Das Deutsche Personenrecht [1 ed.]
 9783428509805, 9783428109807

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Schriften zum Öffentlichen Recht Band 905

Das Deutsche Personenrecht

Von

Werner Thieme

Duncker & Humblot · Berlin

WERNER THIEME

Das Deutsche Personenrecht

Schriften zum Öffentlichen Recht Band 905

Das Deutsche Personenrecht

Von

Werner Thieme

Duncker & Humblot • Berlin

Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

Alle Rechte vorbehalten © 2003 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: Selignow Verlagsservice, Berlin Druck: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0582-0200 ISBN 3-428-10980-5 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier entsprechend ISO 9706 ©

Vorwort Dem Juristen begegnet die Person als Rechtsbegriff fast überall. Trotzdem ist das Personenrecht ein Gegenstand, der selten umfassend im Zusammenhang systematisch behandelt worden ist. Das gilt, obwohl gerade in der jüngeren Rechtsentwicklung insbesondere zum Recht der natürlichen Person zahlreiche neue Probleme aufgetaucht sind. Dem aufmerksamen Beobachter fällt auf, dass unterhalb der Ebene des Verfassungsrechts eine große Zahl von Normen entstanden ist, die dem Schutz der natürlichen Person und der Regelung der nicht vermögensrechtlichen Beziehungen zwischen Personen dienen. Wahrend das BGB ursprünglich fast nur im Familienrecht personenrechtliche Beziehungen behandelte, sind inzwischen, vor allem in den letzten Jahrzehnten - in schnell zunehmender Zahl - neue personenrechtliche Regelungen entstanden. Es ist daher überraschend, wie wenig das Personenrecht als eine Materie, die weit über die Regeln des Personenrechts im BGB (§§ 1-89) hinausgeht und die das bürgerliche und öffentliche Recht in gleichem Maße betrifft, systematisch und dogmatisch aufgearbeitet worden ist. Ebenso dynamisch verläuft die Weiterentwicklung des Rechts der juristischen Personen und der personenähnlichen Vereinigungen und Vermögensmassen, wobei teilweise eine Parallelität von Privatrecht und öffentlichem Recht erkennbar ist, während sich andererseits deutliche Unterschiede zeigen und die Notwendigkeit der Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht bestätigen. Das hier vorgelegte Buch versucht dieser Problematik nachzugehen, erhebt aber nicht den Anspruch, alle Einzelfragen zu erfassen. Es sollen noch viel weniger zu allen Einzelfragen Lösungen vorgelegt werden. Mancher Leser wird daher Gegenstände vermissen, die auch zum Personenrecht gehören. Insbesondere wird der Gesellschaftsrechtler finden, dass seine Rechtsmaterie nur knapp in die Darstellung einbezogen worden ist. Aber vieles, was im Gesellschaftsrecht interessant sein mag, ist für die Fragestellung dieses Buches unergiebig. Nicht behandelt ist auch das kirchliche Personenrecht, obgleich zahlreiche geschichtliche Zusammenhänge und Parallelen zum weltlichen Recht bestehen. Ebenso wenig ist das internationale Recht und das europäische Gemeinschaftsrecht in die Darstellung einbezogen worden. Celle, im September 2002

Werner Thieme

Inhaltsübersicht Einleitung I. Die Person als Kembegriff der Rechtsordnung II. Öffentliches Recht und Personenrecht III. Das Personenrecht als Teil des „Allgemeinen Rechts" IV. Innerdeutsche Rechtsvergleichung V. Das Forschungsinteresse des Öffentlichen Rechts VI. Ein neuer Begriff des Personenrechts VII. Fünf Hypothesen

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A. Allgemeiner Teil I. Das Personenrecht in der Geschichte II. Soziologische Vorbemerkungen zum Personenrecht III. Normative Regelungen im Recht der Bundesrepublik Deutschland IV. Personenmehrheiten und Nichtpersonen als Rechtsträger V. Der Machthaber als Person VI. Die rechtliche Bedeutung des Begriffs der Person VII. Unternehmen, Betrieb und Person VIII. Realität und Fiktion des Personenbegriffs

32 32 48 52 61 64 68 78 81

B.

Die natürlichen Personen I. Der Mensch als Person II. Beginn des Personseins III. Das Ende des Personseins IV. Eigenschaften der natürlichen Person V. Der Name VI. Das Handeln der natürlichen Person VII. Die natürliche Person als Inhaber personaler Rechte VIII. Die Verwaltung des Personenrechts

C. Die juristischen Personen I. Der Begriff der juristischen Person II. Arten der juristischen Personen III. Entstehung der juristischen Personen IV. Eigentum an juristischen Personen V. Innere Organisation der juristischen Personen VI. Das Handeln der juristischen Personen VII. Unrechtshandlungen und Haftung VIII. Aufsicht über juristische Personen IX. Die Besteuerung der juristischen Personen X. Umwandlung juristischer Personen XI. Beendigung der juristischen Person

84 84 87 92 102 118 126 133 152 156 156 161 229 235 239 247 255 260 274 279 287

8

Inhaltsübersicht

D. Ergebnisse I. Allgemeines II. Die natürliche Person III. Die juristische Person

297 297 297 299

Sachverzeichnis

302

Inhaltsverzeichnis Einleitung I. Die Person als Kernbegriff der Rechtsordnung II. Öffentliches Recht und Personenrecht III. Das Personenrecht als Teil des „Allgemeinen Rechts" IV. Innerdeutsche Rechtsvergleichung V. Das Forschungsinteresse des Öffentlichen Rechts VI. Ein neuer Begriff des Personenrechts VII. Fünf Hypothesen

21 21 22 24 26 28 29 30

A. Allgemeiner Teil I. Das Personenrecht in der Geschichte 1. Das Römische Recht 2. Das Germanisch-Deutsche Recht 3. Die Pandektenwissenschaft 4. Die Ursprungsfassung des BGB 5. Die Entwicklung im 20. Jahrhundert II. Soziologische Vorbemerkungen zum Personenrecht III. Normative Regelungen im Recht der Bundesrepublik Deutschland 1. Allgemeines 2. Das Grundgesetz 3. Das Bürgerliche Gesetzbuch 4. Arbeitsrecht 5. Handelsrecht 6. Verfahrensrecht 7. Verwaltungsrecht 8. Strafrecht und Recht der Ordnungswidrigkeiten 9. Datenschutzrecht 10. Gleichstellungsrecht IV. Personenmehrheiten und Nichtpersonen als Rechtsträger V. Der Machthaber als Person 1. Der absolute Herrscher 2. Der Staat als Person 3. Der Fiskus VI. Die rechtliche Bedeutung des Begriffs der Person 1. Innehabung und Geltendmachung von Rechten 2. Der Name der Person 3. Verpflichtungen der Person 4. Handlungsfähigkeit 5. Vertretung als personenrechtliches Problem 6. Zuordnung von Unrechtstatbeständen 7. Die Person in der Vollziehung

32 32 32 34 38 42 45 48 52 52 53 54 56 56 57 57 59 59 60 61 64 64 65 67 68 68 70 71 71 74 75 77

10

nsverzeichnis VII. Unternehmen, Betrieb und Person 1. Leitungsorganisation und Person 2. Betriebsverfassungsrecht 3. Öffentliche Unternehmen und Betriebe VIII. Realität und Fiktion des Personenbegriffs

B.

Die natürlichen Personen I. Der Mensch als Person 1. Menschsein und Personalität 2. Tiere als Personen? 3. Roboter als Personen? II. Beginn des Personseins 1. Die Geburt 2. Vorgeburtliche Rechte a) Grundsätzliches b) Das Bürgerliche Recht c) Embryonenschutz d) Die Zulässigkeit der Abtreibung e) Das Recht an Eizelle und Sperma III. Das Ende des Personseins 1. Der Tod 2. Die Todeserklärung 3. Ende des Personseins vor dem Tode 4. Rechtsfortwirkungen nach dem Tode 5. Die Leiche a) Nichtanwendbarkeit des Sachenrechts b) Verfügung über die Leiche c) Leichenöffnung und Leichenversuche d) Piastination e) Die Fehlgeburt 6. Das Grab IV. Eigenschaften der natürlichen Person 1. Rechtsfähigkeit 2. Geschäfts-und Handlungsfähigkeit 3. Unrechtsfähigkeit 4. Verantwortlichkeit 5. Alter a) Rechtliche Bedeutung b) Feststellung des Alters c) Altersstufen 6. Geschlecht a) Gleichheit der Geschlechter b) Geschlechtsumwandlung c) Die Ehe d) Die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft e) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft 7. Der Personenstand 8. Die Gesundheit

78 78 79 80 81 84 84 84 85 87 87 87 88 88 88 89 90 91 92 92 94 94 95 97 97 98 99 100 100 101 102 103 103 104 105 105 105 106 107 108 108 110 110 111 112 112 113

nsverzeichnis 9. Wohnsitz 10. Staatsangehörigkeit 11. Bekenntnis V. Der Name 1. Allgemeines 2. Der Namensschutz 3. Die Arten von Namen a) Der Familienname b) Der adelige Name c) Der Vorname d) Die Firma e) Der Künstlername f) Ordensnamen 4. Erwerb des Namens 5. Akademische Grade 6. Die Personennummer 7. Bezeichnungen für die elektronische Kommunikation VI. Das Handeln der natürlichen Person 1. Realhandlungen 2. Willenserklärungen 3. Willensmängel 4. Die Stellvertretung a) Allgemeines b) Vollmacht c) Gesetzliche Vertretung d) Vertretung kraft behördlicher Anordnung VII. Die natürliche Person als Inhaber personaler Rechte 1. Allgemeines a) Ausübung von Rechten b) Verfahrensrechte c) Wahrnehmung von Pflichten 2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht a) Grundsätzliches b) Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung c) Das Urheberpersönlichkeitsrecht 3. Bürgerliche und staatsbürgerliche Rechte 4. Die persönlichen Freiheitsrechte 5. Das Recht der persönlichen Ehre 6. Das Recht am eigenen Körper a) Das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit b) Das Grundrecht auf Gesundheit c) Organspenden d) Handel mit Körperteilen e) Die Bluttransfusion 7. Das Recht auf Leben a) Inhalt des Rechts b) Grenzen

11 114 115 117 118 118 119 120 120 120 121 122 123 123 123 124 124 125 126 126 127 129 131 131 132 132 133 133 133 133 134 135 136 136 138 139 139 140 141 142 142 143 144 146 147 148 148 149

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nsverzeichnis 8. Recht auf Sterben a) Die Selbsttötung b) Der Sterbenskranke c) Der Wille zum Sterben VIII. Die Verwaltung des Personenrechts 1. Das Personenstandswesen 2. Das Melderecht 3. Das Bundeszentralregister und das Verkehrszentralregister 4. Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht 5. Das Namensänderungsrecht

150 150 151 152 152 153 153 154 154 155

C. Die juristischen Personen 156 I. Der Begriff der juristischen Person 156 1. Allgemeines 156 2. Ursprünge der juristischen Person 158 a) Vereinigungen 158 b) Vermögensmassen 158 c) Herrschaft 159 3. Nichtrechtsfähige Personenverbände 159 4. Zwischenformen 161 II. Arten der juristischen Personen 161 1. Typenbildung 161 a) Typenzwang 161 b) Öffentliches und privates Recht 163 c) Die öffentlich-rechtliche Typologie 164 d) Föderalistische Probleme 167 2. Personenverbände 168 a) Das Vereinsrechtssystem 168 b) Der wirtschaftliche Verein und die Genossenschaft 169 c) Öffentlich-rechtliche Personenverbände 171 d) Berufsständische Körperschaften 173 e) Sozialversicherungsträger 174 f) Hochschulen 177 3. Herrschaftsverbände 179 a) Zwangskörperschaften 179 b) Der Staat als Körperschaft 180 c) Öffentlich-rechtliche Gebietsverbände 183 4. Kapitalgesellschaften 186 a) Das Wesen der Kapitalgesellschaft 186 b) Aktiengesellschaften und Gesellschaften mit beschränkter Haftung .. 187 5. Personenverbände ohne eigene Personeneigenschaft 189 a) Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) 189 b) Öffentlich-rechtliche Vereine 190 c) Handelsgesellschaften 191 d) Vorgesellschaften der GmbH 191 e) Partnerschaftsgesellschaften 192 f) Gemeinschaftspraxen 193 g) Betriebe 193

III.

IV.

V.

VI.

nsverzeichnis

13

h) Politische Parteien i) Parlamente, Parlamentsorgane und Fraktionen j) Prozessrechtliche Fragen 6. Rechtlich verselbständigte Sachgesamtheiten im Privatrecht a) Allgemeines b) Rechtsfähige Stiftungen c) Sondervermögen d) Einmanngesellschaften 7. Personenähnliche Gestaltungen a) Insolvenzmassen b) Wohnungseigentum c) Die Miterbengemeinschaft 8. Sachgesamtheiten des öffentlichen Rechts a) Historische Vorbemerkungen b) Fragen der Systematisierung c) Stiftungen des öffentlichen Rechts d) Rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts e) Öffentlich-rechtliche Wirtschaftsunternehmen f) Nichtrechtsfähige öffentlich-rechtliche Wirtschaftsuntemehmen g) Staatsfreie öffentlich-rechtliche Unternehmen h) Privatisierung 9. Teilrechtsfähige Verbände 10. Zusammengesetzte Personen a) Allgemeines b) Mehrstufige Verbände und Vereine c) Verbände im öffentlichen Recht d) Konzerne Entstehung der juristischen Personen 1. Allgemeines 2. Juristische Personen des Privatrechts 3. Juristische Personen des öffentlichen Rechts Eigentum an juristischen Personen 1. Eigentum und Herrschaft 2. Personen des öffentlichen Rechts 3. Privatisierung und Eigentum 4. Stiftungen Innere Organisation der juristischen Personen 1. Allgemeines 2. Organe 3. Organe zur Legitimationsbeschaffung 4. Mitglieder 5. Vertretungs- und Geschäftsführungsorgane 6. Kollegiale Entscheidungen 7. Kontrollorgane Das Handeln der juristischen Personen 1. Organe als Träger der Zuordnung von Handlungen 2. Vertretung der juristischen Person

194 195 196 198 198 200 202 203 204 204 205 206 207 207 208 210 211 213 214 218 218 220 222 222 222 224 227 229 229 231 232 235 235 236 237 238 239 239 240 241 242 245 245 246 247 247 248

14

nsverzeichnis

VII.

VIII.

IX.

X.

a) Vertretungsmacht für juristische Personen b) Rechtsgeschäftliche Vertretung c) Organschaftliche Vertretung d) Staatliche Bestellung 3. Die Vertretung der öffentlichen Hand a) Der Staat b) Verwaltungsverfahren c) Die Selbstverwaltungskörperschaften 4. Fremdvertretung 5. Erfüllungshandlungen 6. Erwerbshandlungen Unrechtshandlungen und Haftung 1. Unrecht als Zurechnungsfrage 2. Wissenszurechnung 3. Haftung für schuldhaftes Handeln 4. Strafrechtliche und bußgeldrechtliche Haftung 5. Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen 6. Die Insolvenz der juristischen Person Aufsicht über juristische Personen 1. Begriff und Wesen der Aufsicht a) Begriff b) Aufsichtssysteme c) Die Schutzfunktion der Aufsicht 2. Maßstäbe der Aufsicht a) Fachaufsicht b) Rechtsaufsicht c) Dienstaufsicht d) Wirtschaftlichkeitsaufsicht e) Besondere Aufsichtsmaßstäbe 3. Binnenaufsicht a) Notwendigkeit b) Juristische Personen des öffentlichen Rechts c) Die Größe der beaufsichtigten Person d) Binnenaufsicht beim Staat e) Aufsicht durch Hierarchie 4. Außenaufsicht a) Aufsicht über Private b) Aufsicht über juristische Personen des öffentlichen Rechts Die Besteuerung der juristischen Personen 1. Körperschaftsteuer 2. Gemeinnützigkeit 3. Die Besteuerung von Stiftungen 4. Gewerbesteuer 5. Umsatzsteuer Umwandlung juristischer Personen 1. Allgemeines 2. Der Formwechsel

248 248 249 249 249 249 251 253 254 254 254 255 255 256 257 258 259 259 260 260 260 261 263 263 263 263 264 265 265 266 266 267 268 268 270 271 271 272 274 275 276 277 278 278 279 279 281

nsverzeichnis a) Privatrecht b) Öffentliches Recht c) Arbeitsrechtliche Fragen d) Umwandlungssteuerrecht 3. Verschmelzung a) Allgemeines b) Privatrecht c) Öffentliches Recht 4. Spaltung XI. Beendigung der juristischen Person 1. Auflösung 2. Tatsächliche Beendigung a) Vermögenslosigkeit b) Organlosigkeit c) Mitgliederlosigkeit 3. Beendigung durch Staatsakt a) Juristische Personen des öffentlichen Rechts b) Juristische Personen des Privatrechts 4. Rechtsnachfolge 5. Die Abwicklung

15 281 282 283 283 284 284 284 285 286 287 287 288 288 289 289 290 290 291 293 295

D. Ergebnisse I. Allgemeines II. Die natürliche Person III. Die juristische Person

297 297 297 299

Sachverzeichnis

302

Abkürzungsverzeichnis AbgO ABL Abt. ADAC ADHBG AFBG AG AktG AöR AP Art. Aufl. BAG BAT BauGB BauO Bay Bay ObLG Bay VB1. Bay VerfGH BBesG BBG Bd. BDSG BeamtVG BetrVerfG BfA BGB BGH BGHSt BGHZ BGSG BHO BJagdG BRAK BRRG BSHG BVerfG BVerfGE

Abgabenordnung Amtsblatt Abteilung Allgemeiner Deutscher Automobilclub Allgemeines Deutsches Handelsgesetzbuch Aufstiegsausbildungsförderungsgesetz Aktiengesellschaft Aktiengesetz Archiv des öffentlichen Rechts Arbeitsrechtliche Praxis Artikel Auflage Bundesarbeitsgericht Bundesangestelltentarifvertrag Baugesetzbuch Bauordnung Bayern, bayerisch Bayerisches Oberstes Landesgericht Bayerische Verwaltungsblätter Bayerischer Verfassungsgerichtshof Bundesbesoldungsgesetz Bundesbeamtengesetz Band Bundesdatenschutzgesetz Beamtenversorgungsgesetz Betriebsverfassungsgesetz Bundesanstalt für Arbeit Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Strafsachen Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen Bundesgrenzschutzgesetz Bundeshaushaltsordnung Bundesjagdgesetz Bundesrechtsanwaltskammer Bamtenrechtsrahmengesetz Bundessozialhilfegesetz Bundesverfassungsgericht Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts

Abkürzungsverzeichnis BVerwG BVerwGE BWG can. Cap. CIC D. DB DDR DFG DÖD DÖV DVB1. DVO EG eG EGBGB EGInsO EheG EMRK ErbStG EschG EStG EU EuGH FamRZ FAZ FGG FS G. GAL GbR GenG GewO GewStG GG GmbH GmbHG GO GVB1. GVG GWB H. HdbStKR HdbWissR Hess. 2 Thieme

17

Bundesverwaltungsgericht Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts Bundeswahlgesetz canon Caput (Capitel) Codex Iuris Canonici Digesten Der Betrieb Deutsche Demokratische Republik Deutsche Forschungsgemeinschaft Der Öffentliche Dienst Die Öffentliche Verwaltung Deutsches Verwaltungsblatt Durchführungsverordnung Einführungsgesetz, Europäische Gemeinschaft eingetragene Genossenscchaft Einführungsgesetz zum BGB Einführungsgesetz zur InsO Ehegesetz Europäische Menschenrechtskonvention Erbschaftssteuergesetz Embryonenschutzgesetz Einkommenssteuergesetz Europäische Union Europäischer Gerichtshof Zeitschrift für Familienrecht Frankfurter Allgemeine Zeitung Gesetz über die freiwillige Gerichtsbarkeit Festsschrift Gesetz Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte Gesellschaft bürgerlichen Rechts Genossenschaftsgesetz Gewerbeordnung Gewerbesteuergesetz Grundgesetz Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung Gemeindeordnung Gesetz- und Verordnungsblatt Gerichtsverfassungsgesetz Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen Heft Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland Handbuch des Wissenschaftsrechts Hessen, hessisch

18 HGB HGrG HKWP Hmb. HmbHG HRG Hrsg. HStR HwO i. d. F. d. Bek. InsO Inst. Jb. JGG Jhd. JuS JZ KG KGaA KGG KLVG KRAB1. KStG KWG LKV LVwG MHbeG MRRG m. w. N. Nds. NGO NHG NJW NJW RR Nov. NSDAP NVwZ NW NW GO NW GV NW VB1. OHG OLG OVG OVGE OWiG

Abkürzungsverzeichnis Handelsgesetzbuch Haushaltsgrundsätzegesetz Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis Hamburg, hamburgisch Hamburgisches Hochschulgesetz Hochschulrahmenqesetz Herausgeber Handbuch des Deutschen Staatsrechts Handwerksordnung In der Fassung der Bekanntmachung Insolvenzordnung Institutionen Jahrbuch Jugendgerichtsgesetz Jahrhundert Juristische Schulung Juristenzeitung Kammergericht, Kommanditgesellschaft Kommanditgesellschaft auf Aktien Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte Amtsblatt des Alliierten Kontrollrats Körperschaftssteuergesetz Kreditwesengesetz Landes- und Kommunalverwaltung Landesverwaltungsgesetz Gesetz zur Beschränkung der Haftung Minderjähriger Meldrechtsrahmengesetz mit weiteren Nachweisen Niedersachsen, niedersächsisch Niedersächsische Gemeindeordnung Niedersächsisches Hochschulgesetz Neue Juristische Wochenschrift NJW Rechtsprechungsreport Novelle Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht Nordrhein-Westfalen, nordrhein-westfälisch Nordrhein-Wesfälische Gemeindeordnung Nordrhein-Westfälisches Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfälische Verwaltungsblätter offene Handelsgesellschaft Oberlandesgericht Oberverwaltungsgericht Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Gesetz über Ordnungswidrigkeiten

Abkürzungsverzeichnis pr. Pr. ALR PStG PStVO Rdnr. RGBl. RGZ Rh.-Pf. ROG RV sächs. Schl.-H. Sess. SGB SGG SOG SpkG StAG StAZ StGB StGH StPO StVG Thür. Tit. Tom. TPG UmwG UrhG USA UStG VerfGH VersR VerwArch VGH VO VVaG VVDStRL VVG VwGO VwVfG WEG WissR WoFG 2*

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principium, preußisch Preußisches Allgemeines Landrecht Personenstandsgesetz Verordnung zur Ausführung des PStG Randnummer Reichsgesetzblatt Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rheinland-Pfalz. Rheinland-pfälzisch Raumordnungsgesetz Reichsverfassung sächsisch Schleswig-Holstein, schleswig-holsteinisch Sessio Sozialgesetzbuch Sozialgerichtsgesetz Sicherheits- und Ordnungsgesetz Sparkassengesetz Staaatsangehörigkeitsgesetz Standesamtszeitung Strafgesetzbuch Staatsgerichtshof Straf Prozeßordnung Straßenverkehrsgesetz Thüringen, thüringisch Titulus Tomus (Band) Transplantationsgesetz Umwandlungsgesetz Urheberrechtsgesetz United States of America Umsatzsteuergesetz Verfassungsgerichtshof Versicherungsrecht Verwaltungsarchiv Verwaltungsgerichtshof Verordnung Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit Veröffentlichungen der Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer Versicherungsvertragsgesetz Verwaltungsgerichtsordnung Verwaltungsverfahrensgesetz Wohnungseigentumsgesetz Wissenschaftsrecht - Wissenschaftsverwaltung - Wissenschaftsförderung Wohnungsbauförderungsgesetz

20 WRV ZEV ZPO ZRG ZRP

Abkürzungsverzeichnis Weimarer Reichsverfassung Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge Zivilprozessordnung Zeitschrift für Rechtsgeschichte Zeitschrift für Rechtspolitik

Einleitung I. Die Person als Kernbegriff der Rechtsordnung Jede Rechtsordnung baut sich aus bestimmten Grundbegriffen auf, aus denen sich die einzelnen Rechtsbeziehungen ergeben. Sie sind die Koordinaten der einzelnen Rechtssysteme. Diese Koordinaten tauchen an vielen, zuweilen an allen Stellen des Rechts auf. Zu den Grundbausteinen gehört in der kontinentalen, vom Römischen Recht geprägten Rechtsordnung der Begriff der Person. Die Person ist Inhaber von Rechten und Bezugspunkt von Pflichten. Rechtsbeziehungen bestehen zwischen Personen. Sie sind die Rechtssubjekte1. Grundsätzlich haben nur Personen Rechte und Pflichten im Rechtssinne. Rechte und Pflichten werden stets Personen zugeordnet. Das beruht auf der Tatsache, dass Rechte und Pflichten den Menschen betreffen, der Mensch aber stets die Eigenschaft als Person hat. Die Bedeutung, die der Begriff der Person in den kontinental-europäischen Rechtssystemen erlangt hat, hängt in erster Line mit der Stellung des Menschen in diesen Rechtssystemen zusammen. Der einzelne Mensch wird als Inhaber der Rechte und zugleich als Inhaber der Pflichten verstanden. Jedes Individuum besitzt Autonomie im Hinblick auf das, was die Rechtsordnung ihm als Recht zuteilt, und kann seine Rechte grundsätzlich frei nutzen und ist umgekehrt als Verpflichteter persönlich für die richtige Nutzung dieser Rechte verantwortlich. Weder die Staatsgewalt, noch eine sonstige Obrigkeit, noch ein Kollektiv sind die primären Bezugspunkte der Rechte. Das ist keineswegs selbstverständlich. Die Römische Rechtsordnung und auch die ältere deutsche Rechtsordnung kannten davon Ausnahmen. Begriffe wie die Sklaverei, die Stellung als Höriger, die Familie im Fideikommissrecht und der bürgerliche Tod der Klosterinsassen sind Beispiele hierfür. Derartige Beispiele sind zwar auch heute bekannt, spielen aber eine nur noch geringe Rolle, z.B. bei der Unmündigkeit. Inwieweit der Person Rechte und Pflichten zugewiesen sind, stimmt in der europäischen Rechtsordnung weitgehend überein, kennt aber doch bestimmte, auf dem jeweiligen nationalen Recht beruhende Varianten. Angesichts der unterschiedlichen Regelung der nationalen Rechtsordnungen soll sich die folgende Untersuchung auf das deutsche Recht zu beschränken. Es ist zwar heute in Europa für manche Pro1

Karl Heinz Ladeur , Rechtssubjekt und Rechtsstruktur, 1978.

22

Einleitung

blembereiche eine Frage, ob eine nationale Rechtsordnung noch isoliert betrachtet werden kann, ob die Einbindung in das Europäische Gemeinschaftsrecht nicht überall erkennbar wird und zu beachten ist. Für das Personenrecht stellt sich diese Frage noch kaum, abgesehen davon, dass die nationalen Rechtsordnungen sich gerade im Personenrecht stark ähneln. Sie sind autonom geblieben. Die Zuordnung von Rechten und Pflichten zu einzelnen Menschen als Personen ist nicht zwingend. Der Personbegriff setzt Freiheit voraus, Freiheit des Habens, des Verfügens, des Gestaltens von Rechtsverhältnissen, aber auch der Verantwortung für eigenes, teilweise auch für fremdes Handeln. Möglich wäre auch eine Rechtsordnung, die nur als objektive Ordnung verstanden wird, die von Organen des Staates oder einer anderen „Über-Organisation" gestaltet und gesichert wird. Der einzelne Mensch wäre in dieser Ordnung nicht kraft eigenen Rechts, sondern nur als Stück der objektiven, ihm vorgegebenen Ordnung in die Lage versetzt, materielle und immaterielle Güter zu nutzen. Die kommunistische Rechtsordnung der Sowjetunion kam dieser Vorstellung nahe.

II. Öffentliches Recht und Personenrecht Die Gestaltung der Rechtsordnung durch ein System von subjektiven Rechten liegt den Rechtsordnungen der westlichen Demokratien zugrunde. Allerdings hat der Bürger im öffentlichen Recht im sogenannten Innenverhältnis in gewissem Umfang immer noch keine volle Rechtsfähigkeit. Subjektive öffentliche Rechte waren gegenüber dem Staat bis zur Mitte des 19. Jhd. nur als private Rechte vorstellbar. Den Träger der staatlichen Hoheitsgewalt wurde nicht als Inhaber von Pflichten gesehen. Daher hat der Staat nach der Entdeckung und dogmatischen Entwicklung der subjektiven öffentlichen Rechte2 einen möglichst großen Bereich unter der Bezeichnung des „besonderen Gewaltverhältnisses" für sich in Anspruch genommen, in dem der Mensch nicht als Person subjektive Rechte besitzt, sondern nur der Staatsgewalt unterworfen ist, die aus ihrem hoheitlichen Ermessen entscheidet, was der Einzelne erhält oder nicht erhält und was er darf und nicht darf. Das öffentliche Recht ist lange ohne den Begriff der Person ausgekommen. Die „Entdeckung" des Staates als juristischer Person3 und die Einführung subjektiver öffentlicher Rechte in unsere öffentlich-rechtliche Rechtsordnung liegen zeitlich 2 Für die Entwicklung des subjektiven öffentlichen Rechts war die Arbeit von Carl Friedrich Gerber , Über öffentliche Rechte, 1852, bahnbrechend. 3 Die Entdeckung des Staates als juristische Person wird Eduard Albrecht zugeschrieben, der in seiner Rezension über „Maurenbrechers Grundsätze des heutigen deutschen Staatsrechts" (Göttinger Gelehrte Anzeigen, 150. und 151. Stück vom 21. und 23.9.1837, S. 1489 ff., 1508ff.) wohl erstmals den Gedanken niedergeschrieben hat: „ ...die Persönlichkeit, die in diesem Gebiet herrscht, handelt, Rechte hat, dem Staat selbst zuzuschreiben, diesen daher als juristische Person zu denken... " Näheres hierzu bei Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. II, 1992, S.333f.

II. Öffentliches Recht und Personenrecht

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nicht weit auseinander. Dies ist kein Zufall, es macht die Wende des Rechtdenkens im konstitutionellen Staat deutlich. Mit dem Ende des Absolutismus und mit der Einbindung der Staatsgewalt in die Rechtsordnung des Verfassungsstaates musste auch im öffentlichen Recht unterhalb der Verfassungsebene der Begriff der Person als dogmatische Figur entwickelt werden, jedenfalls aber an Bedeutung gewinnen. Dies geschah in der Weise, dass die Lehre und die Verfassungspraxis den Staat zweiteilte. Gegenüber dem hoheitlich handelnden Staat hatte der Einzelne grundsätzlich keine Rechte. Gegenüber dem Staat als Fiskus dagegen hatte er subjektive Rechte, die er gerichtlich durchsetzen konnte. Freilich mussten diese Rechte nach dem damaligen Verständnis dem Privatrecht zugeordnet werden, konnten dann aber vor den ordentlichen Gerichten verfolgt werden. Heute ist es selbstverständlich, dass die Begriffe der natürlichen und der juristischen Person auch im öffentlichen Recht benutzt werden. Im Gegensatz zum Privatrecht haben sich Wissenschaft und Rechtsprechung allerdings niemals um die Schaffung eines eigenständigen öffentlich-rechtlichen Personenrechts bemüht.4 Das zivilrechtliche Personenrecht liegt seit anderthalb Jahrtausenden gewissermaßen vorgefertigt da und wird in weiten Teilen vom öffentlichen Recht mehr oder weniger selbstverständlich zur Lösung der eigenen Fragen angewandt. Dabei bleibt zunächst fraglich, ob diese Übernahme angemessen ist und allgemein gilt 5 . Bei den Altersstufen zeigt sich dies teilweise, z. B. bei der abweichenden Festlegung des Mindestalters für die Handlungsfähigkeit des Sozialrechts (§ 36 SGB I). Aber regelmäßig wird das private Personenrecht problemlos vom öffentlichen Recht als auch für dieses gültig anerkannt. Aber auch das Bürgerliche Gesetzbuch befasst sich in dem als Personenrecht bezeichneten Abschnitt seines Allgemeinen Teils nur sehr kursorisch mit dem Personenrecht und fasst hier keineswegs alle Regeln des Personenrechts zusammen. Insofern steht das deutsche BGB in einem Gegensatz zu anderen Gesetzbüchern, z. B. dem französischen Code Civil 6 , dem österreichischen ABGB 7 und weitgehend auch dem Codex Iuris Canonici8, die sich sehr viel umfangreicher auf diesen Gegenstand einlassen. 4 Eine Ausnahme macht insofern das Werk von Hans J. WolfflOtto Bachof¡Rudolf Stober, Verwaltungsrecht 1,11. Auflage 1999, das in den §§33 bis 35 ein umfangreiches VerwaltungsPersonenrecht enthält. 5 Wolfgang Hoffmann-RiemlEberhard Schmidt-Aßmann (Hrsg.), Öffentliches Recht und Privatrecht als wechselseitige Auffangordnungen, 1996; Heinrich de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, 1999. 6 Vom 21.3.1804, das in dem ersten seiner drei Bücher das „Personen- und Familienrecht" als sachlich zusammenhängenden Gegenstand behandelt. 7 Vom 1.6.1811. Dieses schließt sich in seiner Gliederung weitgehend dem Code Civil an, indem es im 1. Buch auch das Personenrecht einschließlich des Familienrechts regelt. 8 Vom 25.1.1983. Der Titulus V I im Uber I. „De personis physicis et juridicis" im heute geltende CIC umfaßt zwar nur die cann. 96 bis 123; es wird aber im CIC an vielen Stellen Personenrecht geregelt, z. B. das Amtsrecht der Geistlichen und im Pars II des Liber II „De Christi-

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Einleitung

I I I . Das Personenrecht als Teil des „Allgemeinen Rechts" Der Öffentlich-Rechtler empfindet das Fehlen eines voll ausgebildeten Personenrechts im Allgemeinen Teil des Verwaltungsrechts vielfach als Mangel. Er greift daher oft auf das Personenrecht des BGB als eine Materie zurück, die auch ihm für seine eigenen personenrechtlichen Fragen zur Verfügung steht. In der Tat stellt sich bei näherer Betrachtung heraus, dass das Personenrecht des BGB keineswegs nur dem Bürgerlichen Recht zuzuordnen ist. Die Person ist ein Rechtsbegriff, der in gleicher Weise dem bürgerlichen und dem öffentlichen Recht angehört. Das Personenrecht legt bei näherer Betrachtung die Frage nahe, ob es sich nicht um eine Materie handelt, die zwischen oder über den beiden Teilrechtsmaterien steht, ob es sich hier um „Allgemeines Recht" handelt, das keiner der beiden Rechtsgebiete - bürgerliches und öffentliches Recht - angehört, sondern als eine „lex generalis" über beiden Teilrechtsordnungen steht. Dies ist eine Frage, die sich auch für andere Institutionen unseres Rechts stellen lässt, z. B. für den Begriff des Eigentums. Die grundsätzliche Ablehnung eines besonderen öffentlich-rechtlichen Eigentums9 führt zu der Frage, ob es überhaupt ein besonderes privates Eigentum gibt. Ist es nicht so, dass das Haben- und Nutzen-Dürfen einer Sache durch den Eigentümer ein Recht ist, das gleichermaßen in der Hand eines privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen Eigentümers gegenüber einem privatrechtlichen und einem öffentlich-rechtlichen Eingriff wirkt und von beiden Teilrechtsordnungen - jeweils auf ihre Art - anerkannt wird? Ist nicht die grundsätzliche Befugnis des Eigentümers als umfassende Befugnis neutral im Hinblick auf die beiden Teilrechtsmaterien, d. h. gegenüber anderen Bürgern und gegenüber der hoheitlich handelnden öffentlichen Hand? Entsprechendes ist auch für den Personenbegriff zu fragen: Die Person ist ein rechtlicher Bezugspunkt für öffentlich-rechtliche und für bürgerlich-rechtliche Rechte und Pflichten. Die sich an die Person anknüpfenden Rechtszustände (z.B. Geschäftsfähigkeit) betreffen sowohl den bürgerlich-rechtlichen, als auch den öffentlich-rechtlichen Rechtsverkehr. Dahinter steht die Vorstellung, dass unsere Gesamtrechtsordnung sich nicht fein säuberlich in einen privatrechtlichen und eine öffentlich-rechtlichen Teil unterteilen lässt, sondern dass neben oder - besser - über diesen beiden Teilrechtsordnungen ein „Allgemeiner Teil des Rechts" steht, der für das öffentliche und für das private Recht gemeinsam gilt. fideles" das Laienrecht. - Zum kirchlichen Personenrecht allgemein: Joseph ListUDietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland, 2. Aufl. Bd. 1, 1994, S. 717 ff. 9 So die seit langem herrschende Meinung (gegen Otto Mayer, Lehrbuch des Verwaltungsrechts, 2. Aufl. Bd. II, 1917, S.71 ff.).

III. Das Personenrecht als Teil des „Allgemeinen Rechts"

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Dies ist an sich keine Besonderheit, denn der Allgemeine Teil unseres Rechts betrifft nicht nur die Personen, sondern auch die rechtlich relevanten Handlungen, z. B. die Willenserklärungen und die Schadensverursachungen, sowie die Rechtsobjekte (Sachen, Ansprüche, Verpflichtungen) und die Rechtsbeziehungen (z.B. Leistungsverpflichtungen von Geld, Sachen und Diensten, Schadensersatz, Erstattungen, Zurückbehaltung u. a. m.). Angesichts der Parallelität der Problemstellung in beiden Teilrechtssystemen ist das Privatrecht vielfach in öffentlich-rechtlichen Rechtsbeziehungen anwendbar10. Aus den vielen Fragen, aus denen sich der Allgemeine Teil unserer Rechtsordnung zusammensetzt, versucht das hier vorgelegte Werk nur einen beschränkten Ausschnitt zu behandeln, die Person. Die Aufarbeitung der Gesamtmaterie des „Allgemeinen Teils" unserer Rechtsordnung ist der Jurisprudenz für die Zukunft noch gestellt. Bei dieser Aufgabe hat gerade der Öffentlich-Rechtler ein besonderes Forschungsinteresse, sich mit dem juristischen Phänomen der Person auseinander zu setzen und die Frage zu stellen, inwieweit dem bürgerlichen und dem öffentlichen Recht derselbe Person-Begriff zugrunde liegt, mehr noch, inwieweit die Regeln des Rechts, die im bürgerlichen Recht für die Person gelten, in das öffentliche Recht übernommen worden sind und übernommen werden können. In diesem Zusammenhang ist auf die allgemein bekannte Tatsache hinzuweisen, dass sich die Lehre Otto Mayers vom besonderen öffentlichen Eigentum11 nicht durchgesetzt hat, dass statt dessen angenommen wird, alles Eigentum, auch das hoheitlich genutzte Eigentum sei privatrechtlicher Natur. Dem entspricht auch die Dogmatik des Personenrechts, das kein besonderes öffentlich-rechtlichen Personenrecht entwickelt hat. Die Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht verlief zur Zeit von Otto Mayer noch anders als heute. Mit viel größerer Selbstverständlichkeit wurden Rechtsverhältnisse, die wir heute dem öffentlichen Recht zuordnen, dem Privatrecht unterstellt. Diese Erweiterung des Privatrechtsbegriffes ergab sich auch aus dem mangelnden Rechtsschutz öffentlich-rechtlicher Rechte im Verwaltungsprozessrecht, das in den meisten Ländern auf dem Grundsatz der Enumeration beruhte. Wenn man den Bürger gegen die Staatsgewalt schützen wollte, musste man möglichst viele Rechtsverhältnisse als privatrechtliche Rechtsverhältnisse ansehen. Damit geriet das Personenrecht, ähnlich wie das Eigentum, weitgehend in das Privatrecht. Während jedoch das Eigentum - mit wenigen Ausnahmen12 - dem privaten Recht zugeordnet wird, auch wenn es der Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse dient, 10

Hierzu schon Otto Mayer, Lehrbuch, S. 118 ff.; femer Ludwig Enneccerus/Hans Carl Nipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 15. Aufl. 1959, S. 237 ff.; zum heutigen Diskussionsstand: Heinrich de Wall, Die Anwendbarkeit privatrechtlicher Vorschriften im Verwaltungsrecht, 2000. 11 Otto Mayer, Bd. I I §§ 35, 36; ders. AöR 39 (1920), 77ff. 12 Z.B. das Straßeneigentum nach dem Hmb. Wegegesetz v.22.1.1974, GVB1. S.41, §4.

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Einleitung

ist das Personenrecht insoweit stärker ambivalent, sodass bei ihm die These erlaubt ist, dass es weder dem privaten, noch dem öffentlichen Recht angehört, sondern zu einer besonderen Rechtsmaterie, die als Stück eines „Allgemeinen Rechts" systematisch über oder vor den beiden Teilrechtsordnungen des privaten und öffentlichen Rechts steht, weil es in beiden Teilrechtsordnungen in gleicher Weise gilt.

IV. Innerdeutsche Rechtsvergleichung Das Recht der juristischen Personen stellt der Vergleichung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht besondere Probleme. Das BGB spricht diese Probleme im § 89 an, weicht aber gerade durch diese Bestimmung einer Vergleichung aus. Die Körperschaft als öffentlich-rechtlicher Personenverband entspricht nur in sehr geringem Maße dem eingetragenen Verein und für die rechtsfähigen Sachgesamtheiten des öffentlichen Rechts hat die Rechtslehre - im Gegensatz zum BGB - zwei Begriffe, die Anstalt und die Stiftung, zur Verfügung. Dabei sind beide Begriffe in ihrer gegenseitigen Abgrenzung zweifelhaft, und erfassen den Gegenstand nicht vollständig, sodass auch noch das öffentliche Unternehmen als dritte Kategorie genannt wird. 13 Weiter stellt sich als Forschungsfrage die Frage nach den nicht als juristische Personen im förmlichen Sinne anerkannten Personenverbänden, die aber gleichwohl unter ihrem Namen im Rechtsverkehr handeln und haften, z. B. der offenen Handelsgesellschaft (HGB § 124) und dem nicht rechtsfähigen Verein (BGB § 54), denen im öffentlichen Recht die kommunalen Arbeitsgemeinschaften 14, die Verbände von Trägern öffentlicher Aufgaben (z. B. die kommunalen Spitzenverbände) entsprechen. Bei den nicht zur juristischen Person erhobenen Verbänden stellt sich ebenso die Frage der Vergleichbarkeit beider Teilrechtsordnungen und damit auch die Frage der Übertragbarkeit von Normen des Privatrechts auf das öffentliche Recht als Stück eines „Allgemeinen Teils des Deutschen Rechts". Mit diesen Bemerkungen wird keineswegs der Promiskuität von privatem und öffentlichem Recht das Wort geredet. Es handelt sich vielmehr um zwei eigenständige Teilrechtsordnungen. Gleichwohl lässt sich nicht leugnen, dass die Rechtsfigur der Person im privaten und im öffentlichen Recht eine enge Verwandtschaft hat und dass bei der rechtlichen Bewältigung staatlichen Handelns seit der Mitte des 19. Jahrhunderts ständig Anleihen beim Privatrecht gemacht worden sind. Daher hat das öffentliche Personenrecht, das es heute mehr als Idee denn als geschlossene Teilrechtsordnung gibt, notwendig an vielen Stellen privatrechtliche Elemente übernommen. 13 Ernst Forsthoff y Lehrbuch des Verwaltungsrechts, Bd.1,10. Aufl. 1973, S.509ff.; Günter Püttner , Die öffentlichen Unternehmen, 1969. 14 Vgl. z.B. NW G. über die kommunale Gemeinschaftsarbeit i.d.F. v. 1.10.1979, NW GV S.621, §§2f.

IV. Innerdeutsche Rechtsvergleichung

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Bei dieser Übernahme von Vorschriften des bürgerlichen Rechts geht es um die Frage, ob es sich um eine Analogie aus dem Bürgerlichen Recht in das öffentliche Recht handelt oder die personenrechtlichen Vorschriften des BGB nur eine Positivierung eines allgemeinen Rechtsgedankens darstellen, der als ungeschriebenes Recht auch ohne das BGB gelten würde. Diese beiden dogmatischen Wege, die schon seit langem im Verwaltungsrecht gegeneinander gesetzt werden 15, sind keine Gedankenspielerei. Je nach dem, welchen konstruktiven Weg man geht, kommt man zu unterschiedlichen Ergebnissen im einzelnen. Die nachstehende Untersuchung wird dabei nur teilweise an die vorliegenden verwaltungsrechtlichen Lehr- und Handbücher anschließen16. Unabhängig von dieser Frage, der Feststellung der maßgeblichen Rechtsordnung und der Begründung für die Maßgeblichkeit, soll im folgenden Rechtsvergleichung zwischen zwei innerdeutschen Rechtsordnungen, der des öffentlichen und die privaten Rechts, betrieben werden. Dies führt dazu, dass die Darstellung in diesem Buche nicht etwa in einen öffentlich-rechtlichen und in einen privatrechtlichen Teil zerfällt, sondern dass für eine große Zahl von Rechtsinstituten die einschlägigen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Parallelen aufgesucht und nebeneinander gestellt werden. Diese Fragestellung betrifft nicht nur die natürlichen Personen, sondern auch die juristischen Personen. Sie gewinnt eine besondere Bedeutung bei der Rechtsfigur der juristischen Person, die im Hinblick auf das für das Personenrecht wichtige Landesrecht im positiven öffentlichen Recht wesentlich verzweigter und unübersichtlicher als im bürgerlichen Recht ist. Hier drängt sich der Versuch auf, das Phänomen der juristischen Person des öffentlichen Rechts, dessen sich die Wissenschaft nur mit beschränktem Erfolg angenommen hat, besser in den Griff zu bekommen. Ein großer Teil der Untersuchung ist daher den Fragen der juristischen Personen gewidmet. Die Fragestellung ist hier insofern etwas anderer Art, als es bei den juristischen Personen bestimmte Arten gibt, die mit Sicherheit dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuzuordnen sind, während die natürliche Person in ihren personenrechtlichen Beziehungen sowohl im öffentlichem als auch im bürgerlichen Recht lebt. Gleichwohl wird sich auch für die juristischen Personen zeigen, dass eine innerdeutsche Rechtsvergleichung durchaus fruchtbar sein kann. Bei den juristischen Personen bestehen aus folgendem Grunde besondere Probleme. Das Bürgerliche Recht beruht auf dem System der Enumeration einer beschränkten Zahl von Arten juristischer Personen. Die Rechtsordnung stellt diese als Modelle zur Verfügung, die ihre Rechtspersönlichkeit nach förmlichen Regeln unter Mitwirkung staatlicher Institutionen erwerben, wobei sie Bei der inneren Ausgestaltung erhebliche Freiheiten gibt. Wer keine dieser Formen wählt, bleibt im Nie15 16

Heinrich de Wall. Z.B. Forsthoff., S. 168ff.; Wolff/BachoflStober,

§28 Rdnr.73.

28

Einleitung

mandsland der personenlosen Personenmehrheit, der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, der offenen Handelsgesellschaft oder des nicht rechtsfähigen Vereins.

V. Das Forschungsinteresse des Öffentlichen Rechts Ein zentrales Anliegen dieses Buches betrifft beide Teilrechtsordnungen, die bürgerlich-rechtliche und die öffentlich-rechtliche Teilrechtsordnung unseres heute in Deutschland geltenden Personenrechts, in ihren gegenseitigen Beziehungen. Die Fragestellung geht von der Sicht des Öffentlich-Rechtlers aus und will erkunden, inwieweit sich mit Hilfe von positiven Normen des Bürgerlichen Rechts das System des öffentlich-rechtlichen Personenrechts vervollkommnen lässt. Das öffentliche Recht steht vor der Frage, ob es die Regeln des bürgerlichen Rechts anwenden soll oder ob es eigene Rechtsregeln entwickeln muss. Das Beispiel des nicht rechtsfähigen Vereins und seine Klagemöglichkeit17, die Handlungsfähigkeit der politischen Parteien ohne Rücksicht auf deren juristische Gestalt18 und der In-Sich-Prozeß des Kommunalverfassungsrecht 19 und des Hochschulrechts20 und des Staatsrechts21 zeigen weitere Probleme. Das öffentliche Recht kommt - wie diese Beispiele zeigen - im Personenrecht nicht immer mit den Vorstellungen und Regeln aus, die sich im Zivilrecht entwickelt haben. Ein weiteres Sonderproblem bilden die Träger öffentlicher Aufgaben als Personen. Die Eigenschaft als Person hat nichts mit der Ausübung öffentlicher Gewalt zu tun. Öffentliche Gewalt wird - auch im Rechtsstaat - auf Grund einer Ermächtigung ausgeübt, die ohne den Person-Begriff auskommen könnte. Die Funktion einer „Stelle' 422 , der eine Kompetenz zugeordnet ist, genügt. Die „Stelle" braucht nicht als Person definiert zu sein. Gleichwohl hat sich die Rechtsfigur der juristischen Person des öffentlichen Rechts auch für Hoheitsträger entwickelt. Dabei wurden drei Unterkategorien gebildet, die Körperschaften, die Anstalten und die Stiftungen (BGB § 89), wobei versucht worden ist, diese Kategorien in eine Parallele zu den juristischen Personen des privaten Recht zu setzen. Allerdings ist dieser Versuch weitgehend fehlgeschlagen; darüber wird unten noch zu handeln sein. 17 Z.B. gegen eine versagte Gaststättenerlaubnis, vgl. Gaststättengesetz, §2 Abs. 1 S. 2; OVG Lüneburg, NJW 1979, 735. 18 Parteiengesetz, §§2, 3. 19 OVGE 1, 230; Werner Hoppe, DVB1. 1970, 895ff.; Dittmar Hahn, DVB1. 1974, 509ff. 20 Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1985, S. 292ff. 21 Nach dem BVerfGG können einzelne Organe der juristischen Person „Bundesrepublik Deutschland" gegen einander Verfahren führen, vgl. z.B. BVerfGG §63. 22 Christoph Reichard, Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung, 2. Aufl. 1987, S. 162.

VI. Ein neuer Begriff des Personenrechts

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Wichtig ist jedoch, dass das öffentliche Recht innerhalb des Personenrechts eine ganz neue Dimension eröffnet hat, weil auch die Träger öffentlicher Gewalt seit der Mitte des 19. Jhd. in die Vorstellungen des privatrechtlichen Personenrechts einbezogen worden sind. Dieses war in der Tat folgerichtig. Denn die öffentliche Gewalt war in die hoheitliche Gewalt und in den nicht hoheitlich, sondern privatrechtlich handelnden Fiskus gespalten, wobei die Handlungen der hoheitlichen Gewalt nicht der rechtlichen Beurteilung unabhängiger Gerichte unterstanden. Die rechtliche Verantwortlichkeit der öffentlichen Gewalt traf diese immer nur als Fiskus, der als „Prügelknabe des Staates" neben dem Staat stand, ohne juristische Person i m modernen Sinne zu sein 2 3 . Das Bedürfnis, den Staat durch unabhängige Gerichte zur Aufhebung se einer hoheitlichen Akte verurteilen zu lassen, war ein Faktor in der Entwicklung, der zur juristischen Person des öffentlichen Rechts führte. M i t diesen wenigen Bemerkungen soll die Rechtsentwicklung nicht vollständig nachgezeichnet werden. Es soll nur deutlich gemacht werden, dass mehrere Entwicklungslinien neben einander hergelaufen sind und daß nicht alle Linien in einem Punkt münden, dass es vielmehr Gründe genug gibt, alles das, was unter dem Begriff der natürlichen und - vor allem - der juristischen Person in unserer Rechtsordnung läuft, differenziert zu sehen.

VI. Ein neuer Begriff des Personenrechts Der Begriff des Personenrecht, der in diesem Buch benutzt wird, ist weiter als der, der vielfach üblich ist. Man kann das Personenrecht auf formelle Fragen, d. h. auf die einzelnen Arten von Personen und die verschiedenen Status, die das Recht den einzelnen Personen zulegt (z. B. Geschäftfähigkeit, Verheiratetsein), begrenzen. Doch schon das BGB handelt nicht so. Es bezieht mit dem Namensrecht (§ 12) mindestens ein materielles subjektives Personenrecht in seine Regelungen ein, wobei sich in diesem Fall die systematische Zugehörigkeit durch Aufnahme in den Abschnitt über das Personenrecht zweifelsfrei ergibt. Die Entwicklung eines umfassenden materiellen Personenrechts ist heute naheliegend. Die Zahl der subjektiven Rechte und objektiven Regelungsbereiche, die ähnlich eng mit der Person verknüpft sind wie der Name, ohne dass sie einen vermögensrechtlichen Inhalt haben, nimmt zu. Auch wenn die Verletzung derartiger Rechte teilweise zu Schadensersatzansprüchen führt, bleiben die Rechte als solche etwas anderes als Vermögensrechte. Die Entwicklung hat dahin geführt, dass i m materiellen Recht fast unbemerkt zwei Rechtsbereiche entstanden sind, die persönlichen Rechte und die vermögensrechtlichen Rechte und dass erstere eine immer stärkere Bedeutung erhalten. 23

Forsthoff.;

S. 111; Wolff/BachoflStober,

§ 23 Rdnr. 11 m. w. N.

Einleitung

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Im Mittelpunkt des heutigen materiellen Personenrechts stehen das im Zivilrecht entwickelte allgemeine Persönlichkeitsrecht 24, das auch im Grundgesetz gewährleistet ist 25 , insbesondere in den Grundrechten auf Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 Satz 1 GG) und der freien Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Satz 1 GG) 26 , ferner das daraus entwickelte Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung27. Die Entwicklung der Medienwelt und der Kommunikationstechnik führen zu einer Gefährdung personenbezogener Rechte, zur Möglichkeit des Eindringens in intimste persönliche Sphären. Der rasante Fortschrift der biologischen Erkenntnisse und der Schaffung immer neuer biotechnischer Möglichkeiten, die auch in der Medizin Anwendung finden, greift in personale Bereiche ein, die früher tabu waren. Durch diese, aber auch durch weitere Entwicklungen und Einwirkungen hat sich eine bisher nicht im Zusammenhang gesehene Rechtsmaterie eines materiellen Personenrechts entwickelt, die dem Schutz der Person jenseits aller materiellen Güter dient, eine Rechtsmaterie, die der Zusammenschau bedarf. Der Versuch einer solchen Zusammenschau ist das zentrale Anliegen des Teiles über die natürlichen Personen in diesem Buche. Damit wird gewissermaßen dem Vermögensrecht ein Personenrecht neuer Struktur und neuen Inhalts gegenüber gestellt.

VII. Fünf Hypothesen Das Buch geht von fünf Hypothesen aus: 1. Das Personenrecht (vor allem das der natürlichen Personen) ist eine Materie, die sich nicht allein dem öffentlichen oder dem privaten Recht zuordnen lässt. Es handelt sich vielmehr um eine Materie, die beiden Teilrechtsbereichen vorgeordnet ist. Die natürlichen und auch - in geringerem Maße - die juristischen Personen sind Träger öffentlicher und privater Rechte und Pflichten und haben daher Eigenschaften, die sowohl für das öffentliche, als auch für das private Recht relevant sind. Das schließt nicht aus, dass die Rechtsordnung insbesondere aus prozessrechtlichen Gründen bei vielen personenrechtlichen Vorschriften eine Zuordnung zum öffentlichen oder privaten Recht vornehmen muss. Das Personenrecht gehört aber grundsätzlich zum „Allgemeinen Teil" unserer Rechtsordnung. 2. Das Personenrecht ist eine Materie, die es nicht nur mit der Qualifizierung von Personen, d. h. mit der Zuordnung personenrechtlicher Vorschriften zu bestimmten rechtlichen Begriffen und Eigenschaften zu tun hat. Unter dem Einfluss der modernen biologischen Forschung und angesichts der Entwicklung der Medien24

BGHZ 13, 334; 24, 782; 27, 284, 287; Heinrich Hubmann, Das Persönlichkeitsrecht, 2. Aufl. 1967; Hans Erich Brandtner , Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Entwicklung durch die Rechtsprechung, JZ 1983, 689f. 25 BVerfGE 54, 148, 153. 26 BVerfGE 27, 1, 6; 35, 202, 235; 54, 138, 153. 27 BVerfGE 65,1,41 ff.; Krause, JuS 1984,268 ff.; Spiros Simitis , NJW 1984,398 ff.; Bernhard Schlink, Der Staat 25, 1986, 233 ff.

VII. Fünf Hypothesen

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weit ist mit dem Personenrecht ein heute noch wenig definiertes neues Rechtsgebiet entstanden, das mit einer Fülle von immer neuen Normen neben dem Vermögensrecht steht und sich wegen der zunehmenden Bedrohung der Person selbst auch weiter ausdehnen wird. 3. Der Begriff der juristischen Person ist ein dogmatischer Kunstbegriff der im Interesse bestimmter wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Ziele eine Mehrzahl sehr unterschiedlich organisierter Gebilde zusammenfasst. 4. Juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts scheinen sich in ihrer Struktur auf den ersten Blick wenig von einander zu unterscheiden. Viele organisationsrechtliche Merkmale stimmen überein. Es gibt Grenzfälle zwischen den privatrechtlichen und den öffentlich-rechtlichen juristischen Personen. Allerdings ergeben sich erhebliche Unterschiede zwischen den juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts, soweit es um die Wahrnehmung der Aufgaben geht. Die juristischen Personen des Privatrechts sind Inhaber der freiheitlichen Grundrechte. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts bleiben Teil der staatsmittelbaren Verwaltungsorganisation. 5. Es ist zweifelhaft, ob sich die Rechtsfigur der juristischen Person als Abgrenzung derjenigen Gebilde, die Rechtsträger und nicht Rechtsträger sind, noch heute durchgängig eignet. Es scheint vielmehr so zu sein, dass an die Stelle des Begriffs der Juristischen Person vielfach andersartige rechtsdogmatische Gestaltungen getreten sind, die dasselbe leisten wie der Personenbegriff. Für sie wird (z. B. im Umwandlungsrecht) der weitere, über den Personenbegriff hinausgehende Begriff des „Rechtsträgers" benutzt. Zur Bewältigung bestimmter vermögensrechtlicher Fragen können organisierte Vermögensmassen ohne Personeneigenschaft genügen. Gleichwohl bleibt die Rechtsfigur der juristischen Person für die Rechtspraxis z. Z. noch unersetzlich. Der Begriff des „Rechtsträgers" kann den Begriff der juristischen Person nicht ersetzen.

A. Allgemeiner Teil I. Das Personenrecht in der Geschichte 1. Das Römische Recht Der Begriff des „Personenrechts" stammt aus dem Römischen Recht. Im 1. Buch der Institutionen des Justinianus ist der 3. Titel mit „De iure personarum" überschrieben. Die Darstellung des Personenrechts beginnt mit der Bemerkung, dass die Grundeinteilung („summa divisio") der Menschen die in Freie und in Sklaven sei. Die „libertas" sei die natürliche Fähigkeit dessen, der alles tun darf, was ihm beliebt. Bei den Freien gebe es viele Unterschiede, je nach dem ob sie frei geboren („ingenui") oder freigelassen („libertini") sind. Das Römische Personenrecht befasst sich eingehend mit diesen verschiedenen rechtlichen Eigenschaften der Freien1. Dies tun nicht nur die Institutionen, sondern auch die Digesten, die unter Bezugnahme auf die Institutionen des Gaius das gesamte Recht in das Recht der Personen, der Sachen und der Forderungen einteilen2. Das Sklavenrecht hatte angesichts der großen Zahl von Sklaven in der Antike eine erhebliche Bedeutung. Der Sklave galt ursprünglich nicht als Person, sondern stand dem Tiere gleich3. Zur Zeit Justitians war der Sklave jedoch nicht mehr völlig rechtlos. Der Herr hatte nicht mehr das Recht über Leben und Tod4. Auch der Sklave konnte Inhaber von Rechten und Vermögensgegenständen sein und Verträge abschließen, tat dies allerdings rechtlich stets nur für seinen Herrn. Die Freilassung der Sklaven spielte in der Praxis und in der Rechtsordnung eine erhebliche Rolle. Sie erfolgte durch die „manumissio" und war nicht unbegrenzt möglich5. Der Libertinus hatte einen geminderten Status; er stand weiterhin zu seinem ehemaligen Herrn in einem väterlichen Verhältnis (patria potestas)6. Eine weitere Einteilung des Römischen Rechts im Personenrecht ist die zwischen den Menschen, die nach ihrem eigenen Recht leben und diejenigen, die einem frem1

Max Käser, Römisches Privatrecht, 15. Aufl. 1989, S.72. „Omne ius quo utimur vel ad personas pertinet vel ad res vel ad actiones." (L1V1; ebenso L. 1 II 12.3.) - Diese Einteilung ist im 16. Jhd. von Giovanni Paolo Lancelotti auch in die Systematik des kanonischen Rechts übernommen worden. 3 Rudolph Sohm, Die Institutionen des Römischen Rechts, 17. Aufl. 1949, S. 167. 4 L. 1 § 8 D 1,12. 5 L. 8 D40,2. 6 Sohm, S. 174. 2

I. Das Personenrecht in der Geschichte

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den Recht unterworfen sind . Eigenes Recht meint hierbei die Verfügung über sich selbst. Diese fehlt nicht nur wegen der fehlenden Freiheit des Sklaven, sondern auch wegen der Einschränkung der rechtlichen Handlungsfähigkeit durch die „patria potestas"8. Das zeigt sich im Ehe- und Familienrecht („de nuptiis"), nach welchem Ehefrau und Kinder unter der Gewalt des „pater familias" standen. Ein ähnliches Verhältnis wurde durch die „adoptio" begründet9. Eine weitere Unterworfenheit ist die „tutela", durch die der Tutor den Schutz des tutelus übernimmt 10. In dem System der personenrechtlichen Unterscheidung ist weiter die „capitis diminutio" zu nennen, die die juristische Persönlichkeit zerstört. Sie entsteht vor allem durch den Verlust der libertas 11. Schließlich ist der Unterschied zwischen dem „civis romanus" und dem „peregrinus" zu erwähnen. Nur der „civis" hatte die volle privatrechtliche Rechtsfähigkeit. Der „peregrinus" war dagegen nur nach „ius gentium" rechtsfähig. Er hatte kein connubium und kein commercium mit dem civis 12 . Das Recht der juristischen Personen war im alten Rom wenig ausgeprägt. Zwar gab es collegia und sodalitates, aber keine rechtsfähigen Vereine im modernen Sinne. Das zweckbestimmte Vermögen der Vereine war Vermögen der einzelnen Mitglieder 13 . Erst in der Kaiserzeit wurde der Gedanke der von den einzelnen Mitgliedern juristisch unabhängigen Person entwickelt14. Eine Vereinsfreiheit kannte das Römische Recht nicht; Vereine wurden ausschließlich als dem öffentlichen Recht zugehörig angesehen15. Unbekannt war der Begriff der Stiftung. Zweckvermögen konnte nur der Staat als „pia causa" verwalten. Auch später waren Stiftungen immer nur als kirchliche Stiftungen anerkannt. Erst zu Beginn der Neuzeit mit der Reformation wurden Stiftungen zu weltlichen Zwecken möglich 16 . Diese wenigen Bemerkung, die nur dazu dienen sollen, einen Eindruck von der Struktur des Römischen Personenrechts zu geben, lassen nicht erkennen, wie ausgefeilt, dieses Personenrecht war. Es spiegelte eine Gesellschaftsordnung wieder, die sich von der heutigen Gesellschaftsordnung grundlegend unterscheidet. Es zeigt, dass das Personenrecht keine abstrakt vorgegebene Ordnung enthielt, sondern ein Reflex der tatsächlich lebenden Gesellschaft mit ihren Machtverhältnissen 7 „De iure personarum alia divisio sequitur, quod quaedem personae sui iuris sunt, quaedem personae alieno iure subiectae sunt." (L. 1. VI. I.D.). 8 L. 1. VIII. Inst.; Sohm, S. 183 ff. 9 L. 1.XI3. 10 L. 1. XIII3. 11 Sohm, S. 185. 12 Sohm, S. 177. 13 Sohm, S.202. 14 „Si quid universitati debetur, singulis non debetur, nec quod debet universitas, singuli debent" Sohm, S. 187. 15 Sohm, S.203. 16 Sohm, S.204.

3 Thieme

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A. Allgemeiner Teil

war. Er macht zugleich klar, in welch starken Maße jedes Personenrecht zeitgebunden ist. Das Römische Personenrecht ist eine bewundernswerte Teilrechtsordnung, weil sie in ihrer Logik und Klarheit die Rechtslage der Beteiligten durchsichtig machte. Vor allem ist nicht zu vergessen, dass diese Rechtsordnung, die die Sklaverei als damals unverzichtbares Element der Produktionsordnung selbstverständlich hinnahm, auch gegenüber den Sklaven zunehmend mehr „humanitas" walten ließ. 2. Das Germanisch-Deutsche Recht Das deutsche Recht, das seinen Ursprung in den germanischen Stammesrechten der Nachvölkerwanderungszeit hat, kennt keine Teilrechtsordnung, die sich selbst als „Personenrecht" bezeichnet. Allerdings tauchen viele Probleme des Personenrecht, die im Römischen Recht unter diesem Titel geregelt waren, auch hier schon sehr früh auf. Das waren vor allem die Unterschiede der Rechte der einzelnen Stände, in die die Gesellschaft zerfiel. Die Unterschiede sind im positiven Recht vor allem im Wergeid dargestellt, das als Sühne für die Erschlagung eines Menschen zu zahlen war. Nach der Lex Baiuvarorum 17 war das Wergeid für Mönche doppelt so hoch wie das allgemeine Wergeid, das für Priester und Diakone sogar dreifach (Tit. I Cap. IX, X). Wer einen Freien tötete zahlte 160 Solidi, für einen getöteten Sklaven gab es nur 20 Solidi (Tit. V, Cap. XIII, XVIII). Nach der Lex Saxonum betrug das Wergeid für Adelige 1440, für die Liten 120 und für den Sklaven 36 Solidi 18 . Dem damaligen Personenrecht liegt daher kaum etwas ferner als die Vorstellung, dass alle Menschen gleich sein könnten19. Die Standesunterschiede beruhten im wesentlichen auf den Geburtsständen. An der Spitze stand der hohe Adel, die landesherrlichen Familien20, die spätestens nach dem Westfälischen Frieden Inhaber souveräner Gewalt waren. Darunter stand der niedere Adel, der keineswegs eine Einheit bildete, sondern sehr unterschiedlich berechtigt war. Schließlich gab es den Bürgerstand und den Bauernstand. Dabei war die Rechtslage der Bürger von Stadt zu Stadt durch spezielle Ordnungen festgelegt und auch die Bauern waren in ihrem Recht nicht überall gleich. Neben wenigen freien Bauern (z. B. in den Marschen an der unteren Weser und Elbe) 21 gab es Abhängigkeiten durch Lehensverhältnisse22 oder 17 Nach der Ausgabe von Ferd. Walter, Corpus Iuris Germanici Antiqui, Tom. I, 1824, S. 237 ff. ™ Walter, S.384. 19 Hermann Conrad, Deutsche Rechtsgeschichte, 2. Aufl. Bd. 2, 1966, S. 206 ff. 20 August Wilhelm Heffter, Die Sonderrechte der souveränen und mediatisierten vormals reichsständischen Häuser Deutschlands, 1871. 21 J. C.B. Stüve, Wesen und Verfassung der Landgemeinden und des ländlichen Grundbesitzes in Niedersachsen und Westphalen, 1851, S. 51. 22 Ausführlich geregelt in §§ 13 ff. Pr. ALRI17; Heinrich Mitteis, Lehnrecht und Staatsgewalt, 1933, Neudruck 1972.

I. Das Personenrecht in der Geschichte

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durch Meierverhältnisse , bis hin zu einer Hörigkeit, die zur Bindung an die Scholle („glebae adscriptus") führte und praktisch in der Nähe zur Sklaverei stand24. Jeder Versuch, dieses System mit knappen Sätzen zu schildern, muss wegen seiner Kompliziertheit und seiner landschaftlichen Unterschiedlichkeit scheitern. Für die hier beabsichtigte Darstellung ist nur wichtig festzuhalten, dass die Vorstellung eines einheitlichen Personenrechts für das deutsche Recht des Mittelalters und auch der Neuzeit bis in das 19. Jhd. hinein unrealistisch wäre. Das Adelsrecht war ein sehr ausgefächertes Rechtssystem25, weil die Zugehörigkeit zum Adel vor allem von der ehelichen Geburt abhing und die Frage nach der Adeligkeit weitgehend eine Frage der adeligen Vorfahren, der Ebenbürtigkeit, war 26 . Beim Adel spielte die adelige Familie, das „Haus", ein besondere Rolle. Es hat die Juristen auch die Frage beschäftigt, ob die adelige Familie selbst als juristische Person zu verstehen sei. Diese Frage tauchte vor allem dort auf, wo die Familie durch Familienfideikommisse auch rechtlich zusammen gehalten wurden. Die Angehörigen der Bürgerstandes in den Städten waren frei; die persönliche Freiheit zeichnete sie gegenüber der Landbevölkerung aus („Stadtluft macht frei.") 27 . Freilich war nicht schon jeder Stadteinwohner gleichberechtigt. Vollberechtigt waren nur die Bürger, wobei die Aufnahme als Bürger in der Regel mit einem Bürgergeld erkauft werden musste und der Bürgereid zu schwören war. In den Städten selbst herrschte auch unter den Bürgern keine Gleichheit. Zwar unterlag vieles der Regelung durch die Landesfürsten oder die innerstädtische Gesetzgebung. Der fast überall vorhandene Rat wurde in aller Regel durch Kooptation, oft unter Beteiligung der Landesherren, besetzt und zwar nur aus Mitgliedern der ratsfähigen Familien. Die Handwerker und die Ackerbürger, die in vielen Städten die Mehrheit der städtischen Bevölkerung darstellten, waren auf eine geringe Mitwirkung an der städtischen Verwaltung beschränkt oder sogar völlig von der Mitwirkung ausgeschlossen.28 Eine wesentliche Rolle für die personalen Rechte spielte auch die Religion, wobei der Staat sich als Christlicher Staat verstand und alle Nichtchristen, insbesondere die Juden deswegen minderen Rechts waren 29. 23

B.W. Pfeiffer, Das deutsche Meierrecht, 1855; J.B. Grefe, Hannoversches Recht, 3. Aufl., Bd. 2, 1861, S. 173. 24 Conrad, S. 218; Arno Borst, Lebensformen im Mittelalter, 1973. S. 347 ff. - Allerdings handelte es sich rechtsdogmatisch gesehen zumeist um eine Rechtsmacht, die aus der öffentlich-rechtlichen Gutsherrlichkeit folgte, Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. 1, 1957, S. 184ff. 25 Vgl. dazu z. B. die Vorschriften des Pr. ALR 2. Teil, 9. Titel §§ 1 ff. 26 Otto Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, 1. Band, 4. Aufl. 1882, S. 328 ff.; Conrad, S. 208 ff.; Borst, a. a. O., S. 423. 27 Dazu: Heinrich Mitteis, FS Stengel, 1952, 342ff. 28 Hans Pohl, in: Kurt G. A. Jeserich/Hans Pohl/Georg-Christoph v. Unruh (Hrsg.), Deutsche Verwaltungsgeschichte, Bd. 1, 1983, S.249ff. 29 Ders., ebd., S. 259 ff. 3*

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A. Allgemeiner Teil

Die Periode des hohen Mittelalters war weniger durch geschriebenes Recht als durch die Rechtsprechung der Volksgerichte und der fürstlichen Gerichte gekennzeichnet, die sich auf die Gewohnheiten stützten. Eine Zusammenfassung dieser Rechtsprechung wird z.B. im Sachsenspiegel geschildert, der die ständische Gliederung der vor allem auf dem Lande wohnenden und arbeitenden Bevölkerung erkennen lässt30. Ein großer Teil des Personenrechts freilich lag in den Händen kirchlichen Gesetzgebung, nämlich soweit es das Eherecht und damit die personenrechtlichen Beziehungen in der Ehe betraf 31. Wieder ein ganz anderer Rechtsbereich war das sich herausbildende Recht der Kaufmannschaft, das für die Mitglieder der Hanse letztlich in der spruchrichterlichen Tätigkeit des Rates der Stadt Lübeck als Oberhof lag, aber auch im Magdeburger Recht fortgeführt wurde. Ganze „Stadtrechtsfamilien" regelten die Rechtsbeziehungen in den Städten, die manche personenrechtliche Bestimmung des (nach heutigem Verständnis) privaten und öffentlichen Rechts ungetrennt enthielten32. Mit Beginn der Neuzeit gewann die landesherrliche Gesetzgebung auf Grund des „ius politiae" an Bedeutung. Allerdings machte die Souveränität der Landesherren vor den Türen der Kirche halt. Das Eherecht blieb weiter der kirchlichen Gesetzgebung vorbehalten, wobei in den protestantischen Ländern die Gesetzgebung an den weltlichen Landesherrn als „summus episcopus" seines Territoriums - unter Beteiligung seiner Konsistorien - überging. Vor allem war die Kirche für die Dokumentation der personenrechtlichen Verhältnisse (Geburt, Zugehörigkeit zur Konfession durch die Taufe, Heirat und Tod) allein zuständig. Sie allein und nicht die weltliche Gewalt bewahrte in ihren Kirchenbüchern die Informationen über die personenrechtlichen Verhältnisse von Bauern und Bürgern auf. Das Recht der juristischen Personen war im deutschen Recht grundsätzlich Partikularrecht. Es hat in dem deutschen Privatrecht eine reiche Ausgestaltung erfahren, wobei vieles, was damals - bis zum Inkrafttreten des BGB - in das Privatrecht eingeordnet wurde, heute als öffentliches Recht bezeichnet wird. Neben dem Kirchenrecht mit seinen zahlreichen kollegialen Gestaltungen, unter denen die klösterlichen Genossenschaften im Vordergrund standen33, waren es vor allem landwirtschaftliche Zusammenschlüsse, die sich aus der Notwendigkeit der sinnvollen Bewirtschaftung des Landes ergaben, insbesondere aus der Dreifelder30

Z. B. Heidelberger Handschrift, Landrecht III § 44, mit ihren drastischen und einprägsamen Bildern; vgl. auch Hans Thieme/Eike v.Repgow, in: Die Großen Deutschen Bd.I, 1956, S. 187 ff. 31 Wolf gang Reinhard, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Bd. 1, S. 167 f. 32 Hans Planitz, Die deutsche Stadt im Mittelalter von der Römerzeit bis zu den Zunftkämpfen, 4. Aufl. 1976; CarlHaase (Hrsg.), Die Stadt des Mittelalters, 3.Bde. 1969-1973; Gerhard Köhler, Die Entwicklung des mittelalterlichen Stadtrechts, ZRG 86, 1969, lff.; Gertrud Schubart-Fickentscher, Die Verbreitung der deutschen Stadtrechte in Osteuropa, 1942. 33 Reinhard, S. 158 ff.

I. Das Personenrecht in der Geschichte

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Wirtschaft, ferner aus der ungeteilten Allmende, die in erster Linie das Weideland umfasste, ferner aus den gemeinsamen Holzungen. Allerdings erschöpften sich die gemeindlichen Aufgaben nicht in derartigen rein ökonomischen Fragen. Dank der engen Verbindung von weltlicher Gemeinschaft und kirchlicher Pfarrei finden wir, wo sich Gemeinden ausgebildet haben, Körperschaften mit den verschiedensten Aufgaben 34. Dabei spielte die Frage, ob eine juristische Person in unserem heutigen Sinne bestand, nur eine untergeordnete Rolle. Es kam in erster Linie auf die Frage der Mitberechtigung an den Nutzungen an. Auch im städtischen Bereich bestanden zahlreiche genossenschaftliche Verbindungen, einerseits die Kaufmannsgilden, die den Handel betrieben, andererseits die Handwerker mit ihren „Ämtern" 35 . Hier spielte auch das Hilfskassenwesen eine erhebliche Rolle. Aus diesen handwerklichen Zusammenschlüssen sind einerseits die Innungen des modernen Handwerksrechts, andererseits zahlreiche sozialversicherungsrechtliche Körperschaften, vor allem die Berufsgenossenschaften der Unfallversicherung, hervorgegangen 36. Die Entwicklung, die seit dem Dreißigjährigen Krieg zu größeren Territorien drängte, hatte eine Tendenz zur Rechtsvereinheitlichung in den einzelnen Territorien im Gefolge. Der Bau von Chausseen, die Einrichtung von regelmäßig verkehrenden Posten und die größere Sicherheit auf der Straße schon im 18. und vor allem im 19. Jahrhundert, machte eine Rechtseinheit notwendig, die sich in den Kodifikationen des Zivilrechts in Preußen37, Österreich 38, Bayern 39 und Sachsen40, dann auch in dem einheitlichen Handelsgesetzbuch des Deutschen Bundes41 ausdrückten. In diesem Zusammenhang ist auch die Weitergeltung des französischen Code Civil im Westen Deutschlands (einschließlich des Badischen Landrechts) nach dem Befreiungskriegen zu erwähnen 42. Diese Kodifikationsbewegung erfasste notwendig auch das Personenrecht, das dabei mehr und mehr in den Sog des Gemeinen Rechts geriet. Die Entwicklung des Personenrechts war daher nach den Freiheitskriegen stark auf Vereinheitlichung ausgerichtet, auf Abschleifung von Unterschieden. Viele Rechte des Adels fielen weg. Die Bedeutung der Kirchen und der Religion sank und 34 Karl Siegfried Bader; Das mittelalterliche Dorf als Friedens- und Rechtsbezirk, 1957; Erich Becker, Gemeindliche Selbstverwaltung, Bd. 1 : Grundzüge der gemeindlichen Verfassungsgeschichte, 1941; Georg Droege, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), S. 193ff. * Pohl S. 249 ff. 36 Hansjoachim Henning, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Bd.III 1984, S.278ff. 37 Preußisches Allgemeines Landrecht von 1794; vgl. dazu Hans Thieme, ZRG 57, 355. 38 Schon 1786 wurde der Erste Teil (Personenrecht) des Oesterreichisches Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch von 1811 als Josefinisches Gesetzbuch kundgemacht; Ludwig Enneccerus/Hans CarlNipperdey, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 1. Halbband 1957, S. 39 f. 39 Codex Maximilianeus Bavaricus Civilis von 1756. 40 Bürgerliches Gesetzbuch für das Königreich Sachsen von 1863. 41 ADHGB von 1861. 42 Code Civil des Francais (Code Napoléon) von 1804.

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A. Allgemeiner Teil

mit ihr die des kirchlichen Familienrechts. Die Freizügigkeit verwischte den Unterschied zwischen Stadt und Land. Auch das Fremdenrecht zwischen den deutschen Staaten wurde bedeutungsloser43. So war das 19. Jahrhundert Schrittmacher für die Vereinheitlichung des Rechts und damit auch des Personenrechts, das 1900 seine Vollendung jedenfalls teilweise im BGB empfing. 3. Die Pandektenwissenschaft Das setzte allerdings voraus, dass in Deutschland mit dem als Gemeines Recht rezipierten Römischen Recht schon vorher eine Ordnung bestanden hatte, die eine weitgehend universale Geltung besaß und an den Universitäten für alle Juristen als das „Kaiserliche Recht" tradiert wurde. Im Gemeinen Recht war der Begriff der Person oder, wie er zumeist genannt wurde, der Begriff des Rechtssubjektes rechtsdogmatisch voll ausgebildet, ihn konnte die Rechtswissenschaft und Gerichtspraxis übernehmen. Hierbei mag es als typisch angesehen werden, daß das Personenrecht als Teil der Lehre „von den Rechten überhaupt" angesehen worden ist. 44 Es geht bei der Lehre von den Rechten um die obligatorischen und die dinglichen Rechte, die im Mittelpunkt der Betrachtung standen. Freilich bedurften diese Rechte eines Subjekts, dem sie zuzuordnen waren. Daher geht es im Pandektenrecht vor allem um die Frage, wem man die Rechte zuordnen kann. Dies konnte für das Gemeine Römische Recht grundsätzlich nur der Mensch sein, dem gewissermaßen auf Grund eines Naturrechts Rechtsubjektivität zukommt. Aber für eine Rechtsordnung, die aus einer Ordnung hervorgegangen ist, die die Sklaverei als legitimen Teil ihrer Ordnung anerkannte, ist die Identität zwischen Mensch und Rechtssubjekt nicht selbstverständlich. Es ist eine Zeit, in der die Vermögensunfähigkeit der Klosterinsassen auch von der weltlichen Gewalt noch problemlos akzeptiert wurde 45. Die - relative - Bedeutung des Personenrechts jener Zeit kommt auch dadurch zum Ausdruck, dass die Frage nach der Subjektlosigkeit von Rechten vielfach gestellt, erörtert und bejaht wurde 46. Hierbei stand die Frage nach dem Eigentum an der Erbschaft im Mittelpunkt, die von dem Erben noch nicht angenommen worden war, die sog. „hereditas iacens". Für den Beginn der Eigenschaft als Mensch war streitig, ob die Leibesfrucht bereits Mensch und damit Rechtssubjekt sei. Die herrschende Lehre verneinte dies, so43

Dies geschah vor allem durch das gemeinsame Indigenat, das den Mitgliedern aller Bundesstaaten im Deutschen Reich den Status eines Inländers gab, RV von 1871, Art. 3. 44 Z.B. Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts, 4. Aufl. 1875, S. 122ff. 45 Nov. 5 c., c. 2.6 X de statu monach. 3.35, Conc. Trid. Sess. XXV de regul. c. 2 - vgl. Windscheid, S. 137 f. 46 Windscheid, S. 123, Fn. 3.

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dass eine während der Schwangerschaft der Mutter angefallene Erbschaft nicht der Leibesfrucht zufiel, sondern als subjektlos galt; freilich ging sie im Augenblick der Geburt auf das Kind über 47. Auch die Frage nach dem Todeszeitpunkt bot vielfältigen Stoff für juristische Fragestellungen. Dies galt vor allem für den Fall der Verschollenheit. Hier galt seit dem 18. Jahrhundert das Alter von 70 Jahren - in Ableitung aus Psalm 90 Vers 10 als der Zeitpunkt, in dem eine rechtliche Todesvermutung eintrat. Als problematisch galt der Fall, in dem dem Verschollenen eine Erbschaft anfiel; insoweit wurde er als noch lebend angesehen48. Bei den Eigenschaften des Menschen tauchten weitgehend die gleichen Fragen auf wie heute, freilich oft mit anderen Antworten, als unser Recht sie gibt. Eine Gleichheit der Geschlechter war im Gemeinen Recht keineswegs selbstverständlich. So waren die Frauen von der Vormundschaft ausgeschlossen.49 Allerdings waren das - jedenfalls im Zivilrecht - nur noch Restbestände früherer Auffassungen. Grundsätzlich waren Mann und Frau im Gemeinen Privatrecht gleichgestellt. Dies galt allerdings nicht für das Eherecht, nach dem die Ehefrau eine andere Stellung als der Mann hatte und der Ehemann nicht nur „Haushaltungsvorstand" war, was ihm besondere Rechte gegenüber der Frau gab, sondern ihm auch die Verpflichtung der Alimentierung seiner Frau oblag. Dies wiederum führte auch im ehelichen Vermögensrecht zur Aufrechterhaltung des römischen Dotalrechts, das die Kehrseite der Alimentationspflicht war 50 . Eine Gleichheit der Geschlechter galt weiterhin nicht im öffentlichen Recht, wo die öffentlichen Ämter und das Wahlrecht den Frauen bis 1918 verschlossen blieben51. Die Altersstufen waren anders als heute eingeteilt.52 Die Kindheit reichte - wie heute - bis zum 7. Lebensjahr, die Geschlechtsunfähigkeit (pubertas) endete für Mädchen mit dem 12., für Knaben mit dem 14. Lebensjahr, die Volljährigkeit trat mit der Vollendung des 25. Lebensjahres ein, eine Regelung, die auch für viele Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts galt (z.B. das Wahlrecht) 53. Die unterschiedliche Religion spielte eine noch größere Rolle. Ausgangspunkt hierfür ist der Westfälische Frieden von 1648, der nur den Mitgliedern der drei 47

Windscheid, S. 131. Umfassend zur Problematik der Verschollenheit: Karl Georg Bruns, in: Jb. d. Gemeinen Rechts 15 (1857). 49 Wilhelm Theodor Kraut, Vormundschaft I I S. 291 ff. 50 BGB § 1408 (in der Ursprungsfassung); vgl. dazu Ludwig Ennccerus/Theodor KopplMartin Wolf(Hrsg.), Lehrbuch des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., 2. Abt. 6. Bearbeitung 1928, S. 187. 51 Preußische Revidierte Verfassungsurkunde vom 31.1.1850, Art. 70; Reichsverfassung vom 16.4.1871, Art. 20 i.V.m. Wahlgesetz (des Norddeutschen Bundes) vom 31.5.1869, § 1. 52 Hierzu ausführlich Friedrich Carl v. Savigny, System des heutigen Römischen Rechts, 1840ff., III §§107-111. 53 Wahlgesetz vom 31.5.1869, § 1. 48

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christlichen Bekenntnisse volle bürgerliche Rechte zugestand54. Hinsichtlich der Ketzer und Apostaten galt das mittelalterliche Recht noch weiter 55. Dieser Rechtszustand wurde erst durch ein Gesetz des Norddeutschen Bundes vom 5.7.1869 beendet. Die Gleichstellung der Juden, die durch die Emanzipationsgesetzgebung nach dem Befreiungskriegen weitgehend erreicht war 56 , war allerdings dort nicht zu verwirklichen, wo die Kirche in das weltliche Recht hineinwirkte, z.B. bei der Eheschließung. Die Ungültigkeit von Ehen zwischen Christen und Juden, die aus dem Römischen Recht stammte57, blieb bis zur Einführung der obligatorischen Zivilehe erhalten 58. Die Bedeutung, die die bürgerliche Ehre ursprünglich als Rechtszustand der Person gehabt hatte, hat sie unter dem Gemeinen Recht verloren, wenngleich das Rechtsinstitut als solches immer noch behandelt wurde. Die „infamia", die sowohl aus dem Römischen als auch aus dem Kanonischen Recht stammt und in das deutsche weltliche Recht, einschließlich des Reichsrechts übernommen worden ist 59 , bestand später praktisch noch in der Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte des Strafgesetzbuches (§§ 32 bis 43). Auch die Staatsangehörigkeit hatte im Zivilrecht ihre Bedeutung verloren; die Fremden wurden vom Zivilrecht grundsätzlich mit den Inländern gleich behandelt. Ein Unterschied bestand dagegen im Öffentlichen Recht, in dem der Fremde, nicht nur bei der Beteiligung an Wahlen und bei der Besetzung von öffentlichen Ämtern ausgeschlossen60, sondern ebenso auch im Gewerberecht Schlechterstellungen ausgesetzt war 61 . Freilich war dabei zu berücksichtigen, dass schon in der Wiener Bundesakte den Angehörigen aller deutschen Bundesstaaten grundsätzlich das Indigenat zugestanden war 62 , was bei der Gründung des Norddeutschen Bundes und des Deutschen Reiches verstärkt wurde 63. 54

So im übrigen auch die Deutsche Bundesakte, Art. 16. Auth. Credentes Frid.II.C. de haereticis 1.5. 56 Edikt betr. die bürgerlichen Verhältnisse der Juden in dem preußischen Staate vom 11.3.1812; Werner Conze, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Bd.II S.45f.; ausführlich zur Judenemanzipation Stobbe, Bd. I S. 343 ff. 57 L. 6 C de Jud. 1.9; so auch noch im Pr. ALR II 1 § 36. 58 So schon in der Frankfurter Reichsverfassung (Grundrechte) von 1848 (§ 16), die jedoch in den meisten Bundesstaaten nicht eingeführt wurde. Allgemein wurde die Zivilehe im Reich durch das Reichsgesetz vom 6.2.1875 eingeführt. 59 Stobbe, Bd. IS. 358 ff. 60 Allerdings sah das Reichsbeamtengesetz für die Anstellung der Beamten nicht den Besitz der Reichs- oder Landesangehörigkeit eines deutschen Bundesstaates vor, Gerhard Meyer/Georg Anschütz, Lehrbuch des Deutschen Staatsrechts, 7. Aufl. 1919, S. 584ff. 61 Der Begriff des Fremden und die Rechtstellung des Fremden war partikularrechtlich höchst unterschiedlich geregelt. Die Gleichstellung des Fremden im Wirtschaftsrecht, die sich im 19. Jhd. allgemein durchsetzte, war aber zugleich von Vorschriften über die Retorsion begleitet. Die Aufnahme einer unselbständigen Arbeit ist noch heute unter Sonderrecht gestellt (§§284ff. SGB III). 62 Wiener Schlußakte Art. 18; ferner: Bundesbeschluß v. 23.6.1817. 63 RV von 1871, Art. 3. 55

I. Das Personenrecht in der Geschichte

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Für das Personenrecht war von jeher die Verwandtschaft (und die Schwägerschaft) von Bedeutung, die nicht nur als „cognatio naturalis", sondern auch als „cognatio civilis" bestehen konnte. Von ihr hingen z. B. Erbrecht und Ehehindernisse ab. Für die Blutsverwandtschaft kam es - wie heute - darauf an zu bestimmen, was gelten sollte, wenn die Vaterschaft unklar oder bestritten war. Hier hat das BGB das Gemeine Recht übernommen, wenn es eine - widerlegbare - Vermutung gelten lässt, dass das in der Ehe gezeugte Kind auch Kind des Ehemannes ist 64 . Das Gemeine Recht hatte in wesentlich geringerem Maße das Recht der juristischen Personen ausgebildet, als dies heute geschehen ist. Zwar war dieser Begriff durchaus bekannt, freilich oft unter einer anderen Bezeichnung, z.B. als „persona moralis". Darin zeigt sich ein Rechtsdenken, das von dem heutigen juristischen Denken abweicht. Der Personbegriff der juristischen Person wurde, soweit er überhaupt benutzt wurde, als Fiktion verstanden.65 Es ging dabei vor allem darum, für Vermögensgegenstände eine rechtliche Zuordnung, ein Rechtssubjekt zu konstruieren. Das Römische Recht kannte die Vorstellung der „realen Verbandsperson" (Gierke) nicht. Insoweit unterschied es sich grundsätzlich vom deutschen Recht. Das Gemeine Recht hatte auch noch Schwierigkeiten, eine „universitas" oder „Corporation" (corpus) anzunehmen, wenn der Personalbestand sich veränderte, d. h. die „sukzessive" juristische Person zu akzeptieren, also gerade das, was die juristische Person heute ausmacht, nämlich die Identität der juristischen Person unabhängig vom Wechsel ihrer Mitglieder. Natürlich kannte auch jene Zeit Zusammenschlüsse wie die Gemeinden, die Universitäten, die Zünfte und die Gilden. Vor allem in der Landwirtschaft bestand eine Vielfalt derartiger Genossenschaften. Aber dies alles wurde nicht von der Pandektistik bearbeitet, sondern von dem Vertretern des „Deutschen Rechts", die eine ungeheure Fruchtbarkeit in der Bearbeitung derartiger Fragen entwickelten, aber sich nicht genötigt fühlten, diese Fragen dogmatisch zu klären. Immerhin wird man die Vorschriften des Preußischen Allgemeinen Landrechts über die Corporationen als den Anfang eines solchen Versuchs dogmatischer Durchdringung verstehen können66. Gänzlich außerhalb dieser Betrachtungen stand der Staat, der erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts als juristische Person verstanden wurde 67. Wichtig für das Personenrecht jener Zeit war die Regelung des Rechts der Vermögensmassen. Dabei ging es vor allem um Vermögensbestände, die bestimmten Zwecken dienten. Diese waren zumeist von den Kirchen und deren Institutionen gegründet und wurden von ihnen verwaltet, sodass für das, was wir heute als Stiftungen bezeichnen, in erster Linie das Kirchenrecht in seiner Vielgestaltigkeit und auch 64

Windscheid, S. 144. Windscheid, S. 146. 66 Thomas Röh, Die allgemeinen und besonderen Gesellschaften des Allgemeinen Landrechts für die Preußischen Staaten von 1794, 1995. 67 Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Bd. II 1992, S. 333 f. 65

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in seiner konfessionellen Unterschiedlichkeit maßgeblich war 68 . Daneben bestanden als wichtiger Fall der gebundenen Vermögensmassen die Fideikommisse, die den Angehörigen bestimmter Familien dienten69, weiter die landwirtschaftlichen Vermögensmassen der Allmende. Hinter ihnen standen auch personale Verbände, z. B. die Realgemeinden, deren rechtliche Natur unklar blieb und die nur teilweise als juristische Person aufgefasst wurden 70. Dass es auch damals schon eine nicht geringe Zahl von Stiftungen gab, die dem heutigen Stiftungsrecht ähnlich sind, z.B. Stipendienstiftungen und Familienstiftungen, sollte nicht vergessen sein. Aber sie waren nur eine Art von rechtlichen Erscheinungen in der Fülle der Formen, die als Recht vor dem BGB ausgebildet hatte. 4. Die Ursprungsfassung des BGB Diese gemeinrechtliche Rechtsordnung wurde durch das BGB abgelöst. Die Ursprungsfassung des BGB, so wie sie 1900 in Kraft getreten war, beruhte beim Recht der natürlichen Personen weitgehend auf dem Gemeinen Recht. Hier hatte der Gesetzgeber des BGB weniger zu vereinheitlichen als auf anderen Rechtsgebieten. In den knappen Bestimmungen der §§ 1 bis 20 hat er das gesagt, was nach seiner Meinung zu regeln war. Dass ein großer Teil des Personenrechts auch im Familienrecht enthalten ist, sollte man dabei im Auge haben. Hier war die Aufgabe, vor die sich der Gesetzgeber gestellt sah, wesentlich komplizierter, weil in Deutschland eine größere Vielfalt der überkommenen Rechtsregeln galt, in die das BGB eingreifen musste. Daher stellte der Gesetzgeber mehrere Typen des Ehegüterrechts als zulässige Regelungen alternativ zur Wahl, wobei er einen Typ, nämlich die Nutznießung des Ehemannes am eingebrachten Gut der Ehefrau als Normativordnung gelten ließ, wenn die Ehegatten nichts anderes vereinbarten. 71 Die gegenseitigen Beziehungen der Ehegatten waren durch die rechtliche Überlegenheit des Mannes gekennzeichnet, was sich in einem Bestimmungsrecht, z.B. für den Wohnsitz und die Regelung des Familiennamens, ausdrückte (BGB § 1355) Hierbei wird man allerdings, so sehr dies heute schon Vergangenheit ist, immer bedenken müssen, dass dies eine Ordnung war, die ganz offenbar auch dem allgemeinen Verständnis der Menschen dieser Zeit adäquat war. Denn die Vorschriften betrafen praktisch nicht den vermögenslosen Jedermann, sondern die Wohlhabenden72. 68

Roh. Lewis, Das Recht des Familienfideikommisses, 1868/69; Alfred Söllner, Zur Rechtsgeschichte des Familienfideikommisses, FS Käser, 1976. 70 EGBGB Art. 164. Die Rechtslage war von jeher landesrechtlich und regional sehr unterschiedlich. Eine Vereinheitlichung war durch das BGB weder angestrebt noch ist sie verwirklicht worden. 71 §§1366ff., insb. §§1373,1395. 69

I. Das Personenrecht in der Geschichte

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Eine wesentlich schwierigere Aufgabe hatte der Gesetzgeber noch bei den juristischen Personen zu lösen. Das BGB hat sich bemüht, für die juristischen Personen eine Beschränkung auf bestimmte Typen vorzunehmen. Es unterscheidet zwischen den juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts. Dabei lässt es die juristischen Personen des öffentlichen Rechts außen vor (§ 89). Nur zwei Vorschriften des BGB werden für diese anwendbar erklärt. Im wesentlichen bleibt der Gegenstand dem Landesrecht und dem Kirchenrecht vorbehalten. Allerdings war inzwischen auf diesem Gebiet bereits manches Neue geschaffen worden, insbesondere im Rahmen des Sozialversicherungsrechts 73 und des Wirtschaftsrechts (GewO §§81 ff.). Das Stiftungsrecht ist vom BGB nur sehr beschränkt erfasst worden. Hier bestanden so viele unterschiedliche Regelungen, dass eine vollständige und einheitliche Neuregelung durch das Reich schwer machbar war. Nicht nur war in vielen Fällen unklar, ob die einzelnen Stiftungen rechtsfähig oder nicht rechtsfähig waren. Zahlreiche und zwar sehr große selbständige Vermögensmassen wurden als Sondervermögen weitgehend durch staatliche Ingerenzen beeinflusst, wobei bisher niemand auf den Gedanken gekommen war, die Frage nach der Eigenschaft als selbständiger juristischer Person zu stellen, eine Frage, die vielfach auch überflüssig war, weil alles Wichtige in Einzelvorschriften oder im Herkommen festgelegt war. Ebenso unklar war in vielen Fällen die Abgrenzung zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Stiftungen. Schließlich spielte in das Stiftungsrecht auch das Kirchenrecht hinein; die Grenze zwischen weltlichen und kirchlichen Stiftungen war keineswegs immer klar gezogen74. So ist denn das Stiftungsrecht des BGB nur sehr knapp geraten (§§ 80 bis 88) und wird heute vor allem in den Landes-Ausführungsgesetzen zum BGB oder in besonderen Stiftungsgesetzen geregelt 75. Im Vereinsrecht schaffte das BGB dagegen eine klare Ordnung. Das BGB kennt vier Typen, den rechtsfähigen nichtwirtschaftlichen Verein (§21), den rechtsfähigen wirtschaftlichen Verein (§ 22), den ausländischen Verein (§ 23) und den nichtrechts72

Michael Mitterauer ¡Reinhard Sieder, Vom Patriarchat zur Partnerschaft - zum Strukturwandel der Familie, 1977. 73 Georg Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, 1965, S.61 ff. 74 Ein Beispiel bietet hierfür der „Allgemeine Hannoversche Klosterfonds", der ein Sondervermögen ist und dessen Erträge sowohl weltlichen kulturellen Einrichtungen (z.B. den Universitäten), als auch kirchlichen Zwecken zu gute kommen. Mit seiner verfassungsrechtlichen Gewährleistung in der Niedersächsischen Verfassung von 1998, Art. 72 Abs. 2) ist auch seine Zweckbestimmung gewährleistet. Dies ergibt sich aus der Herkunft der Mittel aus kirchlichem Vermögen, das der Staat eingezogen hat. Die Verwaltung des Fonds, der von einer staatlichen Sonderbehörde, der „Klosterkammer" wahrgenommen wird, genießt daher notwendig das Recht der Selbstverwaltung. 75 Eine vollständige Liste der Landesstiftungsgesetze (mit Fundstellen) findet sich bei Werner Seifart/Axel Frhr v. Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungrechts, 2. Aufl. 1999, S. 14.

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fähigen Verein (§ 54). Der nichtrechtsfähige Verein ist, wie schon sein Name sagt, keine juristische Person; er wird daher vom BGB der Gesellschaft (§§ 705 ff.) gleichgestellt. Für den wirtschaftlichen Verein und den ausländischen, deren Errichtung weitgehend der Landesstaatsgewalt vorbehalten ist, gelten im BGB die „Allgemeinen Vorschriften" des Vereinsrechts (§§ 24 bis 53), soweit nicht die Länder besondere Regelungen vorsehen. Das Hauptproblem hat das BGB im rechtsfähigen nichtwirtschaftlichen Verein, dem Idealverein, gesehen, der im BGB als „eingetragener Verein" (§§ 55 bis 79) bezeichnet wird. Hier stand der Gesetzgeber des BGB vor der Aufgabe, die politisch erkämpfte Vereinsfreiheit, die die Landesverfassungen garantierten 76, und die im Rahmen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Fortschrittes zu zahlreichen neuen Zusammenschlüssen und Initiativen auf dem Gebiet der Politik, der Kultur, des Gesundheitswesens, der Wohlfahrtspflege, der Unterhaltung, des Sports und auf zahlreichen anderen Gebieten, insbesondere auch von Liebhabereien führten, einen rechtlichen Rahmen zu geben. Denn die wohlhabender gewordene Gesellschaft bewegte auch über das Vereinswesen erhebliche Geldsummen und schuf Vermögenswerte von beträchtlichem Ausmaß, die den Vereinszwecken gewidmet waren, die zugleich wirtschaftliche Risiken in sich schlossen. Daher bedurfte es einer über die Landesgrenzen hinaus wirkenden klaren Rechtsordnung, vor allem auch eines Gläubigerschutzes gegenüber dem Verein, und eines Mitgliederschutzes, weiter eines Minderheitenschutzes gegenüber der die Vereinsgewalt ausübenden Mehrheit in der Mitgliederversammlung, evtl. auch gegenüber dem Vorstand. Dies leistete das BGB mit seinen Vorschriften über den eingetragenen Verein, wozu auch die Verfahrensvorschriften des FGG (§§ 159 ff.) mit den Vorschriften über das Vereinsregister gehören. Dieses Vereinswesen hat auch eine öffentlich-rechtliche Seite, nämlich das Vereinsgesetz, das bis in die Verbotsmöglichkeit hinein geht77. Politisch wichtig war die Entscheidung, dass die Idealvereine nicht durch den Staatsakt der Genehmigung, also durch einen staatlichen Ermessensakt entstehen, sondern durch freie Entscheidung der Gründer, wobei der Staat zwar mit der Eintragung in das von den unabhängigen Gerichten zu führende Vereinsregister auch konstituierend mitwirkt, aber nur berechtigt, ist die Formalien zu prüfen, und hierbei keinen Ermessensspielraum hat. Neben den Vorschriften des BGB stehen die handelsrechtlichen Vorschriften, die teilweise gleichzeitig mit dem BGB erlassen worden waren, teilweise mit Inkrafttreten des BGB diesem angepasst wurden 78. Sie alle beruhen - z. B. auch der „Ak76

So nach dem Vorbild der Paulskirchenverfassung (§ 162) z. B. die Preußische Verfassungsurkunde von 1850, Art. 30. 77 Gesetz zur Regelung des öffentlichen Vereinsrechts (Vereinsgesetz) vom 5.8.1964 (BGBl. I S. 593), zuletzt geändert durch G. vom 21.1.1998 (BGB1.I S. 164) mit DVO vom 28.7.1966 (BGBl.IS.457). 78 Handelsgesetzbuch vom 10.5.1897, RGBl. S.219.

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tienverein" - auf den Grundvorstellungen des BGB-Vereins; dessen Recht daher bei ihnen ggf. subsidiär anzuwenden ist 79 . 5. Die Entwicklung im 20. Jahrhundert Diese Rechtslage hatte sich bis 1933 wenig verändert. Das BGB brachte eine Konsolidierung des Rechts; die neuen Vorschriften bewährten sich und forderten zunächst keine größeren Neuerungen heraus. Der nationalsozialistische Gesetzgeber änderte die personenrechtlichen Vorschriften des BGB an zwei Stellen erheblich. Er erließ ein neues Ehegesetz80, mit dem er nicht nur objektiven Bedürfnissen der Zeit folgte, sondern auch Rassenpolitik betrieb, die er auch schon vorher durchzusetzen versucht hatte81. In diesen Zusammenhang gehört auch das Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses82 und das Erbgesundheitsgesetz83 Das zweite Gebiet, das der nationalsozialistische Gesetzgeber neu gestaltete und zugleich aus dem BGB in ein Sondergesetz überführte, war das Verschollenheitsrecht 84, das nach dem Zweiten Weltkrieg in oft tragischer Weise eine große Bedeutung erhalten sollte85. Im nationalsozialistischen Personenrecht stand das Prinzip der Ungleichheit, der Diskriminierung im Vordergrund. Die Deutschen waren nicht mehr - wie es Art. 109 WRV gefordert hatte - gleich. Der Gesetzgeber unterschied nun zwischen Reichsbürgern und deutschen Staatsangehörigen, ohne freilich diesen Gedanken mit einem Reichsbürgergesetz zu verwirklichen 86. Dagegen fand die Durchführung der Rassenlehre ihren Ausdruck nur teilweise in der Gesetzgebung, insbesondere die Juden87 wurden willkürlich ohne jegliche 79

Joachim Meyer-Landrut, in: Großkommentar zum AktG, 3. Aufl. 1973, § 1 Anm.4 (h.M.). Vom 6.7.1938 (RGBl. I S. 807). 81 Z. B. durch das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre, v. 15.9.1935, RGBl. IS. 1146, in dem die Eheschließung von Juden und „Ariern" verboten wurde. Gleichzeitig wurde das Reichsbürgergesetz erlassen, das mit den „Reichsbürgern" deutsche Staatsangehörige 1. und 2. Klasse schuf (G. v. 15.9.1935, RGB1.I S. 1146). 82 Vom 14.7.1933, RGBl. I S. 119. 83 Vom 18.10.1935, RGB1.I S. 1246. 84 Gesetz über die Verschollenheit, die Todeserklärung und die Feststellung des Todeszeitpunkts, vom 4.7.1939 (RGB1.I S. 1189). 85 Für Verschollenheitsfälle aus Anlass des 2. Weltkrieges sind auch die Art. 2 bis 4 des Gesetzes vom 15.1.1951 (BGB1.I S.59) zu beachten. 86 Vom 15.9.1935, RGB1.I S. 1146. 87 Dass es sich bei diesen Akten unter keinem Gesichtspunkt um Anwendung von Recht gehandelt hat, weil die Normen - soweit es solche überhaupt gab - selbst rechtswidrig waren, ist heute unbestritten. Fraglich ist nur, inwieweit diese Unrechtshandlungen dem Deutschen Staat zugerechnet werden können, weil sie durch Teilorganisationen der SS begangen worden sind, also durch Teile der NSDAP, die trotz des Gesetzes „zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat" (vom 1.12.1933, RGB1.I S. 1016) nicht identisch mit dem Deutschen Reich, sondern eine besondere Körperschaft des öffentlichen Rechts war. 80

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Rechtsgrundlage ermordet. Auch andere Gruppen wie die Zigeuner wurden entsprechend verfolgt. Die Unmenschlichkeit des System fand Ausdruck auch in der Vernichtung des sog. „lebensunwerten Lebens". Diese grausamen Verfolgungs- und Mordaktionen geschahen überwiegend geheim und ohne dass den Normalbürgern davon Kenntnis gegeben wurde; ja es wurde vor ihnen sorgfältig verborgen und bei Bekanntwerden abgestritten. Der national-sozialistische Staat versuchte auch sonst - zum Teil mit romantischen Ideen verbrämt (z. B. in seiner Landwirtschaftspolitik bei dem „Bauernstand" mit dem Reichsnährstand)88 - besondere Gruppierungen zu schaffen mit der Möglichkeit, alle Menschen in eine Unter- oder Neben-Organisation der NSDAP einzugliedern und damit besser kontrollierbar zu machen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges ist diese „Ordnung" durch die Besatzungsmächte alsbald wieder beseitigt worden. Die heutige personenrechtliche Ordnung, die auf dem GG beruht, hat als zentrale Gesichtspunkte die Wahrung der Menschenwürde (GG Art. 1 Abs. 1) und die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz (Art. 3 Abs. 1) festgelegt. Der besondere Gleichheitssatz für Mann und Frau (Art. 3 Abs. 2) führte zur weitgehenden Umgestaltung des Eherechts89, zu einer Reform des Familiennamensrechtes90, zur Änderung des Rechts der gegenseitigen Beziehungen der Ehegatten (BGB §§ 1356 ff.) und zur völligen Neugestaltung des Ehegüterrechts (BGB §§ 1363 ff.). Vor allem aber wurde das Scheidungsrecht und das Scheidungsfolgenrecht grundlegend reformiert (BGB §§ 1564ff.). Die Verwirklichung des Anspruchs auf Gleichheit der Geschlechter hat sich auf vielen anderen Gebieten ausgewirkt, vor allem im öffentlichen Recht. Dort hatte schon die WRV zur fast vollständigen Gleichstellung der Frau im politischen Leben geführt, mochten auch nur wenige Frauen den Weg in die öffentlichen Ämter gewagt haben, sei es dass sie wirklich benachteiligt wurden, sei es, dass sie Benachteiligungen fürchteten. Nach einen Rückschlag der Entwicklung zur Gleichheit der Geschlechter in der nationalsozialistischen Zeit, bedingt durch das besondere Verständnis jener Zeit von der Rolle der Frau und Mutter in der „Volksgemeinschaft", hat sich die Bewegung zu mehr Gleichheit in jüngerer Zeit durchgesetzt und hat zu zahlreichen Gesetzen und Maßnahmen für die Gleichstellung und Nichtdiskriminierung geführt. Neben die Ehe als Rechtsinstitut ist in der gesellschaftlichen Wirklichkeit die nicht ehelichen Lebensgemeinschaft getreten. Allerdings hat das positive Recht von ihr noch wenig Notiz genommen. Nicht nur die Vorschrift des GG, die den Schutz der Ehe vorschreibt (Art. 6), hat die Anerkennung der nichtehelichen Lebensge88

Vgl. hierzu Harald Winkel, in: Jeserich u. a. (Hrsg.), Bd. IV, 1985, S. 811 ff. Ehegesetz - Gesetz Nr. 16 des Alliierten Kontrollrats vom 20.2.1946 (KRAB1. S.77 = BGBl. III 404-1). 90 Familiennamenrechtsgesetz vom 16.12.1993 (BGBl. I S. 2054) mit Übergangsbestimmung in Art.7 dieses Gesetzes. - Heute: BGB §§ 1355, 1616ff. 89

I. Das Personenrecht in der Geschichte

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meinschaft als Rechtsinstitution verhindert. Es ist auch praktisch nicht möglich, die verschiedensten gemeinsamen Lebensbeziehungen, die zwischen einem Mann und einer Frau bestehen, sicher als dauerhafte oder als nur vorübergehende Lebensgemeinschaft zu qualifizieren, wenn die Beteiligten ihre persönliche Form des Zusammenlebens nicht in einer für die Rechtsordnung fassbaren Form dokumentieren. Die Qualifikation auf Grund von Beziehungen im allerprivatesten Raum, zu dem der Staat keinen Zugang hat, erfordert eine hellseherische Gabe, die ohne eine rechtlich verbindliche, auf die Dauer angelegte Erklärung der Beteiligten nicht zu leisten ist. Die Rechtsprechung und die Wissenschaft hat sich mit dieser Fragen befassen müssen91, teilweise auch die Gesetzgebung, freilich mehr in dem Sinne, dass sich aus der Lebensgemeinschaft, wenn sie dann wirklich eheähnlich ist, keine Vorteile gegenüber den Eheleuten ergeben sollen92. Durch das Gesetz vom 16.2.2001 haben gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaften (Schwule, Lesben) vom Staat eine Anerkennung ihrer Beziehung als eheähnlich erreicht. Neben dem Personenrecht des BGB ist auch ein - freilich rudimentäres - Personenrecht im SGB entstanden, das nicht vollständig mit dem BGB übereinstimmt (§ 56 SGB I), aber zeigt, dass hier eine Materie eine Bedeutung erlangt hat, die eigenständige Regelungen erfordert. Gerade im Sozialrecht wird auch erkennbar, dass sich das deutsche Recht immer mehr in internationale Bezüge einbindet. Das deutsche Recht beruht auf dem Prinzip der Einehe. Die Bigamie ist strafbar. Anderes gilt in den meisten islamischen Ländern. Wenn nun ein Arbeitnehmer aus diesen Ländern, der rechtmäßig mit zwei Frauen verheiratet ist, in Deutschland arbeitet und dann verstirbt, so entstehen zwei Ansprüche auf Witwenrenten; § 34 Abs. 2 SGB I löst dieses Problem und erkennt damit das für die Deutschen fremde islamische Mehrehenrecht als rechtsgültig an. Dass der Wandel des Eherechts auch im internationalrechtlichen Bereich zu Neuerungen führen musste, ist nicht überraschend. Bei der Reform des Internationalen Privatrechts im EGBGB haben daher auch die einschlägigen Vorschriften eine umfangreiche Novellierung erfahren (EGBGB Art. 13 bis 34). Das Recht der juristischen Personen hat weniger im BGB als in vielen Sondergesetzen Weiterentwicklungen erfahren. Zu nennen ist in erster Linie die vollständige Neuregelung des Aktienrechts mit dem Konzernrecht 93 und dem Umwandlungsrecht 94. Das Recht des nichtrechtsfähigen Vereins hat seine Weiterentwicklung vor 91 Joachim Gernhuber¡Dagmar Coester-Waltjen, Familienrecht, 4. Aufl. 1994, S. 646ff.; Götz Landwehr (Hrsg.), Die nicht eheliche Lebensgemeinschaft, 1978; Manfred LiebtEberhard Schmidt-Aßmann!Bernd Baron v.Maydell, Gutachten und Referate zum 57. DJT 1988. 92 So im Sozialhilferecht, BSHG § 122. 93 Aktiengesetz, 3. Buch (Verbundene Unternehmen) §§291-337. 94 Aktiengesetz, 4. Buch (Verschmelzung, Vermögensübertragung, Umwandlung) §§ 339393.

A. Allgemeiner Teil

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allem durch die Rechtsprechung erfahren 95. Aber auch das Prozessrecht (VwGO §§ 61-63) und das Recht der politischen Parteien 96 sind Beispiele dafür, dass auch auf diesem Gebiet Entwicklungen im Gange sind. Das Stiftungsrecht ist im wesentlichen Landesrecht geblieben und hat eine - freilich nur kleine - Reform erlebt, deren Notwendigkeit sich aus der größer werdenden Zahl und dem zunehmenden Reichtum von Stiftungen ergibt. Hier spielt, ebenso wie beim Umwandlungsrecht, das Steuerrecht herein 97. Das Recht der juristischen Personen des öffentlichen Rechts hat seine Anerkennung im GG durch die ausdrückliche Nennung von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gefunden (Art. 86). Insgesamt jedoch ist diese Rechtsmaterie ohne allgemeine Ordnung und Durchschaubarkeit. Sie kennt eine große Vielzahl von besonderen Personen, die teils vom Bundes-, teils vom Landesrecht geschaffen oder weiterentwickelt worden sind. Auf einigen Gebieten freilich ist eine gewisse Übereinstimmung - jedenfalls im System - erkennbar, bei den Gemeinden und Gemeindeverbänden98, den Körperschaften des Sozialversicherungsrechts (§§ 29 ff. SGB IV) und bei den berufsständischen Kammern 99. Freilich kann man - wie noch zu zeigen sein wird - keineswegs davon sprechen, dass es ein allgemeines System der juristischen Personen des öffentlichen Rechts gibt.

II. Soziologische Vorbemerkungen zum Personenrecht Es ist nicht logisch zwingend, dass eine Rechtsordnung den Begriff der Person in den Mittelpunkt ihrer Ordnungsvorstellungen stellt, wie das die kontinentalen, auf dem römischen Recht beruhenden Rechtsordnungen tun. Die Einführung des Begriffes der Person bedeutet, dass der Person - und das ist in erster Linie der einzelne Mensch - eine Rechtsmacht zugeordnet wird, die von den Normen des Rechtssystems anerkannt wird. Hierzu ist es erforderlich sich bewusst zu machen, dass jedes Rechtssystem nur dann funktionsfähig ist, wenn es Institutionen besitzt, die in der Lage sind, diesem System Geltung zu verschaffen. Recht setzt zwar nicht begrifflich, aber doch praktisch Zwang voraus. In einem sozialen Verband, in dem ein Regelsystem gilt, das wir als Recht bezeichnen, besteht fast ausnahmslos ein Geflecht von Institutionen, deren Handeln darauf ausgerichtet ist, diesem Regelsystem Geltung zu verschaffen. 95

Hierzu ausführlich Bernhard Reichertl Frank van LookiFranz Häuser, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 8. Aufl. 1995, S.918ff. 96 Parteiengesetz § 3; danach kommt es für die Aktiv- und Passivlegitimation der politischen Parteien nicht auf deren Rechtsfähigkeit an. 97 Seifart/v. Campenhausen, S. 661 ff. 98 Insbesondere durch die in ihrem Aufbau, teilweise auch in ihrem Inhalt ähnlichen Gemeinde- und Landkreisordnungen. 99 Dies ergibt sich aus der bundesrechtlichen Regelung vieler Kammern wie der Industrieund Handelskammern, der Handwerkskammern, der Rechtsanwaltskammern u. a. m.

II. Soziologische Vorbemerkungen zum Personenrecht

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Dabei wird zumeist auch Zwang im Sinne körperlicher Gewalt eingesetzt. Das ist freilich logisch nicht notwendig. Auch Mittel der sozialen Kontrolle können dieselbe, vielleicht sogar eine noch stärkere Wirkung als der körperliche Zwang ausüben. Der „outlaw" ist unter bestimmten sozialen und wirtschaftlichen Voraussetzungen auch dem körperlichen Untergang geweiht. Der kirchliche Bann konnte im Mittelalter praktisch zum Hungertode des Gebannten führen. Entscheidend freilich sind die Institutionen, die das Regelwerk verteidigen. Das können der König und seine Adeligen, es kann der Rat der Ältesten, es können die Latifundienbesitzer, die Priester oder die Richter sein. Es kann eine einzige Institution oder es können mehrere Institutionen sein, die neben einander bestehen und sich in der Balance halten. Ihre Benennung und ihre Funktionen in Einzelnen sind gleichgültig. Vor allem brauchen sie nicht ausdrücklich und formal eingesetzt zu sein. In frühen Kulturen, die keine Schriftlichkeit der rechtlichen Normierungen kannten, bildeten sich die Institutionen, die ein Rechtssystem trugen, durch Gewohnheit heraus. Heute werden die Institutionen zumeist formal, d.h. durch schriftliche Dokumente begründet und gerechtfertigt; sie schützen nicht nur die Normen, sondern sie beruhen selbst auf Normen, die sie legitimieren. Der Personenbegriff, der die heutige westliche Rechtsordnung weitgehend charakterisiert, geht davon aus, dass die Institutionen der jeweiligen Rechtsordnung den Personen zur Verfügung stehen, um deren Interessen, Wertungen und Wünsche zu verwirklichen. Der Begriff der Person setzt voraus, dass zwischen den Institutionen, die die Rechtsordnung anwenden und sie schützen, und den Personen als Bezugspunkten der Rechtordnung keine Identität besteht, und dass die Personen von den Institutionen verlangen können, daß diese ihnen zur Durchsetzung ihrer Rechte verhelfen, d. h. alles tun, um die von der Rechtsordnung anerkannten Rechte der Personen zu realisieren, unabhängig davon, welche eigenen Interessen die Träger dieser Institutionen haben. Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass die Entwicklung des juristischen Person-Begriffes eine höhere Stufe der Rechtsentwicklung voraussetzt, dass sie gewissermaßen schon - soweit sich der Begriff der Person durchgesetzt hat - logisch dem Begriff des Rechtstaates zugeordnet ist. Der Personbegriff ist ohne eine jedenfalls rudimentäre Entwicklung rechtstaatlicher Gedanken nicht vorstellbar. Der Person-Begriff hängt auf das Engste mit der griechisch-christlichen Philosophie zusammen, wobei die Stellung des einzelnen Menschen gegenüber den Göttern (griechisch) oder gegenüber dem einen Gott (christlich) eine zentrale Rolle spielt. Der Mensch, der in der Erbsünde steht, der in Schuld fällt, der sich von der Schuld reinigen kann, dem die Gnade seines Gottes zuteil wird, der verdammt oder erlöst wird, ist Person. Die christliche Theologie ist ohne den Personbegriff überhaupt nicht denkbar. Im Kirchenrecht ist daher ein eigenes Personenrecht entwickelt worden, das nur im Zusammenhang mit seiner theologischen Grundlage erfasst und dargestellt wer4 Thieme

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A. Allgemeiner Teil

den kann. Dieses besondere kirchliche Personenrecht wird in diesem Werk nicht behandelt100. Zweifellos ist die Person als Begriff nicht nur religiös verwurzelt. Der Personbegriff hat auch einen diesseitigen, weltlichen Bezug. Der Einzelne kann Inhaber von Rechten sein, Rechte auf das Haben von Sachen (Besitz und Eigentum im Sinne des BGB), Recht auf den Besitz anderer Menschen (der Frau, der Kinder, von Sklaven und Leibeigenen), Recht auf Dienstleistungen und Abgaben haben und andererseits Verpflichtungen zu einem Tun und Unterlassen; und er kann sogar Gegenstand der Vollstreckung (Haft) sein. Im diesseitigen Bereich ist der Person-Begriff nicht immer in der Schärfe herausgebildet, wie das die griechisch-christliche Religionsphilosophie tut. Oft sind es die Gemeinschaft, die Familie, die Sippe, die Hofgemeinschaft, der Stamm, die Dorfgemeinschaft, das Volk, denen etwas „gehört", denen Güter, insbesondere landwirtschaftliche Unternehmensbereiche rechtlich zugeordnet sind. Das Fideikommiss war Ausdruck einer solchen nicht personenbezogenen, sondern gemeinschaftsbezogenen Wirtschaftsordnung. Auch heute noch fällt es im Familienrecht zuweilen schwer, bestimmte Sachen oder Rechte bestimmten Personen, Ehemann, Ehefrau, Kindern, als Eigentum zuzuordnen. Das zeigt sich bei Auflösung der Familie im Falle der Scheidung. Die teils minutiöse, vom bisherigen Rechtsstand abweichende, teils kadihafte Zuordnung von Sachen und Rechten durch den Richter nach Scheitern der Ehe macht das deutlich 101 . In der Ehe taugt der Personbegriff zuweilen wenig. Die eheliche Gemeinschaft als solche ist die Zuordnungseinheit. Unser heutiges Recht freilich legt seinem System der Rechte und Pflichten grundsätzlich den Personbegriff zugrunde. Jedem Menschen kommt Personschaft zu. Das ist nicht zwingend. Rechtsordnungen, die das Sklaventum kennen, leugnen für einen Teil der Menschen die Eigenschaft als Person. Der Sklave ist Sache und nicht Person, nicht einmal Mitgeschöpf, wie das heutige deutsche bürgerliche Recht für die Tiere annimmt (BGB § 90 a). Theoretisch ist es keineswegs ausgeschlossen ist, dass auch den Tieren Rechte zustehen könnten, dass jedenfalls höher stehenden Tieren Personschaft im Rechtssinne kraft positiven Rechts zugeordnet wird. Es war nicht nur die antike und z. T. auch moderne Sklaverei, die den Sklaven die Eigenschaft als Person im Rechtssinne absprach, sondern auch das Klosterwesen, der mit dem Eintritt in das Kloster verbundene „bürgerliche Tod" 102 . Gerade diese 100 v g l hierzu die Beiträge von Dieter Lorenz, Hartmut Krüger; Axel Frhr. v. Campenhausen, Dietrich Pirson, Josef Isensee und Gerhard Hammer in: Joseph Listl/Dietrich Pirson (Hrsg.), Handbuch des Staatskirchenrechts der Bundesrepublik Deutschland (HdbStKR), 2. Aufl. 1994, S. 717ff.; Gerhard Sauter, Art. „Person", in: Evangelisches Staatslexikon, 3. Aufl. 1987, Band II Sp. 2474ff. m. w.N. 101 Hausratsverordnung vom 21.10.1944 (RGBl. I S. 256), §8 Abs. 1: „Hausrat, der beiden Ehegatten gemeinsam gehört, verteilt der Richter gerecht und zweckmäßig." 102 So im Pr. ALR II 11 §§ 1199f.: „Nach abgelegtem Klostergelübde werden Mönche und Nonnen in Ansehung aller weltlichen Geschäfte als verstorben angesehen." Nach kanonischem Recht freilich führte das Klostergelübde nicht zur Beendigung der Rechtsfähigkeit.

II. Soziologische Vorbemerkungen zum Personenrecht

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Einrichtung zeigt, dass die Rechtsordnung einer Gemeinschaft, der Klosteigemeinschaft, ohne subjektive Rechte einzelner Personen durchaus existieren kann, und die Interessen der Mitglieder durch die Institutionen, die das Kollektiv steuern, jedenfalls nach den damaligen Wertevorstellungen gewahrt worden sind. Das Besondere am Personbegriff besteht darin, dass der einzelne Mensch seine Interessen grundsätzlich selbst wahrnehmen darf, dass ihm die Institutionen des Rechtssystems zur Verfügung stehen, damit er diejenigen seiner Interessen, die das System anerkennt, wahrnehmen und durchsetzen kann. Die Teilung des Rechtssystems in zwei Teile, in die das Recht wahrenden Institutionen einerseits und in die einzelnen Menschen als Inhaber der Rechte andererseits ist für die Bildung des Personbegriffs entscheidend. Das Interessante am Personbegriff ist, dass er sich nicht nur dazu eignet, den einzelnen Menschen gegenüber dem Kollektiv und seinen Interessen und Institutionen zu schützen, sondern zugleich auch einzelnen Kollektiven als solchen selbst Rechte zu geben. Dies geschieht durch den Begriff der juristischen Person. Dieser Begriff ist jünger als der Begriff der natürlichen Person, er ist vor allem nicht durch grundsätzliche philosophische Erwägungen belastet, sondern mehr zweckrational, technisch zu bedingt. Die allgemeinen Regeln der Rechtsordnung für die juristischen Person ist in wesentlich geringerem Maße dogmatisch durchgearbeitet, sie sind stärker im Wandel, haben viele sehr unterschiedliche Erscheinungen und dienen unterschiedlichen praktischen Zwecken. Der Begriff der juristischen Person ist kein einheitlicher Begriff und doch hat er rechtlich wesentliche Merkmale, die allen juristischen Personen, privatrechtlichen und öffentlich-rechtlichen, gleich sind, nämlich die Möglichkeit, Rechte und Pflichten zu haben wie der einzelne Mensch. Solange es nur darum ging, dass mehrere Menschen, die sich zusammengeschlossen hatten, unter einem gemeinsamen Namen zu handeln und Rechte zu erwerben, blieb das problemlos. Viel wichtiger für die Rechtsordnung ist die Möglichkeit der juristischen Personen, eigene Pflichten zu haben, Pflichten, die die einzelnen Mitglieder der juristischen Person nicht gleichzeitig haben. Diese juristische Haftungsbeschränkung ist für die Wirtschaft von größter Bedeutung, weil erst sie die Arbeit mit den großen Kapitalien möglich gemacht hat, die heute erforderlich sind, um Wohlstand und Fortschritt zu sichern. Das führt dann auch zur Möglichkeit einer „Entpersonalisierung" der juristischen Person, indem man auch Vermögensmassen als juristische Person ansieht, die sich völlig von einem bestimmten personalen Bestand natürlicher Personen gelöst haben, vor allem die Stiftungen. Bei ihnen ist die Eigentümerfunktion verloren gegangen 103 . Es gibt Organe, die über die Stiftung vermögensrechtlich verfügen, und daAuch konnte durch den - nach weltlichem Recht stets anzuerkennenden - Austritt aus dem Kloster die Rechtsfähigkeit wieder gewonnen werden. 103 Gerhard Ahrens, Eine Bank ohne Eigentümer, in: Jan Albers u. a. (Hrsg.), Recht und Juristen in Hamburg, 1994, S. 185 ff. 4*

A. Allgemeiner Teil

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von abgetrennte Nutzer des Vermögens, das erhalten bleibt, unabhängig von den Nutzern. Der Sprung der juristischen Person in das öffentliche Recht geht einen Schritt weiter. Zwar hat es immer schon Korporationen gegeben, vor allem in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Agrarwirtschaft, ferner im Kirchenrecht, bei den Universitäten und bei den Kommunen. Aber der Staat als juristische Person ist eine erst jüngere Entdeckung. Er ist heute in das System der juristischen Personen als eine besondere Form der „Gebietskörperschaften" eingeordnet. Die Hilfskonstruktion des „Fiskus", die noch in den ersten Jahren nach dem 2. Weltkrieg eine erhebliche Rolle gespielt hat 104 , ist heute fast vergessen. Eines ist aber sicher: Während die natürliche Person ganz allgemein ihr sozialen Umfeld hat, das mehr oder weniger klar definierbar ist, das ermöglicht, sie für jeden Einzelfall des Personseins zum Gegenstand von Aussagen der Rechtssoziologie zu machen, ist dies bei den juristischen Personen nur in bestimmten Einzelfällen oder in Gruppen von Fällen möglich. Die juristischen Personen bleiben juristische Kunstgebilde, Fiktionen. Sie sind zweckbehaftet, d. h. jeweils mit einem bestimmten Zweck verbunden, der in jedem Fall zu ermitteln und zu beschreiben ist. Das Recht kümmert sich wenig um die Zwecke, sondern nimmt die künstliche Schöpfung der juristischen Person hin, wann immer sie dies für zweckmäßig hält.

I I I . Normative Regelungen im Recht der Bundesrepublik Deutschland 1. Allgemeines Das BGB verführt leicht zu der unzutreffenden Meinung, das Personenrecht sei in erster Linie ein formales Recht, das sich mit dem Beginn und dem Ende des Personseins befasst und mit den einzelnen personalen Zuständen. Dies ist, wie die historische Betrachtung zeigt, unrichtig. Das Personenrecht beruht, wie das Römische Recht lehrt, auf der Tatsache, dass nicht alle Menschen gleich sind, sondern dass die Rechtsordnung zwischen einzelnen „Rechtsständen" unterscheidet. Diese Stände haben sich gewandelt. Heute sind es nicht mehr Freie und Sklaven, Adelige und Bürgerliche, sondern natürliche und juristische Personen, Männer und Frauen, Volljährige und Minderjährige, Verheiratete und Ledige, Deutsche und Nichtdeutsche. Bei aller Betonung der Gleichheit, die der Rechtsordnung unter dem GG zugrunde liegt, ist die Vielfältigkeit personaler Unterschiede eher gewachsen, fast unübersehbar geworden. Wenn man die Rechtsquellen des Personenrechts aufspüren will, so ist es daher zunächst erforderlich, die einzelnen Arten der Personen zu erfassen. 104

Forsthoff,

S. 113.

III. Normative Regelungen

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Eine zweite Problematik des Personenrechts ist die Klärung, von welchem Kriterien die Zugehörigkeit zu der einen oder der anderen Gruppe von Personen abhängt. Dabei geht es primär um die natürlichen Personen, den Beginn und das Ende des Mensch- und Personseins. Es geht aber auch um die verschiedenen zivil- und öffentlich-rechtlichen Stellungen, z.B. als Verheirateter oder Lediger, als Deutscher oder Ausländer. Daneben gibt es ein materielles Personenrecht. Das BGB enthält in seinem Abschnitt über das Personenrecht nur eine inhaltliche Bestimmung, das Recht am eigenen Namen (§ 6). Es kann aber keinem Zweifel unterliegen, daß es weitere Rechte gibt, die dem Personenrecht zuzuordnen sind, z.B. die Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG), das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder das Recht auf Ehre und das allgemeine Freiheitsrecht. Auch diese materiellen Personenrechte werden in die folgende Betrachtung einbezogen. Auch sie sind bei der Aufzählung der einschlägigen Rechtsquellen mit zu behandeln. 2. Das Grundgesetz Wenn man nach den positiven Normen des Personenrechts sucht, muß man sich von der Vorstellung freimachen, daß das Personenrecht eine zivilrechtliche Materie ist. Die Rechtslage der Person, sowohl die natürlichen als auch die juristischen Personen, wird in allen Teilen der Rechtsordnung geregelt, z. T. geschützt, z. T. in seiner Freiheit beschränkt. Daher sind alle Gebiete unserer Rechtsordnung nach Vorhandensein von Quellen des Personenrechts zu befragen. Von zentraler Bedeutung für das Personenrecht ist heute das Grundgesetz. Es beginnt (Art. 1 Abs. 1) mit dem Satz „Die Würde des Menschen ist unantastbar". Durch diese Norm wird der Schutz der natürlichen Person in der Rechts- und Verfassungsordnung in den Vordergrund gestellt105. Dieser Satz setzt den Begriff der natürlichen Person voraus. Er wird durch den nächsten Absatz (Art. 1 Abs. 2) verstärkt, durch das Bekenntnis zu unantastbaren und unveräußerlichen Menschenrechten, die Grundlage der menschlichen Gemeinschaft sind, d. h. nicht nur im Verhältnis zum Staat, sondern auch im Verhältnis der Menschen untereinander 106. Art. 2 GG schreitet in diesen Bekenntnissen mit dem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Abs. 1) und dem Schutz der wichtigsten persönlichen Rechtsgüter, Leben, körperliche Unversehrtheit und Freiheit fort. Dabei ist die Freiheit der Person auch verfassungsrechtlich durch besondere Verfahrensvorschriften geschützt (Art. 104 GG). Für das Personenrecht hat jedoch im GG Art. 2 Abs. 1 und 2 eine zentrale Bedeutung. Der Grundrechtsteil enthält eine Fülle weiterer persönlicher Rechte, Gleichheit, Bekenntnis- und Glaubensfreiheit, Meinungsfreiheit, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Freizügigkeit, Berufsfreiheit, Eigentumsfreiheit 105 106

Christoph Enders, Die Menschenwürde in der Verfassungsordnung, 1997. BVerfGE 81, 255; 89, 229.

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A. Allgemeiner Teil

und andere mehr. Auffällig ist das Bedürfnis der neueren Verfassungsgesetzgebung, Einschränkungen der Grundrechte sehr eingehend zu regeln 107. Alle diese Grundrechte sind Grundlage des Personenrechts der BRD. Vor allem aber ist GG Art. 3 Abs. 1 zu beachten, der die Gleichheit aller Menschen gewährleistet, wobei die Gleichheit von Mann und Frau noch einmal durch Abs. 2 verstärkt wird 108 . Die Grundrechte stehen nicht nur den natürlichen Personen zu. Dies ergibt sich aus GG Art. 19 Abs. 3, das die Grundrechte jedoch auf diejenigen juristischen Personen erweitert, auf die sie „ ihrem Wesen nach anwendbar sind u. Praktisch bedeutet das, dass alle privatrechtlichen juristischen Personen vom deutschen Recht als Person anerkannt werden. Dies ist doppelt begründet, einmal durch die ausdrückliche Nennung der „juristischen Personen", ein andermal durch die Gleichstellung mit den - nicht ausdrücklich so genannten, aber vorausgesetzten - natürlichen Personen. Das Personenrecht findet im GG auch insofern eine besondere Regelung, als teilweise zwischen den Deutschen und den Ausländern unterschieden wird. Es werden zwei Kategorien des Personenrechts gebildet; die Deutschen werden hierbei deutlich privilegiert 109 . Vor allen haben sie ein Recht zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland und können weder ausgewiesen noch ausgeliefert werden (Art. 16). Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts werden auch im GG, wenn auch nur beschränkt grundrechtlich geschützt110. Art. 19 Abs. 3 unterscheidet nicht zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Personen. Gleichwohl hat das BVerfG - berechtigt - eine Differenzierung zwischen diesen beiden Gruppen der juristischen Personen vorgenommen 111. Das GG kennt die Kategorie der Körperschaft und die der Anstalt des öffentlichen Rechts (z. B. GG Art. 87 Abs. 2; ferner GG Art. 130).

3. Das Bürgerliche Gesetzbuch Ursprünglich galt das BGB als wichtigste Quelle des Personenrechts. Es enthält an seiner Spitze im 1. Buch einen besonderen Abschnitt über die Personen. Die Bedeutung dieser Vorschriften liegt auch heute noch darin, dass gerade sie trotz ihrer Stellung im BGB im Grunde ein Stück des allgemeinen Rechts sind, das für alle Teilrechtsordnungen, auch die des öffentlichen Rechts gilt. 107

Z. B. Art. 10 Abs. 2 und Art. 13. Art. 3 Abs. 2 in seiner heutigen Fassung enthält nicht nur die Forderung nach Gleichstellung der Geschlechter, sondern auch die Forderung nach Beseitigung bestehender Nachteile. 109 Nur ihnen stehen die sog. „Deutschen-Rechte" (im Gegensatz zu den Menschenrechten) zu: Art. 8,9, 11,12, 16 GG. 110 Michael Meissner; Der Persönlichkeitsschutz juristischer Personen im deutschen und im US-amerikanischen Recht, 1998. 111 BVerfGE 21, 362ff.; 24, 383; 31,322; 39, 312f.; 45,63,78; 61,101; 68,207f.; 75,197. 108

III. Normative Regelungen

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Das Recht der natürlichen Personen wird in den §§1-12 BGB geregelt, das der juristischen Personen etwas ausführlicher, allerdings beschränkt auf die Vereine und Stiftungen (§§21-88), das der juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur mit einer kurzen, wenig sagenden Bestimmung (§ 89). Immerhin ist es nicht unwichtig, dass sich das BGB hier auch der juristischen Personen des öffentlichen Rechts annimmt und damit auf seine Anwendbarkeit auf öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnisse hinweist. An vielen anderen Stellen des BGB gibt es personenrechtliche Vorschriften, die hier nicht vollständig aufgezählt werden sollen. Nur auf die wichtigsten sei hingewiesen. So gehört zum Personenrecht auch die Frage der Handlungs- und Geschäftsfähigkeit der Person (§§ 104 ff.). Es gehören hierzu die nicht rechtsfähigen Personenverbindungen, z.B. die Gesellschaft (§§705ff.). Auch die Gemeinschaft (§§741 ff.) hat neben der Gesellschaft als personaler Zusammenschluss ihre Regelung im BGB gefunden. Personenrechtlicher Art sind auch Eingehung und Auflösung der Ehe 112 , die familienrechtlichen Beziehungen zwischen den Ehegatten (BGB §§ 1335 ff.) und zwischen den Eltern und Kindern (BGB §§ 1616ff.). Auch Nebengesetze zum BGB wie das Verschollenheitsgesetz113, das Ehegesetz114, und das Gesetz über die rechtliche Stellung des nichtehelichen Kindes 115 sind dem Personenrecht zuzurechnen, weil sie die persönliche Stellung der vom Gesetz Betroffenen regeln. Offen ist in der wissenschaftlichen Diskussion die systematische Einordnung Eherechts. Überwiegend wird freilich angenommen, dass das Eherecht dem Privatrecht zuzuordnen sei 116 . Freilich wird hierbei übersehen, dass die Ehewirkungen nicht nur privatrechtlicher, sondern auch sozialrechtlicher, steuerrechtlicher und beamtenrechtlicher Art sind. Personenrechtliche Fragen werden im EGBGB abgehandelt, insbesondere im Internationalen Privatrecht. Hier sind zu nennen - ohne dass auch hier eine Vollständigkeit angestrebt wird - die Vorschrift über das Personalstatut (Art. 5), über Rechtsfähigkeit (Art. 7) und den Namen (Art. 10) sowie über die familienrechtlichen Beziehungen (Art. 13 ff.). Vor allem ist personenrechtlich der Vierte Teil des EGBGB von Bedeutung (Art. 163 ff.). Hier werden die Übergangsbestimmungen für die juristischen Personen zusammengefasst, die es vor 1900 gab und die weitgehend noch fortbestehen, wie z. B. die Realgemeinden (Art. 164).

112 113 114 115 116

Ehegesetz § 11; BGB §§ 1564ff. Vom 15.1.1951, BGB1.IS.63. Vom 20.2.1946, ABl. des Alliierten Kontrollrats, S.77. Vom 19.8.1969, BGB1.I S. 1243. Hierzu den Bericht von Joachim Gernhuber und Dagmar Coester-Waltjen,

S. 8.

A. Allgemeiner Teil

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4. Arbeitsrecht Das Arbeitsrecht hat seiner Natur nach personenrechtliche Beziehungen, weil das Arbeitsverhältnis eine persönlich-individuelle Verpflichtung des Arbeitnehmers zur Arbeitsleistung begründet (BGB § 611), die auch eine persönliche Treuepflicht umfasst 117, und der Arbeitgeber durch sein Direktionsrecht auf das persönliche Verhalten des Arbeitnehmers am Arbeitsplatz und im Betrieb Einfluss nehmen kann und muss118. Wie stark das Arbeitsrecht personenrechtliche Bezüge hat, wird klar, wenn man das heutige Arbeitsrecht mit den auf polizeirechtlicher Grundlage beruhenden Gesindeordnungen vor dem 1. Weltkrieg vergleicht 119. Daher ist es auch verständlich, dass es eine der ersten Maßnahmen der neuen Regierung nach der Novemberrevolution von 1918 war, die Gesindeordnungen auf dem Lande durch eine (vorläufige) Landarbeiterordnung abzulösen.120 Der heutige Kampf um die Ablösung des Flächentarifs durch eine andere Arbeitsrechtsordnung ist typischer Ausdruck personenrechtlicher Auseinandersetzungen, der Befreiung der einzelnen Arbeitnehmer von den Zwängen die Arbeitsbedingungen kartellierender gewerkschaftlicher Monopolorganisationen, die die Arbeitnehmer beschützen und fördern wollen, dabei aber nur die Interessen bestimmter, nicht aber aller Arbeitnehmer vertreten.

5. Handelsrecht Das HGB enthält insofern Personenrecht, als es das Namensrecht des Kaufmanns regelt (Firmenrecht, §§17 ff.), ferner einige arbeitsrechtliche Fragen in das Handelsgesetzbuch aufgenommen worden sind 121 . Es regelt auch bestimmte personale Zusammenschlüsse, die dem Handelsrecht vorbehalten sind, die Offene Handelsgesellschaft und die Kommanditgesellschaft (§§ 105 ff., 161 ff.). Die juristischen Personen des Handelsrechts sind heute aus dem HGB herausgenommen und in besondere Gesetze verwiesen, die Aktiengesellschaft 122, die Gesellschaft mit beschränkter Haftung 123 , der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit124, ferner die nicht dem 117

BAG, AP Nr. 7 zu § 611 BGB - Treuepflicht; BAG AP Nr. 5 zu § 60 HGB. Vgl. z.B. Walter Böttner, Das Direktionsrecht des Arbeitgebers, 1971; Rolf Birk, Die arbeitsrechtliche Leitungsmacht, 1973. 119 Zum Gesinderecht: Hans Pohl, in: Jeserich u. a. (Hrsg.), Bd. IS. 257. Die Aufhebung der Gesindeordnungen, insb. die als besonders rigoros geltende Preußische Gesindeordnung vom 24.5.1854 erfolgte durch Ziffer 8 des Aufrufs der Volksbeauftragten vom 12.11.1918 {Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte, Bd. V, 1978, S.739). 120 Vom 24.1.1919, RGBl. S. 111. 121 §59ff., insbesondere die Fürsorgepflicht des Prinzipals, §62. 122 Aktiengesetz vom 6.9.1965, BGB1.I S. 1089. 123 1. d. F. d. Bek. vom 20.5.1898, RGBl. S.846, zuletzt geändert durch G. v. 22.7.1993 = BGBl. III 4123-1. 118

III. Normative Regelungen

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Handelsrecht zugerechnete eingetragene Genossenschaft 125. Es gibt außerdem noch manche weitere Rechtsfigur, die in jüngerer Zeit entstanden ist, die in Sondergesetzen geregelt ist. 6. Verfahrensrecht Das Personenrecht fließt in das Prozessrecht wegen der Frage ein, wer als Kläger und Beklagter, als Gläubiger und Schuldner am Verfahren beteiligt sein kann. Die Lösungen der Prozessordnungen weichen von einander ab. Die VwGO - wie auch die anderen öffentlich-rechtlichen Prozessordnungen - sind bei der Zulassung von Vereinigungen, die keine juristischen Personen sind, großzügiger als die ZPO 126 und machen diese zu teilrechtsfähigen Verbänden. Das BVerfGG muss schon deshalb für die Frage der Prozessfähigkeit einen anderen Ausgangspunkt als die ZPO wählen, weil hier der In-Sich-Prozess, d.h. die Klage eines Organs des Bundes gegen ein anderes Organ des Bundes zur Normalität des Prozessierens gehört 127. Das Recht der freiwilligen Gerichtsbarkeit enthält einige Fragen des formellen Personenrechts, insbesondere in Familiensachen (FGG §§35bff.), in Unterbringungssachen (FGG §§70 ff.), in Personenstandssachen (FGG §71), Firmensachen (FGG §§140, 141), Löschung und Auflösung von Handelsgesellschaften (FGG §§ 144ff.), Genossenschaftsregister (FGG § 147), Vereinssachen (FGG §§ 159ff.). Zum Personenrecht kann auch das Freiheitsentziehungsgesetz, das Art. 104 GG durchführt, gerechnet werden 128. 7. Verwaltungsrecht Im Gegensatz zu einer gängigen Meinung ist nicht das BGB, sondern das Verwaltungsrecht die zentrale Materie des Personenrechts, wenn auch der Versuch des Württembergischen Staatsministeriums aus dem Jahre 1931, das allgemeine Verwaltungsrecht und in diesem das öffentliche Personenrecht zu kodifizieren, gescheitert ist 129 . Im öffentlichen Personenrecht ist in erster Linie das Personenstandsgesetz (PStG) zu nennen, das nicht nur das „Personen-Verfahrensrecht", sondern auch materiell124 Gesetz über die Beaufsichtigung der privaten Versicherungsunternehmen (BGBl. III 7631-1) §§15ff. 125 1.d.F. d. Bek. vom 20.5.1898, RGBl. S.369,810, zuletzt geändert durch G. v.20.12.1993, BGBl. I S. 2182 = BGBl. III 4125-1. 126 Vgl. VwGO § 61 Nr. 2 und 3 - im Gegensatz zu § ZPO § 50. 127 So bei den Organstreitigkeiten, GG Art. 93 Abs. 1 Nr. 1, BVerfGG §§ 13 Nr. 5,63 ff. - Im kommunalen Verfassungsstreitverfahren gilt entsprechendes, Friedhelm Hufen, Verwaltungsprozessrecht, 2. Aufl. 1997, §21, S.413ff. 128 Vom 25.6.1956, BGBl. I S. 599. 129 Vgl. hierzu Roswitha Maas, Die Verwaltungsrechtsordnung für Württemberg - Ein Versuch der Emanzipation des öffentlichen Rechts vom Privatrecht, 1996.

A. Allgemeiner Teil

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rechtliche Fragen regelt . Die wichtigsten Fragen des Namensrecht finden sich im Namensänderungsgesetz131. Von großer personenrechtlicher Bedeutung sind das Staatsangehörigkeitsgesetz132 und das Ausländerrecht 133. Man wird sagen können, dass das Verwaltungsrecht überall personenrechtliche Einschläge hat, z. B. im Polizeirecht mit der polizeilichen Verwahrung von Personen 134 , im Gesundheitsrecht mit der Möglichkeit der Quarantäne 135, und das Sozialrecht, das sich in einem Allgemeinen Teil mit der Handlungsfähigkeit befasst (§ 36 SGB I), sowie in weiten Bereichen des Kranken- und des Pflegeversicherungsrechts 136 und durch den besonderen personenrechtlichen Status des Behinderten (§ 19 SGB III, § 2 SGB IX; vgl. auch GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2). Bei den juristischen Personen findet das Vereinsrecht des BGB seine öffentlichrechtliche Entsprechung im Vereinsgesetz137. Und die Aufsicht über die juristischen Personen ist vielerorten geregelt. Das Stiftungsrecht des BGB erweist sich als ein zu karger Rahmen des Stiftungsrechts (BGB §§ 80-88). Der Kern dieser Materie liegt in den Landes-Stiftungsgesetzen 138, ferner in einer Fülle von Einzelgesetzen. Das formelle Verwaltungsrecht, insbesondere das Verwaltungsverfahrensgesetz muss sich ähnlich wie die Prozessgesetze mit der Frage der Fähigkeit zur Beteiligung an Verfahren sowie mit der Handlungsfähigkeit im Verfahren beschäftigen (VwVfG §§ 11, 12). SGB X und die AbgO enthalten entsprechende Vorschriften (AbgO §§78, 79). Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts haben keine zusammenfassende Regelung gefunden. Sie werden gern unter der Dreiheit der Körperschaften, Anstalten und Stiftungen abgehandelt. Gegen diese Einteilung bestehen jedoch rechtsdogmatische Bedenken. Für den Nichtjuristen ist schwer verständlich, dass der Staat, die Allgemeine Ortskrankenkasse und eine Wassergenossenschaft als Körperschaften des öffentlichen Rechts unter dieselbe Kategorie fallen. Der gemeinsame Oberbegriff des „Körperschaft des öffentlichen Rechts" verschleiert mehr als er erklärt. Sicher aber ist, dass für die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, obwohl sie keine allgemeine Regelung gefunden haben wie die Vereine und Stiftungen des Privatrechts, und obwohl ihre rechtliche Regelung sehr 130

1. d. F. vom 8.8.1957 BGBl. I S. 1126, mit DVO vom 25.2.1977, BGBl. I S. 377. Vom 5.1.1937, RGB1.IS.9. 132 1.d.F. vom 15.7.1999, BGBl. IS. 1618. 133 1.d.F. v. 9.7.1990, BGB1.I S. 1354. 134 Z.B. hmb. SOG v. 14.3.1966, GVB1. S.77, § 13. 135 Infektionsschutzgesetz v. 20.7.2000 (BGBl. IS. 1045) § 30. 136 Z.B. §§27ff. SGB V; §§36ff. SGB XI. 137 Vom 5.8.1964, BGB1.I S.593; dazu DVO vom 28.7.1966, BGB1.I S.457. Die Verzahnung des Vereinsrechts des BGB mit dem Vereinsgesetz ist über § 61 BGB erfolgt. Vgl. auch Cornelia Grundmann, Das fast vergessene öffentliche Vereinsrecht, 1999. 138 Ein Bundes-Stiftungsgesetz fehlt noch. Eine vollständige Liste aller derzeit geltenden Landes-Stiftungsgesetze findet sich bei Seifertl Campenhausen, Handbuch, S. 14. 131

III. Normative Regelungen

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verstreut ist, dennoch ein weitgehender allgemeiner Konsens über gewisse allgemeine Prinzipien dieser Rechtsfiguren besteht. 8. Strafrecht und Recht der Ordnungswidrigkeiten Im Grunde gehört das gesamte Strafrecht zum Personenrecht, weil hier das persönlich-individuelle Verhalten zum Gegenstand der Verurteilung oder des Freispruchs gemacht wird. Es geht um persönliches Tun und Unterlassen und um persönliche Schuld. Dies zeigt sich auch an den Vorschriften über die Strafmündigkeit und die strafrechtliche Verantwortlichkeit, über Irrtum und Tatformen. Vor allem zeigt es sich in der Reaktion des Staates auf die Straftat im Strafvollzug; das Strafvollzugsgesetz 1 3 9 ist in weiten Partien reines Personenrecht für die Menschen, die zu einer Haftstrafe verurteilt worden sind. Aber auch in seiner Funktion als Schutzgesetz gehören weite Teile des StGB zum Personenrecht. Geschützt wird die sexuelle Selbstbestimmung (StGB §§174 bis 184c), die persönliche Ehre (StGB §§185 bis 200), der persönliche und betriebliche Geheimnisbereich (StGB §§201 bis 205), das Leben (StGB §§211 bis 222), die körperliche Unversehrtheit (StGB §§ 223 bis 233) sowie die persönliche Freiheit (StGB §§234 bis 241a). Im Zusammenhang mit dem Strafrecht ist auch das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten zu erwähnen, nicht nur weil die dort verhängten Maßnahmen strafähnlichen Charakter haben, insbesondere auch einen persönlichen Schuldvorwurf voraussetzen (OWiG §§ 10 bis 12). Es setzt sich auch mit der Frage auseinander, ob auch juristische Personen zur Zahlung eines Bußgeldes herangezogen werden können, d. h. ob sie ein Schuldvorwurf treffen kann (OWiG § 9). 9. Datenschutzrecht Zweifellos zum Personenrecht gehört das Datenschutzrecht, weil dieses „personenbezogene Daten" schützt. Es beruht heute auf dem vom BVerfG entwickelten Grundrecht der informationellen Selbstbestimmung140. Das Bundesdatenschutzgesetz, das durch Landesgesetze ergänzt wird, betrifft sowohl das Privatrecht, d. h. den Verkehr von Personen im privaten Rechtsverkehr, als auch das Verhältnis des Staates zu den Bürgern und sonstigen privat-rechtlichen Rechtssubjekten141.

139 Vom 16.3.1976, BGB1.I S.581. Zum personenrechtlichen Charakter vgl. insbesondere die Grundsatzbestimmungen in §§ 3, 4. 140 BVerfGE 56,41; 63, 142; 65,41; 71, 196; 78, 85. 141 BDSG vom 20.12.1990, BGB1.I S. 2954; die Fundstellen der Landesgesetze sind zusammengestellt im Sartorius, Verfassungs- und Verwaltungsgesetze, Ordnungsnummer 254, Fn. 3; ferner Nds. DSchG i. d. F. v. 29.1.2002, GVB1. S. 22.

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A. Allgemeiner Teil

10. Gleichstellungsrecht Eine weitere neue Materie, die dem Personenrecht zuzuordnen ist, ist das Gleichstellungsrecht. Die Gleichheit von Mann und Frau, die das GG im Grundrechtsteil ausdrücklich noch einmal neben dem allgemeinen Gleichheitssatz garantiert (Art. 3 Abs. 2), wird heute zusätzlich durch Normen des einfachen Rechts unterstützt. Nachdem die normative Gleichstellung schon seit längerem erreicht ist 142 , geht in der jüngeren Gesetzgebung mehr um institutionelle Fragen, nämlich um die Einsetzung von Gleichstellungsbeauftragten und Frauenbeauftragten. Diese besonderen Normen gehen davon aus, dass die Frauen durch eine vor allem von den Männern beherrschte Welt, durch gesellschaftliche Vorurteile oder durch natürliche Umstände, wie die Aufzucht der Kinder, beruflich benachteiligt werden. Es geht dabei vor allem um die Spitzenstellungen in Staat und Wirtschaft 143. Regelmäßig wird dabei versucht, durch Einsetzung von Frauenbeauftragten (z. B. NGO § 5 a) oder durch eine umfassende Gleichstellungsregelung, einschließlich von Frauenförderungsplänen, die Erlangung von Ämtern im öffentlichen Bereich zu begünstigen144. Aber auch eine mittelbare Förderung bei der Beschränkung der Vergabe öffentlicher Aufträge auf Firmen, die besondere Frauenförderungsmaßnahmen bei sich in Kraft gesetzt haben, gehören zu diesem Sachbereich 145. Mit diesem kurzen Streifzug durch die wichtigsten Rechtsquellen des Personenrechts sollte hier vorerst nur deutlich gemacht werden, dass es ein fundamentaler Irrtum wäre, wollte man das Personenrecht allein dem BGB und seinen Nebengesetzen überlassen. Es handelt sich um eine Materie, die höchst zerstreut an vielen Stellen mehr oder minder deutlich auftaucht, aber überall gegenwärtig ist, weil eine Rechtsbeziehung in unserer Rechtsordnung nicht ohne Beteiligung von Personen gedacht werden kann.

142 Z.B. durch das Gleichberechtigungsgesetz v. 18.6.1957, BGB1.I S.609 sowie durch die §§611 a, 611 b und 612 Abs. 3 BGB. 143 Nachgeordnete Funktionen wie der Dienst als Diplom-Bibliothekarin oder als Textverarbeiterin sind niemals unter dem Gesichtspunkt behandelt worden, warum die Männer hier so schlechte Chancen haben, ein öffentliches Amt zu erhalten. Eine Männer-Quote ist für derartige Berufe bisher noch nicht gefordert worden. 144 Z.B. Gleichstellungsdurchsetzungsgesetz v.30.11.2001, BGBl.I S.3234; Hmb. Verfassung Art. 3 Abs. 2 Satz 3 und 4; Hessisches Gleichstellungsgesetz v. 21.12.1993 (GVB1. S.729) i.d.F. v. 6.7.1999 (GVB1. S.538). 145 Vgl. auch das Berliner Landesgleichstellungsgesetzes vom 31.12.1990 (GVB1.1991 S.8) i.d.F. v. 16.6.1999 (GVB1. S.341). Die Verfassungsmäßigkeit von § 13 dieses Gesetzes ist allerdings zweifelhaft, weil hier ein Kopplungstatbestand vorliegt, der nicht sachbezogen, d. h. nicht verhältnismäßig ist. - Eine Kommentierung eines Landesgleichstellungsgesetzes (Brandenburg) liegt aus der Feder von Monika Weisberg-Schwarz (1997) vor.

IV. Personenmehrheiten und Nichtpersonen als Rechtsträger

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IV. Personenmehrheiten und Nichtpersonen als Rechtsträger Eine Mehrheit von Personen ist keine Person und kann keine Person sein. Der Begriff der juristischen Person ist daher nichts weiter als ein juristisches Konstrukt, eine Fiktion, eine dogmatische Figur. Etwas, was nicht Person ist, kann aber - und das war ein wichtiger Fortschritt im Rechtsdenken - von der Rechtsordnung als Person bezeichnet und einer Person gleichgestellt werden. Der Mensch ist kein Einzelwesen, sondern lebt in Gemeinschaften. Die Gemeinschaften, die Kollektive, handeln, haben Interessen, erwerben Eigentum, begehen Unrecht. Dies geschieht zwar immer nur durch einzelne Menschen, durch gleichzeitig handelnde Menschen oder durch Beauftragte, die ausdrücklich oder stillschweigend ermächtigt sind, für eine Gemeinschaft von Menschen handeln, die sich zur Verwirklichung eines Zweckes zusammengeschlossen hat. Das kollektive Handeln, die Entstehung von Kollektiven und der Untergang von Kollektiven ist etwas, was genauso zum Menschsein gehört wie das Individuum. Die Familie, die Sippe, die Horde sind die ersten Verbindungen, die bei der Entwicklung des Menschen zum Menschen vorhanden waren und die die Menschen in ihrer Entwicklung stets begleitet haben. Vor allem haben die Kollektive auch eigene Namen. Das gibt ihnen Individualität und hebt sie in den Rang von Personen. Allerdings ist das Kollektiv als solches noch nicht Person. Kollektive entstehen nicht selten schnell und zerfallen ebenso schnell. Der Rechtsverkehr verlangt Beständigkeit. Will das Kollektiv am Rechtsverkehr teilnehmen, so brauchen seine Geschäftspartner eine Gewähr, dass das Kollektiv auch später noch greifbar ist und sei es in den natürlichen Personen, die das Kollektiv gebildet haben. Dies ist vor allem für die Haftung wichtig. Es muss für den Gläubiger geklärt sein, an wen er sich wenden kann, wer für die Verbindlichkeiten des Kollektivs einsteht. Dies setzt eine Formalisierung des Kollektivs voraus, ferner in höher entwickelten Gesellschaften eine Mitwirkung des Staates als Normgeber durch ein Vereinsrecht und ein Stiftungsrecht. Das Vereinsregister und die Stiftungsaufsicht geben dem Gläubiger die Sicherheit für seine Forderung gegenüber dem Kollektiv. Stellt sich das Kollektiv nicht den staatlichen Behörden und unterwirft es sich nicht den Formalien, die das staatliche Recht verlangt, so treten gewisse Rechtswohltaten zugunsten der Mitglieder des Kollektivs nicht ein. Dann haften alle Mitglieder des Kollektivs - sofern der Gläubiger ihrer habhaft wird - letztlich mit ihrem ganzen Vermögen gesamtschuldnerisch (BGB § 735). Gerade im Haftungsrecht zeigt sich die Wirkung des Begriffes der juristischen Person. Wird das Kollektiv zur Person, so wird es dem einzelnen Menschen gleichgestellt und juristisch von den einzelnen Personen, die es tragen, gelöst. Ist das Kollektiv zur Person erhoben, so haftet das Kollektiv als besondere von seinem Mitgliedern unabhängige Person für die Schulden seine eigenen Schulden, nicht dagegen die einzelnen Mitglieder mit ihrem Vermögen. Die natürlichen Personen, die das Kollektiv tragen oder getragen

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A. Allgemeiner Teil

haben, sind andere Personen als das Kollektiv und haften nicht mehr für das Kollektiv. Diese Individualisierung, das Nichthaften für Schulden, die nun fremde Schulden sind, ist das zentrale Merkmal der juristischen Personen. Kollektive können unterschiedlich groß sein, unterschiedlich zusammengesetzt sein, unterschiedliche Zwecke haben und unterschiedlich im Rechtsverkehr auftreten. Wenn die Rechtsordnung Kollektive zu Personen macht, so hat sie es mit einer großen Bandbreite von sozialen Erscheinungen zu tun. Sie muß daher Vorsorge treffen, dass sie allen sozialen Bedürfnissen gerecht wird. Das Recht der juristischen Personen bedarf daher einer Ausfächerung in eine größere Zahl von Typen, die die Rechtsordnung zur Verfügung stellen muss. Andererseits darf die Rechtsordnung ihre Typenvielfalt nicht zu stark ausfächern, sondern muss sich auf eine begrenzte Zahl von Typen beschränken, um die Rechtsklarheit und damit auch die Rechtssicherheit zu gewährleisten. Dabei muss sie den Handelnden Freiräume lassen, damit sie ihre Eigenorganisation den jeweiligen von Person zu Person unterschiedlichen Bedürfnissen anpassen können. Nur die Fragen, die für den Rechtsverkehr wichtig sind, muß der Staat zu regeln. So ist ein System von juristischen Personen mit einer beschränkten Zahl von Typen entstanden, die zumeist eine mehr oder weniger vom Gesetz locker vorgegebene Verfassung haben, welche die Gründer der juristischen Person oder die zuständigen Organ der Gründer ausgestalten können. Gerade beim Grundtypus des Vereins als juristischer Person zeigt sich, dass dieses Prinzip erfolgreich angewandt worden ist. Das BGB (§§ 25-28, 31-39, 56, 57) macht dem rechtsfähigen (eingetragenen) Verein nur geringe Vorgaben. Es verlangt, dass der Verein eine Verfassung (Satzung) hat, die bestimmten, sehr geringen Mindesterfordernissen entspricht und überlässt ihm selbst die Ausgestaltung im einzelnen. Zu diesen Mindesterfordernissen gehört die Bestellung eines Vorstandes, der den Verein vertritt, d. h. ihn auf der Ebene des Rechts handlungsfähig macht. Hierzu gehört auch die Vorschrift, dass das Registergericht notfalls von Amts wegen einen Notvorstand bestellen kann, um die Handlungsfähigkeit herzustellen (BGB § 29). Zu den Essentialen staatlicher Rechtsvorsorge gehört auch der Schutz der Mitglieder der Kollektive gegenüber Rechtsverletzungen und vor allem gegenüber den Mehrheiten in den Organen. Minderheitenschutz im Kollektiv ist ein wesentliches Thema des staatlichen Rechts der juristischen Personen. Dabei geht die Rechtsordnung davon aus, dass die Kollektive, denen sie Rechtspersönlichkeit verleiht, grundsätzlich eine personale Grundlage haben, die die Kollektiv-Person trägt. In der Praxis sieht es allerdings regelmäßig etwas anders aus. Die meisten Mitglieder der Vereine sind wenig aktiv und nehmen am Geschehen der juristischen Person nicht teil. Es gibt viele Vereine, auf deren Mitgliederversammlungen nur ein Bruchteil der Mitglieder erscheint. Es sind einige wenige „Macher", die den Verein

IV. Personenmehrheiten und Nichtpersonen als Rechtsträger

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tragen, die Ideen entwickeln und verwirklichen, um den Vereinszweck zu erfüllen. Es gibt Vereine, deren Mitglieder sich nur als Nutznießer der Angebote des Vereins fühlen, aber keinen Gedanken darauf verschwenden, wie denn der Verein funktioniert. Derartige Vereine sind im Grunde Institutionen zur Erfüllung der Vereinszwecke, die mehr einer Anstalt als eine Organisation mit personaler Grundlage ähneln146. Doch ist dies kein grundsätzliches Rechtsproblem; das Vereinsrecht meistert auch derartige Vereine durch Delegierte oder durch den Verzicht auf Anwesenheitsquoren in der Mitgliederversammlung. Ein anderes Problem ist die geringe Zahl von Mitgliedern. Das BGB verlangt für den eingetragenen Verein mindestens drei Mitglieder, anderenfalls der Verein von Amts wegen aufgelöst werden kann (BGB § 73). Aber auch diese Mindestzahl ist nicht in jedem Falle notwendig. Das Recht lässt, z.B. bereits bei der Gründung einer GmbH ausdrücklich die Einmann-Gesellschaft zu (GmbHG § 1). Hier gibt nicht ein Kollektiv die personale Grundlage, sondern die eine Person. Die juristische Person der GmbH bewährt sich als eine Rechtskonstruktion, die zur Haftungsbegrenzung des einzigen Mitgliedes führt. Die Möglichkeit der Haftungsbegrenzung ist zentrales rechtliches Ziel der Schaffung der juristischen Person. Es geht um den Schutz des privaten Vermögens des einzigen Gesellschafters gegenüber dem möglichen Zugriff seiner Gläubiger; eine derartige Konstruktion macht das Wagnis, das mit der Gründung einer GmbH eingegangen wird, in vielen Fällen praktisch überhaupt erst möglich. Die Vielfalt der Möglichkeiten, wie man eine juristische Person gestalten und leiten kann, zeigen die großen Publikums-Aktiengesellschaften, bei denen die Masse der Aktionäre (Mitglieder) an den Fragen, die in der Hauptversammlung verhandelt werden, desinteressiert ist und die daher auch nicht zur Hauptversammlung erscheinen, sondern sich durch ihre Bank vertreten lassen, denen sie die Verwahrung ihrer Anteilsscheine (Aktien) anvertraut haben. Die Mitglieder sind ausschließlich an der Dividende und am Kurs ihrer Aktie interessiert sind. Sie verkaufen ihr Mitgliedschaftsrecht (Aktien) schnell am Bankschalter oder heute sogar im Internet und kaufen aus dem Erlös Aktien einer anderen Gesellschaft, von denen sie sich einen größeren Nutzen erhoffen. Dass sie Mitglieder eines Vereins waren und werden, realisieren sie dabei gedanklich nicht. Vielfach wissen sie nicht einmal, was die Aktiengesellschaft, deren Mitglied sie sind, produziert, ja nicht einmal, was eine Aktiengesellschaft überhaupt ist. Den höchsten Grad der Entpersonalisierung der juristischen Personen erreichen die Stiftungen, denen nach ihrer Definition die Mitglieder fehlen. Damit fehlt ihnen die Möglichkeit der Erneuerung der Organmitglieder von innen. Wer an die Stelle der bisherigen Organmitglieder tritt, sagt die Stiftungsurkunde, in der festgelegt wird, wie der Stiftungsvorstand bestellt wird und wer bei der Organbestellung mitwirken darf. 146

Beispiele hierfür sind viele Großvereine wie der ADAC, das Deutsche Rote Kreuz, die Gewerkschaften und die Parteien.

A. Allgemeiner Teil

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Das Stiftungsrecht geht davon aus, dass die Stiftung ein Vermögen hat, das der Verwirklichung des Stiftungszweckes dient. Allerdings gibt es noch zwei andere Stiftungstypen. Es gibt die Stiftungen, die ganz oder fast vermögenslos sind, die von regelmäßigen Zuschüssen, insbesondere solchen der öffentlichen Hand leben, damit ihre Stiftungszwecke erfüllen. Schließlich gibt es noch die Familienstiftungen, die einen Wirtschaftsbetrieb führen, der unabhängig von den oft wirtschaftlich nicht hinreichend vorgebildeten Mitgliedern der Familie ist, der aber doch - je nach den Vorgaben der Stiftungsurkunde - im Einflussbereich der Familie bleibt. Beim Stiftungsrecht spielt immer auch das Steuerrecht mit hinein; es bildet z. T. Anlass der Gründung der Stiftung, weil sich über eine derartige Gründung u. U. sehr viel an Steuern sparen lässt.

V. Der Machthaber als Person 1. Der absolute Herrscher Das deutsche Recht hat sich der Figur der Person für viele Zwecke bedient, nicht nur für freiwillige und zwangsweise Zusammenschlüsse von einzelnen Menschen, sondern auch für die Erfüllung öffentlicher Zwecke. Dabei ist an manchen frühen Zusammenschluss, der nicht auf staatlicher Initiative beruht, sondern aus der Gesellschaft heraus entstanden ist, der vor allem wirtschaftlichen Zwecken seine Entstehung verdankt, wie den Handwerksinnungen, den bäuerlich-landwirtschaftlichen Gemeinschaften der frühen Zeiten, der Universitäten oder sozial-karitativen Verbindungen zu denken, sondern auch an kirchlichen Gemeinschaften des klösterlichen und nicht klösterlichen Lebens wie den Beguinen und den Kalandsbrüderschaften oder den Collégien von geistlichen Chorherren. Der Staat ist gegenüber dem reichen Gemeinschaftsleben, in dem viele freie Verbindungen „öffentliche Güter" (in der Sprache der heutigen Nationalökonomen) produzierten eine sehr späte Erscheinung. Der Staat ist aus einer Herrschaftsstruktur herausgewachsen, die ganz anders mit dem Personenrecht verknüpft war, als es heute der Fall ist. Die Entstehung des absoluten Staates am Ende des Mittelalters und am Anfang der Neuzeit hat nicht sogleich die Frage nach seiner personenrechtlichen Einordnung aufgeworfen. Im Gegenteil, der absolute Herrscher war identisch mit dem Staat („L'état c'est moi"). Der absolute Herrscher war Landesherr; er war Inhaber aller Rechte, die dem zugeordnet waren, was wir heute als Staat bezeichnen würden. Dies ergibt sich auch aus der Sicht des beginnenden absoluten Staates, der die Lehensordnung noch keineswegs überwunden hatte, sondern juristisch weiter in den teilweise fortgeltenden Kategorien des Lehensrechts dachte147. Diese Lehensord147

Hans Spangenberg, Vom Lehnsstaat zum Ständestaat, 1912 (Neudruck 1964); Erich Wyluda, Lehnrecht und Beamtentum, 1969. Dass es sich bis in das 19. Jhd. ein sehr lebendiges Rechtsinstitut war, zeigt auch der bis dahin gültige Titel 18 Pr. A L R I , der nur vom Lehne handelt.

V. Der Machthaber als Person

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nung setzte aber unterschiedliche natürliche Personen voraus, den Geber und den Nehmer des Lehens. Das Lehensrecht beruhte immer auf einer persönlichen Beziehung, die die persönliche Treue und die individuelle Lehensfähigkeit einschloss. Der Verwaltungsapparat und auch der militärische Apparat, der dem absoluten Herrscher zur Verfügung stand, vergrößerte sich mit den zunehmenden Aufgaben und mit der bei wachsendem Wohlstand verbesserten Möglichkeit, in größerem Umfang Abgaben zu erheben. Die Beamten waren Diener des Landesherrn als einer natürlichen Person und handelten im seinem Namen. Sie wurden auf den Landesherrn persönlich vereidigt. Die Urteile der Gerichte ergingen noch bis 1918 „im Namen des Königs". Eine gewisse Entpersonalisierung in Bezug auf den Herrscher trat freilich auch schon im absoluten Staat ein. Der absolute Herrscher „von Gottes Gnaden", der seine Legitimation aus einer Einsetzung durch Gott entnahm, konnte der Forderung nach seiner Pflichtenbindung durch die Vorstellung von einem „Amtmann Gottes" lange noch gerecht werden 148. Allerdings stellte das Regentschaftsproblem, d.h. die Ausübung der Regierungsgewalt für den unmündigen oder geisteskranken Herrscher, doch die Frage nach einer Abstraktion der Herrschaftsgewalt. Der Begriff der „Krone" als Symbol der Herrschaftsgewalt konnte dabei Hilfe leisten. Der aufgeklärte Herrscher des 18. Jahrhunderts begann sich von der Vorstellung zu lösen, dass der „Staat" von Gott ihm persönlich anvertrauter Besitz sei, mochte er sich auch weiter als Herrscher „von Gottes Gnaden" bezeichnen, um eine Legitimation seiner Herrschaftsgewalt zu haben. 2. Der Staat als Person So ist es denn logisch, dass der konstitutionelle Staat des 19. Jahrhunderts einer Abstraktion bedurfte, die mit der Person des Herrschers nicht mehr identisch war. Der Herrscher hörte auf, Eigentümer des Staates zu sein, und wurde stattdessen mit der Stellung des Oberhaupts des Staates abgefunden 149. Das setzte freilich voraus, dass der Staat juristisch irgendwie definiert wurde. In dieser Situation entstand der Gedanke, den Staat als Korporation der Untertanen, als „Körperschaft des öffentlichen Rechts" aufzufassen, in der die Untertanen 148

Überhaupt bedeutete die Ministerialenverwaltung, aus der das moderne Beamtentum hervorgegangen ist, eine Lockerung der personalen Beziehung zum Dienstherrn. Der Ministeriale konnte, im Gegensatz zum Lehnsmann, jederzeit entlassen werden. Das Verständnis eines Beamtenrechts mit der persönlichen Hingabe des Beamten an seinen Dienstherm ist erst jüngeren Datums, vgl. zur Entwicklung des Beamtenrechts Hans Hattenhauer, Geschichte des Beamtentums, 2. Aufl. 1993; Dietmar Willoweit, in: Jeserich u.a. (Hrsg.), Bd. 1, 1983, S.346ff. 149 Dass auch der absolute Staat die Rechte des Einzelnen zu achten hatte, ist wiederholt betont worden, vgl. z. B. Georg Christoph v. Unruh, Subjektiver Rechtsschutz und politische Freiheit in der konstitutionellen Staatslehre Deutschlands, 1969; Dieter Wyduckel, Princeps legibus solutus, 1997. 5 Thieme

A. Allgemeiner Teil

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die Mitglieder der Körperschaft „Staat" waren 150. Der Korporationsbegriff, der dieser Vorstellung zugrunde liegt, ist älter als der Staat als Körperschaft. Bekannt ist die Behandlung des Rechtes der Korporationen durch das Preußische Allgemeine Landrecht 151. Die Korporationen waren zunächst Vereinigungen von Menschen, die unterhalb der Ebene des Landesherrn, d. h. innerhalb der Gesellschaft u. U. als Gegenspieler des Landesherrn, die ihre von Dritten oder von ihnen selbst gesetzten Zwecke erfüllten. Der Begriff des Staates und der Korporation schloss sich an sich gegenseitig aus. Es dürfte eine Wirkung der demokratisierenden Idee vom Gesellschaftsvertrag sein, die Rousseau ins Spiel gebracht hatte, dass die Gesellschaft - jedenfalls gedanklich - als eine handelnde Verbindung von Menschen verstanden wurde, die den Staat konstituierte. Für diese Verbindung ließ sich juristisch der Begriff der „Korporation" verwenden. So wurde denn der Staat unter die Körperschaften eingereiht und als Sondertyp der Gebietskörperschaften aufgenommen, d. h. gemeinsam mit den Gemeinden und Gemeindeverbänden kategorisiert. So etwas lässt sich durchaus machen, weil der Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts und vor allem der Begriff der Gebietskörperschaft so flexibel ist, dass sich damit sehr vieles konstruieren und in systematische Kategorien einordnen lässt. Befriedigend ist das freilich nicht, weil der Staat doch etwas grundsätzlich anderes als alle anderen Körperschaften des öffentlichen Rechts ist 152 . Er ist der Souverän. Man mag sich fragen, ob die Aushöhlung der föderalen Verfassung in der Bundesrepublik nicht inzwischen soweit fortgeschritten ist, dass es gewagt erscheint, die Länder auch heute noch als Staaten im Sinne des Staatsrechts zu bezeichnen. Art. 23 GG hat in seiner Neufassung die Länder auch im Verhältnis zur EU aufgewertet 153 . Und die verfassungsrechtliche Ewigkeitsgarantie von Ländern als Konstitutionselemente der Bundesrepublik sowie eine Mitwirkung der Länder an den Angelegenheiten des Bundes (Art. 79 Abs. 3 GG) scheint den Ländern eine wichtige Einwirkung auf die staatlichen Angelegenheiten, eine Teilhabe an der Souveränität der gestuften Staatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland zu geben. Soweit es jedoch um praktisch-politische Fragen geht, stehen die Länder schon deshalb im Hintergrund, weil ihre außenpolitischen Handlungsmöglichkeiten (Art. 32 Abs. 2 und 3 GG) nicht wirkungsmächtig sind und die Verteilung der Steuereinnahmen ihnen nur beschränkte Spielräume zu politischer Gestaltung gibt. Andererseits sind sie es nach 150

Vgl. C. G. v. Unruh, in FS Forsthoff, S. 433 ff., 452f. 116 Pr. ALR §§25 ff. 152 Das gilt auch angesichts der Tatsache, dass der Staat nicht immer Machthaber ist, sondern Sonderformen des Staates bestehen, die nur historische Bedeutung haben, aber völkerrechtlich dem Begriff des Staates zugerechnet werden, so z.B. der Malteserorden, vgl. dazu Heinrich Reinhardt, Der Personalstaat, 1999. 153 Art. 23 i. d. F. vom 21.12.1992 (BGBl. I S. 2086) sowie das G. über die Zusammenarbeit von Bundesregierung und Bundestag in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.3.1993 (BGBl. IS. 311) und das Gesetz über die Zusammenarbeit von Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union vom 12.3.1993 (BGB1.I S. 313). 151

V. Der Machthaber als Person

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wie vor, die für den Gesetzesvollzug, insb. auch der Bundesgesetze in erster Linie zuständig sind. Aber wie auch immer man die Bedeutung der Länder einschätzt, der Bund als Staat steht außerhalb jeder Kategorisierung. Er lässt sich theoretisch bei den Körperschaften einordnen, weil der Staatswille von den Mitgliedern abgeleitet wird, den die Wähler in vier- bis fünfjährigem Abstand durch die Wahl der Bundestagsund Landtagsabgeordneten zum Ausdruck bringen. Auf die Begriffsbestimmung, aus der diese Aussage abgeleitet wird, wird später noch zurückzukommen sein. Wenn das sicherlich nicht für jeden Einzelfall realisierbare, aber doch durchaus wirksam ausgeübte Gewaltmonopol des Staates angeht, steht er über allen anderen Körperschaften und ist von ihnen grundsätzlich verschieden. 3. Der Fiskus Die Problematik des Staates als juristische Person steht im Zusammenhang mit dem Fiskusproblem. Der „princeps legibus solutus" im Verständnis der Verfassungstheorie des Absolutismus konnte sich keineswegs überall in dieser Rolle durchsetzen. Auch der absolute Landesherr war in Deutschland fast überall irgendwie rechtsgebunden154. Die Theorie vom Staatsvertrag ermöglichte in der Zeit des Absolutismus die Rechtfertigung dieser Vorstellung. Damit war aber auch die Möglichkeit gegeben, den Herrscher vor das Gericht zu ziehen, d. h. ihn der Hoheit der Gerichte zu unterstellen, deren Herr er als Gerichtsherr an sich war - die Richter hatten den Eid auf ihn persönlich geleistet. Die Lösung des Problems lag in einer Teilung der „Staatsgewalt" in die Person des Herrschers als Landesherr und in seinen Fiskus 155 . Der hoheitlich handelnde Herrscher konnte nicht vor das Gericht gezogen werden. Als Fiskus stand er dagegen auch dem Gericht Rede und Antwort. Es entstanden dadurch nicht nur zwei Sphären derselben Person, sondern unterschiedliche Personen, des Herrschers als dem „eigentlichen" Staat und des Fiskus als dem „Prügelknaben" des Staates. Allerdings ist diese Zweiheit niemals personenrechtlich exakt herausgearbeitet worden; das war wohl auch nicht möglich, ohne auf innere Widersprüche dieser Theorie zu stoßen. Aber die Tatsache, dass der Fiskus verklagt werden konnte, dass er Vermögen besaß, dass er Verträge abschließen konnte und manches andere mehr, was auf ein „Person-Sein" hindeutet, führte mit einer gewissen Denknotwendigkeit dazu, auch dem Staat die Eigenschaft der juristischen Person zuzugestehen. Mit dem unvermeidlichen Dahinschmelzen der Fiskustheorie im demokratischen Rechtsstaat und dem Zusammenfließen von Fiskus und hoheitlich handelndem Staat 154

Fritz Härtung, Deutsche Verfassungsgeschichte, 8. Aufl. 1964, S. 140ff. Forsthoff, S. 112; Karl Albrecht Schachtschneider, Staatsunternehmen und Privatrecht, 1986, insb. S.6ff. 155

5*

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A. Allgemeiner Teil

ergab sich dann mehr oder weniger zwangsläufig die Einordnung des Staates unter die Körperschaften des öffentlichen Rechts, wobei auch in diesem Zusammenhang die Eigenart des Staates als etwas Besonderes neben allen anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu betonen ist.

VI. Die rechtliche Bedeutung des Begriffs der Person 1. Innehabung und Geltendmachung von Rechten Die wichtigste Eigenschaft der Person ist die Möglichkeit der Innehabung von Rechten. Nur Personen können Inhaber von Rechten sein. Person und subjektives Recht stehen in einem unlösbaren Verhältnis zu einander. Für unsere Vorstellungen im modernen Rechtsstaat ist die Person notwendige Voraussetzung des Rechts überhaupt. Zwischen der Bezeichnung „Person" und „Rechtssubjekt" besteht daher - von den wenigen Ausnahmen der Teilrechtsfähigkeit abgesehen - Identität. Allerdings ist diese Grundvorstellung unserer Rechtsordnung teilweise durchbrochen. Für ältere Rechtsfiguren wie die oHG und die KG wird man keine Ausnahme machen müssen, weil diese nicht rechtsfähigen Gesellschaften zwar unter ihrem Namen handeln können, aber die vermögensrechtlichen Folgen letztlich doch die einzelnen Gesellschafter persönlich treffen. Wesentlich größere Probleme schafft das öffentliche Recht. Es geht in seinen Verfahrensvorschriften (VwVfG §§11 bis 13; VwGO §§61 bis 63) davon aus, dass Vereinigungen, unter denen die Verfahrensgesetze auch nicht rechtsfähige Vereinigungen verstehen, auch Rechte haben können. Hier ist die Grundannahme des Personenrechts, dass nur Personen subjektive Rechte haben können, offensichtlich durchbrochen. Noch stärker ist dies der Fall bei den Innenbeziehungen der juristischen Personen. Dabei geht es um zwei unterschiedliche Problembereiche, einerseits um die sogenannten „besonderen Gewaltverhältnisse", andererseits um das gegenseitige Verhältnis der Organe einer juristischen Person. Das was die Rechtslehre und Rechtspraxis lange unter dem „besonderen Gewaltverhältnis" abgehandelt hat, waren im Grunde von je her zwei unterschiedliche Problembereiche. Es waren einerseits die verschiedenartigen Dienstverhältnisse derjenigen, die für den Staat oder die sonstige öffentliche Hand Dienste zu leisten hatte. Andererseits handelte es sich um die Einordnung in eine anstaltliche Ordnung, die von den Nutzern der Anstalt zu beachten ist. Die Lehre ging nun dahin, dass diejenigen, die sich im besonderen Gewaltverhältnis befanden, im Innenverhältnis keine subjektiven Rechte hatten. Das Recht auf Aufnahme in dieses Verhältnis und das Recht auf Entlassung aus diesem oder auf Verbleiben in diesem Verhältnis wurde seit langem als Rechtsverhältnis angesehen,

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ebenso auch das Recht auf die Dienstbezüge oder die Verpflichtung zur Zahlung von Nutzungsentgelten. Aber die dienstliche Weisung oder die Anstaltsordnung, die die Nutzung der Anstalt im einzelnen regelt, wurde als reines Binnenrecht von der Sphäre des Außenrechts unterschieden und damit von der Möglichkeit klageweiser Durchsetzung ausgenommen. Die heutige Rechtsordnung ist mit dieser Problematik noch immer nicht vollständig fertig geworden. Die Unterscheidung zwischen Innen- und Außensphäre wird immer noch aufrecht erhalten, wobei allerdings angenommen wird, dass jedenfalls bei Verletzung von Grundrechten, aber wohl auch von anderen Gesetzen, die in die Innensphäre hinein reichen, subjektive Rechte verletzt werden können, solche also auch in der Innensphäre bestehen müssen. Aber es bleibt der grundsätzliche Vorbehalt, dass die subjektiven Rechte das innere Betriebsverhältnis nicht erreichen können156. Das andere Problem ist das der gegenseitigen Beziehungen der Organe innerhalb einer juristischen Person. Da es grundsätzlich Rechtsbeziehungen innerhalb der derselben juristischen Person nicht geben kann, weil alle bestehenden Rechte der Person als solcher zugeordnet werden, ist theoretisch eine Rechtsbeziehung zwischen den Organen nicht möglich. Diese Aussage entspricht aber nicht den Bedürfnissen der Praxis, insbesondere in Bereich der obersten Staatsorgane und der Selbstverwaltungsträger. Der Staat und seine Verwaltung üben Macht aus. Diese, die Freiheit des Bürgers bedrohende Macht wird durch die Gewaltentrennung, durch ein Gleichgewicht der Gewalten eingeschränkt. Die Gewaltentrennung aber verlangt, um wirksam zu werden, auch die Möglichkeit der gerichtlichen Geltendmachung der Rechte der einzelnen Organe des Staates oder des Selbstverwaltungsträgers. Dies wiederum setzt nach unseren theoretischen Vorstellungen und normativen Vorschriften voraus, dass auch subjektive Rechte bestehen, weil nur solche Gegenstand des gerichtlichen Rechtsstreits sein können (§113 Abs. 1 VwGO) 157 . Sieht man von diesem Ausnahmen ab, so hängt der Begriff der Person mit dem Begriff des subjektiven Rechts notwendig zusammen. Das subjektive Recht ist Rechtsmacht, die normativ (u. U. auch ohne schriftlich festgelegte Normen) verordnet und nicht nur tatsächlich vorhanden ist, aber ihrerseits eine tatsächliche Macht verlangt. Dabei hängt nach unseren Vorstellungen, die mit der Staatssouveränität verknüpft sind, die Durchsetzung des Rechts mit dem staatlichen Gewaltmonopol zusammen. Dies ist weder historisch, noch logisch notwendig. Das subjektive Recht wird vom Staat gegeben oder doch jedenfalls - wie das unter Privaten durch Vertrag oder Realakt erworbene Recht 158 - durch den Staat anerkannt. Das fordert weiter, 156

Ausführlich hierzu WolffIBachofIStober, § 32, insb. Rdnr. 25 ff. m. w. N. Konrad RedekerlHans Joachim v. Oertzen, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2000, § 113 Rdnr. 7. 158 Als Beispiel für Rechte, die durch Realakt eines Dritten erworben sind, ist die Schadensersatzforderung, der Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung oder aus verbotener Eigenmacht zu nennen. 157

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dass der Staat dieses Recht schützt und zum Schutze der subjektiven Rechte seine Organe zur Verfügung stellt. Da das subjektive Recht mit dem Begriff der Person auf das Engste verbunden ist, muss auch der Staat die Frage nach dem Person-Sein regeln oder doch jedenfalls die im gesellschaftlichen Bereich entstandenen Vorstellungen vom Person-Sein anerkennen. Ohne die staatliche Legitimation, die nicht notwendig durch den Gesetzgeber oder durch die zweite Gewalt erfolgt sein muss, die vielmehr auch im Gerichtsurteil vollzogen werden kann, kann ein Person-Sein im Rechtssinne nicht wirksam werden. Dies ist die Folge unserer staatszentrierten Rechtsordnung, die wir aus der Zeit des Absolutismus in den heutigen Rechtsstaat mitgenommen haben. Das Personenrecht hat noch einen anderen Aspekt: Die reale Welt ist aufgegliedert in Herrschaftszonen, regelmäßig als Eigentum, oft aber auch als Besitz, im öffentlichen Recht kraft sonstiger Berechtigung, z.B. kraft öffentlichrechtlicher Anstaltsherrschaft. Das Eindringen in diese Herrschaftsräume ist grundsätzlich Rechtsverletzung, z. B. der Entzug oder die Beschädigung des Eigentums, das Eindringen in den Besitz, die Störung der öffentlichen oder der Anstaltsordnung. Die Rechtsordnung, die die Herrschaftsordnung hergestellt hat und sie schützt, kann dieses Eindringen nicht dulden und verhängt bei unberechtigtem Eindringen Sanktionen. Das Handeln wird grundsätzlich der handelnden Person zugeordnet. Die Sanktion trifft die handelnde Person. Allerdings kann es auch anders sein, wenn eine andere Person für die handelnde Person haftet, z. B. die Eltern für das Kind, oder der Unternehmer für seine Bediensteten, die einen Schaden verursacht haben. 2. Der Name der Person Es ist nicht überraschend, dass das BGB in seinem kurzen Teil zur natürlichen Person als einziges materielles Recht das Recht am Namen geregelt hat (§ 6), wodurch das Personenrecht aus dem formellen Recht herausgehoben wird und überhaupt erst zu einem materiellen Recht, zu einer inhaltlichen Rechtsordnung gemacht wird. Es ist hier noch nicht der Ort, sich mit dem Namensrecht im einzelnen auseinander zu setzen. Wichtig ist jedoch festzustellen, dass der Name mit der Person unlösbar verbunden ist. Durch den Namen wird der Mensch erst zur Person, denn nur durch den Namen wird er in der Kommunikation der Menschen untereinander identifizierbar gegenüber anderen Personen und erhält Identität. Das gilt selbst dann, wenn man anstelle herkömmlicher Namen Personenkennzahlen verwendet. Derartige Zahlenreihen mögen zwar in unserem Verständnis entwürdigend sein. Aber sie sind als Mindestes notwendig, um eine Person identifizieren, d. h. von den anderen Personen unterscheiden zu können. Wenn man es mit mehreren Personen, ja schon wenn man es nur mit zwei Personen (z. B. neugeborenen Zwillingen) zu tun hat, müssen diese Namen bekommen, um über sie sprechen zu können und um sich verständigen zu können, was mit den beiden Kindern geschehen soll. Ohne Namen ha-

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ben sie keine Individualität, keine Personschaft, sondern sind allenfalls Stück einer namenlosen Masse, selbst dann wenn man sie nur als „Eins" und „Zwei" bezeichnet. Der Name ist daher primär keine Erfindung der staatlichen Rechtsordnung, sondern freies, rechtlich nicht geregeltes Tun der Gesellschaft. Freilich hat sich die staatliche Rechtsordnung des Namens angenommen und muß es auch, weil der Name entscheidend für die Zuordnung von Rechten und Pflichten zu einem menschlichen Wesen ist, deren Schutz dem Staat obliegt. Das ganze Rechtssystem mit seinen Verfahren kann ohne die Namen der Personen, die Ansprüche geltend machen oder die für Schulden haftbar gemacht werden, nicht wirksam werden. Im gerichtlichen Urteil ist wegen des Umfanges der Rechtskraft ein Verzicht auf eine eindeutige Bezeichnung des Namens überhaupt nicht denkbar. Der Name hat daher eine grundlegende Bedeutung für die personenrechtliche Rechtsordnung und darüber hinaus. 3. Verpflichtungen der Person Zum Personbegriff gehört auch die Möglichkeit, für Verpflichtungen einstehen zu müssen. Dabei handelt es sich entweder um Verpflichtungen zu einem Handeln, Dulden oder Unterlassen, die persönlich zu erfüllen sind oder eine Verpflichtung, die auch durch Dritte erfüllt werden können. Die Erfüllung durch Dritte, z. B. die Herstellung eines Werkes, bleibt aber immer personenbezogen, auch wenn sie durch einen Dritten erfüllt werden darf, weil bei Nicht- oder Schlechterfüllung der Schuldner selbst für den Mangel mit seinem Vermögen, u. U. mit seiner Person haftet. Es geht bei diesem Problem um die Norm, die eine staatliche Norm oder ein privater Vertrag sein kann, und um deren Erfüllung. Durch die Norm oder den Vertrag wird ein Recht oder eine Pflicht begründet. Die Erfüllung steht damit sowohl in einer finalen als auch in einer kausalen Beziehung zur Norm und zum Vertrag: Weil die Norm oder der Vertrag es befiehlt, wird erfüllt. Und um die Erfüllung zu erreichen, wird die Norm gegeben oder der Vertrag geschlossen. Die Verpflichtung ist von einer Person zu erfüllen, vom Schuldner. Damit wird das Handeln mit einer bestimmten Person verknüpft. Das Recht setzt Personen voraus, weil durch das Handeln von Personen die Verpflichtung oder die Berechtigung in die reale Welt geholt wird. 4. Handlungsfähigkeit Handlungen als Vorgänge in der Welt der Realitäten haben an sich mit dem Recht nichts zu tun. Das Recht bewegt sich in der Normenwelt, im Sollensbereich, nicht dagegen im Seinsbereich. Das Recht ist ein Ideengebäude, das in der Form von Normen formuliert ist und auf das die Menschen einwirken und ihr tatsächliches Handeln bestimmen will. Insofern besteht die Beziehung zwischen Recht und Sein. Das

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Recht beeinflusst das Handeln der Personen. Dadurch verändert es mittelbar das Sein. Bei der Handlungsfähigkeit geht es jedoch um etwas anderes, um die Gestaltung von Rechtsbeziehungen durch Handeln. Die Rechtsordnung als ein Beziehungsgeflecht von Berechtigungen und Verpflichtungen anerkennt als möglichen Entstehungsgrund von Rechtsbeziehungen ausdrücklich das Handeln von Personen an. Sie unterscheidet dabei die Realhandlungen und die Willenserklärungen, die beide rechtlich relevant sein können. Während zu Realhandlungen alle Menschen, aber nur diese - nicht dagegen die juristischen Personen - fähig sind, kommt es für die Möglichkeit von Willenserklärungen auf die Handlungs- und Geschäftsfähigkeit an. Es ist im Recht nicht so, dass Realhandlungen nur solche Handlungen sind, die durch körperliche Bewegung, z. B. durch Arbeit mit den Händen oder Gehen mit den Füßen getätigt werden. Auch verbale Äußerungen wie die Beleidigung oder die Beratung sind Realhandlungen und keine Willenserklärungen. Sie können daher von jedem vollzogen werden. Freilich zeigt sich gerade bei ihnen, dass besondere persönliche Qualifikationen, insbesondere ein besonderes Alter vorliegen müssen, um Rechtsfolgen durch Realhandlungen auszulösen. In der Mitte zwischen den Realhandlungen und den Willenserklärungen liegen die Wissenserklärungen 159 und die Entgegennahme von Willenserklärungen. Obwohl diese Entgegennahme einer Willenserklärung keine Willenserklärung ist, müssen die Personen, die derartige Wissenserklärungen abgeben oder Willenserklärungen entgegennehmen, bestimmte persönliche Qualifikationen besitzen. Für die Rechtsordnung sind die Willenserklärungen von besonderer Bedeutung. Es sind in der Regel verbale mündliche oder schriftliche Äußerungen; möglich sind auch Willenserklärungen durch Zeichen160. Die Rechtsordnung wird weitgehend durch Willenserklärungen gestaltet. Hierbei gilt als Inhalt der Äußerung, das was das Wort oder die Schrift nach seiner objektiven Bedeutung ausdrückt, freilich immer nur soweit von erkennbaren Willen des sich Äußernden getragen wird 161 . Der geheime Vorbehalt ist unwirksam (BGB § 116). Es ist aber zu unterscheiden zwischen der natürlichen Person, mag sie eine privatrechtliche oder öffentlich-rechtliche Erklärung abgeben, und der hoheitlich handelnden Behörde, die Verwaltungsakte erlässt, sowie den Gerichten und den Normgebern. Bei allen Akten kommt es für die Erzeugung von Rechtsverhältnissen entscheidend auf den Willen an. Allerdings unterliegen sie im einzelnen unterschiedlichen Regeln. 159

Marcus Baum, Die Wissenszurechnung, 1999. Z. B. bei einer Versteigerung durch Handaufheben. Im Verwaltungsrecht sind Zeichen als Verwaltungsakte zulässig (VwVfG §§ 37 Abs. 2 S. 2; StVO § 36), z. B. Verwaltungsakte durch Handzeichen des Polizeibeamten. 161 BVerwGE 29,310; 41,306; 49,244; 60,223; 99,103; UtaRüping, Verwaltungswille und Verwaltungsakt, 1986 (Diss. Bonn), S. 125 ff.; Winfried Kluth, Rechtsfragen der verwaltungsrechtlichen Willenserklärung, NVwZ 1990, 608ff.; Franz-Joseph Peine, in: FS W. Thieme (1993), S. 563 ff. 160

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Personenrechtlich ist hierbei vor allem die Tatsache entscheidend, dass für die Erzeugung der Rechtsfolgen durch die Erklärung der persönliche Wille einer oder mehrerer natürlichen Person als eine bestimmte psychische Tatsache, die in der Person selbst begründet liegt, die Rechtsfolge auslöst, mag sie auch einer juristischen Person als deren Willenserklärung zugerechnet werden. Die Rechtsordnung geht damit von der Annahme aus, daß der Mensch einen freien Willen hat, sein Tun und damit auch den Inhalt seiner Erklärungen selbst zu bestimmen. Sie geht ferner davon aus, dass der Mensch, wenn er eine Erklärung abgibt, in der Lage ist, die Bedeutung seiner Erklärung zu erkennen oder jedenfalls bereit ist, die rechtlichen und tatsächlichen Folgen seiner Erklärung für sich als wirksam anzunehmen. Die Willenserklärung setzt daher voraus, dass der Erklärende Verantwortung für sein Tun übernimmt. Dies hat allerdings Grenzen, mit der die Rechtsordnung allzu schwere Folgen fehlerhafter Willenserklärungen im Interesse der Menschen einschränkt, die vom vorgestellten Normaltyp des seines Willens mächtigen Menschen abweichen. Die Möglichkeit, die Bedeutung der eigenen Erklärungen zu erkennen und sie zu verantworten, setzt eine Einsichtsfähigkeit voraus, die nicht bei allen Menschen vorhanden ist. Insbesondere bei Kindern liegt sie nicht vor, ferner nicht bei Geisteskranken sowie bei Menschen, die aus anderen Gründen im Gebrauch ihrer geistigen Kräfte beschränkt sind. Diesen muss die Rechtsordnung einen Schutz gegen sich selbst bieten. Dies hat sie auch mit Altersgrenzen, Geschäftsfähigkeitsvorschriften, Begründung von Betreuungsverhältnissen und Vormundschaften getan. Die Vorschriften für diese Probleme stehen im BGB. Gleichwohl gelten sie grundsätzlich auch für das öffentliche Recht, soweit der Bürger Erklärungen gegenüber der Behörde abgibt. Wer rechtlich nicht in der Lage ist, eine Willenserklärung zu bürgerlich-rechtlichen Fragen abzugeben, kann dies auch nicht zu öffentlichrechtlichen Fragen tun, etwa zur Stellung eines Antrags oder zum Verzicht auf eine öffentlich-rechtliche Rechtsposition. Dass es für einzelne Fragen des öffentlichen Rechts Sondervorschriften gibt (z. B. in SGB, für den Jugendjagdschein u. a. m.), ist für die Grundsatzfrage nicht bedeutsam. Wichtig ist es festzustellen, dass das BGB gewissermaßen die Leit-Normierung enthält, die sich für andere Rechtsgebiete weitgehend durchgesetzt hat, wenn vergleichbare Tatbestände vorliegen. Angesichts der präzisen und kasuistischen Regelungen im BGB kann man die Anwendung dieser Regelungen wohl nur als Analogie bewerten, wenn man nicht von folgender Überlegung ausgeht: Das BGB ist entgegen seinem Namen nicht nur ein Gesetzbuch für bürgerlichrechtliche Rechtsverhältnisse im heutigen Sinne, sondern ein allgemeines Gesetzbuch wie das Pr. ALR oder das Gemeine Recht. In dieser Funktion hat es seit jeher auch für bestimmte Fragen, die wir heute dem öffentlichen Recht zuordnen, insbesondere für die Frage der Geschäftsfähigkeit gegolten. Dies lässt sich auch daraus

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ableiten, dass das BGB in der Nachfolge des Gemeinen Rechts steht, dessen Begriff des Bürgerlichen Rechts wir heute nicht mehr zugrunde legen162. Im Gegensatz zum Bürger, für den im öffentlichen Recht grundsätzlich die Vorschriften des BGB - einschließlich ihrer Schutzfunktion - gelten, trifft dies nicht für die Behörden, d. h. für die in den Behörden für diese wirkenden Personen zu. Handelt ein Beamter im Zustand geistiger Umnachtung, so werden seine Handlungen der Körperschaft, in deren Dienst er steht, als gültig zugerechnet.163 Ist die Handlung rechtmäßig, so ist sie bestandskräftig, auch wenn sie - als Ermessensentscheidung - dem Willen der Behördenleitung und den von dieser ausgegebenen Weisungen widersprach, selbst dann wenn sie rechtswidrig, aber nicht nichtig war. Derartige bürgerlich-rechtliche Instrumente hat das öffentliche Recht im Beamtenrecht entwickelt, wo es unter bestimmten Voraussetzungen eine Beamtenernennung für nicht aufhebbar erklärt, auch wenn sie für die Dauer („auf Lebenszeit") ausgesprochen war 164 . Diese altertümliche Regelung wird in modernen Gesetzen nicht wiederholt. In diesem Fall wird beim fehlerhaft zustande gekommenen Staatsakts mit den Begriffen der Aufhebung und der Rücknahme gearbeitet 165. 5. Vertretung als personenrechtliches Problem Mit der Rechtstellung der Person ist auch die Frage verbunden, ob die Person selbst handeln muss, oder ob sie andere (Dritte) für sich handeln lassen kann, wenn eine Willenserklärung abgegeben werden soll, die für sie wirksam wird. Damit ist das Vertretungsproblem gestellt. Dieses betrifft nur Willenserklärungen und nicht Realhandlungen. Die Problematik liegt bei den natürlichen und den juristischen Personen unterschiedlich. Die natürlichen Personen, können sich bei fast allen Willenserklärungen vertreten lassen. Ausnahmen sind die Eheschließung (§13 EheG) und die Testamentserrichtung (§ 2064 BGB). Bei den juristischen Personen stellt sich mindestens die Frage der Handlungsfähigkeit, weil die juristischen Personen als fiktive Gebilde ohnehin nicht selbst handeln können, sondern stets für sie durch Organe oder Vertreter gehandelt werden muss. Für die Personen handeln die Organe, die aus einer oder mehreren natürlichen Personen bestehen. Die Satzung, das Gesetz oder andere einschlägige Vorschriften bestimmen, welche Organe Vertretungsmacht besitzen. Dann sind diejenigen natür162

Michael Stolleis, Geschichte, Band II 1992 S. 51 ff. Dies ergibt sich auch aus dem Beamtenrecht (BBG § 14), wonach die Handlungen des in einem nichtigen Beamtenverhältnisses stehenden Beamten gültig sind. 164 Dies ist die Konsequenz der abschließenden Regelung der Nichtigkeits- und Aufhebungsgründe für fehlerhafte Beamtenernennungen, BBG §§11, 12. 165 Es dürfte auf einer möglicherweise besonders konservativen Beharrung der mit dem Beamtenrecht befassten Ministerialbeamten beruhen, dass die veralteten Sondervorschriften des Beamtenrechts über die Rechtsfolgen fehlerhafter Emennungen noch nicht aufgehoben oder jedenfalls dem VwVfG angepasst worden sind. 163

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liehen Personen, denen die Stellung als Organvertreter übertragen worden ist, zum Handeln für die juristische Person durch Willenserklärung befugt. Diese Vorstellungen gelten mehr oder weniger übereinstimmend für alle juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts. Dabei bedürfen größere juristische Personen allerdings einer entsprechend größeren Zahl von Vertretern, um alle Aufgaben, die mit Vertretungsaufgaben nach außen auch erledigt werden können. Dies geschieht in der Regel durch Weitergabe der Vertretungsmacht, d.h. durch Untervollmachten, evtl. durch Unter-Unter-Vollmachten. Die Vertretung als Ersetzung der rechtlich betroffenen Person durch eine andere Person bei der Abgabe der Willenserklärung kann in verschiedenen Formen erfolgen. Das Recht kennt nicht nur die gewillkürte Vertretung, die durch die Errichtung einer Vollmacht ermöglicht wird. Der Vollmacht gleich steht die nachträgliche Genehmigung. Daneben steht insbesondere für Eltern gegenüber ihren noch nicht volljährigen Kindern die gesetzliche Vertretung, ferner die Bevollmächtigung des Betreuers gegenüber den Betreuten. Ein dritter Fall ist die Organvertretung. Ein besonderer Fall der Vertretungsmacht liegt in der durch staatlichen Hoheitsakt begründeten Vertretung des Gemeinschuldners durch den Insolvenzverwalter. Auch für öffentlich-rechtliches Handeln gibt es gesetzliche und gewillkürte Vertretungsmächten, insbesondere bei öffentlich-rechtlichen Verträgen (nicht nur im Staats- und Völkerrecht, sondern auch im Verwaltungsrecht). Der Begriff der Vertretung wird beim Erlass von Verwaltungsakten nicht angewandt. An sich ist die Parallele zur Vertretung bei Behördenhandeln evident. Ein bestimmter Beamter oder Angestellter handelt für eine juristische Person des öffentlichen Rechts und unterschreibt einen Verwaltungsakt, der als öffentlich-rechtliche Willenserklärung bezeichnet werden kann und kraft des Willens der zuständigen Beamten Rechtwirkungen entfaltet. Allerdings gebraucht die Rechtsordnung hierbei nicht den Begriff der Vertretung, sondern gibt den Beamten die Rechtsmacht zum Handeln für den Träger der öffentlichen Verwaltung aus der Zuständigkeitsordnung, was zugleich bedeutet, dass hier das bürgerlich-rechtliche Vertretungsrecht nicht anwendbar ist, sondern eine besondere davon abweichende öffentlich-rechtliche Ordnung. Dies gilt auch für den Abschluss von verwaltungsrechtlichen Verträgen, für die das BGB zwar für grundsätzlich entsprechend anwendbar erklärt worden ist (§ 62 Satz 2 VwVfG); hiermit ist aber nichts über die Frage der Vertretungsmacht zum Abschluss von Verträgen gesagt. 6. Zuordnung von Unrechtstatbeständen Der Begriff der Person ist für die juristische Bewältigung von Unrechtstaten von zentraler Bedeutung. Dies gilt sowohl für die Wiedergutmachung geschehenen Un-

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rechts, für die Sühne von Unrecht, als auch für die generelle und spezielle Prävention künftigen Unrechts. Die Wiedergutmachung (Entschädigung, Schadensersatz) setzt eine Person voraus, gegen die sich der Anspruch auf Wiedergutmachung richtet. Denn die Wiedergutmachung als materielle Entschädigung ist aus einem Vermögen zu leisten, das einer Person gehört. Auch beim immateriellen Wiedergutmachungsanspruch, der nicht auf Geld oder eine andere Vermögenswerte Leistung gerichtet ist, sondern auf

eine Entschuldigung oder eine ähnliche Erklärung, kommt das Recht ohne den Bezug auf eine bestimmte Personen als Verpflichteten nicht aus. Das deutsche Schadensersatzrecht ist streng personenbezogen, soweit es die Kausalität zwischen der schädigenden Handlung und dem entstandenen Schaden untersucht. Das Kausalitätsproblem steht daher im Mittelpunkt des deutschen Entschädigungsrecht. Der Gedanke der Kollektivschuld, der nach dem Zweiten Weltkrieg unter dem Eindruck der ungeheuren Verbrechen deutscher Staatsorgane aufgetaucht war, ist in der deutschen Rechtsordnung niemals ernstlich diskutiert, sondern mehr als eine moralische Frage angesehen worden. Diese persönliche Zurechnung wird bei (öffentlichen und privaten) Großorganisationen schwierig, bei denen der Schaden durch das Zusammentreffen des Handelns oder Unterlassens zahlreicher Menschen entstanden ist, die im einzelnen nicht bekannt, nicht erkennbar jedenfalls in ihrer Wirkung nicht nachweisbar sind. Hier tritt an die Stelle der persönlichen Zurechnung teilweise der „Organisationsmangel", der zivilrechtlich zu befriedigenden Ergebnissen führt 166 , im Strafrecht aber als Ersatz für die fehlende persönliche Zurechnungsmöglichkeit nicht eingesetzt werden kann. Sicherlich gibt es eine Haftung für fremdes Tun, für die eigenen Kinder, für den Beauftragten oder für die Abführung der Lohnsteuern der Arbeitnehmer. Aber es bestehen hier immer irgendwelche juristisch fixierbaren tatsächlichen Bindungen, die notwendige Voraussetzung für eine derartige Haftung für fremdes Tun sind. Die Zurechnung der Leistungsverpflichtung zu einer bestimmten Person wird dann allerdings schwierig, wenn nicht gehandelt, sondern unterlassen worden ist. Der Kausalitätsbegriff beim Unterlassen ist deshalb so problematisch, weil niemand in der sozialen Wirklichkeit eine Ursache gesetzt hat. Das Nicht-Handeln als kausalen Grund für die Schadensfolgen anzuerkennen, ist logisch nicht möglich und verlangt daher zusätzlich noch eine Verantwortlichkeit dessen, dem die Unterlassung als rechtswidrig zugerechnet werden soll, eine Zurechnung, die in jedem Fall besonders begründet werden muss. Das Unterlassen muss eine nicht vollzogene Handlung betreffen, zu deren Vornahme der in Anspruch Genommene verpflichtet war 167 .

166 167

RGZ 157, 235; BGHZ 24, 200ff., 213. Hans Joachim Mertens, Münchner Kommentar zum BGB, 3. Aufl. § 823 Rdnr. 15 ff., 20.

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7. Die Person in der Vollziehung Die Rechtsordnung findet ihre Krönung gewissermaßen in der Vollziehung. In der Vollziehung zeigt sich, ob die Rechtsordnung effektiv ist, ob sie sich gegenüber dem Rechtsverletzer durchsetzen kann. Die Vollziehung, die hier nicht als terminus technicus verwandt werden soll, ist in vielen Fällen einsetzbar. Sie dient der Durchsetzung eines Urteils, einer anderen gerichtlichen Entscheidung oder einer Verwaltungsentscheidung. Sie tritt aber u. U. auch selbst an die Stelle des staatlichen Aktes, so beim polizeilichen Sofortvollzug. Ja es gibt auch den privaten Vollzug, etwa bei der Abwehr einer verbotenen Eigenmacht (BGB § 858) oder bei der vorläufigen Festnahme, die auch Privatpersonen begrenzt vornehmen können (BGB § 229). Auch die Notwehr (BGB § 227; StGB § 32) gehört zu diesem Sachkomplex. Personenrechtlich ist dieses Thema in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Einerseits ist in jedem Fall der Vollziehung klarzustellen, welche Person das Recht zur Vollziehung zusteht und welche Person Objekt der Vollziehung ist. Denn nicht alle Personen sind zu Akten der Vollziehung befugt. Das gilt nicht nur für die privaten Personen, die nur ganz ausnahmsweise Vollziehungsakte im eigenen Interesse durchführen können, sondern auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts, die keine eigenen Vollzugsbefugnisse haben, sondern sich anderer juristischer Personen bedienen müssen168. Das Gewaltmonopol des Staates ist auch innerhalb des Staates kompetentiell auf bestimmte Organe beschränkt. Der andere Aspekt ist der Eingriff gegenüber natürlichen Personen. Der Vollzug betrifft nicht nur die Eintreibung von Geldschulden, sondern u. U. auch das persönliche Verhalten. Daher kennt das Recht als letzte Maßnahme für bestimmte Rechtsbereiche die Beugehaft, die in das allgemeine Freiheitsrecht eingreift und damit den Kern des Rechts der Persönlichkeit betrifft. Hier gilt in besonders starkem Maße der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als eine den Eingriff begrenzende Befugnis. Schließlich gehört zu diesem Sachkomplex das ganze Strafvollzugsrecht 169, das durch das Maßnahmenrecht des Strafgesetzbuchs (§§ 61 ff.) ergänzt wird 170 . Mit Recht hat der Gesetzgeber unter dem GG es als eine wichtige Aufgabe angesehen, den Menschen, denen die Gesellschaft wegen ihrer Verfehlungen die Freiheit zeitweise nimmt (Haftstrafe), Bedingungen zu garantieren, die menschenwürdig sind, ohne den Strafzweck außer Acht zu lassen171.

168 Z. B. die Arbeitsverwaltung (BfA), die sich im Wege der Amtshilfe der Vollziehungsorgane der Bundesfinanzverwaltung bedient, vgl. AbgO § 250 i.V. m. § 66 SGB X. 169 Strafvollzugsgesetz vom 16.3.1976 (BGBl. IS. 581). 170 Das Maßnahmenrecht wird durch das Landesrecht geregelt, vgl. hierzu das Schl.-H. Maßregelvollzugsgesetz v. 19.1.2000, GVB1. S. 114. 171 Strafvollzugsgesetz §§2, 3.

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VII. Unternehmen, Betrieb und Person 1. Leitungsorganisation und Person Es ist oben die Frage gestellt, welche Bedeutung dem Begriff der Person zukommt. Das gilt vor allem für das Wirtschaftsleben. Die Wirtschaft kann heute in sehr vielen Bereichen nicht allein durch eine einzige rechtsfähige Gesellschaft, sondern oft nur durch einen Verbund von Gesellschaften, durch einen Konzern, handeln. So entstehen Unternehmen, die aus vielen einzelnen Gesellschaften (Firmen) zusammengesetzt sind. Das eigentliche wirtschaftliche Handeln erfolgt in Betrieben, die Teile des Unternehmens sind. Unternehmen und Betrieb sind die wesentlichen Struktur-Pfeiler der wirtschaftlichen Tätigkeiten, die mit Gesellschaften (juristischen Personen) identisch sein können, aber nicht identisch sein müssen. Es erscheint unter ökonomischen Gesichtspunkten teilweise so, als ob die juristische Person unwesentlich sei, wesentlich nur der Betrieb und das Unternehmen. Dies ist freilich nur eine ökonomische Betrachtungsweise. Auf die juristische Betrachtung, die durch den Begriff der Person definiert wird, kann gerade im Wirtschaftsleben nicht verzichtet werden. Denn juristische Personen, die als Gesellschaften, vor allem als Aktiengesellschaften und als Gesellschaften mit beschränkter Haftung konstruiert sind, haben bestimmte Gesellschafter, die ihr Kapital zur Verfügung gestellt haben und mit diesem Kapital für das Handeln der Gesellschaft haften. Interessant ist in diesem Zusammenhang die oft benutzte Form der Kommanditgesellschaft, die zwischen tätigen (geschäftsführenden) und kapitalgebenden Gesellschaftern unterscheidet, d. h. zwei funktional unterschiedlichen Firmenteilen, bei der nicht einmal die Gesamtheit der Gesellschaft juristische Person sein muss. Die „Shareholder", die oft aus zahlreichen Minderheitsteilhabern bestehen, haben ihre eigenen Interessen, die sie durchsetzen wollen. Dies können sie regelmäßig nur im Verbund mit anderen Teilhabern, aber sie bleiben juristisch selbständig, d. h. jeder entscheidet selbst, welches nach seiner subjektiven Überzeugung die richtige Politik seiner Gesellschaft ist. So besteht das zusammengesetzte Unternehmen nicht einfach aus der Muttergesellschaft und deren Töchtern, sondern hat in der Regel ein viel kompliziertere Struktur, die eigene juristische Personen erfordert. Die rechtliche Bedeutung dieser einzelnen Gesellschaften bleibt auch im Konzern erhalten, weil die Frage des Gewinnes und seiner Verteilung sowie die Haftung für Schulden sich nach den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen richtet. Allerdings gibt das Konzernrecht des AktG (§§ 291 ff.) die Möglichkeit, diese Grenzen der einzelnen zu einem Unternehmen verbundenen Gesellschaften auch rechtlich zu übersteigen. Aber dies ist nicht der Regelfall, sondern bedarf jeweils besonderer Regelung. Innerhalb des Unternehmens mit mehreren Betrieben oder selbständigen Betriebsabteilugen stellt sich auch die Frage nach der inneren Verantwortung. Deshalb sind zahlreiche Unternehmen dazu übergegangen, einzelnen Betrieben oder Ab-

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teilungen Freiheiten im Handeln einzuräumen und sie am Gewinn zu beteiligen. D. h. Einzelbetriebe wirtschaften wie selbständige Unternehmen (Personen, natürliche oder juristische Personen, oder Gesellschaften), obwohl sie das rechtlich nicht sind. Inwieweit der im einzelnen Betrieb erzielte Gewinn diesem verbleibt und diesem für Neuinvestitionen an anderer Stelle des Unternehmens zur Verfügung steht, ist eine andere Frage. Insofern entsteht hier ein Verhältnis, das dem eines Konzerns ähnlich ist. Überhaupt muss man deutlich unterscheiden zwischen der juristischen und ökonomischen Struktur einer Unternehmensführung. So kann der Eigentümer eines Unternehmens, insbesondere eine natürliche Person oder eine oHG, sich aus dem eigentlichen operativen Geschäft des Unternehmens völlig zurückziehen, indem er eine Geschäftsführung einsetzt und außerdem einen Aufsichtsrat (oder einen Beirat) aus Personen seines Vertrauens bildet, der die Geschäftsführung kontrolliert. Es entsteht dann etwas, was einer Einmann-Aktiengesellschaft vergleichbar ist. Dies zeigt, dass ein Teil der Rechtswirkungen der juristischen Person sich erreichen lassen, ohne eine solche zu gründen. Allerdings bleibt das Haftungsproblem hierbei ungeregelt. Der Eigentümer (oder die Gesellschafter) haften im Krisenfall unmittelbar mit seinem Privatvermögen. Das deutsche Schadensersatzrecht ist streng personenbezogen, wenn es die Kausalität zwischen der schädigenden Handlung und dem entstandenen Schaden untersucht. Das Kausalitätsproblem steht daher im Mittelpunkt des deutschen Schadensersatzrechts. 2. Betriebsverfassungsrecht In diesen Zusammenhang gehört auch ein Blick auf die betriebsverfassungsrechtliche Seite des Unternehmens. Das Betriebsverfassungsgesetz kennt in erster Linie den Betrieb als eine organisatorische Einheit, die von einem Betriebsrat mit gesteuert wird, der auf vielfältige Entscheidungen des Unternehmers Einfluss hat 172 . Dabei geht es nicht um personenrechtliche Fragen im strengen Sinne. Denn die Frage, ob der Betrieb einer Einzelperson, einer nichtrechtsfähigen Handelsgesellschaft (oHG, KG) oder einer rechtsfähigen Gesellschaft (GmbH, AktG) gehört, ist dabei gleichgültig. Es geht um die Rechte der Arbeitnehmer, die keine Korporation bilden, sondern durch Wahlen, durch Betriebsversammlungen oder in anderer Weise eine organisatorische Form gefunden haben, die „personenähnlich" zu einer Willensbildung kommt, die das Recht in einem festgelegten Rahmen als maßgeblich anerkennt. Die Betriebsverfassung ist ein Beispiel dafür, wie ohne Benutzung der Formen des Personenrechts personenrechtliche Rechtsbeziehungen hergestellt werden können.173

172

Betriebsverfassungsgesetz i.d.F. v.25.9.2001, BGB1.I S.2518, §§74ff. Manfred Löwisch, Betriebsverfassung in der Wirtschaft der Gegenwart, DB 1999, 2209 ff. 173

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3. Öffentliche Unternehmen und Betriebe Die Problematik des Unternehmens als personenähnliches Gebilde bekommt bei den öffentlichen Unternehmen einen besonderen Aspekt. Es geht hierbei um Unternehmen, deren Anteile sich ganz oder überwiegend in der Hand von Gebietskörperschaften befinden und der Erfüllung von öffentlichen Zwecken dienen. Sie sind in der Regel nicht Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften, die eine Aufgabe gemeinsam erfüllen, sondern Ausgliederungen von Teilen der Gebietskörperschaften, bei denen die Gebietskörperschaft ihre öffentliche Aufgabe durch eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts wahrnimmt, weil das bürgerliche Recht für die Zweckerfüllung geeigneter ist. Die Gebietskörperschaft tritt hier zuweilen die „Flucht ins Privatrecht" an, weil das öffentliche Recht, vor allem das Haushalts- und Personalrecht, ungeeignet für eine wirtschaftliche Tätigkeit ist 174 . Die Rechtsordnung lässt dies zu, soweit nicht ein Missbrauchstatbestand vorliegt oder Rechte Dritter verletzt werden. Wesentlich typischer für die öffentliche Wirtschaft ist allerdings der Eigenbetrieb. Es handelt sich dabei in erster Linie um eine Einrichtung des Kommunalrechts. Der Betrieb, d. h. die wirtschaftende Teileinheit der Kommune, wird wirtschaftlich aus der Kommune selbst weitgehend herausgenommen und führt ein Eigenleben, das ökonomischen Gesetzen folgt. Sie bekommt eine eigene Werksleitung. Sie arbeitet nicht kameralistisch mit einem Haushaltsplan, sondern mit einem Wirtschaftsplan, sie bilanziert wie ein Kaufmann und stellt jährlich eine Gewinnund Verlust-Rechnung auf. Ihre Tätigkeit und ihr Rechnungswesen wird so behandelt, als ob es sich um eine besondere juristische Person, ein Tochterunternehmen handelt. Juristische bleibt der Eigenbetrieb Teil der „Mutter", er ist ihr eigener Betrieb, weshalb sich der Begriff des „Eigenbetriebes" eingebürgert hat. Derselbe rechtliche Effekt wird in den Staatswirtschaft durch die „26er-Betriebe" erzielt. Nach § 26 BHO kann für Staatsbetriebe bestimmt werden, dass bei ihnen nur ein Zuschussbedarf oder ein Überschuss in den Staatshaushaltsplan eingestellt wird, d. h. das Nettoprinzip anstelle des in der Regel geltenden Brutto-Prinzip angewandt wird. Es wird nicht einmal nur eine Globalsumme (wie weitgehend bei den Hochschulen) ausgewiesen, sondern die Betriebsleitung muss ihre Ziele selbst nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten festlegen und Einnahmen und Ausgaben nach diesen Zielen tätigen. Beispiel hierfür ist die Forstverwaltung, deren Holzeinschlag und damit auch deren Einnahmen und Kosten sich nach den Gesichtspunkten des Marktes richten. Auch derartige Betriebe arbeiten wie eine selbständige juristische Person, ohne eine solche zu sein. Eine dritte Form, die das Recht kennt, sind die Sondervermögen, bei denen eine staatliche oder kommunale Vermögensmasse vom allgemeinen Vermögen der Ge174 Peter Eichhorn, Begriff, Öffentliche Betriebswirtschaftslehre, 1997; Theo Thiemeyer, Betriebswirtschaftslehre öffentlicher Betriebe, 1975.

VIII. Realität und Fiktion des Personenbegriffs

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bietskörperschaft abgetrennt und wie ein Eigenbetrieb wirtschaftet. Bis zur Privatisierung war das Vermögen der Bundespost und der Bundesbahn ein derartiges Sondervermögen, das haftungsrechtlich vom übrigen Bundesvermögen abgegrenzt blieb 175 . Heute ist immer noch das ERP-Vermögen ein derartiges Sondervermögen. 176 In Niedersachsen ist Beispiel für ein derartiges Sondervermögen der „Allgemeine Hannoversche Klosterfonds", der von der Staatsbehörde „Klosterkammer" mit Selbstverwaltungsrechten gesteuert wird. Derartige nicht rechtsfähige Vermögen stehen in der Nähe der rechtlich unselbständigen Stiftungen. Unter Sytemgesichtspunkten fällt es schwer, eine klare Abgrenzung zu finden. Alle diese Beispiele zeigen, dass der Personbegriff nur eine relative Bedeutung hat dass er eine - durchaus nützliche - juristische Konstruktion ist, dass er allerdings durch andere Konstruktionen ersetzt werden kann, mot dem sich der gleiche Zweck erreichen lässt.

V I I I . Realität und Fiktion des Personenbegriffs Der Begriff der Person hat für die Rechtsordnung konstituierende Bedeutung. Mit Recht stellt das nicht nur das BGB, sondern auch andere Rechtsordnungen das Personenrecht an die Spitze des Rechtssystems177. Es stellt sich die Frage: Was ist denn nun diese „Person". Ist es eine juristische Fiktion, ein Konstruktion, ein Mittel, um abstrakte Regeln zu anzuwenden? Oder ist die juristische Person mehr, ist sie eine Realität?178 Damit ist eine Frage gestellt, die sich nicht mit einem klaren „Ja" oder „Nein" beantworten lässt. Für den praktischen Juristen genügt es, wenn er ein Konstrukt zur Verfügung hat, das hinreichend definiert ist und das er in seine übrige Regelwelt einordnen kann. Für ihn ist - bei seiner praktischen Arbeit - die Person ein Konstrukt und hat als solche Realität. Das ist aber nicht alles. Hinter diesem Konstrukt (oder besser vor diesem Konstrukt) steht die soziale Wirklichkeit der Menschen, die handeln, fordern, leisten, und haftbar gemacht werden, die andere Menschen in ihrem Verhalten lenken. Diese soziale Wirklichkeit geht von der Wirklichkeit des Menschen aus. In der sozialen Wirklichkeit ist nur die natürliche Person eine Realität. Außerdem steht der Mensch in einem Wertesystem. In diesem System nimmt er die Spitze ein. Ihm ist gelungen, sich die Erde mit ihren lebenden und toten Schätzen Untertan zu machen. Er beherrscht die Erde, wenn auch nicht vollständig, so aber 175 176 177 178

Bundesbahngesetz v. 13.12.1951, BGBl. I S. 955, §§ 1 f. Art. III des G. v. 15.12.1949, BGBl. 1950 S.9. Z. B. Oesterreich, Die Schweiz, Frankreich. Fritz Fabricius, Die Relativität der Rechtsfähigkeit, 1963.

6 Thieme

A. Allgemeiner Teil

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doch weitgehend. Und seine Herrschaft nimmt dank vielfältiger und sich vermehrender Erfindungen immer mehr zu, mag er auch teilweise die Güter der Erde selbst zerstören und damit seine Herrschaft wieder einschränken. So hat auch die Vorstellung der Religion, insbesondere der christlichen Religion, deren Ordnungsvorstellungen die mächtigsten Staaten der Erde folgen, dem Menschen eine besondere Rolle zugewiesen. Dem Menschen ist nach der Botschaft des Alten Testaments die Herrschaft über die Erde übertragen 179. Ihm allein ist von der christlichen Verkündigung nach einem begrenzten Erdenleben die Ewigkeit - Erlösung oder Verdammnis - zugesprochen, während alle anderen Wesen ins Nichts zerfallen. Dies ist keineswegs zwingend, wie andere Religionen zeigen, z.B. der Hinduismus mit einer Reinkarnationslehre. Die deutsche Rechtsordnung beruht freilich historisch ganz eindeutig auf dem christlichen Menschenbild mit seiner Vorstellung von dem Menschen als dem alleinigen Herrscher der Erde. Die moralischen Vorstellungen des Christentums gehören, auch wenn die theologischen Dogmen des Christentums in Deutschland nur noch von einer Minderheit geglaubt werden, immer noch zur Realität der Gesellschaft, in der unser Recht gilt. Daher hat der Mensch als natürliche Person in der biologischen und sozialen Wirklichkeit und in dem Wertesystem, das die Menschen zusammenhält, zweifellos eine Realität, der gegenüber die Rechtsnormen sich nur als ein Konstrukt erweisen, das versuchen muss, die Realität in der Sein- und Sollenswelt adäquat abzubilden, d.h. für sie ein Instrumentarium zu schaffen, das in dieser Gesellschaft Gefolgschaft findet. Anders steht es mit der juristischen Person. Zweifellos haben auch Personenmehrheiten eine soziale Realität. Personenmehrheiten lassen sich vielfach erleben, beim Spiel, beim Zuschauen, Zuhören oder Diskutieren. Die Millionengemeinschaft der Fernseher, die die gleiche Sendung zur gleichen Zeit einschaltet und erlebt, ist irgendwie eine soziale Realität. Aber diese Mehrheiten sind nicht identisch mit den juristischen Personen. Die Personenmehrheiten, die das Recht als juristische Personen erfasst, sind keine soziologische Wirklichkeit. Die Mitglieder des ADAC oder die Aktionäre der Deutschen Bank bilden zwar eine juristische Person, aber sie sind keine real fassbare Personenmehrheit. Noch mehr gilt das für die „personenlosen" Personen wie die Stiftung oder viele rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts (z. B. die Deutsche Bundesbank oder das Zweite Deutsche Fernsehen), die keine Mitglieder haben. Hier wird der Personenbegriff, der bei der natürlichen Person eine echte Realität besitzt, für einen anderen Zweck „ausgeliehen". Alles das, was für die natürliche Person gilt, wird auch auf die juristischen Personen angewandt, soweit es seinem Wesen nach anwendbar ist. Die Formel des GG Art. 19 Abs. 3 macht deutlich, worum es geht. Es wird die Wesensverwandtschaft der juristischen Person mit der natürlichen Person geprüft, die 179

Genesis Kap. 1 Vers 28.

VIII. Realität und Fiktion des Personenbegriffs

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sich in der spezifischen Teilnahme der juristischen Person am Rechtsverkehr zeigt. Besteht eine Wesensverwandtschaft, so kann das Recht der natürlichen Personen angewandt werden, sonst nicht. Das was das GG im Art. 19 Abs. 3 sagt, entspricht einer allgemeinen Rechtsvorstellung und macht zugleich die Irrealität, die Fiktivität der juristischen Person deutlich. Dabei ist aber zu betonen, dass die Gesellschaft sich mit der Anerkennung der juristischen Personen als Abbildung der Konstrukte, mit denen die natürliche Person rechtlich bewältigt wird, die Möglichkeit geschaffen hat, mit größeren Personenverbänden komplizierte rechtliche Probleme zum Nutzen der Einzelnen und der Gesellschaft zu lösen. Das wird im Letzten beim Staat deutlich. Die Fiktion, dass der Staat eine Person sei, mit allen Eigenschaften der Personen, insbesondere mit der Eigenhaftung für seine Amtsträger (GG Art. 34/BGB § 839), macht ihn erst beherrschbar und garantiert damit die Freiheit der natürlichen Personen vor einer ausufernden staatlichen Gewalt, in einer Massengesellschaft, die sonst ins Kollektiv abzugleiten droht.

B. Die natürlichen Personen I. Der Mensch als Person 1. Menschsein und Personalität Natürliche Personen können nur Menschen sein. Wer Mensch ist, ergibt sich, obwohl der Mensch sich als Geistwesen definiert, zunächst aus den biologischen Eigenschaften des Menschseins. Die Qualität als Mensch hängt nicht von intellektuellen Fähigkeiten ab. Auch der völlig verblödete Mensch, dem jegliche intellektuellen Fähigkeiten fehlen, auch der körperlich entstellte Mensch, ist Mensch und damit im Sinne des Personenrechts grundsätzlich gleichberechtigt mit allen anderen Menschen. Er hat ein Recht auf sein Leben gemäß GG Art. 2 Abs. 2. Seine vorsätzliche Tötung ist Mord oder Totschlag und strafbar (StGB §§ 211 ff.). Die Rechtsordnung kennt kein lebensunwertes Leben. Jedem Menschen kommt die Menschenwürde des Art. 1 Abs. 1 GG zu. Ein kanadisches Gericht hatte sich mit einem Fall zu befassen, in dem ein Mensch unter der Behauptung, er sei kein Mensch dieser Erde, sondern ein Marsmensch, er sei aus Erbmaterial geklont, das Raumfähren vom Mars gebracht hätten, mehrere Drogeriemärkte verklagt hatte, weil diese sich gegen ihn verschworen und ihm Gift statt Medikamenten geliefert hätten. Das Gericht wies die Klage ab, weil der Kläger von sich behaupte kein Mensch zu sein und er daher nicht prozessfähig sei1. Damit hat das Gericht die Klage aus prozessualen Gründen abgewiesen, nicht schon weil der Kläger behauptete, kein Mensch zu sein. Da es sich offensichtlich um einen Erden-Menschen und nicht um ein Marswesen handelte, hätte sich nach deutschem Recht die Frage gestellt, ob der Kläger zurechnungsfähig und damit postulationsfähig war. Die Behauptung des Klägers, er sei kein irdisches Wesen, kann jedenfalls in Deutschland nicht dazu führen, dass ihm vom Gericht die Eigenschaft als Mensch abgesprochen wird. Die juristische Personalität kann dem Menschen nicht nur nach deutschem Recht, sondern nach dem Recht aller zivilisierter Völker selbst dadurch nicht verloren gehen, dass er versklavt wird. Die Sklaverei ist ein Zustand, in dem der Mensch seine Würde verliert. Er kann damit in Deutschland kein akzeptabler Rechtszustand sein. Sofern andere Länder die Sklaverei noch anerkennen, verstößt dies gegen den deutschen „ordre public". So könnte vor einem deutschen Gericht der Kaufpreis für einen Sklaven nicht eingeklagt werden, weil dies unsittlich wäre. 1

Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 19. Mai 1999, Nr. 141, S. 13.

I. Der Mensch als Person

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Das Verbot der Sklaverei, das in allen zivilisierten Staaten der Erde gilt, schließt nicht aus, dass es gleichwohl - auch in Deutschland - Sklaverei gibt 2 . Gegenstand der praktizierten Sklaverei sind vor allem Frauen, die in Bordellen ausgenutzt werden. In der Regel sind es Ausländerinnen, die der deutschen Sprache nicht mächtig und auch praktisch nicht in der Lage sind, sich an Behörden zu wenden. Sie sind nicht nur Gegenstand der Ausbeutung, sondern teilweise auch Gegenstand des Handels als „Ware Mensch". Eine weitere Form des Menschenhandels ist der Handel mit Kleinkindern zum Zwecke der Adoption. Auch dieser Handel ist nach deutschem Recht rechtswidrig, nichtig und strafbar. Nicht hierher gehört der „Verkauf" von Fußballstars. Bei ihnen geht es nicht um einen Verkauf der Person, sondern um die Bindung an einen Arbeitgeber, von dem sich der Spieler stets trennen kann, soweit er arbeitsvertraglich nicht mehr gebunden ist. Daneben aber kann er ein freies Privatleben führen.

2. Tiere als Personen? Nach deutschem Recht können Tiere niemals Personen sein. Es ist zwar theoretisch nicht ausgeschlossen, dass die Tiere von der Rechtsordnung zu Personen erklärt werden und damit subjektive Rechte gewinnen. Die europäische und damit auch die deutsche Rechtsordnung hat von dieser Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht3. Dies beruht auf einer ethischen Überzeugung, die ihre historische Grundlage in einer gemeineuropäischen Tradition hat und auf der die gemeinsame christlich-jüdische Schöpfungsgeschichte beruht, nach der dem Menschen die Herrschaft über die Welt anvertraut ist 4 . Eine Religionslehre, die an die Re-Inkarnation des Menschen glaubt, in der die Menschen auch als Tiere wiedergeboren werden können, kann rechtlich zu anderen Ergebnissen kommen. Alle Tiere auch die höchst organisierten Tiere, die als Freunde des Menschen mit diesen zusammenleben, sind im Sinne der Rechtsordnung Sachen (§90 BGB) 5 . Sie können daher grundsätzlich auch straflos getötet werden, sei es weil der Mensch sie verspeisen will, sei es weil sie dem Menschen gefährlich werden, sei es aus Mitleid mit dem alternden und leidenden Tier, sei es dass sich der Mensch schlicht des Tiers entledigen will. Die Tiere können keine eigenen Rechte haben, die durch ihre Eigentümer oder Dritte geltend gemacht werden. Alle Rechte am Tier sind Rechte des menschlichen Eigentümers, der stets seine eigenen Rechte geltend macht, z. B. wenn ein Dritter einen Hund verletzt oder getötet hat. Die Tiere können auch kein 2

Markus Drexler, Der Mensch als Ware, 1998. Johannes Caspar; Zur Stellung des Tieres im Gemeinschaftsrecht, 2001. 4 1. Buch Moses (Genesis) Kapitel 1 Vers 28. 5 Wilfried Küper, Die „Sache mit den Tieren" oder: Sind Tiere strafrechtlich noch Sachen? JZ 1993,435 ff. 3

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B. Die natürlichen Personen

Recht auf gute Behandlung oder auf Ehre haben6. Das gilt ungeachtet der Tatsache, dass die dem Menschen nächst verwandten Tiere (Schimpansen) 99 % aller Gene mit dem Menschen gemeinsam haben. Der Unterschied der fehlenden Einsichtsfähigkeit, der Selbstreflexion und der Möglichkeit, Moralvorstellungen entwickeln, bleibt als zentrales Trennungsmerkmal von Tier und Mensch unüberwindbar. Das heißt aber nicht, dass die Rechtsordnung die Tiere nicht schützt. Es gibt einen doppelten Schutz: Der Schutz wird mittelbar über den Eigentümer gewährt. Der Eigentümer kann bei Beschädigung oder Tötung des Tieres einen Schadensersatz geltend machen. Dieser Schadensersatz stellt nicht nur auf den Wiederbeschaffungswert des Tieres ab, sondern würdigt das Tier als Individuum. Dies ist im GG (Art. 20 a) und z. T. landesverfassungsrechtlich garantiert 7. Die Rechtsordnung gibt dem Tierhalter einen Anspruch auf Heilungskosten für ein durch einen Dritten schuldhaft verletztes Tier, auch wenn die Heilungskosten höher sind als der Wiederbeschaffungswert eines gleichartigen und gleich wertvollen Tieres (BGB §§90a, 251 Abs. 2 Satz 1.) Tiere, die im häuslichen Bereich leben und nicht zu Erwerbszwecken gehalten werden, sind unpfändbar (811c ZPO). Die öffentliche Ordnung schützt das Tier außerdem durch ein Tierschutzrecht 8. Da die Postulate eines ethischen Tierschutzes neuerdings auch Verfassungsrang erhalten haben (GG Art. 20 a Abs. 2), bilden sie eine immanente Schranke für die anderen Grundrechte, z. B. für die Lehrfreiheit (GG Art. 5 Abs. 3). Dabei ist das Prinzip der Abwägung zwischen den einzelnen Freiheitsrechten, z. B. Wissenschaftsfreiheit, und dem Tierschutz unter Beachtung der Verhältnismäßigkeit zu beachten9. Umstritten sind immer wieder die Tierversuche. Auch wenn der Tierschutz sie in gewissem Umfang verfassungsrechtlich geschützt ist, so sind Tierversuche in bestimmtem Umfang für die medizinische Forschung nützlich oder sogar notwendig sind und damit dem Schutz des menschlichen Lebens dienen. Jede Tierschutzgesetzgebung hat diesen Vorrang zu beachten10. Als vorrangig kann auch die Religionsfreiheit in Betracht kommen, z. B. soweit die Religion ihren Anhängern bestimmte Gebote bei der Schlachtung von Tieren vorschreibt. Die Schächtung von Schlachttieren ist jetzt vom BVerfG als Religions6

Dieser Aussage drohen Missverständnisse. Es handelt sich nicht um eine Aussage der Ethik, sondern ausschließlich um eine Aussage des Rechts. Daher kann die Frage nach einer Würde des Tieres im Recht weder aufgeworfen noch beantwortet werden. Vgl. hierzu: Gerhard M. Trutsch, Die „Würde" der Kreatur. Erläuterungen zu einem neuen Verfassungsbegriff am Beispiel des Tieres, 1995. 7 BW Verf. Art. 3 b: „ Tiere werden als Lebewesen und Mitgeschöpfe im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung geachtet und geschützt." - Vgl. auch Johannes Caspar!Martin Geissa, NVwZ 2002, 913 ff. 8 Tierschutzgesetz i.d.F. d. Bek. vom 25.5.1998, BGB1.I S. 1105. 9 VGH Kassel, NJW 1994,1908; Thomas Cirsovius, Die Verwendung von Tieren zu Lehrzwecken, 2002. 10 Konstantin Leondarakis, Tierversuche - Kollisionen mit dem Tierschutzrecht, 2001; Thomas Cirsovius, Die Verwendung von Tieren zu Lehrzwecken, 2002.

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ausübung i. S. Art. 4 GG anerkannt worden und erhält daher Vorrang vor dem Tierschutz11. Nachdem der Tierschutz auch als Verfassungsgrundsatz in das GG aufgenommen worden ist, bleibt abzuwarten, welche Konsequenzen dies rechtlich haben wird. Soweit nicht ein anderes verfassungsrechtlich geschütztes Recht vorgeht, kann der Staat mit seiner Tierschutzgesetzgebung Tiere schützen und ihnen damit in gewisser Hinsicht eine Stellung geben, die dem einer Person nahe kommt. Die Pflichten, die anderen Menschen, sei es als Tierhalter, sei es als Dritter, damit auferlegt werden, sind aber immer nur Rücksichts- und Schutzpflichten, die aus einem ethischen Verständnis des Verhältnisses der Menschen zu den Tieren als Mitgeschöpfen entstehen, nicht aber aus einem Person-Sein des Tieres. 3. Roboter als Personen? Als neueste Idee, die zum Thema des Personenrechts gehört, ist die, ob auch Roboter künftig als Personen angesehen werden könnten oder gar müssen. Die Vertreter dieser Idee gehen davon aus, dass es dem Menschen gelingen werde, Roboter zu konstruieren, die nicht nur intelligent sind, sondern auch so etwas wie eine Seele besitzen werden. Dabei wird zugleich behauptet, die Entwicklung sei schon wesentlich weiter gediehen als gemeinhin bekannt. Der Gedanke ist sicherlich faszinierend. Und nach allem was die Menschheit in jüngster Zeit an überraschenden und früher unvorstellbaren Entwicklungen erlebt hat, scheut man sich, diesen Gedanken vollständig abzulehnen. Man sollte von vornherein niemals zu irgend etwas „nein" sagen. Andererseits gehört der Gedanke, einen Roboter Persönlichkeit im Rechtssinne zuzusprechen, zur Zeit in das Reich der Utopie, in die „science fiction". Es steht dahinter wohl in erster Linie die immer wieder gern immer wieder neu erzählte Sage von Pygmalion und vom Homunculus.

II. Beginn des Personseins 1. Die Geburt „ Die Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt." Mit dieser Bestimmung setzt das BGB (§ 1) ein. Wann die Geburt vollendet ist, ist eine medizinische Frage, die der Jurist mit seinen Erkenntnismitteln nicht beantworten kann. Zur Vollendung der Geburt gehört die Trennung von der Mutter, d. h. die Durchschneidung der Nabelschnur. Im Zweifelsfall muss der Arzt oder die Hebamme sagen, ob und wann die Geburt vollendet war. Der Jurist hat das zu akzeptieren, solange es ihm nicht offensichtlich falsch erscheint. 11 BVerfG 112, 227; die Sondervorschrift des § 4 a Abs. 2 Nr. 2 Tierschutzgesetz macht die Frage für das deutsche Recht weitgehend allerdings gegenstandslos. - jetzt: BVerfG, NVwZ 2002, 187.

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§ 1 BGB ist nicht nur ein Satz des bürgerlichen Rechts, sondern gilt in der gesamten Rechtsordnung, insbesondere auch im Verwaltungsrecht. Auch im öffentlichen Recht setzt Rechtsfähigkeit in dem Augenblick ein, in dem der Mensch geboren, d. h. wenn die Geburt vollendet ist. Es ist im öffentlichen Recht niemals bezweifelt worden, dass § 1 BGB auch hier gilt. Diese Bestimmung zeigt, dass das Personenrecht eine dem bürgerlichen und dem öffentlichen Recht übergeordnete Materie ist, die für beide Teilmaterien unserer Rechtsordnung in gleicher Weise gilt. Der Zeitpunkt der Geburt kann im Einzelfall rechtlich von erheblicher Bedeutung sein. Die praktische Bedeutung dürfte allerdings in der Regel gering sein. Stirbt die Mutter in der Geburt und stirbt auch das Kind, so kommt es als Erbe und seine Erben als Erben des zweiten Erbfalles nur in Betracht, wenn der Tod des Kindes nach der Vollendung der Geburt eingetreten ist. Auch die öffentlich-rechtlichen Rechte und Pflichten, die den Menschen als Eigentümer treffen, setzen mit der Geburt ein. Insofern vermittelt das BGB auch die öffentlich-rechtliche Pflichtenordnung. An der Geburt hängen z.B. die Staatsangehörigkeit12 sowie andere Statusrechte13. 2. Vorgeburtliche Rechte a) Grundsätzliches Die Frage nach dem Person-Sein des Menschen stellt sich heute vor allem für die Stellung des Menschen vor der Geburt. Zu fragen ist: Wann beginnt das menschliche Leben? Der Vergleich zum Huhn hinkt, weil der Mensch als „Säugetier" lebend geboren wird: Wer ein befruchtetes Hühnerei isst, tötet kein Huhn. Die menschliche Geburt ist dem gegenüber etwas Anderes. Dies hat die Rechtsordnung zu beachten. b) Das Bürgerliche Recht Auch die Leibesfrucht kann Rechte haben. Das Bürgerliche Recht fingiert die Rechtsfähigkeit vor der Geburt, wenn das Kind später lebend geboren wird. Die Rechtsfähigkeit wird dann auf den Zeitpunkt der Erzeugung zurückbezogen. Dies hat vor allem für das Erbrecht Bedeutung (BGB § 1923 Abs. 2). Es gilt auch für das öffentliche Recht, wenn von der Erbschaft öffentlich-rechtliche Verpflichtungen abhängen (z. B. im Rentenrecht oder hinsichtlich der öffentlich-rechtlichen Pflichten des Grundeigentümers). Auch das Sozialrecht behandelt die Leibesfrucht teilweise wie einen bereits Geborenen (§12 SGB VII).

12

Staatsangehörigkeitsgesetz i.d.F. v. 15.7.1999, BGB1.I S. 1618, §3 Nr. 1. Z. B. des elterliche Sorgerecht (BGB § 1626), das Erbrecht (BGB § 1924; § 56 Abs. 2 SGB I), das Waisengeld (§48 SGB VI; BeamtVG §23). 13

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c) Embryonenschutz Einen besonderen Schutz erfährt der noch nicht geborene Mensch durch das Embryonenschutzgesetz (ESchG)14. Dabei gilt als Embryo „die befruchtete entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag." (ESchG § 8). Das ESchG ist der Sache nach ein Strafgesetz. Es stellt die missbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen (§ 2), die verbotene Geschlechtswahl (§ 3), die eigenmächtige Befruchtung, die eigenmächtige Embryonenübertragung, die künstliche Befruchtung nach dem Tode (§ 4), die künstliche Veränderung menschlicher Keimbahnzellen (§ 5), das Klonen (§ 6) und die Chimären- und Hybridbildung (§7) unter ein strafbewehrtes Verbot. Mit der Entdeckung von Möglichkeiten der Manipulation an befruchteten und unbefruchteten menschlichen Eizellen ist ein neues Kapitel der Menschheitsgeschichte aufgeschlagen, das den Gesetzgeber zu einer außerordentlich restriktiven Gesetzgebung des gesamten Problemkreises veranlasst hat. Diese Regelung steht in einem offensichtlichen Gegensatz zum Recht der Abtreibung, bei dem der Gesetzgeber Großzügigkeit hat walten lassen. Dies ist insofern verständlich, als die Palette der Probleme beim Embryonenschutz weit ist und der Gesetzgeber daher unübersehbaren Manipulationsmöglichkeiten vorbeugen muss, während es bei der Abtreibung „nur" um das Töten eines Menschen im Mutterleib geht. Die Diskussion beim Embryonenschutz geht weitgehend um die Frage, ob der Embryo bereits ein Mensch oder jedenfalls dem Menschen gleichzustellen ist. Dies ist eine Frage, die sich in erster Linie für die Ethik stellt 15 . Denn der Embryo ist insofern kein Mensch, als er wesentliche Eigenschaften des Menschen wie die Sinneswahrnehmung, das Bewusstsein seiner selbst, die Handlungsfähigkeit und Moralvorstellungen nicht besitzt. Andererseits sind im Embryo alle diese Eigenschaften angelegt, auf Grund derer er Mensch werden kann und bei ungestörtem Verlauf seiner Entwicklung Mensch werden will. Die Frage nach dem „Menschsein" des Embryos ist daher weder mit Ja, noch mit Nein zu beantworten. Die Frage ist vom Juristen nicht beantwortbar 16. Auch das GG enthält keine schlüssige Antwort 17 . Eine juristische Antwort könnte man aus der Aussage des BVerfG entnehmen, dass die Individualität ein zentrales Merkmal der Menschenwürde und damit auch des 14 ESchG vom 13.12.1990, BGB1.I S.2746; dazu: Carmen Kaminsky, Embryonen, Ethik und Verantwortung, 1998; Dieter Lorenz, FS Brohm, 2002. 15 James D. Watsen, Die Ethik des Genoms - Warum wir Gott nicht mehr die Zukunft des Menschen überlassen dürfen, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 2001. 16 Dass die Frage auch verfassungsrechtliche Perspektiven hat, ist eindeutig, aber sie geben keine hinlängliche Antwort, Wolfram Höfling, Zygote - Mensch - Person, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 157/2001 vom 10.7.2007, S. 8; Edzard Schmidt-Jortzig, DÖV 2001, 825 ff. 17 Claus Dieter Classen, DVB1. 2002, 141 ff.

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Menschseins ist . Die Antwort aus dem Glauben hilft dem Juristen unserer Tage nicht weiter. Daher kann nur der Gesetzgeber bestimmen, ob der Embryo als Mensch behandelt werden soll oder nicht. Das ESchG ist dieser Grundsatzfrage allerdings ausgewichen, indem es sich auf eine Reihe von speziellen Strafvorschriften beschränkt hat. Die Problematik ist gesetzgeberisch nur beschränkt gelöst, weil die sich widersprechenden ethischen Prinzipien sich unversöhnlich gegenüber stehen. Praktisch wird der Kampf heute bei der Präimplantationsdiagnostik ausgefochten 19. Das Stammzellengesetz20 stellt die Einfuhr und Verwendung von Stammzellen unter Genehmigungsvorbehalt und geht von einem Verbot der Erzeugung von Stammzellen im Inland aus. Die Stammzellenforschung wird durch eine Ethik-Kommission überwacht, die die ethische Vertretbarkeit der Arbeit mit Stammzellen bewertet. d) Die Zulässt gkeit der Abtreibung Die unterhalb der Verfassung stehende einfache Rechtsordnung schützt das Leben der Leibesfrucht in geringerem Maße als das Leben der bereits geborenen Menschen. Sie lässt die Tötung des Kindes nicht nur als Ergebnis einer Abwägung zwischen dem Leben der Mutter und des Kindes zu (Notstand), sondern auch in anderen Fällen (StGB §§218a). Grundsätzlich wird zwar auf eine Güterabwägung abgestellt, nämlich auf das Leben der Schwangeren oder die schwerwiegende Beeinträchtigung ihres körperlichen oder geistigen Gesundheitszustandes. Durch diese Entscheidung wird nicht nur das Leben der Mutter gegen das Leben des ungeborenen Kindes abgewogen, sondern die Gesundheit der Mutter gegen das Leben des Kindes; den Eltern des Kindes wird die Lästigkeit abgenommen wird, sich um ein krankes Kind kümmern zu müssen, der Mutter wird in vielen Fällen die Möglichkeit gelassen, Geld zu verdienen, und der Gesellschaft bleiben die Kosten erspart, die das kranke Kind hervorrufen würde. Dies ist das Ergebnis der Abwägung. In der Praxis spielt sich die Problematik überwiegend bei der Bewilligung von Beratungsscheinen ab 21 . Angesichts der weichen Fassung des StGB § 218 a kommt es vor allem darauf an, inwieweit die Beratungsstellen und deren Mitarbeiter dem Vortrag der Schwangeren Glauben schenken und wie sie das Gesetz auslegen. Das ethische Problem, das die Rechtsordnung nicht klar gelöst hat, wird damit auf die Beratungsstellen verschoben22 18

BVerfGE 79, 256ff., 268; 90, 263ff., 270. Hierzu: Empfehlungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft, WissR 2001,287; Elisabeth Giwer, Rechtsfragen der Präimplantationsdiagnostik, 2001. 20 vom 28.6.2002, BGBl. I S.2277. 21 §§ 218 a Abs. 4, 219 StGB. 22 Andreas Kuhlmann, Abtreibung und Selbstbestimmung. Die Intervention der Medizin, 1996; Johannes Richter, Das moralische Lebensrecht des nasciturus, Diss.jur. Hamburg, 1999. 19

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Besonderes Aufsehen hat der sog. Erlanger Baby-Fall erregt, der Versuch von Ärzten in der Universitätsklinik Erlangen, ein ungeborenes Kind im Körper seiner hirntoten Mutter auszutragen. Praktisch ging es dabei um die Frage einer möglichen Strafbarkeit der behandelnden Ärzte unter dem Gesichtspunkt der Verletzung postmortaler Interessen der hirntoten Frau sowie insbesondere unter dem Aspekt der Verletzung des werdenden noch ungeborenen Lebens. Als Ergebnis wird man festzustellen haben, dass hier eine strafbewehrte Handlungspflicht der Ärzte bestand und kein Recht, das Kind durch den Tod der Mutter mitzutöten23. Bei dem ungeborenen Kind geht es nicht nur um das Bestimmungsrecht der Mutter, das Kind auszutragen oder es vorher zu töten, sondern auch um die Rechte des Vaters. Offen sind die Fragen: Hat der Vater ein Recht gegenüber der Schwangeren, dass diese sein Kind austrägt oder liegt die Entscheidung über den Abbruch der Schwangerschaft - soweit dieser zulässig ist - ausschließlich bei der Mutter? Steht es insoweit unterschiedlich bei dem ehelichen und dem unehelichen Vater? Welche Rechte hat der uneheliche Vater? 24 Die Frage des Personseins des nasciturus wird auch im Leichenrecht relevant. Es stellt sich die Frage, was mit dem Körper des Kindes zu geschehen hat, das die Geburt nicht überlebt hat oder das vor der Geburt getötet worden oder gestorben ist. Das dem Landesrecht angehörende Leichenrecht sagt hierzu 25, dass ein Kind, bei dem nach der Trennung vom Mutterleib entweder das Herz geschlagen oder die natürliche Lungenatmung eingesetzt hat, als Leiche gilt, wenn es danach stirbt. Bei Kindern, bei denen diese Merkmale nicht vorliegen, die aber 35 cm groß sind, ist ebenfalls eine Leichenschau durch einen Arzt durchzuführen und ein Leichenschauschein auszustellen26. Die Vorschrift ist allerdings dahin auszulegen, dass auch die Kinder, deren Herz nach der Durchtrennung der Nabelschnur nicht geschlagen und deren Lungenatmung nicht eingesetzt hatte, als Geborene im Sinne des § 1 BGB gelten. Es handelt sich allerdings nur um eine ordnungsrechtliche Vorschrift, die mit der Frage des Geborenseins im Sinne des BGB § 1 nichts zu tun hat. e) Das Recht an Eizelle und Sperma Die Frage nach den Rechten vorgeburtlicher Teile des menschlichen Körpers betrifft auch das Recht am Sperma. Es geht dabei um die Frage, ob die Frau ein Recht am Sperma ihres verstorbenen Mannes hat, das sie tiefgefriert und später auftaut, 23 Paul Heuermann, Verfassungsrechtliche Problem der Schwangerschaft einer hirntoten Frau, JZ 1994,133 ff.; Regine Kiesecker, Die Schwangerschaft einer Toten - Strafrecht an der Grenze von Leben und Tod, 1996. 24 Matthias v. Kahler, Die Rechtstellung des Vaters zu seinem ungeborenen Kind unter der Geltung der Fristenregelung, 1997. 25 Z. B. Nds. G. über das Leichenwesen v. 29.3.1963, GVB1. S. 142, geändert durch G. v. 22.3.1990, GVB1. S. 101, § 1 Abs. 2. 26 A.a.O. §1 Abs.3.

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um sich damit befruchten zu lassen. Weiter stellt sich die Frage, ob die schon befruchtete weibliche Eizelle tiefgefroren werden darf, um sie nach Wunsch aufzutauen, einer Frau einzupflanzen und zu einem vollen Menschen heranreifen zu lassen. Dieses Problem taucht insbesondere im Zusammenhang mit dem Adoptionsrecht auf. Denn es ermöglicht der unfruchtbaren Mutter, ein „eigenes" Kind zu gebären27. Die Frage nach dem Recht am Sperma des Verstorbenen geht dahin, ob die Braut Eigentum am Sperma erwerben konnte und erworben hat. Wenn man dies bejaht - was zweifelhaft ist - wird man auch ein Recht der Verwandten des Bräutigams zu erörtern haben, das Sperma zu vernichten, weil das noch nicht gezeugte Kind ein gesetzliches Erbrecht erwirbt, das mit dem Erbrecht der Verwandten konkurriert und dieses schmälert. Eine andere Lösung käme wohl dann in Frage, wenn der Bräutigam seiner Braut das Sperma nachweislich zur Zeugung eines Kindes überlassen hat. Hinsichtlich der Eizelle stellt sich die Frage, wer die Mutter im Sinne des Familien- und Erbrechts ist, wenn eine Frau, von der die Eizelle nicht stammt, das Kind austrägt. Das BGB (§1591) hat die Frage dahin entschieden, dass die „Ersatzmutter" (Leihmutter) mit allen Rechtsfolgen als Mutter gilt. Die genetische Verwandtschaft wird jedoch bei den Eheverboten wirksam.

I I I . Das Ende des Personseins 1. Der Tod Das Person-Sein endet mit dem Tode des Menschen. Wann der Tod eingetreten ist, ist in aller Regel medizinisch eindeutig28. Der Tod tritt mit dem Herzstillstand ein. Damit hört die Versorgung des Körpers einschließlich des Gehirns mit Sauerstoff auf, was zu einer schnellen Beendigung aller Lebensäußerungen, einschließlich der Gehirntätigkeit führt. Es ist jedoch streitig, ob der Tod juristisch bereits vor dem Herztod mit einem davon u. U. abweichenden Zeitpunkt der Beendigung der Hirntätigkeit (Hirntod) eintritt 29 . Diese Frage ist nicht nur für die Feststellung des Todeszeitpunktes wichtig, was für zahlreiche öffentliche und private Rechte (Rentenzahlung, Krankengeldzah27

Diese Problematik gehört keineswegs in das Reich der Phantasie, sondern entspricht einer in den USA viel geübten Praxis. Hierzu bestehen auch Agenturen, die sich mit diesem offensichtlich einträglichen Geschäft befassen, z. B. die Agentur „Creating Families" in Denver (FAZ Nr. 269/1995 v. 18.11.1996, S. 10). 28 Johannes Hoff/Jürgen in der Schmitten, Wann ist der Mensch tot?, 1994. 29 Werner Heun, Der Hirntod als Kriterium des Todes des Menschen - Verfassungsrechtliche Grundlagen und Konsequenzen, JZ 1996, 213 ff.; Edzard Schmidt-Jortzig, Wann ist der Mensch tot?, Schriften der Juristischen Studiengesellschaft Regensburg, H. 20, 1999; Stefan Rixen, Lebensschutz am Lebensende - Das Grundrecht auf Leben und die Hirntodkonzeption, SÖR 1999,795.

III. Das Ende des Personseins

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lung, Erbfolge) von Bedeutung sein kann, sondern auch für die Zulässigkeit der Entnahme von Gewebe- oder Körperteilen zur Transplantation. Geht man davon aus, dass ein hirntoter Mensch, dessen Herz noch schlägt, bereits tot ist, so können ihm - soweit die übrigen Voraussetzungen der Entnahme vorliegen - Gewebe- oder Körperteile entnommen werden. Dies ist angesichts des hohen Bedarfs an Transplantaten eine Frage von erheblicher praktischer Bedeutung. Diese Rechtsfrage kann vom Gesetzgeber und vom Juristen nur auf der Grundlage einer ethischen Bewertung entschieden werden. Es geht einerseits um die ethische Frage, ob ein Mensch, bei dem noch Lebensäußerungen erkennbar sind, dem aber alle intellektuellen Fähigkeiten (Sinneswahrnehmung, Denken, Wollen, Fühlen), die zum Menschsein gehören, fehlen und die mit Sicherheit nicht wieder herstellbar sind, wie ein Toter behandelt werden darf, damit ein Lebender durch das Transplantat geheilt werden kann. An sich ist es eindeutig, dass der Hirntote, dessen Herz noch schlägt, kein Toter ist. Man kann sich andererseits aber auch auf den Standpunkt stellen, dass der Hirntote vom Recht teilweise wie ein Toter behandelt darf, weil mit der Entnahme des Transplantats ein anderer Mensch geheilt werden kann, der sonst nicht geheilt werden würde, während der Sterbende keinen für ihn erlebbaren Nachteil erleidet. Die Problematik der Feststellung des Todeszeitpunkts ist daher in den meisten Fällen keine Frage des Lebens oder Todes, sondern eine Frage nach dem Recht zur Entnahme von noch funktionsfähigen Organen Sterbender 30. Sie gehört daher eigentlich in die Problematik des Verfügungsrechts über den eigenen Körper, um die Frage ob dieses Verfügungsrecht auf andere Personen übergehen kann, wenn der Sterbende nicht mehr in der Lage ist, eine Verfügung zu treffen, weil seine Hirnfunktionen und damit sein Bewusstsein und seine Willensbestimmung erloschen sind. Diese Problematik ist zu entscheiden auf der stets unsicheren Grundlage des Art. 2 Abs. 1 und 2 GG 31 . Sie ist heute durch Transplantationsgesetz (TPG) 32 insofern auf die Ebene des einfachen Gesetzes gezogen worden, als der Hirntod als entscheidendes Kriterium, d. h. als Mindestkriterium, für die Möglichkeit der Organentnahme bestimmt worden ist (TPG § 3 Abs. 2 Nr. 2) 33 . 30 Karsten Kloth, Todesbestimmung und postmortale Organentnahme, 1996; Johann Friedrich Spittler, Der menschliche Körper im Himtod, ein dritter Zustand zwischen lebendem Menschen und Leichnam, JZ 1997, 747 ff.; Johannes Hoff!Jürgen in der Schmitten, Wann ist der Mensch tot?, 1994. 31 Wolfram Höfling/Stefan Rixen, Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin, 1996. 32 Gesetz über die Spende, Entnahme und Übertragung von Organen (Transplantationsgesetz - TPG) v. 5.11.1997, BGBl. IS. 2631. 33 Das BVerfG hat entschieden, dass das TPG das GG nicht verletzt, DVB1. 1999, 1647. - Vgl. auch Wolfram Höfling, Um Leben und Tod: Transplantationsgesetzgebung und Grundrecht auf Leben, JZ 1995, 26ff.; Wolfram Höfling/Stefan Rixen, Verfassungsfragen der Transplantationsmedizin, 1996; Joachim Weber/Stefanie Lejeune, Rechtliche Probleme des Rheinland-Pfälzischen Transplantationsgesetzes, NJW 1994, 2392.

B. Die natürlichen Personen

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Die Frage, was als Todeszeitpunkt anzusehen ist, ist davon allerdings zu trennen. Insofern spricht das Gesetz von dem Tode, der nach den Regeln, die dem Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechen, festgestellt worden ist (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 TPG). Das heißt also, dass der Hirntod noch nicht als Tod im Sinne des Erbrechts und des Rentenrechts anzusehen ist, dass hierfür allein die medizinischen Erkenntnisse und die Auffassungen der medizinischen Wissenschaft maßgeblich sind. Im Ergebnis heißt das weiter, dass die Zahlung der Rente bei dem Hirntoten, dessen Herz noch schlägt, nicht eingestellt werden kann und dass der Erbfall noch nicht eingetreten ist. Denn es sind nach wie vor Funktionen des menschlichen Körpers erkennbar, die als „Leben" zu bezeichnen sind. Insbesondere kommt - selbstverständlich - eine Beerdigung des Hirntoten nicht in Betracht, weil er noch lebt. Der Zustand des Hirntoten ist der eines Sterbenden, d. h. eines noch Lebenden. Daher ist nur eine Zustimmungslösung verfassungsgemäß i. S. des GG Art. 2 Abs. 2 3 4 . Die vorab erteilte Genehmigung genügt als Legitimation für die Organentnahme, wobei im Einzelfall immer noch die Frage zu stellen ist, wie ernsthaft die Zustimmung gewollt war und ob der Wille bei Eintritt des Hirntodes immer noch bestand. Herztod ohne Hirntod ist auch möglich; sind noch Hirnströme vorhanden, ohne dass das Herz selbständig schlägt und werden Herz und Lunge nur künstlich in Bewegung gehalten, so ist der Tod nur dann eingetreten, wenn die letzten Hirnströme aufgehört haben. 2. Die Todeserklärung Dem Tod steht rechtlich die Todeserklärung gleich. Sie ist im Verschollenheitsgesetz35 gesondert neben dem BGB geregelt. Dieses Gesetz, das eine staatliche Feststellung der Fiktion des Todes durch die freiwillige Gerichtsbarkeit zum Gegenstand hat, ist nicht nur verfahrensrechtlich keine bürgerlich-rechtliche Vorschrift, sondern auch materiell nicht. Denn die Feststellung des Todes wirkt nicht nur im Bürgerlichen Recht (insb. Erbrecht), sondern auch in öffentlichen Recht (z. B. Rentenrecht, Beamtenversorgungsrecht, Gewerbeerlaubnis). Das Verschollenheitsgesetz ist in toto ein typischer Fall eines Gesetzes, das den beiden Teilrechtsordnungen vorgeordnet ist, ohne einer von ihnen ganz zuzugehören. 3. Ende des Personseins vor dem Tode Dass die Person nach ihrem Tode nicht völlig ausgelöscht ist, sondern Fortwirkungen zeigt, ist heute unbestritten. Hierüber wird unten zu handeln sein. Hier geht 34 35

Höfling/Rixen. G. v. 15.1.1951, BGBl. I S. 63 = BGBl. III401-6.

III. Das Ende des Personseins

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es um die umgekehrte Frage, ob es eine Beendigung des Personseins bereits vor dem physischen Tode gibt? Für das deutsche Recht ist diese Frage eindeutig zu verneinen. Die Sklaverei ist seit langem abgeschafft. Mit der Garantie der Menschenwürde für jedermann (GG Art. 1 Abs. 1) ist das Personsein des Menschen verbunden. Das Personsein ist ein Teil der Würde des Menschen. Damit ist es auch ausgeschlossen, dass ein Mensch seine Person-Eigenschaft selbst aufgibt, sich z. B. in die Sklaverei verkauft. Soweit dies nach anderen Rechtsordnungen möglich ist, kann die deutsche Rechtsordnung dies nicht anerkennen. Die Sklaverei in allen ihren Formen verstößt gegen den deutschen „ordre public", sodass auch international-privatrechtlich die Sklaverei in Deutschland unbeachtlich ist. Entsprechendes gilt auch für den „bürgerlichen Tod" nach dem Recht der Kirche. Das ewige Gelübde dessen, der in einen geistlichen Orden eintritt, nimmt ihm nicht das Recht als Person. Er mag sich zur ewigen Armut und zum vollständigen Gehorsam verpflichten. Derartige Verpflichtungen wirken nicht in die weltliche Sphäre. Was ihm als Erben nach weltlichem Recht zufällt, gehört ihm, ungeachtet der Frage, ob er sich verpflichtet, diese Güter seinem Orden zu übertragen. Die staatsbürgerlichen Rechte, die ihm der Staat gibt, bleiben ihm erhalten, insbesondere auch das Recht, zu den politischen Körperschaften zu wählen. Die Frage stellt sich heute weniger im Hinblick auf die Orden der christlichen Kirchen als auf die Sekten und ähnliche Gemeinschaften (insbesondere die Jugendsekten). Auch die Unfähigkeit eines Menschen, selbst zu handeln und der dauernde Verlust des Bewusstseins, etwa bei einem Menschen, der im Koma liegt, ändert nichts an seinem Personsein und an seinen Rechten als Person. Seine Rechte bleiben ihm bis zum Tode erhalten; er kann auch neue Rechte erwerben, z. B. als Erbe oder durch einen Vertreter. Dasselbe gilt für Menschen, die in Wahnsinn verfallen und sich in ihren Äußerungsformen von dem unterscheiden, was man von Menschen gewohnt sind. Die Rechtsordnung lässt insofern keine Ausnahme zu. 4. Rechtsfortwirkungen nach dem Tode Die Persönlichkeit endet nicht mit dem Tode. An sich kann ein Toter keine Rechte haben. Insbesondere fällt sein gesamtes Vermögen mit dem Augenblick des Todes in die Erbmasse, d. h. es fällt seinen Erben zur gesamten Hand an. Das gilt auch für Urheberrechte und ähnliche personenbezogene Rechte. Allerdings ist der rechtliche Wille des Toten u. U. noch weiter wirksam, wenn der Verstorbene eine letztwillige Verfügung errichtet hatte. Ein Testamentsvollstrecker handelt nach der Verfügung des Erblassers und verwirklicht dessen Willen nach dem Tode36. Dies kann durch eine Stiftung perpetuiert werden, die der Verstorbene von Todes wegen oder auch schon zu Lebzeiten errichtet hat, durch die sein Wille 36

Thomas Thöne, Die Verwaltung des Testamentsvollstreckers, 1999.

B. Die natürlichen Personen

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dauerhaft verwirklicht wird. Diese Verwirklichung des Willens des nicht mehr Lebenden wird durch die staatlichen Stiftungsaufsicht geschützt. Vor allem endet die Menschenwürde nicht mit dem Tode37. Daher ist der postmortale Rechtsschutz ein aktuelles Problemfeld, das einerseits durch den medizinischtechnischen Fortschritt und andererseits durch ethische und rechtliche Fragen geprägt wird. Der Rechtsschutz der Verstorbenen hat rechts-gebietsübergreifende Bedeutung. Das Recht hat dem Verstorbenen eigene Rechtspositionen einräumt. Daher kann man auch von einer postmortalen Rechtssubjektivität sprechen. Bedeutung hat dies vor allem für die Organspende, aber auch für die Idee einer Prozesspflegschaft für Verstorbene 38. Allerdings muss man sich darüber im Klaren sein, dass insoweit eine fortdauernde Rechtsfähigkeit nur zugunsten der hinterbliebenen Berechtigten fingiert wird, wobei es z. T. um handfeste materielle Interessen, z. T. um sehr subjektive Gefühle geht. Das Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen wirkt insoweit nach, als er auch noch beleidigungsfähig ist (StGB §§ 189,194 Abs. 2) und seine Intim- und Geheimsphäre geschützt ist 39 . Auch kann seine Ehre dadurch nach dem Tode einen Schutz erfahren, dass ein gegen ihm durchgeführtes Strafverfahren, das zu einer Verurteilung geführt hat, wieder aufgenommen wird (StPO § 361). Fragen haben auch Willenserklärungen aufgeworden, die vor dem Tode abgegeben, aber erst nach dem Tode zugegangen sind. Wenn der Erklärende nach der Abgabe der Erklärung stirbt, wird man die Erklärung grundsätzlich für wirksam halten müssen. Die Wirkungen, soweit sie nicht höchstpersönlicher Art und unvererblich sind, treffen die Erben. Die Erben können aber aus dem Schutz, den die Rechtssphäre des Toten genießt, auch Vorteile ziehen, indem sie gegen Entgelt entscheiden, inwieweit sie den Geheimschutz zugunsten von Medien freigeben 40. Auch der umgekehrte Fall kann Probleme aufwerfen. Wenn die Erklärung von einer Behörde oder einem Privaten vor dem Tode abgesandt worden ist, aber erst nach dem Tode in der Wohnung oder im Geschäft des Verstorbenen eingeht, so ist sie grundsätzlich unwirksam, es sei denn, es handelt sich um eine Erklärung für denjenigen, „den es angeht". Eine über den Tod hinausgehende Wirkung dürften auch an den Toten gerichtete Willenserklärungen haben, die sich auf ein dingliches Recht beziehen. Es ist schwierig, für dieses Problemfeld allgemeine Regeln zu entwickeln. Das zeigt das Beispiel der Kündigung eines Mietverhältnisses, wenn diese am 28. eines Monats abgeht, der Empfänger am 29. stirbt und die Kündigung am 30. in der Woh37

BVerfGE 30, 173 ff., 194. Kurt Müller, Postmortaler Rechtsschutz - Überlegungen zur Rechtsubjektivität Verstorbener, 1996; vgl. auch Jürgen Gleichauf, Das postmortale Persönlichkeitsrecht im internationalen Privatrecht, 1999. 39 Axel Stein, Der Schutz von Ansehen und Geheimsphäre Verstorbener, FamRZ 1986,7 ff. 40 Lambert Schulze Wessel, Die Vermarktung Verstorbener, 2001. 38

III. Das Ende des Personseins

97

nung des Verstorbenen eintrifft. Das Risiko des rechtzeitigen Zugangs der Kündigung kann hier nicht auf den Erklärenden abgewälzt werden, sondern muss die Erben treffen. Insoweit kommt es in vielen Fällen auf eine sachgerechte Interessenabwägung an 41 . 5. Die Leiche a) Nichtanwendbarkeit

des Sachenrechts

Rechtsfragen um die Leiche als Teil des Personenrechts waren früher kaum Gegenstand breiteren Interesses. Die Transplantationsmedizin hat insofern einen Wandel gebracht. Die Frage nach der Rechtsnatur der Leiche ist jedoch alt. Sie ist im Gesetz nicht geregelt. Fraglich ist zunächst, ob sie ungeachtet dessen, dass es sich um eine Sache im tatsächlichen Sinne handelt, Sache im Sinne des 3. Buches des BGB ist. Bis zum Tode ist der menschliche Körper zweifellos keine Sache, weil zwischen der natürlichen Person, dem Menschen, und der Sache ein begrifflicher Unterschied besteht. Der Mensch als Person kann nicht verkauft werden; an ihm können keine Pfandrechte begründet werden. Zwar kann eine Frau z. B. ihre Haare abschneiden und diese als bewegliche Sachen verkaufen. Der Mensch kann Körperteile durch Trennung vom Körper (wenn auch nicht beliebig und unbeschränkt) zu Sachen machen. Körperteile, die nicht mehr mit der Person verbunden sind, können u. U. zu Sachen werden, nicht aber der ganze Körper, auch wenn er tot ist. Das führt zu der weiteren Frage, ob der tote Körper, der nicht mehr die „leibliche Hülle" der Person ist, seinen besonderen Bezug auf die Person verliert und damit zur Sache wird. Diese Frage ist zu verneinen. Abgesehen davon, dass die Persönlichkeit des Toten keineswegs vollständig erloschen ist, sondern Fortwirkungen zeigt, dass Persönlichkeitsrechte fortbestehen, die von anderen für den Toten wahrgenommen werden können, bestehen auch Zusammenhänge, die sich aus der Religion, aus der Moral und aus einem irrationalen Gefühl ergeben, die die meisten Menschen im Hinblick auf den Tod bewegen. Das Erlebnis, dass der lebendige Körper, der in allen seinen Äußerungen, Stimme und Bewegungen, die Persönlichkeit gegenüber anderen Menschen realisierte, plötzlich tot ist, ruft eine Scheu gegenüber diesem Körper hervor, der es nach der in Deutschland geltenden Werteordnung ausschließt, ihn ebenso wie eine Sache zu behandeln. Dagegen kann das Tier nicht angeführt werden. Der Hund oder das Pferd, denen gegenüber der Mensch eine sehr persönliche Beziehung haben kann, die auch von den Tieren erwidert wird, wird im Augenblick des Todes in der Tat zur Sache, obwohl das Tier heute nicht nur in das Sachenrecht eingeordnet wird, sondern als 41 Andreas Roth, Probleme des postmortalen Zugangs von Willenserklärungen, NJW 1992, 791 ff.

7 Thieme

B. Die natürlichen Personen

98

„Mitgeschöpf" einen besonderen Status hat 42 . Gleichwohl bleibt das Tier mit dem Menschen unvergleichbar. Es wird mit dem Tode Sache im Sinne des BGB. b) Verfügung

über die Leiche

Auch wenn die menschliche Leiche keine Sache im Sinne des BGB ist, so ist sie ein Gegenstand, über den verfügt werden kann. Der Tote kann seine Leiche vor dem Tode an die Anatomie „verkaufen". Dadurch ist die Leiche aber nicht zum Handelsobjekt geworden, sondern es wird für den künftigen Zeitpunkt des Todes ein Recht der Anatomie begründet, den Leichnam nach bestimmten Regeln des Faches für die medizinische Ausbildung und Forschung zu nutzen. Es entsteht kein Eigentum der Anatomie an der Leiche in dem Sinne, dass die Anatomie mit der Leiche nunmehr wie mit einer Sache nach BGB verfahren kann. Sobald die Leiche nicht mehr für die wissenschaftlichen Zwecke oder Lehrzwecke benötigt wird, ist sie entsprechend dem allgemeinen Leichenrecht zu bestatten. Von den einzelnen Leichenteilen, die die Beziehung zur Form des lebendigen Menschen verloren haben, insbesondere von den Organen, die zum Zwecke der Transplantation entnommen worden sind, wird eher man annehmen dürfen, dass sie die Eigenschaft von Sachen im Sinne des BGB bekommen haben. Damit ist aber noch nicht gesagt, dass sie gegen Entgelt verkauft werden dürfen. Der Erwerber kann an den entnommenen Organen eine ausschließliche Verfügungsmacht wie ein Eigentümer gewinnen43. Die Organe aber bleiben wegen der vorrangigen öffentlichrechtlichen Rechtsordnung des TPG „res extra commercium". Die Verfügungsmacht folgt nicht den Regeln des BGB über bewegliche Sachen, sondern einer weitgehend ungeschriebenen Sonderrechtsordnung, die außerhalb des BGB steht, auf die bestimmte Regeln des BGB allenfalls entsprechend angewendet werden können. Ein Gesunder, der eine Niere oder ein Auge für einen Kranken zur Verfügung stellt, tut dies - in bestimmten Grenzen - zulässig. Er kann diese Körperteile spenden, aber nicht zum Gegenstand des Handels machen und dafür Geld nehmen. Der Unterschied zwischen dem Haar, das abgeschnitten und verkauft werden kann, und der Niere dürfte darin liegen, dass die Haare nachwachsen, während die Niere für den Spender endgültig verloren ist. Auch ist es weitgehend üblich, dass die Frauen ihre Haare schneiden lassen, während man sich die Niere regelmäßig nicht entnehmen lässt44. In der Mitte zwischen diesen beiden Fällen liegt das Blutspenden, das auch nicht bezahlt wird, obwohl die Blutkonserven Handelsobjekte sind 45 . 42

BGB §§90a; 251 Abs.2 Satz 2. Georg Holch, Münchener Kommentar zum BGB, 4. Aufl. 2001, § 90 Rdnr. 30. 44 Hans Wolfgang Strätz, Zivilrechtliche Aspekte der Rechtsstellung des Toten unter bes. Berücksichtigung der Transplantation, 1971; Oliver Borowy, Die postmortale Organentnahme und ihre zivilrechtlichen Folgen, 2000; Ulrich Stelkens/Beate Cohrs y NVwZ 2002, 917 ff. 45 Transfusionsgesetz v. 1.7.1998, BGB1.I S. 1752. 43

III. Das Ende des Personseins

99

Fraglich ist, wer über die Leiche verfügen kann. Dabei geht es nicht nur um die Freigabe zur Transplantation, sondern zumeist um die Frage, wo und wie die Leiche bestattet wird, ob eine Erdbestattung, eine Verbrennung oder eine Seebestattung stattfinden soll. Das bürgerliche Erbrecht kann schon deshalb nicht eingreifen, weil die Leiche nicht zum Nachlass gehört, die Erben des Toten daher kein Eigentum an der Leiche erwerben. Insoweit ist die Leiche herrenlos. Aber auch eine Aneignung der herrenlosen Leiche ist nicht nach BGB § 958 möglich, weil das BGB für die Leiche nicht gilt. Das Schweigen des BGB zu dieser Frage verweist das Problem in das Landesrecht (GG Art. 70), das aber nur etwas über das Bestattungsrecht sagt. Eine Lösung des Problems ergibt sich daher aus der öffentlich-rechtlichen Verpflichtung der Sorge für die Leiche, die seuchenrechtliche Erwägungen mit einschließt. Mit der Verpflichtung zur Sorge muß auch das Recht verbunden sein, über die Leiche zu verfügen. Das gilt vor allem gegenüber dem Bestattungsunternehmer, dem Inhaber des Friedhofs und der Ordnungsbehörde.

c) Leichenöffnung

und Leichenversuche

Die Leiche unterliegt an sich einer öffentlich-rechtlichen Bestattungspflicht 46. Sofern die Todesursache unklar ist, und eine strafbare Handlung in Betracht kommt, besteht jedoch die Verpflichtung, die Leiche auf Anfordern der Staatsanwaltschaft oder des Gerichts für eine Untersuchung zum Zwecke der Feststellung der Todesursache zur Verfügung zu stellen, sie vorerst weder zu Beerdigung noch gar zu verbrennen. Ein entsprechender Beschluss von Staatsanwaltschaft und Gericht ist auch möglich, wenn die Leiche schon beerdigt ist (StPO §§ 87-90). Eine weitere Frage ist die nach der Zulässigkeit von Leichenöffnungen (Leichensektionen). Sie sind zweifellos zulässig, um bei Verdacht einer strafbaren Handlung oder eines ärztlichen Kunstfehlers zu Beweiszwecken die erforderlichen Informationen zu erhalten. Problematisch wird es, wenn die Leichen im Interesse der Strafrechtspflege geöffnet werden soll, die Angehörigen des Verstorbenen sich aber der Maßnahme widersetzen, weil dies mit ihrem religiösen Verständnis sowie mit dem des Verstorbenen selbst nicht vereinbar ist. Hier stellt sich die Frage, ob die Freiheit des religiösen Glaubens und Bekennens (GG Art. 4 Abs. 1) den Vorrang vor der StPO hat. Dies dürfte eine Frage der Abwägung sein, die nur im Einzelfall getroffen werden kann.

46

Diese Fragen sind landesrechtlich geregelt, z.B. Gesetz über das Leichen-, Bestattungsund Friedhofswesen des Landes Mecklenburg-Vorpommern, vom 3.7.1998, GVB1. S.617; G. des Landes Sachsen-Anhalt v. 7.2.2002, GVB1. S.46. 7*

100

B. Die natürlichen Personen

Unabhängig davon sind die Einzelheiten der Leichenöffnung im Landesrecht geregelt, wobei teilweise für die wissenschaftlichen Zwecke Sonderregelungen bestehen47. Auch die Frage des Versuches mit Leichen wirft Rechtsfragen auf. Darf z.B. ein Produzent von Kraftfahrzeugen, mit denen er Zusammenstöße (Crashs) willentlich herbeiführt, Leichen in die Versuchswagen setzen, um die Wirkungen der Zusammenstöße an menschlichen Körpern zu erforschen? 48 d) Piastination Ein neues Rechtsproblem hat die Piastination von Leichen aufgeworfen. Es ist heute technisch möglich geworden, Leichen oder Leichenteile in der Weise zu präparieren, dass sie durch Entziehung der natürlichen Körperflüssigkeit und Ersetzung der Flüssigkeit durch Kunststoff dauerhaft konserviert werden. Der ganze Körper kann dadurch für die Ausbildung oder für Ausstellungen zeitlich unbeschränkt zur Verfügung gehalten werden. Umstritten ist, ob die Verfügung des Verstorbenen, dass dies mit seinem Körper geschehen solle, eine hinreichende Grundlage für die Piastination und für die danach erfolgende Darstellung der Leiche ist. Es wird die Meinung vertreten, dass die Menschenwürde (GG Art. 1 Abs. 1) dies grundsätzlich ebenso verbietet wie das landesrechtliche Polizei- und Ordnungsrecht und das Leichen- und Bestattungsrecht. Doch dürfte sich inzwischen die Meinung durchgesetzt haben, dass die Piastination ungeachtet religiöser Vorstellungen und des guten Geschmacks juristisch nicht verboten ist 49 . Dies bleibt allerdings angesichts der landesrechtlichen Vorschriften über das Bestattungsrecht teilweise zweifelhaft. e) Die Fehlgeburt Eine Sonderfrage gibt die Leiche der Fehlgeburt auf. Die Rechtspraxis unterscheidet: Die Leiche des Kindes, das nach der Geburt (vollständige Trennung von der Mutter) Lebenszeichen von sich gegeben hat und das danach verstorben ist, ist wie jede andere Leiche zu behandeln50. Ebenso können Fehlgeburten, die bei der Trennung vom Mutterleib bereits 500 Gramm gewogen haben, wie andere Leichen 47 Z. B. Hmb.G. zur Regelung von klinischen, rechtsmedizinischen und anatomischen Sektionen (Sektionsgesetz), vom 9.2.2000, GVB1. S.38. 48 Frank Plüsch/Ulrich Heifer, Die rechtliche Zulässigkeit von Leichenversuchen, NJW 1995, 2377 ff.; Martin H. Stellpflug, Der strafrechtliche Schutz des menschlichen Leichnams, 1996. 49 Ernst Benda, Tote zur Ansicht, Deutsches Sonntagsblatt Nr. 2 vom 14.1.2000; Christoph Thiele, NVwZ 2000, 405 ff.; Brigitte Tag, Medizinrecht 1998, 387 ff. 50 Vgl. z.B. Sächsisches Bestattungsgesetz, §§9 Abs. 1 Satz 3 Nr.2, 18 Abs. 1 Satz 1.

III. Das Ende des Personseins

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bestattet werden, auch wenn sie bei der Geburt kein Lebenszeichen von sich gegeben haben; aber sie müssen nicht wie eine Leiche behandelt werden. Eine Frucht, die bei der Trennung vom Mutterleib noch keine 500 Gramm gewogen hat, wird niemals nach Bestattungsrecht behandelt, sondern mit dem Krankenhausmüll als Sondermüll verbrannt 51. Dieser Umgang mit dem ungeborenen menschlichen Leben ist insbesondere im Hinblick auf die Würde des Menschen und die Qualifizierung des ungeborenen menschlichen Lebens als verfassungsrechtlich geschütztes Gut zu hinterfragen 52. Bei dem notwendigen Schutz der Würde des ungeborenen Lebens wird man freilich zu dem Ergebnis kommen, dass die zulässige Verbrennung erwachsener Leichen auch die Zulässigkeit der Verbrennung ungeborener Kinder indiziert. Solange bei den Eltern, insbesondere bei der Mutter kein Bedürfnis zur Beisetzung derartiger Föten erkennbar wird, ist gegen diese Praxis auch rechtlich kaum etwas einzuwenden. 6. Das Grab 53 Die Leiche des Menschen ist nach dem Tode grundsätzlich in einem Grab beizusetzen. Die Rechtsordnung kennt jedoch auch andere, insgesamt drei Möglichkeiten der Bestattung, die Erdbestattung der Leiche, die Verbrennung der Leiche mit Beisetzung der Aschenurne und die Seebestattung. Die Fragen der Beisetzung sind ausschließlich im Landesrecht geregelt. Allerdings schlägt hier auch das Kirchenrecht ein, weil sehr viele Friedhöfe den Kirchen gehören, die auch für ihre Friedhöfe nach ihrem innerkirchlichen Recht leben54. Das gilt vor allem für Friedhöfe der katholischen Kirche, die die Eigenschaft des Friedhofs als geweihte Stätte besonders geregelt hat (CIC, can. 1240 § 1). Die Kirchen können den nicht der Kirche Angehörenden grundsätzlich das Begräbnis verweigern, es sei denn sie haben eine Monopolstellung in der Gemeinde. Die kommunale Gemeinde dagegen ist stärker verpflichtet, weil sie als öffentlichrechtliche Körperschaft allen Bürgern zu dienen verpflichtet ist. Bei Gemeindefremden aber kann auch sie sich weigern. Insofern kann der anstaltliche Gemeingebrauch am Friedhof eingeschränkt sein. Von der Frage, ob ein Anspruch auf ein Begräbnis auf dem Friedhof besteht, ist die Frage zu unterscheiden, welche Rechte der Inhaber einer Grabstätte hat, die er nach der zuständigen Friedhofsordnung - in der Regel gegen Entgelt - erworben hat. Es 51

Diese Regelung ergibt sich mittelbar aus §29 Abs. 3 PStV. Tade Matthias Spranger, Der Mensch als Sondermüll, NVwZ 1999, 856ff. 53 Jürgen Gaedke/Joachim Diefenbach, Handbuch des Friedhofs- und Bestattungsrechts, 8. Aufl. 2000. 54 Ruthilde Kümmerling, Rechtsprobleme kirchlicher Friedhöfe, 1997; Hanns Engelhardt, in: HdbStKR, Bd. 2, 2. Aufl., 1995, S. 105 ff. 52

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B. Die natürlichen Personen

ist davon auszugehen, dass der Friedhofsherr sich durch die Vergabe der Grabstelle („Weinkauf") verpflichtet, die Entscheidung über die Beisetzung an den Erwerber zu überlassen, sofern die Beisetzung nicht gegen die Vorschriften der Friedhofsordnung oder andere einschlägige Bestimmungen verstößt. Insoweit besteht ein Sondernutzungsrecht des Grabstelleninhabers an der Grabstelle. Strafrechtlich ist die „Beisetzungsstätte" besonders geschützt. Wer sie zerstört oder beschädigt oder beschimpfenden Unfug an einer Beisetzungsstätte betreibt, kann mit Haft bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft werden (StGB § 168). Die Bestimmung des Verstorbenen, wo und wie er bestattet werden will, ist für Dritte, einschließlich der Angehörigen, rechtlich nicht verbindlich. Die Bestimmung des Toten kann von niemandem eingeklagt werden. Sofern der Verstorbene keine Verfügung über die Art und über den Ort seiner Bestattung getroffen hatte, haben die nächsten Angehörigen das Bestimmungsrecht. Hierbei handelt es sich um ein persönliches Recht, das das Gesetz den Erben übertragen kann, aber nicht muss. Bei mehreren Hinterbliebenen, die unterschiedliche Verfügungen treffen, bedarf es einer Regelung, wessen Verfügung der Vorrang gebührt. Eine solche Regel gibt es jedoch nicht. Im Streitfall geht damit das Verfügungsrecht an die Ordnungsbehörde über, weil die fristgebundene Bestattungspflicht nach Landesrecht eine Ordnungspflicht ist, bei der vor allem Gesichtspunkte der Hygiene einschlagen. Die zunächst getroffene ordnungsbehördliche Verfügung kann jedoch später von den Angehörigen durch Umbettung geändert werden.

IV. Eigenschaften der natürlichen Person Wenn im folgenden die personenrechtlichen Eigenschaften der natürlichen Personen zum Gegenstand der Betrachtung gemacht werden, so geht es nur um solche Eigenschaften, die gewissermaßen an der Person „kleben", die die Qualität der Person im Rechtsleben kennzeichnen. Dagegen bleiben Eigenschaften außer Betracht, die die Rechtsordnung benennt, wie z.B. die nach der Neufassung des BGB nicht ganz unwichtige Qualität als „Verbraucher" oder „Unternehmer" (§§ 13, 14, 312ff. [neu], §§ 355 ff. [neu]). Derartige Eigenschaften beziehen sich nicht auf die Person selbst, sondern auf die „Lage" der Person im Hinblick auf ein bestimmtes Geschäft, das gleichzeitig mit einem anderen Geschäft oder sogar bei demselben Geschäft betrieben werden kann, sodass dieselbe Person zugleich „Eigentümer", „Gläubiger", „Käufer" und auch „Verbraucher" im Sinne des BGB sein kann. Dagegen sind zum Personenrecht diejenigen Eigenschaften zu rechnen, die das Recht für die menschlichen Handlungen gebildet hat. Bei ihnen sind zu unterscheiden die Fähigkeit zu rechtlich relevantem willentlichem, auf einen Rechtserfolg gerichteten Handeln, d. h. auf Abgabe von Willenserklärungen einerseits, und das nicht auf einen Rechtserfolg gerichtete Handeln, das willentlich (vorsätzlich) oder unabsichtlich geschehen kann. In beiden Fällen ist auch noch die Kategorie der Verantwortlichkeit von Bedeutung.

IV. Eigenschaften der natürlichen Person

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1. Rechtsfähigkeit Mit der Eigenschaft als Person ist die Fähigkeit verbunden, Rechte zu haben. Personsein und Rechtsubjektivität ist identisch. Rechtssubjekt aber ist wieder identisch mit der Möglichkeit, Rechte innezuhaben, d. h. Subjekt von Rechten zu sein, die deswegen auch subjektive Rechte genannt werden. Der Gleichheitssatz, der für alle Menschen gilt, gibt allen Menschen grundsätzlich gleiche Rechte. Es gibt nicht natürliche Personen minderen oder höheren Rechts. Dies ist zu präzisieren. Die Rechtsfähigkeit ist nicht schon das Haben von Rechten, sondern nur die Möglichkeit, die Chance, Rechte zu erwerben. Die Rechtsfähigkeit ermöglicht konkrete Erwerbsvorgänge (Schenkungen, Kauf, öffentlich-rechtliche Leistungen, Erbschaft). Wer im Einzelfall Rechte erwirbt, hängt von zahlreichen Umständen ab, auf die die Rechtsordnung mit der Zuteilung von Rechten reagiert. 2. Geschäfts- und Handlungsfähigkeit Die juristische Geschäfts- und Handlungsfähigkeit ist nicht notwendig mit dem Menschsein verbunden - im Gegenteil, jeder Mensch durchläuft als Kind eine Periode, in der er zwar juristische Persönlichkeit besitzt, nicht aber juristisch wirksam handeln kann. Diese Fragen sind im BGB geregelt, das von der Geschäftsfähigkeit, also der Fähigkeit Rechtsgeschäfte zu tätigen, ausgeht. Während das BGB den Begriff der „Geschäftsfähigkeit" benutzt, spricht das Verwaltungsrecht von der „Handlungsfähigkeit" (VwVfG § 12). Der Sache nach aber handelt es sich um das Gleiche, wobei von Geschäftsfähigkeit bei den bürgerlich-rechtlichen Handlungen, von Handlungsfähigkeit von Verfahrenshandlungen im Verwaltungsverfahren gesprochen wird. Inhaltlich stimmen daher die beiden Begriffe weitgehend, allerdings nicht vollständig überein. Insbesondere können die Regeln des BGB über die Geschäftsfähigkeit und die Willensmängel nicht ohne weiteres in das Verwaltungsrecht übernommen werden. Das Bürgerliche Recht differenziert zwischen der Geschäftsunfähigkeit bis zum vollendeten siebenten Lebensjahr (BGB § 104 Nr. 1), der beschränkten Geschäftsfähigkeit, die nach Vollendung des siebenten Lebensjahr bis zur Vollendung des achtzehnten Lebensjahres dauert (BGB §§ 106 ff.), und der vollen Geschäftsfähigkeit, die mit der Vollendung des achtzehnten Lebensjahres beginnt und grundsätzlich bis zum Tode andauert. Neben diesem Normalfall stehen die Sonderfälle der Geschäftsunfähigkeit wegen dauernder krankhafter Störung der Geistestätigkeit (BGB § 104 Nr. 2) sowie der gerichtlich angeordneten Beschränkung der Geschäftsfähigkeit wegen Entmündigung (BGB §§ 1773 ff.) oder wegen Anordnung einer Betreuung (BGB §§ 1896ff.) 55. 55

Torsten Schmidt, Die Entmündigung von den Anfängen des BGB bis zu ihrer Ablösung durch das Institut der Betreuung, 1998.

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B. Die natürlichen Personen

Es stellt sich auch hier die Frage, inwieweit es sich um allgemeines Recht oder „nur" um bürgerliches Recht handelt. Das Institut der beschränkten Geschäftsfähigkeit wird man ausschließlich dem bürgerlichen Recht zuzuordnen haben, während der Gedanke der Geschäftsfähigkeit bzw. der Geschäftsunfähigkeit ein allgemeiner Rechtsgedanke ist. Der junge Mensch braucht einen Schutz gegen den eigenen Leichtsinn. Er verkennt leicht die Folgen seiner Rechtshandlungen aus Mangel an Erfahrungen. Daher kann die Fähigkeit zu einem rechtlichen, d. h. einem verantworteten Handeln erst einsetzen, wenn ein bestimmter Zeitpunkt der persönlichen Reife erreicht ist. Dabei muss zur Sicherheit des Rechtsverkehrs eine allgemeine Grenze gezogen werden, die unabhängig von der individuellen Reife des einzelnen Menschen ist. Die Rechtssicherheit bedarf formaler Kriterien; ein solches Kriterium ist das Alter. Die Volljährigkeit ist heute im bürgerlichen Recht auf das 18. Lebensjahr festgelegt. Wenn man von einer allgemeinen unwiderleglichen Vermutung ausgeht, dass der Mensch in diesem Alter selbstverantwortlich handeln kann, so kann man diese Regel aus dem BGB auf die öffentlich-rechtliche Rechtsordnung übertragen, d. h. man kann diese Bestimmung auch auf das öffentliche Recht anwenden, wobei man sich fragen kann, ob dies im Wege der Analogie erfolgt oder ob es sich insofern um die Anwendung einer allgemeinen ungeschriebenen Rechtsnorm handelt. Letzteres stößt deshalb auf Schwierigkeiten, weil die Grenze vom Gesetzgeber durch positiven Akt festgesetzt ist, indem er diese Grenze im BGB ausdrücklich festgelegt hat, während sie vorher bei dem 21. Lebensjahr lag 56 . Die beschränkte Geschäftsfähigkeit gibt es als allgemeines Rechtsinstitut im öffentlichen Recht nicht. Allerdings muss das öffentliche Recht auch Personen zwischen sieben und achtzehn Jahren eine gewisse Geschäftsfähigkeit einräumen. Dies ist z. T. durch besondere Vorschriften geschehen, z. B. für die Handlungsfähigkeit im Sozialrecht (§ 36 SGB I), für den Jugendjagdschein57, für Minderjährige Wehrpflichtige 58, nicht dagegen für Schüler. Bis zum Erreichen der Volljährigkeit entscheiden die Eltern bzw. die Erziehungsberechtigten für sie. Besondere Vorschriften kennt das Staatskirchenrecht für den Wechsel der Religionszugehörigkeit. Daraus ergibt sich auch das Recht zur Entscheidung über die Teilnahme am Religionsunterricht in der Schule59. 3. Unrechtsfähigkeit Im Gegensatz zum Tier, das kein Unrecht im Rechtssinne tun kann, selbst wenn es einen Menschen tötet, kann jeder Mensch Unrecht tun. Auch der völlig Unzurechnungsfähige, der für seine Tat nicht verantwortlich ist, tut Unrecht, wenn er ei56 57 58 59

BGB §2 i.d.F. d.G. v. 31.7.1974, BGB1.I S., 1713. Bundesjagdgesetz § 16. Wehrpflichtgesetz § 16 Abs. 3 Satz 2. Gesetz über die religiöse Kindererziehung vom 15.7.1921, RGBl. S.939.

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nen anderen Menschen tötet oder verletzt. Dies ist wichtig, weil es zahlreiche rechtswidrige Handlungen gibt, für die auch ohne Verschulden gehaftet wird. Insofern ist die Unrechtsfähigkeit unlösbar mit dem Personenbegriff verbunden. Dabei wird man keine Ausnahme zu machen haben, wenn ein Mensch wegen einer Krankheit nicht in der Lage ist, seine Handlungen zu beherrschen. Der Spastiker, der eine Bewegungen nicht beherrscht, das kleine Kind, das ohne Rücksicht auf seine Umgebung herumtollt und dabei einen Schaden anrichtet, beide handeln rechtswidrig, freilich nicht schuldhaft. 4. Verantwortlichkeit Im Gegensatz zur Unrechtsfähigkeit, die mit dem Personsein verbunden ist, ist nicht jeder Mensch schuldfähig, d. h. für sein Tun im Sinne des Gesetzes verantwortlich. Die Verantwortlichkeit für das eigene Tun ist zwar etwas, was grundsätzlich mit dem Personsein verbunden ist. Aber die Rechtsordnung kennt zwei große Gruppen von Menschen, die nicht verantwortlich für Ihr Tun sind, die Minderjährigen und die geistig nicht Zurechnungsfähigen 60. Bei den Minderjährigen werden vom Gesetz zwei Altersgruppen gebildet, die sich im Zivilrecht und im Strafrecht unterscheiden61. Auch für die geistig nicht zurechnungsfähigen geben das Strafrecht und das Bürgerliche Recht unterschiedliche Vorschriften 62. 5. Alter a) Rechtliche Bedeutung 63 Vom Zeitpunkt der Vollendung der Geburt an rechnet das menschliche Alter. Dies ist sowohl für bürgerlich-rechtliche Rechte (z. B. Volljährigkeit) als auch für öffentlich-rechtliche Rechte und Pflichten (z. B. Erwerb des Führerscheins, Wahlrecht, Wehrpflicht), als auch für die Möglichkeit, bestimmte Verfahrenshandlungen vorzunehmen (z. B. sozialrechtliche Handlungsfähigkeit, § 36 SGB I). Es geht aber nicht nur um die Abgabe von Willenserklärungen, sondern auch um deren Bekanntgabe. Bei Minderjährigen ist die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes an den gesetzlichen Vertreter erforderlich (VwVfG § 12 Abs. I) 6 4 . Das gilt allerdings nicht bei Wehrund Zivildienstleistenden, die durch das öffentliche Recht als handlungsfähig aner60

S. Haddenbrock, Soziale und forensische Schuldfähigkeit, 1992. BGB § 2 einerseits - StGB §§ 10, 19, JGG § 1 andererseits. 62 BGB § 104 Nr. 2 einerseits - StGB §§ 20, 21 andererseits. 63 Zur Bedeutung des Alters im Recht vgl. die umfangreiche Liste bei Woljf/Bachof¡Stober, Verwaltungsrecht I, § 33 Rdnr. 75. 64 OVG Schleswig, NVwZ 1994,484f.; vgl. auch Bay. ObLG, DÖV 1979, 63; VGH München, DÖV 1984,433; OVG Hamburg. DVB1. 1982,218; Kopp, VwVfG, 5. Aufl. §41 Rdnr.4. 61

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kannt sind . Lehr- und Ausbildungsverhältnisse fallen allerdings nicht unter die Ermächtigung des BGB § 113. Ein Mindestalter wurde früher für bestimmte Ämter verlangt, z. B. für die Wählbarkeit 66. Das GG anerkennt als Grenze der Wählbarkeit die Volljährigkeit (Art. 38 Abs. 2). Für die Wahl zum Bundespräsidenten wird allerdings die Vollendung des vierzigsten Lebensjahres gefordert (GG Art. 54 Abs. 1 Satz 2). Umgekehrt wird ganz allgemein für die Ernennung zum Beamten vorausgesetzt, dass der Bewerber das 32. Lebensjahr noch nicht überschritten hat 67 . Auch im Gesundheitswesen gibt es Höchstaltersgrenzen, z. B. beim Kassenarzt das vollendete 68. Lebensjahr 68. Eine weitere Bedeutung hat die Minderjährigkeit bei der Frage der Haftung 69. Diese Frage hat vor allem bei der Möglichkeit der Eltern eine Rolle gespielt, ihre Kinder kraft elterlicher Vertretungsmacht unbegrenzt zu verpflichten. Das BVerfG hat es als mit dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht des Art. 2 Abs. 1 GG nicht vereinbar angesehen, dass dieses geschieht70. Daraus hat der Gesetzgeber Konsequenzen gezogen71. b) Feststellung des Alters Das Alter eines Menschen ergibt sich im Zweifel aus dem Geburtenbuch des Standesamtes des Geburtsortes, das seine Informationen vor allem aus dem Krankenhaus erhält, in dem die Mutter des Kindes entbunden hatte, oder von der Hebamme oder vom Vater (PStG §§ 17 ff.). Bei Zuwanderern, über deren Geburtstag in Deutschland keine Eintragung im Geburtenbuch eines deutschen Standesamtes besteht, ergibt sich das Alter in der Regel aus dem Reisepass oder aus den sonstigen Personalpapieren des Herkunftslandes, die auch für die deutschen Behörden und für die deutsche Rechtsordnung als verbindlich gelten. Soweit Unklarheiten bestehen, sind diese - wenn möglich - in Zusammenarbeit mit den zuständigen ausländischen Behörden zu klären. Nicht selten ist heute der Fall, dass ein Zuwanderer keine Personalpapiere vorlegt und - wahrheitsgemäß oder wahrheitswidrig, aber nicht nachprüfbar - behauptet, er habe seine Personalpapiere verloren. Dann bleibt der deutschen Behörde nichts übrig, als zunächst der mündlichen Angabe über den Geburtstag zu glauben. 65

§ 19 Abs. 5 WPflG, vgl. BVerwGE 7,66. - vgl. ferner Bundesgrenzschutzgesetz (BGSG) i. d. F. v. 19.10.1994, BGBl. IS. 2978; die Polizeipflichtigkeit von Personen unter 14 Jahren ist eingeschränkt (§ 17 Abs. 2 BGSG). 66 So für die Wahl als Reichstagsabgeordneter die Vollendung des 20. Lebensjahres, WRV Art. 22 Abs. 1 Satz 1. 67 BLV § 14 Abs. 2 Satz 1. 68 §95 Abs. 7 SGB V; dazu: BVerfGE 103, 172ff. 69 Marianna Athanasiadis, Die Beschränkung der Haftung Minderjähriger, 2000. 70 BVerfGE 72, 155 ff. 71 Minderjährigenhaftungsbeschränkungsgesetz (MHbeG) vom 25.8.1998, BGB1.I S.2487.

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Zuweilen kommt es vor, dass der Ausländer, der ein bestimmtes Datum für seine Geburt mündlich angegeben hat, später bemerkt, dass ihm ein anderes Geburtsdatum Vorteile bringt (z. B. früherer Rentenbezug), und dann die Aussage über sein Geburtsdatum ändert. Dieser Praxis hat der Gesetzgeber - jedenfalls im Sozialrecht - durch § 33 a SGB I einen Riegel vorgeschoben, indem er nur das zuerst genannte Datum gelten lässt. c) Altersstufen Das BGB kennt drei Altersstufen, das nicht geschäftsfähige Kind bis zum vollendeten siebenten Lebensjahr, den beschränkt Geschäftsfähigen bis zum vollendeten achtzehnten Lebensjahr und den voll Geschäftsfähigen. Für das öffentliche Recht ist die Geschäftsfähigkeit ebenso verbindlich wie für das Zivilrecht. Wer im Sinne des BGB voll geschäftsfähig ist, ist auch im Verwaltungsrecht unbeschränkt handlungsfähig. Insofern kommt der allgemeine Schutzgedanke zugunsten des Minderjährigen, den das BVerfG entwickelt hat, zum Tragen 72. Unzweifelhaft ist, dass der nicht Geschäftsfähige (bis zum vollendeten siebenten Lebensjahr) auch im öffentlichen Recht überhaupt keine Erklärung wirksam abgeben kann. Für das öffentliche Recht problematisch ist die Alterstufe der beschränkt Geschäftsfähigen. Insbesondere stellt sich die Frage, ob der Jugendliche, dem die Eltern bestimmte Tätigkeiten erlaubt haben (z. B. Eingehung eines Arbeitsverhältnisses), der also insoweit geschäftsfähig ist (§113 BGB) 73 , auch davon abhängige öffentlich-rechtliche Erklärungen abgeben darf. Für das Sozialrecht ist dies ausdrücklich bestimmt und auf das vollendete fünfzehnte Lebensjahr begrenzt (§ 36 SGB I). D. h. der vierzehnjährige Auszubildende kann die Krankenkasse noch nicht wählen, wohl aber der fünfzehnjährige (§§ 6 Abs. 9, 173 ff. SGB V). Haben die Eltern dem vierzehnjährigen Kind das Rauchen und Trinken in der Öffentlichkeit erlaubt, verbietet aber die Ordnungsbehörde dies unter Berufung auf das Jugendschutzgesetz, so stellt sich die Frage, ob das Kind gegen dieses behördliche Verbot selbständig Rechtsmittel einlegen kann. Handelte es sich um eine zivilrechtliche Angelegenheit, so würde man dies auf Grund von BGB § 113 wohl anzunehmen haben. Allerdings erscheint es nicht erlaubt, das BGB insoweit im öffentlichen Recht analog anzuwenden. Der öffentlich-rechtliche Schutz des Jugendlichen geht hier vor. Für das öffentliche Recht gibt es keine allgemeine Altersgruppe, die vom achten bis zum 18. Lebensjahr reicht. Das zeigt sich auch im Strafrecht, das andere Altersabgrenzungen hat als das Zivilrecht (StGB §§ 19; JGG § 1 Abs. 1). In der Zwischengruppe der beschränkt Geschäftsfähigen kommt eine eigenständige Handlungsfä72 BVerfGE 75,155 ff.; BSG 82,290; Wolfgang Gitter, in: Münchner Kommentar zum BGB vor § 104 Rdnr. 16. 73 Im Ausländerrecht vgl. § 80 Aufenthaltsgesetz (= Zuwanderungsgesetz v. 20.6.2002, BGBl. IS. 1946) - Lehr- und Ausbildungsverhältnisse fallen nicht unter die Ermächtigung des §113 BGB.

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higkeit nur in Frage, soweit dies vom Gesetz ausdrücklich bestimmt worden ist. Allerdings dürften die Vorschriften über die Zustimmung der gesetzlichen Vertreter (Einwilligung, Genehmigung, BGB §§ 106 ff.) im öffentlichen Recht weitgehend entsprechend anwendbar sein. 6. Geschlecht a) Gleichheit der Geschlechter Männer und Frauen sind vor dem Gesetze gleich. Dies gewährleistet das GG (Art. 3 Abs. 2 GG). Weder der Gesetzgeber, noch die Verwaltung noch die Gerichte dürfen die Männer und Frauen unterschiedlich behandeln. Dagegen sind Private berechtigt, Männer und Frauen unterschiedlich zu behandeln. So dürfen sich nach wie vor Landfrauenvereine bilden und sind in das Vereinsregister einzutragen, auch wenn diese Vereine nach ihrer Satzung nur Frauen und keine Männer als Mitglieder aufnehmen. Anders steht es dagegen im Arbeitsrecht. Hier gibt es nicht nur ausdrückliche Vorschriften, die eine Benachteiligung von Frauen verbieten 74, sondern auch die allgemeine Verpflichtung kraft ungeschriebenen Arbeitsrechts, alle Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf ihr Geschlecht gleich zu behandeln75. Bei dem Recht auf Gleichbehandlung ohne Ansehen des Geschlechts handelt es sich um ein Individualrecht, nicht um ein Kollektivrecht. Die Gleichheitsgarantie zugunsten beider Geschlechter (nicht nur der Frauen) erlaubt daher nicht die Bevorzugung von Frauen (insb. bei der Vergabe von Stellen), weil das Kollektiv der Frauen in bestimmten Arten von Dienstposten geringer vertreten ist als das der Männer. Das gilt auch umgekehrt: Soweit bei bestimmten Arten von Ämtern (z. B. Diplombibliothekaren) die Zahl der Frauen weit überwiegt (was heute der Fall ist), so dürfen nicht etwa Männer nur deshalb ohne Rücksicht auf ihre Eignung bevorzugt eingestellt werden, bis beide Geschlechter im Verhältnis von 50:50 in den betreffenden Ämtern sitzen. Es gilt hierbei die besondere Ausprägung des Gleichheitssatzes in Art. 32 Abs. 2 GG, der es zwingend auf die Eignung, Befähigung und Leistung abstellt, d. h. diese Eigenschaften und nur sie zu Maßstäben der Gleichheitsprüfung macht. Vor allem ist eine Argumentation mit der Statistik schon deshalb unlogisch, weil man von einer durchschnittlich gleichen Eignung von Männern und Frauen ausgehen muss. Bewerben sich um bestimmte Arten von Arbeitsplätzen bzw. Dienstpos74

Zur bundes- und landesrechtlichen Gesetzgebung vgl. Ulrich Battis/Anne Eisenhardt, ZRP 1994, 18ff.; Bernhard Franke, NVwZ 2002, 779ff. - Die Gesetze zur Frauengleichstellung sind abgedruckt bei: Schiek/Dieball/Vieten/Wenkel, Frauengleichstellungsgesetze, 2. Aufl.

2002. 75

BAGE 71, 29 ff; zusammenfassend: Günter Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 7. Aufl. 1992, §112; § 611a BGB.

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ten stets dreimal so viele Männer als Frauen (oder umgekehrt), so kann das Ergebnis nur sein, dass dreimal so viele Männer (oder Frauen) auf derartigen Stellen zu finden sind. Das übliche Klischee, nach dem die Frauen angeblich benachteiligt worden sind, weil sich in den Spitzenposten weniger Frauen befinden als Männer, ist auch deshalb wenig überzeugend, weil die verheirateten Frauen es in der Regel vorziehen, die Kinder zu betreuen und nicht bereit sind, diese Aufgabe ihren Männern zu überlassen. Dann aber fehlen den Frauen oft die entscheidenden Jahre in der Karriere. Ob es die Frauen besser haben, die ihre Kinder betreuen, oder die Männer, die um ein Vorwärtskommen in der Karriere kämpfen, ist eine Frage, die man unterschiedlich beantworten kann. Und ob die Spitzenposition mit ihren Mühen und Verantwortlichkeiten, oft auch mit einem weitgehenden Verzicht auf Freizeit und mit hohem gesundheitlichem Verschleiß, vielfach oft auch mit starken Frustrationen, weil das Ziel nicht erreicht wird, wirklich erstrebenswert ist, ist für viele Menschen sehr fraglich; viele Menschen verzichten daher - unabhängig vom Geschlecht - gern darauf. Das Gleichbehandlungsgebot des GG Art. 3 Abs. 2 findet dort seine Grenze, wo der biologische Unterschied unterschiedliche Regelungen fordert. Dass dies beim Mutterschutz der Fall ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass nur Frauen Kinder gebären können. Aber auch bei der Dienstleistung für die Gemeinschaft stellt sich die Frage nach der Gleichbehandlung. Nach GG Art. 12aAbs. I 7 6 sind nur die Männer zum Dienst in den Streitkräften, im Bundesgrenzschutz oder in einem Zivilschutzverband verpflichtet. Wenn man aus Sachgründen zu dem Ergebnis kommt, dass es untunlich ist, Frauen zum Wehrdienst zu verpflichten 77, besteht doch in der Tatsache, dass die Frauen keiner Verpflichtung zum Polizeidienst oder zum Ersatzdienst unterworfen sind, eine offenkundig ungleiche Behandlung durch die Rechtsordnung, die allerdings durch das positive Verfassungsrecht abgedeckt ist 78 . Das Problem der ungleichen Behandlung im Hinblick auf den Einsatz als Soldat im Kampf mit der Waffe ist heute beseitigt. Die Rechtsprechung des EuGH 79 hat den Weg für die Frauen im freiwilligen Dienst an der Waffe freigemacht. Allerdings bleibt eine Sonderregelung zugunsten der Frauen bestehen, weil nach GG Art. 12 a Abs. 4 nur die Männer zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden können. Dies ist eine Ausnahmeregelung, die in der Verfassung selbst enthalten ist und daher nicht verfassungswidrig sein kann. Das Gebot, Männer und Frauen gleich zu behandeln, schließt es nicht aus, typische Behinderungen zulasten eines der beiden Geschlechter, vor allem der Frauen 76

1.d.F. vom 19.12.2000, BGB1.I S. 1755. Armin A. Steinkamm (Hrsg,), Frauen im militärischen Waffendienst, 2001. 78 Felix Ekard, DVB1. 2001, 1171 f.; Niklas Görlitz, DÖV 2002, 607 ff. 79 U. vom 11.1.2000, DVB1. 2000, 336ff.; anders noch das BVerwG, BVerwGE 103, 301, und DVB1. 1999, 1437; dazu: Claus Arndt, NJW 2000, 1461 ff. 77

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durch besondere Maßnahmen auszugleichen. So verstoßen Frauenförderungsprogramme und Gleichstellungsbeauftragte oder auch Frauenbeauftragte nicht gegen den Gleichheitssatz80. b) Geschlechtsumwandlung Die Natur hat den Menschen ein Geschlecht als Mann oder als Frau mitgegeben. Diese Eigenschaft ist grundsätzlich unveränderlich. Allerdings hat die neue Rechtsentwicklung auch an dieser naturgegebenen Eigenschaft als Mann und Frau gerüttelt und hat die Veränderung des Geschlechts nicht nur durch Veränderung der körperlichen Merkmale, sondern auch durch Anerkennung künstlicher Veränderungen des Geschlechts zugelassen. Mit dem Transsexuellengesetz81 hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, Geschlechtsumwandlungen anzuerkennen mit der Rechtsfolge, dass ein Mann künftig als Frau und eine Frau als Mann gilt. c) Die Ehe Die Eigenschaft, einem der beiden Geschlechter zuzugehören, ist für zahlreiche Rechtsverhältnisse des öffentlichen und des bürgerlichen Rechts wichtig. Am wichtigsten ist sie bei der Eheschließung. Der Recht lässt eine Ehe im Sinne des BGB (§§ 1297 ff.) und des GG (Art. 6) von gleichgeschlechtlichen Personen nicht zu. Stets muss begrifflich ein Mann und eine Frau Partner der Ehe sein. Die Ehe ist ein typischer Fall für ein Rechtsverhältnis, das man weder allein dem bürgerlichen, noch allein dem öffentlichen Recht zuordnen kann. Es zeitigt nämlich Rechtsfolgen sowohl im Zivilrecht (Familienrecht i. e. S.) wie die Unterhaltspflicht (BGB § 1360), die Rechte gegenüber den gemeinsamen Kindern (BGB 1626ff.), vermögensrechtliche Rechtsfolgen (BGB §§ 1363 ff.) usw., als auch im öffentlichen Recht, z.B. im Sozialrecht 82, im Beamtenrecht83, im Steuerrecht (EStG §§26ff.) und im Verwaltungsverfahrens- und Prozessrecht 84. Diese Doppelnatur (oder besser übergeordnete Natur) der Ehe gegenüber den beiden Teilrechtsordnungen des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts als Teil eines „Allgemeinen Rechts" zeigt sich auch bei der Begründung und der Beendigung vor dem Tode durch die Mitwirkung einer öffentlichen Behörde, des Standesbeamten bei der Eheschließung (EheG § 11) und des Gerichts bei der Ehescheidung (BGB § 1564). Bürgerlich-rechtliche Verträge können die Ehe weder begründen noch be80 Sabine Soluk, Rechtstellung und Tätigkeitsfelder der kommunalen Frauenbeauftragten in Niedersachsen, 2001. 81 V. 10.9.1980, BGB1.I S. 1654. 82 § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1, Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB IV, § 10 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 46 SGB VI. 83 BeamtVG § 19; BBesG §40. 84 VwVfG § 20 Abs. 5 Nr. 2; ZPO § 383 Abs. 1 Nr. 2.

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enden, sondern nur bürgerlich-rechtliche Fragen für die Ehe (Ehegüterrecht) und für die Zeit nach der Ehe (Auseinandersetzung) regeln. Die Bigamie ist in Deutschland strafbar (StGB § 171). Wer aber nach dem Recht seines Heimatlandes mehrere Ehefrauen besitzen darf, darf seine Mehrehe auch in Deutschland praktizieren, die mehreren Ehen werden auch in Deutschland als gültig anerkannt (EGBGB Art. 13 f.). d) Die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft Personen gleichen Geschlechts können zwar keine Ehe, aber eine eheähnliche Lebensgemeinschaft begründen. Die Strafbestimmungen gegen Homophilie sind schon seit längerem aufgehoben 85. Damit war die rechtliche Diskriminierung der Schwulen beseitigt. Das Gesetz „zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften"* 6hat eine neue Rechtsfigur geschaffen, die knapp unterhalb der Grenze liegt, welche das BGB und andere Gesetze für die Ehe zeichnen. Das BVerfG hat entschieden, dass dieses Gesetz verfassungsmäßig ist. Allerdings bedarf es noch einiger Ergänzungen, deren Inkrafttreten durch den Bundesrat blockiert wird. 87 Schon die Gesetzesüberschrift zeigt, dass bei diesem Gesetz in starkem Maße ideologische Gründe eine Rolle gespielt haben. Das Gesetz schafft entgegen dieser Überschrift weder eine volle Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Partnerschaften gegenüber der Ehe, noch kann es irgendwie soziale Unwerturteile beseitigen. Es kann auch nicht Sache des Gesetzgebers sein, darauf hinzuwirken, dass sich die gesellschaftlichen Anschauungen in einer bestimmten Richtung entwickeln. Ebenso wie die Homosexuellen frei sind, ihr Leben nach ihrer Anschauung und ihren Bedürfnissen zu führen, sind die anderen Menschen frei, Unwerturteile gegenüber derartigen Verhältnissen zu besitzen und öffentlich bekannt zu geben; hierzu berechtigt sie allein schon ihr Grundrecht auf freie Meinungsäußerung, das seine Grenze nur an der Ehre der Betroffenen findet (Art. 5 Abs. 1 und 2 GG). Die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft wird durch eine übereinstimmende Erklärung von zwei Menschen gleichen Geschlechts vor einer Behörde begründet und gilt auf Lebenszeit. Befristet und bedingt können derartige Lebenspartnerschaften nicht begründet werden (§ 1 Abs. 1). Die Partnerschaft begründet ein Erbrecht (§ 10) und ein familienrechtliches Verhältnis (Schwägerschaft) zu den Ver85 Jürgen Basedow/Klaus J. Hopt/Hein Kötz (Hrsg.), Die Rechtsstellung gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften, 2000; Stefanie Henn, Gleichgeschlechtliche Ehen in rechts vergleichender Sicht unter besonderer Berücksichtigung der Rechtslage in den USA, in Kanada und in Australien, 1999. 86 V. 16.2.2001, BGBl. I S. 266; Manfred Bruns/Rainer Kemper, Kommentar, 2001; Christiane Freytag , DÖV 2002,445 ff. 87 BVerfG, Urteil v. 17.7.2002, 1 Bvf 1/01, 1 Bvf 2/01, DVB1. 2002, A283.

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wandten des Partners (§11). Eine Aufhebung der Partnerschaft ist ebenso wie die Scheidung einer Ehe nur durch Ausspruch eines Gerichts möglich (§§ 15 ff.). e) Die nichteheliche Lebensgemeinschaft™ Im Gegensatz zur gleichgeschlechtlichen behördlich eingetragenen Lebenspartnerschaft, die wohl auch künftig, wenn sie sich eingebürgert haben wird, nur eine Randerscheinung unseres Rechtslebens sein wird, hat die freie eheähnliche Gemeinschaft (vor allem zwischen zwei Menschen unterschiedlichen Geschlechts) praktisch eine sehr große Bedeutung. Die „freie" Ehe ist unserer Rechtsordnung als besonderes Rechtsinstitut jedoch fast unbekannt. Lediglich im Sozialhilferecht werden die Partner so behandelt, als ob sie verheiratet seien (BSHG § 122). Die übrigen Rechtsbeziehungen, die zweifellos bei einem derartigen intensiven Lebensverhältnis entstehen, werden nicht nach Familienrecht, also nach Personenrecht, sondern nach Vermögensrecht (Schuldrecht, Sachenrecht) beurteilt 89. Sie unterliegen der bürgerlich-rechtlichen Vertragsfreiheit; jedes Paar kann sie frei gestalten. 7. Der Personenstand Als Personenstand wird die Eigenschaft als Lediger, Verheirateter, Geschiedener, Verwitweter, als Verwandter (Kind, Enkelkind) oder Verschwägerter bezeichnet. Die nicht eheliche Lebensgemeinschaft erzeugt keinen besonderen Personenstand. Der Personenstand gilt für das bürgerliche und für das öffentliche Recht sowie für das Strafrecht in gleicher Weise. Die Rechtsfolgen, die sich aus dem Personenstand ergeben, haben nicht nur im bürgerlichen Recht, z.B. hinsichtlich der Unterhaltsverpflichtung und des Erbrechts, sondern auch im öffentlichen Recht vielfach Bedeutung, z. B. für die Hinterbliebenenrente oder für das Steuerrecht (Erbschaftsteuerrecht). Die personenrechtliche Beziehung ist nach bürgerlichem und nach öffentlichem Recht gleich zu entscheiden. Es gibt nicht neben einem allgemeinen Personenstand noch einen für die Verwandtschaft und Schwägerschaft. Auch insofern gibt es nur einen Begriff, der für das Erbrecht und das Rentenrecht, ferner für das Prozessrecht (Aussageverweigerung) identisch ist. Weiter ist darauf hinzuweisen, dass auch die durch Annahme an Kindes statt entstandene Verbindung für das gesamte Recht in gleicher Weise gilt; auch hier handelt es sich um allgemeines Perso88

Rainer Hausmann, Das Recht der nicht ehelichen Lebensgemeinschaft (Handbuch), 1999; Christiane Schreiber, Die nicht eheliche Lebensgemeinschaft, Ein Handbuch für die Praxis, 2000; Jochen Duderstadt, Die nicht eheliche Lebensgemeinschaft, 2000; Kirsten Schümann, Die nichteheliche Lebensgemeinschaft und ihre Einordnung im internationalen Privatrecht, 2001. 89 Thorsten Kingsreen, Die verfassungsrechtliche Stellung der nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Spannungsfeld zwischen Freiheits- und Gleichheitspflichten, 1995 -BVerfGE 56, 363 ff., 386.

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nenrecht und nicht um ein öffentlich-rechtliches Personenrecht neben einem privatrechtlichen Personenrecht. Allerdings geht das Sozialrecht bei der Benutzung von Bezeichnungen teilweise eigene Wege, wie das im Sozialrecht geschehen ist. Das Erbrecht des Sozialrechts stimmt mit dem Erbrecht des BGB nicht überein (§§ 56 ff. SGB I). Auch der Begriff der Angehörigen wird in den unterschiedlichen Rechtsbereichen unterschiedlich definiert 90. Ein weiteres Beispiel unterschiedlicher Definition ist das Kind, das im EStG (§ 12), im SGB (1. Buch § 56) und im Kindergeldgesetz (§ 2) unterschiedlich definiert wird und für das im BGB, in dem Begriff des Kindes vielfach gebraucht wird, überhaupt keine Definition zur Verfügung steht. 8. Die Gesundheit Die körperliche Gesundheit ist ebenfalls eine personenrechtlich bedeutsame Eigenschaft der natürlichen Person. Dies gilt für die Dienstleistungspflicht, z. B. bei der Bundeswehr 91, bei der freiwilligen Feuerwehr 92 oder im Beamtenrecht93. Krankheit ist in der Regel ein Grund, um von bestimmten Pflichten befreit zu werden, oder bestimmte Tätigkeiten nicht aufnehmen zu dürfen oder aufnehmen zu müssen94. Vor allem im Seuchenschutzrecht95 spielt die Gesundheit eine wichtige Rolle, weil die ansteckenden Krankheiten erhebliche rechtliche Folgen haben, die das Berufsrecht betreffen (IfSG §§33 ff.) und u. U. auch zur Absonderung des Kranken (Quarantäne, IfSG § 30 ff.) führen. Geistige Krankheiten können ebenfalls zur Einschränkung der persönliche Rechte führen. In sehr vielen Fällen wird bei geistigen Erkrankungen eine vormundschaftsgerichtliche Betreuung angeordnet (BGB §§ 1896ff.). Es gibt aber nicht nur Vorschriften zum Schutze des Kranken, sondern auch der Menschen, mit denen der geistig Kranke in Kontakt kommt. Die Fragen werden als polizeirechtliche Sonderfrage behandelt und sind daher der Regelung durch das Landesrecht überlassen96. Der Bund hat hierzu ein Sondergesetz geschaffen, das insbesondere auch die Möglichkeit der Freiheitsentziehung zum Gegenstand hat, u. U. sogar die dauernde Verbringung in eine Anstalt 97 . 90 StGB § 11 Abs. 1 Nr. 1 - § 56 Abs. 2 SGB I; vgl. auch den Begriff des Kindes in § 16 Abs. 5 SGB X. 91 Wehrpflichtgesetz § 8 a. 92 Z.B. Hmb. Feuerwehrgesetz v.23.6.1986, GVB1. S. 137, § 10 Abs.3 lit.B. 93 Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit (§ 22 BeamtVG). 94 Z. B. das Amt des Vormunds, BGB § 1786 Abs. 1 Nr. 4, oder das Amt des Schöffen, GVG §33 Nr. 4. 95 Infektionsschutzgesetz (IfSG), erlassen als Art. I des Seuchenrechtsneuordnungsgesetzes vom 20.7.2000, BGB1.I S. 1045. 96 Z. B. das Psychisch-Kranke-Gesetz des Landes Mecklenburg-Vorpommern i. d. F. v. 13.4.2000, GVB1. S.182. 97 Freiheitsentziehungsgesetz v.29.6.1956, BGB1.I S.599.

8 Thieme

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Umgekehrt hat der Kranke auch vielerlei Rechte. Diese ergeben sich im Regelfall aus dem SGB V (Krankenversicherung). Für die Krankenversicherung spielt der Begriff der Gesundheit sowie der Gegenbegriff der Krankheit eine zentrale Rolle (§11 SGB V). Er bestimmt, ob und in welchem Umfang Leistungen zu erbringen sind (§§ 27 ff. SGB V). Dabei gehören auch die Behinderungen zu den Leistungsfällen. Soweit keine Versicherung nach SGB V besteht (§ 5 Abs. 1 Nr. 2), kommt auch die Leistung nach § 207 a SGB III (Beitragsübernahme bei Arbeitslosen) in Betracht. Für die Sozialhilfeempfänger besteht eine Krankenhilfe (BSHG § 37). Bei der geistigen Erkrankung zeigt sich die Doppeleigenschaft der Regelungen des BGB als bürgerliches und öffentliches Recht. Der Antrag des Geisteskranken gegenüber einer Behörde bleibt ebenso wirkungslos wie die Willenserklärung im Hinblick auf ein bürgerlich-rechtliches Rechtsverhältnis. Allerdings ist die Sondervorschrift des § 12 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG zu beachten. Nach dieser Vorschrift sind beschränkt Geschäftsfähige handlungsfähig, soweit sie für den Gegenstand des Verfahrens nach bürgerlichem Recht als geschäftsfähig und nach öffentlichem Recht als handlungsfähig anerkannt sind. Einen besonderen personenrechtlichen Status haben die Behinderten, der auch verfassungsrechtlich durch ein Benachteiligungsverbot abgesichert ist (GG Art. 3 Abs. 3 Satz 2). Sozialrechtlich genießen die Behinderten mehrfache Förderung. Im SGB I wird ihnen Hilfe für ihre Eingliederung zugesagt (§§ 10, 20, 29 SGB I). Die Durchführung dieser Zusage erfolgt in einem Grundsatzgesetz98 und in den einzelnen Büchern des SGB, insbesondere im Buch IX, in das auch das Schwerbehindertenrecht integriert ist (Teil 2, §§ 68 ff.). Mit dem Schwerbehindertenausweis legitimieren sich die Behinderten für vielfältige Leistungen und besondere Rechte (§ 69); durch ihn wird gewissermaßen ihr Status dokumentiert. 9. Wohnsitz Der Wohnsitz ist für zahlreiche Rechtsverhältnisse des öffentlichen Rechts, aber auch des privaten Rechts relevant. Er ist im BGB definiert (§ 7 Abs. 1). Diese Definition gilt auch für das öffentliche Recht. Wichtig wird er vor allem für behördliche und gerichtliche Zuständigkeiten99. Die grundsätzliche Identität des privatrechtlichen und das öffentlich-rechtlichen Wohnsitzbegriffs schließt nicht aus, dass das öffentliche Recht besondere Wohnsitzbegriffe bildet, z. B. den des dienstlichen Wohnsitzes (BBesG § 15) sowie des wahlrechtlichen Wohnsitzes.100 Fehlt ein Wohnsitz (z. B. bei Obdachlosen), so tritt der dauernde Aufenthaltsort an seine Stelle.

98 Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen und zur Änderung anderer Gesetze v. 27.4.2002, BGB1.I S. 1467; vgl. auch Guy Beaucamp, DVB1. 2002, 997 ff. 99 Z.B. die Zuständigkeit des Finanzamts für die Einkommensteuer (§ 10 Abs. 1 AbgO) und der Gerichtstand (§ 13 ZPO, § 8 StPO). 100 Thür. VerfGH, NVwZ 1998, 388ff.

IV. Eigenschaften der natürlichen Person

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10. Staatsangehörigkeit Die Staatsangehörigkeit als Eigenschaft der natürlichen Person ist im Zeitalter der Intemationalisierung und Globalisierung nicht unbestritten, hat aber trotzdem noch sehr erhebliche rechtliche und tatsächliche Wirkungen. Allerdings liegt diese Bedeutung kaum noch im bürgerlichen Recht, sondern fast ausschließlich im öffentlichen Recht 101 . Die subjektive Staatsangehörigkeit ist ein höchstpersönliches Recht 102 . Hierzu bedarf es einiger Vorbemerkungen. Der Begriff des deutschen Staatsangehörigen wird durch das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) bestimmt. Es ist eines der ältesten deutschen Verwaltungsgesetze103. Der Gegenstand ist nach dem 2. Weltkrieg erst durch die Wiedervereinigung Deutschlands regelungsfähig geworden und hat jetzt seine Neuordnung erfahren 104. Vor allem ist die Frage der deutschen Staatsangehörigkeit im Hinblick auf die ehemalige DDR und deren Staatsangehörigkeit gegenstandslos geworden. Der Begriff der deutschen Staatsangehörigkeit ist vom GG durch den Begriff des Deutschen erweitert (Art. 116 GG), der bestimmte Gruppen von deutschen Volkszugehörigen, die in Deutschland leben und nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, den deutschen Staatsangehörigen gleichstellt. Diese besondere Eigenschaft als Deutscher ohne deutsche Staatsangehörigkeit ist durch das Gesetz zur Reform der Staatsangehörigkeit von 1999 praktisch bedeutungslos geworden (StAG § 7). Eine Bedeutung entfaltet die Eigenschaft als Deutscher (nicht als Deutscher Staatsangehöriger) noch im GG durch die Unterscheidung zwischen „Deutschenrechten" und „Menschenrechten" (z.B. GG Art.8, 9, 11 und 12) 105 . Die Ausländerstellung zeigt sich am stärksten im Fehlen des passiven und aktiven Wahlrechts (BWG § 12). Im politischen Bereich spielt die Staatsangehörigkeit bei der Mitgliedschaft in politischen Parteien keine Rolle; auch Ausländer können Mitglieder von politischen Parteien in Deutschland werden 106. Im Ausland genießen nur Deutsche den Schutz der deutschen diplomatischen und konsularischen Vertretungen 107 . Eine weitere wichtige Unterscheidung liegt im Recht, Beamter zu werden 101 Kai Hailbronner/Günter Renner, Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl. 1998; Helmut Weidelehner/Fritz Hemberger , Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Vorschriftensammlung mit Erlassen, 4. Aufl. 1993; Astrid Wallrabenstein , Das Verfassungsrecht der Staatsangehörigkeit, 1999. 102 BVerwG, NVwZ 2001, 209. 103 Das StAG ist formal dasselbe Gesetz, das unter dem 22.7.1913 (RGB1.583) erstmals erlassen worden ist. 104 G. vom 15.7.1999, BGB1.I S. 1618. 105 Art. 8 (Versammlungsfreiheit), Art. 9 (Vereinigungsfreiheit), Art. 11 (Freizügigkeit), Art. 12 (Freiheit des Berufs), Art. 16 Abs. 2 (Verbot der Auslieferung). 106 Parteiengesetz § 2 Abs 3 Nr. 1. 107 Konsulargesetz v. 11. 9.1974, BGBl. I S. 2317, § 1.

8*

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B. Die natürlichen Personen

(BRRG § 4 Abs. 1 Nr. 1) und in der Wehrpflicht 108. Ferner spielt die Staatsangehörigkeit im bürgerlich-rechtlichen Personenrecht eine wichtige Rolle, weil für eine Anzahl von Rechtsverhältnissen das anzuwendende Recht an die Staatsangehörigkeit anknüpft 109. Neben den Deutschen gibt es Ausländer, Staatenlose und Doppelstaatler. Von diesen sind die Doppelstaatler den Deutschen in jeder Hinsicht gleichgestellt. Dass sie zugleich Mitglieder eines anderen Staates sind, ist für das deutsche Recht gleichgültig. Umgekehrt werden die Angehörigen eines fremden Staates und die Staatenlosen grundsätzlich gleich behandelt. Sie sind alle Ausländer im Rechtssinne 110 . Im Bürgerlichen Recht und auch im Wirtschaftsrecht sind die Ausländer den Inländern fast ausnahmslos gleichgestellt. Allerdings sind sie, soweit es auf personenrechtliche Fragen ankommt, teilweise ihrem eigenen Personalstatut unterstellt 111. Im Sozialrecht kommt der Ausländereigenschaft zum Teil noch eine weitere Bedeutung zu (§2 Abs.laSGB IV). Unter den Ausländern, die sich in Deutschland aufhalten, gibt es Unterschiede, die durch das Aufenthaltsgesetz definiert werden 112. Dieses Gesetz kennt für die Ausländer die folgenden unterschiedlichen Rechtstellungen: Inhaber eines Visums (§ 6), einer Aufenthaltserlaubnis (§ 7), einer Niederlassungserlaubnis (§ 9). Dabei sind je nach Anlass des Aufenthalts im Bundesgebiet unterschiedliche Rechtslagen geschaffen. So gibt es den Aufenthalt zur Ausbildung (§§ 16 f.), zur Erwerbstätigkeit (§§ 18 ff.), aus völkerrechtlichen, humanitären oder politischen Gründen (§§ 22ff.) und aus familiären Gründen (§§ 27 ff.). Die Rechtstellung der Ausländer ist nicht nur durch das Aufenthaltsgesetz, sondern auch durch andere Normen festgelegt. Es gibt zahlreiche Gruppen von Ausländern, die den Deutschen weitgehend gleichgestellt sind. Rechtlich am nächsten stehen den Deutschen die Angehörigen der Mitgliedstaaten der EU. Dies sind die Unionsbürger 113. Sie besitzen sogar in den Kommunen das aktive und passive Wahlrecht 114 . Die Gleichstellung der Ausländer oder gewisser Ausländer mit den Deutschen ist u. U. auf ein bestimmtes Gesetz begrenzt. Eine besondere Gruppe von Ausländern stellen die Flüchtlinge dar, die politisch Verfolgten (Art. 16 GG), die „Kontingentsflüchtlinge" und die Flüchtlinge nach allgemeinem Recht, einschließlich der Wirtschaftsflüchtlinge. Welche Ausländer kraft 108

WehrpflichtG § 1. Heidi Hellwig, Das Staatsangehörigkeitsrecht als Anknüpfung im deutschen IPR, 2001. 110 Günter Renner, Ausländerrecht, 7. Aufl. mit Nachtrag 2000. 111 EGBGB Art. 5, 7. 112 Art. 1 des Zuwanderungsgesetzes vom 20.6.2002, BGB1.I S. 1945. Die Verfassungsmäßigkeit des Gesetzes wird z. Z. vom BVerfG geprüft. 113 EG-Vertrag Art. 8 ff.; Freizügigkeitsgesetz/EU = Art. 2 Zuwanderungsgesetz. 114 GG Art. 28 Abs. 1 Satz 3. 109

IV. Eigenschaften der natürlichen Person

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ihrer Flüchtlingseigenschaft einen den Inländern angenäherten Status besitzen, bestimmt heute grundsätzlich das Aufenthaltsgesetz. Die Vielfalt der Gruppen wird an bestimmten Einzelregelungen deutlich, in denen für Einzelregelungen ein Inländerstatus verliehen wird. Als Beispiel sei das Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG) 115 zitiert. Nach § 8 Abs. 1 dieses Gesetzes werden bestimmte Gruppen von Ausländern den Deutschen im Sinne des Grundgesetzes gleichgestellt. Die Aufzählung zeigt, wie unterschiedlich die Begründung des Aufenthalts von Ausländern in Deutschland ist, wobei die nachfolgende Liste noch keineswegs Vollständigkeit beansprucht: - heimatlose Ausländer (BGBl. III 243-1) 116 , - anerkannte Asylberechtigte, - nach § 1 des Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfe 117 aufgenommene Flüchtlinge, - Flüchtlinge auf Grund des Abkommens vom 26.7.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge 118 , - Flüchtlinge nach dem Protokoll über die Rechtsstellung der Flüchtlinge v. 31.1.1967119, - Ausländer, deren einer Elternteil Deutscher im Sinne des GG ist, - eines Mitgliedsstaates der EU, - Staatsangehörige eines Mitgliedstaates des Europäischen Wirtschaftsraumes. 11. Bekenntnis Auch das religiöse Bekenntnis ist ein personenrechtlicher Status. An sich besteht Bekenntnisfreiheit (GG Art. 4 Abs. 1). Daher ist das tatsächliche Bekennen eines bestimmten Glaubens nichts, was den Staat und die Rechtsordnung angeht. Allerdings ist das deutsche Religionsrecht noch immer geprägt durch das frühere Staatskirchentum, das den großen Kirchen und anderen Religionsgesellschaften den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verleiht (GG Art. 140 i.V. m. WRV Art. 137 Abs. 5). Zugleich stellt der Staat seine Finanzverwaltung zugunsten der öffentlich-rechtlichen Körperschaften zur Veranlagung und Einziehung der Kirchensteuer zur Verfügung (WRV Art. 137 Abs. 6). Der Staat (die Länder) hat daher auch eine Austrittsgesetzgebung für die Körperschaften des öffentlichen Rechts erlassen. 115

Vom 23. April 1998, BGB1.I S. 1996; zuletzt geändert durch G. 20.6.2002, BGB1.I S. 1946. - vgl. auch § 63 SGB III. 116 Zuletzt geändert durch G. v. 20.6.2002 (BGB1.I S. 1946). 117 G. v. 2.7.1990, BGB1.I S. 1057, zuletzt geändert durch G. vom 9.7.1990, BGB1.I S. 1354. 118 BGBl. 1953 II S.559. 119 BGBl. 1969 IIS. 1293.

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B. Die natürlichen Personen

Dabei wird zur Wirksamkeit des Austritt stets gefordert, dass die Austrittserklärung vor einer öffentlichen Behörde oder vor einem Notar erfolgt 120 . Dieser öffentlichrechtliche Charakter der Mitgliedschaft gibt dem Mitglied einen deutlichen Status in personenrechtlicher Hinsicht. Unabhängig davon genießt die Religionsausübung einen verfassungsrechtlichen Schutz. Soweit das religiöse Bekenntnis ein bestimmtes Verhalten vorschreibt, ist dies auch ohne irgendeinen öffentlich-rechtlichen Status der Religionsgesellschaft vom Staat geschützt121. V . Der Name 1. Allgemeines Die Namensgebung ist eine Einrichtung, die unter Menschen unabhängig von Rechtsnormen seit jeher üblich ist. Der Namen identifiziert den Menschen in der Kommunikation mit seinen Mitmenschen. Der Name ist das wichtigste Symbol, durch das eine Person Person ist. Der Name ist daher wie ein Stück des Menschen, das grundsätzlich unveränderlich am Menschen haftet. Dadurch dass eine Person einen Namen erhält, den man schreiben und aussprechen kann, gewinnt die Person eine Realität jenseits der unmittelbaren körperlichen und geistigen Realität und erweitert ihre Existenz. Der Name ist gewissermaßen die Kurzformel, mit der die einzelne Person innerhalb einer Summe mehrerer oder vieler Personen unterscheidbar wird. Der Name hängt auf das Engste mit der Person zusammen; die Person hat ein Recht auf ihren Namen und an ihrem Namen. Der Staat hat sich des Namensrechts seit langem angenommen. Dabei geht es um die amtliche Festlegung des im Rechtsverkehr zu führenden Namens, wodurch Verwechselungen ausgeschlossen und Identitäten festgestellt werden, d. h. die richtige Zuordnung von Rechten und Pflichten zu einzelnen Individuen möglich und vollziehbar gemacht wird. Heute ist das Namensrecht ein Stück der staatlichen personenrechtlichen Ordnung. Es besteht eine Namensführungspflicht 122. Der Name ist keine Einrichtung, die nur dem bürgerlichen oder nur dem öffentlichen Recht zuzuordnen ist. Er gehört vielmehr dem Allgemeinen Recht an, das einheitlich über den bürgerlichen und dem öffentlichen Recht steht. Daher handelt es sich beim Namensrecht um ein Zusammenspiel von öffentlichem und privatem Recht. Der Name wird im privaten Verkehr 120

Axel Frhr. v. Campenhausen, in: HdbStKR, 2. Aufl. Bd. 1, 1994, S. 779 ff. Das gilt insbesondere für die Mohamedaner, die es ablehnen, sich öffentlich-rechtlich zu organisieren, z. B. für das tierschutzrechtliche Schächtverbot, das zu ihren Gunsten geöffnet wird, BVerfG, DVB1. 2002, 328 ff. 122 OWiG §111, HGB §§ 17, 29, GewO § 15 a und b. 121

V. Der Name

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(Familie, Geschäftsleben) und im öffentlichen Bereich (Amtliche Verzeichnisse, Verkehr mit Behörden, Ausweise u. a. m.) gebraucht. Der Name wird im privaten und im öffentlichen Recht geschützt. Das Namensrecht wird teilweise im BGB geregelt. Diese Regelung betrifft auch die öffentlich-rechtlichen Beziehungen des Namens. Der Namen wird privatrechtlich „gegeben". Er wird von den Standesämtern öffentlich-rechtlich „verwaltet". Ohne Standesamtsregister ist der Name rechtlich nicht existent. Die natürliche Person kann grundsätzlich nicht über den Namen verfügen. Insbesondere ist der Name nicht übertragbar 123. Möglich sind aber Gestattungsverträge (Lizenzverträge) 124. Eine Änderung des Namens ist dagegen grundsätzlich nur mit behördlicher Mitwirkung möglich. Das Familiennamensrechtsgesetz125 hat die Möglichkeiten privater Namensänderung erheblich erweitert. 2. Der Namensschutz Das Namensrecht hat noch eine andere Seite. Der Name hat einen bestimmten Wert. Dieser kann immateriell sein, insbesondere bei Trägern großer Namen, d.h. bei Namen, deren frühere Träger berühmt waren, und von dessen Ansehen der heutige Träger des Namens profitiert. Der Wert des Namens kann aber auch materieller Art sein, z. B. der in einer Firma verwandte Familienname, aber auch der Name eines erfolgreichen Sportlers oder einer berühmten Sängerin. Diese Namen lassen sich in der Wirtschaft durch die Werbung vermarkten und können sehr viel Geld bringen. Daher schützt der Staat den Namen und untersagt die unbefugte Führung des Namens durch Dritte und entscheidet beim Bestreiten des Rechts auf Namensführung 126. Im Namensrecht kollidiert z. T. das individuelle Interesse an der Führung bestimmter Namen mit dem öffentlichen Ordnungsinteresse, das den freien Namenswechsel verbietet. Dabei genießt das öffentliche Ordnungsinteresse grundsätzlich den Vorrang. Allerdings gibt es auch bestimmte Namensfragen, bei denen das private Interesse vorgeordnet ist, z. B. bei der Vergabe von Vornamen und (im beschränkten Maße) bei der Wahl des Familiennamens127. Das Namensrecht enthält viele Facetten, insbesondere auch verfassungsrechtliche Probleme. Dabei geht es vor allem um das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (GG Art. 2 Abs. 1) und um das Gleichheitsrecht (GG Art. 3 Ab. 1) 128 . Das deutsche Namensrecht kann mit ausländischem Recht kollidieren, wenn der Na123

BGHZ 119, 237. BGHZ 10, 196ff., 204; 119,237ff., 241. 125 G. v. 16.12.1993, BGBl. IS. 2054. - Benedikt v.Schorlemer, Zivilrechtliche Möglichkeiten der Namensänderung, 1998. 126 August Simader, Deutsches Namensrecht, Kommentar (Loseblattsammlung), Stand April 1999. 127 Michael Nowak, Der Name der natürlichen Person, 1996. 128 Sebastian-Johannes v. Spoenla-Metternich, Namenserwerb, Namensführung und Namensänderung unter Berücksichtigung von Namensbestandteilen, 1997. 124

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B. Die natürlichen Personen

mensträger Ausländer ist. Hierzu gibt das EGBGB (Art. 10) neben der Grundvorschrift, dass sich das Namensrecht nach dem Recht des Staates richtet, dem die Person angehört, eine Reihe von Sondervorschriften 129. 3. Die Arten von Namen Das Recht unterscheidet bei den Namen der natürlichen Personen zwischen dem Vornamen und dem Familiennamen (Nachnamen). Jeder Mensch ist verpflichtet, obwohl das in keinem Gesetz ausdrücklich gesagt wird, einen Vornamen und einen Familiennamen zu haben. Es handelt sich hierbei um eine ungeschriebene ordnungsrechtliche Regel. a) Der Familienname Der Familienname ist kein individueller Name, sondern ein Name, der von den Angehörigen eines Kollektivs, der Familie, gemeinsam geführt wird 130 . Er ist im Verkehr der wichtigste Name. Er wird im öffentlichen und im geschäftlichen Bereich in erster Linie zur Bezeichnung einer Person benutzt. Er eignet sich hierzu besonders gut, weil es eine sehr große Zahl unterschiedlicher Familiennamen gibt. Modischen Einflüssen ist er nicht ausgesetzt, weil er nicht frei gewählt werden kann. Er drückt die Familienzusammengehörigkeit aus, was in sehr vielen Fällen auch für den Umgang mit sozialen und wirtschaftlichen Zusammenhängen und Erkenntnissen wichtig ist. b) Der adelige Name Der Familienname kommt in der besonderen Form des adeligen Namens vor. Als solcher hat er seit dem Ende des 1. Weltkrieges rechtlich keine Bedeutung mehr 131 . Die Bezeichnung „von" und „von der" gelten nur als einfache Namensbestandteile (WRV Art. 109 Abs. 3 Satz 2) und dürfen als solche weiter geführt werden 132. Sie werden nach BGB und nicht nach Adelsrecht weitergegeben, d. h. sie werden auch von nicht ehelichen Kindern erworben 133. Allerdings werden sie teilweise anders behandelt als sonstige Namensbestandteile. Bei der alphabetischen Reihung werden sie (auch in amtlichen Verzeichnissen) nicht berücksichtigt. So wird der Name „von Meyer" nicht bei V, sondern bei M eingereiht. 129

Vgl. Nowak. T. Wagenitz/H. Bonhofen, Familiennamensrechtsgesetz, Kommentar 1994. 131 Karl Friedrich Dumoulin, Die Adelsbezeichnungen im deutschen und ausländischen Recht, 1997. 132 RGZ 103, 194; 144, 338. 133 Gerhard Anschütz, Die Verfassung des Deutschen Reiches, 14. Auflage 1933, Art. 109, Erl. 5. 130

V. Der Name

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Für den adeligen Namen, der aus einer freiherrlichen, gräflichen oder fürstlichen Familie stammt, gilt grundsätzlich nichts anderes. Auch hier ist der „Freiherr", der „Graf" und der „Fürst" Namensbestandteil. Korrekt heißt es daher: „Herr Hans Graf von Schmidt" und nicht „Herr Graf Hans von Schmidt", ungeachtet der Tatsache, dass es im Umgangsverkehr und vor allem im mündlichen Verkehr vielfach üblich ist, den Betreffenden unter Weglassung des „Herrn" mit „Graf Schmidt" anzureden, weil der Herr, ebenso der Freiherr im historischen Verständnis das „Minus" gegenüber dem Grafen ist, aber seinen Stand kennzeichnet. Rechtlich ist eine Ausnahme von der Regel zugelassen, dass die Standesbezeichnungen nur ein Stück des Namens sind. So ist die ehemaligen Standesbezeichnung anders als ein Namen ebenso wie ein gewöhnliches Substantiv deklinierbar. Man sagt nicht: „Dies ist das Buch des Freiherr Müller oder des Graf Schmidt", sondern des Freiherrn Müller oder des Grafen Schmidt, dekliniert also Adelsnamen im Gegensatz zu bürgerlichen Namen. Eine weitere Ausnahme von der Rechtsprechung zugelassene Ausnahme für die ehemaligen Standesbezeichnungen ergibt sich aus dem Geschlecht des Namensträgers. So wird die Frau und die Tochter des Grafen Schmidt nicht wie der Mann oder der Vater als „Graf Schmidt", sondern als „Gräfin Schmidt" bezeichnet. Dies ist vom Reichsgericht mit der Begründung zugelassen worden, dass der Name auch in einer weiblichen Form geführt werden können134. Noch weiter geht das Auseinanderfallen desselben Namen, wenn die unverheiratete Tochter des Freiherrn als „Freiin", die eigene (verheiratete) Frau dagegen als „Freifrau" bezeichnet wird 135 . In den Familien des ehemaligen Hochadels tauchen weitere Probleme auf. Bis zum Ende des 1. Weltkriegs führten die Mitglieder des Hochadels keinen Familiennamen im engeren Sinne. Damit die Söhne sich auch weiter als Prinzen und die Töchter als Prinzessin bezeichnen konnten, wählten sie nach dem Ersten Weltkrieg - was Ihnen zugestanden wurde - als Familiennahmen z. B. „Prinz von Preußen" mit der Folge, dass sich die weiblichen Familienmitglieder „Prinzessin von Preußen" nennen dürfen. Für bürgerliche Namen gibt es das nicht; „Frau Müller" darf sich nicht „Frau Müllerin" nennen. c) Der Vorname Ebenso wie das Recht jedermann verpflichtet, einen Familiennamen zu führen, muss er auch einen Vornamen haben. Familienname und Vorname sind von Rechts wegen „Pflichtnamen". Während sich jedoch der Nachname gewissermaßen von selbst durch die Geburt ergibt (BGB § 1616), wird der Vorname frei gewählt. Die Eltern haben gegenüber ihren Kindern und gegenüber jedermann eine Namensautonomie, die durch das allgemeine Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit ge134 135

RGZ113,107ff. RGZ 113, 110; KG FamRZ 1964, 303.

B. Die natürlichen Personen

122 136

schützt ist . Allerdings sind nicht alle Bezeichnungen als Vornamen möglich. Die Standesbeamten und ihnen folgend die Gerichte haben jenseits aller Rechtsnormen ein diffiziles Regelwerk entwickelt, welche Namen rechtlich möglich sind und welche nicht. Eine der Hauptregeln geht dahin, dass der Vorname das Geschlecht erkennen lassen muss, eine Regel, die allerdings angesichts der zahlreichen Kinder von Einwanderern aus fremden Ländern nicht immer einzuhalten ist. Die Bezeichnung, die die Eltern ihren Kindern geben, müssen die Namensführungsfunktion erfüllen, also aussprechbar sein. Sie dürfen nicht gegen das Gesetz und die guten Sitten verstoßen137. Folgt die Namensgebung nicht den Regeln über die zulässigen und unzulässigen Namen, so lehnt der Standesbeamte die Eintragung in das Geburtenbuch ab. Das Kind bleibt vornamenlos. Diese Vornamenlosigkeit tritt auch ein, wenn die Eltern ihrem Kind überhaupt keinen Namen geben oder sie sich nicht einigen können. Das Recht, den Namen zu bestimmen, gehört zur Personensoige, die beiden Eltern gemeinsam zusteht. Die natürliche Person kann auch mehrere Vornamen führen. Dies pflegt sogar der Regelfall zu sein. Eine Höchstzahl von Namen ist gesetzlich nicht festgelegt. Einer von den mehreren Namen (oder zwei) in der Regel durch einen Bindestrich verbundene Vornamen („Karl Heinz" oder „Karl-Heinz") sind der Rufnahme, der in der Praxis allein gebraucht wird. Er ist mit der Namensgebung als Rufname festzulegen. d) Die Firma Der Kaufmann führt einen besonderen Namen, unter dem er seine Geschäfte betreibt und seine Unterschrift abgibt. Dies schreibt HGB § 17 Abs. 1 für alle Kaufleute zwingend vor. Mit der Firma wird die Identität des Geschäfts klargestellt. Dies gilt vor allem bei Kaufleuten, die einen oft vorkommenden Familiennamen (z. B. Müller) tragen. Die Firma des Kaufmanns muss den Nachnamen und mindestens einen Vornamen enthalten. Sie kann weitere Zusätze haben, die sich auf das Geschäft beziehen (z. B. Holzhandel), darf aber keine täuschenden Zusätze über die Art und den Umfang des Geschäfts enthalten (HGB § 17 Abs. 2). Für die Firma gelten insoweit andere Regeln, als sie nicht notwendig an der Person haftet. Bei einer Namensänderung des Firmeninhabers darf die bisherige Firma fortgeführt werden. Ebenso kann der Erwerber des Geschäfts die alte Firma mit oder ohne die Beifügung eines die Nachfolge andeutenden Zusatzes fortführen (HGB §§ 20, 21). Die Firma haftet nicht an der Person, sondern am Geschäft. Sie kann nicht gesondert veräußert werden, sondern immer nur zusammen mit dem Handelsgeschäft (HGB § 23). Die Firma ist daher ein Gegenstand des Vermögens- und nicht des Personenrechts. 136 137

BVerfG, StAZ 1983, 70; vgl. auch Uwe Diederichsen RGZ 171,155; BGHZ 126, 287.

y

NJW 1982, 111.

V. Der Name

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e) Der Künstlername Neben den amtlich in den Standesregistern festgehaltenen Namen führen bestimmte Persönlichkeiten weitere Namen. Das Recht verbietet nicht, daß ein Mensch namens Friedrich sich als „Fred" anreden lässt. Er kann sich aber auch als „Balduin" oder sonst wie anreden lassen. Auch der Nachname kann im privaten Verkehr geändert werden. Ein Künstler, der den schlichten Namen „Müller" trägt, meint vielleicht, er habe mehr Erfolg, wenn er unter dem Namen „Molinarius" auftritt. Dies darf er. Im amtlichen Verkehr bleibt er allerdings „Herr Müller". Der Künstlername ist auch gegen Missbrauch durch Dritte geschützt, hat also auch eine Namensfunktion. f) Ordensnamen Personen, die in einen katholischen Mönchs- oder Nonnenorden eintreten, pflegen von ihren Ordensoberen einen neuen Namen zu erhalten. Dies ist keine Namensänderung im Sinne des weltlichen Namensrechts. Für das weltliche Recht ist diese Erteilung des Ordensnamens ohne Relevanz. 4. Erwerb des Namens138 Das deutsche Recht kennt nur eine beschränkte Namensautonomie. Der Vorname wird dem neugeborenen Kinde von den Eltern gegeben. Das Kind ist an den Vornamen gebunden, den ihm seine Eltern gegeben haben, mag es den Namen auch hässlich finden und nicht lieben. Das Kind erhält bei der Geburt den Familiennamen der Eltern. Führen die Eiternteile unterschiedliche Namen, so bestimmen sie einvernehmlich, was als Familienname gilt und daher von den Kindern kraft Gesetzes zu führen ist (BGB § 1616). Der Name kann nicht frei geändert werden, auch nicht seine Schreibweise (z.B. „Mueller" in „Müller" oder „Carl" in „Karl"). Eine Änderung ist nur durch den Staatsakt der Namensänderung möglich, die im Ermessen der zuständigen Behörde steht139. Die Namensänderung erfolgt nur auf Antrag des Namensträgers. Dabei unterliegt es dem Ermessen der Behörde, ob sie dem Antrag folgen will. Es besteht die berechtigte Tendenz, Namen nicht ohne wichtigen Grund zu ändern, weil bei Änderungen die Feststellung der Identität und der Abstammung erschwert wird. Doch gibt es triftige Gründe für eine Namensänderung, wenn ein Name Spott hervorruft oder peinlich wirkt. Ferner wird bei oft vorkommenden Namen eine Änderung im 138 Zum folgenden vgl. Sebastian-Johannes v. Spoenla-Metternich, Namenserwerb, Namensführung und Namensänderung unter besonderer Berücksichtigung der Namensbestandteile, 1997. 139 Namensänderungsgesetz vom 5.1.1938, RGB1.I S.9 = BGBl. III 401-1; Minderheitennamensänderungsgesetz v. 22.7.1997, BGBl. I I S. 1406.

124

B. Die natürlichen Personen

allgemeinen zugelassen, um die Identifizierung zu erleichtern; dies geschieht meistens durch Hinzufügung eines Zweitnamens (z.B. „Meyer-Braun"). Änderungen des Familiennamens auf Grund familienrechtlicher Vorschriften kommen wesentlich öfter vor als auf Grund von verwaltungsbehördlichen Staatsakten. Am wichtigsten ist die Eheschließung, bei der einer der Ehegatten den Namen des anderen Ehegatten anzunehmen pflegt (BGB § 1355). Auch die Annahme an Kindesstatt (BGB § 1757) und die Ehelicherklärung führen zur Namensänderung (BGB §§ 1737, 1740g). 5. Akademische Grade Die akademischen Grade (Doktor, Magister, Diplom-Grad, Baccalaureus) sind keine Namensbestandteile, werden aber in bestimmter Hinsicht wie Namen behandelt. Sie werden wie der Nachname geführt, sie können Teil der Anrede sein und bleiben dem Träger sein Leben lang erhalten. Der Doktorgrad kann in den Personalausweis und in den Reisepass eingetragen werden. Er ist Ausdruck einer bestimmten Leistung und Würdigkeit. Der akademische Grad unterscheidet sich deutlich vom Namen. Er geht nicht auf die Kinder über. Die Ehefrau, die bei der Heirat den Namen ihres Mannes erhält, darf seinen akademischen Grad nicht führen. Der Professortitel ist nicht so eng mit der Person verbunden wie der akademische Grad. Er gehört daher nicht zu den akademischen Graden. Er wird daher auch nicht in den Reisepass und in den Personalausweis eingetragen 140. 6. Die Personennummer Der nummerierte Mensch ist für viele Menschen eine Horrorvision. Der Name verleiht dem Menschen seine Individualität. Wird der Mensch nur mit einer Nummer gekennzeichnet, so erscheint dies als eine Verletzung der Menschenwürde, denn die Personennummer ist mit jeder anderen Nummer beliebig auswechselbar. Sie bleibt unpersönlich. In der Benutzung von Nummern anstelle von Namen kann eine Erniedrigung liegen. Dies war z. B. ausdrücklich gewollt, wenn das Personal der Siegermächte des 2. Weltkrieges die Kriegsverbrecher im Spandauer Gefängnis nur mit Nummern und nicht mit Namen angeredete. Gleichwohl kommt die moderne Verwaltung nicht ohne Personennummern aus, weil die elektronische Verarbeitung vieler Verwaltungsvorgänge dies verlangt. Jeder Mensch hat in seinem Reisepass und in seinem Personalausweis eine Nummer. Aber dies ist keine Nummer in dem Sinne, dass sie gewissermaßen den Namen ersetzen 140 Zum Rechtscharakter der Bezeichnung „Professor": Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, S. 532 ff.

V. Der Name

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will. Es handelt sich nur um Signale, die für die elektronische Datenverarbeitung bestimmten Personen zugeordnet werden und zugleich die Identität sicherstellen. Etwas anders steht es mit der Personennummer des Sozialrechts. Das Recht spricht zwar von Kennzeichen (§ 293 SGB V). Gemeint sind aber Personenkennzeichen. Im Verkehr zwischen den Dienststellen, die an der Krankenversorgung nach SGB V teilnehmen, werden nicht mehr Namen, sondern Kennzeichen verwandt, die sich aus einer Kombination von Zahlen zusammensetzen, die ihrerseits teilweise auf persönlichen Daten (Geburtstag) fußen. Gegen derartige verwaltungstechnische Vereinfachungen bestehen keine Bedenken unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der Menschenwürde. Wichtig ist nur, dass im Verkehr nach außen, insbesondere im Schriftverkehr der Name („Sehr geehrte Frau Schön") begleitet von den üblichen Höflichkeitsformeln benutzt wird.

7. Bezeichnungen für die elektronische Kommunikation Ein ganz neues Kapitel des Personenrechts hat die elektronische Kommunikationstechnik, insbesondere das Internet und das e-mail eröffnet. Dass es sich hierbei um einen Fortschritt der Kommunikationstechnik handelt, unterliegt keinem Zweifel. Der Teilnehmer am Internet, der nicht nur Informationen aufnehmen will, indem er im Internet „surft", sondern der eine elektronische Anschrift benötigt, um im Netz stets erreichbar zu sein, braucht eine „homepage" (Website), zu der auch eine Kurzbezeichnung gehört, unter der er angesprochen werden kann. Auch diese Anschrift sowie die e-mail-Adresse genießen einen dem Namensschutz vergleichbaren Schutz141. Die neuen technischen Entwicklungen führen auch im Namensrecht zu neuen Problemen. Das gilt vor allem für die Kennzeichnung der eigenen Adresse („homepage" und „e-mail-Adresse") im Internet. Die Ausweitung des Internets mit zahllosen Teilnehmern stellt vor die Frage, ob diese Adressen überhaupt Namen sind, inwieweit sie dem Namensschutz unterstehen und wie sie - vor allem im internationalen Verkehr - gerichtlich geschützt werden können. Denn es handelt sich hierbei um Kennzeichen, die auch wettbewerbsrechtlich für viele Internet-Teilnehmer von großer Bedeutung sind 142 . Bei den vielen Internet-Adressen besteht im Rahmen der für das Internet geltenden Regeln eine Freiheit der Namensgebung. Allerdings hat auch dieser Grenzen. Wenn man davon ausgeht, dass im Internet niemand dieselbe Adresse führen darf wie ein anderer Teilnehmer, so kann die Wahl des Namens zu erheblichen Wettbewerbsverzerrungen führen. Das OLG Hamburg hat daher die Verwendung des 141 KG, NJW 1997, 3321; OLG Hamm, NJW RR 1998, 909; Jens Florstedt, kennzeichenidentitaet.de, 2001. 142 Jens Bucking, Namens- und Kennzeichenrecht im Internet, 1999.

www.

126

. Die

richen Personen

Wortes „Mietwohnzentrale" ohne weiteren Zusatz als unzulässig angesehen, weil dadurch der Wettbewerb unter den Mietwohnzentralen unzulässig blockiert wird 143 . Ein weiteres Problem stellt die Tatsache, dass die Herkunft einer elektronischen Nachricht u. U. zweifelhaft sein kann. Insbesondere bestehen Probleme mit der Feststellung der Identität des Absenders einer elektronischen Information. Hier hilft die Signaturmarke 144, die durch eine PIN 1 4 5 gesichert wird. Die PIN tritt an die Stelle der Unterschrift. Die digitale Signatur hat ihre Regelung im Signaturgesetz gefunden 146 Ob sie wirklich im Rechtsleben eine Bedeutung gewinnen kann, ob sie insbesondere im Verwaltungsverfahren, vor den Gerichten und im Notariatswesen einsetzbar ist und Ersparnis- und Beschleunigungseffekte bringt 147 , steht noch nicht fest.

VI. Das Handeln der natürlichen Person Rechtshandlungen haben stets einen personalen Bezug, weil sie von Personen ausgehen. Daher gehören auch die Regeln, die für das rechtlich relevante Handeln gelten, zum Personenrecht. Andererseits rufen sie auch vermögensrechtliche Wirkungen hervor und gehören damit zum Vermögensrecht. Sie sind deshalb vor allem dem Personenrecht zuzuordnen, weil der wichtigste Fall der Rechtshandlung, die Willenserklärung, persönlich bewusst und gewollt abgegeben sein muss. Hinter den Rechtshandlungen steht daher in der Regel der ganz persönliche Wille, der für die Rechtswirkung notwendig ist. Hierbei ergibt sich zugleich unter dem Gesichtspunkt der innerdeutschen Rechtsvergleichung zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht eine Fülle von Einsichten, die für die Herausbildung eines „Allgemeinen Rechts" als gemeinsamer Normenbestand des privaten und des öffentlichen Rechts von Interesse ist. 1. Realhandlungen Rechtlich bedeutsame Handlungen können alle Menschen vollbringen, auch das kleine Kind und der geistig nicht Zurechnungsfähige. Ihre eigenen Realhandlungen 143

Urteil vom 13.7.1999, Az.3 U58/98. Friedrich KinkertlFlorian Schwab, Signaturmarken, FS Gündisch, 1999, S.35ff; Albrecht v.Harnier, Organisationsmöglichkeiten für Zertifizierungsstellen nach dem Signaturgesetz, 2000; Anja Miedbrodt, Signaturregulierung im Rechtsvergleich, 2000; Alexander Roßnagel, Die elektronische Signatur im Verwaltungsrecht, DÖV 2001, 221 ff. 145 Persönliche Identifizierungsnummer. 146 Art. 3 des G. zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienste, v. 22.7.1997, BGB1.I S. 1869, mit DVO vom 22.10.1997, BGBl. IS. 2498. 147 Sehr optimistisch: Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie/Deutscher Städtetag (Hrsg.), Digitale Signatur auf der Basis multifunktionaler Chipkarten - ein Leitfaden, 1999. 144

VI. Das Handeln der natürlichen Person

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haben nicht alle Menschen zu verantworten. Aber sie werden ihnen dennoch zugerechnet, weil sie diese verursacht haben. Wenn das Kind von einer fremden Sache Besitz ergreift, so besteht auch für das Kind die Eigentumsvermutung des Besitzers (BGB § 986). Auch die Beschädigung einer Sache durch ein Kind ist rechtlich keineswegs ein „nullum". Nur die Frage der Haftung stellt sich anders als beim Erwachsenen. Weil das Kind den Schaden verursacht hat, haften die Eltern oder andere Aufsichtspersonen u. U. für den Schaden (BGB § 832). Dies dürfte auch für Realhandlungen im öffentlich-rechtlichen Bereich gelten, d. h. für Schäden, die Kinder an öffentlichen Sachen verursachen (z. B. in der Schule), obwohl insoweit allgemeine Vorschriften fehlen. 2. Willenserklärungen Im Gegensatz zu den Realhandlungen stehen die Willenserklärungen. Sie entfalten eine Rechtswirkung nicht nur, weil sie tatsächlich vorgenommen worden sind, sondern vor allem deshalb, weil ein persönlicher Wille sie erzeugt hat und weil dieser mit einem Rechtsfolgewillen verbunden ist. Für eine freiheitliche, auf der freien Personalität der Rechtssubjekte beruhende Rechtsordnung hat die Willenserklärung zentrale Bedeutung. Sie ist die Möglichkeit, mit der eine Person bestimmte Rechtsverhältnisse gestalten kann. Rechtsverhältnisse entstehen auch durch hoheitlichen Willensakt, z. B. durch Gesetz oder Verwaltungsakt. In der Willenserklärung aber stimmt grundsätzlich der Wille auf einen Rechtserfolg und der Rechtserfolg selbst überein. Die Willenserklärung gibt der Person Rechtsmacht zur Erzielung eines rechtlichen Erfolges. Die Möglichkeit, Willenserklärungen abzugeben, ist mit der Person verbunden. Jede Person hat diese Rechtsmacht. Freilich kann nicht jede Person diese Rechtsmacht selbst ausüben. Das Recht schränkt sie durch den Begriff der Geschäftsunfähigkeit ein; nur wer von Gesetz für fähig erklärt wird, ein Rechtsgeschäft vorzunehmen, kann die Willenserklärung selbst abgeben. Aber auch für den nicht Geschäftsfähigen kann durch dessen Vertreter eine Willenserklärung abgegeben werden. Sie wird ihm wie eine von ihm selbst abgegebene Willenserklärung zugerechnet. In der Begrenzung der Möglichkeit, selbst Rechtsgeschäfte vorzunehmen, liegt ein Eingriff des Gesetzgebers in das Personenrecht von großer Bedeutung. Daher bleiben hier immer Zweifel, wie weit derartige Eingriffe gehen dürfen. In Frage kommen Eingriffe in die Geschäftsfähigkeit aus Gründen des fehlenden Alters, der fehlenden geistigen Einsichtsfähigkeit, der Schwäche des eigenen Willens und der körperlichen Schwäche. Grundsätzlich dienen derartige Einschränkungen der Geschäftsfähigkeit dem Schutze der Person und ihres Vermögens. Denn die Ausübung eines Rechtes, der Verfügung über ein Recht kann auch zum risikoreichen Handeln werden, insbesondere wenn damit Verpflichtungen verbunden sind, z. B. mit der Abgabe einer Bürg-

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schaftserklärung oder mit dem Kauf einer wertvollen Sache oder einem lang andauernden Dauerschuldvertrag. Das Gesetz muss daher eine Norm finden, um derartige nachteilige oder risikobehaftete Willenserklärungen nicht wirksam werden zu lassen. Es tut dies über eine personenrechtliche Regelung, indem es bestimmten Personen die Fähigkeit abspricht, Willenserklärungen abzugeben. Daneben kennt das Recht auch eine andere Rechtsform, um Willenserklärungen unwirksam zu machen. Das geschieht vor allem über den Begriff des Irrtums (BGB §119). Allerdings reichen die Schutzwirkungen der Irrtumsregelung nicht so weit wie die der Geschäfts- und Handlungsunfähigkeit. Das Gesetz honoriert nur den freien Willen. Der aufgezwungene Wille ist rechtlich grundsätzlich unbeachtlich. Auch hierin liegt ein Schutz der Person. Allerdings hat das Gesetz hierbei differenziert. Teilweise geht es von der Nichtigkeit von Willenserklärungen aus. In den minder schweren Fällen der Willensverfehlung, z. B. beim Irrtum, gibt die Rechtsordnung der natürlichen Person ein Wahlrecht. Der Getäuschte kann entweder die Willenserklärung anfechten und damit einseitig die Rechtswirkungen der Willenserklärung zerstören. Oder er kann auch darauf verzichten und damit die Vorteile, die er möglicherweise trotz der Täuschung aus der Willenserklärung hat, behalten. Das Recht kennt noch eine weitere Möglichkeit, den Willen der Person unwirksam zu machen. Die Willenserklärung kann zu Wirkungen führen, die die Rechtsordnung nicht billigt. Dies ist dann der Fall, wenn die guten Sitten durch das Rechtsgeschäft verletzt werden. Dies nimmt die Rechtsordnung nicht hin und knüpft an den Willen keine Rechtsfolgen (BGB § 138). Allerdings gilt dies nur für Erklärungen des Bürgers, mögen diese dem bürgerlichen oder dem öffentlichen Recht zuzuordnen sein. Handelt die Verwaltung in einer entsprechend zu missbilligenden Weise, steht hierfür die Rechtsfigur des nichtigen Verwaltungsaktes zur Verfügung, die an andere Voraussetzungen als das BGB für die Fälle der Nichtigkeit anknüpft VwVfG (§44). Die Willenserklärung ist ein Instrument, das für alle Teile der Rechtsordnung gilt, das materielle bürgerliche und öffentliche Recht sowie für das Verfahrensrecht. Allerdings behandelt die Rechtsordnung die öffentlichrechtlichen und die privatrechtlichen Willenserklärungen - wie gezeigt - nicht in allen Fällen gleich (BGB §§ 108 f.). Soweit es um bestimmte Zustände der Person geht, das Alter, die geistige und körperliche Fähigkeit zur Abgabe von Erklärungen, also um die Geschäftsfähigkeit, bestehen grundsätzlich keine Unterschiede zwischen dem privaten und dem öffentlichen Recht. Insoweit erweist die im BGB geregelte Geschäftfähigkeit (§§ 101-107) als ein Rechtsinstitut des Allgemeinen Rechts. Die rechtlichen Lösungen im Einzelnen gehen situations- und personenbedingt auseinander. Insbesondere gelten, soweit die öffentliche Verwaltung handelt, andere

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Regelungen als für den Bürger, mag dessen Handeln dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zuzuordnen sein. Dies ergibt sich auch daraus, dass der Staat grundsätzlich nicht als natürliche Person, sondern als juristische Person handelt. Die Willenserklärung hat nicht nur eine aktive, sondern auch eine passive Seit, nämlich die Entgegennahme von Erklärungen. Auch hierzu bedarf es der Regeln, die vom Gesetz grundsätzlich ebenso geordnet sind wie bei der Abgabe einer Willenserklärung.

3. Willensmängel Inwieweit ein fehlerhafter Wille (nicht ernst gemeinte Erklärung, Handeln auf Grund von Täuschung, Arglist oder Irrtum) durch Anfechtung des Erklärenden unwirksam gemacht werden kann oder ipso jure unwirksam (nichtig) ist, ist für das bürgerliche Recht in BGB §§ 116 bis 124 bestimmt. Für öffentlich-rechtliche Erklärungen der Bürger gibt es keine entsprechende allgemeine Vorschriften zu diesem Gegenstand. Für die Behörden findet sich, soweit es sich um Verwaltungsakte handelt, eine umfassende Regelung in VwVfG §§48-51 VwVfG 1 4 8 . Für die Zusicherungen, d. h. behördliche Willenserklärungen, durch eine Verpflichtung der Behörde zum Handeln oder Unterlassen übernommen wird, sagt VwVfG § 38 das Erforderliche, freilich nur soweit der Erlass eines Verwaltungsaktes zugesagt wird. Insbesondere wird hier die „clausula rebus sie stantibus" ausdrücklich eingeführt, d. h. die Verpflichtung der Behörde zum Festhalten am gegebenen Wort gegenüber dem Bürger ganz erheblich gelockert. Für öffentlich-rechtliche Erklärungen, die keine Verwaltungsakte sind, fehlt es an einer Normierung der Willenmangel-Probleme völlig. Derartige Fragen sind daher weitgehend durch andere Regeln als im bürgerlichen Recht zu lösen. Dabei spielt der Gedanke des Rechtsstaates, d. h. der Aufhebung von Mängeln, die zugleich Rechtsfehler sind und die öffentliche Ordnung einschließlich der Bestandkraft öffentlich-rechtlicher Handlungen zugunsten des Bürgers eine entscheidende Rolle, wobei evident ist, dass hierbei teilweise widersprüchliche Prinzipien zur Anwendung kommen. Unklar ist vor allem, was für die Willenmängel bei Erklärungen der Bürger gegenüber der Verwaltung gilt. Soweit ein Verfahren zu einem öffentlich-rechtlichen Vertrag führt, gilt das BGB 1 4 9 . Sicher ist daher, dass die Vorschriften des BGB bei Verfahren, die zu einem Verwaltungsakt führen, nicht ohne weiteres in das öffentliche Recht übertragen werden können. Immerhin gibt es Fallgruppen, für die die Re148 Und in den entsprechenden Vorschriften der §§ AbgO 130ff. und der §§44ff. SGB I. Das Beamtenrecht enthält für die Rücknahme von Beamten-Ernennungen eine Sonderbestimmung, BRRG § 9. 149 VwVfG §§ 59 Abs. 1, 62 Satz 2.

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geln des BGB anwendbar sind, z.B. insbesondere die erkennbar nicht ernsthaft gemeinte sowie die sittenwidrige Willenserklärung. Die Täuschung und die Arglist gegenüber der Behörde sind dagegen nicht nach dem BGB zu regulieren. Hier ist zu unterscheiden. Ergeht im Falle der Täuschung der Behörde durch den Bürger ein Verwaltungsakt, so gilt VwVfG § 48 Abs. 2. Täuscht dagegen die Behörde den Bürger durch unrichtige Auskünfte o. ä., so muss der Bürger, der in dem Verwaltungsverfahren eine verbindliche Erklärung abgegeben hat, sich von seiner Erklärung lossagen. Ist ein Verwaltungsakt ergangen, so liegt ein Verfahrensfehler vor, der den Verwaltungsakt anfechtbar macht, wobei die Sondervorschriften der VwVfG §§45, 46 zu beachten sind. Unklar sind die Fälle, in denen die Behörde schuldlos oder nur fahrlässig falsche Auskünfte gegeben hat und der Bürger darauf eine Erklärung abgegeben hat, die unmittelbare Rechts Wirkungen entfaltet, z. B. einen Verzicht oder eine Kündigung, oder wenn der Bürger es wegen einer Täuschung unterlassen hat, Rechtsmittel einzulegen. Diese Probleme sind nicht positivrechtlich geregelt. In diesen Fällen ist eine Lösung angemessen, die es auf die Sphäre abstellt, in der der Fehler seine Ursache hat. Liegt die Ursache in der Sphäre der Verwaltung, so muss der Bürger die Möglichkeit haben, seine Erklärung unwirksam zu machen. Das gilt nicht nur dann, wenn die eingetretene Folge rechtswidrig war, sondern auch dann, wenn sie rechtmäßig war, der Bürger aber die eingetretene Rechtsfolge nach dem nunmehrigen neuen Erkenntnisstand nicht will. Praktisch kann dies nur durch Anfechtung des Verwaltungsakts geschehen, der möglich sein muss, auch wenn diese Art der Anfechtung positiv-rechtlich nicht geregelt ist. Wie im bürgerlichen Recht verursachen auch im Verwaltungsrecht die Fälle des Irrtums die Hauptprobleme. BGB § 118 (Mangel der Ernstlichkeit) kann nicht entsprechend angewandt werden. Soweit es sich um einen Irrtum im Verfahren handelt, muss eine leichtere Korrektur durch den Bürger möglich sein. Dem Bürger muss es grundsätzlich erlaubt sein, einen Verfahrensantrag zurückzunehmen oder zu ändern, wenn er feststellt, dass die Voraussetzungen für seine Erklärung nicht vorlagen oder seine Erklärung schlicht unzweckmäßig ist. Allerdings besteht die Möglichkeit dieser leichteren Änderung nicht, wenn ein Drittbetroffener im Verwaltungsverfahren beteiligt ist oder wenn die Behörde bereits entschieden hat. Dann kommt nur eine Anfechtung des Verwaltungsakts in Frage, die allerdings in der Regel keinen Erfolg haben wird, weil der Verwaltungsakt rechtmäßig ist. Bei Erklärungen, die nicht das Verfahren, sondern das materielle Recht betreffen, z. B. bei Verzichtserklärungen, Einwilligungen, Kündigungen u. ä. stellt sich die Frage, inwieweit ein schützenswertes Interesse der Verwaltung besteht, den Bürger, der sich geirrt oder sich später anders entschlossen hat, an seiner Erklärung festzuhalten. Es dürfte hier zwei Fallgruppen geben. Muss die Verwaltung ihrerseits noch einen Akt erlassen, durch den die Erklärung des Bürgers vollzogen wird, z. B. beim Antrag auf Entlassung aus dem Beamtenverhältnis, so wird dem Bürger mehr Frei-

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heit eingeräumt, einen Antrag zurückzunehmen (BBG § 30 Abs. 1). Aber auch hier gibt es keine volle Freiheit der Rücknahme einer Erklärung 150. Hat die Erklärung dagegen eine unmittelbare Rechtswirkung, z.B. der Rücktritt von einem gemeindlichen Ehrenamt, wird insbesondere auch ein Dritter durch die Erklärung begünstigt, z. B. ein Nachrücker auf der Liste bei Gemeinderatsmitgliedern, so kann dem irrenden Amtsinhaber nicht das Recht eingeräumt werden, seine Erklärung beliebig zurückzunehmen. Hier kann man den Irrtum als Rücknahmegrund überhaupt nicht zulassen. In diesen Fällen muss die Rechtssicherheit Vorrang haben. Die Entscheidung darüber, inwieweit ein Irrtum des Bürgers diesem die Möglichkeit eröffnet, seine Willenserklärung zurückzunehmen, hat anhand der Wertungsprinzipien zu erfolgen, die für das Verhältnis von Bürger und Behörde in dem betreffenden Rechtsbereich gelten. Ein Irrtum oder auch nur eine Neubewertung im Bereich des Gesundheits- und Sozialrechts ist sicherlich anders zu bewerten als im Abgaben- und Ordnungsrecht. Das aber heißt, dass es im Verwaltungsrecht keine einheitliche Entscheidung geben kann, sondern die aus der Wertung des jeweiligen Sachzusammenhangs zu entnehmen ist. 4. Die Stellvertretung a) Allgemeines Die Rechtsordnung geht grundsätzlich davon aus, dass die Rechtswirkungen, soweit sie auf Willenserklärungen beruhen, von demjenigen persönlich erzeugt werden, dessen Rechte durch die Willenserklärung betroffen werden. Jede Person verfügt über ihre eigenen Rechte, und zwar grundsätzlich allein. Die Rechte sind mit der Person auch dadurch verbunden, dass die Person als Rechtsinhaber über die Rechte kraft einer ganz persönlichen Willenserklärung verfügt und sie gestaltet. Der Rechtsverkehr verlangt allerdings Ausnahmen von dieser personalen Bindung des Rechts an seinen Inhaber. Es muss die Möglichkeit bestehen, daß auch ein Dritter für den Rechtsinhaber kraft Willenserklärung handelt mit der Folge, dass die Willenserklärung, die der Dritte abgegeben hat, so angesehen wird, als ob sie vom Rechtsinhaber abgegeben worden sei. Diese Frage wird durch das Rechtsinstitut der Stellvertretung bewältigt. Die Stellvertretung ist eine notwendige, zugleich aber u. U. tief eingreifende Möglichkeit der Verfügung über fremde Rechte. Dabei geht es nicht nur um die Stellvertretung kraft Vollmacht, sondern vor allem um die gesetzliche Vertretung (z. B. der Eltern) und um die Vertretung durch einen Vertreter, der durch die Behörde eingesetzt worden ist (Betreuer, Insolvenzverwalter). 150

Dies erscheint auch angesichts der Parallele zum Recht der Angestellten im öffentlichen Dienst angemessen, für deren Kündigung streng die Vorschriften des BGB (mit arbeitsrechtlichen Besonderheiten) über Willenserklärungen gelten. 9*

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Das Problem der Vertretungsmacht taucht auch im öffentlichen Recht auf. Soweit es sich um die Vertretung im Rahmen des Verwaltungshandelns handelt, betrifft sie allerdings nur die juristischen Personen als Träger von Aufgaben der Verwaltung. Dies ist kein Problem der natürlichen Personen. Immerhin können auch öffentlichrechtliche Probleme vorkommen, z. B. bei Beliehenen (Notar und vereidigter Vermessungsingenieur). Der Notariatsakt und die Abmarkung des Vermessungsingenieurs sind auch Willenserklärungen öffentlich-rechtlicher Art. Hier gilt zweifellos nicht das allgemeine Recht der BGB-Stellvertretung. Kann der Notar oder der Vermessungsingenieur die Akte nicht selbst vollziehen, so kann er hierfür nicht einen Vertreter bestellen. Die Bestellung muss stets durch die Behörde erfolgen. Begibt sich ein Bürger zum Notar A und ist dieser nicht anwesend, so kann der mit A zur gemeinsamen Berufsausübung verbundene Notar B den Notariatsakt vollziehen, ist aber niemals Stellvertreter des A, sondern handelt im eigenen Namen und unter alleiniger eigener Verantwortung. b) Vollmacht Die Begründung des Stellvertretungsverhältnisses kann in erster Linie durch Bevollmächtigung erfolgen, d. h. durch eine Willenserklärung des Rechtsinhabers zugunsten einer bestimmten anderen Person mit der Folge, dass nunmehr die andere Person anstelle des Rechtsinhabers handeln kann. Hierdurch wird das Persönlichkeitsrecht nicht eingeengt, weil die Entscheidung auf dem freien Willen des Rechtsinhaber beruht, seine persönliche Qualität als zur Abgabe einer Willenserklärung Berechtigter auf einen anderen zu übertragen. Die auftauchenden Fragen der Vollmacht pflegen daher auch nicht personenrechtlicher, sondern vermögensrechtlicher Art zu sein (BGB §§ 164ff.). c) Gesetzliche Vertretung Anders steht es mit der gesetzlichen Vertretung. Die gesetzliche Vertretung betrifft vor allem die nicht oder nur beschränkt Geschäftsfähigen, d. h. die Kinder und die Jugendlichen (BGB §§ 104ff.). Da die Geschäfte des Kindes, das das siebente Lebensjahr noch nicht vollendet hat, stets nichtig sind (BGB § 105 Abs. 1) und des Jugendlichen, der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zu ihrer Wirksamkeit grundsätzlich der Zustimmung bedürfen (BGB §§ 107, 108), ist bei ihnen eine gesetzliche Vertretung eingerichtet. Damit fehlen dem Kind und dem Jugendlichen noch wesentliche Rechte, die notwendig zum Recht der Person gehören. Dies ist verfassungsrechtlich durch Art. 6 Abs. 2 GG legitimiert. Rechtspolitisch fraglich ist es, wann die Volljährigkeit einsetzen soll. Diese Frage ist verfassungsrechtlich nicht festgelegt, sondern dem einfachen Gesetzgeber überlassen, der sich für die Vollendung des 18. Lebensjahres entschieden hat. Es ist ein Kompromiss zwischen der Notwendigkeit des Schutzes zugunsten des Jugendlichen

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vor seinem eigene Leichtsinn und dem Recht des Jugendlichen, seine verfassungsrechtlich verbürgte Handlungsfreiheit (GG Art. 2 Abs. 1) - mit allen daran hängenden Risiken - wahrzunehmen. d) Vertretung

kraft behördlicher Anordnung

Auch der Erwachsene bedarf in bestimmten Fällen des Schutzes gegen sich selbst, den die Rechtsordnung dadurch leistet, dass sie bestimmten Personen die Fähigkeit abspricht, rechtlich verbindliche Handlungen vorzunehmen, und statt dessen Vertreter bestellt, die für die Person handeln. Der praktisch wichtigste Fall hierfür ist der Betreuer nach BGB § 1902. Dabei gibt es insbesondere die Rechtsfigur des Einwilligungsvorbehalts. Danach ist der Betreute zwar in seiner Handlungsfähigkeit nicht beschränkt. Aber zur Wirksamkeit von Rechtshandlungen des Betreuten bedarf es der Einwilligung des Betreuers, wenn die Handlungen zum Aufgabenkreis des Betreuers gehören. Die wichtigsten persönlichen Erklärungen wie die Eingehung der Ehe und die Errichtung einer letztwilligen Verfügung sind vom Einwilligungsvorbehalt ausgeschlossen. Nicht zu der hier behandelten Fragestellung gehört der Insolvenzverwalter 151. Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens verliert der Insolvenzschuldner das Recht, über sein Vermögen zu verfügen. An seine Stelle tritt der vom Gericht bestellte Verwalter. Dies ist keine personenrechtliche Regelung, weil es nur darum geht, das Vermögen des Insolvenzschuldners zum Zwecke der Vollstreckung zu sichern. Der Insolvenzschuldner bleibt fähig, selbst zu handeln, soweit seine Handlungen nicht das dem Insolvenzverfahren unterworfene Vermögen betreifen.

VII. Die natürliche Person als Inhaber personaler Rechte 1. Allgemeines a) Ausübung von Rechten Das Recht zur Ausübung von Rechten, d. h. nicht nur das u. U. ganz unpersönliche Haben von Rechten, sondern die persönliche Entscheidung zur Wahrnehmung von Rechten, ergibt sich aus Art. 2 Abs. 1 GG, dem Recht auf freien Entfaltung der Persönlichkeit. Dieses Recht gilt - wie alle Grundrechte - gegenüber dem Staat und allen juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Es gilt auch gegenüber dem Gesetzgeber, der dieses Recht nicht unverhältnismäßig beschneiden darf. Und es hat Reflexwirkungen in die Gesellschaft hinein, sodass das Recht auf Ausübung von Rechten auch gegenüber Privaten wirksam wird 152 . 151 152

Insolvenzordnung §§56ff.; vgl. ferner UmwG §308. BVerfGE 34, 280 ff.

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Allerdings ist dieses Recht durch die Rechte anderer, die verfassungsmäßige Ordnung und das Sittengesetz beschränkt. Bei dieser Schrankentrias kommt in der Praxis der verfassungsmäßigen Ordnung die größte Bedeutung zu, weil nach der Rechtsprechung des BVerfG, die allgemeine Anerkennung gefunden hat, nach dieser Schranke alle verfassungsmäßigen Normen, die verhältnismäßig sind, die allgemeine Handlungsfreiheit, d. h. auch die Rechtsausübungsfreiheit einschränken können 153 . Was im einzelnen zu den Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG gehört, lässt sich abschließend nicht beschreiben. Es gehören hierzu wirtschaftliche Rechte, wie die Wettbewerbsfreiheit 154, und ganz persönliche Rechte wie das Recht, nicht ausspioniert zu werden 155, aber auch das Recht auf Leben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. GG Art. 2 Abs. 1 ist der Kernpunkt des materiell-rechtlichen Personenrechts 156. b) Verfahrensrechte Materielle Rechte sind nur dann etwas wert, wenn der Rechtsinhaber einen Zugang zu den Behörden und Gerichten hat, um seine Rechte geltend zu machen und zu verteidigen oder sich gegen Verpflichtungen zu wehren, die er nicht für berechtigt hält. Ferner gehört dazu die Möglichkeit, einen Vollstreckungstitel zu erwirken und diesen im Vollstreckungsverfahren durchzusetzen. Daher ist mit den materiellen Rechten grundsätzlich auch das Recht auf Durchsetzung der Rechte mit Hilfe der staatlichen Gewalt gegeben, wobei die staatliche Gewalt Verfahren zur Verfügung stellt, um in diesen Verfahren rechtstaatlich zu klären, ob das geltend gemachte Recht wirklich besteht. Auf dieser Erwägung beruhen GG Art. 19 Abs. 4 GG und EMRK Art. 6 und die Verpflichtung des Staates zur Herstellung eines effektiven Rechtsschutzes157, wozu auch die sachgerechte Kontrolldichte gehört. Zwar ist es gerade bei persönlichen Rechten zuweilen schwer, das Recht durchzusetzen, wie das Recht auf die persönliche Ehre oder das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Beschädigungen derartiger persönlicher Rechte sind oft irreparabel. Daher ist die heutige deutsche Rechtsordnung - im Gegensatz zur Ursprungsfassung des BGB - mehr und mehr dazu übergegangen, anstelle der irreparabel geschädigten persönlichen immateriellen Rechte materielle Rechte zu geben, d. h. materielle Schadensersatz wegen immaterieller Schäden als berechtigt anzuerkennen. In153

BVerfGE 17, 313f.; 19, 348f.; 20,159; 27, 350; 34, 245f. BVerwG DVB1. 1982, 693. 155 BVerwG DVB1.1982,693; BGH NJW 1964,165; ebd. 1982,1398; Christian Starck, in: Hermann v. Mangoldt/Friedrich Klein/Christian Starck, Das Bonner Grundgesetz, 3. Aufl. Art.2Rdnr.123. 156 Werner Hoppe, Die freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 GG) und die natürlichen Lebensgrundlagen, in: Hans-Uwe Erichsen/Helmut Kollhosser/Jürgen Welp (Hrsg.), Recht der Persönlichkeit, 1996, S. 73 ff. 154

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BVerfGE 53, 30ff., 65 (st.Rspr.); Hans-Jürgen Papier, HStR V I § 154 Rdnr. 15.

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sofern ergänzt das Vermögensrecht das Personenrecht, weil das Personenrecht in der Durchsetzung ein weitgehend imperfektes Recht ist. Das Recht auf Geltendmachung von Rechten ist dort ausgeschlossen, wo die Rechtsordnung ausdrücklich eine unvollkommene Verbindlichkeit konstituiert. Doch liegen die meisten Fälle, die ausdrücklich geregelt sind, im Vermögensrecht wie z. B. die Wettschulden (BGB § 762). Aber auch das Personenrecht kennt derartige nicht durchsetzbare Rechte. Beispiel hierfür ist das Eheversprechen. Aus dem Verlöbnis kann nicht auf Eingehung der Ehe geklagt werden (BGB § 1297 Abs. 1). Nur Nebenwirkungen sind einklagbar (BGB §§ 1298 ff.). c) Wahrnehmung von Pflichten Zum Recht gehört regelmäßig auch die Pflicht und die Verantwortung. Eine Person ohne Pflichten und Verantwortung entspricht nicht dem Bild, das unsere Rechtsordnung von der freien und mündigen Person entworfen hat. Die Rechtsordnung ist eine synallagmatische Ordnung, in der jedem Recht grundsätzlich eine Pflicht gegenüber steht. Der Gedanke der ausgleichenden Gerechtigkeit, der seit der Antike (Aristoteles) neben der austeilenden Gerechtigkeit eine der beiden Säulen der Gerechtigkeit ist, ist für den Rechtsstaat unaufgebbar. Daher verlangt auch die Rechtsordnung, dass Pflicht und Verantwortung zum Haben von Rechten gehört. Gerade hier zeigt sich die personale Komponente, weil Pflicht und Verantwortung auch eine Einsichtsfähigkeit und die Fähigkeit, nach dieser Einsicht zu handeln, verlangt. Der nicht Geschäftsfähige ist daher nur bedingt verantwortlich und ebenso bedingt nur pflichtenfähig. Die Rechtsordnung kennt außerdem noch eine grundsätzliche Begrenzung der Verantwortung, das Verschulden. Insbesondere bei schadenstiftenden Ereignissen tritt eine rechtliche Verantwortlichkeit für das schädigende Handeln in der Regel nur ein, wenn der Schädiger schuldhaft gehandelt hat. Hier wird ein personales Element eingeschaltet, um eine Pflichtigkeit, insbesondere eine vermögensrechtliche Pflichtigkeit zu begründen. Inwieweit dies sachgerecht ist, ist zweifelhaft. Für viele Fallgruppen ist daher das Verschuldensprinzip durch das Verursachungsprinzip ersetzt worden. Der in der Praxis wichtigste Fall ist die Schädigung durch das Kraftfahrzeug, für das die Zufallshaftung ohne personalen Vorwurf gilt (StVG §§ 7 ff.). Allerdings gilt das nur für den vermögensrechtlichen Ausgleich der entstandenen Schäden, nicht dagegen für die strafrechtliche Haftung.

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2. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht a) Grundsätzliches Das allgemeine Persönlichkeitsrecht als zentrales Recht innerhalb der Gruppe der materiellen subjektiven Personenrechte ist durch die Rechtsprechung entwickelt worden. Die Entwicklung der frühen Bundesrepublik Deutschland mit der Entfaltung eines in seinen Maßstäben ausufernden Medienwesens, die berechtigte Sorge um den Schutz der Persönlichkeit und der Privatsphäre gegenüber den Medien, die Schwierigkeit, einen angemessenen Schutz durch die Strafrechtspflege zu sichern, nicht zuletzt auch die Erinnerung an die national-sozialistische Zeit mit ihrer Verachtung der freien Persönlichkeit haben das Bedürfnis nach einem zivilrechtlichen Persönlichkeitsschutz stärker werden und sich durchsetzen lassen158. Bahnbrechend war die Rechtsprechung des BGH 1 5 9 . Heute ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht durch die Rechtsprechung des BVerfG und damit allgemein anerkannt 160. Man kann es als das zentrale subjektive Personenrecht bezeichnen. In Frage steht, ob und inwieweit Persönlichkeitsrechte übertragbar sind und damit zu Vermögensrechten gemacht werden können. Zweifellos kommt nicht die Vermarktung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht als Ganzes in Betracht. Aber es stellt sich die Frage, inwieweit ein durch die Rechtsentwicklung erstarktes Persönlichkeitsrecht einen wirtschaftlichen Wert besitzt, der sich der Vermarktung öffnen könnte. So kommt eine Vermarktung des Namens und des Bildes Prominenter in Frage und wird vielfach realisiert. Die Publizierung von Namen und Bildern in den Massenmedien, die diesen einen hohen Gewinn abwerfen, schreien danach, dass die Objekte der Darstellung, die - wie z. B. Sportler und Schauspieler - wegen ihrer Leistungen berühmt geworden sind, an diesen Erträgen teilhaben. Daher bedarf die Lichtbildwerbung mit Stars und die Benutzung Prominenter zu Werbezwecken auch des rechtlichen Schutzes. Dadurch haben sich Personenrechte, die nicht zur Vermögenssphäre gehören, mehr und mehr zu Vermögensrechten entwickelt 161 . Seine materielle Grundlage findet das allgemeine Persönlichkeitsrecht in den Grundrechten 162. Der inhaltliche Bereich der Persönlichkeit, der durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht geschützt wird, ist weit 163 . Er umfasst insbesondere das Recht am eigenen 158 Hans-Erich Brandner, Das allgemeine Persönlichkeitsrecht in der Entwicklung durch die Rechtsprechung JZ 1983, 689ff.; Stefan Gottwald, Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht, 1996; Erichsen/Kollhosser/Welp (Hrsg.), darin insb. Albert Bleckmann, S. 9f.; Hans-Uwe Erichsen, S. 23 ff.; Hans D. Jarass, S. 89ff.; Wolfram Timm, S. 357 ff.; Rudolf Lukes S. 191 ff.; Valentin Petev, S. 235 ff. 159 BGHZ 13, 334 (Schacht). 160 BVerfGE 34, 269, 281; 54, 148, 151; 54, 208, 215; 99, 193; Hans D. Jarass, Das allgemeinen Persönlichkeitsrecht im GG, NJW 1989, 857; Jörg Lücke, DÖV 2002, 93 ff., 95. 161 Horst-Peter Gotting, Persönlichkeitsrechte als Vermögensrechte, 1995. 162 Hans D. Jarass, NJW 1989, 857 ff. 163 Gerda Müller, VersR 2000,797 ff. unter Nachweis der Rechtsprechung.

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Bild , das Recht an eigenen Wort , den Schutz der persönlichen Ehre , das Recht zur Führung des eigenen Namens und des erworbenen akademischen Grades 167 , das Recht auf informationelle Selbstbestimmung168, das Recht auf Verschonung durch eine Zwangsuntersuchung169, das Verbot der systematischen Observation 170 , die Privatheit der Sexualsphäre171 und die Nichtbelästigung durch Presseberichterstatter, insbesondere durch Bildberichterstatter 172. Durch das allgemeine Persönlichkeitsrecht wird auch das Recht der eigenen Lebensführung geschützt173. Das allgemeine Persönlichkeitsrecht findet seine Grenzen an anderen mit ihm konkurrierenden Grundrechten. Es steht z. B. in Konkurrenz mit dem Grundrecht der Kunstfreiheit. Hier stellt sich die Frage, inwieweit das allgemeine Persönlichkeitsrecht als Ausdruck des Art. 2 Abs. 1 GG zurückstehen muss, d. h. inwieweit Kunstwerke (schriftstellerische Werke, Bildwerke), die ehrverletzend wirken, rechtlich zulässig sind. An sich gibt Art. 5 Abs. 2 GG dem Recht der Ehre keinen Vorrang vor der Kunstfreiheit. Das Grundrecht des Art. 2 Abs. 1 GG steht mit dem Grundrecht des Art. 5 Abs. 3 in Konkurrenz und ist mit diesem in „Konkordanz" abzuwägen174. Ein ähnliches Problem stellt das Verhältnis von allgemeinem Persönlichkeitsrecht und Presse, bzw. Medienfreiheit, die nach Art. 5 Abs. 1 GG geschützt sind. Bei diesem Grundrecht greift - im Gegensatz zu den Grundrechten des Art. 5 Abs. 3 GG - der Ehrenschutz als des Art. 5 Abs. 2 GG als vorrangige Norm ein. Freilich ist das Recht der persönlichen Ehre durch eine sehr medienfreundliche Rechtsprechung des BVerfG weitgehend obsolet geworden 175. Unser Presserecht, das materiell weitgehend noch aus dem 19. Jahrhundert stammt, reicht nicht aus, um einen angemessenen Persönlichkeitsschutz zu bieten 176 . Ähnlich oder noch ungünstiger steht es mit dem Persönlichkeitsschutz gegenüber den immer mächtiger werdenden elektronischen Medien. Seit Inkrafttreten des Bundesdatenschutzgesetzes (1977), das in erster Linie dem Schutz des Grundrechtes auf informationelle Selbstbestimmung dient, haben sich die Informationsmög164

BVerfGE 35, 202. BVerfGE 34, 246; 54, 217. 166 BVerfGE 24, 217. 167 BVerfG NJW 1988, 1577; NVwZ 1988, 365. 168 BVerfGE 27,344; 32,373; 33,367; 44, 353; 65,1 ff.; 67,100; BVerfG NJW 1985,1618; ebd. 1988, 403 ff. 169 BGHZ 98, 32ff. 170 BVerfG NJW 1986, 2332. 171 BVerfGE 39,42; 47, 73; 49, 297. 172 BVerfG DVB1. 2000, 353 ff. 173 BVerfGE 35, 235; 45, 238f. 174 Thomas Geiser, Die Persönlichkeitsverletzung insbesondere durch Kunstwerke, 1990. 175 BVerfGE 35,235; 45,238f.; Martin Kriele, NJW 1994,1897ff.; dagegen: Jörg Soehring, NJW 1994, 2926. 176 Persönlichkeitsverletzung durch die Presse („Faulste Mitarbeiterin Deutschlands"), BAG 91,49 ff.; Jörg Lücke, DÖV 2002, 93 ff. 165

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lichkeiten durch die digitalen Medien, insbesondere durch das Internet ganz erheblich vermehrt. Die Daten der einzelnen Person und ihre Geheimhaltung sind wesentlich stärker gefährdet. Die Informationsgesellschaft hat dadurch eine wichtige Aufgabe erhalten, an deren Lösung das Recht beteiligt werden muss und kann 177 . b) Das Recht auf informationelle

Selbstbestimmung

Zu den persönlichen Rechten, d. h. den Rechten, die an der Person haften, gehört auch das Recht auf informationelle Selbstbestimmung. Dieses ist ein neues, ungeschriebenes Grundrecht, das des BVerfG aus GG Art. 1 und Art. 2 abgeleitet hat. Es hat das ausschließliche Recht einzelner natürlicher Personen zum Gegenstand, über die Weitergabe von Informationen zu entscheiden, die ihre Person betreffen 178. Es schützt personenbezogene Daten, die von privaten oder öffentlichen Stellen gespeichert sind, vor der Weitergabe an Dritte. Dieses Grundrecht ist durch das BDSG durchgeführt. Es gibt für Daten die sich in öffentlicher oder privater Hand befinden, einen unterschiedlichen Schutz179. Daneben gibt es Regelungen für einzelne Sachbereiche, durch die der Datenschutz konkretisiert wird, z. B. der Sozialdatenschutz180, der Schutz der Daten, die gegenüber den Meldebehörden preisgegeben werden müssen181, und der Daten, über die die Polizei durch ihre Ermittlungen verfügt 182. Der gesetzliche Datenschutz wird durch den behördlichen Datenschutz unterstützt, d. h. durch die Bestellung besonderer unabhängiger Datenschutzbeauftragter (BDSG §§ 22 ff.). Sie haben Auskunftsansprüche gegenüber der Verwaltung, die sich nicht nur auf den Inhalt der von der Verwaltung gespeicherten Daten erstrecken, sondern auch auf deren Quelle. Das Geheimhaltungsinteresse der Behörde an der Anonymität des Informanten entfällt, wenn ausreichende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Informant die Behörde wider besseres Wissen oder leichtfertig falsch informiert hat 183 .

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Endress Wankel, Persönlichkeitsschutz in der Informationsgesellschaft, 1999. BVerfGE 65, 1 ff. = DVB1. 1984, 1287. 179 BDSG vom 20.12.1990, BGB1.I S.2954, §§ 12ff. einerseits, §§27ff. andererseits. 180 §§67 ff. SGB I. 181 MRRG i.d.F. d. Bek. v. 19.4.2002, BGB1.I S. 1342. 182 Z.B. Nds. Gefahrenabwehrgesetz v.20.2.1998, GVB1. S. 101, §§30-48; Bundesgrenzschutzgesetz v. 19.10.1994, BGB1.I S.2978, §§21, 26-37. 183 VerfG. Rh.-Pf., DVB1. 1999, 309ff. 178

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c) Das Urheberpersönlichkeitsrecht Eine Auswirkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist auch das Urheberpersönlichkeitsrecht 184. Einerseits ist das Urheberrecht ein Vermögensrecht. Dem Urheber eines geschützten Werkes steht ein Verbietungsrecht gegenüber jedermann zu, das er gegenüber bestimmten Personen aufheben kann und dies vor allem dann tut, wenn ihm die Zahlung einer Geldsumme versprochen wird, weil der andere das Werk benutzt oder verbreitet. Das urheberrechtlich geschützte Werk ist eine individuelle Schöpfung, in der sich die Persönlichkeit des Urhebers ausdrückt. Dieser personenrechtliche Aspekt verlangt einen gesetzlichen Schutz. Ihn bietet das Urheberpersönlichkeitsrecht 185. Es hat zum Inhalt - das Recht der Bestimmung, ob und wie das Werk veröffentlicht wird (§12 Abs. 1), - das Recht, den Inhalt des Werkes mitzuteilen und zu beschreiben (§12 Abs. 2), - das Recht auf Anerkennung der Urheberschaft an dem Werk (§13 Satz 1), - die Bestimmung darüber, ob das Werk mit einer Urheberbezeichnung zu versehen - und welche Bezeichnung zu verwenden ist (§13 Satz 2), - das Verbot der Entstellung des Werkes (§ 14). 3. Bürgerliche und staatsbürgerliche Rechte Die Rechtsordnung unterscheidet zwischen bürgerlichen und staatsbürgerlichen Rechten186. Diese Unterscheidung ist an sich altertümlich, findet sich aber auch heute noch im GG (Art. 33 Abs. 3). Der Begriff „bürgerliche Rechte" ist außer Gebrauch gekommen. Der Begriff „staatsbürgerliche Rechte" hat auch heute noch einen Sinn, insbesondere in seiner Anknüpfung an den Begriff der „Deutschen"187. Denn grundsätzlich haben nur sie staatsbürgerliche Rechte. Zu diesen gehören die Rechte auf Mitwirkung an der Gestaltung der Politik, insbesondere das Recht auf Ausübung des aktiven und passiven Wahlrechts und das Recht auf Innehabung öffentlicher Ämter. Inwieweit auch das Recht der Einwirkung auf die Politik durch Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung, der Versammlungs- und Petitionsfreiheit hierzu gehört, mag zweifelhaft sein. Darauf kommt es nicht an, weil diese Rechte gesondert in den einzelnen Grundrechten teils nur für Deutsche, teils für jedermann 184

Urheberechtsgesetz - UrhG - §§ 12-14. Jochen Diesselhorst, Was bringt das Urheberpersönlichkeitsrecht? 1995; Jürgen Helle, Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht (Das Recht am eigenen Bild, das Recht am gesprochenen Wort, und der Schutz des geschriebenen Wortes), 1991. 186 Georg Jellinek, System der subjektiven öffentlichen Rechte, 1890. 187 Angelika Siehr, Die Deutschenrechte des Grundgesetzes, 2001. 185

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verankert sind. Jedenfalls aber sind die staatsbürgerlichen Rechte stets höchstpersönliche Rechte, die nicht durch Stellvertreter ausgeübt werden können. 4. Die persönlichen Freiheitsrechte Im freiheitlichen Rechtsstaat des GG schützt die Verfassung zahlreiche Freiheiten. Das Recht auf die Freiheit der Person im Sinne einer Bewegungsfreiheit (GG Art. 2 Abs. 2 Satz 2) spielt als personenrechtliches Recht in der freiheitlichen Demokratie eine zentrale Rolle. Beim Freiheitsschutz geht das GG noch über dieses Freiheitsrecht hinaus und schützt die freie Entfaltung der Persönlichkeit (GG Art. 2 Abs. 1) als allgemeines Freiheitsrecht, das grundsätzlich jede menschliche Tätigkeit erfasst, die als Äußerung der persönlichen Freiheit verstanden werden kann, einschließlich der Freiheit der wirtschaftlichen Betätigung188. Diese freie Entfaltung der Persönlichkeit hat in anderen Grundrechten ihre konkrete Ausgestaltung gefunden, z. B. in der Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (GG Art. 4), in der Meinungsäußerungs-, Presse- und Rundfunkfreiheit (GG Art. 5 Abs. 1), in der Wissenschafts- und Kunstfreiheit (GG Art. 5 Abs. 3), in der Versammlungsfreiheit (GG Art. 8), in der Vereinigungsfreiheit (GG Art. 9), in dem Recht auf Freizügigkeit (GG Art. 11), in dem Recht auf freie Berufswahl und -ausübung (GG Art. 12 Abs. 1). Gerade unter dem Gesichtspunkt der Gewährleistung zahlreicher persönlicher Freiheitsrechte erweist sich die Grundrechtscharta des GG als zentraler Garant zum Schutz der persönlichen Freiheit vor dem Staat und im Staat, d. h. als personenrechtliche Zentralnorm für die natürliche Person. Demgegenüber kommen diese Rechte bei den juristischen Personen, auch wenn sie nicht prinzipiell ausgeschlossen sind, nur in geringerem Masse zum Tragen (GG Art. 19 Abs. 2). Die Ausführung der Freiheitsgrundrechte findet sich an vielen Stellen. Im GG ist Art. 104 von hoher Bedeutung, weil dieser die persönliche Freiheit prozessual wirksam macht. Auch der Schutz der persönlichen Freiheit durch Strafnormen ist wichtig. Er wird in zahlreichen Varianten gegeben (StGB §§ 234ff., insb. § 239). Im Strafprozess ist die Freiheit durch die besonderen Voraussetzungen für die Verhängung der Untersuchungshaft geschützt (StPO §§ 112 ff.). Entzieht der Staat einer Person rechtmäßig die Freiheit, so schützt das Recht ihn weiter, z. B. durch das Strafvollzugsgesetz 189, durch die Maßregelvollzugsgesetze der Länder 190 , durch die Gesetzgebung zum Schutze der psychisch Kranken 191 und durch ein besonderes Verfahrensgesetz 192. 188

BVerfGE 65, 210; 73, 270; 78, 244; 95, 303. V. 16.3.1976, BGBl. IS. 581. 190 Z.B. Schl.-H. G v. 19.1.2000, GVB1. S. 114. 191 Z.B. Rh.-Pf. G über die Unterbringung von Geistes- und Suchtkranken, v. 19.2.1959, GVB1. S.91; Schl.-H. Psychisch-Kranken-Gesetz v. 14.1.2000, GVB1. S. 106. 192 G. über das gerichtliche Verfahren bei Freiheitsentziehungen, v. 29.6.1956, BGBl. I S.599. 189

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Ein immer wichtigeres Problem wird angesichts der zunehmenden Überalterung der deutschen Bevölkerung der Umgang mit alten Menschen, die ihre Fähigkeit zu sachgerechter und ihren eigenen Interessen gerecht werdender Selbstbestimmung vielfach und zunehmend einbüßen. Die Einrichtung der Betreuung gemäß BGB §§ 1896 ff. ist in diesen Fällen wegen ihrer starken Flexibilität sehr hilfreich. Dennoch hilft sie nicht über die wesentlichen Konfliktfälle unterschiedlicher Beurteilung der Fähigkeiten der alten Menschen hinweg. Das Gericht und der von diesem eingesetzte Betreuer können u. U. die Freiheit des alten Menschen ganz erheblich beschränken, wobei nicht immer eindeutig ist, was das Wohl des Betreuten verlangt. Noch stärker wird diese Einschränkung, wenn eine vollständige Freiheitsentziehung nach den einschlägigen Landesgesetzen über die psychisch Kranken erfolgt. Weitere Probleme der Freiheitswahrung stellt die Migration von Menschen aus fernen Ländern, die hoffen, im reichen Deutschland ihr Glück zu machen, die aber wegen fehlender materieller Mittel, fehlender Information über das staatliche und gesellschaftliche System in Deutschland und vor allem wegen fehlender Sprachkenntnisse überhaupt nicht in der Lage sind, ohne ihre Schlepper, die sie nach Deutschland gebracht haben, zu handeln. Sie werden von diesen Schleppern beherrscht und haben praktisch die Stellung eines Sklaven. Besonders gefährdet sind hierbei Frauen, die zur Prostitution gezwungen werden 193. Die Grundrechtsordnung hat durch die modernen Massenmedien neue Aspekte erfahren, die allerdings noch keine hinreichende gesetzgeberische Lösung gefunden haben194. Die Medienunternehmen sind Inhaber der Grundrechte, insbesondere der Presse- und Rundfunkfreiheit. Sie sind aber gleichzeitig Machthaber, die nicht nur die politische Meinung beherrschen, sondern auch das Handeln der demokratisch gewählten Mitglieder der höchsten Staatsorgane nachhaltig beeinflussen. Vor allem können sie durch Meldungen und Kommentare die Persönlichkeit des Einzelnen angreifen, ohne dass der Einzelne nach heutigem Recht einen wirksamen Schutz dagegen besitzt 195 . 5. Das Recht der persönlichen Ehre Die Ehre ist ein Rechtsgut, das einen unbedingten personalen Bezug hat 196 . Der Begriff der Ehre meint das unbeschädigte persönliche Ansehen, das ein Mensch im Kreise seiner Mitmenschen genießt. Für die soziale Stellung des Menschen ist seine Ehre entscheidend. Die Verletzung der Ehre ist ein Eingriff in die persönliche Sphäre, die unbedingt des Schutzes durch den Gesetzgeber und die Gerichte bedarf. 193

Ulrike Mentz, Frauenhandel als migrationsrechtliches Problem, 2001. Zu diesem Problem Werner Thieme, FS Gündisch, 1999, S. 19ff. 195 Stefanie Klein, Der zivilrechtliche Schutz des einzelnen vor Persönlichkeitsverletzungen durch die Sensationspresse, 2000. 196 Knut Amelung, Die Ehre als Kommunikationsvoraussetzung, 2002. 194

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Das GG kennt keinen besonderen grundrechtlichen Ehrenschutz. Aber die Ehre ist in dem Recht auf Menschenwürde mitgeschützt (Art. 1 Abs. 1 GG). Mittelbar findet die persönliche Ehre einen grundrechtlichen Schutz durch Art. 5 Abs. 2 GG, weil sie das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung und auf die Medienfreiheit begrenzt. Der gesetzliche Ehrenschutz beruht in erster Linie auf Normen des Strafrechts (StGB §§ 185 ff.), wobei die Möglichkeit besteht, sich gegen die Beleidigung durch eine Privatklage im Strafprozess zu wehren (StPO § 374 Abs. 1 Nr. 2). In der Regel übernimmt die Staatsanwaltschaft das Verfahren nicht, sodass die Verletzung der persönlichen Ehre eine private Angelegenheit bleibt. Aber auch zivilrechtlich ist die Ehre geschützt. Da die Ehrverletzung eine unerlaubte Handlung i. S. v. BGB § 823 ist, kann die Ehrverletzung auch zu einer Geldentschädigung zu Lasten des Beleidigers führen 197. Eines der zentralen Probleme des Ehrenschutzes ist der Schutz gegenüber zahlreichen Medien, die sich Hoffnungen machen, ihren Käufer-, Hörer- oder Seherkreis zu vergrößern, wenn sie abfällig über Prominente berichten. Der Ehrenschutz ist gegenüber dem berechtigten Informationsbedürfnis abzuwägen, das von den Medien für ihre zuweilen ehrverletzenden Äußerungen ins Feld geführt wird. Das BVerfG gilt als sehr medienfreundlich 198 und hat deswegen auch Kritik erfahren 199. Bei der Abwägung, die die Gerichte vorzunehmen haben, kommt es darauf an, dass die Ziele, die das GG mit den Grundrechten verfolgt, möglichst umfassend gewahrt werden. 6. Das Recht am eigenen Körper a) Das Grundrecht auf körperliche

Unversehrtheit

Der eigene Körper ist das wichtigste äußerlich sichtbare Stück der Personalität des Menschen. Menschsein ist mit der Körperlichkeit unlöslich verbunden. Der Körper ist eine zwingend notwendige Voraussetzung für alle Funktionen des Menschen, das Denken, das Sprechen, das Wahrnehmen, das Wollen, das Essen und Trinken, das Bewegen und das Zeugen von Nachwuchs. Daher ist das Recht am eigenen Körper und an der Unversehrtheit des Körpers eines der wichtigsten Rechte, die der Mensch besitzt. Im Personenrecht gebührt dem Recht am eigenen Körper die stärkste Stellung gegenüber allen anderen Rechten, ausgenommen vielleicht dem Recht zum Leben. Das GG berücksichtigt dies, indem es ein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit garantiert (Art. 2 Abs. 2). Dieses Grundrecht enthält auch ein Grundrecht auf Erhaltung der eigenen Gesundheit. Wie weit dieses Recht geht, wird allerdings 197

BVerfG NJW 2000, 2187; BGHZ, ebd., S.2195. Z. B. Martin Kriele, NJW 1994, 1897ff.; RolfStürner, JZ 1994, 865 ff. 199 Peter Tettinger; Der Schutz der perönlichen Ehre im freien Meinungskampf, JZ 1983, 317 ff.; Gerald Neben, Triviale Personenberichterstattung als Rechtsproblem, 2001. 198

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immer umstritten bleiben, weil die Möglichkeiten der Gesundheitsgefährdung zahlreich und vielseitig sind und niemals vollständig beschrieben werden können. Das Recht am eigenen Körper umfasst das Recht zur Bestimmung darüber, ob, wann, wie und durch wen sich der Einzelne einer medizinischen oder sonstigen Behandlung unterziehen will. Es gibt keinen Kurierzwang im deutschen Recht 200 . Nur mittelbar kann ein solcher Zwang ausgeübt werden, weil bei Weigerung sich untersuchen und behandeln zu lassen, Leistungsnansprüche verloren gehen können (§§62, 63,66 SGB I). b) Das Grundrecht auf Gesundheit 201 Das Grundrecht des GG Art. 2 Abs. 2 enthält in einem bestimmten Umfang auch eine Verpflichtung des Staates zum Handeln im Interesse der Bewahrung der Gesundheit seiner Bürger, z. B. im Bereich des Seuchenschutzes. Allerdings steht dieser Verpflichtung des Staates auf rechtsrichtige Anwendung des objektiven Gesetzes - wie regelmäßig im Bereich des Polizeirechts - nicht notwendig ein subjektives Recht des Bürgers auf eine materiell-rechtliche Leistung des Staates gegenüber202. So ist es sehr zweifelhaft und wohl auch grundsätzlich abzulehnen, dem einzelnen Menschen das Recht einzuräumen, vom Staat ganz bestimmte, die Gesundheit fördernde Maßnahmen und Mittel zu verlangen oder gar einzuklagen. Allerdings kann es Bedrohungen geben, z. B. durch vom Einsturz bedrohte Gebäude, bei denen das Gesundheitsrisiko extrem hoch ist, sodass die Menschen, die in diesen Gebäuden wohnen oder arbeiten, einen Anspruch auf Beseitigung der Gefahr haben. Oder: Der Staat ordnet die Sprengung einer Blindgängerbombe aus dem 2. Weltkrieg an. Dann ist er verpflichtet, die erforderlichen Schutzmaßnahmen für gefährdete Menschen zu treffen. Doch sind dies Ausnahmen. Im allgemeinen gilt im Bereiche des Gesundheitsschutzes GG Art. 1 Abs. 3, der die Grundrechte zu aktuell geltendem Recht erklärt 203 . Zu fragen ist allerdings, ob der Staat auf Grund von GG Art. 2 Abs. 2 verpflichtet ist, ein umfassendes System der gesundheitlichen Fürsorge vorzuhalten, nicht nur durch Ausbildung von Ärzten und sonstigen Medizinalpersonen, durch Vorhaltung von Krankenhäusern und Sozialstationen und durch ein mit Zwangsmitgliedschaft ausgestattetes Krankenkassensystem einschließlich der Verpflichtung des medizinischen Leistungssystems, für dieses Kassensystem zu arbeiten. Selbst wenn man 200 Doris y 0Uf Die Einwilligung im Arztrecht, 1996. 201 Otfried Seewald, Gesundheit als Grundrecht - Grundrechte als Grundlagen von Ansprüchen auf gesundheitsschützende staatliche Leistungen, 1982; Ingo v. Münch!Philip Kunig, Kommentar zum GG, 5. Auflage, 2000, Art. 2 Abs. 2; Monika Böhm, Der Normmensch, 1997. 202 Verfahrensrechtlich besteht, sofern ein Antrag gestellt ist, ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung, aus der u. U. eine Ermessensschrumpfung auf Null folgt, BVerwG 11, 97; 47, 283; 84, 86. 203

BVerfGE 6, 387; 39, 349.

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dies - zutreffend - bejaht, also ein gesundheitliches Sozialleistungssystem nicht nur aus der Sozialstaatsklausel des GG, sondern auch aus GG Art. 2 Abs. 2 entnimmt, bleibt im Einzelfall immer noch zweifelhaft, inwieweit eine solche Verpflichtung des Staates geht und ob sich daraus konkrete Leistungsansprüche einzelner Personen ergeben. Es gilt hier wie bei allen Leistungsgrundrechten der Satz, dass einklagbare Ansprüche nur durch eine Konkretisierung der Grundrechte im einfachen Gesetz entstehen. Ein Leistungsanspruch direkt aus dem Grundrecht kann nur aus dem allgemeinen Gleichheitssatz abgeleitet werden. Ein Leistungsanspruch besteht nur dann, wenn in anderen gleichliegenden Fällen eine Leistung gewährt wird 204 . In der heutigen Bundesrepublik Deutschland sind das Gesundheits- und Gesundheitsvorsorge-System so gut ausgebildet, dass es schwer fallen dürfte, sich eine Situation vorzustellen, in der eine gegen den Staat gerichtete Klage wegen Verletzung des Rechts auf Gesundheit erfolgreich ist, jedenfalls solange das System selbst funktioniert. Dass mit der schnellen Weiterentwicklung der Medizin, die mit einer enormen Verteuerung der Diagnose- und Therapie-Instrumente verbunden ist, nicht mehr alle theoretisch vorhandenen medizinischen Möglichkeiten, die schnell zu Patientenwünschen werden, erfüllt werden können, ist evident. Mit der Politik der Rationierung medizinischer Leistungen ist ein System eingeführt worden, das - wie alle Rationierungssysteme - mit einer gewissen Automatik zu einer ungleichen Verteilung der möglichen Leistungen führt 205 . Dass dadurch Personenrechte, nämlich das Recht auf Gesundheit getroffen werden, erscheint evident. Doch sind hierbei stets auch Fragen der medizinischen Ethik berührt, die den Juristen überfordern 206. c) Organspenden Ein personenrechtliches Problem von praktischer Bedeutung, das den eigenen Körper betrifft, ist die Möglichkeit, eigene Organe zum Zwecke der Transplantation anderen Menschen zur Verfügung zu stellen. Diese Frage ist im Transplantationsgesetz (TPG) 207 geregelt. Dieses Gesetz geht von der „Spende" also der unentgeltlichen Verfügung über eigene Körperteile aus. Der Handel mit Körperteilen ist untersagt. 204

BVerfGE 33, 330ff.; 35, 115f.; 43, 313ff.; Wolfgang Martens, Grundrechte im Leistungsstaat, VVDStRL 30 (1972), S.21 ff. 205 Thomas Kopetsch, Zur Rationierung medizinischer Leistungen im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung, 2001. 206 Jan C. JoerdenlJosefN. Neumann (Hrsg.), Medizinethik II, 2001. 207 T P G _ v. 5.11.1997, BGBl. IS. 2631, geändert durch G. v. 16.2.2001, BGBl. IS. 266 - Dazu: sind Landesausführungsgesetze ergangen, z. B. Saarländisches Ausführungsgesetz vom 26.1.2000, ABl. Saar S. 886. - Otfried Seewald, Ein Organtranplantationsgesetz im pluralistischen Staat, VerwArch 88, 1997, 199ff.; Joachim Weber/Stefanie Lejeune, Rechtliche Probleme im Rheinland-Pfälzischen Transplantationsgesetz, NJW 1994, 2392; Winfried Brohm, Humanethik, Eigentum und Menschenwürde, FS Teresa Rabska, 1997, 97 ff.; Hans Köchler, Transplantationsmedizin und personale Ethik, 2001.

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Das TPG unterscheidet zwischen der Organentnahme bei Toten (§§ 3-7) und bei Lebenden (§8). Die Regelung bei Lebenden ist relativ unproblematisch, weil der Gesetzgeber die Organspende durch Lebende grundsätzlich zugelassen hat, wenn die Spender volljährig und einwilligungsfähig sind, über die Bedeutung der Organentnahme aufgeklärt worden sind, nach ärztlichem Urteil als Spender geeignet sind, durch die Organentnahme nicht in ihrer Gesundheit gefährdet werden, die Organentnahme dem Empfänger des Organs voraussichtlich das Leben retten oder schwere Krankheiten heilen wird, ein geeignetes Organ eines anderen Spenders nicht zur Verfügung steht und der Eingriff durch einen Arzt vorgenommen wird. Die Organspende unter Lebenden gewinnt zunehmend an Bedeutung. Der Bedarf an Organen wächst. Die Zulässigkeit der Spende eines Organs durch einen Lebenden an einen anderen Menschen ist aber beschränkt auf nahe Angehörige. Bei Nichtverwandten bleibt leicht der Verdacht, dass es sich nicht um eine Spende, ein durch die nahe Verwandtschaft veranlasstes Opfer, sondern um einen Verkauf handelt. Hinter dem Verbot der Bezahlung steht die Sorge, dass durch die Eröffnung einer Möglichkeit des Organhandels Menschen aus der Dritten Welt, die sich in wirtschaftlicher Not befinden, ihren Körper verkaufen. Dabei bleibt allerdings zweifelhaft, ob im Gebiet der „grenzenlosen" Europäischen Union ein Verbot der Einfuhr menschlicher Organe durchgesetzt werden kann 208 . Die Organspende soll eine Schenkung bleiben. Doch dürfte das Recht der Schenkung des BGB nicht anwendbar sein, z. B. das Erfordernis der notariellen Beurkundung für das Versprechen der Schenkung eines Organs, ebenso wenig die Möglichkeit des Widerrufs wegen Undanks (z. B. bei der Spende an einen Ehegatten, der sich später einem anderen Partner zuwendet). Das Schenkungsrecht kommt wohl auch deshalb nicht in Frage, weil das Organ, solange es sich noch im Körper des Spenders befindet, keine Sache ist. Fraglich ist, ob die Zusage der Spende eines Organs überhaupt eine rechtliche Bindung entstehen lassen. Man wird dem Spender, der eine Organspende - in welcher Form auch immer - zugesagt hat, stets ein Widerrufsrecht einräumen müssen. Abgesehen davon, dass das Versprechen der Spende niemals vollstreckt werden kann, kann aus der Nichterfüllung des Versprechens auch kein Schadensersatzanspruch hergeleitet werden. Besondere Probleme werfen die Organspenden durch unheilbar Kranke auf, die nicht mehr in der Lage sind, eine wirksame Verfügung über ihren Körper zu treffen, insbesondere wenn sie sich im Koma befinden. Es geht dabei um die Frage, ob die fehlende Verfügung des „Spenders" durch die Verfügung eines Angehörigen ersetzt werden kann und welche Angehörige als verfügungsberechtigt anzusehen sind. Es geht ferner um die Frage, ob die ausdrückliche Zustimmung notwendig ist oder ob auf die Ankündigung, ein transplantierbares Organe zu entnehmen, kein Widerspruch erfolgt. 208 Peter König, Strafbarer Organhandel, 1999; Kirsten Reich, Organspendenverträge, Geldzahlungen als Anreiz zur Organspende in den USA und in der Bundesrepublik Deutschland, Diss. Hamburg 2000.

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Die Entnahme von Körperteilen Toter zum Zwecke der Transplantation stellt vor schwierigere rechtliche Fragen (TPG §§ 3-7) :209 . Das TPG unterscheidet hier zwischen den Spendern, die eingewilligt haben und anderen Spendern. Hat der Spender vor seinem Tode in die Entnahme von Organen eingewilligt, so kann das Organ durch einen Arzt entnommen werden (TPG § 3). Fehlt die Zustimmung des Verstorbenen, dem Organe entnommen werden sollen, so kann an die Stelle seiner Zustimmung die Zustimmung der „nächsten Angehörigen" treten (TPG §4). Ein besonderes Problem stellt die Knappheit der für die Transplantation zur Verfügung stehende Organe dar. Gibt es mehr Patienten, die ein Organ benötigen als zur Verfügung stehende Organe, so entsteht ein Verteilungsproblem. Manche, die auf der Warteliste stehen, sind wegen der Knappheit von Organen dem Tod geweiht. Nach welchen Gesichtspunkten die Verteilung vorzunehmen ist, diese Entscheidung über Leben und Tod, bleibt vom Gesetz ungeregelt 210. Der Arzt ist damit Herr über Leben und Tod 211 . Im Transplantationsgesetz erfolgt eine Vernetzung privatrechtlicher und öffentlich-rechtlicher Zuständigkeiten. Die Rechtsstellung der Transplantationsbewerber ist unklar. Die nach dem TPG Verpflichteten sind kaum fassbar. Insbesondere gilt das für die Bundesärztekammer, der eine Lenkungsfunktion zukommt und die als nicht rechtsfähige Vereinigung wesentliche Kompetenzen hat. d) Handel mit Körperteilen Der menschliche Körper als Ganzer kann nicht Gegenstand des Rechtsverkehrs sein. Das gilt zweifellos für den lebenden Körper. Der Mensch kann seinen Körper weder verkaufen noch verpfänden. Auch Dritte können dies nicht. Etwas anderes würde ein System der Sklaverei voraussetzen, das die deutsche Rechtsordnung und auch die Rechtsordnung aller anderen zivilisierten Staaten verletzt. Auch das positive Recht schließt dies aus 212 . Nicht ganz so rigoros ist die Praxis der Verkaufs des eigenen Körpers zugunsten der Anatomie, d. h. als Lehrmaterial, das nicht der Heilung kranker Menschen dient. Doch ist das rechtlich kein Verkauf des Körpers sein, sondern die Zustimmung zur Behandlung der eigenen Leiche zu Lehrzwecken, wobei auch derartige Leichen nach dem Gebrauch in der Anatomie regelhaft zu beerdigen oder zu verbrennen sind. Damit ist das Problem des Verkaufs von Körperteilen aber noch nicht erledigt. Nur teilweise ist das Problem im TPG geregelt. Denn dieses Gesetz beschränkt sich auf die Organe, die noch lebend sind und in einen anderen lebenden Körper übertra209

Oliver Borowy, Die postmortale Organentnahme und ihre zivilrechtlichen Folgen, 2000. Volker H. Schmidt, Politik der Organverteilung, 1996; Ray Junghanns, Verteilungsgerechtigkeit in der Transplantationsmedizin, 2001. 211 Wolfram Höfling, Um Leben und Tod: Transplantationsgesetzgebung und Grundrecht auf Leben, JZ 1995, 26ff. 212 StGB §§ 180b, 181, 234, 234a. 210

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gen werden. Derartige Organe sind vom Handel ausgeschlossen. Dieses Verbot gilt nicht für Blut und Knochenmark, auch nicht für embryonale und fetale Gewebe (TPG § l ) 2 1 3 . Im Kern bleibt der Handel mit Körperteilen ungeregelt, d. h. er unterliegt dem allgemeinen Recht. Dabei ist es fraglich, ob die Verfügung über Körperteile überhaupt der Regelung des BGB unterstehen, oder ob hier ganz andere Prinzipien gelten. Dies ist eine Frage, die z. B. im Hinblick auf BGB § 119 Abs. 2 bedeutsam ist. Es gibt Fragen des Verkaufs von Körperteilen, die außerhalb des Personenrechts stehen. Dies gilt für Körperteile von Menschen, die vor langer Zeit gestorben sind. Zu nennen ist der Handel von Körperteilen heilig gesprochener Menschen durch die Katholische Kirche, die als Reliquien in der Kirche verehrt werden. Weiter kommt der Verkauf von Körperteilen in Frage, soweit es sich nicht um Teile handelt, die einer bestimmten Person zuzuordnen sind. Stellt ein Künstler aus einer anonymen menschlichen Hirnschale einen Kunstgegenstand her, so mag man darüber streiten, ob dies dem guten Geschmack entspricht, ein derartiger Verkauf dürfte aber juristisch unanfechtbar sein, ebenso wie der Verkauf der schönen langen blonden Haare, die eine Frau sich selbst abschneidet, um sie zu veräußern. Im letzten Fall spielt die Tatsache eine entscheidende Rolle, dass die Haare ohnehin ab und zu gekürzt werden und dass sie wieder wachsen. e) Die Bluttransfusion „Blut ist ein ganz besonderer Saft". Dieses Faust-Zitat gilt auch für die Rechtsordnung. Die Zur-Verfügung-Stellung des eigenen Blutes, um anderen Menschen zu helfen, ist heute für die Medizin von großer Wichtigkeit. Daher wird das Blutspendenwesen vom Staat gefördert. Es wird aber zugleich vom Staat in einer Weise geregelt, die es ausschließt, Blut zu einem Handelsobjekt zu machen214. Die gesetzliche Regelung dient der Gewinnung menschlichen Blutes und organisiert den Blutspendendienst. Vor allem wird durch das TFG die Gewinnung von Blut organisiert und der erforderliche Spenderschutz sicher gestellt. Aber dies soll eine aus Idealismus gegebene Spende bleiben und kein Verkauf werden. Daher dürfen die Spender auch nur eine Aufwandsentschädigung, aber kein Entgelt erhalten (TFG § 10).

213 Gerald Mai, Die rechtliche Zulässigkeit der embryonalen Gewebe- und Zellentnahme zum Zwecke der Entwicklung neuartiger Therapiestrategien gegen die Parkinsonsche Krankheit, 1999. 214 Transfusionsgesetz - TFG - vom 1.7.1998, BGBl. IS. 1752; vgl. dazu Stephan Schreiber, Das Transfusionsgesetz vom 1. Juli 1998 - Rechtliche Grundfragen, 2001.

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7. Das Recht auf Leben a) Inhalt des Rechts Das GG gibt dem Menschen ein Recht auf Leben (GG Art. 2 Abs. 2). Dies ist ein Grundrecht, das vor allem gegenüber dem Staat wirkt. Dieses Recht wird im GG noch einmal bestärkt durch das Verbot der Todesstrafe (GG Art. 102). Niemand kann sein Leben, und mag er noch so frevelhaft gehandelt haben, verwirken. Die natürliche Person hat stets ein Recht auf Schutz des Lebens215. Auch der schwerbehinderte Mensch hat ein Recht auf Leben. Die Euthanasie ist rechtlich ausgeschlossen. Dies gilt auch für schwerstgeschädigte Neugeborene, die sich, ihrer Familie und der Gemeinschaft eine erhebliche Last werden können. Die Rechtsordnung kennt von dem Verbot der Euthanasie keine Ausnahme216. Der Staat hat eine Schutzpflicht für das Leben seiner Bürger, die er weitgehend durch seine Polizei wahrnimmt. Dass hier Grenzen des Zumutbaren bestehen, ist selbstverständlich. Insofern besteht kein absoluter Schutz des Lebens durch den Staat. Die Polizei kann nicht jede Person überall und immer bewachen. Doch wird man den Staat für verpflichtet halten, einen Personenschutz bei Personen zu leisten, die in stärkerem Maße gefährdet sind. Einen wichtigen Schutz des Lebens bietet das Strafrecht. Die Strafbarkeit von Mord, Totschlag, fahrlässiger Tötung und Völkermord aber auch von anderen Verbrechen mit Todesfolge (z. B. Raub, StGB § 251) bieten zwar keinen vollständigen, aber doch einen relativen Schutz. Freilich wird dieser Schutz des Lebens nur dann wirksam, wenn dahinter auch Polizeien, Staatsanwaltschaften, Gerichte und Justizvollzugseinrichtungen stehen, die zielgerichtet und effektiv arbeiten. Die Aufklärungsquote ist bei Tötungsdelikten sehr hoch. Fraglich ist jedoch, ob das ausgeworfene Strafmaß die mit der Strafe verbundenen Ziele erreicht. Vor allem gilt dies im Hinblick auf die Art der Vollziehung der Strafe und eine zu frühe Entlassung aus der Völlzugsanstalt. Gerade hier stellt sich die Frage, ob die heutige Praxis des staatlichen Strafens den Forderungen des GG Art. 2 Abs. 2 nach einem Schutz des Lebens durch den Staat gerecht wird. Es ist fraglich, inwieweit die Schutzpflicht des Staates gegen die Bedrohung des Lebens durch eine Krankheit besteht ist. Zweifellos gehört zur staatlichen Verpflichtung des Lebensschutzes auch der Aufbau und die Unterhaltung bzw. die Gewährleistung eines effektiven Rettungswesens für Unfälle und für akute Erkrankungen, die im Krankenhaus versorgt werden müssen. Einigkeit besteht heute auch darüber, dass ein derartiger Dienst nicht notwendig von der öffentlichen Hand selbst 215

Udo Steiner, Der Schutz des Lebens durch das GG, 1992. Monika Everschor, Probleme der Neugeboreneneuthanasie und der Behandlungsgrenzen bei schwerstgeschädigten Kindern und ultrakleinen Frühgeborenen aus rechtlicher und ethischer Sicht, 2001. 216

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betrieben werden muss. Es genügt, wenn der Staat durch organisatorische Vorschriften und durch finanzielle Förderung das Bestehen und Funktionieren der Einrichtungen gewährleistet. Insoweit ist der Leistungsstaat zum Gewährleistungsstaat geworden. Problematisch ist weiter, ob der Staat ein Gesundheitswesen gewährleisten muss, das alle Personen, soweit der Stand der Medizin das zulässt, vor dem Tode rettet, wenn sie erkranken. Bei dieser Frage stellt sich vor allem das Problem der Kostentragung. Das Gesundheitswesen ist heute bereits so teuer, dass die Kosten, die durch einen immer höheren Standard der ärztlichen Kunst entstehen, nicht mehr bezahlbar sind, ohne an anderer Stelle negative soziale oder wirtschaftliche Folgen auszulösen. Die Sozialversicherung kann es sich nicht leisten, jeder Person einen optimalen Gesundheitsdienst zu bieten. Daher stellt sich die Frage, was als „notwendig" im Sinne des § 12 SGB V anzusehen ist. Je besser und perfekter das Gesundheitswesen wird, je teurer es deswegen wird, desto weniger Menschen können das Optimum an Leistungen durch das allgemeine Gesundheitssystem erhalten. Das Problem ist vor allem durch die nicht gesundheitspolitisch, sondern wirtschaftspolitisch begründete Forderung entstanden, die Beitragshöhe von der Lohnhöhe und nicht vom Gesundheitsrisiko und der Zahl der durch den Beitrag des Arbeitnehmers mitversicherten Personen anhängig zu machen. Daher werden Zuzahlungen der Kranken ständig zunehmen müssen, so wenig dies sozialpolitisch opportun sein mag. Nur wer es sich leisten kann, erhält die optimale, oft lebensrettende medizinische Versorgung. b) Grenzen Es gibt Fälle, in denen das Recht auf Leben anderen Gütern zu weichen hat. Der bekannteste Fall ist der Notwehrfall, neben dem der Fall des Notstandes zu nennen ist. Beide Fälle, die in der staatlichen Ordnung anerkannt sind (StGB §§ 32ff.; BGB §§ 227, 228), geben im Extremfall das Recht, in das Leben eines anderen Menschen einzugreifen und dieses Leben sogar auszulöschen. Auch der Staat steht zuweilen vor der Notwendigkeit, einen Menschen absichtlich zu töten. Abgesehen von der Notwehr und dem Notstand, die als Maßnahme in Extremfällen auch den staatlichen Bediensteten zur Verfügung stehen, stellt sich dieses Problem bei dem „finalen Rettungsschuss" im Polizeirecht. Es geht dabei darum, dass eine Person, die von einem Verbrecher festgehalten wird, nur dann gerettet werden kann, wenn die Polizei mit einem gezielten Schuss den Verbrecher tötet. Die Zulässigkeit des finalen Rettungsschusses ist im Grundsatz nicht bestritten, fraglich ist nur, in welcher Situation der Verbrecher getötet werden darf. Soweit die Frage nicht in den Polizeigesetzen ausdrücklich geregelt ist, greift das Recht auf Nothilfe unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit zugunsten des Schützen ein 217 . 217 Victor Thewes, Rettungs- oder Todesschuss, 1988; Heike Witzdrock, Der polizeiliche Todesschuss, 2001.

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Das Recht auf Leben ist bei den Soldaten, den Polizeibeamten und den Feuerwehrleuten relativiert. Sie müssen in Ausübung ihres Dienstes Risiken auf sich nehmen, die ihnen das Leben kosten können. Für den Soldaten ist das Sterben vor dem Feind seit jeher eine Selbstverständlichkeit gewesen. Er hat im Ernstfall tapfer sein Leben einzusetzen und u. U. zu opfern 218. In ähnliche Situationen können auch die Polizeibeamten kommen, wenn sie bewaffneten Verbrechern entgegentreten und von diesen erschossen werden.

8. Recht auf Sterben a) Die Selbsttötung Bestritten ist, ob der Mensch ein Recht auf Sterben hat. Zwar kann sich jeder Mensch ohne negative Folgen im weltlichen Recht (anders nach katholischem und teilweise nach evangelischem Kirchenrecht) das Leben nehmen. Der Staat knüpft keine Rechtsfolgen an den „Selbstmord" 219. Dagegen verweigert die Kirche, insbesondere die Katholische Kirche dem Selbstmörder einen Begräbnisplatz auf geweihter Erde und gibt ihm ein Grab nur am Rande des Friedhofs. Das zeigt, dass der Mensch nach der Auffassung der Kirche nicht das Recht hat, seinem Leben selbst ein Ende zu setzen. Der weltlichen Gemeinde ist eine solche Praxis der Diskriminierung des „Selbstmörders" versagt. Trotzdem wird die Selbsttötung auch von der weltlichen Gemeinschaft immer noch als ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung betrachtet. Daher darf und muss der Polizeibeamte, der sieht, wie ein Mensch sich mit dem Ziel der Selbsttötung in die Tiefe stürzen will, diesen - soweit er kann - daran hindern und ihn evtl. auch festnehmen und einer Krankenanstalt zuführen. Zu klären ist die Anstiftung und Beihilfe zur Selbsttötung, weil es sich um die Mitwirkung an einer nicht strafbaren Handlung handelt. Beides stellt unsere Rechtsordnung gleichwohl unter Strafe 220. Die Beihilfe stellt hierbei vor besondere Fragen. Es geht vielfach um den Sterbenden, der weiß, dass er nicht mehr lange leben wird, und der sein eigenes Leben als lebensunwert empfindet und es daher möglichst bald beenden will. Hierbei geht es um die Frage, ob der Arzt oder die Krankenschwester aktiv mitwirken dürfen - z. B. durch Verschaffung von Medikamenten - , das Ziel 218

Soldatengesetz § 7. Eine Ausnahme macht das Lebensversicherungsrecht. Im Falle der Selbsttötung des Versicherten besteht grundsätzlich kein Anspruch auf die Versicherungssumme, VVG § 169. 220 Karl Engisch, Euthanasie und Vernichtung lebensunwerten Lebens, 1948; Rudolf Wassermann, Das Recht auf den eigenen Tod, DRiZ 1986, 291 ff.; Konstantinos Chatzikostas, Die Disponibilität des Rechtsgutes Leben in ihrer Bedeutung für die Probleme von Suizid und Euthanasie, 2001. 219

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des schnellen Sterbens zu erreichen. Das heute geltende Recht ist eindeutig; die Beihilfe zur Selbsttötung ist eine strafbare Handlung221 b) Der Sterbenskranke Die juristische Problematik der Mitwirkung anderer Menschen bei der Selbsttötung betrifft eine Reihe von unterschiedlichen Fallkonstellationen. Problematisch ist es, wenn der Arzt und die Krankenschwester wissen, dass der Kranke sein Leben beenden will und sie es verhindern könnten. Es geht hier um die Frage, ob eine Obhutspflicht besteht, das zu verhindern, sodass u. U. eine strafbare Handlung durch Unterlassen begangen wird, wenn die Krankenschwester dem Patienten die tödlichen Pillen nicht wegnimmt (StGB § 13). Weiter stellt sich die Frage, ob schon die Beschaffung der lebensbeendenden Medikamente strafbar ist. Juristisch ist das Problem, ob die Beschaffung und Überreichung der tötenden Pillen strafbare Beihilfe zur straflosen Selbsttötung ist 222 . Die Verschaffung der Mittel zur Tötung, die von dem Lebensmüden aus eigenem Entschluss völlig freiwillig vorgenommen wird, kann schon Beihilfe sein. Da aber der Lebensmüde immer noch „Nein" sagen und sein Leben erhalten kann, stellt sich hier auch ein Kausalproblem. Anders steht es bei der Mitwirkung des Arztes, wenn dieser eine mögliche lebenserhaltende Maßnahme mit Zustimmung des Kranken unterlässt und damit den Tod, der ohnehin eingetreten wäre und den er verhindern kann, nicht verhindert. Hier geht es um die Kausalität des Unterlassens, d. h. die Pflichtigkeit, tätig zu werden. Eine besondere juristische Problematik bietet der Fall, dass der Patient nur durch die Herz-Lungen-Maschine weiterleben kann, an die er angeschlossen ist. Inwieweit darf der Arzt dem Wunsch des Patienten folgen, die Maschine abzustellen mit der Wirkung, dass der Tod alsbald eintritt? 223 Noch prekärer ist die Frage bei dem Bewusstlosen, der aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mehr aus seiner Bewusstlosigkeit erwachen und damit auch niemals mehr ein „lebens wertes" Lebens führen wird. Das deutsche Recht ist streng und verweigert die Möglichkeit der Sterbehilfe (Euthanasie). Bei der Bewertung dieser Problematik ist auch daran zu denken, daß die Erinnerung an die verbrecherischen Vorgänge in der Nazi-Zeit eine wichtige Rolle spielt, die die Möglichkeit des leichten 221 BGHSt 40, 257; Albin Eser, in: Schönke/Schröder, 25. Aufl. 1977, Vorbem. zu §§ 211 ff. Rdnr.21 ff. 222 Asmus Maatsch, Selbstverfügung als intrapersonaler Rechtsverpflichtverstoß - Zum Strafunrecht einverständlicher Sterbehilfe, 2001; Johannes Heyers, Passive Sterbehilfe bei entscheidungsunfähigen Patienten und das Betreuungsrecht, 2001. 223 In den Niederlanden ist jüngst die Sterbehilfe gesetzlich in wesentlich weiterem Umfang zugelassen worden. Vgl. dazu Birgit Reuter, Die gesetzliche Regelung der aktiven ärztlichen Sterbehilfe des Königreichs der Niederlande - ein Modell für die Bundesrepublik Deutschland? 2. Aufl. 2002.

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Missbrauchs gegenüber hilflosen Menschen gezeigt haben. Allerdings stellt sich die Frage heute in der Regel im konkreten Fall zumeist völlig anders, sodass der Hinweis auf die Zeit vor 1945 zur Problemlösung wenig hilfreich erscheint 224. c) Der Wille zum Sterben Es besteht daneben das Problem, ob der Wille zum Sterben echt und endgültig ist oder ob nachträglich doch noch ein Wille zum Leben erwachen kann. Soweit Zweifel bestehen, ist die Mitwirkung - auch durch Unterlassen - zweifellos rechtswidrig. Aber es gibt genug Fälle, in denen das Weiterleben so offensichtlich aussichtslos ist, dass man an dem Willen, möglichst bald zu sterben, keine ernstlichen Zweifel haben kann. Hier stellt sich die Frage, ob der Zwang zum Weiterleben gegen den Willen des Sterbenden nicht eher Grausamkeit als Hilfe ist. In dieser Frage ist ein Umdenken oder - besser - ein Weiterdenken erforderlich, um zu einer problemadäquaten Lösung zu kommen. Das geltenden Recht ist insoweit konservativ. Es lässt die Sterbebegleitung, aber nicht die Sterbehilfe zu 225 . An die Stelle des erst kurz vor dem Tode geäußerten Willens des Patienten kann ein Patiententestament früheren Datums treten, in dem der Patient eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass er eine Verlängerung seines Lebens durch künstliche medizinische Mittel nicht wünscht. Dies kann, wenn es vom Kranken gewollt ist, als Rechtfertigungsgrund angesehen werden. Eine Entscheidung des Gesetzgebers zu dieser Frage fehlt 226 . Der Arzt und der „Sterbebegleiter" sind hier in einem Grenzsaum zwischen Verbrechen und humaner Hilfe weitgehend auf sich und ihre ethischen Entscheidungen auf sich gestellt.

V I I I . Die Verwaltung des Personenrechts Neben dem materiellen Personenrecht der natürlichen Person steht ein umfangreiches formelles Recht 227 .

224

Jürgen in der Schmitten, Die Entscheidung zur Herz-Lungen-Wiederbelebung, 1998. Albrecht WienkelHans-Dieter Lippert (Hrsg.), Der Wille des Menschen zwischen Leben und Sterben, 2001; Herbst, Der Mensch und sein Tod, 2001. 226 Mark-Oliver Baumgarten, The Right to Die? Rechtliche Probleme um Sterben und Tod - Suizid - Sterbehilfe - Patientenverfügung - „Health Care Proxy" - Hospiz im internationalen Vergleich, 2. Aufl. 2000; R. Harri Wettstein, Leben- und Sterbenkönnen, 2. Aufl. 1997; Johann Heyers, Passive Sterbehilfe bei entscheidungsunfähigen Patienten und das Betreuungsrecht, 2002; Jan C. JoerdenlJosef N. Neumann (Hrsg.), Medizinethik 3,2002; Matthias Nagel, Passive Euthanasie, 2002; Miriam Ina Saati, Früheuthanasie, 2002. 227 GünterBeitzke/Fritz Lüderitz, Familienrecht, 26. Aufl. 1992, S. 25 ff.; Fritz Rietdorf, Die geschichtliche Entwicklung des Personenstandswesens in Deutschland, 1958; Erich Hinkel, Personenordnungsrecht in der kommunalen Praxis. Staatsangehörigkeitsrecht, Passrecht, Personalausweisrecht, Melderecht, Namensrecht, 1997. 225

VIII. Die Verwaltung des Personenrechts

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1. Das Personenstandswesen Dieses wird vor allem im Personenstandsgesetz (PStG)228 geregelt. Zuständig sind die Standesämter, gemeindliche Behörden, die ihre Aufgaben als staatliche Auftragsverwaltung (Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises) wahrnehmen. Sie registrieren alle wesentlichen personenrechtlichen Vorgänge, soweit sie die Geburt oder den Tod betreffen. Vor ihnen werden die Ehen geschlossen, sodass sie auch die Eheschließung registrieren 229. Der Datenbestand der Standesämter ist die wichtigste Informationsquelle für Fragen der personenrechtlichen Lage des Einzelnen und wird daher auch mit Recht mit strenger Förmlichkeit geführt. Zum Personenstandsrecht gehört auch der strafrechtliche Schutz, den das Gesetz der Zuverlässigkeit und Richtigkeit des Personenstandes angedeihen lässt. StGB § 169 stellt die Fälschung des Personenstandes einschließlich des Versuchs hierzu ausdrücklich unter Strafschutz. 2. Das Melderecht 230 Das Meldewesen ergänzt das Personenstandsrecht. Es dient vor allem dazu, Menschen, von denen die Verwaltung etwas will oder denen sie etwas zukommen lassen will, aufzufinden. Daher ist jedermann verpflichtet, sich bei der zuständigen Meldebehörde, die bei der Gemeinde oder beim zuständigen Gemeindeverband gebildet wird, anzumelden, wenn er seinen Wohnsitz innerhalb des Gemeindebezirks nimmt oder seinen Wohnsitz ändert oder aufgibt. Das Gesetz schreibt im einzelnen vor, welche Angaben zur Person bei der Meldebehörde zu machen sind. Diese Angaben dienen nicht nur der Identifizierung, sondern auch der Herstellung von Lohnsteuerkarten, der Aufstellung des Wählerregisters, der Erfassung zur Schul- und Wehrpflicht, der Feststellung der Zuständigkeit in zahlreichen Verfahren, der Benachrichtigung aus besonderen Anlässen, aber auch der strafrechtlichen Fahndung. Das Melderegister ist eine Informationsquelle der Verwaltung für eine praktisch unbegrenzte Zahl von Anlässen. Das Melderecht ist ein politisches Recht und hat sich seit je her als ein Instrument der Sozialkontrolle in Abhängigkeit von den politischen Verhältnissen befunden 231. Daran hat sich bis heute praktisch nichts geändert. Das Melderegister ist dazu eingerichtet, Auskünfte über Personen zu geben, den Gemeldeten gewissermaßen an228

Reinhard Hepting/R. Gaaz, Personenstandsrecht mit Ehe- und internationalem Privatrecht, Kommentar (Loseblatt), 2. Aufl. 1994; E. QuesterlR. Büchner!H. Bornhofen, PStG mit Ausführungsvorschriften und Ehegesetz, 6. Aufl. 1994. 229 Wegen der Einzelheiten hierzu vgl. das PStG und die DVO hierzu (PStVO). 230 Klaus M. Medert/Werner Süßmuth u. a., Pass- und Personalausweisrecht des Bundes und der Länder, 2. Bde. 1998/2001; Holger Mühlbauer, Kontinuitäten und Brüche in der Entwicklung des deutschen Einwohnermeldewesens, 1995. 231 Mühlbauer.

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deren Behörden als einen „gläsernen Menschen" zu liefern. Daher bedarf es der Entscheidung, wieweit dieses Auskunftsrecht gehen darf und wo das Recht auf informationelle Selbstbestimmung beginnt. Die heutigen Meldegesetz behandeln daher diese Fragen mit der erforderlichen Gründlichkeit, nehmen aber angesichts der Bedrohung durch Terroristen auch auf die Erfordernisse der öffentlichen Sicherheit Rücksicht232. 3. Das Bundeszentralregister und das Verkehrszentralregister Ein weiteres wichtiges Register mit zahlreichen personenbezogener Daten enthält das Bundeszentralregister, das unter der Aufsicht des Bundesgeneralanwalts geführt wird 233 . In dieses Register werden insbesondere strafgerichtliche Verurteilungen, Vermerke über die Schuldunfähigkeit von Personen sowie bestimmte Entscheidungen von Verwaltungsbehörden wie die Ausweisung und Abschiebung von Ausländern, Waffenmissbrauch, gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, Ungeeignetheit und Unwürdigkeit im Zusammenhang mit der Ausübung eines Berufes eingetragen. In diesem Zusammenhang ist auch das Verkehrszentralregister zu erwähnen 234, in das vor allem Entscheidungen der Strafgerichte und Ordnungsbehörden wegen Verletzung von Vorschriften im Straßenverkehr eingetragen werden, die bei Bedarf von den Verkehrsbehörden, Staatsanwaltschaften und Gerichten abgefragt werden können. 4. Ausländer- und Staatsangehörigkeitsrecht 235 Die Entwicklung des Verkehrswesens, die große Zahl grenzüberschreitender Reisen aus privatem und geschäftlichem Anlass, die ungeheuren Wellen von Migrationsströmen, insgesamt die Globalisierung unseres ganzen sozialen und wirtschaftlichen Lebens haben den Anteil von Ausländem, die die Grenzen überschreiten und sich in Deutschland aufhalten, stark vermehrt. Damit hat die Arbeit der Ausländerämter zugenommen. Es geht um die Erteilung, Verlängerung, Verweigerung und Entziehung von Berechtigungen zum Aufenthalt sowie Akte der Ausweisung und Abschiebung. Deutschland ist - wie heute wohl unbestritten - ein Einwanderungsland geworden. Die Einwanderung muss gesteuert werden, um erwünschte Arbeitskräfte zu gewinnen und unerwünschte Personen, die soziale Lasten mit sich bringen, 232

Melderechtsrahmengesetz (MRRG) i.d.F. vom 19.4.2002, BGB1.I S. 1342. Bundeszentralregistergesetz i. d. F. v. 21.9.1984, BGBl. I S. 1229. - Es wird in BerlinCharlottenburg geführt. 234 Straßenverkehrsgesetz § § 28 ff. Es wird in Rensburg geführt. 235 Wilfried Bergmann!Jürgen Korth, Deutsches Staatsangehörigkeits- und Passrecht, l.Hbd. Staatsangehörigkeitsrecht, 2. Aufl. 1989; Alexander Makarov/Hans v.Mangoldt, Deutsches Staatsangehörigkeitsrecht, Kommentar (Loseblatt), Stand 1993, 2 Ordner. 233

VIII. Die Verwaltung des Personenrechts

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ohne etwas für die Gesellschaft zu leisten, ferner auch Personen, die hierher kommen, um Straftaten zu begehen, von vorn herein abzuweisen. In diesen Zusammenhang gehört auch die Verwaltung des Staatsangehörigkeitsrechts. Dabei geht es nicht nur um die Feststellung, welche Staatsangehörigkeit eine bestimmte Person besitzt, sondern auch um die Verleihung der deutschen Staatsangehörigkeit, die durch das Staatsangehörigkeitsgesetz geregelt wird. Die Registrierung der Ausländer einschließlich der abgewiesenen und abgeschobenen Ausländer erfolgt heute in einem Zentralregister 236 5. Das Namensänderungsrecht 237 Ein weiterer Gegenstand der Verwaltung des Personenrechts ist das Namensrecht auf Grund des Namensänderungsgesetzes238. In diesem Gesetz wird die Änderung der Familien- und Vornamen der Entscheidungsfreiheit des Namensträgers entzogen und dem Staat übergeben. Dies erscheint wichtig, um die Identität der Personen sicherzustellen. Zuständig sind hierfür die Ordnungsbehörden des Wohnsitzes.

236 Ausländerzentralregistergesetz (AZRG) vom 2.9.1994 (BGB1.I S.2265) i.d.F. des Art.4 des G. v. 20.6.2002 (BGB1.I S. 1946). 237 August Simader, Deutsches Namensrecht (Loseblattsammlung, Stand 1999). 238 G. vom 5.1.1938, RGBl. IS. 9 = BGBl. III 401-1.

C. Die juristischen Personen I. Der Begriff der juristischen Person 1. Allgemeines Was eine juristische Person ist, kann sehr unterschiedlich beschrieben werden1. Am meisten diskutiert worden ist wahrscheinlich die Theorie Otto v. Gierkes von der „realen Verbandsperson" 2. Danach können menschliche Gemeinschaften ebenso wie das menschliche Individuum einen Organismus darstellen. Dass man menschliche Verbände als Organismus bezeichnen kann, dass sie entstehen, also „geboren werden", und dass sie untergehen, also „sterben", steht außer Zweifel. Nur ist damit für das Recht nichts gewonnen, weil der Gedanke des Organismus für die Lösung von Rechtsproblemen wenig taugt. Das von Otto v. Gierke selbst benutzte Beispiel, etwa die Menschenmenge bei einer Demonstration als Organismus aufzufassen, zeigt dies. Die organische Theorie, die v. Gierke vertreten hat, gehört in den Bereich der Soziologie, vielleicht nicht einmal der Rechtssoziologie, bleibt aber für das positive Recht ohne Bedeutung. Jeder Versuch, eine Mehrheit von Menschen juristisch als eine Person zu begreifen, d. h. ihr rechtlich eine ähnliche Qualität wie einem menschlichen Individuum beizulegen, kann der Notwendigkeit einer gedanklichen Konstruktion nicht ausweichen. Die juristische Person ist etwas anderes als das menschliche Individuum, sie ist ein gedankliches Konstrukt, sie ist eine bewusste, mehr oder weniger willkürliche Gleichstellung ungleicher Lebenserscheinungen. Aber die Erweiterung des Personbegriffes über das Individuum hinaus auf eine Mehrheit von Menschen entspricht einem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bedürfnis. Das Recht kommt ohne den Begriff der juristischen Person nicht aus, um die Vielfalt der sozialen Erscheinungen sachgerecht zu regeln. Doch muss klargestellt bleiben, dass es sich um etwas durch das Recht Geschaffenes handelt, das zwar oft auch ein soziologisch fassbares Substrat hat, d. h. ein Stück der gesellschaftlichen Wirklichkeit, mit dieser aber nicht identisch ist. Mit dem Begriff der juristischen Person wird vor allem erreicht, dass eine Mehrheit von natürlichen Personen, die gemeinsam einen Zweck verfolgen und sich zur Erfüllung dieses Zweckes verbunden haben, von ihren einzelnen Mitgliedern abs1

Werner Flume, Die juristische Person, 1983. Otto v. Gierke, Das Wesen der menschlichen Verbände, Berliner Rektoratsrede 1902 = Reihe „libelli" Nr. 17 (1954) der Wissenschaftlichen Buchgemeinschaft. 2

I. Der Begriff der juristischen Person

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trahiert werden kann. Die einzelnen Mitglieder werden begrifflich, d. h. juristisch von der vereinigten Vielheit der Mitglieder gelöst. Die Vereinigung handelt wie ein Mensch durch Organe, die die Vielheit bestellt hat. Sie tut dies unter einem eigenen Namen und nicht unter dem Namen ihrer Mitglieder. Sie erwirbt durch ihre Organe Vermögensgegenstände, auf die die Mitglieder grundsätzlich - auch anteilmäßig - keinen Zugriff haben. Die Ablösung der juristischen Person von den sie tragenden natürlichen Personen zeigt sich vor allem darin, dass allein die juristische Person für die Verbindlichkeiten haftet, die ihre Organe eingehen, die Mitglieder dagegen nicht mit ihrem persönlichen Vermögen für die Verbindlichkeiten einstehen müssen. Die Trennung zweier Handlungs-, Vermögens- und Haftungssphären ist das Prinzip, das der rechtlichen Vorstellung von der juristischen Person zugrunde liegt. Die juristische Person ist eine geniale Erfindung von Juristen, durch die es möglich geworden ist, große Vermögen zu sammeln und mit ihnen wirtschaftlich zu arbeiten. Der einzelne, der seinen Beitrag zu dem Vermögen der Vereinigung beisteuert, würde dies in vielen Fällen wegen der Haftung der Vereinigung, der er angehört, nicht riskieren. Die Haftungsbeschränkung ist juristisch das Wichtigste für den Begriff der juristischen Person. Deshalb ist es auch logisch, dass die Haftungsproblematik, die Haftungsbeschränkung, bei allen juristischen Personen bei der Klassifizierung im Vordergrund steht. Juristische Personen gibt es nicht nur im weltlichen, sondern auch im kirchlichen Recht. Das gilt nicht nur für die Zusammenfassung natürlicher Personen im kirchlichen Rechts, insbesondere den Zusammenschluss von Geistlichen und Angehörigen von Orden, sondern auch für die zahlreichen unterschiedlichen, rechtlich zum Teil zuweilen eigenartigen und historisch bedingten juristischen Personen des Kirchenrechts aller Konfessionen. Die Kirchen haben nach den als Teil des GG weitergeltenden Vorschriften der WRV Autonomie, d. h. sie geben sich ihre Normen und organisieren sich selbst. Sie sind Herr über ihre Organisation und damit auch über die Schaffung von neuen juristischen Personen des kirchlichen Rechts, die dann als Handelnde auch im privatrechtlichen Bereich des weltlichen Rechts auftreten. 3 Dieser Teil des Personenrechts wird in diesem Werk jedoch ausgeklammert. Ebenso wenig werden in diesem Werk die internationalen, ausländischen und europarechtlichen juristischen Personen behandelt4. Sie gewinnen für die deutsche inländische Rechtspraxis zunehmend an Bedeutung. Gerade deshalb gilt auch für sie, dass ihre Beschreibung eine gesonderte Behandlung fordern würde.

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Art. 137 Abs. 3 bis 6 WRV i.V.m. Art. 140 GG. Zum Begriff der inländischen juristischen Person nach Art. 19 Abs. 3 GG vgl. Markus Kotzur, DÖV 2001, 192 ff.; zu den europäischen juristischen Personen vgl. Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, S. 31 f.; Mathias Habersack, Europäisches Gesellschaftsrecht, 1999. 4

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C. Die juristischen Personen

2. Ursprünge der juristischen Person Es gibt nicht „die" juristische Person. Die Idee der juristischen Person hat in vielen und sehr unterschiedlichen Förmen Gestalt gewonnen. Daher ist es auch nur schwer möglich, die Gesamtzahl der juristischen Personen unter bestimmten einheitlichen Merkmalen zusammenfassen, die für alle juristischen Personen gelten. Was verbindet den Staat, die private gemeinnützige Stiftung, die Aktiengesellschaft, die landwirtschaftliche Genossenschaft, die Landesversicherungsanstalt und den Gesangverein unter rechtlichen Gesichtspunkten? Sie unterscheiden sich nach den Rechtsquellen, auf denen sie beruhen, nach ihren Zielen und Zwecken und nach ihrer inneren Struktur wesentlich von einander. Es gibt nicht wie bei der natürlichen Person, die durch das Menschsein aller Personen klar definiert ist, ein bestimmtes, auf alle juristischen Personen zutreffendes Merkmal. Die juristische Person ist nichts weiter als eine juristische Konstruktion, die bestimmten Gebilden, die keine natürliche Personen sind, Personeneigenschaft beilegt. a) Vereinigungen Auf dem Wege zum Begriff der juristischen Person im heutigen Verständnis sind historisch mehrere Schritte zu unterscheiden. Am Anfang der Entwicklung stand der Zusammenschluss mehrerer Menschen, die Gesellschaft oder der Verein. Der entscheidende Schritt zur juristischen Person ist die Haftungsbeschränkung der Mitglieder derartiger Zusammenschlüsse auf das Vermögen des Zusammenschlusses selbst, der Ausschluss der persönlichen Haftung der einzelnen Mitglieder für die Verbindlichkeiten des Zusammenschlusses, dessen Mitglieder sie sind. Die Gesellschaft wird dadurch zu einem Wesen, das juristisch neben seinen Mitgliedern steht. b) Vermögensmassen Eine vollständig andere, davon zu unterscheidende Erscheinung sind große Vermögensmassen, die einem bestimmten gesellschaftlichen Zweck gewidmet sind. Die Notwendigkeit eines Schutzes dieser Vermögen führte zu einer rechtlichen Aussonderung aus dem allgemeinen Vermögen der über die Vermögen Verfügungsberechtigten. Der Schutz der Vermögen vor dem Zugriff durch Dritte, die einen persönlichen Anspruch gegen die vormals Verfügungsberechtigten hatten, erforderte diese juristische Absonderung. Auch hier benutzt das Recht zur Herstellung der Haftungsbeschränkung den Personenbegriff und definiert - auf einem längeren historischen Wege - derartige Vermögensmassen als Person, obwohl hier im Grunde eine besondere Personalität überhaupt nicht gegeben ist.

I. Der Begriff der juristischen Person

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c) Herrschaft Schließlich gesellte sich noch ein ganz anderer Typ der juristischen Person hinzu. Die beiden zunächst genannten Typen - Vereinigungen und Vermögensmassen - verlangten keine bestimmte Zuordnung zum öffentlichen oder privaten Recht. Solange man zwischen diesen beiden Rechtskreisen im deutschen Recht noch nicht scharf unterschied, kam es überhaupt nicht darauf an, ob eine Gesellschaft oder Korporation dem öffentlichen Recht oder dem privaten Recht zugeordnet wurde. Die Rechtsordnung verlangte für die Vereinigungen eine Bindung durch die hoheitliche Gewalt und gab auch bei der Gründung keine Freiheit, sondern stellte sie unter den Schutz und die Aufsicht der Obrigkeit. Ähnlich ging es mit den Vermögensmassen, die wie eine eigenständige Person von den über sie Verfügungsberechtigten rechtlich abgesondert wurden. Der bewährte Personenbegriff traf dabei alle Vermögensmassen, mochten sie einem privaten oder einem öffentlichen Zweck dienen. Die scharfe Unterscheidung zwischen den beiden Sphären ist erst eine Folge des Konstitutionalismus im 19. Jahrhundert mit der Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft. Die Bezeichnung als Stiftung sowohl für die öffentlich-rechtlich und für die privatrechtlich organisierte Vermögensmasse zeigt die historische Verwandtschaft. Die Einbeziehung der Herrschaftsorganisation des Staates aus seiner Souveränität in den Personenbegriff ist eine weitere Entwicklung, wie man gesagt hat, eine Erfindung der deutschen Professoren. Der Landesherr, schon lange der Kaiser waren keine juristischen Personen, sondern natürliche Personen, die allerdings kraft ihrer Souveränität aus der Dogmatik des Personenrechts weitgehend ausgenommen waren. Auch für den Fiskus als den Teil des „Staates", der verklagbar war, bestand kein Bedürfnis, ihn als Person, insbesondere als juristische Person zu verstehen. Die Auffassung, es handele sich beim Staat um eine Körperschaft setzt voraus, dass die Menschen, die vorher nur Untertanen des Landesherrn waren und gegenüber dem Landesherrn nur im Bereich des Privatrechts subjektive Rechte hat, an der Staatsgewalt beteiligt wurden, als Teilhaber der staatlichen Souveränität einer Korporation angehören. Fasst man diese Betrachtungen zusammen, so ergibt sich, dass die Idee der juristischen Person im deutschen Recht drei unterschiedliche Quellen hat, die sehr wenig mit einander zu tun haben. Aus ihnen hat die Rechtsdogmatik den einen Begriff der juristischen Person gebildet und diesen Begriff aber durch die Zusammenfassung so schwer durchschaubar gemacht. 3. Nichtrechtsfähige Personenverbände Neben den juristischen Personen stehen die Zusammenschlüsse von Menschen, die zwar eine rechtliche Form als Zusammenschluss besitzen, aber keine Begren-

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C. Die juristischen Personen

zung der Haftung kennen. Der Grundtyp hierfür ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), die in der Praxis vielfach benutzt wird, weil sie durch ihre leichte Handhabbarkeit und durch ihre Flexibilität für bestimmte Sachverhalte sehr nützlich ist 5 . Denn die juristische Person hat auch Nachteile. Sie beschränkt nicht nur die Haftung, sondern auch den Kredit. Der Kaufmann, der „seine" juristische Person als Einmann-GmbH gründet, haftet zwar nicht mit seinem persönlichen Vermögen für die Schulden der GmbH, er wird aber weniger Kredit erhalten, wenn er sein persönliches Vermögen nicht für die Haftung gegenüber seinen Gläubigern, vor allem gegenüber seiner Bank, zur Verfügung stellt6. Auch der Zusammenschluss, der nicht die Form einer juristischen Person besitzt, kann im Rechtsverkehr handeln. Das Gesetz ermöglicht dies weitgehend. Die Mitglieder der Gesellschaft können sich Organe wählen, die die Befugnis besitzen, für die Gesamtheit der Mitglieder zu handeln. Je nach der Satzung, die sich die Gesellschaft gegeben hat, oder nach den Vorschriften, die das Gesetz ihr vorgegeben hat, sind sie befugt, für die Gesellschaft und damit auch für die einzelnen Mitglieder zu handeln. Aber stets bleibt die Haftung der einzelnen Mitglieder bestehen. Vor allem gilt das für nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse, die kein eigenes Vermögen besitzen. Das Vermögen, das sie erwerben, bleibt gemeinschaftliches Vermögen, d. h. Miteigentum ihrer Mitglieder, wenn auch zur gesamten Hand. Da die nicht rechtsfähigen Vereinigungen keine Person im Rechtssinne sind, können sie auch nicht unter ihrem Namen klagen, den sie sich gegeben haben mögen. Es müssen stets alle Mitglieder eine Klage erheben. Freilich darf dieses Problem nicht überschätzt werden. Nicht rechtsfähige Vereine können besondere Vermögensträger, z. B. GmbH'en oder Stiftungen gründen, deren Anteile Treuhänder halten, auf die das Vermögen des nicht rechtsfähigen Vereins übertragen wird, während der Vorstand des nichtrechtsfähigen Vereins zugleich der Geschäftsführung der GmbH innehat und damit diese das Handeln einschließlich die Gerichtsverfahren bei Rechtsstreitigkeiten steuert. Noch einfacher ist es, dass der Vorstand oder die Geschäftsführung, der für die Gesellschaft oder für den nicht rechtsfähigen Verein handelt, den Anspruch, der eingeklagt werden soll, an einen ad hoc zu bestellenden Treuhänder abtritt und dieser nunmehr die Klage erhebt. Diese Möglichkeiten haben Grenzen bei Grundstücken. Die juristische Person kann als solche in das Grundbuch eingetragen werden, die Gesellschaft und der nicht rechtsfähige Verein nicht. Daher können auch nur juristische Personen Grundeigentum oder andere Rechte an Grundstücken erwerben und aus diesen Rechten klagen. Auch hier steht allerdings die Rechtsfigur des Treuhänders zur Verfügung. 5

Walter J. Friedrich, Vereine und Gesellschaften, 7. Aufl. 1994; Peter Ulmer, in: Münchner Kommentar zum BGB §§ 705-740 BGB; Annette Zimmer (Hrsg.), Verein heute - zwischen Tradition und Innovation, 1992; zur Vereinsautonomie: BVerfG, JZ 1992, 248, sowie Werner Flume, JZ 1992, 238 ff. 6 Wegen des Insolvenzverfahren von juristischen Personen, nicht rechtsfähigen Vereinigungen und Vermögensmassen vgl. §§ 11 f. Insolvenzordnung (InsO) v. 5.10.1994, BGBl. IS. 2866.

I.

r e der juristischen Person

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Oft besteht allerdings auch kein Bedürfnis, nach außen aufzutreten. Die Rechtsordnung kennt daher den Begriff der Innengesellschaft. Bei ihr werden die Gesellschafter nur im Verhältnis zu einander tätig. Ein Beispiel hierfür ist die Mitfahrgemeinschaft, die einen Kraftwagen nutzt, der ihr gemeinsam oder einem Mitglied gehört 7. Auch die Stille Gesellschaft (HGB §§230ff.) ist eine Innengesellschaft. 4. Zwischenformen Das Recht kennt auch Zwischenformen zwischen der juristischen Person und der nicht rechtsfähigen Gesellschaft. Im Handelsrecht ist dies die Kommanditgesellschaft. Sie hat neben einem oder mehreren Komplementären, die mit ihrem ganzen Vermögen haften, auch einen oder mehrere Kommanditisten, die nur mit ihrer Einlage haften. Die Kommanditisten stehen daher so wie Mitglieder einer juristischen Person. Auch die OHG ist eine Zwischenform, weil sie - ohne juristische Person zu sein - unter ihrem Namen Eigentum erwerben, klagen und verklagt werden kann (HGB § 124). Ein Beispiel für eine Zwischenform im öffentlichen Recht sind die Fraktionen der Parlamente. Sie sind in der Regel nicht rechtsfähige Vereinigungen von Abgeordneten und nicht Teile der öffentlichen Verwaltung 8. Sie sind Teile des Parlament, das selbst nicht rechtsfähig ist, sondern ein Teil der juristischen Person Bund oder Land. Allerdings ist ihre rechtliche Einordnung nicht vollständig in das Parlament als Teil des Staates geschehen; denn der Staat haftet nicht für die Schulden des Parlaments9.

II. Arten der juristischen Personen 1. Typenbildung a) Typenzwang Während im bürgerlichen Schuldrecht Vertragsfreiheit gilt, d. h. die Beteiligten in der rechtlichen Gestaltung ihrer Vertragsverhältnisse frei sind, gilt im Recht der juristischen Personen Typenzwang10. Hier herrscht schon deshalb keine beliebige Wahlfreiheit zur Schaffung neuer Rechtsformen, weil der Gläubiger der juristischen Personen, dessen Zugriff auf das Vermögen der juristischen Personen beschränkt ist, wissen muss, woran er ist. Die Art und Zahl der möglichen Typen von juristischen Personen ist daher durch die Rechtsordnung festgelegt. Typen, die die Rechtsord7

Bernd v.Hoffmann, in: Soergel, Kommentar zum BGB, 12. Aufl., EGBGB Art. 37 Rdnr.48. Hmb. Fraktionsgesetz v. 20.6.1996, GVB1. S. 134. 9 Für die Fraktionen des Bundestages vgl. Abgeordnetengesetz i.d.F. d. Bek. v. 21.2.1996, BGBl.IS.326, §46. 10 Wolfram W. Radke, Bedingungsrecht und Typenzwang, 2001. 8

11 Thieme

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nung nicht nennt, sind nicht zulässig und können rechtlich nicht wirksam gebildet werden. Dies gilt sowohl im öffentlichen als auch im privaten Recht. Allerdings ist der Typenzwang nicht so drückend, wie es auf den ersten Blick erscheint, weil bei allen Typen viele Varianten möglich sind, die durch die Satzung ausgestaltet werden können. Neue Typen von juristischen Personen, insbesondere solchen des öffentlichen Rechts, können nicht von der Exekutive erfunden werden. Insofern ist der Typenzwang mit einem formellen Gesetzesvorbehalt (Parlamentsvorbehalt) verbunden. Soweit aber eine Rechtsfigur durch den Gesetzgeber vorgegeben ist, kann die zuständige Stelle der Exekutive zur Erfüllung von Aufgaben der Verwaltung im Rahmen ihrer Organisationsgewalt bestimmen, wie viele juristische Personen des betreffenden Typs errichtet werden sollen, z. B. Industrie- und Handelskammern und welchen Bezirk sie haben. Soweit es sich nicht um hoheitsrechtsrechte Befugnisse handelt, haben die Länder bei der Errichtung regelmäßig auch ein Wahlrecht zwischen den verschiedenen Typen. Von juristischen Personen. Daher kann die Verwaltung eine Aufgabe in manchen Fällen nach ihrem pflichtgemäßen Ermessen durch eine Anstalt des öffentlichen Rechts, durch eine Stiftung des Privatrechts oder durch eine GmbH erfüllen lassen. Innerhalb der zugelassenen Rechtstypen ermöglicht die Rechtsordnung weite Gestaltungsmöglichkeiten, die dazu führen, dass die Grenzen u. U. tatsächlich, wirtschaftlich und rechtlich schwimmend werden. Immerhin bleiben die Grenzen insoweit unübersteigbar, als stets bestimmte Mindestbedingungen bestehen und auch stets bestimmte Rechtsfolgen eintreten, vor allem wenn für die einzelne juristische Person im Zweifel die gesetzlichen Rechtsfolgen des gewählten Personentyps eintreten. Wie stark die Gestaltungsmöglichkeiten sind, lässt sich am Vereinsrecht zeigen; mit Hilfe der Vereinssatzung, die autonom von der Mitgliederversammlung des Vereins beschlossen wird, können Varianten entstehen, die dazu führen, dass die Mitglieder den Verein entweder voll beherrschen und der Vorstand machtlos ist oder dass die Mitglieder vollständig einflusslos sind und der Verein von seinem Vorstand oder gar von außen durch Dritte beherrscht wird. Mit der GmbH & Co KG - um ein anderes Beispiel zu nennen - kann eine Rechtsform entstehen, die sich aktienrechtlichen Konstruktionen nähert, weil nur die GmbH als Komplementär der KG persönlich haftet 11. Die freie Wahl der Rechtsform für die juristische Personen kann auch dadurch beschränkt werden, dass bestimmte Geschäfte nur von bestimmten Arten von Gesellschaften betrieben werden dürfen. So können Hypothekenbanken nur durch Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien betrieben werden. 12 Für die Kapitalanlagegesellschaften ist die Rechtsform der AG oder der GmbH zwin11 12

Eugen Sauter! Gerhard Schweyer, Der eingetragene Verein, 17. Aufl. 2001. Hypothekenbankgesetz i. d. F. v. 9.9.1998, BGBl. IS. 2675, § 2.

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gend vorgeschrieben. Für die Unternehmensbeteiligungsgesellschaften sind nur die AG, die GmbH, die KG oder die KGaA mögliche Rechtsformen 14. b) Öffentliches

und privates Recht

Es wird zuweilen die Frage gestellt, ob die Unterscheidung zwischen öffentlichem und privaten Recht im Recht der juristischen Personen noch sachgerecht ist. Diese Frage ist heute besonders aktuell, weil im Rahmen der Privatisierung die Grenze zwischen den originär öffentlichen und privaten Aufgaben schwimmend geworden ist, es vielmehr einen „Dritten Bereich" zwischen dem genuin staatlichen Handeln und dem genuin privaten Handeln gibt. Dies ist der weite Bereich der Gemeinnützigkeit, d. h. der Bereich des verbundenen Handelns von öffentlicher Hand und Privaten zugunsten eines gemeinnützigen Zweckes15. Die Tatsache, dass es zwischen dem öffentlich-rechtlichen und dem privatrechtlichen Bereich einen breiter werdenden Grenzsaum gibt, schließt allerdings nicht die Notwendigkeit der Unterscheidung aus. Es gibt einige Merkmale, an denen man die Unterscheidung zwischen den öffentlich-rechtlichen und den privatrechtlichen juristischen Personen festmachen kann. Hierzu gehört in erster Line die hoheitliche Funktion, weil diese trotz der Möglichkeit der Beleihung Privater ein notwendiges Element der Erfüllung zentraler Aufgaben durch staatsgelenkte juristische Personen des öffentlichen Rechts ist. Vor allem ist trotz des Verschwimmens der Abgrenzung von Aufgaben des öffentlichen und des privaten Bereichs die Zuordnung der Typen von juristischen Personen - mit Ausnahme seltener Sonderfalle - deshalb juristisch gesichert, weil die Zuordnung auf Grund des positiven Rechts oder durch die historische Entwicklung klargestellt ist. Zu bedenken ist, dass die juristischen Personen des öffentlichen Rechts Stück der vollziehenden Gewalt sind und damit - unabhängig von einer finanziellen Abhängigkeit - einer allgemeinen Körperschaftsaufsicht unterstehen, die dem Staat auch einen Sacheinfluss auf die Arbeit der juristischen Person gibt. Im Gegensatz hierzu sind die privatrechtlichen juristischen Personen grundsätzlich staatsfrei. Die für die freiheitlich-demokratische Gesellschaft grundlegende Unterscheidung zwischen Staat und Gesellschaft findet ihre Ausprägung notwendig auch im Recht der juristischen Personen. Der Unterschied zeigt sich auch darin, dass im bürgerlichen Recht die beiden hinsichtlich ihrer Organisation nur lose geregelten Figuren des Vereins und der Stiftung die Mitglieder bzw. die Stifter und die von diesen eingesetzte Körperschaftsorganisation weitgehend frei in ihren Entscheidungen sind, während im Recht der juristi13

Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften i.d.F. v. 9.9.1998, BGB1.I S.2727, § 1 Abs. 3. G. v.9.9.1998, BGB1.I S.2766, §2 Abs. 1. 15 Hans Peter Bull, Die Staatsaufgaben nach dem GG, 2. Aufl. 1977, S.401 ff.; Hartmut Bauer, VVDStRL 54 (1995), 243 ff. 14

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sehen Personen des öffentlichen Rechts eine Satzungshoheit nur in beschränktem Maße gegeben ist. Allerdings ist die Organisationshoheit auch für bürgerlich-rechtliche Gestaltungen beschränkter, wo diese öffentliche Aufgaben übernommen haben. Der bekannteste Fall sind die Parteien, die an sich rechtsfähige oder nicht rechtsfähige Vereine des bürgerlichen Rechts sind, die aber wegen ihrer wichtigen Rolle im Verfassungsleben als praktisch allein Vorschlagsberechtigte für die politischen Wahlen einem Zwang zu einer bestimmten Organisationsform unterliegen, die zunächst im GG (Art. 21) als „demokratische Verfassung" beschrieben und im Parteiengesetz weiter ausgestaltet worden ist 16 . Eine der seltenen Ausnahmen, die sich nicht sicher dem öffentlichen oder dem bürgerlichen Recht zurechnen lassen, stellen die Landesinnungsverbände nach der HwO dar, die einerseits privatrechtliche Vereine sind (HwO § 80), andererseits Zusammenschlüsse von öffentlich-rechtlichen Körperschaften, deren Satzungen auch der Genehmigung der obersten Landesbehörden bedürfen. Sie zeigen, dass die Frage nach der Einordnung juristischer Personen, die einerseits öffentliche Aufgaben erfüllen, andererseits aber privat-rechtliche Formen nutzen, noch weitgehend unaufgearbeitet ist, soweit es sich um die Zuordnung der Aufgabenträger handelt. Im Gegensatz zu den Sozialversicherungsträgern und den berufsständischen Organisationen (Kammern), deren Zusammenschlüsse weitgehend gesetzlich geregelt sind, liegt es im kommunalen Recht sowie im Recht der Hochschulen anders. Zweifellos können diese als Körperschaften des öffentlichen Rechts im Rahmen ihrer Handlungsfähigkeit Verbände bilden, um mit deren Hilfe einen Teil ihrer Aufgaben gemeinsam zu erledigen oder ihre gemeinsamen Interessen zu vertreten. Diese Zusammenschlüsse bewegen sich in der Regel im öffentlichen Recht. Ihre Mitglieder sind öffentlich-rechtliche juristische Personen und sie nehmen öffentliche Aufgaben wahr. Dies sind die Voraussetzungen für die Zuordnung zum öffentlichen Recht17. Dann aber entstehen hier keine privatrechtlichen Organisationsgebilde. Nicht anwendbar ist das Recht des nicht rechtsfähigen Vereins, sondern nur öffentliches Recht, wobei es für einzelne Fragen nicht ausgeschlossen ist, das bürgerliche Vereinsrecht entsprechend anzuwenden. c) Die öffentlich-rechtliche

Typologie

Im öffentlichen Recht hat der Typenzwang der juristischen Personen eine andere Funktion als im privaten Recht. Die Dreiteilung, die im öffentlichen Recht gewöhnlich benutzt wird (Körperschaften, Anstalten und Stiftungen gemäß BGB § 89), ist nur eine theoretisch-dogmatische Unterscheidung, die positivrechtlich nichtssagend ist 18 . Das Gesetz benutzt diese Grundeinteilung zwar auch, verbindet damit aber kei16

Parteiengesetz §§6-16. So nach der Zuordnungs- oder Sonderrechtstheorie, Wolff/BachoflStober, § 22 III 3. 18 Werner Weber, Die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, 2. Auflage 1943. 17

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ne Rechtsfolgen. Es handelt sich nur um den Versuch der Systematisierung einer Vielzahl von möglichen gesetzgeberischen Typen des Bundes- und Landesrechts. Das gilt auch und gerade angesichts des Versuchs, das Recht der juristischen Personen des öffentlichen Rechts im Schl.-H. LVwG zu regeln 19. Die hier gefundene Regelung zeigt die Unmöglichkeit, an die drei Typen spezifische Rechtsfolgen anzuknüpfen. Denn die Regelung enthält außer einer Lehrbuchdefinition nur Vorschriften über die Errichtung und Aufhebung sowie eine Ermächtigung zum Erlass von Satzungen (§§ 37 bis 49). Die Vorschriften unterscheiden sich für die drei Arten von juristischen Personen auch kaum von einander. Inhaltlich handelt es sich nur um Normen, die die Errichtung und die Aufhebung der juristischen Personen unter Gesetzesvorbehalt stellen. Ferner wird hier das Recht zur Satzungsgebung nicht nur für die Organe der juristischen Personen, sondern auch für den Staat festgelegt. Schließlich erweitert der Gesetzgeber den Gegenstand, indem er auch das Recht der nicht rechtsfähigen (nutzbaren) Anstalt zum Erlass einer Anstaltsordnung regelt. Die grobe, für die Praxis weitgehend unbrauchbare Trias von Typen wird in modernen Gesetzen weiter ausdifferenziert, z. B. durch die Formel „Bund, Länder, Gemeindeverbände, sonstige Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts und die von ihnen abhängigen Unternehmen" 20. Hinter diesen Typenbezeichnungen stehen bestimmte allgemeine soziologische Vorstellungen, wobei die Körperschaften als mitgliedschaftliche Personenvereinigungen angesehen werden. Bestimmte juristische Personen werden deshalb als Körperschaften klassifiziert, weil bei ihnen die im Verband der juristischen Person vorhandenen Beteiligten Mitglieder sind. Dies wird damit begründet, dass sie durch ein Wahlrecht mindestens einen mittelbaren einen Einfluss auf die Geschäfte des Verbandes nehmen können. Im Gegensatz hierzu fehlt nach der herrschende Lehre bei den Anstalten und Stiftungen ein derartiger Einfluss von Mitgliedern auf die Verbandsgeschäfte. Da die Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts in dieser Hinsicht nur ein negatives identisches Merkmal besitzen, nämlich keine mitgliedschaftlichen Verbände zu sein, besteht an sich nur eine Zweiteilung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts, d.h. es gibt personenbezogene und vermögensbezogene juristische Personen. Die Unterscheidbarkeit der beiden Arten von vermögensbezogenen juristischen Personen ist immer zweifelhaft geblieben. Die Unterscheidung erscheint gleichwohl durchaus gerechtfertigt. Sie kann darin gefunden werden, dass die Anstalt als nutzbare Anstalt in der Regel Sachwerte besitzt, die unmittelbar vom Nutzer in Anspruch genommen werden (z. B. das Krankenhaus), während die Stiftung Vermögenswerte besitzt, aus denen sie Erträge zieht, mit denen sie den Stiftungszweck erfüllt, d. h. nur mittelbar Leistungen für die Nutzer (Destinatäre) erbringt. 19 Allgemeines Verwaltungsgesetz für das Land Schleswig-Holstein i. d. F. v. 2.6.1992, GVOB1. S.243. 20 §4 Abs. 1 Wohnungsbauförderungsgesetz-WoFG-v. 13.9.2001, BGBl.I S.2376.

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Doch erscheint diese Unterscheidung noch nicht befriedigend, weil es Stiftungen gibt, die auch Anstalten betreiben, z.B. Krankenhäuser. Die Stiftung ist aber deshalb keine Anstalt, sondern die Stiftung hat dann eine Anstalt, in diesem Fall eine nicht rechtsfähige Anstalt. Nach der Terminologie des öffentlichen Organisationsrechts gibt es auch rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die selbst ist keine nutzbare Anstalt im Sinne des Verwaltungsrechts haben21. Die Sparkassen als Anstalten des öffentlichen Rechts sind wirtschaftliche Unternehmen und unterscheiden sich dadurch in wesentlichen Elementen von dem Anstaltsbegriff im Sinne des öffentlichen Sachenrechts. Es gibt eben noch einen weiteren Typ der juristischen Person des öffentlichen Rechts, das öffentliche Unternehmen. Dies ist schon von Forsthoff herausgearbeitet worden 22. Heute wird dieser Sachverhalt z. B. in der Bayerischen Gemeindeordnung positiviert, die als eine neuartige Rechtsfigur selbständige Kommunalunternehmen des öffentlichen Rechts zulässt.23 Die mangelhafte Terminologie des Verwaltungsrechts mit dem doppelten Anstaltsbegriff 24 schafft unnötige Verwirrungen, die durch manchen Legislativakt noch vergrößert wird. 25 Offensichtlich fehlt es im öffentlichen Recht an einer hinreichenden dogmatischen Durcharbeitung des Problems. Das liegt daran, dass man nicht hinreichend klar zwischen der juristischen Person, die stets nur ein gedankliches Konstrukt und keine körperliche Realität ist, und den Sach- und Vermögens-Gegenständen, die sich im Eigentum einer Person befinden, unterscheidet. Die Sach- und Vermögensgegenstände sind niemals die Person selbst. Die Sach- und Vermögensgegenstände gehören der Person, die wie der Mensch vom Recht als vermögensfähig erklärt worden ist, aber sie sind nicht die Person. Die Stiftung ist keine Vermögensmasse, sondern sie ist (in der Regel) Eigentümerin oder Rechtsinhaberin einer Vermögensmasse. Die Unterscheidung zwischen den verschiedenen Arten der juristischen Personen erfolgt durch positiven Akt und ist teilweise an ihre eigene organisatorische Struktur gebunden. Für die bürgerlich-rechtlichen juristischen Personen bestimmen die Gründer oder Stifter die Art, nach der die juristische Person rechtlich zu beurteilen ist. Dies wird durch ein öffentliches Register dokumentiert 26. Im öffentlichen Recht bestimmt die 21

Forsthoff, S. 493 ff. Forsthoff, S. 509. 23 Bayerische Gemeindeordnung, Art. 86 Nr. 2, 89 ff. 24 Einerseits hat das öffentliche Sachenrecht einen Anstaltsbegriff entwickelt und meint damit Zusammenfassung eines Bestandes von persönlichen und sachlichen Mitteln zur Erfüllung eines Verwaltungszweckes. Diese Anstalt ist nicht juristische Person. Andererseits wird der Anstaltbegriff benutzt, um einen Typus der juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu bezeichnen. Vgl. dazu Wolff/Bachof!Stober, Bd. 1, 11. Aufl. 1999, §34; Hans Peter Bull, Allgemeines Verwaltungsrecht, 5. Aufl. 1997, S.330ff. 25 So werden die Bundes- und Landesversicherungsanstalten trotz ihres Namens ausdrücklich als Körperschaften des öffentlichen Recht bezeichnet, § 29 Abs. 1 SGB IV, für die Bundesanstalt für Arbeit vgl. § 367 SGB III. 26 Vereinsregister, Handelsregister, Genossenschaftsregister, Liste der Stiftungen bei der Stiftungsaufsichtsbehörde. 22

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öffentliche Hand, in der Regel der Staat, über die Wahl des Rechtstypus der juristischen Person. Die Zuordnung zu den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts ist dabei in aller Regel nur eine Frage der theoretisch-systematischen Einordnung, die ohne rechtliche Folgen bleibt, weil es anders als im Privatrecht keinen „Allgemeinen Teil" für die einzelnen Rechtstypen des öffentlichen Rechts gibt. Die Typen Körperschaft, Anstalt und Stiftung des öffentlichen Rechts sind nicht durch das Gesetz definiert, sondern in Anlehnung an das bürgerliche Recht als theoretische Systembegriffe gebildet worden, die von zahlreichen Einzelgesetzen des Bundes- und Landesrechts ausgefüllt werden, ohne sich streng an die Systematik zu halten, weil die praktischen Bedürfnisse der Verwaltung laufend eine Weiterentwicklung durch neue Typen von juristischen Personen fordern. Das BGB, das die Dreiteilung geschaffen hat, hat ausdrücklich bestimmt, dass die öffentlich-rechtlichen Typen im BGB nicht zu behandeln sind und hat damit alles offen gelassen, einschließlich des Systems der juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Wenn man dem § 89 BGB überhaupt eine Bedeutung zumessen will, so allenfalls die, dass mit dieser Vorschrift die Verweisung des gesamten Rechts der juristischen Personen des öffentlichen Rechts an das Verwaltungsrecht erfolgt ist. d) Föderalistische

Probleme

Die Frage der Typenbildung hat auch für die Gesetzgebungszuständigkeit von Bund oder Land Bedeutung27. Mit dem BGB, dem HGB und anderen privat-rechtlichen Gesetzen hat der Bundesgesetzgeber seine Kompetenz zum Erlass vom Gesetzen auf diesem Gebiet voll ausgeschöpft. Eine subsidiäre Zuständigkeit des Landesgesetzgebers zur Schaffung eines neuen Typs von juristischen Personen des Privatrechts gibt es nicht. Im öffentlichen Recht dagegen kann der Bund die Länder nicht aus ihrer verfassungsrechtlichen Organisationsgewalt verdrängen. Soweit die Länder Landesaufgaben oder Bundesgesetze als eigene Aufgaben vollziehen, sind sie grundsätzlich zur Einrichtung von Behörden und zur Organisation der Verwaltung zuständig (Art. 83 GG). Sie entscheiden daher auch, ob die Verwaltungsaufgaben durch Landesbehörden oder durch besondere juristische Personen des Landesrechts, z.B. durch Körperschaften des öffentlichen Rechts, wahrgenommen werden. Sie bestimmen hierbei, ob dazu neue Typen von juristischen Personen des öffentlichen Rechts geschaffen werden sollen oder ob die bisher schon bestehenden juristischen Personen oder Personen-Typen die Aufgaben übernehmen. Andererseits kann der Bund, soweit ihm das GG eine Hoheit zur Einrichtung von Behörden der Länder zugewiesen hat (Art. 84 Abs. 1 GG), auch Vorgaben für die 27

Peter Lerche, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz-Kommentar, Art. 87 Rdnr.205; Armin Dittmann, Die Bundesverwaltung, 1983, S. 146 ff.

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Schaffung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts machen, einschließlich von neuen Typen. Weiter kann der Bund, soweit er zur Ausführung der Bundesgesetze durch seine eigene Verwaltung zuständig ist, selbst neue und neuartige Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts gründen (GG Art. 87 Abs. 3). Die Frage, ob der Bund auch neue Stiftungen des öffentlichen Rechts errichten kann, beantwortet das GG nicht ausdrücklich. Es ist heute aber unstreitig, dass der Bund auch Stiftungen des öffentlichen Rechts errichten kann28. Für die folgende Darstellung soll der durch die Gesetzgebung vorgegebenen und durch die Lehre bekannten Dreiteilung zunächst gefolgt werden, indem zwischen sog. Körperschaften (personale Verbände) und Sachgesamtheiten (Anstalten und Stiftungen) unterschieden wird. Dabei werden zunächst die Personenverbände behandelt (unter 2.), sodann Kapitalgesellschaften (unter 3.) und die Herrschaftsverbände (unter 4.). Die Darstellung wird dann über die Personenverbände, die juristische Personen sind, hinaus ausgedehnt; es werden auch Personenverbände ohne Personeneigenschaft einbezogen, weil die Rechtsordnung in besonderen Problemlagen sich vielfach derartiger personenähnlicher Verbände bedient, um gewisse Rechtswirkungen zu erzielen, die grundsätzlich nur durch die Figur der juristischen Person erreicht wird (unter 5.). Unter den darauf folgenden Ziffern werden sodann die Sachgesamtheiten als juristische Personen behandelt und zwar (unter 6.) die juristischen Personen des Privatrechts und unter 7. einige Beispiele von personenähnlich organisierten privatrechtlichen nicht rechtsfähigen Sachgesamtheiten. Der Abschnitt 8. wird schließlich die Sachgesamtheiten des öffentlichen Rechts zum Gegenstand haben. 2. Personenverbände29 a) Das Vereinsrechtssystem Die Urform der juristischen Person ist die rechtsfähige Gesellschaft, die das BGB als Verein bezeichnet30. Der rechtsfähige Verein (BGB §§ 21-74) ist zugleich die wichtigste Form des Personenverbandes. Sieht man von den in der Rechtspraxis bedeutungslosen ausländischen Vereinen ab (BGB § 23), so geht es praktisch um zwei Formen, um den Idealverein, den das BGB (§21) als „eingetragenen Verein" bezeichnet und um den wirtschaftlichen Verein (BGB § 22). Das Recht der wirtschaftlichen Vereine ist nicht im BGB ausgestaltet. Die wenigen Vorschriften des BGB, die auch für den wirtschaftlichen Verein gelten (§§ 24-53) bedürfen der Ergänzung, die im Einzelfall bei der Verleihung der Rechtsfähigkeit durch die zuständige Landesbehörde getroffen wird. 28

Willi Blümel, HStR IV, 1990, S. 857 ff., 908. Werner Flume, Die Personengesellschaft 1977. 30 Kurt Stoeber, Handbuch zum Vereinsrechts, 8. Aufl. 2000; Bernhard Reichert, Handbuch des Vereins- und Verbandsrechts, 8. Aufl. 2001. 29

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Das Gesetz hatte gemeint, dass ein Idealverein, d. h. ein Verein, der keinen wirtschaftlichen Interessen nachgeht, von der Staatsaufsicht weitgehend freigestellt werden kann. Als eingetragener Verein unterliegt er aber auch der staatlichen Aufsicht. Er entsteht durch die Eintragung in das vom Amtsgericht (Registergericht) geführte Vereinsregister, wobei dieses prüft, ob die Satzung die notwendigen Voraussetzungen enthält (§§57, 58 BGB), die Mindestmitgliederzahl erreicht ist und der Vorstand ordnungsgemäß bestellt ist. Fehlt es an diesen Mindestvoraussetzungen, so kann die Anmeldung zurückgewiesen werden (§ 60 BGB). Weder das Registergericht noch eine andere Behörde kann durch eine Ermessensentscheidung die Entstehung des Vereins beeinflussen 31. Nur wenige Normativbestimmungen bestehen für den ein getragenen Verein, insbesondere die Verpflichtung, eine Mitgliederversammlung und einen Vorstand als Organe sowie eine Satzung zu haben. Auch die Funktionen, die diesen Organen durch das Gesetz zugeordnet sind, sind wenige, manche auch abdingbar. Weitere Organe, die das Gesetz nicht ausdrücklich vorsieht, können durch die Satzung eingeführt werden. Das BGB gibt dem Verein eine starke Satzungshoheit, durch die die Normativ-Vorschriften des Gesetzes weitgehend abgelöst werden können. Mit dieser Regelung wollte das liberale BGB die in den Grundrechtskatalogen der Landesverfassungen garantierte Vereinsfreiheit auch im Bürgerlichen Recht sicherstellen. Allerdings standen und stehen die Vereine immer im Geruch, daß sie Quelle verfassungswidriger Umtriebe sein können. Daher ist das Vereinsrecht nicht voll erfasst, wenn man nur das BGB heranzieht. Es gehört auch die öffentlich-rechtliche Seite hierzu, das Vereinsgesetz, das der Sache nach ein Polizeigesetz oder ein Verfassungsschutzgesetz ist. Das Vereinsgesetz, das das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit (GG Art. 9 Abs. 1 und 2) verfassungsrechtlich zulässig einschränkt, gibt u. U. sogar als äußerste Möglichkeit das Verbot von Vereinen 32. b) Der wirtschaftliche

Verein und die Genossenschaft

Die wirtschaftlichen Vereine des BGB haben gegenüber den Idealvereinen in der Praxis eine wesentlich geringere Bedeutung. Im Gegensatz zur OHG und zur KG, für deren Errichtung eine staatliche Genehmigung nicht erforderlich ist, bedürfen sie der Verleihung der Rechtsfähigkeit durch die Landesbehörde. Ob durch diesen Rechtsakt Risiken für die Mitglieder, die ihr Geld bei dem wirtschaftlichen Verein anlegen, verringert werden, ist eine kaum zu bejahende Frage, weil die Landesbehörde eine wirkliche Aufsicht - wie ein Aufsichtsrat oder die Stiftungsaufsicht - nicht ausüben kann. Ebenso wenig wie das BGB zwischen den Stiftungen unterscheidet, die ein Wirtschaftsunternehmen betreiben, und denen, die ideale Zwecke verfolgen, bedarf es einer solchen Unterscheidung bei den Vereinen. Das 31

§ 60 BGB, der ein behördliches Einspruchsrecht vorsah, ist gestrichen worden. GG Art. 9 Abs. 2; Vereinsgesetz §§ 3 ff. sowie DVO v. 28.7.1960, BGBl. IS. 457 -Johannes Brie, Vereinsfreiheit, eine dogmatische Untersuchung der Grundfragen, 1998. 32

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tatsächliche Bedürfnis nach einer staatlichen Aufsicht wirtschaftlicher Vereine ist daher auch gering 33. Soweit ein staatliches Aufsichtsbedürfnis für bestimmte Arten von Geschäften besteht, kann dies für die spezielle Geschäftstätigkeit festgemacht werden, ist aber wenig sinnvoll für jede beliebige Wirtschaftstätigkeit. Ferner erscheint unter der Geltung der Vereinigungsfreiheit die Rechtsprechung fraglich, dass die staatliche Aufsichtsbehörde nur dann einen wirtschaftlichen Verein genehmigen muss, wenn die Wahl der Rechtsform der GmbH oder der AktG nicht zumutbar ist 34 . Allerdings ist ein Verein mit freiem Ein- und Austrittsrecht ohne sichere Kapitalbasis kaum in der Lage, sinnvoll zu wirtschaften. Daher haben die eingetragenen Genossenschaften, die der Sache nach Sonderformen des wirtschaftlichen Vereins sind 35 , in der Praxis auch wesentlich mehr Anklang gefunden. Denn bei ihnen müssen die Genossen einen Geschäftsanteil zeichnen und u. U. auch noch Nachschüsse leisten (GenG §§ 105). Sie stehen auch unter der Aufsicht eines Prüfungsverbandes (GenG § 55), der seinerseits wieder einer Staatsaufsicht unterliegt (GenG § 64). Selbstverständlich ist es möglich, dass anstelle des Geschäftsanteils bei der Genossenschaft ein Eintrittsgeld beim Eintritt in den wirtschaftlichen Verein bezahlt wird, aus dem das notwendige Eigenkapital gebildet wird. Die Abgrenzung des Idealvereins vom wirtschaftlichem Verein kann im Einzelfall problematisch werden 36. Jeder Verein muss irgendwie am Markt auftreten und sei es nur zur Beschaffung von Büromaterial, zur Anmietung einer Musikkapelle oder der Beauftragung eines Redners für Vereinsveranstaltungen. Der Idealverein kann seine Veranstaltungen mit Ausschank von Getränken und Verkauf von Speisen so gestalten, dass der Wirtschaftsbetrieb hierbei in den Vordergrund tritt. Ein Verein kann seinen Zweck darin finden, jährlich ein „Vereinsfest" zu veranstalten, wobei die Mitgliedschaft nur für ein Jahr erworben wird und zur Teilnahme an dem Fest berechtigt. Insbesondere können große Vereine bei der Erfüllung ihrer Vereinszwecke u. U. nur dann ihre Größe erlangen und aufrecht erhalten, wenn sie auch unternehmerisch handeln und ihrem Mitgliedern Leistungen anbieten, die einen wirtschaftlichen Wert haben. Die Mitglieder erwarten für ihren Mitgliedsbeitrag oft Leistungen, die einen wirtschaftlichen Nutzen bringen, wobei die Vereine selbstverständlich Umsatzsteuer und ggf. auch Körperschaftssteuer zahlen müssen. Durch eine derartige Tätigkeit kann der Idealverein praktisch zum wirtschaftlichen Verein 33

Als Beispiel werden die Erzeugergemeinschaften nach dem Marktstrukturgesetz i. d. F. v. 26.9.1990, BGB1.I S.2135, angesehen. Praktisch ist diese Sonderregelung aber so eingehend, dass für eine ergänzende Anwendung des BGB kaum Raum bleibt. 34 BVerwG, NJW 1979, 2265; BVerwG, NJW 1985, 85 ff., 89. 35 Dies ergibt sich aus GenG § 1, das verschiedene Arten von Genossenschaften als „-vereine" bezeichnet. Es ergibt sich auch aus GenG § 13, der von der Identität des noch nicht eingetragenen und der eingetragenen Genossenschaft ausgeht, wobei die noch nicht eingetragene Genossenschaft zweifellos ein nicht rechtsfähiger Verein ist. 36 Peter Schad, E.V. oder Wirtschaftsverein, Diss. Stuttgart, 1997.

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werden, der im Vereinsregister nicht eintragungsfähig ist und der dem Handelsrecht unterliegt. Das für ihn zuständige Register ist das Handelsregister. Ob ein wirtschaftlicher oder ein Idealverein vorliegt, hängt primär vom Zweck ab, der in der Satzung festgelegt ist. Allerdings kommt es nicht nur auf den satzungsmäßigen, sondern auch auf den tatsächlich verfolgten Zweck an. Ist der Verein der Sache nach Kaufmann, d. h. übt er ein Handelsgewerbe aus, so kann er zum wirtschaftlichen Verein werden. Allerdings liegt dieses Merkmal noch nicht vor, wenn die Ausübung von Tätigkeiten, die für sich ein Handelsgewerbe darstellen würden, im Gesamtbild des Vereins nur einen Nebenzweck darstellt 37. Eine Abgrenzung von Idealverein und wirtschaftlichem Verein nach dem „Endziel" ist schwierig. Es gibt zu viele Vereine, bei denen das wirtschaftliche und das ideale Ziel so stark ineinander fließen, dass ein wirtschaftliches und ein ideales „Endziel" nebeneinander bestehen. c) Öffentlich-rechtliche

Personenverbände

Bei den Körperschaften des öffentlichen Rechts pflegt man die Gebietskörperschaften und die Personalkörperschaften zu unterscheiden. Die Zahl und Art der öffentlich-rechtlichen Personalkörperschaften ist sehr groß. Sie dienen unterschiedlichen Zwecken, haben unterschiedliche Verfassungen und Mitgliedschaften. Sie haben unterschiedliche Selbständigkeiten gegenüber dem Staat und unterschiedliche Macht. Die Personenverbände des öffentlichen Rechts unterstehen ausnahmslos staatlicher Aufsicht. Sie werden grundsätzlich als mittelbare Staatsverwaltung bezeichnet und sind entweder landes- oder bundesunmittelbar. Das heißt, sie haben eine öffentliche Funktion, über die entweder der Bund oder ein Land verfügt. Der Staat gründet sie und hebt sie auf, weitgehend setzt er ihre Verfassung fest, er weist ihnen ihre Aufgaben zu und beaufsichtigt sie. Während die Länder nur auf die landesunmittelbaren Körperschaften Einfluss haben, hat der Bund nicht nur auf die bundesunmittelbaren Körperschaften, sondern teilweise auch auf die landesunmittelbaren Körperschaften Einfluss. Denn die landesunmittelbaren Körperschaften sind mittelbare Landesverwaltung und unterstehen daher der Bundesaufsicht genau in demselben Umfang, wie dies bei der sonstigen landesunmittelbaren Verwaltung (Staatsbehörden) der Fall ist (Art. 84, 85 GG). Die Personenverbände zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine öffentlich-rechtliche Hoheitsgewalt nur gegenüber den ihnen angehörenden natürlichen und juristischen Personen ausüben können. Die damit gezogene personelle Zuständigkeitsabgrenzung ist in der Regel gesetzlich fixiert und kann von den Vereinigungen nicht 37 Unter diesen Gesichtspunkten sind nach Schad (S.272, 274f.) z.B. der ADAC, die Fußballvereine der Ersten Bundesliga und die Scientology-Kirche keine Idealvereine und nicht im Vereinsregister eintragungsfähig.

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selbständig erweitert werden. D. h. sie dürfen sich keine Aufgaben suchen, die außerhalb ihres durch ihren Mitgliederbestand gesetzlich fixierten Zuständigkeitsbereiches liegen38. Wenn man die Personenverbände des öffentlichen Rechts klassifizieren will, so kann man - ohne Anspruch auf Vollständigkeit - (neben den erst später zu behandelnden völlig anders strukturierten Herrschaftsverbänden) folgende Gruppen bilden: (1) berufsständische Kammern (z. B. Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Kreishandwerkerschaften, Innungen, Landwirtschaftskammern, Rechtsanwaltskammern, Ärzte- und Zahnärztekammern, Wirtschaftsprüfer- und Steuerberaterkammern, Ingenieur- und Architektenkammern). Sie sind in aller Regel Zwangsverbände. Wer die gesetzlichen Voraussetzungen für die Mitgliedschaft besitzt, ist kraft Gesetzes Mitglied; einer ausdrücklichen Aufnahme bedarf es nicht. In diesen Bereich gehören auch Zwangsverbände, die für spezielle Zwecke gebildet werden, insbesondere zur Finanzierung eines Gruppenbedarfs, für den eine Sonderabgabe erhoben wird 39 . Weiter gehören hierzu auch zahlreiche Sozialeinrichtungen wie besondere Versorgungskassen, die auch in der Form des öffentlichen Rechts betrieben werden, zumeist mit einer Zwangsmitgliedschaft arbeiten und die überwiegend öffentlichrechtliche Wirtschaftsunternehmen sind; (2) Sozialversicherungsträger (z.B. Bundesanstalt für Arbeit, Bundes- und Landesversicherungsanstalten, gesetzliche Krankenkassen, Kassenärztliche und Kassenzahnärztliche Vereinigungen, Berufsgenossenschaften, Bundesknappschaft, Seekasse, Künstlersozialversicherung, Pflegekassen); (3) Hochschulen und Wissenschaftliche Akademien; (4) Boden- und Wasserverbände, Jagdverbände, Umlegungsverbände u. ä., durch die Grundeigentümer zwangsweise zusammengeschlossen werden Alle Gruppen der öffentlich-rechtlichen Personalverbände haben ihre spezifischen Eigenschaften, die mehr durch ihre Aufgabenstellung und ihre Arbeitsweise als durch formale Kriterien bestimmt werden. Denn die Aufgabenstellung bestimmt die gegenseitigen Rechtsbeziehungen innerhalb der Körperschaften und im Verhältnis zum Staat und damit auch den rechtlichen Aufbau. Insofern kommt es selbstverständlich für die Klassifizierung auch auf organisatorisch-formale Gesichtspunkte an. Aber sie stehen doch für eine sachgerechte Einordnung weniger im Vordergrund als dies vielfach angenommen wird, weil die formalen Gesichtspunkte für die rechtsdogmatische Erkenntnis nichts hergeben. 38 Matthias Papenfuß, Die personellen Grenzen der Autonomie öffentlich-rechtlicher Körperschaften 1991. 39 BVerfGE 37, 1 ff.; 88, 182 ff.

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Hinzuweisen ist auf ein Sonderproblem. Nach GG Art. 140 i.V. m. WRV Art. 137 Abs. 5 Satz 2 kann Religionsgesellschaften die Eigenschaft einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen werden. Bei dieser Frage geht es nicht um die Kirchen, sondern um nicht kirchliche Religionsgesellschaften, insbesondere um Sekten, mögen sie ihre Lehren auf christlicher oder auf sonstiger Grundlage vertreten. Dass diese Sekten nach GG Art. 4 Religionsfreiheit genießen, ist unbezweifelt. Es stellt sich jedoch die Frage, unter welchen Voraussetzungen sie den öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus gewinnen können. Diese Frage hat auch das BVerfG im Hinblick auf die Zeugen Jehovas beschäftigt 40 . Es hat sich insbesondere mit der Notwendigkeit der politischen Loyalität der zur Körperschaft erhobenen Gesellschaft befasst und ein Bekenntnis zu den Fundamentalsätzen der staatlichen Ordnung des GG verlangt. Diese Entscheidung macht es fraglich, ob die Vorschrift der WRV über die Verleihung des öffentlich-rechtlichen Körperschaftsstatus heute noch sinnvoll ist. Sie wirft die Frage auf, ob die Körperschaftsnatur der Kirchen mehr als achtzig Jahre nach dem Inkrafttreten der WRV nicht völlig neu überdacht werden müsse, weil sie sich in einem veränderten rechtlichen Umfeld einen Sinnverlust erfahren hat. Die Fülle von unterschiedlichen öffentlich-rechtlichen Personalverbände kann nicht im einzelnen besprochen werden, weil die Zahl der öffentlich-rechtlichen Verbände offen ist, d. h. der Bund und die Länder sind befugt, immer neue derartige Verbände zu gründen und damit bestimmte Bereiche der öffentlichen Verwaltung aus der unmittelbaren staatlichen Verwaltung auszugliedern. Dies geschieht vor allem auch, um die betroffenen Personenkreise an der Verwaltung zu beteiligen, d. h. ihnen Einfluss auf die Verwaltung zu geben und ihnen damit auch eine Verantwortung zu übertragen. In manchen Fällen kommt hinzu, dass der Staat Teile der Verwaltung aus der unmittelbaren, parlamentarisch verantwortlichen Staatsverwaltung ausgegliedert, um sie nicht finanzieren zu müssen und es den betreffenden Körperschaften überlässt, ihre Verwaltungs- und Sachkosten durch Entgelte und Mitgliedsbeiträge hereinzuholen.

d) Berufsständische

Körperschaften

Eindeutig als mitgliedschaftliche Verbände kraft Mitwirkung der Mitglieder sind die berufsständischen Körperschaften zu klassifizieren 41. Sie haben eine doppelte Funktion. Einerseits nehmen sie die Interessen ihrer Mitglieder gegenüber Parla40

BVerfGE 102, 370ff.; dazu: Christian Hillgruber, NVwZ 2001, 1347 ff. Dies sind, ohne Anspruch auf Vollständigkeit der Nennung, die Industrie- und Handelskammern, die Handwerkskammern, die Landwirtschaftskammern, die Rechtsanwaltskammern, die Patentanwaltskammern, die Wirtschaftsprüferkammern, die Steuerberaterkammern, die Ärztekammern, die Zahnärztekammern, die Apothekerkammern, die Kassenärztlichen und die Kassenzahnärztlichen Vereinigung. 41

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ment, Regierung und Gesellschaft wahr, andererseits beaufsichtigen sie ihre Mitglieder, insbesondere durch Berufsgerichte mit Disziplinarstrafgewalt. Sie erheben Beiträge und stellen Regeln für die Berufsausübung auf. Insofern sind sie hoheitlich tätig. Andererseits sind sie auch als Leistungsverwaltung tätig, informieren, richten Versorgungswerke ein und fördern die Aus- und Fortbildung. Sie können auftragsweise auch staatliche Hoheitsaufgaben übernehmen, die sie dann im Interesse ihrer Mitglieder ausgestalten.

e) Sozialversicherungsträger Fast alle Menschen in der Bundesrepublik Deutschland sind irgendwie sozialversichert. Die Sozialversicherung besteht aus den drei klassischen Zweigen, die schon in der Bismarck'schen Zeit errichtet worden sind, der Krankenversicherung, der Rentenversicherung und der Unfallversicherung 42. Hinzu gekommen sind im Laufe der Zeit die Arbeitslosenversicherung und die Pflegeversicherung. Die Versicherungsleistungen werden von zahllosen juristisch selbständigen Versicherungsträgern erbracht. Eine vollständige Übersicht der Leistungsträger und der Leistungen ergibt sich aus den Vorschriften der §§ 18-29 SGB I, wobei die Leistungsarten in den einzelnen Büchern des SGB gesetzlich geregelt sind 43 . Nicht nur die Zahl der Versicherungsträger ist groß, sondern auch ihre Arten. Genannt werden sollen (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) in der Krankenversicherung die Allgemeinen Ortskrankenkassen, die Betriebskrankenkassen, die Innungskrankenkassen und die Ersatzkrankenkassen (§§ 143 ff. SGB V). Sehr wichtige Leistungsträger sind die Kassenärztlichen Vereinigungen, die die ärztliche Versorgung der Versicherten sicherstellen (§§72 ff. SGB V). Als Rentenversicherungsträger bestehen die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, die Landesversicherungsanstalten (für die Arbeiter) sowie Sonderanstalten wie die Bahnversicherungsanstalt, die Seekasse und die Bundesknappschaft (§§ 125 ff. SGB VI). Bei der Unfallversicherung gibt es neben den gewerblichen und den landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften weitere Versicherungsträger wie die Gemeindeunfallversicherungsverbände und die Feuerwehrunfallkassen (§§ 114ff. SGB VII). Im Bereich der Arbeitslosenversicherung besteht als einziger Träger die Bundesanstalt für Arbeit, die mit ihrem Behördennetz der Landesarbeitsämter und der Arbeitsämter sehr viele Aufgaben der Arbeitsförderung neben der Arbeitslosenversicherung wahrnimmt (§§ 367 ff. SGB III). In der Pflegeversicherung bestehen - organisatorisch den Krankenkassen zugeordnete - Pflegekassen (§ 346 SGB XI). 42

Georg Wannagat, Lehrbuch des Sozialversicherungsrechts, 1965, S.47ff. Hierbei ist zu vermerken, dass ein großer Teil der Sozialleistungen des SGB nicht von Sozialversicherungsträgern als juristische Personen des öffentlichen Rechts, sondern durch staatliche oder kommunale Behörden erbracht werden (insb. die Sozialhilfe und die Opfer-Versorgung). 43

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Das Netz der Sozialversicherung geht weiter, weil die Leistungsträger durch zahlreiche Verbände miteinander verbunden sind. Für alle Träger bestehen grundsätzlich Landes- und Bundesverbände, wobei die Frage ihrer Regelung teilweise der Entscheidung der Versicherungsträger selbst überlassen ist. Ihnen sind eigene Aufgaben, insbesondere der Koordinierung, aber auch der Weiterentwicklung des Systems und der Wahrnehmung der gemeinsamen Interessen zugeordnet. Dieses System ist mit den Versicherungsträgern und deren Verbänden noch nicht vollständig beschrieben. Es gibt in der Sozialversicherung zahlreiche Interessenkonflikte. Der Interessenausgleich zwischen den verschiedensten Gruppen, den Arbeitgebern und Arbeitnehmern, den Ärzten, den Krankenhausträgern und den Krankenkassen, dem Staat und der kommunalen Selbstverwaltung muss durch formale Entscheidungsinstanzen hergestellt werden. Hierfür gibt es Organe, die nicht juristische Personen sind, sondern in der Regel als Ausschüsse, z. B. als Bundes- und Landesausschüsse oder als Beschwerde- und Schiedsausschüsse arbeiten und aus Vertretern der einzelnen Gruppen von Interessenten bestehen (z.B. §§ 81 SGB V), wobei die Frage ihrer juristische Persönlichkeit völlig ungeklärt bleiben kann, weil sie kraft Gesetzes handlungsfähig sind, einschließlich der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben. Das SGG gibt den nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen sowie einer größeren Anzahl von Ausschüssen und ausdrücklich das Recht auf Beteiligung am sozialgerichtlichen Verfahren (§ 70 SGG). Die Rechtsnatur der Sozialversicherungsträger ist problematisch. In § 29 Abs. 1 SGB IV werden sie zwar ausdrücklich als „Körperschaften des öffentlichen Rechts" bezeichnet. Dem widerspricht es auch nicht, wenn in ihrem Namen das Wort „Anstalt" vorkommt 44. Denn der Name sagt nicht notwendig etwas über die juristische Natur aus. Andererseits steht mit der Benennung im Gesetz noch keineswegs fest, dass sie wirklich Körperschaften im Sinne des Allgemeinen Verwaltungsrechts sind, nur weil das Gesetz sie so bezeichnet. Denn die Frage, ob eine juristische Person des öffentlichen Rechts Körperschaft oder Anstalt ist, entscheidet sich allein an ihrer wahren Natur, nicht an ihrer gesetzlichen Bezeichnung. Geht man davon aus, dass sich der Körperschaftscharakter einer juristischen Person aus der Tatsache ergibt, dass sie Mitglieder hat und dass sich die Eigenschaft als Mitglied aus der Mitwirkung an den Geschäften der juristischen Person, mindestens in Form der Möglichkeit ergibt, an Wahlen teilzunehmen, so scheint die Eigenschaft der Sozialversicherungsträger als Körperschaften auf den ersten Blick zweifelsfrei. Denn zu den Organen der Sozialversicherungsträger, insbesondere zu deren Vertreterversammlungen, die gewissermaßen das „Parlament" der Versicherten und ihrer Arbeitgeber sind, gibt es allgemeine Wahlen, die Sozialwahlen (§§45 ff. SGB IV) 4 5 . 44

Z.B. Bundesversicherungsanstalt, Landesversicherungsanstalten, Bundesanstalt für Ar-

beit. 45 Friedrich Schnapp (Hrsg.), Funktionale Selbstverwaltung und Demokratieprinzip am Beispiel der Sozialversicherung, 2001-

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Eine nähere Betrachtung der Sozialwahlen ergibt allerdings Bedenken hinsichtlich der Mitgliedschaftseigenschaft zahlreicher natürlicher Personen, die von der Sozialversicherung erfasst sind. So sind zahlreiche Familienangehörige von Versicherten auch in die Leistungen der Versicherung einbezogen, ohne ein Wahlrecht zu besitzen (z. B. § 10 SGB V; §§ 46ff. SGB VI). Für sie hat die Sozialversicherung daher nur den Charakter einer Anstalt. Auch das Wahlrecht knüpft keineswegs nur an die Mitgliedschaft an. § 46 Abs. 1 SGB IV spricht von den Versicherten und den Arbeitgebern, die zur Vertreterversammlung wählen. § 47 SGB IV differenziert dann noch wesentlich stärker. Während bei den Krankenkassen ausdrücklich das Wahlrecht an die „Mitgliedschaft" angeknüpft ist, sind es bei den Trägern der Unfallversicherung die versicherten Personen, die mindestens zwanzig Stunden im Monat eine versicherungspflichtige Tätigkeit ausüben. Damit scheiden zahlreiche Versicherte, nämlich diejenigen, die weniger Stunden arbeiten, aus dem Status der Mitglieder aus. In der Rentenversicherung sind wahlberechtigt diejenigen, die eine Rentennummer erhalten oder beantragt haben (§ 47 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV), ohne damit zu unterscheiden, ob der Wahlberechtigte ein aktuelles Versicherungsverhältnis hat oder nicht. Die Qualität als Körperschaft ist bei bestimmten Sozialversicherungsträgern auch deshalb in Zweifel zu ziehen, weil bei ihnen überhaupt keine Wahlen zu den Vertreterversammlungen stattfinden. Wird nämlich für die Wahlen nur eine einzige Liste aufgestellt oder nicht mehr Kandidaten benannt, als Sitze zu verteilen sind, so findet praktisch keine Wahl statt (§ 46 Abs. 3 SGB IV). Die Benannten gelten als gewählt. D. h. hier tritt an die Stelle der Wahl die Vereinbarung der Organisationen, die Wahlvorschläge zu machen pflegen, insbesondere der Gewerkschaften und die Arbeitgeberverbände. Angesichts der Schwierigkeiten für Nichtorganisierte, eine Vorschlagsliste (§ 48 Abs. 1 Nr. 3 SGB IV) aufzustellen, haben es die großen Organisationen in der Hand, durch ihre Abkommen Wahlen zu vermeiden. Bei den Arbeitgebern, bei denen in der Regel nur ein Verband besteht, bestimmt dieser, wer an welcher Stelle und mit welcher Chance als Kandidat aufgestellt wird. Die nicht im Verband organisierten Arbeitgeber haben keine Wahl. Sie sind damit kaum noch als Mitglieder im Sinne des allgemeinen Verwaltungsrechts anzusprechen. Ein weiteres Bedenken gegen die Körperschaftsnatur der meisten Sozialversicherungsträger besteht auch wegen der intensiven gesetzlichen Regelung des Rechts der Sozialversicherung, die den Versicherungsträgern als Trägern einer Selbstverwaltung nur wenig Spielraum zur Entfaltung eigener Ideen lässt. Auch ist die Aufsicht so geregelt, dass sie den Spielraum der Versicherungsträger eng zieht (§§ 87 ff. SGB IV). Es stellt sich die Frage, ob die Sozialversicherungsträger angesichts der heutigen Gesetzeslage viel mehr Freiheit haben als eine nachgeordnete staatliche Behörde 46. 46 Zur Autonomie der Sozialleistungsträger: Hans F. Zacher, Grundlagen der Sozialpolitik in der Bundesrepublik Deutschland, in: Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 1 S. 333 ff., insb. S. 427 ff.

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Die Frage braucht letztlich nicht ausgetragen zu werden, weil es sich um eine theoretische Frage handelt. Im Gegensatz zum Privatrecht, wo es sehr darauf ankommt, welcher durch das Gesetz geschaffenen Art von juristischen Person eine konkrete juristische Person angehört - z. B. wirtschaftlicher Verein oder Genossenschaft - ist es für aktuelle Rechtsfragen gleichgültig, ob man die Sozialversicherungsträger als Körperschaften oder Anstalten qualifiziert. Schließlich ist es durchaus möglich, dass konkrete juristische Personen des öffentlichen Rechts Grenzfälle einer theoretischen Zuordnung bilden und Elemente der Körperschaft und der Anstalt haben, sodass eine eindeutige Zuordnung nicht gelingen kann. Es bleibt noch eine letzte Erwägung anzustellen. Wenn man davon ausgeht, dass jede juristische Definition, es sei denn, dass es sich um eine Legaldefinition handelt, auf Grund einer Vereinbarung der beteiligten Kreise eingefühlt wird, so stellt sich die Frage, ob die Definition als Mitglied wirklich nur dann richtig getroffen worden ist, wenn sie nur solche Personen einbezieht, die an den Verbandsgeschäften durch Wahlen oder durch andere Entscheidungen teilnehmen. Die Sozialversicherung ist ihrem Charakter nach eine Solidargemeinschaft, in der alle (oder doch die meisten) Leistungsberechtigten die Mittel durch Beiträge aufbringen, aus denen die Versicherungsschäden zu bezahlen sind. Dabei wird der Beitrag nach sozialer Leistungsfähigkeit und die Versicherungsleistung nach sozialem Bedarf bemessen. Dieses System der Solidargemeinschaft kann auch als System von Mitgliedern bezeichnet werden, das die Versicherungsträger als Körperschaften des öffentlichen Rechts qualifiziert. Dies ist zwar ein anderer Begriff der Mitgliedschaft und der Körperschaft. Aber er erscheint doch gerechtfertigt, weil die Solidargemeinschaft der Sozialversicherten sich von der Gemeinschaft der in der Anstalt Lebenden erheblich unterscheidet. Man kann derartige Solidargemeinschaften als eine besondere Kategorie der juristischen Personen des öffentlichen Rechts bezeichnen, bei denen die Gemeinschaft nicht durch die gemeinsame Willensbildung, sondern durch die staatliche Regelung über eine gemeinsame Haftung für Schadensfälle gebildet wird. Vielleicht empfiehlt es sich, es nicht bei der bisher üblichen Zweiteilung der Körperschaften in Gebietskörperschaften und Personalkörperschaften zu belassen, sondern die Personalkörperschaften wiederum zweizuteilen und einerseits von Mitbestimmungskörperschaften und andererseits von Solidargemeinschaften zu sprechen. f) Hochschulen Ebenso wie die Sozialversicherungsträger sind die Hochschulen ein Grenzfall zwischen Körperschaft und Anstalt. Bei ihnen zeigt sich, dass die Dreiteilung in Körperschaften, Anstalten und Stiftungen rein theoretischer Natur ist und in bestimmten Fällen überhaupt nichts zur rechtlichen Erkenntnis beiträgt. Dies kann insbesondere an der historischen Entwicklung gezeigt werden. Zum Verständnis ist zunächst auf die Definition der Universitäten im Preußischen Allgemeinen Landrechts von 1795 (§§ 1, 67 II 12) einzugehen. Dort heißt es in § 1, die Universitäten seien 12 Thieme

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Veranstaltungen des Staates, und im § 67, sie hätten alle Rechte privilegierter Corporationen. Diese beiden Aussagen sind Gegenstand ausführlicher aus ausdauernder Diskussionen gewesen47. Vor allem ist immer wieder der Versuch gemacht worden, aus der Körperschaftsnatur Rechte für die Universität herauszulesen48. Die Lehre von der Doppelnatur der Universität hat Eingang in das positive Hochschulrecht gefunden. In der Ursprungsfassung sagte HRG § 58, dass die Hochschulen Körperschaften des öffentlichen Rechts und zugleich staatliche Einrichtungen seien. Die Fassung des HRG vom 19.1.199949 hat die Worte „in der Regel" und den Satz „Sie können auch in anderer Rechtsform errichtet werden" eingefügt. Die Rechtsform ist heute dem Landesgesetzgeber überlassen. Hochschulen können damit auch als nichtrechtsfähige Einrichtungen errichtet werden, wie dies bei den Bundeswehruniversitäten geschehen ist. Sie können auch als Stiftungen oder in privatrechtlicher Form, z. B. als GmbH, bestehen. Alle Erwägungen über die Rechtsform der Hochschulen anhand des positiven Rechts haben daher heute nur subsidiären Charakter; sie gelten nur, soweit das Landesrechts nichts anderes vorschreibt. Die Vorstellung, die Universitäten hätten dann mehr Freiheiten und Rechte, wenn man sie als Körperschaften und nicht als Anstalten definiert, ist wenig realistisch, solange die Universitäten finanziell vom Staat abhängig sind, die Sachmittel, einschließlich der Gebäude, in staatlichem Eigentum stehen, die Lehrer staatliche Bedienstete sind, die Frage der Zulassungsvoraussetzungen zum Studium und der Verteilung der Studienbewerber bei Überfüllung ausschließlich vom Staat bestimmt wird und ein sehr großer Teil der Studenten auf ein Studienziel zu studiert, das durch die Anforderungen der staatlichen Prüfungsämter definiert ist und der Staat damit mittelbar auch die Lehrinhalte vorgibt. Wenn die Hochschulen gleichwohl als Körperschaften bezeichnet werden, so geschieht dies mehr als historische Erinnerung an die Zeit, als es noch keinen akademischen Mittelbau und kein technisches Personal in nennenswertem Umfange gab, sondern die Universität fast nur aus Professoren und Studenten bestand und alle Professoren der Korporation angehörten und in den Fakultäten (als kollegialen Selbstverwaltungsbehörden) gemeinsam berieten und beschlossen. Davon kann heute nicht mehr die Rede sein. Die Fachbereiche - als Nachfolger der Fakultäten - haben mit dem Fachbereichsrat ein Organ, dem nur ein kleiner Teil der Professoren angehört, denen dagegen auch zahlreiche nicht professorale Personen angehören. In der Gruppenuniversität haben alle Mitglieder der Organe nur noch die Funktion von Repräsentanten ihrer Gruppe. 47

Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, S. 109f. m. w.N. Dass die Qualifizierung der Hochschulen als Körperschaften hochschulpolitisch einen erheblichen Einfluß gehabt hat und den Hochschulen nach 1945 dazu verholfen hat, ihre Rechtsstellung gegenüber dem Staat zu verbessern, dürfte nachweisbar sein. Vgl. dazu Peter Daliinger, in: Dallinger u.a., Kommentar zum HRG, 1978, §58 Rdnr. 1. 49 BGBl. 20001 S. 18. 48

II. Artender juristischen Personen

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Die Entwicklung zur sogenannten Demokratisierung der Hochschule ist inzwischen beendet. Sie geht heute in eine andere, mehr gegenläufige Richtung. Den Kollegialorganen sind zahlreiche Rechte genommen worden. Die Dekane und Präsidenten (Rektoren) der Hochschulen haben das Bestimmungsrecht nicht nur über die Ressourcen, sondern teilweise auch über die sachliche Gestaltung und Planung der wissenschaftlichen Aufgaben der Hochschule und der Fachbereiche erhalten. Es fällt schwer, die Universitäten nur wegen der relativ machtlosen Kollegien mit ihren Restfunktionen noch als Körperschaften zu definieren. Der Anstaltscharakter überwiegt heute in den meisten Hochschulen eindeutig. Es ist vor allem das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit, das den Wissenschaftlern zusteht, welches einen gewissen Hauch von korporativer Verfassung bestehen lässt. Bei den Studenten sieht es etwas anders aus. Sie sind in den meisten Bundesländern zwangsweise in Studentenschaften zusammengefasst und haben als Mitglieder der Studentenschaften ein Wahlrecht zu den Organen. Allerdings sind die Studentenschaften zumeist selbst keine juristischen Personen, sondern nur Teilpersonen der Hochschulen, deren verfassungsrechtliche Legitimität bestritten wird 50 .

3. Herrschaftsverbände a) Zwangskörperschaften Wenn man zwischen den Arten von juristischen Personen nicht unter formalen Eigenschaften, die - wie dem Recht auf Beteiligung an den Wahlen der Körperschaftsorgane - oft nur sehr beschränkt ausgeprägt sind, unterscheiden will, so bildet die Herrschaftsorganisation einen besonderen Typ, der auch korporativen Charakter besitzt. Die formale Qualifikation als Körperschaft sagt bei Herrschaftsorganisationen wenig über den wahren Charakter der betreffenden juristischen Person aus, weil die Mitwirkung der als Mitglieder qualifizierten natürlichen Personen an den Entscheidungen meistens nur sehr schwach ausgebildet ist und sich in den Herrschaftsorganisationen auf wenige Wahlakte beschränkt, bei denen die „Mitglieder" selbst kaum Auswahlrechte besitzen. Dass der Staat in diesem Zusammenhang einer besonderen Untersuchung bedarf, wird schwer zu bestreiten sein. Die Forderung nach Demokratie als politischem Höchstwert führt zu einer starken Betonung der Mitwirkung der Bürger, ja der Vorstellung einer Beherrschung des Staates durch die Bürger. Allein der Name verführt zur Vorstellung des Staates als einer Herrschaft des gesamten Volkes. Dabei stehen die theoretischen Vorstellungen eines Jean Jacques Rousseau immer im Hintergrund der Überlegungen und Bewertungen. Dies ist jedoch weitgehend eine Fiktion. Entscheidend ist die Verteilung der Macht im Staat durch die Organisation der Herr50

12*

Ludwig Gieseke , Die verfaßte Studentenschaft, 2001.

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C. Die juristischen Personen

schaftsrechte innerhalb der jeweiligen juristischen Person, insbesondere auch des Staates. Ein anderes Beispiel für den Zusammenhang zwischen Wahlbeteiligung und Körperschaftsbegriff ist die soziale Versicherung. Der Staat des Grundgesetzes ist ein Sozialstaat (GG Art. 20 Abs. 1, 28 Abs. 1). Damit obliegt es ihm, für die erforderlichen sozialen Leistungen Vorsorge zu tragen. Dies geschieht zum Teil durch staatliche Behörden wie die Versorgungsämter. Teilweise hat der Staat aber auch eigene, von ihm selbst unterschiedliche Rechtsträger geschaffen. Dies ist insbesondere dadurch geschehen, dass der Staat die erforderlichen Leistungen durch Versicherungen und nicht (jedenfalls nicht überwiegend) aus dem allgemeinen Staatshaushalt finanzieren lässt. Er hat Versicherungsträger gegründet oder bestehende Versicherungsträger in das öffentlich-rechtliche System übernommen oder die Gründung von Versicherungsträgern (insb. Betriebskrankenkassen) zugelassen. Für diese Versicherungsträger hat er - in unterschiedlich starker Weise - Selbstverwaltung angeordnet. Die Mitglieder der Versicherungsträger gehören diesen überwiegend zwangsweise an, wobei sie in beschränktem Umfang ein Wahlrecht zwischen mehreren Versicherungsträgern haben. Dieses Grundprinzip hat zu einer sehr großen Zahl von juristischen Personen des öffentlichen Rechts geführt und zwar zu Personen, die vom Gesetzgeber als Körperschaften des öffentlichen Rechts bezeichnet werden. Damit verbunden ist das Problem, inwieweit Bürger (und juristische Personen des Privatrechts) gezwungen werden können, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts anzugehören. Das BVerfG hat die Frage über den Art. 2 Abs. 1, das allgemeine Freiheitsrecht, gelöst; in der positiven Vereinigungsfreiheit (GG Art. 9 Abs. 1) läge kein Recht auf Fernbleiben von bestimmten staatlichen Zwangsorganisationen51. Damit ist die Lösung des Problems auf den Einzelfall verschoben, wobei der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit den schwer definierbaren Maßstab für die Frage der Zulässigkeit einer Zwangsmitgliedschaft abgibt. Für die wichtigsten Körperschaften dürfte die Frage einer Zulässigkeit der Pflichtmitgliedschaft inzwischen gerichtlich geklärt sein52. Auch hier handelt es sich in erster Linie um Herrschaft und nicht um Mitbestimmung. b) Der Staat als Körperschaft Dass der Staat eine juristische Person in der Form der Körperschaft ist, ist keineswegs selbstverständlich. Die Qualifizierung des Staates als einer juristischen Person beruht nach einer weit verbreiteten Meinung auf Eduard Albrecht, der in seiner „Re51

BVerfGE 6, 36ff.; 12, 319; 15, 239; 38, 297f. Zur Pflichtmitgliedschaft in den Familienausgleichskassen nach dem Kindergeldgesetz, BVerfGE 11, 126; zur Mitgliedschaft in der Handwerkskammer, BVerwG, DVB1. 1999, 1041 ff.; vgl. dazu: Markus Kelber, Grenzen der Aufgabenbereiche einer Körperschaft des öffentlichen Rechts unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten am Beispiel der Handwerkskammer, 1998. 52

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zension über Maurenbrechers Grundsätze des heutigen Deutschen Staatsrechts"53 die Forderung aufgestellt hat, man solle „den Staat als juristische Person denken". Damit hat er sich von der Auffassung gelöst, die die Person Herrschers als den zentralen Ansatzpunkt des staatsrechtlichen Denken ansah, und an die Stelle des Souveräns eine abstrakt gedachte juristische Person gesetzt, bei der der Souverän (Herrscher) nur ein Organ ist, das zwar als Oberhaupt des Staates zunächst noch eine Fülle von Kompetenzen behielt, neben dem aber andere Organe wie die Vertretung der Landstände ebenso Teil der Person „Staat" waren wie der „Herrscher". Damit war der Weg zu weiterem eröffnet, ohne dass Albrecht den Staat bereits als „Körperschaft" gedacht hat, deren Mitglieder die Bürger sind. Für die damalige Zeit waren die Angehörigen des Staates in erster Linie Untertanen. Erst eine demokratische Staatstheorie war in der Lage, den Staat als Körperschaft seiner Angehörigen zu verstehen. Der Körperschaftsbegriff korrespondiert damit aufs Engste der Forderung Rousseaus: „Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus". Denn die demokratische Staatstheorie spricht dann von einer Körperschaft, wenn die Mitglieder an der Willensbildung beteiligt sind. Trotzdem ist es auch heute noch zweifelhaft, ob der Staat wirklich als Körperschaft angesprochen werden darf, wenn die jungen Menschen, die noch nicht volljährig sind, zwar als Mitglieder des Staates (Staatsangehörige) definiert werden, sie aber mangels eines Wahlrechts ohne Einfluss auf den Staatswillen bleiben. Die ältere Theorie, die in der ersten Hälfte des 19. Jahrhundert noch herrschend war, hat den Staat niemals als Korporation (wie man damals anstelle des heute benutzten Wortes „Körperschaft" sagte) bezeichnet. Korporationen waren immer nur Zusammenschlüsse unterhalb der Ebene des Souveräns. Die Eigenschaft, die den Staat zu einem andersartigen Wesen gegenüber allen anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts macht, ist seine Souveränität. Während die sonstigen juristischen Personen, soweit sie hoheitliche Gewalt gegenüber den Bürgern ausüben, dies auf Grund einer gesetzlichen Vorschrift oder auf Grund einer auf Einzelakt beruhenden Verleihung durch den Staat tun, fehlt beim Staat diese Ableitung. Er bedarf ihrer nicht. Allerdings bedurfte auch der Staat schon früher einer Legitimation für die Ausübung von Macht gegenüber seinen Untertanen. Dies war den Staatsdenkern der Frühneuzeit durchaus bewusst54. Die Legitimation wurde dabei in der Gnade Gottes gesehen, der den Herrscher in sein Amt berufen hatte. Dabei wurde freilich der Zirkelschluss, auf der die Theorie von dem Gottesgnadentum des Herrschers beruht, 53 Göttingische Gelehrte Anzeigen, 150 und 151 Stück vom 21.9.1937, S. 1492-Zur Entstehung des Staates als juristischer Person auch Karl-Heinz Ladeur, Von der Verwaltungshierarchie zum administrativen Netzwerk, in: Die Verwaltung 1993, 137 ff. 54 Ein Beispiel hierfür ist Johannes Althusius (1557-1638), nach dessen Staatstheorie der Herrscher als „summus magistratus" nur oberster Verwalter ist, dessen Herrschaft auf „stipulationes" beruht, vgl. Friedrich Berber, Das Staatsideal im Wandel der Weltgeschichte, 1976, S. 166 ff.

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geflissentlich übersehen, wenn man meinte, die Legitimation (= Gottes Gnade) zeige sich ja gerade daran, dass der Herrscher sein Amt ausüben könne55. In einer Zeit der Entchristlichung ist diese Legitimationsbasis brüchig geworden. Die Allianz von Thron und Altar geriet in Begründungsschwierigkeiten. An die Stelle des Gottesgnadentums trat der Wille des Volkes, die säkularisierte Demokratie. Was früher „im Namen des Königs" geschah, geschieht seit der Entthronung der Monarchen „im Namen des Volkes". Damit war der Gedanke einer auf der Mitgliedschaft aller Bürger beruhenden Staatlichkeit begründet. Der mitgliedschaftliche Status der Bürger ist allerdings sehr schwach ausgebildet. Der Staatsbürger darf einmal in vier Jahren (in einigen Ländern einmal in fünf Jahren) zur Wahl gehen. Das Wahlrecht ist so eingerichtet, dass die Bürger grundsätzlich nur zwischen den Vorschlägen auswählen darf, die ihm die Parteien vorgegeben haben. An der Erarbeitung der Vorschläge nimmt er nicht teil. Dabei ist er - abgesehen vom Gemeindewahlrecht einiger Länder - nicht nur an die Wahlvorschläge, sondern auch an die Reihung der Kandidaten auf den Wahlvorschlägen gebunden. Die Parteien sind die eigentlichen Herrscher in der deutschen Demokratie. Wenn GG Art. 21 Abs. 1 Satz 1 sagt, die Parteien wirkten bei der politischen Willensbildung mit, so ist das unkorrekt ausgedruckt. Richtiger ist es zu sagen: Die Parteien bilden den politischen Willen 56 . Damit ist der einzelne Bürger praktisch aus dem Prozess der staatlichen Willensbildung ausgeschaltet. Er kann nur zwischen vorgegebenen Listen entscheiden. Nun könnte der Bürger eine stärkere Mitwirkungschance erhalten, wenn er einer Partei beitritt und versucht, dadurch auf die Aufstellung der Kandidaten Einfluss zu gewinnen, dass er „Parteibürger" wird. Aber auch dies ist für die allermeisten Parteimitglieder reine Theorie. Wenn es in Deutschland ca. anderthalb Millionen Parteimitglieder gibt, so kann das einzelne Mitglied - gerade in den die Macht ausübenden „Volksparteien" - immer nur mit einem Einfluss zu dem Bruchteil rechnen, die seinem Anteil an der Gesamtheit der Mitglieder seiner Partei entspricht. Das heißt, in aller Regel ist der Einfluss des einzelnen Parteimitgliedes sehr beschränkt. Außerdem gibt die oligarchische Struktur der Parteien dem „Parteibürger" nur geringe Chancen der effektiven Einflussnahme. Während der Legislaturperiode - zwischen den Wahlen - hat der seine Mitgliedschaftsrechte im Staat nur als Wähler ausübende Bürger praktisch keinen Einfluss auf das politische Geschehen. Die Abgeordneten sind nur ihrem Gewissen (Art. 38 GG) - und dem Willen der Fraktionsführung - unterworfen. Wünsche der Wähler, auch wenn es die Mehrheit der Wähler ist, sind rechtlich ohne Einfluss. Dies ergibt sich aus der Unabhängigkeit der Abgeordneten, die die Mitwirkung der Mitglieder 55

Georg JellineK Allgemeine Staatslehre, 3. Aufl. 1921, Neudruck 1960, S. 184ff. Werner Frotscher, Die parteienstaatliche Demokratie - Krisenzeichen und Zukunftsperspektiven, DVB1. 1985, 917 ff.; Michael Stolleis, Parteienstaatlichkeit - Krisensymptome des deutschen demokratischen Verfassungsstaates, VVDStRL 44 (1986), S.7ff. 56

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des Staates bewusst beschränkt. Dem Abgeordneten ist es verboten, sich an Weisungen der Wähler zu binden. Dagegen hilft auch die unmittelbare Demokratie wenig, die in den Ländern eingeführt ist 57 und die den mitgliedschaftlichen Status der Bürger zu stärken versucht. Die Zahl der erfolgreichen Volksabstimmungen ist sehr gering 58. Dagegen sind Wünsche aus der Parteispitze gegenüber den nachgeordneten Parteiorganen einflussreicher, weil die Parteispitzen einen Einfluss auf die Wiederaufstellung als Kandidat für die nächste Wahl haben. Das System der Demokratie in der Bundesrepublik Deutschland ist das der repräsentativen Demokratie oder - exakter - das der Parteienherrschaft, der Herrschaft der „Politischen Klasse", die sich in Parteien gliedert. Die Bezeichnung des Staates in diesem System als Körperschaft im Sinne einer Mitbestimmung der Mitglieder des Volkes, ist weitgehend Theorie. Der Staat ist auch heute noch in erster Linie ein Herrschaftsverband. Die Bürger haben Kontakt mit dem Staat fast nur in der Form, dass der Staat ihnen gegenüber Herrschaft ausübt, als Steuerstaat, als Inhaber des Gewaltmonopols, als ein Staat, der nach den von der Politischen Klasse gesetzten Regeln Wohltaten austeilt oder versagt. Die Bezeichnung des Staates des Grundgesetzes als Körperschaft ist daher, wenn man ihn an den üblichen Merkmalen des Staats- und Allgemeinen Verwaltungsrechts misst, nur mit großen Vorbehalten möglich. Zu berücksichtigen als Inhaber von Mitgliedschaftsrechten im Staate sind in gewissem Umfang die auf der Vereinigungsfreiheit beruhenden Verbände verschiedenster Art, in denen die Bürger, die sich zur Wahrnehmung politischer Ziele verbandsmäßig zusammengeschlossen haben, in der Form des Lobbyismus auf die Herrschenden einzuwirken versuchen. Dies sind wesentlich wirksamere Stränge der quasi-demokratischen Einflussnahme der Mitglieder des Staates auf die Ausübung der Staatsgewalt als die politischen Wahlen59. c) Öffentlich-rechtliche

Gebietsverbände

Die öffentliche Verwaltung ist - anders als die Privatwirtschaft - grundsätzlich so organisiert, dass ein bestimmter Verwaltungsträger im Rahmen seiner sachlichen Zuständigkeit nur für ein bestimmtes Gebiet zuständig ist. Insofern sind alle öffentlich-rechtlichen Personenverbände an sich Gebiets verbände. Die verwaltungsrechtliche Dogmatik hat gleichwohl eine besondere Kategorie herausgearbeitet, die Gebietskörperschaften. Zu ihnen zählen der Staat (Bund und Länder) sowie die Gemeinden und die Gemeindeverbände. 57 Z. B. Art. Hmb. Verfassung Art. 50, sowie G. über Volksinitiative, Volksbegehren und Volksentscheid, v. 20.6.1996, GVB1. S. 136; dazu Werner Thieme , Die Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, 1998, S. 150ff. 58 Zu den Verhältnissen in den Stadtstaaten vgl. Hans Peter Bull (Hrsg.), Fünf Jahre direkte Demokratie in Hamburg, 2001. 59 Klaus Stern , Das Staatsrecht der Bundesrepublik Deutschland, Bd.I, 1977, S. 344ff.

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Wenn man von dem ungeschriebenen Satz des Allgemeinen Verwaltungsrechts ausgeht, dass Körperschaften des öffentlichen Rechts eine Hoheitsgewalt nur gegenüber ihren Mitgliedern, d. h. nur gegenüber denjenigen haben, die das Wahlrecht zu den Organen der Körperschaft besitzen und damit auf die Tätigkeit der Körperschaften - evtl. nur mittelbar - einwirken können, so gilt für die Gebietskörperschaften eine Besonderheit. Sie besitzen nicht nur eine personell abgegrenzte Zuständigkeit und damit Hoheitsgewalt gegenüber ihren Mitgliedern, sondern auch eine örtlich abgegrenzte Zuständigkeit. Diese Zuständigkeit besteht in dem Sinne, dass die örtliche Abgrenzung nicht nur an den Wohnsitz oder Tätigkeitsort der Mitglieder anknüpft (wie bei den berufsständischen Kammern), sondern dass die der Hoheit der Gebietskörperschaft Unterworfenen eine Beziehung zu dem Hoheitsgebiet der Körperschaft haben, ohne an der Hoheitsausübung durch ein Wahlrecht oder in ähnlicher Weise beteiligt zu sein. Die Gebietshoheit als typisches Merkmal der Gebietskörperschaft zeigt sich bei den Gemeinden in der Zuständigkeit zur Bauleitplanung (BauGB § 1 Abs. 3). Durch ihre Flächennutzungs- und Bebauungspläne legen die Gemeinden fest, wie die Grundstücke ihres Gemeindegebiets genutzt werden dürfen. Das gilt nicht nur für die bauliche Nutzung, sondern z. B. auch für die Grünflächenplanung (BauGB §§ 1 a, 5 Abs. 2a, 9 Abs. 1 a). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Grundstücke im Eigentum von Bürgern oder Bewohnern der Gemeinde, also von Mitgliedern, stehen. Die Gemeinde kann Vorschriften über alle Grundstücke des Gemeindegebiets treffen, ohne Rücksicht darauf, ob diese Gemeindemitgliedern oder auswärts wohnenden Personen gehören. Die Gebietshoheit der Gemeinden zeigt sich weiter darin, dass die Gemeinden von den Eigentümern aller in der Gemeinde liegenden Grundstücke und von allen Inhabern von Gewerbebetriebe innerhalb der Gemeinde Grund- und Gewerbesteuern (Realsteuern) erheben (GG Art. 106 Abs. 6). Weiter üben sie hoheitliche Gewalt gegenüber allen denjenigen aus, die gemeindliche Einrichtungen (z.B. Krankenhäuser, Sportanlagen) betreten oder benutzen. Im Gegensatz dazu üben die öffentlich-rechtlichen Personenkörperschaften ihre hoheitliche Gewalt nur gegenüber denen aus, die ihnen durch das Gesetz oder durch Beitritt als Mitglieder angehören. Dabei kann die Möglichkeit des Tätigwerdens auf einen bestimmten regionalen Bereich beschränkt sein (z. B. bei den berufsständischen Kammern). Auch die Vorschrift des SGB (§ 143 SGB V), dass die Ortskrankenkassen für abgegrenzte Regionen zuständig sind, macht diese nicht zu Gebietskörperschaften. Mit der Gebietshoheit - sowohl des Staates als auch der Kommunen - ist die Allzuständigkeit verbunden. Das heißt nicht, dass die Gemeinden und Kreise für alle Gegenstände zuständig sind. Es heißt nur, dass die Zuständigkeit sich nicht, wie z. B. bei den Handwerkskammern und Berufsgenossenschaften, auf bestimmte gegenstandsmäßig abgegrenzte Zuständigkeitsbereiche beschränkt, sondern dass die

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Kommunen grundsätzlich alle Aufgaben, die die öffentliche Hand aufgreifen darf, selbst übernehmen können. Allerdings gilt diese Allzuständigkeit nur „im Rahmen der Gesetze" (GG Art. 28 Abs. 2). Hat der Staat eine Aufgabe übernommen oder hat er sie einer anderen juristischen Person übergeben, so kann die Gemeinde nicht mit diesen konkurrieren. Auch dürfen die Gemeinden nur die Aufgaben der „örtlichen Gemeinschaft" übernehmen, während den Landkreisen die Allzuständigkeit für die Aufgaben der „überörtlichen Gemeinschaft" zusteht. Die dogmatische Vorstellung, die hinter dem Begriff der Gebiets-„Körperschaft" steht, ist nur bedingt zutreffend. Insbesondere muss auch hier gefragt werden, ob es sich wirklich um Körperschaften handelt. Bei den Gebietskörperschaften ist die körperschaftliche Natur nur sehr schwach ausgebildet, weil es einerseits zahlreiche Personen gibt, die als Mitglieder gelten, aber nicht an Wahlen teilnehmen. Das sind vor allem die Jugendlichen, die noch nicht das Wahlalter erreicht haben. Das Wesentliche, das die Körperschaftsnatur ausmacht und zur Bezeichnung als Körperschaft berechtigt, ist die Tatsache, dass das Wahlvolk letztes und oberstes Kreationsorgan für die Organe der Gebietskörperschaft ist, wobei auch hier - ähnlich wie beim Staat - das Wahlvolk aus dem Prozess der Auswahl der zu wählenden Kandidaten fast vollständig ausgeschaltet ist. Die Eigenschaft als Gebietsverband ist nicht auf Staat und Kommunen beschränkt. Es gibt zahlreiche Körperschaften des öffentlichen Rechts, die eine gebietliche Grundlage ihrer Zuständigkeit bzw. ihrer Hoheit (insb. Planungshoheit) haben, z. B. Wasser- und Bodenverbände und Jagdgenossenschaften 60. Bei ihnen ist - und zwar beschränkt auf den engen Aufgabenbereich der Verbände - auch jeder Eigentümer zwangsweise Mitglied mit beschränktem Einfluss, weil das Gesetz oder die Natur, teilweise auch die staatliche Planung alles Wesentliche der Tätigkeit dieser Verbände vorgegeben hat. Wenn man Gebietskörperschaftlichkeit aus der Gebietshoheit ableitet, dann gehören die genannten Verbände aber auch dazu. Im Gegensatz hierzu sind die zahlreichen Verbände, die die Gebietskörperschaften mit einander errichtet haben (insbesondere Zweckverbände), selbst an sich keine Gebietskörperschaften. Sie sind in der Regel auch nur für ein bestimmtes Gebiet zuständig. Aber sie haben eine inhaltlich beschränkte Sachaufgabe 61. Soweit ihnen allerdings eine gebietsbezogene Aufgabe zugewiesen ist (z. B. die Versorgung des Gebietes mehrer Gemeinden mit Wässer mit Anschlusspflicht), können sie auch als Gebietsverbände angesprochen werden.

60 § 8 BJagdG i.V. m. den Landesjagdgesetzen, z. B. Hmb. Jagdgesetz v. 22.5.1978, GVB1.162, §5. 61 Andreas Bovenschulte, Gemeindeverbände als Organisationsformen kommunaler Selbstverwaltung, 2000.

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4. Kapitalgesellschaften a) Das Wesen der Kapitalgesellschaft Von den Personengesellschaften werden im Privatrecht die Kapitalgesellschaften unterschieden. An sich handelt es sich auch bei ihnen um Vereinigungen von Personen. Die Besonderheit liegt aber darin, dass die Mitglieder Kapitaleinlagen leisten und durch die Einlage oder durch die Verpflichtung zur Kapitaleinlage die Mitgliedschaf tin der Gesellschaft erhalten. Da sie das Eigenkapital der Vereinigung zusammentragen, haben einen Einfluss auf die Leitung des Unternehmens, der nach Maßgabe der Höhe ihres Kapitalanteils bestimmt wird. Im Gegensatz zu den Personenvereinigungen, in denen das Prinzip der Gleichheit der Mitglieder herrscht, gilt hier das Prinzip der persönlichen Ungleichheit der Mitglieder. Das Prinzip der Gleichheit gilt hier nur auf der Grundlage der eingezahlten Kapitalanteile. Hier herrscht die Macht des Kapitals. Da die Hingabe von Kapital in aller Regel mit der Absicht geschieht, hieraus einen materiellen geldlichen Nutzen zu ziehen, sind die Kapitalgesellschaften fast ausschließlich wirtschaftliche Unternehmen. Das Kapital der Kapitalgesellschaften wird durch die Mitglieder festgesetzt und entweder durch einen bestimmten Betrag (bei der GmbH durch das Stammkapital) oder durch die Zahl der Aktien (bei der AG) ausgedrückt und kann nicht durch Aufnahme zusätzlicher Mitglieder wie bei der Genossenschaft oder bei dem wirtschaftlichen Verein beliebig erhöht werden. Die Kapitalgesellschaften sind grundsätzlich juristische Personen des privaten Rechts. Für ihre rechtliche Regelung ist daher der Bundesgesetzgeber jedenfalls konkurrierend zuständig (GG Art. 74 Nr. 1,11). Das System der Kapitalgesellschaften ist abgeschlossen. Es ist zwar möglich, neue Typen der Kapitalgesellschaften zu erfinden und einzuführen. Es bedarf hierzu aber stets eines Gesetzes, und zwar bei Kapitalgesellschaften privaten Rechts eines Bundesgesetzes, soweit nicht das EGBGB Vorbehalte gemacht hat (Art. 83, 99) 62 . An Kapitalgesellschaften, die der Gesetzgeber zur Verfügung gestellt hat, sind vor allem die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) und die Aktiengesellschaft (AG) zu nennen. Die Kommanditgesellschaft auf Aktien ist eine Zwischenform zwischen der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft 63. Etwas Ähnliches gilt für die eingetragene Genossenschaft, die ein Verein ist, bei der das Mitgliedschaftsrecht aus dem Geschäftsanteil folgt (GenG §§ 1,15—15b, 43 Abs. 3). Jeder Genosse führt aber in der Generalversammlung nur eine Stimme (GenG § 43 Abs. 3 Satz 1). Es entsteht daher kein zusätzliches Stimmrecht, wenn ein Genosse weitere Geschäftsanteile erwirbt (GenG § 15 b). Die Genossenschaft besitzt aber in62 Über die Zuständigkeit der EG, insbesondere im Hinblick auf die Europa-AG, vgl. Thomas Oppermann, Europarecht 1991 S.429. 63 Rolf Steding, Die AG - rechtsförmliche Alternative zur eG? - Reflexionen über die Annäherung der eG an die AG, JZ 1995, 591 ff.

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sofern einen kapitalistischen und keinen personalistischen Zug, als die Genossenschaftsanteile vererblich sind (GenG § 77), anders als beim wirtschaftlichen Verein, bei dem die Mitgliedschaft mit dem Tode erlischt. Ebenso wird man den Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit (VVaG) nicht als Kapitalgesellschaft betrachten dürfen. Bei ihm ist der gesellschaftliche Charakter ohnehin sehr spärlich ausgeprägt, weil der Status als Mitglied des Vereins allein durch die Inanspruchnahme der Leistungen und die dafür zu zahlende Prämie begründet wird und effektive Mitwirkungsrechte der einzelnen Mitglieder nicht zu bestehen pflegen. b) Aktiengesellschaften

und Gesellschaften mit beschränkter Haftung

Das Interesse an der Kapitalgesellschaft konzentriert sich auf die GmbH und die AG. Ob die Rechtsordnung diese beiden Typen neben einander braucht, oder ob es genügen würde, eine Rechtsform mit Varianten zur Verfügung zu stellen, ist umstritten. Zu denken ist dabei nicht an die große Publikumsgesellschaft unter den AG 'en, deren Anteile breit gestreut sind und nicht nur als Inhaber- sondern auch als Namensaktien als Wertpapiere umlaufen. Die Aktien der Mehrzahl aller AG 'en werden nicht an der Börse gehandelt. Die Aktien werden, wenn überhaupt - wie die Gesellschaftsanteile der GmbH - gehandelt. Allerdings liegt ein großer Unterschied darin, dass die Geschäftsanteile der GmbH nur in notarieller Form übertragen werden können (GmbHG § 15 Abs. 3), was die Fungibilität der Geschäftsanteile stark herabsetzt. Ausdruck der stärkeren Bindung an die GmbH ist auch die Möglichkeit der Vereinbarung der Nachschusspflicht im Gesellschaftsvertrag (§§ 26f.), was für die Genossenschaft ebenfalls möglich ist (GenG § 115), nicht aber für die AG. Für die GmbH kommt hinzu, dass die Liste der Gesellschafter zum Handelsregister einzureichen ist (GmbHG §40). Die gesetzliche Regelung über die innere Organisation ist insofern unterschiedlich, als die GmbH grundsätzlich keinen Aufsichtsrat haben muss64. Das gilt freilich nur für die kleinere GmbH. Die Gesetze lassen beiden Formen, der GmbH und der AG, einen großen Spielraum für ihre Organisation, den die Gesellschaften durch ihre Satzung selbst ausfüllen. Eine wichtige Frage des Rechts der Kapitalgesellschaften ist der Minderheitenund Anlegerschutz. Er ist vielseitig ausgestaltet.65 Es beginnt mit bestimmten Publizitätspflichten 66 und der Notwendigkeit qualifizierter Mehrheiten für grundsätzliche Entscheidungen67. Dazu gehört das Handelsregister, das jedermann zugänglich ist. 64 65

2000. 66 67

GmbHG § 35 a Abs. 1, § 52. Christina Escher-Weingart,

Reform durch Deregulation im Kapitalgesellschaftsrecht,

Insb. HGB §§264ff., AktG §§20a, 90. AktG §§ 122, 179 Abs. 2,182, 193; GmbHG §50.

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C. Die juristischen Personen

Wichtig ist die Prüfung der Bilanzen und weiterer wichtiger Aussagen über den finanziellen Status der AG durch unabhängige Wirtschaftsprüfer 68, die Einhaltung einer großen Zahl von Vorschriften durch den Vorstand und den Aufsichtsrat sowie schließlich ein Klagerecht gegen bestimmte Organbeschlüsse69. Trotz der Möglichkeit des Missbrauchs dieses Rechtes handelt es sich um eines der wichtigsten Rechte der Aktionäre gegen eine Kapitalmehrheit in den Organen. Es ist Sache des Gesetzgebers und der Gerichte, Missbräuchen einzelner Aktionäre entgegenzuwirken. Ein wesentlicher Unterschied gegenüber den anderen Kapitalgesellschaften besteht für diejenigen Aktiengesellschaften, deren Aktien börsengängig sind. Mit dem Kauf und Verkauf der Aktien über die Börse erhält die Mitgliedschaft einen besonderen Charakter. Zwar sieht sich der Aktionär als Teilhaber bei nicht börsengängigen Aktiengesellschaften teilweise auch in erster Linie als Anleger und weniger als Mitglied einer Gesellschaft. Das gilt vor allem für die Kommanditisten bei der KGaA. Für den kleinen Anleger, der einen Teil seiner Ersparnisse in Aktien angelegt hat, ist die Funktion als Mitgesellschafter in der Regel gleichgültig. Er ist allein an Kurs und Dividende, evtl. noch an Bezugsrechten interessiert, nicht dagegen an einer Einflussnahme auf die Entscheidungen von Vorstand und Aufsichtsrat. Ein besonderes Problem stellt der Erwerb eigener Aktien dar. Die Aktiengesellschaft kann Mitglied bei sich selbst sein. Der Vorstand als Organ, das berechtigt wäre, die Rechte an den eigenen Aktien auszuüben, bekäme dadurch eine besondere Macht. Dafür, dass der Vorstand gegenüber den anderen Aktionären nicht als Gesellschafter auftritt, sorgt das AktG vor. 70 Wichtig kann die Möglichkeit des Besitzes eigener Aktien werden, um die feindliche Übernahme durch Dritte zu erschweren 71. Mit dem Gesetz zur Deregulierung des Aktienrechts 72 ist die „Kleine Aktiengesellschaft" eingeführt worden, die auch als Einmann-AG gegründet werden kann. Sie ist dazu bestimmt, bei überschaubaren persönlichen Verhältnissen von zahlreichen Formvorschriften zu befreien und damit das Management einer Aktiengesellschaft auch für mittelständische Unternehmen handhabbar zu machen, d. h. insbesondere die Vorteile der Kapitalbeschaffung, die die AG wegen des Wegfalls der notariellen Beteiligung (im Gegensatz zur GmbH) mit sich bringt, für mittlere Unternehmen nutzbar zu machen. Zwischen den Aktiengesellschaften und den Kommanditgesellschaften (HGB §§ 161 ff.) steht die Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA - AktG §§ 278 ff.). Sie hat eine eigene Rechtspersönlichkeit (§ 278 Abs. 1) und steht auch deshalb der 68

HGB § § 316 ff. Z.B. AktG § 132 (Auskunftsrecht), § 147 (Ersatzansprüche), §§243ff. (Anfechtung von Hauptversammlungs-Beschlüsse), §§251 ff. (Anfechtung von Wahlen), §260 (Feststellungen der Prüfer). 70 AktG § 71 b; für die GmbH vgl. § 33 Abs. 2 GmbHG. 71 Ulrich Wastl/Franz Wagner/Thomas Lau, Der Erwerb eigener Aktien aus juristischer Sicht, 1997. 72 G. v. 2.8.1994, BGBl. IS. 1961. 69

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AktG näher, weil auf sie das Recht der AktG grundsätzlich Anwendung findet (AktG § 278 Abs, 3).

5. Personenverbände ohne eigene Personeneigenschaft 73 Die Rechtsordnung erlaubt ein Handeln von menschlichen Verbänden in der Form der juristischen Person und des nichtrechtsfähigen Zusammenschlusses. Beide Formen haben ihre Vor- und Nachteile. Der Hauptvorteil der juristischen Person liegt in ihrer Haftungsbeschränkung, in ihrer leichteren Handhabbarkeit, in ihrer rechtstechnisch günstigeren Form. Der nicht rechtsfähige Zusammenschluss kommt dagegen leichter zustande und kann leichter gelöst werden. Er bedarf keiner Mitwirkung des Staates. Von dieser Form wird daher viel und gern Gebrauch gemacht. Daher besteht das Bedürfnis, einen solchen Zusammenschluss rechtlich zu legitimieren und aus ihm auch Rechtsfolgen unterschiedlicher Art abzuleiten. Der nicht rechtsfähige Zusammenschluss kommt für bestimmte Fälle rechtlich in die Nähe des rechtsfähigen Zusammenschlusses, der juristischen Person. Für das Personenrecht mag es daher von Interesse sein, dass der Gesetzgeber für bestimmte nicht rechtsfähige Zusammenschlüsse organisatorische Rahmen vorgegeben hat, die im Rechtsverkehr ähnlich wie eine juristische Person handeln, ohne dass der Gesetzgeber ihnen den Status einer juristischen Personen verliehen hat. Im folgenden werden Beispiele derartiger nicht rechtsfähiger personaler Verbände dargestellt. Sie zeigen die Relativität der Figur der juristischen Person, weil der gewünschte rechtliche Erfolg weitgehend auch mit anderen Mitteln erzielt werden kann als mit der juristischen Person. Freilich bedarf es dazu in vielen Fällen besonderer Regelungen, die auf die speziellen Probleme des jeweiligen Sozialbereichs abzustimmen sind. a) Gesellschaften bürgerlichen Rechts (GbR) Soweit Gesellschaften begründet werden, die keine Handelsgesellschaften sind, entstehen Gesellschaften des bürgerlichen Recht (GbR). Derartige Gesellschaften können sich eine Organisationsform geben, wie sie bei rechtsfähigen Vereinen üblich und für die Registereintragung notwendig ist. Sie werden zwar nicht in das Vereinsregister eingetragen. Aber sie werden auch ohne diese Eintragung handlungsfähig und treten im Rechtsverkehr wie eine juristische Person auf. Bekannte Beispiele sind die politischen Parteien und die Gewerkschaften, aber auch viele andere nicht rechtsfähige Vereine, die nach dem BGB (§ 54) nach Gesellschaftsrecht (BGB §§705ff.) leben. 73

2001.

Hartmut Nitschke, Das Recht der Personengesellschaften in Deutschland und Frankreich,

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Probleme stellen sich für sie beim Erwerb von Grundeigentum, weil die GbR als nicht rechtsfähige Einheit nicht ins Grundbuch eingetragen werden kann und eine Eintragung aller Mitglieder der Gesellschaft zu umständlich zu sein pflegt. Ein Treuhandverhältnis kann hier Abhilfe schaffen. Die GbR, die früher als das „Leitbild" des nicht rechtsfähigen Zusammenschlusses war, ist durch die neuere Rechtsprechung in die Nähe der Rechtsfähigkeit gerückt worden. So wird behauptet, UmwG §§191 Abs. 2 Nr. 1,202 Abs. 1 Nr. 1 zwängen dazu, die GbR als rechtsfähig anzusehen. Sie sei damit auch grundbuchfähig. Es gäbe keine Vorschrift, die diesem Ergebnis entgegensteht74. Abgesehen von derartigen Sonderfragen stellt sich die Frage nach der Geltendmachung der Haftung für das Handeln der Organe der GbR. Es ist heute nicht mehr bestritten, dass die GbR verklagt werden kann, ohne dass jeder Gesellschafter in der Klagschrift genannt ist 75 . Auch in der Vollstreckung verlangt ZPO § 736 nicht, dass jeder Gesellschafter im einzelnen benannt wird, sondern nur dass alle Gesellschafter benannt werden, was auch durch eine Gesamtbezeichnung der Gesellschaft möglich ist. Allerdings bleibt hierbei die Vollstreckungsmöglichkeit auf das GesamthandVermögen der Gesellschaft beschränkt. Die persönliche Haftung des einzelnen Mitglieds entfällt damit, was zur Folge hat, dass die Gesellschaft der juristischen Person fast gleichgestellt ist. Probleme macht jedoch der Gesellschafterwechsel, insbesondere die Nachhaftung später eintretender neuer Gesellschafter für Schadenstatbestände vor ihrem Eintritt in die Gesellschaft 76. b) Öffentlich-rechtliche

Vereine

Es gibt nicht nur bürgerlich-rechtliche, sondern auch öffentlich-rechtliche nichtrechtsfähige Vereine, obwohl das Gesetz sie nicht erwähnt. Beispiele sind die Verbände öffentlich-rechtlicher Verwaltungsträger, z.B. kommunale Spitzenverbände, die Hochschulrektorenkonferenzen (auf Bundes- und Landesebene), Verbände der Sozialversicherungsträger, ferner die kommunalrechtlichen und sozialrechtlichen Arbeitsgemeinschaften (§94 SGB X). Diese Verbände haben den Charakter eines Vereins. In ihrer Gestaltung unterscheiden sie sich teilweise überhaupt nicht vom bürgerlich-rechtlichen nichtrechtsfähigen Verein. Aber wegen ihrer öffentlichrechtliche Aufgabenstellung fallen sie in das öffentliche Recht und unterstehen auch dann, wenn sie keine hoheitsrechtlichen Befugnisse haben, einem verwaltungsrechtlichen Regime, d. h. sie unterliegen den Bindungen, die das Verwaltungsrecht 74 Wolfram Timm, Die Rechtsfähigkeit der Gesellschaft bürgerlichen Rechts und ihre Haftungsverfassung, NJW 1995,3209ff.; Kai-Steffen Scholz, Verselbständigung bürgerlich-rechtlicher Gesellschaften in Deutschland und Frankreich, 2001. 75 BGH,WM 1999,2071;BGH,NJW2001,1056;vgl.auchOVGBautzen,NJW2002,1361. 76 Vgl. hierzu (für die Anwaltssozietät) Karl Eichele, BRAK-Mitteilungen 2001, 156ff.; ferner BGHZ 36, 224; 74, 240; 117, 168; BGH, NJW 1988, 1973; Palandt-Sprau, BGB § 736 Rdnr. 14.

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für Träger verwaltungsrechtlicher Aufgaben kennt, z. B. die Bindung an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und an das pflichtgemäße Ermessen, die Bindung an die Grundrechte und an den Gesetzesvorbehalt. Dabei handelt es sich nicht um eine Erscheinung des Verwaltungsprivatrechts, sondern um eine originäre Anwendung des öffentlichen Rechts. c) Handelsgesellschaften Ältestes Beispiel für die gesetzliche Regelung einer nicht rechtsfähigen Gesellschaft sind die offene Handelsgesellschaft (oHG, HGB §§105 ff.) und ihre Schwester, die Kommanditgesellschaft (KG, HGB §§161 ff.). Sie sind eine Sonderformen der GbR. Sie beschränken die Haftung der Gesellschafter (mit Ausnahme der Kommanditisten) nicht. Das sollen sie auch nicht, im Gegenteil soll durch die Form der für den Zugriff der Gläubiger „offenen" Gesellschaft der persönliche Kredit der Gesellschafter gefördert werden. Aber die nicht rechtsfähige Gesellschaft kann im Rechtsverkehr handeln, sie hat eine im Handelsregister eingetragene Firma, sie kann unter dieser Firma Verträge abschließen, sie hat ein Gesellschaftsvermögen und sie kann unter ihrem Namen klagen und verklagt werden. Sie kommt damit der juristischen Person sehr nahe, ist gewissermaßen eine Zwischenform zwischen den natürlichen Personen und den juristischen Personen. Sie ist „quasi-rechtsfähig". Dies wird auch vom öffentlichen Recht anerkannt. Soweit die Personengesellschaften (oHG, KG) ein Handwerk betreiben, können sie auch als solche - ebenso wie eine juristische Person - Inhaber des Betriebes sein.77 d) Vorgesellschaften

der GmbH

Die Gründung einer GmbH erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst wird der Gesellschaftsvertrag abgeschlossen. Sodann muss das Gesellschaftskapital-jedenfalls teilweise - eingezahlt werden. Weiter muss die Gesellschaft in das Handelsregister eingetragen werden. Erst mit der Eintragung entsteht die GmbH als juristische Person. In der Zwischenzeit pflegt die Vorgesellschaft vielfach schon zu arbeiten, indem sie Geschäftsräume mietet, Mitarbeiter einstellt, ein Bankkonto eröffnet usw. Als Vorgesellschaft kann sie allerdings noch kein Gewerbe ausüben78. Immerhin kann sich in dieser Zwischenzeit die Haftungsfrage stellen, insbesondere für den Fall, dass die GmbH später überhaupt nicht eingetragen wird und die Gläubiger der Gesellschaft Forderungen geltend machen. Dann stellt sich die Frage einer persönlichen vollen Haftung der Gesellschafter, die ihr Geld in der Erwartung eingezahlt haben, nur mit diesem zu haften. Bis zur Eintragung freilich ist die Vorgesellschaft nur 77 78

Handwerksordnung (HwO) i.d.F. v. 24.9.1998, BGBl. I S. 3075, § 1 Abs. 1. VGH Mannheim, NJW 1995, 346.

C. Die juristischen Personen

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GbR, evtl. oHG . D. h. es tritt die persönliche Haftung der Kapitalanleger für alle Handlungen der Vorgesellschaft ein. e) Partnerschaftsgesellschaften Die freiberufliche Tätigkeit, die früher zumeist durch einzelne Berufsträger ausgeübt wurde, wird heute in der Praxis ganz überwiegend gemeinsam von mehreren Berufsträgern betrieben. Dabei handelt es sich überwiegend um Gesellschaften (GbR) 80 . Diese Rechtsfigur genügt den praktischen Bedürfnissen nur noch teilweise. Daher haben sich für die freien Berufe besondere Formen durchgesetzt. Vorläufer waren die Wirtschaftsprüfer und die Steuerberater, denen der Gesetzgeber erlaubte, ihren Beruf durch eine GmbH oder durch eine AG zu führen. Dies war vor allem angesichts der hohen Risiken in diesen Berufen sachgerecht. Dies widerspricht aber einem früher besonders hochgehaltenen Prinzip freiberuflicher Tätigkeit, die ganz auf der persönlichen Leistung und dem persönlichen Vertrauen des Mandanten beruht. Inwieweit dies wirklich der Fall ist oder ob hierbei ein Stück Ideologie aus einer früheren Zeit mitschwingt, mag unerörtert bleiben. Sicherlich ist dass das Verbot des Betriebs eines freien Berufs in einer GmbH nicht verfassungswidrig ist 81 . Andererseits erscheint es zweifelhaft, ob vom Mandanten wirklich immer die Leistung einer bestimmten Anwaltspersönlichkeit gesucht wird. Vielfach wird gerade deshalb eine Großpraxis beauftragt, weil der Mandant davon ausgeht, dass sich in einer solchen Praxis ein hinreichend spezialisierter Sachverstand für alle in Frage kommenden Teilprobleme des Mandantenanliegens findet, ohne dass der sachverständige Partner vorher namentlich bekannt ist 82 . Daher dürfen sich viele freien Berufe heute auch in der Form einer GmbH organisieren. Für die Steuerberater und Wirtschaftsprüfer war dies schon länger unzweifelhaft. Für die Patentanwälte ist die GmbH ausdrücklich geöffnet 83. Die großen Freiberufler-GbR mit zahlreichen selbständigen Partnern und z. T. mehreren Hunderten von freiberuflichen und angestellten Rechtsanwälten, Wirtschaftsprüfern, Steuerberatern sind ebenso unpersönlich wie die GmbH. 79

§ 11 GmbHG; Jürgen Kunz, Die Vorgesellschaft im Prozeß und in der Zwangsvollstreckung, 1994; Nicole Steenken, Die Insolvenz der Vor-GmbH vor dem Hintergrund der Griinderhaftung, 2002. 80 Bettina-Norma Kilimann, Der Gesellschaftsvertrag der Rechtsanwaltssozietät, 2000; Matthias Hellweger, Anwaltsgesellschaften in den Vereinigten Staaten und in Deutschland,

2000. 81

Bay VerfGH, DVB1. 2000, 1052. Rolf Hildebrandt, Entwicklungen und Rechtsprobleme freiberuflicher Zusammenschlüsse im ärztlichen und anwaltlichen Bereich sowie der Formenwechsel der Partnerschaft in die GmbH, 2000. 83 Patentanwaltsordnung vom 7.9.1966 (BGBl. I. S. 557) i. d. F. von Art. II des G. vom 31.8.1998 (BGBl.IS.2600), §52c. 82

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Der Gesetzgeber hat zur Lösung des Problems der Zusammenarbeit von Freiberuflern eine neue Rechtsfigur zur Verfügung gestellt, die Partnerschaftsgesellschaft 84. Die Partnerschaftsgesellschaften beruhen auf einem bürgerlich-rechtlichen Vertrag, der eine Sonderform der Gesellschaft des BGB ist (§ 1 Abs. 3). Er ist nur für natürliche Personen, die Angehörige eines freien Berufs sind, geöffnet (§ 1 Abs. 2). Dabei ist der Begriff des freien Berufes sehr weit gezogen. Die Partnerschaftsgesellschaft ist keine juristische Person. Ihre Mitglieder dürfen kein Handelsgewerbe ausüben. Allerdings sind zahlreiche Vorschriften des HGB über die offene Handelsgesellschaft anzuwenden. In gewisser Weise handelt es sich damit bei den Partnerschaftsgesellschaften um eine Erweiterung des Rechts der HGB-Gesellschaften über das HGB hinaus auf Berufe, die nicht dem HGB unterfallen. Die Partnerschaftsgesellschaft wird in ein Register eingetragen, das vom Amtsgericht geführt wird. Auch insoweit besteht eine Verwandtschaft mit den HGB-Gesellschaften. Wichtig ist vor allem, dass die Partnerschaftsgesellschaften die Möglichkeit haben, ihre Haftung zu beschränken (§ 8). f) Gemeinschaftspraxen Eine weitere rechtliche Gestaltung, die von Angehörigen freier Berufe betrieben wird, ist die ärztliche Gemeinschaftspraxis. Sie ist GbR nach bürgerlichem Recht. Sie ist daher als solche nicht rechtsfähig (ZPO § 50). Ärzten, aber auch andere Freiberuflern sind für ihr Handeln standesrechtlich persönlich verantwortlich 85. Zivilrechtlich allerdings handelt der Arzt, der Angestellter einer Gemeinschaftspraxis ist, für die Gemeinschaftspraxis. Das schließt die persönliche Haftung in strafrechtlicher Hinsicht nicht aus. Die zivilrechtliche Haftung spielt in diesem Zusammenhang nur eine untergeordnete Rolle, da die haftungsrechtlichen Risiken durch Versicherungen abgedeckt zu sein pflegen. g) Betriebe Betriebe sind keine juristischen Personen. Aber sie sind Organisationen, die eine eigene Verfassung haben86. Dies ergibt sich aus dem Betriebsverfassungsgesetz. Es 84 Gesetz zur Schaffung von Partnerschaften vom 25.7.1994, BGBl. I S. 1744; vgl. dazu: Karsten Schmidt , Die Freiberufliche Partnerschaft (zum neuen Gesetz zur Schaffung von Partnerschaften), NJW 1995,1 ff.; Christoph Meurer , Die Partnerschaftsgesellschaft, 1997; Bernd LösertlAnton BräuntHans Rilf Jochem, Leitfaden zur Partnerschaftsgesellschaft, 1996; Ulrike Pohler , Anwaltsgesellschaften in den USA und in Deutschland, 1998. 85 Frauke Lüke-Rosendahl , Der Beruf des Arztes unter Berücksichtigung der ärztlichen Kooperationen, 1999; Friedrich E. Schnapp (Hrsg.), Rechtsfragen der gemeinschaftlichen Berufsausübung von Vertragsärzten, 2002. 86 Zum Betriebsbegriff allgemein: Erwin Jacobi , Betrieb und Unternehmen als Rechtsbegriffe, FS Ehrenberg 1926, S.9; DietzlRichardi, Betriebsverfassungsgesetz, 5. Aufl. 1973, § 1 Rdnr. 36; Alfred Hueck, Arbeitsrecht, 7. Aufl. § 16 II, S. 93; Arthur Nikisch , Arbeitsrecht, 3. Aufl. § 18 15, S. 150f. - vgl. auch § 118 BetrVerfG.

13 Thieme

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dient der Einbeziehung der Arbeitnehmer in die Betriebsorganisation, d. h. in die Entscheidungsprozesse des Managements von Unternehmen und Betrieb 87. Wichtigstes Organ ist der Betriebsrat mit seinen Mitbestimmungs- und Mitwirkungsrechten bei zahlreichen Entscheidungen personeller und sozialer Art, aber auch solcher, die wirtschaftliche Fragen betreffen 88. Insoweit erhält er praktisch die Stellung eines Mitgesellschafter mit partiellem Vetorecht. Mit dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats fallen Macht und Verantwortung im Betrieb auseinander. Dies ist jedoch teilweise dadurch gerechtfertigt, dass Fehler im Betriebsmanagement sich auch auf die Stellung der Arbeitnehmer, insbesondere auf die Sicherheit des Arbeitsplatzes auswirken können. Die Einordnung der Betriebsverfassung in das Personenrecht ist nicht ohne weiteres möglich. Sie bleibt in vieler Hinsicht ein Sonderfall. Sie zeigt aber, dass die Rechtsordnung Instrumente entwickeln kann, die sie teilweise aus dem Gesellschaftsrecht entnimmt, ohne Gesellschaften zu schaffen. Dass der Betrieb personenrechtliche Züge trägt, zeigt sich beim vertraglichen Übergang des Betriebes auf einen anderen Inhaber. Denn in diesem Fall gehen die Arbeitsverhältnisse auf den neuen Betrieb über (BGB § 613 a) 89 .

h) Politische Parteien Politische Parteien sind privatrechtliche Vereine, die dadurch am politischen Leben des Staates (Bund und Länder) teilnehmen, dass sie Kandidaten für die Wahlen zu den Volksvertretungen aufstellen. 90 Für die Parteien gilt z. T. Sonderrecht 91. Die Parteien können sich als rechtsfähige und als nicht rechtsfähige Vereine organisieren. Soweit sie nicht rechtsfähig im Sinne des BGB sind, stellt das Parteiengesetz sie den rechtsfähigen Vereinen weitgehend gleich, indem es ihnen eine Aktiv- und Passivlegitimation einräumt (§ 3 Satz 1). Ähnliches gilt für ihre Gebietsverbände der höchsten Stufe 92. Sie unterliegen daher auch einer eigenständigen Verantwortung. Auch sie können Betrieb i. S. des BetrVerfG sein.93

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Thomas Raiser, Das Unternehmen als Organisation, 1969. BetrVerfG §§7ff. 89 Günter Schaub, Handbuch des Arbeitsrechts, 9. Aufl. 2000, S. 1173. 90 Nicht zu den Parteien gehören die kommunalen Wählergemeinschaften. Zu ihrer Stellung BVerfGE 11,364; 78, 358. 91 Parteiengesetz i.d.F. v. 4.2.1994, BGB1.I S. 150. 92 Das setzt aber voraus, dass die Satzung der Partei nichts anderes bestimmt, Parteiengesetz § 3 Satz 2; Katrin Klein, DÖV 2002, 713. 93 BAG, DVB1. 2001, 585. 88

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i) Parlamente, Parlamentsorgane und Fraktionen Die Parlamente werden z. T. als Körperschaften bezeichnet.94 Man kann das tun, muss dann allerdings für sie nicht den technischen Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts benutzen. Ob das einen Sinn macht, erscheint zweifelhaft, wenngleich die terminologische Parallele zu den Anstalten und Stiftungen nahe liegt, die auch zwischen rechtsfähigen und nicht rechtsfähigen Personen unterscheiden. Näher allerdings liegt es, die Parlamente und bestimmte Organe der Parlamente als teilrechtsfähig zu bezeichnen. Die Parlamente sind keine juristischen Personen, sondern Verfassungsorgane des Staates. Gleichwohl haben sie eigene Rechte, die im BVerfGG oder in den Landesverfassungsgerichtsgesetzen benannt sind, die sie vor den Verfassungsgerichten geltend machen können. Soweit es sich um Rechte handelt, die nicht der Sphäre des Verfassungsrechts zugehören, z.B. aus einem Arbeits- oder Beamtenverhältnis von Parlamentsbediensteten, oder aus dem Streit um die Erstattung von Wahlkampfkosten an die politischen Parteien, ist das jeweilige Fachgericht zuständig. Dabei handelt das Parlament für den Bund oder das Land, wobei es nach dem einschlägigen Verfassungsrecht vom Parlamentspräsidenten vertreten wird, der kraft seiner gesetzlichen Vertretungsrechts tätig wird 95 . Ebenso wie die Parlamente sind auch deren Teile, z. B. die Fraktionen, und deren Organe nicht rechtsfähig 96. Da den Faktionen eigene Gelder zugewiesen werden und sie mit diesen Geldern selbständig wirtschaften, stellt sich die Frage nach der Rechtsfähigkeit der Fraktionen bei der Bewirtschaftung dieser Mittel, vor allem im Verhältnis zu Dritten, z. B. der Lieferanten für Büromaterial, für Dienstleistungsaufträge und für Löhne von Hilfskräften, die für die Fraktionen tätig werden. Für verwaltungsgerichtliche Verfahren ergeben sich insoweit keine prinzipiellen Schwierigkeiten, weil den Fraktionen Rechte zustehen können97. Anders steht es mit der Zuständigkeit vor den Zivil- und Arbeitsgerichten. Für die Klagemöglichkeit vor diesen genügt nicht, dass sie Vereinigungen sind. Sie können sich auch nicht auf die Privilegien des Parteiengesetzes berufen, weil sie nicht Teile ihrer Partei sind. Sie können nur als Teile des Parlaments und damit als Teile des Staates klagen und verklagt werden. Allerdings gibt das spezielle Fraktionsrecht ihnen teilweise den Status verfassungsrechtlicher Vereinigungen eigener Art 98 . Auf Grund derartiger Sonderbestimmungen können sie nicht nur nach innen - im Verhältnis zu anderen Organen des Parlaments - handeln, sondern auch - obwohl sie selbst Organisationen des öffentlichen Rechts sind - zivilrechtlich nach außen auftreten und am 94

Wolff/Bachof/Stober, § 34 Rdnr. 6. Rupert Schick, Der Bundestagspräsident, 14. Aufl. 1997; Thomas Wilrich, 152 ff. 96 Berthold Steven, Die Rechtsstellung der Bundestagsfraktionen, 2000. 97 Thür. OVG, DVB1. 2000, 935 ff. 98 Hmb. Fraktionsgesetz v. 20.6.1996, GVB1. S. 134, § 1 Abs. 1. 95

1*

DÖV 2002,

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C. Die juristischen Personen

Rechtsverkehr teilnehmen. Ihnen fehlt jedoch nach außen (gegenüber Nichtmitgliedern) jede hoheitsrechtliche Befugnis, die sie aber nach innen, z.B. gegen ihre Mitglieder besitzen (Verbandshoheit). Für die Landesparlamente und deren Fraktionen sowie für die kommunalen Vertretungsorgane (Gemeinderäte und Kreistage) gilt diese Rechtslage auch, soweit die Länder entsprechende Ermächtigungen kraft Landesrechts erteilt haben". j) Prozessrechtliche

Fragen

Der Überblick über eine Auswahl von nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen zeigt, dass es für dem Gesetzgeber und für die Verwaltung, z. T. auch für die Gerichte ein Leichtes ist, materiell-rechtliche Befugnisse zu konstruieren. Das Prozessrecht steht im Hinblick auf den Begriff der Person vor besonderen Problemen. Ziel des Prozesses ist ein Urteil, aus dem vollstreckt werden kann. Der Vollstreckungstitel muss denjenigen nennen, der aus dem Titel vollstrecken darf und gegen den vollstreckt werden darf. Die Vollstreckung, die in der Regel Vermögensvollstreckung ist, braucht daher als Gläubiger und als Schuldner Personen oder Vereinigungen, die selbst Inhaber von Rechten sein können. Daher bestimmt ZPO § 50 Abs. 1, dass aktiv und passiv parteifähig derjenige ist, der rechtsfähig ist. Doch gibt es Ausnahmen. Eine Ausnahme enthält die ZPO selbst, indem sie die Möglichkeit eröffnet, nicht rechtsfähige Vereine zu verklagen (ZPO § 50 Abs. 2). Die nicht rechtsfähigen Vereine haben vielfach eine starke organisatorische Struktur und können selbst durch ihre Organe handeln. Sie können als solche auch Unrechtshandlungen begehen und müssen dafür haften. Wollte man ihnen nicht die Stellung einer Prozesspartei jedenfalls auf der Beklagten-Seite zubilligen, hätten die Geschädigten erhebliche Probleme, zu ihrem Recht zu kommen, weil sie dann alle - meist unbekannte - oder einige ausgewählte zufällig bekannte Vereinsmitglieder verklagen müssten. Auch die VwGO (§ 61 Nr. 2) und das VwVfG (§§ 11 Nr. 2, 12 Abs. 1 Satz 3) enthalten Bestimmungen über die verfahrensrechtliche Handlungsfähigkeit von Vereinigungen, die nicht selbst juristische Personen sind, denen aber Rechte zustehen können. Hier zeigt sich, dass das öffentliche Recht dem Personenbegriff eine geringere Bedeutung beimisst. Die reale Welt kennt vielfach Vereinigungen, die zwar handeln, und die z. T. auch sehr sinnvoll handeln, die sich aber nicht nach den Vorschriften des Rechts der juristischen Personen erst den Personen-Status haben geben lassen. Das öffentliche Recht muss auch mit diesen Nicht-Personen oder Quasi-Personen zusammenarbeiten, ihnen Rechte einräumen oder sie zur Ordnung rufen. Da dies im Rechtsstaat in einem geordneten Verfahren geschieht, müssen den Nicht99

Z. B. § 39b NGO, dazu: Gert Hoffmann in: Werner Thieme (Hrsg.), NGO-Kommentar, 3. Aufl. 1997, § 39 b, Rdnr. 1 f. - Das VerfG Berlin hat auf Grund des in der Verfassung von Berlin zum Ausdruck kommenden Willens des Verfassungsgesetzgebers die Parteifähigkeit auch der Fraktionen der Bezirksverordnetenversammlungen bejaht, JZ 1993, 338.

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Personen auch Verfahrensrechte eingeräumt werden. Für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten führt dies weiter dazu, dass auch auf der Seite der Verwaltung nicht rechtsfähige Vereinigungen prozessrechtlich handlungsfähig werden, z. B. Ausschüsse, Verbände, Gemeinderats-Fraktionen, Hochschul-Fachbereiche, Körperschafts-Organe, Bezirke von Gemeinden100, auch Organmitglieder 101, freilich immer unter der Bedingung, dass ihnen Rechte zustehen können. Im sozialgerichtlichen Prozess sind weitere Besonderheiten zu beachten. Nach SGG § 70 Zi. 2 sind „nicht rechtsfähige Personengemeinschaft" beteiligungsfähig 102 . Sie können daher als solche klagen und verklagt werden. Das ergibt sich auch unter dem Gesichtspunkt des Kassenarztrechts. Die Gemeinschaftspraxis rechnet unter einem Namen ab 103 . Die Gemeinschaftspraxis ist eine spezifische Rechtsfigur des Kassenarztrechts; sie ist in ihrer Rechtsnatur unabhängig von dem zugrunde liegenden Gesellschaftsverhältnis zu betrachten 104. Diese Rechtslage ist für das Gebührenrecht der Rechtsanwälte von Bedeutung. Es handelt sich nicht um mehrere Auftraggeber, sondern nur um einen Auftraggeber. Daher kommt die Gebührenerhöhung gemäß § 6 BRAGO nicht in Betracht. Besondere Anwendungsfälle der Prozessfähigkeit von nicht rechtsfähigen Vereinigungen bietet der Verfassungsgerichtsprozess, in dem regelmäßig Teile der juristischen Person Staat, z. B. der Bundestag, die Bundesregierung, eine Fraktion u. a. m. als Prozessparteien auftreten. An diesem Beispiel wird deutlich, dass der gerichtliche Prozess als Instrument der Sicherung der Gewaltenbalance im Sinne der staatsrechtlichen Gewaltenteilung ohne Rücksicht auf personenrechtliche Konstruktionen eingesetzt werden kann. Dies gilt aber nicht nur auf der Ebene des Staatsrechts, sondern auch auf der Ebene des Verwaltungsrechts, wo zahlreiche organisatorische Gestaltungen mit Klagemöglichkeiten ebenfalls der Austarierung von Interessen dienen. Wichtigstes Beispiel hierzu ist der sog. Kommunal Verfassungsprozess 105. Parallelen finden sich im hochschulinternen Prozess 106 oder in Verfahren anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts über Fragen des Binnenrechts 107.

100 101

Klagebefugnisse der Berliner Bezirke, VG Berlin, LKV 1996, 106. Z. B. auch einzelne Ratsmitglieder gemeindlicher Vertretungen, OVG NW, DVB1. 2001,

1281.

102

Z.B. Ersatzkassenverbände, BVerwG, NVwZ-RR 2000, 362. BSG 23, 170f. 104 BSG, NJW 1993, 1547. 105 BVerfGE. 8, 130; BVerwGE 3, 30; BVerwG, NJW 1980, 304. 106 Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, S. 292 ff. 107 Konrad Redeckerl Hans Joachim v. Oertzen, VwGO-Kommentar, 13. Aufl. 2000, § 43, Rdnr. 11 f.; Katja Buchwald, Der verwaltungsgerichtliche Organstreit, 1998; Wolfgang Roth, Verwaltungsgerichtliche Organstreitigkeiten, 2001. 103

198

C. Die juristischen Personen

6. Rechtlich verselbständigte Sachgesamtheiten im Privatrecht a) Allgemeines Wenn man von juristischen Personen spricht, denkt man in erster Linie an personale Zusammenfassungen, an eine Mehrheit von natürlichen Personen, die ihre gemeinsamen Zwecke durch Gründung einer neuen, neben ihnen bestehenden Person, einer juristischen Person, verwirklichen wollen. Die Rechtsordnung setzt den Begriff der juristischen Person aber auch für Vermögensmassen ein, die einem bestimmten, von einer natürlichen Person abgelösten Zweck diesen sollen. Die wichtigste Form dieser rechtsfähigen Vermögensmassen ist die Stiftung, die im BGB unter den juristischen Personen ansatzweise geregelt wird (BGB §§80 bis 88), während die Einzelheiten dem Landesrecht überlassen sind. Die meisten Länder haben hierzu eigene Stiftungsgesetze erlassen 108. Daneben gibt es noch weitere Rechtsfiguren für zusammengefasste und verselbständigte Vermögensmassen, die einem bestimmten Zweck zu dienen bestimmt sind und die nicht auf natürliche Personen bezogen ein rechtliches Eigenleben führen, d. h. von den hinter diesem Vermögen stehenden Personen rechtlich getrennt sind. Dass ein derartiges Bedürfnis besteht, ist evident109. Die damit verbundene Haftungsbeschränkung ist gewollt; hier wird der Schutz des sonstigen Vermögens der hinter dem Sondervermögen stehenden Person gegenüber dem Zugriff Dritter der Vorrang eingeräumt. Vor allem aber sichert die rechtliche Selbständigkeit der Stiftung die Erfüllung des Stiftungszweckes. Ebenso wie bei den Personenvereinigungen ist bei den Vermögensmassen zwischen denjenigen organisatorischen Gebilden zu unterscheiden, die vom Gesetz als rechtsfähig anerkannt sind, und denjenigen, bei denen das nicht der Fall ist, die aber gleichwohl ein durch die Rechtsordnung im Hinblick auf die Zweckbindung geschütztes eigenes Rechtsleben führen. Das Zivilrecht stellt für die rechtlich selbständigen Vermögensmassen als juristische Personen nur die Rechtsfigur des Stiftung zur Verfügung. Freilich darf dabei nicht verkannt werden, dass im BGB nur in einige wenige Grundfragen des Stiftungsrechts geregelt sind. Die Vielfalt der rechtlich möglichen Varianten entfaltet sich erst in der Praxis, die dem Stifter bei der Errichtung der Stiftung einen sehr großen Spielraum lässt. 108

Die Fundstellen finden sich in einer vollständigen Aufzählung bei Seifart/v. Campenhausen, Handbuch, S. 14, z. B. Stiftungsgesetz für die DDR, v. 13.9.1990, Sartorius III Nr. 25; Stiftungsgesetz für das Land Brandenburg v. 27.6.1995, GVB1. S. 198ff.; Bayerisches Stiftungsgesetz, v. 7.3.1996, GVB. 126ff.; Berliner Stiftungsgesetz v. 11.12.1997, GVB1. S.674; Stiftungsgesetz für das Land Mecklenburg-Vorpommern vom 24.2.1993, GVB1. S. 104. 109 Vgl. hierzu: Thilo von Trott zu Solz, Erbrechtslose Sondervermögen - Über die Möglichkeiten fideikommissähnlicher Vermögensbindungen, 1999, der untersucht, ob das heutige Recht die Möglichkeit gibt, Rechtskonstruktionen, die dem früheren Fideikommissrecht nachgebildet sind, zu errichten, um bestimmte Vermögenswerte über den Tod hinaus zu erhalten, auf die die Erben so wenig wie möglich Einfluss nehmen zu können.

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Auch das öffentliche Recht kennt die Stiftung. Allerdings steht sie als mögliche Rechtsform rechtlich selbständiger Vermögensmassen nicht allein. Die verwaltungsrechtliche Systematik unterscheidet bei den rechtsfähigen Sachgesamtheiten zwischen den Anstalten und den Stiftungen. Diese Zweiteilung besitzt aber lediglich einen systematischen Wert. Das öffentlich-rechtliche Stiftungsrecht gehört inhaltlich zur Verwaltungsorganisation, die - soweit es sich um die Bundesverwaltung handelt - in den Händen des Bundesgesetzgebers liegt und - soweit es sich um die Landesverwaltung handelt - grundsätzlich von den Ländern zu regeln ist. Diese haben von der Möglichkeit, bestimmte Vermögensmassen, die Verwaltungszwecken dienen, zweckgerichtet zu organisieren, weitgehend Gebrauch gemacht und eine sehr große Zahl von juristischen Personen und Typen von Personen des öffentlichen Rechts geschaffen, die man jeweils als Anstalten oder Stiftungen bezeichnen kann. Für das öffentliche Recht werden als mögliche Rechtsformen rechtlich selbständiger Vermögensmassen die Anstalt und die Stiftung genannt. Diese Zweiteilung sagt auch deshalb wenig über die rechtliche Gestaltung aus, weil es insoweit für das öffentliche Recht an einer Kodifikation im Sinne des BGB fehlt. Es liegt aber auch daran, dass es sich im wesentlichen um eine Frage der Verwaltungsorganisation handelt, die nur soweit es um die Bundesverwaltung handelt, in den Händen des Bundes liegt und die, soweit es sich um die Landesverwaltung handelt, grundsätzlich von den Ländern zu regeln ist. Diese haben von der Möglichkeit, bestimmte Vermögensmassen, die Verwaltungszwecken dienen, zweckgerichtet zu organisieren, weitgehend Gebrauch gemacht und eine sehr große Zahl juristischen Personen und Typen von Personen des öffentlichen Rechts geschaffen, die man jeweils als Anstalten oder Stiftungen bezeichnen kann. Damit ist aber nur etwas über die theoretisch-systematische Zuordnung, nichts aber über ihren rechtlichen Gehalt gesagt. Im Stiftungswesen spielen die historischen Stiftungen, die auf mittelalterliche kirchliche Gründungen zurückgehen, eine wichtige Rolle. Sie sind vielfach nach der Reformation in kommunale Obhut gekommen. Bei ihrer Organisation war die richtige Auswahl der Verwalter der Stiftungsmittel („Gotteskästen") wichtig, nicht die Rechtsform. Derartige Stiftungen sind auch heute noch teilweise sehr aktiv, ohne dass die Rechtsform und Rechtsfähigkeit immer geklärt sind. 110 Ebenso wie bei den Personenvereinigungen gibt es sowohl im öffentlichen als auch im privaten Recht eine Anzahl von Vermögensmassen, die zwar nicht rechtsfähig sind, die aber kraft ihrer speziellen rechtlichen Gestaltung den juristischen Personen nahe kommen. Auch von diesen wird beispielhaft eine Reihe vorgeführt.

110

Für Hamburg vgl. dazu Hugbert Flitner, in: Jan Albers u. a. (Hrsg.), Recht und Juristen in Hamburg, Bd. II, 1999, S. 285 ff.

200

C. Die juristischen Personen

b) Rechtsfähige Stiftungen

111

Das Stiftungsrecht hat eine lange Geschichte. Die Stiftungen stammen aus dem Römischen Recht 112 . Im Mittelalter waren die Stiftungen ausnahmslos kirchliche Einrichtungen. Sie waren daher auch im kanonischen Recht geregelt 113. Auch heute noch spielen die kirchlichen Stiftungen eine sehr große Rolle 114 . Das Stiftungsrecht steht im Zusammenhang mit dem Erbrecht, weil der Stifter durch die Stiftung über den Tode hinaus wirkende Verfügungen treffen kann. Die Stiftung währt ihrem Begriff nach ewig. In der Neuzeit hat sich ein sehr großer Teil des Stiftungswesens in den weltlichen Bereich übergegangen und hier wieder in das öffentliche Recht. Dabei handelt es sich freilich um einen besonderen Typ der Stiftung. Es geht darum, einen öffentlichen Zweck zu erfüllen. Die heutigen öffentlich-rechtlichen Stiftungen sind - entgegen ihrem Namen - in der Regel keine Stiftung, weil sie kein Stiftungsvermögen haben. Wenn ein Museum oder eine Universität als Stiftung organisiert werden, so sind nicht etwa das Museumsgebäude115 und die Exponate oder die die Hochschulgebäude, -bibliotheken und -laboratorien das Stiftungskapital. Denn mit diesen Mitteln kann man den Stiftungszweck nicht erfüllen. Es bedarf laufender Haushaltsmittel, aus denen die anfallenden Kosten bezahlt werden. Eine „Stiftung", die völlig auf laufende Mittel aus dem öffentlichen Haushalt oder auf Spenden angewiesen ist, um ihren Zweck zu erfüllen, ist eine Anstalt, nicht dagegen eine Stiftung. Es erscheint daher zweifelhaft, ob es heute wirklich noch öffentlich-rechtliche Stiftungen von Bedeutung gibt. Die größer werdenden Vermögensmassen der Stiftungen stellen teilweise auch eine wirtschaftliche, in gewissem Umfang auch eine gesellschaftliche Macht dar. Der Staat hat ein erhebliches Interesse an der Förderung des Stiftungswesens, weil viele Stiftungen staatliche Zwecke unterstützen oder dem Staat die Lasten zur Finanzierung dieser Zwecke erleichtern. Daher erfahren die Stiftungen auch eine we111 Seifart/v. Campenhausen (Hrsg.), Handbuch des Stiftungswesens; Axel Frhr. v. Campenhausen/Winfrid Frhr. v. Pölnitz-Eglojfstein/Christoph Mecking (Hrsg.), Deutsches Stiftungswesen 1988-1998; Klaus J. Hopt/Dieter Reuter (Hrsg.), Stiftungsrecht in Europa, 2001. 112 Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechs, 4. Aufl. 1875,1S. 149; Hagemann, Die Stellung der piae causae nach justinianischem Recht, 1953; Seifart/v. Campenhausen, S.75f.; Andreas Richter, Rechtsfähige Stiftungen und Charitable Corporations, 2001. 113 Seifartl v. Campenhausen, S.79. 114 Christian Meyer/Wolfgang Busch, HdbStKR, Bd.I S.930ff., 969ff. 115 Daher sind z. B. die vom Gesetz als „Stiftungen" bezeichneten Museen der Stadt Hamburg der Sache nach rechtsfähige Anstalten, aber keine Stiftungen, vgl. G. v. 22.12.1998, GVB1. S. 333), weil das „Stiftungsvermögen" nur aus der kostenbringenden Betriebs- und Geschäftsausstattung der ehemaligen staatlichen Museen besteht (§3) und die „Stiftungen" durch Zuwendungen der Freien und Hansestadt Hamburg erhalten werden (§4), nicht aber ein Stiftungsvermögen haben, dessen Erträge den Museumsbetrieb finanziert. - Entsprechendes gilt z. B. für die Stiftung „Jüdisches Museum Berlin" (G. v. 16.8.2001, BGBl. IS. 2138), die der Sache nach eine rechtsfähige Anstalt des Bundes ist.

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sentliche steuerliche Förderung. Für die Entwicklungen der Stiftungen ist das Stiftung s-Steuerrecht von entscheidender Bedeutung. Das private Stiftungswesen blüht in Deutschland wieder, nachdem sich der Wohlstand erheblich vermehrt hat. Es gibt z.Z. ca. 11.000 rechtsfähige Stiftungen bei einer ansteigenden Zahl. Anlass zur Errichtung von Stiftungen ist oft das Fehlen von direkten Nachkommen, was dazu führt, dass die reichen Erblasser ihr Vermögen in eine Stiftung einbringen. Sehr große Privatvermögen, die keinen bestimmten wirtschaftlichen Unternehmenszweck dienen, werden mit Recht von vielen Menschen als wenig sinnvoll angesehen, wenn das Vermögen praktisch nur dazu dient, sich selbst zu vermehren. Andererseits besteht bei vielen Menschen auch gegenüber dem Staat und der öffentlichen Hand ein erhebliches Misstrauen, diesem das Vermögen zu übergeben, sodass ein dritter Weg gewählt wird. Schließlich ist die Stiftung eine Rechtsform, die die Möglichkeit gibt, den eigenen Namen und Willen noch über Generationen hinaus wach zu erhalten. Anders als es der vielfach geübte Wortgebrauch sagt, sind die Vermögensmassen, die dem Stiftungszweck zugewandt werden, nicht „die" Stiftung. Die Stiftung ist ein abstraktes Gebilde, gewissermaßen ein rechtliches Konstrukt, das auf Grund einer Stiftungsaktes besteht, der Errichtung der Stiftung, die in notarieller Form zu geschehen hat. In der Stiftungsurkunde muss der Stiftung ein Zweck gegeben werden, der für die Stiftungsorgane bindend ist und u. U. durch die staatliche Aufsicht sicher gestellt wird. Dieses abstrakte Gebilde „Stiftung" ist rechtsfähig und hat ein Stiftungsvermögen, dessen Eigentümer die Stiftung selbst ist. Die Stiftung hat daneben Organe, mindestens einen Vorstand. Die Stiftung hat keine Träger oder Mitglieder, sondern nur Destinatäre 116. Stiftungen dienen verschiedenen Zwecken, im wesentlichen lassen sich zwei Typen festmachen. Der erste Typ sind die Stiftungen mit einem gemeinnützigen Zweck. Da die Stiftungen „unsterblich" sind, ist bei ihnen sicher gestellt, dass sie ihren Zweck über den Tod des Stifters hinaus ständig wahrnehmen. Die Vermögensmasse, die der Stiftung zugewendet wird, die in das Eigentum der Stiftung übergeht, die durch die Stiftung gewissermaßen entpersönlicht wird, erhält mit der Schaffung von Rechte einer Person einen Ersatz für die verlorene Zuordnung zu einer natürlichen Person. Das Stiftungsrecht ist weiter so eingerichtet, dass die Dauer auch durch eine staatliche Aufsicht sicher gestellt ist. Der Staat muss die Stiftung, die Rechtsfähigkeit erlangen will, „anerkennenen" und er beaufsichtigt sie auch117. Der zweite Haupttyp ist die Familienstiftung, bei der es sich in der Regel darum handelt, ein größeres Vermögen für Mitglieder einer Familie dauerhaft nutzbar zu machen. Hier wäre, insbesondere wenn es um Wirtschaftsunternehmen als Stif116 Kristoffer Blydt-Hansen, Die Rechtsstellung der Destinatäre der rechtsfähigen Stiftung des bürgerlichen Rechts, 1998. 117 BGB §82; Hagen Hof, Stiftungsaufsicht, in: Seifart/v. Campenhausen, § 11; Martin Schulte, Die Mehrfachkontrolle von Stiftungen, DÖV 1994,497 ff.

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C. Die juristischen Personen

tungsvermögen geht, auch die Form der GmbH möglich. Die Stiftung sichert mit ihrem Stiftungszweck, dessen Festlegung. Teil des Stiftungsgeschäftes ist es, die Früchte des Stiftungsvermögens den Mitgliedern der Familie dauerhaft zukommen zu lassen118. Das Stiftungsrecht, das im BGB nur sehr knapp geregelt und im Wesentlichen durch das Landesrecht festgelegt ist, ist jüngst novelliert worden. Die Stiftungen sind vor allem vom staatlichen Genehmigungszwang befreit worden. An dessen Stelle ist ein Anerkennungsverfahren getreten, das einen Anspruch auf Verleihung der Rechtsfähigkeit gibt (BGB §§ 82ff. i. d. F. v. 15.7.2002, BGBl. IS. 2634). Allerdings müssen die rechtsfähigen Stiftungen - ebenso wie die rechtsfähigen Vereine - in Register eingetragen werden, um ihre Rechtsstellung und die inneren Rechtsverhältnisse (insbesondere Vertretungsverhältnisse) transparent zu machen. c) Sondervermögen Ebenso wie bei den Personenvereinigungen gibt es sowohl im öffentlichen als auch im privaten Recht eine Anzahl von Vermögensmassen, die zwar nicht rechtsfähig sind, die aber kraft ihrer speziellen rechtlichen Gestaltung den juristischen Personen nahe kommen. Als erstes Beispiel sind die den Stiftungsvermögen ähnlichen Sondervermögen zu nennen. Sie stehen nicht im Eigentum einer besonderen juristischen Person, sondern direkt im Eigentum des Staates, einer Aktiengesellschaft oder sonstigen juristischen Person. Bei den öffentlich-rechtlichen Sondervermögen gibt es zahlreiche historisch gewachsene Vermögen 119. Aber auch in jüngerer Zeit sind zahlreiche Sondervermögen neu gebildet worden 120 . So waren das Bundesbahn- und das Bundespostvermögen bis zu ihrer Überführung in Aktiengesellschaften Sondervermögen des Bundes121. 118 Ulf Kühnemann, Die Stiftung im System des Unternehmenskonzerns, 1996; Robert Lehleiter, Die Familienstiftung als Instrument zur Sicherung der Unternehmenskontinuität bei Familienunternehmen, 1996; Gerhard Brandmüller, Gewerbliche Stiftung, Unternehmensstiftung, Stiftung & Co, Familienstiftung, 1988; Christoph Syrbe, Die Doppelstiftung - Eine Möglichkeit der Unternehmensnachfolge bei mittelständischen Unternehmern, 1995. 119 Als Beispiel hierfür sei der Allgemeinen Hannoverschen Klosterfonds genannt, der durch die Nds. Verfassung (Art. 72), geschützt ist. Schon im Königreich Hannover war hier vom Staat Kirchengut in einem Sondervermögen zusammengefasst und dieses Vermögen einer Staatsbehörde (der Klosterkammer) zur Verwaltung im Interesse von Kirchen und anderen kulturellen Zwecken übergeben worden, vgl. Andrea Franitza, Der Allgemeine Hannoversche Klosterfonds und die Klosterkammer Hannover, 2000. 120 Z.B. „Sondervermögen Zukunftsinitiative" des Saarlandes, G. v.23.10.2001, ABl. Saar S.70. 121 Art. 87 Abs. 1 Satz 1 GG a. F. verbot mit der Vorschrift, daß die Bundesbahn und die Bundespost in bundeseigener Verwaltung zu führen seien, die Bildung einer mittelbaren Bundesverwaltung in Form von rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts, vgl. Peter Lerche, in:

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203 123

Weitere Beispiele sind der Lastenausgleichsfonds und der ERP-Fonds . Heute werden vielfach auch im kommunalen Bereich Sondervermögen gebildet, um eine privatisierungsähnliche Wirkung zu erzielen 124. Dies gilt vor allem im Bereich der kommunalen Betriebe und der kommunalen Anstalten. In gewisser Weise gehören hierzu auch die kommunalen Eigenbetriebe, die ein besonderes Betriebsvermögen haben. Im privatrechtlichen Bereich treten die Sondervermögen teilweise an die Stelle der Stiftungen. Mit der Form des Sondervermögens lassen sich die Schwierigkeiten der Stiftungsgründung und der staatlichen Stiftungsaufsicht vermeiden. Praktisch geht es um Vermögen, die unter einer Treuhandverwaltung stehen. Auch können derartige „nicht rechtsfähige Stiftungen" nach außen wie Stiftungen auftreten und nach innen wie Stiftungen organisiert sein. Es zeigt sich - wie bei den Vereinen - dass die rechtsfähige und die nicht rechtsfähige Form weitgehend gegen einander austauschbar sind. Allerdings treten auch hier die Fragen der Prozessfähigkeit auf. Denn das Prozessrecht hat für die nicht rechtsfähige Stiftung keine Sondervorschriften entwickelt. Schließlich stellt sich immer die Haftungsfrage. Das Vermögen der nicht rechtsfähigen Stiftung haftet stets auch mit für die Schulden des Muttergemeinwesens, da dieses Eigentümer des Stiftungsvermögens ist. Ein weiterer, wirtschaftlich sehr wichtiger Bereich der Sondervermögen sind die Vermögensmassen, zumeist Wertpapiere, die von Banken und Versicherungsgesellschaften verwaltet werden. Beispiele sind die Investmentfonds 125, die Deckungsfonds der Hypothekenbanken126 und die Pensionsfonds. d) Einmanngesellschaften

127

Kapitalgesellschaften des Handelsrechts, d. h. Aktiengesellschaften und GmbH'en können hinsichtlich der Zahl der Gesellschafter auf ein Mitglied beMaunz/Dürig/Herzog/Scholz, Art. 87 f., Rdnr. 18 ff. - Im einzelnen dazu: G. über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn, G. v. 2.3.1951, BGBl. IS. 155; Bundesbahngesetz v. 13.12.1951, BGBl. I S. 955; Postverwaltungsgesetz v. 1.8.1953, BGBl. I S.676. 122 Lastenausgleichsgesetz vom 14.8.1952, BGBl. IS. 446, §§5 ff. 123 Art. III des G. vom 15.12.1949 zur Durchführung des Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika vom 15.12.1949, BGBl. S.9. 124 Die Gemeindeordnungen sehen dies in der Regel ausdrücklich vor, z. B. NGO § 102, NWGO §95, SHGO §97. 125 G. über Kapitalanlagegesellschaften i.d.F. v. 9.9.1998, BGBl. I S. 2727; Pensionsfonds nach § 112 Abs. 1 VAG. 126 G. über die Pfandbriefe öffentlich-rechtlicher Kreditanstalten, v. 9.9.1998, BGBl. I S.2773. 127 Thorsten Schmidt, Einmann-Personengesellschaften, 1996.

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schränkt sein. Die Gesellschaften können sogar von Anfang an, auf einen Gesellschafter beschränkt sein (GmbHG § 1; AktG § 42). Dann handelt es sich der Sache nicht um eine Gesellschaft, weil diese begrifflich mindestens zwei Mitglieder haben muss128. Praktisch geht es im wesentlichen um die Haftungsbeschränkung, die mit der Bildung einer besonderen juristischen Person verbunden ist. Insofern kann man die Einmann-Gesellschaft auch zu den Sachgesamtheiten zählen. Tatsächlich kommt die Einmanngesellschaft des GmbH-Rechts der Stiftung nahe. Sie hat auch ihr eigenes Vermögen, das von dem Vermögen des einzigen Gesellschafters unterschieden ist. Sie hat für den Gesellschafter den Vorteil, dass er die Verfügungsbefugnis nicht verliert, weder über den Zweck noch über die Geschäftsführung, und dass er keiner Stiftungsaufsicht unterliegt. Im Erbfall endet Eigenschaft als Einmanngesellschaft aber oft. Eine Einmanngesellschaft besteht praktisch auch dann, wenn eine Gesellschaft (Obergesellschaft) so viele Anteile einer anderen Gesellschaft (Untergesellschaft) aufkauft und die Untergesellschaft von sich abhängig macht. Dabei kann durch gegenseitige Aktienaufkäufe auch eine gegenseitige Anhängigkeit entstehen, die den Einfluss Dritter minimiert und die wesentlichen Entscheidungen zwei Vorständen überlässt, die die jeweiligen gegenseitigen Aktionärsrechte ausüben. 7. Personenähnliche Gestaltungen Auf der Grenze zwischen der juristischen Person und der nicht rechtsfähigen Vermögensmassen gibt es zahlreiche Gestaltungen, von denen drei oft vorkommende hier als Beispiele vorgeführt werden sollen. Es geht darum, dass Vermögensmassen organisiert werden müssen, um bestimmten Zwecken zur Verfügung zu stehen. Dabei wird vermieden, eine juristische Person zu bilden. Aber die Zwecke können nur erfüllt werden, wenn Organisationen gebildet werden, die für juristische Personen typisch sind und die auch weitgehend wie juristische Personen arbeiten. Die gewählten Beispiele zeigen, dass für Organisation von Vermögensmassen, für die gehandelt werden muss, keineswegs die Bildung von juristischen Personen erforderlich ist. a) Insolvenzmassen Ein Sondervermögen, das von der Rechtsordnung aus Gründen der Haftung für Verbindlichkeiten gebildet worden ist, ist die Insolvenzmasse. Sie wird zwar regelmäßig nicht dem Personenrecht zugerechnet, verdient aber im hier behandelten Zusammenhang Erwähnung, weil die Insolvenzmasse eine abgegrenzte Vermögensmasse ist, für die durch zwei Organe, den Insolvenzverwalter und den Gläubigerausschuss, gehandelt wird, ebenso wie für das Vermögen von Gesellschaften durch Vorstände oder Geschäftsführer. Die Insolvenzmasse als Vermögensmasse ergibt sich 128

Wolf gang Pflster,

Die Einmann-Personengesellschaft, 1999.

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nach der InsO aus dem Vermögen, das dem Gemeinschuldner im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gehörte und das er während des Insolvenzverfahrens erlangt, soweit es der Zwangsvollstreckung unterliegt 129. Das Insolvenzverfahren ist ein typisches Beispiel dafür, dass es keiner juristischen Person bedarf, um Wirkungen eintreten zu lassen, die an sich der zur juristischen Person erhobenen Vermögensmasse eigen sind. Der Verzicht auf die Bildung einer besonderen juristischen Person erscheint vor allem deshalb sinnvoll, weil das Insolvenzverfahren ein zeitlich beschränktes Verfahren ist und die Wirkungen der Insolvenz nach Aufhebung des Verfahrens enden. Allerdings werden die Wirkungen des Insolvenzbeschlusses und die Wirkungen im Hinblick auf die Insolvenz nur dadurch erzielt, dass ein umfangreiches gerichtliches Verfahren stattfindet und die Insolvenz zugleich in alle öffentlichen Bücher eingetragen wird (InsO §§31 ff.). Gegen die Bildung einer juristischen Person spricht bei der Insolvenz auch die Tatsache, dass die Akteure der Insolvenz schwerpunktmäßig außerhalb der Gläubigergemeinschaft stehen. Handelnde sind in erster Linie der Insolvenzverwalter und das Gericht, weniger dagegen die Gläubiger, weil es hier um den Schutz aller Gläubiger, auch der kleinen Gläubiger geht und auch um den Schutz des Gemeinschuldners. b) Wohnungseigentum Ebenso wenig wie das Insolvenzverfahren stellt das Gesetz das Wohnungseigentum in den hier behandelten Zusammenhang der juristischen Personen. Gleichwohl handelt es sich auch hier um eine bestimmte Vermögensmasse, die vom allen anderen Vermögensteilen abgesondert und in eine bestimmte Organisation eingegliedert ist. Juristisch geht es dabei um Miteigentum an bebauten Grundstücken, insbesondere an Wohngebäuden. Auch das einfache Miteigentum (BGB §§ 1008 ff.) führt u. U. schon zu einer nicht ganz geringen Organisation, sofern die Miteigentümer sich entschließen, nach den Regeln der GbR zu leben. Beim Wohnungseigentum handelt es sich um eine Organisation, die sowohl rechtlich als auch tatsächlich notwendig ein hohes Maß an Kompliziertheit besitzt. Die Miteigentümer sind nicht nur lose wie Miteigentümer im allgemeinen, d. h. in einer Bruchteilsgemeinschaft verbunden, sondern noch wesentlich enger als in einer Gesamthandgemeinschaft. Das liegt an dem gemeinsamen Interesse der Unterhaltung und Pflege des Grundstücks und der Gebäude. Daher spricht das Gesetz von einer „Gemeinschaft der Wohnungseigentümer" (WEG §§ 10 ff.), die vor allem eine Unauflöslichkeit kennt (§11), besondere Pflichten mit sich bringt (§ 14) und zur Kostentragung verpflichtet (§16 Abs. 2). Weiter besteht die gesetzliche Verpflichtung zur Bestellung eines Verwalters, dem starke Rechte eingeräumt sind (§ 27). Er wird zwar von den Wohnungseigentümern 129

Insolvenzordnung (InsO) v.6.10.1994, BGB1.I S.2866, §§35ff.

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gewählt, evtl. auch abberufen (§ 26), er hat aber, solange er im Amt ist, starke Rechte und eine erhebliche Verantwortung (§ 27). Neben dem Verwalter besteht die Eigentümerversammlung und (fakultativ) der Beirat als weitere Organe. Diese persönlich-sachliche Organisation ist ebenso wenig wie die Insolvenzmasse mit Verwalter und Gläubigerausschuss eine juristische Person. Aber ebenso wie der Insolvenzverwalter für die Masse handeln kann, kann dies auch der Verwalter der Wohnungseigentümergemeinschaft tun, einschließlich der Erhebung einer Klage für die Eigentümergemeinschaft. c) Die Miterbengemeinschaft Eine gewisse Ähnlichkeit mit den vorstehend genannten Vermögensmassen hat die Gemeinschaft der Miterben im Hinblick auf den ungeteilten Nachlass130. Der Nachlass hat bei einer Mehrheit der Erben ein besonderes rechtliches Schicksal gegenüber allen anderen Vermögensmassen. Der Nachlass wird gemeinschaftliches Eigentum der Erben (BGB § 2032). Dies zeigt sich in erster Linie in seiner Eigenschaft als Haftungsgegenstand für die Nachlassgläubiger (§ 1967 ff.). Die Miterbengemeinschaft als Gesamthandgemeinschaft (BGB §§ 2032-2063) ist in gewisser Weise handlungsfähig, vor allem aber haftungsfähig. Auch besteht eine Bindung zwischen den einzelnen Miterben; kein Miterbe kann allein über den Nachlass oder einzelne Nachlassgegenstände verfügen (BGB § 2040). Damit rückt die Miterbengemeinschaft in die Nähe eines selbständigen Rechtsträger, wenn auch nicht in die Nähe der juristischen Person. Die Bindung wird noch stärker, wenn ein Testamentsvollstrecker oder ein Nachlassverwalter ernannt worden ist (§§ 2107 ff.). Im Gegensatz zum Verwalter des Wohnungseigentums, der von den Beschlüssen der Miteigentümer abhängt, hat der Testamentsvollstrecker Aufgaben, die ihm vom Erblasser zugewiesen sind, auf die die Miterben keinen Einfluss haben. Die Miterben sind daran gebunden; der Wille des Erblassers wirkt wie der Wille des Stifters bei einer Stiftung über den Tod hinaus und u. U. zeitlich unbeschränkt durch viele Generationen. Denn die Verwaltung des Nachlasses durch einen Verwalter ist vom Gesetz zeitlich nicht beschränkt 131. Vergleicht man die drei behandelten Rechtsfiguren mit ihrer unterschiedlichen Organisation - Insolvenzmasse, Wohnungseigentum, ungeteilter Nachlass - so zeigt sich, wie flexibel die Rechtsordnung ist und wie genau sie auf die jeweils im Spiel befindlichen unterschiedlichen Interessen zugeschnitten werden kann, zugleich mit der Möglichkeit, im Einzelfall auf besondere Verhältnisse zu reagieren.

130 131

Christina Eberl-Borges, ZEV 2002,125 ff. Axel Schmücker, Testamentvollstrecker und Erbe, 2002.

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8. Sachgesamtheiten des öffentlichen Rechts a) Historische Vorbemerkungen Das Recht der juristischen Personen hat sich lange Zeit ohne klare Differenzierung zwischen den Personen des öffentlichen Recht und des privaten Rechts entwickelt. Das Personenrecht war in der Frühneuzeit ein Rechtsgebiet, das für beide Rechtsmaterien - öffentliches und privates Recht - ununterscheidbar gültige Normen enthielt. Die Unterscheidung, die wir heute gebrauchen, war noch im 19. Jahrhundert nicht allgemein üblich. Das Verwaltungsrecht hat sich mit seinen Institutionen in der zweite Hälfte des 19. Jahrhundert erst langsam entwickelt und hatte just in dem Zeitpunkt, in dem das BGB entstanden ist, durch das Lehrbuch von Otto Mayer im deutschen Rechtsraum zum ersten Mal eine wissenschaftlich vertiefte systematische Darstellung gefunden 132. Das BGB stellte gleichzeitig vor die Frage, welche Rechtsinstitutionen aus dem Recht der juristischen Personen dem bürgerlichen und welche dem öffentlichen Recht zuzuordnen seien. Das Privatrecht vor 1900, das sich gegenüber dem öffentlichen Recht anders abgrenzte als das heutige Privatrecht, hatte sich mit dem Begriff „Corporation" (Körperschaft) begnügt, wenn es die Personalverbände im allgemeinen bezeichnen wollte 133 . Nach Inkrafttreten des BGB zog es sich auf die einzelnen Institutionen, so wie sie im BGB und im Handelsrechts fixiert worden waren, zurück. Dies galt allerdings nur für die Institutionen des Reichsrechts, während die zahllosen „Korporationen", die nicht reichsrechtlich geordnet wurden (EGBGB Art. 163), auch im Landesrecht nicht klar eingeordnet wurden. Die veränderte Auffassung zeigt z. B. EGBGB Art. 99, der die landesrechtlichen Vorschriften über die öffentlichen Sparkassen durch das BGB unberührt lässt, d.h. es jedenfalls für möglich hält, dass die öffentlichen Sparkassen juristische Personen des privaten Rechts sind 134 . Dadurch blieb ein nicht ganz schmaler Grenzsaum zwischen den juristischen Personen des öffentlichen und des privaten Rechts ohne sichere Zuordnung, der bis heute noch nicht in allen Einzelfällen vollständig geklärt ist. Für die rechtsfähigen öffentlich-rechtliche Sachgesamtheiten kam die Systematik offensichtlich nicht mit der Zweiheit von „Korporationen" und Stiftungen, die für das BGB und seine Nebenmaterien ausreichte, zurecht. So wurde ein dritter Begriff kreiert, die Anstalt. Er war als „Veranstaltung" z. B. im preußischen Universitätsrecht bekannt135. Offensichtlich hat hier auch der aus dem französischen Verwaltungsrecht entnommene Begriff des „établissement public", der in das deutsche 132

Otto Mayer , Deutsches Verwaltungsrecht, 2Bde. 1895. Otto Stobbe, Handbuch des Deutschen Privatrechts, 2. Aufl. 1882, l.Bd., S.401 ff. 134 Dies trifft z.B. auf die Hamburger Sparkasse zu, die eine eigentümerlose juristische Person des Privatrechts ist, Gerhard Ahrens, in: Recht und Juristen in Hamburg 1,1994, S. 185 ff. 135 Pr. ALR II. Buch, 12. Titel, §67. 133

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Recht eingeführt wurde , eine Rolle gespielt. Bei dieser Entwicklung kann die Bedeutung Otto Mayers kaum unterschätzt werden 137. Er war als Jurist, der in Straßburg arbeitete, schon vor der Abtretung Elsaß-Lothringens an das Deutsche Reich im Jahre 1871 ein anerkannter Fachmann des französischen Verwaltungsrechts. Wenn er als Professor der Universität Straßburg das erste wissenschaftlich reife System des Verwaltungsrechts vorgelegt hat, so hat dabei stark aus den ihm geläufigen Vorstellungen des wesentlich weiter fortgeschrittenen französischen Rechts geschöpft. Allerdings war der Begriff der Anstalt auch schon vor Otto Mayer im deutschen Verwaltungsrecht bekannt und hat in der Diskussion um den § 89 BGB in den Beratungen der Ausschüsse des Reichstags eine Rolle gespielt138. Dabei ist der Begriffsinhalt niemals geklärt worden. Im Gegensatz zur Stiftung, die ein Stiftungsvermögen hat, dessen Erträgnisse dem Stiftungszweck zu dienen bestimmt sind, besitzt, die Anstalt ein Sachsubstrat, das unmittelbar den Zwecken der Verwaltung dient. Dabei ist allerdings sehr genau zwischen dem anstaltlichen Sachsubstrat und der Anstaltspersönlichkeit zu unterscheiden. Wahrend alle Anstalten ein Sachsubstrat haben sollten, das dem Bürger nutzbar ist, haben nur bestimmte Anstalten auch eine Anstaltspersönlichkeit und damit die Rechtsfähigkeit und die Eigenschaft als juristische Person. Dieser Begriff der Anstalt, der sowohl Sachsubstrat und Anstaltspersönlichkeit besitzt, wurde in der Folge Gegenstand des Begriffs der Anstalt im Sinne des Personenrechts. b) Fragen der Systematisierung Klarzustellen ist zunächst, dass im folgenden nur öffentlich-rechtliche Gebilde behandelt werden. Gründet die öffentliche Verwaltung eine Gesellschaft privaten Rechts, z. B. eine GmbH oder eine AG, so sind diese privat-rechtliche juristische Personen, mag auch das Gesellschaftskapital voll der öffentlichen Hand gehören und mögen auch gewisse haushaltsrechtliche oder andere Bindungen öffentlichrechtlicher Natur bestehen. Begriffsabgrenzungen, die zum Zwecke der Begriffsbildung und der Systematik getroffen werden, haben immer etwas Subjektives. Sie müssen sich daher unter Darlegung ihrer Erkenntnisinteressen rechtfertigen. Diese Erkenntnisinteressen knüpfen an das Prinzip der Einheit der Verwaltung an, gegen das jegliche Herauslösung aus der Staatsverwaltung durch Schaffung besonderer Verwaltungseinheiten zu verstoßen scheint. Dabei gibt es unterschiedliche Rechtfertigungsgründe für die Herauslösung. Diese sind alle irgendwie zweckbestimmt. Die Zwecke können Anknüpfungspunkt für eine Systematisierung sein. 136

Deutsches Verwaltungsrecht, 2. Aufl. 1917, S.598, FN 1. Michael Stolleis, Geschichte des öffentlichen Rechts in Deutschland, Band II 1992, S. 403 ff. 138 Nachweise bei Mayer, S. 590. 137

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Grund für die Herauslösung einer öffentlichen Verwaltungseinheit aus dem Staat kann in der Tatsache liegen, dass es bestimmte Vermögensmassen gibt, die öffentlichen Zwecken dienen, aber dem direkten Zugriff des politischen Systems entzogen werden sollen, weil die Sorge besteht, dass diese Vermögensmassen durch die politischen Machthaber zweckentfremdet werden könnten. Dies ist in der Regel der Zweck und Grund von Stiftungen des öffentlichen Rechts. Die Ausgliederung aus dem unmittelbaren Staatsverband kann aber auch darin liegen, dass nicht die volonté générale des Gesamtvolkes legitimiert erscheint, die Entscheidungen für bestimmte Aufgabenfelder zu treffen, sondern nur Teile des Volkes, die entweder lokal bestimmt sind - so bei der kommunalen Selbstverwaltung - oder durch ihren Beruf - so bei den berufsständischen Kammern. Hier sprechen wir von Selbstverwaltung. Ein drittes Feld sind staatliche Aufgaben, deren Erfüllung einen besonderen Sachverstand voraussetzt, so im Bereich der Wissenschaft, der Bildung, der Kunst, des Gesundheitswesens. Im Gegensatz zu den Bereichen, für die eine Selbstverwaltung im klassischen Sinne, wie bei den Kommunen und den berufsständischen Kammern eingesetzt ist, handelt es sich hier nicht um bestimmte Teile des Gesamtvolkes, das durch den Regelungsgegenstand betroffen ist. Es handelt sich vielmehr um Gegenstände, die jedermann betreffen, die aber ihrer Eigenart nach nicht geeignet sind, durch Vertreter der politischen Parteien, die demokratisch legitimiert sind, geleitet zu werden, weil den Mitgliedern der Politischen Klasse bei diesen Gegenständen der hinreichende Sachverstand zu fehlen pflegt. Es sind Bereiche, für die vor allem spezieller Sachverstand gefordert ist. Diese Bereiche sind jene, für die die Anstalt des öffentlichen Rechts im herkömmlichen Sinne die geeignete Rechtsform ist. Ein wiederum ganz anderer Bereich der öffentlichen Verwaltung, der aus der unmittelbare Staatsverwaltung ausgegliedert ist, sind die Träger der Sozialversicherung, die nach Zweck, beteiligtem Bevölkerungskreis, Organisation, Finanzierung, Unabhängigkeit vom Staat sehr verschiedenartig ausgestaltet sind. Die öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen stehen den Anstalten sehr nahe. Es gibt zweifellos Einrichtungen, die auf der Grenze zwischen verschiedenen Typen stehen und nicht mit Sicherheit einem Typus zuzuordnen sind. Das Wesentliche der Wirtschaftsunternehmen besteht darin, dass bei ihnen das Handeln ökonomisch geprägt ist, dass es nicht nur darum geht, einen bestimmten Zweck zu erfüllen, sondern dass sie diesen ihnen vorgegebenen Zweck weitgehend losgelöst vom Muttergemeinwesen (Staat oder Kommune) erfüllen. Sie sind aus zwei Gründen weitgehend unabhängig, erstens weil sie vom Muttergemeinwesen keine Zuschüsse erhalten, sondern sich aus den Entgelten für ihre Leistungen erhalten, und zweitens weil sie eine Geschäftspolitik treiben müssen, für die sie wirtschaftlich allein verantwortlich sind und auf die das Muttergemeinwesen daher auch nur sehr beschränkt Einfluss nehmen darf. Angesichts dieser Vielschichtigkeit der mittelbaren Staatsverwaltung kann nicht davon ausgegangen werden, dass Systematisierungsversuche der Träger dieser mit14 Thieme

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telbaren Staatsverwaltung nahtlos gelingen. Die gängige Grundunterscheidung zwischen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die im Anschluss an BGB § 89 heute noch weitgehend benutzt wird, erscheint wenig überzeugend. Eine alternative Systematisierung, nach der im folgenden gesucht wird, kann niemals so aussehen, dass bruchlos bei allen Teilen, die gebildet werden, von dem gleichen Gesichtspunkten ausgegangen wird. Allenfalls die Unterscheidung zwischen Personenverbänden und Sachgesamtheiten erscheint sinnvoll. Aber auch dies ist, wie bei den Personenverbänden bereits gezeigt, nur mit Vorbehalten möglich. Gleichwohl soll im folgenden weitgehend an die überkommene klassische Grundeinteilung angeknüpft werden, von der aus suchend neue Einteilungsgesichtspunkte benutzt werden. c) Stiftungen des öffentlichen

Rechts 139

Das 19. Jahrhundert kannte noch keine Unterscheidung zwischen den Stiftungen des privaten und des öffentlichen Rechts. Irgendwie waren alle Stiftungen öffentlich-rechtlich, weil sie als eigentümerlose Gebilde einer staatlichen Aufsicht unterstanden, die die Zweckerfüllung sicher zu stellen hatte. Die Aufnahme der Stiftungen in das BGB hat dann zu den scharfen Trennung zwischen den Stiftungen des öffentlichen Rechts und die bürgerlichen Rechts geführt, wobei das BGB allerdings nur eine Negativvorschrift enthält, nämlich die, dass es selbst das Recht der öffentlich-rechtlichen Stiftungen nicht regelt. Positiv geregelt sind die kommunalen Stiftungen in den Gemeindeordnungen140. Da die Stiftungen des öffentlichen Rechts Träger von Verwaltungsaufgaben sind, gehört das Recht der öffentlich-rechtlichen Stiftungen zum Verwaltungsorganisationsrecht. Dieses aber ist, soweit es sich nicht um die Wahrnehmung von Aufgaben des Bundes handelt, grundsätzlich Landesrecht. Damit ist es den Ländern überlassen, ob sie allgemeine Regeln für das Recht der öffentlich-rechtlichen Stiftungen aufstellen wollen. Die meisten Länder haben dies nicht oder nur sehr wenig intensiv getan. Mit der Zuständigkeit zur Regelung des Rechts der öffentlich-rechtlichen Stiftungen ist den Ländern (ebenso wie dem Bund für seinen Bereich) auch das Recht gegeben, den Begriff der Stiftung des öffentlichen Rechts selbst zu definieren, d. h. zu bestimmen, welche Sachgesamtheiten als Stiftungen benannt werden sollen. Das Ergebnis ist eine große Breite unterschiedlicher Einrichtungen, denen die Gesetzgeber von Bund und Ländern die Bezeichnung Stiftung zugelegt haben. Man kann angesichts der heutigen Staatspraxis nicht davon sprechen, dass eine irgendwie geartete Übereinstimmung über den Begriff der Stiftung des öffentlichen Rechts besteht. Diese Entwicklung zur Beliebigkeit der Benutzung des Stiftungsbegriffs im 139

Seifart/v. Campenhausen, S. 443 ff. Z.B. NGO § 107, z.T. in den Landes-Stiftungsgesetzen (z.B. Bay. Stiftungsgesetz i.d.F. d. Bek. v. 19.12.2001, GVB1. 2002, S. 10), Art. 28. 140

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öffentlichen Recht ist in jüngerer Zeit beschleunigt worden. Die Errichtung zahlreicher Stiftungen des privaten Rechts, die durch den Wohlstand der florierenden deutschen Wirtschaft bedingt ist, hat dem Stiftungsgedanken einen großen Auftrieb gegeben. Hinzu kommt der Übergang der modernen Staatlichkeit von „Leistungsstaat" zum „Gewähr-Leistungsstaat", d. h. der Einsicht, dass der Staat mit seinem Apparat und mit seinem Geld nicht mehr in der Lage ist, die Aufgaben des Leistungsstaates, die er auf sich genommen hat, selbst zu erfüllen und in vielen Stiftungen des bürgerlichen Rechts wichtige Helfer für seine Aufgabenerfüllung gefunden hat. Diese Entwicklung hat ihre Fortsetzung in der Gründung zahlreicher Stiftungen des öffentlichen Rechts gefunden, mit denen der Staat sich zugleich seiner Pflichten entledigt hat. Wenn z. B. die Freie und Hansestadt Hamburg ihre großen Museen, die vorher nicht rechtsfähige staatliche Anstalten gewesen waren, in rechtsfähige Stiftungen des öffentlichen Rechts umgewandelt hat 141 , so ist das nicht nur geschehen, um den Museen eine größere Freiheit vom Staat zu geben, sondern vor allem, um sich der Verantwortung für die Museen, die sie nicht mehr bezahlen wollten oder konnten, zu entledigen und die Museumsleitungen auf den Markt der privaten Stifter zu verweisen, die bereit sind, Gelder für die öffentlichen Museen, insbesondere für die Anschaffung von Exponaten zur Verfügung zu stellen. d) Rechtsfähige Anstalten des öffentlichen

Rechts 142

Dass es sich bei dem Begriff der juristischen Person um einen Kunstbegriff handelt, unter dem sehr viele und sehr unterschiedliche Gebilde zusammengefasst sind, zeigt sich bei einem Vergleich der öffentlich-rechtlichen und der privatrechtlichen Sachgesamtheiten. Das öffentliche Recht hat in seiner herkömmlichen Dogmatik nebeneinander zwei Begriffe für rechtsfähige Sachgesamtheiten gebildet, die Stiftungen und die Anstalten. Bei den Stiftungen dürfte sich etwas vollzogen haben, was den Zeitgenossen kaum voll ins Bewusstsein gedrungen ist. Mit der Scheidung von privatem und öffentlichem Recht im Recht der juristischen Personen, die durch das BGB ausgelöst worden ist, hat es entscheidend auf die Lehrbuch-Dogmatik eingewirkt. Die Vorschrift des BGB § 89 hat eine Trias (Körperschaften, Anstalten und Stiftungen) fixiert, die heute noch gern gebraucht wird, obwohl sie eigentlich niemals voll der Realität entsprochen hat. Im folgenden sind die Anstalten des öffentlichen Rechts Gegenstand der Erörterung, die rechtsfähig sind. Ob alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die als Anstalten des öffentlichen Rechts bezeichnet werden, in den hier behandelten Problembereich fallen, nämlich in den der rechtsfähigen Sachgesamtheiten, ist sehr zweifelhaft. Der Begriff der Anstalt ist stark schillernd und umfasst zahlreiche sehr 141

Hmb. Museumsstiftungsgesetz v. 22.12.1998, GVB1. S.333. Klaus Lange!Rüdiger Breuer, Die öffentlich-rechtliche Anstalt, VVDStRL 44 (1986), S. 169ff.; 211 ff. 142

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unterschiedliche Gestaltungen. Sie sollen im folgenden analysiert werden. Dabei sollen die wirtschaftlichen Unternehmen vorerst noch herausgenommen werden, auch wenn sie - wie die kommunalen Sparkassen - im allgemeinen als Anstalten bezeichnet werden. Der gedankliche Ausgangspunkt des Anstaltsrechts war die nutzbare Anstalt, d. h. eine Einrichtung des öffentlichen Rechts, in der dem Bürger Sach- oder Dienstleistungen dargereicht werden, wobei die Dienstleistungen mit Hilfe der nutzbaren öffentlichen Sachen dargeboten wurden, z.B. in den Krankenhäusern. Dabei handelt es sich in aller Regel nicht um privatrechtliche Austauschverhältnisse - auch wenn ausnahmsweise kostendeckende Gebühren oder Beiträge verlangt werden - sondern um einseitige, nicht synallagmatische öffentliche Leistungen der Anstalten, durch die öffentliche Zwecke verfolgt werden. Diese Rechtsverhältnisse werden zumeist durch Verwaltungsakt oder öffentlich-rechtlichen Vertrag begründet. Allerdings kommen auch privatrechtliche Leistungsverhältnisse insbesondere in öffentlichrechtlichen Anstalten vor. Die Gegenleistung des Nutzers, sofern eine solche überhaupt gefordert wird, wird nicht notwendig nach ökonomischen, sondern vielfach nach sozialen Prinzipien festgesetzt. Beispiele hierfür sind Schulen, Krankenhäuser, Museen, Theater, Altersheime, Kindergärten, Badeanstalten u. a. m. In der Regel sind diese Anstalten nicht rechtsfähig, sondern Teil der staatlichen oder kommunalen Verwaltung und leben nach öffentlichem Sachenrecht und allgemeinem Haushaltsrecht, d. h. nicht nach wirtschaftlichen Prinzipien. Für sie geht es in erster Linie darum, dass der Verwaltungszweck soweit als möglich erfüllt wird. Es soll zwar auch hier wirtschaftlich gearbeitet werden. Aber da sich der Nutzen nicht geldmäßig berechnen lässt, und da die Grundstücke, auf denen die Anstalten arbeiten, in der Regel keinen Markt und damit auch keinen feststellbaren Marktpreis haben, kann nicht exakt bilanziert und mit einer ökonomisch brauchbaren Gewinnund Verlust-Rechnung gearbeitet werden. Nur für Teilfragen ist eine ökonomische Rechnung sinnvoll. Nur bis zu einem bestimmten Grade kann versucht werden, auch hier die ökonomischen Gesetze anzuwenden. In der Regel scheitert das trotz vieler sinnreicher Bemühungen, die die Lehre von der Kosten-Nutzen-Rechnung entwickelt hat 143 , an der fehlenden Möglichkeit numerischer Quantifizierungen auf der Leistungsseite. Diese Arten von Anstalten haben mit dem Problem der juristischen Personen, insbesondere mit den rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts, um die es hier geht, nicht notwendig etwas zu tun. Eine weitere Kategorie von Einrichtungen, die auch als Anstalten des öffentlichen Rechts bezeichnet werden, deren Sachsubstrat aber im Gegensatz zu den erwähnten Anstalten „nutzbare Anstalten" im Sinne des öffentlichen Sachenrechts sind (wie z. B. ein Krankenhaus oder eine Schule), sind die kommunalen Sparkassen, die öffentlichen Versicherungsträger, die öffentlichen Banken (Landesbanken, Bundes143 Hans-Jürgen Schmidt, Betriebswirtschaftslehre und Verwaltungsmanagement, 5. Aufl. 2001, S.310ff.

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bank, Kreditanstalt für Wiederaufbau, Ausgleichsbank u. s. w.). Die öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten, einschließlich der kommunalen Sparkassen und der Versicherungen sind allerdings zweckmäßig den Wirtschaftsunternehmen zuzurechnen, die erst unten behandelt werden sollen. Es bleiben für den Bereich der rechtsfähigen Anstalten die Einrichtungen des Informationswesens und des kulturellen Lebens, die auch rechtsfähig sein können. Es handelt sich hierbei in erster Linie um die Rundfunkanstalten, die keine Wirtschaftsgüter verkaufen oder liefern, sondern Nachrichten, Informationen, Unterhaltung und Kultur ausstrahlen. Dass sie wie ein Wirtschaftsunternehmen geführt werden müssen, weil sie keine staatlichen Zuschüsse erhalten und wegen ihrer verfassungsrechtlich gewährleisteten Unabhängigkeit solche Zuschüsse auch nicht annehmen dürfen 144, sie daher einen großen Teil ihrer Einnahmen aus der Werbung einspielen müssen, macht sie noch nicht zu Wirtschaftsunternehmen, weil die Wirtschaftswerbung nicht ihr Zweck, sondern nur eine Nebenbedingung ist. Für den Bereich der rechtsfähigen Anstalten des öffentlichen Rechts bleiben damit in erster Linie Einrichtungen, die Dienstleistungen erbringen, wobei sowohl solche ausscheiden, die Träger nutzbarer Anstalten im Sinne des öffentlichen Sachenrechts sind, als auch die öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen. Ob man für sie am Anstaltsbegriff festhalten soll, erscheint zweifelhaft, weil er zu geringe Sachnähe zur nutzbaren Anstalt hat. Hinzu kommt - worauf oben bereits hingewiesen worden ist - dass in jüngerer Zeit für zahlreiche rechtsfähige Anstalten sachwidrig die Bezeichnung „Stiftung" verwendet wird. Es empfiehlt sich daher vielleicht derartige rechtsfähige Gebilde schlicht mit dem Wort „Einrichtung" zu kennzeichnen und damit zugleich die inhaltliche Neutralität und Offenheit anzudeuten. e) Öffentlich-rechtliche

Wirtschaftsunternehmen

145

Die öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen, die schon Forsthojf als eine besondere Rechtsfigur der juristischen Personen des öffentlichen Rechts neben den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen bezeichnet hatte 146 , haben im Rahmen des Privatisierungsprozesses großer Teile gemeinwirtschaftlicher, bisher öffentlichrechtlicher Unternehmen eine weitaus größere Bedeutung als früher erlangt. Ob sie als besondere Form der juristischen Person des öffentlichen Rechts unter irgendwelchen rechtssystematischen Gesichtspunkten angesprochen werden können, hängt davon ab, welche Gesichtspunkte für die Systematisierung maßgeblich sein sollen. Die Schwierigkeit einer klaren Ordnung und Einordnung der öffentlich-rechtlichen 144

BVerfGE 57, 320; 73, 152; 74, 324; Günter Herrmann, Rundfunkrecht, 1994, S.344f. Florian Becker, Die landesrechtliche „Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts" in der bundesstaatlichen Kompetenzordnung, DÖV 1998, 97ff.; Helmut Siekmann, Die verwaltungsrechtliche Anstalt-eine Kapitalgesellschaft des öffentlichen Rechts? NWVwBl 1993, 361 ff.; Dirk Ehlers, Gutachten zum DJT 2002. 146 Lehrbuch, S. 509 ff. 145

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C. Die juristischen Personen

Wirtschaftsunternehmen liegt darin, dass es sich um eine nicht ganz geringe Zahl von sehr unterschiedlichen gesetzlichen Formen handelt, die auf öffentlich-rechtliche Unternehmen Anwendung finden. Das Besondere der öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen liegt nicht im organisatorischen Bereich, sondern in ihrer Zwecksetzung. Es scheiden damit diejenigen juristischen Personen aus, die durch öffentliche Haushaltsmittel im Rahmen fiskalischer Haushalte unterhalten werden, die ihre Leistungen teilweise gegen Entgelt abgeben, deren Ziel es aber nicht ist, kostendeckend zu arbeiten, die vielmehr nichtökonomische Zwecke verfolgen und die daher auch Zuschüsse zur Durchführung ihrer Aufgaben von ihren Muttergemeinwesen (Staat, Kommune) erhalten. Als öffentliche Wirtschaftsunternehmen sollen nur jene Personen bezeichnet und aus der Masse der Anstalten des öffentlichen Rechts dadurch herausgehoben werden, die ihre Ziele nach ökonomischen Prinzipien verwirklichen, d. h. die mit ihren Leistungen einen Bedarf befriedigen, für den die Leistungsempfänger kostendeckende Entgelte zu zahlen bereit sind. Das Eigenartige der wirtschaftlichen Unternehmen liegt darin, dass bei ihnen eine Subventionierung nicht vorgesehen ist, sondern ein Leistungsaustausch nach den Prinzipien des Marktes. Grundsätzlich gehört hierzu auch der Wettbewerb. Allerdings ist dies kein notwendiges Merkmal für ein Wirtschaftsunternehmen. Denn auch private Monopolunternehmen sind Wirtschaftsunternehmen 1 4 7 f) Nichtrechtsfähige

öffentlich-rechtliche

Wirtschaftsunternehmen

Dieser Sachverhalt und die sich daran knüpfende Systematisierung hängt nicht notwendig von der Tatsache ab, dass die öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen rechtsfähig sind. Es war schon bei der Behandlung der privatrechtlichen Organisationen erkannt worden, dass die Ziele, die mit der Rechtsfähigkeit verfolgt werden, auch auf andere Weise erreicht werden können, daß die Rechtssubjektivität der juristischen Personen daher stets relativ ist. Daher können z. B. auch öffentlichrechtliche Sondervermögen unter den hier gewählten Systematisierungsgesichtspunkten als Wirtschaftsunternehmen gewertet werden. Schon vor ihrer Überführung in die Rechtsform von Aktiengesellschaften waren die großen Infrastruktur-Unternehmen des Bundes (Bundesbahn, Bundespost) eigentlich nicht Sondervermögen, sondern nicht rechtsfähige Wirtschaftsunternehmen, die ein Sondervermögen hatten. Das Besondere lag darin, dass die Unternehmen, obwohl sie keine juristischen Personen waren 148 , doch wie rechtsfähige Personen behandelt wurden, weil der Bund nicht für ihre Schulden und sie nicht für die Schulden des Bundes hafteten und sie handlungsfähig wie eine juristische Person 147

Rupert Scholz/Rainer Pitschas, HKWP, 2. Aufl. Bd. V 1984, 128; Hans H. Jarass, DÖV 2002,489 ff. 148 Dies war zwingend auf Grund der Ursprungsfassung des Art. 87 Abs. 1 GG.

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149

waren . Insofern hatte natürlich das Vermögen als ein vom übrigen Bundesvermögen getrenntes Sondervermögen seine herausgehobene Bedeutung. Dass diese Infrastrukturunternehmen Wirtschaftsunternehmen in dem hier gemeinten Sinne waren, ergibt sich auch aus der Tatsache, dass sie nach einem Wirtschaftsplan und nicht nach einem Haushaltsplan arbeiteten, d.h. dass ihnen die Möglichkeit gegeben war, ihre finanziellen Entscheidungen nach ökonomischen und nicht nach kameralistischen Grundsätzen zu treffen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass diese Wirtschaftsunternehmen teilweise Förderbeträge vom Bund erhielten und nur teilweise Gewinne ablieferten. Das nahm ihnen nicht den Charakter als Unternehmen, sondern machte sie - trotz ihrer fehlenden Rechtsfähigkeit im formellem Sinne - zu selbständigen Tochterunternehmen im „Konzern" des Bundes. Die entscheidenden Merkmale waren die von dem Muttergemeinwesen getrennte selbständig handelnde Organisation und die ökonomischen Handlungsprinzipien. Die klassische Form des öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmens ist der kommunale Eigenbetrieb. Er ist ein Organisationstypus, der generalisiert in den Gemeinde- und Kreisordnungen der Länder geregelt ist 150 . Der Eigenbetrieb ist keine juristische Person, sondern steht im Eigentum der ihn tragenden Kommune. Insofern ist er von der Vermögensseite her ein Sondervermögen der Kommunen. Doch spielt die vermögensrechtliche Unselbständigkeit im kommunalen Leben nur eine geringe Rolle. Entscheidend sind auch hier die Handlungsoiganisation und die Handlungsprinzipien. Die Organisation des Eigenbetriebes ist weitgehend den handelsrechtlichen Gesellschaften angepasst. Dadurch werden die Eigenbetriebe auf dem Markt handlungsfähig. Da sie öffentliche Aufgaben zu erfüllen haben, stehen sie zugleich unter einer politischen Verantwortung. Die gesetzlichen Regelungen sehen daher bei ihnen ein Leitungsorgan oberhalb des Vorstandes vor, das einerseits wie ein Aufsichtsrat wirkt, andererseits ein Ausschuss des Gemeinderats (Kreistages) ist (Werksausschuss)151. Das zentrale Handlungsziel der Eigenbetriebe ist die qualitativ gute und quantitativ ausreichende Versorgung der Gemeindeeinwohner mit bestimmten Dienstleistungen oder Lieferungen. Daneben steht gleich wichtig der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Bei der Art und Größe der Unternehmen, wie sie die kommunalen Eigenbetriebe grundsätzlich darstellen, kommt eine kameralistische Buchführung nicht in Frage, weil diese das für die Bewertung des Betriebes und seines Geschäftserfolges sehr wichtige Betriebsvermögen nicht mit erfassen kann. Notwendig ist die kaufmännische Buchführung mit Bilanz und Gewinn- und Verlust-Rechnung. An die Stelle des Haushaltsplans tritt daher ein Wirtschaftsplan. Allerdings erinnern 149

G. über die vermögensrechtlichen Verhältnisse der Deutschen Bundesbahn, G. v. 2.3.1951, BGB1.I S. 155; Bundesbahngesetz, v. 13.12.1951, BGB1.I S.955; Postverwaltungsgesetz, v. 1.8.1953, BGBl. I S. 676. 150 Z.B. §114NWGO. 151 Z.B. Saarländische Eigenbetriebsverordnung i.d.F. v. 22.12.1999, ABl. Saar S. 138.

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Begriffe wie „Erfolgsplan", „Vermögensplan" und der fünfjährige Finanzplan noch an die öffentliche Finanzwirtschaft 152. Eigenbetriebe stehen immer wieder vor der Frage der Beschaffung von neuem Eigenkapital. Die Eigenbetriebe können am Kapitalmarkt nur Fremdkapital erhalten. Bei größeren Investitionen muss die Mutterkommune leisten, soweit nicht aus früheren Gewinnen Rücklagen für die Investitionen gebildet worden sind. Dies wirft angesichts der Haushaltsschwierigkeiten der meisten Kommunen notwendig Probleme auf. Das Wirtschaftsrecht der Gemeinden ist daher in jüngerer Zeit erheblich liberalisiert und erlaubt den Gemeinden (und Gemeindeverbänden) eine wesentlich intensivere Teilnahme am Wirtschaftsleben und den Gebrauch vielfältiger Formen, die allerdings grundsätzlich dem Privatrecht zugehören. Im kommunalen Wirtschaftsbereich spielen daneben die Sparkassen als Finanziers der Gemeinden eine große Rolle. Die Sparkassen als Kreditanstalten nehmen mit dem Recht, Mündelgelder anzunehmen, eine öffentliche Aufgabe wahr. Sie sind nach dem Wortlaut der Sparkassengesetze rechtsfähige juristische Personen des öffentlichen Rechts153 mit einer Verfassung, die nicht zur politischen Verantwortlichkeit der Sparkassenleitung gegenüber den kommunalen Vertretung führt. Der Anstaltsbegriff passt nicht auf die Sparkassen, weil er als Allerweltsbegriff nur formal definiert und inhaltslos ist. Niemals handelt es sich bei den Sparkassen um nutzbare Anstalten, weil die Sachgüter, insbesondere die Sparkassengebäude, nicht von den Kunden genutzt werden, sondern nur dazu dienen, die Sparkassengeschäfte zu tätigen, insbesondere die Finanzdienstleistungen zu erbringen 154 Die Kunden sind daher auch nicht Nutzer der Anstalt, sondern stehen in einer privatrechtlichen wirtschaftlichen Geschäftsbeziehung, indem sie entweder Geld einlegen oder ausleihen oder Dienstleistungen in Anspruch nehmen (Giroüberweisungen, Devisengeschäfte, Anlagegeschäfte, Verwahrungsgeschäfte), die die Sparkassen anbieten. Die zutreffende Qualifikation der Sparkassen - und das gilt auch für andere öffentlich-rechtliche Banken (insbesondere für die Landsbanken) - ist daher die Bezeichnung als rechtsfähige öffentlich-rechtliche Wirtschaftsunternehmen, wobei die Tatsachen, dass die Dienstleistungen in Formen des Privatrechts dargeboten werden, irrelevant ist. Eine vergleichbare Stellung wie die öffentlich-rechtlichen Kreditanstalten haben die öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten, soweit sie nicht zum Bereich der Sozialversicherung gehören. Es handelt sich hierbei insbesondere um die ehemaligen preußischen Provinzialversicherungen und um die öffentlichrechtlichen Feuerversicherungen 155. Auch hier steht es denjenigen, die Bedarf nach Versicherungs152

Z.B. Nds. EigenbetriebsVO. v.23.10.1996, GVB1. S.435. Z.B. Nds. Sparkassengesetz (SpkG) i.d.F. v.20.8.1990, GVB1. S.421, §3. 154 Klaus Stern/Joachim Burmeister, Die kommunalen Sparkassen, 1972; Thomas Brzoska, Die öffentlich-rechtlichen Sparkassen zwischen Staat und Kommunen, 1976. 155 Z.B. NW G. über öffentliche Feuerversicherungsanstalten v. 16.11.2001, NW GV S.780. 153

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leistungen haben, frei, entweder mit den öffentlich-rechtlichen Versicherern oder mit privaten Versicherern privatrechtliche Versicherungsverträge abzuschließen. Diese sind - ebenso wie die Bankgeschäfte der Sparkassen - rein privatrechtlicher Natur, im Gegensatz zu den Sozialversicherungsträgern, die regelmäßig öffentlich-rechtliche Versicherungsverhältnisse begründen, die nicht auf Grund eines Vertrages oder eines Verwaltungsaktes, sondern zumeist unmittelbar kraft Gesetzes entstehen. Ein weiterer Typus des öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmens sind die Studentenwerke, die heute in der Regel als rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts bezeichnet werden 156. Sie erbringen wirtschaftliche Leistungen durch den Betrieb von Mensen, Studentenheimen und anderen Einrichtungen, wobei die abgegebenen Leistungen zumeist staatlich subventioniert werden. Unter staatlicher Aufsicht und unter Mitwirkung staatlicher Beamter in ihren Leitungsgremien nehmen sie ihre Aufgaben in der Hochschule in Selbstverwaltung wahr. Die öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen, die nach wirtschaftlichen Grundsätzen arbeiten, haben notwendig eine Bilanz und eine Gewinn- und Verlustrechnung. Sie arbeiten daher mit Fremd- und Eigenkapital, das in der Bilanz ausgewiesen wird. Sie stehen bei Ausweitung ihres Geschäftsbetriebes stets vor erheblichen Problemen der Eigenkapitalbeschaffung, weil sie nicht neue Gesellschafter zur Kapitalaufstockung aufnehmen können. Selbstverständlich sind Rechtsformen möglich, die die Beteiligung von privatem Kapital ermöglichen, z.B. durch Gründung einer Tochtergesellschaft, auf die ein Teil der Aufgaben verlagert wird und an der auch Private kapitalmäßig beteiligt sind. Für diese öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen, die keine Gesellschafter oder Mitglieder haben, gibt es in der Regel ein Muttergemeinwesen. Dieses sind bei den Sparkassen die Gemeinden oder die Kreise, die die Sparkassen gegründet haben und sie auch weitgehend mit lenken. Sie sind zugleich Gewährträger für den Fall der Insolvenz. Sie tragen damit so etwas wie eine Anstaltslast gegenüber den Sparkassen157. Ähnliches gilt im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht, wo der Bund und die Länder für „ihre" Rententräger einstehen müssen (§ 120 SGB VII). Neben dieser Anstaltslast gibt eine Gewährträgerhaftung, d. h. die Haftung gegenüber Dritten, falls die Kasse zahlungsunfähig wird. Hier stehen die Gewährträger gegenüber den Einlegern und sonstigen Gläubigern für die Zahlungsfähigkeit des Unternehmens ein. Diese Gewährträgerhaftung durch die Länder ist bei Kreditunternehmen, die sich am Wettbewerb im Bankengeschäft beteiligen, insbesondere den Landesbanken, unter dem Gesichtspunkt des EU-Rechts nicht unproblematisch. Denn die dadurch notwendige geringere Eigenkapitalausstattung wird von der EU als Subvention aufgefasst, die nach EU-Recht verboten ist 158 . 156

Werner Thieme, Deutsches Hochschulrecht, 2. Aufl. 1986, S. 667ff. Z. B. Nds. SpkG § 5; Iris Kemmler, Die Anstaltslast, 2001. 158 EG-Vertrag v. 7.2.1992, Art. 92, Abs. 1; Thomas Oppermann, Europarecht, 1991, S. 370 ff. 157

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g) Staatsfreie

öffentlich-rechtliche

Unternehmen

Das Verhältnis zwischen Mutter- und Tochterunternehmen bei Wirtschaftsunternehmen des öffentlichen Rechts und dem Staat besteht nicht überall. Es ist keinesfalls so, dass alle Anstalten des öffentlichen Rechts Töchter des Staates oder eines anderen Gemeinwesens sein müssen. Es gibt heute noch eine Anzahl von älteren Wirtschaftsunternehmen in der Form der Anstalt des öffentlichen Rechts, die nicht im staatlichen Verbund stehen. Dies gilt für solche Anstalten (und auch Körperschaften), die als genossenschaftliche Zusammenschlüsse ohne Hilfe des Staates entstanden sind und, weil sie eine öffentliche Aufgabe wahrgenommen haben, 1900 bei Inkrafttreten des BGB als öffentlich-rechtliche juristische Personen definiert worden sind. Sie stehen nur insofern in einem staatlichen Verbund, als der Staat als Gesetzgeber ihre Organisation und Tätigkeit regeln kann und er auch kraft gesetzlicher Ermächtigung befugt ist, sie zu beaufsichtigen und im Rahmen dieser Aufsicht Einfluss auf die Geschäfte nehmen kann. Dies alles hat aber nicht dazu geführt, dass derartige historische AnstaltsUnernehmen zur mittelbaren Staatsverwaltung gehören. Es kommt hier der von Forsthoff geprägte Unterschied zwischen der mittelbar staatlichen Verwaltung und der Disziplinierung von Gesellschaftsbereichen, die trotz ihrer nur historisch herzuleitenden öffentlich-rechtlichen Natur außerhalb des Staates im gesellschaftlichen Kontext bleiben, zum Tragen 159. Dieser Unterschied zwischen den staatsmittelbaren und den gesellschaftlich-genossenschaftlichen „Anstalten" des öffentlichen Rechts wird in der Privatisierung relevant. Denn nur die staatsmittelbaren Anstalten stehen dem Staat für eine Privatisierung in der Form der Umwandlung in eine Aktiengesellschaft mit der weiteren Möglichkeit des Verkaufs der Aktien zugunsten des Staates an Dritte zur Verfügung. h) Privatisierung

160

Mit der Privatisierung oder Teilprivatisierung von öffentlich-rechtlichen Unternehmen ist die Notwendigkeit entstanden, neue Rechtsformen der öffentlichen Wirtschaft vor allem der Kommunalwirtschaft zu entwickeln. Insbesondere geht es auch um die Fragen der Kapitalbeschaffung und des Unternehmenserfolges. Letzterer läßt sich bei den öffentlich-rechtlichen Wirtschaftsunternehmen nur durch die Bilanz und durch die Gewinn- und Verlustrechnung feststellen. Den neuen Problemen haben die Landesgesetzgeber teilweise Rechnung getragen, indem sie eine besondere Rechtsfigur des kommunalen Wirtschaftsunternehmens geschaffen haben161. 159

Forsthoff.; S. 470ff. Dazu: Jörn Kämmerer, Privatisierung, 2001. 161 Z. B. Sachsen-Anhalt, G. v. 3.4.2000, GVB1. S. 136; Art. 96 der Bayerischen Gemeindeordnung i. d. F. v. 26.7.1999, GVB1. S. 376 - Franz-Ludwig Knemey er ¡Alois Kirchgaessner, Das Kommunalunternehmen - Neue Rechtsformen zwischen Eigenbetrieb und GmbH, 1997. 160

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Im Bayerischen Recht wird mit der Möglichkeit, öffentlich-rechtliche Kommunalunternehmen zu begründen, zugleich die sonst allgemein nicht bestehende Möglichkeit geschaffen, dass die Gemeinden neue juristische Personen des öffentlichen Rechts als Töchter errichten 162. Dies erscheint deshalb beachtlich, weil die Errichtung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts nach allgemeiner Meinung unter den Vorbehalt des formellen Gesetzes steht163. Dem ist freilich durch die bayerische Regelung Genüge getan. Weitere Probleme stellen die öffentlich-rechtlichen Kapitalgesellschaften. Es geht hierbei um Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, die eine wirtschaftliche Tätigkeit ausüben und an der mehrere öffentlich-rechtliche, evtl auch privatrechtliche juristische Personen beteiligt sind. Derartige Körperschaften oder Anstalten erfüllen einen öffentlichen Zweck. Sie sollen in der Regel keinen Gewinn erwirtschaften, sondern gemeinnützig ohne Gewinn arbeiten, allenfalls angemessene Rücklagen für eventuelle Krisensituationen erwirtschaften. Bei diesen Personen spielt die Frage des Kapitals und der Kapitalanteile in der Regel keine Rolle. Entscheidend ist die Frage nach dem Einfluss der Mutterkörperschaften auf die Geschäftstätigkeit der Tochterkörperschaft oder -anstalt. Dieser Einfluss pflegt in Gesetzen oder Satzungen unabhängig von dem eingeschossenen Kapitalanteil geregelt zu sein. Die Frage nach dem Kapitalanteil stellt sich bei öffentlich-rechtlichen Einrichtungen in der Regel nur, wenn Gewinn gemacht werden oder wenn Anteile verkauft werden sollen. Dann bedarf es auch bei juristischen Personen des öffentliche Rechts einer Konstruktion, die der AG oder GmbH nahe kommt. In der Regel werden derartige juristische Personen durch das Landesrecht begründet. Dieses kann sich an das Recht der Handelsgesellschaften anlehnen oder völlig selbständig handeln. Die Länder sind insoweit nicht durch das handelsrechtliche Gesellschaftsrecht präjudiziell Denn das Bundesrecht betrifft nicht die öffentlich-rechtlichen juristischen Personen, soweit nicht eine besondere bundesrechtliche Kompetenz besteht, die sich z. B. bei öffentlich-rechtlichen Versicherungsanstalten aus der Zuständigkeit des Bundes zum Erlass wirtschaftsrechtlicher Gesetze (GG Art. 75 Nr. 11) ergibt. Bei der Schaffung der vielen Unternehmen im Rahmen der Organisations-Privatisierung in jüngerer Zeit ist die Organisationsklarheit weitgehend verloren gegangen. Mischformen und zusammengesetzte Formen spielen eine nicht unerhebliche Rolle. Dies führt auch zur Frage der Formenwahrheit und damit zur Frage der Verantwortlichkeit, die in der Demokratie eine wichtige politisch-staatsrechtliche Funktion besitzt 164 . Es geht den politischen Entscheidern bei der Privatisierung öffentlich-rechtlicher Unternehmen vielfach darum, eine öffentlich-rechtliche Rechtsform zu bewahren, 162 163 164

Franz-Ludwig Knemeyer, Bayerisches Kommunalrecht, 10. Aufl. 2000, Rdnr.263. Wolfgang Löwer, Der Staat als Wirtschaftssubjekt, VVDStRL 60, 2001, S.416ff. Vgl. hierzu Hans Peter Bull, in: FS Maurer, 2001, S. 545 ff.

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C. Die juristischen Personen

weil sie die Möglichkeit eines Eingriffs durch die Aufsichtsbehörde erleichtert, ohne auf das private Kapital für die erforderlichen Investitionen verzichten zu müssen. Als Beispielsfall wird die umstrittene, durch den Berliner VerfGH aber bestätigte Teilprivatisierung der Berliner Wasserwerke angesehen165. Dabei ist Träger der öffentlichen Aufgabe eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts, die mit einem ziffernmäßig bestimmten Anstaltskapital ausgestattet ist. Einer der Kapitalinhaber ist eine privatrechtliche Gesellschaft, deren einziger Gesellschafter der Staat oder die Kommune ist und den Betreiber des Anstalt bestellt und instruiert, während zugleich ein Teil des Kapitals durch einen privaten Investor aufgebracht wird. 9. Teilrechtsfahige Verbände Das Personenrecht hat eine Zwischenfigur zwischen der Rechtsfähigkeit der juristischen Personen und der fehlenden Rechtsfähigkeit der juristisch unselbständigen Organisationseinheit entwickelt, die Teilrechtsfähigkeit. Es handelt sich dabei um soziale Gebilde, die bestimmte Merkmale der Rechtsfähigkeit besitzen, andere Merkmale dagegen nicht 166 . Der Ursprung dieser Figur liegt bei den Studentenschaften der Universitäten. Die Studentenschaften, die nach dem Ersten Weltkrieg als öffentlich-rechtliche Gebilde entstanden sind, hatten eigene Handlungsfähigkeit, d. h. sie hatten (und haben) eigene Organe, die sie selbst bilden und die ihre eigenen Entscheidungen, unabhängig von den anderen Organen der Universität treffen. Sie erheben eigenständig Beiträge und haben ein eigenes Rechnungs- und Haushaltswesen, das von dem der Universität getrennt ist. An sich sind sie verfasst wie eine selbständige Körperschaft des öffentlichen Rechts, die nicht Teil der Universität ist. Sie wollen aber nicht neben der Universität stehen, sondern in der Universität; sie wollen Teil der Universität sein, ohne sich der allgemeinen Ordnung der Universität zu unterwerfen. Diese besondere Stellung hat dazu geführt, dass man hier von einer Teilrechtsfähigkeit spricht 167 , d. h. nicht von einer Voll-Rechtsfähigkeit. Mit der Entdeckung der Teilrechtsfähigkeit der Studentenschaften verband sich die Überlegung, ob es Vergleichbares auch an anderer Stelle gibt. In der Tat gibt es eine Teilrechtsfähigkeit vielfach, wenn auch zumeist in anderer Beziehung: Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts haben stets eine zumeist vom Gesetzgeber bestimmte Zuständigkeit, ein bestimmtes Aufgabenfeld. Sie dürfen nicht beliebige Aufgaben erfüllen, sondern nur diejenigen Aufgaben, die ihnen durch hoheitlichen Akt zugewiesen worden sind. Eine Handwerkskammer darf keine Einkommensteuerbescheide erlassen und eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt darf keine Gewerbeerlaubnisse erteilen. Dieses Nicht-Dürfen bedeutet zugleich ein 165

NVwZ 2000, 794; dazu Benedikt Wolfers, NVwZ 2000, 765 ff. Otto Bachof; Teilrechtsfähige Verbände des öffentlichen Recht, AöR 83 (1958), 208 ff.; Wolff/BachofIStober, § 32 Rdnr. 7. 167 Werner Thieme, S. 705; Hartmut Krüger, HdbWissR, 2. Aufl. Bd. I 1996, S. 584f. 166

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rechtliches Nicht-Können. Die genannten Verwaltungsakte sind nicht nur wegen Unzuständigkeit der Körperschaften oder Anstalten rechtswidrig, sondern wegen absoluter Unzuständigkeit nichtig 168 . Das heißt aber, dass die Fähigkeit, rechtswirksam tätig zu werden, insoweit nicht existiert, dass insoweit keine Rechtsfähigkeit besteht. Das heißt weiter, dass im Grunde alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts nur eine beschränkte, nur teilweise Rechtsfähigkeit besitzen, dass sie eine Rechtsfähigkeit nur zum Handeln im Rahmen ihrer Verbandszuständigkeit besitzen. Dagegen hat die fehlende Grundrechtsfähigkeit von juristischen Personen des öffentlichen Rechts nichts mit einer Teilrechtsfähigkeit zu tun. Es geht dabei darum, inwieweit eine bestimmte Freiheitsgarantie und die damit verbundene besondere Form des prozessualen Schutzes (Verfassungsbeschwerde) auch ihnen zusteht. Wenn die Rechtsprechung dies auf wenige juristische Personen des öffentlichen Rechts und auf wenige Grundrechte beschränkt hat, so entsteht dadurch keine Teilrechtsfähigkeit. Mit der Beschränkung auf die rechtliche Fähigkeit auf bestimmte Aufgaben ist auch das Recht der Mitglieder oder - bei Anstalten - der Anstaltsnutzer verbunden, gegen eine Überschreitung dieser Grenzen klageweise vorzugehen 169. Damit gilt im deutschen Recht nicht schon ohne weiteres die aus dem angelsächsischen Recht bekannte „ultra vires"-Lehre. Denn das Gebot der Einhaltung von bestimmten Kompetenzgrenzen führt nicht automatisch dazu, dass die Akte der juristischen Person außerhalb der Kompetenzgrenzen unwirksam sind. Allerdings kennt auch das deutsche Recht in beschränktem Umfang eine solche Wirkung durch die Regelung des Vw VfG über die Nichtigkeit von Verwaltungsakten bei Überschreitung der Zuständigkeit170. Im privatrechtlichen Bereich besteht eine derart beschränkte Rechtsfähigkeit auf Grund von BGB § 134, d. h. soweit eine Handlung gegen ein gesetzliches Verbot verstößt. Die Nichtigkeit bedeutet insoweit ebenfalls ein rechtliches Nicht-Können. Allerdings beruht dies auf einer jeweils im Einzelfall begründeten Beschränkung, die nicht die Rechtsfähigkeit allgemein beschränkt. Dogmatisch handelt es sich somit um eine andersartige Regelung, die mit einer Teilrechtsfähigkeit nichts zu tun hat. Soweit auch juristischen Personen des Privatrechts auf Grund von Art. 19 Abs. 3 GG keine oder nur eine beschränkte Grundrechtsfähigkeit zugestanden wird, bedeutet dies ebenfalls - wie bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts - keine Teilrechtsfähigkeit 171. Im Privatrecht gibt es, wenn man von § 134 BGB und verwandten Vorschriften absieht (Eherecht, Kindschaftsrecht, Erbrecht), keine Beschränkung der Handlungsmöglichkeit auf bestimmte Bereiche. Soweit solche Ge168

Paul Stelkens/Heinz-Joachim Bonk/Michael Sachs, VwVfG-Kommentar, 5. Aufl. 1998, §44Rdnr. 198 m.w.N. 169 Andreas Reich , Hochschulrahmengesetz, 7. Aufl. 2000, § 41 Rdnr. 2 m. w. N - Für die Mitglieder von berufsständischen Kammern, BVerwGE 107, 169ff.; BVerwG, DVB1. 2001, 139. 170 VwVfG § 44 Abs. 2 Nr. 3 i.V. m. § 3 Abs. 1 Nr. 1. 171 Juristische Personen des Privatrechts besitzen ganz grundsätzlich die Grundrechtsfähigkeit. Dies ergibt sich aus dem Wertesystem des GG, Hess. StGH, DVB1. 2001, 802 ff.

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C. Die juristischen Personen

bote oder Verbote bestehen - wie z. B. für den Bankbetrieb - beruhen diese auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, die nicht den Status als Person betreffen. Der Unterschied zum privaten Recht beruht vor allem darauf, dass der öffentlichrechtliche Organisations-Bereich dazu geschaffen ist, öffentliche Aufgaben wahrzunehmen. Dies geschieht durch Organisationseinheiten mit begrenzter Zuständigkeit in der Weise, dass die Gesamtheit der öffentlich-rechtlichen Organisation die Gesamtheit der öffentlichen Aufgaben voll abdeckt, andererseits aber grundsätzlich keine Aufgabe zweimal in der Organisation abgedeckt ist. Dieses Ordnungsprinzip ist ganz anders aufgebaut als das privatrechtliche Ordnungsprinzip, das die allgemeine Handlungsfreiheit des GG Art. 2 Abs. 1 und damit auch die Wettbewerbsfreiheit kennt, wobei es Sache des Marktes ist dafür zu sorgen, dass alle Bedürfnisse der Gesellschaft befriedigt werden. 10. Zusammengesetzte Personen a) Allgemeines Die juristischen Personen stehen nicht notwendig zusammenhanglos neben einander. Vielmehr bilden für zahlreiche Sachbereiche eine Mehrzahl von juristischen Personen wieder ein ganzes System, in dem zielgerichtet Einzelaufgaben verteilt sind. Diese zusammengesetzten Personensysteme kommen sowohl im privaten als auch im öffentlichen Recht vor. Dabei sind zwei Grundmuster zu unterscheiden. Bei den körperschaftlich organisierten juristischen Personen gibt es vielfach die örtliche oder regionale Wahrnehmung einer Aufgabe, die der Koordinierung auf höherer Ebene bis hin zur Bundesebene verlangt oder erwünscht macht. Auch die fachliche Beschränkung einzelner Aufgabenträger drängt vielfach zu einer Koordination mit verwandten Aufgabenträgern. Beispiele hierfür kommen vielfältig im Vereinsund Verbandswesen vor. Das andere Grundmuster sind verbundene Unternehmen. Aus Gründen der Haftungsbeschränkung oder aus Gründen unterschiedlichen Mitinhaberschaft einzelner juristischer Personen, die mit einander rechtlich verknüpft sind, entstehen Konzerngebilde, die ebenfalls rechtlich geregelt sind. Sie kommen grundsätzlich nur im privaten Recht vor. Sie haben ihre Regelung vor allem im Aktienrecht gefunden. Allerdings sind derartige Verknüpfungen auch im öffentlichen Recht möglich. b) Mehrstufige

Verbände und Vereine

Die Sportvereine, die fachlich und örtlich gegliedert sind, üben ihre Aufgaben nicht nur innerhalb des Vereins aus, sondern durch Wettkämpfe mit anderen Vereinen. Diese Wettkampftätigkeit ist im einzelnen sehr genau organisiert. Die Organisation geschieht durch die Verbände, zu denen die Vereine sich zusammen geschlos-

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sen haben. Insbesondere im Sport gibt es daher Landesverbände und spartenweise Bundesverbände und schließlich als Krönung des gesamten Organisationsgebäudes den Deutschen Sportbund. Diese Organisation ist schon deshalb erforderlich, um Regelwerke für die Wahrnehmung der Sportarten zu entwickeln und diese für die einzelnen Vereine und deren Mitglieder verbindlich zu machen. Nur dadurch wird ein geregelter Wettkampfsbetrieb möglich. Die Verbände sind auch für die Organisation der Wettkämpfe zwischen den Vereinen, den internationalen Sportverkehr und die Bereitstellung der Unparteiischen zuständig. Es entsteht hierdurch eine Verbandsgewalt, die nicht nur regelnd die Wettkämpfe leitet, sondern auch bei erheblicher Regelverletzung Sanktionen bis zum Ausschluss von Mitgliedsvereinen aus dem Verband verhängen kann. Damit entsteht eine Weisungsgewalt, eine Art von Vorgesetztenverhältnis, das dem öffentlich-rechtlichen „besonderen Gewaltverhältnis" verwandt ist. Andererseits haben diese Verbände auch zentrale Verbandsorgane, in denen die Repräsentanten der einzelnen Vereine mitwirken und nach parlamentarischen Regeln wichtige Beschlüsse fassen, die für alle Verbandsmitglieder verbindlich gelten. Entsprechende Verhältnisse gibt es auch im übrigen Vereins- und Verbandswesen vielfach. Zu nennen sind die Parteien mit ihren Gebietsverbänden (Landes-, Kreisund Orts verbänden). Dabei kann es sehr unterschiedlich gestaltet sein, dass die Unterverbände nicht den Charakter einer eigenen juristischen Person besitzen, sondern nur kraft interner Satzungsbestimmung eine Art Selbstverwaltung ausüben dürfen. Das Verhältnis zwischen zentraler und dezentraler Organisation kann sehr unterschiedlich austariert sein, z.B. bei den Gewerkschaften, bei denen die einzelnen Industriegewerkschaften gegenüber der Spitze, dem DGB, eine sehr starke Stellung haben. Diese Problematik taucht überall im Vereins- und Verbandswesen auf. Es wird u. U. problematisch, wenn die Vereine und Verbände keine Rechtsfähigkeit besitzen, sondern auf zentraler und auf dezentraler Ebene nicht rechtsfähige Organisationen bestehen. Wesentlich ist in diesen Fällen zu klären, zu wem denn eigentlich die Mitgliedschaft des einzelnen Mitgliedes (der einzelne natürlichen Person) besteht, zu dem zentralen Verband oder zu den dezentralen Teilverbänden. In diesem Fall wären dann die dezentralen Teilverbände die Mitglieder im zentralen Verband und nicht die einzelnen Individuen. Denkbar sind viele Formen, insbesondere eine gemischte Form, dass der zentrale Verband dezentrale Vereine als Mitglieder hat und außerdem auch Individuen als Mitglieder aufnimmt. Für die Praxis ist es entscheidend, wer die Verfügung über das Geld hat, wem die Beiträge der Mitglieder zustehen, ferner wer die Entscheidungsmacht in der Krise hat, ob der einzelne Mitgliedsverein unter Aufrechterhaltung seiner rechtlichen Identität aus dem zentralen Verband austreten kann, oder ob die einzelnen Mitglieder dies müssen mit der Folge, dass sie einen neuen Verein gründen, der eine eigene Identität besitzt. Die Verbandsmacht führt auch zu Pflichten. So hat der BGH entschieden, dass die Verbände nicht völlig frei sind, welche Vereine sie als Verbandsmitglieder aufneh-

C. Die juristischen Personen

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men wollen . Danach darf ein Verband im örtlichen Bereich der Kommune mit überragender Machtstellung sozialer oder wirtschaftlicher Machtstellung den Aufnahmeantrag eines Vereins nicht zurückweisen, wenn der Antragsteller die satzungsmäßigen Voraussetzungen für ein Aufnahme erfüllt und wegen der Machtstellung des Verbandes auf die Mitgliedschaft in dem Verbände angewiesen ist, um seine satzungsgemäßen Ziele zu verfolgen. c) Verbände im öffentlichen

Recht

Die Verbandsproblematik besteht auch im öffentlichen Recht, ist hier aber weitgehend gesetzlich geregelt 173 Am intensivsten dürfte die Regelung im Sozialrecht sein. Das deutsche Sozialversicherungsrecht ist gekennzeichnet durch eine große Zahl von einzelnen Versicherungsträgern, die ausnahmslos - zumeist auf Grund von Gesetzen - gebildet sind und die damit auch bestimmte Aufgaben vom Gesetz zugewiesen erhalten haben. Sie sind selbstverständlich auch Vertreter der Interessen ihrer Verbandsmitglieder. Aber sie haben daneben eigene Aufgaben, die sie sich selbst suchen. Wichtig ist vor allem ihre Koordinierungsfunktion, die dazu führt, dass auch die gesetzlich nicht geregelten Fragen weitgehend einheitlich erledigt werden. Die Sozialversicherungsträger sind vielfach in Verbänden zusammengefasst. Das gilt für alle Kategorien von Sozialversicherungsträgern. Die Zusammenfassung erfolgt sowohl fachlich als auch regional, soweit örtlich arbeitende Verbände überhaupt noch vorhanden sind. 174 Die Sozialversicherungsträger aller Kategorien haben schließlich auf Bundesebene Verbände 175. Denn die Einheitlichkeit der Lebensverhältnisse in der Bundesrepublik Deutschland verlangt angesichts der Bedeutung der Sozialversicherung eine Vereinheitlichung des Leistungssystems. Auch führt die verbandliche Struktur zu einem Erfahrungsaustausch, der mit Leistungssteigerungen und Rationalisierung verbunden ist. Das Verbandsystem ist daher im SGB gesetzlich geregelt, wobei die Sozialversicherungsträger zwangsweise zu Landesverbänden und die Landesverbände zu Bundesverbänden zusammengeschlossen 172

BGH, DVB1. 1998, s.A 365. Das gilt allerdings nicht für Verbände öffentlicher oder öffentlich-rechtlicher Unternehmen. Zu diesen: Peter Eichhorn, Verbände öffentlicher Unternehmen, 1985. 174 Bei den Ortskrankenkassen hat ein Konzentrationsprozess eingesetzt, der dazu geführt hat, dass die Allgemeinen Ortskrankenkassen fast nur noch auf Landesebene bestehen und damit zugleich die Aufgaben der Landesverbände wahrnehmen, Jürgen Langosch, Ausgewählte Probleme im Verbandswesen der Sozialversicherung, 1995, S.73f. 175 Die Bundesverbände bestehen z.T. auf gesetzlicher Grundlage, z.B. für die gesetzlichen Krankenkassen §§207, 212 SGB V, für die landwirtschaftlichen Krankenkassen KVLG §56 Abs. 1 S. 2, für die landwirtschaftlichen Alterskassen GAL §22. Ferner: Verband der Angestellten-Krankenkassen e.V., Verband der Arbeiter-Ersatzkassen e.V., Verband der gewerblichen Berufsgenossenschaften e.V., Bundesverband der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaften e.V., Bundesverband der Unfallversicherungsträger der öffentlichen Hand e.V., Verband deutscher Rentenversicherungsträger e.V. 173

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176

sind . Zum Teil sind den Bundesverbänden sogar durch den Gesetzgeber Aufgaben zugeteilt worden 177. Es gibt neben diesen Verbänden ein ausgedehntes Verbandeswesen im Bereich der kassenärztlichen Versorgung. Hier sind die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) am wichtigsten, denen alle an der ärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte zwangsweise angehören. Die KV sind vor allem für die Verteilung der Vergütungen an die Ärzte zuständig, die die Kassen bzw. deren Verbände mit den Kassenärztlichen Vereinigungen ausgehandelt haben. Dieses System, das auf Mantel- und Einzelverträgen beruht, hat für sein Funktionieren notwendig Landes- und Bundesverbände178. Zu diesem System gehören weiter Organe, die zwar nicht rechtsfähig, aber als selbständig nach außen entscheidende Organe auch prozessfähig sind. Hierzu gehören die Landesausschüsse der Ärzte und Krankenkassen sowie die Schiedsausschüsse. Dieses enge Netz funktioniert nur, wenn die Beteiligten bereit sind, eng mit einander zusammenzuarbeiten. Dabei spielt die Frage nach den einzelnen juristischen Personen, die in dieses Netz verwoben sind, nur eine sehr geringe Rolle. Manche Verbände, deren Mitglieder Träger öffentlicher Aufgaben sind, sind in das Vereinregister eingetragen worden. Sie leben daher nach bürgerlichem Recht. Sie nehmen keine wirtschaftlichen Zwecke im Sinne von BGB §§21, 22 wahr. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob sie eintragungsfähig sind, d. h. ob sich ihre Tätigkeit im dem Rahmen abspielt, der vom BGB geregelt wird. Die Tatsache, dass sie im Rahmen ihrer Ressourcenverwaltung auch fiskalische Aufgaben wahrnehmen (z. B. Kauf und Errichtung von Verwaltungsgebäuden, Abschluss von Arbeitsverträgen), ist für die Qualifizierung gleichgültig. Wichtig ist allein, welche Aufgaben sie sich stellen oder ihnen gestellt worden sind. Diese Aufgaben gehören eindeutig der öffentlichen Verwaltung an. Sie setzen gewissermaßen die Aufgabenwahrnehmung durch gemeinsames Handeln auf höherer Ebene fort, die sonst ihre Mitglieder als Träger öffentlicher Gewalt zu erledigen hätten. Zunächst wird man anerkennen müssen, dass die Eintragung in das Vereinsregister, mag ihre Zulässigkeit auch zweifelhaft sein, weil sie dem öffentlichen Rechts zugehören, Rechtstatsachen schafft, die zu beachten sind. Die Eintragung mag rechtswidrig sein, sie ist aber wirksam. Daher leben die als Vereine eingetragenen Verbände nach bürgerlichem Recht. Zu diesem Ergebnis muss man schon deshalb kommen, weil die Rechtsordnung des Verwaltungsrecht eine entsprechende Form für die Vereine des öffentlichen Rechts nicht zur Verfügung stellt. Das BGB ist daher auf sie anwendbar. Freilich leben sie nicht nur im Rechtsraum des BGB, sondern zugleich auch im Rechtsraum des öffentlichen Rechts. Auch wenn sie nicht hoheitlich tätig sind, ist 176

Für die gesetzlichen Krankenkassen vgl. §§ 207, 212 SGB V. So im Bereich der Rentenversicherung der „Verband Deutscher Rentenversicherungsträger", § 146 SGB VI. 178 Vgl. §§77ff., 82ff. SGB V. 177

15 Thieme

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das, was sie tun, öffentliche und keinefiskalische Verwaltung. Sie unterliegen einem öffentlich-rechtlichen Pflichtenkodex, insbesondere einer Bindung an die Grundrechte und an zentrale Sätze des Allgemeinen Verwaltungsrechts, z. B. dem Handeln nach pflichtmäßigem Ermessen und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie unterliegen daher zugleich einer staatlichen Aufsicht, die bei Bundesverbänden von den zuständigen Bundesbehörden wahrgenommen wird. 179 Auch im Bereich der berufsständischen Kammern ist eine mehrstufige Organisation vorhanden. Sie haben stets eine Organisation auf Bundesebene, die allerdings nicht überall gleich organisiert ist. Teilweise ist sie durch Gesetz vorgeschrieben, teilweise ist sie freiwillig gebildet. Beispiele sind die Bundesärztekammer, die Bundesrechtsanwaltkammer, die Bundesteuerberaterkammer, die Bundeswirtschaftsprüferkammer und die Patentanwaltskammer. Eine besondere Organisation hat das Handwerk, das neben den Handwerkskammern auf regionaler Ebene auch die fachlichen Zusammenschlüsse in den Innungen kennt, die auch auf Landes- und auf Bundesebene zusammengefasst sind. Ihre Rechtsform ist z. T. auch privatrechtlich. Soweit es sich um privatrechtliche Zusammenschlüsse handelt, kommt eine staatliche Aufsicht nicht in Betracht. Das gilt auch für die durch Bundesgesetz gebildeten Bundesverbände, die praktisch nur eine innerverbandliche Aufsicht kennen. Ob diese Figur des öffentlich-rechtlichen nicht rechtsfähigen Vereins für alle derartigen Zusammenschlüsse von hoheitlichen Verwaltungsträgern passend ist, mag dahin gestellt bleiben. Es ist aber ganz offensichtlich, dass die Zahl der Rechtsformen des öffentlichen Rechts nicht durch eine positiv-rechtlich festgelegte Liste abgeschlossen ist, sodass zur sachgerechten Qualifizierung bestimmter Erscheinungen des Rechtslebens auch privatrechtliche Vergleiche notwendig sind. Es bestehen daher keinerlei Bedenken gegen die Bezeichnung derartiger Verbände als öffentlichrechtliche nichtrechtsfähige Vereine. Nur dann, wenn die Vereinigungen ausdrücklich als bürgerlich-rechtliche Vereine begründet oder wenn sie sogar in das Vereinsregister eingetragen sind, haben sie kraft ihrer Autonomie bürgerlich-rechtlichen Charakter. Sie gehören dann dem Verwaltungsprivatrecht an. Dass sie, auch wenn sie ihrer Rechtsnatur nach als öffentlich-rechtlich anzusehen sind, keine hoheitsrechtlichen Befugnisse haben, sondern schlicht-öffentliche Verwaltung ausüben, hat mit der Qualifizierung ihrer Rechtsform nichts zu tun. Es gibt zahlreiche Verbände auf Landes- und auf Bundesebene, die nicht durch staatliches Recht geregelt sind, und daher auch nicht vom Staat beherrscht werden, sondern in gewisser Weise Antipoden des Staates sind, weil sie in der ständigen Auseinandersetzung zwischen den zentralen (staatlichen) und lokalen (kommunalen) Interessen, kommunale oder partikuläre Interessen wahrnehmen. In der Regel werden diese Verbände, deren Mitgliedschaft freiwillig ist, als „Spitzenverbände" bezeichnet, im Gegensatz zu SpezialVerbänden (z. B. einem Haftungsverband). Gemeinden gehören darüber hinaus zahlreichen Verbänden an, durch die sie Einzelaufgaben ge179

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, Bundesministerium für Gesundheit, Bundesversicherungsamt - Über die Aufsicht im einzelnen: Langosch, S. 220.

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meinsam wahrnehmen, z. B. einem Wasserverband, einem Schulverband, einem Abfallverband u. s. w. 18°. Soweit die Träger öffentlicher Aufgaben, z. B. die Gemeinden oder die Landkreise, sich zu Verbänden zusammenschließen und dies in einer Form tun, die nicht zu einer neuen juristischen Personen führt, sind diese Zusammenschlüsse deshalb nicht notwendig privatrechtlicher Natur. Denn die Zusammenschlüsse bestehen nur aus Körperschaften des öffentlichen Rechts und sie nehmen auch in ihren Zusammenschlüssen (Verbänden) öffentliche Aufgaben wahr: Das macht sie zu öffentlichrechtlichen Gebilden. Sie sind nicht etwa nichtrechtsfähige Vereine nach bürgerlichen Recht, sondern nach öffentlichem Recht. Das öffentliche Recht hat für derartige Zusammenschlüsse die Rechtsfigur der Arbeitsgemeinschaft entwickelt 181 . Das Verbandswesen spielt in der öffentlichen Verwaltung eine große Rolle, soweit die Träger der Aufgaben das Recht auf Selbstverwaltung besitzen. Dies gilt vor allem für die Gemeinden und Gemeindeverbände, die Hochschulen und sonstigen kulturellen Einrichtungen. Ihre Verbände, insbesondere die sog. kommunalen Spitzenverbände und die Hochschulrektorenkonferenz sind freiwillige Zusammenschlüsse; in diesen Zusammenschlüssen nehmen die einzelnen Gemeinden und Hochschulen als Mitglieder Selbstverwaltungsaufgaben wahr und unterstehen als solche einer Rechtsaufsicht, d. h. hinsichtlich ihrer Akte im Verhältnis zu den Spitzenverbänden. Die Spitzenverbände dagegen sind gegenüber dem Staat grundsätzlich aufsichtslos. Sie sind daher - ähnlich wie die Kirchen - eine echte „Gegengewalt" gegenüber dem Staat. d) Konzerne Ebenso wie bei den einstufigen Zusammenschlüssen bestehen auch bei den mehrstufigen Zusammenschlüssen Unterschiede zwischen den Personalverbänden und die Kapitalgesellschaften. Selbstverständlich können auch Kapitalgesellschaften sich zu Vereinen und Verbänden zusammenschließen; dies geschieht auch vielfach. Aber die Kapitalgesellschaften haben noch andere Möglichkeiten und Interessen. Sie kennen in ganz anderer Weise die Form der Verbindung als Mutter- und Tochtergesellschaft. Dieser Verbund besteht darin, dass die eine Gesellschaft („Mutter") Inhaberin von Geschäftsanteilen oder Aktien der anderen Gesellschaft („Tochter") ist. Dies kann in vielfältiger Weise geschehen, mehrstufig, gegenseitig, mit einer Mehrheit von „Müttern" gegenüber einer „Tochter" u. s. w. Den Möglichkeiten an Formen des Kapitalverbundes sind praktisch kaum Grenzen gesetzt182. 180

Utz SchlieskylMartin Schürmann (Hrsg.), Rechtsprobleme der Verzahnung von Herrschaftsgewalt in Mehrebenensystemen, 2001 (unter Einbeziehung der internationalen und supernationalen Problemen). 181 Z. B. § 94 SGB X; ferner die Gesetze über die Kommunale Gemeinschaftsarbeit, z. B. NW G. i. d. F. v. 1.10.1979, NW GV621, §§2f. 182 Frank Bayreuther, Wirtschaftlich-existentiell abhängige Unternehmen im Konzern-, Kartell- und Arbeitsrecht, 2001. 1*

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C. Die juristischen Personen

Nun bedeutet der Besitz aller Geschäftsanteile oder Aktien in der Hand einer Person oder einer Gesellschaft nicht, dass die herrschende Gesellschaft damit auch die Geschäftsführung der Tochtergesellschaft voll beherrscht. Denn die Vorstände der Aktiengesellschaften und die Geschäftsführungen der GmbH'en haben im deutschen Gesellschaftsrecht ein erhebliches Maß an Selbständigkeit und Unabhängigkeit (AktG §76; GmbHG §43). Wird diese Unabhängigkeit voll wahrgenommen, so kann dadurch die Geschäftspolitik der Muttergesellschaft konterkariert werden. Jedenfalls aber kann die Muttergesellschaft nicht beliebig die Tochtergesellschaft steuern. Die sich daraus ergebenden Probleme löst das Konzernrecht, das unter dem Begriff der „verbundenen Unternehmen" im Aktiengesetz geregelt ist 183 . Die Regelung erfolgt in jedem Einzelfall durch Konzernverträge. Es gibt die Möglichkeit des Abschlusses von Beherrschungsverträgen, Gewinnabführungsverträgen und sonstigen Unternehmensverträgen. Hierbei ist die Frage der Sicherung der beherrschten Gesellschaft, ihrer Gesellschafter und ihrer Gläubiger eines der Hauptprobleme, die mit Recht im Gesetz eingehend geregelt sind (AktG §§ 300ff.). Insbesondere bei Gewinnabführungsverträgen dürfen die außenstehenden Aktionäre nicht von der angemessenen Gewinnbeteiligung ausgeschlossen werden. Weiter muss den Minderheitsaktionären die Möglichkeit gegeben sein, ihre Aktien gegen angemessene Abfindung zurückzugeben. Ein weiteres Problem ist die Beherrschung des abhängigen Unternehmens. Der Beherrschungsvertrag gibt dem herrschenden Unternehmen das Recht, dem Vorstand des beherrschten Unternehmens Weisungen zu erteilen. Dies gilt selbst für Weisungen, die dem beherrschten Unternehmen nachteilig sind (AktG § 308); allerdings entsteht dadurch eine Verantwortlichkeit der gesetzlichen Vertreter des herrschenden Unternehmens (AktG § 309). Fehlt ein Beherrschungsvertrag, d. h. besteht dadurch eine Beherrschungsmöglichkeit, dass eine Gesellschaft die Aktienmehrheit besitzt, so ist eine Einflussnahme zum Nachteil der beherrschten Gesellschaft unzulässig. Die Sicherung wird hier vor allem durch Berichts- und durch Prüfungspflichten ermöglicht (AktG §§ 312ff.). Eine noch engere Verbindung ist möglich durch die „eingegliederten Gesellschaften". Sie sind zum Handelsregister anzumelden. Sie haben praktisch dieselben „Gesellschaften". Diese Rechtsfigur ist möglich, wenn eine Aktiengesellschaft alle Aktien einer anderen Gesellschaft besitzt (AktG §§ 319 ff.). Die Eingliederung erfolgt durch Vertrag und führt wirtschaftlich zur Vereinigung der beiden Gesellschaften. Sie schafft Rechtsfolgen wie ein Beherrschungsvertrag; allerdings fallen die gesetzlichen Sicherungen zugunsten der beherrschten Gesellschaft fort, während Sicherungen zugunsten der Gläubiger bleiben (AktG § 321). Eine besondere Form der konzernähnlichen Verbindung ist die Übertragung der Geschäftsführungsrechte in einer Kapitalgesellschaft an eine juristische Person. 183

Aktiengesetz §§ 15 ff., sowie 3. Buch §§291-337.

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Dies ist zwar durch AktG § 76 Abs. 3 Satz 1 und GmbHG § 6 Abs. 2 Satz 1 verboten, wird aber gleichwohl für die Praxis zuweilen verwirklicht 184 . Auch bei den Kommunen wird heute teilweise von einem „KonzernmodeH" gesprochen; doch meint dies etwas ganz anderes als den Konzernen im privaten Unternehmensrecht, mag auch der Konzerngedanke - teilweise freilich falsch verstanden - bei dem kommunalen „Konzernmodell" Pate gestanden haben. Es werden nach dem sog. „Tilburger Modell" die einzelnen Ämter einer Gemeinde, also unselbständige Verwaltungseinheiten als „Töchter" der Gemeinde fingiert, während die Gemeinde als Holding angesehen wird 185 . Es handelt sich im Grund hierbei um nichts anderes als eine Organisationsform, die seit je her als Dekonzentration oder als Dezentralisation bekannt und angewandt ist. Das Besondere ist nur die Verantwortung der Ämter bzw. der Töchter der Kommune für das wirtschaftliche Ergebnis ihrer Arbeit, im Gegensatz zur Verantwortung für die gute und sachrichtige Erledigung der gestellten Aufgaben, die stets schon gefordert war, nun aber mit der wirtschaftlichen Verantwortung konkurriert und damit leicht in den Hintergrund gedrängt werden kann. Für die öffentliche Hand (Körperschaften des öffentlichen Rechts) ist der Betrieb eines privatrechtlichen Unternehmens gemeinsam mit einem privatrechtlichen Rechtsträger zuweilen von Vorteil; gegen eine derartige Verbindung bestehen keine rechtlichen Bedenken186.

I I I . Entstehung der juristischen Personen 1. Allgemeines Mit der Entstehung einer juristischen Person verändern sich Rechtsverhältnisse im Verhältnis zu Dritten. Die juristische Person tritt als Handelnde im Rechtsverkehr auf. Die Haftungsverhältnisse ändern sich durch das Entstehen juristischer Personen. Daher bedarf es gesetzlicher Vorschriften, die klarstellen, welche Voraussetzungen und Handlungsformen erforderlich sind, um eine neue juristische Person entstehen zu lassen. Wenn man die Vorschriften über die Gründung der juristischen Personen betrachtet, so wird der Unterschied zwischen dem Privatrecht und dem öffentlichen Recht alsbald deutlich. Im Privatrecht herrscht die Handlungsfreiheit des Bürgers, die Vereinigungsfreiheit des GG (Art. 9 Abs. 1) gilt auch und gerade bei der 184 Gabriele Komp, Die juristische Person als Geschäftsführungsorgan einer Kapitalgesellschaft, 2000. 185 Kommunale Gemeinschaftsstelle für Verwaltungsvereinfachung (Hrsg.), Das neue Steuerungsmodell, Report 5/1993; Hans Peter Bull, in: Jörn Ipsen (Hrsg.), Verwaltungsreform, 1996, S. 69ff.; Christoph Reichard, in: Klaus König/Heinrich Siedentopf (Hrsg.), Public Administration in Germany, 2001, S. 541 ff. 186 BVerwGE 114, 325 ff.

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Gründung der juristischen Personen. Allerdings besteht diese Vereinigungsfreiheit nur im Rahmen der Gesetze, die die Arten der möglichen Vereinigungen vorschreiben, Regeln für die Vereinigungen geben, die teilweise ergänzend eintreten, teilweise allerdings zwingend sind, und das Verfahren der Errichtung vorgeben. Sonst aber bestimmen die Bürger frei, ob sie eine juristische Person gründen, zu welchem Zwecke sie diese gründen, wer Gesellschafter sein soll und wie die Person im Innern ausgestaltet wird. Das grundsätzlich nachgiebige Privatrecht ist daher das Rechtsgebiet, nach dem die Masse der Personenvereinigungen besteht. Diese Freiheit gilt auch für die nicht rechtsfähigen Vereinigungen. Auch für sie gilt die Vereinigungsfreiheit des GG. Niemand muss bei der Gründung einer Vereinigung diese eintragen lassen und ihr dadurch die Rechtsfähigkeit verschaffen. Allerdings erlangt er dann nicht die Vorteile, die die Rechtsordnung den juristischen Personen zukommen lassen will, insbesondere nicht das Haftungsprivileg der juristischen Personen. Im öffentlichen Recht handelt sich bei der Schaffung von juristischen Personen um etwas ganz anderes, nämlich um die Verteilung öffentlicher Aufgaben an einzelne Träger, um die notwendigen oder politisch erwünschten Aufgaben vollständig wahrnehmen zu können, wobei grundsätzlich keine doppelte Zuständigkeit entstehen darf. Errichtung öffentlich-rechtlicher juristischer Personen ist eine Organisationsentscheidung, mit der Einfluss auf die Entscheidungen der juristischen Personen sachgerecht geregelt und die Finanzierung dauerhaft gesichert wird. Diese übergeordneten Gesichtspunkte machen die Gründungsakte im privaten und im öffentlichen Recht unvergleichbar. Für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts geht es vor allem darum, inwieweit ein Gesetzesvorbehalt (im Sinne des Parlamentsvorbehalts) besteht. Dies wird man grundsätzlich annehmen dürfen. Dies geschieht entweder, indem die Zuständigkeit zur Errichtung neuer juristischer Personen ausdrücklich dem Gesetzgeber vorbehalten wird 1 8 7 oder indem die einzelnen juristischen Personen im Gesetz aufgezählt werden 188. Allerdings kann der Gesetzgeber die Zuständigkeit auch der Exekutive übertragen; dies ist grundsätzlich in der Sozialversicherung geschehen189. Diese Regelungen gelten nicht so ohne weiteres für den Typ „Sachgesamtheit" der juristischen Personen bei deren Gründung. Bei diesen ist die Freiheit der Bürger erheblich beschränkt, der staatliche Einfluss ist wesentlich stärker.

187

Schl.-H. LVwG §§ 38,42,47. So z. B. für die Errichtung neuer Hochschulen das Niedersächsische Hochschulgesetz (NHG) i. d. F. v. 24.3.1998, GVB1. S.300, § 1 Abs. 2. 189 Z.B. §§ 143ff. SGB V. 188

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2. Juristische Personen des Privatrechts Im bürgerlichen Recht und im Handelsrecht bestimmen die am Rechtsverkehr beteiligten privaten (natürlichen und juristischen) Personen frei, ob sie eine juristische Person errichten wollen. Für die Bildung juristischer Personen gilt Privatautonomie. Das Recht zur Bildung von juristischen Personen des Privatrechts haben auch die juristischen Personen des öffentlichen Rechts. Sie können insbesondere privatrechtliche Stiftungen und handelsrechtliche Gesellschaften gründen. Hier besteht teilweise eine Lücke der gesetzlichen Regelung im Hinblick auf die Organisationshoheit des Staates. Da mit der Errichtung neuer juristischer Personen z. T. Risiken entstehen oder die Tätigkeitsfelder ausgeweitet werden, wird die Beteiligung am Gründungsvorgang durch eine aufsichtliche Genehmigung ersetzt. Auf jeden Fall versagt das Gesetz den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, zusätzliche, nicht verbandseigene Aufgaben durch von ihnen abhängige Tochtergesellschaften wahrzunehmen. Dies gilt insbesondere für die kommunale Tätigkeit, die einerseits weder staatliche Funktionen übernehmen, andererseits auch nicht am freien Wettbewerb teilnehmen darf, um ihre öffentlich-rechtliche Überlegenheit wettbewerbsverzerrend auszunutzen190. Die Freiheit zur Gründung von juristischen Personen ist insofern für alle beschränkt, als mindestens eine Registrierung der neuen juristischen Personen für ihre Entstehung erforderlich ist. Der rechtsfähige Verein muss in das Vereinsregister 191, die Genossenschaft in das Genossenschaftsregister, die AG und die GmbH müssen in das Handelsregister eingetragen werden. Ehe dies nicht geschehen ist, sind sie als juristische Person nicht existent. Bei den Eintragungen handelt es sich nur um eine formale Mitwirkung des Registergerichts. Denn die Frage, ob gegründet wird, was und wie gegründet wird, wer daran teilnimmt, und was in der Satzung steht, liegt ausschließlich in der Hand der Gründer. Diese haben nur die Verpflichtung, die Gründung bei dem zuständigen Register anzumelden, wenn der Verein eine Rechtsfähigkeit erlangen soll. Die Registerbehörde hat nicht die Möglichkeit, die Eintragung abzulehnen, wenn alle gesetzlichen Voraussetzungen beachtet sind. Die Eintragung der juristischen Person in das Vereinsregister ist kein Ermessensakt. Von dieser mehr passiven Haltung des Staates gibt es Abweichungen, d. h. Fälle der ausdrücklichen Genehmigung des Staates zur Errichtung der juristischen Person. Diese Genehmigung ist im Privatrecht erforderlich bei der Gründung eines wirtschaftlichen Vereins (BGB § 22), die hier „Verleihung" heißt, und bei der Errichtung einer Stiftung (BGB § 80). Bei der Gründung juristischer Personen des Privatrechts, die öffentliche Aufgaben erfüllen sollen, wie sie heute vielfach im Rahmen der Organisations-Privatisie190

Edzard Schmidt-Jortzig, in: Günter Püttner (Hrsg.), Handbuch der Kommunalen Wissenschaft und Praxis, 2. Aufl. Bd. 5, 1984, S. 52ff. 191 VO über das Vereinsregister und andere Fragen des Registerrechts, v. 10.2.1999, BGBl. I S. 147.

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rung entstehen, z. B. die Errichtung von Stadtwerken als GmbH oder AG, besteht kraft einfachen Gesetzes auch eine Freiheit, hier die der Gemeinden. Die Gemeinden, die eine verfassungsrechtlich gewährleistete Organisationshoheit besitzen192, können kraft dieses Rechtes entscheiden, ob sie bestimmte Aufgaben durch privatrechtliche juristische Personen wahrnehmen wollen. Allerdings kann der Staat hierbei Grenzen setzen, weil die gemeindliche Freiheit nur im Rahmen der Gesetze besteht (GG Art. 28 Abs. 2 Satz 1). Die Frage der bürgerlichen Freiheit stellt sich auch hinsichtlich der Zwangsmitgliedschaft in Körperschaften des öffentlichen Rechts. Die Vereinigungsfreiheit der Bürger ist insoweit beschränkt. Denn nach der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre betrifft das Grundrecht der Vereinigungsfreiheit (Art. 9 GG) nicht die negative Vereinigungsfreiheit, d. h. die Freiheit nicht in einen Verband gezwungen zu werden. Insoweit besteht nur die allgemeine Freiheit der Person, die durch die verfassungsmäßige Ordnung mit der folge beschränkt ist (GG Art. 2 Abs. 1), dass eine zwangsweise Gründung und Einbeziehung Einzelner in die Körperschaft nur dann zulässig ist, wenn die Zwangsmitgliedschaft verhältnismäßig ist 193 . Diese Frage ist insbesondere für die zwangsweise Mitgliedschaft in den öffentlich-rechtlichen Studentenschaften erörtert worden 194 , sie stellt sich aber auch für andere Zwangsmitgliedschaften wie den öffentlich-rechtlichen Kammern, z. B. der Industrie- und Handelskammern und der Ärzteversorgung 195 In diesem Zusammenhang kann auch die Frage aufgeworfen werden, ob die zwangsweise Aufnahme von Privaten bei privatrechtlicher juristischer Personen zulässig ist, wenn der Staat mit Hilfe der privatrechtlichen juristischen Personen seine Zwecke erfüllen will. Die Frage geht dahin, ob die Rechtsprechung zur negativen Vereinigungsfreiheit auch für privatrechtliche Vereine gilt, die der Staat gegründet hat, d. h. ob eine Zwangsmitgliedschaft in privatrechtlichen Vereinen überhaupt möglich ist. Diese Frage wird man zu bejahen haben. Wenn der Staat eine Aufgaben auch in privatrechtlicher Form wahrnehmen darf, so kann es keinen Hinderungsgrund geben, dass er dies auch durch privatrechtliche „Körperschaften" tut, sofern die weiteren Voraussetzungen, insbesondere die des GG Art. 2 Abs. 1 (Verhältnismäßigkeit im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG) vorliegen. 3. Juristische Personen des öffentlichen Rechts An der Errichtung von juristischen Person des öffentlichen Rechts ist in aller Regel der Staat in der Weise beteiligt, dass er es ist, der diese juristischen Personen durch einen eigenen, staatlichen Akt errichtet. Ausnahmen kennt das kommunale 192 193 194 195

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38, 278 ff.; 52, 117; 78, 341; 83, 382; 91, 236. 10, 99; 38, 298; 78, 239. 59, 231 ff.; Ludwig Gieseke, Die verfaßte Studentenschaft, 2001. 10, 363.

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Unternehmensrecht . Es gibt ferner Verbandstypen öffentlich-rechtlicher Art, z. B. die kommunalen Zweckverbände, die von den Kommunen selbst errichtet werden können197. Hier sind die Körperschaften des öffentlichen Rechts ebenso wie die Privaten frei, ob sie die juristische Person gründen wollen und wer Gesellschafter sein soll. Sie vereinbaren auch - ebenso wie die Gesellschafter einer GmbH - die Verbandssatzung, die allerdings beim Zweckverband der staatlichen Genehmigung unterworfen ist (z. B. Hess. KGG § 10). Es gibt im einzelnen Differenzierungen, wenn das Gesetz (z.B. im Hess. KGG) zwei Typen von Zweckverbänden zulässt, den Freiverband (§ 5), bei dem die Gemeinden frei entscheiden, ob sie einen Verband als Körperschaft des öffentlichen Rechts gründen wollen, und den Pflichtverband, den der Staat zwar nicht notwendig selbst gründet, für den er jedoch eine Anschlusspflicht festsetzen kann (§ 13 ). Durch den Genehmigungsvorbehalt für die Satzung des Zweckverbandes erhält der Staat einen starken Einfluss auf den Verband, weil er in der Satzung den Verbandszweck festsetzt, dessen Verwirklichung später im Wege der Aufsicht erzwungen werden kann. Hier wird nicht nur registriert, sondern in der Regel ein Ermessen ausgeübt. Denn es geht hier nicht um Wahrnehmung von Freiheit, wie bei den Privaten, sondern um besondere Formen der Erfüllung öffentlicher Aufgaben, insbesondere um Übertragung von Zuständigkeiten auf juristische Personen, die zwar grundsätzlich zugelassen, aber teilweise nicht ausdrücklich für die Erfüllung derartiger Aufgaben vorgeschrieben sind. Bei den juristischen Personen des öffentlichen Recht besteht, insofern ein Typenzwang, als Gesetze die Typen vorgeben. Dabei handelt es sich nicht um die drei in der Theorie entwickelten „Großtypen" (Körperschaft, Anstalt, Stiftung), sondern um besondere Typen, für die es gar nicht darauf ankommt, ob man sie sachgerecht einem dieser drei theoretisch entwickelten Großtypen zuordnen kann. So hat die Gemeindeordnung den Typus der Gemeinde, die Kreisordnung den Typus des Landkreises, die Handwerksordnung den Typus der Handwerkskammer, der Kreishandwerkerschaft und der Innung und das Hochschulgesetz den Typus der Hochschule, dies wiederum in mehreren Varianten (Universitäten, Fachhochschulen, Musikhochschulen usw.) als allein mögliche Typen zwingend vorgegeben. Das schließt selbstverständlich nicht aus, dass der Staat auch eine einzelne besondere juristische Person des öffentlichen Rechts durch ein Spezialgesetz errichtet. Die Entscheidung über die Errichtung einer juristischen Person und deren Vollzug ist im öffentlichen Recht keineswegs überall gleich geregelt. Soweit der Gesetzgeber den Errichtungsakt vollzieht, widerspricht dies zwar der Theorie von der Trennung der Gewalten, die verfassungsfest ist (GG Art. 20 Abs. 2), weil die Ausübung der Organisationsgewalt nicht Normsetzung ist. Aber die Rechtsprechung 196

So die meisten heutigen Gemeindeordnungen, z.B. NGO § 109, NW GO § 108. Z.B. Hessisches Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit (KGG) v. 16.12.1969, GVB1. S.307, §9. 197

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des BVerfG hat Ausnahmen zugelassen und auch die Möglichkeit gegeben, dass der Gesetzgeber durch ein Organisationsgesetz (sog. Maßnahmegesetz) eine juristische Person errichtet. 198 Fraglich ist nur, ob und inwieweit für die staatliche Mitwirkung ein Parlamentsvorbehalt besteht. Dies ist keineswegs einheitlich zu entscheiden. Teilweise ist die Frage gesetzlich geregelt 199. Teilweise aber besteht keine gesetzliche Regelung. In diesen Fällen kann zuweilen Gewohnheitsrecht weiterhelfen, das von Land zu Land unterschiedlich ist 200 . Teilweise lassen sich auch Antworten aus den Verfassungen entnehmen. Für die Bundesverwaltung ist GG Art. 86 Satz 2 einschlägig. Durch diese Vorschrift ist die Einrichtung der Verwaltung der Bundesregierung übertragen worden. Auf Grund von GG Art. 87 Abs. 3 Satz 1 besteht für den Bund eine allgemeiner Gesetzesvorbehalt bei der Errichtung von Körperschaften und Anstalten mit eigener Rechtspersönlichkeit. Ferner setzt die Errichtung neuer juristischer Personen auch eine allgemeine Kompetenz des Bundes zur Wahrnehmung der betreffenden Aufgabe voraus 201. Für die Stiftungen des öffentlichen Rechts sind besondere Erwägungen erforderlich. Das GG nennt in Art. 87 Abs. 3 Satz 1 nur die Körperschaften und die Anstalten, nicht dagegen die Stiftungen. Gleichwohl besteht kein Zweifel daran, dass der Bund auch Stiftungen errichten und - soweit die weiteren Voraussetzung vorliegen - als Teil der Bundesverwaltung betreiben darf. Allerdings pflegt der Bund für die Errichtung einer Stiftung stets ein besonderes Gesetz zu erlassen 202. Entsprechend ist die Praxis der Länder, die sich für die Errichtung ihrer Stiftungen des öffentlichen Rechts auch der Gesetzesform zu bedienen pflegen 203. Über das Recht der Gemeinden zur Gründung eigener Stiftungen befinden im allgemeinen die Gemeindeordnungen (z. B. NGO § 107). Soweit kein Parlamentsvorbehalt besteht, stellt sich die weitere Frage, ob es für die Errichtung der juristischen Personen jedenfalls einen Normvorbehalt gibt, d. h. die Notwendigkeit einer Rechtsnorm unterer Ordnung (Verordnung, Satzung) zu erlassen. Dies kann in dieser Allgemeinheit nicht bejaht werden. Es genügen im Re198

BVerfGE 25, 396; 36,70. Z. B. Schl.-H. LVwG §§ 38,42,47. 200 Ludwig Renck, Zur Bildung von Körperschaften des öffentlichen Rechts im formellen Sinne, BayVBl. 1993,452ff. 201 Peter Lerche, in: Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, GG-Kommentar, Art. 87, Rdnr.203ff. 202 Beispiel für die Tatsache (oder Notwendigkeit), eine öffentlich-rechtliche Stiftung durch Gesetz zu gründen, zugleich Beispiel dafür, daß der Bund ohne verfassungsrechtliche Bestimmung derartige Gesetze erlassen kann, ist die Stiftung „Bundespäsident-Theodor-HeussHaus", G. v. 27.5.1994, BGBl. I S. 1666. Im Landesrecht kann als Beispiel die Stiftung „Berliner Philharmoniker" genannt werden, die ebenfalls durch Gesetz (vom 12.7.2001, GVB1. S. 252) errichtet worden ist. 203 Z.B. Brandenburgisches Gestütsstiftungsgesetz v.30.7.2001, GVB1.106. 199

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gelfall sog. Organisationsakte, die vielfach in die Form einer Organisations-Verordnung gekleidet werden. Man wird aber verlangen müssen, dass die Errichtung einer neuen juristischen Person des öffentlichen Rechts stets in einer öffentlichen, allgemein zugänglichen Verlautbarung kundgemacht wird, um die Frage der Rechtsfähigkeit und der Haftungsverhältnisse im Streitfall alsbald klären zu können. Dass juristische Personen des öffentlichen Rechts durch den Staat (oder andere juristische Personen des öffentlichen Rechts mit staatlicher Genehmigung) gegründet werden, ist mehr oder weniger selbstverständlich. Das heißt, der Staat bestimmt das „Ob" der juristischen Person. Allerdings kommen durchaus Fälle der Gründung von Körperschaften des öffentlichen Rechts durch Private vor. Ein Beispiel hierfür sind die Betriebskrankenkassen, über deren Errichtung der (in der Regel private) Arbeitgeber, wenn auch mit staatlicher Genehmigung, allein beschließt (§ 157 SGB V).

I V . Eigentum an juristischen Personen 1. Eigentum und Herrschaft Die Themenstellung dieses Abschnitts ist evident juristisch unexakt. Denn Eigentum gibt es nur als ein sachenrechtliches Institut. Personen, auch juristische Personen, sind aber keine Sachen. Wenn man von dieser Ungenauigkeit der Fragestellung absieht, so geschieht das als Frage nach einer eigentumsähnlichen Herrschaft über juristische Personen. Diese Frage ist mindestens bei Aktiengesellschaften relevant, weil an den Aktien als Wertpapieren Eigentum bestehen kann und das Eigentum an den Papieren zugleich die Möglichkeit eröffnet, Herrschaft, jedenfalls Mitherrschaft über die Aktiengesellschaft auszuüben. Um diese Herrschaft geht es. Damit ist das Thema keineswegs auf die Kapitalgesellschaften beschränkt. Denn auch über Personalgesellschaften kann Herrschaft ausgeübt werden. Diese Herrschaft zeigt sich in verschiedener Weise, in der Entscheidungsmacht über die Geschäftführung, in der Entscheidungsmacht über die Verfassung einschließlich aller maßgeblichen Änderungen in der Gesellschaft und in der Möglichkeit des Verkaufes der ganzen Gesellschaft. Wenn davon ausgegangen wird, dass auch über die Personalgesellschaft eigentumsähnlich verfügt werden kann, so setzt dies aber auch Entscheidungsmacht voraus. Dies setzt andererseits aber nicht voraus, dass ein Einzelner die Mehrheit der Stimmen in der Gesellschafterversammlung besitzt; möglich ist auch eine Gruppierung, die die Mehrheit hat und diese für ihre Verfügung über die juristische Person benutzt. Wenn man bei derartigen Fragen den Eigentumsbegriff benutzen will, setzt das voraus, dass nicht nur ein Recht auf Nutzung und Gestaltung der Gesellschaft besteht, sondern auch die Möglichkeit der Verfügung über die Gesellschaft, insbeson-

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dere über das Gesellschaftsvermögen, dass hier sachenrechtliche Herrschaftsverhältnisse bestehen. Tatsächlich haben alle juristischen Personen grundsätzlich einen „Herrn" in der Figur von natürlichen Person oder juristischen Personen. Die körperschaftlich verfassten juristischen Personen (Vereine, Gesellschaften) können einer anderen körperschaftlich verfassten juristischen Person „gehören", d.h. eine Muttergesellschaft haben oder juristische Personen zu Mitgliedern haben (Verbände). Hiervon gibt es freilich Ausnahmen. Im bürgerlichen Recht bilden die Stiftungen derartige Ausnahmen. Sie gehören niemandem. Sie sind gewissermaßen rechtlich frei schwebend. Sie werden durch ihre eigenen Organe beherrscht, d. h. von innen, nicht dagegen von außen. Diese Herrschaft wird durch zweierlei ergänzt, durch eine Staatsaufsicht und durch den Stiftungszweck. 2. Personen des öffentlichen Rechts Bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gilt das Gesagte nicht in gleicher Weise. Auch sie haben zwar, soweit es sich um Körperschaften handelt, in der Regel natürliche oder juristische Personen als Mitglieder, die fähig sind, Eigentum zu erwerben. Freilich kann man hier schwerer den Eigentumsbegriff nur mit Vorbehalten anwenden, weil die Körperschaften des öffentlichen Rechts zumeist nicht als „Kapital-Körperschaften" organisiert sind. In der Demokratie gilt aber auch für die meisten Körperschaften, dass sie ihre Herrschaftsmacht letztlich vom „Volke" ableiten, wobei dieses auch örtlich begrenzt (Gemeindebürger) oder gruppenmäßig begrenzt (berufsständische Körperschaftsmitglieder) sein kann. Aber die Mitglieder der Körperschaften des öffentlichen Rechts lassen sich nicht als Gesellschafter wie die Mitglieder der privatrechtlichen Gesellschaft bezeichnen. Denn die Mitglieder haben keine Verfügungsmacht über die Körperschaft. Die Körperschaft des öffentlichen Rechts dient einem öffentlichen Zweck. Dieser Zweck ist zu erfüllen. Die Mitglieder können die Körperschaft nicht beliebig auflösen und das Vermögen unter sich verteilen. Sie können auch keine Gewinne machen und diese unter sich verteilen. Sofern die Körperschaften Gewinne machen, fließen diese in die Rücklagen, um bei anderer Gelegenheit für die Körperschaftszwecke benutzt zu werden oder sie werden an den Staat abgeliefert. Hier zeigt sich, dass die juristisch nicht ganz exakte Betrachtung unter dem Begriff des Eigentums für die Unterscheidung zwischen dem öffentlichen und dem privaten Recht klärend wirkt. Es zeigt sich dann, dass die beiden Rechtsformen Eigentum des Privatrechts und öffentlichen Rechts etwas ganz Unterschiedliches sind, mögen sie auch gewisse Vergleichbarkeiten besitzen. Insoweit zeigt sich, dass die Aussage, es gebe kein öffentliches Eigentum neben dem privaten Eigentum, nicht stimmig sein kann. Für rechtsfähige Vermögensmassen des öffentlichen Rechts gilt eher dasselbe wie das, was für die Stiftungen bürgerlichen Rechts gilt. Aber auch hier ist Vorsicht

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geboten. Rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts, die z. T. Teil Wirtschaftsunternehmen sind (Banken, Versicherungen, Sparkassen, Rundfunkanstalten), erfüllen keine notwendig öffentliche Aufgabe. Die „neue" Philosophie der öffentlichen Aufgaben, die sich in den letzten Jahren durchgesetzt hat, geht eher davon aus, dass derartige Aufgaben, die früher unstreitig als öffentlich-rechtliche Aufgaben angesehen wurden, von Personen der Privatwirtschaft wahrgenommen werden können. Als solche haben sie ohnehin ein Kapital, sie bilanzieren wie Aktiengesellschaften und müssen dies auch im Hinblick auf die Banken- und Versicherungsaufsicht sowie wegen der Steuerpflicht tun, der sie unterliegen. Sie haben jedoch keine „Eigentümer" wie die Aktiengesellschaften oder GmbH'en in der Form ihrer Gesellschafter. Aber sie schweben in der Regel auch nicht frei wie eine Stiftung, sondern haben ein Muttergemeinwesen. Dies ist der Staat, der sie durch seine Aufsicht und als Gesetzgeber beherrscht und leitet. Der Begriff des Muttergemeinwesens, so eingängig ist, ist aber doch gefährlich, weil er leicht zu einem Vergleich mit der Muttergesellschaft des Privatrechts verleitet, die nicht ohne weiteres zutreffend ist. Es gibt derartige Mutter-Tochter-Verhältnisse auch, z. B. bei der Bundesbank, die ihre Gewinne an die Bundesrepublik als „Eigentümer" der Bundesbank abliefern muss. Ähnlich steht es mit den Sparkassen im Verhältnis zu ihrer Gewährträgerin, der Stadt und dem Landkreis, die sie beherrschen. Dabei spielt die Frage, ob sie das Recht auf Selbstverwaltung haben, keine Rolle. Aber es ist nicht zwingend, dass alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts ein Muttergemeinwesen haben, wie die berufsständischen Kammern zeigen. 3. Privatisierung und Eigentum Die Eigentümerfrage wird heute durch die Privatisierungsdebatte kritisch 204 . Es stellt sich die Frage, ob der Staat alle Anstalten des öffentlichen Rechts und sowie Körperschaften und Stiftungen privatisieren kann, weil es sich um juristische Personen des öffentlichen Rechts handelt. Insbesondere ist zu fragen, ob der Staat sie zum Zwecke der Deckung von Haushaltsdefiziten als sein „Tabelsilber" an einen Dritten verkaufen kann, indem er sie in eine Aktiengesellschaft umwandelt und dann alle Aktien verkauft. Eines ist sicher: Eine Anstalt des öffentlichen Rechts selbst kann nicht verkauft werden. Da gilt auch bei einer Neuordnung der Verwaltung, z. B. bei einer gemeindlichen Gebietsneuordnung. Die Gemeinde, die Gebietsteile einer anderen Gemeinde erwirbt und dabei zugleich auch eine rechtsfähige Anstalt, z. B. eine Entsorgungsanlage, hat dafür grundsätzlich kein Entgelt zu zahlen. Anstalten des öffentlichen Rechts dienen einem öffentlichen Zweck, der sie an andere Formen und Voraussetzungen für die Eigentumsübertragung bindet. Es geht in diesem Zusammenhang darum, inwieweit die Eigenschaft als Anstalt des öffentlichen Rechts notwendig eine eigentumsartige Herrschaft des Staates zur 204 Hans Peter Bull , Eigentum an öffentlichen Organisationen in: Meinhard Hilf/Thomas Bruha (Hrsg.), Europarecht, Beiheft 3, 2002, S.71 ff.

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C. Die juristischen Personen

Folge hat. Es gibt nämlich auch herkömmliche Anstalten, die schon vor Jahrhunderten genossenschaftlich entstanden sind (z.B. Feuerkassen), die bei der schärferen Differenzierung zwischen privatem und öffentlichem Recht im Gefolge der Schaffung des BGB dem öffentlichen Recht zugewiesen worden sind und einer staatlichen Aufsicht unterliegen 205. Dies genügt allerdings noch nicht, um dem Staat das Recht zuzugestehen, dass er über derartige genuin genossenschaftliche Anstalten wie ein Eigentümer verfügt. Auch diese Problemstellung zeigt, wie fehlsam es sein kann, wenn man auf die Herrschaftsverhältnisse gegenüber öffentlich-rechtlichen Einrichtungen bürgerlichrechtliche Vorstellungen verwendet. Noch viel problematischer ist dies bei Körperschaften des öffentlichen Rechts. So wäre es vorstellbar, dass der Staat auf den Gedanken kommt, die Selbstverwaltung der berufständischen Kammern oder der Sozialversicherungsträger aufzuheben und sie auf staatliche Organisationen überzuleiten mit der Folge, dass das Vermögen dieser Körperschaften dem Staat einverleibt wird. Die Frage der Zulässigkeit derartiger Maßnahmen ist nicht durch eigentumsrechtliche Vorstellungen zu lösen. Denn derartige Körperschaften haben zwar ein - z. T. sehr beträchtliches - Vermögen. Das gilt etwa für die Versorgungswerke der berufsständischen Kammern oder die Rücklagen der Sozialversicherungsträger. Hier handelt es sich um die Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben mit Zwangsmitgliedschaft, die der Staat nicht notwendig einer selbständigen juristischen Person überlassen muss206. Aber das sagt noch nicht, dass der Körperschaft selbst im staatlichen Eigentum steht und der Staat wie ein Eigentümer über sie verfügen kann. Es bedürfte stets eines förmlichen Gesetzes, wenn der Staat derartige Eingriffe wagen wollte. Vor allem aber sind die Mitglieder der Körperschaften der berufsständischen Selbstverwaltung selbst an dem angesammelten Vermögen berechtigt. Eine Übertragung dieses Vermögens wäre auch dann eine Enteignung der Mitglieder der Körperschaften, obwohl die Übertragung der Aufgaben auf den Staat nicht verboten ist, es sei denn, das durch die Beiträge der Mitglieder entstandene Vermögen wird weiter ausschließlich für die Mitglieder verwendet. 4. Stiftungen Schließlich sind noch die Stiftungen zu betrachten. Selbstverständlich kann Stiftungsvermögen veräußert werden, soweit die Stiftungssatzung und der Stiftungs205

So z. B. bei bestimmten öffentlichen Feuerkassen oder mildtätigen Einrichtungen, die als öffentlich-rechtlich gelten. 206 Für die Sozialversicherungsträger mag das anders anzusehen sein, weil das GG sie ausdrücklich als Körperschaften des öffentlichen Rechts benennt (Art. 87 Abs. 2), was eine Selbstverwaltung impliziert.

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zweck das zulassen. Aber die Stiftungen also solche stehen nicht zur Disposition. Dies gilt für private Stiftungen ebenso wie öffentlich-rechtliche Stiftungen. Es gibt hier keinen Stiftungsherren, wie dies z. B. bei vielen Anstalten des öffentlichen Rechts zutrifft. Die Stiftung müsste schon aufgelöst werden, was grundsätzlich nicht möglich ist. Nur wenn ein in der Satzung vorgesehener Fall der Auflösung eintritt, könnte satzungsgemäß über das Stiftungsvermögen verfügt werden. Entsprechendes gilt für die Stiftungen des öffentlichen Rechts. Allerdings kann hier noch - ebenso wie der Errichtung der Stiftung - der Gesetzgeber tätig werden und die Auflösung anordnen. Aber auch hier zeigt sich wiederum, dass keine Vorstellungen des Eigentumsrecht wirksam werden, sondern nur solche des hiervon abweichenden, den obrigkeitlichen Eingriff legitimierenden öffentlichen Rechts.

V. Innere Organisation der juristischen Personen 1. Allgemeines Auch die innere Organisation der juristischen Personen steht im privaten und im öffentlichen Recht teilweise vor den gleichen Problemen. Daher ergeben sich manche Übereinstimmungen Andererseits weichen die Vorschriften über die innere Ordnung der verschiedenen Arten von juristischen Personen stark von einander ab, nicht nur im Verhältnis vom öffentlichem zum privatem Recht. Es ist daher zu fragen, inwieweit sich überhaupt Grundsätze für die innere Organisation bilden lassen, die allgemeine Geltung besitzen. Eine nähere Betrachtung zeigt trotz der grundsätzlichen Organisationsfreiheit im öffentlichen Recht 207 , dass unabhängig von der Zuordnung zum öffentlichen und privatem Recht schon von der Aufgabenstellung her eine Verwandtschaft besteht, sodass man vielleicht sagen kann, in der inneren Verfassung könnten zwei Grundtypen gebildet werden. Dem widerspricht auch nicht die Dreiheit in der Systematik der juristischen Personen von Vereinigungen, Vermögensmassen und Herrschaftsorganisationen, wie sie oben entwickelt worden ist. Wesentlich für die innere Verfassung aller Personen sind die Grundmuster, die das bürgerliche Recht in den beiden Rechtsfiguren des Vereins und der Stiftung entwickelt hat. Von diesen beiden Grundfiguren sind alle anderen abgeleitet, z. B. die Genossenschaft, die Aktiengesellschaft und die GmbH. Aber auch die Organisation der juristischen Personen des öffentlichen Rechts hat hier weitgehend ihre Vorbilder gefunden. Die Logik der Zweiteilung ergibt sich aus der Frage der Beherrschung der juristischen Person, entweder durch andere (meist natürliche) Personen, die im sachlichen Bereich der juristischen Person stehen und als „Mitglieder" qualifiziert werden, oder durch die Vermögensgegenstände, deren Nutzung Ziel der juristischen 207 Peter Badura, Die organisatorische Gestaltungsfreiheit des Staates und die juristischen Personen des öffentlichen Rechts, FS Bay VerfGH, 1997; Stefan Weber, Organisation der gesetzlichen Krankenversicherung - Gestaltungsmöglichkeiten des Bundesgesetzgebers, 1995.

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Person ist. Wenn der Vermögensgegenstand im Zentrum der Zwecksetzung der Person steht, dann kommt den natürlichen Personen im Bereich dieser juristischen Person eine geringere juristische Bedeutung zu. Diese Personen können als Nutzer, als Stifter, als Manager, als Kontrolleure oder in anderer Funktion tätig sein. Aber sie stehen in einer größeren Distanz zu den Vermögenswerten als Mitglieder von Personenverbänden, die diese Verbände beherrschen. Zunächst gibt es in der inneren Struktur der juristischen Personen Merkmale, die im öffentlichen und im privaten Recht weitgehend übereinstimmen. Dies ergibt sich aus rechtlichen und tatsächlichen Notwendigkeiten der von der Organisation zu erledigenden Entscheidungsprozesse208. So braucht jede juristische Person mindestens ein Organ, das sie nach außen vertritt und nach innen die Geschäfte führt. Die Geschäftsführung und die Vertretung gehören zwar nicht rechtlich notwendig in eine Hand. Allerdings entspricht es weitgehend tatsächlicher Übung und Zweckmäßigkeit und daher auch rechtlicher Vorschrift, beides in einer Hand zu vereinigen 209. 2. Organe Die Größe der juristischen Person, d. h. die Zahl der zu erledigenden Aufgaben und die Vielfalt der Mitglieder, ferner die Kompliziertheit der Aufgaben sowie die Differenziertheit der Interessen, die in der juristischen Person vereinigt werden, verlangt eine dieser Lage entsprechende Größe der Organisation. Eine Vergrößerung geschieht einmal dadurch, dass das Vertretungs- und Geschäftsführungsorgan bei größeren juristischen Personen nicht nur aus einer natürlichen Person besteht, sondern aus mehreren Personen, die einerseits die zu berücksichtenden Interessen in die Entscheidungen einbringen (z. B. bei den Vorständen der Sozialversicherungsträger, § 44 SGB IV) und andererseits die zahlreichen Aufgaben auf sich verteilen. Größere, vielköpfige Organe verursachen kompliziertere Entscheidungsprozesse, die sich nicht schnell abwickeln lassen. Daher beschränken sie sich notwendig auf die wichtigeren Fragen, während die Tagesgeschäfte durch kleinere Organe wahrgenommen werden. Größere juristische Personen fordern praktisch immer mehrere, mindestens zwei Organe, die hierarchisch über einander stehen210. Vom Organbegriff zu unterscheiden sind Stellen oder Instanzen ohne Organeigenschaft. Organe sind nur jene Stellen, die nach der Verfassung der juristischen Person 208 Insoweit ist auf das Schrifttum zur organisationswissenschaftlichen Entscheidungstheorie zu verweisen, z. B. Werner Thieme, Entscheidungen in der öffentlichen Verwaltung, 1981; Christoph Reichard, Betriebswirtschaftslehre der öffentlichen Verwaltung, 2. Auflage 1987, S. 25 ff.; Hans-Jürgen Schmidt, Betriebswirtschaftslehre und Entscheidungsmanagement, 5. Aufl. 2001, S. 188 ff. 209 So im Vereinsrecht BGB §§ 26,27, in der GmbH GmbHG § 35, in der Aktiengesellschaft AktG §§76-78. 210 Frank Norman Schmitz, Organisationsprinzipien im Recht der Personenvereinigungen Deutschlands, Frankreichs und Italiens, 1995.

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eine originäre Entscheidungsmacht haben, die ihnen nur nur durch Änderung der Organisation selbst entzogen werden kann, während einfache Stellen oder Instanzen, die für die Erledigung von Einzelaufgaben eingerichtet sind, keine Organqualität besitzen. Sie spielen bei den hier anzustellenden Erwägungen keine Rolle. 3. Organe zur Legitimationsbeschaffung Das organisatorische Grundschema aller auch nur mäßig komplizierten kollektiven Personengebilde wird durch zwei Organe bestimmt, eines (evtl. auch zwei), das Handlungsfähigkeit verschafft, über das soeben Erwägungen angestellt worden sind, und ein weiteres, das Legitimation verschafft. Dabei kann es sehr unterschiedlich geordnet sein, woraus die Legitimation entspringt. Im öffentlichen Leben, in dem der Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz gilt, wird in der Regel eine demokratische Legitimation gefordert, d. h. grundsätzlich ist jedermann, der Mitglied in der juristischen Person ist, durch Wahlen zur Legitimationsbeschaffung für das handelnde Organ aufgerufen. Das gilt beim Staat und bei den Kommunen für jedermann, der juristisch die Eigenschaft eines Mitglieds besitzt. Derartige Legitimierungsprozesse, die durch Wahlen vermittelt werden, führen erst dazu, den Begriff des Mitgliedes im juristischen Sinne einzuführen, mag auch die Mitwirkung durch Wahlen oder durch eine Mitbestimmung in der Sache nur schwach ausgebildet sein. Dieser Begriff des Mitgliedes findet sich vor allem im bürgerlichen Vereinsrecht (BGB §§ 32 ff.), aber auch im Genossenschaftsrecht, obwohl dieses grundsätzlich von Genossen spricht, die freilich in eine „Mitgliederliste" eingetragen werden und eine „Mitgliedschaft" erwerben (GenG §§15). Soweit es sich um Kapitalgesellschaften handelt, wird nicht von Mitgliedern, sondern von Gesellschaftern gesprochen. Aber auch hier wird durch Wahlen und Abstimmungen Legitimation verschafft. Aber Grundlage der Mitwirkung ist nicht die natürliche Person als Mitglied, sondern der Besitz von - oft sehr unpersönlichen - Kapitalanteilen. Im Gegensatz zu den Kapitalgesellschaften des Handelsrechts, bei denen der Kapitalbesitz als Ergebnis der Sammlung des Kapitals für die Erreichung wirtschaftlicher Ziele dient und daher bestimmend und legitimierend für die Mitwirkung an den Entscheidungsprozessen, insbesondere an Wahlen ist, kommt dies im öffentlichen Recht selten vor. Es gibt hier zwar auch öffentlich-rechtliche Kapitalgesellschaften. Die Regel im öffentlich-rechtlichen Körperschaftsrecht ist aber, dass jede natürliche Person, die wähl- und stimmberechtigt ist, stets nur eine Stimme hat, dass also das Prinzip der Gleichheit gilt. Das muss sicherlich nicht so sein, wie das preußische Drei-Klassen-Wahlrecht zeigt 211 . Auch können in Gesetzen und Satzungen besondere Bestimmungen über die unterschiedlich gewichtete Mitwirkung bestehen, weil 2,1

Vgl. Ernst Rudolf Huber, Deutsche Verfassungsgeschichte seit 1789, Bd. III 1963, S.85ff. 16 Thieme

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bestimmte Legitimationsgründe bestehen, so die wissenschaftliche Qualifikation der Professoren in den Hochschulen212. 4. Mitglieder Für die Verfassung der juristischen Personen kommt es daher darauf an, wer den Status eines Mitgliedes besitzt. Die Abgrenzung von Mitgliedern und Nichtmitgliedern ist für die Legitimationsfrage wichtig. Versammlungen, die zufällig zusammenkommen und über einen Gegenstand beraten und dann darüber abstimmen, können keine Legitimation für sich in Anspruch nehmen, weil ihre Identität in der Regel unbestimmt bleibt und weil sie keine Verantwortung tragen. Dies gilt auch für die Bürgerinitiativen, bei denen ungeklärt bleibt, ob es sich um einen repräsentativen Querschnitt der Bevölkerung oder um einen Interessenklüngel handelt, der unter der Bezeichnung als Bürgerinitiative versucht, Legitimität für sein „Anliegen" zu erschleichen. Die Mitgliedschaftsfrage wird in der Regel durch den Rechtsakt des Beitritts geklärt. Dies ist eine einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung. Aufnahme durch Verträge ist auch möglich. Der Verein entscheidet grundsätzlich frei, ob er jemanden aufnehmen will 2 1 3 . Insbesondere entscheidet er, welche Kriterien der Aufzunehmende mitbringen muss (z. B. „Verein der geborenen Berliner"). Hat der Verein ein Monopol für seine Aufgaben, so besteht die Verpflichtung zur Aufnahme 214. Für die öffentlich-rechtlichen Körperschaften kommt dagegen in erster Linie ein objektives Merkmal zum Tragen, beim Staat die durch Geburt erworbene Staatsangehörigkeit, bei der Gemeinde ist es der Wohnsitz und die Zugehörigkeit zu einem EU-Staat (GG Art. 28 Abs. 1 Satz 3), bei den berufsständischen Kammern die Ausübung des Berufes und bei der Wassergenossenschaft das Eigentum an bestimmten Grundstücken. In der Sozialversicherung wird die Mitgliedschaft in der Regel kraft Gesetzes begründet, wenn bestimmte Merkmale vorliegen, insbesondere das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses 215. Nicht als Mitglieder im Rechtssinne angesehen werden die Destinatäre einer Stiftung, z. B. Berechtigte zum Bezug von Leistungen aus den Erträgen der Stiftung oder Anstaltsinsassen. Doch ist das Recht flexibel genug, um beliebige Zwischenformen zu schaffen, z. B. bei den Heiminsassen nach dem Heimgesetz, die einen Heimbeirat wählen, der ihre Interessen vertritt und insoweit mitbestimmt216. Einen 212 Für die Hochschulen vgl. HRG §§ 36,37; ferner die Rspr. des BVerfG, z. B. BVerfGE 35, 129; 39, 254; 43, 269; 61, 260. 213 BGHZ 101, 93 ff., 200. 214 BGHZ 127, 388. 215 Z. B. für die Krankenkassenmitgliedschaft, §§ 186 ff. SGB V. Wegen der Krankenkassenwahlrechte vgl. auch G. vom 27. Juli 2001, BGBl. I S. 1946. 216 Heimgesetz i. d. F. v. 5.11.2001 (BGBl. I S. 2970), § 10; vgl. Auch Eduard Kunz, Heimgesetz, 8. Aufl. 1998.

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besonders starken Einfluss haben die Arbeitnehmer, die keinerlei mitgliedschaftliche Stellung in dem Unternehmen haben, für das sie arbeiten, die aber einen Betriebsrat wählen, der starke Mitbestimmungsrechte hat, die sich mitgliedschaftsähnlich auswirken 217. Eine wieder ganz andere Stellung haben die „Mitglieder" der Hochschulen, die aus verschiedenen Gruppen bestehen, den Professoren, den Wissenschaftlichen Mitarbeitern, den Studenten und dem nichtwissenschaftlichen Personal. Hier geht es auch um Fragen der Legitimation, nämlich der Legitimation zur Mitentscheidung über wissenschaftliche Fragen. Das Grundrecht der Freiheit der Wissenschaft (GG Art. 5 Abs. 3) gibt den Professoren eine herausgehobene Legitimation zur Mitwirkung, während die Mitwirkung der anderen Gruppen auf einen kleinen Rest an Entscheidungsbefugnissen zusammengeschmolzen ist 218 . Auch im bürgerlichen Recht ist die Stellung der Mitglieder je nach Typus des juristischen Person unterschiedlich. Es gibt im Mitgliedschaftsrecht Typenbegriffe, z. B. für die Vereinsmitglieder im BGB-Verein. Aber gerade das Vereinsrecht des BGB zeigt, dass auch damit noch kein einheitlicher Begriff vorausgesetzt wird. Denn die Rechte der Mitgliederversammlung sind zwar grundsätzlich umfassend (BGB § 32), aber sie können durch die Satzung beliebig eingeschränkt werden (BGB § 40), sodass die Mitglieder u. U. völlig einflusslos bleiben. Bei kleinen Vereinen in der Größenordnung der Mindestzahl von sieben Mitgliedern kann es so sein, dass die Mitgliederversammlung praktisch alle Entscheidungen, selbst diejenigen von untergeordneter Bedeutung trifft. Bei den Riesenvereinen (wie dem ADAC) will das Mitglied in aller Regel nur die Dienstleistung des Vereins oder es will „die gute Sache" fördern (z. B. beim Deutschen Roten Kreuz) und weiß gar nicht, welche Rechte zur Mitwirkung an den Vereinsgeschäften es hat. Vereine, die nur dazu bestehen, bestimmte Veranstaltungen durchzuführen und für ein einmal im Jahrfindendes Fest eine einjährige Clubzugehörigkeit zu verleihen (um die Vergnügungssteuer zu sparen), haben wiederum einen ganz anderen Mitgliedschaftsbegriff. Gerade an der Stellung der Mitglieder zeigt sich der Unterschied zwischen Personal- und Kapitalgesellschaften. Wahrend die Mitgliedschaft im dem eingetragenen Verein nicht übertragbar ist (BGB § 38), ist wesentliches Merkmal der Mitgliedschaft in der AG und der GmbH die Übertragbarkeit des Mitgliedschaftsrechtes (GmbHG § 15) 219 . Insoweit steht die eG der Kapitalgesellschaft näher (GenG § 76). Ebenso wie bei der Übertragung von Mitgliedschaftsrechten unterscheidet das Recht hinsichtlich der Möglichkeit des Austritts zwischen den Personal- und Kapitalgesellschaften. Während der Austritt aus der Personalgesellschaft möglich ist (BGB § 39), kommt ein solcher Austritt aus einer Kapitalgesellschaft nicht in Frage, 217

BetrVerfG, §§74ff. HRG §37; BVerfGE 35, 127ff.; 39, 254ff.; 61, 260ff. 2,9 Im AktG fehlt eine ausdrückliche Bestimmung über die Übertragbarkeit der Aktien; sie wird aber an vielen Stellen als selbstverständlich vorausgesetzt (z. B. AktG § 55). 218

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C. Die juristischen Personen

weil dies mit der Rückzahlung des Kapitalanteils verbunden wäre. Dies geht deshalb nicht, weil das Grund- bzw. Stammkapital in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag summenmäßig festgesetzt ist 220 Die Mitglieder erwerben mit der Mitgliedschaft ein Recht auf Verbleiben in der Stellung als Mitglied. Für die Körperschaften des öffentlichen Rechts ergibt sich dies in der Regel aus dem Gesetz, das sie vielfach sogar zwingt, Mitglied zu sein. Bei den juristischen Personen des Privatrechts kann die Satzung Bestimmungen über den Ausschluss von Mitgliedern aus dem Verein enthalten221. Eine Sonderregelung kennt das Recht der politischen Parteien, die rechtsfähige oder nicht rechtsfähige privatrechtliche Vereine sind, aber einer besonderen staatsrechtlichen Ordnung unterliegen. Hierzu gehört auch die Beschränkung der Ausschlussmöglichkeit auf den Fall des parteischädigenden Verhaltens und ein besonderes Ausschlussverfahren 222. Die Kapitalgesellschaften kennen gen Nichterfüllung ihrer Pflichten schaftsanteile (AktG § 64, GmbHG neu eingeführten Ausschluss von (AktG § 327 a) 223 .

auch die Ausschließung von Mitgliedern wezur Bezahlung der übernommenen Gesell§ 26 - Kaduzierung). Ein Sonderfall liegt im Minderheitsaktionären gegen Barabfindung

Dazu ist noch einmal auf die Kapitalgesellschaften einzugehen, insbesondere auf deren wichtigsten Typus, die Aktiengesellschaft. Die Aktiengesellschaft dient selten einem gesellschaftlichen Zusammenwirken der Mitglieder zu einem bestimmten Zweck. Vor allem bei Publikumsaktiengesellschaften, deren Aktien an der Börse gehandelt werden, hat die Aktie wirtschaftlich selten die Bedeutung eines Mitgliedschaftsrechts. Dieses Recht mag die Aktie de jure geben. Für den Kleinaktionär als Anleger seiner Ersparnisse in Aktien ist die Funktion als Mitglied in der Regel völlig gleichgültig. Ihm geht es um Kurs und Dividende seiner Aktie. Im Aktienrecht spielt daher der Schutz der Mitglieder als Anlegerschutz eine zentrale Rolle. Die Anlage des Mitgliedes muss geschützt werden, insbesondere gegen Manipulationen durch Großaktionäre und die Verwaltung. Für den Aktionär ist u. U. auch das Bezugsrecht wichtig, weniger weil es ihm sein Stimmrecht proportional erhält, als deshalb, weil er dadurch seinen Anteil an der Steigerung des inneren Wertes der AG erhält. Der Ausschluss des Bezugsrechts ist daher unter dem Gesichtspunkt des Anlegerschutzes problematisch.

220 221 222 223

AktG § 23 Abs, 3 Nr, 3, GmbHG § 3 Abs. 1 Nr. 3. Wegen der Ausschließung von Abstimmungen vgl. BGB § 34. Parteiengesetz § 10 Abs. 4 und 5. Philipp A. Baums, Ausschluß von Minderheitsaktionären, 2001.

V. Innere Organisation der juristischen Personen

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5. Vertretungs- und Geschäftsführungsorgane Dass es Organe zur Außenvertretung und zur Geschäftsführung geben muss und dass diese in der Regel zusammenfallen, war bereits ausgeführt worden. Denn ein wesentlicher Teil der Geschäftsführungsarbeit liegt in dem laufenden Kontakt mit Dritten. Diese Organe erhalten ihre Stellung regelmäßig durch Wahlen seitens der Legitimierungsorgane. Allerdings gilt das nur insoweit, als überhaupt derartige Organe vorhanden sind. Dies ist keineswegs zwingend. Wenn man von der hier zugrunde gelegten Dreiheit der juristischen Personen ausgeht - Vereinigungen, Vermögensmassen, Herrschaftsorganisationen - so gilt das Gesagte im Grunde nur für Vereinigungen. Vermögensmassen, die als solche juristische Personen sind, insbesondere Stiftungen, haben keine Legitimationsorgane. Sie empfangen ihre Legitimation aus dem Willen des Stifters. Selbstverständlich kann es eine Vereinigung geben, die eine Vermögensmasse besitzt, verwaltet und für die Mitglieder der Vereinigung daraus Nutzen zieht. Dann aber ist es vom Personentyp her keine Stiftung mehr, sondern ein Verein oder etwas Ähnliches, auch wenn die Rechtsordnung sie als Stiftung bezeichnet. Fehlt es an einem Legitimierungsorgan, das aus „Mitgliedern" besteht, so muss die Herrschaft über die Organisation von „außen" kommen. Dabei muss notwendig bei der Errichtung einer Vermögensmasse als juristischer Person festgelegt sein, wer denn die notwenigen personellen Entscheidungen trifft, um Organe zu kreieren. Soweit die Rechtsordnung Privaten die Errichtung der juristischen Person überlassen hat, hat sie die Rechtsform der Stiftung gebildet. Dabei kann die Stiftung als juristische Person nur entstehen, wenn eine Stiftungsurkunde vorliegt, in der vor allem die Frage festgelegt wird, wer die Stiftung vertritt und wer die Entscheidung über die Personalauswahl für die Vorstandsmitglieder trifft. Es können dabei objektive Merkmale sein (Angehörige bestimmter Familien oder anderer Organisationen, z. B. Gemeinde, Gericht, Grundstückseigentümer u. a. m.), ferner Amtspersonen. Auch ist die Ergänzung der Organe durch Kooptation möglich, was sich im Interesse der Wahrung bestimmter Traditionen empfehlen kann. 6. Kollegiale Entscheidungen224 Soweit mehrköpfige Organe eingesetzt sind, ist im Recht der betreffenden Organisation zu klären, wie Entscheidungen in diesen Organen zustanden kommen und wann sie als zustande gekommen gelten. In der Regel herrscht bei Kollegien das Mehrheitsprinzip. Dies funktioniert aber nur dann mit Sicherheit, wenn die Zahl der Abstimmenden ungerade ist oder wenn eine Bestimmung getroffen wird, was im Falle der Stimmengleichheit gilt. Für diesen Fall gibt es üblicherweise zwei mögliche Regeln. Entweder nimmt man an, dass bei Stimmengleichheit überhaupt 224

Thomas Groß, Das Kollegialprinzip in der Verwaltungsorganisation, 1999.

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C. Die juristischen Personen

kein Beschluss zustande gekommen ist, oder die Stimme eines bestimmten Mitgliedes, insbesondere des Vorsitzenden, den Ausschlag gibt. Auch sind Losentscheide oder die Übertragung der Entscheidung an Außenstehende, z.B. eine Aufsichtsinstanz, möglich. Die Frage, was Mehrheit ist, ist nicht in jedem Falle eindeutig. Selbst wenn man davon ausgeht, dass jedes Mitglied des Organs eine Stimme hat, so bleiben Zweifelsfragen. Es ist zu klären, von welcher Zahl aus die Mehrheit zu berechnen ist. In Frage kommt die Mehrheit der Personen, die dem Organ angehören, die Mehrheit der Anwesenden, die Mehrheit derer, die sich an der Abstimmung beteiligen, oder die Mehrheit derjenigen, die mit „ja" oder „nein" gestimmt haben, d.h. die Ausschaltung derjenigen, die sich enthalten haben. Auch kann es für die Entscheidung Quoren, d.h. eine Mindestzahl von Anwesenden oder Abstimmenden für die Wirksamkeit einer Entscheidung, geben oder qualifizierte Mehrheiten (z. B. zwei Drittel) gefordert sein. 7. Kontrollorgane Eine besondere Kategorie von Organen sind die Kontrollorgane. Eine Organisation ohne Kontrolle führt allzu leicht zu Fehlentscheidungen, Machtmissbrauch bis hin zur Korruption. Das Montesquieu'sehe Prinzip der Gewaltenbalance gilt nicht nur für den Staat, sondern für jede Organisation: „ Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser" (Lenin). Für die Kontrollorganisation gilt das Prinzip, dass die Kontrolle gegenüber dem Organ ausgeübt wird, das die Macht in der Hand hat, das die Vertretungsmacht nach außen besitzt und die Geschäftsführungszuständigkeit nach innen, das vor allem über die materiellen Ressourcen einschließlich der Geldmittel verfügt. Geborenes Kontrollorgan ist das Legitimierungsorgan, bei den Vereinen die Mitgliederversammlung. Allerdings ist die Eignung einer Mitgliederversammlung zur Kontrolle nur beschränkt gegeben. Jede Kontrollentscheidung kann nur so gut sein, wie es die Informationen sind, die dem Kontrolleur zur Verfügung stehen. Die einmal im Jahr zusammentretende Mitgliederversammlung, die ihre Informationen fast ausschließlich von dem zu kontrollierenden Vorstand bezieht, kann in der Regel nicht wirksam kontrollieren. Allein die Kontrolle der Geldgeschäfte bedarf besonderer Organe und besonderer Prüfungen. Die Kontrolle dient auch dem Schutz von Minderheiten in einer Mitgliederversammlung oder einem ähnlichen Organ. Daher ist es für eine wirksame Kontrolle wichtig, dass die Kontrollorgane völlig unabhängig von den handelnden Organe sind. Dies Prinzip ist gesetzlich vor allem dort vorgeschrieben, wo es sich um größere Organisationen mit Publikumsbeteiligung handelt, z.B. bei den Aktiengesellschaften und bei den Genossenschaften. 225 225

HGB §319; Aktiengesetz §§ 142 (Sonderprüfer); Publizitätsgesetz v. 15.8.1969, BGB1.I S. 1189.

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Im öffentlichen Recht fehlt es an einheitlichen Prinzipien der Kontrollorganisation. Dies ist verständlich, weil der Staat, die Gemeinde, die berufsständische Kammer, die vielen Personen des Sozialversicherungsrechts wegen ihrer unterschiedlichen Aufgaben, Größe und Ressourcen und Organisation nicht über einen Kamm geschoren werden können. Auch spielen hier in starkem Umfang politische Kräfte mit hinein, die zu ganz unterschiedlichen organisatorischen Lösungen der Kontrollprobleme führen.

VI. Das Handeln der juristischen Personen 1. Organe als Träger der Zuordnung von Handlungen Die Frage nach der Handlungsfähigkeit juristischer Personen ist, wenn man diese Frage streng auffasst, zu verneinen. Sie ist eine gedankliches Konstrukt und keine Realität. Freilich muss die juristische Person handeln können, wenn nicht das ganze Konstrukt der juristischen Person sinnlos werden soll. Damit verschiebt sich die Frage der Handlungsfähigkeit auf eine Frage der Zurechnung von Handlungen natürlicher Personen zu den juristischen Personen. Zu diesem Zweck hat die Rechtsordnung die Figur des Organs gebildet. Das Organ handelt für die juristische Person. Diese Frage ist nicht identisch mit Frage nach der Vertretungsmacht, d. h. der willentlichen Handlungen und der durch diese ausgelösten Rechtsfolgen. Es geht bei der Zurechnung von Handlungen nur teilweise um Willensakte, sondern teilweise auch um Realakte, um Handlungen, an die sich Rechtsfolgen anknüpfen, seien es Erfüllungshandlungen oder Handlungen, die schädigend auf Rechtsgüter Dritter einwirken oder tatsächliche Veränderungen in der Außenwelt hervorrufen, an die die Rechtsordnung Rechte oder Pflichten anknüpft (z. B. ordnungsrechtliche Erlaubnisse). Notwendig ist, dass die Handelnden eine Tätigkeit wahrnehmen, die für die juristische Person ausgeübt werden, z.B. im Auftrag eines Organs der juristischen Person. Aber auch dann, wenn nicht im Auftrag, u. U. sogar gegen den Willen der Organe der juristischen Person gehandelt wird, kann das zur Zurechnung zur juristischen Person führen. Damit ist freilich noch nichts über die Frage gesagt, ob im konkreten Fall gehaftet oder erworben wird oder ob noch weitere Voraussetzungen für den Erwerb einer Sache oder die Entstehung eines Ersatzanspruchs gegeben sein müssen. Im öffentlichen Recht legen Rechtsnormen Zuständigkeiten fest. Dies geschieht, um den einzelnen Organisationseinheiten (in der Regel innerhalb der juristischen Person) Handlungsmacht für die juristische Person zu geben. Damit entstehen für diese Organisationseinheiten jedoch keine eigenen Rechte. Sie werden durch Zuweisung von Zuständigkeiten keine Rechtsträger. Die Zuweisung fester normativ gesicherter Zuständigkeiten hat vielmehr nur eine Ordnungsfunktion, die dem Bürger einen Schutz vor „inkompetentem" Handeln von Staatsorganen gibt.

248

C. Die juristischen Personen

Möglich ist es aber auch, dass einzelnen Organe die Zuständigkeiten als eigene Rechte zugewiesen sind. Das ist vor allem im Verfassungsrecht der Fall. Durch die personenähnliche Handlungsfähigkeit der Verfassungsorgane wird das Verfassungssystem selbst gestärkt und gesichert. Mit den eigenen Rechten, die auch Minderheiten zustehen können, wird die Möglichkeit ausgelöst, offene Streitfragen den Gerichten zur Entscheidung zu unterbreiten, ohne den einzelnen Bürgern oder Organmitgliedern ein Klagerecht einräumen zu müssen. 2. Vertretung der juristischen Person a) Vertretungsmacht für juristische

Personen

Für das Handeln der juristischen Personen ist die Möglichkeit der Vertretung von zentraler Bedeutung. Da die juristischen Personen nicht selbst handeln können, sondern letztlich immer natürliche Personen für sie handeln müssen, kommt es darauf an, woher diese handelnden natürlichen Personen das Recht nehmen, für die juristischen Personen zu handeln. Die Fähigkeit rechtlich relevant für jemand anders zu handeln, ist die Vertretungsmacht. Bei den privatrechtlichen Personen bestehen grundsätzlich zwei Möglichkeiten der Entstehung von Vertretungsmacht. Entweder ergibt sie sich aus der Organstellung bestimmter natürlicher Personen, die für die juristische Person handeln, z.B. der Vorstand eines Vereins oder der Geschäftsführer der GmbH. Oder die kraft Organstellung vertretungsberechtigten Personen erteilen anderen Personen rechtsgeschäftlich Vertretungsmacht (Vollmacht). b) Rechtsgeschäftliche

Vertretung

Die rechtsgeschäftliche Vertretung privatrechtlicher juristischer Personen kann auf Grund einer Vollmacht (Willenserklärung) nach BGB. unterscheidet sich die juristische Person kaum von der natürlichen Person. Es gelten die Regeln des Vertretungs- und Vollmachtsrechts des BGB erfolgen (§§ 164 ff.). Swie unterscheidet sich bei den juristischen Personen kaum von den natürlichen Personen. Bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts gelten die Regeln des BGB über die Vertretung nur bedingt. Zunächst gibt es nicht bei allen Personen Organe, die den Organen der privatrechtlichen juristischen Personen vergleichbar sind und Vollmachten erteilen können. Die BGB-Vorstellungen mögen für viele rechtsfähige Anstalten des öffentlichen Rechts gelten, die als öffentlich-rechtliche Kreditinstitute oder Versicherungen Vorstände ähnlich wie Aktiengesellschaften haben. Zuweilen gibt es auch ausdrückliche gesetzliche oder satzungsmäßige Bestimmungen über das Vertretungsrecht. Doch kann gerade bei der Frage der Vertretung das Privatrecht nur mit Vorbehalt auf das öffentliche Recht übernommen werden.

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c) Organschaftliche

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Vertretung

Kraft Gesetzes können bestimmten Organen Vertretungsbefugnisse zugeordnet werden. Dies ist z. B. bei den Vereinsvorständen (BGB § 26 Abs. 2) und den Vorständen der AG geschehen (AktG § 78). Organschaftliche Vertretung kann auch durch Satzung einer juristischen Person begründet werden; es bedarf hierzu jeweils eines Gesetzes, das ein satzungsgebendes Organ hierzu ermächtigt. Auch die juristische Person kann durch ihre Organe Untervollmachten erteilen, sei es in der Form der Prokura (HGB § 49), sei es in der Form der Handlungsvollmacht (HGB § 54), sei es in sonstiger Form und mit sonstigem Inhalt. Für die juristischen Personen des öffentlichen Rechts liegt die Problematik komplizierter, weil sie nicht nur zur Abgabe oder zum Empfang von Willenserklärungen des bürgerlichen Rechts, sondern auch von solchen des öffentlichen Rechts ermächtigen, für die andere Regeln gelten. d) Staatliche Bestellung Daneben gibt es bestimmte Fälle, in denen ein Staatsorgan Vertretungsorgane bestellt, z. B. den Notvorstand des Vereins (BGB § 29) oder die Bestellung des Aufsichtsrates des AG (AktG § 104) sowie der rechtsfähigen Stiftung (BGB § 86 Satz 1). In diese Gruppe gehört auch die Bestellung des Insolvenzverwalters (InsO § 80). Die zahlenmäßig häufigsten Fälle einer Bestellung von Vertretern durch eine Staatsbehörde geschehen aber wohl im Familienrecht mit der Bestellung von Betreuern (BGB §§ 1902ff.) und Vormündern (BGB § 1793). 3. Die Vertretung der öffentlichen Hand Die besondere Problematik der juristischen Personen des öffentlichen Rechts liegt darin, dass sie sowohl privatrechtliche Willenserklärungen abgeben als auch solche des öffentlichen Rechts. Während für die privatrechtlichen Willenserklärungen noch weitgehend das bürgerliche Recht anzuwenden ist, gilt dies für die öffentlich-rechtlichen Erklärungen nur ganz bedingt. Weiter ist auch zwischen den einzelnen Arten juristischer Personen zu unterscheiden. Es fehlt es an einheitlichen Vertretungsregelungen. a) Der Staat Das GG gibt beim Bund dem Bundespräsidenten die völkerrechtliche Vertretungsmacht (Art. 59 Abs. 1 Satz 1). Dies gilt aber nur für Verträge, die staatsrechtliche Bedeutung haben, insbesondere solche, die der Zustimmung der gesetzgebenden Bundesorgane bedürfen. Im übrigen regelt sich der Verkehr mit ausländischen

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C. Die juristischen Personen

Staaten nach den einschlägigen Verwaltungsvorschriften (Art. 59 Abs. 2 Satz 2 GG). Die Länder haben entsprechende Vorschriften in ihren Verfassungen erlassen 226. Abgesehen von der völkerrechtlichen Vertretung des Bundespräsidenten (und der Landesstaatsoberhäupter) liegt die Vertretungsmacht bei den zuständigen Ministern des Bundes und der Länder. Dies ergibt sich aus der Vorschrift über die Ministerverantwortlichkeit (GG Art. 65 Satz 2). Der Bundeskanzler und die Ministerpräsidenten der Länder sind nicht Vorgesetzte der Minister; sie können den Minister weder Einzelweisungen geben, noch anstelle der Minister handeln. Sie können nur Richtlinien der Politik erlassen, die intern im Verhältnis zum Minister wirken, sind aber außerhalb des Geschäftsbereichs des Bundeskanzleramtes oder der Staatskanzlei nicht zur Außenvertretung befugt 227 . Unklar ist die Rechtslage, wenn der Regierungschef eine Sache zur „Chefsache" macht. Selbstverständlich kann er alle Sachen selbst mitbearbeiten. Eine Vertretung nach außen würde aber einen Organisationserlass erfordern, durch den das betreffende Sachgebiet aus dem Fachministerium herausgenommen und dem Bundeskanzleramt (Staatskanzlei) zugeordnet wird. Es ist Sache der Minister zu bestimmen, durch wen sie sich in ihrem Geschäftsbereich generell oder im Einzelfall vertreten lassen wollen. Dies geschieht teilweise durch verwaltungsinterne Allgemeinverfügungen, die in der Regel publiziert werden, teilweise durch Einzelakt. Die Tatsache, dass nach dem Verfassungsrecht von Bund und Ländern das Vertretungsrecht allein beim Fachminister liegt, schließt es nicht aus, dass die Landesregierung allgemeine Regeln für die Zuständigkeit in der Vertretung erlässt 228. Insbesondere sind die Staatsekretäre allgemeine Vertreter der Minister in Verwaltungsfragen einschließlich der Unterzeichnung von Rechtsverordnungen, nicht dagegen in Verfassungsfragen (z. B. Gesetzesakte). Für diese kommt wegen der politischen Verantwortung der Regierung nur ein anderer Minister als Vertreter in Frage. Eine Besonderheit pflegt für den Justizfiskus zu gelten. Da die Richter im Streitfall über Wirksamkeit und Inhalt der vom Justizfiskus abgeschlossenen Verträge entscheiden, ist nicht der Minister als deren Dienstvorgesetzter, sondern der Generalstaatsanwalt oder andere Mittel- und Unterbehörden zuständig zur Vertretung des Justizministers 229. Bei der Vertretungsregelung sind die einzelnen Gegenstände zu unterscheiden: Es geht einerseits um das Privatrecht, insbesondere um die privatrechtliche Ressourcenbeschaffung und die arbeitsvertraglichen Willenserklärungen. Insoweit gilt all226

Z.B. Baden-Württemberg, Verf. Art.50; Brandenburg, Verf. Art.91. GG Art.65, für die Länder z.B. Baden-Württemberg Verf. Art.49; Brandenburg Verf. Art. 89. 228 Vgl. z. B. das Sächsische Justizgesetz v. 24.11.2000, GVB1. S. 482, das eine entsprechende Vertretungsregelung enthält (§58). 229 Vgl. Sächs. VO v. 27.9.1999, §7. 227

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gemeines Recht, d. h. aus der grundsätzlichen Zuständigkeit des Ministers für sein Ressort und der von ihm erteilten Vollmachten ergibt sich die Berechtigung zum Handeln230. Sodann geht es um die Wahrnehmung der Rechte und Pflichten des Staates bei der Vertretung vor Gerichten. Soweit nichts Besonderes bestimmt ist, gilt die allgemeine Bevollmächtigung, die der Minister erteilt hat, auch für die Vertretung in Prozessen. Wer innerhalb der „bevollmächtigten" Behörde vertretungsberechtigt ist, ergibt sich aus besonderen Geschäftsanweisungen, die nicht notwendig schriftlich vorliegen müssen. Auf jeden Fall ist für die Behörde vertretungsberechtigt der Behördenvorsteher und sein ständiger Vertreter. Für die Vertretung vor Gerichten muss dem im Verfahren Auftretenden eine besondere Vollmacht erteilt werden. Statt dessen genügt es, wenn der Behördenvorstand bestimmten Bediensteten eine allgemeine Vollmacht erteilt, die zu den Akten des Gerichts gebracht und auf die in jedem einzelnen Verfahren Bezug genommen wird. b) Verwaltungsverfahren Die Vollmachtsvorschriften gelten nicht für öffentlich-rechtliche Verwaltungsverfahren. Die Setzung öffentlich-rechtlicher Akte, insbesondere von Verwaltungsakten ist keine Vertretung des Staates im Sinne der Vertretungsvorschriften. Hier geht es auch terminologisch nicht um Vertretung, sondern um das Zeichnungsrecht. Die Frage, wer innerhalb einer Behörde zeichnungsberechtigt ist, wird durch interne Weisungen geregelt. Grundsätzlich sind das diejenigen Bediensteten, die einen Vorgang abschließend bearbeiten 231. Jedoch kann sich jeder Vorgesetzte vorbehalten, einen Vorgang anstelle des Sachbearbeiters zu unterschreiben. Diese Regeln gelten auch für verwaltungsrechtliche Verträge i. S. von VwVfG §§ 54ff.; denn diese Verträge treten an Stelle von Verwaltungsakten (VwVfG § 54 Satz 2). Sie haben daher im Sinne des Vertretungsrechts einen anderen Charakter als die privatrechtlichen Verträge. Ungeregelt ist die Frage, was gilt, wenn ein nicht zeichnungsberechtigter Bediensteter in einem öffentlich-rechtlichen Verwaltungsverfahren einen Verwaltungsakt unterzeichnet hat. Da heute in der Regel bei den Unterschriften nicht mehr angegeben wird, welchen Rang ein Beamter hat, ob er Staatssekretär oder Regierungssekretär ist, kann der Empfänger des Schreibens stets davon ausgehen, dass eine zuständige Person gezeichnet hat. Für diese Fälle wird man wohl weitgehend auch bürgerlich-rechtliche Regeln entsprechend anwenden müssen. Zunächst wird man davon auszugehen haben, dass derjenige, der kein Zeichnungsbefugnis hatte, auch nicht wirksam unterschrieben hat. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass es 230

Jürgen Kassendiek, Vertretungsmängel bei öffentlichen Auftraggebern, 1990. Z . B. Allgemeine Geschäftsordnung für die Behörden des Freistaates Bayern v. 11.12.2000 (GVB1. S.873), §23. 231

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nicht der Hauptmann von Köpenick war, der hier gehandelt hat, sondern ein Behördenbediensteter, der mit dem Willen aufgetreten ist, für die Behörde wirksam zu handeln. Vor allem ist dieser Fall auch nicht in VwVfG § 44 Abs. 2 unter die Nichtigkeitsfälle aufgenommen. Und es wäre schwer, diesen Fall unter die allgemeine Nichtigkeitsvorschrift des § 44 Abs. 1 VwVfG zu subsumieren. So bleibt für die Behörde nur die Möglichkeit, mit den Rücknahmevorschriften zu arbeiten. Aber auch dies erscheint in vielen Fällen sehr zweifelhaft, weil es sich bei der internen Zuständigkeitsüberschreitung nicht um eine Rechtsverletzung handelt, sondern nur um die Verletzung von Verwaltungsvorschriften, die allein nicht zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes führt. Außerdem muss hier ein Gutglaubensschutz wie bei der Scheinvollmacht des bürgerlichen Rechts wirksam werden 232. Die Problematik hat im Verwaltungsrecht noch einen anderen Aspekt. Sehr viele Verwaltungsakte werden nicht von dem Beamten unterschrieben, der den Verwaltungsakt erlassen hat, sondern von einer Kanzleikraft. Die Verfügung des bearbeitenden Beamten, den Verwaltungsakt zu erlassen, wird in der Akte von dem Sachbearbeiter abgesetzt und von ihm mit seiner Paraphe versehen. Dann wird die Verfügung an die Kanzlei (Schreibstube) weitergeleitet, die die Reinschrift zu fertigen und abzusenden hat. In der Reinschrift beglaubigt die für die Unterschriftsleistung nicht zuständige Kanzleikraft dann mit dem Vermerk „Auf Anordnung", wobei zuweilen sogar der Name des das Original unterzeichnenden Beamten weggelassen wird. Wenn nunmehr z. B. in der Reinschrift ein Fehler auftaucht und ein Förderbetrag von € 10.000 statt des vom Sachbearbeiter bewilligten Betrages von € 1.000 genannt wird, so stellt sich die Frage, ob dieser wesentlich höhere Betrag, wenn er im zulässigen Ermessensspielraum lag und vielleicht so gar dem Antrag des Empfängers entsprach, wirksam bewilligt worden ist, zumal wenn es sich nicht um einen offensichtlichen Irrtum handelt, der schlicht berichtigt werden kann (VwVfG § 42). Besondere Fälle können heute durch die elektronischen Verwaltungsakte auftreten. Diese Verwaltungsakte werden nicht mehr unterschrieben; heute dürfte wohl schon die Mehrzahl der Verwaltungsakte in dieser Form ergehen. Es werden nur noch die individuellen Daten in den Computer eingegeben und sodann mit einem bestimmten Programm verarbeitet, das der Sachbearbeiter nicht kennt und auch nicht kontrollieren kann. Das kann nur noch der EDV-Spezialist in der Behörde oder die von der Behörde beauftragte Software-Firma, nicht dagegen der Behördenleiter, der Abteilungsleiter und der Sachbearbeiter. Sind falsche individuelle Daten eingegeben, so wird in der Regel der Fall des rechtswidrigen Verwaltungsaktes vorliegen. Ein Gleiches gilt für die Arbeit mit einem fehlerhaften Programm. Die Regelung des Problems erfolgt dann nicht über Vollmachts- oder Vertretungsvorschriften, sondern durch die Vorschriften des VwVfG über die Rücknahme von Verwaltungsakten.

232 Erik G. Silcher, Das kompetenzüberschreitende Handeln der juristischen Person des öffentlichen Rechts, 1993.

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c) Die Selbstverwaltungskörperschaften Besondere Bestimmungen bestehen für die kommunalen Gebietskörperschaften (Gemeinden, Landkreise). In den Gemeindeordnungen und Landkreisordnungen finden sich regelmäßig Bestimmungen über die Zuständigkeit und Form von Vertretungshandlungen233. Die Zuständigkeit liegt in der Regel nur bei den Spitzen der Verwaltung. Weitgehend wird die Mitzeichnung eines zweiten Amtsträgers verlangt. Auch hier stellt sich die Frage, wie weit diese Vorschriften reichen, für welche Rechtsakte sie gelten. Eines ist sicher: Für die laufende Verwaltung in der Form des öffentlich-rechtlichen Verwaltungsverfahrens gelten diese Vorschriften nicht. Hier wird keine Vertretung im Sinne der Gemeinde- und Landkreisordnungen wahrgenommen, sondern Sachbearbeitung, wobei interne Vorschriften und Ermächtigungen das Recht auf Unterzeichnung von Verwaltungsakten (und verwaltungsrechtlichen Verträgen) regeln. Die Vertretungsvorschriften betreffen in erster Linie privatrechtliche Verträge, außerdem Prozesshandlungen vor den Gerichten. Da die Gemeinde- und Kreisordnungen keine Vorschriften über die Gegenstandwerte enthalten, für die die strengen Vertretungsvorschriften gelten, müssen sie auch bei Bagatellsachen angewandt werden, soweit die Gemeindeordnung nicht Ausnahmen macht 234 . Ein sinnvoller Verwaltungsvollzug erfordert daher generelle Bevollmächtigungen für bestimmte namentlich festgelegte Bedienstete. Selbstverständlich kann auch in der Verwaltung eine stillschweigende Vollmacht erteilt werden. Der Partner der Verwaltung tut jedoch gut daran, sich die Bevollmächtigung, die nicht in der von der Gemeinde- und Kreisordnung festgelegten Form vorgelegt worden ist, nachweisen zu lassen. Vor allem ist die Form im behördlichen Verkehr wichtig, z. B. gegenüber dem Grundbuchamt, wobei hier das Erfordernis der notarielle Beurkundung oder Beglaubigung hinzukommt. Die Behörden stehen in diesen Fragen nicht anders als private Unternehmen, bei denen satzungsgemäß bestimmte Vorschriften über Zeichnungs- und Mitzeichnungspflichten bestehen. Insbesondere sind die Vorschriften, die eine Beurkundung durch Behörde anstelle von Notaren ermöglichten außer Kraft getreten 235. Das was über die Gemeinde und Landkreise ausgeführt worden ist, gilt in dieser oder anderer Weise auch für sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts, z. B. für Hochschulen und berufsständische Kammern 236.

233 Z. B. Bay. GO Art. 38; Hess. GO § 71; NGO § 63. - Für die Geschäfte der laufenden Verwaltung gelten i. d. R. besondere Bestimmungen. 234 Z.B. Bay GO Art.38. 235 Beurkundungsgesetz § 60. 236 Z. B. HmbHG § 80 Abs. 1 Satz 2.

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C. Die juristischen Personen

4. Fremdvertretung Es ist möglich, dass eine juristische Person nicht durch ihre eigenen Organe vertreten wird, sondern durch Dritte. Dies ist allerdings der Ausnahmefall. Er tritt insb. dann ein, wenn das normale Funktionieren der juristischen Person gestört ist. Der bekannteste Fall ist der des Insolvenz Verwalters. Es handelt sich zwar nicht um eine Fragestellung, die auf die juristischen Personen zugeschnitten ist. Aber bei ihnen kommt gegebenenfalls deutlich zum Ausdruck, dass das regelhafte Organisationsgefüge nicht mehr funktionsfähig ist. Daneben gibt es andere Fälle, die sich im öffentlichen und im Privatrecht kaum unterscheiden, der Notvorstand des eingetragenen Vereins (BGB § 29) und der staatliche Kommissar im Rahmen von Aufsichtsmaßnahmen gegenüber einer Gemeinde237. 5. Erfüllungshandlungen Die juristische Person kann und muss in bestimmtem Umfang Verpflichtungen übernehmen, die sie später zu erfüllen hat. Diese Verpflichtungen können in der Zahlung von Geld oder in der Leistung von vertretbaren Sachen, in der Abgabe von Erklärungen oder in Realhandlungen bestehen. Für die Zuständigkeit zur Erfüllung derartiger Verpflichtungen kommt es grundsätzlich nicht auf die Organschaft oder auf eine Vertretungsmacht an. Denn die Vertretungsmacht betrifft nur die Abgabe oder die Entgegennahme von Willenserklärungen 238. Bei Realhandlungen, z. B. bei der Lieferung einer bestimmten Menge von Waren, der beim Kauf zur Erfüllung führt, kann jedermann die Erfüllungshandlung vornehmen, auch ohne Vollmacht. Es kann auch ein Dritter handeln, der nicht zur juristischen Person gehört. Es muss nicht einmal in jedem Fall der Wille darauf gerichtet sein, mit der Realhandlung auch die geschuldete Erfüllung vorzunehmen. 6. Erwerbshandlungen Es ist nicht selbstverständlich, dass alle Personen alle Gegenstände des Rechtsverkehrs erwerben können. So gibt es Gegenstände, von denen bestimmte Gefahren ausgehen, wie Waffen oder Sprengstoffe, die daher mit einer staatlichen Genehmigung erworben werden dürfen. Die Händler derartiger Sachgüter dürfen solche Gegenstände nur abgeben, wenn bestimmte behördliche Erlaubnisse (Waffenerwerbsschein) vorgelegt werden 239. Das Gesundheitsrecht kennt mit der Rezeptpflichtig237

Z.B. NGO §132. So kann die Erfüllung einer Verpflichtung durch einen Boten einer fremden Firma oder durch die Lieferung eines Großhändlers erfolgen. 239 Waffengesetz §§30 ff. 238

VII. Unrechtshandlungen und Haftung

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keit bestimmter Arzneimittel eine ähnliche Regelung, die freilich insofern anders gestaltet ist, als hier nicht die Behörde, sondern der staatlich approbierte Arzt mit der Ausgabe des Rezepts die „Erwerbserlaubnis" gibt. Bei Erwerbshandlungen gilt nicht dasselbe wie bei Erfüllungshandlungen. Besteht die Erfüllung in einer Willenserklärung, insbesondere in der Verfügung über einen Gegenstand, so muss der Empfänger befugt sein, die Erklärung entgegen zu nehmen oder den Gegenstand zu erwerben. D. h. er muss insofern eine ausdrückliche oder mindestens eine stillschweigende Vollmacht besitzen. Anders als bei der Erfüllungshandlung kann ein Dritter, der keine Vertretungsmacht besitzt, nicht wirksam mitwirken. Ein Problem besteht bei juristischen Personen, bei denen eine Leistung oder eine Willenserklärung eingeht, ohne dass sie an eine bestimmte Person gerichtet ist. Beispiel hierfür ist das Päckchen mit der Ware oder der Brief, die in den Postkasten eingeworfen oder beim Pförtner abgegeben werden. Wenn man davon ausgeht, dass weder der Pförtner, noch der Angestellte in der Posteingangsstelle eine Vollmacht besitzt, so wird der Zugangsakt gleichwohl der juristischen Person zugerechnet, wenn die Ware oder die Nachricht in den Bereich der juristischen Person gelangt. Entsprechendes gilt auch für die eingehende Fax-Nachricht oder für das e-mail (BGB § 312 e Abs. 1 und 2), wenn der Empfänger seine e-mail-Adresse in einer Weise bekannt gegeben hat, dass andere daraus schließen dürfen, hier werde eine Zugangsmöglichkeit eröffnet. Die von der juristischen Person bereitgestellte technische Einrichtung hat dann gewissermaßen die Funktion eines Bevollmächtigten.

VII. Unrechtshandlungen und Haftung 1. Unrecht als Zurechnungsfrage Es ist eine alte Frage, ob eine juristische Person Unrecht tun kann. Diese Frage ist genau so zu beantworten wie die Frage, ob eine juristische Person überhaupt handeln kann. Ebenso und in der Form, wie man diese Frage beantwortet, ist auch die Frage nach dem Unrechttun der juristischen Person zu beantworten. Es geht, da die juristische Person tatsächlich nicht handeln kann, praktisch um die Zurechnung des Tun und Unterlassens bestimmter Personen zur juristischen Person. Die durch eine natürliche Person begangene Rechtsverletzung wird kraft Rechtssatz der juristischen Person zugerechnet. Es wird fingiert, die juristische Person habe die Rechtsverletzung begangen. Das Ergebnis ist die Haftung der juristischen Person für die Rechtsverletzung. Dabei ist zu unterscheiden zwischen verschiedenen Unrechtsarten, insbesondere zwischen der unerlaubten Handlung des BGB, die ein persönliches Verschulden voraussetzen, der Haftung für Gefährdungshandlungen, z. B. für den Betrieb bestimmter technischer Anlagen, der Haftung für strafbares Handeln und der Haftung für

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C. Die juristischen Personen

Ordnungswidrigkeiten im Sinne des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG). Für juristische Personen des öffentlichen Rechts kann noch die haushaltsrechtliche Haftung und die disziplinarrechtliche Haftung hinzu kommen. Für die Schäden, die durch Kraftfahrtzeuge verursacht werden, ist der Halter verantwortlich (StVG § 7). Halter kann auch eine juristische Person sein. Darüber hinaus kann die juristische Person auch haften, wenn derjenige, der das Fahrzeug betrieben hat, schuldhaft gehandelt hat; dann kommt die Haftung nach § 831 BGB in Betracht. Die Haftung im öffentlichen Recht wirft die Frage auf, wann die juristische Person des öffentlichen Rechts gemäß § 839 BGB/Art. 34 GG haftend eintreten muss. Anders als bei BGB § 831 geht BGB § 839 von einer persönlichen Haftung des Beamten aus. Für die Frage, ob die Körperschaft des öffentlichen Rechts, die dem Beamten das Amt anvertraut hatte, anstelle des Beamten haftet, hängt davon ab, ob der Beamte Amtspflichten wahrgenommen hat. Es geht hier nicht einfach um Verrichtungsgehilfenschaft, sondern die Zurechnung der Tätigkeit oder - was schwieriger zu beurteilen ist - der Unterlassung zum Kreis der amtlichen Aufgaben 240. 2. Wissenszurechnung Unrecht entsteht teilweise dadurch, dass eine Person aus der Kenntnis bestimmter Tatsachen nicht die erforderlichen Konsequenzen zieht. Das gilt vor allem für Fahrlässigkeitstaten. Wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt, handelt fahrlässig (BGB § 276 Abs. 2). Eine Sorgfaltsverletzung besteht oft darin, dass bestimmte Tatsachen nicht wahrgenommen oder nicht beachtet werden. Bei der individuellen Haftung besteht in der Regel eine Identität zwischen demjenigen, der die Tatsachen nicht gesehen oder übersehen hat, und demjenigen, der für diesen Wahrnehmungsfehler haftet. Bei den juristischen Personen liegt das anders. Da die juristische Person weder Augen noch Ohren hat, sieht und hört sie nichts. Gleichwohl empfängt sie durch ihre Mitglieder, Organe oder Bediensteten laufend Informationen. Dabei ist es allerdings zweifelhaft, wann diese Informationen der juristischen Person zugerechnet werden und unter welchen Umständen ihr daraus Nachteile für sie erwachsen können 241 . Bei Mitarbeitern einer Firma, die ein privates Wissen - z. B. im gesellschaftlichen Verkehr - erlangt haben, genügt dieses nicht, um anzunehmen, die juristische Person habe dieses Wissen, selbst wenn der betreffende Mitarbeiter sachlich für den Fragenkreis zuständig ist. Es geht damit um die Zurechnung von Wissen natürlicher Personen zu juristischen Personen 242. 240

BGH, DVB1. 2001,1273 ff. Kristofer Bott, Wissenszurechnung bei Organisationen, 2000; Christof-Ulrich Goldschmidt, Wissenszurechnung, 2001; Wolf gang Schüler, Wissenszurechnung im Konzern, 2001. 242 BGHZ 117, 104 - Abgrenzung zu BGHZ 109, 327 = NJW 1990, 975 = L M § 31 BGB Nr. 33. 241

VII. Unrechtshandlungen und Haftung

257

Verkauft z. B. eine Gemeinde ein Grundstück, das mit einem Fehler behaftet ist, so ist ihr für die Frage des arglistigen Verschweigens das Wissen eines Sachbearbeiters des mit dem Verkauf nicht befassten Bauaufsichtsamtes nicht zuzurechnen, wenn keinem Mitarbeiter des für den Verkauf zuständigen Liegenschaftsamtes der Fehler bekannt war. Aber auch bei den einzelnen Mitarbeitern des Liegenschaftsamtes stellt sich die Frage nach der Zurechnung des Wissens. Wenn der Mitarbeiter, der für den Stadtteil A zuständig ist, den Mangel des verkauften Hauses, das im Stadtteil B liegt, kannte und wusste, dass das Haus mangelhaft war und verkauft werden sollte, so ist sein Wissen für die Gemeinde immer noch nicht maßgeblich, wenn er selbst nicht am Verkaufsakt beteiligt war. 3. Haftung für schuldhaftes Handeln Jede natürliche Person haftet für die eigene von ihm begangene schuldhafte Handlung. Da die juristische Person nicht schuldfähig ist, stellt sich auch hier die Frage, welche schuldhaften Handlungen der juristischen Person zuzurechnen sind. Das BGB beantwortet diese Frage für den rechtsgeschäftlichen Verkehr im § 276. Diese Vorschrift, die für natürliche und juristische Personen in gleicher Weise gilt, stellt es auf die Erfüllungsgehilfenschaft ab. Ferner haftet die juristische Person kraft ausdrücklicher Vorschrift auch für die gesetzlichen Vertreter, d. h. für die natürlichen Personen, die Organfunktionen wahrnehmen. Geregelt ist jetzt das schuldhafte Handeln beim Abschluss von Verträgen, die culpa in contrahendo (BGB § 311 Abs. 2 [neu]). Doch gilt hier in der Sache nichts anderes als für die Rechtsbeziehungen nach Abschluss eines Vertrages. Wer sich einer anderen Person für die Vertragsverhandlungen bedient, muss auch für deren Verhalten haften wie für eigenes. Diese Haftung trifft auch die juristische Person 243. Bei unerlaubten Handlungen gilt BGB § 831 auch für die juristischen Personen. Es kommt nicht darauf, ob der Verrichtungsgehilfe für eine natürliche oder für eine juristische Person tätig wird. Eine Besonderheit gilt lediglich dann, wenn ein „Beamter" bei einer „ihm gegenüber einem Dritten obliegenden Amtspflicht" schuldhaft einen Schaden verursacht hat. Hier kommt immer noch BGB § 839 i.V. m. GG Art. 34 mit seiner Haftungsbeschränkung zur Anwendung. Diese Vorschrift ist zweifellos veraltet und mit ihrer Haftungsprivilegierung des Staates nicht zu rechtfertigen. Nachdem das moderne Staatshaftungsgesetz gescheitert ist 244 , muss diese Vorschrift weiter beachtet werden. Allerdings hat sich die Rechtsprechung in mancher Hinsicht weiter entwickelt und versucht, sie moderner zu gestalten245. 243

Vgl. dazu: Susanne Schäfer, Die Deliktsfähigkeit juristischer Personen, 2001. BVerfGE 61, 149ff.; jetzt aber GG Art. 74 Nr. 25. 245 Für die Länder der ehemaligen DDR ist das Staatshaftungsgesetz der DDR nach wie vor in Kraft (Einigungsvertrag Anlage I I Kapitel III Sachgebiet B Abschnitt III). - Die Aufgabe des Verschuldens als Haftungsvoraussetzung, die ein wesentliches Anliegen des gescheiteren Staatshaftungsgesetzes von 1981 war, hat auch in der alten BRD praktisch nur noch eine ge244

17 Thieme

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C. Die juristischen Personen

Die polizeirechtliche Haftung ist ähnlich wie die schuldrechtliche Haftung ausgestaltet. Die Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, die von einer natürlichen Person ausgeht, wird der juristischen Person zugerechnet, wenn die natürliche Person von der juristischen Person zu der Verrichtung bestellt worden ist, in der die Störung der Ordnung und Sicherheit liegt (z. B. Hmb. SOG § 8). Daher kann die Behörde die Maßnahme auch gegen die juristische Person richten, die den Störer bestellt hat. Dies gilt nicht nur für das allgemeine Sicherheits- und Ordnungsrecht, sondern auch gegen alle Sondermaterien der Gefahrenabwehr wie z. B. für das Umweltrecht, das Gewerberecht, das Baurecht und das Wasserrecht. 4. Strafrechtliche und bußgeldrechtliche Haftung Die strafrechtliche Haftung ist als eine individuelle Haftung ausgelegt. Als zu bestrafende Täter kommen nur natürliche Personen in Betracht. Die Zugehörigkeit zu einer juristischen Person spielt im Strafrecht dann eine Rolle, wenn eine Strafvorschrift für die Strafbarkeit eine besondere persönliche Eigenschaft verlangt und ein Organ oder ein Organmitglied diese Eigenschaft besitzt, nicht aber der Täter, der für die juristische Person handelt, so sind die besonderen Eigenschaften auch auf den Vertreter anzuwenden (StGB § 14 Abs. 1). Nicht zu den juristischen Personen gehören die kriminellen und die terroristischen Vereinigungen (StGB §§ 129,129 a): Bei ihnen kann allein die Zugehörigkeit zur Bestrafung führen. Der Kampf gegen diese Vereinigungen wird mit polizeilichen Mitteln geführt. Im Gegensatz zum StGB kennt das OWiG eine Haftung von juristischen Personen oder von Personengesamtheiten für das schuldhafte ordnungswidrige Handeln ihrer Vertreter (OWiG § 30). Im Hinblick darauf, dass insbesondere auf den Gebieten der Umwelt- und Wirtschaftskriminalität, aber auch der gesamten organisierten Kriminalität zahlreiche Rechtsverletzungen im Zusammenhang mit der Tätigkeit von Wirtschaftsunternehmen begangen werden, besteht die Notwendigkeit, Geldbußen gegen die Unternehmen zu verhängen, die diese Unternehmen empfindlich treffen 246. Werden die Geldbußen nur gegen die Täter verhängt, so ist die Höhe dieser Bußen angesichts der Vermögensverhältnisse der Täter im Regelfall so niedrig anzusetzen, dass die juristischen Personen davon ernstlich nicht betroffen sind, wenn sie dem Täter die gezahlten Bußgelder ersetzen. Daher können gegen die juristischen Personen Geldbußen bis zu einer Million DM festgesetzt werden, während die gegen natürliche Personen nur in Höhe bis zu € 1000 zulässig ist (OWiG § 17). ringe Bedeutung, weil die Rechtsprechung es auf das Verhalten eines durchschnittlich pflichtgetreuen Beamten abstellt (BGH NVwZ 1986,505; BGH NJW 1986,2829). Vor allem aber die Lehre vom enteignungsgleichen und enteignenden Eingriff hat den Bereich schuldloser Haftung des Staates erheblich erweitert. 246 Torsten v.Jeger, Geldbuße gegen juristische Personen und Vereinigungen, 2002.

VII. Unrechtshandlungen und Haftung

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5. Zwangsvollstreckung gegen juristische Personen In der Zwangsvollstreckung unterscheiden sich die juristischen Personen als Schuldner grundsätzlich nicht von den natürlichen Personen. Hat jemand einen Vollstreckungstitel gegen eine juristische Person erlangt, so findet die Zwangsvollstreckung in das Vermögen wie bei natürlichen Personen statt. Die ZPO enthält für nichtrechtsfähige Vereine eine Sondervorschrift; für die Vollstreckung in das Vermögen der nicht rechtsfähigen Vereine genügt ein Urteil, das gegen den Verein ergangen ist (ZPO § 735); das Urteil muss nicht alle Mitglieder als gesamthänderische Miteigentümer des Vereinsvermögens nennen. Hier gilt also ausdrücklich etwas anderes als bei dem ungeteilten Nachlass (ZPO § 747). Eine weitere Besonderheit gilt für die Vollstreckung gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts. Nach 822 a ZPO besteht neben der Respektsfrist (Abs. 1) das Verbot der Vollstreckung in Sachen, die dem Staat (Bund und Länder) gehören und die für die Erfüllung öffentlicher Aufgaben des Schuldners unentbehrlich sind; zuvor ist auch der zuständige Minister zu hören (Abs. 2). Bei anderen Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts gilt diese Regelung ebenfalls, allerdings nur soweit es sich nicht um Banken und Versicherungen handelt (Abs. 3). Ferner gibt es eine Sondervorschrift zugunsten von juristischen Personen des öffentlichen Rechts für Abgabenforderungen (vgl. AbgO § 255). 6. Die Insolvenz der juristischen Person Die Insolvenzordnung bestimmt ausdrücklich, dass das Insolvenzverfahren in gleicher Weise gegenüber natürlichen und juristischen Personen eröffnet werden kann (InsO § 11 Abs. 1 Satz 1). Im einzelnen sieht das allerdings etwas anders aus. Im Insolvenzverfahren zeigt sich die Relativität des Begriffs der juristischen Peron. Das Insolvenzverfahren wird auch über das Vermögen des nicht rechtsfähigen Verein eröffnet, der insoweit der juristischen Person gleichgestellt wird. Ein Insolvenzverfahren kann auch über das Vermögen einer Gesellschaft ohne Rechtspersönlichkeit und über den ungeteilten Nachlass für zulässig erklärt werden (InsO § 11 Abs. 2). Eine weitere Besonderheit für die juristischen Personen liegt darin, dass bei Ihnen auch die Überschuldung Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren ist (InsO § 19). Das Verbraucher-Insolvenzverfahren (InsO §§ 304ff.) ist dagegen nur für natürliche Personen zulässig. Die Möglichkeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegenüber juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die zuvor teilweise streitig war, ist nunmehr gesetzlich geklärt 247 . Danach ist die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Bundes und der Länder unzulässig. Für die anderen juristischen Personen, die der Aufsicht eines Landes unterstehen, bleibt es den Ländern vorbehalten 247

17*

UlfGundlacK

DÖV 1999, 815ff.

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C. Die juristischen Personen

zu bestimmen, ob die Insolvenzfähigkeit zu bejahen ist. Die vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung (1.1.1999) geltenden landesrechtlichen Regelungen gelten daher weiter. Danach ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen von Gemeinden und Landkreisen ebenfalls ausgeschlossen248. Die Frage ist hier, ob das Land bei Zahlungsunfähigkeit einer Kommune eine Einstandspflicht trifft. Es handelt sich um eine Frage, die für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts zu stellen ist, auch z. B. für Rundfunkanstalten und Sozialversicherungsträger. Dabei geht weniger um die Frage, ob der Staat als „Muttergemeinwesen" eintreten muss als vielmehr um die Frage der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Ordnung, die vom Staat auch insoweit geschaffen ist, als er notwenige öffentliche Aufgaben durch besondere juristische Personen wahrnehmen lässt. Soweit Sondervermögen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestehen, die auch haftungsrechtlich abgesondert sind, sind diese Vermögen insolvenzrechtlich nicht der Mutterkörperschaft zuzurechnen und unterliegen grundsätzlich der Möglichkeit der Eröffnung eines gesonderten Insolvenzverfahrens 249.

V I I I . Aufsicht über juristische Personen 1. Begriff und Wesen der Aufsicht Fast alle juristischen Personen unterliegen irgendeiner Aufsicht durch staatliche, sonstige öffentlich-rechtliche oder privatrechtliche Instanzen. Das gilt sowohl für privatrechtliche, als auch für öffentlich-rechtliche juristische Personen. Bei der Aufsicht zeigt sich, dass die juristischen Personen niemals letzter Zweck ihrer Existenz ist, sondern dass sie Zwecken von Menschen, d. h. von natürlichen Personen dienen. Daher stellt die Rechtsordnung die juristischen Personen unter Aufsicht und zwar in verschiedener Weise250 a) Begriff Der Begriff der Aufsicht ist nicht eindeutig. Im folgenden wird er so verwandt, dass er alle Institutionen und Instanzen sowie alle Verfahren umfasst, die dazu geschaffen sind, die Zweckerfüllung der juristischen Personen zu verbessern, wobei offen bleibt, ob dieser Zweck tatsächlich erreicht werden kann. Dieser Aufsichtsbegriff geht davon aus, dass das Ob und das Was des Zweckes der juristischen Person durchaus streitig sein kann. Es muss sich jedoch um die Erfüllung von Zwecken 248

Michael Nierhaus/Ihno Gebhardt, Zur Ausfallhaftung des Staates für zahlungsunfähige Kommunen, 1999; Felix Engelsing, Zahlungsunfähigkeit von Kommunen und anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts - Vollstreckung und finanzielle Einstandspflicht, 1999. 249 Gundlach, S.815ff. 250 Wolf gang Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000.

VIII. Aufsicht über juristische Personen

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handeln, die gemäß der Rechtsordnung oder ihrer inneren Ordnung vorgegeben sind. Aufsicht wird damit als wesentliches Mittel zur Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung gemäß den Rechtsnormen und teilweise auch den sozialen Normen verstanden. Je wirksamer die Aufsicht ist, desto besser ist die Chance einer effektiven und erfolgreichen Arbeit. Ohne eine Aufsicht, drohen soziale, politische und wirtschaftliche Schäden, weil die Konfliktlösung nicht hinreichend geregelt ist. Aufsicht dient der Konfliktlösung und damit der Friedenserhaltung und Produktivität. Die Aufsicht ist rechtlich vielfältig geordnet. Neben der „juristischen Aufsicht" gibt es auch eine rechtlich nicht geordnete Aufsicht, oft „social control" genannt, die z. T. noch wirksamer und zwingender ist, weil sie oft viel zuverlässiger arbeitende Sanktionen hat als die Kontrolle des Staates, der Institutionen des Rechts und der inneren Ordnung der juristischen Person. Im folgenden wird allerdings nur von der rechtlich geordneten Aufsicht gesprochen. Das System der juristischen Personen ist weitgehend auf die Aufsichtsfunktionen angelegt, es ist durch ein hierarchisches System bestimmt, d. h. durch ein System, das eine Macht der Beaufsichtigenden gegenüber den Beaufsichtigten besitzt und das eine hinreichende Legitimation besitzen muss, um wirksam sein zu können. Die Aufsicht kann allgemein sehr unterschiedlich, intensiv oder extensiv, ausgelegt sein. Sie muss aber auch in ihren Einzelelementen auf die Unterschiedlichkeit der einzelnen Personen und Instanzen sowie ihrer Funktionen und der durch sie drohenden Gefahren ausgerichtet sein. Insofern ist das gesamte Aufsichtssystem ein Spiegelbild des Systems der juristischen Personen. Einen allgemeinen, umfassenden Begriff der Aufsicht zu bilden, ist möglich, wäre inhaltlich aber nichtssagend. Es handelt sich bei der Aufsicht um die Feststellung des Verhaltens der zu beaufsichtigenden Person im Hinblick auf bestimmte Maßstäbe, Ziele oder Normen. Dabei kann die Aufsicht dem Schutz von Mitgliedern der Person oder Dritten dienen. Weicht das Verhalten in einer Organisation von der Norm ab, so ist es Sache der Aufsicht einzugreifen und die erforderlichen Sanktionen zu verhängen. Es ist daher klarzustellen, dass das, was hier unter dem Wort Aufsicht behandelt wird, auch Regelungen einbegreift, die in der Rechtssprache zuweilen als Kontrolle, Prüfung, Untersuchung, Beschwerde oder Rechtsmittel u. ä. auftauchen. Es ist also mit dem Wort „Aufsicht" ein sehr breiter Begriff gemeint. b) Aufsichtssysteme Man kann zwischen einer allgemeinen Aufsicht, der jedermann im Interesse der Gesellschaft, des Staates und der Mitbürger unterliegt, die sich an den Aufsichtmaßstäben der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ausrichtet, d. h. der allgemeinen Aufsicht zur Gefahrenabwehr (Polizei), und speziellen Aufsichtssystemen unterscheiden. Wer sich im Wirtschaftsleben betätigt, unterliegt einer Wirtschaftsauf-

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C. Die juristischen Personen

sieht (insbesondere der Gewerbeaufsicht), die im Interesse der am Wirtschaftsleben Beteiligten besteht. Es gibt eine allgemeine Gesundheitsaufsicht (Hygieneaufsicht, Sanitätspolizei). Der Mensch wird sogar - u. U. gegen seinen Willen - vom Sozialstaat durch Aufsichtsmittel zu seinem Glück gezwungen; die Sozialhilfe versucht ihn auch ohne einen Antrag in „geordnete soziale Verhältnisse" zu bringen. Es besteht eine Aufsicht, die den jungen Menschen zwingt, sich an den allgemeinen Bildungseinrichtungen zu beteiligen (Schulpflicht). Selbst in die Familie reicht die staatliche Aufsicht und kann zwangsweise Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe verhängen. Neben diesem umfassenden System der Aufsicht des Staates in der Gesellschaft, die im folgenden nicht interessieren soll, weil sie personenrechtlich keine Erkenntnisse verspricht, gibt es besondere Aufsichtssysteme über juristische Personen, wobei bei aller Verschiedenheit im einzelnen das System der privatrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen juristischen Personen im Grundsätzlichen Ähnlichkeiten zeigen. Die Systematik des Aufsichtsrechts kann nach zwei Seiten hin ausgeleuchtet werden, einerseits nach der organisatorischen Ausgestaltung, insbesondere nach der Anbindung der Aufsichtsinstanzen, andererseits nach den Aufsichtsmaßstäben. Bei der ersten Fragestellung unterscheiden wir zwischen der „intrapersonalen" und der „interpersonalen" Aufsicht. Erstere kann auch als „Binnenaufsicht" bezeichnet werden, weil die Aufsicht von Organen der juristischen Person selbst, d. h. also innerhalb der Person geführt wird. Als interpersonale Aufsicht wird jene Aufsicht bezeichnet, die von Organen außerhalb der juristischen Personen ausgeübt wird; sie kann als „Außenaufsicht" bezeichnet werden. Eine solche Aufsicht ist z. B. für die Genossenschaften eingerichtet, die kraft Gesetzes einem Prüfungsverband angehören müssen, der die wirtschaftliche Aufsicht führt (GenG § 54). Bei mehrstufigen Vereinigungen ist die Aufsicht oft der höheren Stufe übertragen worden. Durch die Verlagerung der Aufsicht nach außen wird diese in der Regel unabhängiger und damit auch wirksamer; daher wird die interpersonale Aufsicht grundsätzlich vorgezogen. Aber die Binnenaufsicht kann erfolgreicher sein, weil sie vielfach besser an die erforderlichen Informationen herauskommt und mehr Vertrauen genießt, d, h, eine höhere Legitimation bei den Kontrollierten besitzt. Die Aufsicht kann auch mehrgliedrig sein. So ist z. B. dem Entlastungsbeschluss der Hauptversammlung einer AG das Testat des Wirtschaftsprüfers oder dem Entlastungsbeschluss des Parlaments der Bericht des Rechnungshofes vorgeschaltet. Es zeigt sich, das es auch zwei unterschiedliche Sachebenen der Kontrolle gibt, die mehr technische und die mehr politische Ebene, die sich nicht völlig von einander abgrenzen lassen, für die aber unterschiedliche Kontrollinstrumente in Unabhängigkeit von einander bestehen müssen. Wenn man als Merkmal für die Differenzierung von Aufsichtssystemen den Maßstab der Aufsicht nimmt, so kann man z. B. zwischen der Rechtsaufsicht, der Fachaufsicht (Zweckmäßigkeitsaufsicht) und der Dienstaufsicht unterscheiden.

VIII. Aufsicht über juristische Personen

c) Die Schutzfunktion

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der Aufsicht

Aufsicht ist kein Selbstzweck. Sie hat stets eine Schutzfunktion. Sie dient dem Schutz von Menschen, von Sachen, von Werten, von sozialen, wirtschaftlichen oder rechtlichen Interessen und Funktionen. Diese Schutzfunktion wird nicht immer klar herausgearbeitet. Allerdings steht sie gleichwohl hinter jedem Aufsichtssystem. Bei einer richtig eingerichteten Aufsicht wird sie jedoch erkennbar und wirksam. Angesichts der Tatsache, dass in vielen Beziehungen von Menschen und Organisationen das Recht der Maßstab ist, der diese Beziehungen gestaltet, ist es nicht überraschend, dass für die Regelung der Interessenkonflikte zumeist Instanzen geschaffen worden sind, deren Entscheidungen nach dem Maßstab des Rechts getroffen werden. Dies sind vor allem die Gerichte. 2. Maßstäbe der Aufsicht a) Fachaufsicht Im Gegensatz zur Rechtsaufsicht steht die Fach- oder Zweckmäßigkeitsaufsicht. Sie überprüft die sachliche Richtigkeit. Ihr Maßstab ist die Zweckmäßigkeit. Sie kann auch Maßnahmen beanstanden, die rechtlich richtig, aber zweckwidrig sind. Die Rechtsaufsicht trifft in der Regel nur Entscheidungen für den Einzelfall, weil sich Recht und Unrecht erst dann zeigt, wenn man den Tatbestand genau kennt. Die Fachaufsicht kann eher generalisierende Aussagen machen. Sie kann auch leichter vorhergehende Aufsicht und nicht nur nach vollziehende Aufsicht sein 251 . In dieser Funktion kommt die Fachaufsicht vor allen als Binnenaufsicht in Frage; sie regelt das Funktionieren des Binnenlebens der Organisation, d. h. der Beziehungen zwischen den einzelnen Organen der juristischen Person. Allerdings gibt es auch eine Zweckmäßigkeitsaufsicht als Außenaufsicht. Beispiel hierfür ist die gesamte ordnungsrechtliche (polizeiliche) Aufsicht gegenüber jedermann. Dies ist dann allerdings kein Problem, das die juristischen Personen besonders berührt oder trifft. b) Rechtsaufsicht Als Rechtsaufsicht soll nicht nur die Aufsicht über eine Behörde gegenüber nachordneten Behörde oder einer anderen juristischen Person verstanden werden. Der Begriff soll hier so weit gefasst werden, dass er jede Aufsicht einbezieht, die das Recht als grundsätzlich einzigen Maßstab für ihre Arbeit benutzt. Dieser Maßstab ist aus zwei Gründen wichtig und zweckmäßig. Er benutzt erstens Normen, die in bestimmten allgemein anerkannten Verfahren erzeugt worden sind. Die Rechtsnormenerzeugung, die primär auf Vorschriften der Verfassung beruht und im Rahmen 251

Thomas Groß , DVB1. 2002, 7983 ff.

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C. Die juristischen Personen

dieser Vorschriften arbeitet, erkennt in einer rechtsstaatlichen Gesellschaft derart zustande gekommene Regeln als verbindlich an. Wenn man davon ausgeht, dass es in jeder Gesellschaft ein Normensystem geben muss, das in der Lage ist, Grundlage für die Regelung aller auftretenden Konflikte zu sein, hat das Rechtssystem die besten Chancen dies zu erreichen. Da jedoch kein Rechtssystem so vollständig sein kann, dass es für alle auftretenden Konflikte geeignete Normen bereit hält, bedarf es bestimmter Organe, die diese Lücken im auftretenden Einzelfall schließen. Dies sind primär die Gerichte. Allerdings kommen hierfür auch andere Instanzen z. B. Aufsichtsbehörden in Frage. Wesentlich ist, dass diese Instanzen gelernt haben die rechtlichen Lücken des positiven Rechtssystems durch ihre methodischen Fähigkeiten zu schließen, dass sie hierfür bestimmte gedankliche Systeme zur Verfügung haben, die ihrerseits allgemein anerkannt werden. Dies setzt voraus, dass für diese Funktion Juristen bereit stehen, die die Technik der Auslegung anzuwendender Normen und der Ausfüllung normloser Lebensbereiche durch Entscheidungen beherrschen. Das Recht als Aufsichtsmittel hat auch aus einem anderen Grunde eine friedensstiftende, konfliktvermeidende Funktion. Das Recht tritt mit dem Anspruch auf, gerecht zu sein, das richtige Recht zu bieten. Das Recht bezieht seine Autorität nicht nur aus der verfahrensmäßigen Richtigkeit, mit der es zustande gekommen ist, sondern auch aus der inhaltlichen Richtigkeit, d. h. weil es sich als ein geschlossenes Normensystem versteht, das sich mit den anerkannten und „gültigen" gesellschaftlichen Wertungen in Übereinstimmung befindet. Das Rechtssystem als Maßstabssystem für die Aufsicht muss noch mit einem weiteren Problem fertig werden. Das Normensystem arbeitet nicht nur mit Zwang und Befehl, sondern auch mit Erlaubnissen, die alternatives Handeln ermöglichen. Die Rechtsnormen räumen vielfach ein Ermessen ein. Die Erfahrungen zeigen, dass Normgeber mit dieser Ermessenseinräumung leicht und oft Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen, die zwar nicht gewollt sind, aber dem Gedanken einer Friedensstiftung durch das Recht zuwiderlaufen. Die Rechtsanwendung und damit die Rechtsaufsicht benötigt daher ein weiteres Regelsystem, mit dem sie diesem Missbrauch entgegentreten kann. Dies ist die Lehre von der richtigen Ausübung des Ermessens. c) Dienstaufsicht Die Dienstaufsicht betrifft dagegen ein anderes Maßstabssystem, nämlich das Verhalten der Bediensteten. Es betrifft nicht die Richtigkeit der Entscheidungen, die der Bedienstete getroffen hat. Sie betrifft z. B. das pünktliche Erscheinen zum Dienst, den persönlichen Fleiß, das kollegiale Verhalten, den Umgang mit dem Publikum. Sie betrifft nicht nur das Verhältnis des Vorgesetzten zu den ihm nachgeordneten Bediensteten, sondern auch das Verhältnis zum Bürger, mit dem die Verwal-

VIII. Aufsicht über juristische Personen

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tung verkehrt. Insoweit steht die Dienstaufsichtsbeschwerde als besonderes Mittel zur Verfügung, von dem jeder Bürger Gebrauch machen kann 252 . Ein anderes Mittel der Dienstaufsicht ist das Disziplinarrecht. Hierfür hält das Recht besondere Instanzen, insbesondere auch Disziplinargerichte zur Verfügung 253 . Eine dienstliche Aufsicht ist grundsätzlich nur eine Binnenaufsicht. Sie kann aber ausnahmsweise auch eine interpersonale Aufsicht werden, soweit das dienstliche Fehlverhalten einen disziplinarischen Sachverhalt darstellt, der von einem Beamten einer Selbstverwaltungskörperschaft begangen worden ist. Dann sind gegenüber dem Amtsträger der Selbstverwaltungskörperschaft die staatlichen Disziplinarbehörden einschließlich der staatlichen Gerichte zuständig. Bei den Angestellten im öffentlichen Dienst kommt es in noch stärkerem Maße zu einer Außenaufsicht, weil der öffentlich-rechtlich Arbeitgeber fast immer das Arbeitsgericht bemühen muss, wenn er durch eine Abmahnung oder eine Kündigung seine Dienstaufsicht ausübt. d) Wirtschaftlichkeitsaufsicht Da die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit Maßstäbe sind, nach denen die Verwaltung zu arbeiten hat (BHO § 7; HGrG § 6), sind auch sie Aufsichtsmaßstäbe. Die Aufsicht über die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit setzt eine besondere Sachkunde voraus. Daher ist diese Aufsicht besonderen Instanzen übergeben, den Rechnungsprüfungsbehörden, die für alle juristischen Personen des öffentlichen Rechts bestehen. Beim Staat sind dies die Rechnungshöfe 254. Diese Rechnungshöfe, die in erster Linie Hilfsorgane des Parlaments bei der Ausübung der parlamentarischen Kontrolle der Regierung sind, sind nicht nur gegenüber den staatlichen Behörden zuständig, sondern auch gegenüber Dritten, soweit der Staat Dritten Förderungen (Subventionen) hat zukommen lassen. Dies gilt auch gegenüber Stellen außerhalb der öffentlichen Verwaltung im privaten Bereich, soweit die Förderungsmittel hierhin geflossen sind. e) Besondere Aufsichtsmaßstäbe Neben den genannten Aufsichtsmaßstäben gibt es noch weitere Maßstäbe. Die Aufsicht kann eine reine Ordnungsmäßigkeitsaufsicht sein. Dies ist z. B. der Fall bei der Prüfung der Rechnungshöfe, die auch die Ordnungsmäßigkeit der Verbuchung von Einnahmen und Ausgaben prüfen, d. h. auch Fehler bei der Verbuchung auf dem richtigen Konto (BHO § 90). Erwähnt werden kann die Bank- und die Sparkassenaufsicht, bei der es immer auch um eine Rechtsaufsicht geht, vor allem aber um die 252 253 254

Werner Thieme , DÖD 2001, 77 ff. Bundesdisziplinargesetz v.9.7.2001, BGB1.I S. 1510. Bundesrechnungshofgesetz v. 11.7.1985, BGB1.I S. 1445.

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C. Die juristischen Personen

Geschäftstätigkeit der Kreditanstalten hinsichtlich der Wahrung der Interessen der Einleger und der sonstigen Kunden 255 . Zu nennen ist weiter die Schulaufsicht, die durch einen staatlichen Beamten wahrgenommen wird, der in der kommunalen Schule, d. h. in einem Bereich der Selbstverwaltung stattfindet, deren Maßstab als Zweckmäßigkeitsaufsicht bezeichnet werden kann, die es jedoch mit bestimmten pädagogischen Prinzipien zu tun hat, die für sie die Maßstäbe ihrer Aufsichtstätigkeit sind. 3. Binnenaufsicht a) Notwendigkeit In fast allen juristischen Personen besteht eine „intrapersonale" Aufsicht, d. h. eine nach innen wirkende Aufsicht oder eine Aufsicht bestimmter Organe gegenüber anderen Organen derselben juristischen Person, d. h. eine Binnenaufsicht 256. In der Regel sind die juristischen Personen daher mindestens zweistufig organisiert. Das gilt z. B. vom Verein, der eine Mitgliederversammlung und einen Vorstand haben muss (BGB §§ 26, 32). Die Mitgliederversammlung beaufsichtigt dabei grundsätzlich die Geschäfte, die der Vorstand führt. Angesichts der Tatsache, dass das Vereinsrecht sehr flexibel ist, kann die Aufsichtsfunktion der Mitgliederversammlung durch die Satzung ausgeschaltet und einem anderen Vereinsorgan ganz oder teilweise zugeordnet werden. Die Stiftungen, die in der Regel kein Organ haben, das mit der Mitgliederversammlung vergleichbar ist, kennen daher die Binnenkontrolle kaum, sondern sind auf die Außenkontrolle angewiesen257. Bei den Aktiengesellschaften ist neben der Hauptversammlung (Mitgliederversammlung) ein Aufsichtsrat zwingend vorgeschrieben (AktG. §§95 ff.). Die dadurch entstehenden Dreistufigkeit der Organisation ist durch die Größe gerechtfertigt, die die AG in aller Regel hat. Sie unterliegt aber auch einer Kritik, weil die Aufsichtsfunktion gespalten und daher u. U. weniger wirksam ist. Die Aufsichtsmöglichkeiten der Hauptversammlung sind gering und vom Gesetzgeber auch nur in dieser Beschränkung beabsichtigt, weil der Gesetzgeber den Aktionären und ihrem Verantwortungsbewusstsein und Sachverstand nicht vertraut hat 258 . Das gilt sowohl in tatsächlicher als auch in rechtlicher Hinsicht. Die Stellung des Aufsichtsrates ist stärker. Wie weit der Aufsichtsrat seine Möglichkeiten nutzt, hängt von der Besetzung des Aufsichtsrates ab. Das System der nebenamtlichen Aufsichtsräte, die 255

Kreditwesengesetz § 6. Lambert Lohr, Körperschafts- und anstaltsinterne Rechts- und Zweckmäßigkeitskontrolle, 1999. 257 Schulte, Staat und Stiftung - Verfassungsrechtliche Grundlagen und Grenzen des Stiftungsrechts und der Stiftungsaufsicht, 1989; Seifart/v. Campenhausen, S. 270ff.; Sebastian Schwintek, Vorstandskontrolle in rechtfähigen Stiftungen bürgerlichen Rechts, 2001. 258 Michael Becker, Verwaltungskontrolle durch Gesellschafterrechte, 1997. 256

VIII. Aufsicht über juristische Personen

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zudem sehr oft noch andere spezielle,firmenfremde Interessen vertreten, macht die Wirksamkeit des Aufsichtsrates zweifelhaft. Ebenso problematisch ist die Übung, abgegangene Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat zu berufen und ihnen auch noch den Vorsitz zu übertragen. Daher besteht mit dem Abschlussprüfer (HGB §§ 316 ff.) ein außerhalb der AG stehendes in der Regel wirksames Aufsichtsorgan. Der Gesetzgeber hat es mit Recht für notwendig gehalten, angesichts der bei der AG (aber auch anderer Gesellschaften) auf dem Spiele stehenden Werte, diese Lösung zu wählen, d. h. für bestimmte Aufsichtsfunktionen und gerade für die wichtigsten auf eine Binnenaufsicht zu verzichten. b) Juristische Personen des öffentlichen

Rechts

Die intrapersonale Aufsicht bei juristischen Personen des öffentlichen Rechts ist im Kern mit der der juristischen Personen des Privatrechts vergleichbar, in den Einzelheiten jedoch in vielen Fällen sehr unterschieden. Bei den Gemeinden und Landkreisen besteht als Gemeinderat und Kreistag ein hierarchisch vorgeordnetes Organ, das Aufsicht auch ausübt; ihm gegenüber ist die Verwaltung verantwortlich. Bei den Landkreisen und den größeren Gemeinden haben wir regelmäßig ein drittes Organ, das zwischen dem Rat (Kreistag) und dem berufsmäßigen Bürgermeister (Landrat) steht, bei den Gemeinden einen Verwaltungsausschuss, Hauptausschuss, Magistrat oder ein ähnliches Organ, bei den Landkreisen den Kreisausschuss. Diese Dreistufigkeit führt zur Doppelstufigkeit der Aufsicht: Der Rat oder Kreistag beaufsichtigt den Magistrat oder den Kreisausschuss, der Magistrat oder Kreisausschuss beaufsichtigt den Bürgermeister oder den Landrat. Dabei ist der Umfang der Aufsichtsbefugnisse sehr unterschiedlich. Im öffentlichen Recht fehlt es weitgehend an einer logischen Konstruktion der Aufsicht. Hier ist vieles historisch gewachsen und durch das politische Kräftespiel bedingt. Dies gilt z. B. für die Hochschulen, bei denen die politischen Einflüsse in den letzten Jahrzehnten besonders stark waren. Zunächst sollte die gesamte Hochschule „demokratisiert" werden, d. h. einer Kontrolle mit den Mitteln von verbindlichen Planungen und gruppenparitätisch besetzten Gremien unterworfen werden. Dies hat nicht die erwarteten Erfolge erbracht. Daher wurde das Planungswesen im HRG alsbald abgeschafft und damit auch die Vorgaben, die Grundlage der Kontrollen sein sollten. Sodann wurde die „Demokratisierung" aufgehoben und auch die Gruppenuniversität relativiert 259 . An Stelle von auch noch in der Gruppenuniversität weitgehend funktionierenden Gremien, die überwiegend aus Fachleuten bestanden, besteht heute die Tendenz, eine Binnenaufsicht in der Universität „Managern" zu 259

G. v. 14.11.1985, BGBl. I S. 2090.

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C. Die juristischen Personen

übertragen, die von der Sache nichts verstehen, aber die Sorge tragen sollen, dass vor allem ökonomische Maßstäbe die Aufsichtspraxis bestimmen, während die durch die Wissenschaftlichkeit und ihre Prinzipien ausgewiesene Sachrichtigkeit zurücktritt. c) Die Größe der beaufsichtigten Person Schon im Ansatz hat die sog. Demokratisierung der Hochschulen gezeigt, dass in großen Körperschaften mit Tausenden von Mitgliedern niemals die Gesamtheit der Mitglieder rationale Kontrollentscheidungen treffen kann. Weil man dies in den Hochschulen versucht hat, wurde die Entwicklung widersprüchlich: Während bei den Professoren die vorher viel zu großen Fakultäten mit z. T. mehr als fünfzig Mitgliedern aufgeteilt wurden und an ihre Stelle kleine Fachbereiche traten, während ferner nicht mehr alle Professoren den Entscheidungsgremien angehörten, sondern nur noch eine Professorenvertretung anstelle der gesamten Professorenschaft; wurden auf studentischer Seite Vollversammlungen einberufen, mit denen die Studentenpolitiker einst erhofften, einen brauchbaren Willenbildungs- und Entscheidungsprozess einleiten zu können. Dass dieses Experiment scheitern musste, war voraussehbar. Kontrolle kann nur funktionieren, wenn sie so ausgestaltet ist, dass rationale Diskussionen über die möglichen Fehler der Kontrollierten stattfinden, d. h. dass in angemessener Zeit alle wichtigen Argumente ausgetauscht, bewertet und zu einem begründeten und einsichtigen Ergebnis geführt werden können. Diese allgemeine Erfahrung zwingt auch in der Aufsichtsfrage zu einer Dezentralisierung, d. h. zur Bildung mehrerer Aufsichtsorgane, die nebeneinander mit begrenzter sachlicher oder örtlicher Zuständigkeit arbeiten. Da einheitliche Aufsichtsergebnisse erwünscht und im Interesse der Autorität der Aufsicht erforderlich sind, ist eine Koordinierung der Aufsicht erforderlich. Für die Rechtsaufsicht mit Hilfe der Gerichte heißt das, dass es neben einander mehrere für die Aufsicht zuständige Spruchkörper geben muss und dass diese eine gemeinsame höhere Instanz haben müssen. Hierbei erfordert die Eigenart der gerichtlichen Rechtsprechung mit ihrer Unabhängigkeit andere Verfahren als die Verwaltung, die hierarchische Vorgesetztenverhältnisse kennt. d) Binnenaufsicht beim Staat Beim Staat fordert die Größe der juristischen Person besondere Organisationsmaßnahmen. Die Grundlage Aufsichtsphilosophie beim Staat liegt in der Lehre von der Gewaltenteilung oder Gewaltenbalance. Die Dreiteilung der Gewalten dient zwar nicht nur, aber zu einem wesentlichen Teil der Aufsicht. Angelpunkt im Aufsichtssystem ist die Stellung des Parlaments gegenüber der Regierung. Das Parlament beruft die Regierung oder doch jedenfalls den Regierungschef. Das Verhältnis

VIII. Aufsicht über juristische Personen

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zwischen Parlament und Regierung wird durch die Parlamentarische Verantwortlichkeit bestimmt, kraft derer die Regierung verpflichtet ist, dem Parlament Rede und Antwort zu stehen. Im äußersten Fall kann das Parlament die Regierung stürzen. Allerdings ist die Aufsicht des Parlaments über die Verwaltung begrenzt. Das Parlament hat gegenüber der Verwaltung keine Anordnungsbefugnis. Das Parlament kann nicht den einzelnen Beamten wegen seiner Fehlleistungen maßregeln. Es kann nur den Minister verantwortlich machen, dessen Sache es ist, welche Konsequenzen er aus der Rüge des Parlaments zieht und ob er überhaupt Konsequenzen zieht. Das führt zu einer weitgehenden Entpolitisierung der Verwaltung. Es ist hier gerade so, dass die begrenzte Aufsichtsmöglichkeit des Parlaments zur Verbesserung der Qualität der Verwaltung führt, weil den Abgeordneten sehr oft die Sachkenntnis fehlt, um Verwaltungsvorgänge zutreffend zu bewerten. Dem Parlament bleiben nur die Mittel der Parlamentarischen Verantwortlichkeit. Dem Parlament steht vor allem das Mittel der Untersuchungsausschüsse zur Verfügung, die Sachverhalte nach den Regeln der Strafprozesse feststellen. Die Möglichkeiten der Parlamente sind in jüngerer Zeit erweitert worden. Der Verteidigungsausschuss des Bundestages hat nach dem GG (Art. 45 a Abs. 2 S. 1) die Rechte des Untersuchungsausschusses erhalten. Ferner gibt es einen Wehrbeauftragten des Bundestags, der die Funktion eines Ombudsmanns hat. Einen allgemeinen Ombudsmann haben die deutschen Parlamente mit Ausnahme des Landes Rheinland-Pfalz nicht bestellt 260 . Die Parlamente pflegen die Aufgaben des Ombudsmanns in der Regel durch die Petitionsausschüsse zu erledigen, die dem Parlament vielfältige Einblicke in das Handeln der Verwaltung geben. Diese Aufsichtsmöglichkeit ist allerdings nicht mit einer Möglichkeit zum Handeln und zur konkreten Abstellung erkannter Missstände verbunden. Im Gegensatz zum Parlament mit seinen begrenzten Aufsichtsmöglichkeiten gegenüber der Exekutive hat die Verwaltungsspitze in der Regel ein allgemeines und grundsätzlich auch vollständiges Durchgriffsrecht gegenüber allen Verwaltungsbediensteten bis hinunter zur untersten Instanz. Das gilt allerdings nur soweit, als nicht aus besonderen Gründen eine Unabhängigkeit bestehen soll wie bei Hochschullehrern, beamteten Ärzten, ehrenamtlichen Kräften in Widerspruchsausschüssen oder Sachverständigengremien. Die Aufsichtsbehörde kann nicht gegenüber Bediensteten tätig werden, die auf Grund von wissenschaftlichen und künstlerischen Urteilen handeln. Dasselbe gilt für qualifizierte Fachurteile, deren Richtigkeit der fachlich nicht qualifizierte Vorgesetzte nicht anzweifeln darf. Er darf aber einen anderen Sachverständigen heranziehen. Hat er zwei sich widersprechende Fachgutachten, kann er wählen, welchem Gutachten er folgen will. Bei der Aufsicht innerhalb der Verwaltung kommt es darauf an, wer Vorgesetzter ist. Das Recht geht davon aus, dass der Vorgesetzte von der Sache mehr versteht und 260

G. v. 13.5.1974, GVB1. S. 187.

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deshalb das Sagen hat. Dies ist in der Wirklichkeit nicht immer so. Deshalb hat das Beamtenrecht ein besonderes Remonstrationsrecht geschaffen, das dem Beamten erlaubt, seinem Vorgesetzten seine Bedenken gegen eine Handlung, die ihm aufgetragen ist, vorzubringen. Besteht der Vorgesetzte auf der Durchführung seiner Anordnung, so kann der Beamte den nächsthöheren Vorgesetzten anrufen, der endgültig entscheidet und damit die Verantwortung übernimmt (BRRG § 38; BBG § 56). Der Vorgesetzte kann seine Weisungen durchsetzen, indem er dem unwilligen Beamten die Zuständigkeit entzieht und einen anderen Beamten mit der Ausführung beauftragt. Er kann auch ein Disziplinarverfahren in Gang setzen, indem er den Vorgang beim Dienstvorgesetzten anzeigt und ein solches Verfahren beantragt. Für die Einleitung des Disziplinarverfahrens und für andere personalrechtliche Konsequenzen sind allein die Dienstvorgesetzten, nicht dagegen jeder Vorgesetze zuständig261. Dienstvorgesetzte sind grundsätzlich alle Behördenleiter und deren ständige Vertreter sowie die Leiter und deren Vertreter in den vorgesetzten Behörden. Daneben können weiteren Beamten die Funktionen der Dienstvorgesetzten übertragen werden. Mit der Unterscheidung von Dienstvorgesetzten und Vorgesetzten wird eine besondere Aufsichtstechnik eingesetzt. Für die Binnenaufsicht in den Behörden fällt den Personalräten eine wichtige Rolle zu. An allen personalrechtlich wesentlichen Maßnahmen sind die Personalräte zu beteiligen262. Vielfach - bundes- und landesrechtlich unterschiedlich - haben sie bei bestimmten Maßnahmen ein Mitbestimmungsrecht, d. h. es können vom Dienstvorgesetzten gewisse Maßnahmen nicht getroffen werden, wenn der Personalrat nicht zustimmt. Der Personalrat nimmt damit einerseits eine besondere Form der Aufsicht zugunsten des Bediensteten gegenüber dem Dienstvorgesetzten wahr. Auch die Gerichte als „Dritte Gewalt" haben eine der Sache nach Aufsichtsfunktion gegenüber der Verwaltung. Allerdings gilt das für die Zivilgerichte nur ausnahmsweise, z. B. in Amtshaftungsprozessen (GG Art. 34 Satz 3), weil die Zivilgerichte in erster Linie den Rechtsfrieden unter den Bürgern sichern sollen. Ebenso wenig haben die Strafgerichte eine Aufsichtsfunktion gegenüber der Verwaltung, weil sie die staatliche Strafgewalt gegenüber den Bürgern wahrnehmen. Auch hier bestehen Ausnahmen, soweit Amtsdelikte in Frage stehen (StGB §§ 331 ff.). Eine Aufsichtsfunktion haben dagegen die Verwaltungsgerichte aller Sparten (einschließlich der Sozial- und Finanzgerichte), ferner weitgehend die Verfassungsgerichte. e) Aufsicht durch Hierarchie Der wichtigste Form der Binnenaufsicht ist die Hierarchie in der einzelnen juristischen Person. Das hierarchische System ist entscheidende Voraussetzung für die 261 Wegen des Unterschiedes dieser beiden Begriffe vgl. BBG § 3 Abs. 2. Bundespersonalvertretungsgesetz §§69 ff.

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VIII. Aufsicht über juristische Personen

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Qualität einer Organisation. Dies gilt in gleicher Weise für öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Organisationen. Hierarchie heißt nicht, dass die Aufsicht durch die Vorgesetzten ständig ausgeübt werden müsste. Jede Aufsicht kann nur fallweise und selektiv verwirklicht werden. Auch können allzu scharfe hierarchische Strukturen und Aufsichtspraxen eher leistungsmindernd wirken als leistungsfördernd. Aber die Hierarchie muss im Hintergrund vorhanden sein, um bei Fehlverhalten oder in Konfliktfällen eingreifen zu können. Hierarchie lässt sich im Bild als Über- und Unterordnung darstellen. Es gibt verschiedene hierarchische Funktionen. Dies sind: Anspruch auf Information durch Bericht oder eigene Einsichtnahme des Vorgesetzten, Beanstandung, Aufhebung und Ersetzung von Entscheidungen, Weisungen, Entscheidung über Beschwerden, Zuweisung und Kürzung von Mitteln, personale Maßnahmen wie Auszeichnung und Tadel, Belohnung, Unterstellung unter eine Sonderaufsicht, Versetzung und Absetzung, Verminderung des Ranges und Entlassung. Diese unterschiedlichen Funktionen, die zur Hierarchie gehören, lassen sich einzeln oder verbunden einsetzen und einer oder mehreren hierarchisch vorgesetzten Stufen zuordnen. Dieser weite Begriff der Hierarchie kommt vielfach in den juristischen Personen vor. Neben der allgemeinen Linienorganisation, die jede juristische Person zu haben pflegt, gibt es in den juristischen Personen auch funktional beschränkte Hierarchien, so der Beauftragten für den Haushalts (BHO § 9) oder Widerspruchsausschüsse 263 in einer Behörde, oder der Aufsichtsrat in einer AG oder einer GmbH, in gewisser Beziehung auch der Betriebsrat in einer Firma.

4. Außenaufsicht a) Aufsicht über Private Möglich ist die öffentlich-rechtliche Aufsicht als allgemeine Jedermanns-Aufsicht. Beispiele hier für sind die Aufsicht des Ordnungsamtes wegen Verletzung oder Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Rahmen der allgemeinen Gefahrenabwehr 264, die Bauaufsicht 265, die Gewerbeaufsicht (GewO § 139 b), die Aufsicht des Jugendamts266, die Bankenaufsicht (KWG §§ 32ff.), der Aufsicht der Kartellbehörden (GWB §§44ff.). Diese allgemeine Aufsicht ist grundsätzlich keine Frage des Rechts der juristischen Personen, sondern betrifft auch natürliche Personen 267. 263 264 265 266 267

Hmb. VO. über Widerspruchsausschüsse v. 24.3.1987, GVB1. S. 85. Z.B. Nds. Gefahrenabwehrgesetz v.20.2.1998, GVB1.101, § 1. Z.B. Hmb. BauO. §§58ff. SGB VIII, insb. §§42ff.; Jugendschutzgesetz v. 25.2.1985, BGBl. I S. 425. Dirk Ehlers , Ziele der Wirtschaftsaufsicht, 1997.

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Allerdings besteht nach Vereinsrecht eine Aufsicht über politische Vereine, die u. U. bis zum Vereinsverbot reicht 268 . Ferner gibt eine Vereinsaufsicht in steuerrechtlicher Hinsicht, wenn die Vereine als gemeinnützig anerkannt worden sind. Eine Sonderstellung nehmen die Stiftungen ein. Für sie ist nicht die Zweistufigkeit der Organisation vorgeschrieben. Pflichtorgan ist nur der Vorstand (BGB § 86 i.V. m. § 26 Abs. 1). Möglich ist etwa ein Kuratorium, das den Vorstand beaufsichtigt. Angesichts der Fehlens derartiger Organe in vielen Stiftungen hat der Staat auf Grund landesrechtlicher Bestimmungen eine Stiftungsaufsicht eingerichtet, die die Verfolgung der Stiftungszwecke und die satzungsgemäße Verwendung der Stiftungsmittel beaufsichtigt. Eine Außenaufsicht findet vor allem bei größeren privaten juristischen Personen statt. Am wichtigsten ist die Aufsicht über die Aktiengesellschaften, die durch die Pflichtprüfung der Wirtschaftsprüfer wahrgenommen wird (HGB §§ 316 ff.). Inwieweit dieses System - zusammen mit den Aufsichtsräten als Stück der Binnenkontrolle - ausreicht, ist streitig. Eine besondere Form der Außenaufsicht ist die Prüfung der Genossenschaften durch besondere genossenschaftliche Betreuungsverbände (Prüfungsverbände, GenG §§53ff.).SiesindinersterLinieBeraterderGenossenschaften,aberjuristischvorallem Revisoren. Die Revisionen dienen nicht nur der Genossenschaft als solcher, sondern auch den einzelnen Genossen, die ihr Geld in die Genossenschaft gesteckt haben, weitgehend aber auch in ihrem Geschäftsbetrieb von dem das Funktionieren der Genossenschaften als Lieferanten, Kunden, Kreditinstitute abhängig ist. Das Gesetz legt Normativvorschriften für die Prüfungsverbände fest, die nur als Revisoren für die ihrem Verband angehörenden Genossenschaften tätig werden dürfen. Die Genossenschaften müssen einen Revisor haben, sind allerdings nicht verpflichtet, einem Betreuungsverband anzugehören. Die Verbände üben eine öffentliche Aufgabe aus. Daneben besteht eine Staatsaufsicht, die ihrerseits die Prüfungsverbände beaufsichtigt (GenG § 64).

b) Aufsicht über juristische Personen des öffentlichen Rechts 269 Bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts spielt die interpersonale Aufsicht eine wesentlich größere Rolle. Diese Personen unterliegen einerseits grundsätzlich der allgemeinen Aufsicht, der auch die Privatpersonen unterstehen. Andererseits besteht gegenüber den juristischen Personen des öffentlichen Rechts 268

Vereinsgesetz, §§3ff. Wolfgang Kahl, Die Staatsaufsicht, 2000; Eberhard Schmidt-Aßmann/Wolfgang mann-Riem, Verwaltungskontrolle, 2001. 269

Hojf-

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als Teilen der mittelbaren Staatsverwaltung eine allgemeine Körperschaftsaufsicht zur Sicherung der Erfüllung der öffentlichen Aufgaben. Diese Körperschaftsaufsicht trifft in erster Linie solche juristischen Personen, die Selbstverwaltung besitzen. Der Begriff der Selbstverwaltung ist durch das Kommunalrecht in das deutsche Verwaltungsrecht gelangt270. Die mit Selbstverwaltung ausgestatteten juristischen Personen des öffentlichen Rechts unterliegen einer Aufsicht durch staatliche Aufsichtsbehörden. Es handelt sich hierbei aber regelmäßig nur um eine Rechtsaufsicht, d. h. Aufsicht über die Rechtmäßigkeit des Handelns der Körperschaft 271. Dagegen fehlt bei der Körperschaftsaufsicht gegenüber juristischen Personen, die mit dem Recht auf Selbstverwaltung ausgestattet sind, grundsätzlich die Fachaufsicht, d. h. die Möglichkeit der Aufsichtsbehörde, die Unzweckmäßigkeit einer Maßnahme zu rügen. Selbstverwaltung ist gewissermaßen das Recht, auf eigene Kosten Fehler zu machen. Neben der Kommunalaufsicht ist die Aufsicht über die Träger der sozialen Selbstverwaltung ein klassischer Fall der Unterscheidung von Fach- und Rechtsaufsicht (§§ 87ff. SGB IV). Weniger an das klassische Modell dieses Dualismus hält sich die Aufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten. Das Problem besteht hier in der Tatsache, dass das GG die Rundfunkfreiheit garantiert hat (Art. 5 Abs. 1 Satz 2), die durch Aufsichtsmaßnahmen gegenüber den Rundfunkanstalten tangiert werden kann. Dies führt zu einer inhaltlich stark beschränkten Staatsaufsicht 272. Ähnliche Probleme bestehen bei den Hochschulen, die durch einen Teil ihrer Organe wissenschaftliche Entscheidungen treffen müssen und insoweit keiner Kontrolle durch staatliche Instanzen unterliegen, sondern nur der Binnenkontrolle durch wissenschaftlich legitimierte Organe. Nach HRG § 59 unterliegen die Hochschulen daher grundsätzlich nur einer staatlichen Rechtsaufsicht. Allerdings können die Länder eine weitergehende (d. h. Zweckmäßigkeits-)Aufsicht einführen, soweit die Hochschulen staatliche Aufgaben wahrnehmen. Daher hängt hier alles davon ab, was die Länder als staatliche Aufgaben bezeichnen. Insbesondere gilt dies für Haushaltsfragen, weil die wissenschaftliche Machbarkeit bestimmter Forschungsprojekte sich stets nach dem zur Verfügung gestellten staatlichen Geldern richtet. Auch soweit nur eine Rechtsaufsicht besteht, kann der Staat vielfach durch Zweckmäßigkeitserwägungen in die Selbstverwaltung eingreifen. Für die Kommunalverwaltung gilt das vor allem durch die für die Gemeinden bindende Ziele der Raumordnung, die keinen normativen Charakter haben (BauGB § 1 Abs. 4 i.V. m. ROG §§4f.). Die Raumordnungspläne sind nicht normative Festlegungen durch die Exekutive (insb. durch die Landesregierungen). 270

Forsthoff, ; S. 523 ff.; Uwe Lübking/Klaus Vogelsang , Die Kommunalaufsicht, 1998. Thomas Oppermann, Staatliche Aufsicht, in: Hdb. WissR. 2. Aufl. S. 1107 ff. 272 Bernhard Frye , Die Staatsaufsicht über die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten, 2001; Dieter Dörr , Umfang und Grenzen der Rechtsauf sieht über die Deutsche Welle, 2000. 271

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Weiter bestehen insofern Ausnahmen von dem Prinzip der reinen Rechtsaufsicht, als zugunsten der Aufsichtsbehörde bestimmte Genehmigungsvorbehalte bestehen. Gerade in der gemeindlichen Finanzwirtschaft ist die Zahl der Möglichkeiten erheblich, den Selbstverwaltungskörperschaften Vorschriften zu machen, die nicht Rechtsvorschriften im engeren Sinne sind 273 . Zu unterscheiden ist im Bereich der Selbstverwaltungskörperschaften zwischen den eigenen und den vom Staat übertragenen Aufgaben. Soweit der Staat sich bestimmte Aufgaben als seine Aufgaben vorbehält und den Selbstverwaltungskörperschaften nur zur Erledigung überlässt, bleiben es im Grunde staatliche Aufgaben; in diesem Bereich hat der Staat ein volles Durchgriffsrecht, d. h. er kann die Unzweckmäßigkeit und nicht nur die Rechtswidrigkeit einer Maßnahme rügen. Dieses Durchgriffsrecht endet bei den personellen und organisatorischen Maßnahmen, d. h. insbesondere bei der Frage, welchem Beamten die Selbstverwaltungskörperschaft die Erledigung einer bestimmten Aufgabe übertragen will. Allerdings gibt es hier als letztes Mittel staatlicher Aufsicht die Möglichkeit der Einsetzung von Beauftragten (Staatskommissare), die gegenüber der Aufsichtsbehörde weisungsgebunden sind, selbst wenn es sich um Bedienstete der Selbstverwaltungskörperschaft handelt. Die Staatsaufsicht muss auch mit einem bundesstaatsrechtlichen Problem fertig werden. Die Verwaltung wird grundsätzlich durch die Länder wahrgenommen. Daher sind grundsätzlich auch die Selbstverwaltungskörperschaften landesmittelbare juristische Personen. Diese sind weitgehend in Landes- und in Bundesverbänden zusammengeschlossen. Soweit es sich um freiwillige Zusammenschlüsse ohne gesetzliche Grundlage handelt, wie bei den Verbänden der Kommunen und der Hochschulen tritt dieses Problem nicht auf. Soweit es sich aber um bundesrechtlich angeordnete Verbände handelt wie im Bereich der Sozialversicherung 274, nimmt der zuständige Bundesminister die Aufsicht über den Bundesverband wahr, sodass hier ein Fall der Mischverwaltung entsteht. Im Handwerksbereich hat der Gesetzgeber eine andere Lösung gefunden und dem Bundesminister für Wirtschaft nur bestimmte Genehmigungsrechte, nicht aber eine Aufsicht gegenüber den Bundesinnungsverbänden gegeben (HwO § 85). Hier besteht noch eine weitere Eigenart. Die Landes- und Bundesinnungsverbände sind juristische Personen privaten Rechts, die die Rechtsfähigkeit durch staatliche Genehmigung erlangen (HwO § 80 Satz 1).

IX. Die Besteuerung der juristischen Personen Juristische Personen als Konstrukte der Juristen unterstehen auch im Steuerrecht weitgehend einer anderen rechtlichen Regelung als die natürlichen Personen. Es 273

Z. B. NGO §§ 86, 92 Abs.4 bis 7, 93 Abs. 5 Satz 2, 94 Abs. 2,97 Abs. 3. Z.B. Krankenkassenverbände, §§207ff. SGB V; Verband der Rentenversicherungsträger, § 146 Abs. 4 SGB VI. 274

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gibt - und muss geben - ein besonderes Steuerrecht der juristischen Personen. Dieser These wird im folgenden nachgegangen. Sie wird anhand einiger ausgewählter wichtiger Steuerarten belegt. Welche wirtschaftliche Bedeutung das Steuerrecht der juristischen Person hat, zeigt sich z. B. bei den steuerlichen Vorschriften für die offene Handelsgesellschaft und für die Stiftung. Wenn hier gesagt wird, dass es für die juristischen Personen ein besonderes Steuerrecht gibt, so ist dies nicht ganz exakt. Das Steuerrecht arbeitet für die juristischen Personen mit dem Begriff der Körperschaft, der weder mit dem Begriff der Körperschaft des öffentlichen Rechts übereinstimmt, noch mit dem des juristischen Person. Immerhin trifft der Körperschaftsbegriff des Steuerrechts im Kern die juristische Person. Das Steuerrecht bestätigt damit einmal mehr die hier aufgestellte These von der Eigenschaft der juristischen Person als einer reinen Zweckschöpfung, die unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten nicht voll durchgehalten wird. Es ist dabei aber zu betonen, die Abweichung von der Grenzziehung des allgemeinen Personenrechts geringfügig ist, dass sich diese Abgrenzung auch im Steuerrecht im wesentlichen bewährt hat.

1. Körperschaftsteuer Dass die juristische Person auch im Steuerrecht gegenüber den natürlichen Personen grundlegend anders geregelt ist, dass hier ein Bedarf besteht, die beiden Arten der Personen ihrer Eigenart entsprechend zu behandeln, zeigt das Einkommensteuerrecht, dass für die „Körperschaften" anstelle des EStG ein besonderes Körperschaftsteuergesetz (KStG) geschaffen worden ist. Während das EStG ausdrücklich nur die natürlichen Personen der Besteuerung nach diesem Gesetz unterwirft (§ 1 Abs. 1), beschränkt sich das Körperschaftsteuergesetz nicht nur auf die juristischen Personen, sondern besteuert auch Nichtpersonen, insbesondere nichtrechtsfähige Vereine, Anstalten, Stiftungen und andere Zweckvermögen (§ 1 Abs. 1). Das Steuerrecht will damit alle Wirtschaftssubjekte erfassen, die einen eigenen Betrieb haben und daraus Einkünfte erzielen. Es sollen wirtschaftende Zusammenschlüsse und Vermögensmassen, die wirtschaftlich von ihren Eigentümern getrennt sind, nicht unbesteuert bleiben. Das Steuerrecht interessiert weniger die Rechtsform eines Wirtschaftssubjekts als die wirtschaftlichen Zusammenhänge. Das KStG spricht hierbei von Körperschaften und meint damit alle jurisitschen Personen, Personenvereinigungen und Vermögensmassen (AbgO § 51). Das KStG bezieht als Steuerpflichtige auch juristische Personen des öffentlichen Rechts mit ein. An sich wird die hoheitliche Tätigkeit nicht besteuert. Die Bewirtschaftung der öffentlichen Haushalte und die evtl. Erwirtschaftung von Überschüssen bei dieser Tätigkeit kommt als Einkommen im steuerrechtlichen Sinne nicht in Be1*

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tracht. Dass hoheitsrechtlich handelnde juristische Personen nicht zu einer Ertragsoder Gewinnsteuer herangezogen werden können, erscheint insoweit selbstverständlich, als sie ihre Einkünfte aus öffentlich-rechtlichen Abgaben, sei es direkt (Steuern, Beiträge, Gebühren), sei es indirekt, aus Zuweisungen aus dem staatlichen oder kommunalen Haushalt beziehen. Lediglich diejenigen juristischen Personen, die einen Gewerbebetrieb unterhalten, die ihre Einnahmen aus gegen Entgelt erwirtschafteten Leistungen erzielt haben, können als einkommenssteuer- bzw. körperschaftsteuerpflichtig behandelt werden. § 4 KStG trifft hierzu die Abgrenzung im einzelnen. Soweit die öffentliche Hand durch juristische Personen des öffentlichen Rechts eine wirtschaftliche Tätigkeit entfaltet, wird sie grundsätzlich nicht anders als juristische Personen des Privatrechts behandelt. Das fordert schon die Wettbewerbsneutralität des Staates gegenüber der freien Wirtschaft. Allerdings ist die Land- und Forstwirtschaft der öffentlichen Hand von der Besteuerung ausgenommen (KStG §4). KStG § 5 enthält weiter eine lange Liste von öffentlich-rechtlichen Unternehmen, die eine wirtschaftliche Tätigkeit entfalten, die aber trotzdem von der Körperschaftsteuer befreit sind. Diese Liste zeigt, dass es keine klare Systematik der Abgrenzung zwischen der privaten und der öffentlichen Tätigkeit gibt. Öffentliche und private Aufgaben lassen sich offensichtlich nicht durch feste Abgrenzungsmerkmale gegen einander trennen. Ob die Abgrenzung, die der Gesetzgeber im Steuerrecht gefunden hat, wirklich angemessen, wirtschaftlich sinnvoll und steuerpolitisch gerecht ist, ist daher zu bezweifeln. Denn die Gewinne der öffentlichen Betriebe, die der Besteuerung unterworfen werden, fließen ohnehin der öffentlichen Hand zu. Die Besteuerung öffentlicher Betriebe verringert insoweit zunächst die öffentlichen Einnahmen. Sie verteilt sie aber auch um, weil z. B. die Körperschaftsteuern, die kommunale Betriebe zahlen, dem Bund und den Ländern zufließen, zum Teil durch den kommunalen Finanzausgleich an die Kommunen zurückfließen, freilich nicht an die zahlende Gemeinde, sondern weitgehend an alle Gemeinden. Die Rechtfertigung der Regelung liegt im Gedanken eines gerechten Wettbewerbs. Soweit die Betriebe der öffentlichen Hand mit privaten Unternehmen im Wettbewerb stehen, müssen sie in gleicher Weise wie diese besteuert werden, weil die gezahlten Steuern ein erheblicher Kostenfaktor ist, dessen Nichterhebung wettbewerbsverzerrend wirken würde. 2. Gemeinnützigkeit Bestimmte Zwecke, die gemeinnützig sind, werden steuerrechtlich begünstigt. Praktisch bedeutet das, dass Zuwendungen, die zugunsten gemeinnütziger Körperschaften gemacht werden, als Sonderausgaben von den zu versteuernden Einkünften abgezogen werden dürfen (EStG § 10 b). Als gemeinnützig werden Zuwendungen an Körperschaften anerkannt, deren Tätigkeit darauf gerichtet ist, auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbst-

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los die Allgemeinheit zu fördern (AbgO § 52 Abs. 1). Der Körperschaftsbegriff dieser Vorschriften entspricht dem des KStG. Er umfasst also nicht nur Körperschaften im engeren Sinne, sondern grundsätzlich alle juristischen Personen sowie nicht rechtsfähige Vereinigungen, die an sich körperschaftsteuerpflichtig sind. Die Zahl der Zwecke, die als gemeinnützig gilt, ist erheblich. Sie umfasst u. a. Wissenschaft, Forschung, Bildung, Erziehung, Kunst, Kultur, Religion, Völkerverständigung, Entwicklungshilfe, Jugendhilfe, Sport, Tierzucht, Pflanzenzucht, traditionelles Brauchtum einschließlich des Karnevals, ferner mildtätige und kirchliche Zwecke (§§52 bis 54 AbgO). Die Förderung gemeinnütziger Körperschaften ist Ausdruck einer Entwicklung, in der der Staat und die anderen juristischen Personen des öffentlichen Rechts nicht mehr in der Lage sind, alle öffentlichen Aufgaben zu erfüllen, sondern die Mithilfe privater Organisationen bei der Erfüllung vieler öffentlicher Aufgaben benötigt und daher über das Mittel der Steuervergünstigung wirksam fördert. Dies setzt sich im Rahmen der Privatisierung insoweit fort, als auch Träger der öffentlichen Aufgaben, die in der Hand von Staat und Kommunen stehen, aber in privater Form geführt werden, als Zuwender zugunsten gemeinnütziger Zwecke in Betracht kommen 275 .

3. Die Besteuerung von Stiftungen 276 Stiftungen sind nicht nur Vermögensmassen, die ein hochherziger Stifter für einen gemeinnützigen Zweck zur Verfügung stellt, indem er sich von diesem Vermögen trennt und es nicht mehr für sich nutzt. Stiftungen können auch aus sehr eigennützigen Gründen errichtet werden. Die Verfassung der Stiftung kann so angelegt sein, dass der Stifter keineswegs die Verfügung über das Stiftungsvermögen verliert. Vor allem kann in der Errichtungsurkunde bestimmt werden, dass die Erträgnisse der Stiftung dem Stifter und seiner Familie einschließlich aller Nachkommen bis in die Ewigkeit zugute kommen sollen (Familienstiftung). Die Stiftung ermöglicht daher wegen ihrer „Unsterblichkeit", die Erbschaftsteuer zu vermeiden. Deshalb bezieht das Erbschaftsteuergesetz auch das Stiftungsvermögen von Familienstiftungen in seinen Geltungsbereich ein (ErbStG § 1 Abs. 4 Nr. 4). Steuerrechtlich sind Stiftungen auch insofern interessant, als die Zuwendungen an Stiftungen unter bestimmten Voraussetzungen steuerbegünstigt sind. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 16 b ErbStG sind Zuwendungen von Todes wegen von der Erbschaftsteuer befreit. Dies gilt übrigens nicht nur für die Zuwendungen an Stiftungen, sondern auch an sonstige gemeinnützige Körperschaften.

275 Roman M. SeerlChristian Wolsztynski , Steuerrechtliche Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand, 2002. 276 Seifart/v. Campenhausen, S. 661 ff.

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C. Die juristischen Personen

4. Gewerbesteuer Die Gewerbesteuer ist eine Steuer, die vor mehr als hundert Jahren als Gemeindesteuer zunächst in Preußen eingeführt worden ist, um den Gemeinden eine sichere, wenig konjunkturabhängige Einnahmequelle zu verschaffen. Dieser Sinn der Gewerbesteuer ist heute zweifelhaft geworden. Da die Gewerbekapitalsteuer als ein Zweig der Gewerbesteuer weggefallen ist (GewStG §§ 12,13), ist die Gewerbesteuer praktisch eine reine Ertragsteuer geworden 277. Anknüpfungspunkt für die Besteuerung (Steuerobjekt) sind nicht einzelne Personen, sondern Gewerbebetriebe. Personenrechtlich ist die Gewerbesteuer insofern interessant, als die Besteuerung der Gewerbebetriebe bestimmte Personen von der Steuer befreit. Auch hier hat der Gesetzgeber - ähnlich wie beim KStG - eine lange Liste von Befreiungen aufgestellt (GewStG § 3), die in ihrer Sinnhaftigkeit nicht in jedem Punkt voll nachzuvollziehen ist. Da die Gewerbesteuer trotz ihres Steuerobjekts eine einkommensteuer-ähnliche Steuer geworden ist, liegt es nahe, die öffentliche Hand von der Steuer zu befreien. Allerdings ist die Problemlage hier sehr viel anders, weil große staatliche Betriebe in einigen Gemeinden die größten Gewerbebetriebe und zugleich die größten Arbeitgeber sind, die den kommunalen Bedarf an Schulen, Krankenhäusern und sonstigen öffentlichen Einrichtungen hervorrufen und daher auch zu den kommunalen Steuern mit herangezogen werden müssen. 5. Umsatzsteuer Das Umsatzsteuerrecht, das eine Verkehrssteuer regelt, knüpft hinsichtlich der Besteuerung nicht an den Personenbegriff an, sondern an den Begriff des Unternehmers. Bei der heutigen Mehrphasen-Besteuerung kommt es darauf an zu klären, wann ein zu besteuernder Vorgang vorliegt. Dass ein solcher nicht vorliegt, wenn in einem Unternehmen Lieferungen und Leistungen von einer Abteilung an eine andere Abteilung erfolgen, ist zweifelsfrei. Verbundenen Unternehmen werden einem Großunternehmen mit mehreren Abteilungen gleichgestellt. Das Umsatzsteuerrecht hat hierzu den Begriff der „Organschaft" gebildet. Liegt ein solcher Fall der Organschaft vor, werden die einzelnen juristisch selbständigen Unternehmen wie ein einziges Unternehmen behandelt (UStG § 2).

277 Die steuersystematische Zuordnung der Gewerbesteuer zu den Realsteuern ändert nichts daran, weil die Steuermeßbeträge im wesentlichen aus den Einkünften der Gewerbetreibenden abgeleitet werden, GewStG §11.

X. Umwandlung juristischer Personen

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X. Umwandlung juristischer Personen 1. Allgemeines Jede juristische Person ist einem bestimmten Rechtstyp zugeordnet, der für fast alle juristischen Personen durch Gesetz festgelegt ist. Diese Zuordnung erfolgt nicht zufällig, sondern ist Ergebnis einer bewussten Auswahl unter der begrenzten Anzahl rechtlich möglicher Typen. Die Auswahl der Gründer von juristischen Personen erfolgt in der Regel unter dem Gesichtspunkt einer Nutzenoptimierung. Da für die juristischen Personen der numerus clausus an Arten und Formen gilt, können die Gründer und später die zuständigen Organe die innere Verfassung und Gestalt zwar durch eine Satzung oder durch ein ähnliches Instrument selbst prägen und auch ändern, aber immer nur innerhalb der Grenzen, die ihnen das Gesetz für den gewählten Formtypus zieht 278 . Vor allem können sie nicht ohne weiteres in das Gewand einer anderen Art von juristischen Personen schlüpfen. Im Laufe der Entwicklung kann es sich aber ergeben, dass die ursprüngliche Wahl des Typus nicht mehr dem erwarteten oder möglichen Optimum entspricht und die Entscheider über den zu wählenden Typus der juristische Person einen Vorteil in einem Typenwechsel sehen. Es entspricht einer praktischen Notwendigkeit, dass diesem Bedürfnis auf Umwandlungen vom Gesetzgeber stattgegeben wird. So kann eine prosperierende GmbH vor der Notwendigkeit stehen, ihr Kapital erheblich aufzustocken, was nur dadurch möglich ist, dass sie sich an den Publikums-Kapitalmarkt wendet, d. h. Aktien ausgibt. Das aber setzt eine Umwandlung der GmbH in eine Aktiengesellschaft voraus. Selbstverständlich muss bei diesem Vorgang die Identität der juristischen Person erhalten bleiben. Denn nur wenn diese Identität erhalten bleibt, ist sicher gestellt, dass die Gläubiger der ehemaligen GmbH wissen, an wen sie sich halten können, und die Schuldner wissen, dass der von ihnen Erfüllung fordernde Gläubiger wirklich derjenige ist, an den sie zu zahlen haben. Ein solcher Formenwechsel ändert die Rechtslage oder mindestens die Interessenlage der an der juristischen Person beteiligten oder ihr gegenüber berechtigten und verpflichteten Personen zuweilen erheblich. Bei Personen, die Vermögensmassen repräsentieren, sind auch die Destinatäre betroffen. Weiter wird durch die Umwandlung vielfach auch die Stellung der Organe und deren Mitglieder verändert. Vor allem aber sind Dritte als Gläubiger der juristischen Person betroffen. Schließlich verändern sich die Haftungsrisiken und die Handlungsmöglichkeiten279. Die Rechtsordnung kann daher die Umwandlung in einen anderen Rechtstyp nicht beliebig freigeben. Sie hat vielmehr für die Fälle der Umwandlung bestimmte 278

York Schnorbus , Gestaltungsfreiheit im Umwandlungsrecht, 2001. Stefan Gutheil , Die Auswirkungen von Umwandlungen auf Unternehmerverträge nach §§ 291, 292 AktG und die Rechte der außenstehenden Aktionäre, 2001. 279

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C. Die juristischen Personen

Regelungen vorzugeben, die den erforderlichen Schutz der Beteiligten gewährleisten. Dabei ergeben sich Abwägungsprobleme, die bei den unterschiedlichen Rechtstypen der juristischen Personen unterschiedlich zu treffen sind. Bei der Umwandlung wird das jeweils für die Person maßgebliche rechtliche Regime gewechselt, während die „personale" Identität erhalten bleibt. Anstelle des GmbHG soll z. B. das AktG angewandt werden. In gewissem Maße ist ein Wechsel des Regimes möglich, ohne dass es besonderer gesetzlicher Vorsorge bedarf, soweit nämlich durch Satzungsänderung die Rechtslage der Beteiligten geändert werden kann. Bei der Umwandlung geht es meistens um grundsätzlichere Fragen, um die Eröffnung rechtlicher Möglichkeiten, die jeweils mit den einzelnen Rechtformen der juristischen Person verbunden sind. Es geht in erster Linie um den Schutz der Beteiligten, vor allem um den Schutz der Gesellschafter. Daher hat das Umwandlungsgesetz besondere Vorschriften vor allem für die Form und das Verfahren der Umwandlung geschaffen Das heutige Recht trifft mit dem neuen, umfangreichen, mehr als 300 Paragraphen umfassenden Umwandlungsgesetz280 Vorsorge für fast alle Fälle der möglichen Umwandlung. Es werden zahlreiche Fälle der Umwandlung positiv geregelt. In diesen Fällen bleibt die juristische Person bestehen, sie wird nur dem Regime eines anderen Gesetzes, einer anderen Rechtsform unterstellt 281. Daneben sind die besonderen aktienrechtlichen Umwandlungsvorschriften bestehen geblieben (AktG §§ 362 bis 392). Bei den gesetzlichen Vorschriften handelt es sich teilweise um technische Verfahrensfragen Allerdings bringt das Gesetz auch zahlreiche materielle Bestimmungen, die vor allem dem Schutz der Beteiligten dienen. UmwG § 1 benennt die folgenden Fälle: 1. die Verschmelzung, 2. die Spaltung (Aufspaltung, Abspaltung, Ausgliederung), 3. die Vermögensübertragung und 4. den Formenwechsel. Die Umwandlungsproblematik geht im Grunde noch weiter, weil es zahlreiche umwandlungsähnliche Vorgänge im Gesellschaftsrecht gibt. Der Gesetzgeber hat das neue UmwG zum Anlass genommen, auch sie zu regeln, so z. B. die Erhöhung des Stammkapitals von GmbH'en durch Umwandlung von Rücklagen (GmbHG §§ 57 c ff.) und bestimmte Fragen der Unternehmensverträge (AktG §§ 293). Doch geht es hier nicht um dieses Problem. Es geht darum, dass entweder aus mehreren (mindestens zwei) juristischen Personen eine juristische Person wird, 280

V. 28.10.1994, BGBl. I S. 3210. Joachim Hennrichs, Formwechsel und Gesamtrechtsnachfolge bei Umwandlungen - einschließlich Verschmelzung und Spaltung, 1995; Wolf Hendrik Zürbig, Der Formen Wechsel einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft, 1999. 281

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oder dass aus einer juristischen Person mehrere juristische Personen werden. Dieser Vorgang ruft eine große Zahl von Rechtsfragen hervor. Insbesondere sind dabei immer auch Dritte betroffen. Betroffen sind in erster Linie die Mitglieder der juristischen Personen, die durch derartige Veränderungen Rechte gewinnen oder verlieren können. Betroffen sind auch Außenstehende, denen die sich verschmelzenden und teilenden Personen haften. Darum kann es nicht allein Sache der zuständigen Organe der juristischen Personen sein, eine Teilung oder Verschmelzung vorzunehmen. Der Schutz Dritter ist eine Aufgabe, die der Gesetzgeber zu leisten hat, indem er die Fragen der Teilung und Verschmelzung jedenfalls im Grundsatz regelt, indem er insbesondere Schutznormen eingeführt. Dies ist im Privatrecht weitgehend geschehen, z.B. im AktG§§363ff. Das Umwandlungsrecht betrifft nur in sehr geringem Umfang die Umwandlung juristischer Personen des öffentlichen Rechts. Aber auch für sie besteht ein Bedürfnis zur Umwandlung, wenngleich aus anderen Gründen und in anderer Weise. Die einschlägigen Fragen ergeben sich für sie vor allem aus dem Landesrecht. 2. Der Formwechsel a) Privatrecht Das Problem des Formwechsels ließe sich im Privatrecht für die Kapitalgesellschaften teilweise auch durch die allgemeine Haftungsregelung bei Vermögensübernahmen regeln, ohne dass es der Umwandlungsbestimmungen bedürfte. Das BGB hatte hierfür auch Vorsorge getroffen (§419). Nach Aufhebung dieser Vorschrift ist daher eine positive Regelung über die Umwandlung vonnöten. Der Gesetzgeber hat diesem Bedürfnis entsprochen und sie teilweise im AktG (§§ 362-393), teilweise im Umwandlungsgesetz bereit gestellt. Allerdings kennt auch das AktG ausdrücklich anstelle der Umwandlung eine Vermögensübertragung und regelt sie im einzelnen (AktG §§ 359 ff.). Das Umwandlungsgesetz behandelt darüber hinaus auch die Umwandlung von Kapitalgesellschaften durch Übertragung des Vermögens auf eine Personengesellschaft oder einen Gesellschafter. Im AktG werden insbesondere die Umwandlung einer AG in eine KGaA (§§ 362-365) und umgekehrt (§§ 366-368), die Umwandlung einer AktG in eine GmbH (§§ 369-375) und umgekehrt (§§ 376-383), die Umwandlung eines VVaG in eine AG (§§ 385 d - 3851), die Umwandlung einer Genossenschaft in eine AG (§§ 385 m - 385 q), die Umwandlung einer KGaA in eine GmbH (§§ 386-388) und umgekehrt (§ 389-392) geregelt. Das UmwG hat die Möglichkeiten des Formenwechsels ganz erheblich erweitert. Das Gesetz ermöglicht im Privatrecht den Formwechsel von Kapitalgesellschaften, Personenhandelsgesellschaften, eingetragenen Genossenschaften, und Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit in Gesellschaften des bürgerlichen Rechts, Personenhandelsgesellschaften, Kapitalgesellschaften und eingetragene Genossen-

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Schäften. D. h. sowohl auf der Seite der alten als auch der neuen Form findet eine Begrenzung statt. Der Formwechsel, den das Gesetz nunmehr mit erheblicher Großzügigkeit zulässt, verlangt hinsichtlich des Verfahrens Vorsorge. Das UmwG verlangt daher zunächst einen Umwandlungsbericht (§ 192), sodann einen Umwandlungsbeschluß der Anteilsinhaber (§§ 194,195), die Anmeldung des Formwechsels beim Registergericht (§ 198), die Eintragung ins Handelsregisters und die Bekanntmachung der Eintragung (§ 201). Der Umwandlungsbeschluss ist im Interesse der Rechtssicherheit nur innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Beschlussfassung anfechtbar. Es kann nicht geltend gemacht werden, dass der durch die Umwandlung sich ergebende Anteil an dem Rechtsträger neuer Rechtsform zu niedrig bemessen sei (§ 195). Ebenso ist eine Klage gegen die Wirksamkeit des Umwandlungsbeschluss nur sehr begrenzt zulässig (§ 210). Möglich ist dagegen die befristete Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs (§ 206). b) Öffentliches

Recht

Die Problematik einer Änderung des Formtyps stellt sich auch im öffentlichen Recht. Allerdings stellt sich die Frage hier anders, weil es keine bundesrechtlich abschließend festgelegte Zahl von Personen-Typen gibt, zwischen denen die Gründer von Personen des öffentlichen Rechts wählen können: Ferner kann der Bund auch deshalb keine abschließende Regelung treffen, weil es sich bei der Umwandlung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts um Fragen des Verwaltungsorganisationsrechts handelt, das grundsätzlich in der Hand der Länder liegt (GG Art. 84 Abs. 1). Der Bund hat daher nur eine beschränkte Zahl von Möglichkeiten für die Formänderung von juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch Gesetz geschaffen (UmwG §§301 ff.), aber auch altrechtliche juristische Personen wie die Realgemeinden (EGBGB Art. 164) mit in die Umwandlungsmöglichkeiten einbezogen und damit im agrarischen Bereich die Möglichkeit einer juristischen Modernisierung eröffnet. Das Problem des Formwechsels im öffentlichen Recht stellt sich in der Praxis insofern anders als im Privatrecht, weil es selten um eine Kapitalerhöhung oder eine Änderung der Haftungsverhältnisse geht. Es ist in jüngerer Zeit durch die Privatisierungswelle hervorgerufen. Es geht beim Formwandel im öffentlichen Recht fast ausschließlich darum, die öffentliche Hand instand zu setzen, bestimmte Körperschaften oder Anstalten des öffentlichen Rechts, die einen wirtschaftlichen Wert haben, verkaufen und den Verkaufserlös für ihre Haushaltsbedürfnisse verwenden zu können. Praktisch geht es in der Regel darum, Anstalten des öffentlichen Rechts in Aktiengesellschaften umzuwandeln und sodann die Aktien zu Gunsten der Staatskasse zu verkaufen (UmwG §§301 ff.). Die bundesrechtlichen Vorschriften gelten dabei nur subsidiär, soweit landesrechtliche Vorschriften nichts Abweichendes bestimmen (UmwG § 302).

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Obwohl das Umwandlungsgesetz auch den Übergang von einer juristischen Person des öffentlichen Rechts in eine juristische Peson des Privatrechts ermöglicht, und damit ein kompliziertes Eingreifen des Gesetzgebers vermeiden hilft, d. h. der Exekutive erhebliche Vollmachten gibt, werden in vielen Fällen Sondergesetze erlassen. So hat auch der Bund durch das DG-Bank-Umwandlungsgesetz eine Körperschaft des öffentlichen Rechts in eine Aktiengesellschaft umgewandelt282. Von praktischer Bedeutung sind die öffentlich-rechtlichen Stiftungen, deren Probleme die Landestiftungsgesetze regeln 283. c) Arbeitsrechtliche

Fragen

Bei der Umwandlung entstehen auch arbeitsrechtliche Probleme. Die arbeitsrechtlichen Folgen der Umwandlung sind neben den gesellschaftsrechtlichen und den steuerrechtlichen Folgen zu beachten284. § 613 a BGB gilt auch für öffentlichrechtlichen juristischen Personen. Das ist an sich nichts Besonderes, weil die arbeitsrechtlichen Verhältnisse in der Verwaltung ohnehin dem Privatrecht unterliegen. Problematisch könnten beim Übergang die tarifrechtlichen Folgen sein. Wird eine Anstalt des öffentlichen Rechts in eine AG umgewandelt, so tritt die AG als identischer Rechtsnachfolger auch in die Tarifverträge (BAT) mit ein. Auch die individualrechtlichen Arbeitsverträge gelten weiter 285 . d) Umwandlungssteuerrecht In der Regel treten bei der Umwandlung auch steuerrechtliche Fragen auf. Die Umwandlung kann insbesondere zur Aufdeckung stiller Reserven führen, d. h. steuerrechtlich zu Gewinnen, die versteuert werden müssten. Daher hat der Bundesgesetzgeber ein besonderes Steuergesetz erlassen, dass sich mit den steuerrechtlichen Problemen bei der Umwandlung befasst 286.

282

V. 13.8.1998, (BGBl. I S. 2102). Z.B. Bay. Stiftungsgesetz i.d.F. v. 19.12.2001, GVB1. 2002, S. 10, Art. 15, 16. 284 Elmar Schnitker, Die Auswirkungen des neuen Umwandlungsgesetzes auf die Zuordnung und den Inhalt der Arbeitsverhältnisse sowie die Fortgeltung von Betriebsvereinbarungen, 1998. 285 Stephan Oliver Pf äff, Die Reichweite arbeitsrechtlicher Angaben im Umwandlungsrecht, 2001; Jan Wittenberg , Der Bestandsschutz von Arbeitsverhältnissen im Umwandlungsrecht, 283

2002.

286

Umwandlungssteuergesetz vom 28.10.1994, BGBl. IS. 3267- vgl. dazu: J.W. Lüttge , Das neue Umwandlungs- und Umwandlungssteuerrecht, NJW 1995, 417 ff.; Hans Dahmer, Umwandlungs- und Umwandlungssteuerrecht, 1994.

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3. Verschmelzung a) Allgemeines Das UmwG ermöglicht die Verschmelzung von Rechtsträgern ohne Auflösung im Wege der Aufnahme durch Übertragung des Vermögens eines Rechtsträgers oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) als Ganzes auf einen anderen bestehenden Rechtsträger (übernehmender Rechtsträger) oder im Wege der Neugründung durch Übertragung der Vermögen zweier oder mehrerer Rechtsträger (übertragende Rechtsträger) auf einen neuen, von ihnen gegründeten Rechtsträger gegen Gewährung von Anteilen des übernehmenden oder des neuen Rechtsträgers an die Anteilsinhaber der übertragenden Rechtsträger. Verschmelzungsfähig sind die folgenden Rechtsträger: Personenhandelsgesellschaften, Kapitalgesellschaften, eingetragene Genossenschaften, eingetragene Verein des BGB, genossenschaftliche Prüfungsverbände, Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. An einer Verschmelzung können auch wirtschaftliche Vereine (BGB § 22) und natürliche Personen teilnehmen, die als Alleingesellschafter einer Kapitalgesellschaft deren Vermögen übernehmen (UmwG § 3). Die Verschmelzung erfordert einen Verschmelzungsvertrag (§§4 ff.), einen Verschmelzungsbericht (§ 8), eine Verschmelzungsprüfung (§§ lOff.), eine Beschlussfassung über die Verschmelzungsverträge durch die Anteilsinhaber (§ 13) sowie die Anmeldung, Eintragung und Bekanntmachung der Verschmelzung im Handelsregister (§§ 16 ff.). Auch hier ist ein Gläubigerschutz durch gerichtliche Geltendmachung (§ 22) und die Möglichkeit der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen vorgesehen (§§ 25 ff.).

b) Privatrecht Die Verschmelzung von Aktiengesellschaften ist ausdrücklich im AktG geregelt (§§ 339 ff.). Bei der Verschmelzung von zwei oder mehreren Aktiengesellschaften wird keine der bestehenden Gesellschaften abgewickelt. Die Verschmelzung erfolgt vielmehr durch Übertragung des Vermögens einer oder mehrerer Gesellschaften (übertragende Gesellschaften) als Ganzes auf eine andere Gesellschaft (übernehmende Gesellschaft) durch Gewährung von Aktien dieser Gesellschaft (Verschmelzung durch Aufnahme) oder durch Bildung einer neuen Aktiengesellschaft, auf die das Vermögen der sich vereinigenden Gesellschaften als Ganzes gegen Gewährung von Aktien der neuen Gesellschaft übergeht (Verschmelzung durch Neubildung). Bei der Verschmelzung liegt das Hauptproblem darin, dass die Gewährung der neuen Aktien an die Aktionäre der übertragenden Gesellschaften wirtschaftlich korrekt und fair vor sich geht. Um dies zu erreichen, verlangt das Gesetz ausdrücklich eine Verschmelzungsprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer (AktG § 340b) und einen Verschmelzungsvertrag (AktG § 341), schließlich eine Anmeldung der Verschmel-

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zung zum Handelsregister (AktG §§ 345 f.). Die Entscheidung über die angemessene Abfindung ist ausschließlich dem Landgericht übertragen (UmwG §§ 30ff.). Neben der Verschmelzung von Aktiengesellschaften regelt das AktG auch die Verschmelzung von Aktiengesellschaften oder Kommanditgesellschaften auf Aktien mit einer GmbH (AktG §§ 355 ff.) 287 . Für die Genossenschaften enthält GenG § 93 a eine entsprechende Vorschrift, die angesichts des Bedürfnisses nach größeren Betriebseinheiten im Genossenschaftswesen erhebliche aktuelle Bedeutung hat. Weiter regeln GenG §§ 63 e, 63 f die Verschmelzung von Prüfungsverbänden als Sonderfall. c) Öffentliches

Recht

Die Problematik der Verschmelzung taucht auch im öffentlichen Recht auf. Die Größe von Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts war und ist für die heutigen Anforderungen z. T. vielfach zu klein. Sie konnten und können in vielen Fällen nicht nur nicht wirtschaftlich arbeiten. Bestimmte Leistungen, die vor allem zum Leistungsspektrum der kommunalen Körperschaften gehören, konnten von kleineren Gemeinden überhaupt nicht erbracht werden. Betroffen waren nicht nur kommunale Gebietskörperschaften, sondern auch soziale Versicherungsträger. Im Kommunalrecht hat darauf eine Bewegung eingesetzt, die in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jhd. unter der Bezeichnung „Kommunale Gebietsreform" gelaufen ist. Damals ist die Zahl der Gemeinden und Landkreise in Deutschland innerhalb weniger Jahre auf ca. ein Drittel zusammengeschmolzen. Es handelte sich dabei nicht nur um einfache Zusammenlegungen, sondern um eine grundsätzliche Neugliederung mit einer großen Zahl von Folgeproblemen 288. Diese waren in den zahlreichen Neugliederungsgesetzen der Länder im einzelnen festgelegt. Für die Kommunen gibt es außerdem in den Gemeindeordnungen grundsätzliche Regelungen, die bei derartigen Vorgängen gelten 289 . Da diese Verschmelzungen im Kommunalrecht als Gebietsänderungen erscheinen, erfolgt die Gebietsänderung stets auf Grund eines staatlichen Aktes, der je nach den landesrechtlichen Bestimmungen die Form eines Gesetzes, einer Rechtsverordnung oder eines Organisationsaktes hat. Die Gebietsänderung kann durch Verhandlungen der Gemeinden eingeleitet und durch Gebietsänderungsverträge der Gemeinden im einzelnen ausgestaltet werden, stets bleiben es aber staatliche Akte, die den Gebietszuschnitt der Gemeinden und Kreise bestimmen. 287 Manuela M. Heiss, Die Spaltung von Unternehmen im deutschen Gesellschaftsrecht, 1995; Martina Tauchert-Nosko , Verschmelzung und Spaltung von Kapitalgesellschaften in Deutschland und Frankreich, 1999. 288 Werner ThiemelGünther Prillwitz, Durchführung und Ergebnisse der kommunalen Gebietsreform, in: Hans Joachim v. Oertzen/Wemer Thieme (Hrsg.), Die kommunale Gebietsreform, Band 12, 1981. 289 Z.B. NGO, §§ 17ff., vgl. Werner Thieme, NGO-Kommentar, 3. Aufl. 1997, S.56ff.

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Auch das Sparkassenrecht enthält entsprechende Vorschriften in den Sparkassengesetzen der Länder. Hier ist angesichts der z. T. sehr kleinen Betriebsgröße die Frage der Zusammenlegung von Sparkassen ein aktuelles Problem 290. Heute ist die Problematik der Verschmelzung von Körperschaften vielfach im Sozialversicherungsrecht und hier vor allem bei den Krankenkassen aktuell, weil die Einheiten der Allgemeinen Ortskrankenkassen auf der Grundlage der Landkreise und kreisfreien Städte für die heutigen praktischen Bedürfnisse viel zu klein sind. Die Ortkrankenkassen sind inzwischen in zahlreichen Ländern zu Krankenkassen auf Landesebene zusammengeschlossen worden. Entsprechendes gilt für die Innungs- und Betriebskrankenkassen. Gerade bei den Krankenkassen zeigt sich die staatliche Souveränität, kraft derer die erforderlichen Organisationsentscheidungen getroffen werden. Für die Durchführung derartiger Entscheidungen bestehen im SGB allgemeine Vorschriften, durch die die Konzentrationsprozesse gesteuert werden (§§ 143-145, 150, 160,168 SGB V).

4. Spaltung Im Gegensatz zum Formwechsel und zur Verschmelzung, die schon früher rechtlich möglich waren, hat das UmwG 1994 jetzt auch die Aufspaltung von Rechtsträgern zugelassen. Dabei ist das Verfahren komplizierter und es sind die Möglichkeiten beschränkter 291. Das Umwandlungsgesetz sieht Spaltungen vor 1. unter Auflösung eines Rechtsträgers (übertragender Rechtsträger ohne Abwicklung des Vermögens zur Aufnahme durch gleichzeitige Übertragung der Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf andere bestehende Rechtsträger (übernehmende Rechtsträger) oder 2. zur Neugründung durch gleichzeitige Übertragung der Vermögensteile jeweils als Gesamtheit auf andere von ihm dadurch gegründete Rechtsträger gegen Gewährung von Anteilen oder Mitgliedschaften dieser Rechtsträger an die Anteilsinhaber des übernehmenden Rechtsträgers (Aufspaltung - § 123 Abs. 1). Das UmwG kennt daneben noch weitere Formen der Spaltung, nämlich die Abspaltung (§ 123 Abs. 2) und die Ausgliederung (§123 Abs. 3). Mögliche spaltungsfähige Rechtsträger sind auch wirtschaftliche Vereine, Einzelkaufleute, Stiftungen, Gebietskörperschaften und Zusammenschlüsse von Gebietskörperschaften. Demgemäß ist auch das Tableau der möglichen Fälle von Spal290 291

1999.

Z.B. Nds. Sparkassengesetz i.d.F. v.20.8.1990, GVB1. S.421, §2. Antje Brinkmann, Die Spaltung von Rechtsträgern nach dem neuen Umwandlungsrecht,

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tungen wesentlich größer als bei den anderen Umwandlungsarten. Die Einbeziehung der Träger öffentlicher Verwaltung, insbesondere der Kommunen erleichtert die Ausgliederung von Teilen, die nicht mehr im Verwaltungszusammenhang benötigt werden und damit privatisierungsfähig geworden sind. Der im Spaltungs- und Übernahmevertrag (UmwG § 126) oder in dem Spaltungsplan (UmwG § 136) vorgesehene Vermögensübergang erfolgt im Wege der Gesamtrechtsnachfolge durch die Eintragung der Spaltung in das zuständige Register. Es stellt sich die Frage nach der Identität der Nachfolgevereine im Hinblick auf den Vorgängerverein. Insbesondere geht es um die Haftung. Das UmwG (§§ 134, 166, 167, 172) gibt hierzu eine Haftungsübernahme kraft Gesetzes292. Im öffentlichen Recht spielt die Spaltung kaum eine Rolle. Praktisch sind nur die im UmwG genannten wenigen Fälle, bei denen es darum geht, bestimmte Teile von öffentlich-rechtlichen Rechtsträgern abzuspalten, um diese Teile zu privatisieren. In Rahmen der kommunalen Gebietsreform hat es auch Aufteilungen von Gebietskörperschaften auf zwei aufnehmende Gebietskörperschaften gegeben, obwohl man derartige Spaltungen möglichst vermieden hat. Die dabei auftretenden Probleme sind im Kommunalrecht unter dem Gesichtspunkt der Gebietsänderung verortet. Dabei geht es vor allem um die Neubildung der Organe, die durch demokratische Wahlen legitimiert werden müssen, um die Ausdehnung des Geltungsbereichs von Ortsrecht, um die Übernahme des Personals, selten um die Übernahme von Vermögen und Schulden.

XI. Beendigung der juristischen Person 1. Auflösung Jede juristische Person ist auflösbar. Keine juristische Person hat ein Garantie eines ewigen Fortbestandes. Aber die Voraussetzungen und das Verfahren für die Auflösung sind bei den verschiedenen juristischen Personen unterschiedlich. Das ergibt sich zwingend aus der großen Zahl unterschiedlicher Arten von juristischen Personen. Während bei den juristischen Personen des privaten Rechts grundsätzlich der freie Wille der Mitlieder über die Auflösung entscheidet, entscheidet bei den juristischen Personen des öffentlichen Recht der Staat, d. h. die jeweils zuständige Aufsichtsbehörde oder der Gesetzgeber. Bei juristischen Personen des privaten Rechts setzt die verfassungsrechtlich gewährleistete Vereinigungsfreiheit (GG Art. 9) dem Staat für die Auflösung enge Grenzen. 292

Zu den arbeitsrechtlichen Folgen: Sabine Freytag, Die Auswirkung der Spaltung auf die Rechte der Arbeitnehmer, 2001.

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2. Tatsächliche Beendigung Es stellt sich die Frage, ob für die Auflösung der juristischen Person stets ein Rechtsakt (Willenserklärung), sei es des Staates, sei es der zuständigen Organe, erforderlich ist. Als Beendigungsgründe kommen auch Tatsachen in Frage. a) Vermögenslosigkeit Vermögenslosigkeit als Grund für den Untergang einer juristischen Person kann nicht einheitlich beurteilt werden. Soweit es sich um kleinere Vereine handelt, können diese völlig vermögenslos sein und niemals Vermögen erwerben und dabei ein rühriges und erfolgreiches Vereinsleben entfalten. Es gibt aber auch juristische Personen, bei denen das Vermögen eine wesentliche Rolle für ihre Existenz spielt. Das trifft vor allem auf die Kapitalgesellschaften und die Stiftungen zu. Bei den Kapitalgesellschaften kann der Fall eintreten, dass das Kapital durch ungünstiges Wirtschaften verloren geht und sogar ein negatives Kapital entsteht (Überschuldung). Wie sich aus InsO § 19 Abs. 1 ergibt, ist bei juristischen Personen die Überschuldung Eröffnungsgrund für das Insolvenzverfahren. Das Insolvenzverfahren führt aber nicht notwendig zum Erlöschen der juristischen Person. Dies gilt nur, soweit dies gesetzlich angeordnet worden ist. Eine solche Bestimmung enthält § 42 BGB, die in ihrer Neufassung (Art. 33 Nr. 1 EGInsO) die Fortführung des Vereins unter bestimmten Voraussetzungen vorsieht. Entsprechende Bestimmungen enthalten AktG § 263 Abs. 1 Nr. 3 für Aktiengesellschaften, GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4 für Gesellschaften mit beschränkter Haftung und GenG § 101 für Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften. Liegt nach Durchführung eines Insolvenzverfahrens Vermögenslosigkeit, so ist die AG, die KGaA und die GmbH im Handelsregister zu löschen (FGG § 141 a). Bei den Stiftungen kann die Vermögenslosigkeit zur Aufhebung der Stiftung führen. Nach BGB § 87 Abs. 1 kann die zuständige Behörde die Stiftung aufheben, wenn die Erfüllung des Stiftungszweckes unmöglich geworden ist. Eine derartige Unmöglichkeit tritt vor allem dann ein, wenn die Stiftung kein Stiftungsvermögen mehr besitzt. Diese Vorschrift gilt aber nur für Stiftungen des privaten Rechts. Auf Stiftungen des öffentlichen Rechts ist sie auch nicht entsprechend anzuwenden (arg. BGB § 89). Hier gilt das Landesstiftungsrecht. Allerdings stellt sich die Frage, ob es nicht einen Satz des allgemeinen ungeschriebenen Stiftungsrechts gibt, nach dem die vermögenslose öffentlich-rechtliche Stiftung ipso jure erlischt, wenn ihr Vermögen verloren ist. Diese Frage hatte für zahlreiche Stiftungen eine Bedeutung, die durch die Kriegsereignisse und die Währungsreform vermögenslos geworden waren. Denn die Stiftungen des öffentlichen Rechts unterstehen nicht der Privatautonomie; sie dienen einem öffentlichen Zwecke. Wenn der Zweck wegen Vermögenslosigkeit nicht mehr erfüllt werden kann, so

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wird die Stiftung selbst sinnlos. Das Problem liegt bei den öffentlich-rechtlichen Stiftungen jedoch insofern oft anders, als der Staat laufende Zuschüsse leistet, u.U. sogar nach dem Gesetz verpflichtet ist, die Zuschüsse zu leisten. Bestimmte soziale Gruppen, die hinter dem Stiftungszweck stehen, haben dann ein Interesse an dem Fortbestehen der Stiftung, weil die Chance der Förderung durch den Staat bei Bestehen der - wenn auch vermögenslosen - Stiftung gegeben ist.

b) Organlosigkeit Die Organlosigkeit führt nicht zur Beendigung der juristischen Person. Fehlt z.B. ein Vorstand, der die juristische Person im Rechtsverkehr vertreten kann, so kann die Aufsichtsbehörde diesen Mangel bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts durch Einsetzung eines Staatsbeauftragten beheben. Das Kommunalrecht hat insoweit Vorschriften, die das ausdrücklich regeln (z. B. NGO § 132). Im Zivilrecht kann die Organlosigkeit z. T. auch behoben werden. Fehlt in der AG ein Vorstand, so kann der autonom handelnde Aufsichtsrat zusammentreten und einen Vorstand wählen. Dies ist beim eingetragenen Verein allerdings nicht ohne weiteres möglich. Da die Mitgliederversammlung regelmäßig zuständig ist, den Vorstand zu wählen, diese aber vom Vorstand einberufen wird, kann die Lösung nur mit Hilfe des Staates erreicht werden. Das BGB (§29) sieht hierfür die Einsetzung eines Notvorstandes vor, der die Mitgliederversammlung als Wahlversammlung für den Vorstand zusammenruft. Auch im Aktienrecht gibt es die Möglichkeit, dass das Gericht Vorstandsmitglieder beruft, die bis zur Wahl neuer Vorstandsmitglieder durch den Aufsichtsrat als solche tätig sind (§ 85 AktG). Niemals aber ist die Organlosigkeit Grund für die Auflösung der juristischen Person.

c) Mitgliederlosigkeit Eine Beendigung der juristischen Person wegen Mitgliederlosigkeit kommt nur bei Vereinen und bei Körperschaften des öffentlichen Rechts in Betracht. Der mitgliederlose Verein kann an sich wieder zum Leben erweckt werden. Die Neuaufnahme setzt allerdings einen Vorstand voraus, dem gegenüber die Aufnahmeerklärung ausgesprochen wird. Da das BGB einen vom Registergericht bestellten Notvorstand kennt, dessen Mitglieder gar nicht einmal Vereinsmitglieder sein müssen, lässt sich der Verein durch Aufnahmeerklärung gegenüber dem Notvorstand wieder reaktivieren. Dieses Verfahren erspart insbesondere bei Vereinen, die einen öffentlichen oder gemeinnützigen Zweck erfüllen und die mit Hilfe von Subventionen Dritter (insbesondere der öffentlichen Hand) ihre Aufgaben bewältigen, eine Auflösung des Vereins, wodurch die Übertragung von Vermögenswerten auf einen neu zu gründenden 19 Thieme

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Verein mit der gleichen Zwecksetzung vermieden werden kann. Auch die Haftungsprobleme vereinfachen sich stark. Finden sich aber keine neue Mitglieder, so kann dies zur Auflösung des Vereins führen. Nach BGB § 73 hat das Registergericht dem eingetragenen Verein die Rechtsfähigkeit zu entziehen, wenn die Mitgliederzahl unter drei sinkt. Einen eingetragenen Verein bestehend aus zwei oder gar nur einem Mitglied lässt das Gesetz nicht zu. Vollständige Mitgliederlosigkeit wäre damit ebenso ein Grund zur Entziehung der Rechtsfähigkeit. Im Gegensatz hierzu kann die Zahl der Mitglieder bei Kapitalgesellschaften auf eine Person sinken (GmbHG § 48 Abs. 3). Die Einmann-Gesellschaft ist sowohl bei der GmbH als auch bei der AG zulässig. Bei Offenen Handelsgesellschaften würde der Austritt von Gesellschaftern mit der Wirkung, dass nur ein Gesellschafter übrig bleibt, der das Geschäft fortführt, zur Entstehung einer Einzelfirma führen. Bei einer Kommanditgesellschaft würde der Austritt des einzigen Komplementärs zur Auflösung führen. Umgekehrt würde der Austritt aller Kommanditisten nicht notwendig zur Auflösung der Gesellschaft führen. Die Gesellschaft würde auch in diesem Fall als offene Handelsgesellschaft oder als Einzelfirma fortbestehen. Das HGB (§ 177) sagt ausdrücklich für den Fall des Todes eines Kommanditisten, dass dies nicht zur Auflösung der Gesellschaft führt. Dabei geht das Gesetz offensichtlich von dem Fall aus, dass die Gesellschaft nur aus einem Komplementär und einem Kommanditisten besteht. Der Erbe wird in diesem Falle Kommanditist; sein Kapitalanteil bleibt der Gesellschaft erhalten. 3. Beendigung durch Staatsakt a) Juristische Personen des öffentlichen

Rechts

Zur Auflösung einer juristischen Person des öffentlichen Rechts bedarf es immer eines Staatsakts. Die juristische Person des öffentlichen Rechts entscheidet nicht selbständig über ihren Fortbestand. Das heißt nicht, dass der Staat beliebig befugt ist, juristische Personen des öffentlichen Rechts aufzulösen. Die kommunale Gebietsreform hat Anlass gegeben, zu dieser Frage ausgiebig zu judizieren. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich aber, dass der Staat grundsätzlich befugt ist, juristische Personen des öffentlichen Rechts aufzulösen oder zu verändern. Aber er darf hierbei bestehende Selbstverwaltungsrechte nicht verletzen darf. Denn durch die Auflösung einer Körperschaft wird in deren Selbstverwaltungsrecht eingegriffen, das (ebenso bei den Hochschulen) verfassungsrechtlich gewährleistet ist. Praktisch heißt das, dass er Verfahrensrechte, insbesondere Anhörungsrechte zu beachten hat 293 . 293

Thieme/Prillwitz,

a.a.O.

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Der Satz, dass die einzelnen juristischen Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich keinen Anspruch auf Aufrechterhaltung ihrer Existenz haben, gilt noch viel mehr für juristische Personen, denen die verfassungsrechtliche Gewährleistung ihres Selbstverwaltungsrechts fehlt, z.B. bei den berufsständischen Kammern. Bei ihnen kommt nur das allgemeine Ermessens- und Abwägungsprinzip als Ausfluss des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit in Betracht, auf das sich auch die juristischen Personen selbst berufen können. Das SGB enthält für die Krankenkassen besondere Vorschriften über deren Auflösung und Schließung294. Das ist bei ihnen - im Gegensatz zu den meisten Unfallversicherungsträgern und den Rentenversicherungsträgern - erforderlich, weil die Krankenkassen nicht im Gesetz aufgezählt sind 295 . Die Hochschulen pflegen in den Landeshochschulgesetzen enumeriert zu sein, sodass ihre Auflösung stets eines Gesetzesaktes bedarf 296. Inwieweit eine juristische Person des öffentlichen Rechts einen Anspruch hat, als Subjekt des öffentlichen Rechts erhalten zu bleiben, oder ob der Staat sie in einen juristische Person des privaten Rechts umwandeln kann, ist eine Frage, die sich Zusammenhang mit der Privatisierung stellt. Grundsätzlich wird ein solcher Anspruch zu verneinen sein. Der Staat darf eine rechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts in eine AG umwandeln, um die Aktien sodann zu verkaufen. Die Frage nach dem Anspruch auf den Rechtsstatus der Körperschaft des öffentlichen Rechts kann auch im Hinblick auf Religionsgesellschaften relevant werden, denen der Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden ist (WRV Art. 137 Abs. 5 i.V. m. GG Art. 140). Bei der Prüfung dieser Frage zeigt sich allerdings der ganz andersartige Status der öffentlich-rechtlichen Religionsgesellschaften als Körperschaften des öffentlichen Rechts, weil sie gegenüber dem Staat völlig frei sind und daher ein subjektives, verfassungsrechtlich geschütztes Recht auf Erhaltung ihres Status als Körperschaft des öffentlichen Rechts haben297. b) Juristische Personen des Privatrechts Im privaten Recht gelten ganz andere Grundsätze für den möglichen Staatseingriff zur Beendigung von juristischen Personen. Hier besteht zunächst die Vereinigungsfreiheit als Grundrecht (GG Art. 9). Das Recht auf Vereinigungsfreiheit enthält das Recht auf freie, d. h. nicht staatlich gesteuerte Vereinsgründung. Die Grün294

§§ 146a, 152, 153, 162, 163, 170 SGB V. Allerdings gibt es auch bei den Unfallversicherungsträgern einige, die nicht ausdrücklich im Gesetz genannt sind, z.B. die Gemeindeunfallversicherungsträger, § 117 SGB VII. 296 Z. B. HmbHG § 1 Abs. 1 und 3. 297 Philip Kunig/Robert Kerpmann, Zum Verlust des Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts am Beispiel der altkorporierten jüdischen Religionsgemeinschaft Adass Jisro-el, DVB1. 1997, 248 ff. 295

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dung privater Vereinigungen darf nicht von einer Genehmigung für die Vereinsgründung abhängig gemacht werden 298. Daraus ergibt sich umgekehrt auch, dass der Staat keinen Einfluss darauf nehmen darf, ob die Vereinsmitglieder ihren Verein wieder auflösen wollen; das steht im Belieben der Vereinsmitglieder. Es ist hier anders als bei den juristischen Personen des öffentlichen Rechts, die einen öffentlichen Zweck erfüllen, auf den der Staat Einfluss nehmen kann. Die Frage, ob der Vereinszweck durch einen und gerade durch diesen Verein erfüllt werden soll oder nicht, ist ausschließlich Sache des Vereins selbst. Eine Ausnahme gilt nur für die verfassungswidrigen Vereine. Nach GG Art. 9 Abs. 2 sind Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwider laufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, verboten. Diese Bestimmung erfährt ihre Durchführung durch das Vereinsgesetz, das Verfahren und die Rechtsfolgen des Vereinsverbots regelt 299 Von der Auflösung der Vereinigung ist die Entziehung der Rechtsfähigkeit zu unterscheiden. Liegen Gründe für die Entziehung der Rechtsfähigkeit vor (BGB §§ 73 f.), so ist zwar die Rechtsfähigkeit zu entziehen. Die Mitglieder dürfen das Vereinsleben nach der Entziehung aber wie bisher weiterführen; sie unterstehen dann nur dem Recht der nichtrechtsfähigen Vereine, insbesondere dem Gesellschaftsrecht (BGB §§705 ff.). Anders steht es bei Auflösung des Vereins durch die Ordnungsbehörde, die stets mit einem Verbot verbunden ist, die Tätigkeit des Vereins fortzusetzen und eine Ersatzorganisation zu begründen 300. Für das Erlöschen der Rechtsfähigkeit genügt niemals der Vorliegen der Auflösungsgründe, hinzukommen muss auch der staatliche Akt der Auflösung, um die Rechtswirkungen eintreten zu lassen301. Im Gegensatz zu den Vereinen, die einen Bestandsschutz durch das GG genießen, kann den Stiftungen die Rechtsfähigkeit leichter entzogen werden. Das BGB (§ 87) erlaubt die Aufhebung der Stiftung, wenn die Erfüllung des Stiftungszweckes unmöglich geworden ist oder wenn die Stiftung das Gemeinwohl gefährdet. Da die Stiftung nicht unter dem Schutz des Art. 9 GG steht, stellt sich hier die Frage, inwieweit es auch ohne formelle Eigentümerposition, die es bei Stiftungen nicht geben kann, tatsächlich doch zugunsten der Destinatäre so etwas wie ein Eigentum im verfassungsrechtlichen Sinne entstanden ist, das nach GG Art. 14 schutzwürdig ist. Angesichts des weiten Eigentumsbegriffs des GG Art. 14 ist dies durchaus möglich. Ob dies im konkreten Fall zutrifft, muss dem Stiftungsgeschäft entnommen werden. 298

BVerfGE 30, 241; 50, 353; 84, 378. Markus Planker; Das Vereinsverbot in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, NVwZ 1998, 113 ff. 300 Vereinsgesetz §§3, 8. 301 Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991 S.605. 299

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Für die Kapitalgesellschaften enthält das GmbHG (§ 62) eine Bestimmung, die die Auflösung ermöglicht, wenn die GmbH das Gemeinwohl dadurch gefährdet, dass die Gesellschafter gesetzwidrige Beschlüsse fassen oder gesetzwidrige Handlungen der Geschäftsführer wissentlich geschehen lassen302 Diese Vorschrift dürfte in ihrer Maßlosigkeit und Unbestimmtheit kaum mit der Vereinigungsfreiheit des GG (Art. 9), die auch der GmbH zugute kommt 303 , vereinbar sein. Eine entsprechende Vorschrift für die Aktiengesellschaft fehlt. 4. Rechtsnachfolge 304 Mit dem Untergang der juristischen Person verliert das Vermögen seinen Rechtsträger. Damit es nicht herrenlos wird, bedarf es der Bestimmungen über den Vermögensübergang auf eine oder mehrere andere Personen. Dieses Problem wird bei den juristischen Personen des privaten und des öffentlichen Rechts typischerweise unterschiedlich gelöst. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts nehmen in aller Regel eine öffentliche Aufgabe wahr. Geht die Aufgabe auf eine andere juristische Person über, so folgt das Vermögen dem Aufgabenträger. Der Aufgabenträger als Rechtsnachfolger braucht das Vermögen nicht zu erwerben. Er erhält es kostenlos. Das gilt insbesondere auch dann, wenn nur eine Teilfunktion übernommen wird. Dann gehen die der Aufgabe zugeordneten Vermögensteile auf den neuen Aufgabenträger über. Die Problematik ist für die Gebietskörperschaften zum Teil ausdrücklich in den Gemeinde- und Landkreisordnungen geregelt 305. Für die Kommunale Gebietsreform der siebziger Jahre ergab sich insofern ein umfangreicher Regelungsbedarf. Zu regeln war nicht nur der Vermögensübergang, sondern auch der Übergang der Dienstverhältnisse. Soweit es sich um privatrechtliche Arbeitsverhältnisse handelt, gilt auch für juristische Personen des öffentlichen Rechts das allgemeine Arbeitsrecht (BGB § 613 a). Für die beamtenrechtlichen Fragen der juristischen Personen des öffentlichen Rechts enthält des BRRG Vorschriften (§§ 128 ff.). Das Prinzip geht dahin, dem Dienstnehmer ein Dienstverhältnis zu erhalten, d. h. die Nachfolgekörperschaften gleichmäßig mit den bisherigen Dienstverhältnissen zu belasten. Eine weitere Frage ist die Übernahme der Schulden. Soweit die Schulden sich auf eine bestimmte Aufgabe oder auf eine bestimmte Sache (insb. Grundstück, Anstalt) fixieren lassen, kommt ein Übergang entsprechend dem Übergang der Funktion in Frage (Funktionsnachfolge). Ist dies nicht möglich, so spricht alles für eine Teilung pro rata, wenn mehrere Nachfolger vorhanden sind. Bei nur einem Nachfolger kommt ein totaler Übergang von Vermögen und Schulden in Betracht. Der Nachfol302 303 304 305

Ähnlich, jedoch nicht ganz so weitgehend GenG § 81. Detlef Merten, HStR VI, § 144 Rdn. 37 f. Heinrich Sudhoff, Handbuch der Unternehmensnachfolge, 3. Aufl. 1984. Z.B. NGO §20.

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C. Die juristischen Personen

ger haftet dann für alle Verbindlichkeiten der untergegangenen Person. Nach Aufhebung des BGB § 419 306 lässt sich dies allerdings nicht mehr mit einer entsprechenden Anwendung dieser Bestimmung im öffentlichen Recht begründen. Anzuwenden ist vielmehr ein allgemeines Prinzip der Funktionsnachfolge, kraft dessen Aktiva und Passiva zusammengehören, soweit sie sachlich eine Einheit bilden. Für untergegangene Staaten hat sich diese Lehre von der Funktionsnachfolge bei Fällen der Staatensukzession herausgebildet, die sich für die hier behandelte Probleme verwenden lässt 307 . Bei den Personen des öffentlichen Rechts geht es darum, die Fortführung der öffentlichen Aufgabe zu sichern. Hierzu bedarf es der Übergabe der Ressourcen, die der Aufgabenerfüllung dienen. Die juristischen Personen des öffentlichen Rechts sind nicht privatnützig. Ihre Mitglieder sind nicht Teilhaber im Sinne des Privatrechts. Gerade hierin zeigt sich die grundsätzliche Unterschiedlichkeit des privatund öffentlich-rechtlichen Mitgliedschaftsbegriffes. Für die Schuldenregelung im Falle der Liquidation im Privatrecht sind positive Regelungen für einzelne Problembereiche anzuwenden, so für die Vereine (BGB §45 ff.), die Aktiengesellschaften (AktG §§264ff.) und die GmbH'en (GmbHG §§ 66 ff.). Soweit nach der Auflösung ein Überschuss vorhanden ist, steht dieser den Mitgliedern zu, soweit nicht in der Satzung etwas anderes bestimmt ist. Die Mitglieder sind bei den privatrechtlichen juristischen Personen echte Mitglieder auch im vermögensrechtlichen Sinn. Allerdings sieht das BGB beim Verein auch die Möglichkeit des Anfalls des Vereinsvermögens an den Fiskus vor (BGB § 46). Dies gilt weiter beim Verein, der auf Grund des Vereinsgesetzes verboten worden ist (Vereinsgesetz §§ 10 ff.). Keinen Anspruch auf das Restvermögen haben die Mitglieder gemeinnütziger Vereine. Für sie gilt eine abgabenrechtliche Bestimmung, nach der Vereine, die steuerbegünstigt, insbesondere gemeinnützig im Sinne der AbgO §§51 ff. sind, ihren Mitgliedern im Falle der Auflösung keine Vermögensanteile zukommen lassen dürfen (AbgO §§ 55, 61). Das Vereinsvermögen ist vielmehr einem ähnlichen oder einem anderen gemeinnützigen Zweck zuzuwenden. Dies musste zuvor auch satzungsrechtlich gesichert sein, um die Anerkennung der Gemeinnützigkeit eintreten zu lassen. Die Eigenschaft als juristische Person zeigt sich bei der Liquidation der juristischen Person, insbesondere eines Vereins, wenn die Verbindlichkeiten das Vermögen übersteigen. Die Vereinsmitglieder haften dann grundsätzlich nicht für die 306 Durch EGInsO Art. 33 Nr. 16 - wegen der Kritik an der aufgehobenen Vorschrift vgl. Karsten Schmidt, ZIP 1989, 1025; BGHZ 108, 322. 307 Diese Regel ist nach dem Zusammenbruch des Deutschen Reiches für die Aufgabenaufteilung zwischen Bund und Ländern herausgearbeitet worden. Für die Nachfolge der DDR vgl. Einigungsvertrag Art. 23; Michael Silagi, Staatsuntergang und Staatennachfolge mit besonderer Berücksichtigung des Endes der DDR, 1996.

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eenin

der juristischen Person

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Schulden. Dies gilt auch für die Liquidatoren, es sei denn sie haben schuldhaft rechtswidrig gehandelt (BGB § 53). Diese Regelung ist wichtig für Idealvereine. Diese können schwer Mitglieder gewinnen, wenn sie damit rechnen müssen, für die Schulden des Vereins haftbar gemacht zu werden. Auch Kapitalanleger sind weniger bereit, ihr Kapital einzusetzen, wenn sie nicht nur mit diesem Einsatz, sondern auch mit ihrem sonstigen Vermögen haften müssen. Im Gegensatz zu den juristischen Personen des Privatrechts haften die Mitglieder der nicht rechtsfähigen Personenvereinigungen im Falle der Liquidation für die Schulden des Vereins mit ihrem privaten Vermögen, soweit das Gesellschaftsrecht Anwendung findet (BGB § 54). Inwieweit diese Haftung zum Zuge kommt, hängt davon ab, was für ein Urteil die Gläubiger des nicht rechtsfähigen Vereins erwirkt haben. Die Rechtssprechung des BGH führt heute praktisch zu einem Ausschluss der unmittelbaren Haftung der Mitglieder des nicht rechtsfähigen Vereins 308. Besondere Probleme tauchen bei der Auflösung von Stiftungen auf. Fast in allen Stiftungsurkunden wird festgelegt, was im Falle der Auflösung der Stiftung mit dem Stiftungsvermögen zu geschehen hat. Bei den öffentlich-rechtlichen Stiftungen hat der Staat als Aufsichtsinstanz Sorge zu tragen, dass entsprechend dem Willen der Stifter verfahren wird. Er darf das Stiftungsvermögen nicht dem allgemeinen Haushalt zuführen. Es ist Aufgabe der Stiftungsaufsicht, hierfür Sorge zu tragen. Eine Auslieferung des Stiftungsvermögens entgegen dem Zweck der Stiftungssatzung macht die Stiftungsaufsicht haftungspflichtig. Für die Stiftungen des privaten Rechts besteht auch eine Aufsicht. Allerdings ist ihre Funktion eingeschränkter. Die Einzelheiten ergeben sich aus dem Landesrecht. Im Privatrecht kann es, insbesondere bei Familienstiftungen, auch Destinatäre der Stiftung geben, die bei Auflösung der Stiftung einen einklagbaren Anspruch auf Auskehrung eines Liquidationsanteils haben. 5. Die Abwicklung Die Abwicklung oder Liquidation ist ein Verfahren, das regelmäßig im Anschluss an die Auflösung einer juristischen Person erfolgt. Ist die juristische Person aufgelöst, d. h. ist der Rechtsakt erfolgt, der die juristische Person zum Erlöschen gebracht hat, so ist über das im Rechtssinne herrenlose Vermögen der aufgelösten Person zu verfügen. Dabei geht es einerseits darum, die Gläubiger zu befriedigen, andererseits die Vermögenswerte, die nach der Gläubigerbefriedigung übrig bleiben, nach Gesetz und Satzung an die Berechtigten zu verteilen. Bei allen Unterschieden im einzelnen gleichen sich die Verfahren weitgehend309. Zunächst müssen die Liquidatoren bestellt werden. Die juristische Person besteht 308 309

Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl. 1991, S.603. Für die sozialen Krankenkassen §§ 155,164,171 SGB V.

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C. Die juristischen Personen

als „Liquidationsgesellschaft" weiter. Sie kann ihre satzungsmäßigen Zwecke nicht mehr erfüllen, sondern nur noch Handlungen vornehmen, die der Auflösung dienen. Liquidatoren können die bisherigen Vorstandsmitglieder sein, sind es aber nicht notwendig, da mit dem Erlöschen der juristischen Person auch ihre Vertretungsmacht erlischt. Das BGB bestimmt für eingetragene Vereine, dass der bisherige Vorstand grundsätzlich als Liquidator weiter arbeitet (§48 Abs. 1 Satz 1), wobei nunmehr allerdings das Einstimmigkeitsprinzip gilt. Die Mitgliederversammlung kann auch andere Personen zu Liquidatoren bestellen. Bei den Aktiengesellschaften, bei denen die Liquidation „Abwicklung" genannt wird (AktG §§264ff.), sind ebenfalls kraft Gesetzes die bisherigen Vortandsmitglieder als Liquidatoren (Abwickler) zuständig (§ 265). Im öffentlichen Recht fehlt es weitgehend an Bestimmungen über Abwicklung, weil hier eine intensive staatliche Aufsicht zu bestehen pflegt. Besondere Bestimmungen bestehen aber im Sozialversicherungsrecht bei den Krankenkassen (§ 155 SGB V).

D . Ergebnisse I. Allgemeines 1. Die Person als Rechtsbegriff ist einer der Kernbegriffe unserer Rechtsordnung. Auf dem Begriff der Person bauen fast alle Rechtsbeziehungen auf. 2. Die Person wird von der Rechtsdogmatik als eine geschlossene Einheit verstanden, die nach innen gegliedert sein kann. Nach außen, d. h. gegenüber anderen Personen erscheint sie als Einheit. 3. Das Personenrecht zerfällt in ein formelles Personenrecht, das die Arten und Eigenschaften der Personen beschreibt, und ein materielles Personenrecht, das die auf die Person unmittelbar bezüglichen Rechtsfragen behandelt. 4. Das materielle Personenrecht steht begrifflich in einem Gegensatz zum Vermögensrecht. Es umfasst alle diejenigen Positionen, die nichtvermögensrechtlicher Art sind. Gleichwohl kann die Verletzung personenrechtliche Rechte zu einem Schadensausgleich in Vermögenswerten (insb. in Geld) führen. 5. Rechtsnormen des Personenrecht finden sich in allen Rechtsgebieten. Das Personenrecht wird in besonderem Maße durch die Grundrechte des Grundgesetzes gesteuert. Europarechtliche Bezüge fehlen im Personenrecht mit Ausnahme der Gleichstellungsrichtlinien fast noch ganz. 6. Die Person lebt in einer Fülle von Rechtsbeziehungen privat- und öffentlichrechtlicher Art. Sie hat öffentlich-rechtliche und privatrechtliche Pflichten. Die Person als Rechtsfigur ist daher nicht dem öffentlichen oder privaten Recht zuzuordnen, sondern ist eine Rechtsfigur eines dem öffentlichen und privaten Rechts vorgeordneten „Allgemeinen Teil" des Rechts. 7. Es gibt eine große Zahl von persönlichen Rechten, die sich weder dem öffentlichen noch dem privaten Recht zuordnen lassen, sondern nur einem Allgemeinen Teil der Rechtsordnung.

II. Die natürliche Person 8. Das materielle Personenrecht der natürlichen Person hat in jüngerer Zeit eine größere Bedeutung erlangt, weil die Sensibilität gegenüber Verletzungen der persönlichen Rechtssphäre gewachsen ist. Dies ist Ausfluss der massiven Rechtsverletzungen in der nationalsozialistischen Zeit und hat seine Bestätigung in den Grundrechtsgarantien des GG, vor allem im Art. 1 Abs. 1 und 2 Abs. 1 GG gefunden.

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D. Ergebnisse

9. Die Gefahr der Verletzung von Persönlichkeitsrechten durch die modernen Medien ist größer geworden. Dies erfordert einen stärkeren Schutz der Ehre und einen stärkeren Schutz der privaten Sphäre gegen das Eindringen Fremder. 10. Die moderne Medizin und Naturwissenschaft, insbesondere die Gentechnik, berühren die Körperlichkeit des Menschen in einem bisher unbekannten Maße. Die Möglichkeiten der Manipulation am Menschen haben zugenommen. Der Rechtsordnung sind zahlreiche neue Fragen gestellt, die sie nur teilweise (Transvestiten, Organspende, Stammzellenforschung) ausdrücklich geregelt hat. Vieles ist der Entscheidung durch die Gerichte überlassen, die hierbei oft auf Fragen der Ethik stoßen und diese in ihre Entscheidungen einbeziehen müssen. 11. Das Recht der natürlichen Person im BGB, ferner eine Anzahl von personenrechtlichen Beziehung wie Ehe und Kindschaft, gehören nicht ausschließlich dem bürgerlichen Recht an, sondern entfalten in gleicher Weise Rechtswirkungen im öffentlichen Recht. Trotz ihrer positiv-rechtlichen Verortung im BGB und anderen zivilrechtlichen Gesetzen sind sie Teil eines dem bürgerlichen und dem öffentlichen Recht vorgeordneten „Allgemeinen Teiles" des Rechts. 12. Insbesondere die Rechtsregeln über Geburt und Tod, Name und Geschlecht sowie einer Anzahl weiterer Eigenschaften des Menschen, die rechtlich relevant sind, gehören sowohl zur öffentlichen, als auch zur privaten Rechtsordnung. 13. Zum Personsein gehört sowohl im bürgerlichen als auch im öffentlichen Recht die Fähigkeit Rechte zu haben, nicht notwendig dagegen die Handlungsfähigkeit und die Deliktsfähigkeit. 14. Der Begriff der Geschäftsfähigkeit ist Ausdruck einer allgemeinen Rechtsvorstellung. Die konkrete Ausprägung, die dieser Gedanke im BGB gefunden hat, ist nur teilweise im Allgemeinen Recht verankert. 15. Es gibt in der deutschen Rechtsordnung ein allgemeines Persönlichkeitsrecht und besondere Persönlichkeitsrechte, die mit der Person untrennbar verbunden sind. 16. Wichtigstes Recht der Person ist die Verfügung über den eigenen Körper und über das eigene Leben. 17. Der noch nicht geborene Mensch ist auch Person und hat Rechte, die teilweise von den Eltern, nicht nur von der Mutter, wahrgenommen werden. Der Staat hat gegenüber dem ungeborenen Menschen eine Schutzpflicht; die heutige Rechtsordnung kommt dieser Schutzpflicht nur unzulänglich nach. 18. Körperteile und Leichen können grundsätzlich nicht Gegenstand des kommerziellen Handels sein. Sie unterliegen nicht dem bürgerlichen Sachenrecht, sondern einer Sonderordnung, auf die das bürgerliche Recht nur teilweise entsprechend angewendet werden kann. 19. Das Personsein endet nicht mit dem Tode. Der Mensch als Person kann dann zwar nicht mehr subjektive Rechte haben; aber die Nachwirkungen der Person ver-

I. Die juristische Person

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langen einen rechtlichen Schutz, der zum Teil von den Angehörigen, z.T. vom Staat wahrgenommen wird. 20. Das Friedhofsrecht dient nicht nur hygienischen Belangen, sondern hat auch die Würde der Verstorbenen zu achten. 21. Tiere können nach der geltenden Rechtsordnung, auch nach der Einbeziehung des Tierschutzes in das GG, niemals Personen sein. Das schließt ihren gesetzlichen Schutz im bürgerlichen und im öffentlichen Recht nicht aus. Sie werden dadurch aber nicht zur Person im Sinne des Rechts. 22. Der Tierschutz hat Verfassungsrang bekommen; er steht daher mit anderen durch Grundrecht geschützten Belangen auf gleichem Rang. Im Einzelfall ist auch hier das Prinzip der Verhältnismäßikeit zu beachten, das durch die geltenden Moralanschauungen und die Wertungen des GG geprägt wird. 23. Roboter sind weder heute Personen oder personenähnliche Gebilde; noch ist erkennbar, dass sie dies werden könnten.

I I I . Die juristische Person 24. Die juristische Person ist ein gedankliches Konstrukt, durch das es möglich wird, Gemeinschaften von natürlichen Personen sowie Sach- und Vermögensgesamtheiten im Rechtsverkehr auftreten zu lassen. Der Begriff der juristischen Person dient vor allem der Rationalisierung des Rechtsverkehrs, der Haftungsbegrenzung und der Rechtssicherheit. 25. Der Begriff der juristischen Person wird in der Rechtsordnung für sehr unterschiedliche Zwecke und Erscheinungen verwandt. Diese haben mit einander zum Teil überhaupt keine Verwandtschaft. Eine Verbindung besteht nur insoweit, als sie alle sich vieler Regeln bedienen, die für die natürliche Person entwickelt worden sind und sich auch im Rechtsverkehr bei den zahlreichen und unterschiedlichen juristischen Personen bewähren. 26. Es gilt der Sache nach drei Grundformen oder Grundzwecke, für die der Begriff der juristischen Person verwandt wird: Personenvereinigungen, Vermögensmassen und Herrschaftsorganisationen. 27. Die Zwecke, die mit der Bildung von juristischen Personen erreicht werden, lassen sich in vielen Fällen durch andere Organisationsformen und Rechtskonstruktionen gut erreichen, ohne dass es der Bildung einer juristischen Person bedarf. Allerdings hat die Technizität, die sich mit dem Begriff der juristischen Person verbinden lässt, oft erhebliche Vorteile in der Rechtspraxis. 28. Die nicht rechtsfähige Personengemeinschaft ist heute der juristischen Person weitgehend angeglichen; dies entspricht einem Bedürfnis im Rechtsverkehr.

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D. Ergebnisse

29. Die zur Erfüllung eines bestimmten Zweckes verbundene Vermögensmasse erlaubt in der Form der Stiftung die dauerhafte Zweckfüllung über den Tod des Stifters hinaus. Sie sichert die vom Stifter gewollte Zwecksetzung unabhängig von den jeweils zur Verfügung über das Vermögen berechtigten natürlichen Personen. 30. Die Grenzen zwischen öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen juristischen Personen sind teilweise fließend. Die Unterscheidung zwischen juristischen Personen des Privatrechts und des öffentlichen Rechts hat dort offensichtlich einen Sinn, wo es einerseits um staatliche Herrschaft und andererseits um privates Gewinnstreben geht. 31. Bürgerliches Recht ist auf öffentlich-rechtliche juristische Personen nur beschränkt anwendbar. 32. Verbände und Arbeitsgemeinschaften von Verwaltungsträgern, die öffentliche Aufgaben erfüllen, sind nicht nichtsrechtfähige Vereine des privaten Rechts, sondern gehören dem öffentlichen Recht an. Für sie gilt das BGB allenfalls zur Füllung von Gesetzeslücken. 33. Das Recht der Vertretung und der Entgegennahme bei Willenserklärung gilt, soweit Private handeln, grundsätzlich das BGB analog, für öffentliche Behörden jedoch das öffentliche Recht. 34. Alle juristischen Personen unterliegen einer irgendwie gearteten Aufsicht. Diese ist aber außerordentlich unterschiedlich gestaltet, je nach den verfolgten Aufsichtszwecken. Während die Aufsicht über die juristischen Personen des öffentlichen Rechts grundsätzlich die Sicherstellung einer staatlichen Politik und der Gesetze zum Ziel hat, steht bei der Aufsicht über die juristischen Personen des Privatrechts der Schutz der Beteiligten (Gesellschafter, Gläubiger) über der Einhaltung der staatlichen Normen. 35. Die öffentlich-rechtlichen juristischen Personen benötigen angesichts ihrer von den privaten juristischen Personen unterschiedenen Aufgabenstellung eine besondere Haftungsordnung. 36. Die herkömmliche Unterscheidung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts in Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, die die verwaltungsrechtliche Theorie aus BGB § 89 übernimmt ist formal und für die Praxis wenig brauchbar, weil sie die juristische Realität nicht wiedergibt. Fast alle juristischen Personen sind wegen der Mischung von Elementen keiner der drei Kategorien ohne Probleme unterzuordnen. 37. Zweckmäßiger ist es, für die Systematisierung an die Sachbereiche und ihre Zwecke anzuknüpfen und zu unterscheiden nach Vereinigungen und hierbei die Unterkategorien von berufsständischen Kammern, Sozialversicherungsträgern und Hochschulen zu bilden. Von den Vereinigungen sind die Hoheitsträger zu unter-

III. Die juristische Person

301

scheiden, zu denen der Staat und die kommunalen Verwaltungseinheiten gehören. Sie sind Gebietskörperschaften. 38. Bei den öffentlich-rechtlichen Sachgesamtheiten sind die Stiftungen, die ein Vermögen besitzen, aus dem sie sich alimentieren, die Wirtschaftsunternehmen und die Anstalten unterscheiden, wie z.B. Museumsstiftungen (die nicht Stiftungen im Rechtssinne sind), zu unterscheiden. Daneben gibt es für die Praxis weniger bedeutsame Misch- und Sonderformen. Der Versuch einer vollständigen und klaren Systematisierung muss angesichts der gesetzlichen Regelungen scheitern, die die juristischen Personen des öffentlichen Rechts gestalten. 39. Das Steuerrecht behandelt natürliche und juristische Personen grundsätzlich gleich. Allerdings muss es an bestimmten Stellen Unterschiede machen. Dabei ist die Grundunterscheidung nicht „natürliche gegen juristische Person", sondern ein vom Personenbegriff abweichender Begriff der „Körperschaft". 40. Die Regelungen über die Umwandlung, Spaltung und Verschmelzung unterscheiden sich im privaten und im öffentlichen Recht wesentlich. Während im privaten Recht der Vertrag der Beteiligten im Vordergrund steht, wird das öffentliche Recht durch den staatlichen Regelungswillen beherrscht. Aber auch im öffentlichen Recht ist in einigen Fällen eine Bestimmung oder doch jedenfalls Mitbestimmung von Selbstverwaltungskörperschaften gesetzlich vorgesehen. 41. Die Beendigung der juristischen Personen des öffentlichen Rechts und des privaten Rechts unterliegen unterschiedlichen Rechtsregeln. Die juristischen Personen des Privatrechts können sich grundsätzlich beliebig auflösen, aber nur ausnahmsweise vom Staat aufgelöst werden. Der Staat wacht nur über den Schutz der Gläubiger und der Mitglieder. Da die juristischen Personen des öffentlichen Rechts Aufgaben im Interesse der Allgemeinheit erfüllen, ist ihre Auflösung nicht frei möglich, sondern immer nur mit staatlicher Zustimmung.

Sachverzeichnis Absolutismus 64 f. Abtreibung 90 f. Abwicklung 295 f. Adeliger Name 120 f. Adelsrecht 35 Akademien 172 Akademische Grade 124 Aktiengesellschaft 186ff., 228 f., 266, 280 f., 284, 294 Allgemeiner Hannoverscher Klosterfonds

81,202

Allgemeiner Teil 24,26 Alter 105 ff. - Feststellung 106 f. Altersstufen 39,107f. Amtshaftung 257,270 Anlegerschutz 187, 244 Anstalten 207 ff., 211 ff., 216, 233, 237 Anstaltslast 217 Arbeitsrecht 56,283,293 Auflösung 286 f. Aufsicht 260ff. Aufsichtsbehörde 273 Aufsichtsmittel 264 Aufsichtsorgane 268 Ausländer 115 ff., 154 f. Ausschließung von Mitgliedern 244 Austritt 243 Ausübung von Rechten 13 3 f. Außenaufsicht 271 ff. Beendigung der juristischen Person 287 ff. Beginn des Personseins 68 ff., 87 ff. Behinderte 114 Behördliche Anordnung 133 Bekenntnis 117 f. Berufsständigsche Körperschaften 173 f. Beschränkte Geschäftsfähigkeit 104 Besonderes Gewaltverhältnis 68

Bestattung 101 Bestellung, behördliche 249 Besteuerung 274 Betrieb 78 ff., 193 f. Betriebsverfassungsrecht 79 Bezugsrecht 244 Binnenaufsicht 262ff., 266ff. Bluttransfusion 147 Bodenverbände 172 Bürgerliche Rechte 139 f. Bürgerlicher Tod 95 f. Bürgerliches Gesetzbuch 23,42ff., 54 ff. 63,73, 88, 225 f. Bund 183 Bundespräsident 250 Bundeszentralregister 154 Bußgeld 258 Christentum 82 Culpa in contrahendo 257 Datenschutzrecht 59 f., 137 Destinatare 242,279 Deutsches Privatrecht 36 Dezentralisierung 268 Dienstaufsicht 264 f. Dienstverhältnisse, Übergang 292 Doppelstaatler 116 Dritte Gewalt 270 Durchgriffsrecht 274 Ehe 42,46,55, 110f. Ehre 141 f. Eigenbetrieb 80, 215 f. Eigener Körper 142 ff. Eigenschaften der Person 101 ff. Eigentum 235 f., 237 f., 292 Einführungsgesetz zum BGB 55, 207 Einmann-Gesellschaft 63, 203 f., 290 Eizelle 91 f.

Sachverzeichnis Elektronische Kommunikation 125 Elektronische Verwaltungsakte e-mail 125 Embryonenschutz 89 f. Ende des Personseins 92 ff. Entlastung 262 Entziehung der Rechtsfähigkeit 292 Erfüllungsgehilfe 257 Erfüllungshandlungen 254 Errichtung juristischer Personen 231 ff. Erwerbshandlungen 254 Établissement public 207 Exekutive 269 Fachaufsicht 263 Fachbereich 178 Familienfideikomiss 35,42, 50 Familienname 120 Familienstiftung 201 Fehlgeburt 91, lOOf. Fiktion des Personbegriffs 81 ff. Firma 56,122 Fiskus 67 Flüchtlinge 116 Föderalismus 167 f. Formwechsel 281 ff. Forschungsinteresse 28 Funktionsnachfolge 293 Fraktionen 161, 195 f. Frauen 109 f. Freie Entfaltung der Persönlichkeit 140 f. Freiheit der Person 53 Freiheitsentziehungsgesetz 57, 113, 140 Freiheitsrechte 140 f. Fremdvertretung 254 Gebietshoheit 184 f. Gebietskörperschaften 177,183 ff., 290 Geburt 87 f. Gefahrenabwehr 261 Geisteskranke 113 Gemeinden 41,66,183 ff., 216,226 f., 267 Gemeindeverbände 183 ff. Gemeines Recht 41 Gemeinnützigkeit 201, 276 f. Gemeinschaft 50,70 Gemeinschaftspraxen 195

303

Genehmigung 231 Genossenschaften 169 ff., 262,272 Genossenschaftsregister 231 Gerichte 268 Germanisch-Deutsches Recht 34 ff. Geschäftsfähigkeit 103 ff., 127 f. Geschäftsführungsorgane 245 Geschlecht 108 ff. Geschlechtsumwandlung 110 Gesellschaft bürgerlichen Rechts 189 Gesellschaft mit beschränkter Haftung 186 ff., 228, 281,293 f. Gesellschaftsvertrag 66 Gesetzliche Vertretung 132 f. Gesundheit 113 f., 143 f. Gesundheitsaufsicht 262 Gesundheitswesen, staatliches 149 Gewährträgerhaftung 217,237 Gewerbebetriebe 276 Gewerbesteuer 278 Gleichgeschlechtliche Lebensgemeinschaft 47, l l l f . Gleichheit der Geschlechter 108ff. Gleichstellungsrecht 60 Grab 101 f. Gründung juristischer Personen 231 ff. Grundgesetz 46, 53 f., 66 Grundrechte 53 f., 140ff., 291 Grundrechtsfähigkeit 221 Haftung 76, 255 ff., 293 ff. Handelsgesellschaften 56,161 Handelsrecht 56f., 161 Handelsregister 231 Handlungen 126ff., 247ff. Handlungsfähigkeit 62,71 ff., 103 ff. Handlungsunfähigkeit 95 Hauptversammlung 266 Haushaltsplan 215 Herrschaft 159,235 Herrschaftsverbände 179 ff. Herztod 94 Hierarchie 270 f. Hirntod 91 f. Hochschulen 172,177 f., 207, 243, 253, 267, 273, 290

304

Sachverzeichnis

Idealverein 44, 170 Informationelle Selbstverstimmung 59, 137 ff. Infrastrukturunternehmen 215 Innengesellschaft 161 Innenverhältnis 68 ff. Innere Organisation 239 ff. Insolvenz 259 f. Insolvenzmassen 204 f. Instanzen 240 Internationales Privatrecht 55 Internet 125 Intrapersonale Aufsicht 262 Juristische Personen 41, 47 f., 61 ff., 79, 156 ff. Justizfiskus 250 Kameralistik 215 Kammern 172 f. Kapitalgesellschaften 186ff., 235, 241, 244, 288, 290 - öffentlich-rechtliche 219 Kausalität 76,79 Kirchenrecht 36 Kodifikationen 37 Körper, menschlicher 142 Körperschaften des öffentlichen Rechts 58, 171 ff., 232ff., 236ff., 242, 244 Körperschaftsaufsicht 273 Körperschaftssteuer 275 f. Körperteile, Handel mit 146 f. Kollegialentscheidungen 245 Kollektiv 61 ff. Kollektivschuld 76 Kommanditgesellschaften 188, 191 - auf Aktien 188,281 Kommunalaufsicht 273 Kommunale Gebietsreform 285, 293 Kommunen 285 f. Kontrollentscheidungen 268 Kontrollorgane 246 f. Konzerne 227 ff. Konzernverträge 228 Korporationen 41, 181, 207 Kreditanstalten, öffentlich-rechtliche 216 Künstlername 123

Länder 66, 183 Landesherr 35 f., 67 Leben, Recht auf 148 ff. Lebensalter 103 f. Lebensgemeinschaft, gleichgeschlechtliche 47, l l l f . - nichteheliche 112 Legitimation 65, 182, 209, 241 f., 245 Leiche 91, 97 ff. Leichenöffnung 99 Leichenversuche 99 Liquidation 294 ff. Machthaber 64 ff. Maßnahmegesetz 234 Materielles Personenrecht 29,53, 133 ff. Medienrecht 137 Mehrheitsprinzip 245 f. Mehrstufige Verbände 222 ff. Melderecht 153 Mensch 84 ff. Menschenhandel 85 Menschenwürde 30,46, 53 Minderheitenschutz 187 Minderjährigkeit 105 ff. Minister 250 Miteigentum 205 Miterbengemeinschaft 206 f. Mitglieder 176, 182, 236, 241 ff., 281 Mitgliederlosigkeit 289 Mitgliederversammlung 266 Muttergemeinwesen 209,215,217,236f., 260 Nachfolgevereine 287 Name 70, 118 ff. Namensänderung 58, 155 Namenserwerb 123 f. Namensrecht 118 Namensschutz 119 Nasciturus 91 Nationalsozialismus 45 f. Natürliche Person 54f., 84ff. Nichteheliche Lebensgemeinschaft 112 Nichtperson 61 Nichtrechtsfähige Personenverbände 159ff., 189 ff.

Sachverzeichnis Nichtrechtsfähige Vereine 43 f., 189, 259 Normative Regelungen 52 ff. Öffentliches Eigentum 25 Öffentliches Recht 22ff., 163 ff., 199, 207 ff., 210ff., 232ff., 236, 241, 272ff., 282f., 285f., 290 Öffentliche Unternehmen 80ff., 209, 213ff. Öffentlich-rechtliche Gebietsverbände 183 ff. Öffentlich-rechtliche Kreditanstalten 216 Öffentlich-rechtliche Personenverbände 171 ff. Öffentlich-rechtliche Vereine 190 f. Öffentlich-rechtliche Versicherungsanstalten 216 Offene Handelsgesellschaft 191 Ordensname 123 Ordnungswidrigkeiten 59, 258 f. Ordre public 84 Organe 188, 240ff., 247 ff. Organisation der juristischen Person 239 ff.

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Pflichten 135 Piastination 100 Politische Parteien 194 f. Polizeirecht 58, 258,162 Postmortale Rechte 95 ff. Präimplantationsdiagnostik (PID) 90 Presserecht 137 Preußisches Allgemeines Landrecht 66 Privatautonomie 231 Privatisierung 218f., 237f. Privatpersonen, Aufsicht 271 f. Prozessrecht 196 f. Prüfungsverband 262 Psychisch Kranke 113 f. Publikumsgesellschaften 63, 244, 279

Organisationsgewalt 233 Organisationsmangel 76 Organisations-Privatisierung 219 Organismustheorie 156 Organlosigkeit 289 Organschaftliche Vertretung 249 Organspenden 144 ff.

Realakte 69, 72,126f., 254f. Reale Verbandsperson 41,156 Realität des Personbegriffes 81 ff. Rechtsaufsicht 263 f., 273 Rechtsausübung 13 3 f. Rechtsfortwirkungen nach dem Tode 95 ff. Rechtsgeschäftliche Vertretung 248 Rechtsnachfolge 293 Rechtsvergleichung, innerdeutsche 26 f. Registergericht 62,231 Religionsgesellschaften 117, 173,291 Roboter 87 Römisches Recht 32 ff. Rundfunkanstalten 273

Pandekten 38 ff. Parlamente 195 f., 269 Parlamentsvorbehalt 234 Parteien, politische 194 f. Partnerschaftsgesellschaften 192 f. Persönlichkeit, freie Entfaltung 30 Persönlichkeitsrecht, allgemeines 30, 96, 136 ff. Personale Rechte 13 3 ff. Personenähnliche Gestaltungen 204 ff. Personenbegriff 24,49 ff. Personenmehrheiten 61 ff. Personennummer 70, 124 Personenstand 112 f., 15 3 Personenverbände 168 ff., 199, 243

Sachenrecht 97,212 Sachgesamtheiten 198 ff., 207 ff. Sachsenspiegel 36 Schuldenübernahme 293 Schuldhaftes Handeln 257 f. Schutzpflicht des Staates 148 f. Selbstverwaltung 253, 273, 290 Selbstverwaltungskörperschaften 253, 273 f. Signaturgesetz 126 Sklaverei 85 Solidargemeinschaft 177 Sondervermögen 80, 202 f. Sozialversicherungsträger 172, 174 ff., 224, 286, 290

20 Thieme

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Sachverzeichnis

Soziologie 48 ff. Spaltung 280, 286 f. Sparkassen 216 Sperma 91 f. Spitzenverbände 226 Staat 35, 65ff., 161, 180ff., 249, 268ff., 276, 292 Staatenlose 116 Staatsakt 290 Staatsangehörigkeit 40,115 ff., 154f. Staatsaufsicht 169,274 Staatsbürgerliche Rechte 139 f. Staatskommissar 274 Staatswirtschaft 80 Stammkapital 280 Stammzellen 90 Stellen 240 Stellvertretung 13 Iff. Sterben, Recht auf 150ff. Steuern 274 ff. Stiftungen 33,43,58,63 f.,95,200ff., 208, 210, 233 f., 238 f., 242, 277, 288,292 Stille Gesellschaft 161 Strafgerichte 270 Strafrecht 59, 258f., 292 Strafvollzugsrecht 77 Studentenschaften 179,220 Studentenwerke 217 Subjektive Rechte 68 ff. Tarifverträge 283 Teilrechtsfähige Verbände 57,179,220ff. Tiere 50, 85 ff. Tierschutz 86 f. Tierversuche 86 Tod 92ff., 150ff. Todeserklärung 94 Todeszeitpunkt 93 Transplantation 93, 144 ff. Typenbildung 62, 161 ff. Umsatzsteuer 278 Umwandlung 279 ff. Umwandlungssteuerrecht 283 Unabhängigkeit der Aufsicht 269 Unerlaubte Handlungen 257 Unionsbürger (EU) 116

Unrechtsfähigkeit 104 f. Unrechtshandlungen 255 ff. Unrechtstatbestände 75 Unternehmen 78 f. Unternehmensverträge 280 Unversehrtheit, körperliche 142 f. Urheberpersönlichkeitsrecht 139 Verantwortlichkeit 102, 105 Verbände 222 ff. - öffentlich-rechtliche 224 ff. Vereine 43f., 58,62,168ff., 190f.,222ff., 243, 287, 289, 292, 294 Vereinigungen 158 Vereinigungsfreiheit 169, 291 f., 230, 232 Vereinsregister 231 Verfahrensrecht 57 ff., 68, 134f., 196f. Verfassung 66 Verkehrszentralregister 154 f. Verleihung 231 Vermögenslosigkeit 288 Vermögensmassen 15 8 f., 236 Vermögensübertragung 280, 286, 293 Verpflichtung 71 Verschmelzung 280, 284 ff. Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit 281 Versklavung 85 Vertretung 74 f., 131ff., 248 ff. Vertretungsmacht 248 Vertretungsorgane 245 Verwaltung 208 ff. Verwaltung des Personenrechts 152 ff. Verwaltungsakte 75 - elektronische 252 Verwaltungsgerichte 270 Verwaltungsverfahren 58, 130, 251 ff. Volljährigkeit 105 Vollmacht 132, 248 f., 251, 253 - stillschweigende 253 Vollziehung 77 Vorgeburtliche Rechte 88 ff. Vorgesellschaft (GmbH) 191 f. Vorgesetzter 269 f. Vorname 121 f. Vorstand 266

Sachverzeichnis Wahlrecht 116 Weisungen Willenserklärungen 72f., 96, 127ff., 255 - öffentlich-rechtliche 130 Willensmängel 129 ff. Wirtschaftlicher Verein 169 ff. Wirtschaftlichkeitsaufsicht 265 Wirtschaftsplan 80 Wirtschaftsunternehmen, öffentliche 209, 213 f. Wissenszurechnung 72, 256 f. Wohnsitz 114

Wohnungseigentum 205 f. Zahlungsunfähigkeit 260 Zeichnungsrecht 251 f. Zurechnungsfragen 247, 255 Zusammengesetze Personen 222 ff. Zusammenschlüsse 274 Zwangsmitgliedschaft 232 Zwangsverbände 179 f. Zwangsvollstreckung 259 Zweckmäßigkeitsaufsicht 273 Zweckverbände 233