Das heroische Zeitalter der nordisch-germanischen Völker, und die Wikinger-Züge: Eine Übersetzung aus dem dritten und vierten Abschnitte von P. A. Munch “Det norske folks historie” [Reprint 2022 ed.] 9783112682708


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German Pages 258 [260] Year 1855

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Vorwort des Übersetzers
Inhalt
Geschlechter - und Helden-Sagen vor der Wikinger-Zeit
Die Wikinger - Zeit und das Dana-Reich
Alphabetisches Namen-Verzeichnis
Berichtigungen
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Das heroische Zeitalter der nordisch-germanischen Völker, und die Wikinger-Züge: Eine Übersetzung aus dem dritten und vierten Abschnitte von P. A. Munch “Det norske folks historie” [Reprint 2022 ed.]
 9783112682708

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Das heroische Zeitalter der

nordisch-germanischen Völker, und

die Wikinger-Züge. Eine Übersetzung aus

frein dritten und vierten Abschnitte

von

p. A. Munch „D e t

norske

Folks

Historie^

von Georg Friedrich Clausten, Sccretär der Handelskammer zu Lübeck.

Lübeck, Verlagsbuchhandlung von A. Dittmer.

1 8 5 4.

Vorwort des Übersetzers. Das Interesse, welches die Übersetzung der beiden ersten Abschnitte

der Munch'schen Geschichte des norwegischen Volks (die nordisch - germa­

nischen Völker ic. Lübeck 1853) für die älteste deutsche Geschichte hat, (vergl. Göttinger gelehrte Anzeigen, 1853. Nro. 166. 167.

Litera­

risches Central-Blatt, 1853. Nro. 47.), fehlt auch den beiden folgenden Abschnitten nicht, welche die Sagen der herrschenden Geschlechter oder

Dynastieen, wie der einzelnen Helden vor der Wikinger-Zeit, so wie

die Wikinger-Zeit selbst und die Machtentfaltung der Danen und

Schweden oder die festere Begründung dieser beiden nordischen Reiche darstellt. Da eine vollständige Übersetzung der genannten beiden sehr aus­ führlichen Abschnitte für die Mittheilung des auch der deutschen Geschichte

näher angehörigen allgemeinen Theiles nicht erforderlich schien, so ent­

hält die vorliegende Übersetzung von den genannten beiden Abschnitten des Munch'schen Geschichtswerks nur die allgemeinen Einleitungen

und zwar von dem ersten Abschnitte oder dem heroischen Zeitalter nur die ersten zehn Kapitel bis zur Braawallaschlacht und deren nächsten Folgen.

Von dem zweiten Abschnitte oder der Wikinger-Zeit ist gleich­

falls nur die Entwickelungs-Periode während der frühesten WikingerZüge bis zu dem Epoche machenden Auftreten des Harald Haarfagre über-

Vorwort des Übersetzers.

IV

setzt, da eben die sorgfältigere Darstellung dieses Abschnittes im Origi­

nalwerke eine verhältnißmäßig reichere Ausbeute für die deutsche Ge­ schichte im Allgemeinen enthält, als die historisch schon Heller beleuch­

tete Zeit der nachfolgenden Wikinger-Züge.

Wenn diesemnach auch die vorliegende Übersetzung nicht als eine eigentliche Fortsetzung der mit den beiden früher erschienenen Abschnitten

begonnenen deutschen Übersetzung des Munch'schen Werks betrachtet wer­ den kann, so enthält fie doch, unbeschadet ihrer selbstständigen Darstellung

der heroischen Zeit der nordisch - germanischen Völker und der Entwicke­ lung der Wikinger-Züge, mit der früheren Übersetzung zusammen ge­ nommen den leitenden Gedanken, welcher der ganzen Munch'schen Dar­

stellung in Beziehung auf die älteste deutsche Geschichte zum Grunde liegt. Zur Erleichterung der Überficht ist auch diesem Bändchen eine In­

halts-Angabe und ein möglichst vollständiges Namen-Verzeichniß bei­ gegeben.

Die nachsichtige Beurtheilung, welche Übersetzer in den obenge­ nannten beiden Zeitschriften gefunden, läßt ihn auch für diese vielleicht

gelungenere Übersetzung auf eine gleiche Nachsicht hoffen. Lübeck im März 1854.

Inhalt I.

Geschlechter- und Helden - Sagen vor der Wikinger-Zeit. Seite.

1. Heroische S ag en d er V orzeit. ....................................................... 2.

Hyndluljod und Halfdan Gamle (der Alte).

3.

Skjoldunger.

Skjold.

Sceaf.

4. Yngve und die Ynglinger. Njörd.

Frey.

Manen.

...

3

Der Skjoldunger - Name.

...

12

Odins angebliche Wanderung.

Willkürliche Mythen - Erklärungen.

stamm in Uppsala.

Prove und Prije.

....................

Der Frodesrieden.

gen. Wals, Welse, Wölsungen. kungen oder Niflungen.

der Wölsungen.

Egil.

Sigmund.

.

7. Dan, Danp, Dyggve und Dag. Dyggve.

.

33

Gemeinsame germanische Heldensa­

Sigurd.

Niflungen.

Jarmunrech oder Hermanarich.

Walund.

20

Frode Fredgode (Friedenöprie-

........................................................................

6. Wölsungen und Nislungen.

Dan.

Odin.

Gothischer Fürsten­

Ursprung des Frauja-Cultus.

5. Frode und der Frode-Frieden. ster).

1

Halb-Danen

Königsname (Titel).

Gju-

Sagen-Kreis

39

.................................

Sage vom Dan.

Withesleth.

Der Name Dänemark.

...

62

8. Ivar Widfadme. Die letzten Ynglinger in Swithjod und die letzten Skjoldunger in Dänemark. Harald Hil­ detand und Sigurd Ring. Die Braawalla-Schlacht. Braut-

Anund. Jngjald Jldraade. Zwar Widfadme. Harald Hildetand. Olaf Trätelgja. Halfdan Hvitbein. Harald Hildetand ünd Sigurd Ring. Die Braa-

wallaschlacht. Sigurd Rings Tod. Skjoldunger - Sagen und Geschlechterver­

zeichnisse.

Saxo's Combinationen.

Glaubwürdigkeit der Sage.

Völker­

bewegung im Norden. Nationalität der älteren Danen. Historische Bedeu­ tung der Braawalla-Sage.

Zeit der Braawalla-Schlacht.

Ursachen

der Bewegung. Russische Sagen. Bewegungen im Osten. Khasaren. Gardarike.

Olaf Trätelgja.

.......

........

66

VI

Inhalt.

II.

Die Wikinger - Periode und das Dana-Reich. Seite.

1. Charakter und Bedeutung der Wikinger-Zeit.

Verschiedene Berichte.

2. Ragnar Lodbrok.

Aslaug. 3.

Dänische Berichte.

Eystein Belje.

Hladgerd.

.

.

.

108

Kraaka oder

.........

109

Das Schweden-Reich und das Dänen-Reich.

Ragnar's Söhne.

Hardeknut.

Neuere Danen.

.

............................................................................... 130

4. Unglinge-Könige in West so ld und Süd-Jütland (Schles­ wig).

Halfdan und Gudröd (Godfrid) Vejde-

Eystein.

Sigfrid.

K o n g e (Jagd - König). Sigfrid. Eystein Fret.

Westfoldsche Könige in Südjütland (Schleswig). Skiringösal und Heidaby. Süd-

Halfdan milde.

Danen in Süd-Jütland (Schleswig).

5. Gudröd's nächste Nachfolger. wig)

6.

Harald.

Die Söhne des Gudröd und Harald.

Erik der junge.

Halfdan Swart e.

Erwerb von Sogn.

gend.

134

Könige in Süd-Jütland (Schles­

Hamburgs Verheerung. Verband.

Gudröd (Godfrid).

Nortmannia.

Erik Gudrödssohn.

Olaf Geirstad-Als. ....

152

Eidsiva - Lag. Eidstva Thing-

Dessen Ju­

Halfdans zweite Vermählung. Harald Haarfagre.

Halfdan Swarte's Tod und Bestattung.

Swea-Könige

...

164

7. Erste Wiking e r-Züg e der Nordmänner in den westlichen

Gewässern. Zug nach Friesland.

Nordmänner.

berland.

Vorherverkündigungen in Betreff der

Erste Wikinger - Züge nach England.

Angriff auf Northum-

Züge nach Irland und den schottischen Inseln.

.....

181

8. ErstePeriode der Wikinger-Züge nach den Küsten des fränkischenReichs, Nach SpaNiennnd' bem Mit^telmeer. Zug nach Aquitanien.

und dem Mittelmeer. Weland.

9.

Zug nach Friesland.

Hasting.

Rörek der jüngere.

Zug nach Spanien

Rorek.

Ragnar.

Björn Eisenseite.

Ruhe in Frankreich.

Wikinger-Züge nach Irland und Schottland.

Reiche in Irland. lands.

Thorgisl.

Olaf hvite.

Aaögeir.

.......

Schottland.

189

Nordische

Entdeckung Is­

..................... 212

10. Wikinger-Züge nach England in der ersten Hälfte des

9. Jahrhunderts. 11.

Die Lodbrokssöhne.

Danen.

......

227

Charakter und Ursprung der Wikinger-Züge. See-Kö­

nige. Naes - Könige. Austrwiking. Westrwiking. Sclaven.

Zufluchtöörter der Wikinger.

Hisingen.

Osel. Hjaltland und Orknö-Inseln. Friedland (Asyl)

Halöre.

Strandraub.

Östliche Scheerenküste.

Themse. Hamtun (Southhampton).

.................................

231

Geschlechter - und Helden-Sagen vor der Wikinger-Zeit.

1. Heroische Sagen der Vorzeit. Derjenige Theil der Geschichte des Nordens, welcher weiter als in das achte Jahrhundert nach Chr. Geb., als die eigentlich unter dem Namen der Wikinger-Züge bekannten Unternehmungen ihren An­

fang nahmen, zurückgeht, ist uns nur unvollständig durch einzelne Sagen bekannt, die mehr oder minder mit Mythen durchwebt sind, in denen die Götter selbst an den Begebenheiten Theil nehmen und einen unmittelbaren Einfluß auf deren Gang ausüben.

Die heroische Pe­

riode des Nordens entspricht in der nordischen Geschichte demjenigen,

was in der griechischen den Zeitraum vor der dorischen Wanderung aus­ macht.

Diese Sagen drehen sich bei uns, wie in der griechischen Ge­

schichte, nicht so sehr um einzelne Völker, als um einzelne Geschlechter

und hervorragende Persönlichkeiten ; sie können uns wohl ein recht an­

schauliches Bild von dem großartigen Leben schaffen, welches sich damals in den Völkern zeigte, aber doch kein zusammenhängendes Gesammtbild. Überdieß ist es häufig nicht leicht zu bestimmen, was man als eine wirklich historische Persönlichkeit ansehen kann, deren Thaten von der Sage nur ausgeschmückt und vergrößert find, und was man bei reif­

licher Erwägung nur als die Personification einzelner Nationalitäten

oder Cultur-Entwickelungen oder gar als reine Phantafiegebilde be­ trachten muß.

Es ist dabei sehr schwer zu entscheiden, welche Sagen

dieser oder jener besondern germanischen Nationalität zunächst augehö-

ren; denn mehrere Sagen, wie z. B. die Wölunds- und Niflunge-

Sagen, erstrecken sich über die ganze germanische Welt; andere dagegen find dem ganzen Norden gemeinsam oder greifen, wenn fle auch urMunch Gesch. d. Norm. Volks.

II.

1

2

Sagen der Vorzeit.

sprünglich einem einzelnen nordischen Lande angehören, doch in die Be­ gebenheiten der übrigen Länder wirksam mit ein.

Man müßte annch-

men, was an sich auch wahrscheinlich ist, und mit der Darstellung von dem germanischen Volksleben zur Zeit der Völkerwanderung, wie uns

die griechisch-römischen gleichzeitigen Schriftsteller sie hinterlassen haben,

ganz übereinstimmt, daß einestheils die besonderen Nationalitäten und Stammesunterschiede unter den Germanen selbst noch nicht so scharf ausgeprägt waren, wie dieß in späterer Zeit der Fall war, andernthcils

daß alle germanischen Stämme noch in einer gewissen Unruhe sich be­ fanden,

welche ihre abenteuersuchenden jugendlichen Schaaren dahin

brachten, sich mit einander herumzutummcln, ohne sonderliche Rücksicht auf die geringen Nationalitäts-Verschiedenheiten zu nehmen.

Hiervon

scheinen ncmlich nicht nur jene uralten Sagen von den Wölsungen und

Niflungen, sondern auch der öfter schon erwähnte, beim Procop sich findende Bericht von den Herulern eine ziemlich klare Vorstellung zu

geben.

Unter diesen Umständen können wir daher nicht umhin, hier dieje­ nigen Sagen nutzn theilen, deren historische Bedeutung außer allem

Zweifel ist, und zwar nach der Reihenfolge der einzelnen Geschlechter

und Personen, welche sie zunächst betreffen, um dadurch einigermaßen den Zustand wie die Hauptbegebenheiten in jenem fernen Zeiträume zur

Anschauung zu bringen.

Wie wir aber so eben angedeutct haben, kön­

nen wir uns nicht strenge an das halten, was allein und ausschließlich Norwegen betrifft, sondern müssen zugleich jede gemeinsam germanische

Sage erwähnen, welche unmittelbar oder auch nur mittelbar auf die

Geschichte der Normänner ein Licht wirft.

Unter allen diesen Sagen

finden sich natürlich einzelne, welche sich leichter als die übrigen auf die

ursprünglich historische Form zurückführen lassen, namentlich wenn die Begebenheiten, deren sie erwähnen, sich in den Schriften zuverlässiger

Verfasser des Auslandes Nachweisen lassen.

Solche Sagen aber bilden

die eigentlichen Stützen des historischen Baues, ftir dessen Aufführung

man sonst sich mit bloßen Vermuthungen begnügen muß. Das mystische Halbdunkel, worin jene heroische Periode der Vor,

zeit cingehüllt lag, machte dasselbe zu einem willkommenen und bequemen Hintergründe für eine Menge Märchendichtungen, welche nament­

lich aus Island und in Norwegen während der späteren Jahrhunderte des Mittelalters, vom zwölften, vielleicht schon vom eilsten an und dar-

3

Hyndluljod.

über hinaus, ihren Ursprung hatten.

Und da zugleich mehrere der

wirklichen Sagen der Vorzeit in eben diesen Jahrhunderten ein neues

Gewand erhalten hatten und erweitert waren, so wird es oft sehr schwierig, das Ächte von dem Unächten zu unterscheiden. Es fehlt auch nicht an Beispielen, daß spätere Historiker jene Märchendichtungen zu­ gleich mit den ächten Sagen der Vorzeit benutzt und dadurch eine fast unlösbare Verwirrung hcrvorgerufen haben.

Genauere Kenntniß un­

serer alten Sprache wie der nordischen Alterthumsreste, welche durch die Forschungen in unseren Tagen gewonnen sind, haben es möglich gemacht, bei der Beurtheilung der mythisch-heroischen Erzählungen eine

strengere und gesundere Kritik anzuwenden und besser zwischen den ur­

sprünglichen Sagen und späteren Dichtungen zu unterscheiden. 2.

Hyndluljod und Halfdan Gamlc

(dcr Alte).

Es ist bereits oben erwähnt, wie die im zwölften Jahrhunderte ver­ faßte Darstellung der Abstammung des nordischen Königsstamms von

dem Nor und Gor, welche die Einleitung zur Sammlung norwegischer Könige- und Jarle-Sagaen bildet und gewöhnlich Fundinn Noregr

genannt wird, Geschlechtsregister für die einzelnen Fylken aufstellt, de­

ren Anfangsglieder sich offenbar als erdichtete ausweisen, während nur

die späteren — natürlich als Bruchstücke unabhängiger Stammtafeln und ohne alle Verbindung mit Nor und Gor, welche selbst erdichtete

Persönlichkeiten sind — Glauben verdienen und zur Ergänzung der

Geschichte benutzt werden können.

Was Fundinn Noregr diesemnach

über den Thrond als Stammvater für den Throndhjemschen, den Hörd

als Stammvater für den Hördschen, den Rugalf für den Rygschen, dm Thrym für den Egdschen (Thromöischen), den Raum für den Raum-

schen, den Brand für den Gudbrandsdalschen, den Alf für den Alfheimschen, den Höd für den Hadelandschen, den Hadding für den Haddingjadalschen und über den Ring für den Ringcrikschen Fürstenstamm

enthält, ist Alles nur als ethnographische Dichtung und sind jene Kö­ nige nur als Sageneponyme zu betrachten; die Einzelheiten im Berichte über ihre Stammväter stimmen nicht völlig mit demjenigen überein,

was ausführlichere und unabhängige Sagaen berichten *).

Fundinn

Noregr kann daher seinem ganzen Inhalte nach keineswegs der ältesten 1) z. B.

wo der Sohn des Hörd,

Iösur genannt wird, welcher der Büter

des Hjör und Großvater des Hjörleif kvennsame war.

Die HalfL - Saga, welche die

4

Hyndluljod.

innern Geschichte Norwegens zum Grunde gelegt werden und müssen namentlich die ersten Glieder der in demselben sich findenden Geschlechts­

register ganz gestrichen werden.

Die spätern Glieder können auch nur

für den Zeitraum benutzt werden, in welchen sie fallen, nemlich für die

letzten Jahrhunderte vor dem Harald Haarfagre oder den Anfang des zehnten Jahrhunderts.

Außer diesen Theilen des Fundinn Noregr giebt

es aber, wie oben (Th. I. S. 93) gezeigt ist, noch einen besondern Ab­

schnitt, welcher offenbar der uralten genealogischen Dichtung, dem

Hyndluljod, entlehnt ist, und dieser, so wie das ganze im Flatöbuche selbst uns erhaltene Gedicht ist für uns hier von dem höchsten In­

teresse, insofern es wirklich, wie man annehmen muß, die in dem äl­

testen nordisch-germanischen Heidenthume am meisten angesehenen Für» stengeschlechter aufzuzählen und dabei zugleich anzudeuten scheint, welche

Vorstellungen unsere heidnischen Vorfahren sich über den Ursprung die­ ser Geschlechter wie ihr gegenseitiges Verhältniß gemacht haben.

Eine

Vergleichung des Hyndluljod mit dem Fundinn Noregr zeigt indeß, daß

letzterer manche Zusätze enthält, welche aus spätern Zeiten stammen und durchaus nicht das Gepräge der Ächtheit an sich tragen. Hyndluljod

muß demnach hier als die eigentliche Hauptquelle betrachtet werden, welche am passendsten zum Ausgangspuncte für eine Darstellung unse­

rer Sagengeschichte benutzt werden kann.

Diese Dichtung läßt nun die

Freyja mit ihrem Lieblinge und Verehrer Ottar dem Jungen zur Höhle des Jötun-Weibes Hyndla kommen und sie auffordern, mit ihr ge­

meinschaftlich „die Geschlechter der Herrscher, welche von den Göttern abstammen," aufzuzählen, insonderheit aber die Vorfahren des Ottar selbst.

Sie fährt nun fort:

Jetzt mußt du hersagen

welche der Oedlinger;

der Vorväter Zahl,

welche der Dünger;

jetzt mußt du erzählen

welche da sind hauldgeborne;

der Männer Geschlechter;

welche da sind hersegeborne;

welche sind der Skjolduuger;

welche die auserwähltesten Männer

welche der Skilfinger;

sind in Midgaard?

Nun nennt die Hyndla zuerst des Ottars nächste Vorfahren, woraus

man ersieht, daß er ein Sohn des Jnnsteins gewesen, der unter die

Halfsrekken gezählt ward, wovon indeß später ein Mehreres; hiernach Sage vollständig mittheilt,

nennt den Jösur einen Sohn des Agwald, Königs von

Rogaland, welches wohl mehr mit der ächten Form der Saga übereinftimmt. (Cap.2.)

Hyndlnljod.

5

steht nun zu vermuthen, daß die Dichtung nordischen Ursprungs iss Da nun später auch Harald Hildetand (Kriegszahn) und sein Halbbru­ der Randver, nicht aber dessen Sohn genannt werden, kann auch die

Zeit der Abfassung einigermaßen festgestellt werden, nemlich um das

Jahr 750 n. Chr. Geb. *).

Nachdem mehrere der Vorfahren des Ot-

tar genannt sind, heißt es nun in Str. 14:

Aale war einst der auch acht Söhne. erste an Kraft; Daher stammen die Skjoldunger, Halfdan war früher noch daher die Skilfinger, der höchste der Skjoldnnger; daher die Oedlinger, im weltberühmten Völker-Kampfs) daher die Dnglinger^), siegten die Trefflichen; daher die Hauldgebornen, sein Ruhm schien daher die Hersegebornen, zu den Wolken des Himmels daher die auserwähltesten Männer cmporzuwirbcln. in Midgaard. Mit Eymund verband er sich, Hildegunn war ihre Mutter, dem höchsten der Männer, Tochter der Svaava, und den Sigtryg wog (prüfte) er mit dem Seekönig; mit kühler (scharfer) Schneide; Dieß ist Alles Dein Geschlecht die Almveig eh'lichte er, Ottar Du unwissender (heimske), das herrlichste Weib; weißt Du nun genug, oder begehrst sie zeugten mit einander Du noch mehr? Es werden nun ferner mehrere Geschlechter aufgezählt, welche später

1) siehe unten §. 8. 2) d. i. Feldschlacht. 3) Da der vorhergehende Vers, wo nach den Geschlechtern gefragt wird, die Oedlinger und M fin g er nennt, dagegen aber in der Antwort Oedlinger undZ)ngl i n g e r genannt werden, so muß man entweder annehmen, daß an der einen Stelle eine Verwechslung statt gefunden hat, so dass an beiden Stellen derselbe Name ge­ lesen werden muß, oder auch, daß in der ersten Stelle „Mglinger", an der andern „Alfinger^ aus Unachtsamkeit überschlagen worden sind. Im letztern Falle aber fordert die Vers-Regel, daß noch eine Zeile, welche den Reim-Buchstaben mit der andern gemein haben kann, als ausgelassen gedacht und daher eingeschaltet werden muß, wenn man auf diese Weise das etwa Ausgefallene reftituiren will. Es ist auch sehr wahrscheinlich, daß die „Wölsungen", welche nachher genannt werden und welche der Fundinn Noregr mit dem Halfdan verbindet, in einer solchen ausgefallenen Zeile ihren Platz gehabt haben. Wollte man nemlich an der ersten Stelle: >,hvater Oeölinga, hval er Ynglinga, hvat er Ylfmga , livat er Völsunga“ und an der zwei-

6

Halfdan GamN».

größtentheils noch weiter vorkommen werden, nemlich das des Dag und der Thora Drengemoder (Knabenmutter); des Arngrim Berserk; der

Wölsunger und des Harald Hildetand (Kriegszahn), worauf Hyndla zu

den Geschlechtern der Könige übergeht, deren Mysterien erwähnt, und des Ragnarökkr, weshalb diese Dichtung auch die abgekürzte Wöluspaa

heißt'). Hyndluljod nennt daher als die vornehmsten Geschlechter: Skjol-

dunger, Skilfinger, Oedlinger, Mfinger, Wglinger, weiterhin auch

die Wölsunger und als den Stammvater aller dieser oder doch der mei­ sten derselben einen Skjoldunger-Fürsten Namens Halfdan, dessen

Ruhm bis an die vier Enden der Welt reichte.

Eine Sage von einem

solchen Könige Halfdan muß daher schon um die Mitte des achten Jahr­ hunderts existirt haben.

Fundinn Noregr malt diese Sage weiter aus, welche nun hier auch einen Schauplatz erhält.

„Ring," heißt es nemlich, „ein Sohn des

Königs Raum, besaß Ringerike und Waldres und ward mit einer Toch­ ter des Seekönigs Wifil vermählt.

Gamle (der Alte).

Ihr Sohn war nun Halfdan

Als er das Königreich übernahm, stellte er ein

großes Midvintersblot (Blutopfer um die Mitte des Winters) an, zu

dem Zwecke, daß es ihm vergönnt werden möge, 300 Jahre in seinem Kö-

nigthume zu leben, wie jener alte Snae der Sage nach gelebt hatte. Bei der Befragung der Götter erhielt er jedoch die Antwort, daß er zwar nicht über ein Menschenalter hinaus leben könne, daß aber in

vollen 300 Jahren kein Mann oder Weib in seinem Stamme gefunden werden solle, die nicht von fürstlichem Geschlechte wären.

Er war ein wil­

der Krieger und zog verheerend weit umher auf dem östlichen Wege. Hier erschlug er im Zweikampfe einen König Namens Sigtrygg und heirathete 9Ufnt>2), eine Tochter des Königs Eymund von Holmgaard.

Sie hatten mit einander neun Söhne, Thengill, Raestr, Gram, Gylfe,

Hilmir, Jöfur, Tigge, Skyle und Harre, welche alle, wie erzählt wird, gleich alt waren und so berühmt wurden, daß ihre Namen in len: „paSan OeSlingar, paSan Ynglingar, paSan Ylfingar, paSan Völsungar“

lesen, dann würde Alles in Ordnung sein;

denn statt Ylfingar sollte cs eigentlich

Vylfingar heißen; wie man an mehreren Stellen der Eddadichtungen auch Beispiele

findet, wo ein solches V, das sonst ausgelassen wird, dennoch als Rcimbuchstade mit­ gezählt worden ist. 1) Snorre Edda c. 5.

2) richtiger Almocig.

7

Halsdan Gamlc.

allen Dichtungen als Fürsten- oder Königsnamen gebraucht wurden.

Keiner derselben soll Kinder gehabt haben, und sie alle fielen in einer

und derselben Schlacht.

Außer diesen hatten sie neun andere Söhne

Namens Hildir, Näfil, Audc, Skelfir, Dag, Brage, Budle, Lofde,

Sigar; Hildir, Sigar und Lofde waren Heerkönige; Aude, Budle und Näfil waren Scekönige; Dag, Skelfir und Brage saßen daheim.

Dag

war mit Thore Drengemoder vermählt und hatte mit ihr neun Söhne; einer derselben hieß .... Arngrim Berserk'),

.... Dieß von Half-

dan abstammende Geschlecht hieß Döglinger.

Brage war König in

WaldreS?). ....

Sein Geschlecht hieß Bragninger.

Skelfir war

König in Vors, sein Sohn hieß Skjold, Vater des Erik, welcher Va­ ter des Alfrek, welcher wiederum Vater von Erik maalspake (sein Ziel

mit Klugheit verfolgend) war ....

finger oder Skjoldunger31).2

Dieß ist das Geschlecht der Skil-

Hildir war der fünfte Sohn des Dag (hier

hat der Verfasser vergessen hinzuzufügen, daß von ihm das Geschlecht

der Hildinger^) abstammt).

Sigar war der Vater des Siggeir, wel­

cher mit Signy, der Tochter des Königs Wölsung, verheirathet war;

...... er war auch der Vater des Sigmund, .... dessen Sohn Sigar3)5 den Hagbard hängen ließ: dieß heißt das Geschlecht der Sik-

linger.

Lofde war ein mächtiger König .... er machte Einfälle

an der Küste von Reidgotland und ward dort König .... von ihm stammen die Lofbunger 6).

Aude und Budle waren Seekönige ....

sie unterwarfen sich Walland und Sachsenland und ließen sich dort

nieder ....

Aude bekam Walland .... sein Geschlecht hieß die

1) Außer diesem werden noch drei andere genannt: Ole, Aam und Iöfr oder Jöfur.

Von Ole wird das Geschlecht bis Sigurd Hjort in Ringerike, dessen Tochter

Ragnhild und deren Sohn Harald Haarfagre, hinabgeleitet.

2) Von Brage wird das Geschlecht mittelst Agnar, Alf, Erik, Hild, Halsdan milde, Gudrod und Halsdan Swarte bis Harald Haarfagre geführt. 3) Die Generationen sind: Skjold, Erik, Alfrek, Erik maalspake (d. kluge),

Aalrek frökne (d. tapfere), Wikar, Watnar, Jmald und sein Bruder Erik und

Gyda, Gemahlin des Königs Harald Haarfagre.

4) Die Abstammung wird also aufgezählt: Hildir, Hildibrand, Wigbrand, Herbrand, Harald Grönske (granraudi), Aasa, Halsdan Swarte. 5) Das Geschlechtörcgister lautet: Sigar, Sigmund vermählt mit Hild, der Toch­

ter des Grjotgard, König von Möre, dessen Sohn Sigar war.

6) Nemlich: Skekkil und Style, Eggther, Hjalmther, Eylime, Hjördüs, Si­ gurd Fafnersbane, Aölaug, Sigurd - Schlangenauge, Aslaug, Sigurd Hjort, Ragn­

hild, Harald Haarfagre.

Halfdan Gamlc.

8

Oedlinger'); Budle bekam das Sachsenland .... von ihm stammen die Bud lunger ab a). ....

Niflunger^). ....

Vom Näfil stammt das Geschlecht der

Als das erste Weib in Halfdans Geschlecht ge­

boren ward, waren grade 300 Jahre seit dem Blutopfer verflossen, welches Halfban für ein hohes Lebensalter und äußere Macht dargcbracht hatte."

Daß der Aufzeichner oder Bearbeiter der Saga dem Hyndluljod

gefolgt ist, sieht man leicht, da sogar die. Ordnung, worin einzelne Na­ men, wie Dag, Thora Drengemoder, Arngrim und die Wolsunger Vorkommen, sich wiedererkenncn läßt; dagegen erkennt man wiederum

auch, daß der Verfasser sich die größten Freiheiten genommen hat, in­

dem er theils den Halfvan selbst, wie seine Söhne, mit bestimmten Nei­

chen oder Gegenden in Verbindung gebracht, wovon die alte Dichtung kein Wort enthält, theils indem er einzelne Glieder des Geschlechts mit

Halfdan zusammenfügt, welche die Dichtung ganz für sich hinstellt, z. B. jenen Dag und die Thora Drengemoder, ferner den Arngrim, welcher in der Dichtung selbst nicht einmal mit Dag in Verbindung gebracht

wird, die Wölsunger und Gjnkunger.

Daß diese Zusätze durchaus will­

kürlich sind, sieht man insbesondere bei Vergleichung dieser Stelle in

Fundinn Noregr mit einer andern, wie es scheint, von der Hyndluljod mehr unabhängigen Erzählung in Betreff des Halfdan Gamle, die sich

in der Skälda oder der Anweisung zur Dichtkunst findet, welche mit der jüngeren Edda folgt.

Diese Erzählung nun lautet anfangs wörtlich

ganz wie die in Fundinn Noregr, nur heißt es hier nicht, daß Halfdan König in Norwegen oder in Ningerike war.

Sein Kampf mit Sig-

trygg, wie seine Vermählung werden eben so erzählt, nur heißt seine Gemahlin hier nicht Almvcig oder Alfny, sondern Alvig hiin spake

(jene kluge).

„Sie hatten," fährt nun Skälda fort, „achtzehn Söhne,

von denen neun auf einmal geboren waren, und Thengil, Näsir, Gram,

Gylfe, Hilmir, Jöfur, Tigge, Skyle oder Skule, Harre oder Herra genannt wurden; diese neun Brüder wurden so berühmte Heldennamen,

daß sie später in allen Dichtungen als Fürstennamen für Könige und Jarle gebraucht wurden;

fie hatten keine Kinder und fielen alle in

1) Ncmlich: Aude, Frode, Kjaar, Alrune. 2) - - : Attil, Wifil, Laefc, Budle, Sorte, Alle und Brynhild, Aslaug. 3) - - : Näfil, Heimar, Eynef, Rate, Gjuke, Gunnar, Högnc und Gu­ drun u. f. w.

9

Halfdan Gamlc.

Schlachten.

Ferner hatten Halfdan und Alvig neun andere Söhne,

nemlich Hildir, von dem die Hildinger, Nefir, von dem die Niflunger, Aude, von dem die Oedlinger, Ingve, von dem die Inglinger*), Dag, von dem die Döglinger, und Braze, von dem die Bragninger

herstammen: dieß ist nun das Geschlecht Halfdan des Milden; ferner

hatten sie den Budle, von dessen Nachkommen der Budlungestamm, Alle und Brynhild abstammen;

den Lofde, einen großen Heerkönig

.... dessen Nachkommen Lofbunger genannt wurden, zu denen auch Eylime, der Mutterbruder des Sigurd Fafnersbane gehört; den Sigar,

von dem die Siklinger oder das Geschlecht desjenigen Siggeir stammt, welcher der Schwager der Wölsunger war, wie auch das Geschlecht des

Sigar stammte, welcher den Hagbard aufhängen ließ.

Vom Ge­

schlechte der Hildinger war Harald Granraude, der Großvater mütter­

licher Seite des Halfdan Svarte; von dem der Niflunger war Gjuke,

von dem der Oedlinger war Kjaar, von dem der Wfinger Erik der

maalspake (der Kluge)."

Weiter fügt die Skülda hinzu: „Auch diese

Königsgeschlechter sind berühmte Namen: von Ingvar stammen die Ing-

linger; von Skjold in Dänemark die Skjoldunger; von Wölsung im

Frankenlande die Wölsunger; und vom Hecrkönige Skclfir die Skilfinger, dieser Stamm herrscht in den östlichen Länder». Die hier genann­ ten Geschlechter hat man aber später in der Dichtkunst dazu gebraucht,

als Umschreibungen fürstlicher Namen zu bienen1 2)." Was nun in diesem Berichte auffällt, ist dessen völlige Unabhän­ gigkeit von dem Hyndluljod, mit welchem er an einer Stelle sogar in

Widerspruch steht, wo er nemlich den Eylime zu den Lofdungern rech­ net, und nicht wie Hyndluljod, von welchem er überhaupt in mehreren

Rücksichten bedeutend abwcicht, zu den Oedlinger«.

Man hat hier dem­

nach Ursache anzunehmen, daß wir eine selbstständige Sagenform vor «ns haben und daß die wesentlichen Zusätze zum Hyndluljod, welche der Bericht enthält, im Ganzen genommen der Volkssage selbst angehören

und nicht willkürlichen Conjecturen oder Vcrbesserungsversuchen der spä­

teren Abfasser zuzuschreiben sind.

Da aber Fundinn Noregr neben dem

Berichte der Skälda, welchem ersterer vorzugsweise sich anschließt, auch 1) Hier muß man vermuthlich „Ulf" und Ulsingcr" lesen,

da die Unglingcr

später besonders erwähnt werden, und außerdem noch Hildinger, Niflunger und 2)1=

finger ausdrücklich weiter unten wiederum in dieser Ordnung genannt werden.

2) Skülda c. 64.

10

Halfdan GattUc.

einzelne Stücke enthält, die dem Hyndluljod entnommen sind, so ist es völlig klar, daß der Verfasser desselben beide gekannt und benutzt, auch

in ziemlich willkürlicher Weise sie mit einander zu vereinigen gesucht hat. Da die Skülda außerdem noch das mit dem Hyndluljod gemein hat, daß sie keineswegs die genannten Helden oder deren Geschlechter nach Nor­

wegen und die vornehmsten derselben überhaupt nicht in irgend ein be­

stimmtes Land setzt, so wird man zu der Annahme genöthigt, daß auch

die Zusätze im Fundinn Noregr, welche alle Glieder der einzelnen Ge­ schlechter nach Norwegen zu versehen suchen, durchaus willkürlich sind und keineswegs in einer zur Zeit der Abfassung verbreiteten Saga ihren

Grund haben.

Gehen sie doch so weit, die Skjoldunger, welche nach

so vielseitigem Zeugnisse ausschließlich Dänemark oder vielmehr Gaut-

land angehören, in ein einzelnes norwegisches Fylke zu versetzen.

Bei

der Benutzung und Erklärung der Sagen von Halfdan Gamle wird man diesem Allen nach die Bearbeitung im Fundinn Noregr entschieden

ganz unbeachtet lassen müssen. Aber auch in der Bearbeitung, welche die Skälda enthält, findet sich Vieles, was als unächt sich erweist.

Die Namen der neun ersten

Söhne des Halfdan sind einfache Appellativen, die entweder einen Für­ sten oder einen Krieger bezeichnen, dessen Entlehnung aus angelsächsi­

schen Dichtungen zum Theil mit Bestimmtheit sich nachweisen läßt, wie

denn auch deren mehrere in diesen Dichtungen selbst vorkommen'). Von den Namen der neun übrigen Söhne sind einzelne später aus den ihnen beigelegten Geschlechtsnamen gebildet, wie auch umgekehrt z. B.

Hildir von Hildinger, eine Bezeichnung für Kriegshäuptlinge, die of­ fenbar nur von hiklr (Krieg) oder der Kriegsvalkyrje abgeleitet ist;

ebenso Aude von Oedlinger, welche gradezu dem angelsächsischen aöclingas, hochdeutsch adalingä, entsprechen und nur „hochgeborne Män­ ner" bezeichnet.

Daß aber Aude mit Oedlinger (von aöal) hat verei­

nigt werden können, zeugt für eine ziemlich späte Sprachperiode, da es in einer ältern Periode, wo die Aussprache reiner war, unmöglich

gewesen sein würde, zwei so verschiedenartige Namen mit einander in

1) pengill verwandt mit ping (Thing) kommt auch bei den Angelsachsen als pengel oder fengel vor. Raesir ist nur von räs, Fahrt, abgeleitet; der, welcher in Fahrt setzt; Gramr vom Adjectiv gramr, bös, barsch; Gylfi, verwandt mit gjalfr, See; Hilmir von hjälmr; Jöfurr, eigentlich Wildschwein, angels. eofor, deutsch „Eber", benannt nach dem Helmzeichen, u. s. w.

dl

Halbdanen.

Verbindung zu bringen 1 )♦

Das Geschlecht der Unglinger, wie das

der dänischen Skjoldunger und der hunnischen Wölsunger bringt die Skälda nicht mit Halfdan Gamle (dem Alten) in Verbindung, obschon die Skjoldunger dem Hyndluljod zufolge vor allen zuerst zu seinen an­ geblichen Stammesgenossen gehörten.

Diesemnach zeigt auch die Skälda sich hier als unzuverlässig und müssen wir daher, um den genealogischen oder ethnographischen Theil der Sage in seiner Reinheit kennen zu lernen, uns zu dem Hyndluljod selbst wenden.

Dieses nennt als Halfdans Descendenten nicht nur Skjoldunger, Skilfinger, Oedlinger und Mfinger, sondern vielleicht auch Anglinger und Wölsunger; von diesen aber müssen wieder die Oedlinger als eine Bezeichnung für Fürsten oder vornehme Männer im Allgemeinen aus­ fallen.

Außerdem nennt es aber auch die mit den Wölsungen eng ver­

bundenen Niflungen, so wie endlich den letzten Skjoldunger, den Ha­

rald Hildetand (Kriegszahn) und das ganze Geschlecht, dessen Thaten

zuletzt den Schluß des heroischen Zeitalters und den Übergang zu der Wikinger Zeit bildeten, nemlich das Geschlecht des Radbard oder seines Sohnes Randver.

Da nun der Name Halfdan eigentlich nur so viel

sagt als „der Halbdane" 2) und daher zunächst mit den gothischen oder

1)

Audi kommt entweder von audr, Reichthum,

„Oeölingr“ aber,

oder von audr,

folglich auch mir I.asal" hat es nichts gemein.

öde;

mit

Diese Etymologie

rührt demnach von einer Unbekanntschaft mit den Lautvcrhältnisscn her, welche nur aus einer verhältnismäßig spätern Zeit stammen kann, und Aude wird demnach nur

ein Product späterer unrichtiger Etymologisirungs - Versuche sein. 2) Grimm hat sowohl in seiner Grammatik (II. S. 633.) als in seiner Gesch.

der Sprache (S. 734.) die mit Halfdan völlig analogen

deutschen Namen Halp -

durinc (d. i. Halbthüringer) und Halbwalah (d.i. Halbwelsch) nachgewiesen,

welche mit den entsprechenden Namen wie Altdurinc (Alt-Thüringer, Gramm,

n. S. 629.) — dem analog auch

ein Altsahso (Alt-Sachse, Gramm. II, 627,

angels. Ealdseaxa) vorkommt — unläugbar einen vermischten Stamm bezeichnen, wäh­

rend die mit „Alt" zusammengesetzten Namen den

unvermischten angeben.

Beowulf-Liede kommt auch noch der Name HeaMene, welches

Form für Halfdan ist, geradezu Skjoldunger vor;

Im

die angelsächsische

als Bolköname und Bezeichnung des Volks der

es heißt hier (v. 2131 — 2134),

„daß der Skjoldunger Hnaef,

der Held der Halbdanen (häled Healfdena), in der Friesenschlacht fallen sollte".

Auch

beim Dänen Saxo findet sich eine Andeutung dafür, daß Fürstengeschlechter — er nennt zwar nur nordische — von einem Skjoldunger - Könige Namens Halfdan abstammten,

der durch seine Kriegsthaten dermaßen im ganzen Norden berühmt war,

ihn in Switjod für einen Sohn des Thor hielt (p. 324, 327).

daß man

12

Halbdanen.

Skjoldunger.

halbdanischen Landen in Verbindung zu stehen scheint, so enthält auch die Sage von der Ausbreitung seiner Nachkommen in aste germanische

Lande unverkennbar eine bestimmte Reminiscenz an die Auswanderung

aus Scandja und den ständischen Inseln.

Hiebei ist nemlich auch wohl

zu beachten, daß das einzige berühmte Geschlecht des Nordens, welches nicht mit Halfdan in Verbindung gebracht wird, eben dasjenige ist, wel­

ches der Natur der Sache nach auch nicht von Scandja gekommen sein

konnte, nemlich das uralte Haalöyge-Geschlecht, oder das des Seming in Helgeland.

Die übrigen Geschlechter alle werden vom Halfdan ab­

geleitet, und wenn es heißt, daß Könige und Jarle die Namen seiner

Söhne als Ehrenbezcichnungen annahme», so werden wir wieder an

die Heruler oder die eigentlichen Jarle erinnert, welche mit dem Schwerte in der Hand nicht allein plünderten, sondern auch Reiche ero­

berten und Königsstämme begründeten.

Denn was anders waren wohl

die gothischen, fränkischen, anglischen Häuptlinge, welche neue Reiche errichteten, als eben solche Jarle?

Faßt man aber die Halfdan-Sage

in dieser Weise auf, dann gewinnt sie in ethnographischer Beziehung noch ein ganz besonderes Interesse.

Zwar kann man sie nicht für eine

der allcrältesten ausehen, da der Name „Halfdan" selbst auf ein spä­

teres Zeitalter, als das reingothische, hindeutet, allein ihr Alterthum bleibt dennoch sehr bedeutend.

In dem Nachfolgenden werden uns nun

die Hauptgcschlechtcr, welche in derselben vorkommen, außer einigen minder bedeutenden, *bie aber bei einzelnen Gelegenheiten in der ältesten Geschichte unseres Vaterlandes (Norwegens) dennoch eine wichtige Rolle

gespielt zu haben scheinen, näher beschäftigen. 3.

S k j o l d u n g c r.

Wenn man ein Geschlecht vor den übrigen als mit den ständisch­

gothischen Landen oder mit Dänemark in der gothischen Periode eng verbunden bezeichnen sollte, müßten es die Skjoldunger sein.

Über

den ganzen Norden, und znm Theil auch über denselben hinaus, stand

die Sage wie festgewurzelt da, daß der Stammvater des ältesten däni­

schen Königsgeschlechts Skjold geheißen und von göttlichem Ursprünge war; gewöhnlich hieß es, daß er der Sohn des Odin sei.

Dabei wird

noch bemerkt, daß, während Skjold über Dänemark herrschte, dasselbe

noch Goth land ') genannt wurde, und waren die Nachkommen des 1) Skälda c. 43.

Skjold hicfi der Sohn Odins,

von dcm die Skjoldunger

15

Skjoldunger.

Skjold ober die Skjoldunger die nämlichen, welche sonst Hleidrekönige genannt wurden, weil die Sage Hleidr als ihren gewöhnlichen

Aufenthalt bezeichnete.

Da aber das Volk, über welches die Skjoldun-

ger, oder Hleidrekönige, herrschten, nichts desto weniger schon eben so oft, ja vielleicht noch öfter Danen als Gothen genannt wurde, so

scheint es wenigstens ausgemacht, daß die Periode der Skjoldunger in Dänemark, die halbgothische oder dänisch-gothische, wovon bereits oben

(Th. I. S. 65) die Rede war, gewesen ist, während welcher noch go­

thische Cultur und Götterverehrung neben gothisch-dänischer Nationa­ lität herrschte. Halfdan Gamle, dem Hyndluljod zufolge, „der höchste"

unter den Skjoldungern und der Sage zufolge Stammvater vieler Häuptlings-Geschlechter, tritt hier selbst als die lebendige Darstellung

jener gothisch-dänischen Nationalität auf.

Der Skjoldunger Halbdan,

der mächtige Krieger, der in den östlichen Landen siegreiche Fehden be­ stand und die Tochter des Königs in Holmgard heirathete, ist nur ein

Ausdruck für das ganze gothisch-dänische, von den Skjoldungern be­ herrschte Volk, welches Kriegszüge nach dem Osten hin unternahm und

eine lange Reihe von Jahren hindurch im Norden gewiß das herr­ schende war.

Von den Skjoldunger- oder Hleidre-Königen, deren die alten Sa­

gen erwähnen, sind gewiß einzelne bloße Sagenfiguren, andere dage­ gen unzweifelhaft historische Persönlichkeiten, deren Thaten trotz den wechselnden Geschlechtern des Volkes sich einen bleibenden Nachruhm

bewahrt haben.

Man kann daher unmöglich die Skjoldunger-Periode

in Dänemark als einen bestimmten historischen Abschnitt von sich weisen.

Eben so wenig kann sie in der Geschichte Norwegens und der Normänner mit Stillschweigen übergangen werden, wenn sie auch Norwe­

gen nicht direkt angeht, weil sie doch auf so vielfache Weise in beide mittelbar eingreift.

Die gewöhnliche Sage von Skjold nannte ihn einen Sohn des Odin. In altnordischen Quellen heißt es auch, daß er mit der Göttin Gefjon

(der Göttin des Meeres) vermählt war, welche selbst Saelund oder Seeland vom schwedischen Festlande losgerissen hatte.

In der Gestalt

eines umherziehenden Weibes, wird in der jünger« Edda erzählt, kam die Gefjon zum Gylfe, dem Könige in Svithjod, und erbat von ihm als Veabstammen; er wohnte und herrschte in dem Lande, was jetzt Dänemark Heist, damals

aber Gotland genannt wurde.

14

Skjold.

lohnung für das Vergnügen, welches sie ihm gewährt hatte, ein Stück Pflugland, von der Größe, wie es vier Ochsen einen Tag und eine Nacht hindurch bepflügen könnten.

Als sie dieß zugestanden erhalten, nahm

sie vier Ochsen aus Jötunheim — welche ihre eignen Söhne mit einem

Jötun waren — spannte sie vor den Pflug und pflügte nun so scharf und tief, daß das Land sich löste; dieß Land zogen die Ochsen nun ins

Meer und nach Westen hinaus, bis es in einem Sunde liegen blieb. Hier ließ die Gefjon dasselbe fest werden und nannte es Saelund, an

dessen Statt entstand aber in Svithjod ein Gewässer, nemlich der Lo­ gen (Mälar-See),

dessen Einschnitte grade mit den Landzungen

Seeland's übereinstimmend).

Später ward sie, fügt Unglingasaga

hinzu, mit dem Skjold, dem Sohne Odins, vermählt, und wohnte mit ihm in Hleidr*).

Diese Sage, welche im Bilde die Vorstellung unserer Vorfahren

darüber enthält, daß Seeland mittelst eines Durchbruchs des Meeres (Gefjon) vom Festlande der nordischen Halbinsel getrennt worden ist, wird schon in einer Dichtung aus dem Anfänge des neunten Jahrhun­

derts erwähnt b), wenn sich auch nicht bestimmt behaupten läßt, daß sie schon während der eigentlichen Skjoldunger-Zeit existirte, oder über­

haupt in Dänemark bekannt war4 1 ). * * Der Däne Saxo weiß nemlich nichts von ihr, wie er auch nichts von der göttlichen Abstammung des

Skjold weiß; jedoch stellt er ihn als einen Heroen dar und sagt aus­ drücklich , daß die übrigen dänischen Könige nach ihm Skjoldunger ge­

nannt wurden, macht ihn damit aber auch zum eigentlichen Stammva­ ter des ganzen Geschlechts5). 1) Jüngere Edda, Cap. 1.

2) Unglingasaga, Cap. 5.

3) Nemlich des Skalden (Sängers) Brage, hiin Gamle (des Alten), aus Fjordefylke in Norwegen, der sich eine Zeitlang beim Ragnar Lvdbrvck und seinen Nachkom­

men aufhielt. 4) Man findet übrigens Andeutungen davon in den hveenschen Sagen (siehe W. Grimm deutsche Heldensagen S. 321.), wo von Hvenild die Rede, welcher Stücke

von Seeland nach Schoonen

hinübertrug, dabei aber ein Stück (die Insel H v e e n)

im Sunde verlor.

o) Saxo I. B. S. 23.

Er macht ihn zu einem Sohne des Lother, der wiederum

ein Bruder des Humble und Sohn des Dan ist:

eine Zusammenstellung, die aber so

willkürlich ist, daß sie kaum von andern als dem Saxo selbst hcrrühren kann z Humble und Lother gehören nemlich einer ganz andern Sage, vom Schwerte Tyrsing, an.

Rechnet man nun den Dan, der erste König.

Humble und Lother nicht mit, so wird Skjold wirklich

Sceaf.

15

Skjold.

Auf den Skjvld und sein Geschlecht findet man auch Hindeutungen

bei deutschen Od^riftftellern1)^

Namentlich hatten die Angelsachsen

merkwürdige Sagen, welche insgesammt ihre Geschlechter in die engste

Verbindung mit Scandja oder Schoonen setzten.

Sein Vater, oder,

wie es in einigen andern Gencalogieen heißt, sein Stammvater, Sceas, trieb, so wird erzählt, als kleiner Knabe in einem Boote ohne Rude­

rer, den Kopf schlafend auf eine Korngarbe oder vielleicht genauer auf ein Bündel Pfeile gestützt2), ans Ufer der Insel Scandja, dessen Be­

wohner seine Ankunft wie ein Wunder begrüßten, und ihn nach dem

Bündel, worauf sein Kopf ruhte, Sceaf nannten, ihn mit Sorgsam­ keit großzogen, und später zu ihrem Könige machten.

Der Sohn oder

Nachkomme des Sceaf war nun Skjold, oder, wie die Angelsachsen ihn nannten, Scyld oder Sceldwa, und seine Nachkommen die Skjoldunger

(Scyldingas)3).

Am ausführlichsten und anziehendsten ist diese Sage

im Beowuls - Liede behandelt, welches sich ausschließlich mit gothischständischen alten Sagen aus der Zeit vor der Auswanderung beschäf­

Dieses aber setzt merkwürdiger Weise die Sage nicht mit Sceaf,

tigt.

sondern mit dem Skjold selbst in Verbindung.

Die Worte lauten hier

1) So z. B. der Name Schiltunc d. i. Skjoldung in Tyrol und Parcival, siehe

Haupt, Zeitschr. f. deutsche Alterthümer I. p. 7.

2) Der älteste angelsächs. Schriftsteller, welcher dieser Sage gedenkt, nemlich Aedhelweard (III, 3.), erwähnt nichts von der Korngarbe; sondern sagt nur „armis circumdatus“ und da das Beowulflied anführt, daß er bei der Entsendung nach seinem

Tode, eben so schön mit Kleinodien und Waffen geschmückt ward, als er es bei sei­

ner Ankunft war, so ist es nicht unwahrscheinlich, daß jenes Bündel ursprünglich als

aus Pfeilen bestehend gedacht wurde, um so mehr, da das angelsächsische Wort earh, welches unserem ör und dem englischen arrow (Pfeil) entspricht, auch oder gewöhn­

lich „Kornähre" bedeutet.

Sceaf eara (ein Bund Pfeile) konnte demnach durch ein

Mißverständniß „ein Bund Aehren, eine Garbe" übersetzt werden.

Sceaf bedeutet

nicht allein eine Garbe, englisch sheaf, sondern auch ein jedes Bund (einen Fuchöschweif), altnord. skauf.

3) Einzelne angelsächs. Geschlechtsregister leiten Skjolds Herkunft direkt von Noah her und machen den Sceaf zum Sem- sie rechnen nemlich so: Noah — Sceaf

(bei Einigen Seth oder Sem), Bedwig — Hwala — Hathra — Itermann — Heremod — Sceldwa (Skjold) z

und von Sceaf heißt es:

er war in der Arche Noäh

geboren (Chron. Sax. um 855). Aedhelweard (III, 3.) nennt nur Sceaf und dessen

Sohn Skjold.

Beo —

Won diesem zählen sväter die angelsächsischen Genealogien: Beow oder

Taetwa —

Geat (d. i. Gaut) — Godwulf — Finn —- Fridhuwulf —

Frealaf — Fridhuwald — Woden oder Odin, und von Woden werden wieder die angelsächsischen Königsgoschlcchter abgeleitet.

16

Sjold.

ungefährfolgendermaßen : Skjold, der Scefinge (NachkommedesSceaf), ward anfänglich verlassen und einsam gefunden, wuchs zum Ersatz da­

für aber bis unter die Wolken und nahm zu an Ansehn, bis Alle, die

rings am Meere (an dem Wege des Wallfisches) umher wohnten, ihm gehorchen mußten und zinspflichtig wurden.

Als er endlich lebensmüde

zur Freu (Frauja, Odin) heimging, trugen die treuen Angehörigen

ihn an den Strand, wie er gebeten hatte; hier legten fie ihn in sein Schiff, mit herrlichen Kleinodien, Schmucksachen und Waffen umgeben,

und rüsteten ihn eben so prachtvoll aus, als da er noch ein neugebornes Kind allein auf der Woge daher gekommen war; sie setzten auch eine goldne Fahne über seinem Haupte und ließen das Schiff nun in die See

hinaus treiben; sie selbst trauerten; aber Niemand konnte sagen, wer Im Liede wird später Scede-

die Ladung in Empfang genommen *).

nigg, d. i. Scandja oder Schoonen, als die eigentliche Heimath seiner Nach­

kommen genannt2).

Die Nachkommen selbst werden Skjoldunger ge­

nannt und ihre Unterthanen theils Gothen, Hreden oder Hredgothcn,

theils Danen.

Spätere angelsächsische Schriftsteller erklären Scandja

als die Bezeichnung für Südjütland (Schleswig) oder die älteste Heimath der Angeln °);

es beweist dieß ebenfalls, daß die Angelsachsen,

wie auch die Germanen, im Allgemeinen ihren Ursprung aus Skandi­

navien oder Schoonen herlriten, und enthält vielleicht auch ein Zeug­ niß dafür, daß unter den sogenannten Angeln und Jüten, welche sich

in England niederließen,

auch ein großer Theil Gothen oder Halb-

Danen aus den übrigen dänisch-gothischen Landen sich befand^).

So

viel ist indeß ausgemacht, daß die Sage selbst vornehmlich Schoonen als die Gegend bezeichnet hat, wo Skjold seine Heimath hatte, was denn

auch eine merkwürdige Bestätigung durch eine Stelle in einer der alten

nordischen Königssagen findet, wo Skjold grade zu der „Gott der Schoninger"5 1)* heißt. *4

Die gewöhnlichen Sagen vom Skjold setzen ihn da-

1) Beowulflied v. 8 —104.

2) v. 3370.

3) William, von Malmsbury (Gesta regum, II, 116.), welcher Sceafs Ankunft

nach „Scandja" erwähnt und in dieser Veranlassung sich auf Jornandes beruft, fügt hinzu, daß er, nachdem er erwachsen war, in Schleswig oder Heidaby regierte,

in der Gegend, die Alt - Angeln heißt, woher die Angeln nach Britanien kamen. 4) Siehe hierüber ein

Mehreres im §. 8.

Sogar die Langobarden scheinen

Sagen vom Sceäf zu haben, siche die Widsidh - Dichtung v. 64. 5) Olaf d. Heil. Saga in Formn.

digerweise

S. S. V. S. 239.

Hier wird merkwür­

„Thor der Gott der Engländer, Odin der Gott der Sachsen,

Skjold

Skjold.

17

her vornehmlich nach Schoonen und Seeland oder weisen ihm vielmehr

Schoonen als Heimath an, und lassen die Gefjon ihm später Seeland als Mitgift schenken.

Damit aber scheint angedeutet zu werden, daß

sein Geschlecht oder der eigentlich ständische Königsstamm nicht ursprüng­ lich in Besitz von Saelund mit dem Nerthus - Heiligthum in Hleidr gewesen ist, sondern daß dieses oder das gothische Reich in Saelund schon begrün­

det war, bevor die Skjoldunger oder ein Zweig des Skjoldunger -Stam­

mes dasselbe erwarb.

Wir haben nun bereits oben angeführt, daß die

Worte des Jornandcs der Vermuthung Raum geben, die Gepiden oder Gifvhen als die ältesten rein gothischen Bewohner Saelunds anzu­

sehen.

Hierbei ist aber ein recht bemerkenswerther Umstand, daß der

Name der Gefjon (Geofon, Gebhan) mit dem der Gepiden oder Gift-

hen aus derselben Wurzel gebildet ist *) und daß beide mit einander unläugbar in einem gewissen Zusammenhänge stehen; denn eben dadurch wird Saelund, das selbsterworbene Eigenthum der Gefjon, noch deut­

licher als das Reich der Gifdhen bezeichnet.

Die Besitznahme desselben

von Seiten der Skjoldunger bezeichnet demnach an und für sich vielleicht nur die nemliche Vereinigung der Gothen und Danen, die schon im Na­ men Halb-Danen angedeutet wird. Skjold bleibt aber darum doch der

erste Sagenheld des ständischen Gotlands oder Scandja's wie Saelunds 2). Saxo legt nun dem Skjold alle Tugenden eines Helden und edeln

Häuptlings im vollsten Maßebei, als: außerordentliche Kräfte, Ta­ pferkeit, Gerechtigkeit, Freigebigkeit; schon als Knaben läßt er ihn einen ungeheuren Bären wehrlos angrcifen und überwinden und in

seinem fünfzehnten Jahre ungewöhnliche Proben von Kraft und Stärke

ablegen; er läßt ihn mit dem allemannischen Jarl Scatc um den Besitz

der Hand der schönen Alfhild angesichts des dänischen und deutschen

Heeres kämpfen und sich die Allemannen unterwerfen; darnach, heißt es, erwarb er sein väterliches Reich wieder, das sein Vater durch schlechte

der Gott der Schoninger, Frey der Gott der Svconen, und Godorm (Gutthorm) der Gott der Dänen" genannt. 1) Reinlich das goth. giban , geben, angcls. gifan, sächsisch gethan , altnord. gesa. Daher kommt sowohl das Angcls. gifen, geofon, das Meer, sächsisch gebhen, altnord. gefjon, wie angcls. gifeSe, seid) f. gibhidi und gothisch vermuthlich gibips. Die Form gepanta (gibanta) erinnert hier noch mehr an die Gefjon. Siehe übri­ gens oben Th. I. S. 219. Rot. 3. 2) Ptolemäus selbst nennt, wie oben (Th. I. S. 45.) angeführt, Schonen und die nächstliegenden dänischen Inseln Scandja und die ständischen Inseln. Munch, Gcsch. d. N°lw. Volks. II. 2

18

Der Name der Skjoldunger.

Aufführung verloren hatte; er gab treffliche Gesetze und hinterließ end­

lich im hohen Alter das Reich seinem Sohne, dem berühmten Gram,

dessen Andenken ebenfalls so hoch geehrt ward, daß die Könige in den uralten dänischen Sagen häufig „Gramer" genannt wurden'). Obschon nun der Name Skjoldunger als Name eines ganzen Ge­ schlechts so alt ist — die Hyndluljod selbst stammt aus der Mitte des

achten Jahrhunderts und die Beowuls-Dichtung ist in ihrer ursprüngli­ chen Form wohl nicht jünger, sondern wohl eher, älter — kann man

den Skjold doch wohl nicht als eine aus der Mythologie unmittelbar ent­ wickelte Sagenfigur ansehen, sondern nnr als eine Personification des mittel- und süd-germanischen Königthums, wozu der jedesmalige neue

König symbolisch dadurch erhoben wurde, daß man ihn auf einem Schilde (Skjold) emporhob und ihn dreimal im Kreise des Volks umherlrug, damit er gesehen werden und das Volk durch Händeklatschen und Waf­

fengeklirre seinen Beifall zu erkennen geben konnte.

Dieses auf den

Schild Heben scheint in Norwegen und Schweden oder den rein nor­

dischen Ländern nicht gebräuchlich gewesen zu sein, wenigstens wird es in unsern historischen Quellen nicht erwähnt, dagegen wird es gelegent­

lich bei vielen älteren Schriftstellern als eine gewöhnliche Sitte der

gothischen und deutschen Volksstämme, mithin aller derjenigen Nationen bezeichnet, welche entweder selbst in älteren Zeiten in Scandja ihre

Heimath gehabt,

waren.

oder doch, wie man glaubte, von dorten ausgezogm

Schon Tacitus nennt diese Sitte eine bei den in den heutige«

Niederlanden (vielleicht im Kennemar -Distrikt) wohnenden Kanninefaten

herrschende?).

Sie wird ebenfalls bei den Gothen3 1), 4 2 Franken^) und

1) Sowohl in altnordischen als in angelsächsischen Dichtungen wird gramr oder grom (eigentlich der gramme, muthige) als Bezeichnung eines Fürsten oder Kriegers gebraucht. Snvrre sagt auch ausdrücklich in Angl. Sag. c. 21: zu der Zeit (als Dag lebte) nannte man einen kriegführenden und plündernden Häuptling Gram und die Heermänver Gramer. 2) Tacit. Histor. IV. 15.: Erat in Canninefatibus stolidae audaciae Brinno, claritate natalium insigni: .... igitur ipse rebellis familiae nomine placuit, i m -

positusque scuto, more gentis, et sustinenti um humeris vibratus, dux deligitur. 3) Dieß bezeugt der goth. König Witiges selbst in einem von Casstedor ver­ faßten Briefe: indicamua parentes nostros Gotos inter procinctnales gladios more majorum scnto supposito regalem nobis contulisse dignitatem (Cassiodor Varia X, 31.).

4) z. B. beim Gregor v. Tours (II, 40.): et illi ... plandentes tarn palmis

Die Skjoldunger.

Longobarden erwähnt.

Die solchergestalt auf einem Schilde feierlich

emporgehobenen und mit Waffengeklirr gebilligten Fürsten konnten wohl

allerdings im eigentlichen Wortverstande Skjoldunger9 genannt

werden; und war nun diese Benennung während mehrerer Jahrhun­ derte im Gebrauch gewesen, konnte es der jünger» Generation nicht

nur leicht in den Sinn kommen, fich einen mythischen König Namens

Skjold als den gemeinsamen Stammvater aller dieser Fürsten zu den­

ken , sondern es war dieß, wie man nach andern Vorgängen auch an­ nehmen darf, vielmehr der natürliche Lauf der Dinge; denn in gleicher Weise sind sowohl Halfdan als Dan schon in der heidnischen Vorzeit

als wirkliche Personen in der Sage aufgetreten, obschon sie eigentlich nur ethnographische Eponymen sind.2 * )1 Im Übrigen ist es leicht zu begreifen, daß, wenn die Sage eine lange ununterbrochene Reihe von

Skjoldunger-Königen aufstellt, dieselbe auch mehrere unter einander

unabhängige Reihen zusammengefügt haben wird. Die Sagenfigur Skjold ist daher als der germanische Eponym, welcher unstreitig als der allcrälteste angesehen werden muß, ehrwürdig

und unzertrennlich mit den dunkeln Erinnerungen der Gothen und Süd-

Germanen an ihren ehemaligen theils dauernden, theils vorübergehen­

den Aufenthalt im südlichsten Theile der nordischen Halbinsel, wie an ihre Wanderung von hier aus über die dänisch-gothischen Inseln nach

Deutschland verknüpft.

Der Skjold gehört daher, wie schon gezeigt,

eigentlich Scandja selbst oder den ältesten dänischen Landen an, mit der Erinnerung an Scandja ist er aber auch der Sagenheld der übrigen mittel- und süddeutschen Völkerstämme geworden.

Am kräftigsten lebt

natürlich sein Andenken noch bei den eigenen spätern Bewohnern der

ständischen Lande, den Danen und den von diesen zum Theil ausgegan-

quam vocibus eum (Chlodoveum) clypeo evectum super se regem constitumit; ferner (TU, 51.): collectus est ad eum (Sigibertum) omnis exercitus impositumque

super clypeo sibi regem statuunt. Pipin der Kleine wird auf solche Weise zum Könige ausgerufen/ (Ann. Fr. um 750.) 1) Sven Aagesohn (cap. I. Langeb. scriptt. I. p. 44.) leitet den Namen Skjold (Schild) daher, daß er selbst ein Schild für das Reich war. 2) Wie Skjold und Sceaf verwechselt werden konnten, oder wie sie vielmehr ursprünglich ein und dieselbe Sagenfigur bezeichnen konnten, wird leicht begreiflich Z denn die Sage vom Stammvater des Geschlechts, Sceaf, mußte ja, wenn Skjold als Stammvater angenommen ward, aus diesen übergehen.

20

Die Unglinger.

genen Angeln') fort.

Dagegen gehört er nicht den rein nordischen

Volksstämmen an, welche mit Scandja erst dann in nähere Berührung

kamen,

als ihr eigener Sagenkreis schon vollständig entwickelt war.

Zwar wird der Name Skjoldung auch in der spätern altnordischen Poesie gleich wie die übrigen dem gothisch-deutschen Sagenkreise entlehnten Gc-

schlechtsnamen als eine Bezeichnung für Könige gebraucht; die Sage selbst verbleibt aber doch in ihrer rechten Heimath.

Dagegen ist der un­

kritische Bearbeiter des Fundinn Noregr der erste, welcher weit später schon in der christlichen Zeit mit augenfälliger Willkür den Skjold in den Kreis

der nordischen Königsgeschlechter hineingezogen hat. 4.

U n g v c und d i c §) 11 g t i n g c r.

In der nächsten Verbindung und Berührung mit den Skjoldungern

nennen unsere alten Sagen die Pnglinger, welche sogar bisweilen

ganz augenfällig mit ihnen verwechselt werden.

Die Pnglingcr oder

richtiger Jnglinger haben nemlich den Namen von dem oben (Th. I. S. 80. 81.) genannten Pngve, Jngve, Jngvifreyr oder Jngunafrcyr

(iggvjane srauja), dem Eponpmus der Jngvincn (Jngaevonen), erhalten und hat dieser Name daher vorzüglich eine ethnographische Bedeutung, während der Skjoldunger - Name sich zunächst nur an eine bei mehre­

ren mittel- und südgermanischen Nationen vorkommende gewisse Sitte anlehnt.

Von dem „Jng" oder „Jngvi" haben vermuthlich alle

ingvinschc oder gothische Fürstengeschlechtcr ursprünglich ihre Herkunft

abgeleitet, wie es auch nicht an Beispielen fehlt, daß der Name mehr

als einem Geschlechte beigclegt worden ist 1 2).

Es können demnach auch

die Skjoldunger mit gutem Fug Pnglinger genannt werden und heißt

im Bcvwulfliedc der Skjoldunger- Fürst in Scedenigg (Schonen), wie 1) Außer der Sage selbst erinnern an den Skjold bei den Engländern noch manche

Ortsnamen, z. B. Scyldestreo'w, Scyldmere, Sceldesheafda (Kcmble, Cod. Dipl. Angl. No. 356, 436, 721, 762.).

Außerdem heißt cs in einem Räthsel vom Schilde

(Skjoldet): „Mein Name ist herrlich,

glänzend unter den Helden, ja heilig auch"

(Exeter - Buch S. 409.).

2) Hierbei haben wir keinesweges den spätern Sprachgebrauch der Skalden (Sän­

ger) vor Augen,

welcher alle dergleichen Stammeönamen allen Fürsten ohne Unter­

schied beilegte, sondern nur dasjenige, was bereits in uralten Liedern vorkommt, wie

z. B. in HelgakviÖa Hundingsbana I, Str. 54., wo der Wölsunge Helge Ungves Stammhalter (attstafr Yngva), und in SigurÖarkviÖa II. Str. 14., wo der Wöl­ sunge Sigurd ebenfalls Vngves Abkömmling (Yngva konr) genannt wird.

21

Die Bnglinger.

oben angeführt, auch wirklich „der Herr der Jngvinen." Mittlerweile hat

der gewöhnliche Sprachgebrauch in unsern historischen Quellen den Na­ men der Anglinger auf einen einzelnen Fürstenstamm beschränkt, und zwar auf den besonders ausgezeichneten Stamm, welcher der Sage nach vom Odin selbst als Herrscher über Svithjod eingesetzt war, wel­

cher das Heiligthum in Uppsala anordnete, und im Laufe der Zeit spä­ ter eine neue Heimath in Norwegen fand, dessen Königsthron derselbe

mehrere Jahrhunderte hindurch inne hatte.

Mag es nun auch nicht

bloß denkbar, sondern im höchsten Grade wahrscheinlich, ja zum Theil erweislich sein, daß die Sage verschiedene sogenannte Anglinge- Geschlech­ ter oder gothische Königsstämme zu einem einzigen, gleich wie dieSkjol-

dunger, zusammengefügt hat, so ist dessenungeachtet diese Sage doch vermöge ihres hohen Alters für uns von sehr großem Interesse und deu­ tet allemal auf eine Gemeinsamkeit des Cultus oder der Tradition unter

den einzelnen Stämmen hin; weshalb wir derselben sowohl hier wie in dem Nachfolgenden die größte Aufmerksamkeit schenken müssen.

Snorre in seiner Unglinge-Saga berichtet nun am ausführlichsten

die Sage von dem ersten Auftreten des Ungve und der Unglinger in Svithjod.

Zuerst erwähnt er den Odin und die Äsen, welche er in dem

Bestreben, die Göttersagen historisch zu deuten, für ein wirkliches Volk

ausgiebt und durch die zufällige Namensgleichheit verleitet nach Asien und an den Tanais versetzt.

Er erzählt ferner, daß die Äsen und Ma­

nen mit einander im Streite lagen, bis sie endlich Frieden schlossen und

sich gegenseitig Geißeln stellten.

Die Äsen, heißt es weiter, sandten

den Höner und Mimer, die Manen den Njörd und seinen Sohn Frey.

Odin machte Njörd und Frey zu Tempelpriestern (Hov - Goder); Frey's Tochter war die Freyja, welche Blotgydje war (Blutopfer darbrachte).

Während Njörd bei den Manen sich aufhielt, hatte er seine Schwester zur Ehe gehabt, da dieß bei ihnen erlaubt war; ihre Kinder waren nun

Frey und Freyja; bei den Äsen war dagegen die Ehe zwischen so nahen Verwandten verboten.

Snorre berichtet nun weiter,

wie Odin aus

Furcht vor den Eroberungszügen der Römer mit seinen Tempelpriestern

und vielem andern Volk zuerst nach Gardarike und dann nach Sachsen­ land, das er sich zueignete, entfloh, wo er einige seiner Söhne zu Lan­

desherren machte.

Von hier zog er nördlich an die See und ließ sich in

dem nach ihm benannten Odensee auf Fühnen nieder.

Von dort ent­

sandte er die Gefjon nach Norden über den Sund, um Land zu entdecken;

22

Odins angebliche Wanderung.

sie kam nun zum Gylfe in Svithjod und erwarb sich da Saelund oder

Seeland auf die Weise, wie wir oben angeführt haben.

„Als Odin,"

fährt die Sage fort, „nun hörte, daß im Osten beim Gylfe ein schönes

Land sei, zog er hinüber, und da Gylfe zum Widerstände wider die Äsen, obschon sie sich gegenseitig manchen Streich spielten, doch nicht

Macht genug besaß, mußte er sich mit ihnen abfinden.

Odin nahm nun

seinen Wohnsitz am Logen (Mälar-See) an der Stelle, die später das

alte Sigtuna genannt ward, errichtete hier einen großen Tempel, stellte Blutopfer, nach der Sitte der Äsen, an, wie er sich denn auch den

ganzen Landstrich aneigncte, den er Sigtuna nannte, und den Tempel­ priestern gute Wohnsitze verlieh

Die Saga erzählt nun weiter von den Künsten und Geschicklichkei­ ten des Odin und der Äsen, daß sie z. B. andere Gestalten annehmen,

in Versen reden, ihre Feinde mit Blindheit schlagen,

die Waffen der

Feinde stumpf machen, die Seele aus dem Leibe und in Thiergestalten

nach fernen Gegenden fahren lassen konnten, während der Leib selbst wie todt lag, das Feuer mit dem bloßen Wort auslöschen und die Winde

umsetzen konnten.

Es wird von dem Schiffe Odins, dem Skidbladner,

erzählt, von dem Haupte Mimers, welches ihm manche Unterweisung ertheilte; es heißt, daß er sich unter die Galgen zu setzen pflegte, wes­

halb er auch der Herr der Gehenkten genannt ward; er verstand Wahr­ sager- und Zauberkünste (Galdre og Sejd); er wußte, wo Schätze in der Erde verborgen lagen, und konnte die Hüter beschwören,. sie her?

zugeben 2).

Demnächst wird Odins Gesetzgebung erwähnt, nayient-

1) Unglinga Saga c. 4 — 6. 2) Ynglinga S. c. 7.

Eine Vergleichung des letzten Abschnitts der ältern Edda

„Hävamäl“ (139 —165), wo Odin herzählt, was er durch seine Kunde der Runen auszurichten vermag, S. c. 7. ist.

zeigt sogleich,

daß dies die Quelle der Darstellung in Mgl.

Der erste Vers in jenem Abschnitt (139) ist in mehrfacher Rücksicht

merkwürdig, insonderheit durch das Licht,

welches er gleichzeitig auf die Ceremonie

bei den Opfern zum Odin wie auf die dunkele Bggdrasils - Mythe wirft, von der auch oben Lh. I. S. 215, die Rede gewesen. neun Nächte am Windgeö - Baume hing,

Der Vers heißt: „Ich weiß,- daß ich ganze gezeichnet (verwundet) mit der Geirspitze"

„und geweiht dem Odin, ich selbst mir selber, an dem Baume, von dem Niemand weiß, aus welcher Wurzel er entspringt."

Odin hatte also,

mystische Weise ein Opfer für ihn selber gestiftet,

wie man glaubte,

selbst auf

welches darin bestand, daß der

Geopferte nicht blos aufgehängt, sondern auch mit der Geirspitze durchbohrt ward; einer solchen Opferung ward eben König Vikar (stehe unten) unterzogen, und hält

man Alles zusammen,

so bezieht stch eben hierauf die Anführung des Snorre, daß

23

Odin.

lich in Betreff des Verbrennens der Leichen und der drei jährlichen Blut­ opfer. „Von ganz Svithjod," heißt es „mußte dem Odin eine Steuer bezahlt werden, von jeder Nase ein Pfennig; dafür sollte er das Land vor Unfrieden bewahren und für das Volk Blutopfer um ein gutes Jahr darbringen Odin ward in Svithjod todtkrank; vor seinem Tode ließ er sich Odin sich mit der Geirspitze verwunden ließ.

Was im Übrigen der Ausdruck „am

Windges - Baume" (vinöga meiöi a) betrifft, so kann man es auch „an dem windi­ gen (vom Winde durchsausten) Baume" oder „an dem Baume des Windigen" überse­

tzen.

Wie man es nun auch nimmt, wird es doch als der „Galgen" erklärt werden

müssen, denn es wird nichts anders als „Vinga meidr“ gewesen fein, das schon Thjodolf (im 9. see.) in seiner Anglingatal (Angl. Sag. c. 26.) als Umschreibung des

„Galgen" gebrauchte, und das sich vielleicht auch auf den im Atlamaal gedachten Winge

(vielleicht selbst ein vermummter Odin) bezog, der als runenkundig geschildert wird

und den Niflungen mit dem Galgen droht.

Auf jenen Vers wird ganz unzweifelhaft

in der Mglinga S. c. 7. hingedeutet, wenn es dort heißt, daß Odin sich unter die Galgen zu setzen pflegte und der Herr der Gehängten hieß.

Die Galgen waren dem­

nach dem Odin geweiht und hatten unverkennbar eine höhere symbolische Bedeutung. Wenn man nun aber auch ziemlich oft den Galgen poetisch als Pferd umschrieben

findet (z. B. als Hagbards Pferd) und „im Galgen hängen" auch „Galgen reiten" genannt wird, dann wird der Name Yggdrasil sehr merkwürdig; denn „Agg" ist auch

ein Name, des Odin und drasill oder drösull ist eine nicht ungewöhnliche Dichterbezeichnuug des Pferdes. welchem Odin hing;

Aggdrasill ist demnach „Odins Pferd",

der Baum, in

offenbar jener Vindgamcidr, dessen Wurzeln Niemand kennt.

Hier drängt sich aber unwillkürlich die Frage auf, ob nicht, wenn man Alles Zusam­ menhalt, die Vorstellung von dem im Galgen hängenden, mit dem Speer durchbohrten,

ihm selber aber unter einer andern Persönlichkeit, der eddischen Dreieinigkeitslehre (als Här) geopferten Odin, mithin auch

die Vorstellung von Aggdrastl selbst als

dem Alles tragenden Weltenbaume, ihren Ursprung nicht einer Nachbildung christli­ cher durch mehrere Glieder gewanderten Traditionen verdankt.

Grimm hat in feinet

Mythologie (S. 757.) nachgewiesen, daß die Jrminsul der Sachsen unläugbar an

das Kreuz erinnert und ein altdeutsches Räthsel vom Kreuze schildert auch dieses höchst auffallender Weise als „den Baum, dessen Wurzeln bis in die Hölle reichen,

dessen Krone bis an den Thron Gottes langt und dessen Zweige die ganze Welt um­

fassen".

Man glaubt fast eine Schilderung des Aggdrastl zu hören.

In dem merk­

würdigen angelsächsischen Gedichte vom heiligen Kreuze, aus welchem ein Auszug auch aus dem Ruthwell - Kreuze sich findet,

wird das Kreuz Christi auch galga genannt

und die odiöse Vorstellung, welche das Wort, Galgen, heute erregt, hat es der Zeit nicht gehabt.

Dieser Gegenstand,

Eddalehre zu enthalten scheint,

welcher eins der größte Mysterien in der

verdient eine nähere Special-Untersuchung;

müssen wir uns beschränken, die augenfälligsten Momente nur anzudeuten.

1) Angl. Sag. Cap. 8.

hier

24

Njörd.

Frey.

Yngve.

Ynglinger.

mit der Geirspitze zeichnen und eignete sich alle durch Waffen getödtete Männer zu; er sagte, daß er nach Gudheim oder in die alte Heimath der Äsen ziehen wolle und dort seine Freunde Wiedersehen.

Die Sveo-

nen glaubten nun, daß er nach dem alten Aasgard gekommen sei, und dort ewiglich leben werde; sie fingen von der Zeit an Glauben an Odin

zu haben und ihn anzurufen 1).2 3

Nach dem Odin ward Njörd der Herr der Sveonen und unter­

hielt die Blutopfer.

In seinen Tagen herrschten guter Friede und gute

Jahre, so daß die Sveonen glaubten, daß Njörd über ein gutes Jahr

und Erwerb von Habe und Gut verfüge.

Njörd erkrankte tödtlich, ließ

fich vor seinem Tode dem Odin weihen (mit der Geirspitze bezeichnen) und ward seine Leiche später verbrannt?). Frey bekam nun die Herrschaft nach dem Njörd, ward Drottinn über die Sveonen genannt und erhob Steuerbeiträge von ihnen; er

war leutselig und milde wie sein Vater.

Frey errichtete einen großen

Tempel in Uppsala und machte es zu seinem Hauptwohnsitze; diesem

legte er alle seine Einnahmen bei, sowohl an Land wie an beweglichem

Gute; und ward dies der Anfang des „Uppsala Aud", Uppsala-Gutes, welches später fortwährend erhalten wurde.

Zu seiner Zeit ward der

Frode-Frieden gestiftet; da gab cs gute Jahre in allen Landen und dieß

schrieben die Sveonen dem Frey zu; welcher um so mehr von den an­ dern Göttern verehrt ward, weil zu seiner Zeit das Volk im Lande durch

den Frieden und die guten Jahre reicher als vorhin war ....

Frey

ward auch Dngve^) genannt; der Name Ingve ward aber später in

seinem Geschlechte als Fürstenstamm gebraucht und seine Nachkommen hießen N n g lin g e r.

Frey erkrankte ebenfalls und als sein Ende nahte,

ersann seine Umgebung folgende List:

sie ließen nur wenige Männer

zu ihm kommen, errichteten aber einen großen Hügel mit drei Luftlöchern, brachten die Leiche nach seinem Tode heimlich in den Hügel und bewach­

ten sie in demselben drei Jahre hindurch, indem sie den Sveonen sagten,

daß Frey noch lebe.

Alle Steuern schütteten sie in den Hügel, das

Gold bargen sie in dem ersten, das Silber in dem zweiten, das Kupfer­ geld in dem dritten Lustloche.

Die guten Jahre und der Frieden hiel­

ten an, mittlerweile leitete Freyja die Blutopfer.

Als endlich alle Sveo-

1) Yngl. Sag. c. 9.

2) daselbst c. 11. 3) in Angl. S. c. 20. wird auch die Form Ynguni d. i. Ingvini hinzugefügt.

25

Willkürliche Erklärungen der Mythen.

nen erfahren hatten, daß Frey wirklich todt sei und die guten Jahre wie der Friede dennoch fortdauerten, glaubten sie, daß es auch künftig so bleiben werde, so lange die Leiche in Svithjod sei.

Daher wollten sie

dieselbe nicht verbrennen, sondern nannten ihn den Gott des Weltalls und

opferten darnach vorzugsweise ihm für ein gutes Jahr und den Frieden *).

Man braucht nicht einmal mit der Art und Weise vertraut zu

sein, wie die nordisch-isländischen Historiker im christlichen Mittelalter den heidnischen Mythen, die sonst gegen ihre Rechtgläubigkeit versto­

ßen hätten, welche sie aber doch gern der Nachwelt erhalten wollten, eine historische Deutung gaben, man braucht nicht einmal den Eifer zu

kennen, mit dem alle Historiker der abendländischen Völker in jener Zeit — unsere Vorfahren nicht ausgenommen — nach dem Vorgänge der

Römer die Abstammung ihrer Nation von Troja und den Troern abzu­

leiten bemüht waren, um zu der Ansicht zu gelangen, daß die ganze Darstellung des Snorre willkürlich und obendrein ein mißlungener Ver­

such ist, den uralten germanischen Mythen eine lokalhistorische Bedeu­ tung unterzuschieben.

Hierzu bedarf es nur einer Kenntniß der Aasa-

Mythen selbst, wie sie uns in den Eddaen aufbewahrt sind, und ihrer Gemeinsamkeit bei allen germanischen Nationen. Das Willkürliche nemlich tritt am allerschärfsten darin hervor, daß sogar mehrere der himmli­ schen Wohnungen der Götter, wie Noatun, Himinbjörg, Breidablik, nach

Schweden verlegt und mit Uppsala zusammen genannt werden; ferner in der Festsetzung einer bestimmten Zeit für die Wanderung des Odin;

wie endlich noch in der Abweichung von den ächten Mythen, die sich in

dem Berichte über den Tod des Odin und der übrigen Äsen findet. Ein vortrefflicher Commentar zu der obigen Darstellung findet fich übrrdieß noch in den Bemerkungen, welche entweder Snorre selbst oder auch ein

gleichzeitiger Historiker aus derselben Schule an einzelnen Stellen der

sogenannten jünger» Edda theils als Einleitung, theils am Schluffe ein­ gestreut hat.

„Diese Sagen (von den Äsen)," heißt es am Schluffe,

„dürfen nicht der Vergessenheit anheim fallen, so daß dadurch die Dicht­

kunst der alten Umschreibungen beraubt würde,

welche die Hauptsän­

ger gebraucht haben; christliche Leser dürfen aber darum nicht an die heidnischen Götter oder die Wahrheit der Sagen anders glauben,

wie in der Einleitung ausgeführt ist."

als

In dieser Einleitung ist des

Weiteren von den ersten Menschen, von Adam und Eva, von Noah und 1) daselbst c. 12 — 14.

26

Willkürliche Erklärungen der Mythen.

der Sündfluth, dem Thurm zu Babel, dem Zoroaster und Troja, die Rede,

„welches heute (d. h. zur Zeit der seldschukischen Türken) das Land der Türken heißt," und aus 12 Königreichen mit einem Oberkönige bestand,

„von deren Königen aber alle Fürsten im nördlichen Theile der Welt

ihre Abstammung hcrleiten und die Häupter der Stadt, namentlich den Priamus als Wodan, unter die Zahl der Götter setzen."

Weiter ist

die Rede vom Saturn, welcher für Njörd ausgcgeben wird, und vom Jupiter; ferner vom Priamus oder Odin, dessen Gattin Frigg hieß,

wornach das Reich Phrygien genannt war; vom Thor, welcher sich Thracien oder Thrudhcim aneignete, und von dessen Nachkommen (in deren Namen erstlich vier seiner eigenen Beinamen, dann die Namen seiner

beiden Söhne wieder zu erkennen sind); endlich vom Sceüf und von dem

ganzen angelsächsischen Geschlechtsregister bis auf den Wodan oder Odin, welcher demnach der zweite Odin wird.

Dieser jüngere Odin, heißt

es nun, flüchtete vor dem Pompejus auch in die nördlichen Länder, wo er seinen Söhnen die Namen der ältern Götter gab; er kam so nach dem Sachsenlande,

wo er drei seiner Söhne als Regenten cinsctzte,

deren Namen alle in den angelsächsischen Genealogien sich wieder erken­ nen lassen; von dem Lande der Sachsen ging er nun nach Neidgothland, wo er den Skjold zum Herrscher machte, darauf nach Svithjod,

wo

Gylfe sich ihm unterwarf, Odin in Sigtuna sich niederließ und ganz in

derselben Weise alles einrichtete, wie er es in Troja gehabt hatte.

Ihn

begleitete sein Sohn Pngve, welcher König in Svithjod ward, von dem

die Geschlechter abstammen, welche Pnglinger heißen.

Endlich zog er

nach Norden an die See und machte seinen Sohn Seming zum Herr­

scher über Norwegen.

Auch, heißt es ferner, kann man aus den in

den Geschlechtsregistern ausgezeichneten Namen erkennen, wie diese der Sprache gefolgt sind und wie die Äsen namentlich die Sprache nach dem

Norden, in die Länder Norwegen, Svithjod, Danmark oder Sachsen­

land mitgebracht haben. Diese Darstellung weicht nur in minder wichtigen Einzelheiten von der in der Anglinga - Saga enthaltenen ab.

Die Hauptverschiedenheit

besteht darin, daß in der Darstellung der Edda Troja in Phrygien, die

alte Stammburg der Äsen ist, wogegen dieselbe in der UnglingaSaga nach den Gegenden am Ausflusse des Tanais versetzt wird. Im Übrigen kann die Darstellung der Unglinga-Saga gradezu als ein Aus­ zug aus der Edda betrachtet werden.

Die Abweichung selbst hat daher

Willkürliche Erklärungen der Mythen.

27

wohl nur ihren Grund in einem beim Snorre oder dem Verfasser der

Unglinge-Saga selbst in Folge einer vernünftigen Kritik entstandenen Zweifel an der Wahrscheinlichkeit, daß zu einer in der römischen Ge­ schichte schon so bekannten Zeit, wie die des Pompejus, Odin in Troja geherrscht habe, wie an der Möglichkeit, daß die Äsen-Wanderung die

eines einwandernden Volkes gewesen sein könne; daher hat derselbe auch

den Odin nicht weiter als in die nördliche Gegend des schwarzen Mee­ res kommen lassen und stellt die Äsen lediglich als eine Priestercolonic

Die angelsächsischen Geschlechtsregister von Wodan und Sceäf,

dar.

wie man aus den von ihnen unmittelbar entlehnten Namen sieht, welche jene älteren Historiker wohl gekannt und benutzt haben, deuteten auf das Land der Sachsen als ein solches hin, das von Odin beherrscht worden;

Odensee auf Fühnen diente ihnen als eine Spur seines Aufenthalts auf dieser Insel; und das Heiligthum in Sigtuna war zu sehr bekannt, als

daß man nicht auch hätte annchmen sollen, daß er sich hier aufgehaltcn habe. Der Tempel in Uppsala mit dem eigenthümlichen Frauja-Cultus machte diesen Ort zum Aufenthalt des Frey, und das unter dem Namen

„Uppsala Aud" bekannte, dem Öffentlichen gehörige Landeigenthum in Schweden, welches im Heidenthume Tempclgut gewesen (siehe I.

S. 204), ward natürlich einer Anordnung des Frey selbst zugeschrie­ ben. Auf diesem losen Grunde führte man nun die oben mitgetheilte

historische Hypothese auf. Eine andere Spur dieser oder einer ähnlichen Darstellung findet sich indeß auch noch lange vor dem Snorre, indem schon der bekannte isländische Geschichtsforscher Are Frode, welcher im Anfänge des zwölf­

ten Jahrhunderts lebte, bei Aufzählung des Unglinge-Geschlechts den

N.ngve mit dem Beinamen Türkenkönig an die Spitze setzt.

Auch

mochte es wohl eine direkte Folge der Einführung des Christenthums sein,

daß man einestheils in den älteren Mythen, die man doch für die Dich­ tung zu bewahren wünschte, das Heidnische oder Abgöttische sogleich Hin­ wegzudeuten suchte, anderntheils auch durch die Bekanntschaft mit bey lateinischen Sprache, deren Studium nur bei der Geistlichkeit eingeführt

ward, auch die in dieser Sprache abgefaßten Schriften kennen und für die historische Kritik anwenden lernte1). 1) Wer die Untersuchung dieser interessanten Materie näher verfolgen will, den können wir auf R. Keyserö Abhandlung „om Nordmändenes Herkomft og Folkeslägt--

skab"

(über die Herkunft

der Normänner und ihre Völkerverwandtschaft) ver-

28

Willkürliche Erklärungen der Mythen.

Dennoch findet fich in jener mißlungenen historischen Erklärung

Manches, was nur aus uralten Duellen, die man heute nicht mehr kennt, und aus einer Kunde der älteren Zustände im Heidenthume her­

stammen kann, die uns jetzt gänzlich mangelt.

Daher enthält sie un­

geachtet ihrer, im Ganzen genommen, großen Unzuverlässigkeit dennoch wohl zu beachtende Winke.

Vielleicht der wichtigste sind nun aber die

Andeutungen über den Unterschied in der Verehrung des Wodan und

des Frey.

Odin, heißt es, ließ sich in Sigtuna nieder und gründete

dort einen Tempel und Blutopfer nach der Weise der Äsen, d. h. den gewöhnlichen Odins-Cultus; er verordnete, daß die Leichen der

Verstorbenen verbrannt werden sollten, und durch die Aneignung der durch Waffen gefallenen Krieger, wie durch die Selbstbezeichnung mit der Geirspitze machte er sich zu einem Kriegsgotte.

Frey dagegen er­

richtete seinen Tempel in Uppsala; nun wird zwar nicht ausdrücklich

gesagt, daß er ein von dem, was Snorre die „Weise" der Äsen nennt,

verschiedenes Opfer anordnete; allein man weiß doch aus andern Quel­

len, daß der im Uppsala-Tempel übliche Cultus der nemlichc wie in Hleidr auf Saclund, folglich ein von dem sonst tut Norden gewöhnli­

chen Odins - Cultus verschiedener war; Frey selbst ward unter einem Hügel begraben, nicht verbrannt, womit demnach eine Sitte ange­

deutet wird, welche von der abwich, die Odin cingeführt haben sollte,

welche aber bei den Gothen in Dänemark die herrschende war*1); Frey tritt ferner als der Gott des Weltalls, mithin als der höchste Gott,

aber nicht als der Kriegsgott auf, sondern als ein Gott für gute Jahre und

die Erhaltung des Friedens 2).

Da nun oben gezeigt ifl3), daß Frey

oder Frauja ursprünglich kein anderer als der Odin selbst, nur in der für die Angvinen oder Gothen eigenthümlichen Form ist, so kann die Erzählung von dem Auftreten des Frey oder Ungve in Svithjod nur weisen, wo dieser Gegenstand vollkommen erschöpfend und mit völliger Klarheit darge­ stellt ist, und wo sowohl die Irrthümer der ältern Historiker, als die Daten, auf denen

sie ihre Combinationen bauten,

aufs klarste nachgewiesen

sind.

Siehe Sammt, til

det norske Folks og Sprogs Historie 6. B. S. 272 — 289. 1) In der Vorrede zur Unglinga - Saga heißt es ausdrücklich: „als Frey bei Uppsala unter einem Hügel begraben war, errichteten viele Häuptlinge ebenfalls Grab­

hügel und Bautasteine zum Andenken an ihre Verwandten." Vergl. T. Thl. S. 243.244. 2) Nach der mythologischen

Darstellung hatte Frey sein Schwerdt abgegeben

und war unbewaffnet; dieß spricht auch für Friedlichkeit.

3) Thl. I. S. 77 ff. S. 209.

SS

Gothische? Fürstcnstamm in Uppsala.

als eine dunkle Sage von der Niederlassung eines ingvinischen oder gothischen Fürstenstammes daselbst erklärt werden, welcher allmählig, insbesondere durch den Besitz des Uppsala-Tempels, gleichwie die Hlei-

dre-Könige im Besitz des Hleidre-Heiligthums, zu Macht und Ansehen gelangte; die Unglinger müssen Mitglieder dieses oder eines andern gothischen Fürstengeschlechts gewesen sein, das im Norden selbst zu

größerem Ansehen gelangte, und wenn man zu der Ansicht gelangen

kann, daß etwas mehr als eine bloße und nackte Conjectur der angeb­

lichen Ankunft des Odin nach Svithjod zum Grunde liegt, dann könnte man dabei mit vollem Fug an die Ankunft der gothischen Priester- und

Fürstenfamilie denken, welche eine höhere Cultur, als die bis dahin bei

den Sveonen herrschende, mitbrachte und einen neuen minder auf den Krieg als auf den Frieden gerichteten, dagegen aber auch von mehre­

ren mystischen und blutigen Ceremvnieen begleiteten Tempeldienst ein­

führte *).

Das Verhältniß des Odin und Frey oder Pngve zu einander wird, wie man hiernach leicht denken kann, von den verschiedenen Sagener­

zählern oder Erklärer« auch verschieden dargestellt.

In der Unglinge-

Saga wird Frey oder Ungve als ein Sohn des Manen Njörd dargestellt

und steht in keinem Verwandtschastsverhältnisse zum Odin.

In der

Vorrede zur jüngeren Edda wird Angve der Sohn Odins genannt.

Fundinn Noregr nennt den Borre (d. i. Bure) einen König in Türken­ land, dessen Sohn Bör war, und dessen Sohn wieder der Aasakönig

Odin, Vater des Frey, war, welcher wieder der Vater des Njörd, die­

ser aber der Vater des Frey war.

Are Frode nennt nicht den Odin,

sondern nur den Pngve König der Türken, legt ihm den Sveakönig

Njörd als Sohn bei, welcher wiederum der Sohn des Frey i|t1 2).

Ob­

schon Odin in der Vnglinge-Saga ein Vater des Scming sein soll, heißt es doch in der Vorrede, daß Seming ein Sohn des Pngvefrey war;

überdieß wird gesagt, daß dem Odin das Schiff Skidbladner gehörte, wogegen es der Edda zufolge das Eigenthum des Frey war.

1)

Eine solche

Es ist hier von nicht geringer Wichtigkeit, daß auch im historischen Zeitalter

zwei Tempel und Königssitze in Svithjod vorkommen: Uppsala mit dem Frcvstempel und Sigtuna mir dem Odinstempel und der Handelsstadt Birka.

von Uppsala und Birka waren zwar von demselben Stamme,

mals mit einander in Streit.

2)

Are Frode, Jölendingabok , Cap. 12.

Die Könige

lagen aber doch oft­

30

Ursprung des Frauja -Dienstes.

Verwirrung mußte nothwendig aus jener willkürlichen Scheidung zwi­

schen dem Odin und Frey oder vielmehr daraus entstehen, daß man eine und dieselbe mythische Person in zwei theilte.

Auch der Däne Saxo theilt uns Sagen und deren Auslegungen

mit, welche auf die Begründung eines besondern Frey-Cultus in Upp­ sala Hinweisen.

Er erzählt von einem dänischen (gothischen) Fürsten

Namens Hadding, einem Sohne des Gram und Enkel des Skjold, in welchem man deutlich den Njörd unserer älteren Götterlchre, den soge­

Um die Zeit

nannten Vater des Wanengottes Frey, wiedererkennt').

des Hadding, heißt es, sei Odin erschienen, welcher irrigerweise von ganz Europa als ein Gott verehrt wurde und eigentlich in Byzanz (Aasgaard) seine Heimath hatte, oftmals aber auch sich bei Uppsala auf­

hielt.

Die Untreue seiner Gattin Frigg nöthigte ihn, eine Zeitlang

landflüchtig zu werden, und diese Gelegenheit benutzte nun ein berühm­ ter Zauberer Namens Mitodin, sich für einen Gott auszugeben und neue Opferceremonieen einzuführen, welche hauptsächlich darin bestan­

den, daß man nicht, wie bisher, allen Göttern zugleich opfern, sondern

jedem insbesondere verschiedene Opfer darbringen sollte.

Als Odin zu­

rückkehrte, mußte Mitodin nach Fühnen flüchten, wo die Einwohner ihn

erschlugen 2).

Hadding erhielt später viele Unterstützung von Odin,

1) Wergl.

hierüber insonderheit meine „Nordmändenes Gudeläre i Hedenold"

S. 125 —129.

Hadding oder, wie er auch heißt, Haddung ist nur „der haargelockte",

angels. Hearding, gothisch Hazdiggs; eine Bezeichnung für die vornehmsten Männer unter den Gothen und Vandalen,

welche allein berechtigt waren,

lange Haare zu

tragen.

'

2) Saro scheint hier das alte Wort mjötuör,

eigentl. mitu5r, angels. metod,

welches für den Weltenlenker gebraucht wirb, mißverstanden zu haben. Mitodin nach seinem Tode so argen Spuk trieb,

trennen und den Körper mit einer spitzen Stange durchbohren mußte. die Geirspitze gewesen sein?

Er sagt, daß

daß man den Kopf von der Leiche

Sollte dies

Später (S. 129.) theilt Saxo etwas mit, das nur als

eine andere Version der Sage anzusehen ist.

Als nemlich die Götter in Byzanz,

heißt es, all zu großes Ärgerniß an dem schlechten Leben des Odin nahmen,

stie­

ßen sie ihn aus ihrer Gemeinschaft aus und trieben ihn in Landflüchtigkeit, indem sie an

seine Stelle einen gewissen Oller setzten, dem sie den Namen Odin gaben.

Nach Ablauf von 10 Jahren kam Odin jedoch wieder zurück,

und es gelang ihm

entweder durch Bitten oder Bestechung seine alte Würde wieder zu erlangen.

Aus

Byzanz verstoßen zog Oller nun nach Svithjod, wo er, gleich wie in einer neuen Welt, den Glauben an ihn einzusühren suchte, aber von den Danen erschlagen ward.

Er soll in dem Grade zauberkundig gewesen sein, daß

er auf einem Knochen über

Ursprung deö Franja - Dienstes.

5t

unterwarf sich Schweden und stiftete rin besonderes Opfer von schwar­

zen Thieren für die Gottheit Frey, welches die Sveonen Frey-Blot') nannten.

An einer späteren Stelle heißt es ausdrücklich, daß Frey,

der Statthalter der Götter, seine Wohnung bei Uppsala aufschlug und

anstatt des alten seit mehreren Jahrhunderten bestehenden einen neuen grausamen und schändlichen Opferdienst einführte, welcher in Menschenopfern bestand 2 * ). 13

Beim Nicderschrciben dieser letzten Er­

zählung hat der Verfasser offenbar wieder vergessen, was er schon frü­

her von der Sage berichtet hatte — und dieß ist nicht der einzige Fall dieser Art beim Saxo, wenn er verschiedene Quellen benutzt und nicht erkannt hat, daß beide eine und dieselbe Sache behandeln.

Der letzte

Bericht ist nun wohl der, welcher in den deutlichsten und unzweideutig­

sten Ausdrücken die Einführung des eigenthümlichen, mystischen und blutigen Frey-Cultus in Uppsala erzählt; indeß giebt auch die Erzäh­

lung vom Hadding deutlich genug zu verstehen, daß dieser Opferdienst von den Gothen und vielleicht noch zunächst von den Gothen in Däne­ mark herstammte s).

Wenn man es nun auch als ausgemacht ansieht, daß der FraujaCultus eigentlich bei den Gothen seine Ausbildung erhalten hat, dann

entsteht wieder die Frage, was denn die Veranlassung gewesen, daß er

sich vornehmlich bei ihnen ausgebildet hat.

Diese Frage aber kann nicht

gut anders beantwortet werden, als indem man die Conjectur aufstellt, daß die Nachbarschaft der Gothen, als der östlichsten Germanen, und der wendisch-slavischen Völker einen Einfluß auf ihre religiösen Vorstellun­

gen und ihren Cultus ausgeübt haben wird.

Aus der Bibelübersetzung

des Wulfila erfahren wir aber, daß die Gothen schon zu seiner Zeit, im dar Meer segeln konnte, wenn er über dasselbe seine Iaubersprüche gesprochen oder

gesungen hatte.

1) Saxo B. 1. S. 50.

Frey heißt beim Solo nach der dänischen Aussprache

immer Frö und Frey blot (Opfer) Fröblod. 2) Saxo B. 3. S. 120.

3) ES ist allerdings merkwürdig,

daß die beim Saxo sich findende Sage vom

Hadding ihn die Leiche seines Feindes, des norwegisch - schwedischen Königs AaSmund, bei Uppsala verbrennen läßt, während doch Hadding selbst später den Uffe, den

Sohn des Aasmund, unter einem Hügel bestatten läßt; dieß war demnach die gothische Sitte.

Daß Jngve oder Ing indeß zunächst zu den gothischen Ostdancn

gerechnet worden zn

fein scheint, dafür zeugt der oben (Th. I. S. 80. No. 4.)

mitgetheilte Inhalt eines alten angelsächsischen Verses.

32

Prove und Prije.

Banen.

vierten Jahrhunderte, einzelne slavische Worte in ihre Sprache ausge­ nommen hatten *).

Es ist daher auch wahrscheinlich, daß sie auch ein­

zelne slavische Religionsbegriffe ausgenommen haben, namentlich da wir in den uns hinterlassenen Nachrichten von der altslavischen Religion und

Götterverehrung schon mehrfache Spuren von einer unverkennbaren

Verwandtschaft zwischen dieser und der germanischen finden.

Unter den

flavischen Göttern wird einer Namens Prove genannt, welcher in Hai­ nen ohne alle Bildera) verehrt ward, was wieder in auffallender Weise mit dem übereinstimmt, was Tacitus von den ostgermanischen Nahar-

valen erzählt (siehe oben Theil I. S. 27.), daß sie in einem heili­

gen Haine zwei Geschwister-Gottheiten (Frey und Freyja?) anbeteten, ohne sie irgend im Bilde darzustellen. übergänge entspricht Prove

Nach den Regeln der Sprachen­

ganz dem

gothischen Frav-is

oder

Frauja, eigentlich Frav-ja, und wie nahe liegt nun hier die Ver­ muthung, daß der slavische Prove-Cultus auch zu einem besondern

Frauja-Dienst bei den Gothen

die Veranlassung gewesen sein kann,

da man namentlich in der Art, wie Frey verehrt wurde, eine Sinnlich­ keit ausgedrückt findet, die sonst nicht mit der Lebensweise unserer Vor­

fahren oder dem Geiste in ihren Mythen, dagegen aber vollkommen mit

dem ältern Nationalcharakter der Slaven übereinstimmt 4 1).2 3 Auch im Slavischen hat man als der Freyja entsprechend die Prije.

Endlich

muß hier noch daran erinnert werden, daß grade die mit dem Frey in die Zahl der Äsen aufgenommenen Götter Manen genannt werden, während die tschudischen Volksstämme noch immer alle slavischen Natio­ nen mit dem Gesammtnamen Waene (Vaenelainen) bezeichnen.

Es

hat daher an sich schon nichts Unwahrscheinliches, daß der eigenthümliche

Frauja-Cultus sich bei den Gothen nach dem Borbilde der Slaven ent1) z. B. plinsjan, tanzen, slavisch pljasati.

2) Helmold I, 52 , 69 , 83. 3) Prove soll der Gott der Gerechtigkeit gewesen sein, doch ist es bezweifelt worden, ob er auch rein slavischen Ursprungs gewesen, da seine Verehrung nur in Wagrien vorkommt.

Vielleicht könnte aber Prove ein anderer Name für den höchsten

Gott (Obergott) Swantewit oder Swjatowid sein?

In diesem Falle würde auch die

mit der Verehrung des Frey so häufig vorkommende Ernährung von heiligen Pferden sich erklären lassen; wie

für den Swantewit bekanntlich ein weißes Pferd unter­

halten ward.

4) Frey (Fricco) ward nach Adam von Bremen im Uppsala - Tempel cum ingenti Priapo dargeftellt.

35

Frode und der Frode-Frieden.

wickelt und daß er später, mit dem Nerthusdienste verbunden, einen

besondern Charakter angenommen und neue Mythensagcn hervorgeru­ fen hat. 5.

Frode und der Frode-Frieden.

Es ist bereits früher erwähnt, daß die Dnglinga - Saga den FrodeFrieden zu der nemlichen Zeit hergestellt sein läßt, da Frey den Tempel

in Uppsala errichtete.

Über diesen Frode-Frieden wie dessen Stifter,

den Hleidrekönig Friedens- (Fred-)Frode, fanden stch in alter Zeit viele

merkwürdige Sagen durch den ganzen Norden verbreitet.

Die älteste

derselben wird in der jünger» Edda mitgetheilt und ist in dem uralten

Frode, heißt es hier, war ein

Liede, Grotte-Sangen, enthalten.

Sohn des Fridleif (d. i. Friedenshinterlasser) und ein Enkel des Skjold.

Von dem Könige Fjölner in Svithjod, dem Sohne Jngvc-Freys, kaufte er die beiden Sclavinnen Fenja und Menja*), von denen er eine

Zaubermühle drehen ließ, welche die Eigenschaft hatte, Alles hervor­

mahlen zu können, was man von ihr verlangte.

Er ließ sie Gold,

Frieden und Glückseligkeit mahlen; da herrschte nun ein so tiefer Frie­

den, daß Niemand an dem Andern Gewalt verübte, wenn er auch dem Mörder seines eignen Vaters oder Bruders begegnete; es gab keine

Diebe oder Räuber, so daß man einen goldenen Ring lange Zeit auf der Jälingc-Heide liegen lassen konnte, ohne daß Jemand ihn zu steh­

len wagte.

„Frode selbst saß," wie es im Liede heißt, „auf Reich­

thum und schlief auf Flaumenbetten," bis er unersättlich ward und den Mägden nicht längere Ruhe ließ, als so lange der Guckuck schwieg oder ein Lied gesungen werden konnte.

Da mahlten sie ihm den Unfrieden

hervor; ein Seekönig übersiel und erschlug ihn. Frode-Frieden^).

Hier endigte der

Die meisten der übrigen Sagen vom König Frode

finden sich noch beim Saxo, welcher sie unter mehrere verschiedene Kö-

1) Fenja, eigentl. Fenia ist aus ken oder feni, Sumpf, gebildet; Menja, eigentl.

Mania aus mani,

Schmuck.

Fenja - und Menja-(Selb ist demnach „Sumpfgold"

und „Schmuckgold".

2) Snorre, Edda Cap. 43.

Die Sage fügt hinzu, daß der Seckönig die Mägde

Salz an den Bord des Schiffes mahlen ließ,

daß dadurch so viel Salz heraufkam,

daß das Schiff sank und daher das Meer salzig geworden ist.

Eine ähnliche Sage

hat sich noch bis auf unsere Tage in Norwegen erhalten, siehe Asbjörnsens und Moes Folkeevcntyr (Volksmärchen v. Aöbjörnsen und Moe). Munch, Gcsch. b. Norm. Volks. II.

3

54

Frodc Friedenögode (Friedens-Priester).

ttige des Namens Frode vertheilt hat, wie denn auch die in unseren

Sagaen anfgestellten Skjoldunger-Genealogieen zwei friedliche Frvden aufzählen, nemlich den eigentlichen Friedens-Frode und „Frode den Fried­ Der erstere ist nach Saxo ein Sohn des Hadding (also eigent­

samen."

lich des Njörd).

Saxo legt ihm viele Kricgsthaten bei, die offenbar erst

in späterer Zeit der Saga hinzugefügt find, indem man einestheils in

mehreren derselben solche Berichte

wiedererkennt,

die bei anderen

Schriftstellern aus dem Mittelalter andern Helden bcigelegt werden und

daher stehende Ausschmückungen der Heldengeschichte genannt werden

können; anderntheils aber auch Verhältnisse in ihnen erwähnt findet, welche erst einer spätern Zeit angehören, wie z. B. die Wikinge-Züge nach Bretland und Schottland').

Nachdem Frode diese Thaten voL-

führt, heißt es nun, zog er wieder heim und bestand hier einen Zwei­

kampf, zu dem er bei einem Gelage herausgefordert ward, wo er selbst

auf goldenen Kissen ruhte.

Da aber zwei Kammerdiener ihm hin­

terlistig nachstellten, ließ er sie an große Felsstücke binden und ins Meer

werfen.

Sein Essen pflegte er mit zerstoßenem und gemahltem

Golde zu bestreuen, um sich dadurch, wie es hieß, vor Vergiftung zu

schützen 1 2). Der zweite Frode, dessen Saxo erwähnt, ist der in den dänischen Königsreihen bekannte Frode Fredgode, der Sohn des Fridleif. Saxo erzählt ausführliche Sagen von seiner Kindheit und Jugend, in

denen auch der in unsern ältesten Quellen erwähnte Erik maalfpake (ziel­ kluge) von Rennesö die Hauptrolle spielt, welche zweifelsohne ursprüng­ lich eine besondere Sage von

diesem gebildet haben, die der dänische

Historiker aber willkürlich in seine Erzählung vom Frode einflocht, bei dem er überhaupt mit besonderer Vorliebe verweilt zu haben scheint und um dessen Person er auch andere Sagen häuft, die gar nicht dahin ge­

hören , sondern deren mehrere in einer weniger entstellten Form in un­ sern eigenen Geschichtsquellen erzählt werden, ohne daß Frode jemals 1) Bei dieser Gelegenheit wird auch eines schottischen Königs Melbrigbe

(Melbricus) erwähnt, ein Name, der erst dem christlichen Zeitalter augehört, da er

„St. Brigida's Diener" bedeutet. 2) Saxo B. 2. S. 61 — 80.

St. Brigida lebte aber erst im 6. Jahrhundert.

In

den an Fclsstück« gebundenen Leibdienern

ist vielleicht eine Reminiscenz an die Fenja und Menja enthalten, welche an Mühlen­

steine gekettet wurden.



Dor Frode-Friede«.

dabei erwähnt wirb1).

Frode führte, dem Saxo zufolge, viele und

glückliche Kriege, durch welche er sich den größten Theil des Nordens, die östlichen Userlande und das Land der Slaven unterwarf.

Er gab,

so heißt es, gute Gesetze, von denen mehrere zwar im Laufe der Zeiten abgeschafft sind, andere dagegen während der nachfolgenden Zeit in Kraft Solcher Gesetze, von denen man in Dänemark zweifelsohne

blieben.

Sagen gehabt hat — wo man vielleicht noch die Grundlage der ganzen Gesetzgebung dem Friedens-Frode beigelegt hat, wie in Norwegen dem

Skt Olaf — werden nun mehrere angeführt, in denen man uralte, auch in Norwegen geltende Gewohnheiten erkennt, wie z. B. das Aus­

senden des Kriegspfeils im Falle eines plötzlichen Kriegsüberfalls, das Holmgangs- (förmliche Zweikampfs-) Gesetz u. a.m.

Unter den Gese­

tzen war auch eins, welches bei Strafe einer Mark an den König ver­

bot, sein Eigenthum zu verschließen, wogegen auch im Falle des Dieb­ stahls dem Bestohlenen doppelter Ersatz aus der Kasse des Königs gelei­ stet ward.

Nach einem großen Siege über die Normänner beschloß

Frode, wie es heißt, einen allgemeinen Frieden herzustellen, und da­

mit Jedermann sich des Diebstahls zu enthalten lerne und nach dem Kriege Ruhe im Lande herrschen möge, ließ er zuerst in Norwegen zwei goldene Ketten aufhängen und zwar die eine auf einem Berge (Aas),

genannt Frode-Aas (es wird nicht gesagt, wo?)2), und die zweite in

der Wik; auf einem Thing, das er in Norwegen hielt, bedrohte er denjenigen mit den strengsten Strafen, welcher es wagen würde, eine dieser Ketten wegzunehmen.

Dagegen erlaubte er den Reisenden, die

Ruder oder die Pferde, welche sie vorfänden, zum Übersetzen über die

Flüsse zu benutzen; ingleichen gestattete er ihnen, so viel Speise, als für

eine Mahlzeit erforderlich, aus dem Verwahrsam eines Andern zu ent­ nehmen; gebrauchten sie aber das Pferd länger oder nahmen sie mehr Speise mit, sollten sie als Diebe angesehen werden.

Später ließ er

auch in Jütland eine große goldene Kette an einem Kreuzwege aufhän­ gen (den Ring auf der Jälinge-Heide?); nach noch einer andern Sage 1)

B. die Erzählung von der Schlacht zwischen den Gothen und Hunnen, und

von den Söhnen des Arngrim, welche sich vollständig in der Hervararsaga findet. 2) Man wird hier zunächst an den Frode - Berg (- Vas) bei Tunöberg erinnert.

Zwar ward auch Westfold, wo Tunsberg lag, zur Wik gerechnet,

indeß ward diese

Benennung doch zu den Zeiten Saxo'r gewöhnlich auf Rannte und Elvesyffel be­ schränkt.

56

Der Frode»Frieden.

ließ er drei goldene Ringe aufhängen, einen an der Eider, einen zwei­ ten bei Wordingborg auf Seeland und den dritten bei Skanoer in

Schonen *) — und auch hier wagte es Niemand, sich an denselben zu

vergreisen. Dieser Frode-Frieden soll an 30 Jahre gedauert haben.

Endlich

überredete ein zauberkunbiges Weib, wie es heißt, ihren Sohn, einen der Ringe zu stehlen, und als der schon hochbejahrte Frode sich zu Wa­ gen nach ihrem Wohnorte begab, verwandelte sie sich in eine Meerkuh

und stieß ihn mit den Hörnern, daß er davon starb.

Sein Gefolge

verheimlichte seinen Tod, balsamirte aber seine Leiche und fuhr sie drei Jahre im Lande umher, wobei sie dem Volke einbildeten, daß er noch

lebend sei.

Als endlich die Leiche nicht länger der Fäulniß widerstehen

konnte, begruben sie dieselbe bei Waerebro auf Seeland unter einem Hügel 2).

Nach der Dnglinge - Saga kam Fjölner, der Sohn des JngveFrey, bei einem Gastmahl des Fredfrode ums Leben, indem er in einem ungeheuren Mcethfasse ertrank.

Das Nemliche erzählt Saxo vom Hun­

ding, dem Unterkönige des Hadding in Svithjod.

Ein falsches Gerücht

vom Tode des Hadding war ihm zu Ohren gekommen und beschloß er

daher, dasselbe durch ein prächtiges Erbbier zu feiern; als er nun Meeth aus einem großen Mcethfasse schöpfen wollte, stürzte er in dasselbe hin­

ein und ertrank; Hadding erhing sich später aus Schmerz über dessen

Tod»).

Vergleichen wir nun das Wesentliche in allen diesen Sagen, so wird es einleuchtend, daß Frey und Frode dieselbe mythische Figur sind,

nur unterschieden durch die verschiedenen Darstellungen, worin sie uns

überliefert worden 4 1).2 3Beide sind Friedensstifter; beider Tod wird während

dreier Jahre verheimlicht, worauf sie beide unter einem Hügel begraben werden; bei beiden spielt ihr Wagen eine große Rolle; beide sind die Repräsentanten eines eigenthümlichen, friedlichen aber mystischen Opfer­

dienstes, und wird von diesem Cultus in Uppsala noch ausdrücklich ge1) Annalen des Ryklosters (die Eriks - Chronik) in Langebek Scriptt. rer. Dan.

I. p. 153.

2) Saxo B. 5. S. 181. und insonderheit v. 247 — 257. 3) Anglinga - Saga Cap. 14; Saxo B. 1. S. 59. 60.

4)

Von der Verwechslung des Namens Frey, dänisch Frö,

„Frode" ist schon oben die Rede gewesen (Th. I. S. 245.).

sächs. grd, mit

37

Der Frode-Frieden.

sagt, daß er hier neu war, ein anderer wie der frühere, und daß er

mit widerwärtigen Ceremonieen verbunden war.

Hadding, der Vater

des ältern Frode, fällt mit dem Njörd zusammen und repräsentirt wie­

derum denselben eigenthümlichen Cultus; er fällt auch mit dem Frey zusammen, indem er der Stifter des Frey-Blot (Blutopfer) war, und insofern wiederum mit dem Frode, als er der Freund des im Meeth-

fasse ertrunkenen schwedischen Königs war. Es ergiebt sich nun hieraus, daß zugleich mit der Njörd oder Nerthus, Frey, Freyja und Jngve, deren Identität bereits oben (Th. I. S. 77 ff.) dargethan ist, auch Had­ ding und Fredfrode zu einer und derselben Persönlichkeit verschmelzen, indem sie ncmlich insgesammt den eigenthümlichen Frey-Cultus reprä-

sentiren.

In diesem eigenthümlichen Frey-Cultus aber, dessen Iden­

tität mit dem Nerthusdienste wir ebenfalls dargethan haben1), 2 liegt unverkennbar der Grund jener Sage von dem Frieden, den Frode (oder Frey) hcrgesteüt haben soll.

Wenn das Nerthusfest gefeiert wird, sagt

auch Tacitus, oder wenn die Nerthus in ihrem von Kühen gezogenen

Wagen im Volke umhergeführt wird, dann ist Freude und Festlichkeit

überall, da wird kein Krieg geführt,

zu den Waffen,

da greift man nicht

da wird alles Eisen verschlossen,

kennt und liebt nur den Frieden?).

man

Dieß ist also der eigent­

liche Frode-Frieden und als dessen Begründer tritt nun Frode auf, wel­

cher den eigenthümlichen ingvinschen oder gothischen Frey-Cultus an­ geordnet hat.

Auch verdient bemerkt zu werden, daß der bei den dä­

nischen Schriftstellern übliche Beiname des Frode,

friihgoihe, nicht

durch fri&goöi (der fredgodc, friedliche) erklärt werden muß, sondern

auch als friSgoSi, d. h. der Friedens-Gode, Friedens-Priester, erklärt werden kann; ja daß es sogar denkbar ist, daß derselbe auf einem Miß­ verstehen des „Frögothe", d. h. Freysgo&i, der Frey - Gode, beru­ hen kann.

Damit wird nun aber der Frode aus der Zahl der eigentlichen

Skjoldungcr gestrichen und cs leuchtet ein, daß er von Anfang her mit dem Heiligthum in Hleidr in Verbindung steht, und daß seine Existenz als Sagagestalt nicht nur älter als die des Skjold sein, sondern auch

für einen weitern Kreis als dieser Bedeutung gehabt haben muß. 1) Siehe oben (Th. I. S. 79—81.;

Thictmar bei Pcrtz V. 739. 2) Tacitus Germ. Eap. 40.

Hie-

vcrgl. Adam v. Bremen IV. 127. und

38

Der Frode-Friede».

für mangelt es auch nicht an unverkennbaren Spuren.

Die Erzählung

ves Saxo bezeugt, daß Volkssagen von dem Frode in der Wik wie in

Westfold in Norwegen, wo der gothische Einfluß sich geltend machte, verbreitet gewesen sind *).

Aus den deutschen Eigennamen „Fanigolt"

und „Manigolt" erkennt man aber auch, daß die Sage von dem Golde

deS Frode, mithin wohl auch von seinem Frieden, sich nach Deutschland, ja bis nach Baiern hinein, erstreckte^).

Außer dem mythischen Frode, oder wohl richtiger Frauja, wird in

uralten gothisch-dänischen Sagen auch ein historischer Frode genannt, welcher als tapferer Krieger und Eroberer berühmt war und jezuweilen

Mit der hübschen und tragischen Sage von Roar und Helge in Verbin­ dung gebracht wird.

Dieser Frode, welcher auch in mehrere Persön­

lichkeiten zerfällt, wirb in den alten Sagen der Frökne (d. i. tapfe­

re, lateinisch vegetus) genannt.

führlicher die Rede sein.

Von diesem wird nun später aus­

Daß aber alle kriegerischen Sagen, welche

bei Saxo dem Friedens-Frode beigelegt werden, eigentlich dem Frökne Frode

zukommen,

kann demnach

wohl nicht

in Abrede gestellt

werden3 1).2 Sowohl dänische als nordisch-isländische Geschichtsschreiber haben

den sogenannten Frodefrieden in die Zeit des Kaisers Augustus und der

Geburt Christi gesetzt.

Dieß ist natürlich daher gekommen, weil man

annahm, daß um die Zeit der Geburt Christi ein allgemeiner Frieden

auf Erden herrschte; hiezu ward man theils durch den bekannten Aus­ ruf der Engel (Lucas Ev. I I. 14.) verleitet, theils durch den Bericht über die Schließung des Janus-Tempels unter dem August, ein Zei­

chen, daß überall per orbem (sei. Romanuin, d. h. im römischen Reiche) Frieden herrschte.

In jener Periode des Mittelalters aber, da man zur

Annahme dieser Gleichzeitigkeit gelangte, begnügte man sich schon mit 1) Ausser dem Namen Fro'Saass bei Tunsberg findet sich auch in dessen Nähe

ein FroSakelda und eine Insel FrdSung (jetzt Fragn») int Tyrifjord. 2) Grimm, deutsche Mythologie S. 498.

3) Es ist nicht Unwichtig, daß Svend Aagesöhn, der Zeitgenosse des Saxo, tot Ftode - Frökne lange vor de« Frode Fredgode setzt.

Er nennt int Ganzen vier Fro­

de«, nemlich: Frode, den Sohn des Skjold, den Frode - Frökne, Rörek, den Sohn

des Slangen - Böge, Frode Gamle (den Alten), den Sohn des Dan, und Frode

Fredgode (den Friedensgode), welcher auch der freigebige (gavmilde) genannt ward, weil er die Freigebigkeit über alle Tugenden schätzte, und das Gold und Silber nicht

höher als Unrath achtele; er heisst ein Sohn des Fridleif und der Bater des Jngild,

59

Gemeinsame germanische Heldensagen.

viel dürftigern Taten als Stütze» für die Chronologie.

Indem man

aber den Frey in die Zeit des Augustns setzte, kamen die nordisch-islän­ dischen Chronologen auch dahin, den Odin zum Zeitgenossen der Eroberungszüge des Pompejus zu machen.

Hierin aber fanden sie denn

auch einen ihnen vollkommen genügenden Grund für die angebliche Flucht des Odin von Troja oder von dem Tanais.

Auf solche Weise mag nun

aber die ganze künstliche Combination wohl zu Stande gebracht sein.

t>.

Tic Wölsungen und Rislungcn.

Unter den Descendenten des Halfdan Gamle (des Alten) nennt

Fundinn Noregr die Wölsungen und Niflungen; Skälda nur die Nj-

flungen; das Hyndluljvd erwähnt der Wölsungen und Gjukungen in Verbindung mit dem Halfdan, ohne jedoch ausdrücklich ihre Herkunft

von ihm abzuleiten.

Diese Ableitung ist auch, wenn man sie nicht etwa

als Folge einer dunklen Erinnerung an den gemeinsamen Aufenthalt in

und Auszug aller Süd - und Mittel-Germanen von Skandja betrachten will, durchaus willkürlich. Denn von allen unsern Sagen aus der älteste»

Vorzeit ist keine in dem Grade ein Gemeingut der ganzen germanischen Welt, wie die Wölsungen- und Niflungen-Sagen.

Während nemlich

Norwegen und Island sie in den uralten Edda-Liedern und den damit ver­

bundenen prosaischen Aufzeichnungen aufbewahrten, besangen Dänemark und Schweden sie in Volksliedern; und riefen sie in Deutschland eine ganze Literatur ausführlicher Dichtungen ins Leben, wie das Nibelungen-

Lied, Gudrun u. a. m., welche gewiß alle einer verhältnißmäßig spä­ tern Zeit angehören und von dem Einflüsse christlicher Religionsbegriffe

auf die Sagen ein Zeugniß geben, denen aber doch natürlich ältere Über­ lieferungen zum Grunde liegen, welche leicht von der äußern Färbung

wieder befreit werden können, womit jüngere Geschlechter sie überzogen haben.

Die Wölsungen- und Niflungen-Sagen sind daher mehr wie

irgend welche unserer übrigen Heldensagen geeignet, eine Vorstellung

von der ursprünglichen germanischen Sageneinheit zu erwecken und ste­ hen daher als unzweideutige Zeugnisse einer Zeitperiode da, während

welcher sich die germanischen Helden noch unter einander herumtummel­ ten, und die Nordbewohner noch ebensowohl als die eigentlichen Deut­ schen an den Begebenheiten im Herzen Europa's Theil hatten; mit an­

dern Worten als Zeugnisse aus der ersten Zeit der Völkerwanderung. Die Wölsungen- und Niflungen-Sagen gehören aber im Ganze»

Gemeinsame germanische Heldensage«.

40

genommen mehr der Mythologie als der Geschichte an.

Indem wir da­

her diejenigen, welche sie in ihrem ganzen Umfange kennen zu lernen wünschen, auf die mythologischen Werke oder auf die Quellen der Vor­

zeit selbst') verweisen, werden wir hier nur in der Kürze die Sagen­

reihe und im Wesentlichen mit Rücksicht auf den eigentlich historischen Stoff durchgehen, den sie enthalten. Gleichwie nun die Skjoldunger-Sagen zunächst mit Dänemark,

als der eigentlichen Heimath des ganzen Stammes, verbunden sind, so sind dagegen die Wölsungen- und Gjukungen- oder Niflungen-Sagen zunächst mit dem nördlichen Deutschland verknüpft, wo die eigentliche

Heimath der Wölsungen nach dem Lande der Franken oder den un­

teren Rheingegenden verlegt wird, ohne daß jedoch damit etwas anderes, als ihre geographische Lage, angegeben roitb 1 2).

DieGjukungen oder

Niflungen scheinen zunächst der Nation der Burgunder anzugehören.

Außerdem werden noch die Hünen genannt, welche unsere Vorfahren wenigstens in der ältesten Zeit sich als in einem Landstriche nördlich von

den Wölsungen wohnend gedacht zn haben scheinen; endlich spielen die Goten noch eine wichtige Rolle; ihre Heimath muß aber im Osten

und Norden der übrigen gesucht werden.

Das, was nun in diesen

Sagen das eigentliche Gemeingut der ganzen germanischen Welt ist,

oder was gleichmäßig in den deutschen wie nordischen Sagen der Vor­ zeit vorkommt, ist die Episode von dem Wölsunge-Fürsten Sigurd, sei­ nem Kampfe mit dem Drachen, seine Verbindung mit den Niflungen

und deren Kampf mit dem Hunenkönige Alle.

Gleichwie aber unsere

Sagen der Vorzeit außerdem noch von Wölsunge-Fürsten zu erzählen wissen, die lediglich dem Norden angehören, so enthalten sie wiederum auch Vieles, was den Süden betrifft, namentlich den zu einem mythi­

schen Sagenhelden verwandelten Theodorik (Dietrich von Bern), den

König der Ostgothen.

Während aber unsere Sagen der Vorzeit zu­

gleich den gothischen Jarmunrech (Hermanarich) gegen das Ende des

Sagenkreises die Hauptrolle spielen lassen und die dänische beim Saxo 1) Nemlich die Eddadichtungen Stülda und Wölsungasaga.

Die Sagen sind

ausführlich behandelt in meiner „Nordmändcnes Gudelärc i Hedenold". Vergl. auch W. Grimm „die nordische Heldensage". 2) Es heißt daher ausdrücklich in der Einleitung zur Snorre-Edda von den Wölsungen:

„sie herrschten über das Land,

was jetzt Frankland heißt".

deutlich angegeben, daß dieß Land damals nicht Frankland hieß.

Damit ist

Gemeinsame germanische Heldensagen.

41

sich sinkende Sage ausführlicher über ihn berichtet, so tritt er in den

deutschen Sagen, obschon er auch hier vorkommt, doch wieder mehr in

den Hintergrund, wogegen diese wieder mehr bei dem Alle oder Etzel verweilen und ihn mit dem bekannten Hunnenkönige Attila zusammen­

werfen, ohne dabei im Mindesten zu berücksichtigen, daß Hermanarich,

Attila und Theodorich jeder in seinem Jahrhunderte (dem vierten, fünf­ ten und sechsten) lebten.

Man bekommt aber aus der ganzen Art und

Weise, wie der Sagenkreis in deutschen sowohl als dänischen Schriften mitgctheilt wird, den Eindruck, daß uralte, den Germanen gemeinsame Sagen allemal mit historischen Begebenheiten Zusammenhängen und daß

selbst Helden und Fürsten aus der Zeit der Völkerwanderung nach Ver­ lauf einer ziemlich kurzen Zeit schon in ein mythisches Halbdunkel zu­ rückgetreten sind, auf dessen Hintergründe sie den spätern Geschlechtern

als Zeitgenossen und Zusammenwirkcnde erschienen *).

Dieß scheint

zwar auffallend, ist in der That aber doch nicht auffallender, als daß Kaiser Karl der Große, welcher so viel später und in einer christlichen

Zeit gelebt hat, dessen Leben und Thaten von gleichzeitigen Schriftstel­ lern beschrieben sind, deren Werke wir noch heute besitzen, dennoch nach Verlauf weniger Jahrhunderte ein eben so mythischer Sagenheld hat werden können, wie irgend ein Wölsunge oder Niflunge^).

Die Herkunft der Wölsungen wird in den Edda-Dichtungen nicht

berührt, außer in so fern das Hyndluljod dieselbe mit Halfdan Gamle in Verbindung zu setzen scheint.

Eine spätere prosaische Darstellung

des Sagenkreises läßt sie vom Könige Wölsung im Hunaland, dem En­

kel des Sige, Sohne des Odin, abstammen. Dasselbe berichtet uns auch

die obenerwähnte Einleitung in die jüngere Edda, wo Odin als der Gründer einer asiatischen Colonie im Norden dargestcllt wird.

Es ist

1) Im Widstdh - Liede wird auch der Alboin, Sohn des Audoin, der König der Longobarden und Eroberer Italiens (Älfwine on Eatule, bearn Eädwiues, v.

139 —148), als Zeitgenosse des Hermanarich (Eormenric) genannt. 2) Die bekannten fabelhaften Erzählungen aus dem Mittelalter von Kaiser

Karl und seinen 12 Genossen (Jevninger) ist wohl kaum jünger als das 12. oder 13. Jahrhundert; im Laufe von vier Jahrhunderten hat demnach die Volkssage es

vermocht, historische Traditionen in Mythen zu verwandeln.

Und waö nun vier

Jahrhunderte in einem christlichen Zeitalter mit historischer Literatur auszurichten ver­

mochten, dasselbe vermochte gewiß auch ein Jahrhundert in dem germanischen Heiden-

thum zu vollbringen.

jedoch sehr die Frage, ob die Wölsunga - Saga und Skülda hier über­ haupt eine ächte Sage der Vorzeit miltheilen. Der Name „Wölsung" deutet nemlich auf einen Stammvater Namens „Wals" oder Welse, gleich „Skjoldung" auf „Skjold". In dem angelsächsischen BeowulfLiede, wo die kriegerischen Thaten des Wölsungen Sigmund gelegent­ lich erzählt werden, heißt dieser nicht nur Wälsing, sondern auch Wälses eafora, Sohn (oder Nachkomme) des Welse; dieß zeigt aber ganz klar, daß die Sage einen Wals oder Welse als den angebli­ chen Stammvater dieses Geschlechtes gekannt haben muß '). Dieser „Wals" kommt nun zwar in den germanischen Sagen nicht mehr vor, dagegen findet man ihn ganz unverkennbar in den slavischen Sagen als den sogenannten Gott des Viehes oder der Hirten, Wo los, Wlas oder Weles, ein Name, der zum Mindesten ganz dem germanischen „Wals"1 2) entspricht. Dieser ist nun wohl wie die meisten übrigen Götter ursprünglich der Odin selbst gewesen, oder doch eine besondere Personification desselben; sein Verschwinden in den germanischen Götter­ sagen aber, ohne andere Spur zu hinterlassen, als den WölsungeNamen, scheint darauf hinzudeuten, daß er nur in der fernsten Vor­ zeit der Germanen verehrt ward, oder vielmehr, daß der Name „Wals" als der Name eines Gottes den Germanen entweder nur bekannt war, während fie noch im Osten ihre Wohnsitze hatten und mit den Slaven in näherer Berührung standen, oder daß derselbe nur bei den östlichen oder gothischen Stämmen vorkam, welche die Nachbarn der Slaven waren und in der That auch, wie wir schon früher nachgewiesen, wohl 1) Beowulf v. 1747 u. 1787. 2) Es gibt eine Menge Worte oder Namen im Slavischen, welche mit den ent­

sprechenden germanischen znsammengehalten diese Übergangs - Analogie deutlich ma­ chen, z. B. gorod eiet grad,

altnord. garör; voloch oder vlacli, deutsch walh ;

volod ober vlad (z. B. in Wolodimir oder Wladimir), altnord. vald:

los oder vlas, altnord. vals.

folglich vo-

Dieser Volos wird in den alten russischen Annalen

um 971 bei Gelegenheit des Friedensschlusses des Großfürsten Swjatoslaw mit dem Kaiser Johannes erwähnt; er ruft den Fluch des Gottes, an den er glaubt, Perun

und Wolos (den Gott des Wiehes), ten werde.

Aber Swiatoslaw und

auf sich herab, wenn er den Frieden nicht hal­

feine Begleiter waren nicht alle Slaven, mithin

kann der Wolos hier auch ein russischer Gott gewesen sein.

Man darf nicht über­

setzen, daß mehrere der slavischen Worte, welche hiernach den germanischen entspre­

chen ,

später nach diesen in die Sprache ausgenommen zu sein scheinen;

Falle würde Wolos een den Germanen entlehnt sein.

in diesem

Wölsungen.

45

Sigmund.

schwerlich in mythologischer, jedenfalls aber nicht in sprachlicher Bezie­

hung sich dem Einflüsse jener gänzlich entzogen haben werden 1). Der Wölsung wird als Odins auserwählter Liebling dargestellt.

Der Sage nach wird er in Gautland von Siggeir erschlagen, welcher

dessen Tochter Signy geheirathet hatte, und werden alle seine Söhne bis auf einen von der Mutter des Siggeir in Gestalt einer Wölfin ver­

schlungen.

Der einzige, welcher diesem entgeht, ist der Sigmund,

welcher mit seiner eigenen Schwester einen Sohn Sinfjötle oder Sinfetle erzeugte, mit dessen Hilfe er den Tod seines Vaters wie seiner Brüder rächt und den Siggeir zugleich mit der Signy, welche

ihn nicht überleben wollte 2), durch ein angelegtes Feuer ums Leben bringt.

Von dem Siggeir leiten nun sowohl Fundinn Noregr als

Skälda den Stamm der sogenannten „Sitlinger" ab, einen Namen,

der jedoch nur ein Appellativum für Könige und Jarle zu sein scheint und der nur durch die zufällige Ähnlichkeit mit Siggeir in Verbindung gebracht ist.

Viel eher möchte man annehmen, daß Siggeir, der Sohn

der Wölfin, als der Stammvater der sogenannten Alfingen (eigent­

lich Wylfingen,

angelsächfisch wyllingas) angesehen worden, deren

eigentliche Heimath, mehreren Umständen nach, Ostergautland3) gewe­

sen zu sein scheint, zu denen man auch im weitern Sinne die ersten Wölsungen, theils in Folge ihrer Verschwägerung mit dem Siggeir,

theils deshalb gezählt zu haben scheint, weil Sigmund und Sinfetle

der Sage nach eine lange Zeit in Wölfe verwandelt gewesen sind.

Unsere Sagen der Vorzeit lassen nun den Sigmund die Borghild von Braalund heirathen und mit ihr ein Königreich in Dänemark ge­

winnen, wo er sich lange aufgehalten hat.

Die alten Dichtungen er­

zählen von vielen Thaten, welche Sinfetle und Helge in Gemeinschaft vollführten, und nennen zugleich eine Menge Namen von Meerbusen, Ber­ gen, Inseln und Örtern, unter denen man jetzt kaum einen einzigen in

1) Nemlich der Frauja-Dienst, dem Provc - Cultus entsprechend,

siehe oben

S. 32.

2) Sinfetle wird in der angezogenen Stelle der Beowulfdichtung Fitela genannt. Über

diese Begebenheiten siche übrigens Wölsunga - Saga Cap. 1 — 8. und meine

„Nordmandenes Gudeläre" §♦ 61.

3) Siehe unten §. 8., wo von dem Hjörward Msing, von dem Granmar und Jngjald Ildraade die Rede ist.

genannt und, wie es scheint,

Im Beowulf - Liede werden sie auch (v. 916, 936)

als Nachbaren von Sccdenicg (Schonen).

44

Wölsungen.

Sigmund.

Dänemark wiederfindet, welche daher auch entweder als erdichtet anzu­ sehen sind, oder was noch wahrscheinlicher ist, einem ältern Dänemark auf der ständischen Halbinsel angehören '). Sie erzählen ferner von dem Helge, daß er den König Hunding erschlug — woher sein Name Hundingsbane (Hundingstödter) — die Walkyrje Sigrun ehelichte und mit deren Hülfe und im Verein mit dem Sinfetle den König Granmar von Swarinshaug und dessen Söhne überwand. Unter unsern alten Eddaliedern kommt auch ein Lied von dem Helge, dem Sohne des nor­ dischen Königs Hjörward vor, welcher berühmte Thaten verrichtete und die Walkyrje Svava, Tochter des Königs Eylime im „Svavalande", heirathete, endlich aber von seinem eignen Bruder erschlagen ward. Es wird hinzugefügt, daß sowohl Helge als Svava wieder lebendig wurden, und wenn auch nicht ausdrücklich gesagt wird, daß sie als Helge Hundingsbane und Sigrun wiedergeboren wurden, so scheint dieß doch die Meinung sein zu sollen 1 2).3 Helge Hundingsbane ward nun, wie es heißt, von seinen Schwager Dag erschlagen^) und die Sigrun starb gleich darauf aus Schmerz; auch diese, heißt es weiter, sollen wieder­ geboren sein, so daß Helge als Helge Haddingjaskade und die Sigrun als eine Kaara Halfdanstochter wiedererstanden4). Es spricht indeß Vieles für die Annahme, daß man unter Helge Haddingjaskade sich Niemand anders als den Helge Hjörwardssohn gedacht habe, den nemlich nur eine Sage vor, eine andere aber nach dem Helge Hundings1) ' Unter andern wird als Helges Wohnung Sevafjöll genannt, wobei man an

den Saevo mons des Plinius erinnert wird, HelgakviÖa Himdingsb. II. v. 23, 34,

40, 46.

Nur „Hringstaöir“ hat den Namen mit dem heutigen Ringsted gemein, und

doch kann wohl nicht an dieses in Helgakvi&i Himdingsb. I. v. 7. gedacht werden. Mit Rücksicht auf die Unkenntlichkeit der Ortsnamen muss jedoch daran erinnert wer­ den, dass viele Örter an der Südküfte der Ostsee in ältester Zeit, bevor die Sla­ ven oder Wenden sich dorten niederliessen,

gehabt haben werden.

ganz andere Namen, als in späterer Zeit

Wenn wir daher in den Helgakviden (Liedern) eine Warins-

wik(Helg. Hj. 22), einen Warinsfjord (Helg.Hund. I, 27.) und eine Warins - Insel

(das. 37.) erwähnt finden, da wird man gewiss an die Varini (Warnen) des Tacituö denken müssen z und wenn Hedinsö (die Hedins-Insel) erwähnt wird (Helg. Hund. 22.),

an Hiddensee bei Rügen, welches in der Knytlinga - Saga HeSinsey genannt wird.

2) Siehe HelgakviSa HjörvarÖssonar. 3) Dieser Dag und

sein Bruder Brage, die Söhne des Högne,

scheinen

fast

derselbe Dag hin rike (der reiche) und Brage zu sein, von denen nach dem Fund. Noregr die Döglinger und Bragninger abstammen sollen.

4) Helgakvida Hund. II. am Schluß.

45

Sigurd. Stiftungen. batte gesetzt hat.

Allein dieß erregt in Verbindung mit dem Umstande,

daß Saxo den Hleidrekönig Helge Halsbanssohn mit Helge Hundingsbane*) verwechselt, eine starke Vermuthung dafür,

daß diese Helge-

Sagen ursprünglich in keinem oder jedenfalls nur in einem äußerst lo­ sen Zusammenhänge mit den Wölsunge- Sagen gestanden haben.

Selbst

die Edda-Lieder, welche sie besingen, tragen, so hübsch sie auch sind, doch unverkennbar das Gepräge, der spätesten Zeit anzugehören, in welcher solche Lieder entstehen konnten 2).

Eigentlich scheinen diese

Lieder im Gautland ihre Heimath zu habend).

Sinfetle ward nun, wie es heißt, von seiner Stiefmutter ver­ giftet, welche Sigmund daher auch verstieß, worauf er sich in sein Kö­

nigreich im Frankenlande bega64) und hier die Tochter des Königs

Eylime, die Hjördis ehelichte, welche er jedoch nicht lange hatte, da

er in einer Schlacht wider ihren verschmaheten Freyer Lyngve fiel, dem

Odin selbst beistand.

Die Hjördis gebar nun nach seinem Tode einen

Sohn Sigurd und heirathete darauf den Alf, Sohn des Königs Hjal-

prek, an dessen Hofe Sigurd aufwuchs.

Die jüngern Bearbeitungen

der Sagen fügen nun hinzu, daß Hjalprek ein König in Dänemark war,

die alten Sagen selbst wissen davon aber nichts.

Sigurd ist nun der be­

rühmte Sagenheld Sigurd Fafnersbane, welcher mit dem Schwerdte Gram

den Lindwurm (Drachen) Fafner auf der Gnitaheide erlegte und sich in den Besitz einer großen Menge Goldes setzte, brütend lag.

über welchem dieser wie

In deutschen Sagen ist er eben so berühmt als „der hör­

nerne (gehörnte) Sigfried".

Wie nun Sigurd zum König Gjuke

1) Saro B. 11. S. 80. Hunding wird hier König von Sachsenland, Sohn des Enric, genannt und der Ort, wo er besiegt wurde, soll Stade an der Eibe ge­ wesen fein. In den Eddadichtungen ist es bei „Frckastcin". 2) Es ist nemlich von Wikingern die Rede (Hclgakvida Hund. I, 27.) und über­ haupt ist von Seekrieg und Wikingcrfahrt in einer Weise die Rede, welche mehr für die Wikinger - Periode in der letzten Zeit des Heidenthums paßt. 3) Dieß folgern wer theils daraus, daß Helge und Sinfetle „Ilflngcr" genannt werden und von Osten her gekommen sein sollen (Helgakvid. Hund. T. v. 34.), theils daher, daß Granmar König in Svarinshaug sein soll, und daß Swarin beim Saro (S. 32.) Jarl in Gautland genannt wird, wie denn auch der Raine „Granmar" zunächst Ostgautland anzugehörcn scheint. Häufiger kommt „Sigarswold" vor als der Stammsitz der Helgen; dieser Name scheint den Danen zu gehören, denn Sigar (Sigchere) wird im Widsidhkvad (55, 56.) als der vornehmste Fürst der See - Da­ nen genannt. 4) Ältere Edda, Sinfjötlalok.

46

Gjukungen oder Niflungen.

(eigentlich Givike, deutsch Giebich) und dessen Gemahlin Grimhild gekommen, deren Tochter Gudrun ehelichte, mit den Gjuke- Söhnen,

den sogenannten Gjukungen oder Nislungen (Niebelungen), Gunnar (deutsch Gundachar, Günther) und Högne (Hagano) innige Brüder­

schaft (Fostbroderskab) schloß,

Gemahlin des Gunnar,

zuletzt aber auf Anstiften der Brynhild,

Tochter des Budle, meuchelmörderisch von

ihnen erschlagen ward, dieß beschreibt uns die Wölsungasaga ausführ­

lich und wird auch in den Edda-Liedern besungen, gehört aber im

Ganzen mehr der Mythologie als der Geschichte x) an.

Das Nemliche

gilt von der darauf folgenden Heirath der Götter mit dem König Alle

im Hunaland, von dessen Hinterlist an den Riflungen, um den Schatz wieder zu erlangen, den sie nach Sigurds Tode sich angeeignet hatten (hodd Nillmiga, der Niebelungen-Hort), wie endlich von der Tödtung

des Königs Atle durch die Hand der Gudrun selbst^). Dei Edda-Dich­

tungen, welche von diesen Sagen handeln, enthalten nur wenige Orts­ angaben.

Alle Helden heißen hier „Hunnen-Könige", obschon wieder

Atle insbesondere König von Hunaland genannt wird, das vom Reiche der Niflungen durch Myrkved (der dunkle Wald) geschieden war.

Wie­

derum wird auch der Rhein als derjenige Fluß genannt, in dessen Rahe die Begebenheiten sich zutrugcn; „im Süden des Rheins", heißt

es nemlich, ward Sigurd erschlagen, und im Rhein hielten die Niflun­

gen ihren Schatz verborgen.

Die späteren prosaischen Ergänzungen

und Bearbeitungen haben jedoch wahrscheinlich nach deutschen Sagen

die Örtlichkeiten etwas genauer bestimmt; das Frankenland heißt hier das Reich des Sigmund, und eine alte isländische Reisebeschreibung setzt sogar die Gnitaheide, wo der gastier erschlagen ward, in die west­

liche Gegend zwischen Paderborn und Mainz ^).

In dem darauf Fol­

genden lehnt sich die Erzählung mehr an bestimmte geographische Puncte. 1) SigurSarkviSa I. II. und III, Fafnismäl, SigrSrifumal, BrynhildarkviSa, HelreiS Brynhildar. 2) GuSrunakviäa I, II, III, Oddünargrätr, AtlakviÖa, AtlaniAI. 3) Reiseroute des Abts Nikolas aus der Mitte des 12. Jahrhunderts in Wer­ laus! , Symbolae ad geogr. med. aevi.

In den alten Burgundischen Gesetzen wer­

den Gibica (Gjuki) und Gundahari(Gunnar) als die ältesten Könige der Bur­

gunder erwähnt (Canciani Barbarorum legg. ant. IV. p. 15.), auch in der alten Atlak-

viöa v. 18. wird der Hunnen - König Atle und seine Schaar genannt, welche gleich

ihm für Gfukes Söhne,

„die Freunde der Burgunder", Freundschaft geheuchelt hat­

ten , wodurch auch angedcutet wird, da? die Gjukunger Burgunder waren.

47

Jarmunrech oder Hermanarich.

Gudtun brgikbt sich an die See, stürzt sich in dieselbe und treibt „über

den Fjord (Meerbusen)" zum König Jonaker,

den sie ehelicht;

ihre

Tochter mit dem Sigurd, die Svanhild, wird mit Jarmunrech dem

Reichen, dem Könige der Gothen, vermählt, dessen Sohn aus früherer

Ehe, Randver, von dem heimtückischen Bikke beschuldigt wird, die Svanhild verführen zu wollen; hierüber ausgebracht, läßt Jarmunrech

den Randver hängen und die Svanhild von Rossen zertreten.

Ihre

Halbbrüder nun, die Söhne Jonakers und der Gudrun, Sörle und Hamder, rächen ihren Tod durch einen Angriff wider Jarmunrech, dem sie Hände und Füsse abhauen.

Indeß werden Sörle und Hamder

selbst zu Tode gesteinigt, da Waffen gegen ihren trefflichen Panzer

nichts vermögen *).

Hiermit schließt nun der altnordische Sagenkreis.

Ein späterer Zusatz nemlich, daß Sigurd Fafnersbane und Brynhild eine Tochter Namens Aslaug gehabt haben sollten, welche später mit

Ragnar Lodbrock vermählt ward, scheint nur zur Verherrlichung der Dynastie des Ragnar oder des Harald Haarfagre hinzugefügt zu sein.

Die deutschen Sagen dagegen greifen nun hier um so wirksamer ein, indem sie ausführlich über den Diedrich von Bern und seine Helden sich

verbreiten, so daß man mit vollem Recht behaupten kann, daß der Sa­ genkreis sich vom Norden nach dem Süden fortbewegt.

selbe aber nach Süden gelangt,

Je weiter der­

desto mehr verliert er auch sein alter-

thümliches Gepräge, was wieder ein Zeugniß für die Richtung der

ganzen germanischen Wanderung ist.

Im Jarmunrech erkennen wir

aber, wie schon oben (I. S. 45 f.) gesagt, beim ersten Blick den von Jor-

nandes verewigten Hermanarich, den König der Gothen um dieMitte des vierten Jahrhunderts.

Es leidet keinen Zweifel, daß der Erma-

narich oder Hermanaricus, welcher beim Jornandes die Sonilda von Rossen schleifen läßt und darauf von ihren Brüdern Sarus und Am-

mius verwundet wird, eben der Jarmunrech unserer Edda-Sagen ist;

denn nicht nur die wesentlichen Thatsachen, sondern auch die Namen er­ kennt man wieder^). Hier haben wir nun, wie es scheint, einen bestimm1) Atlakvida, e. 39 — 42.

Atlamäl,

Guörunarhvot, HamSismäl.

Eiche auch Skülda,

2) Zn den Handschriften des Jornandes findet man den Namen des Gothenkönigs Hermanricus oder Ermanariciis geschrieben: nach der Orthographie des Wulsila würde dieß airmanareiks werden; das gothische airmana feig, irmana) entspricht völlig den altn, jörmun oder jarmun feigent. irman), angels. eormen, sächs. irmin. Sarin

48

Zarmunrech oder Hermanarich.

ten historischen Anknüpfungspunct für den ganzen Sagenkreis.

die Existenz des Gothenkönigs Hermanarich ist außer allem Zweifel.

Denn Der

gleichzeitige römische Historiker Ammian gedenkt seiner ausdrücklich, wo er von dem allerersten Auftreten der Hunnen in Europa erzählt, als eines streitbaren und mächtigen Königs, der durch viele männ­ liche Thaten sich bei . den benachbarten Nationen in Respekt gesetzt hatte *). Dennoch könnte die Frage entgehen, ob Jornandes nicht

mit dem historischen Hermanarich eine Sage in Verbindung gesetzt habe, die unter den Gothen von einem mythischen Hermanarich erzählt wurde. Ammian weiß nemlich nichts davon, daß er von den beiden roxolanischen

Brüdern so gefährlich verwundet worden; er sagt nur, daß er lange den Hunnen Stand zu halten suchte, zuletzt aber doch sich selbst aus

Furcht den Tod gab 2 * ). 1

Bei näherer Betrachtung wird man indeß fin­

den, daß die Worte Ammians nicht in einem direkten Widerspruche mit denen des Jornandes stehen.

Dieser sagt auch nicht, daß Erma-

narich an seinen Wunden starb, sondern nur, daß er ein trauriges Le­

ben mit einem kranken Körper fristete, und daß die Hunnen diese seine Schwäche benutzten, um sein Reich anzugreifen, und daß er, verzwei­ felnd über seine körperlichen Schmerzen wie den Angriff der Hunnen, in seinem 110. Jahre starb3) — oder sich selbst den Tod gab, wie es fast

von sarv (altn. sörvi) und Dimin. 8arula, entspricht ganz dem altn. Sörli (eig. sarvli); Ammius ist corrumpirt aus Hamapius, dessen entsprechende deutsche Form Hemideo auch verkommt. Beide Namen enthalten eine Hindeutung auf die undurch­ dringlichen Rüstungen (sörvi und hamr), welche sie trugen. — Zwar ist beim Jornandeö die Swanhild nicht mit Jarmunrek vermählt, allein das thut hier nichts zur Sache. 1) Amm. Marc. I. 31. c. 3.: Igitur Hunni, pervasis Alanorum regionibus.. Ermenrichi late patentes et uberes pagos repentino impetu perruperunt, belli— cosissimi regis, et per multa variaque fortiter facta vicinis nationibus formidati. 2) Amm. Marc. 1. c. Qui vi subitae procellae perculsus , quamvis manere fundatus et stabilis diu conatus est, impendentem tarnen diritatem augente vulgatius fama, magnorum discrimmum metum voluntariä morte sedavit. 3) Jornandes de reb. Get. c. 24. Fratres ejus (Sonildae) Sarus et Ammius germanae obitum vindicantes Ermanarici latus ferro petierunt; quo vulnere saucius, aegram vitam corporis imbecillitate contraxit. Quam adversam ejus valetudinem captans Balamir, rex H unnorum, in Ostrogothas movit procinctum .... inter haec Ermanaricus tarn vulneris dolorem, quam etiam incursiones Hunnorum non ferens, grandaevus et plenus dierum, centesimo decimo anno vitae suae defunctus est.

in den Worten selbst zu liegen scheint. Daß der historische Hermana­ rich schon zur Zeit des Jornandes in eine Sagengestalt verwandelt wer­ den konnte, ist nicht auffallender, als daß Theodorich ebenfalls ein Paar Jahrhunderte nach seinem Tode dahin gelangen konnte'). Hierzu kommt noch, daß unsere eignen Sagen so bestimmt den Jarmunrech mit den Gothen in Verbindung sehen 1 2), welches kaum der Fall gewe­ sen sein würde, wenn er nur eine gemeinsame altgermanische Sagen­ gestalt gewesen wäre, so wie endlich noch, daß die dänische Sage von ihm, welche Saxo mittheilt, die ausführlichsten genauesten und um­ ständlichsten Berichte von seinen Thaten enthält. Dieß ist aber ein deut­ liches Zeugniß dafür, daß er als historische Person in dem alten reidgothischen Stammlande gelebt und gewirkt haben muß. Als Herrscher über alle gothische und vielleicht mehrere angren­ zende Länder wird Hermanarich aber auch für unsere Geschichte wichtig, da es die größte Wahrscheinlichkeit hat, daß der gothische oder halbgo­ thische Theil von Norwegen ebenfalls seiner Herrschaft unterworfen war. Die Rolle, welche er in unsern alten Edda-Dichtungen spielt, zeugt aber auch hinreichend dafür, daß er unsern Vorfahren keineswegs gleich­ gültig gewesen ist. Jornandes leitet seine Abstammung im sechsten Gliede von dem Amala, dem Stammvater der gothischen Amalungen (der Ömlungen unserer Quellen der Vorzeit), ab und läßt den Amala wieder im dritten Gliede von ® aut, dem ersten der gothischen Ansen (Äsen)3), abstammen. An einer andern Stelle spricht er von seinen 1) Will man einen Gegengrund daher entnehmen, daß Jornandes den Widga (Vidicula, c. 5 u. 34) als einen der atterältesten,

in Liedern besungenen Sagenheld

der Gothen zu bezeichnen scheint, während er in den Sagen von Dietrich und Erma-

narich ein Zeitgenosse von diesen genannt wird,

so fällt dieser Einwand schon damit

weg, daß Widga mit dem historischen Theodorich hat zusammengestcttt werden können,

welcher noch später als Ermenrich

lebte.

Daß die Geschichte von Ermenrich zur

Zeit des Jornandes stark ausgcschmückt war, Verbindung gebracht waren,

daß ältere Sagen schon mit ihm in

wie später mit dem Theodorich;

daß vielleicht gar die

Sage von Sörle und Hamder zu diesen älteren gehört, ist höchst wahrscheinlich; dieß

zeigt aber nur, daß Ermanarich zu Jornandes' Zeit schon neben seiner historischen auch eine sagenmäßige Existenz erlangt hatte, gleich wie Theodorich, welcher zu Jor­

nandes' Zeit noch in allzu frischer Erinnerung lebte,

um schon eine Sagengeftalt zu

werden, ein Paar Jahrhunderte später dennoch dahin gelangte.

2) Siehe z. B. Gu5runarhvöt v. 2, HamSismal v. 3, 23. 3) Das Geschlechtsregifter ist folgendes: Gapt (wofür gewiß Gaut zu lesen ist), offenbar Odin selbst; demnächst Halmal oder Hulmul (der Humble des Saxo), Munck Gesch. d. Nerw. Volks.

H.

4

Eroberungen und zählt die Namen der von ihm bezwungenen Nationen her. „Er unterwarf sich", heißt es, „viele und streitbare, nordische (arctoas) Völkerschaften und nöthigte sie, den von ihm gegebenen Ge­ setzen zu gehorchen, weshalb auch mehrere unserer Vorfahren ihn mit Alexander dem Großen vergleichen". — Hier folgen nun die Namen der bezwungenen Völker; mehrere der Namen sind zwar augenfällig von spätern Abschreibern entstellt, indeß erkennt man mit Bestimmt­ heit mehrere germanische, sarmatische und tschudische Namen, theils in gothischer Form, wie die Rügen (Rogans oder Rogas); die Thjuden (Tbiudos, Thividos), vielleicht die Bewohner von Thjod (Thy in Jüt­ land); die Jaczwingen oder Jatvjagen (Inaxungis oder Inaunxis), eine Abtheilung der Letten; die Meren (Merens) und die Mordven (Mordens), tschudische Völkerschaften, welche in den äl­ testen russischen Annalen Vorkommen *). „Da er nun ein so großes Reich erworben", fährt Jornandes fort, „duldete er auch nicht länger, daß die Heruler unabhängig blieben, sondern unterwarf auch diese sei­ ner Herrschaft 2). Darauf überzog er die Weneter (d. h. Wenden, aber vorher nennt er sie Winiden) mit Krieg, welche, eigentlich in drei Hauptstämme, Wenden, Anten und Slawen getheilt, seinem Scep­ ter sich unterwerfen mußten3 * ).1 2 Darauf unterwarf er sich die Haeste n (d. h. Esthen), welche die langgedehnten Küsten des germanischen Oce­ ans (der Ostsee) bewohnen, durch seine Klugheit und herrschte demnach Augiö, Amala, Jsarna, Öftrogota, Unil t, Athal, Achiulf, Erma­ tt a r i ch. 1) Die aufgezählten Völker sind:

(n. a. L. Scythaö), Thuidos,

Golthes

(nach and. Leseart Gothoö),

Etta

Inaxungis (n. a. L. Jnaunxiö), Basina, Bovoncas

(n. a. L. Basinabroncas), Merens, Mordens, Remniscans, Rogans (n. a. L. Ro­ gas, Rocas),

Tadzans, Athaul (n. a. L. Athual),

Norvego lesen?),

Navego (könnte man vielleicht

Bubegenas (n. a. L. .Bubegentas), Coldas. Bergl. Nestors russ.

Atttt. II, 24.

2) Bei dieser Gelegenheit erwähnt Jornandes die Herkunft der Heruler von

„Hele"

oder den mäotischen

Sümpfen,

den Tanakvislen oder- Banakvislen des

Snorre, offenbar aber nur den Elb-(Fluß-) Mündungen, 3) An der linken Seite der Dacischen Alpen,

siehe oben Th. L 34.

sagt Jornandes 1, 5, welche sich

gegen Norden wenden und vom Ursprung der Wiskla durch ungeheuere Räume er­

strecken ,

hat die volkreiche Nation der Winider sich niedergelassen 5

jetzt mehrere Namen führen und sich in mehrere Stämme scheiden,

von Anfang an Sclavinen und Anten genannt.

wenn gleich sie wurden sie doch

51

Zarmunrech ober Hermanarich.

über alle Nationen Scythicns und Germaniens"').

Lod wird in das Jahr 375 gesetzt.

Sein

Saxo ist, wie gesagt, am besten

vom Jarmunrech unterrichtet und seine Erzählung von ihm erscheint so ganz unabhängig sowohl von der nordischen als der deutschen, daß man

deutlich erkennt, wie sie nicht allein auf ächt dänische Sagen sich grün­

det, die, wenn auch nicht in ihrer alten Ursprünglichkeit, doch von den Zeiten der Gothen her sich erhalten haben, und daß sie in Danmark

oder Reidgotland ihre eigentliche Heimath hat.

Sie lautet nun in der

Kürze folgendermaßen: Sivard (Sigurd), König von Danmark, ward

von dem schwedischen Könige Götar (Gautar) bei Holland geschlagen und flüchtete nach Jütland, wo er indeß den Schimpf seiner Flucht eini­

germaßen wieder dadurch gut machte, daß er über einen Haufen Sla­ wen siegte, welche ohne Anführer ihn anzugreifen wagten.

Bald aber

bekamen diese einen Anführer und siegten über den Sivard, zuerst bei

Fühnen, und später in mehreren Treffen bei Jütland.

Auf diese

Weise verlor Sivard sowohl Schonen als Jütland 1 2) und behielt nur den kleinern Theil des Reiches (Seeland) übrig.

Sein Sohn Jarmnn-

rech3) ward mit seinen beiden Schwestern im zarten Kindesaltcr eine Beute der Feinde; die eine derselben ward an die Nordmänner verkauft,

die andere an die Deutschen.

Sivard nach so vielem Mißgeschick, des

Lebens überdrüssig, suchte jetzt nur einen ehrenvollen Tod und fand ihn in einem Kampfe wieder den @inw4), den Statthalter des Götar in Schonen, welcher ebenfalls mit einer Menge seiner Kampfgenoffen umkam.

Indeß, heißt es, konnte er dadurch doch nicht sein Vaterland

von der Zinspflichtigkeit frei machen. Mittlerweile saß Jarmunrech mit seinem Pflegebruder Günne im Gefängnisse bei dem Slawenkönige Ismar.

Endlich ward er jedoch aus

dem Gefängnisse entlassen und zu Feldarbeiten angrstellt.

Diese be­

sorgte er so zur Zufriedenheit, daß er zum Aufseher über die könig­

liche« Sklaven bestellt ward.

Da er auch dieß Geschäft zur Zufrieden-

1) Iornandes de red. Get. c. 23. 2) Nemlich Schonen an die Götar und Jütland an die Slawen.

3)

Saxo schreibt den Namen desselben Jaimericus:

zeichniß aus dem 13. Jahrhunderte aber,

ein altdänisches Königsver-

welches die Namen unverftümmelt wieder-

giebt, hat Jarmundrcch (Langeb. serptL rer. Dan. I, S. 19.). 4) oder Simon.

Der Name har einen eigenthümlichen Klang für einen heid­

nischen Jarl z man müßte annehmen, daß es eine Verdrehung von Sigmund sei.

Ü2

Jarmunrech oder Hermanarich.

heit des Königs besorgte, ward er unter die Leibwache (Hauskarle) des Königs ausgenommen und stieg endlich so weit, daß er des Königs

vertrautester Freund ward.

Bei Allen war er beliebt, außer bei der

Königin, welche immer Mißtrauen in ihn setzte.

Es traf sich nun, daß

der Bruder des Königs starb und dieser das Verlangen fühlte, dem Bru­ der zu Ehren ein prächtiges Grabbier zu veranstalten.

Diese Gelegen­

heit benutzten aber Jarmunrech und Gunne, aus der Gefangenschaft zu

entkommen, nachdem sie vorher die Königin erschlagen; worauf sic über dem Könige und seinen Mannen das Haus in Brand steckten und

seine Schatzkammer plünderten ').

Ein Schiff, das sie an der Küste

fanden, brachte sie glücklich nach Dänemark zurück,

wo Budle,

Si-

vards Bruder, welcher bisher regiert hatte, dem Jarmunrech die Re­ gierung überlassen mußte.

Später gelang es dem Jarmunrech mit

Hülfe einiger mißvergnügten Unterthanen des Götar,

schlagen und Schweden zu erobern.

diesen zu er­

Darauf machte er einen An­

griff auf die Slawen, nahm vierzig derselben gefangen, die er ne­

ben einer gleichen Anzahl Wölfen aufhängen ließ, und unterwarf sich ihr Land, legte.

in welches er an den dazu geeigneten Stellen Besatzungen

Von hier zog er nach Osten, überwand dort die Semben,

Kuren und andere Völkerschaften.

Inzwischen versuchten die Slawen

sich wieder loszureißen, machten die Besatzungen des Jarmunrech nieder und plünderten die Küsten Dänemarks.

Zu rechter Zeit jedoch kam

Jarmunrech wieder heim, legte sich ihrer Flotte in den Weg und ver­ nichtete sie; die vornehmsten Gefangenen ließ er vermittelst Riemen,

die durch ihre Waden gezogen waren, an die Füße von wilden Stie­

ren binden und diese mit Hunden hetzen,

so daß die unglücklichen

Gefangenen durch Schlamm und Dickicht geschleift wurden, bis sie den

Geist aufgaben.

Dieß setzte die Slawen in Schrecken und sie unter­

warfen sich ihm demüthig.

Jarmunrech, welcher durch seine mannich-

fachen Kriegszüge große Reichthümer erworben hatte, baute nun zur

Sicherung seiner Schätze eine starke Burg auf einem hohen Felsen. Er führte einen Wall von Torf auf, der eine Unterlage von Steinen hatte; im obern Stocke der Burg wurden Zimmer eingerichtet, ganz

oben aber eine Brustwehr.

An der Außenseite wurden Wachtstuben

1) Der weitläufige Bericht hierüber ist so unwahrscheinlich und fast kindisch, daß man versucht werden könnte, denselben für ein Märchen zu halten,

selbst der Haupterzählung nachgebildet habe.

welches Saxo

55

Jarmunrech oder Hermanarich.

eingerichtet. melsgegenden.

Bier Thore bildeten den Ausgang nach den vier Him­ Hier sammelte er nun alle seine Schätze.

Als er aber

seine häuslichen Angelegenheiten geordnet hatte, begann er wieder, an Kriegszüge in fremde Länder zu denken.

Er segelte von dannen und

begegnete nun vier Brüdern aus „hellespontischem" Stamme (Hellespont bezeichnet aber beim Saxo, wie früher gezeigt, nur das Austr-

rike unserer Vorväter oder die Länder im Südosten der Ostsee, ob­

schon es ursprünglich die Gegend an den Mündungen eines Flusses be­ zeichnet zu haben scheint), kämpfte mit diesen während dreier Tage

und ließ sie darauf weiter fahren, nachdem sie das Versprechen gegeben hatten, daß sie ihm ihre Schwester Swanhild') und den größten Theil der Steuern geben wollten, welche sie den von ihnen überwunde­

nen Völkerschaften auferlegt hatten. Unter diesen waren auch die Liven, deren Königssohn Bikke bei

den Brüdern in Gefangenschaft sich befand, aus derselben aber entkam und zum Jarmunrech flüchtete, dessen Vertrauen er binnen kurzer Zeit

erwarb und dazu benutzte, ihn zu allerhand schlechten und schändlichen

Handlungen, namentlich gegen seine eigene Familie zu überreden.

her ward er allgemein verhaßt.

Da­

Die Slawen empörten sich von Neuem,

allein Jarmunrech zwang sie wieder zum Gehorsam und strafte ihre

Häuptlinge, indem er sie von Pferden zu Tode schleifen ließ, an welche

ihre Füße durch Taue gebunden wurden, die durch ihre Sehnen gezogen waren.

Jarmunrcchs Schwestersöhnc,

welche bisher in Deutschland

erzogen waren, fingen nun einen Krieg mit ihm an, um ihren Antheil

am Reiche zu erlangen.

Anfangs begnügte er sich, ihre Befestigungen

zu zerstören und mehrere ihrer festen Plätze einzunehmen.

feierte er mit der Swanhild Hochzeit.

Darauf

Allein Bikke reizte ihn aufs

Neue gegen seine Schwestersöhne auf; er bekriegte sie daher wieder, nahm sie gefangen und ließ sie aufhängen.

Auch ihre vornehmsten'

Begleiter ließ er auf diese Weise tobten, nachdem er sie unter der Maske der Freundschaft zu sich eingeladen hatte.

Jarmunrech hatte einen Sohn aus einer früheren Ehe Namens Broder, den Bikke fälschlich beschuldigte, mit der Stiefmutter in einem unerlaubten Verhältnisse zu stehen.

Jarmunrech, welcher Bikke's Wor-

1) In den Ausgaben des Saxo steht „Swavilda“; eö ist aber klar, daß die Handschrift Swanilda gehabt hat, wofür irrig Swavilda gelesen ist. Saro's Epitomator Gheyömcr hat Swanilda. Siehe Langeb. scr. rer. Dan. H, 335.

54

Zarnulnrech oder Hermanarich.

ten traute, bat seine Freunde, in der Sache ein Urtheil zu sprechen.

Alle riethen Broder des Landes zu verweisen mit Ausnahme von Bikke, welcher für dessen Tod am Galgen und dafür stimmte, daß Swanhild

von Thieren zertreten werden solle.

Damit es aber nicht aussehe, als

ob der Vater seinen eignen Sohn hinrichten lasse, sollten einige Die­ ner ein Brett unter dessen Füße halten; wenn diese dann aus Ermü­

dung das Brett sinken ließen, würden sie und nicht der König die Schuld

am Tode des Broder tragen.

Es geschah nun, wie Bikke gerathen;

Broder ward verabredetcrmaßen gehängt und starb daher nicht sofort, Swanhild ward aber gebunden auf die Erde gelegt, um von Pferden zertreten zu werden.

Allein sie war so schön, heißt es, daß nicht ein­

mal die Pferde auf sie treten wollten.

Da trat Bikke hinzu, sagte, daß

sie die Thiere behexe, und ließ sie das Gesicht nach unten gekehrt binden. Nun erst gingen die Pferde über sie hinweg.

Broders Hund fing aber

an zu wimmern und sein Falke raufte sich die Federn aus.

Der König

sah nun hierin ein Zeichen des kinderlosen Zustandes, worin er durch des Sohnes Tod gelangen würde, und eilte daher, den Broder, welcher noch lebte, vom Galgen herabnehmen zu lassen.

Bikke begab sich jetzt

zu den vier Brüdern und erzählte ihnen Swanhilds traurigen Tod.

Diese

beschlossen daher, sie sogleich zu rächen, und Bikke eilte nun wieder zum

Jarmunrech zurück, um ihn hiervon zu benachrichtigen.

Jarmunrech

bereitete sich aber auf ihren Angriff vor, indem er sich in die Burg ein­

schloß und dieselbe mit Kämpfern und Lebensmitteln versah.

Die Hel-

lesponter kamen aber unterwegs mit einander über die Theilung der Kriegsbeute in Streit und ein großer Theil derselben ward bei der Ge­

legenheit erschlagen, so daß die übriggeblicbenen sich nicht stark genug glaubten, sogleich mit der Burg sich in einen Kampf cinzulassen.

wandten sich daher um Hülfe an eine Zauberin,

Sie

Namens Gudrun.

Diese, wird nun erzählt, schlug die Krieger des Königs mit Blindheit, so daß sie unter einander in Kampf geriethen.

Dieß benutzten aber die

Hellespontcr, um den Hauptcingang zu stürmen und einen Theil der im Blinden kämpfenden Krieger zu erschlagen.

Während dieses Getüm­

mels kam aber, heißt es ferner, Odin, gab den Dänen ihr Gesicht wie­

der und lehrte sie, die Hellespontcr mit Steinwürfen zu tödten, weil sie durch Zaubermittel sich gegen Schwerdthiebe zu sichern verstanden.

Auf diese Weise kamen nun beide Heere um, indem sie sich gegenseitig

erschlugen.

Jarmunrech wälzte sich unter den Todten mit abgehauenen

56

Zarmunrech oder Hermanarich.

Händen nn- Füßen.

Broder, sein Sohn, folgte ihm nun in der Regie­

rung, zn deren Führung er aber wenig geeignet war1)«

Hier erkennt man zwar die wesentlichsten Züge der Beschreibung,

welche unsere eigenen Sagen der Vorzeit enthalte», allein Alles ist ver­ ändert und gleichsam vergrößert.

Den Randvcr in unseren Sagen

nennt Saxo „Broder"; unsere Sagen lassen den Randver seinem Fal­ ken die Federn ansrupfen und diesen nackt an den Jarmunrech senden, während Saxo den Falken selbst fich die Federn ausrupfen läßt, und auch noch von dem Hunde des Broder erzählt.

Die nordische Sage

läßt den Randver wirklich erhängt werden, die dänische läßt den Bro­ der auf eine ganz eigenthümliche Weise am Leben.

läßt nur die drei Brüder Sörle,

Die nordische Sage

Hamdcr und Erp hinausziehen, um

die Swanhild zu rächen; in der dänischen Sage kommen vier Brüder vor und deren, so wie der Swanhild Verhältniß zum Jarmunrech

wird anders dargestellt.

Die nordische Sage läßt den Erp unterwegs

von seinen Brüdern erschlagen werden; hieran erinnert aber auch die Erzählung des Saxo, daß die Brüder unterwegs einen großen Theil ihres Heeres verloren.

Nach der nordischen Sage hauen Hamder dem

Jarmunrech die Füße, Sörle ihm die Hände ab und ste klagen, daß Erp nicht da sei, um ihm auch den Kopf abzuhauen.

Die dänische Sage

läßt den Jarmunrech allerdings auch Hände und Füße verlieren, ob­ schon ste doch nicht die rechte Veranlassung davon weiß.

Die Gudrun

kommt auch in der dänischen Sage vor, aber nur als eine Zauberin. In beiden Sagen aber ist cs der Odin selber, welcher den Rath ertheilt,

die Brüder zu steinigen, da Waffen ste nicht verwunden können. Außer diesen Übereinstimmungen mit der nordischen Sage hat

Saxo auch ein wesentliches Moment aus der deutschen Sage vom Her­ manarich.

Er läßt ihn nemlich seine in Deutschland erzogenen Schwe-

stersöhnc aushängen.

Diese sind nun die in den deutschen Sagen so

oft vorkommenden Harlungcn, Embricke und Fritila, welche Ermen-

rik trotz der Verwandtschaft dennoch hängen lüfH2), 1) Saro B. 8. S. 406 — 415. 2) Diese Hartungen werden im Heldenbuche Söhne deö Dicther, deö Bru­ ders des Dietrich, genannt. Die Quedlinburgsche Chronik (aus dem Schluffe des 10. Jahrhunderts) erwähnt derselben schon, siehe Annas. Quedlinb. bei Pertz Monum. V. p. 31.: Eo tempore Ermanricus super omnes Gothos regnavit, astutior in dolo, largior in dono, qui post mortem Friderici, unici Filii sui, sua perpetrala vo-

56

Zarmunrech oder Hermanarich.

Der dänischen Sage eigenthümlich ist aber die Erzählung von der Burg des Zarmunrech, welche eine andere dänische Chronik sogar

auf den Berg Kullen in Schonen verlegt *), und merkwürdig bleibt

auch die Übereinstimmung der Sage mit dem historischen Theile des

Berichts des Jornandes.

Denn gleich wie Jornandrs, läßt auch Saxo

den Zarmunrech die Slawen und die im Osten wohnenden lettischen und tschudischen Nationen (Kuren, Semben und Live») sich unterwer­ fen.

Es ergiebt sich sogleich, daß man im Zarmunrech des Saxo nicht

allein den Hermanarich vor sich hat, der die Swanhild umbringen ließ und gegen ihre Brüder kämpfte, sondern auch denjenigen, welcher die

Slawen und Esthen bezwingt und „über alle Nationen Scythicns und

Germaniens herrscht".

„Der Hellespont" beim Saxo erinnert nicht

blos an die Küstenländer im Osten (Ostcrweg), sondern auch an die

sogenannten mäotischen Sümpfe, an denen die Heruler wohnen sollten^), und doch hat die ganze Erzählung beim Saxo vollkommen das Gepräge der Nationalität; kein Zug in demselben scheint fremden Quellen ent­

lehnt zu sein.

Auch weiß Saxo von den Kriegen des Zarmunrech mehr

zu erzählen, als beide, die nordische Sage und Jornandes.

Wir süh-

len daher, daß die Sage beim Saxo auf ihrem rechten nationalen Grunde beruht.

Zwar hat sie im Laufe der Zeit einige Abänderun­

gen erlitten und ist ihre Verbindung mit dem übrigen Sagenkreise

in Vergessenheit gerathen, dennoch hat sie sich zu sehr an die Örtlich­ keiten selbst geknüpft, um in ihren Einzelheiten in Vergessenheit zu ge­ rathen.

Za noch heute giebt es dunkele Sagen in Schonen, welche diese

Begebenheiten nach dem Öresunde und der Insel Hveen3 * )1 versetzen. 2 luntate patrueles suos Embricam et Fritlam patibulo suspendit.

In Dietrich von

Berns Saga, der nordischen Übersetzung deutscher Sagen, wird sowohl der Tod die­

ses Friedrichs erzählt,

als die Hinrichtung der Härtungen; sie nennt sie aber irr-

thümlich Ake und Etgaard (siehe W. Grimm, deutsche Heldensagen, S. 20, 264, 265). Auch das angelsächsische Widsidhlied nennt die Härtungen (Herelingas).

1) Annalen des Ryklofter, Langeb. scrptt. I, 155.

Diese Chronik nennt den

Zarmunrech Jarmarus, und läßt ihn mit den helleöpontischen Brüdern im Oresunde kämpfen,

wie sie auch den Broder, seinen Bruder, nicht seinen Sohn nennt.

Die

dänischen Sagen sind demnach in mehrern Puncten von einander abweichend gewesen.

2) Siehe oben I. S. 27. 28., vergl. I. 50. 52. 72. 3) Bergl. hierüber die dänischen Heldengesänge von Frau Grimild und ihren Brü­ dern (Schaldemose Sammt. S. 54—66) und die Hvecnsche Chronik,

aus welcher

sich ein Auszug ebendaselbst in Müllers Sagabiblioth. IL S. 408 fgg. findet, und

»7

Jarmunrcch oder Hermanarich.

Wir müssen demnach als ausgemacht ansehen, daß der gothische König Hermanarich oder Jarmunrcch um die Mitte des vierten Jahr­

hunderts eine große Eroberungsmonarchie gegründet hat, welche zwar zunächst die gothischen Länder rings an der Ostsee umfaßte, außerdem

aber noch über das von ausgewanderten Gothen bewohnte Festland,

fast bis an das schwarze Meer hinab, wie auch über die Slawen oder Wenden im Westen, über Preußen, Letten, Kuren, Esthen und Tschu-

den im Norden sich erstreckte.

Das südliche Norwegen hat nun unzwei­

felhaft einen Theil dieses Reiches ausgemacht.

Dafür zeugt jedenfalls

die Angabe beim Jornandes, daß die „Rügen" wie auch viele andere

streitbare nordische Völkerstämme unter den Völkern waren, die ihm ge­

horchen mußten, wie denn auch dieser Theil von Norwegen den gothi­ schen Hauptländern allzu nahe lag, um von den größer» Bewegungen unberührt zu bleiben, welche dort vor sich gingen.

Jornandes sagt

nirgends ausdrücklich, wo Jarmunrcch seinen eigentlichen Wohnsitz hatte; und könnte cs wohl scheinen, als ob er voraussetze, daß dieser irgend­

wo im südlichen Theile des Reiches gewesen, welches an sich auch von

dem Standpuncte des Jornandes, eines im Süden lebenden Schrift­ stellers, natürlich ist; doch nennt er wiederum selbst die Küsten der

Ostsee (des germanischen Meeres) und auch nordische Völkerschaften als ihm unterworfen.

Die nordischen Sagen halten sich mehr an einen

einzelnen Abschnitt im Leben des Jarmunrech; sie kennen ihn als Für­

sten der Gothen, im Übrigen aber scheint es, als ob die Erinnerung an seine mehr unmittelbare Herrschaft in Norwegen verloren gegangen

ist.

Es wird dieß daher wohl nur eine blos vorübergehende Berührung

gewesen sein.

In Dänemark aber und vornehmlich in Schonen hat

diese Erinnerung sich erhalten und nur hier weiß die Sage von seiner

eigentlichen Heimath zu erzählen. Stephanius Noten zuSaxo S.230.

kmninger, S. 83. 84.

Vergl. Sjöborg, Nomenclatur for Nord. Forn-

Zwar hat man angenommen, daß die Berlegung nach der

Insel Hpeen durch eine Verwechslung des „Hunaland" mit „Huenaland, Hvcnaland" entstanden ist; es scheint aber in diesem Falle doch sonderbar, daß die Sage

sich so bestimmt hat localisiren und daß schon die Chronik des Rykloster,

aus dem

13. Jahrh., auf den Öresund, als den Schauplatz der Begebenheiten, hat Hinweisen können, indem sie diesen sowohl als den Kullen genannt hat.

ganz gewiß eine uralte in Schonen gewesen.

Nein, die Sage ist

Hiebei ist aber auch noch bemerkcns-

werth, wie eine andere Hveensche Sage dunkle Erinnerungen an die Geston - Mythe

enthält, siehe oben S. 14. Note 4.

58

Iarmunrech oder Hermanarich. Daß die von den alten reidgothischen Landen ausgewanderten An­

gelsachsen die Erinnerung an den Iarmunrech (Hormcnric) bewahrten,

war natürlich und findet man ihn daher auch in angelsächfischen Schrif­ ten 9 erwähnt.

In den deutschen Sagen ist häufig von ihm die Rede,

aber immer nur in allgemeinen Umrissen; seine Macht wächst ins Un­

glaubliche, er ist zugleich römischer Kaiser,

König der Langobarden

und Vaterbruder des Dietrich; alles dieß, weil cinestheils die deutsche Sage in ihrer gegenwärtigen Gestalt noch jung ist, anderntheils weil die Süd- und West- Deutschen wohl nicht in der unmittelbaren Ver­

bindung mit den Gothen standen wie unsere Vorfahren1 2).

Die große gothisch-nordische Eroberungs-Monarchie des Jarmunrech oder Hermanarich bleibt demnach eine historische Thatsache.

Diese

Monarchie geht offenbar der eigentlich sogenannten Skjoldunger- oder dänisch-gothischen Monarchie vorher.

Die Danen hatten zur Zeit des

Iarmunrech wohl noch nicht ihre älteren Wohnsitze bei Gautland ver­

lassen und waren noch wirkliche Neidgothen, welche in den Ländern an

der Ostsee herrschten.

Indeß müssen die Eroberungen des Iarmunrech nothwendig Be­ wegungen und Umwälzungen im Norden selbst hervorgerufen haben,

1) Nemlich, wie oben gesagt, im Widsidh - Liede. Iarmunrech (Eormenric) ist einer der Fürsten, welche der Sänger besucht. Er nennt ihn den Hred-König, den er­ zürnten Friedensbrecher, wrad waerloga (13—17) ; sagt ferner, daß er über die Gothen herrschte (36). Er durchwanderte aber, wie er sagt, alle Güter (Höfe) der Gothen und besuchte die Vornehmsten von Iarmunrechs Hofe (Hausgenossen), unter diesen die Herelingas, Emercajmb Fridla (217 — 225); er hielt sich die ganze Zeit beim Iar­ munrech, dem Herren der Burgmänner, auf, welcher ihm auch einen kostbaren Gold­ ring schenkte (175— 184.) In einer andern ebenfalls im Exeterbuche uns aufbe­ wahrten Dichtung, „des Skalden Klage" genannt, heißt es: ,,wir haben von Iar­ munrechs grausamem (Wolfs-) Sinne gehört; er beherrschte weit und "breit das Volk des Gothen-Reichs und war ein grausamer König; mancher Mann saß in Sorgen und Fesseln, Unheil erwartend und sehnsüchtig das Ende dieser Herrschaft herbei wün­ schend." (Thorpes Ausg. S. 378.) 2) Die meiste Bekanntschaft mit der angeführten Sage verräth die obgedachte Quedlinburger Chronik, welche auch (1. c.) sagt: Ermanrici regis Gothomm, a fratribus Hemido et Serila et Addaccaro, quorum patrem interfecerat (müßte wohl heißen .. Serila, quorum patrem Adaccarum interfecerat) , amputatis manibus et pedibus turpiter, uti dignus erat, occisio. Diese Begebenheit wird irrig in die 3eit des Kaiser Anastasius gesetzt, um den Ermanarik zum Zeitgenossen des Diedrich von Bern zu machen, ,,de quo cantabant rustici olim.“

59

Der Wölsunger SageukreiS.

wenn auch die Sagen nichts davon enthalten. von mangelt cs aber auch nicht.

An jeglicher Spur da­

Wir haben bereits früher (Th. I.

S. 104—113) gesehen, wie sich unzweideutige Spuren davon finden,

daß in ältester Vorzeit ein eigenthümliches Vordringen und Zurück­

gehen von Nationen in dem südöstlichen Theile von Norwegen statt ge­ funden hat; daß namentlich die Raumen oder Alfen und Rügen, nach­ dem sie bis an die Küste hinabgekommen, wieder und zwar von Völ­

kern gothischer Cultur zurückgedrängt zu sein scheinen, bis sie abermals vordrangcn und sich diese letzteren zum Theil unterwarfen.

Diese Zwi­

schenzeit einer gothischen Herrschaft an den Küsten der Wik, scheint in

keine andere Periode fallen zu können, des Jarmunrcch über den Norden.

als in die Zeit der Herrschaft

Eben daher ist aber auch unser

Norden nicht ganz unberührt von den Bewegungen geblieben, welche

das Hercinstürzen der mongolischen Hunnen verursachte, denn von die­ sen ward das Reich des Jarmunrech umgcstürzt, und die Schwächung, welche das Gothenreich eben dadurch erlitt, mußte nothwendig bis in

die äußersten Theile der Monarchie empfunden werden.

Es läßt sich

nicht bezweifeln, daß die Nordmänner sich auch den Fall des Eroberers

zu Nutze machten, um wieder vorzudrängen, und daß die Raumen auf diese Weise endlich ihr Naumarike, die Haden ihr Ringarike u. s. w.

aufrichteten.

Aber anch in den reidgothischen Ländern selbst, vornehm­

lich wohl in Jütland hat die Herrschaft des Jarmnnrech gewiß wesent­ lich dazu bcigctragen, die anglische Auswanderung nach Britannien zu

beschleunigen. Jornandes nennt die Nation, welcher die Swanhild und ihre Brüder angchorten, die roxolanischc.

Unsere alten Sagen erwähnen

dagegen nicht, wo der König Jonaker wohnte; sie sagen nur, daß der Strom die Gudrun über den Meerbusen an das Land des Königs Jonaker führte.

Es ist aber früher gezeigt, daß die Benennung „Rorvla-

nen" bei dem Jornandes wie den spätern Schriftstellern die nemliche sein muß, wie „Russen", „Rodsen" oder die gemeinsame Bezeichnung

für die Nord-Germanen in ihrer ältern Hcimath').

Es bleibt indeß

unentschieden, ob das Land des Jonaker im Osten zu suchen ist, oder

ob die gothische Sage im Allgemeinen nur an Bewohner des Nordens gedacht habe.

Die nordische Sage scheint dagegen an ein Land gedacht

zu haben, das nur durch einen Meerbusen oder einen schmaleren Strci1) Siehe Theil I. S. 56. 57. 62. 63.

60

Walund.

Egil.

fett des Meeres von dem Reiche des Alle in Hunaland getrennt war.

Jornandes sagt, daß das Volk der Roxolanen von dem Jarmunrech ab­

gefallen war, und daß die Swanhild so hart behandelt ward, weil ihr Mann unter den Abgefallenen war.

Dieß zeigt aber, daß unter den

bezwungenen Nordgermanen schon vor dem Eindringen der Hünen Un­

zufriedenheit sich zeigte und Lust, das Joch wieder abzuwerfen.

Der

ganze Wölsungen- oder Niflungen - Sagenkreis, kann man demnach be­

haupten, nimmt im Norden seinen Anfang und hat auch dort sein Ende. In seinem mittlern Verlaufe spielt er vorzugsweise in Deutschland.

Immer bleibt es aber doch die große Frage, ob die Wölsungen und Gjukungen in demselben Grade wie Jarmunrech als historische Figuren

gelten können.

Ihre Thaten grenzen mehr an das Fabelhafte und

greifen sie offenbar weniger in die Geschichte ein; die ganze Sage vom Niflungen-Schatze, der durch List erworben und mit Sorgen bewacht

ward, bildet ein für sich abgeschlossenes, tragisches Ganze, ähnlich den

griechischen Sagen vom Oedipus und dem auf seinem Hause ruhenden Fluche.

Es ist aber nicht nur möglich, sondern vielmehr wahrscheinlich,

daß die Sagen von dem Sigurd Fafnersbane und den Gjukungen von

den germanischen Einwanderern aus ihrer ältesten Heimath im Osten

mitgebracht und später localisirt worden sind').

Daß sich nemlich un­

ter den Heldensagen und namentlich unter denen, welche mit dem Wöl­

sungen-Sagenkreise in Verbindung gebracht sind, noch solche Ursagen

finden, ist nicht zu bezweifeln.

Die Sage von dem kunstfertigen Schmied

Wölund oder Walund, dem Wiel ant der Deutschen, dem We-

land der Angelsachsen, dem Wayland der Engländer, dem Gualans der Franzosen, den der König Nidad in ein Gefängniß sperrte,

der sich aber Flügel machte und davon flog, ist nur die germanische Form der griechischen Sage vom Dädalus, und da sie nicht von den Griechen

entlehnt sein kann, muß sie folglich schon bei dem Urvolke existirt haben,

von welchem sowohl die Griechen als die Germanen abstammten 1 2). 1) Die Sage wird nemlich nicht nur nach Deutschland, sondern auch nach Hveen verlegt und in Schweden wird der Garphytteklint(felsen) in Renke als das Versteck

der Niflungen - Schatzes (Niebelungen Horts) genannt. Geiser S. R. Häfder S. 89. 2) Die Übereinstimmung in den Sagen war schon unseren Vorfahren klar, da

man, was bereits oben (Th. I. S. 256. Rot. 1.) bemerkt ist, das Wort „Laby­ rinth" durch „Völundarhüs“ überseht findet.

Die Sage vom Walund findet sich be­

kanntlich in ihrer größten Reinheit in ben Völundakviöa, einer der alten Edda-Dich-

Walund.

61

Egil.

Die Sage von dem Egil, Bruder des Walund,

dem Aegel der An­

gelsachsen, der auf Befehl des Königs Nidad seine Tüchtigkeit im Bo­

genschießen zeigte, indem er einen Apfel von dem Kopfe seines Sohnes Herabschoß, und auf die Frage des Königs, was er mit zwei andern

Pfeilen im Sinne gehabt, die er bei Seite gelegt, die Antwort gab, daß sie für ihn (den König) bestimmt gewesen, falls der erste das Kind getroffen hätte — diese Sage muß vor undenklichen Zeiten unter

allen germanischen Stämmen gelebt haben; denn man erkennt sie in ihrer örtlichen Gestaltung in Norwegen, Dänemark, England und der Schweiz wieder ’).

Auf ähnliche Weise könnte nun die Sage vom

Sigurd aus der Urzeit herstammen und die Veranlassung zu so vielen

ähnlichen Sagen von Kämpfen mit Drachen und Erbeutung von Schä­ tzen, welche sie bewachten, unter den Bewohnern des Nordens, wie unter den Deutschen gewesen sein.

Es wird hier aus allen Fall sehr

mislich, das Historische von dem Mythischen auszuscheiden.

Ein mittel­

bar historisches Interesse gewinnen die Sagen aber um deswillen, weil

sie unverkennbar an eine Zeit erinnern, in der die Bewohner des Nor­ dens, die Gothen und die Deutschen in bunter Verwirrung sich gern

von der Wik bis an die Alpen mit einander herumtummelten, während doch die Gothen stets die vornehmste Nation waren und alle Sagen der­

selben nicht nur um Scandja wie um einen Mittelpunct sich drehen,

sondern auch noch lange in dem alten ständischen Hauptlande, Schonen, als örtliche Sagen sich erhalten haben. tungen.

Wölunds Vater, Wade, kommt auch in englischen Sagen vor (s. Kemble

Saxons in Engi. I, 420) und Ortsnamen in England erinnern ebenfalls daran. Weland (Völunds), NiShaS (NiSuÖr) und die Tochter Beaduhild (BöSvildr, eigentlich

Bö'öv-hildr) kommt in „der Klage des Sängers (Skald)" v. 1 — 34. vor (ExeterBuch S. 377.), und in Berkshire zeigt man noch Wayland smith (d. i. die Walunds

Schmiede). 1) Eigil oder Egil heißt in der Wölundarkvißa, Ölrunar - Egill.

Ausführlich

wird die Sage in Diedrich v. Berns Saga erzählt; wie bekannt ist sie in Dänemark

dem Palnatoke, in Norwegen dem Heming und Eindride Ilbreid, in der Schweiz

dem Wilhelm Tell und in England dem William Cloudesley beigelegt; Grimms Myth. S. 354. 355.

An Aegel erinnern mehrere Ortsnamen in England,

Aeglesburh (Aileöbury), Aegleöford (Aylesford) u. a. m.

wie

Bon dem Sohne des

Walund, dem Widga, wird viel in Diedrich von Berns Saga erzählt; wie er als

Vidicula oder Widigoja der Gegenstand uralter gothischer Gesänge war, ist schon er­ wähnt ; das Widsidh - Lied kennt ihn als Wudga (v. 288.). Die Walund - und Widga-

Sagen werden vorzüglich nach Schonen, Bohus und Seeland verlegt, siehe W.

62

Dic Saqc vom Dan.

7.

Dan, Danp, Dyggve und Dag.

Die ausführlichste Sage über den Dan finden wir in den beiden dänischen einander nahe verwandten Chroniken, der sogenannten Es-

romschen (vom Kloster Esrom im nördlichen Seeland) und der Ryklo-

sterschen, von denen namentlich die erstere in der Darstellung der alten dänischen Sagen fich von Saro und seinen Combinationen völlig un­

abhängig erweist und eben daher wohl auch im Ganzen genommen die älteste Geschichte Dänemarks so darstellt, wie sie insgemein im

Volke lebte, wenn der Verfasser sich auch nicht ganz davon frei ge­ haltenhat, seine Bekanntschaft mit den ausländischen Chronisten, na­ mentlich

dem Jornandes und Beda bei der Abfassung zu benutzen.

Diese Chronik, welche der Zeitrechnung des Beda mit sechs Perioden, von Adam bis Christus, folgt, weiß gar nichts vom Skjold und den Skjoldungern. Indem sie die Worte des Beda wiederholt, daß die Stif­

tung des scythischcn Reichs um die Zeit des Erzvaters Seruch oder Sa-

ruch fiel, berichtet sie auch, daß Dänemark (Dacia) um die ncmliche

Zeit von einer Schaar Landflüchtiger bevölkert wurde.

Später heißt

es, daß der Imperator Julius Cäsar sich die Danen unterwarf, und die Feste Julesburg, deren Name in Juresburg entstellt ward,

Schleswig erbaute.

Indeß scheint es,

bei

als ob man aller Genealogie

zum Trotz diesen Angriff in die Zeit des Königs David versetzt hat.

„Denn", heißt es, „als der Imperator zur Zeit des David zum ersten Male Dänemark heimsuchle, wurden die einzelnen Theile desselben,

nemlich Jütland, Fühnen, Seeland, Möen, Falster, Laaland und Scho­

nen nicht Dänemark genannt, denn sie hatten keinen eigenen Regenten, sondern gehörten zu Schweden.

In Uppsala herrschte nemlich ein Kö­

nig, Namens Upper, welcher drei Söhne, den Nore, Osten und Dan, hatte, von denen der letztere von seinem Vater abgesandt wurde, um

die vier Inseln Seeland, Möen, Falster und Laaland zu beherrschen, welche damals den gemeinsamen Namen Withesleth führten.

Dan

bekam demnach das Königthum auf Seeland und erbaute die Stadt

Hleidr, welche er sehr reich und mächtig machte.

Hier war Dan zu-

Grimm Heldensagen 322,

Es ist daher aber auch

Geiser S. R. Häfder S. 89.

nicht auffallend, daß diese, wie die übrigen gothischen Mythen, sten in Schonen, dem alten Hauptsitzc der Gothen, barschaft, erhalten hat.

sich am hartnäckig­

so wie in dessen nächster Nach­

63

Dan und Withesleth.

erst König während dreier Jahre.

Inzwischen suchte der Kaiser Augu­

stus Jütland mit Krieg heim und lieferten die Jüten ihm mehrere Schlachten am Danewirke, welches damals schon eristirte.

In ihrer

Bedrängniß riefen sie den König Dan von Withesleth zu Hülfe; dieser

fand sich auch unverzüglich ein und überwand den gcinb *).

Da be­

schlossen nun die Jüten, den Dan als König anzunchmen; sie führten ihn

zum Steine Danerugh, ließen ihn diesen besteigen und huldigten, ihm.

Von den Jüten unterstützt, unterwarf Dan sich darauf Fühnen, Scho­ nen und die übrigen Inseln.

Als er nun sein Reich,

nemlich Jüt­

land , Fühnen, Withesleth und Schonen einst mit Wohlgefallen übersah,

richtete er an seine vornehmsten Männer die Frage: mein Reich ge­ fällt mir wohl; wie sollen wir es nun benennen?

Jene gaben ihm da­

rauf zur Antwort: D» heißest Dan, Dein Reich soll daher Danmark heißen und Dein Name soll niemals aussterben.

Dan regierte noch

drei Jahre in Danmark und hatte mit seiner Gemahlin Dania einen Sohn Namens Ro, welcher das Reich nach ihm erbte, seine Leiche bei

Hleidr auf Seeland unter einem Hügel bestattete und später die Stadt

Röskilde (Quelle des Ro) baute".

Die zweite Chronik erzählt fast das Nemliche nur mit wenigen Ab­ weichungen.

„Die Danen", heißt es hier, „nahmen nach dem Zeug­

niß alter Historiographen das Reich, welches wir jetzt Dänemark nennen, zur Zeit des Erzvaters Saruch in Besitz; sie waren nemlich von Got­ land ausgezogcn.

Doch hießen sie nicht gleich anfangs Danen, sondern

jedes einzelne Land hatte seine eignen Namen, des Humble, zur Zeit des Königs David,

bis Dan, der Sohn

von Schweden hcrüberkam

und über Seeland, Moen, Falster und Laaland herrschte, welche zu­

sammen Withesleth genannt wurden.

Um diese Zeit wurden die Jüten

von einem mächtigen Könige angegriffen.

In großer Fnrcht vor die­

sem Angriffe errichteten sie die Befestigung, welcher noch heute Kowirki (d. h. Kurgraben oder Kurwirke, ein Theil des Danewirke in der Nähe

von Schleswig) genannt wird, und sandten Boten um Hülfe an den Dan, König von Withesleth, mit dem Gelöbniß, ihn, wenn er Sie­

ger bleibe, als König anzunehmen.

Dan fand sich nun auch ein,

schlug den Feind bei Kowirki, ward der Herr der Jüten und unterwarf

sich später mit deren Hülfe Fühnen, Schonen und die übrigen däni­

schen Inseln.

Er nannte später das ganze Reich in Folge eines ge-

I) Hier erkennen wir die nemliche That wieder, welche Saxo Dan III beileqt.

64

Dan.

Dnggve.

Königstitel.

meinsamen Beschlusses aller seiner angesehenen Männer nach seinem Na­

men Dänemark und die Bewohner Danen.

Er war ein tapferer und

riesengroßer Streiter, der allen Nachbarn Schrecken einjagte."

Wir haben schon oben (Thl. I. S. 47.) angedeutet, daß wir in die­ sem verwirrten Berichte deutlich die Einwirkung des Jornandes spüren können; denn der Name Withesleth rührtunverkennbar von seinen An­

gaben in Betreff der Widiwarjen und der Inseln in der Mündung der Wiscla (Weichsel) her, und es geht noch deutlicher daraus hervor, daß

eine Handschrift der Esrom- Chronik in einer Marginal-Rote den „Augustus" in „Voseses, König von Egypten" corrigirt, welcher

eben auch beim Jornandes vorkommt.

In dieser entstellten Sage

spürt man jedoch auch einen ächten ursprünglichen Kern, nemlich das Volksbewußtscin davon, daß die Danen von der ständischen Halbinsel

herübergekommen, und daß der Name Danmark erst von ihrer Aus­ breitung im Lande herstammt.

Als eine Personificalion dieses Bewußt­

seins muß aber der Dan aufgefaßt werden.

Indeß ist der Dan doch etwas mehr als eine Jncarnation der däni­ schen Nationalität.

Sein Name wie der seines Vaters Danp sind eben­

falls mit dem Königstitel, der Eroberungsmvnarchie und Einfüh­ rung der gothischen Leichenbestattung in Dänemark eng verknüpft.

Das

vermuthliche Zeitalter des Dan bildet eine besondere Abtheilung in der Sagengeschichte des ganzen Nordens.

Insonderheit stellt sich dieß in

der alten Combination der Unglinga - Sagen heraus, welche der Unglinga-Saga zum Grunde liegt.

Diese legt nemlich dem Kölner einen

Sohn Sweigder bei, welcher nach Osten zog, um Godheim und den al­

ten Odin aufzusuchen, von einem Zwerge aber in einen Stein hinein­ gelockt ward.

Auf den Sweigder folgt nun eine ganze Episode, welche

mit den Sagen von den finländischen Königen (eigentlich Personificationen der Naturereignisse) in Verbindung steht, die im Fundinn Noregr genannt sind.

Diese Episode dreht sich im Wesentlichen um einen Gold­

schmuck, auf welchem der Fluch ruhte, daß er dem ganzen Geschlechte

Unglück bringen und häufig zum Morde unter den Verwandten die Ver­ anlassung sein werde.

Die Episode wird indeß durch die Erzählung

von dem Dyggve, dem Schwager des Dan, welcher zuerst in Swith-

jod den Königsnamen annahm und von dessen Sohne Dag, welcher auf einem Zuge in Gotland siel, ganz unterbrochen. 1) Mglinga Saga Eap. 15.

Darauf wird der ab-

65

Der Name Dänemarks.

gerissene Faden erst wieder angeknüpft.

Danp, seine Kinder Dan und

Drott, deren Gemahl Dyggve und Sohn Dag gehören hier unläugbar zusammen, schon der gemeinsame Anfangsbuchstabe zeugt dafür»).

Wäre die Sage in ihrem ganzen Umfange bekannt, würden ohne Zwei­ fel alle diese Namen in derselben vorkommen.

Schon aus den spärlichen

Mittheilungen beim Snorre und der Andeutung im Rigsmaal ersehen

wir, daß sie mit der Vorstellung vom Ursprünge des Königthums oder

dem Übergange des Königsnamens von einer Ehrenbenennung zur Be­ zeichnung einer Regierungsgewalk unauflöslich verbunden gewesen sind.

Dieser Übergang bezeichnet, wie wir gesehen haben, auch die Eroberungs­ monarchie und daher tritt Dan in der zuletzt mitgetheilten dänischen

Sage als Eroberungsmonarch auf.

Die Danen sind hiernach endlich

so mächtig geworden, daß sie eine Eroberungsmonarchie gestiftet haben und eben diese Eroberungsmonarchie hat vielleicht die weitere Verbrei­

tung der eigenthümlichen dänisch - gothischen Begräbnißweise veranlaßt.

Dieß ist die historische Ausbeute, welche die Sage vom Dan gewährt. Ungewiß bleibt es dagegen, welche Ausdehnung man jener Eroberungs­

monarchie geben oder in welche Zeit man sie setzen soll.

In der älte­

sten dänischen Geschichte fehlt es zwar keineswegs an Sagen von älte­ ren Eroberungsmonarchieen.

So viel ist aber ausgemacht, daß man

nicht die Eroberungsmonarchie des Dan mit dem Namen Danmark in

Verbindung setzen darf.

Unsere eigenen Geschichtsqucllen bezeugen

nemlich, daß Danmark bis in das 8. und 9. Jahrhundert hinab Gotland

hieß und in den einzigen authentischen Überresten, die wir aus jener Zeit besitzen, nemlich in den urältesten Liedern (Oldkvadenei wird der Name Danmark nicht eher erwähnt, als in dem obgedachten Liede von

Brage dem Alten, welches von dem Abpflügen der Insel Seeland durch

die Geflon handelt.

Seeland wird hier „ein Zuwachs Dänemarks" ge­

nannt und dieß bezeugt,

daß das ursprüngliche Danmark außerhalb

Seeland gesucht werden muß.

Da aber die Gefjon nun diesen Zuwachs

dem Skjold, dem Beherrscher Schonens, erwarb, so wird man das äl­ teste Dänemark auf der Halbinsel (Schonen) zu suchen haben.

„Däne­

mark" heißt aber wörtlich nur „das Grcnzland der Danen" oder „der Waldstrich der Danen".

Dieß Grenzland oder diese Waldstrecke der

1) Unglinga Saga c. 16— 19. 20. 21. u. 22. enthält die ausführlicheren Bc-

lege, welche von dem Verfasser auch weitläufiger aufgezählt werden, für die deutsche

Übersetzung aber weniger Interesse zu haben scheinen. Munch, Gesch. d. Norm. Volks. II.

(A. d. Ü.)

66

Der Name Dänemarks.

Danen kann aber wohl keine andere als der nördliche Grenzstrich zwi­

schen Schonen und Smaaland gewesen sein und wird man daher auch in dieser Gegend die ältesten Heimathsttze der Danen auf der nordischen Halbinsel suchen dürfen.

Dennoch blieb, obschon die Danen selbst jen­

seit des Sundes mächtig wurden, der Name Gotland der gewöhnliche, bis die neueren Bewegungen im 8. Jahrhundert (stehe §. 8) Dänemark

zum Namen des Gesammtreiches erhoben.

Daß nun Erinnerungen

an diese späteren Bewegungen bei den Danen der nachfolgenden Zeiten

sich in die Sage haben mischen und die Veranlassung geben können,

daß der Name Dänemark in seiner weitern Bedeutung zu tief in die Vorzeit zurück versetzt wurde, ist aber sehr möglich.

Jedenfalls ist so

viel ausgemacht, daß der Dan als Sagenfigur im Munde des Volkes

gelebt haben muß, ehe noch der Name Gotland in den Namen „Däne­ mark" übergegangen und daß die Eroberung oder Umwälzung, welche

dieser Name bezeichnet, nicht im Stande war, einen solchen Wechsel des Namens zu veranlassen.

Selbst die unverkennbar nach dem Danp be­

nannte Danpstadl, deren Lage jetzt zwar unbekannt ist, wird ausdrück­

lich in die vornehmste Harde von Rcidgotland verlegt').

Die Erzäh­

lung vom Dan ist demnach entweder eine andere Einkleidung der Sage vom Skjold und der Gefjon, oder sic deutet auf eine Erweiterung der

Macht der Hleidrekönige über Jütland bis an die Eider.

mm wohl das wahrscheinlichste.

Letzteres ist

In diesem Fall steht sie aber in un-

läugbarer Verbindung mit den sogenannten angelsächsischen Zügen nach England. 8. (10.)

Iwar Widfadme und die letzten Unglinger in Swithjod

und Skjvldnnger in Dänemark.

Sigurd Ring.

Harald Hildctand und

Die Brawallaschlacht.

Über die Vertreibung des Anglinger-Stamms aus Swithjod und den Umsturz des alten Königthums in Hleidr, enthalten unsere Geschichts­

quellen der Vorzeit einen ganzen Kreis von Sagen, welche sich gegen­

seitig ergänzen und richtig verstanden für die Geschichte des ganzen Nor­

dens von der größten Wichtigkeit sind, da sie den Übergang in rine

neue Zeitperiode, die Wikinger Zeit, bezeichnen. 1) Hervararsaga c. 16.

Hier ist auch von dem schönen Steine die Rede, wel­

cher in Danpstadt sich findet; sollte hiermit vielleicht der nemliche gemeint sein, wel­ cher in der Esrom-Chronik Danerug genannt wird? In der Atlakvida Str. 5. wird

die Danpstadt als zu dem Reiche des Hunenkönigs Atle gehörig bezeichnet.

67

Braut - Anmld.

Ingvar, König von Swithjod, hatte einen Sohn Namens Anund, unter dessen friedlicher Regierung Swithjod sich glücklicher Tage er­

freute.

Er war sehr bemüht, die großen Wälder auszuroden und an­

zubauen.

Durch die Waldeinöden ließ er Wege bahnen und fand man

dabei oftmals weite unbewaldete Strecken, welche nun angebaut wur­

den, und so entstanden große Harden, wo früher unbebautes Land ge­

wesen war.

Er ließ auch die übrigen Wege in Swithjod verbessern

und bekam daher den Namen Braut-Anund').

Er errichtete einen

Königshof in jeder Großharde, und pflegte im Lande auf Bewirthung umher zu reisen.

Zu jener Zeit gab es nun rings umher in Swithjod

Hardes-Könige, die unter Anunds Oberherrschaft standen; unter die­ sen war einer Namens Svipdag der blinde, welcher über Tiundaland, wo Uppsala liegt, gebot, bei ihm ward aber der Sohn des Anund,

Namens Jngjald, großgezogen.

Zur Zeit des Mitwinter-Blot (Winter-

Opfer) pflegten die Könige sich in Uppsala zu versammeln. Eines Win­

ters, als Jngjald sechs Jahre alt war, kam nun auch der König Ingvar von Fjadrundaland (Westmanland) mit seinen Söhnen Alf und Agnar,

welche ungefähr gleich alt mit dem Jngjald waren, dahin. Die Königs­

söhne spielten nun mit einander, bei dem Versuchen ihrer Kräfte kam aber Jngjald zu kurz und beklagte sich daher mit Thränen bei seinem Pfle­

gevater Svipdag hierüber, dieser erwiderte ihm aber, daß cs eine große Schande für ihn sei.

Svipdag soll darauf, wie erzählt wird, das Herz

von einem Wolf haben braten lassen und dem Jngjald zum Essen vor­ gesetzt haben, wonach dieser überaus grausam und boshaft geworden ist.

Anund kam ums Leben, wie Einige behaupten durch einen Bergsturz, nach Andern bei einem Überfall seines Bruders Sigurd an einer Stelle,

die Himinfjall heißt1 2), und sein Sohn Jngjald ward darauf König. Dieser beschloß nun die vielen Harde-Könige, welche in Swithjod wa­

ren, zu beseitigen.

Zu diesem Zwecke ließ er ein großes Erbbier zum

Andenken an seinen Vater veranstalten und erbaute einen neuen Saal, der eben so prachtvoll, wie sein eigener Königssaal, war, um darin sie­

ben Könige zu empfangen; ließ sieben Hochsitze darin aufstellen und

nannte ihn den Saal der sieben Könige.

Seine Einladung zum Gelage

1) Braut, von brjöta (brechen), bedeutet nemlich „einen gebahnten Weg."

2) Dieß erzählt die „Historie Norwegiae“ fol. 6. b. nach dem was man für den

Bericht des Are Frode halten muß, siehe Annal. f. Nord. Oldkynd.. og Hist. 1850.

S. 304 — 8,

68

Jngjald Jldraade.

erging nun an die Könige, Jarle und angesehenen Männer.

Die mei­

sten der Könige kamen auch, namentlich Ingvar von Fjadrundaland mit seinen beiden Söhnen Alf und Agnar, Forsnjall, König von Nerike,

und Jngjalds eigner Schwiegervater, König Algaut von West-Gaut-

Der einzige, welcher nicht erschien, war der König Granmar

land.

von Södermanland.

Es waren mithin nur sechs Könige da, welche die

Sitze in dem neuen Saale einnehmen konnten; ein Hochsitz stand dem­ nach leer.

Das Gefolge der sechs Könige bekam auch seinen Platz in

dem neuen Saale; in dem Königssaale des Jngjald, oder dem sogenann­ ten Uppsal, waren seine eigenen Hofleute und alle seine (Mänd) Kriegs­

männer.

Bei einem solchen Erbbier nach dem Tode von Königen oder

Jarlen war es aber damals üblich, daß derjenige, welcher cs anrichtete, und in das Erbe eingesührt werden sollte, anfangs an den Stufen des

Hochsitzes saß, bis der Becher, welcher der Brage-Becher hieß, hinein­ gebracht ward, dann erhob er sich, um den Becher zu empfangen und

ein feierliches Gelübde abzulegen, daß er diese oder jene That vollfüh­

ren wolle, und leerte hierauf den Becher; wenn dieß geschehen, ward er auf den Hochsitz hinaufgeführt und nun als derjenige angesehen, welcher rechtlich die Erbschaft angetrcten habe.

Als bei diesem Feste

aber der Brage-Becher hereingebracht ward') — cs war dieser ein

großes Thierhorn — gelobte Jngjald, sein Reich nach allen vier Welt­

gegenden um das zwiefache auszudehnen oder zu sterben; hierauf leerte er das Trinkhorn.

Am selbigen Abende, als die Meisten trunken wa­

ren , schritt er aber schon zur Ausführung, wie er sie schon vorbereitet

hatte.

Er sandte nemlich die beiden Söhne des Svipdag mit einer

Schaar von Leuten nach dem neuen Saale, den sie umringten und in

Brand steckten.

In dem Feuer kamen nun die sechs Könige mit ihrem

Gefolge ums Leben; die aber, welche entfliehen wollten, wurden sogleich niedergemacht.

Darauf nahm Jngjald die Reiche der sechs Könige in

Besitz.

König Granmar von Södermannland erfuhr dieß aber und sah nun, welches Schicksal ihm ebenfalls zugedacht sei; er beschloß daher

auf seiner Huth zu fein.

Glücklicherweise traf es sich, daß der See­

könig Hjörward vom Stamme der Ilfinger um diese Zeit nach

Swithjod kam und im Mörkefjord landete.

Granmar lud ihn aber mit

1) Über den Brage - Becher siehe Thl. I. S. 246. Not. 3.

69

Jngjald Jldraade.

ganzem Gefolge zu sich ein und Hjörward nahm die Einladung mit

Freuden an.

Am Abende sollte Granmars eigene Tochter, die schöne

Hildegunn, herumgehen und den Gästen Bier anbieten. Sie trat zuerst

mit einem großen Silberpokal vor den Hjörward, welcher auf einem

Hochsitze dem Granmar gegenüber saß, credenzte ihm denselben mit den „Willkommen, ihr Plfinger insgesammt, bei dem Gedächt­

Worten:

niß-Becher für Rolf-Krake" und überreichte ihm darauf den Pokal.

Hjörward faßte aber zugleich ihre Hand und verlangte, daß sie sich ne­ ben ihn setzen solle.

Anfangs entschuldigte sie sich mit dem Bemerken,

daß es nicht Wikinger-Sitte sei, paarweis zu sitzen und mit Weibern zu trinken; worauf er erwiederte, daß ihn die Wikinger-Sitte wenig

kümmere,

er sie aber bei sich haben wolle.

nun den ganzen Abend bei ihm.

Sie gab ihm nach und saß

Am nächsten Tage warb Hjörward

um die Hildegunn und bekam sie zur Ehe unter dem Versprechen, daß

er bei dem Granmar bleiben und ihm in der Vertheidigung seines Rei­ ches beistehn wolle, da Granmar selbst keinen Sohn habe.

Schon im

Herbste sammelte aber Jngjald ein Heer, um den Granmar und Hjör­

ward mit Krieg zu überziehen.

Diese warben ebenfalls Mannschaft, um

ihm zu begegnen, außerdem kam noch Granmars Schwiegervater, Kö­ nig Högnc von Oster - Gautland, mit seinem Sohne Hilder ihm zu Hülfe. Jngjald landete darauf in Granmars Reiche und zog landeinwärts;

Granmar, Hjörward und Högne zogen ihm entgegen und Jngjald ward ungeachtet seiner Übermacht gänzlich geschlagen, da alle diejenigen in seinem Heere, welche aus Fjadrundaland, Aattundaland, Nerike und Westgautland waren, nicht kämpfen wollten, sondern gleich wieder auf

die Schiffe flüchteten.

Jngjald selbst ward verwundet und sein Pflege­

vater Svipdag fiel mit seinen beiden Söhnen.

Der Krieg ward jedoch

lange Zeit fortgesetzt, bis endlich die Freunde beider Partheien fich ins

Mittel legten und einen Frieden zu Stande brachten. war aber für beider Lebenszeit geschlossen.

Dieser Friede

Granmar konnte sogar im

nächsten Frühjahr zum Sommersblot (Sommer-Opfer) nach Uppsala ziehen.

Der Blotspan (Opfcrspan) weissagte ihm aber hier, daß er

bald sterben würde.

Noch in demselben Herbste gelang es aber dem

Jngjald, den Granmar und Hjörward auf der Insel Sile zu überfal­ len und durch Feueranlegen zu todten.

ihr Reich.

Er unterwarf sich hierauf

Zwar macht Högne ihm dasselbe eine Zeitlang streitig und

behielt auch sein eigenes Reich bis an seinen Tod; indeß soll Jngjald

70

Zngjald Aldraadc.

zuletzt doch zwölf Könige überlistet und nachdem er ihnen Friede geschworen, sie alle erschlagen haben.

(Mordbrenner).

Daher bekam er den Namen Jngjald Jldraade

Er beherrschte nun den größten Theil von Swithjod.

Vermählt war er schon lange mit der Gauthild, Tochter des Königs Algaut, und hatte mit ihr einen Sohn Namens Olaf und eine Toch­

ter Aasa1). Um diese Zeit herrschten in Schonen und Reidgotland zwei Brü­

der vom Stamme der Skjoldunger, Gudröd und Halfvan snjalle, Söhne des Waldar.

Gudröd scheint ruhig daheim gesessen zu haben, während

Halfdan in fremden Landen umhcrschwärmte und sich namentlich einen

Theil von England unterworfen haben soll.

Gudröd ward mit der

Aasa, Tochter des Jngjald, vermählt, diese aber, welche in Allem ihrem Vater ähnlich war, überredete ihren einfältigen Mann, seinem Bruder

nachzustellen und ihn zu ermorden.

Darauf schaffte sie auch ihren eig­

nen Mann bei Seite und ist es vermuthlich jetzt die Absicht des Jngjald gewesen, auch Schonen sich zu unterwerfen.

nicht.

Dieß gelang ihm jedoch

Mit der Moald digre, welche, wie es scheint, eine anglische Kö­

nigstochter gewesen 2), hatte Halfdan aber einen Sohn Namens Ivar, einen kräftigen, kriegerischen und dabei sehr listigen Mann. Dieser kam

nun nach dem Tode des Oheims Gudröd nach Schonen, sammelte hier ein Heer und eilte damit nach Swithjod, wo er den Jngjald überraschte, als er grade bei einem Gastmahle auf dem Hofe Reining auf einer In­

sel in Mälar sich befand. Jngjald erkannte, daß es ihm nichts helfen könne, gegen Ivars Übermacht zu kämpfen; entfliehen half ihm eben so wenig, da er so verhaßt war, daß sich überall Feinde um ihn sam­

meln würden.

Er beschloß demnach mit der Aasa freiwillig das Leben

zu enden. Sie machten nun zuvor ihre Leute betrunken und zündeten alsdann die Halle an, indem sie sich selbst mit allen Übrigen dem Feuer­

tode übergaben. Jehl

unterwarf Ivar

Swithjod als Gautland.

sich das

ganze Schwedenreich,

sowohl

Außerdem herrschte er, wie es heißt, über

1) Hierüber vergl. insonderheit Snorre Sturlesons Ungl. S. c. 37 — 40.

2) Olaf Tryggv. S. in Forum - S. c. 61. „Olaf der Stcucrkönig des Sigurd Ring über Northumberland" heißt es hier, war ein Sohn des Kinrik (d. h. Cyneric), welcher ein Brudcrsohn der Moald digre, der Mutter des Zwar Widfadme

sein sollte.

Moald und ihr Bruder müssen daher ans Angeln gewesen sein,

Eyneric ist ein anglischer Name.

denn

71

Iivar Widfadmc.

riu Fünftel von England, über einen großen Theil vom Sachsenlande und über das ganze sogenannte Austrrike oder die Küsten Rußlands. Daher bekam er nun den Namen Widfadme') (der Weitfassende). In Hleidr auf Saclund herrschten um diese Zeit die beiden Brüder

Nörek Slöngvanbauge und Helge hvasse.

Helge pflegte aber jeden

Sommer auf Kriegszüge sich zu begeben, während Rörek daheim blieb.

Helge warb um die Aude, die Tochter des Ivar Widfadme, welche auch ihn gern leiden mochte, von ihrem Vater aber keine Erlaubniß be­

kommen konnte, ihn zu ehelichen.

Ivar gab vor, daß Aude sich für zu

gut halte; und Helge mußte unverrichteter Sache nach Hause ziehen.

Bald darauf fingen die Freunde des Rörek an, diesen aufzumuntern,

auch sein Glück bei der Aude zu versuchen.

Rörek hatte selbst auch Lust

und überredete nun seinen Bruder Helge, nach Swithjod zu reisen und

für ihn zu werben.

Aude wollte aber gerne dem Rörek einen Korb ge­

ben, indeß wollte ihr Vater davon nichts hören, und so ward sie wider

ihren Wunsch mit dem Rörek vermählt. Sie bekamen nun einen Sohn, den sie Harald nannten, der hübsch und größer von Wuchs wie an­ dere Kinder war; nach einigen großen goldfarbigen Vorderzähnen be­

kam er aber den Namen Hildetand2). Während eines Sommers, wird nun weiter erzählt, kam Ivar mit

seinem Heere aus dem Osten von Swithjod auf einer Reise nach Reidgot-

land und legte bei Saelund an,

wo er einen Boten an seinen Schwie­

gersohn Rörek sandte mit der Bitte, zu ihm zu kommen.

Aude warnte

aber den Rörek vor des Vaters hinterlistigen Planen und beutete ihm einen Traum, den er einst von Gefahren gehabt hatte, die ihm von

Seiten des Ivar droheten.

Rörek ließ sich indeß nicht abhalten,

Ivar zu ziehen, und ging an Bord seines Schiffes zu ihm.

zum

Als Rörek

flch dem Lager des Ivar im Hintertheil des Schiffes näherte, that die­ ser anfänglich, als ob er ihn nicht sähe; Rörek lud ihn zu einem Gast­

mahle ein, allein Ivar lehnte es ab, und gab nun den Grund seines

unfreundlichen Wesens an: er habe nemlich gehört, daß Helge zu der Aude in einem unerlaubten Verhältnisse stehe und daß die ganze Welt davon rede, wie der Knabe Harald Hildetand das lebendige Abbild des

Helge sei; einen solchen Schimpf müsse Rörek aber rächen, die Aude ohne Weiteres an seinen Bruder abtreten.

oder auch

Rörek, welcher

hiervon kein Wort gehört hatte, war anfangs sehr verwundert, ließ es 1) Anglinga Saga c. 44. 45.

2) Sögubrvt c. 1.

72

Zwar Widfadme.

sich aber doch endlich vom Ivar einreden, so daß er sicher und fest glaubte, was dieser ihm gesagt, und auf dessen Rath hin beschloß, den Helge zu ermorden.

Ivar setzte nun die Reise nach Reidgotland fort.

Um die

Zeit der Erndte, als Helge heimkehrte, zeigte Rörek sich sehr zurückhal­ tend und unfreundlich gegen ihn.

Helge machte nun zur Zerstreuung

den Vorschlag, daß sie Kampfspiele anstellen möchten,

Rörek nahm

den Vorschlag an, ohne ein Wort weiter zu sagen, und fand während des Spiels Gelegenheit, seinen Bruder mit einem Speer zu durchboh­

ren.

Alle Anwesende fragten ihn voll Schrecken, warum er dieß ge­

than.

Er entgegnete, weil Helge seine Gattin ihm verführt habe, was

Alle indeß für die größte Unwahrheit erklärten.

Als Aude es erfuhr,

ahndete ihr gleich, daß dieß ein Anschlag ihres Vaters sei, sie nahm daher ihren Sohn Harald und ritt mit vielen Kriegsmännern davon. Bald darauf kam aber Ivar von seinem Zuge nach Reidgotaland wieder zurück.

Als er nun hörte, was geschehen, erklärte er es für die größte

Unthat und daß er seinen Freund Helge rächen wolle; er gebot daher seinen Leuten zu den Waffen zu greifen, überfiel den Rörek,

welcher

ihm entgegenreiten wollte, in einem Walde und erschlug ihn. Ivar for­

derte nun die Verwaltung des Reiches und die Anwesenden wagten nicht, ihm die Huldigung zu verweigern; inzwischen hatte Aude ein Heer ge­ sammelt,

um ihm entgegcnzuziehen, und Ivar, der nicht Mannschaft

genug um sich hatte, womit er diesem Heere begegnen konnte- se­

gelte nach Swithjod zurück.

Im nämlichen Winter sammelte Aude aber

alles Gold und alle Kostbarkeiten, deren sie habhaft werden konnte, und sandte sie nach Eygotaland voraus *).

Im folgenden Frühjahre zog sie

selbst mit ihrem Sohne Harald in Begleitung vieler Vornehmen des Reichs und mit vielem Gute zuerst nach Eygotaland und später östlich nach Gardarike, wo ein König Namens Radbard herrschte.

Dieser

nahm aber sie wie ihr Gefolge freundlich auf und bot ihnen einen Au­ fenthalt in seinem Lande an und warb endlich um die Aude, welche sich auch entschloß, ihm ihre Hand zu reichen, namentlich mit Rücksicht da­

rauf, daß ihr Sohn Harald, wenn er herangewachsen, dadurch eine Unterstützung gewinnen könne. Denn aus Saelund waren sie nun land-

1) Unter Eygotaland ist hier unverkennbar die Insel Gotland zu verstehen, die von den Bewohnern selbst Gutland oder Gullqnd genannt wurde.

aber der Weg nach Rußland.

Über dieses ging

Zwar Widfadme.

flüchtig.

Harald Hildctand.

73

Ivar hatte nemlich gleich nach ihrer Abreise das ganze Reich

der beiden Brüder in Besitz genommen *).

Ivar war aber sehr entrüstet darüber, daß König Radbard, wel­

cher ihm tributpflichtig gewesen zu sein scheint, es gewagt hatte, die Aude zu ehelichen, ohne ihn zu fragen.

Er beschloß daher, ihn zu be­

kriegen, und sammelte ein gewaltiges Heer aus allen seinen Reichen, mit welchem er nach Osten segelte, um in Radbards Reiche zu plündern und zu sengen.

Sein Weg führte aber durch Karjalabotn oder die fin­

nische Bucht, an welche, wie es hieß, Radbards Reich grenzte, mithin

um die Mündung der Newa und die Gegend von Petersburg. In einer Nacht, wird erzählt, hatte der König nun einen merkwürdigen Traum.

Als dieser ihm aber als eine Vorbedeutung von großen Umwälzungen in

Swithjod und Danmark und als die Weissagung seines nahen Todes aus­

gelegt ward, stürzte sich der König voller Wuth über den Traumdeuter in

die See und ward nicht mehr gesehen.

Auf die Kunde vom Tode des

Königs ward aber im Heer eine Berathung gehalten, und beschlossen, den vorhandenen guten Wind zur Heimreise zu benutzen.

Wie aber

Radbard dieß erfuhr, sandte er seinen Stiefsohn Harald zum Heere, von

welchem ein Theil, der noch nicht abgesegelt war, ihm als König hul­ digte und ihn mit nach Saelund nahm, wo das Volk ihn auch sogleich als König anerkannte. Darauf zog er nach Schonen in das Reich, wel­ ches seinen mütterlichen Verwandten gehört hatte, und ward ihm auch

hier gehuldigt.

Darauf unterwarf er sich Swithjod und Jütland und

setzte überall viele Fylkekönige wieder ein, welche Ivar früher verjagt hatte.

Harald war damals aber nur 15 Jahr alt und hatte, wie er­

zählt wird, viel zu thun, um sein Reich gegen diejenigen zu beschützen, welche seine Jugend zu benutzen dachten, um die Besitzungen wieder zu

erlangen, welche Ivar ihnen genommen hatte.

Seine Kriegsleute, heißt

es, veranstalteten einen mächtigen Zauber, daß kein Eisen ihn ver­

wunden konnte.

Er ward nun ein großer Kriegsmann und eignete sich

Ivars ganzes Reich zu, so daß alle Könige in Danmark und Swithjod ihm zinspflichtig wurden.

Reich in England.

Ebenfalls unterwarf er sich Halfdan Snjalles

Überall setzte er aber Könige und Jarle ein, die

ihm Steuern bezahlen mußten. Zum König in Ostgautland bestellte er den

1) Sögubrot c. 2.

74

Olaf Traetelgja.

Halfdan Hvitbein.

Ufinger Hjörmund, einen Sohn des von Jngjald Jldraade durch Feuer

getödteten Alfingers Hjörward *). Der Sohn des Jngjald Jldraade, Namens Olaf, war von seiner

Mutter zu ihrem Pflegevater Bowe in Westgautland gesandt, um dort

großgezogen zu werden und ward hier mit dem Sohne des Bowe, Sachse Flctter, zusammen erzogen.

Als jener nun den Tob seines Va­

ters Jngjald erfuhr, zog er mit den Kriegsmännern, welche sich ihm anschlossen, nach Renke, um wo möglich das Reich wiederzuerlangrn;

die Sweonen hatten indeß einstimmig beschlossen, den Stamm des Jng­ jald nicht länger zu dulden, und mußte Olaf daher wieder abziehen.

Er drang nun mit seinen Begleitern durch die Wälder, bis dahin, wo

die Klar-Elbe in den Wcner See fällt.

Hier fing er an den Wald zu

lichten, ließ sich hier nieder und baute große Harden an.

In Swith-

jod spottete man aber darüber und gab dem Olaf den Spottnamen Trae-

telgja?) (Baumfäller).

Inzwischen sammelten sich immer mehr um

ihn, da die Tyrannei des Ivar Widfadme viele der Sweonen zu fliehen

nöthigte.

Dadurch ward nun Wermcland am Ende so übervölkert,

daß eine Theurung entstand.

Olaf war aber grade kein eifriger Opfer­

mann (Blotmann) und schrieb die große Menge daher dem Zorn der

Götter den Kornmangel zu.

Um nun deren Zorn zu beschwichtigen,

beschlossen sie den König selbst den Göttern zum Opfer darzubringen; sie zündeten daher das Haus über ihm an und weihten ihn dem Odin als

Opfer für die Erlangung eines guten Jahres.

Die Verständigeren er­

kannten zwar wohl, daß die wirkliche Ursache des Kornmangels nur die

allzugroße Volkszahl war.

Sie beschlossen daher, den ältesten Sohn des

Olaf, den Halfdan mit Zunamen Hvitb ein, zum König zu machen. Halfdan ward aber in Solöer in Norwegen, der zunächst an Wermc­

land grenzenden bewohnten Gegend, bei dem Bruder seiner Mutter, dem Könige Sölve, großgezogen.

Die Sweonen von Wermcland unter­

nahmen nun einen Zug nach Solöer, überrumpelten den König Sölve,

erschlugen ihn und legten Halfdan den Königstitel bei. terwarf er sich Solöer und eroberte Raumarike3 1).2 1) Sögubrot