Ein Umweltbeauftragter kann, „weil er nur in wenigen Fällen und auch dann noch mit unzureichender Information arbeiten müßte, nicht die Schlüsselstellung ausüben, die er zur Verbesserung der Kontrolle der Anwendung des Rechts zum Schutze der Natur ausüben müßte“.146

III. Ausgewählte ausländische Rechtsdurchsetzungsinstrumente Der bisherige Vergleich der Tierschutz-Verbandsklage mit ausgewählten nationalen Rechtsdurchsetzungsinstrumenten wird nachfolgend um einen Vergleich mit ausländischen Rechtsdurchsetzungsinstrumenten erweitert. Ausgewählt wurden die Tierschutz-Ombudsperson nach österreichischem Vorbild (1.), der Tieranwalt in Strafsachen nach Schweizer Vorbild (2.) und das sogenannte indirekte Verbandsklagerecht, ebenfalls nach Schweizer Vorbild (3.).147 142

S. Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 427–429 und 501. 143 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a GG Rn. 43; s. auch schon Erbel, Zur Frage der landesgesetzlichen Regelung der Stellung und der Aufgaben eines Tierschutzbeauftragten, DÖV 1992, 189 (197). 144 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 503. 145 Sening, Eigenwert und Eigenrechte der Natur?, NuR 1989, 325 (329), der dies im Kontext der Frage von Eigenrechten der Natur erörtert. 146 Sening, Eigenwert und Eigenrechte der Natur?, NuR 1989, 325 (329). 147 S. schon Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 500–512, mit einer Erörterung zu den Instrumenten des Tierschutzbeauftragten, des Ombudsmanns, des Tierschutzanwalts, der Tierversuchskommission und zur Tierschutz-Verbandsklage.

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

1. Tierschutz-Ombudspersonen nach österreichischem Vorbild Zunächst wird die österreichische Tierschutz-Ombudsperson vorgestellt (a)), bevor der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage untersucht wird (b)). a) Die österreichische Tierschutz-Ombudsperson Österreich hat in § 41 seines Tierschutzgesetzes (TSchG)148 eine Regelung über einen Tierschutzombudsmann aufgenommen.149 Gemäß § 41 Abs. 1 TSchG haben alle Länder „gegenüber dem Bundesminister für Gesundheit einen Tierschutzombudsmann zu bestellen“. § 41 Abs. 2 S. 1 TSchG regelt, wer alles als Tierschutz­ ombudsmann in Betracht kommt. § 41 Abs. 2 S. 2 TSchG legt eine Amtszeit von fünf Jahren und die Möglichkeit der Wiederbestellung fest. Funktion des Tierschutzombudsmanns ist es gemäß § 41 Abs. 3 TSchG, „die Interessen des Tierschutzes zu vertreten“. Dem Tierschutzombudsmann wird durch § 41 Abs. 4 S. 1 TSchG in Verwaltungsverfahren samt Verwaltungsstrafverfahren nach dem TSchG eine Parteistellung eingeräumt. In § 41 Abs. 4 S. 2 TSchG wird dem Tierschutzombudsmann ein Akteneinsichtsrecht und ein Informationsrecht zugestanden. Zudem sind die Behörden gemäß § 41 Abs. 4 S. 3 TSchG zur Unterstützung des Tierschutzombudsmannes bei dessen Tätigkeit angehalten. § 41 Abs. 4a S. 1 TSchG erlaubt es dem Tierschutzombudsmann, „gegen Bescheide in Angelegenheiten dieses Bundesgesetzes Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit beim Verwaltungsgericht des Landes zu erheben“. Auch insoweit wird ihm eine Parteistellung eingeräumt, § 41 Abs. 4a S. 2 TSchG. § 41 Abs. 5 TSchG stellt klar, dass der Tierschutzombudsmann seiner Tätigkeit weisungsfrei nachgehen kann. Gegenüber der Landesregierung trifft den Tierschutzombudsmann gemäß § 41 Abs. 6 TSchG eine Berichtspflicht hinsichtlich seiner Arbeit. § 41 Abs. 7 TSchG verbietet es dem Tierschutzombudsmann für die Dauer seiner Amtszeit Tätigkeiten nachzugehen, „die mit seinen Obliegenheiten unvereinbar oder geeignet sind, den Anschein der Befangenheit hervorzurufen“. Schließlich regelt § 41 Abs.  8 TSchG, wie die Amtszeit des Tierschutzombudsmannes endet. Auch in Deutschland wurde schon über die Einführung einer Tierschutz-Ombuds­ person nachgedacht.150 Aufgabe von Ombudspersonen ist es, „als staatliche und unabhängige Stelle“ zu überprüfen, ob Verfahren richtig durchgeführt werden und beispielsweise auf Mängel bei der Begründung hinweisen sowie deren Behebung

148 Bundesgesetz über den Schutz der Tiere (Tierschutzgesetz  – TSchG) = Art.  2 des 118. Bundesgesetzes, Österreichisches BGBl. I 2004, 1. 149 S. dazu Lennkh, Die Kodifikation des Tierschutzrechts. Modellvorstellungen, 2012, S. 186 mit weiteren Nachweisen. 150 S. Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 51 f.

III. Ausgewählte ausländische Rechtsdurchsetzungsinstrumente 

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anstoßen.151 Um dem im Tierschutzrecht nachkommen zu können, bräuchte die Ombudsperson „Informationsrechte gegenüber den verantwortlichen Stellen und Berichtsrechte zu den höher geordneten Institutionen“ – eine Tierschutz-Ombudsperson könnte gleichzeitig dazu dienen, „Ansprechpartner für Bürger und insbesondere Bedenkenträger zu sein und im Sinne einer außergerichtlichen Schiedsstelle auf eine zufriedenstellende Einigung hinzuwirken“.152 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage Über einen klagebefugten Ombudsmann als Alternative zur Verbandsklage wurde in Deutschland schon vor längerer Zeit, allerdings im Kontext des Naturschutzrechts, nachgedacht.153 Die Tierschutz-Verbandsklage wäre jedenfalls aus Tierschutzsicht vorzugswürdig, weil dadurch effektiver für Tierschutzinteressen eingetreten werden kann.154 Die ursprüngliche Aufgabe eines Ombudsmanns ist zwar „weniger in der Aufklärung oder Beratung, sondern in der Sachwalterschaft für bislang habituell unterrepräsentierte Belange“ zu sehen, weshalb auch eine gewisse Nähe zur Verbandsklage festgestellt werden kann.155 Bei einem Ombudsmann ist jedoch – anders als bei der Verbandsklage – die Gefahr gegeben, „daß durch eine zu starke Anbindung und Abhängigkeit dieser Einrichtung von der Verwaltung die Aufgabe einer eigenständigen Kontrolle konterkariert wird“.156 Wesentlicher Unterschied zum Instrument des Ombudsmannes ist, dass bei der Verbandsklage kein „von staatlicher Stelle eingesetzter Vertreter öffentlicher Interessen, sondern eine unmittelbar am Tierschutz interessierte private Organisation die Aufgabe der Vertretung wahrnimmt“.157 Ein weiterer Nachteil der Ombuds­ person ist, dass bezüglich der Wahrnehmung von Tierschutzinteressen in der Regel eine beschränkte Kapazität eines Ombudsmanns und seines limitierten Mitarbeiterstabs zu erwarten ist – nicht zu vergessen die Kosten dieser Aufgaben für

151

Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 52. Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 52. 153 S. Schomerus, Ein Ombudsmann mit Klagebefugnis statt Verbandsklage im Naturschutzrecht?, NuR 1989, 171–175, der die Verbandsklage im Ergebnis aus Naturschutzsicht der Beauftragten- oder Beiratsklage, die „eher die zweitbeste Lösung“ seien, wohl vorzieht, „weil nur schwer gewährleistet werden kann, daß die Beauftragten oder Beiräte unabhängig genug sind, um sich zu einer Klage mit allen Konsequenzen durchringen zu können“ (ders., [175]). 154 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 505. 155 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 504.­ 156 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 505. 157 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 504. 152

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

den öffentlichen Dienst.158 Die Ombudsperson ist nicht dafür gedacht, Behörden­ entscheidungen vor Gericht kontrollieren zu lassen.159 Eine tierschutzrechtliche Ombudsperson ist eine „sinnvolle prozedurale Flankierung“ der tierschutzrechtlichen Verbandsklage,160 aber keine Alternative dazu.

2. Tieranwälte in Strafsachen nach Schweizer Vorbild Denkbar wäre, dass im Strafrecht Tieranwälte bestellt werden.161 Als nächstes wird eine ehemalige Schweizer Regelung als Beispiel vorgestellt (a)), bevor erneut der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage herausgearbeitet wird (b)). a) Der Zürcher Rechtsanwalt für Tierschutz in Strafsachen Durch § 17 des kantonalen Tierschutzgesetzes vom 2. Juni 1991 ist „das Amt des Rechtsanwaltes für Tierschutz in Strafsachen“ ins Leben gerufen worden.162 Diesen Tieranwalt, der „als gesetzlicher Vertreter der geschädigten Tiere deren Anliegen im Strafverfahren bezüglich Zuwiderhandlungen gegen die Tierschutzgesetzgebung wahrnahm“, gab es im Schweizer Kanton Zürich von 1992 bis 2010.163 Der aktuelle § 17 des Tierschutzgesetzes des Kantons Zürich hat folgenden Wortlaut: „In Strafverfahren wegen Verletzung von Bestimmungen der Tierschutzgesetzgebung hat die zuständige Direktion volle Parteirechte im Sinne von Art. 104 Abs. 2 StPO.“164 Eine ältere Fassung von § 17 des Tierschutzgesetzes lautete im Kanton Zürich aber noch: „In Strafverfahren wegen Verletzung von Bestimmungen der Tierschutzgesetzgebung nehmen die zuständige Direktion sowie ein vom Regierungsrat auf Vorschlag der Tierschutzorganisationen ernannter Rechtsanwalt die Rechte eines Geschädigten wahr.“165 Der Rechtsanwalt für Tierschutz in Straf­ sachen musste von den Strafverfolgungsbehörden sowie den Gerichten von jeder

158

Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 505. 159 Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 52. 160 Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 52. 161 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a GG Rn. 43. 162 Goetschel, Der Zürcher Rechtsanwalt in Tierschutzstrafsachen, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht 1994, 64 (74). 163 Lennkh, Die Kodifikation des Tierschutzrechts. Modellvorstellungen, 2012, S. 93 mit weiteren Nachweisen; s. auch Stiftung für das Tier im Recht, Tieranwalt, https://www.tierimrecht. org/de/recht/lexikon-tierschutzrecht/Tieranwalt/ (Stand: 31.7.2017). 164 Abrufbar unter http://www2.zhlex.zh.ch/appl/zhlex_r.nsf/0/1FB1850DADC16DB0C1257 7E30036D7FC/$file/554.1_2.6.91_71.pdf (Stand: 31.7.2017). 165 Abrufbar unter http://www2.zhlex.zh.ch/appl/zhlex_r.nsf/0/C1256C610039641BC125603 6003AE538/$file/554.1_2.6.91_22.pdf (Stand: 31.7.2017) – Hervorhebung durch den Verfasser.

III. Ausgewählte ausländische Rechtsdurchsetzungsinstrumente 

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den Tierschutz betreffenden Strafanzeige und Amtshandlung unterrichtet werden.166 Die prozessualen Rechte des Rechtsanwalts für Tierschutz in Strafsachen ergaben sich regelmäßig aus der Zürcher Strafprozessordnung.167 Schon 1959 kam in der deutschen Literatur der Gedanke auf, „den anerkannten Tierschutzvereinen die Rechtsstellung von Nebenklägern einzuräumen“.168 Man könnte strafrechtlichen Tieranwälten auch in Deutschland – vergleichbar den Rechten von Nebenklägern – ein Akteneinsichts- und Antragsrecht, rechtliches Gehör und die Möglichkeit, Rechtsmittel einzulegen, einräumen.169 b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage Zu berücksichtigen ist der beschränkte Einfluss eines Tieranwalts (nur) in Strafsachen für den präventiven Tierschutz.170 Da das Strafrecht repressiver Natur ist, sind demgegenüber vermutlich „wesentlich stärkere Impulse vom auf Prävention abzielenden Verwaltungsrecht zu erwarten“.171 In der Literatur kam deshalb bereits der Gedanke auf, eine dem Rechtsanwalt für Tierschutz in Strafsachen entsprechende Institution im Verwaltungsverfahren einzuführen.172 Zumindest aus Kapazitäts- und Ressourcengründen ist aber auch der Tieranwalt gegenüber anerkannten Tierschutzvereinen im Rahmen einer Tierschutz-Verbandsklage im Nachteil.

3. „Indirektes Verbandsklagerecht“ nach Schweizer Vorbild In der Schweiz, genauer im Kanton Zürich, gibt es eine weitere Rechtsschutzform; das sogenannte indirekte Verbandsklagerecht.173 Was sich hinter diesem Begriff verbirgt, zeigt sich mit Blick auf die Zürcher Tierversuchskommission (a)). Im Anschluss wird auch hier der Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage erörtert (b)).

166

Lennkh, Die Kodifikation des Tierschutzrechts. Modellvorstellungen, 2012, S. 93. Goetschel, Der Zürcher Rechtsanwalt in Tierschutzstrafsachen, Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht, 1994, 64 (75). 168 Felix, Einige Bemerkungen zum Problem des rechtlichen Tierschutzes, JZ 1959, 85 (86). 169 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Art. 20a GG Rn. 43. 170 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 507. 171 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 507. 172 S. Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 507. 173 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 93. 167

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2. Teil: Geschichte und Gegenwart des Tierschutzrechts

a) Zur Zürcher Tierversuchskommission § 12 Abs. 2 S. 1 des kantonalen Tierschutzgesetzes von Zürich lautet: „Die Tierversuchskommission ist im Bewilligungsverfahren für Tierversuche zum Rekurs an den Regierungsrat und zur Beschwerde an das Verwaltungsgericht berechtigt.“ Weiter heißt es in § 12 Abs. 2 S. 2 des selben Gesetzes: „Die gleichen Befugnisse haben mindestens drei gemeinsam handelnde Mitglieder.“ Das kantonale Tierschutzgesetz von Zürich ermächtigt also drei sich zusammenschließende Tierversuchskommissions-Mitglieder, vor Gericht eine Tierversuchsgenehmigung anzugreifen, sofern der Tierversuch trotz ihrem abratenden Votum von der Verwaltung genehmigt wurde.174 In diesem Zusammenhang ist die Zusammensetzung der Kommission in den Blick zu nehmen: § 4 des kantonalen Tierschutzgesetzes von Zürich enthält Regelungen zur Tierversuchskommission. Diese wird gemäß § 4 Abs. 1 vom Regierungsrat gewählt und setzt sich „aus Fachleuten für Versuchstierkunde, für Tierversuche sowie für Fragen der Ethik und des Tierschutzes“ zusammen. Nach § 4 Abs. 2 S. 1 besteht die Tierversuchskommission aus maximal elf Mitgliedern. Drei davon „werden auf Vorschlag der Tierschutzorganisationen gewählt“, § 4 Abs. 2 S. 2. Weil die kantonale Tierversuchskommission drei Mitglieder enthält, deren Wahl auf einen Vorschlag von Tierschutzorganisationen zurückgeht, ist in diesem Zusammenhang auch vom „indirekten Verbandsklagerecht des Tierschutzes“ die Rede.175 Auch in Deutschland gibt es  – wie bereits vorgestellt und aus § 15 TierSchG ersichtlich  – eine Tierversuchskommission. Anders als im Kanton Zürich ist in Deutschland aber keine Regelung vorhanden, wonach eine deutsche Tierversuchskommission, beziehungsweise einige ihrer Mitglieder, eine Tierversuchsgenehmigung gerichtlich anfechten könnten. b) Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage Tierversuchskommissionen sind noch nicht einmal in Form des Zürcher Modells eine Alternative zur Tierschutz-Verbandsklage, weil das indirekte Verbandsklagerecht im Kanton Zürich – gerade anders als die Tierschutz-Verbandsklage – auf den tierschutzrechtlichen Ausschnitt der Tierversuche begrenzt ist: „Allein die Verbandsklage sichert ein direktes und bereichsübergreifendes Beanstandungsrecht der Tierschutzorganisationen gegenüber den behördlichen Entscheidungen.“176 174

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 93. Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 93. 176 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 511, der weiter ausführt: „Ein Beschwerde- bzw. Klagerecht für Verbände reicht thematisch weit über die eng umrissenen Beratungsbefugnisse der für die Genehmigung von Tierschutzfragen eingesetzten Kommissionen hinaus und erstreckt sich gleichzeitig auch auf die tierschutzrechtlichen Nebengesetze“. 175

Dritter Teil3

Die Tierschutz-Verbandsklage als Herausforderung des deutschen Verwaltungsrechts In diesem dritten Teil wird die Tierschutz-Verbandsklage mit Blick auf einen wichtigen Grundsatz des deutschen Verwaltungsrechts eingeordnet. Ausgehend von dem Grundsatz des Individualrechtsschutzes (I.) ist in diesem Zusammenhang auf den Ausnahmecharakter der Verbandsklage einzugehen (II.). Dabei wird deutlich werden, was so besonders an dem Instrument der Tierschutz-Verbandsklage ist. Es wird sich auch zeigen, dass das deutsche Verwaltungsrecht durch die Tierschutz-Verbandsklage allenfalls herausgefordert, aber nicht überfordert wird.

I. Grundsatz Individualrechtsschutz Zunächst folgen Ausführungen zu der Entscheidung zugunsten des subjektiven Rechtsschutzes (1.). Des Weiteren wird ein Überblick zu der sogenannten Schutznormtheorie gegeben (2.). Anschließend wird erörtert, ob es im Tierschutzrecht subjektive Rechte gibt (3.). Daran knüpft ein Exkurs zu subjektiven Tierrechten und deren theoretischer Umsetzung an (4.).

1. Entscheidung für den subjektiven Rechtsschutz Um das „Wesen“ der Tierschutz-Verbandsklage verstehen zu können, ist es unerlässlich, das der Verwaltungsgerichtsbarkeit zugrunde liegende System im Überblick vorzustellen: Die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist durch eine System­ entscheidung zugunsten des subjektiven Rechtsschutzes, auch Individualrechtsschutz genannt, gekennzeichnet.1 Ausgehend von der Ausformung des Individualrechtsschutzes wird von drei verschiedenen „Verwaltungsrechtstypen“ gesprochen, „die jeweils nach dem Land, in dem sie erstmals entwickelt wurden, benannt sind: der französische, der deutsche und der britische Typ“.2 Neben Deutschland werden – in unterschiedlichen Ausprä 1 Wahl in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 14. 2 Fromont, Typen staatlichen Verwaltungsrechts in Europa, in: von Bogdandy/Cassese/Huber, Handbuch Ius Publicum Europaeum, Bd. III – Verwaltungsrecht in Europa: Grundlagen, 2010, § 55 Rn.  22; ders. sieht eine Verwandtschaft der niederländischen, belgischen, italie-

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3. Teil: Herausforderung des deutschen Verwaltungsrechts 

gungen – zum Beispiel auch die Konzeptionen in Österreich, der Schweiz und (mit gewissen Abstrichen) Italien den „Systemen subjektiven Rechtsschutzes“ zugeordnet.3 Demgegenüber zählt beispielsweise Frankreich zu den „Systemen objektiven Rechtsschutzes“.4 Länder wie Großbritannien, Dänemark, die Niederlande, Spanien und Schweden haben eine Art „Mischsystem“, also ein System, „das auf Grund seiner Voraussetzungen für den gerichtlichen Zugang weder eindeutig dem subjektiven Rechtsschutz noch dem objektiven Rechtsschutz zugeordnet werden kann“.5 Die Vorschrift des § 42 Abs. 2 VwGO „setzt […] das durch die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG vorgegebene subjektiv-rechtliche Konzept des Rechtsschutzes gegen die öffentliche Gewalt auf die Verwaltungsgerichtsbarkeit um“.6 Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG lautet: „Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen.“ Aus dieser Norm ergibt sich, dass das Vorliegen einer Verletzung in subjektiv-öffentlichen Rechten „Angelpunkt der Rechtsschutzgarantie“ ist.7 Indem das Grundgesetz die subjektiv-öffentlichen Rechte schützt, erklärt es den Individualitätsschutz sowie den Personalitätsschutz „zum Leitbild der grundrechtlich geprägten Rechtsordnung“.8 § 42 Abs.  2 VwGO regelt, dass  – soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist – eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage nur zulässig ist, wenn der Kläger eine Verletzung in eigenen Rechten durch einen Verwaltungsakt, beziehungsweise dessen Ablehnung oder Unterlassung geltend machen kann. Diese Anforderung stellt „ein tragendes Prinzip des deutschen Verwaltungsrechtschutzes“ dar.9 Die Sachentscheidungsvoraussetzung des § 42 Abs. 2 VwGO ist unter dem Begriff der Klagebefugnis geläufig.10 nischen, spanischen, portugiesischen und griechischen Verwaltungsrechtsordnungen mit dem „französischen Typ“ (§ 55 Rn. 32), unter anderem der österreichischen und schweizerischen Rechtsordnungen mit dem „deutschen Verwaltungsrechtstyp“ (§ 55 Rn. 48) und begrenzt der irischen, dänischen und norwegischen Verwaltungsrechtsordnungen mit dem „britische[n] Verwaltungsrechtsmodell“ (§ 55 Rn. 68). Diese Einteilung weicht zum Teil von der im Text folgenden Einteilung ab. Einigkeit besteht aber darin, dass sich das deutsche und das französische Rechtsschutzsystem unterscheiden und es daneben noch eine dritte Kategorie gibt. 3 Epiney, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, 465 (467 f.) mit näheren Ausführungen und weiteren Nachweisen. 4 Epiney, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, 465 (468 f.) unter Verweis auf Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502 und mit näheren Ausführungen und weiteren Nachweisen. 5 Epiney, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, 465 (469 f.) mit näheren Ausführungen und weiteren Nachweisen. 6 BVerwG Urt. v. 29.4.1993 – 7 A 3/92, BVerwGE 92, 263 (264); s. auch Wahl in Schoch/ Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 1. 7 Wahl in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 14. 8 Wahl in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), Vorb. § 42 Abs. 2 Rn. 14. 9 Weidemann/Rheindorf, Verbandsklage für anerkannte Tierschutzvereine in RheinlandPfalz, DVP 2015, 148 (149). 10 Redeker/v. Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 42 Rn. 43.

I. Grundsatz Individualrechtsschutz

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2. Zur Schutznormtheorie An dieser Stelle ist näher auf die „Schutznormtheorie“ einzugehen. Im Rahmen der sogenannten älteren Schutznormtheorie11 war bei der Bestimmung, ob ein Rechtssatz Individualinteressen schützt, vor allem auf die Gesetzesmaterialien abzustellen.12 War dies nicht ergiebig, so wurde für den Zweifelsfall vorgeschlagen, „dass ein Rechtssatz, der faktisch Individualinteressen zugute kommt, mindestens dann, wenn dies ohne weiteres vorauszusehen war, auch den Zweck hat, ihnen zu dienen, und dass er daher geeignet ist, wenn auch die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind, subjektive öffentliche Rechte für die Destinatäre dieses Rechtssatzes hervorzubringen, und dies ist wohl auch für Bestimmungen anzunehmen, die beidem dienen, Allgemeininteressen und Individualinteressen“.13 Abgesehen von Zweifelsfällen wurde zugunsten einer geschützten Rechtsposition in Abgrenzung zu einer Reflexwirkung verlangt, dass der zugrundeliegende Rechtssatz „1. zwingenden Charakter trägt, d. h. das freie Ermessen der Verwaltung bei seiner Anwendung ausschliesst, 2. zugunsten bestimmter Personen oder Personenkreise, zur Befriedigung ihrer Individualinteressen und nicht nur im Interesse der Allgemeinheit erlassen ist, und wenn er 3. im Interesse dieser Personen mit der Wirkung erlassen ist, dass sie sich auf ihn sollen berufen, mittels desselben ein bestimmtes Verhalten von der Verwaltungsbehörde sollen herbeiführen können“.14 Obwohl sie schon über 100 Jahre alt ist, lassen sich mit der zwischenzeitlich verschiedentlich modifizierten Schutznormlehre auch heutige Rechtsentwicklungen beurteilen.15 Die sogenannte neuere Schutznormtheorie16 versteht unter der Schutznormlehre „eine Sammelbezeichnung für einen Kanon von Methoden und Regeln, nach denen der subjektiv-rechtliche Gehalt eines Rechtssatzes erschlossen werden soll“.17 Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung richtet sich die Abgrenzung einer geschützten Rechtsposition von einem bloßen Rechtsreflex danach, „ob der betreffende Rechtssatz nicht nur öffentlichen Interessen, sondern – zumindest auch – Individualinteressen zu dienen bestimmt ist“.18 Ob Normen von der Schutznorm-

11

R. P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 83. Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 45; R. P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 83. 13 Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 45. 14 Bühler, Die subjektiven öffentlichen Rechte und ihr Schutz in der deutschen Verwaltungsrechtsprechung, 1914, S. 21. 15 Redeker/v. Oertzen, VwGO, 16. Aufl. 2014, § 42 Rn. 52. 16 R. P. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 42 Rn. 83. 17 Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. III – Art. 16–22 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 19 Abs. 4 Rn. 128 (Stand: 72. Lieferung 2014). 18 BVerfG, Beschl. v. 17.12.1969 – 2 BvR 23/65, BVerfGE 27, 297 (307). 12

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3. Teil: Herausforderung des deutschen Verwaltungsrechts 

doktrin erfasst werden, ist eher selten explizit geregelt.19 Ob subjektive Rechte vorliegen, ist durch Auslegung herauszufinden.20 Bei der Auslegung zeigen sich die Gerichte unter Verwendung der „Negativformulierung der Schutznormtheorie“ eher großzügig:21 Nach § 42 Abs. 2 VwGO „ist eine Klage nur unzulässig, wenn offensichtlich und eindeutig nach keiner Betrachtungsweise die vom Kl. behaupteten Rechte bestehen oder ihm zustehen können“.22

3. Subjektive Rechte im Tierschutzrecht Nach diesen allgemeineren Ausführungen zum Grundsatz des Individualrechtsschutzes und der Schutznormtheorie wird im Folgenden der Bezug zum Tierschutzrecht hergestellt. Im Tierschutzrecht stößt der Grundsatz des Individualrechtsschutzes „an seine Grenzen“.23 Zu Recht wird in der Literatur mitunter von einer „hohe[n] Hürde des § 42 Abs. 2 VwGO“ und von einer „Schwäche der Schutznormtheorie gerade im Umwelt- aber auch im Tierschutzrecht“ gesprochen.24 Diese Einschätzung wird, bezogen auf das Tierschutzrecht, nachvollziehbar, wenn man nach subjektiven Rechten auf Tierschutz Ausschau hält. Solche Rechtspositionen sind nämlich nicht ersichtlich: Der Mensch ist nicht aufgrund von Art. 20a GG berechtigt, die Interessen von Tieren zu vertreten.25 Subjektive Rechte lassen sich aus der Staatszielbestimmung Art. 20a GG nicht ableiten.26 Aus Art. 20a GG ergibt sich kein individueller Anspruch zugunsten eines Tieres.27 Auch das Tierschutzgesetz und die bestehenden einfachgesetzlichen Tierschutz-Regelungswerke vermitteln kein „subjektives Recht des Menschen auf einen Schutz der Tiere“.28 Die tier 19

Gärditz in Gärditz, VwGO, Kommentar, 2013, § 42 Rn. 73. Schmidt-Aßmann in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. III – Art. 16–22 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 19 Abs. 4 Rn. 128 (Stand: 72. Lieferung 2014). 21 Schlacke, Überindividueller Rechtsschutz. Phänomenologie und Systematik überindivi­ dueller Klagebefugnisse im Verwaltungs- und Gemeinschaftsrecht, insbesondere am Beispiel des Umweltrechts, 2008, S. 76. 22 BVerwG, Urt. v. 30.10.1963 – V C 219/62, DVBl. 1964, 191. 23 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381). 24 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (384). 25 Leondarakis, Menschenrecht „Tierschutz“. Die Verletzung von Menschenrechten durch die Verletzung von Belangen der Tiere, Gutachten, Version 1.1, 2005, S. 35, https://www.animalsangels.de/fileadmin/user_upload/bilder/animals_angels/downloads/gutachten/Menschenrecht_ tierschutz.pdf (Stand: 31.7.2017); vgl. auch Murswiek in Sachs, GG, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 20a Rn. 73; Schulze-Fielitz in Dreier, GG, Kommentar, Bd. II – Art. 20–82, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn. 82 mit weiteren Nachweisen. 26 BVerfG, Beschl. v. 10.5.2001 – 1 BvR 481/01, DVBl. 2001, 1139 (1140). 27 v. Münch/Mager, Staatsrecht I. Staatsorganisationsrecht unter Berücksichtigung der europarechtlichen Bezüge, 8. Aufl. 2016, Rn. 709. 28 Leondarakis, Menschenrecht „Tierschutz“. Die Verletzung von Menschenrechten durch die Verletzung von Belangen der Tiere, Gutachten, Version 1.1, 2005, S. 35 f., https://www.animals 20

I. Grundsatz Individualrechtsschutz

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schutzrechtlichen Vorschriften entfalten für den Einzelnen keine drittschützende Wirkung.29 Der Einzelne ist bezüglich Tierschutzinteressen daher grundsätzlich nicht klagebefugt.30

4. Exkurs: Subjektive Tierrechte? Widmet man sich nach der erfolglosen Suche nach subjektiven Rechten des Menschen auf Tierschutz des Weiteren der Suche nach subjektiven Rechten der Tiere selbst, so kann schnell festgestellt werden: Nach geltender Gesetzeslage sind keine „individuellen Eigenrechte der Tiere“ anerkannt.31 Teilweise wird verlangt, Tieren (und der Natur) Eigenrechte zuzugestehen.32 Auf die Idee individueller Tierrechte wird nachfolgend etwas näher eingegangen. Zunächst wird versucht, nachzuvollziehen, worauf sich individuelle Tierrechte im deutschen Recht stützen lassen könnten (a)). Sodann wird erörtert, was sich zur Umsetzung dieses Konzepts bezüglich der Beteiligtenfähigkeit ändern müsste (b)) und wie sich solche individuellen Tierrechte in Deutschland prozessual umsetzen ließen (c)). Dabei wird deutlich werden, dass die Tierschutz-Verbandsklage auch für die Befürworter von individuellen Tierrechten eine wichtige Rolle spielt. Eine Einordnung der Durchsetzungswahrscheinlichkeit von individuellen Tierrechten soll diesen Abschnitt abrunden (d)).

angels.de/fileadmin/user_upload/bilder/animals_angels/downloads/gutachten/Menschenrecht_ tierschutz.pdf (Stand: 31.7.2017). 29 VGH Mannheim, Beschl. v. 20.3.1997 – 10 S 3382/96, NJW 1997, 1798; Metzger in Erbs/ Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95. TierSchG, § 16 a Rn. 3 (Stand: 177. EL 2009); Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381); a. A. VG Freiburg, Beschl. v. 13.12.1996 – 10 K 2740/96, NJW 1997, 1796 (1797): „In Verbindung mit § 2 II BadWürttPolG entfaltet diese tierschutzrechtliche Ermächtigungsnorm [§ 16 a I 1, 2 Nr. 1 TSchG] drittschützende Wirkung zugunsten der Ast.“ S. zur Kritik an der Entscheidung des Verwaltungsgerichts Freiburg neben der in dieser Fußnote zitierten Entscheidung des VGH Mannheim auch Kluge in Kluge, TierSchG, 2002, § 16a Rn. 15a. 30 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381). 31 v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn. 125. Diese Feststellung aus dem Jahr 2002 ist auch heute noch aktuell. 32 Diese Feststellung trifft Kloepfer in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, GG, Ordner 6 – Art. 20a – 24 (Stand: 184. Aktualisierung 2017), Art. 20a Rn. 106 (Stand: 116. Aktua­ lisierung 2005).

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3. Teil: Herausforderung des deutschen Verwaltungsrechts 

a) Anknüpfungspunkt für subjektive Tierrechte Die Tierschutz-Verbandsklage „ist zu unterscheiden vom Konzept einer Anerkennung und Vertretung eigener subjektiver Rechte der Tiere“.33 Zwar ist jeweils die Vertretung durch den Menschen gemäß gesetzlicher Rechte und Pflichten notwendig, jedoch „bezieht sich [die Verbandsklage] auf die Verletzung objektiven Rechts zu Lasten von Tieren, nicht auf deren individuelle Rechte“.34 Anders als bei der Verbandsklage sollen über das weitergehende Eigenrechtsmodell „unmittelbar subjektive Rechte der Tiere eingeklagt werden“ können.35 Der Gedanke von eigenen Tierrechten und der Tierrechtsfähigkeit hatte in der Vergangenheit immer wieder Fürsprecher.36 In Deutschland hat sich beispielsweise Caspar ausführlich mit Eigenrechten der Tiere beschäftigt.37 Sein Vorschlag der Anerkennung sowie Ausprägung individueller Tierrechte stützt sich – anders als die Tierschutz-Verbandsklage – auf die „Position eines subjektiven Pathozentrismus: Die Tiere werden nicht nur im Rahmen des objektiven Rechts, sondern um ihrer selbst willen als individuelle Wesen mit eigenen Rechtspositionen geschützt“.38 Doch wie lässt sich im deutschen Recht ein solcher Bezug zu subjektiven Rechtspositionen herstellen? Es wird vertreten, dass die Normen im Tierschutzgesetz „insgesamt den Integritätsinteressen der Tiere als jeweils für sich leidensfähige Lebewesen“ dienen würden.39 Darum sei es im Ergebnis mit geltendem Recht vereinbar, die Formulierung „‚niemand darf einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen‘“ nicht lediglich „als Rechtspflicht des Adressaten“ anzusehen, sondern zugleich „als subjektives Recht des Tieres darauf zu verstehen, nicht ohne Eingreifen von Gegengründen in seiner Integrität be­einträchtigt zu werden“.40 Soweit im Tierschutzgesetz von der „Schutztrias ‚Schmerzen, Leiden und Schäden‘“ die Rede sei, handele es sich um eine typische individualrechtliche Bezeichnung, die Indizwirkung dafür habe, „daß die Normen die Integritätsinteressen der Tiere schützen sollen“.41 33

v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn. 168. v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn. 168. 35 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 520. 36 Erbel, Rechtsschutz für Tiere – Eine Bestandsaufnahme anläßlich der Novellierung des Tierschutzgesetzes, DVBl. 1986, 1235 (1252); ders., (1252 f.), mit entsprechenden Nachweisen. 37 S. zur Rechtsfähigkeit von Tieren und zu eigenen Tierrechten auch schon Erbel, Rechtsschutz für Tiere – Eine Bestandsaufnahme anläßlich der Novellierung des Tierschutzgesetzes, DVBl. 1986, 1235 (1251–1256). 38 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 512. 39 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 520. 40 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 520. 41 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 520. 34

I. Grundsatz Individualrechtsschutz

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b) Zur Beteiligungsfähigkeit von Tieren Das Eigenrechtskonzept begegnet jedoch einem Problem: Zur Veranschau­ lichung der Problematik bezüglich der (Nicht-) Beteiligungsfähigkeit von Tieren, wird an dieser Stelle etwas näher auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Hamburg aus dem Jahr 1988 eingegangen.42 In diesem wurde festgestellt, dass Seehunde in der Nordsee im Verwaltungsprozess nicht beteiligungsfähig sind.43 Informationshalber wird zuerst der Anlass des Verfahrens zusammengefasst (aa)), bevor die Entscheidung des zuständigen Verwaltungsgerichts wiedergegeben wird (bb)). aa) Anlass des Verfahrens Mehrere Natur- und Umweltschutzverbände hatten als Antragsteller zu 2 und „zugleich als Geschäftsführer ohne Auftrag der Ast. zu 1, der ‚Seehunde in der Nordsee‘“, gegen Genehmigungen zum Einbringen von Abfallstoffen in, beziehungsweise zum Verbrennen von Abfallstoffen auf Hoher See Widerspruch eingelegt.44 Hintergrund der Widersprüche war, dass im Jahr 1988 in der Nordsee unzählige Seehunde verendeten.45 Als Grund hierfür vermuteten die meisten Wissenschaftler eine Virusepidemie, die in Kombination mit einem geschwächten Immunsystem der Robben zu deren Tod geführt habe.46 Als Auslöser der Immunschwächung wiederum wurde die Belastung der Nordsee mit Schadstoffen – die unter anderem auf eingebrachte Schadstoffe (sogenannte Verklappung) und verbrannten Giftmüll auf der Hohen See zurückzuführen ist – vermutet.47 Auf die Mitteilung der Antragsgegnerin, dass die Widersprüche der Antragsteller offensichtlich unzulässig seien und von ihnen keine aufschiebende Wirkung ausgehe, sind die Antragsteller mit verschiedenen Anträgen vor das Verwaltungsgericht gezogen.48

42 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 496 f., stellt die sogenannte Robbenklage als Beispiel für ein anthropozentrisches Rechtsverständnis vor. 43 VG Hamburg, Beschl. v. 22.9.1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058. 44 VG Hamburg, Beschl. v. 22.9.1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058. 45 Murswiek, Keine Beteiligungsfähigkeit der „Seehunde in der Nordsee“ im Verwaltungsprozeß, JuS 1989, 240 (240 f.). 46 Murswiek, Keine Beteiligungsfähigkeit der „Seehunde in der Nordsee“ im Verwaltungsprozeß, JuS 1989, 240. 47 Murswiek, Keine Beteiligungsfähigkeit der „Seehunde in der Nordsee“ im Verwaltungsprozeß, JuS 1989, 240. 48 VG Hamburg, Beschl. v. 22.9.1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058.

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3. Teil: Herausforderung des deutschen Verwaltungsrechts 

bb) Entscheidung des Verwaltungsgerichts Hamburg Das Verwaltungsgericht Hamburg hatte in seinem Beschluss unter anderem ausgeführt, dass Seehunde in der Nordsee als Tiere im Verwaltungsprozess nicht beteiligungsfähig im Sinne von § 61 VwGO sind.49 Beteiligungsfähig sind gemäß § 61 VwGO „natürliche und juristische Personen“ (Nr. 1), „Vereinigungen, soweit ihnen ein Recht zustehen kann“ (Nr. 2) oder „Behörden, sofern das Landesrecht dies bestimmt“ (Nr. 3). § 61 VwGO macht die Beteiligungsfähigkeit von der nur Personen zukommenden Rechtsfähigkeit abhängig und ist ausgehend von Wortlaut und Sinn eine abschließende Regelung.50 Um das Eigenrechtskonzept umzusetzen, müssten zukünftig gemäß § 61 Nr. 1 VwGO nicht nur natürliche sowie juristische Personen, sondern auch Tiere am Verfahren beteiligungsfähig sein.51 c) Prozessuale Umsetzung subjektiver Tierrechte Möchte man die tierschutzrechtlichen Regelungen subjektiv-rechtlich auslegen und „als Rechtspositionen zugunsten von Tieren“ ansehen, so müssten entsprechende prozessuale Vorschriften zu deren Verwirklichung eingeführt werden.52 Die verfahrensrechtliche Wahrnehmung von Tierrechten ist zum einen über ein reines Vertretermodell denkbar, bei dem „der klagende Verband lediglich als gesetzlicher Prozeßbevollmächtigter der Tiere“ auftreten, also die Tierrechte direkt im Namen der Tiere einklagen würde und zum anderen ist auch eine gesetzliche Prozessstandschaft in Erwägung zu ziehen, bei der „die anerkannten Tierschutzorganisationen Parteien kraft Amtes“ wären und im eigenen Namen die fremden Rechte der Tiere wahrnehmen würden – weil in letzterem Fall keine Verletzung eigener Rechte geltend gemacht würde, müsste insofern § 42 Abs.  2 VwGO erweitert werden.53 Unter Praktikabilitätsgesichtspunkten ist das Modell der Prozessstandschaft dem Modell der Vertretung im Ergebnis vorzuziehen.54 Denn bei der Vertretungs-­ Variante stellt sich die Frage, wer bei einem verlorenen Prozess die von den nominell klagenden Tieren naturgemäß nicht tragbaren Kosten trägt, während diese bei der Prozessstandschafts-Variante von dem unterlegenen klagenden Verband zu

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VG Hamburg, Beschl. v. 22.9.1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058. VG Hamburg, Beschl. v. 22.9.1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058. 51 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 520 f. 52 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 520. 53 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 521. 54 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 522. 50

rechtliche Neu­ rechtliche Neu­ rechtliche Neu­ rechtliche Neu­

I. Grundsatz Individualrechtsschutz

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tragen sind.55 Ein zusätzlicher Vorteil des Prozessstandschafts-Modells wird darin gesehen, dass man „den Umfang der örtlichen und zahlenmäßigen Betroffenheit von Tieren erst im Rahmen der materiellen Begründetheit der Klage endgültig“ klären muss.56 d) Einordnung Auch „[o]hne in zutiefst rechtsphilosophische Überlegungen einzusteigen, könnte aus der historischen Entwicklung unseres Rechtssystems und insbesondere vom Begriff der Rechtsfähigkeit her gegen selbstständige Rechte der Tiere argumentiert werden“.57 Andererseits ist aber auch festzuhalten, dass „Tierrechte jedenfalls nicht per se unvorstellbar und schon gar nicht verfassungswidrig“ sind.58 Die Einführung von Tierrechten wäre allerdings „ein wesentlicher Systembruch in unserer Rechtsordnung, der politisch – wenn überhaupt – nur mit Mühe durchzusetzen sein dürfte“.59 Es ist jedenfalls in absehbarer Zeit nicht anzunehmen, dass sich der Vorschlag zur Tier-Rechtsfähigkeit durchsetzen kann. Ein Indiz dafür ist auch, wie zögerlich sich die weniger weit gehende Tierschutz-Verbandsklage erst nach und nach in den einzelnen Bundesländern und stets gegen großen Widerstand durchsetzt. Fraglich ist, „ob es überhaupt eines solchen konstruierten Umwegs über Eigenrechte bedarf oder ob nicht neuartige Verbandsklagen im Sinne objektiver altruistischer Beanstandungsklagen ausreichen könnten“.60 Letzterem ist schon aus pragma-

55 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 521 f. 56 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 522; ders. verweist insoweit auf die sogenannte Robbenklage. In dem bereits angesprochenen Verfahren waren die Anträge der Seehunde in der Nordsee bereits deshalb unzulässig, „weil unbestimmt und auch nicht bestimmbar ist, welche species […] in welcher Anzahl und näherer örtlicher Verbreitung das Antragsrecht als vermeintliches Rechtsubjekt wahrnimmt: Auf eine sachliche und numerische Abgrenzung kann verfahrensrechtlich nicht verzichtet werden“ (so das VG Hamburg, Beschl. v. 22.9.1988 – 7 VG 2499/88, NVwZ 1988, 1058). 57 Obergfell, Wissenschaftsfreiheit und Tierschutz – Zur Wertigkeit des Tierschutzes im deutschen Verfassungsrechtssystem, ZRP 2001, 193 (195). 58 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (732); ders. formuliert pointiert: „Einer Rechtsordnung, die seit langem reine Kopfgeburten von Juris­ ten, nämlich juristische Personen (d. h. bloßen Organisationen oder gedanklichen Konstruktionen), als Rechtsträger kennt, sollte es gelingen, auch Tiere als existente Lebewesen mit Rechten auszustatten, wenn dies gewünscht wird.“ 59 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (732). 60 Kloepfer in Kahl/Waldhoff/Walter, Bonner Kommentar, GG, Ordner 6  – Art.  20a  – 24 (Stand: 184. Aktualisierung 2017), Art. 20a Rn. 106 (Stand: 116. Aktualisierung 2005) mit weite­ ren Nachweisen; wohl im Sinne wie Kloepfer äußerte sich beispielsweise – allerdings bezogen auf die Natur – schon Sening, Eigenwert und Eigenrechte der Natur?, NuR 1989, 325 (331);

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3. Teil: Herausforderung des deutschen Verwaltungsrechts 

tischen Gründen zuzustimmen.61 Deshalb wird der Blick nachfolgend auch wieder direkt auf das Institut der Verbandsklage gerichtet.

II. Ausnahme Verbandsklage Durch die Worte „soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“ wird dem Gesetzgeber in § 42 Abs. 2 HS 1 VwGO die Tür geöffnet, um abweichende und von subjektiv-öffentlichen Rechten unabhängige Zulässigkeitsvoraussetzungen zu ermöglichen.62 Die in § 42 Abs. 2 VwGO verankerte Öffnungsklausel wurde aufgrund der damit einhergehenden Möglichkeiten für den Landesgesetzgeber in jüngerer Zeit stark kritisiert: „Diese Option sollte im Interesse der Gesamtkohärenz und Einheitlichkeit des Rechtsschutzes in Deutschland gestrichen oder jedenfalls auf die Durchsetzung von Landesrecht begrenzt werden, weil hierüber die fundamentale Systementscheidung für einen individualschützenden Verwaltungs­ prozess ausgehebelt werden kann.“63 Im Bereich des Umweltrechts konnte sich die Verbandsklage auch aufgrund internationaler sowie europarechtlicher Maßgaben mittlerweile weitgehend etablieren.64 Die Rechtssetzung der Europäischen Union zum Zwecke der Umsetzung der sogenannten Aarhus-Konvention aus dem Jahr 1998 hatte eine „Mobilisierung von Umweltverbänden“ zur Folge.65 Davor kam Verbandsklagerechten auf dem Gebiet des unionsrechtlichen Umweltrechts nur wenig Bedeutung zu.66 Das Institut der Verbandsklage begegnet dem Rechtsanwender in verschiedenen Rechtsgebieten:67 Es findet sich beispielsweise im Umweltrecht68, Wettbewerbsrecht69, a. A. ist wohl beispielsweise Erbel, Rechtsschutz für Tiere – Eine Bestandsaufnahme anläßlich der Novellierung des Tierschutzgesetzes, DVBl. 1986, 1235 (1255). 61 Einen solchen Pragmatismus kritisiert Erbel, Rechtsschutz für Tiere – Eine Bestandsaufnahme anläßlich der Novellierung des Tierschutzgesetzes, DVBl. 1986, 1235 (1255), der in der Behauptung, „Tier-Rechte seien praktisch überflüssig, weil es ausreiche, wenn der Mensch nur die Belange der Tiere ausreichend und effektiv (straf-)rechtlich schütze“ ein allein pragmatisches Argument sieht, „das an der Grundsatzfrage vorbeigeht“. 62 Weidemann/Rheindorf, Verbandsklage für anerkannte Tierschutzvereine in RheinlandPfalz, DVP 2015, 148 (149). 63 Gärditz, Gutachten D zum 71. Deutschen Juristentag. Funktionswandel der Verwaltungsgerichtsbarkeit unter dem Einfluss des Unionsrechts – Umfang des Verwaltungsrechtsschutzes auf dem Prüfstand, 2016, S. 42; ders. bezeichnet die auf Landesebene teilweise eingeführten Tierschutz-Verbandsklagen in diesem Zusammenhang als „Exzesse“, die zu vermeiden seien. 64 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729. 65 Saurer, Neue Entwicklungen bei der Vollzugskontrolle im europäischen Umweltrecht,­ EurUP 2 2016, 78 (80). 66 Saurer, Neue Entwicklungen bei der Vollzugskontrolle im europäischen Umweltrecht,­ EurUP 2 2016, 78 (80). 67 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 89. 68 § 2 Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz und § 64 Bundesnaturschutzgesetz. 69 § 8 Abs. 3 Nr. 2 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.

II. Ausnahme Verbandsklage

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Verbraucherschutzrecht70 und im Behindertengleichstellungsrecht71.72 Dies zeigt „eine allgemeine Tendenz, das in Vereinen angesiedelte bürgerschaftliche Engagement und den dort vorhandenen Sachverstand zur Durchsetzung von Gemeinwohlinteressen zu nutzen“.73 Der Begriff der Verbandsklage ist im Schrifttum zum Umweltrecht mit unterschiedlichen Rechtsschutzkonstellationen verknüpft.74 So sind vor allem die egoistische und die altruistische Verbandsklage sowie die Verbandsverletztenklage voneinander abzugrenzen.75 Letztere gehört nicht zu den Verbandsklagen „im eigentlichen Sinne“, weil bei der Verbandsverletztenklage Anlass der Klage des Umweltverbands eine Verletzung von Rechten des Verbands selbst (wie beispielsweise dem Eigentum) durch eine hoheitliche Maßnahme ist.76 Von einer egoistischen Verbandsklage spricht man hingegen, wenn ein Verband die normativ geschützten Mitgliederinteressen entweder für einzelne oder aber auch für alle „im eigenen Namen und aus eigenem Recht“ vor Gericht geltend machen darf.77 Bei der aus dem Naturschutzrecht bekannten altruistischen Verbandsklage können anerkannte Verbände bei Erfüllung gewisser Voraussetzungen auch die Verletzung von den klagenden Verband nicht schützenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften mittels Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage geltend machen.78 Bei der Verbandsklage im tierschutzrechtlichen Kontext handelt es sich um eine altruistische Verbandsklage.79 Die Öffnungsklausel in § 42 Abs. 2 VwGO und die verschiedenen anderen altruistischen Verbandsklagen zeigen, dass sich auch eine Tierschutz-Verbandsklage in das deutsche Verwaltungsrecht integrieren lässt. Eine Überforderung des nationalen Verwaltungsrechts durch diese weitere Ausnahme von dem Grundsatz des Individualrechtsschutzes ist nicht ersichtlich. 70

§ 3 Abs. 1 Nr. 2 Unterlassungsklagengesetz. § 15 Behindertengleichstellungsgesetz. 72 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729. 73 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 89. 74 Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 42 Abs. 2 Rn. 229. 75 Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 42 Abs. 2 Rn. 229. 76 Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 42 Abs. 2 Rn. 230. 77 Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 42 Abs. 2 Rn. 234. 78 Wahl/Schütz in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 42 Abs. 2 Rn. 235. 79 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (731); ders., (733), weist darauf hin, dass die altruistische Verbandsklage sich faktisch oft „durchaus (auch) als quasi-egoistische Verbandsklage erweisen“ kann, weil Tierschutzverbände auch eigene Interessen verfolgen würden: „Die Aktionsmöglichkeiten der Verbände werden durch tierschutzrechtliche Verbandsklagen erweitert, ihre Legitimation bei ihren Mitgliedern durch von ihnen betriebene Verfahren wird gestärkt und auf diese Weise das Einwerben von Spenden bzw. von Erbschaften erleichtert“. 71

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3. Teil: Herausforderung des deutschen Verwaltungsrechts 

Erwähnt sei an dieser Stelle noch, dass mitunter auch die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage auf europäischer Ebene gefordert wird.80 Diese könnte vor allem im Kontext des Vollzugs von EU-Mindestnormen auf den Gebieten der Tiertransporte, der Nutztierhaltung und Schlachtung sowie der Tierversuche dazu beitragen, Mängel sichtbar zu machen und zu beheben.81 Es existiert derzeit aber keine solche unionsrechtliche Tierschutz-Verbandsklage. Das Europarecht enthält (wie das Völkerrecht) keine verpflichtenden Vorgaben zur Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage.82 Diese Feststellung wiederum leitet über zu der nachfolgend behandelten Frage, ob denn das nationale Recht verpflichtende Vorgaben zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage enthält.

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v. Loeper/Kluge in Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, 5. Aufl. 2015, S. 926. v. Loeper/Kluge in Bergmann, Handlexikon der Europäischen Union, 5. Aufl. 2015, S. 926. 82 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (735). 81

Vierter Teil4

Die Tierschutz-Verbandsklage und ihr verfassungsrechtlicher Rahmen

Verfassungsrechtlicher Rahmen In dem nun folgenden vierten Teil stehen verfassungsrechtliche Fragen im Mittelpunkt. Zunächst wird der Frage nachgegangen, ob aufgrund der Staatszielbestimmung Tierschutz in Art. 20a GG eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage besteht (I.). Anschließend wird das Kompetenz­ gefüge zwischen Bund und Ländern genauer beleuchtet (II.).

I. Die Tierschutz-Verbandsklage als ein Verfassungsauftrag? Verfolgt man die Diskussion um das Für und Wider einer Tierschutz-Verbands­ klage, so ist nicht immer ganz klar, ob die Befürworter der Tierschutz-Verbandsklage diese auch auf verfassungsrechtliche Gründe, oder ausschließlich auf rechtspolitische Gründe stützen. Es wird deshalb nachfolgend klargestellt, ob sich schon aus der Verfassung, namentlich aus der Staatszielbestimmung Tierschutz in Art. 20a GG, die Forderung nach der Einführung der Tierschutz-Verbandsklage ableiten lässt oder nicht. Vorab wird erklärt, warum in diesem Teil nur auf Art. 20a GG abgestellt wird und nicht etwa auch auf entsprechende Regelungen in den Landesverfassungen (1.). Sodann wird erörtert, welche Pflichten sich aus der Staatszielbestimmung Tierschutz in Art. 20a GG ergeben (2.). Anschließend wird auf den sogenannten weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers eingegangen (3.). Der Abschnitt über die Pflichten und der Abschnitt über den Gestaltungsspielraum werden schließlich in einem Zwischenergebnis zusammengeführt (4.).1

1 S. zur Frage einer verfassungsrechtlichen Pflicht zur Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage beispielsweise schon Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (734).

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

1. Tierschutz in den Landesverfassungen Die Debatte auf Bundesebene, ob der Tierschutz als Staatszielbestimmung in die Verfassung aufgenommen werden sollte, führte dazu, dass manche Bundesländer den Tierschutz in ihre Landesverfassungen aufnahmen.2 So heißt es beispielsweise in Art. 3b der baden-württembergischen Landesverfassung: „Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung geachtet und geschützt.“ Man könnte sich daher fragen, ob aufgrund einer Aufnahme des Tierschutzes in Landesverfassungsrecht eine Pflicht für den Landesgesetzgeber zur Einführung einer landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage besteht. Beispielhaft für eine Argumentation zur Verpflichtung des Landesgesetzgebers sei der Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Beschluss eines Gesetzes über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine vom 31.  Juli 2006 in Bremen erwähnt. An den Anfang dieser Begründung wird Art. 20a GG gestellt und daneben auf Art. 11b der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen3 hingewiesen.4 In dem Antrag wird konstatiert: „Da der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz nach Artikel 74 GG (konkurrierende Gesetzgebung) nicht abschließend Gebrauch gemacht und die Einführung der tierschutzrechtlichen Verbandsklage bislang unterlassen hat, ist das Land gehalten, diese Regelungslücke zu schließen.“5 Der Frage, ob eine Staatszielbestimmung Tierschutz den Gesetzgeber zur Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage verpflichtet, soll im Folgenden aber nicht bezüglich Bundes- und Landesgesetzgeber nachgegangen werden, sondern nur den Bundesgesetzgeber betreffend. Dadurch sollen Wiederholungen bei der Argumentation vermieden werden. Das Ergebnis der Untersuchung, ob der Bundesgesetzgeber wegen Art. 20a GG zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage verpflichtet ist, liefert zugleich die Antwort auf die Frage, ob ein Landesgesetzgeber aufgrund einer Staatszielbestimmung Tierschutz in einer Landesverfassung zur Einführung einer landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage verpflichtet sein könnte.

2

Hillmer, Auswirkungen einer Staatszielbestimmung „Tierschutz“ im Grundgesetz, insbesondere auf die Forschungsfreiheit, 2000, S. 105 unter Verweis auf die Landesverfassungen von Bayern (Art. 141 Abs. 1 S. 2), Berlin (Art. 31 Abs. 2), Brandenburg (Art. 39 Abs. 3), Sachsen (Art. 10 Abs. 1 S. 2), Thüringen (Art. 32) und Niedersachsen (Art. 6 b). 3 Art. 11b der Landesverfassung der Freien Hansestadt Bremen lautet: „Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe geachtet. Sie werden vor nicht artgemäßer Haltung und vermeidbarem Leiden geschützt.“ 4 Brem.LT-Drs. 16/1093, 3. 5 Brem.LT-Drs. 16/1093, 3.

I. Die Tierschutz-Verbandsklage als ein Verfassungsauftrag? 

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2. Pflichten aufgrund der Staatszielbestimmung Tierschutz Im Jahr 2002 wurde Art. 20a GG durch das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz) vom 26. Juli 2002 um die Worte „und die Tiere“ ergänzt.6 Art. 20a GG lautet seither: „Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.“ Wie aus der Begründung zu dem „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Staatsziel Tierschutz)“7 der Fraktionen SPD, CDU/ CSU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und FDP hervorgeht, hatte man bei der Grundgesetzänderung „den Schutz der Tiere vor nicht artgemäßer Haltung, vermeidbaren Leiden sowie der Zerstörung ihrer Lebensräume“ im Blick.8 Durch die Aufnahme des Staatsziels Tierschutz in Art. 20a GG wurden „hohe Erwartungen“ geweckt, wozu auch die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage gehört.9 Trotz des „allgemein anerkannte[n] Topos vom weiten Gestaltungsraum des Gesetzgebers“ wird häufig versucht, „mitunter sehr konkrete Pflichten aus Art. 20 a Alt. 2 GG abzuleiten“.10 Als Beleg dafür, dass Art. 20a GG nicht nur Erwartungen weckt, sondern dass daraus sogar die Pflicht zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage gefolgert wird, sei der Gesetzesantrag des Landes Schleswig-Holstein betreffend den „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine“11 aus dem Jahr 2004 herangezogen. Die Argumentation für die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage wird dort wie folgt aufgebaut: Vor allem die Gesetzgeber träfe aufgrund von Art. 20a GG „die Verpflichtung zu einem effektiven Schutz der Tiere“.12 Mit dieser Verpflichtung gehe „die Pflicht zur effektiven Kontrolle einher“.13 Trotz des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums stehe der Gesetzgeber gar in „der Pflicht, das jeweils effektivste Mittel zur Erfüllung seines Schutzauftrages anzuwenden“ – „[e]in solches Mittel“ sei die Tierschutz-Verbandsklage.14 Diese Argumentations-

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BGBl. I 2002, 2862. BT-Drs. 14/8860. 8 BT-Drs. 14/8860, 3. 9 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380); dies. verweisen bezüglich dem geforderten Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände auf v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn. 168, Caspar/Geissen, Das neue Staatsziel „Tierschutz“ in Art. 20 a GG, NVwZ 2002, 913 (914), Caspar/Schröter, Das Staatsziel Tierschutz in Art. 20a GG, 2003, S. 49 ff. und 61. 10 Faller, Staatsziel „Tierschutz“. Vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat, 2005, S. 161; ders., S. 161 f., mit Beispielen hierzu und entsprechenden Nachweisen. 11 BR-Drs. 157/04. 12 BR-Drs. 157/04, Anlage, 7. 13 BR-Drs. 157/04, Anlage, 7. 14 BR-Drs. 157/04, Anlage, 7. 7

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

kette suggeriert, dass sich für den Gesetzgeber aus Art. 20a GG die Pflicht ergibt, die Tierschutz-Verbandsklage einzuführen. Gewöhnlich geben Staatszielbestimmungen „den Staatsorganen ein grundlegendes Ziel vor, das anzustreben sie verfassungskräftig verpflichtet sind“.15 Art. 20a GG ist kein Programm ohne Verbindlichkeit, sondern verbindliches Verfassungsrecht.16 Der Gesetzgeber hat die Aufgabe, sich um einen „möglichst wirksamen Tierschutz“ zu kümmern, woraus man eine generelle Verpflichtung zu einer Rechtssetzung „mit einem hohen Tierschutzniveau“ folgern kann.17 Der Gesetzgeber muss auch die Voraussetzungen für einen effektiven Vollzug von Tierschutzrecht schaffen und der Bund hat insofern die Aufgabe, durch eine entsprechende Gesetzgebung Schwierigkeiten beim Vollzug des Tierschutzes abzubauen.18 Fraglich ist allerdings, ob diese Verpflichtungen des Bundes aus der Staatszielbestimmung Tierschutz in Art. 20a GG tatsächlich nahtlos zu der Pflicht zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage führen. Um diese Frage beantworten zu können, ist im Folgenden näher auf den bereits angesprochenen weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einzugehen.

3. Freiheiten betreffend die Staatszielbestimmung Tierschutz Art. 20a GG bestimmt kein konkretes Tierschutzniveau.19 Die Staatszielbestimmung des Tierschutzes in Art. 20a GG verpflichtet alle drei Staatsgewalten, vor allem aber die Legislative, „ausschließlich in objektiv-rechtlicher Qualität“, die für einen wirksamen Tierschutz erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen.20 Wie das Ziel genau aussehen soll und wie dieses Ziel erreicht werden soll, bleibt den Staatsorganen überlassen.21 Naturgemäß ist die Staatszielbestimmung Tierschutz nicht spezifisch genug, um Art. 20a GG eine direkte Verpflichtung zu einer bestimmten tierschutzrechtlichen Gesetzgebung, „etwa im Sinne eines gesetzgebe­rischen Tierschutzprogramms oder einer Verabschiedung einzelner spezieller Tierschutzregelungen“ zu entnehmen.22 Der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum hinsichtlich der Aufgabe Tierschutz ist „besonders weit“.23 Allgemeiner lässt sich sagen: Durch Art. 20a GG ist nur „das ökologische Ziel, nicht aber auch der Weg dorthin“ vor 15 Murswiek, Staatsziel Umweltschutz (Art.  20a GG). Bedeutung für Rechtsetzung und Rechtsanwendung, NVwZ 1996, 222 (223). 16 Leisner in Sodan, GG, 3. Aufl. 2015, Art. 20a Rn 1. 17 Caspar/Geissen, Das neue Staatsziel „Tierschutz“ in Art. 20 a GG, NVwZ 2002, 913 (914). 18 Caspar/Geissen, Das neue Staatsziel „Tierschutz“ in Art. 20 a GG, NVwZ 2002, 913 (914). 19 Wolff in Hömig/Wolff, GG, Handkommentar, 11. Aufl. 2016, Art. 20a Rn 5. 20 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380). 21 Murswiek, Staatsziel Umweltschutz (Art.  20a GG). Bedeutung für Rechtsetzung und Rechtsanwendung, NVwZ 1996, 222 (223). 22 Caspar/Geissen, Das neue Staatsziel „Tierschutz“ in Art. 20a GG, NVwZ 2002, 913 (914). 23 Murswiek in Sachs, GG, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 20a Rn. 51b.

I. Die Tierschutz-Verbandsklage als ein Verfassungsauftrag? 

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gezeichnet.24 Letzteres ist vielmehr „Primat der Politik“, fällt also in die Zuständigkeit des jeweiligen Gesetzgebers.25 Die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage ist eine Möglichkeit, um den sich aus Art.  20a GG ergebenden Verfassungsauftrag auszugestalten.26 Ob die Tierschutz-Verbandsklage insofern auch die effektivste Möglichkeit ist, muss an dieser Stelle nicht entschieden werden. Angesichts des weiten gesetzgeberischen Gestaltungsspielraums wäre es falsch, für eine Pflicht des Gesetzgebers zur Wahl des effektivsten Mittels zu plädieren.27 Denn „[d]er Gesetzgeber hätte dann überhaupt keine Gestaltungskompetenz, um Rechtsgüterausgleich vorzunehmen, wenn immer das effektivste Mittel zum Schutz der Güter des Art. 20a GG gewählt werden müsste.“28 Eingeschränkt wird der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers durch das Untermaßverbot, also die Verpflichtung, einen „nicht völlig unzureichenden Schutz“ zu bieten.29 Von einem völlig unzureichenden Schutz ist nicht auszugehen, da die Tierschutzbehörden zur Einhaltung des bestehenden Tierschutzrechts verpflichtet sind und es zahlreiche tierschutzrechtliche Genehmigungs- und Anzeigenvorbehalte gibt.30 Zu betonen ist: „Nicht eine geringe materielle Steuerungsfähigkeit der Staatszielbestimmung ist zu kompensieren, sondern ein Hineinlesen von Gewährleistungen in die Staatszielvorgabe ist zu verhindern.“31

4. Zwischenergebnis Vorrangig obliegt es grundsätzlich der Entscheidung des Gesetzgebers, ob und gegebenenfalls wie er tätig wird.32 Mit den Worten von Rossi lässt sich sagen: „Mit ihrer limitierenden Funktion zieht die Verfassung den staatlichen Gewalten äußere Grenzen, innerhalb derer sich ‚der politische Wille‘ durch Argument und 24 Scholz in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. III – Art. 16–22 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 20 a Rn. 49 (Stand: 40. Lieferung 2002). 25 Scholz in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. III – Art. 16–22 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 20 a Rn. 49 (Stand: 40. Lieferung 2002). 26 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380). 27 Löwer, Tierversuche im Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Zugleich ein Beitrag zum bremischen Staatsrecht, Wissenschaftsrecht, Beiheft 16, 2006, S. 121. 28 Löwer, Tierversuche im Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Zugleich ein Beitrag zum bremischen Staatsrecht, Wissenschaftsrecht, Beiheft 16, 2006, S. 121. 29 Faller, Staatsziel „Tierschutz“. Vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat?, 2005, S. 201. 30 Faller, Staatsziel „Tierschutz“. Vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat?, 2005, S. 219. 31 Faller, Staatsziel „Tierschutz“. Vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat?, 2005, S. 197. 32 Faller, Staatsziel „Tierschutz“. Vom parlamentarischen Gesetzgebungsstaat zum verfassungsgerichtlichen Jurisdiktionsstaat?, 2005, S. 197.

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

Gegenargument formt und letztlich in einem geregelten Verfahren durch Mehrheitsbeschluss eine rechtliche und damit verbindliche Gestalt annimmt.“33 Letzten Endes ist der zuständige Gesetzgeber in seiner politischen Entscheidung frei, ob er eine Tierschutz-Verbandsklage ermöglichen möchte und wie er deren Voraussetzungen und Konsequenzen gegebenenfalls ausgestalten möchte.34 Die konkrete Forderung nach einer Tierschutz-Verbandsklage lässt sich aus Art. 20a GG nicht ableiten.35

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern Nachdem die Frage, ob die Tierschutz-Verbandsklage aufgrund von Art.  20a Alt. 2 GG eingeführt werden muss, klarstellend beantwortet wurde, stellt sich eine neue Frage: Von wem ist die rechtspolitische Entscheidung, ob die TierschutzVerbandsklage eingeführt werden soll, zu treffen? In Betracht kommen insoweit der Bundes- und der Landesgesetzgeber. Es ist daher zu prüfen, wem im Verhältnis zwischen Bund und Ländern die Kompetenz zum Erlass eines Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzes zukommt. Hiervon hängt ab, ob die Debatte über die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage zukünftig (auch) auf Bundesebene oder (nur) auf Landesebene zu führen ist. Als Erstes werden im Rahmen dieser Prüfung die Grundsätze des Kompetenzgefüges zwischen Bund und Bundesländern (1.) und die Grundsätze eines erschöpfenden Gebrauchmachens des Bundes von seiner Gesetzgebungskompetenz  (2.) dargestellt. Darauf aufbauend wird näher auf die Gesetzgebungsgegenstände des gerichtlichen Verfahrens (3.) und des Tierschutzes (4.) eingegangen. Schließlich wird der Fokus auf die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG gelenkt (5.).36

33

Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (734). 34 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (735). 35 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380). 36 S. zur Gesetzgebungsbefugnis des Landesgesetzgebers schon Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (146–152), der ausgehend von den Gesetzgebungszuständigkeiten bereits ausführlich auf eine etwaige Sperrwirkung mit Blick auf das gerichtliche Verfahren, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, und den Tierschutz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG, eingeht. Caspar geht dabei auf das Gebrauchmachen im Sinne von Art. 72 Abs. 1 GG ein und berücksichtigt bei seiner Erörterung sodann das Tierschutzgesetz, verschiedene Gesetzesnovellierungen, einen Gesetzesentwurf und eine Bundesratsinitiative. Diese Aspekte wurden auch nachfolgend aufgegriffen. S. zur Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern betreffend die Tierschutz-Verbandsklage zudem Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (735–740).

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern

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1. Zur Gesetzgebungskompetenz von Bund und Ländern Gemäß Art. 70 Abs. 1 GG sind die Bundesländer zur Gesetzgebung berechtigt, sofern dem Bund keine Gesetzgebungsbefugnisse durch das Grundgesetz zugeordnet werden. Die Bundesländer sind damit grundsätzlich, also auch im Zweifelsfall gesetzgebungsbefugt.37 Zur Abgrenzung der Bundes- von der Länderzuständigkeit ist nach Art. 70 Abs. 2 GG auf die Regelungen zur ausschließlichen Gesetzgebung, Art. 71 und 73 GG, sowie zur konkurrierenden Gesetzgebung, Art. 72 und 74 GG, abzustellen. Der Katalog des Art. 73 GG zu den Gegenständen der ausschließlichen Gesetzgebung ist im Fall der Tierschutz-Verbandsklage nicht einschlägig. Aus dem Katalog des Art. 74 GG kommen hinsichtlich der Tierschutz-Verbandsklage mit dem gerichtlichen Verfahren, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG, und dem Tierschutz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG, zwei Gegenstände der konkurrierenden Gesetzgebung in Betracht.38 Dem Bund fällt hinsichtlich der Einführung der Tierschutz-Verbandsklage die Gesetzgebungsbefugnis zu, egal ob man die Tierschutz-Verbandsklage in erster Linie prozessrechtlich (dann greift Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG) oder aber eher materiellrechtlich (dann ist Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG einschlägig) einordnet.39 Soweit man die Gesetzgebungskompetenz auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG stützt, ist allerdings Art. 72 Abs. 2 GG zu beachten.40 Hierauf wird zurückzukommen sein.

2. Zum erschöpfenden Gebrauchmachen Bei Gegenständen der konkurrierenden Gesetzgebung können die Bundesländer gemäß Art. 72 Abs. 1 GG selbst Gesetze erlassen, „solange und soweit der Bund von seiner Gesetzgebungszuständigkeit nicht durch Gesetz Gebrauch gemacht hat“. Der Landesgesetzgeber wird nicht ohne Weiteres durch ein erlassenes Bundesgesetz für eine bestimmte Materie gesperrt, da gleichwohl Gebiete offen bleiben können, die von den Landesgesetzgebern geregelt werden dürfen.41 Entscheidend ist insofern, „ob ein bestimmter Sachbereich tatsächlich umfassend und lückenlos geregelt ist bzw. nach dem aus Gesetzgebungsgeschichte und Materialien ablesbaren objek­ tivierten Willen des Gesetzgebers abschließend geregelt werden sollte“.42

37 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (735). 38 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (146). 39 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (735). 40 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740). 41 BVerfG, Beschl. v. 20.1.1981 – 2 BvL 2/80, BVerfGE 56, 110 (119) mit weiterem Nachweis; BVerfG, Beschl. v. 29.3.2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99 (114 f.). 42 BVerfG, Beschl. v. 29.3.2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99 (115).

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

Es bereitet gewisse Schwierigkeiten, einen nicht explizit zum Ausdruck gebrachten Willen des Bundesgesetzgebers zu ermitteln „und setzt eine Auslegung des von diesem gesetzlich geregelten Sachbereichs voraus“.43 Durch eine Gesamt­würdigung von Regelungen kann festgestellt werden, ob der Bund von seiner Gesetzgebungskompetenz erschöpfend Gebrauch gemacht hat.44 Das Bundesverfassungsgericht gibt vor, dass sich die Antwort auf die Frage, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Bundesgesetzgeber eine Gesetzgebungskompetenz genutzt hat, „in erster Linie aus dem Bundesgesetz selbst, in zweiter Linie aus dem hinter dem Gesetz stehenden Regelungszweck, ferner aus der Gesetzgebungsgeschichte und den Gesetzesmaterialien [ergibt]“.45 Gleiches gilt für einen „absichtsvollen Regelungsverzicht, der in dem Gesetzestext selbst keinen unmittelbaren Ausdruck finden kann“.46 Bei Bundesvorschriften, die eine Materie nur teilweise regeln, „ist das Gesetz im Wege der Interpretation zu befragen, ob es hiermit eine abschließende Regelung der gesamten Materie bezweckt (‚beredtes Schweigen‘) oder ob es die übrigen Fragen unbeantwortet lässt“.47 Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dürfen die Bundesländer im Rahmen der konkurrierenden Gesetzgebung Gesetze erlassen, „solange und soweit der Bund nicht durch eine ausdrückliche und eindeutige Regelung eine derartige Landesgesetzgebung unterbindet.“48 Steht in Frage, ob eine Bundesregelung erschöpfend ist „und führt die Auslegung zu keinem eindeutigen Ergebnis, dann muß davon ausgegangen werden, daß keine abschließende Regelung gewollt ist“.49 In diesem Zusammenhang ist zu bedenken, dass der Bund „es in der Hand hat, durch eine entsprechende Fassung der bundesgesetzlichen Regelung für Klarheit zu sorgen“.50 Betrachtet man das Grundgesetz unter systematischen Gesichtspunkten, so fällt auf, dass „bei Zweifeln zwar eine

43 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (148); vgl. auch BVerfG, Urt. v. 20.5.1952 – 1 BvL 3/51 und 4/51, BVerfGE 1, 283 (296) und BVerfG, Beschl. v. 29.3.2000 – 2 BvL 3/96, BVerfGE 102, 99 (114) mit weiteren Nachweisen. 44 BVerfG, Beschl. v. 11.10.1966 – 2 BvL 15/64, BVerfGE 20, 238 (248) zu den Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung; s. auch BVerfG, Urt. v. 20.5.1952 – 1 BvL 3/51 und 4/51, BVerfGE 1, 283 (296) und BVerfG, Beschl. v. 22.4.1958 – 2 BvL 32, 34, 35/56, BVerfGE 7, 342 (347). 45 BVerfG, Urt. v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306, 2314/96, 1108, 1109, 1110/97, BVerfGE 98, 265 (300). 46 BVerfG, Urt. v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306, 2314/96, 1108, 1109, 1110/97, BVerfGE 98, 265 (300). 47 Seiler in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 72 Rn. 4. 48 BVerfG, Beschl. v. 12.10.1978 – 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343 (359), wonach dies selbst für Ländergesetze gilt, „die den wirtschaftspolitischen Vorstellungen des Bundesgesetzgebers zuwiderlaufen“. 49 Jarass, Regelungsspielräume des Landesgesetzgebers im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und in anderen Bereichen, NVwZ 1996, 1041 (1045). 50 Jarass, Regelungsspielräume des Landesgesetzgebers im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und in anderen Bereichen, NVwZ 1996, 1041 (1045).

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern

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Vermutung zugunsten der Zuständigkeit der Länder [streitet], nicht aber zu Gunsten einer Bundeskompetenz“.51 Ausgehend von diesen Grundsätzen stellt sich die nachfolgend erörterte Frage, ob der Bund von der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG oder Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG abschließend Gebrauch gemacht hat.

3. Zum gerichtlichen Verfahren, Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 Var. 4 GG erfasst im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens sämtliche Fachgerichtsbarkeiten.52 Erfasst werden auch das verwaltungsgerichtliche Verfahren sowie die Verfassung der Verwaltungsgerichte.53 Durch den Erlass der Verwaltungsgerichtsordnung hat der Bund seine Gesetzgebungskompetenz bezüglich dem gerichtlichen Verfahren im Verwaltungsrecht genutzt.54 Zu prüfen ist, ob diese Bundesgesetzgebung zu einer Sperrwirkung für die Ländergesetzgebung führt: Durch die Verwaltungsgerichtsordnung ist das Verfahren der Verwaltungsge­ richte abschließend geregelt – sie beinhaltet aber zugleich viele Normen, wonach die Bundesländer die Vorschriften der Verwaltungsgerichtsordnung teilweise ergänzen oder von ihnen abweichen können.55 So ist eine Klage gemäß § 42 Abs. 2 HS 2 VwGO „nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein“. Dies gilt gemäß § 42 Abs. 2 HS 1 VwGO aber nur „[s]oweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“. Diese Öffnungsklausel bringt zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber „von seiner Bundeskompetenz zur Regelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens betreffend die Einführung von Verbandsklagerechten gerade nicht erschöpfend nach Art. 72 Abs. 1 GG Gebrauch gemacht hat“.56 Um eine altruistische (Tierschutz-) Verbandsklage einzuführen, bedarf es nur einer entsprechenden gesetzlichen Bestimmung.57 Auf Länderebene wurde die Öffnungsklausel in

51

BVerfG, Beschl. v. 10.3.1976 – 1 BvR 355/67, BVerfGE 42, 20 (28); vgl. auch BVerfG, Urt. v. 30.10.1962 – 2 BvF 2/60, 1, 2, 3/61, BVerfGE 15, 1 (17); BVerfG, Beschl. v. 9.7.1969 – 2 BvL 25, 26/64, BVerfGE 26, 281 (297); Jarass, Regelungsspielräume des Landesgesetzgebers im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und in anderen Bereichen, NVwZ 1996, 1041 (1044 f.). 52 Seiler in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 74 Rn. 10. 53 BVerfG, Beschl. v. 2.2.1960 – 2 BvF 5/58, BVerfGE 10, 285 (292). 54 BVerfG, Beschl. v. 11.10.1966 – 2 BvL 15/64, BVerfGE 20, 238 (248); Maunz in Maunz/ Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 74 Rn. 79 (Stand: 23. Lieferung). 55 BVerfG, Beschl. v. 11.10.1966 – 2 BvL 15/64, BVerfGE 20, 238 (249). 56 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (147). 57 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380).

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

§ 42 Abs. 2 VwGO bislang vor allem dazu genutzt, um eine Naturschutz-Verbandsklage einzuführen.58

4. Zum Tierschutz, Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG Die Frage, ob die Bundesländer bezüglich der Einführung einer TierschutzVerbandsklage gesperrt sind, beurteilt sich nicht nur unter Berücksichtigung der Verwal­tungsgerichtsordnung, sondern auch unter Berücksichtigung des Tierschutzgesetzes.59 Nach Art.  74 Abs.  1 Nr.  20 GG steht dem Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für den Tierschutz zu. Er kann insbesondere festlegen, was begrifflich unter Tierschutz zu verstehen ist und wie weit dieser reichen soll.60 Der Bundesgesetzgeber hat seine Gesetzgebungskompetenz genutzt, um das in der Folge noch mehrmals geänderte Tierschutzgesetz vom 24.  Juli 197261 zu erlassen.62 Im Rahmen der Prüfung, ob der Bund eine erschöpfende Regelung erlassen hat, finden neben dem 1972 erlassenen Tierschutzgesetz (a)) auch die Einführung eines Tierschutzbeauftragten und einer Tierversuchskommission (b)), die Ermöglichung eines Schiedsverfahrens (c)), die Befassung mit einem Gesetzentwurf im Jahr 1997 (d)), eine gescheiterte Gesetzesinitiative im Jahr 2004 (e)) und die gescheiterten Gesetzentwürfen der Jahre 1995 und 2012 (f)) Berücksichtigung. Das sich anschließende Zwischenergebnis (g)) fasst die Prüfung zusammen. a) Erlass des Tierschutzgesetzes im Jahr 1972 Ein Rückschluss allein „von einer verfassungsrechtlichen Kompetenzgrundlage auf den Regelungswillen des von dieser Kompetenz Gebrauch machenden Gesetzgebers“ ginge fehl – Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG ist vielmehr „ein Angebot an den Fachgesetzgeber, die von ihm für erforderlich gehaltenen Regelungen für ein

58

Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (147). Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (736); a. A. Kluge, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des nordrhein-westfälischen Landtages am 20.02.2013 zum Entwurf der Landesregierung zu einem „Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine“ (LT-Drs. 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/471, Anlage, S. 11, der insoweit von einer Frage des Prozessrechts und nicht von einer Frage des materiellen Bundesgesetzes ausgeht. 60 Maunz in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 74 Rn. 231 (Stand: 23. Lieferung). 61 BGBl. I 1972, 1277. 62 Maunz in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 74 Rn. 231 (Stand: 23. Lieferung). 59

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern

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bundeseinheitliches Tierschutzgesetz zu schaffen“.63 In den Vorschriften des Tierschutzgesetzes selbst finden sich keine Ansatzpunkte, ob die Tierschutz-Verbandsklage erlaubt sein soll oder nicht.64 Das Tierschutzgesetz von 1972 regelte hauptsächlich „den materiellen Schutzstandard im Umgang mit Tieren“, das prozessuale Instrument der Tierschutz-Verbandsklage war damals aber nie Gegenstand des Gesetzgebungsverfahrens.65 Durch das Tierschutzgesetz von 1972 wollte der Gesetzgeber „das Tierschutzgesetz vom 24.  November 1933 ablösen, das hinsichtlich seiner Vorstellungen, seiner Zielsetzung und seiner wissenschaftlichen Grundlage den an ein zeitgemäßes Tierschutzgesetz zu stellenden Anforderungen nicht mehr gerecht“ geworden sei.66 Im allgemeinen Teil  der Begründung zum Entwurf des Tierschutzgesetzes geht es insbesondere um einen Ausgleich entgegenstehender Forderungen von Wirtschaft und Wissenschaft einerseits sowie des ethischen Tierschutzes andererseits, um „Haltung, Pflege, Unterbringung und Beförderung von Tieren“ sowie um die Themen der Massentierhaltung und der Tierversuche.67 Es ist aber nicht ersichtlich, dass sich der Gesetzgeber damals mit prozessualen Gesichtspunkten oder gar der Frage, wie man das Tierschutzrecht verwaltungsprozessual besser durchsetzen könnte, beschäftigt hätte.68 Hinsichtlich der tierschutzrechtlichen Verbandsklage hat der Bund durch den Erlass des Tierschutzgesetzes von 1972 seine Gesetzgebungskompetenz folglich nicht im Sinne eines absichtsvollen Regelungsverzichts genutzt.69 b) Verschiedene Einführungen im Jahr 1986 Durch das Erste Gesetz zur Änderung des Tierschutzgesetzes vom 12. August 198670 wurden beispielsweise mit dem Tierschutzbeauftragten (heute § 10 TierSchG71) und der Tierversuchskommission, § 15 Abs. 1 TierSchG, unter anderem „proze­ 63

Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (149); a. A. wohl Löwer, Tierversuche im Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Zugleich ein Beitrag zum bremischen Staatsrecht, Wissenschaftsrecht, Beiheft 16, 2006, S. 124, wonach das Tierschutzgesetz als erschöpfende Regelung anzusehen sei und man andernfalls „die vom Gesetzgeber mit Änderung des Art. 74 Nr. 20 GG verfolgte Intention, eine Zersplitterung der Gesetzgebung zu vermeiden, torpedieren [würde]“. 64 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (148). 65 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (149). 66 BT-Drs. VI/2559, Anlage 1, 9. 67 BT-Drs. VI/2559, Anlage 1, 9. 68 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (149). 69 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (151). 70 BGBl. I 1986, 1309. 71 S. die Begründung des Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes der Bundesregierung, BT-Drs. 17/10572, S. 27: „Die Regelungen zum Tierschutzbeauftragten in § 8b sollen im Wesentlichen ebenfalls in eine Rechtsverordnung überführt werden. Die diesbezüglichen Regelungen und Ermächtigungen sind in § 10 (neu) vorgesehen.“

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

durale Institute als ‚weiche‘ Regelungsinstrumente“ in das Tierschutzgesetz aufgenommen.72 Insbesondere der Umstand, dass Tierschutzverbänden über die Tierversuchskommission Beteiligungs- und Mitwirkungsrechte eingeräumt wurden, könnte ein Argument für eine erschöpfende Regelung hinsichtlich der Verbandsbeteiligung sein.73 Aber auch dadurch hat der Bundesgesetzgeber mit Blick auf die Verbandsklage keine den Landesgesetzgeber sperrenden, abschließenden Regelungen erlassen.74 Die erwähnten Vorschriften berühren allein den Ausschnitt des Tierversuchsrechts – eine Verbandsklage kann thematisch umfassender ermöglicht werden und lässt sich von der Rechtsqualität her nicht mit den erwähnten Instituten vergleichen.75 So ist eine Ausgestaltung der Verbandsklage als „eine verwaltungsprozessuale Klagemöglichkeit gegen alle Arten einer Behördenentscheidung auf dem Gebiet des Tierschutzrechts“ denkbar, die „den Verband in die Lage [versetzen würde], eine Behördenentscheidung vor einem Gericht eigenständig zu überprüfen, und zwar zu einem Zeitpunkt, in der das Verwaltungsverfahren bereits durch Erlass einer behördlichen Maßnahme oder durch deren Unterlassung einen Abschluss gefunden hat“.76 Weil nicht ersichtlich ist, dass der Bundesgesetzgeber durch die Aufnahme der genannten verwaltungsverfahrensrechtlichen Institute in das Tierschutzgesetz absichtlich tierschutzrechtliche Verbandsklagen sperren wollte, bleibt die Tierschutz-Verbandsklage auf Länderebene denkbar.77 c) Ermöglichung eines Schiedsverfahrens im Jahr 1992 Das Gesetz zur Änderung veterinärrechtlicher, lebensmittelrechtlicher und tierzuchtrechtlicher Vorschriften vom 18.  Dezember 199278 enthielt einen § 16g ­TierSchG79. Dieser Paragraph räumte im Zusammenhang mit Tiertransporten bei Streitigkeiten unter näher bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit eines Schiedsspruchs zur Streitschlichtung ein. Fraglich ist, ob damit eine Sperrwirkung einhergehen könnte. Das ist zu verneinen: Die Vorschrift diente bloß der Umsetzung von Art. 9 Abs. 3 der Richtlinie des Rates vom 19. November 1991 (91/628/EWG) über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und

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Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (149 f.). Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (737). 74 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (150). 75 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (150). 76 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (150). 77 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (150). 78 BGBl. I 1992, 2022. 79 Heute § 16i TierSchG. 73

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91/496/EWG80, betrifft jedoch nicht die Optimierung des Tierschutzes mittels geänderter verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften.81 Es ist in diesem Zu­ sammenhang selbst für die Materie des Tiertransportrechts nicht erkennbar, dass der Bundesgesetzgeber die Möglichkeit einer Verbandsklage sperren wollte.82 d) Befassung mit einem Gesetzesentwurf im Jahr 1997 Im Jahr 1997 wurde von verschiedenen Abgeordnete und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts“83 vorgelegt. Obwohl sich der Bundestag mit diesem Gesetzentwurf beschäftigte, hat er hinsichtlich der Tierschutz-Verbandsklage nicht von seiner Gesetzgebungskompetenz Gebrauch gemacht: Denn bevor über den Gesetzentwurf hätte abgestimmt werden können, endete die 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestags mit der Folge der Diskontinuität.84 § 125 S. 1 der Geschäftsordnung des Bundestages normiert den „Grundsatz der sachlichen Diskontinuität“:85 „Am Ende der Wahlperiode des Bundestages gelten alle Vorlagen als erledigt.“ Auch Gesetzesentwürfe gelten gemäß § 75 Abs. 1 a) der Geschäftsordnung des Bundestages als (selbstständige)86 Vorlage. Die sachliche Diskontinuität entlastet den neuen Bundestag von sämtlichen bis zum Ende der Wahlperiode unerledigten Vorhaben des alten Bundestags, indem diese sich automatisch erledigen.87 Da der Bundestag über die Vorlage nicht entschieden hat, wäre es spekulativ, dieser „Nicht-Entscheidung“ einen Willen für oder gegen die Tierschutz-Verbandsklage zu entnehmen. Eine andere Auffassung sieht „eindeutige Hinweise“ auf einen absichtlichen Regelungsverzicht des Bundesgesetzgebers bezüglich der Tierschutz-Verbandsklage.88 Es wird davon ausgegangen, dass der Deutsche Bundestag sich andernfalls nach Ablauf der 13. Wahlperiode in den drei folgenden Wahlperioden erneut mit der Tierschutz-Verbandsklage beschäftigt hätte – zumal der Initiator des Gesetzentwurfs von 1997, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der 14. und 15. Wahlperiode mitregiert habe – und dass in den von SPD und BÜNDNIS 90/ 80

ABl. EG Nr. L 340, 17. Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (150). 82 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (150). 83 BT-Drs. 13/9323. 84 Wissenschaftlicher Dienst, Zum Bestehen einer Landeskompetenz zur Einführung einer Tierschutzverbandsklage, 2007, SchlHLT-Umdruck 16/2165, S. 16. 85 Klein in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. IV – Art. 23–53 a (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 39 Rn. 53 (Stand: 77. Lieferung 2016). 86 § 75 GO BT unterscheidet zwischen selbstständigen (Absatz 1) und unselbstständigen Vorlagen (Absatz 2). 87 S. Klein in Maunz/Dürig, GG, Kommentar, Bd. IV – Art. 23–53 a (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 39 Rn. 53 (Stand: 77. Lieferung 2016). 88 Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW, Öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/505, S. 6. 81

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DIE GRÜNEN getroffenen Koalitionsvereinbarungen vom 20. Oktober 1998 und vom 16. Oktober 2002 die Tierschutz-Verbandsklage sonst erwähnt worden wäre.89 Dem kann jedoch nicht gefolgt werden. Von einer Vereinbarung oder auch „Nicht-Vereinbarung“ in Koalitionsverträgen kann nicht auf den Willen des Bundesgesetzgebers geschlossen werden. Denn Bundesgesetze werden gemäß Art. 77 Abs.  1 S.  1 GG vom Bundestag, nicht von der Bundesregierung getroffen. Der Koalitionsvertrag spiegelt aber nur den Willen der Bundesregierung wieder. Auch die angeführte „Nicht-Befassung“ des Deutschen Bundestags in der 14., 15. und 16. Wahlperiode lässt keinen Rückschluss auf den Willen des Gesetzgebers zu. e) Gescheiterte Gesetzesinitiative im Jahr 2004 2004 leitete das Land Schleswig-Holstein dem Bundesrat einen „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine“90 zu. Dieser beschloss, „den Gesetzentwurf beim Deutschen Bundestag n i c h t einzubringen“.91 Auch diese erfolglose Bundesratsinitiative („Initiative zur Initiative“92) bringt nicht zum Ausdruck, dass der Bundesgesetzgeber eine TierschutzVerbandsklage auf Länderebene ausschließen wollte; denn der Bundestag konnte sich nicht mit dem Gesetzesentwurf befassen, da der Bundesrat ihn erst gar nicht in den Bundestag einbrachte.93 Außerdem wirkt der Bundesrat gemäß Art. 50 GG zwar bei der Gesetzgebung des Bundes mit. Allerdings kann nach Art. 77 Abs. 1 S. 1 GG nur der Bundestag ein Gesetz beschließen, sodass er als wesentliches Gesetzgebungsorgan anzusehen ist.94 Da sich der Bundesgesetzgeber mit dem Gesetzentwurf überhaupt nicht beschäftigt hat, kann auch nicht auf einen bewussten Regelungsverzicht und eine Sperrwirkung für die Bundesländer geschlossen werden.95

89 Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW, Öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/505, S. 6. 90 BR-Drs. 157/04. 91 BR-Drs. 157/04 (Beschluss). 92 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (738), wonach der Bundesrat durch die Ablehnung daher „nur seine Haltung als initiativberechtigtes Organ, nicht hingegen seine Haltung als mitwirkungsberechtigtes Gesetzgebungsorgan [bekundet]“. 93 Wissenschaftlicher Dienst, Zum Bestehen einer Landeskompetenz zur Einführung einer Tierschutzverbandsklage, 2007, SchlHLT-Umdruck 16/2165, S. 14. 94 Dietlein in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 77 Rn. 1; Wissenschaftlicher Dienst, Zum Bestehen einer Landeskompetenz zur Einführung einer Tierschutzverbandsklage, 2007, SchlHLT-Umdruck 16/2165, S. 14. 95 Wissenschaftlicher Dienst, Zum Bestehen einer Landeskompetenz zur Einführung einer Tierschutzverbandsklage, 2007, SchlHLT-Umdruck 16/2165, S. 14; s. ders., S. 14 f., zu dem weiteren Argument, dass der Landesgesetzgeber nur durch ein abgeschlossenes Gesetzgebungsverfahren des Bundesgesetzgebers gesperrt werden könne.

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f) Ablehnung von Gesetzesentwürfen im Jahr 1995 und 2012 Schließlich sei noch auf zwei Gesetzesentwürfe eingegangen, die aufgrund ihrer Ablehnung eine Sperrwirkung zur Folge haben könnten: Zwei Abgeordnete sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten 1995 den „Entwurf eines Tierschutzgesetzes“96 in den Bundestag eingebracht. § 40 dieses Entwurfs enthielt eine Regelung über eine Tierschutz-Verbandsklage. Der Gesetzentwurf wurde abgelehnt.97 Im Jahr 1995 hat sich der Bundesgesetzgeber also gegen die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene ausgesprochen. Dies leitet über zu der Frage, ob sich der Wille des Bundesgesetzgebers seit dem geändert hat? 2012 hatten mehrere Abgeordnete sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Tierschutzgesetzes (TierSchGNeuregG)“98 in den Bundestag eingebracht. Dieser Entwurf enthielt in § 62 Bestimmungen über eine Tierschutz-Verbandsklage.99 Der Gesetzesentwurf wurde ebenfalls abgelehnt.100 In der Ablehnung von dem letztgenannten Gesetzesentwurf „kommt unmissverständlich der Wille des Bundesgesetzgebers zum Ausdruck, auf Bundesebene kein Verbandsklagerecht im Tierschutzrecht einführen zu wollen“ – davon ist juristisch jedenfalls solange auszugehen, bis sich der Bundestag aufs Neue mit der Tierschutz-Verbandsklage beschäftigt.101 An dieser Stelle kann die Prüfung aber noch nicht beendet werden. Denn es „ist jedenfalls dann zwischen dem Regelungsverzicht auf Bundesebene und einer Sperrwirkung auf Landesebene zu differenzieren, wenn in Bezug auf die streitige Materie bereits Landesrecht erlassen worden ist“.102 Mit Blick auf den vom Bundestag abgelehnten Gesetzentwurf aus dem Jahr 2012 ist also zu berücksichtigen, dass zu diesem Zeitpunkt mit Bremen bereits ein Bundesland die Tierschutz-Verbandsklage eingeführt hatte (2007) und mit Hamburg und Nordrhein-Westfalen schon in zwei weiteren Bundesländern über die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage beraten und im Saarland zumindest darüber politisch diskutiert wurde und es ist zu vermuten, dass der Bundesgesetzgeber dies alles wusste – er hätte es jedenfalls wissen müssen.103

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BT-Drs. 13/3036. BT-Plenarprotokoll 13/207, 18918 (D). 98 BT-Drs. 17/9783. 99 S. BT-Drs. 17/9783, 35 f. 100 BT-Plenarprotokoll 17/214, 26368 (C). 101 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (738 f.). 102 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (739); ders. verweist diesbezüglich auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Schwangerenhilfegesetz hinsichtlich einem abweichenden Fachärztevorbehalt auf Landesebene (BVerfGE 98, 265). 103 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (739 f.). 97

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Aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Bayerischen Schwange­ renhilfeergänzungsgesetz lässt sich ableiten, dass eine Sperrwirkung eine ausdrückliche Regelung und nicht nur einen Regelungsverzicht voraussetzt, wenn der Bundesgesetzgeber Kenntnis von der uneinheitlichen Rechtslage auf Landesebene hat.104 Dafür streitet das Argument der Rechtsklarheit, da durch eine abschließende Bundesregelung „älteres Landesrecht außer Kraft gesetzt worden wäre“.105 Weiter ist der Bundesgesetzgeber insbesondere auch wegen dem „Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens dazu verpflichtet, eine etwaig intendierte Sperrwirkung gegenüber dem Landesgesetzgeber explizit deutlich zu machen“.106 Hierfür lässt sich zusätzlich auch das „Grundsatz-Ausnahme-Verhältnis“ des Art. 70 Abs. 1 GG als Argument anführen.107 Eine ausdrückliche gesetzliche Vorschrift oder wenigstens eine eindeutige Willensäußerung des Bundesgesetzgebers ist jedoch nicht ersichtlich, weshalb die Bundesländer hinsichtlich der Einführung einer TierschutzVerbandsklage nach dem gegenwärtigen Stand gesetzgebungsbefugt sind.108 g) Zwischenergebnis Im Tierschutzrecht fehlt es an einem für die Sperrwirkung des Art. 72 Abs. 1 GG erforderlichen „positive[n] Gesetzgebungsakt des Bundes“.109 Die Untersuchungen in diesem Kapitel haben bestätigt, dass sich bezüglich der Tierschutz-Verbandsklage insbesondere mit dem Tierschutzgesetz selbst, den Novellierungen des Tierschutzgesetzes, der im Bundesrat gescheiterten Gesetzesinitiative und den im Bundestag abgelehnten Gesetzesentwürfen kein Wille des Bundesgesetzgebers zu einer erschöpfenden, die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage ausschließenden, Regelung belegen lässt. Der Landesgesetzgeber ist kompetenzrechtlich also nicht gehindert, eine Tierschutz-Verbandsklage einzuführen.110 104 BVerfG, Urt. v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306, 2314/96, 1108, 1109, 1110/97, BVerfGE 98, 265 (307). 105 BVerfG, Urt. v. 27.10.1998 – 1 BvR 2306, 2314/96, 1108, 1109, 1110/97, BVerfGE 98, 265 (307 f.); s. auch Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (739). 106 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (739). 107 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (739); s. zu dem Grundsatz des Art. 70 GG beispielsweise auch Jarass, Regelungsspielräume des Landesgesetzgebers im Bereich der konkurrierenden Gesetzgebung und in anderen Bereichen, NVwZ 1996, 1041 (1044 f.); Rengeling in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI, Bundesstaat, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 159. 108 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740); vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 12.10.1978 – 2 BvR 154/74, BVerfGE 49, 343 (359 f.). 109 Weidemann/Rheindorf, Verbandsklage für anerkannte Tierschutzvereine in RheinlandPfalz, DVP 2015, 148 (149). 110 Bejaht wurde die Zulässigkeit der Einführung der Tierschutz-Verbandsklage durch den Landesgesetzgeber auch bereits von Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (152); Fest/Köpernik, Das Verbandsklagerecht im Tierschutz, DVBl.

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5. Zur (Nicht-)Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 GG Nachdem Stellung bezogen wurde, ob die Bundesländer bezüglich der Tierschutz-Verbandsklage zur Gesetzgebung befugt sind, drängt sich eine weitere Frage auf: Ist denn auch der Bund hinsichtlich der Tierschutz-Verbandsklage überhaupt gesetzgebungsbefugt? Anders als die Frage, ob die Bundesländer zur Gesetzgebung befugt sind, hat diese Frage bislang erstaunlich wenig Aufmerksamkeit, geschweige denn Antworten erfahren.111 Vorweggeschickt sei, dass der Bundesgesetzgeber nicht selbst gesetzgeberisch tätig werden muss, also auch untätig bleiben kann.112 Im Folgenden wird der These nachgegangen, dass der Bund hinsichtlich der TierschutzVerbandsklage aber auch überhaupt nicht gesetzgeberisch tätig werden dürfte. Um den Argumentationsgegenstand im Rahmen der Ausführungen zu Art. 72 Abs. 2 GG zu veranschaulichen, werden zunächst Modelle einer Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene vorgestellt (a)). Dann wird auf die Anwendbarkeit der Erforderlichkeitsklausel eingegangen (b)). Anschließend wird der Maßstab der Erforderlichkeitsklausel beschrieben (c)). Sodann wird eine Prognose zur Erforderlichkeit der Einführung der Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene gewagt (d)). Ein Zwischenergebnis hält die gewonnenen Erkenntnisse fest und nimmt eine Wertung unter Tierschutz-Gesichtspunkten vor (e)). Dieser Abschnitt verfolgt neben der Beantwortung der aufgeworfenen Frage auch das Ziel, eine Diskussion über die Gesetzgebungskompetenz des Bundes anzustoßen. Je nach Auffassung ist die rechtspolitische Diskussion über die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage nach wie vor auf Bundes- und Landesebene oder „nur“ noch auf Landesebene zu führen. a) Zur Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene Die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage erscheint im Grundsatz sowohl auf Landes-, als auch auf Bundesebene denkbar. Auf die Ausgestaltung der bereits in Kraft getretenen landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze wird im 2012, 1473 (1477); Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92; v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn. 169; Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (741); a. A. Löwer, Tierversuche im Verfassungs- und Verwaltungsrecht. Zugleich ein Beitrag zum bremischen Staatsrecht, Wissenschaftsrecht, Beiheft 16, 2006, S. 124; Metzger in Erbs/Kohlhaas, Strafrechtliche Nebengesetze mit Straf- und Bußgeldvorschriften des Wirtschafts- und Verwaltungsrechts, Bd. 4 (Stand: 213. EL 2017), T 95. TierSchG, Vorb. v. § 1 Rn. 9 (Stand: 177. EL 2009). 111 Soweit ersichtlich hat sich bislang nur Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740 f.) näher mit der Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG im Kontext der Tierschutz-Verbandsklage befasst, allerdings ohne sich in dieser Frage festzulegen. 112 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740).

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fünften Teil ausführlich eingegangen. Um ein vollständiges Bild von dem Instrument der Tierschutz-Verbandsklage zeichnen zu können, ist auch die Skizzierung ihrer potentiellen Umsetzung auf Bundesebene erforderlich. Zu diesem Zweck wird an dieser Stelle auf bereits vorhandene Gesetzesvorarbeit zu Modellen einer bundesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage zurückgegriffen. Während es sich bei den nachfolgend unter aa) behandelten Bundestags-Drucksachen 13/3036, 13/9323 und 17/9783 um Entwürfe handelt, die auf verschiedene Abgeordnete sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zurückgehen, steht hinter der Bundesrats-Drucksache 157/04 (dazu nachfolgend bb)) die Landesregierung von Niedersachsen. Diese wurde im Jahr 2004, aus dem die Drucksache stammt, von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gebildet. Da es sich insoweit also um einen Gesetzesentwurf für eine Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene handelt, der nicht nur von einer, sondern gleich von zwei Parteien getragen wurde, soll dieser nachfolgend auch am ausführlichsten behandelt werden. aa) Modelle einer Bundes-Tierschutz-Verbandsklage Im Vierten Teil wurden unter II. 4. d) und f) drei Gesetzesentwürfe zu einer Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene angesprochen, auf die nun noch einmal etwas näher eingegangen werden soll. Namentlich waren dies die BundestagsDrucksache 13/3036 (nachfolgend: (1)), die Bundestags-Drucksache 13/9323 (2) und die Bundestags-Drucksache 17/9783 (3).113 (1) BT-Drs. 13/3036 Zwei Abgeordnete sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatten wie bereits erwähnt im Jahr 1995 den „Entwurf eines Tierschutzgesetzes“114 in den Bundestag eingebracht. Zu dem Elften Abschnitt des Entwurfs, der die „Durchführung des Gesetzes“ regelt, zählt auch § 40. Dieser § 40 des Entwurfs enthält eine Regelung über eine Tierschutz-Verbandsklage. So gilt nach § 40 Abs. 1 des Entwurfs: „Entscheidungen von Behörden, die im Einzelfall in Anwendung oder auf Grund dieses Gesetzes ergehen oder unterlassen werden, können durch die Verwaltungsgerichte überprüft werden.“ Gemäß § 40 Abs. 2 des Entwurfs sollen neben den Tierschutzbeauftragten der Länder und des Bundes auch „rechtsfähige 113 Daneben soll auch die BT-Drs. 17/13477 an dieser Stelle kurze Erwähnung finden. Diese Drucksache enthält einen Antrag mehrerer Abgeordneter und der SPD-Fraktion auf einen Beschluss des Bundestages, die Bundesregierung aufzufordern, „einen Gesetzentwurf vorzulegen, der ein Klagerecht von anerkannten Tierschutzverbänden vorsieht“ (BT-Drs. 17/13477, 1). Darauf folgend wird in der Drucksache ausgeführt, wie dieser Gesetzentwurf auszugestalten sei (BT-Drs. 17/13477, 1 f.). 114 BT-Drs. 13/3036.

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Tierschutzorganisationen, deren satzungsmäßige Ziele betroffen sind und die über mehr als fünfhundert Mitglieder verfügen“ klagebefugt sein.115 Die Schaffung einer solchen Klagebefugnis wurde von dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für erforderlich gehalten, „da viele Mißstände nur durch Fachleute erkannt und effektiv durch zügige Einleitung von Klagen abgestellt werden können“.116 Der Bundestag lehnte den Gesetzesentwurf jedoch ab.117 (2) BT-Drs. 13/9323 Wie ebenfalls bereits angesprochen wurde, haben verschiedene Abgeordnete und die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Jahr 1997 einen „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts“118 erarbeitet. Dieser Entwurf beinhaltet in Artikel 1, Ziffer 1 den Vorschlag, einen § 42a in die Verwaltungsgerichtsordnung einzufügen, dessen Absatz 2 eine Verbandsklagemöglichkeit für Tierschutzverbände vorsieht: „Ein nach § 16 c des Tierschutzgesetzes anerkannter Verband kann, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten darlegen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe dieses Gesetzes einlegen, wenn er einen Verstoß gegen das Bundestierschutzgesetz, einer aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsvorschrift oder einer anderen Rechtsvorschrift rügt, die auch den Belangen des Tierschutzes zu dienen bestimmt ist.“119 Hintergrund dieser Regelung ist eine drohende „Teilentwertung der Tierschutzregelungen“, weil Tiere „ihre Interessen selbst nicht artikulieren können“ und keine wirksame Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Verwaltungsentscheidungen gegeben sei.120 Dieser Rechtsbehelf wäre nach § 42a Abs. 3 des Entwurfs aber unzulässig gewesen, „wenn der Verband durch die angegriffene Maßnahme nicht in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird“ (Nr. 1), „die Maßnahme auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erfolgt oder in einem solchen als rechtmäßig bestätigt worden ist“ (Nr. 2), oder „sich der Verband zur Sache nicht geäußert hat, es sei denn, es ist ihm keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden“ (Nr. 3). Von den weiteren Änderungsvorschlägen betreffend die Verwaltungsgerichtsordnung im Zusammenhang mit der TierschutzVerbandsklage soll an dieser Stelle nur noch auf denjenigen in Artikel 1, Ziffer 2 eingegangen werden: Nach dem Entwurf sollte § 47 Abs.  2 der Verwaltungsgerichtsordnung um einen Satz 2 folgenden Inhalts ergänzt werden: „Den Antrag kann auch ein nach […] § 16 c des Tierschutzgesetzes anerkannter Verband stellen; dabei gilt § 42 a entsprechend.“ Hinzuweisen ist noch auf Artikel 3, Ziffer 1 des 115

BT-Drs. 13/3036, 17. BT-Drs. 13/3036, 24. 117 BT-Plenarprotokoll 13/207, 18918 (D). 118 BT-Drs. 13/9323. 119 BT-Drs. 13/9323, 3. 120 BT-Drs. 13/9323, 7. 116

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Entwurfs, der eine Änderung des Tierschutzgesetzes vorsah. So sollte in das Tierschutzgesetz ein § 16c eingefügt werden, der die Voraussetzungen für die staatliche Anerkennung eines Tierschutzverbands enthielt. (3) BT-Drs. 17/9783 Im Jahr 2012 – auch dies wurde schon erwähnt – haben mehrere Abgeordnete sowie die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN den „Entwurf eines Gesetzes zur Neuregelung des Tierschutzgesetzes (TierSchGNeuregG)“121 in den Bundestag eingebracht. Dieser Entwurf enthält in seinem Zwölften Abschnitt Regelungen zur „Mitwirkung von anerkannten Tierschutzvereinigungen“. Zunächst geht es in § 58 TierSchGNeuregG um die Mitwirkungsrechte der durch das Bundesministerium anerkannten Tierschutzvereinigungen und Stiftungen. § 59 TierSchGNeuregG regelt sodann die Anerkennung von Tierschutzvereinigungen durch das Bundesministerium. In § 60 TierSchGNeuregG stehen die Mitwirkungsrechte der Tierschutzvereinigungen im Mittelpunkt, die von den Bundesländern anerkannt wurden. Diese Mitwirkungsrechte sollen nach § 60 Abs. 1 S. 1 TierSchGNeuregG auch für die durch das Bundesministerium anerkannten Tierschutzvereinigungen gelten. § 61 TierSchGNeuregG regelt die Anerkennung von Tierschutzvereinigungen durch die Bundesländer. § 62 des TierSchGNeuregG enthält sodann Bestimmungen zu den Rechtsbehelfen: Nach § 62 Abs.  1 TierSchGNeuregG hätten anerkannte Tierschutzvereinigungen oder anerkannte Stiftungen die Möglichkeit gehabt, in folgenden Fällen „ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung ein[zu]legen“: „Genehmigungen, Erlaubnisse und Zulassungen nach § 9 Absatz 3 Nummer 1, § 21 Absatz 1 und § 28 Absatz 1 dieses Gesetzes sowie nach den unmittelbar geltenden Rechtsakten der EU auf dem Gebiet des Tierschutzes“ (Nr. 1), „bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für Vorhaben zum Halten oder Schlachten von Tieren zu Erwerbszwecken“ (Nr. 2) sowie „die Ablehnung oder die Unterlassung von Anordnungen nach § 12 Absatz 2 Satz 2, den §§ 22, 27 und 41 dieses Gesetzes oder nach einer entsprechenden Vorschrift, die sich aus einer auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnung oder aus einem unmittelbar geltenden Rechtsakt der EU auf dem Gebiet des Tierschutzes ergibt“ (Nr. 3). § 62 Abs. 1 S. 2 TierSchGNeuregG enthält eine Ausnahme von § 62 Abs. 1 S. 1 Nr.  1 und Nr.  2 TierSchGNeuregG für die Fälle, in denen „ein dort genannter Verwaltungsakt auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen oder in einem solchen Verfahren als rechtmäßig bestätigt 121

BT-Drs. 17/9783.

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worden ist“. Eine Ausnahme betreffend § 62 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TierSchGNeuregG enthält § 62 Abs. 1 S. 3 TierSchGNeuregG, „wenn die Ablehnung oder Unterlassung in einem solchen Verfahren als rechtmäßig bestätigt worden ist“. Eine Sonderregelung enthält dann § 62 Abs. 1 S. 4 TierSchGNeuregG: „Rechtsbehelfe gegen eine von der zuständigen Dienststelle der Bundeswehr erteilte Genehmigung für einen Tierversuch können nur von einer nach § 59 anerkannten Vereinigung erhoben werden; Satz 2 gilt entsprechend.“ § 62 Abs. 2 TierSchGNeuregG enthält verschiedene Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rechtsbehelfe der Vereinigungen und Stiftungen. Danach ist erforderlich, dass die Tierschutzvereinigung oder Stiftung „geltend macht, dass der Erlass eines in Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 und 2 genannten Verwaltungsaktes oder die Ablehnung oder Unterlassung einer Anordnung im Sinne von Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 gegen Vorschriften des Tierschutzgesetzes, gegen Rechtsverordnungen, die auf Grund dieses Gesetzes erlassen worden sind, oder gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der EU auf dem Gebiet des Tierschutzes verstößt“ (Nr. 1), „dadurch in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich, soweit sich die Anerkennung darauf bezieht, berührt wird“ (Nr. 2) und „soweit sie zur Mitwirkung berechtigt war, sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihr entgegen § 58 Absatz 1 Nummer 2 oder § 60 Absatz 1 Nummer 2 oder Absatz 2 oder entgegen einer landesrechtlichen Vorschrift nach § 60 Absatz 4 oder 6 keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist“ (Nr. 3). § 62 Abs.  3 TierSchGNeuregG enthält eine Fristenregelung und § 62 Abs.  4 TierSchGNeuregG regelt, wann mit der Tierschutz-Verbandsklage keine aufschiebende Wirkung einhergeht. Abgeschlossen wird der Zwölfte Abschnitt von einem den Tierschutz betreffenden Informationsanspruch in § 63 TierSchGNeuregG. Der Gesetzesentwurf wurde im Bundestag abgelehnt.122 bb) Besondere Berücksichtigung von BR-Drs. 157/04 Nach dem Vorschlag des Bundeslandes Schleswig-Holstein hätte auf den Elften Abschnitt folgend ein Zwölfter Abschnitt in das Tierschutzgesetz eingefügt werden sollen, der nach dem Entwurf in Form der §§ 17–20a TierSchG-E verschiedene Regelungen zur „Mitwirkung von Vereinen“ enthalten sollte.123 Die §§ 17–20a TierSchG-E werden nachfolgend unter (1) bis (5) im Einzelnen dargestellt.124 Bei dieser Bundesrats-Drucksache 157/04 handelt es sich wie erwähnt um einen Gesetzesentwurf, hinter dem gleich zwei Parteien stehen. Er soll deshalb dieser Arbeit 122

BT-Plenarprotokoll 17/214, 26368 (C). S. BR-Drs. 157/04, Anlage, 1–5. 124 S. schon Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381–384) mit einer näheren Auseinandersetzung mit dem Entwurf des Landes Schleswig-Holstein. 123

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als Modell, beziehungsweise Bezugspunkt für eine potentielle bundesrechtliche Tierschutz-Verbandsklage dienen. (1) § 17 TierSchG-E Zunächst regelt der Gesetzesentwurf des Landes Schleswig-Holstein in § 17 Abs. 1 Nr. 1 und 2 TierSchG-E, in welchen Fällen einem anerkannten Verein die Mitwirkung ermöglicht werden soll. Voraussetzung für die Mitwirkung ist nach dem letzten Halbsatz von § 17 Abs. 1 TierSchG-E stets, dass der jeweilige anerkannte Verein „durch das Vorhaben in seinem satzungsmäßigen Aufgabenbereich berührt wird“. Im Übrigen ist die Mitwirkung in § 17 Abs. 1 TierSchG-E dergestalt ausgeformt, dass einem anerkannten Verein „Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten zu geben [ist]“. Konkret soll dies nach Nr. 1 „bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen im Range unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften auf dem Gebiet des Tierschutzes durch oder [sic!] das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft“ der Fall sein und nach Nummer 2 „in Genehmigungsverfahren nach § 15 Abs. 3, wenn der Verein einen Tätigkeitsbereich hat, der sich auf das Gebiet bezieht, in dem die Genehmigung erteilt wird“. § 17 Abs. 2 S. 1 TierSchG-E regelt, dass die verwaltungsverfahrensrechtlichen Regelungen zur Anhörung von Beteiligten in § 28 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 sowie die verwaltungsverfahrensrechtliche Regelung zur Akteneinsicht von Beteiligten in § 29 Abs. 2 VwVfG entsprechend gelten. § 17 Abs. 2 S. 2 TierSchG-E stellt klar: „Eine in anderen Rechtsvorschriften vorgeschriebene inhaltsgleiche oder weitergehende Form der Mitwirkung bleibt unberührt“. In § 17 Abs. 3 TierSchG-E wird § 17 Abs. 1 Nr. 2 TierSchG-E auch auf „die von den Ländern im Rahmen des § 19 [TierSchG-E] anerkannten Vereine“ erstreckt, „soweit diese in ihrem Tätigkeitsbereich betroffen sind“. (2) § 18 TierSchG-E In § 18 TierSchG-E ist die Anerkennung der Vereine geregelt. § 18 Abs. 1 S. 1 TierSchG-E setzt für die Anerkennung eines Vereins einen Antrag voraus. Die Voraussetzungen für die Anerkennung ergeben sich sodann aus § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–6 TierSchG-E: Vorausgesetzt wird danach, dass der Verein „nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Tierschutzes fördert“ (Nr. 1), „nach seiner Satzung einen Tätigkeitsbereich hat, der über das Gebiet eines Landes hinausgeht“ (Nr. 2), „im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist“ (Nr. 3), „die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang seiner bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leis-

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tungsfähigkeit des Vereins zu berücksichtigen“ (Nr. 4), „wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach dem Körperschaftssteuergesetz von der Körperschaftssteuer befreit ist“ (Nr. 5) und „jedermann, der die Ziele des Vereins unterstützt, die Mitgliedschaft mit vollem Stimmrecht in der Mitgliederversammlung ermöglicht; bei Vereinen, deren Mitglieder ausschließlich juristische Personen sind, kann von der in Satz 1 genannten Voraussetzung abgesehen werden, sofern die Mehrzahl dieser juristischen Personen diese Voraussetzung erfüllt“ (Nr. 6). Gemäß § 18 Abs. 1 S. 3 TierSchG-E muss sich aus der Anerkennung „der satzungsgemäße Aufgabenbereich, für den die Anerkennung gilt,“ ergeben. Zuständig für die Anerkennung ist nach § 18 Abs. 2 TierSchG-E das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft. (3) § 19 TierSchG-E Die Anerkennung von Vereinen durch die Länder ist in § 19 TierSchG-E geregelt. Nach § 19 Abs. 1 TierSchG-E treffen die Länder Regelungen „über die Mitwirkung und Anerkennung von rechtsfähigen Vereinen nach den in den Absätzen 2 und 3 genannten Maßgaben“. Danach muss „[e]inem von den Ländern oder nach § 18 anerkannten Verein“ gemäß § 19 Abs. 2 S. 1 TierSchG-E „Gelegenheit zur Stellungnahme und zur Einsicht in die einschlägigen Sachverständigengutachten“ gegeben werden. Dies gilt zum einen „bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen im Rang unter dem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften der für den Tierschutz zuständigen Behörden der Länder“ (Nr. 1) und zum anderen „in Genehmigungsund Erlaubnisverfahren nach § 4a Abs. 2 Nr. 2, § 6 Abs. 3, § 8 Abs. 1, soweit ein Tierschutzverband nicht bereits im Rahmen seiner Mitwirkung in der Kommission nach § 15 Abs. 1 mit dem Verfahren befasst war, und § 11 Abs. 1“ (Nr. 2). § 19 Abs. 2 S. 2 TierSchG-E erlaubt den Ländern, darüber hinausgehende Mitwirkungsmöglichkeiten zu ermöglichen. Nach § 19 Abs. 2 S. 3 TierSchG-E dürfen die Länder des Weiteren zum einen „die Mitwirkung anerkannter Vereine auch in anderen Verfahren vorsehen, soweit die Mitwirkung auf landesrechtlichen Vorschriften beruht“ (Nr. 1) und zum anderen „bestimmen, dass in Fällen, in denen Auswirkungen auf den Tierschutz nicht oder nur in geringfügigem Umfang oder Ausmaß zu erwarten sind, von einer Mitwirkung abgesehen werden kann“ (Nr. 2). Nach § 19 Abs. 3 TierSchG-E „muss der Verein nach seiner Satzung einen Tätigkeitsbereich haben, der sich auf das Gebiet des Landes erstreckt“ und die Voraussetzungen von § 18 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3–6 TierSchG-E müssen erfüllt sein.

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(4) § 20 TierSchG-E § 20 TierSchG-E regelt die Rechtsbehelfe von anerkannten Vereinen. Diese Regelung kann „die Durchsetzungsfähigkeit der Tierschutzbelange“ auf dem Gebiet des Tierschutzrechts stärken.125 Nach § 20 Abs. 1 S. 1 TierSchG-E kann ein anerkannter Verein in näher bestimmten Fällen „ohne in seinen Rechten verletzt zu sein, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen“. Möglich ist dies danach gegen „Genehmigungen und Erlaubnisse nach § 4a Abs. 2 Nr. 2, § 6 Abs. 3, § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1 und § 15 Abs. 3“ (Nr. 1). Möglich sind Rechtsbehelfe danach weiter gegen „bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen der Länder, die Belange des Tierschutzes berühren, sofern der räumliche Tätigkeitsbereich des Vereins betroffen ist“ (Nr. 2) und „Anordnungen oder die Unterlassung von Anordnungen nach § 16a“ (Nr. 3). Bei den überprüfbaren Ausnahmen und Genehmigungen handelt es sich um „wesentliche[…] Genehmigungen nach dem Tierschutzgesetz“.126 § 20 Abs. 1 S. 2 TierSchG-E beinhaltet eine Ausnahme von Satz 1 „wenn ein dort genannter Verwaltungsakt aufgrund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen oder in einem solchen Verfahren als rechtmäßig bestätigt worden ist“. § 20 Abs. 2 Nr. 1–3 TierSchG-E enthält Zulässigkeitsvoraussetzungen für die Rechtsbehelfe gemäß § 20 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 2 TierSchG-E. So ist erforderlich, dass der Verein „geltend macht, dass der Erlass eines in Absatz 1 genannten Verwaltungsaktes Vorschriften dieses Gesetzes oder Rechtsvorschriften, die aufgrund oder im Rahmen dieses Gesetzes erlassen worden sind, widerspricht“ (Nr. 1), der Verein „dadurch in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich, soweit sich die Anerkennung darauf bezieht, berührt wird“ (Nr. 2) und er „zur Mitwirkung nach § 17 Abs. 1 Nr. 2, § 19 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 oder landesrechtlichen Vorschriften im Rahmen des § 19 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 berechtigt war und er sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihm entgegen § 17 Abs. 1 oder im Rahmen des § 19 Abs. 2 erlassener landesrechtlicher Regelungen keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist“ (Nr. 3). Zweck von § 20 Abs. 2 Nr. 2 und 3 TierSchG-E ist es, dass die anerkannten Vereine schon im behördlichen Verfahren ihre Expertise einbringen und die Verwaltung dadurch schon frühzeitig mögliche Bedenken überprüfen kann.127 Ein weiterer Vorteil ist, dass die durch die Behördenentscheidung Begünstigten dann nicht von zuvor nicht vorgetragenen Argumenten im Prozess überrascht werden können.128 § 20 Abs. 3 TierSchG-E bestimmt sodann: „Hat der Verein im Verwaltungsverfahren Gelegenheit zur Äußerung gehabt, ist er im Verfahren über den Rechtsbehelf 125 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (382). 126 BR-Drs. 157/04, Anlage, 9. 127 BR-Drs. 157/04, Anlage, 14. 128 BR-Drs. 157/04, Anlage, 14.

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mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die er im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht hat, aber aufgrund der ihm überlassenen oder von ihm eingesehenen Unterlagen zum Gegenstand seiner Äußerung hätte geltend machen können.“ Diese materielle Präklusion macht klar, dass die klagebefugten Tierschutzvereine sich mit ihrer Expertise vorrangig schon im Mitwirkungsverfahren beteiligen sollen.129 § 20 Abs. 4 TierSchG-E regelt die Frist für die Einlegung eines Rechtsbehelfs, sofern „der Verwaltungsakt dem Verein nicht bekannt gegeben worden [ist]“. Danach „müssen Widerspruch und Klage binnen eines Jahres erhoben werden, nachdem der Verein von dem Verwaltungsakt Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können“. Diese Regelung sorgt für Rechtssicherheit.130 Die Ein-Jahres-Frist erscheint auch angemessen und nicht als zu lang. Denn bei den klagebefugten Vereinen handelt es sich um gemeinnützige Vereine, die bei der Vorbereitung einer Klage „in besonderem Maße auf die Mitwirkung von ehrenamtlich tätigen Mitgliedern angewiesen sind“.131 (5) § 20a TierSchG-E Abgeschlossen wird der Entwurf durch § 20a TierSchG-E. Danach hat ein anerkannter Verein „Anspruch auf freien Zugang zu Informationen über den Tierschutz“, § 20a S. 1 TierSchG-E. Bezüglich des Verfahrens sieht § 20a S. 2 TierSchG-E eine Orientierung an den Regelungen des Umweltinformationsgesetzes vor. b) Anwendbarkeit der Erforderlichkeitsklausel Insbesondere die Ausführungen zur Bundesrats-Drucksache 157/04 haben gezeigt, wie eine bundesrechtliche Tierschutz-Verbandsklage aussehen könnte. Ob eine Tierschutz-Verbandsklage in dieser oder ähnlicher Form auf Bundesebene Realität werden kann, hängt entscheidend davon ab, ob Art.  72 Abs.  2 GG anwendbar ist und ob die Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 GG im Zusammenhang mit der Tierschutz-Verbandsklage gegebenenfalls erfüllt sind. Zunächst zur Anwendbarkeit: Nach Art. 72 Abs. 2 GG steht dem Bund das Gesetzgebungsrecht „[a]uf den Gebieten des Artikels 74 Abs. 1 Nr. 4, 7, 11, 13, 15, 19a, 20, 22, 25 und 26“ nur unter bestimmten Voraussetzungen zu. In der Rechtsprechung sowie in der Literatur wird in Bezug auf die in Art. 72 Abs. 2 GG aufgezählten Materien von „Bedarfskompetenzen“, „Erforderlichkeitskompetenzen“ oder „konditionierte[n] Kompeten­

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BR-Drs. 157/04, Anlage, 15. BR-Drs. 157/04, Anlage, 15. 131 BR-Drs. 157/04, Anlage, 15. 130

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zen“ gesprochen.132 Art. 72 Abs. 2 GG selbst wird auch als Erforderlichkeitsklausel bezeichnet.133 Sofern der Bundesgesetzgeber eine Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene einführen möchte, wird die Erforderlichkeitsklausel des Art. 72 Abs. 2 GG – je nachdem, ob man die Tierschutz-Verbandsklage eher unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG (gerichtliches Verfahren) oder eher unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG (Tierschutz) subsumiert – relevant.134 Während Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG nicht in dem Katalog des Art. 72 Abs. 2 GG aufgezählt ist, findet sich Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG in der Auflistung der Erforderlichkeitskompetenzen in Art. 72 Abs. 2 GG wieder. Unter welche der beiden Gesetzgebungskompetenzen ist die Tierschutz-Verbandsklage also einzuordnen? Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG erfasst unter anderem auch das gerichtliche Verfahren und damit in erster Linie die Prozessordnungen wie die Zivilprozessordnung, die Strafprozessordnung oder die Verwaltungsgerichtsordnung.135 Da die TierschutzVerbandsklage eine Abweichung von § 42 Abs. 2 VwGO, also einer Regelung der Verwaltungsgerichtsordnung, darstellt, scheint die Einordnung der Tierschutz-Verbandsklage unter Art.  74 Abs.  1 Nr.  1 GG auf den ersten Blick naheliegend.136 Gleichwohl ist auch Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG ins Auge zu fassen: Die 1971 durch Art.  I des Neunundzwanzigsten Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 18. März 1971 erfolgte Erweiterung des Art. 74 Abs. 1 Nr. 20  GG um den Bereich des Tierschutzes137 sollte den Boden für den Erlass eines umfassenden bundesrechtlichen Tierschutzgesetzes bereiten.138 Bezüglich dem Tierschutz ist eine weite Auslegung angezeigt.139 Der Begriff des Tierschutzes „bezieht sich insbesondere auf die Haltung, Pflege, Unterbringung und Beförderung von Tieren, auf Versuche an lebenden Tieren und auf das Schlachten von Tieren“, wobei es Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG „in erster Linie darum [geht], Regelungen zu ermöglichen, deren Zweck es ist, Tieren bei Vorgängen der genannten Art Schmerzen, Leiden oder Schäden so weit wie möglich zu ersparen“.140

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Wittreck in Dreier, GG, Kommentar, Bd. II – Art. 20–82, 3. Aufl. 2015, Art. 72 Rn. 18 mit Nachweisen zu den einzelnen Bezeichnungen. 133 Degenhart in Sachs, GG, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 2. 134 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740); ders., (741), weist darauf hin, dass die Erforderlichkeitsklausel auch dann von Relevanz ist, sofern der Bundesgesetzgeber vorhat, „eine Sperrwirkung für die Länder zu entfalten, ohne selbst auf Bundesebene eine tierschutzrechtliche Verbandsklage einzuführen“. 135 Wittreck in Dreier, GG, Kommentar, Bd. II – Art. 20–82, 3. Aufl. 2015, Art. 74 Rn. 23. 136 Von Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG als einschlägiger konkurrierender Gesetzgebungskompetenz zur Beurteilung der Zulässigkeit einer Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene gehen beispielsweise aus Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 137 BGBl. I 1971, 207. 138 BVerfG, Urt. v. 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110, 141 (170 f.). 139 BVerfG, Urt. v. 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110, 141 (171). 140 BVerfG, Urt. v. 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110, 141 (171) unter Verweis auf BT-Drs. VI/1010, 3 und § 1 S. 2 TierSchG.

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Bis dahin ist noch nicht ersichtlich, warum die Tierschutz-Verbandsklage unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG statt unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG einzuordnen sein könnte. Das ändert sich bei einer Bewertung im Lichte der folgenden Aussage des Bundesverfassungsgerichts: „Im Interesse der wirksamen Sicherung dieses Zwecks gestattet Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG dem Bund auch Regelungen zur Überwachung und zur Förderung des Tierschutzes“.141 Ausgehend von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass Art.  74 Abs.  1 Nr.  20 GG dem Bundesgesetzgeber auch den Tierschutz überwachende und fördernde Vorschriften gestattet, ist die Einordnung der Tierschutz-Verbandsklage unter Art.  74 Abs.  1 Nr.  20 GG vorzunehmen. Denn die Tierschutz-Verbandsklage stellt eine solche den Tierschutz überwachende und fördernde Regelung dar: Die Tierschutz-Verbandsklage hat „eine Stärkung der Durchsetzung der Normen des Tierschutzgesetzes“ zum Ziel und ist mithin als „eine staatliche Förderungsmaßnahme im Rahmen der Staatszielbestimmung des Art. 20a GG“ anzusehen.142 Teilweise wird bezüglich der einschlägigen Gesetzgebungskompetenz eine schwerpunktmäßige Bewertung vorgenommen. So wird vertreten, dass die Tierschutz-Verbandsklage „[v]orbehaltlich einer genauen gesetzlichen Regelung“ aufgrund „ihrer Zielsetzungen und vor allem auch wegen der flankierenden Bestimmungen zum vorangehenden Verwaltungsverfahren als primär tierschutzrechtliche Regelung zu qualifizieren“ sei.143 Im Vergleich zu „dem spezifischen tierschutzrechtlichen Zweck der Verbandsklage“ sei „der Charakter als eine Regelung über das Gerichtsverfahren weniger prägend“.144 Es wird konstatiert: „Im Schwerpunkt ginge es insoweit um die Verbesserung der Situation auf dem Gebiet des Tierschutzes, so dass der Regelungszusammenhang mit dem Bereich des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG in den Hintergrund träte.“145 Sachgerechter erscheint es jedoch, ausdrücklich noch einen Schritt weiter zu gehen und die Tierschutz-Verbandsklage in Anbetracht ihres Zweckes allein der Gesetzgebungskompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG zuzuordnen. Diese Einordnung soll mit einem Zitat aus dem Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz von BadenWürttemberg untermauert werden. Denn § 1 BWTierSchMVG bringt deutlich zum

141

BVerfG, Urt. v. 16.3.2004 – 1 BvR 1778/01, BVerfGE 110, 141 (171). Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (147 f.); ders., (148), fährt fort, dass deshalb „eine Zuordnung der Tierschutzverbandsklage zum Kompetenztitel in Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG durchaus nahe [läge]“; a. A. wohl Seiler in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 74 Rn. 78.1., wonach es „fraglich“ sei, ob unter Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG auch die Kompetenz zur Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage fällt. 143 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740). S. zu dem Problem von Mehrfachzuordnungen Degenhart in Sachs, GG, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 8 f. 144 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (148) mit weiterem Nachweis. 145 Caspar, Verbandsklage im Tierschutzrecht durch Landesgesetz?, DÖV 2008, 145 (148). 142

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Ausdruck, um was es bei der Tierschutz-Verbandsklage geht und lässt das Motiv einer den Tierschutz überwachenden und fördernden Regelung erkennen: „Zweck des Gesetzes ist, einem nach § 5 anerkannten rechtsfähigen Tierschutzverein oder einer rechtsfähigen Stiftung (anerkannte Tierschutzorganisation) mit der Schaffung verfahrensrechtlicher Normen die Mitwirkung in Verwaltungsverfahren und Überprüfungsmöglichkeiten durch Gerichte zu eröffnen, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit soll ein Beitrag zur Verwirklichung des in Art. 20 a des Grundgesetzes und Artikel 3 b der Verfassung des Landes Baden-Württemberg verankerten Staatsziels Tierschutz geleistet werden.“146 Die Mitwirkung in Verwaltungsverfahren fördert den Tierschutz, die Überprüfungsmöglichkeiten durch Gerichte dienen der Überwachung des Tierschutzes. Deshalb wird den folgenden Ausführungen zu Grunde gelegt, dass im Fall der Tierschutz-Verbandsklage Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG und nicht (auch) Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG maßgeblich und Art. 72 Abs. 2 GG somit einschlägig ist. Festzuhalten bleibt im Ergebnis: Die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene ist „am Maßstab der Erforderlichkeitsklausel“ zu messen.147 Bevor genau dies getan wird, ist nachfolgend zunächst noch der Maßstab für diese Messung darzulegen. c) Maßstab der Erforderlichkeitsklausel Um die Frage nach der Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes klären zu können, ist zunächst eine Klärung des Maßstabs notwendig. Erwähnt sei insofern zunächst der Unterschied von Art. 72 Abs. 2 GG a. F. zu dem aktuellen Art. 72 Abs. 2 GG: Die als Hürde für das Gebrauchmachen von der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz durch den Bund gedachte Bedürfnisklausel in Art. 72 Abs. 2 GG a. F. blieb praktisch ohne Wirkung.148 So blieb in der Vergangenheit nicht ein Gesetz wegen Art. 72 Abs. 2 GG a. F. erfolglos.149 Dem lag wesentlich zugrunde, dass die Schranke der Erforderlichkeit nicht justitiabel war:150 „Die Frage, ob ein Bedürfnis nach bundesgesetzlicher Regelung besteht, ist eine Frage pflichtmäßigen Ermessens des Bundesgesetzgebers, die ihrer Natur nach nicht justitiabel und daher der Nachprüfung durch das Bundesverfassungsgericht grundsätzlich entzogen ist“.151

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Hervorhebungen durch den Verfasser. Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740). 148 Rengeling in Isensee/Kirchhof, Handbuch des Staatsrechts, Bd. VI – Bundesstaat, 3. Aufl. 2008, § 135 Rn. 163. 149 Kenntner, Normgeberwille und Verfassungsinterpretation – zur „historischen“ Auslegung von Art. 72 Abs. 2 GG n. F., VblBW 1999, 289. 150 Kenntner, Normgeberwille und Verfassungsinterpretation – zur „historischen“ Auslegung von Art. 72 Abs. 2 GG n. F., VblBW 1999, 289. 151 BVerfG, Beschl. v. 22.4.1953 – 1 BvL 18/52, BVerfGE 2, 214 (224). 147

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Art. 72 Abs. 2 GG a. F. wurde „als eines der Haupteinfallstore für die Auszehrung der Länderkompetenzen“ ausgemacht.152 Durch die Erforderlichkeitsklausel in dem aktuellen Art. 72 Abs. 2 GG sollten justitiable Voraussetzungen für den Erlass von Bundesgesetzen festgelegt werden.153 Inzwischen nimmt das Bundesverfassungsgericht eine umfassende, „über eine bloße Vertretbarkeitskontrolle hinaus[gehende]“ Prüfung der Auslegung der unbestimmten Gesetzesbegriffe in der Erforderlichkeitsklausel vor.154 Es ist sich dabei bewusst, dass es Ziel des verfassungsändernden Gesetzgebers war, mit dem neuen Art. 72 Abs. 2 GG „die Position der Länder zu stärken“.155 Zu berücksichtigen ist, dass sich weder die Entstehungsgeschichte der alten Fassung von Art. 72 Abs. 2 GG, noch die zur alten Fassung erfolgte Rechtsprechungspraxis des Bundesverfassungsgericht als Auslegungshilfen zur neuen Fassung des Art. 72 Abs. 2 GG eignen.156 Als Ausgangspunkt der anstehenden Betrachtung sei noch einmal an das grundgesetzliche Kompetenzgefüge erinnert: Danach „gebührt bei gleicher Eignung von Regelungen zur Erfüllung der grundgesetzlichen Zielvorgaben grundsätzlich den Ländern der Vorrang (Art. 30 und Art. 70 GG). Art. 72 Abs. 2 GG trägt dem – mit dem Kriterium der Erforderlichkeit bundesgesetzlicher Regelung – Rechnung und verweist den Bund damit auf den geringst möglichen Eingriff in das Gesetzgebungsrecht der Länder“.157 Ist eine der Nummern von Art. 74 Abs. 1 GG einschlägig, so reicht das für die Bejahung der Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung noch nicht aus, falls die Nummer auch in Art. 72 Abs. 2 GG genannt wird.158 Art. 72 Abs. 2 GG ist neben den Schranken des Katalogs von Art. 74 GG eine „zusätzliche Schranke für die Ausübung der Bundeskompetenz“.159 Die Erforderlichkeitsklausel hat ihren Ursprung in dem sogenannten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und setzt die Geeignetheit und Erforderlichkeit, nicht aber auch die Angemessenheit einer bundesgesetzlichen Regelung voraus.160 Die Ge­ eignetheit einer bundesgesetzlichen Regelung ist zu bejahen, „wenn sie der Erreichung jener Ziele dient, die in Art. 72 Abs. 2 GG enumeriert sind“.161 Ausreichend ist, „wenn mit Hilfe des Gesetzes der gewünschte Erfolg gefördert werden kann.“162

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BT-Drs. 12/6000, 33. Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, Rn. 2258. 154 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (148). 155 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (136). 156 Leibholz/Rinck, GG. Rechtsprechung des BVerfG, Kommentar (Stand: 73. Lfg. 2017), Bd. III – Art. 70–146. Gesetzes- und Sachregister, Art. 72 Rn. 181 (Stand: 71. Lfg. 2016). 157 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (149). 158 Wittreck in Dreier, GG, Kommentar, Bd. II – Art. 20–82, 3. Aufl. 2015, Art. 72 Rn. 18. 159 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (135). 160 S. dazu ausführlich Uhle in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 72 Rn. 163–167 (Stand: 76. Lieferung 2015) mit weiteren Nachweisen. 161 Uhle in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 72 Rn. 166 (Stand: 76. Lieferung 2015). 162 BVerfG, Beschl. v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185, 2189/04, BVerfGE 125, 141 (154). 153

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

Bei der Erforderlichkeitsprüfung geht das Bundesverfassungsgericht von folgendem Maßstab aus: „‚Erforderlich‘ ist die bundesgesetzliche Regelung danach nur soweit, als ohne sie die vom Gesetzgeber für sein Tätigwerden im konkret zu regelnden Bereich in Anspruch genommene Zielvorgabe des Art. 72 Abs. 2 GG, also die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse oder die im gesamtstaatlichen Interesse stehende Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit, nicht oder nicht hinlänglich erreicht werden kann.“163 Dieses Zitat stammt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum Altenpflegegesetz. Die Entscheidung war das „erste Grundsatzurteil des BVerfG“, das in späteren Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts weitere Konkretisierungen erfahren hat.164 Das Bundesverfassungsgericht hat ausgeführt, dass keine Bundesgesetzgebungskompetenz gegeben ist, „wenn landesrechtliche Regelungen zum Schutz der in Art.  72 Abs.  2 GG genannten gesamtstaatlichen Rechtsgüter ausreichen; dabei genügt allerdings nicht jede theoretische Handlungsmöglichkeit der Länder“.165 Hinsichtlich der Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen von Art.  72 Abs. 2 GG hat das Bundesverfassungsgericht dem Bundesgesetzgeber eine „Einschätzungsprärogative“ zugestanden.166 Diese Einschätzungsprärogative kann allerdings von dem Bundesverfassungsgericht „auf seine methodischen Grundlagen und seine Schlüssigkeit hin überprüft werden“.167 Mit Blick auf das in Art.  72 Abs.  2 GG erwähnte gesamtstaatliche Interesse hat das Bundesverfassungsgericht ausgeführt: „Die Regelung durch Bundesgesetz muss danach nicht unerlässlich für die Rechts- oder Wirtschaftseinheit in dem normierten Bereich sein. Es genügt vielmehr, dass der Bundesgesetzgeber andernfalls nicht unerheblich problematische Entwicklungen in Bezug auf die Rechts- und Wirtschaftseinheit erwarten darf.“168 Auf die drei Varianten des Art. 72 Abs. 2 GG, die eine bundesgesetzliche Regelung im Sinne des Gesetzes „erforderlich“ machen, wird im nächsten Kapitel detailliert einzugehen sein. Dabei ist grundsätzlich ein zweistufiges Prüfungsschema zu beachten: In einem ersten Schritt ist zu prüfen, „ob eine Regelung des Bundesgesetzgebers zum Schutz der in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Rechtsgüter zulässig 163 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (149); s. auch BVerfG, Beschl. v. 27.1.2010 – 2 BvR 2185, 2189/04, BVerfGE 125, 141 (154) und Uhle in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 72 Rn. 166 (Stand: 76. Lieferung 2015). 164 Bumke/Voßkuhle, Casebook Verfassungsrecht, 7. Aufl. 2015, Rn. 2274; dies., Rn. 2274– 2279b, gehen auf die – nachfolgend teilweise ebenfalls angesprochenen – Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zur Juniorprofessur, zu Studiengebühren, zu Kampfhunden und zur Erbschaftssteuer ein. 165 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (150) und BVerfG, Urt. v. 27.7.2004 – 2 BvF 2/02, BVerfGE 111, 226 (254). 166 BVerfG, Urt. v. 27.7.2004 – 2 BvF 2/02, BVerfGE 111, 226 (255). 167 BVerfG, Urt. v. 27.7.2004 – 2 BvF 2/02, BVerfGE 111, 226 (255). 168 BVerfG, Urt. v. 17.12.2014 – 1 BvL 21/12, BVerfGE 138, 136 (177).

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern

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ist (‚wenn … erforderlich‘)“, bevor „im zweiten Schritt das Ausmaß der Eingriffsbefugnis (‚soweit … erforderlich‘) festzustellen“ ist.169 Sofern die Voraussetzungen der Erforderlichkeitskompetenz des Art. 72 Abs. 2 GG nicht gegeben sind, ist nicht der Bund, sondern sind nur die Bundesländer gesetzgebungsbefugt.170 Unter Berücksichtigung bisheriger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 72 Abs. 2 GG kommt man zu dem Ergebnis, dass das Bundesverfassungsgericht die Erforderlichkeitsklausel „unter Berufung auf den Willen des verfassungsändernden Gesetzgebers von 1994 stets sehr eng interpretiert, gleichzeitig aber nicht zu einer unüberwindbaren Hürde modifiziert [hat]“.171 Um im Bild zu bleiben: Im Folgenden ist die Frage zu beantworten, ob das Bundesverfassungsgericht die Latte für die Erlaubnis zur Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage wohl zu hoch für den Bundesgesetzgeber legen würde, oder ob der Bundesgesetzgeber die Hürde der Erforderlichkeit mutmaßlich überspringen und eine TierschutzVerbandsklage einführen könnte. d) Prognose zur Erforderlichkeit Der Bund hat gemäß Art. 72 Abs. 2 GG auf dem Gebiet des Tierschutzes „das Gesetzgebungsrecht, wenn und soweit die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet oder die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich macht“. Mit Art. 93 Abs. 1 Nr. 2a GG hält das Grundgesetz ein Instrument bereit, mit dem die Erforderlichkeit bei Meinungsverschiedenheiten einzelfallbezogen überprüft werden kann.172 Eine Prognose, ob die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene die Anforderungen der Erforderlichkeitsklausel erfüllen würde, mag schwerfallen,173 soll im Folgenden aber gleichwohl gewagt werden. Zu diesem Zweck sind die drei Varianten des Art. 72 Abs. 2 GG, namentlich die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet (nachfolgend unter aa)), die

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BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (149). Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 72 Rn. 15. 171 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740), der als Beleg für eine sehr enge Interpretation die BVerfGE 106, 62, BVerfGE 110, 141, BVerfGE 111, 10, BVerfGE 111, 226, BVerfGE 112, 226 und BVerfG, Urt. v. 21.7.2015 – 1 BvF 2/13, NJW 2015, 2399 sowie als Beleg für eine überwindbare Hürde beispielhaft die BVerfGE 128, 1, 34 anführt. 172 Uhle in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 72 Rn. 169 (Stand: 76. Lieferung 2015). 173 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740), demzufolge mangels mehr Erfahrungen mit der Tierschutz-Verbandsklage eine Beurteilung noch nicht möglich ist, „[o]b die heterogene Rechtslage bezüglich der Möglichkeiten einer tierschutzrechtlichen Verbandsklage tatsächlich zu erheblichen Rechtsunsicherheiten führen“ (ders., [740 f.]). 170

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse (bb)) und die Wahrung der Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse (cc)) näher zu untersuchen. aa) Gleichwertige Lebensverhältnisse im Bundesgebiet Zunächst könnte ein Bundesgesetz zur „Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet“ nach Art. 72 Abs. 2 Var. 1 GG erforderlich sein. In einem ersten Schritt werden die Voraussetzungen dieser Variante vorgestellt (1), bevor in einem zweiten Schritt die Materie der Tierschutz-Verbandsklage an diesen Voraussetzungen gemessen wird (2). (1) Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 Var. 1 GG Soweit in Art.  72 Abs.  2 Var. 1 GG von gleichwertigen Lebensverhältnissen die Rede ist, darf dies nicht mit einheitlichen Lebensverhältnissen verwechselt werden.174 Die frühere Gesetzgebungsvoraussetzung der Wahrung einheitlicher Lebensverhältnisse sollte gerade nicht mehr für die Gesetzgebung verlangt werden.175 Objektivierbare Kriterien, wann von gleichwertigen Lebensverhältnissen auszugehen ist, gibt es nicht.176 Das Ziel, bundeseinheitliche Vorschriften in Kraft zu setzen, oder eine Optimierung der Lebensverhältnisse, reicht nicht für die Bejahung der Erforderlichkeit im Sinne von Art. 72 Abs. 2 Var. 1 GG.177 Regional verschiedene Lebensverhältnisse sind allein noch nicht Anlass genug für eine bundesgesetzliche Regelung.178 Auf die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse im Sinne von Art.  72 Abs.  2 Var. 1 GG kann sich der Bundesgesetzgeber erst dann berufen, „wenn sich die Lebensverhältnisse in den Ländern der Bundesrepublik in erheblicher, das bundesstaatliche Sozialgefüge beeinträchtigender Weise auseinander entwickelt haben oder sich eine derartige Entwicklung konkret abzeichnet“.179 Eine bundesgesetzliche Regelung ist zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse möglich,

174 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (143 f.); Seiler in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 72 Rn. 12. 175 Rohn/Sannwald, Die Ergebnisse der Gemeinsamen Verfassungskommission, ZRP 1994, 65 (68). 176 Sannwald, Die Reform der Gesetzgebungskompetenzen und des Gesetzgebungsverfahrens nach den Beschlüssen der Gemeinsamen Verfassungskommission von Bundestag und Bundesrat, ZG 1994, 134 (139). 177 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002  – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (144); BVerfG, Urt. v. 21.7.2015 – 1 BvF 2/13, BVerfGE 140, 65 (80). 178 Seiler in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 72 Rn. 12. 179 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002  – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (144); BVerfG, Urt. v. 21.7.2015 – 1 BvF 2/13, BVerfGE 140, 65 (80).

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern

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„wenn sich abzeichnet, dass Regelungen in einzelnen Ländern aufgrund ihrer Mängel zu einer mit der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse unvereinbaren Benachteiligung der Einwohner dieser Länder führen und diese deutlich schlechter stellen als die Einwohner anderer Länder“.180 Die gesetzgeberische Tätigkeit hinsichtlich der in Art. 72 Abs. 2 GG genannten Bereiche hat je nach Bereich unterschiedliche Auswirkungen bezüglich der Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse.181 Vor allem „die Frage der wirtschaftlichen Verhältnisse“, aber auch „Fragen der Gesundheitsversorgung, der sozialen Vor- und Fürsorge“ können mit Blick auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse sehr relevant sein.182 Als Beispielsfall, wann Art. 72 Abs. 2 Var. 1 GG einmal einschlägig war, lässt sich die Sozialversicherung anführen.183 Eine bundeseinheitliche Regelung rechtfertigt sich unter dem Gesichtspunkt der Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts hingegen beispielsweise nicht schon wegen „dem (sozialstaatlichen) Anliegen, möglichst breiten Kreisen der Bevölkerung den Zugang zum Hochschulstudium zu eröffnen und diesbezügliche Barrieren abzubauen oder gar nicht erst zu errichten.“184 Etwas anderes würde gelten, „wenn sich abzeichnete, dass die Erhebung von Studiengebühren in einzelnen Ländern zu einer mit dem Rechtsgut Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse unvereinbaren Benachteiligung der Einwohner dieser Länder führt“.185 (2) Erforderlichkeit? Es ist nicht ersichtlich, dass sich die Tierschutz-Verbandsklage auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse der Bürger im Bundesgebiet auswirken könnte. Dabei muss auf das Kriterium der Gleichwertigkeit gar nicht erst näher eingegangen werden. Denn ob und in welcher Form auf Landesebene eine Tierschutz-Verbandsklage ermöglicht wird, wirkt sich auf die Lebensverhältnisse der Bürger überhaupt nicht aus. Auch eine Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene würde an den Lebensverhältnissen von Bürgern im Bundesgebiet nichts ändern. Die TierschutzVerbandsklage mag Auswirkungen auf die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse von Tieren im Bundesgebiet haben. Um diese geht es in Art. 72 Abs. 2 Var. 1 GG 180

BVerfG, Urt. v. 21.7.2015 – 1 BvF 2/13, BVerfGE 140, 65 (80 f.). Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Kommentar, 13.  Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 65. 182 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Kommentar, 13.  Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 65 mit einem weiteren Nachweis bezüglich der Materie der wirtschaftlichen Verhältnisse. 183 Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 72 Rn. 20 unter Verweis auf BVerfGE 113, 167 (198) und BVerfGE 114, 196 (222 f.). 184 BVerfG, Urt. v. 26.1.2005 – 2 BvF 1/03, BVerfGE 112, 226 (244). 185 BVerfG, Urt. v. 26.1.2005 – 2 BvF 1/03, BVerfGE 112, 226 (244 f.). 181

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

aber nicht. Art. 72 Abs. 2 Var. 1 GG kann also nicht zur Begründung der Erforderlichkeit einer Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene herangezogen werden. bb) Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse Weiter könnte die Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse im Sinne von Art. 72 Abs. 2 Var. 2 GG für ein erforderliches Bundesgesetz sprechen. Auch diesbezüglich werden zunächst die Voraussetzungen der Variante vorgestellt (1), bevor die Tierschutz-Verbandsklage in Bezug genommen wird (2). (1) Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 Var. 2 GG Unter dem Begriff der Rechtseinheit versteht man „die Geltung gleicher Rechtsnormen für die gleiche Angelegenheit im gesamten Bundesgebiet“.186 Geschützt werden soll von Art. 72 Abs. 2 Var. 2 GG die funktionsfähige Rechtsordnung, nicht etwa eine einheitliche Rechtsordnung.187 Von den Art. 70 GG ff. ist grundsätzlich eine Rechtsvielfalt vorgesehen.188 Verschiedene Rechtslagen sind für die Bevölkerung eine „notwendige Folge des bundesstaatlichen Aufbaus“.189 Hinsichtlich aller in Art. 72 Abs. 2 GG aufgezählter Materien steht das Grundgesetz uneinheitlichen Rechtsregeln grundsätzlich nicht im Weg.190 Unterschiedliche Ländergesetze sind vom Bundesgesetzgeber solange hinzunehmen, bis die Vielfalt an Ländergesetzen „eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen darstellt, die im Interesse sowohl des Bundes als auch der Länder nicht hingenommen werden kann“.191 Dabei setzt das Bundesverfassungsgericht für das Eingreifen der Erforderlichkeitsklausel voraus: „Gerade die Unterschiedlichkeit des Gesetzesrechts oder der Umstand, dass die Länder eine regelungsbedürftige Materie nicht regeln, müssen das gesamtstaatliche Rechtsgut der Rechtseinheit, verstanden als Erhaltung einer funktionsfähigen Rechtsgemeinschaft, bedrohen.“192 Die Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 GG können gegeben sein, „wenn die unterschiedliche rechtliche Behandlung desselben Lebenssachverhalts unter Umständen erhebliche Rechtsunsicherheiten und damit unzumutbare Behinderungen für den länderübergreifenden Rechtsverkehr erzeugen 186 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Kommentar, 13.  Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 68. 187 Seiler in Epping/Hillgruber, GG, Kommentar, 2. Aufl. 2013, Art. 72 Rn. 13; s. auch BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (145). 188 Schnapauff in Hömig/Wolff, GG, Handkommentar, 11. Aufl. 2016, Art. 72 Rn. 3; vgl. auch BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (146). 189 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (145). 190 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Kommentar, 13.  Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 69. 191 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (145); s. auch BVerfG, Urt. v. 21.7.2015 – 1 BvF 2/13, BVerfGE 140, 65 (87). 192 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (145).

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kann.“193 Die Wahrung der Rechtseinheit muss im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich sein.194 Ein gesamtstaatliches Interesse setzt voraus, dass ein Gesetz nicht bloß im Interesse einiger Bundesländer steht.195 Als Beispiele, wann die Voraussetzungen von Art. 72 Abs. 2 Var. 2 GG gegeben sein können, führt das Bundesverfassungsgericht aus: „So würden beispielsweise unterschiedliche Personenstandsregelungen in den Ländern verhindern, dass die Eheschließung oder die Scheidung überall in Deutschland gleichermaßen rechtlich anerkannt und behandelt werden. Gäbe es in den Ländern grundlegend unterschiedliche Regelungen für das Gerichtsverfassungsrecht, könnten der Einzelne oder überregional agierende Unternehmen nicht darauf vertrauen, in allen Ländern in gleicher Weise Rechtsschutz zu erlangen. Ein unterschiedliches Verfahrensrecht erschwerte die Rechtswege zu den Bundesgerichten.“196 (2) Erforderlichkeit? Soweit in der Literatur vereinzelt bereits eine Auseinandersetzung mit der Erforderlichkeit einer bundesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage stattgefunden hat, wurde „der Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse“ die vermeintlich meiste Relevanz eingeräumt.197 Dieser Einordnung liegt wohl die Feststellung einer heterogenen Rechtslage hinsichtlich der Tierschutz-Verbandsklage zugrunde.198 Aber selbst wenn man unterstellt, dass von einem Tierschutz-VerbandsklageGesetz durchweg Sachverhalte betroffen sind, „die regelmäßig über die Grenzen eines Landes hinausweisen und nicht primär von örtlichen oder regionalen Besonderheiten geprägt sind“,199 ist kein bundesrechtliches Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz erforderlich, um diese Sachverhalte sachgerecht zu lösen.200 Früher wurde zwar argumentiert, dass die Mitwirkung und die Klage von Vereinen „zur Schaffung eines allgemeinen Handlungsrahmens für Bürger und Wirtschaft er 193

BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (146). Uhle in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 72 Rn. 143 (Stand: 76. Lieferung 2015). 195 Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 72 Rn. 21. 196 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (145 f.). 197 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740). 198 S. Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740 f.). 199 Diese Feststellung wurde für die Regelungen des schleswig-holsteinischen Gesetzesantrags aus dem Jahr 2004 („Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine“) getroffen, BR-Drs. 157/04, Anlage, 9 f. 200 A. A. BR-Drs. 157/04, Anlage, 10: „Die Bewältigung dieser Sachverhalte ist nur durch eine bundeseinheitliche Regelung zu erreichen. Zumindest die Vorgabe eines bundeseinheitlichen Rahmens ist folglich zur Wahrung der Rechtseinheit erforderlich“. 194

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

forderlich“ sei und dass dieser Handlungsrahmen „im gesamten Bundesgebiet im Wesentlichen der gleiche sein“ müsse, weil sonst „die Gefahr einer Zersplitterung rechtlicher Regelungszusammenhänge [bestünde], die es dem Bürger erschweren würde, sich in zumutbarer Weise in dem jeweils zu beachtenden Recht zu orientieren“.201 Diese Argumentation stammt aber aus dem Jahr 2004, also aus einer Zeit, in der es in Deutschland noch kein Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz auf Landesebene gab. Inzwischen ist festzustellen, dass hinsichtlich der Tierschutz-Verbandsklage tatsächlich eine Rechtszersplitterung eingetreten ist: Es gibt keine bundesrechtliche Tierschutz-Verbandsklage. Die Tierschutz-Verbandsklage hat sich auch auf Landesebene nur in der Hälfte der Bundesländer durchgesetzt. Hinzu kommt, dass die bestehenden landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze mitunter auch noch erheblich voneinander abweichen. Ohne dem fünften Teil zu sehr vorzugreifen, mögen als Beispiel hierfür die Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze in Bremen und Nordrhein-Westfalen dienen. So ist ein bei der Lektüre der entsprechenden Gesetze leicht ersichtlicher Unterschied, dass Nordrhein-Westfalen die statthaften „Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung“ nicht weiter eingrenzt, während in Bremen nur die Feststellungsklage statthaft ist.202 Aus dieser Rechtszersplitterung resultieren aber keine problematischen Folgen. Die Tierschutz-Verbandsklage gibt es in Bremen immerhin schon seit dem Jahr 2007 und bis heute haben sieben weitere Bundesländer die Tierschutz-Verbandsklage in unterschiedlicher Ausgestaltung eingeführt – es ist aber nicht bekannt geworden, dass die Funktionsfähigkeit der Rechtsgemeinschaft dadurch beeinträchtigt worden wäre. Rechtsunsicherheiten oder eine Behinderung des länderübergreifenden Rechtsverkehrs sind nicht erkennbar. Denn die Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze gelten jeweils nur in „ihrem“ Bundesland. Etwaige Unsicherheiten, wo und in welcher Form eine Tierschutz-Verbandsklage möglich ist, können unter Heranziehung der geltenden gesetzlichen Landesregelungen ohne weiteres beseitigt werden. Eine Rechtszersplitterung mit problematischen Folgen wäre etwa denkbar, wenn die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage Einfluss auf das materielle Tierschutzrecht hätte. Es könnte beispielsweise den länderübergreifenden Rechtsverkehr behindern, wenn in einem Bundesland strengere tierschutzrechtliche Vorgaben einzuhalten wären, als in einem anderen Bundesland. Beispielhaft mag man insofern an Tiertransporte durch mehrere Bundesländer hindurch denken. Die Tierschutz-Verbandsklage lässt das materielle Tierschutzrecht aber unberührt. Es stellt lediglich eine Möglichkeit dar, um für die Durchsetzung des – ohnehin in allen Bundesländern geltenden – materiellen Tierschutzrechts zu sorgen. Damit kann 201 BR-Drs. 157/04, Anlage, 10. Warum die Regelungen des schleswig-holsteinischen „Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts für Tierschutzvereine“ aus dem Jahr 2004 deshalb „zugleich geeignet und notwendig“ sein sollen, „um einer Auseinanderentwicklung der Lebensverhältnisse in den verschiedenen Regionen des Bundesgebiets entgegenzuwirken und die Wirtschaftseinheit in den verschiedenen Regionen des Bundesgebiets zu wahren“ (BR-Drs. 157/04, Anlage, 10), erschließt sich nicht. 202 S. § 1 Abs. 1 TierschutzVMG NRW und § 1 Abs. 1 Brem.TierSchVKG.

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern

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eine bundesrechtliche Tierschutz-Verbandsklage auch nicht auf eine Erforderlichkeit nach Art. 72 Abs. 2 Var. 2 GG gestützt werden. cc) Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse Schließlich könnte für die Erforderlichkeit eines Bundesgesetzes die Wahrung der „Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse“ gemäß Art. 72 Abs. 2 Var. 3 GG streiten. Erneut folgt auf die Darstellung der Voraussetzungen (1) eine Subsumtion der Tierschutz-Verbandsklage unter diese Voraussetzungen (2). (1) Voraussetzungen des Art. 72 Abs. 2 Var. 3 GG Art. 72 Abs. 2 Var. 3 GG ist einschlägig, „wenn es um die Erhaltung der Funktionsfähigkeit des Wirtschaftsraums der Bundesrepublik durch bundeseinheitliche Rechtssetzung geht“.203 Das Bundesverwaltungsgericht hat klargestellt, dass „der Bundesgesetzgeber auch dann von seiner Kompetenz aus Art. 74 Abs. 1 Nr. 11 GG Gebrauch machen [kann], wenn er eine Regelung nur für einen bestimmten Wirtschaftssektor treffen will, ohne dass dieser Wirtschaftssektor für die Funktionsfähigkeit der Gesamtwirtschaft von Bedeutung sein müsste. Es kommt nur darauf an, dass die Wirtschaftseinheit auf diesem zu regelnden Sektor aus den mit dem Gesetz verfolgten gesamtstaatlichen Interessen bundesgesetzlicher Regelung bedarf.“204 Die Wahrung der Wirtschaftseinheit im Sinne von Art. 72 Abs. 2 Var. 3 GG ist relevant, wenn verschiedenes Recht ökonomisch bedrohliche Folgen hat.205 Verschiedene landesrechtliche Vorschriften „können […] Schranken oder Hindernisse für den wirtschaftlichen Verkehr im Bundesgebiet errichten und insbesondere die Verteilung des wirtschaftlichen (personellen und sachlichen) Potentials verzerren; auch tatsächliche Verschiedenheiten zwischen den Ländern können der Gesamtwirtschaft in erheblichem Umfang abträglich sein“.206 Nicht nur die Wahrung der Rechtseinheit, sondern auch die Wahrung der Wirtschaftseinheit setzt ein gesamtstaatliches Interesse hieran voraus.207 Dieses ist gegeben, wenn ohne den Erlass eines Bundesgesetzes „erhebliche Nachteile für die Gesamtwirtschaft“ bestehen.208 203 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (146); s. auch BVerfG, Urt. v. 21.7.2015 – 1 BvF 2/13, BVerfGE 140, 65 (87). 204 BVerwG, Urt. v. 23.2.2011 – BVerwG 6 C 22.10, BVerwGE 139, 42 (52); s. dazu Uhle in Maunz-Dürig, GG, Kommentar, Bd. V – Art. 54–85 (Stand: 79. Lieferung 2016), Art. 72 Rn. 153 (Stand: 76. Lieferung 2015). 205 Degenhart in Sachs, GG, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 17. 206 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (146 f.). 207 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (146 f.); Degenhart in Sachs, GG, Kommentar, 7. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 12 mit weiteren Nachweisen; a. A. Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 77. 208 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (147).

124

4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

Als Beispielsfälle einer erforderlichen Regelung des Bundesgesetzgebers zur Wahrung der Wirtschaftseinheit im Sinne von Art. 72 Abs. 2 Var. 3 GG können die Stichworte „Altenpflegegesetz“, „Festsetzung eines Mindesthebesatzes für die Gewerbesteuer zur Vermeidung von Steueroasen“, „Filmförderungsgesetz 2004“, „Weinabgabe“ sowie „Erbschaft- und Schenkungssteuergesetz idF von 2009“ dienen.209 So hat das Bundesverfassungsgericht etwa in seiner Entscheidung zum Altenpflegegesetz ausgeführt: „Zur Schaffung eines einheitlichen Wirtschaftsgebiets und damit zur Wahrung der Wirtschaftseinheit ist ein Bundesgesetz jedenfalls dann erforderlich, wenn es die Einheitlichkeit der beruflichen Ausbildung sicherstellen oder wenn es für gleiche Zugangsmöglichkeiten zu Berufen oder Gewerben in allen Ländern sorgen muss […]“.210 Denn verschiedene Voraussetzungen für die Ausbildung und Zulassung können mit Blick auf das deutsche Wirtschaftsgebiet „störende Grenzen aufrichten, sie können eine Ballung oder Ausdünnung des Nachwuchses in bestimmten Regionen bewirken, sie können das Niveau der Ausbildung beeinträchtigen und damit erhebliche Nachteile für die Chancen des Nachwuchses sowie für die Berufssituation im Gesamtstaat begründen“.211 (2) Erforderlichkeit? Wenn überhaupt, dann könnte unter der dritten Variante über die Erforderlichkeit im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG zu diskutieren sein.212 So könnte man daran denken, dass es beispielsweise Einfluss auf die Arbeit von Nachwuchs-Wissenschaftlern hat, wenn die Tierschutz-Verbandsklage nur in einigen Bundesländern ermöglicht wird, in anderen hingegen nicht. Man denke etwa an einen Doktoranden im Bereich der Biomedizin, dessen Dissertationsvorhaben von Tierversuchen abhängig ist. Der Doktorand könnte erwägen, seine Dissertation in einem Bundesland durchzuführen, in dem eine Tierschutz-Verbandsklage gegen die Tierversuche nicht möglich ist. 209 Pieroth in Jarass/Pieroth, GG, Kommentar, 14. Aufl. 2016, Art. 72 Rn. 22 unter Verweis auf BVerfGE 106, 62 (156 ff.) zum Altenpflegegesetz, BVerfGE 125, 141 (155 f.) zur besagten Gewerbesteuer, BVerfGE 135, 155 (Rn. 114 ff.) und BVerwGE 139, 42 (Rn. 28 ff.) zum Filmförderungsgesetz, BVerfGE 136, 194 (Rn 113 f.) zur Weinabgabe sowie BVerfGE 138, 136 (Rn. 112 ff.) zum Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz. 210 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (147). 211 BVerfG, Urt. v. 24.10.2002 – 2 BvF 1/01, BVerfGE 106, 62 (147). 212 A. A. wohl Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (740) wonach für die Tierschutz-Verbandsklage „der 2. Alternative – der Wahrung der Rechtseinheit im gesamtstaatlichen Interesse die größte Bedeutung zuzukommen“ scheine. Der Wissenschaftliche Beirat für Agrarpolitik beim Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft, Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung. Gutachten, 2015, S. 257, http://www.bmel.de/SharedDocs/Downloads/Ministerium/Beiraete/Agrarpolitik/ GutachtenNutztierhaltung.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 31.7.2017), würde die Einführung einer tierschutzrechtlichen Verbandsklage auf Bundesebene „im Hinblick auf die Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit […] begrüßen“ – allerdings ohne darauf einzugehen, warum die Rechts- und Wirtschaftseinheit dadurch gewahrt würden.

II. Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern

125

Ob und in welcher Ausprägung ein Bundesland die Tierschutz-Verbandsklage ermöglicht, hat aber allenfalls Einfluss auf die „Ausbildungs-Rahmenbedingungen“, nicht auf die Ausbildungsvoraussetzungen selbst. Zu berücksichtigen ist, „dass nahezu alle rechtlichen Regelungen zumindest mittelbar Auswirkungen auf die wirtschaftliche Betätigung im ganzen Bundesgebiet haben“.213 Deshalb sind in diesem Zusammenanhang lediglich die „auf die wirtschaftliche Betätigung abzielenden Gesetze“ zu berücksichtigen.214 Ein Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz zielt aber nicht auf eine wirtschaftliche Betätigung ab. Wie sich etwa an der Zweckbestimmung in § 1 BWTierSchMVG sehen lässt, soll ein Tierschutz-VerbandsklageGesetz vielmehr „lediglich“ zur Umsetzung des Staatsziels Tierschutz beitragen. e) Zwischenergebnis und Wertung des Ergebnisses Eine Regelung der Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene erscheint nicht erforderlich im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG. Dabei kommt man erst gar nicht zur Prüfung des anfangs erwähnten zweiten Schrittes (also wieweit eine Regelung des Bundesgesetzgebers erforderlich ist), weil eine Regelung des Bundesgesetzgebers schon im ersten Schritt unter keinen Gesichtspunkten nach Art. 72 Abs. 2 GG erforderlich ist. Es ist damit festzuhalten, dass zwar die Bundesländer zur Gesetzgebung hinsichtlich der Tierschutz-Verbandsklage befugt sind, nicht aber der Bund. Damit ist die rechtspolitische Debatte über die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage künftig nur auf Landesebene, nicht auch auf Bundesebene zu führen. Dieses Ergebnis mag überraschen. Nicht nur, weil dieser Aspekt bislang im Gegensatz zu anderen Gesichtspunkten der Tierschutz-Verbandsklage noch nicht ausführlich diskutiert wurde. Sondern auch, weil andere Verbandsklagen, etwa die Naturschutz-Verbandsklage, ebenfalls auf Bundesebene geregelt wurden. Gerade die Naturschutz-Verbandsklage scheint aufgrund der Materien Natur und Tiere auf den ersten Blick vergleichbar mit der Tierschutz-Verbandsklage. Dass die Naturschutz-Verbandsklage im Gegensatz zur Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene geregelt werden konnte, hat aber einen recht einfachen Grund: Egal, ob man die Gesetzgebungskompetenz der Naturschutz-Verbandsklage in Art.  74 Abs.  1 Nr. 1 GG oder in Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG sieht, ist im Fall der Naturschutz-Verbandsklage eine Erforderlichkeitsprüfung von vornherein nicht erforderlich. Denn sowohl das Gebiet des gerichtlichen Verfahrens (Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 GG), als auch das Gebiet des Naturschutzes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG) werden – anders als das Gebiet des Tierschutzes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG) – in Art. 72 Abs. 2 GG nicht genannt. Soweit ein Gebiet in Art. 72 Abs. 2 GG nicht aufgezählt wird, ist auch nicht zu prüfen, ob auf diesem Gebiet eine bundesgesetzliche Regelung erforderlich 213

Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 72. 214 Sannwald in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Kommentar, 13. Aufl. 2014, Art. 72 Rn. 72.

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4. Teil: Verfassungsrechtlicher Rahmen

ist.215 Die bundesgesetzliche Naturschutz-Verbandsklage musste die „Hürde“ des Art. 72 Abs. 2 GG, anders als die Tierschutz-Verbandsklage, also gar nicht erst überspringen. Die Auswahl der verschiedenen Titel des Art. 74 Abs. 1 GG in Art. 72 Abs. 2 GG mag „kein System erkennen [lassen]“.216 Insbesondere könnte man sich fragen, warum eine bundesrechtliche Tierschutz-Verbandsklage am Kriterium der Erforderlichkeit zu messen sein soll, eine bundesrechtliche Naturschutz-Verbandsklage hingegen nicht. Gegenstand dieses Abschnitts sind aber nicht die Relevanzeinschätzungen217 des verfassungsändernden Gesetzgebers, sondern das geltende Verfassungsrecht. Danach ist zu respektieren, dass der Tierschutz aus Art. 74 Abs. 1 Nr.  20 GG unter das vorliegend nicht erfüllte Kriterium der Erforderlichkeit in Art. 72 Abs. 2 GG fällt. Aus Sicht des Tierschutzes muss dies nicht unbedingt negativ zu bewerten sein. Zwar hätte die bundeseinheitliche Tierschutz-Verbandsklage aus Sicht des Tierschutzes den Vorteil, dass das Kontrollinstrument der Tierschutz-Verbandsklage flächendeckend zur Verfügung stünde. Es ist aber auch daran zu denken, „dass uneinheitliche Regelungen der Bundesländer in einem Bundesstaat eine hohe Innovationschance bergen können“.218 So könnte eine unterschiedliche Ausgestaltung der Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze und ihre Anwendung in der Praxis deutlich Vor- und Nachteile der einzelnen Gesetze zu Tage fördern und die Gesetzgeber könnten entsprechend reagieren, um hinterher das zweckmäßigste Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz zu etablieren. Dass eine solche Innovationschance besteht, wird sich auch mit Blick auf die nachfolgend untersuchten, bereits bestehenden Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze auf Landesebene zeigen. Auf Landesebene finden sich – so viel sei vorweggenommen  – schon bislang mitunter recht unterschiedliche Tierschutz-VerbandsklageGesetze. Vereinzelt wurden spezielle Regelungen hervorgebracht, die sich in den anderen Landesgesetzen nicht finden. So wurden etwa in Form des gemeinsamen Büros der anerkannten Tierschutzorganisationen in Baden-Württemberg oder der, beziehungsweise des saarländischen Landesbeauftragten für Tierschutz zwei „zusätzliche Instrumente zur Durchsetzung von Tierschutzbelangen normiert.“219 Dies mag als Beispiel für die soeben angesprochene Innovationschance dienen.

215 Kunig in v. Münch/Kunig, GG, Kommentar, Bd. 2 – Art. 70–146, 6. Aufl. 2012, Art. 72 Rn. 16. 216 Wittreck in Dreier, GG, Kommentar, Bd. II – Art. 20–82, 3. Aufl. 2015, Art. 72 Rn. 18. 217 Wittreck in Dreier, GG, Kommentar, Bd. II – Art. 20–82, 3. Aufl. 2015, Art. 72 Rn. 18. 218 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (730). 219 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (730).

Fünfter Teil5

Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene in vergleichender Perspektive In dem nun folgenden fünften Teil stehen die bereits beschlossenen und in Kraft getretenen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze auf Landesebene im Mittelpunkt.1 Durch eine chronologische Herangehensweise werden jüngere mit älteren landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzen verglichen. Bezüglich der Chronologie wurde nicht auf das Datum des Inkrafttretens abgestellt, sondern darauf, von wann das jeweilige Gesetz ist. Die Auseinandersetzung mit den Gesetzestexten erfolgt detailliert, um die konkrete Ausgestaltung der einzelnen Gesetze sichtbar zu machen. Gelegentlich wird auch auf Vor- und Nachteile einzelner landesrechtlicher Regelungen eingegangen und manche der Regelungen werden zum Anlass genommen, um ausgewählte Probleme im Zusammenhang mit der Tierschutz-Verbandsklage zu erörtern. Schließlich fasst eine gröbere Betrachtung die Gemeinsamkeiten und Unterschiede des Landesrechts zusammen. Bevor die eigentliche Untersuchung der landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze beginnt, wird kurz auf den „Sonderfall“ Brandenburg eingegangen (I.). Die sich anschließende Analyse der Landesgesetze beginnt mit Bremen (II.), gefolgt von Hamburg (III.), Nordrhein-Westfalen (IV.), dem Saarland (V.), Rheinland-Pfalz (VI.), Schleswig-Holstein (VII.), Baden-Württemberg (VIII.) und Niedersachsen (IX.). Abschließend wird zusammengefasst, welche landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze sich bezüglich welches Regelungsgegenstands ähneln (X).

I. Brandenburg – (k)ein Sonderfall Zumindest kurze Beachtung verdient im Rahmen dieses Überblicks das Bundesland Brandenburg. Brandenburg könnte insofern einen Sonderfall2 unter den 16 Bundesländern darstellen, als dort möglicherweise eine Tierschutz-Verbandsklage denkbar ist, obwohl Brandenburg kein Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz erlassen hat. Um die sogleich zu erläuternde Begründung der Vertreter einer solchen Ansicht zu verstehen, bedarf es folgenden Vorverständnisses: Die Verfassung des Landes 1

S. auch Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (319–321), zu Gemeinsamkeiten sowie Unterschieden der landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze. 2 v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn 127.

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

Brandenburg3 erwähnt in Art. 39 Abs. 3 die Tiere: „Tier und Pflanze werden als Lebewesen geachtet. Art und artgerechter Lebensraum sind zu erhalten und zu schützen.“ In Art. 39 Abs. 8 der Brandenburgischen Verfassung findet sich sodann eine Bestimmung über die Verbandsklage: „Die Verbandsklage ist zulässig. Anerkannte Umweltverbände haben das Recht auf Beteiligung an Verwaltungsverfahren, die die natürlichen Lebensgrundlagen betreffen. Das Nähere regelt ein Gesetz.“ Unter Bezugnahme auf diese beiden Absätze wird in der Literatur vertreten: „Nach Sinn und Systematik dieser Landesverfassung spricht daher alles dafür, dass das Staatsziel Tierschutz heute schon in Brandenburg durch die Verbandsklage verfahrensmäßig abgesichert ist.“4 Es sei davon auszugehen, dass der in Art. 39 Abs. 8 der Brandenburgischen Landesverfassung verwendete Verbandsbegriff („Umweltverbände“) auch Tierschutzvereine umfasst, also auch eine Tierschutz-Verbandsklage zulässig sei.5 Ob mit dem Begriff der Umweltverbände in Art. 39 Abs. 8 S. 2 der Brandenburgischen Landesverfassung tatsächlich auch Tierschutzverbände gemeint sind, kann dahinstehen. Denn soweit vertreten wird, dass „die Verbandsrechte unmittelbar aus Art. 39 VIII 1 und 2 BbgVerf. [resultieren]“ können,6 ist dem nicht zu folgen. Mit der Rechtsprechung ist vielmehr davon auszugehen, dass Art. 39 Abs. 8 S. 1 der Brandenburgischen Verfassung den „Verbänden kein vorbehaltloses prozessuales Grundrecht ein[räumt]“ – stattdessen enthält diese Vorschrift „lediglich eine verfassungsrechtliche Garantie des Instituts ‚Verbandsklage‘, deren Ausgestaltung im einzelnen – einschließlich der Normierung ihrer Zulässigkeit – der (einfach-) gesetzlichen Regelung bedarf“.7 Ein Gesetz, das im Sinne von Art. 39 Abs. 8 S. 3 der Brandenburgischen Verfassung Näheres regelt, ist in Brandenburg bezüglich der Tierschutz-Verbandsklage aber nicht vorhanden. Brandenburg stellt im Vergleich zu den anderen Bundesländern also doch keinen Sonderfall dar. Denn wie in den anderen Bundesländern ohne Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz, ist auch in Brandenburg nach dem derzeitigen Stand keine Tierschutz-Verbandsklage möglich. Im Folgenden geht der Blick weg von der Frage, in welchem Bundesland eine Tierschutz-Verbandsklage nicht möglich ist, und hin zu der Frage, wie die bereits bestehenden landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze ausgestaltet wurden.

3

Verfassung des Landes Brandenburg v. 20.8.1992, Bbg.GVBl. I 1992, 298, zuletzt geändert durch Gesetz vom 5.12.2013, Bbg.GVBl. I 2013, Nr. 42. 4 v. Loeper in Kluge, TierSchG, 2002, Einf. Rn 127. 5 Kemper, Verbandsklage- und Mitwirkungsrechte anerkannter Umweltverbände in Brandenburg, LKV 1996, 87 (90). 6 Kemper, Verbandsklage- und Mitwirkungsrechte anerkannter Umweltverbände in Brandenburg, LKV 1996, 87 (90). 7 OVG Frankfurt (Oder), Urt. v. 27.8.1997 – 3 A 37/96, LKV 1998, 490 (492).

II. Bremen

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II. Bremen Am 6. Oktober 2007 ist das Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine vom 25. September 20078 (nachfolgend: Brem.TierSchVKG) in Bremen in Kraft getreten, § 4 Brem.TierSchVKG. Es folgt eine Vorstellung der Ausgestaltung des Verbandsklagerechts (1.), der Mitwirkungs- und Informationsrechte (2.) und der Anerkennung (3.) in diesem Gesetz.9

1. Verbandsklagerecht § 1 Brem.TierSchVKG regelt das Verbandsklagerecht an sich. Auf die Frage nach den statthaften Rechtsbehelfen im Rahmen der Bremer Tierschutz-Verbandsklage (a)) folgt ein Exkurs zur Gefährdung von Forschung und Wirtschaft durch die Tierschutz-Verbandsklage (b)). Anschließend werden unter (c)) Ausschlussgründe und unter (d)) weitere Voraussetzungen vorgestellt. a) Statthafter Rechtsbehelf Gemäß § 1 Abs. 1 Brem.TierSchVKG kann ein anerkannter rechtsfähiger Verein „ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen, nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung Klage erheben auf Feststellung, dass Behörden des Landes oder der Stadtgemeinden gegen Vorschriften des Tierschutzgesetzes oder gegen Rechtsvorschriften, die auf Grund des Tierschutzgesetzes erlassen worden sind, verstoßen oder verstoßen haben“. Durch die Tierschutz-Verbandsklage können in Bremen keine Verletzungen etwaiger tierschutzrelevanter Normen anderer Gesetze als des Tierschutzgesetzes oder aufgrund des Tierschutzgesetzes erlassener Normen gerügt werden.10 Diese Beschränkung erschien dem Bremer Rechtsausschuss aus Gründen der Rechtssicherheit sinnvoll, weil man etwaige tierschutzrelevante Normen anderer Gesetze nicht genau und abschließend festlegen könne.11 Die Beschränkung ist jedoch nicht nachvollziehbar. Denn jedenfalls durch Auslegung lässt sich in jedem konkreten Fall ermitteln, ob eine Norm in einem anderen Gesetz unter Tierschutzgesichtspunkten von Bedeutung ist. Warum es zu Rechtsunsicherheit führen soll, wenn entsprechende Normen nicht schon vorab genau und abschließend festgelegt werden, ist nicht ersichtlich.

8

Brem.GBl. 2007, 455. S. zu dem bremischen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz schon Siedler, Die Verbandsklage im Tierschutz  – ein Mittel das im Grundgesetz formulierte Staatsziel praktisch durchzusetzen?, 2009/2010, S. 17–19, abrufbar unter https://opus-hslb.bsz-bw.de/frontdoor/index/index/ year/2010/docId/185 (Stand: 1.8.2017). 10 Brem.LT-Drs. 17/39, 7. 11 Brem.LT-Drs. 17/39, 7. 9

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

Bei der Lektüre der Vorschrift fällt auf, dass anerkannten Vereinen in Bremen nicht alle Rechtsbehelfe der Verwaltungsgerichtsordnung zugesprochen werden, sondern diese auf die Erhebung der Feststellungsklage, § 43 VwGO, beschränkt werden. In Bremen kann also weder die Aufhebung eines belastenden Verwaltungsakts durch eine Anfechtungsklage, § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO, noch der Erlass eines begünstigenden Verwaltungsakts, § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO, durch eine TierschutzVerbandsklage angestrebt werden. Auch vorläufiger Rechtsschutz wird durch die Tierschutz-Verbandsklage in Bremen nicht ermöglicht.12 Die Beschränkung auf eine Feststellungsklage wurde in Bremen vor allem aus Rücksicht auf Forschung und Wirtschaft gewählt.13 So wurde als Vorzug der Feststellungsklage betont, dass durch diese Entscheidungen der Verwaltung ohne zeitliche Auswirkungen auf laufende Verwaltungsverfahren, aber gegebenenfalls mit Auswirkungen für zukünftige Verwaltungsentscheidungen, von einem Gericht kontrolliert werden können.14 Nachfolgend wird in einem Exkurs näher auf die angebliche Notwendigkeit der Beschränkung der Tierschutz-Verbandsklage auf die Feststellungsklage zum Schutz von Forschung und Wirtschaft eingegangen. b) Exkurs: Gefährdung von Forschung und Wirtschaft In Tierschutz-Verbandsklagerechten wird teilweise „die große Gefahr weiterer, in ihren Auswirkungen enormer Belastungen […] für den Pharma- und Forschungsstandort Deutschland gesehen“.15 Von Forschern wird zu denken gegeben, dass tierschutzrechtliche Verbandsklagen „fatale Auswirkungen auf den Forschungsstandort Deutschland“ mit sich bringen würden.16 Warum dies so sein könnte, wird unter (aa)) dargestellt. Unter (bb)) wird ausgeführt, inwiefern die Beschränkung der Tierschutz-Verbandsklage auf die Feststellungsklage diesen Befürchtungen entgegenwirken könnte. Unter (cc)) wird schließlich erörtert, ob die Beschränkung auf die Feststellungsklage in diesem Zusammenhang alternativlos, beziehungsweise tatsächlich die zweckmäßigste Lösung ist.

12 Siedler, Die Verbandsklage im Tierschutz  – ein Mittel das im Grundgesetz formulierte Staatsziel praktisch durchzusetzen?, 2009/2010, S. 17, abrufbar unter https://opus-hslb.bsz-bw. de/frontdoor/index/index/year/2010/docId/185 (Stand: 1.8.2017). 13 Brem.LT-Drs. 17/39, 6. 14 Brem.LT-Drs. 17/39, 6. 15 BR-Drs. 157/1/04, 1. 16 Exner/Heldmaier, Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände. Mehr Tierschutz oder nur weitere Bürokratisierung?, Forschung & Lehre 2004, 254 (254 f.).

II. Bremen

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aa) Zeitverlust mit dramatischen Folgen? Gegen die tierschutzrechtliche Verbandsklage wird neben anderem angeführt, dass durch ihre Einführung behördliche Genehmigungsverfahren – vor allem bezüglich Tierversuchen – verzögert werden könnten.17 Biologen, Biowissenschaftler und Biomediziner befürchten, dass Tierschutz-Verbandsklagen vor allem dazu genutzt würden, die tierexperimentelle Forschung systematisch zu vereiteln.18 Forscher warnen vor einem Zeitverlust, der nicht mehr gut gemacht werden könne.19 Denn zum einen sei denkbar, dass während des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die regelmäßig befristete Dauer der Forschungsmittelvergabe ablaufe und zum anderen gehe mit dem Zeitverlust durch das verwaltungsgerichtliche Verfahren die Gefahr einher, dass internationale Wettbewerber den deutschen Kollegen mit der Lösung von Problemen zuvorkommen.20 In der Forschung wird weiter befürchtet, dass durch die Tierschutz-Verbandsklage Unsicherheiten sowohl in rechtlicher, als auch in zeitlicher Hinsicht entstünden, die die biomedizinischen Nachwuchswissenschaftler fundamental beeinträchtigen würden.21 Mit Blick auf die Finanzierungssituation würde man laut Forschung mit der Einführung der TierschutzVerbandsklage die Vereitelung von wissenschaftlicher Arbeit, Dissertationen und Habilitationen von Nachwuchsakademikern herbeiführen sowie eine erhebliche Beschränkung der fortschrittlichen Grundlagenforschung und der Ausbildung biomedizinischer Nachwuchswissenschaftler verursachen.22 In der Folge sei eine fortschreitende Auswanderung der Spitzenforschung zu erwarten.23 Auch innerhalb der Rechtswissenschaften wird mitunter befürchtet, dass es zur Abwanderung forschender Arzneimittelhersteller aus Deutschland kommen werde und die Universitäten mit Blick auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit Schaden nehmen würden.24 Zudem warnten verschiedene Ausschüsse im Rahmen eines Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzentwurfs vor auf Tierschutz-Verbandsklagen be 17

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. Balling/Jacobsen, Gemeinsame Stellungnahme des VBBM und des vdbiol zur Verbandsklage für Tierschutzverbände, BIOspektrum 3/04, S. 281, http://www.biospektrum.de/blatt/d_ bs_pdf&_id=934206 (Stand: 1.8.2017). 19 Exner/Heldmaier, Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände. Mehr Tierschutz oder nur weitere Bürokratisierung?, Forschung & Lehre 2004, 254 (255). 20 Exner/Heldmaier, Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände. Mehr Tierschutz oder nur weitere Bürokratisierung?, Forschung & Lehre 2004, 254 (255). 21 Exner/Heldmaier, Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände. Mehr Tierschutz oder nur weitere Bürokratisierung?, Forschung & Lehre 2004, 254 (255). 22 Balling/Jacobsen, Gemeinsame Stellungnahme des VBBM und des vdbiol zur Verbandsklage für Tierschutzverbände, BIOspektrum 3/04, S. 281, http://www.biospektrum.de/blatt/d_ bs_pdf&_id=934206 (Stand: 1.8.2017). 23 Balling/Jacobsen, Gemeinsame Stellungnahme des VBBM und des vdbiol zur Verbandsklage für Tierschutzverbände, BIOspektrum 3/04, S. 281, http://www.biospektrum.de/blatt/d_ bs_pdf&_id=934206 (Stand: 1.8.2017). 24 Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre 2004, 256 (258). 18

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

ruhenden Verzögerungen, was die nationale Entwicklung von Medikamenten gefährden würde und möglicherweise Abwanderungsbewegungen im Bereich der Medikamentenentwicklung zur Folge haben könne.25 In der Rechtswissenschaft wird zum Teil recht drastisch vor der Tierschutz-Verbandsklage gewarnt, weil diese „die Entwicklung notwendiger medizinischer Hilfe, auf die Kranke warten, […] in fataler Weise (für die Kranken)“ verzögere.26 Eine Tierschutz-Verbandsklage sei des Weiteren ein Investitionshindernis für künftige fortschrittliche und forschungsintensive Vorhaben.27 bb) Feststellungsklage als Schutz vor Verzögerungen? Um diese Bedenken nachvollziehen zu können, ist die Wirkung von § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO in den Blick zu nehmen. Denn gemäß § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die aufschiebende Wirkung erhält dem durch einen Verwaltungsakt in seinen Rechten Beeinträchtigten bis zu dem Zeitpunkt, an dem über seinen Rechtsbehelf entschieden wird, den Stand der Dinge.28 So wird er davor bewahrt, dass die Umsetzung des Verwaltungsakts zu vollendeten Tatsachen führt, bevor über seinen Rechtsbehelf entschieden wurde.29 Weil die Feststellungsklage nach § 43 VwGO in § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht genannt wird, hat diese im Umkehrschluss – anders als Widerspruch und Anfechtungsklage – keine aufschiebende Wirkung. So wurde beispielsweise entschieden, dass „[e]ine vorhabenbezogene Verbandsfeststellungsklage nach § 13 I 1 des Behindertengleichstellungsgesetzes […] keine aufschiebende Wirkung gem. § 80 I VwGO [hat]“, weil sie keine Aufhebung von einem Verwaltungsakt zum Ziel hat.30 Da die Feststellungsklage keine aufschiebende Wirkung entfaltet, hätte sie den für Vorhabenträger unbestreitbaren Vorteil, sich zeitlich nicht auf das Vorhaben auszuwirken.31 Fraglich ist jedoch nachfolgend, ob eine solche Beschränkung tatsächlich erforderlich ist, oder ob dem Problem zeitlicher Verzögerungen nicht auch auf anderem Wege verwaltungsprozessual begegnet werden kann.

25

BR-Drs. 157/1/04, 1. Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre 2004, 256 (258). 27 BR-Drs. 157/1/04, 1. 28 Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 29. 29 Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 29. 30 VGH Mannheim, Beschl. v. 6.12.2004 – 5 S 1704/04, NVwZ-RR 2005, 635 (636). 31 Vgl. auch Brem.LT-Drs. 17/39, 6. 26

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cc) Anordnung der sofortigen Vollziehung als Alternative Denkbare Verspätungen von Genehmigungsverfahren können nicht nur durch eine Einschränkung der Tierschutz-Verbandsklage auf die Feststellungsklage, sondern auch mit Hilfe der Anordnung der sofortigen Vollziehung verhindert werden.32 Gerade angesichts der zweiten Möglichkeit stellt sich die Frage, ob die Angst vor einem Zeitverlust mit dramatischen Folgen für Wirtschaft, Forschung, Pharmazie und Medizin tatsächlich berechtigt ist. Denn wenn eine Genehmigung für sofort vollziehbar erklärt worden ist, so haben Widerspruch und Anfechtungsklage hiergegen entgegen § 80 Abs. 1 S. 1 VwGO gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr.  4 VwGO keine aufschiebende Wirkung: Gemäß § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung „in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird“. Einer Behörde ist es aufgrund dieser Vorschrift also möglich, die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise zu überwinden.33 Die Verwaltung kann die sofortige Vollziehung sowohl auf Antrag des durch den Verwaltungsakt Begünstigten, als auch von Amts wegen anordnen.34 Die Antragsmöglichkeit des Begünstigten ergibt sich bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung aus § 80a Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Einen entsprechenden Antrag vorausgesetzt, kann auch ein Gericht bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung die sofortige Vollziehung anordnen, § 80a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1 VwGO. Für die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist ein besonderes Interesse hieran erforderlich.35 Nach § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 VwGO kommen insofern ein öffentliches Interesse oder ein überwiegendes Interesse eines Beteiligten in Betracht.36 Mit den Mitteln der Verwaltungsgerichtsordnung (§§ 80, 80a VwGO) lässt sich also einer etwaigen missbräuchlichen Verwendung der Tierschutz-Verbandsklage begegnen.37 Nicht unerwähnt bleiben soll, dass ein Tierschutzverein nach einer Anordnung der sofortigen Vollziehung einen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Sinne von § 80 Abs. 5 S. 1 VwGO stellen könnte. Auch dies ändert aber nichts daran, dass die Verwaltungsgerichtsordnung wirksamen Schutz vor einer Instrumentalisierung der Tierschutz-Verbandsklage zur Verzögerung oder Verhinderung unliebsamer Vorhaben gewährt: Im Rahmen von § 80 Abs. 5 VwGO läuft es auf eine Interessenabwägung unter ausschlaggebender Beachtung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache hinaus, wobei Maßstab die

32

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 80 Rn. 196 (Stand: 22. EL 2011). 34 VGH Mannheim, Beschl. v. 24.1.1991 – 8 S 112/91, NVwZ-RR 1992, 348 (349). 35 Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 83. 36 Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, Großkommentar, 4. Aufl. 2014, § 80 Rn. 83. 37 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 33

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

Offensichtlichkeit ist.38 Wird die Tierschutz-Verbandsklage  – den mitunter geäußerten Befürchtungen entsprechend – missbräuchlich eingesetzt, so wird dies im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens aller Voraussicht nach auffallen und der vorläufige Rechtsschutzantrag des Tierschutzvereins wird mithin mutmaßlich keinen Erfolg haben. Wenn der Rechtsbehelf gegen eine Genehmigung in der Hauptsache mutmaßlich keinen Erfolg haben wird und dementsprechend eine Anordnung der sofortigen Vollziehung ergeht, so kann der Inhaber der Genehmigung diese ohne unberechtigte Verzögerung nutzen.39 Gibt es hingegen ernsthafte Zweifel bezüglich der Rechtmäßigkeit einer Genehmigung, so erscheint es aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit richtig, die Zweifel vor der Nutzung der Genehmigung zunächst auszuräumen – andernfalls würden „zu Lasten der Tiere vollendete Tatsachen geschaffen werden“.40 Auch die Verfahrensdauer hinsichtlich der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes scheint nicht dagegen zu sprechen, der Befürchtung verzögerter Verfahren mit einem Verweis auf die Möglichkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung entgegenzutreten.41 Dies lässt sich mit einem Blick auf die Zahlen des Statistischen Bundesamtes aus dem Jahr 2014 begründen. 2014 wurden in Deutschland von den Verwaltungsgerichten insgesamt 48.370 Verfahren zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes erledigt, wobei es sich bei 39.150 Verfahren um Anträge nach §§ 80, 80a VwGO handelte (die Zahl bezieht sich auf die Kammern insgesamt und beinhaltet nicht die Numerus-clausus-Verfahren).42 87 % der Verfahren dauerten maximal drei Monate, 9,7 % der Verfahren wurden nach spätestens sechs Monaten erledigt, 2,8 % der Verfahren zogen sich bis zu zwölf Monate hin und 0,5 % der Verfahren waren nach zwölf Monaten noch nicht erledigt, durchschnittlich dauerte ein Verfahren 1,5 Monate, beziehungsweise 2,0 Monate, wenn man die Asylkammern herausrechnet.43 Selbst eine etwaige Verzögerung von durchschnittlich zwei Monaten dürfte aber noch keinen nicht hinnehmbaren Zeitverlust darstellen. 38 Schoch in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. I (Stand: 32. EL 2016), § 80 Rn. 372 (Stand: 22. EL 2011). 39 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 40 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 41 A. A. wohl Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre 2004, 256 (258), der bemängelt, dass mit genehmigten Forschungsvorhaben nicht vor einer rechtskräftigen Entscheidung über die Zulässigkeit eines Tierversuchs gestartet werden könne und in diesem Zusammenhang schreibt: „Selbst Eilrechtsschutz hat in Deutschland seinen Namen häufig nicht verdient“. 42 Statistisches Bundesamt, Rechtspflege. Verwaltungsgerichte, Fachserie 10 Reihe 2.4, 2015, S.  39, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/ Verwaltungsgerichte2100240147004.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 1.8.2017). 43 Statistisches Bundesamt, Rechtspflege. Verwaltungsgerichte, Fachserie 10 Reihe 2.4, 2015, S.  43, https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/Rechtspflege/GerichtePersonal/ Verwaltungsgerichte2100240147004.pdf?__blob=publicationFile (Stand: 1.8.2017), woraus sich auch ergibt, dass die Verfahren ohne Berücksichtigung der Asylkammern in 81 % der Fälle bis zu drei Monate, in 13,7 % bis zu sechs Monate, in 4,3 % bis zu 12 Monate und in 1 % mehr als zwölf Monate dauerten.

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c) Ausschlussgründe § 1 Abs. 2 Nr. 1–3 Brem.TierSchVKG regelt verschiedene Ausschlussgründe für die Tierschutz-Verbandsklage. Der Norm diente § 12 Abs. 2 S. 1 des Bremischen Behindertengleichstellungsgesetzes als Vorbild.44 Im Einzelnen ist eine TierschutzVerbandsklage unzulässig, falls der geltend gemachte Verstoß „den Verein nicht in seinem satzungsgemäßen Aufgabengebiet berührt“ (Nr. 1), „auf Grund einer Entscheidung in einem gerichtlichen Verfahren erlassen worden ist“ (Nr. 2) oder „in einem gerichtlichen Verfahren als rechtmäßig bestätigt worden ist“ (Nr. 3). d) Weitere Voraussetzungen In § 1 Abs. 3 S. 1 Brem.TierSchVKG wird für das Verbandsklagerecht weiter vorausgesetzt, dass der Verein „die zuständige Behörde zuvor schriftlich aufgefordert hat, den behaupteten Rechtsverstoß zu beseitigen und diese der Aufforderung nicht innerhalb von drei Monaten nachkommt“. Diese Regelung ist sinnvoll, um der zuständigen Behörde zunächst eine Befassung mit dem Vortrag des Vereins zu ermöglichen.45 § 1 Abs. 3 S. 2 Brem.TierSchVKG legt sodann fest, bis wann die Aufforderung zu erfolgen hat. Danach muss sie „innerhalb eines Jahres ab dem Zeitpunkt erfolgen, zu dem der Verein von den Tatsachen, die den behaupteten Rechtsverstoß begründen, Kenntnis erlangt hat“. Die Festlegung dieses Zeitfensters für die Geltendmachung tierschutzrechtlicher Verstöße dient der Rechtssicherheit.46 Liegen die Voraussetzungen nach § 1 Abs. 3 Brem.TierSchVKG nicht vor, so entfällt die auf § 1 Abs.  1 Brem.TierSchVKG gestützte Klagebefugnis eines Tierschutz-Vereins.47

2. Mitwirkungs- und Informationsrechte In § 2 Brem.TierSchVKG sind die Mitwirkungs- und Informationsrechte der anerkannten Vereine geregelt. Nach § 2 Abs. 1 Brem.TierSchVKG gilt, dass einem anerkannten rechtsfähigen Verein „Gelegenheit zur Äußerung bei der Vorbereitung von Verordnungen und anderen im Rang unter einem Gesetz stehenden Rechtsvorschriften durch die für den Tierschutz zuständigen Behörden des Landes zu geben“ ist. Die Beteiligung der Tierschutzvereine wird in Bremen auf Normsetzungsverfahren beschränkt.48

44

Brem.LT-Drs. 17/39, 7. Brem.LT-Drs. 17/39, 7. 46 Brem.LT-Drs. 17/39, 7. 47 Brem.LT-Drs. 17/39, 7. 48 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729. 45

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

Soweit vertreten wird, dass auch die Verbandsklage an sich in Bremen lediglich Normsetzungsverfahren zum Gegenstand haben kann,49 wird dem nicht gefolgt. Eine Beschränkung auf Normsetzungsverfahren kann zwar § 2 Abs. 1 Brem.TierSchVKG für die Beteiligung der Tierschutzvereine entnommen werden, nicht aber § 1 Brem.TierSchVKG für das Verbandsklagerecht selbst. Aus dem Bremer Gesetz geht auch nicht hervor, dass das Verbandsklagerecht untrennbar mit den Mitwirkungs- und Informationsrechten verbunden wäre. Es wird deshalb davon ausgegangen, dass nur die Mitwirkungs- und Informationsrechte auf das Norm­ setzungsverfahren beschränkt sind, nicht aber auch das Verbandsklagerecht selbst. § 2 Abs.  2 Brem.TierSchVKG regelt den Anspruch eines anerkannten rechtsfähigen Vereins „auf freien Zugang zu Informationen über den Tierschutz nach Maßgabe des Bremer Informationsfreiheitsgesetzes“.

3. Anerkennung In § 3 Brem.TierSchVKG ist normiert, wann ein Verein anzuerkennen ist. Unter (a)) wird einleitend aufgezeigt, warum die ausdrückliche Regelung der Anerkennung überhaupt wichtig ist. Die Voraussetzungen der Anerkennung in Bremen werden anschließend unter (b)) vorgestellt. Unter (c)) wird der Vollständigkeit halber auf Zuständigkeit und Geltungsbereich der Anerkennung eingegangen und unter (d)) werden Rücknahme und Widerruf der Anerkennung erörtert. a) Anerkennungsvoraussetzungen als „Filter“ Einer potentiellen Missbrauchsgefahr im Zusammenhang mit Tierschutz-Verbandsklagen kann dadurch entgegengewirkt werden, dass die Klagebefugnis nur staatlich anerkannten eingetragenen Vereinen und nur unter Einhaltung bestimmter Anforderungen zugesprochen wird.50 Anerkennungsvoraussetzungen dienen neben der Prävention einer etwaigen Missbrauchsgefahr vor allem auch der angemessenen Aufgabenwahrnehmung sowie Klagevertretung.51 Befürchtungen, „dass Tierschutzvereine das Instrument der Verbandsklage systematisch dazu einsetzen werden, tierexperimentelle Forschung an den Universitäten, den Forschungseinrichtungen des Bundes und der Länder sowie in der Industrie zu blockieren“,52 erscheinen dann eher unbegründet. Als Beispiel, wie solche Anerkennungsvoraus 49 So wohl Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729. 50 BR-Drs. 157/04, Anlage, 8. 51 NRWLT-Drs. 16/177, 18 zu § 3 TierschutzVMG NRW. 52 Balling/Jacobsen, Gemeinsame Stellungnahme des VBBM und des vdbiol zur Verbandsklage für Tierschutzverbände, BIOspektrum 3/04, S. 281, http://www.biospektrum.de/blatt/d_ bs_pdf&_id=934206 (Stand: 1.8.2017).

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setzungen aussehen könnten, sei zur Einstimmung auf die Bremer Regelung zunächst ein Blick auf die Naturschutz-Verbandsklage geworfen:53 Gemäß §§ 63 und 64 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) stehen nur anerkannten Naturschutzvereinigungen Mitwirkungsrechte und Rechtsbehelfe zu. Die Anerkennung einer Naturschutzvereinigung richtet sich gemäß § 63 Abs.  1 BNatSchG nach § 3 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes (UmwRG). Danach erfordert die Anerkennung einer Vereinigung zunächst einen Antrag, § 3 Abs. 1 S. 1 UmwRG. § 3 Abs. 1 S. 2 UmwRG regelt sodann die weiteren Voraussetzungen der Anerkennung. So muss die Vereinigung „nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes förder[n]“ (§ 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 UmwRG), „im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens drei Jahre besteh[en] und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen [sein]“ (Nr.  2), „die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung biete[n]; dabei sind Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit der Vereinigung zu berücksichtigen“ (Nr. 3), „gemeinnützige Zwecke im Sinne von § 52 der Abgabenordnung verfolg[en]“ (Nr. 4) sowie „jeder Person den Eintritt als Mitglied ermöglich[en], die die Ziele der Vereinigung unterstützt; Mitglieder sind Personen, die mit dem Eintritt volles Stimmrecht in der Mitgliederversammlung der Vereinigung erhalten; bei Vereinigungen, deren Mitgliederkreis zu mindestens drei Vierteln aus juristischen Personen besteht, kann von der Voraussetzung nach Halbsatz 1 abgesehen werden, sofern die Mehrzahl dieser juristischen Personen diese Voraussetzung erfüllt“ (Nr. 5). Eine entsprechende Festlegung der Anerkennungsvoraussetzungen auch bezüglich der Tierschutz-Verbandsklage könnte also gewissermaßen diejenigen Tierschutzvereine „herausfiltern“, bei denen eine missbräuchliche Instrumentalisierung der Tierschutz-Verbandsklage zu erwarten wäre.54 Dies leitet über zu der Frage, welche Anforderungen an die Anerkennung eines Tierschutzvereins in Bremen gestellt werden. b) Voraussetzungen Die Anerkennung setzt zunächst einen Antrag voraus, § 3 Abs. 1 S. 1 Brem.TierSchVKG. Die Anerkennung muss erteilt werden, wenn die Voraussetzungen von § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1–6 Brem.TierSchVKG vorliegen. Erforderlich ist, dass der Verein „nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Tierschutzes fördert“ (Nr. 1), „seinen Sitz in der Freien Hansestadt 53 In einem Gesetzesantrag hatte das Land Schleswig-Holstein vorgeschlagen, nur staatlich anerkannten eingetragenen Vereinen die Tierschutz-Verbandsklagemöglichkeit einzuräumen und sich bezüglich der Anerkennungsvoraussetzungen an der Naturschutz-Verbandsklage zu orientieren, BR-Drs. 157/04, Anlage, 8. 54 S. auch BR-Drs. 157/04, Anlage, 8 und NRWLT-Drs. 16/177, 18.

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

Bremen hat und der satzungsgemäße Tätigkeitsbereich im Gebiet des Landes liegt“ (Nr.  2), „im Zeitpunkt der Anerkennung mindestens fünf Jahre besteht und in diesem Zeitraum im Sinne der Nummer 1 tätig gewesen ist“ (Nr. 3), „die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung bietet; dabei sind Art und Umfang seiner bisherigen Tätigkeit, der Mitgliederkreis sowie die Leistungsfähigkeit des Vereins zu berücksichtigen“ (Nr. 4), „wegen Verfolgung gemeinnütziger Zwecke nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 des Körperschaftssteuergesetzes von der Körperschaftssteuer befreit ist“ (Nr. 5) und „den Eintritt als Mitglied, das in der Mitgliederversammlung volles Stimmrecht hat, jedem ermöglicht, der die Ziele des Vereins unterstützt“ (Nr. 6). Liegen die Voraussetzungen von Nr. 1, 3–6 vor, so kann die Anerkennung „auch einem überregional tätigen Verein mit Sitz außerhalb der Freien Hansestadt Bremen erteilt werden, wenn eine satzungsgemäße Teilorganisation für das Gebiet der [sic!] Landes besteht und diese für sich genommen die Anforderungen nach Satz 2 Nr. 4 erfüllt“, § 3 Abs. 1 S. 3 Brem.TierSchVKG. c) Zuständigkeit und Geltungsbereich Nach § 3 Abs. 2 des Gesetzes über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine ist in Bremen die Senatorin für Wissenschaft, Gesundheit und Verbraucherschutz für die Anerkennung zuständig. Die Anerkennung wird „für den satzungsgemäßen Aufgabenbereich ausgesprochen; sie gilt für das Gebiet des Landes“. In Bremen sind bislang zwei Tierschutzvereine anerkannt, nämlich der Bremer Tierschutzverein e. V. und der Deutsche Tierschutzbund e. V.55 d) Rücknahme und Widerruf § 3 Abs. 3 S. 1 Brem.TierSchVKG schreibt vor, dass die Anerkennung zurückgenommen werden muss, „wenn die Voraussetzungen für ihre Erteilung nicht vorlagen und dieser Mangel auch nach Aufforderung nicht beseitigt wird“. § 3 Abs. 3 S. 2 Brem.TierSchVKG legt fest, dass die Anerkennung widerrufen werden muss, „wenn eine der Voraussetzungen für ihre Erteilung nachträglich weggefallen ist“. § 3 Abs. 3 S. 3 Brem.TierSchVKG stellt klar, dass sowohl das Verbandsklagerecht, als auch die Mitwirkungs- und Informationsrechte entfallen, sobald die Aufhebung der Anerkennung nicht mehr angefochten werden kann.

55 Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung e. V., Tierschutz-Verbandsklage und Verbandsklagegesetze im Überblick, http://agfan.org/category/juristische-moeglichkeiten/tier schutz-verbandsklage/ (Stand: 1.8.2017).

III. Hamburg

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III. Hamburg Gemäß Artikel 3 des Gesetzes zur Stärkung des Tierschutzes und des Schutzes der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren vom 21. Mai 2013 ist am 1. Oktober 2013 das Hamburgische Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine (Hamburgisches Tierschutzverbandsklagegesetz  – HmbTierSchVKG)56 in Kraft getreten. Wie schon bei dem Bremer Gesetz sollen auch die Hamburgischen Regelungen näher untersucht werden. Hierzu wird unter (1.) das Verbandsklagerecht selbst und unter (2.) die Anerkennung beleuchtet. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird bei dem hamburgischen Gesetz – wie bei den nachfolgenden Gesetzen  – stets nur auf neue Regelungen ausführlicher eingegangen. Bei diesem und den noch zu untersuchenden nachfolgenden Gesetzen steht also immer auch der Vergleich zu den zuvor schon behandelten Landesgesetzen im Mittelpunkt: Wo bestehen Gemeinsamkeiten, wo bestehen Unterschiede?

1. Verbandsklagerecht § 1 des HmbTierSchVKG regelt wie das Bremer Gesetz gleich zu Beginn das Verbandsklagerecht an sich. § 1 Abs.  1 HmbTierSchVKG entspricht § 1 Abs. 1 Brem.TierSchVKG. Die Vorschriften haben – bis auf den selbstverständlich an­ deren Klagegegner und die Bezugnahme auf den die Anerkennung regelnden Paragraphen – einen identischen Wortlaut.57 § 1 Abs.  2 Nr.  1–4 HmbTierSchVKG regelt, wann eine Tierschutz-Verbandsklage unzulässig ist. Die Nummern 1 bis 3 decken sich dabei mit § 1 Abs. 2 Nr. 1–3 Brem.TierSchVKG. Abweichend von der Bremer Regelung ist die Tierschutz-Verbandsklage in Hamburg auch dann unzulässig, falls die beanstandete Maßnahme „nach § 48 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes […] nicht mehr zurückgenommen werden kann“ (Nr. 4). Durch diese Nummer 4 wird die Übereinstimmung mit den Rücknahmemöglichkeiten gemäß § 48 des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes sichergestellt.58 § 1 Abs. 3 S. 1 und 2 HmbTierSchVKG enthalten weitere Voraussetzungen für die Erhebung der Tierschutz-Verbandsklage, die mit denen von § 1 Abs. 3 S. 1 und 2 Brem.TierSchVKG identisch sind. In Hamburg ist in § 1 Abs. 3 S. 3 HmbTierSchVKG weitergehend normiert: „Unabhängig von der Kenntnis beginnt im Falle einer Maßnahme im Sinne des § 35 des Hamburgischen Verwaltungsverfah­rensgesetzes die Frist mit Eintritt der Bestandskraft“. 56 = Art. 2 des Gesetzes zur Stärkung des Tierschutzes und des Schutzes der Bevölkerung vor gefährlichen Tieren v. 21.5.2013, Hmb.GVBl. I 2013, 247. 57 S. auch Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (321). 58 Hmb.Bürgerschaft-Drs. 20/3512, 7.

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

2. Anerkennung Während anerkannten rechtsfähigen Vereinen in Bremen in § 2 Brem.TierSchVKG Mitwirkungs- und Informationsrechte eingeräumt werden, existiert in Hamburg keine entsprechende Regelung, es wird also bei der Einräumung eines Verbandsklagerechts an sich belassen.59 § 2 HmbTierSchVKG regelt stattdessen, was in Bremen § 3 Brem.TierSchVKG regelt: die Anerkennung der Vereine. Die Anerkennung als Verein, der zur Erhebung der Tierschutz-Verbandsklage berechtigt ist, wird in Hamburg durch die zuständige Behörde erteilt, § 2 Abs. 2 HmbTierSchVKG. In Hamburg ist allein der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e. V. anerkannt worden.60 Die Anerkennungsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 1 bis 3 HmbTierSchVKG entsprechen, auf die Freie und Hansestadt Hamburg bezogen, denen von § 3 Abs. 1 bis 3 Brem.TierSchVKG. Da es in Hamburg, anders als in Bremen, keine Mitwirkungsund Informationsrechte der anerkannten Vereine gibt, können diese selbstredend anders als in Bremen auch nicht nach § 2 Abs. 3 S. 3 HmbTierSchVKG entfallen. Abweichend von dem Bremer Gesetz steht in Hamburg in § 2 Abs.  4 S.  1 HmbTierSchVKG, dass sowohl für die Anerkennung, als auch deren Rücknahme oder Widerruf eine Gebührenpflicht besteht. § 2 Abs. 4 S. 2 HmbTierSchVKG erlaubt dem Senat, „die gebührenpflichtigen Tatbestände und Gebührensätze durch Rechtsverordnung festzulegen“. Nach § 2 Abs. 4 S. 3 HmbTierSchVKG darf der Senat „die Ermächtigung durch Rechtsverordnung auf die zuständige Behörde weiter übertragen“. Diese Festlegung einer Gebührenpflicht erscheint aus zwei Gründen sinnvoll. Zum einen manifestiert es das ernsthafte Interesse eines Vereins an dem Einsatz für den Tierschutz, wenn der Verein bereit ist, dafür eine Gebühr zu bezahlen. Zum anderen wird durch die Gebühr die von den Behörden zusätzlich zu erbringende Leistung finanziell ausgeglichen.

IV. Nordrhein-Westfalen Am 6. Juli 2013 ist in Nordrhein-Westfalen das Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW) vom 25. Juni 201361 in Kraft getreten, § 4 S. 1 TierSchutzVMG NRW. Erneut werden das Verbandsklagerecht an sich (dazu (1.)), die Mitwirkungs- und Informationsrechte (2.) und die Anerkennung (3.) genauer in den Blick genommen. Außerdem wird unter (4.) auf die Geltungsdauer des Gesetzes eingegangen. 59

S. auch Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729. Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung e. V., Tierschutz-Verbandsklage und Verbandsklagegesetze im Überblick, http://agfan.org/category/juristische-moeglichkeiten/tier schutz-verbandsklage/ (Stand: 1.8.2017). 61 NRWGVBl. 2013, 416. 60

IV. Nordrhein-Westfalen

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1. Verbandsklagerecht Wie in Bremen und Hamburg, so ist auch in Nordrhein-Westfalen in § 1 TierschutzVMG NRW das Verbandsklagerecht selbst geregelt. Inhaltlich bestehen aber grundlegende Unterschiede im Vergleich zu den bremischen und hamburgischen Länderreglungen. Dies wird nachfolgend durch einen detaillierten Vergleich der Vorschriften von Bremen und Nordrhein-Westfalen verdeutlicht. Eingegangen wird auf die statthaften Rechtsbehelfe (a)), Gegenstände der Verbandsklage (b)), Beschränkungen der Verbandsklage (c)), Zulässigkeitsvoraussetzungen (d)) sowie auf die Präklusionsregelung (e)) und die Frist (f)). a) Statthafte Rechtsbehelfe § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1–3 TierschutzVMG NRW bestimmt, in welchen Fällen anerkannte Vereine „ohne die Verletzung eigener Rechte geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen“ können. Erster und erheblicher Unterschied zur Bremer Regelung ist, dass über die Feststellungsklage hinaus allgemein „Rechtsbehelfe“ eingelegt werden können. Aus dem Begriff Rechtsbehelfe ist abzuleiten, dass anerkannten Vereinen neben dem Klageverfahren auch der vorläufige Rechtsschutz ermöglicht werden soll.62 Weiter sind in Nordrhein-Westfalen auch Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nach § 42 Abs.  1 VwGO denkbar. Es ist zweckmäßig, den verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutz nicht einzuschränken. Gerade der einstweilige, beziehungsweise vorläufige Rechtsschutz ist im Zusammenhang mit einer Verbandsklage in der Praxis sehr relevant, um die Schaffung vollendeter Tatsachen verhindern zu können.63 Im Sinne eines umfassenden Rechtsschutzes ist es erforderlich, Verbänden (beziehungsweise Vereinen) mittels Anträgen gemäß § 80 Abs. 5 VwGO und § 123 VwGO „Gelegenheit zu geben, gegen Maßnahmen der Tierschutzbehörden zu intervenieren, bevor irreversible, im Klageverfahren nicht mehr rückgängig zu machende Fakten geschaffen werden“.64 Als Beispiel für solche irreversiblen Fakten könnte man etwa an eine betäubungslose Schlachtung eines Tieres (sogenanntes Schächten) nach erteilter Ausnahmegenehmigung gemäß § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG oder

62 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neukonstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 511; s. zur Reichweite des Ausdrucks Rechtsbehelfe auch die Begründung zu einem Entwurf eines Gesetzes zur Einführung des Verbandsklagerechts verschiedener Abgeordneter sowie der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN aus dem Jahr 1997, BT-Drs. 13/9323, 7: „Der Ausdruck ‚Rechtsbehelfe‘ stellt klar, daß dem Verband alle Möglichkeiten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes offen stehen sollen.“ 63 BT-Drs. 13/9323, 7. 64 Caspar, Tierschutz im Recht der modernen Industriegesellschaft. Eine rechtliche Neu­ konstruktion auf philosophischer und historischer Grundlage, 1999, S. 511.

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

an gekürzte Schnabelspitzen von Nutzgeflügel aufgrund einer Erlaubnis nach § 6 Abs. 3 Nr. 1 TierSchG denken. b) Gegenstände der Verbandsklage Wie sich aus § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TierschutzVMG NRW ergibt, kann die TierschutzVerbandsklage gegen eine Ausnahmegenehmigung zum Schächten (§ 4a Abs.  2 Nr. 2 TierSchG) eingelegt werden, außerdem gegen eine Erlaubnis zum Kürzen der Schnabelspitzen bei noch keine zehn Tage alten Küken von Legehennen und sonstigem Nutzgeflügel sowie des bindegewebigen Schwanzendstückes von noch keine drei Monate alten männlichen Kälbern durch elastische Ringe (§ 6 Abs. 3 TierSchG), gegen die Genehmigung von Versuchen an Wirbeltieren oder Kopffüßern (§ 8 Abs.  1 TierSchG) und gegen verschiedene weitere Erlaubnisse nach § 11 Abs. 1 TierSchG (unter anderem näher beschriebene Erlaubnisse bezüglich Zucht und Haltung). In Nordrhein-Westfalen wurde also eine Auswahl von Genehmigungen und Erlaubnissen getroffen, gegen die mit der Tierschutz-Verbandsklage vorgegangen werden kann. In Bremen wurde hingegen offener formuliert, dass Verstöße gegen das Tierschutzgesetz oder gegen auf dem Tierschutzgesetz beruhende Rechtsvorschriften zum Gegenstand einer Tierschutz-Verbandsklage gemacht werden können. Es bleibt in Nordrhein-Westfalen aber nicht nur bei der Auswahl an Erlaubnissen und Genehmigungen in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TierschutzVMG NRW: Darüber hinaus kann die Tierschutz-Verbandsklage in Nordrhein-Westfalen gegen „bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken“ (Nr. 2) eingelegt werden. Aufgrund der Verbindung mit dem Kriterium des Erwerbszwecks in § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TierschutzVMG NRW werden „Vorhaben zur privaten (Hobby)Tierhaltung sowie Haltungen zu Lehr- und Forschungszwecken an Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen“ vom Anwendungsbereich der Tierschutz-Verbandsklage ausgenommen.65 Dies ist nachvollziehbar, da die Tierschutzbelange bei der Tierhaltung zu Erwerbszwecken aufgrund wirtschaftlicher Motive besonders gefährdet sind.66 Schließlich kann die Tierschutz-Verbandsklage auch gegen „Anordnungen oder die Unterlassung von Anordnungen nach § 16a Tierschutzgesetz“ (Nr. 3) eingelegt werden. Dass auch die Unterlassung von Anordnungen erfasst wird, ist zweckmäßig. Denn dadurch wird sichergestellt, dass neben der Rechtmäßigkeit von tierschutzrechtlichen Anordnungen auch die Rechtmäßigkeit des Unterlassens tierschutzrechtlicher Anordnungen durch ein Verwaltungsgericht überprüft werden kann.67 Nicht nachvollziehbar ist, warum auch gegen Anordnungen nach § 16a TierSchG 65

NRWLT-Drs. 16/177, 14. NRWLT-Drs. 16/177, 14. 67 NRWLT-Drs. 16/177, 14 f. 66

IV. Nordrhein-Westfalen

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eine Tierschutz-Verbandsklage eingelegt werden kann. Anordnungen nach § 16a TierSchG werden gemäß dem Wortlaut der Vorschrift „zur Beseitigung festgestellter Verstöße“ sowie „zur Verhütung künftiger Verstöße“ getroffen. Diese Anordnungen dienen dem Tierschutz, weshalb nicht ersichtlich ist, warum ein Tierschutzverein hiergegen vorgehen können sollte  – mangels praktischer Relevanz ist § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Alt. 1 TierSchVMG NRW daher überflüssig und deshalb wegzulassen.68 c) Beschränkungen Eine Abweichung von Satz 1 findet sich in § 1 Abs. 1 S. 2 TierschutzVMG NRW, wonach gegen eine Genehmigung für Versuche an Wirbeltieren oder Kopffüßern (§ 8 Abs. 1 TierSchG) nur die Feststellungsklage statthaft ist. Dies habe den Vorteil, dass die Vereinbarkeit einer Genehmigung mit geltendem Recht im Nachhinein gerichtlich überprüft werden kann, der Inhaber der Genehmigung diese aber ohne Verzögerung nutzen könne.69 Der berechtigte Wunsch, eine durch eine unbegründete Tierschutz-Verbandsklage verursachte verspätete – oder sogar verhinderte – Nutzung einer rechtmäßigen Tierversuchsgenehmigung zu vermeiden, kann aber auch durch die Erklärung des Sofortvollzugs nach § 80a VwGO erreicht werden.70 Daher sollte auf die Regelung in § 1 Abs. 1 S. 2 TierschutzVMG NRW verzichtet werden.71 Durch einen Verzicht auf § 1 Abs. 1 S. 2 TierschutzVMG NRW würde sich auch eine Auseinandersetzung mit verschiedenen Bedenken, die bezüglich der Feststellungsklage im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgetragen wurden, erübrigen. Sie sollen der Vollständigkeit halber aber nicht unerwähnt bleiben: So wurde im Gesetzgebungsverfahren unter Anführung von Art. 72 und Art. 74 Abs.  1 Nr.  1 GG vertreten, dass die Differenzierung in § 1 Abs.  1 S.  1 und 2 TierSchVMG NRW mit der in § 42 Abs. 2 VwGO vorgesehenen Ausnahme nicht vereinbar sei, weil der Landesgesetzgeber dadurch „eine Frage des gerichtlichen Verfahrens regeln [würde], obwohl diese bereits umfassend und erschöpfend – mit der Folge der Sperrwirkung durch Bundesrecht (in der Verwaltungsgerichtsordnung)

68 Die forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung Nordrhein-Westfalen. „Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine“. Drucksache 16/177, 2012, NRWLT-Stellungnahme 16/434, 13. 69 NRWLT-Drs. 16/177, 15. 70 Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. (DJGT), Stellungnahme der DJGT zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW, Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/509, 4. 71 Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. (DJGT), Stellungnahme der DJGT zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW, Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/509, 4.

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

normiert“ sei.72 Weiter wurde im Gesetzgebungsverfahren in § 1 Abs. 1 S. 2 TierSchVMG NRW „abweichend vom Normengefüge der VwGO eine neue Form ‚der Feststellungsklage‘“ gesehen, was mit Art. 74 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit Art. 72 Abs. 1 GG nicht vereinbar sei.73 Diese Bedenken können nicht nachvollzogen werden. Die Ausnahme in § 42 Abs. 2 VwGO ist durch die Worte „[s]oweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist“ offen formuliert. Es ist nicht ersichtlich, dass zwar grundsätzlich andere gesetzliche Bestimmungen zulässig sein sollen, dies aber nicht auch für eine andere gesetzliche Bestimmung in Form von nur einer Feststellungsklage für bestimmte Bereiche gelten soll. Zurück zur Vorstellung des nordrhein-westfälischen Gesetzes: § 1 Abs. 1 S. 3 TierSchVMG NRW regelt, dass weder nach Satz 1, noch nach Satz 2 ein Tierschutz-Verbandsklagerecht besteht, „wenn ein dort aufgeführter Verwaltungsakt auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen oder in einem solchen Verfahren als rechtmäßig bestätigt worden ist“. Diese Regelung entspricht § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 Brem.TierSchVKG. Dadurch soll verhindert werden, dass sich ein Gericht mit ein und demselben Verwaltungsakt zweimal beschäftigen muss.74 d) Zulässigkeitsvoraussetzungen § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 1–3 TierSchVMG NRW enthält verschiedene Zulässigkeitsvoraussetzungen für das Tierschutz-Verbandsklagerecht. Erforderlich ist, dass der anerkannte Verein „geltend macht, dass der Erlass eines in Absatz 1 Satz 1 Nummern 1 bis 3 genannten Verwaltungsaktes oder die Unterlassung eines Verwaltungsaktes im Sinne von Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 Vorschriften des Tierschutz 72 Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände NRW, Öffentliche Anhörung zum Entwurf eines Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutz­ vereine (Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/505, S. 4 f. 73 Hüttenbrink, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum „Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine“. Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/177. Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, des Landtags NRW, 2013, NRWLTStellungnahme 16/403, 9; ders. ist der Ansicht, dass „der Bundesgesetzgeber – bezogen auf die Feststellungsklage  – eine abschließende Regelung getroffen“ habe. Problematisiert werden im Fortgang der Argumentation das für eine Feststellungsklage erforderliche Rechtsverhältnis, das Feststellungsinteresse und die Subsidiarität der Feststellungsklage (ders., 10–12). Zutreffender Widerspruch gegen die Ansicht, dass die Feststellungsklage nach § 1 Abs. 1 S. 2 TierSchVMG NRW eine Klage sui generis sei, findet sich bei Kluge, Schriftliche Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des nordrhein-westfälischen Landtages am 20.02.2013 zum Entwurf der Landesregierung zu einem „Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine“ (LT-Drs. 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/471, Anlage, 12 f. 74 NRWLT-Drs. 16/177, 15.

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gesetzes, Rechtsvorschriften, die aufgrund des Tierschutzgesetzes erlassen worden sind, oder unmittelbar geltenden Rechtsakten der Europäischen Union im Anwendungsbereich des Tierschutzgesetzes (tierschutzrelevante Vorschriften) widerspricht“ (Nr. 1). Außerdem ist Voraussetzung, dass der anerkannte Verein „dadurch in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird“ (Nr. 2). Ein entsprechendes Erfordernis findet sich auch in Bremen in § 1 Abs. 2 Nr. 1 Brem.TierSchVKG. Zudem ist in Nordrhein-Westfalen notwendig, dass der anerkannte Verein „zur Mitwirkung nach § 2 Absatz 1 oder 2 berechtigt war und er sich hierbei in der Sache geäußert hat oder ihm entgegen § 2 Absatz 1 oder 2 keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist“ (Nr. 3). § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TierSchVMG NRW lässt sich mit § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TierSchVMG NRW nicht in Einklang bringen: Denn § 2 TierSchVMG NRW enthält für anerkannte Vereine weder in Absatz 1 noch in Absatz 2 ein Mitwirkungsrecht in den Fällen von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TierSchVMG NRW, sodass die Verbandsklage eines anerkannten Vereins in Fällen des § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 TierSchVMG NRW schon daran scheitert, dass sie den Anforderungen von § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TierSchVMG NRW an den anerkannten Verein von vornherein nicht entsprechen kann.75 An dieser Stelle könnte über eine teleologische Reduktion von § 1 Abs.  2 S. 1 Nr. 3 TierSchVMG NRW nachgedacht werden. Wünschenswerter wäre aus Gründen der Klarheit aber die Änderung des Wortlauts von § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TierSchVMG NRW. Der Wortlaut könnte wie folgt neu gefasst werden: „Rechtsbehelfe nach Absatz 1 Satz 1 und Satz 2 sind nur zulässig, wenn der anerkannte Verein […] 3. sich in den Fällen, in denen er zur Mitwirkung nach § 2 Absatz 1 oder 2 berechtigt war, hierbei in der Sache geäußert hat oder ihm entgegen § 2 Absatz 1 oder 2 keine Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist.“ Alternativ kommt auch eine Ergänzung des § 1 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 TierSchVMG NRW um einen Satz in Betracht, der folgende Anforderungen an den anerkannten Verein stellt: „In den Fällen von Absatz 1 Satz 1 Nr. 3 muss der anerkannte Verein den Erlass der Anordnung bei der zuständigen Behörde erfolglos beantragt haben.“76 Will ein anerkannter Verein gegen eine Genehmigung für einen Versuch an Wirbeltieren oder Kopffüßern (§ 8 Abs. 1 TierSchG) vorgehen, so setzt § 1 Abs. 2 S. 2 TierschutzVMG NRW zusätzlich voraus, dass „mindestens zwei Mitglieder der Kommission nach § 15 Absatz 1 Satz 2 Tierschutzgesetz das Vorhaben abgelehnt haben“. Diese Regelung ist nachvollziehbar: Bei einem einstimmigen oder jedenfalls fast einstimmigen Abstimmungsergebnis zum Vorteil des Tierversuchs 75 Deutsche Juristische Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. (DJGT), Stellungnahme der DJGT zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW, Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/509, 4. 76 So der Vorschlag der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht e. V. (DJGT), Stellungnahme der DJGT zu dem Gesetzentwurf der Landesregierung für ein Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (TierschutzVMG NRW, Drucksache 16/177), 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/509, 4.

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

kann davon ausgegangen werden, dass der befürwortete Tierversuch mit dem Tierschutzrecht vereinbar ist.77 Denn in der Kommission nach § 15 Abs. 1 S. 2 TierSchG sitzen auch Vertreter von Tierschutzverbänden.78 Darüber hinaus wurde aus dem Lager der Forscher in diesem Zusammenhang vorgeschlagen, dass die Tierschutz-Verbandsklage nur zulässig sein solle, „wenn die Behörde nicht dem mehrheitlichen Votum ihrer beratenden Kommission folgt“.79 Allerdings erscheint die Hürde für eine Tierschutz-Verbandsklage im Bereich der Forschung dann als zu hoch. Die bisherige Regelung ist ein guter Kompromiss, um die Forschung aufgrund ihrer für die Gesellschaft mitunter sehr wichtigen Arbeit einerseits zu privilegieren, andererseits aber dennoch verwaltungsgerichtliche Kontrollen durch eine Tierschutz-Verbandsklage zu ermöglichen. e) Präklusion § 1 Abs. 3 TierschutzVMG NRW regelt: „Hat der anerkannte Verein Gelegenheit zur Mitwirkung in den Fällen des § 2 Absatz 1 oder 2 gehabt, ist er im Verfahren über den Rechtsbehelf mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die er im Rahmen einer Mitwirkung nicht oder nicht rechtzeitig geltend gemacht hat, aber hätte geltend machen können“. Es handelt sich insoweit um eine materielle Präklusion.80 Diese ist aus zweierlei Gründen zweckmäßig. Zum einen kann sich die zuständige Behörde schon zu einem frühen Zeitpunkt mit möglichen Bedenken auseinandersetzen, wenn ein anerkannter Tierschutzverein seinen Sachverstand schon früh im Verwaltungsverfahren einsetzen muss.81 Zum anderen soll dies die Begünstigten der Behördenentscheidung vor einem unerwarteten Prozessvortrag bewahren.82 f) Frist § 1 Abs. 4 TierschutzVMG NRW lautet: „Ist eine Entscheidung nach Absatz 1 dem anerkannten Verein nicht bekannt gegeben worden, muss der Rechtsbehelf innerhalb eines Jahres erhoben werden, nachdem der Verein von der Entscheidung Kenntnis erlangt hat oder hätte erlangen können“. Diese Vorschrift berücksichtigt die Maßgaben, die obergerichtlich zu § 58 Abs. 2 VwGO (Verwirkung des Klagerechts) aufgestellt wurden, und sorgt für Rechtssicherheit.83 Die zuständige Behörde hat es in der Hand, die Frist von einem Jahr auf nur einen Monat seit der 77

NRWLT-Drs. 16/177, 16. NRWLT-Drs. 16/177, 16. 79 Deutsche Forschungsgemeinschaft, 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/513, 1. 80 NRWLT-Drs. 16/177, 16. 81 NRWLT-Drs. 16/177, 16. 82 NRWLT-Drs. 16/177, 16. 83 NRWLT-Drs. 16/177, 16. 78

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Bekanntgabe zu verringern, indem sie dem anerkannten Tierschutzverein ihre Entscheidung nebst einer korrekten Rechtsbehelfsbelehrung (gegebenenfalls auch erst im Nachhinein) bekannt gibt.84

2. Mitwirkungs- und Informationsrechte Wie in Bremen, so sind auch in Nordrhein-Westfalen in § 2 TierschutzVMG NRW die Mitwirkungs- und Informationsrechte der anerkannten Tierschutzvereine geregelt.85 Wie schon das Verbandsklagerecht selbst, sind im Vergleich der beiden Bundesländer aber auch die Mitwirkungs- und Informationsrechte unterschiedlich ausgestaltet worden. Die Darstellung der Mitwirkungsrechte (a)) wird mit einem Exkurs zu einer möglichen Gefährdung berechtigter Geheimhaltungsinteressen durch die Tierschutz-Verbandsklage verbunden (b)), bevor noch kurz auf die Informationsrechte (c)) eingegangen wird. a) Mitwirkungsrechte Nach § 2 Abs.  1 S.  1 TierschutzVMG NRW muss die zuständige Behörde in näher bestimmten Fällen einem anerkannten Verein „rechtzeitig Gelegenheit zur Äußerung sowie zur Einsicht in die tierschutzrelevanten Sachverständigengutachten“ gewähren, „soweit das Vorhaben den satzungsgemäßen Aufgabenbereich des anerkannten Vereins berührt“. Dieses Mitwirkungsrecht ist vorgesehen, „bei der Vorbereitung von tierschutzrelevanten Rechts- und Verwaltungsvorschriften der für den Tierschutz zuständigen Behörden des Landes“ (Nr. 1) und „vor der Erteilung bau- und immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken“ (Nr.  2). § 2 Abs.  1 S.  2 TierschutzVMG NRW enthält eine Ausnahme hinsichtlich der Mitwirkungsrechte in den Fällen von § 2 Abs.  1 S.  1 Nr.  2 TierschutzVMG NRW, soweit es um die Errichtung von Kleintierställen geht, die nicht mehr als 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt haben. Die Mitwirkungsrechte der anerkannten Tierschutzvereine sind zweckmäßig. Sie dienen dazu, bei einem drohenden Verstoß gegen Tierschutzrecht die diesbezüg 84

NRWLT-Drs. 16/177, 16. S. zu verfassungsrechtlichen Bedenken hinsichtlich der Mitwirkungsrechte gemäß § 2 TierSchVMG NRW Hüttenbrink, Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Landesregierung zum „Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine“. Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/177. Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, des Landtags NRW, 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/403, 7 f. Diese Bedenken werden nicht geteilt. Wendet man die bereits im Rahmen des Verbandsklagerechts selbst dargelegten Grundsätze eines erschöpfenden Gebrauchmachens an, so ist ein planvoller Regelungsverzicht durch den Bundesgesetzgeber auch bezüglich Mitwirkungsrechten im Kontext der Tierschutz-Verbandsklage nicht erkennbar. 85

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

lichen tierschutzrechtlichen Bedenken schon zu einem frühen Zeitpunkt vortragen zu können.86 Ein großer Unterschied zur Rechtslage in Bremen besteht aufgrund der in Bremen fehlenden Regelung des § 2 Abs. 2 TierschutzVMG NRW. Danach ist die zuständige Behörde verpflichtet, „einem anerkannten Verein auf dessen Verlangen in Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren nach § 4 a Absatz 2 Nummer 2, § 6 Absatz 3, § 8 Absatz 1 und § 11 Absatz 1 Tierschutzgesetz sowie nach § 2 Absatz 1 Satz 2 dieses Gesetzes [also des TierschutzVMG NRW] Gelegenheit zur Äußerung zu geben“. § 4a Abs. 2 Nr. 2 TierSchG regelt die Ausnahmegenehmigung für ein betäubungsloses Schlachten eines warmblütigen Tieres. In § 6 Abs. 3 TierSchG geht es um die Erlaubnis zum „Kürzen der Schnabelspitzen von Legehennen bei unter zehn Tage alten Küken“ (Nr. 1), zum „Kürzen der Schnabelspitzen bei Nutzgeflügel, das nicht unter Nummer 1 fällt“ (Nr. 2) und zum „Kürzen des bindegewebigen Endstückes des Schwanzes von unter drei Monate alten männlichen Kälbern mittels elastischer Ringe“ (Nr. 3). § 8 Abs. 1 TierSchG enthält Regelungen zur Genehmigung von Versuchsvorhaben an Wirbeltieren oder Kopffüßern. § 11 Abs. 1 TierSchG listet eine Reihe weiterer Fälle auf, in denen eine Erlaubnis erforderlich ist. Es ist zweckmäßig, den anerkannten Tierschutzvereinen insofern die Mitwirkung zu ermöglichen. Denn diese Verwaltungsverfahren sind für die Tierschutzbelange von großer Bedeutung.87 Zweckmäßig ist auch, dass die Mitwirkung des anerkannten Tierschutzvereins an sein entsprechendes Verlangen gekoppelt wird. So wird ein überflüssiger Aufwand der zuständigen Behörde „bei diesen zahlenmäßig umfangreichen Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren“ verhindert.88 § 2 Abs. 3 S. 1 TierschutzVMG NRW nimmt Bezug auf §§ 28 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3; 29 Abs. 2 des Nordrhein-Westfälischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (nachfolgend VwVfG NRW), die sinngemäß Anwendung finden. Gemäß § 2 Abs. 3 S. 2 TierschutzVMG NRW muss der anerkannte Verein „Einwendungen innerhalb von vier Wochen, nachdem ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben wurde, gegenüber der zuständigen Behörde […] erheben“. Dadurch wird gewährleistet, dass sich das Verwaltungsverfahren durch die Mitwirkung eines anerkannten Tierschutzvereins nicht verspätet.89 § 2 Abs. 4 TierschutzVMG NRW stellt klar: „In anderen Rechtsvorschriften vorgeschriebene inhaltsgleiche oder weitergehende Formen der Mitwirkung des anerkannten Vereins bleiben unberührt“. Bevor die Informationsrechte in den Blick genommen werden, soll noch einmal ausführlicher auf den Verweis von § 2 Abs. 3 S. 1 TierschutzVMG NRW auf § 29 Abs. 2 VwVfG NRW zurückgekommen werden. Dieser Verweis dient dem Schutz von öffentlichen sowie privaten Geheimhaltungsinteressen.90 Etwaigen durch ein 86

NRWLT-Drs. 16/177, 16 f. NRWLT-Drs. 16/177, 17. 88 NRWLT-Drs. 16/177, 17. 89 NRWLT-Drs. 16/177, 17. 90 NRWLT-Drs. 16/177, 17. 87

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Sachverständigengutachten betroffenen schützenswerten Geheimhaltungsinteressen kann dadurch Rechnung getragen werden, dass die zuständige Behörde die betroffenen Passagen beispielsweise durch Schwärzung unlesbar macht oder – falls ein unkenntlich machen unmöglich ist  – die Einsicht insgesamt ablehnt.91 Mitunter wurden im Gesetzgebungsverfahren datenschutzrechtliche Bedenken angemeldet.92 Weil es zu den stärksten Argumenten gegen die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage gehört, folgt an dieser Stelle ein Exkurs zu dem Problem der Gefährdung von Geheimhaltungsinteressen. b) Exkurs: Gefahr für berechtigte Geheimhaltungsinteressen Bezüglich der Tierschutz-Verbandsklage wird mitunter befürchtet, dass durch ihre Einführung berechtigte Geheimhaltungsinteressen verletzt werden könnten.93 Insoweit wird zuerst das Problem (aa)) aufgezeigt und sodann die Möglichkeiten des Schutzes berechtigter Geheimhaltungsinteressen durch das Verwaltungsverfahrensgesetz (bb)) und die Verwaltungsgerichtsordnung (cc)) vorgestellt. aa) Gefahr durch Mitwirkungs- und Informationsrechte Kritik begegnet der Tierschutz-Verbandsklage, soweit mit ihr frühzeitige Informationsrechte der Tierschutzvereine bezüglich Forschungsvorhaben verknüpft sind.94 Sorge besteht insofern unter datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten und bezüglich schützenswerten fortschrittlichen Einfällen von Forschern, die einem internationalen Wettbewerb ausgesetzt sind.95 Kritisiert wird auch, dass Vereinsmitglieder, also Privatpersonen, viele unternehmens- und personenbezogene Daten sowie bau- oder immissionsschutzrechtliche Angaben eines Antragstellers bezüglich dessen Bauvorhaben einsehen könnten, was bisher nur staatlichen Stellen möglich gewesen sei.96 Anerkannte Tierschutzvereine und damit ihre Mitglieder 91

NRWLT-Drs. 16/177, 17. S. Rheinischer Landwirtschafts-Verband e. V./Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e. V., Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine. Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/177. Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 20. Februar 2013, 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/402, Anlage, 1 f. 93 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 94 S. Balling/Jacobsen, Gemeinsame Stellungnahme des VBBM und des vdbiol zur Verbandsklage für Tierschutzverbände, BIOspektrum 3/04, S. 281, http://www.biospektrum.de/blatt/d_ bs_pdf&_id=934206 (Stand: 1.8.2017). 95 Balling/Jacobsen, Gemeinsame Stellungnahme des VBBM und des vdbiol zur Verbandsklage für Tierschutzverbände, BIOspektrum 3/04, S. 281, http://www.biospektrum.de/blatt/d_ bs_pdf&_id=934206 (Stand: 1.8.2017). 96 Rheinischer Landwirtschafts-Verband e.  V./Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e. V., Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine. 92

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

würden zumindest in dem gerichtlichen Tierschutz-Verbandsklageverfahren wegen der Vorschrift des § 100 VwGO von sämtlichen relevanten Angaben sowie Daten bezüglich eines Genehmigungsverfahrens Kenntnis erlangen, wovon nicht nur tierschutzrechtlich bedeutende, sondern oft den Bauherrn sowie Familienangehörige „höchst persönlich betreffende[…] Angaben und Daten“ betroffen seien.97 Fraglich ist nachfolgend, ob diese schwerwiegenden Befürchtungen tatsächlich gegen die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage sprechen, oder ob die Bedenken schon mit den Mitteln des geltenden Rechts ausgeräumt werden können. bb) Schutz durch das Verwaltungsverfahrensgesetz Ein Akteneinsichtsrecht nach § 29 VwVfG von Beteiligten besteht in Verwaltungsverfahren, sofern die Anforderungen des § 29 Abs. 1 VwVfG erfüllt und keine Ausnahme gemäß § 29 Abs. 1 S. 2, 3, Abs. 2 VwVfG einschlägig ist.98 Berechtigte Geheimhaltungsinteressen sind über § 29 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 VwVfG geschützt:99 Gemäß § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG ist die Behörde verpflichtet, „den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist“. Ist die Kenntnis der Akten nur teilweise erforderlich, so ist auch lediglich ein entsprechend eingeschränkter Anspruch auf Akteneinsicht gegeben.100 Nach § 29 Abs. 2 VwVfG muss die Behörde keine Akteneinsicht gewähren, „soweit durch sie die ordnungsgemäße Erfüllung der Aufgaben der Behörde beeinträchtigt, das Bekanntwerden des Inhalts der Akten dem Wohle des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder soweit die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach, namentlich wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen, geheim gehalten werden müssen“. Vorliegend ist insbesondere die dritte Variante, und zwar in Form privater Geheimhaltungsinteressen, relevant. § 29 Abs. 2 Var. 3 VwVfG hat sich an § 99 Abs. 1 VwGO orientiert.101 Zu den privaten Geheimhaltungsinteressen können unter anderem „auch die familiären Verhältnisse, Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie Betriebs- und GeGesetzent­wurf der Landesregierung, Drucksache 16/177. Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 20. Februar 2013, 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/402, Anlage, 1. 97 Rheinischer Landwirtschafts-Verband e. V./Westfälisch-Lippischer Landwirtschaftsverband e. V., Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine. Gesetzentwurf der Landesregierung, Drucksache 16/177. Öffentliche Anhörung des Ausschusses für Klimaschutz, Umwelt, Naturschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz am 20. Februar 2013, 2013, NRWLT-Stellungnahme 16/402, Anlage, 2. 98 Schwarz in Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, Handkommentar, 4. Aufl. 2016, § 29 Rn. 1. 99 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 100 Herrmann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 29 Rn. 15 mit Verweis auf den Wortlaut von § 29 Abs. 1 S. 1 VwVfG („soweit“). 101 Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Aufl. 2016, § 29 Rn. 36.

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schäftsgeheimnisse“ zählen.102 Zwischen Informations- und privatem Geheimhaltungsinteresse findet in Anwendung des § 29 Abs. 2 Var. 3 VwVfG eine einzelfallbezogene Güter- und Interessenabwägung statt.103 Ein Akteneinsichtsrecht besteht jedenfalls nicht, wenn Akten „unter keinem denkbaren Gesichtspunkt für die Entscheidung von Bedeutung sein können, etwa bei missbräuchlichen, offensichtlich querulatorischen Begehren“.104 Die Vorschrift des § 29 VwVfG ist „Ausdruck eines umfassenderen allgemeinen Rechtsgedankens, der unmittelbar im Rechtsstaatsprinzip wurzelt“.105 Man kann daher auch bezüglich der Mitwirkungsrechte im Rahmen der Tierschutz-Verbandsklage auf diese Vorschrift vertrauen. Die Lösung in Nordrhein-Westfalen, in § 2 Abs. 3 S. 1 TierschutzVMG NRW auf § 29 Abs. 2 VwVfG NRW zu verweisen, erscheint mithin zweckmäßig. cc) Schutz durch die Verwaltungsgerichtsordnung Der Vollständigkeit halber wird neben dem Verwaltungsverfahrensgesetz auch die Verwaltungsgerichtsordnung auf der Suche nach Schutz für berechtigte Geheimhaltungsinteressen in den Blick genommen: Gemäß § 100 Abs. 1 VwGO dürfen die Beteiligten „die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen“. § 100 Abs. 3 VwGO legt fest, wann Akteneinsicht nicht zu gewähren ist. Private Geheimhaltungsinteressen werden von § 100 Abs. 3 VwGO aber nicht ausdrücklich als Ausnahme genannt. Neben § 100 Abs. 3 VwGO und dem im Zwischenverfahren anzuwendenden § 99 Abs. 2 S. 9 VwGO (und § 138 Abs. 3 S. 2 TKG bezüglich dem Telekommunikationsrecht) „sind normativ keine weiteren Ausnahmen vom Akteneinsichtsrecht vorgesehen“.106 Ausnahmen vom Akteneinsichtsrecht in Bezug auf „geheime, höchstpersönliche Urkunden, Berichte“ etc. sind in § 100 VwGO nicht enthalten, „da der Gesetzgeber davon ausging, dass solche Unterlagen schon nach § 99 nicht zu den Akten gelangen“.107 Über § 100 VwGO selbst sind private Geheimhaltungsinteressen also nicht geschützt. Womöglich besteht aber ein Schutz über § 99 VwGO: Behörden sind im Rahmen von § 99 Abs. 1 S. 1 VwGO grundsätzlich vorlage-, übermittlungs- und auskunftspflichtig. Nach § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO gilt das allerdings ausnahmsweise unter anderem dann nicht, „wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen“. Von Letzterem werden beispielsweise Betriebs-

102

Herrmann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 29 Rn. 32. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 17. Aufl. 2016, § 29 Rn. 38. 104 Herrmann in Bader/Ronellenfitsch, VwVfG, Kommentar, 2. Aufl. 2016, § 29 Rn. 17. 105 Ritgen in Knack/Henneke, VwVfG, Kommentar, 10. Aufl. 2014, § 29 Rn. 24. 106 Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. II (Stand: 32. EL 2016), § 100 Rn. 28 (Stand: 15. EL 2007). 107 W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 23. Aufl. 2017, § 100 Rn. 3a. 103

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

und Geschäftsgeheimnisse erfasst.108 Auch über die Verwaltungsgerichtsordnung sind die berechtigten Geheimhaltungsinteressen daher ausreichend geschützt. c) Informationsrechte Nach der Auseinandersetzung mit Bedenken gegen Mitwirkungsrechte, sind schließlich auch noch die Informationsrechte in den Blick zu nehmen. § 2 Abs. 5 TierschutzVMG NRW enthält die Informationsrechte der anerkannten Tierschutzvereine. Nach § 2 Abs. 5 S. 1 TierschutzVMG NRW gilt: „Auf Antrag hat die zuständige Behörde den anerkannten Verein über die Anzahl und den Gegenstand laufender Verwaltungsverfahren der in Absatz 2 genannten Art zu informieren“. Dadurch soll einem anerkannten Tierschutzverein schon vorab die Bewertung und Entscheidung ermöglicht werden, ob er im konkreten Fall die Mitwirkung bei einem gegenwärtigen Verfahren begehrt.109 „Auf das Verfahren und die Ablehnungs- und Beschränkungsgründe finden die §§ 3, 5 bis 10 des Informationsfreiheitsgesetzes Nordrhein-Westfalen […] entsprechende Anwendung“, § 2 Abs. 5 S. 2 TierschutzVMG NRW. In Bremen wie in Nordrhein-Westfalen wird also auf das jeweilige Landesinformationsfreiheitsgesetz verwiesen.

3. Anerkennung In § 3 TierschutzVMG NRW ist die Anerkennung der Tierschutzvereine geregelt. Diese wird gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 TierschutzVMG NRW vom für das Gebiet des Tierschutzes zuständigen Ministerium erteilt. Die Voraussetzungen der Anerkennung nach § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 Nr. 1–6 TierschutzVMG NRW entsprechen denen von § 3 Abs.  1 S.  1 und 2 Nr.  1–6 Brem.TierSchVKG. In Nordrhein-Westfalen ist erforderlich, dass „sich der satzungsgemäße Tätigkeitsbereich auf das gesamte Gebiet des Landes erstreckt“ (Nr. 2). In Bremen ist Voraussetzung, dass „der satzungsgemäße Tätigkeitsbereich im Gebiet des Landes liegt“, § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 Brem.TierSchVKG. Es ist aber nicht ersichtlich, dass durch diese sprachliche Differenzierung ein inhaltlicher Unterschied zum Ausdruck kommen sollte. Auch rechtsfähige Vereine, die überregional tätig sind und ihren Sitz nicht in Nordrhein-Westfalen haben, können gemäß § 3 Abs. 1 S. 3 TierschutzVMG NRW bei Einhaltung der Anforderungen von § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3–6 TierschutzVMG NRW anerkannt werden, „wenn eine satzungsgemäße Teilorganisation für das Gebiet des Landes besteht und diese für sich genommen die Anforderungen nach Satz 2 Nummer 3 bis 6 erfüllt“. Hier wird also mehr vorausgesetzt als in Bremen. In 108 Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Kommentar, Bd. II (Stand: 32. EL 2016), § 99 Rn. 21 (Stand: 15. EL 2007) mit weiteren Nachweisen hierzu. 109 NRWLT-Drs. 16/177, 18.

IV. Nordrhein-Westfalen

153

Bremen muss die satzungsgemäße Teilorganisation selbst gemäß § 3 Abs. 1 S. 3 Brem.TierSchVKG nur eine sachgerechte Aufgabenerfüllung gewährleisten. Wie in Bremen (§ 3 Abs. 2 Brem.TierSchVKG), so hat die Anerkennung auch in Nordrhein-Westfalen gemäß § 3 Abs. 2 TierschutzVMG NRW Geltung für das Landesgebiet. Die Vorschrift über Rücknahme und Widerruf der Anerkennung, § 3 Abs. 3 TierschutzVMG NRW, ist identisch mit § 3 Abs. 3 Brem.TierSchVKG. In Nordrhein-Westfalen sind bislang neun Vereine anerkannt, nämlich Animal Rights Watch e. V. (ARIWA), Bundesverband Tierschutz e. V., Deutscher Tierschutzbund e. V., Deutsches Tierschutzbüro e. V., Europäischer Tier- und Naturschutz e. V. (ETN), Landestierschutzverband NRW e. V. (LTV), Menschen für Tierrechte  – Bundesverband der Tierversuchsgegner e. V., Ärzte gegen Tierversuche e. V. und der Bund gegen Missbrauch der Tiere e. V. (Landesgeschäftsstelle NRW).110 Bis auf den Deutschen Tierschutzbund e. V. und Ärzte gegen Tierversuche e. V. haben sich alle anderen anerkannten Tierschutzvereine in einem gemeinsamen Landesbüro in Düsseldorf zusammengeschlossen.111 Dies erscheint zweckmäßig, um durch die Bündelung den finanziellen und zeitlichen Aufwand für die Behörden zu verringern. An dieser Stelle sei noch erwähnt, dass das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen entschieden hat, dass der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen e. V. nicht als Tierschutzverein im Sinne von § 3 TierschutzVMG NRW anzusehen sei.112 Es fehle hierfür an den Anforderungen von § 3 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 TierschutzVMG NRW. Der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen e. V. konnte sich nicht darauf berufen, seiner Satzung zufolge im Sinne des Gesetzes „vorwiegend“ Tierschutzziele zu fördern: Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen „ist der Auffassung, dass die vom Kläger verfolgten Ziele des Naturschutzes, Umweltschutzes und der Landschaftspflege […] mindestens gleichwertig sind mit den Zielen des Tierschutzes […], wenn sie nicht gar überwiegen“, sodass schon deshalb „von einem ‚Vorwiegen‘ der Ziele des Tierschutzes nicht die Rede sein [kann]“.113

110 Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Liste der vom Umweltministerium gemäß § 3 TierschutzVMG NRW anerkannten Vereine (Stand: 23.1.2017), S. 1, abrufbar als „Liste der anerkannten Tierschutzvereine in NRW“ unter https://www.umwelt.nrw.de/laendliche-raeume-landwirtschafttierhaltung/tierhaltung-und-tierschutz/verbandsklagerecht-der-tierschutzvereine/ (Stand: 1.8.2017). 111 Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, Liste der vom Umweltministerium gemäß § 3 TierschutzVMG NRW anerkannten Vereine (Stand: 23.1.2017), S. 2, abrufbar als „Liste der anerkannten Tierschutzvereine in NRW“ unter https://www.umwelt.nrw.de/laendliche-raeume-landwirtschafttierhaltung/tierhaltung-und-tierschutz/verbandsklagerecht-der-tierschutzvereine/ (Stand: 1.8.2017). 112 VG Gelsenkirchen, Urt. v. 17.12.2015 – 16 K 1117/14, AUR 2016, 114. 113 VG Gelsenkirchen, Urt. v. 17.12.2015 – 16 K 1117/14, AUR 2016, 114 (116).

154

5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

4. Geltungsdauer In § 4 ist neben dem Inkrafttreten, § 4 S. 1 TierSchutzVMG NRW, in der neuen Fassung des § 4 S. 2 TierschutzVMG NRW weiter geregelt, dass das Gesetz am 31. Dezember 2018 wieder außer Kraft treten wird.114 Ratsamer erschiene es, wenn dem Außerkrafttreten zunächst eine Evaluation über Auswirkungen und Nutzen des Gesetzes vorangestellt worden wäre. Sofern diese Bewertung nämlich ergeben würde, dass das Gesetz sich in der Praxis bewährt hat, erschiene das starre Außerkrafttreten sinnlos.

V. Saarland Am 23. August 2013 ist im Saarland das Gesetz Nr. 1810 über das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzverbände (Tierschutzverbandsklagegesetz – TSVKG, nachfolgend: Saarl.TSVK) vom 26.  Juni 2013115 in Kraft getreten, § 5 Saarl.TSVKG. Das Gesetz wurde nur einen Tag nach dem nordrhein-westfälischen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz beschlossen. Das saarländische Gesetz erinnert sehr an das nordrhein-westfälische Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz.116 Neben dem Verbandsklagerecht (1.), den Mitwirkungs- und Informationsrechten (2.) und der Anerkennung (3.) bietet im Saarland auch eine Regelung zur, beziehungsweise zum Landesbeauftragten für Tierschutz (4.) Anlass zur Erörterung.

1. Verbandsklagerecht Das Gesetz beginnt auch im Saarland in § 1 mit Regelungen zum Verbands­ klagerecht selbst. Anders als in Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen bezieht sich das Verbandsklagerecht im Saarland nicht ausschließlich auf anerkannte Vereine, sondern darüber hinausgehend auf anerkannte Institutionen. Wie sich aus § 1 Abs. 1 S. 1 Saarl.TSVKG ergibt, fallen unter den Begriff der Institution neben dem Verein auch der Verband und die Stiftung.

114

Nach der alten Fassung von § 4 S. 2 TierschutzVMGNRW sollte das Gesetz „mit Ablauf des 31. Dezember 2017 außer Kraft“ treten (NRWGVBl. 2013, 417). Dieses Datum wurde durch die Änderung des Gesetzes über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine (= Art.  8 des Gesetzes zur Änderung von Vorschriften zum Befristungsmanagement im Geschäftsbereich des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz v. 20.9.2016, NRWGVBl. 2016, 783) um ein Jahr auf den 31.12.2018 verschoben. 115 Saarl.ABl. I 2013, 268. 116 Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (320); dies. weist auf den in § 4 Saarl.TSVKG geregelten Unterschied betreffend der landesrechtlichen Tierschutzbeauftragten hin.

V. Saarland

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Im Übrigen entspricht die Vorschrift ganz überwiegend der Gesetzeslage in Nordrhein-Westfalen. Im Unterschied zu Nordrhein-Westfalen gibt es im Saarland allerdings kein § 1 Abs. 2 S. 2 TierschutzVMG NRW entsprechendes Erfordernis, wonach ein gegen eine Genehmigung für Versuche an Wirbeltieren oder Kopffüßern gerichteter Rechtsbehelf voraussetzt, dass das Versuchsvorhaben von wenigstens zwei Kommissionsmitgliedern (vergleiche § 15 Abs. 1 S. 2 TierSchG) abgelehnt wurde. Im weiteren Unterschied zu Nordrhein-Westfalen ist im Saarland in § 1 Abs. 2 S. 2 Saarl.TSVKG festgehalten, dass die anerkannte Institution im Rahmen von § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Saarl.TSVKG „den Erlass der Anordnung bei der zuständigen Behörde erfolglos beantragt haben“ muss. So wird verhindert, dass die Klage eines anerkannten Tierschutzvereins für die zuständige Behörde unerwartet kommt.117

2. Mitwirkungs- und Informationsrechte § 2 Saarl.TSVKG regelt die Mitwirkungs- und Informationsrechte der anerkannten Institutionen. Die Vorschrift entspricht, auf das Saarland bezogen, der nordrhein-westfälischen Regelung in § 2 TierschutzVMG NRW. Bezüglich der Informationsrechte der anerkannten Institutionen ist gemäß § 2 Abs. 5 Saarl.TSVKG das Saarländische Informationsfreiheitsgesetz heranzuziehen.

3. Anerkennung § 3 Saarl.TSVKG beinhaltet Regelungen zur Anerkennung verschiedener Institutionen. Wie bereits erwähnt, können im Saarland nicht nur Vereine, sondern auch Verbände und Stiftungen anerkannt werden, falls sie im Saarland eingetragen sind, § 3 Abs. 1 S. 1 Saarl.TSVKG. Die Anerkennung wird von der obersten Tierschutzbehörde ausgesprochen. Bezüglich der Voraussetzungen der Anerkennung entspricht § 3 Saarl.TSVKG im Wesentlichen den Vorschriften zur Anerkennung in Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. Im Saarland sind die Tierärztekammer des Saarlandes, die Tierschutzstiftung Saar, der Wildtier- und Artenschutz Saar e. V., der Deutsche Tierschutzbund – Landesverband Saar e. V. und die Tierbefreiungsoffensive Saar e. V. klagebefugt.118 Hinzuweisen ist noch auf die Besonderheit in § 3 Abs.  1 S.  1 Nr.  6 HS 2 Saarl.TSVKG. Danach genügt „bei Institutionen, deren Mitglieder ausschließlich juris­tische Personen sind“ für die Anerkennung, dass die Mehrheit der juristischen

117

Saarl.LT-Drs. 15/385, 11. Arbeitsgemeinschaft für artgerechte Nutztierhaltung e. V., Tierschutz-Verbandsklage und Verbandsklagegesetze im Überblick, http://agfan.org/category/juristische-moeglichkeiten/tier schutz-verbandsklage/ (Stand: 1.8.2017). 118

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

Personen die Voraussetzung von § 3 Abs.  1 S.  1 Nr.  6 HS 1 Saarl.TSVKG erfüllt, also „jedem, der die Ziele der Institution unterstützt, den Eintritt als Mitglied mit vollem Stimmrecht in der Mitgliederversammlung ermöglicht“. Unterschiede zu anderen Bundesländern ergeben sich auch mit Blick auf § 3 Abs. 1 S. 2 Saarl.TSVKG. Dieser ermöglicht es, einen „überregional tätigen Verein mit Sitz außerhalb des Saarlandes“ anzuerkennen, sofern unter anderem eine satzungsgemäße Teilorganisation für das Landesgebiet existiert, welche selbst die Voraussetzungen gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 und 3 bis 6 Saarl.TSVKG erfüllt. Welche der Nummern 1 bis 6 bezüglich der satzungsgemäßen Teilorganisation erfüllt sein müssen, variiert in den bisher vorgestellten Bundesländern. § 3 Abs. 2 Saarl.TSVKG schreibt explizit vor, dass in der Anerkennung „der satzungsmäßige Aufgabenbereich, für den die Anerkennung gilt, zu bezeichnen [ist]“.

4. Landesbeauftragte oder Landesbeauftragter für Tierschutz § 4 Saarl.TSVKG enthält Regelungen zu einer, beziehungsweise einem Tierschutz-Beauftragten im Saarland. Eine solche Regelung lässt sich in den Tierschutz-Verbandsklagegesetzen von Bremen, Hamburg und Nordrhein-Westfalen nicht finden. Es wird deshalb etwas näher auf die Person (a)) und die Aufgaben der oder des Landesbeauftragten für Tierschutz (b)) sowie auf das Merkmal der ehrenamtlichen Tätigkeit (c)) eingegangen. a) Person der oder des Landesbeauftragten für Tierschutz Als Tierschutzbeauftragte oder Tierschutzbeauftragter wird gemäß § 4 Abs. 1 S.  1 Saarl.TSVKG „für die Dauer der Wahlperiode eine tierschutzfachlich anerkannte Persönlichkeit durch den Landtag des Saarlandes gewählt und durch die oberste Tierschutzbehörde ernannt“. Vorschläge dürfen nach § 4 Abs. 1 S. 2 Saarl.TSVKG die anerkannten Institutionen sowie die saarländische Tierärztekammer unterbreiten. § 4 Abs. 1 S. 3 Saarl.TSVKG regelt, dass die Berufung zur oder zum Landesbeauftragten für Tierschutz widerrufen werden kann. b) Aufgaben der oder des Landes-Tierschutzbeauftragten § 4 Abs.  2 Saarl.TSVKG enthält eine Aufzählung an Aufgaben von der oder dem saarländischen Tierschutzbeauftragten. Aufgabe ist danach, die „Beratung der Landesregierung in allen Fragen des Tierschutzes, insbesondere bei Rechtsetzungs­ verfahren des Landes“ (Nr. 1), die „Beratung der Tierschutzbehörden, unter anderem im Falle von Beschwerden von Bürgern über Verstöße gegen das Tierschutzrecht“ (Nr. 2), die „Erarbeitung von Stellungnahmen zu speziellen Tierschutzfragen für die für den Tierschutz zuständigen Behörden“ (Nr. 3), die „Unterbreitung von

VI. Rheinland-Pfalz

157

Vorschlägen und Erarbeitung von Initiativen zur Verbesserung des Tierschutzes im Saarland“ (Nr. 4), „Ansprechpartner für Bürgerinnen und Bürger sowie Tierschutzorganisationen“ zu sein (Nr. 5), die „Information der Öffentlichkeit über die geleistete Tätigkeit“ (Nr. 6) und die „Abgabe eines jährlichen Tätigkeitsberichts an die Landesregierung und den Landtag des Saarlandes“ (Nr. 7). Die Beratung der Landesregierung macht durch Sachkunde geprägte Beiträge sowie Anregungen bezüglich einer fortschreitenden Optimierung des Tierschutzes denkbar.119 c) Ehrenamtliche Tätigkeit Aus § 4 Abs. 3 S. 1 Saarl.TSVKG ergibt sich, dass es sich bei dem Amt der, beziehungsweise des Landesbeauftragten für Tierschutz um ein öffentliches Ehrenamt handelt. Die Auslagen, die für die oder den Tierschutzbeauftragten in Ausübung der Tätigkeit anfallen, werden ihr oder ihm gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 Saarl.TSVKG vom Land erstattet. Möglich ist es, nach § 4 Abs. 3 S. 3 Saarl.TSVKG, für den Kostenersatz eine Pauschale zu vereinbaren.

VI. Rheinland-Pfalz In Rheinland-Pfalz ist am 18. April 2014 das Landesgesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzvereine (TierSchLMVG, nachfolgend: RhPf.TierSchLMVG) vom 3.  April 2014120 in Kraft getreten, § 4 Abs. 1 RhPf.TierSchLMVG. Dem Inhalt des Gesetzes diente maßgeblich das nordrhein-westfälische Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrechte für Tierschutzvereine als Vorbild.121 Dies wird deutlich, wenn man die Mitwirkungsund Informationsrechte (1.), Anerkennungsvoraussetzungen (2.) und die Rechtsbehelfe (3.) betrachtet. Daneben wird noch auf die Evaluierungs- und Berichtspflicht in Rheinland-Pfalz eingegangen (4.).122

1. Mitwirkungs- und Informationsrechte Anders als in Bremen, Hamburg, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland, beginnt das rheinland-pfälzische Gesetz in § 1 RhPf.TierSchLMVG zunächst mit den Mitwirkungsrechten anerkannter Tierschutzvereine. Inhaltlich weist die Vorschrift 119

Saarl.LT-Drs. 15/385, 14. RhPf.GVBl. 2014, 44. 121 RhPf.LT-Drs. 16/2712, 8. 122 S. zum rheinland-pfälzischen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz schon Weidemann/ Rheindorf, Verbandsklage für anerkannte Tierschutzvereine in Rheinland-Pfalz, DVP 2015, 148 ­(149–151). 120

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

die größte Ähnlichkeit mit der entsprechenden nordrhein-westfälischen Regelung auf. Dies gilt sowohl für die Mitwirkungsrechte (a)), als auch für die Informationsrechte (b)). a) Mitwirkungsrechte § 1 Abs. 1 S. 2 RhPf.TierSchLMVG enthält den ersten beachtlichen Unterschied im Vergleich zur nordrhein-westfälischen Gesetzeslage, genauer zu § 2 Abs.  1 S. 2 TierschutzVMG NRW. Die nordrhein-westfälische Ausnahme von dem Mitwirkungsrecht nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 TierschutzVMG NRW „für Vorhaben zur Errichtung von Kleintierställen bis zu 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt“ ist in Rheinland-Pfalz nicht vorgesehen. Stattdessen enthält die neue Fassung des § 1 Abs. 1 S. 2 RhPf.TierSchLMVG eine Ausnahme von dem Mitwirkungsrecht nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 RhPf.TierSchLMVG „im Falle von Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken in Einrichtungen nach § 42 Abs. 1 Satz 1 des Bundesnaturschutzgesetzes“, also bezüglich Zoos.123 § 1 Abs.  2 RhPf.TierSchLMVG und § 2 Abs.  2 TierschutzVMG NRW stimmen inhaltlich insoweit überein, als einem anerkannten Verein von der zuständigen Behörde wegen derselben Genehmigungs- und Erlaubnisverfahren (gemäß §§ 4a Abs. 2 Nr. 2; 6 Abs. 3; 8 Abs. 1; 11 Abs. 1 TierSchG) nach der entsprechenden Beantragung eine Äußerung zu ermöglichen ist. Anders als in Nordrhein-Westfalen, wird anerkannten Tierschutzvereinen in Rheinland-Pfalz darüber hinaus aber kein entsprechendes Mitwirkungsrecht bei geplanten Kleintierställen von maximal 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt eingeräumt. Das rheinland-pfälzische Gesetz enthält ebenfalls weitere spezielle Regelungen. So ist zum einen weitergehend geregelt: „In dem Antrag ist das betreffende Verfahren näher zu bezeichnen“, § 1 Abs. 2 S. 2 RhPf.TierSchLMVG. Die neue Fassung des § 1 Abs. 2 S. 3 RhPf.TierSchLMVG enthält zum anderen eine Ausnahme von dem Mitwirkungsrecht nach § 1 Abs. 2 S. 1 RhPf.TierSchLMVG bezüglich Erlaubnisverfahren gemäß § 11 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 TierSchG, sofern die betroffene Einrichtung ein Zoo ist,124 der „alle Bedingungen des § 42 Abs. 3 Nr. 1 bis 7 des Bundesnaturschutzgesetzes erfüllt“.

123 Die alte Fassung von § 1 Abs. 1 S. 2 RhPf.TierSchLMVG lautete: „[…] Einrichtungen nach § 30 Abs. 1 Satz 1 des Landesnaturschutzgesetzes vom 28. September 2005 (GVBl. S. 387).“, (RhPf.GVBl. 2014, 44). Zoos sind gemäß § 42 Abs. 1 S. 1 BNatSchG „dauerhafte Einrichtungen, in denen lebende Tiere wild lebender Arten zwecks Zurschaustellung während eines Zeitraumes von mindestens sieben Tagen im Jahr gehalten werden“. 124 Die alte Fassung von § 1 Abs. 2 S. 3 RhPf.TierSchLMVG lautete: „[…] Einrichtung nach § 30 Abs. 1 Satz 1 des Landesnaturschutzgesetzes […]“, (RhPf.GVBl. 2014, 44).

VI. Rheinland-Pfalz

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b) Informationsrechte Auch wenn in der Überschrift von § 1 RhPf.TierSchLMVG nur von Mitwirkungsrechten anerkannter Tierschutzvereine die Rede ist, enthält auch die rheinland-pfälzische Vorschrift Regelungen zu Informationsrechten. Erwähnt sei insofern, dass bezüglich Verfahren, Ablehnungs- sowie Beschränkungsgründen gemäß der neuen Fassung des § 1 Abs. 5 S. 2 RhPf.TierSchLMVG „die §§ 5 und 11 bis 17 des Landestransparenzgesetzes […]125 entsprechende Anwendung [finden]“.

2. Anerkennung § 2 RhPf.TierSchLMVG regelt die Anerkennung der Tierschutzvereine. Die Anerkennungsvoraussetzungen sind in den bisher behandelten Bundesländern im Grunde identisch. In Rheinland-Pfalz wird in Abweichung zu den anderen bisher vorgestellten Bundesländern in § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 RhPf.TierSchLMVG ausdrücklich betont, dass der rechtsfähige Verein „insbesondere nach demokratischen Prinzipien organisiert“ sein muss. Neu ist im Vergleich zu den anderen Bundesländern die Voraussetzung, dass der rechtsfähige Verein „jährlich einen Rechenschaftsbericht über seine Tätigkeit sowie über die Herkunft und Verwendung der Haushaltsmittel erstellt und allgemein zugänglich veröffentlicht“, § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 7 RhPf.TierSchLMVG. Diese Nummer 7 ist auch insofern von Bedeutung, als nach § 2 Abs. 1 S. 3 RhPf.TierSchLMVG nur unter Einhaltung der Anforderungen von § 2 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 3–7 RhPf.TierSchLMVG „auch einem überregional tätigen rechtsfähigen Verein mit Sitz außerhalb von Rheinland-Pfalz“ die Anerkennung zugesprochen werden kann, „wenn eine satzungsgemäße Teilorganisation für das Gebiet des Landes besteht und diese für sich genommen die Anforderungen nach Satz 2 Nr. 1 und 3 bis 7 erfüllt“. Wie im Saarland, § 3 Abs. 2 Saarl.TSVKG, so ist auch in Rheinland-Pfalz nach § 2 Abs. 2 RhPf.TierSchLMVG in der für das Landesgebiet geltenden Anerkennung „der satzungsgemäße Aufgabenbereich, auf den sich die Anerkennung bezieht, zu bezeichnen“. Das Erfordernis der Anerkennung grenzt den Kreis denkbarer Akteure spürbar ein.126 In Rheinland-Pfalz sind die Vereine Menschen für Tierrechte – Tierversuchsgegner Rheinland-Pfalz e. V., Deutscher Tierschutzbund – Landesverband Rheinland-Pfalz e. V. und Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) – Landesverband Rheinland-Pfalz e. V. anerkannt.127 125 Die alte Fassung von § 1 Abs. 5 S. 2 RhPf.TierSchLMVG lautete: „[…] finden die §§ 3 und 5 bis 12 des Landesinformationsfreiheitsgesetzes […] in der jeweils geltenden Fassung entsprechende Anwendung.“, (RhPf.GVBl. 2014, 44). 126 Weidemann/Rheindorf, Verbandsklage für anerkannte Tierschutzvereine in RheinlandPfalz, DVP 2015, 148 (151). 127 Ministerium für Umwelt, Energie, Ernährung und Forsten Rheinland-Pfalz, Verbandsklage­ recht für anerkannte Tierschutzvereine, https://mueef.rlp.de/ar/themen/tiere-und-tierwohl/tier schutz/rechtliche-grundlagen-tierschutz/verbandsklagerecht/ (Stand: 1.8.2017).

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

3. Rechtsbehelfe In § 3 RhPf.TierSchLMVG sind die Rechtsbehelfe der anerkannten Tierschutzvereine geregelt. Die Vorschrift weist große Ähnlichkeit mit der entsprechenden Regelung des § 1 TierschutzVMG NRW auf.128 Nach § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 RhPf.TierSchLMVG sind die Rechtsbehelfe eines anerkannten Tierschutzvereins in Rheinland-Pfalz bei Anordnungen gemäß § 16a TierSchG, beziehungsweise bei deren Unterlassung, allerdings auf § 16a Abs. 1 TierSchG begrenzt. Dies weicht von den übrigen Bundesländern ab, die keine Beschränkung auf Absatz 1 des § 16a TierSchG vorgenommen haben. Auch ist den Regelungen in Rheinland-Pfalz eigen, dass gemäß § 3 Abs. 1 S. 2 RhPf.TierSchLMVG die Regelungen in § 1 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 3 RhPf.TierSchLMVG entsprechend Anwendung finden. Zoos werden also nicht nur im Kontext von Mitwirkungsrechten, sondern auch im Zusammenhang mit den Rechtsbehelfen von anerkannten Tierschutzvereinen privilegiert. Teilweise sind im Vergleich der Regelungen in Rheinland-Pfalz und NordrheinWestfalen aber auch inhaltliche Unterschiede gegeben. So muss ein anerkannter Tierschutzverein gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 3 RhPf.TierSchLMVG „in den Fällen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 3 […] den Erlass der Anordnung bei der zuständigen Behörde beantragt haben“. Dies ist zweckmäßig. Denn sofern Anordnungen gemäß § 16a Abs. 1 TierSchG, beziehungsweise deren Unterlassung gegenständlich sind, enthält das Gesetz für anerkannte Tierschutzvereine kein Mitwirkungsrecht.129 Die Anforderung an eine Tierschutz-Verbandsklage, wonach der anerkannte Tierschutzverein im vorhergehenden Verfahren beteiligt gewesen sein muss, könnte ansonsten also nicht eingehalten werden.130 Diese Regelung wurde auch im Saarland aufgenommen (§ 1 Abs. 2 S. 2 Saarl.TSVKG). Im Saarland wurde noch betont, dass der Antrag erfolglos gewesen sein muss, was aber selbstverständlich und damit streng genommen überflüssig ist. Wie im Saarland, so fehlt es auch in Rheinland-Pfalz an einer § 1 Abs. 2 S. 2 TierschutzVMG NRW vergleichbaren Regelung, wonach ein gegen eine Genehmigung eines Versuchsvorhabens an Wirbeltieren oder Kopffüßern gerichteter Rechtsbehelf voraussetzt, dass „mindestens zwei Mitglieder der Kommission nach § 15 Absatz 1 Satz 2 Tierschutzgesetz das Vorhaben abgelehnt haben“. Neu im Vergleich zu allen anderen Bundesländern ist die Regelung des § 3 Abs. 5 RhPf.TierSchLMVG. Darin ist ausdrücklich geregelt: „Rechtsbehelfe nach Absatz 1 sind nur begründet, soweit der Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung gegen für die Entscheidung bedeutsame tierschutzrelevante Vorschriften verstößt und dieser Verstoß Belange des Tierschutzes berührt, die zu den satzungsgemäß geförderten Zielen des anerkannten Tierschutzvereins gehören“. 128

S. auch Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (320). 129 RhPf.LT-Drs. 16/2712, 12. 130 RhPf.LT-Drs. 16/2712, 12.

VII. Schleswig-Holstein

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§ 3 Abs. 5 RhPf.TierSchLMVG trifft damit hinsichtlich Rechtsbehelfen gemäß § 3 Abs. 1 RhPf.TierSchLMVG eine Aussage zum Begründetheitsmaßstab.131 In der Bezugnahme auf die Vereinsaufgaben ist eine Art Ausgleich für die im Regelfall vorausgesetzte Verletzung subjektiver Rechte zu sehen.132

4. Evaluierung und Bericht §  4 RhPf.TierSchLMVG enthält neben dem Inkrafttreten, §  4 Abs. 1 RhPf.TierSchLMVG, auch Regelungen über eine Evaluierungs- und Berichtspflicht. Rheinland-Pfalz ist das erste Bundesland, das besagte Pflichten ein­geführt hat. Gemäß § 4 Abs. 2 RhPf.TierSchLMVG kontrolliert die Landesregierung „die Auswirkungen dieses Gesetzes bei Genehmigungen von Tierversuchen an Wirbeltieren und Kopffüßern sowie Erlaubnissen für die Zucht und Haltung von Wirbeltieren und Kopffüßern zu Versuchszwecken“. Die Landesregierung hat dem Landtag fünf Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, also im Jahr 2019, einen Bericht abzugeben, § 4 Abs. 2 RhPf.TierSchLMVG. Die Evaluierung ist zweckmäßig, sollte aber auf die Auswirkungen des Gesetzes insgesamt erstreckt werden. Denn es ist zumindest denkbar, dass bei den Gerichten, Behörden und eventuell eingebundenen wissenschaftlichen Einrichtungen aufgrund der Mitwirkungs- und Klagemöglichkeiten anerkannter Tierschutzvereine ein größerer Arbeitsaufwand entsteht.133 Es gibt in Rheinland-Pfalz noch keine Erfahrungswerte betreffend die Tierschutz-Verbandsklage, sodass die Höhe von dadurch möglicherweise entstehenden Kosten nicht zuverlässig prognostiziert werden kann.134 Dies sollte insgesamt einer Überprüfung unterzogen werden.

VII. Schleswig-Holstein In Schleswig-Holstein ist am 27. Februar 2015 das Gesetz zum Tierschutz-Verbandsklagerecht (nachfolgend: SchlHTierSchVKG) vom 22. Januar 2015135 in Kraft getreten, § 4 SchlHTierSchVKG. Auch für dieses Bundesland werden das Verbandsklagerecht (1.), die Mitwirkungs- und Informationsrechte (2.) sowie die Anerkennung (3.) untersucht.

131

RhPf.LT-Drs. 16/2712, 12. Weidemann/Rheindorf, Verbandsklage für anerkannte Tierschutzvereine in RheinlandPfalz, DVP 2015, 148 (151). 133 RhPf.LT-Drs. 16/2712, 2. 134 RhPf.LT-Drs. 16/2712, 2. 135 SchlHGVOBl. 2015, 44. 132

162

5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

1. Verbandsklagerecht § 1 SchlHTierSchVKG beinhaltet Regelungen zu den Rechtsbehelfen der Vereine, also zum Verbandsklagerecht selbst. Die Vorschrift ist (bis auf zwei nicht nennenswerte redaktionelle Abweichungen) identisch mit § 1 TierschutzVMG NRW.136

2. Mitwirkungs- und Informationsrechte § 2 SchlHTierSchVKG enthält Regelungen zur Vereinsmitwirkung und zu einem Informationsanspruch bezüglich dem Tierschutz. Auch dieser Paragraph ist inhaltlich übereinstimmend mit der nordrhein-westfälischen Regelung in § 2 TierschutzVMG NRW. Eine Abweichung findet sich notwendigerweise lediglich in § 2 Abs. 3 S. 1 SchlHTierSchVKG, wonach für die Mitwirkung von Vereinen die §§ 87 Abs.  2 Nr.  1, 2, Abs.  4; 88 Abs.  2 des Landesverwaltungsgesetzes sinngemäß Anwendung finden, während in Nordrhein-Westfalen an entsprechender Stelle auf Vorschriften im Landesverwaltungsverfahrensgesetz verwiesen wird. Außerdem verweist § 2 Abs. 5 S. 2 SchlHTierSchVKG bezüglich dem Verfahren auf die §§ 2 Abs. 1; 4; 5; 6 Abs. 1; 9; 10 des schleswig-holsteinischen Informationszugangsgesetzes.

3. Anerkennung Die Anerkennung der Vereine ist in § 3 SchlHTierSchVKG geregelt. Auch diese Vorschrift entspricht ganz überwiegend der nordrhein-westfälischen Regelung in § 3 TierschutzVMG NRW. Erteilt wird die Anerkennung gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 SchlHTierSchVKG in Schleswig-Holstein von der obersten Tierschutzbehörde. Abweichend von der Regelung in Nordrhein-Westfalen gibt es in Schleswig-Holstein jedoch keine § 3 Abs. 1 S. 3 TierschutzVMG NRW entsprechende Vorschrift, wonach ein überregional tätiger rechtsfähiger Verein, der seinen Sitz außerhalb des Landesgebiets hat, anerkannt werden könnte. In Schleswig-Holstein ist bislang nur der Verein PROVIEH – Verein gegen tierquälerische Massentierhaltung e. V. anerkannt.137

136 S. auch Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (319), die von dem nordrhein-westfälischen und dem schleswig-holsteinischen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz als „den beiden nahezu gleichlautenden Gesetzen“ spricht. 137 Landesportal Schleswig-Holstein, Verbandsklage, http://www.schleswig-holstein.de/DE/ Fachinhalte/T/tierschutz/verbandsklage.html (Stand: 1.8.2017).

VIII. Baden-Württemberg

163

VIII. Baden-Württemberg In Baden-Württemberg ist am 27.  Mai 2015 das Gesetz über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für anerkannte Tierschutzorganisationen (TierSchMVG, nachfolgend: BWTierSchMVG) vom 12. Mai 2015 in Kraft getreten, § 8 Abs. 1 BWTierSchMVG. Dem Inhalt des baden-württembergischen Gesetzes diente maßgeblich das nordrhein-westfälische Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrecht für Tierschutzvereine als Vorbild.138 Weil das baden-württembergische Gesetz in redaktioneller Hinsicht, strukturell und zum Teil auch inhaltlich wesentlich mehr von dem nordrhein-westfälischen Gesetz abweicht, als die Landesgesetze von Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und dem Saarland, werden die baden-württembergischen Vorschriften nachfolgend etwas ausführlicher wiedergegeben. Gegenstand der Untersuchung sind der Zweck des Gesetzes (1.), die Mitwirkungs- und Informationsrechte (2.), die Rechtsbehelfe (3.), das gemeinsame Büro (4.), die Anerkennung (5.), die Ermächtigungen (6.), die Übergangsvorschrift (7.) sowie die Evaluierungs- und Berichtspflicht (8.).

1. Zweck des Gesetzes § 1 BWTierSchMVG erläutert, anders als alle anderen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze auf Länderebene, zunächst den Gesetzeszweck: „Zweck des Gesetzes ist, einem nach § 5 anerkannten rechtsfähigen Tierschutzverein oder einer rechtsfähigen Stiftung (anerkannte Tierschutzorganisation) mit der Schaffung verfahrensrechtlicher Normen die Mitwirkung in Verwaltungsverfahren und Überprüfungsmöglichkeiten durch Gerichte zu eröffnen, ohne in eigenen Rechten verletzt zu sein. Damit soll ein Beitrag zur Verwirklichung des in Artikel 20 a des Grundgesetzes und Artikel 3 b der Verfassung des Landes Baden-Württemberg verankerten Staatsziels Tierschutz geleistet werden.“ Durch den Programmsatz in § 1 BWTierSchMVG werden Gesetzeszweck sowie Zielsetzung näher dargelegt.139 Weiter enthält § 1 BWTierSchMVG eine Legaldefinition der anerkannten Tierschutzorganisation.140

2. Mitwirkungs- und Informationsrechte § 2 BWTierSchMVG regelt die Mitwirkungs- und Informationsrechte der Tierschutzorganisationen. Die Vorschrift ähnelt § 2 TierschutzVMG NRW. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 4 BWTierSchMVG muss die zuständige Behörde in den dort näher bestimmten Fällen anerkannten Tierschutzorganisationen „rechtzeitig Gelegenheit 138

BWLT-Drs. 15/6593, 10. BWLT-Drs. 15/6593, 13. 140 BWLT-Drs. 15/6593, 13. 139

164

5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

zur Stellungnahme sowie Einsicht in die tierschutzrelevanten Sachverständigengutachten oder die tierschutzrelevanten fachtechnischen Stellungnahmen“ gewähren. Der Fall von Nummer 1 findet sich auch in dem nordrhein-westfälischen Gesetz über das Verbandsklagerecht und Mitwirkungsrecht für Tierschutzvereine (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 TierSchutzVMG NRW). Darüber hinaus wird anerkannten Tierschutzorganisationen in Baden-Württemberg auch „vor Erteilung von Genehmigungen und Erlaubnissen nach § 4 a Absatz 2 Nummer 2, § 6 Absatz 3 und § 11 Absatz 1 Nummer 2 bis 8 des Tierschutzgesetzes (TierSchG)“ ein Mitwirkungsrecht eingeräumt (Nr. 2). Diese Regelung ähnelt etwas § 2 Abs. 2 TierschutzVMG NRW. Ein Mitwirkungsrecht besteht in Baden-Württemberg wie in Nordrhein-Westfalen auch „vor Erteilung bau- und immissionsschutzrechtlicher Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken“ (Nr. 3). Diesbezüglich werden geplante Kleintierställe mit maximal 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt in Baden-Württemberg, anders als in Nordrhein-Westfalen (vergleiche § 2 Abs. 1 S. 2 TierschutzVMG NRW), nicht privilegiert. Sofern es um „Vorhaben zum Halten von landwirtschaftlichen Nutztieren“ geht, besteht das Mitwirkungsrecht gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 BWTierSchMVG aber „nur für Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer standortbezogenen Vorprüfung oder einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach §§ 3 b bis f des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) in Verbindung mit Nummer 7.1 bis 7.11 der Anlage 1 zum UVPG unterliegen“. Der Verweis auf die Schwellenwerte nach dem Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz erscheint als ein geeignetes Unterscheidungsmerkmal, um die Mitwirkungs- und Verbandsklagemöglichkeit lediglich bei für den Tierschutz in besonderem Maße bedeutsamen Vorhaben zu ermöglichen.141 Zusätzlich ist das Mitwirkungsrecht in Baden-Württemberg auch „nach Erteilung von Genehmigungen nach § 8 Absatz 1 und Erlaubnissen nach § 11 Absatz 1 Nummer 1 TierSchG“ vorgesehen (Nr. 4). Anders als in Nordrhein-Westfalen gibt es für die Fälle, bei denen in Baden-Württemberg ein Mitwirkungsrecht vorgesehen ist, nicht die ausdrückliche Einschränkung, dass „das Vorhaben den satzungsgemäßen Aufgabenbereich des anerkannten Vereins“ berühren muss (§ 2 Abs. 1 S. 1 TierschutzVMG NRW). Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 BWTierSchMVG dürfen anerkannte Tierschutzorganisationen des weiteren „über das nach § 4 eingerichtete gemeinsame Büro der anerkannten Tierschutzorganisationen (gemeinsames Büro) bei der zuständigen Behörde beantragen, über den Stand eines bestimmten Verwaltungsverfahrens nach § 16 a TierSchG informiert zu werden“. Mit der Auskunft ist „innerhalb von zwei Wochen nach Eingang des Antrags“ zu rechnen, § 2 Abs. 2 S. 2 BWTierSchMVG. Die Einschaltung des gemeinsamen Büros dient der Verwaltungsvereinfachung.142 Denn so wird dem gemeinsamen Büro eine Übersicht über die Anträge ermöglicht

141

BWLT-Drs. 15/6593, 13 f. BWLT-Drs. 15/6593, 14.

142

VIII. Baden-Württemberg

165

und etwaige Doppelungen sowie Wiederholungen lassen sich auf diesem Wege verhindern.143 Gemäß § 2 Abs. 3 BWTierSchMVG finden § 29 Abs. 1 und 3 des baden-württem­ bergischen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes entsprechend Anwendung, „soweit es sich um Akten handelt, die einen unmittelbaren tierschutzrelevanten Bezug aufweisen“. Nach § 2 Abs.  4 S.  1 BWTierSchMVG gelten §§ 28 Abs.  2 Nr. 1 und 2, Abs. 3; 29 Abs. 2 des baden-württembergischen Landesverwaltungs­ verfahrensgesetzes entsprechend. § 2 Abs. 4 S. 2 BWTierSchMVG zufolge darf eine anerkannte Tierschutzorganisation „Einwendungen und Stellungnahmen nur innerhalb von vier Wochen, nachdem ihr Informationen gemäß Absatz 6 bekannt gegeben wurden, gegenüber der zuständigen Behörde erheben“. Die Vorschrift entspricht § 2 Abs. 3 TierschutzVMG NRW. § 2 Abs. 5 BWTierSchMVG ist inhaltlich identisch mit § 2 Abs. 4 TierschutzVMG NRW. Die Regelung zum Informationsrecht in Nordrhein-Westfalen, § 2 Abs. 5 TierschutzVMG NRW, findet sich so in Baden-Württemberg nicht wieder. Dafür regelt § 2 Abs.  6 S.  1 BWTierSchMVG: „Die zuständige Behörde informiert das gemeinsame Büro über die Vorbereitungen nach Absatz 1 Nummer 1, den Beginn der entsprechenden Verwaltungsverfahren nach Absatz 1 Nummer 2 und 3, den Abschluss der Verwaltungsverfahren nach Absatz 1 Nummer 4 und über das Ergebnis der Auskunftsersuchen nach Absatz 2“. § 2 Abs. 6 S. 2 BWTierSchMVG enthält die Fiktion, dass „[m]it der Bekanntgabe an das gemeinsame Büro […] die Informationen zugleich als jeder anerkannten Tierschutzorganisation bekannt gegeben [gelten]“. Die in § 2 Abs. 6 BWTierSchMVG festgelegte Bündelung dient der Rechtssicherheit bei Behörden und anerkannten Tierschutzorganisationen.144 Indem die anerkannten Tierschutzorganisationen schon frühzeitig beteiligt werden, können die zuständigen Behörden sich noch vor ihrer Entscheidung mit etwaigen tierschutzrechtlichen Sorgen auseinandersetzen.145 Daneben lässt eine frühe Mitwirkung „eine gesellschaftspolitische Befriedigungswirkung“ erwarten.146

3. Rechtsbehelfe § 3 BWTierSchMVG enthält Regelungen über die Rechtsbehelfe anerkannter Tierschutzorganisationen. Die Vorschrift weist Ähnlichkeiten mit dem nordrheinwestfälischen § 1 TierschutzVMG NRW auf:147 In Baden-Württemberg dürfen anerkannte Tierschutzorganisationen in näher bestimmten Fällen „ohne die Verletzung 143

BWLT-Drs. 15/6593, 14. BWLT-Drs. 15/6593, 15. 145 BWLT-Drs. 15/6593, 12. 146 BWLT-Drs. 15/6593, 12. 147 S. auch Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (320). 144

166

5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

eigener Rechte geltend machen zu müssen, Widerspruch und Klage nach § 42 Absatz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung einlegen“, § 3 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 BWTierSchMVG. Widerspruch und Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage kommen – „soweit es sich dabei nicht um Maßnahmen oder Unterlassungen von Bundesbehörden handelt“  – in Betracht gegen „Genehmigungen und Erlaubnisse nach § 4 Absatz 3 Satz 3, § 4  a Absatz 2 Nummer 2, § 6 Absatz 3, § 11 Absatz 1 Nummer 2 bis 8 TierSchG“ (Nr.  1 ), „bau- und immissionsschutzrechtliche Genehmigungen für Vorhaben zum Halten von Tieren zu Erwerbszwecken im Sinne des § 2 Absatz 1 Nummer 3“ (Nr. 2), „Anordnungen oder die Unterlassung von Anordnungen nach § 16 a TierSchG oder einer unmittelbar geltenden Bestimmung eines Rechtsakts der Europäischen Union zum Schutze des Wohlergehens der Tiere“ (Nr. 3). Gemäß § 3 Abs. 2 S. 1 BWTierSchMVG müssen anerkannte Tierschutzorganisationen „keine Verletzung in ihren Rechten geltend machen, soweit ihr Klagebegehren auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Genehmigung nach § 8 Absatz 1 oder einer Erlaubnis nach § 11 Absatz 1 Nummer 1 TierSchG gerichtet ist“. Nach § 3 Abs. 2 S. 2 BWTierSchMVG bestehen die Rechtsbehelfe nach § 3 Abs. 1 BWTierSchMVG und § 3 Abs. 2 S. 1 BWTierSchMVG nicht „wenn ein dort aufgeführter Verwaltungsakt auf Grund einer Entscheidung in einem verwaltungsgerichtlichen Streitverfahren erlassen oder in einem solchen Verfahren als rechtmäßig bestätigt worden ist“. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen in § 3 Abs. 3 BWTierSchMVG sind im Wesentlichen mit denen der nordrhein-westfälischen Vorschrift in § 1 Abs.  2 TierschutzVMG NRW vergleichbar. Gleiches gilt für die Präklusionsregelung in § 3 Abs. 4 BWTierSchMVG und die nordrhein-westfälische Vorschrift in § 1 Abs. 3 TierschutzVMG NRW. Gemäß § 3 Abs. 5 S. 1 BWTierSchMVG sind die in § 3 Abs. 1 BWTierSchMVG genannten Verwaltungsakte „dem gemeinsamen Büro als Bevollmächtigtem der anerkannten Tierschutzorganisationen bekannt zu geben“. Nach § 3 Abs.  5 S.  2 BWTierSchMVG findet § 41 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes entsprechende Anwendung. § 3 Abs. 5 S. 3 BWTierSchMVG zufolge gilt „[d]ie Bekanntgabe gegenüber dem gemeinsamen Büro […] als Bekanntgabe gegenüber jeder anerkannten Tierschutzorganisation. § 3 Abs. 5 S. 4 BWTierSchMVG regelt, dass die Bekanntgabe von einem in § 3 Abs. 1 BWTierSchMVG genannten Verwaltungsakt „auch für den Fall, dass der Verwaltungsakt weder öffentlich noch dem gemeinsamen Büro bekannt gegeben wurde, als zu dem Zeitpunkt erfolgt [gilt], in dem das gemeinsame Büro von dem Verwaltungsakt tatsächlich Kenntnis erlangt hatte oder hätte erlangen können“. Diese in § 3 Abs. 5 BWTierSchMVG vorgesehene Bündelung sorgt für ein einheitliches Verwaltungsverfahren sowie für einheitliche Entscheidungen.148

148

BWLT-Drs. 15/6593, 18.

VIII. Baden-Württemberg

167

4. Gemeinsames Büro § 4 BWTierSchMVG enthält Regelungen zum gemeinsamen Büro anerkannter Tierschutzorganisationen. Baden-Württemberg ist bislang das einzige Bundesland, indem die Einrichtung eines gemeinsame Büros der Tierschutzorganisationen in dem Verbandsklagegesetz selbst geregelt wurde. Dieses Büro ist von den anerkannten Tierschutzorganisationen gemäß § 4 Abs. 1 S. 1 BWTierSchMVG „in der Rechtsform einer juristischen Person des Privatrechts“ einzurichten. Die konkrete verbindliche Rechtsform ist erforderlich, weil das Büro an Stelle der anerkannten Tierschutzorganisationen und letzteren zurechenbar mit rechtlicher Verbindlichkeit Aufgaben erledigt.149 Sofern eine anerkannte Tierschutzorganisation „die satzungsmäßigen Ziele des gemeinsamen Büros unterstütz[t]“, muss ihm nach § 4 Abs. 1 S. 2 BWTierSchMVG die Mitgliedschaft mit umfassendem Stimmrecht in der Mitgliederversammlung möglich gemacht werden. Denn es ist immanenter Bestandteil der Anerkennung der Tierschutzorganisation, dass diese Mitglied des gemeinsamen Büros ist.150 Gemäß § 4 Abs. 1 S. 3 BWTierSchMVG ist es erlaubt, „[e]ine Gewichtung des Stimmrechts im Verhältnis zu den Mitgliederzahlen der einzelnen Tierschutzorganisationen“ vorzunehmen. Zwar dürfen die Rechte der anerkannten Tierschutzorganisationen nicht durch Beschlüsse oder Abläufe innerhalb des gemeinsamen Büros beschränkt oder gar ausgeschlossen werden.151 Jedoch ist es unter Umständen angebracht, im Sinne einer interessengerechten internen Vertretung eine Stimmgewichtung unter Berücksichtigung der Mitgliederzahlen der Tierschutzorganisationen zuzulassen.152 § 4 Abs. 1 S. 4 BWTierSchMVG zufolge ist die Satzung des gemeinsamen Büros der anerkannten Tierschutzorganisationen „[d]em für den Tierschutz zuständigen Ministerium […] zur Genehmigung vorzulegen“. Diese Genehmigungspflicht ist angesichts der großen Relevanz der Teilhaberechte der Tierschutzorganisationen notwendig.153 § 4 Abs. 2 S. 1 BWTierSchMVG ermöglicht es dem gemeinsamen Büro, „Mitglieder aus[zu]schließen, die nach Abmahnung wiederholt oder schwerwiegend gegen die satzungsmäßigen Ziele des gemeinsamen Büros verstoßen oder das gemeinsame Büro nicht aktiv unterstützen“. Zuvor ist nach § 4 Abs. 2 S. 2 BWTierSchMVG „das für den Tierschutz zuständige Ministerium zu unterrichten“. Der Mitgliederausschluss ist stets nur ultima ratio.154 „Das gemeinsame Büro nimmt im Auftrag der Mitglieder die nach § 2 Absatz 6 Satz 1 bekannt zu gebenden Informationen und die nach § 3 Absatz 5 Satz 1 bekannt zu gebenden Verwaltungsakte entgegen und leitet diese unverzüglich an die Mitglieder weiter“, § 4 Abs.  3 S.  1 BWTierSchMVG. Nach § 4 Abs.  3 S.  2 149

BWLT-Drs. 15/6593, 18. BWLT-Drs. 15/6593, 18. 151 BWLT-Drs. 15/6593, 18. 152 BWLT-Drs. 15/6593, 18 f. 153 BWLT-Drs. 15/6593, 19. 154 BWLT-Drs. 15/6593, 19. 150

168

5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

BWTierSchMVG muss das gemeinsame Büro dafür Sorge tragen, „dass bezüglich der in Satz 1 genannten Informationen und Verwaltungsakte Vertraulichkeit sichergestellt ist und dass diese ausschließlich an die Mitglieder des gemeinsamen Büros weiter gegeben werden“. Stellungnahmen von Büromitgliedern werden gemäß § 4 Abs.  3 S.  3 BWTierSchMVG von dem gemeinsamen Büro gebündelt und innerhalb der Frist der zuständigen Behörde übergeben. § 4 Abs. 3 S. 4 BWTierSchMVG stellt klar, dass dem gemeinsamen Büro hierbei keine materielle Prüfungskompetenz zusteht. Weiter wird das gemeinsame Büro gemäß § 4 Abs. 3 S. 5 BWTierSchMVG nicht im Rahmen von hoheitlichen Aufgaben tätig. Nach § 4 Abs. 4 BWTierSchMVG dürfen die Mitglieder „im Rahmen der Satzung regeln, dass dem gemeinsamen Büro zusätzliche Aufgaben übertragen werden können“. Das zentrale gemeinsame Büro der anerkannten Tierschutzvereine erscheint zweckmäßig. Denn der zusätzliche Aufwand für die Behörde beschränkt sich damit regelmäßig zunächst auf die Information des einen Büros bei durchzuführenden Verwaltungsverfahren und darauf, die Mitwirkung zu ermöglichen.155 Die zuständigen Behörden und die anerkannten Tierschutzorganisationen haben dadurch eine zentrale Anlaufstelle und einen zentralen Empfangsbevollmächtigten.156 Eine extra Büroausstattung, nennenswerte zusätzliche Kosten oder einen erheblich gesteigerten Personalaufwand der zuständigen Behörden lässt die Information und Mitwirkung des gemeinsamen Büros nicht erwarten.157 Die Schaffung des gemeinsamen Büros macht es den Behörden einfacher, ihre gesetzlichen Beteiligungsverpflichtungen gegenüber den anerkannten Tierschutzorganisationen zu erfüllen.158 Die Errichtung des gemeinsamen Büros dient also der Effektivität der Mitwirkungsrechte.159

5. Anerkennung § 5 BWTierSchMVG regelt die Anerkennung von Tierschutzvereinen oder Stiftungen. Baden-Württemberg orientiert sich diesbezüglich weitgehend an den Regelungen der übrigen Bundesländer und weist vor allem mit Nordrhein-Westfalen große Gemeinsamkeiten auf. Gemäß § 5 Abs. 1 BWTierSchMVG können in Baden-Württemberg, anders als in den meisten anderen Bundesländern, neben eingetragenen rechtsfähigen Tierschutzvereinen auch rechtsfähige Stiftungen anerkannt werden. Dies ist ansonsten nur noch im Saarland möglich, in dem neben Vereinen und Stiftungen zudem noch Verbände anerkannt werden können, § 3 Abs. 1 Saarl.TSVKG.

155

BWLT-Drs. 15/6593, 2. BWLT-Drs. 15/6593, 12. 157 BWLT-Drs. 15/6593, 2. 158 BWLT-Drs. 15/6593, 18. 159 BWLT-Drs. 15/6593, 18. 156

VIII. Baden-Württemberg

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Neu ist im Vergleich zu den anderen Bundesländern hinsichtlich der Anerkennungsvoraussetzungen (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 bis 7 BWTierSchMVG) dass der Verein oder die Stiftung sich nach Nummer 7 „verpflichtet, die datenschutzrechtlichen Bestimmungen einzuhalten und die aufgrund dieses Gesetzes erhaltenen Daten vertraulich zu behandeln. Die Weitergabe von Unterlagen, insbesondere von personenbezogenen Daten, an Mitglieder der anerkannten Tierschutzorganisationen oder von ihr beauftragte Sachverständige ist ausschließlich zur Verfolgung des in § 1 Satz 1 festgelegten Zwecks zulässig und dabei zugleich auf das notwendige Maß zu beschränken“. Mit entsprechenden Daten muss also vertraulich umgegangen werden.160 Wie in Schleswig-Holstein, fehlt auch in Baden-Württemberg eine § 3 Abs. 1 S. 3 TierschutzVMG NRW vergleichbare Regelung, wonach ein überregional tätiger rechtsfähiger Verein, der seinen Sitz außerhalb des Landesgebiets hat, anerkannt werden kann. In Baden-Württemberg wird die für das Landesgebiet geltende Anerkennung „durch eine Veröffentlichung auf der Internetseite des für den Tierschutz zuständigen Ministeriums bekannt gemacht“, § 5 Abs. 2 BWTierSchMVG. Anerkannt wurden der Deutsche Tierschutzbund – Landesverband Baden-Württemberg e. V. (Landestierschutzverband Baden-Württemberg e. V.), Menschen für Tierrechte  – Tierversuchsgegner Baden-Württemberg e. V. und der Bund gegen Missbrauch der Tiere e. V. (Geschäftsstelle Baden-Württemberg).161 Neu ist die ausdrückliche Regelung in § 5 Abs. 3 S. 1 BWTierSchMVG, wonach die Anerkennung „auch nachträglich mit der Auflage verbunden werden [kann], dass Satzungsänderungen mitzuteilen sind“. Die Regelungen über Rücknahme und Widerruf weisen gegenüber dem nordrhein-westfälischen Gesetz insoweit eine Besonderheit auf, als die Anerkennung auch dann zu widerrufen ist, wenn „wiederholt schwerwiegend gegen Absatz 1 Nummer 7 verstoßen wird“ oder „wenn keine Mitgliedschaft im gemeinsamen Büro nach § 4 besteht oder nicht mehr besteht“, § 5 Abs. 3 S. 3 und 4 BWTierSchMVG.

6. Ermächtigungen § 6 Nr. 1–3 BWTierSchMVG enthält verschiedene Ermächtigungen des für den Bereich des Tierschutzes zuständigen Ministeriums, was bislang ebenfalls allein in Baden-Württemberg explizit in das Verbandsklagegesetz aufgenommen wurde. Danach kann besagtes Ministerium per Rechtsverordnung „die Ausgestaltung oder 160

BWLT-Drs. 15/6593, 19. Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg, Liste der vom Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz gemäß § 5 Abs. 1 TierSchMVG anerkannten Tierschutzvereine (Stand 10. Mai 2017), abrufbar als „Liste der vom MLR gemäß § 5 Abs. 1 TierSchMVG anerkannten Tierschutzvereine“ unter https://mlr.baden-wuerttemberg. de/de/unsere-themen/tierschutz-tiergesundheit/tierschutz/mitwirkungs-und-verbandsklage recht/ (Stand: 1.8.2017). 161

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

den Ablauf des Verfahrens nach § 2 Absatz 6 und § 3 Absatz 5, insbesondere zu Form und Inhalt der zu übermittelnden Daten sowie Art und Weise einer elektronischen Datenübermittlung an das gemeinsame Büro“ regeln (Nr. 1), „Kriterien, die eine Gleichbehandlung aller anerkannten Tierschutzorganisationen innerhalb des gemeinsamen Büros nach § 4 gewährleisten“ regeln (Nr. 2) und „nähere Kriterien und deren Nachweise für eine Anerkennung nach § 5 Absatz 1 Nummer 1 bis 4, insbesondere Nachweise, die eine landesweite Tätigkeit belegen, oder Kriterien, die die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung nach § 5 Absatz 1 Nummer 4 konkretisieren, zum Beispiel durch Festlegung von Mindestmitgliederzahlen der Tierschutzorganisation oder der nachzuweisenden beruflichen Qualifikation“ regeln (Nr. 3). In Baden-Württemberg wurde von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und die Verordnung des Ministeriums für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz zur Durchführung des Gesetzes über Mitwirkungsrechte und das Verbandsklagerecht für Tierschutzorganisationen (DVO TierSchMVG) vom 8. Juli 2016 erlassen.162 Die Vorschrift ist zweckmäßig. Denn so kann der Ablauf rund um die neue Tierschutz-Verbandsklage wegen sachlicher Gründe mittels nachträglicher Vorgaben verbessert werden und es kann zu einem besseren Schutz geistigen Eigentums sowie personenbezogener Daten führen, wenn die weiterzuleitenden Daten genauer bestimmt werden.163

7. Übergangsvorschrift In Baden-Württemberg ist als bislang einzigem Bundesland in § 7 BWTierSchMVG eine Übergangsvorschrift in dem Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz enthalten. Danach gilt das BWTierSchMVG „nicht für Verfahren nach § 2 Absatz 1 Nummer 2 und 3, die vor Inkrafttreten dieses Gesetzes durch einen Antrag eingeleitet und für die alle erforderlichen Unterlagen vorgelegt wurden, sowie für vor Inkrafttreten dieses Gesetzes erteilte Genehmigungen und Erlaubnisse nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 und 2“. Es handelt sich bei der Vorschrift aber lediglich um eine deklaratorische Klarstellung.164 Die Regelung ist damit also überflüssig.

8. Evaluierung und Bericht § 8 BWTierSchMVG regelt abschließend neben dem Inkrafttreten, § 8 Abs. 1 BWTierSchMVG, wie Rheinland-Pfalz (§ 4 Abs. 2 RhPf.TierSchLMVG) eine Evaluierungs- und Berichtspflicht. So sind die Auswirkungen des BWTierSchMVG 162

BWGBl. 2016, 441. BWLT-Drs. 15/6593, 20. 164 BWLT-Drs. 15/6593, 20. 163

IX. Niedersachsen

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gemäß § 8 Abs. 2 BWTierSchMVG zu überprüfen und die Landesregierung muss diesbezüglich dem Landtag gegenüber drei Jahre nach Inkrafttreten des Gesetzes, also im Jahr 2018, einen Bericht abgeben. Anders als in Rheinland-Pfalz ist der Gegenstand der Überprüfung damit nicht eingegrenzt, was zu begrüßen ist. In Rheinland-Pfalz wurde ein Zeitraum von fünf Jahren gewählt. Der Zeitraum von fünf Jahren scheint geeigneter, um eine aussagekräftige Evaluation vornehmen zu können, weil dann mehr gesammelte Erfahrungen zu erwarten sind. Die vorgeschriebene Evaluierung ist an sich eine zweckmäßige Regelung. Denn welcher Aufwand tatsächlich entsteht, kann erst anhand genügender Erfahrungen mit der Anwendung des Gesetzes unter Auswertung von dann vorliegenden Daten näher bestimmt werden.165 Durch die Evaluation können etwaig notwendige Anpassungen des Gesetzes vorgenommen werden.166

IX. Niedersachsen In Niedersachsen ist am 21.  April 2017 das Gesetz über Mitwirkungs- und Klage­rechte von Tierschutzorganisationen vom 6.  April 2017167 (nachfolgend: Nds.TierSchVKG) in Kraft getreten, § 4 Nds.TierSchVKG. Seither besteht in der Hälfte der Bundesländer die Möglichkeit, unter bestimmten Voraussetzungen eine Tierschutz-Verbandsklage zu erheben. Auch das niedersächsische Gesetz wird bezüglich den darin enthaltenen Mitwirkungsrechten (1.), Klagerechten (2.) sowie der Anerkennungsvoraussetzungen (3.) vorgestellt.

1. Mitwirkungsrechte § 1 Nds.TierSchVKG regelt in Niedersachsen die Mitwirkungsrechte. Diese lassen sich eher mit den nordrhein-westfälischen als mit den bremischen Mitwirkungsrechten vergleichen, weisen aber auch einige Abweichungen auf: § 1 Abs. 1 Nds.TierSchVKG ist vergleichbar mit § 2 Abs. 1 TierschutzVMG NRW. Während in Nordrhein-Westfalen eine Ausnahme von dem Mitwirkungsrecht betreffend „Vorhaben zur Errichtung von Kleintierställen bis zu 50 Kubikmeter Brutto-Rauminhalt“ gesetzlich geregelt ist, § 2 Abs. 1 S. 2 TierschutzVMG NRW, sieht Niedersachsen eine solche Ausnahme bezüglich „Vorhaben zur Errichtung von Ställen bis zu 450 m3 Brutto-Rauminhalt“ vor, § 1 Abs. 1 S. 2 Nds.TierSchVKG. Das Ziel dieser Regelung ist es, dass dadurch „die Verhältnismäßigkeit zwischen den durch das Gesetz eingeräumten Rechten in tierschutzrelevanten Verfahren und damit etwaig einhergehendem Verwaltungs(mehr)aufwand gewahrt werden“.168 Anders 165

BWLT-Drs. 15/6593, 2. BWLT-Drs. 15/6593, 2. 167 Nds.GVBl. 2017, 108. 168 Nds.LT-Drs. 17/5329, 9. 166

172

5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

als in Nordrhein-Westfalen, § 2 Abs.  2 TierschutzVMG NRW, wird in Niedersachsen die Möglichkeit zur Äußerung auf Verlangen nicht auch auf die nach Absatz 1 Satz 2 ausgenommenen Ställe erweitert, § 1 Abs. 2 S. 1 Nds.TierSchVKG. Zudem unterscheidet sich die niedersächsische von der nordrhein-westfälischen Regelung aufgrund der in Nordrhein-Westfalen nicht geregelten Aussage von § 1 Abs. 2 S. 2 Nds.TierSchVKG: „In einem Genehmigungsverfahren nach § 8 Abs. 1 des Tierschutzgesetzes muss einer Tierschutzorganisation, die in einer Kommission nach § 15 Abs. 1 Satz 2 des Tierschutzgesetzes vertreten ist, nicht Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden.“ Während sich § 1 Abs. 3 S. 1 Nds.TierSchVKG und § 2 Abs.  3 S.  1 TierschutzVMG NRW entsprechen, regelt § 1 Abs.  3 S.  2 Nds.TierSchVKG abweichend: „In Verfahren nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 kann die Einsichtnahme auch in entsprechender Anwendung der §§ 8 und 9 des Umwelt­ informationsgesetzes (UIG) verweigert werden.“ Anders als in Nordrhein-Westfalen, § 2 Abs. 3 S. 2 TierschutzVMG NRW, wird in Niedersachsen gemäß § 1 Abs. 4 Nds.TierSchVKG betreffend der Frist für Einwendungen unterschieden: „Die Frist zur Stellungnahme beträgt 1. nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 sechs Wochen, 2. nach Absatz 1 Satz 1 Nr. 2 und Absatz 2 vier Wochen. Die Behörde kann in dringenden Fällen die Frist nach Satz 1 Nr. 1 bis auf drei Wo­ chen und die Frist nach Satz 1 Nr. 2 bis auf zwei Wochen verkürzen.“ In Niedersachsen fehlt es hingegen an einer § 2 Abs. 4 TierschutzVMG NRW vergleichbaren Regelung, wonach inhaltlich gleiche oder darüber hinausgehende Mitwirkungsrechte anderer Rechtsvorschriften unberührt bleiben. § 1 Abs. 5 Nds.TierSchVKG und § 2 Abs. 5 TierschutzVMG NRW unterscheiden sich insoweit, als bezüglich einem Informationsgesuch auf unterschiedliche anzuwendende Vorschriften verwiesen wird. Eine neue Regelung stellt § 1 Abs. 6 Nds.TierSchVKG dar: „Wird in einem Verfahren nach Absatz 1 oder Absatz 2 die Erlaubnis oder die Genehmigung erteilt oder stattdessen ein öffentlich-rechtlicher Vertrag geschlossen, so ist den anerkannten Tierschutzorganisationen, die im Verfahren eine Stellungnahme abgegeben haben, die Entscheidung bekannt zu geben.“

2. Klagerechte Die niedersächsischen Klagerechte lassen sich – anders als die Mitwirkungsrechte – eher mit den bremischen als mit den nordrhein-westfälischen Klagerechten vergleichen. Gleichwohl bestehen erhebliche Unterschiede: Wie in Bremen, § 1 Abs. 1 Brem.TierSchVKG, so kann die Tierschutz-Verbandsklage auch in Niedersachsen nur in Form der Feststellungsklage erhoben werden. Genauer ist die Klage in Niedersachsen gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 Nds.TierSchVKG möglich „auf Feststellung, dass Entscheidungen der Behörden des Landes oder der Kommunen gegen 1. § 4 a Abs. 2 Nr. 2, § 6 Abs. 3, § 8 Abs. 1, § 11 Abs. 1, § 16 a des Tierschutzgesetzes oder 2. Rechtsvorschriften zum Schutz von Tieren bei bau- oder immissionsschutzrechtlichen Genehmigungen nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 verstoßen; in den Fällen des

IX. Niedersachsen

173

§ 16 a des Tierschutzgesetzes gilt auch die bewusste Unterlassung als Entscheidung nach Halbsatz 1“. Daneben ist im Vergleich zu Bremen zu berücksichtigen, dass das Klagerecht in Niedersachsen bezüglich „Entscheidungen über Vorhaben zur Errichtung von Gehegen in Zoos, die 1. eine Genehmigung im Sinne des § 42 des Bundesnaturschutzgesetzes innehaben, 2. unter verantwortlicher Mitwirkung einer Person mit abgeschlossenem Hochschulstudium der Veterinärmedizin oder der Biologie oder einer gleichwertigen Ausbildung mit Schwerpunkt in zoologischen Fächern geleitet werden und 3. bei der Erhaltungszucht von Tieren gefährdeter Arten die international anerkannten Leitlinien anwenden und mit Zuchtprogrammen anderer Zoos zusammenarbeiten“ nicht greift, § 2 Abs. 1 S. 2 Nds.TierSchVKG. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 4 Nds.TierSchVKG entsprechen denen von § 1 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 Brem.TierSchVKG. Darüber hinaus ist in Niedersachsen für eine zulässige Tierschutz-Verbandsklage noch erforderlich, dass „geltend gemacht wird, dass den Tierschutz betreffende Vorschriften verletzt sind“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 Nds.TierSchVKG), „die anerkannte Tierschutzorganisation a) zur Mitwirkung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Abs. 2 berechtigt war und sich hierbei in der Sache geäußert hat oder b) keine Stellungnahme abgeben konnte, weil ihr dazu entgegen § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 oder Abs. 2 oder gemäß § 1 Abs. 4 Satz 2 oder weil ein Fall des § 16 a des Tierschutzgesetzes vorlag, keine Gelegenheit gegeben wurde“ (§ 2 Abs. 2 Nr. 3 Nds.TierSchVKG) und dass „die Feststellungsklage innerhalb eines Monats erhoben wird, nachdem der Tierschutzorganisation der Verwaltungsakt bekannt gegeben wurde; ist die Bekanntgabe an die Organisation unterblieben, so muss die Klage innerhalb von drei Monaten erhoben werden, nachdem ihr der Verwaltungsakt bekannt geworden ist“. An einer § 1 Abs. 3 Brem.TierSchVKG vergleichbaren Zulässigkeitsvoraussetzung fehlt es demgegenüber in Niedersachsen.

3. Anerkennung Die Anerkennungsvoraussetzungen gemäß § 3 Abs.  1 S.  1 Nds.TierSchVKG sind vergleichbar mit den Anerkennungsvoraussetzungen in den übrigen Bundesländern, etwa mit § 3 Abs. 1 S. 1 und 2 TierschutzVMG NRW. Hinzuweisen ist darauf, dass in Niedersachsen Tierschutzorganisationen anerkannt werden können und dass in Niedersachsen erforderlich ist, dass diese gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Nds.TierSchVKG „nach ihrer Satzung nicht nur vorübergehend landesweit vorwiegend Ziele des Tierschutzes fördert und diese Ziele in der Satzung im Einzelnen beschrieben sind“. Außerdem bezieht sich das niedersächsische Gesetz in § 3 Abs. 1 S. 1 Nr. 6 Nds.TierSchVKG bezüglich der Gemeinnützigkeit direkt auf eine Befreiung von der Körperschaftsteuer „im Sinne des § 52 Abs. 2 Satz 1 Nr. 14 der Abgabenordnung“ statt wie in den anderen Bundesländern auf das Körperschaftssteuergesetz, welches aber seinerseits in § 5 Abs. 1 Nr. 9 auf die §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung Bezug nimmt. In einer niedersächsischen Anerkennung sind des

174

5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

Weiteren „die satzungsgemäßen Aufgaben zu bezeichnen, für die die Anerkennung erteilt wird“, § 3 Abs. 1 S. 3 Nds.TierSchVKG. In Niedersachsen ist, anders als etwa in Nordrhein-Westfalen (§ 3 Abs.  2 TierschutzVMG NRW), nicht ausdrücklich geregelt, dass die Anerkennung für das Landesgebiet gilt und es fehlt an einer ausdrücklichen Regelung zu Rücknahme und Widerruf der Anerkennung, wie sie beispielsweise in § 3 Abs. 3 TierschutzVMG NRW vorgesehen ist. Demgegenüber regelt § 3 Abs. 2 Nds.TierSchVKG: „Eine anerkannte Tierschutzorganisation hat dem für den Tierschutz zuständigen Ministerium eine Änderung ihrer Satzung unverzüglich mitzuteilen.“ Welche Tierschutzorganisationen anerkannt sind, ergibt sich aus Bekanntmachungen im Niedersächsischen Ministerialblatt, § 3 Abs. 3 Nds.TierSchVKG.

X. Zusammenfassung So detailliert wie die vorangegangene Vorstellung der einzelnen Landesgesetze vorgenommen wurde, so grob erfolgt die nachfolgende Zusammenfassung der Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen den untersuchten Bundesländern. Dies geschieht bewusst, um einen übersichtlichen Vergleich anbieten zu können. Ein solcher Vergleich erscheint aufgrund der bereits bestehenden Gesetzesvielfalt nur möglich, indem die Konzentration den wesentlichen Auffälligkeiten gilt und bezüglich der vielfältigen, mehr oder weniger großen, Abweichungen auf die Ausführungen im fünften Teil verwiesen wird. Auch auf die vereinzelten Sonderregelungen169 wird nicht noch einmal näher eingegangen. Ungeachtet der Unterschiede im Detail wird also im Folgenden eine Zuordnung der untersuchten Bundesländer anhand der statthaften Rechtsbehelfe (1.), der Mitwirkungs- und Informationsrechte (2.) und der Anerkennungsvoraussetzungen (3.) vorgenommen.170 Ausgehend von diesen drei Untersuchungsgegenständen werden die landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze aus tierschutzrechtlicher Perspektive bewertet (4.).

169

S. etwa das terminierte Außerkrafttreten des Nordrhein-Westfälischen Gesetzes in § 4 S. 2 TierschutzVMG NRW, die Regelung zum saarländischen Landesbeauftragten für Tierschutz in § 4 Saarl.TSVKG, die Evaluierungs- und Berichtspflicht in Rheinland-Pfalz, § 4 Abs.  2 RhPf.TierSchLMVG und in Baden-Württemberg, § 8 Abs. 2 BWTierSchMVG, oder die Regelung zu einem gemeinsamen Büro der anerkannten Tierschutzorganisationen in § 4 BWTierSchMVG. 170 S. zur Betrachtung der landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze auch Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage  – eine Einführung, NuR 2016, 729 (729 f.) und Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (319–321).

X. Zusammenfassung

175

1. Die statthaften Rechtsbehelfe auf Länderebene Die Bundesländer lassen sich hinsichtlich der Ausgestaltung ihrer TierschutzVerbandsklage-Gesetze am einfachsten anhand der statthaften Rechtsbehelfe unterscheiden: So wird anerkannten Tierschutzvereinen in Bremen, Hamburg und Niedersachsen nur die Feststellungsklage ermöglicht.171 Demgegenüber sind in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein grundsätzlich alle verwaltungsgerichtlichen Rechtsbehelfe statthaft.172 In BadenWürttemberg173 ist nicht allgemein von Rechtsbehelfen, sondern von Widerspruch und Klagen nach § 42 Abs. 1 VwGO die Rede, was praktisch aber keinen großen Unterschied ausmacht. Eine Beschränkung des statthaften Rechtsbehelfs auf die Feststellungsklage, wie sie in Bremen, Hamburg und Niedersachsen der ausnahmslose Grundsatz ist, findet sich in den übrigen genannten Bundesländern bezüglich nach § 8 Abs. 1 TierSchG genehmigter Tierversuche.174 Der Prüfungsumfang der einzelnen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze variiert zum Teil sehr stark.175 Kloepfer unterscheidet insofern zwischen „engen“ und „weiten“ Verbandsklagerechten: Er beschreibt die beiden zeitlich zuerst beschlossenen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze als die „(engen) Hamburgischen und Bremer Tierschutzverbandsklagegesetze[…]“, welche nur „die Feststellungsklage (als Kompromisslösung im Gegensatz zur rechtsschutzintensiveren Anfechtungsklage)“ ermöglichen, während „es den Verbänden durch die restlichen fünf Tierschutzverbandsklagegesetze möglich geworden [ist], sämtliche Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung […] einzulegen“.176 Zu den engen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzen im Sinne von Kloepfer ist neuerdings auch das niedersächsische Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz zu zählen. Die in dem zuletzt in Kraft getretenen niedersächsischen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz vorgenommene Beschränkung des statthaften Rechtsbehelfs auf die Feststellungsklage verwundert angesichts der Entwicklung der TierschutzVerbandsklage-Gesetze auf Landesebene: Das niedersächsische TierschutzVerbandsklage-Gesetz steht zwar in einer Linie mit den beiden zuerst beschlossenen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzen in Bremen und Hamburg, die eine solche Beschränkung ebenfalls vorsehen. Ausgehend von dem nordrhein-westfälischen

171 S. § 1 Abs.  1 Brem.TierSchVKG, § 1 Abs.  1 HmbTierSchVKG und § 2 Abs.  1 S.  1 Nds.TierSchVKG. 172 S. § 1 Abs. 1 S. 1 TierschutzVMG NRW, § 1 Abs. 1 S. 1 Saarl.TSVKG, § 3 Abs. 1 S. 1 RhPf.TierSchLMVG und § 1 Abs. 1 S. 1 SchlHTierSchVKG. 173 § 3 Abs. 1 BWTierSchMVG. 174 S. § 1 Abs. 1 S. 2 TierschutzVMG NRW, § 1 Abs. 1 S. 2 Saarl.TSVKG, § 3 Abs. 1 S. 3 RhPf.TierSchLMVG, §  1 Abs.  1 S.  2 SchlHTierSchVKG und §  3 Abs.  2 S.  1 Alt.  1 BWTierSchMVG. 175 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (730). 176 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (730).

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5. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage auf Landesebene

Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz schien aber ein Umdenken der Landesgesetzgeber bezüglich der statthaften Rechtsbehelfe stattgefunden zu haben. Es schien so, als würden umfassendere Klagerechte fortan bevorzugt. Seit dem in Kraft treten des niedersächsischen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzes bestehen nun Zweifel, ob die Ermöglichung aller Rechtsbehelfe der Verwaltungsgerichtsordnung noch die bevorzugte Wahl derjenigen Bundesländer ist, die sich zur Einführung der Tierschutz-Verbandsklage entscheiden. Hier bleibt die weitere Entwicklung abzuwarten. Um auch „akute Missstände bei der Tierhaltung und -nutzung“ beheben zu können, ist es vorzugswürdig, im Rahmen einer Tierschutz-Verbandsklage nicht nur die Feststellungsklage, sondern auch die Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zu ermöglichen.177

2. Die Mitwirkungs- und Informationsrechte auf Länderebene Ausgehend von den Mitwirkungs- und Informationsrechten im Vorfeld einer Tierschutz-Verbandsklage ergibt sich ein ähnliches Bild, wie bezüglich den statthaften Rechtsbehelfen: Nordrhein-Westfalen, Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben im Großen und Ganzen vergleichbare Regelungen getroffen.178 Die Mitwirkungsrechte in Bremen179 bleiben dahinter zurück. In Bremen ist nur bei Normsetzungsverfahren, nicht auch bei Verwaltungsverfahren eine Mitwirkung vorgesehen.180 Hamburg hat sogar komplett auf eine Regelung zu Mitwirkungs- und Informationsrechten verzichtet.181 Die niedersächsischen Mitwirkungsrechte182 entsprechen eher den nordrhein-westfälischen als den bremischen Mitwirkungsrechten.

3. Die Anerkennungsvoraussetzungen auf Länderebene Anders als bei den statthaften Rechtsbehelfen sowie den Mitwirkungs- und Informationsrechten, gibt es bezüglich den Anerkennungsvoraussetzungen für Tierschutzvereine auf Landesebene keine nennenswerten Unterschiede. Die Tierschutz-

177

Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (322). 178 S. §  2 TierschutzVMG NRW, §  2 Saarl.TSVKG, §  1 RhPf.TierSchLMVG, §  2 SchlHTierSchVKG und § 2 BWTierSchMVG. 179 § 2 Abs. 1 Brem.TierSchVKG. 180 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (730). 181 S. auch Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (730). 182 § 1 Nds.TierSchVKG.

X. Zusammenfassung

177

Verbandsklage-Gesetze in den untersuchten Bundesländern sind sich insoweit sehr ähnlich.183

4. Bewertung der landesrechtlichen Gesetze Die landesrechtlichen Gesetze über Verbandsklagerechte für Tierschutzvereine weisen hinsichtlich Umfang sowie Reichweite der statthaften Rechtsbehelfe insgesamt gesehen signifikante Abweichungen auf.184 Von den untersuchten Landesgesetzen ist das Hamburger Gesetz das am wenigstens weit reichende Gesetz. Dies liegt zum einen an der Beschränkung des statthaften Rechtsbehelfs auf die Feststellungsklage und zum anderen an fehlenden Mitwirkungs- und Informationsrechten für die Tierschutzvereine. Obwohl auch das bremische und das niedersächsische Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz den Tierschutzvereinen nur eine Feststellungsklage ermöglichen, setzen sie sich aufgrund ihrer Mitwirkungs- und Informationsrechte – in unterschiedlichem Umfang – von dem Hamburger Gesetz ab. Deutlich weiter reichen sodann die Gesetze in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Dies liegt teilweise an den umfangreicheren Mitwirkungsrechten, vor allem aber an den umfangreicheren Rechtsbehelfsmöglichkeiten. In der Gesamtschau weisen die Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze in den fünf in diesem Absatz genannten Bundesländern ähnlich weit reichende Mitwirkungs-, Informations- und Kontrollrechte auf, wobei die Gesetze mehr oder weniger starke eigene Akzente setzen. Aufgrund der im Grundsatz großen Gemeinsamkeiten, drängt sich keines der Gesetze in Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg als das zweckmäßigste Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz auf. Auch wenn im fünften Teil deutlich wurde, dass diese fünf Bundesländer teilweise Eigenheiten aufweisen, so eröffnen sie den anerkannten Tierschutzvereinen im Ergebnis vergleichbare Möglichkeiten.

183

S. §  3 Brem.TierSchVKG, §  2 HmbTierSchVKG, §  3 TierschutzVMG NRW, §  3 Saarl.TSVKG, § 2 RhPf.TierSchLMVG, § 3 SchlHTierSchVKG, § 5 BWTierSchMVG und § 3 Nds.TierSchVKG. 184 Kloepfer, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – eine Einführung, NuR 2016, 729 (730).

Sechster Teil6

Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis – Untersuchung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Der sechste Teil setzt sich mit dem häufig gegen die Einführung der TierschutzVerbandsklage ins Feld geführten Argument einer damit einhergehenden Klageflut auseinander (I.). Dieser Befürchtung werden Erfahrungen mit den Verbandsklagen im Umwelt- und Naturschutzrecht gegenübergestellt, die in der Literatur bereits ausführlich untersucht wurden (II.). Außerdem ist in diesem Zusammenhang auf das Kostenrisiko von klagenden Tierschutzvereinen einzugehen (III.). Den Abschluss bildet eine eigene Untersuchung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechungspraxis zu Tierschutz-Verbandsklagen auf Länderebene (IV.).

I. Zum Argument der Klageflut Mitunter wird vor einer Klageflut als Konsequenz der Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage gewarnt.1 Das Gegenargument, dass die Tierschutz-Verbandsklage teilweise „[a]n die Stelle vieler Einzelklagen“ treten werde,2 kann dem nicht entgegengehalten werden. Die Tierschutz-Verbandsklage kann nicht „an die Stelle“ auch nur einer einzigen Einzelklage treten. Denn ohne Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz gibt es in Deutschland – sowohl für anerkannte Tierschutzvereine, als auch für einzelne Personen  – keine Klagemöglichkeit im Namen der Tiere. Das heißt, dass jede einzelne Tierschutz-Verbandsklage zunächst eine zusätzliche Belastung für die Gerichte wäre. Ein Gericht müsste sich folglich mit Klagen oder Eilanträgen befassen, die es im Tierschutzrecht zuvor mangels Klagemöglichkeit gar nicht gab.3 Selbst soweit sich das Verlangen nach Klagemöglichkeiten zugunsten der Tiere rechtspolitisch durchsetzt, lässt sich das wiedergegebene Gegenargument zu der 1 Die forschenden Pharma-Unternehmen (vfa), vfa-Positionspapier „Verbandsklagerecht im Bereich des Tierschutzes“, 2010, S. 5, Originaldokument als PDF abrufbar unter https:// www.vfa.de/de/wirtschaft-politik/positionen/pos-verbandsklagerecht-tierschutz.html (Stand: 31.7.2017); Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre 2004, 256 (258). 2 BR-Drs. 157/04, Anlage, 10. 3 Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre 2004, 256 (258).

II. Erfahrungen im Umwelt- und Naturschutzrecht

179

Befürchtung einer Klageflut nicht anführen. Grundsätzlich mag die Verbandsklage zwar eine „besonders effiziente Form der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes“ sein.4 Dass sich im Rahmen einer Tierschutz-Verbandsklage „durch die Bündelung von Interessen Einzelner in einem ‚Musterverbandsverfahren‘ im Einzelfall eine Vielzahl von Individualklagen vermeiden“ lasse,5 trifft jedoch nicht uneingeschränkt zu. Dies würde nur zutreffen, wenn nach der geltenden Gesetzeslage erstens überhaupt zugunsten der Tiere geklagt werden könnte und wenn dies zweitens neben Tierschutzvereinen auch Einzelne dürften. Da beides vor der Einführung eines Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzes grundsätzlich nicht der Fall ist und da nach einer entsprechenden Einführung – ausgehend von den bisherigen landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzen – ohnehin nur Tierschutzvereine klagen können, kann nicht mit der Vermeidung von Individualklagen durch deren Bündelung in einer Tierschutz-Verbandsklage für letztere geworben werden. Die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage als neuer Klagemöglichkeit lässt also neue und damit mehr Klagen erwarten. Fraglich ist allerdings, wie viele neue Klagen zu erwarten sind.

II. Erfahrungen im Umwelt- und Naturschutzrecht An dieser Stelle wird darauf eingegangen, welche Erfahrungen bisher mit Verbandsklagen gemacht wurden. Hierfür könnte man einen rechtsvergleichenden Blick auf Frankreich werfen. Denn Frankreich gehört zu den Ländern mit „Systemen objektiven Rechtsschutzes“.6 Bevor in einen noch näher liegenden Vergleich eingestiegen wird, sei erwähnt, dass Frankreich mit Verbandsklagen wohl eher gute Erfahrungen gemacht hat.7 Umweltschutzrechtliche Verbandsklagen haben sich in Frankreich in der Vergangenheit „im Rahmen des Erträglichen“ gehalten.8 Erwähnt sei daneben, dass „auch die europäischen Erfahrungen mit umweltschutzbezogenen Verbands- und Bürgerklagen [zeigen], dass Klagefluten und Überlastungen der Gerichte selbst bei sehr weitem Zugang zu gerichtlichem Rechtsschutz ausbleiben“.9 Es gibt eine umfangreiche Studie, die die Befürchtung 4

So Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380). 5 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380). 6 Epiney, Verwaltungsgerichtlicher Rechtsschutz im Umweltrecht im Rechtsvergleich, NVwZ 2014, 465 (468 f.) unter Verweis auf Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502. 7 S. Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502. 8 Woehrling, Rechtsschutz im Umweltrecht in Frankreich, NVwZ 1999, 502 (503). 9 Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 369 (374), im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einer Studie von Sadeleer/Roller/Dross, Access to Justice in Environmental Matters, 2002, und mit näherem Verweis auf diese Studie. Der „Final Report“ der Studie ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/aarhus/pdf/accesstojustice_final.pdf (Stand: 1.8.2017).

180

6. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis

einer Überlastung durch im öffentlichen Interesse geführte Umwelt-Klagen klar widerlegt: „This study thus clearly refutes the argument that environmental public interest actions lead to an overload in the courts.“10 Die Verbandsklagen scheinen auch (nicht nur in Frankreich sondern) in der überwiegenden Zahl der EU-Mitgliedstaaten, verglichen mit den anderen Klagen, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein.11 Diese regelmäßig über dem Durchschnitt liegenden Erfolgsquoten sind als „sachliche Rechtfertigung für solche Verbandsklagen“ anzusehen.12 Der Sorge vor einer Klageflut auf dem Gebiet des Tierschutzes wird entgegengehalten, dass sich entsprechende Befürchtungen bezüglich der landesrechtlichen Naturschutz-Verbandsklage auch nicht bestätigt hätten.13 Richtet man den Fokus allein auf die Befürchtung einer durch Tierschutz-Verbandsklagen ausgelösten Klage­f lut, so liegt ein solcher nationaler Vergleich näher als ein europäischer oder internationaler Rechtsvergleich. Denn anders als bei einem grenzüberschreitenden Rechtsvergleich bestehen bei einem innerdeutschen Rechtsvergleich die gleichen Rahmenbedingungen. Dies lässt eine zutreffendere Prognose bezüglich der Frage erwarten, wie sehr deutsche Verwaltungsgerichte durch Tierschutz-Verbandsklagen beansprucht werden könnten. Lassen sich also aus einem Vergleich des Umweltund Naturschutzrechts mit dem Tierschutzrecht Rückschlüsse auf eine etwaige Klageflut an deutschen Verwaltungsgerichten ziehen? Zur Beantwortung dieser Frage wird im Folgenden zunächst allgemein auf die Umwelt- und Naturschutzverbandsklage eingegangen (1.). Sodann wird auf empirische Untersuchungen zu diesen Verbandsklagen zurückgegriffen (2.). Anschließend wird erörtert, ob diese Ergebnisse ohne Weiteres auf die Tierschutz-Verbandsklage übertragbar sind (3.).

1. Zur Umwelt- und Naturschutzverbandsklage Naturschutzverbände haben seit dem Jahr 2002 auf Bundesebene die Möglichkeit, eine Naturschutz-Verbandsklage zu erheben.14 Daneben wurden den Umwelt 10

Sadeleer/Roller/Dross, Access to Justice in Environmental Matters. ENV. A.3/ETU/2002/ 0030. Final Report, S. 33, http://ec.europa.eu/environment/aarhus/pdf/accesstojustice_final.pdf (Stand: 1.8.2017). 11 S. Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 369 (374), im Rahmen einer Auseinandersetzung mit einer Studie von Sadeleer/Roller/Dross, Access to Justice in Environmental Matters, 2002, in der die Mitgliedstaaten Belgien, Dänemark, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Portugal und Großbritannien zum Gegenstand einer Untersuchung gemacht wurden und mit näherem Verweis auf diese Studie. Der „Final Report“ dieser Studie ist abrufbar unter http://ec.europa.eu/environment/aarhus/pdf/accesstojustice_final.pdf (Stand: 1.8.2017). 12 Koch, Die Verbandsklage im Umweltrecht, NVwZ 2007, 369 (375). 13 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (380). 14 S. Schmidt/Zschiesche, Verbandsklagen im Natur- und Umweltschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der Entwicklung von 2007 bis 2010. Eine empirische Untersuchung im

II. Erfahrungen im Umwelt- und Naturschutzrecht

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verbänden 2006 durch das Gesetz über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz) vom 7.  Dezember 200615 neue Klagemöglichkeiten gegeben, sodass die Entwicklung der Klagebefugnisse für Verbände auf dem Gebiet des Umwelt- und Naturschutzes in den letzten Jahren insgesamt als „sehr dynamisch“ bezeichnet wird.16 Es ist „[c]harakteristisch für das gegenwärtige Recht der Umweltverbandsklagen“, dass diese mit gewissen Großvorhaben von umweltrechtlicher Relevanz verbunden sind.17 Hinsichtlich des Anwendungsbereichs der Umwelt-Verbandsklage lässt sich feststellen, dass „das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz Verbandsklagerechte insbesondere akzessorisch zur Prüfpflicht nach dem UVPG und zur Unterwerfung unter das vollständige Genehmigungsverfahren nach dem BImSchG“ ermöglicht.18

2. Ergebnisse fremder empirischer Untersuchungen Betreffend Naturschutz-Verbandsklagen wurde zusammengefasst, dass es eine „relativ hohe Erfolgsquote von naturschutzrechtlichen Verbandsklagen im Vergleich zu den sonstigen bei Verwaltungsgerichten erhobenen Klagen“ und daher Grund zur Annahme gebe, „dass die Verbände ihre Rechtsbehelfsmöglichkeiten tatsächlich in Fällen einsetzen, in denen ein relevanter Anlass dazu besteht“, was auf dem Gebiet des Tierschutzes genauso sein werde.19 Von der bestehenden Möglichkeit einer Umwelt- und Naturschutzverbandsklage haben die entsprechenden Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet I 2.1., 2013, S. 4, http://www.bfn.de/file admin/MDB/documents/themen/recht/BfN-Verbandsklage-Studie-2013.pdf (Stand: 26.7.2017) unter Verweis auf Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege und zur Anpassung anderer Rechtsvorschriften v. 25.3.2002, BGBl. I 2002, 1193 (das Naturschutz-Verbandsklagerecht war ursprünglich in § 61 BNatSchG geregelt) und auf Art. 1 des Gesetzes zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege v. 29.7.2009, BGBl. I 2009, 2542 (das Naturschutz-Verbandsklagerecht ist inzwischen in § 64 BNatSchG geregelt). 15 BGBl. I 2006, 2816. Die Rechtsbehelfe von anerkannten Vereinigungen sind in § 2 des Umwelt-Rechtsbehelfsgesetzes geregelt. 16 Schmidt/Zschiesche, Verbandsklagen im Natur- und Umweltschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der Entwicklung von 2007 bis 2010. Eine empirische Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet I 2.1., 2013, S. 4, http://www.bfn.de/file admin/MDB/documents/themen/recht/BfN-Verbandsklage-Studie-2013.pdf (Stand: 26.7.2017). 17 Saurer/Purnhagen, Klimawandel vor Gericht – Der Rechtsstreit der Nichtregierungsorganisation „Urgenda“ gegen die Niederlande und seine Bedeutung für Deutschland, ZUR 2016, 16 (20). 18 Saurer/Purnhagen, Klimawandel vor Gericht – Der Rechtsstreit der Nichtregierungsorganisation „Urgenda“ gegen die Niederlande und seine Bedeutung für Deutschland, ZUR 2016, 16 (20 f.) unter Verweis auf § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2 UmwRG; dies., (20 f.), gehen der Frage nach, „welche Rolle Verbandsklagerechte im hiesigen Klimaschutzrecht spielen“. 19 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381).

182

6. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis

Verbände bislang „sparsam und zugleich überdurchschnittlich erfolgreich Gebrauch“ gemacht.20 Das Bundesamt für Naturschutz hat drei empirische Untersuchungen zur Entwicklung der natur- und umweltschutzrechtlichen Verbandsklagen veröffentlicht. Für den Zeitraum von 2002 bis 2006 ist festzustellen, dass die Naturschutzverbände in der Regel nur erfolgversprechende Fälle gerichtlich geltend machen „und damit die Verbandsklage – ihrem Zweck entsprechend – gezielt als Instrument zum Abbau von Vollzugsdefizite [sic!] im Naturschutzrecht einsetzen“.21 Auch von 2007 bis 2010 haben die Verbände von der Umwelt- und Naturschutz-Verbandsklage effektiv und moderat Gebrauch gemacht.22 Zusammengefasst haben die Umweltverbände von ihrem Verbandsklagerecht „nur in ausgewählten Fällen“ Gebrauch gemacht.23 Für den Zeitraum von 2002 bis 2012 kommt man insgesamt zu dem Ergebnis, „dass die Umweltverbände ihre Klagebefugnisse wirksam und maßvoll zum Abbau von Vollzugsdefiziten nutzen“.24 Dieses Ergebnis wird unter anderem mit folgenden Zahlen belegt: In dem Zeitraum von 2002 bis 2006 wurden im Jahr durchschnittlich 27,6 Klagen und von 2007 bis 2012 jährlich im Durchschnitt 28,5 Klagen geführt, während als abgeschlossene Verfahren per annum zwischen 2002 und 2006 die Zahl 46,4 und für die Jahre 2007 bis 2012 die Zahl 48,8 ermittelt wurde.25 Mit Schmidt/ Zschiesche lässt sich feststellen, dass „die Zahl der bei Verbandsklagen durchgeführten Verfahren […] über den gesamten Zeitraum von 2002 bis 2012 im Verhältnis zu den insgesamt vor den Verwaltungsgerichten abgeschlossenen Verfahren weiterhin sehr gering“ ist.26 Beispielsweise machten die Verfahren bei Verbands 20 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 90, die sich insofern vor allem auf eine Studie von Schmidt/Zschiesche/Tryjanowski, NuR 2012, 77, 80, 82 beziehen. 21 Schmidt/Zschiesche, Die Entwicklung der naturschutzrechtlichen Verbandsklage von 2002 bis 2006. Eine empirische Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet II 1.1., 2007, S. 22 f. https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/service/Schmidt_ Zschiesche_Verbandsklage.pdf (Stand 26.7.2017). 22 Schmidt/Zschiesche/Tryjanowski, Die Entwicklung der Verbandsklage im Natur- und Umweltschutzrecht von 2007 bis 2010. Eine empirische Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet I 2.1., 2011, S. 3, https://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/ themen/recht/BfN-Verbandsklagen-Studie-2011.pdf (Stand: 26.7.2017). 23 Schmidt/Zschiesche/Tryjanowski, Die Entwicklung der Verbandsklage im Natur- und Umweltschutzrecht von 2007 bis 2010 – Ergebnisse neuer empirischer Untersuchungen, NuR 2012, 77 (84). 24 Schmidt/Zschiesche, Verbandsklagen im Natur- und Umweltschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der Entwicklung von 2007 bis 2010. Eine empirische Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet I 2.1., 2013, S. 3, http://www.bfn.de/file admin/MDB/documents/themen/recht/BfN-Verbandsklage-Studie-2013.pdf (Stand: 26.7.2017). 25 Schmidt/Zschiesche, Verbandsklagen im Natur- und Umweltschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der Entwicklung von 2007 bis 2010. Eine empirische Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet I 2.1., 2013, S. 3, http://www.bfn.de/file admin/MDB/documents/themen/recht/BfN-Verbandsklage-Studie-2013.pdf (Stand: 26.7.2017). 26 Schmidt/Zschiesche, Verbandsklagen im Natur- und Umweltschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der Entwicklung von 2007 bis 2010. Eine empirische Untersuchung im

II. Erfahrungen im Umwelt- und Naturschutzrecht

183

klagen in den Jahren 2011 und 2012 pro Jahr gerechnet verhältnismäßig nur etwa 0,03 Prozent der durchschnittlich insgesamt erledigten Verfahren aus.27 Die Verbandsklagen hatten zwischen 2002 und 2006 in 40 Prozent und zwischen 2007 und 2012 in fast 45 Prozent der Fälle Erfolg, während die durchschnittliche Erfolgsquote bei verwaltungsgerichtlichen Klagen üblicherweise bei circa zehn bis zwölf Prozent liegt.28

3. Übertragbarkeit der Ergebnisse Es stellt sich die Frage, ob Erfahrungen mit der Umweltschutz- oder Naturschutzverbandsklage ohne weiteres Rückschlüsse auf die Tierschutz-Verbandsklage erlauben. Nach Löwer „wird es – anders als im Naturschutzrecht – eine ‚Prozeßflut‘ (wann immer man von ‚Prozeßflut‘ sprechen mag) geben, weil – wiederum anders als im Naturschutzrecht – hier Prozesse geführt werden, für die es bisher keinen Kläger gab“.29 Im Naturschutzrecht würden die Fälle anders als im Tierschutzrecht liegen, da es bei raumbeanspruchenden Umweltkonflikten auch ohne Verbandsklagen wegen sich gerichtlich wehrender Bürger zu einer gerichtlichen Befassung mit den Umweltkonflikten komme.30 Zutreffend ist jedenfalls, dass das Ziel im Tierschutzrecht Prozesse sind, die bislang nicht möglich waren.31 Zweifel an der uneingeschränkten Übertragbarkeit der Erkenntnisse aus den Untersuchungen zur Umweltschutz- und Naturschutzverbandsklage werden jedenfalls solange nicht vollständig ausgeräumt werden können, bis belastbare Erkenntnisse aus Untersuchungen zur Tierschutz-Verbandsklage selbst vorliegen.

Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet I 2.1., 2013, S. 15, http://www.bfn.de/file admin/MDB/documents/themen/recht/BfN-Verbandsklage-Studie-2013.pdf (Stand: 26.7.2017). 27 Schmidt/Zschiesche, Verbandsklagen im Natur- und Umweltschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der Entwicklung von 2007 bis 2010. Eine empirische Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet I 2.1., 2013, S. 15 (und dort Fußnote 64), http://www.bfn.de/fileadmin/MDB/documents/themen/recht/BfN-Verbandsklage-Studie-2013. pdf (Stand: 26.7.2017). 28 Schmidt/Zschiesche, Verbandsklagen im Natur- und Umweltschutzrecht 2011 und 2012 unter Berücksichtigung der Entwicklung von 2007 bis 2010. Eine empirische Untersuchung im Auftrag des Bundesamtes für Naturschutz, Fachgebiet I 2.1., 2013, S. 3, http://www.bfn.de/file admin/MDB/documents/themen/recht/BfN-Verbandsklage-Studie-2013.pdf (Stand: 26.7.2017). 29 Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre, 2004, 256 (258). 30 Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre, 2004, 256 (258). 31 So Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre, 2004, 256 (258).

184

6. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis

III. Das Risiko einer Klageflut im Lichte des Prozesskostenrisikos Gegen eine Klageflut spricht auch das Prozesskostenrisiko, also das Risiko, bei einer Niederlage vor Gericht für die Gerichts- und Anwaltskosten aufkommen zu müssen.32 Wie sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergibt, trägt ein Tierschutzverein die Verfahrenskosten, wenn er vor Gericht verliert. Zu den erstattungsfähigen Kosten gehören gemäß § 162 Abs. 1 und 2 VwGO neben den Gerichtskosten auch außergerichtliche Kosten wie beispielsweise die Kosten für einen Rechtsanwalt. Tierschutzverbände sind vor dem Hintergrund ihrer eingeschränkten Ressourcen hinsichtlich Personal und Finanzen voraussichtlich auf die gezielte Auswahl einiger weniger Tierschutz-Verbandsklagen beschränkt.33 Es ist zu erwarten, dass die Tierschutzvereine nur dann klagen werden, wenn ein offensichtlicher Verstoß gegen tierschutzrechtliche Vorschriften vorliegt und von der Klage „eine beispielgebende Fernwirkung für vergleichbare Sachverhaltsgestaltungen und Interessenkollisionen erwartet werden kann“.34 Denn abgesehen davon, dass in eine Tierschutz-Verbandsklage Arbeit und Zeit investiert werden muss, entsteht für einen Tierschutzverein durch verlorene Klagen aufgrund der dann von dem Verein zu tragenden Kostenlast auch ein Rechtfertigungsdruck gegenüber Vereinsmitgliedern und Öffentlichkeit.35

IV. Prognose zur Klageflut aufgrund einer eigenen Untersuchung Inzwischen haben anerkannte Tierschutzvereine in acht Bundesländern die Möglichkeit, eine Tierschutz-Verbandsklage zu erheben. Für einen besseren Überblick, in welchen Bundesländern es seit wann eine Tierschutz-Verbandsklage gibt, mag die auf S. 185 folgende Tabelle dienen. Bei Betrachtung der Tabelle erscheint es aus zwei Gründen reizvoll, die verwaltungsgerichtliche Klagetätigkeit von Tierschutzvereinen zu untersuchen: Zum einen feiert die Tierschutz-Verbandsklage in Bremen in diesem Jahr immerhin schon ihr zehnjähriges Jubiläum.36 Ein so langer Zeitraum lässt erste Erkenntnisse über die Nutzung und den Nutzen der Tierschutz-Verbandsklage erwarten. Zum anderen gibt es die Tierschutz-Verbandsklage mittlerweile bereits in sieben weiteren Bundesländern und in dreien davon immerhin schon seit dem Jahr 2013. Bis 32

Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381). 34 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 35 Hirt/Maisack/Moritz, TierSchG, Kommentar, 3. Aufl. 2016, Einf. Rn. 92. 36 Das Gesetz über das Verbandsklagerecht für Tierschutzvereine v. 25.9.2007 (Brem. GBl. 2007, 455) ist in Bremen am 6.10.2007 in Kraft getreten, § 4 Brem.TierSchVKG. 33

IV. Prognose zur Klageflut aufgrund einer eigenen Untersuchung 

185

Tabelle 1 Landesrechtliche Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze Bundesland Baden-Württemberg

Jahr des Inkrafttretens 2015

Bayern



Berlin



Brandenburg



Bremen

2007

Hamburg

2013

Hessen



Mecklenburg-Vorpommern



Niedersachen37

2017

Nordrhein-Westfalen

2013

Rheinland-Pfalz

2014

Saarland

2013

Sachsen



Sachsen-Anhalt



Schleswig-Holstein Thüringen

2015 –

auf die erst jüngst geänderte Rechtslage in Niedersachsen lässt auch die hohe Anzahl an weiteren Bundesländern mit Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzen auf Rückschlüsse zur Anwendung und zur Erfolgsquote der Tierschutz-Verbandsklage und mithin zur Einordnung der Befürchtung einer Klageflut hoffen. Dies alles wurde zum Anlass für eine eigene Untersuchung zur Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis genommen.37 Im Folgenden wird das Ziel der vorgenommenen Untersuchung (1.) und die Vorgehensweise bei dieser Untersuchung (2.) beschrieben. Sodann wird die Unter 37 Zum Zeitpunkt der Aktualisierung der Untersuchung (Stand: Ende März 2017) war das niedersächsische Gesetz über Mitwirkungs- und Klagerechte von Tierschutzorganisationen v. 6.4.2017 (Nds.GVBl. 2017, 108) noch nicht in Kraft. Dieses ist erst am 21.4.2017 in Kraft getreten, § 4 Nds.TierSchVKG. Niedersachsen blieb bei der Untersuchung der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechungspraxis bewusst außen vor. Angesichts der erst jüngst eingeführten Möglichkeit, in Niedersachsen eine Tierschutz-Verbandsklage zu erheben, können weiterführende Erkenntnisse in der untersuchten Sache von dort von vornherein ausgeschlossen werden.

186

6. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis

suchung ausgewertet (3.) und die Ergebnisse der Untersuchung werden zusammengefasst und eingeordnet (4.).38

1. Ziel der Untersuchung Ziel der vorgenommenen Untersuchung war zum einen die Ermittlung, ob und gegebenenfalls wie oft anerkannte Tierschutzvereine bislang überhaupt eine Tierschutz-Verbandsklage vor einem Verwaltungsgericht erhoben haben. Zum anderen sollte auch die Erfolgsquote von verwaltungsgerichtlichen Tierschutz-Verbandsklagen ermittelt werden. Mit diesen Daten würde zweierlei sichtbar: Erstens könnte der Anteil der Tierschutz-Verbandsklagen an den verwaltungsgerichtlichen Klagen insgesamt ermittelt werden. Dies ließe eine belastbare Aussage zu, ob die mitunter befürchtete „Klageflut“39 ein reelles Risiko ist. Zweitens ließe sich an der Erfolgsquote ablesen, ob durch Tierschutz-Verbandsklagen tatsächlich, wie zum Teil behauptet und erhofft, Vollzugsdefizite angesprochen und gegebenenfalls beseitigt werden.40 Zugleich wäre die Erfolgsquote ein Indiz für die (Nicht-) Berechtigung der weiteren teilweise geäußerten Befürchtung, dass die Tierschutz-Verbandsklage missbräuchlich zur Verzögerung und Verhinderung verschiedener Vorhaben41 eingesetzt werden könnte.

2. Vorgehensweise bei der Untersuchung Bei der Untersuchung wurde in zwei Schritten vorgegangen:42 Zunächst wurde in dem Rechtsportal juris und der Datenbank beck-online nach veröffentlichten verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen zu Tierschutz-Verbandsklagen gesucht. Zudem wurden ganz gezielt alle Verwaltungsgerichte der Bundesländer mit einem 38

S. auch Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (321 f.) mit exemplarischen Nachweisen zu Rechtsprechung zur Tierschutz-Verbandsklage. 39 S. zum Argument der Klage-, beziehungsweise „Prozeßflut“ etwa Löwer, Von Menschen und Mäusen. Die Verbandsklage im Tierschutz aus rechtlicher Sicht, Forschung & Lehre 2004, 256 (258). 40 S. zu den Argumenten des Vollzugsdefizits und des Ungleichgewichts etwa Hager, Die tierschutzrechtliche Verbandsklage – Rechtspolitische Diskussion, NuR 2016, 831 (832). 41 S. zu der Befürchtung, „dass Tierschutzvereine das Instrument der Verbandsklage systematisch dazu einsetzen werden, tierexperimentelle Forschung an den Universitäten, den Forschungseinrichtungen des Bundes und der Länder sowie in der Industrie zu blockieren“ Balling/Jacobsen, Gemeinsame Stellungnahme des VBBM und des vdbiol zur Verbandsklage für Tierschutzverbände, BIOspektrum 3/04, S. 281, http://www.biospektrum.de/blatt/d_bs_pdf&_ id=934206 (Stand: 1.8.2017). 42 Die eigene Untersuchung ist inspiriert durch die Lektüre der Untersuchung von Schmidt/ Zschiesche/Tryjanowski, Die Entwicklung der Verbandsklage im Natur- und Umweltschutzrecht von 2007 bis 2010 – Ergebnisse neuer empirischer Untersuchungen, NuR 2012, 77 (79 f.), die dort über die Methodik und über die Vorgehensweise ihrer Untersuchung berichten.

IV. Prognose zur Klageflut aufgrund einer eigenen Untersuchung 

187

Tierschutz-Verbandsklage-Gesetz – außer Niedersachsen – kontaktiert. Aus Niedersachsen sind weiterführende Erkenntnisse zur Tierschutz-Verbandsklage in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechungspraxis aufgrund des erst jüngst in Kraft getretenen entsprechenden Gesetzes von vornherein nicht zu erwarten. In den übrigen Bundesländern mit Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzen wurden in einer ersten Umfrage alle Verwaltungsgerichte direkt angeschrieben. Die Verwaltungsgerichte wurden im Juni 2016 allesamt per E-Mail angeschrieben. Soweit kein direkter Ansprechpartner ersichtlich war, wurde die E-Mail an die jeweilige Post-/Pressestelle/Postfach, beziehungsweise an die Verwaltung/Office, adressiert. Die Verwaltungsgerichte wurden darum gebeten, nur für ihr Verwaltungsgericht Angaben zu machen und dies nur für den Zeitraum seit Einführung der Tierschutz-Verbandsklage in dem jeweiligen Bundesland des Verwaltungsgerichts bis Ende Juni 2016.43 Dankenswerter Weise kam auch von allen Gerichten oder für alle Gerichte44 eine Antwort zurück. Konkret war von Interesse, – wie viele tierschutzrechtliche Verbandsklagen und damit zusammenhängende Verfahren insgesamt eingereicht wurden, – wie viele tierschutzrechtliche Verbandsklagen und damit zusammenhängende Verfahren gerichtlich entschieden und wie viele anders abgeschlossen wurden (z. B. Rücknahme der Klage/des Antrags), – wie viele der tierschutzrechtlichen Verbandsklagen über mehr als eine Instanz geführt wurden, – wie viele der tierschutzrechtlichen Verbandsklagen Erfolg/teilweise Erfolg/ keinen Erfolg hatten, – wie hoch die absolute Zahl an eingereichten Klagen und Verfahren im gleichen Zeitraum an dem jeweiligen Verwaltungsgericht war und – wie viele der insgesamt eingereichten Klagen und Verfahren im gleichen Zeitraum an dem jeweiligen Verwaltungsgericht Erfolg hatten.

43

Auf eine kleine Ungenauigkeit in der Umfrage soll an dieser Stelle hingewiesen werden: In der ersten Umfrage mit Datum vom 29.6.2016 wurde wörtlich nach dem „Zeitraum seit Einführung der Tierschutz-Verbandsklage in Ihrem Bundesland […] bis heute (Ende Juni 2016)“ gefragt. Die Ungenauigkeit besteht darin, dass die Formulierung „bis heute“ als Datum der Umfrage-E-Mail, also als 29.6.2016, verstanden werden könnte, obwohl der Zeitraum bis „Ende Juni 2016“, also bis einschließlich 30.6.2016 abgefragt werden sollte. In der zweiten Umfrage mit Datum vom 11.4.2017 wurde wörtlich nach dem Zeitraum „seit der letzten Abfrage, also in dem Zeitraum seit Juli 2016 bis Ende März 2017“ gefragt. Es wird davon ausgegangen, dass eine etwaig am 30.6.2016 eingereichte Tierschutz-Verbandsklage trotz der ungenauen Abfrage von den Verwaltungsgerichten mitgeteilt worden wäre. Selbst wenn dies nicht der Fall gewesen sein sollte, dürften keine großen Abweichungen in der Statistik zu erwarten sein. 44 In Nordrhein-Westfalen wurde die Umfrage nicht von den einzelnen Verwaltungsgerichten, sondern vom Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen für die einzelnen Verwaltungsgerichte beantwortet.

188

6. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis

Zum Zwecke der Aktualisierung der Untersuchung wurden die Verwaltungsgerichte 2017 erneut per E-Mail angeschrieben.45 Gegenstand dieser E-Mails waren die Fragen, – ob seit der letzten Abfrage, also in dem Zeitraum seit Juli 2016 bis Ende März 2017, Tierschutz-Verbandsklagen und damit zusammenhängende Verfahren an dem jeweiligen Verwaltungsgericht eingereicht wurden, – wie viele dieser Tierschutz-Verbandsklagen und damit zusammenhängender Verfahren gegebenenfalls gerichtlich entschieden und wie viele anders abgeschlossen wurden (z. B. Rücknahme der Klage/des Antrags), – wie viele dieser Tierschutz-Verbandsklagen gegebenenfalls über mehr als eine Instanz geführt wurden und – wie viele dieser Tierschutz-Verbandsklagen Erfolg/teilweise Erfolg/keinen Erfolg hatten. Die Ergebnisse der Umfrage befinden sich also auf dem Stand von Ende März 2017.

3. Auswertung der Untersuchung Die Darstellung der Untersuchungsergebnisse beginnt mit einer Zusammenfassung der Recherche in den benannten Datenbanken (a)), bevor die Antwort-E-Mails der Verwaltungsgerichte ausgewertet werden (b)). a) Auswertung juristischer Datenbanken Recherchiert wurde bei den juristischen Datenbanken juris und beck-online. Sucht man bei dem Rechtsportal juris nach „Tierschutz“ in Kombination mit „Verbandsklage“ und begrenzt die Rechercheauswahl auf „Rechtsprechung“, so finden sich mit Datum vom 10. Mai 2017 nur zwei Entscheidungen, die dahingehend einschlägig sind, dass ein bereits anerkannter Tierschutzverein nach dem Inkrafttreten eines landesrechtlichen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetzes von der neuen Klagemöglichkeit Gebrauch gemacht hat. Es handelt sich dabei zum einen um eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Münster (Urteil vom 19. April 2016 – 1 K 2781/14). Mit diesem Urteil wurde die Klage eines anerkannten Tierschutzvereins auf Gewährung von Akteneinsicht bei der zuständigen Behörde bezüglich einer Schweinezucht abgelehnt. Für das be-

45

Statt der sieben nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte wurde direkt das Oberverwal­ tungsgericht Nordrhein-Westfalen angeschrieben, das auch auf die erste Umfrage für die nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichte geantwortet hatte.

IV. Prognose zur Klageflut aufgrund einer eigenen Untersuchung 

189

troffene Verfahren gemäß § 16a TierSchG sei durch das TierSchutzVMG NRW lediglich ein Klagerecht, nicht auch ein Mitwirkungsrecht gegeben.46 Zum anderen handelt es sich um eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen (Beschluss vom 4. Februar 2016 – 16 L 221/16). Durch diesen Beschluss wurde der Antrag eines anerkannten Tierschutzvereins, „die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Beigeladenen 1. zu untersagen, Gänse zu töten, um sie als Zielobjekt beim Gänsereiten am Rosenmontag zu benutzen, und 2. aufzuerlegen, Gänsereiten ausschließlich mit Attrappen anstatt dafür getöteten Gänsen durchzuführen“ abgelehnt.47 Eine summarische Prüfung führte zu dem Ergebnis, dass „die Tötung von Gänsen aus Anlass des Gänsereitens 2016 nach Auffassung der Kammer (noch) keinen Verstoß gegen die Bestimmungen des Tierschutzgesetzes“ darstelle.48 Führt man eine entsprechende Suche bei der Datenbank beck-online durch, so findet sich mit Datum vom 10. Mai 2017 nur ein relevanter Treffer, nämlich das bereits zitierte Urteil des Verwaltungsgerichts Münster (Urteil vom 19.4.2016 – 1 K 2781/14). Bislang scheint von der Möglichkeit einer Tierschutz-Verbandsklage also sparsam Gebrauch gemacht worden zu sein. Erwähnt sei an dieser Stelle, dass die Abfrage bei juris und beck-online keine Gewähr dafür bietet, dass tatsächlich jede Tierschutz-Verbandsklage im untersuchten Zeitraum erfasst wurde. Denn nicht jede gerichtliche Entscheidung wird in diese beiden Datenbanken eingestellt. Wie sich zeigen wird, verfestigt sich der erste Recherche-Eindruck eines sparsamen Gebrauchmachens von der TierschutzVerbandsklage jedoch durch die per E-Mail durchgeführte Umfrage bei mehreren Verwaltungsgerichten. b) Auswertung der Antworten der Verwaltungsgerichte Die Auswertung der Antworten von den Verwaltungsgerichten in Bremen49, Hamburg50, dem Saarland51 und Schleswig-Holstein52 sowie den vier Verwaltungsgerichten in Baden-Württemberg (Freiburg53, Sigmaringen54, Stuttgart55, Karls-

46

VG Münster, Urt. v. 19.4.2016 – 1 K 2781/14, juris (Rn. 30 f.). VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 4.2.2016 – 16 L 221/16, juris (Rn. 1–5). 48 VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 4.2.2016 – 16 L 221/16, juris (Rn. 17). 49 E-Mails v. 29.7.2016 und v. 19.4.2017 (nicht veröffentlicht). 50 E-Mails v. 15.7.2016 und v. 12.4.2017 (nicht veröffentlicht). 51 E-Mail v. 1.7.2016 mit anhängendem Schreiben v. 1.7.2016 und E-Mail v. 12.4.2017 mit anhängendem Schreiben v. 12.4.2017 (nicht veröffentlicht). 52 E-Mails v. 6.7.2016 und v. 11.4.2017 (nicht veröffentlicht). 53 E-Mails v. 29.6.2016 und v. 25.6.2017 (nicht veröffentlicht). 54 E-Mails v. 7.7.2016 und v. 2.5.2017 (nicht veröffentlicht). 55 E-Mails v. 27.7.2016 und v. 11.4.2017 (nicht veröffentlicht). 47

190

6. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis

ruhe56) hat ergeben, dass dort im Untersuchungszeitraum noch keine TierschutzVerbandsklage zu verzeichnen ist. In Rheinland-Pfalz ist hingegen immerhin eine Klageaktivität zu registrieren: So wurde vom Verwaltungsgericht Koblenz mitgeteilt, dass dort in dem Untersuchungszeitraum eine noch nicht abgeschlossene Klage eingereicht wurde, die unter dem Aktenzeichen – 2 K 206/17.KO – geführt wird. Der Verein Menschen für Tierrechte  – Tierversuchsgegner Rheinland-Pfalz e. V. klagt in diesem Verfahren gegen das Land Rheinland-Pfalz, weil ihm bezüglich zweier Verfahren zur Genehmigung von Tierversuchen die beantragte Übermittlung der Antragsunterlagen (auch im Widerspruchsverfahren) verwehrt wurde.57 Von den drei weiteren Verwaltungsgerichten in Rheinland-Pfalz (Mainz58, Neustadt an der Weinstraße59, Trier60) wurde wiederum mitgeteilt, dass dort keine Tierschutz-Verbandsklagen anhängig wurden. Am aktivsten waren die anerkannten Tierschutzvereine auf Landesebene bislang in Nordrhein-Westfalen. Von dort kam stellvertretend für die sieben nordrheinwestfälischen Verwaltungsgerichte eine Antwort vom Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen.61 Danach sind zwar bei dem Aachener, Kölner und Mindener Verwaltungsgericht keine Tierschutz-Verbandsklagen eingegangen. Bei den Verwaltungsgerichten in Arnsberg, Düsseldorf, Gelsenkirchen und Münster hat man hingegen bereits erste Erfahrungen mit der Tierschutz-Verbandsklage gemacht: Bei dem Arnsberger Verwaltungsgericht war laut Auskunft des Ober­ verwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen eine Klage anhängig, mit der der Kläger Einsicht in die Akten einer Behörde betreffend eine Hundezucht begehrt habe. Der Kläger habe vermutet, dass der Beklagte nicht energisch genug gegen eine tierschutzwidrige Hundehaltung vorgehe. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung sei es in diesem Verfahren zu einer übereinstimmenden Erledigungserklärung der Beteiligten gekommen. Zuvor habe der Beklagte signalisiert, dem Kläger Einsicht in die begehrten Akten zu geben. Hinsichtlich dem Zeitraum der ersten Abfrage waren bei dem Düsseldorfer Verwaltungsgericht laut Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zwei Hauptsacheverfahren sowie zwei Eilanträge anhängig. In einem der beiden Hauptsacheverfahren sei es zur Klagerücknahme gekommen. Das zweite Hauptsacheverfahren 56

E-Mails v. 18.7.2016 und v. 17.5.2017 (nicht veröffentlicht). Verwaltungsgericht Koblenz, Besonders interessante Verfahren, Einsicht in Akten zu Tierversuchen, https://vgko.justiz.rlp.de/de/presse-aktuelles/besonders-interessante-verfahren/ (Stand: 10.5.2017). 58 E-Mails v. 30.6.2016 und v. 18.4.2017 (nicht veröffentlicht). 59 E-Mail v. 30.6.2016 mit anhängendem Schreiben v. 30.6.2016 und E-Mail v. 26.4.2017 mit anhängendem Schreiben v. 25.4.2017 (nicht veröffentlicht). 60 E-Mails v. 1.7.2016 und v. 11.4.2017 (nicht veröffentlicht). 61 E-Mail v. 26.8.2016 mit anhängendem Schreiben v. 24.8.2016 sowie E-Mail v. 26.6.2017 mit anhängendem Schreiben v. 16.6.2017 und E-Mail v. 14.7.2017 mit anhängendem Schreiben v. 13.7.2017 (nicht veröffentlicht). 57

IV. Prognose zur Klageflut aufgrund einer eigenen Untersuchung 

191

habe mit einer Erledigungserklärung geendet. Auch in einem der beiden Eilanträge sei es zu einer Erledigungserklärung gekommen. Bei dem zweiten Eilantrag sei es demgegenüber zu einer streitigen Entscheidung mit teilweisem Erfolg gekommen. Alle vier Verfahren seien nur in der ersten Instanz geführt worden. Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen teilte auf die zweite Anfrage mit, dass seit Juli 2016 beim Verwaltungsgericht Düsseldorf zwei laufende Hauptsacheverfahren zu verzeichnen sind, über die mit Stand vom 16.6.2017 noch nicht entschieden wurde und die sich auch nicht anderweitig erledigt haben. Bei dem Gelsenkirchener Verwaltungsgericht sind nach der Antwort des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen auf die erste Abfrage 2014 eine Klage und 2016 zwei Eilanträge eingegangen. Durch die Klage habe ein Verein überhaupt erst seine Berechtigung zur Erhebung einer Tierschutz-Verbandsklage einklagen wollen. Es handelt sich dabei also streng genommen noch nicht um die Klage eines bereits anerkannten Tierschutzvereins. Diese Klage wird daher nicht als TierschutzVerbandsklage angesehen und im Folgenden nicht weiter beachtet.62 Die zwei Eilanträge seien beide (aber in verschiedenen Fällen) auf behördliches Vorgehen gegen dem Tierschutz widersprechende Zustände gerichtet gewesen. Beide Eilanträge seien erfolglos geblieben. Bei einem der beiden Eilanträge handelt es sich mutmaßlich um den bereits in juris gefundenen Beschluss des Verwaltungsgerichts 62

In der Antwort auf die erste Umfrage spricht das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen (allerdings ohne Nennung des Aktenzeichens) von einem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen v. 17.12.2015. Die Rede ist insofern wohl von dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen v. 17.12.2015 – 16 K 1117/14, wonach der Landesjagdverband Nordrhein-Westfalen nicht als Tierschutzverein im Sinne des TierschutzVMG NRW anzusehen ist. Die Berufung gegen dieses Urteil wird beim Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen nach Auskunft von dort unter dem Aktenzeichen 20 A 248/16 geführt. An dieser Stelle soll auch ein Urteil des Stuttgarter Verwaltungsgerichts aus neuerer Zeit berücksichtigt werden. Das Verwaltungsgericht Stuttgart hatte eine Klage des PETA Deutschland e. V. gegen das Land BadenWürttemberg abgewiesen, durch die PETA als zur Mitwirkung und zur Verbandsklage berechtigte Tierschutzorganisation anerkannt werden wollte (Verwaltungsgericht Stuttgart, Klage des PETA Deutschland e. V. auf Verbandsklagerecht abgewiesen., http://www.vgstuttgart.de/pb/ Lde/Klage+des+PETA+Deutschland+e_V_+auf+Verbandsklagerecht+abgewiesen_/ (Stand: 3.12.2017). Es begründete seine Entscheidung im Ergebnis damit, „dass die Aufnahmebedingungen für stimmberechtigte Mitglieder in der klägerischen Satzung den gesetzlichen Anforderungen […] nicht genügen“ würden, weil der Verein nicht jedem Unterstützer der Vereinsziele die Mitgliedschaft mit vollem Stimmrecht in der Mitgliederversammlung ermögliche (VG Stuttgart, Urt. v. 30.3.2017 – 4 K 2539/16, juris (Rn. 34)). Diesbezüglich kritisierte das Verwaltungsgericht Stuttgart, dass „im Gegensatz zum nach […] der klägerischen Satzung voraussetzungslosen Erwerb der Fördermitgliedschaft für jedermann, der sich zum Vereinszweck bekennt und einen regelmäßigen Beitrag leistet, […] der Erwerb der (ordentlichen) Vereinsmitgliedschaft mit Stimmberechtigung in der Mitgliederversammlung nach […] der klägerischen Satzung an qualitativ weitergehende, zum Teil unbestimmte Voraussetzungen geknüpft“ sei (VG Stuttgart, Urt. v. 30.3.2017 – 4 K 2539/16, juris (Rn. 34)). Wie das in dieser Fußnote erwähnte Urteil des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen wird auch das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart für die eigene Untersuchung nicht als Tierschutz-Verbandsklage angesehen und daher im Folgenden nicht weiter beachtet. Denn in beiden Fällen handelte es sich „nur“ um die Klage auf Anerkennung und noch nicht um die (Tierschutz-Verbands-) Klage eines anerkannten Tierschutzvereins.

192

6. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis

Gelsenkirchen über das Gänsereiten. Auf die zweite Anfrage teilte das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen mit, dass seit Juli 2016 beim Verwaltungsgericht Gelsenkirchen eine anhängige Klage und ein paralleles anhängiges Eilverfahren zu verzeichnen waren, die beide unstreitig beendet wurden (Rücknahme, beziehungsweise übereinstimmende Erledigungserklärungen). Bei dem Münsteraner Verwaltungsgericht wurde dem Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen zufolge lediglich die ebenfalls bereits in juris gefundene Klage63 eingereicht.64 Gegen das darauf ergangene abweisende Urteil sei die Zulassung der Berufung beantragt worden.65

4. Zusammenfassung und Einordnung der Untersuchung Bevor die Ergebnisse der Untersuchung eingeordnet werden, mag die auf S. 193 folgende Tabelle zunächst noch einmal einen besseren Überblick zu den Antworten von den Verwaltungsgerichten verschaffen. Es ist nicht weiter überraschend, dass in Baden-Württemberg und SchleswigHolstein noch keine und in Rheinland-Pfalz erst eine Tierschutz-Verbandsklage erhoben wurde, da es das Instrument der Tierschutz-Verbandsklage in diesen Bundesländern noch nicht lange genug gibt, um eine belastbare Aussage zu einer etwaigen Klageflut treffen zu können. Von den drei Bundesländern, die anerkannten Tierschutzvereinen die Tierschutz-Verbandsklage immerhin schon seit dem Jahr 2013 ermöglichen, wurde lediglich in Nordrhein-Westfalen von der neuen Klagemöglichkeit Gebrauch gemacht. Die Anzahl von Verfahren, die als Anwendungsfälle der Tierschutz-Verbandsklage insgesamt recherchiert werden konnten, fallen aber nicht weiter ins Gewicht: Von einer Klageflut kann angesichts von acht Klagen und fünf Eilanträgen in keinerlei Hinsicht die Rede sein. Dies sind jedoch auch noch zu wenige Verfahren, um eine aussagekräftige Bewertung der Erfolgsquote vornehmen zu können. Da von jedem oder für jedes angeschriebene Verwaltungsgericht eine Antwort auf die Umfrage zurückkam, wird davon ausgegangen, dass die ermittelten Zahlen belastbar sind. Dies steht allerdings insoweit unter Vorbehalt, als nicht von jedem Gericht eine „definitive“ Antwort zurückkam. So gab es beispielsweise auch Ant 63

S. VG Münster, Urt. v. 19.4.2016 – 1 K 2781/14. Es sei darauf hingewiesen, dass Ungenauigkeiten bei der Untersuchung nicht ausgeschlossen werden können. So berichtet Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (321) unter Verweis auf eine Pressemeldung des Deutschen Tierschutzbund e. V. vom 11.5.2016, dass dieser beim Münsteraner Verwaltungsgericht die Begründung zu einer Klage eingereicht hat, die ein Bauvorhaben eines Putenmästers betrifft. Diese Verbandsklage findet sich in den Antworten des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, das stellvertretend auch für das Verwaltungsgericht Münster geantwortet hat, nicht wieder. 65 Dieser Antrag ist laut Auskunft des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen dort unter dem Aktenzeichen – 20 A 1165/16 – anhängig. 64

193

IV. Prognose zur Klageflut aufgrund einer eigenen Untersuchung  Tabelle 2 Tierschutz-Verbandsklagen an den Verwaltungsgerichten Bundesland

Verwaltungsgericht

Klagen

Eilanträge

Bremen

Bremen

0

0

Hamburg

Hamburg

0

0

Nordrhein-Westfalen

Aachen

0

0

Köln

0

0

Minden

0

0

Arnsberg

1

0

Düsseldorf

4

2

Gelsenkirchen

1

3

Münster

1

0

Saarland

Saarland

0

0

Rheinland-Pfalz

Koblenz

1

0

Mainz

0

0

Neustadt a.d. Weinstraße

0

0

Trier

0

0

Schleswig-Holstein

Schleswig-Holstein

0

0

Baden-Württemberg

Freiburg

0

0

Sigmaringen

0

0

Stuttgart

0

0

Karlsruhe

0

0

worten wie „von einer beim Verwaltungsgericht […] anhängigen oder anhängig gewesenen tierschutzrechtlichen Verbandsklage ist mir nichts bekannt […]“ und dass sich auch aus einer gerichtsinternen Umfrage nichts ergeben habe, weshalb man zu „anhängigen oder anhängig gewesenen tierschutzrechtlichen Verbandsklagen weiterhin nichts mitteilen“ könne.66 Die Zahlen dürften aber jedenfalls ein starkes Indiz dafür sein, dass es durch Tierschutz-Verbandsklagen nicht zu einer Klageflut kommen wird. Man könnte sich vielmehr fragen, ob sich die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage angesichts dieser wenigen Anwendungsfälle in der Praxis überhaupt 66

E-Mails vom VG Sigmaringen v. 29.6.2016 und v. 2.5.2017 (nicht veröffentlicht).

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6. Teil: Die Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis

„lohnt“. Allerdings ist es eine müßige Überlegung, ab welchen Fallzahlen und ab welcher Erfolgsquote eine neue Klagemöglichkeit wohl „lohnenswert“ ist. Vor allem aber bemisst sich die Relevanz der Tierschutz-Verbandsklage in der Praxis nicht nur an den Verfahrenszahlen und Erfolgsquoten, da bereits „die präventive Wirkung möglicher Verbandsklagen zu einem verbesserten Vollzug des materiellen Tierschutzrechts führen [kann]“.67 Auch angesichts von nur wenigen TierschutzVerbandsklagen sollte man die vorbeugende Wirkung der Tierschutz-Verbandsklage nicht unterbewerten.68 Zu beachten ist auch, dass es die Tierschutz-Verbandsklage  – abgesehen von Bremen – noch nicht allzu lange auf Länderebene gibt. Es ist wohl schlicht noch zu früh, um eine Aussage über die Nutzung und den Nutzen der Tierschutz-Verbandsklage zu treffen. Je mehr Bundesländer die Tierschutz-Verbandsklage einführen werden, umso mehr Tierschutz-Verbandsklagen werden mutmaßlich vor den Verwaltungsgerichten anhängig gemacht werden. Haben diese Tierschutz-Verbandsklagen Erfolg, so lassen der damit verbundene Erfahrungsgewinn mit diesem neuen Instrument und ein möglicherweise steigendes Selbstbewusstsein von Tierschutzverbänden weitere Tierschutz-Verbandsklagen erwarten. Jedoch deuten die bislang vorliegenden Fallzahlen darauf hin, dass es nicht zu einer Klageflut kommen wird. An dieser Stelle sei abschließend noch auf ein weiteres Argument zugunsten der Tierschutz-Verbandsklage eingegangen: Tierschutz-Verbandsklagen ermöglichen Grundsatzentscheidungen zu Rechtsfragen, die einem Gericht ohne Verbandsklage nicht zur Beantwortung gestellt würden.69 Tierschutz-Verbandsklagen werden also voraussichtlich bewirken, „dass die zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffe des Tierschutzrechts eine Konkretisierung durch die Gerichte erfahren, was der Rechtssicherheit in diesem Bereich dienlich ist“  – sogar als unbegründet abgewiesene Tierschutz-Verbandsklagen sind ein Beitrag zu mehr Rechtssicherheit.70

67 Rossi, Föderale Regelungsbefugnisse für Verbandsklagerechte im Tierschutzrecht, NuR 2016, 733 (734). 68 Schürmeier, Zu Entwicklung und Stand des Tierschutz-Verbandsklagerechts, NuR 2017, 316 (322). 69 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381). 70 Näckel/Wasielewski, Verbandsklagerecht im Tierschutz – ein Plädoyer, NordÖR 2004, 379 (381).

Zusammenfassung der Arbeit In der Einleitung wurde unter Verweis auf bremisches Landesrecht zunächst beispielhaft aufgezeigt, wie die Tierschutz-Verbandsklage rechtsbegrifflich in Worte gefasst werden kann und erklärt, dass hinter diesem Instrument die Idee steckt, es ausgewählten Klägern zugunsten der Tiere zu ermöglichen, tierschutzrelevante Behördenentscheidungen von einem Verwaltungsgericht überprüfen zu lassen. Im weiteren Verlauf der Einleitung wurde neben dem Anlass (siehe Einleitung I.) sowie dem Gang und dem Ziel der Untersuchung (siehe Einleitung II.) auch dargestellt, welche Sachverhalte Anlass für die Erhebung einer Tierschutz-Verbandsklage geben könnten und welches tierschutzrechtliche Problem die Tierschutz-Verbandsklage lösen könnte (siehe Einleitung III.). Die Darstellung des Sachverhalts und der Umstände des aufgegriffenen Legehennen-Urteils haben dabei veranschaulicht, dass in der Praxis mitunter einer großen Zahl von Tieren erhebliches Leid widerfährt. Zudem wurde in diesem Zusammenhang bereits angedeutet, dass neben der Möglichkeit, vor dem Bundesverfassungsgericht für Tierschutz zu streiten, auch ein Bedürfnis für die Möglichkeit besteht, vor den Verwaltungsgerichten für Tierschutz zu streiten. Im Rahmen des Problemaufrisses wurden die Begriffe des Vollzugsdefizits und des rechtlichen Ungleichgewichts einander gegenübergestellt. Es hat sich gezeigt, dass noch nicht ausreichend erforscht und überzeugend dargelegt ist, ob im Tierschutzrecht tatsächlich ein Vollzugsdefizit zu beklagen ist und ob dessen Ausmaß gegebenenfalls die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage notwendig macht. Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist es sachgerechter, die Forderung nach der Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage maßgeblich auf das Argument des rechtlichen Ungleichgewichts zu stützen: Die Tierschutz-Verbandsklage wirkt sich ausgleichend auf das andernfalls fortbestehende tierschutzrechtliche Ungleichgewicht – dass grundsätzlich zwar die Tiernutzer gegen unliebsame tierschutzrechtliche Behördenentscheidungen klagen können, aber niemand zugunsten der Tiere den Gang zum Gericht beschreiten kann – aus. Im ersten Teil wurde in sozialer, politischer und ethischer Hinsicht auf den Kontext der Tierschutz-Verbandsklage eingegangen. Zunächst wurde das deutsche Tierschutz-Verbandswesen im Überblick vorgestellt (siehe Erster Teil I.). Die Rolle des Klägers im Rahmen der Tierschutz-Verbandsklage ist mit den Tierschutzvereinen gut besetzt. Zwar wurde deutlich, dass das deutsche Tierschutz-Verbandswesen komplexe Strukturen aufweist. Deutlich wurde aber auch, dass die Tierschutzverbände und -vereine ungeachtet ihrer Organisation durchaus durchsetzungsstark sind. In der Zusammenschau mit den Anerkennungsvoraussetzungen (siehe dazu Fünfter Teil II. 3. a) und b)) ist im Übrigen auch davon auszugehen, dass nur seriöse Tierschutzvereine die Möglichkeit bekommen, eine Tierschutz-Verbandsklage zu

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erheben. Des Weiteren wurde im ersten Teil das parteipolitische Stimmungsbild bezüglich der Tierschutz-Verbandsklage wiedergegeben (siehe Erster Teil II.). Die Ausführungen zum politischen Kontext haben die Tendenz aufgezeigt, dass CDU und FDP in der Regel – anders als SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE – keine Unterstützer der Tierschutz-Verbandsklage sind, sodass eine rotgrüne Regierung die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage am wahrscheinlichsten machen würde. Wie etwa das Abstimmungsverhalten im Saarland gezeigt hat, sind jedoch Ausnahmen zu dieser Regel denkbar. Abgerundet wurde die Darstellung des Kontextes der Tierschutz-Verbandsklage sodann durch die Bezugnahme auf ausgewählte tierethische Aspekte (siehe Erster Teil III.). Im zweiten Teil  wurde der Rechtsrahmen der Tierschutz-Verbandsklage dargestellt und ein Bogen von der Geschichte des deutschen Tierschutzrechts und der Tierschutz-Verbandsklage (siehe Zweiter Teil I.) bis zum gegenwärtigen Spektrum ausgewählter Rechtsdurchsetzungsinstrumente (siehe Zweiter Teil II.) geschlagen. Dabei hat sich gezeigt, dass die Tierschutz-Verbandsklage historisch betrachtet noch ein recht junges Instrument ist. Im Vergleich der Tierschutz-Verbandsklage mit den bestehenden anderen Rechtsdurchsetzungsinstrumenten ließ sich stets ein Mehrwert der Tierschutz-Verbandsklage herausarbeiten. Dies gilt auch für die Vergleiche mit ausgewählten Rechtsdurchsetzungsinstrumenten ausländischer Rechtsordnungen (siehe Zweiter Teil III.). Im dritten Teil wurde deutlich, dass sich die Tierschutz-Verbandsklage in das traditionelle System des deutschen Verwaltungsrechts integrieren lässt. Angesichts des Grundsatzes des Individualrechtsschutzes (siehe Dritter Teil I.) stellen altruistische Verbandsklagen wie die Tierschutz-Verbandsklage Ausnahmen dar (siehe Dritter Teil II.), sind so gesehen also etwas Besonderes. Überfordert wird das deutsche Verwaltungsrechtssystem durch die Einführung von Verbandsklagen aber nicht. Im vierten Teil  wurde der verfassungsrechtliche Rahmen der Tierschutz-Verbandsklage dargestellt. Zunächst wurde klargestellt, dass es weder auf Landes-, noch auf Bundesebene einen Verfassungsauftrag zur Einführung der TierschutzVerbandsklage gibt (siehe Vierter Teil I.). Sodann wurde problematisiert, wie die Tierschutz-Verbandsklage im Kompetenzgefüge zwischen Bund und Ländern einzuordnen ist (siehe Vierter Teil II.). Wie sich gezeigt hat, sind allein die Bundesländer, nicht auch der Bund, hinsichtlich der Tierschutz-Verbandsklage gesetzgebungsbefugt. Die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage auf Bundesebene ist derzeit weder unter dem Gesichtspunkt gleichwertiger Lebensverhältnisse im Bundesgebiet, noch mit Blick auf die Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse erforderlich im Sinne von Art. 72 Abs. 2 GG. Die Diskussion über die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage ist zukünftig also auf Landesebene zu führen. Im fünften Teil wurde – nach einem kurzen Exkurs zu Brandenburg (siehe Fünfter Teil I.) – die Ausgestaltung der bereits in Kraft getretenen Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze auf Länderebene näher untersucht (siehe Fünfter Teil  II. bis IX.) sowie zusammengefasst (siehe Fünfter Teil X.). Durch die chronologische Betrach-

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tung der konkreten Ausgestaltung der einzelnen Landesgesetze wurden landesspezifische Regelungen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede im Detail sichtbar. Grob betrachtet lassen sich die Landesgesetze in zwei verschiedene Gruppen einteilen. So ähneln sich auf der einen Seite die Gesetze in Bremen, Hamburg und Niedersachsen und auf der anderen Seite die Gesetze von Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg. Die letztgenannte Gruppe hat aus Tierschutzgesichtspunkten aufgrund umfassenderer Mitwirkungs- und Klagerechte die zweckmäßigeren Tierschutz-VerbandsklageGesetze eingeführt. Es schien sich auf Landesebene schon durchgesetzt zu haben, die statthaften Rechtsbehelfe – in Abkehr zu den bremischen und hamburgischen Regelungen – nicht auf die Feststellungsklage zu beschränken. Insofern überrascht es, dass Niedersachsen nicht dem Vorbild von Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg gefolgt ist, sondern wie Bremen und Hamburg erneut eine solche Beschränkung vorgenommen hat. Es ist daher schwer zu prognostizieren und bleibt abzuwarten, welche Form künftige landesrechtliche Tierschutz-Verbandsklage-Gesetze annehmen werden. Im Rahmen des Fünften Teils hat sich im Übrigen gezeigt, dass die gegen die Einführung einer Tierschutz-Verbandsklage ins Feld geführten Argumente der Gefährdung von Forschung und Wirtschaft, einer missbräuchlichen Verwendung der TierschutzVerbandsklage oder einer Gefährdung berechtigter Geheimhaltungsinteressen  – je nach konkreter Ausgestaltung der landesrechtlichen Tierschutz-VerbandsklageGesetze – entkräftet werden können. Im sechsten und letzten Teil wurde die Rechtsprechungspraxis zu TierschutzVerbandsklagen auf Länderebene untersucht. Nachdem auf das Argument der Klageflut eingegangen wurde (siehe Sechster Teil I.), ein vergleichender Blick auf die Erfahrungen im Umwelt- und Naturschutzrecht geworfen wurde (siehe Sechster Teil II.) und der Aspekt des Prozesskostenrisikos beleuchtet wurde (siehe Sechster Teil  III.), wurde auf Grundlage einer eigenen Untersuchung eine Prognose zur Klageflut abgegeben (siehe Sechster Teil IV.). Die Ergebnisse der Untersuchung lassen tendenziell eher keine Klageflut erwarten. Es konnte nur eine sehr geringe Anzahl an Tierschutz-Verbandsklagen ermittelt werden, die nicht auf eine Überlastung der Gerichte aufgrund von Tierschutz-Verbandsklagen schließen lässt. Dieses Argument sollte bei der Diskussion Für und Wider die Einführung der TierschutzVerbandsklage daher künftig außen vor gelassen werden. Um zum Abschluss den Bogen zu den einleitend erwähnten Bremer Stadtmusikanten der Brüder Grimm zu schlagen: In dem Märchen wird thematisiert, dass „der Mensch […] die Tiere nicht mit der erforderlichen Achtsamkeit [behandelt]“.1 Soweit Tiere auch in der Realität nicht achtsam, beziehungsweise nicht gesetzeskonform behandelt werden, erscheint die Tierschutz-Verbandsklage als ein geeignetes Instrument, um diesen Tieren Aufmerksamkeit, Achtung und Schutz zukommen zu lassen. 1 Uther, Handbuch zu den „Kinder- und Hausmärchen“ der Brüder Grimm. Entstehung – Wirkung – Interpretation, 2. Aufl. 2013, S. 69.

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Sachverzeichnis Anordnung der sofortigen Vollziehung  133 f. Baden-Württemberg  17, 41, 54, 67, 113 f., 126 f., 163–165, 167–170, 175–177, 185, 189, 192 f., 197 Beteiligungsfähigkeit  81 f. Brandenburg  67, 127 f., 185, 196 Bremen  17, 38, 54, 88, 101, 122, 127, 129 f., 135–138, 140–142, 145, 147 f., 152–157, 172 f., 175 f., 184 f., 189, 193 f., 197 Bundesebene  23, 36, 53, 88, 92, 101, 103 f., 111 f., 114, 117, 119 f., 125, 180, 196 Bündnis 90/Die Grünen  20, 39–42, 53, 88 f., 99, 101, 104–106, 196

Landesverfassung  38, 87 f., 128 Länderebene  23, 95, 98, 100, 163, 175 f., 178, 194, 196 f. Naturschutzrecht  38, 71, 85, 178–183, 197 Niedersachsen  17, 19 f., 54, 67, 104, 127, 171–175, 185, 187, 197 Nordrhein-Westfalen  17, 19 f., 24, 34, 42, 54, 101, 122, 127, 140–142, 145, 147, 151–158, 160, 162, 164 f., 168, 171 f., 174–177, 185, 190–193, 197 Österreich  69 f., 76 Parteien  22, 39, 42, 104, 107 Prozesskostenrisiko  184, 197

CDU  20, 39–42, 51, 89, 196 Die Linke  20, 39–41, 196 Eigentümer 54–57 Erforderlichkeitsklausel  92, 103, 111 f., 114 f., 117, 120 FDP  20, 39–42, 89, 196 Feststellungsklage  122, 130, 132 f., 141, 143 f., 172 f., 175–177, 197 Gesetzgebungskompetenz  23, 88, 92–97, 99, 103, 112–114, 116, 125 Gleichwertige Lebensverhältnisse  118 Halter  32 f., 54 f. Hamburg 17, 54, 67, 81 f., 101, 127, ­139–141, 154–157, 175–177, 185, 189, 193, 197 Indirektes Verbandsklagerecht  73 Individualrechtsschutz  22, 75, 78, 85, 196 Klageflut  23, 178–180, 184–186, 192–194, 197

Rechtseinheit  118, 120 f., 123 Rheinland-Pfalz  17, 42, 54, 127, 157–161, 163, 170 f., 175–177, 185, 190, 192 f., 197 Saarland  17, 42, 54, 67, 101, 126 f., ­154–157, 159 f., 163, 168, 175–177, 185, 189, 193, 196 f. Schleswig-Holstein  17, 42, 53 f., 67, 89, 100, 107 f., 127, 161–163, 169, 175–177, 185, 189, 192 f., 197 Schutznormtheorie  75, 77 f. Schweiz  69, 72 f., 76 SPD  20, 39–42, 53 f., 89, 99, 104, 196 Staatsanwälte  61, 63 Staatszielbestimmung  51 f., 63, 78, 87–91, 113 Strafrecht  62 f., 72 f. Subjektive Rechte  75, 78, 80 Tieranwälte  72 f. Tierärzte  54, 57–59, 61, 155 f. Tierethik 46 Tierrechtskommission  54, 64

208

Sachverzeichnis

Tierschutzbeauftragte  41, 50, 54, 66–69, 96 f., 104, 156 f. Tierschutzbehörden  28, 31, 33 f., 57–59, 61, 91, 141, 156 Tierschutzkommission  64, 66 Tierschutzverbandswesen  21 f., 35–37 Tierversuchskommission  50, 64–66, 73 f., 96–98 Tierschutz-Ombudsperson 69–71

Umweltschutzrecht  27, 52, 179, 182 Ungleichgewicht  21, 24, 27, 32–34, 52, 61, 195 Vollzugsdefizit  21, 27–34, 36, 60, 182, 186, 195 Wahlprogramm 39–42 Wirtschaftseinheit  116–118, 123 f., 196

SUMMARY This book addresses the animal welfare group lawsuit. The idea of the animal welfare group lawsuit is to enable selected claimants in favor of the animals to get animal protection-relevant administrative decisions reviewed by an administrative court. So far this idea could not prevail at a federal level in Germany. However, on a national level the animal welfare group lawsuit has been introduced in about half of the federal states in Germany. The book examines backgrounds, theoretical foundations and the practical implementation of the animal welfare group lawsuit. More precisely, the book deals with the social, political and ethical context of the animal welfare group lawsuit as well as the history and the presence of animal protection law. In addition, administrative and constitutional aspects of the animal welfare group lawsuit will be covered. Furthermore, the book expands on the existing laws about animal welfare group lawsuits and makes investigations about the administrative jurisdiction regarding the animal welfare group lawsuit.

RÉSUMÉ Ce livre examine l´action collective de bien-être des animaux. L´idée de l´action collective de bien-être des animaux est de créer une possibilité pour des plaignantes sélectionnés de laisser vérifier les décisions des autorités pertinents le bien-être des animaux par un tribunal administratif en faveur des animaux. Dans un niveau fédéral l´idée n’a pas réussi à accomplir en Allemagne mais dans un niveau national l´action collective de bien-être des animaux était introduire dans une moitié des états allemands. Ce livre traite les fondements, les bases théorétiques et la mise en pratique de l´action collective de bien-être des animaux. Alors dans ce livre l´action collective de bien-être des animaux est classé par le contexte social, politique et éthique aussi bien que par le contexte de l´histoire et de la présence de bien-être des animaux droit. Également le livre couvre les aspects administratifs et constitutionnels de l´action collective de bien-être des animaux. De plus le livre examine plus en détail la législation existante au niveau national en ce qui concerne l´action collective de bien-être des animaux et il y a une analyse de la jurisprudence concernant l´action collective de bien-être des animaux.