Das Hotel, seine Verwaltung und Bedienung

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Culturae historia . )

i2gig.

Das

Hôtel ,

seine Verwaltung

und

Bedien

ung. *

Von

William Stab.

balle a/S. Druck und Verlag von Otto Hendel.

1876.



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Hôtel ,

seine Verwaltung

und

Bedien

ung .

Von

William Stab.

balle a/S. , Druck und Verlag von Otto Hendel. 1876.

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izgig .

EEK

Vorwort.

Während es heutzutage nicht an Lehrbüchern für jede Art von Gewerbetreibenden fehlt , finden wir für die Bedienung eines Hôtel ,

namentlich für die Stellung des

Kellners keines, aus welchem Fachbelehrung, ſittliche Bildung und Unterhaltung zugleich geschöpft werden könnte. Diesem Mangel abzuhelfen ,

suchte der Verfasser seine

Erfahrungen zusammenzufaſſen und sie Anderen nugbar zu machen.

Langjährige Praris

kam

ihm

dabei zu

Hülfe. Um auf die Einzelheiten des Werkchens einen Blick zu werfen , so sind es vorzüglich die Verhältniſſe in den besten Hôtels , welche mit Sachkenntniß erörtet werden. Das Nachahmenswerthe

ist eingehender behandelt , auf

III

Vorwort.

unmittelbar zu Gute kommt, und hofft, daß in dieſem Sinne dem Werkchen von Seiten der Prinzipale zu derjenigen Verbreitung verholfen werden wird , die zur Erreichung des guten Zwecks dringend nöthig iſt.

VI

Inhalt.

Seite. III

Vorwort.

Einleitung.

1

Eintreten in den Lehrstand.

4

11

Allgemeine Regeln für den Kellner. Bei Ankunft der Fremden.

25

Betragen den Gäſten gegenüber.

35

Mittagstisch.

62

Billard-, Karten- und andere Spiele.

70

Ueber Bier und Bierkeller.

78

Wein und Weinstube.

86

Ueber Küchenwesen. •

104

Beim Verlassen einer Stellung. lebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

116

124 137

Ueber Buchführung. Der Gebrauch fremder Sprachen und das Erlernen derselben.



145

·

158

150

Ueber Ersparnisse. Das Geld- und Münzwesen.

168

Rückblick. Der Oberfellner. •

• VII

172

Inhalt.

Seite. 177

Der Koch. • Der Portier . •



181 185

Der Kutscher. •

Das Stubenmädchen .

189

Der Hausknecht. •

191

Bemerkungen über den Verkehr mit Gästen verschiedener Natio= nalität.

195

Gesundheitspflege des Kellners.



VIII

199

Einleitung.

n keinem Stande findet man ein solches Gemisch

von

schränktheit ,

Intelligenz Politur

und Be-

und Rohheit,

Wohlhabenheit und Armuth, als in dem Stande der Kellner. Wir sehen unter ihnen den feingebildeten , tactvollen Weltmann , mit einer Tournüre, um die ihn mancher Gentleman beneiden könnte, in den feinsten Salons servirend ,

und treffen auf der Land-

ſtraße zerlumpte Strolche , nennen.

die sich gleichfalls

Kellner

Wenn wir nun auch nicht immer annehmen können, daß Ersterer durch eigenes Verdienst diese höhere Stellung erreicht hat, - oft waren es besondere Glücksumstände, die ihn begünstigten,

so darf man wiederum nicht be-

haupten , daß Leztere stets durch eigene Schuld so weit herabgesunken sind ; oft fehlte ihnen die nöthige Anleitung und die Gelegenheit sich empor zu arbeiten ; wohl aber

1

Stab, Hoici.

1

Einleitung.

können wir behaupten , daß die meisten dieser Heruntergekommenen entweder einem unmoralischen Charakter ihr Unglück verdanken ,

oder sich nicht die Gewandtheit in

ihrem Fach angeeignet haben ,

die einem Kellner ,

der

seinen Plaz zur Zufriedenheit seines Chefs ausfüllen will, zu Gebote stehen muß. Deshalb wandern nun solche unglückliche Gestalten von Ort zu Ort, weil jeder Prinzipal ſie je eher je lieber wieder los zu werden sucht, sich ihrer nur in der äußerſten Noth bedient und , wenn dieſe vorüber, ihnen den Laufpaß schreibt.

Viele dieſer ſo oft Entlaſſenen führen dann

ein vagabondirendes Leben und sinken, wenn die kleinen Ersparnisse aufgezehrt sind , von Stufe zu Stufe ;

und

erschreckend groß ist die Zahl derer, welche in der Verbrecherliste verzeichnet sind .

Aller Existenzmittel entblößt,

beraubt der Achtung ihrer Mitmenschen , auf deren Mitleid sie schließlich angewiesen sind , gehen sie einer traurigen Zukunft entgegen, ſo daß auch der geringste Tagelöhner nicht mit ihnen tauschen würde. Den Kellnerstand zu heben , strebsame junge Leute vor einem solchen Verkümmern zu schüßen , ihnen behülflich zu sein ,

dereinst eine geach-

tete Stellung in der bürgerlichen Gesellschaft einzunehmen, ist der Zweck dieses Buches . Zum Glück giebt es ja außer der großen Masse von Kellnern, die in den Tag hineinleben, noch genug bildungs2

Einleitung.

fähige junge Leute, die in ihrem Streben nach Vervollkommnung einen väterlichen Rath gern annehmen und dankbar sind, wenn ſie eine vernünftige Anleitung finden. Vor Allem will ich dem Lernenwollenden darlegen, welche Anforderungen man an einen Kellner heutzutage macht , ehe man ihm das Prädikat „ gut “ beilegt , und dann ihm zeigen , durch welche Mittel er die Fähigkeiten erwerben kann , den Forderungen seines Prinzipals und des Publikums gerecht zu werden. Kellner , welche die ihnen hier gegebenen Regeln beachten, sich die erwähnten Eigenſchaften so zu eigen machen, daß ihnen die Erfüllung ihrer Pflicht nicht mehr als eine Last erscheint , werden zunächst brauchbare Menschen und später im Stande sein , wenn das Schicksal ihnen wohl will, auch die Stelle eines Hôtelbeſizers auszufüllen. Wollten sie dann erst mit dem Lernen anfangen , wäre es zu spät, denn :

" Was Hänschen nicht lernt, Lernt Hans nimmermehr."

3

1*

Das Eintreten in den Lehrfland.

iele der in den Kellnerstand eintretenden jungen Leute haben nicht im Entferntesten einen Begriff, was der von ihnen gewählte Beruf zu bedeuten hat, welche Aussichten er ihnen bietet.

Mit Schul-

kenntnissen meistens nur nothdürftig ausgerüstet, stehen sie

vor

der Nothwendigkeit ,

einen Beruf wählen zu müſſen.

sich

Sie wollen in erster

Linie ihr Brod verdienen und zwar in möglichst bequemer Weise.

Und so erscheint ihnen, im Vergleich mit früheren

Schulcollegen,

welche Kellner geworden sind und nach

ihrer Ansicht ein Herrenleben führen , ein Handwerker als Sclave der Menschheit , der Dienst des Kellners dagegen sehr leicht.

Die Befähigung zu einer solchen Stellung

glauben sie schon mitzubringen , wenn sie ein Glas Bier regelrecht einschenken und den Gästen vorseßen können. Geblendet von schaumgoldartigen Aeußerlichkeiten folgen 4

Das Eintreten in den Lehrstand.

sie dem verlockenden Beispiele und geben vor jedem anderen Berufe dem Kellnerſtande den Vorzug. Leider bedenken sie nicht , daß sie nicht ewig jung bleiben und daß das, was dem Knaben nicht unangenehm ist, Andere bedienen zu müſſen, dem Manne unter Umdaß der Handwerker

ständen recht bitter werden kann,

eher Aussicht hat, sein eigener Herr zu werden , auch wenn ihm die Capitalien nur spärlich zu Gebote stehen, als der Kellner.

Die Fragen ferner , ob sie sich auch zu

ihrer Stellung qualificiren , ob ihr Aeußeres dazu angethan ist , auf Andere einen guten Eindruck zu machen, diese Fragen legen sie sich selten vor. Manche Leute haben ja das Unglück, unbewußt und unverschuldet in ihrer ganzen Erscheinung etwas Abstoßendes , Dummes oder Freches zu tragen , und jeder Vernünftige könnte ihnen sagen , daß es ihnen dadurch gerade in diesem Stande schwer werden wird , das Wohlgefallen Anderer zu ge= winnen , jedenfalls schwerer als Denen , die mit einem guten Willen ein gefälliges Aeußere , dieſe ſchöne Zugabe für's Leben, verbinden. Kommen nun jene Leute, welche die Kellnerei ſpielend erlernen zu können meinen , nicht in die Hände eines strengen und dennoch an rechter Stelle nachsichtigen und geduldhabenden Lehrmeiſters, ſo werden sie sich schwerlich durch eigene Kraft über die Mittelmäßigkeit erheben können, auf der leider die Mehrzahl der deutschen Kellner steht. 5

Das Eintreten in den Lehrstand.

Der deutschen Kellner ! Stehen die französischen Kellner etwa höher?

Im Allgemeinen , ja !

Schulbildung nach;

Weniger zwar ihrer

was Aufmerksamkeit gegen die

Gäſte betrifft, jedenfalls .

Viel mag dabei die den Fran-

zosen eigenthümliche Geschmeidigkeit mitsprechen , ein beſonderer Grund aber ist wohl der , daß die franzöſiſchen Kellner nicht von ihrem Chef honorirt werden , sondern lediglich auf die Trinkgelder der Gäſte angewieſen ſind, daß sie sich also im eigenen Interesse diesen gegenüber zu größerer Aufmerkſamkeit veranlaßt ſehen. Nichts Können ist nun für Denjenigen, welcher nicht ſelbſt durch seinen Unfleiß und ſeine Nachlässigkeit daran die Schuld trägt, keine Schande, wohl aber, nichts lernen Wollen. In dem entschiedenen Wollen liegt aber schon der Keim zum Können , und , wo der gute Wille vorhanden , da halte man nur die Augen unverdroffen , wunden.

offen ,

ſei

dann wird auch das Schwierigste über-

Ich werde nun dem Lernenden das Ziel zeigen,

nach welchem er streben muß, werde die Zwischenstationen, die er auf seiner Laufbahn zu paſſiren hat , näher beleuchten und ihm somit zugleich ein Bild entwerfen von dem Verhältniß , welches zwischen dem Hôtelier und dem Publikum einerseits und dem Hôtelier und deſſen Bedienung anderseits besteht. Solltest du , junger Freund ,

im Anfange das hier

Gesagte nicht gleich verstehen, so lies es öfter durch ; die 6

Das Eintreten in den Lehrstand.

Sprache ist deutsch , der Sinn leicht zu fassen , und wenn du es dennoch nicht verstehst, so muß ich dir sagen , daß du eine Kellnerſtelle, für die man einen mit den nöthigen Schulkenntnissen ausgerüsteten Menschen sucht , nicht annehmen kannst , ohne befürchten zu müssen , nach einigen Tagen wieder entlassen zu werden. Betrachte also dieses Buch als Wegweiser, als Kompaß, nach dem du deinen Cours zu steuern hast ; er wird dir den Weg zeigen, den Alle gehen müſſen, welche die Achtung ihrer Mitmenschen erwerben und bewahren wollen.

Und

wenn du mit feſtem Willen dieſer Lehre folgſt, ſo bist du schon auf halbem Wege zu dem Ziele, ein gewandter Kellner zu werden. Dabei sollst du jedoch nicht stehen bleiben, sondern dir dein Ziel höher stecken .

Hast du das Erste erreicht,

das Uebrige findet sich von selbst.

Nimmermehr wird

derjenige ein tüchtiger Hôtelbefizer , welcher nicht von der Pike auf gedient und nicht als junger und älterer Kellner mit Gästen angemessen zu verkehren gelernt hat, der nicht mit Küche und Keller Bescheid weiß , genug , der nicht Alles zu beurtheilen versteht , was mit dem Hôtelwesen in irgend welche Berührung kommt. Früher war solche Vollkommenheit

mit

geringeren

Schwierigkeiten zu erreichen, aber in unserer Zeit der Eisenbahnen ist die Stellung eines Hôtelier eine ganz andere geworden , d. h. eine ſchwierigere.

7

Wenn damals

Das Eintreten in den Lehrstand.

der Reisende froh war, an der Landstraße ein beſcheidenes Unterkommen, ein reinliches Quartier zu finden, so werden heutzutage oft die übertriebenſten Ansprüche gemacht.

Die

Concurrenz schon macht es jedem Hôtelier zur Pflicht, durch gute Bedienung, comfortable Einrichtung das Renommée seines Hôtels aufrecht zu erhalten , zu sorgen, daß der Gast sich in seinem Hause wohl und heimiſch fühle, daß ihm in materieller Hinſicht dasjenige gewährt wird, was er nach seiner Zahlung beanspruchen darf. So sehr der Wirth nun

auch über das Wohl der

bei ihm Einkehrenden wacht , so fehlen ihm doch zwei Eigenschaften , er ist nicht allgegenwärtig und nicht allwissend .

Er muß umſichtige Leute zu Hülfe nehmen,

die ihn in seinem Geschäft unterſtüßen und können.

vertreten

Diese Leute , welche gegen eine Besoldung die

Dienstleistungen der die Hôtels und Restaurationen Besuchenden übernehmen, sind eben die Ober- , Zimmer- und Restaurationskellner. Die beiden Ersteren ſind es in erster Reihe , auf die der Prinzipal sich verläßt , die in seiner Abwesenheit das Haus repräsentiren, für deren Fehler er haften muß, deren treuer Beistand dagegen ihm und seinem Hauſe wieder zu Gute kommt ; und in dem Maße, wie die Kellner im Stande sind, ihren Prinzipal zu unterstüßen , ist ihre Stellung pecuniär

wie persönlich eine begünstigte oder

untergeordnete, eine bleibende oder stets wechselnde.

8 蠻

1

Das Eintreten in den Lehrstand.

In einem Hôtel muß Alles ,

einem Uhrwerk gleich,

ſeinen abgemeſſenen Gang gehen ; wie schwer es aber für einen ordnungsliebenden , pünktlichen Gastwirth ist , ein Perſonal zu finden und zu behalten , welches seinen Anſprüchen genügt, weiß Jeder, der mit einer solchen Stellung nur einigermaßen vertraut ist.

Heute ist es der Koch,

den der Prinzipal wegschickt, weil er die Nächte aus dem Hause bleibt, morgen der Oberkellner , der die Fremden übervortheilt hat , dann der Zimmerkellner , der in der Abwesenheit des Fremden dessen Correspondenz studirt oder aus der Schule geschwazt hat;

dann wieder das

Stubenmädchen , an der er die nöthige Sauberkeit und Ordnungsliebe vermißt.

Darum nannte ich seine Stellung

eine schwierige, weil sein Auge fortwährend über Alles wachen muß, weil die Fehler , die das Personal herbeiführt, ihm zahllose Unannehmlichkeiten und unberechenbaren Schaden verursachen, sogar den Verlust eines großen Theils seiner Kundschaft zur Folge haben können.

Wer

die Kritiken der Reisenden in den Gasthäusern , in den Eisenbahncoupés gehört hat , weiß, wie die Fehler, die in einem Gasthofe vorkommen, leichte und schnelle Verbreitung und oft eine unnachsichtige Verurtheilung finden.

Kein

Hôtelier darf darauf bauen, daß sein bisher vielleicht stark frequentirtes Haus auch in der Zukunft unter allen Umständen besucht sein werde.

Eine Abnahme des

Verkehrs wird einer nachläſſigen oder uncoulanten Füh9

Das Eintreten in den Lehrstand.

rung auf dem Fuße folgen.

Wie manche Hôtels, die man

früher als Goldquellen bezeichnete, ſind herabgeſunken, die jeßigen Beſizer büßen die Fehler ihrer Vorgänger und verlieren dabei Hab und Gut , und nichts ist schwieriger, als ein in Mißcredit gekommenes Gasthaus wieder in die Höhe zu bringen.

10

Allgemeine Regeln für den Kellner.

B emühe dich zuerſt , eine deutliche , gründliche und vollständige Kenntniß deiner Pflichten zu erlangen und suche nachzuholen , was dir zur Erfüllung derselben noch fehlt. Jeder Mensch, gleichviel ob er ein größeres oder kleineres Maß des Verstandes erhalten hat , muß dahin ſtreben, die Kräfte desselben zu vermehren , kein Mittel zu verſäumen, das zur natürlichen Erleuchtung seines Verſtandes dient. Wer diese Mittel nicht mit Sorgfalt sucht, der verkennt die Aufgabe seines Lebens ;

die Mittel sind

Unterricht, Umgang und Uebung. Wenn du beim Eintreten in eine neue Stellung die Wahrnehmung machen mußt , daß man dich troß deines guten Willens mit mißtrauischen Augen betrachtet , so darfst du dich darüber vorläufig nicht wundern .

Du weißt

nicht, wie oft an deinen Vorgängern die übelsten Erfahrungen gemacht sind , weißt nicht , wie häufig dein PrinWarte nur die Zeit ab und

zipal bitter getäuscht wurde. 11

Allgemeine Regeln für den Kellner.

werde nicht müde in deiner Pflichterfüllung , man wird deinen Werth endlich erkennen.

Wie viele Wirthe halten

in Folge ihrer traurigen Erfahrungen jeden antretenden Kellner so lange für einen Taugenichts , bis dieser ie vom Gegentheil überzeugt hat. Den Werth eines guten Kellners aber lernt der Prinzipal bald kennen , er merkt es bald , ob das gute Betragen eines Neuengagirten ein ächtes oder ein nachgeäfftes, nur für die ersten Tage präparirtes ist.

Sei auch

auf dein Aeußeres stets bedacht, dein Erſcheinen trage das Gepräge eines anständigen, wohl erzogenen Menſchen. Zeichne

dich

durch Pünktlichkeit ,

Ordnung

und

Sauberkeit aus , so wirst du dem Prinzipal mit der Zeit lieb und werth , und seine Zurückhaltung und Kälte wird verschwinden. Vor Allem gewöhne sich der Kellnerlehrling an Unterordnung , den Chef des Hauses , ebenso den Oberkellner betrachte er wie hohe Staatsbeamte, die Gäſte wie die Großen des Reiches und suche sich ein achtungerweckendes, beſcheidenes Betragen anzueignen. Er muß für jede Belehrung , die ihm von Seiten seines Prinzipals oder Oberkellners gegeben wird , seine Dankbarkeit durch Wort und That an den Tag legen, selbst wenn jene nicht immer im freundlichsten Tone gegeben werden sollte. nachsichtigste Lehrmeister ist nicht allemal der beste. jahre sind einmal keine Herrenjahre. 12

Der

Lehr-

Wenn du ver-

Allgemeine Regeln für den Kellner.

ständige Eltern hast , werden sie dem Prinzipal für ſeine Belehrung eben so wie für seine Strenge , wenn dieſe nöthig ist, dankbar sein. Halte Ordnung in den Räumen , die dir zum Anziehen und zum Schlafen , wie zur Aufbewahrung deiner Kleider angewiesen sind.

Zeige auch dort, daß die Ord-

nungsliebe dir nicht fremd ist.

Einer unserer ersten Hô-

teliers pflegte, wenn ein Kellner einige Tage bei ihm engagirt war, sich jene Räume nach kurzer Zeit näher anzusehen und dort Musterung zu halten.

Fand er Alles

in Unordnung , gute und schlechte Kleidungsstücke durcheinander gewürfelt , neben zerriffenen Hemden und ſchiefgetretenem Schuhwerk elegante Spazierſtöcke, Spielereien, theure Pomaden , unächte und prahlende Schmucksachen u. dergl. , so wußte er , was die Glocke geschlagen hatte, sprach über die gemachte Entdeckung kein Wort , aber ein viel strengerer Ton trat an die Stelle der bisherigen freundlichen Unterweiſung , selbst wenn sich der Kellner im Gaſtzimmer für gewöhnlich geschniegelt und gebügelt bewegte.

Er war zu der Ueberzeugung gekommen, es mit

einem unordentlichen Menschen zu thun zu haben , weil eines ordentlichen Kellners erste Sorge iſt, tadellose Wäsche und gutes Schuhwerk zu führen .

Nicht mit Unrecht nahm

er an, daß, wer seine eigenen Sachen nicht in Acht nimmt, sie so nachlässig durcheinander schleudert ,

das Eigen-

thum des Prinzipals noch weniger achten und bewahren 13

Algemeine Regeln für den Kellner.

werde ; und selten , meinte er ,

habe ihn diese Probe

getäuscht. Bedenke, lieber Leser , daß du jederzeit einen guten Eindruck auf Andere machen mußt , daß also auch beim Serviren des Kaffees in den frühen Morgenstunden dein Aeußeres mindeſtens sauber sein muß.

Hierin fehlen leider Viele ; sie meinen genug zu thun, wenn sie beim Diner gewaschen und vortheilhaft gekleidet erscheinen ; in der Frühe geniren sie sich dagegen nicht, ungewaschen und ungekämmt zu serviren.

Es verleidet oft dem Gaſt

das Frühstück , wenn es ihm von schmuzigen Händen (manchmal mit schwarzen langen Nägeln) präsentirt wird , er muß ja befürchten , daß diese Hände schon mit seinem Frühstück in Berührung gekommen find . Der Kellner sollte sich überhaupt des Tages öfters waschen.

Bei Lehr-

lingen kommt es manchmal vor, daß sie nur Gesicht und Hände waschen , den Hals aber regelmäßig unberührt lassen. Laufe auch nicht in bunten Hausschuhen im Hauſe herum, sondern, wenn nicht in Stiefeln, doch in ſchwarzen Schuhen mit weißen Strümpfen ; die Stiefeln dürfen nicht knarren , auch darf man deinen Schritt nicht mit dem eines Steinträgers verwechseln . dir nicht

den

Anderseits aber gewöhne

tänzelnden Kellnerschritt an ,

häufig schon Andere zum Lachen gereizt hat.

welcher so Für den

Zimmerkellner , welcher sich hauptsächlich auf den Corri-

14

Allgemeine Regeln für den Kellner.

doren zu bewegen hat , ist ein leiser Gang unbedingt nothwendig . Unsauberes Kaffee- oder anderes Geschirr trage unter keinen Umständen in die Zimmer der Gäſte ; selbst wenn es dir in der Küche so übergeben wurde , entschuldigt dich dies nicht, in diesem Punkte hast du keine Rückficht zu nehmen, dafür bist du Kellner und haft für deine das Renommée des Hauses zu sorgen.

Fremden und

Reinige es selbst, wenn man dir nicht Folge leistet, zeige aber das Ungehörige später deinem Herrn an , er wird dir Recht geben und dich in Schuß nehmen, weil er weiß, daß Unreinlichkeit in einem Gasthause ein Fehler ist, der früher oder später den Ruin desselben herbei führen muß. Bist du Zimmerkellner , ſo ſieh in der Frühe nach, ob Briefe für deine Fremden angekommen sind , und ist dies der Fall, so überbringe ſie mit dem Kaffee.

Gehe nie

ohne anzuklopfen und ohne das „ Herein“ zu hören , in ein Zimmer.

Indeſſen darfst du , wenn auf dein erstes

Klopfen dies nicht erfolgte , beim zweiten Klopfen „ der Kellner!" rufen .

Erfolgt auch dann keine Antwort , so

mußt du annehmen , daß der Fremde schläft oder doch Niemanden zu sich lassen will.

In kritischen Fällen hast

du den Oberkellner oder den Prinzipal um Rath zu fragen. Dein Benehmen sei den Verhältnissen , zu deiner Herrschaft stehst, angemessen .

15

in denen du

Der Oberkellner

Allgemeine Regeln für den Kellner.

wird natürlich anders auftreten , als der Lehrling , aber er wie alle Andern muß stets eine ruhige und beſcheidene Haltung den Gäſten gegenüber beobachten. Dein Anzug sei immer gewählt und sauber; erscheine den Gästen gegenüber ſtets in dunkler Kleidung, ganz besonders aber halte auf saubere Wäsche. Trage nicht viclerlei Farben an dir, ― nicht bunte, ſondern schwarze und bei

feierlichen Gelegenheiten weiße Shlipse.

kleine Kellner

erscheine

in schwarzer Jacke ,

wachsene, vor Allem der Oberkellner ,

Der

der er-

nie anders als

im Frack. Von jenen Leuten, Schuſtern, Schneidern, Packträgern u. s. w., die als Lohnkellner bei außergewöhnlichen Gelegenheiten verwandt werden , ſehe ich in diesem Punkte natürlicherweise ab .

Diesen Personen , die ich überhaupt

nicht zum Kellnerstande rechne , hierüber Vorschriften zu machen, wäre wohl vergebliche Mühe. Nun sehe

man

aber die manchmal

wunderbaren

Exemplare von Fräcken, welche von Restaurations- und Lohn -Kellnern zuweilen getragen werden , speckglänzend, sonnenverschossen und so mit Bratenfett überzogen , daß den Gästen der Appetit vergeht, von solchen Individuen sich serviren zu laſſen. Wir verlangen von dem Lehrling nicht, daß, wenn er vielleicht die Reinigung des Locals, so weit es ihm zukommt , zu besorgen hat, er dies im Sonntagsstaat ausführt, aber , wenn er

16

während dieser

Algemeine Regeln für den Kellner.

Arbeit Gäste bedienen will, dann mag er erst eine saubere Jacke anziehen. Wahrscheinlich um

das

schlumpige ,

unappetitliche

Kostüm dieser erwähnten Schmierfinken zu vervollſtändigen und in dieser Uebereinstimmung den Gästen einen harmoniſchen Eindruck zu verschaffen , geben oft unpraktiſche Wirthe diesen Leuten statt der sonst üblichen weißen Servietten graue , mit rothen Käntchen eingefaßte Wiſchtücher unter den Arm , die selbst frisch gewaschen wie ſchon vierzehn Tage in Gebrauch geweſen aussehen. Man glaubt dadurch an Wäsche zu sparen , doch will mir der Vortheil nicht einleuchten, denn die grauen müſſen ebenso gut gewaschen werden wie die weißen , und eine weiße Serviette hat das voraus , daß sie frischgewaschen propre aussieht,

die graue niemals. Vortheilhafter erscheint es

mir, wenn die Kellner eine saubere weiße Serviette unter dem Arme tragen , eine graue zum Abwiſchen der Tiſche aber so bei sich führen , daß sie nicht gesehen werde. Ich

kann mir kaum eine schlechtere Empfehlungskarte

für einen Wirth denken, als am Eingange seines Lokals eine solche unsaubere Bildsäule postirt zu sehen. kommt leicht in Versuchung ,

Man

den für den Wirth nicht

eben vortheilhaften Vergleich zu ziehen : „ wie der Herr, so der Diener !" Man sagt, die graue Wäsche sei amerikaniſche Mode, doch würde man den Amerikanern Unrecht thun, wollte 17

Stab , Hôtel.

2

Allgemeine Regeln für den Kellner.

man annehmen ,

daß sie dort in den besseren Hôtels

Eingang gefunden hätte.

Und wenn wirklich , ſo ſollte

das bei uns nicht nachgeahmt werden. Die deutsche Hausfrau war von jeher durch die Sauberkeit und Feinheit ihrer Wäsche berühmt, ihr Wäſchſchrank war ihr Staat, fie hielt darauf mehr als auf seidene Kleider, und dieser Ruhm sollte von uns aufrecht erhalten werden. Eine Uhr ist dir zwar unentbehrlich , doch behänge dich nicht mit unechten , prahlenden Talmiketten , trage nicht unechte Ringe oder Busennadeln.

Wenn du sonst

liebenswerthe Eigenschaften beſizeſt, zu denen ich besonders die Höflichkeit rechne , so wird es dir gewiß auch ohne diese Kinkerlißchen an Beachtung und freundlicher Behandlung seitens deiner Gäste nicht fehlen.

Bedenke

dabei immer , daß die einfache Pflichterfüllung allein nicht genügt, du mußt dich auch beliebt zu machen wiſſen. Zeige dich stets in anſtändiger Stellung und Bewegung, das Haupt aufrecht , die Brust kräftig gehoben , den Rücken gerade.

Dieser gute Anstand iſt dasjenige, was

eine Person vor der anderen gefällig macht. Ein Taschentuch in Gegenwart der Gäſte zu gebrauchen, ist unstatthaft, das Ausspucken und Naſepußen darf nicht innerhalb der Gaststube geschehen ; höchstens beim Nieſen, das ja ohne unseren Willen eintritt , eines Taschentuches zu entschuldigen. 18

ist der Gebrauch

Allgemeine Regeln für den Kellner.

Lehne dich nicht an alle Gegenstände , stehe auch nicht da, die Hände in den Beinkleidern verborgen , als ließeſt du das Geld in deinen Taschen fortwährend durch die Finger gehen, es ist dies in hohem Grade unschicklich. Ehrlichkeit

ist

eine

Cardinaltugend , des Kellners ;

,,Gelegenheit macht Diebe" das ist das Sprichwort, welches sich gerade in dem Kellnerſtande leider so häufig bewährt. Bist du einmal um deinen guten Ruf gekommen, dann geht es bergab mit dir.

Und deswegen, junger Freund,

ſei ehrlich bis in das Kleinſte ! Wage nicht, einem Gaſt mehr Geld abzunehmen, als du zu fordern berechtigt bist. Nichts gegeffen oder getrunken von dem, was der Prinzipal nicht zu deiner Verfügung gestellt ! Bedenke, daß die Lichte, welche der Logirgast halb aufgebrannt in seinem Zimmer gelaſſen ,

nicht herrenloses

Herrn gehören.

Gut find , sondern deinem

Ja nicht einmal die Seife , welche der

Gaft vergessen , die Cigarre , welche er auf dem Tische liegen ließ , darfst du dir aneignen , ohne wenigstens den Prinzipal in Kenntniß gesezt zu haben. Ganz besonders , wenn dir eine Reisetasche, ein Koffer oder dergl. zur Aufbewahrung anvertraut ist , laß dich nicht von der Neugierde verleiten , zu untersuchen, was darinnen ist. den Sachen

Durchstöbere nicht neugierig die ankommender

Fremden , betaste und

mitgebrachte Kunstsachen

befühle nicht

oder Kostbarkeiten,

am aller-

wenigsten laffe dir Veruntreuungen zu Schulden kommen ; 19 2*

Allgemeine Regeln für den Kelluer.

die geringste Kleinigkeit des Fremden muß dir als ein nichts, nicht eine Stecknadel -

Heiligthum erscheinen, darf er vermiſſen.

Hat ein Gast Gegenstände in der Restauration vergeſſen, ſo zeige dies dem Prinzipal an, verwahre dieſelben sorgfältig und verſieh sie mit einem Zettel , auf dem sich das Datum des Tages befindet , an dem sie gefunden wurden. Vor wenigen

Jahren

glaubte

der Verfasser einen

Regenschirm in einem Hôtel Magdeburgs stehen gelaſſen zu haben und wandte sich deshalb an den Beſizer.

Um-

gehend kam ein viel schönerer Schirm , der , da es der falsche war , wieder den Rückweg antreten mußte. Es hätte

das

aber nicht vorkommen können ,

wenn jene

Vorsicht gebraucht worden wäre. Bemühe dich, Aufträge schnell und richtig zu verstehen, und gewöhne dich daran , wenn du Auskunft zu geben hast, dich stets kurz und bündig auszudrücken. Zeige nicht, wenn auch dein Geschäft oft recht langweilig sein mag , jene Schläfrigkeit , die man leider bei vielen Kellnern wahrnehmen muß. digkeit unter Umständen zu

Wohl mag eine Mü-

entschuldigen

gehörft du aber nicht in die Gaſtſtube.

sein , dann

In vielen Fällen

jedoch ist sie durch nächtliches Herumtreiben herbeigeführt und in diesem Falle vielmehr zu bestrafen als zu entschuldigen.

Schlafe

nicht

wie 20

ein

Droschkengaul

im

Allgemeine Regeln für den Kellner.

Stehen.

Wie ein Gähnender uns mit gähnen läßt , ſo

steckt uns ein Schlafender gleichfalls an.

Zum Schlafen

besuchen die Gäste aber kein Erholungslocal.

Den Damen des Hauses , ganz besonders der Frau deines Prinzipals , tritt stets

ehrerbietig entgegen , laß

bei keiner Gelegenheit die gehörige Hochachtung vermissen. Ueberhaupt mußt du bei Damen ,

die du zu bedienen

haft , noch größere Zuvorkommenheit zeigen , als bei den Herren. Von großer Wichtigkeit ist das Benehmen des Kellners dem Küchen- und Unterpersonal gegenüber , dem er stets Ernst , Festigkeit und Willenskraft zeigen muß ; alles Läppische , alle

zweideutigen oder unanständigen

Reden vermeide, wenn du dir den Respect nicht vergeben willst.

Durch ein bestimmtes und dennoch freundliches

Befehlen , so weit dir im Interesse des

Geschäfts die

Vollmacht dazu gegeben , hast du das Nöthige zu verlangen.

Vor Zänkereien und Hausklatsch hüte dich, ſprich

nicht mehr, als es mit einem tactvollen Benehmen zu vereinbaren ist. welches

Trage nicht jedes unüberlegte Wort,

von deinen Collegen oder von Mitbewohnern

des Hauſes

vielleicht

im

Scherz

oder

in

der Hiße

hingeworfen wurde, wieder an die Herrschaft.

Solche

Schwäger sind in der Regel gefährliche Menschen für das Haus,

oft Stifter vielen Unglücks.

Sie verdienen

mit Verachtung entlaſſen zu werden. — Laß dich nicht zum

21

Allgemeine Regeln für den Kellner.

Trunke verleiten , denn deine Stellung erheischt stets einen klaren, besonnenen Kopf. Lerne deine Muttersprache richtig sprechen und schreiben, denn nichts verwiſcht den guten Eindruck, den ein Kellner auf uns macht,

selbst bei dem

gefälligsten

Aeußeren

mehr, als die Wahrnehmung, daß er grobe Sprachfehler und auf der Wein- und Speisen -Karte die unsinnigſten Schreibfehler macht. Wer nicht zu den Ungebildeten gerechnet ſein will, von

dem

kann man verlangen , daß er bei Gebrauch

seiner Muttersprache folgende Punkte im Auge behalte. 1) soll seine Aussprache rein und klar und Federmann verständlich sein, 2) soll er die Sprache grammatikaliſch richtig zu gebrauchen wissen, 3) soll er die Fertigkeit haben , ſeine Sprache nicht nur mündlich, sondern

auch schriftlich in

verständlicher und schicklicher Form zu handhaben. Höhere Ansprüche welche dieses werden.

dürften wohl an diejenigen , für

Buch geschrieben

ist ,

schwerlich

gestellt

Der Kellner hat nun selten so viel Muße, daß er das in der Schule Erlernte durch

Selbststudien erweitern

kann , es bleibt ihm also in den meisten Fällen nur 22

Allgemeine Regeln für den Kellner.

übrig , durch Nachahmung richtig sprechender Menschen sich zu vervollkommen. Bis zu welchem Grade das möglich ist , läßt sich an manchem Beispiele wahrnehmen ;

die Hôteliers , die fich

im Schreiben und Sprechen einer großen Gewandtheit erfreuen, sich ein feines Gefühl für das Richtige, jasogar Schöne in Schrift und Sprache erworben haben , sind nicht selten.

Nur in den wenigsten Fällen kann man

annehmen , daß

diese Gastwirthe

kenntniß mit in die Lehre brachten ,

eine gründliche Vormeistens dienten sie

von der Pike auf und verdanken nur großem Fleiße und großer Aufmerksamkeit die errungenen Erfolge.

Aus dem

Gesagten wird ersichtlich, von wie großem Vortheil es für den Kellner sein muß , mit Gäſten zu verkehren , die ihm als Muster dienen können. Das Schönschreiben ist für alle Stände gleich wichtig. Eine hübsche Handſchrift iſt eine Zierde für Jeden.

Je

deutlicher und reiner von allen Schnörkeleien dieselbe ist, desto besser.

Dem Kellner kommt sie trefflich zu ſtatten

und es ist , genau betrachtet, seine Pflicht , daß er die Gäste

mit

dem

Entziffern

einer schlechten Handschrift

verschont Schnell und richtig rechnen zu können , ist für den Kellner ein unentbehrliches Bedürfniß.

Wenn er hierin

schwach ist , den Gästen bald zu wenig, bald zu viel abverlangt, so kann er seiner oder seines Herrn Caſſe großen 23

Allgemeine Regeln für den Kellner.

Nachtheil bringen oder den Schein der Unredlichkeit auf sich laden.

Zunächst wird er sein Hauptaugenmerk auf

die Fertigkeit im Addiren (Zuſammenzählen) zu richten haben.

Das sollte nun zwar Jeder in der Schule gelernt

haben , aber nicht selten sind die Beiſpiele, wo Kellner, die schon den Frack tragen , die größte Schwerfälligkeit in dieser einfachen Rechnungsart dokumentiren. Die sollten sich in ihren Mußestunden hinseßen, ein Blatt Papier zur Hand nehmen , zehn , zwanzig, funfzig Zahlen untereinander schreiben und diese von unten nach oben, von oben nach unten zusammenzählen.

Mit der Zeit

würden sie sich eine große Fertigkeit aneignen.

24

Bei Ankunft der Fremden.

as reisende Publikum verlangt, wenn es auf längere oder kürzere Zeit einkehrt, von dem Chef des Hauses wie von dessen Dienerschaft ein freundliches Entgegenkommen.

Schon vor Eintritt des Fremden müſſen

die Einrichtungen so getroffen sein, daß zu ſeiner Bequemlichkeit nichts fehlt.

Vor Allem ein reinliches , im Win-

ter wenn möglich geheiztes Zimmer , kühles.

im Sommer ein

Es ist nun nicht des Kellners Sache , für gute

Betten, comfortable Einrichtung u. s. w. zu sorgen.

Dies

ist die Pflicht des Wirthes, doch werde ich näher bezeichnen, wie weit auch der Kellner zu einem freundlichen Entgegenkommen in dieſem Punkte mitwirken kann. Zeige dich dem ankommenden Fremden bereitwillig, ihm in jeder Weise behülflich zu sein.

Du wirst bald

erkennen, ob deine Aufmerksamkeiten ihm angenehm ſind, oder ob du einen Menschen vor dir hast , der so wenig wie möglich beachtet sein will.

25

Es giebt aber Wenige,

Bei Ankunft der Fremden.

die bei ihrem Eintreten in ein Gasthaus auf ein freundliches Entgegenkommen verzichten , so sehr ihnen auch ein „ zuviel“ unangenehm sein mag .

Deine Hülfsleistungen

dürfen hier wiederum nicht das Gepräge des Einſtudirten tragen, es muß das Anſehen haben, als ſei dein¡Bemühen, dem Gaſte zu gefallen , die Wirkung des gegenwärtigen, augenblicklichen Eindrucks .

Merke dir gleich nach Ein-

zeichnung Namen , Titel und Stand des Angekommenen, ohne voreilige Fragen an ihn zu richten.

Wirſt du kurz

und barsch ohne dein Verschulden von einem Fremden angefahren, so darfst du ſelbſt in diesem Falle nicht troßig sein , wohl aber kannst du ihm mit kluger Selbstbeherrschung ernst entgegentreten.

Deine Gegenrede hast du in

jedem Falle in eine respectvolle , devote Form zu kleiden. Es wird das mehr imponiren , als ein troßiges Benehmen, welches sich mit deiner Stellung durchaus nicht vereinbaren läßt. Soll der Fremde bei seiner Ankunft am Hôtel einen guten Eindruck bekommen , so beachte,

daß, wenn die

Klingel ertönt, zum Zeichen , daß ein Wagen mit einem Gaſte vorgefahren , es nicht nothwendig ist , daß das geſammte Kellnerperſonal wie von der Tarantel gestochen, an den Schlag rennt, ihn öffnet und nun der Hausknecht und die Uebrigen sich in eine Reisetasche theilen wollen. Für die meisten Fremden ist das sogar unbehaglich.

Wohl

aber wird die Frage meist gut aufgenommen ,

ob die

26

Bei Ankunft der Fremden.

Droschke bezahlt werden soll, da gerade Fremde mit Vorliebe von Droschkenkutschern geprellt werden, während der Kellner mit der Droſchkentare bekannt sein muß.

Ob ein

Zimmer vorn heraus, ob nach hinten gewünscht wird, ist zwar zu fragen erlaubt, aber du mußt auch hierbei einen Unterschied zu machen wissen. bei der Frage,

Es giebt Herrschaften , die

ob hinten hinaus ?" sich schon verlegt

fühlen, bei denen die Frage „ nicht wahr, doch erste Etage?“ besser am Plaz wäre. sollst ?

Wie du den Unterschied finden

Ja , lieber Freund , das ist nicht zu lehren , dazu

gehört Routine , ein Tarationstalent , das einem Wirthe, wenn es ihm eigen, sehr zu statten kommt. Der Totaleindruck, den beim ersten Anblick der Fremde auf ihn macht,

ist für ihn maßgebend , dessen Gesichtsausdruck,

auch ob derselbe mit, ob ohne Handschuhe, wie die Beschaffenheit seiner Stiefel, des Hutes , des Gepäckes und der Reiseutensilien, Alles hat er mit einem Blick, ohne daß es der Fremde empfindet, übersehen und ſeinen Mann in den meisten Fällen richtig tarirt. Der Kellner geht, nachdem er von dem Oberkellner die Nummer des für den Fremden bestimmten Zimmers erfahren hat, voran, sich in Bezug auf das Tempo durchaus dem Fremden accomodirend,

wenn es dunkel wird,

mit dem Licht, welches nach rückwärts gehalten wird, vorsichtig leuchtend.

Unmittelbar vor der Thür , an welcher

noch einmal die Zimmernummer laut genannt wird , iſt

27

Bei Ankunft der Fremden.

es zweckmäßig, auf die Richtung, in welcher sich die Apartements befinden , aufmerksam zu machen.

Ist die Thür

vom Kellner aufgeſchloſſen , ſo geht der Fremde voran. Trägt der Kellner aber eine Kerze, so tritt er zuerst ein, nachdem er seinen Vortritt mit den Worten : „ mit Erlaubniß !" entschuldigt hat. Ist es dunkel, müssen nun sofort die Kerzen angezündet und auf den Tisch gestellt werden.

Aufgabe des Kellners

ist es , dafür Sorge zu tragen , daß, wenn die Lichte mit auf die Rechnung gesezt werden , nicht etwa Kerzen auf den

Leuchtern sich befinden , welche schon früher ihre

Dienste gethan haben und bereits bis zur Hälfte verbrannt sind.

Noch ein Blick, ob der Stiefelknecht hübsch

sichtbar sich in der Nähe des Waschtisches befindet , ob das Waschbecken sauber , ob die Tiſche ſtaubfrei , u. f. w. die Frage , ob und wann der Fremde geweckt sein will, ob er den Barbier wünscht, - dann ,,Gute Nacht!" Es ist in manchen Hôtels eine tadelnswerthe Sitte, daß , wenn schon der Fremde das Zimmer inne hat und sich schnell um- oder auskleiden will , dann erst das Stubenmädchen kommt, um die Betten zu überziehen. Giebt nun der Gaſt ſein Mißbehagen darüber zu erkennen, ſo erklärt sie zu ihrer Entschuldigung gewöhnlich , daß dies absichtlich geschehe , damit der Gaft sich auch überzeugen soll, daß ein frischgewaschener Bettüberzug ihm verabreicht wird.

Lächerlich ! Will man , was gegen die 28

Bei Ankunft der Fremben.

Schicklichkeit ist, den Gast mit schon einmal gebrauchter Wäsche täuschen, ſo macht dies das Ueberziehen nicht besser. Wenn die Ordnungsliebe der Hausfrau nicht den Gaſt vor solcher Ungehörigkeit schüßt, das Sehen des Ueberziehens schüßt ihn nicht. Mit der Zurichtung des Bettes hat es gewöhnlich nicht sein Bewenden. Es dauert nicht lange und das Stubenmädchen kommt noch einmal , bringt noch Waſchwasser, dann hat sie das Zimmer verlassen , so die Handtücher 2c. poltert vielleicht noch der Hausknecht herein mit

dem

Reisegepäck , das vor dem Fremden oder wenigstens mit eine Unfitte, ihm zugleich hätte im Zimmer ſein ſollen, welche nicht genug gerügt werden kann.

Der Reisende

ſollte überall , wo es thunlich , ein vollständig besorgtes Zimmer vorfinden , damit ihm das unbehagliche Warten und Zusehen erspart bliebe. Soll sich der Gast nun in seinen ihm vorläufig im Hôtel zugehörigen vier Pfälen wohl und behaglich fühlen, so müssen ihm wenigstens die nothwendigsten Bequemlichkeiten , an die er von Hause aus gewöhnt ist , nicht fehlen. Vor allen Dingen ein Klingelzug , und zwar ein solcher, welcher nicht bloß zum Staate in der Stube hängt, sondern auch wirkliche Dienste leistet , aber nicht so beschaffen ist , daß, wenn in nächtlicher Stille ein Fremder in der dritten Etage läutet , sämmtliche Bewohner des ersten Stocks aus den Betten gejagt werden. 29

Am zweck-

Bei Ankunft der Fremden.

mäßigsten sind schon die Telegrapheneinrichtungen , die am wenigsten Lärm verursachen .

Es muß dafür gesorgt

werden , daß sofort nach gegebenem Zeichen sich entweder der Kellner oder der Hausknecht oder das Stubenmädchen in Bewegung ſezt, um möglichst schnell die Wünsche des Klingelnden zu erfahren. Daß in dem Zimmer Alles sauber sei , ist die erste Forderung. Die Fenſter ſeien nicht nur mit ungeſprungenen Scheiben , sie müssen sich auch gut öffnen und schließen laffen, damit rheumatische Perſonen sich nicht mit Angſt vor Erkältung in das Bett zu legen brauchen.

Auf dem

Tisch befinde sich eine Karaffe mit Wasser zum Trinken, - im Waschtisch eine Kanne mit Wasser zum Waschen. Oft genug ist es nothwendig , das Wasser zu beiden von verschiedener Qualität zu wählen . Wer über hartes Waſſer, in dem sich die Seife schwer löst,

und weiches Waſſer,

welches zum Trinken ſich nicht eignet, d. h. matt ſchmeckt, zu verfügen hat, muß wiſſen, mit welchem Waffer er jede der beiden Flaschen zu füllen hat. Auf dem Tische befinde fich ferner eine Streichhölzerbüchse, ſelbſtverſtändlich nicht ohne Inhalt, und ein Aschenbecher, aber ohne Inhalt.

Wie unbehaglich , in einem Cigarrenabstreicher

noch Cigarrenüberreste zu finden , welche vom Vorgänger herstammen.

Auf der Commode stehe ein Schreibzeug

mit ein paar guten Federn und nicht etwa eingetrockneter Tinte. - Es überhebt dies den Fremden des unbehaglichen

30

Bei Ankunft der Fremben.

Gefühls, wegen jeder Lumperei klingeln zu müſſen.

Für

alles Dies hat der Kellner zu sorgen , und , wenn ein Gast das Zimmer geräumt und

das

Stubenmädchen

dasselbe wieder in Ordnung gebracht hat, dann sei es die Aufgabe des Kellners, ehe ein neuer Gast das Zimmer bezieht, eine Besichtigung vorzunehmen . Dies Buch ist nicht für Damen geschrieben , und so möge denn darauf hingewieſen werden , daß zum Wohlbefinden des Gastes auch Bequemlichkeit in der Benußung der Retiraden gehört , d . h . daß erſtens nicht etwa große Wege, vielleicht gar über den Hof gemacht werden müſſen, um an den Ort der Bestimmung zu gelangen.

Dafür

ist der Kellner nicht verantwortlich , sondern der Besizer des Hôtels ,

ebenso für eine zweckmäßige Ventilation

oder Desinfection.

Aber auf Reinlichkeit dieser noth-

wendigen Apartements muß der Kellner sehen und sofort Abhilfe schaffen , wenn er Unheil wittert ,

auch dafür

sorgen, daß die Retiraden gut erleuchtet sind , und daß es nie an Theaterzetteln dort fehlt. Die

Thür des Zimmers

muß von innen zu ver• Sorge dafür , daß

schließen oder zu verriegeln sein.

wenn der Fremde zu einer beſtimmten Zeit geweckt zu sein wünscht, dieser Wunsch mit der Minute erfüllt wird, und daß , wenn der Kaffee noch richtig vor der Abreise beſtellt ist , derselbe nicht erst dann fertig sei , wenn eben der Hauswagen oder die Droschke vorfährt.

31

Bei Ankunft der Fremden.

Die Defen hat der Kellner nicht gefeßt, kann also auch nicht dafür, falls sie rauchen, wenn in ihnen geheizt wird.

Aber seinen Herrn hat er darauf aufmerksam zu

machen,

wenn

ein Ofen seine Schuldigkeit nicht thut.

Wird troßdem keine Abhilfe geschaffen, dann ſorge wenigftens dafür , daß solches Zimmer so lange wie möglich nicht besezt wird , und wenn der Fremde etwa Heizung bestellt, so sage ihm offen , daß vor kurzer Zeit einmal ein Gast sich über das Rauchen des Ofens beschwert habe, daß der Ofen noch nicht geändert sei, und du das Zimmer nicht gewählt haben würdest, wenn die übrigen, wo es nicht raucht, nicht beseßt wären. Kleinigkeiten ! werden Viele sagen ; aber kleine Ursachen haben oft große Wirkungen .

Zum Wohlbefinden

vieler Herren gehört am Morgen ein Barbier.

Als der

Schreiber dieses in Seeshaupt am Stahremberger See einen Barbier verlangte, erſchien ein Schuster in Holzpantoffeln , so daß schon die Furcht auftauchte , daß die alte

Geschichte

vom

„ überm

Löffel“

Daumen" noch einmal in Scene

oder „ über den

gesezt werden solle.

Es geschah dies nicht, aber der alte Knabe zitterte mit seinem Barbiermesser in einer so lebensgefährlichen Weiſe an der Kehle herum, daß, wie die Kaufleute in Dresden früher in die Kirche gingen , wenn sie gesund von der Leipziger Messe zurückgekommen waren ,

auch hier ein

Dankgebet in der nahen Kapelle nicht unangebracht ge32

Bei Ankunft der Fremden.

wesen wäre.

Nun, Schuhmacher werden selten in Hôtels

als Barbiere verwendet werden, aber Leute, welche in einem und demselben Hause schon 40 Jahre und schließlich mit zitternden Händen barbieren und als alte Inventarſtücke auf den Aussterbeetat geſeßt sind, findet man nicht selten. Schauderhaft für den Fremden ! Hôtel

ein Kellner ;

In Kiel rasirte im

immer noch weit zweckmäßiger,

und eine hübsche Nebeneinnahme für den , welcher dieſe nicht schwierige Geschicklichkeit sich angeeignet hat. Erzähle dem Fremden nichts , was ihn nicht angeht, nichts von Geschäften und dem Treiben anderer Reiſenden, die anweſend ſind oder vor ihm da waren , sonst argwöhnen , rede ,

und

dies

Gasthofe verleiden.

er würde

daß man von ihm in gleicher Weise müßte ihm den Aufenthalt in eurem Berichte auch nicht Scandalgeſchichten,

die vielleicht im Hauſe paſſirt ſind.

Man muß die Ehre

des Hauses , dem man angehört oder angehört hat, ſtets respectiren und selbst von längst vergangenen Dingen zu schweigen wissen. Wünscht der Fremde Auskunft über irgend welche ſtädtischen Verhältniſſe , ſo iſt die Herbeischaffung des Adreßbuches angezeigt.

Deine Pflicht ist es , dafür zu

sorgen, daß, sobald eine neue Auflage desselben erscheint, dies dem Prinzipal mitgetheilt wird , damit er den Ankauf desselben besorge.

Erkundigt sich ein Fremder bei

dir selbst nach Personen , ihrem Renommée, ihrem Ein33

Stab, Hôtel.

3

L Bei Ankunft der Fremben.

kommen, ihrer Zahlungsfähigkeit,

- junger Freund , ſei

vorsichtig , halte zurück mit deinen Urtheilen und sage, daß du zu wenig mit den Verhältniſſen bekannt biſt und nur manchmal über dieselben und dann auch nur ganz oberflächlich und beiläufig ſprechen hörst, verweise ihn an den

Prinzipal.

Dagegen

mußt du

Auskunft geben

können über Alles, was eine Stadt für einen Fremden Sehenswerthes und Interessantes bietet ,

mußt dir die

erkennen , was jeder

Fähigkeit anzueignen

suchen , zu

Perſon intereſſant ist.

Der Eine zieht es in Berlin vor,

die Wasserwerke zu besuchen , der Andere sehnt sich nach der Besichtigung der Pferde im königlichen Marstall , der Dritte geht lieber auf den Kirchhof vor dem Halleschen Thor, um die Gräber der berühmtesten Gelehrten kennen zu lernen, während der Vierte nach Pankow fährt.

Was

von der großen , gilt auch von jeder kleinen Stadt , nur daß die letteren eine geringere Auswahl der SehensAber ein paar Merkwürdigkeiten

würdigkeiten bieten.

hat jede Stadt, und wenn es weiter nichts ist , wie der große Topf zu Bunzlau, worin ſich drei Menschen verkriechen können.

34

Betragen den Gästen gegenüber.

Hat at ein Kellner das Glück, gebildete Gäſte zu bedienen, so wird es ihm bei einiger Aufmerkſamkeit nicht schwer werden, in solcher Gesellschaft und bei ihrer Unterhaltung seine Kenntnisse zu vermehren und sich eine gesellschaftliche Form anzueignen , in der er selbst mit gebildeten Leuten verkehren kann , ohne Anstoß zu geben. Die sogenannten Stammgäſte ſind es beſonders, die häufig eine intereſſante Unterhaltung führen, bei der die politischen Tagesfragen , städtischen Angelegenheiten u. s. w. die Hauptobjecte sind.

Das ist für den Kellner eine Ge-

legenheit , seine Anschauungsweise zu klären , ſein Urtheil zu festigen. Bei dieſen Debatten, dieſem für und wider kann er lernen ; wenn auch die Unterhaltung nicht direct an ihn gerichtet iſt , ſo fällt doch so viel für ihn ab , daß er den Sinn erfaſſen kann. Daher muß nun der Kellner mit diesen Gästen besonders vorsichtig umgehen ; ſie ſind es ja auch, die ſeinen 35

3*

Betragen den Gäften gegenüber.

Werth oder Unwerth am ersten beurtheilen können, ―

fie

sind in der Regel für Aufmerksamkeiten dankbar, bei Vernachlässigung aber auch mit scharfem Tadel bei der Hand. So weit es geht , sollst du daher den Character dieſer Gäſte ſtudiren , ihren Eigenheiten und Schwächen Rechnung tragen. Vergiß nicht , daß du ihr Diener bist! auch wenn sie dich freundlich behandeln erzeige ihnen stete Aufmerksamkeit und gieb ihnen Beweise von deiner Umsicht. der.

Sei behülflich beim An- und Ablegen der Klei-

Wenn ein Gaſt ſein Cigarrenetui aus der Tasche

zieht, mußt du dich schon nach Streichhölzern umsehen und bei jedem verschütteten Tropfen Bier sei mit dem Tuche bei der Hand,

habe für jede entstehende Unord-

nung oder Störung ein scharfes Auge ! Was deine Unterhaltung mit den Gästen betrifft, ſo denke an das alte Wort : „ Reden ist Silber , Schweigen Gold." Schweigen ist die Aufgabe des Kellners , Reden nur dann , wenn er gefragt wird. Will der Gast mit dem Kellner eine Unterhaltung beginnen, so ist das seine Sache.

Dann beschränke aber der Lez-

tere die Wahl seiner Worte so viel wie möglich. wie oft wird hiergegen gesündigt !

Aber

Kommt ein einzelner

Gast und bestellt sich einen Trank, so hält es sehr häufig der Kellner für seine Pflicht, sich in liebenswürdiger Weise mit ihm zu unterhalten.

Nun mag es immerhin viele

intereſſante Kellner geben , welche recht nett und elegant 36

Betragen ben Gästen gegenüber.

zu converſiren im Stande find , aber auch der interessanteste muß, wenn er eine Unterhaltung beginnen will, riskiren, daß ihm der Gast entgegnet : „Ich habe Sie noch nicht gefragt.“ Hüte sich der Kellner besonders vor Neugierde! Es paßt sich nicht, daß, wenn er von einem Gaſte eines Gespräches gewürdigt worden ist, er die Frage aufwirft:

Wo sind Sie denn her?" oder „ Was haben Sie

hier für Geschäfte ?“

Auch alte Bekanntschaften zu erneuern, schickt sich nicht. Erkennst du einen Herrn wieder, welcher in Merseburg zu den Stammgäſten am runden Tisch im goldnen Arm gehörte , ſo darfst du wohl die Frage an ihn richten : „Was befehlen Sie, Herr Regierungsrath ?" aber nimmermehr sagen : „Ich freue mich, Herr Regierungsrath , Sie wiederzusehen ; ich kenne Sie vom Stammtisch.“

Ist der

Regierungsrath geneigt , so wird er , sobald du durch Nennung seines Titels ihn aufmerksam machst, selbst schon daran einige Worte knüpfen, — während er im ersten Falle, falls er keine Luſt hat , vielleicht entgegnet : „ Das iſt mir sehr egal." Aber mein Gott , was eristiren auch in Bezug darauf für Flegel !

Wem wäre es noch nicht vorgekommen , daß

er, ermüdet vom Weg , oder unpäßlich , verdurſtet oder abgeneigt sich zu unterhalten , allein eine Restauration aufgesucht hätte, wo nun der Oberkellner oder vielleicht sogar der Wirth, während der Gaft ſein Beefsteak verzehrte, dieſen

37

Betragen den Gäften gegenüber.

mit Fragen belästigte und dabei das Nonplusultra von Liebenswürdigkeit

zu

repräsentiren

glaubte, indem er

voll Interesse für den Gast sich nach sämmtlichen Lebensschicksalen erkundigte. Wenn wir es schon dem Wirth zum Vorwurf machen, wenn

er in dieser Weise ohne näher mit dem Gafte

bekannt zu sein , sich an deffen Seite zu einem Gespräch niederläßt, so ist das vom Kellner natürlich vollständig unschicklich. Zeige bei den Scherzen der Gäste über dein Thun und Treiben keine allzu große Empfindlichkeit, gerade solche Spottvögel sind oft auch am ersten wieder mit Trinkgeldern bei der Hand , und bedenke, daß, wenn die Gäſte ſeit drei oder vier Stunden beim Wein oder Bier ſizen, fie die Worte nicht mehr auf die Goldwage legen. Vermeide es, Geſprächen zu lauſchen, welche nicht für andere, am wenigsten für deine Ohren bestimmt find. Auch hier kommen viele Unschicklichkeiten vor. Es be stellen sich drei Herren eine Flasche Wein , um über eine Angelegenheit sich auszusprechen , welche nur Intereſſe für sie haben kann , und da ſtellt sich nun ein solcher Delgöße von Kellner dazu , welcher nicht begreifen kann, daß dies den Gästen unbehaglich ist.

Die Herren sind

zu zartbeſaitet, um ihm zu sagen, daß sie ihn wegwünſchen . „Bringen Sie ein Glas Waſſer.“

„ Sogleich,“ Ab ! Nach

wenigen Minuten ist das Waſſer da und auch das Stand-

38

Betragen den Gästen gegenüber.

bild!

„ Fahrplan

nach Magdeburg ".

„ Sogleich".

„ Suchen Sie mir einmal das Localblatt von vorgeſtern zu besorgen".

,,Machen Sie mir doch gleich heute die „Holen Sie aus meinem Zimmer

Rechnung"

eine

Cigarre ". u. s. f. bis dem Einen die Geduld reißt und mit den Worten ,,Donnerwetter , merken Sie denn nicht endlich, daß wir Sie nicht haben wollen ?" dem Standesamt ein Ende gemacht wird.

Doch immer unangenehm für den

Kellner. Der Kellner soll jeden ſeiner Gäſte mit Zuvorkommenheit bedienen und etwaige kleine Bedürfnisse augenblicklich befriedigen. Zu diesem Behufe ist es nothwendig, daß er stets bei sich führe oder doch bei der Hand habe : Streichhölzer, aber nicht in der Weſtentasche, um ſie, wie es vor 20 Jahren in Berlin einmal Mode geworden, an dem Beinkleid anzustreichen, sondern

im

Etui ,

womöglich

schwedische ;

Stecknadeln und zwar soviel, daß die Bedürftigen, je nachdem sie es nöthig haben, auch eine größere Anzahl nehmen können ; stift und

Englisches Pflaster in Enveloppe ; eine

Anzahl loser

Blätter ;

karten und einige Briefmarken ;

einen Blei-

Correspondenz-

einen Fahrplan über

den Abgang und die Ankunft der Eisenbahnzüge und eine richtig gehende Uhr , um zu jeder Zeit dahin zielende Fragen beantworten zu können.

Besißest du eine kleine

Kleiderbürste, um , wenn es nöthig , sofort entweder eine Reinigung selbst vornehmen oder einem Gast zu dieſem 39

Il

Betragen den Gäften gegenüber.

Behufe dieselbe leihen zu können , ſo wirst du oft einen freundlichen Dank mit Leichtigkeit dir erwerben. Nicht Jeder besucht die Reſtauration oder das Hôtel der leiblichen Genüsse wegen, welche dort gereicht werden, Viele kommen nur , weil sie aus den Zeitungen Unterhaltung sich zu verschaffen hoffen .

Die Wiener Café's,

Spargnapani u. Josti in Berlin , das sind Locale, wo faſt nur Solche verkehren , welche die Zeitungen leſen wollen, und dieſem Umſtand iſt es dann zuzuſchreiben, daß

die Auswahl

unter

diesen

eine sehr

große ist.

Ueberhaupt exiſtirt wohl kaum eine Reſtauration oder ein Hôtel, in welchem außer den jedesmaligen einheimischen nicht auch einige fremde Journale gehalten würden.

Weil

aber diese Zeitungen zum Vergnügen der Gäſte ausliegen, ist es auch Aufgabe des Kellners, dafür Sorge zu tragen, daß dieses Vergnügen ſelbſt in keiner Weise verkümmert werde. Dazu gehört, daß erstens die Zeitungen rechtzeitig von der Post geholt werden , damit , wenn Jemand die Nationalzeitung verlangt und das Morgenblatt erwartet, er nicht etwa die Abendausgabe erhält, weil der Hausknecht zu faul gewesen, nach der Post zu gehen. Kommen die neuen Zeitungen an, so ist es vor allen Dingen Aufgabe des Kellners, die Blätter richtig zu legen, aufzuschneiden und ſo in den Zeitungsgestellen zu befeſtigen, daß der Leser die einzelnen Seiten in der ordnungsmäßigen Folge hintereinander leſen kann.

In den meisten Restaurationen sind stets die zwei

40

Betragen den Gäften gegenüber.

leßten Nummern hinter einander eingeheftet zu finden. Der Kellner wird wohl thun, die nicht mehr gebrauchten Zeitungen nicht durcheinander zu werfen, ſondern jede Zeitung für sich zu verwahren, so daß, wenn Jemand eine 8 Tage alte Börsenzeitung verlangt, dieselbe leichter gefunden werden kann, als es sonst möglich ist.

Vor allen Dingen aber

müssen die Zeitungen in dem Locale einen bestimmten Plaß haben, damit jeder der öfter erscheinenden Gäſte ſofort weiß , wo er die gewünschte Zeitung zu suchen hat ; Pflicht des Kellners ist es , dafür zu sorgen , daß jede Zeitung, sobald sie gelesen ist, nicht etwa auf dem Stuhl oder dem Tische liegen bleibe , sondern sofort wieder an ihren Play gelange.

Ein gewandter Kellner wird bald

wissen , welche Zeitungen die einzelnen Stammgäfte mit Vorliebe

lesen ,

beim

Eintritt des

Zeitung ihm zu überbringen ,

Gastes sofort die

oder sollte dieselbe von

einem andern Herrn geleſen werden, ihm dies wenigſtens mittheilen , mit dem Versprechen , dieſelbe, sobald fie frei, zu besorgen.

Unter den rücksichtslosen Menschen sind

jene Zeitungstiger wohl zu verzeichnen ; mit der größten Ruhe von der Welt treten sie ein, suchen sich sechs verschiedene Zeitungen aus und behalten dieselben so lange bei sich, bis sie eine nach der andern durchgelesen haben , unbekümmert, ob ihretwegen vier andere Gäste unwillig werden. Pflicht des Kellners ist es dann, heranzutreten und höflich um die Gefälligkeit zu bitten , im Intereffe eines Gaftes,

41

Betragen den Gäften gegenüber.

welchem nur wenig Zeit vergönnt sei , eine Zeitung ihm zu überlassen , mit dem Versprechen , dieselbe nach Benuzung zurückzubringen. Daß auf Reinlichkeit und Sauberkeit unter jeder Bedingung gehalten werden muß , ist schon öfter erwähnt. Erhältst du den Auftrag, einem Gaste irgend eine Speiſe oder ein Getränk zu überbringen , ſo unterſuche wohl, ob sich in Bezug hierauf kein Tadel ausſprechen läßt. Blank seien die Geschirre, ftaubfrei die Gläser , klar der Inhalt. Für das Erstere ist der Kellner verantwortlich , für das Leştere der Wirth, oder der Küfer, oder der Koch.

Glaubt

der Kellner selbst, daß der Inhalt zu Tadel Veranlaſſung geben kann, so ist es seine Pflicht, an geeigneter Stelle darauf aufmerksam zu machen , um unberechtigten Vorwürfen nicht ausgeseßt zu ſein. Paſſirt dir aber das Unglück, daß du ein Glas Wein bringst , in welchem eine todte Fliege schwimmt , und macht dich der Gaſt darauf aufmerkſam , ſo hole nicht etwa einen Theelöffel , um das Thier herauszufischen , sondern besorge ein frisches Glas mit anderm Wein und trage dann erst das zurückgewiesene wieder fort, damit man nicht glaube, du habeſt blos den Inhalt umgegossen.

In der Küche werden sie

schon den Wein noch brauchen können. Viele Menschen haben eine wahre Manie, über Alles zu raiſonniren , was in dem Hôtel ihnen vorgeſeßt wird. Da ist der Johannisberger zu ſüß und der Rüdesheimer

42

Betragen den Gäften gegenüber.

zu fauer, das Culmbacher zu schwer und das Leitmerißer zu wässerig - und daraus machen sie denn womöglich, anstatt es an die rechte Schmiede zu bringen, dem Kellner Vorwürfe. daß

Wohl ihm , daß ihn diese nicht treffen,

er mit größter Seelenruhe sich diese Redensarten

welchen noch dazu meiſtens der Grund fehlt , mit_anhören

kann.

„ Schauderhaft!

das

Actienbier

schmeckt

wieder nach Zwiebeln, Kellner ! Nach Zwiebeln !" Antwort : „ Heute Nachmittag lobten es doch die Herren außerordentlich.“ ,,Eine niederträchtige Sauce!"

"Ja , der Herr hält es

blos noch der übrigen Gäſte wegen, welche es den schwereren Bieren vorziehen.“ ,,Wie können Sie solchen Wein bringen ? Er schmeckt ja nach Stöpsel !“ „ Ich bitte um Entschuldigung , ich werde ihn sofort durch andern erseßen, ich habe ihn so von dem Oberkellner bekommen." ― „Was ist das für eine niederträchtige Cigarre für 10 Pfg.,

wohl

Vierradner ?“

„ Ich habe kein Urtheil

darüber , ich rauche gar nicht , das iſt das Geſchäft des Das Wasser ist ja gar nicht zu geOberkellners." ― nießen, schmeckt ja nach Salpeter!" ,,Leider haben wir hier durchweg sehr hartes Waſſer , unser Brunnen iſt noch der beste !" — Nurhöflich ! junger Mann. Vermeide, daß der Gast dir Vorwürfe machen könne ,

welche dich

wirklich treffen.

Bringft du ein Glas Wein oder Waſſer überreichst in der Hand ſtatt auf dem Präſentirteller ― du eine Taſſe Kaffee auf einem Teller , 43

deſſen Boden

Betragen den Gäften gegenüber.

nicht blos vom übergeflossenen Kaffee , sondern auch von der Sahne bedeckt wird, dann ist es ganz in der Ordnung, wenn du selbst einen Rüffel einernteſt, den du dir wohl oder übel mußt gefallen lassen. nie, wenn dir solches paffirte , gung zu bitten.

Versäume wenigstens

rechtzeitig um Entschuldi-

Es liegt in der Natur des Menschen , dort sich wohl zu fühlen, wo er heimiſch iſt, und deswegen iſt es erſte Aufgabe jedes Kellners ,

dafür zu sorgen , daß in dem

Hause , in dem er beschäftigt ist , jeder Gast sich heimisch fühle.

Es ist schon darauf hingewiesen, daß dies geschieht,

indem der Gast stets mit dem Titel , resp. mit ſeinem Namen genannt wird, und jedem seine kleinen Eigenheiten und Eigenthümlichkeiten abgemerkt und befriedigt werden, sobald

seine Wünsche

er in die Restauration oder

das Hôtel tritt, ohne daß er deswegen erst großes Trompetengeschmetter in Scene zu sehen braucht.

Der Eine

liebt es, seinen Ueberrock sich ausziehen zu lassen , denſelben an einen bestimmten Nagel gehängt zu sehen, er trinkt vor dem Bier erst ein Glas Wasser , sezt sich an eine ganz beſtimmte Stelle und findet, wenn der von ihm bevorzugte Stuhl von einem andern Herrn eingenommen ist, an der Lectüre der neuen preußischen Zeitung keinen Genuß. Aufgabe des Kellners ist es dann, dafür zu sorgen, daß seinen Wünschen Genüge geschieht, aber ohne Aufsehen.

Ist der Lieblingsstuhl von einem Fremden beſeßt, 44

Betragen den Gäften gegenüber. 1 so gehe der Kellner hin und frage den Inhaber freundlich, ob er nicht die Gefälligkeit haben wolle, im Intereſſe des alten eigenthümlichen Stammgastes einen anderen Plag einzunehmen, - aber leise ! Noch wichtiger ist das für ein Hôtel. der Gäste sind hier oft recht verschieden.

Die Anſprüche Der Eine wohnt

gern drei Treppen hoch hinten hinaus, der Andere I. Etage, im vierfenstrigen Zimmer.

Aber nun erst die Eigenthüm-

lichkeiten während des Aufenthaltes !

Hier ist ein alter

Herr, welcher ein für allemal Morgens um 6 Uhr geweckt ſein will, punkt 7 Uhr heißes Wasser und 8½ Uhr starken Thee mit 2 weichen Eiern , Schwarzbrod und Schinken wünscht.

Er kann es nicht leiden , wenn das Stuben-

mädchen ihm etwa Wasser bringt, sondern verlangt Alles durch den Kellner beſorgt zu sehen.

Bei der Table d'hôte

wünscht er mit dem Rücken gegen das Fenster geſeßt zu werden, ein Kiſſen auf seinen Stuhl, und den Wein aus einem Wasserglase oder das Bier aus einem Becher zu trinken.

Sobald die anderen Gäste Butter und Käse

bekommen, muß bei ihm der Kaffee erſcheinen, und Punkt 4 Uhr, wenn er vom Mittagsschlaf aufsteht , soll eine zweite Tasse Kaffee für ihn bereit stehen. - Je mehr solche Leute Eigenthümlichkeiten haben , je sorgfältiger dieſelben beobachtet werden, um so treuere Besucher sind sie dem Hause.

Ja , mit einem gewissen Stolze kehren sie ein,

dort, wo sie wissen, daß ihnen derartige Aufmerksamkeit 45

Betragen den Gästen gegenüber.

gezollt wird.

Sie fühlen sich als gewissermaßen zum

Hauſe gehörig, empfehlen die aufmerkſame Bedienung und nehmen oft das in Schuß , was Anderen tadelnswerth erscheint . Solche Gäste find -

wie der Kunstausdruck sagt

warm zu halten , wenngleich sie oft viel mehr als alle Anderen Unordnung im Hause verursachen , -ja nicht ſelten dem einen oder dem andern Gast zu Mißbehagen Veranlassung geben. Die Verschwiegenheit , welche du zu bewahren hast deinem Herrn , seiner Familie , den Verhältnissen seines Hauses gegenüber , beobachte auch gegen und in Bezug auf die Gäfte, welche in dem Hause verkehren.

Verschließe

deinen Mund, wenn Geſchichten erzählt werden, welche in dem Hôtel oder der Restauration gespielt haben, der du angehörst , und bist du das nicht im Stande , verſchließe Gar viele Kellner haben sich

zur rechten Zeit dein Ohr.

durch Ausplaudern von Erzählungen, Familiengeſchichten, welche sie während des Servirens aufgeschnappt ,

ohne

man sagt den Zusammenhang richtig zu begreifen da ", Lauten hören ohne Zusammenschlagen “ ―― ihre angenehme Stellung vollständig verſcherzt, und derjenige Prinzipal thut wohl , welcher seinem Kellner , sobald er erfährt, daß er geschwagt hat, sofort den Laufpaß giebt. Solch ein Kellner kann das Renommée eines Hauses schädigen , ja vollſtändig ruiniren. 46

Man bedenke wohl, wie

Betragen den Gäften gegenüber.

oft es vorkommt und zwar beſonders bei größeren Festlichkeiten, wo die Theilnehmer von Anfang an in erhöhter Stimmung sich befinden, daß der Wein in größeren Quantitäten eingenommen wird , als das in der Regel zu geschehen pflegt, daß gar Mancher schon deswegen ein paar Gläser mehr genießt , weil er ihn nicht zu bezahlen hat; und man darf sich dann nicht wundern, wenn nach einiger Zeit der Wein Dieſen oder Jenen in eine selige Stimmung versezt hat, der nun seine Worte weniger auf die Goldwage legt , dafür aber um so empfindlicher wird gegen die vielleicht harmlosen Aeußerungen , welche über ihn selbst laut werden. Da kommt es zuweilen vor , daß Redensarten und Ausdrücke gebraucht werden , welche im höchsten Grade beleidigender Natur sind und gern von allen Betheiligten am andern Morgen rückgängig gemacht würden. Geſchicht es doch zuweilen , daß gebildete Männer im Weinrauſch die Hand zum Schlage erheben und ihn sogar ausführen, -Männer, welche vielleicht im Städtchen eine hohe Stelle bekleiden. Um keinen Preis darf der Kellner davon sprechen !

Wirst du befragt, (und der männlichen und

weiblichen Klatschschwestern , welche sich bei allen Heiligen verpflichten, keinem Menschen ein Wort wieder zu erzählen, wird es Viele geben) , so antworte,

daß du gerade

während der Zeit im Keller oder am Büffet geweſen ſeiſt und gar nichts gesehen und gehört habest, ―― gar nichts!

47

Betragen den Gästen gegenüber.

Du wirst steigen in der Achtung derer , welche sich durch dein Schweigen

aus der Gefahr gerettet sehen,

wochenlang das Thema zu bilden zu dem Gewäſch an den Biertischen und dem Geklatsche der Damenkaffees. Der Kellner darf nichts erzählen, was an dem Tische zwischen den Gäſten vorgekommen ist, und verdient von seinem Herrn sofort entlassen zu werden , wenn er sich gegen diese Cardinaltugend vergeht.

Zugegeben , daß es

manchmal für ihn verlockend ſein mag, bei solchen Hauptund Staatsactionen als Zeuge zugegen zu sein, aber nimm, junger Mann, einen guten Rath an. Merkſt du, daß Differenzen unter den Gästen entstehn, so suche schleunigst das Weite und mache dir an irgend welchem Orte zu schaffen, damit du nicht als Zeuge angerufen werden kannst.

Das Ver-

gnügen, vor Gericht Zeugniß ablegen zu müssen , ist ein sehr mäßiges.

Vor wenigen Jahren kam es vor, daß in

der kleinen Stadt

eines Nachbarlandes , als sich ein

Diner seinem Ende zu neigte,

und die Stimmung all-

mälig eine recht animirte geworden war , als die Geister auf einander plagten und Worte fielen , welche als parlamentarisch nicht mehr bezeichnet werden konnten , ein Offizier eine Ohrfeige bekam.

Der junge Kellner ſah ſich

die Realinjurie ruhig mit an und fand keine Veranlaſſung, am andern Morgen einigen Fremden gegenüber von ſeinen Erlebnissen zu schweigen . trug er hingegen

Als Zeuge vor Gericht gefordert,

Bedenken ,

48

gegen

den langjährigen

Betragen den Gästen gegenüber.

Stammgast seines Hauses die Wahrheit auszusagen, und eine Zuchthausstrafe wegen Meineides war ſeine Belohnung. Nochmals , junger Freund , hüte dich davor, anwesend zu ſein bei solchen anfänglich zuweilen gering erscheinenden, sich aber mehr und mehr zuspißenden Differenzen . dich zwück , sobald

du kannst.

Zieh

Und wenn dir selbst

`bei solcher Gelegenheit eine unangenehme Entgegnung bedenke wohl, von Seiten eines Gastes werden sollte, daß du einen Mann vor dir hast , welcher wahrscheinlich am anderen Morgen ganz anders denkt , - der dir vielleicht dann dankt, daß du zartfühlend genug geweſen bist, die Verhältnisse zu berücksichtigen, und in Erwägung, daß seine Sinne befangen gewesen , ihm Worte verziehen haft, welche unter anderen Verhältnissen zu überhören dir unmöglich gewesen wäre.

In H. exiſtirte früher ein Herr,

welcher, nicht mittellos, zuweilen an festlichen Tagen dem Gott Bacchus etwas zu tief ins Auge schaute und dann in eine Stimmung gerieth , welche das wunderbarste Gemisch war von anspruchsloser Fidelität rücksichtsloser Grobheit.

und maſſiver,

An einem solchen Abend, als der

Champagnerflaschen schon mehrere geknallt hatten und die erwähnte Stimmung bereits die Oberhand gewonnen, kam es vor , daß er aus Uebermuth einem Kellner mit kräftigem Zug den rechten Frackschoß abriß.

Der Kellner

lächelte und betheuerte , daß er sich den unbrauchbaren Lappen zur frohen Erinnerung im Stammbuch aufbe49

Stab, Hôtel.

4

Betragen den Gäften gegenüber.

wahren werde.

Die gute Laune wurde in keiner Weiſe

verdorben , und auf die am andern Morgen eingereichte Rechnung über den Werth des verunstalteten Frackes erfolgte unweigerlich sofortige Zahlung zugleich auch für eine neue Weste.

Wer den sonst trefflichen Mann kannte,

hatte die Ueberzeugung, daß eine unter gewöhnlichen Umständen sicherlich verzeihliche Grobheit des Kellners an jenem Abend die unliebsamsten Erörterungen zur Folge gehabt hätte. Wohl kommt es auch zuweilen vor , daß dem Kellner schroffe Worte gesagt werden , welche er in keiner Weise verdient hat.

Freund , das ist nicht zu ändern.

der Beruf schuld.

Da ist

Wie der Lieutenant, welcher vor der

Front von seinem Oberstwachtmeister manchmal in der härtesten Weise gerüffelt wird, nichts entgegnen darf, und ihm erst nachher der Weg der Beschwerde bei seiner vorgesezten Behörde sich bietet, so gelte es auch bei dir als eine Pflicht deinem Berufe gegenüber ,

Rohheiten und

Dummheiten der Gäſte , welche häufig genug vorkommen, soviel als möglich zu überhören , sonst aber deinem Prinzipal davon Anzeige zu machen und ihn um ſeinen Schuß zu ersuchen .

Ist die Beleidigung injuriös , ſo laß

dich nicht auf eine Antwort ein, sondern mache deine Angelegenheit

bei dem Bagatellgericht anhängig.

Leider

findet man es gar zu häufig, daß, wenn auch der Kellner im besten Rechte ist, falls er sich in energischer Weise

50

Betragen den Gäften gegenüber.

vertheidigt , doch die übrigen Gäste gegen ihn Parthei nehmen.

Den hierbei nöthigen Takt sich anzueignen , iſt

nicht leicht.

Um aber möglichst unangefochten solchen

Strauß zu überstehen, ist ein freier Kopf unumgänglich nöthig.

Aber ach ! ist es nicht traurig , so oft zu be-

obachten , welche Taktlosigkeiten sich Kellner bei ähnlichen Veranlassungen zu schulden kommen laſſen,

besonders

wenn sie selbst vielleicht zu sehr mit alcoholiſchen Genüſſen fich befaßt haben. Vor Damen soll jeder Kellner doppelte Aufmerkſamkeit an den Tag legen.

Bedenke, junger Mann, daß die Gar-

derobe der Damen sensibler ist ,

als die des herrlichen

Geschlechts , und mache es dir zur Aufgabe , ſtets , wenn Damen, sei es im Garten, sei es in der Reſtauration ſich am Tiſche niederlassen wollen , erſt ſowohl den Tisch als die Stühle noch einmal sauber abzuwischen .

Frage bei

ihnen an, ob sie vielleicht Fußbänkchen wünschen, und bediene sie mit besonderer Zuvorkommenheit und zwar ohne Rücksicht darauf, ob du ſie für schön oder häßlich, für jung oder alt hälft.

Nimmermehr versuche ein Geſpräch

mit ihnen zu beginnen , sondern beſchränke dich darauf, die Fragen zu beantworten , welche sie an dich richten. Es ist eine alte Erfahrung, daß die Frauen einer größeren Sparsamkeit huldigen, als dies bei den Männern der Fall ist.

Um nicht zuviel auszugeben und unangenehm durch

die Höhe der Rechnung überrascht zu werden , kommt es 51 4*

Betragen den Gästen gegenüber.

nicht selten vor, daß, ehe sich die Frauen ihre Speisen bestellen , sie sich nach der Höhe des Preises erkundigen, was du bei Herren weniger gewöhnt bist. Es wäre eine große Ungeschicklichkeit , wolltest du dir dies merken Lassen. Miene.

Antworte bescheiden

und nicht mit lächelnder

Deine Aufgabe ist es , zu sorgen, daß ihnen der Aufenthalt in dem Local nicht auf irgend eine Weise verleidet wird .

In Schuß haſt du ſie zu nehmen gegen Menſchen

und Thiere!

Gegen Menschen !

Unverschämtheiten und

Rücksichtslosigkeiten kommen überall vor.

Machst du die

Beobachtung , daß sich in der Nähe der Damen

Leute

niedergelassen haben, welche durch ihr Betragen zum Mißbehagen der Damen Veranlassung geben , ſo hast du die legteren zu fragen, ob sie es etwa lieber sehen, wenn ein anderer von der tactlosen Gesellschaft entfernter Tisch für fie zurecht gemacht und ihre Sachen dorthin gebracht werden. Aber auch gegen die Thiere nimm sie in Schuß und zwar sind unter den leßteren besonders die Hunde verstanden.

Es

ist wahrhaft erstaunlich, durch welche

Rücksichtslosigkeit sich die Hundebesißer auszeichnen .

Sei

es gestattet aus „ Der Umgang in und mit der Gefellschaft " von E. Rocco, einem trefflichen Buche, deſſen Lectüre gerade Kellnern ,

besonders Oberkellnern

gar nicht genug empfohlen werden kann, einen Paſſus zu entlehnen : 52

Betragen den Gäften gegenüber.

,,Eine der größten Rücksichtslosigkeiten ist das Mitbringen von Hunden in öffentliche Vergnügunslocale. Mag doch jeder zu seinem Vergnügen sich Hunde halten, ſoviel ihm beliebt , Pinscher , Pudel , Bullenbeißer oder Leonberger, es wird ihm dies niemand wehren .

Mag er

mit ihnen in freundschaftlichem Verkehr leben, gemeinsam mit ihnen von einem Teller ſpeiſen ; wir verdenken es keiner alleinstehenden Dame, wenn sie zur Erheiterung und zerstreuung Kanarienvögel , Goldfische , Laubfröſche, Seidenhündchen und anderes Gethier sich anschafft , aber die Hundebefizer mögen nicht etwa prätendiren, daß, weil ſie oft ihre Köter für ihresgleichen halten , auch andeNicht das ren hieraus eine Respektspflicht erwachse.

geringste Bedenken tragen ſie oft, ihren Pflegling in den Konzertgarten mitzubringen , fühllos gegen alle Zornesblicke, welche dem eintretenden Hundevater zugeschleudert werden .

Nun sehe man , wie die zuweilen durchaus un-

gezogenen Thiere, die ihrem Herrn nicht pariren, sondern ſich daran gewöhnt haben , daß dieſer ihnen parirt , das Publikum quälen.

Ungenirt laufen sie zwischen und unter

den Tischen umher , Gläsern und Taffen gefahrdrohend , belästigen die Herren mit ihren Schmußpfoten und erschrecken furchtsame Damen und Kinder.

In Rudeln

faſſen ſie um den Tisch, wo geſpeiſt wird, Poſto, als hätten ihren Zehnten einzufordern , und

sie die Berechtigung ,

wehe dann , wenn ein Knochen als Erisapfel unter fie 53

Betragen den Gäſten gegenüber.

geworfen wird !

Blumenbeete und Orangerien sind vor

ihrem Uebermuthe nicht sicher ; ein kühner Schwimmer zeigt seine Geschicklichkeit im großen Springbrunnen , und ein sauve qui peut macht alles

aufspringen , wenn er

herauskommend sich anschickt, die kühlenden Waſſerperlen auch den Menschen zu Gute kommen zu laſſen.

Die wohl-

verdiente Züchtigung eines besonders betroffenen Herrn ſcheint er mißzuverstehen und ein unverschämtes Bellen iſt die Antwort; mit nicht mißzudeutendem Augenrollen schickt er sich an, diesen Eingriff in die Hunderechte mit ſeinen Zähnen zu bestrafen.

Retirirend ist der Bedrängte zu

dem Besizer des konsequent folgenden Feindes gekommen. Statt Rettung zu bringen , macht dieser ihm noch Vorwürfe über seine Dreiſtigkeit und sieht sich kaum veranlaßt, den Köter um Ruhe und Mäßigung zu bitten ; zugleich, gewissermaßen als Entſchuldigung, dedicirt er dem geliebten Vieh den Rest seines Koteletts, mit dem es zum großen

Schrecken des Publikums

zwischen den einzelnen

Gruppen der Anwesenden verschwindet, um nach gehaltener Mahlzeit seine Schnauze an der ersten besten Seidenrobe in den status quo ante zu bringen.

Anderer, noch

weit schlimmerer Situationen wollen wir hier gar nicht gedenken. Die Hunde sind eben vernunftloſe Geſchöpfe , ihnen kann man es nicht übelnehmen , wenn sie für die Jubelouvertüre von Weber ein geringeres Verſtändniß beſigen,

54

Betragen den Gästen gegenüber.

als für die Wurstſchale, welche ihrem Kollegen zugeworfen wurde.

Aber ihrem Herrn ist es zum Vorwurfe zu

machen , daß er sich über alle Rücksichten gegen die Gesellschaft hinwegseßt: Das Mitbringen von Hunden müßte in öffentlichen Localen streng verboten sein , oder - wie man auf den engliſchen Eisenbahnen nicht ein „ Nichtrauchcoupé", sondern ein Rauchcoupé fordern muß , könnten

ja

so

auch Hunderestaurationen eingerichtet

werden , in denen sich dann die Hundebefizer aufhalten können, um bei gemeinsamen Interessen auch gemeinſame Freude zu haben.“ Die einfachste Manier, Hunde aus einem Local entfernt zu halten, ist allerdings ein Anschlag am Eingang, nur darf derselbe nicht in dictatorischer Kürze sich auf die Worte:

,,Hunde

mitzubringen

ist

streng

verboten"

beschrättken, wie es früher oft zu lesen war ; in neuerer Zeit bedienen sich die Wirthe ebenso wirksam der höflicheren Worte : „ Auf Wunsch der meisten meiner geehrten Gäſte ersuche ebenſo höflich

als dringend , Hunde nicht

mitzubringen." Dieſer Hundeſippſchaft gegenüber haben nun gerade die Damen einen schweren Stand. Furchtsamer Natur, wie sie sind ,

den manchmal großmächtigen Kötern entgegen zu

treten, fehlt ihnen die Waffe, welche den meisten Herren zu Gebote steht, der Stock , um das Vieh zu verjagen, falls es im Begriff iſt, ihre seidne Robe mit einer Stra55

Betragen den Gästen gegenüber.

Benecke zu verwechseln.

Bitte den Besizer des Hundes,

dafür zu sorgen, daß die Damen nicht belästigt werden. Will er das nicht, so bediene dich selbst des Stockes im Interesse der Wehrloſen. Es ist für einen Kellner nicht leicht , besonders bei einer großen Anzahl von Gästen, sämmtlichen Ansprüchen zu genügen.

Bei festlichen Veranlaſſungen , bei Meſſen,

Jahrmärkten , um die Weihnachtszeit, wenn die Gutsbefiger der Umgegend erscheinen , um für die Familie die Weihnachtsgeschenke zu besorgen, nehmen oft die Restaurationen und Hôtels durch die große Anzahl der Gäste ein ganz anderes Ansehn an, wie sonst, und es erscheinen für den Kellner heiße Tage, wo ihm nicht vergönnt iſt, ſich zum Mittagstisch behaglich niederzulaſſen , ſondern er vom frühen Morgen

bis

zum späten Abend , ja zur

Nacht mit dem Tuch unter dem Arm die Spetsen und Getränke den Gäſten bringen muß.

Im Interesse des

Hauses ist es Pflicht des Kellners , gerade an solchen Tagen mit doppelter Aufmerksamkeit seine Geschäfte zu besorgen und nicht zu glauben, daß die große Mehrzahl der Gäste an solchen Tagen nachsichtiger ist, als sonst.

Im Gegentheil, die meiſten

verlangen , daß bei außerordentlicher Veranlassung auch außerordentliche Hilfe bereit ist . Mache es dir zum Grundſay , sobald ein Ruf nach dem Kellner ertönt oder die Klingel erschallt, wenigstens 56

Betragen den Gäſten gegenüber.

den Kopf zu wenden, um anzudeuten, daß du aufmerkſam geworden bist,

und das „ Gleich, Herr, gleich," welches

schon der Kellner in Shakespear's Heinrich IV. rief, wenn auch in anderen Worten zu bezeichnen. nehm für die Gäste ,

Es ist unange

welche hungrig und durftig sind,

fich in Ungewißheit zu befinden, ob sie bemerkt worden sind. Sorge dafür, daß wer zuerst beſtellt auch zuerst bedient werde.

Welche unangenehme Scenen entstehen nicht all-

zuhäufig dann , wenn ein Gaſt ein Beefsteak bestellt hat, 10 Minuten später ein zweiter daffelbe, und der zweite Gast empfängt das Beefsteak , gebraten war.

welches für den ersten

Ist in der Küche der Trubel zu groß,

so daß auch hier, obwohl alle Hände in Bewegung, nicht alle Bestellungen zugleich angenommen werden können, so bitte die Besteller um Entschuldigung , daß in Folge des heutigen

außergewöhnlichen Andranges

eine Ver-

zögerung nicht zu vermeiden ſei. Eine gefährliche Klippe für die Kellner bilden Trinkgelder.

die

Leider ist es jeßt dahin gekommen, daß

manche Kellner glauben des Dankes beim Empfang der Bezahlung überhoben zu sein, wenn ihnen nicht noch ein sogenanntes Trinkgeld dazugelegt wird . nur selten mehr als

die

Früher wurde

verlangte Summe von den

Gästen bezahlt; dafür war das Honorar, mit dem die Kellner von ihrem Prinzipal bedacht wurden, bei weitem höher, während jezt in manchem Hôtel, in mancher Restauration 57

Betragen den Gäften gegenüber.

der Wirth glaubt, nach franzöſiſcher Art einer Salairirung der Kellner vollständig

überhoben zu sein ,

da

durch

Trinkgelder bereits eine ausreichende Entschädigung gewährt werde. Es ist dies für keinen Theil von Vortheil. Denn manche Kellner sind nun der irrigen Ansicht , auf eine Mehrbezahlung mit Sicherheit rechnen

zu

dürfen

und halten es kaum für nöthig , wenn sie 50 Pfg. zu fordern haben , und es werden ihnen eben 50 Pfg. verabreicht, zu danken ; eine große Ungezogenheit! Daß diejenigen Gäſte beſonders freundlich behandelt werden , welche in Bezug auf Trinkgelder sich besonders generös zeigen, ist wohl nicht unnatürlich ; aber die übrigen Gäſte ſollten dies nicht merken dürfen.

Eine ganz

üble Angewohnheit, welche ein recht ungünstiges Licht auf den Kellner wirft, ist nun gar die , durch Kunſtgriffe, welche Jeder erräth, den Gaſt zur Darreichung von Trinkgeldern preffen zu wollen.

Hier sollen 25 Pfg. für ein

Seidel Bier bezahlt werden. Der Kellner hat Zweigroschenstücke in Hülle und Fülle , er wühlt aber in seinem Mammon herum , bis er 3 einzelne Zehnpfennigstücke findet und fragt nun , ob der Gaſt ihm 5 Pfg. zurückgeben kann.

Oder er heuchelt, einen Groschen nicht

Herausgeben zu können , und erbietet sich, beim daneben wohnenden Kaufmann wechseln zu

lassen.

faule Fische, mit denen kein Kellner imponirt.

Das sind Wird ihm

ein Trinkgeld verabreicht, so kann er ergebenst danken,

58

Betragen den Gästen gegenüber.

oder verbindlichst , oder gar herzlich; aber danken muß er auch ohne Trinkgeld unter jeder Bedingung. Recht übel ist es mit den Trinkgeldern bei Bezahlung der Hôtelrechnung.

Meist ist das Service mit auf die

Rechnung gesett, mit der Bemerkung , daß darunter die Belohnung für den Hausknecht und den Portier noch nicht einbegriffen sei. Möchte es doch überall im Intereſſe des reisenden Publikums dahin kommen , daß gleich auf der Rechnung das Service für sämmtliche dienende Personen berechnet ist , wie z. B. im „ goldenen Engel “ zu Dresden.

Sollte die Trinkgelderwirthschaft in derselben

Weise weitere Progressionen erfahren , wie in den legten 30 Jahren , so wird es allerdings wohl dahin kommen, daß, wenn man 3 Cigarren kauft , man dem Ladenjüngling für seine Mühe noch ein Trinkgeld geben muß. Hüte dich, junger Mann, vor den Neujahrsbetteleien. Es hat sich die Sitte eingeschlichen , daß besonders die Reſtaurationskellner denjenigen, welche als Stammgäste in ihrem Locale verkehren, am Neujahrstage entweder eine Glückwunschkarte oder eine in irgend welcher Weise geschmückte Cigarre überreichen .

Merke wohl , daß,

wenn dein Prinzipal dies erlaubt, du doch nur bei den dir wohlbekannten Stammgäſten dazu die Berechtigung haſt. Vollständig recht handelt derjenige, welchervielleicht zum erſten Mal als Gaſt anwesend ist , die ihm dargebotene Glückwunschkarte einfach mit der Bemerkung zurückſchiebt, daß er

59

Betragen den Gästen gegenüber.

nicht geneigt sei , Gratulationen von Jedem anzunehmen. Großen Jubel erregte einst ein Student in Leipzig, welcher, als ihm am 1. Januar eine Karte vom Kellner überreicht wurde, sehr höflich dieselbe in seine Brieftasche steckte und dafür eine andere Karte hinlegte, welche ihm

eben in

einer anderen Restauration gereicht worden war.

Viele

Wirthe leiden das Ausgeben von Karten in ihrer Restauration gar nicht , weil dasselbe schließlich doch auf reine Bettelei hinausläuft.

Glaube nicht, junger Freund, daß du durch

Weglassen der Karten viel verlierst. Wer von den Stammgästen überhaupt des Kellners gedenken will, wird schon durch die Worte: ,, Gestatten Sie mir , Ihnen zum neuen Jahre zu gratuliren " daran erinnert werden. Ueber schlechte Zahler berichte Demjenigen , dem du Rechenschaft abzulegen hast, aber hüte dich vor unzeitiger Mahnung . erst

Hole deshalb den Rath deiner Vorgesezten

ein ; aber unter keinen Umständen darfst du durch

grobes Mahnen den Gast an seine Schuld erinnern. Schlechte Zahler warten oft nur auf leidenschaftliche Drohungen, um einen Grund ihres Wegbleibens vorschüßen zu können , besonders wenn man ihnen ohne Zahlung nichts mehr verabreicht. Tritt ihnen ohne Scheu , aber mit bescheidenem Ernste entgegen, glaube mir, dies fürchten schlechte Zahler mehr als übertriebene Drohungen. Es ist die Aufgabe des Kellners, bescheiden zusein, in und außer dem Hause. Junger Mann, das ist ein schwieriges

60

Betragen den Gästen gegenüber.

Ding; bist du noch Knabe, bist du Jüngling , dann ist es ganz ſelbſtverſtändlich , daß, wenn du Erlaubniß haſt, deinen Nachmittag auswärts zu verbringen , und du mit Stammgästen deines Hauses zuſammenkommst, du ſie nicht für deinesgleichen hältst,

sondern

ehrerbietig grüßeſt.

Aber selbst dem Oberkellner , welcher vielleicht eine jährliche Baareinnahme hat, hinter welcher der Kreisgerichtsrath weit zurückbleibt , möchte ich es nicht rathen ,

am

dritten Ort sich zu demselben zu sehen , um als Gleichberechtigter ein Gespräch mit ihm zu beginnen .

Mag die

geistige Bildung des Kellners nichts zu wünschen übrig laffen, so giebt es doch eine Menge sonst vorurtheilsfreier Leute, welche von der Anſicht ausgehen, daß, wer sich vom ersten Besten nach Genuß eines Glaſes Bieres 5 Pfennige als Trinkgeld schenken läßt und auch noch seiner Pflicht gemäß dafür „ ergebenst danken muß,“ nicht für ebenbürtig der guten Gesellschaft angesehen werden kann. Es ist traurig , aber wahr , daß die Kellner immer noch in Bezug auf ihre gesellschaftliche Stellung eine gewiſſe Inferiorität zu ihrem Nachtheil einnehmen, — welche erst dann verschwindet , wenn die Kellner selbstständig geworden und die „ Trinkgelder - Periode “ überwunden haben.

61

Mittagstisch.

eim Serviren an der table d'hôte fann ein genauer Beobachter den Werth oder Unwerth eines Oberkellners sofort erkennen, denn hier muß derselbe ganz besondere Umsicht zeigen . Schon ehe die Gäste erscheinen, hat er Manches zu beobachten . Sind die Messer und Gabeln nicht ſymmetrisch gelegt, stehen die Teller nicht in gerader Linie, ist ein Fleck im Tischtuch sichtbar , sind die Gläser nicht spiegelblank, sind Compots und Salate oder andere Verzierungen nicht geschmackvoll geordnet , so muß ein Blick von ihm genügen, das Mißverhältniß zu erkennen , und unbedingt muß

er selbst Hand anlegen , um die

muß der n überhaupt gehören Zanken, Oberkellner vermeiden , Neckereien, Lärmen , Poltern der Kellner unter sich , ganz

Fehler zu corrigiren .

Lautes Commandire

besonders aber in Gegenwart der Gäste zu den größten .

Ungehörigkei

ten 62

Mittagstisch.

Die Art des Deckens, des Servirens, iſt nicht in allen Gasthäusern die gleiche.

Du darfſt, junger Leser , nicht

annehmen, daß die Manier, die du in deiner Lehre gelernt haft, an allen Stellen angenommen ist.

Die Bestimmung

des betreffenden Prinzipals iſt allein maßgebend, Ordnung und Sauberkeit aber muß überall herrschen.

Willst du

Neuerungen oder Verbeſſerungen einführen , ſo frage erſt deinen Chef, ob ihm diese auch angemessen erscheinen. Uebe dich in der Kunst, geräuschlos zu decken und aufzuwarten.

Manche glauben , wenn sie die Teller mit

Vehemenz auf den Tisch schleudern , eine große Geſchicklichkeit an den Tag zu legen.

Grundfalsch !

Der Gaſt

muß kaum bemerken , wenn ihm der gebrauchte Teller genommen und der frische vorgeseßt wird . — Auch auf die Temperatur des Speiſezimmers iſt zu achten, damit die Gäste sich behaglich fühlen ; ferner auf die Weine, daß fie weder zu warm noch zu kalt stehen, auch frisches, klares Trinkwasser darf nicht fehlen. Es

giebt

an

einer Tafel

wichtigerer Art zu beobachten.

aber noch

Dinge weit

Speiſt , wie das in der

Regel der Fall ist , der Prinzipal zugleich mit am Tiſch, so muß dem Keller die leiseste Andeutung desselben genügen, sofort den Befehl zu verstehen.

Es ist unmöglich,

daß man ihm alles vorher sagen kann, wie es bei Tiſche mit dem Serviren gehalten werden soll , jeder Augenblick kann die Sachlage verändern . 63

Heute muß der Wirth

Mittagstisch.

Rücksichten nehmen, die gestern nicht beobachtet zu werden brauchten, heute soll der Kellner vielleicht einer Dame wegen an einer anderen Stelle mit dem Präsentiren der Speisen anfangen, oder es sind hochgestellte Gäste mit am Tisch, auf welche besondere Rücksichten zu nehmen sind, oder jenem Gast soll eine Speise zum zweiten Male gereicht werden,

tausenderlei Dinge, die der Prinzipal

nicht durch Worte sagen kann, weil Andere sich leicht dadurch verlegt fühlen möchten ; leiseste Zeichen

deshalb eben muß das

dem Kellner genug sein, um nach des

Prinzipals Wunsch zu handeln.

Dies zu verstehen ,

aber nicht Jeder feinfühlig genug.

ist

Manche wollen erst

mit dem Zaunpfahl bedeutet sein und haben einen so geringen Grad der Umsicht und Aufmerksamkeit, daß sie sich immer nur mit einer einzigen Vorstellung beschäftigen können, welche die ganze Kraft ihres Geistes für sich allein in Anspruch nimmt und sie außer Stand seßt , noch ein Zweites oder Drittes zu bemerken.

Es ist daher erklär-

lich, daß ein aufmerksamer Wirth es für ein großes Glück erachtet, einen feinfühlenden , umsichtigen Oberkellner um sich zu haben. In der Regel haben solche begabte Gehülfen auch eine bevorzugte Stellung und werden vom Wirth wie von den Gästen gleich gern gesehen, wenn nicht andere schlimme Eigenschaften die Achtung wieder in Frage stellen.

Die-

selbe Aufmerksamkeit, die der Prinzipal von seinem Ober-

64

Mittagstisch.

kellner beansprucht , muß der Oberkellner seinerseits aber auch von seinen Untergebenen verlangen können.

Und

ein kluger Prinzipal wird, selbst wenn der Oberkellner in ſeinem Arrangement gefehlt hat, dieſen Fehler nur unter vier Augen rügen und nicht in Gegenwart der Gäſte oder des Dienstperſonals den Oberkellner blosstellen, wodurch dessen Ansehn unfehlbar untergraben würde.

Soll

derselbe in Abwesenheit des Prinzipals dessen Pflichten, soweit sie zum Betriebe des Hôtels gehören, vertreten, ſo müſſen ihm auch Rechte zugestanden werden , jedenfalls muß er so behandelt werden , daß er nichts von seiner Achtung verliert. Beim Serviren habe dein Auge überall, übersieh Niemanden, ſtehe nicht in Augenblicken, wo man deiner nicht bedarf, wie eine Bildsäule da, sondern mache dir irgend etwas zu schaffen , oder zeige, daß deine ganze Aufmerksamkeit den Gästen zugewendet ist. muskeln

mußt

du

zu

Auch deine Gesichts-

beherrschen wissen ;

einem

bei

fröhlichen Mahle zeige deßhalb nicht die Miene eines Leichenbitters.

Wird ein Toast ausgebracht, so suche jede Störung zu vermeiden , damit dir nicht erst vom Redner oder von anderer Seite Ruhe geboten werden muß. - Sei äußerst vorsichtig , damit du beim Serviren nicht die Kleider der Gäste beschädigst.

Bist du schon einmal in dieser Lage

geweſen, ſo weißt du selbst, welch eine unglückliche Situa65

Stab, Hôtel.

5

Mittagstisch.

tion dies ist.

Oft wird ja dies Malheur durch ein von

dir nicht erwartetes Zurücklehnen eines Gastes herbeigeführt , aber dennoch wird dir die Schuld aufgebürdet, weil du auf solche Fälle stets gefaßt sein und die Schüffel danach halten sollst.

Was

willst du in einer solchen

üblen Lage beginnen ? Willst du weiter präsentiren und den Beschädigten seinem Schicksale überlassen? Oder sollen die andern Gäste auf die Schüssel so lange warten, bis du mit Worten und Servietten deinen Fehler verwischt hast ? Oder willst du es machen wie jener Ungeschickte, der auf die Bemerkung des Gastes , daß er ihm die Sauce auf den Rock gegossen habe, antwortete : ,,Bitte, bitte, schadet nichts , es ist noch mehr da. "

Fatale Lage! -

Am Besten du übergiebst das Weiterferviren für den Augenblick einem andern weniger beschäftigten Kellner, und wäre keiner da, so seße dem nächstfolgenden Gast die Schüssel vor mit der Bitte, sie weiter reichen zu wollen. Jedenfalls aber hast du dem Beschädigten

den

guten

Willen zu zeigen, ihm mit Tüchern u. s. w. zu Hülfe zu kommen. Ist es gar eine Dame, der du Schaden zugefügt , so ist es vielleicht noch schlimmer für dich, gewiß ist aber , daß an diesem Tage ein Gewitter an deinem Kellnerhimmel aufgezogen ist. Bedenke, daß solche Fälle nicht dich allein , sondern auch deinen Prinzipal und die Beschädigten in die unangenehmste Lage versezen.

Willst du dich davor

schüßen, so mache den Gast , welchem du serviren willst,

66

Mittagstisch.

durch die Worte „ darf ich bitten ?" darauf aufmerkſam, daß hinter ihm ein Bratenteller sich befindet, deſſen unsanfte Berührung möglicherweise mit üblen Folgen verbunden ist.

Ist es dir anvertraut , allein zu ſerviren, ſo

ſorge so viel wie möglich dafür , daß nicht 2 Schüsseln auf dem Präsentirteller stehen, etwa der Kalbsbraten und die Saucière, sondern bitte die Gäſte, daß sie die letztere selbst weitergeben, um vor Flecken sicher zu ſein. Der Kellner soll bei der Tafel nicht mechaniſch ſerviren, er soll

auch hierbei denken und lernen ;

Gelegenheit

dazu wird ihm reichlich geboten. Einen Speiſezettel z. B. zu entwerfen , ist nicht so leicht , wie es den hat.

Anschein

Bei dem Arrangement eines Mahles ist sogar recht

Vieles zu beobachten.

Das bloße Vorhandensein von

vielerlei, ſelbſt den kostbarsten Speiſen ist nicht hinreichend, es muß ein jeder Gang zu dem andern paſſen , in der Zusammenstellung

eine Einheit

zu

erkennen ,

ein

Grund vorhanden sein , warum die Gänge so und nicht anders auf einander folgen.

Geſeßt auch, daß der Gaſt

selbst nicht immer die Nothwendigkeit eines solchen ſyſtematiſchen Arrangements fühlt, so wird er doch leicht merken, wenn gegen die Ordnung gefehlt wird. Ein mir bekannter, sehr in Achtung stehender Gastwirth erzählte mir, daß er in den vier Jahren, während welcher er in Bremen (in Hillmanns Hôtel) engagirt war , sämmtliche Speisezettel aufbewahrt und, nach Jahreszahl und Datum 67

5*

Mittagstisch.

geordnet, sich habe einbinden lassen.

Jeßt , da er selbst

ein großes Hôtel besäße, käme ihm dies Büchlein vortrefflich zu statten.

Er schriebe seine Speisezettel oft ganz

nach den früheren ,

gleichen Datums , weil dieſe der

Jahreszeit und der Mannigfaltigkeit nicht weniger als der passenden Reihenfolge der Speisen , wie sie dem Gaumen zusagt, stets Rechnung getragen hatten. Es ist ja oft auch sehr erwünscht, daß ein solcher Anhaltepunkt dem Gedächtniß zu Hülfe komme.

Eine Haus-

frau, die eine oder zwei Schüsseln auf den Tisch bringt, übersinnt oft lange, was sie kochen soll ; wie viel mehr Schwierigkeiten macht der Küchenzettel in einem Hause, - Wenn wo vier, sechs und mehr Gänge gegeben werden. du also in guten Häusern servirst, so kann das Notiren und Aufbewahren der Speisezettel auch dir einst von Nugen sein, wo nicht, so hast du gewiß nichts dadurch verloren.

Je mehr ein Kellner an Bildung gewonnen, um so mehr wird er die Tactlosigkeit und oft auffallende Unbescheidenheit einzelner Gäste bei Tische erkennen und mißbilligen , doch darf er weder durch Augenzwinkern, Lächeln oder andere Zeichen die Aufmerksamkeit Anderer auf Jene zu lenken suchen.

Er nehme ein Beispiel an

einem coulanten Prinzipal, der solche Unverschämtheiten ja aus eigner Tasche decken muß , aber dennoch mit keiner Miene sein Erstaunen oder seine Unzufriedenheit zu erkennen giebt. 68

Mittagstisch.

Einen großen Werth legen Einige auf das Falten der Servietten in verschiedene Formen , wie Fächer, Bischofsmüßen u. dergl.

Wenn auch diese Spielerei in den

beſſeren Hôtels immer mehr und mehr verschwindet , ſo halte ich es doch für gut , wenn der Kellner auch dieses zu erlernen sucht, weil es immer noch viele Leute giebt, welche ------ besonders wenn sie selbst ein Diner, Souper 2 . geben

auf die Ausschmückung der Tafel ein großes

Gewicht legen.

Sie glauben womöglich, durch das Falten

der Servietten ein Gericht sich sparen zu können , und wenn noch Blumen auf den Tisch kommen eines zweiten Ganges überhoben zu sein.

Der Kellner aber hat sich

nach den Liebhabereien Derer zu richten, welche ihm Aufträge übergeben ; was ihnen Wunsch, sei ihm Befehl !

69

Billard-, Karten- und andere Spiele.

ine nicht zu unterschäßende Geschicklichkeit, welche sich der junge Kellner aneignen soll , falls ihm Gelegenheit dazu geboten wird, ist das Billardspiel. Daffelbe ist im vorigen Jahrhundert aus Frankreich zu uns gelangt und ebenso wie die meiſten übrigen Spiele der Mode sehr unterworfen. Viele spielen Billard mit wahrer Leidenschaft und fühlen sich nicht wohl , wenn sie nicht alltäglich eine Stunde ihre Carambolage geſpielt haben. Da nun sehr häufig die nöthige Gesellschaft dazu fehlt, so hat man sich daran gewöhnt , in Ermangelung von Andern zum Kellner die Zuflucht zu nehmen, so daß vielfach Kellner nur mit der Verpflichtung angestellt werden, für die Befriedigung der Billardgäſte Sorge zu tragen. Junger Freund! laß dir nochmals rathen, wenn möglich das elegante und interessante Spiel zu erlernen , es wird dir die Kenntniß desselben vorzügliche Dienste leiſten. Wie oft, besonders in den Morgenstunden , wenn deine

70

Billard=, Karten und andere Spiele .

Geschäfte besorgt und vorläufig noch die Gäste fehlen, wird dir Gelegenheit, ganz allein dich auf dem Billard zu üben.

Laß dich von einem Freunde belehren , wie die

Hand- und Armſtellungen zu nehmen , in welcher Weiſe der Stoß auszuführen ist.

Beobachte Eleganz in der

Haltung , besonders zu Anfang , bis sie dir zur andern Natur geworden . fallen.

Es ist kein Meister vom Himmel ge-

Auch zum geschickten und eleganten Billardspieler

gehört lange Uebung. Ist dir das Billard übergeben , ſo ſorge dafür , daß dasselbe rein und sauber sei.

Staublos die Banden, und

besonders das grüne Tuch nicht mit den durch das Abrutschen der Queues besät.

verursachten weißen Kreideflecken

Sobald das Billard frei , gebrauche die Bürfte,

und suche die Flecken zu entfernen, damit dir nicht Liederlichkeit zum Vorwurf gemacht werde. Sorge dafür, daß die Queues, sobald die Spieler verschwunden, wieder an Ort und Stelle gebracht werden und nicht etwa in den Ecken umher stehen , wische sie sorgfältig mit dem Tuche ab und überzeuge dich täglich, ob nicht von einem oder

dem anderen das Leder sich

abgelöst hat, in welchem Falle sofort für Erneuerung desselben gesorgt werden muß.

Die Tafel , auf welcher

der Stand der Partie verzeichnet wird , sei stets frisch abgewischt und mit einem feuchten Schwamm versehen. Kreide sei fortwährend vorräthig und zwar in zweifacher

71

Billard , Karten- und andere Spiele.

Größe , — einmal , um die Queues einkreiden zu können , dann, um an die Tafel zu schreiben. wird man große,

Zu ersterem Zweck

zu lezterem kleinere, am besten die

vierkantigen mit Papier überzogenen Kreidestifte wählen. Die Stellen ,

wo

die Bälle aufgesezt

werden

sollen,

müssen stets mit meiſt aus rothem englischem Pflaster bestehenden kreisförmigen Ausschnitten (mouches) beflebt ſein.

Sind dieſelben abgenußt , ſo hast du für Erneu-

erung zu sorgen.

Ebenso ist es Sache des Billardkellners,

stets ein Waschbecken mit frischem Waſſer und ein ſauberes Handtuch in der Nähe zu haben , um denen , welche sich nach dem Spiele die Hände waschen wollen , dazu Gelegenheit zu geben.

Wollen Gäſte das Billard benußen,

so ist es die Pflicht des Kellners , sofort die Bälle (resp . die Kegel) herauszugeben , den Beginn des Spieles auf der Tafel zu notiren

und womöglich den Verlauf des

Spieles zu bezeichnen ,

d. h .

die Rechnung zu führen.

Folge mit Interesse dem Spiel , aber enthalte dich jeder beifälligen oder mißfälligen Bemerkung , fie . kommt dir nicht zu spielen.

und

beleidigt diejenigen ,

welche

Wird es schon als eine Unverschämtheit betrachtet,

wenn selbst ein Gast sich ein Urtheil über

das Spiel

eines Fremden erlaubt , der Kellner würde sich dadurch in eine sehr unangenehme Lage bringen können. – Wirſt du selbst aufgefordert ,

in Ermangelung von

anderen

Gästen beim Spiel auszuhelfen , so laß dir ja nicht etwa

72

5 Billard- , Karten- und andere Spiele.

den Gedanken beikommen, daß du mit dem Gaste gleichberechtigt seiest.

Ebenso wenig wie vorher darfst du dir

jezt Urtheile über das Spiel deines Partners erlauben . Spielst du um Vieles besser , so ist es deine Pflicht, dafür zu sorgen , daß diese Ueberlegenheit in nicht gar zu hohem

Grade sichtbar

werde ,

mit

anderen Worten :

wird dir ein leichter Ball geboten , verzichte auf ihn und suche, indem

du ihn in einen schwereren umwandelst,

eine noch größere Geſchicklichkeit zu entwickeln.

Versuche

nie, deinen Mitspieler zu veranlaſſen , mit dir um etwas anderes, als das Partiegeld zu ſpielen , und wenn er dich bewegen wollte , noch einen beſonderen Geldpreis für den Gewinner festzuseßen , so danke verbindlich und ſage, daß du es dir nicht zumuthest , so sicher zu spielen, wie er.

Kommt es doch gerade in großen Städten recht

häufig vor, daß routinirte Billardspieler von einem Billard zum andern wallfahrten, um überall , nachdem sie mit mäßigem Geschick die erste Partie gespielt, nun um einen Geldpreis spielen und dann ſich ſofort als außerordentlich gewandte Spieler documentiren.

Bist du im Spiel

mit einem Gaſt begriffen , und kommt ein anderer dazu, von dem du vermuthen könntest , daß er vielleicht gern an deiner Stelle wäre , so ist es deine Pflicht , ihn zu fragen, ob er vielleicht deine Stelle einzunehmen wünſcht. Einer noch allgemeineren Verbreitung erfreut sich das Kartenspiel und es sind hauptsächlich kleine Privatkreiſe, 73

Billard , Karten- und andere Spiele.

welche sich regelmäßig L'hombre

an beſtimmten Tagen zu ihrem

oder Whist

oder Scat versammeln.

Soll Karte gespielt werden , so ist es vor allen Dingen deine Pflicht, einen viereckigen Tisch zurecht zu machen, und falls die Gasbeleuchtung nicht ausreicht, genügende Leuchter mit Lichtern darauf zu stellen , ferner gute glatte Karten in die Mitte des Tiſches zu legen und die nöthigen Cigarren- Abstreicher an Ort und Stelle zu besorgen. Je nach dem Wunsche der Spieler wird die Herbeischaffung von Markenkästchen oder von Kreide, oder von Papier und Bleistift nothwendig sein.

Zum Scatspiel,

Solo , Quodlibet , Blüchern und Sechsundsechszig sind die gewöhnlichen deutschen Karten (32) nothwendig ,

zum

Whist ,

Boston ,

französischen Karten.

Pharao

die

(52)

Beim L'hombre fehlen von

Lepteren die 7. 8. und 9., während

zum Tarok eine

besondere Art von Karten, die Tarokkarten (76 Stück), gebraucht werden.

Letteres Spiel hat sich nur noch in

Süddeutschland erhalten . Dem Kartenspiel zuzusehen ist

dem Kellner

nicht

erlaubt, — natürlich noch viel weniger auch nur ein Wort über die Karten oder über das Spiel eines der Herren zu erwähnen.

Wird aber

wenn

es

auch verboten

ist , es geschieht ja doch - einmal nach einem Festessen ein Hazardspielchen unternommen , sei es nun Landsknecht

oder Pharao

oder 74

Lustige

Sieben ,

Billard , Karten uud andere Spiele.

junger Mann, betheilige dich nie daran.

Gerade bei

solchem Spiele kommt es gar zu häufig vor ,

daß den

Spielern das Geld ausgeht, und sie nachher sich in Verzweiflung an den Kellner wenden. ihnen Geld zu leihen ,

welches

Zinsen wieder bringen wollen ,

Sie beſtürmen ihn,

sie Tags darauf mit während sie am Abend

auf Nimmerwiedersehen verschwinden. Verborge nie , zum Hazardspiel aber erst recht nichts! Aber auch andere Spiele als die genannten werden oft beliebt und es ist durchaus nöthig, daß im Hôtel auf alle Eventualitäten Rücksicht genommen wird, die nöthigen Requisiten angeschafft werden, damit, wenn ein Gast z . B. um ein Domino bittet, der Kellner nicht zu sagen braucht : Bedaure, wir besigen keins !

Ist ein Puffbrett (auch

Toccatille genannt) vorhanden , so sorge dafür , daß zweimal 15 Steine und zwei gleichmäßig gute Würfel vorhanden sind, und nicht etwa einer der Mitspielenden erſt in eine fatale Stimmung gebracht wird, wenn ein weißer oder schwarzer Stein fehlt. Ob du selbst Toccatille zu ſpielen verſtehſt, iſt vollständig gleichgültig, aber als Kellner mußt du wissen ,

wie viel Steine, wie viel Würfel

dazu nothwendig sind .

Hat sich, wie zuweilen geschieht,

das Tuch im Innern gelöst , sorge rechtzeitig dafür, daß dir nicht der Vorwurf der Nachlässigkeit gemacht werden könne.

75

Billard , Karten- und andere Spiele.

Wird Dame beſtellt, ſo mußt du wiſſen , daß 2 mal 12 Steine, bei Mühle , daß zweimal 9 Steine nothwendig find.

Nimmer bringe das Brett , ehe du dich nicht

von der Vollzähligkeit der nothwendigen Requiſiten überzeugt haft. Ebenso beim Domino , welches meist mit Steinen von

0

6 gespielt wird , dazu gehören 28 Steine , wenn von

0-8, so find 45 Steine nothwendig.

Wenn Schach ge-

spielt werden soll, se haft du 32 Figuren im Kaſten nebſt Schachbrett zu überbringen.

Leichter als die Dame- und

Domino - Steine sind die Figuren des Schachbrettes dem Zerbrechen ausgefeßt; sorge dafür , daß diefelben nicht nur vollzählig, sondern auch unversehrt, oder wenn ihnen ein Unglück widerfahren, wenigstens geleimt sind. Bei jedem Spiel (mit Ausnahme des Schachs) ist die Frage wohl angebracht , ob zum Notiren des Gewinnes ein Blatt Papier nebst Bleistift verlangt wird. Hast du die Aufgabe übernommen, auch über die Kegelbahn die Aufsicht zu führen, so beachte Folgendes. Die Kegler wünschen, daß, wenn sie mit ihrem Spiel beginnen, fich Alles in sauberem Zustande befindet, d . h. die Bahn frisch gekehrt, die Tafel wohl gereinigt, ein neues Stück Kreide und ein befeuchteter Schwamm

vorhanden sei.

Frisches Wasser zum Reinigen der Hände, ein reines Handtuch und von Staub befreite Kegelkugeln.

Ob die lez-

teren nicht schon nach einmaligem Gebrauch noch schmußiger 76

Billard , Karten- und andere Spiele.

werden, ist eine andere Frage, aber abgewiſcht müſſen sie zum Beginn des Spieles ſein. Wollen Gäſte würfeln , so sorge dafür , daß 3 gleich große und gute Würfel in einem Leder- , nicht etwa

77 77

Blechbecher vorhanden sind.

Heber Bier und Bierkeller.

Der er Bierconſum

in Deutschland

hat seit etwa

25 Jahren in solcher Weise zugenommen, daß eine genaue Bekanntschaft mit genanntem Stoffe eine der unerläßlichsten Bedingungen bei der Ausbildung des Gastwirthes geworden ist. Um einen Begriff zu haben , in welcher Weise der Bierbedarf zugenommen hat , genügt es, die Verhältnisse von einst und jezt neben einander zu sehen . Während früher das Privilegium, gutes Bier zu verſenden, in den Händen weniger Städte lag, wie z. B. Culmbach, Erlangen, Coburg , München , Dresden , finden wir heute in fast jedem kleinen Flecken Brauereien , die entstanden sind, weil der allgemeine Bierbedarf trog aller Verkehrserleichterung sich anders nicht decken ließ.

Wir erwähnen

als statistische Notiz , daß der tägliche Bierconſum in Deutschland vor Kurzem 40 Millionen Seidel betrug, welche einen Verkaufspreis von 2 repräsentiren. 78

Millionen Thalern

Ueber Bier und Bierkeller.

Mit dem enormen Steigen des Bierverbrauchs wuchs natürlicherweise ebenso die Zahl der verschiedenen Sorten und der Geschmack des Publikums ist ein Feld geworden, das gründlich zu ſtudiren eine der schwierigſten Aufgaben des Gastwirthberufes ist.

Mag dein Bier auch fehlerlos

sein, dem Einen wird es zu dick , dem Andern zu dünn , dem Dritten zu schwer und dem Vierten zu leicht sein. Würdest du noch so oft wechseln , bei jeder Sorte würde es Zufriedene und Unzufriedene geben.

Dieser Unan-

nehmlichkeit entgehst du in keinem Falle. Doppelt ſchlimm alſo, wenn zu dieſen unvermeidlichen auch noch gerechte Klagen über Vernachlässigung des

Bieres durch deine

Schuld hinzukommen. In Folgendem habe ich Rathschläge zusammengestellt, die bei genauer Befolgung gewiß die besten Früchte tragen werden :

Wo hat der Wirth ſeinen Bierbedarf zu decken, und welche Eigenſchaften muß gutes Bier haben ?

Es ist vor Allem bei den Verbindungen , die man zu Bierbezug anknüpft, darauf zu ſehen, daß man mit einer solid dirigirten Brauerei abschließt, welche auch leistungsfähig ist, d. h. nicht mehr Kundschaft annimmt, als sie in den Bedarfsmonaten, vom Juli bis November befriedigen fann. 79

Ueber Bier und Bierkeller.

Die Bierqualität ist nicht immer sicher zu beurtheilen, weil zu viel darauf ankommt , wie man bei der Bierprobe disponirt ist , deshalb ist die Abnahme eine Vertrauenssache , und nur von ehrenhaften , als solid anerkannten Brauern wird man eine gleichmäßig gute Qualität erhalten, welche Gäste zuführt. Auf einige Groschen Preisunterschied

beim Einkauf

darf der solide Wirth nicht sehen , weil 1

Mark pro

Hectoliter gar nicht mitspricht , wenn der Gast durch die beſſere Qualität veranlaßt wird , anstatt 1 Seidel, wenn es ihm mundet, 3-4 zu trinken, wodurch dann der Gewinn vervielfacht wird. Gutes Bier muß einen

angenehmen Malzgeſchmack,

ohne süß zu sein haben und muß eine aromatische, nicht kraßige Hopfenbittere auf der Zunge , aber nicht auffällig hinterlassen.

Die Malzfülle des Bieres ist der nährende

Inhalt desselben , der Hopfen , wenn er gut ist , das den Magen anregende , stärkende Mittel , außerdem giebt er dem Biere die Haltbarkeit . Gutes Bier muß reich an Kohlensäure ſein, dieſelbe ist der erfrischende, belebende Bestandtheil desselben.

Die

leichteren Biere sind am schmackhaftesten , wenn sie nicht unter drei Monat und nicht über vier Monate alt verbraucht werden ,

je schwerer (malzreicher) die Biere

eingebraut werden ,

desto besser ist ein längeres Lager

auf dem

(Hofe).

Geläger

Ueber sechs Monate

80

altes

Ueber Bier und Bierkeller.

Bier wird immer etwas hart schmecken und zu wenig „föffig" sein.

Was hat der Wirth bei Empfang des Bieres zu beobachten ? Bei Empfang von Bier in Fässern ist dasselbe sofort in einem guten Keller auf gutes Lager zu legen.

Sind

die Biere mit Hefe versandt, (Kräuſenbiere) so müssen fie 6-8 Tage mit geöffnetem Spund ruhig liegen, ohne Hefe können sie

nach Empfang verzapft werden.

In

beiden Fällen ist das Bier binnen acht Tagen zu prüfen ; find Ausstellungen zu machen , dann wird denselben jede solide Brauerei bis zu diesem Zeitraum gerecht werden, spätere Ausstellungen werden dem Renommée des Wirthes meist schaden, da ein solider Mann nicht verlangen wird, daß eine Brauerei für Bier bei 8-9 Wärmegraden, wie deren gute Keller ohne Eis im Sommer haben , über 3-4 Wochen haften soll. Die Fässer auf dem Lager im Keller werden bei nicht gekräuſtem Biere gespundet gelaſſen, bis man ſie verzapft; man suche immer diejenigen Fässer zuerst zu verbrauchen, welche am Spunde zu treiben anfangen , weil bei ihnen ein Verlust an Kohlensäure zu befürchten ist.

81

Etab, Hôtel.

6

Ueber Bier und Bierkeller.

Wie soll ein guter Bierkeller beschaffen ſein und wie ist Bier im Keller zu behandeln ?

Ein guter Bierkeller muß reine Luft und wenn das Bier lange lagern soll, möglichst wenig Wärmegrade haben ; 4 Grad ist die geeignetſte Temperatur; hat Jemand einen Keller, welcher nicht über 4 Grad Wärme kommt , dann iſt zu empfehlen , ſeinen Bierbedarf in möglichst großen Gebinden , vielleicht Tagesbedarf mit etwas Hefe zu beziehen.

Diese Fässer werden

dann ungeſpundet aufs

Lager gelegt ; man fülle ſie auf, worauf fie Hefe abstoßen werden , welche das Bier gegen die Luft abschließt. ist dabei aber nicht zu übersehen ,

Es

daß die in Anſtich

kommenden Fässer 8 Tage vor dem Abzug mit ` etwas reinem Wasser aufgefüllt und gespundet und dann am Zapfenloch angesteckt werden müssen. Diese so behandelten Biere sind so auffallend angenehm und so reich an Kohlensäure, daß sie reiche Ernte bringen werden. Kommen die Keller im Sommer über 9 Grad , dann lege man sich Vorräthe nicht über 2-3 Tagesbedarfe hin; ist man zum Abkühlen ohne Eis , dann wird oft erneutes frisches Brunnenwaſſer gute Dienste thun , oder wenn es geht, das Hängen der Bierfässer in die Brunnen zu empfehlen sein, da warmes , über 9 Grad haltendes Bier nicht schmackhaft und wenig erfrischend iſt, und die Gäſte abhält, es zu trinken. Vermeide man vor Allem, das

82

Ueber Bier und Bierkeller.

Bier der Luft auszusehen , da dadurch die Kohlensäure entweicht,

und

bald

Schaalheit

eintritt ;

bei schaalen

Bieren bildet sich Alkohol und danach tritt Säurebildung, alſo Verderbniß des Bieres in wenigen Tagen ein. Die in neuster Zeit mit Recht immer mehr Eingang findenden Luftdruck - Apparate zum Verzapfen des Bieres sind sehr zu empfehlen , nur hat man bei der Anlage darauf zu sehen, daß die Luftpumpe ihre Luft nicht aus dem Keller ergänzt ; Kellerluft ist stets mehr oder weniger dumpf und unrein ; das Bier ist für unreine Luft sehr empfänglich und nimmt leicht den Geschmack an.

von derselben sehr

Man laſſe daher die Luftpumpe

immer da anbringen , wo

man leicht zukommen kann

und wo reine Luft sich befindet.

Läßt sich dies nicht

vereinbaren , dann bringe man das Rohr , welches der Pumpe Luft zuführt , verlängert außerhalb der geſchloffenen Räume an. Ob Luftdruck-Apparat oder nicht, in allen Fällen ist es zu empfehlen , immer etwas flaschenreifes Bier vorräthig zu haben, was man verschenkt, wenn zu erwarten ist, daß ein frisch angezapftes Faß nur theilweise verbraucht und daher ein Rest im Faffe über Nacht oder längere Zeit stehen bleiben muß. Etwaige Rester sind immer auf Flaſchen zu ziehen und bilden so den Vorrath von Flaschenbier.

Doch bleibt es

ungleich vortheilhafter, den Vorrath von Flaſchenbier, den 83

6*

Ueber Bier und Bierkeller.

man zur Vermeidung des unzeitigen Ansteckens ganzer Fässer sich zulegen muß, nicht von den Resten der Fässer abzuziehen , sondern

gleich nach

Fasses sich eine gewiſſe Anzahl

Anstecken

eines

Flaſchen abzuziehen ;

ein Verfahren, welches von Vielen schon längst als äußerst praktisch anerkannt ist , besonders wenn die Vorsicht gebraucht wird , daß, während Einer abzieht , ein Zweiter sofort gut verkorkt, damit die Kohlensäure nicht verfliegt Wenn der Wirth nicht im Besize eines Abzieh - Apparates ist, dann empfiehlt es sich, beim Abziehen des Bieres den Hahn mit einem schwachen Gummiſchlauch, der bis circa 1 Zoll von dem Boden der Flasche reicht , zu verſehn und durch dieſen das Bier auf die Flaſchen zu ziehen . Bei Allem, bei den Röhren und Schläuchen des LuftdruckApparates, den Hähnen 2c. iſt die größte Reinlichkeit nöthig, denn jedes Bier ſeßt beim Durchlaufen einen Schleim an, welcher sehr leicht stinkend wird ; löst sich nun durch allerhand Zufälligkeiten etwas von dieſem Schleim ab, so wird das Bier ungenießbar.

Auch durch die Seidel, namentlich

solche, welche fest angemachte Deckel haben, wird viel beim Bierverkauf gesündigt. Wenn die Fugen des Seideldeckels nicht ganz gründlich gereinigt sind , und sich nur einiger Bierschleim anseßt, stinkt dies dem Trinker entgegen , ſo daß er zu glauben geneigt , daß das Bier verdorben ist. Bei der Aufbewahrung des Bieres in Flaschen hüte man sich, daſſelbe der Sonne auszuſeßen ; durch die Wärme

84

Ueber Bier und Bierkeller.

derselben wird in dem kleinen Raume zwischen Bier und Kork die Kohlensäure frei, welche, von der Sonne beſchienen, in kürzester Zeit stinkend wird, der üble Geruch theilt sich dem Biere mit und so wird das beste Bier ungenießbar. Bemühe man sich nicht, dem Verderben sich nahenden Bieren durch/Chemikalien aufhelfen zu wollen ; es ist dies ſtets ein Attentat auf die Gesundheit seiner Gäste und bringt schlechteren Abſaß und üble Nachrede , abgesehen von der Verantwortlichkeit und den meiſt unnüßen Kosten solcher Experimente.

Ist das Bier durch Versehen beim

Brauen 2c. fehlerhaft , dann wird eine coulante Brauerei dem soliden Abnehmer zur Hand ſein , trägt man selbst die Schuld, dann ist der erste Verlust der geringſte.

85

Wein und Weinstube.

Bi Vin Artikel, der im Gaſthause eine wichtige Rolle ſpielt, darf hier nicht unerwähnt bleiben :

der Wein.

Seine Behandlung von der Traube bis zum Becher erfordert aber ein so gründliches Studium, daß dies Werkchen zum Folianten anschwellen würde, wenn ich hierzu oder überhaupt über

Kellerwesen

eine erschöpfende

Anleitung geben wollte. Wer eine vorzügliche Abhandlung über die Behandlung des Weines lesen will, dem empfehle ich auf's dringendste Dr. Hamms Weinbuch, Leipzig, J. J. Weber. Die

Zeiten

sind

vorüber ,

wo

man

auf

lange

Jahre im Voraus seinen Keller füllte , wo jeder wohlhabende

Bürger sein eigner Weinküfer

war , wo ein

und dasselbe Verfahren vom Großvater auf den Vater und den Enkel überging .

Seit Jahren haben sich diese

patriarchalischen Verhältnisse wesentlich geändert, was ſchon daraus ersichtlich ist, daß bei den modernen Bauten der Weinkeller nicht mehr die Rolle spielt, die ihm früher ein-

86

Wein und Weinstube.

geräumt wurde.

Lager von Französischen Rothweinen

(Bordeaux - Weinen) , Spaniſchen, Portugiesischen Weinen 2c. haben gut eingerichtete Weinhandlungen jezt meiſt über der Erde in maſſiv gebauten und mit Wasserheizung versehenen Speichern, wie ich in Hamburg, Bremen und auch in Halle Gelegenheit hatte zu sehen , ein Lager , welches dieſen Weinsorten weit zuträglicher iſt. Da die Weinhändler den Consumenten durch Lieferung der fertigen Weine es sehr bequem machen, so wird es selten Jemandem einfallen, bei nicht gründlicher Kenntniß der Behandlung sich unfertige Weine auf Lager zu nehmen, welche vielen Prozessen noch unterworfen sind, da er ganz sicher ein theures Lehrgeld bezahlen müßte. Ein höheres Studium der Weinkultur nicht durchgemacht zu haben, kann man einem Kellner nicht zum Vorwurf machen.

Es genügt , wenn er sich eine genaue

Kenntniß der verschiedenen Sorten aneignet.

Dagegen

hat der Dirigent eines Weinkellers noch tausenderlei zu beobachten .

Er muß wissen , wie groß die Haltbarkeit

eines jeden Weines ist , denn es giebt Sorten , die ein höheres Alter als drei bis vier Jahre nicht vertragen, um noch zu munden. Ferner ist eine genaue Buchführung für den Lagermeiſter eine Hauptsache.

Wie viel von dieſer oder jener

Sorte zur Zeit auf Lager ist , von welcher Lage, wann gekauft , von welcher Güte sie ist , wie theuer 87



Wein und Weinstube.

im Einkauf, wie hoch die Vertheuerung durch Fracht, Zinsen , Auffüllung , Trieb und sonstige Speſen.

Ueber

alles dies müſſen die Weinkellerbücher übersichtlich Aufschluß

geben,

wenn

der

Kellermeister

stets

orientirt

ſein will. Die hauptsächlichsten Sorten europäischer Weine habe ich nach der Weinkarte von Dr. W. Hamm, Jena, Costenobles Verlag, geordnet.

Dieselbe zählt in höchſt

übersichtlicher Weise die Weinsorten und die Productionsfähigkeit der verschiedenen Länder auf und eine paſſendere und schönere Zimmerzierde für Weinfreunde , Weinhändler u. s. w. ist nicht denkbar. Auf den gründlichsten Studien Quellen fußend, bringt sie:

und

authentischen

1. Die Angabe und Ausdehnung sämmtlicher Weinbau treibenden Gegenden Europas . 2. Die Weinorte Europas . 3. Die Bezeichnung der weißen Weine , der rothen Weine und der Liqueurweine. Angabe der Schaumweinfabri tation. 4. Die jährliche Weinproduction der einzelnen Länder. 5. Vergleichungsflächen der verschiedenen Weinproductionen. 6. Die Aufzählung sämmtlicher größeren Weinhandlungspläge Europas . 7. Die europäischen Weinmaaße. 8. Die Isothermcurven oder Linien gleicher Jahreswärme innerhalb der Region des Weinstocks. 9. Die Linie der Weinbaugrenze in Norden. 88

Wein und Weinstube.

VERZEICHNIS S der gangbarsten europäischen Weinsorten. Bordeaux -Weine. Rheinweine. Chât. Lafitte. Johannisberger. Chât. Margaux. Rauenthaler. Chât. Latour. Rüdesheimer. Chât. Larose. Marcobrunner. Chât. Leoville. Assmannshäuser (roth). Chât. Giscours. Hochheimer. Chât. Lalagune . Geisenheimer. Chât. Beycheville. Erbacher. Chât. d'Yssan . Liebfrauenmilch. Chât. Citran. Scharlachberger. Pontet Canet. Niersteiner. Medoc Margaux. Deidesheimer. Medoc Pouillac. Dürkheimer. Medoc St. Julien. Ungsteiner. Medoc Cantenac. etc. Medoc St. Estèphe. etc. Moselweine. Dessert- Weine. Zeltinger. Portwein (Portugal). Pisporter. Madeira (Madeira). Brauneberger. Sherry (Spanien). Josephshöfer. Marsala (Italien). Berncastler. Malaga (Spanien). Scharzhofberger. Tokayer (Ungarn). etc. Oedenburger (Ungarn). Champagner. Moët & Chandon à Epernay. L. Röderer à Reims. Veuve Cliquot Pousardin à Reims. Heidsick & Co. à Reims. Pommery & Grenow à Reims. G. H. Mumm à Reims . Deutz & Geldermann à Ay. Koch fils à Avize. Rheinwein - Mousseux.

89

Wein und Weinstube.

Haft du , junger Mann , dir eine Uebersicht verſchafft über das Vaterland der verschiedenen Weinsorten

im

Allgemeinen , so ist es deine ganz besondere Pflicht, über die Marken , welche sich auf der Weinkarte deines Hauses befinden, ganz genau dich zu informiren. Du mußt wiſſen, daß , wenn Deidesheimer oder Ungſteiner auf der Karte steht, diese Sorte weder zu den Rhein noch zu den Moſelweinen, sondern zu den Pfalz - Weinen gehört.

Die

Weinkarten sind gewöhnlich so eingerichtet , daß die erſte Rubrik ,,Rheinweine" überschrieben ist, während durchaus nicht blos die an dieſem Strome gewachſenen, ſondern auch Pfälzer- , Mosel- ,

Würzburger- , Neckar- und andere

Weine aufgeführt werden .

Biſt du auch nicht verantwort-

lich für die Weinkarte, welche dir übergeben ist, so mußt du doch wenigstens wissen, daß, wenn ein Rheinwein verlangt wird, du nicht etwa einen Moſelwein bringſt.

Da-

gegen wird dir Niemand einen Vorwurf machen , wenn auf die Frage , haben Sie einen guten , leichten Moselwein?" du die Antwort giebst , „ja wohl , ſehr schönen Zeltinger, Pisporter oder Brauneberger." Du mußt ahnen, ob die Gäſte gerade auf leichten Moselwein oder überhaupt auf leichten Wein Appetit haben deshalb den Wein als

und sie nur

Moselwein" fordern, weil darun-

ter conventionell meist leichter Wein verstanden wird. Wird Rheinwein bestellt, so wird damit meist ein kräftiger Weißwein gemeint.

Auch mußt du, um vor Ver-

90

Wein und Weinstube.

legenheiten sicher zu sein, wiſſen, wo der Ort liegt, nach welchem der Wein seinen Namen führt. Enthalte dich jedes Urtheils über den Wein, welchen du den

Gästen zu präsentiren

hast !

Beschränke

dich

darauf, wenn Gäste es für zweckmäßig halten , dir ein anerkennendes Urtheil mitzutheilen, ihnen zu daß die Stammgäste ebenso urtheilten ,

ist

erwidern, es

abspre-

chend, - und wie oft findet man, daß Leute, welche alle Jubeljahre einmal ein Glas Wein trinken , sich ein vollgiltiges Urtheil anmaßen, -so darfst du nie widersprechen, indeſſen iſt dir wohl

erlaubt ,

zur Vertheidigung des

getadelten Weines zu erwähnen, daß der Herr X., ein Stammgast , gerade diesen Wein mit Vorliebe tränke. Wird Rothwein gefordert, ſo wird damit meiſt französischer

Rothwein

(Bordeaux - Wein)

verstanden ,

so

daß es auch hier unzweckmäßig wäre, Ingelheimer, Walportheimer, oder Asmannshäuser zc. ohne weitere Anfrage vorzuſeßen,

denn diese sind zwar Rothweine,

keine französischen Nothweine. zweckmäßigsten, sich auf

aber

Jedenfalls ist es am

unbestimmte Bestellung , schon

weil zuweilen bei der Bezahlung Beschwerden laut werden , möglichst wenig einzulaſſen, sondern nur nach der Weinkarte die Wünsche der Gäste entgegen zu nehmen. Die sogenannten Weingäste sind mit besonderer Zuvorkommenheit von Seiten des Kellners zu behandeln. Alles werde aufgeboten , um ihnen den Aufenthalt_be-

91

Wein und Weinstube.

haglich zu machen ,

den

Appetit zu erhöhen !

Aeußerlichkeiten tragen oft viel dazu bei.

Kleine

Wird Wein

bestellt, vor allen Dingen die passenden Gläser gewählt und sorgfältig gereinigt !

Zu den leichten Rheinweinen

find grüne Gläser , von denen 6 auf die Flasche gehen, beſonders beliebt.

Dagegen giebt es viele Weinfreunde,

welche keinen vollen Genuß haben , wenn sie den Wein nicht aus weißen Gläsern trinken.

Die Frage ,

ob

weiße Gläser erwünſchter, wird stets gut aufgenommen. Je feiner der Wein , um so feiner die Gläser.

Jeden-

falls ist es für Gäste angenehm , wenn der Wirth über ein möglichst reichhaltiges verfügen hat , ein frisches

Sortiment von Gläsern zu

damit zu jeder Glas

vorgefeßt

neuen Weinsorte auch werden

handelt es sich nicht blos darum, Form zu erhalten , Sorte , das

kann.

Indeſſen

Gläser von neuer

frische Gläser bei jeder neuen

ist die Hauptsache.

Für seine Rothweine

werden zuweilen die großen 1/4 Liter haltenden Gläser vorgezogen, in denen sich das Bouquet bei weitem besser entwickelt , ſollten nie

als in

kleineren.

Die

grünen Urangläser

bei Abend vorgesezt werden ,

indem

der

wundervolle Schimmer, welcher nur durch das Tageslicht hervorgebracht wird , vollſtändig verloren geht, und ſie nun in ſchmußigem Gelb erscheinen.

Auch sollte sich jeder

Wirth davor hüten , die achteckigen , dickwandigen böhmiſchen

Gläser ,

welche beim Anstoßen wie hohle Töpfe

92

Wein und Weinſtube.

klingen, ſeinen Gäſten vorzusehen.

Das Glas muß dem

Auge gefallen, sein Ton dem Ohr, wie von dem Inhalt Nase und Zunge Befriedigung hoffen.

Deswegen stehen

die englischen Gläser, welche sich durch gleichmäßig dünne Wandungen und herrlichen Klang so vortheilhaft auszeichnen, in hoher Beliebtheit. Der Rothwein muß stets eine Temperatur von 10-12 Grad Réaumur haben ; den Rheinwein liebt man kälter, wenngleich Diejenigen im Unrecht sind, welche behaupten, er müſſe vom Eis getrunken werden. Ueber Geſchmack läßt sich aber nicht streiten, wenn man aber dem Urtheil bedeutender Rheinweinkenner trauen darf ,

so soll der

Rheinwein bei einer Temperatur von 6 ° am besten munden. Hast du die Aufgabe einzuschenken , ſo ſchenke nie ſo voll ein, wie es deine Pflicht wäre, wenn sich ein einzelner Herr ein Glas bestellt , Opd und niemals hoch , was vielleicht bei Bier mancher Gast wünſchen mag ! Ich komme zum Champagner , einem für die Einnahme des Wirthes so

wichtigen Getränk.

Daß der

Champagner aus besonders geformten Gläsern getrunken wird , ist bekannt.

Früher waren die hohen Spißkelche

allgemein beliebt, in den fünziger Jahren kamen die schalenartig geformten

Gläser in die Mode , und noch

später diejenigen Kelche, welche sich vor den gewöhnlichen Gläsern nur dadurch auszeichnen , daß der Fuß hohl ist, um das „ Perlen“ zu befördern. 93

Wein und Weinstube.

Die Champagnerliebhaberei hat allmälig

sich mehr

und mehr verbreitet, so daß jezt nur selten eine bessere Restauration existirt ,

in der nicht verschiedene Marken

gehalten würden . Die meisten Gäste wünschen den Champagner möglichst kalt zu trinken , so daß , wenn Champagner - Conſum in Aussicht steht, unter jeder Bedingung auf Vorhandenſein von Eis Bedacht genommen werden muß.

Das Eis darf

nie in zu großen Stücken in den Kübel gebracht werden, damit nicht , wenn die Flasche wieder in denselben gesegt wird, dies mit Schwierigkeit verbunden sei.

Durch-

aus falsch würde es ſein, in den Kübel nur Eis zu bringen ohne Wasser.

Gießt man den Champagnereimer voll

Wasser und wirft einige Stücke Eis hinein, ſo ſinkt durch Schmelzung des Eiſes

ſehr bald die Temperatur auf

0 Grad, um sich dann in dieser Kälte zu erhalten. Wird die Flasche jezt hineingestellt , so sinkt auch die Temperatur des Inhalts , da ja die Wandungen

der

Flasche allseitig von dem kalten Wasser umspült werden, sehr bald auf 0 Grad herab , während , wenn sich die Flasche innerhalb einiger feſter Eisstücke befindet, welche nur mit einzelnen Ecken dieselbe berühren: die Abkühlung sehr langsam sich vollzieht. Besonders in Rußland wird der frappirte Champagner mit Vorliebe getrunken , bei uns in Deutschland dagegen nur selten verlangt.

94

Während der Champagner,

Wein und Weinstube.

nach dem gewöhnlichen Verfahren abgekühlt , nie

eine

geringere Temperafur als 0º Réaumur annehmen kann, muß, um ein Frieren des Champagners zu erzielen, derselbe noch viel stärker gekühlt werden.

Zu diesem Behufe

ist eine künstliche Kälte nothwendig , welche dadurch gewonnen wird , daß der Schnee oder das zerstoßene Eis womöglich recht innig mit Kochsalz Viehſalz) gemiſcht wird .

(Conditoren nehmen

In dieſe Miſchung wird die

zu erkältende Flasche gebracht.

Da aber bei ruhiger Ab-

kühlung der Inhalt gleichmäßig erſtarren und deshalb nachher nicht aus der Oeffnung fließen würde , ſo muß die Flasche in eine sich um ihre Längsachse bewegende Rotation gebracht werden , eine in solchem Maße unbehagliche und zeitraubende Arbeit, daß man Maschinen conſtruirt hat, bei denen durch eine Kurbelbewegung dieſe Rotation erzielt wird.

Durch diese fortwährende Be-

wegung wird erreicht , daß der Champagner friert , aber nicht gleichmäßig , ſondern in einzelnen Nadeln, und bei Oeffnung der Flasche der Inhalt ölig oder gallertartig in das Glas tropft.

Da, je geringer die Temperatur, die

Kohlensäure um so weniger sich entwickelt, ſo iſt es natürlich, daß bei gut frappirtem Champagner nie der Stopfen in Folge des Kohlensäuredruckes ſelbſtändig die Flaſche verläßt, sondern herausgezogen werden muß. Wird eine Flasche Champagner verlangt, ſo iſt dieſelbe dem Gast insoweit fertig zu übergeben, als das Stanniol

95

Wein und Weinstube.

abgezogen, wenn mit Lack überzogen, derselbe rein abgeklopft, und der Drahtverschluß entfernt sein

muß.

Dagegen darf nie, wenn es nicht besonders gewünſcht wird, der Bindfadenverschluß entfernt ſein, damit der Gast die Flasche selbst öffnen kann.

Soll der Kellner dies be-

sorgen , so hat es in unmittelbarer Nähe zu geschehen, und zwar muß der Stopfen vorsichtig herausgedreht werden, damit nicht der bekannte Knall erfolge, — und auf Verlangen sofort der Stopfen mit der eingebrannten Firma übergeben werden kann.

In neuerer Zeit sind verſchie-

dene andere Methoden , die Champagnerflaschen zu verschließen, patentirt worden, bei denen ein Durchschneiden von Draht oder Fäden gar nicht nöthig ist , also Jeder mit Leichtigkeit die Flasche zu öffnen im Stande ist.

In-

dessen scheinen sich doch die verschiedenen Arten des Verſchluſſes nicht recht zu bewähren , da sie fast stets nur Wird von Gästen von einer Firma benußt werden. Champagner bestellt und es existiren im Keller mehrere Marken, so sind Jene hierauf aufmerksam zu machen und um die Entscheidung zu bitten, welcher Sorte sie den Vorzug geben. Einzelne finden

Gefallen daran ,

dem Champagner

dadurch von seinem Zuckergehalt zu nehmen, daß sie noch Nothwein in das Glas gießen ; von Vielen geschieht dies freilich nur aus Koketterie.

Wird dazu Rothwein ver-

langt, so sollte nur französischer Nothwein gebracht werden. 96

Wein und Weinstube.

Närrische Käuze hat es zu allen Zeiten gegeben , mit absonderlicher Geschmacksrichtung und sonderbarem Appetit. Viele meinen einen besonderen Genuß darin zu finden, wenn sie halb Porterbier,

halb Champagner trinken.

Wir wollen die Herren durchaus nicht in ihrem Vergnügen stören , und dem Wirth kann es recht sein, wenn er nur recht viel solche Kunden hat.

So viel ist sicher,

daß kein Mensch im Stande ist , beim Genuß derartiger Mischung zu unterscheiden , ob dazu echter Champagner oder ein Grüneberger oder Naumburger Mousseux verwendet wurde.

Das geht aber den Kellner nichts an und

er darf sich nicht einfallen lassen , anstatt des verlangten echten Champagners

einen

Schaumwein mit

imitirter

Firma hinzustellen. Ganz und gar aus der Mode gekommen ist die Sitte, bei feierlichen Gelegenheiten, Geburts- oder Erinnerungstagen heiße Bowlen zu bereiten. Die dampfenden Punschterrinen sind ein überwundener Standpunkt. Dagegen wünscht nicht selten eine zuſammengehörige Geſellſchaft, für ſich eine kalte Bowle bereitet zu sehen. Wohl dir, wenn sich unter den Herren Jemand findet, welcher das im höchſten Grade undankbare Amt der Mischung übernimmt , denn dann tragen doch die Uebrigen zuweilen Bedenken, ihr Urtheil unumwunden auszusprechen, nicht so, wenn der Kellner dies besorgt hat.

Laß dir also rathen , dich

dieſem Amte, wenn irgend möglich, zu entziehen. Brauche

97 Etab, Hôtel.

7

Wein und Weinstube.

eine Nothlüge!

Gieb Schnupfen vor oder verdorbenen

Magen, in Folge deſſen dir ein richtiges Urtheil über den Wohlgeschmack der Mischung unmöglich sei . — Viele ſegen, um zu sparen , ihren Gästen statt Wein eine Bowle vor. Da werden die jämmerlichſten Kräßer (sogenannte Moſelweine, welche nie die Mosel gesehen,) als Grundstoff verwendet , dazu eine Flasche Rothwein ,

Zucker und eine

aromatiſche Beigabe, vielleicht noch 2 Flaſchen Selterwaſſer, um, ähnlich wie Champagner- Bowle, ein Prickeln auf der Zunge zu erzeugen.

Das giebt dann solches

Gebräu, welches bei Privatgesellschaften nicht selten von dem biedern Hausvater erzeugt wird, während die Hausfrau zwar etwas mehr Zucker, dafür aber auch noch ein paar Liter Wasser mehr dazu verwenden würde. Wird die Anfertigung einer Bowle von einem Gaſte übernommen , so sorge vor allen Dingen , daß auf einem besonderen Zettel sämmtliche Ingredienzen aufgeschrieben werden.

Trage dafür Sorge, daß das Gefäß selbst noch

einmal gehörig gereinigt , die Kelle sauber und ſelbſt ge= ſchlagener Zucker in gehöriger Menge vorhanden sei. Soll eine Bowle schnell zusammengestellt werden, so ist ja das bekannte Verfahren , wonach der Hutzucker in kochendem Wasser gelöst , dann wieder erkaltet und dann erst zur Mischung verwendet werden soll, beim besten Willen nicht auszuführen.

Je nach der Jahreszeit und Dem, was sich

bietet, wird man natürlich zur Aromatiſirung der Bowle

98

Wein und Weinstube.

Verschiedenes wählen.

Der Mai

liefert

den duftigen

Waldmeiſter, der Juni und Juli die Walderdbeeren, der August und September die Pfirsichen und die Refeda. Apfelfine, Ananas und Pomeranze sind das ganze Jahr hindurch zu unsern Diensten. Kannst du dich der Aufforderung, eine Bowle zu präpariren , abſolut nicht entziehen , so laß bestimmen, welcher Wein als Grundstoff verwendet werden solle, ob Bordeaux deutscher werde.

oder Burgunder, ob Champagner

Schaumwein noch

außerdem

oder

dazu gewünſcht

Bei Waldmeister und Erdbeere wird fast

nie

Rothwein, bei Pomeranzenbowle nie Champagner benußt. Vorgesehen, daß bei dem Aromatiſiren des Guten nicht zu viel geschehe, daß nicht die Bowle nach Waldmeiſterkraut schmecke !

Rufe, wenn

der Guß beginnen soll“,

einige Auftraggeber herbei und laß dir sagen , ob ihnen noch Zucker oder etwas Anderes zu fehlen scheine, oder eine Flasche Burgunder als Baßgeige zu dem Orchester erwünscht sei. Hat eine fidele Geſellſchaft Poſto gefaßt, um dem Gott Bacchus seine Opfer darzubringen , ſo iſt es deine Pflicht, Alles aufzubieten , um ihr den Aufenthalt so angenehm wie möglich zu machen.

In Baiern kommt es nicht selten

vor , daß von dem Besizer des Bierlocals , um seinen Gästen das Bier beſſer munden zu laſſen, Rettigſcheiben, mit Salz durchzogen , auf den Tisch gesezt werden.

99

7*

In

Wein und Weinstube.

der Weinstube würde dies nicht zweckmäßig oder angemeſſen ſein. Als Surrogat dafür ſei empfohlen Schweizerkäse , welcher entweder in Schnittchen oder auf gerösteten Semmeln aufgetragen wird, und das engliſche Bisquit, welches insbesondere bei füßeren Weinen und Bowlen recht energischen Durst zur Folge hat. Noch eins , junger Mann ! Magst du ſelbſt noch keine Kenntniß von den Weinen haben, ſo mußt du dir wenigstens durch aufmerksame Beobachtung deiner Gäste ein Urtheil darüber zu verſchaffen ſuchen, was rathſam, was nicht.

Wie häufig kommt es vor, daß befreundete Männer

vielleicht durch Zufall zuſammenkommen, in dem Weinlocal erſcheinen , machen.

um

einer Flasche Wein

den Garaus

zu

Aber die angenehme Unterhaltung ist daran

schuld , daß auch eine zweite verlangt wird und sich nach dem

alten Sprichwort variatio delectat

der Wunsch

herausstellt, zu einer anderen Sorte überzugehen.

Für

den Inhaber des Locals ist es daher im höchsten Grade wichtig , daß er weiß , welchen Wein er nach der ersten Flasche zu empfehlen hat , daß , wenn vorher ein leichter , füffiger, milder Rheinwein getrunken wurde , er nicht

einen

beutel gänge

herben ,

empfiehlt.

nothwendig ,

ausstudirt sein.

harten,

alten

kräftigen

Bocks-

Dazu, junger Freund , sind Weberund und Das

diese

Uebergänge

muß Jeder

seinen Weinen so Bescheid wissen , 100

lernen

wollen und

in

daß er beurtheilen

Wein und Weinstube.

kann , was in der Reihenfolge aufeinander paßt und was nicht. Will Jemand , nachdem er auf jener Stufenleiter bis zum Champagner gekommen , noch weiter im Dienste des Bacchus arbeiten, dann wäre es Wahnsinn, ihm zu Moselweinen zu rathen, und ſei er von der feinsten Marke und der edelsten Blume.

Schwerer , kräftiger Oberungar , ja,

das laß ich mir gefallen , oder einen feinen Capwein ! Allgemeine Regeln lassen sich hier ſelbſtverſtändlich nicht geben.

Die Individualitäten ſind zu verschieden , sowohl

bei den Menschen, wie bei den Weinen und hier kommen beide in Rechnung ! Auch die Schnupftabaksdose mit einem guten frischen also nicht etwa staubtrockenen keiner Weinstube fehlen .

Schnupftaback sollte in

Selbst solche , welche eigentlich

nicht Schnupfer von Profeſſion ſind , fühlen oft das Bedürfniß, auch den Naſenſchleimhäuten einmal eine gewiſſe Abwechslung zu gönnen .

Ist der Schnupftabak zu trocken

geworden, so muß er (das ſoll früh geschehen, damit ſich die Feuchtigkeit gleichmäßig durchzieht) mit etwas Wein betröpfelt und nun gleichmäßig in der Dose geschüttelt werden.

Was die Sorte des Tabaks betrifft, ſo ſei er-

innert an die alte Weinstube von Goldschmidt , wo der alte Herr immer dafür sorgte, daß, wenn eine Sorte von den Gästen verschnupft war, zur Abwechslung eine neue ihnen geboten wurde. 101

Wein und Weinstube.

Eine der unangenehmsten Situationen ist es , in geladener Gesellschaft mit einer Flasche Weines beglückt zu aber dort werden, welcher nach dem Stopfen schmeckt, macht Mancher gute Miene zum bösen Spiel und trinkt mit Todesverachtung seine Stopfensauce.

In der Wein2 handlung braucht ſich dies Niemand gefallen zu laſſen, und Aufgabe des Kellners ist es , sofort, wenn eine derartige Klage laut wird, den Wein vom Tiſche zu nehmen und eine neue Flasche aufzusehen .

In einer nicht unbe-

deutenden Weinhandlung der Reſidenz kam es vor, daß, als dem Beſizer von den Gästen gesagt wurde , der Wein schmecke nach dem Stopfen, und er erwiderte : ,,so wenig, daß es nicht der Rede werth," jene das Local ſofort auf Nimmerwiedersehn verließen , und nun noch die Geſchichte in den Zeitungen durchgenommen wurde,

zum großen

Nachtheil des Locals, welches den Zunamen die „ Stöpſelſtube" eine Zeit lang sich mußte gefallen lassen. Von der größten Wichtigkeit für gute Erhaltung des Weines ist es, bei der Füllung mit reinen Flaschen zu thun zu haben.

Selbſtverſtändlich müſſen dazu die Flaſchen

gehörig gespült, spiegelblank und durchsichtig hergestellt werden.

Mit der gehörigen Ausdauer und Sorgfalt läßt

ſich dies ja bei allen Flaschen schließlich erreichen, aber die halbe, - nein, der vierte Theil der Arbeit braucht bloß aufgewendet zu werden, wenn der Weinkellner sofort jede frischgeleerte Flasche mit 102

kaltem Wasser ausſpült

Wein und Weinstube.

und dann verkehrt aufstellt, so daß die Flüssigkeit ablaufen kann.

Man bedenke nur , wie häufig noch kleine

Weinreste in den Flaſchen zurückbleiben, welche binnen kurzer Zeit sich mit einem dem Weine eigenthümlichen Schimmel überziehen, dann in der Flasche eintrocknen und selbst durch Spülung mit Schrotkörnern nur äußerst schwer zu entfernen sind.

Alles das wird vermieden , wenn dem

Kellner ein Gestell zu Gebote ſteht, in welchem, obwohl es noch nicht 12

Meter Plaß einnimmt, doch 50 leere Flaschen be-

quem Plaz finden. Ebenso ist es ſeine Aufgabe, die Flaſchen sofort von dem Lackverschluß so zu reinigen , daß bei der legten Spülung nicht noch einmal Zeit darauf verwendet zu werden braucht. Die Zinnkapseln oder das Stanniol , mit denen die Flaschen verschloſſen ſind , wirff nicht weg , sondern hebe sie auf.

Mit besonderem Vergnügen zeigte ein Oberkellner

in Dresden einen Präsentirteller mit zwei Humpen, welche er sich von solchen Flaschen - Kapſel - Ueberresten

hatte

machen lassen. Leider hat sich noch keine Verwendung für gebrauchte und durchſtochene Korkſtopfen gefunden. Unbegreiflicherweise werden trog der schlechtesten Erfahrungen immer noch hier und da gebrauchte Korke zum Verschließen der Flaschen benußt.

Um 50 Pfennige zu sparen,

riskiren Manche einen Schaden von 50 Mark,

nirgends

ist Sparsamkeit so übel angebracht, wie in dieſem Falle !

103

Ueber Küchenwesen.

Es giebt Menſchen, denen Jahre lang die Gelegenheit geboten wird, das zu lernen, was in der Zukunft für ſie von großem Vortheil ist, und sie laſſen dieſe kostbare Zeit unbenugt vorüber gehen .

Wie mancher Kellner, der

tagtäglich das Tranchiren der Braten und des Geflügels zu beobachten Gelegenheit hat, ist ſpäter nicht im Stande, diese einfachen Functionen zu erfüllen , weil er gedankenlos und ohne ein Verſtändniß zu erstreben, die ihm gebotene Gelegenheit thörichter Weise nicht wahrnahm. schicklichkeit des Koches bewunderte er wohl , Verfahren

selbst

blieb

ihm

fremd ,

weil

Die Geaber das er

nicht

bedachte, wie groß die Vortheile des guten Tranchirens für Wirth und Gäſte ſind .

Als Kellner muß er noth-

wendig wissen, wie sehr es darauf ankommt, ob ein Stück Fleisch auf diese oder jene Weise angeschnitten wird, und einsehen , daß durch fehlerhaftes Tranchiren der bestzubereitete Braten vollständig das Ansehen verliert.

104

Ueber Küchenwesen.

Während der Eine aus einem Bratenstück gleiche appetitliche Abschnitte bis auf den Knochen abtrennt, vermag der Andere kaum

eine einzige Scheibe zurechtzulegen.

Besonderer Werth ist auf das Erlernen des Tranchirens des Geflügels zu legen , da oft der erste falsche Schnitt das regelrechte Weitertranchiren in Frage stellt.

Abgesehen

von dem Urtheil der Gäſte ſeßt sich der betreffende Trancheur noch dem Hohn und Gelächter Derer aus , welchen die Kenntniß des Tranchirens nicht fremd ist.

Auch dem

Wirth kann es nicht einerlei ſein , ob durch fehlerhaftes Tranchiren seine Berechnungen illusorisch gemacht werden, wenn z. B. aus einem Gänsebraten anstatt für 12 nur für 8 Personen genügend angerichtet wird. gehendere theoretische Behandlung dieses

Eine ein-

Gegenstandes

dürfte in Anbetracht der Wichtigkeit zu weitläufig erſcheinen , die Praxis ist und bleibt das einzige Mittel zur gründlichen Erlernung des Tranchirens. Nimm deshalb die Gelegenheit wahr , junger Freund, wo sie sich dir bietet , dir nach allen Kräften dieſe wünschenswerthe Fertigkeit anzueignen. Früherem betreffs

deines

Beherzigst du die in

Verhaltens zu dem übrigen

Personal gegebenen Anweisungen, so wird dir in der Küche und an anderen geeigneten Orten gewiß Gelegenheit geboten werden, dir die nothwendigſte Kenntniß davon zu verschaffen .

Nicht weniger gering zu schäßen iſt das

Decoriren der Compots ,

Salate,

105

Deſſertſchüffeln

und

Ueber Küchenwesen.

sonstigen Verzierungen der Tafel, und zwar um so mehr, als der Kellner künftig als Wirth ja sehr leicht in die Lage kommen kann , den bei ihm ſelbſt bediensteten Koch resp. die Köchin ausnahmsweise vertreten oder aber Anordnungen

seines Koches

corrigiren

zu müssen.

Im

Uebrigen dürfte es dringend gerathen sein, daß der lernende Kellner

und einstige Wirth seine Aufmerkſamkeit

auch denjenigen Küchenerzeugniſſen zuwendete, deren Zubereitung sich meiſtentheils dem Auge des Kellners entzieht. Dazu gehört in erster Reihe die Zubereitung des Kaffees. Es ist keine zu seltene Erscheinung , daß man auf die Frage nach der Güte der Speisen und Getränke eines hervorragenden Etablissements die befremdende Antwort erhält : Alles sehr gut, nur der Kaffee ist schlecht.

Eine

derartige Auskunft iſt faſt durchgängig angethan , Nachmittagsgäste fernzuhalten, während andere Locale in Folge der Verabreichung eines vorzüglichen Kaffees lebhaft frequentirt werden.

Wie Viele geneigt sind , nach dem im

Hôtel empfangenen Kaffee auf die Güte des Mittagessens Schlüsse zu ziehen, dafür folgendes Beispiel : Als ich während der lezten Pfingstfeiertage in Gemeinschaft mehrerer Familien Dresden besuchte und wir im Hôtel beim Frühkaffee den Plan für den bevorstehenden Tag beriethen , wurde die Frage gestellt, ob das Mittageſſen in unserm Hôtel oder auf der Terraſſe eingenommen werden solle.

Wir kannten die Vorzüglichkeit weder des

106

Ueber Küchenwesen.

Einen noch des Anderen .

Eine ältere Dame sprach den

Wunſch aus , daß die Wahl auf unſer Hôtel fallen möge, mit dem Bemerken , daß sie für eine gute Suppe bürgen wolle.

Man lachte über dieſe Vorausſeßung , da ſie, wie

wir wußten, zum ersten Male in Dresden war, und baten ſie , ihre Gründe dafür näher zu bezeichnen .

Ihre Ant-

wort war : „ Wer einen ſo vorzüglichen Kaffee zu bereiten weiß, wie wir ihn vor uns haben, wird seine Geschicklichkeit bei Bereitung eines Mittageffens noch weniger fehlen laſſen.“

Wir folgten ihrem Rathe und hatten es nicht zu bereuen, — das Diner war vorzüglich. Dieser Fall steht nicht vereinzelt da in seiner Art, und jeder Kellner wird während seiner Thätigkeit bereits die Wichtigkeit dieſes Gegenstandes eingeſehen haben. Ein von befreundeter Seite mir zugegangenes Schrei-

ben aus Bremen möge hier, als zur Sache gehörig, Plag finden und dazu beitragen , die häufigen Lamentationen zu vermindern. Verehrter Freund ! Bezugnehmend auf Deine Anfrage, in Betreff der Zubereitung unseres Kaffees, beeile ich mich, Dir, ſoweit dies schriftlich geschehen kann , das Nöthige darüber mitzutheilen.

Es ist mir sehr schmeichelhaft , daß Du auf unſere

Sorgfalt bei der Zubereitung besonderen Werth legſt, doch bleibt der Kaffee selbst doch immer die Hauptsache, sowohl bezüglich der Qualität wie der Quantität.

107

Wir

Ueber Küchenwesen.

haben in den ersten Jahren unseres Geſchäfts den Kaffee nie ohne Sorgfalt bereitet und doch bei alledem nicht immer einen gleich guten Kaffee , wie dies jeßt der Fall ist , erzielt.

In früherer Zeit , als wir den Kaffee

noch pfundweiſe bezogen, schickte der Kaufmann uns bald dieſe, bald jene Sorte , bald gut , bald minder gut, bald schlecht ! natürlich, wie die Bohnen, so war dann auch der Aufguß.

Seit acht Jahren beziehe ich nun meine

Bohnen aus ein und derselben Handlung und nehme zweierlei Sorten , jedesmal drei Sack : einen Sack echten Mokka und zwei Sack vom besten braunen Java ; beides ſind, wie Du weißt, die theuersten Sorten.

Nach Ankunft

des Kaffees schicke ich alle drei Sack gleich in das hiesige Arbeitshaus und lasse den Kaffee dort gegen eine geringe Bezahlung sorgfältig verlesen.

Nach acht bis zehn Tagen

erhalte ich denselben wieder zurück, die ausgelesenen Steinchen und den Unrath in einem Beutelchen besonders verpackt.

Ein Quantum der guten Bohnen wird dann mit

kaltem oder lauem Wasser mehrere Male tüchtig gewaschen, Du wirst dich wundern , wie trübe das Waſſer oft dabei wird , dann auf ein Tischtuch gelegt und getrocknet.

Im Sommer waschen wir einen viertel Sack

auf einmal , weil wir ihn dann in der Sonne trocknen, im Winter nicht mehr, als jedesmal gebraucht wird . Beim Brennen des Kaffees muß man recht vorsichtig sein , ihn nicht zu braun werden lassen , auch nicht bei zu jähem 108

Ueber Küchenwesen.

Feuer rösten (ſonſt wird er leicht auswendig zu braun, ehe er inwendig gar ist), — am besten über Holzkohlen. Ueberhaupt darf man das Brennen nicht dem ersten Besten überlassen.

Wir haben eine alte Haushälterin , die das

Geschäft seit Jahren aufs glücklichste besorgt. Ueber das Mahlen des Kaffees muß ich Dir noch Einiges beifügen.

In früherer Zeit ließ meine Frau öfter

die Kaffeemühle schärfen , weil sie den Kaffee nicht fein genug gemahlen bekommen konnte; jezt wird er bei uns ganz grob gemahlen und, wenn es ganz besonders darauf ankommt , werden die Bohnen in einem Mörser geſtoßen. Denn je feiner der Kaffee gemahlen ist , währt

desto länger

auch bei den besten Filtrirsäcken — (von anderen

Filtrirmaschinen will meine Frau nichts wiſſen) die Klärung des Aufgusses .

Und je langsamer diese vor sich

geht, desto mehr verfliegt das Aroma.

Bei uns ist immer

kochendes Waffer zur Hand, deshalb wird nie zuviel Kaffee gekocht, nicht mehr, als voraussichtlich binnen einer halben Stunde getrunken wird.

Wie viel Deine Frau von dem Kaffee nehmen soll, brauche ich Dir nicht zu sagen ; je mehr, deſto ſtärker natürlich.

Von den beiden genannten Sorten nehmen wir

einen Theil Mokka und zwei Theile Java. Auf diesen grobgemahlenen Kaffee gießen wir siedendes Waſſer, lassen ihn eine bis zwei Minuten bei mäßigem Feuer aufkochen und filtriren ihn dann sehr vorsichtig. 109

Sage auch Deiner Frau,

Ueber Küchenwesen.

sie soll den guten Rahm ( Sahne) dabei nicht vergessen oder die Milch

mit Eidotter abrühren.

In der Hoff-

nung u. f. w." Würde der Kaffee in allen Gasthäusern so zubereitet, mit solcher

Sorgfalt und solchen

Zuthaten, man

würde nicht so oft hören müſſen, daß man in Deutſchland einen guten Kaffee selten bekommt.

Bei einer solchen Tasse Kaffee ist es natürlich auch nöthig, daß man ein Glas Waffer dazu verabreicht, eine Aufmerksamkeit, welche man gleichwohl in vielen Häuſern unterläßt, als wolle man dem Gaſt ſchon dadurch bemerklich machen , daß er das Bedürfniß nach Waſſer bei der Sorte nicht empfinden wird. Ein weiteres Küchenerzeugniß , das in unſern jeßigen Verhältnissen , weil von bedeutsamer Wichtigkeit für die Frequenz einer Reſtauration, lebhafte Beachtung verdient, find die Beefsteaks. Jeder, wer Restaurationen beſucht, weiß, wie sehr seine Qualität das Urtheil des Publikums über die gesammte Küche einer Gastwirthschaft beeinflußt , wie bald es sich ausspricht, daß hier ein vorzügliches, dort ein miserables Beefsteak bereitet wird ; Jeder weiß , wie oft selbst treue Stammgäste des Abends ihre Kneipe früher verlassen, um in einer andern noch an einem delicaten Beefsteak fich zu laben , weil sie es im Stammlocal nicht ihrem Geschmack bekommen. 110

nach

Ueber Küchenwesen.

Natürlich, ohne gute Zuthaten kann nichts Vorzügliches geschaffen werden , ein zähes Stück Fleisch wird auch bei sorgfältigſter Behandlung

durch das Braten

nicht mürbe , sehr wohl aber kann ein gutes Filetstück von ungeschickten Händen ganz zugerichtet werden.

und

gar unschmackhaft Und hierin liegt die Pointe. Die

Zubereitung ist in den meisten Fällen schuld , wenn die Gäste über schlechte Beaks feste klagen .

Wer wüßte

nicht , wie verschieden oft das Aussehen , der Geschmack der unter diesem Namen gereichten Fleischportionen ! Hier giebt es einen trocknen , platten und zähen Fleiſchlappen mit halbverbrannten Zwiebeln , dort wieder ein Beefsteak, das, mehr gekocht als gebraten , ein bleichsüchtiges Aussehen hat, dieses hat zu wenig Sauce, jenes schwimmt darin — und was der Spielarten von jämmerlichen Beefsteaks noch mehr sein mögen.

Freilich , der Eine verlangt ein

durchgebratenes, der Andere ein halbrohes, dieſer wünſcht doppelte Zulage von Zwiebeln, Jenem vergeht der Appetit, wenn er nur Zwiebeln sieht, das Alles läßt sich aber bei der Bestellung erwähnen.

Und wenn es auch Leute

giebt, die so wenig Feinschmecker sind, daß ſie Alles, was ihnen als Beefsteak vorgeſeßt wird , mit Appetit verzehren, ohne einen Unterschied heraus zu finden, so kommen doch die

Meisten darin

überein,

daß ein

gutes

Beefsteak

äußerlich braun gebraten und dennoch im Innern ſaftig und mürbe sein muß.

111

Ueber Küchenwesen.

Als ich mich vor mehreren Jahren vorübergehend in G. aufhielt , wurde mir, als ich in einem Sommerlocal daselbst

ein

Beefsteak von sehr zweifelhaftem Werthe

verzehrte , von einem neben mir ſizenden Offizier gesagt : „ Wenn Sie ein vorzügliches Beefsteak essen wollen, so Der gehen Sie zu T. in der Bahnhofsreſtauration. Zufall wollte es , daß

ich Tags darauf mich daselbst

einige Stunden aufhalten mußte.

Ich nahm die Gelegen-

heit wahr , jenen Rath zu befolgen , und muß gestehen, seit ich Hamburg verlassen,

hatte ich ein so delicates

Beefsteak nicht wieder gefunden.

An demselben Abend

lernte ich den Wirth selbst kennen und fand in ihm einen intelligenten Mann und liebenswürdigen Gesellschafter. Ich unterließ nicht, ihm für den bereiteten Genuß meinen besonderen Dank abzustatten. ,,ist die Hauptsache. "

„ Gutes Fleisch," sagte er,

Auf meine Erwiderung, daß gutes

Fleiſch faſt in jeder Stadt zu finden ſei, aber nicht überall ein gutes Beefsteak ,

theilte er mir mit , daß in seiner

Küche ein nicht allgemein bekanntes Verfahren beobachtet würde. Geheimniß ? "

Bewahren Sie diese Kunst als

ein

,,,,Nein, aber wenn ich die Art und Weise

auch Frauen mittheilen wollte , sie würden , ehe ſie den Vortheil begreifen, die Vorſchrift über den Haufen werfen und zur gewohnten, bequemeren Manier zurückkehren ; einem Koch würde

meine Bereitungsweise

einer Köchin.""

eher

gefallen

als

,,Wenn ich auch nur ein halber Koch

112

Ueber Küchenwesen.

bin, würden Sie mir wohl Ihr Verfahren mittheilen ?“

"/" Mit dem größten Vergnügen !

Es sind gerade einige

Beefsteats bestellt und so können Sie sich mit in die Küche bemühen, um dort zu finden, daß von einem ,, Geheimniß" nicht die Rede sein kann."" Wir gingen in die Küche , wo T. die Bereitung von sechs eben bestellten Beefsteaks selbst übernahm . Auf dem Hackklog lag ein feines Filet.

Nachdem er

sechs Portionen davon geſchnitten , brachte er jede durch Andrücken mit der Hand in eine gefällige Form.

Auf

meine Bemerkung, daß ich dieses Formen stets durch Aufschlagen mit dem flachgehaltenen Hackmesser bewerkstellige, erwiderte er , daß durch ein solches Verfahren die Faſern des Fleisches zu sehr gequetscht würden , und ſelbſtverständlich der Saft des Fleisches beim Braten dann leichter verloren gehe. Nachdem er die Beefsteaks mit einem Gemisch von Pfeffer und Salz auf beiden Seiten bestreut hatte, was nach meinem Dafürhalten in etwas reichlicherem Maße geschah, als ich es bisher gewohnt war , wurden diese noch auf beiden Seiten mit einer Priſe Weizenmehl bestreut, — doch nur so, daß das Mehl kaum wahrzunehmen war, um die Sauce etwas bindend zu machen. — Nun muß ich die Gaseinrichtung erwähnen , auf welcher das Braten vor sich ging.

Ueber einem Küchentische waren 12 Gashähne,

über diesen ein Gestell von Eiſenblech , auf deſſen Ober113

Stab, Hôtel.

8

Neber Küchenwesen.

fläche, einer Heerdplatte gleich, 12 Deffnungen waren, so, daß unter jeder Oeffnung ein Gashahn war.

Entsprechend

der Zahl der bestellten Beefsteaks entzündete er ſechs dieſer Gashähne und stellte auf die Deffnungen die erforderlichen Pfannen von Eiſenblech, nicht größer als eine mittelgroße Untertaffe.

Hierauf legte er in nicht zu knappem Maße

Butter in die Pfannen und ließ sie braun werden, dann that er einige Scheiben Zwiebeln hinein und ließ auch diese bräunlich werden. Als dieses erreicht war, goß er ungefähr einen Eßlöffel Waffer dazu und ließ die Butter, wie man ſagt, überkreiſchen ; dann erſt legte er die Beefsteaks in die Pfannen.

Das Zuthun von Wasser war

mir bisher noch nicht vorgekommen, ich hatte solches ſtets beim Braten sorgfältig fern gehalten.

Als ich ihm dies

mittheilte, erklärte er , daß jedes Fleisch, welches man in glühendes Fett lege , so weit trocken und zähe würde , ſo weit dieses eindringen könne ; solche Beefsteaks behielten dann in der Regel nur in der Mitte einen ſaftigen Streifen.

Das ganze Beefsteak

solle ſaftig sein ,

deshalb

nun dämpfe er die zu große Fetthiße durch einen mäßigen Aufguß von Waſſer , dann würden auch die Zwiebeln nicht zu stark sich bräunen ; befürchte man dies dennoch, so könnten ja die Zwiebeln vor Einlegung der Beefsteaks schon herausgenommen werden. steaks fertig, braun und ſaftig.

Bald waren die BeefAuf meine Frage, ob

die Gaseinrichtung hierbei durchaus nöthig sei , erwiderte

114

Ueber Küchenwesen.

er, daß nicht gerade Gas , aber ein rasches Feuer erforderlich, daß zweitens eine raſche Abfertigung der beſtellten Speiſen in jeder Wirthschaft an sich schon wünschenswerth, auf einem Bahnhofe aber aus nothwendig sei.

naheliegenden Gründen

Auf meine Frage,

weshalb er zu

jedem Beefsteak eine eigene Pfanne nehme, hob er ganz beſonders hervor, daß ingeiner kleinen, das Beefsteak umschließenden Pfanne dem Fleiſche der eigene Saft erhalten bliebe , dagegen wenn in einer großen Pfanne ein einzelnes Beefsteak liege , auf dem nicht mit Fleisch bedeckten Theile der Pfanne viel von dem Safte verdampfe. Als

die besagten Beefsteaks angerichtet waren, (die

nöthigen Kartoffeln waren in Maſſe auf dem Küchenheerde besonders gebraten) sagte er mir : „Ich möchte Sie noch auf etwas aufmerksam machen, wodurch so manches Beefsteak, wenn es bis auf dieſen Punkt gebracht ist, für den Gourmand in vielen Küchen entwerthet wird , nämlich dadurch, daß man glaubt , das nach dem Braten verbliebene allerdings geringe Quantum von Sauce , welches durch die Butter und den Saft des Fleiſches erzeugt iſt, durch einen Schöpflöffel Bratensauce verlängern zu müſſen. Das ist nach meinem Dafürhalten ein großer Fehler ; er kommt bei mir nicht vor."

115 8*

Beim Verlassen einer Stellung.

Wenn ich in einem früheren Gavitel über das Antreten einer Stelle Einiges sagte, so möchte ich nicht unterlassen, auch über das Verlassen einer solchen meine Meinung zu äußern . Fft dir von Seiten des Prinzipals deine Stellung gekündigt , oder hast du ſelbſt gekündigt , ſo glaube nicht, für die legte Zeit deiner Pflichten irgendwie überhoben zu ſein, es an Pünktlichkeit und Gehorsam auch nur im Geringsten fehlen lassen zu dürfen.

Genug ſind ja

der Beiſpiele , wo Kellner mit dem Tage der Kündigung die ihnen andreſſirte Maske eines anständigen Menschen abnehmen und sich nun in ihrem wahren Charakter zeigen. Da ist oft nichts mehr zu sehen von der Freundlichkeit, mit der sie im Anfang den Prinzipal über ihre niedrige Gesinnung zu täuschen wußten, das Intereſſe am Geschäft ist verschwunden , und mancher begeht wohl die Niederträchtigkeit, auch die übrige Bedienung zur Ungebührlich116

Beim Verlaffen einer Stellung.

keit zu verleiten oder den Prinzipal auf andere Weise zu schädigen. sich,

Diese Leute tragen ihr eigenes Verderben in

Es mag ihnen für einige Zeit wohl gelingen, ihrem

Auftreten einen anständigen Schein zu geben , die Wahrheit kommt über kurz oder lang doch zum Durchbruch, und der Charakter bleibt derselbe, ob in dieser Stellung oder in jener.

Das Sprichwort sagt : „ Die Kaße läßt

das Mausen nicht , auch wenn man sie nach England ſchickt“ und wenn wir dies Bild auf jene pflichtvergeſſenen Kellner anwenden, so heißt das eben nichts Anderes, als daß der wahre Charakter derselben sich stets offenbaren wird, ob sie in Hamburg, in England oder in China eine Stellung einnehmen.

Und wie oft denken solche Leute,

wie sie oben geschildert sind, später, wenn ſie die traurigſte Stellung antreten mußten, um nur das tägliche Brod zu haben, wie oft denken sie zurück an das verlorene Paradies, wie gern säßen sie noch bei den Fleischtöpfen Egyptens und kommen schließlich de- und wehmüthig , denselben Prinzipal um Wiederaufnahme zu bitten , deſſen Wohlwollen sie in ihrem Uebermuthe mit Füßen traten. Junger Freund!

Ein anständiger ,

ehrliebender Mann

thut seine Pflicht bis zum letzten Augenblick! Ist dir ohne deine Schuld deine Stelle gekündigt worden, so verlangt schon dein eigenes Interesse , dem Prinzipal deine guten Eigenschaften gerade zulezt in das beste Licht zu stellen und ihm zu zeigen , daß er an dir doch einen

117

Beim Verlaffen einer Stellung.

brauchbaren Gehülfen verliert, als ihn durch Pflichtvergeſſenheit zu dem Wunſche zu zwingen, dich je eher je lieber los zu werden. Verlasse nicht das Haus wie die Kaße den Taubenschlag, sondern empfiehl dich deinem Prinzipal , bist du durch eigenes Verschulden entlassen, so bitte ihn um Verzeihung, er möge deiner Unerfahrenheit und Jugend die Fehler nachsehen und

bei Ausstellung des Zeugniſſes

auf dein künftiges Fortkommen Rücksicht nehmen.

Ver-

sprich ein Anderer zu werden und danke für alle genossenen Wohlthaten. Schließlich bitte noch um die Erlaubniß , von der Prinzipalin Abschied nehmen zu dürfen. Vergiß auch nicht, Jedem im Hause ein freundliches Wort des Abschiedes zu sagen, auch Dem , durch dessen Schuld du vielleicht deine Stellung verloren hast.

So verläßt

ein anständiger , wohlgebildeter und edler Mensch seine Herrschaft. Ist es dir in der leßten Zeit deines Engagements nicht gelungen, eine neue, deinen Fähigkeiten angemessene und deinen berechtigten Ansprüchen genügende Stellung wiederzufinden , so mußt du unter bescheidenen Verhältnissen eine Zeit lang privatiſiren .

In solchen Zeiten

wirst du den Werth eines Nothpfennigs erkennen lernen. Diejenigen sind in weit schlimmerer Lage, welche, um ihr oft Leben zu friſten , jede vakante Stelle annehmen vom Pferde auf den Eſel ſteigen müſſen, von dem sie sich 118

Beim Verlaſſen einer Stellung.

so schwer wieder losmachen können. Auch in solchen trüben Lagen darf man nicht kopflos bandeln, nicht die Verhältniſſe über sich Herr werden laſſen, ſondern stets Herr der Verhältnisse bleiben. Manche haben wochenlang Briefe abgeschickt und ihre Dienste angeboten , aber keine Antwort erhalten.

Ihnen ist dies unerklärlich , und doch

liegen Ursache und Wirkung oft sehr nahe bei einander. Wer brieflich um eine Stellung anhält , von dem kann man auch verlangen, daß der Bildungsgrad, der zur Bekleidung der gewünſchten Stellung nothwendig, aus ſeinem Briefe zum Theil ersichtlich iſt, jedenfalls darf der Brief dieser Forderung nicht auffallend widersprechen.

Innere

und äußere Form des Briefes müſſen ohne Makel ſein, eine klare, gefällige Ausdrucksweiſe, eine gute Handſchrift, sauberer Briefbogen und Couvert dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Wenn auchvon Niemandemverlangt werden kann , daß er sein Licht unter den Scheffel stelle , so soll aus einem Bewerbungsbriefe doch diejenige Beſcheidenheit sprechen,

welche einem anständigen Menschen eigen iſt.

Du darfst wohl sagen , daß du bestrebt sein wirst , den Ansprüchen deines Prinzipals zu genügen , daß man mit dir bisher zufrieden war , aber nicht , daß du ein vorzüglicher Oberkellner ſeiſt , der es mit Jedem aufnehmen könne u. s. w .

Wenn ein Prinzipal einen in jeder Be-

ziehung tüchtigen Oberkellner sucht, und der sich Anbietende einen Brief schreibt , der vom Gegentheil zeugt , wie 119

Beim Verlaffen einer Stellung.

ich augenblicklich einen vor mir habe, so ist ein solcher selbst schon für den Schreiber eine Scheidewand zwischen ihm und jener Stelle geworden, und man darf ſich nicht wundern, wenn solche Briefe einer Antwort nicht gewürdigt werden.

Kurz und

bündig ,

klar und bestimmt ,

dabei höflich und bescheiden ,

aber

ohne Phrasen

und unnöthige Zuthaten sei dein Brief!

Ich will dir

nun zwar nicht als Briefſteller dienen , aber es dürfte nicht unangebracht sein, wenn ich im Nachfolgenden einige Briefe gebe, welche solchen Verhältnissen angemeſſen ſein dürften. Herrn

Besizer des Bades in Durch den Agent Herrn P. in H. bin ich darauf aufmerksam gemacht, daß in Ihrem Etabliſſement zum 15. Mai die Stelle eines.. kellners zu beſeßen sei . Sollten Sie, geehrter Herr,

eine Wahl bisher noch

nicht getroffen

haben , so erlaube ich mir hiermit , Sie um freundliche Berücksichtigung meines Geſuches zu bitten.

Die Quali-

fication zu jener Stellung glaube ich in genügendem Maße zu beſigen und ſtüße mich dabei auf die günſtigen Zeugniſſe meiner bisherigen Herren Prinzipale.

Zugleich ge-

statte ich mir zu bemerken, daß ich der franzöſiſchen Sprache so weit mächtig bin, um den Ansprüchen im Allgemeinen genügen zu können.

120

Beim Verlassen einer Stellung.

In der Hoffnung , mit einer zusagenden Antwort beehrt zu werden, schließe ich mit der Bitte, im andern Falle meine Papiere und Photographie, welche beifolgen , gefälligst zurücksenden zu wollen, und zeichne

ten

D.

Hochachtungsvoll ergebenſt 18......

zur Zeit im

fellner

Sehr geehrter Herr! Da ich am

nächsten Monats meine hiesige Stellung

verlaſſe und in Erfahrung gebracht habe, daß in Ihrem fellners frei wird, werthen Hause die Stelle eines so erlaube ich mir, Ihnen meine Dienste ergebenſt anzubieten. Die besten Zeugnisse meiner früheren Herren Chefs sowohl wie des jezigen stehen mir zur Seite , wie Sie aus beiliegenden Papieren zu ersehen belieben. Ich gebe mich der angenehmen Hoffnung hin , daß Sie mein Anerbieten berücksichtigen werden.

Im ent-

gegengesezten Falle bitte ich um gefällige baldige Retournirung der Einlagen , da ich dann mich anderweitig um eine Stelle bewerben würde.

den .....ten

Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenſt ..... 18 ......

zur Zeit im 121

kellner

Beim Verlassen einer Stellung.

Herrn Hôtelbeſißer

in

,,Goldner Löwe." Durch einen Freund ist mir die Mittheilung geworden, daß zum 1. nächsten Monats in Ihrem werthen Hauſe kellners frei wird , um welche ich die Stelle eines mich hiermit ergebenst bewerbe.

Mein Bestreben würde

dahin gerichtet sein , Ihre Zufriedenheit nach jeder Richtung hin zu erlangen . Stellungen mir

Wie weit es in meinen früheren

gelungen ,

den Anforderungen

meiner

Herren Chefs zu genügen, belieben Sie aus beifolgenden Zeugnissen zu ersehen, welche ich im ungünſtigen Falle mit der einliegenden Photographie gütigst zu retourniren bitte. Sollten Sie meine Bewerbung zu berücksichtigen geneigt sein , so würde ich ,

da ich augenblicklich außer

Stellung bin, auf Wunsch sofort zu Ihren Dienſten ſein. In der Hoffnung auf eine zusagende gefällige Antwort zeichnet

Hochachtungsvoll ergebenſt

den ..... ten

18 ..... Adresse

Herrn

"1 Besizer des Hotels "/ in Sehr geehrter Herr! Ihr geschäßtes Schreiben vom ...... ds. brachte mir die frohe Nachricht , daß Sie geneigt ſind, mir die 122

fell-

Beim Verlaffen einer Stellung.

nerſtelle in Ihrem werthen Hauſe anzuvertrauen.

Indem

ich dafür meinen verbindlichsten Dank sage , theile ich Ihnen mit, daß ich am

... hier abreisen und am 31.

Abends zu Ihrer Dispoſition ſtehen werde. Mit Hochachtung und Ergebenheit den

ten

18 .....

Eine Stelle annehmen zu müssen , die in Bezug auf ihre Bedingungen der bisher innegehabten

in irgend

welcher Weise nachsteht, pflegt in der Regel recht bitter zu sein.

Es ist dies aber , junger Freund , noch nicht

das Schlimmste , was dir in deinem Berufe widerfahren kann.

An den Engagementsloſen treten oft Versuchungen

und Gefahren anderer, schlimmerer Art, auf die meine jungen

Leser

aufmerksam

zu

Pflicht halte.

123

machen

ich für

meine

Lebernahme eines felbftßtändigen Geſchäfts.

D er Wunsch , sich zu etabliren , ist ja bei

einem

Manne leicht erklärlich , aber nur dann kann er segensreich in Erfüllung gehen, wenn die gewiſſenhafteſte Ueberlegung ihm vorausgegangen ist .

Leider pflegt nun der

bezeichnete Wunsch dann um so heftiger aufzutreten, wenn fich für den Betreffenden keine Gelegenheit zu einer vortheilhaften Anstellung bietet , und gerade dann pflegt er alle Ueberlegung über den Haufen zu werfen . um jeden Preis Herr werden,

Er will

pachten oder kaufen.

Wehe dir , wenn du bei diesem Schritte nicht mit weiser Vorsicht handelst.

Glaube nicht, daß ich dich durch dieſe

Worte abschrecken will , dem Glücke die Hand zu bieten, dich abhalten will, einen eignen Heerd zu gründen. wiß nicht!

Ge-

Doch werde ich nur dann dir dazu rathen

dürfen , wenn Zeit und Umstände nach genauester vorheriger Prüfung für günſtig befunden werden.

Du sollſt

das Glück nicht dort suchen, wo nach menschlichem Be124

Uebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

rechnen keins zu finden ist; wenn du auf dem Thurme eine Reſtauration errichtest, so sollst du dir nicht einbilden, daß dir alle Welt den Gefallen thun wird , deinetwegen Unternimm nicht auf unberechtigte Hoffnachzusteigen. nungen hin etwas , wodurch du dir Fesseln anlegst , die du später abzuschütteln nicht im Stande bist , und die tragen zu müssen dir das Glück deines Lebens koſten kann.

Durch einen Federzug, durch voreilige Unterschrift

seines Namens unter einen Kauf- oder Miethscontract hat Mancher das Unglück an seine Fersen geheftet , hat Alles , was er sich mühsam erworben hatte , wieder verLoren. Der kluge Mensch giebt sein Lebensschiff nicht planlos den Wellen preis , seine erste Sorge muß sein, das Fahrwasser und die Klippen kennen zu lernen , an welchen sein Fahrzeug zu Grunde gehen kann. Die Riffe , die auch dir gefährlich werden können, werde ich näher bezeichnen.

Wenn du meiner Erfahrung

keinen Glauben schenkt , so frage Diejenigen ,

die an

solchen Klippen gescheitert sind , ob ich Recht oder ob ich Unrecht habe.

Leider giebt es ja in jeder Stadt eine

betrübende Anzahl von Leuten , die ihre Erfahrung mit ihrem Glücke bezahlen mußten und dir Auskunft geben könnten. Ich nehme an , du hast dir ein Kapital erspart und wünſcheſt

ein Lokal zu pachten oder zu kaufen.

An

Helfern und Machern wird es dir hierbei micht fehlen. 125

Webernahme eines selbstständigen Geschäfts.

Unter ihnen findest

du gute und schlechte ,

aber alle

gleichen sich darin , daß fie dich zu Geschäften zu bereden suchen, bei denen sie verdienen, es sind eben Leute, bei denen, wie man ſagt „ Verdienen “ groß geschrieben wird. Sie haben die glänzendsten Offerten für dich. Hier die eine Dorfschenke mit Tanzsaal und Kegelbahn , allerdings nicht mehr besucht wird , außer wenn du mit deinem Helfer ankommst , dann sind gewiß Gäste da das Ganze für einen Spottpreis .

Hier

eine elegante

Restauration , die zwar am äußersten Ende der Stadt ,,wenn nur der liegt und nicht frequentirt wird, aber richtige Mann hineinkommt."

Du bist natürlich dieser

,,richtige Mann" — und selbstverständlich bist du derselben Meinung.

Auch ist ein Hôtel mit sämmtlichem Inventar

zu verkaufen.

Es haben zwar binnen drei Jahren vier

Besizer fallirt, aber

wenn nur der richtige Mann hinein-

kommt!" Ferner ein Reſtaurant; zwar iſt dem bisherigen Wirth von der Polizei wegen Bauernfängerei die Conceſſion entzogen worden und kein anständiger Mensch wagt sich in seine Nähe,

Nebensache ! Wenn du Beſizer bist, Wie gesagt , wenn

ändert sich das mit einem Schlage.

nur der richtige Mann hineinkommt. "

Hast du nun

allen diesen Versuchungen glücklich widerstanden, so wird noch ein Trumpf ausgespielt und dir in größtem Vertrauen mitgetheilt , daß dir ein ganz besonderes Glück noch bevorſtände, worüber du aber erst am andern Tage 126

Uebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

Bescheid erhalten sollst.

Dein Helfer meint, wenn dir

das glückte, wärst du ein gemachter Mann.

Du versprichst

im Voraus, dankbar zu ſein und kannſt den folgenden Tag kaum erwarten.

Triumphirend kommt dein Helfer

Tags darauf mit der frohen Nachricht , daß der Hausbesiger N. geneigt sei, sein Parterrelocal - dem Gaſthaus gegenüber, in dem du fünf Jahre servirt, -- zu einer „ echt bairisch -Bier - Stube einzurichten. Das wirkt. Dieſer Gedanke ſcheint dir brillant zu ſein. Du ſiehſt im Geiſte die Gäſte deines leßten Prinzipals , wie sie zu dir wandern. einem Worte , du bist entzückt. wird das Weitere besprochen.

Mit

Bei einer Flasche Wein Deine etwaigen Bedenken

und beſſeren Gedanken, daß es undankbar, deinem früheren Prinzipal, dem du Vieles verdankt , der dich aus dem Staube gehoben ,

als

Concurrent

dich

gegenüber zu

sehen , weiß dein Freund beim Anstoßen der Gläſer mit dem edlen Motto : niederzuschlagen.

„Jeder ist sich selbst

der Nächste“

Die Concession ist leicht zu erlangen.

Die Bedürfnißfrage ſtellt jezt weder die Polizei , noch oft der sich Etablirende. die Helfer ! ganz auf.

Noch eine Flasche ! Hurrah, es leben

Jezt erst geht deinem Freunde das Herz Das Beste hat er bis jezt noch zurückgehalten :

Er weiß eine Frau für dich, eine Gutsbesizerstochter, ein ſehr hübsches, reiches Mädchen .

Die Eltern ſind beide todt;

30,000 Mark bekommt ſie gleich mit und, wenn der Onkel stirbt , erbt sie noch drei mal so viel . 127

Glück über Glück !

Nebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

Du siehst im Geiste

ein bildschönes Mädchen

vor dir,

30,000 Mark als Mitgift in deinem Geldschrank!

Der

Onkel kann nicht ewig leben, drei mal drei find neun, — neunzig tausend Mark es ist fast zu viel Glück an einem Tage. - Doch, das Füllhorn ist noch nicht ganz ausgeschüttet . Dein Helfer trägt dir noch Brüderſchaft an jezt hast du noch einen Freund und Duzbruder gewonnen.

Ihr besucht den Eigenthümer jenes Locals,

der sehr erfreut ist, den ehemaligen Nachbar begrüßen zu können.

Troßdem er von Allem schon unterrichtet iſt,

fragt er doch, was ihm die Ehre deines Besuchs verſchaffe. Du bringſt deinen Wunsch vor , es scheint ihm aber unendlich schwer zu werden , diese schönen Räume zu einer Reſtauration herzugeben, wenngleich er eingesteht , daß in der ganzen Stadt keine geeignetere Lage zu finden ist . Er will deshalb

aus beſonderer Gefälligkeit für

dich ein Opfer bringen und dem langjährigen Miether, seinem intimen Freunde , so schwer es ihm auch wird, kündigen und dir das Local für den jährlichen Miethspreis von 1800 Mark pränumerando überlassen.

Auf deine Be-

merkung, daß er es bisher für 900 Mark vermiethete, bezeichnet er dies als reine Freundschaftssache. Denn wiſſe, du hast es auch jezt mit einem ehrenwerthen Manne zu thun , - er sagt es ja selbst,

der sogar auf eine anfangs

geforderte Caution verzichtet. Dieſen hohen Miethszins doch drei mal drei sind neun, hast du nicht erwartet, ✔ 128

:

Uebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

und der Onkel kann nicht ewig leben ,

kurz , da du

daß der ehrenwerthe Mann zum Heruntergehen mit der Miethe nicht zu bewegen ist, so erklärst du dich einverstanden . xxx Nur noch einige kleine unscheinbare

fiehst ,

Nebenbedingungen in den jezt aufzuseßenden Contract ! §. 9. ,,Alle zum Betriebe einer Gastwirthschaft nothwendigen Einrichtungen, ebenso Gas- und Wasserleitung übernimmt der Miether auf eigene Kosten ."

§. 10. „ Beim Ausziehen

verpflichtet sich der Miether, die Localitäten wieder in den Stand zu sehen , jedoch behält sich der Vermiether das Recht vor , um dem Miether die Kosten der nochmaligen Veränderung zu ersparen (wie edel !), daß er die Localitäten in gutem Zuſtande mit allen Reſtaurations - Einrichtungen , welche niet- und nagelfest sind, wieder übernimmt, jedoch ohne Ersaz zu leisten. " § . 11 . ,,Der Contract lautet auf Es sind aber noch 20 andere Paragraphen , die alle , wenn du Bedenken hegst , vom Vermiether als pro forma " bezeichnet werden . Endlich hast du dich

sechs Jahre .“

durch 25 Paragraphen

durchgearbeitet , hast aber kaum Jezt seßt du nur noch

drei davon im Kopf behalten .

deinen Namen darunter , dann folgt des Besizers Name, dann der Name deines Freundes als Zeuge u. f. w. Die Sache ist abgemacht , du bist Prinzipal. Man Armer Freund , ich bedaure dich, dein un-

gratulirt !

getrübtes, sorgenfreies Leben ist zu Ende. Der Contract wird in dem Secretär deines Verpächters begraben , mit

129 Stab, Hôtel.

9

Uebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

ihm dein Glück.

Wärest du schlechter als du bist, du

hättest dich vielleicht weniger täuschen lassen.

Wie der

unschuldige Vogel , dem nach den rothen Beeren gelüftet, ſich auf die Leimruthe ſeßt und gefangen iſt, ſo biſt auch du ,,auf den Leim gegangen." „Dem Muthigen gehört die Welt“ höre ich dich rufen, du hast Recht.

Nicht schwankend sollen wir einen einmal

gefaßten guten Gedanken ausführen.

Warum wolltest du

auch verzagen ? Hörst du nicht die Gratulationen von allen Seiten? Dein Unternehmen wird ja gelobt, selbst über den enormen Miethspreis wundert man sich nicht. Viele Leute sind der Meinung , daß ein Wirth, selbst bei den ungünstigsten Pachtbedingungen, immer noch entseglich viel Geld verdient.

Höre nur , wie sie bei Concerten,

Tanzvergnügen, Festessen u . s. w. die Einnahme des Wirthes um das Drei- und Vierfache überſchäßen.

Doch du haft

jezt alle Hände voll zu thun. Maurer- und Zimmermeiſter, Tischler, Maler, Tapezierer, Glaſer, Gas-, Waſſerarbeiter, Klempner, Fleischer, Bäcker, Leinwandhändler, Glashändler, drei Kellner, eine Köchin, zwei Waſchfrauen - Alle wollen dich ſprechen, natürlich größtentheils, um dir Glückwünſche darzubringen.

Ich lasse dich deshalb einige Zeit allein.

Heute , an dem Eröffnungstage deines in wahrhaft geschmackvoller Weise eingerichteten Locals , darf auch ich 130

Nebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

nicht fehlen , um die geſchaffenen Räume, wenn auch mit anderm Auge als die übrigen Gäſte , mir näher anzusehen.

Alles sauber.

Neue , feinpolirte Möbel , elegante

Sophas, die feinsten Tapeten. - Geschmack kann man dir nicht absprechen. und

mit

guten

Zwei Kellner in den feinsten Anzügen Alles feiertagsmäßig. Manieren -

Bereits sind Gäſte in großer Anzahl vorhanden. ist vollgepfropft, selbst der Hauswirth fehlt nicht.

Er hat

,,schon einen Seidel und einen Schnitt" getrunken. pikfein" hört man überall.

Alles

Fein,

Du selbst bist heute wie neu

belebt, scheinst an Elasticität des Körpers wie des Geistes gewonnen zu haben.

Für Alle hast du ein freundliches

Wort, suchst Plag zu schaffen für einen Jeden, beſtellst in deiner Freude noch zwei Dußend Stühle bei dem anwesenden Tischler, weil die vorhandenen nicht ausreichen . Kränze und Blumen hast du zur Feier des Tages erhalten.

,,Blumen bringen Glück."

Selbst die Bäckersfrau

hat dir einen Kranz gesendet. Vortreffliche, aufmerkſame Leute! Der erste Tag der Eröffnung war für dich ein äußerst günſtiger, vielversprechender. Wenn die Einnahmen nur annährend so bleiben , so wirst du die Zahlungsfriſten pünktlich einhalten können , wenn auch deine ersparten 5000 Mark zur Einrichtung der Wirthschaft draufgegangen find ,

und

dein Conto

3000 Mark Schulden belastet ist.

außerdem noch mit

Leider aber werden die

Einnahmen von Tag zu Tag geringer, erschreckend nimmt

131 9*

Uebernahme eines selbstständigen Geschäfts .

die Zahl deiner Gäste ab.

Man hat dein Local bewun-

dert, die Neugierde befriedigt • und ist wieder in die gewohnte Stammkneipe zurückgekehrt.

Viele Gäſte haben

ja das mit den Kaßen gemein , daß sie sich mehr an die Dertlichkeit, als an die Menschen in ihrer Umgebung gewöhnen, es ist ihnen gleich, ob der Wirth ihrer Kneipe wechselt , wenn nur ihre Ecke ihnen bleibt.

Dem Einen

warst du außerdem zu fein , dem Andern zu grob , dem Einen sprachst du zu wenig , dem Andern zu viel , von dem Einen hast du nichts , von dem Andern nicht genug

gekauft, Dem ist

das Bier zu theuer, Jenem zu

dunkel, Dieſem war die Ventilation nicht genügend , ein Anderer hat sich stets kalte Füße bei dir geholt. G Du bist auf dem Punkte , wo die täglichen Ausgaben höher find als die Einnahmen.

Du siht verdrießlich in den

leeren Räumen, auf deinem Gesicht malt ſich Unzufriedenheit und Sorge.

Es macht mir kein Vergnügen , neben

dir zu ſizen,

vielleicht kehre ich später noch einmal

wieder bei dir ein.

Das Bild , lieber Leser , welches ich vor deinen Augen entrollte, in dem ich dir selbst die Rolle des Gastwirthes übertrug, muß ich zu Ende führen.

Aber dir will ich es

erlaſſen, jene traurige Rolle weiterzuſpielen.

Was ich dir

vorführe, beruht auf Thatsachen , es ist keine Dichtung. 132

Uebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

Wenn ich Ort und Personen und warum dies Alles so und nicht anders gekommen nicht näher bezeichne, geschieht das aus natürlicher Rückſicht.

so

Folge mir jezt

in dieſelben Räume , die heute vor drei Jahren so vielversprechend eröffnet wurden.

Wie ganz anders sieht es

heute darin aus ! Es ist 10 Uhr früh , aber Alles noch so wüst und

unordentlich, daß man die Lust verliert,

Plaz zu nehmen.

Zwei Gäste fißen an einem Tische, von

Wirth und Bedienung ist vorläufig nichts zu sehen.

In

einem der Gäste erkenne ich den Helfer , der dem Wirth zu diesem Local verholfen hat, der Andere scheint mir der neue Pächter zu sein.

Der bisherige wird , nachdem der

Besizer wegen rückständiger Miethe die Möbel mit Beschlag belegt hat und seit gestern durch richterlichen Ausspruch Herr derselben geworden ist, heute durch Ermiſſion ausgesezt.

Das neue Opfer muß nach seinem Aeußern In-

ſpector oder Mühlknappe gewesen sein.

Sie sprechen leiſe,

und nur vom Helfer höre ich bisweilen jene verhängnißvollen Worte : „Wenn hier ein tüchtiger Wirth hinein käme !" Zweimal habe ich an die Glocke, welche auf dem Tische steht , geschlagen , endlich erscheint ein schmußiger Kleiner Junge mit ungekämmtem Haar. Glas Bier. aussieht.

Ich bestelle ein

Er bringt ein Glas , welches sehr bedenklich

Bairisch Bier giebt es schon lange nicht mehr, — wie zum Hohn

obgleich noch die Fensterscheiben ,

mit ,,Echt Bairisch Bier" bemalt sind. 133

Uebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

Ein Executor tritt ein und fragt nach dem Wirth; dieser wird gerufen und Beide gehen an's Fenster , wo ſie lange und leise mit einander sprechen. mir den Wirth anzusehen.

Ich habe Zeit,

Welche entseßliche Veränderung Wo ist der

ist mit ihm seit drei Jahren vorgegangen !

lebensfrische, elegante Oberkellner von ehemals geblieben? Er scheint zehn Jahre älter geworden zu sein.

Sein

Gesicht ist fahl, ſeine Züge ſchlaff, ſein Blick unſtät, ſeine Augenlider geschwollen.

Oben drein in defecter Kleidung

zeigt er in seiner ganzen Erscheinung gekommenen Menschen.

Welche

einen herunter-

Seelenqual

mag

Aermste in den drei Jahren $ ausgestanden haben ! die Frau erscheint.

der Auch

Es ist nicht die versprochene reiche

Gutsbesizerstochter, ſondern eine ehemalige, jezt ärmlich und

kränklich

Schneiderin.

aussehende

Sie hat ein

Kind an der Hand und eins auf dem Arm.

Nachdem

auch sie an der Berathung flüsternd theilgenommen , verläßt der Executor das Haus . Der Wirth und seine Frau scheinen mit Ungeduld Jemanden zu erwarten. Sie stehen am Fenster und ſehen mit gerötheten Augen nach rechts ,

nach links.

Endlich treten die Erwarteten ein.

Beide Kerle habe ich in einer Schwurgerichtssigung, bei der sie eine höchst unsaubere Rolle spielten, zuerst gesehen. Es sind Leute, wie man sie in der Kunstsprache „Halsabschneider" oder „ Cravattenmacher" nennt. Wo sie hin-. kommen, hat dieFreude und Zufriedenheit nicht ihren Wohnſig. 134

Uebernahme eines selbstständigen Geschäfts.

Diese Beiden sehen sich in lebhaftem Gespräch nieder. Der Eine, ein feister Mensch, hat eine Hand voll Papierſcheine , der Andere , ein blaſſes , dürres Männchen zeigt der Frau einen Wechsel, auf dem der Name ihres Mannes steht.

Er macht ihr begreiflich , daß ſein mitanweſender

Freund das gewünschte Geld mitgebracht hat und hergeben will , doch genüge ihm nicht die Unterschrift des Mannes allein , er verlange noch die Unterschrift der Ehefrau. testirt heftig.

Sie ist nicht abgeneigt , doch der Mann proEr will nicht, daß fie das wenige Eingebrachte

auch noch auf's Spiel sege , und zerreißt den Wechsel. Mit der größten Ruhe stecken Jene das gezeigte Geld wieder ein und seßen sich zu den andern beiden ihnen schon bekannten Gästen.

Hierauf erscheint der Hausei-

genthümer mit dem bekannten Executor und verlangt sämmtliche Schlüffel der Wohnung. ihm dieſe übergeben.

Geduldig werden

Draußen fährt eine Droſchke vor,

die der Kellnerjunge geholt hat.

Wirth und Wirthin

mit ihren Kindern rüsten sich weinend zur Abfahrt.

As

sie zur Thür hinaus wollen , tritt ihnen der alte Hausknecht von drüben entgegen, ſein Prinzipal, der von dem betrübenden Ereigniß gehört hat, schickt dem Abziehenden, seinem

früheren Oberkellner 50

Mark

zum

Geſchenk,

wozu der Hausknecht in seiner Herzensgüte noch 10 Mark heimlich

zulegt.

Dies

sind

die

einzigen

Freunde,

die ihm geblieben von den vielen, die mit ihm gelacht,

135

Nebernahme eines ſelbftftändigen Geschäfts.

gescherzt und getrunken haben.

Die vier sauberen

Spießgesellen haben sich zum Scätchen niedergefeßt , ſie lachen, trinken, ſpielen und haben, weil ein „ Grand “ auf dem Spiele steht , nicht Zeit, dem Abfahrenden ein Lebewohl zu sagen, der heute die Räume verläßt, die er vor drei Jahren mit so großen Hoffnungen und kühnen Wünschen betrat , um jest ohne Mittel wieder von vorn anzufangen.

136

Leber Buchführung .

Von on einem jeden Gastwirth , wie überhaupt von jedem

Geschäftsmann wird eine genaue Kenntniß

Buchführung mit Recht verlangt.

der

Wie der Schiffer seinen

Compaß zur Hand haben muß , um sein Ziel nicht zu verfehlen, so müſſen auch die Geschäftsbücher des Gewerbetreibenden sich in einem Zustande befinden, der die günstige oder ungünſtige Lage seines Geſchäfts sofort klar übersehen und darlegen läßt.

Einnahme und Ausgabe, empfangene

und abgeſeßte Waaren müſſen mit der größten Genauigkeit darin verzeichnet werden , ſodaß er vor dem Gesez, welches die Führung seiner Bücher bedingunslos fordert, jederzeit Rechenschaft von seiner Geschäfts thätigkeit geben, bei eintretendem Unglück seine Schuldlosigkeit beweisen und sich gegen alle Verdächtigungen und Anklagen vertheidigen kann. Laß dich deshalb keine Mühe verdrießen, ein tüchtiger Buchhalter zu werden; und bist du dann mit den übrigen 137

Ueber Buchführung.

Functionen eines Oberkellners gehörig vertraut , so wirst du für deine Mühe auch deinen Lohn ernten. Oberkellner,

der

seinen

Prinzipal

zu

Denn der

vertreten

hat,

muß jene Fertigkeit in ausgedehntem Maße beſißen, wenn er auf das Prädicat Oberkellner gerechten Anspruch machen und die Rechte eines solchen genießen will. Wie mancher Wirth ist bei allem Fleiß zu Grunde gegangen, weil er zu spät den Rückſchritt ſeines Geſchäfts gewahr fand.

wurde

oder die Ursache dazu nicht rechtzeitig

Bei einer geregelten Buchführung hätte er diese

leicht ergründen , die nachtheilige Wirkung verhüten und sich und seine Familie vor weiterem Unglück bewahren können.

Er hätte bemerken müſſen , daß die Ausgaben

seine Einnahmen regelmäßig übersteigen, hätte aus ſeinen Büchern ersehen können , daß der fernere Verlauf seiner Geschäftsthätigkeit ſeinen Ruin herbeiführen mußte, ja er hätte den Zeitpunkt dieſer Katastrophe ziemlich sicher berechnen können.

Die unabweisbare Nothwendigkeit einer geregelten Buchführung glaube ich somit hinlänglich dargethan zu haben.

Diese selbst ist

einfach

genug,

um von

einem mit den nöthigen Schulkenntnissen versehenen , von gutem Willen beseelten , jungen Mann bald erlernt zu werden. Gewöhne dich von Anfang deiner Lehrzeit daran, deine kleinen und großen Ausgaben und Einnahmen ſtreng zu

138

Neber Buchführung.

notiren , so wirst du in deiner späteren Stellung als Oberkellner dein Cassabuch stets in tadelloser Ordnung haben.

Dieses Buch ist deine Ehre , dein Gewiffen ! In

ihm zeigt sich der redliche, ordnungsliebende Geſchäftsmann, in ihm ruht das ganze Geschäft.

Was sonst erforder-

lich ist, um einen Ueberblick über das von dir vertretene, oder selbst geleitete eigene Geschäft zu gewinnen , wird dich die Erfahrung lehren. Im Inventarienbuch findest du die Aufzählung aller dir gehörigen zum Geschäftsbetriebe erforderlichen Gegenstände, als Möbel, Wäsche, Küchengeräthe, Gläser 2c, sowie den Bestand deiner Vorräthe aller Art.

In dem Hauptbuche findest du die Namen deiner Gläubiger, denen du schuldeſt theils an Waaren, theils an Geld , sowie deiner Schuldner , von denen du für ihnen verkaufte Getränke, Speisen u. s. w. zu fordern haſt. Zur Controle dieses wichtigen , vor dem Gesez in allen Fällen giltigen Hauptbuches

(NB . wenn es ordnungs-

gemäß geführt wurde) dienen deine Briefſchaften.

Die

strengste Sorgfalt ist deshalb auf die Aufbewahrung der eingehenden Briefe zu verwenden , wie nicht weniger von allen Schriftstücken, die aus deinen Händen gehen und auf das Geſchäft Bezug haben, Abschrift im Copirbuch zu nehmen, theils um in streitigen Fällen als Beweis zu dienen , theils um bei entſtehenden Streitfragen Aufklärung zu geben und Irrthümer zu beseitigen. 139

Ueber Buchführung.

Hast du in dieser Weiſe deine Bücher eingerichtet, ſo wirst du deinem Prinzipal, wenn du als Oberkellner fungirſt ,

dir selbst , wenn du selbstständig bist , genau

Rechenschaft geben können, wann auch immer es gefordert wird oder du ſelbſt es wünſchest.

Sollte aber das Vor-

ſtehende dir nicht ganz klar sein , ſo betrachte das nachstehende Beispiel und du wirst finden , daß für einen denkenden Menschen die Führung der Bücher keine ernſtlichen Schwierigkeiten hat. Nimm an, daß , als du deine Functionen als Oberkellner

und

Buchführer

begannst,

der

aufwies

Caſſenbestand M. 6000 12000

und nach einem Jahre ſo haſt du im Laufe des verflossenen Jahres verdient

6000

-

4000

-

Der Werth der Hôteleinrichtung, der Utensilien, Möbel, Wäsche, Bier- und Speisevor-

Wein

räthe war

M 18000

und während des Jahres stieg der Werth

durch

neue An-

ſchaffungen von Gegenständen in Waaren auf

22000

so hast du nach einem Jahre einen Mehr-

werth von

140

Ueber Buchführung.

zu verzeichnen.

Dieser Verdienst mit dem

Verdienst in der Kasse beträgt •

M. 10000

Aus deinem Hauptbuche ersiehst du, daß die Gäste und Kunden deines Prinzipals zusammen schulden .

4000

Daß also verdient find

14000

Aber du findest auch, daß die Lieferanten deines Prinzipals und anderer Leute Forderungen an denselben betragen

6000

so ergiebt sich, wenn du diese Forderungen von obigem Verdienſt abziehſt , ein Rein8000

gewinn von .

Es gehören nun zu oben genannten Büchern auch noch Nebenbücher, wie Lohn-, Abgaben-, Contobücher, aber alle diese Notizbücher finden ihre Stelle betreffs ihres Inhalts im Hauptbuche.

Es iſt alſo einleuchtend , daß nur

eine geordnete Buchführung höhere und genaue Reſultate aufweiſen kann, und aus diesem Grunde ist die Erlernung derselben nicht dringend genug zu empfehlen. Im engen Zusammenhang mit der Buchführung steht die Correspondenz , deren Handhabung dich während deiner Lehrzeit in der Fortbildungsschule schon einigermaßen gelehrt werden wird . Ich will nur eine Art von Briefen erwähnen , welche im

Geschäftsleben des Hôtelier 141

oder des Restaurateur

Neber Buchführung.

leider sehr häufig vorkommen , es sind die unerquicklichen Mahnbriefe.

Beherzige auch hierbei, junger Freund, meine

dir gegebenen Regeln über Anständigkeit und Coulanz, da so häufig dabei Unzuträglichkeiten und Unannehmlichteiten entstehen . Nachstehende Formulare dieser Art von Briefen mögen dir zeigen , daß auch hierbei ein anständiger Ton beibehalten werden muß.

Ew. Wohlgeboren empfangen auf Ihren Wunsch einliegend die Rechnung für den vergangenen Monat, deren Betrag von Rm. Sie mir gefälligſt gutſchreiben wollen.

" den

ten

18 .....

Hochachtungsvoll N. N.

Ew. Wohlgeboren geben mir leider nicht mehr die Ehre Ihres Besuches, was ich um so mehr bedaure, als mir ein Grund Ihrer Unzufriedenheit durchaus unerfindlich ist. Die im

Laufe

des Rechnung von Rm. ―

legten Quartals

aufgelaufene

erlaube ich mir beizulegen

und zeichne

........... den

ten

18...... 142

Hochachtungsvoll N. N.

Ueber Buchführung.

Ew. Wohlgeboren erlaubte ich mir bereits

vor Monatsfrist die specielle Rechnung über mein Guthaben von Rm. -einzusenden und darf Sie heute wohl um baldige gefällige Regulirung derselben ersuchen.

den .......ten ....... 18 .....

Hochachtungsvoll N. N.

Ew. Wohlgeboren haben meine beiden Briefen vom einer Antwort nicht gewürdigt.

und

Leider

Ich bin nicht in der Lage, meinem Geſchäft Capitalien auf so lange Zeit entziehen zu können , und ersuche Sie nochmals ebenso höflich als dringend , die Ausgleichung Ihrer Rechnung zu wollen.

in den allernächsten Tagen

bewirken

Sollte auch mein heutiges Schreiben ohne Erfolg ſein, so würde mir kein anderer Weg , als der der Klage übrig bleiben.

den

ten

18......

Ergebenst N. N.

Nun, lieber Leser , zum Schluß noch eine Bemerkung. Wer ein Haus bauen will , darf nicht beim Dache anfangen , zuerst

muß

ein solides Fundament

gelegt

werden , ohne dieses wird auch der kunstvollste Bau zu143

Ueber Buchführung.

sammenbrechen.

So ist es auch hier.

Das Fundament

aber, auf welchem deine Buchführung, Corresſpondenz nur fußen kann, ist dir in der Schule gezeigt, in der Schreibund Rechenstunde.

Hast du diese beiden Elementarkennt-

niſſe dir in erforderlicher Weise anzueignen versäumt , so kannst du kein Buch führen , und wenn du alle Geschäftsbücher der Erde zum Muster nehmen wolltest. Darum , wie ich dir schon früher gesagt habe, ergreife jede ſich dir darbietende Gelegenheit : ſchreiben und rechnen !

144

Lerne richtig

Der Gebrauch fremder Sprachen und das Erlernen derselben.

N vächſt dem Kaufmann hat vielleicht keine andere Berufsart so directe Veranlassung und Gelegenheit zur Erlernung fremder Sprachen , als der Kellner.

Will der

Kellner nicht in vielen Fällen darauf verzichten, sich den Fremden verständlich zu machen ,

deren Bedienung ihm

berufsmäßig obliegt, so wird er bei Zeiten daran denken müſſen , ſich die nothwendigsten Ausdrücke und Phraſen in mehreren fremden Sprachen , hauptsächlich aber auf französisch und englisch anzueignen.

Nur diese Kenntniß

befähigt ihn in manchen Fällen, seinen Plaß in gehöriger Weise auszufüllen ; ohne dieselbe bleibt ihm manches sonst vortheilhafte

Engagement

in

größeren

Städten

und

Handelsplägen verſchloſſen. Was speciell die Kenntniß der franzöſiſchen Sprache anbetrifft, so ist eine so große Anzahl ursprünglich französischer Ausdrücke in die allgemeine Welt- und Umgangs145

Etab , Hôtel.

10

Der Gebrauch fremder Sprachen 2c.

sprache übergegangen ,

daß man die Bekanntschaft mit

dieſem im Umlaufe befindlichen Schaße von Fremdwörtern geradezu als ein Erforderniß der Bildung überhaupt bezeichnen kann ; damit ſoll jedoch nicht geſagt sein , daß es rathsam und ersprießlich sei , Fremdwörter da zu gebrauchen , wo die Muttersprache für den Gebrauch des Lebens ausreicht.

Geradezu lächerlich ist die Affectation

der Bildung , welche sich durch die Sucht , Fremdwörter an den Mann

zu bringen, verräth, namentlich wenn

mangelhafte Kenntniß zu Verwechslungen oder Corrumpirung der Worte Veranlaſſung giebt. Handelt es sich um den Zweck der allgemeinen Bildung , so sollte Jedermann billiger Weise erst seine Muttersprache gründlich erlernen, bevor er daran denkt, ſich auf fremde Sprachen einzulaſſen. Eine Sprache schön und richtig zu sprechen ist besser, als sich in zwei oder mehreren lächerlich zu machen.

&3

courſiren die ergößlichsten Anekdoten von Hôtelbeſißern, welche durch den Gallimathias „ gewählter Ausdrucksweise" dem reiſenden Publikum zu imponiren ſuchten. Mit Recht

tadelt

man

es

schon

als Thorheit oder

Charakterschwäche , wenn Gebildete geflissentlich in ihre Rede einzelne franzöſiſche und engliſche Brocken einmengen oder gar aus verschiedenen Sprachen ihr Kauderwelsch von Unterhaltung zuſammenſtücken . Damit soll nicht gesagt sein, daß der Gebrauch von Fremdwörtern in der Umgangssprache und im Geſchäftsſtyl um jeden Preis zu

146

Der Gebrauch fremder Sprachen 2c.

vermeiden set.

Nicht bloß unser modernes Zeitungsdeutsch,

sondern auch die Sprache des Juriſten und des Kaufmanns ist mit zahlreichen Kunstausdrücken und deutſch geformten Fremdwörtern behaftet , welche eine Art von Bürgerrecht in unserer Sprache erlangt haben. ständniß

dieses Jargons

ist

fast

Das Ver-

eine Nothwendigkeit

geworden , keineswegs aber ist es nothwendig oder auch nur wünschenswerth, daß man sich im gewöhnlichen Verkehre desselben bedient. Der Geschäftsmann, der Politiker und der aufmerkſame Zeitungsleſer eignen sich durch die Praris oder auch mit Hilfe eines sogenannten Fremdwörterbuchs die Kenntniß solcher Ausdrücke mit Leich-

.

tigkeit an.

Undenkbar ist es, daß ein Kellner die überall

im Verkehre des reiſenden Publikums üblichenBezeichnungen für die nächstliegenden Gegenstände und Geschäfte seines Berufslebens nicht kennen und gebrauchen sollte,

ob-

wohl ein großer Theil derselben aus fremden Sprachen entlehnt ist .

Daß man „, menu " (Menü) statt Speise-

zettel sagt , (Deſchöneh) ,

daß man ein Frühſtück mit déjeûné ein Mittagbrod mit dîner (Dineh) , ein

Abendessen mit souper (Supeh), einen Imbiß mit collation (Kollaßiong) bezeichnet , daß bougie (Buſchie) das Licht, logis (Loschie) die Wohnung , service (Serviß) die Bedienung bedeutet , weiß schließlich Jeder, der in einem Gasthofe (hôtel) oder in einem Wirthshause (restaurant) verkehrt.

Ebenso versteht jeder Kellner die Anrede mit

147 10 *

Der Gebrauch fremder Sprachen zc.

garçon (Garsong)

und den Unterschied zwischen table

d'hôte (Tabel doht) und einer Mahlzeit à la carte. Leştere, die Speisekarte, wird in ihren wesentlichen Bestandtheilen Veranlassung bieten , Bezeichnungen zu erlernen , welche aus Frankreich und England zugleich mit den Geheimniſſen der franzöſiſchen und der engliſchen Küche zu uns herübergekommen sind .

Aus der Speisekarte erfährt man,

daß boeuf (Böhf) Nindfleiſch, côtelettes (Koteleth) Rippchen, fricandeau (Frikandoh) gespickten

Kalbsbraten ,

(Püreh)

(Omleth)

confitures

Kartoffelbrei , (Konfitür)

omelette

Eingemachtes ,

purée

Eierkuchen

dessert

(Dösähr)

Nachtisch, crême (Kräm) Sahne, consommé ( Congſommeh) oder bouillon (Buljong) Fleiſchbrühe bedeuten.

Einzelne

Ausdrücke, wie beefsteak (Bihfstek) und roastbeef (rohſtbihf) sind geradezu bei uns recipirt.

Ebenso lehrt die

Weinkarte die Namen der bei uns gangbarſten ausländischen Weinarten.

Obenan stehen unter den Leßteren die

französischen Bordeaurweine

(Bordoh) ,

z . B.

Château

Margaux (Schatoh Margoh), Saint Julien (Säng Schüliäng), Château Lafitte (Schatoh Lafith), Pontet Canet (PongteKanneh) Chablis(Schabli)und ähnliche ; aber auchspanische Weine figuriren auf unsern Weinkarten, z . B. Sherry ( Schärih) und médoc (Medok) ; ebenſo haben die bei uns eingeführten Producte

ländlicher Induſtrie,

wie fromage de Brie

(Fromasch de Brich) und Chester (Schäſter) ihren Namen selbstverständlich beibehalten. 148

Der Gebrauch fremder Sprachen zc.

So groß ist die Zahl dieser Wörter und Namen nicht, daß sie nicht bei einiger Aufmerksamkeit bewältigt werden könnte.

Eine reſolute Natur wird diese und ähnliche

Schwierigkeiten bald zu überwinden wissen; eine solche wird ſelbſt vor dem Wagniß, ſich trog mangelhafterKenntniß der fremden Sprache eine Stellung im Auslande als Kellner zu suchen, nicht zurückzuschrecken brauchen. In den größeren

Städten ,

namentlich in Paris , Brüffel und

London, werden deutsche Kellner zur Bedienung deutscher Reisenden in den feineren Gasthöfen stets gesucht.

Für

den Anfang wird freilich von einer Unterhaltung in der fremden Sprache keine Rede sein können ; das Einprägen der nothwendigsten Redewendungen ist die nächste Aufgabe, bei deren Bewältigung sogenannte Gesprächsbücher zum Handgebrauch e deutscher Reisenden mit beigefügter Aussprache gute Dienſte zum Nachschlagen thun.

Ich selbst habe auf Reiſen in England , Belgien,

Frankreich,

der westlichen Schweiz und Norditalien in

besseren Gasthäusern verschiedentlich deutsche Landsleute getroffen , welche sich in ihrer Stellung als Kellner dort sehr wohl fühlten.

Gewissenhaftigkeit und Talent finden

überall ihr gutes Fortkommen .

149

Leber Ersparnisse.

Haft du dir die Fähigkeiten angeeignet, Undere nach den Regeln deiner Kunst zu bedienen , ſo iſt es ja selbstverständlich und zu loben, wenn du von dieſen Fähigkeiten und von deiner Arbeit auch rechtlichen Nugen ziehen willst, um zu sparen und dich vor einer drückenden Zukunft zu bewahren , auch erklärlich, wenn du eine Stelle mit 900 Mark lieber hättest, als die gegenwärtige mit vielleicht nur 300 Mark, und dennoch darf ein höherer Geldgewinn allein dich nicht beſtimmen, eine gesicherte Stellung , in der dir Gelegenheit geboten wird , dich in deinem Fache zu vervollkommnen, ohne reife Ueberlegung sogleich aufzugeben.

Ganz besonders mußt du dich hier-

vor hüten , wenn deine Leiſtungen noch zu schwach ſind, um überall fertig werden zu können .

Bis dahin muß

der Plaz dir der liebste sein , an dem du am meisten lernen kannst.

Solche , die von einem Engagement in

das andere wandern, bringen es am allerwenigſten zu Ersparnissen.

Indem sie nach neuem Gelde jagen , ver150

Ueber Ersparniffe.

lieren sie das alte, schon erworbene meiſtentheils aus der Tasche.

Es ist besser, sagt ein altes Sprüchwort,

ein Sperling in der Hand , als zehn auf dem Dache. Das Sparen auch bei

geringen Einnahmen ist eine

Tugend, die bei einem jungen Manne hoch zu schäzen ist , es ist ein Beweis , daß er auch an das Wohl seines Alters , an seine Zukunft denkt , und durch Sparſamkeit wird der Mensch sein eigner Wohlthäter.

Wie traurig

das Loos, im Alter noch Kellner ſein zu müſſen.

Sparen

aber ist unter Umständen unendlich schwer, die ersten hundert

Thaler

ſten zusammen ist

besonders sind zu

bringen sind ;

das Zusammenhalten.

ſten , Ein

die

es zu einer

wohlgemeinter

es ,

Dies

die

am schwer-

noch schwerer aber bestätigen die Mei-

Wohlhabenheit gebracht haben.

Rath wird

auch hier wohl am

Plage sein. Nachdem du dir genügende anständige Kleidung angeschafft hast , vermeide jedes Ankaufen Sachen,

spare dein Geld.

unnöthiger

Mache es dir zur

Negel, selbst die kleinste Ausgabe zu notiren. Hast du gefehlt und einmal einige unnüße Ausgaben gemacht, so vergiß auch diese

nicht zu notiren, dies

Sündenregister wird dich vielleicht zur Reue bringen und dich künftig vorsichtiger machen.

Aber auch deine

täglichen , wenn auch kleinen Einnahmen trage ebenfalls ein.

151

Ueber Ersparniffe.

Haſt du ein Sümmchen gesammelt, und wären es nur 5 Mark, so bringe es in die Sparkasse ; folge meinem Rathe, denn dadurch sicherst du dein Vermögen nicht sowohl gegen Diebstahl, als gegen deine eigne Schwachheit und die Verführung.

Das Geld soll

dein Eigenthum

bleiben, und eben deshalb soll es dir schwerer gemacht werden , zur unrechten Zeit es auszugeben.

Du weißt

es ja selbst , daß man das Geld leichter aus dem eignen Koffer hervorholen kann , als aus der Sparkasse , wozu. mehr Zeit und Ueberlegung gehört.

Ferner bekommſt

du , wenn du es dort hin getragen , wenn auch nur geringe, so doch sichere Zinsen ; hast du es aber in deinem Koffer gelagert, bringt es dir nichts als tägliche Sorge und Angst vor Diebstahl. Wenn schon das Sparen eine Kunſt iſt , ſo iſt doch, wie ich vorhin schon erwähnte, das Zuſammenhalten eine schwerere, für einen Kellner besonders , weil an ihn Versuchungen herantreten, von denen man in einem anderen Stande oft keine Ahnung hat.

Es ist eine eigne Er-

scheinung, daß gerade oft Solche, die in Dürftigkeit groß gezogen, in ihrer Jugend nicht Herr der kleinsten Summe waren, viele Annehmlichkeiten des Lebens entbehrt haben, daß gerade Dieſe, wenn sie in Beſiß von Geld gelangten, am

meisten

zur Verschwendung

geneigt

sind .

Ihre

Handlungen, ihre finnloſen Einkäufe bezeugen, wie wenig sie den Werth des Geldes zu schäßen wiffen. 152

Statt in

Ueber Ersparniſſe.

ihren Freistunden sich

die für

ihren Körper heilsame

Bewegung in frischer Luft zu machen , können sie es bei ihrem Ausgange kaum erwarten , die nächste Straßenece zu erreichen, um sich in eine Droſchke zu werfen, ſich von einem Vergnügungslocal zum anderen fahren, und natürlich für ihr Geld ,

die Droschke oft stundenlang vor dem

selben warten zu lassen.

Als eine Wohlthat kann es für

diese jungen Leute bezeichnet werden , wenn dieſem unsinnigen Hange von Seiten des Prinzipals

rechtzeitig

gesteuert und ein energiſches Halt ! geboten wird. Nun eine zweite Lehre, lieber Leſer : Es ist besser, an richtiger Stelle zu verschenken , was man miſſen kann, als viel zu verborgen verborge kein Geld ! Selbst den Gästen deines Hauſes nicht.

Anſtändige Gäſte

müssen es für paſſender finden, sich in Verlegenheiten an den Prinzipal des Hauses zu wenden, als an den Kellner, und bei minder Anständigen läufſt du Gefahr, das Deinige zu verlieren.

Ich könnte dir manche traurige Geschichte

erzählen, wieKellner dadurch um ihre Capitalien gekommen ſind, die ſie mit Mühe, oft unter jahrelangen Entbehrungen sich gesammelt hatten.

Leider lassen sich so Viele durch

Aussicht auf hohe Zinsen hierzu verleiten, Andere wieder durch ihre Leichtgläubigkeit oder

Gutmüthigkeit , um

kein schärferes Wort zu gebrauchen. Lumpe giebt es

in allen Schichten der menschlichen

Gesellschaft, sie unterscheiden sich nur dadurch, daß der 153

Ueber Ersparniffe.

feingekleidete, welcher durch sein Aeußeres schon ein leichteres Spiel hat , in der Regel auch raffinirter und deshalb gefährlicher ist, als der in ſchäbiger Kleidung.

Mit

größter Keckheit treten solche Leute Dem gegenüber, den ſie ſich als Opfer ausersehen.

Im vertraulichen Geſpräche

theilen sie ihm mit, daß eine augenblickliche Verlegenheit bei ihnen eingetreten ſei , prahlen mit der größten Wohlhabenheit und machen den Aermsten glauben, daß diese Anleihe nur eine trauliche Herablaſſung ihrerseits und eine besondere Ehre für ihn selbst sei. Zeiten warnen !

Laß dich bei

Viele haben mit Verwünschungen

der Stunde gedacht , wo sie durch Leichtgläubigkeit oder Habsucht in die Falle gegangen sind.

Es ist ja möglich,

daß ein anständiger Mensch in Verlegenheit um einige Thaler zur Weiterreise geräth, ein solcher wird dann aber auch wohl ein Werthpfand dem Darleiher hinterlaſſen können ; und ſelbſt in dieſem Falle muß man vorsichtig sein, denn es ist schon vorgekommen ,

daß die hinterlassene

„goldene" Kette sich als Talmikette entpuppte und nie wieder eingelöst wurde. Auf Dankbarkeit kannst du ohnehin nur in den seltensten Fällen rechnen. Deshalb also nochmals, verborge kein Geld ! Speculire auch nicht mit deinen Ersparniſſen, betheilige dich nicht bei Actien - Unternehmungen. periode ſind aus angesehenen Hôtels

154

In der Gründerdie

Ersparniſſe

Ueber Ersparniffe.

En leich der Gehülfen, vom Oberkellner bis zum Hausknecht herab,

ཤྲཱ ཤྲཱ སྠཽ ཎྜ བྷ ཎྞེ སཱུ བྷྲ བྷྲ ་ = ༦ ༩ ས ྐ ཚོ ཋ ༈ ཌི

nd des

1. Mit

auf Nimmerwiedersehen dahin gefloffen. Der größte Theil der so Geschädigten ist flüger geworden ,

aber die

gleich ; käme nach Jahren

Menschheit bleibt sich stets eine solche Schwindelperiode

wieder ,

so

gingen

eben

Andere in die Falle, denn die — Leichtgläubigen werden nicht alle. Es giebt auch Kellner, die im Uebrigen die Zufriedenheit ihres Prinzipals in hohem Grade erworben haben und dennoch die Schwäche besißen , die Freiheiten außer dem Hause, die ihnen der Prinzipal gegeben - besonders die Urlaubszeit - zu überschreiten. Wenn der Chef

ihnen den Finger reicht , so nehmen sie gleich die ganze Hand ― zu ihrem eigenen Nachtheil für künftige Zeiten. Will man größere Freiheiten vom Prinzipal

erlangen,

darf man die gegebenen nie mißbrauchen . Im engsten Zuhammenhange hiermit steht der Irrthum vieler Kellner, daß ohne große Geldausgaben kein Vergnügen

rie

eL

zu erlangen sei, daß sie durch Verschwendung sich ein vornehmes Ansehen geben könnten.

Wie groß, aber wie

weit verbreitet dieser Irrthum!

Der Werth , das An-

sehen eines Menschen kann nicht durch unnüße Aus-

Je gaben erhöht werden, in den Augen vernünftig Denkender gewiß nicht.

e Der Verschwender mag auf Augenblicke imponiren, doch mit dem Verluste seines Geldes verschwindet auch

155

Ueber Ersparniſſe.

dieſer erborgte Glanz wieder, Jener wird dann von Vernünftigen verlacht oder im günſtigsten Falle als ein gutmüthiger Narr bedauert. Der Kellner

kann hochgeachtet dastehen ,

wenn

er

Tüchtiges leistet, doch muß er sich für nichts anderes ausgeben , als was er iſt , - nicht mit seinem Gelde umherwerfen und die Maske eines Millionärs vornehmen, die der erste beste seiner

Collegen ihm abreißen und

wofür ihn die Blamage züchtigen und lächerlich machen kann.

Durch solches Gebahren kann er

abgesehen

von dem Verluſte ſeines Geldes , das ihm in späteren leicht Tagen von größerem Nußen hätte sein können die gute Meinung seines Prinzipals wie des Publikums darf

verlieren und dieses Urtheil

einem

anständigen

Menschen niemals gleichgültig sein . Manche suchen wieder bei Verschwendung ihres Geldes keinen anderen Genuß , als die Aufmerksamkeit Anderer auf sich zu lenken , besonders wenn sie von Damen beobachtet werden , auf die ſie einen günſtigen Eindruck zu machen gedenken ;

während

That bei soliden Damen bewirken.

die Thörichten

gerade das Gegentheil

An einen mir bekannten Oberkellner , Hand

einer

jungen ,

in der

der um die

wohlhabenden Bäckerstochter bei

deren Vater anhielt, wurde die Frage nach der Höhe seines Vermögens gerichtet, und als derselbe dies auf 1500 Thaler 156

Ueber Ersparniffe.

angab, bekam er rundweg einen Korb mit folgender ſarkastischer Bemerkung: „Ich habe mehr als fünfzehnt a uſend Thaler in „ meinem Vermögen, habe aber noch nie Champagner ,,getrunken ,

auch noch nie Hazard

gespielt , ich

„habe mein Vermögen beſſer zuſammengehalten, als ich „es bei

Ihnen schon zweimal Gelegenheit hatte zu

„bemerken.

Machen Sie übrigens mit Ihrem Gelde

„ was Sie wollen , ich habe nichts dagegen , aber für ,,meine Tochter wünsche ich einen anderen Mann, einen „Mann , deſſen Ausgaben mit seiner Einnahme und „ſeinem Vermögen im richtigen Verhältniſſe ſtehen !“

157

Das Geld- und Münzwesen der für den Geschäftsverkehr wichtigsten Länder und Staaten.

in Blick auf die gegenwärtige Lage des Münzwesens in Deutschland wird auch dem Nichtſachverständigen zeigen, daß sich unsre Verhältnisse in dieser Beziehung auf eine gegen die Lage der meisten Nachbarländer sehr vortheilhafte Weise gestaltet haben.

Eine Vergleichung dieser

Art wird am ersten geeignet sein ,

dem Mindergeübten

einen Einblick in die Zustände unseres Geldmarktes und damit zugleich die nothwendige Kenntniß zu verschaffen, mit Sicherheit den Courswerth der in unserm Geschäftsverkehre vorkommenden ausländiſchen Geldſorten (Münzen, Papiergeld und Coupons) zu taxiren und nach deutschem Gelde zu berechnen. Jm deutschen Reiche ist überall, seit dem Jahre 1871, mit der Annahme der Goldwährung zugleich ein allgemeiner deutſcher Münzfuß eingeführt worden. Der

158

Das Geld- und Münzwefen.

deutsche Münzfuß hat unter consequenter Durchführung der Eintheilung nach dem Decimalsystem (1 Mark 10 Groschen à 10 Pfennige) ein ganz beſtimmtes Gewicht Metall von ganz genau bestimmter Beschaffenheit als Münzeinheit (Mark) festgestellt und somit ein vor dem veränderlichen Marktpreise des Metalles ( Gold) in seinem Courſe unabhängiges Verkehrsmittel geschaffen .

Der uns

geläufige Cours unseres Geldes ist ein fester : 10 Mark = 3 Gramm Gold. Das deutsche Papiergeld steht. Dank

den wohlgeordneten Finanzen

und der ſoliden

Staatsschulden - Verwaltung des deutschen Reiches , dem gemünzten Reichs - Gelde (baare Münzsorten) an Werth vollständig gleich.

Aus diesem Grunde wird auch bei

uns, wie das ſeit Einführung der Goldwährung in England seit Jahren üblich geworden ist, das hauptsächlichſte Umlaufsmittel des Geldverkehrs nicht in gemünzten Geldsorten, sondern in Banknoten bestehen müssen.

Jeder-

mann wird schon aus Bequemlichkeitsrückſichten ! die Banknoten dem baaren Gelde vorziehen, so lange jeder Noteninhaber weiß , daß an allen

Reichsbankstellen : jederzeit

für Noten ohne Verlust baares Geld zu haben ist. Nicht in allen Ländern ist das Münzwesen nach dem bei uns durch

die Münzreform

geführten Münzfuße geordnet. Münzconvention“

der lezten Jahre ein-

In den der „ lateiniſchen

angehörenden

Staaten

(Frankreich,

Belgien, Schweiz, Italien, Spanien, Donaufürſtenthümer) 159

Das Geld und Münzwesen.

besteht seit dem Jahre 1803 Gold- und Silberwährung neben einander.

Diese Doppelwährung Frankreichs

bafirt auf dem Werthverhältniß von 1 Gramm Gold = 152 Gramm Silber, ein Verhältniß, welches dem gegenwärtigen Metallpreise von 1 Gramm Gold Silber nicht mehr entspricht:

18 Gramm

Während ursprünglich fest-

gesezt war , daß 1674 Francs genau so viel werth sein sollten,

wie 1 Pfund

Gold

oder 151/2 Pfund Silber,

ist in diesem Augenblicke, wo das Pfund Silber 9812 Francs = 78½ Mark kostet, das Pfund Gold mindestens 200 Francs mehr werth in Silber, wurde.

als ursprünglich angenommen.

Diese nicht unbedeutenden Coursschwankungen

müssen beim Einwechseln französischen Geldes in Betracht kommen, d. h. man muß für deutsches Geld einen mindestens zehn Procent höheren Nominalbetrag in französischem Silber- und Papiergelde erhalten , da der Franc bei

dieser

Berechnung

70 Pfennige kosten darf.

statt

80

Reichspfennige

nur

Auch bei uns war in früherer

Zeit, d. h. so lange die Silberwährung, der sogenannte 14-Thalerfuß, noch zu Recht bestand, das Einwechseln des Goldes mit gewissen Verlusten verknüpft.

Die Differenz,

welche sich der Geldwechsler bei einem derartigen Geschäfte zu Gute rechnet,

wird im umgekehrten Falle als Agio

dem Verkäufer des Goldes zu Statten kommen.

Ber'der-

artigen Berechnungen wird sich jedenfalls nur Derjenige vor Uebervortheilung und Schaden sicher wissen , welcher 160

Das Geld und Münzwesen.

mit den Grundsäßen Bescheid weiß.

und Changen

des Geldverkehrs

Ich werde durch practische Beispiele die

Methode und Resultate

dieser Berechnung

darzulegen

suchen, weil heutzutage nicht bloß auf Reisen ins Ausland, sondern auch im Inlande häufig genug Gelegenheit geboten wird , von solchen Kenntniſſen im practiſchen Leben Gebrauch zu machen und Nußen zu ziehen. Verlegenheit wird Stande bist , stände

des

dir

erspart werden ,

der nachfolgenden Geldmarktes

mit

wenn

Darstellung

Manche du im der Zu-

einigem Verständniß zu

folgen. Am bösesten sieht es mit dem Geld- und Münzwesen in Desterreich und Rußland aus .

Diese beiden Staaten

machen dadurch unter den europäischen Staaten eine unrühmliche Ausnahme , daß sie nach wie vor der Silberwährung treu geblieben sind.

In Desterreich, dessen Geld-

und Finanzwirthschaft lange Zeit hindurch eine traurige Berühmtheit hatte ,

ist

nur zeitweise der Eintauſch der

präsentirten Noten bei der Staatsbank zu erlangen.

Ich

erinnere mich sehr wohl, auf Reisen in Desterreich wiederholt große Vortheile durch das dort üblich gewordene Silberagio gehabt zu haben, zeitweilig bis zu 25 % des Nominalbetrags ; der mitgebrachte Baarvorrath in deutſchem Silbergelde wurde auch im Kleinverkehre des täglichen Lebens zu dem durch den Tagescours des Silbers bestimmten Preise genommen.

Noch bedeutender fast ist im gegen161

Stab, Hôtel.

11

Das Geld und Münzwesen.

wärtigen Augenblicke die Entwerthung des österreichischen Silbergeldes, welche ihren Grund in dem verhältnißmäßig sehr gesunkenen Werthe des Silbers hat. Der österreichische Silbergulden , welcher vor wenigen Jahren noch bei uns volle zwanzig Groschen galt , in Wirklichkeit aber stets einen etwas geringeren Werth hatte, wird in jeßiger Zeit nur mit etwa 16 Groschen berechnet. Im schlimmsten Andenken stehen wohl den Meisten noch die trüben Erfahrungen, welche wir mit dem plößlich mehr und mehr entwertheten österreichischen Münzsorten seiner Zeit machen mußten. Der Nachtheil war für

uns desto größer ,

je weniger

man vorher sich gescheut hatte , österreichisches Silbergeld bei uns einzuführen.

Auf die noch im Umlaufe begriffenen

österreichischen Vereinsthaler hatte dieſe Coursſchwankung keinen Einfluß. Diese Vereins- oder Conventions -Münze, nach dem ehemaligen

deutschen Thalerfuße geschlagen,

stammt aus der Zeit , in welcher Desterreich (bis 1866) dem Zollvereinsverbande angehörte.

Es lag kein Grund

vor, dieſen österreichischen Vereinsthalern die den übrigen Thalerstücken bei Einführung der deutschen Goldwährung gewährten Vergünstigungen vorzuenthalten ; sie wurden vielmehr mit den übrigen Vereinsthalern deutscher Staaten zu vollem Nominalbetrage in die Markrechnung herübergenommen und werden auch mit dem alten Courantgelde der deutschen Münzstätten noch geraume Zeit hindurch bet uns circuliren müſſen.

162

Das Geld und Münzwesen.

Aus der nachstehenden Tabelle wird Jedermann mit Leichtigkeit die Münzeinheiten der für uns im Verkehrsleben wichtigen Länder erfahren und das normale Verhältniß der im Auslande coursirenden Geldſorten z unserm deutschen Reichsgelde als ersten Anhalt betrachten müssen. Münztabelle. Land.

Münzsorte.

Normalwerth in Reichsgelde.

Frankreich (Belgien, Donaufürstenthümer, Italien, Schweiz, Spanien)

Franc à 100 Centimes

0,80 Mark.

Griechenland

Drachme à 100 Lepten

0,78 Mark.

Grossbritannien (England)

Pfund Sterling (Sovereigns) à 20 Shillings à 12 Pence

20,10 Mark.

Nordamerika .

Dollar à 100 Cents

4,13 Mark.

Oesterreich (Ungarn) .

Gulden à 100 kreuzer

Russland





Neu-

Rubel (Silber) à 100 Kopeken

2 Mark.

1,24 Mark.

163 11 *

Das Geld- und Müuzwesen.

Legt man diese Angaben zu Grunde , so wird man ohne weiteres durch Vergleichung der in allen größeren Tagesblättern enthaltenen Coursberichte ersehen, ob der Tagescours

der einzelnen Münzsorten ihrem Normal-

werthe entspricht.

Erreicht der Tagescours des franzöſi-

schen Napoleonsd'or (20 Francstück in Gold) den Normalwerth

von 16

Reichsmark ,

übersteigt

der

englische

Sovereign im Tagescourſe den Werth von 20 Mark, so ist kein Bedenken , französisches Gold und engliſche Noten zum Nominalwerthe anzunehmen. Bei Abweichungen ist folgendes Verfahren einzuhalten : Man berechne als Agio auf jede Münzeinheit den vollen Betrag der im Tagescourſe ersichtlichen Differenz .

Ift

beispielsweise der Napoleonsd'or mit 15 Mark im Coursberichte notirt, so beſtimmt sich der Werth des Franc auf 0,80

0,05 = 75 Pfennige.

Der Cours russischer Bank-

noten ist gegenwärtig mit 260 Mark verzeichnet.

Aus

dem legten Courſe der österreichiſchen Guldenſcheine von 170 Mark erhält man den augenblicklichen Werth des österreichischen Guldens mit 17 Sgr. = 1,70.

Ein öster-

reichischer Eisenbahncoupon mit dem Nationalwerthe von 10 Gulden wird demzufolge mit 17 Mark einzuhandeln ſein. Selbstverständlich wird für den Besißer ausländischer Werthe die umsichtige Benuzung der oft in selbst kurzen Zeiträumen nicht unerheblichen Coursſchwankungen von 164

Das Geld und Münzwesen.

Vortheil sein.

Der Nichteingeweihte thut sehr wohl daran,

ſich auf derartige Speculationen nicht einzulaſſen.

Ganz

fehlerhaft würde es sein , längere Zeit hindurch fremde Geldſorten aufzubewahren , wenn man es nicht in der Hand hat, den Zeitpunkt der schließlichen Veräußerung nach Belieben zu bestimmen.

Am allerwenigsten empfiehlt

es sich, Ersparniſſe in baarem Gelde hinzulegen, da, felbſt wo kein Coursverlust zu erwarten ist, in Jahr und Tag durch Einbuße der Zinsen ein ganz erheblicher Nachtheil entstehen

muß.

Eine sichere Sparcaſſe , bei

höheren

Beträgen der Erwerb guter Hypotheken oder Staatsschuldscheine, können unbedingt zu nugbarer Anlage kleinerer oder größerer Capitalien empfohlen werden.

Man darf

ſich nur vorhalten, daß es Capitaliſten giebt, welche vom Zinsenertrag ihres

Capitals ihren Unterhalt bestreiten,

um einzusehen, daß die Zinsen kleinerer Capitalien, auch wenn dieselben allein

keine auskömmliche Einnahme für sich

gewähren , doch jedenfalls zur Erleichterung der

sonstigen Erwerbsthätigkeit dienen müſſen. Sachgemäß muß sich an die vorſtehende Erörterung über das Werthverhältniß der verschiedenen Geldſorten der Hinweis auf gewisse Regeln des Anstands anschließen, welche beim Empfangen und Auszahlen kleinerer und größerer Geldbeträge zu beobachten sind.

Das vielge-

brauchte Wort, daß in Geldsachen die Gemüthlichkeit aufhöre, darf ums Himmels willen nicht so verstanden werden,

165

Das Geld und Münzwesen.

als ob bei Geldgeſchäften der Anſtand ungestraft verlegt werden dürfe.

Rücksichtsvolles Benehmen ist auch hier

fehr wohl vereinbar mit Geschäftsroutine und Pünktlichkeit, wie sie durch die Natur der Sache gefordert wird . So weit es die Umstände erlauben , muß die gefällige Form und der feine Takt der Abwickelung derartiger Geschäfte zu Hilfe kommen.

Vor Allem ist jede unnöthige

Belästigung und Umständlichkeit im Geſchäftsverkehre zu vermeiden.

Bequemlichkeitsliebe und Gewinnsucht dürfen

in keinem Falle zu Rücksichtslosigkeiten und Uebervortheilungen verleiten , welche nur zu ſehr geeignet sind, Unannehmlichkeiten und Mißgriffe herbeizuführen . Größere Uebung wird den nöthigen Ueberblick bei Empfangnahme von Geldzahlungen verschaffen ; Schwerfälligkeit in dieſen Dingen berührt sehr unangenehm und erweckt den Schein des Mißtrauens .

Jedenfalls muß dem Empfänger aber

das Recht zugestanden werden , sich bei dem Empfang von der Richtigkeit der Zahlung zu überzeugen.

Es ist

eine gute Sitte bei Einhändigung und Annahme von Banknoten oder Geldſtücken, welche den Betrag der Rechnung übersteigen , die Ziffer der umzuwechselnden Geldsorte mit deutlichen Worten zu nennen.

In der Ordnung

ist es , vor Abzug des Betrages die gewechselte Summe zu präsentiren und dem Zahlenden die Rückgabe des Rechnungsbetrages zu überlassen .

Falls ein ausdrück-

licher Wunsch nicht geäußert worden ist , beobachte man

166

Das Gelb - und Münzwesen .

möglichst das Verfahren, in denselben Geldſorten zu wechseln, in welchen gezahlt wurde.

Auf größere Scheine gebe

man den Ueberschuß in möglichst großen Appoints heraus, nicht etwa in kleiner Münze oder in Geldrollen von schwerem Gewichte.

Mit Geldrollen kann man an öffent-

lichen Cassen , nicht aber im Kleinverkehre zahlen .

Auch

muthe man dem Empfänger nicht zu , Münzen von zweifelhaftem Gepräge in Zahlung anzunehmen , oder dem Aufzählen des Geldes längere Zeit hindurch zuzusehen. Am allerwenigsten

darf bei solchen Gelegenheiten eine

Andeutung auf ein erwartetes Trinkgeld gemacht werden. Jedes Abweichen von diesen durch Rücksicht auf den Anstand gebotenen Regeln bedarf einer ausdrücklichen, in höflicher Weise vorzubringenden Entschuldigung ,

durch

welche die Unmöglichkeit dargethan wird, der Bequemlich, keit des Empfängers im vorliegenden Falle so , wie man wohl möchte, Rechnung zu tragen.

Menschenkenntniß und

Berücksichtigung der Umstände werden das richtige Benehmen am sichersten finden laſſen.

167

Rückblik.

wenn ich bisher die Pflichten der Bedienung eines Hôtels, einer Reſtauration besprochen und in allen Capiteln beleuchtet, auch an richtiger Stelle gewarnt und belehrt zu haben glaube, so kann ich mir dennoch eine Wirkung nur dann versprechen, wenn die Prinzipale auch ihrerseits ihre Mithülfe nicht versagen. Alles Bestreben ,

das Hôtelwesen

zu

heben ,

muß

scheitern, wenn wie bisher ſelbſt in guten Häusern Individuen Anstellung als ,,Kellner" erhalten, die nicht einmal Aushelfer bei Coneine Lehre durchgemacht haben , certen u. f. w. rechne ich nicht zu Kellnern ,

wenn es

alſo Leuten , die aus anderen Geſchäften wegen Untauglichkeit fortgejagt, die sogar mit der Polizei bedeutend in Conflict gerathen ſind, möglich ist, als Kellner Aufnahme zu finden. In richtiger Erkenntniß solch trauriger Verhältniſſe, die das deutsche Hôtelweſen

168

in Mißcredit bringen, wird

Rückblid.

unter Anderem Herr L. Uhlemann in Leipzig dem nächſten Gastwirthstag in Hamburg den Antrag stellen , daß sich die Wirthe dahin einigen, von einer durch die Verſammlung noch näher zu bestimmenden Zeit ab fortan keinen Kellner mehr anzustellen , der nicht den Nachweis führen kann, daß er eine zweijährige Lehrzeit bestanden hat ; einzuführende

Attest - Bücher sollen über die

des Einzelnen Aufschluß geben.

Vergangenheit

Dies ist nach meinem

Dafürhalten ein wichtiger Punkt , auf den bei größeren Versammlungen der Gastwirthe eher ein Augenmerk zu richten wäre , als auf kleinliche Nebendinge .

Und wenn

man auch für die ersten Jahre einen großen Nußen hiervon sich nicht versprechen kann, so wird diese Maßregel doch mit der Zeit gute Früchte tragen ;

für Wirthe inſofern,

als sie in einem Buche alle Zeugnisse, auch die schlechten, die sonst oft vernichtet werden , vorgelegt bekommen , für tüchtige Kellner, weil ihre Zeugnisse unter den anderen hervorragen .

Untüchtige Kellner aber werden

ein schlechtes Atteſt mehr als jeßt zu fürchten haben und sich einer Besserung befleißigen. Ich habe in den früheren Capiteln

absichtlich ver-

mieden, das Gebiet des Einzelnen durch scharfe Linien zu bezeichnen , d. h . festzustellen , wie viel Jeder seiner Stellung nach von dieſen Obliegenheiten zu übernehmen hat. Die

Vertheilung

Prinzipal

oder dem

der

Arbeiten

Oberkellner , 169

muß der

dem

dessen

Rückblick.

Stelle vertritt , überlassen bleiben und ist nach Maßgabe der Größe , des Besuchs , des Ranges eines Hôtels verschieden.

In einem kleineren

muß oft der

Oberkellner Geschäfte übernehmen, mit denen in größeren Häusern die Restaurationskellner beauftragt werden.

Es

kann daher nicht in meiner Absicht liegen, eine schablonenartige Abgrenzung der Obliegenheiten eines Jeden zu punktiren.

Ohnedies wird ja ein verſtändiger Prinzipal

nicht dem Kellner andauernd Arbeiten zumuthen , welche dem Hausknecht zukommen , andererseits aber treten oft Fälle ein, wo der Oberkellner, ja auch der Prinzipal sich nicht besinnen dürfen , Dienste zu thun , die unter ihrer Stellung sind. Das Wort „ das geht mich nichts an ," darf daher von einem im Hôtel Angestellten, gleichviel welchen Ranges, nicht gehört werden, denn ihn geht Alles an, was zum Besten der Gäste wie des Hauses zu thun nöthig ist, nur darf die Eintheilung der Arbeiten nicht so getroffen ſein, daß für eine und dieselbe Function zwei oder drei Leute zugleich bestimmt sind. Denn dann beruft sich Einer auf den Anderen und schließlich legt nicht Einer Hand an. Es bleiben nun, um die Maschinerie einer Hôtelwirthſchaft vollſtändig kennen zu lernen, noch einige Stellungen zu beachten, die auch ihrerseits das Ineinandergreifen des ganzen Räderwerkes befördern oder hemmen können und deshalb wohl werth ſind, daß ihnen hier eine Besprechung

170

Nücblic.

wird.

Ehe ich aber zu ihnen übergehe, fühle ich mich ver-

anlaßt, zwei Stellungen noch besonders zu berücksichtigen, die des Oberkellners und die des Kochs.

Zwar ſind

die Obliegenheiten des Ersteren eigentlich der Art, daß ſie in einem kurzen Kapitel nicht zusammengefaßt werden können, und überdies zieht die Aufzeichnung dessen , was ihm Pflicht ist, sich wie ein rother Faden durch das ganze Buch.

Seine Stellung ist eben eine solche, die alle andern

in sich zusammenfaßt, in der alle andern aufgehen , und auf seinen Schultern ruht zum großen Theil das Wohl und Wehe des Hôtels.

Deshalb wird es nicht als über-

flüssig bezeichnet werden können, wenn ich im Nachfolgenden nochmals das Bild eines tüchtigen Oberkellners in characteristischen Strichen skizzire. Der Koch ist nicht weniger eine verantwortliche Person, ſo daß es nicht zu vertheidigen wäre, würden ſeine Functionen nicht auch eine,

wenn auch kurze Besprechung

finden.

171

Der Oberkellner.

Was as in einer Fabrik der Dirigent oder Werkführer, das ist im Hôtel der Oberkellner.

Wie Jener

ſeine Arbeiter überwacht, ihre Pflichten ihnen zuweiſt und von ihnen als Vertreter des Prinzipals reſpectirt werden muß , so hat dieser nicht weniger einen verantwortlichen Posten, der, wenn er in falschen Händen , das ganze Werk ins Stocken bringen kann.

Sein Amt ist um so

mehr ein schwieriges , als es gilt , den oft weitgehenden Anforderungen des Publikums gerecht zu werden , ohne dabei das Intereſſe des Prinzipals aus dem Auge zu verlieren , und es fordert daher einen klaren Kopf und männlichen Ernst.

Der Oberkellner muß die Betriebs-

verhältnisse seines Hauses übersehen ,

das Geschäft in

seinem ganzen Umfange im Auge haben und durch eigene Ueberlegung alle sich bietenden Vortheile schnell erkennen und wahrzunehmen wissen.

Dazu aber ist weiter Erfah-

rung und selbstständiges Urtheil nothwendig. 172

Sein

Der Oberfellner.

Ehrgefühl aber verlangt wiederum , daß er Vortheile, die ihm selbst durch Trinkgelder u. s. w. geboten werden, ſofort zurückweiſe, wenn dadurch demRenomée ſeines Hauſes ein Nachtheil erwachsen könnte.

Ein tüchtiger Oberkellner

wird an dem Grundſage festhalten , daß nichts im Geſchäft vorgeht, wovon er nicht unterrichtet wäre.

Nicht einseitig

darf seine Thätigkeit ſein , nicht ſich auf die Buchführung beschränken oder sich nur mit der Bedienung der Gäste befassen ; seiner Aufsicht untersteht nicht der Speisesaal allein, oder nur die Reſtauration, die Fremdenzimmer, nicht Dies oder Das soll ihn hauptsächlich beschäftigen, überall muß er sein Auge haben, hier anordnen , da - aber nachhelfen, dort verwerfen, dann wieder belehren , — Alles mit der gehörigen Ruhe ! Da er nöthigenfalls den Chef in allen Stücken zu repräsentiren hat, so ist es auch unbedingt nothwendig , daß er die Hôtelverhältniſſe in allen Theilen kenne , daß der Mechanismus des Betriebes bis zur kleinsten Feder ihm klar sei.

Und deshalb

dürfen ihm Intelligenz und Umsicht nicht fehlen. Die Klugheit wird ihm sagen , daß die Zeit, in der er den Prinzipal vertritt , ihm die kostbarste Lehrzeit ist, und in seinem eignen Intereſſe muß er sein ſchließliches Ziel der Selbstständigkeit so im Auge haben , daß er bei allen Dispositionen stets sich fragt : wie würdeſt du als Prinzipal hier handeln ? daß er aus allen Vorkommniffen für seine Geschäftsroutine Nußen zieht. 173

Unverant-

Der Oberkelner.

wortlich thöricht wäre es , wollte er die tauſenderlei Erfahrungen unbeachtet an sich vorübergehen laſſen , um ſie ſpäter im eigenen Geſchäft mit ſchwerem Gelde zu bezahlen. Ein unbedingtes Erforderniß für einen tüchtigen Oberkellner ist es ferner, daß er die Plagverhältnisse , nach denen ein gutes Hôtel seine Einrichtungen treffen muß, so schnell und eingehend wie möglich ſtudire , damit er auch hierin immer au fait ſei. Was Umgangsformen und Eigenschaften in Bezug auf sein Aeußeres betrifft, ſo will ich hier nur auf das früher Gesagte verweisen. Durch seine Stellung

ist der Oberkellner das

ver-

mittelnde Glied zwischen dem Prinzipal und seinen Untergebenen , und seine Pflicht ist es , wenn unter Leßteren Differenzen entstehen , dieselben in einer Weise auszugleichen , werde.

daß nicht erst der Prinzipal damit behelligt Die Ausbildung der Kellnerlehrlinge , die

Aufsicht über ihre Beschäftigung innerhalb pie außerhalb ihrer Berufsthätigkeit fällt in erster Linie zwar dem Prinzipal zu, da dieser aber wohl selten Zeit übrig hat , um sich eingehender um Jene bekümmern zu können, so ist es der Oberkellner besonders , dem ihr Wohl am Herzen liegen muß. von ihm

Und das bedenke er wohl ! bedenke, daß es

abhängt, brauchbare oder unbrauchbare Leute

heranzubilden , sich die Dankbarkeit oder die Verwünschungen Jener zu verdienen.

Er gehe ihnen daher mit

gutem Beispiele voran, handle stets so, daß er ihnen zum 174

Der Oberkellner.

Muster dienen kann, denn, wie ein altes Sprichwort ſagt, junge Leute werden durch nichts besser , als durch gutes Beispiel erzogen.

Er wird also des Morgens, wenn auch

nicht der Erste sein, so doch früh genug aufstehen, um sich sofort zu überzeugen , ob ſeine Untergebenen an ihrem Plaze sind, ob ihr Aeußeres nicht Unreinlichkeit verrathe, ob die Wirthschaftsräume, was Ordnung und Sauberkeit betrifft, nichts zu wünschen übrig laſſen, kurz er muß sich die Ueberzeugung verſchaffen, daß Alles „ im beſten Gange“ ist , daß Jeder die ihm zugewiesene Arbeit mit der gehö rigen Pünktlichkeit besorgt.

Und Abends wird er seinen

Posten nicht verlaſſen, ohne die Gewißheit zu haben, daß die nöthige Regelmäßigkeit im Betriebe nicht gestört iſt. Besonders hervorheben will ich noch die Nothwendigkeit, daß ein tüchtiger Oberkellner sich nicht schlafen legt , ehe er nicht die Ueberzeugung hat , daß die Sicherheit des Hauses nicht durch Gas und Feuer gefährdet ist.

Ueber-

haupt wird er stets dafür sorgen , daß nicht durch ein Zuviel oder Zuwenig von dieſem kostspieligen Material die Interessen des Hauses geschädigt werden . Strenge Pünktlichkeit , Liebenswürdigkeit im Verkehr mit den Fremden , gute Manieren , solide Aufführung werden ihn zu einem unentbehrlichen Gehülfen des Prinzipals

machen.

Seinen Untergebenen

gegenüber aber

befleißige er sich einer gewissen Zurückhaltung, bedenke er immer seine Stellung als Vertreter des Prinzipals und 175

Der Oberkellner.

laſſe ſich nicht beikommen, mit ihnen auf zu collegialiſchen Fuß sich zu stellen, oder gar gegen den Prinzipal zu conspiriren .

Keine kalte gebieterische Strenge, aber auch

keine übertriebene Freundschaftlichkeit ! Dann nur wird

er sein Haus nach innen und

außen so vertreten , wie es von einem tüchtigen Oberkellner verlangt wird.

176

Der Koch.

Der er Koch nimmt im Hôtel eine Stellung ein, deren Bedeutung vom großen Publikum nicht nach Verdienst gewürdigt wird. Man nennt es

fingen," wenn die ausgebranntweinte

Kehle eines Sonnenbruders zur Musik seines verſtimmten Leierkaſtens die unglaublichsten Schnarrtöne zum Himmel empor schreit, - und fingen" nennt man es , wenn die Lucca - ſie verzeihe mir diesen Vergleich ihre hochgebildete Stimme ertönen läßt. Wie es mit dem Singen , so ist es mit dem Kochen. Kochen kann schließlich Jeder , aber fragt mich nur nicht wie!

Der Soldat im Felde bereitet sich seine Erbswurſt-

suppe und nennt das kochen , und im Palast des Fürsten bereiten zehn, zwanzig Hände mit raffinirter Geschicklichkeit die ausgesuchtesten Gerichte,

auch sie kochen. 177

Stab, Hôtel.

12

Der Koch.

Wo aber soll man eine Grenze ziehen , wo der handwerksmäßige Koch aufhört und der Künstler – denn ein in seinem Fache ausgebildeter Koch verdient in der That diesen Namen - wo der Künstler anfängt!

Es kann

auch nicht in meiner Absicht liegen, bei Dem, was die internen Angelegenheiten des Küchenwesens betrifft, eingehender zu verweilen , dazu

wäre ein besonderes Buch *

erforderlich, nur einzelne Aeußerlichkeiten, welche gleichwohl für die Stellung eines Koches von Wichtigkeit sind , will ich kurz erwähnen. Die Cardinaltugend

des Koches ist Reinlichkeit,

und zwar nicht diejenige Reinlichkeit , welche nach dem Diner die weiße Schürze umbindet , die weiße Müße aufſeßt , ſondern Reinlichkeit, die von Früh bis Abend ſich gleich bleibt, die sich von ihm , dem Koch , auch auf das Küchenpersonal Küch und

des

überträgt

und

Geschirres

in der Sauberkeit der

ihren deutlichsten Ausdruck

erhält. Nicht das Herumlaufen von einem Caſſerol zum anderen mit dem Schaumlöffel in der Hand iſt das Zeichen eines tüchtigen Koches , sondern stete Reinlichkeit und Ordnung der Küche, soweit es die Anrichtung der Speiſen gestattet, giebt Beugniß für eine gute Verwaltung des

*) Rottenhöfer, theoretisch - praktische Anweisung in der Kochkunft. München: Braun u. Schneider, sei dafür empfohlen. 178

Der Koch.

Küchenweſens.

Fremde, welche Zufall oder Absicht in die

Küche führt, sollen nicht den Eindruck der Lüderlichkeit empfangen , nicht fürchten müssen , daß der ſorgloſe oder unordentliche Koch zum Aufbewahren der Speiſen kupferne Geschirre benugt, und ſie ſo vielleicht zum Tode vergiftet werden.

Ein tüchtiger Koch achtet ferner ebenso sehr

auf ein gutes Aussehen der Gerichte wie auf Schmackhaftigkeit derselben, da auch die idealſt angelegten Naturen einen Unterschied machen zwischen einem in ranzigem Fett schwimmenden, halb verbrannten, lederzähen Beefsteak und einem solchen, das ſchon durch sein Aussehen den Appetit reizt. Und vor Allem ist es die Sparsamkeit , welche einen tüchtigen Koch auszeichnet , ihn in der Verwaltung des Hôtels

zu

einem

gewinnbringenden

Factor

macht.

Was hilft dem Prinzipal ein Koch, der allerdings ganz gute Gerichte liefert, die aber mehr koſten als einbringen? Umſomehr muß es die Pflicht eines gewissenhaften Kochs. sein, die Materialien im Intereffe des Hauses zuſammenzuhalten, als seine Stellung eine Vertrauensstellung iſt, die, wenn ſie nicht mit der schuldigen Treue verwaltet wird, das Wohl des Hôtelbeſizers zu untergraben geeignet ist. Das Verhältniß des Kochs zum Prinzipal iſt gleich dem des Oberkellners ; dem Küchenperſonal gegenüber befindet er sich in derselben Lage wie der Oberkellner ſeinen Unter179

12 *

Der Roch.

gebenen gegenüber, d. h.

er hat dieselben Rechte und

Pflichten. Pflichten insofern, als er für ihre Ausbildung nach Kräften zu sorgen hat, was, besonders wo Lehrlinge ihm anvertraut sind, für ihn Ehrensa che sein muß.

180

Der Portier.

Was in einer Stadt die Polizei ist , die sich zur Aufgabe macht , einkehrende und auswandernde Perſonen zu controliren, die Bürger und ihr Eigenthum nach allen Richtungen zu beſchüßen, namentlich auf verdächtiges Gefindel ein scharfes Auge zu haben , das soll der Portier im Hôtel sein.

Deshalb steht es ihm gut, wenn er ſeinem

Posten einen etwas militairiſchen Anstrich zu geben weiß und sich auch im Reden einer Kürze befleißigt. eine „feine Nase“ haben , genau beobachten. eignet.

Er muß

Einkehrende und Abgehende

Nicht Jeder ist für solchen Posten ge-

Eine übertriebene Freundlichkeit ist hier eben-

sowenig am Plage als ein maſſives Wesen .

Wenn er

beim Empfang eines Fremden , namentlich wenn Prinzipal oder Oberkellner zugegen sind , sich vordrängen, die vielleicht freundliche Anrede des Fremden in familiärem Tone erwidern wollte, so müßte man annehmen , daß es ihm an der nöthigen Beſcheidenheit fehle.

Er sei artig,

zeige in allen Dienstleistungen die größte Aufmerkſamkeit 181

Der Portier.

bei devoter Zurückhaltung.

Er forge , daß das Gepäck

der ankommenden Fremden sofort in die bestimmten Zimmer geschafft werde, und notire sich Alles, wie es die Vorschriften des Hausbuches verlangen.

Gegebene Auf-

träge muß er ebenfalls gleich notiren , selbst wenn er sie für nicht wichtig hält.

Kleine Ursachen haben oft große

Wirkungen, und ein Vergeſſen kann oft die nachtheiligsten Folgen für den Auftraggeber wie für ihn selbst haben. Wer weiß, wie er im nächsten Augenblicke in Anspruch genommen wird, die Aufträge können seinem Gedächtnisse entfliegen, deshalb beherzige er den weisen Rath : ,, Aufgeschrieben ist angebunden."

Das Intereffe der

Fremden muß er wahren und sie vor Uebervortheilung schüßen.

Hierin wird leider oft in größeren Städten, wo

Recherchen anzustellen dem Fremden bereitet, häufig gesündigt.

oft Schwierigkeiten

Ich denke vor allen Dingen

an die Droschkenfahrten, bei denen es Aufgabe des Portier ist , falls der Fremde nicht selbst die Bezahlung des Droschkenkutschers übernimmt , zu zahlen und zwar nur nach der Tare.

Will der Fremde noch ein Trinkgeld zu-

legen , so hat er selbst dies zu beſtimmen.

Ueber-

haupt hat der Portier mit den in der Nähe befindlichen Droschkenkutſchern

ein Zeichen zu verabreden , so

daß beim schrillen Ton der Pfeife sofort ein Wagen erscheint.

Auch bei der Bestellung von Miethwagen hat

der Portier stets den Vortheil der Gäste ins Auge zu faffen. 182

Der Portier.

Genauen Bescheid

wissen

muß jeder gute

Portier

mit der Handwerkerschaft seiner Nachbarschaft , so daß er über den nächsten Schuhmacher, Schneider oder Handschuhmacher sofort die genügende Auskunft geben , oder falls Jene verlangt werden, fie bestellen kann. Besonders ist das Leßtere nothwendig in Bezug auf den Barbier oder die Friseuse ,

Personen, welche ja im

Hôtel so häufig gewünscht werden , daß sie in größeren Hôtels fast mit zum Personal gerechnet werden können. Eine sehr wichtige Aufgabe , welche in vielen Hôtels ausschließlich dem Portier Wecken der Fremden.

zufällt ,

ist

das rechtzeitige

Schon an anderer Stelle ist er-

wähnt worden, daß ein Fremder, der troß seiner Weisungen so spät geweckt wird, daß er vielleicht ſeinen Zug verſäumt, oft in so ärgerliche Stimmung versezt wird , daß er auf den Wiederbesuch des Hôtels gern für immer verzichtet. Lieber zehn Minuten zu früh , wie zu spät.

Im Noth-

fall poche er so lange an der Stubenthür , bis eine laute Antwort erfolgt. Ich will noch einen Punkt anführen , die Besorgung von Theaterbillets.

Oft muß der Fremde den dreifachen

Preis zahlen, weil der Portier, wohl gar noch der Oberkellner einen Gewinn davon ziehen wollen. Daß der Fremde seinen Verhältnissen nach einen so hohen Preis geben kann und wirklich bezahlt , iſt für eine solche Uebervortheilung keine Entſchuldigung. 183

Wenn

Der Portier.

diese Verbündeten gar noch durch heimliche Tuschelei und Augenblinzeln ihr gegenseitiges Einverständniß verrathen, so beschleicht den Fremden bei dieſer Wahrnehmung ein unheimliches Gefühl und bestärkt das Mißtrauen, welches der aus der Provinz Kommende bei Besuch einer größeren Stadt ohnehin schon mitbringt.

Die Erwähnten sind in

der Regel pecuniär ſo gestellt , daß sie auf solchen unredlichen Gewinn verzichten können , abgesehen von dem Schaden, den sie ihrem Prinzipal durch das Mißbehagen des Fremden herbeiführen . Der Portier vermeide in und vor dem Hause jede Conversation mit Leuten, die ihn geschäftlich nichts angehen. Stets habe er eine gute Kleiderbürſte zur Hand, um den Fremden, welche das Hôtel verlassen und vielleicht noch einer schnellen Kleiderreinigung bedürfen , zur Hand ſein zu

können.

Für die Reinigung der Fußbekleidung iſt

ſelbſtverſtändlich der Hausknecht zu rufen.

Ebenſo iſt es

Sache des Portier, stets ein paar Regenschirme vorräthig zu haben , damit er Freunden seines Hôtels , welche auf gutes Wetter gehofft haben, im Falle der Noth auszuhelfen im Stande ist. Correspondenzkarten , Briefmarken , Adreßbuch müſſen sich stets in seinem Besit befinden.

184

Der Kutscher.

I In der geregelten Organiſation eines Hôtels darf der Kutscher nicht fehlen ; wir müssen deshalb, wenn wir uns die Besprechung der einzelnen Stellungen vornehmen, auch über die seinige einige Winke folgen laſſen. Es kann nicht der Zweck dieses Capitels sein , die Verrichtungen

und

Einzelnen zu

Obliegenheiten

besprechen ,

ihm

des

Kutſchers im

in seiner Kunst des

Roſſelenkens Anweisungen zu geben, wir können nur ſein Amt im Großen und Ganzen und soweit es mit dem Hôtelwesen in Berührung kommt, zum Gegenstande unserer Besprechung machen. Es

giebt Kutscher , die mit ihren Pferden in einem,

ich möchte sagen , freundschaftlichen Verkehr stehen, ſie werth halten, zu allen Zeiten eine Sorgfalt für sie an den Tag legen , in dem Grade , daß sie , ehe nicht ihre Pferde besorgt sind , weder an eigne Erholung, noch an Essen und Trinken denken.

Bei Wind und Wetter suchen

185

Der Kutscher.

fie ihre Pfleglinge vor Erkältung zu schüßen , halten jede unnöthige Arbeit, jede Quälerei von ihnen fern und entſagen

einem

dargebotenen

Vergnügen ,

Pferde nicht in guter Pflege wiffen.

wenn ſie ihre

An der gehörigen

Versorgung, Reinigung, kurz an Allem, was zur Abwartung der Pferde nöthig ist, laſſen ſie es nicht fehlen.

Zu

allem Dieſen treibt sie nicht der Gedanke allein, daß ihnen in diesen Pferden von Seiten des Prinzipals ein großes Capital anvertraut ist , sondern ein inneres Pflichtgefühl. Sie haben die Pferde um ihrer selbst willen lieb , ſelbſt wenn sie nicht der edelsten Race angehören, und werden nie leiden , daß Andere es versuchen , ihre Lieblinge in roher Weise zu behandeln.

Vor solchen Leuten muß man

Respect haben , und wenn sie sonst einen ordentlichen Lebenswandel führen , kann man ihnen ohne Sorge ihr Amt überlassen. Leider gehören nicht Alle, die als Kutſcher fungiren, dieser besseren Klaſſe an, vielmehr müssen sich Diejenigen glücklich schäßen , welche Leute finden , die in erwähnter Weise ihr Amt verwalten.

Und doch erweisen sie damit

ihrem Herrn nicht eine bloße Gefälligkeit, ſondern es ist ihre Pflicht und Schuldigkeit , so und nicht anders zu handeln. Ein Prinzipal verlangt von seinem Kutscher ebenso wie von den übrigen Untergebenen zunächst einen ſoliden, ordentlichen Lebenswandel.

Sodann seßt er Erfahrung 186

Der Kutscher.

in der Wartung und Pflege seiner Pferde voraus und erwartet , daß der Kutscher bei Eintheilung des Futters streng Maß hält, nicht nach Laune verfährt oder bei vorhandenem reichlichen Material sich zu einem „ Zuviel“ verleiten läßt.

Die Pferde müssen, wie man zu sagen pflegt,

ihr Recht bekommen , nicht mehr , nicht weniger.

Geſchirr

und Wagen müssen in der besten Ordnung , blank und sauber sein, sie sind das Erste , was dem Fremden entgegentritt, sind die Theile der Wirthschaft, nach denen er das Ganze oft beurtheilt. Die Ställe müssen täglich mehrmals gesäubert werden, auch in ihnen muß möglichste Reinlichkeit herrschen. Seine Zeit muß der Kutscher nach einer richtig gehenden Uhr einzutheilen wiſſen , er muß im Kopfe haben , wie lange

er zum Anschirren gebraucht , wie viel Minuten

er bis ans Ziel zum Fahren nöthig hat , damit er zur festgesezten Zeit am Plage ist. Da die Hôtelwagen, was namentlich bei Verspätungen der Züge der Fall ist , oft auf die Ankommenden warten müſſen ,

kann man

nicht selten wahrnehmen ,

wie ſie

während dieser Zeit von Leuten, die sich gern auf BahnHöfen herumtreiben ,

als Aufenthaltsort benußt werden.

Es ist dies durchaus unstatthaft.

Gegen aufdringliche

Leute muß die Bedienung eines Hôtelwagens sich einer großen Zurückhaltung befleißigen ,

darf sich mit ihnen

nicht einlassen , überhaupt mit Niemandem, mit dem sie 187

Der Kutscher.

nicht in geschäftlichem Verkehr steht.

Ebensowenig aber

dürfen sich die Hôtelwagenführer unnöthig Feinde machen. Mit den Beamten der Eisenbahnen und Posten müſſen fie in gutem Einvernehmen zu bleiben suchen , ihnen soviel wie möglich bei Anbringung des Gepäckes zu Hülfe kommen; wobei aber jedenfalls mit der größten Vorsicht zu verfahren ist , denn einen höchst unangenehmen Eindruck macht es auf den Eigenthümer, wenn er ſieht , wie seine Sachen rücksichtslos

herumgeworfen werden.

Die

erwähnten Beamten können , wenn sie auch nicht immer nüßen , doch dem Hôtel Schaden zufügen.

Ein Achsel-

zucken , ein hingeworfenes Wort dem fragenden Angekommenen gegenüber , für das man sie geſeßlich nicht einmal belangen kann , ist hinreichend , um Fremde von einem Hôtel zu verscheuchen und eine andere Wahl_treffen zu laſſen.

188

Das Stubenmädchen.

In der Kette der Bedienung nimmt das Stubenmädchen eine nicht zu unterſchäßende Stellung ein, namentlich in Deutschland, wo die Besorgung der Zimmer ausſchließlich durch ſie und nur in seltenen Fällen , wie in Frankreich,

durch männliche Bedienung geschieht.

weniger man bei ihnen nun Ordnungsliebe,

Je

Sauber-

keit , Ehrlichkeit und Pünktlichkeit vermißt , je weniger ſie bei ihren Arbeiten durch Lärmen ſich bemerklich machen, desto besser. Anschauung

Der Fremde soll von Störung und jeder der

Reinigungsarbeiten verschont

bleiben,

überhaupt von Allem , was ihm sein unbehagliches oder ekelerregendes Gefühl wachrufen könnte; daher müssen Corridore von unreinen Geschirren und schmußigem Wasser frei gehalten werden.

Die Pflichten des Kellners

in Bezug auf Höflichkeit und Anstand haben auch für das weibliche Perſonal Geltung. Es gehört ein fester Character dazu, beſonders wenn das Stubenmädchen noch in jüngeren Jahren ist , allen 189

Das Stubenmädchen.

Anfechtungen , welche dieser Stand mit sich bringt, entgegen zu treten.

Ist sie leichtsinnig , so ist ihr Bleiben in der

Regel nicht von langer Dauer.

Das Stubenmädchen soll

jeder Unterhaltung mit dem Fremden in ſeiner Stube ſich möglichſt entziehen, antworten zwar, wenn einfache Fragen an sie gerichtet werden , aber niemals auf Schäkereien und Neckereien sich einlassen. Vorräthig muß ſie ſtets haben Stecknadeln, Nähnadeln mit schwarzem und weißem Zwirn.

Logiren im Hôtel einzelne

Damen, so sprechen dieſe zuweilen den Wunſch aus , daß sie nur durch das Stubenmädchen bedient werden. hat natürlich dieses nehmen , fallen.

welche

sonst

sämmtliche Aufgaben zu dem

Zimmerkellner

Hier über-

anheim-

Aber auch sonst werden von Damen sehr häufig

die Stubenmädchen zu kleinen Aushilfen , zum Anziehen u. s. w. verlangt.

Hat ein Stubenmädchen zugleich etwas

frisiren gelernt , um so vortheilhafter wird sie gerade in ihrer Stellung

diese Geschicklichkeit verwerthen

können.

Eine brave Hausfrau wird ihre weibliche Bedienung mit Rath und That unterſtüßen , darf es aber ebenso wenig an der nöthigen Strenge fehlen laſſen.

190

Der Hausknecht.

Der Hausknecht bildet ein wichtiges Glied in dem Hôtelpersonal.

Er ist im Stande, durch nachläſſige Arbeit,

Unpünktlichkeit in der Besorgung der ihm übergebenen Aufträge allen Fremden den Aufenthalt im Hôtel auf das Gründlichste zu verleiden . er für sein Aeußeres .

Vor allen Dingen ſorge

Nimmermehr wird man von ihm

verlangen , daß er in Lackstiefeln erſcheine ,

er mag

ruhig in Morgenschuhen mit bunten Strümpfen und Kittel kommen, aber reinlich ! Wichst er die Stiefeln, so kann. er sich eine Schürze vorbinden , welche durch Flicke ein Ansehen bekommen hat, wie die vereinigten Staaten von Nord - Amerika auf der Landkarte, wird er aber in ein Gaſtzimmer gerufen , dann binde er eine bessere Schürze vor.

Die Aufgabe des Hausknechts beſteht hauptsächlich

darin , für die Reinigung der Kleidungsstücke und den 191

Der Hausknecht.

Transport des Gepäcks der Reiſenden Sorge zu tragen. Kommt der Reisende an ,

Vorsicht vor

allen Dingen

bei der Behandlung seines Gepäcks , daß es nicht gestoßen , geworfen , kurz , schlecht behandelt werde. Koffer

muß

werden ,

in

daß

dem

Logirzimmer

das Oeffnen

gleich

so

Der gestellt

desselben mit den gering-

ften Schwierigkeiten verbunden ist.

Ueberzieher , Mantel

in den Kleiderschrank gehängt , Plaid und sonstige Reiſeeffecten

an die Kleiderhalter oder an

paſſende Stelle

gebracht. Was die Kleiderreinigung betrifft , so hat der Hausknecht darauf die größte Sorgfalt zu verwenden, besonders muß mit den Bürsten selbst öfters eine Reinigung vorgenommen werden, damit diese an den Kanten der Kleider und Knöpfe nicht Schmuß ablagern , statt fortnehmen.

Er

bitte die Gäste, bereits am Abend ihre Fußbekleidung vor die Thür zu ſehen, um am anderen Morgen schon in der Frühe die Reinigung

vornehmen zu können.

Ist das

Zimmer von einem Herrn bewohnt , ſo darfst du in der Frühe an der Thüre klopfen, um zu fragen, ob auch die Reinigung der übrigen Sachen gewünscht wird.

Jedenfalls

sind vorher sowohl bei Beinkleidern , wie bei Nöcken die Taschen ihres Inhalts zu entleeren und dieser auf dem Haupttisch hängen

niederzulegen ,

über

den

Arm ―

aus den Taschen fallen ,

damit vielleicht

34

beim

Ueber-

werthvolle

Sachen

oder beim Reinigen die in 192

12

nicht

Der Hausknecht.

der

Seitentasche befindliche Brille mit

dem Rohrstock

zerschlagen wird . Bemerkst du ein Loch in einem Kleidungsſtück, einen abgeriſſenen Henkel oder dergl., so frage den Fremden , ob er vielleicht den Wunsch hat , das Uebel von einem im Nebenhaus befindlichen Flick- Schneider oder G DerSchuster schnell beseitigt zu wiſſen. artige Aufmerksamkeiten werden gern anerkannt.

Aber

ftets Sorge getragen , daß der Fremde nicht zu warten braucht! Auch die Heizung ist Sache des Hausknechts .

AL-

zuviel ist ungesund und zu wenig macht erst recht kein Vergnügen.

Ein guter Hausknecht muß

und

die Leistungsfähigkeit

daß

bei

gehöriger

jeden Ofen

desselben so genau kennen, Berücksichtigung des Wetters er

ganz bestimmt beurtheilen kann, wie viel Brennmaterial er bei bestellter

Heizung

Er muß

zu nehmen hat.

sich im Heizen selbst eine gewiſſe Geschicklichkeit angewöhnen , so

daß binnen wenigen Minuten das Feuer

lustig flackert und er höchstens zum Nachlegen wieder zu erscheinen hat. Raucht der Ofen , zieht er nicht , hat er irgend welche - so ist es Pflicht des Hausknechts , sofort den Fehler, Wirth davon in Kenntniß zu sehen und auf Abhilfe zu dringen. Hat der Hausknecht beim

ersten Zeichen

bei

die

Nachtwache,

der Hand

so

sein ,

muß

193

Stab, Hotel.

er

in keinem

13

Der Hausknecht.

Falle den Fremden laſſen ,

vor der Hausthür lange warten

weder schlaftrunken noch

unwillig die

Thüre

öffnen, ſondern in bereitwilligſter Weise den Fremden bis an sein Zimmer begleiten und etwaige Befehle entgegen nehmen.

194

Bemerkungen über den Verkehr mit Gäften verschiedener Nationalität.

Bu den Anforderungen, welche der Dienfibetrieb größerer Hôtelwirthschaften an die Angestellten des Hôtels macht,

gehört außer einer gewissen Kenntniß fremder

Sprachen auch die Bekanntschaft mit den Sitten und Gewohnheiten anderer Völker.

Für Ausländer hängt

die Anziehungskraft eines Hôtels ganz wesentlich von der Leichtigkeit ab , sich mit dem Dienstperſonale über die nothwendigſten Dinge des Verkehrslebens zu verſtändigen. Die Anſtelligkeit des Einzelnen, ſeine natürliche Begabung, die Schule, welche er während seiner Lehrzeit durchgemacht hat, - alles Dieſes wird bei Ausübung des Berufes von wesentlichem Einfluß sein.

Eine genaue Bekanntschaft

mit dem Leben und den Lebensgewohnheiten des Auslandes wird aber durch Unterricht und bloße Belehrung aus Büchern nicht gewonnen werden.

Diese Belehrung kann

195

13 *

Bemerkungen über den Verkehr 2c.

höchstens dazu dienen, den Blick auf dieses specielle Gebiet des

Berufslebens

zu richten

und

denselben für

die

genauere Beobachtung der hier zu erwartenden Eigenthümlichkeiten zu schärfen.

Schwerlich kann darüber ein

Zweifel existiren , daß in dieser Beziehung Vieles zu lernen und zu erfahren bleibt , was den Verkehr im Hôtel zu erleichtern und angenehm zu machen im Stande ist. Der eigne Vortheil der Angestellten weist bei der in dem Hôtelwesen der Gegenwart üblichen Einrichtung der Trinkgelder auf die Dankbarkeit dieſer Arbeit hin .

Perſonen,

welche Aufmerksamkeiten und Dienstleistungen in besonders hohem Maße beanspruchen , wie das zumeist bei Ausländern der Fall sein wird, werden eben so sehr geneigt ſein, ein rücksichtsvolles Benehmen in entsprechender Weise zu honoriren ,

wie sie andererseits Gedankenlosigkeiten und

Nachlässigkeiten übel vermerken werden. Ausgedehnt ist der Kreis Deſſen , was in den Bereich dieser Thätigkeit gehört.

Guter Wille und scharfe Be-

obachtungsgabe werden einer etwa mangelhaften Ausbildung auch in diesem Stücke zu Hülfe kommen .

Solche

Reisende freilich , welche nur ein Nachtquartier begehren, um mit dem frühen Morgen ihre Reise fortzusehen , werden außer einer ihren Landesgewohnheiten entsprechenden Einrichtung

des

Schlafzimmers

kaum

andere Dienst-

leistungen verlangen, als rechtzeitiges Wecken und pünktliche Besorgung des Frühstücks . 196

Doch, so einfach der

Bemerkungen über den Verkehr 2c.

Dienst in diesem Falle erscheinen mag, ſo ausdrücklich muß auf die besonderen Lebensgewohnheiten derartiger Reisender in Bezug auf Zubereitung und Zuſammenstellung dieses Frühstücks Rücksicht genommen werden.

Der Eng-

länder liebt Fleisch und Eier schon am frühen Morgen, während den Angehörigen anderer Nationen Weißbrod mit Butter oder Honig , nebst Kaffee und Milch genügt. Eine Frage über die desfallsigen Wünsche des

Gastes

wird in jedem Falle bei Entgegennahme der Bestellung am Plaze sein. --- In weit höherem Maße tritt an die Bedienung die Nothwendigkeit heran , die Lebensgewohnheiten der Fremden zu studiren, wenn dieſelben längere Zeit hindurch unter dem gaſtlichen Dache des Hôtels zu verweilen gedenken; denn nur bis zu

einem gewissen

Grade ist die Behauptung richtig , daß Abwechslung den Hauptreiz des

Reisens

ausmache.

Die Mehrzahl der

Reisenden ist in Bezug auf Lebensweise und Tageseintheilung nur ungern zu einem Zugeſtändniß bereit.

Die

gute alte Zeit mit ihrem patriarchalischen Gepräge reihte den Gast ohne Weiteres in die Ordnung des Hauses und in das Familienleben

des

Wirthes ein.

Heut-

zutage sind , je größer die Hôtels und je rascher der Wechsel der

Gäſte , auch die Ansprüche der Lezteren je

nach Stand und

Nationalität sehr

verschieden.

Die

Reisenden sind keineswegs von vornherein gesonnen, auf alle Bequemlichkeiten, Eigenheiten und Gewohnheiten des 197

Bemerkungen über den Verkehr 2c.

heimathlichen Lebens zu verzichten .

Der Deutsche liebt

auf Reiſen bekanntlich Ungebundenheit , ohne allzugroßen Werth auf Pünktlichkeit und Regelmäßigkeit zu legen. Der Engländer nimmt seine geregelte Lebensweise überall mit sich ; derselbe wünſcht ſeine Tageseintheilung auch in der Fremde beizubehalten, ohne dabei auf Comfort und Bequemlichkeit soviel Ansprüche zu machen , wie beispielsweise Russen und Niederländer. Der Zuschnitt und Character der einzelnen Hôtels richtet sich nach den

durchschnittlichen Bedürfniſſen der

dort verkehrenden Gäste.

Als Anhalt für die Bedienung

der Gäſte muß hierbei der Grundſag dienen , die Reiſenden , jeden einzeln nach seinen Verhältnissen , Ansichten, Gewohnheiten und Eigenheiten zu behandeln , um denſelben möglichst vergessen zu lassen , daß er sich unter fremden Menschen befindet, welche aus dem Fremdenver kehre möglichst bequem einen reichen Gewinn zu ziehen trachten.

Das Hôtelgeschäft baſirt wie jedes andere kauf-

männiſche Geschäft auf Erhaltung und Erweiterung der Kundschaft.

Leßtere aber wird durch nichts sicherer ge-

wonnen und gefeſſellt, als durch Gefälligkeit und Zuvor-. kommenheit des Dienſtperſonals und durch zweckmäßige Bei der Erfüllung Regelung des Geschäftsbetriebes. dieser Anforderungen finden beide Theile am sichersten ihre Rechnung.

198

Die Gesundheitspflege des Kellners .

Eine unferer ersten und wichtigſten Pflichten ist die Sorge für unsere Geſundheit. ist die Bedingung

irdischer

Ein gesundes Leben

Glückseligkeit, ohne dieſes

können wir die Annehmlichkeiten , die uns sonst liehen sind, nur halb genießen.

ver-

Eine zerstörte Geſund-

heit erschwert uns den Umgang mit Anderen und die Ausübung unserer Pflichten.

Dagegen erleichtert das Gefühl von vollkommenemWohlsein jede Last der Arbeit, aus ihm entspringt heiterer Sinn, frischer Muth ; es zeigt sich auf unserm Gesichte, ſpricht aus unſeren Augen und ist somit ein Empfehlungsbrief, den keine Kunst uns geben kann.

Die Mittel , die Geſundheit uns

zu erhalten , lehrt uns die Vernunft ; oben an stehen : Mäßigung in den Bedürfnissen der Natur, Beherrschung stürmischer Leidenschaften, die nöthige Reinigung des Körpers und Bewegung in frischer Luft. 199

Wer in den

Die Gefundheitspflege des Kellners.

Tag hineinlebt, was namentlich bei jungen Leuten , die auf sich angewieſen ſind , oft der Fall ist , kommt häufig in Gefahr , Sachen nicht zu beachten , die für die augenblickliche Stellung sowohl , .wie für das künftige Leben von ganz bedeutendem Einflusse sind. Zu

diesen

wenig

beachteten

Verhältnissen

gehört

namentlich die Sorge für die nöthige körperliche Pflege. Wie häufig sieht man junge Leute von 16-18 Jahren mit allerhand ekelerregenden Erscheinungen im Geſicht, an den Zähnen, an den Händen, am ganzen Körper, Dinge , die oftmals durch leichte Mühe

geringe Aufmerksamkeit

zu beseitigen sind.

und

Wenn solche junge

Menschen es Anderen zumuthen, sich von ihnen bedienen zu laſſen , ſo übersehen sie den Zweck ihrer Beschäftigung ganz und gar; der Gast wird kein Local besuchen, wo er von Kellnern bedient wird, deren Aeußeres überall Spuren von Nachlässigkeit und deren Folgen zeigt.

Aber außer

diesem Schaden für seinen Brodherrn erwächst daraus dem jungen Mann selbst der große Nachtheil , daß durch Nichtbeobachtung

der hierzu nöthigen Sorgfalt körper-

liches Wohlbefinden und seine zukünftige Existenz selbst gefährdet ist. Das erste Gebot, welches wir dem jungen Manne vor allen Dingen ans Herz legen , ist allgemeine Reinhaltung der Haut. Wer, wie ein Kellner, in mit Rauch und allerlei Dünsten geschwängerter Luft zu arbeiten und mit allerlei 200

Die Gesundheitspflege des Kellners.

leicht beschmugenden Subſtanzen zu thun hat, muß darauf bedacht sein, häufiger eine gründliche Reinigung der Haut vorzunehmen, als dies unter anderen Verhältniſſen nöthig ist.

Ein reinlicher Kellner wird sich nicht allein

am

Morgen einmal von Grund aus tüchtig waschen, sondern noch einmal am Abend vor dem zu Bett Gehen ; wird, wenn ihm

Gelegenheit geboten ist ,

allwöchentlich auch

ein warmes Bad nehmen , ferner sich täglich die Zähne gründlich pußen, die Nägel verschneiden und vom Schmuß befreien und die Haare nicht bloß kämmen , bürsten und pomadiſiren, sondern auch von Zeit zu Zeit die ſich auf jedem Kopfe bildenden Schuppen entfernen . Besondere Fürsorge vielen

Staubpartikelchen ,

erfordert

das Auge ,

die in

da die

der Luft öffentlicher

Locale schweben und in das Auge eindringen , ferner die unvermeidliche Auges

Zugluft u. s. w .

veranlassen ,

werden ,

allerlei

welche ,

Reizzustände

wenn sie

Augenkrankheiten

des

nicht beachtet

hervorzurufen_im

Stande find. Nächstdem bedürfen die Hände einer aufmerksamen Sorgfalt.

Es steht nicht im Vermögen des Einzelnen,

sich eine schöne Hand zu machen , wohl aber , die Hände in einem Zuſtande zu erhalten , ſonen nicht unappetitlich sind.

daß sie anderen Per-

Der Kellner , der so viele

Dinge angreifen muß , der mit Flüssigkeiten

der ver=

schiedensten Temperaturgrade und Beschaffenheit umgeht, 201

Die Gesundheitspflege des Kellners .

der in Folge

des häufigen Wechsels von Näſſe und

Trockenheit der Hände , namentlich im Winter, u. s. w . dieſelben der Gefahr des Erfrierens ausseßt , hat ganz beſondere Veranlaſſung, meine Rathschläge zu befolgen. Es lehrt die Erfahrung , daß namentlich Diejenigen leicht die Hände

erfrieren ,

deren Hautoberfläche durch

aufgelagerten Schmuß gereizt wird , weil der Staub die Hauttalgdrüsen verstopft, ja tief in die obersten Schichten der Haut eindringt und Risse und Schrunden der Haut herbeiführt , Veränderungen , die in höherem Grade den Händen ſogar das Aussehen von kräßigen geben können. Und ferner, daß solche Hände besonders dazu hinneigen , bei eintretendem Froste anzuschwellen und ſelbſt geſchwürig aufzubrechen.

Das beste Mittel , diesem Uebelstande vor-

zubeugen , ist daher die allergrößte Reinlichkeit und im Winter sorgfältiges Abtrocknen.

Diejenigen , welche von

Natur eine spröde , rissige Haut haben, können diesen Zustand dadurch bessern, daß sie neben dem angegebenen Verfahren längere Zeit des Nachts Glacéhandschuhe anziehen.

Es bildet sich hierdurch eine weiche , zarte Haut,

und Diejenigen werden erstaunt ſein über die Wirkung dieses einfachen Mittels , welche , jahrelang mit dem genannten Uebel behaftet, dieſem Rathe folgen .

Sind die

Hände durch Frost angeschwollen und geröthet, so wasche man sie mehrmals täglich mit 1 Theile Benzin auf 50 Theile Wasser, und find die Hände 202

geschwürig

aufge-

Die Gefundheitspflege des Kellners.

sprungen , so verbinde man ſie Abends mit weißer Präcipitatſalbe. Ganz Aehnliches , wie wir jegt von den Händen sagten, gilt von den Füßen .

Die Reinlichkeit erfordert , daß

jeder Mensch mindestens alle acht Tage seine Füße mit warmem Seifenwasser wäscht.

Wer das nicht thut, kann

ſich nicht darüber wundern , wenn der Schmuß zwiſchen und auf den Zehen anklebt, wenn er wunde Füße und eingewachsene Nägel

bekommt ,

von

Hühneraugen

belästigt wird , ja die Zehen selbst eine schiefe Stellung einnehmen, was beim Gehen ſehr hinderlich werden kann. Die meisten Hühneraugen entstehen durch Sprödigkeit der Oberhaut in Folge des aufgeklebten Schmußes , und entziehen wir daher der Entstehung der Hühneraugen den Boden , wenn wir durch Fußbäder die Haut rein und geschmeidig erhalten.

Die zweite Ursache der Hühneraugen,

der Druck zu enger Stiefeln , ist freilich hiermit nicht zu beseitigen, wird jedoch weit weniger wirksam, wenn fleißig Fußbäder genommen werden.

Haben sich einmal Hühner-

augen gebildet , ſo nüßt allerdings das vorsichtige Ausschneiden auf kurze Zeit , besser ist es jedoch, wenn man mehrfache Schichten Heftpflaster aufeinander klebt, ein der Größe des Hühnerauges

entsprechendes

Loch

in dieſe

Schichten einschneidet und einen auf dieſe Weiſe hergestellten Heftpflasterstreifen um die Zehen herumlegt.

Es

wird

hierdurch der Druck auf das Hühnerauge vermieden, und 203

Die Gesundheitspflege des Kellners.

wenn man neben diesem Mittel noch die empfohlenen Fußbäder nimmt, ſo wird man sehr bald seine Füße von Hühneraugen befreien. Ein zweites Uebel der Füße sind die Fußschweiße. Dieselben können sehr

verschiedene Grade haben und

einen so penetranten Geruch liefern, daß man dieſen von weither durch die Stiefeln wahrnehmen kann.

Es muß

Jedem der Appetit, etwas zu genießen, vergehen, der mit einem solchen Menschen in Verbindung kommt.

Ueber-

dies haben ſchweißige Füße noch die unangenehme Seite, daß der mit ihnen Behaftete schlecht laufen kann , ihn die Füße schmerzen.

daß

Hier helfen warme Fußbäder

nicht allein , und vor kalten iſt zu warnen , weil sie nicht felten erhebliche Störungen im Körper im Gefolge haben. Es ist zwar

ein recht gutes Mittel ,

weiche ,

wollene

Strümpfe zu tragen und dieselben häufig zu wechseln, allein damit mäßigt man das Mittel auch nur unbedeutend. Die chemische Untersuchung hat gelehrt, daß die äßende Substanz des Fußschweißes in Buttersäure beſteht, welche man durch Einstreuen von kohlensaurem Magnesiapulver in die Strümpfe und Bepudern der Füße ſehr leicht neutralisiren kann , so daß sie ihre äßende Kraft verliert. Ein anderes, vielleicht noch besseres Mittel sind Waſchungen mit Löſungen von Salicylsäure , und wählt man dazu Lösungen von 1 Gramm Salicylsäure auf 300 Gramm lauwarmes Waffer.

Die Waſchungen macht man täglich 204

Die Gesundheitspflege des Kellners.

zwei Mal.

Durch diese eben angegebenen beiden Mittel

wird auf natürliche Weise die Zerſeßung des Fußſchweißes und damit ein Reiz , der fortwährend auf die Haut der Füße wirkt , gehoben, ohne Schaden gereicht.

daß es dem

Körper

zum

Wenn nun der Reiz des zerſeßten

Schweißes auf die Haut der Füße fehlt, so werden dieſelben auch weniger leicht wund werden. seine Füße durchgelaufen hat ,

Wer

aber dennoch

mag dieselben einreiben

mit Zinkſalbe, mit Hirschtalg oder anderen milden Salben, etwas weiches Leinen darum legen , die Füße vor Druck bewahren und einige Zeit schonen. Eine weitere wichtige Angelegenheit bildet die Zahnkultur. Wer gewohnt ist , Jahr aus , Jahr ein den Schmuß an seinen Zähnen zu behalten , kann sich nicht wundern, wenn er aus

dem Halse riecht und Andere

seine Nähe auf das Aengstlichste meiden.

Man sagt zwar,

die Ursache des üblen Athems komme meistens aus dem Magen.

Das ist in der That aber nur eine Entſchuldi-

gung der Unreinlichkeit , da die Gaſe des Magens nur von Zeit zu Zeit durch Rülpsen entleert werden, während der Mensch

mit

unreinlichen

Zähnen

den

ekelhaften

Geruch mit jedem Athemzuge dem Andern entgegenhaucht. Nichts ist leichter, als dieses Uebel sich vom Halfe zu halten.

Wer gute Zähne hat , braucht nur täglich mit

gewöhnlicher Hausſeife sich die innere und äußere Zahnfläche abzureiben und sorgfältig mit Waſſer nachzuſpülen ; 205

Die Gesundheitspflege des Kellners.

wer hohle und schlechte Zähne und schlechtes Zahnfleisch hat, kaufe sich in der Apotheke für zwei Groſchen milchsaure Magnesia und puße damit ; wer lockeres , geſchwüriges Zahnfleisch hat, ſo daß die Zahnwurzeln mehr oder weniger entblößt sind , betupfe es mit einer GerbsäureLösung und zwar 10 Gramm Gerbsäure auf 100 Gramm Waſſer. In neueſter Zeit iſt auch das Salicylsäuremundwasser gegen dieses Uebel empfohlen, und bereitet man sich dasselbe auf leichte Weise, indem man 3 Gramm Salicylsäure auf 10 Gramm Spiritus und

100

Gramm

Wasser nimmt; man spült sich damit täglich mehrmals den Mund aus. Wir kommen schließlich noch auf eine Hautkrankheit, in Blüthen und kleinen Abscessen (Finnen)

im

Gesicht bestehend , die bei jungen Leuten sehr häufig vorkommt und sie ungerechter Weise oft in den Ruf geschlechtlichen Leichtsinns bringt.

Das Gesicht bekommt

durch sie ein rothgeflecktes Aussehen, es bilden sich Knötchen in der Haut , die sich durch Eiterung entleeren und dann nicht selten sogar Narben hinterlassen , Pockennarben nicht unähnlich sind.

die den

Die Krankheit besteht

in einer Entzündung der Hauttalgdrüsen, wozu der Eine mehr wie der Andere geneigt ist.

Namentlich leiden Die-

jenigen häufig daran , denen das Blut leicht ins Gesicht ſteigt, oder die überhaupt eine größere Blutfülle in der Gesichtshaut haben.

Es entstehen zunächſt kleine ſchwarze 206

Die Gesundheitspflege des Kellners.

Pünktchen in der Haut, die, genauer untersucht , sich als die mit eingetrocknetem Hauttalg verstopften Talgdrüsen erweisen .

Der Schwindel hat sich dieser Krankheit vor-

zugsweise bemächtigt und empfiehlt allerhand kosmetische Mittel dagegen ; er läßt sich Thaler für Sachen bezahlen, die kaum ein paar Pfennige werth sind .

Wer an jener

Krankheit leidet, kann ein sehr einfaches und sicher wirkendes Verfahren anwenden.

Er sorge erstlich dafür,

daß der Talg in den Hauttalgdrüsen nicht eintrocknet, was er am besten dadurch erreicht , daß er täglich 3-4 Mal sich mit eiskaltem Wasser die Gesichtshaut tüchtig abreibt.

Dadurch wird die Bildung der verstopfenden

Pröpfe verhindert.

Gegen die schon vorhandenen Pröpfe

sind abendliche Einreibungen mit Provenceröl zur Auflöſung derselben am zweckmäßigsten, oder man kann auch große Talgdrüsen (sogenannte Miteſſer) durch Aufdrücken eines Uhrschlüssels los

werden.

Die Einreibung des

Provenceröls muß aber wochenlang stattfinden .

Folgen

diesem Auflösen die kalten Abwaschungen mit Waſſer, so kann sich Jeder mit Sicherheit die sogenannten Finnen und Pickeln vom Gesicht fern halten. Endlich will ich noch ein paar Worte sagen über die auch bei Kellnern wohl vorkommenden Verbrennungen der Haut und über Hautverlegungen durch schneidende Instrumente .

Bei Verbrennungen sind im Volke

besonders Umschläge von Leinöl mit Kalkwasser, Collodium, 207

Die Gefundheitspflege des Kellners.

rohem Kartoffelbrei u. f. w. in Gebrauch.

In neuerer

Zeit empfiehlt die mediciniſche Wiſſenſchaft ausschließlich die Umschläge von Compressen mit Eiswasser gegen Verbrennungen , www. niemals mehr die obengenannten Mittel, und ist es dringend zu rathen , dieser Empfehlung zu folgen.

Man wechsle aber schnell die eiskalten

Umschläge und lasse sie niemals warm werden.

Es wird

durch dieselben nicht allein der Reiz und der Schmerz an der verbrannten Stelle gehoben , sondern auch ein Blutandrang nach dieser Stelle verhindert , der die Ursache einer langwierigen Eiterung ist.

Während also nach der

alten Methode die Verbrennung durch Eiterung heilt, kommt man mit den Eiswaſſerumschlägen schneller , weil ohne Eiterung, zum Ziele. Was die Verlegungen durch scharfe Meſſer, durch Glassplitter u. s. w. betrifft, so reinige man vor Allem die Wunde von Splittern, Schmuß und dergleichen in kaltem Wasser. Bei einer kleinen Wunde wird Heftpflaster genügen, ist die Wunde aber groß und sehr blutend und zu vermuthen, daß eine Ader verlegt iſt, ſo drücke man sie durch derbe Umwickelung mit einem Tuche so lange fest zu, bis man den Rath eines Arztes eingeholt hat. Jedenfalls hüte man sich vor den sogenannten Heilpflastern der Quacksalber. Geseßt , nicht

daß unter Umständen auch der beste Arzt dir

helfen

könnte ,

salber von dir fern .

so hält

er doch einen Quack-

Besonders aber hüte dich vor der

203

Die Gesundheitspflege des Kellners.

bei Kellnern häufig vorkommenden Methode, zunächſt den Barbier um Rath zu fragen , der unter allen Umständen nicht klüger als der fragende Kellner selbst ist, durch ein paar kluge Redensarten

den unbewanderten Patienten

zu düpiren sucht und, wenn er ,,die Karre in den Dred" gefahren hat, ihn mit verschlimmertem Uebel schließlich doch an einen Arzt weist.

209

Stab, Hotel. 14

Empfohlene Bücher: Dr. Hamm , das Weinbuch. Leipzig J. J. Weber. Weinkarte von Europa. Rottenhöfer, die feinere Kochkunst.

München , Braun &

Schneider. Guyer, das Hôtelwesen der Gegenwart. Füßli & Co.

Zürich,

Rocco , der Umgang in und mit der Gesellschaft.

Orell,

Halle,

Otto Hendel.

( 5.2804)