Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896: Entstehungsgeschichte und Wirkung [1 ed.] 9783428507597, 9783428107599


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Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896: Entstehungsgeschichte und Wirkung [1 ed.]
 9783428507597, 9783428107599

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HENNING VON STECHOW

Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896

Schriften zur Rechtsgeschichte Heft 96

Das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896 Entstehungsgeschichte und Wirkung

Von

Henning von Stechow

Duncker & Humblot · Berlin

Die Juristische Fakultät der Universität Bayreuth hat diese Arbeit im Jahre 2001 als Dissertation angenommen.

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2002 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Color-Druck Dorfi GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0720-7379 ISBN 3-428-10759-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 θ

Für Margarete

Vorwort Die vorliegende Untersuchung ist im Sommersemester 2001 von der Juristischen Fakultät der Universität Bayreuth als Dissertationsschrift angenommen worden. Mein Dank gilt in erster Linie meinem Doktorvater Professor Dr. Diethelm Klippel. Ihm verdanke ich die schönste Erfahrung meiner akademischen Ausbildung, die nunmehr fertiggestellte Arbeit. Zudem möchte ich Herrn Dr. Marcel Kisseler und Herrn Dr. Reiner Münker von der Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs e. V. für die Förderung dieser Arbeit danken. Herr Dr. Kisseler hat die Anfänge dieser Arbeit maßgeblich unterstützt, Herr Dr. Münker die Fertigstellung. Ich danke zudem meinen Eltern, die es mir ermöglicht haben, diese Arbeit in Angriff zu nehmen. Sie waren mir in all den Jahren eine große Hilfe. Mein Dank gilt Margarete, meiner Frau. Ihr widme ich diese Arbeit. Köln, im Mai 2002

Henning v. Stechow

Inhaltsverzeichnis Einleitung

17

I. Fragestellung II. Quellen und Literatur

17 19

Teill

Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes vor unlauterem Wettbewerb in Deutschland

21

1. Kapitel Die Wirtschaftsordnung des Deutschen Reiches I. Der Wandel der Wirtschaftsordnung in Deutschland im 19. Jahrhundert bis 1871 1. Die Wirtschaftsordnung des Merkantilismus 2. Die Wirtschaftsordnung unter dem Einfluß des Liberalismus II. Die Wirtschaftsordnung des Deutschen Reiches 1. Allgemeiner politischer und gesellschaftlicher Wandel 2. Die Wirtschaftsordnung III. Zusammenfassung

23 23 23 25 29 29 31 34

2. Kapitel Der Schutz des gewerblichen Schaffens im Deutschen Reich I. Entwicklungslinien des gewerblichen Rechtsschutzes im 19. Jahrhundert 1. Erste Gesetze 2. Wirtschaftliche Freiheit und Staatsintervention 3. Der Rechtsgrund des gewerblichen Rechtsschutzes im Wandel 4. Der Einfluß ausländischer Gesetze auf die Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland II. Die Ausgestaltung des gesetzlichen Schutzes gewerblichen Schaffens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts 1. Der Kennzeichenschutz 2. Der Geschmacksmusterschutz 3. Der Patentschutz

35 36 37 39 41 43 44 44 48 49

10

Inhaltsverzeichnis

4. Der Schutz gewerblichen Schaffens durch sonstige Gesetze des Norddeutschen Bundes und des Reiches 5. Die Bestimmungen der Strafgesetzbücher zum Schutz gewerblichen Schaffens a) Die Verbreitung unwahrer Behauptungen b) Der Kennzeichenmißbrauch c) Der Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen 6. Die Bestimmungen der Privatrechtsordnungen a) Der Sonderfall des Rheinischen Rechts (1) Erste Erfolge im Kampf gegen die sog. concurrence déloyale (2) Die Grundlagen der Bekämpfung der concurrence déloyale b) Der Rechtsschutz gegen die concurrence déloyale nach Erlaß des MSchG III. Zusammenfassung

51 52 53 56 57 61 62 62 63 67 70

3. Kapitel

Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes gewerblichen Schaffens

72

I. Patentschutz und Kennzeichenschutz 73 1. Die concurrence déloyale in Josef Kohlers Werk „Deutsches Patentrecht" 73 2. Die Theorie der Immaterialgüter- und Individualrechte 75 3. Die Theorie Kohlers in der rechts wissenschaftlichen Kritik 79 II. Der Schutz von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen 81 1. Das Wirken Hermann Ortloffs für eine Erweiterung des Schutzes der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse 81 2. Die Reaktion der Presse, der Interessenverbände und der Reichsregierung .... 85 3. Der 19. Deutsche Juristentag 1888 88 III. Der Schutz gegen Erscheinungsformen irreführender Werbung 90 IV. Der Schutz des gewerblichen Schaffens in der Entstehungsgeschichte des BGB . 96 V. Erste Forderungen nach Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in Deutschland 103 1. Das Werk von Richard Alexander-Katz 104 a) Der Grund des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb 104 b) Die Gestaltung des Schutzes vor unlauterem Wettbewerb im deutschen Recht 106 (1) Kritik an der Lehre der concurrence déloyale 106 (2) Die Kritik an Kohler 108 (3) Die Vorschläge von Alexander-Katz 109 (a) Reklameschwindel 110 (b) Kennzeichenmißbrauch 113 (c) Fabrik-und Geschäftsgeheimnisse 115 (d) Das Bilden von wettbewerbswidrigen Vereinigungen 118 (e) Herabsetzen von Konkurrenten 119 2. Die Vorträge von Edwin Katz 120 a) Der Grund des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb 121 b) Die Vorschläge von Edwin Katz 122 (1) Die zivilrechtliche Generalklausel 122

Inhaltsverzeichnis (2) Der Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen 3. Julius Bachem a) Der Grund des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb b) Die Vorschläge Julius Bachems VI. Zusammenfassung

123 125 125 127 130

4. Kapitel Der Gedanke des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb im Reichstag und in der Öffentlichkeit

131

I. Die parlamentarische Diskussion um einen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb in GewO und WZG 132 1. 146c GewO 132 a) Der Rechtsgrund des Schutzes 133 b) Die Ausgestaltung des Schutzes 135 137 2. §§ 15 und 16 WZG a) Der Rechtsgrund des Schutzes und die Ausgestaltung der Bestimmungen gegen unlauteren Wettbewerb 138 (1) Der Rechtsgrund des Schutzes 138 (2) Die Ausgestaltung des Schutzes 139 b) Die Reichstagsresolution vom 19.4.1894 142 II. Die Reaktion der Öffentlichkeit 145 1. Der Rechtsgrund des Schutzes 145 2. Die Ausgestaltung des Schutzes 148 III. Zusammenfassung 151

Teil 2

Die Entstehung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

154

5. Kapitel Der Gang der Gesetzgebungsarbeiten I. II. III. IV. V. VI. VII. VIII.

Vorläufige Vorschläge des Reichsamts des Innern Die Entstehung der Grundzüge Die Sachverständigenkommission Die öffentliche Diskussion über den ersten Entwurf Die Beratung des Gesetzes im Bundesrat Die erste Beratung im Reichstag am 13. und 14.12.1895 Die Verhandlungen der Reichstagskommission Die zweite und dritte Beratung des Entwurfs im Reichstag

155 155 156 158 160 161 162 163 163

12

Inhaltsverzeichnis 6. Kapitel

Grundfragen des Kodifikationsprozesses: die Notwendigkeit eines UWG

164

I. Die Notwendigkeit der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs 164 II. Die Notwendigkeit eines Gesetzes 168 III. Der Schutzzweck des UWG 171 1. Die Diskussion um den Schutzzweck bis zum Ersten Entwurf 171 2. Der Schutzzweck in der öffentlichen Diskussion 179 a) Schutz der Redlichkeit im Verkehr 179 b) Schutz eines Rechts des Wettbewerbers 181 c) Wettbewerber- und Verbraucherschutz bei Otto Gierke 185 ( 1 ) Der Schutzzweck der zivilrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs ... 185 (2) Der Schutzzweck der strafrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs .. 188 3. Die Beratung des Schutzzwecks in Bundesrat und Reichstag 188 IV. Zusammenfassung 190

7. Kapitel

Grundfragen des Kodifikationsprozesses: Die Ausgestaltung des Schutzes I. Punktueller oder genereller Schutz gegen unlauteren Wettbewerb 1. Die Diskussion bis zur Veröffentlichung des ersten Entwurfes a) Einzelfallbestimmungen in den Vorläufigen Vorschlägen b) Die Reaktion der Sachverständigen 2. Die Reaktion der Öffentlichkeit a) Generelles Verbot unlauteren Wettbewerbs b) Generelles Verbot zum Schutz eines subjektiven Privatrechts c) Punktueller Schutz 3. Die Behandlung in der Legislative a) Die endgültige Festlegung auf das Prinzip des punktuellen Schutzes b) Die „kleine" Generalklausel II. Straf- oder zivilrechtlicher Schutz gegen unlauteren Wettbewerb III. Zusammenfassung

192 193 193 193 196 198 198 200 201 202 202 206 209 214

8. Kapitel

Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG I. Irreführende Werbung 1. Die Gründe für die Aufnahme der Fallgruppe in den Entwurf 2. Die Ausgestaltung der Bestimmungen gegen irreführende Werbeangaben (§§ 1 bis 4 UWG) a) Der Vorentwurf und die Vorläufigen Vorschläge (1) Irreführung über den Anlaß zum Verkauf und Ausverkaufsschwindel.

216 217 217 218 218 220

Inhaltsverzeichnis (2) Die Klageberechtigung von Verbänden 222 (3) Die Bestimmungen gegen irreführende Werbung vor Beginn der Beratung der Vorläufigen Vorschläge 223 b) Die Begrenzung der Schutzreichweite auf öffentliche Bekanntmachungen während der Beratung der Vorläufigen Vorschläge 224 c) Die Sachverständigenberatungen 227 (1) Die Sonderregelung der einstweiligen Verfügung und die Erweiterung des zivilrechtlichen Tatbestandes 227 (2) Die Bestimmungen gegen die irreführende Werbung im ersten Entwurf 228 d) Die öffentliche Kritik 230 (1) Die Kritik an Schadensersatzanspruch und Strafbestimmung 230 (2) Der Bundesratsentwurf ·. 231 e) Die Beratungen im Bundesrat 233 (1) Neufassung der zivilrechtlichen Bestimmung und Einführung einer Gerichtsstandsregelung 233 (2) Die Neufassung der Strafbestimmung 234 f) Die Beratung der §§ 1 bis 4 in Parlament und Reichstagskommission 236 (1) Der Schutz der Landwirtschaft 237 (2) Die Verantwortlichkeit der Presse für Inserate 238 (3) Die Bestimmungen gegen die irreführende Werbung nach den Beschlüssen der Reichstagskommission 238 (4) Die zweite und dritte Lesung im Reichstag 239 (5) Die Verantwortlichkeit der Presse 239 (6) Irreführende Angaben und Gattungsbezeichnungen 241 (7) Das UWG von 1896 241 II. QuantitätsVerschleierungen 243 1. Der Grund der Aufnahme der Fallgruppe in das UWG 243 2. Die Ausgestaltung der Bestimmung gegen Quantitätsverschleierungen im UWG (§5) 246 a) Die Formulierung der Bestimmung und erste Reaktionen 246 b) Die Beratung der Bestimmung im Reichstag 247 (1) Die Forderung nach Streichung der Bestimmung 248 (2) Versuche der Beschränkung der Bundesratsbefugnisse 249 III. Geschäftsehrverletzung, §§6f. UWG 251 1. Der Grund der Aufnahme der Bestimmungen gegen Geschäftsehrverletzung .. 251 2. Die Ausgestaltung der Bestimmungen gegen Geschäftsehrverletzung 252 a) Die Diskussionen bis zur Veröffentlichung des Ersten Entwurfs 252 (1) Die Formulierung der Bestimmungen im Vorentwurf und in den Vorläufigen Vorschlägen 252 (2) Die wesentlichen Diskussionspunkte 253 (a) Reichweite der Bestimmung 253 (b) Subjektive Voraussetzungen der Bestimmung 254 (3) Die Bestimmungen im Ersten Entwurf 256 b) Die Erörterung der Bestimmungen in der Öffentlichkeit 257 c) Die Erörterung der Bestimmungen in der Legislativen 259 IV. Schutz der geschäftlichen Bezeichnung 260

14

Inhaltsverzeichnis

1. Der Grund der Aufnahme der Bestimmung in das UWG 260 2. Die Ausgestaltung der Bestimmung 261 a) Die Bestimmung im Vorentwurf 261 b) Die Bestimmung in den Vorläufigen Vorschlägen, in den Grundzügen und im ersten Entwurf 261 c) Die Behandlung der Bestimmung in der Legislative 265 (1) Die „besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts" 265 (2) Der Schutz des Warenzeichens 266 V. Schutz geschäftlicher und betrieblicher Geheimnisse 268 1. Der Grund der Aufnahme der Bestimmungen in das UWG 268 2. Die Schwerpunkte der Auseinandersetzung um die Ausgestaltung 275 a) Die Entwicklung bis zur Veröffentlichung des Ersten Entwurfes 275 b) Die öffentliche Reaktion 281 c) Die Verhandlungen in der Legislative 283 VI. Die sonstigen Paragraphen 289 1. Die Verurteilung zu einer Geldbuße 289 2. Die öffentliche Bekanntmachung eines Urteils 290 3. Die Zuständigkeit des Reichsgerichts 292 4. Die Reziprozitätsklausel 293 5. Die Verjährung 294 VII. Zusammenfassung 296

Teil 3

Wirkung und Erneuerung des U W G von 1896

302

9. Kapitel Die Entstehung des UWG von 1909 im Überblick

302

10. Kapitel Die Entstehungsgeschichte der sog. großen Generalklausel I. Schutz vor unlauterem Wettbewerb durch UWG und BGB: Das Schutzkonzept des UWG von 1896 in der Praxis II. Schutz vor unlauterem Wettbewerb durch UWG und BGB: das Schutzkonzept des UWG von 1896 in der Kritik III. Die Einführung der „großen" Generalklausel 1. Die Diskussion um die sog. große Generalklausel in den Entwürfen von 1907 und 1909 2. Der Entwurf der Reichstagskommission und das UWG von 1909 IV. Zusammenfassung

304

304 308 310 310 312 315

Inhaltsverzeichnis 11. Kapitel

Die irreführende Werbung und der Sonderfall des Ausverkaufsschwindels, (§§ 1-4 UWG von 1896)

316

I. Rechtsprechung und Literatur zu §§ 1-4 UWG: ein Überblick 316 1. Rechtsprechung und Literatur zum Tatbestandsmerkmal „Anlaß oder den Zweck des Verkaufs" 316 2. Rechtsprechung und Literatur zum Tatbestandsmerkmal „Angaben tatsächlicher Art" 321 II. Die Kritik von Literatur und Öffentlichkeit an der Fassung von §§1-4 UWG .... 323 III. Die Erneuerung der Bestimmungen gegen irreführende Werbung 328 328 1. Der Entwurf von 1907 a) §§ 1 und 4 UWG 328 b) Gesetzliche Bestimmungen gegen Ausverkaufsschwindel 331 334 2. Der Entwurf von 1909 3. Der Entwurf der Reichstagskommission und das UWG von 1909 336 a) Die Bestimmungen gegen irreführende Werbung 336 b) Die Bestimmungen gegen das Ausverkaufsunwesen 338 IV. Zusammenfassung 342 12. Kapitel

Quantitätsverschleierungen (§ 5 UWG von 1896) I. Rechtsprechung, Literatur und Öffentlichkeit II. Die Änderung der Bestimmung im UWG von 1909 III. Zusammenfassung

343 343 345 347

13. Kapitel

Bestechung (§ 12 UWG von 1896) I. Die Diskussion um die Notwendigkeit eines gesetzlichen Schutzes II. Die Entstehung des § 12 UWG von 1909 1. Die Entwürfe von 1907 und 1909 2. Der Entwurf der Reichstagskommission und das UWG von 1909 III. Zusammenfassung

348 348 349 349 351 354

14. Kapitel

Geschäftsehrverletzung (§§ 6 f. UWG von 1896) I. Rechtsprechung und Literatur: ein Überblick II. Die Änderung der Bestimmungen im UWG von 1909 III. Zusammenfassung

354 354 355 357

16

Inhaltsverzeichnis 15. Kapitel Kennzeichenmißbrauch (§ 8 UWG von 1896)

I. Rechtsprechung und Literatur: ein Überblick zu § 8 UWG II. Die Änderung der Bestimmung im UWG von 1909 III. Zusammenfassung

358 358 360 362

16. Kapitel Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen und Vorlagenmißbrauch (§9 f. UWG von 1896)

363

I. Rechtsprechung und Literatur 363 II. Die Bestimmungen im Entwurf von 1907 und 1909 365 1. Der Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen 365 2. Der Verrat von Zeichnungen und Modellen im Entwurf von 1909 366 III. Die Bestimmungen im Entwurf der Reichstagskommission und im UWG von 1909 367 IV. Zusammenfassung 368 Anlagen

370

Quellen und Literatur

382

Sachwortverzeichnis

394

Einleitung I. Fragestellung Am 1. Juli 1896 trat das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs (UWG) in Kraft. Das UWG war das erste Gesetz, das im deutschen Rechtskreis speziell und ausschließlich dem in seinem Namen zum Ausdruck kommenden Zweck diente. Es wandte sich mittels straf- und zivilrechtlich ausgestalteter Einzelfallbestimmungen gegen eine Reihe von Verhaltensweisen Handel- und Gewerbetreibender. Die §§ 1-4 betrafen schwindelhaftes Verhalten im Bereich der Werbung, des sog. „Reklamewesens". § 5 richtete sich gegen QuantitätsVerschleierungen, d. h. Veränderungen der Mengenverhältnisse bei Handelsgütern. §§ 6 und 7 verboten unwahre, kredit- oder geschäftsschädigende Äußerungen eines Handel- oder Gewerbetreibenden über einen Wettbewerber, die sog. „Geschäftsehrverletzung". § 8 richtete sich gegen die täuschende Benutzung von Namen, Firmen oder Geschäftsbezeichnungen, den sog. Kennzeichenmißbrauch. Die §§9 und 10 schließlich betrafen den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen.1 Die Geltungsdauer dieses Gesetzes war kurz. Schon 1907 nahm der Gesetzgeber Novellierungsarbeiten in Angriff, die in das UWG von 1909 mündeten. Es trat am 1. Oktober 1909 in Kraft und löste damit das UWG von 1896 ab. Die kurze Geltungsdauer mag einer der Gründe dafür sein, daß die rechtswissenschaftliche Literatur dem UWG von 1896 seit seiner Erneuerung 1909 kaum mehr Beachtung geschenkt hat. Oftmals wird die Bedeutung des Gesetzes lediglich darin gesehen, daß das Jahr 1896 den Beginn des gesetzlichen Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb markiert. Als wesentlicher Grund für die rasche Erneuerung wird im allgemeinen die Mangelhaftigkeit des Gesetzes, insbesondere das Fehlen einer Generalklausel genannt.2 Bezeichnenderweise verstrich die hundertjährige Wiederkehr seines Inkrafttretens 1996 nahezu unbemerkt. Die letzte umfassende Untersuchung seiner Entstehung liegt über 75 Jahre zurück. 3 Erst in jüngerer Zeit ist das UWG von 1896 wieder Gegenstand der rechtshistorischen For1

Die übrigen §§11-17 des UWG von 1896 behandeln nachgeordnete Fragen allgemeiner Art, wie die Verjährungsfrist (§11), Antragsvoraussetzung (§ 12) oder den internationalen Bezug (§16). 2 Heinrich Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, 5. Aufl., München 1988, 26; Horst Rainer Jacobs (Hrsg.)/Walter F. Lindacher/Otto Teplitzky, Großkommentar zum UWG, Berlin 1994, Einl UWGRdnB15ff. 3 Franz Greiner, Die Entstehungsgeschichte der Generalklausel im Reichsgesetze gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909, jur.Diss., Erlangen 1925. 2 vonStechow

18

Einleitung

schung geworden, allerdings nur in Teilbereichen und mit anderen Schwerpunkten.4 Hier setzt die vorliegende Arbeit an. Sie will die Entstehungsgeschichte und die Auswirkungen des UWG von 1896 untersuchen. Zu fragen ist also erstens, warum Ende des 19. Jahrhunderts der Gesetzgeber es als notwendig ansah, erstmals für Handel- und Gewerbetreibende einen rechtlichen Kodex für das Verhalten in einer Wettbewerbsordnung aufzustellen. Darüber hinaus ist im Einzelnen zu analysieren, wie es zur Gestaltung des Gesetzes in seiner konkreten Form kam und welches die Schwerpunkte der Diskussion während seiner Entstehung waren. Zweitens ist zu fragen, wie sich das Gesetz in der Praxis auswirkte und worin die Gründe für seine rasche Novellierung liegen. Entsprechend der Fragestellung erfolgt die Untersuchung in drei Teilen. Der erste Teil dient der Herausarbeitung der Grundlagen, der im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts allmählich einsetzenden Bemühungen um die Schaffung eines gesetzlichen Lauterkeitsschutzes im Erwerbsleben in Deutschland. Insbesondere soll dabei untersucht werden, welche Faktoren den Ausschlag dafür gaben, daß nicht nur eine bedeutende Zahl der Handel- und Gewerbetreibenden, sondern auch das Parlament und Vertreter der Wissenschaft eine Erweiterung der Rechtsordnung zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb für geboten hielten und damit die Aufnahme der Gesetzgebungsarbeiten durch die Regierung bewirkten. Diese Frage erscheint umso wichtiger, wenn man sich vor Augen hält, daß „unlauterer Wettbewerb" noch zur Zeit der Reichsgründung von 1871 als Begriff im deutschen Sprachgebrauch nicht bekannt und den Zeitgenossen auch als komplexe Erscheinung im Wirtschaftsleben nicht bewußt war. Gerade dies zeigt auch, daß eine Arbeit zur Entstehungsgeschichte des UWG von 1896 sich nicht auf eine Beschreibung des Rechtsschutzes vor unlauteren Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb unmittelbar vor und nach dem Inkrafttreten des UWG beschränken kann, sondern weiter ausholen muß. So bedarf es u. a. der Berücksichtigung der Wirtschaftsgeschichte sowie der Geschichte der Gesetzgebung und der Rechtswissenschaft im 19. Jahrhundert. Der zweite Teil geht der Frage nach, wie das Gesetz seine konkrete Gestalt erlangte. Dieser Teil, der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit, untersucht demnach die Kodifikationsgeschichte des UWG von 1896. Zu analysieren sind insbesondere der Zweck und der Inhalt des Gesetzes. Dies erfolgt in zwei Schritten. 4 Ζ. B. Die the Im Klippel, Der zivilrechtliche Schutz des Namens, Paderborn, 1985; Barbara Dölemeyer/Diethelm Klippel, Der Beitrag der deutschen Rechtswissenschaft zur Theorie des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts, in: GRUR, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd.I, Weinheim 1991,187 ff.; Elmar Wadle, Fabrikzeichenschutz und Markenrecht. Geschichte und Gestalt des deutschen Markenschutzes im 19. Jahrhundert, 1. Teil, Entfaltung, Berlin 1977; 2. Teil, Historisch-dogmatische Grundlinien, Berlin 1983; Rolf Geyer, Der Gedanke des Verbraucherschutzes im Reichsrecht des Kaiserreichs und der Weimarer Republik (1887-1933), Frankfurt/M., 2001.

Einleitung

19

Zunächst werden die Grundgedanken der Diskussion um die Notwendigkeit eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb herausgearbeitet. Die Frage ist also vor allem, warum der Gesetzgeber überhaupt ein gesetzliches Vorgehen gegen unlauteren Wettbewerb in der vorliegenden Form für notwendig erachtete und wen oder was er damit zu schützen gedachte. Der Schwerpunkt der Diskussion während der Gesetzgebungsarbeiten betraf die Auseinandersetzung um die Ausgestaltung der einzelnen Bestimmungen. Dies wird in einem zweiten Schritt dargestellt. Unter anderem geht es um die Frage, ob der Schutz mittels einer Generalklausel erfolgen müsse, ferner, ob das Zivilrecht oder das Strafrecht die richtigen Instrumente zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs bereithalte. Sodann wird die Kodifikationsgeschichte jeder einzelnen Bestimmung analysiert. Hier ist zu fragen, warum der Gesetzgeber gerade bestimmte Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs in den Katalog der Einzelfallbestimmungen aufnahm und weshalb diese Bestimmungen so und nicht anders formuliert wurden. Der abschließende dritte Teil untersucht die Wirkung des Gesetzes und versucht einen Überblick über die Gründe zu geben, die zu der Schaffung des UWG von 1909 führten. Hier geht es um den Einfluß der Rechtsprechung auf die Wirkung und Erneuerung des Gesetzes und um die Lücken, die Wirtschaft, Interessenverbände und die Literatur im UWG von 1896 meinten, entdeckt zu haben. Vor allem eine fehlerhafte Rechtsprechung bzw. inhaltliche Mängel werden heute als wesentliche Gründe der Erneuerung des UWG von 1896 genannt.5 Es hat sich jedoch gezeigt, daß diese Antworten die Änderung und Erneuerung des UWG nur unzureichend erklären. Zu analysieren ist insbesondere, welche Interessen bei der Entstehung des UWG von 1909 berücksichtigt wurden.

II. Quellen und Literatur Neuere Spezialliteratur zur Entstehung der ersten gesetzlichen Grundlage des modernen deutschen Wettbewerbsrechts liegt nicht vor. Zu erwähnen sind die älteren Dissertationen von Greiner 6, Volleth 7 und Bolle} Den heutigen methodischen und inhaltlichen Anforderungen an eine rechtshistorische Dissertation genügen sie nicht. Zudem setzen sie andere Schwerpunkte. Bolles Schwerpunkt liegt auf einem Rechtsvergleich des deutschen Wettbewerbsrechts mit dem englischen. Greiner und Volleth untersuchen in erster Linie das UWG von 1909; dabei spielt die Entstehung der Generalklausel eine herausragende Rolle. Dies verstellt den Blick auf die ge5 Vgl. Baumbach/H eferme hl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., 1999 München, Allg., Rz.38, Volker Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, 3. Aufl., München 1990,10 f.; Großkommentar UWG (wie Fn. 2) Einl. Β 13 ff. 6 Siehe oben, Fn. 3. 7 Hans Volleth, Die Entstehung und Wirkung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, phil.Diss., Erlangen 1923. 8 Johannes Andreas Bolle, Entwicklungslinien und systematische Stellung der Regeln über den unlauteren Wettbewerb im deutschen und englischen Recht, jur. Diss., Leipzig 1928.

2*

Einleitung

20

samte Regelungsmaterie des UWG und erschwert, wie zu zeigen sein wird, einen sachgerechten Überblick über die Wirkung des UWG von 1896. Eine Reihe neuer, ζ. T. umfangreicher Untersuchungen liegt allerdings zur Geschichte des gesamten Rechtsgebiets des gewerblichen Rechtsschutzes im 19. Jahrhundert vor. Sofern sie die Entstehung der UWG von 1896 und 1909 erörtern, sind sie für die vorliegende Arbeit herangezogen worden. Zu nennen sind hier vor allem Klippel und Wadle. 9 Die Ausführungen im ersten Teil der Arbeit können im wesentlichen auf diese Untersuchungen Bezug nehmen. Dies gilt insbesondere für die Darlegung des Beitrags von Kohler und Gareis zur Theorie des gewerblichen Rechtsschutzes. Dagegen fehlt bisher eine Analyse der Entstehung eines Unlauterkeitsbewußtseins in Deutschland im Zuge der Diskussion um eine Erweiterung des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb. Dies gilt auch für die Arbeiten von Richard Alexander-KatZy Edwin Katz und Julius Bachem10, die die Entstehung des UWG von 1896 maßgeblich beeinflußt haben. Der zweite Teil der vorliegenden Arbeit beruht im wesentlichen auf den archivalischen Quellen, nämlich den Gesetzgebungsmaterialien der verschiedenen Reichsbehörden zum UWG von 1896, die im Bundesarchiv in Berlin-Lichterfelde lagern. Eine Auswertung dieser Materialien ist im Hinblick auf die Entstehung des UWG von 1896 und die hier aufgeworfenen Fragen bisher nicht erfolgt. Mit Hilfe dieser Quellen soll eine Forschungslücke hinsichtlich wesentlicher den Rechtsschutz vor unlauterem Wettbewerb und das UWG von 1896 betreffender Fragen geschlossen werden. Der dritte Teil der Untersuchung beruht im wesentlichen auf der Literatur, die im Anschluß an das Inkrafttreten des UWG von 1896 in Deutschland entstand. An neueren rechtshistorischen Arbeiten konnte vor allem Klippels schon erwähnte Arbeit zur Geschichte des Namensschutzes herangezogen werden. Umfangreiches Quellenmaterial boten die Zeitschriften, die mit unterschiedlichen Schwerpunkten seit der ersten Hälfte der neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts die Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes begleiteten, vor allem die Zeitschriften Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht, Unlauterer Wettbewerb, Deutsche Juristenzeitung und Markt und Wettbewerb. Die Darstellung der Gesetzgebungsgeschichte des UWG von 1909 beruht auf den gedruckten Gesetzgebungsmaterialien, u.a. auf den Stenographischen Berichten von Reichstag und Bundesrat.

9

Siehe oben, Fn.4. Siehe unten, Teil 1, 3. Kap., V., 1.-3.

10

Teil I

Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes vor unlauterem Wettbewerb in Deutschland Ein Blick auf die Entstehungsbedingungen des UWG von 1896 läßt den Schluß zu, daß Rechtsnormen gegen unlautere Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb entstehen können, wenn vier Voraussetzungen erfüllt sind. Zum einen bedarf es einer Wirtschaftsordnung, die freien Wettbewerb ermöglicht (1. Kap.; I.). Von freiem Wettbewerb kann dann gesprochen werden, wenn ein Handel- und Gewerbetreibender durch freien Marktzugang zu eigenverantwortlichem, wirtschaftlichem Handeln in der Lage ist und zumindest die theoretische Möglichkeit besitzt, einem anderen dessen Absatzerfolg streitig zu machen.1 Dabei ist es eine in der Natur des Menschen begründete Erscheinung, daß ein wirtschaftendes Individuum umso eher und umso größere Wettbewerbsaktivitäten entfaltet, je freiheitlicher die Wirtschaftsverfassung eines Gemeinwesens ausgestaltet ist. 2 Für das 19. Jahrhundert in Deutschland kann zudem ein Zusammenhang zwischen dem Grad der Industrialisierung und dem Grad der Entwicklung der Volkswirtschaft einerseits und dem Grad der Wettbewerbsaktivität im Erwerbsleben andererseits festgestellt werden (l.Kap., II.). 3 Fortschreitende Industrialisierung innerhalb einer freien Wirtschaftsverfassung vermochte den Druck auf den einzelnen Marktteilnehmer zu erhöhen und zu einem aggressiveren Marktverhalten zu zwingen.4 Eine zweite Voraussetzung besteht darin, daß die Rechtsordnung eines Gemeinwesens, das sich zur Einführung des Prinzips der Wettbewerbsfreiheit entschließt und einen bestimmten Grad der Industrialisierung seiner Wirtschaft erreicht, der durchaus in der Lage ist, Wettbewerbsaktivitäten zu erzeugen, nicht imstande ist, 1 Rolf Walter, Wirtschaftsgeschichte, Vom Merkantilismus bis zur Gegenwart, 2. Aufl., Köln 1998, 38. 2 Fritz Rittner, Wettbewerbs- und Kartellrecht, Heidelberg, 1989, 2f.; Baumbach/H efermehl, (wie Einleitung, Fn.5), Rz. 35, 37. 3 Walter (wie Fn. 1 ), 38,65,68,78; Heinrich Hubmann, Gewerblicher Rechtsschutz, 6. Aufl., München 1998, §2 VII 4. 4 Rittner (wie Fn. 2), 2; vgl. auch Rudolf Krasser, Die Entwicklung der Ordnung des Wettbewerbsrechts in der französischen und deutschen Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts, in: Coing (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrechts im 19. Jahrhundert, Bd. IV - Eigentum und industrielle Entwicklung, Wettbewerbsordnung und Wettbewerbsrecht, Frankfurt/M., 1979, 151 ff.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

aus sich heraus, d.h. mit dem vorhandenen Normenbestand, auf diese veränderten Bedingungen zu reagieren (2. Kap.). Das Vorliegen dieser Voraussetzung wird für Deutschland anhand einer Darstellung der Mittel und der Reichweite des Schutzes gewerblichen Schaffens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts untersucht (2. Kap., II.). Dieser Darstellung kann entnommen werden, ob und wie die Rechtsordnung auf die geänderten Rahmenbedingungen reagierte. Gleichzeitig ist die Kenntnis der Ausgestaltung des Schutzes des gewerblichen Schaffens vor dem Erlaß von Normen gegen unlauteren Wettbewerb für das spätere Verständnis des Ortes des UWG im System des gewerblichen Rechtsschutzes von Bedeutung. Der Darstellung der Rechtsordnung wird daher eine Beschreibung der wesentlichen Entwicklungslinien des gewerblichen Rechtsschutzes vorangestellt (2. Kap.,I.). Die dritte Voraussetzung ist die Entstehung eines Unlauterkeitsbewußtseins, also der Überzeugung bei Teilnehmern des Wirtschaftslebens, aber auch bei staatlichen Behörden, daß gewisse wettbewerbliche Verhaltensweisen unlauter sein können (3. Kap.). Die Diskussion um einen mangelhaften Schutz des Erwerbslebens, insbesondere als Folge von Gewerbefreiheit und Industrialisierung, wird hier dargestellt. Die Analyse rechtswissenschaftlicher Literatur, der Tagungsprotokolle der Interessenverbände, aber auch der Parlamentsdebatten liefern dabei wesentliche Erkenntnisse. Die Forderungen nach Schaffung eines erweiterten Schutzes bewegten sich gewissermaßen sternförmig von verschiedensten Seiten des wirtschaftlichen Alltags kommend erst allmählich auf einen Mittelpunkt hin: die Forderung nach einem einheitlichen Schutz gegen den sog. unlauteren Wettbewerb. Über den Gesichtspunkt hinaus, daß sich ein solches Unlauterkeitsbewußtsein in Deutschland in den letzten beiden Jahrzehnten festigte, legten die Wünsche und Vorschläge zur Erweiterung des Rechtsschutzes die entscheidende Grundlage für die Gesetzgebungsarbeiten. Genannt seien hier insbesondere die Arbeiten von Kohler und Alexander-Katz. Vierte und letzte Voraussetzung, die erfüllt sein muß, ist der Umstand, daß der Staat Handlungsbedarf auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerb anerkennt und es als eine seiner Aufgaben akzeptiert, hiergegen Abhilfe zu schaffen (4. Kap.). Diese Erkenntnis war im Deutschen Reich das Ergebnis eines längeren Prozesses. Während manche Autoren zunächst in der Gewerbeordnung und später im Warenzeichengesetz von 1894 den richtigen Ort für ein Schutz gegen unlauteren Wettbewerb erblickten, setzte sich schließlich die Erkenntnis durch, das nur ein eigenes Gesetz hier Abhilfe schaffen könne.

1. Kap.: Die Wirtschaftsordnung des Deutschen Reiches

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1. Kapitel

Die Wirtschaftsordnung des Deutschen Reiches I. Der Wandel der Wirtschaftsordnung in Deutschland im 19. Jahrhundert bis 1871 Die Entwicklung freien Wettbewerbs war eine Folge des Wandels der Wirtschaftsordnung in Deutschland im 19. Jahrhundert (I.). Erst die Gewerbeverfassung des Deutschen Reichs ermöglichte mit der Verkündung der allgemeinen Handelsund Gewerbefreiheit die einheitliche und dauerhafte Entfaltung freien Wettbewerbs. Zudem veränderten die Industrialisierung der Wirtschaft und der allgemeine Wandel im Gefolge der Reichsgründung von 1871 auf politischer, sozialer und wirtschaftlicher Ebene das Erwerbsleben in Deutschland und intensivierten die Wettbewerbsaktivitäten (II.). 1. Die Wirtschaftsordnung des Merkantilismus Bis in das ausgehende 18. Jahrhundert waren die Wirtschaftsordnungen der deutschen Territorialstaaten von merkantilistisch-absolutistischen Grundsätzen geprägt.5 Das wirtschaftspolitische Handeln der jeweiligen Landesfürsten war vor allem von dem Versuch bestimmt, Macht und Reichtum des eigenen Landes zu mehren.6 Die Mittel zur Durchsetzung dieses Ziels waren, dem absolutistischen Staatsverständnis entsprechend, aktive Eingriffe des Staates in das Wirtschaftsgeschehen. 7 Durch Maßnahmen wie protektionistische Zollpolitik, Handelsverbote, Produktionsvorschriften und Privilegien versuchten die verschiedenen, oftmals sehr kleinen Territorialstaaten des zersplitterten Deutschlands, Anschluß an die durch reichen Überseehandel und die einsetzende Industrialisierung fortschrittlicheren Großmächte wie England und Frankreich zu halten. Daneben stand eine aktive Bevölkerungspolitik, welche die Spätfolgen des Dreißigjährigen Krieges auszugleichen suchte.8 Durch diese Maßnahmen sollte die Finanzkraft des Staates gestärkt und so der Volkswohlstand gemehrt werden. Hierzu gehörten selbstverständlich auch wettbewerbsregelnde Vorschriften. So wurde etwa bestimmt, „wer, wann, was, wo und zu welchem Preis produzieren und herstellen durfte". 9 Zuwiderhandlungen gegen solche 5

Zum Merkantilismus vgl. Friedrich-Wilhelm Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Mittelalter und der frühen Neuzeit, Paderborn, 1991, 750ff.; Walter (wie Fn. 1), 22ff., 31 mwN. 6 Henning, Handbuch der Wirtschafts- und Sozialgeschichte Deutschlands, Bd. 1, Deutsche Wirtschafts- und Sozialgeschichte im Mittelalter und der frühen Neuzeit, 760. 7 Ebd., 770. 8 Walter (wie Fn. 11), 29; Henning (wie Fn. 5), 775. 9 Siegbert Lammel, Wettbewerbsfreiheit und Staatsintervention, GRUR 1986, 362ff.

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Vorgaben wurden als Verstöße gegen die staatliche Ordnung streng geahndet. Fundamentaler Bestandteil der merkantilistischen Wirtschaftspolitik war folglich die Regulierung des Wirtschaftsgeschehens. Der Staat wurde für allmächtig, der Einzelne aufgrund seiner begrenzten Einsicht 10 für außerstande erachtet, nicht nur die Interessen der Gesamtheit, sondern auch seine eigenen sinnvoll zu verfolgen. Einen Schutz des gewerblichen Schaffens ermöglichte die Rechtsordnung in dieser Zeit auch durch Sonderrechte, welche durch Privilegien und andere Rechtsmonopole gewährt werden konnten. Das Privileg stellte sich beispielsweise als staatlich erteilte Zusicherung eines besonderen Schutzes für den Einzelfall dar, etwa durch die Gewährung eines Erfindungsschutzes. Die daraus folgende Schaffung einer Monopolstellung war de facto eine Begrenzung des Verhaltens eines anderen Markteilnehmers. Ziel der Privilegienerteilung war die Förderung des Gemeinwohls des jeweiligen Staates. Privilegien konnten in wettbewerblicher Hinsicht aber auch andere Aufgaben haben. Während die erwähnten Erfinderprivilegien Monopolstellungen schufen und damit Konkurrenz zwangsläufig einschränkten, konnten daneben verschiedene Formen von Nachdruckerprivilegien erteilt werden. Diese erlaubten teilweise den sonst ausdrücklich verbotenen Nachdruck von Büchern anderer Verleger. Zweck war hier unter anderem die Belebung der Konkurrenz, die die Bücher zum gemeinen Nutzen verbilligen sollte.11 Für G. F. Lamprecht ist der Büchernachdruck „dem Wohl des Staates zuträglich, und eher zu begünstigen, als zu unterdrücken, denn die Bürger bekommen dadurch die Bücher wohlfeiler, vielfach auch schöner". 12 Ebenfalls in die merkantilistische Auffassung fügte sich ein, daß die Erteilung von Privilegien an ausländische Personen vermieden wurde, da dies eine unerwünschte Kapitalwanderung ins Ausland zur Folge gehabt hätte.13 Neben diesen Formen der rechtlichen Begrenzung wettbewerblichen Verhaltens ist bis in die letzten Jahrzehnte des 18. Jahrhunderts vor allem die Jahrhunderte alte, ungebrochene Macht der Zünfte in Deutschland für die Gestaltung des Erwerbslebens und damit auch für die Wirtschaftsordnung prägend. Vornehmlich die Vorga10

Α. E . Ott/ H. Winkel, Die Geschichte der theoretischen Volkswirtschaftslehre, Göttingen 1985, 14. 11 Barbara Dölemeyer/Diethelm Klippel,Der Beitrag der deutschen Rechtswissenschaft zur Theorie des gewerblichen Rechtsschutzes und Urheberrechts, in: Friedrich-Karl Beierl Alfons Kraft/Gerhard SchrickerlElmar Wadle (Hrsg.), Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht in Deutschland, Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Bd. 1, Weinheim 1991, 194, Fn. 36; Diethelm Klippel, Das Privileg im deutschen Naturrecht des 18. und 19. Jahrunderts, in: Dölemeyer, Bzib&raJMohnhaupt, Heinz (Hrsg.): Das Privileg im europäischen Vergleich, Band 1, Frankfurt/M. 1997, 329 ff.; ders. Das Privileg in der deutschen Staatsrechtslehre des 19. Jahrhunderts, in: Dölemeyer, Barbara/Mohnhaupt, Heinz (Hrsg.): Das Privileg im europäischen Vergleich, Band 2, Frankfurt/M. 1999, 285 ff. 12 Zitiert nach: G.F. Lamprecht, Versuch eines vollständigen Systems der Staatslehre mit Inbegriff ihrer beiden wichtigsten Haupttheile der Polizei- und Kamerai- oder Finanzwissenschaft, Bd. 1, Berlin 1784, 322. 13 Dölemeyer/Klippel (wie Fn. 11), 194.

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ben der Zunftverfassungen regelten das Marktverhalten der Handel- und Gewerbetreibenden. Hierbei dominierten wettbewerbsbeschränkende Regeln, die je nach lokaler Ausgestaltung durch Zwangsmitgliedschaften, Arbeits- und Absatzmarktzugangsbeschränkungen und ähnliche Maßnahmen von vereinzelten, eingeschränkten Gewerbe- und damit verbundenen Wettbewerbsfreiheiten bis zu faktisch völliger Ausschaltung von Wettbewerb reichten. 14 Jede schwindelhafte Anpreisung der eigenen Leistung, jede Form von Reklame, sogar das Zurschaustellen von Ware war oftmals untersagt.15 Bei den Bestimmungen der Zunftverfassungen war der hier interessierende lauterkeitsrechtliche Aspekt mehr mittelbare Folge denn Ansatzpunkt der Maßnahmen; im Mittelpunkt stehen Besitzstandserhaltung bzw. -erweiterung im Interesse der Zünfte. Innerhalb dieses Systems, in dem staatliche Lenkung des Einzelnen neben zunftrechtlicher Beschränkung und Regulierung des Erwerbslebens stand, konnte es nur in eingeschränktem Umfang zu eigenverantwortlichem wirtschaftlichen Handeln als Grundlage einer wirtschaftlichen Wettbewerbssituation kommen. Unlauterer Wettbewerb als gesellschaftlich, politisch oder rechtlich relevantes Problem existierte demnach in dieser Phase nicht. 2. Die Wirtschaftsordnung unter dem Einfluß des Liberalismus Maßgeblichen Einfluß auf den Wandel der Wirtschafts- und Rechtsordnung im 19. Jahrhundert in Deutschland und damit auch auf die Schaffung zahlreicher Kodifikationen zum Schutz gewerblichen Schaffens, zu denen das UWG von 1896 zu zählen ist, hatte die geistige Strömung des Liberalismus. 16 Die Wurzeln des politischen und ökonomischen Liberalismus sind in den Erkenntnissen des Naturrechts des 17. Jahrhunderts zu suchen. Die entscheidenden Impulse auf ökonomischem Gebiet verdankte der Liberalismus zunächst vor allem den Physiokraten in Frankreich und dem Schotten Adam Smith, welche im 18. Jahrhundert ein Konzept zur Neugestaltung des Wirtschaftslebens entwickelten und so die Grundlagen für eine Überwindung des absolutistisch-merkantilen Wirtschaftssystem schufen. 17 In Großbritannien führte vor allem das 1776 erschienene Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations" von Adam Smith den Durchbruch des wirtschaftlichen Denkens zum Liberalismus herbei. 18 Als Ziel dieses Werkes formulierte Smith den Versuch, der merkantilistischen Wirtschaftsordnung eine bessere Wirtschaftsordnung entgegenzusetzen, vor allem aber dem Freiheitsprinzip der Aufklärung auf wirtschaftlichem Gebiet Geltung zu verschaffen. 19 Im Mittelpunkt stand 14

Hagen Hof Wettbewerb im Zunftrecht, jur. Diss., Köln 1983, 274. Otto v. Gierice, Der Rechtsgrund des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb, GR 4 (1895), 114. 16 Walter (wie Fn. 1), 72 ff. 17 Walter (wie Fn. 1), 32ff.; Henning (wie Fn. 5), 760, 771 f. 18 Ott/Winkel (wie Fn.20), 53; Walter, (wie Fn. 1), 37 ff. 19 Walter, (wie Fn. 1), 38. 15

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für ihn die Erkenntnis, daß das wirtschaftende Individuum, dem ein Maximum an wirtschaftlicher Freiheit zu gewähren sei, den individuellen und auch den gesellschaftlichen Wohlstand besser fördern könne als es der Staat durch Wirtschaftspolitik und Dirigismus vermöge. Der Eigennutz als Triebkraft des wirtschaftenden Subjekts lenke es dabei von selbst in die volkswirtschaftlich erwünschten Bahnen, das freie Spiel der Kräfte führe in der Folge, wie von einer „hidden hand" geleitet, zu einer allgemeinen Harmonie der Interessen und so zu einer sich in Harmonie gestaltenden Ordnung. Der Staat sollte sich nach Smith auf drei Aufgaben beschränken: Er sollte Sicherheit und Ordnung herstellen, öffentliche Güter bereitstellen, die der private Sektor aus Mangel an Gewinnaussichten nicht produzieren würde und „eine genaue Rechtspflege" aufrechterhalten. Letzteres hieß, daß er eine freie Verfügbarkeit des Einzelnen über seine Arbeit und sein Eigentum gewährleisten und vor allem auch Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit schützen sollte.20 Die freie Konkurrenz wurde dabei als Voraussetzung für das Funktionieren des Gesamtsystems angesehen.21 Sie war die Kraft, die für den harmonischen Ausgleich der Gesamtinteressen und der Einzelinteressen sorgen sollte. Einige wettbewerbsbeschränkende Regeln, welche sich beispielsweise aus dem freien Verhalten der Wettbewerber zueinander ergeben konnten, wie etwa Arbeitgeberabsprachen zum Lohnniveau, wurden akzeptiert. Smith betonte darüber hinaus ausdrücklich, daß das Prinzip des freien Wettbewerbs nicht uneingeschränkt gelte, sondern sehr wohl durch „Gerechtigkeitserwägungen, durch ein Gefühl für das sittlich Richtige" eingeschränkt werden müsse.22 Auf Smiths Gedanken aufbauend entwickelte sich eine breite Strömung in der Wissenschaft, die bald als klassischer Liberalismus bezeichnet wurde. 23 Diese Theorie des klassischen Liberalismus entfaltete eine außerordentlich große Wirkung. Sie kam vor allem den Bedürfnissen des aufstrebenden Unternehmertums und der industriellen Entwicklung im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert in England und auch in Frankreich entgegen. Die konkrete praktische Umsetzung liberaler Ideen folgte. Durch ein Dekret vom 17. März 1791 waren in Frankreich die Zünfte aufgehoben und für jedermann das Recht verkündet worden, „das Geschäft zu betreiben, das Gewerbe oder Handwerk auszuüben, das er für gut erachtet"24. In der „Constitution de la République Française" vom 24. Juni 1793 bestimmte Artikel 17: „Keine Art von Arbeit, Anbau, Handel kann dem Unternehmungsgeist der Bürger untersagt werden" 25. Damit war erstmals die Gewerbefrei20

Ott/Winkel (wie Fn. 10), 34. Lammel (wie Fn. 9), 364. 22 Ott/Winkel (wie Fn. 10), 53. 23 Klassifizierung nach Ott/Winkel, ebd., 51. Neben der wirtschaftlichen Form des Liberalismus ist vor allem noch seine politische und kulturelle Richtung zu nennen, welche sich insbesondere für bürgerliche Grundrechte, eine Verfassung und Gesetzeskodfikation bzw. religiöse Toleranz und für Freiheit in Wissenschaft und Kunst einsetzte. 24 Egon Tuchfeldt, Gewerbefreiheit als wirtschaftspolitisches Problem, Berlin 1955,13. 25 Ebd. 21

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heit in einer europäischen Verfassung festgeschrieben worden. Die Grundlage der Entfaltung eines freien Wettbewerbsverhaltens im Erwerbslebens war geschaffen. Die freie Konkurrenz sollte so ihre positive Wirkung entfalten. In Deutschland gewann das Gedankengut des Liberalismus erst später in Theorie und Praxis an Bedeutung.26 Gründe hierfür waren in der vor allem im Vergleich zu England rückständigen Entwicklung der Volkswirtschaft zu sehen und in dem im Vergleich zu Frankreich ausbleibenden revolutionären Umbruch, der die Umsetzung neuer Lehren hätte beschleunigen können. Insgesamt ist das Gedankengut des Liberalismus in Deutschland einem sehr viel wechselhafteren Schicksal im 19. Jahrhundert unterworfen und zeigt in seiner Umsetzung ein viel heterogeneres Bild, als es etwa in den beiden vorgenannten Ländern der Fall ist. Auswirkungen auf die Praxis gewann der Liberalismus in Deutschland zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Schon 1794 hatte z.B. das Preußische ALR mit der unumschränkten Herrschaft der Zünfte gebrochen. Mit dem „Edikt über die Einführung einer allgemeinen Gewerbesteuer" von 1810 führte Preußen zudem erstmals eine bedingte Gewerbefreiheit ein und schaffte 1811 den Zunftzwang ab.27 Überhaupt war der Einfluß des sog. klassischen Liberalismus auf die preußische Gesetzgebung und Wirtschaftspolitik der nächsten Jahre erheblich. 28 In weiten Teilen Deutschlands bewirkten die Änderungen des gesellschaftlichen Wertesystems im Gefolge der Französischen Revolution und der napoleonischen Ära eine von liberalen politischen und ökonomischen Forderungen beeinflußte Ausrichtung der nun in den einzelnen deutschen Staaten entstehenden Gewerbeverfassungen. 29 Mit dem Ende der napoleonischen Herrschaft in Deutschland erwuchs dem klassisch-liberalen Gedankengut in Deutschland jedoch auch Kritik. Träger dieser Gegenbewegungen in der Theorie waren beispielsweise Friedrich List 30 und die Romantiker. 31 Die politischen, wirtschaftlichen, sozialen und technischen Veränderungen dieser Zeit erzeugten in weiten Teilen der Bevölkerung Unsicherheit, die sich in den Forderungen der Romantiker widerspiegelt. Sie fürchteten, daß die Folge der Durchsetzung liberalen Gedankenguts in Politik und Wirtschaft zur Auflösung aller bestehenden sozialen Bindungen führen werde und propagierten den Zusammenschluß anstelle der individualistischen Auffassung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft. Ihr Streben galt der Rückkehr zu einer als mittelalterlich verstandenen Ständeverfassung und der Abkehr vom Prinzip der Handels- und Gewerbefreiheit. Friedrich List befürwortete einen Wandel der Wirtschaftsstruktur, welcher jedoch vom 26 Christoph Quante , Die geistesgeschichtlichen Grundlagen und die Entwicklung der Gewerbefreiheit in Deutschland, jur. Diss., Münster 1984, 50f. 27 Ebd. 28 Ott/Winkel (wie Fn. 10), 113. 29 Zum Zusammenhang von Gesellschaftsordnung und Wirtschaftsordnung, Eckart Schremmer t Die Wirtschaftsordnungen 1800-1970, in: AubinJZorn (Hrsg.), Handbuch der Deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, Das 19. und 20. Jahrhundert, Stuttgart 1976, 142. 30 Friedrich List (1789-1846). 31 U. a. Adam Heinrich Müller (1779-1829) und Franz Xaver v. Baader (1765-1841).

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Staat geplant und durchgeführt werden sollte. Die Staatsgewalt sei nicht nur berechtigt, „sondern verpflichtet, einen an sich unschädlichen Verkehr zum Bestehen der Nation zu beschränken und zu regulieren". 32 Es zeigte sich somit, daß in Deutschland das Prinzip der freien Konkurrenz sehr bald auch als bedrohlich empfunden und eine rechtliche Beschränkung gefordert wurde. In der frühen Zeit des Liberalismus in Deutschland entstand demnach schon die Auffassung, daß freier Wettbewerb Grenzen haben müsse. Die Gültigkeit ökonomisch-liberaler Thesen in Deutschland wurde somit schon früh bestritten und sah sich auch in den kommenden Jahrzehnten fortwährend einer bedeutenden Opposition ausgesetzt. So bewirkten diese gegenläufigen Kräfte, daß nach Ende der napoleonischen Herrschaft in Deutschland ein zähes Ringen um den Freiheitsgrad der jeweiligen territorialen Gewerbeverfassung begann.33 Im politischen Alltag waren die immer noch einflußreichen Zünfte und Innungen Träger dieser Entwicklung. Sie verstanden es, die oft tatsächlich negativen Erfahrungen der betroffenen Wirtschaftskreise mit den neuen Freiheiten in eine Proteststimmung gegen die Gewerbefreiheit münden zu lassen.34 Während der Einfluß der liberalen ökonomischen Theorie in Deutschland demgemäß nach 1815 sehr wechselhaft und regional unterschiedlich war, änderte sich dies mit Beginn der sechziger Jahre. Die Phase von den ausgehenden fünfziger Jahren bis in die siebziger Jahre hinein kann als Blütezeit wirtschaftsliberalen Gedankenguts in Deutschland bezeichnet werden. 35 Theoretisch wurde der Weg durch Gelehrtenzirkel wie den „Kongress deutscher Volkswirte" (gegründet 1858) und die „Volkswirtschaftliche Gesellschaft" (gegründet 1860) geebnet. Hermann v. Rentzsch mit seinem 1866 zum ersten Mal publizierten „Handwörterbuch der Volkswirtschaftslehre" mit starker liberaler Ausrichtung oder John Prince-Smith 36 traten für freien Handel ein. 37 Säulen ihrer Lehre waren die Gewerbefreiheit und der von Ein32 Friedrich List, Das nationale System der politischen Ökonomie, hrsg. und übersetzt von E . Salin und A. Sommer, Berlin 1927, 397-399. 33 Dieses Ringen verlief in den einzelnen Staaten sehr unterschiedlich. Allgemein folgte jedoch der Einführung der freiheitlichen Verfassung eine gegenläufige Tendenz und umgekehrt. So führten etwa Hannover, Kurhessen und Österreich noch bis 1816 die Zunftverfassungen wieder ein. Preußen bestätigte in der Gewerbeordnung von 1845 die Gewerbefreiheit, kehrte jedoch 1849 zu einer zunftähnlichen Gewerbeverfassung zurück. Mit der Österreichischen Gewerbeordnung von 1859, die die Gewerbefreiheit erneut festschreibt, beginnt eine neue Periode mit freiheitlicher Tendenz, der sich der Norddeutsche Bund 1869 anschloss, vgl. Quante (wie Fn. 27), 58 ff. 34 Heinrich v. Treitschke, Deutsche Geschichte des 19. Jahrhunderts, Bd. I, Leipzig 1927, 199ff.; Zur Kritik Hegels und Steins an der Gewerbefreiheit, s. Quante , (wie Fn. 27), 58ff. 35 Friedrich Lütge, Deutsche Sozial- und Wirtschaftsgeschichte, 3. Aufl., Berlin 1976,475 ff., 506ff.; Hermann Kellenbenz, Deutsche Wirtschaftsgeschichte II, München 1981, 15, 241. 36 John Prince-Smith (1809-1875). 37 Otto Michaelis/Karl Braun (Hrsg.), John Prince-Smith, Gesammelte Schriften in 3 Bänden, Berlin 1877/1879, Bd. 2, 149 f.

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mischung seitens des Staates freie Wettbewerb.38 Dem Staat blieben im wesentlichen die Aufgaben, die schon ein Adam Smith ihm zugedacht hatte: der Schutz von Eigentum, Freiheit, Leben und Gesundheit. Kritik erwuchs auch dieser Lehre, insbesondere aus konservativen Kreisen, die die Interessen der Handwerker, die noch der Zunftidee anhingen, mit denen der Landwirtschaft verbanden.39 Daneben wehrte sich die Kirche wegen der der christlichen Moral zuwider laufenden Folgen des Liberalismus. Papst Pius IX. beklagte, daß der Liberalismus „an die Stelle menschlicher Solidarität ein neues Faustrecht" gepflanzt habe.40 Nicht zuletzt war es der wissenschaftliche Sozialismus, insbesondere dessen Vordenker Karl Marx, der seine ablehnende Haltung gegenüber dem Liberalismus zu artikulieren begann.41 Ihr Wirken schuf die Voraussetzung für erneut stärker anwachsende Gegenbewegungen zum Liberalismus in den folgenden Jahrzehnten. Zugleich bestätigten sie die Tatsache, daß wirtschaftliche Freiheit zwangsläufig auch zu Verhaltensformen führte, die das Rechtsgefühl der Menschen verletzen können. Auch in Deutschland stellte sich daher bald die Frage nach der rechtlichen Begrenzung von Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit. Ein Blick auf die Wirtschaftspolitik der letzten Jahre vor der Reichsgründung zeigt jedoch, daß der praktische Einfluß der politischen und gesellschaftlichen Gruppierungen, die dem Liberalismus kritisch gegenüber standen, zunächst gering blieb: Der Abbau noch bestehender Zölle, die Gewerbeordnung von 1869 oder die Abschaffung des Konzessionensystems bei der Gründung von Aktiengesellschaften 1870 sind einige Beispiele liberaler Wirtschaftspolitik schon vor der Reichsgründung. 42 Normen, die speziell darauf ausgerichtet gewesen wären, Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb zu beschränke, fehlten.

II. Die Wirtschaftsordnung des Deutschen Reiches 1. Allgemeiner politischer und gesellschaftlicher Wandel Das sich an die Reichsgründung von 1871 anschließende Vierteljahrhundert bis zum Erlaß des 1. UWG von 1896 veränderte das Gesicht Deutschlands.43 Der Wan38

So etwa Emminghaus in: Handwörterbuch der Volkswirtschaftslehre, bearbeitet v.Rentzsch, Leipzig 1866, 172. 39 Quante (wie Fn.27), 82 f. 40 Edmund Jörg, Das päpstliche Rundschreiben vom 8. December 1864 und die,»modernen Ideen", in: Historisch-politische Blätter für das katholische Deutschland, 55. Band, 1. Heft, München 1865, Kap.XVI, 215ff., hier: 223. 41 Schremmer (wie Fn.29), 131 ff. 42 Ott/Winkel (wie Fn. 10), 150. 43 Lütge (wie Fn. 35), 503; Walter (wie Fn. 11), 106ff.; Knut Borchardt, Wirtschaftliches Wachstum und Wechsellagen 1800-1914, in: Zorn (Hrsg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts· und Sozialgeschichte, Bd. 2, Stuttgart 1976, 255 ff., bes. 270ff.; Friedrich-Wilhelm Henning, Die Industrialisierung in Deutschland 1800-1914, 3. Aufl., Paderborn 1973, 203 ff.

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del war grundlegend und berührte alle Bereiche des menschlichen Daseins. Hauptcharakteristikum dieser Epoche war die fortschreitende Entwicklung Deutschlands hin zu einem Industriestaat und zu einer Weltmacht. Insbesondere die Industrialisierung gewann durch die Reichsgründung an Dynamik. Die innere Einigung Deutschlands führte zu seiner wirtschaftlichen Einheit. Neben einer gemeinsamen Währung, freiem Güterverkehr und Freizügigkeit war nicht zuletzt die Abtretung des an Bodenschätzen reichen Elsaß-Lothringen durch Frankreich 44 Ursache dafür, daß Deutschland in den Jahren nach der Reichsgründung einen der heftigsten konjunkturellen Aufschwünge des gesamten 19. Jahrhunderts erlebte.45 Deutschlands Selbstverständnis als Weltmacht und das erstarkte Selbstbewußtsein zeigen sich an dem Erwerb von Kolonien, welche gleichzeitig der deutschen Wirtschaft völlig neue Entwicklungsmöglichkeiten eröffneten. 46 Ein Blick auf die weitere Entwicklung bis in die neunziger Jahre hinein zeigt jedoch, daß dieser heftige Aufschwung ein schnelle, erste Zäsur erfuhr. Im Herbst 1873 kam es zu der sogenannten Gründerkrise, einer internationalen Finanzkrise, die zum Zusammenbruch zahlreicher Aktiengesellschaften führte. Die Krise war von so weitreichendem Ausmaß, daß ihre Folgen die Entwicklung der deutschen Wirtschaft noch für die nächsten zwei Jahrzehnte mitprägten. 47 Weitere Krisen und Phasen wirtschaftlicher Erholung wechselten sich in den nächsten Jahren ab.48 Trotz dieser konjunkturellen Auf- und Abschwünge stiegen in den folgenden Jahrzehnten Produktion, Beschäftigung und Volkseinkommen sowie das Netto-Inlandprodukts insgesamt aber stetig weiter an.49 Der Prozeß der Industrialisierung führte schließlich dazu, daß Mitte der neunziger Jahre so viele Menschen in Industrie, Beigbau und Handel beschäftigt waren wie in der Landwirtschaft. In den sechziger Jahren waren es nicht einmal die Hälfte gewesen.50 Der Strukturwandel hinterließ allerdings Spuren im Bewußtsein der Bevölkerung. Arbeitslosigkeit, Preiseinbrüche und soziale Mißstände, wie Wohnungsnot in 44

Durch die elsässischen Kalivorkommen beispielsweise erlangte das Reich hierin eine weltweite Monopolstellung, die Erzvorkommen bildeten eine günstige Ergänzung zu den großen Kohlevorkommen des Reiches und förderten die Entwicklung der deutschen Schwerindustrie. Auch die elsässische Textilindustrie und die Landwirtschaft waren weitere Triebkräfte, die den wirtschaftlichen Aufschwung und die Mehrung des Wohlstandes vorantrieben, Lütge (wie Fn. 35), 504. 45 Euchen, Die Wettbewerbsordnung und ihre Verwirklichung, in: Ordo, Bd. II, 1949, 4. 46 Walter (wie Fn 1), 106. 47 Ausführlich zur Gründerkrise und ihren Folgen: Henning, Die Industrialisierung in Deutschland, 1800-1914, 209 ff. Die Jahre des Aufschwungs hatten zu wilden Spekulationen an den Börsen und zu einem Boom bei der Gründung von Aktiengesellschaften mit geringer Kapitaleinlage geführt. 48 Walter (wie Fn. 1), 109; Borchardt (wie Fn.43), 270. 49 Fischer, Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg, 1985, 392f.; Lütge (wie Fn.35), 508f. 50 Fischer, Europäische Wirtschafts- und Sozialgeschichte von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum 1. Weltkrieg, 393.

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den schnell wachsenden Städten, deuteten darauf hin, daß das alte soziale Gefüge ins Wanken geraten war. 51 Die „soziale Frage" stellte sich als das große Problem der Epoche dar. 52 Die Arbeiterschaft als neue gesellschaftliche Gruppierung begann, sich als der vierte Stand zu artikulieren. 2. Die Wirtschaftsordnung Die Verbindungen der liberalen Wirtschaftstheorie, insbesondere der Vertreter der Freihandelslehre in der „Volkswirtschaftlichen Gesellschaft" oder des „Kongresses Deutscher Volkswirte", mit den maßgeblichen Entscheidungsträgern der Ministerialbürokratie blieben in der Praxis zur Zeit der Reichsgründung zunächst eng.53 So verwundert es nicht, daß in dieser Phase die Wirtschaftspolitik des Deutschen Reiches zunächst noch stark von liberal-ökonomischen Postulaten geprägt zu sein scheint. Dies zeigt sich deutlich in Bereichen wie der Geld- und Zollpolitik 54 und in der Ausgestaltung der Wirtschaftsverfassung. § 2 des „Gesetzes betreffend die Verfassung des Deutschen Reiches" vom 16.4.187155 übernahm die Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes als Reichsgesetz. Bis 1873 folgte die schrittweise Übernahme durch die süddeutschen Staaten.56 Auf diese Weise waren Handels· und Gewerbefreiheit und die damit einhergehende Wettbewerbsfreiheit für das gesamte Reichsgebiet einheitlich festgelegt. Der jahrzehntelange Streit um das Maß der wirtschaftlichen Freiheit in Deutschland hatte damit einen vorläufigen Schlußpunkt gefunden. 57 Zusätzlich bewirkte die Übernahme wesentlicher Teile der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 in die Verfassung des Deutschen Reiches im Jahr 1871, daß die Gesetzgebungskompetenz für Zoll- und Handelsgesetze, für Erfindungspatente, für den Schutz des geistigen Eigentums und das gesamte Handelsrecht einheitlich zu den Kompetenzen des Reiches zählte. Damit war gewährleistet, daß die entscheidenden Kompetenzen zur einheitlichen Begrenzung gewerblicher Freiheiten in der Hand des Reiches lagen.58 Der Partikularismus war für dieses Gebiet in Deutschland überwunden. 51 Borchardt, Wirtschaftliches Wachstum und Wechsellagen 1800-1914, in: Zorn (Hrsg.), Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd. 2, 270. 52 Eingehend Walter (wie Fn. 1), 92 f. 53 Stolleis, in: Starck (Hrsg.), Rechtsvereinheitlichung durch Gesetz. Bedingungen, Ziele, Methoden, Göttingen, 1992, 36. 54 Eucken (wie Fn. 45), 4. 55 RGBl. 1871,63. 56 Stolleis (wie Fn. 53), 33. 57 Zur Wirtschaftspolitik der Deutschen Staaten im 19. Jahrhundert vgl. Zorn, in: Aubin / Zorn, Handbuch der deutschen Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Bd., II, Stuttgart 1976, 148 ff. 58 Elmar Wadle, Der Weg zum gesetzlichen Schutz des geistigen und gewerblichen Schaf(Hrsg.), fens - Die deutsche Entwicklung im 19. Jahrhundert, in: BeierlKraft!Schricker/Wadle Festschrift zum hundertjährigen Bestehen der Deutschen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht und ihrer Zeitschrift, Weinheim 1991, 151.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Der neuen Gewerbeordnung lag der Wille der Regierung zugrunde, eine Wirtschaftsordnung zu schaffen, in der die Planungs- und Entscheidungsautonomie ganz dem einzelnen wirtschaftenden Individuum überlassen werden sollte.59 Dies sollte so zu einer Wettbewerbsordnung führen, in der durch die Kraft der frei waltenden Konkurrenz die Arbeitskräfte und Güterströme sinnvoll auf die Betriebe und Haushalte verteilt und die Bedürfnisse optimal gedeckt würden. 60 Die Grenzen des freien Wettbewerbs sollten dementsprechend weit, vor allem durch die bestehende Strafgesetzgebung, gezogen werden. 61 Ausgangspunkt der Entwicklung des Prinzips der Wettbewerbsfreiheit im Deutschen Reich ist demgemäß der Grundsatz der allgemeinen Handlungsfreiheit im Erwerbsleben. Über die Normen des Strafrechts hinaus wurde ein Schutz nicht für notwendig erachtet. Die kritischen Stimmen, die schon vor der Reichsgründung die Entstehung eines neuen Faustrechts bei der uneingeschränkten Verwirklichung dieser liberalen Grundsätze befürchtet hatten, wurden in dieser Phase kaum gehört. 62 Stolleis weist jedoch daraufhin, daß der deutsche Staat auch in dieser oftmals als „Hochliberalismus" bezeichneten Phase kein bis in die Wurzeln liberaler Staat war. 63 Die gesetzliche Regelung der Wirtschaft und die Förderung einzelner Branchen war trotz des Vorherrschens liberal ökonomischen Gedankenguts in den Reichsbehörden möglich. So erfolgte in dieser Zeit beispielsweise die gesetzliche Regelung des Urheberrechts und damit auch die Schaffung spezialgesetzlicher Beschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit im Erwerbsleben. 64 Die aufgezeigte wirtschaftliche und soziale Entwicklung im Gefolge der „Gründerkrise" förderte nun zunächst in der Theorie das weitere Erstarken kritischer Tendenzen.65 Es war die sog. jüngere historische Schule in der Wirtschaftswissenschaft, die schon bald nach der Reichsgründung von 1871 unter dem Einfluß der großen Krise von 1873 ein Umdenken weg von der Abstraktion der in den Reichsbehörden etablierten liberalen Lehre hin zu den tatsächlichen Entwicklungen der sich industrialisierenden Gesellschaft forderte. 66 Vom Staat wurde nun aktiveres Handeln verlangt, um einen Ausgleich zwischen den sozialen Schichten herbeizuführen. Man forderte wieder die lenkende Hand des Staates.67 Dies bedeutete jedoch keine 59

Quante (wie Fn.27), 104. Euchen (wie Fn.45), 5. 61 Lammel (wie Fn.9), 366, Eucken, (wie Fn.45), ebd. 62 Vgl. oben Fn.50. 63 Stolleis (wie Fn.63), 27. 64 Gesetz betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken vom 11. Juli 1870. Es wurde später Reichsgesetz. Hierzu ausführlich Wadle (wie Fn.58), 154 ff. 65 Borchardt (wie Fn.43), 276 f. 66 Harald Winkel, Der Umschwung der wirtschaftswissenschaftlichen Anschauungen um die Mitte des 19. Jahrhunderts, in: Coing/Wilhelm (Hrsg.), Wissenschaft und Kodifikation des Privatrecht im 19. Jahrhundert IV, Frankfurt/M., 1979, 12; Gide/Rist (wie Fn.53), 417; Zorn (wie Fn. 57), 154 f. 67 Lammel (wie Fn. 9), 367. 60

1. Kap.: Die Wirtschaftsordnung des Deutschen Reiches

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Abkehr vom Prinzip der Handels- und Gewerbefreiheit oder der freien Konkurrenz. Vielmehr sollte den Staat nur vermehrt die Pflicht der Marktorganisation treffen. Die Maxime sei, so Schäffle im Jahre 1873, daß der Wettbewerb so gestaltet werden müsse, daß es „zu einer wirklichen gesellschaftlichen Massenausgleichung von Angebot und Nachfrage komme" 68 . Aus dem Kreis der historischen Schule sind neben anderen vor allem noch Lujo v. Brentano, Gustav Schmoller und Adolph Wagner zu nennen, auf deren maßgeblichen Einfluß hin 1873 der „Verein für Socialpolitik" gegründet wurde. Dessen weitreichenden Forderungen nach Berücksichtigung der Belange wirtschaftlich schwacher Bevölkerungsgruppen in der Gesetzgebung fanden in den achtziger Jahren schließlich auch politisches Gehör. 69 In der Theorie war damit die Abkehr von den Postulaten der Freihandelslehre vorbereitet worden. Die Wirtschaftstheorie stand aktiven Eingriffen des Staates in das Wirtschaftsleben nicht mehr entgegen. Die Aussagen Schäffles zeigen vielmehr, daß man auch Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit nicht als unantastbare Prinzipien erachtete, sondern daß man nun sogar eine staatliche Begrenzung dieser Freiheit forderte. Flankiert von dieser Entwicklung in der Wirtschaftswissenschaft verlor die Freihandelslehre nun allmählich in den Reichsbehörden ihren „ideologischen und personellen Rückhalt". 70 Damit war eine Grundvoraussetzung für eine aktive Begrenzung der wirtschaftlichen Freiheit durch den Gesetzgeber geschaffen. 71 Eine völlige Abkehr von einer grundsätzlich liberalen Wirtschaftspolitik bedeutete diese Neuorientierung aber auch in den Reichsbehörden nicht. Kennzeichnend für die nächsten Jahrzehnte und damit auch für die Zeit der Schaffung des UWG von 1896 ist vielmehr das Bemühen des Staates, auf der Grundlage einer an den liberal-ökonomischen Postulaten von Handels-, Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit orientierten Wirtschaftspolitik einen Ausgleich der Interessen der verschiedenen Marktteilnehmer herbeizuführen. Maßnahmen, die eine Beschränkung wirtschaftlicher Freiheit bedeuteten, wurden generell restriktiv gehandhabt, aber im Ergebnis in den unterschiedlichsten Bereichen des wirtschaftlichen Lebens durch den Erlaß neuer Gesetze oder durch Gesetzesänderungen getroffen. Der Konflikt der widerstreitenden Interessen zwischen Staatsintervention und restriktivem Verhalten des Staates in der Organisation des Wirtschaftslebens beherrschte in den folgenden Jahrzehnten die 68 Albert Schäffle, Das gesellschaftliche System der menschlichen Wirtschaft, Tübingen 1873, Bd. 1,32. 69 Tuchfeldt (wie Fn. 24), 43; zur Geschichte der Sozialpolitik vgl. Gablers Volkswirtschaftslexikon, Wiesbaden 1981, 456 ff. 70 Friedrich-Karl Beier, Wettbewerbsfreiheit und Patentschutz, GRUR 1978, 130 (wie Fn.45). Beier weist darauf hin, daß dieser Aspekt in den Reichstagsverhandlungen zum Patentgesetz besondere Erwähnung fand; Wadle erwähnt in diesem Zusammenhang, daß beispielsweise das Ausscheiden v. Dellbrücks als Präsident des Reichskanzleramtes im Jahre 1876 Bismarck eine gesellschafts- und wirtschaftspolitische Neuorientierung ermöglichte. V. Dellbrück war ein Verfechter freihändlerisch-liberaler Politik, vgl. Wadle (wie Fn.58), 154. 71 Wadle (wie Fn. 58), 153.

3 von Stechow

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Teil 1: Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Diskussion um die Ausgestaltung der neuen Gesetze auf wirtschaftlichem Gebiet. Im Ergebnis führten demnach die aufgezeigten Entwicklungen unter dem Einfluß der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Veränderungen zu einer fortwährenden Zunahme gesetzlicher Beschränkungen des Erwerbslebens. Beispielhaft für diese Entwicklung ist die Reformgesetzgebung zur Gewerbeordnung, die etwa in den Jahren 1878,1881,1884 und 1887 erfolgte und unter anderem das Ziel hatte, eine obligatorische Gewerbeaufsicht zur Überwachung der Jugendarbeit zu schaffen, die Lehrlinge vor Übervorteilung zu schützen und allgemein die Qualität der Ausbildung zu verbessern. 72 Initiatoren gesetzgeberischer Reformen der folgenden Jahrzehnte und damit ein typischer Faktor für die Entwicklung der Wirtschaftspolitik dieser Zeit sind Interessengruppierungen unterschiedlichster Art, die in Arbeitgeber- oder Arbeitnehmerkreisen, in der Landwirtschaft oder im Handwerk entstehen. Insbesondere im Zusammenhang mit der fortschreitenden Industrialisierung und der beginnenden Konkurrenzfähigkeit der deutschen Industrie im internationalen Vergleich ist dabei das Erstarken des Selbstbewußtseins in deutschen Handels- und Gewerbekreisen zu verzeichnen. Zahlreiche gesetzgeberische Maßnahmen zum Schutz gewerblichen Schaffens in den nächsten Jahrzehnten gehen daher auf solche Interessengruppierungen zurück, wie Handelskammern, Vereine zur Wahrung branchentypischer Interessen und auch der Deutsche Handelstag, dessen lautstarken Bemühungen um eine Einflußnahme auf die Gestaltung des Rechts erhebliche Bedeutung zukam. 73

I I I . Zusammenfassung 1. Bis zur Jahrhundertwende vom 18. zum 19. Jahrhundert dominierte in Deutschland eine Wirtschaftsordnung, deren Ausgestaltung in Theorie und Praxis mit den Begriffen „Merkantilismus" und „Absolutismus" umschrieben wird. Durch aktive Eingriffe in das Wirtschaftsleben, wie etwa durch Privilegien, suchte der Staat sein Ziel zu erreichen, den Volkswohlstand zu steigern und Macht und Reichtum seiner Territorien zu mehren. Typisch für jene Zeit waren zudem die Zunftverfassungen, die das Verhalten der Marktteilnehmer organisierten. Marktzutritt und Absatzverhalten waren demnach im allgemeinen streng reguliert. Da es keinen freien Wettbewerb gab, stellte sich das Problem der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs nicht. 2. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts entwickelte sich im Gefolge der Naturrechtstheorie, der Physiokratie und vor allem der Lehre von Adam Smith auch in Deutschland eine liberale Wirtschaftstheorie. Sie versuchte, dem Freiheitsprinzip der Aufklärung auch im wirtschaftlichen Wettbewerb Geltung zu verschaffen, und 72 73

Tuchfeldt (wie Fn. 24), 43. Henning (wie Fn.43), 203.

2. Kap.: Der Schutz des gewerblichen Schaffens im Deutschen Reich

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lehnte staatliche Eingriffe in das Wirtschaftsleben weitgehend ab. Marktzugangsorganisation und Regelung des Absatzverhaltens sollten dem einzelnen ein Maximum an Freiheit gewähren. Die Aufgaben des Staates im Wirtschaftsleben sollten sich im wesentlichen auf den Schutz des Eigentums und die Wahrung von Sicherheit und Ordnung beschränken. In Deutschland gewannen diese Erkenntnisse im Gefolge der Französischen Revolution und der napoleonischen Ära an praktischer Bedeutung, ohne jedoch den Fortbestand des Interventionsstaates ernsthaft gefährden zu können. Für das 19. Jahrhundert in Deutschland bis zur Reichsgründung ist demnach charakteristisch, daß in der Theorie der Liberalismus und Rechtfertigungen staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsleben gleichermaßen um Anerkennung streiten. In der Praxis differierten der Freiheitsgrad der Wirtschaftsordnungen in den einzelnen deutschen Staaten zeitlich und regional. Wirtschaftliche Freiheit ist demnach in dieser Phase allenfalls in Teilbereichen verwirklicht. Die Frage der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs stellte sich weiterhin nicht. 3. § 1 der Gewerbeordnung des Norddeutschen Bundes von 1869, der Handelund Gewerbefreiheit gewährte, wurde bis 1873 von allen Ländern des Deutschen Reiches übernommen. Damit war für das Reichsgebiet das Prinzip des freien Wettbewerbs einheitlich verwirklicht. Mit der Herstellung einer auf freiem Wettbewerb beruhenden Wirtschaftsordnung war die erste Voraussetzung zur Entstehung von Rechtsnormen gegen unlauteren Wettbewerb verwirklicht. Die deutsche Wirtschaft nahm aufgrund der neuen Wirtschafts- und Rechtseinheit und dank fortschreitender Industrialisierung einen bedeutenden Aufschwung. Die Geschwindigkeit der Entwicklung und verschiedene wirtschaftliche Krisen bewirkten, daß die Umsetzung liberalen Gedankenguts zu keiner Zeit unwidersprochen blieb und ihm in der Theorie und Praxis zunehmend Kritik erwuchs, die von politischen Parteien, Interessengruppierungen und der Kirche getragen wurde. Die sog. „soziale Frage" wurde eines der drängendsten Probleme der Zeit. Daß der Staat diese Entwicklungen nicht übersah, zeigte sich daran, daß er das Prinzip des freien Wettbewerbs nicht als unantastbares Prinzip ansah, sondern schon bald nach der Reichsgründung die Gewerbefreiheit in Teilbereichen beschränkte. 2. Kapitel

Der Schutz des gewerblichen Schaffens im Deutschen Reich Der dargestellte Wandel der Wirtschaftsordnung war von grundlegender Bedeutung für die Ausgestaltung der Rechtsordnung zunächst der deutschen Staaten und später des Deutschen Reichs. Die Veränderung der Rechtsordnung insbesondere im Anschluß an die Reichsgründung wird im folgenden skizziert. Im Mittelpunkt steht dabei das hier interessierende Gebiet der Begrenzung von Handels-, Gewerbe- und damit auch Wettbewerbsfreiheit. 3*

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Die Darstellung verfolgt zwei Ziele: Zum einen ist sie für das Verständnis der Funktion des UWG im Rahmen des gewerblichen Rechtsschutzes von Bedeutung. Hierzu dient insbesondere eine Darstellung der wesentlichen Entwicklungslinien des gewerblichen Rechtsschutzes vom merkantilistisch- absolutistischen Zeitalter bis in das letzte Viertel des 19. Jahrhunderts (I.). Zum anderen ermöglicht die Kenntnis der Ausgestaltung der Rechtsordnung und des Umfangs des durch sie gewährten gewerblichen Rechtsschutzes ein Verständnis der gegen Ende des Jahrhunderts geäußerten Forderungen aus Wissenschaft, Handel und Gewerbe nach Schaffung eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb. Diese Forderungen und die Reaktion des Gesetzgebers durch Schaffung des UWG lassen ein Unvermögen der bestehenden Rechtsordnung vermuten, den für erforderlich gehaltenen Rechtsschutz zu gewähren. Hier geht es also um die zweite Voraussetzung der Entstehung von speziellen Normen gegen unlauteren Wettbewerb.74 Die Beschreibung der vor dem UWG vorhandenen Rechtsordnung erfolgt in drei Abschnitten. Zunächst werden die im Zuge der Entwicklung entstehenden spezialgesetzlichen Regelungen zum Schutz gewerblichen Schaffens dargestellt (II., 1.-4.). Diese Spezialgesetze stehen neben einzelnen Bestimmungen der Strafrechtskodifikationen, welche teilweise aufgrund ihrer allgemeinen Fassung, teilweise aufgrund ihrer speziell auf das Wirtschaftsleben ausgerichteten Zielrichtung den Schutz des gewerblichen Schaffens mitprägten (II., 5.). In einem letzten Schritt wird die Rechtsprechung zum gewerblichen Rechtsschutz dargestellt (II., 6.). Diese begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Deutschland, allgemeine zivilrechtliche Bestimmungen zum Schutz vor verschiedenen, schon ausdrücklich als unlauter empfundenen Verhaltensweisen der Handel- und Gewerbetreibenden untereinander heranzuziehen.

I. Entwicklungslinien des gewerblichen Rechtsschutzes im 19. Jahrhundert Während und nach der Reichsgründung entstanden auf den Gebieten des Patentschutzes, des Kennzeichenschutzes und des Geschmacksmusterschutzes spezialgesetzliche Regelungen. Sie waren die Folge einer Auseinandersetzung in Deutschland, die in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts ihren Anfang nahm und an deren Ende knapp hundert Jahre später der Erlaß des zweiten UWG im Jahre 1909 stand. Dieses UWG komplettiert eine Gesetzesmaterie, die heute als gewerblicher Rechtsschutz bezeichnet wird und die in diesem Zeitraum im wesentlichen seine heutige Gestalt erlangte. Daneben steht das Urheberrecht, das entscheidende Entwicklungslinien des gewerblichen Rechtsschutzes im 19. Jahrhundert teilte bzw. beeinflußte. Wesentliche, auch für die Einordnung des UWG von 1896 relevante Entwicklungslinien des gewerblichen Rechtsschutzes sind die Abkehr von Rechtsschutzfor74

Siehe oben, Einleitung zu Teil 1.

2. Kap.: Der Schutz des gewerblichen Schaffens im Deutschen Reich

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men wie dem Privileg und die Schaffung gesetzlicher Regelungen (I., 1.), die Diskussion um die Reichweite und den Rechtsgrund eines solchen legislativen Schutzes innerhalb einer freiheitlichen Gewerbeverfassung (I., 2., 3.) und der besondere Einfluß ausländischer Vorbilder bei der Schaffung der jeweiligen Gesetze (I., 4.). 1. Erste Gesetze Im Zuge der Veränderungen in Deutschland und Europa im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert mußten die dargestellten Forderungen des Liberalismus in dem Maße, wie sie praktischen Einfluß erlangten, die Legitimität der absolutistisch-merkantilistischen Mittel, das Erwerbsleben zu regulieren, erschüttern. Der Wandel im Verständnis der Stellung des Staates zur Wirtschaft konnte nicht ohne Auswirkungen auf die Rechtfertigung rechtlicher Eingriffe in das Erwerbsleben bleiben. Mit dem von den Physiokraten und Adam Smith vertretenen Freiheitsbegriff, der ein Maximum an individueller Freiheit als Staatsziel forderte, war das bisherige Staatsverständnis, das die Regulierung des Wirtschaftslebens zur Sicherung des allgemeinen Wohlergehens als seine ureigenste Aufgabe betrachtet hatte, unvereinbar geworden. Die theoretische. Grundlage staatlicher Eingriffe in das Wirtschaftsleben war erschüttert worden. Da jedoch die praktische Bedeutung des Liberalismus in Deutschland erheblichen Schwankungen unterworfen war, konnten sich auch zunft- und polizeirechtliche Maßnahmen zur Begrenzung des Erwerbslebens, wie etwa das Privileg, bis weit in das 19. Jahrhundert hinein behaupten.75 Auch ihre theoretische Rechtfertigung verlor zunächst nicht an Befürwortern. Jenen Wissenschaftlern stellte sich die Legitimationsfrage nicht. Privilegien konnten ohne gesetzliche Grundlage erlassen werden. 76 Allerdings war die Umsetzung liberaler ökonomischer Forderungen nicht aufzuhalten. Als deren Folge verkündeten die Verfassungen Württembergs (1819, §31), Hessen-Darmstadts (1820, Art. 104) und Kurhessens (1831, § 36), daß ausschließliche Handels- und Gewerbeprivilegien nur aufgrund eines Gesetzes erteilt werden durften. 77 In Österreich mündeten die Bestrebungen zum Erfindungsschutz bereits 1820 in das „Privilegienpatent" und damit in ein Gesetz, das im Laufe der Zeit mehrfach erneuert wurde. 78 Bayern folgte 1825, Württemberg 182879 mit gesetzlichen Regelungen des Patentschutzes. Andere Staaten hingegen, wie Baden, blieben 75

Paul Schmid , Die Gesetze zum Schutz des gewerblichen Eigenthums mit Erläuterungen und einer Einleitung, Die Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland, Berlin 1897, Iff., 14f. 76 Beier (wieFn.80), 127. 77 Wadle (wie Fn.68), 93 ff., 126. 78 Barbara Dölemeyer, Patentrecht und Musterschutz, in: Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, III, 3, München 1986, 4175 ff. 79 Bayrisches Gewerbegesetz vom 11. September 1825, Württembergische Gewerbeordnung von 1828.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

hinsichtlich des Patentschutzes ohne Gesetz. Hier wurde die Privilegienvergabe allerdings durch allgemeine Grundsätze für die Verwaltung geregelt. Die nicht in Kraft getretene Verfassung des Paulskirchenparlaments sah vor, Erfindungspatente ausschließlich auf der Grundlage von Reichsgesetzen zu erteilen. Im Bereich des Musterschutzes begannen die gesetzlichen Bemühungen später. Vergleichsweise früh handelte hier Kurhessen, das Beschlüsse des Deutschen Bundes von 1838 und 1845 hinsichtlich des Urheberschutzes auf den Schutz von Mustern erstreckte. Österreich erließ 1858 ein „Patent zum Schutz der Muster und Modelle für Industrieerzeugnisse" und stärkte mit diesem Gesetz die Bewegung zugunsten eines Schutzes von Mustern. 80 Eine Sonderstellung im Rahmen des gewerblichen Rechtsschutzes nimmt der Kennzeichenschutz ein, zu welchem insbesondere der Schutz von Name, Firma und Warenzeichen zu zählen ist. Ihrer jeweiligen Funktion gemäß geht die Frage der Schutzbedürftigkeit und Schutzgestaltung solcher Kennzeichen regelmäßig über den Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes hinaus. So waren sie in ihrer Funktion als Identifikationszeichen schon früher als die vorerwähnten Materien gesetzlich geschützt, etwa im Rahmen des Allgemeinen Landrechts für die preußischen Staaten von 1794, durch das bayrische Strafgesetzbuch von 1813 oder durch französische Bestimmungen in den linksrheinischen Gebieten.81 In ihrer Funktion als Qualitätszeichen kam gerade den gewerblichen Kennzeichen angesichts der sich im Zuge der Industrialisierung wandelnden Produktions- und vor allem Absatzformen eine stetig wachsende Bedeutung zu. Erwähnt sei hier nur das Aufkommen der Reklame mittels eines Erkennungszeichens.82 Die zunehmende Bedeutung von Identitäts- und Qualitätszeichen im Zuge der nun vermehrt anonym verlaufenden Warenabsatzorganisation ließ diese Kennzeichen zu Objekten werden, gegen welche sich täuschende Formen von Konkurrenzverhalten in besonderer Weise richteten. Die Folge der wachsenden, über den gewerblichen Rechtsschutz hinausgehenden Bedeutung war noch vor der Reichsgründung der Erlaß sowohl spezialgesetzlicher Regelungen aber auch die Aufnahme kennzeichenschützender Bestimmungen in die neu entstehenden Strafgesetzbücher der deutschen Partikularstaaten. Eigenständige Regelungen zum Schutz von Kennzeichen folgten in Preußen und Bayern 1840; 1851 übernahm Preußen die aufgestellten Grundsätze in sein Strafgesetzbuch. 1858 schuf Österreich ein Gesetz zum Schutz gewerblicher Marken und anderer Bezeichnungen. 1861 findet der Firmenschutz Eingang in das ADHGB. Dieser Überblick über die Bestrebungen einzelner Staaten zum Schutz gewerblichen Schaffens zeigt, daß sich bis zur Gründung des Deutschen Reiches das Gesetz als Mittel zur Grenzziehung zwischen erlaubtem und unerlaubtem Verhalten im Erwerbsleben etabliert hatte. Für den Rechtsschutz im Rahmen einer sich liberalisierenden Gewerbeverfassung bedeutete die Entstehung spezialgesetzlicher Bestim*>Wadle( wieFn.68), 138. Ebd., 143. 82 Ebd., 105. 81

2. Kap.: Der Schutz des gewerblichen Schaffens im Deutschen Reich

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mungen eine genaue Regelung der die gewerblichen Freiheiten einschränkenden Verhaltensweisen; die Regelung konnte von den Gerichten als abschließend interpretiert werden. Mit der beschriebenen Entwicklung geht einher, daß der Rechtsprechung nun eine erweiterte Aufgabe zum Schutz der Handel- und Gewerbetreibenden durch die Auslegung dieser neuen Gesetze zuwuchs. 2. Wirtschaftliche Freiheit und Staatsintervention Jeweils eng verknüpft mit der Entstehung neuer Gesetze zum Schutz gewerblichen Schaffens ist die im Gefolge des ökonomischen Liberalismus und seiner Gegentendenzen entstehende Diskussion um das richtige Maß der „Einmischung" des Staates in das Erwerbsleben. In den einzelnen Phasen des Jahrhunderts und regional verschieden dominierten in der Wirtschaftspolitik unterschiedliche Auffassungen über die Reichweite der staatlichen Eingriffsbefugnisse in das Wirtschaftsleben. Auch die Diskussion um das UWG von 1896 war von unterschiedlichen Ansichten der beteiligten Protagonisten in dieser Frage geprägt. Als gutes Beispiel aus der frühen Entwicklung mag hier die unterschiedliche Behandlung der Patentschutzproblematik in der Phase vor der Reichsgründung in Preußen und den anderen Staaten des Deutschen Bundes dienen. Während Preußen seit dem zweiten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts unter dem Einfluß starker liberaler wirtschaftspolitischer Vorstellungen aus Furcht vor der Gewährung von Monopolstellungen die Praxis der Patentvergabe äußerst restriktiv handhabte, wurde in anderen Ländern, wie Österreich, großzügiger verfahren. Während in Preußen beispielsweise zur Gewährung eines Patents eine umfangreiche Neuheits- und Nützlichkeitsprüfung zu erfolgen hatte, entfiel dies nach dem österreichischen Gesetz von 1820 gänzlich.83 Später geriet unter dem Einfluß der Freihandelsbewegung das Patentwesen besonders in Preußen in den Mittelpunkt der Kritik. Die Agitation der Träger dieser Bewegung, wie der „Kongress Deutscher Volkswirte" oder der „Verein Deutscher Ingenieure", gipfelte in der Forderung nach Abschaffung jedes Patentschutzes, da dieser dem Gemeinwohl schade. Tatsächlich versuchte Preußen eine Neuordnung und Angleichung des Patentwesens in der Zeit nach der Paulskirche zu verhindern. Auch später in der Zeit des Norddeutschen Bundes gab es Bestrebungen, den Patentschutz restlos zu beseitigen.84 Auch auf die Ausgestaltung des Kennzeichenschutzes wirkten sich liberale ökonomische Vorstellungen aus, indem man zu weitreichende Benutzungsverbote des Zeichens eines anderen als nicht akzeptable Beschränkung der Gewerbefreiheit erachtete.®5 Als gutes Beispiel mag auch hier Preußen dienen, welches mit seinem Gesetz vom 4. Juli 1840 den Schutz der Warenbezeichnung auf Name und Firma be83 84 85

Ebd., 127 f. Ebd., 131 f. Ebd., 148; für die vergleichbare Problematik im Bereich des Musterschutzes siehe den

Überblick bei Hubmann (wie Fn. 68), 22 ff.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

schränkte und damit andere Formen der Bezeichnung explizit nicht geschützt wurden. 86 Mit der Einführung dieses Gesetzes in Preußen wurden die zahlreichen unterschiedlichen regionalen Regelungen sowie der Schutz, den das ALR gewährt hatte, außer Kraft gesetzt.87 Ein weitergehender Schutz wurde ausdrücklich für nicht wünschenswert erklärt. Die preußische Haltung, den Gegenstand des Schutzes auf die nominative Marke zu beschränken, wirkte als Vorbild für viele andere Staaten in dieser Phase. Eine ähnliche Entwicklung der Beschränkung des Schutzes auf Firma und Name unter Außerachtlassen weiterer Kennzeichen vollzog sich beispielsweise bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts in Frankfurt 88, Oldenburg 89, HessenDarmstadt 90 und Württemberg 91. Dem stand ein sehr viel umfassenderer Schutz in den partikularrechtlichen Spezialbestimmungen und Strafgesetzbüchern u. a. Bayerns 92, Badens93 und Sachsens94 gegenüber. Diese Länder erstreckten den Schutz gleichermaßen auf nominative wie figürliche Marken. Die Folge war zwangsläufig ein regional unterschiedlicher, sehr begrenzter Rechtsschutz im Bereich des Kennzeichenschutzes. Daß dies oftmals nicht dem Rechtsschutzbedürfnis etablierter Marktteilnehmer entsprach, war beispielsweise dem preußischen Gesetzgeber schon früh bewußt.95 In diesem Unterschied zwischen Rechtsschutzmöglichkeit und Rechtsschutzbedürfnis innerhalb liberaler Wirtschaftverfassungen ist ein wesentlicher Ausgangspunkt der Bemühungen zur Schaffung eines erweiterten Kennzeichenschutzes zu sehen, welcher später in die Forderung nach gesetzlicher Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs im Kennzeichenwesen mündete. 86 § 1 des Preußischen Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnung vom 4.7.1840 schützte den Namen und die Firma, sofern sie in Verbindung mit dessen Wohn- oder Fabrikorte geführt wurde, vor „fälschlicher" Nutzung oder wissentlich „fälschlichem" Inverkehrbringen. § 2 erweiterte die Strafbarkeit auf die Fälle, in denen eine nach § 1 geschützte Bezeichnung nur mit solchen geringen Abänderungen wiedelgegeben wird, „welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen" werden kann. 87 Wadle, (wie Fn.68), 146. 88 Gesetz v. 22.5.1855. 89 Strafgesetzbuch v. 3.7.1858. 90 Gesetz v. 8.10. 1866. 91 Gesetz v. 12.2.1862. 92 §4 der Bayrischen Verordnung vom 21.12. 1862 bestimmte beispielsweise, „Wer dieser Verordnung zuwider fremde Fabrik- oder Gewerbezeichen, Namen oder Firmen unbefugt nachahmt oder gebraucht, desgleichen wer Waren, Fabrikate oder Gewerbeerzeugnisse, von denen er weiss, daß sie mit solchen unbefugt nachgeahmten oder gebrauchten Zeichen, Namen oder Firmen bezeichnet sind, feilbietet oder in den Verkehr bringt, wird auf Antrag des Verletzten oder seines gesetzlichen Vertreters nach Artikel 336 des Strafgesetzbuches mit Geldstrafe bis zu hundert und fünfzig Gulden und im Wiederholungsfall mit Gefängnis bis zu drei Monaten oder an Geld bis zu eintausend Gulden bestraft werden". Vgl. Josef Kohler, Das Recht des Markenschutzes, Würzburg 1884, 55. 93 Badische StGB §444. 94 StGB v. 1855, Art. 312. 95 Preußisches Handelsarchiv, 1859, 150.

2. Kap.: Der Schutz des gewerblichen Schaffens im Deutschen Reich

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3. Der Rechtsgrund des gewerblichen Rechtsschutzes im Wandel Bei den Spezialgesetzen des gewerblichen Rechtsschutzes dominierten zunächst noch in der Fortführung des merkantilistischen Verständnisses Normen gewerbepolizeilichen und strafrechtlichen Charakters. 96 Der Staat sah den Grund des Schutzes in seiner Verpflichtung zur aktiven Regelung des Wirtschaftsgeschehens und zur Förderung des Gemeinwohls. Zuwiderhandlungen waren Eingriffe in die staatliche Ordnung und mußten dementsprechend streng geahndet werden. Schon vor der Reichsgründung gewannen unter dem Einfluß des Liberalismus Ansichten allmählich an Bedeutung, die die privaten Interessen vor allem der Handel· und Gewerbetreibenden in den Mittelpunkt der Betrachtung rückten. Das Verhältnis von öffentlichen und privaten Interessen bei der Frage der Begründung des Rechtsschutzes ist ein weiterer Aspekt, der die Diskussion um die Begrenzung der wirtschaftlichen Freiheit das gesamte Jahrhundert durchzog. 97 Zu Anfang des 19. Jahrhunderts bestand beispielsweise die Auffassung, daß ein Patent, auch wenn es aufgrund eines der neuen Gesetze gewährt wurde, eine gewerbepolitische Maßnahme sei und die Rechtsstellung des Erfinders durch diese Maßnahme erst begründet werde. 98 Der Rechtsschutz war dem öffentlichen Interesse entsprechend vor allem strafrechtlich ausgestaltet. Die französische Gesetzgebung hatte hingegen auf der Grundlage der Lehre des geistigen Eigentums nicht nur in den Gesetzen zum Schutz der Erfindung ein originäres Eigentumsrecht des Erfinders an dem Ergebnis seiner gewerblichen Leistung anerkannt. Dementsprechend war hier in erster Linie die Verteidigung dieser Positionen dem Zivilrecht überantwortet. Der Rechtsgrund des Schutzes war demgemäß der Wille des Staates, die Voraussetzung dafür zu schaffen, daß der einzelne sein geistiges Eigentum eigenverantwortlich schützen konnte. Im Zuge der theoretischen Auseinandersetzung um den Schutz gewerblichen Schaffens entstand in Deutschland mit der Lehre des geistigen Eigentums eine starke Bewegung zugunsten der Schutznotwendigkeit privater Interessen im Erwerbsleben, die zivilrechtlich geschützt werden sollten. Diese Idee drängte gewerbepolizeiliche und strafrechtliche Ansätze allmählich zurück. So bekannte sich die Reichsverfassung der Paulskirche deutlich zum Schutz aller Formen des geistigen Eigentums als Grundlage des Schutzes gewerblicher Positionen.99 Die Lehre des geistigen Eigentums verlor vor allem aufgrund des großen Einflusses der Pandektisten in der Rechtswissenschaft noch vor der Reichsgründung von 1871 wieder an Bedeutung. Der Gedanke aber, daß es sich bei dem Gegenstand des Schutzes von Erfindung, Marke und Muster um originäre, dem Eigentum zumindest 96 97 98 99

DölemeyerjKlippel (wie Fn.21), 187ff. Ebd., 200ff. Wadle (wie Fn.68), 126. Ebd., 115.

Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

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vergleichbare Rechte des Schaffenden handelte, wurde weiter verfolgt und bildete den Ausgangspunkt für neue Erklärungsmodelle. Vorübergehend blieb der Rechtsschutz nach dem Scheitern der Paulskirchenverfassung noch in gewerbepolizeilich-strafrechtlichen Bahnen. Einen Wandel in dieser Hinsicht brachten noch deutlich vor der Reichsgründung die neuen Regelwerke zum Schutz der gewerblichen Kennzeichen. Gerade hier war der strafrechtliche Schutz seit jeher stark gewesen. Dies hing vor allem damit zusammen, daß die Zeitgenossen angesichts der unterschiedlichen Funktionen gewerblicher Kennzeichen, etwa als Qualitätszeichen oder als Herkunftszeichen, die Interessen des Konsumenten bzw. des redlichen Verkehrs und damit öffentliche Interessen im Falle der unbefugten Nachahmung stark berührt sahen. Bei der Nachahmung einer Erfindung war dies nicht zwangsläufig der Fall. Im Mittelpunkt stand hier in der Regel das Interesse des Erfinders. Spätestens aber seit dem österreichischen Gesetz zum Schutz der gewerblichen Marken von 1858 setzte sich dann die Überzeugung durch, daß es sich beim Schutz der Warenbezeichnung mit Name und Firma um Rechtspositionen handelt, die dem Inhaber zustehen. Klippel hat nachgewiesen, daß seitdem Name und Firma in der Funktion als Warenzeichen als absolute Privatrechte anerkannt wurden. 100 Hinsichtlich des Schutzes von Name und Firma fand diese Entwicklung durch das ADHGB von 1861 eine weitere Ergänzung. 101 Art. 27 ADHGB stattete den Schutz der Firma mit einer Schadensersatz- und Unterlassungsklage aus und legte es damit nahe, die Firma als absolutes Privatrecht des Handel- und Gewerbetreibenden zu sehen. 102 Der gewerbepolizeilich-strafrechtliche Standpunkt erfuhr durch die Einführung solcher zivilrechtlicher Schutzmaßnahmen eine Schwächung.103 Im Hinblick auf die Frage nach dem Rechtsgrund des Schutzes wurde durch diese Entwicklung das Interesse des Handel- und Gewerbetreibenden gewichtiger und die Position der bisher gleichberechtigten Interessen des Konsumenten bzw. des Verkehrs an den Rand gerückt. Angesichts der betrugsähnlichen Formen des Kennzeichenmißbrauchs und der daher unweigerlich mitverletzten Interessen der Konsumenten bzw. des Verkehrs hielt sich die strafrechtliche Schutzgewährung jedoch weit über diesen Zeitpunkt hinaus. Für die Zeit der Reichsgründung kann festgehalten werden, daß sich der legislative Schutz beider Interessen nebeneinander etabliert hatte. Die Frage, inwiefern der Schutz der gewerblichen Leistung und ihrer Ergebnisse einerseits und die Begrenzung gewerblicher Freiheiten andererseits durch öffentliche und private Interessen gerechtfertigt ist, durchzieht auch die Diskussion um den Rechtsgrund eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb und wird bis heute unterschiedlich beantwortet. 100

Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 74. Ebd., 100. 102 Art. 27 I ADHGB lautet: „Wer durch den unbefugten Gebrauch einer Firma in seinen Rechten verletzt ist, kann den Unberechtigten auf Unterlassung der weiteren Führung und auf Schadensersatz belangen". 103 Wadle (wie Fn.68), 150. 101

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4. Der Einfluß ausländischer Gesetze auf die Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes in Deutschland Als vierter die Entwicklung prägender Umstand ist die Bereitschaft zu nennen, angesichts des Vorsprungs in der wirtschaftlichen Entwicklung ausländischer Staaten wie Frankreich und England deren Gesetze zum Schutz gewerblichen Schaffens als Orientierungshilfe bei der eigenen Kodifikationsarbeit zu wählen. 104 Dies gilt nicht nur für die Zeit des Deutschen Bundes, sondern auch, wie zu zeigen sein wird, für das Deutsche Reich. Hinsichtlich des Einflusses Frankreichs ist außerdem darauf hinzuweisen, daß zahlreiche der im Zuge der französischen Revolution und der napoleonischen Ära entstandenen Gesetze in Deutschland in den linksrheinischen Gebieten sowie in manchen ehemaligen Rheinbundstaaten lange über die Zeit des Wiener Kongresses hinaus in Geltung waren. 105 Neben einem mittelbaren Einfluß auf die Rechtsentwicklung wirkten französische Gesetze somit auch unmittelbar durch solche Gesetze.106 In Großbritannien war der gesetzliche Schutz der erwähnten Gebiete bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts umfassend erfolgt. 107 Neben einem starken Einfluß der Rechtsprechung auf die Ausgestaltung des gewerblichen Rechtsschutzes entstanden hier Gesetze auf dem Gebiet des Urheberrechts (1833, 1835, 1842, 1852), zum Erfindungsschutz (1835/1852), zum Markenrecht (1862, 1875-1877, 1883) und zum Musterschutz (1842, 1843, 1850, 1858, 1861).108 Diese Entwicklungslinien bilden den Rahmen, in dem sich die Auseinandersetzungen um die Begrenzung der gewerblichen Rechte im Laufe des 19. Jahrhunderts 104 Hierzu Barbara Dölemeyer, Urheber- und Verlagsrecht, in: Helmut Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte, III/3, München 1986,4010ff.; dies, (wie Fn. 88), 4141 f.; Wadle, (wie Fn. 68), 113; für den französischen Rechtskreis seien hier vor allem genannt, Das Dekret zum Schutz der Eigentumsrechte der Schriftsteller, Komponisten, Maler und Zeichner, das Dekret vom 12. April 1803 hinsichtlich des Schutzes der Marken von Handwerkern und Fabrikanten, das Dekret vom 11. Juni 1809 hinsichtlich des Musterschutzes; weiterhin die Gesetze zum Schutz von Namen (1824), Erfindungen (1844) und Marken (1857). 105 Diethelm Klippel, Die Bedeutung des Rheinischen Rechts für die Entwicklung des Namens- und Firmenschutzes in Deutschland, in: Heinz Mohnhaupt (Hrsg.), Revolution, Reform, Restauration, Formen der Veränderung von Recht und Gesellschaft, Frankfurt/M., 1988,123 ff. 106 Im Bereich des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb ist das französische Vorbild der Schutzgewährung von elementarer Bedeutung für die deutsche Entwicklung. So liegen den Kodifikationsarbeiten des UWG von 1896 nachweislich französische Gesetzgebungsmaterialien zugrunde, vgl. die Materialien der ersten Sitzung der Sachverständigenkommission im September 1894 zur Vorberatung des 1. Entwurfs des UWG von 1896, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.65f. 107 Siegbert Lamme/, Recht und Ordnung des Wettbewerbs, in: Helmut Coing (Hrsg.), Handbuch der Quellen und Literatur der neueren europäischen Privatrechtsgeschichte III, 3, München 1986, 376 ff. 108 Wadle (wie Fn. 68), 115.

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bewegten. Sie begründen darüber hinaus Vorgaben für die Entstehung einer Bewegung zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs.

II. Die Ausgestaltung des gesetzlichen Schutzes gewerblichen Schaffens im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts Nach Gründung des Deutschen Reiches 1871 machte das Reich von seiner in der Reichsverfassung bestimmten Gesetzgebungskompetenz für Erfindungspatente und den Schutz des geistigen Eigentums bald umfangreich Gebrauch. 109 In den Jahrzehnten bis zum Erlaß des UWG von 1896 schuf es in zwei Schüben, zunächst im Laufe der siebziger Jahre und dann zu Beginn der neunziger Jahre, auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes einen Zustand, der den Ausgangspunkt für die Diskussion um die Schaffung eines UWG bildete. Daneben wird der Schutz gewerblichen Schaffens durch eine große Zahl von weiteren neu entstehenden Sondergesetzen, beispielsweise im Lebensmittelbereich, geprägt. 1. Der Kennzeichenschutz Ein Meilenstein auf dem Weg zu einem Schutz vor unlauterem Wettbewerb ist zunächst das Markenschutzgesetz von 1874.110 Dies gilt sowohl für Reichweite und Mittel des Schutzes der Kennzeichen als auch für die Tatsache, daß die Interpretation des Markenschutzgesetzes durch die Rechtsprechung einen Zustand schuf, der von weiten Teilen der betroffenen Kreise als auch von der Wissenschaft als unzureichend empfunden wurde. Im Rahmen der Diskussion um die Möglichkeiten einer Schutzerweiterung wurde in den Folgejahren dann die Problematik der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in Deutschland thematisiert. 111 Der gesetzliche Kennzeichenschutz hatte seit dem Erlaß des ADHGB keine Veränderung mehr erfahren. Die Bedürfnisse der Wirtschaft gingen, wie sich an den ab 1866 verstärkt eingehenden Petitionen aus Handels- und Gewerbekreisen ersehen läßt, inzwischen jedoch sehr viel weiter. 112 In den ersten Jahren nach der Reichsgründung, als noch die liberale Tradition der preußischen Wirtschaftspolitik die Haltung der Regierung bestimmte, wurde eine Erweiterung des Markenschutzes 109

Art. 4 Nr. 5 und 6 der Reichsverfassung, Nr. 2 Zoll- und Handelsgesetzgebung, RGBl. 63. Gesetz über den Markenschutz, v. 30.11.1874; RGBl. 144; hierzu ausführlich Klippel (wie Einleitung, Fn. 4), 132 ff.; Elmar Wadle, Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Geschichte und Gestalt des Markenschutzes im 19. Jahrhundert, Bd. 1 u. 2, Berlin 1977 u. 1983, 230ff.; ders., Das Markenschutzgesetz von 1874, JuS 1974, 760ff.; ders. (wie Fn.68), 164ff. 111 Hierzu auch Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 145. 112 Schon der IV. Deutsche Handelstag zu Berlin forderte 1868 einen Markenschutzgesetz für das Gebiet des Zollvereins, die Handelskammern von Berlin, Köln, Düsseldorf, Duisburg, München, Mühlhausen und Bielefeld sprechen sich für einen solchen Schutz aus, vgl. Kohler (wie Fn. 102), 58. 1,0

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mit dem Hinweis auf den ausreichenden Rechtsschutz durch die Bestimmungen des ADHGB und § 287 RStGB abgelehnt.113 Gleichzeitig ließ man erkennen, daß man eine weitere Ausdehnung des Kennzeichenschutzes als eine der gewerblichen Freiheit zuwiderlaufende Privilegierung empfand, die von staatlicher Seite weder erwünscht noch zu rechtfertigen sei. Die Versuche aus Handels- und Gewerbekreisen, den Gesetzgeber zur Schaffung eines solchen erweiterten Schutzes zu bewegen, rissen jedoch nicht ab. 114 Unter dem Druck solcher anhaltenden Forderungen wurde schließlich im Reichskanzleramt begonnen, ein Gesetzentwurf zum Schutz der Marke auszuarbeiten.115 Für die Aufnahme und die Ausgestaltung der Gesetzgebungsarbeit waren wiederum auch ausländische Vorbilder von Bedeutung. Hierauf wurde in der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs vom November 1874 verwiesen, wo anerkannt wird, daß die ausländische Gesetzgebung für Deutschland selbstverständlich nicht gleichgültig sein könne. 116 Namentlich in Frankreich existierte seit 1857 ein Gesetz zum Schutz der Markenzeichen, ihm folgten Österreich und Italien, und auch in England und den USA war der Zeichenschutz geregelt. 117 So war das Anmeldeverfahren, für welches sich der Gesetzgeber 1874 entschied, stark am französischen Beispiel orientiert. Die zivilrechtliche Ausgestaltung der Schutzgewährung war schon im Österreichischen Gesetz von 1858 enthalten. Das Gesetz selber nahm neben dem Schutz der Warenbezeichnung mit Name und Firma auch den Schutz des Warenzeichens auf. 118 Beide wurden straf- und zivilrechtlich geschützt. Der zivilrechtliche Schutz erfolgte durch Gewährung von Unterlas113 Wadle (wie Fn.68), 165. §287 lautete: „Wer Waaren oder deren Verpackung fälschlich mit dem Namen oder der Firma eines inländischen Fabrikunternehmers; Produzenten oder Kaufmanns bezeichnet oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt, wird mit Geldstrafe von fünfzig bis zu eintausend Thalern oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen Angehörige eines fremden Staates gerichtet ist, in welchem nach veröffentlichtem Staatsverträgen oder nach Gesetzen die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Strafe wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß bei der Warenbezeichnung der Name oder die Firma mit so geringen Abänderungen wiedergegeben wird, daß die letzteren nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können". 1,4 Wadle (wie Fn. 120), 243 ff. 115 Klippel (wie Fn.4), 134 f. 1,6 Motive der Vorlage beim Bundesrat, Drucksache der Verhandlungen der Bundesratssession 1874, Nr. 117. 117 Wadle, Fabrikzeichenschutz und Markenrecht, Geschichte und Gestalt des Markenschutzes im 19. Jahrhundert, 761. 118 Als bedeutende Neuerung wurde außerdem ein dezentralisiertes Zeichenregister als besondere Abteilung der Handelsgerichte geschaffen, wo jeder Gewerbetreibende am Ort seiner Hauptniederlassung seine genau zu definierende Marke nach einem Vorprüfungsverfahren unter seiner Firma zur Eintragung bringen konnte, vgl. Wadle, ebd. Nicht eintragungsfähig waren jedoch die Warenzeichen, die bloß aus Buchstaben, Zahlen oder Worten bestanden, vgl. Kohler (wie Fn. 102), 58 f.

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sungs- und Schadensersatzansprüchen (§§ 13 ff.) 119 , der strafrechtliche Schutz durch eine als Antragsdelikt ausgestaltete Bestimmung (§ 14). 120 Geahndet wurden das Bezeichnen, Inverkehrbringen oder Feilhalten von Ware mit den genannten Kennzeichen. Die Bestimmungen waren ihrer Formulierung nach daher sowohl dazu geeignet, den unwissenden Verwender solcher Kennzeichen zu strafen als auch den vorsätzlichen.121 Insbesondere durch den nun normierten Schutz gegen den unbefugten Gebrauch eines Namenszeichens oder einer Firma als Warenzeichen oder auf dem Warenetikett wurde einer im Vorfeld vielfach geäußerten Kritik Rechnung getragen. Art. 27 ADHGB hatte hier keinen Schutz bieten können, da gemäß der in Literatur und Rechtsprechung vorherrschenden Ansicht das Tatbestandsmerkmal des „Gebrauchs einer Firma" auf diese Formen des Gebrauchs nicht ausgedehnt wurde. 122 Eine darüber hinausgehende Ausrichtung dieser Bestimmungen auf den wirtschaftlichen Wettbewerb durch ausdrücklichen Schutz vor typischen wettbewerblichen Täuschungshandlungen fehlte noch. Die Wettbewerbsfunktion, welche Warenbezeichnungen in bedeutendem Maße ausüben konnten, indem Gewerbetreibende - durch Herbeiführung einer Verwechslungsgefahr oder sonstiger Irreführung des Publikums - mittels des anerkannten Kennzeichens eines Wettbewerbers Geschäftserfolge erzielten, war in diesem Gesetz erst angedeutet. § 18 MSchG bestimmte, daß Warenzeichen, Name und Firma auch gegen Wiedergabe mit Abänderungen geschützt seien, „welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können". 123 Das mißbräuchliche Ausnutzen des in solchen Kennzeichen symbolisierten „guten Rufs" eines Wettbewerbers konnte so verhindert werden. Eine Einbeziehung weiterer „unlauterer" Verhaltensweisen auf dem Gebiet des Kennzeichenrechts unterblieb jedoch. Mit der Kombination zivilrechtlicher und strafrechtlicher Rechtsbehelfe gab das MSchG den Weg der Ausgestaltung des gesetzlichen Schutzes des gewerblichen 1,9 § 13 lautete: „Jeder inländische Produzent oder Handeltreibende kann gegen denjenigen, welcher Waren oder deren Verpackung mit einem für den Ersteren nach Massgabe dieses Gesetzes zu schützenden Warenzeichen oder mit dem Namen oder der Firma des Ersteren widerrechtlich bezeichnet, im Wege der Klage beantragen, daß derselbe für nicht berechtigt erklärt werde, diese Bezeichnung zu gebrauchen. Desgleichen kann der Produzent oder Handeltreibende gegen denjenigen, welcher dergleichen widerrechtlich bezeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält, im Wege der Klage beantragen, daß derselbe für nicht berechtigt erklärt werde, so bezeichnete Waren in Verkehr zu bringen oder feil zu halten". 120 § 14 lautete: „Wer Waren oder Verpackungen wissentlich mit einem nach Massgabe dieses Gesetzes zu schützenden Warenzeichen, oder mit dem Namen oder der Firma eines inländischen Produzenten oder Handeltreibenden widerrechtlich bezeichnet, oder wissentlich dergleichen widerrechtlich bezeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält, wird mit Geldstrafe von einhundertfünfzig bis dreitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft und ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtet. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein". 121 Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 134 ff. 122 Vgl. hierzu ausführlich Klippel (wie Fn. 115), 151. 123 Dieser Zusatz war schon in § 287 Abs. 3 RStGB v. 1871 enthalten.

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Schaffens in den nächsten Jahrzehnten vor. sen Weg.

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Auch das UWG von 1896 wählte die-

Das MSchG war auch im Hinblick auf die Diskussion um den Rechtsgrund des Schutzes für die Entstehung des UWG von 1896 von Bedeutung. Die Wahl der zivilund strafrechtlichen Schutzmittel durch den Gesetzgeber deuteten zunächst auf ein Nebeneinander öffentlicher und privater Interessen als Grund des Schutzes hin. Auch in den Reichstagsdebatten wurde zunächst wiederholt die Bedeutung des Gesetzes für die Stärkung der Redlichkeit im Verkehr und damit ein öffentliches Interesse betont.125 Das Publikum sei vor Fälschungen zu schützen.126 Dem standen jedoch in der Mehrheit Stimmen gegenüber, die betonten, daß es das Ziel des Gesetzes sei, in erster Linie private Interessen zu schützen. Zweck des Schutzes der Warenbezeichnungen sei es demgemäß zu verhindern, daß Handel- und Gewerbetreibende Einbußen ihrer Kundschaft durch unerlaubte Verwendung ihrer Marken erlitten. 127 Deutlich wurde diese Haltung des Reichstags vor allem bei der Entscheidung, den strafrechtlichen Schutz der Marke durch das MSchG als Antragsdelikt auszugestalten und eine Strafverfolgung somit in die Hände des Wettbewerbers und nicht etwa des Kunden zu legen.128 Der Schutz des öffentlichen Interesses trat demnach zurück. Klippel spricht in diesem Zusammenhang von einer Verlagerung des Rechtsgrundes des Markenschutzes auf das private Interesse. 129 Für die Entwicklung hin zu einem Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb war der Umstand von besonderer Bedeutung, daß die Beziehung des Konkurrenten zu seinem Mitkonkurrenten in den Mittelpunkt des Interesses rückte. Damit war eine Voraussetzung für die Diskussion um eine erweiterte Schutzbedürftigkeit des Wettbewerbers vor dem Wettbewerber über den Schutz gesetzlich geschützter Positionen hinaus geschaffen. Eine solche Diskussion setzte in den Folgejahren ein; gefordert wurde ein grundsätzlich verbesserter Schutz vor täuschenden Verhaltensweisen eines Wettbewerbers im Erwerbsleben. Auch der Schutz öffentlicher Interessen blieb jedoch im Gesetz erhalten, was beispielsweise der Ausschluß der Schutzfähigkeit von Zeichen bewies, die „ausschließlich in Zahlen, Buchstaben oder Worten bestehen, oder die öffentliche Wappen oder ärgerniserregende Darstellungen enthalten".130 Damit beantwortete das MSchG von 1874 die Frage, inwiefern der Konsument in die Schutzgestaltung miteinbezogen werden sollte, wegweisend in der Tradition des ADHGB: Durch die Verfolgung täuschenden Verhaltens mit Hilfe der strafrechtlichen Bestimmungen wurde dem Konsumenten ein mittelbarer Schutz gewährt. 124 Hinsichtlich der Bedeutung des Gesetzes für den zivilrechtlichen Schutz von Name und Firma, vgl. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 135. 125 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 2. Leg., 2. Sess. 1874, 32. 126 Abg Ackermann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 2. Leg., 2. Sess. 1874, 104; Abg. Reichensperger, ebd., 105 f., 132. 127 128 129 130

Abg. Braun, ebd., 106, 133 f. Vgl. hierzu auch Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 134f. Ebd. Wadle (wie Fn. 68), 166.

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Ein weiteres Charakteristikum des Markenschutzgesetzes von 1874 bestand in der Lösung des Konflikts der aufeinandertreffenden gegensätzlichen wirtschaftspolitischen Standpunkte. Der Gegensatz zwischen liberalem und neomerkantilistischem Gedankengut mußte zwangsläufig dazu führen, daß der Umfang der Schutzgewährung auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner" beschränkt blieb. Das Ergebnis war ein in vielen Punkten gering erscheinender Schutz.131 Eine stärkere Entfaltung des Schutzes gewerblicher Kennzeichen war jedoch bis in die siebziger Jahre vielerorts gar nicht erwünscht. Vielmehr war man bemüht, den Status quo, der den Kennzeichenmißbrauch nur sehr unvollständig regulierte, aufrechtzuerhalten. 132 Insbesondere der Nachahmung des Kennzeichens kam bei den Versuchen der im Vergleich zu England und Frankreich rückständigen deutschen Industrie, international Anschluß zu finden, große Bedeutung zu: Ausländischen Kennzeichen wurden gezielt zur eigenen Absatzförderung verwandt. 133 Das Bewußtsein, bei der Nachahmung etwas Unerlaubtes bzw. Unsittliches zu tun, entwickelte sich erst allmählich. Die Entwicklung beschleunigte sich erst, als die deutsche Industrie selber ein Entwicklungsstadium erreicht hatte, in dem die Handel- und Gewerbetreibenden in der Mehrheit selbst die Leidtragenden fehlenden Schutzes waren. Dieses Stadium wurde in den verschiedenen Industriezweigen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht. Der sehr begrenzte Schutz als Resultat des Ringens um das richtige Maß der Beschränkung der gewerblichen Freiheit war im übrigen typisch für die Gesetzgebung der folgenden Jahre. 134 Die Folge war eine für die Entwicklung des unlauteren Wettbewerbs wiederum maßgebliche Novellierung des Markenschutzgesetzes im Jahre 1894.135 2. Der Geschmacksmusterschutz Auch im Ringen um einen einheitlichen gesetzlichen Geschmacksmusterschutz zeigten sich die dargestellten allgemeinen Entwicklungslinien des gewerblichen Rechtsschutzes. Bestärkt durch den Erfolg der Bewegung zugunsten des Markenschutzes und angesichts der Schutzgewährung in anderen europäischen Staaten nahmen im Laufe der siebziger Jahre auch auf diesem Gebiet die Forderungen nach einer gesetzlichen Regelung zu. Neben verschiedenen Handels- und Gewerbekammern war es der Deutsche Handelstag, der sich 1872 mit dieser Frage beschäftigte. 136 Wenig später konnte sich die Regierung den Forderungen nicht mehr ver131

Als Beispiel hierfür kann die Beschränkung des Schutzes auf Kaufleute dienen und der Ausschluß von Zeichen, die lediglich in Worten, Zahlen oder Buchstaben bestanden. 132 Wadle (wie Fn. 120), 34 f. 133 Ebd., 97 ff. 134 Wadle (wie Fn.68), 173, 176. 135 Siehe unten Teil 1,4. Kap., I.,2. 136 Wadle, (wie Fn. 68), 171 ff.; vgl. auch den einführenden Überblick bei Hubmann (wie Fn. 13), 25.

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schließen. Eine im Jahre 1875 einberufene Sachverständigenkommission bewies den allgemeinen Wunsch der Beteiligten nach einem Musterschutzgesetz. Dieses wurde 1876 erlassen und stellte sich gleichfalls als Kompromiß der Gegner und Befürworter weitreichender Eingriffe des Staates in das Wirtschaftsleben dar. 137 So war beispielsweise die Dauer der zu gewährenden Schutzfristen lange umstritten, ehe man sich auf eine Dauer von ein bis drei Jahren einigte, aber die Möglichkeit einer Verlängerung vorsah. 138 Zudem wurde durch richterliche Auslegung des Gesetzes dessen Anwendbarkeit auf Gebrauchsmuster verneint 139, so daß diese bis zum Erlaß eines eigenen Gesetzes im Jahr 1891 ohne Schutz blieben.140 3. Der Patentschutz In keiner Teildisziplin des gewerblichen Rechtsschutzes ist die Diskussion um das Für und Wider eines gesetzlichen Schutzes so leidenschaftlich geführt worden wie auf dem Gebiet des Patentschutzes.141 Schon um die Jahrhundertmitte empfanden verschiedene Bereiche der Industrie die Situation eines territorial beschränkten, unterschiedlich ausgestalteten und schwer zu erlangenden Patentschutzes als unbefriedigend. Es setzte eine starke Bewegung ein, die einen einheitlichen Patenschutz für das gesamte Gebiet des Deutschen Bundes forderte. 142 Dem stand eine von der liberalen ökonomischen Theorie geprägte Haltung vieler Regierungen und Behörden sowie großer Teile der Wirtschaftswissenschaft entgegen, die jede monopolistisch erscheinende Beschränkung der Handels- und Gewerbefreiheit bekämpfte. Die Auseinandersetzung gipfelte in dem Antrag Bismarcks im Bundestag 1868, der die Abschaffung aller im Gebiet des Norddeutschen Bundes bestehenden Patentgesetze forderte. Dieser fiel jedoch in eine Phase stetig zunehmender anderslautender Petitionen aus Handel und Gewerbe. Der Verein Deutscher Ingenieure arbeitete im gleichen Jahr einen Entwurf für ein allgemeines deutsches Patengesetz aus.143 Im Zuge dieser starken Agitation beschloß man einige Zeit später, den Antrag Bismarcks auf sich beruhen zu lassen.144 Die Jahre der Reichsgründung 145 und wiederum die große Krise des Jahres 1873 146 brachten dann den Umschwung zugunsten der Patentbewegung. 1876 wur137

Gesetz betreffend das Urheberrecht an Mustern und Modellen v. 11.1.1876, RGBl. 11. WM/i?(wieFn.68), 172 f. 139 Siehe hierzu die Entscheidung des Reichsoberhandelsgerichts ROHG 24, 109. 140 Gesetz betreffend den Schutz von Gebrauchsmustern vom 1. Juni 1891, RGBl. 1891,290. 141 Zusammenfassend: Fritz Machlup, Die wirtschaftlichen Grundlagen des Patentrechts; GRUR Int. 1962, 377 ff.; vgl. auch Guido Hess, Die Vorarbeiten zum Deutschen Patentgesetz vom 25. Mai 1877, jur. Diss., Frankfurt 1966, 39f., 42ff., 70ff. 142 Beier (wie Fn.80), 129. 143 Ebd., 130. 144 Wadle (wie Fn.68), 174. 145 Beier (wie Fn. 80), 131, weist daraufhin, daß die wirtschaftliche Einigung einen Patentschutz zwingend machte und die Position der Freihandelsbewegung schwächte: „Gegen eine 138

4 von Stechow

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

de eine Sachverständigenkommission einberufen, deren Beratungsergebnisse zur Ausarbeitung eines Gesetzentwurfes im Reichskanzleramt führten. Im Mai 1877 wurde das Gesetz vom Reichstag verabschiedet; es trat am 1. Juli 1877 in Kraft. Es sah unter anderem verschiedene formelle Voraussetzungen für die Erlangung eines Patents vor, so daß auch hier die Idee eines originären Rechts, wie von Teilen der Wissenschaft gewünscht, keine Verwirklichung fand. Für die Entwicklung eine Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb ist vor allem § 40 des Patentgesetzes von Bedeutung. Er lautete: „Mit Geldstrafe bis zu einhundertfünfzig Mark oder mit Haft wird bestraft: 1. wer Gegenstände oder deren Verpackung mit einer Bezeichnung versieht, welche geeignet ist, den Irrthum zu erregen, daß die Gegenstände durch ein Patent nach Massgabe dieses Gesetzes geschützt seien; 2. wer in öffentlichen Anzeigen, auf Aushängeschildern, auf Empfehlungskarten oder in ähnlichen Kundgebungen eine Bezeichnung anwendet, welche geeignet ist, den Irrthum zu erregen, daß die darin erwähnten Gegenstände durch ein Patent nach Massgabe dieses Gesetzes geschützt seien."

Die Vorschrift stellte die Anmaßung eines Patents unter Strafe. Zur Vollendung des Tatbestandes sollte jede Verhaltensweise ausreichen, welche objektiv geeignet war, Dritte zu täuschen. Das Neuartige an dieser Bestimmung war der Umstand, daß erstmals im Rahmen eines Sondergesetzes zum Schutz gewerblichen Schaffens eine Verhaltensweise unter Strafe gestellt wurde, welche ihren Grund nicht in der Verletzung einer durch das betreffende Gesetz geregelten Rechtsposition hatte. Letztgenanntem Prinzip folgten beispielsweise Markenschutzgesetz und Geschmacksmustergesetz: Das jeweilige Gesetz bestimmte gewisse Voraussetzungen für die Erlangung einer geschützten Rechtsposition und sicherte diese durch strafrechtliche und zivilrechtliche Bestimmungen. 1 4 7 § 40 Patentgesetz löste sich von dieser Beschränkung, indem es konkrete, im Zusammenhang mit der Patentbenutzung auftretende Verhaltensweisen, welche sich nicht gegen einen bestimmten Rechtsinhaber oder seine Rechtsposition richten mußten, unter Strafe stellte. Im Mittelpunkt der verbotenen Handlung stand folglich nicht der betroffene Patentinhaber, sondern die Täuschung des Publikums und der Versuch des Handelnden, auf diese Weise Vorteile gegenüber Mitbewerbern zu erlangen. Eine solche Handlung stellte demnach zweifelsohne eine Wettbewerbshandlung dar, welche man als unlauter betrachtete und daher gesetzlich bekämpfte. Zu beeinheitlichen Patentschutz für das gesamte Wirtschaftsgebiet, der alle patentbedingten Hemmnisse eines innerstaatlichen Handels ausschloss, verfingen die Argument der Freihändler nicht mehr". 146 Hess (wie Fn.151), 77. 147 § 14 des Geschmacksmustergesetzes verwies insofern auf die §§ 18 ff. des Urhebergesetzes von 1870 (RGBl. 339), welche zivilrechtliche und strafrechtliche Sanktionen bei Nachdruck vorsahen.

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achten ist jedoch, daß der Gesetzgeber beim Erlaß dieser Bestimmung nicht die Absicht verfolgte, ein Verbot des unlauteren Wettbewerbs auszusprechen.148 Im Mittelpunkt stand vielmehr der Versuch eines umfassenden Patentschutzes. Den Wettbewerbsaspekt und die Eignung der Norm als Bestimmüng gegen den unlauteren Wettbewerb arbeitete die Literatur jedoch schon sehr bald heraus. Josef Kohler bezeichnete die unter Strafe gestellte Handlung unter Bezugnahme auf das Französische Recht und dessen Behandlung der Patentanmaßung als concurrence déloyale. 149 Das Patentgesetz normierte somit eine spezialgesetzliche Verbotsnorm gegen eine Form unlauteren Wettbewerbs. Auch wenn die Norm nicht ausdrücklich auf die Verhinderung des unlauteren Wettbewerbs hin ausgerichtet war, so dient sie doch ihrem Inhalt nach diesem Zweck. Der Gesetzgeber anerkannte also schon in dieser Zeit einen legislativen Handlungsbedarf zur Vermeidung von täuschendem, über die Verletzung einer durch Gesetz gewährten Rechtsposition eines Dritten hinausgehendem Wettbewerbsverhalten. Im Laufe der Jahre wuchs die Kritik an dem Patentgesetz, die sich vor allem auf seinen zu geringen Schutzumfang, wie die Beschränkung des Schutzes auf Verfahrenspatente und die Außerachtlassung von Stoffpatenten, bezog. Daneben wurde aufgrund der stetig wachsenden Zahl der Patente eine Reorganisation des Patentamtes gefordert. Dies führte zu einer Novellierung des Patentgesetzes, die sich wiederum unter starker Anteilnahme von Handel- und Gewerbekreisen vollzog. 1891 wurde ein wesentlich geändertes, aber den § 40 in seinem ursprünglichen Zustand belassendes neues Patentgesetz kodifiziert. 4. Der Schutz gewerblichen Schaffens durch sonstige Gesetze des Norddeutschen Bundes und des Reiches Ähnlich wie das Patentgesetz enthielten zahlreiche weitere Gesetze des deutschen Reiches Bestimmungen gegen Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs, ohne vom Gesetzgeber aus dem Beweggrund des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb erlassen worden zu sein. Grund der Regelung war jeweils, einem Mißstand unabhängig von seiner Eigenschaft als Form des unlauteren Wettbewerbs abzuhelfen. Zu nennen sind hier in erster Linie Vorschriften aus dem Handels- und Gewerberecht und dem Nahrungs- oder Weinrecht. 150 So bestimmte § 10 148

Vgl. zu dieser Frage Michael Martin Kohler, Das Verbrechen des unlauteren Wettbewerbs, Breslau 1901, 52. 149 Josef Kohler, Deutsches Patentrecht, Mannheim 1878, 683 f., unter Hinweis auf Art. 33 des Französischen Patentgesetzes, dessen Normzweck §40 Patentgesetz entsprach. 150 Vgl. § 69 Nr. 5 ADHGB eingeführt in den Norddeutschen Bund als Bundesgesetz durch Gesetz v. 5. Juni 1869 (BGBl. 379ff.) betreffend die Verschwiegenheitspflichten der Handelsmäkler; §§ 124b, 125 Reichsgewerbeordnung v. 16.4 1871 (RGBl. 245); §9 Gesetz v. 16. Juli 1884 (RGBl. 120) über den Feingehalt der Gold-und Silberwaren; §§ 107,108 Unfallversicherungsgesetz v. 6. Juli 1884 (RGBl.69); §§ 127f Gesetz betreffend die Unfall und Krankenver*

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des Gesetzes betreffend den Verkehr mit Nahrungsmitteln, Genussmitteln, Gebrauchsgegenständen v. 14.5.1879:151 „Mit Gefängnis bis zu sechs Monaten und mit Geldstrafe bis zu eintausendfünfhundert Mark oder mit einer dieser beiden Strafen wird bestraft: 1. wer zum Zwecke der Täuschung im Handel und Verkehr Nahrungs- oder Genussmittel nachmacht oder verfälscht; 2. wer wissentlich Nahrungs- oder Genussmittel, welche verdorben oder nachgemacht oder verfälscht sind unter Verschweigung dieses Umstandes verkauft oder unter einer zur Täuschung geeigneten Bezeichnung feilhält."

Während Ziffer 1 die auf Täuschung berechnete Nachahmung unter Strafe stellte, zielte Ziffer 2 auf das Verhindern des Inverkehrbringens sowohl verdorbener als auch schlicht täuschend bezeichneter Ware ab. Deutlich wird hier das Nebeneinander des Normzwecks des Gesundheitsschutzes als öffentliches Anliegen und des gleichzeitig enthaltenen Schutzes von Konsument und Konkurrent vor unlauterem Geschäftsgebaren. Die Ausweitung des Schutzes gewerblichen Schaffens und die gleichzeitige Beschränkung von Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit bestätigen, daß der Gesetzgeber es als Notwendigkeit ansah, das sich im Zuge der Industrialisierung stark wandelnde Erwerbsverhalten in Handel· und Gewerbe weiter zu reglementieren. 5. Die Bestimmungen der Strafgesetzbücher zum Schutz gewerblichen Schaffens Außer den erwähnten Gesetzen sind es vor allem Strafbestimmungen der im Laufe des 19. Jahrhunderts entstehenden Strafrechtskodifikationen, zunächst der Territorialstaaten und später des Deutschen Reichs, welche dem Rechtsschutz des Erwerbslebens und der Handel- und Gewerbetreibenden untereinander zu dienen geeignet waren. 152 Die Reichsregierung sah, wie erwähnt, bei der Einführung der Gewerbefreiheit das RStGB als maßgebliches Instrument zu deren Begrenzung an. 153 Neben einzelnen Bestimmungen, die schon aufgrund ihrer allgemein gehaltenen Fassung auch für Verhalten im wirtschaftlichen Wettbewerb gelten konnten, wie Besicherung der in land- und forstwirtschaftlichen Betrieben beschäftigten Personen v. 5.5.1886 (RGBl. 132). Zu der eigenständigen Problematik des Schutzes des Urheberrechts, vgl. Dölemeyer (wie Fn. 114); UrhG betr. das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken v. 11.6.70 (RGBl. 339); UrhG betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künsten v. 9.1.1876 (RGBL. 4); Gesetz betr. den Schutz der Photographien gegen unbefugte Nachbildung v. 10.1.1876 (RGBl. 8). 151 RGBl. 145. 152 Helmut Coing , Europäisches Privatrecht, Bd. II, 19. Jahrhundert, München 1989, 172; Elmar Wadle, Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs von 1896 - Etappe eines zögerlichen Beginns, JuS 1996,1065 ff. 153 Eucken (wie Fn.55), 5; Lammel (wie Fn. 19), 366.

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trug oder Untreue oder das unbefugte Führen von Titeln und Orden 154 , standen Normen, die typische, als strafwürdig erachtete Erscheinungsformen des Verhaltens Handel- und Gewerbetreibender im Erwerbsleben ahndeten. Hierzu sind Bestimmungen gegen den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen, gegen den Kennzeichenmißbrauch und gegen die Verbreitung unwahrer Behauptungen zu rechnen. a) Die Verbreitung

unwahrer Behauptungen

Ihren Ursprung hatten die Bestimmungen gegen die Verbreitung unwahrer oder nicht erweislich wahrer Behauptungen über einen Dritten in den Vorschriften über die die vermögensrechtliche Beziehung schädigende Ehrverletzung der partikularen Strafgesetzbücher des 19. Jahrhunderts. Die betreffenden Bestimmungen enthielten meist nicht nur die Bestrafung der die Ehre beeinträchtigenden üblen Nachrede bzw. Verleumdung. Sie regelten vielmehr die die Geschäftstätigkeit beeinflussende und demgemäß hier besonders interessierende Herabsetzung eines Mitbewerbers ausdrücklich mit. So lautet etwa Artikel 201 des Kriminalgesetzbuches für das Königreich Sachsen vom 30. Mai 1838:155 „Außer den allgemeinen Rücksichten, welche bei Zumessung der Strafen zu nehmen sind, ist die Strafbarkeit der Ehrverletzung insbesondere zu beurteilen: ...nach den Folgen, die für des Beleidigten Geschäftsbetrieb oder Fortkommen daraus entstehen können".

Artikel 265 des Allgemeinen Kriminalgesetzbuches für das Königreich Hannover vom 8. Aug. 1840 hatte folgenden Wortlaut: 156 „Vorausgesetzt daß die Injurien kein schweres Verbrechen enthalten, sollen dieselben in folgenden Fällen criminell bestraft werden:

III. wenn die Beleidigung auf die bürgerliche Achtung des Beleidigten, seine Standesverhältnisse, seine Geschäftsbetrieb und sein Fortkommen besonders nachteilig einwirkt." 154 Oft waren die Bestimmungen wegen ihrer allgemeinen Fassung zum Schutz des Erwerbsleben jedoch wenig geeignet. Beispielsweise §241 des Preußischen StGB von 1851, der Betrugsparagraph, setzte nach allgemeiner Meinung der Zeit Identität von Getäuschtem und Geschädigten, außerdem den Nachweis eines Vermögensschadens und des Vorsatzes des Schädigers voraus. Einen Schutz des Konkurrenten konnte der Betrugsparagraph insbesondere durch dieses Identitätserfordernis nur in Ausnahmefällen vermitteln, zum Verbraucherschutz eignete er sich aufgrund der naturgemäß schweren Nachweisbarkeit der beiden zuletzt genannten Merkmale nur sehr bedingt, vgl. hierzu M.M. Kohler (wie Fn. 158), 48; Hans Volleth, Die Entstehung und Wirkung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, phil. Diss., Erlangen 1923, 12. 155 Ebd., 7. 156 Ebd.; ähnliche Artikel enthalten Art. 284 des StGB des Kgr. Württemberg v. 1. März 1839; Art. 307 des StGB des Ghzt. Hessen v. 17. September 1841 und Art. 192 des Thüringischen StGB v. 1850. Art. 124 des StGB für Lübeck v. 20. Juli 1863.

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Beide Bestimmungen geboten demnach ausdrücklich, die Auswirkungen auf den Gewerbebetrieb bei der Beurteilung der strafbaren Handlung in Betracht zu ziehen. Für Handel- und Gewerbetreibende waren diese Bestimmungen durchaus von Nutzen. Ihr Nachteil war jedoch, daß sie die Gefährdung der vermögensrechtlichen Beziehungen eines Konkurrenten nur bestraften, wenn diese mit einer Beleidigung einherging. 1 5 7 Andere wiederum, wie etwa Art. 202 des Kriminalgesetzbuches für das Herzogtum Braunschweig v. 10. Juli 1840, behandelten die kreditverletzende Äußerung zwar als eigenständiges Delikt. 158 Sie setzten jedoch den Eintritt eines Schadens voraus, das heißt den Nachweis des Betreffenden, den angestrebten Kredit nicht bekommen zu haben. Erst Art. 124 des StGB für Lübeck v. 20. Juli 1863 schuf dahingehend Abhilfe, daß weder eine Beleidigung noch ein konkreter Schaden vonnöten war, sondern die Gefährdung des Kredits ausreichte. Er lautete: „Wer in Beziehung auf einen Anderen unwahre Thatsachen behauptet oder verbreitet, welche dessen guten Ruf oder Kredit zu gefährden geeignet sind, macht sich der Verleumdung schuldig und wird mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Ist die Verleumdung öffentlich begangen, so ist die Strafe Gefängnis bis zu einem Jahre. Eine öffentliche Verleumdung ist vorhanden, wenn die Verleumdung an einem öffentlichen Orte oder in einer öffentliche Zusammenkunft, oder wenn sie durch Schriften, Abbildungen oder Darstellungen geschieht, welche verkauft, verteilt oder umhergetragen, oder an Orten, welche dem Publikum zugänglich sind, ausgestellt oder angeschlagen werden. Wird festgestellt, daß mildernde Umstände vorhanden sind, so kann in allen Fällen die Strafe auf Geldbuße bis zu neunhundert Mark bestimmt werden."

Diesem Paragraphen kam nach Passow wegweisende Bedeutung für den Verleumdungsparagraphen des Reichsstrafgesetzbuchs zu, da die für den Konkurrentenschutz äußerst wichtige Gefährdung des Kredits formuliert wurde. 159 Unter dem Wettbewerbsaspekt mußte sich jedoch nachteilig auswirken, daß die ausdrückliche Erwähnung der Schädigung des Geschäftsbetriebs hier fehlte. Durch den Schutz des Kredits war nach damaliger Ansicht das Vertrauen kreditverschaffender Dritter, insbesondere von Geschäftsfreunden, Lieferanten und Bankiers, geschützt, daß der Be157

Richard Passow, Die Kreditgefährdung des § 187 StGB in historischer, dogmatischer und kritischer Darstellung, jur. Diss., Breslau 1902, 2ff. 158 Art. 202 des Kriminalgesetzbuches für das Hztm. Braunschweig v. 10. Juli 1840 lautet, „Wer über einen Anderen, ohne ehrkränkende oder verleumderische Absicht, jedoch wissentlich falsche, demselben nachteilige Nachrichten verbreitet, soll, wenn durch seine Handlung ein erheblicher Schaden entstanden ist, mit Gefängnis bis sechs Monaten oder verhältnismässiger Geldstrafe, sonst polizeilich mit Gefängnis oder Geldstrafe bestraft werden". Eine ähnliche Bestimmung enthält Art.338 des StGB für das Kgr. Sachsen v. 13.August 1855, hierbei ist die Besonderheit zu beachten, daß die Vorschrift von der Beleidigung gelöst und in dem Kapitel „Von anderen Beeinträchtigungen fremden Eigentums" enthalten ist. 159 Passow (wie Fn. 167), 4, mit Verweis auf § 187 RStGB.

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treffende seine vermögensrechtlichen Verpflichtungen erfüllen kann, erfüllen will und erfüllen muß.m Eine Erwähnung des Geschäftsbetriebs statt des Kredits hätte jedoch nicht nur diesen, sondern auch die sog. Geschäftsehre des Betreffenden, also die Gefährdung seines Rufs beim Publikum, einem ausdrücklichen und vom lauterkeitsrechtlichen Aspekt gleich wichtigen Schutz unterworfen. 161 So blieb der Betroffene diesbezüglich auf die allgemeine Formulierung des „guten Rufs" angewiesen. Der dem Reichstag vorgelegte Entwurf eines Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund enthielt zunächst keine Bestimmung über den strafrechtlichen Schutz des Kredits. 162 Gegen diese Verringerung des Schutzes der Handel- und Gewerbetreibenden gegenüber den partikularrechtlichen Strafgesetzbüchern wurden Einwände erhoben. 163 Durch die vom Bundestag eingesetzte Kommission wurde daher in § 184 des Entwurfs im Abschnitt über die „Beleidigung" die kreditgefährdende, nicht erweislich wahre Behauptung unter Strafe gestellt. In den Bundestags Verhandlungen wurde diese Erweiterung als ungerechtfertigte Privilegierung der Kaufleute und Gewerbetreibenden, beispielsweise gegenüber den Landwirten, kritisiert. 1 6 4 Außerdem wurde die Schutzwürdigkeit des Kredits als solche in Frage gestellt. Angesichts der Schäden, die Kreditunwürdige anrichteten, sei es in vielen Fällen besser, die Kreditwürdigkeit eines Handel- oder Gewerbetreibenden grundsätzlich anzuzweifeln, als ein solches Vorgehen unter Strafe zu stellen.165 Als Kompromiß einigte man sich auf eine Strafbarkeit bei bewußt falschen, kreditschädigenden Äußerungen. In der endgültigen Fassung erhielt § 187 dann folgenden Wortlaut: „Wer wider besseren Wissens in Beziehung auf einen Anderen eine unwahre Thatsache behauptet oder verbreitet, welche... dessen Kredit zu gefährden geeignet ist, wird wegen verleumderischer Beleidigung mit Gefängnis bis zu zwei Jahren und, wenn die Verleumdung öffentlich oder durch Verbreitung von Schriften, Abbildungen oder Darstellungen begangen ist, mit Gefängnis nicht unter einem Monat bestraft. Sind mildernde Umstände vorhanden, so kann die Strafe bis auf einen Tag Gefängnis ermäßigt, oder auf Geldbuße bis zu neunhundert Mark erkannt werden."

Begrenzt wurde der Schutz inhaltlich auf bewußt falsche Kreditgefährdung. Ohne Ahndung blieben Äußerungen, welche - unabhängig von einer Kreditschädigung - den Betrieb oder den Absatz des Betroffenen zu schädigen geeignet waren. 160

Ebd., 14. Adolf Lobe, Die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Bd. 1, Leipzig 1907,31 f., unterscheidet Kredit und Geschäftsehre ebenfalls in dem genannten Sinne. Ebenso nennt etwa das heutige UWG in § 14 Abs. 1 „Betrieb des Geschäfts" und „Kredit des Inhabers" nebeneinander. Bemerkenswert ist, daß der Wegfall der Formulierung des Geschäftsbetriebs z.B. im Sächsischen StGB von 1855 gegenüber dem StGB von 1838 ohne weitere Begründung erfolgt, vgl. Passow (wie Fn. 167), 3 Fn. 1. 162 Passow (wie Fn. 167), 4. 163 Ebd., 6 mwN. 164 Abg. v. Kardorff \ Sten. Ber. über die Verhandlungen des Reichstages des Norddeutschen Bundes, Sess. 1870, 646. 165 Abg. Lasher, ebd. 161

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Das als Reichsgesetz in das Deutsche Reich übernommene Strafgesetzbuch des Norddeutschen Bundes166 entsprach insofern der Schutzreichweite zahlreicher partikularrechtlicher Gesetzbücher, etwa der des lübischen. Zumindest die Berücksichtigung der Auswirkungen der Behauptungen auf den Geschäftsbetrieb hatten das sächsische und das hannoversche Strafgesetzbuch bei der Strafbemessung ermöglicht. Das RStGB bewirkte in dieser Hinsicht eine Schutzverringerung hinsichtlich des schädigenden Verhaltens eines Gewerbetreibenden gegenüber einem anderen. Teile der deutschen Handels- und Gewerbekreise sahen sich im Gefolge der Reichsgründung demnach im Hinblick auf den Schutz vor geschäftsschädigenden Äußerungen Dritter mit geringeren Rechtsschutzmöglichkeiten konfrontiert als sie einige der außer Kraft getretenen Partikulargesetzbüchern gewährt hatten. b) Der Kennzeichenmißbrauch Neben verschiedenen spezialgesetzlichen Bestimmungen zum Schutz der Kennzeichen schufen manche Staaten noch vor der Reichsgründung und dem Erlaß des MSchG von 1874 einen Schutz der Kennzeichen durch allgemeine strafrechtliche Normen. 167 In Preußen beispielsweise übernahm § 269 des StGB für die preußischen Staaten vom 14. April 1851 die §§ 1 und 2 des Preußischen Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnung vom 4. Juli 1840. Demgemäß waren ausschließlich Name und Firma schutzberechtigt. Diese Bestimmungen stellten die Grundlage des Kennzeichenschutzes in Preußen bis in die siebziger Jahre dar. Auch Bayern nahm außer in Spezialgesetzen einen Kennzeichenschutz in sein Strafgesetzbuch auf und schützte so neben Name und Firma auch „Fabrik- und Gewerbszeichen". 168 Davon sind die Länder zu unterscheiden, die, wie etwa Baden 169 und Sachsen170, den Kennzeichenschutz ausschließlich in Strafgesetzbüchern regelten, und Staaten wie Kurhessen, die weder ein Spezialgesetz erließen, noch eine entsprechende Bestimmung in ihre Strafgesetzbücher aufnahmen. Hier erfolgte der Schutz nur über allgemeine Normen des Strafrechts, wie etwa den Betrugsparagraphen. 171 Kohler stellte für die Phase vor der Reichsgründung fest, daß abgesehen von Preußen in Deutschland zwar ein territorial unterschiedlicher, aber insgesamt weitreichender, auch figürliche Marken umfassender Kennzeichenschutz bestand.172 Dies änderte sich mit Einführung des Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund, welches nahezu unverändert das Preußische StGB von 1851 übernahm 173, 166

RStGB v. 15.5. 1871, (RGBl. 127). Vgl. hierzu die ausführliche Darstellung bei Kohler (wie Fn. 102), 53 ff. 168 Ebd., 55. 169 §444 des Badischen Strafgesetzbuches, vgl. Kohler, (wie Fn. 102), 55. 167

170

Art. 312 des Sächsischen Strafgesetzbuches, ebd. Ebd. 172 Ebd. ^ Wadle (wie Fn.68), 165. 171

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und der Übernahme dieses Gesetzes als Reichsstrafgesetzbuch durch das Deutsche Reich. Die den Warenzeichenschutz betreffende neue Strafbestimmung des § 287, die den Schutz der partikularrechtlichen Strafgesetzbücher ersetzte, bedeutete somit für Teile des Reiches eine Schutzverringerung. 174 Der strafrechtliche Schutz war nun reichseinheitlich auf Name und Firma beschränkt, auf den früher geforderten Zusatz von Wohn- oder Fabrikort wurde verzichtet. Kohler wies darauf hin, daß diese Norm den Bedürfnissen der Zeit nicht entsprechen konnte.175 Die Bedeutung des Paragraphen war jedoch angesichts des bald erlassenen MSchG gering. Ausdrücklich wurde er jedoch erst im Zuge der Erneuerung des MSchG durch das Warenzeichengesetz von 1894 außer Kraft gesetzt.176 Auch im Bereich des Kennzeichenschutzes ging mit der Reichsgründung demnach zunächst eine Verringerung des Schutzes für Handel- und Gewerbetreibende einher. c) Der Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen In Deutschland hatten bis in die sechziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein zahlreiche Staaten in ihren Strafgesetzbüchern Paragraphen aufgenommen, die den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen gesondert regelten. 177 Hierbei ging es um den Schutz von Kenntnissen, die im Zusammenhang mit einem Geschäft oder Betrieb standen, welche nur einem kleinen Personenkreis bekannt waren und an deren Geheimhaltung der Geschäfts- oder Betriebsinhaber ein besonderes Interesse hatte, da sie ihm regelmäßig wirtschaftliche Vorteile gegenüber Mitbewerbern sicherten. Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse waren daher naturgemäß der Gefährdung durch Mitbewerber ausgesetzt.178 174

§287 lautete, „Wer Waaren oder deren Verpackung fälschlich mit dem Namen oder der Firma eines inländischen Fabrikunternehmers, Produzenten oder Kaufmanns bezeichnet oder wissentlich dergleichen fälschlich bezeichnete Waaren in Verkehr bringt, wird mit Geldstrafe von fünfzig bis zu eintausend Thalern oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Dieselbe Strafe tritt ein, wenn die Handlung gegen Angehörige eines fremden Staates gerichtet ist, in welchem nach veröffentlichtem Staatsverträgen oder nach Gesetzen die Gegenseitigkeit verbürgt ist. Die Strafe wird dadurch nicht ausgeschlossen, daß bei der Waarenbezeichnung der Name oder die Firma mit so geringen Abänderungen wiedergegeben wird, daß die letzteren nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können". 175 Kohler (wie Fn. 102), 57; vgl. auch Wadle (wie Fn.68), 165. 176 Kohler, (wie Fn. 102), 58, vertritt demgegenüber die Auffassung, daß schon das MSchG § 287 StGB aufgehoben habe. 177 Hans Schuler, Die concurrence déloyale und ihre Beziehungen zu Name, Firma, Marke, Fabrik- und Geschäftsgeheimnis, Zürich 1895; Paul Ρ rein, Der Geheimnisschutz im wirtschaftlichen Wettbewerb nach deutschem Recht, Emstetten 1932; Paul Schmid , Geschichte des Musterschutzes in Deutschland, GR 2 (1893), 143, weist einen solchen Schutz beispielsweise für Fabrikmuster im 18. Jahrhundert vor allem schon für Kursachsen nach. Er verweist hier auf die Verordnung vom 4. April 1721, betreffend die Bestrafung ungetreuer Klöppelmägde. 178 Zu dieser Definition vgl. Rudolf Krasser, Grundlagen des zivilrechtlichen Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen sowie von Know-how, GRUR 1977, 178.

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Der Geheimnisschutz der Strafgesetzbücher knüpfte in der Regel an den Artikel 418 Code pénal an, der allerdings nur das Fabrikgeheimnis schützte.179 Der Schutz differierte von einem Territorialstaat zum anderen. Im Unterschied zum Kennzeichenschutz blieben die Maßnahmen auf strafrechtliche Regelungen beschränkt. §544 des Badischen StGB von 1845 lautete etwa: „Gehilfen in Fabriken, welche die ihnen im Berufe anvertrauten Fabrikgeheimnisse zum Nachteil ihres Dienstherren unbefugterweise anderen offenbaren, werden auf Anzeige des Beschädigten, ohne Unterschied, ob solches während des Dienstverhältnisses oder nach dem Austritt aus demselben geschah, mit Gefängnis bestraft."

Die Bestimmung gewährte mit der Ausdehnung des Schutzes der durch die berufliche Tätigkeit erlangten Fabrikgeheimnisse über die Dauer des Dienstverhältnisses hinaus einen im Vergleich zu anderen deutschen Staaten besonders weitreichenden Schutz. Für die Entstehung eines gesetzlichen Schutzes der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse in Deutschland war dies von großem Interesse. Einen Schwerpunkt der Diskussion um Aufnahme eines solchen Schutzes in das UWG von 1896 bildete die Frage, ob eine Ausdehnung des Schutzes über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus eine Diskriminierung des Angestelltenstandes darstellte. § 544 des Badischen StGB ist ein Beispiel für einen solchen zeitlich unbegrenzten Geheimnisschutz. Es fehlte hier jedoch die in anderen Staaten durchaus übliche Ausweitung der Strafbarkeit auf diejenigen, die einen Gehilfen zu einem Geheimnisverrat verleiten 180 bzw. sich rechtswidrig Zugang zu einem solchen Geheimnis verschaffen. 181 Als Beispiel können Art. 323 f. des Kriminalgesetzbuches von Sachsen-Altenburg aus dem Jahre 1841 dienen.182 Sachsen verfügte darüber hinaus neben seiner straf179 Coing, (wie Fn. 162), 172f; desgl. Ludwig Fuld, Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Hannover 1896,456 f.; Josef Kohler, Der unlautere Wettbewerb, Berlin/Leipzig 1914, 250f., mit Beispielen des Geheimnisschutzes im kontinentalen Rechtskreis aus Spanien, Holland, Belgien und Portugal. Artikel 418 Code pénal lautete, „Jeder Direktor, Kommis, Arbeiter einer Fabrik, welcher Fremden oder in fremden Ländern sich aufhaltenden Franzosen Geheimnisse der Fabrik, bei welcher er angestellt ist, mitteilt, soll mit Gefängnis von zwei bis fünf Jahren und einer Geldstrafe von fünfhundert bis zweitausend Francs bestraft werden. Sind solche Geheimnisse Franzosen, die in Frankreich wohnen, mitgeteilt worden, so soll die Strafe in dreimonatigem bis zweijährigen Gefängnis und in einer Geldbuße von fünfzehn bis zweihundert Francs bestehen". 180 Ein solcher Schutz bestand etwa durch Art. 320 des Thüringer StGB und Art. 372 des Sächsischen StGB von 1868. 181 Zusätzlich zu den vorgenannten noch Art. 237 des Braunschweiger StGB 1840 und Art. 338 des Bayrischen StGB von 1861. Art. 370 des Württembergischen StGB von 1839 enthielt dagegen nur den Geheimnisverrat durch Gehilfen ohne jede Erweiterung. Des weiteren existierten Vorschriften in Hamburg in Art. 20 des Kriminalgesetzbuches vom 30.4.1869, in Hannover in Art. 218 des Kriminalgesetzbuches vom 8.8.1840 und in Lippe Detmold nach dem Gesetz vom 18.7.1863. 182 Art. 323 f. lauteten,

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gesetzlichen Bestimmung noch über eine Vorschrift zum Schutz der Fabrikgeheimnisse in den §§72 ff. des Sächsischen Gewerbegesetzes von 1861. Anders hingegen sah die Situation in Preußen aus. In Preußen existierte nur § 155 des Strafgesetzbuches für die Preußischen Staaten vom 14. A p r i l 1851. 1 8 3 Dieser war dem Art. 378 Code pénal nachempfunden und stellte das wissentliche Ausplaudern von Geheimnissen 184, welche der beruflichen Schweigepflicht unterlagen, unter Strafe. 185 Wie Art. 378 Code pénal gliederte man ihn in den Abschnitt der Ehrverletzungen ein. Nach seinem Wortlaut hätte § 155 den Schutz des gewerblichen Geheimnisses umfassen können, doch war schon nach den Motiven nur an Mediziner, Advokaten, Hebammen, Geistliche, Apotheker sowie deren Gehilfen gedacht worden. 1 8 6 Hieran hielt sich auch die Rechtsprechung. Preußen blieb damit ohne einen in anderen deutschen Staaten vorhandenen Schutz. Berner führte zur Begründung an, daß der Gesetzgeber davon ausgegangen sei, daß die Ahndung einer aus einem Privatverhältnis entspringenden Treuepflichtverletzung Sache der Vertragsparteien sei. 1 8 7 Tatsächlich finden sich jedoch keine Nachweise dafür, daß der Gesetzgeber dieses Problem überhaupt diskutierte. Bei der Schaffung eines Strafgesetzbuches durch den Norddeutschen Bund wurde auch in dieser Beziehung das preußische Vorbild übernommen. Die Folge war, daß auch das RStGB von 1871 keinen Schutz gegen Fabrik- und Geschäftsgeheim„Art. 323. Staatsdiener und andere öffentlich oder in Privatdiensten angestellte, oder als Arbeiter in Fabriken oder für Fabrikverleger, oder in anderen gewerblichen Unternehmungen beschäftigte Personen, welche dasjenige, was ihnen vermöge ihres Amtes, ihrer Stellung oder ihres Dienstes bekannt oder anvertraut worden ist, und dessen Geheimhaltung ihnen obliegt, Anderen mitteilen, sind ebenso, wie diejenigen, welche solche Personen zu dergleichen Mitteilungen verleiten, mit Gefängnisstrafe bis zu vier Monaten oder mit verhältnismässiger Geldstrafe zu belegen Art. 324. Gleichergestalt ist das Eindringen in fremde Geheimnisse auf unerlaubter Weise mit Gefängnisstrafe bis zu vier Monaten oder mit verhältnismässiger Geldstrafe zu ahnden." 183 Er besagte: „Medizinpersonen und deren Gehilfen, sowie alle Personen, welche unbefugterweise Privatgeheimnisse offenbaren, die von ihnen Kraft ihres Amtes Standes oder Gewerbes anvertraut sind, werden mit Geldbuße bis zu fünfhundert Thalern, oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft". Daneben existierte noch ALR II20 § 148 im Abschnitt „Von Verbrechen gegen die äußere Sicherheit des Staates". Demgemäß hatte, „wer Fabrikenvorsteher, Bediente und Arbeiter... zum Auswandern verleitet... oder sonst Fabriken und Handlungsgeheimnisse verrät, in gleichen wer seinem Vaterlande andere Vorteile dieser Art zugunsten fremder Staaten vorsätzlich entzieht, 4-8jährige Festungs- oder Zuchthausstrafe verwirkt". Aufgrund des Bezuges zum Schutz der äußeren Sicherheit des Staates war die Bedeutung dieser Vorschrift zum Schutz vor Geheimnisverrat im Wirtschaftsleben Preußens allenfalls gering, vgl. Prein (wie Fn. 187), 11. 184 F. C. Oppenhoff\ Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, Berlin 1864, 259. 185 Georg w.Beseler, Strafgesetzbuch für die Preußischen Staaten, Leipzig 1851, 328. 186 Johannes Andreas Bolle, Entwicklungslinien und systematische Stellung der Regeln über den unlauteren Wettbewerb im deutschen und englischen Recht, jur. Diss., Leipzig 1928, 27. 187 Berner, Lehrbuch des deutschen Strafrechts, Leipzig 1868, 67.

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nisse enthielt. Es fehlen in den Motiven Hinweise auf die Gründe dieser Nichtberücksichtigung. Dies überrascht zunächst angesichts der Tatsache, daß der Schutz in den Strafgesetzbüchern Bayerns, Sachsens, Württembergs, Badens, Hannovers und Thüringens enthalten war und damit in einem bedeutenden Teil des späteren Reichsgebiets.188 In der in den achtziger Jahren einsetzenden rechtswissenschaftlichen Diskussion um diese Frage wurde die Nichtberücksichtigung unterschiedlich begründet. 1 8 9 Zum einen wurde die wirtschaftsliberale Tendenz der Zeit als Grund angeführt. 190 Die „manchesterlich- liberalen Anschauungen hätten bewirkt, daß ein Bedürfnis nach einem Schutz der Betriebsgeheimnisse nicht eigentlich empfunden wurde 191 bzw. eine allzu weitgehende individualistische Auffassung dem Einfluß und der Sorge des einzelnen einen allzu weiten Spielraum gestatten zu müssen glaubte". 192 Ein weiterer Begründungsversuch geht dahin, daß die Nichtberücksichtigung Folge eines noch unzureichenden Verständnisses des Begriffs des geistigen Eigentums zu jener Zeit gewesen sei. 193 Gegen die letztgenannte Ansicht läßt sich anführen, daß der Begriff des geistigen Eigentums zur Zeit der Reichsgründung sehr wohl hinreichend entwickelt war und auch die Schutznotwendigkeit des Betriebsgeheimnisses mit Hilfe dieser Lehre begründet werden konnte. 194 Dieser Lehre fehlte zur Zeit der Reichsgründung allerdings der Rückhalt in den gesetzgebenden Körperschaften. 195 Ausgangspunkt der Gründe für den Verzicht auf Aufnahme eines solchen Schutzes war vielmehr zunächst der Umstand, daß das preußische StGB einen solchen Schutz nicht vorsah. 196 Der Einfluß Preußens bei der Schaffung des Gesetzes war maßgeblich, so daß eine Abweichung von der Vorlage des Preußischen StGB von 1851 grundsätzlich schwer denkbar war. 197 Wesentlich wird aber auch die wirtschaftsliberale Tendenz jener Zeit gewesen sein, die wie oben dargestellt in den Jahren vor der Reichsgründung die gesetzgebenden Körperschaften maßgeblich beeinflußte. Bei der Aufstellung des ersten Entwurfs war man dementsprechend in der Tradition des Preußischen StGB der Ansicht, daß ein Verrat des Betriebsgeheimnisses als solcher schlicht 188

Schuler (wie Fn. 187), 197. Hierzu auch Ρ rein (wie Fn. 187), 12 ff. 190 André , Gutachten über die Frage, ob es rathsam ist, daß Strafgesetzbuch dahingehend zu ergänzen, daß der Verrath von Geschäfts- und Fabrikgeheimnissen als Vergehen strafbar ist, in: Verhandlungen des 19. Deutschen Juristentages; Berlin und Leipzig 1888, Bd. 1, 71 ff., 101. 191 Eberhard Schmidt, Gutachten über die Frage, Bedarf das Betriebsgeheimnis eines verstärkten Schutzes, Verhandlungen des 36. Deutschen Juristentages, Berlin und Leipzig 1930, lOOff., 161. 192 André (wie Fn.200), 101. 193 Lindenberg, Verhandlungen des 19. Deutschen Juristentages, Bd. 3, 263 f. 194 In diesem Sinne auch Edwin Katz, Verhandlungen des 19. Deutschen Juristentages, Bd. 3, 256. 195 André (wie Fn.200), 101, weist auf die zu dieser Zeit „ziemlich geringschätzige Anschauung von der Gesetzgebung des geistigen Eigenthums" hin. 196 Ebd., 100; Kohler (wie Fn. 189), 251; Schmidt (wie Fn.201), 161. 197 Vgl. hierzu auch André (wie Fn.200), 101. 189

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nicht strafbar sei. 198 Zusätzlich wird der Umstand, daß die genannten partikularrechtlichen Bestimmungen vor allem von der Rechtsprechung kaum angewendet und in der Wissenschaft nur geringe Beachtung gefunden hatten, die Überzeugung gefördert haben, daß ein Schutz des Fabrik- und Geschäftsgeheimnisses nicht notwendig sei. 199 Dementsprechend wurde weder in der Entwurfskommission noch im Bundesrat, in der Reichstagskommission oder im Reichstag selber ein Antrag auf Aufnahme eines solchen Schutzes gestellt.200 In der Konsequenz bedeutete dies für die Handel- und Gewerbetreibenden aller der deutschen Staaten, in welchen zuvor nicht das preußische Recht gegolten hatte, wiederum eine erhebliche Verringerung des Schutzes. 6. Die Bestimmungen der Privatrechtsordnungen Während das neugegründete Deutsche Reich sehr bald ein reichseinheitliches Strafgesetzbuch schuf, nahm die Entstehung eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches bekanntlich mehr als zwei Jahrzehnte in Anspruch. Doch auch das bis zum Erlaß des BGB im Jahr 1900 regional unterschiedliche bürgerliche Recht enthielt keine Normen, welche speziell den Schutz des gewerblichen Schaffens, geschweige denn den Schutz des wirtschaftlichen Wettbewerbs vor unlauteren Verhaltensweisen zum Zweck hatten. Hieraus den Schluß zu ziehen, daß allgemeine zivilrechtliche Bestimmungen zur Begrenzung von Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb ohne Nutzen waren, wäre unrichtig. Es liegt jedoch auf der Hand, daß die Verwendung allgemein gefaßter Bestimmungen für den Rechtsschutz in einem sich stark wandelnden Erwerbsleben eines besonderen Beitrags der Rechtsprechung bedurfte. Insbesondere Klippel widerlegt dabei die in der rechtshistorischen Literatur oftmals wiederholte Aussage, daß der deutschen Rechtsprechung des 19. Jahrhunderts anders als derjenigen der romanischen Länder Europas die Entwicklung eines Richterrechts zum Schutz des Erwerbslebens und vor allem zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs nicht gelungen sei. 201 Er kann dabei vor allem auf die Rechtsprechung zum Rheinischen Recht verweisen, welche schon vor der Reichsgründung mittels des Art. 1382 Code civil Schutz vor sog. concurrence déloyale gewährte und auch Art. 27 ADHGB im Wege einer extensiven Auslegung zum Schutz des Wett198

Vgl. Rubo, Verhandlungen des 19. Deutschen Juristentages, 251 f. Das Ältestenkollegium der Kaufmannschaft zu Berlin weist beispielsweise daraufhin: daß aufgrund Art. 418 Code pénal in den zwanzig Jahren vor 1888 nur 36 Anklagen erhoben und 16 Verurteilungen erfolgt seien, vgl. André (wie Fn. 200), 109; zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Geheimnisschutz des Preuß. StGB vgl. Schmidt (wie Fn.201), 161. 200 Vgl. hierzu Rubo (wie Fn. 208), 251 f. 201 Die folgenden Ausführungen beruhen im wesentlichen auf Forschungsergebnissen von Klippel (wie Fn. 115), 148 ff. 199

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bewerbers vor dem Wettbewerber heranzog. 202 Da concurrence déloyale in der Übersetzung nichts anderes als unlauterer Wettbewerb bedeutet, liegt die entscheidende Bedeutung dieser Rechtsprechung für die Entwicklung eines Schutzes gegen diesen auf der Hand. Sie wird daher im folgenden kurz skizziert. Dabei wird auch ihre Grundlage im französischen Recht dargestellt, da dieses neben der Rheinischen Rechtsprechung die aufkommende Diskussion entscheidend prägte. Einer umfassenden Weiterentwicklung eines Richterrechts zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb stand jedoch bald nach Erlaß des MSchG die Rechtsprechung des Reichsgerichts entgegen. Diese Rechtsprechung und deren Gründe werden anschließend dargestellt. a) Der Sonderfall

des Rheinischen Rechts

(1) Erste Erfolge im Kampf gegen die sog. concurrence déloyale Bereits vor Erlaß des ADHGB von 1861 wird die Rechtsprechung zum Rheinischen Recht mit der Frage konfrontiert, ob ein mit den rechtlichen Bestimmungen in Einklang stehendes Verhalten eines Wettbewerbers nicht deshalb rechtswidrig sein kann, weil es gegen die Grundsätze der sog. Lehre der concurrence déloyale verstieß.203 In einem den Kennzeichenschutz betreffenden Fall beispielsweise, welchen das Rheinische AGH durch Urteil vom 30.7.1857 entschied, begehrte der Kläger Rechtsschutz gegen die Führung seiner Firma nebst eines auf sein Geschäft hinweisenden Ortszusatzes durch einen gleichnamigen Wettbewerber. Gemäß seiner ständigen Rechtsprechung entschied das Gericht, daß der Kläger den Fimennamen führen dürfe, da dieser tatsächlich seinem Namen entspreche. Da der Ortszusatz jedoch unzutreffend war und das Gericht dieses Verhalten als „eine absichtliche Handlung" empfand, „welche in ihren Wirkungen über den Begriff einer statthaften Concurrenz hinausgehend, als eine civilrechtlich unerlaubte angesehen werden muß", griff es mangels einer spezialgesetzlichen Regelung auf das allgemeine Zivilrecht zurück. Über die schadensersatzrechtliche Generalklausel des Code civil, Art. 1382 wurde dem Beklagten die Führung des Firmenzusatzes als concurrence déloyale untersagt. 204 Auch nach Erlaß des ADHGB sah die Rechtsprechung zum Rheinischen Recht weiterhin die Notwendigkeit, firmenrechtlich an sich erlaubtes Verhalten aus Grün202

Art. 1382 Code civil lautet: „Jede Handlung eines Menschen, die einem anderen Schaden zufügt, verpflichtet denjenigen, durch dessen Verschulden der Schaden entstanden ist, denselben zu ersetzen". In Deutschland fand der Code civil Eingang in den von Napoleon eroberten Gebieten. Auch nach 1813 galt er weiter, außer in der preußischen Rheinprovinz. Z.B. durch die Übernahme des Code Civil als badisches Landrecht von 1809, aber auch in der bayerischen Rheinpfalz, in Rheinhessen, im oldenburgischen Fürstentum Birkenfeld und nach 1871 in Elsass-Lothringen; zu Artikel 27 ADHGB (vgl. oben Fn. 112). 203 Vgl. Klippel (wie Fn. 115), 148 ff. 204 Ebd., 149, unter Verweis auf RheinArch 53 (1857) l.Abt., 48ff.

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den der Lauterkeit für widerrechtlich zu erklären. Hierbei behalf sich der Rheinische AGH einerseits durch ein extensives Verständnis von Art. 27 ADHGB. Er gewährte auch bei berechtigtem Gebrauch eines Familiennamens die sog. Einrede der Simulation. 205 Somit konnte auch in den Fällen gegen den Gebrauch einer Firma vorgegangen werden, in denen der Firmenname zwar befugterweise von einem Gesellschafter in eine Gesellschaft eingebracht wurde, der Gesellschafter dies aber nachweislich nur zu Wettbewerbszwecken gegenüber einer bereits etablierten Firma tat und sonst keine Rolle in der Gesellschaft spielte. Diese Rechtsprechung, nach welcher sich die Unbefugtheit eines Firmengebrauchs nicht nur aus den Vorschriften des ADHGB ergeben konnte, wurde in der Folgezeit auch vom Reichsgericht übernommen.206 Andererseits wandte der Rheinische AGH in den Fällen, in denen er den Schutz des ADHGB nicht als ausreichend empfand, Art. 1382 Code civil subsidiär an. Dies kann insbesondere für die Fälle nachgewiesen werden, in denen die Firma unbefugt auf Warenetiketten benutzt wurde. Damit war ein Fall betroffen, in dem der Art. 27 ADHGB nach übereinstimmender Auffassung von Rechtsprechung und Literatur nicht anzuwenden war. 207 Das Kölner Gericht verurteilte hier aus Art. 1382 Code civil in Verbindung mit 287 StGB zu Schadensersatz.208 Die Rechtsprechung zum Rheinischen Recht gewährte also gerade im Hinblick auf den Kennzeichenschutz Schutz vor verschiedenen Fällen von concurrence déloyale209aufgrund von Art. 1382 Code civil. Dabei konnte sie auf das Richterrecht zurückgreifen, welches die französische Rechtsprechung im Laufe des 19. Jahrhunderts entwickelt hatte. 210 (2) Die Grundlagen der Bekämpfung der concurrence déloyale Die Wurzeln dieses Richterrechts, der sog. Lehre der concurrence déloyale, sind zunächst in den Reformen der französischen Revolution zu suchen.211 Neben der Einführung von Handels- und Gewerbefreiheit bzw. Wettbewerbsfreiheit wurden in ihrem Gefolge die Grenzen des Wettbewerbs durch privatrechtlichen und strafrecht205

Ebd., insb. Fn. 112; siehe auch ders. (wie Fn. 110), 117 f. RGE v. 8.10.1880, in: PucheltsZ 12 (1880), 612f.; RGE v. 3.2.1882, in: PucheltsZ 14 (1883), 254f.; RGZ 7, 279ff. 207 Klippel (wie Fn. 115), 151, insb.Fn. 118. 208 AGH v. 17.11.1871, in: BuschsA 27 (1873), 455 ff. 209 Vgl. Klippel (wie Fn. 115), 151 f. 210 Krasser (wie Fn. 14), unter Verweis auf Urteile des Cour d'appel d'Aix von 1829 und Cour d'appel de Douai von 1843. 211 Hierzu vor allem Krasser (wie Fn. 14), 145ff.; Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 268ff.; Detlef Schumacher, Das Rheinische Recht in der Gerichtspraxis des 19. Jahrhunderts. Ein Beitrag zur Auslegung rezipierter Normen, Stuttgart und Brüssel 1969; Lammel (wie Fn. 117), 376ff.; Otto Mayer, Die concurrence déloyale. Ein Beitrag aus dem französischen Rechte zur Lehre vom geistigen Eigenthum, in: ZHR 26 (1881), 363 ff. 206

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liehen Schutz des sog. geistigen Eigentums neu gezogen.212 Auf diese Weise bestand nahezu von Beginn der Geltung des Prinzips des freien Wettbewerbs an in Frankreich ein Schutz zahlreicher gewerblicher Positionen. Bei der Annahme einer Verletzung geistigen Eigentums zeigte sich die französische Gerichtsbarkeit sehr großzügig und folgte damit den praktischen Bedürfnissen der sich schnell entwikkelnden, durch unerlaubtes Konkurrenzverhalten bedrohten französischen Volkswirtschaft. 213 In den nächsten Jahrzehnten ist in der französischen Rechtsprechung auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes eine Lösung von der Notwendigkeit einer Eigentumsverletzung als Voraussetzung der Gewährung eines Anspruchs zu verzeichnen. Im Mittelpunkt stand nunmehr die Würdigung der Verhaltensweise des Beklagten im Wettbewerb. 214 Demnach war eine Verurteilung auf Schadensersatz auch dort möglich, wo von einer Verletzung eines Eigentumsrechts eigentlich nicht mehr gesprochen werden konnte und auch eine andere gesetzliche Grundlage nicht ersichtlich war. Motor dieser Entwicklung war vor allem das Kennzeichenrecht. Hier zeigte sich früh die Notwendigkeit, in gewissen Fallkonstellationen, in denen die „Konturen des Eigentums" unscharf wurden, auf eine Verhaltensbewertung anstelle des Objektschutzes abzustellen.215 Begründet wurde dieses Vorgehen der französischen Gerichte folgendermaßen: Die Gewerbefreiheit und damit auch die Wettbewerbsfreiheit sei ein Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit und als solche zwar ein geheiligtes Prinzip, aber dieses sei durch Anstand und Sittlichkeit begrenzt. 216 Die Sicherung dieser Grenze des freien Wettbewerbs erachtete die französische Rechtsprechung als ihre Aufgabe. Neben dem gesetzlich geregelten Schutz von Patentrecht, Urheberrecht und Markenrecht wurde der Schutz der Wettbewerbsordnung so durch Anwendung reinen Billigkeitsrechts auf eine zweite Säule gestellt. Krasser weist daraufhin, daß sich diese Entwicklung in den frühen fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts vollzog. 217 Parallel hierzu begann sich die Bezeichnung concurrence déloyale für diese von den Gerichten als unerlaubte Mittel im Konkurrenzkampf beschriebenen Verhaltensweisen durchzusetzen. Erst in einem weiteren Schritt wurde die Verbindung zu dem erwähnten Art. 1382 Code Civil gezogen, aber auch zu Art. 1383 Code civil. 2 1 8 212

Krasser (wie Fn. 14), 146ff. Ebd., 151. 214 Vergleiche hierzu auch Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 93. 215 Krasser (wieFn.14), 151. 216 So ein Urteil des Tribunal de commerce de Versailles, 23.4.1852, bestätigt durch Cour d'appel de Paris 29.12.1852, D. 1853, 2,163; vgl. Krasser (wie Fn. 14), 151. 217 Ebd., 152. 218 Art. 1383 Code civil hatte folgende Fassung,, Jeder ist für den Schaden verantwortlich, welche er durch seine Handlung oder auch nur durch seine Nachlässigkeit oder Unvorsichtigkeit verursacht hat." 2,3

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Ausgehend von der Schadensersatzpflicht für mißbräuchliche, gegen Anstand und Redlichkeit verstoßende Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb begann die französische Rechtsprechung dann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein umfassendes Schutzsystem gegen unlauteres Verhalten im Verkehr zu entwickeln. 219 Im Mittelpunkt dieser Rechtsprechung stand für die französischen Richter die Erkenntnis, daß es im Konkurrenzkampf so viele unlautere wie lautere Handlungsweisen gebe und die Grenze zwischen beiden nur mit Hilfe einer Generalklausel, wie Art. 1382 Code civil gezogen werden könne. Die französische Rechtsprechung erkannte dabei im Laufe der Jahre ein aus der Gewerbefreiheit folgendes Recht auf freien Wettbewerb an, welches durch verschiedenste Verhaltensweisen verletzt werden konnte. 220 Dementsprechend konnte beispielsweise die Gesamtheit der Erwerbs- und Geschäftsbeziehungen, insbesondere das Vertrauen der Kundschaft eines Gewerbetreibenden, als ein Recht, das Recht auf „achalandage", verstanden werden. Der Schutz des gewerblichen Schaffens erfolgte so in Frankreich entweder aufgrund der Spezialgesetze zum Schutz der Ergebnisse gewerblichen Schaffens oder zum Kennzeichenschutz oder auf der Grundlage der Art. 1382 f. Code civil. Die Art. 1382 f. Code civil konnten dabei sowohl zusätzlich bei der Verletzung des geistigen Eigentums als auch bei der Verletzung des Rechts auf freien Wettbewerb herangezogen werden. 221 Zum Schutz der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse diente zusätzlich Art. 418 Code pénal, so daß diese zivil- und strafrechtlich geschützt waren. So gelang es bis zum Ende des 19. Jahrhunderts eine Wettbewerbsordnung zu entwickeln, die als bemerkenswertes Beispiel französischer Rechtskultur angesehen wurde und in ganz Europa große Beachtung genoß.222 In der Literatur wurde diese Judikatur seit der Mitte des Jahrhunderts unter anderem begleitet und kommentiert von dem später auch in Deutschland viel zitierten Pariser Anwalt Eugen Pouillet. Pouillet unterteilte die Fülle der auf der Grundlage des Art. 1382 Code civil erlassenen Urteile in drei große Fallgruppen, jede mit zahlreichen Unterfallgruppen: 223 Zur ersten Gruppe zählten unter dem Oberbegriff der Aneignung fremder Geschäftsbeziehungen der unlautere Gebrauch fremder Kennzeichen, von Etablissementbezeichungen und Bücher- und Zeitungstiteln.224 Dane219

Mayer (wie Fn.221), 374 ff. Julius Bachem, Wie ist dem unlauteren Wettbewerb in Handel und Gewerbe zu begegnen?, Köln 1893, 9. 221 Vgl. hierzu auch Richard Alexander-Katz, Die unredliche Konkurrenz, Juristische Betrachtungen, Berlin 1892, 17. 222 Ebd., 18. 223 Vgl. Eugen Pouillet,„Des Marques de fabrique et de la concurrence déloyale", 3. A, Paris 1892, 510ff.; ähnlich, unter Verweis auf Pouillet und zahlreich weitere französische Autoren; Mayer (wie Fn.221), 378f; vgl. auch Krasser (wie Fn. 14), 145ff. 224 Ebd., unter Verweis auf Urteile des Cour d'appel d'Aix von 1829 und Cour d'appel de Douai von 1843. 220

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ben faßte er die Angestelltenbestechung und den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen unter diese Fallgruppe. 225 Unter die zweite Gruppe fielen verschiedene Fälle der Unterdrückung des Mitbewerbers, wie beispielsweise die Verbreitung unwahrer Behauptungen über einen Konkurrenten. 226 Zur dritten gehörten alle Fälle der täuschenden Anmaßung besonderer Vorzüge, also Fälle der unlauteren Werbung, insbesondere auch der Ausverkaufsschwindel. 227 Zur Zeit der Urteile des Rheinischen AGH bestanden in Frankreich folglich schon eine gefestigte Rechtsprechung zum Schutz vor concurrence déloyale und erste Systematisierungsversuche in der Literatur. Frankreich hatte somit das Problem des Rechtsschutzes des Erwerbslebens vor unlauteren Verhaltensweisen mittels einer schadensersatzrechtlichen Generalklausel im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung gelöst. Neben den spezialgesetzlichen Rechtsbehelfen zum Schutz der als geistiges Eigentum eingeordneten Positionen, wie etwa Marke und Patent, wurde mittels des flexiblen Art. 1382 Code civil das Verhalten der Wettbewerber reguliert. Die Notwendigkeit hierzu hatte sich aufgrund der im Vergleich zu Deutschland lange zuvor etablierten Gewerbefreiheit und der etwa fünfzig Jahre früher einsetzenden Industrialisierung schon früh ergeben. Das System funktionierte nach Ansicht der Zeitgenossen sehr gut. 228 Hinsichtlich des Vorgehens der Rechtsprechung zum Kennzeichenschutz im Rheinischen Recht zeigt Klippel jedoch, daß die französische Rechtsprechung in den fünfziger Jahren schon rigorosere Grundsätze entwickelt hatte und beispielsweise bei einer Verwechslungsmöglichkeit vom Beklagten eine Firmenänderung forderte. 229 Daraus ergibt sich die Eigenständigkeit der Rechtsprechung zum Rheinischen Recht auf diesem Gebiet. Rechtsgrundlage und Art der Verwendung sind der französischen Rechtsprechung nachweislich entlehnt. Die konkrete Umsetzung wurde jedoch auch selber entwickelt. Potentiell hätten auch in den Geltungsbereichen anderer Kodifikationen in Deutschland generalklauselartig gefaßte Schadensersatzbestimmungen eine Rechtsgrundlage zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb darstellen können. Vergleichbare Bestimmungen enthielten beispielsweise das Preußische ALR (I, 6 §§ 8-14), das Bayerische Landrecht (IV, 16, § 6) und § 116 des Sächsischen BGB. Vor allem Josef Kohler hat sich sehr bemüht, die Verwendung solcher allgemeiner Bestimmungen zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb nachzuweisen und zu fordern, jedoch mit geringem Erfolg. 230 225

Beispielsfälle, Alexander-Katz (wie Fn.231), 12. Pouillet (wie Fn.233), 14f. 227 Auch Alexander-Katz, ebd. 12ff., berief sich in seiner Darstellung des französischen Rechtsschutzes auf Pouillet; auch Bachem (wie Fn. 230), 49. 228 Bachem (wie Fn.230), 51 f. 229 Klippel (wie Fn. 115), 149f. 230 Kohler (wie Fn. 189), 36 ff.; Klippel, (wie Fn. 115), 154, verweist auf ein Urteil des OLG Braunschweig und zwei des OLG Dresden, in welchen der Schutz gegen unlauteren Wettbewerb mittels allgemeiner zivilrechtlicher Bestimmungen gewährt wurde. 226

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Die Rechtsprechung zum Rheinischen Recht blieb insofern eine Ausnahme. Hier bestand schon vor der Reichsgründung ein Schutz gegen als concurrence déloyale bezeichnete Verhaltensweisen von Wettbewerbern im Erwerbsleben. Dies ermöglicht eine erste Definition dessen, was concurrence déloyale hier bedeutete. Der Begriff umfaßte eine Vielzahl verschiedener, als unerlaubt erachteter Verhaltensweisen von Wettbewerbern im wirtschaftlichen Alltag, welche in den Spezialgesetzen nicht geregelt waren. Die Rechtswidrigkeit dieser Verhaltensweisen ergab sich aus der Überzeugung der Rechtsprechung, daß es sich hierbei um unerlaubtes Verhalten handele, vor welchem der betroffene Mitbewerber mittels zivilrechtlicher Schadensersatznormen zu schützen war. Die Rechtsprechung zur concurrence déloyale füllte demnach ursprünglich Lücken der bestehenden Rechtsordnung zum Schutz gewerblichen Schaffens. b) Der Rechtsschutz gegen die concurrence déloyale nach Erlaß des MSchG Das MSchG von 1874 griff Klagen aus Handels- und Gewerbekreisen über Kennzeichenmißbräuche auf und half ihnen ab, ohne sich der genannten Fälle unlauteren Wettbewerbs im Kennzeichenrecht anzunehmen oder ein Verständnis des Begriffs zu offenbaren. 231 Eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung zum Schutz vor den Fällen der concurrence déloyale wäre dementsprechend zu erwarten gewesen, zumal ja die Rechtsprechung zum Rheinischen Recht die Notwendigkeit einer solchen Rechtsprechung andeutete und gleichzeitig einen in Frankreich bewährten Schutzweg als Lösung aufzeigte. Doch das Reichsgericht setzte das restriktive Verständnis in vielen Bereichen des Kennzeichenschutzes in der Tradition der gerichtlichen Entscheidungen zu Art. 27 ADHGB aus den sechziger und siebziger Jahren fort. Dies bestätigte sich nach Erlaß des MSchG. 232 Das Reichsgericht verneinte beispielsweise, daß es sich bei Geschäftsbezeichnungen, den sog. Etablissementsbezeichnungen, um einen Namen oder eine Firma im Sinne von § 13 Abs. 1 MSchG handelte. Diesen Fall behandelte das französische Recht als concurrence déloyale.233 Eine subsidiäre Anwendung dieser Erkenntnisse der Rechtsprechung zur concurrence déloyale und eine Anwendung des Art. 1382 Code civil neben dem neuen MSchG lehnte das Reichsgericht jedoch ab. 234 Von nun an vertrat es in ständiger Rechtsprechung, daß der Firmen- und Markenzeichenschutz im MSchG und ADHGB erschöpfend und einheitlich geregelt sei. 235 Firma und Markenzeichen seien die einzigen Mittel, „um sich gegen illoyales Verhalten von Konkurrenten zu schützen".236 231

s.o. Klippel (wie Fn. 115), 151 f.; ders. (wie Fn. 110), 145 ff. 233 Vgl. hierzu RichardAlexander-Katz, (wie Fn.231), 12; Mayer (wie Fn.221), 397. 234 Klippel (wie Fn.U5), 151. 235 RGZ 3, 69. 236 RGZ 6, 76; ferner RGZ 14, 69ff.; 18, 28ff.; 20, 71 ff.; 25, 114ff.; 29, 56ff.; vgl. auch OLG Colmar v. 10.1.1888, in: PucheltsZ 19 (1889), 684ff. 232

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Ein darüber hinausgehender Schutz mittels allgemeiner zivilrechtlicher Normen zum Schutz vor unlauterer Konkurrenz wurde somit ausdrücklich abgelehnt. Diese Rechtsprechung des Reichsgerichts ist für die Entwicklung des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb in Deutschland von großer Bedeutung. Auch wenn die Rechtsprechung zum Rheinischen Recht in den Folgejahren in einigen Fällen eine subsidiäre Anwendung des Art. 1382 Code civil zum Schutz in Fällen von concurrence déloyale trotz der reichsgerichtlichen Entscheidung bejahte, so war doch der Weg zu einem reichseinheitlichen Schutz durch Richterrecht versperrt. Die letztinstanzliche Entscheidung stand der Entfaltung einer Rechtsprechung zum Schutz des Erwerbslebens entgegen. Die rechtsgeschichtliche Literatur hat sich häufig mit der Frage nach den Gründen für diese aufgrund ihrer weitreichenden Wirkung teils als „ungeheuerlich" 237 bezeichnete Haltung beschäftigt. Die naheliegendste Begründung verweist darauf, daß das Reichsgericht seine Haltung den Motiven des Gesetzgebers zum MSchG entnommen habe. Hier wurde das Gesetz tatsächlich als abschließende zivilrechtliche Regelung des Schutzes der Warenbezeichnungen bezeichnet.238 Insofern erschiene die Rechtsprechung des Reichsgerichts als schlichte Umsetzung des gesetzgeberischen Willens. 239 Ein weitergehender Ansatz beherrschte die Literatur im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts und wird auch heute noch zur Erklärung herangezogen.240 Beginnend mit Otto Mayer wurde vertreten, daß die Entscheidung des Reichsgerichts das Verständnis der damaligen Zeit von der Gewerbefreiheit und den Möglichkeiten ihrer Einschränkung durch Gesetz und Rechtsprechung repräsentiere. 241 Durch die Einführung der Gewerbefreiheit sei das „Gebiet des Gewerbebetriebs in Deutschland ein Gebiet wirklicher Freiheit... Dem Mitbewerber ist von vornherein alles erlaubt, was nicht besonders und ausdrücklich verboten ist". 2 4 2 Es fehle daher in der Regel dort, wo spezialgesetzliche Regelungen nicht existierten, an einem Recht des Einzelnen, bei dessen Verletzung ein Schadens- oder Unterlassungsanspruch gewährt werden könnte. Das französische Recht habe diesem Problem durch Anerkennung eines Rechts auf Mitbewerbung abgeholfen. Die Heranziehung des Art. 1382 Code civil sei daher in Frankreich ohne weiteres zu begründen. 243 Da ein solches privates Recht durch die Rechtsprechung in Deutschland keine Anerkennung gefunden habe, gebe es keine Möglichkeit der subsidiären Anwendung einer schadensersatzrechtlichen Generalklausel. Gewerbliche Freiheit und 237

Baumbach/ Heferme hl (wie Fn. 5), 92. Später hat Hefermehl diese Wertung abgeschwächt. 238 Z. B. Franz Greiner, Die Entstehungsgeschichte der Generalklausel im Reichsgesetze gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909, jur. Diss., Erlangen, 1925, 35 f. 239 RGZ 3, 69 verweist insofern auf die tatsächlich so formulierten Motive, vgl. Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 2. Leg., 2.Sess. 1874/75, Drucksache Nr. 20. 240 Krasser (wie Fn. 14), 161 f. 241 Mayer (wie Fn.221), 363 ff.; femer Alexander-Katz (wie Fn.231), 17f. ™Mayer(wie Fn.221), 434. 243 Ebd., 433 f.

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Gewährung von Schutzpositionen vor den Folgen der Ausübung dieser Freiheit wurden so als Widerspruch verstanden. 244 Dieser Sichtweise ist einerseits entgegengehalten worden, daß sie das Reichsgericht zum Verteidiger eines freien, auch unlauteren Wettbewerbs macht, was aber nicht ohne weiteres angenommen werden könne.245 Andrerseits ist jedoch darauf hin zu weisen, daß dem Reichsgericht angesichts der dargelegten Sichtweise trotz der fortschreitenden Anerkennung des Namens- und des Firmenrechts als absolute Privatrechte der rechtliche Ansatzpunkt zur Anwendung einer schadensersatzrechtlichen Generalklausel fehlte. 246 Eine Anwendung des Art. 1382 Code civil oder vergleichbarer Normen hätte aus der Sicht des Reichsgerichts eine Argumentation im „luftleeren Raum" zur Folge gehabt. Dies gilt um so mehr, als Versuche, ein Recht zugunsten des geschädigten Wettbewerbers auch im deutschen Recht nachzuweisen, zumindest bis in die neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts hinein keine allgemeine Anerkennung, vor allem auch nicht durch die Rechtsprechung, gefunden hatten. 247 Mangels einer aus Sicht des Reichsgerichts tragfähigen Rechtskonstruktion konnte das Reichsgericht einen Rechtsschutz ablehnen, ohne sich als Vertreter eines schrankenlos freien Wettbewerbs zu verstehen. Ein erweiterter Schutz hätte ein Tätigwerden des Gesetzgebers verlangt. Die Vorgabe des Gesetzgebers in den Motiven zum MSchG fügte sich somit nahtlos in das Verständnis des Reichsgerichts ein. Ein weiterer entscheidender Gesichtspunkt, der erst von der neueren Literatur herausgearbeitet worden ist, legt ebenfalls die Auffassung nahe, daß die Haltung des Reichsgericht kaum anders hätte sein können.248 Ohne die dargelegte Sichtweise wäre es dem Reichsgericht nicht möglich gewesen, die Rechtseinheit auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes herzustellen und zu wahren. Statt dessen wären die einzelnen Partikularrechte bestimmend dafür gewesen, ob ein Schutz gegen concurrence déloyale zu gewähren gewesen wäre oder nicht. Das Reichsgericht wäre daher Gefahr gelaufen, auf dem stetig an Bedeutung gewinnenden Feld des gewerblichen Rechtsschutzes eines seiner zentralen Prinzipien, die Schaffung der Rechtseinheit des Reiches, preiszugeben. So gesehen beruht die Entscheidung des Reichsgerichts auf einer als Verpflichtung verstandenen Haltung, die Rechtseinheit im Deutschen Reich nach Möglichkeit zu fördern, eine Haltung, welche im übrigen auch den Motiven zum MSchG zugrundegelegen haben dürfte. In der Konsequenz verhinderte das Reichsgericht durch diese ständige Rechtsprechung eine Entwicklung des allgemeinen Zivilrechts hin zu einem Schutz gegen unlauteren Wettbewerb hinsichtlich der Verwendung von Warenbezeichnungen. Aus244

Hierzu auch Krasser (wie Fn. 14), 162. Vgl. Klippel (wie Fn. 115), 153. 246 Hierzu Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 149ff. 247 Vgl. Mayer (wie Fn.221), 435f.; vor allem Kohler (wie Fn. 102), 89, versuchte ein solches Recht nachzuweisen; s. a. Karl Gareis/Otto Fuchsherger, Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch (ADHGB), 1891, 97; Cohn, ZHR 32 (1886), 616. 248 Klippel (wie Fn. 115), 153 f. 245

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gangspunkt dieser Entwicklung war das MSchG, das als Schutzerweiterung gedacht war und nun in vielen Teilen des Reiches zu einer Schutzverringerung führte. Das Reichsgericht hatte die subsidiäre Anwendung des allgemeinen Zivilrechts ausdrücklich nur in Bezug auf den Schutz der Warenbezeichnungen verneint. Dennoch fehlen in der Folgezeit gerichtliche Entscheidungen, welche auf den anderen Gebieten der französischen Lehre der concurrence déloyale, wie etwa der irreführenden Werbung, eine Entwicklung hin zu einem Richterrecht zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb hätte bedeuten können. In Frankreich hatten die Bestrebungen um einen erweiterten Kennzeichenschutz diese Aufgabe übernommen. 249

I I I . Zusammenfassung 1. Die Mittel und Wege, die der merkantilistisch-absolutistische Staat zum Schutz gewerblichen Schaffens vorsah, verloren in dem Maße an Legitimation, in dem sich ökonomisch-liberales Gedankengut in den einzelnen deutschen Staaten in Theorie und Praxis durchsetzen konnte. An der grundsätzlichen Schutzbedürftigkeit verschiedener bisher beispielsweise durch Privilegien geschützter Interessen, u. a. Erfindungen, Marken und Firmen, änderte sich jedoch nichts. Die Geschichte des gewerblichen Rechtsschutzes im 19. Jahrhundert zeigt vor allem vier Entwicklungslinien, die die Etablierung eines Schutzes gewerblicher Leistung und ihrer Ergebnisse in einer durch den Liberalismus veränderten Wirtschafts- und Rechtsordnung prägten. Erstens setzte sich grundsätzlich das Gesetz als Schutzmittel für gewerbliches Schaffen durch. Eine Vielzahl regional sehr unterschiedlicher gesetzlicher Bestimmungen entstand im Laufe des 19. Jahrhunderts in Deutschland. Naturgemäß brachte dies eine Erhöhung der Bedeutung der Rechtsprechung bei der Ausgestaltung des gewerblichen Rechtsschutzes mit sich. Zweitens zeigte sich in Theorie und Praxis der Gesetze und der Rechtsprechung, die beide einen unterschiedlichen weiten Schutz gewährten, die Auseinandersetzung darüber, welcher Grad an Freiheit dem wirtschaftenden Individuum zu gewähren sei. Die Frage, wo die Regulierungspflichten des Staates enden bzw. die Freiheit des einzelnen unbeschränkt bleiben solle, zieht sich durch das gesamte Jahrhundert. Dies offenbarte sich drittens auch in der Frage des Rechtsgrundes des in den einzelnen Gesetzen gewährten Schutzes. Während dem staatlichen Verständnis entsprechend zu Beginn des Jahrhunderts zum Schutz öffentlicher Interessen gewerbepolizeilich bzw. strafrechtlich ausgestaltete Bestimmungen dominierten, beantwortete die liberale politische und ökonomische Theorie die Frage nach dem Grund des Schutzes vor allem mit der Theorie des geistigen Eigentums. Erfindung, Firma und Marke galten hier als Formen des geistigen Eigentums; der Staat war legitimiert, 249

Krasser (wie Fn. 14), 151 f.

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Schutz hierfür bereit zu stellen. Doch hatte die Theorie des geistigen Eigentums keinen dauerhaften Erfolg. Die praktische Bedeutung solcher liberaler Forderungen zeigte sich aber noch vor 1871 in dem Erlaß verschiedener Gesetze, die einen zivilrechtlichen, eigentümerähnlichen Schutz gewerblicher Positionen gewährten. Ein Beispiel dafür ist das ADHGB von 1861, das den Schutz der Firma zivilrechtlich ausgestaltete. Viertens ist für die Geschichte des gewerblichen Rechtsschutzes im 19. Jahrhundert zudem der besondere Einfluß der Entwicklungen in anderen europäischen Ländern auf die deutsche Theorie und Praxis typisch. Allen voran ist hier die Entwicklung in Frankreich zu nennen. 2. Der Rechtsschutz gewerblichen Schaffens war im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts geprägt durch Spezialgesetze auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes, wie dem Markenschutzgesetz oder dem Patentgesetz und durch weitere Reichsgesetze, etwa aus dem Lebensmittelbereich, und durch das RStGB. Vor allem dem RStGB sollte es nach Ansicht des Gesetzgebers von 1871 überlassen bleiben, den Grundsatz der Gewerbefreiheit einzuschränken. Daneben zog die Rechtsprechung in einzelnen Fällen die allgemeinen zivilrechtlichen Bestimmungen der Partikularrechte heran, um Rechtsschutz gegen bestimmte Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb zu gewähren. Bei den Spezialgesetzen auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes zeigt sich, daß die Auseinandersetzung um das richtige Maß der Intervention des Staates in das Wirtschaftsleben dazu führte, daß nur ein Teil des geforderten bzw. diskutierten Schutzes Gesetz wurde. Dieser Umstand bildet die Grundlage für die Diskussion um eine Schutzerweiterung in den nächsten Jahrzehnten bis in die neunziger Jahre. Die Auseinandersetzungen während der Arbeiten zum MSchG von 1874 um die Wahl zivil- oder strafrechtlicher Schutzmittel und um die Betonung privater oder öffentlicher Interessen deuten bereits auf zentrale Fragen im Rahmen der Diskussion um das UWG von 1896 hin. Das Patentgesetz von 1877 normierte mit §40 erstmals eine Bestimmung, die auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes jenseits einer gesetzlich geschützten Position allein das auf Täuschung berechnete Verhalten eines Wettbewerbers für rechtswidrig erklärte. Auch wenn der Gesetzgeber diese Norm nicht als Bestimmung zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs verstand, so sahen Teile der Literatur darin jedoch einen Beginn auf diesem Gebiet Ein Überblick über die Grenzen, die das RStGB der Gewerbefreiheit setzen wollte, verdeutlicht, daß das RStGB in Teilbereichen (Kreditschädigung, Kennzeichenmißbrauch, Geheimnisverrat), verglichen mit dem Zustand vor 1871, zu einer deutlichen Verringerung der Rechtsschutzmöglichkeiten für Handel und Gewerbe führte. Die Rechtsprechung insbesondere zum Rheinischen Recht zeigte sich im Anschluß an die französische Lehre der concurrence déloyale allerdings imstande, den Rechtsschutzverlust durch die Anwendung der schadensersatzrechtlichen Generalklausel des Code Civil auszugleichen. Das Reichsgericht verhinderte einen Ausbau

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dieser Entwicklung durch seine Rechtsprechung zum MSchG. In der Folge konnte sich bis zum Erlaß des BGB in Deutschland keine dauerhaft erfolgreiche Rechtsprechung zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb auf der Grundlage einer solchen zivilrechtlichen Generalklausel entwickeln. Im Ergebnis zeigt sich, daß die deutsche Rechtsordnung im Gefolge der Reichsgründung einen eng gefaßten gesetzlichen Schutz des gewerblichen Schaffens, das RStGB einen geringeren Schutz als davor die Partikularstrafgesetzbücher bot. Zudem entwickelte die Rechtsprechung, abgesehen von Einzelfällen, keinen darüber hinausgehenden zivilrechtlichen Schutz. Ein Schutz gegen unlautere Formen wett : bewerblichen Verhaltens, wie ihn etwa das französische Recht bot, fehlte in Deutschland bis in die neunziger Jahre hinein. Damit ist die zweite der in der Einleitung zum ersten Teil erwähnten Voraussetzungen erfüllt, bei deren Vorliegen Rechtsnormen gegen unlauteren Wettbewerb entstehen können: Die Rechtsordnung war nicht in der Lage, aus dem vorhandenen Normenbestand dauerhaft einen Schutz gegen unlautere Verhaltensformen im wirtschaftlichen Wettbewerb zu entwickeln. Die Lehre der concurrence déloyale diente jedoch der deutschen Rechtswissenschaft in zahlreichen Fällen als Ausgangspunkt ihrer Versuche, einen vergleichbaren Rechtsschutz in Deutschland zu etablieren. Die übrigen Gesetze zum Schutz gewerblichen Schaffens deuten dabei einen möglichen Rahmen an, in dem ein solcher Schutz entwickelt werden konnte. 3. Kapitel

Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes gewerblichen Schaffens In der Folgezeit wurde eine Erweiterung des Schutzes gegen Verhaltensweisen diskutiert, die zwar nach dem geltenden Recht nicht rechtswidrig waren, aber zunehmend von Handel- und Gewerbetreibenden als unerlaubt empfunden wurden. Die Diskussion spiegelte ein steigendes Rechtsschutzbedürfnis wider, ließ die wesentlichen Fallgruppen der Schutzbedürftigkeit gewerblichen Schaffens deutlich werden und zeigte Wege zur Lösung. Der damit angesprochene Prozeß betrifft die dritte Voraussetzung für die Entstehung von Rechtsnormen gegen unlauteren Wettbewerb, nämlich die Entstehung eines Unlauterkeitsbewußtseins. Die Diskussion wurde nicht nur in der Literatur, sondern auch durch Eingaben von Interessenverbänden und in parlamentarischen Debatten geführt. Dabei wurden zivil-, straf-, und auch verwaltungsrechtliche Lösungsansätze zu der Frage vertreten, in welcher Form der als lückenhaft empfundene gewerbliche Rechtsschutz ergänzt werden solle. Insbesondere in der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung im Bereich des Patentschutzes, des Kennzeichenschutzes und später während der Vorarbeiten zum BGB erörterte man erstmals in Deutschland die »concurrence déloyale4 als eine be-

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sondere, den gesamten Bereich des gewerblichen Schaffens betreffende und zu bekämpfende Verhaltensweise (I.). Im Mittelpunkt der Diskussion, deren Protagonisten vor allem Kohler und Mayer waren, steht die Frage der Übertragbarkeit des Weges der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs durch das französische bzw. Rheinische Recht in das deutsche Rechtssystem, eine Frage, die zunächst allein Kohler bejahte. Anfangs bewegte sich die Auseinandersetzung nur in Teilbereichen des gewerblichen Rechtsschutzes, wie die Forderungen auf dem Gebiet des Schutzes der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse zeigen (II.). Ein weiteres Beispiel dafür ist die Diskussion um eine Reform der Gewerbeordnung, bei der in den achtziger Jahren im Reichstag erstmals Abhilfe gegen Formen betrügerischen Verhaltens von Handel- und Gewerbetreibenden gefordert wurde, die man als unmittelbare Folge von Wettbewerbs- und Gewerbefreiheit verstand (III.). Parallel dazu kann nachgewiesen werden, daß die erste Kommission zur Schaffung des BGB die Notwendigkeit eines verbesserten Schutzes im wirtschaftlichen Wettbewerb erkannte (IV.). Erst zu Beginn der neunziger Jahre aber wurde vermehrt versucht, ein allgemeines Verständnis des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs zu entwickeln und einen entsprechenden Rechtsschutz zu begründen. Der Stand der Diskussion um eine Erweiterung des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb wird Anfang der neunziger Jahre durch drei Rechtswissenschaftler repräsentiert, Richard Alexander-Katz, Edwin Katz und Julius Bachem (V.).

I. Patentschutz und Kennzeichenschutz 1. Die concurrence déloyale in Josef Kohlers Werk „Deutsches Patentrecht" Im Bereich des Patent- und Kennzeichenschutzes war es vor allem Josef Kohler, der eine Erweiterung des bestehenden gesetzlichen Schutzes forderte und Wege der Rechtsschutzverbesserung anhand des geltenden Rechts aufzeigte. Gleichzeitig stellte sein im Jahr 1878 erschienenes Werk zum Patentgesetz den Beginn der Auseinandersetzung der deutschen Rechtswissenschaft mit der concurrence déloyale dar. 250 Er analysierte in diesem Werk unter anderem den Rechtsschutz des Patentinhabers und seines Patents. Im Rahmen der Darstellung befaßte er sich hierbei zunächst mit der Würdigung der „Haftung aus der Störung durch unberechtigte Ausbeutung der Erfindung". 251 Nur diese fand er durch das Gesetz geregelt, allerdings sehr unvollkommen. Daneben stehe eine zweite Art der Störung, welche auf dem Gebiet der „Körperwelt der Sachbeschädigung" entspreche und welche er als „Beeinträchtigung des Gutsgenusses oder gar der Geniesslichkeit des Guts auf anderem Wege 250 251

Kohler (wie Fn. 159). Ebd., 447 ff., 452 ff.

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als durch die dem Gute entsprechende Ausbeutung" beschrieb. 252 Die Regelung dieser Störung gehöre nicht in das Patentgesetz, da sie in ihrer Bedeutung über dieses Gesetz hinausgehe. Sie gehöre vielmehr zu der allgemeinen Lehre von der Beschädigung der idealen Gewerbsgüter, zur Lehre der concurrence déloyale. Allen diesen idealen Gütern, welche im Erwerbsleben einen realen Werth hätten, sei gemein, daß sie unter dem Schutz der bonafides stünden. Daraus folge, daß deren Verletzung zumindest zivilrechtlich durch die actio doli, wenn nicht sogar strafrechtlich zu ahnden sei. 253 Zu diesen idealen Gütern zählte Kohler neben dem Patent beispielsweise auch „höchst persönliche, wie Kunstfertigkeit, Credit, Geschäftsvertrauen und von der Person ablösare, wie das Realgewerberecht oder den Zeitungstitel". 254 Kohler nannte in der Folge die wesentlichen Fallgruppen der französischen Lehre der concurrence déloyale; sie entsprachen der Einteilung von Pouillet. 255 Am Beispiel des Patents unterteilte Kohler die Arten der rechtlich relevanten Beeinträchtigungen des Patentinhabers und seines Patentes in zwei Klassen, nämlich zum einen die gutsspezifische unberechtigte Verwertung, zum anderen die Mißbräuche, welchen beispielsweise ein Patent in seiner Eigenschaft als ideales Gewerbsgut unterliegt und die es infolgedessen mit anderen idealen Gewerbsgütern teilt. Die Lehre der concurrence déloyale erscheint somit in starker Anlehnung an das französische Vorbild als eine das gesamte Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes umfassende Schutzkonstruktion, die geeignet sein sollte, die verschiedensten Vermögenswerten Positionen im Erwerbsleben unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben zu schützen. Sie diente gleichermaßen als lückenfüllender Schutz, der jenseits der gesetzlich geschützten Positionen dem Grundsatz der bonafides im Erwerbsleben Geltung verschaffen sollte. Die Weite der tragenden Begriffe concurrence déloyale und bonafides deuteten dabei auf ein umfangreiches, nur grob in Fallgruppen einteilbares Anwendungsfeld der actio doli und vergleichbarer Rechtsbehelfe hin. Gleichzeitig zeigte Kohler mit der Wahl der bonafides als Ansatzpunkt für eine rechtliches Einschreiten, daß er angesichts der Fülle der denkbaren ahndungswürdigen Verhaltensweisen ein subjektives Recht des verletzten Wettbewerbers noch nicht zu konstruieren imstande war. Die Lehre der concurrence déloyale war somit in die deutsche Rechtswissenschaft eingeführt. Zugleich lag ein Vorschlag vor, dessen Eignung zur Bekämpfung der als unlauterer Wettbewerb bezeichneten Verhaltensweisen dank des erfolgreichen französischen Vorbildes nicht mehr nachgewiesen werden mußte.

252 253 254 255

Ebd., 469. Ebd., 103. Ebd. 469. Vgl. oben Fn.233.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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2. Die Theorie der Immaterialgüter- und Individualrechte Der Stand der rechtswissenschaftlichen Diskussion der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts legte es jedoch nahe, daß Kohler, wenn er bei seiner Darstellung der concurrence déloyale von einem idealen Gewerbsgut sprach, die Frage zu beantworten hatte, welche rechtliche Konstruktion er diesem Gut zugrunde legte. 256 ADHGB, Urheber-, Markenschutz-, Musterschutz- und Patentgesetz hatten zudem Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche bei mißbräuchlicher wirtschaftlicher Verwertung des jeweiligen Schutzobjektes gewährt. In der Rechtswissenschaft wurden nun Versuche unternommen, diese neu gewährten Rechte zu erklären und zu systematisieren. Hierbei zeigte sich, daß zur Zeit von Kohlers Werk zum Patentgesetz die Theorie der französischen Rechtswissenschaft in Deutschland überwiegend auf Ablehnung stieß: Diese faßte jene Rechte als dem Sacheigentum vergleichbare Rechte, als geistiges bzw. industrielles Eigentum auf. 257 In der von den Pandektisten beherrschten deutschen Rechtswissenschaft erwies sich deren Einwand, Eigentum könne es nur an körperlichen Gegenständen geben, als derart begründungsstark, daß die Versuche, die französische Rechtskonstruktion zu übernehmen, in Deutschland später aufgegeben wurden. 258 Der Umstand, daß auch naturrechtliche Erklärungsmodelle zur Begründung eines solchen geistigen Eigentums herangezogen wurden, sprach in einer vom Rechtspositivismus beherrschten Zeit ebenfalls gegen diese Theorie. 259 Der in Frankreich darüber hinaus gewählte Weg, ein „Recht auf Mitbewerbung" anzuerkennen und dies im Rahmen der Lehre der concurrence déloyale durch Art. 1382 Code civil zu schützen, wurde vor Kohlers Werk aus dem Jahr 1878 in Deutschland zunächst nicht diskutiert. Die deutsche Rechtswissenschaft tat sich demnach schwer, eine tragfähige Rechtskonstruktion für diese vom Gesetzgeber geschaffenen Rechte zu entwikkeln. Vor allem die Pandektisten konnten aus dem für sie maßgeblichen römischen Recht keine das Wesen dieser Rechte beschreibenden Erkenntnisse gewinnen.260 In diesem Umfeld entstand nun die Theorie der Immaterialgüter- und Individualrechte. 256 Zum Folgenden siehe insbesondere, Dölemeyer/Klippel (wie Fn. 21), 187ff.; Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 193 ff.; Dieter Le uze, Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert - zugleich ein Beitrag zum Verhältnis allgemeines Persönlichkeitsrecht - Rechtsfähigkeit, Bielefeld 1962; Robert Scheyhing, Die Entwicklung des Persönlichkeitsrechts im 19. Jahrhundert, AcP 158, (1959/1960), 503ff.; Jürgen Simon, Das Persönlichkeitsrecht und seine gewerblichen Erscheinungsformen. Ein Entwicklungsprozess, Berlin 1981. 257 Dölemeyer/Klippel (wie Fn.21), 204, 223. 258 Martin Vogel, Die Geschichte des Urheberrechts im Kaiserreich, GRUR, 1987, 875 ff. 259 Dölemeyer/Klippel (wie Fn.21), 223. 260 Vgl. Hermann Krause, Der deutschrechtliche Anteil an der heutigen Privatrechtsordnung, JuS, 1970, 313 ff., der daraufhinweist, daß die wesentlichen Erkenntnisse auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes aus diesem Grund aus dem Kreis der deutschrechtlichen Wissenschaft kam.

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Beginnend mit seinem Werk zum deutschen Patentrecht und anschließend in seinen Werken „Das Autorrecht" 261 und „Recht des Markenschutzes" 262 gelang es Kohler, eine einheitliche Theorie zur Erfassung des gewerblichen Rechtsschutzes für den deutschen Rechtskreis zu entwickeln und die Lehre der concurrence déloyale darin aufzunehmen. 263 Von besonderer Bedeutung war dabei, daß zur gleichen Zeit Karl Gareis die Theorie der Individual- oder Persönlichkeitsrechte entwickelte.264 Nach ersten Anfängen in naturrechtlich-rechtsphilosophischen Schriften 265 unternahm Gareis im Anschluß an Johann Caspar Bluntschli und Rudolf Klostermann 266 in zwei Aufsätzen aus dem Jahr 1877 eine ausführliche Neubegründung der Theorie der Individual- oder Persönlichkeitsrechte. 267 Ausgangspunkt seiner Theorie war die Erkenntnis, daß jedes Rechtssubjekt das Recht habe, seine Indvidualität als solche anerkannt zu sehen.268 Die Rechtsordnung schütze dieses Recht durch Gewährung von Rechten wie Marke und Firma, welche dem Trieb nach Anerkennung als Individuum entsprächen, bzw. Patent- oder Urheberrechten, welche aus dem Streben nach Anerkennung als Autor oder Erfinder folgten. Diese neuartigen, vom positiven Recht geschaffenen Individualrechte seien subjektive Privatrechte mit absoluten Charakter und daher den meisten dinglichen Rechten vergleichbar. Je nach Inhalt seien einige Individualrechte darüber hinaus rechtlich und wirtschaftlich selbständig verfügbar. 269 Die Theorie der Immaterialgüterrechte Kohlers diente zunächst im wesentlichen der Begründung derselben Rechte.270 Zur Darlegung der rechtlichen Konstruktion 261 Josef Kohler, Das Autorrecht, in: Jhering (Hrsg.), Jahrbücher für die Dogmatik des heutigen römischen und deutschen Privatrechts, Bd. 18, 1880, 129 ff., 329 ff. 262 Kohler (wie Fn. 102), 73ff., 80ff., 104ff., 509ff. 263 Kohler (wie Fn. 159) Patentrecht, 7ff., 79ff., 469. Die Theorie der Persönlichkeits- und Immaterialrechte ist eingehend erforscht, vgl. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 193 ff., 487 ff.; Dölemeyer/Klippel (wie Fn.21), 187ff.; Leuze (wie Fn.266); Scheyhing (wie Fn.266), 503ff.; Simon (wie Fn. 266). Die folgende Darstellung beschränkt sich daher auf die im Hinblick auf den Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb relevanten Erkenntnisse. 264 Vgl. Kohler (wie Fn. 159) Patentrecht, 7, wo er auf Gareis verweist. 265 Dölemeyer/Klippel (wie Fn. 21), 224, Diethelm Klippel, Die Theorie der Persönlichkeitsrechte bei Karl Gareis (1844-1923), in: Loewenheim Ulrich/Raiser Thomas (Hrsg.): Festschrift für Fritz Traub zum 65. Geburtstag, Frankfurt am Mai 1994, 211 ff. 266 Johann Kaspar Bluntschli, Deutsches Privatrecht, Bd. 1, München 1853,39; Rudolf Klostermann, Das Urheberrecht und das Verlagsrecht nach Deutschen und ausländischen Gesetzen systematisch und vergleichend dargestellt Berlin 1871,4f., 214; vgl. Dölemeyer/Klippel, (wie Fn.21), 225. 267 Karl Gareis, Die Privatrechtssphären im modernen Kulturstaate, Zeitschrift für Gesetzgebung und Praxis auf dem Gebiet des Deutschen öffentlichen Rechts, 3, 1877, 137 ff.; ders., Das juristische Wesen der Autorrechte, sowie des Firmen- und Markenschutzes, Büschs Archiv 35, 1877, 185 ff. 268 Gareis, Das juristische Wesen der Autorrechte, sowie des Firmen- und Markenschutzes, ebd., 196. 269 Vgl. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 215f. 270 Vgl. Dölemeyer/Klippel (wie Fn.21), 228; Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 220.

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und der Notwendigkeit des Schutzes berief er sich - parallel zum Eigentum - ausdrücklich auf das Arbeitsprinzip, nach welchem derjenige, der ein neues Gut schafft, das „Recht der ausschließlichen ökonomischen Benutzung des Gutes" hat, „soweit dasselbe einer ausschließlichen ökonomischen Benutzung fähig ist". 271 Dieser Grundsatz gelte unabhängig davon, ob das verwertbare Gut ein materielles oder immaterielles sei. Ohne den Begriff eines Persönlichkeitsrechts zu nennen, führte er aus, daß das Rechtssubjekt durch die schöpferische Tätigkeit auch das immaterielle Gut mit sich selbst verknüpfe, mit einem Stück seines eigenen Wesens erfülle. 272 Allerdings kannte er auch Individualrechte. Die Unterscheidung zwischen Immaterialgüterrecht und Individualrecht traf er danach, ob das Resultat der schöpferischen Tätigkeit über die Persönlichkeit des Schöpfers hinausgeht oder nicht. Ginge es noch nicht darüber hinaus, sei es ein Individualrecht. 273 Als Beispiele eines solchen Rechts nannte er die Erfinderidee, die skizzierte Dichtung, das der Öffentlichkeit vorenthaltene Skript und den Bildentwurf des Malers. Sobald die Schöpfung aber aus der Sphäre der Persönlichkeit herausrückt, also eine Verwertung faktisch möglich werde, handele es sich um ein Vermögensrecht, ein Immaterialgüterrecht. 274 Einen weiteren Unterschied sah er in der Übertragbarkeit des Rechts. Während das Immaterialgüterrecht ohne weiteres dem Eigentum gleich übertragen werden könne, sei das Individualrecht, zumindest bezüglich der Erfinderidee, nicht übertragbar. Die Darstellung von Individualrechten in diesem Werk Kohlers erschöpfte sich damit. Insbesondere ließ er die rechtliche Konstruktion des Rechtsgutes offen, das er als das verletzte Recht im Falle einer concurrence déloyale bezeichnete. Dies änderte sich mit einem im Jahr 1880 erschienen Aufsatz über das „Autorrecht", in dem er seine Theorie umfassend erörterte. 275 Gemäß den Erkenntnissen in seinem Patentrecht trennte er zwischen einem Immaterialgüterrecht, z.B. dem Autorrecht, und einer anderen Klasse absoluter Rechte, den Individualrechten. Diese bezeichnete er als Rechte der Persönlichkeit an der Gesamtheit ihrer leiblichen und geistigen Güter einschließlich der Bezeichnungen zur Individualisierung der Person, wie Name, Firma und Marke. 276 Er blieb bei der Nichtübertragbarkeit dieser Rechte. Sie könnten nur Kraft obligatorischer Gebundenheit der Benutzung eines Dritten überlassen werden. 277 Den verschiedenen Schutzgütern, denen ein solches Individualrecht korrespondiere, entsprächen verschiedene Rechtsgrundlagen. Der Schutz der Freiheit der körperlichen und geistigen Funktionen nach allen Richtungen hin erfolge durch die actio iniuriarum. Zudem könne jeder verlangen, daß „im gegenseitigen Kampfe des Verkehrs nicht solche Waffen gebraucht werden, welche wie wissentliche Lüge 27 1 272 273 274 27 5 276 277

Kohler (wie Fn. 159) Patentrecht, 1. Ebd., 1, 6. Ebd., 7. Ebd., 8. Kohler (wie Fn. 271) Autorrecht, 329 ff. Ebd., 257 f. Ebd., 203.

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und Verläumdung, wie falsche Vorspiegelung und Erregung falschen Scheins den Verkehr vergiften und dem Schwindel und Betrug anstatt der reellen Leistung den Vortheil gewähren". 278 Gegen diese Formen der sog. concurrence déloyale, die im Bereich des Autorrechts beispielsweise durch die unberechtigte Entlehnung von Büchertiteln erfolge, bestünde mittels der actio doli ein Anspruch auf Entschädigung. 279 Kohler gab damit die Antwort auf die Frage, welches Recht bei einer Beeinträchtigung idealer Gewerbsgüter verletzt war: ein Individualrecht. Dieses Individualrecht erschien nach Kohler s Theorie auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes als eine Art Auffangrecht zum Schutz unterschiedlicher vermögenswerter Positionen, die nicht die Eigenschaft eines immateriellen Gutes hatten. Neben der individualrechtlichen Beziehung des Erfinders zur Erfinderidee und der Persönlichkeit zu ihren Kennzeichen wie Marke, Firma und Name waren auch der Kredit, das Geschäftsvertrauen und der Zeitungstitel geschützt. Kohler schaffte somit ein Individualrecht des Wettbewerbers auf ein von Betrug und Schwindel freies Wettbewerbsverhalten. Die Nähe zum französischen Recht auf Mitbewerbung ist unverkennbar. Mit dem Individualrecht als Grundlage gelang Kohler schließlich in einem dritten Werk, dem „Recht des Markenschutzes", eine umfassende Systematisierung des Markenschutzes unter Einbeziehung der ,concurrence déloyale' auf diesem Gebiet. 280 Die individualrechtliche Beziehung des Zeicheninhabers zu seinem Zeichen bestehe auch ohne jede gesetzliche Anerkennung, etwa durch ein Markengesetz. Damit sei ein Schutz der Marke ohne ein spezielles Gesetz und auch über ein solches Gesetz hinaus gegeben.281 Ein Markengesetz sei dennoch gerechtfertigt, zum einen, da es die Grundlage für ein strafrechtliches Vorgehen biete, welches angesichts der Schwere der Rechtsverletzungen unerläßlich sei, zum anderen um eine Marke dem Berechtigten unzweifelhaft zuweisen zu können, beispielsweise durch Eintragung des Zeichens.282 Umgekehrt könne das Gesetz das bestehende Individualrecht seiner Reichweite nach nicht einschränken, es sei durch das Gesetz vielmehr „ein gefestigtes, gesichertes und gesteigertes Indivdualrecht". 283 Ein wesentlicher Schutzbereich des Individualrechts sei nämlich durch das Gesetz gar nicht geregelt. Dies sei die „Reaction gegen die concurrence déloyale, welche sich als verwischendes, über die Person des Producenten Irrthum verbreitendes und den Verkehr täuschendes Mittel gewerblicher Arglist und Bosheit darstellt". 284 Der Markenschutz habe somit einen beschränkten Anwendungsbereich, der zum vollständigen Schutz des Individualrechts um die concurrence déloyale zu erweitern sei. So sei der 278 279 280 281 282 283 284

Ebd., 259. Ebd., 260. Kohler (wie Fn. 102) Markenschutz, 73ff., 80ff., 104ff., 509ff. Ebd., 80. Ebd., 83, 85. Ebd., 88. Ebd., 91.

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Gewerbetreibende ohne Schutz, der keine körperlichen Waren herstelle, sondern gewerbliche Leistungen erbringe. Gleiches gelte für die Etablissementbezeichnung, beispielsweise von Läden und Hotels. Kohler beschrieb in der Folge einen umfangreichen Anwendungsbereich des Schutzes des Individualrechts vor concurrence déloyale, wobei er eine Fülle von Entscheidungen aus dem französischen, dem englischen und amerikanischen Recht zitierte. Vor allem nahm er nun ausdrücklich den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen, das Herabsetzen eines Konkurrenten und die schwindelhafte Werbung in den Schutzbereich des Individualrechts auf Schutz vor concurrence déloyale auf. 285 Mit dem von Kohler als Individualrecht bezeichneten Recht war eine eigenständige Rechtskonstruktion für den Schutz vor concurrence déloyale geschaffen. Diese Theorie vermochte es, den erfolgreichen französischen Weg, der mittels einer schadensersatzrechtlichen Generalklausel und richterlicher Einzelfallentscheidung unlautere Wettbewerbserscheinungen bekämpfte, im deutschen Recht mit einer eigenen Begründung zu versehen. Zusätzlich weisen Kohlers Ausführungen auf das Entstehen eines besonderen Bewußtseins hin, daß wettbewerbliches Verhalten unlauter sein kann und dementsprechend bekämpft werden muß. Kohler konnte diesem Unlauterkeitsbewußtsein zudem ein rechtliches Fundament geben. Kohlers Theorie war jedoch, wie zu zeigen ist, zunächst kaum anerkannt. Allerdings: Teilte man zwar Kohlers Ansicht, daß Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb auch unlauter sein können, verneinte aber seine Vorschläge zur Rechtsschutzgewährung, hatte man zwangsläufig die Frage zu beantworten, wie ein solcher bisher noch nicht existierender Schutz alternativ zu gewähren sei. 3. Die Theorie Kohlers in der rechtswissenschaftlichen Kritik Die Klärung der Frage, wie ein Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb im deutschen Recht zu konstruieren sei, und damit auch Kohlers Ausführungen, erregten zunächst nur begrenzte Aufmerksamkeit in der Wissenschaft. Bis in die achtziger Jahre hinein setzte sich außer ihm nur noch ein weiterer Rechtswissenschaftler mit der Frage auseinander, was unlauterer Wettbewerb sei und wie er bekämpft werden könne. Otto Mayer, der sich zum Thema der concurrence déloyale habilitierte, erörterte deren Wesen unter gleichzeitiger Kritik an Kohler in einem 1881 erschienenen Aufsatz. 286 In der rechtlichen Konstruktion des Rechts auf Mitbewerbung sah Mayer etwas typisch Französisches. Frankreich habe vermocht, dem Rechtsschutz gegen die concurrence déloyale eine privatrechtliche Grundlage zu geben. Eine solche fehle in Deutschland. Ursache hierfür sei ein in Deutschland und Frankreich unterschiedli285 286

Ebd., 92ff. Mayer (wie Fn. 221), 363 ff.

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ches Verständnis der Gewerbefreiheit. In Deutschland sei das Gebiet der Gewerbefreiheit ein Gebiet der „wirklichen Freiheit, auf welchem jede einzelne Handlung nach ihrem Rechtstitel nicht erst gefragt wird". 287 Dem Mitbewerber sei zunächst alles erlaubt, was nicht ausdrücklich verboten sei. Folglich fehle auch den neuen deutschen Schutzgesetzen eine privatrechtliche Grundlage; ihre privatrechtlichen Wirkungen seien lediglich von aussen in das Privatrecht Hineingetragenes. Aus diesem Grunde seien auch alle Theorien des geistigen Eigentums oder dessen höhere Inkarnationen, die Immaterial- oder Individualrechte, Nebelgestalten rechtsphilosophischer Spekulation. Die neuen Gesetze seien nichts anderes als Verhaltensvorgaben des Staates, die aus volkswirtschaftlichen Gründen getroffen worden seien, um Treu und Glauben im Verkehr zu sichern und beispielsweise den Erfindergeist anzuspornen. 288 Den rechtlichen Schutz der Mitbewerbung garantiere in Deutschland neben diesen Gesetzen daher nur das Strafgesetzbuch. Ausgehend von einem angeblich unterschiedlichen Verständnis der Gewerbefreiheit in Deutschland und Frankreich lehnte Mayer demnach die Theorien von Kohler und Gareis ab. Seine Auffassung, der französische Gedanke eines Schutzes vor concurrence déloyale sei in das deutsche Recht nicht übertragbar, bildete fortan den Gegensatz zu Kohlers Versuch einer privatrechtlichen Begründung eines solchen Rechtsschutzes. Weitere Versuche, einen Schutz gegen concurrence déloyale rechtlich zu begründen, unterblieben bis in die neunziger Jahre. Kohler und Mayer verbreiteten die bisher nur im Geltungsbereich des Rheinischen Rechts präsente Sichtweise, daß es sich bei concurrence déloyale um ein den gewerblichen Rechtsschutz in seiner Gesamtheit betreffendes Phänomen handele. Vor, aber auch noch lange nach ihnen wurden entsprechende Verhaltensweisen jeweils in den verschiedenen Teilbereichen, wie Kennzeichenmißbrauch oder auch beim Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen, für sich diskutiert. Beide Autoren konstatierten wachsende Mißstände in Deutschland auf diesem Gebiet und dringenden Handlungsbedarf. Während Kohler aber das geltende Recht imstande sah, den notwendigen Rechtsschutz zu gewährleisten, war Mayer der Ansicht, daß Rechtsschutz nur durch zusätzliche gesetzliche Bestimmungen des Staates geschaffen werden konnte. Diese beiden Auffassungen prägten die Diskussion um das Vorgehen gegen die concurrence déloyale noch bis zum Erlaß des UWG von 1896. Jenseits der Frage des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb waren Gareis und Kohlers Theorien der Persönlichkeits- bzw. Immaterialgüterrechte in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung wachsender Erfolg beschert. Ab etwa 1880 wurden sie vermehrt in das zivilrechtliche System sowohl des Deutschen Privatrechts als auch der Pandektenlehrbücher aufgenommen. 289 Dies beruhte zum einen darauf, daß diese Theorien Rechte schufen, die auch den Anforderungen der Pän287

Ebd., 434. Ebd., 436. 289 Dazu Dölemeyer/Klippel hing (wie Fn. 266), 523 ff. 288

(wie Fn. 21), 226; Leuze (wie Fn. 266), 103ff., 111 ff.; Schey-

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dektisten genügten, da sie keinen Bruch mit elementaren Rechtsprinzipien, z.B. die Aufgabe der fest umrissenen Grenzen des Eigentums, forderten. Zum anderen vermochten sie es dennoch, dem Bedürfnis nach einem eigentumsähnlichen Schutz des wirtschaftenden Individuums und seiner gewerblichen Leistungen sowie der darin verkörperten Werte Rechnung zu tragen. Drittens waren diese Theorien, die absolute Rechte schufen und damit den Verfügungsbereich des einzelnen ausdehnten, mit den Forderungen des politischen und ökonomischen Liberalismus vereinbar. Dies hatten sie insbesondere anderen Erklärungsversuchen strafrechtlichen oder öffentlich-rechtlichen Charakters, welche sich mit den neuen Gesetzen beschäftigten, voraus. 290 Abgesehen von einer Sensibilisierung der Rechtswissenschaft im Hinblick auf die concurrence déloyale in Deutschland war Otto Mayers Versuch, den bestehenden Schutzgesetzen ein verwaltungsrechtliches Fundament zu geben, kaum Erfolg beschieden. In regelmäßigen Abständen wurde allerdings diskutiert, ob und wie unlauterer Wettbewerb verwaltungsrechtlich zu bekämpfen sei. Die galt für das UWG von 1896 ebenso wie für das UWG von 1909. Die praktische Bedeutung der Theorien von Kohler und Gareis blieb jedoch bis in die Zeit des Erlasses des UWG von 1896 gering. Die geringe praktische Tragweite der Forderung Kohlers, daß dem Individualrecht außerhalb des MSchG ein zivilrechtlicher Schutz mittels einer Generalklausel zuteil werden müsse, wird angesichts der bereits behandelten restriktiven Rechtsprechung des Reichsgerichts deutlich. Dementsprechend führte Kohler in den folgenden Jahren einen erbitterten Kampf gegen diese Rechtsprechung, als deren Resultat er eine nachteilige Entwicklung der Verkehrsmoral in Deutschland prophezeite. 291

II. Der Schutz von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen 1. Das Wirken Hermann Ortloffs für eine Erweiterung des Schutzes der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse Als Lücke im System des gewerblichen Rechtsschutzes wurde vereinzelt schon zu Beginn der achtziger Jahre auch das Fehlen eines Rechtsschutzes gegen den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen empfunden. 292 Der mangelnde Schutz der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse durch das Reichsstrafgesetzbuch führte dabei zunächst zu Sonderbestimmungen gegen den Verrat von Betriebsgeheimnissen in den §§83f., 107f. des Unfallversicherungsgesetzes vom 6. Juli 1884.293 Hier wurde beispielsweise Betriebsprüfern, die Betriebe auf deren Sicherheitsstandards hin überprüften, unter Androhung von Strafe verboten, Geheimnisse eines Betrie290

Hierzu eingehend, Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 227f. Kohler (wie Fn. 102), 89 f. 292 Hermann Ortloff f Zum Schutz der Geschäftsgeheimnisse, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirtschaft (1883), 603; Prein (wie Fn. 187), 14. 293 RGBl Nr. 1552, 69. 291

6 von Stechow

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bes, die sie im Rahmen ihrer Arbeit erfuhren, an Dritte weiterzugeben. Damit war zumindest die Thematik des Schutzes des Fabrikgeheimnisses in der Gesetzgebung des Deutschen Reiches gegenwärtig. Die Zielrichtung der Normen brachte jedoch eine Beschränkung des Täterkreises und eine Auslassung der Handels- und Geschäftsgeheimnisse mit sich. Den Rechtszustand, wie er vor der Reichsgründung in verschiedenen Landesteilen bestand, konnte das Unfallversicherungsgesetz demgemäß nicht bieten, sondern nur einen als besonders schwerwiegend empfundenen Teil des Problems bekämpfen. Einen großen Beitrag zur Förderung eines allgemeinen Bewußtseins der Notwendigkeit gesetzlicher Maßnahmen zum Schutz von Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse leistete der Thüringer Jurist Ortloff in den Jahren 1883 bis 1885. Er veröffentlichte mehrere Aufsätze zur Frage des Geheimnisschutzes im Wirtschaftsleben, die weithin Beachtung fanden. 294 Ortloff skizzierte zunächst in einem im Jahre 1883 erschienenen Aufsatz die geringen Schutzmöglichkeiten für Handel- und Gewerbetreibende gegen den Verrat betrieblicher Geheimnisse und erwähnte die von Zeitungen verbreitete Klage von Kaufleuten und Fabrikeigentümern über den geringen Rechtsschutz.295 Die bestehenden Schutzmöglichkeiten beschränkten sich auf private, mit Konventionalstrafen verbundene Abreden zwischen Geschäftsherrn und Angestellten bzw. Arbeitern. Daneben bestehe die Möglichkeit der eidlichen Verpflichtung des Geheimnisträgers zur Verschwiegenheit, was allerdings in der Praxis nur vereinzelt bei landesgesetzlicher Regelung von den Behörden zugelassen werde. 296 Insbesondere sah Ortloff Fabrikgeheimnisse der mechanischen und chemischen Industrie, z.B. Druckwalzenkonstruktionen oder Rezepturen, als besonders gefährdet an. Für »mechanische Geheimnisse' gelte dies vor allem dann, wenn der Weg der Patentierung aufgrund der damit verbundenen Offenbarungspflicht gemieden werde oder wenn ein Patent erst in der Entwicklungsphase stehe. Chemische Geheimnisse führte er an, weil eine chemische Reaktion als solche nicht patentierbar war. 297 Daneben seien die Geheimnisse des kaufmännischen Geschäftsverkehrs gleichermaßen schutzwürdig. 298 Für beide Formen des gewerblichen Geheimnisses bestehe im Ergebnis kein ausreichen294 Ortloff (wie Fn. 302), 601 ff.; ders., Das Individualrecht auf Bewahrung der Geschäftsgeheimnisse, in: Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handelsund Wechselrechts (1886), 329ff.; in diesem Aufsatz sind zwei weitere Aufsätze zitiert aus den Neuesten Münchener Nachrichten Nr. 136 (1885), 140 ff. und der Chemnitzer Deutschen Industriezeitung Nr. 24 (1885); vgl. auch Prein (wie Fn. 187), 14. 295 Ortloff (wie Fn. 302), 601 f; vgl. auch ders., Das Individualrecht auf Bewahrung der Geschäftsgeheimnisse, 334 f. 296 Ortloff (wie Fn. 302), 602; ders., Das Individualrecht auf Bewahrung der Geschäftsgeheimnisse, 333. 297 Ortloff\ Das Individualrecht auf Bewahrung der Geschäftsgeheimnisse (wie Fn. 304), 340, unter Verweis auf die Gesetzgebungsarbeiten zum PatG, nach welchen nur die Verwertung für einen gewissen gewerblichen Zweck patentierbar sei. 298 Ortloff (wie Fn. 302), 601, 607.

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der Schutz. Diesem Mangel sei durch Aufnahme von Vorschriften abzuhelfen, die an Art. 418 Code pénal und an dem außer Kraft getretenen Art. 320 des thüringischen StGB zu orientieren seien.299 Konkret forderte er die Aufnahme einer Bestimmung im RStGB nach § 300. Sie sollte das unbefugte Offenbaren eines Geheimnisses als Vertrauensbruch bestrafen. Der Schutz sollte sich nicht nur auf anvertraute Geheimnisse, sondern auf alle dem Betreffenden zufällig zur Kenntnis gelangten Umstände erstrecken und solange gelten, wie das bekannt Gewordene als Geheimnis des Gewerbeinhabers anzusehen sei. Zusätzlich sollte das Verleiten zum Verrat bestraft werden sowie der Versuch eines solchen Vorgehens. Auch das eigenmächtige Beschaffen von Geheimnissen durch einen Dritten ohne Verwendung eines Angestellten oder Arbeiters sei zu ahnden. Die Strafe des § 300 StGB sei um die Möglichkeit einer Geldbuße zu erweitern und als Antragsdelikt auszugestalten.300 Ortloffs Aufsatz läßt sich entnehmen, daß gerade der Schutz von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen, der vor Inkrafttreten des RStGB weitgehend gewährleistet war, von Teilen der Handel- und Gewerbetreibenden als unzureichend empfunden wurde. Zur Abhilfe schlug Ortloff keine sondergesetzliche Regelung, sondern eine Ergänzung des RStGB im Abschnitt über strafbaren Eigennutz vor. Er plädierte für einen möglichst umfangreichen Schutz. Sowohl Fabrik- als auch Geschäftsgeheimnisse hielt er für schutzwürdig. Der Schutz sollte auch nach Beendigung des Dienstverhältnisses noch gewährleistet sein. Sowohl der Verrat als auch das Verleiten, der Versuch des Verleitens und das Ausspionieren durch Dritte sollten verboten werden. Die Frage allerdings, was überhaupt als Geheimnis gelten könne und wie eine Schutzbestimmung zu formulieren sei, um gleichzeitig das Interesse des Geschäftsinhabers am Geheimnisschutz und dem Interesse des Angestellten bzw. Arbeiters, nach Ende des Dienstverhältnisses Gelerntes zum eigenen beruflichen Fortkommen zu verwenden, gerecht zu werden, beantwortete Ortloff nicht. 301 Mit dem zweiten 1886 erschienenen Artikel „Das Individualrecht auf Bewahrung der Geschäftsgeheimnisse" versuchte er, die Notwendigkeit eines strafrechtlichen Schutzes wissenschaftlich zu untermauern. 302 Unter Bezugnahme auf Gareis und Klostermann bezeichnete er das Recht auf Wahrung von Geschäftsgeheimnissen als Individualrecht. Die Notwendigkeit eines Schutzes dieses Individualrechts folge schon daraus, daß das StGB ein vergleichbares Individualrecht durch den strafrechtlichen Schutz 299

Ebd., 604f.; vgl. auch ders. (wie Fn.304), 331, 333 f. Ortloff {wie Fn. 302), 611. 301 Vgl. Gustav Freudenstein, Über den Schutz gewerblicher und technischer Geheimnisse durch die Gesetzgebung, in: Archiv für Strafrecht, Bd. 32, Berlin 1884,265 ff., 273, der den Begriff des Geschäftsgeheimnisses zur Verwendung im Rahmen eines Gesetzes für ungeeignet hält. 302 Ortloff,; (wie Fn. 304), 329 ff. 300

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

des Privatgeheimnisses anerkannt und der Schutz des Betriebsgeheimnisses durch das Unfallversicherungsgesetz die Schutznotwendigkeit auch für gewerbliche Geheimnisse bestätigt habe.303 Die Regelung des Patentschutzes beweise darüber hinaus die Berechtigung der Anerkennung eines eigenständigen Rechts auf Wahrung des Geschäftsgeheimnisses. Die Anerkennung des Rechts eines Erfinders bezwecke, ein Mittel zu schaffen, mit welchem der Erfinder seine Erfindung offenbaren könne, ohne auf den möglichen Gewinn zu verzichten. Daraus folge, daß zwangsläufig dort, wo eine solche Offenbarung nicht möglich sei, ein Recht auf Geheimhaltung bestehe.304 Eine solche Möglichkeit sei dann nicht gegeben, wenn ein Patentschutz nicht gewährt werde oder wenn der Wert eines Geheimnisses gerade in dem Umstand liege, daß es nur dem Geheimnisinhaber bekannt sei. Da es sich aber in diesen Fällen ebenfalls um Ergebnisse der geistigen und körperlichen Arbeit handele und der Verlust die wirtschaftliche Existenz eines Erwerbstätigen zerstören könne, bestehe nach Gareis' Theorie ein Recht auf Wahrung solcher Geheimnisse als Individualrecht. Dieser kenne nämlich sowohl ein Individualrecht auf Erhaltung der Existenz als auch auf Anerkennung der „Authentizität des Resultates seiner körperlichen und geistigen Bethätigung".305 Dieses Recht war nach Ortloffs Ansicht umfassend strafrechtlich zu schützen. Dieser zweite Aufsatz beantwortete nun zwar die Frage, welches Rechtsgut nach Ortloffs Auffassung bei dem Verrat eines Fabrik- oder Geschäftsgeheimnisses verletzt werde. Er entwickelt jedoch keine weiteren Erkenntnisse hinsichtlich des Problems, wann gewerbliches und kaufmännisches Wissen als Geheimnis im Sinne einer gesetzlichen Regelung gelten konnte. Der Hinweis darauf, daß alles, was aufgrund der Tatsache, daß es geheim sei, einen wirtschaftlichen Wert habe bzw. daß alle Geheimnisse, denen kein Patentschutz zuteil werden könne, strafrechtlich zu schützen seien, reichen insofern nicht aus. Kohlers weiterreichende Erkenntnisse scheinen Ortloff nicht bekannt gewesen zu sein. Dies wird daran deutlich, daß er es bei der Feststellung beließ, die Anerkennung eines Individualrechts könne die Entstehung des von ihm gewünschten strafrechtlichen Schutzes fördern. Er verneinte zudem ausdrücklich die Behauptung, daß ein zivilrechtlicher Schutz im bestehenden Recht schon existiere. 306 Auch eine Bezugnahme auf die concurrence déloyale unterblieb. Die Ausführungen Ortloffs beweisen allerdings die wachsende Akzeptanz der Theorie der Individualrechte in der deutschen Rechtswissenschaft, insbesondere im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes. Die Theorie wurde ohne weiteres auch zur Begründung eines entsprechen303

Ebd., 330f., 342f. Ebd., 338 f.; Ortloff nimmt hier Bezug auf Klostermanns Ausführungen zum Wesen des Patentrechts. 305 Ebd., 330. 306 Vgl. Ebd., 343; so aber Freudenstein (wie Fn. 311), 294, der allerdings nur den vertraglichen Schutz nennt. 304

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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den strafrechtlichen Schutzes herangezogen. Die Bedeutung auch dieses Artikels von Ortloff lag demnach weniger in dem Versuch der wissenschaftlichen Begründung des Geheimnisschutzes als in der Tatsache, daß er die Diskussion um eine die Handel- und Gewerbekreise offensichtlich bewegende Frage förderte. 2. Die Reaktion der Presse, der Interessenverbände und der Reichsregierung Ortloffs Aufsätzen wurde große Aufmerksamkeit zuteil. 307 Zahlreiche Presseberichte erörterten in der Folgezeit das Für und Wider eines Schutzes von Geschäftsgeheimnissen.308 Befürwortende und ablehnende Reaktionen hielten sich die Waage. Die ablehnenden Reaktionen begründeten ihre Haltung vor allem mit der fehlenden Notwendigkeit des Schutzes. Man erwähnte hier den Umstand, daß der Gesetzgeber während der Kodifikationsarbeiten zum RStGB jeden Paragraphen des französischen Rechts auf seine Tauglichkeit untersucht habe, und eine dem Art. 418 des Code pénal entsprechende Regelung habe man offensichtlich nicht für nötig erachtet. 309 Die jetzige Bewegung entspreche nur einer allgemeinen Sucht nach Schaffung zusätzlicher Strafgesetze und dem Versuch, Arbeiter und Angestellte an der Gründung von Konkurrenzunternehmungen zu hindern, um sich so Bezugs- und Absatzquellen zu sichern. 310 Besonders die Eingaben des Verbandes keramischer Gewerke in Deutschland v. 25.3. 1884 und 15.11. 1884311 sowie des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands v. 20. September 1884 312 bewirkten jedoch im Gefolge der Ausführungen Ortloffs, welche auch der Reichsregierung zur Kenntnis gelangten313, daß der Staatssekretär der Justiz v. Schalling und der Staatssekretär des Innern v. Boetticher sich im Winter 1884/85 darauf verständigten, die Ansichten der Bundesregierungen zu einer Erweiterung des StGB um einen Paragraphen zum Schutz von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen einzuholen.314 Zudem beschäftigte 307 Gutachten von André zu Chemnitz (wie Fn. 200), 71 ff., in dem Ortloffs Beitrag als Auslöser der Diskussion bezeichnet wird; desgl. Olshausen, Stenographische Berichte der Verhandlungen des 19. Deutschen. Juristentages, Bd. 3, Berlin und Leipzig 1888, 239; vgl. auch Freudenstein (wie Fn. 311), 265 ff. mwN. 308 Aus dem Bestand des Bundesarchivs sind z. B. folgende Artikel zu nennen: Posener Zeitung v. 23.4.1884; Weser-Zeitung v. 8. September 1883, Reichsjustizamt, BArch. 3001/2648, Bl. 3ff.; Allg. Zeitung v. 15.4.85, 2. Beilage, Handelszeitung, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681; Bl. 14; vgl. auch die ablehnende Haltung von Freudenstein (wie Fn.311), 265ff. 309 Posener Zeitung, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681; Bl. 14. 310 Allgemeine Zeitung, ebd. 3,1 Reichsjustizamt, BArch. 3001/2642; Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681, Bl. 5 ff. 312 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7680, Bl.2-17. 313 Reichsjustizamt, BArch. 3001/2642. B1.2ff. 314 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7680, Bl. 18 f. Im Anschluß noch weitere Eingaben mit gleichem Anliegen: 1885 die Vereinigte Kaufmannschaft Altenburg, der Inhaber der Fa. B. Fadderjahn; 1886 der Centraiverband Deutscher Industrieller und der Verein Deutscher Inge-

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sich auch der 19. Deutsche Juristentag in Stettin 1888 eingehend mit der Frage eines Schutzes der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse. 315 Der Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie hatte in seiner Eingabe die strafwürdigen Vergehen insofern in drei Gruppen unterteilt. Zur ersten Gruppe gehörte dabei der Verrat durch Arbeiter und Beamte nach Ende ihrer Dienstzeit, zur zweiten der Verrat während der Dienstzeit und zur dritten Gruppe der Verrat durch Personen, die ohne Angestellte der betreffenden Fabrik zu sein, Kenntnis von Geheimnissen erlangten, ζ. B. als Ingenieure von Maschinenfabrikanten. Dabei wurde betont, daß die Vergehen ebenso oft aus eigenem Interesse geschehen wie durch Verleitung zum Verrat im Interesse Dritter. Ein Schutz des Unternehmers bestehe nur hinsichtlich Patenten und Mustern, und auch dieser wurde als unzureichend erachtet: Man rügte vor allem die Beschränkung des Patenschutzes auf das Deutsche Reich. So könne beispielsweise ein Patent straflos in die Schweiz verraten und dort zum Nachteil des Inhabers reproduziert werden. Der Verein sah zwei Möglichkeiten einer Schutzgewährung. Zum einen könne - ähnlich wie dies Ortloff vorgeschlagen hatte - im Anschluß an § 300 RStGB im Abschnitt „Strafbarer Eigennutz und Verletzung fremder Geheimnisse" eine entsprechende Konkretisierung eingefügt werden. Die zweite Möglichkeit bestehe darin, einen Schutz im Anschluß an § 266 RStGB im Abschnitt über Betrug und Untreue aufzunehmen. Dies hätte allerdings den Nachteil, daß dann nur die Handlungen strafbar seien, die in der rechtswidrigen Absicht unternommen werden, einen anderen zu schädigen. Ohne einen konkreten Vorschlag zu unterbreiten, verwies der Verein auf das Vorbild der Art. 285 und 320 des außer Kraft getretenen thüringischen StGB. 316 Der Verband keramischer Gewerke in Deutschland schlug eine Erweiterung des § 300 StGB um einen zweiten Absatz vor und griff damit ebenfalls die Ideen Ortloffs auf. 317 Er verwies insbesondere auf den Zusammenhang zwischen der fortschreitenden Industrialisierung und der erhöhten Schutzbedürftigkeit der Unternehmen. Die Anfälligkeit der Industrie gegen die beschriebenen schädigenden Handlungen sei gestiegen, seit man im Gefolge der hochentwickelten Arbeitsteilung dazu gezwunnieure. Bis zur Inangriffnahme des UWG im Jahre 1894 gingen vereinzelt weitere Petitionen an die Regierung, den Reichstag oder die Bundesregierungen, vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681. 315 Hierzu André (wie Fn. 200), 71 ff.; Stenographische Berichte der Verhandlungen des 19. Deutschen Juristentages, Bd. 3, Berlin und Leipzig 1888, 238-272. 316 Siehe oben, Teil 1, 2. Kapitel, II., 5., c. 317 300 StGB: „Al. 2. Personen, welche als Directoren, Comptoir oder technische Beamte oder Arbeiter in Fabriken, gewerblichen Unternehmungen oder kaufmännischen Geschäften angestellt sind und Dasjenige, was ihnen vermöge ihres Dienstes oder ihrer Beschäftigung anvertraut oder sonst von ihnen in Erfahrung gebracht worden ist und dessen Geheimhaltung ihnen obliegt, bzw. was sie sich auf unerlaubte Weise in gewinnsüchtiger Absicht aneignen, an Andere offenbaren, werden mit Geldstrafe bis... oder Gefängnis bis bestraft".

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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gen sei, zahlreiche Umstände des Arbeitsablaufes, die existenzbegründenden Charakter haben könnten, Angestellten zu offenbaren. Des weiteren seien gerade die Gewerbezweige, deren Erwerbsmöglichkeiten vor allem auf unterschiedlichen, aber leicht zu imitierenden Herstellungsarten, wie Rezepturen, und auch mechanischen, chemischen und maschinellen Betriebsmethoden basierten, auf eine Erweiterung des Schutzes angewiesen. Ein zivilrechtlicher Schutz erscheine jedoch angesichts der häufigen Vermögenslosigkeit der Verratenden als sinnlos. Die ersten Vorschläge aus dem Kreis der Handel- und Gewerbetreibenden kamen folglich aus Industriezweigen, deren Leistungen bzw. Produkte nur in Ausnahmefällen Patent- oder Musterschutz genossen bzw. diesen nur zögerlich in Anspruch nahmen. Gefordert wurde nur ein Schutz des Fabrikgeheimnisses, worauf sich auch Art. 418 Code pénal beschränkte. Die Vorschläge gingen alle in Richtung einer Erweiterung des Reichsstrafgesetzbuches, wobei der systematische Standort - Untreue oder im Anschluß an die Eigennutzparagraphen - zweitrangig erschien. Im Prinzip strebte man damit lediglich eine Wiederherstellung des Zustandes an, der aufgrund der Partikularstrafgesetzbücher vor der Reichsgründung bestanden hatte. Das Verständnis des Verrats als concurrence déloyale, wie es bei Kohler zu finden ist, spielte für die Interessenverbände in dieser Phase keine Rolle. Ein zivilrechtlicher Schutz wurde nur im Hinblick auf den schädigenden Arbeitnehmer bzw. Angestellten erörtert und als zwecklos abgelehnt. Die vom Reichsamt des Innern befragten Bundesregierungen äußerten sich meist noch im Jahre 1885. Die meisten vertraten die Ansicht, daß in gewissen gewerblichen Zweigen, namentlich in der chemische Industrie, ein Schutz nützlich sei. Aber angesichts der Tatsache, daß dieses Bedürfnis nicht verallgemeinert werden könne, und angesichts der Schwierigkeiten gerade im Hinblick auf die Dauer des Geheimnisschutzes und mit der Definition dessen, was ein Geheimnis sei, lehnte man ein legislatives Tätigwerden ab. 318 Insgesamt sprachen sich 15 Regierungen, darunter Preußen und Bayern, gegen eine Erweiterung des Schutzes aus, elf waren dafür. Preußen hatte alle siebzig preußischen Handelskammern nach ihrer Ansicht über ein gesetzgeberisches Tätigwerden befragt. 36 Handelskammern befürworteten einen Schutz, 24 lehnten ihn ab, acht äußerten sich nicht. 319 Dennoch war nach Ansicht des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe dem Fabrik- und Geschäftsgeheimnisverrat nicht eine solche Bedeutung beizumessen, daß diese die Bedenken gegen eine solche Strafvorschrift und vor allem die ablehnenden Stellungnahmen der Mehrzahl der Regierungen überwiege.

3,8 319

Vgl. hierzu den Rückblick des Staatssekretärs v. Boetticher, GR 1 (1892), 85 f. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7682, Bl. 3 ff.

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3. Der 19. Deutsche Juristentag 1888 Auch auf dem 19. Deutschen Juristentag 1888 in Stettin wurde die Frage eines Rechtsschutzes gegen den Verrat der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse diskutiert. Der Gutachter für die Frage, ob das RStGB um Bestimmungen gegen den Verrat der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse zu ergänzen sei, Dr. André aus Chemnitz, verneinte die Frage. 320 Er stellte schon das Bedürfnis dafür in Frage. Im übrigen sei die Trennlinie dessen, was zum Wohle des Geheimnisinhabers geheim zu halten sei und dessen, was im öffentlichen Interesse zum Wohle des Fortschritts nicht zu schützen sei, durch die Patentgesetzgebung hinreichend geregelt. Vor allem aber tat sich André schwer, ein Rechtsobjekt zu erkennen, dem ein solcher strafrechtlicher Schutz zuteil werden könnte. Dem Fabrik- und Geschäftsgeheimnis fehle die Greißarkeit, ein Recht auf Wahrung desselben sei nebelhafter Νatur. m Dementsprechend könne keine strafrechtliche Bestimmung mit ausreichender Bestimmtheit erlassen werden. Eine Lösung des Problems sah er im Ausbau des Zivilrechts, der im Rahmen der Arbeiten am BGB im Gange sei. Zu empfehlen sei eine allgemeine Rechtsregei, welche ungehörige Handlungen verbiete und den Richter in den Stand versetze, hierdurch bestimmte Fälle des Geheimnisverrats zu verbieten. Die Abfassung der Bestimmung sei dabei mit den „Erwägungen über den Schutz gegen concurrence déloyale in Zusammenhang zu bringen". 322 Nach Andrés Ausführungen scheiterte demnach eine Aufnahme eines strafrechtlichen Schutzes an dem Fehlen eines Rechts auf Wahrung eines solchen Geheimnisses. Die Möglichkeit einer überzeugender Konstruktion sah er nicht. Die Idee des geistigen Eigentums etwa habe sich für den deutschen Rechtskreis nicht als tragfähige Lösung erwiesen. Kohlers Theorie der Individualrechte und auch Ortloffs Ansätze waren für ihn Begründungsversuche nebelhafter Natur. Dies verdeutlicht erneut, daß der Theorie der Individualrechte für den Bereich des Geheimnisschutzes in der Rechtswissenschaft keine Anerkennung zuteil wurde. Es existierte zudem keine allgemeine auch von der Rechtsprechung anerkannte Rechtskonstruktion, welche den Schutz der Ergebnisse gewerblicher Leistung hätte begründen können. André griff in der Folge auf den Ansatz des französischen bzw. Rheinischen Rechts zurück und betrachtete den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen wie Kohler unter dem Aspekt der concurrence déloyale. Eine präzise Systematisierung unterließ er dabei. Allerdings ging André nicht so weit wie das französische Recht, da er den durch Art. 418 Code pénal gewährten Schutz ebenfalls für überflüssig hielt. 323 Zivilrechtlicher Schutz sollte ausreichen. Der Juristentag folgte André nach kontroverser Debatte nur bedingt. Zwar fand sich auch hier mehrfach die Auffassung, der Verrat von Fabrik- und Geschäftsge320 321 322 323

André (wie Fn.200), 73. Ebd., 77, 82. Ebd., 84f. Ebd., 79.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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heimnissen sei als concurrence déloyale anzusehen.324 Die Mehrheit bejahte jedoch schließlich die Notwendigkeit einer Ergänzung des RStGB um einen entsprechenden Schutz. Der Verrat sei als Untreue zu behandeln, das Bedürfnis eines Schutzes in vielen Bereichen des Erwerbslebens sei unübersehbar. 325 Eine zivilrechtliche Regelung allein könne nicht alle ahndungswürdigen Fälle abdecken, insbesondere bei Beweisschwierigkeiten hinsichtlich der Höhe des Schadens. Auch sei die präventive Wirkung einer Strafnorm notwendig. Ein paralleler Schutz durch eine strafrechtliche Norm und durch eine Bestimmung gegen concurrence déloyale im BGB werde angestrebt. 326 Durch die Behandlung als Treuepflichtverletzung wurde die Frage nach dem verletzten Rechtsgut, wie sie die Sichtweise als strafbarer Eigennutz gestellt hätte, umgangen. Probleme wie die Definition des Begriffs, die Ausdehnung eines Schutzes über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus oder die genaue Formulierung einer solchen Norm wurden nicht gelöst. Die Brisanz der Frage, inwiefern der Angestellte bzw. Arbeiter durch Geheimhaltungspflichten nach Ende des Dienstverhältnisse in ihrem beruflichen Fortkommen gehindert werden dürfen, klang hier erst an. 327 Trotz Votums für eine Ergänzung des RStGB, und trotz Fortsetzung von Eingaben von Interessenverbänden und trotz der Anteilnahme der Presse war jedoch ein Tätigwerden der Regierung bis in die neunziger Jahre nicht mehr zu erwarten. Die Ablehnung der Notwendigkeit durch einen maßgeblichen Teil der betroffenen Kreise wog zu schwer. Die im Gefolge von Ortloffs Aufsätzen entfachte Diskussion bezog sich bereits auf einige Themen, die auch die Auseinandersetzung im Zuge der Gesetzgebungsarbeiten für ein Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs bezüglich des Schutzes der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse bestimmten: Insbesondere die Frage, was überhaupt ein Geheimnis sei, wie lange ein solches, wenn überhaupt, geschützt werden solle und welches der systematische richtige Standort für einen solchen Schutz sei, prägten auch in den neunziger Jahren die Diskussion. Vor allem aber zeigte sich, daß der Verrat von Geheimnissen im wirtschaftlichen Wettbewerb oftmals als concurrence déloyale und damit als unlautere Wettbewerbshandlung aufgefaßt wurde. Die Diskussion um den Geheimnisschutz förderte demnach zugleich die Entwicklung eines Unlauterkeitsbewußtseins in Deutschland.

324 Olshausen, Lindenberg, Stenographische Berichte des Verhandlungen des 19. Deutschen Juristentages, Bd. 3, 242, 262. 325 Katz, ebd., 257f. 326 Olshausen, ebd., 242f., 269f.; Katz, ebd., 255ff.; Lindenberg, ebd., 260ff.; Bindseil, ebd., 266 ff.; Beck, ebd., 267 ff. 327 André (wie Fn. 200), 78 f.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

I I I . Der Schutz gegen Erscheinungsformen irreführender Werbung Klagen über einen unzureichenden Schutz des Wirtschaftslebens wurden auch in einem weiteren Bereich laut und mit der Forderung nach einer Schutzerweiterung verbunden. Seit den siebziger Jahren gingen zahlreiche Petitionen bei der Reichsregierung vor allem von Vertretern „stehender", also seßhafter Gewerbe ein, die täuschende Absatzmethoden fahrender Händler und des Wandergewerbes beklagten.328 Im Gefolge der Gewerbefreiheit war die Zahl der fahrenden Händler insbesondere in ländlichen Gegenden des Reiches sprunghaft gestiegen. Sie stellten naturgemäß eine neue, meist billige Konkurrenz für das stehende Gewerbe dar. Die Petitionen beklagten vor allem, daß die fahrenden Händler für ihre Waren oft mit falschen oder überzogenen Angaben über deren Eigenschaften warben, das gutgläubige, unerfahrene Publikum täuschten und zum Kauf überredeten. 329 Die oftmals nur kurzen Aufenthalte an den Absatzorten hätten dabei zur Folge, daß die fahrenden Händler für dieses Verhalten kaum zur Rechenschaft gezogen werden könnten.330 Die Klage über solche irreführenden Werbemaßnahmen im wirtschaftlichen Wettbewerb geriet im Zuge einer Diskussion um die Abänderung der Gewerbeordnung im Jahr 1882 in den Mittelpunkt der parlamentarischen Auseinandersetzung. 331 Ausgangspunkt waren wiederholt vorgetragene Beschwerden über das Wandergewerbe. Die Regierung hatte eine Vorlage zur Abänderung der Gewerbeordnung erarbeitet, in der sie unter anderem diesen Beschwerden Rechnung tragen wollte. Die von der Mehrzahl der Petitionen aus verschiedenen Gründen geforderte völlige Untersa328

So in einer Eingabe Gifhomer Kaufleute vom 1.11.75, in der der Hausir- und Hosenhandel beklagt wird, der den Mittelstand schädige, das Vertrauen schwinden lasse und der Dorfbevölkerung den Weg in die Städte ersparten, alle auch Konsumvereine zahlen keine Steuern wie Kaufleute, am schlimmsten sind Wanderauktionen, die von Veranstaltern ohne Ausbildung durchgeführt werden, in den Städten steigende Konkurrenz durch ungelernte Kaufleute und Hausirer. „Was nützt mir alle Freiheit, wenn mir die Existenz daran zu Grunde geht?" Gefordert wird eine Beschränkung des Hausirhandels, ev. durch Besteuerung und Verbot der Waarenauktionen, siehe hierzu, Stenographische Berichte der Verhandlungen des 19. Deutschen Juristentages, Bd. 3; Zehnter Bericht der Kommission für Petitionen, Aktenstück Nr. 135, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 2. Leg., 3. Sess. 1875; Aktenstück Nr. 74, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 2.Leg., 4. Sess. 1876. 329 Reichskanzleramt, BArch. 1401/434. 330 Ebd. 331 Vgl. die amtliche Begründung des „Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung", Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 5. Leg., 2 Sess. 1882/83, Anlage zu den Verhandlungen des Reichstages Nr. 5,6; vgl. auch die im Jahre 1882/83 eingegangenen Petitionen, beispielsweise des Vereines deutscher Kolportage-Buchhändler, der Herren Zöllner und Genossen und des Kaufmanns Hofacker und Genossen zu Straelen, Erstes Verzeichnis der bei dem Reichstag eingegangenen Petitionen, Joum.II, Nr. 584-586, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 5.Leg., 2. Sess. 1882/83.

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gung des „Gewerbebetriebes im Umherziehen" lehnte die Regierung ab, erkannte aber im Reichstag Handlungsbedarf dahingehend an, „daß den Gefahren, welcher der Gewerbebetrieb im Umherziehen auf dem Gebiet der öffentlichen Sicherheit, Gesundheitspflege, Sittlichkeit und Ordnung seiner Natur nach mit sich bringt, wirksamer als bisher begegnet werden kann".332

Bei dieser Debatte ging es folglich vor allem um den Versuch des Gesetzgebers, die Gewerbeordnung und das Prinzip der Gewerbefreiheit unter dem Aspekt ihrer Vereinbarkeit mit den anerkannten drei Schranken der allgemeinen Ordnung, der Gesundheit und der guten Sitten einer Revision zu unterziehen und gegebenenfalls abzuändern.333 Man strebte in dieser Hinsicht insbesondere eine Verschärfung der Zulassungsvoraussetzungen und die bisher nicht gegebene Möglichkeit an, die Fortsetzung des Gewerbes zu untersagen. Die Untersagung der Fortsetzung des Gewerbes fand in einem neuen § 58 Eingang in die Gewerbeordnung, die Versagungsgründe bestimmten § 57 und § 57a. In § 57 Ziffer 3 sollte folgende Vorschrift aufgenommen werden: »§57 Der Wandergewerbeschein ist zu versagen:

3. wenn Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß der Nachsuchende den Gewerbebetrieb zu Handlungen, welche den Gesetzen oder den guten Sitten zuwiderlaufen, oder zu schwindelhaften Zwecken benutzen wird..."

In der amtlichen Begründung heißt es hierzu: 334 „Was bei dem Erlaß dieser Vorschrift den Ausschlag geben muß, ist die Rücksicht auf das allgemeine Wohl. Nicht daß wird zu befürchten sein, daß das Gesetz ungerecht angewendet werde, sondern, daß trotz desselben noch recht viele in den Besitz eines Wandergewerbescheines gelangen, welche jeden Augenblick bereit sind, ihr Gewerbe zu Handlungen, welche den Gesetzen oder guten Sitten zuwiderlaufen, oder zu schwindelhaften Zwecken zu mißbrauchen".

Unterbunden werden sollte demnach die Ausnutzung der Gewerbefreiheit zu verbotenem, sittenwidrigem oder schwindelhaftem Erwerbsverhalten. Als Grund für die Erweiterung wurde die Sorge um das öffentliche Wohl genannt. Dieser Umstand zeigt, daß die erwähnten irreführenden Werbemaßnahmen zunächst einmal als unerwünschte Folge der Gewerbefreiheit verstanden wurden und man dementsprechend hier den Ansatzpunkt für ein legislatives Einschreiten sah. In 332

Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 5. Leg., 2.Sess., 1882/83, Anlage zu den Verhandlungen des Reichstages Nr. 5, 6. 333 So beispielsweise der Abgeordnete v. Koller, Sten. Ber. d. Verhandlungen des Reichstags, 5. Leg., 2.Sess. 1882/83,61. 334 Amtliche Begründung des „Entwurfs eines Gesetzes betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung", Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 5.Leg., 2 Sess. 1882/83, Anlage zu den Verhandlungen des Reichstages Nr. 5, 25.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

diesem Sinne wurde er als Verstoß gegen die guten Sitten, also die Redlichkeit im Verkehr interpretiert. Diese waren als Grenze der Gewerbefreiheit anerkannt. Ein gegen sie verstoßendes Verhalten wurde als Mißbrauch der Gewerbefreiheit verstanden und sollte entsprechend geahndet werden. Erkannt wurde nicht nur, daß das herkömmliche Recht gegen irreführende oder täuschende Absatzmethoden, zu denen auch Quantitätsverschleierungen oder schwindelhafte Angaben über Qualität und Beschaffenheit der Waren 335 gezählt wurden, keinen ausreichenden Schutz bot. Als Hauptproblem wurde auch erwähnt, daß es schwer sei, im Einzelfall diese Taten zu beweisen. Doch es müsse das Ziel verfolgt werden, das Gewerbe von den unlauteren... Elementen zu befreien. 336 Als in erster Linie geschädigt wurde der Konsument angesehen, allen voran die unbedarfte Landbevölkerung, die um die Ersparnisse mehrerer Jahre gebracht werde. 337 Besonders betont wurde dabei immer wieder, daß die angestrebten Veränderungen die Gewerbefreiheit nur formal einschränkten, während die Freiheit tatsächlich besser geschützt und lebensfähiger gemacht werde als bisher, wenn man ihre Mißbräuche bekämpfe. 338 Mit dieser Begründung versuchte man, die Vorbehalte der Vertreter liberaler ökonomischer Forderungen gegen eine solche formale Beschränkung gewerblicher Freiheiten zu entkräften. Das Schicksal des § 57 Nr. 3 während der Beratungen im Reichstag war wechselhaft. Auffällig ist, daß die Trennlinie zwischen Befürwortern und Gegnern ausnahmslos zwischen dem linken Flügel, einschließlich der Freisinnigen Partei und des Zentrums, und dem rechten Flügel des Hauses verlief. Die „rechten" Fraktionen befürworteten die genannten Einschränkungen der Gewerbefreiheit und des Hausirhandels. Einige hätten auch nichts gegen ein völliges Verbot einzuwenden gehabt. Der Sozialdemokratie ging es hingegen darum, die Vorlage zu verhindern, da dieses Gewerbe die Lebensgrundlage hunderttausender armer und sehr armer Bürger darstelle und vor allem die Landbevölkerung mit wichtigen Waren versorge. In Verbindung mit den Freisinnigen war man der Ansicht, daß ein Bedürfnis für solche weitreichenden Regelungen nicht eindeutig festzustellen sei. Insbesondere, so wurde argumentiert, komme es dem rechten Flügel darauf an, ihrer Wählerschaft, die sich offensichtlich aus dem wohlsituierten stehenden Gewerbe rekrutierte, unliebsame Konkurrenz zu nehmen.339 Besonders der Begriff zu schwindelhaften Zwecken war umkämpft. Vor allem die Regierung und der rechte Flügel empfanden den Begriff als klar genug und in der 335

Abgeordneter v. Koller, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 5. Leg., 2. Sess. 1882/83, 62. 336 v. Koller, ebd. 337 Abgeordneter Günther, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 5. Leg., 2. Sess. 1882/83, 50. 338 Günther, ebd., 46. 339 So Büchtemann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 5. Leg., 2. Sess. 1882/83, 27.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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ausländischen Gesetzgebung bewährt 3 4 0 , bzw. man sah die Wahl eines solchen Begriffes als die vorteilhafteste aller Lösungen an: 3 4 1 „... Wenn aber auf gewerblichem Gebiet die Verschiedenheit der Einzelfälle eine so außerordentlich große ist, daß mit allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen schwer durchzukommen ist, was bleibt denn dann übrig? Entweder Sie müssen in eine ganz ungeheure Kasuistik verfallen, die doch immer noch unvollständig bleiben würde oder Sie müssen sehr strenge Bestimmungen geben, und dann würde ich allerdings fürchten, daß auch der berechtigte Gewerbebetrieb von diesen gesetzlichen Bestimmungen in ungerechtfertigter Weise getroffen werden könnte. Oder meine Herren, man trifft ganz allgemeine gesetzliche Bestimmungen und läßt sonst alles gehen wie es gehen will, und das ist der Grundsatz (der bisherigen Gewerbeordnung; der Verf.), den Sie (die Sozialdemokraten; der Verf.) vertheidigen. Dann aber öffnen Sie den Mißbräuchen Thor und Thür, wie sie gegenwärtig existieren. Ich möchte deshalb glauben, daß es richtiger sei, allerdings möglichst genaue gesetzliche Bestimmungen zu treffen, daß aber auch die Erwägung der Exekutivbehörden eintreten muß, und diesen Mittelweg, glaube ich, trifft der Gesetzentwurf in glücklicher Weise." Ein interpretationsbedürftiger Begriff wurde hiernach als der beste Weg beschrieben, um einerseits der Unmöglichkeit zu begegnen, jeden nur erdenklichen Fall gesetzlich regeln zu müssen und andererseits zu verhindern, daß kein ausreichender Schutz bestand. Die Sozialdemokraten hingegen unterstellten dem rechten Flügel, der Verwaltung Maßnahmen ermöglichen zu wollen, die dem Sozialistengesetz gleich 342 zu willkürlicher Behandlung dieser gewerblichen Klasse führen werde: „Wirfinden zur Verwandtschaftsbezeugung eine Menge Kautschukbegriffe, wie Unzuverlässigkeit gegen das Gesetz, Ordnung, Sicherheit, gute Sitten.- Alles das sind schöne Worte, nur das sich jeder, was anderes darunter denkt, daß der Herr Abgeordnete Günther und andere Herren von rechts unter,guten Sitten4 etwas ganz anderes verstehen können, als andere Leute, daß die Polizei mit solchen Worten etwas ganz anderes anfängt, wie gewöhnliche Bürger sich träumen lassen, so das man sagen muß, das mit solchen Bestimmungen alles mögliche gemacht werden kann." Diese Ansicht betonte folglich die Gefahren unbestimmter Begriffe in Gesetzen, vor allem die Sorge einer politisch motivierten Interpretation solcher Formulierungen. Während am Ende der zweiten Beratung alle Anträge, welche eine Änderung des § 57 Nr. 3 vorsahen, abgelehnt wurden, nahm die Debatte in der dritten Beratung eine entscheidende Wendung. Nach nur drei Wortbeiträgen, von denen zwei für und einer gegen die Beibehaltung der Wortwahl des Entwurfs stimmten und in denen die Argumente der zweiten Beratung im wesentlichen wiederholt wurden, wurde in der 340

Geheime Regierungsrath Bödiker, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 5.Leg., 2. Sess. 1882/83, 1825, mit dem Hinweis, daß auch in der Schweiz (Verordnung des Kantons Luzem v. 16.10.1880) gegen schwindelhafte Reklame hiermit vorgegangen werde. 341 Günther (wie Fn. 347), 47. 342 Kayser, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 5. Leg., 2. Sess. 1882/83, 52.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

anschließenden Abstimmung ein Abänderungsantrag angenommen, der der Nr. 3 einen völlig anderen Inhalt gab und der offensichtlich den Bedenken einer zu stark die behördliche Willkür ermöglichenden Form Rechnung tragen sollte. §57 Nr. 3 lautete nun in seiner neuen Fassung: „§57 Das Wandergewerbe ist zu versagen:

3. wenn er (der Nachsuchende; der Verf.) wegen strafbarer Handlungen aus Gewinnsucht, gegen das Eigenthum, gegen die Sittlichkeit, wegen vorsätzlicher Angriffe auf das Leben und die Gesundheit der Menschen, wegen vorsätzlicher Brandstiftung, wegen Zuwiderhandlung gegen Verbote oder Sicherungsmassregeln, betreffend Einführung oder Verbreitung ansteckender Krankheiten oder Viehseuchen, zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Monaten verurtheilt ist, und seit Verbüssung der Strafe drei Jahre noch nicht verflossen sind;

Der Einwand der Gegner des Antrags, daß der Behörde jegliche präventive Handhabe in den Fällen fehle, in denen eine Strafbarkeit konkret noch nicht eingetreten war, wurde nicht beachtet. Bei Verhaltensweisen, die zwar dem sittlichen und moralischen Empfinden der Bevölkerung widersprachen, die aber mangels der Schwächen des RStGB oder mangels hinreichender Beweise nicht verfolgt werden konnten, fehlte eine Möglichkeit des Einschreitens. Die eingangs erwähnten Formen irreführender Werbung konnte so kaum getroffen werden. Demnach ist die Entstehungsgeschichte des § 57 Nr. 3 GewO aus mehreren Gesichtspunkten bemerkenswert. Zunächst einmal markiert die Auseinandersetzung um die Vorschrift den Beginn der parlamentarischen Diskussion um die Frage, wie gewerbliches Verhalten bekämpft werden konnte, das ganz allgemein gegen die „guten Sitten" verstieß. In dem hier geschilderten Versuch, als Gefahren empfundene Auswüchse der Gewerbefreiheit durch eine Beschränkung der Gewerbefreiheit zu bekämpfen, lag demnach eine der Wurzeln der parlamentarischen Behandlung der Bekämpfung irreführender Werbung in Deutschland. Bei diesem Verhalten handelte es sich um eine typische Erscheinungsform dessen, was seit den neunziger Jahren des 19. Jahrhunderts als unlauterer Wettbewerb verstanden wurde. Die ältere Literatur zum UWG von 1896 sah den Anfang der parlamentarischen Auseinandersetzung in der späteren Diskussion um den Hausierhandel und eine entsprechende Änderung der Gewerbeordnung im Jahr 1892; dabei werden jedoch die Anfänge der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in der hier beschriebenen Phase übersehen.343 Gleichzeitig betreffen die Diskussion und die ihr vorausgehenden Petitionen einen weiteren Fall, in welchem nach Einführung der Gewerbefreiheit im Deutschen 343

Vgl. Volleth (wie Fn. 164), 18; Bolle (wie Fn. 196), 40.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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Reich die Rechtsschutzmöglichkeiten vor allem von Handel- und Gewerbetreibenden, aber auch von Konsumenten im Verkehrsleben als unzureichend empfunden werden. Gegenstand der Diskussion war der Hausierhandel, wo die soziale Not und die Schattenseiten der wirtschaftlichen Veränderungen besonders deutlich zutage traten. Der Zusammenhang zwischen existenzbedrohendem Wettbewerb und schwindelhaftem Verhalten wird hier angedeutet. Vor allem aber zeigte sich hier, daß in Parlament und Bevölkerung die Überzeugung entstand, daß die Ausübung der Wettbewerbsfreiheit durchaus zu sittenwidrigen Verhaltensweisen führen konnte. Die Debatte im Reichstag gehört so zu dem Prozeß eines sich entwickelnden Unlauterkeitsbewußtseins in Deutschland. Bei den hier diskutierten Erscheinungen handelte es sich zudem um typische Formen dessen, was von Kohler und Mayer als concurrence déloyale bezeichnet wurde, ohne daß das Parlament dies ebenso verstanden hätte. Der Umstand, daß hierbei ausschließlich ein „verwaltungsrechtliches" Vorgehen zur Debatte stand, beweist, wie Mayer trotz des wachsenden Erfolges der Theorien Kohlers und Gareis in der Wissenschaft das öffentliche Verständnis seiner Zeit von der Problematik des unlauteren Wettbewerbs besser traf. Seine Behauptung, daß die concurrence déloyale in Deutschland mit verwaltungsrechtlichen Mitteln zu bekämpfen sei, da diese Auswüchse der Gewerbefreiheit beschreibe und die Gewerbefreiheit ein verwaltungsrechtliches Fundament habe, findet sich in der parlamentarischen Debatte wieder. Charakteristisch für die Einordnung der schwindelhaften Werbung als ein mit verwaltungsrechtlichen Mitteln zu bekämpfender Mißbrauch der Gewerbefreiheit ist, daß gewisse Verhaltensweisen, gegen die das herkömmliche Recht keine Handhabe bot, dabei, wie erwähnt, als Verstoß gegen die guten Sitten qualifiziert wurden. Auf diese Weise wurde ein Ansatzpunkt für rechtliches Einschreiten gefunden. Es verfestigte sich des weiteren die Ansicht, daß die Gewerbefreiheit auch für die Gesetzgebungsorgane kein unantastbares Prinzip war, sondern Einschränkungen unterlag. Dem Argument, eine Vorschrift der Gewerbeordnung dürfe nicht gegen das Prinzip der Gewerbefreiheit verstoßen, wurde nun verstärkt mit dem Hinweis begegnet, daß eine solche Vorschrift einen Schutz vor Mißbrauch der Gewerbefreiheit darstelle und so der Gewerbefreiheit zu einer ungehinderteren Entfaltung verhelfe. Darüber hinaus deuteten sich Schwerpunkte der späteren Auseinandersetzung um eine Entstehung eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb an. So tauchte in Grundzügen schon die später umstrittene Frage auf, wie gegen die „guten Sitten" verstoßendes Verhalten gesetzestechnisch bekämpft werden sollte. Diskutiert wurde, ob sich angesichts der Vielfalt möglicher Verhaltensweisen eine Generalklausel mit großen Freiheiten für die anwendenden Behörden oder Gerichte anbot oder ob das gleiche Argument für eine exakte spezialgesetzliche Regelung sprach. Auch die Frage, wer durch dieses beschriebene Verhalten zunächst geschädigt sei, der Verbraucher oder der Mitbewerber, klang bereits an. Das Parlament nannte

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

in erster Linie die Verbraucher als geschädigte Personengruppe. Der Mitbewerber, also der durch den mittels irreführender Werbemaßnahmen geförderten Warenverkauf in seinem Absatz geschädigte Gewerbetreibende, wurde nur in zweiter Linie genannt. Einen weiteren Schwerpunkt in der parlamentarischen Debatte bildete die Auseinandersetzung über die Frage, inwiefern die Behauptung, ein Gewerbetreibender verstoße in zahlreichen Fällen bei seiner Erwerbstätigkeit gegen die guten Sitten, der Gefahr der Instrumentalisierung durch eine politische Gruppierung unterlag. Die Diskussion liefert Anhaltspunkte dafür, daß bestimmte Parteien einer Berufsgruppe, die sie als Wählerschaft ansahen, dienen wollten, indem sie unerlaubte und unbequeme Konkurrenz gleichsetzten. Dieser von den Sozialdemokraten erhobene Vorwurf mag mit dazu beigetragen haben, daß zumindest in dieser Phase der in seinem Absatz geschädigte Gewerbetreibende als Grund der legislativen Maßnahmen nur sehr vereinzelt und vorsichtig genannt wurde.

IV. Der Schutz des gewerblichen Schaffens in der Entstehungsgeschichte des BGB Parallel zu den geschilderten Bemühungen um eine Erweiterung des gewerblichen Rechtsschutzes wurden seit dem Jahr 1874 die Arbeiten an einem reichseinheitlichen Bürgerlichen Gesetzbuches aufgenommen. 344 Auf der Grundlage der Vorschläge einer Vorkommission, welche in den ersten Monaten des Jahres 1874 Plan und Methode der Erstellung eines Entwurfs ausgearbeitet hatte, berief der Bundesrat am 22. Juni 1874 eine erste Kommission. Diese erste Kommission erarbeitete in den nächsten Jahren bis 1887 einen ersten Entwurf, welcher gemäß einem Bundesratsbeschluß im Januar 1888 veröffentlicht wurde. Zahlreiche öffentliche Stellungnahmen folgten. 1890 wurde dann eine zweite Kommission berufen, welche den Entwurf in den Jahren bis 1895 überarbeitete. Der hieraus resultierende zweite Entwurf wurde im Januar 1895 dem Reichstag vorgelegt. Am 1. Juli 1896 wurde das BGB verabschiedet. Das Gesetz trat am 1. Januar 1900 in Kraft. Verantwortlicher Redakteur in der Ersten Kommission für die Ausarbeitung einer Diskussionsgrundlage auf dem Gebiet des hier interessierenden Schuldrechts war der Königlich Württembergische Obertribunalsdirektor v. Kübel. Sein die Überschrift „Unerlaubte Handlungen" tragender Teilentwurf aus dem Jahr 1882 legte dem Deliktsrecht in § 15 Nr. 1 zunächst eine Generalklausel zugrunde, welche an344 Zur Entstehungsgeschichte des BGB vgl. den Überblick von Helmut Coing , Einleitung zum Bürgerlichen Gesetzbuch, in: Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Erstes Buch, Allgemeiner Teil, 13. Aufl., Berlin 1995,49ff.; Vierhaus, Die Entstehungsgeschichte des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 1988; Schwartz , Die Geschichte der privatrechtlichen Kodifikationsbestrebungen in Deutschland und die Entstehungsgeschichte des Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Archiv für Bürgerliches Recht 1, 1889, 1 ff.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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gesichts der erwähnten Entwicklung des französischen Rechts in Art. 1382 Code civil, hier besonders interessiert: 345 „Hat jemand durch eine widerrechtliche Handlung oder Unterlassung aus Absicht oder aus Fahrlässigkeit einem anderen einen Schaden zugefügt, so ist er diesem zum Schadensersatz verpflichtet."

Kübel folgte somit in seinem Entwurf nicht dem römischen Recht, welches nach damaligem Verständnis außervertraglich Schadensersatz nur bei Vorliegen eines Tatbestandes aus dem begrenzten Kreis anerkannter Delikte gewährte. 346 Der Entwurf stellte die Schadensersatzpflicht auf eine allgemeine Grundlage und sollte sich damit an den Regelungen anderer Gesetze orientieren, z.B. ALR I, 6 §§ 10ff. und Art. 1382f. Code civil. 3 4 7 Im Gegensatz zu Art. 1382 Code civil allerdings verlangte der Entwurf die Widerrechtlichkeit der Handlung als einschränkendes Merkmal und ließ demnach die schuldhafte Schadenszufügung als solche nicht genügen. Widerrechtlichkeit setzte ein verbotenes Handeln, die Verletzung eines absoluten Rechts oder die Verletzung eines Rechtsguts, in welches der Handelnde kraft eines Schuldverhältnisses nicht eingreifen darf, voraus. 348 Da die meisten Verhaltensweisen der concurrence déloyale, wie der Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen oder die irreführende Werbung, gerade nicht verboten waren und schuldrechtliche Schutzabreden im geschäftlichen Alltag in der Regel nicht existierten, hätte es der Anerkennung eines absoluten Rechts bedurft, etwa Kohlen Individualrecht. Eine solche Anerkennung war jedoch für den Bereich des unlauteren Wettbewerbs bisher nicht erfolgt. Zu Beginn der Beratungen von Nr. 15 § 1 des Teilentwurfs wurde dieser Grundsatz der deliktischen Haftung von einigen Kommissionsmitgliedern als unzureichend bezeichnet.349 Gefordert wurde, die Voraussetzung der Widerrechtlichkeit fallen und den Umstand genügen zu lassen, daß die Handlung als solche Schaden gestiftet habe. Eingeschränkt werden solle die Haftung nur, wenn in Ausübung eines besonderen Rechts bzw. in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt wer345

v.Kübel, Nr. 15 § 1 Teilentwurf zum Obligationenrecht zur Ausarbeitung eins Bürgerlichen Gesetzbuches, 1882. 346 Vgl. Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, Band II, Recht der Schuldverhältnisse, 2. Aufl., Berlin 1896, 724ff. 347 Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches nebst Denkschrift, Reichstagsvorlage, Berlin 1896, 148 f. 348 Protokolle der 1. Kommission zur Ausarbeitung eines Bürgerlichen Gesetzbuches (1881-1889), (von nun an Prot. I), 965, zitiert nach Horst Heinrich Jakobs/Werner Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Recht der Schuldverhältnisse III, Berlin 1983, 874. 349 Prot. 1962, zitiert nach Jakobs/Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Recht der Schuldverhältnisse III, 872. 7 von Stechow

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de. Man einigte sich schließlich auf das folgende Haftungsprinzip: Wer ein besonderes Recht ausübe, müsse immer haftungsfrei sein, auch wenn er aus Schikane handele. Wer aber nur kraft seiner natürlichen Handlungsfreiheit handele, dürfe diese nicht zum Schaden anderer mißbrauchen. Ein Mißbrauch sei es, wenn eine Handlungsweise den in den guten Sitten sich ausprägenden Auffassungen und dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denken widerspreche. 351 Als Delikt sollte demnach gelten, bei Ausübung der natürlichen Freiheit durch eine illoyale, die guten Sitten verletzende Handlungsweise einem Dritten zu schaden.352 Die Kommission war sich bewußt, daß dieses Verständnis eine besondere Verantwortung in die Hände des Richterstandes lege, aber man zeigte sich davon überzeugt, daß dieser einer solchen Aufgabe gewachsen sei. 353 Im Rahmen dieses Prinzips sollte auch die fahrlässige sittenwidrige Schädigung zum Schadensersatz verpflichten. Demzufolge schuf die Kommission im ersten Entwurf zwei das Deliktsrecht beherrschende Normen. § 704 des Entwurfs enthielt die widerrechtliche vorsätzliche oder fahrlässige Schadenszufügung bzw. Rechtsverletzung mit Schadensfolge. Dem Schloß sich § 705 an, der gemäß dem zugrundeliegenden Deliktsverständnis klarstellte: 354 „Als widerrechtlich gilt auch die Kraft der allgemeinen Freiheit an sich erlaubte Handlung, wenn sie einem anderen zum Schaden gereicht und ihre Vornahme gegen die guten Sitten verstösst."

Die Bedeutung dieses Paragraphen für die Eignung des BGB zum Kampf gegen unlauteren Wettbewerb ist grundlegend. Mit Hilfe dieser Fiktion konnte der Richter entscheiden, ob auch eine an sich erlaubte Wettbewerbshandlung im Erwerbsleben aufgrund der besonderen Umstände des Einzelfalls als illoyal zu verstehen war und dementsprechend zu Schadensersatz verpflichtete. Die Möglichkeit einer dem französischen Recht vergleichbaren Entwicklung war somit geschaffen. Dabei war man sich der fehlenden Eignung des ursprünglichen Haftungsprinzips Kübels zur Bekämpfung unlauterer Wettbewerbshandlungen durchaus bewußt. Man hatte die Eignung dafür bei der Erweiterung des Haftungsprinzips vielmehr bewußt im Auge. Dies zeigen die Kommissionsverhandlungen und die öffentliche Reaktion auf den ersten Entwurf. 355 So wurde die Forderung nach einer Erweiterung des Haftungsprinzips in der Kommission damit begründet, daß zahlreiche Handlungen, für welche der Handelnde haftbar gemacht 350

Prot. 1965, ebd., 874. Prot. 1967, ebd., 875. 352 Prot. 1968, ebd., 875. 353 Motive zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (wie Fn. 356), 727. 354 Prot. 1990, zitiert nach Jakobs!Schubert, Die Beratung des Bürgerlichen Gesetzbuches in systematischer Zusammenstellung der unveröffentlichten Quellen, Recht der Schuldverhältnisse III, 884; vgl. auch Jürgen Oechsler, Einleitung § 826, in: Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, Zweites Buch, Recht der Schuldverhältnisse, Berlin 1998, 10. 355 Vgl. Prot. 1965 (wie Fn. 358), 874. 351

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werden solle, von sich aus nicht widerrechtlich seien. Als Beispiele wurden Fälle genannt, in denen durch die Verbreitung von Nachrichten oder durch ein vergleichbares anderes Verhalten „die Kundschaft entzogen oder der Kaufwerth einer Sache herabgedrückt, der Kredit geschmälert" werde. 356 Darüber hinaus nannte man als Grund für die Erweiterung der Haftung, daß das französische Recht im Vergleich zum anderen in Deutschland geltenden Recht einen umfassenderen Schutz des Geschädigten gewährleiste. 357 Dies gelte gerade im Hinblick auf den Schutz vor Verhaltensweisen, die als illoyal empfunden wurden. Der Ansatzpunkt der Kommissionsmitglieder war hier offensichtlich die Lehre der concurrence déloyale. Die Denkschrift des zweiten Entwurfs nannte als Motivation zur Aufnahme des entsprechenden Paragraphen, daß die Vorschrift „durch die Bedürfnisse des Verkehrs geboten" sei. 358 § 705 des ersten Entwurfs wurde von Handel- und Gewerbekreisen als willkommener Beginn eines dem französischen Recht vergleichbaren Schutzes gegen die concurrence déloyale empfunden. 359 Einige Autoren verstanden die Norm ausschließlich in diesem Sinne. 360 Die Berücksichtigung unlauterer Wettbewerbshandlungen durch die erste Kommission zeigt die Einsicht, daß das allgemeine bürgerliche Recht sich den Entwicklungen des Wirtschaftslebens stellen mußte und Möglichkeiten eines Rechtsschutzes gegen illoyale Verhaltensweisen zu finden hatte. Damit zeigte sich auch hier die Entstehung eines Unlauterkeitsbewußtseins. Die Suche nach Möglichkeiten des Rechtschutzes folgte dabei nicht den bisher gezeigten Wegen. Allerdings fand Otto Mayers Behauptung Bestätigung, daß die Ausübung der Gewerbefreiheit und damit auch die Vornahme von Wettbewerbshandlungen nach der herrschenden Ansicht der Zeit eine kraft natürlicher Freiheit erlaubte Tätigkeit war, die nur durch gesetzliche Regelungen eingeschränkt werden konnte. Dies unterstreicht wiederum, daß Kohlers Weg, ein Individualrecht als absolutes Recht des Wettbewerbers zu etablieren, noch keinen Rückhalt gefunden hatte. Absolute Rechte sah die Kommission bei Kreditschädigung des Konkurrenten gerade nicht verletzt, sonst hätte es der Erweiterung des Haftungsprinzips nicht bedurft. Die Kommission zeigte einen anderen Weg der Einordnung der concurrence déloyale im deutschen Recht auf. Eine unlautere Wettbewerbshandlung war eine ge356

Ebd. Prot. 1967, ebd., 875. 358 Entwurf eines Bürgerlichen Gesetzbuches nebst Denkschrift, Reichstagsvorlage, Berlin: 1896, 149. 359 So etwa die Kölner Handelskammer, in: Zusammenstellung der gutachterlichen Äußerungen zu dem Entwürfe eine BGB, Band II, 1890,401 f. 360 Vgl. Julius Bachem, Wie ist dem unlauteren Wettbewerb in Handel und Gewerbe zu begegnen, Köln 1893,39; auch Richard Alexander-Katz, (wie Fn.231), der die Wirkung einer solchen Norm jedoch bezweifelt, 50. 357

7*

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Teil 1: Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

gen die guten Sitten und das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstoßende Handlungsweise, die als rechtswidrig angesehen wurde. Damit übernahm man das französische Konzept, mittels einer zivilrechtlichen Generalklausel unlauteres Wettbewerbsverhalten zu bekämpfen, in einer den theoretischen Anforderungen des deutschen Rechts entsprechenden Weise in den Entwurf des BGB. Während demnach das Parlament, wie dargestellt, schwindelhaftes Absatzverhalten mittels der Gewerbeordnung bekämpfen wollte, arbeitete die Kommission an der Aufnahme eines zivilrechtlichen Schutzes. In dieser Phase entwickeln sich beide Schutzwege demnach parallel. Die Vorkommission des Reichsjustizamtes schränkte allerdings die Bestimmung des § 705 wesentlich ein. Die zweite Kommission bestätigte diese Einschränkung mehrfach. 361 Gemäß den nun herrschenden Vorstellungen sollte nicht auch die fahrlässige sittenwidrige Vermögensschädigung eine Schadensersatzverpflichtung begründen, sondern nur noch die vorsätzliche. Diese Änderung wurde dementsprechend in den Tatbestand des § 705 aufgenommen. Für die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs war diese Beschränkung von großer Relevanz. Im Regelfall lag und liegt einer wettbewerblichen Handlung in erster Linie die Absicht des Handelnden zugrunde, einen eigenen Vorteil zu erlangen. Die Zahl der Fälle, in denen der Handelnde sich daneben keine weiteren Gedanken macht, wie sein Verhalten nach Treu und Glauben zu beurteilen ist, ist sehr groß; wenn er sich Gedanken darüber macht, erkennt er oftmals den sittenwidrigen Charakter seiner Handlung nicht. 362 Insbesondere die Notwendigkeit, den Vorsatz nachweisen zu müssen, mußte demnach die Wirksamkeit einer solchen Haftungsgrundlage beschränken. Als Begründung für die Änderung führt Oechsler im Anschluß an Jakubezky aus, daß die Vorschrift nach Überzeugung der zweiten Kommission die gemeinrechtliche actio doli ersetzen sollte. 363 Diese verpflichtete nur zum Ersatz des durch Arglist entstandenen Schadens.364 Bei einer Ausdehnung auf Fahrlässigkeit sah man die Gefahr einer ungebührlichen Beschränkung der persönlichen Freiheit. Bachem, der seine Behauptung auf ihm „aus der Mitte der Commission zugegangene Notizen" stützte, gab als Grund für die Änderung folgende Ansicht der Kommissionsmitglieder an: Das Beispiel Frankreich zeige, daß dort die Jurisprudenz aufgrund einer 361

Prot-RJA, 535 f., Planck (Nr. 249,4), Wilke (Nr. 24,10), zitiert TMÜI Jakobs!Schubert (wie Fn. 358), 893, 897, 899; zur öffentlichen Kritik an § 705 vgl. insbesondere Otto v. Gierke , Der Entwurf eines bürgerlichen Gesetzbuches und das deutsche Recht, Leipzig 1889, 263ff.; Zusammenstellung der gutachterlichen Äußerungen zu dem Entwürfe eine BGB, Band II, 1890, 397 ff. 362 Siehe hierzu auch Bachem (wie Fn. 370), 58. 363 Oechsler (wie Fn. 364), 10f.; Jakubezky, Bemerkungen zu dem Entwürfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich, 1892, 165. 364

Vgl. hierzu Bernhard Windscheid/Theodor

9. Aufl., 1960, §451.

Kipp, Lehrbuch des Pandektenrechts II,

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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auch Fahrlässigkeit umfassenden Norm „mit einer Willkür im rechtlichen Ermessen" vorginge, „die von der deutschen Jurisprudenz fernzuhalten" sei. 365 Daß der heutige § 826 BGB auf dem Rechtsgedanken der actio doli beruht, ist heute allgemeine Meinung. 366 Bachems Aussage stützt jedoch die Auffassung, die erste Kommission habe den Normzweck vor allem in einer dem französischen Vorbild vergleichbaren Bekämpfung der concurrence déloyale gesehen. Dieser Zusammenhang ging jedoch im Verlauf der zweiten Diskussion offensichtlich verloren und wich den Argumenten der in der Theorie herrschenden Ansicht 361 > daß die Vorschrift die gemeinrechtliche actio doli ersetzen sollte. Während der Diskussion um die Einführung eines auch illoyale Handlungen umfassenden Haftungsprinzips in der Ersten Kommission hatte die actio doli noch keine Erwähnung gefunden. 368 Der so beschränkte Paragraph erhielt im zweiten Entwurf folgende Neufassung: „Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zustehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem anderen zum Ersätze des verursachten Schadens verpflichtet."

Diese Fassung wurde als § 810 unverändert in den dritten Entwurf, die Reichstagsvorlage, übernommen. 369 Im Zuge der Reichstagsdiskussion wurde die Haftungseinschränkung bei „in Ausübung eines ihm zustehenden Rechts" noch gestrichen. 370 Der so geänderte § 810 wurde als § 826 in seiner heutigen Fassung verabschiedet. Im Ergebnis war damit eine Norm geschaffen, die dem Zweck des Schutzes des Wettbewerbs vor illoyalen Handlungen dienen sollte und konnte. Eine umfassende Lösung des Problems war angesichts des nunmehr bestehenden Vorsatzerfordernisses jedoch nicht zu erwarten. Zudem war das Inkrafttreten erst für Januar 1900 vorgesehen, so daß diese Norm nicht die Antwort auf die seit Beginn der achtziger Jahren immer lauter vorgetragenen Beschwerden aus Handel- und Gewerbekreisen sein konnte. Neben § 826 BGB war § 824 BGB für die Entwicklung eines Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb von Bedeutung. Art. 1013 des Dresdner Entwurfs aus dem Jahr 1866 sah zunächst eine Schadensersatzpflicht für sog. „verletzende Nachrede" vor. 371 Die „verletzende Nachrede" war als geschäftliche Ehrverletzung eine 365 366 367 368 369

Bachem (wie Fn. 370), 56. Oechsler (wie Fn. 364), 11 mwN. Prot-RJA, 535 (wie Fn.358), 893. Vgl. hierzu Prot. 1962 ff., ebd., 872ff. Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 5. Sess. 1895/97, Drucksache

Nr. 87. 370

Oechsler (wie Fn.364), 11. Prot.I 2845 (wie Fn.358), 907. Art. 1013 lautete: „Wer einem anderen durch Beleidigung insbesondere Verleumdung oder Verbreitung falscher Nachrichten über dessen Person, Vermögens- oder Geschäftsverhältnisse in seinem Fortkommen, Gewerbe- oder Geschäftsbetriebe Schaden verursacht, ist demselben zum Ersätze 371

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

typische Fallgruppe der französischen concurrence déloyale. Systematisch stand diese Vorschrift im Anschluß an die Bestimmungen über Umfang und Voraussetzungen von Schadensersatzansprüchen bei Tötung, Körperverletzung und Freiheitsberaubung und vor Bestimmungen über Ansprüche bei Betrug, Gewalt und Drohung. 372 Diese Vorschriften dienten als Beratungsgrundlage der §§722-728 des ersten Entwurfs, aus welchen die heutigen §§ 840,842-847 BGB hervorgingen. In der ersten Kommission wurde beantragt, einen ähnlich weiten Schutz in den ersten Entwurf aufzunehmen; betont wurden insbesondere die Folgen einer Beleidigung oder Verleumdung für den Erwerb oder das Fortkommen des Beschädigten.373 Diese Versuche scheiterten. Statt dessen wurde beschlossen, § 704 um einen Absatz 2 zu erweitern, der bestimmte: „Als Rechtsverletzung im Sinne dieser Bestimmung ist auch die Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit, der Freiheit und der Ehre anzusehen."

Mit dieser Norm sah man weitere Klarstellungen im Rahmen des §704 des ersten Entwurfs als überflüssig an. Mit dem ausdrücklichen Schutz der Ehre und mit dem zivilrechtlichen Schutz über die Verbotsgesetze des StGB in § 704 meinte man, ausreichende Regelungen getroffen zu haben.374 Aufgrund der Überzeugung, daß Erwerb und Fortkommen bei der Bemessung des Schadensersatzes schon aufgrund von § 260 ZPO zu berücksichtigen seien, erachtete man die Bestimmung für genügend. § 260 ZPO gebe dem Richter einen breiten Spielraum, ob und in welcher Höhe ein Schadensersatzanspruch bestehe.375 Die zweite Kommission ging indes von der Vorstellung aus, daß der bisher gewählte Weg keinen ausreichenden Schutz der Geschäftsehre darstelle und beschloß, hinter §§727ff. des ersten Entwurfs folgenden Paragraphen aufzunehmen: 376 „Wer unwahre Thatsachen behauptet oder verbreitet, welche zur Gefährdung des Kredits oder der Herbeiführung anderer nachtheiliger Folgen für den Erwerb oder das Fortkommen desselben geeignet sind, ist demselben zum Ersatz des dadurch verursachten Schadens auch dann verpflichtet, wenn er die Unwahrheit der behaupteten oder verbreiteten Thatsache kennen mußte. Die Mittheilung einer Nachricht, deren Unwahrheit der Mittheilende nicht kannte, verpflichtet nicht zum Schadensersatze, wenn der Mittheilende oder derjenige, welchem die Nachricht mitgetheilt wird, ein berechtigtes Interesse an der Mittheilung hat." verpflichtet, dessen Grösse von dem Richter nach dem Einflüsse, welchen die verletzende Nachrede auf die Verhältnisse des Beschädigten hat, zu ermessen ist". 372 Art. 1007 ff. Dresdner Entwurf, zitiert mch Jakobs!Schubert (wie Fn. 358), 1028,1051f., 902. 373 Vgl. die Vorschläge von v. Weber, Derscheid, Planck, Prot. 12846f., ebd., 907; in diesem Zusammenhang wird die inhaltliche Nähe des Paragraphen zum heutigen § 842 BGB deutlich, welche in dessen systematischer Stellung im Rahmen des Dresdner Entwurfs begründet ist. 374 Prot. I, 2848 f, 2851 f., ebd., 908 ff. 375 Prot. 12848 f, ebd., 908. 376

Prot. II, Bd. 2, 637, Mugdan, Bd. 2, 1117, vgl. Jakobs!Schubert (wie Fn. 358), 910f.; die

Gründe für diesen Schritt gehen aus den Protokollen nicht hervor.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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Damit war eine Bestimmung zum ausdrücklichem Schutz der Geschäftsehre vor unrichtigen Behauptungen geschaffen. Noch im Zuge der Redaktionsarbeiten zum zweiten Entwurf wurde der Paragraph hinter § 704 eingefügt und wurde nach einigen weiteren redaktionellen Änderungen als §824 BGB Gesetz.377 Auf diesem Wege fand ein typischer Einzelfall unlauteren Wettbewerbsverhaltens erstmals Einzug in ein deutsches zivilrechtliches Gesetzbuch. Da das Gesetz jedoch erst im Jahr 1900 in Kraft trat, konnte es sich auf die Entwicklung zu einem Schutz gegen unlauteren Wettbewerb für die Zeit bis zum Erlaß des UWG von 1896 nicht auswirken. Dennoch brachte § 824 BGB eine substantielle Schutzerweiterung. Die Vorschrift hatte allerdings den Nachteil, daß die Unwahrheit gemäß allgemeinen Beweisgrundsätzen vom geschädigten Wettbewerber zu beweisen war. Ein effektiver Schutz vor unwahren Äußerungen im Erwerbsleben konnte jedoch angesichts der großen Gefahr für die geschäftliche Existenz durch Gerüchte nur bei einer Umkehr der Beweislast erreicht werden. Dennoch zeigt allein die Einführung der Bestimmung ein wachsendes Bewußtsein dafür, daß gegen bestimmte Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb, ζ. B. die Verletzung der Geschäftsehre, keine ausreichende Handhabe im geltenden Recht bestand.

V. Erste Forderungen nach Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in Deutschland Bis in die neunziger Jahre hinein blieben in Deutschland Kohlen Einordnung der concurrence déloyale und Mayen verwaltungsrechtlicher Ansatz Einzelfälle in der Diskussion um eine Schutzerweiterung gewerblichen Schaffens vor unlauterem Wettbewerb. Es wurden aber zunehmend bestimmte Verhaltensformen unter Bezugnahme auf die Fallgruppenbildung der französischen Lehre der concurrence déloyale als unlauter empfunden. Die daraus gezogenen Schlüsse gingen jedoch nicht über die Forderung nach einem straf- oder zivilrechtlichen Schutz der jeweiligen Fallgruppe hinaus. In den Jahren 1891 bis 1893 äußerten sich drei Rechtsanwälte zur Thematik des unlauteren Wettbewerbs. Das Werk „Die unredliche Konkurrenz" von Richard Alexander-Katz 31*> zwei Vorträge von Edwin Katz, „Der unlautere Wettbewerb (Concurrence déloyale)" 379 bzw. „Der Verrat der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse" 380, und zwei Werke von Julius Bachem, „Der unlautere Wettbewerb in Handel und Gewerbe 377 Im zweiten Entwurf war die Bestimmung dann § 748, im überarbeiteten Entwurf § 809, im dritten Entwurf § 808, vgl. Jakobs!Schubert (wie Fn. 358), 911. 378 Alexander-Katz (wie Fn.231). 379 Edwin Katz, Der unlautere Wettbewerb (Concurrence déloyale), Vortrag, gehalten im Deutschen Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums am 29. Februar 1892, GR 1 (1892), 7ff.; 20ff. 380 Edwin Katz, Der Verrat der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse, Vortrag vor der juristischen Gesellschaft in Berlin: GR 1 (1892), 81 ff.

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und dessen Bekämpfung" und „Wie ist dem unlauteren Wettbewerb in Handel und Gewerbe zu begegnen"381, sind im folgenden zu behandeln. Es handelt sich um die ersten Versuche einer umfassenden Erläuterung der Erscheinung des unlauteren Wettbewerbs nach Kohler und Mayer. Sie forderten ausnahmslos einen Rechtsschutz gegen alle Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs und markieren daher den Zeitpunkt, in dem sich die Diskussion über bestimmte Fälle der Beeinträchtigung gewerblichen Schaffens hin zu einer umfassenden Erörterung unter dem Oberbegriff des unlauteren Wettbewerbs verlagerte. Gleichzeitig deuten sie an, daß in Deutschland nun ein weit verbreitetes Bedürfnis nach Erweiterung des Schutzes gewerblichen Schaffens in dieser Richtung entstand. Kontrovers waren allerdings die Fragen, warum und für welche Fälle ein solcher Schutz erfolgen solle und vor allem, wie er im deutschen Recht ausgestaltet werden müsse. Ausgangspunkt der drei Werke war das französische Recht und dessen Lehre der concurrence déloyale. Hier zeigt sich erneut die überragende Bedeutung dieser Lehre für die Entwicklung eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb in Deutschland. Unterschiedlich beantwortete man die Frage, ob in erster Linie der Verbraucher oder der Mitbewerber zu schützen sei. Darüber hinaus wurde nunmehr diskutiert, ob der als unlauter verstandene Wettbewerb mittels einer Generalklausel oder durch Einzelfallbestimmungen zu bekämpfen sei. Dies stand regelmäßig mit der Frage in Zusammenhang, ob strafrechtliche oder zivilrechtliche Bestimmungen oder beide zusammen Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb gewähren sollten. 1. Das Werk von Richard Alexander-Katz Als erster Autor nach Kohler und Mayer griff Richard Alexander-Katz die Problematik eines Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb auf. Im Sommer 1891 hielt er vor dem Berliner Anwaltsverein einen Vortrag über die Concurrence Déloyale, der in erweiterter Form im Januar 1892 mit dem Titel „Die unredliche Konkurrenz" erschien. 382 Das Werk wurde zu einem der Standardwerke auf dem hier interessierenden Gebiet zu Beginn der neunziger Jahre. Die Reichsbehörden beriefen daher den Verfasser in die erste Sachverständigenkommission 1894 zur Vorberatung eines Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes. a) Der Grund des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb Alexander-Katz konstatierte eine Verschärfung des Existenzkampfes der Gewerbetreibenden, der vermehrt von einem Vorgehen gekennzeichnet sei, das nicht in 381

Bachem (wie Fn. 230), Bachem (wie Fn. 370). Alexander-Katz (wie Fn. 231). Siehe hierzu auch die kurze Besprechung dieser Schrift durch Paul Schmid in der GR 1 (1892), 143 f. 382

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

ausreichendem Maße von den Gerichten wahrgenommen werde. ren charakterisiert er als

383

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Dieses Verfah-

... „das Anlocken von Käufern durch trügerische Machinationen aller Art, mittelst welcher das kaufende Publikum oder doch ein argloser, nicht genau prüfender Theil desselben... getäuscht und zum Kauf verleitet werden soll..."

Damit gibt er eine Definition des unlauteren Wettbewerbs. Dessen Zweck sei es vor allem, ... „Personen, die sonst überhaupt nicht, oder doch nicht jetzt, nicht zu diesem Preise, nicht von diesen Gewerbetreibenden, nicht Waaren solcher Qualität gekauft haben würden, werden durch den täuschenden Schein einer besonders günstigen Gelegenheit... zu einem ihren wahren Absichten nicht entsprechenden Kaufe bestimmt."384

Unlauterer Wettbewerb war für Alexander-Katz demnach in erster Linie eine Manipulation der Kaufabsichten des Verbrauchers durch den Verkäufer; diese Manipulation sah er in direktem Zusammenhang mit der existenzbedrohenden Situation der Wettbewerber. Folge dieses Verhaltens sei vor allem eine zunehmende Schädigung des Publikums. Daneben stünden auch Schäden für die Handel- und Gewerbetreibenden:385 „Die Geschädigten sind natürlich zuerst - wenigstens sehr häufig - die Käufer; aber nicht bloß diese. Auch die redlichen Konkurrenten, welche solche Manöver verschmähen, erleiden in ihrem Erwerbe schweren Schaden, weil ihnen durch jene Konkurrenz die Käufer entzogen werden und weil die Kaufkraft der Käufer leicht erschöpft ist..."

Der Schutz von Verbraucher und Wettbewerber sei daher durch zusätzliche gesetzliche Maßnahmen zu verbessern. Andrerseits sah er nicht nur den redlichen Kaufmann und den Verkehr, sondern die gesamte Rechtsordnung ernsthaft in Gefahr. 386 Als Rechtfertigung diene den schädigenden Personen die Freiheit des Wettbewerbes. Alexander-Katz verwahrte sich jedoch entschieden dagegen, den Schutz vor den genannten Handlungen in einer Beschränkung der Wettbewerbsfreiheit zu suchen. Diese sei Grundlage allen Wohlstands und Fortschritts und müsse unangetastet bleiben. 387 Grund für die Forderung nach einem Schutz gegen unlauteren Wettbewerb war für Alexander-Katz demnach eine Gefährdung der Redlichkeit im Wirtschaftsleben. Für ihn gab es eine direkte Verbindung zwischen Wettbewerbsfreiheit, existenzbedrohendem Wettbewerb und unlauteren Wettbewerbshandlungen. Er wählte damit einen Ansatzpunkt für ein rechtliches Einschreiten, der auch schon in den parlamentarischen Verhandlungen über den Hausierhandel erwähnt worden war. Auch 383 384 385 386 387

Alexander-Katz, Ebd., 5. Ebd., 7. Ebd., 8. Ebd., 8.

ebd., 6.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Kohler hielt dies zunächst für einen der Gründe, einen Rechtsschutz gegen die concurrence déloyale zu fordern, ehe er das Individualrecht des Wettbewerbers als subjektives Recht entwickelte und dessen Schutzbedürftigkeit als vorrangigen Grund eines Schutzes ansah. Wie auch in den parlamentarischen Verhandlungen sah Alexander-Katz in erster Linie den Verbraucher als schutzwürdig an. Für Kohler, dessen Ausführungen das von der französischen Lehre der concurrence déloyale entwikkelte Recht des Wettbewerbers prägte, war dagegen vor allem der Wettbewerber geschädigt. b) Die Gestaltung des Schutzes vor unlauterem Wettbewerb im deutschen Recht (1) Kritik an der Lehre der concurrence déloyale Die Suche nach einer Lösung der Frage, wie ein Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb im deutschen Recht ausgestaltet werden könne, führte Alexander Katz zunächst über eine Otto Mayer nachempfundene Darstellung der französischen Lehre der concurrence déloyale.388 Dem Art. 1382 Code civil vergleichbare Grundsätze bestünden zwar auch in Deutschland, beispielsweise durch die gemeinrechtliche actio doli oder ALR I, 6 §§ 8 und 10. 389 Die actio doli biete dem Konkurrenten allerdings kaum Rechtsschutzmöglichkeiten gegen unlauteren Wettbewerb. Zu ihren Voraussetzungen gehöre die Absicht des Handelnden, den Konkurrenten zu schädigen. Diese fehle in der Regel, da das Ziel des Handelnden der eigene Gewinn sei und er sich keine Gedanken über die Folgen für seine Konkurrenten mache.390 Eine Anwendungsmöglichkeit der französischen Grundsätze der concurrence déloyale im Geltungsbereich des französischen Rechts in Deutschland sah er im übrigen aus dogmatischen Gründen im Allgemeinen nicht gegeben. Er begründete dies insbesondere mit der von Mayer dargelegten Ansicht, daß Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit in Deutschland und Frankreich auf einem unterschiedlichen Verständnis beruhten. 391 Während in Frankreich ein Recht auf freien Wettbewerb anerkannt 388

Ebd., 17 f.; vgl. auch Mayer (wie Fn. 221), 378, dessen Einteilung der concurrence déloyale in drei Hauptarten Alexander-Katz übernimmt: ,,a) die Aneignung eines Theiles der Geschäftsbeziehungen, des achalandage, der die Zugkraft bewirkenden oder erhaltenden geschäftlichen Eigenthümlichkeiten des Gewerbsgenossen, um so mit den eigenen Waffen des Konkurrenten diesem zu schaden. b) Die Unterdrückung des Gewerbsgenossen, die Verdrängung desselben aus dem Ansehen oder der Beliebtheit der Käufer und Abnehmer durch unlautere Mittel, um sich selbst demnächst oder gleichzeitig in die Gunst des Publikums einzusetzen. c) Die täuschende Anmaßung besonderer Vorzüge des Geschäfts oder der Waare, wodurch man seine Geschäftsbeziehungen zum Nachteile der Konkurrenten verbessert". 389 Alexander-Katz (wie Fn.231), 9f.; 28f. 390 Ebd., 28; 34 mwN aus der deutschen Rechtswissenschaft. 391 Ebd., 17 f.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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werde, bei dessen Verletzung ein Anspruch aus Art. 1382 Code civil gewährt werde, sei die Wettbewerbsfreiheit in Deutschland Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit. Da nach dem ALR beispielsweise nur ein Handeln ohne Recht zum Schadensersatz verpflichte, ein solches aber bei der bloßen Ausübung der Wettbewerbsfreiheit nicht angenommen werden könne, seien die Grundsätze der französischen Rechtsprechung in Deutschland nicht anwendbar.392 Darüber hinaus sei auch ein subjektives Recht auf freien Wettbewerb in Deutschland nicht anerkannt. Für den aktuellen Rechtszustand stellte er dementsprechend fest: 393 „Im Gegentheile gilt es nach dem gegenwärtigen Deutschen Rechte als erlaubt, daß Andere mit denselben Mitteln, die dem Gewerbekonkurrenten zu Ansehen, Kundschaft und Gewinn verholfen haben und ihm die Dauer dieser Vortheile sollten sichern helfen, wiederum die gleichen Erfolge erstreben; ein ausschließliches Recht aufgrund der ersten Besitzeigreifung an unterscheidenden Merkmalen besteht nicht."

Desgleichen seien im französischen Recht verschiedene gewerbliche Positionen wie Autor- oder Kennzeichenrechte als Eigentumsrechte anerkannt. In Deutschland seien diese nur insofern geschützt, „als die Entwicklung des Verkehrs den Gesetzgeber dazu gedrängt hat, durch Spezialgesetze sich ihrer anzunehmen".394 Alexander-Katz stand damit in der Tradition der herrschenden deutschen Lehre, die vom Rechtspositivismus geprägt war und den Gedanken des geistigen Eigentums ablehnte.395 Abgesehen davon empfand Alexander-Katz den Schutz, den die Lehre der concurrence déloyale dem Verbraucher zukommen ließ, als unzureichend.396 Er unterstrich damit, daß seiner Ansicht nach der Verbraucherschutz bei der Wahl des Schutzweges eine tragende Rolle spielen müsse, und lehnte die französische Lehre der concurrence déloyale als Lösung daher ab. In der Tat bewirkte die Anerkennung eines Rechts des Wettbewerbers und die Gewährung eines Schadensersatz- oder Unterlassungsanspruches nach Art. 1382 Code civil bei Verletzung dieses Rechts, daß sich der Rechtsschutz vor concurrence déloyale auf das Verhältnis der Wettbewerber untereinander beschränkte. Aus diesem Rechtsschutz folgte allerdings zugunsten des Verbrauchers ein mittelbarer Schutz, dem die zeitgenössische französische Literatur große Bedeutung beimaß.397

392

Ebd., 28 f. Ebd., 17 f. 394 Ebd., 17. 395 Ebd., 13. Der Autor weist daraufhin, daß der Gedanke des geistigen Eigentums inzwischen selbst für das Urheberrecht verpönt sei. 396 Ebd., 28. 397 Vgl. Bachem (wie Fn. 370), 51 f., der Pouillet zitiert. 393

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Teil 1: Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

(2) Die Kritik an Kohler Nach Ablehnung der Lehre der concurrence déloyale unter Berufung auf Otto Mayer setzte sich Alexander-Katz ausführlich mit dem zweiten Autor auseinander, der eine Begründung eines Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb in Deutschland versucht hatte. Er bemühte sich, Kohlers Versuche, die Geltung der Grundsätze der Lehre der concurrence déloyale und die Existenz eines subjektiven Rechts als Schutzgut eines solchen Rechtsschutzes in Deutschland zu beweisen, zu widerlegen. 398 Gegen die Theorie der Individualrechte spreche in erster Linie der Umstand, daß solchen Rechten bisher keine gesetzliche Anerkennung zuteil geworden sei. Zu Kohlers Behauptung, nirgendwo sei beispielsweise im Markenschutzgesetz der Schutz dieser Individualrechte aufgehoben, stellte er fest, daß das, was niemals anerkannt worden sei, auch nicht aufgehoben werden müsse.399 Wiederum wird die rechtspositivistische Prägung von Alexander-Katz deutlich. Die Öffnung des bestehenden Systems für neuartige Rechte des einzelnen im Erwerbsleben lehnte er dementsprechend ab. Seine Ausführungen bestätigten jedoch, daß sich die herrschende Lehre verstärkt mit der Theorie der Immaterialgüter und Persönlichkeitsrechte auseinandersetzen mußte. Deutlich wird dies auch an anderer Stelle. Er widersprach der auch auf dem 19. Deutschen Juristentag geäußerten Ansicht, daß ein Schutz der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse im RStGB im Anschluß an den Schutz von Privatgeheimnissen erfolgen solle. 400 Dies sei unrichtig, da das Privatgeheimnis „aus dem Gesichtspunkt des Individualrechts, der Schonung der internen Beziehungen der Person", durch Strafbestimmungen geschützt werde. Dagegen sei das Fabrik- und Geschäftsgeheimnis Gegenstand des pekuniären Wertes. Der Grund des Schutzes sei eher Untreue; neue Bestimmungen seien daher dort anzufügen. 401 Kohlers These, daß die Grundsätze einer deutschen Lehre der concurrence déloyale neben dem Markenschutzgesetz von 1874 in Kraft geblieben seien, lehnte er gleichfalls ab. 402 Er wies darauf hin, daß das Gesetz ausdrücklich neben den landesrechtlich geschützten Marken in §§ 3 Abs. 1 und 9 MSchG nur denjenigen Marken noch einen durch Nachfristsetzung begrenzten zusätzlichen Schutz habe einräumen wollen, die bis dahin eine „thatsächliche Geltung als Kennzeichen" hatten, nicht jedoch den bisherigen rechtlichen Schutz habe aufrechterhalten wollen. 403 Ohne eine Eintragung solcher Zeichen innerhalb der Nachfristsetzung sei jedoch klar festgelegt, daß eine Marke ihren Schutz gegenüber jedem verliere, der eine formal richtig eingetragene Marke für sich beanspruchen könne. § 9 spreche diesen Schutz nicht 398 399 400 401 402 403

Alexander-Katz Ebd., 21 f. Ebd., 52. Ebd. Ebd., 19. Ebd., 21 f.

(wie Fn.231), 18ff.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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nur für die anerkannten Marken, sondern auch für die landesgesetzlich in irgendeiner Form geschützten Marken aus: 404 „Es ist damit in klarster Weise der Übergang zum Reichsmarkengesetz unter Aufhebung aller bisherigen partikularrechtlichen markenrechtlichen Bestimmungen ausgesprochen. Und daraus folgt nothwendig, daß auch da, wo partikularrechtlich gewisse Waarenbezeichnungen oder alle Arten derselben auch ohne Eintragung Privatrechtsschutz genossen, diese Rechts der gleichen Aufhebung verfallen sind."

Alexander-Katz gab damit im wesentlichen die Ansicht der Rechtsprechung zum MSchG wieder. 405 Nicht nur die Anwendung der Lehre der concurrence déloyale sollte für alle markenähnlichen Bezeichnungen unterbunden werden, sondern auch die entsprechenden Möglichkeiten der anderen Rechtsgebiete, etwa des gemeinen Rechts. Seine eigene Sicht der Verhältnisse, aber auch Kohlers Bemühen, wertete er schließlich:406 „Weit entfernt davon, zu behaupten, daß dies »loyal*, in dem Sinne von,moralisch4 und ,gut' ist, soll nur darauf hingewiesen werden, daß dies - leider - die gegenwärtige Rechtslage in Folge unseres Markenschutzgesetzes ist, der man nicht mit bloßem Tadel der Entscheidungen beikommt, sondern nur mit positiven Besserungsvorschlägen."

Kohlers Vorschläge widersprachen folglich aus der Sicht von Alexander-Katz dem geltenden Recht und der gerichtlichen Praxis. In der Tat blieb die Rechtsprechung des Reichsgerichts bis in die neunziger Jahre hinein in den oben dargestellten Bahnen.407 Eine Anwendung der Grundsätze der Lehre der concurrence déloyale erfolgte nur in Ausnahmefällen durch unterinstanzliche Gerichte und nicht durch das Reichsgericht. 408 Aus den Ausführungen von Alexander-Katz ergab sich demnach nur eine Möglichkeit zur Begründung eines Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb: Da eine Änderung der Rechtsprechung nicht zu erwarten war, könne ein Rechtsschutz nur durch eine Ergänzung der bestehenden Rechtsordnung um neue Bestimmungen geschaffen werden. Er sah demnach die deutsche Rechtsordnung außer Stande, nach geltendem Recht auf die Veränderungen im wirtschaftlichen Alltag zu reagieren und zog daraus die Konsequenz, daß der Gesetzgeber tätig werden müsse. (3) Die Vorschläge von Alexander-Katz Bei der Entwicklung seiner eigenen Vorschläge zur Gestaltung einer Schutzerweiterung ging Alexander-Katz in drei Schritten vor. Zunächst stellte er die Fall404

Ebd., 22. Siehe oben Teil 1, 2. Kap., II.,6.,b). 406 Alexander-Katz (wie Fn.231), 23. 407 Siehe oben Teil 1, 2. Kap., II.,6.,b); vgl. auch die Beispiele bei Alexander-Katz Fn.231), 24f. 408 Vgl. Klippel (wie Fn. 115), 154 f. 405

(wie

110

Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

gruppen der französischen Lehre dar und fragte nach der Notwendigkeit eines Schutzes der jeweiligen dort genannten Formen der concurrence déloyale in Deutschland.409 Wenn er diese bejahen konnte, untersuchte er, inwiefern diese Fallgruppe in Deutschland den notwendigen Schutz genoß410 und schlug dann gegebenenfalls in einem dritten Schritt Wege vor, wie ein Schutz zu komplettieren sei. 411 Die Fallgruppen unlauteren Wettbewerbs in Deutschland ermittelte Alexander-Katz somit ausschließlich auf der Grundlage der französischen Rechtsprechung. Der Grund für dieses Vorgehen lag zum einen darin, daß seiner Ansicht nach der französischen Praxis bisher große Erfolge beschert gewesen seien und das Vorgehen somit, unabhängig von der rechtlichen Konstruktion, eine Orientierungshilfe darstelle. Zum anderen meinte er, daß in Deutschland inzwischen der gewerbliche Verkehr die gleichen Bedürfnisse und „unser geläutertes modernes Rechtsbewußtsein auch die im Wesentlichen gleichen Empfindungen für Recht und Unrecht" habe wie in Frankreich. 412 Als Leitsatz seiner Bemühungen um den Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb formulierte er die Überzeugung, daß weniger die Gewerbetreibenden durch gegenseitige Forderungen oder harte Strafen getroffen werden sollten* als daß eine Grenze konstituiert werde zwischen dem, was unerlaubt und dem, was erlaubt sei. Hierdurch hoffte er einen Läuterungsprozess einzuleiten, der die Bestimmungen selten zur Anwendung kommen ließe. 413 Alexander-Katz ging es also in erster Linie um die Redlichkeit im Verkehr. Durch das Aufstellen von Verhaltensregeln strebte er einen präventiven Schutz des Erwerbslebens an. Sein Ansatz ist demnach ein anderer als derjenige Köhlers, der einen verbesserten Schutz des Individuums im Verkehr anstrebte. (a) Reklameschwindel Die irreführende Werbung bzw. schwindelhafte Reklame hielt er neben dem Mißbrauch von Kennzeichen für die gefährlichste Erscheinung der concurrence déloyale in Deutschland.414 Er begründete dies erstens mit der besonderen Bereitschaft des Publikums, irreführenden Angaben der Verkäufer ohne eingehende Prüfung Glauben zu schenken. Dies gelte insbesondere für irreführende Angaben über besonders günstige Kaufgelegenheiten wie Ausverkäufe oder Auktionen und auch über die Herkunft der Ware. 415 Zweitens biete das bestehende Recht gegen ein solches Vor409 410 411 412 413 414 4,5

Alexander-Katz, (wie Fn. 231), 11, 26, 29, 31 f. Ebd., 26, 29, 31 f. Ebd., 35 ff. Ebd., 26. Ebd., 57. Ebd., 31. Ebd.; 5 ff., 30.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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416

gehen der Handel- und Gewerbetreibenden kaum Abhilfe. Zwar liege in manchen Fällen ein vollendeter oder versuchter Betrug vor. Ein solcher sei aber in der Regel kaum nachzuweisen. Für den Käufer bestehe in erster Linie das Problem, daß er zwar regelmäßig getäuscht, aber nicht immer geschädigt sei. Die aufgrund irreführender Angaben erstandene Ware sei oftmals den geringen Preis, für den sie verkauft wurde, wert. 417 Dem Mitbewerber helfe der Betrugsparagraph schon mangels Täuschung und Vermögensverfügung nicht. Drittens sei der Reklameschwindel besonders bedeutsam, da der angerichtete Schaden gerade für die Mitbewerber regelmäßig sehr groß sei. Ihnen würden durch diesen die Kunden entzogen und auf diese Weise der Absatz vermindert. 418 Da das täuschende Vorgehen das Recht der Allgemeinheit auf Treu und Glauben im Verkehr verletze, müsse hiergegen zum Schutz des Publikums und der Konkurrenten eine Strafsanktion geschaffen werden. Er schlug folgende Strafsanktion vor: 419 „Mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark oder mit Gefängnis bis zu 3 Monaten wird bestraft: Wer es unternimmt, durch unwahre Angaben über den Ursprung von Erzeugnissen oder Waaren, oder über besondere Eigenschaften derselben oder über besondere Anlässe des Verkaufs, oder durch andere Vorspiegelungen, welche der Irrthum einer besonders günstigen Kaufgelegenheit erregen sollen, Käufer anzulocken."

Alexander-Katz begründete den Schutz gegen Reklameschwindel folglich vor allem damit, daß öffentliche Interessen verletzt seien und schlug demgemäß eine Strafbestimmung vor. Diese nannte ausdrücklich die täuschende Werbung mit Herkunftsangaben, Eigenschaften und Verkaufsanlässen. Auffällig ist die für eine Strafbestimmung sehr allgemein gefaßte Formulierung andere Vorspiegelungen. Die systematische Stellung dieser Norm befinde sich im RStGB im Abschnitt über „Betrug und Untreue". Er schlug vor, die Bestimmung nach dem Betrugsparagraphen des RStGB einzufügen. Parallel dazu könne ein privatrechtlicher Anspruch den Konkurrenten schützen. Insofern nannte er die §§ 704f. des gerade veröffentlichten Entwurfs eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich. Alexander-Katz sah sie als eine mögliche Ergänzung der strafrechtlichen Sanktion an, neben der den zivilrechtlichen Bestimmungen jedoch nur sekundäre Bedeutung zukomme.420 Hinsichtlich der mittels dieser Vorschriften zu bekämpfenden Formen der irreführenden Werbung äußerte er sich auch zu der Anmaßung von Preisen und Medaillen. 421 Hierbei handelte es sich um Werbemaßnahmen, bei denen der Handel- oder 416

Ebd., 29 f. Ebd., 47. 4,8 Ebd., 30. 419 Ebd., 48. 420 Ebd., 50. 421 Das französische Gesetz über Preismedallien vom 30. April regelte beispielsweise die Bekämpfung solcher Mißstände gesondert, vgl. ebd., 10, 33. 417

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Teil 1: Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Gewerbetreibende für sich bzw. seine Leistung mit erfundenen Prämierungen warb oder sich fälschlicherweise den Besitz einer solchen Auszeichnung zusprach. Eine Regelungsbedürftigkeit dieses Vorgehens sah Alexander-Katz nicht. Er empfand diese Verhaltensweisen als harmlos, da das Ausstellungswesen als solches keiner staatlichen Kontrolle unterliege. 422 Alexander-Katz erkannte folglich Handlungsbedarf auf einem Gebiet an, das er ,Reklameschwindel4 nannte und das verschiedene Formen der irreführenden Werbung umfaßte. Die Notwendigkeit eines Schutzes gegen dieses Verhalten im Erwerbsleben des Reiches hatte sich schon in den parlamentarischen Debatten über den Hausierhandel in den achtziger Jahren angedeutet. Alexander-Katz erblickte im Reklameschwindel nun eine allgemeine Erscheinung des Verkehrs. Sein Lösungsvorschlag sah ein kombiniertes Vorgehen aus straf- und zivilrechtlichen Bestimmungen vor. Dieses Vorgehen beherrschte das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes seit den sechziger Jahren. 423 Die Tendenz der gewerblichen Rechtsschutzgesetzgebung ging allerdings dahin, die Eigenverantwortung des wirtschaftenden Individuums durch die zunehmende Gewährung zivilrechtlicher Ansprüche zu stärken. Daneben wurden strafrechtliche Bestimmungen normiert, wenn man der Ansicht war, daß das öffentliche Interesse an der Redlichkeit im Verkehr dies erforderte. Alexander-Katz stellte den strafrechtlichen Schutz in den Vordergrund, um den erwähnten Präventionsgedanken zu stärken. Den Nachteil zivilrechtlicher Bestimmungen sah er in der Schwierigkeit einer nachträglichen Schadensermittlung; diesen Normen sprach er nur zweitrangige Wirkung zu. Alexander-Katz schlug zwar den Weg einer gesetzlichen Schutzerweiterung vor, ließ aber eine Ergänzung bestehender Gesetze genügen. An ein eigenständiges Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dachte er nicht. Nach Kohler und Mayer präsentierte er einen dritten Weg der möglichen Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, indem er Erkenntnisse beider aufgriff. Auch Mayer wollte im Rahmen verwaltungsrechtlicher Maßnahmen das Strafrecht zum Schutz heranziehen. Mit Kohler teilte Alexander-Katz die Überzeugung, daß mittels einer zivilrechtlichen Generalklausel, die noch nicht wie später § 826 BGB Vorsatz voraussetzte, ein Schutz des Verkehrs möglich sei. Gegenüber Mayer s Ansatz besaßen die Ausführungen von Alexander-Katz den Vorteil, daß das kombinierte straf- und zivilrechtliche Vorgehen eher mit den liberalen ökonomischen Grundanschauungen der Wirtschaftspolitik übereinstimmte als der verwaltungsrechtliche Weg. Kohlers Theorie der Immaterialgüter- und Individualrechte unterschied sich von Alexander-Katz' Konzept unter anderem dadurch, daß sie ein zusammenhängendes System des gewerblichen Rechtsschutzes bot, in das sich der unlautere Wettbewerb einfügte. Alexander-Katz wählte den herkömmlichen Weg, nach dem der Schutz einer gewerblichen Position nur durch eine gesetzliche Bestimmung geschaffen wer422 423

Ebd., 33. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 136ff., 149ff., 232ff.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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den konnte. Die Vorschläge von Alexander-Katz besaßen im Vergleich zu Kohler allerdings den Vorteil, daß sie keine Änderung der bestehenden Rechtsanschauungen und insbesondere nicht der Rechtsprechung erforderten. Sie erweiterten das bestehende System um zusätzliche Normen. (b) Kennzeichenmißbrauch Als wichtigste Fallgruppe unlauteren Wettbewerbs neben der irreführenden Werbung betrachtete der Autor die zahlreichen Formen des Kennzeichenmißbrauchs. Das Renommée eines Handel- und Gewerbetreibenden verkörpere sich auch in den Unterscheidungszeichen, derer er sich im Verkehr bedient und mit welchen er die Aufmerksamkeit der Kunden auf sich und seine Leistung lenken möchte. Die Nachahmung solcher Zeichen sei daher ein einfacher und bekannter Weg, dem Konkurrenten Kundschaft zu entziehen.424 Aufgrund der Nichtanwendbarkeit der Lehre der concurrence déloyale und lückenhafter Gesetzgebung bestehe auch hier ein erhebliches öffentliches Bedürfnis einer Schutzerweiterung zugunsten der Käufer und der Konkurrenten. 425 Seine konkreten Vorschläge strebten vor allem eine Reform des Markenschutzgesetzes von 1874 an. Dafür entwickelte er einen Katalog von Änderungsvorschlägen . 4 2 6 Alexander-Katz schlug folgende Bestimmung vor, die den schon bisher zivilrechtlich ausgestalteten § 13 MSchG ersetzen sollte: 427 „Jeder inländische Produzent oder Gewerbetreibende kann gegen denjenigen, welcher sich des dem ersteren zustehenden Unterscheidungszeichens (§1) oder eines so ähnlichen, daß eine Verwechslung mit jenem möglich erscheint, zur Bezeichnung gleichartiger oder ähnlicher Erzeugnisse oder Waaren, oder einer Produktions- oder Absatzstätte mit gleichartigem oder verwandtem Gewerbebetriebe bedient oder derartig bezeichnete Erzeugnisse oder Waaren in Verkehr bringt oder feil hält, auf Unterlassung dieser Thätigkeit Klage erheben. Es begründet keinen Unterschied, ob die Bezeichnung auf den Waaren selbst, auf deren Umhüllungen, in Annoncen, Prospekten, Preiscouranten, Briefen oder anderen Kundmachungen erfolgt. Die gleiche Klage steht jedem inländischen Produzenten oder Gewerbetreibenden gegen denjenigen zu, der sich widerrechtliche des Namens oder der Firma des Ersteren, sei es auch mit Abänderungen, welche eine Verwechslung nicht ausschließen, zur Bezeichnung von Erzeugnissen oder Waaren oder sonst im Gewerbebetriebe bedient."

Auf seiner Erkenntnis, daß eine Erweiterung des Zeichenschutzes um die Aspekte des unlauteren Wettbewerbes auch im öffentlichen Interesse erfolge, beruhte die Vorschrift, die § 14 MschG ersetzen sollte: 424

Alexander-Katz, (wie Fn.231), 7 f. Ebd., 8, 27, 36ff. 426 Siehe hierzu seine konkreten Vorschläge, einer Novellierung der §§ 1-3 a des MSchG von 1874, ebd., 43 f. 427 Ebd., 45. 425

8 von Stechow

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

„Wer wissentlich eine derjenigen Handlungen, die im § 13 mit Klage bedroht sind, vornimmt, wird mit Geldstrafe von 150 bis zu 3000 Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft und ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtet."

In der Tat boten Rechtsprechung und MSchG für die von Alexander-Katz aufgeführten Verhaltensweisen keinen Schutz.428 In beiden Paragraphen forderte er den Schutz auch der Zeichen, die zwar nicht ordnungsgemäß eingetragen, aber aufgrund allgemeiner Anerkennung im Verkehr als Zeichen eines Gewerbetreibenden anerkannt waren sowie die dazugehörige Einspruchsmöglichkeit mit der Folge der Löschung eines eingetragenen Zeichens, wenn ein Dritter sich ein solches Zeichen zu seinen Gunsten hatte eintragen lassen.429 Des weiteren strebte er eine Erweiterung des Schutzes auch auf andere als bildliche Zeichen an, insbesondere für solche aus Zahlen, Buchstaben und Worten, ferner für einen gleichartigen Schutz auch für die Ausgestaltung einer Ware, wie etwa Formen, Etiketten und Schachteln.430 Alexander-Katz wollte darüber hinaus ein Zeichen nicht nur schützen, wenn es auf der Ware selber angebracht war, sondern auch dann, wenn es sich nicht auf der Ware oder deren Verpackung befand, sondern an anderen Orten, etwa auf dem Briefkopf, auf der Rechnung oder auf einem Zirkular. Das täuschende Bezeichnen eigener Ware mit fremden Zeichen solle so insgesamt verhindert werden. Daß Alexander-Katz hier ein in dieser Hinsicht vielfach geäußertes Bedürfnis formulierte, bestätigte eine Eingabe der Handelskammer zu Mülheim an das Preußische Ministerium für Handel und Gewerbe aus dem Jahr 1892, welche sich in den Akten des Reichsamts des Innern befindet. 431 Sie schilderte unter anderem einen Fall, indem eine Firma auf Anfrage eines Kunden, welcher Stacheldraht der Marke ,,Neptun" geliefert haben wollte, versichert hatte, daß sie diesen liefern könne. Auf Nachfrage des Kunden, der die Ware bisher immer über den Hersteller des „Neptun"-Drahtes, einer Konkurrenzfirma des Lieferanten, bezogen hatte, ob sie diesen Draht wirklich zu liefern imstande sei, hatte sie dies bestätigt und tatsächlich unter Benutzung der fremden Marke auf der Rechnung die gewünschte Menge Stacheldraht fakturiert. Nach geltendem Recht, das das Kennzeichen nur auf der Ware selber schützte, blieb dieses Vergehen straflos. Die Handelskammer forderte eine strafrechtliche Schutzerweiterung gegen diese Art unlauteren Wettbewerbs. 432 Als weiteren Mangel sah Alexander-Katz den Umstand an, daß nur der im Handelsregister eingetragene Gewerbetreibende in den Genuss des Markenschutzgeset428

Wadle (wie Fn. 120), 258 ff. Alexander-Katz, (wie Fn.231), 45. 430 Ebd. 431 Eingabe der Handelskammer Mülheim an der Ruhr, 17.12.1892, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681, B1.270ff. 432 Ebd., 274. 429

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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zes komme. Dem wollte er durch die Formulierung alle inländischen Produzenten in der vorgeschlagenen Vorschrift abhelfen. 433 Zuletzt wies er auf einen weiteren Aspekt hin, über den häufig geklagt wurde. § 18 des Markenschutzgesetzes bestimmte, daß ein Schutz nicht dadurch ausgeschlossen sei, daß das Warenzeichen, der Name oder die Firma mit Abänderungen wiedergegeben sind, „welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden können". 434 Gerade diese Formulierung habe dazu geführt, daß die Gerichte häufig einen Schutz vor Nachahmung versagten, da die Grenze auch bei offensichtlich auf Nachahmung abzielender Zeichenwahl häufig als noch nicht überschritten angesehen wurde. Die Rechtsprechung habe keine Linie bezüglich der Umstände, nach denen die besondere Aufmerksamkeit anzuwenden sei, finden können. Alexander-Katz schlug daher eine andere Formulierung vor: Eine Nachahmung sollte immer schon dann bejaht werden können, wenn eine Verwechslung möglich erscheine. Wenn der Richter dies für die Sichtweise eines Durchschnittskäufers bejahen könne, dann sei die Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Verwechslung so groß, daß ohne weiteres gegen den Nachahmenden vorgegangen werden könne. Alexander-Katz verfolgte demnach eine Erweiterung des MSchG um Aspekte, die er als unlauteres Verhalten ansah. Nach seinen Vorschlägen sollte so im Rahmen des MSchG die Wettbewerbsfunktion des Kennzeichens Berücksichtigung finden und in dieser Hinsicht umfassend straf- und zivilrechtlich geschützt werden. Er strebte damit keine klare Trennung der schon gesetzlich geschützten Tatbestände des Zeichenrechts, die die Position des Warenzeichens betrafen, von den Verhaltensweisen an, die darüber hinaus Formen unlauteren Verhaltens im Wettbewerb darstellten. Der Autor blieb aber seiner Intention treu, den Schutz über eine Änderung der jeweiligen Gesetze und nicht durch ein Spezialgesetz zu verbessern. Der den Kennzeichenschutz betreffende unlautere Wettbewerb wurde systematisch im Markenschutzgesetz berücksichtigt. Alexander-Katz behielt dabei die Methode des Markenschutzgesetzes, den Schutz der Marke zivilrechtlich und strafrechtlich zu gestalten, auch für den um den Wettbewerbsaspekt bereicherten Maßnahmenkatalog bei. Den damit beibehaltenen zivilrechtlichen Schwerpunkt des MSchG begründete er trotz seiner Feststellung, daß eine Erweiterung des Schutzes des Kennzeichens vor allem im öffentlichen Interesse stehe, nicht. (c) Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse Bezüglich der Bekämpfung des Verrats von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen war nach Ansicht des Autors allgemein eine skeptische Haltung zugunsten der Befürwortung einer Erweiterung des Rechtsschutzes im industriellen Bereich gewi433 434

8*

Alexander-Katz, Ebd., 46.

(wie Fn.231), 45.

Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

116 435

chen. Diese Feststellung wurde durch die Eingabe der Handelskammer zu Mülheim bestätigt.436 Die Eingabe stellte fest, daß nun schon seit Jahren Klagen über den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen und über unredlichen Wettbewerb in Handelsund Gewerbekreisen zu hören seien.437 Dem Begehren nach einer Erweiterung des strafrechtlichen Schutzes erwidere die Regierung seit langem mit der Bemerkung, daß die Tragweite für ein gesetzgeberisches Tätigwerden nicht ausreiche. Die Handelskammer vermutete jedoch, daß der Regierung die meisten Fälle nicht bekannt würden, daher wolle sie typische Beispiele nennen. In einem der aufgeführten Fälle hatte ein Angestellter Material bei seinem Arbeitgeber zwecks der Erlangung einer Anstellung bei der Konkurrenzfirma entwendet. Das Material sollte dieser als Vorlage für ein eigenes Produkt dienen. In einem darauffolgenden Prozeß würdigte das Gericht das Verhalten des Angestellten als Diebstahl in einem unerheblichen Fall und sprach ihn frei. Die Handelskammer bat die Regierung, den strafrechtlichen Schutz zur Verhinderung „des Mißbrauchs des geistigen Eigenthums in der dargestellten Weise" zu erweitern. 438 Der preußische Minister v. Berlepsch hielt Rücksprache mit dem Reichsamt des Innern, welches ihm versicherte, daß auch bei ihm regelmäßig Eingaben die Erweiterung des Schutzes der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse forderten. Daß sich aber seit der letzten Erhebung aus dem Jahre 1885 die Verhältnisse wesentlich geändert hätten, könne er nicht anerkennen; er werde daher keine weiteren Maßnahmen veranlassen.439 Bezüglich des unredlichen Wettbewerbs sei eine Abhilfe im Zuge der Erneuerung des Markenschutzgesetzes geplant. In besonders gravierenden Fällen, wie den von der Handelskammer beschriebenen, gedenke man dem Geschädigten ein Schutzmittel an die Hand zu geben. Der Minister beschied die Handelskammer in der Folge fast wörtlich in der beschriebenen Weise.440 Die Eingabe zeigt, daß auch Interessenverbände den Verrat von Geschäftsgeheimnissen als Fall des unlauteren Wettbewerbs auffaßten und eine umfassende Abhilfe durch die Regierung forderten. Gleichzeitig wird deutlich, daß Ende 1892 aus der Sicht der Regierung eine Erweiterung des Schutzes vor unlauterem Wettbewerb noch nicht notwendig war. Alexander-Katz lehnte die Bestrebungen ab, Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse als geistiges Eigentum zu behandeln und demgemäß die gleichen Ansprüche an die 435

Alexander-Katz (wie Fn.231), 50f. Eingabe der Handelskammer Mülheim an der Ruhr, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681, B1.270ff. 437 Ebd. 438 Ebd., 271. 439 Ebd., 273 ff. 440 Ebd., 277 ff. 436

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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441

Neuheit eines Geheimnisses zu stellen wie für ein Patent. Ein Geheimnis brauche eben gerade nichts Neues enthalten, sondern könne allein aufgrund der Tatsache, daß es den Konkurrenten verborgen bleibe, geschäftliche Vorteile bringen. 442 Der Grund des Schutzes bestand für ihn darin, daß ein Gewerbetreibender in der Regel nicht umhin komme, diese Geheimnisse seinen Angestellten anzuvertrauen. Aufgrund des Vermögenswertes, den solche Geheimnisse darstellen könnten, bestehe eine Verschwiegenheitsverpflichtung der Angestellten; werde sie gebrochen, so handele es sich um eine Verletzung der Treuepflicht gegenüber dem Gewerbetreibenden.443 Mangels eines bestehenden Schutzes fordert er die Einführung folgender Vorschrift: 444 „Wegen Untreue werden mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft Angestellte und Arbeiter in Fabriken und kaufmännischen oder anderen gewerblichen Betrieben, wenn sie unbefugt Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse verrathen. Wird die Untreue begangen, um sich oder einem andern einen Vermögensvortheil zu verschaffen, so kann auf beide Strafarten zugleich erkannt werden."

Der systematische Standort der Bestimmung befinde sich hinter § 266 StGB. Die Norm selber bot nun für Geschäftsgeheimnisse, wie beispielsweise Kundenverzeichnisse oder Einkaufsbeziehungen, einen adäquaten Schutz.445 Besonderen Wert legte Alexander-Katz auf den Umstand, daß eine Bestrafung des Mißbrauchs eines Fabrik- und Geschäftsgeheimnisses nicht über die Dauer eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses hinaus erfolgen dürfe. Die Treuepflicht ende mit dieser Zeit, es sei denn, daß das Geheimnis zwar erst später verraten, der Bruch der Treuepflicht aber noch während des Dienst- oder Arbeitsverhältnisses eingeleitet oder vorbereitet wurde. 446 Für die Zeit danach hielt er die Möglichkeit privatrechtlicher Abreden für ausreichend. Alexander-Katz wählte hier ein Konzept, das später, obwohl es ausdrücklich die Interessen der Angestellten bedachte, gerade von deren Vertretern heftig bekämpft wurde. 447 Das Verhalten des Anstifters sollte die allgemeinen Regeln des RStGB treffen. Daneben erwähnte Alexander-Katz wieder die §§ 704 ff. BGB, die einen zivilrechtlichen Schutz wegen unredlicher Konkurrenz gegen den Mitbewerber gewähren sollten, der einen Angestellten zum Verrat anstiftete. 448 Der Vorschlag von Alexander-Katz hinsichtlich des Schutzes der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse bewegte sich in den Bahnen, die der 19. Deutsche Juristentag im 441 442 443 444 445 446 447 448

Alexander-Katz (wie Fn.231), 52. Ebd., 52. Ebd., 34. Ebd., 54. Ebd., 52. Ebd., 53. Siehe unten Teil 2, 8. Kapitel, V., 1. Alexander-Katz, (wie Fn.231), 53f.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Anschluß an Ortloff vorgegeben hatte. Alexander-Katz beantwortete die Fragen, wie der Schutz auszugestalten sei, wo der systematische Standort der Bestimmung zu wählen und wie lange ein Schutz zu gewähren sei. Dagegen blieb offen, wie ein Fabrik- und Geschäftsgeheimnis zu definieren sei und wie sich dessen Schutz in sein Konzept des aus verbraucherschützenden Gründen zu verbessernden Rechtsschutzes einfügte. (d) Das Bilden von wettbewerbswidrigen

Vereinigungen

Alexander-Katz thematisierte eine weitere Handlung, die er als Unterfall unredlicher Konkurrenz ansah und deren Regelung er im deutschen Recht für notwendig erachtete. Dies war die Bildung von Ringen von Gewerbetreibenden, zum einen zur künstlichen Preiserhöhung, zum anderen zur Verdrängung widerstrebender Gewerbsgenossen. 449 Er zählte einige Fälle auf, in denen sich mehrere Konkurrenten entweder gleich zu einer Preisregulierung zusammengeschlossen oder zunächst durch Verdrängung unliebsamer Konkurrenten jenen Schritt vorbereitet hatten. Der eine Zweck sei der Ruin des Konkurrenten, der nachfolgende Zweck, das Publikum durch künstlich hochgehaltene Preise zu schädigen. Wiederum sei ein Schutz demnach sowohl zur Verhinderung der „Brutalität der gewissenlosen Ausnutzung der Uebermacht" gegen schwächere Gewerbetreibende als auch im öffentlichen Interesse des großen Publikums zu gewähren. 450 Er schlug folgende, in den Abschnitt „Strafbarer Eigennutz" des RStGB aufzunehmende Vorschrift vor: 451 „Mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark oder mit Gefängnis bis zu 3 Monaten werden bestraft: 1. Gewerbetreibende, welche sich vereinigen, um durch gemeinsame Maßnahmen den Marktpreis notwendiger Lebensmittel oder Gebrauchsgegenstände künstlich zu erhöhen; 2. Gewerbetreibende, welche sich vereinigen, um durch Verrufserklärungen, Verkaufsverbote und ähnliche Maßnahmen, andere Gewerbsgenossen, welche mit ihnen nicht gleich Preise halten wollen, an der Ausübung ihres Gewerbebetriebes zu hindern."

Die Bestimmung erfaßte demnach Vereinigungen Handel- und Gewerbetreibender mit den beiden beschriebenen Zielrichtungen. Der publikumsschützende Aspekt der Bestimmung gegen Preisabsprachen wurde durch die ausdrückliche Erwähnung der Lebensmittelpreise deutlich, die Alexander-Katz als besonders gefährdet ansah. Gleiches galt für Gebrauchsgegenstände. Als Beispiel nannte er hier die Steinkohlepreise. Die zweite Bestimmung, die den Boykott verhindern sollte, schützte Wettbewerber, da ein solches Vorgehen angesichts anderer Anbieter ohne jede Auswir449 450 451

Ebd., 54. Ebd. Ebd., 56.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

119

kung für den Verbraucher sein und diesen höchstens zum Wechsel des Anbietenden veranlassen konnte. Da beide Normen dem Redlichkeitsschutz dienen sollten, seien sie strafrechtlich auszugestalten. Einen zivilrechtlichen Anspruch sah er nicht vor. Die Strafbestimmung betrachtete er als ausreichend. Mit einer Norm gegen Vereinigungen zwecks Preisabsprachen und Boykotts waren weitere, als unlauterer Wettbewerb anzusehende Fälle in das Blickfeld gerückt. Beiden Fällen war gemein, daß sie eine Verfälschung der Wettbewerbssituation zur Folge hatten. Sie unterschieden sich jedoch durch die in erster Linie Geschädigten. Während die Preisabsprache vor allem den Verbraucher schädigte, war beim Boykott der Wettbewerber betroffen. Eine Preisabsprache wurde demnach nicht in erster Linie als Handlung angesehen, durch die der Wettbewerber versuchte, Vorteile gegenüber einem Konkurrenten zu erlangen. Diese Eigenschaft verband alle bisher von Alexander-Katz behandelten Verhaltensweisen. Daß er gleichwohl diese Handlung in seine Ausführungen aufnahm, zeigt, daß für das Rechtsgebiet der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs nicht nur offen war, welche Handlungen unlauter waren, sondern auch, wann eine Wettbewerbshandlung systematisch zu dem Kreis der betroffenen Handlungen zählen konnte. Diese Unsicherheiten sind sowohl für die Ausführungen von Alexander-Katz charakteristisch als auch für die Diskussion um die Entstehung eines UWG in den nächsten Jahren. (e) Herabsetzen von Konkurrenten Daß der Diskussion um den Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb kein allgemein akzeptiertes Verständnis von Unlauterkeit zugrunde lag, zeigen auch die Ausführungen von Alexander-Katz zur Frage eines Rechtsschutzes gegen das Herabsetzen von Konkurrenten. 452 Insofern sah er die bestehende strafrechtliche Gesetzgebung als ausreichend an, und manche von der französischen Rechtsprechung als concurrence déloyale eingeordnete Handlungen betrachtete er durchaus nicht als unredlich. Zwar versage § 195 RStGB in Fällen, in denen die französischen Gerichte durchaus die üblichen Ansprüche gewährten; so beispielsweise, wenn einer nur tadelnde Urteile über die gewerblichen Leistungen eines anderen verbreitete, ohne daß in der Form der Äußerung oder in anderen Umständen das Vorhandensein einer Beleidigung bejaht werden konnte. Unbillig sei der bestehende Zustand aber nicht: 453 ... „jeder der öffentlich sein Gewerbe betreibt, muß ein Urtheil, selbst ein tadelndes, über seine gewerblichen Leistungen ertragen. Richtig ist ja, daß ein Konkurrent regelmäßig kein geeigneter, vor allem kein objektiver Kritiker der gewerblichen Leistung des Andern sein wird. Indessen wird in Folge dessen auf eine solche Kritik der unbefangene Käufer auch nichts ge452 453

Ebd., 31 f. Ebd., 31.

120

Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

ben. Auch steht dem Andern die Abwehr und der Angriff mit gleichen Mitteln zu Gebote, und es ist daher, so lange nicht in der Form selbst oder aus anderen Umständen eine Beleidigung sich ergibt, wohl mit Recht eine Bestrafung ausgeschlossen."

Alexander-Katz verwies hier vor allem auf die Möglichkeit, den Konkurrenten gleichfalls herabzusetzen, und auf den Umstand, daß der Käufer Aussagen von Handel· und Gewerbetreibenden über Konkurrenten ohnehin nur geringe Bedeutung beimesse. Diese Aussagen belegen erneut die Verschiedenheit der zeitgenössischen Vorstellungen über Treu und Glauben im Wettbewerb und über die Notwendigkeit eines Schutzes gegen bestimmte Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben. 2. Die Vorträge von Edwin Katz Im Jahr 1892 hielt Edwin Katz, wie Alexander-Katz ein Berliner Rechtsanwalt, vor dem Deutscher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums454 und vor der juristischen Gesellschaft 455 in Berlin zwei Vorträge zum Thema des Rechtsschutzes gegen - wie die concurrence déloyale nunmehr genannt wurde- unlauteren Wettbewerb. Die concurrence déloyale war für Katz „das Bestreben, das Resultat der geistigen Arbeit eines Andern sich anzueignen und auszubeuten".456 Dieses Verhalten greife in alle Rechtszweige des gewerblichen Eigentums ein. Die zum Schutz des gewerblichen Eigentums erlassenen Gesetze böten jedoch keinen ausreichenden Schutz gegen die concurrence déloyale.457 Das Verständnis der concurrence déloyale als einer das gesamte Rechtsgebiet des gewerblichen Rechtsschutzes betreffende Erscheinung zeigte sich demnach auch bei Katz. Seine Definition offenbart jedoch, daß für ihn jede Form der Verletzung gewerblichen Schaffens concurrence déloyale war. Der gesetzlich schon normierte Schutz war für Katz daher genauso ein Unterfall der concurrence déloyale wie es die Verhaltensweisen waren, gegen die noch kein Schutz bestand und auf die sich seine Ausführungen bezogen.458 Auch Alexander-Katz wollte insofern keine strengen Grenzen ziehen, unterschied aber zwischen täuschenden Wettbewerbshandlungen und dem bestehenden gesetzlichen Schutz verschiedener gewerblicher Positionen. Katz unterstrich, daß die Gerichte in den letzten Jahren vermehrt vor die Frage gestellt worden seien, wann eine Handlung eines Gewerbetreibenden aufhöre, berechtigte Ausübung eines Gewerbes zu sein, bzw. wann sie anfange, schädigend in die 454 455 456 457 458

Katz (wie Fn.389), 7ff.; 20ff. Katz (wie Fn. 390), 86. Katz (wie Fn. 389), 8. Ebd. Ebd.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

121 459

berechtigte Ausübung der gewerblichen Freiheit eines Dritten einzugreifen. Ausgangspunkt seiner Ausführungen war demnach wie bei Alexander-Katz die Überzeugung, daß sich bis in die neunziger Jahre im gesamten Erwerbsleben ein gesteigertes Unlauterkeitsbewußtsein und insofern ein stärkeres Rechtsschutzbedürfnis entwickelt hätten. Diesem Bedürfnis stand nach der Ansicht beider Autoren kein ausreichender Rechtsschutz gegenüber. a) Der Grund des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb Katz begründete die Notwendigkeit einer Erweiterung des Rechtsschutzes mit der Überzeugung, daß die Wettbewerbsfreiheit im deutschen Recht drei Grenzen habe, welche zum Teil nicht ausreichend geschützt seien.460 Eine Grenze seien die bereits erlassenen Gesetze, eine weitere Grenze bestehe in vertraglichen Vereinbarungen, und die dritte Grenze sei die, die das Sittengesetz gibt. 461 Die Ausgestaltung dieser dritten Grenze sei bisher in Deutschland ungenügend gewesen. Anders sei die Situation in Frankreich, wo unter diesem Gesichtspunkt die Lehre der concurrence déloyale entwickelt worden sei. Katz wählte folglich einen Ansatz, der der Ansicht der herrschenden Lehre über die Grenzen der allgemeinen Handlungsfreiheit entsprach. 462 Auch Alexander-Katz und Kohler fanden den Ansatz einer Begrenzung der Wettbewerbsfreiheit auf diesem Weg. Alexander-Katz verwandte die Formulierung der Redlichkeit im Verkehr, Kohler sprach von der Begrenzung durch die bonafides ,zu deren Schutz auch der Schutz eines absoluten Persönlichkeitsrechts gehören sollte. Katz erkannte im Gegensatz zu Kohler aber kein solches Recht des Wettbewerbers an. Für ihn entstanden solche Rechte, ebenfalls in Übereinstimmung mit der herrschenden Lehre, nur durch gesetzliche Anerkennung. Seine Sichtweise war auf dem Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes geprägt durch den Begriff des gewerblichen Eigentums, das allein durch die Anerkennung durch ein Gesetz erworben werden könne. 463 Die Verletzung eines solchen Rechtes sei dabei ebenso concurrence déloyale wie ein Verstoß gegen die guten Sitten bei Ausübung der Wettbewerbsfreiheit.

459

Ebd. Ebd. 461 Ebd. 462 Siehe oben, Teil 1, 3. Kapitel, I., 3; V., l.,b). 463 Diese Ansicht blieb freilich schon in der dem Vortrag folgenden Diskussion nicht unwidersprochen, so wies Peters aus Berlin daraufhin, daß diese Form des Eigentums schon mit der Denkarbeit entstehe, Katz, (wie Fn. 389), 21. Katz hielt jedoch auch später noch an dieser Ansicht fest, vgl. ders. (wie Fn. 390), 86. 460

122

Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

b) Die Vorschläge von Edwin Katz (1) Die zivilrechtliche Generalklausel Die Suche nach einer Lösung begann Katz wie Kohler und Alexander-Katz mit einer Darstellung der französischen Lehre der concurrence déloyale.464 Anders als Alexander-Katz entnahm er dieser Lehre jedoch nicht nur die regelungsbedürftigen Fallgruppen bei gleichzeitiger Ablehnung des französischen Weges. Er sah vor allem auch in der Methode, Verhalten, das als unlauterer Wettbewerb empfunden wurde, mittels einer zivilrechtlichen Generalklausel zu bekämpfen, den richtigen Weg. Auch der Ansatz von Katz beruhte somit auf den Erkenntnissen der französischen Lehre der concurrence déloyale. Als geeignete zivilrechtliche Generalklausel schlug Katz den gerade veröffentlichten § 705 BGB vor. 465 Katz befand sich damit in Übereinstimmung mit den Mitgliedern der ersten Kommission zur Erarbeitung eines Entwurfs für ein BGB, die durch diesen Paragraphen die Begrenzung der allgemeinen Handlungsfreiheit durch die gute Sitte zivilrechtlich verankern wollten. 466 Kohler hatte dies über ein Individualrecht erklärt, dessen Verletzung als Rechtsbruch verstanden werden konnte.467 Nachdem die Kommission § 705 BGB wie dargestellt auch unter Bezugnahme auf die concurrence déloyale schuf und Katz und Alexander-Katz sie in dieser Weise zitierten, zeigt sich der Standort, den der unlautere Wettbewerb bei der Kommission und den beiden Autoren einnehmen sollte. Unlauterer Wettbewerb stellte einen als Sittenverstoß verstandenen Bruch einer allgemeinen Handlungsfreiheit dar. Ein solches Verständnis war geeignet, andere Begründungsversuche, vor allem die Theorie der Individualrechte im wirtschaftlichen Wettbewerb zu schwächen, da das Verständnis von Kommission und den beiden Autoren mit den herrschenden Anschauungen vereinbar war und den erforderlichen Rechtsschutz gewähren konnte. Der Nachteil von § 705 BGB lag allerdings in dem zur Zeit der Ausführungen von Katz und Alexander-Katz noch ungewissen Moment seines Inkrafttretens. Dazu kam der Umstand, daß die Eignung von § 705 BGB zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs wesentlich von seiner bisher gewählten Formulierung abhing, die noch auf eine Beschränkung auf vorsätzliches Verhalten verzichtete. Katz sah in dem geschilderten Vorgehen den einzig sinnvollen Weg. Voraussetzung sei nur, daß sich die Rechtsprechung nicht bloß an die vorgeschriebenen Wortfassungen des Paragraphen halte, sondern gleich dem französischen Richter in enger Kooperation mit den betroffenen Kreisen, einen deren Bedürfnissen entsprechenden Weg finde. 468 Die besondere Verantwortung, die dem Richter bei diesem Vorgehen zukam, wurde demgemäß auch von Katz als Risikofaktor gesehen. 464 465 466 467 468

Katz, (wie Fn.389), 8. Ebd. Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., IV. Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., I.,2. Katz, (wie Fn.389), 12.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

123

Trotz der Einordnung des unlauteren Wettbewerbs als Sittenverstoß erachtete er, dem zivilrechtlichen Vorgehen und dem französischen Vorbild gemäß, strafrechtliche Sanktionen gegen den unlauteren Wettbewerb als sinnlos. Angesichts der Schwierigkeiten jener Zeit, einen Staatsanwalt davon zu überzeugen, einem Antrag auf Strafverfolgung Folge zu leisten, seien strafrechtliche Vorschriften illusorisch, die genannten zivilrechtlichen Möglichkeiten viel zweckmäßiger. 469 Der Verbraucher fand bei Katz, wie im französischen Recht, nur Erwähnung als Maßstab für die Unlauterkeit eines Verhaltens des Konkurrenten, welche regelmäßig zu bejahen sei, wenn der Verbraucher in die Irre geführt werde. 470 Eigene Ansprüche des Verbrauchers erörterte er nicht. Als weitere Fallgruppen unlauteren Wettbewerbs nannte Katz beispielhaft neben den gesetzlich schon erfaßten Fällen des Patent- und Markenschutzes den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen und die Täuschung mittels Kennzeichen eines Wettbewerbers. 471 Der von ihm angestrebte zivilrechtliche Schutz sollte demgemäß lückenfüllend wirken, wo die bestehende Gesetzgebung die concurrence déloyale nicht hinreichend bekämpfte. Ohne Erwähnung blieb der Reklameschwindel, der bei Alexander-Katz und Kohler im Mittelpunkt der Auseinandersetzung stand. Dies zeigt, daß die im Vergleich zu Kohler und Alexander-Katz viel kürzeren Ausführungen auch oberflächlicher waren. Der Schwerpunkt lag für Katz auf einer Darlegung der Notwendigkeit der Schaffung eines Schutzes gegen den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen. (2) Der Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen Der Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen stellte für Katz einen Sonderfall dar. 472 Das ergab sich zum einen aus der für ihn nicht zweifelhaften dringenden Notwendigkeit eines legislativen Einschreitens gegen dieses Wettbewerbsverhalten. 473 Ein Warten auf das Inkrafttreten des BGB kam für ihn hier nicht in Betracht. In industriellen Kreisen bestehe der einhellige Wunsch. Er behauptet, bei einer umfassenderen und repräsentativeren Umfrage hätte sich diese Notwendigkeit schon in den achtziger Jahren gezeigt.474 Zum anderen wollte er den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen entgegen seinen sonstigen Überzeugungen zivil- und strafrechtlich bekämpfen. 475 Wie 469

Ebd., 22. Ebd. 471 Ebd., 8. 472 Ebd., 11, vgl. Katz (wie Fn. 390), 81 ff. 473 Ebd., 82f.; Katz nennt zahlreiche Fälle aus der Praxis, die aus seiner Sicht die Schutzbedürftigkeit unterstreichen. 474 Ebd., 86. 475 Ebd., 85 ff. 470

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Alexander-Katz wollte er dabei sowohl gegen den Anstifter als auch gegen den Verratenden vorgehen. Für ein zivilrechtliches Vorgehen gegen den Anstifter eigne sich § 704 des BGB-Entwurfs. Mit dieser Entschädigungsklage sei weiten Teilen der industriellen Welt schon sehr geholfen. 476 Darüber hinaus sei jedoch umgehend ein strafrechtlicher Schutz zu schaffen, da der Verrat eines Fabrik- und Geschäftsgeheimnisses durch einen Angestellten ein Treubruch sei, der für sich alleine noch nicht strafbar sei. Aber in der Verbindung mit dem Schädigungsvorsatz oder der Absicht, sich einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, stelle das Verhalten einen Fall der Untreue dar, der in gleich gelagerten Fällen schon verboten sei. 477 Wie für Alexander-Katz und eine Mehrheit auf dem 19. Deutschen Juristentag begründete für ihn die Nähe zur Untreue die Strafwürdigkeit des Verrats. Er schlug folgende strafrechtliche Bestimmung vor: 478 „Der Angestellte eines Kaufmanns oder Gewerbetreibenden, welcher während des Anstellungsverhältnisses oder nach Auflösung desselben eine ihm zur Geheimhaltung anvertraute Eigenart des Geschäfts- oder Gewerbebetriebs seines Geschäftsherrn in der Absicht demselben zu schaden oder sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, an einen anderen verrät, wird mit einer Geldstrafe bis zu einem Drittel seines steuerpflichtigen Einkommens, aber nicht unter 1000 Mark bestraft; im Unvermögensfall trifft Gefängnisstrafe ein. Der Versuch ist strafbar. Die Strafverfolgung trifft nur auf Antrag des Verletzten ein; die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. Neben der Strafe kann auf Antrag auf eine Buße bis zu 15000 Mark erkannt werden; ein Zuerkennen der Buße schließt jeden weiteren Anspruch auf Entschädigung aus."

Der Einordnung des Verrats als Untreue entsprechend sah Katz nur eine Strafbarkeit des Verrats durch Angestellte vor. Der Anstifter sollte über die allgemeinen Anstiftungsregeln verfolgt werden. 479 Ohne Vorbild war sein Versuch, das Geheimnis als Eigenart des Betriebes zu definieren. Die genauere Auslegung sollte in den Händen der Richter liegen. 480 Im Gegensatz zu Alexander-Katz sah Katz die Strafbarkeit auch nach Auflösung des Dienstverhältnisses vor, ein Umstand, der später Gegenstand heftiger Kontroversen wurde. Die Ausführungen von Katz zeigen einmal mehr, daß sich in der Literatur und in den von Katz genannten industriellen Kreisen eine breite Übereinstimmung über die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Regelung entwickelt hatte. Wenig einleuchtend war jedoch, warum ausschließlich der Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen strafrechtlich zu verfolgen sein sollte. Alexander-Katz hatte 476 477 478 479 480

Ebd., 85. Ebd., 86. Ebd., 86. Ebd., 88. Ebd.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

125

beispielsweise für den Reklameschwindel ebenfalls die Ähnlichkeit zu bestehenden strafrechtlichen Bestimmungen wie dem Betrug nachweisen können und die besondere Schwere des Deliktes betont. 3. Julius Bachem Der Kölner Anwalt Julius Bachem behandelte in zwei Schriften im Juni 1892 und im Januar 1893 die Frage des Rechtsschutzes gegen den unlauteren Wettbewerb. 481 Die erste Schrift, „Der unlautere Wettbewerb in Handel und Gewerbe und dessen Bekämpfung" 482, war nur in Form eines kleinen Heftes gedruckt und offensichtlich eher für das breite Publikum, denn als wissenschaftlicher Beitrag verfaßt. Das spätere Werk, „Wie ist dem unlauteren Wettbewerb in Handel und Gewerbe zu begegnen?" 483 , war eine ausführlichere, teilweise korrigierte Fassung des ersten, konnte jedoch zusätzlich neuere Entwicklungen, u. a. die weiteren Arbeiten am BGB und hier insbesondere die Behandlung von §§704f. des ersten Entwurfs, berücksichtigen. 484 a) Der Grund des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb Auch Bachem stellte zur Darstellung der Notwendigkeit eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb zunächst einen Zusammenhang zwischen Wettbewerbsfreiheit und unlauteren Verhaltensweisen Handel- und Gewerbetreibender her. 485 Insbesondere seit Einführung der Gewerbeordnung seien Handel und Gewerbe durch wenig bedenkliches Konkurrenzverhalten zunehmend geschädigt worden. Diese Verhaltensweisen beschrieb er folgendermaßen: 486 „Die zahlreichen, auf Täuschung des Publikums berechneten Manipulationen, welche in unserem geschäftlichen und gewerblichen Leben hervortreten, sind für den soliden Handel und das redliche Gewerbe in hohem Masse schädigend, sie sind der eigentliche Krebsschaden des geschäftlichen und gewerblichen Verkehrs. Die Praktiken, deren sich der unlautere Wettbewerb bedient, sind unzählig, oft scharfsinnig ausgedacht, stets hinterlistig; es ist häu481 Bachem war als langjähriges Mitglied des Reichstags an dem ersten parlamentarischen Versuch beteiligt, den unlauteren Wettbewerb zu regeln. Er unterstützte mit anderen Abgeordneten einen Antrag, bei welchem ein § 146 c in die Gewerbeordnung eingefügt werden sollte, der einige Fälle unlauteren Wettbewerbs unter Strafe stellen wollte, siehe unten, Teil 1,4. Kap.,

I.,l.

482

Bachem (wie Fn. 230), siehe auch kurze Erwähnung durch Paul Schmid , Das Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnung, in: GR 2 (1893), 164 ff. 483 Bachem (wie Fn.370). 484 Dazu nennt Bachem die erstmalige Erwähnung der Erscheinung des unlauteren Wettbewerbs im Reichstag sowie die Veröffentlichung des Entwurfs einer Novellierung des Markenschutzgesetzes mit den bedeutenden §§ 14f., dazu unten, Teil 1,4. Kap., 2. 485 Bachem (wie Fn.370), 5f. 486 Bachem (wie Fn.230), 39.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

fig fast unmöglich, dahinter zu greifen. Vielgestaltig, wie das geschäftliche und gewerbliche Leben selbst - ein wahrer Proteus - wechselt der unlautere Wettbewerb seine Gestalt von einem Tage zum andern."

Bachem betonte somit die Vielfältigkeit dieser Verhaltensweisen, die er durchweg als unlauteren Wettbewerb bezeichnete, und den großen Schaden, den diese Verhaltensweisen verursachten. Als Folge dieses Verhaltens sah Bachem wie bereits Katz und Alexander-Katz ein gesteigertes Rechtsschutzbedürfnis in Handel- und Gewerbekreisen bei gleichzeitigem Fehlen ausreichender Rechtsschutzmöglichkeiten. Dieses dokumentiere sich, so Bachem, in zahlreichen Presseberichten sowie in der Gründung von Vereinen, die eine Verbesserung des Rechtsschutzes forderten. 487 Bachem sah demnach ebenso wie Katz und Alexander-Katz veränderte Formen wettbewerblichen Verhaltens im Gefolge der Einführung der Gewerbefreiheit bei gleichzeitigem Fehlen eines den Bedürfnissen des Handel und Gewerbes entsprechenden Rechtsschutzes als Grund für seine Forderung nach einer Schutzerweiterung zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Erstmals seit Kohler verband Bachem die Feststellung eines unzureichenden Schutzes vor unlauteren Verhaltensweisen mit Kritik an der deutschen Rechtsprechung, welche mit ihrer all zu formalistischen Judicatur einer wirksamen Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs entgegenstehe.488 Dagegen sei die französische Rechtsprechung viel beweglicher, sucht zur Entscheidung der Sache weniger nach einem Paragraphen als nach einem Princip, und hat sie das Princip gefunden, so trägt sie keine Bedenken, dasselbe in dem unendlich vielgestaltigen Leben überall da zur Geltung und zur Anwendung zu bringen, wo das gesunde Rechtsgefühl eine solche Anwendung verlangt. Dabei hat die französische Rechtsprechung sich in ungleich engerer Fühlung mit dem gewerblichen Leben gehalten wie die deutsche, welche mehr die wissenschaftliche Konsequenz als eine lebendige Rechtsauffassung pflegt,"

Bachem stellte in seinen Ausführungen demnach dem deutschen Formalismus eine flexiblere, den Bedürfnissen des Erwerbslebens entgegenkommende französische Rechtsprechung gegenüber. Obwohl dies, wie gezeigt, in der Sache nicht haltbar ist, wird mit dieser Argumentation bei Bachem und auch in den nächsten Jahren die Notwendigkeit einer Verbesserung des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb begründet. Im Gegensatz zu Alexander-Katz, aber in Einklang mit Katz und der französischen Lehre der concurrence déloyale, sah Bachem durch unlauteres Verhalten in erster Linie den Wettbewerber als geschädigt und daher als schutzbedürftig an. Im Gegensatz zu Katz fand er ein Rechtsgut, dessen Schutz er forderte: 489 487 Ebd., 6f.; bspw. der Kölner Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe, der Deutsche Verein für den Schutz des Gewerblichen Eigentums, der Verband der Verein Creditreform. 488 Bachem (wie Fn. 230), 39. 489 Ebd.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

127

„Das durch reellen und tüchtigen Geschäfts- und Gewerbebetrieb erworbene Vertrauen verdient den Schutz der Staatsgewalt ebenso wie jedes andere wohlerworbene Gut."

Bachem sah also das Vertrauen der Kundschaft als Schutzgut der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in Deutschland. Die Nähe zur französischen Lehre der concurrence déloyale, die die „achalandage", also die Kundschaft bzw. deren Vertrauen als Schutzgut formuliert hatte, ist unübersehbar. Bachem unterstrich seine starke Anlehnung an diese Lehre mit der Aussage, daß für die Suche nach einer Lösung der Frage des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb der französische Weg als gutes Beispiel heranzuziehen sei. 490 Wiederum zeigt sich, daß die Diskussion um eine Schutzerweiterung ausnahmslos durch die französische Lehre der concurrence déloyale geprägt war. Kein Autor ging dabei jedoch so kompromißlos vor wie Bachem. Die Übernahme des Rechts auf Kundschaft in das deutsche Recht hätte jedoch angesichts der herrschenden Lehre in Deutschland, die ein solches Recht nicht anerkannte, einer näheren Begründung bedurft. b) Die Vorschläge Julius Bachems In seinem ersten Werk stellte Bachem gemäß dem Versuch, die Grundsätze der französischen Lehre der concurrence déloyale ins deutsche Recht zu übertragen, die zu erwartenden §§704f. BGB in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. 491 Hierdurch hoffte er der guten Sitte zur Geltung im deutschen Recht zu verhelfen. Was genau die gute Sitte sei, müsse der Richter im Einzelfall feststellen. Da sie gleichbedeutend sei mit den Gepflogenheiten des ehrbaren Kaufmannes bzw. Gewerbetreibenden, solle der Kaufmann den Rat der kaufmännischen und gewerblichen Körperschaften einholen. Auf jeden Fall aber sei es weniger bedenklich, die Entscheidung dem richterlichen Ermessen zu überlassen, als so fortzufahren wie bisher. Die Notwendigkeit des Erlasses zusätzlicher Vorschriften sah er nicht. Die vorhandenen Spezialgesetze böten daneben zwar einen gewissen Schutz des Verkehrs, gewährten aber keinen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb im Sinne der französischen Rechtsprechung.492 Das von ihm als Schutzgut vorgeschlagene Recht auf das Vertrauen der Kundschaft diskutierte er hier nicht mehr. Wie Alexander-Katz, aber ohne dessen Systematisierung, nannte er unter Berufung auf die französische Rechtsprechung verschiedene Fallgruppen, auf deren Bekämpfung er hoffte: 493 die eine Täuschung veranlassende Bezeichnung; die Verwechslungsgefahr erzeugende Form-, Färb- oder Etikettenwahl; das Unterschieben fremder Ware als eigene bzw. eigener als fremde; die unberechtigte Nutzung des Namens, bzw. das Verleihen von Namen, um einem Dritten mit ähnlichem Namen 490 491 492 493

Ebd., 8; Bachem (wie Fn. 230), 37. Ebd., 38. Ebd., 17 ff. Ebd., 28 ff.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Konkurrenz zu machen; Preis-, Medaillen- und Reklameschwindel, zu dem für ihn vor allem das Herabsetzen des Konkurrenten gehörte; die Preistreiberei, den Qualitätsschwindel sowie den Aus Verkaufsschwindel. Der Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen fehlt in dieser Aufzählung. In seinem zweiten Werk finden sich zwei Änderungen. Zum einen schlug er nun eine den Vorstellungen von Alexander-Katz entsprechende Strafvorschrift zur Bekämpfung des Verrats von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen vor. Die Übernahme der von Alexander-Katz vorgeschlagenen Formulierungen zeigt die zunehmende Bedeutung der Arbeiten von Alexander-Katz auf die Diskussion um die Entstehung eines Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb. Ansonsten blieb Bachem aber bei seinen bisherigen Ausführungen und lehnte die von Alexander-Katz vorgeschlagenen Strafvorschriften ab. Als Gründe führte er unter anderem an, daß angesichts der Vielgestaltigkeit des unlauteren Wettbewerbs eine Generalklausel unerläßlich sei und das Strafrecht diese Möglichkeit einer allgemeinen Bestimmung nicht biete. 494 Der Formalismus in der Rechtsprechung in Deutschland sei auf dem Gebiet des Strafrechts außerdem noch größer. Zum anderen befand er, daß § 705 BGB durch das nun eingeführte Vorsatzerfordernis erheblich an Nutzen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs verloren habe. An anderer Stelle bemerkte Bachem insofern, daß die Zielrichtung unlauteren Wettbewerbsverhaltens in erster Linie die Gewinnsucht des einzelnen sei und nicht eine Beeinträchtigung anderer. 495 Darüber hinaus sah er den richterlichen Ermessensspielraum, der durch den Begriff der guten Sitten eingeräumt werde, als zu groß an. Er befürchtete richterliche Willkür als Folge. 496 Gerade dies ließ Bachem befürchten, daß der concurrence déloyale weiterhin alle Tore geöffnet seien. Bachems Bedenken hinsichtlich des Vorsatzerfordernisses teilten bereits Kohler und Alexander-Katz. Die Entscheidung, Vorsatz als Voraussetzung eines Anspruchs in dem späteren § 826 einzufügen, hatte weitreichende Folgen für die gesetzlichen Regelungen des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb. Ohne diese Änderung hätte mit Inkrafttreten des BGB eine zivilrechtliche Generalklausel zur Verfügung gestanden, die nach Ansicht der Zeitgenossen eine wirksame Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ermöglicht hätte. Der beschlossenen Fassung traute man dies allenfalls in eingeschränktem Umfang zu. Daneben bemängelte Bachem das Fehlen eines Unterlassungsanspruches im Rahmen des § 705 BGB. Einem solchen Anspruch sprach er in der Praxis eine weitreichende Bedeutung zu. 497 Bachem erwähnte damit einen Punkt, der in der Diskussion um die Gestaltung des Rechtsschutzes eine wichtige Rolle spielen sollte. Ein Schutz könne gemäß den von ihm vertretenen französischen Grundsätzen durch § 704 des ersten Entwurfes erfolgen, wenn man ein Recht des Wettbewerbers 494 495 496 497

Bachem (wie Fn. 370), 48 f. Ebd., 50. Ebd., 57f. Ebd., 59.

3. Kap.: Die Auseinandersetzung um eine Ausweitung des Schutzes

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auf das Vertrauen seiner Kundschaft anerkenne. Indem der Gesetzgeber aber neben § 704 noch einen § 705 für nötig erachtete, sage er implizit, daß diese illoyalen Handlungen, die durch § 705 bekämpft werden sollen, nach Ansicht der Redakteure weder das Recht eines anderen verletzten noch gegen ein den Schutz eines anderen bezweckendes Gesetz verstießen. Bachem gab demnach korrekt die Ansicht der Kommission zu dieser Frage wieder. 498 Da die concurrence déloyale kein solches Verhalten darstelle, bestehe keine Möglichkeit der Bekämpfung mittels des § 704. Bachem arbeitete somit heraus, daß sowohl § 705 als auch § 704 in der vorgesehene Fassung entgegen den Erwartungen nicht die Aufgabe einer umfassenden Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs im Sinne der französischen Rechtsprechung zukommen werde. Als Recht im Sinne des § 704 bot sich zwar das Individualrecht Kohlers an. Angesichts der Ablehnung in Rechtsprechung und Lehre fehlte der Theorie Kohlers aber noch die Aussicht, allgemein akzeptiert und in der Praxis wirksam zu werden. Bachems Schlußfolgerung war, daß der vorzugswürdige französische Weg damit in Deutschland keine Verwirklichung finden könne. Demgemäß sei jede Form der gesetzlichen Hilfe schon ein Gewinn, die §§ 704 ff. genauso wie die Vorschläge von A lexander-Katz. 499 Bachems Weg stieß auf zwei Schwierigkeiten, die auch für die Ausführungen von Kohler und Katz zutreffen und die er auch erkannte. Zum einen vertrat Bachem aufgrund der starken Ausrichtung an dem französischen Vorbild der concurrence déloyale einen Weg des Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb in Deutschland, der auf einer Norm wie dem § 705 des ersten Entwurfs des BGB basierte. Dieser trat in der gewünschten Form gar nicht und generell zu einem, zu Beginn der neunziger Jahre noch ungewissen Zeitpunkt in Kraft. Dieser Umstand hemmte die nachhaltige Wirkung der Schriften Bachems. Bachem forderte zweitens wie Kohler zusätzlich ein Umdenken der Rechtsprechung. Der Vorteil der Theorie von Kohler in der Diskussion um einen Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb war dabei, daß sie bis in die neunziger Jahre hinein der einzige wissenschaftliche Ansatz war, der den gewerblichen Rechtsschutz unter Einschluß einer Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs erklären konnte. Ihr großer Nachteil war allerdings, daß die Auswirkungen der Lehre auf die Rechtsprechung gering blieben. Demgegenüber stand Bachems Übernahme der französischen Rechtskonstruktion sowohl die Ablehnung der Rechtsprechung als auch der Wissenschaft entgegen. Letztere konnte aus den von Mayer und Katz genannten Gründen Bachems Vorschlag nicht aufnehmen. Auch dies hemmte die Wirkung der Ausführungen Bachems und zeigte, daß dem Werk von Alexander-Katz aufgrund der starken Praxisorientierung und der Berück498 499

Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., IV. Bachem, (wie Fn. 370), 60 f.

9 von Stechow

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

sichtigung der herrschenden Auffassungen in der Wissenschaft in der weiteren Diskussion besondere Bedeutung zukommen mußte.

VI. Zusammenfassung Die dargestellte Diskussion um die Ausweitung des Schutzes gewerblichen Schaffens zeigt im wesentlichen drei Ergebnisse: 1. Schon bald nach der Reichsgründung von 1871 begannen Vertreter der Rechtswissenschaft, von Interessenvereinigungen sowie im Reichstag und in der Öffentlichkeit Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb zu erörtern, die von ihnen als unerlaubt empfunden wurden, ohne daß die bestehende Rechtsordnung hiergegen hätte Schutz bieten können. Diese Erörterungen beschränkten sich anfangs in der Regel darauf, für Teilbereiche des gewerblichen Rechtsschutzes, wie dem Schutz von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen, eine Schutzverbesserung zu fordern. Spätestens mit Beginn der neunziger Jahre wurden diese Forderungen vermehrt unter dem Oberbegriff des unlauteren Wettbewerbs zusammengefaßt. Man drängte zudem auf eine umfassende Verbesserung des Schutzes gegen entsprechende Verhaltensweisen. Die zahlreichen Äußerungen zeigen, daß sich in dieser Zeit Rechtsschutzbedürfnis und Rechtsschutzmöglichkeiten im wirtschaftlichen Wettbewerb nicht in Übereinstimmung befanden. Sie sind zugleich Anzeichen eines sich in Deutschland entwickelnden Unlauterkeitsbewußtseins. Die dritte der Voraussetzungen war somit erfüllt, unter denen Rechtsnormen gegen unlauteren Wettbewerb entstehen können: die Entstehung eines Bewußtseins, daß Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb auch unlauter sein können. 2. Die Auseinandersetzungen begannen unabhängig voneinander auf dem Gebiet des Kennzeichen- und Patentschutzes, des sog. Reklameschwindels und des Geheimnisverrats. Unter dem Einfluß der französischen Lehre der concurrence déloyale und aufgrund des Wirkens von Josef Kohler überlagerten die Inhalte dieser Lehre vermehrt die Einzeldiskussionen und gaben schließlich den Rahmen dessen vor, was als unlauter empfunden wurde. Eine einhellige Meinung dessen, was im Wettbewerb als unlautere Verhaltensweise anzusehen sei, gegen die ein Rechtsschutz geschaffen werden müsse, bestand nicht. Dennoch lassen die Erörterungen erkennen, daß einige Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb von der überwiegenden Mehrheit als unlauter empfunden wurden. Zu diesen Verhaltensweisen zählten Formen der irreführenden Werbung, des Kennzeichenmißbrauchs, der Kreditschädigung und des Fabrik- und Geschäftsgeheimnisverrats. 3. Die diskutierten Lösungen gegen den unlauteren Wettbewerb beschränkten sich in dieser Zeit auf zwei Möglichkeiten. Die erste Möglichkeit ist eng mit dem Namen von Josef Kohler verbunden. Er war der erste, der schon Ende der siebziger Jahre ein der französischen Lehre der concurrence déloyale vergleichbares Vorgehen in Deutschland forderte. Ein dem

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Art. 1382 Code civil vergleichbares Prinzip einer zivilrechtlichen Generalklausel erkannte er in allen deutschen Partikularrechtsordnungen. Die Frage nach der Konstruktion des verletzten Rechtsguts beantwortete er mit der Theorie der Immaterialgüter- und Individualrechte. Ohne diese Theorie zu adaptieren, glaubten sowohl die Kommission zur Schaffung eines BGB als auch später Katz und Bachem daran, daß eine solche Generalklausel eine wirksame Waffe gegen den unlauteren Wettbewerb sei. Insbesondere Bachem wies aber bereits darauf hin, daß dies nicht mehr der Fall sei, wenn ein Anspruch nur unter der Voraussetzung vorsätzlichen Handelns, wie in dem späteren § 826 BGB, gegeben sei. Die zweite Möglichkeit bestand in der Erweiterung bestehender Gesetze. So einigte sich z.B. der Reichstag darauf, die Gewerbeordnung um Schutzmaßnahmen gegen irreführende Werbung durch fahrende Händler zu erweitern. Alexander-Katz hielt Kohlers Theorie entgegen, daß sie unvereinbar mit herrschenden Rechtsgrundsätzen in Deutschland sei und machte präzise Vorschläge für neue gesetzliche Bestimmungen, insbesondere im RStGB und im MSchG, die später zur Beratung des UWG von 1896 herangezogen wurden. §§704 f. BGB sollten den Schutz auf zivilrechtlichem Gebiet komplettieren. Alexander-Katz Schutzkonzept stand demnach auf zwei Säulen. Ein Spezialgesetz gegen unlauteren Wettbewerb war nicht in der Diskussion. 4. Kapitel

Der Gedanke des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb im Reichstag und in der Öffentlichkeit Die dargestellten Forderungen aus der Wirtschaft und die Stimmen in der Literatur, die eine Erweiterung des Schutzes gewerblichen Schaffens um einen Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb forderten, blieben nicht ungehört. Der Reichstag beschäftigte sich in den Jahren 1892-1894 zweimal eingehend mit der Frage eines Rechtsschutzes gegen unlauteren Wettbewerb. Die Auseinandersetzung im Reichstag war in der Folge Gegenstand eingehender öffentlicher Diskussion. Als Folge der Debatten im Parlament akzeptierte die Regierung, daß es zu ihren Aufgaben gehörte, durch die Entwicklung entsprechender Rechtsnormen den unlauteren Wettbewerb zu bekämpfen. Dieses Kapitel dient demnach der Darstellung der vierten der eingangs erwähnten Voraussetzungen, daß nämlich der Staat Handlungsbedarf auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs anerkennt und es als eine seiner Aufgaben akzeptiert, hiergegen Abhilfe zu schaffen. Die Untersuchung geht in drei Schritten vor. Zum einen bedarf es einer Darstellung der unmittelbaren Vorgeschichte des UWG von 1896, soweit sie den Entschluß der Regierung, die Arbeiten an einem Ge9*

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setz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs aufzunehmen, beeinflußten (I.). Dies trifft, wie zu zeigen ist, auf die Diskussionen im Reichstag über eine Erweiterung der Gewerbeordnung und des Warenzeichengesetzes um Bestimmungen gegen den unlauteren Wettbewerb zu. Die Auseinandersetzung endete mit dem Versprechen der Regierung, den Entwurf eines Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb auszuarbeiten. Zum zweiten wirft die Entscheidung, ein Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zu schaffen, die Frage nach dem Rechtsgrund eines solchen Schutzes auf (II., 1.). Es werden daher die Ansichten des Parlaments, der Regierung und der Öffentlichkeit hinsichtlich der Notwendigkeit eines gesetzlichen Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb untersucht. Drittens sind die Vorschläge zur Ausgestaltung des Rechtsschutzes im einzelnen zu erörtern (II. 2. ).

I. Die parlamentarische Diskussion um einen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb in GewO und W Z G 1. 146 c GewO Am Beginn der parlamentarischen Behandlung des unlauteren Wettbewerbs in den neunziger Jahren stand eine erneute Auseinandersetzung um eine Erweiterung der Gewerbeordnung zur Beschränkung des Hausierhandels.500 Insofern setzte die Debatte die in den Jahren 1882 und 1883 geführten Diskussionen fort. Ausgangspunkt der Diskussion im Reichstag war eine von Wilhelm II. 1890 initiierte Konferenz von Regierung und Vertretern des Handwerks, um dieses aus seiner damals offensichtlich sehr schwierigen wirtschaftlichen Situation zu führen und vor einer weiteren Verarmung zu schützen.501 Teile des Handwerks forderten hierbei unter anderem die Wiedereinführung der Zwangsinnung und gesetzgeberische Maßnahmen gegen Hausierhandel und Abzahlungsgeschäfte - eine weitere Bestätigung der auf Rechtsschutzerweiterung ausgerichteten Bestrebungen von Teilen der Wirtschaft in dieser Zeit. 502 Die Regierung lehnte im Hinblick auf die im Grundsatz wirtschaftslibelrale Ausrichtung ihrer Politik jede Form der Rückkehr zu zunftähnlichen Strukturen ab, versprach aber gleichzeitig, einen gesetzlichen Schutz gegen Abzahlungsgeschäfte und gegen Fehlverhalten der Hausierhändler in Angriff zu nehmen.503 Die Überprüfung der Einhaltung dieses Versprechens machte sich, der großen politischen Bedeutung des Handwerkerstandes entsprechend, das Parlament zu eigen. Insbesondere das Zentrum erkannte die Möglichkeiten einer handwerkerfreundlichen, auf Schutzerweiterung ausgerichteten Politik und forderte mehrfach ein Tä500 501 502 503

Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8.Leg., l.Sess. 1890/92, 3019f. Ebd., 3020. So v.Boetticher, ebd., 3020f. Ebd.

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tigwerden der Regierung, als in den Jahren 1891 und 1892 nichts geschah.504 Im Rahmen einer solchen Anfrage im Dezember 1892, wie weit die gesetzgeberischen Maßnahmen gegen den Hausierhandel gediehen seien, diskutierte das Parlament Grund und Ausgestaltung eines möglichen gesetzlichen Schutzes.505 a) Der Rechtsgrund des Schutzes Zur Begründung der dringenden Regelungsbedürftigkeit des Hausierhandels führte der Abgeordnete Schaedler aus, daß sich die Schäden durch Hausierhändler im Vergleich zu früheren Jahren noch verschärft hätten.506 Neben dem in den achtziger Jahren im Vordergrund stehenden Verkehrsschutz wurde nun der Schutz des redlichen Konkurrenten betont. Ausführlich schilderte Schaedler das Verhalten der Hausierhändler, die durch den Verkauf von wertlosen Artikeln, Ramschwaren, und durch schwindelhafte Absatzmethoden vornehmlich bei Stoffwaren und Edelmetallen gegen die guten Sitten verstießen. Insbesondere stelle deren Verhalten eine Absatzschädigung des stehenden, mittelständischen Gewerbes dar. Neben dem Aspekt des Redlichkeitsschutzes waren es also nun auch wirtschaftliche Gründe, die einen Schutz notwendig erscheinen ließen. Drei Gruppen seien geschädigt:507 „Zu den moralischen Schäden kommen dann die wirtschaftlichen, und zwar in Rücksicht auf das kaufende Publikum, in Rücksicht auf die Industrie und in Rücksicht auf das sesshafte Kleingewerbe.44

Es findet sich hier also eine ähnliche Einordnung wie bei anderen, den gewerblichen Schutzgesetzen zuwiderlaufenden Verhaltensweisen wieder; auch das MSchG sollte Konkurrent und Publikum schützen. Im Anschluß daran entbrannte eine heftige Diskussion um die Notwendigkeit der Beschränkung des Hausierhandels, in der im wesentlichen die Standpunkte, welche schon in den achtziger Jahren vertreten worden waren, wiederholt wurden. Abgesehen davon, daß das Ziel des Zentrums, den Schutz des Handwerkers zu verstärken, deutlicher hervortrat, gestaltete sich nunmehr aber das Bild des als Bedrohung für Publikum und Konkurrenten empfundenen Verhaltens der Hausierhändler facettenreicher. Besonders der Beitrag des Abgeordneten Gröber hatte wegweisenden Charakter. Er nannte das schwindelhafte Werben der Hausierhändler um Kunden lügen504

Interpellation der Zentrumsfraktion (Hitze und Genossen), Aktenstück Nr. 527, 8. Leg., 1. Sess. 1890/92, Ani. 4, 2860. Abgeordnete Hitze begründet die Interpellation am 24.11.1891 in der 125. Sitzung des Reichstages, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg., l.Sess. 1890/92, 3019f.; Interpellation der Zentrumsfraktion {Hitze und Genossen), Aktenstück Nr. 50, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg., 2. Sess. 1892/93, Ani. Bd. 1, 174. 505 Vgl. Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8.Leg., 2.Sess. 1892/93,197ff. 506 Abgeordneter Schaedler, ebd., 197. 507 Ebd.

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hafte Reklame, bezeichnete diese als illoyale Konkurrenz und forderte ein strafrechtliches Vorgehen. Er sagte:508 „...daß man die lügenhafte Reklame... allgemein verbieten soll, und ich glaube, wenn man sich die Mühe gibt, wird sich wohl ein Weg finden lassen zu einer Strafbestimmung wenigstens für die Fälle, wenn ein Gewerbetreibender wissentlich unwahre Thatsachen vorspiegelt über die Bezugsquellen, über den Grund und Anlaß des Verkaufs, ζ. B. unwahrer Weise einen Konkursverkauf ankündigt, und ähnliche Schwindeleien treibt. Wenn so der Gewerbetreibende über besondere Eigenschaften der Waare, über Preisberechnung und ähnliche Umstände, welche die Kaufgelegenheit als eine außerordentlich günstige erscheinen lassen, wider besseres Wissen unwahre Thatsachen vorspiegelt, dann, glaube ich, sollte man ihn zur Strafe ziehen, auch wenn der Thatbestand eines Betrugs nicht vorliegt, also wenn man auch nicht nachweisen kann, daß jemand auf den Schwindel herein gefallen ist und an seinem Vermögen geschädigt ist. Das ist unter allen Umständen eine illoyale Konkurrenz anderen ehrlichen Gewerbetreibenden gegenüber, und diese kann man meines Erachtens nicht anders beseitigen, als daß man SpezialStrafandrohungen gegen ein derartiges Treiben erläßt."

Erstmals wurde in dieser Rede im Reichstag also eine Handlungsweise eines Gewerbetreibenden ausdrücklich als illoyale Konkurrenz bezeichnet, gleichzeitig eine Strafbestimmung zu ihrer Bekämpfung gefordert und im Ansatz auch formuliert. Bei dem Formulierungsversuch fällt vor allem der weite, von der Hausierhandelproblematik losgelöste Rahmen der Handlungen auf, die unter eine solche Norm fallen sollten, und der Verzicht auf die Nachweisbarkeit der Betrugsmerkmale. Gröber kündigte einen Gesetzentwurf seiner Partei zu diesen Fragen an. Den Zweck seiner Bemühungen um einen Schutz vor illoyaler Konkurrenz faßte er wie folgt zusammen:509 „Das sind lauter Fragen, die wohl einer Erwähnung wert sind, die alle schließlich sich zusammenfassen lassen in den Zweck, dem kleinen Gewerbetreibenden zu helfen."

Aus der Sicht des Zentrums war der Hauptgeschädigte dieser Formen der illoyalen Konkurrenz der Mittelstand, hier verstanden als die Gruppe der kleinen seßhaften Gewerbetreibenden. Der Widerstand der Sozialdemokraten und der Freisinnigen Partei hingegen blieb unverändert. Hier wies man darauf hin, daß die Bemühungen um einen gesetzlichen Schutz gegen den Hausierhandel nur ein Zentrumsköder für den kleinen Mann 510 seien, deren wahre Intention darin bestehe, diesem einen Konkurrenten vom Hals zu schaffen. 511 Für die Freisinnigen sprach der Abgeordnete Baumbach, der schon ein Jahrzehnt zuvor die Bestrebungen des Zentrums maßgeblich verhinderte: 512 508

Abgeordnete Gröber, ebd., 210. Ebd. 510 Abgeordnete Gröber, unter Bezugnahme auf sozialdemokratische Kreise, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg., 2. Sess., 1892/93, 784. 511 Abgeordneter Holtzmann, ebd., 790. 512 Abgeordneter Baumbach, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg., 2. Sess. 1892/93,203. 509

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„Die Verkehrsverhältnisse, wie sie sich nun einmal heutzutage entwickelt haben, lassen sich in enge Gesetzesgrenzen, wie sie die Herren auf der Rechten und im Zentrum wollen, nicht hineinzwingen."

Die Äußerungen zeigen, daß die Bemühungen des Zentrums, einen erweiterten Schutz vor unlauterem Wettbewerb zu schaffen, im Reichstag zum Teil auf Ablehnung stießen. Die Bestrebungen gewerblicher Vereine und der Literatur dürfen daher nicht täuschen: Die Notwendigkeit der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs war keinesfalls unbestritten. Die Bemühungen des Zentrums wurden als wahltaktisches Vorgehen und angesichts der wirtschaftlichen Entwicklung als sinnlos bezeichnet.513 In der Opposition dagegen waren sich die Sozialdemokratische Fraktion, deren Ablehnung vor allem systembezogene Gründe hatte, und die Freisinnigen, die gemäß den von ihnen vertretenen liberalen ökonomischen Postulaten Einschränkungen des freien Erwerbsverhaltens vermeiden wollten, einig. Die zögerliche Haltung der Regierung, u. a. abzulesen an der Reaktion auf die Eingabe der Handelskammer zu Mülheim, zeigt, daß man eine dringende Notwendigkeit einer umfassenden Regelung zum Schutz gegen unlauteren Wettbewerb nicht anerkannte. 514 b) Die Ausgestaltung des Schutzes

Da die Regierung auf die Anfrage nur verlauten ließ, daß die Vorarbeiten noch im Gange seien, entschloss sich ein Teil des Zentrums zur Ausarbeitung der von Gröber angekündigten, die Themenkomplexe der Abzahlungsgeschäfte und des Hausierhandels aufgreifenden Gesetzesvorlage zur Abänderung der Gewerbeordnung. Sie wurde noch 1892 fertiggestellt und regelte das Problem des Hausierhandels in der von Gröber in der Reichstagssitzung am 9.12.1892 schon vorgezeichneten Weise. Man schlug einen neuen § 146c GewO mit folgendem Wortlaut vor: 515 „Wer bei seinem Gewerbebetrieb öffentlich, um den Absatz von Waaren oder gewerblicher Leistungen zu fördern, wider besseres Wissen unwahre Thatsachen vorspiegelt oder wissentlich wahre Thatsachen entstellt, insbesondere wer zu diesem Zweck über den Ursprung und Erwerb seiner oder eines anderen Gewerbetreibenden Waaren, über besondere Eigenschaften oder Auszeichnungen dieser Waaren, über die Menge der Waarenvorräthe, den Anlaß zum Verkauf oder die Preisbemessung auf Täuschung berechnete falsche Angaben macht, wird mit Geldstrafe bis zu 1000 Mark und im Unvermögensfall mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft."

Im Gegensatz zu dem Versuch in den achtziger Jahren, die festgestellten Mängel mittels einer Versagung der Konzession und demnach aufgrund verwaltungsrechtli513 514 515

Ebd. Siehe oben Fn. 446. Vgl. Gesetzentwurf betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung, Antrag Gröber und

Genossen {Hitze, Schaedler, Freiherr v. Gagern, Letocha, Mar be, Metzner (Neustadt), Spahn) unterstützt von 82 weiteren Abgeordneten; Aktenstück Nr. 73, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg.; 2. Sess. 1892/93; Ani. Bd. 1,434.

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eher Maßnahmen zu beseitigen, schlug man nun, wie auch schon die Literatur, eine Strafnorm vor. Systematischer Standort der Bestimmung war Artikel 3 der Gewerbeordnung, der die Strafnormen bei Verstößen gegen die Gewerbeordnung enthielt. Die Wahl der Gewerbeordnung als ein einschlägiges Gesetz für die vorgeschlagene Bestimmung deutet zum einen darauf hin, daß die zu bekämpfenden Erscheinungen weiterhin als direkte Folge der Gewerbefreiheit verstanden wurden. Zum anderen geht daraus hervor, daß die Arbeiten der Literatur aus dieser Zeit vor allem das Werk Kohlers, die parlamentarische Debatte noch nicht beeinflußten. Das Ziel des vorgeschlagenen § 146 c bestand vor allem darin, durch die Formulierung, wer „wider besseres Wissen unwahre Thatsachen vorspiegelt oder wissentlich wahre Thatsachen entstellt" der schwindelhaften Reklame insgesamt entgegenzutreten und die Strafbarkeit, wie Gröber erwähnt hatte, nicht vom Vorliegen einer Vermögensschädigung abhängig zu machen. Durch die Formulierung insbesondere sollten auch Unterfälle der schwindelhaften Reklame getroffen werden. Die Begriffe Ursprung und Erwerb zielten nicht etwa auf eine Bekämpfung der falschen Herkunftsbezeichnung im Auge, sondern sollten das Nennen einer falschen Bezugsquelle der Ware durch die Hausierer treffen. 516 Verhindert werden sollten hierdurch vor allem die Schwindelausverkäufe, die als weiteres Beispiel für das schädigende Verhalten von Hausierern genannt wurden: 517 Warenvorräte wurden als Ausverkaufsware, die gewöhnlich aus einem begrenzten Bestand zu stark reduzierten Preisen angeboten wird, z.B. aufgrund einer Geschäftsaufgabe, angepriesen. Tatsächlich handelte es sich jedoch um gewöhnliche Lagerbestände, die je nach Bedarf mit neuen Waren aufgefüllt werden konnten. Die Weite der Bestimmung bot zusätzlich die Möglichkeit, Quantitätsverschleierungen und Fälle des Anschwärzens eines Konkurrenten zu strafen. In der parlamentarischen Debatte über diesen Vorschlag wurde dementsprechend auch die generelle Eignung der Vorschrift für die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs betont. 518 Der Entwurf wurde am Ende der Diskussion einer Kommission überwiesen. 519 Im Kommissionsbericht war hinsichtlich des §146c nur vermerkt: 520 „§146c richtet sich gegen die concurrence déloyale und tritt der schwindelhaften Anpreisung der schlechten Waaren entgegen. §146c wird ohne Widerspruch angenommen."

Die Kommission akzeptierte somit die Vorstellung, die Aufnahme eines gesetzlichen Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb in die Gewerbeordnung sei erforderlich. 516

Beachte in diesem Zusammenhang vor allem die Rede Gröbers, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg., 2. Sess. 1892/93, 210. 517 Abgeordneter Schaedler, ebd., 197. 518 Abgeordneter Ackermann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg., 2. Sess. 1892/93, 783. 519 Ebd., 804. 520 Aktenstück 231, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8.Leg., 2.Sess. 1892/93, Ani. Bd. 2,1261.

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Zu einer Umsetzung des Entwurfs kam es jedoch nicht. Nach der Verweigerung der Zustimmung zum Gesetz über die Friedenspräsenzstärke des Heeres wurde der Reichstag aufgelöst; Neuwahlen wurden anberaumt. In der nächsten Session brachte das Zentrum den Entwurf erneut ein. 521 Die Session ging jedoch schon bald nach Klärung der Frage der Friedenspräsenzstärke zu Ende. In der darauf folgenden Session erneut eingebracht, blieb der Antrag kommentarlos unerledigt. 522 Die nun folgenden Ereignisse im Zusammenhang mit der Erneuerung des MSchG ließen den Entwurf überflüssig werden. Folglich blieb auch dieser Vorstoss des Zentrums erfolglos. Es war allerdings eher dem Zufall zuzuschreiben, daß das Parlament keine strafrechtliche, generalklauselartig weite Bestimmung zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in die Gewerbeordnung aufnahm. 2. §§ 15 und 16 WZG Noch bevor der Versuch endgültig gescheitert war, den unlauteren Wettbewerb im Rahmen der Gewerbeordnung zu bekämpfen, wurde die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs im Zuge der Novellierung des Markenschutzgesetzes von 1874 im Reichstag erneut zum Gegenstand der Auseinandersetzung. Die Regierung hatte den lange andauernden Klagen über die Lückenhaftigkeit des MSchG von 1874 nachgegeben und im Jahr 1892 einen Gesetzentwurf, diesmal als Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnung (WZG), mitsamt einer Denkschrift veröffentlicht. 523 Grund hierfür waren neben anderer Kritik 5 2 4 aus Kreisen der Wirtschaft und der Literatur die oben dargestellte restriktive Rechtsprechung zum MSchG und die daraus folgende mangelnde Berücksichtigung der Wettbewerbsfunktion des Kennzeichens.525 Nach öffentlicher Diskussion, Bundesratsberatung und Kommissionsarbeit nahm der Reichstag den Entwurf am 25. Januar, am 16. und 19. April 1894 in erster bis dritter Lesung an. Das Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnung (WZG) trat am 1. Oktober 1894 in Kraft. Für die Entstehungsgeschichte des UWG ist das WZG insofern von Bedeutung, als der erste Entwurf mit den §§14 und 15 zwei Bestimmungen zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs enthielt. Die §§ 14 f. des Entwurfs wurden als §§ 15 f. Gesetz. Darüber hinaus endete die parlamentarische Diskussion mit dem Versprechen der Regierung, den Entwurf eines speziellen UWG zu erarbeiten.

521 Aktenstück Nr. 11, (5.7.1893), Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., l.Sess. 1893, Ani.Bd. 1, 9ff. 522 Aktenstück Nr. 15, (16.11.1893), Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, Ani.Bd. 1, 219ff. 523 Entwurf mitsamt der Denkschrift veröffentlicht in GR 1 (1892), 145; zur Kodifikationsgeschichte siehe auch Wadle (wie Fn. 120), 265ff.; Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 259ff. 524 Ebd., 259 ff. 525 Vgl. Alexander-Katz (wie Fn.231), 27, 35,40ff.; Wadle (wie Fn. 120), 258ff.

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a) Der Rechtsgrund des Schutzes und die Ausgestaltung der Bestimmungen gegen unlauteren Wettbewerb (1) Der Rechtsgrund des Schutzes Zur Begründung der Revision des MSchG, die auf eine Präzisierung und Ausdehnung des Schutzes der Warenbezeichnungen zielte, übernahm die Denkschrift Überlegungen, die schon die Literatur und Kreise der Wirtschaft angestellt hatten: 526 „Die Entwicklung des Verkehrs und der Industrie während der letzten zwanzig Jahre und der steigende Wettbewerb auf dem inländischen und dem internationalen Markt haben auf dem Gebiet des Schutzes der Waarenkennzeichnung Bedürfnisse gezeitigt, welche einer früheren Periode theilweise fremd waren. Die allmählig gewachsene Werthschätzung prägnanter Waarenbezeichnungen hat auch die Empfindlichkeit gegenüber unberechtigten Eingriffen in fremde Besitzrechte gesteigert, und dem öffentlichen Rechtsbewußtsein gilt heute manches nicht mehr als erlaubt, was früher unbeanstandet gelassen wurde."

Damit sah nunmehr die Regierung aufgrund eines gestiegenen Rechtsschutzbedürfnisses die Notwendigkeit, den Schutz der Warenbezeichnung zu verstärken. Der Entwurf sollte ausdrücklich auch dem Schutz vor unlauterem Wettbewerb dienen: 527 „Der Entwurf will... einzelnen auf dem Gebiet der Waarenbezeichnung liegenden, durch den Schutz der eigentlichen Warenzeichen und der Namen und Firmen jedoch nicht getroffenen Mißbräuchen entgegentreten, denen der unlautere Wettbewerb sich zu bedienen pflegt, um seine Erzeugnissen ein ihrem Wert nicht entsprechendes Ansehen im Verkehr zu verschaffen."

Als solche Fälle unlauteren Wettbewerbs auf dem Gebiet des Kennzeichenrechts sah die Regierung die irreführende Verwendung auch anderer Unterscheidungszeichen als Name, Firma und Marke an, die als Kennzeichen eines Dritten im Verkehr anerkannt waren. 528 Einen weiteren Fall stellte die Täuschung über die geographische Herkunft einer Ware dar. Der Gesetzgeber griff dabei zwei Problemkreise auf, gegen die auch Alexander-Katz Abhilfe gefordert hatte.529 Hinsichtlich der Bekämpfung falscher Herkunftsbezeichnungen ist zu erwähnen, daß aus Gewerbekreisen eine Abhilfe auf diesem Gebiet seit längerem gefordert wurde. 530 Die daraufhin angestrengten Untersuchungen des Reichsamts des Innern ergaben zumeist ablehnende Reaktionen der Handelskammern, mit dem Hinweis, daß ein legislatives Einschreiten zu weit ginge und undurchführbar sei. 531 Der Grund für diese Ablehnung 526

Entwurf mitsamt der Denkschrift veröffentlicht in: GR 1 (1892), 145. Ebd. 528 Beispielsweise die Warenverpackung oder die Aufmachung von Geschäftspost, vgl. Denkschrift, ebd., 154f. 529 Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., V., l.,b). 530 Vgl. etwa Petition des Vereins Deutscher Papierfabrikanten aus dem Jahre 1881, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7676, Bl. 1 ff. 527

531 Ζ. Β. Handelskammer zu Hamburg, Handelskammer zu Lübeck, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7676, ebd.

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bestand wahrscheinlich darin, daß die geforderte Bestimmung auch die Verwendung von beim deutschen Verbraucher sehr beliebten ausländischen Namen getroffen hätte. Dies wollten deutsche Handel- und Gewerbetreibende, die sich dieses Umstandes bewußt waren und außerdem Anschluß an die internationale Konkurrenz finden wollten, vermeiden. Diese Sichtweise wird durch die Begründung der Denkschrift gestützt, die ausführte, daß diese Norm vor allem aufgrund des Drucks des Auslandes zustande gekommen sei, in dem die Verärgerung über die deutsche Gepflogenheit, inländische Waren mit ausländischen Namen zu versehen, offensichtlich gestiegen war. 532 Bedroht sah die Denkschrift durch den unlauteren Wettbewerb die Redlichkeit im Verkehr. 533 Die Denkschrift beließ es jedoch nicht bei der Redlichkeit des Verkehrs als Schutzgut, sondern nannte ausdrücklich die geschädigten Personengruppen. Die mißbräuchliche Verwertung eines gewerblichen Unterscheidungszeichens, das als Kennzeichen eines Konkurrenten im Verkehr bekannt ist, verletze „das Interesse der ehrlichen Produktion und nicht minder das Interesse des kaufenden Publikums, selbst wenn sie nicht mit einer nachweisbaren Schädigung des Käufers verbunden ist." 534

Mit dem Bezug sowohl auf die Bezeichnungsinhaber als auch auf die Verbraucher wurde die Notwendigkeit eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb in den gleichen Begründungszusammenhang gebracht, in den schon das MSchG insgesamt gestellt worden war. Die Bestimmungen sollten zum Schutz von Konkurrenten und Verbraucher erlassen werden. Sie sollten vor dem Hintergrund veränderter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen Lücken im gesetzlichen Kennzeichenschutz schließen, die sich aus der bisher nur mangelhaften Berücksichtigung der Wettbewerbsfunktion des Kennzeichens ergeben hatten. (2) Die Ausgestaltung des Schutzes So wie der Grund des Schutzes gegen den unlauteren Wettbewerb im Rahmen des WZG dem des sonstigen Gesetzes entsprach, fügten sich auch die Bestimmungen gegen die genannten Verhaltensweisen in das Gesetz ein. 535 Der sog. Ausstattungsschutz war durch § 15 WZG gleichzeitig zivil- und strafrechtlich ausgestal532

Denkschrift, (wie Fn.536), 154. Siehe hierzu die Denkschrift zu § 14: „Mit der Redlichkeit im Verkehr verträgt es sich nicht, wenn ein Geschäftsmann die charakteristischen und in den Abnehmerkreisen bekannten Formen der Verpackung, Aufmachung, u. s. w. unter welchen eine bestimmte Geschäftsfirma ihre Waren in den Verkehr zu bringen gewohnt ist, seinerseits zu dem Zwecke benutzt, um mittels einer Täuschung des Publikums die Wertschätzung der eigenen Ware zu steigern." ebd., 153. 534 Ebd.. Siehe auch die amtliche Begründung zu § 14 des Gesetzentwurfs, Aktenstück Nr. 70, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, Ani. Bd. 1, 513. 535 Vgl. hierzu Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 263, für den der Schutz des Bezeichnungsinhabers in MSchG und WZG allerdings eindeutig im Vordergrund steht. 533

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tet. 5 3 6 Dem Geschädigten stand ein Schadensersatzanspruch zu, strafrechtlich war die Bestimmung als Antragsdelikt formuliert. § 16 W Z G schützte Herkunftsbezeichnungen vor irreführender Verwendung. Der Schutz dieser Bezeichnung war mangels eines Bezeichnungsinhabers i m wirtschaftlichen Wettbewerb nicht zivilrechtlich, sondern nur strafrechtlich ausgestaltet. 537 Darüber hinaus schwenkte das Gesetz mit dem § 20 W Z G , der die Gefahr einer Verwechslung zum entscheidenden Kriterium einer Nachahmung erklärte 5 3 8 , i m Sinne der von Alexander-Katz vorgeschlagenen Weise um und stärkte damit die Eignung des Gesetzes zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Verhaltens. Der bisherige § 18 MSchG, nach dem es verboten war, das Kennzeichen eines anderen mit solchen Abänderungen zu benutzen, welche nur durch Anwendung besonderer Aufmerksamkeit wahrgenommen werden konnten, hatte nach Ansicht der Regierung zu Rechtsunsicherheit geführt. 5 3 9 Das Kriterium der Verwechslungsgefahr ist bis heute der maßgebliche Gesichtspunkt bei dem Schutz vor Nachahmung eines Kennzeichens geblieben. § 14 I W Z G , der § 14 MSchG ablöste, erweiterte zusätzlich den Schadensersatzanspruch zugunsten des verletzten Warenzeicheninhabers auf grob fahrlässiges Handeln und half damit einer häufigen Klage ab. Schon Kohler hatte dies 1884 gerügt. 5 4 0 Damit erkannte der Gesetzgeber an, daß eine auf vorsätzliches Handeln be536

§ 15 WZG lautete: „Wer zum Zweck der Täuschung in Handel und Verkehr Waaren oder deren Verpackung oder Umhüllung, oder Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefe, Empfehlungen, Rechnungen oder dergleichen mit einer Ausstattung, welche innerhalb betheiligter Verkehrskreise als Kennzeichen gleichartiger Waaren eines Anderen gilt, ohne dessen Genehmigung versieht, oder wer zu dem gleichen Zweck derartig gekennzeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält, ist dem Verletzten zur Entschädigung verpflichtet und wird mit Geldstrafe von Einhundert bis Dreitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Die Strafverfolgung tritt nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig". 537 § 16 lautete: „Wer Waren oder deren Verpackung oder Umhüllung oder Ankündigungen, Preislisten, Geschäftsbriefe, Empfehlungen, Rechnungen oder deigl. mit einem Staatswappen oder mit dem Namen oder Wappen eines Ortes, eines Gemeinde oder weiteren Kommunalverbandes zu dem Zweck versieht, über Beschaffenheit und Werth der Waren einen Irrtum zu erregen, oder wer zu dem gleichen Zweck derartig bezeichnete Waren in Verkehr bringt oder feilhält, wird mit Geldstrafe von Einhundertfünfzig bis Fünftausend Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. Die Verwendung von Namen, welche nach dem Handelsgebrauch zur Benennung gewisser Waren dienen, ohne deren Herkunft bezeichnen zu sollen, fallt unter diese Bestimmung nicht". 538 § 20 WZG lautete: „Die Anwendung der Bestimmungen dieses Gesetzes wird durch Abweichungen nicht ausgeschlossen, mit denen fremde Namen, Firmen, Zeichen, Wappen und sonstige Kennzeichnungen von Waaren wiedergegeben werden, sofern ungeachtet dieser Abweichungen die Gefahr einer Verwechslung im Verkehr vorliegt". Zum Begriff der Verwechslungsgefahr siehe auch Wadle (wie Fn. 120), Bd. 2,124f.; s. a. Sten. Ber. der Verhandlungen der Versammlung von Mitgliedern des Deutschen Handelstages zur Beratung von Abänderungsvorschlägen zum MSchG von 1874, Berlin 30.4.1889, 45, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7474/1, Bl. 67. 539 Denkschrift (wie Fn.536), 149,154f. 540 Kohler (wie Fn. 102), 354.

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schränkte Norm einen Schadensersatzanspruch häufig an dem i m wirtschaftlichen Wettbewerb besonders schwierigen Nachweis des Vorsatzes scheitern ließ. 5 4 1 Die lebhafte öffentliche Anteilnahme an dem Schicksal der Bestimmungen gegen den unlauteren Wettbewerb bestätigen die Bedeutung, die solche Vorschriften nunmehr im Bewußtsein des Wirtschaftslebens einnahmen. 5 4 2 § 15 des Entwurfs, der spätere § 16 W Z G , sorgte zunächst für einige Verunsicherung gerade bei Weinproduzenten und Tabakfirmen. 543 Zahlreiche Stellungnahmen begrüßten § 14 des Entwurfs als willkommenen Beginn der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Deutschland. 5 4 4 Seine Fassung wurde allerdings oftmals als zu eng empfunden. Namentlich die Sachverständigen des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums forderten eine Erweiterung der Bestimmung auch auf den Reklameschwindel. 5 4 5 Hier zeigt sich erneut, daß keine Übereinstimmung über den systematischen Ort eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb bestand. Den Fachleuten des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums schien es demgemäß unproblematisch, in einem Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnungen auch gegen den Reklameschwindel vorzugehen. 546 541

Vgl. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 261. Siehe Wadle (wie Fn. 120), 268, der von einer „unübersehbaren Flut von Artikeln, Stellungnahmen und Petitionen" im Anschluß an die Veröffentlichung spricht und allein siebzehn Handelskammern nennt, die sich zum neuen Gesetzentwurf äußern. Zu § 14 des Entwurfs, dem späteren § 15 WZG bemerkte die Denkschrift des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums, in: GR 2 (1893), 52: „Wohl kein Paragraph ist von der deutschen Geschäftswelt mit solcher Freude begrüßt worden, wie der § 14, aus welchem hervorgeht, daß die Regierung den Anfang damit machen will, den Rechtsbegriff des unlauteren Wettbewerbs in die deutsche Gesetzgebung einzuführen". 543 Hierauf weist beispielsweise auch der Abgeordnete Dr. Hammacher in der ersten Beratung des Gesetzes im Reichstag hin, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg., 2. Sess. 1892/93,1923. 544 Zu der umfangreichen Reaktion der Presse siehe die Akte des Reichsamts des Innern, BArch. 1501/7484, welche über zweihundert Artikel beinhaltet. Des weiteren Reichsjustizamt, BArch. 3001/2648, B1.44ff., in der insbesondere die Stellungnahmen zum unlauteren Wettbewerb gesammelt sind. Desgleichen Reichsamt des Innern, BArch. 1501/2681, B1.281ff., die Stellungnahmen der Presse und privater Personen und Vereine aufführt. Beachte den Vorschlag von Otto Bahr, Der Schutz der Gewerbetreibenden gegen unlauteren Wettbewerb, in: Die Grenzboten, Zeitschrift für Politik, Literatur und Kunst, 52. Jg., Leipzig 1893,250. Er schlägt einen allgemeiner gefaßten § 14 vor, dessen Inhalt Elemente des späteren § 8 UWG gegen den Kennzeichenmißbrauch enthält: „Jeder Gewerbetreibende hat einen Anspruch darauf, daß nicht ein anderer Gewerbetreibender, der mit ihm in geschäftlichen Wettbewerbe steht, in der äußeren Gestaltung seines Geschäftsbetriebs Einrichtungen trifft, die geeignet sind zu einer Verwechslung der beiden Geschäfte zu führen und dabei die Kundschaft des einen dem anderen zuzuwenden. Unterläßt auf die Aufforderung des einen der andere, eine derartige von ihm getroffene Einrichtung abzustellen, so kann der erste auf deren Abstellung und auf Ersatz des durch sie seit der Aufforderung ihm erwachsenen Schadens Klage erheben...". 545 Denkschrift des Deutschen Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums, in: GR 2 (1893), 53. 546 Die Verbindung wurde in dem Umstand gesehen, daß sich eine Vorschrift gegen den Reklameschwindel gegen den unlauteren Wettbewerb im Warenverkehr richteund somit in das 542

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Teil 1: Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Darüber hinaus forderte man eine Erweiterung der Eintragungsfähigkeit auch auf die Ausstattung von Waren, ein Vorschlag, der jedoch mehrfach in der Folge von Regierung und Parlament mit dem Hinweis auf eine zu weit gehende Beschränkung des freien Verkehrs zurückgewiesen wurde. 547 Es sei unmöglich, Ausstattungen, die oft auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhten, für andere gleichartige Waren durch Eintragung zu sperren. Ein Schutz sei hier nur in Sonderfällen gegeben, wenn eine Ausstattung eine Eigentümlichkeit, die nur für sie charakteristisch sei, enthalte.548 b) Die Reichstagsresolution

vom 19.4.1894

Die zweite und dritte Beratung des Gesetzes im April des Jahres 1894 brachten im Hinblick auf § 15 WZG eine Entwicklung, an deren Ende das Versprechen des Vertreters der verbündeten Regierungen stand, dem Reichstag baldmöglichst den Entwurf eines eigenen Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vorzulegen.549 Während der Beratung des § 15 des Entwurfes, dem späteren § 16 WZG, standen zwei Abänderungsanträge zur Debatte, die schon die Kommission beschäftigt hatten und dort abgelehnt worden waren. 550 Der erste Antrag scheiterte schnell an seiner unpräzisen Formulierung. 551 Um den zweiten Antrag, nämlich den des Abgeordneten Roeren, entbrannte hingegen eine heftige Diskussion.552 Gesetz hineinpasse, es könne aber auch der Name des Gesetzes geändert werden, um so allen Bedenken zu begegnen; so Paul Schmid (wie Fn.492), 164. 547 Denkschrift des Deutschen Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums, in: GR 2 (1893), 49. 548 Abschließend amtliche Begründung des Gesetzentwurfs zum Schutz der Warenbezeichnung, Aktenstück Nr. 70, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, Ani. Bd. 1,(136), 513. 549 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9.Leg., 2. Sess. 1893/94, 2156ff. 550 Bericht der XII. Kommission, Aktenstück Nr. 298, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, Ani. Bd. 2,1426f., 2163. Siehe auch GR 3 (1894), 97, in der der Verein die Bestrebungen des Abgeordneten Roeren in den Kommissionsverhandlungen ausdrücklich stützt. 551 Der Abgeordnete Förster forderte einen weiteren Absatz zur Klarstellung, daß in Fällen des zweiten Absatzes der Wohnort des Verkäufers oder Fabrikanten anzugeben sei. Absatz 2 lautete (siehe oben Fn.547): „Die Verwendung von Namen, welche nach Handelsgebrauch zu Benennung gewisser Waren dienen, ohne deren Herkunft bezeichnen zu sollen, fällt unter diese Bestimmung nicht. Absatz 3 sollte lauten: Doch ist in solchen Fällen in Ankündigungen, Auszeichnungen der Waaren und dergleichen der Name und Wohnort des Fabrikanten oder Verkäufers anzugeben". Siehe Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, 2163. 552 Aktenstück Nr. 325, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, Ani. Bd. 2,1470. Zur Diskussion bemerkt v. Schütz:„Ich kann es nicht unternehmen, Ihnen hier mit wenigen Worten ein Bild dieses spannenden Teils der Reichstagsverhandlungen zu geben...," ebd., 192.

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Roeren beantragte unter anderem die Erweiterung des § 15 um einen § 15 b, der den Reklameschwindel treffen und zu einer Ergänzung in der Benennung des Gesetzes um die Worte „... und zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs im Waarenverkehr" führen sollte. 553 Der von ihm vorgeschlagene § 15 b stellte ein fast wortwörtliche Übernahme des § 146 c der Gewerbeordnung dar, deren Strafandrohung nach Roerens Vorschlag um die Worte vorbehaltlich einer Entschädigungspflicht ergänzt werden sollte. Der erneute Versuch, den unlauteren Wettbewerb umfassender als bisher zu bekämpfen, läßt vermuten, daß trotz der Ablehnung des Antrags in der Kommission eine Vielzahl der Abgeordneten diese Gelegenheit nutzen wollten, um nun endlich eine Lösung zu finden. 554 In der folgenden Debatte versuchte die Regierung durch die Kommissare des Bundesrats Hauss und v. Seckendorff sowie den Staatssekretär des Innern Dr. v. Boetticher, den Reichstag zur Ablehnung zu bewegen.555 Man argumentierte, daß auf Seiten der verbündeten Regierungen zwar die allgemeine Ansicht herrsche, daß dem unlauteren Wettbewerb mithilfe gesetzlicher Maßnahmen entgegengetreten werden müsse. Dies habe aber systematisch und umfassend zu geschehen und nicht innerhalb des vorliegenden Gesetzes. Eine Bekämpfung des Reklameschwindels passe in dieses Gesetz ungefähr „so gut wie in das Seuchengesetz".556 Darüber hinaus sei der Paragraph unpräzise und verwirrend formuliert. Dementsprechend schlug die Regierung dem Reichstag eine Resolution vor, in der dieser die verbündeten Regierungen auffordern sollte, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vorzulegen. 557 Neben den Vorbehalten der 553

Punkt 2 des Abänderungsantrags, Aktenstück Nr. 325, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, Ani. Bd. 2, 1470: „2. als 15 einzuführen: Wer zum Zwecke der Täuschung in Handel und Verkehr über den Ursprung und Erwerb, über besondere Eigenschaften und Auszeichnungen von Waaren, über die Menge der Vorräthe, den Anlaß zum Verkauf oder die Preisbemessung falsche Angaben macht, welche geeignet sind, über Beschaffenheit, Wert oder Herkunft der Waaren eine Irrthum zu erregen, wird vorbehaltlich des Entschädigungsanspruchs des Verletzten mit Geldstrafe bis zu 3000 Mark oder Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Das Gericht kann, auch wenn die Voraussetzungen der §§ 814,819 der Civilprozessordnung nicht vorliegen, auf Antrag der Betheiligten, dem die erforderlichen Nachweise beizufügen sind, im Wege der einstweiligen Verfügung Anordnungen treffen, die geeignet sind, die zum Zwecke der Täuschung bewirkten Veranstaltungen und Ankündigungen zu verhindern..." 554 Bericht der XII. Kommission, Aktenstück Nr. 298, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, Ani. Bd. 2, 1424 f. 555 Die Problematik wurde schon in der Kommission erörtert, es fand jedoch wegen der vorgerückten Stunde nur eine kurze sachliche Beratung statt, ebd., 1429. 556 So der Staatssekretär des Innern v. Boetticher, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, 2175. Siehe auch Hauss, ebd., 2169 und v. Seckendorf, ebd., 2171. 557 Siehe ebd., 2167: „Dem Reichstag wird eine Resolution vorgeschlagen, die dahin lautet: Die verbündeten Regierungen aufzufordern, dem Reichstage baldigst einen Gesetzentwurf vorzulegen, durch dessen Bestimmungen dem unlauteren Wettbewerb im Handel und Verkehr im weiteren Umfange entgegengetreten wird".

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Regierung aus systematischen Erwägungen ging es ihr auch darum, Zeit zu gewinnen. Wie an der Haltung der Regierung zur Frage der Bekämpfung des Hausierhandels und ihrer Stellungnahme zu den Wünschen der Handelskammer zu Mülheim deutlich geworden ist, sah die Regierung noch keinen zwingenden Handlungsbedarf. Die eingehende Diskussion nach Veröffentlichung des Entwurfs zum WZG dürfte jedoch den Entscheidungsprozess zugunsten eines gesetzlichen Vorgehens gefördert haben. Zudem erkannte die Regierung, daß die Diskussion im Reichstag eine Eigendynamik entwickelte, die auf eine gesetzliche Regelung hinführte. Die Regierung stand allerdings mit ihrer zögernden Haltung in dieser Auseinandersetzung nicht allein. Befürworter der Regierungsansicht wiesen darauf hin, daß das BGB eine Vorschrift zum Schutz vor unlauterem Wettbewerb nach französischen Prinzipien vorsehe, so daß keine Eile bestehe, ein Spezialgesetz zu erlassen.558 Darüber hinaus wurde die ungenaue Fassung des Antrags von Roeren dahingehend bemängelt, daß ein zivilrechtlicher Schadensersatzanspruch in einer solchen Bestimmung unerläßlich sei. 559 Die Diskussion führte allerdings dazu, daß die grundsätzliche Notwendigkeit des baldigen Erlasses eines Gesetzes zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs nicht mehr in Frage gestellt wurde. Unter dem Begriff wurden im Reichstag vor allem die erwähnten Fallgruppen des Kennzeichenmißbrauchs, Ausverkaufs- und Reklameschwindels, der Kreditschädigung, aber auch der Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen verstanden. Allgemein wurde der unlautere Wettbewerb in dieser Auseinandersetzung als Verhalten beschrieben, welches gegen die Moral verstoße und aufgrund des Fehlens eines Vermögensschadens oder vor dessen schwieriger Nachweisbarkeit nicht mit dem Betrugsparagraphen verfolgt werden könne. 560 Die Mehrheit der Abgeordneten äußerte sich in der Folge dahingehend, daß die formellen Nachteile durch den materiellen Nutzen der Vorschrift ausgeglichen seien und die geschädigte Verkehrswelt nicht länger auf einen Schutz verzichten könne, zumal die jetzige Session ende.561 Dementsprechend wurde der Antrag Roerens schließlich, nachdem der Antragsteller zuvor noch einmal ein bedrohliches Bild des unlauteren Wettbewerbs in Deutschland gezeichnet hatte, mit 131 zu 112 Stimmen angenommen. Damit erhielt das WZG einen § 15 b zur Bekämpfung des Reklameschwindels, und es wurde umbenannt in das „Gesetz zum Schutz der Warenbezeichnung und zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs im Warenverkehr". 563 In der kurz darauf stattfindenden dritten Beratung machte der Staatssekretär des Innern v. Boetticher einen letzten Versuch, die Aufnahme der Bestimmung zu ver558

Abgeordnete Kauffmann, ebd., 2174. Abgeordneter Hammacher, ebd., 2173. 560 Abgeordneter Gescher, ebd., 2170. 561 Ebd., 2171 ff. 562 Ebd., 2177. 563 Siehe zu den Änderungen nach der zweiten Beratung, Aktenstück Nr. 338, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, Ani. Bd. 2. 559

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hindern. Er verkündete, daß die Regierungen Preußens und Bayerns sich nach Rücksprache mit ihm außerstande gesehen hätten, dem WZG in der beschlossenen Form zuzustimmen. Das Gesetz könne daher in seiner Gesamtheit in dieser Session nicht mehr zur Abstimmung gelangen, wenn der Reichstag nicht § 15 b wieder streiche. Angesichts der Aussichtslosigkeit den § 15 b durchzusetzen, schwenkte die Stimmung im Reichstag um, man verwarf kurzerhand den § 15 b wieder und nahm die Resolution an, nach der der Reichstag die verbündeten Regierungen auffordern sollte, schnellstmöglich einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vorzulegen. 564 Somit war auch der dritte parlamentarische Versuch, den Reklameschwindel durch eine gesetzliche Norm zu bekämpfen, gescheitert. Die Regierung hatte sich durchgesetzt. Im Gegenzug hatte sie dem Reichstag jedoch die Erarbeitung des Entwurfs eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb versprochen. Angesichts der bisherigen Ansicht der Regierung wird deutlich, daß dem Vorgehen der Regierung eher taktische Erwägungen als die Überzeugung einer dringenden Schutznotwendigkeit zugrunde lagen. Trotz dieser Einschränkung kann jedoch festgestellt werden, daß nunmehr die Akzeptanz des staatlichen Handlungsbedarfes vorlag. Damit war die vierte der genannten Voraussetzungen erfüllt, bei deren Vorliegen Normen gegen unlauteren Wettbewerb entstehen.

II. Die Reaktion der Öffentlichkeit Nach Bekanntwerden des Willens der Regierung, ein Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Angriff zu nehmen, wurden die Fragen der Notwendigkeit und der Ausgestaltung eines solchen Gesetzes eingehend öffentlich diskutiert. Unter anderem liegen Stellungnahmen Kohlers, der Braunschweiger Handelskammer-Konferenz und eines Kölner Gewerbevereins vor. Die öffentliche Resonanz blieb nicht ohne Einfluß: Einige Stellungnahmen wie z.B. Stegemanns „Unlauteres Geschäftsgebaren", wurden bei der Erarbeitung des UWG nachweislich herangezogen. 1. Der Rechtsgrund des Schutzes Eine am 18. und 19.9.1894 unter Leitung der Braunschweiger Handelskammer stattfindende Handelskammer-Konferenz begrüßte die Entscheidung der Regierung. 565 Im Mittelpunkt der Stellungnahmen stand der konkurrentengefährdende 564 Siehe Dritte Beratung des Gesetzes zum Schutz der Warenbezeichnungen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 2. Sess. 1893/94, 2254ff. sowie Abänderungsantrag des Abgeordneten Hammacher mit dem Ziel der Streichung des § 15 b, Aktenstück Nr. 344, ebd., Ani. Bd. 2. 565 Ziel der Konferenz, bei der neunzig Delegierte aus verschiedenen norddeutschen Handelskammern und einige Sachverständige, darunter Richard Alexander-Katz als Vertreter des

10 von Stechow

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Aspekt des unlauteren Wettbewerbs, gegen den sich das Gesetz richten sollte. Einige Sachverständige gingen jedoch weiter und forderten einen gesetzlichen Anspruchs des Käufers, der aufgrund irreführenden Verhaltens des Verkäufers einen Kauf getätigt habe, auf Rückerstattung seiner Ausgaben.566 Der Vorschlag bestätigt erneut die verbreitete Vorstellung, das Gesetz solle auch dem Schutz des Publikums dienen. Während der Kölner Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe vor allem den Schutz der Redlichkeit als Argument für den Erlaß des Gesetzes ansah, aber lediglich Ersatzansprüche des Konkurrenten normiert sehen wollte 567 , begründete Kohler die Notwendigkeit eines Gesetzes ausführlicher. 568 Er wiederholte seine Auffassung, daß der Verkehr unter dem Schutz der bonafides stehe, welche auf der menschlichen Individualität beruhe. Die Individualität werde im modernen Verkehrsleben zum einen durch unmittelbare Einwirkung auf Geist und Körper geschädigt, zum anderen auf mittelbare Weise, indem, wie bei einer unlauteren Wettbewerbshandlung, die Beziehungen des Individuums zur Verkehrswelt beeinträchtigt werden. Eine solche Handlung sei Unrecht; der Schutz der Persönlichkeit in dieser Richtung bedürfe einer Stärkung. Für Kohler lag somit weiterhin im Schutz eines Persönlichkeitsrechts der Grund für einen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb. In Interessenverbänden und Literatur stand die Notwendigkeit eines Gesetzes demgemäß im Ergebnis außer Frage. Ein heterogenes Bild zeigen dagegen die Stellungnahmen der Presse. Die Veröffentlichung der §§ 14 f. des Entwurfs zum WZG und das Bekanntwerden der Reichstagsresolution bewirkten, daß das Thema des unlauteren Wettbewerbs eingehend erörtert wurde. 569 Die ersten Reaktionen der Presse waren fast ausnahmslos positiv. Im Mittelpunkt stand dabei die Hoffnung, daß Treu und Glauben endlich die Bedeutung in einer freiheitlichen Gewerbeverfassung zuteil Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums zusammenkamen, sollte es sein, angesichts der jüngeren Entwicklungen im Reichstag über unterschiedlichen Erscheinungsformen des unlauteren Wettbewerbs im Wirtschaftsleben und die inhaltliche Ausgestaltung eines legislativen Schutzes zu beraten. Hierzu wurde vom Syndikus der Handelskammer Braunschweig, Stege mann, eine zweibändige Schrift herausgegeben, die Materialien über den unlauteren Wettbewerb und Ergebnisse der Konferenz zusammenfaßte. Diese wurden dem Reichsamt des Innern übermittelt und dort mehrfach als Beratungsgrundlage herangezogen, vgl. Richard Stegemann, Unlauteres Geschäftsgebaren, I. Typische Fälle; II. Berichte, Anträge und Verhandlungen Braunschweig 1894. 566 Stegemann, Unlauteres Geschäftsgebaren, II., 77ff.; 95. 567 Protokoll der Sitzung des Kölner Vereins gegen Unwesen in Handel und Gewerbe vom 7. Oktober 1894, in: GR 3 (1894), 329f. An dieser Veranstaltung nahmen Julius Bachem und Hermann Roeren teil. 568 Josef Kohler, Die Entwicklung des gewerblichen Rechts in den letzten zwei Jahren, in: GR 2 (1893), 385 ff.; vgl. auch Josef Kohler, Über den unlauteren Wettbewerb und seine Behandlung im Recht, Neue Deutsche Rundschau, (Freie Bühne V) 1894, 1221 ff. 569 Vgl. hierzu die Zusammenstellung von Presseartikeln zu den §§ 14 f. des Entwurfs zum WZG in der Akte des Reichsamts des Innern, Barch. 1501/7484, sowie zum unlauteren Wettbewerb die Akte des Reichsjustizamtes, Barch. 3001/2648, B1.21 ff.

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werde, die ihnen gebühre. 570 Daneben wurden jedoch kritische Stimmen laut, die die schon in den Reichstagsverhandlungen geäußerte Vermutung, daß es dem Zentrum bei seinen Bemühungen vor allem um Wählerfang gehe, aufgriffen. Das liberale Berliner Tageblatt bezeichnete den Versuch Roerens beispielsweise als Mittelstandspolitik, die auf Wählerfang abziele.571 Dabei werde verkannt, daß die Zeiten zünftiger Gebundenheit endgültig vorbei seien und auch nicht wiederbelebt werden könnten. Die rasche Verkehrsentwicklung der letzten Jahre habe das Ihrige dazu getan. Maßgeblichen Anteil an dem Aufschwung der letzten Jahre habe das Prinzip der freien Konkurrenz gehabt.572 Die Beschränkung des freien Wettbewerbs in der Weise, wie ihn das Zentrum vorgeschlagen habe, diene nur der Sicherung der Besitzstände und der Verhinderung einer allgemeinen und gleichen Aufstiegschance. Grundsätzlich reiche der bisherige Schutz des Wettbewerbs aus. Vor allem aber halte der bereits vorhandene Betrugsparagraph mit der Notwendigkeit einer Vermögensschädigung das Gleichgewicht zwischen den Interessen des Käufers und des Verkäufers. 573 Die zentrumsnahe Presse reagierte recht heftig auf diese Deutung ihrer Bestrebungen.574 Sie setzte ihr die Behauptung entgegen, daß die Mißstände des Erwerbslebens auf liberale Tendenzen früherer Tage zurückzuführen seien.575 Man warf den Gegnern Befürwortung des Schwindels, Anfeindung und Bespöttelung der Regierung vor und Unterstützung von Gewerbekreisen, welche dem Tageblatt charakter-, gesinnungs-, und stammverwandt seien.576 Man habe verstanden, daß man sich vor der internationalen Gefahr nur durch nationale Socialpolitik retten könne. Nun müsse versucht werden, dem Umstand ein Ende zu setzen, daß das sittlich nicht eben hoch stehende Frankreich schärfere Maßnahmen gegen diesen Sittenverstoß bereit halte als Deutschland. Man blicke voll Freude und Dankbarkeit auf das zu erwartende Gesetz.577 Die Auseinandersetzung zeigt einerseits, daß die uneingeschränkt liberalen Kräfte, trotz schwindender Zustimmung in der Wirtschaftspolitik und in der Wissen570

Beispielsweise Staatsbürger Zeitung v. 23.4.1894, Reichsjustizamt, BArch. 3001/2648,

B1.22. 571

Berliner Tageblatt v. 11.5.1894, ebd., 27. Ebd., hinsichtlich der freien Konkurrenz führte der Artikel aus: „... Sie führt zur Anwendung der bestmöglichen Methoden, zur Erzielung der höchstmöglichen Kostenersparniss. Die drohende Noth und der lockende Gewinn spornen zur stärksten Kraftanstrengung. Das Prinzip der Wirtschaftlichkeit, das Maximum des Nutzens bei einem Minimum von Kosten zu erreichen, - hier ist es gewahrt. Auf diese Weise wird aber nicht nur der Privatwirtschaft des Einzelnen, sondern der Gesammtheit aller Privatwirtschaften, der Volkswirtschaft ein Dienst geleistet. Denn alles, was zu erhöhter Produktivität der Arbeit führt, ist ein Nutzen für das Volk. Man erstrebt den eigenen und bewirkt den allgemeinen Vortheil..." 573 Ebd. 574 Vgl. unter anderem, Staatsbürger-Zeitung v. 11.5. 1894, ebd., 29; Neue Preußische Kreuz-Zeitung v. 11.5.1894, ebd., 31. 575 Staatsbürger-Zeitung v. 11.5.1894, ebd. 576 Neue Preußische Kreuz-Zeitung v. 11.5.1894, ebd. 572

577

10*

Ebd.

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Teil 1: Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

schaft, immer noch lautstarke Befürworter besaßen, die sich vehement gegen eine weitere Beschränkung des Prinzips der Gewerbefreiheit wandten. Andererseits festigte sich auch politisch die Überzeugung, ein Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb sei zum Schutz der Redlichkeit im Verkehr notwendig. 2. Die Ausgestaltung des Schutzes Die Sachverständigen auf der Braunschweiger Handelskammerkonferenz erarbeiteten als regelungsbedürftig empfundene Fallgruppen unlauteren Wettbewerbsverhaltens und präsentierten zu einzelnen von diesen präzise Vorschläge zur Formulierung gesetzlicher Vorschriften. 578 Eine erste Gruppe bildete der Verrat von Betriebsgeheimnissen.579 Die vorgeschlagenen Maßnahmen bewegten sich in dem von Alexander-Katz schon vorgegebenen Rahmen, abgesehen davon, daß dieser auch das Geschäftsgeheimnis als schutzwürdig angesehen hatte.580 Während die Mehrzahl der Stellungnahmen zu dieser Zeit demnach einen Schutz des betrieblichen Geheimnisses forderte, gingen die Ansichten hinsichtlich kaufmännischer Geheimnisse auseinander. Daneben wurde ausdrücklich eine Wiederherstellung des von der betreffenden Reichstagskommission geänderten Wortlauts der §§704f. des BGB gefordert. Hinsichtlich Qualitäts-, Preis- und Herkunftsverschleierungen wurde der Antrag Roerens zum Reklameschwindel, der in weiten Teilen dem Antrag der Zentrumsfraktion aus dem Jahr 1892 entsprach, übernommen. 581 Einige Sachverständige forderten hierbei, wie erwähnt, einen zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch für den geschädigten Käufer. Zusätzlich sollte die Verpflichtung des Verkäufers eingeführt werden, Ware zu dem von ihm in Auslagen oder Schaufenstern angegebenen Preisen zu verkaufen; ferner sollte die mißbräuchliche Berufung auf den Schutz der Gewerbegesetze zivil- und strafrechtlich geahndet werden. 582 Es wurde empfohlen, re57 8

Stegemann, (wie Fn.575) II, 23 ff. Ebd., 23ff. 580 Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., v, l.,b). 581 „Wer im Handel und Verkehr zum Zwecke der Anlockung von Kunden über den Ursprung und Erwerb, über besondere Eigenschaften und Auszeichnungen von Waare, über die Menge der Vorräthe, den Anlaß zum Verkauf oder die Preisbemessung falsche Angaben macht, die, in bewußter Absicht, das Publikum zu täuschen geeignet sind, über Beschaffenheit, Werth, Herkunft, Ursprung oder Erwerb der Waare einen Irrthum erregt, wird vorbehaltlich des Entschädigungsanspruches mit Geldstrafe bis zu... Mk oder Gefängnis bis zu... bestraft.", Stegemann, (wie Fn.575) II, 102. 582 Stegemann, (wie Fn.575) II, 77ff., 95, es wird in diesem Zusammenhang mehrfach die Ansicht vertreten, daß es gerade die Lückenhaftigkeit und die Unterschiedlichkeiten der einzelnen Gesetze sind, die den unlauteren Wettbewerb „großgezogen" hätten, insbesondere werde der Schutz durch eines dieser Gesetze regelmäßig erschlichen. Das Gebrauchsmusteigesetz biete ζ. B. die Möglichkeit, bei dem Richter fünfzig Muster in einem versiegelten Paket zu hinterlegen und so in den Genuss des Schutzes zu kommen, ohne daß der Richter wisse, was er schütze. 579

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gionale Vereine zur Koordination der Maßnahmen gegen unlauteren Wettbewerb zu gründen. 583 Die von Roeren vorgeschlagene Bestimmung solle zudem Ausverkäufe, Scheinauktionen, Schwindelkonkurse, Wanderlagerer und sonstige schwindelhafte Reklame treffen. Zum gleichen Ergebnis kam man hinsichtlich des Hausierhandels und der Detailreisen. 584 Des weiteren wurde gefordert, Quantitäts- und Gewichtsverschleierungen durch eine Bezeichnungspflicht mit den in Deutschland gesetzlich eingeführten Maß- und Gewichtsbezeichnungen zu verhindern. 585 Weitere umfangreiche Maßnahmen wurden bei der Behandlung des Firmenrechts gefordert. Man wollte eine Revision des Firmenwesens, die zu einer neuen gesetzlichen Regelung von deren öffentlichen Gebrauch und zu einem umfassenderen Verbot der Nachahmung von Firmennamen zu Konkurrenzzwecken führen sollte. 586 Neu waren die Klagen zum Themenbereich des Bauschwindels. Stark zunehmende Bauspekulation hatte in den letzten beiden Jahrzehnte des 19. Jahrhunderts zu erheblichen Schädigungen der Handwerker beigetragen, die oftmals für ihre Arbeiten ohne Gegenleistung blieben. Man beschloß, den Handwerkern ein Recht auf Eintragung ihrer Forderung im Grundbuch nach baupolizeilicher Abnahme und Ablauf einer angemessenen Frist zu geben.587 Die Auswahl der Vorschläge und die kombinierte straf- und zivilrechtliche Vorgehensweise unterstreicht, daß sich überregionale Übereinstimmungen hinsichtlich der Schwerpunkte unlauteren Wettbewerbsverhaltens und des Vorgehens dagegen festigten. Vor Beginn der Kodifizierungsarbeiten zum UWG ist damit als erster Schwerpunkt der Diskussion eine an der bisherigen Gesetzgebung zum Schutz gewerblichen Schaffens orientierte Ansicht festzustellen: Sie befürwortete ein kombiniertes, im Schwerpunkt strafrechtliches Vorgehen zum Schutz von Konkurrenten und Publikum. Übereinstimmend wurden Einzelfallbestimmungen zum Schutz gegen den Reklameschwindel, Kennzeichenmißbrauch und den Verrat von Fabrikund Geschäftsgeheimnissen verlangt. Einen zweiten Schwerpunkt bildeten die Stellungnahmen, die ein stark an der französischen Lehre der concurrence déloyale orientiertes Vorgehen vorschlugen. Der Kölner Verein gegen Unwesen in Handel und Gewerbe forderte dementsprechend, in erster Linie allgemeine zivilrechtliche Bestimmungen zu erlassen; daneben könnte auch strafrechtlich vorgegangen werden. Von besonderer Bedeutung sei die Aufnahme eines Unterlassungsanspruches zugunsten des geschädigten Konkurrenten. 588 Die Vorschläge deckten sich mit der von Bachem, der bei der Sitzung anwesend war, erarbeiteten Lösung. 583 Siehe auch die hierzu vorgeschlagene Mustersatzung eines solchen Vereins, Stegemann, (wie Fn. 575) II, 78 f. 584 Stegemann, (wie Fn.575) II, 104ff.; 122ff. 585 Stegemann, (wie Fn.575) II, 141 ff. 586 Stegemann, (wie Fn.575) II, 179ff. 587 Stegemann, (wie Fn.575) II, 203ff. 588 Protokoll der Sitzung des Kölner Vereins gegen Unwesen in Handel und Gewerbe vom 7. Oktober 1894, in: GR 3 (1894), 330.

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Teil 1: Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

Zu dieser zweiten Richtung ist auch Kohler zu zählen, der angesichts der Perspektive eines Spezialgesetzes gegen unlauteren Wettbewerb seine bisherigen Lösungsvorschläge änderte. 589 Er nahm Abschied von der Forderung, dem unlauteren Wettbewerb könne durch die generalklauselartigen Bestimmungen der bestehenden Privatrechtsordnung begegnet werden. Zwar sei dies immer noch seine Ansicht; angesichts der Judikatur, die auch nach der Erneuerung des WZG keine Änderung erfahren werde, müsse zum Wohle der Industrie jedoch eine Bestimmung gegen unlauteren Wettbewerb Gesetz werden. Er schlägt folgenden Wortlaut vor: 590 „Wer im Verkehr Täuschung gebraucht, um vor seinen Konkurrenten einen Vorsprung zu gewinnen, ist verpflichtet, seinen Konkurrenten allen hieraus entstehenden Schaden zu ersetzen."

Kohlers Lösungsvorschlag sah demnach bloß eine einzige Vorschrift vor. Gemäß dem französischen Vorbild war dieser angesichts der Fülle der unlauteren Verhaltensweisen als zivilrechtliche Generalklausel ausgestaltet, allerdings im Unterschied zu Art. 1382 Code civil auf den wirtschaftlichen Wettbewerb ausgerichtet. 591 Im Gegensatz zur Ansicht des Kölner Vereins gegen Unwesen in Handel und Gewerbe sah Kohler keine Notwendigkeit eines strafrechtlichen Vorgehens. Der dem Konzept von Alexander-Katz und der Braunschweiger Handelskammer gegenüberstehende Vorschlag stellte den Einzelfallbestimmungen eine Generalklausel und dem kombinierten Vorgehen mit strafrechtlichen Schwerpunkt ein zivilrechtliches Vorgehen gegenüber. Strafrechtliche Maßnahmen spielten eine untergeordnete Rolle. Eine verwaltungsrechtliche Begrenzung des unlauteren Wettbewerbs wurde überhaupt nicht mehr vertreten. Insgesamt wurde demnach ein gesetzliches Vorgehen gegen den unlauteren Wettbewerb systematisch entweder den bisherigen gewerblichen Schutzgesetzen oder der französischen Lehre der concurrence déloyale zugeordnet. Die Presse wartete nicht mit konkreten Lösungsvorschlägen auf, blieb aber im Rahmen der beiden in der juristischen Literatur und von den Interessenverbänden vertretenen Ansichten. Diskutiert wurde demnach, welche Mißstände das Gesetz in erster Linie bekämpfen solle, und ob dies straf- oder zivilrechtlich zu geschehen habe.592 Immer wieder wurde die Erwartung einer Regelung des Schutzes von Fabrik· und Geschäftsgeheimnissen geäußert. 593 Große Beachtung fand die Lehre der 589 Kohler, Die Entwicklung des gewerblichen Rechts in den letzten zwei Jahren, in: GR 2 (1893), 390; vgl. auch Kohler, Über den unlauteren Wettbewerb und seine Behandlung im Recht, Neue Deutsche Rundschau, (Freie Bühne V) 1894, 1221 ff. 590 Kohler, Die Entwicklung des gewerblichen Rechts in den letzten zwei Jahren, in: GR 2 (1893), 390. 591 Vgl. Kohler Über den unlauteren Wettbewerb und seine Behandlung im Recht, Neue Deutsche Rundschau, (Freie Bühne V) 1894, 1223, der von der Proteusnatur des unlauteren Wettbewerbsverhaltens spricht. 592 Akte des Reichsjustizamtes, BArch. 3001/2648, B1.24,26,27,32, 38. 59 * Akte des Reichsjustizamtes, ebd., B1.24, 26, 32.

4. Kap.: Der Gedanke des Schutzes im Reichstag und in der Öffentlichkeit

151

concurrence déloyale, die in zahlreichen Abhandlungen erläutert wurde. 594 Insbesondere im Geltungsbereich des Code civil wurden strafrechtliche Maßnahmen nur als Zusatz zum zivilrechtlichen Schutz gesehen.595 Anderswo sah man nur die Notwendigkeit einer strafrechtlichen Sanktion.596 Als Ergebnis dieser Diskussion bestand ein allgemeines Bewußtsein der Existenz und der Tragweite dessen, was man nun allgemein als unlauteren Wettbewerb bezeichnete. Trotz der im einzelnen sehr differenzierten und unterschiedlichen Ansichten wird der unlautere Wettbewerb als unmittelbare Folge der Gewerbefreiheit verstanden. Eine breite Bewegung forderte eine Stärkung der Verkehrsmoral. Ihr gegenüber standen vereinzelte, aber nicht zu überhörende Stimmen, die keine Verschlechterung der Verkehrsmoral konstatieren wollten, sondern alle Versuche des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb als Protektionismus, den es zu verhindern gelte, deuteten. Der unlautere Wettbewerb erscheint nach dieser Ansicht nicht als nachteilige Folge der Gewerbefreiheit, sondern als Folge eines gewandelten Rechtsempfindens und eines infolge von Eigennutz veränderten Rechtsschutzbedürfnisses. Auch inhaltlich hatte sich das Bild des unlauteren Wettbewerbs gefestigt. Reklameschwindel, Quantitätsverschleierungen, Kennzeichenmißbrauch und Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen wurden als Schwerpunkte der Notwendigkeit einer Schutzerweiterung genannt. Bei der Frage der Ausgestaltung des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb diskutierte man vorwiegend zivilrechtliche oder vorwiegend strafrechtliche oder gemischte Lösungen. Andere Formen, etwa verwaltungsrechtliche, wurden nicht mehr genannt. Die Ankündigung der Regierung, einen Gesetzentwurf gegen unlauteren Wettbewerb vorzulegen, bewirkte eine Stärkung der Position der Befürworter eines Spezialgesetzes und eine Schwächung derjenigen, die mittels einer Erweiterung des BGB um eine Generalklausel oder durch Erweiterung der bestehenden Gesetze vorgehen wollten.

I I I . Zusammenfassung 1. Die vierte Voraussetzung, die zur Entstehung von Rechtsnormen gegen unlautere Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb genannt wurde, erfüllte sich mit dem Versprechen der Regierung an den Reichstag aus dem Jahre 1894, den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs vorzulegen. Die Motive der Regierung dafür bestanden weniger in der Überzeugung einer dringenden Handlungsnotwendigkeit auf diesem Gebiet als in dem Willen eine weitreichende Regelung des unlauteren Wettbewerbs im WZG zu verhindern. Man versprach ein eigenes Gesetz für den Fall, daß der Reichstag auf einen umfassenden Schutz vor 594 595 596

Akte des Reichsjustizamtes, ebd. B1.26,27, 32,40. So ζ. B. die Kölnische Zeitung v. 16. Juni 1894, Akte des Reichsjustizamtes, ebd., B1.40. Vossische Zeitung v. 15. Juni 1894, Akte des Reichsjustizamtes, ebd., B1.39.

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Teil 1 : Die Entstehungsbedingungen des gesetzlichen Schutzes

unlauterem Wettbewerb im WZG verzichtete. Nach Auffassung der Regierung war ein solcher Schutz dort systematisch fehl am Platz. Der Entwurf des WZG hatte nur für den Bereich des Kennzeichenschutzes dem allgemeinen Drängen nach Verbesserung nachgegeben und zwei Einzelbestimmungen gegen unlauteren Wettbewerb aufgenommen. Noch bei der Diskussion um eine Erweiterung der Gewerbeordnung um einen § 146 c war die Regierung von einer dringenden Regelungsbedürftigkeit des unlauteren Wettbewerbs nicht überzeugt gewesen. Stellungnahmen der Sozialdemokraten, Freisinnigen und der Presse nannten Wählerfang anderer Parteien als einen Grund für den Kampf gegen unlauteren Wettbewerb. Dem stand jedoch die Mehrheit im Reichstag und eine große Zahl an Stellungnahmen aus der Presse gegenüber, die die Ankündigung eines gesetzlichen Schutzes begrüßten. 2. Zur Begründung der Notwendigkeit eines partiellen Schutzes vor unlauterem Wettbewerb im WZG verwies die Regierung in erster Linie auf die gestiegene Bedeutung des Warenzeichens im Wirtschaftsleben und auf die damit einhergehende gestiegene Empfindlichkeit der berechtigten Verwender gegen Mißbrauch. Dies habe zu einem veränderten Rechtsschutzbedürfnis geführt. Daneben sah die Regierung die Redlichkeit im Verkehr durch unlauteren Wettbewerb bedroht. Beabsichtigt waren der Schutz des Wettbewerbers und der Schutz des Publikums. In der Mehrheit des Reichstags und in der Öffentlichkeit wurde ebenfalls die Auffassung vertreten, daß die Gewerbefreiheit und die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahrzehnte zu Verhaltensweisen geführt hätten, die Redlichkeit bzw. Treu und Glauben gefährdeten. Zum Schutz von Publikum und Wettbewerber sei daher der Erlaß entsprechender Bestimmungen nötig. Kohler sah erneut ein Persönlichkeitsrecht allein des Wettbewerbers verletzt. Weitere wissenschaftliche Stellungnahmen fehlten zunächst. 3. Der Schutz durch § 146c GewO - zunächst zur Bekämpfung des Hausierhandels geschaffen - sollte durch eine allgemein gehaltene Strafnorm mit generalklauselartiger Weite gewährt werden, die durch die Aufführung von Einzelfällen präzisiert war. So sollte die Norm einen Rechtsschutz gegen irreführende Werbung, insbesondere auch den Ausverkaufsschwindel ermöglichen. Dank der Weite ihrer Formulierung hätte sie aber auch Schutz gegen Quantitätsverschleierungen und geschäftliche Ehrverletzungen bieten können. Die Vorschrift trat nicht in Kraft, war aber Grundlage der Bestimmung, die der Reichstag als § 15 b in das WZG einführen wollte. Die §§ 15 f. WZG regelten den Ausstattungsschutz und die Verwendung von Herkunftsbezeichnungen und halfen damit Forderungen ab, die Kreise der Handel- und Gewerbetreibenden und Alexander-Katz für den unlauteren Wettbewerb auf dem Gebiet des Kennzeichenrechts schon erhoben hatten. Der kombinierte straf- und zivilrechtliche Schutz entsprach dem Schutzsystem des MSchG. Auch nach der Ankündigung eines Spezialgesetzes bestand in Wissenschaft und Öffentlichkeit keine Einigkeit über den einzuschlagenden Weg. Eine erste Ansicht

4. Kap.: Der Gedanke des Schutzes im Reichstag und in der Öffentlichkeit

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forderte einen Katalog von Einzelfallbestimmungen straf- und zivilrechtlicher Natur, deren Inhalte den Vorschlägen von Alexander-Katz entsprachen: Schutz gegen irreführende Werbung, Quantitätsverschleierungen, geschäftliche Ehrverletzung, Kennzeichenmißbrauch und Fabrikgeheimnisverrat. Diesen Schutz sollte § 705 BGB - also der spätere § 826 - , dessen Vorsatzerfordernis gestrichen werden sollte, ergänzen. Schutz von Mitbewerbern und Verbraucher wurde gleichermaßen bezweckt. Die Alternative stammte von einem Kreis um Bachem, der im wesentlichen zivilrechtliche Bestimmungen forderte, um einen der Lehre der concurrence déloyale vergleichbaren Schutz zu etablieren. Josef Kohler schlug eine einzige Bestimmung vor, eine auf den unlauteren Wettbewerb zugeschnittene zivilrechtliche Generalklausel.

Teil 2

Die Entstehung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896 Das vorangegangene Kapitel hat die Entstehungsbedingungen eines Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes dargestellt, insbesondere die Reichweite und Ausgestaltung des Schutzes gewerblichen Schaffens bis in die neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts. Das weit verbreitete Bewußtsein, daß darüber hinaus verschiedene Verhaltensweisen im wirtschaftlichen Wettbewerb unlauter seien, führte zu der Forderung nach zusätzlichem Schutz. Der Darstellung der Antwort der Regierung in Form des UWG von 1896 untersucht der folgende zweite Teil der Arbeit. Zunächst wird das im allgemeinen bereits bekannte Wissen über den chronologischen Ablauf der Kodifikation ergänzt durch eine Auswertung der Materialien der Reichsbehörden. Dies führt zu einer präziseren Darstellung des Gangs der Gesetzgebungsarbeiten (5. Kap.). Sodann können die Materialien auf die Frage hin untersucht werden, warum und zu wessen Schutz der Gesetzgeber tätig wurde (6. Kap.). Zudem wird die parallel verlaufende, öffentliche Diskussion analysiert. Auf dieser Grundlage kann beantwortet werden, ob das UWG von 1896 wirklich seinen Zweck, den unlauteren Wettbewerb umfassend zu bekämpfen, verfehlte und deshalb erneuert werden mußte, wie es die überwiegende Ansicht der heutigen Literatur sieht.1 Des weiteren wird auf die Frage eingegangen, wen der Gesetzgeber schützen wollte, den Wettbewerber allein oder auch den Verbraucher. Ebenfalls auf der Grundlage der Materialien wird die inhaltliche Gestaltung des Gesetzes untersucht (7. Kap., 8. Kap.) Die Analyse zweier die inhaltliche Ausgestaltung des gesamten Gesetzes prägender Problemkreise ist dabei vorangestellt: Dies ist zum einen die Frage, warum man keine Generalklausel schuf, deren Fehlen heute als Hauptursache für die rasche Erneuerung genannt wird. Zum anderen wird darauf eingegangen, warum man den Wettbewerb auch strafrechtlich schützte und nicht etwa, wie das französische Recht, nur mittels des Zivilrechts (Kap. 7). Die einzelnen Bestimmungen werden anschließend umfassend in ihrer Entstehungsgeschichte beleuchtet werden, um auch hier die jeweiligen Gründe für wesentliche Entscheidungen des Gesetzgebers aufzuzeigen (Kap. 8).

1

Vgl. Baumbach/Hefermehl (wie Einleitung, Fn.5), UWG Einl.Rz. 17: „wenig brauchbar"; Jacobs (Hrsg.)/Lindacher/Teplitzky (wie Einleitung, Fn.2), Rz.B 17: „Schwächen".

5. Kap.: Der Gang der Gesetzgebungsarbeiten

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5. Kapitel

Der Gang der Gesetzgebungsarbeiten I. Vorläufige Vorschläge des Reichsamts des Innern Noch am 19. April 1894 verfaßte der Präsident des Reichstages v. Levetzow ein Schreiben an den Vorsitzenden des Bundesrates, das diesen über die Resolution des Reichstages in Kenntnis setzte.2 Der Vorsitzende legte dieses Schreiben in der nächsten Bundesratssitzung am 23. April vor, in der beschlossen wurde, die Resolution dem Reichskanzler zu überweisen.3 Im zuständigen Reichsamt des Innern nahm der Geheime Regierungsrath Carl Hauss, der schon an der Ausarbeitung des WZG mitgewirkt hatte, noch im April die Arbeit auf. Er erstellte auf mehreren Notizzetteln einen ersten, mehrfach geänderten Entwurf. 4 Dieser war in sechs Abschnitte gegliedert: Die ersten drei Abschnitte enthielten Bestimmungen gegen den Reklameschwindel, das Herabsetzen eines Konkurrenten und den Kennzeichenmißbrauch. Jeder Abschnitt sah einen Schadensersatz- und einen Unterlassungsanspruch ausschließlich für den Erwerbsgenossen vor. 5 Der vierte Abschnitt enthielt ein Verbot des Verrats von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen, der mit Gefängnis oder Geldstrafe, darüber hinaus mit einer Schadensersatzverpflichtung zugunsten des Konkurrenten geahndet wurde. Bei Fahrlässigkeit war nur eine Schadensersatzverpflichtung vorgesehen. Der fünfte Abschnitt stellte die Verleitung zum Verrat von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen unter Strafe. Der letzte Abschnitt bestimmte, daß die in den beiden vorigen Abschnitten bestimmten Delikte Antragsdelikte seien und daß anstatt des Schadensersatzes auch auf eine Geldbuße erkannt werden konnte. Die erste Fassung des Entwurfes hatte demnach einen zivilrechtlichen Schwerpunkt und enthielt keine Generalklausel, sondern regelte einzelne Fallgruppen wettbewerblichen Verhaltens. Ohne ersichtliche Gründe änderte Hauss noch im April den Entwurf dahingehend, daß er in den Abschnitten I bis III der zivilrechtlichen Rechtsfolge eine strafrechtliche voranstellte und im sechsten Abschnitt alle Delikte mit Ausnahme des Reklameschwindels zu Antragsdelikten erklärte und dem Verletzten die Befugnis zusprach, einen Urteilsspruch auf Kosten des Verurteilten öffentlich bekannt zu machen.6 Der so geänderte, straf- und zivilrechtlich ausgestaltete Entwurf wurde mit dem Reichsjustizamt abgestimmt und einvernehmlich als „Vorläufige Vorschläge vom 2

Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7863, B1.40. §226 der 19. Sitzung des Bundesrats am 23.4.1894. 4 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7863, B1.42ff. 5 Ebd. 6 Siehe handschriftliche Änderung des Vorentwurfs, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681, Bl. 66 ff. 3

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

23.5.1894" als Grundlage der in Angriff zu nehmenden Beratungen durch Regierungsvertreter akzeptiert.7 Als Referenten des Reichsjustizamtes für diese Beratungen benannte der Staatssekretär Nieberding den Oberregierungsrat v. Seckendorf^ und den Geheimen Regierungsrat Dungs.8 Auf Vorschlag des Staatssekretärs des Inneren v. Boetticher wurden hierzu schon in diesem Stadium Vertreter der Preußischen Ministerien des Innern, der Justiz und für Handel und Gewerbe geladen.9 Dieser ungewöhnliche Schritt ist auf das von v. Boetticher gegebene und im Reichstag mehrfach bezweifelte Versprechen, auf jeden Fall in der nächsten Session den Entwurf vorzulegen, und die daraus resultierende Zeitnot zurückzuführen.

II. Die Entstehung der Grundzüge Die ersten Beratungen über die „Vorläufigen Vorschläge" fanden in Berlin zwischen dem 1. und dem 15. Juni 1894 in sechs Sitzungen statt, die in zwei Lesungen unterteilt wurden und die am Ende der Beratungen in sog. Grundzüge mündeten. Neben Hauss und den erwähnten Vertretern des Reichsjustizamtes v. Seckendorff und Dungs nahmen hieran als Vertreter des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe der Geheime Oberregierungsrat Ulimann und Regierungsrat Lusensky, als Vertreter des Preußischen Justizministeriums der Geheime Justizrat Kreis und für das Preußische Ministerium des Innern Landrat v. Windheim teil. Zu den Materialien, die den Beratungen zugrunde gelegt wurden, gehörten gemäß einer Auflistung von Hauss: 10 „A. Neuere Literatur: Kohler, Recht des Markenschutzes 1884,73,107,131; O. Mayer; Die concurrence déloyale, ZGH 26, 433; Verhandlungen des Dt. Juristentages 1888, Bd. 19; 72ff.; Alexander-Katz, Unredliche Konkurrenz 1892; Bachem, Unlauterer Wettbewerb 1892. B. Älteres deutsches Recht Preuß. StGB v. 14.4.1851, §155 Bayr. StGB vom 10. Nov. 1861, Art. 337 ff. Sächsisches Gewerbegesetz v. 15.10.1861, §72 Sächsisches Revidiertes StGB v. 1.10.1868, §§372f Württembergisches StGB v. 1.3. 1839, Art. 369f Badisches StGB v. 6.3.1845, §544 7

Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681, B1.68ff. Schreiben v. 20. April 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.50. 9 Schreiben an Nieberding v. 5.5.1894, Reichsjustizamt, BArch. 3001/2648. Beachte die Standardformulierung des Staatssekretärs des Innern, mit welcher er die Inangriffnahme des Gesetzentwurfs begründete, vgl. auch Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 52ff.: „... Die Verhandlungen des Reichstages und die aus Anlaß derselben hervorgetretenen öffentlichen Kundgebungen liefern m.E. den Beweis, daß Bestimmungen gegen die unredliche Konkurrenz ... von weiten Kreisen der im wirtschaftlichen Wettbewerb stehenden Bevölkerung für nothwendig erachtet werden und es scheint mir daher geboten, dem Wunsche des Reichstages entsprechend den Entwurf eines bezüglichen Gesetzes vorzubereiten." 10 Materialien der ersten Sitzung, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.65f. 8

5. Kap.: Der Gang der Gesetzgebungsarbeiten

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Thüringisches StGB v. 1850, Art. 285 und 320 Hannoversches StGB v. 8.3. 1840, Art. 218 C. Auswärtiges Recht Frankreich, Art. 1382 Code civil, Art. 418 Code pénal (Beide Vorschriften gelten theilweise noch in Elsass-Lothringen) Belgien, Gesetz vom 31. Mai 1866, Art. 166; Art. 309 Code pénal Oesterreich: Revidierte Gewerbeordnung §§46f., 131; Gesetzentwurf betr. die Regelung der Ausverkäufe (dem Abgeordnetenhause 1892 vorgelegt) Ungarn, Gewerbegesetz v. 1884, §51 Schweiz, MSchG v. 26. Sept. 1890, Art. 21 u. 27 Italien, MSchG v. 30.8.1868, Art. 5 StGB v. 20.11.1855, Art. 391"

Grundlage und Ausgangspunkt der Diskussion waren demnach die oben skizzierten Werke der neueren Literatur von Kohler, Alexander-Katz und Bachem und der Aufsatz von Mayer. Daneben gehörten zahlreiche Strafrechtsnormen, die allesamt die Regelung des Geheimnisverrats zum Gegenstand hatten, zu den Materialien. Die bereits mehrfach erwähnte besondere Aufmerksamkeit, die in deutschen Gesetzgebungsverfahren im 19. Jahrhundert ausländischen Vorbildern geschenkt wurde, zeigt sich auch bei den Arbeiten zum UWG. Einige ausländische Gewerbeordnungen und andere Rechtsnormen zum Schutz gewerblichen Schaffens wurden als Diskussionsgrundlage herangezogen. Die erste der fünf Sitzungen dauernden ersten Lesung begann mit einer Generaldiskussion der „Vorläufigen Vorschläge", die von drei Diskussionsschwerpunkten beherrscht wurde: 11 Erstens kritisierten vor allem die Vertreter des Reichsjustizamtes die strafrechtlichen Bestimmungen und forderten deren Streichung. 12 Zweitens wurde die Frage diskutiert, ob zur Bekämpfung des Ausverkaufsschwindels eine Konzessionspflicht für Ausverkaufsveranstaltungen aller Art einzuführen sei.13 Drittens wurde die Einführung eines zivilrechtlichen Schutzes des Verbrauchers vor Quantitätsverschleierungen erörtert, aber abgelehnt.14 In den übrigen vier Sitzungen wurden die Einzelfallbestimmungen verhandelt, ohne daß der Schutz gegen weitere Verhaltensweisen gefordert oder die Ausgestaltung der vorgeschlagenen Bestimmungen grundlegend geändert wurde. 15 Nach Beendigung der Kommissionsarbeiten wurde das Preußische Staatsministerium ersucht, der Ausarbeitung eines Gesetzentwurfs auf der Grundlage der „Grundzüge" und der Einholung der kaiserlichen Genehmigung zuzustimmen.16 Das Staatsministerium erteilte seine Zustimmung auf seiner nächsten Sitzung am 11

1. Sitzung am 1.6.1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.65f., Bl. 167. Ebd., 168 f. 13 Ebd., 170f. 14 Ebd., 171 ff. 15 Ebd., 112ff. 16 Brief des Staatssekretärs des Innern an das Preuß. Staatsministerium v. 28. Juni 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.98. 12

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

13. Juli 1894. Besondere Aufmerksamkeit fand im Staatsministerium der Abschnitt über den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Es wurde daraufhingewiesen, daß dieser keinesfalls Bestimmungen enthalten dürfe, welche die Entwicklungschancen der Lehrlinge zu beeinträchtigen geeignet seien. Dieser Umstand müsse in den anstehenden Sachverständigenberatungen erörtert werden. 17 Nach der Zustimmung des Preußischen Staatsministeriums wurde die Genehmigung des Kaisers eingeholt; sodann wurden die „Grundzüge" an alle Preußischen Staatsminister zwecks Einholung von deren Voten versandt. 18

I I I . Die Sachverständigenkommission Den nächsten Schritt der Kodifikationsarbeiten bildete die Beratung der „Grundzüge" durch eine Sachverständigenkommission, die vom 3. bis 5. Oktober 1894 in Berlin zusammentrat.19 Sie sollte nach Ansicht von Hauss möglichst zahlreiche verschiedene Interessengruppen an einem Tisch vereinen, aber auch schon einzelne Parlamentarier frühzeitig in den Kodifikationsprozeß integrieren, so daß man eine Zahl von etwa zwanzig Teilnehmern für angemessen hielt. 20 Ihr sollte beratende, keine verbindliche Funktion bei der weiteren Ausarbeitung des Gesetzes zukommen. Die Auswahl der Parlamentarier erfolgte, wie aus den Akten hervorgeht, aus taktischen Erwägungen. Es wurden überhaupt nur Vertreter der Deutschen Freisinnigen Volkspartei, der Nationalliberalen, der Konservativen und des Zentrums in Erwägung gezogen. Aus der Fraktion der Deutschen Freisinnigen Volkspartei entschied man sich für den Abgeordneten Schmidt aus Elberfeld, nach einer Aktennotiz von v. Boetticher aus dem Grunde, daß er einer der parlamentarischen Wortführer sei und durch „Zuziehung zu den Vorverhandlungen für die Berathungen im Reichstag günstig gestimmt" werden könne.21 Für den Abgeordneten der Konservativen Fraktion Jacobskötter aus Erfurt sprach nach Ansicht von v. Boetticher, daß er Handwerker war, und bei der Wahl zwischen den Zentrumsabgeordneten Bachem und Roeren entschied sich v. Boetticher für letzteren, da dieser als Verfasser des Antrages im Reichstag auf sich aufmerksam gemacht habe. Daneben wurden noch Steegemann, Alexander-Katz, Landgraf sowie verschiedene nach regionaler Herkunft und Gewerbezugehörigkeit ausgewählte Personen gela17 Protokoll der Sitzung des königlichen Staatsministeriums unter Leitung des Staatsministers Graf zu Eulenburg, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.206ff. Beachte auch den Vorschlag des Finanzministers, der vorschlug, die Bestrafung des Reklameschwindels von einer vorherigen „Warnung" abhängig zu machen, zu der sowohl die Behörde als auch der Konkurrent ermächtigt werden solle! 18 Brief v. Boettichers an den Kaiser v. 19. Juli 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, ebd., B1.204; Genehmigung am 20. Aug. 1894, ebd., B1.238; Voten an die Ministerien, ebd. B1.203. 19 Siehe Vorbereitungen im Reichsamt des Innern ab August 1894, ebd., B1.233ff. 20 So die von Hauss an Boetticher verfaßte Notiz vom 24. August 1894, ebd. 21 Ebd., Bl. 236.

5. Kap.: Der Gang der Gesetzgebungsarbeiten

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22

den. Auch die bisher schon hinzugezogenen Vertreter der Reichsämter und der preußischen Regierung nahmen erneut teil. 23 Im Mittelpunkt der Sachverständigenberatungen stand die Auseinandersetzung um die Notwendigkeit eines solchen Gesetzesvorhabens überhaupt und die Einführung einer Generalklausel. Man bejahte im Ergebnis mit großer Mehrheit die Notwendigkeit eines Gesetzes und blieb bei dem System der Einzelfallbestimmungen. Es wurde aber eine Stärkung des zivilrechtlichen Vorgehens durch jeweiliges Voranstellen der zivilrechtlichen Rechtsfolge beschlossen.24 Die Bestimmungen gegen den Reklameschwindel wurden erweitert, und eine Norm gegen Quantitätsverschleierungen wurde aufgenommen. Eingehend wurde des weiteren erörtert, wie die Bestimmungen gegen den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen formuliert werden müssten, um einen gerechten Ausgleich der Interessen von Arbeitern und Unternehmern herbeizuführen. Der aufgrund der Sachverständigenberatungen erarbeitete erste Entwurf wurde noch im Dezember 1894 fertiggestellt und an alle Bundesregierungen, das Preußische Staatsministerium und an sämtliche Preußischen Staatsminister versandt. Diese bat man um schnelle Stellungnahme, da der Entwurf im Januar veröffentlicht werden und der Bundesrat ihn im Februar und der Reichstag ihn baldmöglichst danach bekommen solle.25 Nachdem aufgrund einer Indiskretion der Entwurf bereits in süddeutschen Zeitungen und am 7. Januar 1895 auch in einer Berliner Zeitung 26 veröffentlicht worden war, entschloss man sich, den Entwurf ebenfalls noch am gleichen Tag im Reichsanzeiger zu veröffentlichen. Ursprünglich war die Veröffentlichung erst zu einem späteren Zeitpunkt im Januars vorgesehen gewesen.27 Das Verfahren der Pu22 Neben den erwähnten noch Beutel, als Obermeister der Schuhmacherinnung, Brieger, schles. Kaufmann, Brinkmeyer, Konkursverwalter, Hammacher, Bergwerksbesitzer und MdR (Nationalliberale Partei), Max Hecht, Rechtsanwalt aus Ludwigshafen, Hertwich, Kommerzienrath aus München, Harz, Fabrikant aus Frankfurt/M., Ibach, Fabrikant aus Remscheid, Alexander-Katz, Kern, Kaufmann aus Mannheim, Landgraf \ Mannheim, Moral, Kaufmann aus Berlin: Rings, Tischlermeister aus Köln, Schellhass, Fabrikbesitzer aus Barmen, Schmidt, Obermeister der Schlosserinnung aus Hamburg, Siebert, Hoflieferant aus Königsberg, Stein, Vorsitzender des Deutschen Fleischerverbandes aus Lübeck, Vogel, Geheimer Kommerzienrath aus Chemnitz. 23 Teilnehmer von Regierungs- und Preußischer Seite waren: Direktor Rothe und Geheimer Regierungsrath Hauss (Reichsamt des Innern); Oberregierungsrath v. Seckendorf!\ Geheimer Regierungsrath Dungs (Reichsjustizamt); Landrath v. Windheim (Preuß. Ministerium des Innern); Geheimer Justizrath Kreis (Preuß. Justizministerium); Regierungsrath Lusensky, Gerichtsassessor Brendel (Preuß. Handelsministerium). 24 Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.49ff. 25 Schreiben jeweils vom 22. Dez. 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.96ff. 26 Morgenausgabe der Berliner Neuesten Nachrichten v. 7. Januar 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 198. 27 Schreiben von Hauss an die Redaktion des Reichsanzeigers v. 7. Januar 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 198 f.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

blikation des Entwurfs war beispielsweise schon bei der Kodifikation des W Z G praktiziert worden und diente dem Zweck, den betroffenen Kreisen den Entwurf zur Kenntnis zu bringen, um so ein B i l d der öffentlichen Meinung über das Regierungsvorhabens zu erlangen und um aus den Verbesserungsvorschlägen nützliches Material für die weitere Bearbeitung zu sammeln. 28

IV. Die öffentliche Diskussion über den ersten Entwurf Der erste Entwurf stieß auf großes Interesse in der Öffentlichkeit. 2 9 In den nächsten vier Monaten wurden die von den Bundesregierungen, den Staatsministerien, sonstigen Behörden der Reichsverwaltung, u. a. dem Patentamt, von Vereinen und Verbänden, Privaten und der Presse geäußerten Reaktionen geprüft und in eine neue Fassung eingearbeitet. 30 Diese mündete dann nach erneuter Prüfung durch die preußischen Ministerien und das Staatsministerium in einen Entwurf, der mit kaiserlicher Zustimmung 3 1 am 12.5.1895 dem Bundesrat zugeleitet wurde. 3 2 Inhaltlich hatte der erste Entwurf zunächst ein geteiltes Echo. Eine für die allgemeine Reaktion typische Beurteilung stammte von einem Redner auf dem für die Resonanz aus Gewerbekreisen besonders repräsentativen 20. Deutschen Handelstag, der am 22. und 23.2.1895 in Berlin tagte: 33 „Nicht ein einziger Redner hat seine Zustimmung zu dem Gesetz voll und ganz und mit leichtem Herzen gegeben; überall treten Bedenken hervor, selbst von Seiten der Anhänger dieses Gesetzes." 28 Vgl. Carl Hauss, Das Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Vom 27.5.1896, Berlin 1896, 19. 29 Allein die Akte 7692 enthält weit über hundert verschiedene Äußerungen von Presse und Privaten zum ersten Entwurf aus dem Zeitraum von Januar bis Oktober 1895, B1.454 enthält eine Auflistung von 42 Eingaben von regionalen Gewerbevereinen allein für den Zeitraum zwischen Januar und Mai 1895, die an den Bundesrat übeigeben wurden. Die Akte 7698 enthält ebenfalls eine Zusammenstellung von oftmals den selben Eingaben der Handelskammern und gewerblichen Vereine zum 1. Entwurf. 30 Fassung vom 23.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.304ff. Durch die Beschlüsse des Staatsministeriums ist dieser Entwurf in den Bundesratsentwurf geändert worden. 31 Ermächtigung des Kaisers an den Reichskanzler v. 26.4.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 62. 32 Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs nebst Begründung, Bundesrats-Drucksache Nr. 63, Sess. 1895. 33 Samhammer-Sonneberg, in: Verhandlungen des 20. Dt. Handelstages, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.246. Bereits im November des Jahres 1894 hatte der Ausschuss des Dt. Handelstages die Frage des unlauteren Wettbewerbs beraten und eine Resolution angenommen, nach der die Notwendigkeit eines erweiterten gesetzlichen Schutzes gegen den unlauteren Wettbewerb und den Verrat der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse anerkannt wurde, ebd., Bl. 51. Eine Auswirkung dieser Beratungen auf die Gesetzgebung kann jedoch nicht nachgewiesen werden.

5. Kap.: Der Gang der Gesetzgebungsarbeiten

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Jeder Bestimmung wurde von irgendeiner Seite die Existenzberechtigung abgesprochen. Allmählich erst wurde deutlich, daß die von der Regierung vorgeschlagenen Wege in den meisten Fällen einen Kompromißvorschlag und eine akzeptable Diskussionsgrundlage darstellten. 34 Einen Schwerpunkt der Diskussion in der Öffentlichkeit bildeten allgemeine Fragen des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb. Hierzu gehörten die Notwendigkeit und die Ausgestaltung des Schutzes. Bei letzterer standen wie schon im Vorfeld die Probleme eines straf- oder zivilrechtlichen bzw. eines spezialgesetzlichen oder generalklauselartigen Vorgehens im Mittelpunkt der Auseinandersetzung. Zusätzlich wurde das Verhältnis eines solchen Gesetzes zum BGB gewürdigt. Die Mehrzahl der Stellungnahmen und Verbesserungsvorschläge betrafen aber die einzelnen Paragraphen.

V. Die Beratung des Gesetzes im Bundesrat In der 22. Sitzung des Bundesrats am 16.5.1895 wurde der Entwurf dem IV. bzw. dem VI. Ausschuss überwiesen.35 Den Vorsitz des IV. Ausschusses, des Ausschusses für Handel und Verkehr, übernahm der Kaiserliche Direktor im Reichsamt des Innern Rothe, den VI. Ausschuss, der Ausschuss für Justizwesen, leitete der Staatssekretär im Reichsjustizamt, der Wirkliche Geheime Rat Nieberding 36 Die Ausschüsse tagten gemeinsam im Oktober und November 1895 und legten ihren in einigen Punkten umformulierten Entwurf am 12.11.1895 dem Bundesrat zur Abstimmung vor. 37 Insbesondere die Bestimmungen gegen den Reklameschwindel wurden neu geordnet. 38 34 In der Abstimmung, ob der Entwurf vom Handelstag als solcher abgelehnt werden sollte oder ob er eine ausreichende Diskussionsgrundlage darstellte, entschieden sich 175 Stimmen bei 69 Gegenstimmen für eine weitere Diskussion des Entwurfs, Verhandlungen des Deutschen Handelstages, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.246. Siehe auch August Scherer, Empfiehlt sich ein allgemeiner Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb?, Gutachten für den 23. Deutschen Juristentag, Stenographische Berichte der Verhandlungen des 23. Deutschen Juristentages, 1895, 232., der daraufhinweist, daß die bedeutendsten Handelsplätze, insbesondere die Seehandelsplätze gegen den Entwurf gestimmt hätten, ein Umstand, der ihn zu dem Schluß kommen läßt, daß ein Bedürfnis im Großhandel nur bedingt vorhanden sei. 35 § 319 der Drucksachen des Bundesrats. 36 Siehe hierzu die Hinweise in Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 169f. in den IV. Ausschuss wurden gemäß § 538 der Protokolle über die Verhandlungen des Bundesrats Vertreter der Regierungen Bayerns, des Königreichs Sachsens, Württembergs, Hessens, des Großherzogtums Sachsens, Hamburgs und Lübecks berufen, in den VI. Ausschuss Vertreter Bayerns, des Königreichs Sachsens, Württembergs, Hessens, Badens, Lübecks, sowie als Stellvertreter Gesandte Braunschweigs und Schwarzburg-Rudolstadts. Mitglieder des IV. Ausschusses waren schließlich die Herren v. Boetticher, Rothe, v. Herrmann, Graf v.Hohenthal, v. Schicker, Neidhardt, v. Heerwart, Krüger, im VI. Ausschuss die Herren Gutbrod, v. Heller, Rüger, v. Jagemann', als Referent des Ausschusses wurde der sächsische Gesandte Rüger bestimmt. 37 Bundesrats-Drucksache Nr. 111, Sess. 1895. 38 Vgl. die Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,11 ff.

11 von Stechow

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Diesem Entwurf wurde in der 35. Sitzung des Bundesrats am 21.11.1895 nach dem Bericht des Referenten Rüger die Zustimmung erteilt. 39 Gleichzeitig wurden Hauss und Dungs als Kommissare des Bundesrats für die anstehenden Reichstagsverhandlungen bestimmt.40

VI. Die erste Beratung im Reichstag am 13. und 14.12.1895 Den Entwurf leitete am 3.12.1895 der Reichskanzler dem Reichstag zu. 41 Dort wurde er in der siebten und achten Sitzung der vierten Session der neunten Legislaturperiode am 13. und 14. Dezember 1895 erstmals beraten. 42 Die erste Beratung des Entwurfs stand ganz im Zeichen einer Gesamtbeurteilung des bisherigen Gesetzeswerkes durch Redner unterschiedlicher Fraktionen. Hierbei stand die Frage der grundsätzlichen Notwendigkeit einer gesetzlichen Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs ein letztes Mal im Vordergrund. Nur vereinzelt wurde schon konkrete Kritik an einzelnen Bestimmungen geübt, insbesondere dann, wenn die Kritikpunkte eine Fraktion zur Ablehnung des gesamten Entwurfs veranlaßten. Die Ausführungen der einzelnen Redner offenbarten dabei nicht nur unterschiedliche Ansichten zu einzelnen Sachfragen, sondern grundlegend verschiedene gesellschaftspolitische Anschauungen. Die Erörterung der vorliegenden Materie bot einen willkommenen Anlaß zu einer Generaldiskussion über die wirtschaftlichen und sozialen Zustände in Deutschland. Während das Zentrum, die Konservative Fraktion, die Polenpartei und die Nationalliberalen Inhalt und Ausgestaltung des Gesetzes befürworteten 43, reagierten die übrigen Fraktionen zurückhaltender. Die Deutsche Freisinnige Volkspartei und die Freisinnige Vereinigung, die 1893 aus der gespaltenen Freisinnigen Partei hervorgegangen waren 44, akzeptierten jeweils zwar die Notwendigkeit eines Gesetzes, versagten aber dem Inhalt des Entwurfes ihre Zustimmung.45 Die Sozialdemokraten und die Deutschsoziale Reformpartei lehnten den Entwurf aus grundsätzlichen Erwägungen ab.46 Am Ende dieser ersten Beratung stand die Überweisung an eine Kommission von 21 Mitgliedern. 47 39

§ 641 der Protokolle über die Verhandlungen des Bundesrats. § 649 der Protokolle über die Verhandlungen des Bundesrats. 41 Siehe Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache Nr. 35. 42 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,107-136. 43 Ebd., 107 ff. 44 Zur Geschichte der Parteien im Deutschen Reichstag und seiner Mitglieder siehe Max Schwarz, MdR, Biographisches Handbuch der Reichstage, Hannover 1965; zur Spaltung der Freisinnigen Partei, insb. 130. 45 Abg. Schmidt (Elberfeldt), Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,124. 46 Abg. Vielhaben (DsozRef), ebd., 131 ff.; Abg. Singer (SPD), ebd., 117ff. 47 Ebd., 136. 40

5. Kap.: Der Gang der Gesetzgebungsarbeiten

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VII. Die Verhandlungen der Reichstagskommission Diese Kommission, die VI. Kommission des Reichstages in dieser Legislaturperiode, tagte zwischen dem 14.1.1896 und dem 5.3.1896 insgesamt elf Mal. 48 Die erste Sitzung diente der Konstituierung der Kommission, die letzte der Abfassung des Berichts, dazwischen nahm die erste Lesung sieben und die zweite Lesung zwei Sitzungen in Anspruch. Den Vorsitz führte der Zentrumsabgeordnete de Witt, Berichterstatter im Reichstag war Meyer (Halle). 49 Insgesamt führten die Kommissions Verhandlungen zu einigen Änderungen, die jedoch nicht grundlegender Art waren. Allerdings nahm zu Beginn der Verhandlungen erneut die Diskussion einen breiten Raum ein, ob der unlautere Wettbewerb durch eine Generalklausel oder durch Spezialtatbestände zu bekämpfen sei.50 Die Kommission teilte schließlich einstimmig die Ansicht der Regierung, die Einzelfallbestimmungen favorisierte. Zusätzlich war die Frage der Notwendigkeit und Ausgestaltung des Schutzes von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen heftig umkämpft. Die völlige Streichung der Strafbarkeit des Verrats von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen unterblieb hier nur wegen eines zufälligen Mitgliederwechsels in der Kommission, nicht aus Gründen der allgemeinen Übereinstimmung mit dem Bundesratsentwurf. 51

V I I I . Die zweite und dritte Beratung des Entwurfs im Reichstag Der von der Kommission überarbeitete Entwurf wurde in der zweiten und dritten Lesung am 16. und 17.4.1896 bzw. am 7. und 8.5.1896 vom Reichstag beraten. 52 Gegenstand kontroverser Debatten waren vor allem die Fragen, ob nicht zumindest der Reklameschwindel mittels einer sog. kleinen Generalklausel zu bekämpfen sei, 48 Die 21 Mitglieder der VI. Kommission, die am 14.1.1896 die Vorberatung des Entwurfs aufnahmen, waren die Herren Adt (Nationalliberale Partei), Bassermann (Nationalliberale Partei, Stellvertreter des Vorsitzenden), Buddeberg (Deutsche Freisinnige Volkspartei), v. Czarlinski (Polenpartei), Fuchs (Zentrum, Schriftführer), Fusangel (Zentrum), Jacobskötter (Konservative Partei), Kraemer (Nationalliberale Partei, Schriftführer), Ritter v.Lama (Zentrum), Freiherr v. Langen (Konservative Partei), Merbach (Deutsche Reichspartei), Meyer (wie Freisinnige Vereinigung), Reisshaus (SPD), Roeren (Zentrum), Schmidt (Deutsche Freisinnige Volkspartei), Singer (Zentrum), Vielhaben (Deutschsoziale Reformpartei), v. Viereck (Konservative Partei), Wattendorff (Zentrum), v. Werdeck (Konservative Partei), de Witt (Zentrum, Vorsitzender), Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache Nr. 3a. Daneben nahmen als Vertreter des Bundesrats, v. Boetticher, Unterstaatssekretär Rothe, der Kgl. Sächsische Bundesratsbevollmächtigte Rüger, Hauss und Dungs an den Verhandlungen teil. 49 Siehe den Bericht der VI. Kommission, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache Nr. 192. 50 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.49), 2 ff. 51 Bericht der VI. Kommission, (wie Fn.49), 21 ff. 52 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,1702ff., 2172ff., 2230.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

welche Reichweite die Norm gegen die Quantitätsverschleierungen haben dürfe und inwiefern der Schutz von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen einen gerechten Ausgleich zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeberinteressen darstelle. In der 87. Sitzung am 8. Mai 1896 wurde das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom Reichstag angenommen. Am 27. Mai unterschrieb es Kaiser Wilhelm II. an Bord seiner Yacht „Alexandria", am 30. Mai wurde es im Reichsanzeiger veröffentlicht. Als Tag des Inkrafttretens wurde in § 17 der 1. Juli 1896 festgelegt. 6. Kapitel

Grundfragen des Kodifikationsprozesses: die Notwendigkeit eines UWG Im folgenden wird die Entstehungsgeschichte des UWG von 1896 im engeren Sinne behandelt, nämlich die Überlegungen der Regierung, die Sachverständigenberatungen, die Bundesrats- und Reichstagsverhandlungen und die Diskussion in der Öffentlichkeit. Da im Gesetzgebungsprozeß wesentliche Punkte diskutiert wurden, die bereits in der Vorgeschichte eine Rolle gespielt hatten, bietet sich zur Analyse eine Fortsetzung des bisher gewählten Vorgehens an. Zunächst wird die Entwicklung der Frage behandelt, ob ein Gesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs notwendig sei, sodann geht es um die Ausgestaltung des Gesetzes im einzelnen.53 Die in den folgenden Kapiteln zu untersuchende Frage der Notwendigkeit betrifft drei Aspekte, nämlich: ob eine Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs überhaupt nötig sei (I.), ob ein Schutz durch ein Gesetz zu erfolgen habe (II.) und zu wessen Schutz ein solches Gesetz erlassen werden müsse (III.).

I. Die Notwendigkeit der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs Schon vor der Reichstagsresolution waren kaum Stimmen mehr auszumachen, die grundsätzlich die Notwendigkeit einer Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs in Deutschland bestritten. Auch die Regierung hatte im Gefolge der Resolution ihre anfänglich skeptische Haltung aufgegeben. Dazu trugen insbesondere die allgemein sehr positiven Reaktionen auf die Einführung der §§ 15 ff. WZG in der Öffentlichkeit bei. 54 Kritische Stimmen waren lediglich in den parlamentarischen Debatten und in einigen Presseveröffentlichungen nach dem Bekanntwerden der Resolution laut geworden. Die Bemühungen der Parlamentarier um eine Bekämpfung des un53

Hierzu siehe Kap. 7 und 8. Auf die Bedeutung der öffentlichen Reaktion zu den §§ 15 f. WZG für die Inangriffnahme der Arbeiten wies auch die Begründung des Entwurfs eines UWG hin: GR 4 (1895), 441. 54

6. Kap.: Grundfragen des Kodifikationsprozesses: die Notwendigkeit eines UWG

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lauteren Wettbewerbs waren hier, wie gezeigt, als Wählerfang und Mittelstandspolitik bezeichnet worden. 55 Während der Kodifikationsarbeiten zum UWG tauchten diese Vorwürfe erneut auf. 56 Im Reichstag wurde die Kritik angesichts des konkreten Gesetzesvorhabens und der großen öffentlichen Aufmerksamkeit nun allerdings vorsichtiger geäußert. Keine Partei konnte riskieren, die Schutzbedürftigkeit einer Bevölkerungsgruppe wie der Handel- und Gewerbetreibenden zu bestreiten. Demgemäß behauptete man lediglich, daß die zur Begründung der Notwendigkeit des Gesetzes genannten Gründe nur vorgeschoben seien.57 Die weitgehende Übereinstimmung darüber, daß ein Schutz nötig sei, änderte indes nichts an der Tatsache, daß die Notwendigkeit eines solchen Schutzes in den Entwurfsbegründungen und in den Stellungnahmen der Literatur und Handel- und Gewerbetreibender regelmäßig ausführlich dargelegt wurde. 58 Die Regierung begründete die Notwendigkeit der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs mit einem in den letzten Jahrzehnten aufgrund von veränderten Wirtschaftsverhältnissen gewandelten Rechtsschutzempfindens. 59 Vor allem ein Übersteigen der Nachfrage durch das Angebot habe zu einer Veränderung des Wettbewerbsverhaltens beim Warenabsatz und einer Zunahme unlauterer Verhaltensweisen im Wettbewerb geführt. Damit lag dem UWG nach Ansicht der Regierung der Zusammenhang zwischen Gewerbefreiheit, Industrialisierung und Verschärfung des Wettbewerbsverhaltens zugrunde. Auch in der Presse60, in den Stellungnahmen aus Handels- und Gewerbekreisen 61 und in der Literatur fand sich diese Begründung wieder. Beispielhaft ist ein Vortrag von Otto v. Gierke 62 Mit diesem Vortrag vor dem Deutschen Verein für den Schutz 55

Siehe oben, Teil 1, 4. Kap., I.,2.; II., 1. Vgl. die Rede des Abg. Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,118; s.a. Berliner Tageblatt v. 6.6.1895, Reichsjustizamt, BArch. 3001/2648, Bl. 83. 57 Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 118. 58 Siehe Begründung der Reichstagsvorlage des Entwurfs eines UWG, GR 4 (1895), 439, 441 ff. 59 GR4 (1895), 442; zur Begründung des WZG vgl. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 260. 60 National-Zeitung v. 7.1.1895, Deutsche Tageszeitung v. 8.1.1895, Kölnische Volkszeitung vom 8.1.1895, in: Reichsjustizamt, BArch 3001/2648, B1.89ff. mit zahlreichen weiteren Beispielen. 61 Verein zum Schutz des Handels und Gewerbes, Schlesien und Polen, ebd., B1.521; Stellungnahme des Centraiausschuss der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 199 ff. 62 Otto v. Gierke , Der Rechtsgrund des Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb, Vortrag gehalten am 21.3.1895 vor dem Deutschen Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums, GR 4 (1895), 109 ff. Ähnliche Begründungen der Notwendigkeit geben auch Stieda, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, 85; Bähr (wie Teil 1, Fn.554), 241 ff.; Adolf Lobe, Über den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Sächsisches Archiv für Bürgerliches Recht und Prozeß, Bd. V (1895), 59ff., der ein Gesetz für eine sittliche und wirtschaftliche Notwendigkeit hält und mit diesem Beitrag eine lange Reihe von Arbeiten zum 56

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des gewerblichen Eigentums im März 1895 beteiligte er sich erstmals an der öffentlichen Diskussion um einen Rechtsschutz gegen unlauteren Wettbewerb. Seine Bemühungen um Erfassung und Einordnung des unlauteren Wettbewerb in das deutsche Rechtssystem wirkten ähnlich richtungsweisend wie die von Josef Kohler und stärkten die Akzeptanz dieser neuen Rechtsmaterie.63 Gierke bestätigte den Hinweis der Regierung auf den Zusammenhang zwischen Gewerbefreiheit, Industrialisierung und verändertem Wettbewerbsverhalten, indem er ausführte, daß die Gewerbefreiheit als Grundlage des heutigen Erwerbslebens dem freien Wettbewerb freie Bahn geschaffen habe und im Zusammenspiel mit der tatsächlichen Entwicklung, der Industrialisierung, zu einer „Erweiterung des Kampfplatzes und einer Verschärfung der Waffen geführt" habe.64 Die freie Konkurrenz habe dabei in ungeahnter Weise schaffende und zerstörende Gewalt bewiesen. Sie habe sittliche Banden gelöst und egoistische Triebe entfesselt. In Form eines Auslesungsprozesses verschlinge sie die Kleinen, um einige wenige Starke auf den Thron zu heben. Schon aus diesem Grund seien Schranken der freien Konkurrenz unerläßlich. 65 Unbeschränktes Walten der freien Konkurrenz beschere zwar einen kurzen glänzenden Aufschwung, würde aber unweigerlich in der Folge zu einem Verfall des Volkslebens führen, da der Gemeinsinn ausgetilgt werde. Die Erkenntnis habe sich auch nach einem kurzen Rausche in Deutschland durchgesetzt, die fortwährenden Beschränkungen der Gewerbefreiheit durch die Gewerbeordnung bestätigten diese Entwicklung. Gierke und zahlreiche weitere Stellungnahmen unterstützten somit die Regierungsbegründung. Ein zweites Argument der Entwurfsbegründung der Regierung weist darauf hin, daß die Regierung in einem ähnlichen Dilemma stecke, wie die Parteien im Reichstag, die eine Schutznotwendigkeit verneinen wollten. Die Regierung führte aus, daß Treu und Glauben im Verkehr nicht gelitten hätten, sondern daß durch eine im Vergleich zu früheren Jahren zunehmende Verbreitung der geschäftlichen Ehrenhaftigkeit die Empfindlichkeit gegen Verstöße gestiegen sei. 66 Dieses politische ArguWettbewerbsrecht begründet. Ein Sonderdruck dieses Aufsatzes befindet sich in der Akte Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.219ff. 63 Siehe nur die Erwähnung der Arbeiten Gierke s und Kohlers auf dem 23. Deutschen Juristentag 1895. Sie bildeten oftmals den Ausgangspunkt der Erörterungen, Stenographische Berichte der Verhandlungen des 23. Deutschen Juristentages, 461 ff. 64 Gierke (wie Fn. 62), 110. 65 Gierke , ebd.; ähnlich Scherer (wie Fn. 34), 228 f., der die Diskussion sowohl als Symptom als auch als Folge eines wirtschaftlichen Stillstandes beschreibt. Ein Überangebot an Waren stände dabei zu geringer Kaufkraft der Konsumenten gegenüber. Dieses Mißverhältnis fördere unlauteres Verhalten im Verkehr. Darüber hinaus vertraue man heute weniger als früher auf Selbsthilfe, sondernriefe eher nach dem Staat. 66 Begründung der Reichstagsvorlage des Entwurfs eines UWG, GR 4 (1895), 442; die Regierung machte sich hiermit eine Begründung zu eigen, die vielfach in Stellungnahmen aus Handels- und Gewerbekreisen auftauchte, vgl. Dt. Handelstag, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 243 f. Ähnlich die Eingabe der Handelskammer Göttingen v. 25.3.1895, ebd., Bl. 399. Vereinzelt wurde auch darauf hingewiesen, daß nicht eine allgemeine Verschlechterung der Geschäftsmoral, sondern ein verfeinertes Rechtsgefühl in den beteiligten Kreisen, das

6. Kap.: Grundfragen des Kodifikationsprozesses: die Notwendigkeit eines UWG

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ment, dessen Stichhaltigkeit durch die Maßnahmen des Gesetzes und durch den Hinweis auf verändertes Wettbewerbsverhalten die Regierung selbst in Zweifel zog, gewährleistete, daß die Bemühungen der Regierung in Handel- und Gewerbekreisen nicht als Angriff auf die Integrität ihres Standes mißverstanden und abgelehnt wurden. Angesichts der großen politischen Bedeutung der Handel- und Gewerbetreibenden konnten es sich weder die Regierung noch die dem Gesetz kritisch gegenüberstehenden Parteien erlauben, in den Verdacht einer deren Interessen nicht wahrnehmenden Politik zu geraten. Allerdings erscheint der Aspekt des gewandelten Rechtsempfindens aus anderen Gründen für die allgemeine Überzeugung der Notwendigkeit einer Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs von Bedeutung. Verschiedene weitere Stellungnahmen aus Gewerbekreisen, die das Argument eines in den letzten Jahrzehnten angeblich geänderten Verständnisses von Recht und Unrecht aufgriffen, deuten darauf hin, daß die Forderungen nach einem erweiterten Schutz gegen unlauteren Wettbewerb deutlich auch von dem Willen beflügelt waren, Erreichtes gegen die Konkurrenz zu sichern. 67 Nach mehreren Jahrzehnten der Industrialisierung und des wirtschaftlichen Aufschwunges war der Wunsch nach Besitzstandswahrung und damit nach Rechtsschutzerweiterung größer geworden. Wenige Jahrzehnte zuvor waren konkurrenzbeschränkende Maßnahmen noch eher als Hindernis beim Versuch der Wirtschaft angesehen worden, internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erreichen. 68 Auf diesen Zusammenhang wies beispielsweise Stegemann hin, der bemerkte, daß das erwachende Selbstbewußtsein der deutschen Gewerbekreise „die treibende" Kraft „zur Bekämpfung des unlauteren Geschäftsgebarens" sei. 69 Und auch Scherer führte aus, daß „jetzt in Kreisen etwas als anstössig und Abhilfe erheischend erscheint, was man in früheren Zeiten ertragen hat, ohne gesetzliche Abhilfe zu verlangen". 70 Während der Kodifikationsarbeiten war die Diskussion um die Notwendigkeit eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb demnach geprägt von der Überzeugung, zunehmende unlautere Verhaltensweisen im Erwerbsleben bekämpfen zu müssen. Daneben spielte der Wille eine Rolle, Interessenpolitik zugunsten der Handel- und Gewerbetreibenden, insbesondere zugunsten der sog. mittleren Schichten, zu machen.71 Die allgemeine Überzeugung der Notwendigkeit einer Schutzerweiterung ist drittens von einem im Laufe der Entwicklung der deutschen Wirtschaft im Bedürfnis nach einem gesetzlichen Schutz habe laut werden lassen, Verein für Handel und Gewerbe, Halberstadt v. 29.4.1895. 67 So auch Dt. Handelstag, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.243f. Ähnlich Eingabe der Handelskammer Göttingen v. 25.3.1895, ebd., Bl. 399; Verein für Handel und Gewerbe Halberstadt v. 29.4.1895; ebd.; siehe auch Stegemann, Verhandlungen des Dt. Handelstages, ebd., B1.245; Scherer (wie Fn. 34), 226ff. 68 Vgl. hierzu Wadle (wie Teil 1, Fn. 120) Bd. 2,97 ff., der darauf hinweist, daß fremde, insbesondere ausländische Kennzeichen teilweise absichtlich zur Absatzförderung verwandt wurden. 69 Stegemann, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.243f. 70 Scherer (wie Fn. 34), 226ff. 71 So der Entwurfs eines UWG, GR 4 (1895), 442.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

19. Jahrhundert gewandelten Unlauterkeitsbewußtsein und einem damit in Verbindung stehenden gestiegenen Bedürfnis nach Besitzstandswahrung geprägt.

II. Die Notwendigkeit eines Gesetzes Von der Frage der grundsätzlichen Notwendigkeit eines Schutzes vor unlauterem Wettbewerb ist die Frage zu unterscheiden, ob ein solcher Schutz durch die bestehende Rechtsordnung, eine Erweiterung einzelner Gesetze oder durch eine eigenes Gesetz zu gewährleisten sei. Vor der Inangriffnahme der Gesetzgebungsarbeiten war die Diskussion zunächst nur von den beiden ersten Lösungsmöglichkeiten geprägt. Durch die Regelung einzelner Erscheinungsformen unlauteren Wettbewerbs im WZG und durch das Versprechen der Regierung, den Entwurf eines UWG auszuarbeiten, verlor diese Auseinandersetzung an praktischer Relevanz. Einzelne Vertreter der Ansicht, daß das bestehende Recht bei entsprechender Auslegung genügend Schutz biete, wie etwa Josef Kohler, gaben dementsprechend ihre Ansicht auf und schlugen ihrerseits Formulierungen zur Ausgestaltung eines Gesetzes vor. 72 Auch die Autoren, die eine Erweiterung der bestehenden Gesetzgebung propagiert hatten, wie Alexander-Katz, verfolgten diesen Lösungsansatz nicht weiter. 73 Der Vorschlag eines Spezialgesetzes, das allein auf die Regierung zurückging und von anderer Seite vorher nicht einmal diskutiert worden war, stand nun im Mittelpunkt. Lediglich vereinzelte Stellungnahmen stellten die Notwendigkeit eines Gesetzes noch in Frage. In den Sachverständigenberatungen beispielsweise wurde die Ansicht geäußert, daß ein legislatives Einschreiten verfrüht sei und zunächst die Wirkung des WZG abgewartet werden solle, um die dort gemachten Erfahrungen mit der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs für ein Sondergesetz zu verwerten. 74 Andere Sachverständige äußerten, daß eine Regelung der gesamten Materie durch Aufnahme von entsprechenden Bestimmungen in das BGB ausreichend sei.75 Vereinzelt wurde hier nochmals die Skepsis deutlich, die anfangs auch die Einstellung der Regierung zu einem Gesetz gekennzeichnet hatte. Man wollte erst die schon vorgenommenen oder geplanten Veränderungen der Rechtsordnung abwarten. Die große Mehrheit der Sachverständigen bejahte jedoch die Notwendigkeit eines Gesetzes.76 In der öffentlichen Diskussion wurde ebenfalls vereinzelt betont, man solle das BGB abwarten. 77 Allgemein wurde diesem Einwand jedoch entgegengehalten, 72

Siehe oben, Teil 1,4. Kap., II., 2. Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., V., 1. 74 So Landgraf siehe Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.49. 75 Ebd., B1.49f. 76 Ebd., Bl. 50. 77 Georg Wermert, Ueber den unlauteren Wettbewerb und die Warenvereinsbewegung, Halle 1895, spricht sich ausdrücklich gegen ein Spezialgesetz aus, 5,47; der Hamburger Senat weist in seinem Votum auf die Möglichkeit hin, erst den Erlaß des BGB abzuwarten, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, Bl. 138 f. 73

6. Kap.: Grundfragen des Kodifikationsprozesses: die Notwendigkeit eines UWG

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daß der Zeitpunkt des Inkrafttretens des BGB ungewiss sei und ein weiteres Zuwarten nicht hingenommen werden könne.78 Insgesamt war der Diskussion aber gemein, daß man dem BGB eine wichtige Rolle bei der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zugedachte.79 Einen legislativen Handlungsbedarf stellten dann auf dem Deutschen Handelstag nur noch die Bremer und die Hamburger Handelskammer in Frage. 80 Sie widersprachen nicht den Vorwürfen anderer Handelskammern, die ihnen vorwarfen, nur den hanseatischen Großkaufmann vertreten zu können und zu wollen. Aus dessen Perspektive war ihrer Ansicht nach ein solches Gesetz nicht notwendig. Dieser könne sich selber helfen oder empfinde die bestehende Rechtsordnung als ausreichend. Hier zeigt sich, daß das Argument der Selbsthilfe auf der Grundlage der bestehenden Rechtsordnung aus Sicht der Handel- und Gewerbetreibenden jener Zeit höchstens für diejenigen Marktteilnehmer ein Lösungsansatz war, die eine gewisse Größe besaßen und eine ungefährdete Marktposition inne hatten. Diese hatte die Regierung, die den Schutz der kleineren und mittleren Handel- und Gewerbetreibenden verbessern wollte, in der Tat nicht im Auge. Die beiden Handelskammern erkannten dementsprechend, daß sie mit dieser Ansicht in der Minderheit waren und beschränkten sich in der Folgezeit auf inhaltliche Kritik an dem Gesetzes vorhaben. 81 Die Begründung der Idee eines Spezialgesetzes durch die Regierung beschränkte sich auf zwei Argumente. Zum einen wurde ausgeführt, daß es für die Mehrzahl der in den öffentlichen Äußerungen genannten Fälle noch keine gesetzliche Handhabe gebe.82 Insbesondere in Fällen der trügerischen Reklame versage das geltende Recht, da der Betrugsparagraph eine Vermögensschädigung fordere, die in der Praxis meist fehle oder nicht nachweisbar sei. Die Regierung folgerte daraus, daß nur die Erweiterung der Gesetzgebung eine Schutzverbesserung bringen könne. Als zweites Argument für ein Spezialgesetz nannte die Entwurfsbegründung den Umstand, daß zwar Frankreich auf der Grundlage des Art. 1382 Code civil ein umfassendes Schutzsystem entwickelt habe. Es könne aber dahinstehen, ob auch in Deutschland mittels vergleichbarer Bestimmungen ein ähnlicher Schutz realisierbar 78 Stieda, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, 88; Redner auf dem Dt. Handelstag äußerten, wenn etwas geschehen solle, müsse es zügig geschehen, (Maison München), ebd. Bl. 244; bzw. daß die Zukunft des BGB so ungewiss sei, daß vor Inkrafttreten des BGB wahrscheinlich schon einen Revision eines UWG erfolgen werde (Diffené-Mannheim), ebd., Bl. 245; Richard Alexander-Katz, Empfiehlt sich die Einführung eines Schutzes gegen den unlauteren Wettbewerb?, Gutachten erstattet im Auftrage des ständigen Ausschusses des deutschen Juristentages, Berlin 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.290, der die Notwendigkeit einer raschen Handhabe betonte. 79 Allgemeine Meinung, vgl. zusätzlich Stellungnahme des Kgl. Bayr. Staatsministeriums, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 87; Stellungnahme des „Vereins zur Förderung des Gewerbefleisses", Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.478. 80 Verhandlungen des Deutschen Handelstages, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 239, 246. 81 Verhandlungen des Deutschen Handelstages, ebd., 247, 249. 82 Begründung der Reichstagsvorlage des Entwurfs eines UWG, in: GR 4 (1895), 442.

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sei. In verschiedenen Rechtsgebieten des Reichs seien vergleichbare Bestimmungen seit langem in Kraft, ohne daß sie einen Schutz ermöglicht hätten.83 Der Grund des Entschlusses für ein gesetzliches Vorgehen lag demnach in der Erkenntnis der Lückenhaftigkeit der bestehenden Gesetzgebung und des geringen Nutzens, den zivilrechtliche Generalklauseln im Kampf gegen unlautere Verhaltensweisen in Deutschland hatten. Die Frage, warum ein Spezialgesetz und nicht die Ergänzung bestehender Gesetze aus Sicht der Regierung die Lösung gegen unlautere Wettbewerbsverhaltensweisen darstellte, beantwortete die Entwurfsbegründung nicht. Wie die Diskussion im Vorfeld bewies, hätte eine Ergänzung bestehender Gesetze näher gelegen als ein Spezialgesetz. Darüber hinaus wäre so eine Zusammenfassung sehr verschiedener und nur unter dem systematisch schwer zu fassenden Aspekt des unlauteren Wettbewerbs miteinander verknüpfter Fallgruppen verhindert worden. Zwei Gründe waren demnach für die Schaffung eines Spezialgesetzes ausschlaggebend gewesen. Zum einen meinte man, daß „eine sichere Rechtsgewohnheit über die Grenzen des vom Standpunkte der geschäftlichen Moral aus Zulässigen" im wirtschaftlichen Wettbewerb in Deutschland nicht bestehe.84 Man müsse daher einen Katalog von Bestimmungen schaffen, der dem rechtsunkundigen Handel- und Gewerbetreibenden Klarheit über das von nun an Unerlaubten verschaffe. 85 Ein solcher Verhaltenskodex schien diesem Zweck schon aus Gründen der praktischen Handhabung im Alltag eher zu dienen als eine Ergänzung des RStGB, verschiedener Gesetze zum Schutz gewerblichen Schaffens und des BGB. Zum zweiten lag der Ursprung der Idee des Spezialgesetzes in der Reichstagsresolution. Hier mußte die Regierung reagieren, um eine Regelung des unlauteren Wettbewerbs im Rahmen des WZG zu verhindern. Um diese gänzlich unsystematische Regelung zu verhindern, schlug man die zusammenfassende Regelung im Rahmen eines eigenen Gesetzes vor, an der man dann festhielt. So gesehen zeigt sich, daß die Entscheidung gegen eine Ergänzung bestehender Gesetze und zugunsten eines UWG keineswegs zwingend war. Lediglich die Idee, auf bestehende zivilrechtliche Generalklauseln zurückzugreifen, wurde bewußt verworfen, da diese sich nicht bewährt hätten. Die Öffentlichkeit beurteilte die Begründung des Regierungsentwurfes im wesentlichen positi\}6Gierke nahm wiederum zur Notwendigkeit des legislativen Vor83

Begründung der Reichstagsvorlage des Entwurfs eines UWG, ebd., 443. Ebd. 85 Ebd. 86 Eingabe der Handelskammer Göttingen v. 25.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 399; Verein für Handel und Gewerbe Halberstadt v. 29.4.1895; ebd.; auch der 23. Deutsche Juristentag, der im September 1895 in Bremen tagte, kam in einer Resolution zu dem Ergebnis, daß „im Wege der Gesetzgebung ein wirksamer Schutz gegen den unlauteren Wettbewerb zu schaffen sei". Die Resolution wurde im Anschluß an eine Vortrag des Wiener Professors Pfaff gefaßt, der dem Plenum den Entwurf vorstellte, in: Verhandlungen des 23. Deutschen Juristentages, 461,485 f. Konkrete Gestaltungsvorschlage wurden jedoch nicht gemacht. 84

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gehens Stellung.87 Das Argument, die zivilrechtlichen Generalklauseln hätten sich nicht bewährt, präzisierte er. Wesentlicher Grund für die Notwendigkeit der Schaffung eines Gesetzes war für Gierke die Rechtsprechung des Reichsgerichts. Daß diese das MSchG für erschöpfend erklärte, habe die Entwicklung eines dem französischen Recht vergleichbaren Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb verhindert. Dies sei bedauerlich, zumal das Reichsgericht durch diese Buchstabenauslegung seiner Aufgabe nicht nachgekommen sei, das Recht im Einklänge mit dem Leben fortzubilden. 88 Die Rechtsprechung des Reichsgerichts stellte für ihn demnach eine Art Sackgasse dar. Ein Ausweg könne daher nur ein Gesetz liefern, denn bis „ein Umschwung in der Praxis erfolge, könnte unwiderbringlicher Schaden entstanden sein". 89 Gierke arbeitete damit einen weiteren zentralen Punkt der Notwendigkeit eines legislativen Tätigwerdens heraus, auf den die Entwurfsbegründung nicht einging. Die Alternative zu einem legislativen Handeln bestand in einer Änderung der Rechtsprechung. Dies war, wie oben dargelegt wurde, wegen des Vorhandenseins mehrerer Privatrechtsordnungen in Deutschland nicht möglich. Um unlauterem Wettbewerbsverhalten mittels zivilrechtlicher Bestimmungen Einhalt zu gebieten, kam daher nur ein legislatives Handeln in Frage. Für neue Strafbestimmungen galt dies nach Gierke s Ansicht gemäß dem Grundsatz „Keine Strafe ohne Gesetz" ohnehin.90 Nach Kohler war Gierke der zweite bedeutende Rechtswissenschaftler, der die Rechtsprechung zum MSchG heftig kritisierte und dem Reichsgericht die mangelnde Fähigkeit vorwarf, die Rechtsschutznotwendigkeiten des Erwerbslebens nicht zu erkennen. Die Frage, ob eine Erweiterung bestehender Gesetze sinnvoller gewesen wäre, problematisierte er - angesichts des laufenden Gesetzgebungsverfahrens verständlich - nicht mehr.

I I I . Der Schutzzweck des U W G 1. Die Diskussion um den Schutzzweck bis zum Ersten Entwurf Während des gesamten Kodifikationsprozesses wurde die Frage erörtert, zu wessen Schutz ein Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb zu erlassen sei bzw. was ein solches schützen solle. Die Diskussion im Vorfeld der Aufnahme der Gesetzgebungsarbeiten hatte zwei Aspekte betont, ohne daß eine Meinung als herrschend ausgemacht werden konnte: Einerseits vertrat man die Ansicht, daß ein solches Gesetz zur Wahrung der Redlichkeit im Verkehr unerläßlich sei.91 Schutzsubjekt war 87 88 89 90 91

Gierke (wie Fn.62), 112 f. Gierke (wie Fn. 62), 112. Ebd. Ebd. Siehe oben, Teil l.,4.Kap., I., II.

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hier gleichermaßen der durch täuschende Wettbewerbshandlungen in seinem Absatz geschädigte Handel- oder Gewerbetreibende und der Verbraucher, dessen Kaufentschluß manipuliert wurde. Oftmals war Schutzsubjekt hier auch schlicht die Allgemeinheit. Dann wurde in der Regel argumentiert, daß unlautere Wettbewerbshandlungen eine Form der Ausübung der allgemeinen Gewerbefreiheit seien. Als Teil der allgemeinen Handlungsfreiheit sei diese nur durch Gesetz, Vertrag und die guten Sitten begrenzt. Gegen die guten Sitten verstießen die als unlauterer Wettbewerb bezeichneten Handlungen. Dem standen andererseits Begründungsansätze gegenüber, die allein im Schutz des Handel- bzw. Gewerbetreibenden den Zweck des Gesetzes erkennen wollten. Schutzobjekt war hier ein unterschiedlich begründetes subjektives Recht des Gewerbetreibenden im wirtschaftlichen Wettbewerb. Eine Sonderstellung nahm in dieser Auseinandersetzung der Verrat von Fabrikund Geschäftsgeheimnissen ein. Dies war der einzige Regelungskomplex im Rahmen des Entwurfes, dem nicht die Dreiecksbeziehung zwischen Gewerbetreibendem, Wettbewerber und Konkurrent zugrunde lag. Als Schutzsubjekt kam der Verbraucher hier nicht in Betracht. Auch während der Entstehung (i.e.S.) des UWG wurde die Frage des Grundes eines Schutzes durchgehend kontrovers diskutiert. Regelmäßig wurde sie im Kontext mit dem Problem, ob das Gesetz straf- oder zivilrechtlich ausgestaltet werden sollte, erörtert. Die Befürworter eines strafrechtlichen Vorgehens bejahten zumeist auch den Schutz von Verbrauchern und Allgemeinheit. Der erste Vorentwurf von Hauss vom April 1894 enthielt nur zivilrechtliche Bestimmungen, die den geschädigten Wettbewerber mit Ansprüchen versahen, mit Ausnahme der Bestimmungen gegen den Fabrik- und Geschäftsgeheimnisverrat, der von Anfang an straf- und zivilrechtlich ausgestaltet war. 92 Der Vorentwurf der Regierung stellte sich damit auf die Seite derer, die als Geschädigten des unlauteren Wettbewerbs allein den Wettbewerber sahen. Dieser Entwurf stand in der Art des Vorgehens deutlich außerhalb der bis dahin vorhandenen Gesetze zum Schutz gewerblichen Schaffens, die in der Regel zivil- und strafrechtliche Bestimmungen vorsahen. Der Grund für die Beschränkung auf den Schutz der Wettbewerber lag darin, daß Hauss y wie er später ausführte, die Grenze des gesetzgeberischen Vorgehens durch den Begriff des unlauteren Wettbewerbs vorgegeben sah.93 Der Begriff, der wie dargestellt ursprünglich eine Übersetzung des französischen Begriffs der concurrence déloyale, legte die Beschränkung nahe. Auch die französische Lehre der concurrence déloyale versah nur den Wettbewerber mit zivilrechtlichen Ansprüchen. Der Begriff bezeichnete aber in Deutschland von Beginn der Diskussion an unlautere Verhaltensweisen im Erwerbsleben, die immer auch unter einem verbraucherschützenden Aspekt erörtert wurden. Auch Hauss sah dies und änderte, wie erwähnt, noch 92

Siehe Vorentwurf, Teil 2, 5. Kap., I. Vgl. hierzu die von Carl Hauss verfaßte Begründung der Reichstagsvorlage eines UWG, GR 4 (1895), 444. 93

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vor dessen Abstimmung mit den anderen Reichsämtern im April diesen Vorentwurf, stellte den Fallgruppen der irreführenden Werbung, des Anschwärzens und des Kennzeichenmißbrauchs eine strafrechtliche Rechtsfolge voran und erklärte die Delikte mit Ausnahme der irreführenden Werbung zu Antragsdelikten. 94 Die Bestimmung gegen den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen blieb unverändert. Die strafrechtlichen Rechtsfolgen erweiterten den Kreis der Schutzsubjekte. Dies begründete Hauss in einem vom ihm nach Erlaß des UWG verfaßten Kommentar. 95 Er führte aus, daß die Fälle nicht selten seien, in denen der durch unlautere Geschäftspraktiken entstehende Schaden weit über den Interessenkreis einzelner Gewerbetreibender hinausgehe. Ein Beispiel seien die schwindelhaften Ausverkäufe, durch die der Bedarf einer Region an einer bestimmten Ware über einen langen Zeitraum hinweg vollständig gedeckt werde und die Arbeit anderer Gewerbetreibender aus demselben Geschäftszweig lahmlege.96 Diese Fälle seien als gemeinschädlich zu bezeichnen. Die Begründung nannte demnach zunächst den Schutz der Gesamtheit aller Gewerbetreibenden einer Region als weiteres Ziel der Vorschriften. Durch die Betonung der Gemeinschädlichkeit fand die Allgemeinheit Aufnahme in den Kreis der Schutzberechtigten. Doch Hauss führte zusätzlich aus, der unlautere Wettbewerb stelle „nach den Mittel, die er anwendet, und nach den Zwecken, die er verfolgt, in zahlreichen Fällen als eine gröbliche Verletzung der die Grundlage des geschäftlichen Verkehrs bildenden Prinzipien von Treu und Glauben und somit als ein Bruch der allgemeinen Rechtsordnung dar, der vom sittlichen Standpunkt kaum milder zu beurteilen ist, als Betrug, strafbarer Eigennutz oder Untreue. Das öffentliche Interesse erfordert, wie für diese Vergehen, so auch für schwerere Ausschreitungen im geschäftlichen Wettbewerbe, eine strafrechtliche Sühne."97

Die Allgemeinheit war demnach nicht nur durch die große Zahl der geschädigten Konkurrenten verletzt, sondern Hauss nannte insbesondere Treu und Glauben im Verkehr als Schutzziel der gesetzlichen Ordnung. Damit waren neben den Belangen der Wettbewerber auch die Interessen der Verbraucher als schutzbedürftig anerkannt. Damit zeigt sich, daß das UWG von Anfang an, nämlich seit dem Vorentwurf auch den Schutz des Verbrauchers und der Allgemeinheit bezweckte. Neuere Darstellungen, die dem Gesetzgeber des UWG von 1896 unterstellen, allein den Schutz des Wettbewerbers gewollt zu haben, übersehen diesen Aspekt.98 94 Siehe die handschriftliche Änderung des Vorentwurfs, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681, Bl. 66 ff. 95 Hauss, (wie Fn. 28), 28 f. 96 Hauss, (wie Fn. 28), 29. 97 Ebd. 98 Vgl. etwa Baumbach/Hefermehl (wie Einleitung, Fn.5), Einleitung UWG, Rz.40; Jacobsl LindacherfTeplitzky, (wie Einleitung, Fn.2), Rz.C4 mwN.

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Deutlich wird hier außerdem, daß die Ausgestaltung der einzelnen Fallgruppen den Schutz der verschiedenen Schutzsubjekte in unterschiedlichem Maße verwirklichte. Im Vorentwurf trat, wie erwähnt, die Strafverfolgung nur auf Antrag ein. Eine Ausnahme bildete die irreführende Werbung. Verstöße konnten hier im öffentlichen Interesse auch von Amts wegen verfolgt werden. Das Schutzziel der strafrechtlichen Verfolgung der irreführenden Werbung, die Allgemeinheit vor dieser Form der Täuschung des Verkehrs zu schützen, tritt somit zu Tage. Dieser Entwurf von Hauss erfuhr insbesondere im Hinblick auf den Schutz des Verbrauchers Kritik während der Beratung der „Vorläufigen Vorschläge" und der Erstellung der „Grundzüge" durch die Reichsämter und die Preußischen Ministerien." Während über die Schutzwürdigkeit des Wettbewerbers allgemein kein Zweifel bestand, waren Notwendigkeit und Ausgestaltung des Schutzes des Verbrauchers umstritten. Die Vertreter des Reichsjustizamtes vertraten die Ansicht, daß das Gesetz in erster Linie den Zweck verfolge, den Wettbewerber zu schützen und nur daneben den Verbraucher. 100 Zur Wahrung dieses Zwecks seien die zivilrechtlichen Ansprüche zugunsten des Wettbewerbers ausreichend und die strafrechtlichen Bestimmungen zu streichen. Dieser Vorschlag bildet den Anfang einer langanhaltenden Opposition des Reichsjustizamtes, aber auch von Teilen der Öffentlichkeit gegen strafrechtliche Bestimmung im UWG. Man führte dabei regelmäßig das Argument an, der Schutz des Wettbewerbers stehe im Vordergrund. Mit Ausnahme der Bestimmungen gegen Kennzeichenmißbrauch setzte sich während der Beratung der „Grundzüge" die Regierung mit den oben genannten Argumenten durch. 101 Hinsichtlich des Kennzeichenschutzes wurde in der Beratung von mehreren Seiten der Unterschied dieser Form des unlauteren Verhaltens zu den übrigen Abschnitten hervorgehoben, welcher sich vor allem in der Form der rechtlichen Ahndung äußern müsse.102 Man war der Ansicht, daß es sich beim Kennzeichenmißbrauch vornehmlich um eine Form der Schädigung des Kennzeichenträgers handele. Im Gegensatz zum Reklameschwindel und der Herabsetzung des Konkurrenten etwa verlange das öffentliche Interesse daher keinen Schutz.103 Dem widersprach Hauss unter Wiederholung der zur Begründung der strafrechtlichen Bestimmungen im Vorentwurf genannten Argumente. Er meinte, es handele sich um ein „verwerfliches Verfahren", das eben nicht nur die Schädigung einzelner Gewerbetreibender zur Folge habe, sondern auch auf „eine betrügerische Täuschung weiter Teile des Publikums berechnet" sei. 104 Seine Ansicht fand jedoch keine Zustimmung. Man beschloß, den Schutz des Kennzeichens im Rahmen des UWG nur zivilrechtlich auszugestalten. 99 Siehe die Protokolle der Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.167ff. 100 Protokoll der 1. Sitzung vom 1.6.1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 168. 101 Protokoll der 1. Sitzung vom 1.6.1894, ebd., 168 f. 102 Protokoll der 4. Sitzung vom 8.6.1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 185. 103 Protokoll der 4. Sitzung vom 8.6.1894, ebd., Bl. 184. 104 Ebd.

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Die Bestimmung gegen den Kennzeichenmißbrauch stellt demnach eine weitere Fallgruppe des Entwurfs dar, deren Ausgestaltung eine fallgruppenspezifische Gewichtung des jeweiligen Schutzzwecks durch den Gesetzgeber zeigt. Als Schutzsubjekt dieser Bestimmung sahen die Vertreter der Reichsämter und preußischen Ministerien nur den Wettbewerber an. Der Schwerpunkt der Schutzbedürftigkeit hatte sich somit aus Sicht des jeweiligen Gesetzgebers seit ADHGB und MSchG in diesem Bereich zunehmend in Richtung des Gewerbetreibenden verschoben. Gleichzeitig verdeutlicht die Beratung, daß die übrigen Fallgruppen einen über den Schutz des Gewerbetreibenden hinausgehenden Schutzzweck verfolgten. Für diese Entwicklung - daß nun in den Beratungen das Verständnis überwog, der unlautere Gebrauch eines Kennzeichens sei allein eine Schädigung des Zeicheninhabers, welche das öffentliche Interesse nicht tangiere - werden in der rechtshistorischen Literatur vor allem zwei Gründe angeführt. 105 Zum einen hatte in Rechtsprechung und Literatur auf der Grundlage des durch ADHGB und MSchG geschaffenen Schutzsystems von Name, Firma und Warenzeichen ein allgemeines, absolutes Privatrecht als deren Schutzobjekt zunehmende Anerkennung gefunden. 106 Die Folge war eine Stärkung sowohl der Position des Gewerbetreibenden als Inhaber solcher Rechte in der Diskussion um das Schutzsubjekt gesetzlicher Maßnahmen als auch des Zivilrechts als Schutzmittel des gewerblichen Zeichenschutzes. Zweitens entsprach diese Sicht in besonderem Maße liberalen ökonomischen Anschauungen in einer auf Gewerbe- und Wettbewerbsfreiheit basierenden Wirtschaftsverfassung. Galt es vor allem, ein absolutes Recht des Gewerbetreibenden zu schützen, konnte man dies in ausreichendem Maße mittels des Zivilrechts gewährleisten. Da die verfügbaren rechtlichen Mittel somit in den Händen des Wettbewerbers lagen, war dem Prinzip, von staatlicher Seite nicht einschränkend oder behindernd in den Wettbewerb einzugreifen, am besten genüge getan.107 Dieser allgemeine Gedanke prägte im übrigen die gesamten Kodifikationsarbeiten. Während somit der Schutz des Verbrauchers auf der einen Seite kritisiert wurde, forderte man auf der anderen Seite dessen konsequentere Verwirklichung. 108 Zwar befand man auch hier, daß der vorliegende Entwurf in der Hauptsache den Schutz des Gewerbetreibenden bezwecke. Es fehle aber eine Bestimmung, die den „Konsumenten vor gewissen unredlichen Manipulationen" schütze.109 Als Beispiele solcher Manipulationen wurden verschiedene Fälle der Quantitätsverschleierung genannt, in denen der Käufer durch eine auf Täuschung berechnete Einrichtung oder Aufmachung der Ware getäuscht werde. Insbesondere die Bier- und Garnquantität und das „Anfeuchten der Seidenstoffe, um diese schwerer zu machen und damit wertvoller 105

Hierzu ausführlich Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 99ff., 152ff., 296f. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 99ff., 152ff. 107 Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 297. 108 So der Vertreter des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe der Geheime Oberregierungsrath Ulimann während der Beratung der Grundzüge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.171f. 109 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 171. 106

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erscheinen zu lassen".110 Durch derartige Handlungen werde das Vertrauen des Käufers getäuscht, ohne daß es nach geltenden Recht möglich sei, gegen die Täuschung einzuschreiten, die sich nicht immer als Betrug qualifizieren lasse. Ullmann schlug der Kommission vor, in Analogie zu den im Entwurf des Bücherlichen Gesetzbuches vorgeschlagenen Bestimmungen solche Handlungen, welche gegen die guten Sitten verstießen, als widerrechtlich zu bezeichnen und dem geschädigten Käufer einen Anspruch auf Ersatz seines Schadens einzuräumen. 111 Gegen diesen Vorschlag wandten die übrigen Kommissionsmitglieder ein, daß es bedenklich sei, eine Frage des allgemeinen Zivilrechts bei Gelegenheit des vorliegenden Spezialgesetzes zu behandeln.112 Im übrigen gewährten die strafgesetzlichen Vorschriften gegen Betrug ausreichenden Schutz.113 Die Kommission erkannte schließlich einstimmig an, daß es nicht ratsam sei, in ein Spezialgesetz eine in das Gebiet des allgemeinen Zivilrechts fallende Vorschrift aufzunehmen, da man so dem BGB vorgreife. Sie behielt sich aber ausdrücklich vor, durch eine Ergänzung des Gesetzes zusätzlich Mißbräuche der erwähnten Art zu treffen. Diese Auseinandersetzung verdeutlicht erneut, daß zu Beginn der Beratungen keine einhellige Ansicht dahingehend bestand, daß das Gesetz nur dem Wettbewerber Ansprüche zugestehen sollte. Die Mehrheit wollte dem Gesetz durchaus eine verbraucherschützende Wirkung zukommen lassen. Über die Reichweite des Verbraucherschutzes gewann man allerdings erst im Laufe der Beratungen über die „Vorläufigen Vorschläge" Einigkeit. Im UWG sollten jedoch keine Ansprüche gewährt werden, deren Regelung im Rahmen des BGB geplant war. Das UWG sollte seiner Zielrichtung gemäß Lücken füllen und nicht in andere Regelungsmaterien eingreifen. 114 Ein zivilrechtlicher Anspruch des Verbrauchers im Rahmen des UWG mußte daher ausscheiden. Der Gesetzgeber sah das UWG von 1896 somit ausdrücklich im Gesamtzusammenhang mit dem BGB. Der Schutz des Verbrauchers ist so gesehen ein erstes Beispiel dafür, daß UWG und BGB nicht beziehungslos nebeneinander standen, sondern seitens der Kodifikatoren des UWG bewußt aufeinander abgestimmt wurden. 115 Die sich daraus ergebende Zielrichtung des UWG zeigen einige Bemerkungen von Hauss, die er zusammen mit den „Grundzügen" an die Sachverständigen versandte. 116 110

Ebd. §749 (705) lautet: „Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zustehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem Anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem Anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet". 112 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, 172. 1,3 Ebd. 114 So Hauss in der Vorbereitung der Denkschrift zum 1. Entwurf, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 167. 115 Zur Beziehung von UWG, WZG, HGB und BGB zueinander vgl. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 297ff. 116 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7863, B1.288. 111

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„Auch würden Vorschriften, welche unmittelbar auf den Schutz des konsumierenden Publikums abzielen, über den Rahmen eines gegen den unlauteren Wettbewerb gerichteten Gesetzes hinausgehen, wenngleich Maßregeln, die Treu und Glauben in dem Verhalten der Gewerbetreibenden gegeneinander zu stärken bezwecken, zugleich auch dem Interesse ihrer Abnehmer entgegenkommen."

Am Ende der Beratung der Vorläufigen Vorschläge durch die Reichsämter und die beteiligten Preußischen Ministerien wurde somit deutlich, daß der Gesetzgeber ein Gesetz plante, dessen Schutzsubjekt zum einen der durch unredliches Verhalten geschädigte Wettbewerber war. Dieser war mit zivilrechtlichen Ansprüchen ausgestattet. Daneben stand jedoch die Allgemeinheit und der Verbraucher im besonderen, zu deren Schutz strafrechtliche Sanktionen formuliert wurden. Gleichzeitig hatten die verschiedenen Bestimmungen unterschiedliche Schutzschwerpunkte. Neben dem ausschließlich wettbewerberschützenden Kennzeichenmißbrauch fanden nun erstmals quantitätsverschleiernde Handlungen als Fallgruppe unlauteren Verhaltens von Wettbewerbern im Zuge der Kodifikationsarbeiten Erwähnung. Hier wurde der verbraucherschützende Aspekt in den Vordergrund gestellt. Bei den sich anschließenden Sachverständigenberatungen wurde auf Vorschlag von Roeren eine Voranstellung der zivilrechtlichen Rechtsbehelfe in den jeweiligen Bestimmungen beschlossen.117 Folge war eine von einer Mehrzahl der Sachverständigen beabsichtigte deutlichere Betonung des Schutzes des Wettbewerbers als Zweck des Gesetzes. Eine nun wieder geforderte Streichung der strafrechtlichen Bestimmungen bekämpften unter anderem Alexander-Katz und Hauss. Sie fand im Ergebnis keine Mehrheit. Alexander-Katz betonte dabei entgegen seinen früheren Ausführungen die Notwendigkeit von Strafbestimmungen zum Schutz des oft großen Kreises geschädigter Gewerbetreibender, von denen nur ein kleiner Teil Schadensersatz geltend machen könne.118 Seine früheren Ausführungen hatten den Schutz des Verbrauchers gleichberechtigt neben den des Gewerbetreibenden gestellt. 119 Auch Alexander-Katz ging somit auf die allgemeine Entwicklung ein, den Schutz des Wettbewerbers verstärkt zu betonen. Hauss arbeitete den Entwurf in der Folge dergestalt um, daß er mit Ausnahme des Kennzeichenschutzes und des Verrats von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen die Fallgruppen jeweils in eine vorangestellte zivilrechtliche und eine strafrechtliche Bestimmungen aufspaltete. Der zivilrechtliche Schutz des Konkurrenten rückte somit in den Mittelpunkt der Zielrichtung des Gesetzes. Die strafrechtlichen Bestimmungen zum Schutz von Allgemeinheit und Verbraucher wurden allerdings unverändert beibehalten. 117 Siehe Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, 50; zu den dort genannten weiteren Gründe siehe unten, Teil 2, Kap. 7, II. 118 Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.50. 119 Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., V., 1.

12 von Stechow

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Im Rahmen der Erörterung, ob der Entwurf um eine Bestimmung gegen Quantitätsverschleierungen erweitert werden solle, wurde der Verbraucherschutz erneut thematisiert. 120 Die Initiative zur Formulierung einer entsprechenden Bestimmung ergriff Alexander-Katz, der diese Fallgruppe in seinen früheren Ausführungen noch nicht erwähnt hatte.121 Hauss antwortete auf diesen Vorschlag, daß bisherige Überlegungen in dieser Richtung wieder aufgegeben worden seien, da man der Ansicht war, daß es sich um eine primär auf dem Gebiet der Gewerbepolizei liegende Materie handele, die mehr das Interesse der Konsumenten betreffe als das der Konkurrenten. In Anbetracht der allgemeinen Zustimmung zu dem Vorschlag von Alexander-Katz sagte Hauss aber eine weitere Prüfung zu. 122 Ein vom Referat für Maß- und Gewichts wesen im Reichsamt des Innern eingeholtes Votum hielt eine Regelung der den unlauteren Wettbewerb betreffenden Fragen von in dem zur Debatte stehenden Gesetz für sehr sinnvoll. 123 Hauss griff die Anregung auf und schuf eine Rechtsgrundlage für die strafrechtliche Bekämpfung von Quantitätsverschleierungen durch den Bundesrat und landesspezifische Verordnungen. 124 Diese Bestimmung betrachtete den Verbraucher als Schutzsubjekt:125 „Auf einzelnen Verkehrsgebieten... hat sich die Gepflogenheit herausgebildet, durch eine für den Konsumenten schwer bemerkbare Verkleinerung... des sonst üblichen Mengenverhältnisses den irreführenden Schein einer Preisermäßigung hervorzurufen und hierdurch zum Schaden derjenigen Gewerbsgenossen, welche zu solchen Mitteln nicht greifen, Kunden heranzuziehen... In vielen Fällen verbindet sich mit dieser Form des unlauteren Wettbewerbs auch eine Schädigung des Publikums."

Die Aufnahme dieser Bestimmung diente demnach der Bekämpfung der Schädigung von Wettbewerber und Verbraucher. Mangels eines zivilrechtlichen Anspruches zugunsten des Wettbewerbers trat der Schutz des Verbrauchers bei der Quantitätsverschleierung deutlich hervor. Die Sachverständigenberatungen brachten demnach unter Beibehaltung der strafrechtlichen Bestimmungen eine verstärkte Betonung des Wettbewerbers als Schutzsubjekt. Zusätzlich wurde mit der Einführung eines Schutzes gegen Quantitätsverschleierungen eine von Beginn an auch als verbraucherschützend verstandene Fallgruppe in den Verhaltenskatalog aufgenommen.

120 Siehe Protokolle der Sachverstandigen-Enquête, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 55. 121 Siehe oben, Fn. 14. 122 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.55. 123 Votum des Referats für Maß- und Gewichtswesen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 307 ff.; eingehend zu den Gründen siehe unten, Teil 2,8. Kap., II. 124 Denkschrift, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 179. 125 Denkschrift, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 177. Rothe hatte schon in einer früheren Notiz an Hauss diese Sichtweise der QuantitätsVerschleierung offenbart, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.305.

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2. Der Schutzzweck in der öffentlichen Diskussion In der eingehenden öffentlichen Erörterung des Schutzzwecks wurde nicht nur diskutiert, ob neben dem Wettbewerber auch der Verbraucher Schutzsubjekt sei. Es wurde insbesondere auch der Frage nach dem Schutzobjekt des Gesetzes nachgegangen. a) Schutz der Redlichkeit im Verkehr Vor allem in Presseberichten und in Äußerungen aus Handels- und Gewerbekreisen dominierte die Auffassung, Schutzobjekt des Gesetzes sei die Redlichkeit des Verkehrs. 126 Vereinzelt stand dieser Gesichtspunkt, etwa bei Stieda, auch bei Stellungnahmen der Rechtswissenschaft im Vordergrund. 127 Ausgangspunkt war hier ebenso wie bei den persönlichkeitsrechtlich argumentierenden Darstellungen die Erkenntnis, daß die Gewerbefreiheit als Fundament des Erwerbslebens unantastbar sei. Dennoch bedürfe jede Freiheit im Interesse der öffentlichen Ordnung gewisser Schranken. Dem Recht komme die Aufgabe zu, die Gewerbefreiheit so zu beschränken, daß die guten Sitten geschützt werden. Diesem Zweck diene der Entwurf. 128 Mit der Betonung des Redlichkeitsaspektes ging regelmäßig einher, daß es als Schutzzweck des Gesetzes verstanden wurde, der Allgemeinheit, bestehend aus Konkurrenten und Konsumenten durch Beseitigung schädigender Verhaltensweisen im Erwerbsleben zu dienen. Zwischen den beiden Gruppen wurde nicht differenziert, oder es wurde für beide eine Schutzerweiterung in gleichem Maße gefordert. 129 Man bemerkte jedoch, daß das Gesetz dem Handel- bzw. Gewerbetreibenden Rechtsschutz gegen Verhaltensweisen wie den Reklameschwindel ermögliche, deren Zielrichtung sich zunächst gegen den Verbraucher richtete. Der Wettbewerber sei nur mittelbar geschädigt.130 Zwangsläufig wurde die Frage diskutiert, ob der Ver126 National-Zeitung v. 7.1.1895; Deutsche Tageszeitung v. 8.1.1895; Kölnische Volkszeitung vom 8.1.1895; Reichsjustizamt, BArch 3001/2648, B1.89ff.; zahlreiche weitere Beispiele in der Akte, siehe auch die Stellungnahme des Centraiausschuss der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 199ff.; ebenso Verein zum Schutz des Handels und Gewerbes, Schlesien und Polen, ebd., B1.521. 127 Wilhelm Stieda, Unlauterer Wettbewerb, Jahrbücher für Nationalökonomie und Statistik, Bd. 66, 1896, 74 ff. 128 Stieda, ebd., 85. In diesem Zusammenhang verweist er allerdings auch darauf, daß im Falle des Kennzeichenmißbrauchs mit Josef Kohler eine Individualrechts Verletzung anzunehmen sei. Weiter äußert er sich jedoch nicht. Die Forderung nach einer Beschränkung der Gewerbefreiheit zum Schutz der „bonafides" bleibt der Ausgangspunkt seiner Darstellung. 129 Stieda, ebd., 85, 90f. 130 Rausnitz, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 317,320. Aus diesem Grund waren die im Regierungsentwurf in § 1 geregelten Fälle in seinem Entwurf später in §7 eingefügt. Sein § 1 enthielt die „eigentlichen Fälle des unlauteren Wettbewerbs", in denen sich ein Wettbewerber mit fremden Federn schmücke, also eine Eigentümlichkeit eines Konkurrenten als seine eigene verkaufe. Die Regelungsbedürftigkeit der irreführenden Werbung bejahte er aufgrund der indirekten Schädigung des Wettbewerbers demgemäß trotzdem.

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braucher durch den Entwurf hinreichend geschützt sei. 131 Die Frage wurde von der Braunschweiger Handelskammer aufgegriffen, die feststellte, daß der Entwurf den indirekt Geschädigten schütze und den direkt Geschädigten außer Acht lasse, und diese Erkenntnis mit einer konkreten Forderung an den Gesetzgeber verknüpfte: 132 „Es erscheint uns nicht ganz gerechtfertigt, daß den durch schwindelhafte Reklame angelockten und geschädigten Käufern kein Recht zustehen soll, den Schwindel zur Anzeige zu bringen, es ist jedenfalls nicht der natürliche Weg, daß die direkt Benachtheiligten sich erst der Aktivlegitimation eines nur indirekt Betheiligten bedienen müssen, um eine Rechtsverletzung zur gerichtlichen Verfolgung zu bringen."

Der Verbraucherschutz war somit nach dieser Ansicht durch den Entwurf nur unzureichend gewährleistet. Daß der Schutz des Verbrauchers nach dem Willen der Regierung im BGB verbessert werden und dieses zusammen mit dem UWG den Schutz der Marktbeteiligten stärken sollte, konnte die Kritiker nicht beruhigen. Stieda etwa bemängelte, daß das Publikum dem unlauteren Wettbewerb weiterhin schutzlos ausgeliefert sei. 133 Auch das BGB könne hier keine Abhilfe schaffen, da es weiterhin in vielen Fällen an einem Schaden des Käufers fehlen werde. Stieda kam es offensichtlich auf die Möglichkeit des Verbrauchers an, mit Hilfe eines Unterlassungsanspruchs gegen unlauteres Verhalten im Verkehr vorzugehen. Daß auch der Unterlassungsanspruch des Handel- bzw. Gewerbetreibenden eine verbraucherschützende Wirkung haben konnte, wurde nicht als ausreichend empfunden. Der Schutz des Verbrauchers wurde vor allem auch als Zweck der Bestimmung gegen Quantitätsverschleierungen erwähnt. So bezeichnete der Preußische Minister für Landwirtschaft, Domänen und Forsten in seiner Kritik des Entwurfs den kleinen Landwirt als Hauptgeschädigten.134 § 3 sollte nach seiner Ansicht für den Kampf gegen den Verkauf von minderwertigen Futter- und Düngemitteln nutzbar gemacht werden. Neben falschen Mengenangaben stellte er die fehlerhaften Gehaltsangaben, die zu Misserfolgen in der Produktion führen könnten, als vornehmliches Übel dar. Der Bundesrat solle ausdrücklich ermächtigt werden, die Nennung nachteiliger Bestandteile solcher Produkte vorzuschreiben. Auch die Öffentlichkeit sah also den Schutzzweck des Gesetzes zumindest auch im Verbraucherschutz. Vor allem die Fallgruppen des Reklameschwindels und der 131 Rausnitz beantwortete diese Frage dagegen nicht. Seine juristische Konstruktion eines gesetzlichen Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb hätte einen Aufnahme von Bestimmungen zum Schutz des Publikums nicht erlaubt, da eine solche auch weder bei Kohler noch in der französischen Begründung der concurrence déloyale vorgesehen war, vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.317, 320. 132 Beschlüsse der Handelskammer für das Hztm. Braunschweig, BArch. 1501/7692, Bl. 182. Stieda kritisierte daß das Publikum dem unlauteren Wettbewerb weiterhin schutzlos ausgeliefert sei. Auch das BGB könne hier keine Abhilfe treffen, da es weiterhin wie dargestellt in vielen Fällen an einem Schaden des Käufers fehlen werde. 133 Stieda (wie Fn. 127), 90f. 134 Votum, siehe Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.317, 320, B1.260ff., 262.

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Quantitätsverschleierungen, die nach Regierungsansicht den Schutz des Verbrauchers bezweckten, wurden auch unter diesem Aspekt diskutiert. Vor allem angesichts der Überzeugung des Gesetzgebers, daß das BGB Normen bereitstellen werde, die dem Bedürfnis des Verbrauchers Rechnung tragen würden, blieben die Forderungen nach einem eigenen Anspruch des Verbrauchers jedoch ungehört. b) Schutz eines Rechts des Wettbewerbers In der Literatur hingegen traten nun verstärkt Ansätze in den Vordergrund, die nicht ein gesteigertes Bedürfnis nach Redlichkeitsschutz als Zweck des Gesetzes betonten, sondern als Schutzsubjekt den Handel- und Gewerbetreibenden nannten. 135 Von besonderem Interesse war hier die Frage nach dem Schutzobjekt, welches man regelmäßig in einem unterschiedlich begründeten subjektiven Recht des geschädigten Handel- bzw. Gewerbetreibenden sah. Die Begründungs versuche unterschieden sich vor allem dadurch, ob sie wie Bachem versuchten, die Erkenntnisse der französischen Lehre der concurrence déloyale ins deutsche Recht zu übertragen oder im Anschluß an Kohler und Gareis einen persönlichkeitsrechtlichen Ansatz wählten. Noch vor der Veröffentlichung des Entwurfs forderte beispielsweise der Kölner Rechtsanwalt Emil Schmitz die Anerkennung der Grundsätze der französischen concurrence déloyale im deutschen Recht, insbesondere die Anerkennung eines entsprechenden subjektiven Rechts im wirtschaftlichen Wettbewerb. 136 Er legte dar, daß die französische Rechtsprechung auf der Grundlage der Lehre der concurrence déloyale und des Art. 1382 Code civil in den Fällen unlauteren Wettbewerbs ein subjektives immaterielles Recht des Handel- und Gewerbetreibenden verletzt sehe.137 Als Beispiele nannte er die Störung des Kundenkreises, des geschäftlichen Vertrauens und den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen. Die französische Rechtsprechung sei damit sehr viel großzügiger in der Gewährung eines solchen Anspruchs als deutsche Gerichte, die in solchen Fällen unlauteren Wettbewerbs nur tatsächliche Zustände erblickten und keine Rechtsverletzung. Ausgangspunkt der Begründung eines entsprechenden Rechts in Deutschland war für ihn die Gewerbefreiheit. Wenn diese den einzelnen im Gegensatz zu dem Recht und der Marktorganisation früherer Epochen in seiner Erwerbsfreiheit emanzipiere, so sei damit die freie, individuelle Erwerbstätigkeit als ein „individuelles 135 Alexander-Katz teilte die Fälle unlauteren Wettbewerbs unter Aufgabe seiner bisherigen Erkenntnisse nun in zwei Gruppen. Eine Gruppe umfaßte nur die den Einzelnen schädigenden Konkurrenzhandlungen, die zweite die die Gesamtheit der Mitbewerber schädigenden Handlungen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.285 (4 f.), diese Zweiteilung der unlauteren Wettbewerbshandlungen fand sich auch bei Stieda (wie Fn. 127), 79. 136 Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt vom 18.12.1894, Reichsjustizamt, BArch 3001/2648, Bl. 88. 137 Ebd.

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Recht" konstituiert, woraus folge, daß die „individuell erworbenen Mittel solcher individuellen Erwerbsthätigkeit und die vom Verkehr anerkannten Resultate derselben eben als Privatrechtsgüter" anzusehen seien.138 Für die Marke sei diese Ansicht schon weit verbreitet, dieser stehe jedoch vielfach eine „manchesterlich-abstracte Auffassung des Erwerbslebens" in Deutschland entgegen. Aufgabe des Rechtswissenschaft und der Praxis sei es nun, daraufhin zu wirken, daß das zu erwartende Gesetz, einen Rechtsschutz im Sinne des Art. 1382 Code civil samt seiner Auslegung durch die französische Rechtsprechung enthalte. Schmitz sah folglich in der freien Wettbewerbsbetätigung ein Recht und in der gewerblicher Leistung oder deren Ergebnis private Rechtsgüter. Damit folgte er Bachem, der die Anerkennung eines Rechts des Handel- bzw. Gewerbetreibenden auf Kundschaft forderte 139, der Lehre der concurrence déloyale und dem von ihr anerkannten entsprechenden absoluten Recht. Gegen die Begründung von Schmitz konnten demnach die gleichen Einwände vorgebracht werden, wie gegen die Lehre der concurrence déloyale.140 Diesen Vorbehalten konnte auch die Kritik Adolf Lobes am Entwurf begegnen.141 Diese stellte nach Bachem und Schmitz den dritten Versuch dar, auf der Grundlage der Lehre der concurrence déloyale einen Rechtsschutz in Deutschland zu begründen und ein absolutes Recht als Schutzobjekt zu konstruieren. Im Mittelpunkt seiner Ausführungen stand der Begriff des unlauteren Wettbewerbs, über dessen Definition er das Wesen und den Umfang des erforderlichen Schutzes und somit auch den Rahmen eines Gesetzes ermittelte. 142 Er stand damit am Anfang einer Reihe von Autoren, die den Inhalt des Gesetzes und den Schutzzweck aus einer Definition des unlauteren Wettbewerbs zu entnehmen gedachten.143 Die grundsätzliche Schwierigkeit dieses Vorgehens entstand daraus, daß der Begriff ohne systematische Fundierung aus dem französischen Recht als Sammelbegriff für 138

Ebd. Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., V.,3. 140 Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., I.; V., 1. 141 Lobe (wie Fn. 62). Ein Sonderdruck dieses Aufsatzes befindet sich in der Akte Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.219ff. 142 Lobe, Akte Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.219ff.; Die Handelskammer Braunschweig schlug ebenfalls eine zivilrechtliche Generalklausel neben strafrechtlichen Tatbeständen vor. Auch sie wollte dadurch dem Richter die Möglichkeit eröffnen, auch in Zukunft erst bekannt werdende Fälle unlauteren Wettbewerbs zu untersagen. Darüber hinaus sah sie in der Spezialisierung eine Aufforderung zur leichten Denunziation auch geringfügiger Übertretungen, siehe, Beschlüsse der Handelskammer Braunschweig, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 191. Die Generalklausel lautete, „Wer es unternimmt, das Publikum durch Vorspiegelung falscher Thatsachen zum Kaufen zu verlocken, kann durch einstweilige Verfügungen zur Unterlassung dieser unrichtigen Angaben veranlaßt werden." Man sprach sich insbesondere auch gegen einen Schadensersatzanspruch aus, siehe unten, Teil 2,7. Kap., I.,2., a. 143 Zu den sich hieraus ergebenden Schwierigkeiten vgl. Volker Emmerich, Das Recht des unlauteren Wettbewerbs, München 1990, 3 f. 139

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ganz verschiedene und z.T. sehr komplexe Erscheinungen des Verkehrslebens übernommen wurde: Daher mußte es sich als schwierig erweisen, aus ihm umgekehrt den Inhalt eines Gesetzes abzuleiten. Wettbewerb definierte Lobe allgemein als Mehrheit von Strebenden bei der Einheit des Ziels. Das Streben der Wettbewerber gehe im wirtschaftlichen Wettbewerb auf die Schaffung und Erhaltung von Kundschaft; dazu sei dank der Gewerbefreiheit jeder Wettbewerber berechtigt. Das Ziel sei die Kundschaft selber. Entscheidend für das Funktionieren einer freien Gewerbeverfassung sei, daß die Abnahme der gewerblichen Leistung dem freien Willen der Abnehmer, also der Kundschaft, überlassen werde. Unlauter werde der Wettbewerb um den Kunden bei „Einführung jeder, sei es hindernde, sei es fördernde Bedingungen setzenden, nicht zur Vergleichung stehenden Thätigkeit in den Wettbewerb und der hierdurch hervorgerufenen Veränderung des Wettbewerbs selbst". 144 Zur Vergleichung stehe dabei jede die Freiheit des Willens achtende Bestrebung, die auf Verschaffung und Erhaltung der Kundschaft gerichtet sei, jede sog. Achalandierungshandlung. Jede Tätigkeit, die in den Wettbewerb eingeführt werde, ohne Achalandierungstätigkeit zu sein, mache demnach den Wettbewerb unlauter und verletze den Wettbewerber in einem subjektiven Recht auf freie Ausübung jener Tätigkeit. Lobe konstruierte demnach ein subjektives Recht zu „achalandieren". Die Nähe zur französischen Lehre ist unverkennbar. Auch Bachem hatte die Anerkennung eines Rechts auf Kundschaft gefordert. 145 Hierin offenbarte sich zugleich eine Schwierigkeit dieser Begründungen. Der Nachteil einer solchen Begründung lag darin, daß der Inhalt des Rechts nahezu beliebig war. In der Folgezeit wurde diesen Begründungsversuchen daher kaum noch Beachtung geschenkt. Der Schwerpunkt der Diskussion um ein subjektives Recht als Schutzobjekt des UWG verlagerte sich auf persönlichkeitsrechtliche Ansätze.146 Einen Ansatz auf persönlichkeitsrechtlicher Grundlage und unter Bezugnahme auf die Vorarbeiten Kohlen vertrat der Berliner Rechtsanwalt Julius Rausnitz. 141 Er leitete die Reichweite des Gesetzes aus dem Wesen des durch den unlauteren Wettbewerbs verletzten Rechts ab. Die französische Konstruktion des Rechts der concurrence déloyale, nach der jeder Mensch ein Recht auf freie Concurrenz habe und jeder Eingriff in dieses Recht concurrence déloyale sei, habe Kohler aufgegriffen und mit einer völlig genügenden juristischen Konstruktion für das deutsche Recht versehen. Dieses Privatrecht sah er demgemäß wie Kohler als ein erweitertes Personen144

Lobe, Akte Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.220. Siehe Bachem (wie Teil 1, Fn. 230). 146 Beachte hierzu, daß Paul Bauer, Der unlautere Wettbewerb und seine Behandlung im Recht, München, 1902, Kohlers Theorie der Persönlichkeitsrechte als herrschende Ansicht in der Rechtswissenschaft hinsichtlich des Schutzgutes des UWG bezeichnete, vgl. hierzu auch unten, Teil 3, 10. Kap., I.; II. 147 Julius Rausnitz, Zum Gesetzentwurfe zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs, Berlin 1895. Daß dieses Werk zur Kenntnis des Reichsamts des Innern gelangte, beweist ein Sonderdruck in den Akten, vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 306ff. 145

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recht, ein Individualrecht an, das er bezüglich des Wettbewerbs folgendermaßen umschrieb: 148 „Ebenso wie jedermann ein Privatrecht auf Schutz seiner leiblichen Persönlichkeit, auf Schutz seiner Ehre und seines Namens gegen jedwedem Angriffe Dritter hat, hat er auch ein privates Schutzrecht aller Eigenschaften, auf denen die Geltendmachung seiner Persönlichkeit im geistigen oder Erwerbsleben beruht. Hieraus folgt ohne Weiteres das Verteidigungsrecht gegen alle Angriffe gegen dieses erweiterte Personenrecht, speciell gegen solche Verletzungen, die sich im Erwerbsleben als unlauterer Wettbewerb darstellen."

Das Prinzip sei schon im ALR enthalten gewesen, aber durch die Rechtsprechung nicht genutzt worden. Das neue Gesetz sei nun notwendig, um die Lehre von der concurrence déloyale ein für alle Mal in das deutsche Recht einzuführen. Die genannten Autoren nannten alle den Schutz eines privaten absoluten Rechts des Wettbewerbers als Zweck des UWG, das also den Handel- und Gewerbetreibenden schützen sollte. Der Verbraucher wurde entweder nicht genannt149 oder ausdrücklich aus dem Schutzzweck ausgenommen.150 Wenn dem Verbraucher Vorteile aus dem Gesetz erwüchsen, sei dies nur eine erfreuliche Begleiterscheinung. 151 Die strafrechtlichen Bestimmungen wurden nicht diskutiert. Damit ließ man außer Acht, daß die Regierung den Verbraucher zwar nicht mit einem eigenen Anspruch versehen wollte, seinen Schutz aber ausdrücklich anstrebte, indem das Gesetz den Aspekt der Gemeinschädlichkeit einiger Verhaltensweisen durch die Einführung strafrechtlicher Sanktionen anerkennen wollte und darüber hinaus auch die Rechtsbehelfe der Konkurrenten gegeneinander als mittelbar publikumsschützend ansah. Die Folge war, daß mit der Stärkung der persönlichkeitsrechtlichen Ansätze in der wissenschaftlichen Diskussion um die Erscheinung des unlauteren Wettbewerbs der konsumentenschützende Aspekt des Gesetzes zurückgedrängt wurde. Ein Grund für die Sichtweise der heutigen Literatur hinsichtlich des Schutzzwecks des Gesetzes ist daher auch darin zu sehen, daß sie bei der Darstellungen des Schutzzwecks des UWG von 1896 im wesentlichen auf die Erkenntnisse der genannten Autoren zurückgreift. Die Sicht des Gesetzgebers und der Öffentlichkeit gaben diese Autoren, wie dargelegt, nicht wieder. 152

148

Rausnitz, ebd., hierbei unter direkter Bezugnahme auf Kohler. Vgl. auch Rausnitz (wie Fn. 147) und Schmitz, Kölnische Volkszeitung und Handelsblatt vom 18.12.1894, Reichsjustizamt, Barch 3001/2649, B1.88. 150 Scherer (wie Fn. 34), 228 weist wie Lobe und Kohler daraufhin, daß das Ziel des Kampfes nicht der Schutz des Konsumenten sei. 151 Scherer, ebd. 152 Baumbach/H eferme hl (wie Einleitung, Fn. 5), Einl. UWG, Rz. 41 und Emmerich (wie Teil 1, Fn. 143), zitieren bspw. Lobe. 149

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c) Wettbewerber-

und Verbraucherschutz

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bei Otto Gierke

Otto v. Gierke differenzierte hinsichtlich der Frage des Schutzzwecks zwischen den strafrechtlichen und den zivilrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs. 153 Seine Deutung des UWG kam damit dem Willen des Gesetzgebers am nächsten, da dieser, wie gezeigt, mit dem unterschiedlichen Schutz der einzelnen Fallgruppen auch unterschiedliche Schutzzwecke verfolgen wollte. Er war der Meinung dem öffentlichen Recht komme die Aufgabe zu, zum Wohle der Allgemeinheit die sittlichen Grundlagen des Erwerbslebens zu bewahren; mit Hilfe des Privatrechts werde der Schutz der Gewerbetreibenden untereinander geregelt. In dem Entwurf der Regierung sah er beides verwirklicht. (1) Der Schutzzweck der zivilrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs Im Mittelpunkt des Entwurfs standen für Gierke die zivilrechtlichen Paragraphen. Zur Erläuterung des Schutzzwecks unterschied er zunächst begrifflich zwischen verbotenem und unlauterem Wettbewerb und fügte so den terminologischen Bemühungen um die Erfassung des zu bekämpfenden wettbewerblichen Verhaltens einen weiteren Ansatz hinzu. 154 Unlauterer Wettbewerb sei der Wettbewerb, der im Bereich der Gewerbefreiheit unzulässig sei, verboten sei der Wettbewerb, der die Schranken der Gewerbefreiheit missachte. Gegen den verbotenen Wettbewerb richteten sich vornehmlich die Bestimmungen des öffentlichen Rechts, die die Gewerbefreiheit gerade hinsichtlich der Zulassung und Ausübung beschränkten. Diese Vorschriften des öffentlichen Rechts, wie etwa die Bestimmungen zur Beschränkung des Wandergewerbes zum Schutz des stehenden Gewerbes, dienten gleichzeitig dem Schutz vor Wettbewerbern und gewerbepolizeilichen Zwecken. Daneben werde die Gewerbefreiheit auch durch besondere Privatrechte beschränkt, die das Zurückgehen auf den unlauteren Wettbewerb ersparen, und erlaubten von verbotenem Wettbewerb trennten. 155 Hierzu zählten die ausschließlichen Gewerbeberechtigungen des älteren Rechts genauso wie die modernen gewerblichen Urheberrechte, ζ. B. Erfinderrechte, Gebrauchsund Geschmacksmusterrechte. Die neu entstandenen Gesetze, wie etwa das Patentgesetz, trennten folglich verbotenen von erlaubtem Wettbewerb. Den Begriff der Unlauterkeit für gesetzwidriges Verhalten hielt er in diesem Zusammenhang für unangebracht. Unlauterer Wettbewerb tauche begrifflich nur im Bereich der Gewerbefreiheit auf. Hier sei der Wettbewerb an sich erlaubt und werde erst durch das Hinzutreten besonderer Merkmale unlauter. 156 Dies gelte vor allem, wenn ein Mitbewerber un153 154 155 156

Gierke (wie Fn. 62), 109 ff. Gierke , ebd., 113. Gierke , ebd., 114. Ebd.

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ehrliche Waffen, wie das Herbeiführen einer Verwechslungsgefahr oder das Herabsetzen eines Konkurrenten, zur Hilfe nehme.157 Anders als im Bereich des verbotenen Wettbewerbs dominiere hier das Privatrecht, denn die Gewerbefreiheit habe ein dem einzelnen angeborenes privates Recht auf freie Betätigung anerkannt. Er führte aus: 158 „Die Gewerbefreiheit bedeutet, daß das Recht des Gewerbetreibenden als ein Ausfluss des allgemeinen Rechtes der Persönlichkeit anerkannt ist. Es gilt als ein Bestandteil des Rechtes auf freie Betätigung der eigenen Kraft und ist gleich dem Rechte auf das Leben oder auf die persönliche Freiheit mit der Persönlichkeit selbst gegeben. Als eine dem Einzelnen um seiner selbst willen gebührendes Recht ist es ein Privatrecht; es braucht aber nicht erst erworben zu werden, sondern wird dem Menschen angeboren. Von diesem seinem angeborenen Privatrechte darf Jedermann zu seinem eignen Vorteil Gebrauch machen... Er hat daher das Recht des freien Wettbewerbes mit jedem anderen Gewerbetreibenden."

Ähnlich wie Kohler und Gareis vor ihm stellte auch Gierke die Persönlichkeit des einzelnen in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. 159 Die Persönlichkeit des einzelnen war für ihn der Ausgangspunkt einer Reihe unterschiedlicher privater Rechte, deren Wesen darin begründet liege, daß sie der Person die ausschließliche Herrschaft über einen bestimmten Bestandteil der eigenen Persönlichkeitssphäre gewährleisteten und deren Gegenstände Gierke als Persönlichkeitsgüter bezeichnete. Damit fand die von Kohler eingeschlagene Richtung einen weiteren starken Mitstreiter. Freilich waren Unterschiede zwischen Gierkes und Kohlers Lehre nicht zu übersehen. Während Kohler zweigleisig, nämlich mit einem Individualrecht und einem Immaterialgüterrecht, argumentierte, kannte Gierke nur ein einziges umfassendes Recht, nämlich ein allgemeines Persönlichkeitsrecht, auf das sich Persönlichkeitsgüter „von sehr verschiedenem Range und sehr verschiedener Natur" bezögen. Hierzu zählte er unter anderem Leben, Freiheit, Ehre, Namen, Zeichen sowie „bald die Bedingungen, bald die Erfolge einer besonderen Thätigkeit". 160 Das Persönlichkeitsgut, an dem ein Persönlichkeitsrecht bestand, das durch unlauteren Wettbewerb verletzt werden konnte, begründete er mit der Verbindung der Persönlichkeit des Gewerbetreibenden zu seinem Geschäftsbetrieb. Ein solcher Betrieb sei ein wirtschaftlicher Tätigkeitsbereich mit selbständigem Vermögenswert, der unabhängig von seinem materiellen Wert bestehe. Dieser besondere ökonomische Wert basiere auf „zu ständigen Lebensverhältnissen verfestigten Geschäftsverbindungen", die ihm auch für die Zukunft Kundschaft, Kredit und Bezugsquellen sicherten und damit eine Fortdauer des Betriebes als Erwerbsgrundlage von einiger Dauer gewährleisteten. Die Kraft, solche Verbindungen zu halten und zu erweitern, resultiere aus dem Ruf und dem Vertrauen, den ein Geschäft genieße, und werde 157

Gierke , ebd., 115. Ebd. 159 Gierke , ebd., 115, bezieht sich dabei ausdrücklich auf Kohler: „Ihm gebührt das Verdienst der bahnbrechenden Tat". 160 Ebd. 158

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nach außen durch Namen und Zeichen repräsentiert. Alle diese Güter hätten, so führte Gierke weiter aus, einen gemeinsamen Ursprung in der Persönlichkeit desjenigen, der das Geschäft führe. 161 In dem Maße, in dem sich in einem Betrieb demnach bestimmte Kräfte und Mittel als Folge des Schaffens einer Persönlichkeit manifestierten, handele es sich um Persönlichkeitsgüter, an denen ein ausschließliches Recht bestehe. Gierke bezeichnete dieses Recht als das Persönlichkeitsrecht an der Individualität des Geschäftsbetriebs. In ihm sah er das Schutzobjekt eines Gesetzes zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Dieses Recht könne auf die Erben übergehen und auch sonst durch Rechtsgeschäft übertragen werden. Es gebe dem Berechtigten einen Unterlassungsanspruch gegen fremde Eingriffe, der unabhängig von Gut- oder Bösgläubigkeit des Verletzers zu gewähren sei. Bei Arglist habe der Berechtigte einen Schadensersatzanspruch. Durch die Bestimmungen des WZG und HGB sah Gierke schon für manche der Persönlichkeitsgüter selbständige Persönlichkeitsrechte als absolute private Rechte anerkannt. Der Schutz vor unlauterem Wettbewerb sei zwar formell nicht der ausschlaggebende Gesichtspunkt dieser Regelungen, aber dessen Bekämpfung sei eine ihrer entscheidenden Funktionen.162 Im Regierungsentwurf erkannte er unschwer im Herabsetzen des Konkurrenten und im Kennzeichenmißbrauch einen Eingriff in eine fremde Persönlichkeitssphäre. Bezüglich des Schutzes der Kennzeichen vor einem zweideutigen Gebrauch stelle der Entwurf eine dringende Ergänzung von HGB und WZG dar. 163 Schwerer fiel ihm dies beim Reklameschwindel und beim Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen. Die Schwierigkeit hinsichtlich des Reklameschwindels ergab sich für Gierke daraus, daß durch die Anmaßung nicht vorhandener Vorzüge nicht ein konkreter Bestandteil einer fremden Persönlichkeitssphäre verletzt werde, sondern eher alle Mitbewerber. Hier schuf er eine Hilfskonstruktion, indem er feststellte, daß der Reklameschwindel sich am gewerblichen Gemeingut vergreife und „hierdurch zugleich an allen gewerblichen Sondersphären". 164 Ein Persönlichkeitsrecht an Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen erkannte Gierke nicht an. Ein solcher Schutz müsse dann umfassend auch gegen Dritte und ohne zeitliche Begrenzung gelten. Das sah er nicht als gerechtfertigt an. Wer sich zur Geheimhaltung entschließe, trage die Gefahr grundsätzlich selbst. Der Schutz von Patenten, Geschmacks- und Gebrauchsmustern sei in dieser Hinsicht abschließend. Wer einen solchen Schutz erwerben wolle, müsse sich zur Anmeldung entschließen. Den Grund für den Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen im Entwurf zum UWG sah Gierke im Vertragsrecht: Das durch den Vertrag begründete Vertrauen solle nicht gebrochen werden. 165 Hier griff Gierke s Konstruktion nicht; doch nahm er dies bewußt in Kauf. Er empfand es als Stärke seiner Lehre, daß sie eine 161 162 163 164 165

Gierke, ebd., 116. Ebd. Gierke, ebd., 117. Gierke, ebd., 119. Ebd.

188

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scharfe Trennung dessen erlaube, was unlauterer Wettbewerb sei und was nicht. Solange durch eine wettbewerbliche Handlung kein Persönlichkeitsgut eines Wettbewerbers verletzt werde, könne sie auch nicht per se verboten werden. Vor allem wies er in diesem Zusammenhang auf die Unbeachtlichkeit sittlicher Wertungen hin. Solche seien zur Abgrenzung irrelevant. 166 (2) Der Schutzzweck der strafrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs Daneben hielt Gierke aber auch die strafrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs für unverzichtbar und erteilte den Befürwortern eines rein straf- oder zivilrechtlichen Vorgehens eine Absage. Die strafrechtlichen Bestimmungen verfolgten einen eigenen Schutzzweck. Ihre Rechtfertigung liege in der Notwendigkeit, der Gefährdung des öffentlichen Wohls durch Untergrabung der Verkehrsredlichkeit durch täuschendes Verhalten im Erwerbsleben entgegenzuwirken. Schutzobjekt seien Treu und Glauben im Verkehr. 167 Der strafrechtliche Schutz diene in erster Linie dem Schutz des Publikums; die Unterscheidung zwischen straf- und zivilrechtlichen Normen in dem Entwurf weise auf die kombinierte Schutzrichtung des Gesetzes hin: Persönlichkeitsschutz des Wettbewerbers auf der einen, Publikumsschutz auf der anderen Seite.168 Gierke unterstrich in der Folge mehrfach diesen publikumsschützenden Aspekt des Gesetzes, den er zwar begrifflich nicht in der Bezeichnung des Gesetzes wiederfand und den er auch dem Schutz des Gewerbetreibenden nachordnete, der für ihn aber das zweite wesentliche Element des Entwurfs war. 169 Damit entsprach seine Sichtweise derjenigen der verantwortlichen Regierungsstellen. Der Entwurf der Regierung erhielt durch Gierke s Ausführungen eine präzise, rechtswissenschaftlich fundierte Begründung, die dem Regierungsvorgehen einen systematischen Rahmen gab. Durch die Trennung von verbotenem und unlauterem Wettbewerb gelang es ihm, sowohl den unterschiedlichen Standort der bisherigen Gesetze zum Schutz gewerblichen Schaffens aufzuzeigen als auch die Funktion des Regierungsentwurfs. Gierke stärkte mit seinen Ausführungen zudem die schon von Gareis und Kohler vertretene Auffassung, den Schutz gewerblicher Leistung auf Rechte zu stützen, die auf der Persönlichkeit des einzelnen beruhten. Daneben gab er dem Schutz des Publikums durch das UWG eine überzeugende Begründung. 3. Die Beratung des Schutzzwecks in Bundesrat und Reichstag Die Literatur, die auch den Verbraucherschutz als Schutzzweck des Gesetzes problematisierte, blieb nicht ohne Wirkung auf den weiteren Kodifikationsprozeß. 166 167 168 169

Gierke , ebd., 116. Gierke , ebd., 113. Gierke , ebd., 112,120. Gierke, ebd., 113.

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Zwar behielt Hauss im Gefolge der öffentlichen Kritik die beschriebene grundsätzliche Ausrichtung auch nach Umarbeitung des Entwurfs bei. Wie von Gierke analysiert, war und blieb der Schutz des Handel- und Gewerbetreibenden der zentrale Zweck eines UWG; der Schutz des Verbrauchers stand daneben und sollte durch das BGB vervollständigt werden. Veränderungen ergaben sich jedoch insofern, als im Zuge der Bundesratsberatungen die strafrechtliche Verfolgung der irreführenden Werbung als Antragsdelikt ausgestaltet wurde. 170 Der konkurrentenschützende Aspekt wurde durch diese Maßnahme gestärkt. Die aus den Bundesratsberatungen hervorgehende Reichstagsvorlage brachte die Entwicklung des Schutzzwecks schließlich zu einem vorläufigen Abschluß, indem sie ausführte: „Der Schutz des konsumierenden Publikums gegen Übervorteilungen ist nicht der unmittelbare Zweck eines gegen den unlauteren Wettbewerb gerichteten Gesetzes, wenngleich Massregeln, die in den gegenseitigen Beziehungen der Gewerbetreibenden Treu und Glauben zu befestigen bestimmt sind, mittelbar auch dem Interesse ihrer Abnehmer entgegen kommen werden."

Mit dieser Formulierung war die Rangfolge der Schutzsubjekte bestätigt. Dadurch wurde jedoch die Position des Verbrauchers, der nach Ansicht vieler Zeitgenossen eine gleichberechtigte Rolle bei der Frage der Schädigung durch unlauteres Verhalten spielte, an den Rand gerückt. Die genannten strafrechtlichen Bestimmungen hielten sich jedoch aufgrund der Überzeugung von Hauss, daß das Strafrecht auch zum Schutz des Verbrauchers unerläßlich sei. Wie gezeigt stand vor allem bei der Bestimmung gegen Quantitätsverschleierungen der Verbraucherschutz gleichberechtigt neben dem Wettbewerberschutz. Bei den übrigen Bestimmungen hatte sich die genannte Rangfolge durchgesetzt. Gleichzeitig unterschied Hauss bei der Nennung des Schutzzwecks nicht zwischen straf- und zivilrechtlichen Bestimmungen, so daß daher auch den zivilrechtlichen Bestimmungen der Wille der Regierung zugrunde lag, den Verbraucher zumindest mittelbar zu schützen. Dies mußte für den Unterlassungsanspruch gelten, da die Schadensersatzrechtsfolge in erster Linie dem Geschädigten half. Die Unterlassungsverpflichtung sollte demgemäß in der Regel zugleich eine drittschützende Wirkung haben. Die Ausrichtung des Entwurfs erfuhr im Hinblick auf den Schutzzweck in den folgenden Verhandlungen im Parlament und in der Reichstagskommission keine Veränderung mehr. Zwar wurde im Reichstag die verbraucherschützende Wirkung des Gesetzes betont und auch erneut eine eigene Anspruchsgrundlage zugunsten des Verbrauchers gefordert. Der Abgeordnete Czarlinski etwa war der Ansicht, daß Verbraucher und Wettbewerber durch das Gesetz gleichermaßen geschützt seien.171 170 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache, Nr. 35, 27. 171 Abg. Czarlinski, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 108 ff., 116.

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Der Abgeordnete Vielhaben forderte einen Anspruch für das geschädigte Publikum. 172 Diese Stimmen blieben aber ebenso Ausnahmen wie die Abgeordneten, die betonten, das Gesetz schütze nur den Konkurrenten. 173 Des weiteren wurde im Reichstag allgemein die Ansicht vertreten, daß die Vorschrift gegen Quantitätsverschleierungen vor allem verbraucherschützende Wirkung entfalten solle. So führte der Berichterstatter der Reichstagskommission, Meyer (Halle), aus, daß vor allem der unbedarfte Konsument durch zahlreiche, selten festzustellende Quantitätsverschleierungen benachteiligt werde. Durch eine Verordnung, die bestimmte Mengenangaben vorschreibe, werde dieser geschützt.174 Bis zur Verabschiedung des Gesetzes änderte sich also das Verständnis des Schutzzweckes nicht mehr. Das UWG sollte also in erster Linie den Zweck verfolgen, den Wettbewerber zu schützen. Zivil- und strafrechtliche Bestimmungen sollten aber auch dem Schutz von Verbraucher und Allgemeinheit dienen. Darüber hinaus zeigt die Entstehungsgeschichte des Gesetzes, daß entsprechend dem gesetzgeberischen Willen eine differenzierte Betrachtung des Schutzzwecks hinsichtlich der Vorschriften gegen Reklameschwindel, Quantitätsverschleierungen und Kennzeichenmißbrauch geboten ist. Der Schutz gegen Quantitätsverschleierungen bezweckte entgegen den insoweit mißverständlichen Ausführungen in der Begründung zur Reichstagsvorlage den gleichberechtigten Schutz von Verbraucher und Wettbewerber. Der Schutz gegen Reklameschwindel verfolgte zunächst dasselbe Ziel; während der Bundesratsberatungen erfolgte eine Umgestaltung der Bestimmungen zu einem lediglich mittelbaren Schutz des Verbrauchers. Der Kennzeichenschutz wurde schon in den Sachverständigenberatungen ausschließlich auf den Schutz des Wettbewerbers hin ausgestaltet. Diese Zweckrichtung behielt man bei.

IV. Zusammenfassung 1. Die Notwendigkeit eines Schutzes gegen unlauteren Wettbewerb wurde, trotz der Ankündigung eines Spezialgesetzes, weiterhin diskutiert. Die Regierung lieferte eine ausführliche Begründung. Drei Gründe stehen insofern im Vordergrund. An erster Stelle wies die Regierung darauf hin, daß sich infolge von Gewerbefreiheit und Industrialisierung die Wettbewerbsaktivitäten verstärkt hätten und dies vermehrt zu unlauteren Verhaltensweisen geführt habe, deren Bekämpfung das UWG nun dienen solle. Handels- und Gewerbekreise und Wissenschaftler wie Gierke und Kohler teilten diese Auffassung. 172

Abg. Vielhaben, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,

132. 173 Meyer (Halle), Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1720f./Schmidt (Elberfeldt), Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 124. 174 Meyer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9.Leg., 4. Sess. 1895/96, 1720f.

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Zweitens wurde als Grund genannt, daß ein sich wandelndes Unlauterkeitsbewußtsein ein verändertes Rechtsschutzbedürfnis in einer sich industrialisierenden Wirtschaft bewirkte. Schon von Zeitgenossen wurde erkannt, daß Handel- und Gewerbetreibende nun Forderungen nach Rechtsschutzerweiterung stellten, wenn diese ihrer Besitzstandswahrung dienten. In den Jahrzehnten zuvor hätten strenge Regeln einen raschen Aufstieg des Einzelnen nur erschwert. Das Gesetz erscheint so als Folge von Forderungen mit protektionistischen Ansätzen. Der dritte Grund der Entstehung des UWG liegt darin, daß vor allem die Mehrheit des Parlaments, aber auch die Regierung Interessenpolitik zugunsten ihrer Wählerschaft machen wollte. So wurde regelmäßig betont, daß der kleine Gewerbetreibende bzw. die mittleren Schichten in besondere Weise zu schützen seien. Politik zugunsten des Mittelstandes, hier verstanden als die offensichtlich kaum vermögenden und wenig flexiblen, seßhaften kleineren Handel- und Gewerbetreibenden war somit ein weiteres Motiv für die Inangriffnahme der Gesetzgebungsarbeiten. Zur Begründung der Schaffung eines Gesetzes führte die Regierung zwei Argumente an. Zum einen fehlte aus ihrer Sicht ein ausreichender Schutz gegen die allgemein als unlauter bezeichneten Verhaltensweisen. Man empfand die bestehende Rechtsordnung in dieser Hinsicht als unzureichend und wollte die erkannten Lücken mithilfe dieses neuen Gesetzes füllen. Zum anderen nannte die Regierung als Alternative zu einem solchen Gesetz den französischen Weg der Lehre der concurrence déloyale. Die in Deutschland bestehenden zivilrechtlichen Generalklauseln böten aber keinen vergleichbaren Schutz. Daher sei ein gesetzgeberisches Einschreiten notwendig. Gierke , der sich mit diesen Gründen auseinandersetzte, wiederholte in diesem Zusammenhang die Kritik Kohlen an der deutschen Rechtsprechung, die nicht imstande gewesen sei, einen vergleichbaren Schutz zu entwickeln. Deutlich wird als Grund demnach: man war der Ansicht, daß ein ausreichender Schutz fehlte und unter den gegebenen Umständen in Deutschland auf der Grundlage der bestehendem Rechtsordnung die Entwicklung eines Schutzes nicht zu erwarten sei. Zwangsläufig wurde der Erlass eines neuen Gesetzes in Angriff genommen, um einen Weg aus dieser „Sackgasse" zu finden. Gierke wies zudem darauf hin, daß die aus seiner Sicht notwendigen Strafbestimmungen zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs zwingend einer eigenen gesetzlichen Grundlage bedürften. Ursächlich für den Erlass eines Spezialgesetzes im Gegensatz zu einer systematisch näherliegenden und anfangs auch ausschließlich diskutierten Erweiterung bestehender Gesetze war zunächst zum einen das im Reichstag gegebene Versprechen, ein eigenes Gesetz zu schaffen. Vor allem aber überzeugt ein weiteres Argument der Regierung: Da man ein völlig neues Gesetz schuf und die Adressaten in der Regel rechtsunkundige Handel- und Gewerbetreibende waren, die das neue Gesetz zu verunsichern geeignet sei, wollte man einen übersichtlichen Katalog der verbotenen Verhaltensweisen schaffen. Dieser sollte die Grenze zwischen unlauterem und lauterem Verhalten klar aufzeigen.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

3. Das UWG von 1896 bezweckt unmittelbar den Schutz des Wettbewerbers und mittelbar den Schutz des Verbrauchers. Während der Kodifikationsarbeiten ist dabei eine Verschiebung der Gewichtung des Schutzzwecks von einem gleichberechtigten Schutz des Wettbewerbers und des Verbrauchers zur besonderen Betonung des Wettbewerberschutzes festzustellen. Neben dieser grundsätzlichen Erkenntnis bleibt festzuhalten, daß die einzelnen Bestimmungen den beiden Zwecken in jeweils unterschiedlichem Maße dienten. Das Verbot der Quantitätsverschleierung beispielsweise hatte in erster Linie den Schutz des Verbrauchers, der Kennzeichenschutz den des Wettbewerbers im Auge. Wünsche nach einer Ausweitung des Schutzes des Verbrauchers wurden mit dem Argument abgelehnt, daß das BGB eine solche Bestimmung enthalten werde. Zweck des UWG sei es, bestehende Lücken zu füllen, und nicht, anderen Gesetzen vorzugreifen. Damit bestätigt sich, daß UWG und BGB für den Gesetzgeber Teile eines Gesamtkonzeptes von Wettbewerber- und Verbraucherschutz vor unlauterem Wettbewerb waren. Die Öffentlichkeit sah ein Gesetz allgemein aus Gründen des Redlichkeitsschutzes als gerechtfertigt an und bezog den Verbraucher dabei regelmäßig mit ein. In der rechtswissenschaftlichen Diskussion dominierten während der Kodifikationsarbeiten Versuche, den zivilrechtlichen Schutz des Wettbewerbers zu begründen und dadurch zu stärken. Ein absolutes Recht des Wettbewerbers wurde dabei entweder als ein dem französischen Recht auf Kundschaft entsprechendes Recht oder im Anschluß an Kohler als Persönlichkeitsrecht aufgefaßt, ohne daß eine dieser Ansichten überwogen hätte. Eine vollständige, rechtssystematisch fundierte Einordnung des Gesetzentwurfes gelang in dieser Zeit allein Otto v. Gierke. Die zivilrechtlichen Bestimmungen dienten seiner Ansicht nach dem Schutz der Persönlichkeit des Wettbewerbers, die strafrechtlichen dem Schutz von Treu und Glauben im Verkehr. Seine Ausführungen konnten das Regierungsvorgehen demnach rechtssystematisch begründen und stärkten zugleich die Vertreter eines persönlichkeitsrechtlichen Ansatzes. 7. Kapitel

Grundfragen des Kodifikationsprozesses: Die Ausgestaltung des Schutzes Die Diskussion um die Ausgestaltung des Gesetzes im einzelnen nahm den breitesten Raum während der Gesetzgebungsarbeiten ein. Behandelt wurden hier einerseits grundsätzliche Entscheidungen, etwa ob das UWG einen generellen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb schaffen solle oder ob ein punktueller Schutz ausreiche (I.). Hinsichtlich des punktuellen Schutzes war der Kreis der regelungsbedürftigen Verhaltensweisen strittig. Von grundsätzlicher Bedeutung war desgleichen die Frage, ob eine Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs durch strafrechtliche oder durch zivilrechtliche Bestimmungen zu erfolgen habe (II.). Andererseits wurde die kon-

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

193

175

krete Formulierung der Paragraphen ausführlich erörtert. Die Vorläufigen Vorschläge hatten zwar schon wesentliche Vorentscheidungen getroffen und die Diskussionsgrundlage geschaffen. Die grundsätzlichen Fragen wurden aber noch bis zum Ende der Gesetzgebungsarbeiten kontrovers beraten. Charakteristisch für die endgültige Fassung des UWG von 1896 ist, daß die Endfassung in der Regel ein Kompromiß zwischen den jeweiligen konträren Standpunkten darstellte.

I. Punktueller oder genereller Schutz gegen unlauteren Wettbewerb Ein Schwerpunkt der Auseinandersetzungen während der Gesetzgebungsarbeiten zum UWG von 1896, wie im übrigen auch 1909, war die Frage, ob das Gesetz mithilfe von Einzelfallbestimmungen einen punktuellen Schutz gegen unlauteren Wettbewerb gewähren oder ob eine generalklauselartige, zivilrechtliche Vorschrift formuliert werden sollte. 176 Bekanntlich enthielt erst das UWG von 1909 in § 1 die heute noch gültige zivilrechtliche Generalklausel. 177 1896 konnte sich der Gesetzgeber nur zur Einführung der sog. „kleinen" Generalklausel entschließen: § 1 diente hier mittels einer allgemein gehaltenen Vorschrift der Bekämpfung der irreführenden Werbung. 1. Die Diskussion bis zur Veröffentlichung des ersten Entwurfes a) Einzelfallbestimmungen

in den Vorläufigen

Vorschlägen

Die Vorläufigen Vorschläge von Hauss hatten sich zunächst für ein punktuelles Vorgehen entschieden, ohne eine allgemein gehaltene Vorschrift. 178 Der Grund für diese Entscheidung bzw. für die Auswahl der konkreten Fallgruppen findet sich in den aus dem Vorentwurf hervorgehenden Grundzügen, denen Hauss zur Vorbereitung der Sachverständigenkommission einige Bemerkungen beifügte. 179 Aufgabe des Gesetzes sei es, so Hauss, vor allem, „allgemeine Grundsätze für den Wettbewerb in Handel und Gewerbe festzustellen". 180 Darüber hinausgehende Mißstände, die sich nur regional oder nur in einzelnen Gewerbebetrieben gezeigt hätten, könnten daher nur insoweit berücksichtigt werden, „als die zur Abhülfe dienlichen Mass175

Siehe hierzu das 8. Kap. Vgl. auch Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 272f., 275ff.; Greiner (wie Teil 1, Fn. 248), 93 ff.; Volleth (wie Teil 1, Fn. 164), 57. 177 § 1 des UWG: „Wer im geschäftlichen Verkehre zu Zwecken des Wettbewerbes Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden". 178 Vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7863, B1.42ff. 179 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7863, B1.285. 180 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7863, ebd. 176

13 von Stechow

1 9 4 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

regeln sich zur allgemeinen Anwendung eignen". 181 Man strebe Unmögliches an, wenn man jeden Verstoß gegen die gute Sitten im Wirtschaftsleben mithilfe einer gesetzlichen Bestimmung verhindern wolle. Des weiteren solle das angestrebte Sondergesetz nicht in Gebiete übergreifen, die durch allgemeine Reichsgesetze wie das ADHGB, die Gewerbeordnung oder die Konkursordnung geregelt oder die landesrechtlich nach unterschiedliche Grundsätzen ausgestaltet seien. Nicht verboten werden sollten Verhaltensweisen, die den Konkurrenten nur lästig und nachtheilig erschienen, ohne jedoch gegen die guten Sitten zu verstoßen. 182 Deutlich wurde demgemäß in der Begründung des Entwurfs, daß das UWG den Zweck erfüllen sollte, „Spielregeln" des Verhaltens im wirtschaftlichen Wettbewerb zu normieren. Es war nicht das Ziel, ein umfassendes Verbot unlauteren Wettbewerbs auszusprechen. Vielmehr bot sich aus Sicht von Hauss nur ein Vorgehen mithilfe von Einzelfallbestimmungen an. Für diesen Weg sprach des weiteren, daß man durch einen punktuellen Schutz meinte, einen Übergriff in die Regelungsmaterie anderer Gesetze ausschließen zu können. Das Gesetz sollte lediglich eine ergänzende Funktion haben, indem es Lücken füllte. 183 Zudem wollte man unlauteren Wettbewerb nicht mit bloß unbequemem verwechseln. Dies glaubte man durch ein einerseits klar definiertes und andererseits zurückhaltendes Vorgehen besser erreichen zu können. Deutlich tritt hier zu Tage, daß der Gesetzgeber ein solches Gesetz als Einschränkung der Gewerbefreiheit begriff. Die früher geäußerte alternative Sichtweise, daß ein solches Gesetz die ungehinderte Ausübung der Gewerbefreiheit erst gewährleiste, zeigt sich nicht mehr. 184 Insgesamt war das Vorgehen der Regierung oftmals von Unsicherheit geprägt, da man ein neues Rechtsgebiet betrat, welches den wirtschaftlichen Alltag beeinflussen sollte, den Richter mit einer zusätzlichen, für ihn ebenfalls neuen Aufgabe bedachte und welches offensichtlich politischen Zündstoff barg. Man wollte hier auf keinen Fall Fehler begehen und war daher geneigt, vorsichtig vorzugehen. Die Frage, ob ein punktueller oder ein genereller Schutz ratsam sei, stand also in engem Zusammenhang mit dem Verständnis des Gesetzgebers von der Funktion des ersten UWG insgesamt. Ein weiterer Vorbehalt gegenüber einer Generalklausel ergab sich daraus, daß ein generelles Verbot des unlauteren Wettbewerbs nur mittels einer allgemein gehaltenen Vorschrift geschaffen werden konnte. Ein solches Vorgehen wurde daher zudem wegen der Unbestimmtheit einer solchen gesetzlichen Bestimmung abgelehnt. Die Ablehnung einer solchen Generalklausel nach französischem Muster begründete Hauss in seinem Kommentar. Klar gefaßte Tatbestände könnten eher Rechtssicher181

Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7863, ebd. Ebd. 183 Siehe oben, Teil l,Fn. 114. 184 Vgl. zu dieser Idee im Wettbewerbsrecht, Jacobs/Lindacher/Teplitzky Fn. 2), Einl. UWG Rz. Β 17. 182

(wie Einleitung,

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

195

heit garantieren als ein Verbot auf der Grundlage des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs. Hauss führte aus: 185 „Ein allgemeines Verbot unlauteren Thuns ist, wie für die sonstigen menschlichen Beziehungen, so auch für das Gebiet des geschäftlichen Wettbewerbs nicht möglich und nicht durchführbar; es würde entweder überhaupt nicht zur Anwendung gelangen, oder, wenn angewendet, bei der Dehnbarkeit und Unbestimmbarkeit des Begriffs und bei der Verschiedenheit der Auffassungen über das, was als erlaubt und was als unerlaubt zu gelten hat, eine bedenkliche Rechtsunsicherheit zur Folge haben."

Frankreich könne insofern für Deutschland kein Vorbild sein. Grund sei, daß es in Frankreich einer fast hundertjährigen Rechtsentwicklung bedurft habe, bis sich den Gerichten und den Betroffenen geläufige Grundsätze herausgebildet hätten. Die Verhältnisse des deutschen Verkehrslebens bedürften jedoch einer raschen Abhilfe, die unbeeinflußt von Schwankungen in der juristischen Auslegung des Begriffs Unlauterkeit sei. Die Scheidelinie zwischen Erlaubtem und Unerlaubtem müsse im Gesetz im dringenden Interesse der Rechtssicherheit klar festgelegt werden. Hauss befürchtete demnach vor allem aus zwei Gründen Rechtsunsicherheit. Zum einen glaubte er, dem Handel- bzw. Gewerbetreibenden sei nicht von vorneherein klar, welche Verhaltensweisen erlaubt oder unerlaubt seien. Eine Verunsicherung dieses Standes wollte Hauss unbedingt vermeiden. Zum anderen deutete Hauss mit dem Hinweis auf die jahrzehntelange Tradition Frankreichs in der Auslegung eines unbestimmten Begriffs Zweifel an, daß die Rechtsprechung in Deutschland umgehend einen vergleichbaren Zustand wie in Frankreich schaffen könne. Erstens sprach also die Möglichkeit, umgehend den gewünschten Schutz zu erreichen, für ein punktuelles Vorgehen. Eine Phase der Unsicherheit, in der sich die Rechtsprechung an eine einheitliche und gefestigte Auslegung erst gewöhnen mußte, wollte man durch klare Vorgaben vermeiden. Zweitens zeigt sich die Sichtweise Kohlers, Gierke s und zahlreicher gewerblicher Interessenverbände, die der Rechtsprechung Versagen im Kampf gegen die nachteiligen Folgen der Gewerbefreiheit vorgeworfen hatten, in abgeschwächter Form auch in den Darlegungen der Regierung. Es bestand demnach auch außerhalb gewerblicher Kreise und der Rechtswissenschaft verbreitet die Ansicht, daß die Rechtsprechung bei der Beurteilung wirtschaftlicher Zusammenhänge ein Verständnis offenbarte, das dem lauteren Erwerbsleben keinen ausreichenden Schutz bot. Der Vorwurf, daß der deutschen Rechtsprechung durchaus bereits Generalklauseln zur Verfügung standen, ohne daß sich eine „Rechtsgewohnheit über die Grenzen des vom Standpunkte der geschäftlichen Moral Zulässigen herausgebildet" habe, diente also zur Begründung des punktuellen Schutzes.186 Das Gesetz sollte also nur zurückhaltend in den Wettbewerb eingreifen. Hauss führte aus, daß es zur Zeit nur darauf ankommen könne, „bestimmte nach den bis185 186

1*

Hauss (wie Teil 1, Fn. 28), 26. Hauss, ebd.; siehe oben, Teil 1, 2. Kap., II.,6.,b).

der

196

Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

herigen Erfahrungen besonders nachtheilige Mißbräuche zu verhindern". 187 Besonders die Einschränkung, daß zum jetzigen Zeitpunkt der Rechtsschutz auf die schwerwiegendsten Fälle unlauteren Wettbewerbs begrenzt werden müsse, gibt zu erkennen, daß dem Gesetzgeber durchaus bewußt war, daß das Gesetz aufgrund seiner Unvollkommenheit nur ein erster Schritt sein konnte. Die Nachteile eines solchen Vorgehens sah Hauss durchaus, doch eine Abwägung der Vor- und Nachteile fiel für ihn deutlich zugunsten der Einzelfallregelung aus: 188 „Allerdings ist bei dem System der Spezialisierung eine völlig erschöpfende Aufzählung aller Fälle, welche sich als Bethätigungen eines unlauteren Geschäftsgebarens darstellen können, nicht möglich; und es magrichtigsein, wenn die Gegner des Systems behaupten, daß die Unredlichkeit für ihre Zwecke hier und da einen Schleichweg ausfindig machen wird, der die Grenzen des Gesetzes nicht berührt und deshalb der Verfolgung entzogen bleibt. Der hierin liegende Nachtheil tritt aber weit zurück gegen den Vorzug größerer Rechtssicherheit."

Der Gesetzgeber traf seine Entscheidung demnach nach Abwägung der Vor- und Nachteile eines punktuellen Schutzes. Dem Gedanken der Rechtssicherheit kam dabei besondere Bedeutung zu, neben der Vorstellung, rasch Abhilfe schaffen zu können. b) Die Reaktion der Sachverständigen Dieses Konzept des ersten Entwurfes mußte zwangsläufig auf die Kritik derjenigen stoßen, die an den Erfolg einer Übertragung des französischen Vorgehens auf Deutschland glaubten bzw. mit einem UWG den Gedanken einer umfassenden Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs in Verbindung brachten. Während die Vertreter der Reichsämter und der preußischen Ministerien das Vorgehen mittels Einzelfallbestimmungen in der Besprechung der Grundzüge zunächst nicht erörterten 189 , wurde die Frage in den Sachverständigenberatungen behandelt.190 Alexander-Katz hatte angesichts des Willens der Regierung, ein Spezialgesetz zu erlassen, seine Vorschläge überarbeitet, die auf eine Ergänzung der bestehenden Gesetze abzielten. Sein neuer Vorschlag, den er als Teilnehmer der Sachverständigenberatungen unterbreitete, sah nun ein zweigleisiges Vorgehen mittels einer zivilrechtlichen Generalklausel und ergänzender strafrechtlicher Einzelfallbestimmungen vor. Als Wortlaut für eine solche Generalklausel regte er dabei einen von dem 187 So Hauss in der Vorbereitung der Denkschrift zum 1. Entwurf, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 167. 188 Hauss, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 167. 189 Vgl. die Protokolle der Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, 167 ff. 190 Vgl. Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.49ff.

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

197

Kölner Rechtsanwalt Schmidt in der Kölnischen Volkszeitung unterbreiteten Vorschlag an: 191 „Wer einen anderen durch unlauteren Wettbewerb schädigt, ist demselben zum Ersätze allen Schadens und entgangenen Gewinns verpflichtet."

Alexander-Katz schlug demnach eine auf den wirtschaftlichen Wettbewerb ausgerichtete, zivilrechtliche Generalklausel vor. Mit dem parallel dazu vorgesehenen strafrechtlichen Schutz durch Einzelfallbestimmungen stellte dieser Vorschlag einen Mittelweg zwischen dem Regierungsvorgehen und den Vorschlägen von Köhler, Schmitz und Bachem dar. Deren Versuch, den unlauteren Wettbewerb allein über eine Generalklausel zu bekämpfen, stieß in der Sachverständigenkommission nicht nur bei den Vertretern der Regierung auf Widerstand. Namentlich Hammacher stützte seinen Widerwillen gegen eine Generalklausel auf eine deutliche Kritik an der französischen Rechtsprechung und auf die mangelnden Fähigkeiten der deutschen Richter, die Bedürfnisse der Wettbewerber richtig zu deuten. Die Rechtsprechung Frankreichs zu Art. 1382 Code civil habe, so Hammacher, „so segensreich sie sonst gewirkt habe, doch auch höchst ungerechte Rechtssprüche hervorgerufen". 192 In Deutschland hielt er die Gefahr ungerechter Urteile für noch größer, da dem deutschen Richter die Fähigkeit des französischen Richters fehle, juristisches Wissen mit dem Verständnis für die Belange des wirtschaftlichen und geschäftlichen Lebens zu verbinden. Gegen eine Generalklausel sprach demnach aus seiner Sicht nicht nur die Furcht vor einer zu langsamen Verwirklichung eines dem französischen Recht vergleichbaren Schutzes, sondern auch die bewußte Ablehnung der Lehre der concurrence déloyale. Dieser Auffassung schloß sich Hauss an, für den, wie erwähnt, die aus der Unbestimmtheit des Begriffs resultierende Gefahr der Rechtsunsicherheit besonders groß war. Die Mehrheit der Sachverständigen lehnte in der Folge die Aufnahme einer Generalklausel ab und stützte damit das Regierungskonzept. Insbesondere im Rahmen der Diskussion um die Bestimmung gegen irreführende Werbung unterbreiteten die Befürworter einer Generalklausel verschiedene Vorschläge, die die Reichweite des Gesetzes erweitern sollten.193 Steegemann schlug unter anderem vor, der Aufzählung der Fälle irreführender Werbung die Worte und durch sonstige unlautere Machenschaften anzufügen. Alexander-Katz wollte an gleicher Stelle „oder durch Erregung und Benutzung von Irrthümern sowie durch Unterdrückung wahrer Thatsachen" ergänzen. 194 Beide Vorschläge forderten somit schon zu diesem Zeitpunkt die Einführung unbestimmter Begriffe, die den Anwendungsbereich hätten erweitern können. Auch hier setzte sich jedoch die von Hauss vehement vertretene Ansicht durch, daß die Tatbestände klar umrissen bleiben müssten. 191 192 193 194

Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Protokolle der Sachverstândigen-Enquête,

ebd., Bl. 50. ebd., B1.50. ebd., B1.52ff. ebd., Bl. 54.

198

Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Die Beratungen konnten demgemäß nicht zu einem Wandel der Regierungsansicht führen. Die Mehrheit stimmte mit ihrem Konzept eines punktuellen Schutzes überein. 2. Die Reaktion der Öffentlichkeit Die Tendenz, vor allem die Eignung einer Generalklausel nach französischem Muster zu erörtern, zeigt sich auch in der Diskussion im Anschluß an die Veröffentlichung des ersten Entwurfs. Für die Einführung einer Generalklausel votierten diejenigen Stimmen, denen es in erster Linie um eine umfassende Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs im Erwerbsleben ging (a.). Dazu kamen die Vertreter der Ansicht, daß ein absolutes Recht des Wettbewerbers zu schützen sei. (b.) Die meisten Autoren problematisierten den Entschluß eines punktuellen Vorgehens nicht oder billigten ihn ausdrücklich (c.). a) Generelles Verbot unlauteren Wettbewerbs Verschiedene Stellungnahmen forderten ein Verbot unlauteren Wettbewerbs durch eine Generalklausel. 195 Der „Verein zur Förderung des Gewerbefleisses" schlug beispielsweise eine Generalklausel nach bekanntem Muster vor, der neben den zu erwartenden Vorschriften des BGB vor allem die Aufgabe zukommen solle, den Rechtsbegriff des unlauteren Wettbewerb in die deutsche Rechtssprache einzuführen. 196 Der Begriff sollte dabei nicht definiert werden, sondern der Auslegung durch die Rechtsprechung vorbehalten bleiben, die nach dem jeweiligen Einzelfall entscheiden solle, ob „eine Handlungsweise als eine wider die anständige kaufmän195

Verein Mercur, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.443f., der sich aber dem Vorschlag von Alexander-Katz anschloss, neben einer Generalklausel strafrechtliche Einzelfallbestimmungen zu normieren; vgl. auch Alexander-Katz (wie Teil 1, Fn.78), B1.290; Stellungnahme des Vereins zur Förderung des Gewerbefleisses, der sich von Edwin Katz beraten ließ, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.478; Verband deutscher Gewerbevereine, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.531. 196 Stellungnahme des Vereins zur Förderung des Gewerbefleisses, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.478; die Generalklausel sollte Teil eines einzigen Paragraphen zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs sein und folgenden Wortlaut haben: „Wer es unternimmt, einem Anderen durch unlauteren Wettbewerb Schaden zuzufügen, ist demselben zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Die Klage kann gleichzeitig auf Unterlassung des unlauteren Wettbewerbs gerichtet werden. Als Schaden gilt jede Art der Benachtheiligung, welche dem Anderen erwachsen ist, auch wen sich der Schaden nicht in ziffernmässigem Geldbetrage nachweisen läßt. Das Gericht hat in diesem Fall, den entstandenen Nachteil nach freiem Ermessen zu schätzen. Zur Erzwingung des Anspruchs ist der Erlaß einer einstweiligen Verfügung zulässig, auch ohne daß die Voraussetzungen der §§ 814 und 819 der Reichs-Civilprozess-Ordnung vorliegen. Für die Entscheidung der aus diesem Gesetz entstehenden Rechtsstreitigkeiten sind die Kammern für Handelssachen zuständig".

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

199

197

nische Sitte streitendes Gebaren anzusehen" sei oder nicht. Für eine Generalklausel und gegen spezielle Vorschriften spreche die Erkenntnis, daß jeder Verstoß gegen die kaufmännischen Sitten ein Verstoß gegen das Rechtsbewußtsein sei und dem Geschädigten einen Anspruch auf Schadensersatz zustehen müsse. Aufgrund der Vielfalt der im Erwerbsleben möglichen Verstöße und der daraus resultierenden Gefahr einer Umgehung sei eine Einzelfallregelung ein Irrweg: 198 „Wenn man den sittlichen Grundgedanken erfaßt hat,... so wird man zu der Überzeugung kommen müssen, daß hier ein Gesetz, das bestimmte Einzelfälle des unlauteren Wettbewerbs aufzählt, nichts ausrichtet; ein solches Gesetz würde die Einzelfälle, aber eben nur diese treffen und nicht das große Gebiet des unlauteren Wettbewerbs mit seinen zahlreichen Spielarten, wie sie der schlaue und gewissenlose Erwerbssinn der mit solche Mitteln arbeitenden Leute jeden Tag neu ausfindig macht."

Für eine Generalklausel sprach demnach die Erkenntnis, daß nur mittels einer allgemein gehaltenen Bestimmung die Vielgestaltigkeit der Verstöße gegen die kaufmännische Sitte erfolgreich zu bekämpfen sei. Gleichzeitig wurde der Regierung unterstellt, daß dem Entwurf die Idee zugrunde gelegen habe, mittels Einzelfallbestimmungen den unlauteren Wettbewerb umfassend bekämpfen zu können. Übersehen wurde dabei, daß, wie gezeigt, die Regierung sich der Nachteile eines punktuellen Schutzes durchaus bewußt war und sich dennoch für eine begrenzte Zahl von Einzelfallbestimmungen entschlossen hatte. Der darin liegende Vorwurf tauchte noch des öfteren auf; auch heute noch wird dem Gesetzgeber des UWG von 1896 vorgeworfen, mit der Wahl eines punktuellen Schutzes einen Fehler gemacht zu haben, da dies zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs nicht ausreichen konnte. 1 9 9 Gemessen an dem Zweck des Regierungsvorhabens trifft dieser Vorwurf jedoch nicht zu. Vorgeworfen werden könnte dem Gesetzgeber nur, daß die Zurückhaltung ein Fehler war. Dieser Vorwurf wurde allerdings nicht laut. Die Befürworter einer Generalklausel wünschten umfassenden Schutz, ohne sich mit den Argumenten der Regierung auseinanderzusetzen. Neben den angeführten gewerblichen Kreisen zählte die württembeigische Regierung zu den Befürwortern einer Generalklausel. Sie war jedoch von der Sorge bestimmt, daß die Unterlassungsansprüche des Gesetzes ohne ausreichende subjektive Elemente bleiben und einen zu großen Kreis von Anspruchsberechtigten, wie die Verbände Gewerbetreibender, einbeziehen könnten. Man schlug daher eine generalklauselartige Vorschrift vor, die die §§1,4 und 6 ersetzen sollte. 200 Im Ergebnis ist 197

Stellungnahme des Vereins zur Förderung des Gewerbefleisses, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.478. 198 Ebd., B1.477; ebenso der Verband deutscher Gewerbevereine, ebd., B1.531. 199 Baumbach/Hefermehl (wie Einleitung, Fn.5), Einl. UWG Rz. 17. 200 „81: Wenn ein Gewerbetreibender vorsätzlich oder fahrlässig durch Mittel, welcher ein ehrbarer Gewerbetreibender nicht anwendet, in die Absatz oder Kreditverhältnisse seiner Mitbewerber widerrechtlich eingreift, so kann er auf Unterlassung dieser Eingriffe in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbetreibenden, welcher durch den Eingriff gefährdet oder geschädigt wird, geltend gemacht werden..."

200

Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

diese Bestimmung jedoch eher ein Beispiel für die gelegentlich zu beobachtende Unbeholfenheit insbesondere einiger Bundesregierungen bei der Formulierung einwandfreier Tatbestände. Dies wird dadurch unterstrichen, daß die württembergische Regierung eine ähnliche generalklauselartige Weite für die strafrechtliche Bestimmung des § 2 vorschlug. 201 b) Generelles Verbot zum Schutz eines subjektiven Privatrechts Auf ein generelles Verbot des unlauteren Wettbewerbs zielten auch diejenigen Autoren, die ein subjektives Recht des Gewerbetreibenden verletzt sahen.202 Für ein solches wurde naturgemäß ein umfassender Schutz verlangt. Der punktuelle Schutz des Entwurfs bestätigt allerdings, daß die Regierung weiterhin kein subjektives Recht des Wettbewerbers auf freien Wettbewerb akzeptierte, das aus seiner Persönlichkeit oder den Erkenntnissen der Lehre der concurrence déloyale abgeleitet wurde. Hauss meinte, daß Rechte des einzelnen aus Vertrag, Gesetz und Sittenverstößen folgen konnten.203 Der Schutz des Wettbewerbers vor solchen Sittenverstößen sei unzureichend ausgestaltet und bedürfe eines gesetzlichen Schutzes. Zu den Vertretern der Ansicht, daß ein subjektives Recht des Wettbewerbers umfassend zu schützen sei, zählte Lobe.204 Sein Lösungsvorschlag ging dahin, den bisherigen Entwurf durch drei Bestimmungen zu ersetzen. Die erste sollte unlauteren Wettbewerb nach seiner Definition generalklauselartig verbieten. Die zweite Vorschrift diente als Grundlage für ein strafrechtliches Vorgehen und die dritte regelte die Verjährungsfristen und gewährte einen Schadensersatzanspruch nach vorhergehender Aufforderung zur Unterlassung. 205 Neben der Formulierung ,»Mittel, die ein ehrbarer Gewerbetreibender nicht anwendet", die der Vorschlag auch für die strafrechtliche Vorschrift vorsah, wies Hauss den Vorschlag auch wegen der einerseits unklaren Formulierung der Gefährdung und andererseits überhöhten Forderung des Nachweises einer Schädigung zur Gewährung eines Unterlassungsanspruches zurück, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.52. 201 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.52. 202 Lobe (wie Fn.62), B1.220ff.; Rausnitz (wie Fn. 147), B1.327ff. 203 Vgl. die eingangs erwähnten Bemerkungen von Hauss, nur die Verstöße ahnden zu wollen, die gegen die guten Sitten verstießen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7863, Bl. 285. 204

Lobe, (wie Fn. 62), Bl. 220. Lobe, (wie Fn. 62), Bl. 227, der § 1 sollte lauten: „Wer im Wettbewerb mit anderen Gewerbetreibenden, die Waaren oder Leistungen gleicher Art in den Verkehr bringen, 1. einen solchen Gewerbetreibenden in der Ausübung seiner auf Verschaffung oder Erhaltung von Kundschaft gerichteten Thätigkeit dadurch hindert oder zu hindern unternimmt, daß er in ihm einen Irrthum oder gegründete Furcht erregt oder Gewalt gegen ihn anwendet oder unwahre Behauptungen aufstellt, die seinen Kredit und seine geschäftlichen Beziehungen zu schädigen geeignet sind, oder 2. sich dadurch Kundschaft verschafft oder zu verschaffen unternimmt, daß er Angaben macht oder Veranstaltungen trifft, die geeignet sind, die Kunden in Irrthum oder gegründete 205

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

201

Aus der Tatsache, daß unlauterer Wettbewerb ein subjektives Recht verletze, folgerte auch Rausnitz die Notwendigkeit eine Generalklausel im Gegensatz zu Einzelfallregelungen. Er ging sogar noch weiter als Lobe, da er auch §§ 14 ff. WZG in den vorliegenden Entwurf integrieren wollte. Den Regierungsentwurf lehnte er in weiten Teilen ab, machte aber in zahlreichen Fällen Verbesserungsvorschläge, die er in einem eigenen Entwurf zusammenfaßte. 206 Er schlug beispielsweise vor, allgemeine Definitionen zu normieren und durch das Anfügen besonders prägnanter Beispiele zu konkretisieren, um diese Beispielsfälle sicher zu treffen und der Judikatur die Auslegung zu erleichtern. In dem von ihm vorgeschlagenen Entwurf geschah dies durch Einfügen der Worte insbesondere hinter solche allgemeine Definitionen und vor den Beispielsfällen. 207 Auch in der rechtswissenschaftlichen Literatur fand sich demzufolge die Idee der „kleinen" Generalklausel. Auf die Gestaltung des Entwurfs wirkten sich diese Forderungen aus der Rechtswissenschaft allerdings noch nicht aus. c) Punktueller Schutz Die Sorge, daß unbestimmte Handlungsvorgaben die Handel- und Gewerbetreibenden verunsichern könnten und daß die Justiz angesichts des großen Handlungsspielraums lange Zeit brauche, um zu einer gefestigten Rechtsprechung zu kommen, bestimmte das Vorgehen der Regierung. Diese blieb auch nach der öffentlichen Diskussion des Entwurfes bei ihrem Konzept, durch die Einführung einzelner klar deFurcht zu versetzen, oder daß er Gewalt anwendet oder daß er folgende Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse ... unbefugt für sich verwerthet, kann von jedem dieser Gewerbetreibenden oder den Verbänden solcher Gewerbetreibenden auf Unterlassung jener Handlungen und auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Die Entstehung eines Schadens wird bis zum Beweise des Gegentheils vermuthet. Die Höhe des Schadens wird in das freie richterliche Ermessen gesetzt, darf aber, dafem ein höherer Schaden nicht erwiesen ist, den Betrag von 30000 Mk. nicht überschreiten". 206 Siehe bezüglich des Kennzeichenschutzes zu dem Entwurf von Rausnitz auch Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 272ff. 207 Sein § 1 lautet eingangs demgemäß: „Wer es unternimmt, im geschäftlichen Verkehr durch Benutzung des Rufes oder des Ansehens eines andern Erwerbsgeschäfts oder seines Inhabers oder der Waren und gewerblichen Leistungen eines anderen Erwerbsgeschäfts oder seines Inhabers Kunden anzulocken, kann auf Unterlassung der zu diesem Zweck angewandten Mittel in Anspruch genommen werden". „Ein solcher Anspruch kann insbesondere erhoben werden gegen einen Gewerbetreibenden, welcher, um Kunden anzulocken, im geschäftlichen Verkehr es unternimmt, 1..." Es folgen einige Beispielsfälle, wie das Verbot der vergleichenden Reklame, bei der die eigene Ware über die des anderen gehoben wird, die Benutzung eines fremden Rufes, das bloße Schlechtmachen, Fälle des §6 des Regierungsentwurfs sowie der 14 f WZG etc. (wie Fn. 147), Bl. 327. Auch Scherer (wie Fn. 34), 231, befürwortet eine solche Kombination mit Blick auf die Art. 63 f. HGB, der sich bewährt hätte. So könne verhindert werden, daß der Richter nur Gesetzesanwendungsmaschine sei.

202

Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

finierter Tatbestände bestimmte als besonders gravierend empfundene Verhaltensweisen zu verhindern. Die oben in einer offiziellen Äußerung von Hauss angedeutete Skepsis, daß die Rechtsprechung auf der Grundlage einer Generalklausel das Erwerbsleben vor unlauterem Wettbewerb schützen könne, wiederholte er nun in einer Aktennotiz. Zu einer Anregung der Großherzoglich Sächsischen Regierung, die Tatbestände allgemeiner zu fassen, bemerkte er: 208 „Nach den Gewohnheiten unserer Rechtsprechung würde die Aufstellung eines solchen Prinzips ohne jede Wirkung bleiben. Dessen ungeachtet erscheint eine Verallgemeinerung der Fassung, namentlich bei § 1 diskutabel. Man könnte ζ. B. die civilrechtliche Verantworthlichkeit auf unwahre Thatsächliche Angaben jeder Art erstrecken."

Die Ansicht der Regierung über die Gefahren einer Generalklausel teilten zahlreiche andere Stellungnahmen.209 Insgesamt stand auch das Vorgehen der Regierung in dieser Hinsicht nicht in der allgemeinen Kritik. Neben den oben erwähnten Stellungnahmen gab es kaum weitere, die eine Generalklausel forderten. In den meisten Fällen wurde das Problem nicht einmal erörtert. Dennoch zeigte die Diskussion die Wirkung, daß die Regierung eine Verallgemeinerung der Bestimmung gegen irreführende Werbung erstmals in Erwägung zog. Ein Umdenken hatte dies jedoch nicht zur Folge. Die Regierung blieb bei ihrem ursprünglichen Standpunkt.

3. Die Behandlung in der Legislative a) Die endgültige Festlegung auf das Prinzip des punktuellen Schutzes Im Bundesrat zog die überwiegende Mehrheit das Konzept des punktuellen Schutzes erneut einer Generalklausel vor. 210 Es blieb auch nach der Überarbeitung des Entwurfs bei dem System relativ scharf umrissener Tatbestände. In den drei Lesungen des Entwurfs im Parlament und den Sitzungen der Reichstagskommission wurden auch nochmals die Vor- und Nachteile einer Generalklausel nach französi208

Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.74f. So der Centraiausschuss der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine, ebd., Bl. 189; beachte auch das Votum des Kgl.Bayr. Staatsministeriums, in welchem die Stellungnahme der Handelskammer der Pfalz zitiert wird, deren Urteil aus geographischen Gesichtspunkten eine besondere Bedeutung beigemessen wurde und die sich für das von der Regierung vorgeschlagene System entschieden hatte. Hieraus zog das bayr. Staatsministerium den Schluß, daß „das französische Recht in seiner Anwendung durch deutsche Gerichte des Bedürfnissen des redlichen Geschäftsverkehrs nicht zu entsprechen vermocht hat"; Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 85; s. a. die Stellungnahme einer Gruppe von Kaufleuten und Handwerkern der Stadt Hagen v. 27.3.1895, die den Entwurf ablehnte, da er „viel zu sehr der besseren Einsicht des Richters" vertraute und damit eine unerträgliche Rechtsunsicherheit schaffe, ebd., B1.430f. 210 Zu den Beratungen des Entwurfs durch den Bundesrat, vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 171. 209

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

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schem Muster diskutiert. 211 Wesentliche Argumente für einen punktuellen Schutz wurden dabei präzisiert und die Gründe für eine Ablehnung des französischen Schutzsystems in Deutschland bestätigt. In der ersten parlamentarischen Beratung wurde deutlich, daß allein eine abschließende Zahl von Einzelfallbestimmungen die Zustimmung der Freisinnigen Partei um den Abgeordneten Meyer (Halle) gewinnen konnte. Meyer, dessen Partei für eine von liberalen Grundsätzen geprägte Wirtschaftskonzeption stand, die er manchesterlich gesinnt nannte, hielt eine Generalklausel für unannehmbar.212 Dem lag die auch von der Regierung erwähnte Überzeugung zugrunde, daß das vorliegende Gesetz eine Einschränkung der Gewerbefreiheit sei, was prinzipiell als unerwünscht abgelehnt wurde. Als Rechtsbegriff unterliege der Begriff des unlauteren Wettbewerbs außerdem der Gefahr einer unerwünschten Instrumentalisierung. 213 Es zeigte sich somit, daß das System des punktuellen Schutzes eher dazu geeignet war, einen Konsens in der seit jeher strittigen Frage herbeizuführen, wie weit der Staat in die wirtschaftliche Freiheit einzugreifen berechtigt sei. 214 Für einen punktuellen Schutz sprach demnach, daß dieser einen beschränkten überschaubaren Eingriff in die Gewerbefreiheit darstellte und damit besser als eine Generalklausel mit wirtschaftsliberalen Postulaten in Einklang gebracht werden konnte. Mehrfach wurde in Reichstag und Kommission die Auffassung von Hauss wiederholt, daß das Gesetz die Funktion eines ersten Schrittes im Rahmen einer Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs habe. Betont wurde vor allem, daß es bei Nichtbewährung einer Erneuerung offenstehe. So wurde allein zweimal durch den Staatssekretär des Innern v. Boetticher betont, daß es durchaus möglich sei, das Gesetz in naher Zukunft zu ändern, wenn sich zeige, daß der unlautere Wettbewerb sich jenseits der Spezialtatbestände ausweite.215 Es könne dann sogar eine Generalklausel in Erwägung gezogen werden, da sich vor allem die Rechtsprechung bis dahin an die Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs gewöhnt haben werde. Auch in der Kommission teilte man zunächst die Meinung, daß der vorliegende Entwurf nur die Formen des Wettbewerbs treffen solle, die momentan am allge211

1. Beratung, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 108 ff.; Bericht der VI. Kommission, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache Nr. 192, 1 ff.; vgl. Aufzeichnungen aus der Reichstagskommission, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.231 ff.; 2. und 3. Beratung, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9.Leg., 4.Sess. 1895/96, 1702ff., 2172ff., 2230. 212 Vgl. Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,128 f. 213 Meyer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,128, führte aus, „Die Erfahrung hat auch im täglichen Leben gelehrt, lauter nennt jeder den Wettbewerb, den er anderen macht, unlauter nennt jeder den Wettbewerb, den ein anderer ihm macht". 214 Siehe oben Teil 1, 2. Kap. I.,2. 2,5 Vgl. v. Boetticher, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,108,122; Bassermann, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9.Leg., 4. Sess. 1895/96,109.

2 0 4 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

meinsten und schwersten empfunden würden. 216 Das Gesetz werde den unlauteren Wettbewerb nicht abschließend bekämpfen können und beabsichtigte dies auch gar nicht. Die Argumentation der Regierung, daß der Entwurf tiefe Eingriffe in „eingewurzelte Gewohnheiten vornehme und daher aller Grund zur Vorsicht und zu weiser Selbstbeschränkung" vorliege, fand hier Unterstützung. 217 Im Anschluß daran wurde ebenfalls darauf hingewiesen, daß das Gesetz durchaus einer Ergänzung offenstehe, wenn sich auf den genannten oder anderen Gebieten die Notwendigkeit dazu erweisen solle. 218 Die Wiederholung der Absicht der Regierung, das Gesetz bei Bedarf zu erneuern, sollten jedoch nicht zu dem Schluß verleiten, daß das Gesetz provisorischen Charakter haben sollte. Hierfür waren die Vorarbeiten viel zu umfangreich. Darüber hinaus bestand die Überzeugung, auf der Grundlage dieses Gesetzes eine hinreichende Bekämpfung der wesentlichen Erscheinungsformen unlauteren Wettbewerbs bewirken zu können. Ein weiteres wesentliches Argument zugunsten eines punktuellen Schutzes, das Hauss erst angedeutet hatte 219 und das schon verschiedentlich im Rahmen der öffentlichen Kritik angeklungen war 220 , nahm in der Kommission nun breiten Raum ein. Es wurde diskutiert, inwiefern die Rechtsprechung bei Gewährung eines punktuellen Schutzes imstande sein werde, zur Füllung von Lücken im UWG die Normen des BGB nutzbar zu machen.221 Zudem warf der Abgeordnete Roeren die Frage auf, wie das Verhältnis einer Generalklausel im UWG zu den Bestimmungen des BGB aussehe. Hierzu wurde die Stellungnahme eines Bundesrats Vertreters erbeten. Der Unterstaatssekretär im Reichsamt des Innern Rothe äußerte daraufhin, daß die Rechtsprechung des Reichsgerichts schwer vorauszubestimmen sei, daß sich seiner Ansicht nach aber folgende Konstellation ergeben werde: 222 Bleibe man bei der vorgesehenen Einzelfallregelung und ein Fall trete ein, der außerhalb der Grenzen des Gesetzes liege, so sei dieser nicht Gegenstand des UWG. Der Weg zur Anwendung der allgemeinen Bestimmungen des BGB sei dann frei. Eine allgemeine Bestimmung gegen den unlauteren Wettbewerb hingegen werde das gesamte Feld einnehmen und insofern keinen Raum für eine Anwendung des BGB lassen.223 216 Siehe den Bericht der VI. Kommission, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9.Leg., 4.Sess. 1895/96, Drucksache Nr. 192, 5; s.a. die Ausführungen des Unterstaatssekretärs Rothe zu dieser Frage; Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.234. 217 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.233. 2.8 Ebd. 2.9 Siehe oben, Fn. 114. 220 Vgl. Alexander-Katz (wie Fn.78), B1.283ff.; 290. 221 Siehe den Bericht der VI. Kommission, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache Nr. 192, 1 ff. 222 In Auszügenfindet sich die Stellungnahme im Kommissionsbericht, ebd., 3; in ganzem Umfang ist sie in den Akten des Reichsamt des Innern zufinden, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.231 ff. 223 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.232.

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

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Die Überzeugung, daß der punktuelle Schutz des UWG und ein genereller des BGB zusammen einen umfassenden Schutz vor Fehlverhalten im wirtschaftlichen Wettbewerb gewähren könnten, sprach damit zusätzlich gegen eine Generalklausel im UWG. Der punktuelle Schutz des UWG war somit als Teil eines Gesamtkonzeptes zum Schutz des Erwerbslebens vor unlauteren Verhaltensweisen gedacht. Der Umstand, daß der ursprüngliche §705 des BGB-Entwurfs um die Voraussetzung des Vorsatzes erweitert worden war und damit nach überwiegender Ansicht an Eignung zur Bekämpfung unlauteren Verhaltens eingebüsst hatte, fand jedoch in der Kommission keine Erwähnung. In den parlamentarischen Debatten und in den Kommissionsberatungen wurden die Vor- und Nachteile des französischen Systems und seine Übertragbarkeit auf Deutschland ebenfalls eingehend besprochen. Zwar wurden von verschiedenen Seiten die Vorteile einer Generalklausel nach französischem Muster als der bessere Weg zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs herausgestellt. Wiederum war der Gedanke der Rechtssicherheit aber im Ergebnis dafür entscheidend, daß das System als auf Deutschland nicht übertragbar angesehen und daher abgelehnt wurde. 224 Die Kommission teilte schließlich einstimmig die Ansicht der Regierung: 225 Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei angesichts der Eigenarten der deutschen Rechtsprechung ein Vorgehen nach französischem Muster nicht ratsam. Die Kommission griff dabei auch die Überlegungen von Regierung und Bundesrat in dieser Beziehung auf und zog hieraus die gleichen Schlußfolgerungen. Neben der Skepsis, ob der deutsche Richter eine den Bedürfnissen des Wirtschaftslebens entsprechende Rechtsprechung entwickeln werde, für welche Frankreich Jahrzehnte gebraucht habe, wurde nun zusätzlich betont, daß die französischen Gerichte seit jeher die Mitwirkung von Laienrichtern gekannt hätten, die dem Richter eine Beurteilung bestimmter Lebensverhältnisse erleichtert hätten. In Frankreich gebe es außerdem seit langem einen obersten Gerichtshof, der eine einheitliche Rechtsprechung habe gewährleisten und falsche Rechtsanwendungen habe korrigieren können. 226 In Deutschland bestehe ein solcher erst seit sehr kurzem.

224 Vgl. v. Boetticher, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 108; Bassermann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 109, mit dem Hinweis, der Art. 1382 Code civil hätte zusätzlich noch den Nachteil, daß jeweils der Nachweis eines eingetretenen Schadens zu beweisen sei; Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 109ff.; v. Czarlinski, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,116; Meyer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,128, der klar umrissene Tatbestände mit geringer Reichweite forderte; deutlich für eine Generalklausel Schmidt, aber auch er sieht die Schwierigkeiten des deutschen Richters bei der Beurteilung der Bedürfnisse von Handel und Gewerbe; ebenfalls gegen Spezialtatbestände, aber auch nicht deutlich für eine Generalklausel, Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,118, „Ich glaube ..., daß die Reklamefindiger ist als das Reichsamt des Innern". 225 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9.Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 192, 2ff. 226 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 2.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Die prinzipielle Entscheidung des Entwurfs, ein Gesetz zu erlassen, das schwerwiegende Verstöße gegen Treu und Glauben im Verkehr regulieren sollte, fand damit die Zustimmung der Legislative. Man teilte die Überzeugung der Regierung, daß die Folgen einer gesetzlichen Regelung unlauteren Wettbewerbs schwer einzuschätzen seien. Zur Vermeidung von Rechtsunsicherheit durch unklare Vorgaben für die Rechtsprechung und von Verwirrung der Handel- und Gewerbetreibenden sei daher ein zurückhaltender Beginn, mit der Option einer späteren Überarbeitung des Gesetzes, der richtige Weg. Große Erwartungen wurden dabei an das BGB geknüpft. Das Beispiel des Schutzes vor concurrence déloyale in Frankreich spielte während des gesamten Kodifikationsprozesses eine bedeutende Rolle. Er wurde meist als zu weitgehend abgelehnt, oder es wurde auf Unterschiede der Rechtssysteme verwiesen. Insbesondere bezweifelte man, daß die deutsche Rechtsprechung imstande sein werde, aufgrund einer zivilrechtlichen Generalklausel die erwünschte rasche Verbesserung des Wettbewerbsverhaltens herbeizuführen. b) Die „kleine " Generalklausel Das System erfuhr allerdings eine Einschränkung durch die Entscheidung des Reichstags, die sog. „kleine" Generalklausel zur Bekämpfung der irreführenden Werbung einzuführen. 227 Ausgangspunkt für diese Entwicklung war, wie schon in den Sachverständigenberatungen und der öffentlichen Kritik, der Umstand, daß die Befürworter eines generellen Verbots unlauteren Wettbewerbs angesichts der Mehrheit zugunsten eines punktuellen Vorgehens dafür warben, zumindest den zivilrechtlichen Schutz vor irreführender Werbung weiter zu fassen. In den Bundesratsberatungen hatte ein Antrag Bayerns, in § 1 die Aufzählung der Fälle irreführender Werbung mit dem Wort insbesondere einzuleiten, um wenigstens im Fall des Reklameschwindels eine Verallgemeinerung des zivilrechtlichen Tatbestandes zu erreichen, kein Gehör gefunden. 228 Hier überwog noch der Wille, das System der scharf umrissenen Einzeltatbestände beizubehalten. In den Verhandlungen der Reichstagskommission wurde zunächst vorgeschlagen, durch Aufnahme des Begriffs unlauterer Wettbewerb in den Tatbestand des § 1 eine 227 Vgl. Bericht der VI. Kommission, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 4ff.; 2. und 3. Beratung, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9.Leg., 4. Sess. 1895/96, 1702ff., 2172 ff.; § 1 Abs. 1 Satz 1 des UWG von 1896 erhielt folgenden Wortlaut, „Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, welche für einen grösseren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere über die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waren oder gewerblichen Leistungen, über die Art des Bezugs oder die Bezugsquelle von Waren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder Zweck des Verkaufs unrichtige Angaben tatsächlicher Art macht, welche geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, kann auf Unterlassung der unrichtigen Angaben in Anspruch genommen werden..." 228 Antrag Bayerns in der 35. Sitzung des Bundesrats, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 171.

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

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Generalklausel zum Schutz vor Reklameschwindel zu schaffen. Zum einen sprach dagegen aber das Konzept eines zweigleisigen Schutzes mittels einer Anzahl von Einzelfallbestimmungen im UWG und der allgemeinen Bestimmungen des BGB. 2 2 9 Zum zweiten wurden große Bedenken laut, einen Begriff, der bisher nicht als Rechtsbegriff angesehen worden sei, in den Gesetzestext aufzunehmen. 230 Die Beschränkung auf den Wettbewerb ändere nichts an der fehlenden Präzision des Begriffs. Im übrigen wurde noch auf den französischen Begriff der concurrence déloyale hingewiesen, der ebenfalls nicht die Funktion eines Rechtsbegriffs habe.231 Die Kommission folgerte daraus die Schwierigkeit, den Begriff des unlauteren Wettbewerbs sicher genug zu bestimmen, und entschied sich für den von der Regierung vorgeschlagenen Weg. Anders hingegen wurde die Frage beantwortet, ob § 1 durch das Wort insbesondere zu erweitern sei. 232 Zur Begründung des in diese Richtung gehenden Antrags wurde neben der Vielgestaltigkeit irreführender Werbemaßnahmen angeführt, daß nur der zivilrechtliche Anspruch verallgemeinert werde, nicht auch der strafrechtliche. Die Gegner verwiesen mit den Regierungsvertretern wieder auf die Gefahr einer unsicheren Anwendung bei fehlender Klarheit der Formulierung und befürchteten, daß die Umsetzung des Antrags die schlimmste Art des unlauteren Wettbewerbs fördern werde, nämlich die fälschliche Beschuldigung der Unlauterkeit. 233 Dennoch wurde der Antrag angenommen. Obwohl die Ablehnung einer „großen" Generalklausel in der Kommission einstimmig erfolgte, wirkte die Sorge einer allzu leichten Umgehbarkeit des Gesetzes offensichtlich nach. Neben die prinzipielle Überzeugung, daß ein Gesetz zunächst punktuellen Schutz gewähren müsse, trat nun als vorsichtiger Versuch eines generellen Schutzes ein allgemeines Verbot der irreführenden Werbung. Der enge Zusammenhang zwischen der Diskussion um die „große" und um die „kleine" Generalklausel zeigt sich vor allem darin, daß jeweils die gleichen Argumente zur Befürwortung und Ablehnung verwandt wurden. Da die „kleine" Generalklausel eine Einschränkung des Prinzips eines punktuellen Schutzes bedeutete, entbrannte bei den Beratungen im Reichstag eine heftige 229

Drucksache Nr. 192,4f. Ebd., „Unlauter ist lediglich eine andere Bezeichnung für unmoralisch, unsittlich, und es ist allgemein anerkannt, daß die beiden Gebiete der guten Sitte und des Rechts auseinandeigehalten werden müssen, daß das Recht an die Unsittlichkeit nicht allgemeine Rechtsfolgen anknüpfen darf, daß vielmehr die Wirksamkeit des Rechts nur dort beginnt, wo eine unlautere Gesinnung durch eine Störung der Rechtsordnung in Erscheinung tritt". 231 Ebd.,„Die französischen Juristen haben nicht den Begriff der concurrence déloyale zergliedert und durch die Zergliederung daraus Schlüsse gezogen, sondern sie haben die... Vorschrift des Art. 1382 Code civil zergliedert und haben eine Anzahl von Fällen, die sich aus der Anwendung der dieser Vorschrift ergaben, unter den Namen der concurrence déloyale zusammengestellt". Aus dem hier Gesagten ergibt sich die Schwierigkeit aus dem Begriff des unlauteren Wettbewerbs auf eine Definition der Gesetzesmaterie zu schließen, wie es schon bei Lobe dargestellt wurde, vgl. oben Fn. 144. 232 Antrag 4, siehe Drucksachen Nr. 192, 6. 233 Ebd. 230

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Auseinandersetzung über ihre Beibehaltung. Die Gegner der auf den Reklameschwindel begrenzten Generalklausel, zu denen auch die Regierungsvertreter gehörten, führten von neuem die schon bekannten Argumente für eine spezialisierte Fassung der Tatbestände und gegen eine generalklauselartige Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs Argumente auf. 234 Speziell mit Blick auf § 1 wurde geäußert, daß eine ohne subjektive Voraussetzungen zu gewährende Unterlassungsklage und die Möglichkeit, daß ein Beklagter mit einer unbegrenzten Zahl von Schadensersatzklagen rechnen müsse, nur zu rechtfertigen seien, wenn der Gesetzgeber unzweideutig formuliere, welche Handlungen ein Gewerbetreibender zu unterlassen habe. Die „kleine" Generalklausel sei geeignet, hierüber Zweifel aufkommen zu lassen. 235 Deutlich zeigt sich hier die Sorge, daß das Gesetz zu Unsicherheiten führen und mißbraucht werden könne. Die zahlreichen Befürworter der durch die Kommission eingeführten Formulierung erwiderten, daß die Gefahr der Schikane oder Denunziation sehr gering sei, da in Abs. 1 nur der Unterlassungsanspruch in Frage stehe; ein Schadensersatzanspruch sei nur bei wissentlichem Handeln gegeben, und dann sei er auch gerechtfertigt. Nicht zuletzt sei § 1 eindeutig formuliert; die Bedenken der Gegner seien unbegründet, da der Richter nichts anderes tun müsse als erstens zu prüfen, ob unrichtige Angaben tatsächlicher Art vorliegen, zweitens, ob diese geeignet sind, das Publikum irre zu leiten, zu täuschen und den Konkurrenten zu schädigen, und drittens, ob die Angabe öffentlich bekannt gemacht oder in einer für den Kreis von mehreren bestimmten Mitteilung enthalten ist. 236 Daneben wurden die bereits erwähnte Furcht vor Umgehung der Bestimmung betont. Die Bedenken gegen die Reaktion der Rechtsprechung teile man nicht; zu einer gewissen Übergangsphase, in der die Rechtsprechung erst ihren Weg finden müsse, werde es so oder so kommen. Trotz des Widerstandes der Regierung wurde in der Folge die Kommissionsfassung mit der „kleinen" Generalklausel angenommen. Das Prinzip der Regierung, die am allgemeinsten und schwersten empfundenen Arten des unlauteren Wettbewerbs mit klar umrissenen Tatbeständen zu bekämpfen, hatte sich somit nicht voll234 Abgeordneter Lenzmann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1702, 2171, der der Überzeugung ist, die deutsche Rechtsprechung werde sich den Anforderungen einer auf den Reklameschwindel beschränkten Generalklausel nicht gewachsen zeigen; als Beispiel der Realitätsfeme der für den gewerblichen Rechtsschutz verantwortlichen Stellen führte er den Fall an, in dem das Reichspatentamt die Bierbezeichung „Original-Salvator" für eine Münchner Brauerei als Marke eingetragen hat, obwohl dies seit jeher die Bezeichnung für eine Bierart ist. Das Münchner Amtsgericht hat in der Folge zahlreichen einstweiligen Verfügungen gegen andere Brauereien stattgegeben, die ebenfalls und teilweise schon seit sehr viel längerer Zeit und mit grösserem Erfolg Salvator-Bier brauen. Siehe auch Abg. Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1704; Rothe, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 2174; die Regierung betonte wiederum ihre Bereitschaft das Gesetz bei Bedarf abzuändern, v. Boetticher, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1708. 235 Abg. Lenzmann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd.,, 1703. 236 Abg. Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1708.

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

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ständig durchsetzen können. Mit den Argumenten, die die Befürworter einer „großen" Generalklausel vergeblich vorgetragen hatten, bejahte man eine „kleine" Generalklausel in § 1 UWG. Hieraus ist der Schluß zu ziehen, daß die Argumente für ein generelles Verbot unlauteren Wettbewerbs, insbesondere das Argument der Umgehungsgefahr, nicht ohne Wirkung blieben. Gegen die Sorge der allgemeinen Rechtsunsicherheit konnten sie sich aber nicht durchsetzen. Die „kleine" Generalklausel stellte allerdings den ersten der (wenigen) Fälle dar, in denen sich der Reichstag gegen die Regierung mit einem alternativen Konzept behaupten konnte. Wie die erwähnte Randbemerkung von Hauss im Zuge der Sichtung der öffentlichen Stellungnahmen zeigt, konnte diese ein solches Vorgehen aber akzeptieren. Hauss hatte einen allgemein gefaßten § 1 positiv beurteilt. 237

II. Straf- oder zivilrechtlicher Schutz gegen unlauteren Wettbewerb In engem Zusammenhang mit der Frage, ob das UWG eine Generalklausel enthalten oder mittels einer Vielzahl von Einzelfallbestimmungen vorgehen sollte, stand die Frage, ob die Bekämpfung unlauterer Verhaltensweisen im Wirtschaftsleben straf- oder zivilrechtlich zu geschehen habe. Auch die Erörterung des Schutzzwecks stand, wie dargestellt, regelmäßig mit der Frage der Wahl des Schutzmittels in Verbindung. Der folgende Abschnitt dient der Darstellung der darüber hinaus angeführten Gründe für die Wahl des kombinierten straf- und zivilrechtlichen Systems. Der erste Entwurf der Vorläufigen Vorschläge war, wie gezeigt, ausschließlich zivilrechtlich ausgestaltet. Auch wenn Hauss umgehend strafrechtliche Bestimmungen anfügte, die ein Gleichgewicht zwischen straf- und zivilrechtlichen Bestimmungen schufen, wurde im Laufe der Kodifikationsarbeiten offensichtlich, daß sich das UWG in erster Linie des Zivilrechts zum Schutz vor unlauteren Verhaltensweisen bedienen würde. 238 Das UWG von 1896 fügte sich damit systematisch in die Reihe der übrigen im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts erlassenen Gesetze zum Schutz gewerblichen Schaffens ein. 239 Die allgemein stärkere Betonung der Interessen des einzelnen im Gegensatz zu Erwägungen des öffentlichen Wohls und die Durchsetzung des zivilrechtlichen Schutzes im Gegensatz zu öffentlich-rechtlichen Lösungen in diesen Gesetzen standen in engem Zusammenhang mit einer freiheitlich ausgestalteten Gewerbeverfassung. 240 Obwohl die Freihandelslehre seit den siebziger Jahren ihren Einfluß auf die Praxis eingebüßt hatte und die Wirtschaftspolitik sog. neomerkantile Ansätze zeigte 241 , war der zivilrechtliche Schwerpunkt des UWG ein 237 238 239 240 241

Siehe oben, Fn. 208. Siehe oben, Teil 2, 7. Kap. I.,2. Zum ganzen eingehend Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 132ff., 296f. Klippel (wie Einleitung, Fn. 4), ebd. Siehe oben, Teil 1, l.Kap., II.

14 von Stechow

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Beispiel für die grundsätzliche Bewahrung liberaler Überzeugungen. Das Ziel, die staatliche Intervention in den wirtschaftlichen Wettbewerb möglichst gering zu halten, ließ sich am besten realisieren, wenn man im wesentlichen den Wettbewerber selbst über den Einsatz rechtlicher Mittel entscheiden ließ. 242 Die Betonung der Bedeutung der zivilrechtlichen Bestimmungen durch den Gesetzgeber erfolgte in der Tat aufgrund dieser Erkenntnis. 243 Die seit den siebziger Jahren veränderte wirtschaftspolitische Ausrichtung zeigt sich allerdings darin, daß der Gesetzgeber überhaupt einen Handlungsbedarf auf dem Gebiet des unlauteren Wettbewerbs sah. Gleichfalls typisch für die allgemeine Entwicklung war, daß das Vorgehen des Auslands beim Schutz des gewerblichen Schaffens als begründungsstarkes Argument für die eigene Position angeführt werden konnte.244 So war man der Ansicht, daß es zumindest für einen zivilrechtlichen Schwerpunkt des UWG spreche, daß auch das Ausland in erster Linie auf diese Weise vorgehe. 245 Genannt wurden hier neben Frankreich Italien, Österreich und England.246 Außer diesen für die allgemeine Entwicklung des gewerblichen Rechtsschutzes typischen Gründen sprach aus Sicht der Regierung ein weiterer, besonders dieses Gesetz betreffender Aspekt für einen zivilrechtlichen Schwerpunkt. Die Versuche, durch Stärkung des Zivilrechts eine vergleichsweise geringe staatliche Einschränkung des freien Wettbewerbs zu gewährleisten, standen nicht nur in Übereinstimmung mit liberalen ökonomischen Postulaten. Sie wurden zusätzlich am ehesten der Auffassung gerecht, die Auswirkungen der neuen Materie nicht einschätzen zu können und daher nur einen vorsichtigen Beginn wagen zu können. Im Zuge der Erarbeitung von Grundzügen und erstem Entwurf wurde dieses Argument einerseits von den Gegnern strafrechtlicher Bestimmungen angeführt. Die Vertreter des Reichsjustizamtes, Dungs und v. Seckendorff y betonten beispielsweise, daß ein zu scharfes Vorgehen Rechtsunsicherheit erzeugen werde. 247 Roeren mahnte an, daß nicht härter 242

Vgl. Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 296. Vgl. Begründung zum Reichstagsentwurf, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Aktenstück Nr. 35,101. 244 Siehe hierzu auch oben, Teil 1, 2. Kap., I.,4. 245 So die Vertreter des Reichsjustizamtes, Dungs und v. Seckendorf \ Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 168 f.; Denkschrift zum 1. Regierungsentwurf v. 7. Januar 1895, in: Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), 16; vgl. auch die Ansicht der Handelskammer Köln, die dem Votum des Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe entnommen ist, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.4. 246 Ansicht der Handelskammer Köln, Votum des Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.4; Alexander-Katz (wie Fn. 78), Bl. 292, hielt dem entgegen, daß der Art. 418 Code pénal den Verrat der Fabrik- und Geschäftsgeheimnisse wie auch das französische Medaillengesetz von 1886, die Österreichische Gewerbeordnung durch § 49 Abs. 2 Formen der schwindelhaften Reklame und Art. 5 und 12 des italienischen Gesetzes von 1868 die Anmaßung von Insignien und charakteristischen Emblemen typische Fälle unlauteren Wettbewerbs jeweils mit Strafe bedrohten. 247 Vgl. die Vertreter des Reichsjustizamtes Dungs und v. Seckendorf \ Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.168f. 243

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

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248

vorgegangen werden dürfe als unbedingt nötig. Andererseits berief sich die Regierung hierauf zur Begründung des zivilrechtlichen Schwerpunktes in einem kombiniert straf- und zivilrechtlichen System. So gab Boetticher anlässlich der ersten Sachverständigenberatung zu verstehen, daß bei der Verwirklichung des gesetzgeberischen Vorhabens große Vorsicht nötig sei, „damit nicht durch zu weitgehende Massregeln der loyale Verkehr geschädigt" werde. 249 Der zivilrechtliche Schwerpunkt blieb seit der Sachverständigenberatung bestehen. Das kombinierte straf- und zivilrechtliche System dagegen wurde wegen der strafrechtlichen Vorschriften kritisiert. Beginnend mit den Sachverständigenberatungen tauchte der Vorwurf auf, daß die Strafvorschriften in besonderem Maße geeignet seien, Denunziationen zu fördern. 250 Zugleich wurde eine Überlastung der Gerichte infolge der Aufnahme strafrechtlicher Bestimmungen befürchtet. 251 Die Regierung räumte die Gefahr unbegründeter Verdächtigungen ein. 252 Neben der Überzeugung der Gemeinschädlichkeit der einzelnen unlauteren Verhaltensweisen, die die Sorge vor Denunziationen aus Sicht der Regierung aufwog 253 , wurde als weiterer Vorteil der strafrechtlichen Bestimmungen aufgeführt, daß diese den Polizeibehörden die Möglichkeit eines präventiven Einschreitens gäben.254 Der Wille, dem Staat eine aktive Einflußnahme auf das Wettbewerbsverhalten zu ermöglichen, wird hier besonders deutlich. Die Frage nach straf- oder zivilrechtlichem Schutz bezeichnete Alexander-Katz als die umstrittenste in der öffentlichen Diskussion des Entwurfes. 255 Vereinzelt wurde die Sorge Handel- und Gewerbetreibender deutlich, daß bisher geübte Verhaltensmuster nun leicht ein strafbares Vorgehen darstellen könnten. So waren verschiedene Äußerungen aus Handel- bzw. Gewerbekreisen zu verstehen, wie etwa die unter Mitwirkung von Edwin Katz entstandene Stellungnahme des „Vereins zur 248

Protokolle der Sachverstândigen-Enquête Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684,

B1.50. 249 Protokolle der Sachverstândigen-Enquête Reichsamt des Innern, ebd., B1.49. In diesem Sinne auch Hecht in der Enquete, ebd., B1.52. 250 Dungs und v. Seckendorf, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 168 f.; später auch, Centraiausschuss der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 191; eine Zunahme des Denunziantentums durch Strafbestimmungen, wie etwa die Handelskammer Crefeld vermutet, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 326, bestreitet etwa Alexander-Katz (wie Fn. 78), Bl. 293 mit dem Hinweis, daß dieses Argument allein nicht geeignet sei, eine Norm in Frage zu stellen. Die meisten Fälle der Denunziation weise erfahrungsgemäß der Meineid auf und niemand komme auf die Idee eine Abschaffung des Meineids zu befürworten. 251 Dungs und v. Seckendorf, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 168 f. 252 Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 3. 253 Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 169f.; Lobe, (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 3. 254 Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl.. 169 f. 253 Alexander-Katz (wie Fn. 78), Bl. 292.

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2 1 2 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896 Förderung des Gewerbefleisses" vom 15. Mai 1895. 2 5 6 Als Argument gegen die Aufnahme strafrechtlicher Bestimmungen führte man an, daß auf diese Weise eine Gleichstellung des unlauteren Wettbewerbs mit den gemeinen Vergehen des Strafrechts erfolge. Dadurch werde die Achtung des Volkes vor der Bedeutung der Strafe gemindert. Der unlautere Wettbewerb sei keine Straftat. Andere äußerten, die Wurzel des unlauteren Wettbewerbs sei übersteigerter Eigennutz, und dieser könne am besten mit einer Schadensersatzklage getroffen werden. Strafrechtliche Bestimmungen seien daher überflüssig. 257 Die überwiegende Mehrheit der Stellungnahmen stimmte deutlich mit der Ansicht der Regierung überein, daß eine Lösung in einem kombinierten straf- und zivilrechtlichen Vorgehen zu finden sei. 2 5 8 Seltener hingegen wurde auf die Überflüssigkeit des Zivilrechts hingewiesen. Zusätzlich zu den Argumenten der Regierung, insbesondere dem der Gemeinschädlichkeit 259 und der Notwendigkeit klar umrissener Tatbestände 260 , fand der Gedanke Erwähnung, daß eine ausschließlich zivilrechtliche Lösung Nachteile berge. So führte etwa der Centraiausschuss aus: 261 „Eine ausschließlich auf dem Boden des bürgerlichen Rechts erfolgende Regelung der Frage könnte praktisch nur die Bedeutung haben, daß für die unsauberen Elemente in Handel und Gewerbe die Anwendung oder Nichtanwendung der in Rede stehenden Praktiken Gegenstand des Rechenexempels werden, ob der voraussichtliche Ertrag des beabsichtigten Konkurrenzmanövers außer den sonstigen Unkosten auch nötigenfalls etwaige Schadensersatzansprüche wegen concurrence déloyale decken würde." Der Vorteil einer strafrechtlichen Lösung wurde somit auch in ihrer abschreckenden Wirkung gesehen, die erzieherischen Effekt entfalten sollte. Dies unterstrich die 256 Stellungnahme des Vereins zur Förderung des Gewerbefleisses, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.478ff.; ähnlich der Verband deutscher Gewerbevereine, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 531 f., der auf die Notwendigkeit einer raschen Rechtshilfe hinweist und daher § 2 für überflüssig hält. 257 Vgl. Alexander-Katz (wie Fn. 78), 293, der dagegen anführt, daß auch Betrug, Diebstahl, Unterschlagung, Raub und Erpressung aus Eigennutz geschähen und niemand hier die Berechtigung einer Strafvorschrift bezweifele. 258 So auch das abschließende Urteil des Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe, der von einer „nahezu einhelligen Meinung" für ein kombiniertes straf- und zivilrechtliches Vorgehen spricht, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.4; Lobe, (wie Fn.62), B1.219; Alexander-Katz (wie Fn. 78), Bl. 291 ; Er betont, daß diese allerdings genau umrissener Tatbestände bedürften. Das Vorgehen der Regierungfindet er akzeptabel. So auch die Denkschrift des Deutscher Verein für den Schutz des gewerblichen Eigentums v. 8.4.1895, Bl. 345, auch Gierke (wie Fn. 62); Scherer (wie Fn. 34), 231; Stieda (wie Fn. 127), 88 f. 259 Lobe, (wie Fn.62), Bl. 219, der neben einer zivilrechtlichen Ahndung für eine Bestrafung des unlauteren Wettbewerbs aus Gründen der Gemeingefährlichkeit für das Publikum war; Alexander-Katz y (wie Fn.78), B1.291, der ein Auskommen ohne strafrechtliche Vorschriften für gewisse schwere Arten des unlauteren Wettbewerbs für zweifelhaft hält. 260 Alexander-Katz, (wie Fn. 78), Bl. 291 ; Denkschrift des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums v. 8.4.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 189. 261 Denkschrift des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums v. 8.4.1895, ebd.

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

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Stellungnahme der Handelskammer Braunschweig, die ihrerseits in dem zivilrechtlichen Anspruch lediglich eine Prämie auf das Denunziantenthum sah. 262 Die Grundentscheidungen, nämlich punktuell und mittels einer Kombination von Straf- und Zivilrecht vorzugehen, wurden folglich in der großen Mehrheit der zeitgenössischen Stellungnahmen geteilt. Für die Regierung bestand zunächst kein Anlaß, an der Richtigkeit der Entscheidungen zu zweifeln. Aufgrund der öffentlichen Diskussion wurde allerdings beschlossen, das Strafverfahren im Fall der irreführenden Werbung als Privatklageverfahren auszugestalten. Der Staatsanwalt sollte nur Anklage erheben, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten erschien. Damit sollte der Vorwurf entkräftet werden, der Entwurf könne zu einer Belästigung der Gerichte durch schikanöse Denunziationen führen und werde so die geschäftliche Moral eher schädigen als fördern. 263 Das Privatklageverfahren war für das Gebiet des gewerblichen Rechtsschutzes neu. Es bestand bisher nach der Strafpipzessordnung nur für auf Antrag zu verfolgende Beleidigungen und Körperverletzungen. Eine Einschränkung der Wirksamkeit der vorgesehenen Strafbestimmungen befürchtete das Reichsamt des Innern hierdurch nicht. Man vermutete, daß sich der Gewerbetreibende eher zu einer strafrechtlichen Privatklage als zu einem Zivilprozess entschließen werde. Daneben bliebe die Möglichkeit eines präventiven Einschreitens der Polizeibehörden erhalten. 264 Die Kritik an der strafrechtlichen Verfolgung der irreführenden Werbung zeigte hier folglich Wirkung. 265 Mehrfach war vorgeschlagen worden, die Strafbestimmung gegen die irreführende Werbung als Antragsdelikt auszugestalten. Das wurde von der Regierung zunächst mit dem Hinweis auf die Gemeingefährlichkeit dieser Verhaltensweise abgelehnt.266 In dem im Anschluß an die Bundesratsberatungen entstandenen Reichstagsentwurf waren die Bestimmungen schließlich als Antragsdelikt ausgestaltet. Die Begründung zur Reichstagsvorlage führte aus, daß alle in dem Entwurf bedrohten Vergehen mit Ausnahme der Quantitätsverschleierung vornehmlich private Interessen verletzten. 267 262

Beschlüsse der Handelskammer Braunschweig, ebd., Bl. 182. Das Großh. Badische Ministerium hatte vorgeschlagen, das Bestreiten des strafrechtlichen Weges von dem vorherigen Erheben einer Zivilklage abhängig zu machen, um die Gefahr der Denunziation zu verringern. Diesem Vorschlag wurde jedoch das System der Privatklage vorgezogen, vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, Bl. 57 f. Scherer (wie Fn. 34), 236f., hatte vorgeschlagen, einen eigenen Absatz in §§ 1 und 2 aufzunehmen, nachdem sich der Denunziant schadenersatzpflichtig bzw. strafbar mache. 264 Votum des Staatssekretärs des Innern vom 23.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 311. Rausnitz (wie Fn. 147), B1.322 (31), wollte außerdem im Falle einer Verurteilung die Beseitigung unwahrer Angaben von den damit versehenen Gegenständen bzw. deren Vernichtung anordnen, wenn eine Beseitigung nicht möglich ist, um eine effiziente Befolgung des Richterspruchs zu gewährleisten. Die Einführung der Privatklage ist von der Öffentlichkeit begrüßt worden, Kölnische Zeitung v. 31. Mai 1895. 265 Insbesondere die Handelskammer Köln, Verhandlungen des Dt. Handelstages, Bl. 250. 266 Vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.57f.; Voten des Großhztm. Baden und des Königreichs Württemberg, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, Bl. 152. 267 Lobe (wie Teil 1, Fn. 171),Bd. 3, 77. 263

2 1 4 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Der Prozeß der allmählichen Stärkung des Zivilrechts ging somit mit einer verstärkten Außerachtlassung der Interessen des Verbrauchers einher. Im Bundesrat hatte sich offensichtlich wirtschaftsliberales Gedankengut gegen den Versuch durchsetzen können, dem Staat weitreichendere Eingriffsbefugnisse in den freien Wettbewerb zu ermöglichen, die im Ergebnis auch die Position des Verbrauchers gestärkt hätten. Mit Ausnahme der QuantitätsVerschleierung waren nun alle strafbaren Handlungen im Entwurf als Antragsdelikte ausgestaltet und konnten auch im Wege der Privatklage verfolgt werden. Hierfür wurde ausdrücklich die Zuständigkeit der Schöffengerichte vorgesehen. Die Mitwirkung von Laien an der Urteilsfindung wurde damit sichergestellt. Der Reichstag erörterte die Frage des straf- oder zivilrechtlichen Vorgehens über die genannten Aspekte eines punktuellen oder generellen Vorgehens und des Schutzzwecks hinaus nicht mehr.

I I I . Zusammenfassung 1. Der Gesetzgeber des UWG von 1896 entschied sich bewußt gegen eine Generalklausel und für einen Katalog von Einzelfallbestimmungen. Es war der erklärte Wille des Gesetzgebers, mit dem UWG einen zurückhaltenden Beginn im Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb zu wagen und sich die Option einer baldigen Überarbeitung offenzuhalten. Diesem Konzept lagen im wesentlichen drei Gedanken zugrunde: a. Dem Gesetzgeber erschien die Kodifikation des UWG als Vorhaben mit vielen Unwägbarkeiten. Eine Generalklausel hätte die Unsicherheit darüber noch verstärkt, welche Wirkung und welche Reichweite das neue Gesetz haben würde. Außerdem fürchtete man ohne klare Vorgaben eine Verunsicherung der Handel- und Gewerbetreibenden über die Frage, was von nun an erlaubt und was nicht erlaubt sein sollte. Eine Generalklausel hätte zudem die Entwicklung von Richterrecht nach sich gezogen. Während die Regierung insofern die Überlegung in den Vordergrund stellte, daß es vor allem auf eine rasche Abhilfe ankomme, und die Sorge äußerte, daß die Entwicklung einer gefestigten Rechtsprechung zu lange Zeit in Anspruch nehme, überwog in der öffentlichen Meinung die Überzeugung, daß der deutsche Richter einer solchen Aufgabe nicht recht gewachsen sei. b. Das Konzept der Einzelfallbestimmungen ermöglichte die Zustimmung der Vertreter einer streng liberal ausgerichteten Wirtschaftspolitik zu dem Gesetz. Ein solcher eng begrenzter und überschaubarer Eingriff in die Gewerbefreiheit konnte hingenommen werden. Eine Generalklausel wurde als eine in ihrer Reichweite unvorhersehbare und daher abzulehnende Maßnahme angesehen. c. Nur ein Katalog von Einzelfallbestimmungen fügte sich in das Gesamtkonzept der Regierung ein. Das UWG sollte Lücken füllen, ohne in die Regelungsmaterie anderer Gesetze überzugreifen. Ein Katalog von Einzelfallbestimmungen sollte

7. Kap.: Die Ausgestaltung des Schutzes

215

schnell Abhilfe schaffen und für Gewöhnung an das Verbot des unlauteren Wettbewerbs sorgen. Die Generalklausel des BGB sollte dann diejenigen Fälle erfassen, die das UWG nicht traf. Eine Generalklausel im UWG hätte in dieses Konzept nicht gepasst und die Gefahr geschaffen, in die Regelungsmaterie des BGB einzugreifen. Während die Mehrheit der Stellungnahmen in der öffentlichen Diskussion und in der Legislative die Ansicht der Regierung teilte, wurden auch Einwände erhoben. Wiederum waren es vor allem die von der französischen Lehre der concurrence déloyale beeinflußten Auffassungen, die entweder eine Generalklausel forderten, weil diese sich im französischen Recht als Grundlage eines weitreichenden Schutzes bewährt habe, oder weil ihrem Schutzkonzept ein subjektives Privatrecht zugrunde lag, das umfassend zu schützen sei. Dem außerdem geäußerten Einwand, einem Katalog von Einzelfallbestimmungen drohe die Gefahr der Umgehung, versuchte der Reichstag zumindest teilweise abzuhelfen. Er änderte die Bestimmung gegen irreführende Werbung in die sog. kleine Generalklausel. Dies bedeutete zwar eine Einschränkung des Konzeptes der Regierung, wurde aber von dieser akzeptiert. 2. Die Wahl zwischen zivil- und strafrechtlichen Mitteln im UWG stand in engem Zusammenhang mit den Problemkreisen des Schutzzwecks des Gesetzes und des punktuellen oder generellen Schutzes. Der Gesetzgeber des UWG von 1896 entschied sich im Ergebnis wie bei den übrigen Gesetzen zum Schutz gewerblichen Schaffens auf ein kombiniert straf- und zivilrechtliches Vorgehen. Für das Zivilrecht sprachen verschiedene Gründe, die teilweise in Zusammenhang mit den bisher genannten Aspekten stehen und teilweise darüber hinausgehen. Das Zivilrecht ermöglichte in besonderem Maße die Realisierung des staatlichen Anspruchs, das Erwerbsleben vor unlauteren Verhaltensweisen zu schützen und gleichzeitig zurückhaltend zu intervenieren. Die Verantwortung der Rechtsverfolgung lag in erster Linie beim Handel- bzw. Gewerbetreibenden. Hiermit in Zusammenhang stand, daß man es als Vorteil des zivilrechtlichen Schutzes ansah, daß dieser als ein im Vergleich zum Strafrecht geringerer Eingriff gewertet wurde. So konnte dem Umstand Rechnung getragen werden, daß man die Folgen einer gesetzlichen Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs aufgrund seiner Neuartigkeit nicht abschätzen konnte und einen vorsichtigen Beginn plante. Die strafrechtlichen Regelungen wurden dagegen in besonderem Maße als Eingriff in den freien Wettbewerb gesehen und waren daher der Kritik ausgesetzt. Der Gesetzgeber wollte durch sie eine umfassende Bekämpfung der als schärfste Mißbräuche der Gewerbefreiheit bezeichneten und als besonders bedrohlich empfundenen wettbewerblichen Verhaltensweisen gewährleisten. Daneben sollte die Position des Verbrauchers im Wirtschaftsleben gestärkt, Grundlage für ein präventives Vorgehen geschaffen und sichergestellt werden, daß das Gesetz abschreckende Wirkung entfalten konnte. Eine Schwächung strafrechtlicher Bestimmungen bewirkte vor allem die in den Beratungen und in der öffentlichen Diskussion geäußerte Befürchtung, daß das Denunziantentum im Erwerbsleben sich ausweiten werde. Die Regierung teilte diese Befürchtung, und der Verbraucher rückte spätestens ab den Beratungen im Bundesrat ins zweite Glied.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Der Ansatz des Reichsamts des Innern, daß verschiedene Formen des unlauteren Wettbewerbs gemeinschädlich seien, wurde zugunsten der Auffassung, daß das Gesetz private Interessen schütze, zurückgestellt. Im Ergebnis behielten liberale Anschauungen bezüglich der Rolle des Staates im Wettbewerb die Oberhand. 8. Kapitel

Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des U W G Die Entscheidung, unlauteren Wettbewerb punktuell zivil- und strafrechtlich zu bekämpfen, führte zur Frage der Auswahl und Ausgestaltung der konkreten Fallgruppen. Folglich ist die Entwicklung der einzelnen gesetzlichen Fallgruppen während der einzelnen Etappen des Gesetzgebungsprozesses zu untersuchen. Ziel ist es, möglichst umfassend die Entstehungsgeschichte der einzelnen Bestimmungen zu analysieren. Insbesondere sollen der Grund der Aufnahme in das UWG und die Schwerpunkte der inhaltlichen Auseinandersetzung erörtert werden. Die inhaltlichen Gestaltungen nahmen jeweils die weit aus größte Zeit der Beratungen in Anspruch und betrafen den weitaus größeren Teil der Stellungnahmen der Öffentlichkeit. Ein Grund für die Auswahl der Fallgruppen wurde von Hauss anlässlich der Erstellung der Vorläufigen Vorschläge nicht genannt. Diese enthielten mit den Bestimmungen gegen den Reklameschwindel, das Anschwärzen, den Kennzeichenmißbrauch und den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen alle Fallgruppen des späteren UWG mit Ausnahme der Vorschrift gegen Quantitätsverschleierungen. 268 Erst in den Bemerkungen zu den Sachverständigenberatungen und der Begründung des 1. Entwurfs werden Anhaltspunkte für die Vorgehens weise genannt.269 Die Gründe für die Auswahl korrespondierten dabei in erster Linie mit den oben ausgeführten Argumenten hinsichtlich der Notwendigkeit eines Gesetzes: Hauss wollte grundsätzlich „besonders nachteilige Mißbräuche" der Gewerbefreiheit regeln 270 , die in der Diskussion im Anschluß an die Veröffentlichung des WZG und in der Ankündigung des Erlasses eines UWG in der Presse und von „wissenschaftlichen, gewerblichen und kaufmännischen Vereinen" als typische Fälle unlauteren Geschäftsgebarens bezeichnet wurden. 271 Die Vorläufigen Vorschläge enthielten, so Hauss, 268

Reichsamt des Innern, BArch 1501/7863, B1.42ff. Bemerkungen zu den an die Sachverständigen versandten Grundzügen, Reichsamt des Innern, BArch 1501/7863, B1.285ff.; Vorbereitung der Denkschrift zum 1. Entwurf, Reichsamt des Innern, BArch 1501/7864, Bl. 165ff.; Denkschrift zum 1. Regierungsentwurf; Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd.3, 12ff. 270 Vorbereitung der Denkschrift zum 1. Entwurf, Reichsamt des Innern, BArch 1501/7864, Bl. 167. 271 Vorbereitung der Denkschrift zum 1. Entwurf, Reichsamt des Innern, BArch 1501/7864, Bl. 167; Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd.3, 14. 269

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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eine Ansammlung von Vorschlägen, gegen welche die bestehenden gesetzlichen Vorschriften keine genügende Handhabe böten.272 Als Beispiel wurde die irreführende Werbung angeführt, bei der der Betrugsparagraph versage, da „das Tatbestandsmerkmal der Vermögensbeschädigung nicht vorhanden oder doch nicht nachweisbar" sei. 273 Die Auswahl der Fallgruppen des UWG von 1896 erfolgte demnach mit dem Ziel, bestehende Gesetze mit Vorschriften gegen Verhaltensweisen zu ergänzen, die allgemein als schwerwiegendste Formen unlauteren Verhaltens bezeichnet wurden. Das Ziel der Ergänzung bereits vorhandener Rechtsnormen wird dadurch bestätigt, daß Hauss bei der Erarbeitung des Gesetzes nachweislich das Werk „Die unredliche Konkurrenz" von Alexander-Katz heranzog. 274 Dieser hatte alle Fallgruppen der Vorläufigen Vorschläge als Ergänzungsvorschläge bestehender Gesetze diskutiert. 275 Odi Alexander-Katz die Fallgruppen der französischen Lehre der concurrence déloyale entlehnte, läßt sich ein direkter Einfluß von Alexander-Katz und eine indirekte Wirkung der Lehre der concurrence déloyale auf die Auswahl der Fallgruppen des UWG nachweisen.

I. Irreführende Werbung 1. Die Gründe für die Aufnahme der Fallgruppe in den Entwurf An der Spitze des Vorentwurfs von Hauss f der in die Vorläufigen Vorschläge mündete, stand eine Bestimmung gegen irreführende Angaben bei der Kundenwerbung, den sog. Reklameschwindel.276 Als Grund hierfür nannte Hauss, daß das Verlangen nach gesetzgeberischem Einschreiten hauptsächlich durch zunehmende Ausschreitungen auf dem Gebiet des Reklamewesens motiviert sei. 277 Die Forderung nach Tätigwerden des Gesetzgebers entnahm Hauss vor allem der zweimaligen Beratung des Themenkomplexes der irreführenden Angaben durch den Reichstag. Die Berichte der Verhandlungen lagen Hauss bei den Arbeiten am UWG vor. 278 Die Ursache der zunehmenden Verwendung irreführender Angaben in der Neigung des Publikums, bei einem Kaufentschluß und bei der Auswahl zwischen verschiedenen Angeboten dem in augenfälliger und anpreisender Form sich kundgebenden Angebot Gehör zu schenken. Hauss unterstrich damit die Wirkung der Wer272 Vorbereitung der Denkschrift zum 1. Entwurf, Reichsamt des Innern, BArch 1501/7864, Bl. 167. 273 Ebd. 274 Reichsamt des Innern, BArch 1501/7863, B1.65. 275 Siehe oben, Teil 1, 3.Kap., V., l.,b). 276 Vgl. Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 3, 18. 27 7 Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 3, 18. 278 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.2ff.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

bung auf den Verbraucher und die große Bedeutung im Wirtschaftsleben seiner Zeit. Des weiteren führte er aus: 279 „Die Vermehrung der Verkehrsmittel, mannigfache Erleichterungen in der Benutzung derselben, die wachsende Ausbreitung des Zeitungswesens, die Entwicklung der polygrafischen Gewerbe haben mit anderen Umständen zusammengewirkt, um die Publizität geschäftlicher Ankündigungen zu erleichtern und hiermit deren Bedeutung für das Verkehrsleben zu erhöhen/4

Den Grund für die gestiegene Relevanz der Werbung sah er folglich in den Veränderungen des gesamten wirtschaftlichen und sozialen Lebens. Hauss bemerkte des weiteren, daß ein legislatives Einschreiten allerdings nur angebracht sei, solange die Angaben nicht im Rahmen der von Treu und Glauben gezogenen Grenzen blieben. 280 Ein Verstoß gegen Treu und Glauben liege in den sich häufenden Fällen vor, in denen unwahre Tatsachen zur Vorspiegelung eines besonders günstigen Angebotes gebraucht würden. Das Verständnis des unlauteren Wettbewerbs als einer gegen Treu und Glauben verstoßenden Verhaltensweise wird hier ebenso deutlich wie das vorrangige Bestreben, loyales Verkehrsverhalten keinesfalls zu beeinträchtigen. 2. Die Ausgestaltung der Bestimmungen gegen irreführende Werbeangaben (§§1 bis 4 UWG) a) Der Vorentwurf

und die Vorläufigen

Vorschläge

Abschnitt I des Vorentwurfs der Vorläufigen Vorschläge erhielt folgenden Wortlaut: 281 „I. Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, durch Angaben tatsächlicher Art über Beschaffenheit, Wert, Herkunft oder gewerbliche Auszeichnungen von Waren oder Leistungen, über die Menge der Vorräte oder den Anlaß zum Verkauf im Publikum die Annahme einer besonders günstigen Gelegenheit zum Erwerb der Ware oder Leistungen zu erwirken, ist, sofern die Angaben nicht erweislich wahr sind, jedem, der in seinem Geschäftsbetriebe hierdurch einen Schaden erlitten hat zum Ersatz desselben verpflichtet. Wer ein rechtliches Interesse nachweist, kann im Wege der Klage den Anspruch auf Unterlassung des ferneren Gebrauchs dieser Angaben geltend machen. Ein rechtliches Interesse ist für jeden Gewerbetreibenden, welcher Waren oder Leistungen gleicher Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, und für Verbände solcher Gewerbetreibenden als vorhanden anzunehmen."

Der Abschnitt gewährte somit einen Schadensersatzanspruch und einen Unterlassungsanspruch gegen objektiv unrichtige Angaben tatsächlicher Art im geschäftlichen Verkehr. Man wollte mittels dieser Ansprüche Werbung, die den Anspruch 279 280 281

Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 171. Ebd. Siehe Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.44ff.

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

219

sachlicher Information erhob, dem Wahrheitsgebot unterstellen. 282 Der Begriff der Angaben tatsächlicher Art sollte dabei eine Entscheidung über Wahr- bzw. Unwahrheit der Behauptungen ermöglichen. Diese Formulierung war zu keinem Zeitpunkt der Kodifikationsarbeiten strittig und ging in die Endfassung ein. Der Umstand allerdings, daß sie eine Entscheidung des Richters über die Tatsacheneigenschaft wirtschaftlicher oder auch technischer Angaben im Wirtschaftsleben erforderte, entwickelte sich während der Geltung des UWG von 1896 zu einem der wesentlichen Kritikpunkte. 283 Insgesamt veranschaulichte die Wortwahl des ersten Abschnitts die Nähe des Vorentwurfs zu den Vorschlägen von Alexander-Katz 2U und zu den parlamentarischen Beratungen. Die Formulierung „Wer es unternimmt... durch Angaben thatsächlicher Art... die Annahme einer besonders günstigen Gelegenheit zu erwirken" erinnert an Alexander-Katz' Fassung „Wer es unternimmt durch unwahre Angaben, ... welche den Irrthum einer besonders günstigen Kaufgelegenheit erregen sollen ..." Sie verdeutlicht, daß auch die erfolglose Tätigkeit verfolgt werden sollte. Die Formulierungen in Handel und Verkehr des Antrags von Roeren im Rahmen der Erneuerung des WZG bzw. öffentlich im § 146 c Gewerbeordnung wurden hier durch im geschäftlichen Verkehr ersetzt. Dies sollte ausschließen, daß auch Äußerungen, die ohne das Ziel der Förderung geschäftlicher Zwecke getätigt wurden, unter diese Vorschrift fielen. Während der Antrag Roerens nur von Waren sprach, erweiterte der Vorentwurf den Tatbestand auf Waren und Leistungen, eine Erweiterung, die schon der Antrag auf Normierung eines § 146 c Gewerbeordnung enthielt. Die Aufzählung der Fallbeispiele war bereits in dem Antrag Roerens enthalten, der jedoch noch weiter ging. Wie im Antrag Roerens y aber im Gegensatz zu § 146 c Gewerbeordnung und der Strafbestimmung von Alexander-Katz war die Aufzählung der Fallbeispiele abschließend. Die Bestimmung zur Bekämpfung der irreführenden Werbung war also in ihrer ersten Fassung, die auch das Grundgerüst der Endfassung blieb, eine Synthese des geplanten § 146c GewO und des geplanten § 15 b WZG im Reichstag.285 Unter den Begriff der Beschaffenheit sollten alle Momente fallen, die für die Würdigung der Ware von Bedeutung sind, wie die Tatsache, ob es sich um ein Fabrikoder Naturerzeugnis handelte.286 Der Begriff „Herkunft" sollte sich auf alle Ur282

Vgl. Jacobs/Lindacher/Teplitzky (wie Einleitung, Fn.2), §3 Rz. 1. Siehe unten, Teil 3, 11. Kapitel, I.,2. 284 Die besondere Bedeutung der Vorschläge Alexander-Katz rührt auch daher, daß er in seinem Werk „Die unredliche Konkurrenz" zunächst keine Generalklausel befürwortete und somit zu den einzelnen Komplexen formulierte Vorschläge erarbeitet hatte, auf die nun zurückgegriffen werden konnte. Kohlers, Katz und Bachems Werke fehlten Alternativen, da sie in allen Fällen außer dem Geheimnisverrat eine Generalklausel befürwortet hatten. 285 Siehe oben, Teil 1,4. Kap., I., 1.; 2. 286 Zur Begründung der einzelnen Tatbestandsmerkmale, vgl. Entwurf der Denkschrift Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 171-174, hier insb. 171. 283

2 2 0 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

sprungsangaben nicht geografischen Charakters beziehen, wie etwa die Angabe, daß die Ware aus einem Konkurs stamme.287 Die angestrebte Verfolgung schwindelhafter Angaben über den Besitz von Auszeichnungen sollte § 360 Ziffer 8 StGB ergänzen, der lediglich das schwindelhafte Tragen von Orden oder Titeln unter Strafe stellte, und auch einen Schutz gegen den Schwindel mit allen sonstigen gewerblichen Auszeichnungen gewähren. Der sich anschließende Begriff der Menge der Vorräte sollte das Erwecken des Scheins einer großen Auswahl verhindern, welcher Kunden täusche, anziehe und andere Wettbewerber schädige. Dieser Aspekt wurde ausdrücklich als nicht schwerwiegende Form des unlauteren Wettbewerbs bezeichnet.288 (1) Irreführung über den Anlaß zum Verkauf und Ausverkaufsschwindel Besonders bedeutsam war nach Ansicht von Hauss eine Bekämpfung der Täuschung über den Anlaß zum Verkauf bei welchem dem Käufer beispielsweise durch die Formulierung „wegen Geschäftsaufgabe" oder durch sonstige Umstände die Möglichkeit eines Gelegenheitskaufes suggeriert werde. Insbesondere Personen aus misslichen Familien- oder Vermögensverhältnissen sähen sich zu solche Käufen gedrängt. 289 Vor allem sollte der Ausverkaufsschwindel getroffen werden. Beschwerden über letzteren seien völlig berechtigt vor allem in den mittleren Schichten der Gewerbetreibenden erhoben worden. Mittels des Verbots irreführender Angaben über den Anlaß des Verkaufs hoffte man demnach, unlauteren Wettbewerb auf dem Gebiet des Ausverkaufsschwindels zu beseitigen. Vor allem das Wiederauffüllen eines Warenbestandes und die daraus folgende Verlängerung einer Sonderverkaufsveranstaltung, deren Besonderheit sich aus dem zeitlich oder inhaltlich begrenzten Anlaß ergab, wurde als unlauter empfunden. 290 Bis in die neunziger Jahre hinein waren Klagen hierüber nur vereinzelt zu hören. Alexander-Katz etwa wies auf die besondere Bedeutung von Schwindelausverkäufen und hier insbesondere von Konkursausverkäufen hin, die für ihn das wichtigste Beispiel für unlauteren Wettbewerb darstellten. 291 Nach eigenen Erhe287

Dies ist in den Akten nicht festgehalten, folgt aber aus der Systematik des Roerenschen Antrags und des § 146 c Gewerbeordnung, in dem sich die Bezeichnung Ursprung hierauf bezog. 288 Die Notwendigkeit seiner Regelung war fortwährend umstritten. Die Endfassung beinhaltete den Begriff nicht, siehe hierzu auch den späteren Entwurf der Denkschrift, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 173. 289 Ebd. 290 Siehe unten, Teil 2,11. Kap., I., 1. 291 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 288 (12). In einer privaten Enquête hat der Autor an sämtliche Konkursverwalter der dreissig größten deutschen Städte geschrieben und sie zu den Schwindelausverkäufen befragt. Den Nachschub von Ware unter Beibehaltung der Angabe Konkursausverkauf bejahten 45 von 61 Zuschriften als gängige Praxis. Beachte auch Alexander-Katz (wie Fn. 78), Bl. 292 (19 f.), Anmerkungen zu § 2. Hier empfahl er den Tatbe-

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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bungen kam er zu der Erkenntnis, daß in drei Viertel aller Fälle, in denen ein Händler eine Konkursmasse in ihrer Gesamtheit erstehe, er diese mit regulärer Ware von schlechter Qualität zum Nachteil des Publikums und der Konkurrenten auffülle. Der Vorentwurf von Hauss zeigt, daß der Gesetzgeber von Anfang an die Bekämpfung objektiv unrichtiger Angaben über besondere Verkaufsveranstaltungen und damit auch des Nachschiebens von Ware, die nicht zu dem Bestand der Ausverkaufsmasse gehörte, plante. Bei der Beratung der Vorläufigen Vorschläge schlug der Vertreter des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe sogar vor, neben der strafrechtlichen Ahndung des Ausverkaufsschwindels eine Konzessionspflicht für Ausverkäufe aller Art einzuführen. 292 Dadurch könne der präventive Schutz verstärkt und zahlreichen Petitionen aus gewerblichen Kreisen Rechnung getragen werden. Der Vorschlag wurde mit dem Hinweis abgelehnt, daß eine solche Bestimmung nur zu Verwirrung führen werde. Man war der Ansicht, daß die Strafbestimmung ausreiche, darüber hinaus sei der systematische Ort einer solchen Konzessionsverpflichtung die Gewerbeordnung und nicht das hier geplante Gesetz.293 Hauss sah sich durch diese Diskussion veranlaßt, bei dem Direktor der Abteilung II für wirtschafts- und sozialpolitische Angelegenheiten des Reichsamts des Innern, Rothe, eine Stellungnahme zu der Notwendigkeit einer solchen Konzession einzuholen.294 Rothe antwortete, daß aus seiner Sicht ein allgemeines Bedürfnis nicht bestehe, aber seit den siebziger Jahren wiederholt Klagen über Wanderlagerer und Warenauktionsbetriebe erhoben worden seien. Hier könne eine solche Konzession helfen, allgemein schade sie jedoch mehr. Er wies Hauss eindringlich darauf hin, daß eine solche Vorschrift auch den legitimen Wettbewerb treffen könne. Hier sei die Gefahr besonders groß, daß unliebsamer Wettbewerb als unlauterer Wettbewerb ausgegeben würde. 295 Dies war in der Folge auch Hauss' Standpunkt.296 Eine Änderung erfuhr die Bestimmung gegen Reklameschwindel im Hinblick auf den Ausverkaufsschwindel später durch die Stellungnahmen der Regierungen im Anschluß an die erste Veröffentlichung des Entwurfs. Hauss griff eine Anregung der Sächsischen Regierung auf und änderte „oder den Anlaß des Verkaufs in... oder den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs", um sicherzustellen, daß auch die Fälle getrofstand auf Fälle zu beschränken, in denen die Angaben geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Geschäfts zu erregen und nicht schon denjenigen, der es nur unternimmt, einen solchen Anschein zu erregen, zu bestrafen, da sonst ein objektives Element fehlte. 292 Vgl. die Äußerung des Geheimen Oberregierungsraths Ulimann, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.170f. 293 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, ebd. 294 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 177. 295 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 181 ff. 296 Hauss und die Mehrheit der Teilnehmer der Sachverständigenberatung lehnten beispielsweise den Versuch ab, zumindest die permanenten Ausverkäufe von einer Konzession abhängig zu machen, vgl. die Vorschläge von Vogel und Kern, Protokolle der Sachverständigenkommission, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 55.

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fen wurden, in denen man schlicht einen Ausverkauf ankündigte, ohne einen darüber hinausgehenden Anlaß mitzuteilen. 297 Dem im Hinblick auf den Ausverkaufsschwindel eingeführten Verbot der unrichtigen Angaben über den Anlaß des Verkaufs lag somit die Überzeugung von Hauss zugrunde, daß ein zurückhaltender Beginn der Bekämpfung ratsam sei. Die Diskussion zeigt, daß verwaltungsrechtliche Maßnahmen wie Konzessionen noch Befürworter fanden. Das Reichsamt des Innern lehnte solche Lösungsvorschläge jedoch ab. Die Begrenzung der Wettbewerbsfreiheit wurde dem Zivil- und Strafrecht überantwortet. (2) Die Klageberechtigung von Verbänden Eine Erweiterung der Klageberechtigung über den einzelnen Wettbewerber hinaus, bezweckte die Regelung, daß auch Verbände Gewerbetreibender zur Geltendmachung einer Unterlassungsklage berechtigt sein sollten. 298 Damit ging eine Betonung des Zwecks der Unterlassungsklage einher, den Schutz über den Konkurrenten hinaus auf die Allgemeinheit zu erweitern. Zunächst überwog in den Beratungen die Sorge, daß die Wirkung des Gesetzes durch eine zögerliche Nutzung durch den klageberechtigten Konkurrenten aufgrund des finanziellen Risikos einer Klage verringert werde. 299 Nach den Sachverständigenberatungen entschloss sich Hauss sogar dazu, einen von den Sachverständigen gebilligten Vorschlag Stegemanns zu befolgen und die Klageberechtigung grundsätzlich auf alle Verbände Gewerbetreibender zu erweitern. 300 Man war der Ansicht, daß auf diese Weise die Wahrung der Interessen des Geschäftsverkehrs allgemein verbessert werde könne. Die Erweiterung des Kreises der Klageberechtigten vergrößerte jedoch nach Ansicht zahlreicher Kritiker die Gefahr des Mißbrauchs durch Denunziationen. Die fortwährende Kritik an der Klageberechtigung für Verbände führte nach der Veröffentlichung des Ersten Entwurfs zur Streichung dieser Bestimmung.301 Angesichts der genannten Befürchtun297 Votum des Kgl. Sächsischen Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten v. 12.2.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.41. 298 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 176. 299 Hauss, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683; während der Beratungen der Vorläufigen Vorschläge wurde die Notwendigkeit zunächst noch bestätigt, vgl. die Bemerkungen v. 25.9.1894, die den Grundzügen, welche an die Sachverständigen versandt wurden, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.289f. 300 Ygi Protokolle der Sachverständigenkommission, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.53f. 301 Für eine Beibehaltung der Klageberechtigung für Verbände, weil so das Kostenrisiko und die Sorge, als Denunziant zu gelten kein Hindernis der Rechtsverfolgung für den Wettbewerber darstellte, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.304f. Denkschrift des Centraiausschusses der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine v. 5. Februar 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 191; Scherer, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, 234 f. Beachte, daß der Dt. Handelstag in dieser Hinsicht keinen einheitlichen Standpunkt vertrat. Bericht über die Sitzung des Ausschusses des Dt. Handelstages v. 22.

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gen entschloss man sich, die persönliche Verantwortung des Klagenden in den Vordergrund zu stellen. 3 0 2 Die Sorge vor Mißbrauch des Gesetzes überwog das Bedenken mangelnder Effizienz des Gesetzes in der Praxis. Einen Mittelweg zwischen den Vorbehalten der Öffentlichkeit und den Wünschen der Sachverständigen stellte die Regelung dar, die i m Rahmen der Bundesratsberatungen beschlossen wurden und in die Endfassung einging. Die Aktivlegitimation von Verbänden wurde nämlich mit der Einschränkung wieder aufgenommen, daß nur Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, welche prozessfähig waren, klageberechtigt sein sollten. 3 0 3 Als Grund für die Wiederaufnahme wurde wiederum auf den Umstand verwiesen, daß die Initiative zur Klage nicht nur von dem Entschluß eines einzelnen abhängig gemacht werden solle. 3 0 4

(3) Die Bestimmungen gegen irreführende Werbung vor Beginn der Beratung der Vorläufigen Vorschläge Nach Einfügung der Strafbestimmungen und vor Beginn der Beratungen der Vorläufigen Vorschläge erhielt Abschnitt I folgende Gestalt: „Wer es im geschäftlichen Verkehr unternimmt, durch unrichtige Angaben tatsächlicher Art über Beschaffenheit, Wert, Herkunft oder gewerbliche Auszeichnungen von Waren oder Leistungen, über die Menge der Vorräte oder den Anlaß zum Verkauf im Publikum die Annahme eines besonders günstigen Gelegenheit zum Erwerb der Ware oder Leistungen zu erwirken, wird mit Geldstrafe bis zu DM 300 oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft. Ist durch die Handlung ein öffentliches Ärgernis erregt worden, so tritt Geldstrafe von DM 100 bis 1500 oder Gefängnisstrafe von einer Woche bis zu sechs Monaten ein. Jeder, der in seinem Geschäftsbetriebe durch unrichtige Angaben der bezeichneten Art einen Schaden erlitten hat, kann Ersatz desselben beanspruchen." und 23. November 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.249; Für eine Streichung oder eine Beschränkung auf Verbände, in denen Konkurrenten organisiert seien, mit der Begründung, daß andernfalls die organisierte Denunziation eine Prozessflut erwarten lasse, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.263ff. Ähnliche Stimmen wurden auf dem Dt. Handelstag geäußert, so etwa Kosmack (Danzig), Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 249; Bl. 263. Beachte, daß der Centraiausschuss der Berliner gewerblichen, kaufmännischen und industriellen Vereine eine Streichung des § 1 forderte, da er gerade hier die Denunziationsgefahr fürchtete, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 191. 302 So das Argument des Preußischen Finanzministers, dem sich das Staatsministerium anschloss. Vgl. Protokoll der Sitzung des Königl. Staatsministeriums v. 9. April 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 54. Scheren Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, 234f. begrüßte in seiner Stellungnahme ausdrücklich die Möglichkeit, daß auch Verbände die Unterlassungsklage erheben könnten. 303 Begrtindung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9.Leg., 4.Sess. 1895/96, Nr.35,13f. 304 Für eine Klagebefugnis der Verbände etwa das Kgr. Sachsen, Mecklenburg-Schwerin, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, Bl. 142,144; ausdrücklich dagegen Kgr. Württemberg, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 171.

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Der zweite Absatz blieb ohne wesentliche Änderung. 305 Die Höhe des Strafrahmens orientierte sich an den Vorschlägen von Alexander-Katz und wies auf diese Weise eine Nähe zu Betrug und Untreue auf. 306 Die Verschärfung bei Erregung eines öffentlichen Ärgernisses war neu. b) Die Begrenzung der Schutzreichweite auf öffentliche Bekanntmachungen während der Beratung der Vorläufigen Vorschläge In der Beratung der Vorläufigen Vorschläge durch die Reichsämter und die Preußische Regierung wurde zunächst festgestellt, daß irreführende Angaben nur dann eine Regelung erfahren dürften, wenn ihre Verbreitung eine Gefahr für den Wettbewerb als solchen darstelle. 307 Der Zweck der Vorschrift könne daher nur sein, den Reklameschwindel in der Form zu bekämpfen, in der er an die Öffentlichkeit trete. 308 Nicht eingeschlossen werden sollte jede weitere Form der nicht wahrheitsgemäßen Anpreisung von Waren in kleinerer Runde, insbesondere eine, die in Verkaufsverhandlungen zwischen Verkäufer und Käufer mündlich oder schriftlich gemacht werde. Ein typischer Fall, in der Anpreisungen nicht nur an einzelne Personen, sondern an einen größeren Kreis gerichtet würden, sei bei der Versendung von Cirkularen gegeben.309 Schwindelhafte Reklame in dieser Form müsse auf jeden Fall durch die Norm verhindert werden. Dementsprechend wurde beschlossen, diese Erkenntnisse umzusetzen, indem man nur Angaben „in öffentlichen Ankündigungen oder Mittheilungen, welche an einen größeren Kreis von Personen" sich richteten, verbot. 310 Die Auseinandersetzung um die Frage, ob eine solche Beschränkung auf öffentlich geäußerte Angaben zu beschränken sei, durchzog die Entstehungsgeschichte der Bestimmungen gegen den Reklameschwindel. Einer solchen Beschränkung wurde entgegengehalten, daß sie eine Bekämpfung der irreführenden Werbung im Falle des Hausierhandels verhindere, und dies sei schließlich der ursprüngliche 305

Er lautete: „Wer ein rechtliches Interesse nachweist, kann im Wege der Klage den Anspruch auf Unterlassung des ferneren Gebrauchs der unrichtigen Angaben geltend machen. Ein rechtliches Interesse ist für jeden Gewerbetreibenden, welcher Waren oder Leistungen gleicher Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, und für Verbände solcher Gewerbetreibenden als vorhanden anzunehmen". 306 Vgl. Alexander-Katz (wie Teil 1, Fn. 370), 48 f., der die Norm systematisch Betrug und Untreue zuordnete. 307 Siehe Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 112ff. 308 Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 112. 309 Ebd. 310 Die Begriff im Publikum und im geschciftlichen Verkehr wurden dafür gestrichen, letzterer vor allem da man eine zu leichte Umgehung der Vorschrift fürchtete, Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 194.

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Zweck des gesetzgeberischen Einschreitens gewesen. 311 Noch vor der Veröffentlichung des ersten Entwurfes wurde daher die Wendung im geschäftlichen Verkehr wieder aufgenommen. 312 Die große Zahl der hiergegen vorgebrachten Einwände in der öffentlichen Diskussion des Entwurfes veranlaßte die Regierung schließlich, die Beschränkung wieder aufzunehmen und auch in der Endfassung beizubehalten. 313 Wesentliches Argument für diese Entscheidung war die allgemein geäußerte Sorge, daß die i m Rahmen von Verkaufsverhandlungen zwischen Verkäufer und Käufer geäußerten Angaben schwer einzuschätzen seien. Die Gefahr des Mißbrauchs zur Denunziation und Schikanierung durch Wettbewerber und auch Käufer sei sehr groß. 3 1 4 Wiederum war es somit die Furcht des Gesetzgebers, schikanöses Verhalten durch eine zu weitgehende Formulierung zu fördern, statt es zu bekämpfen, die zu einer eng gefaßten Formulierung führte. Der Abschnitt I ging in folgender Form in die Grundzüge ein: „I. Wer es unternimmt, in öffentlichen Ankündigungen oder Mittheilungen, welche an einen größeren Kreis von Personen sichrichten,durch unrichtige Angaben tatsächlicher Art über Beschaffenheit, Werth oder Preisbemessung315 von Waaren oder gewerblichen316 Leistun3,1

So Stegemann, Protokolle der Sachverständigenkommission, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.53. 312 Die Sachverständigenkommission nahm ihn wieder auf, um die wettbewerbsbezogene Ausrichtung zu betonen, Protokolle der Sachverständigenberatungen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.52ff., 66ff. 313 Einwände wurden u. a. geäußert in der Denkschrift des Centraiausschusses der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine v. 5. Februar 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 191; in den Beschlüssen der Handelskammer Braunschweig, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 181, von Alexander-Katz (wie Fn. 78), Bl. 291 (19); Handelskammer Crefeld, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 326, ebenso der Senat v. Bremen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, Bl. 151 f.; die Formulierung verlor nun die genannten Angaben in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, welche an eine grössere Zahl von Personen gerichtet sind; diese Formulierung war in der Denkschrift des Centraiausschusses der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine v. 5. Februar 1895, ebd., enthalten. Die Entscheidung zugunsten der Wiederaufnahme fiel erst im Preußischen Staatsministerium, vgl. Protokoll der Sitzung des Königl. Staats-Ministeriums v. 9. April 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.52f. 314 Der Ausschuss des Deutschen Handelstages führte etwa aus, „Wollte man auch die nur mündlich erfolgten Angaben im Sinne des § 1 des Entwurfes den gegen unlauteren Wettbewerb zu treffenden Bestimmungen unterwerfen, so würden die Handel- und Gewerbetreibenden in einen Denunziationskampf Aller gegen Alle hinein gerissen und ihres Lebens nicht mehr froh werden. Für jeden Käufer, den irgend ein Kauf nachträglich gereut, würde die erwähnte Bestimmung einen Anreiz zur Bedrängung des Verkäufers bilden, die Gerichte würden mit unnützen Prozessen überiiäuft werden, und die geringsten Irrthümer des Verkäufers könnten zu den verhängnisvollsten Folgen führen"; vgl. Bericht über die Sitzung des Ausschusses des Deutschen Handelstages v. 22. und 23. November 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 249 ff.; Denkschrift des Centraiausschusses der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine v. 5. Februar 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 191. 315 Der Begriff Preisbemessung wurde hinzugefügt, um sicher zu gehen, daß auch der Schwindel mit der werbewirksamen Umschreibung unter dem Einkaufspreise erhältlich ge15 von Stechow

2 2 6 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896 gen, über den Besitz von Auszeichnungen317, über die Menge der Vorräthe oder den Anlaß zum Verkauf bei Anderen den Anschein318 eines besonders günstigen Gelegenheit zum Erwerb zu erwecken, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft. 319 Jeder der in seinem Geschäftsbetriebe durch unrichtige Angaben der bezeichneten Art einen Schaden erlitten hat, kann Ersatz desselben beanspruchen. Wer ein rechtliches Interesse nachweist, kann im Rechtswege320 den Anspruch auf Unterlassung der unrichtigen Angaben geltend machen. Ein rechtliches Interesse ist für jeden Gewerbetreibenden, welcher Waren oder Leistungen gleicher Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, und für Verbände solcher Gewerbetreibenden als vorhanden anzunehmen." troffen werden könnte, siehe Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 113; vgl. auch den Antrag Gröbers hins. § 146c GewO, Aktenstück Nr. 73, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg.; 2. Sess. 1892/93; Anlagenband 1 (130), 434, der diese Änderung enthielt.- Angesichts der als ausufernd empfundenen Diskussion um § 16 des WZG, der die falsche Herkunftsbezeichnung unter Strafe stellte, wurde das Wort Herkunft gestrichen, um die Möglichkeit der Irritation der Richter durch die Ähnlichkeit der beiden Vorschriften auszuschließen, vgl. Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 113. 316 Gewerblich sollte vor den Begriff Leistung eingefügt werden, um zu verhindern, daß auch die künstlerische oder die wissenschaftliche Leistung unter die Vorschrift fielen. Siehe Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 114; vgl. auch den Antrag Gröbers hinsichtlich § 146 c GewO, Aktenstück Nr. 73, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8.Leg.; 2.Sess. 1892/93; Anlagenband 1 (130), 434. 317 Vor dem Begriff Auszeichnungen wurde gewerblich gestrichen, um auch die Fälle zu treffen, in denen die schwindelhafte Angabe sich nicht auf die Ware, sondern auf die Person des Verkäufers bezog, siehe Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 113; vgl. auch den Antrag Gröbers hinsichtlich § 146 c GewO, Aktenstück Nr. 73, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 8. Leg.; 2. Sess. 1892/93; Anlagenband 1 (130), 434. 318 Um den Tatbestand zu objektivieren, wurde das Erfordernis, daß der Reklameschwindel die Annahme eines günstigen Geschäfts verursachen müsse, durch den Begriff Anschein ersetzt, vgl. Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, 194. Beachte zusätzlich die bloß redaktionelle Änderung im zweiten Absatz, in dem des ferneren Gebrauchs gestrichen wurde. 319 In Bezug auf das Strafmaß wurde der Terminus Öffentliches Ärgernis gestrichen mit der Begründung, daß ein solches im Einzelfall kaum festzustellen und nach Ansicht der Kommission nicht das entscheidende Kriterium für die Ahndung des Reklameschwindels darstelle. Um dem Richter eine Ermessensausübung angesichts der Unterschiedlichkeit der geregelten Fälle zu ermöglichen, wurde ein weiter Strafrahmen ohne Minimalmaß gewählt und beschlossen, neben der Gefängnis- wahlweise auch die Haftstrafe zuzulassen. Dies wurde ermöglicht, indem man die Geldstrafe in der Formulierung des Strafmaßes vorzog, siehe Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 114 f. Zum Unterschied von Haft und Gefängnis vgl. §§ 16 und 18 des RStGB oder auch F. Wachenfeldt, Strafrecht (mit Ausschluß des Militärstrafrechts), in: Josef Kohler (Hrsg.), Enzyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung, Band 5, 7. Aufl., München 1914. 320 Der Begriff im Wege der Klage wurde durch im Rechtswege ersetzt, damit kein Zweifel darüber aufkomme, daß auch eine einstweilige Verfügung möglich sei. Siehe Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 115.

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c) Die Sachverständigenberatungen Die Beratungen der Sachverständigen waren von dem Versuch beherrscht, in Anbetracht der Begrenzung der irreführenden Werbung auf die genannten Fallbeispiele eine Erweiterung oder Umformulierung zu erreichen, um so den Tatbestand zu erweitern. 321 Eine Ausnahme bildete in diesem Zusammenhang die Nachfrage von Hauss, ob eine Erweiterung des Verbots des Auszeichnungsschwindels begehrt werde. 322 Dies wurde abgelehnt. Teile der Versammlung waren sogar der Ansicht, das Vertrauen des Publikums in solche Auszeichnungen sei in der zurückliegenden Zeit gesunken. Roeren und Hammacher wiesen in diesem Zusammenhang nochmals auf den Zweck des Gesetzes hin, das nur einen ersten Schritt tun solle und unmöglich alle Fälle der mißbräuchlichen Reklame treffen könne. Es zeigt sich, daß auch in der Sachverständigenkommission Einigkeit hinsichtlich dieses Zwecks des Gesetzes herrschte. 323 (1) Die Sonderregelung der einstweiligen Verfügung und die Erweiterung des zivilrechtlichen Tatbestandes Zwei wesentliche Erweiterungsvorschläge, die auch Aufnahme in die Endfassung fanden, gingen auf Vorschläge Roerens zurück. 324 Roeren wies zunächst auf die besondere Bedeutung des Unterlassungsanspruchs hin, da dieser der Vorbeugung gegen unlautere Maßnahmen dienen könne.325 Um grö/frmögliche Effektivität zu erreichen, dürften einstweilige Verfügungen zur Verwirklichung dieses Anspruchs aber nicht an die besonderen Voraussetzungen der §§814 und 819 ZPO gebunden werden. 326 Hauss folgte dieser Anregung. In materiellrechtlicher Hinsicht erforderten einstweilige Verfügungen demnach nur das Vorliegen der Voraussetzungen des UWG. 321 Protokolle der Sachverständigenkommission, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 52 ff. 322 Alexander-Katz schlug in diesem Zusammenhang vor, das Führen von Medaillen, Diplomen und ähnlichen Auszeichungen gem. dem Französischen Medaillengesetz v. 1882 von einer staatlichen Prüfung abhängig zu machen, Protokolle der Sachverständigenkommission, BArch. 1501/7684, B1.55. 323 Ebd. 324 Die Täuschung über die Kreditfähigkeit in den Tatbestand aufzunehmen, wurde von Hauss hingegen abgelehnt, da sie nicht in das Gesetz passe, vgl. die Vorschläge von Vogel und Kern, Protokolle der Sachverständigenkommission, ebd., Bl. 55. 325 Protokolle der Sachverständigenkommission, ebd., B1.50. 326 Die Paragraphen lauteten, „§814 Einstweilige Verfügungen in Beziehung auf den Streitgegenstand sind zulässig, wenn zu besoigen ist, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. § 819 Einstweilige Verfügungen sind auch zum Zweck der Regelung eines einstweiligen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig".

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Zudem setzte in der jetzigen Fassung sowohl der strafrechtliche Tatbestand als auch der zivilrechtliche wissentliches Handeln voraus. Damit enthalte die rechtliche Bestimmung höhere Anforderungen als die entsprechenden Schadensersatzansprüche des geltenden Rechts. Daß die strafrechtliche Bestimmung vom Vorsatz abhängig sein sollte, war allgemeine Ansicht. Es wurde aber empfohlen, die Schadensersatzpflicht auf Fahrlässigkeit zu erweitern. Auch dieser Vorschlag wurde bei der Erarbeitung des Ersten Entwurfs umgesetzt. Von besonderer Bedeutung ist diese Änderung, da sie den Schluß zuläßt, daß den Sachverständigen bewußt war, daß ein auf vorsätzliches Handeln begrenzter zivilrechtlicher Anspruch nur geringe Wirkung entfalten konnte. Zu dieser Erkenntnis waren die Schöpfer des §§ 826 BGB nicht gelangt. Die Folge war ein nach Ansicht einiger Zeitgenossen nur bedingt auf die Bedürfnisse des Rechtsschutzes im wirtschaftlichen Wettbewerb zugeschnittener § 826 BGB. 3 2 7 Neben diesen Änderungen führte die Überarbeitung der Grundzüge durch die Sachverständigenkommission zu der schon erörterten Zweiteilung des ersten Abschnitts in einen vorgezogenen zivilrechtlichen und einen zweiten strafrechtlichen Paragraphen. So wurde der zivilrechtliche Schwerpunkt deutlicher, und die unterschiedliche Reichweite beider Tatbestände konnte besser zur Geltung kommen. 328 Eine zusätzliche Erweiterung brachte ein neuer dritter Absatz der zivilrechtlichen Bestimmung (jetzt § 1). Um auch unlautere Reklame zu verhindern, die sich keiner tatsächlichen Angaben bediente, sondern bildliche oder symbolische Darstellungen benutzte, stellte dieser solche Darstellungen Angaben tatsächlicher Art gleich. 329 Man war der Ansicht, daß ein solches Vorgehen eine ebenso irreführende Wirkung habe wie Angaben tatsächlicher Art. (2) Die Bestimmungen gegen die irreführende Werbung im ersten Entwurf Der Abschnitt zur Bekämpfung irreführender Werbung erhielt im Ersten Entwurf folgenden Wortlaut: „§ 1 : Wer es unternimmt, im geschäftlichen Verkehr durch unrichtige Angaben tatsächlicher Art über die Beschaffenheit 330 oder die Preisbemessung von Waaren und gewerblichen Leistungen, über die Bezugsquelle331 von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen, 327

Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., IV.; siehe unten Teil 3,10. Kap. II. Vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.72ff. 329 Vgl. Denkschrift zum 1. Entwurf, Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 3,22. 330 Hauss strich die Fallgruppe des Werts einer Sache auf den Einwand hin, daß man keine unrichtigen Angabe über den Wert einer Sache machen könne, vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.72ff. 331 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.73, entgegen den Beschlüssen im Rahmen der Beratung der Grundzüge sah der erste Entwurf zunächst wieder ein Verbot der falschen Angaben über den Ursprung der Ware vor, in dem man die Worte Herkunft oder die Bezugsquelle 328

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über die Menge der Vorräthe 332, oder den Anlaß zum Verkauf den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, kann auf Unterlassung derselben in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbetreibenden, welcher Waaren oder Leistungen gleicher Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, und von Verbänden Gewerbetreibender geltend gemacht werden. Zur Sicherung des Anspruchs können einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in §§ 814 und 819 der Civil-Prozeß-Ordnung bezeichneten besonderen Voraussetzungen nicht zutreffen. Neben dem Anspruch auf Unterlassung der unrichtigen Angaben haben die vorerwähnten Gewerbetreibenden333 auch Anspruch auf Ersatz des durch die unrichtigen Angaben verursachten Schadens gegen den Urheber der Angaben, falls dieser ihre Unrichtigkeit kannte oder kennen mußte. Im Sinne der vorstehenden Bestimmungen sind den Angaben tatsächlicher Art solche Veranstaltungen gleichzusetzen, die darauf berechnet und geeignet sind, derartige Angaben zu ersetzen. § 2: Wer es unternimmt, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilungen, welche an einen größeren Kreis von Personen sichrichten,durch wissentlich unwahre Angaben tatsächlicher Art über die Beschaffenheit oder die Preisbemessung von Waaren oder gewerblichen Leistungen über die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen334 oder den Anlaß zum Verkauf den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Haft oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft."

hinzufügte. Den in der ersten Kommission geäußerten Bedenken einer Verwischung der Tatbestandsgrenzen mit § 16 WZG gedachte man durch Einführung eines § 3 zu begegnen, der klarstellen sollte, daß sich der Tatbestand auf Ursprungsangaben nicht geographischen Charakters bezog (ζ. B. Domänenbutter, aus einem Konkurs, etc.). § 3 lautete: Die Verwendung von

Namen, welche nach Handelsgebrauch zur Benennung gewisser Waaren dienen, ohne d Herkunft bezeichnen zu sollen, ist im Sinne der Bestimmungen der §§ 1 und 2 als Angabe die Herkunft der Waaren nicht anzusehen. Schließlich entschied Hauss sich, im ersten Entwurf nur den Begriff der Bezugsquelle beizubehalten und formulierte den Unterschied zu § 16 WZG in der Denkschrift, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 172. 332 Diese Fallgruppe wurde als unbedeutender Fall des Reklameschwindels bezeichnet, da hierdurch nur die falsche Angabe über die Grösse eines Sortiments verhindert werde. Im zivilrechtlichen Tatbestand wurde er beibehalten, im strafrechtlichen wurde er gestrichen. Nicht getroffen werden sollte durch diese Formulierung außerdem der sog. permanente Ausverkauf. Dieser sollte je nach Sachlage als unwahre Angaben über den Anlaß des Verkaufs oder über die Bezugsquelle behandelt werden, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 174. 333 Angesichts der Umformulierung vorerwähnte Gewerbetreibende, welche auf Gewerbetreibende, die Waren gleicher Art herstellten, verwies, strich man die Ausführungen hinsichtlich des rechtlichen Interesses. 334 Zur Streichung des Begriffs Menge der Vorräte im strafrechtlichen Tatbestand siehe oben Fn. 332.

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d) Die öffentliche

Kritik

(1) Die Kritik an Schadensersatzanspruch und Strafbestimmung Die öffentliche Diskussion um die Ausgestaltung der Bestimmungen zur Bekämpfung irreführender Werbung wurde unter anderem beherrscht von der Forderung, den Tatbestand auf öffentlich geäußerte Reklame zu beschränken - diesem Wunsch kam die Regierung nach - und Differenzen über das prozessuale Vorgehen. Daneben wurden vielfach Ergänzungen oder Beschränkungen der Fallgruppen empfohlen. 335 In Frage stand auch der Schadensersatzanspruch. Eine Forderung verschiedener Handelskammern aufgreifend, schlug der Preußische Handelsminister im Staatsrat erneut vor, den Schadensersatzanspruch in § 1 zu streichen. 336 Neben moralischen Aspekten 337 wurde vor allem angeführt, daß der Nachweis eines konkreten Schadens durch die Reklamehandlung eines Konkurrenten nicht zu führen sei und ein Schaden darüber hinaus gegen den aus § 2 Bestraften nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen ohnehin geltend gemacht werden könne. Hauss anerkannte demgegenüber zwar die geringe Bedeutung eines eigenen Schadensersatzanspruches im Vergleich zum Unterlassungsanspruch, der seines Erachtens die zentrale Handhabe darstellen sollte 338 , verwies aber auf die besondere Bedeutung des Schadensersatzanspruches in Frankreich und die Tatsache, daß die Sachverständigen dessen Notwendigkeit auch für das vorliegende Gesetz bestätigt hätten. Darüber hinaus unterstrich Hauss die eigenständige Bedeutung des Anspruchs neben § 2, da jener schon bei grober Fahrlässigkeit und nicht erst bei Vorsatz, wie in § 2 gefordert, eingreife. Der Anspruch wurde beibehalten. Die Diskussion zeigt erneut die - auch von der Regierung geteilte - Furcht in Handel- und Gewerbekreisen, daß das Gesetz geeignet sein könnte, unlauteres Verhalten zu fördern, anstatt es zu bekämpfen. Die Bedenken führten zu einer Vielzahl von weiteren Beschränkungen der Reichweite des Gesetzes und unterstrichen die Absicht mit dem Gesetz lediglich einen ersten Schritt zu tun. 333 Siehe hierzu auch die vom Reichsamt des Innern zusammengefaßten Stellungnahmen der Bundesregierungen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, Bl. 149 ff. Dort, wo einzelne Anregungen umgesetzt wurden, ist dies im folgenden gesondert vermerkt. 336 Insbesondere die Handelskammer Braunschweig, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 182. 337 Argument der Handelskammer Braunschweig, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, ebd.: „Es widerspricht dem Ehrgefühl jedes anständigen Kaufmanns, aus dem unlauteren Gebaren eines unanständigen Konkurrenten bzw. aus dessen Bestrafung irgend welchen Vermögensvortheil zu ziehen". 338 Siehe seine Ausführungen auf dem Handelstag, vgl. Bericht über die Sitzung des Ausschusses des Deutschen Handelstages v. 22. und 23. November 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.246. Rausnitz wollte hingegen den Schadensersatzanspruch auch bei einfacher Fahrlässigkeit geben, ebd., Bl. 320 (28).

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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Auch die Änderung von § 2 war dadurch motiviert, das Wirtschaftsleben an eine gesetzliche Beschränkung des Wettbewerbs zu gewöhnen. § 2 wurde auf Vorschlag des Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe durch Beschluß des Staatsministeriums dahingehend ergänzt, daß die Freiheitsstrafe nur bei Rückfall - also Wiederholung nach einmaliger Vorbestrafung wegen desselben Vergehens 339 - zu verhängen sei. Der Preußische Finanzminister wies darauf hin, daß der Richter einen weiten Spielraum bei der Geldstrafe habe und diesen nach Änderung der Vorschrift hinreichend ausnutzen könne, ohne daß der Paragraph an Wirkung verlieren würde. 3 4 0 Als gewichtiges Argument für die Änderung wurde angeführt, daß es sich bei dem Reklameschwindel um eine bisher straffreie Tat handele und eine Gefängnisstrafe bei erstmaligem Verstoß als nicht zumutbare Härte empfunden werde. 3 4 1

(2) Der Bundesratsentwurf Der Entwurf, der nach der Diskussion in der Öffentlichkeit dem Bundesrat zuging, hatte folgenden Wortlaut: „§ 1 : Wer es unternimmt, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, welche für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch unrichtige und zur Irreführung geeignete342 Angaben thatsächlicher Art über die Beschaffenheit, die Herstellungsart343 oder die Preisbemessung von Waaren und gewerblichen Leistungen, über die Bezugsquelle von 339

So die Wortwahl des Ministers, Votum vom 25.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 8. Der Vorschlag wurde schon vom Centraiausschuss der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine in seiner Denkschrift vom 5.2.1895 gemacht. Die Vermutung liegt nahe, daß der Minister diesen Vorschlag aufgriff, denn er verweist zu Beginn seines Votums auf die beachtenswerte Stellungnahme dieser Institution, ebd., B1.5. 340 Protokoll der Sitzung des Staatsministeriums, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 56; beachte auch die Einführung der Privatklage für § 2, vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.57f. 341 Centraiausschuss, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 190. 342 Die Worte und zur Irreführung geeignet bzw. auf Täuschung berechnet in § 2 gehen auf eine Empfehlung des Deutschen Handelstages zurück und sollten aus Rechtssicherheitsgründen klarstellen, daß nur die Fälle, in denen eine betrügerische Absicht vorlag, getroffen würden, vgl. Bericht über die Sitzung des Ausschusses des Deutschen Handelstages v. 22. und 23. November 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.248 f. Hauss hatte diese Änderung aus Furcht, den zivilrechtlichen Tatbestand zu sehr zu beschränken, anfangs noch abgelehnt, sich dann aber den Argumenten gefügt, vgl. Votum zum Entwurf v. 23.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.306. 343 Das Anfügen der Herstellungsart hinter Beschaffenheit entstammte dem Vorschlag des Preußischen Justizministers, der der Auslegung des Begriffs der Beschaffenheit durch die Denkschrift des Reichsamt des Innern widersprach, nach welcher auch Merkmale wie Eigenoder Fremdherstellung unter den Begriff der Beschaffenheit fallen sollten, vgl. Votum des Preußischen Justizministers, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 265. Dieser Einwand ist zuvor schon vom Großh. Hessischen Staatsministerium in seinem Votum v. 5.2.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.71, und durch Vertreter der Handelskammer auf dem Dt. Handelstag geäußert worden, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 240. Rausnitz, ebd., B1.320, teilte diese Ansicht.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen,344 über den Anlaß oder den Zweck 345 des Verkaufs den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, kann auf Unterlassung derselben in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbetreibenden, der Waaren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art 346 herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, geltend gemacht werden; zur Sicherung des Anspruchs können einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in §§814 und 819 der Civil-Prozeß-Ordnung bezeichneten besonderen Voraussetzungen nicht zutreffen. Neben dem Anspruch auf Unterlassung der unrichtigen Angaben haben die vorerwähnten Gewerbetreibenden auch Anspruch auf Ersatz des durch die unrichtigen Angaben verursachten Schadens gegen den Urheber der Angaben, falls dieser ihre Unrichtigkeit kannte oder kennen mußte. Für Klagen aufgrund der vorstehenden Bestimmungen ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk die unrichtigen Angaben gemacht worden sind. Hat jemand auf Unterlassung einer unrichtigen Angabe Klage erhoben, oder den Erlaß einer einstweiligen Verfügung beantragt, so steht anderen, die wegen derselben Angabe den Anspruch auf Unterlassung geltend zu machen berechtigt sind, nur der Beitritt zu dem Verfahren und zwar in der Lage zu, in welcher sich dieses zur Zeit der Beitrittserklärung befindet. Auf den Beitritt finden die Vorschriften des § 67 der Zivilprozessordnung entsprechende Anwendung; der Beigetretene gilt im Sinne des § 58 als Streitgenosse der Hauptpartei. Jede in der Sache ergangene Entscheidung äußert zugunsten des Beklagten ihre Wirkung auch gegenüber solchen Berechtigten, welche den Anspruch nicht geltend gemacht haben.347 Im Sinne der vorstehenden Bestimmungen sind den Angaben thatsächlicher Art solche Veranstaltungen gleichzusetzen, die darauf berechnet und geeignet sind, derartige Angaben zu ersetzen. § 2: Wer es unternimmt, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilungen, welche an einen größeren Kreis von Personen sichrichten,durch wissentlich unwahre und auf Täuschung berechnete348 Angaben thatsächlicher Art über die Beschaffenheit, die Herstellungs344

Die Fallgruppe der Menge der Vorräte wurde auf Vorschlag des Vereins der Berliner Kaufleute und Industrieller gestrichen, da dieser bloß ein Fall von harmloser Aufschneiderei, aber kein Fall des unlauteren Wettbewerbs sei. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 190. 345 Siehe oben, Fn.297. 346 Dem Hinweis des Kaiserlichen Patentamtes folgend wurde die Klageberechtigung auf jeden Gewerbetreibenden ausgedehnt, der Waren oder gewerbliche Leistungen gleicher oder verwandter Art anbot, um Streitigkeiten darüber zu vermeiden, ob die gleiche Art beispielsweise auf technische oder wirtschaftliche Aspekte Bezug nehme. So wurde daraufhingewiesen, daß sich ein Butterproduzent ohne weiteres gegen einen Margarineproduzenten wehren können müsse, ohne Gefahr zu laufen, daß sein Klagerecht an der Unterschiedlichkeit der Waren scheitere, Brief des Präsidenten des Kaiserlichen Patentamtes an das Reichsamt des Innern v. 9.2.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.239. 347 Im Staatsministerium wurde ohne weitere Diskussion der Vorschlag des Justizministers, das Gericht der unerlaubten Handlung, also der unerlaubten Reklame, für ausschließlich zuständig erklärt und die Fälle, in denen mehrere sich zu einer Unterlassungsklage entschlössen, im Wege des Verfahrensbeitritts zu regeln, angenommen, geregelt war dies im damaligen § 138 ZPO, vgl. Protokoll der Sitzung des Königl. Staatsministeriums v. 9. April 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.55f. 348 Siehe oben Fussnote 342.

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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art oder die Preisbemessung von Waaren oder gewerblichen Leistungen, über die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen oder den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft. War der Täter bereits einmal wegen einer Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Vorschrift bestraft, so kann neben oder statt der Geldstrafe bis auf Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden; die Bestimmungen des § 245 des Strafgesetzbuches finden entsprechende Anwendung."

e) Die Beratungen im Bundesrat Die Bestimmungen gegen irreführende Werbung erfuhren in den Bundesratsberatungen eine umfassende Neuordnung, ohne daß jedoch die grundsätzlichen Fragen - straf- oder zivilrechtlicher Schwerpunkt und die Spezialisierung der Tatbestände - anders beurteilt worden wären als in den vorhergehenden Beratungen. 349 §§ 1 ff. des Bundesratsentwurfs wurden nun in vier Bestimmungen aufgeteilt, §§ 1-4 des neuen Entwurfs, der sog. Reichstags vorläge. 350 Die ersten drei Paragraphen regelten die zivilrechtliche Seite der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, § 4 die strafrechtliche. (1) Neufassung der zivilrechtlichen Bestimmung und Einführung einer Gerichtsstandsregelung § 1 der Reichstagsvorlage entsprach im wesentlichen § 1 des Vorentwurfs, mit zwei Ausnahmen:351 Der erste Absatz wurde geteilt und die einstweilige Verfügung wurde in einem neuen § 3 geregelt. Der dritte Absatz des Vorentwurfs wurde zum neuen § 2. § 2 enthielt jetzt eine geänderte Regelung des ausschließlichen Gerichtsstandes. Geregelt werden sollte gleichzeitig der Fall der Klagehäufung gegen einen Gewerbetreibenden durch mehrere Mitbewerber. In erster Linie sollte daher die gewerbliche Niederlassung und in Ermangelung einer solchen der Wohnsitz des Beklagten maßgeblich sein. Gemäß § 138 ZPO konnte somit bei einer Klagehäufung beim gleichen Gericht die Verbindung angeordnet werden. Für ausländische Gewerbetreibende wird bei Fehlen beider vorgenannter Möglichkeiten das Gericht des Aufenthaltsortes und, wenn ein solcher nicht bekannt ist, das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist, für zuständig erklärt. Man hoffte, dadurch sowohl die umständlichen Regelungen des Verfahrensbeitritts als auch die ungünstige Regelung des Gerichtsstandes des Orts der unerlaubten Handlung hinreichend korrigiert zu haben.352 349

Vgl. Hinweise in der Akte, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 169 ff. Entwurf v. 3. Dezember 1895, vgl. GR 4 (1895), 439ff. 351 Zu den weiteren Änderungen siehe die Fassung des § 1 der Reichstagsvorlage mit Anmerkungen, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35. 352 Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, 14. 350

2 3 4 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Eine Ausnahme zu der Regelung des § 2 wurde in § 3 für die einstweilige Verfügung geschaffen. Unter Beibehaltung der Erleichterungen durch die Nichtanwendbarkeit der §§ 814, 819 ZPO wurde das Gericht, in dessen Bezirk die den Anspruch begründende Handlung begangen worden war, für zuständig erklärt. Hierdurch hoffte man Verzögerungen, die durch Anordnungen des Gerichts der Niederlassung gerade in Fällen der Wanderlagerer entstehen könnten, zu vermeiden. 353 Diese Regelung der beiden Paragraphen greift die gegen die vorigen Fassungen erhobenen Bedenken auf. §§2 und 3 wurden nicht mehr geändert und gingen in dieser Fassung in das spätere Gesetz ein. (2) Die Neufassung der Strafbestimmung Auch die strafrechtliche Bestimmung des § 4 wurde im Zuge der Bundesratsberatungen in die Form der Endfassung gebracht. Sie ist nahezu identisch mit der Bestimmung des heutigen §4 Abs. 1 UWG. 3 5 4 § 2 des Bundesratsentwurfs erfuhr dahingehend eine Veränderung, daß das Hervorrufen eines besonders günstigen Angebots nun absichtlich zu geschehen hatte, während bisher die Schuldfrage insofern keine Rolle gespielt hatte.355 Darüber hinaus wurde das Kriterium, daß die wissentlich unwahren Angaben auf Täuschung berechnet sein mußten, ersetzt durch den Begriff zur Irreführung geeignet. Der Bundesrat schuf damit das im Prinzip heute noch gültige System der strafrechtlichen Verantwortung für irreführende Werbeangaben. Hinsichtlich des Umstandes, daß die unwahre Bekanntmachung als ein besonders günstiges Angebot angesehen werden könnte, wurde Absicht gefordert. Die Formulierung wissentlich unwahr wurde beibehalten und forderte ein Bewußtsein des Täters von der Unwahrheit; die rein objektiv bestehende Unwahrheit sollte nicht ausreichen. Die Eignung zur Irreführung zielte im Gegensatz zu der Fassung des Vorentwurfs (auf Täuschung berechnet) darauf ab, objektive Kriterien bei der Frage entscheiden zu lassen, ob die Aussagen auf Verbraucherseite zur Täuschung führen könnten oder nicht. 356 Die Änderungen bedeuteten im Vergleich zum Vorentwurf keine Verschärfung, sondern vielmehr eine Präzisierung, in der Hoffnung auf größere Verständlichkeit und damit leichtere Anwendbarkeit. Die Vorstellung irreführende Werbung sei mit dem Betrug nahe verwandt, die die Verschärfung von §§ 1 und 2 des Vorentwurfs veranlaßt hatte, blieb im neuen §4 erhalten. 357 Die gleichzeitige Streichung des Krite353

Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,14f. § 4 Abs. 1 des heutigen UWG enthält zusätzlich noch die Formulierung insbesondere vor der Aufzählung der Fallbeispiele und innerhalb dieser die Begriffe Ursprung und Menge der Vorräte. Darüber hinaus lautet die Rechtsfolge heute auf Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafe. 355 Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, 15. 356 Ebd. 357 Siehe oben, Fn. 273, 306. 354

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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riums der Eignung zur Irreführung in der zivilrechtlichen Bestimmung bestätigt den Willen des Gesetzgebers, die Anwendbarkeit des Zivilrechts zu erleichtern und die Eingriffsschwelle des Strafrechts deutlich höher zu legen. 3 5 8 Dies war angesichts der Auffassung des Reichsamts des Innern nur folgerichtig: Trotz der Bestrebung, die zivilrechtliche Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs zu fördern, vermutete man, daß der Gewerbetreibende eher strafrechtlich als zivilrechtlich vorgehen werde. 3 5 9 In der Reichstagsvorlage hatten die Bestimmungen gegen irreführende Werbung folgenden Wortlaut: „§ 1 : Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen,360 welche für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waaren und gewerblichen Leistungen, über die Art des Bezugs361 oder die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs unrichtige Angaben thatsächlicher Art macht, welche geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, kann auf Unterlassung der unrichtigen Angaben in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbetreibenden, der Waaren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, oder von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden; soweit die Verbände als solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen können.362 Neben dem Anspruch auf Unterlassung der unrichtigen Angaben haben die vorerwähnten Gewerbetreibenden auch Anspruch auf Ersatz des durch die unrichtigen Angaben verursachten Schadens gegen den Urheber der Angaben, falls dieser ihre Unrichtigkeit kannte oder kennen mußte. Im Sinne der vorstehenden Bestimmungen sind den Angaben thatsächlicher Art bildliche Darstellungen363 und sonstige Veranstaltungen gleich zu achten, die darauf berechnet und geeignet sind, derartige Angaben zu ersetzen. 358 Diesem Zweck diente u. a. auch die Ausgestaltung des §4 als Antragsdelikt im Zuge der Bundesratsberatungen durch den neuen § 12 der Reichstagsvorlage, vgl. auch oben Teil 2, 7. Kap., II. 359 Votum des Staatssekretärs des Innern v. 23.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 311. 360 j m ersten Absatz des § 1 wurden die Worte zur Irreführung geeignet wieder gestrichen. Man meinte, diese Formulierung sei geeignet, die Anwendbarkeit der zivilrechtlichen Vorschrift unnötig zu erschweren, vgl. die Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,11. 361 Sowohl der zivil- als auch der strafrechtliche Tatbestand wurde um die Fallgruppe der unwahren Angaben tatsächlicher Art über die Art des Bezugs erweitert. Man anerkannte damit, daß für manche Warengattungen solche Angaben, wie etwa „direkt ohne Zwischenhändler oder in Eis verpackt oder durch Karawane (Thee) bezogen" von wesentlicher Bedeutung sein konnten, vgl. die Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, 11. 362 Zur Wiedereinführung der Aktivlegitimation von Verbänden siehe oben Fn. 303. 363 Der Absatz enthielt nun die Klarstellung, daß auch Werbung durch bildliche oder sonstige Darstellungen getroffen werden sollte. Ziel dieses Absatzes war es vor allem jene Reklame zu treffen, in der etwa durch Auslage von Bildern in Schaufenstern die Irreführung des Publi-

2 3 6 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896 § 2: Für Klagen aufgrund der vorstehenden Bestimmungen ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat. Für Personen, welche im Inland weder eine gewerbliche Niederlassung, noch einen Wohnsitz haben, ist ausschließlich zuständig das Gericht des inländischen Aufenthaltsortes, oder wenn ein solcher nicht bekannt ist, das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. § 3: Zur Sicherung des Anspruchs können einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in §§ 814 und 819 der Civil-Prozeß-Ordnung bezeichneten besonderen Voraussetzungen nicht zutreffen. Zuständig ist auch das Amtsgericht, in dessen Bezirk die den Anspruch begründende Handlung begangen ist; im übrigenfinden die Vorschriften des § 820 Zivilprozessordnung Anwendung. § 4: Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilungen, welche für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waaren oder gewerblichen Leistungen, Art des Bezugs oder die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen oder den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs den Anschein wissentlich unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben thatsächlicher Art macht, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft. Ist der Täter bereits einmal wegen einer Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Vorschrift bestraft, so kann neben oder statt der Geldstrafe bis auf Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden; die Bestimmungen des § 245 des Strafgesetzbuches finden entsprechende Anwendung.44 f) Die Beratung der §§ 1 bis 4 in Parlament und Reichstagskommission Neben der bereits dargestellten, auf prinzipiellen Gründen beruhenden Forderung der Streichung aller strafrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs wurde die Ausgestaltung der §§ 1 - 4 i m Reichstag nicht diskutiert. 3 6 4 Die Reichstagskommission befaßte sich hingegen eingehend mit den Vorschriften gegen irreführende Werbung. Neben dem erwähnten Antrag, § 1 um eine Generalklausel zu erweitern, befaßte man sich mit weiteren 14 Anträgen zu § 1. Er bildete damit mit § 5 und den §§ 9 f. den Schwerpunkt der Kommissionsverhandlungen. Hinsichtlich § 1 nahm die Diskussion um die Reichweite der Bestimmung, also die Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des Reklameschwindels, den breitesten Raum ein. 3 6 5 kums über die Güte eines Angebots erreicht werden sollte, vgl. siehe hierzu die Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, 12. 364 1. Lesung des Reichstags, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 107 ff.; 128 f. 365 Folgende Anträge wurden abgelehnt: Antrag 2 des Abgeordneten Buddeberg, Menge der Vorräte wieder als Fallgruppe des Reklameschwindels in den Tatbestand des § 1 aufzunehmen; abgelehnt, da von der Kommission nicht als wesentliche Art schwindelhafter Reklame empfunden, Sten. Berichte der Verhand-

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(1) Der Schutz der Landwirtschaft Im Hinblick auf § 1 bewegte die Kommission die Sorge, ob es hinreichend deutlich sei, daß das Gesetz auch die landwirtschaftliche Leistung und deren Ergebnis schützen wolle. 366 Trotz der Ansicht des Regierungsvertreters, daß die Landwirtschaft, auch wenn sie nicht unter die Gewerbeordnung falle, doch ein Zweig des Erwerbslebens sei und damit ohne weitere Erwähnung in den Genuss des Gesetzes komme, entschied man sich, in einen Schlußabsatz aufzunehmen, daß auch landwirtschaftliche und gärtnerische Erzeugnisse sowie Heilmittel Waren, und landwirtschaftliche, gärtnerische und ärztliche Leistungen gewerbliche Leistungen im Sinne des Gesetzes seien.367 Hierbei spielte vor allem der Gedanke eine Rolle, daß eine ausdrückliche Erwähnung geeignet sei, den betreffenden Kreisen, die gewöhnlich nicht in den Genuss juristischer Hilfsmittel oder Erklärungen über die Reichweite einer Bestimmung kämen, ausdrücklich Gewissheit über die Einbeziehung ihrer waren und Leistungen zu geben. In der zweiten Lesung wurde der Absatz neu gefaßt. Nachdem man sich überzeugt hatte, daß es unter Gärtnern keinen Zweifel darüber gebe, daß sie in den Anwendungsbereich des Gesetzes fielen, wurde der Hinweis auf diese Berufsgruppe gestrichen, ebenso die Erwähnung ärztlicher Leistungen und Heilmittel trug man dem Einwand Rechnung, daß eine ausdrückliche Erwähnung zu Schwierigkeiten für die Ärzte führen könnte. Offenheit und Wahrheit sei in ihrem Beruf oft von anderen Umständen als dem Zustand des Patienten abhängig, so daß man durch eine ausdrückliche Erwähnung nur unnötige Komplikationen erzeuge. Nach den Kommissionsberatungen hatte der letzte Absatz des § 1 folgenden Wortlaut: Unter Waren im Sinne dieses Gesetzes sind auch landwirtschaftliche Erzeugnisse, unter gewerblichen Leistungen auch landwirtschaftliche zu verstehen.

lungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,5. Antrag 3, Menge der Vorräte, Alter, Ausdehnung des Geschäfts, Täuschungen über Anerkennungen aufnehmen; abgelehnt mit Hinweis, daß nur allgemeine und besonders schädigende Fälle unlauteren Wettbewerbs geregelt werden sollten, ebd., 6; vgl. Rothe, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.232f. - Antrag 8, Mitteilungen, welche für einen grösseren Kreis von Personen bestimmt sind streiche um Zirkulare aus dem Tatbestand des § 1 zu nehmen, denn Empfänger seien meist nicht Kleinhändler, denen der Schutz des Gesetzes vornehmlich gelte, sondern Großhändler, die den Schutz nicht benötigten, abgelehnt mit der gleichen Begründung wie Antrag 3 und dem Hinweis, daß der Großhändler keine Begünstigung vor dem Kleinhändler erfahren dürfe und der Zweck des Gesetzes, der sei, den unlauteren Wettbewerb als solchen zu treffen, unabhängig in welchen Kreisen er praktiziert werde, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,9 ff. Antrag 9., die Verbände nicht nur auf prozessfähige Vereine beschränken, abgelehnt, da kein ausreichendes Bedürfnis für eine Ausnahmeregelung, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9.Leg., 4.Sess. 1895/96, Nr.35, lOf. 366 Vgl. Antrag 7, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, 8. 367 Ebd.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Maßgeblicher Grund für die Einführung dieses Absatzes war demnach der Wille, Klarheit über den Anwendungsbereich des Gesetzes zu schaffen. Nur bei Landwirten vermutete man noch die Gefahr einer Unsicherheit. Die Regelung beschränkte sich daher auf sie. 368 (2) Die Verantwortlichkeit der Presse für Inserate Breiten Raum im Reichstag nahm die Frage ein, inwiefern die Presse für die Veröffentlichung von Inseraten mithaften solle, die unter den Tatbestand des § 1 fielen. 369 Die Regierungsvertreter wollten die Haftung auf die Fälle beschränkt sehen, in denen auch der verantwortliche Redakteur den Tatbestand des § 1 erfüllte. Andere wollten die Haftung gänzlich einschränken und den Redakteur nur haftbar machen, wenn aus der Anzeige nicht hervorgehe, daß sie von einem Dritten stamme, oder von einem solchen auch nicht in Auftrag gegeben worden sei. Man kam aber überein, daß die Verantwortlichkeit der Presse weiter zu gehen habe und insbesondere auch die Fälle zu erfassen habe, in denen Inserate von Unbekannten aufgegeben würden, und beschloß, einen neuen Schlußsatz im Absatz 3 des § 1 einzuführen. 370 (3) Die Bestimmungen gegen die irreführende Werbung nach den Beschlüssen der Reichstagskommission Die §§ 2 und 3 wurden ohne weitere Diskussion in der Fassung der Bundesratsvorlage übernommen. Zu § 4 wurde lediglich festgestellt, daß die strafrechtlichen Bestimmungen vom sittlichen Standpunkt aus gerechtfertigt seien. Die Einführung der sog. „kleinen" Generalklausel in §4 wurde abgelehnt, da die Strafbestimmung aus Rechtssicherheitsgründen eine abschließende Aufzählung der die Strafbarkeit begründenden Umstände erfordere. Hinsichtlich der Verantwortung der Presse wurde in strafrechtlicher Hinsicht auf das Pressegesetz verwiesen. 371 Nach den Beschlüssen der Reichstagskommission erhielt § 1 folgende Fassung, §§ 2 bis 4 blieben unverändert: „§ 1 : Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, welche für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere372 über 368 Zur Entstehungsgeschichte, vgl. auch Jacobs/Lindacher/Teplitzky (wie Einleitung, Fn.2), § 2 Rz. 1 f. 369 Antrag 13, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, llf. 370 Antrag 15, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, 12; die Formulierung des Schlußsatzes sogleich unter (3). 371 Ebd., 13. 372 Zu den Gründen der Einführung dieser sog. „kleinen" Generalklausel siehe oben Teil 2, 7.Kap.I.,3.,a).

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die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waaren und gewerblichen Leistungen, über die Art des Bezugs oder die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs unrichtige Angaben thatsächlicher Art macht, welche geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, kann auf Unterlassung der unrichtigen Angaben in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbetreibenden, der Waaren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, oder von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden; soweit die Verbände als solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen können. Neben dem Anspruch auf Unterlassung der unrichtigen Angaben haben die vorerwähnten Gewerbetreibenden auch Anspruch auf Ersatz des durch die unrichtigen Angaben verursachten Schadens gegen denjenigen, der die Angaben gemacht hat 373 , falls dieser ihre Unrichtigkeit kannte oder kennen mußte. Im Sinne der vorstehenden Bestimmungen sind den Angaben thatsächlicher Art bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen gleich zu achten, die darauf berechnet und geeignet sind, derartige Angaben zu ersetzen. Erfolgt die öffentliche Bekanntmachung in einer periodischen Druckschrift, so ist der Anspruch auf Ersatz des entstandenen Schadens gegen die für den Inhalt der Druckschrift verantwortlichen Personen nur zulässig, wenn der verantwortliche Redakteur die Unrichtigkeit der Angaben kannte, oder wenn derselbe einen Verfasser oder Einsender nicht nachweist, welcher sich im Bereich der richterlichen Gewalt eines deutschen Bundesstaates befindet. Unter Waren im Sinne dieses Gesetzes sind auch landwirtschaftliche Erzeugnisse, unter gewerblichen Leistungen auch landwirtschaftliche zu verstehen."

(4) Die zweite und dritte Lesung im Reichstag In der zweiten und dritten Lesung des Entwurfes im Reichstag spielten die Vorschriften gegen die irreführende Werbung im Hinblick auf die umstrittene Einführung der „kleinen" Generalklausel in § 1 eine bedeutende Rolle. 374 (5) Die Verantwortlichkeit der Presse Daneben sorgte die Einführung der Bestimmung in § 1 Abs. 3 über die Verantwortlichkeit der Presse für Aufsehen. Abs. 3 in der Fassung der Kommission hatte insbesondere die Frage aufgeworfen, ob die für den Inhalt einer Druckschrift ver373 Um sicherzustellen, daß derjenige zu einer Schadensersatzverpflichtung im Rahmen des § 1 herangezogen werde, der die Unrichtigkeit von Angaben zu verantworten habe und nicht auch derjenige, der solche Angaben auf Geheiss seines Dienstherrn unternehme, entschloss man sich die Worte „gegen den Urheber der Angabe durch... gegen denjenigen, der die Angaben gemacht hat" zu ersetzen. Täter im Sinne dieser Formulierung sollte nicht sein, wer lediglich als das Werkzeug eines fremden Willens anzusehen war. Vgl. Antrag 12, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,11. 374 Siehe oben, Teil 2, 7. Kap. I., 3., a).

2 4 0 T e i l 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

antwortlichen Personen, neben dem Redakteur, Drucker, Verleger und Verbreiter immer dann haften sollten, wenn allein der Redakteur die Unrichtigkeit kannte. 375 Dies wurde zusammen mit der Haftung für anonyme Inserate als Erweiterung der Haftung der Presse und politisch als heikel beurteilt. Im Reichstag wurde nun betont, daß eine Formulierung gefunden werden müsse, die unmißverständlicher die einhellige Kommissionsansicht wiedergebe, nach der sowohl der Redakteur als auch alle weiteren genannten Personen der Verantwortung für Inserate Dritter gerade entbunden werden sollten, es sei denn, es läge strafrechtlich Absicht vor. 376 Roeren schlug vor, Abs. 3 durch folgende Formulierung zu ersetzen: „Die Bestimmung des vorstehenden Absatzesfindet gegen Redakteure, Verleger oder Verbreiter von periodischen Druckschriften nur insoweit Anwendung, als dieselben die Unrichtigkeit der Angaben kannten."377

Dieser Veränderung wurde entgegengehalten, sie lasse die von der Kommission beabsichtigte Haftung der Presse für anonyme Inserate, deren Urheber sie nicht preisgeben wolle, außer acht. Die Nichtberücksichtigung einer solchen Haftung sei nicht einmal von der Presse gefordert worden; sie sei angesichts des Mißbrauchs, der mit anonymen Anzeigen getrieben werde, dringend notwendig. 378 Eine Zeitung habe großen Einfluß auf die öffentliche Meinungsbildung, und gerade deshalb sei sie zur Kontrolle ihrer Inserate verpflichtet; eine Sonderbehandlung könne ihr deshalb nicht zuteil werden. 379 Schließlich wurde der Absatz mit einer redaktionellen Veränderung im Sinne eines Antrags von Roeren umformuliert. 380 Hauss hatte in der Diskussion dabei nochmals auf die seines Erachtens fehlende Notwendigkeit einer Haftung für anonyme 375

So die Befürchtung der Münchner Neusten Nachrichten v. 21.3.1896, mit zustimmender Notiz von Hauss, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 283 ff. Im Reichstag greift Roeren diese auf, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1711. 376 Berichterstatter Meyer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1710. 377 Antrag Nr. 250 in der durch Roeren in der Verhandlung geänderten Fassung, ebd., 1711. 378 Abg. Bassermann unter Berufung auf eine Petition des Vereins der Zeitungsverleger und des Vereins der Berliner Presse v. 1.3.1896. Bassermann schlug auch einen eigenen Änderungsvorschlag, Nr. 262, in diese Richtung vor, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,1712. 379 Abg, Vielhaben, der dementsprechend den Antrag stellte, die Ausnahmeregelung zu streichen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,1713. 380 Roeren hatte zur dritten Lesung beantragt, die Abs. 2-5 des § 1 unter Berücksichtigung der Beratungen der zweiten Lesung verändert zu formulieren, vgl. Aktenstück Nr. 333, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,1733. Die Bestimmung hinsichtlich der Verantwortlichkeit der Presse erhielt in Abs. 2 Satz 2 folgende Formulierung, „Der Anspruch auf Schadensersatz kann gegen Redakteure, Verleger, Drucker oder Verbreiter von periodischen Druckschriften nur geltend gemacht werden, wenn dieselben die Unrichtigkeit der Angaben kannten". In dieser Form wurde er angenommen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 2175.

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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Inserate hingewiesen und dem Reichstag den Antrag Roerens zur Annahme empfohlen. 381 (6) Irreführende Angaben und Gattungsbezeichnungen Einen weiteren Schwerpunkt der Diskussion im Reichstag bildete die Frage, ob die Erweiterung des Tatbestandes von § 1 die Vorschrift des § 16 Abs. 2 WZG abändere. § 16 Abs. 2 nahm Herkunftsbezeichnungen, die zu Gattungsbezeichnungen geworden waren, wie ζ. B. Kölnisch Wasser, ausdrücklich von den Bestimmungen über die Täuschung bezüglich der Herkunft einer Ware aus. Zu dieser Problematik entwickelte sich eine Debatte, wie sie in vergleichbarer Form und teilweise mit denselben Teilnehmern schon zwei Jahre vorher stattgefunden hatte. Die eine Seite, zu der auch die Regierung gehörte, forderte vehement zur Beruhigung bestimmter Gewerbekreise die Klarstellung, daß jene Gattungsbezeichnungen auch von der Anwendbarkeit des § 1 auszunehmen seien und schlug einen dem § 16 Abs. 2 WZG identischen Zusatz zum § 1 vor. 382 Die Gegenseite, die wiederum von Roeren vertreten wurde, berief sich wie damals auf die Unnötigkeit eines solchen Zusatzes, da die Verwendung einer Herkunftsbezeichnung, die zu einer Gattungsbezeichnung geworden sei, keine unwahre Angabe im Sinne des § 1 und daher auch nicht geeignet sei, das Publikum zu täuschen.383 Der Antrag Roerens konnte sich durchsetzen. Ähnlich wie zwei Jahre zuvor spielte die Sorge, der an sich eindeutige Wortlaut könne von den betreffenden Kreisen, namentlich der Wein-, Zigarren- und Tabakfabrikation, falsch aufgefaßt werden, eine entscheidende Rolle. Anders als im Jahr 1894 waren diesmal jedoch alle Redner der Ansicht Roerens, daß der Wortlaut des § 1 diesen Zusatz eigentlich nicht erforderte. (7) Das UWG von 1896 Die Endfassung der Bestimmungen gegen die irreführende Werbung hatte folgenden Wortlaut: 381 Hauss, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1712f., mit der Bemerkung, der Antrag Bassermanns sei zu kompliziert formuliert und werde den Richter verwirren. 382 Antrag Bassermann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 261 der Drucksachen; Abg. Bassermann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9.Leg., 4.Sess. 1895/96, 1714; Singer, ebd., 1715; Schmidt, ebd., 1714; v.Boetti-

cher, ebd., 1715f. 383 Antrag Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 250 der Drucksachen in der korrigierten Fassung. Abg. Roeren, ebd., 1714, gegen den An-

trag Bassermanns auch v. Langen, ebd., 1716. 16 von Stechow

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

„§ 1: Wer in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mitteilungen, welche für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über geschäftliche Verhältnisse, insbesondere über die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waaren und gewerblichen Leistungen, über die Art des Bezugs oder die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen, über den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs unrichtige Angaben thatsächlicher Art macht, welche geeignet sind, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, kann auf Unterlassung der unrichtigen Angaben in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbetreibenden, der Waaren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, oder von Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden; soweit die Verbände als solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen können. Neben dem Anspruch auf Unterlassung der unrichtigen Angaben haben die vorerwähnten Gewerbetreibenden auch Anspruch auf Ersatz des durch die unrichtigen Angaben verursachten Schadens gegen denjenigen, der die Angaben gemacht hat, falls dieser ihre Unrichtigkeit kannte oder kennen mußte. Der Anspruch auf Schadenersatz kann gegen Verleger, Drucker oder Verbreiten von periodischen Druckschriften nur geltend gemacht werden, wenn dieselben die Unrichtigkeit der Angaben kannten. Die Verwendung von Namen, welche nach dem Handelsgebrauch zur Benennung von gewissen Waren dienen, ohne deren Herkunft bezeichnen zu sollen, fällt unter die vorstehenden Bestimmungen nicht. Im Sinne der Bestimmungen des Absatzes 1 und 2 sind den Angaben thatsächlicher Art bildliche Darstellungen und sonstige Veranstaltungen gleich zu achten, die darauf berechnet und geeignet sind, derartige Angaben zu ersetzen. Unter Waren im Sinne dieses Gesetzes sind auch landwirtschaftliche Erzeugnisse, unter gewerblichen Leistungen auch landwirtschaftliche zu verstehen. § 2: Für Klagen aufgrund der vorstehenden Bestimmungen ist das Gericht ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seine gewerbliche Niederlassung oder in Ermangelung einer solchen seinen Wohnsitz hat. Für Personen, welche im Inland weder eine gewerbliche Niederlassung, noch einen Wohnsitz haben, ist ausschließlich zuständig das Gericht des inländischen Aufenthaltsortes, oder wenn ein solcher nicht bekannt ist, das Gericht, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. § 3: Zur Sicherung des in § 1 Absatz 1 Anspruchs können einstweilige Verfügungen erlassen werden, auch wenn die in §§ 814 und 819 der Civil-Prozeß-Ordnung bezeichneten besonderen Voraussetzungen nicht zutreffen. Zuständig ist auch das Amtsgericht, in dessen Bezirk die den Anspruch begründende Handlung begangen ist; im übrigen finden die Vorschriften des § 820 Zivilprozessordnung Anwendung. § 4: Wer in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittheilungen, welche für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, über die Beschaffenheit, die Herstellungsart oder die Preisbemessung von Waaren oder gewerblichen Leistungen, Art des Bezugs oder die Bezugsquelle von Waaren, über den Besitz von Auszeichnungen oder den Anlaß oder den Zweck des Verkaufs den Anschein wissentlich unwahre und zur Irreführung geeignete Angaben thatsächlicher Art macht, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Marie bestraft.

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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Ist der Täter bereits einmal wegen einer Zuwiderhandlung gegen die vorstehende Vorschrift bestraft, so kann neben oder statt der Geldstrafe bis auf Haft oder Gefängnis bis zu sechs Monaten erkannt werden; die Bestimmungen des § 245 des Strafgesetzbuches finden entsprechende Anwendung."

II. Quantitätsverschleierungen 1. Der Grund der Aufnahme der Fallgruppe in das U W G Mit dem Begriff der Quantitätsverschleierung bezeichnete man für den Verbraucher unmerkliche Veränderungen der Mengenverhältnisse bei Handelsgütern durch den Verkäufer. 384 Der Vorentwurf, die Vorläufigen Vorschläge und die Grundzüge enthielten keine Bestimmung gegen Quantitätsverschleierungen. Erstmals zur Sprache gebracht wurde die Regelungsnotwendigkeit dieser Verhaltensweise während der Beratung der Vorläufigen Vorschläge durch den Vertreter des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe. 385 Als Grund für die Aufnahme solcher Bestimmungen nannte Ulimann den Umstand, daß das Gesetz Fälle treffen solle, die Ähnlichkeit zum Betrug aufwiesen, ohne daß der Betrugstatbestand eine ausreichende Handhabe zur Bekämpfung darstellte. Ein solcher Fall sei bei der „unredlichen Manipulation der Einrichtung oder Aufmachung von Waren" gegeben.386 Als Beispiele für Quantitätsverschleierung nannte er verschiedene Fälle der Täuschung über die Bier- oder Garnquantität oder das „Anfeuchten der Seidenstoffe, um diese schwerer zu machen und damit wertvoller erscheinen" zu lassen. Da er jedoch die Aufnahme einer dem späteren § 826 BGB vergleichbaren Bestimmung in den Entwurf zugunsten des Verbrauchers forderte und dies von den übrigen Mitgliedern der Beratungsrunde aus den bereits erörterten Gründen abgelehnt wurde 387 , verneinte man die Notwendigkeit der Aufnahme einer solchen Bestimmung insgesamt.388 Man behielt sich aber vor, durch eine Ergänzung der Bestimmung zur Bekämpfung irreführender Werbung auch QuantitätsVerschleierungen zu erfassen. 389 Im Rahmen der Erörterung dieser Vorschrift kam man auf die Quantitätsverschleierungen zurück. 390 Erstmals wurde hier erwogen, die Länder zu ermächtigen, Quantitätsvor384 Vgl. Denkschrift zum Ersten Entwurf, Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd. 3, 24; Fuld (wie Teil l,Fn. 189), 104. 385 Vgl. die Ausführungen Ullmans während der Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 171 ff. 386 Ebd. 387 Siehe oben Teil 2, 7. Kap., I., l.,b). 388 Zu diesem Zeitpunkt lautete die Bestimmung des BGB-Entwurfs, auf den Ulimann Bezug nahm, wie folgt, §749 (705) „Wer durch eine Handlung, die er nicht in Ausübung eines ihm zustehenden Rechts vornimmt, in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem Anderen vorsätzlich Schaden zufügt, ist dem Anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet". 389 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, 172. 390 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683,172.

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Schriften für bestimmte Waren aufzustellen. Grund für diese Erwägung war, daß man in erster Linie den Verbraucher als Geschädigten von Quantitätsverschleierungen ansah. Einen Schadensersatzanspruch zugunsten des Wettbewerbers über § 1 hinaus fand man daher nicht für nötig und einen eigenen Anspruch des Verbrauchers systematisch unpassend.391 Zwar wurde einer der Vertreter des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe, Lusensky, beauftragt, die Notwendigkeit eines solchen Schutzes aus der Sicht des durch QuantitätsVerschleierungen geschädigten Gewerbes zu prüfen. Lusensky berichtete daraufhin von vielfachen Klagen in dieser Richtung und der Forderung nach einer gesetzlichen Abhilfe. 392 Er befürworte angesichts dieser Erkenntnisse die Aufnahme einer entsprechenden Vorschrift in das geplante UWG. Zu diesem Zeitpunkt überwogen allerdings bei der Mehrheit der Beratungskommission die Zweifel, ob die Materie in dem Gesetz geregelt werden solle. Die Überzeugung, daß eine Regelung notwendig sei, stand demgemäß schon außer Frage: Insbesondere der Gedanke, das BGB werde den Verbraucher schützen und das UWG solle deshalb nicht eingreifen, verhinderte zu diesem Zeitpunkt eine Regelung. Zu der Auffassung, daß eine Bekämpfung von Quantitätsverschleierungen notwendig sei, kam dann in den Sachverständigenberatungen die Überzeugung hinzu, daß eine Regelung im Rahmen des UWG erfolgen müsse.393 Noch im Rahmen der Besprechung des Reklameschwindels regte Alexander-Katz an, die Grundzüge um eine Bestimmung gegen Quantitätsverschleierung zu erweitern. 394 Er nannte in der Hauptsache wiederum die Garn- und Bindfadenfabrikation, bei welcher Täuschungen verschiedenster Art vorgenommen würden. Er hielt es für ratsam, den Bundesrat damit zu beauftragen, eine Reihe von Waren zu bestimmen, bei denen die Gefahr der Quantitätsmanipulation bestehe, und die daher nur mit einer Quantitätsangabe verkauft werden dürften. Einen entsprechenden Formulierungsvorschlag unterbreitete er ebenfalls. 395 Hauss antwortete auf diesen Vorschlag, daß bisherige Überlegungen in dieser Richtung wieder aufgegeben worden seien, da man der Ansicht war, daß es sich hier um eine primär auf dem Gebiet der Gewerbepolizei liegende Materie handele, die mehr das Interesse der Konsumenten betreffe als das der Konkurrenten. In Anbetracht der nun allgemeinen Zustimmung zu dem Vorschlag von AlexanderKatz sagte Hauss aber eine weitere Prüfung zu. Ein vom Referat für Maß- und Gewichtswesen im Reichsamt des Innern eingeholtes Votum verneinte zwar die Not391

Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683,172f. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, ebd. 393 Protokolle der Sachverständigen- Kommission, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/ 7684, B1.49ff. 394 Protokolle der Sachverständigen- Kommission, ebd., B1.55. 395 Anlage III, Antrag Alexander-Katz (wie Fn.78), B1.64. „Der Bundesrath (Reichskanzler) veröffentlicht nach Benehmen mit den Handelskammern das Verzeichnis derjenigen Waarengattungen, welche in festen Packungen oder Umhüllungen nur verkauft werden dürfen, wenn das Maß, das Gewicht oder die Zahl des Inhalts äußerlich erkennbar angegeben ist. Zuwiderhandlungen werden mit Geldbuße bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft". 392

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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wendigkeit eines eigenen Gesetzes, hielt aber eine Regelung der den unlauteren Wettbewerb betreifenden Fragen im Rahmen des UWG für sehr sinnvoll. 396 Handlungsbedarf sei zunächst in Bezug auf den Handel mit Garnen gegeben. Nach allgemeiner Sitte gewinne man hier aus einem Pfund Wolle zehn Bünde Garn, die einzeln verkauft würden. In neuerer Zeit treffe man häufiger Fälle an, in denen Kaufleute bis zu 14 Bünde aus dem Pfund geschnitten und jeweils zum Preis eines herkömmlichen Bundes Garn verkauft hätten. Hier empfehle sich festzulegen, ein Bund Garn nur in bestimmten Mengeneinheiten verkaufen zu dürfen. In ähnlicher Weise sei beim flaschenweisen Verkauf von Getränken vorzugehen, bei welchem die Zahl der zu einem bestimmten Preis abgegeben Flaschen unter entsprechender Verringerung ihres Inhalts erhöht und damit der Käufer getäuscht werde. 397 Daneben seien Quantitätsverschleierungen beim Verkauf von Bier in Fässern, aber auch beim Kleinhandel mit Waren wie Schokolade, Zucker, Bindfaden und Seife zu konstatieren. Hier seien gleichfalls Vorschriften über die zulässigen Mengeneinheiten wünschenswert. Dieser Überzeugung Schloß sich die Sachverständigenkommission nun an. Hauss folgte der Kommission und nahm eine Bestimmung gegen Quantitätsverschleierungen in den Ersten Entwurf auf, in der er die Empfehlung des Votums398 und von Alexander-Katz aufgriff und eine Ermächtigungsgrundlage für den Bundesrat schuf. Maßgebend für den Meinungsumschwung war demnach zum einen, daß sowohl Handel und Gewerbe als auch die Behörden Handlungsbedarf sahen. Zum anderen hielt man den Weg, den Bundesrat zur Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zu ermächtigen, trotz aller Vorbehalte für akzeptabel. Man ermöglichte so die Regelung einer als unredlich empfundenen Verhaltensweise, ohne dabei dem BGB vorzugreifen. Dieser Vorteil wog offensichtlich schwerer als der Gedanke, daß die Bekämpfung einer in erster Linie den Verbraucher beeinträchtigenden Verhaltensweise systematisch nicht in das Gesetzesvorhaben passe. Neben der Erkenntnis der grundsätzlichen Schutzwürdigkeit des Verkehrs vor Quantitätsverschleierungen war der Entschluß, die beschriebene Vorgehensweise zu wählen, der entscheidende Aspekt, der zur Aufnahme der Fallgruppe in das UWG führte. Auch wenn Hauss in der Denkschrift die Verbindung zum wettbewerberschädigenden Verhalten zog 399 , zeigt die Aufnahme der Fallgruppe in das UWG die verbraucherschützenden Aspekte des UWG. 4 0 0 396 Votum des Referats für Maß- und Gewichtswesen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 307 ff. 397 Das Gesetz über den Raumgehalt der Schankgefässe vom 20. Juli 1881 (RGBl. S. 249), betraf nicht den Inhalt von Getränkeflaschen, siehe Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 310. Die Denkschrift zu § 3 enthält teilweise wortwörtliche Formulierungen des Votums des Referats. 398 Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.312. 399 Siehe oben, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 177. Rothe hatte schon in einer früheren Notiz an Hauss diese Sichtweise der Quantitätsverschleierung offenbart, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.305. 400 Siehe oben, Teil 2, 6. Kapitel, III., l.,2.,3.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

2. Die Ausgestaltung der Bestimmung gegen Quantitätsverschleierungen im U W G (§ 5) a) Die Formulierung der Bestimmung und erste Reaktionen § 3, die Bestimmung gegen QuantitätsVerschleierung, hatte im ersten Entwurf folgenden Wortlaut: 401 „Durch Beschluß des Bundesraths kann bestimmt werden, daß gewisse Waaren im Einzelverkehr nur in bestimmten Mengen-Einheiten oder mit einer auf der Waare oder ihrer Aufmachung anzubringenden Angabe der Menge gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten werden dürfen. Die durch Beschluß des Bundesraths getroffenen Bestimmungen sind durch das Reichsgesetzblatt zu veröffentlichen. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Bundesraths werden mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft."

Der erste Absatz bildete demnach die gesetzliche Grundlage für den Erlaß landesspezifischer Verordnungen. 402 Gerade im Hinblick auf die Unterschiedlichkeit der zu regelnden Materie, den unterschiedlichen Handelsbräuchen und der „schnell wechselnden Bedürfnisse des Verkehrs" wollte Hauss im Gesetzentwurf eine sehr weite Formulierung wählen. Die Vielzahl der zu regelnden Fälle, von Garn über Schokolade bis zum Bier, meinte man folglich nicht durch eine allgemein formulierte gesetzliche Regelung erfassen zu können.403 Zudem empfand man Spezialregelungen in einem Gesetz, daß allgemein verbindliche Grundsätze aufstellen solle, als unpassend.404 Die auf Verbraucherschutz zielende Zweckrichtung zeigt sich in der Beschränkung der Bestimmung auf den Einzelverkehr. Als schutzwürdig erachtete man nur die »Abnehmerkreise, die nicht gewöhnt oder in der Lage sind, die Menge der empfangenen Ware nachzuprüfen". 405 Der Schutzrichtung entsprach ferner, daß die Vorschrift nur mit einer geringfügigen Strafandrohung versehen wurde, die Alexander-Katz vorgeschlagen hatte. Man vertrat die Ansicht, daß die Befolgung der Vorschrift damit hinreichend sichergestellt sei. 406 Ein zivilrechtlicher Konkurrentenschutz schied demgemäß aus. § 3 Abs. 2 sah die Veröffentlichung der vom Bundesrat getroffenen Bestimmungen im Reichsgesetzblatt vor und verpflichtete ihn darüber hinaus, diese dem Reichstag zur Kenntnisnahme vorzulegen. 407 Gegen diese Bestimmung wandte sich 401 Im Vorentwurf noch § 4, nach Streichung der Erläuterung des Begriffs Herkunft durch § 3, dann § 3 im ersten Entwurf (wie Fn. 94). 402 Denkschrift, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 179. 403 Siehe Denkschrift zum ersten Entwurf, Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 3, 26. 404 Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), 25. 405 Lobe (wie Teil 1, Fn., 171), 26. 406 Denkschrift, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 179. 407 Vorentwurf (wie Fn. 94), Bl. 73.

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Nieberding in seiner Stellungnahme zu den geänderten Grundzügen. Er hielt es für „nicht wünschenswerth, dem Reichstag Gelegenheit zu einer solchen Nachprüfung zu geben", sofern dies nicht unbedingt notwendig erscheine. Das Reichsamt des Innern strich den Absatz daraufhin. Der neue § 3 wurde nach der Veröffentlichung des Ersten Entwurfs nicht geändert. Die Kritik schenkte dieser Bestimmung vergleichsweise wenig Beachtung. Fulds Aussage, die Vorschrift gehörte zu den „am meisten bestrittenen der gesamten Vorlage", erschien bis zu diesem Zeitpunkt nicht als begründet und auch insgesamt nicht gerechtfertigt. 409 A u f dem Deutschen Handelstag wurde § 3 vielmehr als das Rückgrat des Entwurfs bezeichnet, was angesichts des Umstandes erwähnenswert ist, daß dieser Paragraph, wie dargelegt, eigentlich nicht in den Entwurf aufgenommen werden und vor allem in erster Linie dem Konsumentenschutz dienen sollte. 4 1 0 Die Bestimmung zur Bekämpfung von Quantitätsverschleierungen, nun § 5 des Entwurfs, blieb i m Bundesrat ebenfalls ohne Änderung. 4 1 1

b) Die Beratung der Bestimmung im Reichstag Auch in der ersten Lesung des Reichstags fand die Bestimmung kaum Beacht u n g . 4 1 2 ^ der Reichstagskommission und den beiden weiteren Lesungen des Parla408 Schreiben Nieberdings an v. Boetticher v. 19.12.1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 84. 409 Fuld (wie Teil 1, Fn. 189), 104. 410 Michel (Mainz), Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.239. Gegen den Paragraphen wandte sich die Handelskammer Hamburg, da sie die Überprüfung der Einhaltung der Bestimmung für undurchführbar hielt und eine zu weitgehende Ausdehnung der Vorschrift auf andere Produkte in der Zukunft befürchtete, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.241 ; ebenso der Senat von Bremen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, Bl. 154. Er stieß auf Regierungsseite vor allem auf die Kritik des Preußischen Ministers für Landwirtschaft, Domänen und Forsten, vgl. oben. In den anschließenden Beratungen in den Reichsämtern und im Staatsrat wurde diesen Gesichtspunkten jedoch keine Rechnung getragen. Hauss äußerte sich lediglich dahin, daß die erwähnten Mißstände wie in Belgien, Frankreich und Großbritannien nach ausreichender Klärung der Sachlage durch ein Spezialgesetz geregelt werden sollten. § 3 blieb unverändert. 411 In den Motiven wurde jedoch bemerkt, daß die vom Bundesrat diesbezüglich zu erlassenden Bestimmungen auch Ware ausländischen Ursprungs treffen sollen. Dieser Hinweis geht auf zwei Eingaben während des Sommers 1895 zurück, die auch dem Preußischen Ministerium für Handel und Gewerbe zugingen und welches die Umsetzung der Vorschläge dem Reichsamt des Innern empfahl. Es handelt sich hierbei um die Eingaben des Fabrikanten Schwerin aus Berlin v. 26.6.1895 sowie der Firma Gruschwitz vom 12.6.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 127 ff. 412 Lediglich der Abg. Meyer (Halle) bestätigte die Berechtigung der Bestimmung, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 128 f., was insofern von Bedeutung ist als er die Streichung aller Bestimmungen außer dieser und der Normen gegen irreführende Werbung und Anschwärzung forderte.

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ments wurde sie dagegen eingehend diskutiert. 413 Insbesondere wurde die Streichung der gesamten Bestimmung oder zumindest die der Befugnis, auch den Bierverkauf zu regeln, gefordert. Beide Forderungen waren deutlich von dem Willen motiviert, den Einfluß des Bundesrats zu beschränken bzw. Interessenpolitik zu machen. (1) Die Forderung nach Streichung der Bestimmung Die Streichung der gesamten Bestimmung wurde mit dem Argument gefordert, daß der § 5 zwei Fälle zu treffen gedenke:414 einmal den Fall, daß jemand zu wenig Ware für sein Geld bekomme und zum anderen die Fälle, in denen jemand für sein Geld zwar eine entsprechende Menge Waren bekomme, aber den Kauf nur getätigt habe, weil das Angebot als günstig dargestellt wurde. Der erste Fall sei ein Beispiel klassischen Betrugs und der zweite werde nun durch den erweiterten § 1 abgedeckt. Dementsprechend fehle es an der Notwendigkeit einer solchen Vorschrift, zumal es zweifelhaft sei, ob der Bundesrat über ausreichendes Wissen verfüge, den Gegebenheiten entsprechende Verordnungen zu erlassen. Die Verordnungen seien außerdem geeignet, den Export deutscher Waren zu hemmen, da die deutschen Mengeneinheiten nicht den Vorgaben des Weltmarktes entsprächen. Der Polizei würde eine zusätzliche Möglichkeit gegeben, sich in die Geschäfte zu begeben, um die Ausführung der Verordnung zu kontrollieren, und der Schaden, den die Polizei hierbei anrichte, sei regelmäßig größer als der Nutzen. Die Argumentation ist deutlich von der Absicht getragen, Gründe gegen die geplanten Befugnisse des Bundesrats zu finden und darüber hinaus die Norm zu verhindern, da man fürchtete, sie werde große Kostenbelastungen für den Kleinhandel mit sich bringen. 415 Übersehen wurde dabei, daß nach Ansicht der Regierung und der Sachverständigen, die Nichtanwendbarkeit des Betrugsparagraphen des StGB für die Normierung sprach. Gegenüber § 1 des Entwurfs bestand der Unterschied, daß § 5 den vorbeugenden Schutz verstärkte, während § 1 in der Regel erst Schutz gewährte, wenn eine Irreführung bereits eingetreten war. 416 Die beiden weiteren Argumente der Exportschädigung und des Schadens durch die Polizei waren offensichtlich politischer Natur. Kommission und Reichstag lehnten eine Streichung ab. In der Kommission wurde ausgeführt, daß es bei Quantitätsverschleierungen um Handlungen gehe, die hart an der Grenze zur absichtlichen Täuschung begangen würden. 417 Zwar gestand man 413

Siehe den Bericht der VI. Kommission, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache Nr. 192,14ff.; Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1702ff., 2172ff., 2230. 414 Abg. Vielhaben, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1717 f. 415 Antrag 16 gestellt v. Abg. Vielhaben, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 14. 416 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 14. 417 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 14.

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zu, daß durch die angestrebten Bestimmungen vor allem der Kleinhandel belastet werde, dessen Nöte hinreichend bekannt und diskutiert worden seien. Aber zum einen würden auch besonders schutzwürdige Berufsgruppen durch die Bestimmungen bessergestellt, wie Schneiderinnen und Näherinnen beim Kauf von Garn, zum anderen könne man auch dem Kleinhandel nicht Manipulationen, die fraudulöser Art sind, gestatten. Es sei also nicht das Ziel, den Kleinhändler besser als den Großhändler zu behandeln oder umgekehrt. Der Reichstag lehnte eine Streichung ebenfalls ab. Es wurde darauf verwiesen, daß kaum eine Bestimmung von den verschiedensten Interessenkreise solch allgemeine Zustimmung erfahren habe. Kleingewerbetreibende, Fabrikanten und das Publikum hätten sich positiv geäußert. 418 (2) Versuche der Beschränkung der Bundesratsbefugnisse Einigkeit herrschte in der Kommission bei der Suche nach Möglichkeiten, die Reichweite der Bundesratsbefugnis zugunsten des Reichstags einzuschränken. Gegen eine solche Beschränkung wandten sich in erster Linie die RegierungsVertreter, die eine unerträgliche Rechtsunsicherheit für den Fall voraussagten, daß vom Bundesrat angekündigte Verordnungen noch den langen Weg durch den Reichstag gehen müssten. Niemand wüsste während dieser Zeit, ob er schon Vorbereitungen im Hinblick auf die Verordnung treffen müsse oder nicht. Die Idee der Genehmigung durch den Reichstag wurde daraufhin fallen gelassen. Aufrechterhalten wurde allerdings der Gedanke, den Bundesrat zu verpflichten, jene Verordnungen dem Reichstag zur Kenntnisnahme vorzulegen, damit dieser bei Meinungsverschiedenheiten die verbündeten Regierungen zu Abänderungen aufrufen könne. An § 5 Abs. 2 wurde daher angefügt: und dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt vorzulegend 9 Diese Formulierung ging in die Endfassung ein. Eine weitere Beschränkung erfuhr die Bestimmung in der Kommission in Bezug auf die Befugnis des Bundesrats, die Quantitätsvorschriften beim Bierverkauf in Flaschen zu erlassen. Vornehmlich wurde auf die ungeheuren Kosten hingewiesen, die auf die Brauereien zukämen, wenn sie geeichte Raschen anschaffen müssten bzw. eine korrekte Mengenabgabe zu kontrollieren hätten.420 Darüber hinaus wurde auf die Nachteile hingewiesen, die die Glasarbeiter durch Lohnausfälle hinzunehmen hätten, weil die Herstellung geeichter Raschen sie in vielen Fällen überfordern werde. Nicht zuletzt würde eine solche Beschränkung Auswirkungen auf den Bierpreis haben und so den allseits gefürchteten Branntweinkonsum fördern. Die Befürworter einer auch den Verkauf von Bier in Raschen umfassenden Verordnungsbefugnis des Bundesrats sprachen von nicht zu leugnenden Formen unlau418 So Abg. Jacobskötter und Unterstaatssekretär Rothe, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1718f.; ebenfalls dafür Meyer (Halle), ebd., 1720f. 419 Antrag, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 21. 420 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 15f.

Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

teren Wettbewerbs auf diesem Gebiet und die RegierungsVertreter versuchten, die Gegner dadurch für die Bestimmung zu gewinnen, daß sie darlegten, daß in dieser Hinsicht der Bundesrat noch nichts entschieden habe und jeder Schritt sorgfältig geplant werde. Hieraus folgerten jedoch andere Kommissionsteilnehmer die fehlende Notwendigkeit einer entsprechenden Verordnungsbefugnis des Bundesrats und beantragten, statt Mengeneinheiten die Worte Einheiten der Zahl, der Länge und des Gewichts zu setzen.421 Mit dieser Formulierung wollte man verhindern, daß der Bündesrat Verordnungen über Artikel, die nach Hohlmaßen gehandelt werden, erlassen konnte. Der Verkauf von Bier in Flaschen war damit der Verordnungsbefugnis des Bundesrats entzogen. § 5 wurde von der Kommission in der Folge mit einer weiteren redaktionellen Änderung angenommen.422 In den weiteren Reichstagsberatungen wurde ausführlich diskutiert, welche Kompetenz dem Bundesrat in Bezug auf Mengenvorgaben beim Raschenhandel mit Bier zugestanden werden solle. In der zweiten Beratung hatte zunächst nur der Regierungsvertreter Rothe auf ein seit Jahren bestehendes Bedürfnis hingewiesen, den Flaschenhandel mit Bier in einer den Inhalt von Schankgefässen entsprechenden Weise zu reglementieren. 423 Andere Redner hatten die Streichung der Bundesratskompetenz aus den genannten Gründen wiederum als dringend notwendig bezeichnet. 424 In der dritten Beratung sorgte der Antrag des Abgeordneten Roesicke für Aufregung. Er hatte gefordert, einen Absatz einzufügen, der den Bundesrat ermächtige, Inhaltsangaben für Bierflaschen vorzuschreiben. 425 Er argumentierte, daß die Intention der Regierung nie gewesen sei, eine Eichpflicht für Flaschen einzuführen und eine Verpflichtung zur Angabe des Inhalts einer Bierflasche weder den Bierpreis verteuern noch die Glasfabrikanten treffe werde, da die Angabe lediglich auf dem Etikett angebracht werden müsse.426 Die Gegner des Antrags beharrten auf dem Standpunkt, daß auch eine solche Norm die Glasfabrikanten früher oder später zu der als unmöglich angesehenen Ei421

Antrag 17 und 18, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 16. Antrag 22 forderte gewisse Waren durch bestimmte Waren zu ersetzen, da dies eher dem Sprachgebrauch entspreche, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 17. 423 Diese wurden durch das Gesetz zur Bezeichnung des Rauminhalts für Schankgefasse v. 20. Juli 1881 reglementiert, vgl. Rothe, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9.Leg., 4. Sess. 1895/96, 1718 f. 424 Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1719. 425 Aktenstück Nr. 340, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,1767. „Für den Einzelhandel mit Bier in Flaschen oder Krügen kann die Angabe des Inhalts unter Festsetzung angemessener Fehleigrenzen vorgeschrieben werden". Zusätzlich schlug der Antrag vor, in Abs. 1 die Worte „Angabe der Menge durch Angabe über Zahl, Länge oder Gewicht" zu ersetzen, um noch deutlicher herauszustellen, daß die Befugnis dieses Absatzes Flüssigkeitsmengen nicht umfasse, sondern diese nur geregelt werden könne, sofern dies in Abs. 2 ausdrücklich festgelegt sei. 426 Bestätigt von Hauss, der betonte, daß die Regierung tatsächlich nur eine Inhaltsangabe auf Bierflaschen einführen wolle, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,2178. 422

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chung seiner Raschen zwingen werde. Die dadurch verursachten Kosten würden auf Verbraucher und Fabrikarbeiter abgewälzt. Die Verschlechterung der Situation der Arbeiter und eine Zunahme des Branntweinkonsums wurden erneut als mögliche Folgen genannt.427 Der Antrag des Abgeordneten Roesicke konnte sich schließlich durchsetzen, da angesichts der großen Vorteile für den Konsumenten die Belastung für die betroffenen Gruppen als geringer angesehen wurde. 428 Die interessenbedingte Streichung der Verordnungsbefugnis hinsichtlich des Bierverkaufs wurde damit korrigiert. Die Verpflichtung, die vom Bundesrat getroffenen Bestimmungen dem Reichstag vorzulegen, blieb erhalten; sie stellte einen Kompromiß zwischen Genehmigungserfordernis und völlig fehlender Kontrollmöglichkeit des Reichstags dar. § 5 ging in folgender Fassung in das UWG ein: „Durch Beschluß des Bundesraths kann bestimmt werden, daß bestimmte Waaren im Einzelverkehr nur in bestimmten Einheiten der Zahl, der Länge und des Gewichts oder mit einer auf der Waare oder ihrer Aufmachung anzubringenden Angabe über Zahl, Länge oder Gewicht gewerbsmäßig verkauft oder feilgehalten werden dürfen. Für den Einzelhandel mit Bier in Flaschen oder Krügen kann die Angabe des Inhalts unter Festsetzung angemessener Fehlergrenzen vorgeschrieben werden. Die durch Beschluß des Bundesraths getroffenen Bestimmungen sind durch das Reichsgesetzblatt zu veröffentlichen und dem Reichstag bei seinem nächsten Zusammentritt vorzulegen. Zuwiderhandlungen gegen die Bestimmungen des Bundesraths werden mit Geldstrafe bis zu 150 Mark oder mit Haft bestraft."

I I I . Geschäftsehrverletzung, §§6f. U W G 1. Der Grund der Aufnahme der Bestimmungen gegen Geschäftsehrverletzung Der nächste Abschnitt des UWG betraf den Schutz des geschäftlichen Rufes eines Gewerbetreibenden und ging als zivilrechtlich ausgestalteter § 6 und strafrechtlicher § 7 in das UWG von 1896 ein. Der Grund für die Aufnahme der Bestimmungen in das Gesetz lag in der Absicht folgende Lücken zu schließen:429 Nach § 187 RStGB 427 Insbesondere Müller (Sagan), vgl. Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 2183; Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 2184. Zusätzlich sorgte der Antrag Hammachers für Aufregung, den Antrag Roesickes nicht nur auf Bier zu beziehen, sondern auf Wein auszuweiten, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 2177, der jedoch abgelehnt wurde, vgl. ebd., 2184. 428 Abstimmung in der dritten Beratung, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,2184 f. 429 Vgl. hierzu die Denkschrift zum Ersten Entwurf, Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd. 3, 26 ff.

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machte sich derjenige der verleumderischen Beleidigung schuldig, der wider besseren Wissens in Beziehung auf einen anderen eine Tatsche behauptete, die geeignet war, dessen Kredit zu gefährden. In gleicher Weise geäußerte Behauptungen, die den Absatz eines Gewerbetreibenden gefährden konnten, sah man ebenfalls als strafwürdig an. 430 Diese Lücke sollte geschlossen werden. Daneben fehlte bisher ein zivilrechtlicher Schutz von Absatz und Kredit überhaupt. Dies, so die Denkschrift, habe sich der unlautere Wettbewerb zum Nachteil des ehrlichen Geschäftsbetriebes zunutze gemacht.431 Das UWG sollte dem entgegenwirken. Zudem wurde wiederum auf die Verkehrsentwicklung der letzten Jahrzehnte verwiesen, indem festgestellt wurde, daß sich aus der festgestellten Schutzbedürftigkeit vor irreführender Werbung auch eine solche vor geschäftlichen Ehrverletzungen ergebe. 432 Ebenso wie der Verkehr aus Gründen der geschäftlichen Moral vor unrichtigen Angaben über die eigene Ware oder Leistung geschützt werden müsse, sei er auch vor eben solchen Äußerungen über Ware oder Leistung eines anderen zu schützen.433 Man griff also auf die Begründung der Bestimmungen gegen irreführende Werbung zurück. Als deren Ausgangspunkt nannte die Denkschrift, daß die Verkehrsentwicklung zu einer erhöhten Bedeutung solcher Angaben der Gewerbetreibenden geführt habe. 434 Wesentlicher Grund der Aufnahme der Bestimmungen in das Gesetz war folglich die aufgrund der Veränderungen im Verkehr gestiegene Notwendigkeit, Lücken des Schutzes der geschäftlichen Ehre zu schließen. 2. Die Ausgestaltung der Bestimmungen gegen Geschäftsehrverletzung a) Die Diskussionen bis zur Veröffentlichung

des Ersten Entwurfs

(1) Die Formulierung der Bestimmungen im Vorentwurf und in den Vorläufigen Vorschlägen Der zweite Abschnitt lautete im Vorentwurf zu den Vorläufigen Vorschlägen: „II. Wer im geschäftlichen Verkehr über das Erwerbsgeschäft eines anderen, über die Person des Inhabers, über die Waren oder Leistungen des Geschäfts oder seines Inhabers Behauptungen tatsächlicher Art aufstellt, oder verbreitet, welche geeignet sind, den Absatz des Geschäfts zu schädigen, ist, sofern die Behauptungen nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet, auch kann der Verletzte im Wege der Klage den Anspruch geltend machen, daß die Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen unterbleibe." 430 431 432 433 434

Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd. 3, 27. Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd. 3, 28. Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd. 3, 26. Ebd. Siehe oben, Teil 2, 8. Kap., I., 1.

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Der Vorentwurf schuf somit einen Schadensersatz- und Unterlassungsanspruch zum Schutz des Absatzes eines Handel- und Gewerbetreibenden vor unwahren Angaben über ihn im geschäftlichen Verkehr. Die Ansprüche waren zunächst weit gefaßt. Für beide reichte die objektive Eignung einer Behauptung zur Absatzschädigung aus. Zusätzlich erleichterte eine Umkehr der Beweislast das Vorgehen. Die Bestimmung war insofern ohne Vorbild. Ein Verbot des Herabsetzens der Waren des Konkurrenten sah ausdrücklich schon der geplante § 146 c Gewerbeordnung vor, ansonsten war nur § 187 RStGB in Geltung. Alexander-Katz hatte ein erweitertes Verbot der Verleumdung abgelehnt435, Bachem hatte das Herabsetzen des Konkurrenten als eine der schwerwiegendsten Formen der Unlauterkeit angesehen.436 Da letzterer jedoch eine Generalklausel nach dem Muster des Art. 1382 Code civil befürwortete, fehlte es an Formulierungsvorschlägen. In den Vorläufigen Vorschlägen des Reichsamts des Innern lautete der zweite Abschnitt folgendermaßen: „II. Wer im geschäftlichen Verkehr über das Erwerbsgeschäft eines anderen, über die Person des Inhabers, über die Waren oder Leistungen des Geschäfts oder seines Inhabers Behauptungen tatsächlicher Art aufstellt, oder verbreitet, welche geeignet sind, den Absatz des Geschäfts zu schädigen, wird, sofern die Behauptungen nicht erweislich wahr sind, mit Geldstrafe von DM 100 bis 1500 oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft und dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet, auch kann der Verletzte im Wege der Klage den Anspruch geltend machen, daß die Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen unterbleibe."

Der Tatbestand der strafrechtlichen Bestimmungen entsprach also zunächst dem des zivilrechtlichen mit der Folge, daß auch hier keine subjektive Voraussetzungen gefordert wurden. Die Strafandrohung entsprach im wesentlichen der der irreführenden Werbung. 437 (2) Die wesentlichen Diskussionspunkte Die Beratung der Bestimmung gegen geschäftliche Ehrverletzung verlief fast während der gesamten Kodifikationsarbeiten ohne größere Auseinandersetzungen. In erster Linie wurde die Bestimmung überarbeitet und präzisiert. (a) Reichweite der Bestimmung Die Frage, ob die Bestimmung nur die geschäftlich oder wettbewerblich motivierte Ehrverletzung treffen oder einen grundsätzlichen Schutz der geschäftlichen Ehre gewährleisten solle, war während der Beratung der Vorläufigen Vorschläge, in der Sachverständigenkommission und im Bundesrat fortwährend umstritten. Hauss hat435 436 437

Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., V., l.,b). Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., V.,3.,b). Siehe oben, Teil 2, 8. Kap., I.,2.

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te die Norm ursprünglich auf Äußerungen im geschäftlichen Verkehr beschränken wollen, sich dann aber davon überzeugen lassen, daß dieser Begriff eine leichte Umgehung der Norm zur Folge haben könne. Er strich den Zusatz. 438 Mit demselben Argument wurde in den Sachverständigenberatungen daraufhin die Einführung der Worte zu Konkurrenzzwecken abgelehnt. Man hatte deren Einführung gefordert, um klarzustellen, daß der Konsument nicht getroffen werden solle. 439 Hauss blieb auch bei der Überarbeitung nach der öffentlichen Kritik bei dieser Ansicht, obwohl das Fehlen teilweise Verwirrung auslöste und die Forderung erhoben wurde, den Tatbestand auf Handlungen zu Zwecken des Wettbewerbs zu beschränken. 440 Erst im Bundesrat wurde diese Formulierung gegen den Willen von Hauss in den zivilrechtlichen Tatbestand aufgenommen. Hauss versuchte dennoch, dem Umgehungsaspekt in den Motiven Rechnung zu tragen, indem dort klargestellt wurde, daß die Absicht eines Herabsetzens des anderen zu Zwecken des Wettbewerbs auch dann vorliege, wenn hierdurch der Wettbewerb eines Dritten gefördert werden sollte. 441 Den Ausschlag für die Einfügung der genannten Worte in den zivilrechtlichen Tatbestand gab nicht das Argument, den Konsumenten aus der Verantwortlichkeit herausnehmen zu wollen, sondern erneut der Versuch, das UWG im Gesamtzusammenhang mit dem BGB zu sehen und zu gestalten. So betonte die Begründung zum Entwurf des Bundesrats, daß die Bestimmung gegen die Anschwärzung die üble Nachrede als besondere Rechtsnorm nur unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Wettbewerbs regeln solle. 442 Durch diese Klarstellung wollten die Motive die Geltung der Bestimmung auch für den Fall gewährleisten, daß in das BGB eine Bestimmung allgemeiner Art über die Aufstellung und Verbreitung unwahrer Angaben aufgenommen werden würde. 443 (b) Subjektive Voraussetzungen der Bestimmung Während der Beratung der Vorläufigen Vorschläge wurde die Bestimmung überarbeitet. Anders als beim ersten Abschnitt war man sich darüber einig, daß der Tat438 Während der 3. Sitzung am 6. Juni 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 179. 439 Protokolle der Sachverständigenkommission, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.56f. 440 Eine Forderung des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.440; zumindest für §4, Verein zur Förderung des Gewerbefleisses, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.474. 441 So die Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,19. In der Urschrift der Begründung ist dieser handschriftliche Zusatz von Hauss in der Akte zufinden, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 186. 442 Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, Begründung, Nr. 35,18. 443 § 7 erfuhr lediglich redaktionelle Änderungen, vgl. Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 199.

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bestand der strafrechtlichen Bestimmung anders zu fassen sei als der der zivilrechtlichen. So hielt man es für angemessen, die unrichtige Behauptung wider besseres Wissen strafrechtlich zu ahnden, während für die zivilrechtlichen Folgen schon Fahrlässigkeit ausreichen sollte. Der strafrechtliche Teil wurde so dem § 187 StGB angenähert, und es wurde so verhindert, daß allein die objektive Eignung zur Absatzschädigung zur Strafbarkeit ausreichte. 444 Die Mehrheit war außerdem der Ansicht, daß wahrheitswidrige, aber harmlose Behauptungen auch nicht zivilrechtlich geahndet werden sollten. Aus diesem Grund fügte man statt der Formulierung „welche geeignet sind, den Absatz des Geschäfts zu schädigen" die Worte ein „welche darauf berechnet und geeignet sind, den Absatz des Geschäfts zu schädigen". Somit forderte auch der zivilrechtliche Tatbestand eine Würdigung der subjektiven Einstellung des Täters. Ferner wurde bemerkt, daß nicht nur der Absatz einen entsprechenden Schutz verdiene, sondern auch der Kredit. Dieser sei strafrechtlich durch § 187 StGB ausreichend gesichert, ein zivilrechtlicher Schutz fehle jedoch. Man beschloß demgemäß, den Schutz innerhalb der zivilrechtlichen Bestimmung auf den Kredit auszudehnen.445 Gleichzeitig sollten auch die Fälle, in denen jemand in der Wahrnehmung eines berechtigten Interesses handelte, von der Anwendung der Bestimmung ausgenommen werden. Hier hatte man in erster Linie die Auskunftserteilung im Auge, die durch die Norm nicht eingeschränkt werden sollte. 446 Es wurde daher ein Absatz geschaffen, der die Schädigungsabsicht als Voraussetzung des zivilrechtlichen Tatbestands normierte; bei Wahrnehmung eines berechtigten Interesses liege sie regelmäßig nicht vor. 447 Aus Klarstellungsgründen wurde der Abschnitt in eine straf- und eine zivilrechtliche Bestimmung geteilt. 444

Zusätzlich wurde eine Angleichung des Strafrahmens an die irreführende Werbung und die Streichung der Beweislastumkehr für die Strafbestimmung beschlossen, da man eine deutlich weitere zivilrechtliche Bestimmung wünschte. 445 Nach der ersten Lesung lautete der Abschnitt II wie folgt, „III. Wer über das Erwerbsgeschäft eines Anderen, über die Person des Inhabers über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines Geschäfts oder seines Inhabers wider besseren Wissens unwahre Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Absatz des Geschäftes zu schädigen, wird mit Gefängnis bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark bestraft. Der Verletzte kann im Rechtswege Ersatz des entstandenen Schadens fordern und den Anspruch geltend machen, daß die Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen unterbleibe. Nach Massgabe des zweiten Absatzes ist auch der verantwortlich, welcher über das Erwerbsgeschäft eines Anderen über die Person des Inhabers, über die Waren oder gewerblichen Leistungen eines Geschäfts oder seines Inhabers Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet und darauf berechnet sind, den Absatz des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, insofern die Behauptungen nicht erweislich wahr sind". 446 In den Sachverständigenberatungen baten Stegemann und Landgraf hinsichtlich der Frage, wer in den Motiven als typischer Fall der berechtigten Auskunfterteilung genannt werden sollte, auch auf die Kaufmännischen Kreditschutzvereine Rücksicht zu nehmen. Hauss entsprach dieser Bitte in der Denkschrift, (wie Fn.402), Bl. 181. 447 Dementsprechend wurden die Worte und darauf berechnet im vorhergehenden Satz gestrichen.

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Der zweite Abschnitt lautete nun wie folgt: „II. Wer über das Erwerbsgeschäft eines Anderen, über die Person des Inhabers, über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines Geschäfts oder seines Inhabers wider besseren Wissens unwahre Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Absatz des Geschäftes zu schädigen, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft. III. Wer über das Erwerbsgeschäft eines Anderen, über die Person des Inhabers, über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines Geschäfts oder seines Inhabers Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Absatz des Geschäftes oder den Kredit zu schädigen, ist, sofern die Behauptungen nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Auch kann der Verletzte im Rechtswege den Anspruch geltend machen, daß die Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen unterbleibe. Die Bestimmungen des ersten Absatzesfinden keine Anwendung, sofern eine Absicht, den Absatz des Geschäfts oder den Kredit zu schädigen, bei dem Mittheilenden ausgeschlossen erscheint. Dies ist insbesondere anzunehmen, wen er oder der Empfänger der Mittheilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat."

(3) Die Bestimmungen im Ersten Entwurf Die Vorschriften zur Bekämpfung der geschäftlichen Ehrverletzung gingen ohne wesentliche Änderungen als §§4f. in den ersten Entwurf ein. 448 Geändert wurde, wie im übrigen Entwurf auch, die Reihenfolge von straf- und zivilrechtlicher Maßnahme. § 4 normierte nun den Schadensersatzanspruch, § 5 die Strafandrohung. Dennoch entbrannte in der Sachverständigenkommission Streit über die Notwendigkeit der Bestimmung. Wiederum spielte dabei Unsicherheit hinsichtlich der Frage eine Rolle, inwiefern der loyale Verkehr durch die Norm beeinträchtigt werden würde. Die Vertreter des Reichsjustizamt bezweifelten zunächst die Notwendigkeit und wollten bei Beibehaltung zumindest eine Änderung der zivilrechtlichen Bestimmung, die nicht auch die fahrlässige Kreditgefährdung umfassen sollte. 449 Der Ungewissheit über die gewünschte Wirkung sollte demnach wiederum durch enger gefaßte Bestimmungen entgegengearbeitet werden. Dem stimmten andere Mitglieder wie Roeren zu, der auch die Umkehr der Beweislast beseitigen wollte. Hecht wandte sich ebenfalls gegen die Beweisbestimmung. Für ihn gehörte das Herabsetzen der fremden Ware zur Verbesserung des Ansehens des eigenen Produkts zum Wesen jeder Konkurrenz. Die Folge einer solchen Beweisbestimmung sei eine bedenkliche Einengung des berechtigten Verkehrs, 450 448 Siehe die Vorschriften als §5 f. im Vorentwurf (wie Fn.94), B1.74 und im 1. Entwurf, Bl. 100. 449 Protokolle der Sachverständigenkommission (wie Fn. 439), Bl. 55 f. 450 Protokolle der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), B1.56.

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Dem stand eine Gruppe um Hammacher und Alexander-Katz gegenüber, die eine Ausweitung der Vorschriften wünschte. So sollte wider besseren Wissens beispielsweise in der Strafbestimmung entweder gestrichen werden, da dies schwer nachzuweisen sei, oder wenigstens auf fahrlässiges Handeln erweitert werden. I m Ergebnis gab es in der Sachverständigenkommission keine eindeutige Mehrheit für eine Änderung dieses Abschnitts. Hauss konnte sich demgemäß darin bestätigt sehen, daß sein Konzept einen Mittelweg zwischen den Positionen der Sachverständigen beschritt und damit eine kompromißfähige Grundlage darstellte. §§4 und 5 des ersten Entwurfes erhielten folgende Fassung: „§ 4: Wer über ein Erwerbsgeschäft 451, über die Person seines Inhabers über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines Geschäfts oder seines Inhabers Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Absatz des Geschäftes oder den Kredit zu schädigen, ist, sofern die Behauptungen nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Auch kann der Verletzte im Rechtswege den Anspruch geltend machen, daß die Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen unterbleibe. Die Bestimmungen des ersten Absatzesfinden keine Anwendung, sofern die Absicht, den Absatz des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, bei dem Mittheilenden ausgeschlossen erscheint. Dies ist insbesondere anzunehmen, wen er oder der Empfänger der Mittheilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. § 5: Wer über ein Erwerbsgeschäft, über die Person seines Inhabers, über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines Geschäfts oder seines Inhabers wider besseren Wissens unwahre Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Absatz des Geschäftes zu schädigen, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft."

b) Die Erörterung

der Bestimmungen in der Öffentlichkeit

Hinsichtlich der § § 4 f. wurde die Kritik der Öffentlichkeit vom Justizminister aufgegriffen und vorgetragen. Drei seiner Änderungsvorschläge, die allesamt die Ausgestaltung der Norm nicht wesentlich veränderten, wurden während der Diskussionen in den Reichsämtern und i m Staatsrat umgesetzt. 452 Die Kritik der Öffentlichkeit an der strafrechtlichen Ausgestaltung von § 5 fiel geringer aus als an anderen strafrechtlichen Bestimmungen des Entwurfs. §5 wurde vielmehr, wie auch 451 Die Worte eines Anderen in der ersten Zeile wurden gestrichen, um einem von Stegemann vermuteten Gefahr eines Mißverständnisses vorzubeugen. Diesem erschien es nicht eindeutig, ob nur solche Bemerkungen, die konkret auf einen anderen Bezug nehmen, getroffen werden sollten, oder ob die Norm auch dann Anwendungfinden könne, wenn lediglich eine Behauptung in Bezug auf eine Gesamtheit von Personen aufgestellt werde. Man war der Auffassung, daß die Ansicht der Regierung, daß eine solche Behauptung dann verboten werden sollte, wenn sie erkennbar die Verletzung eines Einzelnen beinhalte, bei einer Streichung deutlicher werde, vgl. Protokolle der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), B1.55. 452 Siehe unten Fn. 456.

17 von Stechow

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§ 4, als dringend notwendige Ergänzung einer Lücke in der Gesetzgebung aufgefaßt. 4 5 3 Dennoch gaben die Bestimmungen zu Mißverständnissen Anlaß. Insbesondere herrschte die Sorge, daß die Bestimmungen die geschäftlichen Auskunftsbüros und insbesondere den Rat unter Geschäftspartnern verbieten könnten. Man forderte daher eine ausdrückliche Ausnahme hierfür im Gesetzes Wortlaut. 454 Hauss griff diese Bedenken in den Motiven auf. Es wurde ausdrücklich bestätigt, daß weder die geschäftliche Auskunftserteilung, noch die Auskunftserteilung durch gewerbliche oder kaufmännische Schutzvereine, noch der Rat unter Geschäftsleuten getroffen werden solle. Vielmehr handelten die Genannten regelmäßig in Wahrnehmung berechtigter Interessen gemäß Absatz 2 des § 4, wenn sie um Auskunft gebeten würden und sie nach bestem Wissen erteilten. 4 5 5 Die Vorschriften erhielten nach der Überarbeitung im Bundesratsentwurf folgenden Wortlaut: „§ 4: Wer über das Erwerbsgeschäft eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts 456, über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines anderen457 Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Betrieb des Geschäfts 458 oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, ist, sofern die Behauptungen nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Auch kann der Verletzte im Rechtswege den Anspruch geltend machen, daß die Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen unterbleibe. 453 Die Handelskammer Köln wollte den § 5 zwar ebenfalls streichen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.250, ansonsten ist er als willkommene Ergänzung des StGB aufgefaßt worden; die Forderung des Centraiausschuss der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine, die Strafe auch bei § 5 nur im Wiederholungsfall zuzulassen, fand keine Zustimmung in Regierungskreisen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 193. 454 Siehe hierzu das umfangreiche, gedruckte Material, das die Auskunftei W. Schimmelpfeng mit der Eingabe v. 25.2.1895 an das Reichsamt des Innern und das Reichsjustizamt sandte, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7698, Bl. 63-121. 455 Begründung des an den Bundesrat geleiteten Entwurfs, Bundesrats-Drucksache Nr. 63,21. 456 Der Preußische Justizminister wies auf den Umstand hin, daß der Entwurf nur den Inhaber eines Geschäftes schütze. Die gleich gelagerten Fälle, in denen sich Äußerungen auf den Direktor einer Aktiengesellschaft oder GmbH oder den Leiter eines Geschäftes bezögen, müssten auch unter den Tatbestand der §§4f. fallen, vgl. Votum des Preußischen Justizministers, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.266. Daher wurde die Bezeichnung oder Leiter des Geschäfts eingeführt. 457 Es wurde bemerkt, daß nach § 5 in seiner bisherigen Form auch derjenige bestraft werden könne, der über sein eigenes Geschäft entsprechende Behauptungen aufstellte. Daher wurde der Tatbestand auf Behauptungen wieder auf einen anderen beschränkt, vgl. Protokolle der Sachverständigenkommission (wie Fn. 439). 458 Im Staatsrat wurden die Einwände verschiedener bank- und versicherungsgewerblicher Kreise aufgegriffen und im Tatbestand das Kriterium der Absatzschädigung durch das Kriterium der Betriebsschädigung ersetzt, um so einen erweiterten Schutz eben jener Bank- und Versicherungsgeschäfte zu ermöglichen. Dieser Einwand wurde auch schon vom des Centraiausschuss der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine erhoben, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 192.

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Die Bestimmungen des ersten Absatzesfinden keine Anwendung, sofern die Absicht, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu schädigen bei dem Mittheilenden ausgeschlossen erscheint. Dies ist insbesondere anzunehmen, wen er oder der Empfänger der Mittheilung an ihr ein berechtigtes Interesse hatte. § 5: Wer über das Erwerbsgeschäft eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts, über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines anderen wider besseren Wissens unwahre Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Betrieb des Geschäftes zu schädigen, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft." c) Die Erörterung

der Bestimmungen in der Legislativen

Der Bundesrat beschloß die Aufnahme der Worte zu Zwecken des Wettbewerbs. Angesichts dieser Änderung strich man § 4 Abs. 2 Satz 2, der die Schädigungsabsicht normiert hatte. Man hielt eine solche Feststellung neben der Voraussetzung, daß das Handeln zu Wettbewerbszwecken erfolgte, für überflüssig. Deutlich wird zudem, wie der Gesetzgeber den Begriff zu Zwecken des Wettbewerbs verstanden wissen wollte. Zum einen sollte die Geltung der Bestimmung auch nach Erlaß eines möglichen § 824 B G B gewährleistet werden. Zum anderen sollte Fahrlässigkeit hinsichtlich der Richtigkeit einer Aussage ausreichen; das Verhalten mußte aber eine wettbewerbliche Zweckausrichtung haben. §§6 und 7 fanden ohne nennenswerte Erörterung die Zustimmung der Kommission. 4 5 9 I m Reichstag wurden sie ohne weitere Diskussion angenommen und gingen demgemäß in der folgenden Fassung, die sie i m Bundesrat erhalten hatten, in das U W G ein: „§ 6: Wer zu Zwecken des Wettbewerbs über das Erwerbsgeschäft eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts, über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines anderen Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Betrieb des Geschäfts oder den Kredit des Inhabers zu schädigen, ist, sofern die Behauptungen nicht erweislich wahr sind, dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Auch kann der Verletzte im Rechtswege den Anspruch geltend machen, daß die Wiederholung oder Verbreitung der Behauptungen unterbleibe. Die Bestimmungen des ersten Absatzesfinden keine Anwendung, wenn der Mittheilende oder der Empfänger der Mittheilung an ihr ein berechtigtes Interesse hat. § 7: Wer wider besseren Wissens über das Erwerbsgeschäft eines anderen, über die Person des Inhabers oder Leiters des Geschäfts, über die Waaren oder gewerblichen Leistungen eines anderen unwahre Behauptungen thatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, welche geeignet sind, den Betrieb des Geschäftes zu schädigen, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft." 459

Antrag 24 forderte in Abs. 2 des § 6 oder der Empfänger zu streichen, um die üble Nachrede auch in allen Fällen zu treffen, in denen der Mitteilende kein berechtigtes Interesse hat, abgelehnt mit der Begründung, daß die Auskunft unter Geschäftsfreunden geschützt bleiben müsse. 1*

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

I V . Schutz der geschäftlichen Bezeichnung 1. Der Grund der Aufnahme der Bestimmung in das U W G In der Begründung des Ersten Entwurfs ging Hauss zunächst auf die allgemeinen Forderungen nach einer substantiellen Erweiterung des Firmenschutzes ein. 460 Er gestand zu, daß die bestehenden Vorschriften zum Schutz von Wahrheit und Unterscheidbarkeit der Firma unschwer umgangen werden könnten. Dennoch müsse sich der Entwurf seiner Zielsetzung entsprechend beschränken und die weitergehenden Forderungen einer in Angriff genommenen Revision des Handelsgesetzbuches überlassen. Hier könne es nur darum gehen zu verhindern, daß im Interesse der geschäftlichen Moral die zufällige oder absichtliche Synonymität in einer Weise ausgenutzt werde, welche darauf berechnet und geeignet sei, Verwechslungen hervorzurufen. 461 Der Unterschied zu den übrigen Gesetzen zum Schutz gewerblicher Bezeichnungen sollte demnach darin liegen, daß der Entwurf den Schutz des Kennzeichens auf den als unlauter empfundenen Aspekt des Herbeiführens einer Verwechslung beschränkte. Die Notwendigkeit eines Schutzes habe sich dabei für die eingetragene Firma, für nicht eingetragene Namen eines Handel- oder Gewerbetreibenden und für Phantasienamen eines Erwerbsgeschäfts gezeigt. Die Schutzbedürftigkeit der letzteren wurde mit der steigenden Beliebtheit des Gebrauchs solcher Phantasiebezeichnungen begründet. 462 Durch die Lösung von dem Kriterium der Eintragung und durch die Berücksichtigung des Wettbewerbsaspekts ging der Gesetzgeber den Weg, den er im WZG angedeutet hatte, konsequent weiter. Die Schwierigkeiten, die diese geplanten Erweiterungen mit sich brachten, fanden gleichfalls Erwähnung. So wurde darauf hingewiesen, daß ein Schutz voraussetze, daß die Bezeichnung einen unterscheidenden oder eigentümlichen Charakter habe,463 Darüber hinaus sei im Einzelfall durch die Gerichte die Grenze des Zulässigen festzustellen. Der Grund der Aufnahme der Bestimmungen lag folglich hier in dem Willen, die geschäftliche Moral durch Bekämpfung des als unlauter empfundenen Herbeiführens einer Verwechslungsgefahr mit dem Namen, der Firma oder einer sonstigen Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts zu schützen. Der Wettbewerbsaspekt bei der Nutzung von Unterscheidungszeichen sollte so im Rahmen des Rechtsschutzes der gewerblichen Bezeichnung Berücksichtigung finden.

460

461 462 463

Vgl. Denkschrift zum Ersten Entwurf, Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd.3, 28f.

Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd.3, 29. Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd. 3, ebd. Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd.3, 30.

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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2. Die Ausgestaltung der Bestimmung a) Die Bestimmung im Vorentwurf Abschnitt III hatte im Vorentwurf folgenden Wortlaut: „III. Wer im geschäftlichen Verkehr einen Namen, eine Firma, oder ein sonstiges Mittel zur besonderen Kennzeichnung eines Geschäftsbetriebes in einer Weise benutzt, welche darauf berechnet und geeignet ist, Verwechslungen mit einem anderen Geschäftsbetriebe herbeizuführen, ist dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Auch kann der Verletzte im Wege der Klage den Anspruch auf Unterlassung, der die Verwechslung hervorrufenden Art der Benutzung geltend machen."

Die Ausrichtung der Vorschrift auf die Eignung und Absicht zur Verwechslung erinnert an den Begriff der Verwechslungsmöglichkeit, den schon Alexander-Katz in seinem Vorschlag, §§ 13 f. MSchG zu ändern, gewählt hatte. 464 Beschränkt war der Schutz des Abschnitts III auf Name, Firma oder eine sonstige Bezeichnung eines Geschäftsbetriebes, ohne das Warenzeichen mitzuschützen. Der Schutz des Geschäftsbetriebs selbst war allerdings weit. Alexander-Katz sah hingegen vor, daß eine Verwechslungsgefahr außer in den Fällen des Firmen- und Namensmißbrauchs auch dann gegeben sei, wenn fremde Handels- oder Fabrikmarken verwendet würden. 465 Andererseits wollte er den Schutz auf „gleichartige oder ähnliche Erzeugnisse oder Waren oder einer Produktions- oder Absatzstätte mit gleichartigem oder verwandten Gewerbebetriebe" beschränken466. Auf eine solche Beschränkung der Bestimmung verzichtete der Vorentwurf. Eine Begründung für die Beschränkung des Schutzes auf den Geschäftsbetrieb gab Hauss zunächst nicht. Der Vorschlag von Alexander-Katz deutet jedoch darauf hin, daß die Wünsche weiter gingen. 467 b) Die Bestimmung in den Vorläufigen Vorschlägen, in den Grundzügen und im ersten Entwurf Nach dem Anfügen einer strafrechtlichen Rechtsfolge lautete die Bestimmung in den Vorläufigen Vorschlägen wie folgt: 468 „III. Wer im geschäftlichen Verkehr einen Namen, eine Firma, oder ein sonstiges Mittel zur besonderen Kennzeichnung eines Geschäftsbetriebes in einer Weise benutzt, welche darauf berechnet und geeignet ist, Verwechslungen mit einem anderen Geschäftsbetriebe hervor464 465

466 467

Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., V., l.,b). Alexander-Katz (wie Teil 1, Fn.370), 43 ff.

Alexander-Katz (wie Teil 1, Fn. 370), 45.

Siehe hierzu unten, Fn.490. 468 Vgl. Protokoll der 4. Sitzung der Beratung der Vorläufigen Vorschläge, 8.6.1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 185.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

zurufen, wird mit Geldstrafe bis zu DM 300 oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft und ist dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Auch kann der Verletzte im Wege der Klage den Anspruch auf Unterlassung, der die Verwechslung hervorrufenden Art der Benutzung geltend machen."

Auffällig war die vergleichsweise geringe Strafandrohung. Der Grund hierfür war die auch während der Beratung der Vorläufigen Vorschläge weit verbreitete Ansicht, daß der Schutz des Kennzeichens vor allem ein Schutz des Wettbewerbers sei und sich dadurch auch von den übrigen Bestimmungen des Entwurfs unterscheide. In den Beratungen der Vorläufigen Vorschläge herrschte sogar die Ansicht vor, daß das öffentliche Interesse nicht einen geringen, sondern gar keinen Schutz verlange. Die Strafbestimmungen seien daher zu streichen. 469 Dem widersprach Hauss. Für ihn war der Kennzeichenmißbrauch eine Täuschung weiter Teile des Publikums: Die Nähe zum Betrug erfordere ein Strafbestimmung. 470 Seine Ansicht fand jedoch keine Zustimmung, so daß er die Strafbestimmung strich. Die oben schon erörterte Durchsetzung des Zivilrechts als Mittel zum Schutz von Kennzeichen wie Name und Firma findet hier Bestätigung.471 Mit der Auffassung, daß der Konkurrent alleiniges Schutzsubjekt dieser Bestimmung sei, verband sich das Verständnis des Kennzeichens als Rechtsgut des Gewerbetreibenden mit eigentumsähnlichen Merkmalen. So wandte der Vertreter des Preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe ein, daß das jedermann zustehende Recht, seinen Namen oder eine seinen Namen enthaltene Firma zu führen, nicht eingeschränkt werden dürfe. 472 Außerdem sei der Gebrauch eines fremden Namens schon nach dem ADHGB verboten, daher solle die Norm auf die unbefugte Benutzung von Name und Firma beschränkt werden. Noch weiter ging in den späteren Beratungen des Preußischen Staatsministeriums der Preußische Minister für Handel und Gewerbe, der die Verwendung des eigenen Namens als Ausübung eines natürlichen Rechts eines jeden Gewerbetreibenden bezeichnete.473 Hier zeigt sich, daß die von Gareis und Kohler maßgeblich entwickelte und von Gierke und anderen aufgegriffene 469 Protokoll der 4. Sitzung der Beratung der Vorläufigen Vorschläge, 8.6.1894, ebd., Bl. 184. 470 Protokoll der 4. Sitzung der Beratung der Vorläufigen Vorschläge, 8.6.1894, ebd. 471 Siehe oben, Teil 1, 2. Kap., I.,3.; II., 1. 472 Protokolle der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), 56f. 473 Votum des Preußischen Ministers für Handel und Gewerbe, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.9f. Er schlug demgemäß vor, daß zumindest im Bereich des Schutzes von Name und Firma die Benutzung des eigenen Namens oder der eigenen Firma im geschäftlichen Verkehr nur dann zu der genannten Rechtsfolge führen sollte, wenn jede andere Absicht als die der Irreführung des Publikums ausgeschlossen erschiene. Die erwähnte Klarstellung sei geeignet, die Fälle von Rechtsunsicherheit einzuschränken und den Gewerbetreibenden eine klarere Vorstellung von dem, was erlaubt und was verboten ist, zu geben. Eine solche Formulierung wurde auch aufgenommen, vgl. Protokoll der Sitzung des Königl. Staats-Ministeriums v. 9. April 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.56, aber im Bundesrat wieder gestrichen, Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,19.

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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Sichtweise, daß es sich bei dem Recht am Namen und an der Firma um subjektive Privatrechte des einzelnen handelte, nun auch in den Behörden auf Widerhall stieß.474 Während der Beratungen der Grundzüge stand solchen Überlegungen aber die Überzeugung der übrigen Teilnehmer gegenüber, die das Kennzeichenrecht durch die bestehenden gesetzlichen Regelungen begründet und in seinem Umfang durch diese begrenzt sahen. Sie hielten der Nichtbeschränkbarkeit des Namensgebrauchs entgegen, daß schon nach Art. 20 ADHGB der Gebrauch des Namens eingeschränkt werden könne, wenn auch mit dem Mangel, dem hier nun abgeholfen werden solle, daß das ADHGB Gebrauch und Eintragung nur für den jeweiligen gleichen Ort oder dieselbe Gemeinde einschränke. Auch auf anderen Gebieten sei die Beschränkung der persönlichen Freiheit zum allgemeinen Wohl nichts Außergewöhnliches. Der Tatbestand werde jedoch nicht nur durch die Synonymität des Namens oder der Firmen erfüllt; der Schwerpunkt liege vielmehr in der vorsätzlichen Herbeiführung einer Verwechslung. Es würden daher nur solche Fälle getroffen werden, in denen ein wirklicher Mißbrauch vorliege. Die Diskussion offenbart, daß im Bereich des Schutzes der geschäftlichen Bezeichnung das Schaffen von Kohler und Gareis besonders große Wirkung zeitigte; gegen die Mehrheit, die Inhalt und Reichweite des Kennzeichenrechts durch seine gesetzliche Regelung bedingt ansahen, konnte sie sich jedoch noch nicht durchsetzen. Auffällig ist zudem, daß im Gegensatz zu anderen Normen, bei denen das Verhältnis zum BGB eingehend erörtert wurde, es hier an einer Diskussion fehlte, wie sich die gefundene Entscheidung mit dem geplanten § 12 BGB vereinbaren ließ, zumal dieser nachweislich auch die Interessen des gewerblichen Verkehrs im Auge hatte. 475 Die Bestimmung ging in folgender Fassung in die Grundzüge ein: „IV. Wer im geschäftlichen Verkehr einen Namen, eine Firma oder die besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts 476 in einer Weise benutzt, welche darauf berechnet und geeignet ist, Verwechslungen mit den Namen, der Firma oder der besonderen Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts hervorzurufen, deren ein sich ein Anderer in seinem Geschäftsbetriebe befugtermassen bediente477, ist diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Auch kann im 474

Siehe oben, Teil 1, 3. Kap., I.; Teil 2,6. Kap., III.,2.,c). Hierzu vgl. die Ausführungen von Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 298f. 476 Der frühere Ausdruck die Kennzeichnung eines Geschäftsbetriebes war nach Ansicht von Dungs geeignet, die Grenze zu § 15 WZG zu verwischen, der auch Formen der Aufmachung, Ausstattung und Verzierung als Kennzeichen bezeichnete. Dungs war wie Hauss jedoch der Ansicht, daß die Bezeichnung zu schützen sei, und änderte die \brschrift dementsprechend, vgl. Reichsamt des Innern, BArch 1501/7683, Bl. 184. 477 Dungs merkte an, es müsse sichelgestellt werden, daß nur der ein Klagerecht besitze, der befugterweise ein Kennzeichen führe, sonst könnte nach der jetzigen Fassung ein Unberechtigter gegen einen Berechtigten klagen. Hauss griff diese Überlegung auf und formulierte zur Klarstellung diesen Zusatz, Reichsamt des Innern, BArch 1501/7683, Bl. 184. 475

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Rechtswege der Anspruch auf Unterlassung der mißbräuchlichen Art der Benutzung geltend gemacht werden.44 Die Sachverständigenkommission brachte keine bedeutenden Veränderungen. Abgelehnt wurde lediglich die Forderung, die mißbräuchliche Bezeichnung eines Geschäftsbetriebs mit Ortsnamen in die Vorschrift aufzunehmen, da § 16 W Z G nur die Warenbezeichnung schütze. 478 Solche Angaben seien bei Unrichtigkeit Fälle irreführender Werbung und daher schon unter § 1 zu fassen. § 6 lautete i m ersten Entwurf folgendermaßen: „§ 6: Wer im geschäftlichen Verkehr einen Namen, eine Firma oder die besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts in einer Weise benutzt, welche darauf berechnet und geeignet ist, Verwechslungen mit den Namen, der Firma oder der Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts hervorzurufen, deren ein sich ein Anderer befugtermassen bedient, ist diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Auch kann479 der Anspruch auf Unterlassung der mißbräuchlichen Art der Benutzung geltend gemacht werden.44 In der öffentlichen Reaktion auf den Entwurf spielte die Bestimmung eine vergleichsweise geringe Rolle. Weder in den Protokollen des Deutschen Handelstags noch in den Voten der Bundesregierungen findet sich eine Äußerung, die über eine Einverständniserklärung hinausgeht. 480 Beachtenswert ist lediglich ein Einwand des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums; die Auffassung teilten Rausnitz und Scherer. Man forderte, den Unterlassungsanspruch auch dann zuzulassen, wenn eine Absicht zur Hervorrufung einer Verwechslungsgefahr nicht vorliege. Angesichts der die Gesetzgebungsarbeiten bestimmenden Tendenz, den Gebrauch der Kennzeichen, gerade im Hinblick auf die Benutzung des eigenen Namens, nicht weiter zu beschränken, wurde diesem Vorschlag nicht Folge geleistet. 481 478 Als Beispiel wurde die Bezeichnung „Chemnitzer Spinnerei Fabrik44 für einen Betrieb genannt, der keine Chemnitzer Fabrikate liefere, Protokoll der Sachverständigenkommission, vgl. Protokolle der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), B1.57. 479 In der Sachverständigenkommission wurde nur die Verdeutlichung, daß der Unterlassungsanspruch im Rechtswege geltend gemacht werden mußte, wurde für entbehrlich gehalten, Protokoll der Sachverständigenkommission, Protokolle der Sachverständigenkommission (wie Fn. 439), Bl. 57 f.; vgl. auch Änderungen der Grundzüge für den ersten Entwurf, B1.87. 480 Verhandlungen des Dt. Handelstages, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 253; Centraiausschuss der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 193, dort wird § 6 als „einem längst hervorgetreten Bedürfnis entsprechend44 bezeichnet; Äußerungen der Bundesregierungen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, Bl. 159. Beachte jedoch, daß schon während der Überarbeitung des ersten Entwurfes überlegt wurde, ob hinter „eines Erwerbsgeschäfts in den ersten Zeilen der Bestimmung oder eines gewerblichen Unternehmens44 eingefügt werden sollte, um auch die Fälle den unlauteren Kennzeichenmißbrauch von Bücher- und Zeitschriftentiteln oder auch Gasthofhamen zu verhindern. Diese Anregung geht direkt zurück auf die Eingaben des Börsenvereins der deutschen Buchhändler v. 16.3.1895 und des Verlegers Franz v. Lipperheide v. 23.3.1895 zurück, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.333f. 481 Denkschrift des Deutschen Vereins für den Schutz des gewerblichen Eigentums, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, 440; Scheren Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, 240 f., unter Verweis auf Rausnitz, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.318. Dieser

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In der Folgezeit zeigte sich, daß diese auch in der endgültigen Fassung des UWG von 1896 enthaltene Beschränkung ein wesentlicher Ansatzpunkt der Kritik war. Der Gesetzgeber entschloss sich daher, im UWG von 1909 das Absichtserfordernis für den Unterlassungsanspruch zu streichen. 482 c) Die Behandlung der Bestimmung in der Legislative (1) Die „besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts" Der Kennzeichenschutz, jetzt § 8, blieb im Zuge der Bundesratsberatungen im wesentlichen weiterhin in den aufgezeigten Bahnen.483 Dennoch wurde die sachliche Reichweite der Bestimmung hinsichtlich der besonderen Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts diskutiert. 484 Diese Diskussion wurde in der Reichstagskommission aufgegriffen und führte schließlich zu einer Erweiterung der Norm. Die Reichstagskommission hatte sich zusätzlich mit der Frage zu beschäftigen, ob das Warenzeichen in den Schutz der Bestimmung aufgenommen werden solle oder nicht. Die Formulierung besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts erachtete man in den Bundesratsverhandlungen als nicht präzise genug. Den Anlaß hierzu bot eine Petition eines Zeitungsunternehmers, Franz v. Lipperheide, der sich an das Reichsjustizamt wandte, um anzuregen, daß auch Zeitschriftentitel durch eine Ergänzung des Paragraphen geschützt werden sollten. 485 Er verlegte seit 1865 die Zeitschrift schlägt vor, das Erfordernis der Berechnung als Tatbestandsmerkmal des Unterlassungsanspruchs zu streichen, zur Gewährung eines Verbotsrechts genüge der einfache Tatbestand, siehe auch Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 273. 482 Siehe unten, Teil 3, Kap. 15, II. 483 Neben den erörterten Änderungen war zusätzlich neu, daß gemäß § 13 auch auf dem Gebiet des Kennzeichenschutzes der obsiegenden Partei eines Unterlassungsanspruchs gemäß § 8 die Befugnis zur öffentlichen Bekanntmachung zugesprochen werden konnte. Für eine unterschiedliche Behandlung des Schutzes der geschäftlichen Bezeichnung und der irreführenden Werbung bzw. der geschäftlichen Ehrverletzung sah man keinen Grund, vgl. Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, 27 f. 484 Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35,19. 485 Eingabe v. 14.3.1895, Reichsjustizamt, BArch. 3001/2643, B1.243ff. Diese Eingabe ist mehrfach Anlaß von Korrespondenz zwischen den Reichsämtern gewesen, insbesondere bat v. Boetticher das Reichsjustizamt, sie noch bis Ende der Bundesrats- und Reichstagsberatungen in seinen Akten behalten zu können, um die hierin gegebenen Anregungen in den Verhandlungen zur Hand zu haben, Reichsjustizamt, BArch. 3001/2643, Bl. 127, 130; vgl. auch Ludwig Fuld, Das Reichsgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909, 3. Aufl., 1910, 363 f. der darauf hinweist, daß den Anstoß zu dieser Änderung eine Eingabe des Börsenvereins Deutscher Buchhändler gegeben habe, welche gefordert habe, den gesetzlichen Schutz sowohl auf die Ausstattung der Druckschriften als auch auf Titel und Namen auszudehnen. Beachte jedoch, daß schon F. v. Lipperheide mit seinem Begehren, den Schutz auf Druckschriften zu erweitern, im Bundesrat Gehör gefunden hatte.

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„Modenwelt", der seit Beginn der neunziger Jahre zwei Zeitschriften mit identischer Aufmachung - die „Kleine Modenwelt" und die „Große Modenwelt" - Konkurrenz machten, ohne daß v. Lipperheide imstande war, Rechtsschutz dagegen zu erlangen. 486 Die Begründung des Reichstagsentwurfs griff diese Frage auf und stellte klar, daß unter die Vorschrift nicht nur die Gesamtbezeichnung eines Erwerbsgeschäftes falle, sondern der Schutz gebühre gleichfalls „den Benennungen einzelner zu einem solchen gehörigen Unternehmungen... also z.B. einem Zeitungsnamen oder einer Gasthofbenennung... auch dann, wenn sich die gewerbliche Thätigkeit des Unternehmers nicht auf die Herausgabe der einen Zeitung oder des einen Gasthofs beschränkt. Der Ausdruck Erwerbsgeschäft umfaßt also ein Doppeltes: einerseits die Gesamtheit des Betriebs, andrerseits die einzelnen zu diesem Betriebe gehörigen Unternehmungen."487

Unter „Erwerbsgeschäft" waren demnach beispielsweise sowohl ein Verlag als auch seine Zeitschriftentitel zu verstehen. Durch diese inhaltliche Erweiterung und Erläuterung des Begriffs Erwerbsgeschäfts versuchte der Gesetzgeber, der genannten Kritik abzuhelfen. Die Reichstagskommission befand, daß diese Präzisierung nicht ausreichend sei. 488 Sie erweiterte daher später die Vorschrift und beschloß, daß neben Name, Firma und der besonderen Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts auch die Bezeichnung eines gewerblichen Unternehmens oder einer Druckschrift zu schützen sei. 489 Der Antrag wurde mit großer Mehrheit angenommen. Der Hinweis eines Regierungsvertreters, daß die Worte eines gewerblichen Unternehmens überflüssig seien, da der Begriff eines Erwerbsgeschäfts jedes gewerbliche Unternehmen mitumfasse, wurde nicht aufgegriffen. (2) Der Schutz des Warenzeichens Die Kommission beschäftigte außerdem der Antrag, auch das Warenzeichen in den Tatbestand des § 8 aufzunehmen. 490 Dieser war damit begründet worden, daß es auch Aufgabe des Gesetzes sei, bestehende Gesetze zu eigänzen, und das WZG 486

Lipperheide sandte Ausgaben aller drei Zeitschriften an das Reichsjustizamt, deren Titelblätter sich nur durch die unwesentlich voneinander abweichenden Titel unterschieden. Reichsjustizamt, BArch. 3001/2642, Bl. 1 ff. Schon während der Beratung der Vorläufigen Vorschläge war die besondere Bedeutung der Bestimmung zum Schutz von Hotel- und Zeitungsunternehmen gewürdigt worden. Vgl. Reichsamt des Innern, BArch. Bl. 1501/7683, Bl. 184. 487 Begründung zum Entwurf des Bundesrats in der Reichstagsvorlage, Sten. Berichte der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Nr. 35, 20. 488 Antrag 29, vgl. Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 20f. 489 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 20. 490 Antrag 28, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 19f.

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durchaus noch einer Verbesserung fähig sei. Die allgemeinere Fassung des § 8 könnte den Schutz des Warenzeichens sinnvoll ergänzen. Vor allem die Regierungsvertreter bekämpften diesen Antrag, der in der ersten Lesung dennoch die Zustimmung der Kommission erfuhr. In der zweiten Lesung ließ man sich aber von der Ansicht der Regierungsvertreter überzeugen, daß eine Aufnahme des Warenzeichens in den § 8 keine Erweiterung, sondern eine Umänderung desselben darstelle. Das WZG habe den Schutz der Marke sehr differenziert geregelt und unter Würdigung der dafür und dagegen sprechenden Argumente an gewisse Vorbedingungen geknüpft. Der vorliegende Antrag sei geeignet, diese Differenzierungen zu umgehen. Er würde gegen den Willen des WZG die Idee wieder aufleben lassen, daß Unlauterkeit in Handel und Wandel ganz allgemein unter Strafe zu stellen sei. 491 So könnten beispielsweise Warenzeichen, die jeder Originalität entbehrten, in den Genuss des Schutzes des § 8 gelangen und so auch Bezeichnungen des allgemeinen Sprachgebrauchs monopolisiert werden. Eine Aufnahme des Warenzeichens in § 8 führe eine neue Art des Markenschutzes ein, die zu den Bestimmungen des WZG in einem unversöhnlichen Gegensatz stehe. Das Warenzeichen wurde daraufhin wieder aus dem Tatbestand des § 8 gestrichen. Demnach sah der Gesetzgeber § 8 UWG zwar im Gesamtzusammenhang mit dem WZG, ohne hier aber Näheres über das Verhältnis zueinander und über die Anwendungsbereiche der beiden Normen zu sagen. Nach dem geäußerten Willen läßt sich nur festhalten, daß das UWG in erster Linie dort eingreifen sollte, wo das WZG nicht wirkte. Eine Überschneidung der Normen sollte daher nicht möglich sein. 492 Mit einer redaktionellen Änderung wurde der § 8 dann von der Kommission angenommen493 und ging ohne weitere Diskussion in den weiteren Reichstagsberatungen in das Gesetz ein. 494 § 8 UWG lautete: „Wer im geschäftlichen Verkehr einen Namen, eine Firma oder die besondere Bezeichnung eines Erwerbsgeschäfts, eines Erwerbsgeschäfts, eine gewerblichen Unternehmens oder einer Druckschrift in einer Weise benutzt, welche darauf berechnet und geeignet ist, Verwechslungen mit den Namen, der Firma oder der besonderen Bezeichnung hervorzurufen, 491 492

Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 20. Zu den offen gebliebenen Streitpunkten vgl. ausführlich Klippel (wie Einleitung, Fn.4),

300 f. 493 Antrag 29 forderte in Zeile 7 vor Bezeichnung das Wort besondere einzufügen, um eine Übereinstimmung mit der Formulierung im Eingangssatz des § 8 herzustellen. Antrag 25 forderte, vor allem den Gehilfen zu schützen und den Prinzipal zur Verantwortung zu zeihen, in dem das Wort „benutzt" durch die Worte „benutzen läßt" ersetzt würde. Da es jedoch das Ziel der Norm war, auch den selbständig handelnden Prinzipal zu treffen, wurde dies abgelehnt. Antrag 26 sah vor, den Begriff geeignet ist durch geeignet scheint zu ersetzen und so den Rahmen des § 8 zu erweitern. Er wurde ebenfalls abgelehnt, da man fürchtete, ein solcher Begriff werde zu großer Rechtsunklarheit führen. 494 Lediglich der Abgeordnete Hammacher fragte die Regierung, ob im Rahmen des § 8 auch das Pseudonym geschützt sei. Hauss bestätigte, daß dieses im Rahmen der Bestimmung wie ein Name anzusehen sei, vgl. Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,2185.

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deren sich ein Anderer befugtermassen bedient, ist diesem zum Ersatz des Schadens verpflichtet. Auch kann der Anspruch auf Unterlassung der mißbräuchlichen Art der Benutzung geltend gemacht werden."

V. Schutz geschäftlicher und betrieblicher Geheimnisse Die letzte Fallgruppe, die man mittels des UWG zu bekämpfen gedachte, war der Verrat geschäftlicher und betrieblicher Geheimnisse. 1. Der Grund der Aufnahme der Bestimmungen in das U W G Seit Anfang der achtziger Jahre waren regelmäßig Klagen laut geworden über eine zu geringe Handhabe gegen den Verrat spezifischen, kaufmännischen oder betrieblichen Wissens in erster Linie von Angestellten an Dritte. Diese Beschwerden stammten zum einen aus Kreisen der Industrie für Fälle, in denen solche Kenntnisse einem patent- bzw. gebrauchs- oder geschmacksmusterlichen gesetzlichen Schutz nicht offenstanden. 495 Zum anderen klagten Betriebe, die ein gesetzliches Schutzverfahren meiden wollten, weil der Wert des Geheimnisses gerade darin lag, daß es ein Geheimnis war und blieb. Ein Patentschutz beispielsweise endet nach Ablauf der Schutzfrist mit der Bekanntmachung des Geheimnisses.496 Insbesondere Rezepte und Herstellungsverfahren der chemischen und keramischen Industrie fielen darunter. Für das Reichsamt des Innern, das schon in den achtziger Jahren mit den betreffenden Petitionen befaßt war, bot das vorliegende Gesetzesvorhaben eine willkommene Gelegenheit, diesen Beschwerden abzuhelfen. Begründet wurde die Einführung von einschlägigen Bestimmungen daher zunächst mit dem Hinweis darauf, daß ein solcher Schutz dem dringenden Wunsch kaufmännischer und gewerblicher Kreise entspreche.497 Dem möglichen Einwand schon vorhandener ausreichender Gesetze, etwa das Patentgesetz, wurde von Hauss entgegengehalten, daß diese gerade dem kaufmännischen Geheimnis keinen Schutz böten und daß veschiedene Einzelheiten eines industriellen Herstellungsverfahrens, beispielsweise Temperaturgrade, nicht schutzwürdig seien.498 Daneben wurde zur Erläuterung des Vorgehens erneut auf das Ausland verwiesen, in dem seit jeher ein Schutz betrieblicher und kaufmännischer Geheimnisse vorgesehen sei. 499 Zusätzlich fand Erwähnung, daß in Deutschland bis 1870 ein solcher Schutz bestanden habe. Das Fehlen solcher Vorschriften sei bald als nachteilig 495 Vgl. oben; Ortloff (wie Teil 1, Fn. 302), 602; ders. (vgl. auch Teil 1, Fn. 304), Das Individualrecht auf Bewahrung der Geschäftsgeheimnisse, in: Büschs Archiv für Theorie und Praxis des Allgemeinen Deutschen Handels- und Wechselrechts (1886), 333. 496 Siehe hierzu auch Baumbach/H eferme hl (wie Einleitung, Fn. 5), vor § § 17-20 a UWG, 1.

497

498 499

Vgl. Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 3, 30f. Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd.3, 30f. Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd.3, 30.

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empfunden worden. Man habe daher versucht, diesem Mangel durch einzelne Bestimmungen, wie etwa dem Unfallversicherungsgesetz, abzuhelfen. Ein weiteres Argument zur Begründung der Notwendigkeit einer Regelung ermöglicht einen Einblick in das Verständnis des Gesetzgebers über den systematischen Standort der Bestimmungen: Der Verrat eines Geheimnisses durch einen Angestellten an einen Konkurrenten des Arbeitgebers sei ein schwerer Vertrauensbruch, der ebenso wie die Untreue in § 266 StGB eine strafrechtliche Sühne erfordere. 500 Hiermit wurde ein Punkt aufgegriffen, den Katz schon 1888 auf dem Juristentag zur Begründung der Schutznotwendigkeit angeführt hatte. 501 Der Umstand, daß es sich bei dem Verrat vor allem um ein Verhalten ging, das aufgrund der Nähe zur Untreue als eine rechtswidrige Handlung bezeichnet werden konnte, legitimierte die Einführung eines solchen gesetzlichen Schutzes.502 Den Argumenten zugunsten der Aufnahme einer solchen Bestimmung in das Gesetz stand im gesamten Verlauf der Kodifikationsarbeiten lautstarke Kritik gegenüber. Vor allem drei Punkte wurden wiederholt genannt. Erstens wurden schon in den Sachverständigenberatungen Befürchtungen geäußert, daß allgemein volkswirtschaftliche Nachteile zu erwarten seien, wenn die NichtVeröffentlichung industrieller Fertigkeiten gefördert würde, da dann die Bereitschaft abnehme, den Weg des zeitlich begrenzten Patentschutzes zu gehen. Der Schutz werde die Geheimniskrämerei und die Schikane durch Denunziationen in der Industrie fördern und so den Fortschritt der Technik behindern. 503 Die Mehrheit der Sachverständigen teilte jedoch die Ansicht der Regierung und hielt das kaufmännische und industrielle Geheimnis für schutzwürdig. Besonderen Stellenwert nahm hierbei die Überzeugung ein, daß die Entwicklung der letzten Jahrzehnte „das Bedürfnis eines gesetzgeberischen Vorgehens immer schärfer hervortreten" lasse. Angesichts der Hinweise aus geschädigten Kreisen, daß sich der Mißbrauch der Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse beginne, geschäftlich zu organisieren, müsse nach Mitteln gesucht werden, die Lauterkeit in Handel und Gewerbe zu sichern. 504 Ein zweiter Kritikpunkt wurde aufgrund seiner politischen Dimensionen besonders heftig diskutiert. Interessengruppierungen von Angestellten, Arbeitern und Lehrlingen sowie verschiedene Reichstagsfraktionen sahen in den Bestimmungen 500 501

Lohe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 3, 33.

Katz, Stenographische Berichte der Verhandlungen des 19. Deutschen Juristentages, Bd. 3 257 f. 502 Siehe die Bemerkungen v. 25.9.1894, die Hauss den Grundzügen, welche an die Sachverständigen versandt wurde, beigefügte, Reichsamt des Innern BArch. Bl. 1501/7683, B1.288ff. 503 Vgl. Protokolle der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), B1.59f., vgl. auch die der Beratung der Vorläufigen Vorschläge, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, Bl. 187,

189 ff.; Abg. Singer, Bassermann, Roeren, Schmidt, v. Czarlinski, Sten. Ber. der Verhandlungen

des Reichstages, 9.Leg., 4.Sess. 1895/%, 107-136. 304 Reichsamt des Innern BArch. Bl. 1501/7683, B1.288ff.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

eine schwere Benachteiligung dieser ohnehin schon als unterprivilegiert empfundenen Schichten. 5 0 5 Die Regierung sah sich hierbei fortwährend dem Vorwurf ausgesetzt, etablierte Schichten der Bevölkerung, hier vor allem die sog. kleineren und mittleren sesshaften Handel- und Gewerbetreibenden, bevorzugen zu wollen. Das Gesetzesvorhaben bekam auf diese Weise spätestens seit der Veröffentlichung des Ersten Entwurfs einen politischen Aspekt, der die Reichstagsverhandlungen und die Reichstagskommissionsberatungen mitprägte. Die Regierung geriet dabei des öfteren in Argumentationsschwierigkeiten. So wurde der Regierung vorgeworfen, die Bestimmungen seien aufgrund vereinzelter Stimmen aus Gewerbekreisen, in denen wie in der chemischen Industrie besondere Umstände herrschten, ohne Grund verallgemeinert worden und, ohne Vertreter der betroffenen Angestelltenkreise zu befragen, in den Entwurf aufgenommen worden. 5 0 6 Letzteres war von der Regierung zunächst für die Vorberatungen der Sachverständigen i m Herbst 1894 eingeräumt, dann aber dahingehend korrigiert worden, daß Vertreter der Angestellten zu verschiedenen Zeitpunkten mehrfach mündlich vorgesprochen hätten und daß ihre Äußerungen und ihre schriftlichen Eingaben sehr wohl gewürdigt worden 505 Reichsamt des Innern BArch. Bl. 1501/7683, B1.290f.; Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd.3, 31; vgl. ein Schreiben Rothes an die Reichstagskommission, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 236 ff., in dem er diese Frage als die Hauptschwierigkeit bezeichnet; Vgl. hierzu die Resolution der am 15.2.1895 in Leipzig abgehaltenen Versammlung der Handlungsgehilfen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 386, in der diese gegen das in den §§7 ihrer welches eine weitgehende SchädiAnsicht nach enthaltene drakonische Konkurrenzverbot, gung der Gehilfenlage bedeute, protestieren, siehe auch Eingabe des Verbandes DT. Handlungsgehilfen v. 22.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7698, B1.264ff., 268, in der betont wird, daß die allgemeinen Bestimmungen über die Untreue im StGB für ausreichend erachtet werden; auch der Dt. Handelstag weist auf diesen Aspekte hin, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.254f.; gegen einen § 7 beispielsweise Waentig (Zittau), der vertragliche sowie patent-, muster-, und warenzeichenrechtliche Schutzmöglichkeiten für ausreichend hält. Ähnlich Weigert (Berlin), der durch § 7 die Schaffung neuer Monopolisierungen befürchtet, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.256. Insgesamt spricht sich der Dt. Handelstag für eine Beibehaltung, aber völlige Neufassung des Artikels aus, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.257. Rausnitz, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.321, will nur die Beschränkung des Schutzes auf die Dauer des Dienstverhältnisses, andrerseits würde das „Individualrecht des Angestellten in ungehöriger Weise beschränkt werden". Zu einer darüber hinaus gehenden Beschränkung habe der Gesetzgeber kein Recht, die gerechte Abgrenzung der Rechte der Parteien würde in nicht hinnehmbarer Weise zu Gunsten des Dienstherrn verschoben. Femer die Eingabe des kaufmännischen Beamten, Otto Buchholz, der die Begrenzung des Schutzes ebenfalls auf die Dauer des Dienstverhältnisses beschränken will, ebd., Bl. 277 f.; auch der „Verband der kaufmännischen Vereine Badens und der Pfalz" v. 20.2.1895, ebd., Bl. 388; Verein für kaufmännische Angestellte Frankfurt, v. 4.3.1895, ebd., Bl. 391, Gesuch des Verbandes Deutscher Musterzeichner v. 4.5.1895, ebd., B1.457ff.; Mittelrheinischer Verband kaufmännischer Vereine, ebd., B1.442f.; Kaufmännischer und geweiblicher Hilfsverein für weibliche Angestellte, ebd., Bl. 512ff.; Abg. Singer, Bassermann y Roeren, Schmidt, v. Czarlinski, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/%, 107-136. 506 Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 121; desgl. 2. Beratung des Entwurfs am 16. und 17.4.1896, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9.Leg., 4. Sess. 1895/96, 1726ff.; hier wurde u.a. darauf verwiesen, daß die Fallsammlung von Steegemann kaum Fälle aufweise, in denen ein Fehlverhalten der Angestellten vorliege.

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seien. 507 Letztendlich mußte aber eingeräumt werden, daß die Regierung in erster Linie aufgrund der Eingaben des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie und des Verbandes keramischer Gewerke tätig geworden war und daß keine große Zahl von anderen Eingaben existierte. Auch die Behauptung, zahlreiche Besprechungen hätten mit Vertretern der Angestellten stattgefunden, läßt sich mithilfe der Akten nicht bestätigen. Der Vorwurf, die Bestimmungen gegen den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen ohne Mitwirkung der betroffenen Kreise der Angestellten, Arbeiter und Lehrlinge geschaffen zu haben, blieb demnach bestehen und konnte nicht entkräftet werden. Für die Fallgruppe des Schutzes von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen kann daher festgehalten werden, daß im wesentlichen die Bemühungen eines einzelnen Verbandes und eine Handelskammerkonsultation aus den achtziger Jahren eine allgemeine Regelung zur Folge hatte, über deren berufsgruppenübergreifende Notwendigkeit die Regierung sich erst durch die öffentliche Reaktion auf das Vorhaben ein Bild machen konnte. Die direkt betroffenen Arbeiter, Lehrlinge und Angestellten wurden nicht konsultiert. Der Abgeordnete Singer erkannte dies und kritisierte, daß die Regierung durch den § 9 „die Unmoralität, die Niederträchtigkeit und die kapitalistische Auswucherung der menschlichen Arbeitskraft in der scheusslichsten Weise" fördere. 508 Die Regierung versuchte allerdings von Beginn der Kodifikationsarbeiten an, durch die Änderung der Formulierungen einen ihrer Ansicht nach gerechten Ausgleich zwischen den Interessen der Geheimnisinhaber und deren Angestellten herbeizuführen. 509 Es gelang ihr jedoch bis zum Schluß nicht, die Vorwürfe zu entkräften. In der Reichstagskommission wurde vor diesem Hintergrund die Schutznotwendigkeit erneut diskutiert. 510 Es zeigte sich, daß der politische Aspekt der Bestim507

v. Boetticher, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,

1747.

308

Abg. Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,

121.

509

Siehe hierzu ausführlich den folgenden Gliederungspunkt. Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 21 ff. In der Reichstagsvorlage lauteten die Bestimmungen: „§ 9: Mit Geldstrafe bis zu 3000 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr wird bestraft: 1. wer als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich geworden sind, während der Geltungsdauer des Dienstvertrages, 2. wer Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm als Angestellten, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes gegen die schriftliche, den Gegenstand des Geheimnisses ausdrücklich bezeichnende und für einen bestimmten Zeitraum gegebene Zusicherung der Verschwiegenheit anvertraut worden sind, dieser Zusicherung entgegen nach Ablauf des Dienstvertrages unbefugt an andere zu Zwecken des Wettbewerbes mitteilt. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, deren Kenntnis er durch eine der im Absatz 1 unter 1 und 2 bezeichneten Mitteilungen oder durch 510

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mung ein solches Gewicht in der Auseinandersetzung erlangt hatte, daß die Aufnahme einer entsprechender Vorschrift von der Zusammensetzung der Kommission abhing. Geschäftliche und betriebliche Geheimnisse wurden während der Beratung zunächst getrennt voneinander erörtert. Man gelangte hierbei zu dem Ergebnis, daß die Notwendigkeit eines Schutzes sowohl des Betriebsgeheimnisses als auch des Geschäftsgeheimnisses zweifelhaft sei. Als Geschäftsgeheimnis sah der Entwurf sowohl das Absatzgebiet als auch die Bezugsquellen eines Händlers an, in Ausnahmefällen auch seine Bilanz. Absatzgebiet und Bezugsquellen waren aus Sicht der Reichstagskommission jedoch nicht als Geheimnisse zu verstehen. 511 Das Abschreiben von Kundenlisten durch einen Angestellten sei zwar ungehörig, gegen das Sich-Einprägen von Namen sei aber nichts einzuwenden. Vor allem aber habe das Bekanntwerden von Absatzgebiet und Bezugsquelle keine unmittelbare Schädigung des Geschäftsbetriebes zur Folge. Gelinge einem Konkurrenten das Abwerben eines Kunden, so sei der Grund hierfür in der Regel nur ein besserer Preis, und, wenn dieser einen besseren Preis bieten könne, so ergebe sich daraus, daß der bisherige Verkäufer Preise verlangt habe, auf die er wirtschaftlich keine Anspruch habe.512 Der Verrat eines Geschäftsgeheimnisses lag für die Kommission in diesem Fall nicht vor. Zu einem ähnlichen Ergebnis gelangte man bei der Frage, ob Betriebsgeheimnisse schutzwürdig seien.513 Betriebsgeheimnisse, meinte die Kommission, unterstünden nur dem besonderen Schutz des Patentgesetzes. Die Notwendigkeit eines Schutzes von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen wurde folglich in Frage gestellt. Daß für diese Sichtweise vor allem von der Regierungsansicht abweichende gesellschaftspolitische Auffassungen eine Rolle spielten, wurde in einzelnen Stellungnahmen deutlich. So wurden die Vorschriften als Klaseine gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßende eigene Handlung erlangt hat, zu Zwekken des Wettbewerbes unbefugt verwertet oder an andere mitteilt. Zuwiderhandlungen verpflichten außerdem zum Ersatz des entstandenen Schadens. Mehrere verpflichtete haften als Gesamtschuldner. § 10: Wer zum Zwecke des Wettbewerbes es unternimmt, einen anderen zu einer unbefugten Mitteilung der im § 9 Absatz 1 unter 1 und 2 bezeichneten Art zu bestimmen, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft". 311 So führte der Kommissionsbericht aus: „Daß derjenige, von welchem ein Geschäftsmann seine Waaren bezieht, diese Waaren überhaupt feil hält, das könne auch keinem anderen Menschen verboten bleiben, und daß diejenigen, welche die Waren beziehen, diese Waren brauchen, sei ebensowenig als ein Geheimnis zu betrachten", vgl. Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 20. 312 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), ebd. 513 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), ebd.: „Wenn beispielsweise der Fabrikant chemischer Waaren die Erfahrung gemacht hat, daß ihm die Herstellung eines gewissen Präparats bei einem gewissen Temperaturgrade am besten gelingt, so ist das eine wissenschaftliche Wahrheit, die voraussichtlich in wissenschaftlichen Werken für jeden zufinden sein wird und bei der für ihn sich nur die der Vortheil ergeben kann, daß er sich dieser allgemein bekannten Wahrheit zur rechten Stunde und bei der rechten Gelegenheit bewußt geworden ist."

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sengesetzgebung bezeichnet, und es wurde die Befürchtung geäußert, daß angesichts der wirtschaftlichen Abhängigkeit der Angestellten diese dazu gezwungen werden könnten, eigene Erfindungen als Geheimnis des Prinzipals anzuerkennen.514 § 9 Abs. 1 Nr. 2 wurde daher aus dem Entwurf gestrichen. Im Anschluß hieran wurde § 9 Abs. 1 Nr. 1 beraten. Zwar wurde anerkannt, daß ein Verstoß gegen die Verpflichtung zur Verschwiegenheit ein Bruch der Rechtsordnung darstelle. Die Regelung in Abs. 1 Nr. 1 ergebe sich aber schon aus dem Grundsatz der Vertragstreue. Da Verstöße hiergegen eher aus Unbedacht und Gedankenlosigkeit geschähen, sei eine strafrechtliche Ahndung nicht zu rechtfertigen. Auch diese Bestimmung stelle im übrigen eine Bevorzugung der Arbeitgeber dar. Aus diesen Gründen wurde auch Nr. 1 und damit § 9 Abs. 1 vollständig gestrichen. Man konnte sich anschließend auch nicht entschließen, den restlichen Teil des § 9 beizubehalten.515 Unmittelbar nach der Ablehnung von § 9 änderte sich die Zusammensetzung der Kommission, so daß sich die Mehrheitsverhältnisse veränderten. Sogleich gingen mehrere Anträge ein, die zumindest § 9 ohne Abs. 1 und den § 10 aufrechtzuerhalten gedachten.516 Man entschloss sich, die Regierung nochmals zur Darlegung ihrer Beweggründe aufzufordern, um den Fortgang der Beratungen auf eine sicherere Grundlage zu stellen. Unterstaatssekretär Rothe legte in der Folgezeit eine ausführliche Begründung vor. 517 Neben den schon oben dargelegten Motiven hob Rothe besonders den Charakter der Norm als Kompromißlösung hervor. 518 Vor allem aber gehe es darum, den unlauteren Prinzipal, der von früheren oder gegenwärtigen Angestellten seiner Konkurrenz Geheimnisse auszuspähen versuchte, durch §§ 9 Abs. 2, 3 und 10 zur Verantwortung zu ziehen. Diese Stellungnahme bewirkte eine erneute Diskussion, in deren Verlauf beschlossen wurde, § 9 mit Ausnahme von Abs. 1 Nr. 2 wieder einzufügen. Die Diskussion zeigt deutlich, welche Schwierigkeiten die Regierung bis zum Ende der Kodifikationsarbeiten hatte, eine breite Zustimmung für die Notwendigkeit der Bestimmungen zu gewinnen. Keine andere Bestimmung wurde derart politisch diskutiert, keine andere Bestimmung war so umstritten. Am Ende der Auseinandersetzung stand der Erfolg der Regierung: Wie in den meisten Fällen während 514

Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), ebd., 21. Antrag 31 wurde zurückgezogen, der eine Beibehaltung der §§9 Abs. 2, 3 und 10 vorschlug, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 23f. 516 So die Anträge 32 und 33; Antrag 34 sah auch eine Beibehaltung des § 9 Abs. 1 Nr. 1 vor und gedacht außerdem, die Wirksamkeit schriftlicher Zusicherungen generell auf drei Jahre nach Ende des Dienstverhältnisses zu beschränken. Kundenlisten sollten ausdrücklich nicht Gegenstand einer solchen Abrede sein dürfen, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 24f. 517 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 25 ff.; eine Abschrift des Originalsfindet sich in der Akte des Reichsamts des Innern, BArch. 1501/7685, Bl. 236ff. 518 Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 25. 515

18 von Stechow

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der Diskussion des Gesetzesvorhabens konnte sie sich mit der Überzeugung der Schutznotwendigkeit durchsetzen. Ein weiterer dritter Punkt, der in erster Linie die Notwendigkeit der Regelung des Schutzes von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen im Rahmen eines Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb betraf, fand in der Auseinandersetzung in Kommission und Reichstag Erwähnung. Es wurde die Frage aufgeworfen, ob es sich bei dem Verrat eines Fabrik- oder Geschäftsgeheimnisses überhaupt um eine Form unlauteren Wettbewerbs handelte. Ζ. B. Singer bestritt dies, da es hier vornehmlich um die Beziehung zwischen Angestellten und Dienstherren gehe und nicht um wirtschaftlichen Wettbewerb um den Kunden. 519 Die anderen Fälle der Gesetzesvorlage bekämpften Verhaltensweisen, mittels denen unmittelbar der Verbraucher in seiner Kaufentscheidung beeinflußt werden sollte. Die Bestimmungen zum Schutz der Fabrik· und Geschäftsgeheimnisse stünden mit der Bekämpfung solcher Verhaltensweisen nicht in Zusammenhang. Auch die Befürworter sahen durchaus die Sonderstellung dieser Fallgruppe. 520 Eine Beibehaltung der Normen wurde dennoch regelmäßig bejaht, da der Wettbewerbsbezug, wenn auch nicht sehr häufig, so doch in besonders schädlicher und gefährlicher Weise gegeben sei und die Normen damit zum Schutz der Gewerbetreibenden gerechtfertigt seien.521 Sehr bezeichnend für die Haltung vieler Mitglieder des Reichstags und somit auch der Kommission war die Haltung des Berichterstatters Meyer zu der Frage, inwiefern die Bestimmungen in den Rahmen des vorliegenden Entwurf passen. Er führte aus: 522 „Mit dem Rahmen des Gesetzes hat es eine ganz eigene Bewandtnis. Dieses Gesetz handelt fünf verschiedene Materien ab, die in gewissen Beziehungen so heterogen wie möglich sind; und es ist sehr schwer, fünf so heterogene Bestimmungen in einen Rahmen zusammenzufassen. Das einigende Band ist allein Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs und diesem Zweck wiederum dient eigentlich die gesamte Rechtsordnung. Man hätte jeden einzelnen Paragraphen mit demselben Fug bekämpfen können als nicht in den Rahmen passend."

Deutlich wird hier, daß im Reichstag, wenn überhaupt, nur ansatzweise ein gemeinsames Verständnis von Materie und Begriff des unlauteren Wettbewerbs vorhanden war. Die Gemeinsamkeit beschränkte sich auf das Bewußtsein, daß das vorliegende Gesetz Handlungen unterschiedlichster Art zur Beschränkung konkurrenzund konsumentenschädigenden Verhaltensweisen im Erwerbsleben zusammenfaßte. Auch der den Geheimnisträger im Wettbewerb behindernde und damit unlautere Aspekt des Geheimnisverrats wurde gesehen. Die Kritiker konnten allerdings die 519

Abg. Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,

121. 520

Abg. Langen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 1726; Abg. Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 1733; auch Abg. Vielhaben, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 1740. 521 Abg. Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 1733; Abg. Hammaeher, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 1731; Abg. Langen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 1726. 522 Abg. Meyer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 1743.

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Überzeugung der Mehrheit in Kommission und Reichstag, daß es sich auch hier um einen Fall unlauteren Wettbewerbs handelte, nicht mehr erschüttern. 2. Die Schwerpunkte der Auseinandersetzung um die Ausgestaltung Ähnlich kontrovers wie die Frage der Notwendigkeit wurde die Ausgestaltung der Bestimmung diskutiert. Auffällig ist, daß es auch hier der Regierung gelang, ihre wesentlichen Grundgedanken, die sie schon in einem frühen Stadium des Gesetzgebungsprozesses formuliert hatte, durchzusetzen. Immer wiederkehrende Streitpunkte im Rahmen dieser Auseinandersetzung waren die sachliche Reichweite, d. h. die unter Strafe gestellten Handlungen und der Inhalt des Begriffs Geheimnis, die zeitliche Reichweite der Bestimmung, d.h. die Dauer des Verbots des Verrats und drittens die Reichweite in personaler Hinsicht, d. h. die Personengruppen, gegen deren Verhalten sich die Bestimmung richten sollte. a) Die Entwicklung bis zur Veröffentlichung

des Ersten Entwurfes

Die Abschnitte IV und V regelten den Geheimnisverrat und erhielten im Vorentwurf der Vorläufigen Vorschläge folgenden Wortlaut: „IV. Angestellte oder Arbeiter eines geschäftlichen Unternehmens oder andere, zu einem geschäftlichen Unternehmen in einem Vertragsverhältnis stehende Personen dürfen Geschäfts· oder Betriebsgeheimnisse, die vermöge ihres Dienst- oder Vertragsverhältnisses ihnen anvertraut oder sonst bekannt geworden sind, unbefugt weder an andere mitteilen, noch für sich verwerten. Wer dieser Vorschrift, - sei es während der Dauer des Dienst oder Vertragsverhältnisses, sei es nach dessen Auflösung, - wissentlich zuwider handelt, wird mit Geldstrafe von DM 150-3000,- oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft und ist dem Verletzten zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. Ist die Zuwiderhandlung aus Fahrlässigkeit begangen, so tritt nur die Verpflichtung zum Ersatz des dem Verletzten entstandenen Schadens ein. V. Wer es unternimmt, einen anderen zu einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften des Absatzes I unter IV. zu verleiten, wird mit Geldstrafe von DM 100-1500,- oder mit Gefängnis bis zu drei Monaten bestraft."

Der Personenkreis, gegen den sich die Bestimmung richtete, umfaßte Arbeiter, Angestellte und mit dem Unternehmen in vertraglicher Verbindung stehende Dritte. Zusätzlich sollten diejenigen, die eine Person aus diesen Personengruppen anstifteten, gemäß Abschnitt V bestraft werden. In sachlicher Hinsicht wurde das unbefugte Mitteilen oder Verwerten von Geheimnissen, deren Kenntniserlangung in einem ursächlichen Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis stand, unter Strafe gestellt. Die Dauer des Schutzes erstreckte sich über das Ende des Dienstverhältnisses hinaus. Neben der strafrechtlichen, 1*

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wahlweise Haft oder Geldstrafe androhenden Sanktion stand der Schadensersatzanspruch, der bei fahrlässigem Handeln alleinige Rechtsfolge sein sollte. Eine solch weite Fassung der Strafbarkeit hatten weder Alexander-Katz noch Katz für notwendig angesehen. Katz hatte sich zwar für eine Ausweitung der Strafbarkeit über die Dauer des Dienstverhältnisses hinaus ausgesprochen, wollte aber nur Angestellte eines Unternehmens bestrafen, nicht Dritte, die nur in einem Vertragsverhältnis mit dem Unternehmer standen. Alexander-Katz hatte die Strafbarkeit nach Auflösung des Dienstverhältnisses ausdrücklich abgelehnt und auch nur Arbeiter und Angestellte bestrafen wollen. Näher stand die hier vorgeschlagene Vorschrift früheren partikularrechtlichen Paragraphen, wie Art. 285 und 320 des Thüringischen StGB oder Art. 372f. des Königlich Sächsischen Strafgesetzbuches. Art. 285 des Thüringischen StGB sah etwa eine Strafbarkeit unabhängig von der Stellung des Täters als Angestellter oder sonstiger vertraglicher Gebundenheit vor. 523 Hauss griff hier die Wünsche der Petitionen der achtziger Jahre auf, die auf die Notwendigkeit der Bestrafung anderer als dienstvertraglich gebundener Personen besonders hingewiesen hatten. 524 Das Abhängigmachen der Strafbarkeit von einer vertraglichen Bindung generell und nicht nur von einer dienstvertraglichen ist hingegen offensichtlich das Werk von Carl Hauss. Abschnitt V erfaßte die Anstiftung zu einem Geschäftsgeheimnisverrat, und zwar unabhängig von einem Erfolg des Verrats: Ein Vorbild dafür in der Literatur gab es nicht; auch die erwähnten partikularrechtlichen Paragraphen gingen nicht so weit. 523

Art. 285 des Thüringischen StGB, Eindringen in fremde Geheimnisse „Wer unbefugter und eigenmächtiger Weise an einen anderen gerichtete Briefe oder Urkunden, Handelsbücher oder sonstige Papiere, welche geheimgehalten zu werden pflegen, eröffnet, liest, abschreibt oder abschreiben läßt, oder sich in gleicher Weise Kenntnis von den geheimen Einrichtungen eines anderen bei einem Gewerbebetriebe verschafft, wird bestraft auf Antrag der Betheiligten mit Gefängnis bis zu sechs Wochen oder verhältnismässiger Geldbuße, und wenn der Thäter die Absicht hatte, Jemand zu schaden oder sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvortheil zu verschaffen, mit Gefängnis bis zu 4 Monaten oder verhältnismässiger Geldbuße." Art. 372 des Königlich Sächsischen Strafgesetzbuches, Verletzung pflichtmässiger Verschwiegenheit. „Personen, welche in Privatdiensten stehen, oder als Arbeiter in Fabriken oder in anderen gewerblichen Unternehmungen beschäftigt sind, und dasjenige, was ihnen vermöge ihres Dienstes oder ihrer Beschäftigung bekannt oder anvertraut worden ist, und dessen Geheimhaltung ihnen obliegt, Anderen mitteilen, sind mit Gefängnis bis zu 4 Monaten oder Geldbuße bis zu 400 Thalern zu belegen." Art. 373. Unbefugtes Eindringen in fremde Geheimnisse, „Gleiche Strafe trifft Diejenigen, welch auf unerlaubter Weise in fremde Geheimnisse eindringen." 524 Siehe Petition des Vereins zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie Deutschlands v. 20.9.1884, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7680, Bl. 3 f.; Petition des Verbandes keramischer Gewerke in Deutschland um Ergänzung des § 300 des Deutschen Strafgesetzbuches v. 25.3.1884, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681, Bl. 9ff.; Petition des Inhabers der Firma B. Fadderjahn, Friedrich Ziegler, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7681, Bl. 19ff.

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Eine vergleichbare Vorschrift enthielt lediglich das RStGB, dessen § 159 den erfolglosen Versuch der Verleitung eines anderen zum Meineid als selbständiges Delikt unter Strafe stellte. 525 Der Schutz von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen war demnach ohne direktes Vorbild. Nicht einmal die Petitionen der Jahre davor hatten die Strafbarkeit der erfolglosen Anstiftung gefordert. Die Regierung war offensichtlich zu der Überzeugung gelangt, durch ein umfassendes Verbot auf diesem Gebiet Abhilfe schaffen zu müssen.526 Die Bestimmung ging ohne Veränderung in die Vorläufigen Vorschläge ein. Das Verhältnis der strafrechtlichen zur zivilrechtlichen Sanktion blieb erhalten. Die Diskussion im Zuge der Erstellung der Grundzüge sowie in der Sachverständigenkommission zeigt, daß der Regierungsvorschlag hinsichtlich des Schutzes von Fabrikund Geschäftsgeheimnissen in einigen Punkten auf Bedenken stieß. Im wesentlichen wurde er aber angenommen. Die Ausweitung des Kreises der zu Bestrafenden über den der Angestellten und Arbeiter hinaus auch auf die genannten Dritten in den Vorschlägen stieß auf allgemeine Kritik. Man war der Ansicht, daß die Wahrung eines Geheimnisses nur solchen Personen obliege, die mit der Eingehung eines Dienstverhältnisses eine persönliche Treuepflicht stillschweigend übernommen hätten. Außerhalb einer solchen vertragsmäßigen Beziehung treffe dieser Gesichtspunkt nicht zu. Während der Erstellung der Grundzüge zeigte sich, daß der Gesetzgeber die Bestimmung in enger Anlehnung an den Untreueparagraphen des Strafgesetzbuches konzipierte. § 266 StGB fand dementsprechend ausdrücklich Erwähnung. Der betreffende Passus wurde gestrichen. Ohne weitere Diskussion wurde hingegen die Bestrafung auf Lehrlinge erweitert. Die Interpretation des Verhaltens als Untreue mußte zwangsläufig die Frage aufwerfen, ob der Schutz über die Dauer des Vertragsverhältnisses ausgeweitet werden könne. Untreue setzte dem allgemeinen Verständnis nach eine Treuepflicht voraus, deren Vorliegen nur auf der Grundlage eines Rechtsgeschäfts, eines Gesetzes oder eines behördlichen Auftrags begründet werden konnte. Eine Erweiterung stieß insbesondere auf das Bedenken, daß das Verbot des Geheimnisverrats über das Ende eines Dienstverhältnisses hinaus vor allem Lehrlingen die Möglichkeit der Eigen525

Den Vergleich zu dieser Vorschrift zieht Hauss ausdrücklich in seinem Kommentar (wie Fn. 28), 95. 526 In dem folgenden Abschnitt wurden allgemeine Fragen nachgeordneter Art wie die Ausgestaltung der Strafnormen als Antragsdelikte und die Geldbuße geregelt, „VI. In den Fällen unter IV und V tritt die Strafverfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. Neben der Strafe kann auf Verlangen des Verletzten auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von DM 10.000,- erkannt werden. Für dies Buße haften die zu derselben verurteilten als Gesamtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus."

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Verwertung erworbener Fertigkeiten zugunsten des eigenen beruflichen Fortkommens nehme.527 Man fürchtete hierdurch eine Behinderung des allgemeinen Fortschritts. Ziel der Norm könne es nur sein, den Verrat des Geheimnisses gegen Entgelt an Dritte zu verhindern. Die Dauer des Rechtsschutzes sei daher wie in anderen Fällen des gewerblichen Eigentums zeitlich zu begrenzen. Dem stand bei der Erstellung der Grundzüge eine Ansicht gegenüber, die einen unbegrenzten Schutz unabhängig von der Person des Lehrlings oder Angestellten forderte. Man einigte sich schließlich darauf, den Schutz vor Eigen- und sonstiger Verwertung auf fünf Jahre zu begrenzen. 528 Während der Beratung der Grundzüge war folglich noch allgemein anerkannt, daß der Schutz, um praktisch sinnvoll zu sein, nicht auf die Dauer des Dienstverhältnisses beschränkt bleiben dürfe. Dies änderte sich in der Sachverständigenkommission. Am Ende der Diskussion stand hier allerdings nur eine Reduzierung der Schutzdauer von fünf auf zwei Jahre. 529 Maßgeblichen Einfluß übte dabei Alexander-Katz aus, der wie schon in seinen Abhandlungen vehement eine Begrenzung der Strafbarkeit auf die Dauer des Dienstverhältnisses forderte. Er verwies auf die hinsichtlich der strafrechtlichen Untreue herrschende Ansicht, daß eine Treuepflicht des Angestellten nur während der Dauer seines Vertragsverhältnisses bestehe, nicht darüber hinaus. Erweitern könne man die Vorschrift nur, indem man nicht nur den Verrat, sondern auch dessen Vorbereitung während der Dauer des Dienstverhältnisses unter Strafe stelle. 530 Nach 527

Auch die Zustimmung des Staatsministerium vom 13. Juli 1894 zu den Grundzügen erfolgte ausdrücklich mit der Bemerkung, daß dem Lehrling die Möglichkeit, mithilfe des Erlernten eine eigene Existenz zu begründen, nicht verwehrt werden dürfe; Protokoll der Sitzung des königlichen Staatsministeriums unter Leitung des Staatsministers Graf zu Eulenburg, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7683, B1.206ff. Beachte hinsichtlich der Beratungen des Staatsministeriums den Vorschlag des Preußischen Finanzministers, der vorschlug, die Bestrafung des Reklameschwindels von einer vorherigen „Warnung" abhängig zu machen, zu der sowohl die Behörde als auch der Konkurrent ermächtigt werden solle! 528 Der Vorschlag, den Schutz hierbei auf Fälle zu beschränken, in denen der Schädiger einen rechtswidrigen Vermögensvorteil erlange, wurde abgelehnt. Statt dessen wurden als sachliche Beschränkung der Verrat auf die Fälle beschränkt, die zum Zwecke des Wettbewerbs erfolgten, um zu verdeutlichen, daß nicht jede Indiskretion, sondern nur Fälle unlauterer Konkurrenz unter die Vorschrift fallen sollten. Hiergegen macht u. a. Hauss geltend, daß diese Einschränkung die Norm wertlos mache, da der Empfänger einer Mitteilung in der weiteren Verbreitung nicht beschränkt sei. Dieser Einwand wurde jedoch nicht gehört. Im Zuge dieser Änderung wurde auch der zweite Absatz, der den fahrlässigen Verrat bestrafte, gestrichen. 529 Protokoll der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), Bl. 58 ff. 530 Alexander-Katz verfaßte eine als Anlage IV dem Protokoll beigefügten Vorschlag, Protokoll der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), B1.65, »Abschnitt V Wer Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm als Angestellten, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich geworden sind, unbefugt an andere für die Zwecke des Wettbewerbes verräth oder zu gleichen Zwecken anderweithig verwerthet; desgleichen wer einen Anderen zu derartigem Verrath verleitet oder die durch denselben gewonnenen Kenntnisse zum Wettbewerbe wissentlich benutzt, ist zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet.

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Auflösung des Dienstverhältnisses könne nur eine Konventionalstrafe helfen, für die man aber den Anstifter mitverantwortlich machen könne, um so der Nutzlosigkeit der Strafe bei Mittellosigkeit des Angestellten entgegenzuwirken. Die Mehrzahl der Teilnehmer der Sachverständigenkommission war jedoch für eine Beibehaltung der Strafbarkeit auch über das Dienstverhältnis hinaus. Man entschied so trotz der allgemeinen Überzeugung, daß die Norm eine Nähe zur Untreue habe, die an ein bestehendes Treueverhältnis geknüpft sei. In diesem Zusammenhang wurde auch der Umstand erörtert, daß mangels einer Definition des Geheimnisses zwangsläufig unklar bleiben müsse, welches Wissen ein Arbeitnehmer und hier vor allem der Lehrling nach Auflösung des Dienstverhältnisses verwerten dürfe und welches nicht. Bei der Beratung der Grundzüge sah man dieses Problem, verständigte sich aber schnell darauf, im Gesetzestext von einer solchen Definition abzusehen. Eine solche sollte der Richter, dem der Begriff im übrigen auch sonst aus dem StGB nicht unbekannt sei, unter Berücksichtigung des Einzelfalles vornehmen. Man versuchte allerdings, eine Definition des Begriffs zu formulieren, um so ein gemeinsames Verständnis zu gewährleisten. In den Protokollen findet sich die Formulierung „alle diejenigen Besonderheiten und Eigenthümlichkeiten eines bestimmten Betriebes", die als seine Geheimnisse betrachtet werden müssten.531 Diese Frage stand auch in der Sachverständigenkommission zur Debatte, ohne daß eine einvernehmliche Lösung gefunden werden konnte. So forderte etwa Steegemann die Definition des Geheimnisses und schlug eine Fassung vor, welche die Konferenz der Handelskammer Braunschweig erarbeitet hatte. Auch sie stieß jedoch auf das Bedenken, daß der Begriff im Einzelfall vom Richter ausgefüllt werden würde, und wurde abgelehnt.532 Offen blieb damit weiterhin, welche Kenntnisse der Für den Schadensersatz und die mit dem Angestellten usw. vereinbarte Konventionalstrafe haften der Thäter, der Verleiter und der Benutzer als Gesamtschuldner. Als unbefugt gilt nicht die Benutzung eines Geheimnisses in der späteren eigenen Berufsausübung oder im eigenen gewerblichen Betriebe des früheren Angestellten usw., wenn sie nicht durch Vertrag ausgeschlossen ist. Abschnitt VI Findet der Verrat oder die Verleitung dazu noch während der Dauer des Dienstverhältnisses statt oder wird derselbe während dieser Dauer durch Entnahme von Abschriften, Zeichnungen, Notizen, Ausforschung anderer Angestellten oder in ähnlicher Weise vorbereitet, so wird der Thäter, der Verleiter und der wissentliche Benutzer mit Geldstrafe bis zu 3000 M. oder mit Gefängnis bis zu einem Jahr bestraft. Abschnitt VII Dieselben Bestimmungen (V und VI) finden auf denjenigen Anwendung, a) welchem bei Gelegenheit von übertragenen Arbeiten Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse anvertraut oder zugänglich geworden sind, b) welcher sich zur Erforschung solcher Geheimnisse aiglistig eingeschlichen hat, c) wer zu dem Verrath in den Fällen a und b angestiftet oder die verrathenen Geheimnisse wissentlich zum Wettbewerbe benutzt." 531 Protokoll der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), 59. 532 Die Definition des Geheimnisses entstammte der in Braunschweig gefaßten Resolution, Protokoll der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), B1.60,

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betreffende Lehrling oder Angestellte nach Ende seiner Dienstzeit nutzen durfte und welche nicht. Schellhass wies mit Jacobskötter daraufhin, der Nachwuchs müsse alles, was er gelernt habe, auch verwenden dürfen. Jeder Meister wisse, daß er sich einen Konkurrenten heranziehe; ein Lehrling gehe nur deshalb in die Lehre. Alexander-Katz fand, es sei ζ. B. nicht klar, ob ein Handlungsreisender sich nach Verlassen seiner alten Arbeitsstelle an den ihm bekannten Kundenkreis wenden dürfe. Die Regierungsvertreter wiesen insofern darauf hin, daß Kenntnisse nicht als Geheimnis betrachtet werden können, die ein Angestellter durch seine eigene Tätigkeit bei seinem Arbeitgeber erlange. Anders sei es, wenn er Kundenlisten, die mit seiner Tätigkeit nicht in Verbindung standen, entwende und verwerte. 533 Insofern müsse ein gesetzlicher Schutz geschaffen werden. All dies zeigt die Schwierigkeit der konkreten Ausgestaltung der Norm. Selbst die Regierung konnte Inhalt und Schutzrichtung der Bestimmung nicht ohne weiteres präzise bestimmen. Zumindest blieben ihre Aussagen widersprüchlich. Die Berechtigung des Angestellten, nach Ende eines Dienstverhältnisses alles benutzen zu können, was er durch seine eigene Tätigkeit an Kenntnissen erlangt hatte, hätte kaum zur Diskussion Anlaß geben müssen. Die Wünsche der chemischen und keramischen Industrie gingen jedoch weiter. Auch die Regierung wollte, wie gezeigt, den Schutz auf betriebliche Herstellungs weisen, die dem Angestellten im Zuge seiner Tätigkeiten bekannt geworden waren, erweitern. 534 Als problematisch erwies sich hier, daß sich die Regierung im Vorfeld der Gesetzgebungsarbeiten außer auf die Äußerungen der chemischen und keramischen Interessenverbände und vereinzelten Handelskammerstellungnahmen aus den achtziger Jahren nicht auf Fakten stützen konnte, die einen Rahmen des gesetzlichen Vorgehens hätten vorgeben können. Die Grundzüge enthielten folgende neu formulierte Fassung des Verbots von Geschäfts· und Betriebsgeheimnissen:535 „Unter Betriebsgeheimnis ist alles das zu verstehen, was die in einem Betrieb beschäftigten Personen geheim zu halten ausdrücklich verpflichtet worden sind, oder was seiner eigenartigen Natur nach für dieselben ohne weiteres als Betriebsgeheimnis anzusehen ist. Was seiner Natur nach nicht als Betriebsgeheimnis gelten kann, soll auch nicht durch dieses Gesetz geschützt werden.44 533 Hierzu nimmt die Denkschrift ausführlich Stellung (wie Fn.402), Bl. 185. 534 s. o. bei Einführung in die Notwendigkeit. 535 Nach der ersten Lesung hatte der IV. Abschnitt folgende Fassung, „IV. Wer in einem Geschäftsbetriebe als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling beschäftigt ist oder beschäftigt war, darf Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die vermöge des Dienstverhältnisses ihm anvertraut oder zugänglich geworden sind, unbefugt weder an Andere mittheilen, noch vor Ablauf von fünf Jahren seit Beendigung des Dienstverhältnisses zum Zwecke des Wettbewerbs mit jenem Geschäftsbetrieb für sich verwerthen. Die (unter Vertrauensbruch erfolgte) erfolgte Zuwiderhandlung gegen diese Vorschrift wird mit Geldstrafe bis 3000 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft und begründet die Verpflichtung zum Ersatz des entstandenen Schadens. Ist die Zuwiderhandlung aus Fahrlässigkeit begangen, so tritt nur die Verpflichtung des dem Verletzten entstandenen Schadens ein.44

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„V. Wer Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder zugänglich 536 geworden sind, vor Ablauf von fünf Jahren seit Beendigung des Dienstverhältnisses zum Zwecke des Wettbewerbs mit jenem Geschäftsbetrieb, unbefugt an Andere mittheilt oder anderweitig verwerthet, wird mit Geldstrafe bis 3000 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre537 bestraft und ist zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. VI. Wer es unternimmt, einem anderen zu einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des unter V. zu verleiten, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft." 538

b) Die öffentliche

Reaktion

Kaum eine Stellungnahme zum Entwurf ließ eine Kritik an den §§7 f. vermissen. Die Kritik konzentrierte sich im wesentlichen auf die Befürchtung, daß die Gerichte der sich aus diesen Bestimmungen ergebenden Verantwortung nicht gerecht werden könnten. Im Vordergrund stand dabei die Frage, wie der Begriff des Geheimnisses ausgelegt werden würde. Daneben wurden Dauer und Umfang des vorgesehenen Schutzes in Frage gestellt. 539 Die Befürchtungen hinsichtlich der Wirkung der BeHier war zusätzlich erwogen worden, das Betreten von Geschäfts- und Betriebsräumen zum Zweck der Spionage unter Strafe zu stellen. Angesichts der Schwierigkeiten bei der Formulierung verfolgte man diesen Gedanken nicht weiter. Zusätzlich habe sich ein Bedürfnis nach einer solchen Bestimmung noch nicht zweifelsfrei ergeben. 536 Allgemeine Zustimmung fand im Hinblick auf den persönlichen Charakter des Dienstverhältnisses der Vorschlag, die Worte oder sonst bekannt durch die Worte oder sonst zugänglich zu ersetzen, um die Fälle einzubeziehen, in denen die betreffenden Personen außerhalb des Kreises der ihm zugewiesenen Geschäfte durch zufällige Umstände von einem Geheimnis Kenntnis erlangten. 537 Die Änderung des Strafmaßes ist auf die Überzeugung der Sachverständigenkommission zurückzuführen, daß der damalige Abschnitt V zwar den besonders gefährlichen, aber in dieser Form minder strafbaren Fall der Verleitung zum Vertrauensbruch treffe und sich dies und sich dies in seinem Strafmaß ausdrücken müsse, Protokoll der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), B1.59. 538 Zur Änderung des Strafmaßes, siehe Protokoll der Sachverständigenkommission, (wie Fn. 439), Bl. 59. Im ersten Entwurf lauteten die Bestimmungen: „§ 7: Wer Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder zugänglich geworden sind, vor Ablauf von zwei Jahren seit Beendigung des Dienstverhältnisses zum Zwecke des Wettbewerbs mit jenem Geschäftsbetrieb, unbefugt an Andere mittheilt oder anderweitig verwerthet, wird mit Geldstrafe bis 3000 Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre bestraft und ist zum Ersatz des entstandenen Schadens verpflichtet. § 8: Wer es unternimmt, einem anderen zu einer Zuwiderhandlung gegen die Vorschrift des § 7 zu verleiten, wird mit Geldstrafe bis zu 1500 Mark oder mit Gefängnis bis zu sechs Monaten bestraft." 539 Scherer, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, 243, griff Bedenken auf, die auch schon auf dem Handelstag zu hören waren und die die Notwendigkeit eines Schutzes von Geschäftsgeheimnissen insgesamt leugneten. Im Großhandel kenne man ein Geschäftsgeheimnis nicht und im Kleinhandel könne der Geschäftsinhaber die Geheimnisse auch für sich behalten.

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Stimmung auf Arbeiter und Angestellte bewahrheiteten sich: Deren Interessengruppierungen lehnten den Entwurf ab, da man hierin eine gezielte Beschränkung der Möglichkeiten des beruflichen Aufstiegs sah. 540 Auch ein Fehlen der Bestrafung der Verwertung eines Geheimnisses durch Dritte wurde gerügt. 541 Diese Kritik führte die Regierung zu der Überzeugung, der Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen müsse auf eine völlig neue Grundlage gestellt werden. Auch die neue Fassung verzichtete jedoch auf eine Definition des Begriffs des Geheimnisses, obwohl dies verschiedentlich gefordert worden war. 542 Er sah nun jedoch eine rechtliche Ahndung von drei verschiedenen Handlungen vor. Zunächst sollte der Verrat von Geheimnissen nur während der Dauer des Dienstverhältnisses als Verletzung einer Treuepflicht durch den Gehilfen geahndet werden. Hiergegen sprach zwar der Gesichtspunkt, daß die Schweigepflicht über die Dauer des Dienstverhältnisses hinaus verlängert werden müsse, um den Angestellten den Anreiz zu nehmen, eine Dienststelle bald nach Kenntnis des Geheimnisses zu verlassen. Man gestand den Kritikern jedoch zu, daß dieses Argument gegen den Vorwurf zurücktreten müsse, daß bei Beibehaltung der ursprünglichen Bestimmung eine nicht zumutbare Unsicherheit über Umstände, welche einer Verwertung offenstanden und welche nicht, bei den Angestellten erzeugt werde. Eine solche Bestimmung tauge folglich zur Schikane und erschwere ein Fortkommen der Angestellten. 543 Der Verrat von Geheimnissen nach Auflösung des Dienstverhältnisses sollte trotzdem bestraft werden, allerdings nur bei Verletzung einer von dem Angestellten Dieser Einwand wurde von der Regierung nicht beachtet, im Reichstag später war er jedoch Anlaß für lang anhaltende Diskussionen. Scherer bemerkt auch, daß der Schutz der Geschäftsund Betriebsgeheimnisse systematisch nicht in das vorliegende Gesetz passte, sondern in das StGB im Anschluß an § 300 zu regeln sei, ebd., 245. 540 Vgl. hierzu auch Fn.505. 541 Dt. Handelstag, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.258; Handelskammer Braunschweig, Reichsamt des Innern, ebd., Bl. 183. Auch Rausnitz, Reichsamt des Innern,

ebd., Bl. 322 (31) der den Verrat durch Dritte als einen der krassesten Fälle unlauteren Wettbewerbs ansieht, des weiteren die Eingabe des deutschen Buchdruckervereins, Reichsamt des Innern, ebd., Bl. 174; ähnlich die Handelskammer Crefeld, ebd., B1.327; Wiesbadener Generalanzeiger v. 3.3.1895, ebd., B1.421; beachte auch einzelne Anregungen, die auf eine Einführung eines Schutzes gegen die Bestechung bei der Auftragsvergabe abzielten, Deutscher Buchdruckerverein Sachsen, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.46f. 542 Die Handelskammer Braunschweig forderte eine solche Definition, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 183. Ebenso Redner auf dem Dt. Handelstag, mehrfach war man hier der Ansicht, daß das, was ein Geschäftsherr als Geheimnis schützen will, dem Angestellten schriftlich anzuzeigen sei, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.254. Auch das Großh. Sächsische Staatsministerium schlug eine Konkretisierung des Begriffs vor, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7702, B1.73f. Scherer, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, 242, sah den Richter mit der Interpretation nicht überfordert. Eine schriftliche Fixierung dessen, was der Betriebsinhaber als Geheimnis gewahrt wissen will, lehnt er hingegen ab. Die Gefahr der Benachteiligung der Angestellten sei zu groß. 543 So die amtliche Begründung zu der Änderung, Bundesratsdrucksachen, Sess. 1895, Nr. 63, 25.

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durch schriftliche Erklärung übernommenen Schweigepflicht. Die Strafbarkeit wurde also von der Abgabe einer schriftlichen Verschwiegenheitserklärung, die den Gegenstand und die Dauer der Schweigepflicht genau zu bezeichnen hatte, abhängig gemacht. Insofern griff das Reichsamt des Innern einen Vorschlag des Preußischen Ministers für Finanzen und Öffentliche Arbeiten auf. 544 Drittens sollte gegen denjenigen vorgegangen werden, der ein Geheimnis unbefugt verwertete, das er durch einen Verrat von Angestellten oder durch eine eigene Handlung, die eine Gesetzesvorschrift verletzte oder gegen die Regeln der Moral verstieß, Kenntnis erlangt hatte.545 Damit wurde der „Dritte" wieder in den Tatbestand einbezogen, den Hauss schon in seinem Vorentwurf hatte berücksichtigen wollen. In der Sitzung des Staatsministeriums forderte der Preußische Finanzminister schließlich noch, die Publikation eines Geheimnisses ohne eigene Verwertung ebenfalls zu bestrafen. Ihm folgend nahm man in den zweiten Absatz, der die Verwertung durch einen Dritten regelte, noch die Offenbarung in den Tatbestand auf. 546 Dadurch sollte zum einen deutlich werden, daß der Nutzung der berechtigterweise erlangten Kenntnisse durch den Angestellten keine Hindernisse entgegenstanden. Zum anderen wollte man durch das Anfügen des Verbots des Offenbarens verhindern, daß der Angestellte bei einer späteren Betriebsgründung die Kenntnisse nicht an eigene Untergebene weiterreichen durfte. 547 c) Die Verhandlungen in der Legislative Die aufgrund der öffentlichen Reaktion vollständig neu formulierten Bestimmungen zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen konnten sich ohne wesentliche Änderung in den Lesungen der Ausschüsse sowie im Bundesrat als neue §§ 9 und 10 in der Reichstagsvorlage behaupten.548 544 Votum des Staatssekretärs des Innern vom 23.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 311. Votum des Ministers für Öffentliche Arbeiten, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.255. Siehe auch Verhandlungen des Dt. Handelstages, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, B1.254. 545 Protokoll der Sitzung des Königl. Staats-Ministeriums v. 9. April 1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7685, B1.56. 546 Protokoll der Sitzung des Königl. Staats-Ministeriums v. 9. April 1895, ebd., B1.57. 547 Protokoll der Sitzung des Königl. Staats-Ministeriums v. 9. April 1895, ebd. 548 In § 10 wurde durch den Bundesrat nur der Terminus zu Zwecken des Wettbewerbs auf-

genommen, um auch hier die durch die gesetzgeberische Absicht gezogene Grenze zu wahr

Im Hinblick auf eine Gefahr der Umgehung der Norm durch diese Klarstellung unterstrich die Begründung, daß es zweifelsohne zur Erfüllung des Tatbestandes ausreiche, wenn nur der Verleitende in diesem Sinne handele. Darüber hinaus wird für den § 9 ausdrücklich klargestellt, daß in den Fällen des Verrats eines fremden Geheimnisses das Merkmal zu Zwecken des Wettbewerbs unabhängig davon erfüllt sein sollte, ob auf Seiten des Mitteilenden oder auf Seiten desjenigen, der die Mitteilung entgegennimmt, die Absicht des Wettbewerbes vorhanden sei,

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In der Ersten Verhandlung des Reichstages nahmen die Bestimmungen gegen den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen erwartungsgemäß einen breiten Raum ein. Die Beurteilung der einzelnen Paragraphen, die eigentlich der Spezialdiskussion vorbehalten sein sollte, konzentrierte sich schon hier im wesentlichen auf die Bestimmung des § 9 zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen und hier vor allem auf § 9 Abs. 1 Nr. 2, der den Schutz eines Geheimnisses nach Ende des Dienstverhältnisses an eine schriftliche Vereinbarung zwischen Angestelltem und Dienstherren knüpfte. Alle Redner lehnten die Bestimmung ab. Während Bassermann, Roeren, Schmidt und v. Czarlinski erhebliche Bedenken gegen die Vorschrift äußerten, da der Zeitraum einer solchen Abrede nicht beschränkt sei, und eine Abänderung der Bestimmung in den Kommissionsverhandlungen anstrebten, wurde ein Abgeordneter der Sozialdemokraten, Singer, erneut deutlicher. Er versuchte die Notlage der Angestellten darzulegen, die, um eine Beschäftigung zu bekommen, jede schriftliche Vereinbarung, und sei sie noch so unbillig, unterschreiben würden. Mit einer Norm wie § 9 Abs. 2 werde ein Instrument zur weiteren Verschlechterung der Lage geschaffen. Als Beispiel hierfür führte er zwei Fälle auf, in denen Angestellte damals übliche sog. Konkurrenzklauseln unterschrieben hätten, die sie nach seiner Überzeugung in sittenwidriger Weise belasteten, ohne daß sie Rechtsschutz dagegen begehren konnten.549 Singer kündigte für den Fall, daß der § 9 nicht gestrichen werde, die Ablehnung des gesamten Gesetzes durch seine Partei an. Gegen die vorgebrachte Kritik halfen auch zwei Versuche von v. Boetticher nichts, den geplanten § 9 in Schutz zu nehmen. Er führte an, daß die Bestimmung zu einer Verbesserung der Situation der Angestellten führen werde, da solche Abreden zum Nachteil der Angestellten durch das Gesetz überflüssig würden. Außerdem sehe er eine zu weite Auslegung des Begriffs des Geheimnisses durch den Richter als ausgeschlossen an. Die Kritiker konnte er in der ersten Beratung jedoch nicht für seinen Standpunkt gewinnen. Am Ende dieser ersten Beratung stand die Überweisung an eine Kommission von 21 Mitgliedern. 550 Die konkrete Ausgestaltung des §9 Abs. 1 fand entsprechend der Diskussion um die Notwendigkeit der Bestimmung zunächst nicht die Zustimmung Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache, Nr. 35,23., 25. 549 Singer wies darauf hin, daß das Reichsgericht Sittenwidrigkeit nur annahm, wenn jede räumliche und zeitliche Beschränkung fehlte, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,120. Ein Beispiel dieser Konkurrenzklauseln hatte folgenden Wortlaut, „Der Angestellte der Fa. Kirchner und Co. in Dresden verpflichtet sich, alle geschäftlichen Angelegenheiten dieser Firma gegen jedermann streng diskret zu halten und ferner bei einem etwaigen Ausscheiden aus seiner Stellung bei genannter Firma aus welchem Grunde es auch sein mag innerhalb der folgenden zwei Jahre weder in einem Geschäft noch in einer Fabrik, wo Maschinenbau und Velozipedartikel sowie Velozipede fabriziert oder verkauft werden, gleicher oder ähnlicher Branche, weder als Theilnehmer noch als Beamter weder direkt noch indirekt thätig zu sein, auch ein solches Geschäft oder solche Fabrik weder unter seinem Namen zu etabliren oder dabei behilflich zu sein. Bei Zuwiderhandlung sind 10000 Mark Konventionalstrafe". 550 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 136.

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der Kommission. Erst die Änderung der Kommissionsbesetzung führte, wie erwähnt, zu einer erneuten Diskussion, an deren Ende Regierungsansicht und Kommissionsmeinung weitgehend übereinstimmten. §§9 f. wurden dementsprechend akzeptiert; zusätzlich wurde am Schluß des Absatzes 1 angefügt oder in der Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebes Schaden zuzufügen. 551 Begründet wurde dieser Zusatz damit, daß diejenigen Taten, deren Motive Rache oder Bosheit seien, unter Umständen noch strafwürdiger seien als wenn die Absicht des Täters auf die Anwendung unlauterer Mittel im Wettbewerb gerichtet sei. Sie müssten daher in die Strafbestimmung aufgenommen werden. § 9 Abs. 1 Nr. 2, der die schriftliche Vereinbarung vorsah, nahm man jedoch nicht wieder in den Entwurf auf. Neben den genannten politischen Argumenten wurden nun vor allem praktische Gründe gegen einen Schutz vorgebracht. Oft sei es gar nicht möglich, Hunderten von Mitarbeitern schriftlich mitzuteilen, welche Geheimnisse sie zu bewahren hätten. Zudem würde ein solches Vorgehen den Verrat oft erst ermöglichen oder dazu anregen. 552 In § 10 wurde im Zuge des Meinungsumschwungs und der Verlagerung der Kräfteverhältnisse in der Kommission der Strafrahmen verschärft. Aufgrund der Ansicht, daß der Hehler schlimmer sei wie der Stehler, sah man keine Veranlassung, die erfolglose Anstiftung milder zu bestrafen als die erfolgreiche oder den Täter selbst. Der Strafrahmen wurde § 9 angeglichen.553 Nach dieser ausführlichen Diskussion stand als Ergebnis ein § 9, der lediglich um den Abs. 1 Nr. 2 gekürzt worden war, und ein § 10, der sogar eine Verschärfung erfahren hatte. Dies stellt eine weit umfangreichere Regelung des Verrats von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen dar, als nach dem Verlauf der Beratungen erwartet werden konnte. Das Ergebnis stand in scharfem Widerspruch zu den ursprünglichen Absichten der Regierung, die zu Beginn der Gesetzgebungsarbeiten betont hatte, daß eine auf die Dauer des Dienstverhältnisses beschränkte Strafbarkeit sinnlos sei. 554 551 So die Anträge 38 und 39. Antrag 36, der den § 9 Abs. 1 durch eine Bestimmung ersetzen wollte, nach der grundsätzlich eine schriftliche Erklärung die Schweigepflicht begründen sollte und in §§ 10 und 19a die Regelungen der § 9 Abs. 2,3 und § 10 aufnehmen wollte fand ebenso keine Zustimmung, wie Antrag 37, der den Lehrling aus der Strafbarkeit der §§ 9 f. herausnehmen wollte, da die Strafe im Hinblick auf das jugendliche Alter der Lehrlinge eine übertriebene Härte sei, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 27ff.

552

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Lobe (wieTeil 1, Fn. 171), Bd.3, 189.

Antrag40, Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 29, u.a. mit folgender Begründung im Kommissionsbericht: „Wenn von einigen Kriminalisten der Grundsatz aufgestellt werde, daß die Erfolglosigkeit des Unternehmens eine mildere Behandlung rechtfertige, so sei doch ein solcher Grundsatz nicht unbestritten und schien der inneren Berechtigung zu entbehren". Ähnlich war schon im Zuge der Sachverständigenberatungen argumentiert worden, vgl. Protokoll der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), B1.58ff. 554 So die allgemeine Meinung gegen Alexander-Katz in der Sachverständigenkommission, Protokoll der Sachverständigenkommission (wie Fn.439), 58.

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In der zweiten und dritten Beratung des Entwurfs durch den Reichstag nahm die Auseinandersetzung um die Paragraphen zum Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen bei weitem die meiste Zeit in Anspruch. Auch wenn beide Paragraphen nahezu unverändert angenommen wurden - nur bei § 10 wurde das Strafmaß wieder gesenkt - waren Ausmaß und Anzahl der Bedenken so groß, daß sich der Abgeordnete Gräfe zwischenzeitlich zu der Frage veranlaßt sah, ob die Sache tatsächlich als spruchreif bezeichnet werden könne oder ob nicht das Zurückstellen der Normierung angemessener wäre. 555 Zwei weitere heftig diskutierte Abänderungsvorschläge dienten dem Versuch, die Stellung des Angestellten zu verbessern. Bassermann von den Nationalliberalen beantragte zunächst, § 9 einen Absatz hinzuzufügen, nach dem der Anstifter als Gesamtschuldner für eine Vertragsstrafe des Angestifteten gegenüber seinem Dienstherrn mithaften solle. 556 Er begründete den Antrag damit, daß verhindert werden müsse, daß der Anstifter besser gestellt werde als der Angestiftete, der regelmäßig der Gefahr einer Geldstrafe, einer Entschädigungspflicht und einer Vertragsstrafe ausgesetzt sei. Zusätzlich wisse der Anstifter in den meisten Fällen, daß der Angestiftete bei Verrat eines Geheimnisses zu einer solchen Vertragsstrafe verpflichtet sei. 557 Dem wurde von der Regierung entgegengehalten, daß der Antrag, jemanden für einen Vertrag verantwortlich zu machen, den er nicht geschlossen habe, gegen das natürliche Rechtsgefühl verstoße. Auch der Umfang seiner möglichen Verantwortung sei nicht zu übersehen und darüber hinaus würde dem Mißbrauch des Gesetzes durch diese Vorschrift Vorschub geleistet, da nicht auszuschließen sei, daß sich Angestellter und Prinzipal zusammenschließen und gezielt die Schädigung eines Dritten planten. So könnte etwa der Angestellte mit Wissen des Prinzipals Indiskretionen an einen Dritten weitergeben. Dieser müsse sich dann gegebenenfalls an einer besonders hohen Vertragsstrafe beteiligen, an der sich Angestellter und Prinzipal bereicherten. 558 Auch dieser Antrag fand keine Zustimmung. Der zweite Antrag wurde von Schmidt-Elberfeldt gestellt. Dieser sah eine weitgehende Umgestaltung der §§ 9 f. vor. 559 § 9 sollte hiernach nur noch die Fälle tref553

Gräfe, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1742. Nr. 219 der Drucksachen des Reichstages, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96: „Der Reichstag wolle beschließen § 9 einen weiteren Absatz hinzuzufügen, Wer einen Angestellten, Arbeiter oder Lehrling, zur unbefugten Mitteilung von Geschäftsund Betriebsgeheimnissen bestimmt hat, haftet auch für die durch diese unbefugte Mitteilung verwirkte Vertragsstrafe als Gesamtschuldner". Siehe auch Nr. 261 der Drucksachen, des Reichstages, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96 in der Bassermann den Vorschlag auch auf Vertragsstrafen nach Ende des Dienstverhältnisses erweitert sehen will. Diesen Antrag zog er jedoch später zurück, vgl. Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,1744. 557 Bassermann, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1736f. 538 v. Seckendorf Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1738 f. 539 Nr. 264 der Drucksachen des Reichstags, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96. 556

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fen, in denen ein Angestellter, Arbeiter oder Lehrling Geheimnisse, die er durch eine gegen die guten Sitten verstoßende Handlung erlangt hatte, verwertet oder an andere mitteilt. Schmidt wollte demnach den Begriff der guten Sitten aus Absatz 2 des Entwurfs in den Mittelpunkt stellen. 560 Gegen diesen Antrag sprach sich Roeren aus, der ausführte, daß das Außerachtlassen des Verrats von Geheimnissen, die der Prinzipal dem Angestellten bewußt mitgeteilt hatte, der Vorschrift ihren wesentlichen Kern nehmen würde. 561 Stark umkämpft war der zweite Teil des Antrags von Schmidt-Elberfeldt, der vorsah, alle Vereinbarungen, die ein Prinzipal mit dem Angestellten zur Verlängerung der Schweigepflicht über die Dauer der Dienstzeit hinaus traf und durch die dieser beschränkt würde, für nichtig zu erklären, es sei denn, die Vereinbarung sehe einen Ausgleich der hierdurch entstehenden Nachteile vor. 562 Hintergedanke war, die Frage der Konkurrenzklauseln, die die Öffentlichkeit jener Zeit auch jenseits der Verhandlungen über das UWG beschäftigte, hier nun abschließend zu regeln. In der Formulierung des § 9, die den strafrechtlichen Schutz während der Dienstzeit regelte, wurde geradezu eine Aufforderung an die Arbeitgeber gesehen, die Schweigepflicht durch schikanöse Verträge über die Dauer des Dienstverhältnisses hinaus zu erweitern. 563 Einer Seite ging die von Schmidt-Elberfeldt vorgeschlagene Regelung nicht weit genug, da die Regelung theoretisch auch die Möglichkeit eröffne, die Angestellten in solchen Vereinbarungen mit Ersatzsummen abzuspeisen und die Lösung nur darin gesehen wurde, durch entsprechende Gesetze zu verhindern, daß die Unternehmerschaft das geistige Eigentum ihrer Angestellten ausbeutete.564 Die Regierung wandte sich gegen den Antrag. Der Staatssekretär des Reichsjustizamtes Nieberding wies daraufhin, daß die Regelung dieser Frage systematisch in das HGB gehöre und sich eine Kommission gerade mit der Revision des HGB beschäftigte. 565 Eine überstürzte Regelung, nebenbei im vorliegenden Gesetz, sei nicht ratsam. 566 Auch dieser Antrag fand keine Mehrheit. 560 Schmidt-Elberfeldt, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,1724. 561 Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1734. 562 § 10 a der Nr. 264 der Drucksachen des Reichstags, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd.: „Vereinbarungen, durch welche dem Angestellten eines Geschäftsbetriebs Beschränkungen auferlegt werden bezüglich der Verwendung seiner Kenntnisse oder seiner Arbeitskraft nach Ablauf des Dienstverhältnisses, sind nichtig, es sei denn daß der Inhaber des Geschäftsbetriebs sich für die Dauer der Beschränkungen verpflichtet hat, dem Angestellten für die in den auferlegten Beschränkungen liegenden Nachtheile Ersatz zu gewähren". 563 So vor allem Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1726. 564 Singer, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1747. 565 Nieberding, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1745. 566 Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1748, unterstützt von Bas-

sermann, Vielhaben und v. Langen, ebd., 1747 ff. Lenzmann von der Freisinnigen Volkspartei unterstützte den Antrag, da die Konkurrenzklausel für ihn auch unlauterer Wettbewerb war und

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

Mehr Erfolg war zum wiederholten M a l einem Antrag Roerens beschieden. 567 Er beantragte, den Strafrahmen des § 10 Abs. 2 für die erfolglose Anstiftung wieder unter das Maß des § 9 zu senken, da nach allgemeinen Prinzipien des Strafrechts die versuchte Anstiftung nicht die gleiche Sanktion wie die erfolgreiche Anstiftung nach sich ziehen dürfe. 5 6 8 Die Regierung unterstützte den Antrag, der aber in direktem Widerspruch zu der Ansicht der Kommission stand, nach der es sich hier um einen Fall handeln sollte, bei dem die Strafrechtsdogmatik außer Acht zu lassen sei und mittels eines erhöhten Strafrahmens die Schwere der Tat des Verleitenden ins Verhältnis zu der Tat des Verleiteten gesetzt werden sollte. 5 6 9 Der Reichstag nahm den Vorschlag Roerens an; der Strafrahmen wurde auf Geldstrafe bis zu 2000 Mark und Gefängnis bis zu 9 Monaten festgelegt. M i t dieser einzigen Änderung nahm der Reichstag die §§ 9 f. an. Sie gingen in folgender Fassung in das Gesetz ein: „§ 9: Mit Geldstrafe bis zu dreitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu einem Jahre wird bestraft, wer als Angestellter, Arbeiter oder Lehrling eines Geschäftsbetriebes Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, die ihm vermöge des Dienstverhältnisses anvertraut oder sonst zugänglich sind, während der Geltungsdauer des Dienstverhältnisses unbefugt an Andere zu Zwecken des Wettbewerbes oder in der Absicht, dem Inhaber des Geschäftsbetriebes Schaden zuzufügen, mitteilt. Gleiche Strafe trifft denjenigen, welcher Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisse, deren Kenntnis er durch eine der im Absatz 1 bezeichneten Mitteilungen oder durch eine gegen das Gesetz oder die guten Sitten verstoßende eigene Handlung erlangt hat, zu Zwecken des Wettbewerbs unbefugt verwertet oder an andere mitteilt. Zuwiderhandlungen verpflichten außerdem zum Ersatz des entstandenen Schadens. Mehrere Verpflichtete haften als Gesamtschuldner. § 10: Wer zum Zwecke des Wettbewerbes es unternimmt, einen anderen zu einer unbefugten Mitteilung der im § 9 Abs. 1 bezeichneten Art zu bestimmen, wird mit Geldstrafe bis zu zweitausend Mark oder mit Gefängnis bis zu neun Monaten bestraft."

eine Regelung im HGB möglicherweise nicht wie hier allen Betriebsangehörigen zugute kommen werde, ebd., 1748 f. 567 Nr. 333 ad 2 der Drucksachen des Reichstages, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96. 568 Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,2190. Er wurde von v. Seckendorf unterstützt, der in der zweiten Lesung versucht hatte, den Reichstag für seine Ansicht zu gewinnen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1738. 569 So der Berichterstatter Meyer, ebd., 1743; Singer, ebd., 2191, bekräftigte die Ansicht der Kommission nochmals.

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VI. Die sonstigen Paragraphen Im Laufe des Kodifikationsprozesses wurde eine Reihe weiterer allgemeiner Fragen diskutiert und im Ergebnis als §§ 11 bis 17 in das UWG von 1896 eingefügt. Hierzu gehören neben der schon erwähnten Regelung, welche Normen als Antragsund als Privatklagedelikte ausgestaltet wurden 570 , folgende Themenkreise: die Verurteilung zu einer Geldbuße neben einer Strafe und unter Ausschluß eines Entschädigungsanspruches; das Recht, zunächst nur des Verletzten, später auch des Freigesprochenen, eine Verurteilung bzw. den Freispruch öffentlich bekannt zu machen; der Anspruch von Ausländern auf Rechtsschutz durch das neue Gesetz; die letztinstanzliche Zuständigkeit des Reichsgerichts sowie die Frage der Verjährung. 1. Die Verurteilung zu einer Geldbuße Der Vorentwurf von Hauss zu den Vorläufigen Vorschlägen befaßte sich zunächst in Abschnitt VI nur mit der Regelung der Antragsdelikte und der Möglichkeit der Verurteilung zu einer Geldbuße.571 Zu einer Geldbuße konnte der Schädiger auf Verlangen des Verletzten bei Vorliegen des strafbegründenden Tatbestandes durch das Urteil verpflichtet werden. Die Buße Schloß in diesen Fällen die Geltendmachung eines eventuell neben der Strafe möglichen Entschädigungsanspruches aus. Die Buße trat damit an die Stelle des zivilrechtlichen Entschädigungsanspruchs. Auch die bisherige Gesetzgebung zum Schutz gewerblichen Schaffens hatte regelmäßig eine entsprechende, teils inhaltsgleiche, teils sogar wortgleiche Bestimmung vorgesehen.572 Der Vorentwurf des UWG knüpfte damit an diese Gesetze an. Ob durch die Zahlung einer Geldbuße zugleich immaterielle Schäden ersetzt werden konnten und ob in der Zahlung eine Form der Strafe oder eine Entschädigung vorlag, war umstritten. 573 Der Vorteil der Regelung lag für den Verletzten jedoch auf der Hand. Die Bußzahlung eröffnete ihm die Möglichkeit, im Strafverfahren zugleich eine Geldsumme zu erlangen, die zum Ausgleich des entstandenen Schadens dienen konnte. Angesichts der allgemein üblichen Regelung gab es um die Einführung der Geldbuße keine Diskussionen. Der Bundesrat trennte die Bestimmung von der Regelung 570

Siehe hierzu ausführlich oben, Teil 2., 7. Kap., II. „VI. In den Fällen unter IV und V tritt die Strafverfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. Neben der Strafe kann auf Verlangen des Verletzten auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von DM 10.000,- erkannt werden. Für die Buße haften die zu derselben verurteilten als Gesamtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus." 572 Vgl. ζ. Β. § 11 Gebrauchsmustergesetz (RGBl, von 1891 290), § 37 Patentgesetz (RGBl, v. 1891, 79), § 18 WZG (RGBl. v. 1894,441), § 18 Urhebergesetz (BGBl. 1870, 339). 573 Einen Überblick über den Streitstand bei, Fritz Stier-SomlolAlexander Elfter (Hrsg.), Handwörterbuch der Rechtswissenschaft, l.Bd., Berlin und Leipzig 1926, 861 ff. 571

19 von Stechow

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

der Antragsdelikte und fasste sie in einem eigenen § 14 neu; mit diesem Wortlaut ging die Vorschrift in das UWG ein: „Neben einer nach Massgabe dieses Gesetzes verhängten Strafe kann auf Verlangen des Verletzten auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von 10000 Mark erkannt werden: Für diese Buße haften die zu derselben Verurteilten als Gesamtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus."

2. Die öffentliche Bekanntmachung eines Urteils In den Vorläufigen Vorschlägen fand sich in Abschnitt VI das Recht des Verletzten, eine Verurteilung öffentlich bekannt zu machen.574 Durch die Einführung dieser für die Bestimmungen gegen die geschäftliche Ehrverletzung und den Kennzeichenmißbrauch geltenden Regelung hoffte man, die Aufmerksamkeit des Publikums auf das Verkehrsverhalten der Gewerbetreibenden zu lenken und es so dazu bewegen, sich von unlauteren Geschäftsbetrieben abzuwenden.575 Demnach fand als Zweck der Bestimmung der Aspekt der Aufklärung der Öffentlichkeit Erwähnung. Zudem stellte die Verpflichtung zur Zahlung der Kosten der Veröffentlichung eine Maßnahme mit weiterem Strafgehalt dar. Die Argumentation der Denkschrift läßt daneben den Schluß zu, daß die Bekanntmachung zudem die Gefahr des Verlustes der Kundschaft für den Täter bergen und somit abschreckend wirken sollte. Der weitere Verlauf der Kodifikationsarbeiten war von Versuchen der Erweiterung der Befugnis der öffentlichen Bekanntmachung auf weitere Fallgruppen gekennzeichnet. Im Laufe der Sachverständigenberatung wurde der Reklameschwindel in den Kreis der betroffenen Normen aufgenommen. 576 Zugleich fand eine wei574

Der Abschnitt VI der „Vorläufigen Vorschläge" lautete: „VI. In den Fällen unter II bis V tritt die Strafverfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrages ist zulässig. Wird in den Fällen unter II und III auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugnis zuzusprechen, die Verurteilung auf Kosten des Verurteilten öffentlich bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung sowie die Frist zu derselben ist im Urteil zu bestimmen. Neben der Strafe kann in allen Fällen auf Verlangen des Verletzten auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von DM 10.000,- erkannt werden. Für dies Buße haften die zu derselben verurteilten als Gesamtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus." Die Kommission übernahm die Vorschrift ohne weitere Diskussion. Da sie jedoch in Abschnitt II die Strafvorschrift beseitigte, war in den Absätzen 1 und 2, diese Änderung durch Ersetzen der Ziffern II, IV, V und II einzusetzen. Der Abschnitt ging in der dargestellten Form als Abschnitt VII in die Grundzüge ein. 575 Denkschrift (wie Fn.402), Bl. 188. 576 Die nun als § 9 formulierte Bestimmung hatte folgenden Wortlaut, „§ 9 In den Fällen der §§ 5,7 und 8 tritt die Strafverfolgung nur auf Antrag ein. Die Zurücknahme des Antrags ist zulässig. Wird in den Fällen des § 2 auf Strafe erkannt, so kann angeordnet werden, daß die Verurteilung auf Kosten des Schuldigen öffentlich bekannt zu machen sei.

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tere Differenzierung der mit der Veröffentlichung bezweckten Gründe statt. So erwähnte Hauss, daß die Veröffentlichung einer Verurteilung wegen Geschäftsehrverletzung vor allem aus Gründen der Wiederherstellung eines geschädigten Rufes erfolge und damit vor allem Genugtuungsfunktion erfüllen solle. 577 Auch in der sich der Veröffentlichung des Ersten Entwurfes anschließenden Diskussion wurde allgemein die Bekanntmachung der gerichtlichen Entscheidung als besonders wirksames Mittel der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs angesehen. 578 Der Preußische Justizminister schlug demnach vor, auch im Fall der Quantitätsverschleierungen nach § 3 dem Gericht die öffentlichen Bekanntmachung zu ermöglichen, da eine solche zum Schutze des Publikums ratsam sei. Das Reichsamt des Innern lehnte dies jedoch mit der Begründung ab, daß die Fälle des § 3 im allgemeinen nicht gravierend genug für eine solche Maßnahme seien.579 Die Norm ging ohne wesentliche inhaltliche Veränderungen als § 13 in den Reichstagsentwurf ein und wurde auch durch die Kommission des Reichstages nicht geändert. In der zweiten Lesung des Gesetzes im Reichstag wurde beschlossen, einen weiteren Absatz 3 einzufügen. Demnach sollte auch der freigesprochene Angeklagte das Recht haben, seine Freisprechung auf Kosten der Staatskasse, des Anzeigenden oder des Privatklägers öffentlich bekannt zu machen. Der Antrag wurde damit begründet, daß oft schon die Erhebung einer ungerechtfertigten Klage zur Denunziation eines Konkurrenten reiche. Der Schaden, den der zu Unrecht Verdächtigte erleide, sei bei Kundschaft und Publikum häufig sehr groß, zumal sich oft auch schon vor einer Verurteilung die Presse einschalte. Daher müsse dem Freigesprochenen ausdrücklich auch die Möglichkeit gegeben werden, die Haltlosigkeit solcher Vorwürfe bekannt zu machen. Darüber hinaus enthalte auch § 16 des Nahrungsmittelgesetzes eine vergleichbare Formulierung. 580 Der § 13 wurde dadurch um die Aspekte der Rehabilitationswirkung und der Einschränkung der Denunziationsgefahr erweitert. 581 In dieser Form ging die Bestimmung in das Gesetz ein. Wird in den Fällen des § 5 auf Strafe erkannt, so ist zugleich dem Verletzten die Befugnis zuzusprechen, die Verurtheilung innerhalb bestimmter Frist auf Kosten des Verurtheilten bekannt zu machen. Die Art der Bekanntmachung ist im Urtheil zu bestimmen. Neben einer nach Massgabe diese Gesetzes verhängten Strafe kann auf Verlangen des Verletzten auf eine an ihn zu erlegende Buße bis zum Betrage von 10.000 Mark erkannt werden. Für diese Buße haften die zu derselben Verurtheilten als Gesamtschuldner. Eine erkannte Buße schließt die Geltendmachung eines weiteren Entschädigungsanspruches aus/4 57 7

578

Hauss, (wie Fn. 28), 102.

Votum des Justizministers vom 25.2.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 268. 579 Votum des Staatssekretärs des Innern vom 23.3.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.311. 580 Abg. Beckh, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1750 f. ; Schmidt, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, ebd., 1751. Der Antrag ist unter Nr. 260 der Drucksachen des Reichstages zufinden, eine redaktionelle Abänderung von § 13IV findet sich unter Nr. 337. 581 Die §§ 14-17 gaben weder in der zweiten noch in der dritten Lesung Anlaß zur Diskussion. Nach Abschluß der dritten Lesung am 7. Mai wurde noch eine Resolution des Abgeord19*

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3. Die Zuständigkeit des Reichsgerichts In der ersten Lesung der Grundzüge beschloß man, den Vorschlägen die Abschnitte VII und VIII hinzuzufügen. Abschnitt V I I lautete: „VII. In bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage oder Widerklage ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht ist, wird die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetz dem Reichsgericht zugewiesen."

Abschnitt V I I regelte den Instanzenzug für das UWG und hatte vor allem klarstellende Funktion. Durch die Verweisung an das Reichsgericht sollte gewährleistet werden, daß möglichst zügig reichseinheitliche Verhaltensvorgaben gemäß den Ideen des Gesetzes entstanden. Abschnitt V I I ging unverändert als Abschnitt V I I I in die Grundzüge und als § 10 in den ersten Entwurf ein. Im Zuge der öffentlichen Diskussion um das UWG wurde er erweitert. Der Vorschlag des Deutschen Handelstages und des Justizministers 582, bürgerliche Rechtsstreitigkeiten nach dem vorliegenden Gesetz in Erweiterung von § 101 GVG den Kammern für Handelssachen in den Fällen der erstinstanzlichen Zuständigkeit der Landgerichte zuzuweisen, fand die Zustimmung des Reichsamts des Innern. 583 Vor allem entsprach dieser Vorschlag auch vereinzelten Wünschen aus Gewerbekreisen. 584 Er wurde im neuen § 11 der Begründung der letztinstanzlichen Zuständigkeit des Reichsgerichts angefügt. 585 Die Stellungnahmen aus Handelsund Gewerbekreisen dokumentieren erneut die Soige, daß der deutsche Richter zu einer den Bedürfnissen entsprechenden Rechtsfindung außerstande sei. So wurde beispielsweise gefordert, Bestimmungen zu erlassen, die eine Hinzuziehung von Sachverständigen zu allen Verhandlungen, insbesondere zu denen vor den Amtsgerichten, festlegten. 586 Diese Forderung wurde jedoch nicht erfüllt. 587 Die Norm ging neten Roesicke angenommen, nach der die verbündeten Regierungen ersucht werden, einen Gesetzentwurf zur Eichung der Bierfässer vorzulegen; vgl. Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,2192; Nr. 341 der Drucksachen des Reichstages, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96. 382 Votum des Justizministers (wie Fn. 578), Verhandlungen des Dt. Handelstages, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 258, letzterer ursprünglich jedoch unabhängig vom Streitwert, was von Hauss, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 1750f., für nicht annehmbar bezeichnet wurde. 583 Votum des Staatssekretärs des Innern (wie Fn.579), Bl. 311 f. 584 Vgl. Denkschrift des Centraiausschusses der Berliner kaufmännischen, gewerblichen und industriellen Vereine und des Vereins der Berliner Kaufleute v. 5.2.1895, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7692, Bl. 190. 583 § 12 und § 13 des Gesetzes, die Reziprozitätsklausel und die Festsetzung des Inkrafttretens blieben unverändert. 386 Centraiausschuss (wie Fn. 584); siehe auch die Petitionen verschiedener Breslauer Gewerbetreibender, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 353-383, die vor allem den Strafrichter zur Hinzuziehung von Laienrichtern verpflichten wollten; ähnlich die Eingabe des

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als § 15 in den Entwurf ein, der dem Reichstag vorgelegt und unverändert Gesetz wurde. 588 4. Die Reziprozitätsklausel Abschnitt VIII lautete in den Vorläufigen Vorschlägen wie folgt: „VIII. Wer im Inlande eine Niederlassung nicht besitzt, hat auf den Schutz dieses Gesetzes nur insoweit Anspruch, als er in dem Staate, in welchem seine Niederlassung sich befindet, nach einer im Reichsgesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung die Gegenseitigkeit verbürgt ist."

Die Vorschrift regelte, ob und unter welchen Voraussetzungen Ausländer im Inland Rechtsschutz aufgrund des geplanten Gesetzes genießen sollten. Anknüpfungspunkt war dabei das Gegenseitigkeitsprinzip, nach welchem die Schutzgewährung an die Frage geknüpft wurde, ob den deutschen Staatsangehörigen im Ausland ein entsprechender Schutz zuteil wurde oder nicht. Schutzzweck der Norm war insofern die mittelbare Förderung deutscher Wirschaftsinteressen. 589 Der Abschnitt ging ebenfalls unverändert und ohne weitere Beratung als Abschnitt IX in die Grundzüge ein. In der Sachverständigenkommission wies Hammacher darauf hin, daß der Begriff der „Niederlassung" durch die präzisere Bezeichnung „Hauptniederlassung" zu ersetzen sei. Damit solle vermieden werden, daß schon derjenige, dessen Hauptniederlassung sich in einem Staate ohne gültiges Gegenseitigkeitsabkommen befinde, nur aufgrund des Umstandes, daß er Filialen in Staaten besitze, in denen der Gegenseitigkeitsgrundsatz gelte, die Möglichkeit des Rechtsschutzes nach dem vorliegenden Gesetz genieße. Die Regierung folgte diesem Vorschlag im ersten Entwurf unter Hinweis darauf, daß das Kriterium der Hauptniederlassung auch das der internationalen Abkommen über den gegenseitigen Patentschutz sei. 590 Schmidt-Elberfeldt und Landgraf schlugen darüber hinaus vor, eine besondere Bestimmung zum Schutz der Inländer aufzunehmen, die es dem Gericht ermögliche bei Abwesenheit des beklagten Ausländers, unter Aufhebung der betreffenden strafprozessualen Vorschriften, eine Vermögensbeschlagnahme anzuordnen. Auch diesem Vorschlag fügte sich das Reichsamt des Innern. 591 Die Aufnahme eines solchen Provinzialverband des Schlesien und Posen des Vereins zum Schutz des Handels und Gewerbes, ebd., B1.521 f. 587 Eine Reaktion der Reichsämter auf diese Anregungen ist in den Akten nicht ersichtlich. 588 § 15 lautete: „Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, in welchen durch Klage ein Anspruch auf Grund dieses Gesetzes geltend gemacht ist, gehören, insoweit in erster Instanz die Zuständigkeit des Landgerichts begründet ist, vor die Kammer für Handelssachen. Die Verhandlung und Entscheidung letzter Instanz im Sinne des § 8 des Einführungsgesetzes zum Gerichtsverfassungsgesetze wird dem Reichsgericht zugewiesen." 589

Vgl. Rosenthal! Leffmann, UWG, 8. Auflage, §28 Rz. 1.

590

Denkschrift (wie Fn.402)., Bl. 189. Vorentwurf (wie Fn.94), B1.76.

591

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Paragraphen als § 13 des Vorentwurfs des ersten Entwurfs stieß jedoch auf den Widerstand des Reichsjustizamtes, das die Norm wieder gestrichen sehen wollte. 592 Die Außerkraftsetzung bedeutender Bestimmungen der StPO für einen eng begrenzten Kreis von Straftaten sei nicht akzeptabel; auch andere Straftaten wie Betrug, Patentrechtsverletzungen oder verleumderische Beleidigung könnten in gleichem Maße vom Ausland her begangen werden. Hier habe sich bisher nicht die Notwendigkeit einer Sonderregelung ergeben. § 13 sei außerdem sinnlos, da Urteile gegen abwesende Ausländer ohnehin kaum zur Vollstreckung kommen könnten. Eine Änderung könne nur im Rahmen der StPO erfolgen. Das Reichsamt des Innern beharrte zunächst auf dem Paragraphen, vor allem da eine Streichung leicht zu Klagen über eine ungerechtfertigte Begünstigung von Ausländern führen könne, die unbedingt zu vermeiden sei. 593 Es komme auch nicht auf die Vollstreckung des Urteils an, sondern vor allem auf die Möglichkeit, ein solches Urteil öffentlich bekannt zu machen und die nach Deutschland eingeführte Ware zu beschlagnahmen. Die Bedenken des Reichsjustizamtes blieben hingegen bestehen, worauf man im Reichsamt des Innern beschloß, den Paragraphen vorerst zu streichen und im Bundesrat erneut zu versuchen, diesen aufzunehmen. 594 § 11 des ersten Entwurfs hatte folgenden Wortlaut: 595 „Wer im Inland eine Hauptniederlassung nicht besitzt, hat auf den Schutz dieses Gesetzes nur insoweit Anspruch, als er in dem Staate, in welchem seine Hauptniederlassung sich befindet, nach einer im Reichsgesetzblatt enthaltenen Bekanntmachung deutsche Gewerbetreibende einen entsprechenden Schutz gemessen."

Diese Bestimmung ging fortan ohne weitere Diskussion oder Änderung in die jeweiligen Entwürfe ein und wurde als § 16 Gesetz. 5. Die Verjährung Eine eigene Regelung der Verjährung im UWG erfolgte erstmals im Zuge der Bundesratsverhandlungen. § 11 des Bundesratsentwurfs lautete: 596 „Die in den §§ 1,6,8,9 bezeichneten Ansprüche auf Unterlassung oder Schadenersatz verjähren in sechs Monaten von dem Zeitpunkte an, in welchem der Anspruchsberechtigte von § 13 „Im Strafverfahren gegen Zuwiderhandlung gegen die Vorschriften dieses Gesetzes kann die Hauptverhandlung gegen einen Abwesenden unabhängig von der in § 319 der Strafprozessordnung bezeichneten Voraussetzung stattfinden. Für das Verfahren kommen die Vorschriften der §§ 320-326 der Strafprozessordnung zur Anwendung..." 592 Nieberding an Boetticher, 19. Nov. 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 84 f. 593 Antwortschreiben von Hauss an das Reichsjustizamt, 17. Dezember 1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, B1.90. 394 Siehe handschriftliche Bemerkungen von Hauss auf dem Schreiben des Reichsjustizamt an das Reichsamt des Innern v. 22.12.1894, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684,94. 595 § 12 regelte das Inkrafttreten des Gesetzes. 596 Vgl. Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,98 ff.

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der Handlung und von der Person des Verpflichteten Kenntnis erlangt, ohne Rücksicht auf diese Kenntnis in drei Jahren von der Begehung der Handlung an."

Die Vorschrift unterwarf alle Ansprüche des Gesetzes auf Unterlassung und Schadensersatz derselben speziellen Verjährung. Man ging für diese Ansprüche davon aus, daß eine längere Verjährungsfrist als sechs Monate nach Kenntnis der Handlung und der Person ohnehin nur der Schikane dienen werde. 597 Bei fehlender Kenntnis sah man drei Jahre für ausreichend an. Eine längere Frist sei weder dem Schädigenden zumutbar, noch sei sie zum Schutz der Interessen, denen der Entwurf diene, notwendig. Für den Schadensersatzanspruch wurde darauf hingewiesen, daß dieser erst mit Entstehung des Schadens und nicht schon mit der verletzenden Handlung beginne. Zudem hielt man es für notwendig, in der Begründung anzumerken, daß jede erneute Zuwiderhandlung einen erneuten Anspruch erzeuge, der eine erneute Verjährungsfrist in Gang setze. Für die strafrechtlichen Ansprüche wollte man die allgemeinen Grundsätze unangetastet lassen.598 Ein solche Verjährungsfrist hatte schon Lobe vorgeschlagen. 599 Dieser wollte allerdings alle Rechtsmittel auf eine dreimonatige Frist beschränken und einen Schadensersatzanspruch nur gewähren, wenn vorher ein Unterlassungsanspruch geltend gemacht worden war. Lobe führte aus, daß sich die kurzen Fristen daher rechtfertigten, daß jeder Wettbewerber, der sich die schädigenden Handlungen eines anderen längere Zeit gefallen lasse, damit bekunde, daß er durch diese Handlungen seine Interessen weder gefährdet noch verletzt sehe und trotzdem bereit sei, den Wettbewerb aufzunehmen. Der Wettbewerb höre nach einer solchen Einwilligung auf, unlauter zu sein. In der Reichstagskommission wurde der § 11 erweitert. Er erhielt einen Zusatz, in dem klargestellt wurde, daß die Verjährung des Schadensersatzanspruches erst in dem Zeitpunkt beginnt, in dem ein Schaden entstanden ist. 600 Dies galt bis dahin als Selbstverständlichkeit. 601 Die Kommission wollte jedoch keinen Zweifel aufkom597

Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, Drucksache, Nr. 35,27. 598 Ebd. 599

600

Lobe (wie Fn. 62), 227.

Bericht der VI. Kommission (wie Fn.413), 11 ff. 601 Drucksache Nr. 35,26. Die §§12-16 wurden ohne jede Änderung angenommen. Deutlich wurde im Rahmen des § 12 betont, daß es sich hier um Bestimmungen handele, die nur in seltenen Ausnahmefällen ein Eingreifen des Staatsanwaltes rechtfertigen könnten. Ein Antrag, die Rücknahmemöglichkeit des Strafantrages zu streichen, um zu verhindern, daß eine solche erkauft werden könne, wurde mit dem Hinweis abgelehnt, daß die Möglichkeit, einen gestellten Antrag zurückzunehmen, erhalten bleiben müsse. Auch dem reuigen Täter, der sich zur Schadensersatzpflicht bereit erkläre, müsse entgegengekommen werden können, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96, 30. Während der Beratung des § 15 wurde beantragt, eine ausführliche Gerichtsstandsregelung für Ausländer sowie die Berechtigung zur Beschlagnahme von Waren, die entgegen den §§5 und 8 in das Reich eingeführt werden sollten, durch den Zoll vorzusehen. Aber dies wurde mangels unzweifelhafter Formulierung sowie fehlender Offizialvertretungsbefugnis des Zolls abgelehnt, Antrag 42, ebd., 31.

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

men lassen und nahm die Formulierung auf. Schließlich erfolgte in der zweiten Beratung des Entwurfs im Reichstag auf die Initiative Roerens noch eine redaktionelle Änderung des § 11 Abs. 2. 6 0 2 Um Mißverständnisse über das Verhältnis der beiden Absätze untereinander zu vermeiden, insbesondere um zu verdeutlichen, daß der zweite Absatz eine Klarstellung des ersten Absatzes darstelle, wurde die Formulierung dahingehend präzisiert, daß der Lauf der Verjährung der Schadensersatzansprüche erst mit dem Zeitpunkt beginne, in dem ein Schaden entstanden war. Mit dieser Änderung wurde die Bestimmung als § 11 Gesetz.

VII. Zusammenfassung 1.a. Die Einführung der Bestimmungen gegen irreführende Werbung begründete der Gesetzgeber mit der besonderen Bedeutung, die die Reklame im Wirtschaftsleben gewonnen habe. Den Umstand, daß der Betrugsparagraph hier keine Abhilfe schaffen konnte, da regelmäßig das Tatbestandsmerkmal der Vermögensbeschädigung nicht vorlag oder nicht nachweisbar war, erkannte der Gesetzgeber als Lücke, die er durch die Bestimmung schließen wollte. b. Der inhaltlichen Ausgestaltung der Bestimmungen gegen irreführende Werbung lagen die beiden nie in Kraft getretenen § 146c GewO und § 15b WZG zugrunde. Zudem griff man auf die Vorarbeiten von Alexander-Katz zurück. Ein Schwerpunkt der Diskussionen während des Gesetzgebungsverfahrens lag darauf, das richtige Maß an staatlicher Einmischung in das Wirtschaftsleben zu finden. Einerseits sollte der lautere Wettbewerb nicht eingeschränkt und Denunziationen nicht Vorschub geleistet werden. Andererseits versuchte man, den Gebrauch und die Wirksamkeit der Bestimmung durch die Ausgestaltung als ,»kleine Generalklausel" durch Sonderregelungen für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung und die Möglichkeit der Klageberechtigung von Verbänden sicherzustellen. Der besonderen Tragweite der Bestimmungen der §§ 1-4 UWG im Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb war man sich bewußt. Insbesondere erhoffte man sich durch sie eine nachhaltige Bekämpfung des Aus Verkaufsschwindels. Geprägt sind die Auseinandersetzungen von der Unsicherheit über die Wirkung der Bestimmungen und von der Überzeugung, daß das UWG zunächst ein vorsichtiger erster Schritt sein solle. 2. a. Die Bestimmungen gegen Quantitätsverschleierungen wurden erst im Zuge der Sachverständigenberatungen in das Gesetz aufgenommen. Hinsichtlich der Regelungsbedürftigkeit von Mengenverschleierungen, insbesondere beim Bierverkauf bzw. -ausschank und beim Handel mit Stoffen und Garnen hatte schon zuvor überwiegend Einigkeit bestanden. Auch hier versagte der Betrugsparagraph, da es an einem Vermögensschaden regelmäßig fehlte, wenn die geringere Menge auch zu ei602

1750.

Abg. Roeren, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstags, 9. Leg., 4. Sess. 1895/96,

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nem entsprechend günstigeren Preis abgegeben wurde. Der Umstand, daß man vor allem den Verbraucher als geschädigt ansah und man meinte, das BGB werde sich dieser Problematik annehmen, sprachen zunächst gegen eine Regelung. Erst ein Votum des Referats für Maß- und Gewichtswesen im Reichsamt des Innern, das eine rasche Abhilfe für geboten hielt, überzeugte die Sachverständigen, daß eine Lösung im Rahmen des UWG geboten sei. Zudem überzeugte ein Vorschlag v on AlexanderKatz, der die Idee aufgriff, nur eine Ermächtigungsgrundlage für den Bundesrat zu schaffen. Durch die Ermächtigung des Bundesrats ermöglichte man eine Regelung zum Schutz des Verbrauchers, ohne dabei dem BGB vorzugreifen. b. Inhaltlich sprach für eine Ermächtigung des Bundesrats zum Erlaß von Verordnungen die größere Flexibilität angesichts der als schnell empfundenen wirtschaftlichen Entwicklung und angesichts der Unterschiedlichkeit der zu regelnden Materien. Die weitere, zeitweise sehr heftige und politisch geführte Diskussion hatte zwei Schwerpunkte. Zum einen wollte der Reichstag den Bundesrat kontrollieren und zu diesem Zweck ein Genehmigungs- bzw. Zustimmungserfordernis normieren. Die Regierung versuchte dies zu verhindern. Im Ergebnis verzichtete der Reichstag zugunsten einer raschen Regelung auf das Genehmigungserfordernis. Zum anderen gab es verschiedene Vorstöße im Reichstag, die gesamte Norm bzw. zumindest die Befugnis, auch Mengenangaben für Hohlmaße herbeizuführen, zu streichen. Hintergrund war die Befürchtung einzelner Parteien, daß die Verordnungen mit erheblichen Kosten für Teile der Wählerschaft, insbesondere Glashersteller und Bierkonsumenten, verbunden sein könnten. Die Regierung räumte dies teilweise ein, hielt den Umstand aber für zweitrangig angesichts der Überzeugung, daß ein betrugsähnliches Verhalten zu bekämpfen sei. Die Diskussionen sind ein Beispiel aus der Kodifikationsgeschichte des UWG, wie Interessenpolitik sachlich begründbare Maßnahmen zu gefährden drohte. 3. a. Grund der Aufnahme der Bestimmungen zum Schutz der geschäftlichen Ehre war es, vor allem zwei Lücken zu schließen. Zum einen erachtete man es als Lücke, daß § 187 RStGB nur den Kredit und nicht auch den Absatz eines Handelund Gewerbetreibenden vor Verleumdung schützte. Zum anderen fehlte ein zivilrechtlicher Schutz von Kredit und Absatz. Als Begründung zugunsten des Schutzes wurde wiederum die wirtschaftliche Entwicklung seit der Reichsgründung genannt, die zu einer veränderten Einstellung gegenüber diesen Verhaltensweisen geführt habe. Man verwies in diesem Zusammenhang auf die Rechtfertigung des Schutzes vor irreführender Werbung. So wie falsche Angaben über die eigene Leistung, etc. verboten seien, seien auch solche Angaben über die fremde Leistung zu verbieten. b. Die inhaltliche Ausgestaltung ging auf § 146 c GewO zurück. Der anfänglich sehr weit gefaßte Tatbestand, der die Erfüllung objektiver Merkmale für die strafund zivilrechtliche Verantwortlichkeit ausreichen ließ, wurde im Laufe der Gesetzgebungsarbeiten eingeschränkt. Die strafrechtliche Bestimmung wurde auf Handeln wider besseren Wissens beschränkt, die zivilrechtliche Verantwortlichkeit setzte Schädigungseignung und -berechnung voraus. Das Verhältnis zu § 824 BGB wurde

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Teil 2: Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes von 1896

durch die Einfügung der Worte zu Zwecken des Wettbewerbs geregelt. Das UWG sollte so auch nach Einführung des § 824 BGB seine Berechtigung als wettbewerbsspezifische Norm behaupten können. Auch hier zeigt sich, daß der Gesetzgeber das UWG in einem Gesamtkonzept mit dem BGB sah. Da die Öffentlichkeit die Existenz gewerblicher Auskunftsbüros durch die Bestimmung gefährdet sah, wurde die Nichtanwendbarkeit der Bestimmung bei Wahrnehmung eines berechtigten Interesses an der Mitteilung einer Aussage vorgesehen. 4. a. Der Grund für die Aufnahme von Bestimmungen zum Schutz geschäftlicher Bezeichnungen lag darin, daß man folgende Sachverhalte als Lücke in der Rechtsordnung erachtete: Eingetragene Firma, nicht eingetragene Namen eines Handelbzw. Gewerbetreibenden und Phantasienamen eines Geschäfts waren bei Synonymität mit einer anderen Bezeichnung nicht gegen deren planmäßige Nutzung mit dem Ziel, eine Verwechslung herbeizuführen, geschützt. Wenn die Bezeichnung als Unterscheidungszeichen des berechtigten Verwenders bekannt war, sah man darin einen unlauteren Angriff auf den berechtigten Verwender. b. Die Ausgestaltung der Bestimmung läßt die Nähe zu den von Alexander-Katz zu § 13 MSchG unterbreiteten Vorschlägen erkennen. Eine anfänglich vorgesehene Strafnorm ließ Hauss fallen, da sich die Ansicht durchsetzte, daß hier allein die Interessen des Kennzeicheninhabers berührt seien. Die Diskussion zeigt deutlich den Einfluß der rechtswissenschaftlichen Auseinandersetzung um die Rechtsnatur gewerblicher Kennzeichen auf das Verständnis der Bestimmung. So sah man etwa das Recht, seinen Namen zu führen, als natürliches Recht an und knüpfte daran die Forderung, daß dessen Gebrauch nicht, wie durch § 8 UWG geschehen, beschränkt werden dürfe. Eine Änderung der Bestimmung wurde jedoch mit dem Argument abgelehnt, daß nicht das Führen des Namens verboten werden solle, als dessen Führen in der Absicht, eine Verwechslungsgefahr herbeizuführen. Ähnlich wie Kohler war man sich der Bedeutung der Beschränkung des Gebrauchs des eignen Namens bewußt und begrenzte die Norm auf absichtliches Vorgehen. Zu keinem Zeitpunkt der Kodifikationsarbeiten wurde die Bestimmung im Zusammenhang mit § 12 BGB gesehen. Eine Ausweitung auf das Warenzeichen wurde im Hinblick auf das WZG abgelehnt. Das UWG sollte seinem Zweck nach nur Lücken füllen, ohne in Anwendungsbereiche anderer Gesetze einzugreifen. 5.a. Vor allem drei Gründe führten zu der Aufnahme der Bestimmungen gegen den Verrat von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen. Erstens verwies der Gesetzgeber auf ein jahrelanges Drängen aus gewerblichen Kreisen und Forderungen nach einem solchen Schutz. Hiermit meinte er vor allem die Eingaben chemischer und keramischer Interessenverbände, deren Rezepturen nur beschränkt geschützt waren. Man konnte auch auf eine Handelskammerbefragung aus den achtziger Jahren verweisen, in der sich eine Mehrheit für eine Schutzerweiterung ausgesprochen hatte. Zweitens wurde auf den Umstand verwiesen, daß sowohl einzelne Staaten in Deutschland vor 1870 als auch ausländische Staaten in zahlreichen Fällen einen entsprechenden Schutz kannten. Drittens wurde angeführt, daß der Verrat wesentlicher

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Kenntnisse, deren Geheimhaltung Grundlage eines wettbewerblichen Vorsprungs sei, einen schweren Vertrauensbruch darstelle. Ein solcher fordere nach den Prinzipien des Strafrechts eine Ahndung. Hier hatte der Gesetzgeber vor allem den Treuebruchtatbestand im Auge. Die Auseinandersetzung im Vorfeld, ob die systematische Einordnung als Treuebruch oder strafbarer Eigennutz zu erfolgen habe, war somit zugunsten des ersteren entschieden. Kein Themenkomplex war derartig umstritten wie der Schutz vor Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen. Drei Einwände betrafen dabei schon die Frage, ob ein solcher Schutz überhaupt gewährt werden solle. In den ersten Beratungen in den Reichsbehörden wurde den geplanten Schutzvorschriften entgegen gehalten, daß sie geeignet seien, den volkswirtschaftlichen Aufschwung Deutschlands zu hemmen, da sie verhinderten, daß Kenntnisse von wirtschaftlicher Bedeutung zu Allgemeingut werden könnten. Dem hielt der Gesetzgeber die Tragweite des Mißbrauchs entgegen, die sich insbesondere daraus ergebe, daß der Verrat beginne, sich geschäftlich zu organisieren. In den Sachverständigenberatungen deutete sich ein zweiter Einwand an, der später die gesamte Entstehungsgeschichte der Bestimmungen begleitete. Die Normen waren grundsätzlich darauf ausgerichtet, das Verhalten von Angestellten, Arbeitern und Lehrlingen zu beschränken. Die Bestimmung eignete sich demzufolge dazu, politisch als staatliche Maßnahme angesehen zu werden, die den Schutz des Stärkeren zum Nachteil der Schwächeren anstrebte. Aus den Materialien ergibt sich die Mühe der Reichsbehörden, hier einen Kompromiß zwischen der gesetzgeberischen Grundidee und den Belangen von Lehrlingen, Arbeitern und Angestellten zu finden. Der Versuch, dieses Bemühen auch zu vermitteln, wäre beinahe gescheitert, nachdem die Reichstagskommission die Bestimmungen schon gestrichen hatte. Nach einer Änderung der Zusammensetzung der Kommission wurde diese Entscheidung jedoch revidiert. Es schwächte die Position der Regierung, daß sie nicht nachweisen konnte, auch Repräsentanten der Arbeiterschaft in die Vorberatungen integriert zu haben. Dementsprechend war die Bestimmung in den Reichstagsverhandlungen ein Schwerpunkt der Debatten, ehe die Mehrheit sie in der vorgeschlagenen Form annahm. Der dritte Einwand, der gegen die Aufnahme der Bestimmungen in das UWG vorgebracht wurde, betraf die Frage, ob der Schutz von Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen systematisch in das Gesetz passte. Als verbindendes Element der anderen unlauteren Verhaltensweisen erkannte man, daß der Kaufentschluß des Kunden zum Nachteil des Wettbewerbers manipuliert wurde. Dies traf auf den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen nicht zu. Diese Diskussion läßt einen wesentlichen Schluß im Hinblick auf das Gesamtverständnis des UWG zu. Dem Gesetz lag keine zwingende erkennbare eigene Systematik zugrunde, die die Aufnahme einer Fallgruppe rechtfertigen konnte bzw. ausschließen mußte. Ein verbraucherbezogenes unlauteres Verhalten war demnach nicht Voraussetzung für eine Regelung. Auch aus dem Begriff des UWG konnten keine nachhaltigen Erkenntnisse

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hinsichtlich der Systematik gewonnen werden. Es ging in erster Linie um einzelne Verhaltensweisen, die man im wirtschaftlichen Wettbewerb als besonders schädlich erachtete. Einzige Klammer war die weit gefaßte Grundidee, daß es sich um eine zu mißbilligende Verhaltensweise im wirtschaftlichen Wettbewerb handelte, die bisher noch nicht mit rechtlichen Mitteln bekämpft werden konnte und von deren Regelungsbedürftigkeit der Gesetzgeber überzeugt war. Beim Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen bejahten der Gesetzgeber und die Mehrheit des Reichstages dies. b. Die Auseinandersetzung um die Ausgestaltung der Bestimmung berührte Fragen der sachlichen, zeitlichen und personalen Reichweite der Norm. Wesentliche Entscheidungen wurden dabei einerseits von dem Grundgedanken geprägt, der Norm eine inhaltliche Gestaltung zu geben, die den Schutz des Wutschaftsgeheimnisses ermöglicht, ohne die Belange von Arbeitern, Angestellten und Lehrlingen außer acht zu lassen. Andrerseits prägte das systematische Verständnis des Geheimnisverrats als Treubruch die inhaltliche Ausgestaltung. Die erste Version der Bestimmungen war im wesentlichen das Werk von Hauss und läßt eine Nähe zu den Art. 285, 320 des Thüringischen StGB und Art. 372 f. des Sächsischen StGB erkennen. Insbesondere der Umstand, daß der Schutz über die Dauer des Dienstverhältnisses hinausgehen sollte und nicht deutlich war, was unter einem Geheimnis zu verstehen war, führte zu fortwährender Kritik, insbesondere in der Öffentlichkeit. Die Bestimmung wurde daher neu gefaßt und verbot nun im wesentlichen nur noch den Verrat von Geheimnissen während eines Dienstverhältnisses, danach nur bei Unterzeichnung einer entsprechenden schriftlichen Erklärung. Darüber hinaus sollte das unbefugte Verwerten sowie das bloße Offenbaren durch den mitwirkenden oder selbständig rechtswidrig handelnden Dritten bestraft werden. Die Zustimmung der Vertreter von Arbeitern, Angestellten und Lehrlingen fand auch die geänderte Bestimmung insbesondere deshalb nicht, weil die schriftliche Erklärung in § 9 Abs. 1 Nr. 2 als Mittel der Schikane angesehen wurde. Nach der Änderung der Zusammensetzung der Reichstagskommission wurde §9 dementsprechend ohne § 9 Abs. 1 Nr. 2 wieder beschlossen. Zusätzlich wurde der Tatbestand um die Schädigungsabsicht der Mitteilung erweitert. Ohne weitere bedeutende Änderungen passierten die Bestimmungen in dieser Form den Reichstag. 6. a. Von Beginn an sahen die Entwürfe des UWG die Möglichkeit vor, anstatt eines zivilrechtlichen Entschädigungsanspruches eine Geldbuße zu fordern. Eine solche Regelung war auch in den übrigen Gesetzen zum Schutz gewerblichen Schaffens enthalten und daher als allgemein üblich anzusehen. b. Des weiteren sah das Gesetz in den Fällen einer strafrechtlichen Verurteilung wegen irreführender Werbung oder geschäftlicher Ehrverletzung das Recht vor, auf Kosten des Verurteilten den Inhalt des Urteils bekannt zu machen. Zudem konnte die obsiegende Partei in Fällen einer zivilrechtlichen Entscheidung des Gerichts wegen irreführender Werbung, geschäftlicher Ehrverletzung oder Kennzeichenmiß-

8. Kap.: Auswahl und Ausgestaltung der Fallgruppen des UWG

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brauchs diese Entscheidung bekannt machen. Als Gründe für diese Regelung nannte der Gesetzgeber, daß Kunden vor unlauteren Wettbewerbern gewarnt und potentielle Nachahmer abgeschreckt werden sollten und dem grundlos in einen Rechtsstreit Verwickelten die Möglichkeit der Rehabilitation gegeben werden solle. c. Die Regelung des Instanzenzuges wurde als § 15 Gesetz. Ihr kam klarstellende Funktion zu, und sie sollte durch die Verweisung an das Reichsgericht einer möglichst raschen Entstehung einer reichseinheitlichen Rechtsprechung zum UWG dienen. Im Zuge der öffentlichen Diskussion wurde der Bestimmung die Zuständigkeit der Kammer für Handelssachen bei erstinstanzlicher Zuständigkeit der Landgerichte angefügt. Auf diese Weise sollte die Kenntnis wirtschaftlicher Vorgänge in der rechtsprechenden Instanz gewährleistet werden. Dieser Wunsch aus der Wirtschaft und verschiedene darüber hinaus gehende Vorschläge deuten daraufhin, daß es eine weit verbreitete Ansicht in Handel- und Gewerbekreisen war, daß die Rechtsprechung nur bedingt zu einer sachgerechten Würdigung der Belange der Handel- und Gewerbetreibenden in der Lage war. d. § 16 UWG enthielt die sog. Reziprozitätsklausel, die Ausländern den Schutz des UWG nur unter der Bedingung ermöglichte, daß Deutschen im Heimatland des Ausländers ein entsprechender Schutz zuteil wurde. Diese Norm diente in erster Linie dem Schutz der deutschen Wirtschaft. Ihre Entstehung war von dem Versuch begleitet, die betroffenen Rechte von Ausländern weiter einzuschränken; die Regierung lehnte dies jedoch ab. e. Erst in den Bundesratsverhandlungen wurde eine Bestimmung zur Verjährung aufgenommen. Sie unterwarf alle Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche einer einheitlichen Verjährung von sechs Monaten ab Kenntnis und drei Jahren ab Begehung der Handlung. In der Literatur hatte bis dahin nur Lobe eine Verjährung der zivilrechtlichen Ansprüche des UWG diskutiert. Er hatte jedoch eine deutlich kürzere Frist von drei Monaten vorgeschlagen, um jeglicher Schikane vorzubeugen. Die Regierung hielt hier sechs Monate für gerechtfertigt. Um Mißverständnisse zu vermeiden, wurde in der Reichstagsverhandlung noch die Klarstellung aufgenommen, daß der Lauf der Verjährung der Schadensersatzansprüche erst mit dem Zeitpunkt beginne, in dem ein Schaden entstanden war. Mit dieser Änderung wurde die Bestimmung als § 11 Gesetz.

Teil 3

Wirkung und Erneuerung des U W G von 1896 Nach Behandlung der Entstehungsgeschichte des UWG von 1896 wird im dritten Teil ein Überblick über die Wirkung des Gesetzes gegeben. Zunächst ist ein kurzer Überblick über die Entstehung des UWG von 1909 zu geben (9. Kap.), auf den in den darauffolgenden Kapiteln jeweils Bezug genommen wird. Zur Beantwortung der Frage, welche Wirkung das UWG von 1896 entfaltete und welche Gründe zur Erneuerung bzw. Abänderung des UWG führten, wird ein Überblick über die Rechtsprechung zu den einzelnen Bestimmungen des UWG und die Kritik vor allem der Wirtschaft und der Literatur gegeben. (10./11. Kap., I.; II.; 12.-15. Kap. I.). 1 Den unterschiedlichen Regelungsmaterien des Gesetzes entsprechend erfolgt die Darstellung für jede Fallgruppe getrennt. Dabei soll die Frage beantwortet werden, welchen Einfluß die Rechtsprechung auf die Erneuerung des UWG hatte und welche Lücken man während der Dauer der Geltung des Gesetzes zu erkennen glaubte. Dem folgt für jede Bestimmung eine kurze Darstellung der Gesetzgebungsarbeiten zum UWG von 1909 (10. Kap.; 11. Kap., III; 12.-15. Kap. II.). Diese müssen zur Herausarbeitung der Gründe für die Erneuerung analysiert werden, da wesentliche Änderungen des UWG von 1896 ihren Grund in Diskussionen während der Kodifikationsarbeiten, insbesondere in der Reichstagskommission haben. Sodann kann gefragt werden, welchen Interessen man mit der Erneuerung bzw. Abänderung folgte. Abschließend wird für jede Bestimmung versucht zu beantworten, ob sich die Grundgedanken des Gesetzgebers von 1896, die zu der Aufnahme der betreffenden Norm führten, während der Dauer ihrer Geltung bewährten. 9. Kapitel

Die Entstehung des UWG von 1909 im Überblick Das UWG von 1896 galt vom 1. Juli 1896 bis zum 30. September 1909. Die Dauer der Geltung des UWG von 1896 war von Versuchen einzelner Abgeordneter des Reichstags begleitet, die Regierung zu überzeugen, Änderungen und Erweiterungen des Gesetzes in Angriff zu nehmen.2 Die Reichsregierung stand hierbei auf dem 1 Die Reihenfolge der Darstellung orientiert sich dabei an der Abfolge der neuen Bestimmungen im UWG von 1909. 2 Vgl. bspw. Antrag der Abgeordneten Oertel und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, lO.Leg., 2. Sess. 1900/02, Ani.Bd. 1, Nr. 39; Nr. 81 ; Antrag Gröber und Ge-

9. Kap.: Die Entstehung des UWG

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Standpunkt, daß eine Änderung erst in Frage komme, wenn man nach einer Zeit, in der sich Wirtschaft und Rechtsprechung an das Gesetz gewöhnt hätten, auf ausreichende Erfahrungen im Umgang mit dem Gesetz zurückblicken könne.3 Erst dann lasse sich feststellen, inwiefern Änderungen notwendig seien. Nach etwa zehnjähriger Dauer hielt die Regierung diesen Zeitpunkt für gekommen und berief am 15. und 16. Februar 1907 eine Sachverständigenkommission im Reichsamt des Innern zusammen, die einen Fragenkatalog beraten sollte. Dieser umfaßte die wesentlichen Problemkreise, die sich aus Sicht der Regierung in den Jahren der Geltung des UWG von 1896 ergeben hatten.4 Die Ergebnisse dieser Beratungen mündeten in einen „Vorläufigen Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs vom 27. Mai 1896", der zusammen mit Erläuterungen am 16. Dezember 1907 im Reichsanzeiger veröffentlicht wurde. 5 Der 25 Paragraphen umfassende Entwurf enthielt weder eine Generalklausel gegen unlauteren Wettbewerb noch Vorschriften gegen das Bestechungswesen.6 Wesentliche Neuerung war die Aufnahme einer Spezialbestimmung, die das Nachschieben von Ware bei Ausverkäufen und vergleichbaren Verkaufsformen verbot. Zur Begründung der Revisionsbedürftigkeit führten die Erläuterungen an, daß sich der Entwurf zwar in seinen Grundzügen bewährt habe und Treu und Glauben im Verkehr zu verstärkter Geltung verholfen habe. Die Klagen über verschiedene Unlauterkeiten im Verkehr seien aber nicht verstummt.7 Dies liege zum Teil daran, daß die betroffenen Kreise von den Möglichkeiten des Gesetzes keinen ausreichenden Gebrauch gemacht hätten und seine Auslegung und Anwendung Schwierigkeiten bereitet habe. Zum anderen sei auch die Rechtsprechung besonders in den ersten Jahren der Geltung fehlerhaft und mißverständlich gewesen. Der Entwurf von 1907 wurde trotz zahlreicher - auch kritischer - Stimmen8 in der Folge nur geringfügig umgearbeitet, dem Bundesrat vorgelegt und nach Annahnossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 11.Leg., l.Sess. 1903/04, Ani. Bd. 1, Nr.41,163; Antrag Rettich und Genossen, ebd., Nr. 58,173, Antrag Dirksen und Genossen, ebd., Nr. 82; Antrag Patzig und Genossen, ebd., Nr. 183. Nach einer kurzen Pause gingen ab 1907 erneut zahlreiche Anträge ein, vgl. Antrag Raab und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12.Leg., 1 Sess. 1907/09, Anl.Bd., Nr. 24; Antrag Graf und Hompesch, ebd., Nr. 21; Antrag Malkowitz und Genossen, ebd., Nr. 70; Antrag Dirksen und Genossen, ebd., Ani. Bd., Nr. 117; Antrag Beck und Genossen, ebd., Nr. 140; bzgl. der zwischenzeitlich eingegangenen Petitionen, vgl. 54. Bericht der Petitionskommission v. 10.12.07, ebd., Anl.Bd., Nr. 534. 3 Ludwig Fuld, (wie Teil 2, Fn.485), 12. 4 Fuld, (wie Teil 2, Fn.485), 14ff.; Klippel (wie Einleitung, Fn.4), 277. 5 Reichsanzeiger v. 16.12.1907, Nr. 298. 6 Zur Begründung der Revisionsbedürftigkeit des Gesetzes vgl. die Erläuterungen; dazu ferner Klippel (wie Einleitung, Fn. 4), 276; Fuld (wie Teil 2, Fn. 485), 16. 7 Erläuterungen zum Entwurf einer Novelle zum Wettbewerbsgesetz, MuW 7 (1907/1908), 54 ff. 8 Fuld (wie Teil 2, Fn.485), 17.

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me des Entwurfs durch diesen am 11. Januar 1909 dem Reichstag zugeleitet.9 Bedeutsame Neuerung dieses Entwurfes von 1909 war unter anderem die Aufnahme einer strafrechtlichen Spezialvorschrift gegen die eigennützige Verwertung von Vorlagen wie Schnittmustern, technischen Zeichnungen und Modellen im Anschluß an die Vorschriften gegen den Verrat von Fabrik- und Geschäftsgeheimnissen. In der ersten Lesung am 25. Januar 1909 wurde der Entwurf an ein Kommission mit 21 Mitgliedern verwiesen. 10 Die Kommission einigte sich in der Folge insbesondere auf die Einführung einer zivilrechtlichen (großen) Generalklausel11 und die Aufnahme einer Strafbestimmung gegen das Bestechungswesen.12 Die Annahme des Gesetzes durch den Reichstag erfolgte nach der 2. Lesung am 17. Mai 1909 und der 3. Lesung am 18. Mai 1909 ohne wesentliche Änderung des von der Kommission vorgeschlagenen Entwurfs. 13 Der Bundesrat erteilte der vom Reichstag beschlossenen Fassung in der Sitzung vom 26. Mai 1909 seine Zustimmung. Das Gesetz wurde im Reichsgesetzblatt am 7. Juni 1909 veröffentlicht und trat am 1. Oktober 1909 In Kraft. 14

10. Kapitel

Die Entstehungsgeschichte der sog. großen Generalklausel I. Schutz vor unlauterem Wettbewerb durch U W G und BGB: Das Schutzkonzept des U W G von 1896 in der Praxis Einer der Schwerpunkte der Diskussion während der Gesetzgebungsarbeiten zum UWG von 1896 war die Auseinandersetzung um die Frage gewesen, ob das Gesetz 9

Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12. Leg., l.Sess. 1907/09, Aktenstück Nr. 1109. 10 Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12.Leg., l.Sess. 1907/09, 6523ff. n Zu den Gründen siehe Christian Finger, Das Reichsgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vom 7. Juni 1909, 3. Aufl., Berlin 1910, 5; zu den Kommissionsverhandlungen, insbesondere Gestaltung der Generalklausel im Laufe der Beratungen, Fuld (wie Teil 2, Fn. 485), 18 ff. 12 Fuld (wie Teil 2, Fn.485), 20. 13 Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12.Leg., l.Sess. 1907/09, 8496ff.; bzw. 8542 ff. Abgesehen von den im folgenden zu erörternden Bestimmungen des UWG von 1909 wurden bei der Neugestaltung verschiedene Paragraphen des UWG lediglich redaktionell geändert bzw. dem veränderten Inhalt angepasst, ohne daß ihr Sinngehalt verändert wurde. So entsprachen §§22f. des UWG von 1909 den §§ 12f. des UWG von 1896, §§24f. den §§2f., §§ 26-28 den §§ 14-16; § 29 traf eine Regelung bezüglich der Zuständigkeit der neu eingeführten höheren Verwaltungsbehörde; § 30 regelte das Inkrafttreten des neuen und Außerkrafttreten des alten UWG. 14 RGBl. 1909,499.

10. Kap.: Die Entstehungsgeschichte der sog. großen Generalklausel

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mittels Einzelfallbestimmungen oder einer Generalklausel vor unlauterem Wettbewerb schützen solle. Im Ergebnis hatte sich der Gesetzgeber für einen punktuellen Schutz entschieden. Eine Ausnahme bildete die sog. kleine Generalklausel des § 1 UWG, die die Grundlage für die Entwicklung eines umfassenden zivilrechtlichen Schutzes vor irreführender Werbung schaffen sollte. Grund für den Verzicht des Gesetzgebers war vor allem, daß man meinte, den Umgang der Wirtschaft und der Rechtsprechung mit einer solchen Generalklausel nicht sicher vorhersehen zu können. Durch wenige, vor allem zivilrechtlich ausgestaltete klare Vorgaben wollte man eine vorsichtige Gewöhnung an die Rechtsmaterie bewirken und ein möglichst großes Maß an Rechtssicherheit schaffen. Das Konzept des Gesetzgebers des UWG von 1896 sah zudem vor, daß sich ergebende Lücken des Rechtsschutzes durch das BGB geschlossen werden sollten. Die Einführung des § 826 BGB zum 1.1.1900 führte zu der vom Gesetzgeber beabsichtigten Erweiterung der Rechtsbehelfe gegen unlauteren Wettbewerb um eine allgemein gehaltene Bestimmung.15 In einer grundlegenden Entscheidung vom 11. April 1901 stellte das Reichsgericht fest: 16 „Das Gebiet des Rechtsschutzes gegenüber den Schädigungen im Gewerbebetrieb durch unlauteren Wettbewerb ist vom Spezialgesetze zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs nicht ausschließend geregelt. Dasselbe bezweckte, die besonders ausgeprägt zu Tage tretenden Auswüchse des mißbräuchlichen Wettbewerbs abzuschneiden, hat aber nicht alle Erscheinungsformen desselben treffen können. Hier treten ergänzend die allgemeinen Bestimmungen des BGB in die Lücke."

Die Rechtsprechung akzeptierte damit sehr bald die ihr vom Gesetzgeber zugedachte Aufgabe, Lücken des UWG mittels der Bestimmungen des BGB auszufüllen. Von den erwähnten Bestimmungen des BGB wandte die Rechtsprechung in erster Linie § 826 BGB an. Gerade diese Bestimmung war nach Ansicht des Reichsgerichts dazu geeignet, eine „Schutzwehr gegen illoyale Handlungen in umfassender Weise zu gewähren, namentlich für den geschäftlichen Verkehr, soweit nicht durch Spezialgesetze deswegen Vorsorge getroffen" sei. 17 Bei der Entstehung des UWG 1 8 und des BGB 1 9 hatte man insbesondere § 826 BGB eine besondere Funktion im Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb zugedacht. In der Folge entwickelte die Rechtsprechung einen umfangreichen Anwendungsbereich des § 826 BGB zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs. 15 Vgl. Lobe (wie Teil 2, Fn.62), 19ff. Zum Konkurrenzverhältnis der beiden Reichsgesetze UWG und BGB zueinander vgl. Greiner (wie Teil 1, Fn. 248), 94. 16 RGZ 48,114ff., 119. 17 RGZ 48,119. 18 Zum Verhältnis BGB und UWG siehe den Bericht der VI. Kommission (wie Teil 2, Fn.413), 3 f. 19 Zu § 826 BGB vgl. Motive zu dem Entwürfe des BGB (wie Teil 1, Fn. 356), 726 f.

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Teil 3: Wirkung und Erneuerung des UWG

§ 826 B G B wurde dabei nicht nur in Fällen herangezogen, die durch das U W G bisher nicht geregelt waren 2 0 , sondern auch ergänzend in Bereichen, die durch das U W G bereits eine Regelung gefunden hatten. 21 In eingeschränktem Umfang wurde auch § 823 B G B von den Gerichten nutzbar gemacht. I m Rahmen von § 823 Abs. 1 B G B wurde bald ein Recht am Unternehmen als „Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb" als „sonstiges Recht" anerkannt. 22 Herabsetzungen eines Konkurrenten wurde in Einzelfällen als Verletzung des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb angesehen. 2 3 Einem gewerblichen Persönlichkeitsrecht bzw. Individualrecht als „sonstigem Recht" i. S. d. § 823 Abs. 1 B G B versagte das Reichsgericht bis zum Erlaß des novellierten U W G die Anerkennung. 2 4 Da die Theorie der Persönlichkeits- bzw. Individualrechte nach Ansicht des Reichsgerichts „bisher noch nicht zur Abklärung und 20 So bspw. für Fälle der Aussperrung von Konkurrenten der hier schon erwähnte RGZ 48, 114; weiterhin RGZ 57,418,60,103,64,61; des Boykotts RGZ 51,385; 56,278; 57,427; 60, 104; 64,53,66,379; des sog. Schleuderns von Ware, RGZ 63,394. Siehe auch eine Auflistung von Fällen bei Greiner (wie Teil 1, Fn. 248), 98 ff. 21 Beispielsweise Verurteilung gem. § 826 BGB wegen Anpreisung von Ware durch wissentlich unwahre Angaben, auch wenn § 3 UWG nicht gegeben ist, Urteil des OLG Hamburg vom 4. März 1904, UnlW4 (1904/05), lf.; wegen Herabsetzung eines Konkurrenten, auch wenn §§ 1 und 6 UWG nicht gegeben sind, Urteil des RG v. 21. Oktober 1904, UnlW 4 (1904/05), 23 f.; zum Verrat eines Fabrikgeheimnisses nach Ende des Dienstverhältnisses RGZ 65, 333. 22 Vgl. RGZ 48, 114; 58, 24. 23 Als ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb wurde beispielsweise die Behauptung gewertet, daß beim Kläger die deutsche Hausfrau... nicht wahrhaft gut und solid bedient werde, vgl. Urteil des Reichsgerichts v. 21. Oktober 1904, UnlW 4 (1904/05), 24, das auch §826 BGB für einschlägig hielt; Baumbach/Hefermehl (wie Einleitung, Fn. 5), Rz. 115, weist darauf hin, daß ein solcher Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbetrieb nur in knapp einem Drittel der ca. 130 Entscheidungen des RG bejaht wurde. 24 Zu den Befürwortern eines Persönlichkeitsrechts als absolutes Recht im Erwerbsleben mit dem Inhalt, daß der Gewerbetreibende ein Recht hat, sich Kundschaft zu verschaffen, Adolf Lobe, Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Leipzig 1896,5 f.; ders. (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 1, 183, 402; Albert Osterrieth, Lehrbuch des gewerblichen Rechtschutzes, Leipzig 1908, 8, 12, 403 f.; Michael Martin Kohler (wie Teil 1, Fn. 158), 18; auch E. Müller, Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, 4. Aufl., Fürth 1904,8 ff., 22; der ein Persönlichkeitsrecht als natürliches Recht mit vermögensrechtlicher Bedeutung annimmt. Vom Grundsatz der Gewerbefreiheit, demzufolge das Recht zu beliebiger wirtschaftlicher Erwerbstätigkeit Ausfluss der privatrechtlichen Persönlichkeit ist, gehen aus Pinner, Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Berlin 1903, 1 ff.; auch Paul Bauer, Der unlautere Wettbewerb und seine Behandlung im Recht, München 1902, 11 f., der Kohlers Lehre als allgemein anerkannt bezeichnet; weiterhin Schmitz, Was ist concurrence déloyale?, UnlW 1 (1901/02), 18; ferner Marcus, Kann von dem nach § 1 UWG Schadensersatzpflichtigen der Verletzte die Herausgabe des durch die Zuwiderhandlung gemachten Gewinns verlangt werden?, UnlW 3 (1903/04), 87, nach dem das Recht auf ungestörten Erwerb ein Immaterialgut ist; vgl. auch Christian Finger, Das Reichsgesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs v. 7. Juni 1909,3. Aufl., Berlin 1910,6ff.

10. Kap.: Die Entstehungsgeschichte der sog. großen Generalklausel

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Anerkennung" gelangt war, stelle sie auch keine hinreichende Grundlage für eine Anwendung des § 823 BGB dar, dessen „Begrenzung... eine völlig unsichere würde ... u 2 6 . Der Vorschlag, mittels § 823 Abs. 1 BGB einen generalklauselartigen, insbesondere auch bei fahrlässigem Verhalten einzuräumenden Schutz dieser Rechte vor unlauterem Wettbewerb zu gewähren, wurde von der Rechtsprechung demnach nicht aufgegriffen und blieb für die Praxis weitgehend bedeutungslos.27 Bald sah man zudem in der Anwendung von § 823 Abs. 2 BGB eine weitere Möglichkeit, den Rechtsschutz zu erweitern. 28 Insbesondere im Fall der Verletzung der §§5 und 10 UWG bot das BGB die Möglichkeit einer zusätzlichen zivilrechtlichen Haftung. 29 Für die Ausgestaltung des Rechtsschutzes aufgrund von Vorschriften des BGB war ferner folgende richterliche Rechtsfortbildung von besonderer Bedeutung: Das Reichsgericht gewährte bald in ständiger Rechtsprechung beim Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der §§ 823 ff. BGB nicht nur einen Schadensersatzanspruch, sondern auch einen Unterlassungsanspruch, wenn weitere Eingriffe zu besorgen waren. Begründet wurde dies gerade im Hinblick auf § 826 BGB damit, daß der Unterlassungsanspruch schon im UWG mehrfach zugelassen und aufgrund des inneren Zusammenhangs und des gleichheitlichen Zwecks der Vorschriften des UWG und des § 826 BGB als gerechtfertigt anzusehen sei.30 Der Anspruch auf Abwehr von Schädigungen sei in § 826 BGB der Sache nach mit enthalten, auch wenn nur die Schadensersatzpflicht ausdrücklich erwähnt sei.31 Die praktische Bedeutung dieser Rechtsprechung wird angesichts der verbreiteten Meinung deutlich, die den Unterlassungsanspruch schon im Rahmen des UWG als unverzichtbare Waffe im alltäglichen Kampf gegen den unlauteren Wettbewerb ansah.32 25

RGZ 51, 373. RGZ 51, 373. 27 Auch in den Verhandlungen der Reichstagskommission wurde geäußert, daß durch unlauteren Wettbewerb das immaterielle Rechtsgut der ungehinderten Ausübung einer Erwerbstätigkeit und das Recht auf Kundschaft verletzt werde; vgl. Bericht der 35. Kommission, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12.Leg., l.Sess. 1907/09, Aktenstück Nr. 1390, 8436; dieser Anschauung wird jedoch mit dem Hinweis auf die Ablehnung der Konstruktion durch die Rechtsprechung und der Ansicht, daß dieser Gedanke daher nicht das UWG beherrschen dürfe, widersprochen, ebd. 28 Vgl. hierzu Greiner (wie Teil 1, Fn. 248), 104f. Zur Entwicklung der Voraussetzungen eines Schutzgesetzes i. S. d. § 823 Abs. 2 BGB vgl. Baumbach/Hefermehl (wie Einleitung, Fn. 5), Einl.Rz.342. 29 Greiner (wie Teil 1, Fn.248). 30 RGZ 48,114, 119ff, insbesondere ohne Analogie zu 1004 BGB; s. a. RGZ 56, 271. 31 RGZ 48,120. 32 Vgl. hierzu schon die Ausführungen in der Sachverständigenkommission zum UWG von 1896, Protokolle der Sachverstândigen-Enquête, Reichsamt des Innern, BArch. 1501/7684, Bl. 50. 26

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Teil 3: Wirkung und Erneuerung des UWG

II. Schutz vor unlauterem Wettbewerb durch U W G und BGB: das Schutzkonzept des U W G von 1896 in der Kritik Im Rahmen der kritischen Beurteilung von Inhalt und Wirkung des Gesetzes wurde das Für und Wider einer allgemeinen Bestimmung noch vor der Einführung des BGB erneut diskutiert. So wurden Stimmen laut, die beklagten, daß aufgrund der Spezialisierung der Tatbestände nur eine ungenügende Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs möglich sei33 bzw. daß das unlautere Verhalten im Erwerbsleben neue, mittels des UWG nicht zu bekämpfende Wege gehe.34 Diesen Aussagen standen jedoch Stellungnahmen gegenüber, die ihre Kritik ausdrücklich nicht auf die inhaltliche Ausgestaltung des Schutzes bezogen, sondern das Gesetz selbst als ausreichend empfanden und nur die Anwendung bzw. Interpretation kritisierten. 35 Ein allgemeiner Ruf nach Aufnahme einer Generalklausel in das UWG kann für die Zeit vor Einführung des BGB mitsamt des generalklauselartig gefaßten § 826 BGB daher nicht konstatiert werden, und von einer baldigen Erkenntnis der Fehlerhaftigkeit des Vorgehens mittels Einzelfallbestimmungen kann nicht gesprochen werden. 36 Vielmehr stießen die mit der Einführung des BGB einsetzende Rechtsprechung und die damit einhergehende Umsetzung des Schutzkonzeptes des Gesetzgebers des UWG von 1896 in der Wirtschaft und in der Literatur auf Zustimmung.37 Vereinzelt wurden gegen die Art und Weise der Umsetzung dieses Konzepts jedoch auch Einwände erhoben. Kritisiert wurde, daß § 826 BGB in subjektiver Hinsicht vom Nachweis des Vorsatzes abhängig sei und nicht auch bei Fahrlässigkeit eingreife. 38 Die Befürworter der Anerkennung eines Individual- bzw. Persönlichkeitsrechts im Wettbewerb als „sonstiges Recht" i. S. d. § 823 I BGB bemängelten die abwei33 Greiner (wie Teil 1, Fn. 248), 91, spricht ohne weitere Nachweise von einer solchen Stimmung um die Jahrhundertwende in Deutschland. 34 Paul Schmid , Die Wirkung des deutschen Reichsgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, GRUR 5, 1900, 253. 35 Ludwig Fuld, Das Gesetz über den unlauteren Wettbewerb in der Praxis, GRUR 2 (1897), 58 f.; Hermann Roeren, Die Wirkungen des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, GRUR 4 (1899), 171; vgl. auch Poeschi, Die Praxis des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Berlin 1903, 5, der für eine Erweiterung des Gesetzes jedoch gegen die Aufnahme einer Generalklausel ist. 36 So aber Greiner (wie Teil 1, Fn. 248), 89ff.; Volleth (wie Teil 1, Fn. 164), 57. 37 M. Wassermann, Der § 826 BGB als Mittel zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, UnlW 2 (1902/03), 48 ff.; Bericht über den Kongress für gewerblichen Rechtsschutz, Hamburg 5.-7. Mai 1902, in: GRUR 7 (1902), 176. 38 Lobe (wie Teil 1, Fn. 171) Bd. 1,141; Christian Finger, Reichsgesetz zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896, nebst dem Rechte am Namen (§ 12 BGB) und § 826 BGB, 2. Aufl., Berlin 1907,6f., 374.

10. Kap.: Die Entstehungsgeschichte der sog. großen Generalklausel

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chende Rechtsprechung des Reichsgerichts.39 Darüber hinaus wurde beklagt, daß den Rechtsbehelfen des BGB zum Schutz des Wettbewerbs nicht die Vorteile der Rechtsbehelfe nach dem UWG zustünden. So konnten parteifähige Verbände nur nach dem UWG zur Förderung der gewerblichen Interessen unabhängig von dem Nachweis einer eigenen Schädigung Ansprüche geltend machen. Auch die erleichterte Geltendmachung einstweiliger Verfügungen und die Veröffentlichungsbefugnis nach § 13 UWG waren bei einem Vorgehen nach dem BGB nicht vorgesehen.40 Abgesehen von dem Wunsch nach Anerkennung eines Persönlichkeitsrechts beschränkte sich die vereinzelte Kritik vor allem darauf, daß § 826 BGB Vorsatz voraussetzte und daß die Vorschriften des BGB nicht den im UWG vorgesehenen Erleichterungen unterlagen. Wurden konkrete Vorschläge zu einer Verbesserung des UWG gemacht, zielten diese wiederum auf eine generalklauselartige zivilrechtliche Erweiterung des UWG ab. So wurde vorgeschlagen, die Fassung des § 1 UWG gegen Reklameschwindel durch Aufnahme des Begriffs des unlauteren Wettbewerbs in den Tatbestand weiter zu fassen. 41 Ein anderer Vorschlag sah die Aufnahme einer allgemeinen Bestimmung vor, die Verstöße gegen den geschäftlichen Anstand oder Treu und Glauben ahnden sollte. 42 Daneben wurde sogar die Erweiterung des UWG um eine strafrechtliche Generalklausel gefordert. 43 Den Stellungnahmen der Interessenverbände, der Literatur und sonstigen öffentlichen Reaktionen war demnach keine einhellige, insbesondere keine einhellig negative Beurteilung des bisherigen Schutzkonzeptes aus UWG und BGB zu entnehmen. Vielmehr wurden nur einige Stimmen laut, die eine Generalklausel forderten oder das Schutzkonzept ablehnten. Die vergleichsweise geringe Aufmerksamkeit, die der Frage des Schutzkonzeptes zuteil wurde, läßt eher auf eine Akzeptanz des gesetzgeberischen Vorgehens und der Umsetzung durch die Rechtsprechung schließen. Dieser Erkenntnis stehen Äußerungen von Abgeordneten im Reichstag gegenüber, die zu verschiedenen Gelegenheiten in den ersten Jahren nach Einführung des BGB eine Erweiterung des Gesetzes forderten, wobei auch der Wunsch nach einer 39 Ausführliche Zusammenstellung der Rechtsprechung zum Persönlichkeitsrecht bei Lobe (wie Teil 1, Fn. 171), Bd. 1, 142 f. und Anhang II, 455 ff., sowie Stellungnahmen der Literatur zu Persönlichkeitsrecht und unlauterem Wettbewerb, Anhang 1,423 ff. 40 Schneider, Das Recht auf den Namen „Sparkasse", UnlW 2 (1902/03), 118; Greiner (wie Teil l,Fn.248), 115f. 41 So die Änderungsvorschläge einer im Auftrag des Bundes der Handel- und Gewerbetreibenden eingesetzten Sachverständigenkommission, in Poeschi (wie Fn. 35), 213. 42 Hermann Roeren/Julius Bachem, Der österreichische Gesetz-Entwurf gegen unlauteren Wettbewerb, UnlW 1 (1901/02), 50. Die Verfasser bezogen sich dabei nur indirekt auf den deutschen Rechtskreis. Sie hielten eine Generalklausel grundsätzlich für wünschenswert, stellten jedoch den Schutz durch Einzelfallbestimmungen nicht grundsätzlich in Frage. Anders Greiner (wie Teil 1, Fn. 248), 123, der diesen Vorschlag als Wunsch nach Einführung einer Generalklausel in Deutschland weitet. 43 Hugo Lissauer, Der Begriff „unlauterer Wettbewerb" UnlW 2 (1902/03), 102f.

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Teil 3: Wirkung und Erneuerung des UWG

allgemeinen Bestimmung an der Spitze des Gesetzes geäußert wurde. 44 Dieser Widerspruch zu den Stellungnahmen aus Literatur und Wirtschaft erscheint erklärungsbedürftig. Zwei Begründungen bieten sich an: Erstens könnten die Forderungen der Abgeordneten auf eine tatsächliche Unzufriedenheit von Teilen der Wirtschaft mit dem Schutzkonzept aus UWG und BGB zurückzuführen sein. Die insgesamt zahlreichen Stellungnahmen in Zeitschriften und in der Literatur ermöglichen jedoch eine recht präzise Kenntnis der Ansichten der Interessenvertretungen der Handel- und Gewerbetreibenden zum UWG von 1896. Trotz zahlreicher Einwände der Wirtschaft gegen das UWG von 1896 insgesamt fehlten über die genannte Kritik hinaus ablehnende Reaktionen. Es erscheint daher unwahrscheinlich, daß die Abgeordneten Wünsche der Wirtschaft in dieser Hinsicht wiedergaben. Begründet werden können die Stellungnahmen der Abgeordneten aber - zweitens - mit einer Vorgehensweise, die schon während der Gesetzgebungsarbeiten zum UWG von 1896 zu erkennen war. Allgemeiner Unmut über die gegebene Situation, insbesondere auch über die Wirkung des UWG in einzelnen Wirtschaftszweigen führte zu konkreten Forderungen nach Schutzerweiterung durch die Abgeordneten, die sich als politische Vertreter der betroffenen Handel- und Gewerbetreibenden sahen. Die politischen Forderungen gaben dabei nur sehr unpräzise die eigentlichen Wünsche der Handel- und Gewerbetreibenden wieder. Die Forderung nach einer Generalklausel durch die Abgeordneten erscheint demnach mangels einer wissenschaftlich nachgewiesenen oder von der Wirtschaft mehrheitlich geforderten Notwendigkeit vor allem als Interessenpolitik. Die Wahlergruppe, deren Interessen man hier wahrzunehmen gedachte, war der sog. Mittelstand. Dieser, hier verstanden als die kleinen und mittleren Handel- und Gewerbetreibenden, stellte naturgemäß ein großes Wahlerpotential dar. Er wurde schon 1896 als durch den unlauteren Wettbewerb besonders geschädigt dargestellt, und er wurde auch während der Geltung des Gesetzes fortwährend erwähnt. So nahmen verschiedene Parteien die Abänderungswünsche in ihre Mittelstandsprogramme auf. 45

I I I . Die Einführung der „großen" Generalklausel 1. Die Diskussion um die sog. große Generalklausel in den Entwürfen von 1907 und 1909 Angesichts dieses uneinheitlichen Bildes, das die Äußerungen zum Schutzkonzept von UWG und BGB vermitteln, erscheint es folgerichtig, daß der von Seiten der 44 So Abg. Gröber, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 11 .Leg., 1 ,Sess. 1900/03, 3287; ähnlich Abg. Dove , ebd., 3283; vgl. weitere Nachweise bei Greiner (wie Teil 1, Fn. 248), 130 f. 45 Volleth (wie Teil 1, Fn. 164), 64.

10. Kap.: Die Entstehungsgeschichte der sog. großen Generalklausel

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Reichsregierung den Sachverständigen am 15. und 16. Februar 1907 vorgelegte Fragebogen die Frage enthielt, ob ein Bedürfnis bestehe, den zivilrechtlichen Schutzbereich des Gesetzes durch eine Generalklausel über den Begriff des unlauteren Wettbewerbs zu erweitern. 46 Für das oben gefundene Ergebnis, daß die.einzelnen Interessengruppen und die Literatur eine Generalklausel nicht als notwendig betrachteten, spricht auch die Erkenntnis der Sachverständigen, man sehe kein Bedürfnis nach einer solchen Generalklausel im Rahmen des Wettbewerbsgesetzes. Begründet wurde diese Auffassung vor allem mit dem ihrer Ansicht nach ausreichenden Rechtsschutz durch §826 BGB und der systematischen Erwägung, daß die Wiederholung eines allgemeinen Rechtssatzes in einem Spezialgesetz als überflüssig, ja als schädlich anzusehen sei. 47 Daß die Sachverständigen die Kritik an dem bestehenden Schutzkonzept dennoch kannten, zeigt sich an den Änderungen, die man beschloß. Der Einwand, daß den Rechtsbehelfen des BGB zum Schutz des Wettbewerbs nicht die Vorteile der Rechtsbehelfe des UWG zugute kämen, wurde aufgegriffen. In einem neuen §5 des Vorläufigen Entwurfs wurde für den Fall der Gewährung eines Unterlassungsanspruches gegen eine Wettbewerbshandlung gemäß § 826 BGB bestimmt, daß die erwähnten Vorteile der Ansprüche aus dem UWG, wie die Aktivlegitimation für Verbände zur Förderung gewerblicher Interessen, die Erleichterung für den Erlaß einstweiliger Verfügungen sowie die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung eines Urteils, auch im Rahmen des § 826 BGB Anwendung finden sollten. 48 Dem neben dem Vorsatzerfordernis des § 826 BGB wesentlichen Einwand gegen das Schutzkonzept von UWG und BGB wurde demnach abgeholfen. Die öffentliche Kritik an dem auf diese Weise veränderten Vorläufigen Entwurf verlief in den bisherigen Bahnen. Während man einerseits den Schutzumfang durch UWG und § 826 BGB für ausreichend erachtete 49, wurde von anderer Seite erneut 46

Fuld (wie Teil 2, Fn.485), 14. Erläuterungen zum Vorläufigen Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Abänderung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbes vom 27. Mai 1896, abgedruckt in MuW 7 (1907/08), 51 ff., 56. 48 § 5 lautete: „Wird aufgrund des § 826 BGB wegen einer zu Zwecken des Wettbewerbes vorgenommenen Handlung, die gegen die guten Sitten verstösst, der Anspruch auf Unterlassung der Handlung geltend gemacht, sofinden in Ansehung des Erlasses einstweiliger Verfügungen und der öffentlichen Bekanntmachung des Urteils die Vorschriften des § 4 und des § 21 Abs. 4 Anwendung. Zur gerichtlichen Geltendmachung des Anspruchs sind, außer dem durch die Handlung Verletzten, auch die im § 1 Abs. 1 bezeichneten Verbände befugt". § 4 entsprach dem § 3 des UWG von 1896, § 21 Abs. 4 entsprach § 13 Abs. 4 des UWG von 1896 und § 1 Abs. war unverändert. 49 So Paul Schmid, Die Revision des Wettbewerbsgesetzes, MuW 7 (1907/08), 77ff., 81 und Christian Finger, Die Abänderungen des Wettbewerbsgesetzes, MuW 7 (1907A)8), 93; Handelskammer zu Mainz, MuW 7 (1907/08), 129f. 47

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die Einführung einer allgemeinen Generalklausel gefordert. 50 Im übrigen wurde kritisiert, daß § 5 nur § 826 BGB nenne und nicht auch § 823 f. BGB. 5 1 In der ersten Reichstagslesung vom 25.1.1909 fand der Entwurf grundsätzlich eine positive Aufnahme. Während die Sachverständigen im Ergebnis keine Generalklausel im Rahmen des UWG für nötig hielten und die Ansichten in der Öffentlichkeit weiterhin geteilt waren 52, bot sich im Reichstag das bekannte Bild. Man forderte eine Generalklausel, da das bisherige System mit der Beschränkung von § 826 BGB auf vorsätzliches Handeln mangelhaft sei. 53 Diesen Forderungen gegenüber wurden Stimmen laut, die bezweifelten, ob die deutsche Rechtsprechung den Anforderungen, die eine allgemeine Bestimmung an sie stellen werde, gerecht werden könne. 54 Es wurde befürchtet, daß auch der lautere Wettbewerb in der Folge Einschränkungen zu erwarten habe. An der Ansicht der Mehrheit vermochten diese Äußerungen nichts mehr zu ändern. 2. Der Entwurf der Reichstagskommission und das U W G von 1909 Die Diskussion um die Einführung einer Generalklausel stand auch im Mittelpunkt der beiden Kommissionsverhandlungen, wobei die Frage der Notwendigkeit einer Generalklausel zu Beginn nur kurz behandelt und bei nur einer Gegenstimme zugunsten einer solchen beantwortet wurde. 55 Bezeichnend für die Bedeutung dieser Frage ist die Bemerkung des gegen die Einführung einer Generalklausel stimmenden Kommissionsmitglieds: Der Beschluß für eine Generalklausel sei kein Grund, gegen das ganze Gesetz zu stimmen.56 Hier zeigt sich zum Einen, daß die Stimmung in Reichstag und Kommission grundsätzlich auf eine deutliche Ausweitung des Schutzes abzielte. Zum Anderen wird deutlich, daß dieser Frage im Vergleich zu 1896 keine grundlegende Bedeutung mehr zukam. Die Diskussion wurde mit wesentlich geringerer Schärfe geführt als noch während der Gesetzgebungsarbeiten zum UWG von 1896. Grund hierfür 50 Martin Wassermann, Die Novelle zum Wettbewerbsgesetz, MuW 7 (1907/08), 69ff., des weiteren die Handels- und Gewerbekammer für Schwaben und Neuburg, MuW 7 (1907/08), 128; Handelskammer zu Frankfurt a.M., MuW 7 (1907/08),206. 31 Siehe Greiner (wie Teil 1, Fn.248), 141 mwN. 32 Den Entwurf positiv wertend, Birkenbihl, Deutsche Juristenzeitung 1909, 239ff.; eine Generalklausel fordernd, Adolf Lobe, Der Entwurf eines Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, MuW 8 (1908/1909), 121ff.; Brauweiler, Empfiehlt es sich, in das Gesetz zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs eine Generalklausel aufzunehmen? MuW 8 (1908/1909), 148 ff. 53 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12.Leg., l.Sess. 1907/09,6547. 34 Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 6527; dem widersprochen, ebd. 6531 ; 6537. 33 Bericht der 35. Kommission, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12. Leg., l.Sess. 1907/09, Aktenstück Nr. 1390,8434ff. 56 Bericht der 35. Kommission, ebd.

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war, daß die Bedenken, die deutschen Richter wären nicht in der Lage, mittels einer Generalklausel zu einer den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht werdenden Rechtsprechung zu finden, angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung zu § 826 BGB fallen gelassen wurden. Eigentlich hätte daraus jedoch die Folge gezogen werden müssen, das Schutzkonzept habe sich bewährt. Die Mehrheit des Reichstages und der Kommission sah darin aber einen Beweis, daß die Rechtsprechung in der Lage sein werde, mit einer Generalklausel im UWG umzugehen. Deutlich wird daher, daß man schlicht eine Generalklausel im UWG sehen wollte. Gegen eine Generalklausel im UWG sprach somit nur noch der systematische Aspekt, daß bei Einführung einer weiteren Generalklausel neben § 826 BGB die Gefahr unterschiedlicher Interpretationen ähnlicher Bestimmungen bestehe.57 Diese Gefahr wurde allerdings nicht als schwerwiegend angesehen. Die allgemeine Stimmung in Reichstag und Kommission für eine Generalklausel konnte dieser Umstand nicht mehr beeinflussen. 58 Schwieriger gestaltete sich die Formulierung des Tatbestandes der Generalklausel. Ausgangspunkt aller Erwägungen war dabei in der Kommission § 826 BGB und dessen Begriff der guten Sitten. 59 Diskutiert wurde vor allem, ob die Generalklausel nur einen Unterlassungsanspruch oder auch einen Schadensersatzanspruch enthalten sollte 60 oder ob im Hinblick auf § 826 BGB auf letzteren verzichtet werden könne.61 Die Mehrheit war überzeugt, daß beide Ansprüche aus logischen Gesichtspunkten zusammengehörten62 und daß die Befürchtung einer nachteiligen Auslegung durch die Gerichte und einer Gefahr der mißbräuchlichen Anwendung durch Konkurrenten aufgrund der überzeugenden Praxis der Gerichte nicht berechtigt sei.63 Somit wurde beschlossen, beide Ansprüche im Rahmen der Generalklausel zu regeln. Auch hier tritt das im Vergleich zu den Beratungen zum UWG von 1896 gewandelte Vertrauen in die Rechtsprechung zu Tage. Während eines der Leitmotive des früheren Gesetzes die Sorge vor einer fehlerhaften Auslegung durch die Gerichte gewesen war, so diente jetzt der Mehrheit der Kommission die Rechtsprechung als Argument für eine Generalklausel. 57

Sten. Ber. der Verhandlungendes Reichstages, 12.Leg., l.Sess. 1907/09, 6527. Beachte auch die Ansicht des Vertreters des Reichsjustizamtes, der in der Kommission äußerte, daß einer Aufnahme des Prinzips des § 826 BGB in das UWG keine wesentlichen Bedenken entgegenstehen, Bericht der Kommission, (wie Fn. 55), 8435 f. 59 Alle Vorschläge enthielten den Begriff der guten Sitten, teilweise mit Bezugnahme auf § 826 BGB. Lediglich Drucksache Nr. 1 Ziffer 1, der eine Erweiterung der Generalklausel gegen Reklameschwindel vorsah, schlug anstelle der guten Sitten vor: „Wer in Handel und Verkehr sich unlauterer Handlungsweise bedient, insbesondere...", siehe Bericht der Kommission (wie Fn. 55), 8434. 60 So Drucksachen Nr. 2 Ziffer 1 und Nr. 6, Bericht der Kommission, (wie Fn. 55), 8434. 61 So Drucksachen Nr. 1 Ziffer 1, Nr. 4, Ziffer 1 und der Vertreter des Reichsjustizamtes, Bericht der Kommission (wie Fn.55), 8434 f. 62 Bericht der Kommission (wie Fn.55), 8436. 63 Bericht der Kommission (wie Fn.55), ebd. 58

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Teil 3: Wirkung und Erneuerung des UWG

Des weiteren wurde über die subjektiven Erfordernisse einer solchen allgemeinen Bestimmung gestritten. Einvernehmen bestand dahingehend, daß der Unterlassungsanspruch bei einem Verstoß gegen die guten Sitten ohne Vorsatz oder Fahrlässigkeitsnachweis zu gewähren sei, um dem Einwand gegen § 826 BGB gerecht zu werden. 64 In der ersten Lesung wurde demgemäß beschlossen, als neuen § 1 eine Generalklausel einzuführen, mitsamt einem Unterlassungsanspruch in der erwähnten Form und einem bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu gewährendem Schadensersatzanspruch. 65 Die Befürchtung der Regierungsvertreter, daß diese Erweiterung gegenüber § 826 BGB die Gefahr der schikanösen Ausnutzung durch Konkurrenten enthalte, konnte die Mehrheit nicht überzeugen.66 In der Folge stand zur Debatte, ob die Einführung einer Generalklausel nicht die Einzelfallbestimmungen überflüssig mache. Die Mehrheit Schloß sich jedoch der Ansicht an, daß der Begriff der Sittenwidrigkeit durch die Aufführung von Fallbeispielen eine richtungsweisende Auslegung erhalte und diese gleichzeitig eine Warnfunktion erfüllten. Im übrigen sei es nicht wünschenswert, wenn durch Streichung der Einzelfallbestimmungen die bisherige Literatur und Rechtsprechung überflüssig würden. 67 In der zweiten Lesung schließlich wurde beantragt, die Generalklausel neu zu fassen und ihrem Absatz 1 folgenden Wortlaut zu geben:68 „Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch genommen werden." 64

Bericht der Kommission (wie Fn. 55), ebd.; Im übrigen wurde erörtert, wie der Kreis der Klageberechtigten zu fassen sei. Man entschloss sich dabei, in zweiter Lesung einen § 10b einzufügen, nach welchem die Klageberechtigung entsprechend dem § 23 des Entwurfs gefaßt wurde. Zusätzlich wurde in § 10 b III bestimmt, den Unterlassungsanspruch gemäß der Generalklausel auch gegen den Inhaber eines Geschäftes zu gestatten, wenn ein Angestellter oder Beauftragter eine entsprechende Handlung vornimmt, ebd., 8468. Der § 5 des Entwurfs von 1907 wurde in der Folge für überflüssig gehalten und gestrichen. 65 § 1 lautete nach den Beschlüssen 1. Lesung: „Wer im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs Handlungen vornimmt, die gegen die guten Sitten verstoßen, kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden. Dieser Anspruch kann von jedem Gewerbetreibenden, der Waren oder Leistungen gleicher oder verwandter Art herstellt oder in den geschäftlichen Verkehr bringt, oder von den Verbänden zur Förderung gewerblicher Interessen geltend gemacht werden, soweit die Verbände als solche in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten klagen können. Neben dem Anspruch auf Unterlassung haben die vorerwähnten Gewerbetreibenden auch Anspruch auf Ersatz des durch die Handlung verursachten Schadens gegen denjenigen, welcher die Handlung vorgenommen hat, falls dieser die Entstehung des Schadens voraussah oder voraussehen mußte". 66 Ebd., 8436f. 67 Bericht der 35. Kommission (wie Fn.55), 8473. 68 Antrag Drucksache Nr. 37 Ziffer 1, vgl. Bericht der Kommission, Bericht der Kommission, (wie Fn.55), 8458.

10. Kap.: Die Entstehungsgeschichte der sog. großen Generalklausel

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Diese Fassung wurde von der Mehrheit der Kommission angenommen. Im Reichstag wurde diese Fassung des § 1 des Kommissionsentwurfs nur noch redaktionell geändert und im übrigen parteiübergreifend angenommen.69 In den Reichstagsdebatten bestätigte sich erneut, daß man im Gegensatz zu 1896 mehrheitlich nun dem Richter die Bewältigung des Schutzes des Wirtschaftslebens vor unlauterem Wettbewerb mittels einer Generalklausel zutraute. 70 Dies galt allerdings in dieser Eindeutigkeit nur für die Frage der Generalklausel.

IV. Zusammenfassung Dem Konzept des UWG von 1896, mittels dieses UWG und dem BGB den lauteren Wettbewerb ausreichend zu schützen, war keine dauerhafte Geltung beschieden. Starke, auf eine Schutzerweiterung ausgerichtete Tendenzen im Parlament führten zur Einführung einer Generalklausel als § 1 des UWG von 1896. Die Initiative zur Schaffung der Generalklausel trug Züge von Interessenpolitik. Daneben spielte die Beschränkung des § 826 BGB auf Vorsatz eine Rolle für die Aufgabe des ursprünglichen Schutzkonzeptes. Zugleich stieß die Rechtsprechung zu §826 BGB auf Zustimmung und stärkte die Ansicht, daß die Gerichte eine Generalklausel im UWG bewältigen könnten. Die Einschätzung des Gesetzgebers von 1896, daß sein Schutzkonzept auf Zustimmung der Wirtschaft stoßen würde, hatte sich demnach nicht als falsch erwiesen. Die Lückenhaftigkeit des UWG, die der Gesetzgeber ja durchaus beabsichtigt hatte, machte das Gesetz jedoch angreifbar für politisch motivierte Bestrebungen nach Schutzerweiterungen. Zudem hatte der Gesetzgeber von 1896 die Bedeutung des fehlenden Vorsatzerfordernisses in § 826 BGB unterschätzt. So gesehen war dieses Konzept gescheitert. Zieht man jedoch den Grundgedanken des Gesetzgebers von 1896 in Betracht, daß ein erster zurückhaltender Schritt in der Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs getan werden sollte, hatte sich das Konzept in der Phase seiner Geltung bewährt und wurde durch ein neues, von der Mehrheit im Reichstag für besser erachtetes Konzept ersetzt. Die Frage, ob es der Rechtsprechung, ähnlich wie in Frankreich, gelungen wäre, einen vergleichbaren Schutz für den Wettbewerb aus dem BGB und damit dem bestehenden Schutzkonzept heraus zu entwickeln, muß dementsprechend offen bleiben.

69 Siehe Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12.Leg., l.Sess. 1907/09, 8496ff.; § 1 II des Kommissionsentwurfs, der §4 des UWG von 1896 entsprach und die Anwendbarkeit der Bestimmungen des Gesetzes auf landwirtschaftliche Waren und Leistungen erstreckte, wurde lediglich abgetrennt und als § 2 des UWG von 1909 neu gefaßt. 70 Anders Abg. Müller, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12.Leg., l.Sess. 1907/09, 8498.

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Teil 3: Wirkung und Erneuerung des UWG

11. Kapitel

Die irreführende Werbung und der Sonderfall des Ausverkaufsschwindels, (§§ 1 - 4 U W G von 1896) Den Vorschriften gegen irreführende Werbung (§§ 1-4 UWG) kam während der Geltung des UWG von 1896 die größte praktische Bedeutung zu. 71 Die daraus resultierende aufmerksame Beurteilung der Wirksamkeit der §§ 1 und 4 UWG durch Fachliteratur, Interessenverbände und Politik in den folgenden Jahren läßt ohne weiteres den Schluß zu, daß das Schicksal des UWG von 1896 durch den Erfolg von Inhalt und Auslegung dieser Vorschriften und vor allem durch die Kritik daran entschieden wurde.

I. Rechtsprechung und Literatur zu §§ 1-4 UWG: ein Überblick 1. Rechtsprechung und Literatur zum Tatbestandsmerkmal „Anlaß oder den Zweck des Verkaufs" Für das Urteil der Öffentlichkeit über das UWG war insbesondere die Eignung der §§ 1 und 4 UWG im Kampf gegen Aus Verkaufsschwindel von Bedeutung. Der Gesetzgeber hatte mit der Normierung der Worte „Anlaß oder den Zweck des Verkaufs" in den Tatbeständen der §§ 1 und 4 UWG vor allem eine Bekämpfung des Ausverkaufsschwindels bezweckt. Als Ausverkauf sollte der Definition des Gesetzes von 1896 gemäß nur eine „Veräußerung der vorhandenen Vorräte zum Zwecke der Beendigung, sei es des Geschäftsbetriebs im ganzen, sei es des Verkaufs einer gewissen Warengattung" gelten.72 Ankündigungen wie „Reiseausverkäufe" oder „Ausverkauf von Einsegnungsgarderobe" sollten so beispielsweise ausgeschlossen werden. Ein Ausverkauf war demnach der Verkauf von Ware unter dem üblichen Preis aufgrund von Geschäftsaufgabe, Aufgabe einer Warengattung, ζ. B. wegen saisonaler Besonderheiten oder aufgrund von Not- oder Ausnahmesituationen, z.B. wegen eines Konkurses. Ausverkäufe hatten sich in den Jahren nach der Reichsgründung in Deutschland zu einer wesentlichen Vertriebsmethode in zahlreichen Geschäftsbereichen entwik71

Nach Ansicht von Roeren (wie Fn. 35), 170 befaßten sich 90 % der aufgrund des UWG geführten Prozesse mit den Vorschriften gegen den Reklameschwindel; Volleth (wie Teil 1, Fn. 164), 47, und Schmid (wie Fn. 34), 255, stellen fest, daß diese Vorschriften die größte praktische Relevanz aller Bestimmungen des UWG hatten. 72 Erläuterungen (wie Fn.47), 60.

11. Kap. : Die irreführende Werbung und Ausverkaufsschwindel

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kelt, und ihnen wurde eine große Werbewirkung auf das Publikum zugesprochen.73 Zu manchen Jahreszeiten schien den Zeitgenossen die im Wege des Ausverkaufs abgesetzte Warenmenge größer als die auf üblichem Wege verkaufte. 74 Nicht nur das schwindelhafte Verhalten der Verkäufer in dieser Beziehung, so beispielsweise durch unwahre Angaben über den Grund eines solchen Verkaufs, sondern auch das Wiederauffüllen des Lagerbestandes, das sog. Nachschieben von Ware, um den Ausverkauf so in die Länge zu ziehen, sollte durch §§ 1 und 4 UWG ausdrücklich getroffen werden. 75 Fuld behauptete in diesem Zusammenhang, das Gesetz habe hier „völlig versagt". 76 Diese Aussage verdient eine genauere Untersuchung. Für die erste Zeit der Geltung bescheinigte man dem Gesetz im Kampf gegen den Ausverkaufsschwindel eine positive Wirkung. 77 Doch schon eines der ersten reichsgerichtlichen Urteile zum UWG setzte dieser positiven Entwicklung ein Ende. Im Urteil vom 21. September 1897 entschied das Reichsgericht, der Begriff des Ausverkaufs sei „nicht ausgeschlossen, wenn im Einzelfalle nach Belegenheit der Umstände sogenannte Nachschiebungen einzelner auszuverkaufender Warenposten in geringem Umfange stattfinden. Maßgebend muß vielmehr sein, ob die Absicht beim Verkäufer obwaltet, durch den Verkauf die Beendigung des von ihm bisher betriebenen Geschäfts im Ganzen oder betreffs der in Betracht kommenden Warengattungen herbeizuführen." 78 Das Urteil betraf einen Fall, in dem ein Berliner Geschäftsmann wegen einer sieben Monate später geplanten Geschäftsverlegung in eine benachbarte Straße seinen Warenbestand im Wege des Ausverkaufs zu günstigen Preisen veräußerte. Er kündigte dabei an, einige Artikel, die er ganz aufzugeben gedachte, zum Selbstkostenpreis zu verkaufen. Im Laufe des Ausverkaufs ersetzte er einzelne, besonders begehrte Artikel in sehr geringer Menge und nur wenige Male, um so den Ausverkauf der anderen weniger begehrten Artikel zu fördern. Ohne diese Maßnahme wäre, wie die erste Instanz unwidersprochen feststellte, der gesamte Ausverkauf unmöglich geworden, da ohne die begehrten Artikel die anderen überhaupt nicht verkauft worden wären. 79 Das Reichsgericht war von der an sich vernünftigen Erwägung geleitet, dort ein Nachschieben von Waren in Einzelfällen und in sehr geringem Umfang für zulässig zu erklären, wo dies den Zweck der zügigen Beendigung des Verkaufs der Waren73 Zur Geschichte der Ausverkäufe nach 1871 vgl. Heiss, Unlautere Ausverkäufe, UnlW 3, (1903/04), 85 ff. 74 Heiss, Unlautere Ausverkäufe, ebd. 75 Siehe die Begründung zum dritten Entwurf des UWG von 1896, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 9.Leg., 4.Sess. 1895/97, Anl.Bd. 1, Nr.35,103.

76

Fuld (wie Teil 2, Fn. 485), 11.

77

Vgl. Poeschi (wie Fn. 35), 155, siehe auch die Erläuterungen zum Entwurf einer Novelle zum Wettbewerbsgesetz (wie Fn.47), 58. 78 RGSt 30,256 ff. 79

Poeschi (wie Fn. 35), 157.

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Teil 3: Wirkung und Erneuerung des UWG

bestände fördern oder erst ermöglichen sollte. 80 Damit sollte aber nicht bezweifelt werden, daß ein Nachschieben von Waren nach Ankündigung eines Ausverkaufs gemäß §§ 1 und 4 UWG weiterhin grundsätzlich unzulässig war. Die Wirkung des Urteils sowohl auf die Wettbewerber als auch auf die unterinstanzlichen Gerichte war nach Ansicht zeitgenössischer Beobachter verheerend. 81 Die Rechtsprechung der Folgezeit zeigt, daß das Urteil dahingehend mißinterpretiert wurde, daß ein Nachschieben nicht grundsätzlich verboten sei. Zudem könne ein Ausverkauf so lange angenommen werden, wie die Absicht zur Geschäftsaufgabe nicht widerlegt sei. Die Behauptung der Ausverkaufenden, es bestünde eine solche Absicht der Geschäftsbeendigung, war in der Regel nicht zu widerlegen. 82 In der Folgezeit bemerkte man dementsprechend eine Zunahme schwindelhafter Ausverkäufe und eine erhöhte Zahl erfolgloser Klagen bzw. von Freisprüchen. 83 Die unterinstanzliche Rechtsprechung stellte beispielsweise fest, daß nur der Ausverkauf strafbar sei, „bei dem der Ausverkäufer regelmäßig oder gelegentlich sein ganzes Warenlager durch Nachschieben neu beschaffter Waaren wieder" ergänze.84 Auf diese Weise konnten Gewerbetreibende, wie das Berliner Warenhaus A. Lubasch ununterbrochen von Pfingsten 1899 bis in das Jahr 1901, über einen langen Zeitraum hinweg einen Ausverkauf wegen baldiger Geschäftsaufgabe veranstalten. 85 Angesichts dessen scheuten die Konkurrenz und die klageberechtigten Verbände der Gewerbetreibenden aufgrund mangelnder Erfolgsaussichten bei einem Vorgehen gegen schwindelhafte Ausverkäufe bald das Prozeßkostenrisiko und ließen es an der Initiative zur Rechtsverfolgung fehlen. Auf dem praktisch wichtigsten Gebiet des UWG nahm somit eine mißverstandene Auslegung durch die Rechtsprechung entgegen den klaren Zielen des UWG samt seiner Begründung dem Gesetz die Wirkung. Der zivilrechtliche Schwerpunkt des Gesetzes konnte sich in einer solchen Konstellation kaum bewähren. Fuld weist darauf hin, daß die Mitbewerber angesichts der Rechtsprechung den Mut und die Lust verloren, gegen das Ausverkaufsunwesen vorzugehen. 86 Auch die strafrechtliche Möglichkeit der Rechtsverfolgung 80 Vgl. hierzu die Ausführungen in den Erläuterungen zum Entwurf einer Novelle zum Wettbewerbsgesetz (wie Fn. 47), 58. Gedacht war hierbei vor allem auch an Fälle, in denen die Nachbestellung zerstörter Gegenstände, beispielsweise von Einzelteilen eines Teeservices, ermöglicht werden sollte, um den Verkauf des gesamten Services zu ermöglichen, vgl. hierzu

Volleth (wie Teil 1, Fn. 164), 53. 81 Poeschi (wie Fn. 35), 161 f.; Fuld (wie Teil 2, Fn.485), 11. 82

Greiner (wie Teil 1, Fn.248), 86. Poeschi (wie Fn. 35), er analysiert umfangreiches Material der Rechtsprechung, um diese These zu stützen. Das Reichsgericht bestätigte seine Rechtsprechung diesbezüglich noch mehrmals, bspw. in seiner Entscheidung vom 15.11.1899 und vom 30. Juli 1902, vgl. Volleth (wie Teil l,Fn. 164), 52f. 84 Poeschi (wie Fn. 35), unter Hinweis auf ein Urteil des Oberlandesgerichts München aus dem 1898. 83

85

86

Poeschi (wie Fn. 35), ebd. Fuld (wie Teil 2, Fn. 485), 12.

11. Kap.: Die irreführende Werbung und Ausverkaufsschwindel

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konnte den Mangel an Rechtsschutz angesichts ihrer Begrenzung auf die Privatklage, die vor allem aus Sorge vor zu zahlreichen Klagen und Denunziationen eingeführt worden war, nicht beheben. Kritiker, die die Fähigkeit des deutschen Richters, gewerbliche Problemstellungen zu erfassen, in Frage gestellt hatten, sahen sich bestätigt. Aber auch der Standpunkt der Regierung, die angesichts der auf diesem Gebiet unerfahrenen Rechtsprechung schon 1896 klare und eng begrenzte Tatbestände gefordert hatte, erwies sich in dieser Phase als richtig. Zudem erhoben sich Klagen gegen Untätigkeit der Staatsanwaltschaft auf dem Gebiet des Ausverkaufsunwesens; sie lehne in der Regel ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung ab.87 Es war somit im Fall des Ausverkaufsschwindels nicht das Gesetz, sondern es waren dessen mangelhafte Auslegung durch die Rechtsprechung infolge einer mißverstandenen reichsgerichtlichen Entscheidung und die Zurückhaltung der Staatsanwaltschaft und der Gewerbetreibenden bzw. der Verbände, die den Bestimmungen gegen irreführende Werbung in den Anfangsjahren die Wirksamkeit nahmen. Dies wurde zunächst auch erkannt. 88 Die Regierung versuchte, allerdings erfolglos, die Staatsanwaltschaften anzuhalten, ihre Befugnisse in größerem Umfang wahrzunehmen.89 Doch schon sehr früh regte sich in Handels- und Gewerbekreisen der Wunsch nach Abänderung des Gesetzes.90 Diesem Begehren der Interessenverbände nahmen sich verschiedene Reichstagsfraktionen an. Das UWG wurde daher in den Jahren zwischen 1899 und 1907 häufig Gegenstand von Reichstagsdebatten. Hierbei festigte 87

Fuld (wie Fn. 35), 58; vgl. auch Poeschi (wie Fn. 35), 163, der diesen Umstand als die

wundeste Stelle des Wettbewerbsgesetzes

bezeichnete.

88

Fuld, (wie Fn. 35), 58; Roeren (wie Fn. 35), 171 stellt fest: „Ich habe alle Entscheidungen, die mir... zur Kenntnis gekommen sind, genau angesehen und... geprüft. Ich kann sagen, daß ich in kaum einem einzigen Falle gefunden habe, daß Wortlaut oder Inhalt des Gesetzes abänderungs- oder ergänzungsbedürftig seien. Die sich vielfach zeigende Unzufriedenheit mit den Erfolgen des Gesetzes hat deshalb nicht ihren Grund etwa in der Mangelhaftigkeit oder Lückenhaftigkeit des Gesetzes, sondern in der Engherzigkeit der Interpretation desselben". 89 Da die Aufsicht über die Strafrechtspflege Sache der Bundesstaaten war, konnte der Staatssekretär v. Posadowsky auf eine diesbezügliche Anfrage im Reichstag nur Erhebungen zur Frage des Ausverkaufsschwindels im Gefolge des Reichsgerichtsurteils v. 21.9.1897 in Aussicht stellen und ankündigen, den Bundesstaaten vorzuschlagen, die Staatsanwaltschaften zu einem aktiveren Vorgehen zu veranlassen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 10. Leg., 1 Sess. 1898/1900,3469. In der Folge wies beispielsweise die Preußische Regierung die zuständigen Behörden daraufhin, daß die Strafverfolgung der Ausverkaufsauswüchse in der Regel im öffentlichen Interesse liege, vgl. Berliner Korrespondenz v. 8.2.1900, zitiert nach

Poeschi (wie Fn. 35), 165. 90

So z. B. der Bericht über den 7. Verbandstag Deutscher Schuhmacher-Innungen, GRUR 4 (1899), 91 ; Petition des deutschen Bundes für Handel und Gewerbe zu Leipzig um Abänderung des Gesetzes zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 10. Leg., 2. Sess. 1900/1902, Ani. Bd. 7, Nr. 751. Weitere Nachweise verschiedener Petitionen bei Volleth (wie Teil 1, Fn. 164), 59ff. In der Reichstagssitzung v. 16.3.1903 wurde beschlossen, diese Petitionen dem Reichskanzler als Material zwecks Erweiterung des UWG um Vorschriften gegen das Ausverkaufsunwesen zu überreichen, Sten. Ber. der Verhandlungen des 10. Leg., 2. Sess. 1900/1902,8688.

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Teil 3: Wirkung und Erneuerung des UWG

sich die Ansicht, das Gesetz müsse in Bezug auf den Schutz vor schwindelhaften Ausverkäufen geändert werden. 91 Ein Überblick über die weitere Entwicklung der Rechtsprechung zu §§ 1-4 UWG und dem Ausverkaufsschwindel in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts ermöglicht jedoch folgende Erkenntnis: Noch bevor die Sachverständigenkommission im Jahr 1907 die Erneuerung des UWG in Angriff nahm, gelang es der Rechtsprechung, der durch die reichsgerichtliche Entscheidung vom 21. September 1897 ausgelösten Verwirrung hinsichtlich der Zulässigkeit des Nachschiebens von Ware beim Ausverkauf nachhaltig entgegenzuwirken. 92 Ohne die Entscheidung vom 21. September 1897 zu verwerfen, stellte das Reichsgericht zunächst in einer Entscheidung aus dem Jahre 1904 fest, daß für die Frage, ob ein Ausverkauf vorliege oder nicht, die tatsächliche Gestaltung des Verkaufs, also die Räumung des Lagers, und nicht die Absicht des Verkäufers, zu diesem Zweck sein Lager zu räumen, das maßgebliche Beurteilungskriterium sei. 93 Hierbei seien Nachschiebungen, die lediglich das Publikum anlocken sollten, grundsätzlich nicht zulässig. 94 Damit ermöglichte es das Reichsgericht, daß zur Beantwortung der Frage in erster Linie leichter nachprüfbare objektive Gesichtspunkte herangezogen werden konnten. Der Möglichkeit weiterer Fehlinterpretation der reichsgerichtlichen Entscheidung vom 21. September 1897 setzte das Reichsgericht dann in einer Entscheidung vom 16. Februar 1905 endgültig ein Ende.95 Es stellte klar, daß die Entscheidung vom 21. September 1897 nicht zu der Annahme berechtige, daß das Nachschieben von Waren bei einem Ausverkauf je nach Größe des zu räumenden Lagers in geringen oder größeren Mengen erfolgen dürfe. Vielmehr stünde »jedes zum Verkaufbringen neu angeschaffter Ware mit der Ankündigung des Ausverkaufs zur Räumung des vorhandenen Lagers als der Wahrheit nicht entsprechend im Widerspruch". 96 91 Abg. Müller (Meiningen), Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 10. Leg., 1 Sess. 1898/1900,397; Antrag der Abgeordneten Ο er tel und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 10.Leg., 2.Sess. 1900/02, Ani.Bd. 1, Nr.39; Nr.81; Antrag Gröber und Genossen, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 11.Leg., l.Sess. 1903/04, Ani.Bd. 1, Nr. 41,163, Antrag Rettich und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., 173, Antrag Dirksen und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., Nr. 82; Antrag Patzig und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., Nr. 183. Nach einer kurzen Pause gingen ab 1907 erneut zahlreiche Anträge ein, vgl. Antrag Raab und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, 12.Leg., 1 Sess. 1907/09, Ani.Bd., Nr. 24; Antrag Ground Hompesch, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., Nr. 21 ; Antrag Malkowitz und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., Nr. 70; Antrag Dirksen und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., Ani. Bd., Nr. 117; Antrag Beck und Genossen, Sten. Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., Nr. 140; bzgl. der zwischenzeitlich eingegangenen Petitionen, vgl. 54. Bericht der Petitionskommission v. 10.12.1907, Sten.Ber. der Verhandlungen des Reichstages, ebd., Ani.Bd., Nr.534. 92 Volleth (wie Teil 1, Fn. 164), 53f.; Greiner (wie Teil 1, Fn.248), 112ff. 93 RGSt 37,359 ff., 363. 94 RGSt 37, 364. 95 Abgedruckt in GRUR X (1905), 128. 96 GRUR X (1905), 128.

11. Kap.: Die irreführende Werbung und Ausverkaufsschwindel

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Hiermit schlug die Rechtsprechung ein dem Willen des Gesetzgebers von 1896 entsprechenden Weg ein und schränkte die Möglichkeit für Mißverständnisse von unterinstanzlichen Gerichten und Handels- und Gewerbekreisen stark ein. Die Folge dieser Judikatur war, daß der Deutsche Handelstag in einer an den Bundesrat im Jahr 1906 gerichteten Eingabe eine gesetzliche Regelung des Nachschubverbotes nicht für notwendig ansah.97 Desgleichen stellte auch der 29. Deutsche Juristentag 1908 in Karlsruhe fest, daß er angesichts der Entwicklung der Rechtsprechung und obwohl bereits ein neuer Entwurf des UWG veröffentlicht worden war, bezüglich des Nachschiebens von Waren eine Ergänzung des UWG hinsichtlich des Ausverkaufswesens nicht mehr für erforderlich halte.98 Folglich gelang es der Rechtsprechung, einen Weg zu finden, der sowohl von gewerblichen Interessenvertretungen, wie dem Deutschen Handelstag, als auch von der juristischen Fachwelt als befriedigend empfunden wurde. 99 Die Übereinstimmung von Wirtschaft und Juristentag in der Bewertung der Rechtsprechung ist von besonderer Bedeutung, da sich die Ansichten von Juristentag und Handelstag nicht immer deckten.100 Ein solcher Konsens läßt zudem Stimmen, die eine dringende Erneuerung des Gesetzes forderten, als zweifelhaft erscheinen. Die Entwicklung zeigt des weiteren, daß die Rechtsprechung nach anfänglich mißverständlichen Urteilen durchaus imstande war, die Anforderungen, die die neue Rechtsmaterie an sie stellte, zu bewältigen. 2. Rechtsprechung und Literatur zum Tatbestandsmerkmal „Angaben tatsächlicher Art