111 96
German Pages 368 [366] Year 2007
Silke Adam Das Going-Concern-Prinzip in der Jahresabschlussprüfung
GABLER EDITION WISSENSCHAFT Auditing and Accounting Studies Herausgegeben von Prof. Dr. Annette Köhler, Handelshochschule Leipzig, Prof. Dr. Kai-Uwe Marten, Universität Ulm, Prof. Dr. Reiner Quick, Technische Universität Darmstadt, Prof. Dr. Klaus Ruhnke, Freie Universität Berlin, Prof. Dr. Matthias Wolz, Universität Dortmund
Silke Adam
Das Going-Concern-Prinzip in der Jahresabschlussprüfung Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Reiner Quick
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Technische Universität Darmstadt, 2006 D 17
1. Auflage März 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Nicole Schweitzer Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0693-5
Geleitwort Die Selbstverständlichkeit und Allgemeingültigkeit des Going Concern Prinzips wurden in den vergangenen Jahren oftmals auf Grund der anscheinend unvorhersehbaren Unternehmensinsolvenzen oder Bilanzmanipulationen in Frage gestellt, da in solchen Fällen meist ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk erteilt worden war. Die strikte Anwendung des Prinzips wurde angezweifelt und der wirtschaftsprüfende Berufsstand kritisiert. Der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme kommt wegen der allgemein zu beobachtenden Tendenz einer ständig zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung, der wachsenden Entscheidungskomplexität und der nicht abschließend zu beurteilenden Folgen eine immer größere Bedeutung zu. Die Entscheidung selbst hat durch den Prüfer bei einer hinreichenden Sicherheit mit einem möglichst geringen Mitteleinsatz zu erfolgen. Die Dissertation von Frau Adam beschäftigt sich mit den bestehenden Normen und deren Wirkung für den Prüfer. Die Darstellung des Forschungsstandes geht bis zu den Anfängen der methodengestützten Verfahren zur Urteilsbildung zurück und umfasst zusätzlich die empirischgestützten Entscheidungsansätze. Im Rahmen der empirischen Studie werden Faktoren und deren Bedeutung für die Meinungsbildung, die Beeinflussungsmöglichkeiten durch Externe sowie die theoretische Eignung und die praktische Anwendung von mathematisch-statistischen Verfahren durch die Studienteilnehmer untersucht. Eine empirische Studie mit entsprechender Themenstellung wurde im deutschsprachigen Raum bis jetzt noch nicht durchgeführt. Als wesentliche Aspekte der vorliegenden Arbeit sind hervorzuheben: -
Rechnungslegungsübergeifende Untersuchung der Normen im Rahmen der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme
-
Umfangreicher Überblick über den aktuellen Forschungsstand hinsichtlich der methodengestützten und empirischgestützten Entscheidungsansätze
-
Selbstständig entwickelte empirische Studie zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme in der deutschen Wirtschaftsprüferpraxis
Die Verfasserin macht für die Auswertung ihrer empirischen Studie in angemessener Art und Weise Gebrauch von statistischen Methoden und sie gelangt zu wesentlichen und sowohl aus dem Blickwinkel der Forschung als auch aus praktischer Sicht relevanten Erkenntnissen. Ihre Ergebnisse und Analysen fasst sie in profunden Anregungen und Lösungsvorschlägen zusammen und sie zeigt großes Forschungspotenzial auf.
V
Zu den Zielgruppen dieser Arbeit zählen Praktiker und Theoretiker. Auf der einen Seite werden Angehörige des Berufsstandes über das Verhalten von Kollegen informiert und über gewonnene Erkenntnisse für die praktische Tätigkeit sensibilisiert. Auf der anderen Seite werden insbesondere aus der empirischen Studie Sachverhalte und Zusammenhänge herausgearbeitet, die einen Dialog zwischen Berufsverbänden und Wissenschaftlern über das Thema der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme eröffnen bzw. intensivieren.
Prof. Dr. Reiner Quick
VI
Vorwort Die vorliegende Arbeit entspricht meiner Dissertation „Das Going Concern Prinzip in der Jahresabschlussprüfung“, die im Sommersemester 2006 vom Fachbereich Rechts- und Wirtschaftswissenschaften der Technischen Universität Darmstadt angenommen wurde. Es wurden Entwicklungen bis zum Frühjahr 2006 berücksichtigt. Herr Prof. Dr. Reiner Quick gab mir die Möglichkeit der externen Promotion an seinem Lehrstuhl. Dabei unterstützte und betreute er mich umfassend. Herr Prof. Dr. Dr. Oskar Betsch übernahm das Zweitgutachten und die Prüfungskommission setzte kurzfristig einen Prüfungstermin an. Die Lehrstuhlmitarbeiter von Herrn Prof. Dr. Reiner Quick an der Universität Essen, der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und der Technischen Universität Darmstadt halfen mir bei Literaturrecherchen und beim organisatorischen Ablauf, insbesondere beim Versand und Rücklauf der Fragebögen. Mein Arbeitgeber KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft hat durch arbeitsvertragliche Regelungen zur Erstellung meiner Dissertation beigetragen. Die Herren WP StB Edmund Eichelberg, WP Karl-Heinz Conrad sowie WP Lothar Möllenbrink gaben Anregungen bei der Entwicklung des Fragebogens. Meine Eltern Ulla und Dipl.-Ing. Klaus Adam sowie meine Schwester Dr. med. Birgit Adam haben mich stets motiviert und intensiv Korrektur gelesen. Mein Freund Dipl.-Kfm. Gregor Zimmermann war mir ein ständiger Diskussionspartner und Experte für die elektronische Datenverarbeitung. Für meine empirische Studie haben viele Berufsangehörige den Fragebogen vollständig sowie gewissenhaft bearbeitet und so die in dieser Arbeit vorgestellten Erkenntnisse erst möglich gemacht. Allen Genannten danke ich gleichermaßen von ganzem Herzen. Ohne sie wäre dieses Vorwort noch nicht geschrieben.
Silke Adam
VII
Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis...............................................................................................IX Abkürzungsverzeichnis ....................................................................................XV Abbildungsverzeichnis.................................................................................... XXI Tabellenverzeichnis......................................................................................XXIII A.
Einleitung ..................................................................................................... 1
A. 1.
Begriffsabgrenzung: Going Concern Prinzip.......................................................1
A. 2.
Problemstellung ...................................................................................................4
A. 3.
Gang der Untersuchung .......................................................................................8
B.
Normen im Rahmen der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken .......................... 11
B. 1.
Klassifikation von Normen und deren Funktionen ............................................11
B. 2.
Nationale und internationale Gesetzgeber und Verordnungsgeber von Normen und deren Bindungswirkung für den Prüfer.........................................12
B. 2.1.
Nationale Gesetzgeber und Verordnungsgeber von Normen und deren Bindungswirkung für den Prüfer........................................................................12
B. 2.1.1. B. 2.1.2.
Normen des Gesetzgebers und deren Bindungswirkung für den Prüfer ............12 Normen des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer in Deutschland und deren Bindungswirkung für den Prüfer..............................................................12 Normen des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. und deren Bindungswirkung für den Prüfer.......................................................16 Normen der Rechtsprechung und deren Bindungswirkung für den Prüfer........17
B. 2.1.3. B. 2.1.4. B. 2.2.
Internationale Verordnungsgeber von Normen und deren Bindungswirkung für den Prüfer ............................................................................................17
B. 2.2.1.
Normen des International Auditing and Assurance Standards Board und deren Bindungswirkung für den Prüfer..............................................................17 Normen des International Accounting Standards Board und deren Bindungswirkung für den Prüfer .............................................................................19 Normen der Securities Exchange Commission und deren Bindungswirkung für den Prüfer ............................................................................................21
B. 2.2.2. B. 2.2.3. B. 2.3.
Zusammenfassung der Untersuchung über die Normen und deren Bindungswirkung für den Prüfer .............................................................................23
B. 3.
Inhalte der nationalen und internationalen Normen im Rahmen einer Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken......................................................................................24
B. 3.1.
Inhalte der nationalen Normen im Rahmen einer Urteilsbildung über die Going Concern Annahme...................................................................................24
B. 3.1.1. B. 3.1.1.1. B. 3.1.1.2.
Das Going Concern Prinzip in der nationalen Rechnungslegung ......................24 Prüfungspflicht und Einordnung ins Normengefüge .........................................24 Die Annahme des Going Concern Prinzips .......................................................27
IX
B. 3.1.1.2.1. B. 3.1.1.2.2. B. 3.1.1.3. B. 3.1.1.3.1. B. 3.1.1.3.2. B. 3.1.1.3.2.1. B. 3.1.1.3.2.2. B. 3.1.1.4. B. 3.1.1.5. B. 3.1.1.6. B. 3.1.1.7. B. 3.1.2. B. 3.1.2.1. B. 3.1.2.2. B. 3.1.2.2.1.
Anwendungs- und Prognosezeitraum ................................................................27 Zu berücksichtigende Ereignisse .......................................................................28 Die Nicht-Annahme des Going Concern Prinzips .............................................29 Entgegenstehende tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten ..........................29 Bestandsgefährdung auf Grund von Insolvenz ..................................................32 Insolvenzverfahren und Antragstellung .............................................................32 Insolvenzeröffnungsgründe................................................................................34 Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit und Prüfungsplanung...........................37 Urteilsbildung über die Going Concern Annahme.............................................38 Zusätzliche Prüfungshandlungen bei bestandsgefährdenden Tatsachen............40 Bewertung ..........................................................................................................41 Der Lagebericht .................................................................................................42 Aufstellung eines Lageberichts..........................................................................42 Inhalt eines Lageberichts ...................................................................................44 Inhalt eines Lageberichts nach § 289 Abs. 1 HGB (Allgemeine Berichtspflichten)..........................................................................44 B. 3.1.2.2.1.1. Wirtschaftsbericht ..............................................................................................44 B. 3.1.2.2.1.2. Chancen- und Risikobericht...............................................................................45 B. 3.1.2.2.2. Inhalt eines Lageberichts nach § 289 Abs. 2 HGB (Spezielle Berichtspflichten)..............................................................................48 B. 3.1.2.3. Prüfung eines Lageberichts................................................................................49 B. 3.1.3. Das Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG ................................51 B. 3.1.3.1. Maßnahmen zur Risikofrüherkennung...............................................................51 B. 3.1.3.2. Prüfung der Maßnahmen zur Risikofrüherkennung...........................................54 B. 3.1.4. Berichterstattung im Rahmen der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme ............................................................................................................55 B. 3.1.4.1. Berichterstattung in Form eines Prüfungsberichts .............................................55 B. 3.1.4.2. Berichterstattung in Form eines Bestätigungsvermerks.....................................57 B. 3.1.4.2.1. Berichterstattung in Form eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks......57 B. 3.1.4.2.2. Berichterstattung in Form eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks..........60 B. 3.1.4.2.3. Berichterstattung in Form eines Versagungsvermerks ......................................60 B. 3.1.4.3. Bedingte Erteilung von Bestätigungsvermerken................................................62 B. 3.1.4.4. Tatsachen nach Erteilung von Bestätigungsvermerken .....................................62 B. 3.1.4.5. Self-fulfilling Prophecy .....................................................................................62 B. 3.2.
Inhalte der internationalen Normen im Rahmen einer Urteilsbildung über die Going Concern Annahme.............................................................................63
B. 3.2.1. B. 3.2.1.1. B. 3.2.1.2.
Das Going Concern Prinzip in der internationalen Rechnungslegung...............63 Das Going Concern Prinzip in den International Standards on Auditing ..........63 Das Going Concern Prinzip in den International Financial Reporting Standards............................................................................................................63 Das Going Concern Prinzip in den United States-General Accepted Accounting Principles ........................................................................................65 Lagebericht, Risikofrüherkennungssystem und Berichterstattung in der internationalen Rechnungslegung ......................................................................66
B. 3.2.1.3. B. 3.2.2. B. 3.3.
Vergleich der nationalen und internationalen Rechnungslegung hinsichtlich des Going Concern Prinzips........................................................................67
X
C.
Analyse des Status Quo der Entscheidungsansätze zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung....................... 68
C. 1.
Entscheidungsansätze zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung................................................................................................68
C. 2.
Methodengestützte Ansätze zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung................................................................................................69
C. 2.1.
Die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme unter Anwendung mathematisch-statistischer Ansätze ...................................................................69
C. 2.1.1. C. 2.1.2.
Einführung in die mathematisch-statistischen Ansätze......................................69 Theoretische Grundlagen der mathematisch-statistischen Ansätze und deren kritische Würdigung.................................................................................72 Theoretische Grundlagen der einfachen mathematisch-statistischen Verfahren und deren kritische Würdigung...............................................................72 Einzelkennzahlen und Kennzahlensysteme .......................................................72 Quicktest ............................................................................................................74 Saarbrücker Modell............................................................................................76 RSW-Verfahren .................................................................................................78 Kritische Würdigung der einfachen mathematisch-statistischen Verfahren ......79 Theoretische Grundlagen der komplexen mathematisch-statistischen Verfahren und deren kritische Würdigung...............................................................81 Diskriminanzanalyse..........................................................................................81 Das Verfahren der Diskriminanzanalyse ...........................................................81 Univariate Diskriminanzanalyse ........................................................................84 Multivariate Diskriminanzanalyse .....................................................................84 Nearest-Neighbor-Verfahren .............................................................................86 Kritische Würdigung der Diskriminanzanalyse .................................................86 Künstliches neuronales Netz..............................................................................87 Das Verfahren des künstlichen neuronalen Netzes............................................87 Kritische Würdigung des künstlichen neuronalen Netzes .................................90 Regressionsanalyse ............................................................................................91 Das Verfahren der Regressionsanalyse..............................................................91 Kritische Würdigung der Regressionsanalyse ...................................................94 Entscheidungsbaum ...........................................................................................94 Das Verfahren des Entscheidungsbaums ...........................................................94 Kritische Würdigung des Entscheidungsbaums.................................................95 Status Quo in der Forschung bei den komplexen mathematischstatistischen Verfahren.......................................................................................96 Fitz Patrick (1932) .............................................................................................96 Merwin (1942) ...................................................................................................97 Beaver (1966).....................................................................................................98 Altman (1968)....................................................................................................99 Deakin (1972) ..................................................................................................101 Beermann (1976) .............................................................................................102 Weinrich (1978) ...............................................................................................105
C. 2.1.2.1. C. 2.1.2.1.1. C. 2.1.2.1.2. C. 2.1.2.1.3. C. 2.1.2.1.4. C. 2.1.2.1.5. C. 2.1.2.2. C. 2.1.2.2.1. C. 2.1.2.2.1.1. C. 2.1.2.2.1.2. C. 2.1.2.2.1.3. C. 2.1.2.2.1.4. C. 2.1.2.2.1.5. C. 2.1.2.2.2. C. 2.1.2.2.2.1. C. 2.1.2.2.2.2. C. 2.1.2.2.3. C. 2.1.2.2.3.1. C. 2.1.2.2.3.2. C. 2.1.2.2.4. C. 2.1.2.2.4.1. C. 2.1.2.2.4.2. C. 2.1.3. C. 2.1.3.1. C. 2.1.3.2. C. 2.1.3.3. C. 2.1.3.4. C. 2.1.3.5. C. 2.1.3.6. C. 2.1.3.7.
XI
C. 2.1.3.8. C. 2.1.3.9. C. 2.1.3.10. C. 2.1.3.11. C. 2.1.3.12. C. 2.1.3.13. C. 2.1.3.14. C. 2.1.3.15. C. 2.1.3.16. C. 2.1.3.17.
Gebhardt (1980) ...............................................................................................108 Mutchler (1985) ...............................................................................................111 Baetge/Huß/Niehaus (1986 und 1988).............................................................115 Odom/Sharda (1990)........................................................................................118 Tam (1991).......................................................................................................120 Feidicker (1992)...............................................................................................123 Blochwitz/Eigermann (2000)...........................................................................125 Kuruppu/Laswad/Oyelere (2003) ....................................................................129 Koh (2004) .......................................................................................................131 Zusammenfassende kritische Würdigung der komplexen mathematischstatistischen Ansätze ........................................................................................133
C. 2.2.
Urteilsbildung über die Going Concern Annahme unter Anwendung modelltheoretischer Ansätze ............................................................................136
C. 2.2.1.
Urteilsbildung über die Going Concern Annahme unter Anwendung grafischer Verfahren ........................................................................................136 Theoretische Grundlagen der grafischen Verfahren und deren kritische Würdigung .......................................................................................................136 Status Quo in der Forschung bei den grafischen Verfahren ............................138 Moriarity (1979)...............................................................................................138 Moriarity und Altman im Vergleich ................................................................141 Kritische Würdigung der grafischen Verfahren...............................................142 Die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme unter Anwendung des katastrophentheoretischen Ansatzes ..........................................................144 Theoretische Grundlagen des katastrophentheoretischen Ansatzes.................144 Status Quo in der Forschung beim katastrophentheoretischen Ansatz ............147 Kritische Würdigung des katastrophentheoretischen Ansatzes .......................151
C. 2.2.1.1. C. 2.2.1.2. C. 2.2.1.2.1. C. 2.2.1.2.2. C. 2.2.1.2.3. C. 2.2.2. C. 2.2.2.1. C. 2.2.2.2. C. 2.2.2.3. C. 2.3.
D.
Zusammenfassung des Status Quo der methodengestützten Ansätze für die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung............................152
Empirische Studie zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung ......................................................................... 155
D. 1.
Empirischgestützte Ansätze zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung..............................................................................................155
D. 2.
Theoretische Grundlagen der empirischgestützten Ansätze ............................156
D. 2.1.
Einführung in die empirischgestützten Ansätze...............................................156
D. 2.2.
Richtung, Art, Menge und Aussagekraft der Informationen............................157
D. 2.3.
Reihenfolge der Informationen ........................................................................158
D. 2.4.
Antwortmodi ....................................................................................................159
D. 2.5.
Aufgabenstellung .............................................................................................160
D. 3.
Die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme unter Anwendung empirischgestützter Ansätze ............................................................................160
D. 3.1.
Allgemeiner Überblick.....................................................................................160
D. 3.2.
Status Quo in der Forschung bei den empirischgestützten Ansätzen...............161
XII
D. 3.2.1. D. 3.2.1.1. D. 3.2.1.2. D. 3.2.1.3. D. 3.2.2. D. 3.2.2.1. D. 3.2.2.2. D. 3.2.2.3. D. 3.2.2.4. D. 3.2.2.5. D. 3.2.2.6. D. 3.2.2.7.
Status Quo in der Forschung über die Wichtigkeit der Informationen ............161 Mutchler (1984) ...............................................................................................161 Mutchler (1986) ...............................................................................................164 LaSalle/Anandaranjan (1996) ..........................................................................169 Status Quo in der Forschung über die Präsentation der Informationen ...........173 Ashton/Ashton (1988)......................................................................................173 Tubbs/Messier/Knechel (1990)........................................................................177 Messier (1992) .................................................................................................180 Cushing/Ahlawat (1996) ..................................................................................183 Ahlawat (1999) ................................................................................................186 Arnold/Collier/Leech/Sutton (2000) ................................................................189 Ashton/Kennedy (2002)...................................................................................192
D. 3.3.
Zusammenfassung und kritische Würdigung des Status Quo der empirischgestützten Ansätze für die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung..............................................................................................195
D. 4.
Aufbau und Durchführung der empirischen Studie zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung .......................................................199
D. 4.1.
Untersuchungsziele der empirischen Studie zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken .......199
D. 4.2.
Das Analyseinstrument „Fragebogen“.............................................................199
D. 4.2.1. D. 4.2.2.
Überlegungen zur Auswahl des Analyseinstruments „Fragebogen“ ...............199 Entwicklung und Aufbau des Fragebogens .....................................................200
D. 4.3.
Durchführung der empirischen Studie zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken ..................206
D. 4.3.1. D. 4.3.2. D. 4.3.3. D. 4.3.3.1. D. 4.3.3.2.
Grundgesamtheit und Auswahl der Stichprobe................................................206 Versendung und Rücklauf der Fragebögen......................................................207 Nonresponse Bias.............................................................................................209 Grundlagen des Nonresponse Bias ..................................................................209 Überprüfung auf Nonresponse Bias.................................................................212
D. 5.
Auswertung der Studie.....................................................................................215
D. 5.1.
Grundlegende Informationen zur Auswertung der Studie ...............................215
D. 5.2.
Auswertung des ersten Fragebogenabschnitts .................................................217
D. 5.2.1. D. 5.2.2. D. 5.2.3.
Demografische Angaben..................................................................................217 Branche ............................................................................................................219 Bestätigungsvermerke......................................................................................220
D. 5.3.
Auswertung des zweiten Fragebogenabschnitts...............................................221
D. 5.3.1. D. 5.3.2. D. 5.3.2.1. D. 5.3.2.2. D. 5.3.3. D. 5.3.3.1.
Entscheidungsfaktoren .....................................................................................221 Kennzahlen ......................................................................................................224 Wichtigkeit und Insolvenzgrund der Kennzahlen............................................224 Weitere Kennzahlen.........................................................................................227 Sachverhalte.....................................................................................................229 Wichtigkeit und Tendenz zum Testat der Sachverhalte...................................229
XIII
D. 5.3.3.2. D. 5.3.4. D. 5.3.4.1. D. 5.3.4.2. D. 5.3.4.3. D. 5.3.4.3.1. D. 5.3.4.3.2. D. 5.3.4.3.3. D. 5.3.4.3.4.
Weitere Sachverhalte .......................................................................................232 Informationsreihenfolge...................................................................................234 Würdigung der Anmerkungen der Teilnehmer ................................................234 Auswertung der Fragen unabhängig von der Reihenfolge...............................235 Bildung und Überprüfung der Annahmen .......................................................237 Theoretische Grundlagen zur Bildung und Überprüfung der Annahmen ........237 Bildung und Überprüfung der ersten Annahme ...............................................238 Aufstellung und Überprüfung der zweiten Annahme ......................................239 Aufstellung und Überprüfung der dritten Annahme ........................................240
D. 5.4.
Auswertung des dritten Fragebogenabschnitts ................................................241
D. 5.4.1. D. 5.4.2. D. 5.4.2.1. D. 5.4.2.2.
Überblick..........................................................................................................241 Theoretische Eignung methodengestützter Ansätze ........................................241 Einzelantworten der theoretischen Eignung methodengestützter Ansätze ......241 Antwortkombinationen zur theoretischen Eignung methodengestützter Ansätze.............................................................................................................243 Gründe für bzw. gegen die theoretische Eignung methodengestützter Ansätze.............................................................................................................244 Praktische Anwendung methodengestützter Ansätze ......................................247 Einzelantworten der praktischen Anwendung methodengestützter Ansätze ...247 Antwortkombinationen der praktischen Anwendung methodengestützter Ansätze.............................................................................................................249 Gründe für bzw. gegen die praktische Anwendung methodengestützter Ansätze.............................................................................................................250 Vergleich zwischen der theoretischen Eignung und der praktischen Anwendung methodengestützter Ansätze.............................................................253 Häufigkeit der praktischen Anwendung und Zuverlässigkeit methodengestützter Ansätze ............................................................................................254 Anwendung der methodengestützten Ansätze bei der Jahresabschlussprüfung sowie Gründe der Nichtanwendung ...................................................256
D. 5.4.2.3. D. 5.4.3. D. 5.4.3.1. D. 5.4.3.2. D. 5.4.3.3. D. 5.4.4. D. 5.4.5. D. 5.4.6. D. 6.
E.
Vergleich der Auswertungsergebnisse der vorliegenden Arbeit mit den Untersuchungsergebnissen aus dem englischsprachigen Raum.......................260
Zusammenfassung und Ausblick ........................................................... 262
E. 1.
Zusammenfassung der Arbeit ..........................................................................262
E. 2.
Kritische Würdigung dieser Arbeit und künftiges Forschungspotenzial .........264
Literaturverzeichnis......................................................................................... 269 Anhang .............................................................................................................. 295
XIV
Abkürzungsverzeichnis A a.A. Abb.
anderer Ansicht Abbildung
ABl. Abs. ADS AG AIC AICPA AktG Anm. APB ARB Art. ASR Aufl.
Amtsblatt Absatz Adler, Hans/Düring, Walther/Schmaltz, Kurt Aktiengesellschaft Accounting Interpretations Committee American Institute of Certified Public Accountants Aktiengesetz Anmerkung Accounting Principles Board Accounting Research Bulletin Artikel Accounting Series Release Auflage
% Bd. BGB BGBl.
Band Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt
BilKoG
BMJ BT-Drucksache bzw.
Bilanzkontrollgesetz (Gesetz zur Kontrolle von Unternehmensabschlüssen) Bilanzrechtsreformgesetz (Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung) Bundesministerium der Justiz Bundestags-Drucksache beziehungsweise
C CPA
Certified Public Accountant
BilReG
XV
D dgl. d.h. DM DRS DRSC
dergleichen das heißt Deutsche Mark (Währung) Deutscher Rechnungslegungsstandard Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee
DSR DStR
Deutscher Standardisierungsrat Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
E EBIT E - DRS e.V. EG EoS et al. EU EUR Euro-EG EWG
Jahresüberschuss vor Zinsen und Steuern Entwurf - Deutscher Rechnungslegungsstandard eingetragener Verein Europäische Gemeinschaft End-of-Sequence und andere Europäische Union Euro (Währung) EURO-Einführungsgesetz Europäische-Wirtschafts-Gemeinschaft
F f.
folgende
FAR FASB ff. FKQ Fn.
Fachausschuss Recht Financial Accounting Standards Board fortfolgende Fremdkapitalquote Fußnote
G GAS GASC GenG GG ggf. GmbH GmbH & Co. KG GmbHG GoB
German Accounting Standards German Accounting Standards Committee Genossenschaftsgesetz Grundgesetz gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesellschaft mit beschränkter Haftung & Co. Kommanditgesellschaft Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
XVI
H HFA FG HGB Hrsg.
Fachgutachten des Hauptfachausschusses des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. Handelsgesetzbuch Herausgeber
I i.S.d. i.e.S. i.V.m. i.w.S. IAASB IAS IASB IASC ID IDW IDW IPS IDW PH IDW PS IDW RH IDW RS IDW S
im Sinne des im engeren Sinne in Verbindung mit im weiteren Sinne International Auditing and Assurance Standards Board International Accounting Standard International Accounting Standards Board International Accounting Standards Committee Iterative Dichotomiser (Entscheidungsbaumverfahren) Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. IDW PS zur ISA-Ergänzung IDW Prüfungshinweise IDW Prüfungsstandards IDW Rechnungslegungshinweise IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung IDW Standards
IFAC IFRIC IFRS INFORMS InsO ISA ISAs Iss.
International Federation of Accountants International Financial Reporting Interpretation Committee International Financial Reporting Standards Institute for Operations Research and the Management Sciences Insolvenzordnung International Standard on Auditing International Standards on Auditing Issue
J Jg. Jr.
Jahrgang Junior
XVII
K k.A. K.O. KG KGaA KonTraG KPMG KWG M MD&A
keine Angabe Knock Out Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Kreditwesengesetz
Mio.
Management’s Discussion & Analysis of Financial Condition and Results of Operation Millionen
N n.F. No. Nr.
neue Fassung Numero Nummer
O o. Jg. o.V.
ohne Jahrgang ohne Verfasser
OHG
Offene Handelsgesellschaft
P Pos. PS PublG
Posten Prüfungsstandard Publizitätsgesetz
R RIC RL RoI Rn. RSW
Rechnungslegungs Interpretations Committee Reichmann/Lachnit Return on Investment Randnummer/n Rendite, Sicherheit, Wachstum
XVIII
S S. SAS SbS SEC SFAC SFAS SIC sog. Sp. StückAG
Seite/n Statement on Auditing Standards Step-by-Step Securities Exchange Commission Statement of Financial Accounting Concepts Statement of Financial Accounting Standards Standard Interpretations Committee so genannt(e) Spalte Gesetz zur Zulassung von Stückaktien
T Tab. Tz.
Tabelle Textziffer
U u.a. UK-GAAP USA US-GAAP usw.
unter anderem United Kingdom-Generally Accepted Accounting Principles United States of America (Vereinigte Staaten von Amerika) United States-Generally Accepted Accounting Principles und so weiter
V VAG vgl. Vol.
Versicherungsaufsichtsgesetz vergleiche Volume
W Washington D.C. WestLB WPG WP Handbuch WPK WPK-Mitteilungen WPO
Z z.B. ZPO ZVEI
Washington - District of Columbia (Hauptstadt der USA) Westdeutsche Landesbank Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Wirtschaftsprüfer-Handbuch Wirtschaftsprüferkammer Wirtschaftsprüferkammer-Mitteilungen (Zeitschrift) Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung)
zum Beispiel Zivilprozessordnung Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V.
XIX
Abbildungsverzeichnis Abb. 1:
Arten des Insolvenzverfahrens ....................................................................................32
Abb. 2:
Arten der Diskriminanzanalyse...................................................................................82
Abb. 3:
Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzes..............................................................89
Abb. 4:
Lineare und nichtlineare Regressionsbeziehung .........................................................92
Abb. 5:
Kleinste-Quadrate-Methode ........................................................................................93
Abb. 6:
Verlauf einer logistischen Funktion ............................................................................93
Abb. 7:
Definition des qualitativen Deckungsgrades.............................................................127
Abb. 8:
Beispiele von Flury/Riedwyl-Gesichtern (von links nach rechts: Minimalgesicht, Durchschnittsgesicht, Maximalgesicht) .........................................137
Abb. 9:
Beispiele von asymmetrischen Flury/Riedwyl-Gesichtern........................................143
Abb. 10: Horn-Katastrophenmodell.........................................................................................146 Abb. 11: Darstellungsbeispiel einer Katastrophe im Horn-Modell..........................................148 Abb. 12: Interpretation des Horn-Katastrophenmodells ..........................................................150 Abb. 13: Das Horn-Katastrophenmodell am Beispiel eines Automobilkonzerns ....................151 Abb. 14: Beispielhafte Darstellung von Gruppenunterschieden in Form einer Fischflosse ....191 Abb. 15: Grafiken der Fragen mit signifikanten Gruppenunterschieden .................................214 Abb. 16: Einzelverteilungen der drei wichtigsten Kennzahlen ................................................225 Abb. 17: Einzelverteilungen der drei unwichtigsten Kennzahlen ............................................225
XXI
Tabellenverzeichnis Tab. 1:
Entwicklung der Insolvenzen in Europas im Zeitraum 2001 bis 2005 .........................6
Tab. 2:
Eröffnungsgründe des Insolvenzverfahrens nach der InsO.........................................34
Tab. 3:
Kennzahlen und Beurteilungsskala des Schnelltests...................................................75
Tab. 4:
Beurteilungsskala des Quicktests für Kennzahlentrends.............................................75
Tab. 5:
Kennzahlen und Beurteilungsskala des Saarbrücker Modells.....................................76
Tab. 6:
Interpretation der Gesamtpunktzahl des Saarbrücker Modells ...................................77
Tab. 7:
Darstellung und Interpretation des RSW-Modells ......................................................78
Tab. 8:
Zusammensetzung der Stichprobe (Merwin 1942) .....................................................97
Tab. 9:
Fehlklassifikationsraten in Prozent (Beaver 1966) .....................................................99
Tab. 10: Ergebnisse für ein Jahr bzw. zwei Jahre vor Eintritt der Insolvenz (Altman 1968) ...........................................................................................................100 Tab. 11: Fehler 1. Art für bis zu fünf Jahren vor Eintritt der Insolvenz (Altman 1968) .........100 Tab. 12: Fehlerraten der univariaten Diskriminanzanalyse (Klammerangaben enthalten Ergebnisse von Beaver; Deakin 1972)........................101 Tab. 13: Fehlerraten der Diskriminanzfunktionen (Deakin 1972) ..........................................102 Tab. 14: Auswahl von Klassifikationsergebnissen bei Minimierung des Gesamtfehlers (Beermann 1976).......................................................................................................104 Tab. 15: Fehlklassifikationen der Diskriminanzanalyse mit Median als Trennwert (Beermann 1976).......................................................................................................104 Tab. 16: Katalog der getesteten Kennzahlen (Weinrich 1978)................................................107 Tab. 17: Klassifikationsergebnisse der Trainingsstichprobe mit linearer multivariater Diskriminanzanalyse (Weinrich 1978)......................................................................107 Tab. 18: Fehlklassifikationen des Punktbewertungsschemas (Weinrich 1978) ......................108 Tab. 19: Fehlklassifikationen in Prozent bei der Stichprobe „AktG 1937“ (Gebhardt 1980) ........................................................................................................109 Tab. 20: Fehlklassifikationen in Prozent bei der Stichprobe „AktG 1965“ (Gebhardt 1980) ........................................................................................................110 Tab. 21: Vergleich zwischen multivariater und univariater Diskriminanzanalyse (Gebhardt 1980) ........................................................................................................111 Tab. 22: Sachverhalte zur Identifikation von problembehafteten Unternehmen (Mutchler 1985) ........................................................................................................112 Tab. 23: Kennzahlen der Diskriminanzanalyse (Mutchler 1985)............................................112 Tab. 24: Gute und schlechte Unternehmensnachrichten (Mutchler 1985) ..............................113 Tab. 25: Ergebnisse der vier verschiedenen Diskriminanzanalysen in Prozent (Mutchler 1985) ........................................................................................................114 Tab. 26: Diskriminanzfunktion bestehend aus vier Kennzahlen (Baetge/Huß/Niehaus 1986)......................................................................................116
XXIII
Tab. 27: Diskriminanzfunktion bestehend aus drei Kennzahlen (Baetge/Huß/Niehaus 1988)......................................................................................117 Tab. 28: Klassifikationsergebnisse der Teststichprobe (Baetge/Huß/Niehaus 1988)..............117 Tab. 29: Klassifikationsergebnisse der Validierungsstichprobe (Baetge/Huß/Niehaus 1988)......................................................................................118 Tab. 30: Ergebnisvergleich der Verfahren multivariate Diskriminanzanalyse und künstliches neuronales Netz (Odom/Sharda 1990) ...................................................119 Tab. 31: Ergebnisvergleich der Verfahren multivariate Diskriminanzanalyse und künstliches neuronales Netz beim Test auf Robustheit (Odom/Sharda 1990) ..........119 Tab. 32: Überblick der verwendeten Kennzahlen (Tam 1991) ...............................................121 Tab. 33: Übersicht der Ergebnisse aller angewandten Verfahren (Tam 1991) .......................122 Tab. 34: Klassifikationsergebnisse der Stichprobe (Feidicker 1992) ......................................124 Tab. 35: Klassifikationsfähigkeit der Kennzahlen (Feidicker 1992).......................................124 Tab. 36: Klassifikationsergebnisse der Validierungsstichprobe (Feidicker 1992) ..................125 Tab. 37: Klassifikationsergebnisse der Validierungsstichprobe „HGB 1986“ (Feidicker 1992) ........................................................................................................125 Tab. 38: Übersicht über die angewandten Kennzahlen (Blochwitz/Eigermann 2000)............128 Tab. 39: Angewandte Diskriminanzfunktionen (Blochwitz/Eigermann 2000) .......................128 Tab. 40: Ergebnisse der verschiedenen Diskriminanzfunktionen (Blochwitz/Eigermann 2000) ....................................................................................129 Tab. 41: Klassifikationsergebnisse (Kuruppu/Laswad/Oyelere 2003) ....................................131 Tab. 42: Klassifikationsergebnisse der Validierungsstichprobe (Koh 2004) ..........................133 Tab. 43: Zusammenfassung der wichtigsten Kritikpunkte bei dargestellten komplexen mathematisch-statistischen Verfahren.......................................................................135 Tab. 44: Gesichtsmerkmale bei Flury/Riedwyl-Gesichtern.....................................................137 Tab. 45: Zuordnung von Kennzahlen zu Gesichtsmerkmalen (Moriarity 1979).....................139 Tab. 46: Klassifikationsergebnisse der Studie mit Studenten (Moriarity 1979)......................140 Tab. 47: Klassifikationsergebnisse der Studie mit Buchhaltern (Moriarity 1979) ..................141 Tab. 48: Anwendung der Daten Moriarity´s auf das Modell von Altman (Moriarity 1979)........................................................................................................141 Tab. 49: Grundsätze der Anwendung bei methodengestützten Verfahren ..............................152 Tab. 50: Einflussfaktoren durch Informationen auf die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme.....................................................................................................158 Tab. 51: Auswertungsergebnisse des ersten Fragebogenabschnitts (Mutchler 1984) .............162 Tab. 52: Auswertungsergebnisse des zweiten Fragebogenabschnitts (Mutchler 1984) ..........163 Tab. 53: Auswertungsergebnisse des dritten Fragebogenabschnitts (Mutchler 1984) ............163 Tab. 54: Auswahlkategorien für die Stichprobe (Mutchler 1986)...........................................164 Tab. 55: Übersicht von Unternehmensnachrichten (Mutchler 1986) ......................................165
XXIV
Tab. 56: Verteilung der Unternehmen über die Anzahl der Kriterien in Abhängigkeit des erhaltenen Testats (Mutchler 1986)...........................................................................166 Tab. 57: Klassifikation der Unternehmen in Abhängigkeit des erteilten Testats und der Unternehmensgröße nach der Kriterienanzahl (die Klammerangaben enthalten den Grad der finanziellen Schwierigkeiten in Form des Diskriminanzwertes; Mutchler 1986)........................................................167 Tab. 58: Durchschnittliche Anzahl an Unternehmensnachrichten (Mutchler 1986) ...............167 Tab. 59: Zusammenfassung von Kriterien für (Non) Big8-WPG der zweiten Unternehmensklasse (Mutchler 1986) ......................................................................168 Tab. 60: Auswertungsergebnisse der 69 Sachverhalte (LaSalle/Anandaranjan 1996) ............171 Tab. 61: Zusammenfassung der Ergebnisse der fünf Hypothesen (Ashton/Ashton 1988)......173 Tab. 62: Auswertungsergebnisse des dritten Experiments (Ashton/Ashton 1988) .................177 Tab. 63: Ergebnisse der Manipulationschecks des ersten und zweiten Experiments (Tubbs/Messier/Knechel 1990) .................................................................................179 Tab. 64: Ergebnisse der Manipulationschecks des dritten und vierten Experiments (Tubbs/Messier/Knechel 1990) .................................................................................180 Tab. 65: Auswertungsergebnisse des ersten Experiments (Messier 1992)..............................182 Tab. 66: Auswertungsergebnisse des zweiten Experiments (Messier 1992)...........................183 Tab. 67: Zusammenfassung der Ergebnisse (Cushing/Ahlawat 1996)....................................185 Tab. 68: Zusammenfassung der Ergebnisse (Ahlawat 1999) ..................................................187 Tab. 69: Zusammenfassung der Ergebnisse hinsichtlich der Order Effects (Ahlawat 1999)..........................................................................................................188 Tab. 70: Zusammenfassung der Wahrscheinlichkeitsangaben (Arnold et al. 2000) ...............190 Tab. 71: Zusammenfassung der Ergebnisse (Arnold et al. 2000)............................................191 Tab. 72: Zusammenfassung der Ergebnisse (Klammerangaben enthalten anfängliche Wahrscheinlichkeit; Ashton/Kennedy 2002) ............................................................194 Tab. 73: Erteilte eingeschränkte Bestätigungsvermerke differenziert nach Gruppen und Informationsreihenfolge (Ashton/Kennedy 2002) ....................................................194 Tab. 74: Unstimmigkeiten zwischen Teilnehmerangaben und ihren endgültigen Entscheidungen (Ashton/Kennedy 2002)..................................................................195 Tab. 75: Kennzahlenkatalog des Fragebogens ........................................................................202 Tab. 76: Sachverhaltskatalog des Fragebogens einschließlich Klassifizierung ......................204 Tab. 77: Sachverhaltssets zur Überprüfung von Reihenfolgeeffekten ....................................204 Tab. 78: Aufteilung der Teilnehmer nach Geschlecht und Tätigkeitsart.................................206 Tab. 79: Gründe der Absagen..................................................................................................208 Tab. 80: Rücklauf der vollständig ausgefüllten und fristgerecht zurückgesandten Fragebögen .........................................................................................................................209 Tab. 81: Überprüfung auf Nonresponse Bias: Fragen mit signifikanten Gruppenunterschieden.....................................................................................................................213 Tab. 82: Geschlecht und Berufsqualifikation der Teilnehmer sowie Berufsstand ..................216
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Tab. 83: Berufs- und Zusatzqualifikation der Teilnehmer ......................................................217 Tab. 84: Struktur des Alters der Teilnehmer ...........................................................................217 Tab. 85: Struktur der Arbeitgeber der Teilnehmer ..................................................................218 Tab. 86: Struktur der Positionen im Unternehmen der Teilnehmer ........................................218 Tab. 87: Struktur der Berufserfahrung in der Unternehmensposition der Teilnehmer............218 Tab. 88: Struktur der Berufserfahrung der Teilnehmer bei Bildung von Erfahrungsgruppen......................................................................................................................219 Tab. 89: Zusammenfassung der Angaben der Branchen der Teilnehmer................................220 Tab. 90: Struktur der erteilten Testate der Teilnehmer............................................................220 Tab. 91: Zusammenfassung der Unternehmensfaktoren .........................................................221 Tab. 92: Zusammenfassung der Angaben zu den sonstigen Faktoren.....................................223 Tab. 93: Auswertungsergebnisse der Kennzahlenbeurteilung.................................................224 Tab. 94: Zusammenfassung der zusätzlich angegebenen Kennzahlen ....................................228 Tab. 95: Reihenfolge der Sachverhalte nach zugeordneter Bedeutung ...................................230 Tab. 96: Zusammenfassung der zusätzlich angegebenen Sachverhalte ..................................233 Tab. 97: Erteilte Testate unabhängig von der Reihenfolge der Informationen .......................236 Tab. 98: Gesamturteile der Fragebögen A und B ....................................................................238 Tab. 99: Übersicht über die Meinungsänderungen..................................................................240 Tab. 100: Anteile von methodengestützten Ansätzen an einer Urteilsbildung über die Going Concern Annahme..........................................................................................241 Tab. 101: Angabe sonstiger Ansätze mit theoretischer Eignung...............................................242 Tab. 102: Antwortkombinationen zur Frage der theoretischen Eignung methodengestützter Ansätze .........................................................................................................243 Tab. 103: Gründe für bzw. gegen die theoretische Eignung methodengestützter Ansätze .......246 Tab. 104: Gründe für die fehlende theoretische Eignung methodengestützter Ansätze............247 Tab. 105: Angabe sonstiger Ansätze mit praktischer Anwendung............................................248 Tab. 106: Antwortkombinationen zur Frage der praktischen Anwendung methodengestützter Ansätze .........................................................................................................249 Tab. 107: Gründe für bzw. gegen die praktische Anwendung verschiedener methodengestützter Ansätze .........................................................................................................252 Tab. 108: Gründe für die fehlende praktische Anwendung methodengestützter Ansätze.........252 Tab. 109: Häufigkeit der praktischen Anwendung methodengestützter Ansätze und ihre durchschnittliche Zuverlässigkeit..............................................................................254 Tab. 110: Anwendungshäufigkeit methodengestützter Ansätze ...............................................256 Tab. 111: Gründe der Nichtanwendung methodengestützter Ansätze ......................................257
XXVI
A. Einleitung A. 1. Begriffsabgrenzung: Going Concern Prinzip Das Going Concern Prinzip ist ein zentrales Grundprinzip der Rechnungslegung1, das bei der Aufstellung eines Jahresabschlusses am Ende eines jeden Geschäftsjahres berücksichtigt werden muss. Die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens haben die Pflicht, die Fortführung der Unternehmenstätigkeit einzuschätzen. Der Prüfer hat diese Beurteilung nachzuvollziehen. Der Grundsatz der Unternehmensfortführung wurde durch das Bilanzrichtlinien-Gesetz erstmalig im deutschen Handelsrecht kodifiziert. Nach diesem Prinzip ist „bei der Bewertung […] von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen […], sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.“ (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB). Seither wird dieser Grundsatz als ein unbestimmter Rechtsbegriff angesehen. Seine inhaltliche Interpretation ist durch viele Unbekannte oder Ungenauigkeiten gekennzeichnet, so dass hier der Begriff „Unternehmensfortführung“ definiert wird. Der Begriff „Unternehmensfortführung“ kann sowohl im rechtlichen Sinne als auch hinsichtlich der unternehmensspezifischen Tätigkeit ausgelegt werden. Es ist zu untersuchen, welche Auslegung der Gesetzgeber gewollt hat. Im Rahmen einer rechtlichen Interpretation ist eine Abkehr vom Grundsatz der Unternehmensfortführung nur möglich, wenn die Liquidation des Unternehmens abgeschlossen und das Unternehmen aus dem Handelsregister gelöscht worden ist (§§ 157 Abs. 1 HGB, 273 Abs. 1 AktG, 74 Abs. 1 GmbHG, 78 Abs. 2 GenG).2 Gegen eine rechtliche Auslegung im Rahmen des Going Concern Prinzips sprechen zwei Gründe. Zum einen besagt die Fortführung der Unternehmenstätigkeit, dass das Unternehmen seine Tätigkeit dauernd sowie dem Unternehmenszweck entsprechend betreibt und daher aktiv am wirtschaftlichen Leben teilnimmt. Die Liquidationsphase stellt die letzte Zeitspanne vor der Löschung des Unternehmens aus dem Handelsregister dar. Diese aktive Teilnahme ist nicht mit einer ständigen aktiven Teilnahme vergleichbar. Obwohl Mantelgesellschaften oder rein vermögensverwaltende Unternehmen ihre dem Unternehmenszweck entsprechende Tätigkeit nicht fortlaufend ausüben, gelten für sie die gleichen Rechnungslegungsgrundsätze, somit auch der Grundsatz der Unternehmensfortführung, wie für ständig aktiv tätige Unternehmen.3 Eine Abkehr vom Going Concern Prinzip ist bei diesen besonderen Unternehmen ebenfalls erst dann erlaubt, wenn dem tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Die Einstellung
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Vgl. Storey, Reed K. (1959): Revenue realization, going concern and measurement of income. In: The Accounting Review, Vol. 34, Iss. 2, April 1959, S. 232-238, hier S. 232; Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003): Wirtschaftsprüfung: Grundlagen des betriebswirtschaftlichen Prüfungswesens nach nationalen und internationalen Normen, 2. Aufl., Stuttgart 2003, S. 387. Vgl. Wetzel, Eckart (1990): Bedeutung und Probleme des Going-Concern-Prinzips für die Rechnungslegung und Abschlussprüfung notleidender Unternehmen - Eine Untersuchung unter Berücksichtigung amerikanischer und internationaler Entwicklungen, Dissertation der Universität Mannheim 1990, S. 7. Vgl. ADS (2002): Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen - Rechnungslegung nach internationalen Standards (ADS CD-ROM; ohne Autorenverzeichnis), 6. Ausgabe, Stuttgart 2002, § 252 HGB, Tz. 27.
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der Tätigkeit erfolgt mit Abwicklung oder Liquidation, wobei Ziel und Zweck des Unternehmens dann die Unternehmensbeendigung ist. Zum anderen ist gegen die rechtliche Begriffsauslegung die Existenz von Rechnungslegungsvorschriften für die Abwicklung und die Liquidation zu nennen. Hier finden spezielle Rechnungslegungsnormen Anwendung4, so dass im Abwicklungs- und Liquidationsfall die Annahme des Going Concern Prinzips nicht mehr angemessen ist. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Begriff der Unternehmensfortführung im Sinne der spezifischen Unternehmenstätigkeit auszulegen ist.5 Demnach wird die Unternehmensfortführung an der Tätigkeit des Unternehmens ausgerichtet. Solange das Unternehmen aktiv am wirtschaftlichen Leben teilnimmt und keine tatsächlichen und/oder rechtlichen Sachverhalte erkennbar sind, die diese Zusammenarbeit beeinträchtigen können, ist die Fortführung des Unternehmens gegeben. Folglich sind die Rechnungslegungsgrundsätze, somit auch der Grundsatz der Unternehmensfortführung, anzuwenden. Dies gilt ebenfalls für Mantelgesellschaften oder rein vermögensverwaltende Unternehmen, die die ihrem Unternehmenszweck entsprechende Tätigkeiten nicht fortlaufend ausüben. Selbst hinsichtlich der verwendeten Begrifflichkeiten bestehen große Unterschiede. Eine Durchsicht der Literatur offenbart den Gebrauch einer Vielzahl von verschiedenen Termini für ein und denselben Sachverhalt. Unabhängig von der Schreibweise wird dieser Grundsatz auch als Prämisse, Postulat, Prinzip oder Annahme bezeichnet. Nachstehend ist eine Auswahl von Formulierungen wiedergegeben, die im Rahmen dieser Arbeit synonym verwendet werden:
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Vgl. u.a. §§ 270 Abs. 2 Satz 3 AktG, 71 Abs. 2 Satz 3 GmbHG. Hiernach sind Vermögensgegenstände des Anlagevermögens wie Umlaufvermögen zu bewerten, soweit ihre Veräußerung innerhalb eines übersehbaren Zeitraumes beabsichtigt ist oder diese Vermögensgegenstände nicht mehr dem Geschäftsbetrieb dienen. Für weitere Informationen zu Bilanzansatz, Bewertung und Ausweis wird verwiesen auf IDW RS HFA 17 (2006): IDW Stellungnahme zur Rechnungslegung: Auswirkungen einer Abkehr von der Going-Concern-Prämisse auf den handelsrechtlichen Jahresabschluss. In: Die Wirtschaftsprüfung, 59. Jg., 2006, S. 40-44. Vgl. Wetzel, Eckart (1990), S. 8.
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Going-Concern-Prinzip6, Going concern-Grundsatz7, Going Concern Concept8 bzw. Konzept9, Grundsatz der Unternehmensfortführung bzw. Unternehmensfortführungsgrundsatz10, Prinzip der Unternehmensfortführung bzw. Fortführungsprinzip11, Fortführungshypothese12 bzw. Hypothese13, Postulat der Bewertung unter der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit14 bzw. Postulate of permanence15 bzw. Postulat16, Going-Concern-Status17, going-concern assumption18 bzw. Going Concern Annahme19, Prämisse20 bzw. going-
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Vgl. z.B. Platzer, Walter (1982): Jahresabschluss und Insolvenzgefahr, Informationsgehalt und Prüfung der externen Rechnungslegung bestandsgefährdeter Unternehmen, Wien 1982, S. 5; Luik, Hans (1985): Das Going-Concern-Prinzip im deutschen Bilanzrecht. In: Gross, Gerhard (Hrsg.), Der Wirtschaftsprüfer im Schnittpunkt nationaler und internationaler Entwicklungen, Düsseldorf 1985, S. 61-72, hier S. 61; Farr, Wolf-Michael (1986): Insolvenzprophylaxe durch Wirtschaftsprüfung Untersuchung über die Aufgaben und Stellung des Wirtschaftsprüfers nach dem BilanzrichtlinieGesetz, Frankfurt am Main 1986, S. 164; Hirsch, Harald (1997): Stichtagsprinzip und Goingconcern-Prinzip in Handels- und Steuerbilanz, Dissertation der Technischen Hochschule Darmstadt 1997, S. 1. Vgl. z.B. Crezelius, Georg (2000): § 42a GmbHG. In: Scholz, Franz (Hrsg.): Kommentar zum GmbH-Gesetz: mit Anhang Konzernrecht, 9. Aufl., Bd. 1, Köln 2000, Anhang § 42a, Rn. 42-43; Lück, Wolfgang/Henke, Michael (2004): Going-Concern - auch von Bedeutung für Controlling und Interne Revision? In: Seicht, Gerhard (Hrsg.), Jahrbuch für Controlling und Rechnungswesen 2004, Wien 2004, S. 93-105, hier S. 102. Vgl. z.B. Janssen, Friedrich Carl (1984): Überlegungen zum „Going concern concept“. In: Die Wirtschaftsprüfung, 37. Jg., 1984, S. 341-348, hier S. 341; Killough, Larry N./Koh, Hian Chye (1986): The going-concern concept. In: The CPA Journal, July 1986, S. 24-33, hier S. 24; Leffson, Ulrich (1987): Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 7. Aufl., Düsseldorf 1987, S. 181. Vgl. z.B. Fey, Dirk (1987): Imparitätsprinzip und GoB-System im Bilanzrecht, Berlin 1987, S. 107. Vgl. z.B. Scherrer, Gerhard/Heni, Bernhard (1996): Liquidationsrechnungslegung, 2. Aufl., Düsseldorf 1996, S. 108; Federmann, Rudolf (2000): Bilanzierung nach Handelsrecht und Steuerrecht, 11. Aufl., Berlin 2000, S. 144. Vgl. z.B. Moxter, Adolf G. (1980): Ist bei drohendem Unternehmenszusammenbruch das bilanzrechtliche Prinzip der Unternehmensfortführung aufzugeben? In: Die Wirtschaftsprüfung, 33. Jg., 1980, S. 345-351, hier S. 345; Müller, Welf (1987): Zur Rangordnung der in § 252 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 HGB kodifizierten allgemeinen Bewertungsgrundsätze. In: Havermann, Hans (Hrsg.), Bilanz- und Konzernrecht (Festschrift Goerdeler), Düsseldorf 1987, S. 397-410, hier S. 407; Achleitner, AnnKristin (1988): Going Concern-Prinzip vor dem Hintergrund der Corporate Governance-Debatte Neue Anforderungen an die Abschlussprüfung und Berichterstattung. In: Der Schweizer Treuhänder, 68. Jg., 1995, S. 881-890, hier S. 884. Vgl. z.B. Euler, Roland (1996): Das System der Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung, Stuttgart 1996, S. 137. Vgl. z.B. Bretzke, Wolf-Rüdiger (1979): Inhalt und Prüfung des Lageberichts: Anmerkungen zur gegenwärtigen und zukünftigen Praxis der Prognosequalität. In: Die Wirtschaftsprüfung, 32. Jg., 1979, S. 337-349, hier S. 347. Vgl. z.B. Leffson, Ulrich (1987), S. 187 und 225. Vgl. z.B. Storey, Reed K. (1959), S. 233. Vgl. z.B. Leffson, Ulrich (1987), S. 187. Vgl. z.B. Bausback, Mathias (1997): Die Erwartungslücke unter dem speziellen Aspekt der Unternehmensfortführung in Deutschland und der Schweiz, Frankfurt am Main 1997, S. 13. Vgl. z.B. Storey, Reed K. (1959), S. 232; Fremgen, James M. (1968): The going concern assumption: a critical appraisal. In: The Accounting Review, 43. Vol., October 1968, S. 649-656, hier S. 649; Martin, Roger Dean (1996): The effects of going-concern uncertainty information structures: an international perspective, Dissertation of the University of Texas at Austin 1996, S. 1. Vgl. z.B. Frühauf, Werner (1991): Die Urteilsbildung bei der Jahresabschlussprüfung, Dissertation der Wirtschaftsuniversität Wien 1991, S. 97. Vgl. z.B. Sarx, Manfred (1987): Einzelprobleme des Grundsatzes der Unternehmensfortführung. In: Albacht, Horst/Foster, Karlheinz (Hrsg.), Beiträge zum Bilanzrichtlinien-Gesetz - Das Recht in Theorie und Praxis, Wiesbaden 1987, S. 25-49, hier S. 27; Wetzel, Eckart (1990), S. 6.
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concern-Prämisse21 bzw. Prämisse des Going Concern22, Annahme der Fortführung23 bzw. Fortführungsannahme24, Grundsatz der Fortführung der Unternehmenstätigkeit25 bzw. Grundsatz der Fortführung26 bzw. Fortführungsgrundsatz27, Fortführungsfiktion28, Fortführungsprämisse29 oder Fortbestehensprognose30.
A. 2. Problemstellung Die anscheinende Selbstverständlichkeit und Allgemeingültigkeit des Going Concern Prinzips sind in den vergangenen Jahren auf Grund der Entwicklung der Unternehmensinsolvenzen und der vermehrten Anzahl von aufgedeckten Bilanzmanipulationen negativ beeinflusst worden. Den meisten Insolvenzen ist ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk vorausgegangen. Auch bei den Bilanzmanipulationen waren eingeschränkte Testate nicht die Regel. Fraglich ist, ob das Going Concern Prinzip in diesen Fällen richtig angewandt worden ist. Die nachfolgenden Ausführungen über Unternehmensinsolvenzen und Bilanzmanipulationen sollen einen Eindruck vermitteln, wie groß die Gefahr einer zu spät bzw. nicht erkannten Bestandsgefährdung oder Manipulation und damit einer fehlerhaften Annahme des Going Concern Prinzips ist. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen für das Jahr 2005 beläuft sich in Gesamtdeutschland auf 37.900. Dies entspricht einem Rückgang von 3,50% zum Vorjahr (39.270). Die Tendenz einer rückläufigen Insolvenzentwicklung hat sich nun im zweiten Jahr bestätigt. In den letzten elf Jahren hat sich die Zahl der Unternehmensinsolvenzen mehr als verdoppelt. Mit Ausnahme der Jahre 1998 bis 2000 stiegen die Insolvenzen stets an und verzeichneten in 2003 ihren Höhepunkt mit 39.740 betroffenen Betrieben. Nachdem Westdeutschland in den Jahren 2003 und 2004 deutliche Zuwächse bei den Unternehmensinsolvenzen zu verzeichnen hatte, waren diese 21
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Vgl. z.B. Janssen, Friedrich Carl (1984), S. 345; Farr, Wolf-Michael (1986), S. 168; Ruhnke, Klaus (1997): Internationale Normen der Abschlussprüfung. In: Richter, Martin (Hrsg.), Theorie und Praxis der Wirtschaftsprüfung: Abschlussprüfung - Interne Revision - Kommunale Rechnungsprüfung, Berlin 1997, S. 109-152, hier S. 131; Lück, Wolfgang/Henke, Michael (2004), S. 93; IDW RS HFA 17 (2006), S. 40. Vgl. z.B. Leffson, Ulrich (1988): Wirtschaftsprüfung, 4. Aufl., Wiesbaden 1988, S. 227. Vgl. z.B. Behr, Giorgio (1990): Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung im internationalen Vergleich. In: Behr, Giorgio/Zünd, André (Hrsg.), Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung, Bd. 97, Zürich 1990, S. 55-61, hier S. 57. Vgl. z.B. IDW RS HFA 17 (2006), S. 42. Vgl. z.B. Coenenberg, Adolf G. (2003): Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: Betriebswirtschaftliche, handelsrechtliche, steuerrechtliche und internationale Grundsätze - HGB, IAS/IFRS, USGAAP, DRS, 19. Aufl., Stuttgart 2003, S. 45. Vgl. z.B. Regli, Werner (1990): Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung: Unternehmensfortführung, Stetigkeit. In: Behr, Giorgio/Zünd, André (Hrsg.), Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung, Bd. 97, Zürich 1990, S. 109-113, hier S. 110. Vgl. z.B. Müller, Welf (1987), S. 401. Vgl. z.B. Müller-Dahl, Frank P. (1979): Betriebswirtschaftliche Probleme der handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungsfähigkeit, Berlin 1979, S. 68. Vgl. z.B. Drukarczyk, Jochen (1993): Insolvenzbilanz. In: Chmielewicz, Klaus/Schweitzer, Marcell (Hrsg.), Handwörterbuch des Rechnungswesens, 3. Aufl., Stuttgart 1993, Sp. 920-926, hier Sp. 921. Vgl. z.B. Groß, Paul J./Amen, Matthias (2002): Die Fortbestehensprognose - Rechtliche Anforderungen und ihre betriebswirtschaftlichen Grundlagen. In: Die Wirtschaftsprüfung, 55. Jg., 2002, S. 225240, hier S. 225.
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in Ostdeutschland abnehmend. Ungewöhnlich ist daher die aktuelle Entwicklung in Ostdeutschland, da hier nach zwei Jahren Rückgang ein sehr geringer Anstieg um 0,10% von 9.190 auf 9.200 Insolvenzen ermittelt worden ist. In Westdeutschland ist in 2005 erstmalig eine Verringerung um 4,60% von 30.080 auf 28.700 Insolvenzen zu verzeichnen. 31 In Westeuropa sank zum ersten Mal nach vier Jahren die Zahl der Unternehmensinsolvenzen von 150.312 im Jahr 2004 auf 147.239 im Folgejahr. Dies entspricht einem Rückgang von 2,00%. Die Entwicklung der Insolvenzstatistiken für Westeuropa sowie ausgewählte Staaten aus Osteuropa findet sich in den Tabellen 1 und 2.32
Westeuropa34 Portugal Norwegen Schweiz Frankreich Deutschland Österreich Belgien Italien Schweden Dänemark Griechenland Niederlande Finnland Luxemburg Großbritannien Spanien Irland
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2005/200433 -2,00% +5,70% -14,50% -4,10% +5,10% -3,50% +15,30% -0,60% +2,80% -11,80% -7,50% +10,90% -5,60% -10,50% +0,50% -19,30% -2,10% -21,50%
Veränderung 2004/2003 2003/2002 +1,00% +3,90% +4,00% +42,40% -13,30% +18,30% +9,20% +13,40% +4,60% +6,50% +0,30% +5,50% +11,20% +5,40% +4,50% +3,30% +7,70% +3,20% -7,40% +3,10% +2,70% -0,20% +20,20% -1,80% +2,90% -2,10% -11,10% -2,60% +2,40% -7,80% -13,40% -8,30% -11,80% -13,40% -7,20% -16,60%
2002/2001 +11,40% +31,20% +19,70% +10,80% +8,90% +16,10% +2,00% +2,30% +2,00% +5,20% +12,80% -17,30% +49,90% +38,90% -7,30% +9,80% +87,80% -11,20%
Vgl. Creditreform (2006b): Insolvenzen, Neugründungen, Löschungen, Jahr 2005. Im Internet unter: http://www.creditreform.de/angebot/Downloads_Analysen/Wirtschaftsanalysen/insolvenzen_neugrue ndungen_loeschungen_2005.pdf, S. 1 und 3. Vgl. Creditreform (2003): Insolvenzen in Europa, Jahr 2002/2003. Im Internet unter: http://www.cre ditreform.de/Ressourcen/Creditreform_Analysen/Insolvenzen_in_Europa/Ausgabe_2002, S. 4; Creditreform (2004): Insolvenzen in Europa, Jahr 2003/2004. Im Internet unter: http://www.credit reform.de/Ressourcen/Creditreform_Analysen/Insolvenzen_in_Europa/Ausgabe_2003, S. 3 und 22; Creditreform (2005): Insolvenzen in Europa, Jahr 2004/2005. Im Internet unter: http://www.creditre form.de/Ressourcen/Creditreform_Analysen/Insolvenzen_in_Europa/Ausgabe_2004, S. 3 und 21; Creditreform (2006a), S. 2 und 21. Bei den Werten für das Jahr 2005 handelt es sich um vorläufige Ergebnisse der Creditreform-Untersuchung. Die Vergleichbarkeit der Zahlen ist begrenzt, da in den verschiedenen Ländern unterschiedliche Voraussetzungen und Regelungen im Rahmen des Insolvenzrechts vorliegen.
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Osteuropa35 Ungarn Slowenien Lettland Tschechien Slowakei Polen Litauen
Tab. 1:
-1,20% +2,00% +7,00% -34,50% +4,30% -4,30% -30,40% +8,30%
-2,10% +0,80% +8,30% -40,60% -8,10% +2,60% -1,30% +14,60%
+3,00% +23,70% +10,40% +9,30% > -0,10% -11,30% -13,10% -26,20%
k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A. k.A.
Entwicklung der Insolvenzen in Europas im Zeitraum 2001 bis 2005
Insolvenzgründe werden in unternehmensexterne und -interne aufgeteilt. Zu den externen Faktoren zählen z.B. Branchenkonjunktur und gesetzliche Rahmenbedingungen, zu den internen z.B. Managementfehler und Finanzierungsschwierigkeiten. Eine Befragung von 56 Insolvenzverwaltern machte deutlich, dass Managementfehler bei 71,40% der Insolvenzen als Ursache bestimmt worden sind. Auswirkungen auf Grund von Marktsättigung, Branchenkonjunktur oder politischen Rahmenbedingungen wurden nur bei einem Fünftel der Unternehmensinsolvenzen als ausschlaggebend angesehen.36 Im Rahmen der Beziehung zwischen dem Going Concern Prinzip und der Insolvenzentwicklung ist zu bedenken, dass Bestandsgefährdungen nicht nur in Insolvenzen sondern auch in Restrukturierungen, Unternehmensübernahmen oder gerichtlichen Vergleichen enden können. Die effektive Zahl bestandsgefährdeter Unternehmen ist somit weitaus höher einzuschätzen. In den letzten Jahren schienen Bilanzaffären lediglich ein US-amerikanisches Problem zu sein.37 Hier sollen die Aufsehen erregenden Fälle von Enron, Worldcom, American International Group, Time Warner, Refco und Tyco International Erwähnung finden.38 Aber auch in Europa sind Bilanzbetrügereien in Millionenhöhe keine Ausnahmen mehr, so dass dies ein global vorherrschendes Problem darstellt. Der Fall Parmalat mit seiner Insolvenz und der resoluten Sanie-
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38
Diese Zahlen stellen nur die Spitze des Eisbergs dar. In diesen Ländern funktioniert das Insolvenzrecht häufig nur unzureichend und somit sind Unternehmen am Markt tätig, die nach westlichen Standards bereits Insolvenz hätten beantragen müssen. Vgl. Creditreform (2006a): Insolvenzen in Europa, Jahr 2005/2006. Im Internet unter: http://www.creditreform.de/Ressourcen/Creditreform_Ana lysen/Insolvenzen_in_Europa/Ausgabe_2005, S. 21. Vgl. http://www.creditreform.de/angebot/analysen/0046/03.php. In den USA erreichte die Welle der Mega-Insolvenzen mit Enron 2001 und Worldcom 2002 ihren Höhepunkt und flaut seitdem ab. Sieben der neun größten US-amerikanischen Insolvenzen in der USGeschichte wurden in diesem Zeitraum angezeigt. Vgl. o.V. (2004a): Enron-Abwickler wollen richtig abkassieren. In: Die Welt, 23. Dezember 2004. Vgl. Bayer, Tobias/Buchter, Heike (2005): Time Warner vor Ende des Bilanzskandals. In: Financial Times Deutschland, 24. November 2004; Buchter, Heike (2005): Langjährige Haftstrafe für Koslowski. In: Financial Times Deutschland, 19. September 2005; Buchter, Heike/Fromme, Herbert (2005): US-Versicherer AIG bestätigt Bilanzfälschung. In: Financial Times Deutschland, 30. März 2005; Dowideit, Anette (2005b): Refco meldet Insolvenz an. In: Die Welt, 19. Oktober 2005; Dowideit, Anette (2005a): Verurteilte Manager. In: Die Welt, 21. September 2005; Höfinghoff, Tim (2005): Ebbers muss für 25 Jahre ins Gefängnis. In: Die Welt, 13. Juli 2005; o.V. (2005c): Enron-Skandal: Urteil gegen Arthur Andersen aufgehoben. In: Die Welt, 01. Juni 2005.
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rung machte nicht nur in Italien Schlagzeilen.39 Die Aufdeckungen bei Ahold und der Credit Lyonnaise wurden europaweit bekannt.40 In Deutschland gibt es ebenfalls eine nicht zu vernachlässigende Anzahl von Bilanzmanipulationen. Hier sei auf die undurchsichtigen MillionenTransaktionen des Duisburger Stahlhändlers Klöckner, die riskanten Auslandsgeschäfte der Düsseldorfer WestLB oder die dubiosen Vorgänge bei Babcock Borsig AG verwiesen.41 Den Managern von Ision, EM.TV, Senator, Kinowelt Medien AG oder auch Bausparkasse Badenia werden Untreue, Bilanzbetrug und/oder Insolvenzverschleppung zur Last gelegt. Einige Angeklagte sind bereits rechtskräftig verurteilt.42 Diese Ausführungen zeigen, dass die Annahme des Going Concern Prinzips nicht die Regel sein darf und auf deren Prüfung eine wachsende Bedeutung zukommen muss. Die Urteilsbildung hat zusätzlich auf Grund der allgemein zu beobachtenden Tendenz einer ständig zunehmenden wirtschaftlichen Verflechtung und der größer werdenden Entscheidungskomplexität mit nicht immer abschätzbaren Konsequenzen an Gewicht zugenommen. Das Prüfungsziel, die Abgabe eines hinreichend sicheren Urteils über die Fähigkeit der Unternehmensfortführung, hat aus Sicht des Prüfers dennoch mit einem möglichst geringen Mitteleinsatz zu erfolgen. Das Problem bei der endgültigen Entscheidung ist die Bildung eines Gesamturteils aus einer Vielzahl an Einzelurteilen, denen unterschiedliche Wichtigkeiten und Einflussnahmen zugeordnet sind. Da es für dieses Aggregationsproblem keine Vorschriften gibt, muss sich der Prüfer allein auf sein fachliches Urteilsvermögen verlassen. Dabei hat er zum einen Beurteilungsspielräume zu bestimmen, indem er Grenzen für Fehler und Ungenauigkeiten festlegt. Zum anderen hat er über Ermessensspielräume zu entscheiden, indem er die Gewichtung der einzelnen Teilurteile und somit die Struktur des Gesamturteils vorgibt. Diese Problematik begleitet den Prüfer in allen Prüfungsphasen. Die Auswahl seiner Prüfungshandlungen liegt unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit ebenfalls in seinem Ermessen. Im Rahmen dieser Arbeit soll kein Modell zur Urteilsbildung entwickelt werden, das allgemeingültige Regelungen enthält. Es kann weder im Sinne des Prüfers noch des Mandanten sein, vorgegebenen Vorschriften Folge leisten zu müssen, die das fachliche Urteilsvermögen des Prüfers in den Hintergrund treten lassen und die speziellen Gegebenheiten jedes zu prüfenden Unterneh39
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Vgl. o.V. (2004c): Parmalat: Ermittler suchen fieberhaft nach verschwundenen Milliarden. In: Die Welt, 03. Januar 2004; o.V. (2004b): „Größter Betrug der Geschichte“. In: Die Welt, 07. Januar 2004; Wörmann, Barbara (2004): Parmalat produzierte nur Schulden. In: Die Welt, 24. Juli 2004; Fromm, Thomas (2005): Agenda: Parmalat - Kühe zu Bullen. In: Financial Times Deutschland, 04. Oktober 2005. Vgl. Wetzel, Daniel (2004): Die Wirtschaftsprüfer haben aus den Skandalen offenbar gelernt. In: Die Welt, 13. Januar 2004; o.V. (2005a): Ahold entschädigt Anleger. In: Die Welt, 29. November 2005. Vgl. Seidlitz, Frank (2004): Mannesmann war erst der Anfang. In: Die Welt, 19. Juli 2004; o.V. (2005b): Der Fall Babcock. In: Die Welt, 20. Dezember 2005. Vgl. Riering, Burkhard (2004): Betrug, Untreue, Insolvenzverschleppung. In: Die Welt, 15. April 2004; Späth, Nikos (2004): Der letzte Vorhang. In: Die Welt, 18. April 2004; Goldschmitt, Wolf H. (2004): Ermittlungen gegen Ex-Mitarbeiter der Badenia wegen Verdachts auf Betrug. In: Die Welt, 21. Oktober 2004; Shinde, Sonia (2004): Das lange Warten hat ein Ende. In: Die Welt, 28. November 2004.
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mens nur unvollständig berücksichtigen. Daher ist beabsichtigt, für den Prüfer Hilfestellungen zur Urteilsbildung herauszuarbeiten. Darunter sind einerseits Informationen oder Kennzahlen zu verstehen, die entweder einzeln oder durch die Anwendung von komplexen methodengestützten Ansätzen wie Diskriminanzanalyse und künstliches neuronales Netz die Arbeit des Prüfers erleichtern. Insbesondere der Gebrauch von Computern unterstützt die Urteilsbildung, da diese den Verfahrenseinsatz vereinfachen und somit die Ergebnisse als Hilfsmittel zügiger vorliegen können. Die Aufdeckung von Sachverhalten, die eventuell zu einer Bestandsgefährdung des Unternehmens führen können, soll damit schneller und besser erfolgen. Andererseits sollen Kenntnisse über das menschliche Entscheidungsverhalten sowie mögliche Beeinflussungen untersucht und analysiert werden. Der Prüfer soll Hinweise darüber erhalten, wie er seine Urteilsbildung effizienter gestalten und sich vor möglichen bewussten oder unbewussten externen Einflussnahmen schützen kann.
A. 3. Gang der Untersuchung Im Kapitel B werden zunächst das Going Concern Prinzip betreffende nationale sowie internationale Normen vorgestellt und auf ihre Bindungswirkung auf den nationalen Prüfer untersucht. Die Analyse des Verpflichtungsgrades ist ein wichtiger Aspekt. Ohne eine exakte Festlegung der Verbindlichkeit besteht die Gefahr, dass ein Prüfer für einen zu klärenden Sachverhalt stets die Bestimmungen anwendet, deren Regelung für ihn am günstigsten ist (sog. Opinion shopping).43 Bei den nationalen Normen wird zwischen gesetzlichen, berufsständischen und privatinstitutionellen Vorschriften sowie der Rechtsprechung unterschieden. Bei den berufsständischen Regelungen werden die Verordnungsgeber Wirtschaftsprüferkammer (WPK) und Institut der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. (IDW) berücksichtigt. Die privat-institutionellen Regelungen beziehen sich auf das private Rechnungslegungsgremium Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee (DRSC). Die von den Organisationen International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB), International Accounting Standards Board (IASB) und Securities Exchange Commission (SEC) erlassenen Regelungen bilden den internationalen Bereich. Des Weiteren enthält Kapitel B die detaillierte Darstellung der verschiedenen Normen. Der Schwerpunkt im ersten Abschnitt liegt auf der Diskussion von Inhalten des Going Concern Prinzips in der nationalen Rechnungslegung. Auf die Insolvenzordnung wird in einem Exkurs eingegangen, wobei insbesondere die drei Insolvenzeröffnungsgründe Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung thematisiert werden. Der nächste Teil beschäftigt sich mit dem Inhalt und der Prüfung eines Lageberichts. Dem schließen sich Ausführungen über das Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG sowie über die Berichterstattung in Form des Prüfungsberichts und der verschiedenen Bestätigungsvermerke an. Zum
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Vgl. Ruhnke, Klaus (2000b): Normierung der Abschlussprüfung, Stuttgart 2000, S. 115.
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Schluss erfolgt eine kurze Darstellung der Inhalte des Going Concern Prinzip in der internationalen Rechnungslegung. Im Kapitel C wird der Status Quo der Entscheidungsansätze zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken im Rahmen der Jahresabschlussprüfung ermittelt und analysiert. Es werden hauptsächlich die methodengestützten Ansätze erläutert. Hierzu zählen mathematisch-statistische und modelltheoretische Verfahren. Die mathematisch-statistischen Ansätze werden in einfache und komplexe Modelle untergliedert. Einzelkennzahlen und Kennzahlensysteme gehören zu den einfachen, Diskriminanzanalyse, künstliches neuronales Netz, Regressionsanalyse und Entscheidungsbaum zu den komplexen Ansätzen. Zusätzlich werden drei in Deutschland entwickelte Verfahren vorgestellt, die sich durch ihre unkomplizierte Handhabung sowie kurze Durchführungszeit auszeichnen und ebenfalls den einfachen Methoden zuzurechnen sind. Den modelltheoretischen Ansätzen werden das grafische und das katastrophentheoretische Verfahren zugerechnet. Anschließend erfolgt eine Darstellung nationaler und internationaler Studien aus dem Zeitraum 1932 bis 2004 zur Feststellung des Forschungsstandes inklusive einer kritischen Würdigung. Dieses Kapitel schließt mit einer Zusammenfassung der Erkenntnisse ab. Kapitel D setzt sich aus zwei Bereichen zusammen. Zum einen befasst es sich mit der Anwendung empirischgestützter Ansätze, zum anderen enthält es die Ausführungen zur empirischen Untersuchung dieser Arbeit. Die Darstellung der empirischgestützten Methoden erfolgt in analoger Vorgehensweise des Kapitels C, indem zunächst auf die theoretischen Grundlagen und anschließend auf verschiedene Studien eingegangen wird. Die Arbeiten werden anhand der Kriterien „Wichtigkeit der Informationen“ sowie „Präsentation der Informationen“ eingeteilt. Die erste Gruppe beschäftigt sich mit der Selektion der für die Urteilsbildung der Going Concern Annahme relevanten Sachverhalte und deren Wichtigkeit. Die zweite Gruppe thematisiert die Auswirkungen der unterschiedlichen Präsentationsreihenfolge von Hinweisen auf die Entscheidungsfindung des Prüfers. Der Abschnitt endet mit der kritischen Würdigung der Studien und deren Ergebnisse. Der Aufbau und die Durchführung der in dieser Arbeit durchgeführten empirischen Studie sind wie folgt gegliedert. Zunächst werden die Ziele der Untersuchung herausgearbeitet. Anschließend wird die Entwicklung und der Aufbau des Analyseinstruments, hier des Fragebogens, erläutert. Ein weiterer Abschnitt beschäftigt sich mit der Überprüfung auf einen möglichen Nonresponse Bias. Die Auswertung des Fragebogens orientiert sich am Fragebogenaufbau. Im Rahmen der Analyse der Beeinflussbarkeit des Prüfers durch eine unterschiedliche Präsentationsreihenfolge der Informationen werden drei Hypothesen aufgestellt und überprüft. Der Abschnitt D endet mit einem kritischen Vergleich der gewonnenen Auswertungsergebnisse mit detailliert vorgestellten Studienresultaten.
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Die Arbeit schließt mit Kapitel E, das eine Zusammenfassung und kritische Würdigung der wichtigsten Arbeitsergebnisse enthält. Ferner wird auf die Grenzen der vorliegenden empirischen Studie eingegangen und ein Ausblick auf zukünftige Entwicklungen gegeben.
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B. Normen im Rahmen der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken B. 1. Klassifikation von Normen und deren Funktionen Die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken hat entscheidenden Einfluss auf die Jahresabschlussprüfung und deren Berichterstattung. Um die Urteilsbildung erläutern und analysieren zu können, ist es notwendig, einen Rahmen hinsichtlich verschiedener Normen abzugrenzen. Hierbei wird zwischen Prüfungsnormen und Rechnungslegungsnormen differenziert. Prüfungsnormen sollen das Verhalten des Prüfers steuern, Rechnungslegungsnormen hingegen geben die ökonomische Realität im Jahresabschluss vor, d.h. sie bilden ein Soll-Objekt der Prüfung.44 Prüfungsnormen erfüllen unabhängig von ihrem Anwendungsbereich oder ihrer Bindungswirkung verschiedene Funktionen.45 Sie haben eine präskriptive Funktion, wenn sie direkt an den Prüfer gerichtet sind und ihm gewisse Tätigkeiten vorgeben oder verbieten. Die Wirksamkeit dieser Aufgabe hängt ab von der Widerspruchsfreiheit der Vorschrifteninhalte zueinander und zu den gesetzlichen Prüfungszielen, von deren Vollständigkeit und deren Handhabbarkeit. Die bei einem Normenverstoß drohenden Sanktionen stellen eine weitere Beeinflussung der Tätigkeit des Prüfers dar. Eine deskriptive Funktion üben Vorschriften aus, indem sie die Art und den Umfang einer Prüfung anzeigen und Jahresabschlussadressaten bei der Interpretation des Prüfungsurteils, hier vor allem des Bestätigungsvermerks, Hilfestellungen geben. Die Standardisierungsfunktion leitet sich aus den beiden vorherigen Funktionen ab, da durch ein einheitliches Vorgehen der Prüfer im Rahmen einer Prüfung die Vergleichbarkeit und damit die Glaubwürdigkeit der geprüften Informationen gestärkt werden. Prüfungsnormen entfalten zusätzlich eine vorbeugende Wirkung sowohl beim Mandanten als auch beim Prüfer. Auf Grund der Kenntnis des Mandanten über den Ablauf der Prüfung und über eventuelle Konsequenzen aus der Nichteinhaltung geltender Vorschriften können Fehler in der Rechnungslegung zum Teil im Vorhinein vermieden werden. Haftungsnormen46 und reine Anreiznormen47 helfen, das normenkonforme Verhalten des Prüfers zu gewährleisten. Regelungen haben zudem eine schützende Funktion für den Prüfer. Insbesondere in Konfliktsituationen hat der Prüfer mit Hilfe von konkreten und verbindlichen Vorschriften ein wirksames Argument, um den unter Umständen nicht den Normen entsprechenden Mandantenwünschen ohne Negativfolgen entgegentreten zu können.48 44 45 46
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48
Vgl. Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 76-77. In Anlehnung an Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 76. Ein Prüfer hat sich im Fall einer nichtkonformen Prüfung für einen hieraus entstandenen Schaden zu verantworten (Schadensersatz). Siehe dazu insbesondere §§ 323 HGB, 823, 826 BGB, 16, WPK (2004b): Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers. Im Internet unter: http://www.wpk. de/pdf/BS-WPvBP.pdf, hier § 17 sowie Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüferordnung). Im Internet unter: www.wpk.de/pdf/WPO.pdf, hier § 54. Unabhängig vom eingetretenen Schaden muss sich der Prüfer auf Grund einer nicht normenkonformen Prüfung den berufs-, straf- und ordnungsrechtlichen Normen unterwerfen. Er kann durch Geldstrafe, Rüge oder Ausschluss vom Berufsstand zur Verantwortung gezogen werden. Vgl. Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 76-77.
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In Deutschland existieren sowohl nationale als auch internationale Vorschriften, die bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen Anwendung finden. Es wird nun überprüft, welche Normen bei der nationalen gesetzlichen Jahresabschlussprüfung zu beachten sind und welche Bindungswirkung diese für den Prüfer haben.
B. 2. Nationale und internationale Gesetzgeber und Verordnungsgeber von Normen und deren Bindungswirkung für den Prüfer B. 2.1. Nationale Gesetzgeber und Verordnungsgeber von Normen und deren Bindungswirkung für den Prüfer B. 2.1.1.
Normen des Gesetzgebers und deren Bindungswirkung für den Prüfer
Als relevante gesetzliche Normen für eine Jahresabschlussprüfung sind vor allem das Handelsgesetzbuch (HGB) sowie die Wirtschaftsprüferordnung (WPO)49 zu nennen. Daneben sind wirtschaftszweig- und rechtsformspezifische Gesetze zu beachten.50 Zusätzlich finden bestehende gesellschaftsbezogene Vorschriften, satzungsmäßige oder gesellschaftsvertragliche Normen Berücksichtigung.51 Die Bindungswirkung der durch staatliche Autoritäten erlassenen Gesetze ist eindeutig. Jeder Prüfer hat sich zwingend nach den für seine Prüfung relevanten gesetzlichen Normen zu richten. Ausnahmeregelungen existieren nicht. Gleiches gilt für Normen, die in der Satzung oder im Gesellschaftsvertrag eines Unternehmens verankert sind.
B. 2.1.2.
Normen des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer in Deutschland und deren Bindungswirkung für den Prüfer
Der deutsche Berufsstand der Wirtschaftsprüfer wird durch die Organisationen WPK und IDW repräsentiert. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass bei einer Existenz von deutschen berufsständischen Vorschriften diese die nationalen gesetzlichen Regelungen spezifizieren.52 Die WPK wurde zur Erfüllung der beruflichen Selbstverwaltungsaufgaben des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer gebildet (§ 4 Abs. 1 WPO). Die Mitgliedschaft ist für Wirtschaftsprüfer in der Bundesrepublik Deutschland zwingend.53 Die der WPK obliegenden Aufgaben sind in § 57 WPO aufgeführt und enthalten u.a. die Entwicklung allgemeiner und besonderer Berufspflichten 49
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Gesetz über eine Berufsordnung der Wirtschaftsprüfer in der Fassung vom 05. November 1975, zuletzt geändert durch Gesetz vom 21. August 2002. Hierzu zählen u.a. das Kreditwesengesetz (KWG), das Aktiengesetz (AktG) oder das GmbH-Gesetz (GmbHG). Des Weiteren sind Sondergesetze wie das Umwandlungsgesetz oder das Wertpapierhandelsgesetz zu würdigen. Vgl. Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 82. Vgl. WPK (2004a): Satzung der Wirtschaftsprüferkammer Körperschaft des öffentlichen Rechts. Im Internet unter: http://www.wpk.de/pdf/Satzung_WPK.pdf, hier § 2 Abs. 1.
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(§ 57 Abs. 4 WPO). Die Berufsorganisation hat auf Grund ihrer gesetzlichen Befugnis eine Berufssatzung54 herausgegeben, die die WPO vorwiegend hinsichtlich der Berufspflichten (§ 43 WPO) konkretisiert.55 Diese stellt eine untergesetzliche Norm dar, die Bereiche regelt, in denen der WPK vom Gesetzgeber Ermächtigungsspielraum gestattet worden ist.56 Für die Mitglieder hat die Berufssatzung im Rahmen einer gewissenhaften Prüfung (§ 43 Abs. 1 WPO) materiellrechtlichen Charakter und ist zu befolgen, sofern sie für die Prüfung anwendbare Regeln beinhaltet.57 Aus der Pflichtmitgliedschaft für Wirtschaftsprüfer leitet sich eine zwingende Berücksichtigung der Verlautbarungen der WPK für deren Mitglieder ab.58 Wie bei den nationalen gesetzlichen Normen hat somit der gesamte Berufsstand diese Vorschriften während seiner Tätigkeit anzuwenden. Auch wenn keine gesonderten Veröffentlichungen von der WPK bezüglich der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme vorliegen, ist ein Hinweis auf die Berufssatzung zweckmäßig, da diese die in § 43 Abs. 1 Satz 1 WPO normierte Berufspflicht der Gewissenhaftigkeit konkretisiert. Diese Berufspflicht hat auf Grund des Fehlens von detaillierten Normen für die Prüfung der Going Concern Annahme eine entscheidende Bedeutung. Das IDW ist gemessen an den Mitgliederzahlen die zweitgrößte berufsständische Organisation und hat verschiedene Verlautbarungen publiziert, die nach Meinung des IDW die Berufsauf54
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Satzung der Wirtschaftsprüferkammer über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (Berufssatzung für Wirtschaftsprüfer/ vereidigte Buchprüfer) vom 11. Juni 1996 unter Berücksichtigung der Änderungen der Satzung vom 07. November 1997, vom 29. November 2001 und vom 24. November 2004. Vgl. § 57 Abs. 4 WPO. Das zuständige Organ für den Beschluss der Berufssatzung ist der Beirat der WPK. Vgl. WPK (2004a), § 7 Abs. 1 (l). Vgl. WP Handbuch (2000): Handbuch für Rechnungslegung, Prüfung und Beratung (Hrsg. IDW), Bd. 1, 12. Aufl., Düsseldorf 2000, A 227. Dies gilt nicht für enthaltene Vorschriften, die ohne Ermächtigungsgrundlage aufgestellt worden sind, über diese hinausgehen oder gegen Gesetze verstoßen. Vgl. Buchner, Robert (1997): Wirtschaftliches Prüfungswesen, 2. Aufl., München 1997, S. 89; Bundesverfassungsgericht (2000): Urteil vom 14. Dezember 1999. In: WPK-Mitteilungen, 39. Jg., 2000, S. 63-66, hier S. 63; WP Handbuch (2000), A 227. Die WPK hat gemäß § 57 Abs. 2 Nr. 5 WPO darüber hinaus die Aufgabe, nach Anhörung der Arbeitsgemeinschaft für das wirtschaftliche Prüfungswesen die allgemeine Auffassung über Fragen der Ausübung des Berufs in Richtlinien festzuhalten. Auf dieser Rechtsgrundlage wurden erstmals 1964 „Richtlinien für die Berufsausübung der Wirtschaftsprüfer und vereidigten Buchprüfer“ erlassen und in der Folgezeit mehrfach überarbeitet. Diese dienen der Auslegung und Erläuterung der in der WPO und der Berufssatzung enthaltenen Berufspflichten. Die Berufsrichtlinien werden in Grundsätze und richtungsweisende Feststellungen unterteilt. Die Grundsätze werden in originäre und hieraus abgeleitete Berufsgrundsätze unterschieden. Die Feststellungen spezifizieren die Grundsätze, indem sie Hinweise für das berufliche Verhalten geben. Die Richtlinien haben eine tendenziell geringere Bindungswirkung als die Berufssatzung, da bei gegensätzlichen Aussagen der höherrangigen, der Berufssatzung, zu folgen ist. Seit Inkrafttreten der Berufssatzung besitzen die Berufsrichtlinien keine Gültigkeit mehr. Im Rahmen von berufsrechtlichen Verfahren dienen sie jedoch immer noch als Anhaltspunkt für berufswürdiges Verhalten, so dass ihnen inoffiziell weiter Beachtung geschenkt werden sollte. Vgl. WPK (1996): Satzung über die Rechte und Pflichten bei der Ausübung der Berufe des Wirtschaftsprüfers und des vereidigten Buchprüfers (einschließlich Begründung). In: WPK-Mitteilungen, 35. Jg., 1996, S. 176-196, hier S. 176; WPK (1999): Bericht über die 13. ordentliche Wirtschaftsprüferversammlung am 17. Juni 1999 in Berlin. In: WPK-Mitteilungen, 38. Jg., 1999, S. 162-171, hier S. 164. Für weitere Ausführungen siehe Buchner, Robert (1997), S. 35-74; WP Handbuch (2000), A 227-344. Vgl. WPK (2004a), § 4 Abs. 3.
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fassung der Wirtschaftprüfer zu fachlichen Fragen der Rechnungslegung und Prüfung sowie zu sonstigen Gegenständen und Inhalten der beruflichen Tätigkeit darlegen oder zu ihrer Entwicklung beitragen.59 Einige Publikationen thematisieren direkt oder indirekt die Urteilsbildung der Going Concern Annahme, worauf später eingegangen wird. Da die Gründung des IDW im Gegensatz zur WPK auf keiner gesetzlichen Vorgabe erfolgt ist, soll im Folgenden die Bindungswirkung der IDW Verlautbarungen für den Prüfer untersucht werden. Gesetzliche Normen, die auf die Verlautbarungen des IDW verweisen und somit eine Bindungswirkung für den gesamten Berufsstand schaffen könnten, existieren nicht. Daher ist anhand des Kriteriums „Mitgliedschaft“ eine mögliche Bindungswirkung auf den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer abzuleiten. Eine ordentliche Mitgliedschaft beim IDW ist nur für Wirtschaftsprüfer sowie Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG) möglich und im Gegensatz zur Mitgliedschaft bei der WPK freiwillig.60 Zum 01. Januar 2005 zählte das IDW 10.717 Wirtschaftsprüfer als freiwillige Mitglieder, dies entsprach 87,53% des Berufsstandes.61 Die Satzung des IDW gibt vor, dass das Institut für einheitliche Grundsätze der unabhängigen, eigenverantwortlichen und gewissenhaften Berufsausübung einzutreten sowie deren Einhaltung durch die Mitglieder sicherzustellen hat.62 Ordentliche Mitglieder haben im Rahmen ihrer beruflichen Eigenverantwortlichkeit abzuwägen, ob die Verlautbarungen des IDW ihre Tätigkeit betreffen. Abweichungen sind schriftlich ausführlich zu begründen.63 Diese Verpflichtung ist jedoch nur für die Mitglieder des IDW bindend und findet somit nicht auf den gesamten Berufsstand Anwendung.64 Es ist zu prüfen, ob eine Bindungswirkung für Nichtmitglieder anhand der Kriterien „Rechtsprechung“ und „Gewissenhafte Berufsausübung“ hergeleitet werden kann. Verschiedene Gerichtsurteile haben gezeigt, dass sich Gerichte im Rahmen der Beurteilung einer gewissenhaften Berufsausübung an den Verlautbarungen des IDW orientieren. Einem Berufsangehörigen muss stets bewusst sein, dass ein unbegründetes Abweichen von den IDW Veröffentlichungen 59
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Vgl. IDW (2004a): Satzung des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V.. Im Internet unter: https://www.idw.de/idw/generator/id=379162.html, hier § 4 Abs. 9 Satz 1. Zu den IDW Verlautbarungen zählen IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Standards (IDW S), IDW Prüfungshinweise (IDW PH), IDW Rechnungslegungshinweise (IDW RH) sowie sonstige Verlautbarungen. Die prüfungsspezifischen Veröffentlichungen sind solange gültig, bis sie ganz oder teilweise durch neue Verlautbarungen ersetzt werden. Vgl. IDW (2004a), § 3 Abs. 1 Satz 1. Regelungen für außerordentliche Mitglieder und Ehrenmitglieder finden sich in § 3 Abs. 2 und 3. Vgl. http://www.idw.de/idw/generator/id=379162.html. Vgl. IDW (2004a), § 2 Abs. 2b. Die Ausführungen zur Begründung von Abweichungen können z.B. im Prüfungsbericht erfolgen. Vgl. IDW (2004a), § 4 Abs. 9. Die Satzung sieht vor, dass ein schwerwiegender Verstoß gegen die Mitgliedspflichten des § 4 der Satzung des IDW einen Ausschluss aus dem Verein rechtfertigt (§ 5 Abs. 4 Satz 3). Dieser Ausschluss erfolgt durch den Vorstand auf Grund eines Vorschlages des Ehrenrates oder nach dessen Anhörung (§ 5 Abs. 4 Satz 2). Es ist zu bezweifeln, dass dieser Sanktion ein präventiver Charakter hinsichtlich des Verhaltens des Vereinsmitgliedes zugesprochen werden kann, da dessen Berufsausübung durch einen Ausschluss aus dem Verein keine Einschränkungen widerfährt. Angaben über den Zeitraum des Ausschlusses und die Möglichkeit des Wiedereintritts finden sich in der Satzung des IDW nicht.
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zivil- und berufsrechtlich zu seinem Nachteil ausgelegt werden kann.65 Dies gilt unabhängig von der Mitgliedschaft beim IDW, so dass faktisch der gesamte Berufsstand an die Verlautbarungen gebunden ist. Ein weiterer Versuch zur Bestimmung der Bindungswirkung ist durch die Verpflichtung der gewissenhaften Berufsausübung gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Berufssatzung möglich.66 Nach diesem Paragrafen haben Wirtschaftsprüfer die fachlichen Regeln zu beachten. Obwohl aus dem Gesetzestext und dessen Begründung keine Definition für den Begriff „Fachliche Regeln“ vorliegt, werden im Schrifttum teilweise die IDW Verlautbarungen darunter subsumiert.67 Diese weite Auslegung ist umstritten, da ein privatrechtlich eingetragener Verein, dessen Gründung vom Gesetzgeber nicht gefordert war68, die Aufgaben eines gesetzlich berufenen Selbstverwaltungsorgans übernimmt. Die Satzung der WPK enthält keinen Hinweis darauf, ob die WPK ihre Aufgaben an das IDW delegieren darf bzw. delegiert hat. Es kann daher nicht vollständig geklärt werden, ob die Verlautbarungen des IDW unter die in der Berufssatzung angesprochenen fachlichen Regeln fallen oder nicht. Als Ergebnis ist festzuhalten, dass eine eindeutige Entscheidung hinsichtlich der Verbindlichkeit für die Verlautbarungen des IDW nicht getroffen werden kann. Es ist jedoch der Bindungswirkung auf Grund der Rechtsprechung der Vorrang zu geben, da ein Wirtschaftsprüfer nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Berufssatzung einer Fortbildungspflicht unterliegt. Im Rahmen dieser Verpflichtung sind die Verlautbarungen des IDW auf jeden Fall zu berücksichtigen, da diese im Schrifttum als fachlich fundiert angesehen werden.69 Hieraus lässt sich eine grundsätzliche faktische Bindungswirkung ableiten, die für den gesamten Berufsstand Gültigkeit besitzt, unabhängig von jedweder Mitgliedschaft in einer berufsständischen Organisation, obwohl die Verlautbarungen des IDW keine gesetzlichen Normen darstellen.
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Vgl. Amtsgericht Duisburg (1995): Urteil vom 11. Februar 1993. In: WPK-Mitteilungen, 34. Jg., 1995, S. 210; WP Handbuch (2000), A 282; IDW PS 201: Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze für die Abschlussprüfung (IDW PS 201). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 13. Die Berufssatzung wurde von der WPK im Rahmen ihrer durch das Gesetz vorgegebenen Funktionen veröffentlicht, so dass ihr quasi-gesetzlicher Charakter zukommt. Vgl. Biener, Herbert (1997): Wäre die Übernahme der Prüfungsgrundsätze der IFAC oder anderer Berufsorganisationen geeignet, die Qualität der Abschlussprüfung in Deutschland zu verbessern? In: Fischer, Thomas R./Hömberg, Reinhold (Hrsg.), Jahresabschluss und Jahresabschlussprüfung (Festschrift Baetge), Düsseldorf 1997, S. 639-666, hier S. 649. Im Gegensatz zur WPK und dem DRSC. Siehe dazu die Kapitel B. 2.1.2. und B. 2.1.3. Vgl. ADS (2002), § 323 HGB, Rn. 10.
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B. 2.1.3.
Normen des Deutschen Rechnungslegungs Standards Committee e.V. und deren Bindungswirkung für den Prüfer
Das DRSC70 besteht seit März 1998.71 Seine Gründung wurde wie bei der WPK durch den Gesetzgeber vorgegeben.72 Die Rechtsgrundlage bildet § 342 Abs. 1 HGB. Diese Institution verfolgt u.a. die Entwicklung von Empfehlungen von Grundsätzen der Konzernrechnungslegung (Deutscher Rechnungslegungs Standard - DRS73), die Beratung des Bundesministeriums der Justiz (BMJ) bei Gesetzgebungsvorhaben zur Rechnungslegung sowie die Vertretung der Bundesrepublik Deutschland in internationalen Standardisierungsgremien (§ 342 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 HGB). Diese Aufgaben werden durch das zentrale unabhängige Standardisierungsgremium, dem Deutschen Standardisierungsrat (DSR), ausgeführt.74 Es gilt zu klären, welche Bindungswirkung die Verlautbarungen des DRSC für den Prüfer haben. Das DRSC soll Empfehlungen aussprechen, was keiner Gesetzgebungsbefugnis entspricht. Diese Empfehlungen werden zwar vom DRSC selbstständig herausgegeben, sind jedoch nur als Sachverständigengutachten zu interpretieren. Es kommt ihnen die Vermutung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (GoB)-Konformität nach § 342 Abs. 2 HGB erst dann zu, wenn sie vom BMJ bekannt gemacht worden sind. Hierdurch ist erkennbar, dass das staatliche Organ eine Ergebniskontrollfunktion übernimmt.75 Für die Verbindlichkeit lässt sich ableiten, dass Prüfer die Verlautbarungen des DRSC erst dann zwingend berücksichtigen müssen, wenn die Veröffentlichung im Bundesanzeiger durch das BMJ erfolgt ist.76
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Das DRSC tritt international als German Accounting Standards Committee (GASC) auf. Durch den Standardisierungsvertrag zwischen dem Bundesministerium der Justiz und dem DRSC vom 03. September 1998 ist der Deutsche Standardisierungsrat als Rechnungslegungsgremium anerkannt worden. „Zur Erfüllung der beruflichen Selbstverwaltungsaufgaben wird eine Kammer der Wirtschaftsprüfer gebildet; […] Sie führt die Bezeichnung „Wirtschaftsprüferkammer“.“ § 4 Abs. 1 WPO. Vgl. DRSC (2003): Satzung des Vereins „DRSC - Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee“ vom 28. November 2003. Im Internet unter: http://www.standardsetter.de/drsc/docs/charter.html, § 8 Abs. 9. Bis jetzt wurden 23 DRS veröffentlicht. Vgl. http://www.standardsetter.de/drsc/docu ments.php?do=show&doc_typ=1&language=german. Vgl. DRSC (2003), § 6. Vgl. Hucke, Anja (2000): Entstehung von Rechnungslegungsvorschriften. In: Lachnit, Laurenz/Freidank, Carl-Christian (Hrsg.), Investororientierte Unternehmenspublizität: Neue Entwicklungen von Rechnungslegung, Prüfung und Jahresabschlussanalyse, Wiesbaden 2000, S. 61-90, hier S. 84; Baetge, Jörg/Krumnow, Jürgen/Noelle, Jennifer (2001): Das „Deutsche Rechnungslegungs Standards Committee“ (DRSC). In: Der Betrieb, 53. Jg., 2001, S. 769-774, hier S. 770 und 773. Baetge/Krumnow/Noelle weisen darauf hin, dass die Arbeit auf die Akzeptanz durch das BMJ und der an der Rechnungslegung beteiligten Kreise angewiesen ist. Daher hat sich das DRSC nach § 4 Abs. 1 Standardisierungsvertrag dazu verpflichtet, die Öffentlichkeit über seine Tätigkeit hinsichtlich der Erarbeitung von Standards und verabschiedeten Entwürfen usw. zu informieren. Vgl. Baetge, Jörg/Krumnow, Jürgen/Noelle, Jennifer (2001), S. 769. Ebenso Hucke, Anja (2000), S. 84; Ossadnik, Wolfgang/Barklage, David (2000): Zum Aufgabenbereich eines Rechnungslegungsgremiums und eines Rechnungslegungsbeirats gemäß § 342 f. HGB. In: Lachnit, Laurenz/Freidank, Carl-Christian (Hrsg.), Investororientierte Unternehmenspublizität: Neue Entwicklungen von Rechnungslegung, Prüfung und Jahresabschlussanalyse, Wiesbaden 2000, S. 91-122, hier S. 103-104.
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B. 2.1.4.
Normen der Rechtsprechung und deren Bindungswirkung für den Prüfer
Als weitere Normenquelle ist die Rechtsprechung anzusehen. Hierzu zählen die nationalen und europäischen Gerichtsbarkeiten. Obwohl die gesprochenen Urteile grundsätzlich nur die Verfahrensbeteiligten binden und auf Grundlage eines konkreten Sachverhaltes entschieden worden ist, kann eine Verpflichtung für den gesamten Berufsstand der Wirtschaftsprüfer nicht direkt ausgeschlossen werden. Die richterliche Entscheidung, insbesondere hinsichtlich handelsrechtlicher Fragen, kann auf künftige Prüfungen prophylaktische Wirkung haben. Folglich ist der Rechtsprechung eine faktische Bindungswirkung für den Berufsstand zuzusprechen.77
B. 2.2. Internationale Verordnungsgeber von Normen und deren Bindungswirkung für den Prüfer B. 2.2.1.
Normen des International Auditing and Assurance Standards Board und deren Bindungswirkung für den Prüfer
Die International Standards on Auditing (ISAs) gehören zu den internationalen berufsständischen Normen, die vom International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) verabschiedet werden.78 Die ISAs haben zum Inhalt grundlegende Prinzipien und wesentliche Prüfungshandlungen, im Text durch Fettdruck gekennzeichnet, sowie entsprechende Leitfäden in Form von erläuternden und sonstigen Materialien, in Normaldruck. Diese Standards sind nur bei wesentlichen Sachverhalten zu berücksichtigen. Deren Nichtanwendung ist lediglich in zu begründenden Ausnahmefällen erlaubt. Da die International Federation of Accountants (IFAC) und somit auch das IAASB keine Gesetzgebungsbefugnis in Deutschland besitzen, sind die ISAs kein geltendes deutsches Recht. Es existiert grundsätzlich keine Bindungswirkung für deutsche Prüfer. Die Mitglieder der IFAC sind jedoch auf Grund ihrer Mitgliedschaft verpflichtet, die ISAs entweder als nationale Standards anzuerkennen oder diese soweit wie möglich in nationale Regeln zu transformieren.79 Erfolgte eine sachgerechte Übertragung in nationale Vorschriften, so finden diese auch Anwendung. Diese Dominanz nationaler Normen lässt sich aus der Verfassung der IFAC ableiten, nach der besonders die auf ISAs basierenden Prinzipien in nationale Verlautbarungen aufzunehmen sind.80 Das IDW kommt der Verpflichtung zur Transformation der ISAs in nationales Recht
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Ebenso Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 89; IDW PS 201, Tz. 8. Das IAASB ist ein Ausschuss der International Federation of Accountants (IFAC). Die IFAC strebt mit ihren berufsständischen Normen eine weltweite Gültigkeit an. Neben den ISAs existieren weitere Prüfungsnormen, die unter www.ifac.org/Guidance abgerufen werden können. Vgl. IFAC (2004a): Constitution der International Federation of Accountants in der Fassung vom November 2004. Im Internet unter: www.ifac.org/About/IFAC_Constitution.pdf, Teil 2 Abs. 4 c. Sofern die Mitgliedsorganisationen ihrer Verpflichtung zur Transformation oder Anerkennung nicht nachkommen, kann die Mitgliedschaft entzogen oder ausgesetzt werden. Siehe IFAC (2004a), Teil 5 Abs. 31m. Mitglieder können keine natürlichen Personen sondern nur nationale berufsständische Organisationen sein, die den Berufsstand der Wirtschaftprüfer im Heimatland vertreten. Die deutschen Berufsorganisationen WPK und IDW sind Mitglieder der IFAC. Vgl. IFAC (2004a), Abs. 4c i.V.m. IFAC (2004b): Statements of membership obligations 1-7. Im Internet unter: http://www.ascasociety.org/data/d3886506829vn0a_SMO_Final.pdf.
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nach, indem es IDW PS erlässt, die mit den jeweiligen ISAs korrespondieren. Dafür wird an die PS ein Abschnitt über die inhaltliche „Übereinstimmung mit ISA“ angehängt, in dem kleinere Abweichungen, Ergänzungen sowie Klarstellungen aufgezeigt sind. Eine Kongruenz in allen wesentlichen Punkten ist nach Aussage des IDW gewährleistet.81 Die Transformation ist keine reine Übersetzung sondern eine Formulierung „in einer dem deutschen Denken und Sprachgebrauch entsprechenden, systematisierten Form“.82 Sämtliche die Abschlussprüfung betreffenden gültigen ISAs sind seit 2004 durch IDW PS abgedeckt. Gemäß dem Entwurf der 8. EU-Richtlinie83 soll die Anwendung der ISAs künftig bei jeder gesetzlichen Abschlussprüfung in der EU verpflichtend sein. Die EU-Kommission wird dazu die entsprechenden ISAs in deutscher Fassung im Amtsblatt der EU veröffentlichen, so dass diese Gesetzescharakter erhalten und für alle Prüfer obligatorisch sind. Eine Transformation der ISAs wird somit entbehrlich. Sofern nationale Besonderheiten in den einzelnen Mitgliedsländern existieren und diese nicht bzw. nur teilweise durch die internationalen Normen abgedeckt sind, ist der Erlass von zusätzlichen nationalen gesetzlichen Regelungen erlaubt. In Deutschland zählen dazu u.a. Vorschriften zum Risikofrüherkennungssystem oder zur Prüfung der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung. Ergänzungen werden in IDW PS zur ISA-Ergänzung (IDW IPS) zusammengefasst, nationale Besonderheiten sind in IDW PS enthalten.84 Die Bindungswirkung der IDW IPS und IDW PS entspricht der der bisherigen IDW PS.85 Die deutschen Berufsgrundsätze sehen die Anwendung der ISAs auch bei freiwilligen Prüfungen vor. Bis zur endgültigen Umsetzung der 8. EU-Richtlinie sind die deutschen Prüfer nicht unmittelbar an internationale Verlautbarungen gebunden,86 da diese nur an die zur Umsetzung dieser in
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Gemäß IDW PS 201, Tz. 23 ist bisher ein Testat, das lediglich eine Bescheinigung der Übereinstimmung mit den ISAs enthält, nur im Rahmen von freiwilligen Prüfungen zulässig. Die Erteilung dieser Bestätigung ist bei handelsrechtlichen Pflichtprüfungen untersagt. Das IDW unterstellt somit, dass sich die Unterschiede zwischen den IDW Verlautbarungen und den ISAs auf Besonderheiten auf Grund weitergehender deutscher Prüfungsgrundsätze und zwingender gesetzlicher Vorschriften beschränken. Hierdurch werden Differenzen wegen weitergehender Anforderungen der ISAs, die nicht in Widerspruch zu gesetzlichen nationalen Vorschriften stehen, und Unterschiede, die sich nicht auf zwingende gesetzliche Vorschriften zurückführen lassen sondern lediglich auf einer abweichenden Berufsauffassung des IDW gegenüber den ISAs beruhen, abgelehnt. Ein ausdrücklicher Hinweis, wann die deutschen Verlautbarungen auf Grund bindender gesetzlicher Regelungen und die ISAs divergieren und wann Abweichungen nur auf unterschiedlichen berufsständischen Auffassungen bestehen, fehlt. Vgl. Böcking, Hans-Joachim/Orth, Christian/ Brinkmann, Ralph (2000): Die Anwendung der International Standards on Auditing (ISA) im Rahmen der handelsrechtlichen Konzernabschlussprüfung und deren Berücksichtigung im Bestätigungsvermerk. In: Die Wirtschaftsprüfung, 53. Jg., 2000, S. 216-234, hier S. 223-224. IDW (2004b): Die künftige Pflicht zur Anwendung der ISAs. In: Die Wirtschaftsprüfung, 57. Jg., 2004, S. 1281-1333, hier S. 1281. Vgl. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2004): Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Abschlusses und zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates. Im Internet unter: http://europa. eu.int/eur-lex/lex/LexUriServ/site/de/com/2004/com2004_0177de01.pdf. Vgl. IDW (2004b), S. 1281. Siehe zur Bindungswirkung der IDW PS Kapitel B. 2.1.2. Vgl. HFA FG 1/1988 Grundsätze ordnungsmäßiger Durchführung von Abschlussprüfungen. In: Die Wirtschaftsprüfung, 42. Jg., 1989, S. 9-19, hier C. IV. Anm. 2; IDW PS 201, Tz. 19.
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nationales Recht verpflichteten Mitgliedsorganisationen gerichtet sind.87 Sofern die Anerkennung oder Transformation einer internationalen Prüfungsnorm noch nicht erfolgt ist, gilt es zu klären, ob eine direkte Anwendung unzulässig ist, wenn ein Prüfer dadurch einen Schaden hätte vermeiden können.88 Auf Grund des Gebots der gewissenhaften Berufsausübung sind alle fachlichen Regeln zu berücksichtigen. Dazu gehören auch nicht transformierte bzw. anerkannte internationale Prüfungsnormen, sofern nationale öffentlich-rechtliche Rechnungslegungsnormen wie das HGB nicht missachtet werden,89 da diese durch die Veröffentlichung in den IDW Fachnachrichten jedem Berufsangehörigen zugänglich gemacht worden sind. Eine Anwendung ist insbesondere dann anzunehmen, wenn ein nach international anerkannten Rechnungslegungsnormen erstellter Abschluss zu prüfen ist.90 Abweichungen sind grundsätzlich nur bei begründeten Ausnahmen möglich. Die ISAs sind nicht anzuwenden, wenn die geregelten Sachverhalte nicht auf deutsche Verhältnisse übertragen werden können.91
B. 2.2.2.
Normen des International Accounting Standards Board und deren Bindungswirkung für den Prüfer
Die International Financial Reporting Standards (IFRS)92 werden vom International Accounting Standards Board (IASB) entwickelt. Dies ist das wichtigste Organ der International Accounting Standards Committee (IASC).93 Zu dessen Aufgaben gehören die Geschäftsführung, die 87 88
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Vgl. IDW PS 201, Tz. 32; WP Handbuch (2000), B 61. Vgl. Niehus, Rudolf J. (1992): Zur Weiterentwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Durchführung von Abschlussprüfungen - Anregungen aus nationaler und internationaler Sicht -. In: Moxter, Adolf/Müller, Hans-Peter/Windmöller, Rolf/von Wysocki, Klaus (Hrsg.), Rechnungslegung: Entwicklung bei der Bilanzierung und Prüfung von Kapitalgesellschaften (Festschrift Forster), Düsseldorf 1992, S. 489-506, hier S. 502. Vgl. Ruhnke, Klaus (2002): Internationale Einflüsse auf die deutsche Prüfungspraxis. In: Zeitschrift für kapitalmarktorientierte Rechnungslegung, 2. Jg., 2002, S. 155-165, hier S. 158-159. Ebenso Ruhnke, Klaus (2000a): Entwicklungen in der internationalen Wirtschaftsprüfung. In: Lachnit, Laurenz/Freidank, Carl-Christian (Hrsg.), Investororientierte Unternehmenspublizität: Neue Entwicklungen von Rechnungslegung, Prüfung und Jahresabschlussanalyse, Wiesbaden 2000, S. 329361, hier S. 334-335; Ruhnke, Klaus (2000b), S. 116. Vgl. Ruhnke, Klaus (2000b), S. 116. Bis zur Einführung des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG) war im Bereich der Erteilung von Bestätigungsvermerken der Disclaimer of opinion gemäß ISA 700, Tz. 44 ein Beispiel für einen auf eine deutsche Abschlussprüfung nicht anzuwendenden Sachverhalt. Kann ein Prüfer bestimmte Umstände nicht umfassend beurteilen und ist dies nicht vom zu prüfenden Unternehmen zu vertreten, so ist kein Testat sondern ein Disclaimer of opinion zu erteilen. Das bedeutet die Verweigerung des Prüfungsurteils. Ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk oder ein Versagungsvermerk waren damit nicht vergleichbar. Die Abgabe eines solchen Urteils ist nun in § 322 Abs. 2 Satz 4 HGB vorgesehen, wonach die Beurteilung des Prüfungsergebnisses zweifelsfrei ergeben muss, „ob der Bestätigungsvermerk deshalb versagt wird, weil der Abschlussprüfer nicht in der Lage ist, ein Prüfungsurteil abzugeben.“ Vgl. Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung (Bilanzrechtsreformgesetz). In: BGBl. I (2004), 56. Jg., S. 3166-3182; ISA 700: The auditor’s report on financial statements (ISA 700). Im Internet unter: http://www.ifac.org/Store/Category.tmpl?Category=Auditing%2C%20 Assurance%20%26%20Related%20Services&Cart=1142689100342377, hier Tz. 45-46; Eine tabellarische Übersicht aller durch das BilReG entstandenen Änderungen findet sich bei Meyer, Claus (2005): Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) und Bilanzkontrollgesetz (BilKoG) - Die Änderung im Überblick. In: Deutsches Steuerrecht, 43. Jg., 2005, S. 41-44, hier S. 41-43. Im Folgenden werden hierunter auch die bisher verabschiedeten IAS subsumiert, sofern nichts anderes angegeben ist. Das IASC wurde am 29. Juni 1973 gegründet und hat seinen Sitz in London. Vgl. www.iasc.com.
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Verabschiedung von Standards und Interpretations sowie die Kontaktaufnahme zu nationalen Rechnungslegungsinstitutionen (sog. Standardsettern).94 Das IASB besitzt keine Gesetzgebungsbefugnis in Deutschland, so dass keine unmittelbare Bindungswirkung für den Prüfer besteht. Die Anwendung der IFRS ist von der Anerkennung durch den nationalen Gesetzgeber meist durch ein Gesetz vorgegeben, so dass dann die IFRS nationale Normen ersetzen können. Die Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards im Juli 200295 verpflichtet alle kapitalmarktorientierten Unternehmen mit Sitz in der EU ihre Konzernabschlüsse für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2004 beginnen, nach IFRS aufzustellen. Die Definition der kapitalmarktorientierten Unternehmen beschränkt sich auf die Fälle, in denen die Konzernmutter als Wertpapieremittentin auftritt. Das Auftreten einer Konzerntochter als Emittentin löst keine Pflicht zur Rechnungslegung nach IFRS aus. Die IFRS decken nicht sämtliche Bereiche der nationalen Rechnungslegung ab. Als Beispiele sind Vorschriften für die Definition von konzernabschlusspflichtigen Unternehmen, für den Konzernlagebericht oder für die Offenlegung zu nennen. Für diese Sachverhalte haben ausgewählte HGBVorschriften weiterhin Gültigkeit (§ 315a Abs. 1 HGB). Jeder Mitgliedsstaat darf darüber hinaus selbstständig bestimmen, ob den übrigen Unternehmen für Konzern- und/oder Jahresabschlüsse die Anwendung der IFRS gestattet oder vorgeschrieben wird. Die Bundesrepublik Deutschland hat von dieser Option Gebrauch gemacht, in dem sie gemäß § 315a Abs. 3 HGB Satz 1 HGB allen Unternehmen die Anwendung der IFRS ermöglicht. Bei Ausübung des Wahlrechts sind von den Unternehmen die Standards sowie die HGB-Vorschriften vollständig zu erfüllen (§ 315a Abs. 3 Satz 2 HGB). Für Zwecke der Ausschüttungs- und Steuerbemessung ist zusätzlich eine Aufstellung des Jahresabschlusses nach den handelsrechtlichen Vorschriften vorgesehen. Es gilt zu klären, ob innerhalb der IFRS unterschiedliche Bindungswirkungen vorliegen. Die IFRS sind ein typischer Vertreter des angelsächsischen Case Law, dessen Regelungen einzelfallbezogen entwickelt wurden und somit nur für bestimmte Fälle gelten.96 Neben dem Case Law System existieren verschiedene Standards, Interpretations und das Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements (Framework IFRS). Standards und Interpretations sind direkt verbindlich,97 wobei die Standards bis zu ihrem endgültigen Inkrafttreten
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Die Bundesrepublik Deutschland ist beim IASC durch die WPK, das IDW sowie das DRSC vertreten. Vgl. Europäisches Parlament und Europäischer Rat (2002): Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards. In: ABl. der EG, L 243, 2002, S. 1-4. Der Vorteil des Case Law Systems besteht in der Ausführlichkeit der Regelung einzelner Sachverhalte. Nachteilig ist anzumerken, dass auf Grund von nicht auszuschließenden Wiederholungen die Vorschriften sehr umfangreich sind. Siehe Buchholz, Rainer (2003): Internationale Rechnungslegung. Die Vorschriften nach IAS, HGB und US-GAAP im Vergleich - mit Aufgaben und Lösungen, 3. Aufl., Berlin 2003, S. 20. Es wurden bis jetzt 41 IAS, 5 IFRS und 33 Interpretations veröffentlicht. Vgl. www.standardsetter.de /drsc/docs/iasb_standards.pdf sowie http://www.standardsetter.de/drsc/docs/iasb_interpretations.html.
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einen mehrjährigen Entwicklungsprozess („Due process“) durchlaufen.98 Der Anwendungsbereich der einzelnen Standards wird zu Beginn festgelegt (sog. „Scope“).99 Sollten bei der praktischen Tätigkeit mit den Standards Unklarheiten oder Unvollständigkeiten auftreten, kann durch die Verabschiedung von Interpretations schnell reagiert und der Mangel behoben werden.100 Interpretations haben die Aufgabe, bestehende Standards auszulegen oder zu ergänzen, indem sie noch speziellere Sachverhalte als die Standards regeln. Das den Standards vorangestellte Framework hat hingegen nur Empfehlungscharakter. Es enthält Rahmengrundsätze und Leitlinien, die als Hilfestellung bei der Anwendung der IFRS dienen sollen101 und stellt selbst keinen Standard dar.102 Bei eventuell gegensätzlichen Aussagen zwischen Framework und einzelnen Standards sind die Regelungen der Standards grundsätzlich vorzuziehen.103 Die Vorschriften der IFRS gelten rechtsform- und größenunabhängig, so dass der Prüfer diese bei jeder Prüfung eines nach IFRS aufgestellten Jahresabschlusses vollständig berücksichtigen muss.104
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Normen der Securities Exchange Commission und deren Bindungswirkung für den Prüfer
Die staatliche amerikanische Wertpapieraufsichtsbehörde SEC105 beaufsichtigt das Börsengeschehen und erlässt Rechnungslegungsvorschriften. Sie hat im Zeitverlauf die Entwicklung von Rechnungslegungsnormen an verschiedene private Institutionen delegiert, wobei lediglich die Kompetenz zur Veröffentlichung übertragen worden ist. Die Einflussnahme und Überprüfung bleibt der SEC vorbehalten (ASR Nr. 150).106 Seit 1973 ist das Financial Accounting Standards 98
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Während des Prozesses hat die interessierte Öffentlichkeit mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme bzw. Mitarbeit. Vgl. Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 53. Die einzelnen Standards beschäftigen sich mit Einzelfragen der Rechnungslegung, z.B. dem Ansatz oder der Bewertung eines einzelnen Bilanzpostens, mit Problemen einzelner Unternehmen oder bestimmter Branchen. Es liegt keine einheitliche Systematik vor. Der jeweilige Erlass resultierte u.a. aus der Dringlichkeit zur Problemlösung. Wegen der laufenden Überarbeitung entspricht die heutige Reihenfolge der Standards nicht mehr der bei Erscheinung. Bei Auslegungsfragen stehen die Standards grundsätzlich gleichrangig nebeneinander. Bei widersprüchlichen Aussagen ist zu prüfen, in welchem historischen Kontext bzw. in welcher Reihenfolge die Standards entstanden sind, so dass im Zweifel der später erlassene oder der speziellere Standard Vorrang hat. Vgl. Achleitner, Ann-Kristin/ Behr, Giorgio (2003): International accounting standards: ein Lehrbuch zur internationalen Rechnungslegung, 3. Aufl., München 2003, S. 88-90. Die Interpretations wurden bisher vom Standard Interpretations Committee (SIC), einem speziellen Organ des IASC, veröffentlicht. Auf Grund der Umstrukturierung ist dieses Organ durch das International Financial Reporting Interpretations Committee (IFRIC) abgelöst worden. Vgl. Buchholz, Rainer (2003), S. 21-22; Achleitner, Ann-Kristin/Behr, Giorgio (2003), S. 87. Vgl. Achleitner, Ann-Kristin/Behr, Giorgio (2003), S. 87. Vgl. Framework IFRS, Tz. 2. Vgl. Framework IFRS, Tz. 3. Selbst bei Fragen, die durch Standards nicht geregelt sind, besitzt das Framework keine Verbindlichkeit. Vgl. Achleitner, Ann-Kristin/Behr, Giorgio (2003), S. 87. Ausnahmen bestehen bei den IAS 14, IAS 33 und IAS 34, die zur Anwendung die Inanspruchnahme eines Kapitalmarktes durch das Unternehmen voraussetzen. Vgl. Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 53. Die SEC wurde im Jahr 1934 gegründet und hat ihren Sitz in Washington D.C.. Vgl. Haller, Axel (1994): Grundlagen der externen Rechnungslegung in den USA, 4. Aufl., Stuttgart 1994, S. 34-35; Hucke, Anja (2000), S. 73; Pellens, Bernhard (2001): Internationale Rechnungslegung, 4. Aufl., Stuttgart 2001, S. 112.
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Board (FASB) von der SEC befugt, der Aufgabe zur Erarbeitung neuer Rechnungslegungsvorschriften nachzukommen.107 Deren Verlautbarungen sind Statement of Financial Accounting Standards (SFAS) sowie andere Vorschriften.108 Zusätzlich gibt es wie bei den IFRS auch einen Conceptual Framework (Framework US-GAAP), der sich aus sechs gültigen Statements of Financial Accounting Concepts (SFAC) zusammensetzt.109 Er bildet die unverbindliche theoretische Grundlage für bestehende und zukünftige SFAS. Die SFAS befassen sich mit speziellen Rechnungslegungsproblemen und durchlaufen den Standard Setting Process.110 Mögliche Unklarheiten in den SFAS werden durch Interpretations ausgeräumt, deren Veröffentlichung nicht durch den Standard Setting Process bestimmt wird.111 Daneben existieren die von der SEC selbst erlassenen Regulations S-X und S-K. Die Regulation S-X beinhaltet die Vorschriften für die „Financial statements requirements“. Es werden u.a. Form, Inhalt, Prüfung und Offenlegung von Abschlüssen geregelt. Die Regulation S-K gibt die Vorschriften zur Erläuterung der Abschlüsse bzw. der Unternehmensentwicklung wieder („Nonfinancial statements requirements“).112 Die Darstellung zeigt, dass die US-GAAP verschiedene Rechnungslegungsnormen umfassen. Schwierigkeiten ergeben sich bei der genauen Abgrenzung der verbindlichen Regeln, da keine allgemeingültigen, gesetzlich verankerten Vorschriften in den USA existieren. Die SEC verpflichtet weltweit alle Unternehmen, deren Aktien an der New Yorker Börse gehandelt werden, unabhängig vom Sitz des Unternehmens zur Aufstellung ihres Abschlusses nach US-
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Das FASB wurde im Jahr 1972 gegründet. Zwischen 1938 und 1959 veröffentlichte das Committee on Accounting Procedures 51 Accounting Research Bulletins (ARB). Als nächste Organisation entwickelte das Accounting Principles Board (APB) zwischen 1959 und 1973 31 APB Opinions. Es wurden bis jetzt 154 SFAS, 7 SFAC und über 46 Interpretations verabschiedet. Vgl. www.fasb. org/st/. Nominell sind es sieben SFAC. Da SFAC No. 3 durch SFAC No. 6 ersetzt worden ist, bilden effektiv sechs SFAC den Framework. Vgl. Niehus, Rudolf J./Thyll, Alfred (2000): Konzernabschluss nach US-GAAP: Grundlagen und Gegenüberstellung mit den deutschen Vorschriften. 2. Aufl., Stuttgart 2000, Rn. 34; Pellens, Bernhard (2001), S. 131. Näheres zum Standard Setting Process siehe bei Haller, Axel (1994), S. 46-47; Pellens, Bernhard (2001), S. 108-109; KPMG (2003): Rechnungslegung nach US-amerikanischen Grundsätzen Grundlagen der US-GAAP und SEC-Vorschriften, 3. Aufl., Düsseldorf 2003, S. 9-10. Darüber hinaus existieren noch Technical Bulletins. Dies sind Stellungnahmen vom Research and Technical Activities Staff, die sich auf Rechnungslegungsprobleme einzelner Unternehmen oder spezieller Branchen beziehen. Ihr Adressatenkreis ist daher relativ klein. Die Technical Bulletins stellen keine SFAS dar und dürfen bestehenden grundlegenden Rechnungslegungsprinzipien nicht widersprechen. Sie durchlaufen nicht den Standard Setting Process. Vgl. Pellens, Bernhard (2001), S. 112. Weitere Veröffentlichungen der SEC sind unter www.sec.gov abrufbar.
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GAAP.113 Hierunter sind die US-GAAP i.e.S. zu verstehen. Dazu zählen die SFAS, die Interpretations, die ARB, die APB Opinions sowie die von der SEC erlassenen Rechnungslegungsvorschriften.114 Anderen Regelungen, wie z.B. den Statements of Position vom Berufsstand der amerikanischen Wirtschaftsprüfer, wird keine direkte Verbindlichkeit zugeschrieben. Sie weisen nur Empfehlungscharakter auf und werden bei Sachverhalten angewendet, die von den US-GAAP i.e.S. nicht behandelt werden. Sie stellen die US-GAAP i.w.S. dar.115 Trotz der Vorgabe durch die SEC ist eine direkte Anwendung der US-GAAP von deutschen Unternehmen nicht diskutabel. Es sind zunächst das HGB und Spezialgesetze zu beachten. Erst durch die Anerkennung der US-GAAP durch den deutschen Gesetzgeber ist eine Anwendung auf Grund des seit dem 01. Januar 2005 gültigen § 315a HGB möglich.116 Verpflichtend sind die US-GAAP dann, wenn ein Prüfer eine Prüfungsleistung für ein deutsches Unternehmen erbringt, dessen Aktien an der New Yorker Börse gelistet sind.
B. 2.3. Zusammenfassung der Untersuchung über die Normen und deren Bindungswirkung für den Prüfer Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass es eine Vielzahl von Normen gibt, die im Rahmen einer Prüfung berücksichtigt werden müssen. Bei Prüfung von nach dem Handelsgesetz aufgestellten Jahresabschlüssen ist das Hauptinteresse auf die deutschen Rechnungslegungs- und Prüfungsnormen zu richten. Hierzu zählen insbesondere das HGB, die Spezialgesetze sowie berufsständische Verlautbarungen und die derzeitige Rechtsprechung.
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Da die US-GAAP keine Gesetzesqualität besitzen und von der SEC nicht definiert worden sind, resultiert ihre Verbindlichkeit aus der Forderung der SEC. Hinzu kommen diejenigen Unternehmen, die auf Grund vertraglicher oder sonstiger Anforderungen freiwillig einen US-GAAP konformen Jahresabschluss erstellen. Vgl. Scheffler, Eberhard (1999): Internationale Rechnungslegung und deutsches Bilanzrecht. In: Deutsches Steuerrecht, 37. Jg., 1999, S. 1285-1292, hier S. 1285; Pellens, Bernhard (2001), S. 126; Born, Karl (2002): Rechnungslegung international: Einzel- und Konzernabschlüsse nach IAS, US-GAAP, HGB und EG-Richtlinien, 3. Aufl., Stuttgart 2002, S. 258. Eine rechtliche Verbindlichkeit erhalten die US-GAAP i.e.S. zudem dadurch, dass eine Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks (Unqualified opinion) nur bei Einhaltung der Normen durch das Unternehmen erlaubt ist. Vgl. Born, Karl (2002), S. 258; KPMG (2003), S. 2. „Weiterhin binden Regeln 202 und 203 des Code of Professional Conduct des American Institute of Certified Public Accountants (AICPA) alle Wirtschaftsprüfer an die Verlautbarungen des FASB, so dass sich ihre Bindungswirkung auf alle geprüften Unternehmen erstreckt.“ Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 63. Der Sarbanes-Oxleys-Act of 2002 trat am 30. Juli 2002 in Kraft und hat die Verpflichtung durch die SEC abgelöst, da durch ihn eine weltweit gesetzliche Prüfungspflicht für Unternehmen eingeführt worden ist, deren Wertpapiere bei der SEC registriert sind. Zusätzlich wurde das Public Company Accounting Oversight Board gegründet, das mit weitreichenden Standard-Setting- und Enforcement-Befugnissen gegenüber Unternehmen und Wirtschaftsprüfern ausgestattet ist. Hierzu zählen insbesondere die Entwicklung oder Anerkennung von Prüfungsstandards und Bilanzierungsregeln sowie der für die Wirtschaftsprüfer geltenden Berufsgrundsätze. Vgl. KPMG (2003), S. 2, 5 und 14. Es besteht das Problem, dass in der Literatur keine einheitliche Zuordnung der Vorschriften zu den US-GAAP i.e.S. erfolgt. Für die weitergehende Untersuchung wird dies vernachlässigt und ein Hinweis auf verschiedene Autoren gegeben. Vgl. Pellens, Bernhard (2001), S. 123; Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 85; KPMG (2003), S. 3. Vgl. Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 85. Siehe hierzu die Ausführungen im Kapitel B. 2.2.2.
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Die internationalen Rechnungslegungsnormen sind anzuwenden, wenn eine Konzernmutter als Wertpapieremittentin auftritt oder wenn Unternehmen freiwillig nach diesen Regelungen bilanzieren. Bei den US-GAAP ist ein zusätzlicher Aspekt zu berücksichtigen, da ein Prüfer einen nach US-GAAP aufgestellten Jahresabschluss nur testieren darf, wenn er das Examen des Certified Public Accountant (CPA) erfolgreich abgelegt hat. Für nach IFRS bilanzierende Unternehmen ist keine Zusatzqualifikation erforderlich. Im folgenden Abschnitt werden die Inhalte der nationalen und internationalen Normen dargestellt, die einen direkten bzw. indirekten Zusammenhang zur Urteilsbildung der Going Concern Annahme aufweisen.
B. 3. Inhalte der nationalen und internationalen Normen im Rahmen einer Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken B. 3.1. Inhalte der nationalen Normen im Rahmen einer Urteilsbildung über die Going Concern Annahme B. 3.1.1. B. 3.1.1.1.
Das Going Concern Prinzip in der nationalen Rechnungslegung Prüfungspflicht und Einordnung ins Normengefüge
Kapitalgesellschaften, die nicht kleine Gesellschaften i.S.d. § 267 Abs. 1 HGB sind, müssen ihren Jahresabschluss nach § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB durch einen Abschlussprüfer prüfen lassen. Gegenstand der Prüfung ist gemäß § 317 Abs. 1 Satz 2 HGB die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung, womit auch das Going Concern Prinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB zu beachten ist. Eine indirekte Prüfungspflicht ist aus den §§ 317 Abs. 2 und 4, 321 Abs. 1 Satz 2 und 3, 322 Abs. 2 Satz 3 sowie Abs. 6 Satz 2 HGB ableitbar. Diese Paragrafen enthalten besondere Prüfungs- und Berichterstattungspflichten bezüglich bestehender Chancen und Risiken sowie Bestandsgefährdungen, die eine Überprüfung der Angemessenheit des Grundsatzes der Unternehmensfortführung voraussetzen.117 Die gesetzlichen Vertreter des zu prüfenden Unternehmens haben bei der Aufstellung des Jahresabschlusses einzuschätzen, ob das Unternehmen seine Geschäftstätigkeit fortführen
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Vgl. Krawitz, Norbert (2002): Going Concern. In: Ballwieser, Wolfgang/Coenenberg, Adolf G./ Wysocki, Klaus von (Hrsg.), Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung, 3. Aufl., Stuttgart 2002, S. 1007-1016, hier S. 1014. Auf Grund des neu verabschiedeten BilReG ist nun nach § 317 Abs. 2 Satz 2 HGB neben den Risiken explizit auch auf die Chancen einzugehen. Vgl. BilReG (2004), S. 3169.
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kann.118 Bei prüfungspflichtigen Unternehmen gehört die Beurteilung dieser Vorgabe zum Prüfungsgegenstand. Die gesetzlichen Vertreter haben die für ihre Feststellung unterstützenden Tatsachen bei bestehenden Zweifeln darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, da die Prüfung auf die Richtigkeit der Annahme ausgelegt ist. Eine Umkehrung der Darlegungs- und Beweislast tritt nur ein, wenn der Prüfer auf Grund von ihm selbst behaupteter Gegebenheiten zu einer Nicht-Annahme des Going Concern Prinzips kommt. Das rechtzeitige Erkennen des Zeitpunktes, zu dem die Unternehmensfortführung in Frage gestellt und eventuell verworfen wird, gehört zu den schwierigsten Bilanzierungsfragen überhaupt, da eine Beurteilung künftiger Ereignisse stets mit Prognosen verbunden ist.119 Im Gesetz finden sich keine Details zur Trennung zwischen der Annahme und der Ablehnung des Going Concern Prinzips oder Regeln für die Prüfungsdurchführung.
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Vgl. IDW PS 270: Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 270). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 9. Ebenso IAS 1, Tz. 23 sowie ISA 570: Going concern (ISA 570). Im Internet unter: http://www.ifac.org/Store/Category.tmpl?Category=Auditing %2C %20Assurance%20%26%20Related%20Services&Cart=1142689100342377, hier Tz. 4; Lück, Wolfgang (2001): Das Going-Concern-Prinzip in Rechnungslegung und Jahresabschlussprüfung. In: Der Betrieb, 54. Jg., 2001, S. 1945-1949, hier S. 1947. Vgl. Luik, Hans (1985), S. 67; Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gerd (1999): § 252 HGB. In: Beck´scher Bilanz-Kommentar, Handels- und Steuerrecht - §§ 238 bis 339 HGB -, 4. Aufl., München 1999, Rn. 13; Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 388. Die Schwierigkeit der Beurteilung der Going Concern Annahme wurde bereits in verschiedenen Studien untersucht. Die Autoren Taffler/Tseung (1984) analysierten 86 insolvente Unternehmen für den Zeitraum von 1977 bis 1983. Sie fanden heraus, dass nur 21 Unternehmen, d.h. weniger als 25,00%, einen eingeschränkten Bestätigungsvermerk im letzten Jahresabschluss vor der Insolvenz erhalten hatten. Andere Studien brachten ähnliche Ergebnisse. In der Studie von Menon/Schwartz (1986) wurden lediglich 63 von 147 Unternehmen, d.h. weniger als 43,00%, als Going Concern-Unternehmen im Jahr vor der Insolvenz identifiziert. Koh/Brown (1991) untersuchten eine Grundgesamtheit von 40 Unternehmen. Hier wurden 16 Unternehmen, d.h. 40,00%, von den Prüfern richtig erkannt. Bei den Autoren Raghunandan/Rama (1995) hatten 46,00% der Unternehmen, d.h. 90 von 195 Unternehmen, einen Going Concern Report im Jahr vor der Insolvenz erhalten. Venuti analysierte 202 von den 257 an der Börse notierten Insolvenzen des Jahres 2001 in den USA. Nur bei 96 Unternehmen enthielt der Prüfungsbericht einen gesonderten Abschnitt, in dem der Prüfer seine Zweifel über die Fortführungsfähigkeit des Unternehmens ausdrückte. Dies entspricht 48,00%. Vgl. Taffler, Richard J./Tseung, M. (1984): The audit going concern qualification in practice - exploding some myths. In: Accountant’s Magazine (Scotland), July 1984, S. 263-269, hier S. 263; Menon, Krishnagopal/Schwartz, Kenneth B. (1987): An empirical investigation of audit qualification decisions in the presence of going concern uncertainties. In: Contemporary Accounting Research, Vol. 3, No. 2, 1987, S. 302-315, hier S. 313; Koh, Hian Chye/Brown, Robert M. (1991): Probit predictions of going and non-going concerns. In: Managerial Auditing Journal, Vol. 6, Iss. 3, 1991, S. 18-23, hier S. 22; Raghunandan, Kannan/Rama, Dasaratha V. (1995): Audit reports for companies in financial distress: before and after SAS No. 59. In: Auditing: A Journal of Practice & Theory, Vol. 14, Spring 1996, S. 50-63, hier S. 58; Venuti, Elizabeth K. (2004): The going-concern assumption revisited: assessing a company’s future viability. In: The CPA Journal, Vol. 74, May 2004, S. 40-43, hier S. 40. Geiger/Raghunandan weisen darauf hin, dass die Insolvenz jedes Unternehmens, das einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk erhalten hat, nicht auf das Versagen der Abschlussprüfer zurückzuführen ist. Beispielsweise können strategische Unternehmenszusammenbrüche auf Grundlage von vertraglichen Vereinbarungen plötzlich und unvorhersehbar sein. Daher kann nicht erwartet werden, dass solche Ereignisse durch ein eingeschränktes Testat angezeigt werden können. Vgl. Geiger, Marshall A./ Raghunandan, Kannan (2002): Auditor tenure and audit reporting failures. In: Auditing: A Journal of Practice and Theory, Vol. 21, No. 1, March 2002, S. 67-78, hier S. 68.
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Der Grundsatz der Unternehmensfortführung ist in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB geregelt: „Bei der Bewertung ist von der Fortführung der Unternehmenstätigkeit auszugehen, sofern dem nicht tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen.“120 Die Bewertungsvorschriften der §§ 253-256 HGB sind als Ableitung dieses Prinzips zu verstehen.121 Das Going Concern Prinzip ist gemäß § 243 Abs. 1 HGB für alle Kaufleute verbindlich.122 Die verpflichtende Beachtung der GoB bei der Jahresabschlusserstellung ermöglicht die Sicherstellung der informativen Rechenschaftslegung auch in den Fällen, in denen gesetzliche Detailbestimmungen fehlen.123 Die Vorschrift § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB enthält zwei widersprüchliche Informationen. Auf der einen Seite wird die Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit unterstellt, auf der anderen Seite enthält die Norm Ausnahmetatbestände, so dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Annahme keine Allgemeingültigkeit besitzt.124 Das IDW hat im Jahr 2003 den IDW PS 270 „Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung“125 veröffentlicht. Dass für diesen Themenkomplex ein eigener PS erlassen wird, zeigt die grundlegende Bedeutung dieses Prinzips. 120
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Diese Vorschrift stellt die erstmalige Kodifizierung des Going Concern Prinzips in den deutschen Prüfungsnormen dar und erfolgte im Rahmen des Bilanzrichtlinien-Gesetzes. Durch dessen Verabschiedung wurden neben der 4. EG-Richtlinie (Bilanzrichtlinie) die 7. (Konzernrichtlinie) und die 8. Richtlinie (Prüferrichtlinie) in deutsches Recht transformiert. Die 4. EG-Richtlinie war eine Maßnahme zur Harmonisierung des Gesellschaftsrechts in der Europäischen Gemeinschaft (jetzt Europäische Union). Nach herrschender Meinung hatte dieser Grundsatz bereits vorher den Rang eines GoB inne, so dass der Aufnahme des Grundsatzes in § 252 HGB nur deklaratorische Wirkung zukommt. Vgl. Hofbauer, Max A. (1982): Die Grundzüge der Bilanzierungsvorschriften des Bilanzrichtlinie-Gesetzes. In: Deutsches Steuerrecht, 20. Jg., 1982, Sonderbeilage zu Heft Nr. 15, S. 14; Janssen, Friedrich Carl (1984), S. 341; Luik, Hans (1985), S. 63; Wohlgemuth, Michael (2004): § 252 HGB. In: Hofbauer, Max A./Kupsch, Peter (Hrsg.), Bonner Handbuch der Rechnungslegung, Loseblattsammlung, Stand November 2004, Bonn 2004, Rn. 14; Lutter, Marcus (1986): Fortführung der Unternehmenstätigkeit. In: Leffson, Ulrich/Rückle, Dieter/Großfeld, Bernhard (Hrsg.), Handbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, Köln 1986, S. 185-191, hier S. 185; Müller, Welf (1988): Die Grundsätze ordnungsmäßiger Bilanzierung und ihre Kodifizierung nach neuem Bilanzrecht. In: Mellwig, Winfried/Moxter, Adolf/Ordelheide, Dieter (Hrsg.), Einzelabschluss und Konzernabschluss, Beiträge zum neuen Bilanzrecht, Wiesbaden 1988, S. 3-26, hier S. 16; Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 45; ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 6. A.A. Leffson, Ulrich (1984): Die Going-Concern-Prämisse bei Unsicherheit über den Fortbestand der Unternehmung. In: Die Wirtschaftsprüfung, 37. Jg., 1984, S. 604-606, hier S. 604. Leffson geht davon aus, dass die Entwicklung des Going Concern Prinzips zu einem GoB noch nicht abgeschlossen ist. Der Begriff GoB wird zwar an mehreren Stellen im Gesetz verwendet, es findet sich jedoch keine Definition. Hier liegt ein unbestimmter Rechtsbegriff vor. Die herrschende Meinung in der Praxis und in der Theorie besagt, dass unter den GoB allgemein anerkannte Regeln über die Führung der Handelsbücher sowie die Erstellung des Jahresabschlusses von Unternehmen zu verstehen sind. Vgl. Lang, Joachim (1986): Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung I - Begriff, Bedeutung, Rechtsnatur -. In: Leffson, Ulrich/ Rückle, Dieter/Großfeld, Bernhard (Hrsg.), Handbuch unbestimmter Rechtsbegriffe im Bilanzrecht des HGB, Köln 1986, S. 221-240, hier S. 222; Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 36. Vgl. Lutter, Marcus (1986), S. 185. Vgl. ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 6; Pellens, Bernhard (2001), S. 126. Vgl. Leffson, Ulrich (1980): Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, 5. Aufl., Düsseldorf 1980, S. 164. Vgl. Wetzel, Eckart (1990), S. 6. IDW PS 270: Die Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 270). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999.
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Zusätzlich wird in vielen anderen IDW PS Bezug auf die Urteilsbildung der Going Concern Annahme genommen. Nationale Prüfer haben daneben den IDW PS 800 sowie das FAR 1/1996 zu berücksichtigen, da hier die Prüfung der Insolvenzeröffnungsgründe behandelt wird.126
B. 3.1.1.2. B. 3.1.1.2.1.
Die Annahme des Going Concern Prinzips Anwendungs- und Prognosezeitraum
Der Anwendungszeitraum des Going Concern Prinzips beginnt mit der Eröffnungsbilanz jedes Unternehmens und endet zu dem Zeitpunkt, an dem die Annahme der Unternehmensfortführung nicht mehr erfolgen darf, soll oder kann. Eine Abkehr von der Going Concern Annahme kann entweder durch den Gesetzgeber, z.B. durch gesetzliche Gründe zur Auflösung eines Unternehmens, durch die gesetzlichen Vertreter selbst, z.B. durch einen Liquidationsbeschluss, oder durch das negative Gesamturteil des Prüfers bestimmt sein.127 Die Nicht-Annahme des Going Concern Prinzips ist abhängig von dem Vorhandensein entgegenstehender Gegebenheiten, auf die im Abschnitt B. 3.1.1.3. eingegangen wird. Die Bestimmung des Prognosezeitraumes wird in der Literatur häufig diskutiert. Nach Meinung des ADS ist der Prognosezeitraum als übersehbarer Zeitraum definiert.128 Die Fähigkeit zur Fortführung der Unternehmenstätigkeit wird bei jedem Unternehmen durch andere Ereignisse und Sachverhalte beeinflusst, die wiederum u.a. von der Branche, der Unternehmensgröße oder dem Unternehmensalter abhängen. Es gibt folglich eine unendliche Zahl von Kombinationsmöglichkeiten, so dass kein allgemeingültiger Zeitraum für die Prognose bestimmbar ist.129 Um eine gewisse Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse gewährleisten zu können, sind den gesetzlichen Vertretern, denen die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme obliegt, Mindestangaben an die Hand zu geben. Für Prüfer stellen sie ebenfalls eine Hilfestellung im Rahmen der Beurteilung der Entscheidung der gesetzlichen Vertreter dar.130 Die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens ist stets mit Risiken verbunden, so dass nur ein Zeitraum von wenigen Monaten zuverlässig übersehen werden kann. Der Gesetzgeber schreibt vor, dass die Beurteilung des
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IDW PS 800: Empfehlungen zur Prüfung eingetretener oder drohender Zahlungsunfähigkeit bei Unternehmen (IDW PS 800). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999; FAR 1/1996: Empfehlungen zur Überschuldungsprüfung bei Unternehmen. In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999. Vgl. Müller-Dahl, Frank P. (1979), S. 69; Lutter, Marcus (1986), S. 187. In Anlehnung an IAS 1, Tz. 24 und Framework IFRS, Tz. 23: „foreseeable future“. Wohlgemuth schreibt, dass es sich um einen weitreichenden Prognosezeitraum zu handeln hat. Eine weitere Spezifizierung findet sich hier nicht. Vgl. Wohlgemuth, Michael (2004), Rn. 18. Vgl. ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 24. Vgl. Lutter, Marcus (1986), S. 187.
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Prognosezeitraumes bei der Annahme des Grundsatzes der Unternehmensfortführung hinreichend sicher sein muss.131 Der prüfungsrelevante Prognosezeitraum richtet sich für die Einschätzung durch den Prüfer in erster Linie nach der von den gesetzlichen Vertretern zu Grunde gelegten Bezugsperiode.132 Das IDW vertritt die Meinung, dass der Prognosezeitraum ausgehend vom Bilanzstichtag mindestens einen Zeitraum von 12 Monaten zu umfassen hat, das gesamte folgende Geschäftsjahr.133 Unternehmensspezifische Tätigkeiten erlauben Abweichungen in beide Richtungen, die jedoch immer begründet werden müssen.134 Nach Ansicht von Budde/Geißler kann eine Verkürzung des Prognosezeitraumes auf wenige Monate nur akzeptiert werden, wenn der Beginn des Zeitraumes der Zeitpunkt der Bilanzaufstellung ist, da insbesondere bei fortführungsgefährdeten Unternehmen die Aufstellung der Bilanz erst erheblich nach dem Bilanzstichtag erfolgt.135
B. 3.1.1.2.2.
Zu berücksichtigende Ereignisse
Die Beurteilung einer Prognose ist stets mit Unsicherheiten verbunden, so dass die allgemein vorherrschende Unsicherheit kein vertretbarer Grund für die Nicht-Annahme der Unternehmensfortführung darstellt.136 Bestimmen oder beabsichtigen die gesetzlichen Vertreter die Schließung einzelner Unternehmensteile, so hat dies keine Auswirkungen auf die Anwendung des Going Concern Prinzips, da die Beurteilung der Fortführungsfähigkeit das gesamte Unternehmen betrifft.137 Solange mit einer Einstellung der Geschäftstätigkeit nur zu rechnen ist, diese aber noch nicht erfolgt ist, muss das Going Concern Prinzip angewendet werden.138 Grundsätzlich sind die Verhältnisse am Abschlussstichtag maßgeblich.139 Die zu berücksichtigenden Ereignisse sind in wertaufhellende und wertbegründende zu unterteilen. Wertaufhellende Ereignisse werden dem zu prüfenden Unternehmen und dem Prüfer erst nach dem Abschlussstichtag bekannt, obwohl sie bis dahin aufgetreten sind. Nachträglich begründen sie ein besseres Verständnis der Verhältnisse am Abschlussstichtag. Solche Ereignisse 131 132 133
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Vgl. ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 24; Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gerd (1999), Rn. 11. Vgl. IDW PS 270, Tz. 8. Ebenso ISA 570, Tz. 18. Vgl. IDW PS 270, Tz. 8 und IDW PS 800, Tz. 12. Ebenso Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gerd (1999), Rn. 11; Hopt, Klaus J. (2000): Handelsgesetzbuch mit GmbH & Co., Handelsklauseln, Bankund Börsenrecht, Transportrecht (ohne Seerecht), 30. Aufl., München 2000, § 252 HGB, Tz. 7; Lück, Wolfgang (2001), S. 1947; Arbeitskreis „Externe und Interne Überwachung der Unternehmung“ der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V. (2003): Probleme der Prognoseprüfung. In: Der Betrieb, 56. Jg., 2003, S. 105-111, hier S. 109; Buchholz, Rainer (2003), S. 41. Beispielsweise können die Fertigungsdauer und/oder die Umschlaghäufigkeit des Warenlagers von entscheidender Bedeutung sein (Langfristfertigung; saisonabhängiger Warenabsatz). Vgl. Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gerd (1999), Rn. 11; Sarx, Manfred (1987), S. 29. Wetzel hingegen verneint eine mögliche Verlängerung des Prognosezeitraumes, da an jedem Bilanzstichtag eine neue Überprüfung der Going Concern Annahme erfolgen muss. Vgl. Wetzel, Eckart (1990), S. 153. Vgl. Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gerd (1999), Rn. 11. Vgl. Leffson, Ulrich (1984), S. 604; Lutter, Marcus (1986), S. 187. Vgl. Leffson, Ulrich (1984), S. 604-605; Luik, Hans (1985), S. 67; Lutter, Marcus (1986), S. 187. Vgl. Moxter, Adolf G. (1980), S. 349; Janssen, Friedrich Carl (1984), S. 346. Vgl. Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gerd (1999), Rn. 12; ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 25; Hopt, Klaus J. (2000), Tz. 7.
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sind unabhängig von ihrer Auswirkung auf die Prüfung, seien sie positiv oder negativ, mit einzubeziehen.140 Wertbegründende Ereignisse hingegen zeigen nach dem Abschlussstichtag neue, wertverändernde Verhältnisse auf und dürfen nach IDW PS 203141 nicht berücksichtigt werden.142 Gleichwohl befürwortet IDW PS 270 für die Prüfung der Going Concern Annahme die Beachtung sowohl wertaufhellender als auch wertbegründender Ereignisse.143 Einigkeit zwischen den beiden IDW PS herrscht beim Zeitpunkt, bis zu dem die Ereignisse zu beachten sind. Hier wird die Erteilung des Bestätigungsvermerks als Stichtag angenommen.144
B. 3.1.1.3. B. 3.1.1.3.1.
Die Nicht-Annahme des Going Concern Prinzips Entgegenstehende tatsächliche und rechtliche Gegebenheiten
Die Abkehr vom Going Concern Prinzip ist in § 252 Abs. 2 HGB geregelt. Hiernach darf nur in begründeten Ausnahmefällen vom ersten Abschnitt des § 252 HGB, also auch vom Grundsatz der Unternehmensfortführung, abgewichen werden. Folglich sind die in § 252 Abs. 1 HGB aufgeführten Bewertungsgrundsätze zwar die Regel, sie sollen aber keine Allgemeingültigkeit besitzen. Der Gesetzgeber schreibt damit vor, dass Abweichungen von diesen Grundsätzen Sonderfälle darstellen und erläutert werden müssen. In § 252 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz HGB ist ebenfalls eine Ausnahmeregelung für die Anwendung des Going Concern Grundsatzes enthalten. Demnach ist eine Aufstellung des Jahresabschlusses unter der Going Concern Annahme nicht mehr angemessen, wenn ihm tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen. Es gilt zu klären, ob diese beiden Regelungen für verschiedene Ausnahmetatbestände Gültigkeit besitzen. Da sich diese Vorschriften hinsichtlich des Konkretisierungsgrades der Formulierung unterscheiden, kann die Regelung des § 252 Abs. 1 HGB unter der allgemeiner gehaltenen Regel des zweiten Absatzes subsumiert werden. Es ist zu untersuchen, ob für § 252 Abs. 2 HGB Sachverhalte existieren, die nicht unter die tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten des ersten Absatzes des § 252 HGB fallen. Ein Beispiel ist die Insolvenz eines Hauptkunden, mit dem das zu prüfende Unternehmen über 50,00% des Umsatzes generiert. Sofern in naher Zukunft kein neuer Abnehmer gefunden wird, ist die Fortführung der Unternehmenstätigkeit gefährdet, so dass dieser Sachverhalt einen Ausnahmetatbestand gemäß § 252 Abs. 2 HGB darstellt. Gleichzeitig kann dieser Umstand als
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144
Vgl. Born, Karl (2002), S. 495; Buchholz, Rainer (2003), S. 41. IDW PS 203: Ereignisse nach dem Abschlussstichtag (IDW PS 203). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 8. Ebenso ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 26; Born, Karl (2002), S. 495. Vgl. IDW PS 270, Tz. 48: „Klarstellend wird […] über ISA 570 hinaus festgestellt, dass das Stichtagsprinzip für die Beurteilung der Annahme der Fortführung der Unternehmenstätigkeit nicht gilt, d.h. dass eine Unterscheidung nach wertaufhellenden oder wertbegründenden Ereignissen, die nach dem Abschlussstichtag eintreten, unerheblich ist.“ Siehe auch ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 26. Hiernach finden auch wertbegründende Tatsachen Berücksichtigung beim Prüfungsurteil. Ebenso bereits Müller, Welf (1988), S. 17. Vgl. IDW PS 203, Tz. 2; IDW PS 270, Tz. 8.
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tatsächliche, dem Going Concern Prinzip entgegenstehende Gegebenheit eingestuft werden. Diese Überprüfung von Sachverhalten kann unzählige Male durchgeführt werden. Man wird stets zu dem Ergebnis kommen, dass der zu untersuchende Umstand entweder zu den entgegenstehenden tatsächlichen oder rechtlichen Gegebenheiten gezählt werden kann. Als Ergebnis dieser Analyse bleibt festzuhalten, dass im Hinblick auf den Grundsatz der Unternehmensfortführung nach § 252 Abs. 2 HGB Ausnahmen zwar zulässig, aber neben § 252 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz HGB nicht mehr nötig sind.145 Bei entgegenstehenden Tatsachen ist es unerheblich, ob diese selbst verschuldet oder auf Grund von unternehmensexternen und nicht beeinflussbaren Faktoren entstanden sind. Entscheidend sind die Folgen für die Zukunft des Unternehmens.146 Der Prüfer hat besondere Aufmerksamkeit bei Vorliegen von Indizien walten zu lassen, die auf eine Ablehnung der Going Concern Annahme deuten könnten.147 In Zweifelsfällen, z.B. bei nachhaltigen Jahresfehlbeträgen oder ständig steigenden Kreditaufnahmen, haben Kapitalgesellschaften im Anhang die weitere Anwendung des Going Concern Prinzips zu begründen, da ansonsten das nach § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB geforderte Bild der tatsächlichen Verhältnisse nicht vermittelt wird.148 Bei Feststellung von hinreichend sicheren Unternehmensschwierigkeiten hat der Prüfer von einer NichtAnnahme auszugehen, selbst wenn die gesetzlichen Vertreter auf Grund von mangelnder Verantwortung oder Unfähigkeit keine entsprechenden Beschlüsse gefasst haben.149 Sofern die gesetzlichen Vertreter trotz drohendem Unternehmenszusammenbruchs an der Annahme des Going Concern Prinzips festhalten und dies mit dem Einverständnis von z.B. wichtigen Kreditgebern geschieht, ist darauf zu achten, dass nicht die subjektive Beurteilung der gesetzlichen Vertreter sondern eine objektivere Betrachtungsweise als Grundlage herangezogen wird.150 Wann die Aufgabe des Going Concern Prinzips definitiv erforderlich ist oder wird, lässt sich mangels gesetzlicher Kennzahlen oder Grenzwerten als Indikatoren nicht eindeutig bestimmen. Es sind zwar eine Reihe von Sachverhalten bekannt, deren Vorliegen die Unternehmensfortführung als gefährdet erscheinen lassen, jedoch konnten bis jetzt keine prüfbaren Kausalbeziehungen derart festgestellt werden, dass bei bestimmten Gegebenheiten von einer Unternehmensfortführung grundsätzlich nicht mehr ausgegangen werden kann.151 Die nach § 252 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbsatz HGB der Going Concern Annahme entgegenstehenden tatsächlichen
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Siehe auch Hopt, Klaus J. (2000), Tz. 7; Selchert, Friedrich Wilhelm (2003): § 252 HGB. In: Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung: Einzelabschluss, Kommentar zur Bilanzierung und Prüfung, Loseblattsammlung, Stand Juli 2003, 5. Aufl., Stuttgart 2003, Rn. 59. Vgl. ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 28. Vgl. ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 25. Eine Bestandsgefährdung erhöht das inhärente Risiko, so dass zusätzliche Einzelprüfungen erforderlich sind, um das Prüfungsrisiko auf ein angemessenes Niveau zu reduzieren bzw. eine vorgegebene Prüfungssicherheit zu erreichen. Vgl. Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 389. Vgl. Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gert (1999), Rn. 15. Vgl. ADS (2002), § 252 HGB, Rn. 28; Hopt, Klaus J. (2000), Rn. 7. Im Gesetzestext wird von Gegebenheiten und nicht von Auffassungen gesprochen. Vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Vgl. Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gert (1999), Rn. 15.
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Gegebenheiten werden weder im Gesetzestext noch in der Gesetzesbegründung näher erläutert. Häufig werden im Wesentlichen wirtschaftliche Schwierigkeiten darunter verstanden. Hierzu zählen z.B. die übermäßige kurzfristige Finanzierung langfristiger Vermögenswerte, das Aussetzen von Ausschüttungen oder die Unfähigkeit, Darlehenskonditionen einzuhalten.152 Die Existenz wirtschaftlicher Tatbestände bedeutet nicht zwingend eine Abkehr vom Grundsatz der Unternehmensfortführung.153 Die Sachverhalte sind als Anhaltspunkte zu verstehen, bei deren Vorliegen Zweifel an der Fortführungsfähigkeit des zu prüfenden Unternehmens aufkommen können. Diese Vermutung ist mit hinreichender Sicherheit zu konkretisieren oder zu beseitigen. Es besteht die Möglichkeit, dass negative Faktoren durch positive Sachverhalte teilweise oder vollständig kompensiert werden und somit die Zweifel ausgeräumt werden können.154 In der Literatur existiert eine Vielzahl von Studien, die die Identifikation von Sachverhalten zum Thema haben, die Zweifel an der Fortführung der Geschäftstätigkeit aufkommen lassen können bzw. die Krisenursachen herausfiltern. Eine weitergehende Darstellung dieser Arbeiten wird im Kapitel D. 3.2.1. vorgenommen. Neben den entgegenstehenden tatsächlichen Gegebenheiten werden in § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB auch rechtliche Sachverhalte angesprochen, die eine Ablehnung des Going Concern Prinzips begründen können. Als Beispiele sind die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens und ein beantragter Abwicklungsvergleich zu nennen. Des Weiteren zählen dazu gesetzliche oder satzungsmäßige Vorschriften, die die Auflösung und Abwicklung eines Unternehmens zur Folge haben.155 Ein Auflösungsbeschluss allein ist kein Grund für die Abkehr vom Grundsatz der Unternehmensfortführung. Entscheidend sind in diesem Zusammenhang die Absicht der Auflösung sowie das entsprechende Vorgehen.156 Im Rahmen der rechtlichen Gegebenheiten ist die Bestandsgefährdung des Unternehmens auf Grund von Insolvenz wegen ihrer enormen praktischen Bedeutung hervorzuheben.157 Daher werden nachfolgend das Insolvenzverfahren sowie die drei Insolvenzeröffnungsgründe Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung in einem Exkurs näher erläutert.
152 153 154
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157
Weitere Beispiele finden sich im IDW PS 270, Tz. 11. Der IDW PS 270 spricht von Umständen. Vgl. IDW PS 270, Tz. 11 und 16. Vgl. IDW PS 270, Tz. 11 und 28; Lück, Wolfgang (2001), S. 1947. Ebenso Budde, Wolfgang Dieter/ Geißler, Gert (1999), Rn. 10: „Die Hypothese über die Fortführung der Unternehmenstätigkeit kann an der Wirklichkeit scheitern und ist deshalb in jedem Einzelfall auf ihre Realitätsnähe zu untersuchen.“ Vgl. ADS (2002), § 252 HGB, Tz. 29; Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gert (1999), Rn. 16. Vgl. ADS(2002), § 252 HGB, Tz. 30; Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gert (1999), Rn. 16; Hopt, Klaus J. (2000), Rn. 7. Siehe ebenso Wohlgemuth, Michael (2004), Rn. 1. „Entgegenstehende rechtliche Gegebenheiten sind Auflösungsgründe, auch wenn sie rechtlich noch nicht vorliegen, aber tatsächlich zu erwarten sind.“ Siehe Kapitel A. 2. dieser Arbeit.
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B. 3.1.1.3.2. B. 3.1.1.3.2.1.
Bestandsgefährdung auf Grund von Insolvenz Insolvenzverfahren und Antragstellung
Nach der Insolvenzordnung (InsO)158 stehen sich zwei Verfahrensarten gegenüber: das reguläre Verfahren und das Verbraucher- bzw. Kleinverfahren.159 Das reguläre Verfahren wird vor allem bei Unternehmensinsolvenzen angewandt und unterteilt sich in das Regelverfahren sowie das Insolvenzplanverfahren. Beim Regelverfahren erfolgt die Masseverwertung und -verteilung nach gesetzlichen Vorschriften, beim Insolvenzplanverfahren entsprechend der Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner.160 Arten des Insolvenzverfahrens
Verbraucher- bzw. Kleinverfahren
Reguläres Verfahren
Abb. 1:
Regelverfahren
Insolvenzplanverfahren
Masseverwertung und -verteilung nach gesetzlichen Vorschriften
Masseverwertung und -verteilung entsprechend der Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner
Arten des Insolvenzverfahrens161
Die sachliche Zuständigkeit für Insolvenzverfahren liegt unabhängig von der Höhe der Schulden bei der Abteilung Insolvenzgericht der Amtsgerichte, sofern im Bezirk des Amtsgerichts ein Landgericht seinen Sitz hat.162 Die formelle Voraussetzung für die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ist der Antrag eines Berechtigten. Folglich kann ein Verfahren nicht von Amts wegen eröffnet werden.163 Nach § 13 Abs. 1 Satz 2 InsO ist jeder Schuldner antragsberechtigt, wobei eine Glaubhaftmachung nicht erforderlich ist. Ist der Schuldner eine juristische Person, so ist das Gesuch eines Vertreters, d.h. eines Mitgliedes des Vertretungsorgans, ausreichend. Bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit ist ebenso jeder persönlich haftende
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163
Die InsO samt Einführungsgesetz zur InsO aus dem Jahr 1994 trat am 01. Januar 1999 in Kraft, löste insgesamt drei Gesetze in West- und Ostdeutschland ab und sorgte damit für ein bundeseinheitliches Insolvenzrecht. Vgl. Foerste, Ulrich (2004): Insolvenzrecht, München 2004, S. 15-16. Das Verbraucher- und Kleinverfahren gilt für Schuldner, die eine natürliche Person sind, die keine selbstständige wirtschaftliche Tätigkeit ausüben oder deren Vermögensverhältnisse trotz früherer Selbstständigkeit überschaubar sind. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 14. Auf dieses Verfahren wird im Folgenden kein Bezug mehr genommen. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 15; Pirntke, Gunter (2003): Das neue Insolvenzrecht, der Leitfaden für die Praxis, 2. Aufl., Renningen 2003, S. 96. In Anlehnung an Foerste, Ulrich (2004), S. 15. Vgl. Zimmermann, Walter (2003): Insolvenzrecht, 5. Aufl., Heidelberg 2003, S. 2; Foerste, Ulrich (2004), S. 22. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 5; Pirntke, Gunter (2003), S. 86.
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Gesellschafter allein zur Stellung des Antrages berechtigt.164 Eine Glaubhaftmachung ist gemäß § 15 Abs. 2 InsO notwendig, wenn nur ein Teil der Mitglieder eines Vertretungsorgans bzw. der persönlich Haftenden Antragsteller ist. Bei einer GmbH & Co. KG ist der Insolvenzantrag nach § 15 Abs. 3 InsO durch einzelne oder alle Geschäftsführer der persönlich haftenden GmbH möglich. Gläubiger sind bei Vorliegen von drei Voraussetzungen auch antragsberechtigt. Sie müssen ihre Forderung und einen Insolvenzgrund glaubhaft machen können sowie an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein rechtliches Interesse haben.165 Bei der Antragstellung auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehen gegenüber Banken, sonstigen Kreditinstituten, Bausparkassen, Kapitalanlagegesellschaften sowie Versicherungen Einschränkungen, da hier gemäß § 46b Satz 4 KWG sowie § 88 Abs. 1 VAG die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht antragsberechtigt ist.166 Der Pflicht zur Antragstellung unterliegen nur die Vertreter juristischer Personen,167 natürliche Personen hingegen nicht.168 Insolvenzfähig ist jede natürlich Person169 (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO), jede juristische Person des privaten Rechts, z.B. Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Aktiengesellschaft und Genossenschaft, oder des öffentlichen Rechts (§ 11 Abs. 1 Satz 1 InsO), nicht rechtsfähige Vereine (§ 11 Abs. 1 Satz 2 InsO), Offene Handelsgesellschaften, Kommanditgesellschaften sowie BGBGesellschaften nach § 705 BGB.170 Ausgenommen sind der Staat (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO), bestimmte juristische Personen des öffentlichen Rechts (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO) wie Körperschaften, Anstalten, Gemeinden, öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten wegen Art. 5 Abs. 2 GG, anerkannte Kirchen und ihre öffentlich-rechtlichen Körperschaften wegen Art. 4 Abs. 2, 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 Weimarer Verfassung.171 Die materielle Eröffnung eines Insolvenzverfahrens setzt zwingend einen Eröffnungsgrund voraus (§ 16 InsO). Allgemeiner Eröffnungsgrund für juristische und natürliche Personen ist die Zahlungsunfähigkeit (§ 17 InsO), bei juristischen Personen zusätzlich die Überschuldung (§ 19InsO). Stellt der Schuldner einen Eigenantrag, so reicht die drohende Zahlungsunfähigkeit
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Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 5; Pirntke, Gunter (2003), S. 98. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 6; Pirntke, Gunter (2003), S. 91. Die Glaubhaftmachung setzt sich aus allen Beweismitteln einschließlich der eidesstattlichen Versicherung des Antragstellers (§ 4 InsO i.V.m. § 294 Abs. 2 ZPO), Urkunden sowie Bescheinigungen zusammen. Die Bundesämter für das Kreditwesen, für das Versicherungswesen und für den Wertpapierhandel sind seit dem 01. Mai 2002 mit ihren Aufgaben in der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht zusammengefasst. Für die AG siehe §§ 92 Abs. 2 und 268 Abs. 2 AktG, für die KGaA §§ 278 Abs. 3 und 283 Nr. 14 AktG, für die GmbH §§ 64 Abs. 1 und 71 Abs. 4 GmbHG, für die Genossenschaft § 99 Abs. 1 GenG, für die OHG § 130a HGB sowie für die KG § 177a HGB. Ein Verstoß gegen diese Vorschriften ist unterschiedlich geregelt. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 7; Pirntke, Gunter (2003), S. 93-94. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 7. Darunter fallen neben Kaufleuten auch Kinder, Geisteskranke, Betreute oder Ausländer. Des Weiteren zählen dazu die Europäische Wirtschaftliche Interessenvereinigung (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO), Partnerschaftsgesellschaften, der Nachlass (§§ 11 Abs. 2 Nr. 2, 315 ff. InsO), das Gesamtgut der Gütergemeinschaft nach Maßgabe von § 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO sowie die Vor-GmbH. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 9; Pirntke, Gunter (2003), S. 94.
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(§ 18 InsO) aus.172 Die Tabelle 2 fasst die wesentlichen Punkte hinsichtlich Antragsteller und Insolvenzeröffnungsgrund in Abhängigkeit des Schuldners zusammen. Schuldner Natürliche Person
Gläubiger Zahlungsunfähigkeit
Juristische Person
Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung
OHG, KG, BGB-Gesellschaft
Zahlungsunfähigkeit
Tab. 2:
Antragsteller Schuldner Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit, Überschuldung Zahlungsunfähigkeit, drohende Zahlungsunfähigkeit
Eröffnungsgründe des Insolvenzverfahrens nach der InsO173
B. 3.1.1.3.2.2.
Insolvenzeröffnungsgründe
Der Insolvenzeröffnungsgrund der Zahlungsunfähigkeit ist bei natürlichen sowie juristischen Personen anwendbar und wird als allgemeiner Insolvenzeröffnungsgrund bezeichnet. Nach § 17 Abs. 2 InsO liegt Zahlungsunfähigkeit vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Diese Definition setzt den Mangel an Zahlungsmitteln stillschweigend voraus,174 so dass die Zahlungsfähigkeit und nicht die fehlende Zahlungsbereitschaft ausschlaggebend ist.175 Der Gesetzgeber hat bewusst auf quantitative Vorgaben zur Bestimmung der Zahlungsunfähigkeit verzichtet. Nach herrschender Literaturmeinung wird Zahlungsunfähigkeit angenommen, wenn mindestens 5,00% der Gesamtschulden nicht gedeckt sind.176 Es handelt sich um eine Zeitpunkt-Illiquidität und nicht um eine ZeitraumIlliquidität, so dass die künftige geschäftliche Entwicklung des Schuldners unberücksichtigt bleibt.177 Die Zahlungsbereitschaft bezieht sich auf die volle Erfüllung der Außenstände, Teilrückstände berechtigen zum Insolvenzantrag.178 Zimmermann ist der Meinung, dass bereits Zahlungsstockungen, angeblich vorübergehende Zahlungsschwierigkeiten (Liquiditätseng172
173 174 175 176
177
178
Vgl. Mönning, Rolf-Dieter (2003a): § 16 InsO. In: Nerlich, Jörg/Römermann, Volker (Hrsg.), Insolvenzordnung, München 2003, Rn. 5; Foerste, Ulrich (2004), S. 55. Unter der formellen Insolvenz versteht man die Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Insolvenzgericht. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 1. In Anlehnung an Zimmermann, Walter (2003), S. 10. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 10. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 55. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 56. A.A. Mönning, Rolf-Dieter (2003b), § 17 InsO. In: Nerlich, Jörg/ Römermann, Volker (Hrsg.), Insolvenzordnung, München 2003, § 16 InsO, Rn. 18. Mönning geht davon aus, dass die Grenze bezogen auf die Gesamtverbindlichkeiten bei unter 5,00% anzusiedeln ist. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 10; Mönning, Rolf-Dieter (2003b), Rn. 14. Die ZeitpunktIlliquidität entspricht dem Tag der Gerichtsentscheidung und nicht dem Tag des Antrages zur Insolvenzeröffnung. Einer Veränderung der wirtschaftlichen Lage des Schuldners wird daher wenigstens bis zum Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung Rechnung getragen. Nach herrschender Meinung gebietet es der Insolvenzzweck, den letzten Erkenntnisstand zu Grunde zu legen. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 55. A.A. Häsemeyer, Ludwig (2003): Insolvenzrecht, 3. Aufl., Köln 2003, Rn. 7.20 a.E. Bei eingetretener Zahlungsunfähigkeit dürfte nach Ansicht des IDW der rechtlich bedeutsame Planungshorizont einen Zeitraum von etwa drei Monaten umfassen. Vgl. IDW PS 800, Tz. 12. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 10; Foerste, Ulrich (2004), S. 56; Mönning, Rolf-Dieter (2003b), Rn. 18. Ebenso IDW PS 800, Tz. 13 „Die Begleichung kleinerer Schulden schließt die Zahlungseinstellung und damit die Zahlungsunfähigkeit nicht aus.“
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pässe), als Zahlungsunfähigkeit gelten.179 Nach dem Willen des Gesetzgebers ist eine momentane Zahlungsstockung vom Insolvenzgrund abzugrenzen, wenn der Schuldner kurzfristig binnen zwei oder drei Wochen wieder liquide ist.180 Die Beweislast der Zahlungsstockung liegt bei strittiger Zahlungsunfähigkeit beim Antragsteller. Beruft sich der Schuldner auf Zahlungsstockung, ist er zum Nachweis verpflichtet.181 Bei Feststellung der Zahlungsunfähigkeit sind, wie der Gesetzestext es vorgibt, nur die fälligen Zahlungspflichten zu beachten. Somit darf ein Gläubiger, der seine Schuld gestundet hat, keinen Insolvenzantrag stellen.182 Gemäß § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ist die Zahlungseinstellung ein widerlegbares Indiz für Zahlungsunfähigkeit. Eine erkennbar gewordene Zahlungseinstellung wirkt sofort, bis die Zahlungen allgemein wieder aufgenommen werden.183 Sie besteht, wenn der Schuldner wegen andauernden Geldmangels nach außen erkennbar nicht in der Lage ist, einen wesentlichen Teil seiner fälligen und eingeforderten Schulden zu bezahlen.184 Die Zahlungsunfähigkeit ist ein verborgener, nicht offensichtlicher Insolvenzindikator, da realistische Aussagen über die Lage des Schuldners nur möglich sind, wenn dessen Zukunft eindeutig dargestellt werden könnte. In der Praxis gehört es zur Ausnahme, dass ein Gläubiger die tatsächliche Situation seines Schuldners kennt.185 Die drohende Zahlungsunfähigkeit kann als Insolvenzeröffnungsgrund nach § 18 Abs. 1 InsO lediglich geltend gemacht werden, wenn der Schuldner einen Eröffnungsantrag stellt. Ein Gläubiger ist dazu nicht berechtigt, da die Gefahr besteht, dass dieser den Schuldner bereits im Vorfeld mit einem vage begründeten Insolvenzantrag unter Druck setzt.186 Erfolgt der Antrag durch Gesellschaften, so muss dieser entweder von allen Mitgliedern der Vertreterorgane oder allen persönlich haftenden Gesellschaftern gestellt werden oder der Antragsteller muss vertretungsberechtigt sein (§ 18 Abs. 2 InsO). Die drohende Zahlungsunfähigkeit ist anzunehmen, wenn der Schuldner voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungsverpflichtungen zum Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. Es handelt sich hierbei um die Bestimmung einer Prognose.187 Bei der drohenden Zahlungsunfähigkeit wird von einer Zeitraum179 180
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187
Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 10. Vgl. Burger, Anton/Schellberg, Bernhard (1995): Zur Vorverlagerung der Insolvenzauslösung durch das neue Insolvenzrecht. In: Konkurs, Treuhand, Sanierung, 56. Jg., 1995, S. 563-577, hier S. 567; Bundesgerichtshof (2005): Urteil vom 24. Mai 2005 (IX ZR 123/04). In: Der Betrieb, 58. Jg., 2005, S. 1787. Das IDW vertritt die Meinung, dass eine Zahlungsstockung vorliegt, wenn der Schuldner seine Gläubiger in weniger als einem Monat wieder befriedigen kann. Ein Insolvenzgrund ist unter diesen Umständen noch nicht gegeben. Vgl. IDW PS 800, Tz. 14. Die frühere Rechtsprechung ging von vier Wochen aus. Vgl. Bundesgerichtshof (2001): Urteil vom 20. November 2001 (IX ZR 48/01). In: Der Betrieb, 54. Jg., 2001, S. 267-269, hier S. 268; Bundesgerichtshof (1999): Urteil vom 03. Dezember 1998 (IX ZR 313/97). In: Der Betrieb, 52. Jg., 1999, S. 688. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 56. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 11. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 56; IDW PS 800, Tz. 14. Folgende Verhaltensweisen vermitteln den Eindruck einer Zahlungseinstellung: Bitte um längerfristige Stundung, Nichtzahlung wichtiger laufender Betriebskosten, gehäufte Wechselproteste oder Vollstreckungsmaßnahmen, abrupte Geschäftsschließung, Flucht des Schuldners sowie Haftbefehle. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 56; IDW PS 800, Tz. 13; Pirntke, Gunter (2003), S. 92-93. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 57. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 58; Zimmermann, Walter (2003), S. 11; Mönning, Rolf-Dieter (2003c): § 18 InsO. In: Nerlich, Jörg/Römermann, Volker (Hrsg.), Insolvenzordnung, München 2003, § 18 InsO, Rn. 8; Pirntke, Gunter (2003), S. 99. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 11; Mönning, Rolf-Dieter (2003c), Rn. 6.
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Illiquidität ausgegangen, die durch die Aufstellung eines Finanzplans für den Prognosezeitraum belegt werden soll.188 Der Gesetzgeber hat den Prognosezeitraum nicht begrenzt. Je länger aber der Zeitraum gewählt wird, desto ungenauer werden die Voraussagen und desto schwieriger ist der Nachweis für eine Insolvenz zu erbringen.189 Der dritte Insolvenzeröffnungsgrund ist die Überschuldung. Diese ist neben der Zahlungsunfähigkeit bei juristischen Personen190 und bei GmbH & Co. KG191 zusätzlicher Eröffnungsgrund,192 ferner auch bei Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit, bei denen kein persönlich haftender Gesellschafter eine natürliche Person ist (§ 19 Abs. 3 InsO).193 Nach § 19 Abs. 2 InsO liegt Überschuldung vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Die Überschuldung wird anhand einer Überschuldungsbilanz festgestellt, wobei die Bewertung der Aktiva und Passiva von der Prognose über die Fortführung des Unternehmens abhängig ist (§ 19 Abs. 2 Satz 2 InsO). Die Aussicht auf Unternehmensfortführung setzt voraus, dass die entsprechende Bereitschaft besteht und mittelfristig, bis Ende des folgenden Geschäftsjahres, keine Zahlungsunfähigkeit droht. Insofern ist eine ZeitraumLiquidität zu untersuchen.194
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194
Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 57. Nach IDW PS 800 ist anhand der Fälligkeit bestehender Zahlungspflichten und den künftig verfügbaren Finanzmitteln das voraussichtliche Zahlungsunvermögen zu beurteilen. Vgl. IDW PS 800, Tz. 28-33. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 58. Das IDW ist der Ansicht, dass der Prognosezeitraum grundsätzlich durch die letzte Fälligkeit der bestehenden Verbindlichkeiten determiniert wird. In der Praxis wird der zu untersuchende Zeitraum in der Regel durch das laufende und das kommende Geschäftsjahr begrenzt sein, da ansonsten die Höhe und der Zeitpunkt der Zahlungen nicht hinreichend sicher bestimmbar sind. Vgl. IDW PS 800, Tz. 12. Sowie beim Nachlass §§ 19 Abs. 1, 320 Satz 1 InsO. Vgl. § 19 Abs. 3 i.V.m. § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO. Diese Erweiterung der Insolvenzeröffnungsgründe, wenn keine natürliche Person haftet, wird mit der beschränkten Haftung der Kapitalgesellschaften begründet. Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 59. Dieser Eröffnungsgrund ist bei natürlichen Personen sowie bei OHG und KG ausgeschlossen. Vgl. Zimmermann, Walter (2003), S. 11. Dieser Eröffnungsgrund ist nicht auf Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit anwendbar, falls einer ihrer persönlich haftenden Gesellschafter eine Gesellschaft ist, in der eine natürliche Person persönlich haftet (§ 19 Abs. 3 Satz 2 InsO). Vgl. Foerste, Ulrich (2004), S. 61.
36
B. 3.1.1.4.
Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit und Prüfungsplanung
Der Prüfer ist verpflichtet, sich Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie über das wirtschaftliche und rechtliche Unternehmensumfeld zu verschaffen, die die Grundlage für eine gewissenhafte Prüfungsplanung und -durchführung195 nach pflichtgemäßem Ermessen des Prüfers bilden. Ereignisse, Geschäftsvorfälle und -praktiken, die nach seiner persönlichen Einschätzung wesentliche Auswirkungen auf den Abschluss haben, sollen so besser erkannt und verstanden werden.196 Des Weiteren ist das Erkennen von ungewöhnlichen Umständen wahrscheinlicher. Dazu zählen Hinweise auf Täuschungen oder Gesetzesverstöße, die Einfluss auf die Urteilsbildung der Going Concern Annahme haben können.197 Der Umfang der Kenntnisse ist abhängig vom Prüfer und kann nicht denen der gesetzlichen Vertreter des Unternehmens entsprechen, da der Prüfer niemals sämtliche den gesetzlichen Vertretern zur Verfügung stehenden Informationen zusammentragen kann.198 Die Aneignung des Wissens erfolgt in einem kontinuierlichen Prozess, in dem sich der Prüfer bereits vor Auftragsannahme ein vorläufiges Bild über das Unternehmen macht, das nach der Auftragsannahme und im Prüfungsverlauf anhand der hinzugewonnenen Kenntnisse stetig überprüft, aktualisiert und weiterentwickelt wird.199
195
196
197
198 199
Die Prüfungsdurchführung hat unter Berücksichtigung aller Aufträge ziel- und zeitgerecht sowie wirtschaftlich zu erfolgen, um einen angemessenen Prüfungsablauf unter sachlichen, personellen und zeitlichen Gesichtspunkten gewährleisten zu können. Die risikoorientierte Prüfungsstrategie ist hinsichtlich verschiedener Sachverhalte zu entwickeln. Hierbei sind Unternehmens- und Geschäftstätigkeitskenntnisse, Verständnis für das rechnungslegungsbezogene interne Kontrollsystem, Risiko- und Wesentlichkeitseinschätzungen, Art, Ablauf und Ausmaß der Prüfungshandlungen sowie Koordination, Leitung, Überwachung und Nachschau der Prüfung zu beachten. Des Weiteren ist zu beurteilen, ob die Going Concern Annahme gegeben ist. Vgl. IDW PS 240: Grundsätze der Planung von Abschlussprüfungen (IDW PS 240). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 7 und 17. Vgl. IDW PS 240, Tz. 16. Der Abschluss umfasst hier den Jahresabschluss, den Lagebericht, die Prüfung sowie die Berichterstattung. Vgl. IDW PS 230: Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie das wirtschaftliche und rechtliche Umfeld des zu prüfenden Unternehmens im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 230). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 5. Vgl. IDW PS 230, Tz. 7. Auch IDW PS 210 schreibt vor, dass der Prüfer sich ein Grundverständnis über den rechtlichen Rahmen anzueignen hat, um dessen Einhaltung nachvollziehen zu können. Besondere Aufmerksamkeit ist auf die Vorschriften zu legen, von denen die Unternehmensfortführung wesentlich bestimmt wird, z.B. Auflagen für den Geschäftsbetrieb oder das Gemeinnützigkeitsrecht für gemeinnützige Unternehmen. Vgl. IDW PS 210: Zur Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 210). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 32. Vgl. IDW PS 230, Tz. 5 und 8. Vgl. IDW PS 230, Tz. 9-11. Zu dessen Informationsquellen zählen Gespräche mit Unternehmensmitarbeitern einschließlich der gesetzlichen Vertreter sowie mit Prüferkollegen der gleichen Branche, die Wirtschaftspresse oder vom Unternehmen bereitgestellte Unterlagen. Vgl. IDW PS 230, Tz. 14.
37
Problemfelder sind zu identifizieren und Prüfungsnachweise zu beurteilen. In Bezug auf die Prüfung der Unternehmensfortführung bilden sie die Basis für die Würdigung von Unternehmensrisiken und der diesbezüglichen Reaktionen der gesetzlichen Vertreter, die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems sowie die Untersuchung der Schätzungen der gesetzlichen Vertreter, die sich im Jahresabschluss und im Lagebericht niederschlagen. Eine Stellungnahme des Prüfers zur Beurteilung der Annahme der Unternehmensfortführung und der Risiken der künftigen Entwicklung durch die gesetzlichen Vertreter ist dabei eingeschlossen.
B. 3.1.1.5.
Urteilsbildung über die Going Concern Annahme
Die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme ist anhand von gewonnenen Erkenntnissen durchzuführen. So kann z.B. bei Vorliegen eines Insolvenzgrundes die Entscheidung eindeutig und zügig getroffen werden, dass der Going Concern Annahme rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen und damit eine Abkehr vom Grundsatz der Unternehmensfortführung zu erfolgen hat. Bei tatsächlichen Gegebenheiten kann die Annahme des Going Concern Prinzips nicht immer unmissverständlich geklärt werden. Zur Urteilsbildung können dann u.a. analytische Prüfungshandlungen herangezogen werden. Entscheidungen, die ausnahmslos auf analytischen Prüfungshandlungen basieren, dürfen nur bei unwesentlichen Posten Anwendung finden. Wesentliche Posten sind weitergehend zu analysieren.200 Analytische Prüfungshandlungen sind Plausibilitätsüberlegungen von Verhältniszahlen und Trends, durch die ungewöhnliche Abweichungen oder Veränderungen sowie Beziehungen von prüfungsrelevanten Unternehmensdaten zu anderen Daten erkannt werden sollen.201 Solche unterstellten Datenzusammenhänge gelten solange, bis etwas Gegenteiliges bekannt wird.202 Den Plausibilitätsüberlegungen liegen einfache Vergleiche oder komplexe Untersuchungen zu Grunde, deren Auswahl im Ermessen des Prüfers liegt.203 Es ist zu bedenken, dass die Qualität und die Aussagefähigkeit der Ergebnisse von analytischen Prüfungshandlungen stets von der Zuverlässigkeit der Informationen abhängen, auf denen diese basieren. Wurden fehlerhafte Angaben in die Urteilsbildung miteinbezogen, besteht die Gefahr einer Falschaussage und damit einer Fehlentscheidung.204 Angesichts der grundlegenden Bedeutung der Prüfung der Going Concern Annahme sollten die Resultate von analytischen Prüfungshandlungen lediglich als Hilfestellung bei der endgültigen Entscheidung oder zum Erkennen von bestandsgefährdenden Sachverhalten berücksichtigt werden. Die Urteilsbildung ist als Entscheidungsprognose
200
201 202 203
204
Vgl. IDW PS 312: Analytische Prüfungshandlungen (IDW PS 312). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 12. Vgl. IDW PS 312, Tz. 5. Vgl. IDW PS 312, Tz. 6. Als komplexe Analysen gelten z.B. mathematisch-statistische Verfahren wie Diskriminanzanalyse oder künstliches neuronales Netz. Vgl. IDW PS 312, Tz. 9. Für Erläuterungen zu diesen Verfahren wird auf Kapitel C. 2.1.2.2. verwiesen. Vgl. IDW PS 312, Tz. 13.
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anzusehen, die unter Heranziehung aller für den Fortbestand des Unternehmens relevanten Gegebenheiten getroffen wird.205 Gemäß § 320 Abs. 2 Satz 1 HGB kann der Prüfer alle Nachweise verlangen, die für eine sorgfältige Prüfung notwendig sind. Er darf grundsätzlich von der Echtheit der Dokumente und Buchungsunterlagen sowie der Richtigkeit der ihm zur Verfügung gestellten Informationen ausgehen, wenn eine nach den berufsüblichen Grundsätzen durchgeführte Prüfung unter Voraussetzung einer kritischen Grundhaltung206 keine gegenteiligen Anhaltspunkte erbracht hat.207 Der Prüfer stützt sein Urteil auf Prüfungsfeststellungen, die er aus den während der Prüfung erlangten Nachweisen ableitet.208 Vor der endgültigen Entscheidung ist eine Gesamtdurchsicht mit Hilfe analytischer Prüfungshandlungen durchzuführen.209 Es existieren keine Prüfungsnormen, die dem Prüfer vorschreiben, wie Einzelurteile zu einem Gesamturteil zusammengefasst werden können oder müssen. Die Verlässlichkeit von Prüfungsnachweisen ist abhängig von deren Art.210 Aussagen der gesetzlichen Vertreter können stets als Prüfungsnachweis verwendet werden.211 Es ist eine Vollständigkeitserklärung der gesetzlichen Vertreter einzuholen, in der die Vollständigkeit der erteilten Aufklärungen und Nachweise bestätigt wird.212
205 206
207 208
209
210
211
212
Vgl. Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gert (1999), Rn. 15. Vgl. IDW PS 200: Ziele und allgemeine Grundsätze der Durchführung von Abschlussprüfungen (IDW PS 200). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 17; IDW PS 210, Tz. 14; ISA 200: Objective and general principles governing an audit of financial statements (ISA 200). Im Internet unter: http://www.ifac.org/Store/Cate gory.tmpl?Category=Auditing%2C%20Assurance%20%26%20Related%20Services&Cart=1142689 100342377, hier Tz. 6 und 7 sowie ISA 240: The auditor’s responsibility to consider fraud and error in an audit of financial statements (ISA 240). Im Internet unter: http://www.ifac.org/Store/Catego ry.tmpl?Category=Auditing%2C%20Assurance%20%26%20Related%20Services&Cart=114268910 0342377, hier Tz. 13. Vgl. IDW PS 210, Tz. 41. Vgl. IDW PS 300: Prüfungsnachweise im Rahmen der Abschlussprüfung (IDW PS 300). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 1 und 6; ISA 700, Tz. 2. Vgl. IDW PS 312, Tz. 23; ISA 520: Analytical procedures (ISA 520). Im Internet unter: http://www. ifac.org/Store/Category.tmpl?Category=Auditing%2C%20Assurance%20%26%20Related%20Servic es&Cart=1142689100342377, hier Tz. 13. Vgl. IDW PS 300, Tz. 36; ISA 500: Audit evidence (ISA 500). Im Internet unter: http://www.ifac. org/Store/Category.tmpl?Category=Auditing%2C%20Assurance%20%26%20Related%20Services& Cart=1142689100342377, hier Tz. 15. Vgl. IDW PS 303: Erklärungen der gesetzlichen Vertreter gegenüber dem Abschlussprüfer (IDW PS 303). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, hier Tz. 7-9; ISA 580: Management representation (ISA 580). Im Internet unter: http://www.ifac.org/Store/Category.tmpl?Category=Auditing%2C%20Assurance%20%26%20Relate d%20Services&Cart=1142689100342377, hier Tz. 20. Vgl. IDW PS 303, Tz. 20-24 und 27; ISA 580, Tz. 11-14.
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B. 3.1.1.6.
Zusätzliche Prüfungshandlungen bei bestandsgefährdenden Tatsachen
Bei Zweifeln an der Angemessenheit der Going Concern Annahme ist besondere Aufmerksamkeit geboten. Entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen können während der Prüfungsplanung und der -durchführung offenkundig werden. Ihre Beurteilung ist im Verlauf der Prüfung fortzusetzen. Sofern Anhaltspunkte für eine Bestandsgefährdung festgestellt werden, sind anhand von geeigneten Prüfungshandlungen die tatsächliche Bedrohung sowie ihr Ausmaß zu bestimmen.213 Hierbei müssen die geplanten (Gegen-)Maßnahmen der gesetzlichen Vertreter sowie die Gefährdung durch reduzierende bzw. kompensierende Sachverhalte kritisch berücksichtigt werden. Der Prüfer hat sich die tatsächliche Durchführung dieser Maßnahmen durch die gesetzlichen Vertreter schriftlich bestätigen zu lassen.214 Durch Befragungen sind seit der Einschätzung über die Going Concern Annahme eventuell zusätzliche Sachverhalte in Erfahrung zu bringen. Grundsätzlich sind ausreichende und angemessene Nachweise darüber zu erhalten, ob die Planungen der gesetzlichen Vertreter umsetzbar, zuverlässig und hinsichtlich der Gefährdung auch wirksam sind.215 Sind Ereignisse oder Vorgänge als bestandsgefährdend anzusehen, ist bestimmten Prüfungshandlungen eine zusätzliche Bedeutung beizumessen.216 Es muss ein Urteil über die Verlässlichkeit des Prognosemodells sowie über die Plausibilität der zu Grunde liegenden Annahmen getroffen werden. Sofern der Jahresabschluss unter der Annahme der Unternehmensfortführung aufgestellt worden ist, obwohl zu diesem Zeitpunkt davon nicht ausgegangen werden konnte, hat der Prüfer mit Hilfe von Prüfungsnachweisen sicherzustellen, dass die bisher erfolgten Maßnahmen die Bestandsgefährdung behoben haben und damit die Aufstellung unter der Going Concern Annahme rechtmäßig war. Hierbei sind alle für die Beurteilung entscheidenden, zum Prognosezeitpunkt eingetretenen Informationen einzubeziehen.217 Ist auf Grund der Prüfungshandlungen eine Gefahr für eine Insolvenz zu vermuten, hat der Prüfer im Rahmen seiner Berichtspflicht die gesetzlichen Vertreter auf ihre insolvenzrechtlichen Verpflichtungen hinzuweisen.218 Eine weitergehende Verantwortung besteht für ihn nicht.
213
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216
217 218
Beispielsweise können interne Planungsunterlagen herangezogen werden. Vgl. IDW PS 270, Tz. 18 und 26-31 sowie ISA 570, Tz. 12 i.V.m. ISA 570, Tz. 26-29. Verweigern die gesetzlichen Vertreter diese vom Prüfer für notwendig erachtete Bescheinigung, so ist Tz. 19 des IDW PS 303 zu beachten. Danach liegt dann ein Prüfungshemmnis vor, das zu einem eingeschränkten Testat oder einem Versagungsvermerk führen kann. Unabhängig von den Auswirkungen auf den zu erteilenden Bestätigungsvermerk ist darauf zusätzlich im Prüfungsbericht hinzuweisen. Vgl. IDW PS 450: Grundsätze ordnungsmäßiger Berichterstattung bei Abschlussprüfungen (IDW PS 450). In: Die Wirtschaftsprüfung, 59. Jg., 2006, S. 113-128, hier Tz. 59. Vgl. IDW PS 270, Tz. 28 und 30 sowie IDW EPS 350 n.F. (2005): Entwurf einer Neufassung des IDW Prüfungsstandards: Prüfung des Lageberichts. In: Die Wirtschaftsprüfung, 58. Jg., 2005, S. 1224-1228, hier Tz. 21 bei Berücksichtigung des Lageberichts sowie ISA 570, Tz. 26. Dazu zählen u.a. die Analyse und Diskussion der Zahlungsströme mit den gesetzlichen Vertretern oder das kritische Lesen von Sitzungsprotokollen. Vgl. IDW PS 270, Tz. 29 sowie ISA 570, Tz. 27 und 28. Vgl. IDW PS 270, Tz. 31. Für Ausführungen zu den dem Going Concern Prinzip entgegenstehenden rechtlichen Gegebenheiten und dem Insolvenzverfahren siehe Kapitel B. 3.1.1.3.
40
B. 3.1.1.7.
Bewertung
Die Annahme oder Ablehnung der Going Concern Prämisse hat Auswirkungen auf die Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden. Eine Regelung, wie bei der Nicht-Annahme im Einzelnen zu bewerten ist, enthält § 252 HGB nicht. Der IDW RS HFA 17 hingegen behandelt verschiedene Beispiele zum Bilanzansatz, zur Bewertung und zum Ausweis bei einer Abkehr von der Going Concern Annahme.219 Den Vermögensgegenständen eines Unternehmens ist im Fall der Unternehmensfortführung ein anderer Wert beizumessen als z.B. bei dessen Veräußerung oder Liquidation.220 Ist die Annahme des Prinzips angemessen, so sind bei der Bewertung der Verbleib der Vermögensgegenstände im Unternehmen und deren künftiger Nutzen zu berücksichtigen. Bei der Nicht-Annahme des Going Concern Prinzips ist z.B. der Einzelveräußerungswert anzusetzen, sofern das Anschaffungs- und Herstellungsprinzip eingehalten wird.221 Bei Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens, die zum Verbrauch oder zur Veräußerung bestimmt sind, wird erst durch die Annahme des Going Concern Prinzips die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Vermögensgegenstände ohne Zeitdruck verbraucht (Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe), fertig gestellt (unfertige Erzeugnisse) oder veräußert (fertige Erzeugnisse) werden können. Bei einer Nicht-Annahme ändern sich die Werte in Abhängigkeit von den verbliebenen Verwendungsmöglichkeiten, so dass unter Umständen nicht mehr benötigte Vermögensgegenstände mit Verlusten verkauft oder verschrottet werden. Bei anderen Vermögensgegenständen hat die Ermittlung ihrer Zeitwerte unabhängig von der Fortführung des Unternehmens zu erfolgen. Dazu gehören vor allem liquide Mittel und Vermögensgegenstände mit hoher Liquidität, z.B. Wertpapiere oder kurzfristige Forderungen.222 Die Veräußerungserlöse spielen nur eine Rolle, wenn die ermittelten Zeitwerte unter den bisherigen Buchwerten liegen, da das Niederstwertprinzip nicht außer Kraft ist.223 Dieses ist so lange beizubehalten, bis anstelle eines Jahresabschlusses nach §§ 242-245 HGB eine Insolvenzoder Liquidationsbilanz (§ 270 AktG) aufgestellt werden muss. Die Zerschlagungswerte werden dort unabhängig von den derzeitigen Werten angesetzt. Des Weiteren müssen eventuell spezifische Verpflichtungen, z.B. Aufwendungen auf Grund eines erstellten Sozialplans oder Vertragsstrafen auf Grund der nicht mehr zu erwartenden Vertragserfüllung, berücksichtigt werden.224
219 220
221 222 223 224
Vgl. IDW RS HFA 17 (2006), S. 40-44. Generell werden bei einer Unternehmensfortführung höhere Werte ermittelt als bei einer Zerschlagung oder Liquidation eines Unternehmens. Vgl. Wohlgemuth, Michael (2004), Rn. 15. Vgl. Budde, Wolfgang Dieter/Geißler, Gerd (1999), Rn. 9. Vgl. Wohlgemuth, Michael (2004), Rn. 17. Vgl. Wohlgemuth, Michael (2004), Rn. 21; IDW RS HFA 17 (2006), Tz. 23. Vgl. Müller, Welf (1988), S. 16; Wohlgemuth, Michael (2004), Rn. 22; IDW RS HFA 17 (2006), Tz. 15.
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B. 3.1.2. B. 3.1.2.1.
Der Lagebericht Aufstellung eines Lageberichts
Im Lagebericht wird die im Jahresabschluss dargestellte Vermögens-, Finanz- und Ertragslage verdichtet. Zusätzlich werden wichtige Informationen aufgenommen, die aus dem Zahlenwerk des Jahresabschlusses nicht erkennbar sind und dieses ergänzen.225 Im Gegensatz zum Jahresabschluss berücksichtigt der Lagebericht prognostische Informationen stärker, da hier keine Einschränkung der Berichterstattung durch die GoB, insbesondere durch das Stichtagsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB, erfolgt.226 Die Pflicht zur Aufstellung eines Lageberichts ist im HGB und in Spezialgesetzen geregelt.227 Für Kapitalgesellschaften, die nicht kleine i.S.d. § 267 Abs. 1 HGB sind, ist die Aufstellung eines Lageberichts nach § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB obligatorisch.228 Verantwortlich dafür sind die gesetzlichen Vertreter des Unternehmens (§ 264 Abs. 1 Satz 2 HGB), wobei die Erstellung delegiert werden kann. Wer als gesetzlicher Vertreter einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Gesellschaft im Lagebericht unrichtig wiedergibt oder verschleiert, wird mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft (§ 331 Nr. 1 HGB). DRS 15 enthält die Grundsätze ordnungsmäßiger Erstellung eines Lageberichts: Grundsatz der Vollständigkeit, Grundsatz der Richtigkeit sowie Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit. Der Grundsatz der Vollständigkeit besagt, dass alle für die Gesamtbeurteilung der wirtschaftlichen Lage, des Geschäftsverlaufes einschließlich des Geschäftsergebnisses und die voraussichtliche Entwicklung erforderlichen oder nach § 289 Abs. 2 HGB verpflichtenden Angaben enthalten sein müssen. Es ist ein zutreffendes Bild von der Gesamtlage des Unternehmens und seiner künftigen Entwicklung mit ihren Chancen und Risiken zu vermitteln.229 Diese Vollständigkeit bezieht sich lediglich auf wesentliche Geschäftsvorfälle, die das Bild des Unternehmens beeinflussen können (Grundsatz der Wesentlichkeit). Die Auswahl sowie der Umfang der 225 226
227
228
229
Vgl. Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 876. Vgl. DRSC (2005): DRS 15 Lageberichterstattung. In: Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (Hrsg.): Deutsche Rechnungslegungsstandards (DRS) - German Accounting Standards (GAS) Rechnungslegungs Interpretationen (RIC) - Accounting Interpretations (AIC), Loseblattsammlung, Stand Oktober 2005, Stuttgart 2005, Abs. 47; Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 875-876. Gemäß § 335 HGB muss das Registergericht die Mitglieder des vertretungsberechtigten Organs einer Kapitalgesellschaft zur Aufstellung und zur Veranlassung der Prüfung des Lageberichts durch Festsetzung von Zwangsgeldern bis zu 5.000 EUR anhalten, sofern Dritte dies ans Gericht herantragen. Bei Nichtbeachtung des § 325 HGB zur Offenlegung des Lageberichts ist nach § 335a HGB auf Antrag ein Ordnungsgeld von mindestens 2.500 EUR und höchstens 25.000 EUR festzusetzen. Die Vorschriften der §§ 331 - 335a HGB gelten nach § 335b HGB ebenfalls für Personengesellschaften i.S.d. § 264a Abs. 1 HGB. Vgl. für AG und GmbH auch § 170 Abs. 1 AktG und § 42a Abs. 1 Satz 1 GmbHG. Für die übrigen Unternehmen sind u.a. folgende Gesetzesnormen zu beachten: § 264a Abs. 1 i.V.m. § 264 Abs. 1 HGB (Personengesellschaften, die die Größenkriterien für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften nach § 267 Abs. 2 und 3 HGB erfüllen), § 336 Abs. 1 und 2 HGB (Genossenschaften, die die Größenkriterien für mittelgroße und große Kapitalgesellschaften nach § 267 Abs. 2 und 3 HGB erfüllen), § 290 Abs. 1 und 2 HGB (Konzerne), § 5 Abs. 2 PublG i.V.m. §§ 1 und 3 PublG (u.a. Vereine, rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts sowie Körperschaften), § 340a Abs. 1 HGB (Kreditinstitute), § 341a Abs. 1 HGB und § 55 Abs. 1 VAG (Versicherungsunternehmen). Vgl. DRSC (2005), Abs. 2; IDW EPS 350 n.F. (2005), Tz. 5.
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berichtspflichtigen Sachverhalte haben sich an den Interessen der Lageberichtsadressaten zu orientieren und bestimmen sich durch die Unternehmensverhältnisse.230 Die Art der Darstellung geben die Grundsätze ordnungsmäßiger Erstellung eines Lageberichts nicht vor, so dass sich die gesetzlichen Vertreter nach ihrem Ermessen für eine Berichtsform entscheiden können.231 Wesentliche positive und negative Sachverhalte sind trotz eventuell auftretender Kompensationseffekte zu erläutern.232 Der Grundsatz der Richtigkeit verlangt, dass sowohl die gesetzlich geforderten als auch die freiwilligen Angaben intersubjektiv nachprüfbar, glaubhaft233 sowie in sich schlüssig234 sind. Nach dem Grundsatz der Klarheit und Übersichtlichkeit müssen die Angaben des Lageberichts in klarer, eindeutiger und verständlicher Form enthalten sein.235 Des Weiteren sind bei wesentlichen zahlenmäßigen Angaben Vorjahreszahlen erforderlich.236 Die Anwendung der Grundsätze ordnungsmäßiger Erstellung des Lageberichts ist aus der gewissenhaften Berufsausübung (§ 43 Abs. 1 Satz 1 WPO) abzuleiten, da in keiner gesetzlichen Norm direkt darauf Bezug genommen wird. Sie können als Hilfestellung und Anregung angesehen werden.237 Die gesetzlichen Vorschriften geben einen Berichtsrahmen vor, konkretisieren bzw. begrenzen diesen jedoch weder in formaler noch in inhaltlicher Sicht, so dass die Gestaltung des Lageberichts großen Ermessensspielräumen unterliegt.238 Nach herrschender Meinung wird von einer analogen Anwendung der für den Anhang geltenden Schutzklausel des § 286 Abs. 1 HGB ausgegangen.239 Eine Analogie ist für die übrigen Absätze dieses Paragrafen nicht zulässig.240 Die Berichterstattungspflicht wird nicht eingeschränkt, auch wenn Nachteile für das berichtende oder ein anderes Unternehmen zu befürchten sind.241 Sofern der Lagebericht unter der Nicht-
230 231
232 233 234 235
236
237
238 239
240 241
Dazu zählen u.a. die Größe, die Branche oder die Unternehmenslage. Vgl. DRSC (2005), Abs. 11. Es sind z.B. exakte Zahlenangaben, Kennzahlen, verbale Erläuterungen und Schaubilder möglich. Vgl. Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 877; Lück, Wolfgang (2003): § 289 HGB. In: Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (Hrsg.), Handbuch der Rechnungslegung, Einzelabschluss, Kommentar zur Bilanzierung und Prüfung, 5. Aufl., Stuttgart 2003, Rn. 22. Vgl. DRSC (2005), Abs. 12. Hierunter sind Plausibilität und Widerspruchsfreiheit zu verstehen. Die Angaben müssen rechnerisch und sachlich richtig sowie willkürfrei ausgewählt sein. Ähnlich bei Lück: Grundsatz der Wahrheit einschließlich Richtigkeit, Grundsatz der Vollständigkeit einschließlich Wesentlichkeit, Grundsatz der Klarheit einschließlich Verständlichkeit, Genauigkeit, Übersichtlichkeit und Vergleichbarkeit. Vgl. Lück, Wolfgang (2003), Rn. 15-28. Siehe auch Leffson, Ulrich (1987), S. 179; WP Handbuch (2000), F 791. Bei wesentlichen ökonomischen Größen sind Mehrjahresvergleiche anzustreben. Vgl. DRSC (2005), Abs. 26-27. Ebenso Selchert, Friedrich Wilhelm/Erhardt, Martin/Fuhr, Annette/Greinert, Markus (2000): Prüfung des Lageberichts: einschließlich Konzernlagebericht nach deutschem und internationalem Recht, Bielefeld 2000, S. 34-35 und 45. Vgl. Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 877; Lück, Wolfgang (2003), Rn. 15. Siehe Ellrott, Helmut (1999): § 289 HGB. In: Beck´scher Bilanz-Kommentar, Handels- und Steuerrecht - §§ 238 bis 339 HGB -, 4. Aufl., München 1999, Rn. 12; WP Handbuch (2000), F 794; ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 54; Krawitz, Norbert (2004): § 289 HGB. In: Hofbauer, Max A./Kupsch, Peter (Hrsg.), Bonner Handbuch der Rechnungslegung, Loseblattsammlung, Stand November 2004, Bonn 2004, hier Rn. 87. Demnach besteht eine Unterlassungspflicht, wenn nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung das Wohl der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Länder durch Angaben im Lagebericht gefährdet ist. Ellrott, Helmut (1999), Rn. 12; ADS (2002), § 289 HGB, Tz. 54. Vgl. Lück, Wolfgang (2003), Rn. 29.
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Annahme des Grundsatzes der Unternehmensfortführung aufgestellt worden ist, hat dies deutlich und mit Begründung zu erfolgen. Des Weiteren ist der Zeitraum anzugeben, in dem voraussichtlich das Vermögen liquidiert und die Schulden beglichen sind, sowie die Art und Weise der Unternehmenseinstellung unter Nennung der abschätzbaren finanziellen Auswirkungen.242 Die wichtigste Norm für den Inhalt eines Lageberichts ist § 289 HGB.243 Im folgenden Abschnitt über den Lageberichtsinhalt stehen hauptsächlich Aspekte mit Bezug zur Going Concern Prämisse im Vordergrund.
B. 3.1.2.2. B. 3.1.2.2.1.
B. 3.1.2.2.1.1.
Inhalt eines Lageberichts Inhalt eines Lageberichts nach § 289 Abs. 1 HGB (Allgemeine Berichtspflichten) Wirtschaftsbericht
Der Wirtschaftsbericht hat Angaben zum Geschäftsverlauf einschließlich des Geschäftsergebnisses244 und zur Lage der Kapitalgesellschaft (§ 289 Abs. 1 Satz 1 HGB) zu enthalten. In § 289 Abs. 1 Satz 1 HGB wird die Formulierung „Vermögens-, Finanz- und Ertragslage“ aus der Generalnorm des § 264 Abs. 2 Satz 1 HGB nicht erneut aufgegriffen, sondern es wird von der Lage der Gesellschaft gesprochen. In Folge dessen erfolgt die Berichterstattungspflicht umfassender als im Jahresabschluss, da im Lagebericht ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der gesamten Lage des Unternehmens vermittelt werden soll.245 Eine klare Abgrenzung der Begriffe Geschäftsverlauf und Lage erscheint auf Grund der fehlenden gesetzlichen Definition schwierig, da im Rahmen des Geschäftsverlaufes zu erläuternde Ereignisse Einfluss auf die Lage der Gesellschaft haben.246 Grundsätzlich ist ein vergangenheitsorientierter, zeitraumbezogener Überblick zum Geschäftsverlauf zu vermitteln.247 Für den Leser des Lageberichts müssen die Entwicklung, deren verursachende Umstände und die Einschätzung der Entwicklung durch die gesetzlichen Vertreter ersichtlich sein.248
242 243
244
245 246 247
248
Vgl. IDW RS HFA 17 (2006), Tz. 41. Für den Konzernlagebericht ist § 315 HGB heranzuziehen, auf den im Folgenden nicht näher eingegangen wird. Der Begriff „Geschäftsergebnis“ wird gesetzlich nicht definiert. Für ein umfassendes Verständnis ist das Jahresergebnis i.S.d. § 275 Abs. 5 Nr. 20 bzw. Abs. 3 Nr. 19 HGB zu Grunde zu legen. Zusätzlich sind die Komponenten, die Strukturen und die Trends zu erläutern. Vgl. IDW RH HFA 1.007 (2005): IDW Rechnungslegungshinweis: Lageberichterstattung nach § 289 Abs. 1 und 3 HGB bzw. § 315 Abs. 1 HGB in der Fassung des Bilanzrechtsreformgesetzes. In: Die Wirtschaftsprüfung, 58. Jg., 2005, S. 1234-1235, hier Tz. 6. Vgl. Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 875; Krawitz, Norbert (2004), Rn. 21. Vgl. Lück, Wolfgang (2003), Rn. 33. Vgl. Kirsch, Hans-Jürgen/Scheele, Alexander (2004): Die Auswirkungen der Modernisierungsrichtlinie auf die (Konzern-)Lageberichterstattung -unter Berücksichtigung von E-DRS 20 und des Entwurfs eines Bilanzrechtsreformgesetzes vom 15.12.2003-. In: Die Wirtschaftsprüfung, 57. Jg., 2004, S. 1-12, hier S. 6; WP Handbuch (2000), F 797; ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 66. Vgl. DRSC (2005), Abs. 85 und 89.
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Die Erläuterung der Lage soll die Einflüsse offenkundig machen, die keinen Niederschlag im Jahresabschluss gefunden haben. In der Literatur wird der Begriff „Lage“ nicht einheitlich verwendet. Einige Autoren verstehen darunter die Verhältnisse zu einem bestimmten Zeitpunkt, so dass keine Angaben über die künftige Entwicklung erforderlich sind.249 Andere Autoren hingegen sind der Meinung, dass die Verhältnisse zu einem Stichtag durch die Umstände zu diesem Zeitpunkt und durch die zukünftige Entwicklung bestimmt werden.250 Die Streitfrage, ob die Berichterstattung über die Lage des Unternehmens lediglich stichtagsbezogen oder auch zukunftsorientiert sein muss, erübrigt sich durch die Klarstellung in § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB. Hiernach ist die voraussichtliche Entwicklung des Unternehmens mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zusätzlich zu berücksichtigen. Es ist unerheblich, auf Grund welcher Vorschrift die Angaben gemacht werden. Entscheidend ist, dass die Berichterstattung erfolgt. Die Darstellung beinhaltet „eine ausgewogene und umfassende, dem Umfang und der Komplexität der Geschäftstätigkeit entsprechende Analyse des Geschäftsverlaufes und der Lage der Gesellschaft“ (§ 289 Abs. 1 Satz 2 HGB). Durch das BilReG erfolgte somit eine Erweiterung des Berichtsumfangs, da eine Analyse über eine Darstellung hinausgeht.251
B. 3.1.2.2.1.2.
Chancen- und Risikobericht
Gemäß § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB „ist im Lagebericht die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken zu beurteilen und zu erläutern; zugrunde liegende Annahmen sind anzugeben.“ Obwohl die Begriffe Chancen und Risiken im Gesetz nicht definiert sind, ist auf Grund der bisherigen Gesetzesauslegung unstrittig, dass diese als gegensätzliche Formulierungen zu verstehen sind.252 Der Hinweis im Gesetz auf die Wesentlichkeit ist als Hervorhebung und Klarstellung anzusehen, da bereits die Grundsätze ordnungsmäßiger Erstellung eines Lageberichts dies vorgeben. Die durch die Einführung des BilReG ausgelösten Gesetzesänderungen erweitern die Berichtspflicht um wesentliche Chancen. Grundsätzlich war dies bereits möglich, so dass diese Modifikation deklaratorische Wirkung hat. Die einseitige Risikoberichterstattung wird durch eine unsaldierte Darstellung von negativen und positiven künftigen Entwicklungen ersetzt, um eine ausgewogene Berichterstattung zu gewährleisten. Im Prognosebericht erfolgt die Darstellung zwar ebenfalls unter Abwägung der aufgezeigten Chancen und Risiken, jedoch ist eine Verrechnung derselben erlaubt. Die früheren Formulierungen „ist […] einzugehen auf“ sowie „soll auch eingehen auf“ wurden durch „ist […] zu beurteilen und zu erläutern“ ersetzt, so dass
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Vgl. Ellrott, Helmut (1999), Rn. 15 und 17; Selchert, Friedrich Wilhelm et al. (2000), S. 152; Kirsch, Hans-Jürgen/Scheele, Alexander (2004), S. 6. Vgl. WP Handbuch (2000), F 797; Lück, Wolfgang (2003), Rn. 38; ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 85. Vgl. Kirsch, Hans-Jürgen/Scheele, Alexander (2004), S. 8. Diese Auslegung entspricht dem DRSC (2004): DRS 5 Risikoberichterstattung. In: Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee e.V. (Hrsg.): Deutsche Rechnungslegungsstandards (DRS) German Accounting Standards (GAS) Rechnungslegungs Interpretationen (RIC) - Accounting Interpretations (AIC), Loseblattsammlung, Stand März 2004, Stuttgart 2004, Abs. 9.
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der Gesetzeswortlaut präzisiert worden ist. Gleichwohl war es herrschende Meinung, dass zuvor eine bloße Aufzählung der Risiken nicht als ausreichend galt.253 Die berichtspflichtigen Chancen und Risiken müssen Auswirkungen auf die voraussichtliche Entwicklung haben. Hiermit erfolgt die Abgrenzung zum Wirtschafts- und Nachtragsbericht. Diese enthalten alle Chancen und Risiken des laufenden Geschäftsjahres bzw. des Zeitraumes bis zur Aufstellung des Lageberichts. Die Chancen- und Risiko-Berichterstattung hingegen schließt nur Sachverhalte ein, die künftig ein Abweichen von der erwarteten Unternehmensentwicklung verursachen können. § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB schreibt eine Beurteilung der Chancen und Risiken vor. Es ist eine qualitative verbale Darstellung verpflichtend, in der auf die Eintrittswahrscheinlichkeiten sowie die potenziellen Auswirkungen der Chancen und Risiken auf die künftige Entwicklung einzugehen ist. Zusätzlich wäre die Bildung einer Rangreihenfolge von Chancen und Risiken denkbar. Sofern möglich, ist eine quantitative Bewertung mit Hilfe von Kennzahlen oder Angaben von Bandbreiten anzustreben.254 Das größte Problem bei der Festlegung berichtspflichtiger wesentlicher Chancen und Risiken ist die Ermittlung von Eintrittswahrscheinlichkeiten, da diese meist nicht objektiv feststellbar sind. Sie müssen als subjektive Erwartungen der gesetzlichen Vertreter entweder verbal beschrieben oder zahlenmäßig dargestellt werden,255 wobei eine Quantifizierung nicht grundsätzlich gefordert werden kann. Dennoch ist zu gewährleisten, dass sich der Leser auf Grund der Darstellung der wesentlichen Chancen und Risiken ein eigenes Urteil über die Eintrittswahrscheinlichkeiten bilden kann.256 Die gesetzlichen Vertreter sind nicht verpflichtet, über wesentliche Chancen und Risiken mit einer geringen Eintrittswahrscheinlichkeit zu berichten.257 Dieses Vorgehen wäre aber unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Vollständigkeit wünschenswert. Neben der Beurteilung wird auch eine Erläuterung der Chancen und Risiken verlangt, so dass eine über die Beurteilung hinausgehende Kommentierung der berichtspflichtigen Sachverhalte erforderlich ist. Hierunter werden beispielsweise die Darstellung von Ursachen, Wirkungen oder Interdependenzen sowie die Beschreibung von ergriffenen bzw. geplanten Maßnahmen zur Behandlung von Chancen und Risiken verstanden. Auf Grund des sachlichen Zusammenhanges wird in der Literatur eine Integration der Darstellung der Chancen und Risiken im Prognose-
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Es wurde darunter eine angemessene verbale Risikobeschreibung, eine Nennung der Eintrittswahrscheinlichkeiten und der dadurch entstehenden Konsequenzen verstanden. Vgl. DRSC (2004), Abs. 18-19; Selchert, Friedrich Wilhelm et al. (2000), S. 215-216. Vgl. Ellrott, Helmut (1999), Rn. 35; WP Handbuch (2000), F 817; ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 107. Vgl. Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 879; Krawitz, Norbert (2004), Rn. 83. Vgl. Baetge, Jörg/Schulze, Dennis (1998): Möglichkeiten der Objektivierung der Lageberichterstattung über Risiken der künftigen Entwicklung - Ein Vorschlag zur praktischen Umsetzung der vom KonTraG verlangten Berichtspflichten -. In: Betriebs-Berater, 53 Jg., 1998, S. 937-948, hier S. 943. Sofern eine Quantifizierung vorgenommen worden ist, sind die angewendeten Modelle und deren Annahmen im Lagebericht anzugeben. Vgl. DRSC (2004), Abs. 20. Vgl. ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 14.
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bericht diskutiert.258 Dem ist zu widersprechen, da Klarheit und Übersichtlichkeit beeinträchtigt würden.259 Der frühere Risikobericht hatte eine Warnfunktion zu erfüllen. Um dieser Funktion gerecht werden zu können, waren nur wesentliche Risiken zu erläutern, „die mit einer erheblichen, wenn auch nicht notwendigerweise überwiegenden Wahrscheinlichkeit erwartet werden“.260 Zu den wesentlichen Risiken zählten solche, die entweder einen entscheidenden Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens hatten oder bestandsgefährdend waren.261 Dies hat auch beim Chancen- und Risikobericht weiter Bestand. Laut Gesetzestext sollen wesentliche Chancen aufgezeigt werden. Bestandsgefährdende Risiken sind vor den Risiken mit wesentlichem Einfluss zu nennen und als solche zu bezeichnen.262 In diesem Zusammenhang ist die Frage nach dem Fortbestand des Unternehmens von grundlegender Bedeutung, da die gesetzlichen Vertreter zum Abschlussstichtag eine auf die Chancenund Risikosituation des Unternehmens beruhende, zukunftsbezogene Einschätzung der Unternehmensfortführung vorzunehmen haben.263 Aus dem Chancen- und Risikobericht muss eine Einschätzung der Unternehmensfortführung möglich sein. Ob diese Beurteilung auch eine Negativerklärung über das Nichtvorhandensein von wesentlichen Risiken sein darf, ist strittig.264 Auf Grund der Bedeutung der gesetzlichen Verpflichtung und dem Grundsatz der Klarheit darf die Berichterstattung über wesentliche Risiken nicht fehlen, selbst wenn keine wesentlichen Risiken vorliegen.265 Erscheint die Going Concern Annahme gesichert, ist kein gesonderter Hinweis notwendig. Befürchtungen des Unternehmens hinsichtlich Konkurrenz, Imageschäden oder der Gefahr einer Self-fulfilling Prophecy (Selbstbestätigungseffekt) begründen keine Unterlassung der Darstellung wesentlicher Chancen und Risiken.266 Eine weitere Frage ist die Bestimmung, welche Chancen und Risiken durch die Früherkennung für Zwecke der Darstellung im Chancen- und Risikobericht erfasst, erkannt und prognostiziert werden müssen. Hierbei ist auf den Prognosezeitraum abzustellen, der sich am zu berücksich-
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Eine gemeinsame Berichterstattung befürworten Ellrott, Helmut (1999), Rn. 35; Dörner, Dietrich/Bischof, Stefan (1999): Zweifelsfragen zur Berichterstattung über die Risiken der künftigen Entwicklung im Lagebericht. In: Die Wirtschaftsprüfung, 52. Jg., 1999, S. 445-455, hier S. 450. A.A. ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 29; DRSC (2004), Abs. 30; Lück, Wolfgang (2003), Rn. 86. Vgl. DRSC (2004), Abs. 30; DRSC (2005), Abs. 91. IDW RS HFA 1: Aufstellung des Lageberichts. In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, Tz. 29. Vgl. DRSC (2005), Abs. 3; Selchert, Friedrich Wilhelm et al. (2000), S. 200-204. Vgl. DRSC (2004), Abs. 15. Vgl. DRSC (2005), Abs. 85. Vgl. bejahend Baetge, Jörg/Schulze, Dennis (1998), S. 942. A.A. Dörner, Dietrich/Bischof, Stefan (1999), S. 450. Vgl. ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 28. Vgl. Baetge, Jörg/Schulze, Dennis (1998), S. 943. A.A. Gelhausen, Hans Friedrich (1997): Reform der externen Rechnungslegung und ihrer Prüfung durch den Wirtschaftsprüfer. In: Die Aktiengesellschaft, Sonderheft August, 42. Jg., 1997, S. 73-82, hier S. 74.
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tigenden Zeitraum im Rahmen der Prüfung des Going Concern Prinzips orientieren könnte. Dementsprechend ist von einer Zeitspanne von wenigstens 12 Monaten nach dem Abschlussstichtag auszugehen.267 Nach ADS Meinung ist dieser Betrachtungszeitraum zu kurz, um eine dauerhafte Bestandssicherung und eine vollständige Information der Adressaten sicherstellen zu können. Als Begründung wird angeführt, dass bestandsgefährdende Risiken im Zeitraum der dem Abschlussstichtag sich anschließenden 12 Monate bereits im Jahresabschluss berücksichtigt sind.268 Im Lagebericht soll auf die Chancen und Risiken eingegangen werden, die nach dieser Frist auftreten werden und mit denen kein bilanzieller Einfluss verknüpft ist. Je weiter der Zeitraum jedoch gefasst wird, desto schwieriger ist die Wesentlichkeit der zu erläuternden Chancen und Risiken zu bestimmen. ADS schlagen für Chancen und Risiken mit wesentlichem Einfluss auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage einen Berichtszeitraum von zwei Jahren nach Abschlussstichtag vor.269 Sofern eine verlässliche Prognose für diesen Zeitraum möglich ist, sollte im Lagebericht darüber berichtet werden.270 Der Prognosezeitraum für wesentliche berichtspflichtige Chancen und Risiken im Lagebericht ist somit nicht eindeutig bestimmbar. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass im Chancen- und Risikobericht über alle bestehenden und potenziell entstehenden Risiken sowie Risiken, die bereits im Jahresabschluss abgebildet worden sind, zu berichten ist, um ein den tatsächlichen Verhältnissen angemessenes Gesamtbild des Unternehmens gewährleisten zu können.271 Chancen hingegen sind zukunftsorientiert und werden nicht im Jahresabschluss abgebildet. Auf Grund dessen sind alle wesentlichen Chancen, die nach dem Abschlussstichtag erkennbar sind, im Lagebericht zu berücksichtigen.
B. 3.1.2.2.2.
Inhalt eines Lageberichts nach § 289 Abs. 2 HGB (Spezielle Berichtspflichten)
§ 289 Abs. 2 HGB enthält weitere zu berücksichtigende Sachverhalte, die im Rahmen der Going Concern Annahme insbesondere in einem Nachtragsbericht dargestellt werden. Die Formulierung „soll auch eingehen auf“ ist nach herrschender Meinung nicht als Wahlrecht auszulegen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass diese Sachverhalte grundsätzlich darzustellen
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Vgl. WP Handbuch (2000), F 812; Buchholz, Rainer (2003), S. 41; DRSC (2004), Abs. 23-24. Nach § 264 Abs. 1 Satz 2 HGB haben die gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss und den Lagebericht in den ersten drei Monaten nach Ende des Geschäftsjahres aufzustellen. Kleine Kapitalgesellschaften gemäß § 267 Abs. 1 HGB „dürfen den Jahresabschluss auch später aufstellen, wenn dies einem ordnungsgemäßen Geschäftsgang entspricht, jedoch innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres“. Die Offenlegung muss bei Kapitalgesellschaften unabhängig von der Unternehmensgröße spätestens 12 Monate nach Bilanzstichtag erfolgt sein (§ 325 Abs. 1 Satz 1 HGB). Vgl. ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 23. Vgl. ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 25; Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 879; DRSC (2004), Abs. 24; DRSC (2005), Abs. 87. Als Beispiele sind Großprojekte zu nennen, die über einen Zeitraum von zwei Jahren laufen. Vgl. DRSC (2004), Abs. 24. Vgl. Lück, Wolfgang (2003), Rn. 64. A.A. ADS (2002), § 289 HGB, Rn. 20; DRSC (2004), Abs. 22.
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sind, sofern entsprechende wesentliche Tatsachen vorliegen.272 Form und Inhalt der verschiedenen Berichte legen die gesetzlichen Vertreter nach pflichtgemäßem Ermessen fest. Der Nachtragsbericht gemäß § 289 Abs. 2 Nr. 1 HGB beinhaltet Angaben zu Vorgängen von besonderer Bedeutung nach Ablauf des Geschäftsjahres. Die gesetzlichen Vertreter haben Ereignisse zu schildern, die zwischen dem Ende des Geschäftsjahres und der Feststellung des Jahresabschlusses aufgetreten sind.273 Hierbei ist speziell auf die die Going Concern Annahme in Frage stellenden Sachverhalte einzugehen.274 Befragungen der Unternehmensleitung und anderer Auskunftspersonen durch den Prüfer sollen die Richtigkeit der Angaben sowie das Ausmaß eventueller Auswirkungen dieser Ereignisse auf den Jahresabschluss und den Lagebericht offen legen. Es ist zwischen wertbegründenden und wertaufhellenden Sachverhalten zu unterscheiden. Letztere werden nicht im Nachtragsbericht berücksichtigt.275 Bei den wertbegründenden Sachverhalten sind neben negativen Tatsachen auch positive zu erläutern, wobei auf Grund des Vorsichtsprinzips den negativen, beunruhigenden Entwicklungen größere Bedeutung zugeschrieben wird.276 Die Verhältnisse des einzelnen Unternehmens bestimmen die Bedeutung der Sachverhalte. Im Rahmen einer aktuellen Berichterstattung sind wesentliche Vorgänge bis zur Vorlage des Lageberichts in der Hauptversammlung zu aktualisieren.277
B. 3.1.2.3.
Prüfung eines Lageberichts
Die Prüfungspflicht des Lageberichts für Kapitalgesellschaften, die nicht kleine i.S.d. § 267 Abs. 1 HGB sind, resultiert aus § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB.278 Der Prüfer hat sich zu vergewissern, ob die bestehenden gesetzlichen Normen bei der Erstellung des Lageberichts durch die 272
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Vgl. Küting, Karlheinz/Hütten, Christoph (2000): Darstellung und Prüfung der künftigen Entwicklungsrisiken und -chancen im Lagebericht. In: Lachnit, Laurenz/Freidank, Carl-Christian (Hrsg.), Investororientierte Unternehmenspublizität: neue Entwicklungen von Rechnungslegung, Prüfung und Jahresabschlussanalyse, Wiesbaden 2000, S. 399-431, hier S. 416; Lück, Wolfgang (2003), Rn. 31. Maul spricht sich für ein Wahlrecht aus. Vgl. Maul, Karl-Heinz (1984): Der Lagebericht nach der 4. EG-Richtlinie und dem Entwurf des Bilanzrichtlinie-Gesetzes. In: Die Wirtschaftsprüfung, 37. Jg., 1984, S. 187-193, hier S. 187-188. Vgl. Ellrott, Helmut (1999), Rn. 33-34; ADS (2002), § 289 HGB, Tz. 102; Lück, Wolfgang (2003), Rn. 81. Vgl. IDW PS 203, Tz. 14. Erläuterungen zu den zu berücksichtigenden Ereignissen finden sich im Kapitel B. 3.1.1.2.2. Vgl. Ellrott, Helmut (1999), Rn. 32; Lück, Wolfgang (2003), Rn. 82. Vgl. WP Handbuch (2000), F 816; Lück, Wolfgang (2003), Rn. 85. Nach Inkrafttreten des Kapitalgesellschaften- und Co-Richtlinie-Gesetz am 24. Februar 2000 erstreckt sich die Prüfungspflicht auch auf Personengesellschaften i.S.d. § 264a Abs. 1 HGB, sofern nicht die Ausnahmeregelung in § 264b HGB in Anspruch genommen wird. Auf die in § 264a HGB konkretisierten Personenhandelsgesellschaften waren die §§ 316 ff. HGB erstmals für Geschäftsjahre, die nach dem 31. Dezember 1999 begonnen haben, zwingend anzuwenden. Eine Ausnahme von der Prüfungspflicht des Lageberichts enthält § 264 Abs. 3 HGB. Vgl. Gesetz zur Durchführung der Richtlinie des Rates der Europäischen Union zur Änderung der Bilanz- und Konzernbilanzrichtlinie hinsichtlich ihres Anwendungsbereichs (90/605/EWG), zur Verbesserung der Offenlegung von Jahresabschlüssen und zur Änderung anderer handelsrechtlicher Bestimmungen (Kapitalgesellschaftenund Co-Richtlinie-Gesetz). In: BGBl. I (2000), 52. Jg., S. 154-162.
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gesetzlichen Vertreter beachtet worden sind.279 Die Prüfung des Lageberichts und des Jahresabschlusses stehen in einem unmittelbaren Zusammenhang,280 da bei fehlender Prüfung einer der beiden Gegenstände keine Feststellung des Jahresabschlusses erfolgen darf (§ 316 Abs. 1 Satz 2 HGB). Ein weiterer Grund für die enge Verbindung ist die Anführung beider Prüfungsobjekte, Jahresabschluss und Lagebericht, in verschiedenen Prüfungsnormen.281 Hinsichtlich der Prüfungsintensität und der anzuwendenden Grundsätze unterscheiden sich die beiden Prüfungen nicht.282 Es sind sämtliche Angaben innerhalb des Lageberichts uneingeschränkt prüfungspflichtig, auch wenn diese über den in § 289 HGB geforderten Katalog hinausgehen.283 Sofern erforderlich, ist der Lagebericht zudem erneut zu prüfen, wenn dieser nach Vorlage des Prüfungsberichts geändert wird. Es wird dann eine Ergänzung des Bestätigungsvermerks notwendig (§ 316 Abs. 3 HGB). Der Prüfer hat gemäß § 317 Abs. 2 Satz 1 HGB zu untersuchen, ob der Lagebericht mit dem Jahresabschluss und mit seinen bei der Prüfung gewonnenen Erkenntnissen im Einklang steht. Eine Prüfung der Übereinstimmung der prognostischen Informationen des Lageberichts mit den Angaben im Jahresabschluss durch den Prüfer ist nicht möglich. Daher ist alternativ kritisch zu hinterfragen, ob die zukunftsgerichteten Daten des Lageberichts und die Jahresabschlussangaben plausibel erscheinen und ob die von den gesetzlichen Vertretern zu Grunde gelegten Annahmen und Wirkungszusammenhänge, die Art der Schätzungen sowie deren Zeithorizont hinreichend erläutert wurden.284 Es ist die Zuverlässigkeit und Funktionsfähigkeit des unternehmensinternen Planungssystems zu analysieren. Die nach § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB zu Grunde liegenden Annahmen über die künftige Entwicklung sind auf Plausibilität, Widerspruchsfreiheit und Vollständigkeit zu untersuchen.285 Bei Prognosen und Wertungen ist darauf zu achten, dass diese als solche erkennbar und realitätsnah sind. Des Weiteren hat sich der Prüfer eine Meinung darüber zu verschaffen, ob das angewandte Prognosemodell für die vorliegende Problemstellung sachgerecht und richtig gehandhabt worden ist.286 Die wesentlichen Chancen und Risiken sowie die ergriffenen und geplanten Gegenmaßnahmen sind auf Vollständigkeit zu kontrollieren.287 Nach § 317 Abs. 2 HGB sind die zutreffende Vorstellung von der Lage der Gesellschaft sowie die richtige Darstellung der Chancen und Risiken der künftigen Entwicklung zu überprüfen.288 Bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten des zu prüfenden Unternehmens sind prognostische und wertende Angaben besonders intensiv zu untersuchen. Eventuell ist bei der
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Sofern die Satzung bzw. der Gesellschaftsvertrag zusätzliche Vorgaben für die Aufstellung des Lageberichts enthalten, sind diese zwingend sowohl vom Mandanten als auch vom Prüfer zu berücksichtigen. Vgl. Selchert, Friedrich Wilhelm et al. (2000), S. 5. Es sei darauf hingewiesen, dass der Lagebericht im Gegensatz zum Anhang (§ 242 Abs. 3 i.V.m. § 264 Abs. 1 Satz 1 HGB) kein Bestandteil des Jahresabschlusses ist. U.a. §§ 264 Abs. 1, 316 Abs. 1 und 3, 317 Abs. 2, 320 Abs. 1, 321 Abs. 1 und 2 HGB. Vgl. IDW EPS 350 n.F. (2005), Tz. 11; Küting, Karlheinz/Hütten, Christoph (2000), S. 426. Vgl. IDW EPS 350 n.F. (2005), Tz. 8 und 11. Vgl. IDW EPS 350 n.F. (2005), Tz. 8. Vgl. IDW EPS 350 n.F. (2005), Tz. 22. Vgl. IDW EPS 350 n.F. (2005), Tz. 23. Vgl. Küting, Karlheinz/Hütten, Christoph (2000), S. 425. Hier erfolgt eine Abgrenzung zum Gegenstand und Umfang der Jahresabschlussprüfung (§ 317 Abs. 1 Satz 2 HGB).
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Planung, die der Aufrechterhaltung der Going Concern Annahme als Grundlage dient, erhöhte Sorgfalt walten zu lassen.289 Der fehlende Hinweis in § 317 Abs. 2 Satz 1 HGB auf die Prüfung der Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften begründet nicht die Auffassung, dass die Normenkonformität insbesondere mit § 289 HGB nicht gegeben sein muss. Dies lässt sich aus wenigstens drei Gesetzesstellen ableiten. Erstens gibt § 316 Abs. 1 Satz 1 HGB die Prüfungspflicht vor. Zweitens sind nach § 317 Abs. 2 Satz 1 HGB die Aussagen des Lageberichts zu prüfen, was nur bei einem den gesetzlichen Anforderungen unter Berücksichtigung des § 289 HGB genügenden Lageberichts sinnvoll ist. Drittens ist gemäß § 321 Abs. 2 Satz 1 HGB im Hauptteil des Prüfungsberichts auf die Entsprechung des Lageberichts mit den gesetzlichen Vorschriften und den ergänzenden satzungs- oder gesellschaftsvertragsgemäßen Bestimmungen einzugehen. Auf Grund dessen ist die in § 317 Abs. 2 Satz 2 HGB geforderte Prüfung der zutreffenden Chancenund Risikodarstellung überflüssig, da diese Forderung bereits in § 289 Abs. 1 Satz 4 HGB enthalten ist, so dass der Risikodarstellung nach dem Willen des Gesetzgebers erhöhte Aufmerksamkeit zuteil werden soll.290
B. 3.1.3. B. 3.1.3.1.
Das Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG Maßnahmen zur Risikofrüherkennung
Risikomanagement umfasst die Gesamtheit aller organisatorischen Regelungen und Maßnahmen291 zur Erkennung von Risiken sowie zum Umgang mit den Risiken unternehmerischer Betätigung einschließlich der Reaktion des Vorstandes auf die erfassten, analysierten und kommunizierten Risiken. Die Risikoerfassung, die -analyse, die -bewertung sowie die Weiterleitung risikobezogener Daten an den zuständigen Entscheidungsträger sind zu gewährleisten.292 Gemäß § 91 Abs. 2 AktG hat der Vorstand geeignete Maßnahmen zu treffen, damit die den Fortbestand der Gesellschaft gefährdenden Entwicklungen rechtzeitig erkannt werden.293 Dies
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Vgl. IDW EPS 350 n.F. (2005), Tz. 15. Ebenso vgl. Selchert, Friedrich Wilhelm et al. (2000), S. 19. Diese Regelungen und Maßnahmen können auf die Bewältigung oder die Akzeptanz der Risiken abzielen. Vgl. IDW PS 340: Die Prüfung des Risikofrüherkennungssystems nach § 317 Abs. 4 HGB (IDW PS 340). In: IDW Prüfungsstandards (IDW PS), IDW Stellungnahmen zur Rechnungslegung (IDW RS), IDW Standards (IDW S): einschließlich der dazugehörigen Entwürfe IDW Prüfungs- und IDW Rechnungslegungshinweise (IDW PH und IDW RH), Loseblattsammlung, Stand August 2004, Düsseldorf 1999, Tz. 4. Vgl. IDW PS 340, Tz. 4. Die Besonderheiten der Maßnahmen bei Konzernen werden hier nicht berücksichtigt. Siehe dafür IDW PS 340, Tz. 34-37; Hommelhoff, Peter/Mattheus, Daniela (2000): Risikomanagement im Konzern - ein Problemaufriss. In: Betriebswirtschaftliche Forschung und Praxis, 52. Jg., 2000, S. 217-230 sowie Dörner, Dietrich/Wollmert, Peter/Bischof, Stefan (2003): Risikoberichterstattung im Konzernlagebericht. In: Wollmert, Peter/Schönbrunn, Norbert/Jung, Udo/Siebert, Hilmar/Henke, Michael (Hrsg.), Wirtschaftsprüfung und Unternehmensüberwachung (Festschrift Lück), Düsseldorf 2003, S. 305-333.
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soll vor allem durch die Einrichtung eines Risikofrüherkennungssystems erfolgen,294 das einen Teilbereich des Risikomanagements darstellt. Eine Bestandsgefährdung eines Unternehmens kann durch Risiken, deren Veränderung sowie deren Zusammenwirken untereinander entstehen. Das System muss diese Risiken so früh erfassen, dass angemessene Informationen an die zuständigen Personen und an den Vorstand rechtzeitig weitergeleitet sowie geeignete Maßnahmen getroffen werden können.295 Mit Hilfe des Risikofrüherkennungssystems sollen im Rahmen einer langfristig orientierten Früherkennung alle mittelbaren und unmittelbaren vermögenswirksamen Entwicklungen Berücksichtigung finden. Aus soziologischer Perspektive ist der Bestand eines Unternehmens jedoch nie starr, weil verschiedene externe und interne Unternehmensfaktoren laufend Veränderungen unterworfen sind. Durch Fusionen oder Umfirmierungen wirkt ein Wandel auch aus juristischer Sicht auf ein Unternehmen ein. Wichtigste Aufgabe ist somit nicht die Erhaltung des aktuellen Unternehmensstatus sondern die Vermeidung der (drohenden) Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.296 Der Gesetzestext und seine Begründung machen eine Forderung nach einem Risikomanagement und einem Risikofrüherkennungssystem deutlich.297 In welchem Verhältnis diese Elemente zu einem internen Überwachungssystem oder der Internen Revision stehen, ist nicht ersichtlich.
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Diese aktienrechtliche Regelung strahlt auch auf den Pflichtenrahmen für Geschäftsführer von Gesellschaften anderer Rechtsformen je nach Größe und Komplexität der Unternehmensstruktur aus. Vgl. IDW PS 340, Tz. 1; Ernst, Christoph/Seibert, Ulrich/Stuckert, Fritz (1998): KonTraG, KapAEG, StückAG, Euro-EG (Gesellschafts- und Bilanzrecht). Textausgabe mit Begründungen der Regierungsentwürfe, Stellungnahmen des Bundesrates mit Gegenäußerungen der Bundesregierung, Berichten des Rechtsausschusses des deutschen Bundestages, Düsseldorf 1998, S. 53. Explizit für die GmbH siehe Daum, Thomas (2001): Ausstrahlungswirkung des § 91 Abs. 2 AktG auf das RiskManagement in der GmbH. In: Lange, Knut Werner/Wall, Friederike (Hrsg.), Risikomanagement nach dem KonTraG: Aufgaben und Chancen aus betriebswirtschaftlicher und juristischer Sicht, München 2001, S. 423-437, hier S. 434: „§ 91 Abs. 2 AktG soll nach überwiegender Auffassung nicht auf sämtliche GmbHs anwendbar sein, sondern nur auf solche, die der Aktiengesellschaft hinsichtlich Größe und Struktur entsprechen. Hier sind zwei Hauptrichtungen zu erkennen. Zum einen die Abgrenzung nach der reinen Größe der GmbH und zum anderen die Abgrenzung nach der Struktur, wobei auch hier Strukturgleichheiten mit Aktiengesellschaften nur bei größeren GmbHs zu erwarten sind.“ Bestandsgefährdende Risiken sind Risiken, die in der jeweiligen Situation des Unternehmens dessen Fortbestand gefährden können. Vgl. IDW PS 340, Tz. 5. Vgl. Schäfer, Joachim G. (2001): Das Überwachungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG unter Berücksichtigung der besonderen Pflichten des Vorstands, Lohmar 2001, S. 73-74; Lück, Wolfgang/Henke, Michael (2004), S. 93-105. Seit der Einführung des BilReG ist der Lagebericht um das Informationselement „Chancen“ erweitert worden. Es besteht jedoch keine Verpflichtung des Vorstandes, ein System für die Erkennung und Nutzung von Chancen einzurichten. Dennoch ist die Risikofokussierung durch eine chancenspezifische Komponente zu ergänzen. Ein Gleichlauf bei der Chancen- und Risikobetrachtung scheint auch unangemessen, da das Bedrohungspotenzial von bestandsgefährdenden Risiken ungleich höher ist als die Gefahr aus der Nicht-Nutzung von Chancen. Vgl. Kaiser, Karin (2005): Erweiterung der zukunftsorientierten Lageberichtserstattung: Folgen des Bilanzrechtsreformgesetzes für Unternehmen. In: Der Betrieb, 58. Jg., 2005, S. 345-353, hier S. 345.
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Die Literatur enthält eine Reihe von Interpretationsansätzen über die Integration der Elemente eines Risikomanagementsystems nach § 91 Abs. 2 AktG für das Unternehmen.298 Die nach § 91 Abs. 2 AktG geforderten Maßnahmen werden wie folgt aufgeteilt. Da Risiken in allen Unternehmensbereichen möglich sind,299 sind die Risikofelder zu bestimmen, aus denen sich bestandsgefährdende Risiken entwickeln können. Unternehmensbereiche, die durch derartige Risiken bedroht sind oder aus denen solche Risiken vorwiegend resultieren, sind abzugrenzen.300 Anschließend sind die Risiken bzw. Risikoarten zu definieren. In einem laufenden Prozess muss das Unternehmen diese Begriffsabgrenzungen sowie die festgelegten Risikofelder auf ihre Aktualität und Wirksamkeit überprüfen.301 Risikoerkennung und Risikoanalyse bilden die Risikoerfassung. Ein Risikofrüherkennungssystem ist nur dann effektiv, wenn neben den abgegrenzten Risiken auch undefinierte Risiken erkannt werden. Dies setzt ein angemessenes Risikobewusstsein, besonders bei den Mitarbeitern in risikoanfälligen Unternehmensbereichen, voraus.302 Im Rahmen der Risikoanalyse werden die Eintrittswahrscheinlichkeiten und Auswirkungen der Risiken beurteilt. Dabei ist zu hinterfragen, ob Einzelrisiken, deren Zusammenwirken oder deren Wirkungsverstärkung im Zeitablauf zu einer Bestandsgefährdung führen können. Es ist zu untersuchen, ob die bereits durchgeführten Reaktionen auf erkannte Risiken ausreichend sind oder ob zusätzlicher Handlungsbedarf besteht.303 Die Risikokommunikation erfolgt in Form der Weiterleitung von Informationen über nicht bewältigte Risiken in nachweisbarer Form an die zuständigen Entscheidungsträger. Auf jeder Stufe der Risikokommunikation sind Schwellenwerte oder andere Kriterien zu bestimmen, deren Überschreiten eine Berichtspflicht auslöst.304 Die Berichtsempfänger und die Häufigkeit der Berichterstattung sind von der Risikoart und ihrer Wichtigkeit abhängig.305 Sofern bestandsgefährdende Risiken nicht im Risikomanagementprozess von nachgeordneten Stellen geklärt werden können, sind diese bis zum Vorstand weiterzuleiten.306 In jedem Unternehmensbereich sind Verantwortliche für die Bewältigung des Risikofrüherkennungssystems oder für die Weiterleitung entsprechender Informationen zu benennen. Aggregationen, Wechselwirkungen oder eventuelle Kompensationen von Risiken sollen somit durch die Berichterstattung zwischen einzelnen Bereichen früh erkannt werden.307 Das Überwachungssystem kontrolliert die Einhaltung der erforderlichen Maßnahmen zur Erfassung und Kommunikation.308 Damit eine dauerhafte und personenunabhängige Funktionsfähigkeit der getroffenen Maßnahmen gewährleistet sowie die Pflichtenerfüllung durch den Vorstand nachgewiesen werden kann, ist ein Risikohandbuch zu erstellen, in dem die Maß298
299
300 301 302 303 304 305 306 307 308
Auf weitere Ausführungen wird an dieser Stelle verzichtet. Eine Übersicht der verschiedenen Ansätze bzw. weiterführende Informationen finden sich bei Schäfer, Joachim G. (2001), S. 66-69. Hierunter ist das gesamte Unternehmen zu verstehen, einschließlich aller betrieblichen Prozesse und Funktionsbereiche sämtlicher Hierarchiestufen und Stabsfunktionen. Vgl. IDW PS 340, Tz. 7. Vgl. IDW PS 340, Tz. 6. Vgl. IDW PS 340, Tz. 8. Vgl. IDW PS 340, Tz. 9. Vgl. IDW PS 340, Tz. 10. Diese Schwellenwerte und Kriterien sind ebenfalls laufend zu überprüfen. Vgl. IDW PS 340, Tz. 11. Vgl. IDW PS 340, Tz. 12. Vgl. IDW PS 340, Tz. 4. Vgl. IDW PS 340, Tz. 13. Vgl. IDW PS 340, Tz. 15. Die Maßnahmen nach § 91 Abs. 2 AktG werden durch die interne Revision geprüft. Vgl. IDW PS 340, Tz. 16.
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nahmen angemessen dokumentiert werden.309 Die Unternehmensgröße und -komplexität determinieren die Art sowie den Umfang der Dokumentation.310
B. 3.1.3.2.
Prüfung der Maßnahmen zur Risikofrüherkennung
Gemäß § 317 Abs. 4 HGB hat ein Prüfer bei börsennotierten Aktiengesellschaften zu beurteilen, ob der Vorstand die ihm nach § 91 Abs. 2 AktG obliegenden Regeln in einer geeigneten Form beachtet hat und ob das danach einzurichtende Überwachungssystem seine Aufgaben erfüllen kann.311 Die Reaktionen des Vorstandes bzw. der zuständigen Entscheidungsträger auf kommunizierte Risiken sowie deren Wirksamkeit sind keine Prüfungsgegenstände.312 Hierbei handelt es sich nicht um eine Prüfung im Sinne eines Soll/Ist-Vergleichs sondern um eine gutachterliche Beurteilung, da sich der Prüfer lediglich auf seine Kenntnisse der Geschäftstätigkeit berufen kann.313 Die von der Unternehmensleitung getroffenen Maßnahmen sind nach den allgemeinen Grundsätzen der Systemprüfung stichprobenartig auf ihre Funktionalität und ihre kontinuierliche Anwendung im zu prüfenden Geschäftsjahr zu untersuchen.314 Dabei sind die während der Prüfung gewonnenen Kenntnisse über die Geschäftstätigkeit sowie über das wirtschaftliche und rechtliche Unternehmensumfeld wichtig.315 Des Weiteren hat sich der Prüfer ein ausreichendes Verständnis für die durch das Unternehmen getroffenen Maßnahmen zu erarbeiten. Dazu zählen u.a. das Risikobewusstsein der Unternehmensleitung und der Mitarbeiter sowie die Grundeinstellung der Unternehmensleitung zur Risikosteuerung.316 Der Prüfer hat sich zu vergewissern, dass die unternehmensintern erstellte Dokumentation für die Prüfung angemessen ist, da er an ihr die getroffenen Maßnahmen festzustellen hat.317 Abschließend sind die Maßnahmen auf Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen zu analysieren, ob potenziell bestandsgefährdende Risiken so rechtzeitig erfasst und kommuniziert werden, dass eine Reaktion der zuständigen Entscheidungsträger möglich ist, und ob das Überwachungssystem die Einhaltung der getroffenen Maßnahmen sicherstellen kann.318 Der Prüfer hat über die 309
310 311
312 313
314
315 316 317 318
Vor allem ist auf die Bedeutung der frühzeitigen Risikoerkennung für das Unternehmen, auf die Definition der Risikofelder, auf die Grundsätze für die Risikofrüherkennung, -analyse sowie -kommunikation, auf die Bestimmung von Verantwortlichkeiten und Aufgaben, auf Regeln der Berichterstattung sowie auf die wesentlichen integrierten Kontrollen und Aufgaben der internen Revision Bezug zu nehmen. Vgl. IDW PS 340, Tz. 17. Vgl. IDW PS 340, Tz. 17. Gesellschaften, bei denen dieser Paragraf nicht zur Anwendung kommt, können eine Prüfung des Risikofrüherkennungssystems im Rahmen einer vertraglichen Erweiterung des Prüfungsauftrages vereinbaren. Vgl. IDW PS 340, Tz. 2. Vgl. IDW PS 340, Tz. 6. Vgl. Schindler, Joachim/Rabenhorst, Dirk (2001): Prüfung des Risikofrüherkennungssystems im Rahmen der Abschlussprüfung. In: Lange, Knut Werner/Wall, Friederike (Hrsg.), Risikomanagement nach dem KonTraG: Aufgaben und Chancen aus betriebswirtschaftlicher und juristischer Sicht, München 2001, S. 160-175, hier S. 161. Dies kann durch das Nachvollziehen von erfolgten Vorgängen, Befragungen oder Beobachtungen geschehen. Vgl. IDW PS 340, Tz. 31. Vgl. IDW PS 340, Tz. 20. Vgl. IDW PS 340, Tz. 22. Vgl. IDW PS 340, Tz. 23-24. Vgl. IDW PS 340, Tz. 26.
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Risikosituation des Unternehmens zu entscheiden, inwieweit alle wesentlichen Risikofelder durch die definierten Risiken abgedeckt sind.319 Anhand der Dokumentation ist zu bestimmen, ob verständliche sowie umsetzbare Handlungsanweisungen und eindeutige Kompetenzregelungen vorliegen.320
B. 3.1.4.
B. 3.1.4.1.
Berichterstattung im Rahmen der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme Berichterstattung in Form eines Prüfungsberichts
Die in § 321 HGB enthaltenen Regelungen beziehen sich auf den Prüfungsbericht im Rahmen von Pflichtprüfungen. Dennoch werden diese bei freiwilligen Prüfungen analog angewendet. Adressaten des Prüfungsberichts sind in der Regel die Mitglieder eines Aufsichtsorgans und bei der GmbH die Gesellschafter. Die Ausgestaltung des Prüfungsberichts hat der Prüfer zu verantworten, der sich an den berufsständischen Prüfungsnormen orientieren kann. Nach § 321 Abs. 1 Satz 2 HGB ist im Prüfungsbericht vorweg zur Beurteilung der Unternehmenslage durch die gesetzlichen Vertreter Stellung zu nehmen (sog. Vorwegstellungnahme). Hierbei ist insbesondere auf die Einschätzung des Fortbestandes und der künftigen Entwicklung des Unternehmens einzugehen, soweit die geprüften Unterlagen einschließlich des Lageberichts eine solche Beurteilung erlauben. Damit soll die problemorientierte Sicht des Prüfungsberichts deutlich werden.321 Der Prüfer hat keine eigenständige Beurteilung vorzunehmen322 sondern die Lagebeurteilung der gesetzlichen Vertreter zu bewerten. Zusätzlich hat er bei der Beurteilung der Lage die Möglichkeit, „eigene Akzente zu setzen und auf ihm wesentlich erscheinende Punkte ggf. ausführlicher einzugehen, als dies im zu veröffentlichenden Lagebericht gefordert werden muss“.323 Eine Stellungnahme zur Beurteilung der künftigen Unternehmensentwicklung ist nur bei einer Annahme des Going Concern Prinzips erforderlich, wobei dann die wesentlichen Risiken und Chancen darzustellen sind.324 Nach § 321 Abs. 2 Satz 1 HGB ist darauf einzugehen, ob u.a. „der Lagebericht […] den gesetzlichen Vorschriften und den ergänzenden Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages oder der Satzung“ entspricht.
319 320 321
322 323 324
Vgl. IDW PS 340, Tz. 27. Vgl. IDW PS 340, Tz. 28. Vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) mit Begründung (Anlage 1) und Vorblatt. In: BT-Drucksache 13/0712, Bonn 1998, S. 1-37, hier S. 28. Vgl. IDW PS 450, Tz. 29 und 33. IDW EPS 350 n.F. (2006), Tz. 30. Vgl. Stolberg, Klaus/Zieger, Martin (2000): Neuerungen beim Prüfungsbericht und beim Bestätigungsvermerk nach § 321 f. HGB. In: Lachnit, Laurenz/Freidank, Carl-Christian (Hrsg.), Investororientierte Unternehmenspublizität: Neue Entwicklungen von Rechnungslegung, Prüfung und Jahresabschlussanalyse, Wiesbaden 2000, S. 433-464, hier S. 442.
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In einem gesonderten Abschnitt ist gemäß § 321 Abs. 1 Satz 3 HGB einleitend festzuhalten, ob bei der Prüfungsdurchführung Unrichtigkeiten oder Verstöße gegen gesetzliche Vorschriften,325 bestandsgefährdende oder entwicklungsbeeinträchtigende Tatsachen sowie schwerwiegende Verstöße der gesetzlichen Vertreter oder Arbeitnehmer gegen Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung hinweisende Sachverhalte festgestellt worden sind (sog. Redepflicht). Hierbei sind solche Tatsachen zu berücksichtigen, die Verstöße bereits erkennen lassen. Schon eingetretene Verstöße sind nicht gemeint. Wurden keine berichtspflichtigen Tatsachen offenkundig, ist eine Negativfeststellung obligatorisch.326 Die Berichtspflicht besteht unabhängig davon, ob die Tatsachen den Jahresabschlussadressaten bereits bekannt gemacht worden sind oder sich aus dem Lagebericht ergeben.327 Die Angabe, ob der Abschluss insgesamt unter Beachtung der GoB oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage vermittelt, ist nach § 321 Abs. 2 Satz 3 HGB verpflichtend. Dieser Hinweis auf die Einhaltung der GoB sowie sonstiger wesentlicher Grundsätze stellt sicher, dass die Berichtspflicht nicht über die in § 264 Abs. 2 HGB für die Jahresabschlusserstellung enthaltene Anforderung hinausgeht und der Prüfer keine eventuellen Informationslücken zu schließen hat.328 Es soll folglich auf die Übereinstimmung mit der Generalnorm hingewiesen werden. Kann diese nicht festgestellt werden, ist dies zu erklären und zu begründen sowie eine Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage in den Prüfungsbericht aufzunehmen.329 In einem gesonderten Abschnitt im Prüfungsbericht sind Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung zu erläutern (§ 321 Abs. 3 HGB). Gegenstände der Prüfung sind die Buchführung, der Jahresabschluss, der Lagebericht, angewandte Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze sowie eventuell das Risikofrüherkennungssystem nach § 91 Abs. 2 AktG (§ 321 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 317 Abs. 4 HGB). Erweiterungen des Prüfungsumfangs auf Grund von verschiedenen Rechtsformen, Branchen oder individuellen Vertragsabsprachen sind zu nennen.330 Art und
325
326 327 328 329
330
Die gesetzlichen Vorschriften umfassen auch die GoB, die „die für den Jahresabschluss geltenden Ansatz-, Bewertungs- und Ausweisvorschriften sowie die Angabe- und Erläuterungspflichten für den Anhang und Lagebericht einschließlich ergänzender Bestimmungen in Gesellschaftsvertrag oder Satzung“ enthalten. Stolberg, Klaus/Zieger, Martin (2000), S. 444. Vgl. IDW PS 450, Tz. 35 und 39. Vgl. IDW PS 450, Tz. 34. ADS (2002), § 321 HGB, Tz. 108. Vgl. Stolberg, Klaus/Zieger, Martin (2000), S. 447. Die Erläuterung besteht meist aus einer Gegenüberstellung wichtiger Kennzahlen mit Vorjahresangaben sowie deren verbale Erklärung. Wesentliche Änderungen sowie deren Ursachen sind zu benennen. In einigen Fällen sind Ausführungen zu besonderen Themengebieten, z.B. stille Reserven oder sachverhaltsgestaltende Maßnahmen, erforderlich. Vgl. IDW PS 450, Tz. 74-76. Vgl. IDW PS 450, Tz. 54.
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Umfang der Prüfung befassen sich mit den Prüfungsnormen, auf denen die Prüfungsdurchführung beruht.331 Obwohl nach § 91 Abs. 2 AktG der Vorstand jeder Aktiengesellschaft ein Risikofrüherkennungssystem einzurichten hat, sind nur Aktiengesellschaften, die Aktien mit amtlicher Notierung ausgegeben haben, verpflichtet, dies durch einen Prüfer beurteilen zu lassen (§ 317 Abs. 4 HGB). Es ist ausdrücklich über die Eignung und die Funktionsfähigkeit sowie über eventuelle Schwachstellen des Systems zu berichten.332 Eine Darstellung des Systems selbst ist nicht notwendig.333 Bei freiwilligen Prüfungen von Risikofrüherkennungssystemen hat der Prüfer Beanstandungen im Zusammenhang mit der Angabe von Verstößen gegen gesetzliche Vorschriften (hier § 91 Abs. 2 AktG) durch die gesetzlichen Vertreter vorzunehmen.334 Der Prüfungsbericht ist an die gesetzlichen Vertreter weiterzuleiten. Sofern der Aufsichtsrat den Prüfungsauftrag erteilt hat, ist ihm der Bericht vorzulegen (§ 321 Abs. 5 Satz 2 HGB).
B. 3.1.4.2. B. 3.1.4.2.1.
Berichterstattung in Form eines Bestätigungsvermerks Berichterstattung in Form eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks
Der Bestätigungsvermerk beschreibt die Aufgabe des Prüfers und grenzt diese gegenüber der Verantwortlichkeit der Vertreter des Unternehmens für die Buchführung, den Jahresabschluss und den Lagebericht ab. Er gibt Gegenstand, Art und Umfang der Prüfung sowie die angewandten Rechnungslegungs- und Prüfungsgrundsätze, insbesondere die GoB oder sonstige maßgebliche Rechnungslegungsgrundsätze (§ 322 Abs. 3 Satz 1 HGB), wieder und fasst das endgültige Prüfungsergebnis in einer Beurteilung zusammen.335 In § 322 HGB werden Form und Inhalt von Bestätigungsvermerken vorgegeben.336 Die Beurteilung des Prüfungsergebnisses hat nach § 322 Abs. 2 Satz 2 HGB allgemeinverständlich und problemorientiert sowie unter Berücksichtigung des Umstands zu erfolgen, dass die Verantwortung für den Abschluss bei den gesetzlichen Vertretern liegt. Der Bestätigungsvermerk beinhaltet ein klares und schriftlich fixiertes Gesamturteil über das Ergebnis der nach geltenden Berufsgrundsätzen pflichtgemäß durchgeführten Prüfung. Es ist die Übereinstimmung der Buchführung, des Jahresabschlusses 331
332 333 334 335
336
Hierzu zählen die §§ 316-324 HGB und die Grundsätze ordnungsmäßiger Abschlussprüfung. Zusätzlich sind Angaben über die Prüfungsstrategie, die Prüfungsschwerpunkte im Zuge eines mehrjährigen Prüfungsplans, das Interne Kontrollsystem, angewandte Stichprobenverfahren und computergestützte Prüfungsinstrumente, die Vorgehensweise bei der Einholung von Bestätigungen Dritter (z.B. Saldenbestätigung), die Erläuterung zur Verwertung von Feststellungen Dritter (z.B. Pensionsgutachten), vorgenommene Inventurbeobachtungen, eventuelle Prüfungserschwernisse/ -hindernisse sowie den Zeitraum der Prüfung bzw. der Vorprüfung zu machen. Vgl. Stolberg, Klaus/ Zieger, Martin (2000), S. 450. Konkrete Verbesserungsvorschläge hat der Prüfer nicht auszuarbeiten. Vgl. IDW PS 450, Tz. 106. Vgl. IDW PS 450, Tz. 104. Vgl. IDW PS 450, Tz. 107. Vgl. IDW PS 400: Grundsätze für die ordnungsmäßige Erteilung von Bestätigungsvermerken bei Abschlussprüfungen (IDW PS 400). In: Die Wirtschaftsprüfung, 58. Jg., 2005, S. 1382-1402, hier Tz. 2. Im Nachfolgenden wird unter dem Begriff „Bestätigungsvermerk“ der Versagungsvermerk subsumiert, sofern nichts anderes angegeben ist.
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und des Lageberichts mit den jeweiligen für das geprüfte Unternehmen geltenden Normen zu überprüfen. Im Bestätigungsvermerk wird u.a. über die zutreffende Darstellung der wirtschaftlichen Unternehmenslage sowie der Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung im Jahresabschluss und im Lagebericht unter Beachtung der für das Unternehmen zu berücksichtigenden Vorschriften ein Urteil abgegeben. Dies ist nicht mit einer unmittelbaren Beurteilung der beiden Sachverhalte vergleichbar.337 Es darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Aussagekraft eines geprüften Abschlusses auf die Erkenntnismöglichkeiten begrenzt ist, die aus einem ordnungsgemäß aufgestellten Jahresabschluss zu gewinnen sind (sog. Erwartungslücke).338 Der Bestätigungsvermerk ist für die Öffentlichkeit bestimmt. Bei der Ausgestaltung der verschiedenen Bestandteile nach dem Wegfall des Formeltestats kann sich der Prüfer an den Verlautbarungen des Berufsstandes orientieren. Testate setzen sich aus verschiedenen Grundbestandteilen zusammen: der Überschrift, dem einleitenden und beschreibenden Abschnitt sowie der Beurteilung durch den Prüfer. Je nach Einzelfall sind ein Hinweis zur Beurteilung des Prüfungsergebnisses oder ein Hinweis auf Bestandsgefährdungen hinzuzufügen.339 Bestätigungsvermerke sind unter Angabe von Ort und Tag zu unterzeichnen (§ 322 Abs. 7 Satz 1 HGB) und zu siegeln. Sie sind „unabhängig vom Prüfungsbericht und zeitgleich mit diesem zu erteilen“.340 Ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk enthält eine uneingeschränkte positive Gesamtaussage darüber, dass die Prüfung zu keinen Einwendungen geführt hat, dass der Jahresabschluss unter Beachtung der GoB oder sonstiger maßgeblicher Rechnungslegungsgrundsätze ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Gesellschaft vermittelt, dass der Lagebericht insgesamt eine zutreffende Vorstellung von der Lage der Gesellschaft gibt sowie die Chancen und Risiken der zukünftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind (§ 322 Abs. 3 Satz 1 HGB). Des Weiteren wird zum Ausdruck gebracht, dass die für die Rechnungslegung des geprüften Unternehmens geltenden gesetzlichen Vorschriften einschließlich des Stetigkeitsgebots und eventuelle dem Gesellschaftsvertrag bzw. der Satzung zu Grunde liegende Vorschriften eingehalten wurden.341 Die Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks setzt voraus, dass keine wesentlichen Beanstandungen gegen die Buchführung, den Jahresabschluss und den Lagebericht zu
337 338
339 340 341
Vgl. IDW PS 400, Tz. 8. Für detaillierte Ausführungen zum Thema Erwartungslücke sei exemplarisch verwiesen auf Forster, Karl-Heinz (1994): Zur „Erwartungslücke“ bei der Abschlussprüfung. In: Die Wirtschaftsprüfung, 47. Jg., 1994, S. 789-795; Störk, Ulrich Viktor (1999): Die Erwartungslücke und Ansätze zu ihrer Reduktion: Informationsgewinnung, -verarbeitung und -weitergabe im Rahmen der Jahresabschlussprüfung im Hinblick auf die Reduktion der Erwartungslücke unter Berücksichtigung der Entwicklung in den USA, München 1999, sowie Bahr, Andres (2003): Vertrauen in Wirtschaftsprüfer: konzeptioneller Bezugsrahmen für eine realwissenschaftliche Theorie der Erwartungslücke, Wiesbaden 2003. Vgl. IDW PS 400, Tz. 17. IDW PS 400, Tz. 80. Vgl. IDW PS 400, Tz. 44.
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erheben sind und dass keine Prüfungshemmnisse vorliegen.342 Bei der Erteilung eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks bedarf es in der Regel keiner weiteren Beurteilung. In Ausnahmefällen kann das Testat um einen Hinweis ergänzt werden (§ 322 Abs. 3 Satz 2 HGB). Darin wird auf bei der Prüfung festgestellte aber ordnungsgemäß dargestellte Besonderheiten aufmerksam gemacht, denen wesentliche Unsicherheiten anhaften, die vom Ergebnis künftiger Ereignisse abhängen und vom Unternehmen nicht direkt beeinflussbar sind. Dieser Hinweis ersetzt keine Einschränkung oder Versagung und ist an das Prüfungsurteil anzuschließen.343 Sofern die Annahme des Going Concern Prinzips angemessen ist und keine Zweifel hinsichtlich der Unternehmensfortführung während der Prüfung aufgetreten sind, ist ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk ohne Hinweis zu erteilen.344 Wenn der Prüfer die Anwendung des Grundsatzes der Unternehmensfortführung unterstützt, dabei jedoch gewisse Unsicherheiten bestehen, sind weitere Prüfungshandlungen durchzuführen. Es ist zu überprüfen, ob die Darstellung der bestandsgefährdenden Tatsachen sowie der geplanten (Gegen-)Maßnahmen der gesetzlichen Vertreter im Lagebericht angemessen dargelegt sind und der Leser erhebliche Unsicherheiten hinsichtlich der Unternehmensfortführung eindeutig erkennen kann.345 Liegt eine ordnungsgemäße Erläuterung der Unsicherheit im Jahresabschluss und im Lagebericht vor, so ist ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk zu erteilen. Dieser hat einen deutlichen Hinweis nach § 322 Abs. 2 Satz 3 HGB zu enthalten, der den Adressaten über bestehende wesentliche Zweifel aufklärt.346 In einem gesonderten Abschnitt des Bestätigungsvermerks ist dann die Art des bestehenden Risikos und dessen Darstellung im Lagebericht zu erläutern. Dieser Hinweis ersetzt keine Einschränkung, obwohl eine unangemessene Formulierung der Gefährdung im Jahresabschluss oder im Lagebericht vorliegt, und auch keine Versagung. Ist die Gesellschaft von der Aufstellung eines Lageberichts befreit, besteht keine Verpflichtung für eine Bemerkung auf bestehende bestandsgefährdende Risiken durch den Prüfer.347 Sofern der Jahresabschluss unter der Nicht-Annahme der Unternehmensfortführung aufgestellt und dies sowohl im Anhang als auch im Lagebericht durch die gesetzlichen Vertreter angemessen dargestellt worden ist, ist ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk zu erteilen. Zusätzlich ist auf die Nicht-Annahme in einem gesonderten Abschnitt im Prüfungsbericht einzugehen.348 In den nachfolgenden Abschnitten wird lediglich auf Unterschiede zwischen den uneingeschränkten und eingeschränkten bzw. versagten Testaten eingegangen.
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Prüfungshemmnisse sind besondere Umstände, auf Grund derer bestimmte abgrenzbare oder nicht abgrenzbare Teile der Rechnungslegung nicht mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden können. Vgl. IDW PS 400, Tz. 42. Solche Sachverhalte können z.B. schwebende Prozesse, Risiken aus langfristiger Auftragsfertigung oder steuerliche Risiken sein. Vgl. IDW PS 400, Tz. 75. Ebenso ISA 570, Tz. 30-31. Vgl. IDW PS 270, Tz. 34. Ebenso ISA 570, Tz. 32 und 33. Vgl. IDW PS 400, Tz. 79. Vgl. IDW PS 400, Tz. 77 sowie IDW PS 270, Tz. 40. Ebenso ISA 570, Tz. 36.
59
B. 3.1.4.2.2.
Berichterstattung in Form eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks
Eine eingeschränkt positive Gesamtaussage in Form eines eingeschränkten Bestätigungsvermerks ist zu erteilen, wenn der Prüfer zu dem Schluss kommt, dass Prüfungshemmnisse vorliegen, aber gleichzeitig für wesentliche Teile der Rechnungslegung mit hinreichender Sicherheit noch ein positives Urteil erteilt werden kann.349 Voraussetzung dafür ist, dass die Beanstandungen oder der nicht beurteilbare Bereich nicht wesentlich sind. Wesentlichkeit liegt nach der Meinung des IDW vor, wenn festgestellte Mängel oder die nicht hinreichend sichere Beurteilbarkeit abgrenzbarer Teile der Rechnungslegung auf Grund ihrer relativen Bedeutung zu einer unzutreffenden Beurteilung der Rechnungslegung führen können. Die relative Sicherheit ist durch das in Beziehungsetzen des Mangels oder des nicht beurteilbaren Bereichs zu geeigneten Größen und durch Schätzung der Auswirkungen auf die Beurteilung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage festzustellen. Dabei gilt es zu berücksichtigen, dass mehrere unwesentliche Mängel oder nicht beurteilbare Bereiche in ihrer Gesamtheit wesentlich sein können.350 Festgestellte Einschränkungen sind gemäß § 322 Abs. 4 Satz 3 und 4 HGB zu begründen und so darzustellen, dass deren Tragweite erkennbar wird. Sofern die Annahme des Going Concern Prinzips angemessen ist und erhebliche Unsicherheiten bestehen, ist über die Darstellung der bestandsgefährdenden Tatsachen sowie der geplanten (Gegen-)Maßnahmen der gesetzlichen Vertreter im Lagebericht zu urteilen. Liegt keine ordnungsgemäße Wiedergabe durch die gesetzlichen Vertreter vor und werden Chancen und Risiken sowie ihre wahrscheinlichen Auswirkungen nicht ausführlich genug erläutert, ist das Testat einzuschränken.351 Gleichzeitig ist dieses Vorgehen zu begründen352 und im Prüfungsbericht darzustellen. Dabei muss auf die bestehenden Chancen und Risiken sowie auf deren mögliche Auswirkungen eingegangen werden.353
B. 3.1.4.2.3.
Berichterstattung in Form eines Versagungsvermerks
Mit einem Versagungsvermerk wird eine negative Gesamtaussage erteilt. Es wird zwischen Versagungsvermerken auf Grund von Einwendungen (§ 322 Abs. 2 Nr. 3 HGB) und Versagungsvermerken auf Grund der fehlenden Möglichkeit zur Abgabe eines Prüfungsurteils (§ 322 Abs. 2 Nr. 4 HGB) unterschieden.
349
350 351 352 353
Dies gilt auch, wenn mit analytischen Prüfungshandlungen Nachweise für oder gegen die Ordnungsmäßigkeit abgrenzbarer Rechnungslegungsteile gefunden werden, diese aber für ein mit hinreichender Sicherheit zu fällendes Prüfungsurteil nicht ausreichend sind. Es ist dabei unerheblich, ob der Grund für das Prüfungshemmnis im Wirkungskreis der gesetzlichen Vertreter liegt oder durch andere Umstände verursacht ist. Vgl. IDW PS 400, Tz. 50. Vgl. IDW PS 400, Tz. 51. Vgl. IDW PS 400, Tz. 77-78. Ebenso ISA 570, Tz. 34. Vgl. § 322 Abs. 4 Satz 3 HGB. Vgl. IDW PS 400, Tz. 78; IDW PS 270, Tz. 37. Ebenso ISA 570, Tz. 34.
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Bei einem Versagungsvermerk auf Grund von Einwendungen sind wesentliche Beanstandungen, die sich auf den Jahresabschluss insgesamt auswirken, zu erheben. Diese sind so bedeutend oder zahlreich, dass nach Einschätzung des Prüfers ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk unzureichend ist, um noch von einer verständlichen und vollständigen Darstellung im Jahresabschluss ausgehen zu können.354 Nach § 322 Abs. 4 Satz 3 HGB sind alle wesentlichen Gründe der Versagung im ersten Abschnitt des Prüfungsberichts zu nennen und zu erläutern. Kommt der Prüfer zu dem Urteil, dass die Aufstellung des Jahresabschlusses nicht unter der Annahme der Unternehmensfortführung hätte erfolgen dürfen, hat er den Bestätigungsvermerk zu versagen.355 Die Versagung ist zu begründen und zu erläutern.356 Damit soll die missverständliche oder unvollständige Darstellung im Jahresabschluss unterstrichen werden, auch wenn die Bestandsgefährdung im Lagebericht zutreffend abgebildet ist.357 Des Weiteren ist ein Versagungsvermerk gemäß § 322 Abs. 5 HGB zu erteilen, „wenn der Abschlussprüfer nach Ausschöpfung aller angemessenen Möglichkeiten zur Klärung des Sachverhalts nicht in der Lage ist […].“ Dies liegt u.a. vor, falls die gesetzlichen Vertreter eine Einschätzung über die Unternehmensfortführung verweigern oder sich diese Einschätzung auf einen unangemessenen Zeitraum erstreckt, so dass der Prüfer über das Vorliegen von Prüfungshemmnissen zu entscheiden hat. Kann der Prüfer auf Grund einer fehlenden Feststellung der gesetzlichen Vertreter kein hinreichend sicheres Urteil mit (eingeschränkter) positiver Gesamtaussage über den Jahresabschluss treffen, sind die Auswirkungen des Prüfungshemmnisses wesentlich. Die Auskunftsverweigerung der gesetzlichen Vertreter ist ein Verstoß gegen deren Auskunftspflicht gemäß § 320 Abs. 2 HGB und muss im Prüfungsbericht angegeben werden (§ 321 Abs. 1 Satz 3 HGB). Der Prüfer hat in diesem Fall nicht die Pflicht, fehlende Informationen eigenständig einzuholen, da er deren Vollständigkeit nicht gewährleisten kann.358 Er hat einen Versagungsvermerk zu erteilen und die entsprechende Darstellung im Prüfungsbericht sicherzustellen.359
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355 356 357 358
359
Vgl. IDW PS 400, Tz. 65. Der Versagungsvermerk darf nicht mehr als Bestätigungsvermerk gekennzeichnet sein. Vgl. § 322 Abs. 4 Satz 2 HGB. Ebenso ISA 570, Tz. 35. Vgl. § 322 Abs. 4 Satz 3 HGB i.V.m. IDW PS 400, Tz. 67. Vgl. IDW PS 400, Tz. 65-69 sowie IDW PS 270, Tz. 41. Vgl. IDW PS 270, Tz. 43. Bei fehlender Einschätzung durch die gesetzlichen Vertreter kann der Prüfer dennoch zu einem abschließenden Urteil gelangen, wenn der Fall offensichtlich ist oder er bereits durch verschiedene Prüfungshandlungen keine der Going Concern Annahme widersprechenden Nachweise erlangt hat: nachhaltige Gewinnerzielung in der Vergangenheit, leichter Rückgriff auf finanzielle Mittel sowie fehlende Drohung einer bilanziellen Überschuldung. Vgl. IDW PS 270, Tz. 44. Mit diesen Kriterien wird zwar ein Großteil der Unternehmensfehlentwicklungen abgedeckt, plötzliche Zusammenbrüche jedoch nicht. Für weitere Ausführungen siehe Kapitel C. 2.2.2. Vgl. IDW PS 270, Tz. 42. Dieser Vermerk entspricht dem Disclaimer of opinion gemäß ISA 700, Tz. 44.
61
B. 3.1.4.3.
Bedingte Erteilung von Bestätigungsvermerken
Erfolgt die Bilanzierung unter der Going Concern Annahme, obwohl z.B. bestimmte Sanierungsmaßnahmen wie Forderungsverzichte erst im neuen Geschäftsjahr stattfinden, so sind nur dann keine Einwendungen zu erheben, wenn diese Maßnahmen bis zur Erteilung des Bestätigungsvermerks eingetreten sind. Geschieht dies nicht, muss der Bestätigungsvermerk entweder eingeschränkt oder versagt werden. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Ankündigung des Bestätigungsvermerks.360 Eine bedingte Erteilung kommt in Betracht, wenn der Inhalt der Sanierungsmaßnahme feststeht und deren Rechtswirksamkeit lediglich noch von der Erfüllung formaler Voraussetzungen abhängt.361
B. 3.1.4.4.
Tatsachen nach Erteilung von Bestätigungsvermerken
Eine Weiterverfolgung von Sachverhalten hinsichtlich des geprüften Abschlusses und des Lageberichts nach der Erteilung des Bestätigungsvermerks durch den Prüfer ist nicht gefordert. In Ausnahmefällen können dem Prüfer jedoch Sachverhalte bekannt werden, die bereits vor der Testatserteilung bestanden haben und eine Einschränkung oder Versagung begründet hätten. Der Prüfer hat darauf hinzuwirken, dass die gesetzlichen Vertreter den Jahresabschluss ändern. Sobald diese Anpassung selbstständig oder auf Anregung des Prüfers vorgenommen wurde, ist eine Nachtragsprüfung verpflichtend. Ein Widerruf des erteilten Bestätigungsvermerks ist in Betracht zu ziehen, wenn eine Korrektur des Abschlusses nach Meinung des Prüfers unausweichlich ist und die gesetzlichen Vertreter deren Durchführung verweigern oder die Gefahr besteht, dass die neuen Informationen verspätet den Personen zugehen, die bereits vom Bestätigungsvermerk Kenntnis erlangt haben.362
B. 3.1.4.5.
Self-fulfilling Prophecy
Die Berichterstattung über die Prüfung der Going Concern Annahme ist eng verknüpft mit der Frage nach der Existenz einer „Self-fulfilling Prophecy“. Diese selbsterfüllende Prophezeiung besteht, wenn durch das Bekannt werden einer Voraussage das angekündigte Ereignis eintritt. Im deutschen Sprachraum lehnen viele Prüfer einen gesonderten Abschnitt im Bestätigungsvermerk ab, der auf bestehende Going Concern Probleme hinweist. Wegen dieser Information würde die Öffentlichkeit dem betroffenen Unternehmen kein Vertrauen mehr entgegenbringen (z.B. durch Kürzung von Kreditlinien) und somit die negative Unternehmensentwicklung fördern. Prüfern wurde von der Erteilung solcher Hinweise abgeraten, um einer eventuellen Mitverantwortung für den Unternehmenszusammenbruch zu entgehen.
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361 362
Da ein Bestätigungsvermerk erst nach Abschluss der Prüfung ausgegeben werden darf, ist eine vorherige Mitteilung über die Absicht der Erteilung keine Erteilung. Eine Erteilung kann vor Abschluss der materiellen Prüfungshandlungen nicht ohne Vorbehalt angekündigt werden. Vgl. IDW PS 400, Tz. 14. Vgl. IDW PS 400, Tz. 103. Vgl. IDW PS 400, Tz. 104.
62
Verschiedene Studien haben dieses Phänomen untersucht. Ihre Ergebnisse zeigten, dass Krisenunternehmen mit einem Hinweis auf eine Bestandsgefährdung nicht häufiger zusammengebrochen sind als vergleichbare Unternehmen, die keinen Zusatz im Bestätigungsvermerk erhalten haben.363
B. 3.2. Inhalte der internationalen Normen im Rahmen einer Urteilsbildung über die Going Concern Annahme B. 3.2.1. B. 3.2.1.1.
Das Going Concern Prinzip in der internationalen Rechnungslegung Das Going Concern Prinzip in den International Standards on Auditing
Im Rahmen der ISAs wurde der ISA 570 „Going Concern“ veröffentlicht, dessen Zweck die Aufstellung von Prüfungsstandards und eines Leitfadens zur Frage der Verantwortlichkeit des Abschlussprüfers bei der Prüfung in Bezug auf die Angemessenheit der Annahme der Unternehmensfortführung als Grundlage der Abschlusserstellung ist.364 Dieser entspricht dem IDW PS 270. Der deutsche Prüfungsstandard enthält auf Grund deutscher Gesetzesbesonderheiten zusätzliche Regelungen zur Prüfung des Lageberichts, des Risikofrüherkennungssystems und zum Prüfungsbericht. Im IDW PS 270 existiert eine Klarstellung bezüglich der Nichtberücksichtigung des Stichtagsprinzips für die Beurteilung des Going Concern Prinzips. Folglich ist die Differenzierung in wertbegründende und wertaufhellende Ereignisse unerheblich.
B. 3.2.1.2.
Das Going Concern Prinzip in den International Financial Reporting Standards
Die grundlegenden Annahmen der Rechnungslegung nach IFRS sind im Framework und im IAS 1 „Presentation of financial statements“ festgelegt. Auf Grund der direkten Verbindlichkeit der Standards erlangen diese Annahmen durch deren wiederholte Nennung im Standard eine größere Bedeutung als die nur im Framework enthaltenen qualitativen Merkmale.365 Die beiden wesentlichen Bilanzierungsprinzipien sind das Going Concern Prinzip und der Grundsatz der
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Vgl. u.a. Citron, David B./Taffler, Richard J. (1992): The audit report under going-concern uncertainties: an empirical analysis. In: Accounting and Business Research, Vol. 22, No. 88, 1992, S. 337345, hier S. 344; Louwers, Timothy J./Messina, Frank M./Richard, Michael D. (1999): The auditor’s going-concern disclosure as a self-fulfilling-prophecy: a discrete-time survival analysis. In: Decision Sciences, Vol. 30, Iss. 3, 1999, S. 805-823, hier S. 814; Citron, David B./Taffler, Richard J. (2001): Ethical behaviour in the U.K. audit profession: the case of the self-fulfilling prophecy under goingconcern uncertainties. In: Journal of Business Ethics, Vol. 29, Iss. 4, 2001, S. 353-363, hier S. 360. Vgl. ISA 570, Tz. 1. Vgl. Achleitner, Ann-Kristin/Behr, Giorgio (2003), S. 88. Daher haben die grundlegenden Annahmen auch Vorrang vor den qualitativen Merkmalen. Zu den qualitativen Merkmalen zählen der Grundsatz der Verständlichkeit, der Grundsatz der Relevanz, der Grundsatz der Verlässlichkeit (einschließlich Richtigkeit, Willkürfreiheit, wirtschaftliche Betrachtungsweise, Vorsicht sowie Vollständigkeit), der Grundsatz der Vergleichbarkeit und Stetigkeit. Da eine vollständige Beachtung dieser Grundsätze nicht immer möglich ist, sind Informationen unter bestimmten Einschränkungen zu vermitteln. Es ist auf die Rechtzeitigkeit, den Ausgleich zwischen Nutzen und Kosten sowie den Ausgleich zwischen den qualitativen Merkmalen Rücksicht zu nehmen. Vgl. Buchholz, Rainer (2003), S. 39, 55 und 56.
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periodengerechten Erfolgsermittlung.366 Die Bilanzierung und die Bewertung haben grundsätzlich unter der Annahme der Unternehmensfortführung zu erfolgen, solange ihr keine rechtlichen oder tatsächlichen Gründe entgegenstehen.367 Im Rahmen der jährlichen Erstellung des Jahresabschlusses haben die gesetzlichen Vertreter zu prüfen, ob das Unternehmen fortgeführt werden kann (IAS 1, Tz. 23 und Framework IFRS, Tz. 23).368 Von der Going Concern Annahme ist abzuweichen, wenn die gesetzlichen Vertreter beabsichtigen, das Unternehmen aufzulösen, die Geschäftstätigkeit einzustellen oder keine wirklichkeitsnahe Alternative zu diesen beiden Punkten besteht (IAS 1, Tz. 23). Die Annahme der Unternehmensfortführung ist nicht erst dann aufzugeben, wenn ein Insolvenzverfahren eröffnet wurde oder die Liquidation des Unternehmens bereits begonnen hat.369 Andererseits kann auch bei eröffnetem Insolvenzverfahren von der Unternehmensfortführung auszugehen sein, wenn sie hinreichend wahrscheinlich erscheint.370 Erfolgt die Jahresabschlusserstellung nicht mehr unter der Going Concern Annahme, ergeben sich in der Regel Konsequenzen für Ansatz und Bewertung, da die Bilanzierung nach IFRS durch Liquidationsüberlegungen bestimmt wird.371 Zwar enthalten die IFRS, abgesehen von bestimmten Angabepflichten, keine speziellen Regelungen für diesen Fall, jedoch kann nach IAS 1.22(a) auf den vergleichbaren Sachverhalt der Einstellung von Geschäftsbereichen zurückgegriffen werden. IAS 35.17 f. verweist insoweit auf die in den einzelnen IFRS vorhandenen Regelungen. Weiterhin kann sich beispielsweise die Notwendigkeit zur Erfassung von Rückstellungen nach IAS 37, u.a. für Sozialplanverpflichtungen, ergeben (IAS 37, Tz. 18). Gemäß IAS 1.23 ist eine Abkehr vom Going Concern Prinzip anzuzeigen, zu begründen und die alternativ gewählten Ansatz- und Bewertungsgrundlagen anzugeben. Bekannte Unsicherheiten im Hinblick auf die Unternehmensfortführung sind nach IAS 1, Tz. 23 ebenfalls zu nennen. Der Prognosezeitraum muss nach IAS 1, Tz. 24 die „foreseeable future“ umfassen. Es ist wenigstens das nächste Geschäftsjahr zu berücksichtigen. Maßgeblich sind die Verhältnisse am Bilanzstichtag. Die Beurteilung hat alle Entscheidungen und Ereignisse, die zu diesem Zeit-
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Vgl. Buchholz, Rainer (2003), S. 39; Framework IFRS, Tz. 22-23. Als Beispiel eines rechtlich entgegenstehenden Sachverhalts sei auf die Insolvenz hingewiesen. Auf Grund der fehlenden Zahlungsfähigkeit ist das Unternehmen gesetzlich gezwungen, seine Tätigkeit einzustellen. Bei bestehenden tatsächlichen Gegebenheiten existiert kein gesetzlicher Zwang der Unternehmensaufgabe. Hier wird auf die Entscheidung der gesetzlichen Vertreter abgestellt. Vgl. Born, Karl (2002), S. 78; Buchholz, Rainer (2003), S. 39-40. Vgl. Born, Karl (2002), S. 78. Vgl. Wollmert, Peter/Achleitner, Ann-Kristin (1997): Konzeptionelle Grundlagen der IAS-Rechnungslegung (Teil II). In: Die Wirtschaftsprüfung, 50. Jg., 1997, S. 245-256, hier S. 246. Vgl. ADS (2002), Konzeptionelle Grundlagen (Framework, IAS 1), Tz. 51. Vgl. ADS (2002), Konzeptionelle Grundlagen (Framework, IAS 1), Tz. 50.
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punkt getroffen wurden oder eingetreten sind, mit einzuschließen. Ebenfalls müssen wertaufhellende Ereignisse gewürdigt werden.372
B. 3.2.1.3.
Das Going Concern Prinzip in den United States-General Accepted Accounting Principles
Die qualitativen Merkmale der US-amerikanischen Rechnungslegung werden durch die beiden grundlegenden Annahmen, den Grundsatz der Periodenabgrenzung und das Going Concern Prinzip, gestützt und unterlegt.373 Obwohl das Going Concern Prinzip im Framework lediglich in einer Fußnote Erwähnung findet, bildet es eine wesentliche Basis für die Rechnungslegung nach US-GAAP (SFAC 1, Tz. 42, Fn. 10).374 Bei der Erstellung von Jahresabschlüssen ist das Going Concern Prinzip einzuhalten. Die Bilanzierung richtet sich solange danach, bis tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten dem entgegenstehen (AU 341, SAS No. 59).375 Das Going Concern Prinzip stellt auch hier die Voraussetzung zur sinnvollen Interpretation anderer Rechnungslegungsgrundsätze dar.376 Die Anwendung der periodengerechten Abgrenzung ist nur bei Annahme des Prinzips zweckmäßig. Des Weiteren besteht ein enger Zusammenhang zwischen diesem Grundsatz und den Bewertungsgrundsätzen, da bei Nicht-Annahme die Vermögensgegenstände mit Liquiditätswerten anzusetzen wären.377 Eine Unterscheidung nach wertaufhellenden und wertbegründenden Ereignissen erfolgt ebenfalls bei den US-GAAP. Nach SAS 1 sind wertaufhellende Sachverhalte bei der Aufstellung des Jahresabschlusses zu berücksichtigen, wertbegründende Tatsachen hingegen nicht. Unter besonderen Umständen kann eine Angabe jedoch angebracht sein, um eine Irreführung der Jahresabschlussadressaten zu vermeiden.378
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Vgl. Buchholz, Rainer (2003), S. 40. Die IFRS enthalten zwar keine speziellen Aufstellungsfristen, jedoch muss der Jahresabschluss innerhalb von sechs Monaten nach Bilanzstichtag veröffentlicht worden sein. Vgl. Hayn, Sven/Waldersee, Georg (2003): IAS, US-GAAP, HGB im Vergleich: synoptische Darstellung für den Einzel- und Konzernabschluss, 4. Aufl., Stuttgart 2003, S. 36. Vgl. Niehus, Rudolf J./Thyll, Alfred (2000), Rn. 43; Pellens, Bernhard (2001), S. 131. Zu den qualitativen Merkmalen der US-GAAP, die zum Teil im SFAC 2 geregelt sind, zählen der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise, der Grundsatz der Relevanz (einschließlich Vorhersagetauglichkeit, Erwartungsüberprüfung, Rechtzeitigkeit), der Grundsatz der Verlässlichkeit (einschließlich Nachprüfbarkeit, Willkürfreiheit, Richtigkeit) sowie der Grundsatz der Vergleichbarkeit und Stetigkeit. Grenzen der Informationsvermittlung werden durch den Grundsatz der Wesentlichkeit, den Ausgleich zwischen Nutzen und Kosten sowie den Grundsatz der gegenseitigen Abwägung bei Zielkonflikten bestimmt. Vgl. KPMG (2003), S. 16-17; Niehus, Rudolf J./Thyll, Alfred (2000), Rn. 43-49. Vgl. Haller, Axel (1994), S. 259; Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 67. Vgl. AICPA (1988): AU Section 341 The Auditor’s Consideration of an Entity´s Ability to Continue as a Going Concern (SAS 59). Im Internet unter: http://www.pcaobus.org/standards/interim_stand ards/auditing_standards/au_341.html. Vgl. Pellens, Bernhard (2001), S. 166. Vgl. ARB 43, Kapitel 3A, Abschnitt 2; Niehus, Rudolf J./Thyll, Alfred (2000), Rn. 48. Vgl. Born, Karl (2002), S. 351-352. Nach SFAS 5, Tz. 11 kann die Aufnahme solcher Informationen so bedeutend sein, dass sie unter der Annahme anzugeben sind, dass sie sich bereits zum Bilanzstichtag ereignet hätten. Vgl. FASB (1975): SFAS 5 Accounting for contingencies. Im Internet unter: www.fasb.org/pdf/fas5.pdf.
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Die Bewertung hat sich in der Regel an der Annahme des Going Concern Prinzips zu orientieren. Dies ergibt sich zwangsläufig aus dem Grundsatz der Stetigkeit und der Pflicht zur periodengerechten Erfolgsermittlung.379 Die Vorschriften geben keinen Prognosezeitraum für das Going Concern Prinzip vor. Der vom Prüfer abzuschätzende Beurteilungszeitraum soll nach AU Section 341.02 nicht über ein Jahr hinausgehen. Prüfungsnormen für den Fall der Nicht-Annahme existieren in den US-GAAP nicht. Eine Abkehr von der Annahme ist nicht explizit anzugeben. Jedoch lässt sich dies zum einen aus der allgemeinen Vorschrift APB 22 (Angabe der angewandten Rechnungslegungsmethoden) und zum anderen aus dem Grundsatz der „Fair presentation“ der Unternehmenssituation ableiten.380
B. 3.2.2.
Lagebericht, Risikofrüherkennungssystem und Berichterstattung in der internationalen Rechnungslegung
Nach den Vorschriften der IFRS und der US-GAAP existiert kein Rechnungslegungsinstrument, das dem handelsrechtlichen Lagebericht gänzlich entspricht. Ein vollständiger Abschluss umfasst nach IFRS die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, eine Eigenkapitalveränderungsrechnung, eine Kapitalflussrechnung, Angaben zu Bilanzierungsund Bewertungsmethoden sowie erläuternde Anhangangaben.381 Berichte von gesetzlichen Vertretern oder Analysen des Managements können im Geschäftsbericht enthalten sein, gehören jedoch nicht zum Jahresabschluss.382 Die IFRS schreiben einige Informationen vor, die mit den Inhalten des handelsrechtlichen Lageberichts korrespondieren. Dazu zählen die Empfehlung zur Aufstellung eines Financial Review by Management, die Möglichkeit der Offenlegung von zusätzlichen Informationen sowie Berichtspflichten, u.a. zur Geschäftstätigkeit mit Hauptaktivitäten und Anzahl der Mitarbeiter.383 Des Weiteren sind die wesentlichen Ereignisse nach dem Bilanzstichtag zu berücksichtigen384 sowie Angaben zu Ausgaben im Bereich Forschung und Entwicklung zu machen.385 Nach den US-GAAP sind ebenfalls verschiedene Informationen des handelsrechtlichen Lageberichts nachweispflichtig. Diese sind insbesondere im Bericht nach Form 10-K für inländische US-amerikanische Unternehmen bzw. nach Form 20-K für ausländische Unternehmen enthalten. Diese Berichte sind bei der SEC einzureichen. Vergleichbare Angaben sind die Darstellung der Geschäftstätigkeit insbesondere nicht-finanzielle Angaben, die Beschreibung von Anlagen und Betriebsstätten sowie Informationen zu Management’s Discussion and Analysis of Finan379 380 381 382 383 384 385
Vgl. Born, Karl (2002), S. 344. ADS (2002), Konzeptionelle Grundlagen (Framework, IAS 1), Tz. 57. Vgl. IAS 1, Tz. 7. Vgl. Framework IFRS, Tz. 7. Vgl. IAS 1, Tz. 8, 9 und 102. Vgl. IAS 10, Tz. 20. Vgl. IAS 38, Tz. 115.
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cial Condition and Results of Operations (MD&A).386 Darunter werden zusammengefasst die Analyse der Finanzlage, der Veränderung der Finanzlage und der Veränderung des Erfolgs, die Diskussion zu den Berichtskategorien Liquidität, Kapitalausstattung und Ergebnis der Unternehmenstätigkeit sowie die Darstellung von Faktoren, die zum Verständnis der Finanzlage, deren Veränderung und der Ertragslage notwendig sind.387 Des Weiteren besteht eine Aufstellungspflicht für Kapitalflussrechnungen nach SFAS 95.388 Für den Jahresabschlussadressaten entscheidungsrelevante und wertbegründende Ereignisse nach dem Bilanzstichtag sind in den „Notes“ (Anhang) anzugeben.389 Die Prüfung eines Risikofrüherkennungssystems existiert in den beiden angesprochenen internationalen Rechnungslegungen nicht. Im Rahmen der Berichterstattung gibt es keine wesentlichen Differenzen zwischen der nationalen und internationalen Rechnungslegung.
B. 3.3. Vergleich der nationalen und internationalen Rechnungslegung hinsichtlich des Going Concern Prinzips Diese kurzen Ausführungen machen deutlich, dass zwischen den verschiedenen Prüfungs- und Rechnungslegungsnormen hinsichtlich des Going Concern Prinzips grundsätzlich keine Unterschiede bestehen. Abweichungen wurden bei den Themen „Lagebericht“ und „Früherkennungssystem“ herausgearbeitet. Auf Grund der geringen Vorgaben in den Prüfungs- und Rechnungslegungsnormen für die Prüfung der Going Concern Annahme beschäftigt sich der nächste Abschnitt mit möglichen Hilfestellungen. Es werden verschiedene nationale und internationale methodengestützte und empirischgestützte Studien dargestellt, die weiterführende Informationen enthalten. Als Beispiel seien die der Annahme entgegenstehenden tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten genannt. IDW PS 270 enthält eine Auflistung möglicher Umstände. Es ist die Frage zu klären, ob diese in der Praxis von den Prüfern als gleichwertig angesehen werden und ob bestimmte mathematisch-statistische Verfahren existieren, die eine Prüfung des Grundsatzes der Unternehmensfortführung vorab grob einschätzen können.
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Vgl. SEC (2004): Regulation S-K. Im Internet unter: www.sec.gov/divisions/corpfin/forms/regsk. htm, hier Item 101 bis 103. Vgl. SEC (2004), Item 103. Hieraus lässt sich ableiten, dass der MD&A die gleichen Aufgaben wie der deutsche Lagebericht erfüllt: Verdichtungs-, Erläuterungs- und Ergänzungsfunktionen. Vgl. Krawitz, Norbert/Hartmann, Christina (2003): Internationalisierung der Lageberichterstattung. In: Wollmert, Peter/Schönbrunn, Norbert/Jung, Udo/Siebert, Hilmar/Henke, Michael (Hrsg.), Wirtschaftsprüfung und Unternehmensüberwachung (Festschrift Lück), Düsseldorf 2003, S. 287-303, hier S. 299. Vgl. FASB (1984): SFAC 5 Recognition and measurement in financial statements of business enterprises. Im Internet unter: http://www.fasb.org/pdf/con5.pdf, hier Tz. 13. Vgl. AICPA (1981): AU Section 530 Dating of the independent auditor’s report (SAS 1). Im Internet unter: http://www.aicpa.org/download/members/div/auditstd/AU-00530.PDF, hier Tz. 5.
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C. Analyse des Status Quo der Entscheidungsansätze zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung C. 1. Entscheidungsansätze zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung Seit jeher werden Unternehmen und deren Bilanzen analysiert. Die angewandten Verfahren und Vorgehensweisen variieren über den Zeitablauf. Ein Untersuchungsziel war und ist die frühzeitige Erkennung von Symptomen, die auf Fehlentwicklungen oder Bestandsgefährdungen hinweisen können. Im Rahmen der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme ist diese Zielsetzung von höchster Priorität. Fehlentwicklungen und Bestandsgefährdungen können der Annahme über die Unternehmensfortführung entgegenstehen. Eine frühzeitige und zuverlässige Beurteilung des Unternehmens könnte eine rechtzeitige und angemessene Reaktion durch die gesetzlichen Vertreter ermöglichen. Auf Grund der oft fehlenden und ungenauen Prüfungsnormen hat der Prüfer einen erheblichen Ermessensspielraum hinsichtlich der Beurteilung der Going Concern Annahme. Es ist nicht möglich, für das zu prüfende Unternehmen ein zuverlässiges Soll-Objekt zu ermitteln, das mit dem Ist-Objekt, d.h. der Einschätzung durch die gesetzlichen Vertreter, verglichen werden kann. Trotz dieser Unsicherheit hat der Prüfer die vom Unternehmen aufgestellte Fortführungsprognose zu prüfen. Eine Hilfestellung enthalten die Gesetzestexte nicht.390 In der Literatur existiert eine Vielzahl von Studien, die mit Hilfe unterschiedlicher Verfahren versuchen, sich ein Bild über ein zu prüfendes Unternehmen zu machen. Hierbei wird zwischen methodengestützten und empirischgestützten Verfahren differenziert. Zu den methodengestützten Modellen zählen die mathematisch-statistischen sowie die modelltheoretischen Ansätze. Das Hauptaugenmerk bei den methodengestützten Verfahren im Rahmen der vorliegenden Arbeit liegt bei den mathematisch-statistischen Ansätzen. Zu den modelltheoretischen Verfahren zählen u.a. die grafische und die katastrophentheoretische Methode. Unter den empirischgestützten Verfahren werden Fragebögen, Interviews und Fallstudien subsumiert. Hier werden verschiedene Teilnehmergruppen zu ihrer Meinung und Erfahrung über entscheidungsrelevante quantitative und qualitative Faktoren bei der Urteilsbildung befragt. Diese Ergebnisse könnten als Grundlage der methodengestützten Ansätze basieren. Aber auch das Verhalten des Entscheidungsträgers, hier des Prüfers, ist Gegenstand von Studien. Es wird die Beeinflussbarkeit des Prüfers durch bestimmte Sachverhalte wie die unterschiedliche Reihenfolge von Informationen analysiert. Da der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf den empirischgestützten Verfahren liegt, werden weitere Ausführungen dazu im Zusammenhang mit der eigenen empirischgestützten Auswertung im Kapitel D. zusammengefasst. In diesem Abschnitt werden ausgewählte verschiedene mathematisch-statistische Verfahren theoretisch dargelegt und kritisch gewürdigt. Danach folgt eine detaillierte Darstellung mehrerer Studien, beginnend in den 30er Jahren, zur Feststellung des Status Quo und eine Beurteilung der 390
Vgl. Janssen, Friedrich Carl (1984), S. 346.
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Untersuchungsergebnisse.391 Die Dokumentation der modelltheoretischen Verfahren erfolgt in Anlehnung an die mathematisch-statistischen mit dem Unterschied, dass jeweils nur eine Studie ausgewählt und erläutert wird.
C. 2. Methodengestützte Ansätze zur Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken in der Jahresabschlussprüfung C. 2.1. Die Urteilsbildung über die Going Concern Annahme unter Anwendung mathematisch-statistischer Ansätze C. 2.1.1.
Einführung in die mathematisch-statistischen Ansätze
Die Verknüpfung zwischen der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme und den mathematisch-statistischen Verfahren ist das bereits angesprochene Ziel der frühzeitigen Erkennung von Faktoren, die Fehlentwicklungen bzw. Bestandsgefährdungen von Unternehmen verursachen können. In diesem Zusammenhang wurde in den meisten Studien das Kriterium der Insolvenz herangezogen. Bei erschwerter bzw. unmöglicher Datenbeschaffung halfen sich die Autoren mit ähnlichen Definitionen wie dem Vergleich. Für die Berücksichtigung des Kriteriums der Insolvenz sind zwei Annahmen erforderlich. Zum einen muss sich die drohende Insolvenz in der wirtschaftlichen Lage und damit im Jahresabschluss des Unternehmens abbilden, zum anderen müssen signifikante und feststellbare Unterschiede zwischen den Unternehmen bestehen, die eine Tendenz zur Insolvenz aufweisen, und denen, die sich gesund entwickeln. Problembehaftete Unternehmen werden im Rahmen dieser Arbeit mit den synonym verwendeten Begriffen „krank“, „insolvent“, „schwarz“ oder „schlecht“ bezeichnet. Unternehmen, die keine negativen Entwicklungen aufzeigen, werden als „gesund“, „solvent“, „weiß“ oder „gut“ charakterisiert. Die mathematisch-statistischen Verfahren können grundsätzlich in einfache und komplexe unterteilt werden. Zu den einfachen Methoden zählt die Anwendung von Einzelkennzahlen sowie von Kennzahlensystemen. Die Zuordnung dieser Ansätze basiert zum einen auf dem sehr großen Bekanntheitsgrad, zum anderen auf der leichten und schnellen Handhabbarkeit, worauf im Rahmen der kritischen Würdigung ausführlich Bezug genommen wird. Zusätzlich werden drei im deutschen Sprachraum entwickelte Modelle dargestellt. Die Verfahren Diskriminanzanalyse, Regressionsanalyse, künstliches neuronales Netz und Entscheidungsbaum werden als komplex bezeichnet. In den detaillierten Darstellungen wird auf verschiedene Unterverfahren eingegangen. Die Durchführung der mathematisch-statistischen Verfahren lässt sich wie folgt beschreiben. Verfügbares Material ist zu sammeln und zu sichten. Dazu werden der aktuelle Jahresabschluss sowie mindestens die Jahresabschlüsse der zwei vorangegangenen Jahre zusammengetragen. 391
Es wird jeweils auf die für diese Arbeit relevanten Angaben eingegangen. Weitergehende Informationen sind den einzelnen Studien direkt zu entnehmen.
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Der Prüfer hat sich ein allgemeines Verständnis über das zu prüfende Unternehmen zu verschaffen. Neben Unternehmensinformationen können auch Angaben von Konkurrenten oder der Branche nützlich sein. Anschließend ist eine Aufbereitung des Datenmaterials zur Erstellung einer Strukturbilanz erforderlich, um bilanzpolitische Maßnahmen zu bereinigen.392 Nun sind Analysen über die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage durchführbar, die bei mathematischstatistischen Verfahren mit Hilfe von Kennzahlen erfolgen. Es werden die aussagekräftigsten und intersubjektiv nachprüfbarsten Kennzahlen herausgefiltert, die die momentane und künftige wirtschaftliche Lage eines Unternehmens sehr realistisch abbilden. Die Ergebnisse der Teilanalysen sind in einer endgültigen Entscheidung über das Unternehmen zusammenzufassen. Das Gesamturteil ist meist eine Klassifikation des Unternehmens in eine der beiden Gruppen: solvent oder insolvent. Die Ausführungen über die theoretischen Grundlagen der mathematisch-statistischen Verfahren sowie deren kritischer Würdigung werden kurz aber prägnant gehalten, da das Hauptaugenmerk auf der Ermittlung des Status Quo liegt. Die Darstellung der nationalen und internationalen Studien erfolgt in der zeitlichen Reihenfolge der Veröffentlichung. Eine Kategorisierung der Untersuchungen nach den einzelnen angewandten Verfahren war nicht überschneidungsfrei möglich, da in jüngeren Arbeiten oftmals mehrere Methoden parallel in Form eines Vergleichs zur Anwendung kamen. Es wird darauf hingewiesen, dass nur Studien Berücksichtigung finden, die komplexe mathematisch-statistische Verfahren thematisieren. Im Rahmen der Feststellung des aktuellen Standes der Entwicklung wurde auf Grund der großen Anzahl an verfügbaren Studien keine Vollständigkeit angestrebt. Gleichzeitig wurde bei der Auswahl nach subjektivem Ermessen darauf geachtet, dass stets eine nächste Stufe der Verfahrensanwendung erkennbar ist. Die ersten einfachen jedoch entscheidenden Studien der univariaten Diskriminanzanalyse stammen von Fitz Patrick (1932) und Merwin (1942), die erstmalig insolvente und solvente Unternehmen berücksichtigten. Ferner konnten sie zeigen, dass Hinweise auf eine mögliche Insolvenz bereits bis zu sechs Jahren vorher in den Unternehmenszahlen erkennbar waren. In der nächsten Untersuchung von Beaver (1966) wurde die Qualität der ermittelten Ergebnisse mit Hilfe einer Validierungsstichprobe getestet. Altman (1968) wandte als erster die multivariate Methode an und konnte nur zwei Jahre vor Eintritt einer Insolvenz gute Klassifikationsraten erzielen. Deakin´s (1972) Untersuchung führte Beaver´s Arbeit fort, indem er die von Beaver angewandten Kennzahlen in einer multivariaten Diskriminanzanalyse berücksichtigte und zahlreiche frühere Ergebnisse bestätigte. Dafür bildete er für jedes Jahr vor der Insolvenz eine eigene Diskriminanzfunktion. Als Pionier der Insolvenzprognose im deutschsprachigen Raum gilt Beermann (1976), der sowohl die univariate als auch die multivariate Diskriminanzanalyse durchführte und der multivariaten Diskriminanzanalyse eine bessere Eignung bescheinigte. 392
Für detaillierte Informationen zum Konflikt zwischen Bilanzanalyse und Bilanzpolitik sowie zur Strukturbilanz sei u.a. verwiesen auf Born, Karl (2001): Bilanzanalyse international. Deutsche und ausländische Jahresabschlüsse lesen und beurteilen, 2. Aufl., Stuttgart 2001, S. 283-306; Coenenberg, Adolf G. (2003), S. 923-934; Baetge, Jörg (2004): Bilanzanalyse, 2. Aufl., Düsseldorf 2004, S. 16162 und insbesondere Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004): Die Bilanzanalyse. Lehrbuch zur Beurteilung von Einzel- und Konzernabschlüssen, 7. Aufl., Stuttgart 2004, S. 55-76.
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Weinrich (1978) stellte fest, dass unter den in einer Diskriminanzfunktion enthaltenen Kennzahlen große Korrelationen vorherrschten. Seine Versuche zur Reduzierung der Anzahl und zur Verlängerung des vierjährigen Prognosezeitraumes scheiterten. In der Arbeit von Gebhardt (1980) wurde die kleine Aktienrechtsreform von 1965 untersucht. Er berücksichtigte Unternehmen mit alter sowie neuer Bilanzierung und konnte Klassifikationsunterschiede feststellen. Mutchler (1985) analysierte als eine der ersten neben reinen Kennzahlen auch qualitative Sachverhalte. Sie entwickelte verschiedene Modelle, wobei die Ergebnisse entgegen der Erwartung nur geringe Abweichungen aufwiesen. Die Autoren Baetge/Huß/Niehaus (1986 sowie 1988) arbeiteten mit einem Kreditinstitut zusammen und hatten somit im Vergleich zu den anderen aufgeführten Studien eine sehr große Grundgesamtheit. Des Weiteren wurde ein Graubereich für Unternehmen eingeführt, die nicht eindeutig anhand des Cut-off-Wertes zugeordnet werden konnten. Der erste interessante Vergleich zwischen den Verfahren multivariate „Diskriminanzanalyse“ und „Künstliches neuronales Netz“ kommt von Odom/Sharda (1990). Ihre Resultate zeigen, dass das künstliche neuronale Netz in allen Durchgängen der multivariaten Diskriminanzanalyse überlegen war. Tam (1991) stellte in seiner Studie fünf verschiedene Ansätze gegenüber und auch hier schnitt das künstliche neuronale Netz als beste Methode ab. Die Arbeit von Feidicker (1992) ist eine der ersten Arbeiten in Deutschland über den Einsatz eines Bonitätsindikators mit Hilfe eines künstlichen neuronalen Netzes. Die Berücksichtigung von qualitativen Merkmalen in der deutschsprachigen Literatur erfolgte durch die Autoren Blochwitz/Eigermann (2000), die im Gegensatz zu Mutchler Steigerungen der Klassifikationsraten auf Grund der qualitativen Sachverhalte erzielen konnten. Altman´s Studie wurde seit ihrer Veröffentlichung auf Grund ihrer guten Ergebnisse von sehr vielen Wissenschaftlern als Benchmark herangezogen. Die Studie von Kuruppu/Laswad/Oyelere (2001) wurde beispielhaft ausgewählt, da diese Studie keine Insolvenzen sondern Liquidationen untersuchte. Ihr Modell übertraf die Ergebnisse von Altman. Koh (2004) arbeitete mit drei verschiedenen Verfahren. Er konnte die sehr gute Leistung von künstlichen neuronalen Netzen im Vergleich zum Entscheidungsbaummodell und der logistischen Regression nicht bestätigen. Die Durchführung der Ansätze setzt die Beachtung verschiedener Grundsätze voraus.393 Das Objektivierungs- bzw. Unabhängigkeitsprinzip verlangt, dass intersubjektiv nachprüfbare Gesamturteile gebildet werden. Dies ist gegeben, wenn ein Dritter mit derselben Methode und denselben Daten zum gleichen Ergebnis kommt. Die Anwendung des Verfahrens hat demnach personenunabhängig zu sein. Das Neutralisierungsprinzip besagt, dass die ausgewählten Kennzahlen jahresabschlusspolitische Maßnahmen weitestgehend neutralisieren müssen, um eine Verzerrung des Ergebnisses zu verhindern bzw. zu minimieren. Das Ganzheitlichkeitsprinzip fordert, dass die Kennzahlen möglichst alle Informationsbereiche des Jahresabschlusses und damit der wirtschaftlichen Lage des zu untersuchenden Unternehmens abdecken, um ein vollständiges Bild des Unternehmens gewährleisten zu können. Das Vollständigkeitsprinzip bezieht sich auf die Datenerfassung. Sämtliche jahresabschlussrelevanten Informationen sollen erfasst
393
In Anlehnung an Baetge, Jörg (2004), S. 586-589.
71
und einheitlich aufbereitet werden. Abweichungen in den Jahresabschlüssen verschiedener Unternehmen oder Perioden können somit behoben und geeignete Zeit-, Unternehmens- sowie Soll-Vergleiche durchgeführt werden. Diese Prinzipien sind nicht ausreichend, um eine gute Ergebnisqualität sicherstellen zu können. Zusätzlich ist die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens zu untersuchen. Der zeitliche Aufwand zur Durchführung und die aufzubringenden Kosten dürfen den zu erlangenden Nutzen nicht übersteigen. Im Rahmen der Ergebnisinterpretation ist die Transparenz ein wesentlicher Sachverhalt. Das endgültige Resultat kann bereits einen wichtigen Hinweis für das weitere Vorgehen insbesondere hinsichtlich der Prüfungsschwerpunkte und -intensitäten geben. Informationen über das Zustandekommen bzw. der Gewichtung einzelner Einflussfaktoren können zusätzlich entscheidende Anhaltspunkte liefern. Ein ebenfalls nicht zu vernachlässigender Sachverhalt ist die Anwenderfreundlichkeit des Verfahrens und damit einhergehend die Akzeptanz in der Praxis. Die Handhabung des Verfahrens muss so gestaltet sein, dass Personen mit durchschnittlicher Erfahrung in diesem Bereich nach angemessener Einarbeitungszeit eine erfolgreiche Anwendung ohne große Probleme durchführen können. Als letzter Punkt ist die Verfügbarkeit der notwendigen Daten zu nennen. Je einfacher die Datenbeschaffung ist, desto positiver werden sich das Kosten-/Nutzen-Verhältnis und die Akzeptanz entwickeln.
C. 2.1.2.
Theoretische Grundlagen der mathematisch-statistischen Ansätze und deren kritische Würdigung
C. 2.1.2.1.
C. 2.1.2.1.1.
Theoretische Grundlagen der einfachen mathematisch-statistischen Verfahren und deren kritische Würdigung Einzelkennzahlen und Kennzahlensysteme
Die Kennzahlenrechnung wird in ihrem Geburtsland, den USA, allgemein als „the relationship, or proportion, that one amount bears to another“ definiert.394 Die Kennzahlen der quantitativen Jahresabschlussanalyse lassen sich in absolute und relative einteilen.395 Absolute Kennzahlen sind direkt aus der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung ersichtlich396 und „geben unmittelbar Auskunft über die Größe des Sachverhaltes“.397
394
395
396 397
Guthman, Harry George (1964): Analysis of Financial Statements, 4. Aufl., Englewood Cliffs 1964, S. 102. Vgl. Staehle, Wolfgang H. (1969): Kennzahlen und Kennzahlensysteme als Mittel der Organisation und Führung von Unternehmen, Wiesbaden 1969, S. 52; Botta, Volkmar (1997): Kennzahlensysteme als Führungsinstrumente: Planung, Steuerung und Kontrolle der Rentabilität im Unternehmen, 5. Aufl., Berlin 1997, S. 18; Reichmann, Thomas (2001): Controlling mit Kennzahlen und Managementberichten, 6. Aufl., München 2001, S. 21. „Diese Einteilung nach statistisch-methodischen Gesichtspunkten deckt den größten Teil, nicht aber das gesamte Spektrum der Kennzahlenanalyse ab. So lassen sich z.B. Produkte, Wurzelausdrücke, Potenzen und dgl. nicht einordnen.“ Meyer, Claus (1994): Betriebswirtschaftliche Kennzahlen und Kennzahlensysteme, 2. Aufl., Stuttgart 1994, S. 6. Vgl. Gräfer, Horst (1997): Bilanzanalyse, 7. Aufl., Herne/Berlin 1997, S. 89. Reichmann, Thomas (2001), S. 9. Ähnlich Botta, Volkmar (1997), S. 16.
72
Sie werden dargestellt als:398 -
Einzelkennzahlen (z.B. Beschäftigtenzahl),
-
Summen (z.B. Bilanzsumme),
-
Differenzen (z.B. Working capital als Differenz zwischen Umlaufvermögen und kurzfristigem Fremdkapital),
-
Mittelwerte (z.B. durchschnittlicher Lagerbestand).
Bei der Bildung von Verhältniszahlen ist auf sachliche, zeitliche und wertmäßige Entsprechung von Zähler und Nenner zu achten. Die relativen Kennzahlen werden folglich aus zwei in Beziehung gesetzten absoluten Größen gebildet und kommen in drei verschiedenen Formen vor:399 -
Gliederungszahlen (Quoten- oder Anteilszahlen) Eine Teilgröße wird in Relation zur zugehörigen Gesamtgröße betrachtet (z.B. Eigenkapital zu Bilanzsumme).
-
Beziehungszahlen Wesensverschiedene absolute Kennzahlen, zwischen denen ein Ursache-WirkungsZusammenhang besteht, werden zueinander in Beziehung gesetzt (z.B. Eigenkapital zum Anlagevermögen).
-
Indexzahlen Eine absolute Größe wird für einen Zeitpunkt in Relation zur gleichen Größe gesetzt, die zeitlich, sachlich oder räumlich von der absoluten Größe abweicht (z.B. prozentuales Wachstum des Umsatzes).400
Unter Kennzahlensystemen wird im Allgemeinen eine Zusammenstellung von quantitativen Variablen verstanden, wobei die einzelnen Kennzahlen in einer sachlich sinnvollen Beziehung zueinander stehen, einander ergänzen oder erklären und insgesamt auf ein gemeinsames übergeordnetes Ziel ausgerichtet sind.401 Diese lassen sich nach der Art der Verknüpfung in Rechensysteme und Ordnungssysteme unterteilen.402 Eine Spitzenkennzahl wird bei Rechensystemen nach mathematischen Regeln in weitere Größen zerlegt.403 Zusammenhänge und Verhältnisse 398 399
400
401
402 403
Vgl. Staehle, Wolfgang H. (1969), S. 52; Gräfer, Horst (1997), S. 89-90. Vgl. Staehle, Wolfgang H. (1969), S. 53; Buchner, Robert (1985): Finanzwirtschaftliche Statistik und Kennzahlenrechnung, München 1985, S. 71-93; Gräfer, Horst (1997), S. 90-91; Botta, Volkmar (1997), S. 16-17; Littkemann, Jörn/Krehl, Harald (2000): Kennzahlen der klassischen Bilanzanalyse. In: Hauschildt, Jürgen/Leker, Jens (Hrsg.), Krisendiagnose durch Bilanzanalyse, 2. Aufl., Köln 2000, S. 19-32, hier S. 20-21; Reichmann, Thomas (2001), S. 21-22. Gräfer nennt als vierte Form der Verhältniszahlen die Richtzahl. Hier werden Kennzahlenergebnisse des zu analysierenden Unternehmens mit branchentypischen Durchschnittszahlen, die ein repräsentatives Branchenmittel widerspiegeln (Richtzahl), verglichen. Der Kapitalmarktzins kann z.B. als Maßstab bei der Beurteilung der Eigenkapitalrentabilität herangezogen werden. Vgl. Gräfer, Horst (1997), S. 91. Bei Staehle werden Richtzahlen nur beim zwischenbetrieblichen Vergleich angeführt, so dass keine genaue Klassifizierung erfolgt. Vgl. Staehle, Wolfgang H. (1969), S. 61. Vgl. Reichmann, Thomas/Lachnit, Laurenz (1977): Kennzahlensysteme als Instrument zur Planung, Steuerung und Kontrolle von Unternehmungen. In: Maschinenbau, o. Jg., 1977, Heft 9, S. 43-53, hier S. 45; Groll, Karl-Heinz (2004): Das Kennzahlensystem zur Bilanzanalyse: Ergebniskennzahlen Aktienkennzahlen - Risikokennzahlen, 2. Aufl., München 2004, S. 14. Vgl. Buchner, Robert (1985), S. 36; Meyer, Claus (1994), S. 10; Baetge, Jörg (2004), S. 501. Vgl. Meyer, Claus (1994), S. 11; Baetge, Jörg (2004), S. 501; Groll, Karl-Heinz (2004), S. 14.
73
zwischen den Kennzahlen lassen sich auf Grund vieler Einflussfaktoren nur bedingt erkennen.404 Ordnungssysteme werden mit Hilfe eines Systematisierungsgesichtspunktes, z.B. nach der betrieblichen Funktion, ermittelt, bei denen nur die Elemente selbst und nicht deren Beziehungen quantifiziert werden.405
C. 2.1.2.1.2.
Quicktest
Das Ergebnis des Schnelltests (Quicktest) kann besonders bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen als erste Orientierung dienen.406 Hierbei werden mit Hilfe von vier aussagekräftigen Kennzahlen Erläuterungen zur wirtschaftlichen Lage abgegeben. Diese Kennzahlen sind nicht
404
405
406
Vgl. Meyer, Claus (1994), S. 11. Groll sieht keine Einschränkungen bei der Bestimmung von Kennzahlenbeziehungen: „Durch die Zerlegung werden die Kennzahlen analysiert; man erkennt, dass Beziehungen zwischen den Kennzahlen bestehen und welcher Art diese Beziehungen sind.“ Groll, Karl-Heinz (2004), S. 14. Vgl. Meyer, Claus (1994), S. 12; Baetge, Jörg (2004), S. 502. Die drei wichtigsten Kennzahlensysteme werden der Vollständigkeit halber kurz vorgestellt. a) Das bekannteste Kennzahlensystem ist das DuPont-System of Financial Control. Es wurde 1919 von dem amerikanischen Chemieunternehmen Du Pont de Nemours & Co. entwickelt. An dessen Kennzahlenpyramide steht der Return on Investment (RoI). Dessen ausnahmslos rechentechnisch verknüpften Elemente werden aufgespalten. Die schrittweise Analyse des RoI ermöglicht die Bestimmung der Haupteinflussfaktoren und der Schwachstellen eines Unternehmens sowie bei Bedarf die Steuerung entsprechender Gegenmaßnahmen. Für die Ermittlung von aussagensicheren Ergebnissen und Prognosewerten im Rahmen der Analyse und Kontrolle sind mindestens die Werte der letzten fünf Jahre zu berücksichtigen. Vgl. Staehle, Wolfgang H. (1969), S. 71; Buchner, Robert (1985), S. 39; Meyer, Claus (1994), S. 118-119; Botta, Volkmar (1997), S. 35; Perridon, Louis/ Steiner, Manfred (1999): Finanzwirtschaft der Unternehmung, 10. Aufl., München 1999, S. 555-557; Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001): Kennzahlen für Geschäftsführer: das Handbuch für Praktiker; Analyse-Methoden, Frühwarnsysteme, Aufdeckung von Gewinnpotenzialen, Unternehmensbewertung, Balanced scorecard, Fallbeispiele, 4. Aufl., Wien/Frankfurt am Main 2001, S. 190-191. b) Der Zentralverband Elektrotechnik- und Elektroindustrie e.V. (ZVEI) veröffentlichte 1970 das sehr detaillierte und umfangreiche ZVEI-Kennzahlensystem. Es besteht aus einer Wachstums- und einer Strukturanalyse. Die pyramidenförmige Ableitung der übrigen Kennzahlen von der Spitzenkennzahl der Eigenkapitalrendite gleicht trotz einiger Verbesserungen dem Aufbau des DuPontSystems. Das ZVEI-Kennzahlensystem setzt sich zum größten Teil aus Verhältniszahlen mit rechentechnischer Verknüpfung zusammen. Zusätzlich gibt es Hilfskennzahlen, die keine eigene Aussagefähigkeit besitzen. Der überwiegende Einbezug von Verhältniszahlen und die weitgehende Kennzahlendifferenzierung durch Formblätter vom ZVEI ermöglichen im Vergleich zum DuPontSystem eine bessere Darstellung von Ursache-Wirkung-Zusammenhängen. Problematisch ist, dass nach mehreren Stufen nicht mehr alle wechselseitigen Abhängigkeiten festgestellt werden können. Vgl. Buchner, Robert (1985), S. 42; Meyer, Claus (1994), S. 123-126; Botta, Volkmar (1997), S. 28; Perridon, Louis/Steiner, Manfred (1999), S. 557; Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001), S. 191-193; Reichmann, Thomas (2001), S. 30-31. c) Das Rentabilitäts-Liquiditäts-Kennzahlensystem (RL) wurde von Reichmann/Lachnit entwickelt. Es ist ein Ordnungssystem und setzt sich aus einem Rentabilitätsteil mit der zentralen Größe „Ordentliches Ergebnis“ und dem Liquiditätsteil mit der zentralen Größe „Liquide Mittel“ zusammen. Neben diesen beiden unabhängig voneinander stehenden Teilsystemen existiert ein modifiziertes RLBilanz-Kennzahlensystem. Hier gibt es keine Abhängigkeiten von rechentechnischen Beziehungen und es wird kein Gesamturteil über ein Unternehmen geliefert. Vgl. Botta, Volkmar (1997), S. 28; Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001), S. 193-195; Reichmann, Thomas (2001), S. 72-73; Baetge, Jörg (2004), S. 502-503. Die Anwendung von mehr als vier Kennzahlen hat den Vorteil, dass mögliche Fehlerquellen oder Ursachen für bestimmte Entwicklungen schneller erkannt werden. Die Grundaussage des Quicktests bleibt jedoch erhalten. Vgl. Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001), S. 75.
74
störanfällig und schöpfen das gesamte Informationspotenzial der Bilanz sowie der Gewinn- und Verlustrechnung maximal aus, da sie den zentralen Analysebereichen Finanzierung, Rentabilität, Erfolg und Liquidität entstammen.407
Ertragskraft
Finanzielle Stabilität
Bewertungsskala (Noten)408 Kennzahl Eigenkapitalquote in % (Kapitalkraft) Schuldentilgungsdauer in Jahren (Verschuldung)
Definition Eigenkapital / Gesamtkapital × 100
1 > 30
2 > 20
3 > 10
4 < 10
5 Negativ
Bereich Finanzierung
(Fremdkapital Flüssige Mittel) / Jahres Cash Flow × 100
< 3
< 5
< 12
> 12
> 30
Liquidität
Cash Flow in % zu Betriebsleistung (Finanzielle Leistungsfähigkeit) Gesamtkapitalrentabilität in % (Rendite)
Cash Flow409 / Betriebsleistung × 100
> 10
> 8
> 5
< 5
Negativ
Erfolg
(Betriebsergebnis + Fremdkapitalzinsen) / Bilanzsumme × 100
> 15
> 12
> 8
< 8
Negativ
Rentabilität
Tab. 3:
Kennzahlen und Beurteilungsskala des Schnelltests410
Die Benotung setzt sich aus zwei Teilurteilen zusammen. Der arithmetische Notendurchschnitt aus Eigenkapitalquote und Schuldentilgungsdauer betrachtet die finanzielle Stabilität, der aus Gesamtkapitalrentabilität und Cash Flow in Prozent zu Betriebsleistung (Cash Flow-Leistungsrate) die Ertragskraft. Die Gesamtnote ergibt sich als ungewichteter Notendurchschnitt aus allen vier Kennzahlen.411 Bei einer Anwendung über verschiedene Untersuchungszeiträume ist die Entwicklung der Quicktestnote ebenfalls zu berücksichtigen.412 Wenn die Quicktestnote steigt oder fällt … + 0,25 + 0,50 + 0,75 + 1,00 > + 1,00 - 0,25 - 0,50 - 0,75 - 1,00 < - 1,00
Tab. 4: 407 408
409
410 411 412
… spricht man von folgendem Trend Leicht günstig Recht günstig Günstig Sehr günstig Extrem günstig Leicht ungünstig Recht ungünstig Ungünstig Sehr ungünstig Extrem ungünstig
Beurteilungsskala des Quicktests für Kennzahlentrends
Vgl. Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001), S. 77-78. Die Bewertungsskala lautet 1 = „Sehr gut“, 2 = „Gut“, 3 = „Mittel“, 4 = „Schlecht“ und 5 = „Insolvenzgefährdet“. Definition von Cash Flow = Abschreibungen + Dotierung der Pensionsrückstellung + Gewinn (vor Einkommensteuer). Vgl. Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001), S. 77-78. Vgl. Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001), S. 78. Vgl. Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001), S. 83.
75
C. 2.1.2.1.3.
Saarbrücker Modell
Das Saarbrücker Modell413 ist eine Kombination aus qualitativer und quantitativer Analyse.414 Die Jahresabschlusspolitik des zu untersuchenden Unternehmens wird in die Einschätzung einbezogen, um bilanzpolitische Einflüsse auf die den Kennzahlen zu Grunde liegenden Jahresabschlussdaten zu vermindern. Die traditionelle quantitative Kennzahlenanalyse wird zur Identifizierung bilanzpolitischer Maßnahmen um eine qualitative Analyse des Anhangs erweitert. Im Rahmen der quantitativen Analyse werden vier Kennzahlen herangezogen (Tabelle 5). Kennzahlen Eigenkapitalquote Korrigiertes Eigenkapital415 / Korrigiertes Gesamtkapital416 EKQ 0,0 0,0 < EKQ 8,0 8,0 < EKQ 15,0 15,0 < EKQ 22,0 22,0 < EKQ 28,0 28,0 < EKQ 37,0 37,0 < EKQ 45,0 45,0 < EKQ 55,0 55,0 < EKQ 70,0 70,0 < EKQ 85,0 EKQ > 85,0
Tab. 5:
Return on Investment Korrigierter Jahresüberschuss417 / Korrigiertes Gesamtkapital RoI 0,0 0,0 < RoI 2,0 2,0 < RoI 4,5 4,5 < RoI 6,0 6,0 < RoI 8,0 8,0 < RoI 11,0 11,0 < RoI 14,0 14,0 < RoI 17,0 17,0 < RoI 20,0 20,0 < RoI 27,0 RoI > 27,0
Punkte
Cash Flow zu Umsatz Cash Flow418 / Nettoumsatzerlöse
0,0 4,0 6,5 8,5 10,5 13,0 17,0 21,0 30,0
CFU < CFU < CFU < CFU < CFU < CFU < CFU < CFU < CFU < CFU CFU >
0,0 4,0 6,5 8,5 10,5 13,0 17,0 21,0 30,0 48,0 48,0
Cash Flow zu Kapital Cash Flow / Korrigiertes Gesamtkapital
0,0 4,0 8,0 10,0 12,0 14,0 16,0 19,5 23,0
CFK < CFK < CFK < CFK < CFK < CFK < CFK < CFK < CFK < CFK CFK >
0,0 4,0 8,0 10,0 12,0 14,0 16,0 19,5 23,0 28,0 28,0
0 25 50 75 100 125 150 175 200 225 250
Kennzahlen und Beurteilungsskala des Saarbrücker Modells
Tabellenlegende: EKQ = Eigenkapitalquote RoI = Return on Investment CFU = Cash Flow zu Umsatz CFK = Cash Flow zu Kapital 413
414
415
416
417
418
Vgl. Kralicek, Peter/Böhmdorfer, Florian/Kralicek, Günther (2001), S. 235-236; Küting, Karlheinz/ Weber, Claus-Peter (2004), S. 414-429. Erstmals wurde dieses Verfahren im Jahr 1993 anhand von 150 Konzernabschlüssen in der Zeitschrift „Blick durch die Wirtschaft“ veröffentlicht. Definition von Korrigiertes Eigenkapital = Eigenkapital laut Bilanz - Ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital + 60,00% des Sonderpostens mit Rücklageanteil - Dividendenausschüttung des Mutterunternehmens - Restbuchwerte aktivierter Geschäfts- oder Firmenwerte - Nicht gedeckte Pensionsverpflichtungen. Definition von Korrigiertes Gesamtkapital = Bilanzsumme - Ausstehende Einlagen auf das gezeichnete Kapital + Erhaltene Anzahlungen, soweit offen von den Vorräten abgesetzt - Restbuchwert aktivierter Geschäfts- oder Firmenwerte. Definition von Korrigierter Jahresüberschuss = Jahresüberschuss vor Steuern vom Einkommen und vom Ertrag + Fremdkapitalzinsen + Abschreibungen des Geschäftsjahres auf Geschäfts- oder Firmenwerte + Außerordentliche Aufwendungen - Außerordentliche Erträge. Definition von Cash Flow = Jahresüberschuss vor Steuern vom Einkommen und vom Ertrag + Abschreibungen des Geschäftsjahres - Zuschreibungen des Geschäftsjahres ± Veränderungen der Rückstellungen für Pensionen und ähnliche Verpflichtungen ± Veränderungen des Sonderpostens mit Rücklageanteil + Außerordentliche Aufwendungen - Außerordentliche Erträge.
76
Zunächst wird die Ertragsstärke des Unternehmens anhand der Kennzahlen ermittelt. Jedem Kennzahlenergebnis wird eine Punktzahl zwischen den Werten 0 und 250 zugeordnet.419 Die Gesamtpunktzahl beträgt somit maximal 1.000 Punkte und ergibt sich aus der Summe der Kennzahlenausprägungen ohne Gewichtung. Die Interpretation der Gesamtpunktzahl enthält die folgende Tabelle 6. Ausprägung der Gesamtpunktzahl Gesamtpunktzahl 250 250 < Gesamtpunktzahl 400 400 < Gesamtpunktzahl 600 600 < Gesamtpunktzahl 800 800 < Gesamtpunktzahl = 1.000
Tab. 6:
Ertragsstärkeklasse Außergewöhnlich ertragsschwach Unterdurchschnittlich ertragsstark Durchschnittlich ertragsstark Überdurchschnittlich ertragsstark Außergewöhnlich ertragsstark
Interpretation der Gesamtpunktzahl des Saarbrücker Modells
Im Rahmen der qualitativen Analyse des bilanzpolitischen Instrumentariums werden Hinweise auf die Bildung bzw. Auflösung stiller Reserven erkannt. Die deutsche Normbilanzierung dient als Vergleichsmaßstab.420 Festgestellte Abweichungen werden mit Hilfe einer Checkliste durch subjektiv gewichtete Kennzeichnungen in progressive und konservative bilanzpolitische Maßnahmen eingestuft. Die Anzahl der ermittelten Normabweichungen entscheidet über die Benotung. Es werden fünf Stufen unterschieden. Divergenzen liegen „Nie“, „Sehr selten“, „Selten“, „Oft“ bzw. „Sehr oft“ vor. Bei der Analyse des Verhaltens wird nach „Ausschließlich“, „Eindeutig überwiegend“, „Überwiegend“ oder „Nicht eindeutig“ progressivem bzw. konservativem Verhalten differenziert. Die semiotische Bilanzanalyse wird in drei Ebenen unterteilt. Auf der pragmatischen Ebene erfolgt die Analyse der Intensität, d.h. Grad und Umfang, der freiwilligen Berichterstattung. Bei der Bestimmung des Umfangs ist kritisch vorzugehen, indem stets die Beziehung der Informationen zur Jahresabschlusspolitik hinterfragt wird.421 Auf der syntaktischen Ebene wird der Bestimmtheitsgrad der Inhalte untersucht. Der Präzisionsgrad unterscheidet sich bei Punkt- oder Intervallaussagen sowie bei komparativen oder qualitativen Aussagen. Auch nicht zu klassifizierende Angaben sind zu berücksichtigen. Die semantische Ebene steht für die Analyse der Wortwahl. Hier wird der Bedeutungsinhalt bestimmter Wörter untersucht.422
419 420 421
422
Diese Zuordnung beruht auf langjährigen Erfahrungswerten. Ein Überblick der deutschen Normbilanzierung findet sich im Anhang 1. Erfolgt eine Nennung aller notwendigen Angaben, so muss dies kein schlechtes Zeichen sein. Gibt es über die Mindestangaben hinaus keine weiteren Informationen, ist zu vermuten, dass keine informelle Darstellung der wirtschaftlichen Lage durch die gesetzlichen Vertreter angestrebt ist. Bei freiwillig veröffentlichten Informationen kann meist von einer großen Realitätstreue ausgegangen werden. Einige Beispiele für eine Differenzierung zwischen negativen und positiven Äußerungen finden sich im Anhang 2.
77
C. 2.1.2.1.4.
RSW-Verfahren
Das RSW-Verfahren ist ein Scoring- oder Punktbewertungsmodell, das Aktiengesellschaften auf Grundlage veröffentlichter Konzernabschlüsse in den drei Bereichen Rendite, Sicherheit und Wachstum beurteilt.423 Die Analyse erfolgt aus Sicht des Aktionärs nach vier Branchengruppen und soll Anlageentscheidungen unterstützen. Die Einschätzung des Unternehmens basiert auf sechs Kennzahlen (Tabelle 7). Bereich Rendite
Kennzahl Eigenkapitalrendite Cash Flow-Rendite (branchenabhängig)
Sicherheit
Eigenkapitalquote
Liquiditätsquote (branchenabhängig)
Wachstum
Tab. 7:
Wachstumsrate Bilanzsumme Wachstumsrate Umsatz (branchenabhängig)
Vergleichsgruppe für Standardisierung Alle Unternehmen Industrie/Handel/Verkehr Verwaltungsgesellschaften Geschäftsbanken Hypothekenbanken Schaden- und Rückversicherer Lebensversicherer Industrie/Handel/Verkehr Verwaltungsgesellschaften Banken/Versicherungen Industrie/Handel/Verkehr Verwaltungsgesellschaften Geschäftsbanken Hypothekenbanken Schaden- und Rückversicherer Lebensversicherer Alle Unternehmen Industrie/Handel/Verkehr Verwaltungsgesellschaften Banken/Versicherungen
Gewicht 0,444 0,222
0,111
0,056
0,111 0,056
Darstellung und Interpretation des RSW-Modells424
Das Gesamturteil setzt sich aus den sechs Werten gemäß der durch die Verfahrensentwickler vorgegebenen Gewichtung zusammen. Es gibt die Abweichung des untersuchten Unternehmens vom Durchschnitt der sich in der Vergleichsgruppe befindenden Unternehmen wieder. Je höher das Gesamturteil ausfällt, desto besser ist die Einschätzung.
423
424
Im Jahr 1987 wurden erstmals 304 Aktiengesellschaften der Branchen Industrie, Handel und Verkehr analysiert. Seitdem wird diese Untersuchung jährlich durchgeführt und in der Zeitschrift „ManagerMagazin“ veröffentlicht. Eine Erweiterung der Analyse um die Aktienperformance an der Börse erfolgte 1994. Seit 1997 wurden alle deutschen börsennotierten Aktiengesellschaften sämtlicher Branchen berücksichtigt. Ein Jahr darauf wurden die Aktiengesellschaften europaweit untersucht (Euro-Ranking), wobei die Ergebnisse der 500 größten Unternehmen publiziert werden. Vgl. Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 388.
78
C. 2.1.2.1.5.
Kritische Würdigung der einfachen mathematisch-statistischen Verfahren
Die kritische Würdigung der Kennzahlen nimmt eine sehr wichtige Stellung bei den mathematisch-statistischen Verfahren ein, da alle Methoden mit Kennzahlen arbeiten. Folglich sind die nachstehenden Ausführungen zum großen Teil auch für die komplexen Ansätze relevant. Ob einige Probleme durch verschiedene Techniken gemindert oder sogar gelöst werden können, ist an entsprechender Stelle zu klären. Ein entscheidender Vorteil von Einzelkennzahlen ist, dass gute Ergebnisse ohne großen zeitlichen und arbeitstechnischen Aufwand möglich sind.425 Ferner sind spezielle außerbetriebliche Kenntnisse bezüglich der Kennzahlenauswertung mit computerbasierten Programmen nicht erforderlich. Die Bildung von Kennzahlen ist im Allgemeinen mit keinen großen Komplikationen verbunden. Sie sollte aber stets auf ausführlichen Überlegungen beruhen, damit eine sinnvolle Interpretation gewährleistet ist. Die Analyse von Einzelkennzahlen birgt ein großes Potenzial an Fehlinterpretationen.426 Das zu Grunde liegende Zahlenmaterial ist veraltet. Zum einen ist das Handelsrecht auf Grund der hohen Stellung des Vorsichtsprinzips grundsätzlich vergangenheitsorientiert,427 zum anderen ist der Zeitraum zwischen Bilanzstichtag und Veröffentlichung des Jahresabschlusses zu beachten. Die Daten können richtig ermittelt worden sein, jedoch sind sie stichtagsbezogen, so dass kein aktuelles Bild des Unternehmens darstellbar ist.428 Ein Jahresabschluss enthält nicht alle für eine Unternehmensanalyse erforderlichen Informationen.429 Qualitative Sachverhalte wie die Qualität des Managements oder Hinweise über offene Kreditlinien werden dort nicht abgebildet, obwohl sie von entscheidender Bedeutung sein können.430 Sofern solche Sachverhalte vorliegen sollten, scheitert deren Berücksichtigung häufig an den erheblichen Schwierigkeiten der Quantifizierung.431 Nur mit Hilfe eines Vergleichsmaßstabes sind vor allem absolute Kennzahlen uneingeschränkt aussagefähig.432 Da sich in der Literatur keine Soll-Werte für Kennzahlen entwickelt haben,433 muss der Beurteiler diese subjektiv bestimmen. Verschiedene Soll-Werte führen zu unterschiedlichen Interpretationen.434 Bei Verhältniszahlen müssen die zu Grunde liegenden absoluten Kennzahlen bekannt sein, da sonst nicht ersichtlich ist, ob eine Änderung 425 426
427
428 429 430
431 432
433
434
Vgl. Groll, Karl-Heinz (2004), S. 13. Auf Konzernabschlüssen oder unterschiedlichen Rechnungslegungen basierende Schwierigkeiten wird hier nicht näher eingegangen. Nur wenige Sachverhalte, wie z.B. Rückstellungen und die Festlegung von Nutzungsdauern, berücksichtigen Zukunftsaspekte. Vgl. Gräfer, Horst (1997), S. 24; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 48. Vgl. Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 48. Vgl. Quick, Reiner (1985): Die Verwendbarkeit von Jahresabschlussinformationen für die Bilanzanalyse. In: Betrieb und Wirtschaft, 48. Jg., 1995, S. 629-631, hier S. 629; Gräfer, Horst (1997), S. 24; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 49. Vgl. Littkemann, Jörn/Krehl, Harald (2000), S. 21; Reichmann, Thomas (2001), S. 22. Vgl. Gräfer, Horst (1997), S. 90; Littkemann, Jörn/Krehl, Harald (2000), S. 20; Reichmann, Thomas (2001), S. 22. Vgl. Rößler, Joachim (1988b): Krisendiagnose unter Verwendung prognostizierter Jahresabschlüsse. In: Hauschildt, Jürgen (Hrsg.), Krisendiagnose durch Bilanzanalyse, Köln 1988, S. 153-173, hier S. 155. Vgl. Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 49.
79
oder Gleichheit des Ergebnisses auf Veränderungen im Zähler und/oder Nenner beruhen.435 Ferner müssen die Bilanzposten eindeutig definiert sein, um Fehlinterpretationen vorzubeugen.436 Das Datenmaterial wird durch das Ausnutzen von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten sowie stichtagsbezogenen Gestaltungen wie sale-and-lease-back-Transaktionen durch den Bilanzersteller manipuliert. Verschiedene sachverhaltsgestaltende Verhaltensweisen führen zu anderen Ansätzen von Bilanzposten. Durch die Aufbereitung des Datenmaterials muss der Versuch unternommen werden, die bilanzpolitischen Maßnahmen weitestgehend auszuschließen sowie die angewandte Bilanzpolitik in die Interpretation einzubinden.437 Ferner liegt eine vereinfachte Darstellung der Unternehmensentwicklung vor. Daten werden in Form von Kennzahlen verdichtet und zusammengefasst, so dass ein Verlust von Informationen nicht zu vermeiden ist.438 Einzelkennzahlen können nur kleine Teilbereiche eines Unternehmens berücksichtigen, so dass Zusammenhänge nicht erkannt werden oder einzelpostenbezogene Hinweise untergehen können. Das Bild des Unternehmens ist unvollständig.439 Der Vergleich von Ergebnissen einzelner Kennzahlen kann zu widersprüchlichen Interpretationen führen, die das Unternehmensbild zusätzlich verfälschen.440 Bei der Anwendung von Einzelkennzahlen sind ebenfalls der Wirtschaftlichkeits- und der Wesentlichkeitsgrundsatz zu beachten. Die Beschaffung und Aufbereitung des Datenmaterials sollte in angemessener Zeit durchführbar sein, so dass ein akzeptables Kosten-Nutzen-Verhältnis vorliegt. Dies hat vorzugsweise bei der Durchführung von Zeit- oder Betriebsvergleichen eine hohe Priorität. Der Wesentlichkeitsgrundsatz besagt, dass jede verwendete Kennzahl den Einblick in die Lage des Unternehmens zu verbessern hat. Bei Nichtberücksichtigung dieses Grundsatzes leiden die Qualität und die Übersichtlichkeit der Auswertung.441 Obwohl Kennzahlen mit vielen zum Teil auch gravierenden Nachteilen behaftet sind, können sie im Rahmen einer Unternehmensanalyse nicht ersetzt werden. Bei einer Kennzahlenanalyse ist es von größter Bedeutung, dass der Prüfer sich dieser Grenzen bewusst ist und seine Untersuchungsergebnisse darauf ausrichtet.442 Mit Hilfe von Kennzahlensystemen ist ein Abbild größerer Unternehmensteile möglich. Komplexere Sachverhalte können vor allem mit Rechensystemen dargestellt werden, so dass verschiedene quantitative Beziehungen zwischen vor- und nachgelagerten Kennzahlen bestimmbar sind. Die Untersuchung von Zusammenhängen wird dadurch unterstützt. Nachteilig wird bei Rechensystemen angesehen, dass zur Ermittlung der Hauptkennzahlen oft viele Hilfsgrößen benötigt werden, die keine Aussage besitzen. Eine fehlerhafte Identifizierung dieser Kennzahlen 435 436 437 438
439 440 441 442
Vgl. Staehle, Wolfgang H. (1969), S. 67; Groll, Karl-Heinz (2004), S. 12. Vgl. Quick, Reiner (1985), S. 631; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 50-51. Vgl. Quick, Reiner (1985), S. 630-631; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 49-50. Zusätzlich erschweren bei kleinen und mittelgroßen Unternehmen die größenabhängigen Erleichterungen nach §§ 266 und 275 HGB die Analyse. Vgl. Quick, Reiner (1985), S. 630; Littkemann, Jörn/ Krehl, Harald (2000), S. 21. Vgl. Groll, Karl-Heinz (2004), S. 13; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 50. Vgl. Staehle, Wolfgang H. (1969), S. 66; Littkemann, Jörn/Krehl, Harald (2000), S. 21. Vgl. Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 53. Vgl. Gräfer, Horst (1997), S. 25; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 53.
80
kann dennoch zu Verzerrungen von Analyseergebnissen führen. Die Stärken und Schwächen sind bei Rechen- und Ordnungssystemen entgegengesetzt. Als zusätzlicher Vorteil bei Ordnungssystemen wird deren große Flexibilität bei einer Veränderung des Informationserfordernisses angesehen. Dieser Vorzug wandelt sich in einen Nachteil um, wenn auf Grund des größeren Systemumfangs dem Grundsatz der Übersichtlichkeit nicht genüge getan wird.443 Beim Quicktest, dem Saarbrücker Modell und dem RSW-Verfahren ist positiv anzumerken, dass für diese Verfahren ausführliche Beurteilungs- und Interpretationsvorgaben vorliegen. Ob diese das Kriterium der Allgemeingültigkeit erfüllen, ist individuell zu überprüfen. Ursachen für Entwicklungstendenzen oder besondere Fehlerquellen können nur in einem geringen Umfang erkannt werden. Beim Saarbrücker Modell ist hervorzuheben, dass neben den quantitativen auch qualitative Sachverhalte berücksichtigt werden, so dass hier umfassendere Unternehmensinformationen der Analyse zu Grunde liegen als bei den bisher vorgestellten Verfahren. Sowohl Einzelkennzahlen und Kennzahlensysteme als auch die drei Kurzverfahren sind als alleiniger Ansatzpunkt für ein hinreichend sicheres Urteil über die zukünftige Unternehmensentwicklung nicht geeignet. Wie jedoch die Bezeichnung Schnelltest besagt, ist eine Anwendung als Vortest zweckmäßig, in dem eine erste Beurteilung des Unternehmens erfolgen soll. Auf Grund der geringen Anzahl der verwendeten Kennzahlen ist der zeitliche Aufwand begrenzt. Die gewonnenen Erkenntnisse bilden dann die Basis für eine tiefergehende Analyse.
C. 2.1.2.2.
C. 2.1.2.2.1. C. 2.1.2.2.1.1.
Theoretische Grundlagen der komplexen mathematisch-statistischen Verfahren und deren kritische Würdigung Diskriminanzanalyse Das Verfahren der Diskriminanzanalyse
Zunächst wird das allgemeine Verfahren der Diskriminanzanalyse beschrieben, dem sich die Darstellung der Besonderheiten der univariaten und der multivariaten Diskriminanzanalyse sowie der Nearest-Neighbor-Methode anschließt.
443
Vgl. Groll, Karl-Heinz (2004), S. 17 und 19.
81
Verfahren der multivariaten Diskriminanzanalyse
verteilungsfreie (non-parametrische) Verfahren
verteilungsabhängige (parametrische) Verfahren
KendallVerfahren
quadratische Verfahren
LinhartVerfahren
lineare Verfahren
Nearest-NeighborVerfahren KernVerfahren
Abb. 2:
Arten der Diskriminanzanalyse444
Als mathematisch-statistisches Verfahren ordnet die Diskriminanzanalyse reale Daten anhand bestimmter Merkmale und einer vorab entwickelten Zuordnungsregel mehreren verschiedenen Gruppen zu.445 Den Ausgangspunkt bildet eine Grundgesamtheit von Daten, die mittels vorgegebener Kriterien den Gruppen zugeteilt wird.446 Aus dieser Grundgesamtheit werden zwei Stichproben gebildet: eine Test- und eine Validierungsstichprobe.447 Die Teststichprobe enthält die zur Ermittlung der Diskriminanzfunktion erforderlichen Informationen. Diese Funktion wird mit Hilfe der Elemente der Validierungsstichprobe auf ihre Klassifikationsfähigkeit überprüft. Im Rahmen der Urteilsbildung über die Going Concern Annahme bei der Erteilung von Bestätigungsvermerken bzw. der Insolvenzprognose besteht die Datengrundgesamtheit aus Jahresabschlüssen von Unternehmen, die z.B. anhand des Kriteriums Insolvenz in zwei Gruppen aufgeteilt werden: insolvent und solvent. Die Unternehmen werden in einem vorher bestimmten Verhältnis zufällig und meist gleichmäßig hinsichtlich der Gruppen den beiden Stichproben zugeordnet. Zusätzlich hat eine auf theoretischen und sachlogischen Überlegungen basierende Auswahl von Kennzahlen zu erfolgen, für die eine gute Trennfähigkeit zwischen den beiden Gruppen erwartet wird. Auf Grundlage der Jahresabschlussdaten der Unternehmen der Teststichprobe werden Kennzahlenkombinationen ermittelt, die zu einer Diskriminanzfunktion zusammengefasst werden. Anhand dieser Zuordnungsregel werden die Unternehmen der 444 445
446 447
Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 353 Vgl. Hüls, Dagmar (1995): Früherkennung insolvenzgefährdeter Unternehmen, Düsseldorf 1995, S. 19-20. Vgl. Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 347. Vgl. Born, Karl (2001), S. 432; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 347.
82
Teststichprobe möglichst fehlerfrei auf die beiden gebildeten Gruppen aufgeteilt. Die für die Teststichprobenelemente ermittelten Kennzahlenwerte sind so in der Funktion abzubilden, dass ein optimaler Trennwert (Cut-off-Wert) bestimmt werden kann, der Fehlklassifikationen minimiert.448 Liegt der Kennzahlenwert eines Unternehmens oberhalb des Trennwertes, wird das Unternehmen der einen, liegt er unterhalb des Grenzwertes, der anderen Gruppe zugeordnet. Diese Festlegung des Cut-off-Wertes erfolgt üblicherweise durch Ausprobieren, so dass eine große Anzahl von Diskriminanzfunktionen und damit Kennzahlenkombinationen durchgespielt werden muss.449 Die Daten der Validierungsstichprobe werden ausschließlich zur Überprüfung der ermittelten Diskriminanzfunktion herangezogen, indem die endgültige Zuordnungsregel auf die unbekannten Informationen der Validierungsstichprobe angewendet wird. Die ermittelte Qualität der Klassifikationsleistung wird an den Fehlerraten bestimmt.450 Bei der Diskriminanzanalyse sowie anderen Klassifikationsverfahren wird zwischen zwei Fehlerarten unterschieden. Am Beispiel der Insolvenz bedeutet dies, dass bei einem Fehler 1. Art (Į-Fehler) ein tatsächlich insolventes Unternehmen fälschlicherweise als solvent, bei einem Fehler 2. Art (ȕ-Fehler) ein tatsächlich solventes Unternehmen irrtümlich als insolvent klassifiziert wird.451 Ein Fehler 1. Art kann für den Prüfer schwerwiegendere Folgen haben als ein Fehler 2. Art. Tatsächlich insolvente Unternehmen, die durch den Prüfer eine solvente Unternehmenslage bescheinigt bekommen, können zum einen als Mandat wegfallen und so Prüfungseinnahmen reduzieren. Gleichzeitig ist das vom Prüfer abgegebene Urteil Entscheidungsgrundlage für Außenstehende wie Aktionäre, Lieferanten, Kunden oder Banken. Sollten diese auf Basis des Prüfungsurteils wesentliche Investitionen tätigen bzw. dem Unternehmen bedeutendere Kreditvolumina als geplant zur Verfügung stellen, sind Schadenersatzansprüche gegen den Prüfer denkbar, sofern das Unternehmen insolvent wird. Des Weiteren ist mit einem enormen Reputationsverlust zu rechnen, der Auswirkungen auf die Akquisition neuer Mandate bzw. auf bestehende Mandatsbeziehungen haben kann.452
448
449 450 451
452
Vgl. Buchner, Robert (1985), S. 358; Feidicker, Markus (1992): Kreditwürdigkeitsprüfung -Entwicklung eines Bonitätsindikators, dargestellt am Beispiel von Kreditversicherungsunternehmen-, Düsseldorf 1992, S. 151-153. Vgl. Hüls, Dagmar (1995), S. 23. Vgl. Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 348. Vgl. Baetge, Jörg/Huß, Michael/Niehaus, Hans-Jürgen (1988): Die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens mit Hilfe der statistischen Jahresabschlussanalyse. In: Lücke, Wolfgang (Hrsg.), Betriebswirtschaftliche Steuerungs- und Kontrollprobleme: wissenschaftliche Tagung des Verbandes der Hochschullehrer für Betriebswirtschaft e.V. an der Universität Göttingen 1987, Wiesbaden 1988, S. 19-31, hier S. 25; Hüls, Dagmar (1995), S. 23; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 349. Vgl. Carcello, Joseph V./Palmrose, Zoe-Vonna (1994): Auditor litigation and modified reporting on bankrupt clients. In: Journal of Accounting Research, Vol. 32, Supplement 1994, S. 1-30, hier, S. 3; Geiger, Marshall A./Raghunandan, Kannan/Rama, Dasaratha V. (1998): A note on going-concern modified audit reports and subsequent bankruptcies before and after SAS No. 59. In: Accounting Enquiries, Vol. 8, No. 1, August 1998, S. 1-34, hier S. 3-4.
83
C. 2.1.2.2.1.2.
Univariate Diskriminanzanalyse
Das Verfahren der univariaten Diskriminanzanalyse bedient sich einer einzelnen Kennzahl, die anhand der aus den Jahresabschlüssen vorliegenden Informationen errechnet wird. Durch Austesten wird der Kennzahlenwert festgelegt, der die Zahl der falsch klassifizierten Unternehmen minimiert. Die Diskriminanzfunktion besteht somit nur aus einer Kennzahl, deren Ergebnis dem Diskriminanzwert entspricht. Diese Methode ist nicht mit der Anwendung von Einzelkennzahlen zu verwechseln. Im Rahmen der statistischen Analyse werden nur Größen eines Unternehmens zum gleichen Zeitpunkt oder Zeitraum ohne Vergleichsmaßstäbe betrachtet. Es wird zwischen mehrperiodigen Zeitvergleichen, Soll-Ist-Vergleichen und zwischenbetrieblichen Vergleichen unterschieden, wobei eine Kombination der Auswertungsmethoden möglich ist. Hier erfolgt weder eine Klassifizierung von Elementen noch eine Überprüfung der Trenneigenschaft der Kennzahl. Die univariate Diskriminanzanalyse ist als eines der ersten Verfahren im Rahmen der Insolvenzprognose zur Anwendung gekommen. Sie wurde aber auf Grund ihrer oft hohen Fehlklassifikationsraten und den zuweilen aufgetretenen unplausiblen Ergebnissen bei wiederholter Durchführung kritisiert.453 Schwierigkeiten bei der Interpretation der Klassifizierung entstanden, wenn ein Unternehmen auf Grund der Kennzahl A als insolvent auf Grund der Kennzahl B jedoch als solvent eingeordnet werden musste.454 Diesen beiden Hauptkritikpunkten kann mit Hilfe einer Art Mehrheitsentscheid oder mit der Bildung eines Risikoindexes entgegengewirkt werden. Aber auch diese Verfahren müssen sich Vorwürfen stellen, da beim Mehrheitsentscheid die Trenneigenschaft missachtet wird und beim Risikoindex eine subjektive Kennzahlengewichtung einfließt.455 Ungeachtet der erheblichen Einwände gegen die univariate Diskriminanzanalyse hat sie eine Basis für die Insolvenzforschung geschaffen, die stetig weiterentwickelt worden ist und wird. Da eine Insolvenz in den seltensten Fällen auf nur einen Unternehmensfaktor zurückzuführen war, wurden Untersuchungen mit mehreren miteinander mathematisch verknüpften Kennzahlen durchgeführt, um verschiedene Sachverhalte und deren Beziehungen darstellen zu können. Hieraus entwickelte sich die multivariate Diskriminanzanalyse.456
C. 2.1.2.2.1.3.
Multivariate Diskriminanzanalyse
Die multivariate Diskriminanzanalyse ist an mehrere Voraussetzungen geknüpft, die mittels statistischer Verfahren während der Analyse zu untersuchen sind. Die Kennzahlen müssen normalverteilt, trennfähig und unabhängig sein sowie gleiche Varianz-Kovarianz-Matrizen auf453
454
455 456
Vgl. Rehkugler, Heinz/Poddig, Thorsten (1998): Bilanzanalyse, 4. Aufl., München 1998, S. 323; Zopounidis, Constantin/Dimitras, Augustinos I. (1998): Multicriteria decision aid methods for the prediction of business failure, Boston 1998, S. 8. Vgl. Rehkugler, Heinz/Poddig, Thorsten (1998), S. 323; Zopounidis, Constantin/Dimitras, Augustinos I. (1998), S. 8. Vgl. Rehkugler, Heinz/Poddig, Thorsten (1998), S. 323. Vgl. Zopounidis, Constantin/Dimitras, Augustinos I. (1998), S. 8.
84
weisen.457 Ziel dieses Ansatzes ist es, mehrere Kennzahlen so in einer gewichteten Summe zusammenzufassen, dass alle Unternehmen möglichst fehlerfrei den beiden Gruppen insolvent oder solvent zugeordnet werden können.458 Die Klassifikation erfolgt somit nicht anhand einer Einzelkennzahl wie bei der univariaten Diskriminanzanalyse sondern mittels einer Kennzahlenkombination, die sich in einer allgemeinen Diskriminanzfunktion darstellen lässt:459 Y = b0 + b1 X1 + b2 X2 + … + bJ XJ Mit
Y
= Diskriminanzwert
Xj
= Merkmalsvariable j (j = 1, 2, … J)
bj
= Diskriminanzkoeffizient für Merkmalsvariable j
b0
= Konstantes Glied
Jede Kennzahl wird mit ihrem Diskriminanzkoeffizienten multipliziert. Die Summe aus diesem Produkt und dem konstanten Glied ergibt den Diskriminanzwert. Die gebildeten Gruppen lassen sich durch ihren mittleren Diskriminanzwert aus verschiedenen Durchgängen beschreiben. Der Cut-off-Wert liegt zwischen den beiden Ergebnissen. Je größer der Abstand zwischen den beiden Gruppendiskriminanzwerten ist, desto genauer fällt eine Trennung aus. Sofern die Elemente der Gruppen große Streuungen aufweisen, wird die Standardabweichung ermittelt. Anwendungsvoraussetzungen dafür sind die Verwendung von nur zwei Gruppen und eine annähernd gleiche Streuung für beide Gruppen. Diese Prämissen können durch die Nutzung der Streuung zwischen den Gruppen im Verhältnis der Streuung in den Gruppen aufgehoben werden. Die Streuung zwischen den Gruppen wird durch die quadrierten Abweichungen der Gruppendiskriminanzwerte vom Gesamtmittel gemessen, die Streuung in den Gruppen wird durch die quadrierte Abweichung der Gruppenelemente vom jeweiligen Gruppenmittelpunkt bestimmt. Die Streuung zwischen den Gruppen wird auch als erklärte Streuung, die Streuung in den Gruppen als nicht erklärte Streuung bezeichnet. Das Diskriminanzkriterium als Maß für die Unterschiedlichkeit zwischen den Gruppenmittelwerten lässt sich damit auch als Verhältnis von erklärter zu nicht erklärter Streuung interpretieren. Durch Ausprobieren der Koeffizienten werden unterschiedliche Gruppenzusammensetzungen und somit verschiedene Streuungen ermittelt, die zu anderen Diskriminanzkriterien führen. Die endgültige Diskriminanzfunktion wird auf Basis des maximalen Diskriminanzkriteriums ermittelt und mit Hilfe der Validierungs-
457
458
459
Vgl. Mutchler, Jane F. (1985): A multivariate analysis of the auditor’s going-concern opinion decision. In: Journal of Accounting Research, Vol. 23, No. 2, Autumn 1985, S. 668-682, hier S. 676; Gebhardt, Günther (1980): Insolvenzprognosen aus aktienrechtlichen Jahresabschlüssen: eine Beurteilung der Reform der Rechnungslegung durch das Aktiengesetz 1965 aus der Sicht unternehmensexterner Adressaten, Wiesbaden 1980, S. 243; Erxleben, Karsten/Baetge, Jörg/Feidicker, Markus/ Koch, Heidi/Krause, Clemens/Mertens, Peter (1996): Klassifikation von Unternehmen - ein Vergleich von Neuronalen Netzen und Diskriminanzanalyse. In: Zeitschrift für Betriebswirtschaft, 62. Jg., 1992, S. 1237-1262, hier S. 1238. Vgl. Niehaus, Hans-Jürgen (1987): Die Informationsgewinnung für die Frühwarnfunktion des Abschlussprüfers durch die Jahresabschlussanalyse mit mathematisch-statistischen Verfahren, Düsseldorf 1987, S. 86. Vgl. Backhaus, Klaus/Erichson, Bernd/Plinke, Wulff/Weiber, Rolf (2003): Multivariate Analysemethoden: Eine anwendungsorientierte Einführung, 10. Aufl., Berlin 2003, S. 161.
85
stichprobe überprüft, wobei die Elemente möglichst fehlerfrei klassifiziert werden.460 Eine Diskriminanzfunktion bedarf einer ständigen Überprüfung, um eine unverzichtbare Anpassung an mögliche neue Gegebenheiten durchführen zu können.461
C. 2.1.2.2.1.4.
Nearest-Neighbor-Verfahren
Das Nearest-Neighbor-Verfahren ist ein verteilungsfreies Verfahren der Diskriminanzanalyse. Die Informationen des zu untersuchenden Objekts werden hier ebenfalls mit anderen Datensätzen verglichen. Die Datenbasis enthält Jahresabschlüsse verschiedener Unternehmen aus mehreren aufeinander folgenden Jahren, so dass die Unternehmensentwicklung für den Untersuchungszeitraum bekannt ist. Die Klassifikation erfolgt nach der Ermittlung des ähnlichsten Vergleichsfalls. Das Unternehmen aus der Grundgesamtheit, das mit dem zu analysierenden Objekt die größten Gemeinsamkeiten hinsichtlich der Informationen aufweist, wird als Vergleichsunternehmen bestimmt. Voraussetzung für die Verfahrensanwendung ist, dass sich das zu klassifizierende Unternehmen genauso entwickelt wie sein Vergleichsunternehmen. Konnte letzteres für den zu prüfenden Zeitraum eine positive Entwicklung aufweisen, so wird dies auf das zu bewertende Unternehmen übertragen.462
C. 2.1.2.2.1.5.
Kritische Würdigung der Diskriminanzanalyse
Bei der univariaten Diskriminanzanalyse werden nur Ausschnitte des Jahresabschlusses berücksichtigt, so dass das Informationspotenzial unvollständig ausgeschöpft wird. Komplexe Sachverhalte wie eine Insolvenz können in der Regel nicht mit Hilfe einer Einzelkennzahl abgebildet werden. Fehlentscheidungen sind dann möglich. Bei der Verwendung von mehreren Kennzahlen werden bestehende Interdependenzen sowie deren positive oder negative Auswirkungen nicht berücksichtigt. Mehrere Einzelkennzahlen können, wie bereits bei der kritischen Würdigung der einfachen mathematisch-statistischen Verfahren beschrieben, zu gegensätzlichen Entscheidungen führen. Das Bilden eines Gesamturteils ist dann problembehaftet.463 Die Anwendung der multivariaten Diskriminanzanalyse ist an verschiedene Voraussetzungen geknüpft, die selten erfüllt sind. Hierzu zählen u.a. die Normalverteilung der Variablen sowie gleiche Kovarianz-Matrizen, d.h. die zu vergleichenden Gruppen weisen die gleiche Streuung
460 461
462
463
In Anlehnung an Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 155-199. Anpassungsgründe dafür können u.a. die Verletzung der theoretischen Datenvoraussetzungen, mögliche Gesetzesänderungen und Veränderungen von ökonomischen Rahmenbedingungen sein. Vgl. Tam, Kar Yan/Kiang, Melody Y. (1996): Predicting bank failures: a neural network approach. In: Trippi, Robert R./Turban, Efraim (Hrsg.), Neural networks in finance and investing: using artificial intelligence to improve real-world performance, New York 1996, S. 267-301, hier S. 271; Füser, Carsten (2001): Intelligentes Scoring und Rating: moderne Verfahren zur Kreditwürdigkeitsprüfung, Wiesbaden 2001, S. 65; Küting, Karlheinz/Weber, Claus-Peter (2004), S. 353. Vgl. Gebhardt, Günther (1980), S. 242; Wehrheim, Michael/Schmitz, Thorsten (2001), S. 58.
86
der Werte um den Erwartungswert auf.464 Fehlerhafte und unvollständige Daten können bei der Diskriminanzanalyse Ergebnisverzerrungen bewirken, da das Verfahren dagegen nicht robust ist. Es bestehen somit erhöhte Ansprüche an die Datenaufbereitung. Oft wird für jedes Jahr vor Eintritt der Insolvenz eine eigene Diskriminanzfunktion ermittelt.465 Eine solche Art der Insolvenzprognose ist fraglich. Ein Analyst müsste das Jahr vor Eintritt der Insolvenz kennen, um die richtige Diskriminanzfunktion anwenden zu können. Sofern er dies jedoch weiß, ist eine weitergehende Untersuchung überflüssig. Im Vergleich zu den künstlichen neuronalen Netzen ist die Verarbeitung von qualitativen Daten schwieriger. Positiv hervorzuheben ist das leichte Ablesen von Ergebnissen anhand der Diskriminanzkoeffizienten.466 Beim Nearest-Neighbor-Verfahren ist insbesondere die Anwendungsvoraussetzung zu kritisieren. Nur weil zwei Unternehmen ähnliche Sachverhalte und Symptome aufweisen, kann nicht davon ausgegangen werden, dass sich beide Unternehmen auch gleich entwickeln. Der Fortbestand eines Unternehmens ist durch eine Vielzahl von Faktoren beeinflusst, die in anderer Kombination, Ausprägung oder zeitlichen Verzögerungen zu unterschiedlichen Entwicklungen führen können. Ferner ist die zu Grunde liegende Gesetzmäßigkeit fraglich, nach der die Entwicklung eines Unternehmens auf ein anderes zu einem späteren Zeitpunkt projiziert wird. In verschiedenen Jahren können z.B. geänderte gesetzliche oder politische Rahmenbedingungen vorliegen, die unterschiedliche Wirkungen auf die Unternehmensfortführung haben können.
C. 2.1.2.2.2. C. 2.1.2.2.2.1.
Künstliches neuronales Netz Das Verfahren des künstlichen neuronalen Netzes
Analog zur Informationsübermittlung und Informationsspeicherung in einem biologischen System von Nervenzellen sind künstliche neuronale Netze Systeme zur Informationsverarbeitung. Sie bestehen aus einer Vielzahl von einfachen Zellen, sog. Neuronen. Diese übermitteln und speichern Daten durch das Aktivieren von Zellen und von Verbindungen.467 Künst-
464
465 466
467
Vgl. Sung, Tae Kyung/Chang, Namsik/Lee, Gunhee (1999): Dynamics of modeling in data mining: interpretive approach to bankruptcy prediction. In: Journal of Management Information Systems, Vol. 16, No. 1, Summer 1999, S. 63-85, hier S. 69; Wehrheim, Michael/Schmitz, Thorsten (2001), S. 59. Die Nichterfüllung der Gleichheit der Varianz-Kovarianz-Matrizen kann durch die Anwendung einer quadratischen Diskriminanzfunktion kompensiert werden. Jedoch wurden mit diesen Funktionen meist schlechtere Klassifikationsergebnisse erzielt als mit linearen Funktionen, so dass von einer Anwendung abgeraten wird. Vgl. Altman, Edward I./Haldeman, Robert G./Narayanan, Paul (1977): ZETATM ANALYSIS: a new model to identify bankruptcy risk of corporations. In: Journal of Banking and Finance, Vol. 1, 1977, S. 29-54, hier S. 31; Gebhardt, Günther (1980), S. 268. Vgl. u.a. Beermann, Klaus (1976) und Blochwitz, Stefan/Eigermann, Judith (2000). Lineare Diskriminanzfunktionen mit fünf oder mehr Variablen können nicht immer sinnvoll interpretiert werden. Vgl. Weinrich, Günter (1978): Kreditwürdigkeitsprognosen - Steuerung des Kreditgeschäfts durch Risikoklassen, Wiesbaden 1978, S. 122-123 und 126-127 sowie Gebhardt, Günther (1980), S. 268. Vgl. Zell, Andreas (1994): Simulation neuronaler Netze, Bonn 1994, S. 23; Wehrheim, Michael/ Schmitz, Thorsten (2001): Jahresabschlussanalyse, Stuttgart 2001, S. 62.
87
liche neuronale Netze finden auf vielen Gebieten Anwendung,468 so dass eine allgemeingültige Definition derselben nicht existiert.469 Sie können u.a. Klassifikationsaufgaben wahrnehmen, bei denen Objekte einer begrenzten Klassenanzahl zugeordnet werden,470 so dass innerhalb einer Klasse eine möglichst große Homogenität, zwischen den Klassen jedoch eine Heterogenität vorherrscht.471 Als typische Klassifikationsprobleme werden u.a. die Bilanzanalyse sowie die Insolvenzprognose im Rahmen einer Kreditwürdigkeitsprüfung genannt.472 Die Abbildung 3 zeigt den Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzes. Es setzt sich in Anlehnung an biologisch neuronale Netze aus miteinander verbundenen Neuronen zusammen, die sich in mehreren Schichten befinden.473 Im Allgemeinen nehmen die Neuronen der Eingabeschicht (Input Layer) die Werte der Merkmale auf, hier Kennzahlen, und leiten diese an die Neuronen in den nachfolgend versteckten Schichten (Hidden Layer) weiter.474 Dort werden sie verarbeitet und abschließend an die Neuronen der Ausgabeschicht (Output Layer) weitergegeben.475
468
469
470
471
472
473 474
475
Künstliche neuronale Netze werden u.a. in der Medizin, der Physik, der Mathematik, der Informatik und der Biologie eingesetzt. Vgl. Zell, Andreas (1994), S. 24. Für Ausführungen zu betriebswirtschaftlichen Sachverhalten vgl. u.a Corsten, Hans/May, Constantin (Hrsg.) (1996a): Neuronale Netze in der Betriebswirtschaft: Anwendung in Prognose, Klassifikation und Optimierung, Wiesbaden 1996; Scherer, Andreas (1997): Neuronale Netze: Grundlagen und Anwendungen, Braunschweig 1997, S. 223-233; Lackes, Richard/Mack, Dagmar (2000): Neuronale Netze in der Unternehmensplanung: Grundlagen, Entscheidungsunterstützung, Projektierung, München 2000, S. 191-253. Vgl. Krause, Clemens (1993): Kreditwürdigkeitsprüfung mit Neuronalen Netzen, Düsseldorf 1993, S. 35; Wittkemper, Hans-Georg (1994): Neuronale Netze als Hilfsmittel zur Rendite- und Risikoeinschätzung von Aktien, Köln 1994, S. 5. Zahedi, Fatemeh (1993): Intelligent Systems for Business: Expert Systems with Neural Networks, Belmont 1993, S. 30. Künstliche neuronale Netze haben zwei weitere Aufgaben. Prognoseaufgaben beinhalten Sachverhalte, bei denen Vergangenheitsdaten in Zukunftswerte generiert werden (z.B. Kursprognose von Wertpapieren und Devisen, Absatz- und Kostenprognosen). Optimierungsaufgaben können ebenfalls gelöst werden. Hier werden für einen funktional beschreibbaren Zusammenhang ein Minimal- oder Maximalwert gesucht, indem ohne Vorgabe eines Lösungsweges die optimale Lösung oder ein Näherungswert gefunden werden müssen (z.B. Reihenfolgeplanung, Transportoptimierung). Vgl. Corsten, Hans/May, Constantin (1996b): Anwendungsfelder Neuronaler Netze und ihre Umsetzung. In: Corsten, Hans/May, Constantin (Hrsg.): Neuronale Netze in der Betriebswirtschaft: Anwendung in Prognose, Klassifikation und Optimierung, Wiesbaden 1996, S. 1-13, hier S. 3. Vgl. Kammerer, Stephan C. (1999): Rating von Volkswirtschaften mit künstlich-neuronalen Netzen, Wiesbaden 1999, S. 87. Vgl. Corsten, Hans/May, Constantin (1996b), S. 3; Jafar-Shaghaghi, Fariba (1996): Maschinelles Lernen, Neuronale Netze und Statistische Lernverfahren zur Klassifikation und Prognose: Theoretische Analyse und ökonomische Anwendung, Aachen 1996, S. 202. Vgl. Baetge, Jörg (2004), S. 553. Die Anzahl der Hidden Layer ist nicht vorgeschrieben. Krause und Glormann haben in ihren Untersuchungen nur eine verborgene Schicht verwendet. Krause hat jedoch darauf hingewiesen, dass komplexere Probleme mit Netzen, die aus mehreren verborgenen Schichten bestehen, effizienter gelöst werden können. Vgl. Krause, Clemens (1993), S. 140; Glormann, Frank (2001): Bilanzrating von US-GAAP Abschlüssen, Düsseldorf 2001, S. 206. „Die Anzahl der verborgenen Schichten mit einer Vielzahl an Knoten ist bei komplexen Netzen beliebig.“ Leker, Jens (1994): Beurteilung von Ausfallrisiken im Firmenkundengeschäft. In: Bank-Archiv, 42. Jg., 1994, S. 599-609, hier S. 605. Vgl. Krause, Clemens (1993), S. 140; Wehrheim, Michael/Schmitz, Thorsten (2001), S. 61; Baetge, Jörg (2004), S. 553.
88
Ausgabeschicht (Output Layer)
6
Verdeckte Schicht (Hidden Layer)
Eingabeschicht (Input Layer)
Abb. 3:
4
1
5
2
3
Aufbau eines künstlichen neuronalen Netzes476
Eine wesentliche Eigenschaft der künstlichen neuronalen Netze ist deren Generalisierungsfähigkeit. Klassifikationsprobleme werden ohne explizite Programmierung selbstständig aus Trainingsbeispielen erlernt.477 Die am besten geeignete Methode zur Lösung von Klassifikationsproblemen ist der Backpropagation-Algorithmus (Fehlerrückführungs-Methode).478 Hier erfolgt zuerst die Eingabe der Merkmale in das künstliche neuronale Netz, das die ermittelten Ergebnisse mit den gewünschten Zuständen, hier solvent oder insolvent, gegenüberstellt.479 Anschließend werden beginnend mit dem Output Layer die Verbindungsgewichte der verschiedenen Schichten rückwärtsgerichtet so angeglichen, dass die Differenz zwischen dem ermittelten und dem tatsächlichen Ausgabewert minimiert wird.480 Bei künstlichen neuronalen Netzen werden die zur Verfügung stehenden Daten drei Stichproben zugeordnet: Lern-, Test- und Validierungsstichprobe.481 In der Lernstichprobe wird anhand der ermittelten Merkmale für die solventen bzw. insolventen Objekte eine möglichst genaue Klassi476 477
478
479
480
481
In Anlehnung an Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 741. Vgl. Odom, Marcus D./Sharda, Ramesh (1990): A neural network model for bankruptcy prediction. In: Proceedings of the International Joint Conference Neural Networks, Vol. 2, San Diego 1990, S. 163-168, hier S. 163; Zell, Andreas (1994), S. 23; Baetge, Jörg/Hüls, Dagmar/Uthoff, Carsten (1996): Früherkennung der Unternehmenskrise. In: Corsten, Hans/May, Constantin (Hrsg.), Neuronale Netze in der Betriebswirtschaft: Anwendung in Prognose, Klassifikation und Optimierung, Wiesbaden 1996, S. 151-168, hier S. 152. Vgl. Nauck, Detlef/Klawonn, Frank/Kruse, Rudolf (1996): Neuronale Netze und Fuzzy-Systeme, Grundlagen des Konnektionismus, Neuronaler Fuzzy-Systeme und der Kopplung mit wissensbasierten Methoden, 2. Aufl., Wiesbaden 1996, S. 17; Kammerer, Stephan C. (1999), S. 88. Dittmar/Steiner sprechen fälschlicherweise von Backprogatation-Netzen. Dittmar, Thomas/Steiner, Manfred (2000): Quantitative Verfahren zur Unternehmensklassifikation: eine vergleichende Analyse. In: Johanning, Lutz/Rudolph, Bernd (Hrsg.), Handbuch Risikomanagement, Bd. 1, Risikomanagement für Markt-, Kredit- und operative Risiken, Bad Soden im Taunus 2000, S. 433-457, hier S. 449. Vgl. Baetge, Jörg/Manolopoulos, Peter Rüdiger (1999): Bilanz-Ratings zur Beurteilung der Unternehmensbonität - Entwicklung und Einsatz des BBR Baetge-Bilanz-Rating® im Rahmen des Benchmarking. In: Die Unternehmung, 53. Jg. (1999), S. 351-371, hier S. 354-355; Baetge, Jörg (2004), S. 555. Vgl. Nauck, Detlef/Klawonn, Frank/Kruse, Rudolf (1996), S. 74; Rojas, Raúl (1996): Theorie der neuronalen Netze, Berlin 1996, S. 164; Baetge, Jörg (2004), S. 555. Vgl. Krause, Clemens (1993), S. 124-125; Wehrheim, Michael/Schmitz, Thorsten (2001), S. 64; Baetge, Jörg (2004), S. 555-556. Bei der Diskriminanzanalyse wird das Datenmaterial nur in zwei Stichproben aufgeteilt. Siehe Kapitel C. 2.1.2.2.1.1.
89
fizierung der Unternehmen in beide Klassen vorgenommen.482 Mit Hilfe der Teststichprobe wird u.a. die optimale Zahl der Lernschritte festgelegt. Sobald die Klassifikationsfehler das bisher erreichte Minimum überschreiten, ist der Vorgang abzubrechen.483 Ferner dient die Testphase sowohl der Bestimmung von Netzparametern, wie Neuronenzahl oder Stärke der Verbindungsgewichte, als auch der Überprüfung des Einflusses der angewandten Variablen.484 Damit das Ergebnis die beste Merkmalskombination darstellt, werden Attribute mit einem geringen Einfluss auf die Klassifikationsleistung ausgetauscht. Informationen mit einem hohen und damit entscheidenden Einfluss werden weiter berücksichtigt (sog. Pruning).485 Die Validierungsstichprobe, deren Daten dem künstlichen neuronalen Netz bis jetzt noch nicht gezeigt wurden, dient wie bei der Diskriminanzanalyse zur Qualitätsüberprüfung der erlernten Zusammenhänge und steht für andere Aufgaben nicht zur Verfügung.486
C. 2.1.2.2.2.2.
Kritische Würdigung des künstlichen neuronalen Netzes
Künstliche neuronale Netze haben gegenüber der Diskriminanzanalyse und der Regressionsanalyse verschiedene Vorteile. Es bestehen keine expliziten Restriktionen für die zu berücksichtigenden Variablen.487 Ferner können eine größere Anzahl an Faktoren verarbeitet werden. Ergebnisverzerrungen bzw. -fehler sind auf Grund der Robustheit gegen verfälschte oder fehlende Daten fast vollständig ausgeschlossen. Ein weiterer positiver Aspekt ist die Eigenschaft des Lernens. Wegen der hohen technischen und personellen Anforderungen bezüglich der Entwicklung und Durchführung des Verfahrens sind der Bekanntheitsgrad sowie die Akzeptanz in der Praxis deutlich geringer als bei der Diskriminanzanalyse. Der anfangs häufig genannte Nachteil 482 483
484
485
486
487
Zu den Fehlerarten siehe die Ausführungen im Kapitel C. 2.1.2.2.1.1. Vgl. Baetge, Jörg (2004), S. 555-556. Die vorzeitige Beendigung der Lernphase ist notwendig, wenn das Problem des Überlernens aufgetreten ist. Das künstliche neuronale Netz kann durch zu starkes Lernen seine Generalisierungsfähigkeit vermindern, im Extremfall sogar verlieren. Die Eigenschaften der Lernstichprobe werden dabei vollständig auswendig gelernt, so dass eine Anwendung des erworbenen Wissens auf fremde Datensätze insbesondere der Validierungsstichprobe keine zufriedenstellenden Ergebnisse liefert. Vgl. Krause, Clemens (1993), S. 124-125; Altman, Edward I./ Marco, Giancarlo/Varetto, Franco (1994): Corporate distress diagnosis: Comparisons using linear discriminant analysis and neural networks (the italian experience). In: Journal of Banking and Finance, Vol. 18, 1994, S. 505-529, hier S. 515; Zimmermann, Hans-Georg (1994): Neuronale Netze als Entscheidungskalkül. In: Rehkugler, Heinz/Zimmermann, Hans-Georg (Hrsg.). Neuronale Netze in der Ökonomie: Grundlagen und finanzwirtschaftliche Anwendungen, München 1994, S. 1-87, hier S. 58-59; Scherer, Andreas (1997), S. 77; Dittmar, Thomas/Steiner, Manfred (2000), S. 449-450; Wehrheim, Michael/Schmitz, Thorsten (2001), S. 64. Vgl. Altman, Edward I./Marco, Giancarlo/Varetto, Franco (1994), S. 514; Baetge, Jörg/Kruse, Ariane/Uthoff, Carsten (1996): Bonitätsklassifikationen von Unternehmen mit Neuronalen Netzen. In: Wirtschaftsinformatik, Juni 1996, S. 273-281, hier S. 275-276. Vgl. Baetge, Jörg (2004), S. 557. Zu den verschiedenen Pruning-Verfahren vgl. u.a. Baetge, Jörg/ Hüls, Dagmar/Uthoff, Carsten (1996), S. 157-160; Wehrheim, Michael/Schmitz, Thorsten (2001), S. 62. Vgl. Burger, Anton/Buchhart, Anton (1998): Rating und Risikokosten im Kreditgeschäft. In: Die Bank, o. Jg., 1998, S. 409-411, hier S. 410; Wehrheim, Michael/Schmitz, Thorsten (2001), S. 64. „Die Klassifizierungsleistung […] des Netzes wird also an Daten gemessen, die nicht für die Entwicklung […] des Netzes benutzt wurden. Dies ist notwendig, da die Klassifikatoren bei der Anwendung ebenfalls unbekannte Daten klassifizieren sollen.“ Baetge, Jörg (2004), S. 558. Vgl. Odom, Marcus D./Sharda, Ramesh (1990), S. 163; Sung, Tae Kyung/Chang, Namsik/Lee, Gunhee (1999), S. 69.
90
der fehlenden Ursachenanalyse konnte z.B. beim eingestellten Baetge-Bilanz-Rating (BBR) durch die Sensitivitätsanalyse entkräftet werden. Der Black-Box-Charakter wurde ausgeschaltet, da Ergebnisveränderungen auf einzelne Faktoren zurückgeführt werden konnten.488
C. 2.1.2.2.3. C. 2.1.2.2.3.1.
Regressionsanalyse Das Verfahren der Regressionsanalyse
Mit Hilfe der Regressionsanalyse soll der funktionale Zusammenhang zwischen einer abhängigen Variablen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen spezifiziert werden.489 Im Rahmen einer Insolvenzprognose wird dem Unternehmen ein empirischer Beobachtungswert anhand einer Skala zugeteilt.490 Die Festlegung der abhängigen und unabhängigen Variablen beruht auf einer Vermutung, die mit Hilfe von Experimenten auf ihre Plausibilität untersucht wird.491 Bei der Regressionsanalyse müssen die Variablen ein metrisches Skalenniveau haben.492 Die einfache lineare Regression mit nur einer erklärenden Variablen wird wie folgt abgebildet: y=a+b×x Mit
y = abhängige Variable x = erklärende Variable (z.B. bestimmte Kennzahl) a = konstantes Glied b = Regressionskoeffizient493
Die Funktion der Mehrfachregression lautet: y = a + b1 × x1 + … + bn × Xn
488 489 490 491 492 493
Vgl. Füser, Karsten (2001), S. 71. Vgl. Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 284. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 419. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 47. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 50. Vgl. Füser, Karsten (2001), S. 60; Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 46.
91
Abb. 4:
Lineare und nichtlineare Regressionsbeziehung494
Die Regressionskoeffizienten werden üblicherweise mit Hilfe der Kleinste-Quadrate-Methode geschätzt (Abbildung 5). Hierbei werden die Koeffizienten so bestimmt, dass die Summe der quadrierten Abweichungen der Beobachtungswerte von den zugehörigen Werten auf der Regressionsfunktion minimiert wird,495 d.h. es werden die am nächsten zur Regressionsgeraden liegenden Werte berücksichtigt. Dem Unternehmen soll direkt eine Insolvenzwahrscheinlichkeit zugeordnet werden. Dabei wird vorausgesetzt, dass die abhängige Variable, die Fähigkeit zur Unternehmensfortführung, nur zwei Ausprägungen annehmen kann: Annahme bzw. NichtAnnahme des Going Concern Prinzips. Es wird eine gewichtete Kombination von Kennzahlen gesucht, die die abhängige Variable bestmöglichst darstellt und die Fehlklassifikationen wie bei den übrigen Verfahren minimiert.496
494 495 496
In Anlehnung an Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 81. Vgl. Auer, Ludwig von (2005), S. 52-53. Vgl. Füser, Karsten (2001), S. 61.
92
Regressionsgerade
Abb. 5:
Kleinste-Quadrate-Methode497
Abb. 6:
Verlauf einer logistischen Funktion498
497 498
In Anlehnung an Auer, Ludwig von (2005): Ökonometrie, eine Einführung, Berlin 2005, S. 53. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 424.
93
Der Unterschied zwischen der Regressionsanalyse und der logistischen Regressionsanalyse besteht im Skalenniveau der Variablen. Bei der logistischen Regression weisen die abhängigen Variablen kein metrisches sondern ein nominales Skalenniveau auf.499 Die logistische Regression bestimmt die Eintrittswahrscheinlichkeit von Ereignissen sowie die Wahrscheinlichkeit beeinflussender Faktoren. Die einfachste Darstellung ist bei Annahme von Komplementärereignissen: P (y = 0) = 1 - P (y = 1).500 Die Wahrscheinlichkeitsverteilung ist in diesem Fall nicht linear sondern s-förmig (Abbildung 6).501
C. 2.1.2.2.3.2.
Kritische Würdigung der Regressionsanalyse
Eine Gegenüberstellung mit der Diskriminanzanalyse macht deutlich, dass die logistische Regressionsanalyse an weitaus weniger Anwendungsvoraussetzungen gebunden und damit wesentlich robuster ist. Die Prämissen der normalverteilten unabhängigen Variablen und die Gleichheit der Varianz-Kovarianz-Matrizen sind nicht erforderlich. Positiv ist hervorzuheben, dass mit Hilfe der Dummy-Variablen-Technik qualitative nominalskalierte Faktoren in binäre umgewandelt werden können. Deren Behandlung entspricht dann der bei den metrischen Variablen.502 Nachteilig ist, dass die Interpretation der Ergebnisse wegen des nicht linearen Zusammenhanges eingeschränkt ist. Der Regressionskoeffizient zeigt lediglich die Richtung des Einflusses an.503 Vom Wert des Koeffizienten kann nicht auf die Wichtigkeit der Variablen geschlossen werden. Ein Vergleich von Ergebnissen ist nur sinnvoll, wenn die Variablen in gleichen Einheiten gemessen werden.504 Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass die Auswahl der zu prüfenden Größe und der unabhängigen Variablen auf subjektiven Entscheidungen beruht.505
C. 2.1.2.2.4. C. 2.1.2.2.4.1.
Entscheidungsbaum Das Verfahren des Entscheidungsbaums
Entscheidungsbäume oder Klassifikationsbäume stellen aufeinander folgende, hierarchische Entscheidungen (Regeln) dar. Sie beginnen mit einem Stamm, an dessen Ende sich eine Verzweigung befindet. Von dieser gehen Äste ab, die mit Wahrscheinlichkeiten versehen sind. Jeder Endpunkt des Baumes ist durch einen eindeutigen Weg erreichbar. Die Äste bilden eine Serie von Fragen. Diese Serie ergibt ein Resultat, das durch eine Regel bestimmt ist. Die Serie ist eindeutig ablesbar, wenn man von der Wurzel den Ästen des Baumes bis zu einem
499 500 501 502 503 504 505
Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 418-419. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 418. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 426. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 50. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 433. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 61. Vgl. Backhaus, Klaus et al. (2003), S. 426; Marten, Kai-Uwe/Quick, Reiner/Ruhnke, Klaus (2003), S. 284.
94
bestimmten Blatt folgt, das das Resultat der Fragen darstellt.506 Entscheidungsbäume trennen Daten in mehrere Gruppen, die jeweils durch eine Regel mit mindestens einer Bedingung bestimmt werden. Entscheidungsbäume werden meist im Top-Down-Prinzip generiert.507 Nach jeder Verzweigung, d.h. bei jedem Schritt, wird das Merkmal gesucht, mit dem die Informationen am besten klassifiziert werden. Diese Variable wird zur Aufteilung der Angaben gebraucht, so dass man die verbliebenen noch nicht klassifizierten Daten in weiteren Schritten separat betrachten kann.508
C. 2.1.2.2.4.2.
Kritische Würdigung des Entscheidungsbaums
Entscheidungsbäume sind einfach, verständlich präsentierbar und schnell zu entwickeln. Die Größe von Klassifikationsbäumen kann sich negativ auswirken. Jede einzelne Regel ist zwar leicht abzulesen, jedoch ist der Gesamtüberblick häufig unübersichtlich. Mit Hilfe von PruningMethoden werden Bäume auf eine vernünftige Größe gebracht, indem u.a. die maximale Tiefe der Verzweigungen im Voraus beschränkt oder eine Mindestanzahl an zu klassifizierenden Objekten je Knoten vorgegeben wird.509 Vorteilhaft sind ihre gute Erklärbarkeit und Nachvollziehbarkeit. Ergebnisse können auf Grund dessen leicht ausgewertet und Schlüsselmerkmale ohne großen Aufwand erkannt werden. Dies ist von entscheidender Bedeutung, wenn die zu Grunde liegende Datenqualität nicht bekannt ist. Ihre Nutzung setzt keine besonderen mathematischen oder computerbasierten Kenntnisse voraus, da Entscheidungsbäume in vielen Anwendungsprogrammen implementiert sind.510
506
507 508
509
510
Vgl. Quinlan, J. Ross (1986): Induction of decision trees. In: Machine Leasing, Vol. 1, No. 1, 1986, S. 81-106, hier S. 86; Quinlan, J. Ross (1999): Simplifying decision trees. In: International Journal of Human-Computer Studies, Vol. 51, 2005, S. 497-510, hier S. 503. Vgl. Quinlan, J. Ross (1986), S. 83. Vgl. Street, W. Nick (2005): Oblique multicategory decision trees using nonlinear programming. In: INFORMS Journal on Computing, Vol. 17, No. 1, Winter 2005, S. 25-31, hier S. 26. Vgl. Windeatt, Terry/Ardeshir, Gholamreza (2004): Decision tree simplification for classifier ensembles. In: International Journal of Pattern Recognition and Artificial Intelligence, Vol. 18, No. 5, 2004, S. 749-776, hier S. 751. Vgl. Rokach, Lior/Maimon, Oded (2005): Feature set decomposition for decision trees. In: Intelligent Data Analysis, Vol. 9, 2005, S. 131-158, hier S. 131; Street, W. Nick (2005), S. 25.
95
C. 2.1.3.
C. 2.1.3.1.
Status Quo in der Forschung bei den komplexen mathematisch-statistischen Verfahren Fitz Patrick (1932)
Die erste beachtenswerte Studie im Rahmen der univariaten Diskriminanzanalyse ist auf Fitz Patrick511 aus dem Jahr 1932 zurückzuführen, in der er als erster neben insolventen auch solvente Unternehmen untersuchte.512 Der Autor wählte 19 insolvente Unternehmen aus, die er solventen Unternehmen gegenüberstellte, die hinsichtlich Branche, Unternehmensgröße und Standort möglichst ähnlich waren. Die Unternehmensdaten stammten aus den Jahren 1918 bis 1928 und wurden zur Bildung von 13 Kennzahlen verwendet. Fitz Patrick analysierte paarweise den Zeitraum von drei Jahren vor Insolvenzeintritt mit Hilfe der Änderungen dieser Kennzahlen. Dabei zeigten vor allem die beiden Kennzahlen „Jahresüberschuss / Eigenkapital“ und „Eigenkapital / Fremdkapital“ in den drei Jahren vor der Insolvenz entscheidende Unterschiede.513 Die Kennzahlen „Umlaufvermögen / Kurzfristiges Fremdkapital“ und „(Vorräte Umlaufvermögen) / Kurzfristiges Fremdkapital“ wiesen nur geringe Differenzen auf.514 Fitz Patrick ordnete seine Unternehmen nicht in Gruppen ein. Auf Grund der kleinen Grundgesamtheit und der sehr guten Vergleichsunternehmen können die Ergebnisse nicht verallgemeinert werden.515 Die Untersuchung war sehr einfach, da keine Mittel- oder Trennwerte für die Kennzahlen ermittelt wurden und keine Überprüfung der Ergebnisse stattfand.516 Dennoch konnte er beweisen, dass sich eine Insolvenz bereits mehrere Jahre vor ihrem Eintritt in den Zahlen der Bilanz widerspiegelt.517
511
512
513
514
515 516
517
Fitz Patrick, Paul J. (1932): A comparison of ratios of successful industrial enterprises with those of failed firms. In: Certified Public Accountant, Vol. 2, October, November and December 1932, S. 598-605, 656-662 and 727-731. Die Veröffentlichung selbst konnte nicht eingesehen werden, da eine Lieferung der Literaturquelle über die Bibliothek nicht möglich war. Bis zu dieser Veröffentlichung wurden stets nur insolvente Unternehmen analysiert und deren kennzeichnende Eigenschaften ermittelt. Vgl. Elam, Rick (1975): The effect of lease data on the predictive ability of financial ratios. In: The Accounting Review, Vol. 50, January 1975, S. 25-42, hier S. 27; Rehkugler, Heinz/Poddig, Thorsten (1998), S. 332. Vgl. Elam, Rick (1975), S. 27; Weinrich, Günter (1978), S. 42; Zdrowomyslaw, Norbert (2001): Jahresabschluss und Jahresabschlussanalyse: Praxis und Theorie der Erstellung und Beurteilung von handels- und steuerrechtlichen Bilanzen sowie Erfolgsrechnungen unter Berücksichtigung des internationalen Bilanzrechts, München 2001, S. 667. Vgl. Rößler, Joachim (1986): Bilanzanalyse durch den Vergleich von projizierten mit realisierten Jahresabschlüssen: eine empirische Untersuchung über Projektionstechniken in der Bilanzauswertung und ihre Einschätzmöglichkeiten, Kiel 1986, S. 43. Vgl. Zdrowomyslaw, Norbert (2001), S. 667. Vgl. Rößler, Joachim (1988a): Die Entwicklung der statistischen Insolvenzprognose. In: Hauschildt, Jürgen (Hrsg.), Krisendiagnose durch Bilanzanalyse, Köln 1988, S. 102-114, hier S. 105; Rehkugler, Heinz/Poddig, Thorsten (1998), S. 322. Vgl. Beaver, William H. (1966): Financial ratios as predictors of failure. In: Journal of Accounting Research, Vol. 4, Supplement 1966, S. 71-111, hier S. 81.
96
C. 2.1.3.2.
Merwin (1942)
Von Merwin518 stammt die nächste interessante Studie. Seine Stichprobe beinhaltete insgesamt 939 Unternehmen, die etwa gleichmäßig auf fünf Branchen verteilt waren.519 Die als insolvent zu klassifizierenden Unternehmen mussten zwischen 1926 und 1936 aus dem Handelsregister gelöscht worden sein.520 Zusätzlich wählte er solvente Vergleichsunternehmen mit einem Gesamtkapital zwischen 50.000 US-Dollar und 150.000 US-Dollar aus.521 Der Autor untersuchte den Zeitraum von sechs Jahren vor Insolvenzeintritt.522 Branche Backhandwerk Herrenbekleidung Möbelindustrie Stein/Ton-Handwerk Maschinenbau Summe
Tab. 8:
Stichprobe insgesamt 185 191 194 184 185
Insolvente Unternehmen 47 41 38 43 31
939
200
Solvente Unternehmen 81 46 66 70 118
Insolvente Unternehmen insgesamt 104 145 128 114 67
381
558
523
Zusammensetzung der Stichprobe (Merwin 1942)
Neben Fusions- und Konzernunternehmen wurden Unternehmen ausgeschlossen, deren Daten über den Untersuchungszeitraum unvollständig waren.524 Merwin führte als erster einen paarwiesen Vergleich der arithmetischen Mittelwerte von Kennzahlen durch. Die drei Kennzahlen „(Umlaufvermögen - Kurzfristiges Fremdkapital) / Bilanzsumme“, „Eigenkapital / Fremdkapital“ und „Umlaufvermögen / Kurzfristiges Fremdkapital“ wiesen die größte Trennfähigkeit auf.525 Merwin hat im Vergleich zu Fitz Patrick eine größere Datenbasis verarbeitet. Der längere Untersuchungszeitraum hat gezeigt, dass nicht nur drei sondern bereits sechs Jahre vor einer Handelsregisterlöschung erkennbare Unterschiede zwischen den Unternehmenszahlen vorlagen. Diese steigerten sich, je näher das Jahr der Registerlöschung kam.526 Zudem hat er Bereiche der 518
519
520
521
522 523
524 525
526
Merwin, Charles L. (1942): Financing small corporations in five manufacturing industries 1926-36, New York 1942. Die Branchen waren „Nahrungsmittelindustrie“, „Bekleidungsindustrie“, „Holzverarbeitende Industrie“, „Stein-, Ton- und Glasverarbeitende Industrie“, „Metallverarbeitende Industrie“. Vgl. Merwin, Charles L. (1942), S. 16. Diese Handelsregisterlöschung musste nicht auf Grund einer Insolvenz erfolgt sein. Vgl. Merwin, Charles L. (1942), S. 16 und 18. Einige Unternehmen wiesen ein Gesamtkapital von mehr als 200.000 US-Dollar auf. Vgl. Merwin, Charles L. (1942), S. 100. Anzumerken ist hier, dass Unternehmen mit einer solch geringen Kapitalausstattung in nachfolgenden Studien stets ausgeschlossen wurden. Vgl. Elam, Rick (1975), S. 27; Rehkugler, Heinz/Poddig, Thorsten (1998), S. 332. Vgl. Merwin, Charles L. (1942), S. 91 und 113. Bei Zdrowomyslaw wird versehentlich von 538 insolventen Unternehmen ausgegangen. Vgl. Zdrowomyslaw, Norbert (2001), S. 667. Vgl. Merwin, Charles L. (1942), S. 18. Eine große Anzahl an Kennzahlen wurde durch Ausprobieren untersucht. Die drei ausgewählten Kennzahlen wurden für die Jahre vor der Insolvenz errechnet und mit den entsprechenden Kennzahlen der gesunden Unternehmen verglichen. Vgl. Merwin, Charles L. (1942), S. 92; Zopounidis, Constantin/Dimitras, Augustinos I. (1998), S. 8. Vgl. Beaver, William (1966), S. 83.
97
Kennzahlenwerte für die beiden Unternehmensgruppen ermittelt.527 Fitz Patrick hatte zehn Jahre zuvor explizit die Insolvenz als Auswahlkriterium angenommen. Merwin’s Studie kann nicht unter dem Oberbegriff „Insolvenzprognose“ subsumiert werden, da eine Handelsregisterlöschung nicht immer eine Insolvenz zur Folge haben muss.
C. 2.1.3.3.
Beaver (1966)
Beaver528 legte seine Arbeit im Jahr 1966 vor. Seine Definition für „Failure“ war: „a firm is said to have failed when any of the following events have occurred: bankruptcy, bond default, an overdrawn bank account or nonpayment of a preferred stock dividend“.529 Im Rahmen seiner univariaten Klassifikation stellte er 79 Industrieunternehmen, die zwischen 1954 und 1964 insolvent wurden, eine gleiche Anzahl von solventen Unternehmen anhand der Kriterien „Branche“ und „Unternehmensgröße“ gegenüber.530 Beaver untersuchte für beide Unternehmensgruppen den Zeitraum von fünf Jahren vor Eintritt der Insolvenz anhand von Jahresabschlussdaten. Den Ausgangspunkt bildeten 30 Kennzahlen, die nach den Kriterien Anerkennung in der Literatur, gute Trennfähigkeit in anderen Studien und bestehendem Cash Flow Bezug ermittelt wurden.531 Diese Kennzahlen teilte er in sechs Gruppen ein, aus denen er je eine auswählte.532 Die 158 Unternehmen wurden per Zufall gleichmäßig auf eine Trainings- und eine Validierungsstichprobe verteilt. In der Trainingsstichprobe errechnete Beaver durch Probieren den Wert jeder Einzelkennzahl, der als Trennwert innerhalb der Gruppe die geringsten Fehlklassifikationen verursachte. Anhand der Validierungsstichprobe testete er die Prognosefähigkeit dieser Cut-off-Werte.533 Die Kennzahl „Cash Flow / Fremdkapital“ erzielte die besten Klassifikationsergebnisse in jedem der fünf Jahre vor der Insolvenz. Ein Jahr vor Eintritt der Insolvenz lag die Fehlklassifikationsrate bei nur 13,00%.534
527
528
529
530
531 532
533 534
Vgl. Rößler, Joachim (1986), S. 43. Merwin wies darauf hin, dass die Kennzahlenwerte lediglich aufzeigen, dass derzeit eine ungesunde Unternehmensentwicklung vorherrscht. Sofern diese nicht korrigiert werden sollte, könnte dies zur Insolvenz führen. Vgl. Merwin, Charles L. (1942), S. 105. Beaver, William H. (1966): Financial ratios as predictors of failure. In: Journal of Accounting Research, Vol. 4, Supplement 1966, S. 71-111. Beaver, William H. (1966), S. 71. Im Nachfolgenden wird diese Definition unter dem Oberbegriff „Insolvenz“ verwendet. Das Gesamtkapital der ausgewählten Unternehmen betrug maximal sechs Mio. US-Dollar. „Of the 79 failed firms studied, 59 were bankrupt; 16 involved in nonpayment of preferred stock dividends; 3 were bond defaults; and 1 was an overdrawn bank account.“ Beaver, William H. (1966), S. 71. In der Übersicht von Rösler wird fälschlicherweise von einem Untersuchungszeitraum zwischen 1945 und 1964 ausgegangen. Vgl. Rösler, Joachim (1988a), S. 106. Vgl. Beaver, William H. (1966), S. 78-79. Der Kennzahlenkatalog ist im Anhang 3 enthalten. Weinrich führt in seiner Studienbeschreibung unrichtigerweise nur fünf Kennzahlengruppen an. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 44. Vgl. Beaver, William H. (1966), S. 84-85. Vgl. Beaver, William H. (1966), S. 85-86.
98
1 2 3 4 5 6
Kennzahlen Cash Flow / Fremdkapital Jahresüberschuss / Bilanzsumme Fremdkapital / Bilanzsumme (Umlaufvermögen - Kurzfristiges Fremdkapital) / Bilanzsumme Umlaufvermögen / Kurzfristiges Fremdkapital (Guthaben bei Kreditinstituten - Kurzfristiges Fremdkapital) / Investitionsausgaben
Tab. 9:
5 22 28 28 41
Jahr(e) vor Insolvenz 4 3 2 24 23 21 29 23 21 27 34 25 45 33 34
1 13 13 19 24
45 37
38 38
20 23
36 43
32 38
Fehlklassifikationsraten in Prozent (Beaver 1966)535
Beaver versuchte, mit Hilfe der Kennzahlengruppen viele Bereiche eines Unternehmens abzudecken, um ein möglichst vollständiges Bild darzustellen. Er arbeitete erstmalig mit einer Validierungsstichprobe, um die Ergebnisqualität zu bestimmen. Des Weiteren ermittelte der Autor Klassifikationsraten, die mit einem Fehleranteil von 13,00% ein Jahr vor Eintritt der Insolvenz relativ gut waren.
C. 2.1.3.4.
Altman (1968)
Altman536 wählte 33 Industrieunternehmen in seiner Studie aus dem Jahr 1968 aus, die in den Jahren von 1946 bis 1965 Insolvenz angezeigt hatten. Diese wiesen Bilanzsummen zwischen einer und 25 Mio. US-Dollar auf537 und wurden wie folgt definiert: “manufacturer that filed a bankruptcy petition under Chapter X of the National Bankruptcy Act“. In paarweiser Selektion wurden diesen solvente Unternehmen gegenübergestellt, die bezüglich Branche und Unternehmensgröße größtmögliche Ähnlichkeiten aufwiesen.538 Der Autor entwickelte aus einer Grundgesamtheit von 22 Kennzahlen eine multivariate Diskriminanzfunktion bestehend aus fünf Kennzahlen:539
535 536
537 538
539
Vgl. Beaver, William H. (1966), S. 85. Altman, Edward I. (1968): Financial ratios, discriminant analysis and the prediction of corporate bankruptcy. In: Journal of Finance, Vol. 23, Iss. 4, 1968, S. 589-609. Vgl. Altman, Edward I. (1968), S. 593. Als Zuordnungskriterium bei den solventen Unternehmen galt, dass diese im Jahr 1966 immer noch existieren mussten. Vgl. Altman, Edward I. (1968), S. 593. Altman wählte die anfänglich 22 Kennzahlen auf Grund ihrer Anwendungshäufigkeit in der Literatur und ihrer möglichen potenziellen Relevanz für seine Studie aus. Dieser Katalog wurde in seinem Aufsatz nicht veröffentlicht. Die Kennzahlenkategorien waren „Liquidität“, „Profitabilität“, „Verschuldungsgrad“, „Zahlungsfähigkeit“ und „Tätigkeitskennzahlen“. Die in der Diskriminanzfunktion berücksichtigten fünf Kennzahlen wurden u.a. wegen ihrer statistischen Signifikanz, ihrer Korrelationen zu den übrigen Variablen, ihrer Prognosegenauigkeit und des subjektiven Urteils des Autors ermittelt. Vgl. Altman, Edward I. (1968), S. 594.
99
Z = 0,021 x1 + 0,014 x2 + 0,033 x3 + 0,006 x4 +0,999 x5 Mit
Z = Gesamtindex x1 = (Umlaufvermögen - Kurzfristiges Fremdkapital) / Bilanzsumme x2 = Einbehaltener Gewinn / Bilanzsumme x3 = Gewinn vor Zinsen und Steuern / Bilanzsumme x4 = Eigenkapital zum Marktwert / Buchwert des Fremdkapitals x5 = Umsatzerlöse / Bilanzsumme
Die Ergebnisse für das erste und zweite Jahr vor Eintritt der Insolvenz zeigt Tabelle 10.
1 Jahr vor Insolvenz Fehler 1. Art Fehler 2. Art Summe 2 Jahre vor Insolvenz Fehler 1. Art Fehler 2. Art Summe
Fehlerrate in %
Richtig klassifiziert
Richtig klassifiziert in %
Größe der Stichprobe
31 32
94 97
6 3
33 33
63
95
5
66
23 31 54
72 94 83
28 6 17
32 33 65
Tab. 10: Ergebnisse für ein Jahr bzw. zwei Jahre vor Eintritt der Insolvenz (Altman 1968)540 Jahr(e) vor Insolvenz 1 2 3 4 5
Stichprobe (insolvent)541
Richtig klassifiziert
Richtig klassifiziert in %
33 32 29 28 25
31 23 14 8 9
95 72 48 29 36
Tab. 11: Fehler 1. Art für bis zu fünf Jahren vor Eintritt der Insolvenz (Altman 1968)542 Die Validierungsstichprobe enthielt 25 insolvente und 66 solvente bis dahin noch nicht berücksichtigte Unternehmen. Es wurden 24 insolvente und 52 solvente Unternehmen richtig klassifiziert. Dies entspricht einem Fehler 1. Art von 4,00% und einem Fehler 2. Art von 21,00%.543 Die multivariate Diskriminanzfunktion lieferte bis zwei Jahre vor Eintritt der Insolvenz akzeptable Ergebnisse. Danach stiegen die Fehlerraten stark an, was der Autor nicht begründen konnte.544
540 541
542 543 544
Vgl. Altman, Edward I. (1968), S. 599-600. Der Umfang der Stichprobe war für den Untersuchungszeitraum inkonsistent, da nicht alle Unternehmen Jahresabschlüsse für bis zu fünf Jahren vor Eintritt der Insolvenz vorlegen konnten. Vgl. Altman, Edward I. (1968), S. 604. Vgl. Altman, Edward I. (1968), S. 602. Vgl. Altman, Edward I. (1968), S. 604.
100
C. 2.1.3.5.
Deakin (1972)
Die Studie des Autors Deakin545 ähnelt Beaver´s aus dem Jahr 1966, da er den gleichen Analysezeitraum von fünf Jahren untersuchte und 14 Kennzahlen aus Beaver´s Katalog auswählte. Wesentlicher Unterschied war, dass er die Kennzahlen auf eine multivariate Diskriminanzanalyse anwendete.546 Seine Insolvenzdefinition war enger als bei Beaver: „firms which experienced bankruptcy, insolvency, or were otherwise liquidated for the benefit of creditors“.547 Es wurden 32 insolvente Unternehmen aus dem Zeitraum 1964 bis 1970 berücksichtigt. Die Vergleichsunternehmen wurden nach den Kriterien Branche, Jahr des Jahresabschlusses und Unternehmensgröße ausgewählt.548 Die Gegenüberstellung der Ergebnisse der univariaten Diskriminanzanalyse zeigte, dass Beaver´s Beobachtungen mit Ausnahme der Kennzahl Nr. 14 „Kasse / Umsatzerlöse“ trotz des späteren Analysezeitraumes bestätigt wurden (Tabelle 12).549
1 2 3 4 5 6 7
Angaben in % Cash Flow / Fremdkapital Jahresüberschuss / Bilanzsumme Fremdkapital / Bilanzsumme Umlaufvermögen / Bilanzsumme Flüssige Mittel / Bilanzsumme (Umlaufvermögen - Kurzfristiges Fremdkapital) / Bilanzsumme Kasse / Bilanzsumme
Umlaufvermögen / Kurzfristiges Fremdkapital Flüssige Mittel / Kurzfristiges Fremdkapital Kasse / Kurzfristiges Fremdkapital Umlaufvermögen / Umsatzerlöse Flüssige Mittel / Umsatzerlöse (Umlaufvermögen - Kurzfristiges Fremdkapital) / Umsatzerlöse 14 Kasse / Umsatzerlöse 8 9 10 11 12 13
5 27 (22) 38 (28) 33 (28) 47 (49) 52 (40)
Jahr(e) vor Insolvenz 4 3 2 24 (24) 28 (23) 16 (21) 43 (29) 30 (23) 20 (21) 33 (27) 22 (34) 22 (25) 45 (47) 41 (48) 47 (48) 52 (48) 47 (36) 53 (42)
1 20 (13) 27 (13) 20 (19) 36 (38) 34 (38)
34 (41)
39 (45)
34 (33)
28 (34)
30 (24)
47 (38)
44 (36)
47 (30)
42 (29)
33 (28)
41 (45) 44 (37) 41 (38) 50 (51) 53 (44)
36 (38) 39 (34) 45 (38) 56 (49) 59 (52)
25 (36) 41 (40) 36 (36) 52 (48) 55 (45)
27 (32) 28 (32) 28 (28) 61 (51) 59 (47)
28 (20) 30 (24) 36 (22) 48 (44) 52 (46)
47 (40)
52 (46)
45 (42)
31 (33)
28 (26)
48 (45)
53 (43)
52 (36)
42 (24)
47 (34)
Tab. 12: Fehlerraten der univariaten Diskriminanzanalyse (Klammerangaben enthalten Ergebnisse von Beaver; Deakin 1972)550 Im Rahmen der multivariaten Diskriminanzanalyse, bei der für jedes Jahr vor Eintritt der Insolvenz eine Diskriminanzfunktion entwickelt wurde, beinhaltete eine zweite Stichprobe
545
546 547
548 549
550
Deakin, Edward B. (1972): A discriminant analysis of predictors of business failure. In: Journal of Accounting Research, Vol. 10, Spring 1972, S. 167-179. Vgl. Deakin, Edward B. (1972), S. 167-168. Beaver hatte eine weitergehende Definition gewählt, da er auch Unternehmen mit einbezog, die „defaulted on loan obligations or missed preferred dividends payments“ aufwiesen. Beaver, William H. (1966), S. 71. Vgl. Deakin, Edward B. (1972), S. 168. Eine mögliche Erklärung war, dass Unternehmen in den späten 60-er Jahren wegen des niedrigen Zinsniveaus mehr Barreserven investiert hatten. Ein geringer Kennzahlenwert stand für gutes Finanzmanagement. Vgl. Deakin, Edward B. (1972), S. 171. Vgl. Deakin, Edward B. (1972), S. 169.
101
32 solvente Unternehmen aus der Zeit zwischen 1962 und 1966.551 Die Validierungsstichprobe bestand aus elf insolventen und 23 solventen Unternehmen, die zufällig aus den Jahren 1963 und 1964 ausgewählt wurden. Den hohen durchschnittlichen Fehler von 22,00% im ersten Jahr konnte der Autor nicht erklären.552 Absolut Stichprobe Test Krank Krank
Jahr(e)
Fehlerraten Prozentual Stichprobe Test Krank Krank
Durchschnitt Stichprobe Test Krank Krank
1
Gesund Krank
1 1
2 6
3 3
18 23
3,0
22,0
2
Gesund Krank
1 2
1 1
3 6
8 4
4,5
6,0
3
Gesund Krank
2 1
2 2
6 3
8 6
4,5
12,0
4
Gesund Krank
5 8
3 3
16 25
33 9
21,0
23,0
5
Gesund Krank
8 3
2 2
25 9
22 13
17,0
15,0
Tab. 13: Fehlerraten der Diskriminanzfunktionen (Deakin 1972)553 Die Diskriminanzfunktionen hatten stets bessere Ergebnisse geliefert als die Einzelkennzahlen. Dies gilt auch für das vierte und fünfte Jahr, in denen hohe Fehlerraten festgestellt wurden.
C. 2.1.3.6.
Beermann (1976)
Die erste deutsche Untersuchung, die sich mit der Frage der Insolvenzprognose auf Grund von Bilanzkennzahlen auseinandersetzte, wurde 1976 von Beermann554 vorgelegt. Ausgangspunkt der Analyse waren 21 Aktiengesellschaften mit Bilanzsummen bis zu 150 Mio. DM, die in den Jahren 1966 bis 1971 Insolvenz beantragt hatten, saniert wurden oder erhebliche Kapitalverluste555 verzeichneten.556 Diesen wurde anhand der Kriterien „Branchenzugehörigkeit“557 und „Unternehmensgröße“ je ein Vergleichsunternehmen gegenübergestellt. Unternehmen wurden 551
552 553 554
555
556
557
Die Unternehmensdaten entstammten dem Moody´s Industrial Manual. Der Zeitraum der zweiten Stichprobe stimmte mit dem der ersten Stichprobe überein. Vgl. Deakin, Edward B. (1972), S. 172. Vgl. Deakin, Edward B. (1972), S. 176. Vgl. Deakin, Edward B. (1972), S. 176 und 177. Beermann, Klaus (1976): Prognosemöglichkeiten von Kapitalverlusten mit Hilfe von Jahresabschlüssen, Düsseldorf 1976. Ein erheblicher Kapitalverlust lag vor, wenn ein Unternehmen in einem Geschäftsjahr einen Jahresfehlbetrag zuzüglich der Erträge aus Verlustübernahme durch andere Unternehmen in Höhe von 33,30% des Grundkapitals und der offenen Rücklagen ausgewiesen hatte. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 50. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 49-50, 52 und 54. Im Rahmen der Darstellung der Beermann Studie werden diese drei Auswahlkriterien unter dem Begriff „Insolvenz“ zusammengefasst. Die Branchen waren „Land- und Forstwirtschaft“, „Kunststoffverarbeitung“, „Maschinenbau“, „Feinmechanik, Optik und Uhrenherstellung“, „Gummi- und Asbestverarbeitung“, „Zellstoff- und Papiererzeugung“, „Textilgewerbe“, „Übriges Nahrungsmittelgewerbe“ sowie „Baugewerbe“. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 53.
102
ausgeschlossen, wenn deren Abschlüsse im Folgejahr nicht erhältlich waren558 und wenn sie im Jahr der Insolvenz des entsprechenden Vergleichsunternehmens ein negatives Ergebnis ausgewiesen hatten.559 Der Autor analysierte einen Zeitraum von vier Jahren vor Eintritt der Insolvenz. Für die Durchführung seiner Studie wählte er zehn Kennzahlen aus560, deren Trennfähigkeit er zunächst univariat untersuchte. Anschließend verwendete er eine lineare multivariate Diskriminanzanalyse, wobei er keine Reduktion der Anzahl der Kennzahlen anstrebte, sondern sämtliche Kennzahlen fest vorgab.561 Es wurden Diskriminanzfunktionen für jedes Jahr vor Eintritt der Insolvenz aufgestellt. Vier Jahre vor Eintritt der Insolvenz wies keine Kennzahl auf wesentliche Besonderheiten zwischen den beiden Unternehmensgruppen hin.562 In den übrigen drei Jahren zeigten die Kennzahlen „(Jahresüberschuss + Steuern ± Außerordentliches Ergebnis) / Umsatz“ (Nr. 5), „(Jahresüberschuss + Steuern ± Außerordentliches Ergebnis) / Bilanzsumme“ (Nr. 6), „Bankverbindlichkeiten / Verbindlichkeiten“ (Nr. 7) sowie „(Jahresüberschuss + Steuern ± Außerordentliches Ergebnis) / Verbindlichkeiten“ (Nr. 10) signifikante Unterschiede auf. Die Kennzahl „Cash Flow / Verbindlichkeiten“ (Nr. 2) erzielte im Jahr vor der Insolvenz akzeptable Ergebnisse.563
558
559 560
561 562 563
Stattdessen wurde das Unternehmen ausgewählt, dessen Bilanzsumme dem scheiternden Unternehmen am zweitnächsten kam. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 51. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 50-51. Folgende zehn Kennzahlen wurden selektiert: 1) „Abschreibungen Sachanlagevermögen / (Sachanlagevermögen Anfangsbestand + Zugänge)“ (x1); 2) „Cash Flow / Verbindlichkeiten“ (x2); 3) „Zugang Sachanlagevermögen / Abschreibungen Sachanlagevermögen“ (x3); 4) „Verbindlichkeiten / Bilanzsumme“ (x4); 5) „(Jahresüberschuss + Steuern ± Außerordentliches Ergebnis) / Umsatz“ (x5); 6) „(Jahresüberschuss + Steuern ± Außerordentliches Ergebnis) / Bilanzsumme“ (x6); 7) „Bankverbindlichkeiten / Verbindlichkeiten“ (x7); 8) „Umsatz / Bilanzsumme“ (x8); 9) „Vorräte / Umsatz“ (x9); 10) „(Jahresüberschuss + Steuern ± Außerordentliches Ergebnis) / Verbindlichkeiten“ (x10), Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 57-58. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 66. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 61. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 63.
103
Jahr(e) vor Insolvenz 1 Kennzahl 6 10 5 2
Absolut I II 3 2 4 2 1 6 4 3
2 Gesamt % 11,9 14,3 16,7 16,7
Absolut I II 3 6 4 5 1 7 5 8
3 Gesamt % 21,4 21,4 19,0 31,0
Absolut I II 7 3 8 4 6 4 3 13
4 Gesamt % 26,2 28,6 23,8 38,1
Absolut I II 9 5 9 5 5 9 8 9
Gesamt % 33,3 33,3 33,3 40,5
Tab. 14: Auswahl von Klassifikationsergebnissen bei Minimierung des Gesamtfehlers (Beermann 1976)564 Tabellenlegende: I = Fehler 1. Art II = Fehler 2. Art
Die Ergebnisse sämtlicher Diskriminanzfunktionen bis zu vier Jahren vor Eintritt der Insolvenz enthält Tabelle 15. Jahr(e) vor Insolvenz 1565 2 3 4
Fehleranzahl 4 8 12 16
Fehlerrate in % 9,5 19,0 28,6 38,1
Tab. 15: Fehlklassifikationen der Diskriminanzanalyse mit Median als Trennwert (Beermann 1976)566 Galt der Median als Cut-off-Wert, klassifizierte die Einzelkennzahl „Umsatz / Bilanzsumme“ (Nr. 8) die wenigsten Unternehmen falsch. Sechs Unternehmen entsprachen einer Fehlerrate von 14,30%. Die Diskriminanzfunktion ein Jahr vor der Insolvenz wies ein besseres Ergebnis auf. Grundsätzlich stellte der Autor fest, dass Diskriminanzfunktionen weniger Fehlklassifikationen verursachten als Einzelkennzahlen. Eine Reduzierung der Anzahl der Kennzahlen führte u.a. zu einer wesentlichen Erhöhung des Gesamtfehlers, so dass Beermann diesen Versuch abbrach.567 Insgesamt hatte die Kennzahl „(Jahresüberschuss + Steuern ± Außerordentliches Ergebnis) / Bilanzsumme“ (Nr. 6) in den vier entwickelten Diskriminanzfunktionen stets die besten Ergebnisse erzielt, die Kennzahl „Zugang Sachanlagevermögen / Abschreibungen Sachfanlagevermögen“ (Nr. 3) war die Kennzahl mit der schlechtesten Trennfähigkeit.568
564
565
566 567 568
Für die Kennzahlendefinitionen siehe f 560. Bei der Kennzahl Nr. 6 ist Beermann im dritten Jahr vor der Insolvenz ein Fehler unterlaufen. Auf der einen Seite gibt er elf falsch klassifizierte Unternehmen für diese Kennzahl an. Auf der anderen Seite schreibt er, dass sieben Unternehmen den Fehler 1. Art und drei Unternehmen den Fehler 2. Art verursachen. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 84 und 89. Die Diskriminanzfunktion lautete: Z = 0,21705 x1 - 0,06276 x2 + 0,01218 x3 + 0,07741 x4 0,10477 x5 + 0,81270 x6 + 0,16454 x7 + 0,06135 x8 + 0,26832 x9 + 0,12368 x10. Die Kennzahlendefinitionen stehen in Fußnote 560. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 102. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 110. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 112.
104
Die Funktionen wurden anhand von 12 insolventen Aktiengesellschaften aus sieben Branchen getestet.569 Der Median stellte erneut den Cut-off-Wert dar. Zehn Unternehmen, dies entsprach 83,30%, wurden richtig klassifiziert.570
C. 2.1.3.7.
Weinrich (1978)
Eine 1978 von Weinrich571 vorgelegte Untersuchung umfasste 44 Unternehmenspaare aus dem Ruhrgebiet,572 wovon 32 die Trainingsstichprobe und 12 die Teststichprobe bildeten. Bei der Auswahl der insolventen Unternehmen lag ein engerer Insolvenzbegriff zu Grunde als bei vorangegangenen Untersuchungen. Weinrich verstand hierunter nur Konkurs, Vergleich, Beitreibung einer Pfändung oder Pfandverwertung auf gerichtlichem Wege.573 Der Analysehorizont erstreckte sich auf zwei bis vier Jahre vor Eintritt der Insolvenz, da drei aufeinander folgende Jahresabschlüsse untersucht wurden.574 Die Jahresabschlüsse stammten aus den Jahren 1969 bis 1975. Die solventen Vergleichsunternehmen wurden anhand der Kriterien „Branche“, „Unternehmensgröße“ und „Konjunkturphase“ ausgewählt.575 Die erste Variablengruppe beinhaltete Einzelkennzahlen, die zweite Gruppe die Trendentwicklungen dieser Kennzahlen.576 Die Auswahl der Kennzahlen erfolgte anhand der Ergebnisse bisheriger Untersuchungen zur Insolvenzprognose und Gesprächen mit Praktikern.577 Die Analyse basierte anfänglich auf 28 Kennzahlen, die nach Ermessen des Autors selbstgebildeten Kennzahlengruppen zugeordnet wurden (Tabelle 16).578
569 570 571
572 573
574
575
576 577 578
Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 118. Vgl. Beermann, Klaus (1976), S. 119. Weinrich, Günter (1978): Kreditwürdigkeitsprognosen - Steuerung des Kreditgeschäfts durch Risikoklassen, Wiesbaden 1978. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 59-60. Bei den letztendlich in die Untersuchung eingegangenen 44 insolventen Unternehmen waren nur der Konkurs und der Vergleich von Bedeutung. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 60. Das Jahr vor der Insolvenz blieb unberücksichtigt, da oftmals für dieses Jahr keine Bilanz vorlag. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 59 und 65. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 60. Die Branche „Bauhauptgewerbe“ stellte 18 Unternehmenspaare, „Ausbau- und Bauhilfsgewerbe“ acht, „Großhandel“ vier, „Textilgewerbe“ und „Verlagswesen“ je drei, „Maschinenbau“, „Einzelhandel“ und „Speditionen“ je zwei sowie „Feinmechanik“ und „Holzverarbeitung“ je eins. Die Unternehmensgröße betrug bis zu 20 Mio. DM Gesamtleistung. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 62-63. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 66. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 67. Vgl. Weinrich, Günter (1978), S. 78.
105
Nr. 1 2 3 4 5 6
7 8
9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24
579
580
581
Kennzahl Eigenkapital / Fremdkapital Eigenkapital / Kurzfristiges Fremdkapital (Umlaufvermögen - Kurzfristiges Fremdkapital) / Gesamtkapital Umlaufvermögen / Kurzfristiges Fremdkapital Bald verfügbare Geldmittel / Kurzfristiges Fremdkapital (Eigenkapital + Langfristiges Fremdkapital) / (Anlagevermögen + 50,00% der Vorräte) Liquide Mittel / Gesamtkapital (Bald verfügbare Geldmittel Kurzfristiges Fremdkapital) / Betriebsaufwand vor Abschreibungen Unternehmensgewinn / Eigenkapital (Unternehmensgewinn + Fremdkapitalzinsen) / Gesamtkapital Betriebsgewinn / Umsatz Cash Flow / Umsatz Eigenkapital / Umsatz Umsatz / Gesamtkapital581 Umsatz / Liquide Mittel (Umlaufvermögen - Kurzfristiges Fremdkapital) / Gesamtleistung Vorräte / Gesamtleistung Forderungen / Umsatz Vorräte / Materialaufwand Kurzfristiges Fremdkapital / Cash Flow Fremdkapital / Cash Flow (Fremdkapital - Bald verfügbare Geldmittel) / Cash Flow Kurzfristiges Fremdkapital / Betriebliche Nettoeinnahmen Fremdkapital / Betriebliche Nettoeinnahmen
Herkunft579 A, B, C, T, W E A, B
Hypothese580 S