Das Bauhaus in Weimar: Studie zur gesellschaftspolitischen Geschichte einer deutschen Kunstschule [3, unveränderte Auflage, 1982, Reprint 2021] 9783112470985, 9783112470978


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German Pages 294 [315] Year 1977

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Das Bauhaus in Weimar: Studie zur gesellschaftspolitischen Geschichte einer deutschen Kunstschule [3, unveränderte Auflage, 1982, Reprint 2021]
 9783112470985, 9783112470978

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Karl-Heinz Hüter

DAS BAUHAUS IN WEIMAR

DAS BAUHAUS IN WEIMAR Studie zur gesellschaftspolitischen Geschichte einer deutschen Kunstschule von Karl-Heinz Hüter \

mit 68 Abbildungen und 104 Dokumenten 3., unveränderte Auflage

S x

Akademie-Verlag • Berlin 1982

Erschienen im Akademie-Verlag, DDR -1086 Berlin, Leipziger Straße 3—4 © Akademie-Verlag Berlin 1976 Lizenznummer: 202 • 100/140/82 Einband und Schutzumschlag: Erika Kerschner Gesamtherstellung: VEB Druckhaus „Maxim Gorki", DDR - 7400 Altenburg Bestellnummer: 752 363 4 (6137) • LSV 8104 Printed in GDR EVP 2 8 , - M

Inholt

Vorworte

7

Kapitel I. Die Geschichte des Bauhauses in W e i m a r

ll

Vorbedingungen der Gründung des Staatlichen Bauhauses in Weimar ökonomische und politische Situation in Thüringen nach der Novemberrevolution Der Kunststreit Bauhausgegener formieren eine politische Front Das Bauhaus und der thüringische Landtag Angriff der Deutschnationalen und Stellungnahme aller Parteien zum Bauhausprogramm . . . Flucht in die Öffentlichkeit Generalangriff der Reaktion gegen das Bauhaus Rettungsversuch durch Privatisierung des Bauhauses Das Ende des Bauhauses in Weimar

11 13 17 23 28 34 40 42 47 50

Kapitel II. Gesellschaftspolitische Aspekte des Bauhausprogramms

55

Kulturgeschichtliche Zusammenhänge Forderung nach Volksverbundenheit Der Gemeinschaftsgedanke Idee vom Gesamtkunstwerk Künstlerische Vision als soziale Utopie

55 58 61 65 69

Kapitel III. Das Bauhaus in der Schulpolitik Thüringens

79

Schulpolitische Zusammenhänge im geschichtlichen Rückblick Schulversuche in Thüringen Das Bauhaus als ein Faktor in der thüringischen Schulpolitik Das Bauhaus und die Kunstgewerbeschulen Ende der Schulreformversuche

79 82 84 88 91

Kapitel IV. Das Bauhaus und die kapitalistische Wirtschaft

93

Plan einer Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk Das Bauhaus und der Deutsohe Werkbund Der Handwerksbegriff am Bauhaus Bauhaus und Industrie

93 94 98 103

5

Kapitel V. V o m gesellschaftspolitischen Standort des Bauhauses

119

Anhang Anmerkungen Literaturverzeichnis Verzeichnis der Dokumente Dokumente Verzeichnis der Abbildungen Personenverzeichnis Bildnachweis Tafelteil

134 160 153 156 240 243 244 245

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Vorwort zur 1. und 2. Auflage

Das Bauhaus hat inzwischen einen festen Platz in der neueren Kunstgeschichte gefunden. Seine künstlerischen und kunstpädagogischen Leistungen zur Entwicklung dessen, was heute Produkt- und Umweltgestaltung genannt wird, stehen außer Zweifel. Sie werden eher über- als unterbewertet. In einer gerechteren Beurteilung und nach endgültiger Dokumentation auch der Leistungen der Moskauer Schule Wchutemas wird die von der Kunstgeschichte aufgebaute Ausnahmestellung wohl wieder eingeschränkt werden müssen. Manche Errungenschaften der Architektur- und Kunstbewegung der zwanziger Jahre wurden ungerechtfertigt dem Bauhaus zugeschrieben. Der Teil, den es innerhalb dieser Bewegung darstellt, wird für das Ganze genommen, weil durch Verkettung verschiedener Umstände das Bauhaus von seiner Gründung an zum Symbol jener Richtung wurde, die zum Funktionalismus und „neuen Bauen" führte, weil es ein Programm verfocht, an dem es gemessen werden konnte, weil der Name selbst Programm wurde und Schule und Programm bald nach Gründung ungewollt in die heftigsten politischen, kulturpolitischen und künstlerischen Auseinandersetzungen hineingerieten, die in jenen ersten Jahren der allgemeinen Krise des kapitalistischen Systems gerade in Deutschland besonders heftig geführt wurden. Wollte es nicht in den Konformismus anderer Kunstschulen zurückverfallen, blieb ihm keine andere Wahl, als gegen die ständige Bedrohung mit Demonstration und Propaganda seiner Ziele, Ideen und Leistungen anzukämpfen. Als Gropius 1919, wenige Monate nach den revolutionären Ereignissen, die Leitung der bisherigen großherzoglichen Hochschule für bildende Kunst in Weimar übernahm und ihr die ehemalige, 1906 von van de Velde gegründete großherzogliche Kunstgewerbeschule angliederte und den so vereinigten Schulen den programmatischen Namen „Staatliches Bauhaus" gab, war damit die Absicht verbunden, auf der Basis der durch die Novemberrevolution geschaffenen Möglichkeiten Schlußfolgerungen aus den jahrzehntelangen Reformbewegungen in Kunstgewerbe und Architektur zu ziehen und die Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses entsprechend dem Stande der technischen und industriellen Entwicklung und den gesellschaftlichen Notwendigkeiten von Grund auf neu zu gestalten. Erziehungs7

ziele und Ausbildungsmethoden wurden bestimmt von der Rolle, die die künstlerische Intelligenz — nach Gropius' Ansicht — in Deutschland nach der Revolution und unter den Bedingungen industrieller Großproduktion zu übernehmen habe. Innerhalb des restaurativen gesellschaftlichen Prozesses, der bald nach den revolutionären Kämpfen des Januar 1919 einsetzte, mußte ein solches Schulprogramm zu einem Politikum ersten Ranges werden. Lokalpolitische Interessenfehden dieser Jahre und des provinziellen Raumes griffen ebenso in die Entwicklung ein wie die großen Auseinandersetzungen zwischen den Kräften des Sozialismus und der nationalen und faschistischen Reaktion. Sie beeinflußten das äußere Schicksal der Schule, aber auch Tendenzen und Veränderungen des künstlerischen und pädagogischen Programms. Sie führten zu der zweimaligen Vertreibung, — 1925 aus Weimar und 1932 aus Dessau —, jeweils nach Wahlsiegen der bürgerlich-reaktionären Parteien und zur endgültigen Schließung durch einen Einsatz von Hitlers SA 1933 in Berlin. Der Fall „Bauhaus" gewinnt so die Bedeutung eines Beispiels. Auch an einem anderen Ort im damaligen Deutschland wäre die Entwicklung nicht viel anders verlaufen, denn auch dort hätte jeder Versuch, mit p ogressiven Zielen in das ökonomische und gesellschaftliche Leben einzugreifen, ebenso die Reaktion auf den Plan gerufen. Die Namen der Gegner wären andere, ihre Interessenlage im Ringen der Klassen und damit Geist und Reaktionsweise aber wären die gleichen gewesen. Dennoch kann der reale geschichtliche Vorgang nur aus den Bedingungen des realen örtlichen und sozialen Feldes, in dem er sich vollzog, verstanden werden. Die spätere internationale Bedeutung der Schule begünstigte die Herauslösung seiner Geschichte aus der realen sozialen Umwelt. Die bisherige, meist bürgerliche Literatur über das Bauhaus beschäftigte sich vorwiegend mit den künstlerischen Resultaten. Oft begnügte man sich damit, es zu feiern, ihm den künstlerischen Rahm abzuschöpfen und nur das darzustellen, was sein Renommee ausmachte. Wenn gesellschaftspolitische Zusammenhänge erwähnt wurden, blieben sie vage. Feinde aus wirtschaftlichen und weltanschaulichen Motiven verblaßten zu abstrakten Widersachern. Selbst die große, durch Erschließung der Quellen äußerst verdienstvolle Publikation von H. M. Wingler vermochte dieses Bild nicht wesentlich zu verändern. Soweit in den Schriften von Pazitnov, Lothar Lang und Diether Schmidt aus marxistischer Sicht eine Korrektur versucht wurde, geschah dies ohne erneute Auswertung der Quellen. Ihr Verdienst war es, auf die Notwendigkeit hingewiesen zu haben, das schöpferische Erbe des Bauhauses für die sozialistische Gesellschaft zu erschließen. In der vorliegenden Arbeit bleiben die künstlerischen Ergebnisse ausgeklammert. Es soll vielmehr vorrangig nach den sozialgeschichtlichen Bedingungen ihrer Entstehung gefragt werden. Es soll gezeigt werden, wie das Bauhaus als historisches Phänomen hervorwuchs aus den Wechselwirkungen eines Programms und der in ihm angelegten oder durch äußere Einflüsse erzeugten Teilzielen mit dem wirtschaftlichen, politischen und geistigen Feld seiner Umwelt. Die künstlerischen und kunstpädagogischen Resultate des Bauhauses sind Folge von Prozessen, Versuchen und Entschei8

düngen in einer jeweils konkreten gesellschaftspolitischen Konstellation. In das realisierte Ergebnis ging vorwiegend das ein, was gesellschaftlich akzeptabel war. Wenn man das Ganze von den Ursprüngen und Bedingungen her verfolgt, kann auch das Würdigung finden, was angestrebt, aber nicht verwirklicht wurde. Die Arbeit beschränkt sich auf die Weimarer Jahre. Nur für diesen Zeitraum waren ausreichende archivalische Quellen für eine solche spezielle Fragestellung vorhanden: die Bestände des Staatsarchivs Weimar, des Bauhausarchivs Darmstadt [jetzt (West)-Berlin], die gedruckten Protokolle des Landtages von Thüringen, zeitgenössische Presseartikel sowie bisher publizierte Dokumente. Die ebenso dringend notwendige Darstellung auch der Dessauer Zeit, besonders der Ära unter Hannes Meyer, müßte fast ganz ohne Archivalien auskommen und hätte methodisch andere Wege einzuschlagen. Die Weimarer Zeit ist für diese Fragestellung auch fruchtbarer, weil hier das Profil des Bauhauses noch nicht endgültig fixiert war und im Bestreben, soziale Verankerung zu finden, bemerkenswerte Schritte in Nachbarbereiche, zum Beispiel zum allgemeinbildenden Schulwesen hin, unternommen wurden. Die Arbeit trägt den Charakter einer Quellenstudie. Gewisse chronikhafte Züge ließen sich nicht umgehen, besonders im ersten Kapitel nicht, in welchem der geschichtliche Ablauf dargestellt wird. In den weiteren Kapiteln wird versucht, die wesentlichen Konfliktfronten zu erfassen: die gesellschaftspolitischen Aspekte des Bauhausprogramms, die schulpolitischen Bestrebungen und die Beziehungen des Bauhauses zur kapitalistischen Wirtschaft. Im letzten Kapitel sollen Reaktionen und Stellungnahmen des Bauhauses und der Bauhäusler zu aktuellen Problemen skizziert und der soziale Standort des Bauhauses umrissen werden. Der Anhang enthält Dokumente, Briefe, Erklärungen, Presseberichte, Protokolle von Meisterratssitzungen und Auszüge aus Landtagsprotokollen. Die Bearbeitung dieses Themas wurde angeregt durch ein unvollendet liegengebliebenes Aufsatzmanuskript von Lother Wallraf über die Beziehungen zwischen Bauhaus und Landtag von Thüringen. Einzelne Passagen daraus wurden übernommen. Die Arbeit wurde bereits 1967 abgeschlossen. Ihre Drucklegung blieb jedoch aus äußeren Gründen stecken. Das anhaltende Interesse der internationalen Forschung gerade an dieser Thematik rechtfertigte eine erneute Überarbeitung und die Drucklegung. Für die Durchsicht einzelner Kapitel oder des gesamten Manuskriptes und für vielfältige Hinweise und Hilfe habe ich zu danken: H. Begenau, Dr. oec. H. Büchner, Prof. F. Forbat, Frau Dr. Janda, Prof. Dr. K. Junghanns, Prof. P. Keler, Dr. P. Mitzenheim, Prof. G. Muche, Prof. Dr. Chr. Schädlich, J. Schulz, L. Wallraf, Dr. H. M. Wingler, den Mitarbeitern des Staatsarchivs und der Staatlichen Kunstsammlungen Weimar und vor allem Professor Walter Gropius. Mit Dankbarkeit gedenke ich meiner Frau Marianne, die mir bei dieser wie bei anderen Arbeiten unermüdliche und verständnisvolle Helferin war. Berlin, im März 1973

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Vorwort zur 3. Auflage

Als dieses Buch vor fünfzehn Jahren geschrieben wurde, stand das Bauhaus in den westlichen Ländern in hohen Ehren. Unter Ausklammerung seiner sozialen Programmatik und reduziert auf das künstlerische Phänomen war seine Tradition konfliktlos in den spätkapitalistischen Kunstbetrieb eingegliedert. In den sozialistischen Ländern dagegen blockierte eine nicht weniger sektorielle Sicht noch immer dieses wertvolle Kulturerbe. Die dritte Auflage trifft auf eine gänzlich veränderte Lage. Noch im Erscheinungsjahr des Buches, 1976, fand in Weimar, begleitet von einem Staatsakt in Dessau, das erste Bauhaus-Kolloquium statt. Seitdem zählt das Bauhaus zum Bestand des sozialistischen Kulturerbes, und die Bauhausforschung wurde an der Weimarer Hochschule institutionalisiert. Von dort ist bald eine umfassende Darstellung zu erwarten. In Amerika und Westeuropa dagegen formierte sich der sogenannte Postmodernismus in eindeutiger Frontstellung zur Bauhaustradition, wie sie in der Zeit des Faschismus von emigrierten Bauhausangehörigen nach den USA gebracht worden war. Mit dem Vorwurf, dieses reiche und mächtige Land habe sich von einem Gropius oder Mies van der Rohe die architektonische Struktur des sozialen Wohnungsbaus des armen Deutschland der zwanziger Jahre aufzwingen lassen, werden die „weißen Götter" gestürzt, und es hat den Anschein, als ob — wiederum mit dem Trick verfälschender Einseitigkeit — eine Welle der Regression unter der Fahne eines neuen Historismus die umfassende progressive soziale und kulturelle Programmatik des Bauhauses verdecken werde. In solcher Situation erhält die Neuauflage dieses Buches mit seinem Basismaterial eine zusätzliche Rechtfertigung. Berlin, im Juli 1982

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Karl-Heinz Hüter

1 KAPITEL

Die Geschichte des Bauhauses in Weimar

Vorbedingungen der Gründung des Staatlichen Bauhauses in W e i m a r Vor dem ersten Weltkrieg bestanden in Weimar zwei bedeutende und über die Grenzen Thüringens hinaus bekannte Kunstinstitute, die Großherzogliche Kunsthochschule (1910 umbenannt in „Hochschule für bildende Kunst") und die von Henry van de Velde 1906 bis 1908 aufgebaute Großherzogliche Kunstgewerbeschule. Beide waren räumlich eng verbunden. Die Kunstgewerbeschule, oder genauer, das ihr angeschlossene kunstgewerbliche Institut, hatte die Aufgabe, das im damaligen Großherzogtum Sachsen-Weimar daniederliegende Handwerk und Kleingewerbe durch eine künstlerische Betreuung in seinem Konkurrenzkampf gegen die Industrie zu unterstützen.1 Henry van de Velde war es gelungen, einen engen und fruchtbaren Kontakt mit den Handwerkerkreisen herzustellen. Seine großen und selbst von den Gegnern anerkannten Leistungen konnten ihn jedoch ncht vor der chauvinistischen Hetze schützen, der er als Belgier während der Zeit der ideologischen Vorbereitung des Krieges ausgesetzt war. Der Großherzog betrieb seit Sommer 1913 die Abberufung des Künstlers. Er wünschte an seine Stelle einen Mann, der in der Kunst den „neuen nationalen Geist" — man sah ihn im Neobiedermeier und Neoklassizismus verkörpert — vertrat. Van de Velde, von den dauernden offenen und versteckten Angriffen ermüdet, kündigte im Juli 1914. Vor seinem Ausscheiden schlug er der Regierung einige Nachfolger vor, darunter den jungen Berliner Architekten Walter Gropius, dessen Fabrikbauten in Ahlfeld (1911) und auf der Werkbundausstellung in Köln (1914) seine hohe Anerkennung gefunden hatten. Nach anfänglichen Verhandlungen mit anderen Künstlern nahm das Staatsministerium von SachsenWeimar Ende 1915 diesen Vorschlag auf. Der Grund, weshalb Gropius dem Ministerium genehm erschien, ist darin zu sehen, daß seine Möbel und Innenarchitektliren, die man dem Großherzog gezeigt hatte, durchaus der gewünschten Richtung des Neoklassizismus entsprachen. Gropius, damals als Leutnant an der Front stehend, legte nach Rücksprache mit van de Velde und dem Direktor der Hochschule für bildende Kunst, Fritz Mackensen, ein Programm seiner zukünftigen Arbeit vor (Dok. 1) und kam zu persönlichen Aussprachen mit den zuständigen Regierungsstellen im Dezember 1915 nach Weimar. 11

Die Verhandlungen führten jedoch zu keinem Ergebnis, weil nicht alle interessierten Kreise dem Programm zustimmten. Besonders die Handwerkskammer war nicht damit einverstanden. Sie schrieb am 15. März 1916 an das Staatsministerium, daß der Vorschlag zu sehr auf die Industrie abgestimmt sei und deshalb Vorteile für das Handwerk bezweifelt werden müßten. Ein Regierungsvertreter bestätigte: Man komme bei den Gropiusschen Vorschlägen nicht darüber hinweg, „daß der Zusammenhang mit dem Handwerk bei ihm ein sehr lockerer" sei. Die Hebung des Handwerks wird als wichtigste Aufgabe des Staatsministeriums bezeichnet (Dok. 2 und 3). Die Verhandlungen verschleppten sich. Das Ministerium glaubt zunächst, mit einem anderen vorgeschlagenen Architekten, August Endeil, weiterzukommen. Doch schließlich blieb die ganze Angelegenheit liegen. Nach Kriegsende wandte sich Gropius mit einem Brief vom 31. Januar 1919 an den ehemaligen Oberhofmarschall Freiherrn von Fritsch, um seine Berufung neuerlich anzuregen (Dok. 4). Fritsch konnte nach der Revolution nicht mehr allein entscheiden. Er übergab die Angelegenheit der provisorischen Regierung des nunmehrigen Freistaates Sachsen-Weimar. Die regierungsoffizielle Macht lag in den Händen der Mehrheitssozialisten und der USPD. Gropius fand das Einverständnis des Vertreters der provisorischen Regierung, des einflußreichen Reichstags- und Landtagsabgeordneten Baudert2, und erfaßte die ihm gebotene Chance. War in der ersten Etappe der Verhandlungen 1915/16 nur davon die Rede gewesen, Gropius als Leiter der Kunstgewerbeschule oder einer Architekturabteilung innerhalb der Hochschule für bildende Kunst zu berufen, so hatten die wirtschaftliche Notzeit des Krieges und die nach seinem Ende zu erwartende Armut, aber auch der Schock der revolutionären Ereignisse in Rußland, das Professorenkollegium für Reformen zugänglich gemacht. In einer Denkschrift der Schule vom Oktober 19173 wird festgestellt, daß die Akademien dem Zeitgeist nicht mehr entsprächen. „Die Akademien sollten nicht mehr lediglich der sogenannten hohen Kunst dienen, sondern auch der angewandten Kunst eine Grundlage bieten, zu der die Kunstgewerbeschulen nicht ausreichen, weil sie die Kunst von einer zu niedrigen Warte der Verallgemeinerung betrachten." Die Professoren begründeten, weshalb Weimar den ersten Schritt tun müsse. Die Stadt sei nach dem Kriege mehr als irgendein anderer Ort in Deutschland dazu berufen, den geistigen Verkehr andererer Völkermit Deutschland wieder anzubahnen. Weimar dürfe die nie wiederkehrende Gelegenheit der Förderung seiner wirtschaftlichen Interessen, die eng mit der Kunst verbunden seien, beim Wiederaufbau Europas nicht verpassen. Sie schlugen vor, die Hochschule durch die Lehrgebiete Architektur und Kunstgewerbe zu erweitern und den Gedanken eines Einheitsmuseums in enger Bindung an die Schule zu fördern. Die Denkschrift schloß mit einem Satz, der das Pathos, mit dem schließlich das Bauhaus ins Leben trat, schon vorwegnahm: „Nun ist der Augenblick des Zusammenschweißens gekommen und sollte nicht verpaßt werden! Die Hochschule ist in ihrem Aufbau hierzu geeignet wie keine andere Akademie in Deutschland." Gropius' Ideen fielen auf vorbereiteten Boden. Die intensive Vorarbeit van de Veldes vor dem Kriege wirkte sich unter den veränderten politischen Verhältnissen aus. 12

Die Professoren der Hochschule fanden sich bereit, einen Architekten als Direktor anzunehmen. Der einflußreiche Generaldirektor der Berliner Museen, Wilhem von Bode, um Rat befragt, hatte bestätigt, daß eine solche Lösung durchaus der Tendenz der Zeit entspreche. Der Großherzog hätte, wie Mackensen später versicherte, niemals zugelassen, einen Architekten mit der Leitung der Hochschule für bildende Kunst zu betrauen.4 Der amtierende Direktor Max Thedy beantragte im März 1919 auf Wunsch von Gropius die Zusammenlegung der Hochschule für bildende Kunst mit der (juristisch gar nicht mehr bestehenden) Kunstgewerbeschule unter dem neuen Namen „Staatliches Bauhaus Weimar". Gropius legte im programmatischen Sinne Wert darauf, daß die Namen beider Vorgängerschulen im Untertitel erschienen. Am 12. April 1919 erfolgte seine Berufung durch den Vertreter des Hofmarschallamtes, Heinemann, zum Leiter der so im Namen und Programm veränderten Schule.

Ökonomische und politische Situation in Thüringen nach der Novemberrevolution Träger des Bauhauses im ersten Jahr seines Bestehens war der Freistaat SachsenWeimar. Dieses kleine republikanische Staatsgebilde war ein Provisorium. Wenige Monate vorher in der Novemberrevolution aus dem bisherigen Großherzogtum Sachsen-Weimar hervorgegangen, hing ihm in seiner Bezeichnung noch der alte dynastische Name an. In drei nicht verbundenen Teilen von ungefähr 3 600 km 2 umfaßte es das gleiche Territorium wie das mit dem Sturz der Monarchie beseitigte Großherzogtum. In ihm lagen die Gebiete und die Städte Weimar, Apolda, Jena, Eisenach und Ilmenau. Das Ländchen wurde von einer „Provisorisch-Republikanischen Regierung" unter dem Sozialdemokraten August Baudert, gleichzeitig Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates, regiert. Aber noch immer übten einige großherzogliche Behörden Verwaltungsfunktionen aus. Über die Berufung von Gropius hatte das alte Hofmarschallamt mit entschieden. Schon dies spiegelt die Halbheit der im Rahmen der Revolution bislang vollzogenen politischen Maßnahmen. Obwohl die deutsche Novemberrevolution zum Teil mit proletarischen Mitteln und sozialistischen Zielen durchgeführt worden war, blieb sie schließlich unvollendet auf der Stufe einer bürgerlich-demokratischen Revolution stecken, die zwar eine Reihe fortschrittlicher Errungenschaften, wie etwa das allgemeine Wahlrecht, brachte, die Entmachtung des Kapitals und des Großgrundbesitzes aber nicht vollzog. Sachsen-Weimar trug noch wie ganz Thüringen an den wirtschaftlichen Folgen der feudalen Zersplitterung. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts war hier die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft nur schleppend vorangekommen. Mit Ausnahme der bedeutenden Industriestadt Jena blieb das Land ein Agrargebiet mit gewerblicher Kleinproduktion und entsprechender bäuerlicher und kleinbürgerlicher Bevölkerung. Im Verwaltungszentrum Weimar, einer Stadt von ungefähr 40000 Einwohnern, 13

Die Professoren der Hochschule fanden sich bereit, einen Architekten als Direktor anzunehmen. Der einflußreiche Generaldirektor der Berliner Museen, Wilhem von Bode, um Rat befragt, hatte bestätigt, daß eine solche Lösung durchaus der Tendenz der Zeit entspreche. Der Großherzog hätte, wie Mackensen später versicherte, niemals zugelassen, einen Architekten mit der Leitung der Hochschule für bildende Kunst zu betrauen.4 Der amtierende Direktor Max Thedy beantragte im März 1919 auf Wunsch von Gropius die Zusammenlegung der Hochschule für bildende Kunst mit der (juristisch gar nicht mehr bestehenden) Kunstgewerbeschule unter dem neuen Namen „Staatliches Bauhaus Weimar". Gropius legte im programmatischen Sinne Wert darauf, daß die Namen beider Vorgängerschulen im Untertitel erschienen. Am 12. April 1919 erfolgte seine Berufung durch den Vertreter des Hofmarschallamtes, Heinemann, zum Leiter der so im Namen und Programm veränderten Schule.

Ökonomische und politische Situation in Thüringen nach der Novemberrevolution Träger des Bauhauses im ersten Jahr seines Bestehens war der Freistaat SachsenWeimar. Dieses kleine republikanische Staatsgebilde war ein Provisorium. Wenige Monate vorher in der Novemberrevolution aus dem bisherigen Großherzogtum Sachsen-Weimar hervorgegangen, hing ihm in seiner Bezeichnung noch der alte dynastische Name an. In drei nicht verbundenen Teilen von ungefähr 3 600 km 2 umfaßte es das gleiche Territorium wie das mit dem Sturz der Monarchie beseitigte Großherzogtum. In ihm lagen die Gebiete und die Städte Weimar, Apolda, Jena, Eisenach und Ilmenau. Das Ländchen wurde von einer „Provisorisch-Republikanischen Regierung" unter dem Sozialdemokraten August Baudert, gleichzeitig Mitglied des Arbeiter- und Soldatenrates, regiert. Aber noch immer übten einige großherzogliche Behörden Verwaltungsfunktionen aus. Über die Berufung von Gropius hatte das alte Hofmarschallamt mit entschieden. Schon dies spiegelt die Halbheit der im Rahmen der Revolution bislang vollzogenen politischen Maßnahmen. Obwohl die deutsche Novemberrevolution zum Teil mit proletarischen Mitteln und sozialistischen Zielen durchgeführt worden war, blieb sie schließlich unvollendet auf der Stufe einer bürgerlich-demokratischen Revolution stecken, die zwar eine Reihe fortschrittlicher Errungenschaften, wie etwa das allgemeine Wahlrecht, brachte, die Entmachtung des Kapitals und des Großgrundbesitzes aber nicht vollzog. Sachsen-Weimar trug noch wie ganz Thüringen an den wirtschaftlichen Folgen der feudalen Zersplitterung. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts war hier die Entwicklung der kapitalistischen Wirtschaft nur schleppend vorangekommen. Mit Ausnahme der bedeutenden Industriestadt Jena blieb das Land ein Agrargebiet mit gewerblicher Kleinproduktion und entsprechender bäuerlicher und kleinbürgerlicher Bevölkerung. Im Verwaltungszentrum Weimar, einer Stadt von ungefähr 40000 Einwohnern, 13

gab es nur ein paar kleine Industriebetriebe. Mit jeweils etwa 100 bis 250 Beschäftigten — nur in einem Falle waren es 600 — zählten sie im Vergleich zur Gesamtwirtschaft Deutschlands zu den kleineren Industriebetrieben. Den Hauptteil der Bevölkerung, genau ein Fünftel, stellten die Beamten und Angestellten mit ihren Familien. Ebenso groß war die Zahl der Lakaien, Gehilfen und Hausangestellten. Die Kleingewerbetreibenden lagen nur wenig darunter an dritter Stelle. Zu diesen Gruppen kam ein hoher Prozentsatz von Rentnern und Pensionären (ein Viertel). Ihnen allen standen nur etwa 12 Prozent Industriearbeiter, also etwa 1000 Beschäftigte mit Familie gegenüber. 5 Etwas günstiger gestaltete sich die wirtschaftliche Basis für das Bauhaus, als mit Wirkung vom 1. Mai 1920 die kleinen thüringischen Territorien zum Lande Thüringen vereinigt wurden. Dieser politische Akt der Überwindung der territorialen Zersplitterung war ein wesentliches Ergebnis der Revolution. Er wurde vollbracht von den aus Sozialdemokraten, unabhängigen Sozialdemokraten und Demokraten bestehenden Regierungen der bisherigen thüringischen Teilstaaten Sachsen-Weimar, Sachsen-Gotha, Sachsen-Altenburg, Sachsen-Meiningen, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen und der einstigen Fürstentümer Reuß. Weimar wurde zum Sitz der Landesregierung und des Parlaments bestimmt. Das Bauhaus unterstand dem Ministerium für Volksbildung und Justiz. Die sozialökonomische Struktur veränderte sich auch jetzt im ganzen kaum. In den meisten bisherigen Kleinstaaten war, mit Ausnahme der Gebiete Altenburg und Gera, die industrielle Entwicklung ebenso zurückgeblieben wie in Sachsen-Weimar. Die größeren zum geographischen Bereich Thüringens gehörenden Industriebezirke Erfurt, Mühlhausen, Nordhausen, Suhl und Schmalkalden blieben als preußische Enklaven politisch aus dem neuen Verband ausgeklammert. Die thüringische Industrie war in der Hauptsache Fertigwarenindustrie. Sie arbeitete überwiegend für den Export. 6 Wirtschaftliche Schwankungen wirkten sich stark aus. Sie war aber auch besonders formintensiv und daher auf die Unterstützung durch gestalterische Kräfte angewiesen. Die Behörden hatten aus diesem Grund mehrfach nach Möglichkeiten gesucht, den Handwerkernachwuchs künstlerisch zu schulen. Bereits die 1776 vom Unternehmer Bertuch mit Unterstützung Goethes gegründete „Freie Zeichenschule" hatte neben allgemeiner Geschmacksbildung die „Förderung der Industrie" zum Ziele gehabt. Eine direkte und wirksame Unterstützung sollten die 1881 bis 1884 von Eelbo geführte „Großherzogliche kunstgewerbliche Beratungsstelle" und das 1902 von Henry van de Velde aufgebaute Kunstgewerbliche Seminar leisten. Die Aufgabe beider Institute war die verkaufstechnische Beratung der Handwerker und Industriellen und die Entwicklung von Modellen. Der Erfolg blieb aber gering, da nur wenige Unternehmer Rat und Hilfe holten — und auch diese immer nur in der äußersten Not. Solange sie mit ihren Produkten, gleichviel welche Art und Qualität, Absatz fanden, kamen sie nicht.7 Die von Gropius 1916 auf Intentionen des Ministeriums des Inneren hin vorgeschlagene „Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe 14

und Handwerk" (Dok. 1) wäre nichts anderes geworden als ein neuer untauglicher Versuch auf gleicher Basis. Van de Velde riet deshalb davon ab. Sieht man aber von der subjektiven Schranke bei den Unternehmern ab, bleibt doch festzuhalten, daß der thüringischen Industrie auf Grund ihrer besonderen Struktur und Spezifik eine Zusammenarbeit mit einem Institut wie dem Bauhaus sehr zuträglich gewesen wäre. Die Textilindustrie im Gebiet Greiz, Schleiz, Lobenstein, die Wirkereien in der Nachbarstadt Apolda, die vielen fein- und grobkeramischen Betriebe um Kahla und Hermsdorf-Klosterlausnitz oder Ilmenau, ebenso die Glasindustrie und die traditionellen Holzwaren- und Möbelindustrien hätten dem Bauhaus ein reiches Betätigungsfeld, selbst auf Landesebene, geboten. Der erste Weltkrieg hatte große Teile der thüringischen Industrie, für die Export lebensnotwendig war, erdrosselt. Die traditionellen Absatzmärkte im Ausland waren bei Kriegsende besetzt. Auch der Modewechsel und die wirtschaftliche Gesamtlage hatten gerade für Thüringen erhebliche Auswirkungen. So erlitten die Stoffabriken und die Fabriken der Gardinen- und Spitzenbranche Verluste in Höhe von Dreiviertel ihrer Produktion. Die Pianofabriken mußten die Produktion um die Hälfte reduzieren. Etwa gleich hoch lagen die Einbußen der Möbelindustrie, auf die sich das Daniederliegen des Wohnungsbaus ungünstig auswirkte. Im Export wuchs der Anteil der Halbfabrikate, also der Produkte mit geringem Veredelungsgrad, beträchtlich an.8 Man muß sich die Struktur der Wirtschaft und der Bevölkerung genauer ansehen, um manche der späteren Konflikte, aber auch einige in historischem Abstand anachronistisch wirkende Äußerungen von Gropius, zum Beispiel zum Problem Handwerk, besser zu verstehen. Fast die Hälfte aller Beschäftigten Thüringens arbeitete in Handwerks- und Kleinbetrieben bis zu fünfzig Mann Belegschaft. So kam es, daß die Handwerker und die Inhaber solcher kleinen und mittleren Betriebe schon allein auf Grund ihrer Anzahl stärker als in industriell entwickelteren Ländern das wirtschaftliche Klima bestimmten und dem Trend zu kleinbürgerlichen Ideologien in Politik und Kultur Vorschub leisteten, obwohl natürlich auch hier die reale wirtschaftliche und politische Macht beim Großkapital lag. Noch 1923 bestanden in Thüringen über 4 300 reine Handwerksbetriebe. Die Wirtschafts- und Innenpolitik des Landes richtete sich erklärtermaßen weitestgehend nach den Interessen des Kleingewerbes. Bei Entscheidungen, wie sie im Falle des Bauhauses notwendig wurden, war die Stellungnahme der Handwerkskammer als unmittelbarer Interessenvertreter des Handwerks- und Kleingewerbes von ausschlaggebender Bedeutung. Mit der Wahl Weimars zur Landeshauptstadt und der damit verbundenen Vergrößerung des Beamtenapparates verschob sich die Zusammensetzung der Bevölkerung noch mehr zuungunsten der Arbeiterschaft. Es wimmelte von Elementen aus dem ehemaligen Anhang des Hofes: monarchische Beamte, abgehalfterte Militärs, Pensionäre oder in die neue Regierung übernommene großherzogliche Beamte. Dies war die engere Nachbarschaft des Bauhauses, und es sollte sich zeigen, daß sie die gallige Atmosphäre erzeugte, in der die Intrigen und Aktionen gegen das neue Unternehmen Beifall und Unterstützung fanden. 15

Die revolutionären Ereignisse am 8., 9. und 10. November 1918, die Bildung eines Arbeiter- und Soldatenrates hatten die großbürgerlichen Elemente und den alten bürgerlich-monarchistischen Staatsapparat zunächst lahmgelegt. Da aber die rechten Sozialdemokraten durch ihren Opportunismus die Arbeiterklasse gespalten hatten, waren die revolutionären Kräfte in den entscheidenden Tagen nicht stark genug, die Revolution durch Umsturz der sozialökonomischen Verhältnisse zu Ende zu führen. Auf der Grundlage des Antibolschewismus sammelten sich alle konterrevolutionären Kräfte, von den Monopolherren, Militaristen und der Staatsbürokratie bis zu den rechten Führern der Sozialdemokraten, um die imperialistische Klassenherrschaft in Form einer bürgerlich-parlamentarischen Republikzuerhalten. Auch in Thüringen tauchten die bereits totgeglaubten Gruppen des Großbürgertums wieder aus der Versenkung auf und konnten , da ihr reales Machtmittel, das Kapital, nicht angetastet war, heimlich und öffentlich die ideologische Front der Gegenrevolution organisieren. Sie bestimmten mit ihrer Presse — in Weimar waren es vor allem die Zeitung „Deutschland" und die stockreaktionäre deutschnationale „Weimarer Zeitung" — und durch die Bürgerversammlungen in wachsendem Maße die öffentliche Meinung. In den ersten Monaten nach der Revolution spielte die Entscheidung für Nationalversammlung oder Räterepublik die ausschlaggebende Rolle. Alle Kreise, die ein Weiterwachsen der Revolution befürchteten, wollten die Macht der Räte — der Organe einer echten Volksdemokratie und aktiven Selbstregierung der Massen — ausschalten. Sie erwarteten die Wiederherstellung von „Ruhe und Ordnung" und damit die Sicherung des Bestehenden durch die Einberufung der Nationalversammlung. So schickte das Professorenkollegium der Hochschule für bildende Kunst, Weimar, einen Brief an alle ähnlichen Hochschulen mit dem Ersuchen, mit ihm gemeinsam die Einberufung der Nationalversammlung zu fordern. Sie schlugen als Ort Weimar als das Symbol deutscher Kulturtradition vor. Die Hoffnungen und Ängste der Kleinbürger trafen sich mit den Zielen der kompromißlerischen Führer der Sozialdemokratie, die sich unter die Bürgerparole „Ruhe und Ordnung" duckten und in Verkennung ihrer Aufgabe als Vertreter der Arbeiterklasse die in ihre Hand gegebenen Macht zur Abdrosselung der revolutionären Bewegung mißbrauchten. Auch die führenden Funktionäre der SPD in Thüringen, Baudert, Hartmann, Fröhlich, Hoffmann verquickten den Rätegedanken mit bürgerlichem Parlamentarismus und betrachteten den Kampf um die Nationalversammlung als ihre wichtigste Aufgabe — und dies nicht nur im Gegensatz zu den revolutionären Kräften der Arbeiterklasse, sondern auch zu einzelnen Intellektuellen. 9 Die Nationalversammlung tagte vom 19. Januar 1919 bis in den Sommer hinein in Weimar. Zu ihrem Schutz war gegen den Protest des Soldatenrates, der bewaffnete thüringische Arbeiter als Sicherungskräfte einsetzen wollte, ein starker Ring von Reichswehrtruppen (Märker-Truppen) und preußischer Sicherheitspolizei um Weimar zusammengezogen worden. Einzelne Kontingente blieben bis ins Jahr 1920 hinein dort stationiert. Die Gegenwart dieser Truppen gab den reaktionären Kräften im Lande einen großen Auftrieb. 10 16

In endlosen Debatten brachte es unterdessen die Nationalversammlung im Weimarer Theater zuwege, die Waffen der Revolution vollends zu entschärfen und einen politischen Zustand verfassungsmäßig zu fixieren, bei dem wohl die Dynastien beseitigt, sonst aber nichts Wesentliches geändert war, und die alten Kräfte noch immer die Macht besaßen. Zwar hatte die Nationalversammlung am 13. März 1919 ein sogenanntes Sozialistengesetz beschlossen, das am 23. März in Kraft trat, und überall klebten Plakate an den Wänden mit Losungen wie „Die Sozialisierung marschiert!" oder „Die Sozialisierung ist da!" Aber solche Parolen konnten nicht verschleiern, daß praktisch nichts geschah, daß von den großen Erwartungen, die die Arbeiterschaft und Teile der Intelligenz in die Revolution gesetzt hatten, sich nicht viele erfüllten. Der spätere Bauhausmeister Oskar Schlemmer schrieb damals ahnungsvoll:,,Wenn wir es zu einer leidli chen Demokratie bringen, wird es viel sein*', und Martin Wagner, Gropius' späterer Kampfgefährte bei der Durchsetzung von Siedlungsbauten in Berlin, kritisierte, indem er ungeduldig die Sozialisierung der Baubetriebe forderte, die mangelhafte Vorbereitung der Sozialisierung durch die Parteileitung der SPD als „geradezu ungeheuerlich". „Was soll man dazu sagen", schrieb er, „wenn 71 Jahre nach der Aufstellung des Kommunistischen Manifestes durch Marx und Engels und 28 Jahre nach der Aufstellung des Erfurter Programms die Frage der Sozialisierung der Betriebe nicht weiter durchdacht ist als im Kautskyschen Aktionsprogramm vom Februar 1919?" Auch die Weimarer Tagung der deutschen Bauarbeiterverbände am 6. Mai 1919 habe nichts weiter gebracht als die allgemeine Erklärung, daß sie in der Frage der Sozialisierung auf dem Boden des sozialistischen Erfurter Programms stünden, das die Vergesellschaftung des Privateigentums an Produktionsmitteln forderte11. Wagner rief die technische Intelligenz auf, die fehlenden Generalstabspläne für den sozialwirtschaftlichen Feldzug auszuarbeiten. Gewiß waren es wenige, die so von einem konkreten Punkt her Konsequenzen verlangten. Doch gab es bei vielen fortschrittlichen Künstlern und Architekten eine (politisch sehr differenzierte) Bereitschaft, herangereifte gesellschaftliche Aufgaben ihres Fachgebiets von Grund auf zu lösen. Dies war das widerspruchsvolle politische Klima, unter welchem Gropius im April 1919 nach Weimar kam und nach Wochen der Vorbereitung begann, die ehemalige großherzogliche Kunstschule zu einem staatlichen Bauhaus umzugestalten. Der Kunststreit Gropius verfaßte ein Programm und ließ es als Flugschrift drucken (Dok. 8). Es trüg als Titelblatt einen Holzschnitt von Lyonel Feininger, der damals und später als „Zukunftskathedrale" oder „Kathedrale des Sozialismus" bezeichnet wurde. Als wichtigstes Ziel des Bauhauses wurde darin genannt: Alle künstlerisch Schaffenden sollen zur Einheit zusammengeführt und alle Werkkünstlerischen Disziplinen unter der Führung einer neuen Baukunst wiedervereinigt werden. Das Bauhaus sollte sich als eine „Arbeitsgemeinschaft führender und 2

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In endlosen Debatten brachte es unterdessen die Nationalversammlung im Weimarer Theater zuwege, die Waffen der Revolution vollends zu entschärfen und einen politischen Zustand verfassungsmäßig zu fixieren, bei dem wohl die Dynastien beseitigt, sonst aber nichts Wesentliches geändert war, und die alten Kräfte noch immer die Macht besaßen. Zwar hatte die Nationalversammlung am 13. März 1919 ein sogenanntes Sozialistengesetz beschlossen, das am 23. März in Kraft trat, und überall klebten Plakate an den Wänden mit Losungen wie „Die Sozialisierung marschiert!" oder „Die Sozialisierung ist da!" Aber solche Parolen konnten nicht verschleiern, daß praktisch nichts geschah, daß von den großen Erwartungen, die die Arbeiterschaft und Teile der Intelligenz in die Revolution gesetzt hatten, sich nicht viele erfüllten. Der spätere Bauhausmeister Oskar Schlemmer schrieb damals ahnungsvoll:,,Wenn wir es zu einer leidli chen Demokratie bringen, wird es viel sein*', und Martin Wagner, Gropius' späterer Kampfgefährte bei der Durchsetzung von Siedlungsbauten in Berlin, kritisierte, indem er ungeduldig die Sozialisierung der Baubetriebe forderte, die mangelhafte Vorbereitung der Sozialisierung durch die Parteileitung der SPD als „geradezu ungeheuerlich". „Was soll man dazu sagen", schrieb er, „wenn 71 Jahre nach der Aufstellung des Kommunistischen Manifestes durch Marx und Engels und 28 Jahre nach der Aufstellung des Erfurter Programms die Frage der Sozialisierung der Betriebe nicht weiter durchdacht ist als im Kautskyschen Aktionsprogramm vom Februar 1919?" Auch die Weimarer Tagung der deutschen Bauarbeiterverbände am 6. Mai 1919 habe nichts weiter gebracht als die allgemeine Erklärung, daß sie in der Frage der Sozialisierung auf dem Boden des sozialistischen Erfurter Programms stünden, das die Vergesellschaftung des Privateigentums an Produktionsmitteln forderte11. Wagner rief die technische Intelligenz auf, die fehlenden Generalstabspläne für den sozialwirtschaftlichen Feldzug auszuarbeiten. Gewiß waren es wenige, die so von einem konkreten Punkt her Konsequenzen verlangten. Doch gab es bei vielen fortschrittlichen Künstlern und Architekten eine (politisch sehr differenzierte) Bereitschaft, herangereifte gesellschaftliche Aufgaben ihres Fachgebiets von Grund auf zu lösen. Dies war das widerspruchsvolle politische Klima, unter welchem Gropius im April 1919 nach Weimar kam und nach Wochen der Vorbereitung begann, die ehemalige großherzogliche Kunstschule zu einem staatlichen Bauhaus umzugestalten. Der Kunststreit Gropius verfaßte ein Programm und ließ es als Flugschrift drucken (Dok. 8). Es trüg als Titelblatt einen Holzschnitt von Lyonel Feininger, der damals und später als „Zukunftskathedrale" oder „Kathedrale des Sozialismus" bezeichnet wurde. Als wichtigstes Ziel des Bauhauses wurde darin genannt: Alle künstlerisch Schaffenden sollen zur Einheit zusammengeführt und alle Werkkünstlerischen Disziplinen unter der Führung einer neuen Baukunst wiedervereinigt werden. Das Bauhaus sollte sich als eine „Arbeitsgemeinschaft führender und 2

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werdender Werkkünstler" verstehen, die „Bauwerke in ihrer Gesamtheit ... aus gleichgeartetem Geist heraus einheitlich zu gestalten weiß". Als letztes, wenn auch fernes Ziel wurde das „Einheitskunstwerk, der große Bau" aufgestellt. Über die Verwirklichung einer neuen Werkgemeinschaft als Element einer neuen Menschengemeinschaft sollte das Gemeinschaftswerk als alles umschließendes Einheitskunstwerk, als eine harmonische bauliche und visuelle Umwelt angestrebt werden. Das setzt für die Kunstschule die Überwindung der bisherigen akademischen Isolierung voraus: Sie muß in das Werkleben des Volkes eingebunden werden. „Die Schule ist Dienerin der Werkstatt, sie wird eines Tages in ihr aufgehen. Deshalb nicht Lehrer und Schüler im Bauhaus, sondern Meister, Gesellen und Lehrlinge". Dies gab der Werkstattlehre oder, mit einem allgemeinen Begriff der Pädagogik, der Arbeitserziehung einen vorrangigen Platz in der Ausbildung. Alle Schüler mußten ein Handwerk erlernen und nach Einrichtung der Werkstätten täglich eine bestimmte Zeit produktiv arbeiten. In diesem Zusammenhang griff Gropius auch auf den Werkbundgedanken einer Zusammenarbeit der künstlerisch Schaffenden mit Leitern des Handwerks und der Industrie zurück und verlangte vom Bauhaus „ständige Fühlung mit Führern der Handwerke und Industrien im Lande". Schließlich forderte er als allgemeine Orientierung für die Arbeit Volksverbundenheit: „Fühlung mit dem öffentlichen Leben, mit dem Volk" (Dok. 8). Dieses erste Programm des Bauhauses erwuchs in allen wesentlichen Punkten aus dem Gedankenkreis des Arbeitsrates für Kunst, dessen Arbeitsausschuß Gropius vorstand und in dessen Namen er gerade eben eine „Ausstellung für unbekannte Architekten" durchgeführt hatte. Es wurde getragen von der geistigen Solidarität dieses Freundeskreises. Manche hier und anderswo publizierten Auffassungen seiner Mitglieder, vor allem aber von Gropius, Bruno Taut und Adolf Behne, sind untereinander austauschbar. Der Arbeitsrat für Kunst war wie die mit ihm verbundene Novembergruppe ein typisches Kind der Novemberrevolution. Von den demokratischen und sozialen Hoffnungen, die diese erweckt hatte, leitete er seine Aufgaben ab: Zusammenschluß der Künste unter den Flügeln einer großen Baukunst. Fortan sollte der Künstler als Gestalter des Volksempfindens verantwortlich sein für das sichtbare Gewand des neuen Staates. Er sollte die Formgebung bestimmen, vom Stadtbild bis hinunter zur Briefmarke. An der Spitze stand der Leitsatz: „Kunst und Volk müssen eine Einheit bilden. Die Kunst soll nicht mehr Genuß Weniger, sondern Glück und Leben der Masse sein". 12 Unter dieser Zielstellung begann Gropius ein Experiment, nach welchem viele sozial orientierte Künstler gerufen hatten. Die begrifflich sehr allgemeinen, stark emotional geprägten Formulierungen des Programms versprachen einem breiten Kreis der künstlerischen Intelligenz Verwirklichung ihrer Hoffnungen. Auch in Weimar konnte sich Gropius, als er im April 1919 seine Arbeit aufnahm, von verschiedenen Seiten gestützt fühlen. Die Professoren der bisherigen Kunstschule waren bereit, an einer Erneuerung der künstlerischen Erziehung mitzuarbeiten. Außerdem lag als Legitimation seines Programms die Befürwortung des Berliner Museumsdirektors 18

Wilhelm Bode vor, der damals auch auf diesem Gebiet als Autorität galt. Er hatte bereits 1916 seine Gedanken über die Aufgaben der Kunsterziehung veröffentlicht.13 Das jedoch, was Gropius an der Schule selbst vorfand, waren Geist und Methode der alten Akademie. Einige Professoren (Thedy, Fröhlich), gewiß ehrenwerte Leute, vertraten eine hausbackene Bürgerkunst und erzogen ihre Schüler im Sinne jener anspruchsvoll auftretenden, thematisch hochtönenden Staffeleimalerei, deren Ziel immer das fertige „geniale" Gemälde war. Aber die gestalterischen Grundlagen als notwendige Voraussetzungen für eine echte Erneuerung wurden ungenügend gelehrt. Gropius suchte für die neu zu besetzenden Lehrstellen solche Künstler zu gewinnen, die bereits durch ihr Werk die Überwindung der alten akademischen Position verkörperten. Im Mai 1919 wurden Lyonel Feininger aus dem Kreis um den „Sturm" und im Oktober Gerhard Mareks und Johannes Itten berufen. Eine Schülerausstellung im Juni 1919, als Bestandsaufnahme und zur Sondierung der Kräfte innerhalb des Hauses veranstaltet, gab Gropius Gelegenheit zu einer kompromißlosen Auseinandersetzung. Mit harter und, wie Feininger schrieb, sehr bestimmter Kritik suchte er die verlogene Sentimentalität und das sterile Akademikertum in einem Anlauf zu überrennen und die Position neu zu bestimmen (Dok. 11). Folge dieser Aktion war ein enormer Schock bei einem großen Teil der Schüler und bei den betroffenen Meistern, vor allem bei Thedy. Sie fühlten sich zutiefst verletzt und in ihrer künstlerischen Existenz bedroht. So wuchs innerhalb des Hauses eine „helle und düstere Empörung". Es gab Abmeldungen und eine „ganze dunkle Kamarilla" (Feininger). Grüppchen innerhalb und außerhalb der Schule forderten vom Ministerium kurzerhand die Abberufung von Gropius. Eine Aussprache zwischen ihm und den Schülern vermochte manches wieder zu klären und die Spannungen zu vermindern. Die Gegensätze selbst aber blieben im Kern unüberbrückbar. Der Konflikt schwelte weiter. Die Betroffenen konnten sich in ihren künstlerischen Anschauungen mit einem Großteil der Bürger in Einklang fühlen und wurden von dort aus zum Widerstand ermuntert; denn getroffen war natürlich auch jene Bürgerschaft, die sich zu ihrer Unterhaltung und Werterhöhung eine solche hymnische Sonntagskunst hielt und zu deren Protektor aufgeschwungen hatte, also der potenzierte Kleinstadtgeist. Bruno Adler chrakterisierte damals in einem Artikel die Atmosphäre solcher Kunststädte wie Weimar mit ihrer „gut bürgerlichen Geruhsamkeit" treffend: In ihnen gedeihe „die solide Durchschnittsleistung". Sie sei „das Element des Mittelmaßes". Spielend erobere sich diese Kunst das Interesse des Mitbürgers, denn sie übersetze ihm seine Sonntagsgefühle in eine schwungvolle Sprache, die er noch versteht, und allmählich gewinne sie im öffentlichen Leben eine Bedeutung, die ihr in keinem Betracht zustehe. „Die kleinlichsten Fragen des sogenannten Kunstlebens werden den Zeitungen und dem Publikum der Kunststadt zu alltäglichen Sorgen (und) mit einer Wichtigkeit behandelt, die z. B. dem Problem der Kindersterblichkeit nie gewidmet würde."14 Professor Fröhlich und später mit Einschränkungen auch Thedy und außerhalb der 2*

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Schule die Maler Fleischer, Lamprecht, Merker, Braune (Namen von kaum lokalem Interesse) fühlten sich als Vertreter „nationalen bodenständigen Kunstwollens" j Über die hier gegebenen politischen Anknüpfungen gelang es ihnen mit der Zeit» das ganze Heerlager jener Kräfte auf ihre Seite zu ziehen, die sich als Hüter der Tradition, der künstlerischen, bodenständig-nationalen oder lokalen, betrachteten. Sie setzten alle Hebel in Bewegung und liefen gleich nach Beginn des neuen Semesters im Oktober bei den Abgeordneten Sturm, um das Budget des Bauhauses zu Fall zu bringen. Eine Versammlung der Freien Vereinigung für städtische Interessen am 12. Dezember 1919 in der Gaststätte „Erholung" wurde unmittelbar Anlaß, den Streit in die Öffentlichkeit zu tragen. Sie war einberufen worden, um die bürgerliche Front Weimars gegen das Bauhaus zu mobilisieren. In der Angriffsrede von Dr. Kreubel wurden all die Argumente aufgegriffen, die damals gegen jeden ernsthaften Versuch einer Veränderung ins Feld geführt wurden. Kreubel warf dem Bauhaus vor, „fremdstämmige Elemente" machten sich in ihm „in höchst ungebührlicher Weise breit" und „Vertreter kommunistisch-spartakistischer Richtung" betrieben allerhand Propaganda für ihre destruktiven Anschauungen. Auf dieser Versammlung trat der Studierende des Bauhauses Groß mit einer vorbereiteten „deutschen Rede" auf, angeblich um die Meinung zu entkräften, daß am Bauhaus nur spartakistisch-jüdische Tendenzen herrschten; in Wirklichkeit aber formulierte er, eingepackt in ein Phrasengeklingel, die völkische Alternative zum Bauhaus. Er forderte „Kerle von Stahl und Eisen" und eine „Führerschaft, welche wirklich deutsches Wesen und deutsche Eigenart in sich trägt"; dem deutschen Volke sei die Erkenntnis seiner „Volksseele" völlig verlorengegangen, und die i,Todeshand" sei nicht weit, aber es erwache erst, „wenn das Messer (ihm) an die Kehle gelegt wird". Gropius wies Groß zurecht und erklärte, er werde streng gegen ihn vorgehen, weil sonst dem Bauhause durch Verquickung von Politik und Kunst Gefahr drohé: „Wenn das Bauhaus Ballplatz für politische ... Fragen wird, so muß es wie ein Kartenhaus zusammenstürzen. Ich habe das von jeher betont und wie ein Zerberus darüber gewacht, daß von keiner Seite Politik ins Bauhaus getragen wird." Auch die Studentenschaft stellte Groß in einer Versammlung zur Rede und entlarvte seine nationalen Phrasen als Versuch, „mit den Mitteln der Politik für sich im Trüben zu ¡fischen". Er mißbrauche sein „Deutschtum" dazu, seine eigennützigen Pläne durchzusetzen. Groß zog die Konsequenzen und erklärte wenige Tage später seinen Austritt aus dem Bauhaijs, Ihm folgten von den ungefähr zweihundertvierzig Studierenden dreizehn (Gleichgesinnte, darunter mehrére adlige Mädchen. Die übrige Schülerschaft sprach Gropius idas Vertrauen aus und verlangte von den Weimarer Bürgern, man möge sie in Ruhe arbeiten lassen: „Wir wollen nicht alte oder moderne Kunst ... mit uns ist dan Rocht und die Pflicht unserer Jugend, nicht stehen zu bleiben, sondern vorwärts; und. aufwärts zü schreiten ... man gebe Uns endlich Ruhe zur Arbeit" (Dok. 17). Durch ;die Ereignisse um den „Fall Groß" 15 war ohne Gewaltanwendung von Seiten •20

der Leitung die extreme Rechte aus dem Bauhaus ausgeschieden. Aber das Ganze sollte doch erst der Auftakt zu einer großangelegten Aktion werden. Gropius ahnte, daß Groß Prellbock einer seit langem gegen ihn und das Bauhaus wühlenden Clique war, die nach politischen Mitteln suchte, um eine Stimmungshetze inszenieren zu können. Der Meisterrat beeilte sich, in einer Erklärung vom 18. 12. 1919 die wichtigsten Argumente der Gegner zu entkräften. Er beschloß, jede politische Betätigung am Bauhaus, gleich welcher Art, zu verbieten, und betonte ausdrücklich, daß, entsprechend dem Programm, „Naturstudium und reine Malerei (Staffeleibild) in jeder Weise gepflegt werden soll" (Dok. 18). Aber das half nichts mehr. Der Konflikt spitzte sich zu. Die Gegner, die sich am 18. 12. 1919 im „Schwan" über ihr weiteres Vorgehen ab* gesprochen hatten und am darauffolgenden Tage in einem Artikel in der Zeitung „Deutschland" aus der Feder von Leonhard Schrickel ihre verleumderischen Angriffe fortsetzten, verdrehten den freiwilligen Austritt von Groß und seinen Gesinnungsgenossen zu einer Maßregelung, die die Leitung gegen sie wegen ihrer Konzept tion eines „deutschen Bauhauses" unternommen habe. Am 19. Dezember 1919 reichte eine Gruppe „Weimarer Bürger und Künstler" eine mit fünfzig Unterschriften versehene Eingabe an die Regierung ein.16 Wortführer dieser Gruppe war der Rechtsanwalt Jöck, ein Mann, der seine konterrevolutionäre und reaktionäre Gesinnung wenige Monate später während des Kapp-Putsches durch Übernahme der Putschistenregierung offenbaren sollte. Auf der durch die Eingabe erzwungenen Staatsratssitzung stellte sich die Regierung loyal auf die Seite des Bauhauses. In diesem entscheidenden Augenblick brach innerhalb des Bauhauses die so lange mühsam überdeckte Kluft auf. Thedy und Fröhlich distanzierten sich, offensichtlich gedrängt durch Fleischer, von der Erklärung der Meister, die sie wenige Tage vorher mit unterschrieben hatten. Ihre Begründungen waren fadenscheinig. Thedy behauptete, es sei ihm nicht bekannt gewesen, daß es sich dabei um eine öffentliche Erklärung handelte, und Fröhlich sagte, er habe die Rede von Groß erst nachträglich gelesen. Die Unterschriften seien von Gropius wider Treu und Glauben erschlichen worden. Fröhlich schied demonstrativ aus dem Meisterrat aus. Für ihn selbst wie für die Schule hatte das, außer der spektakulären Wirkung, keine Ben deutung, denn er hatte bereits 1916 um Pensionierung gebeten und war nur wegen der Kriegszeiten länger im Amt geblieben. ' Schwerwiegender für das weitere Schicksal der Schule waren die Auseinandersetzungen mit Thedy. Gropius bescheinigte diesem Kollegen in einem Brief an Behne17, daß er innerhalb der Borniertheit aus dem Gefühl des guten Glaubens handele. Thedy, keineswegs von dem politischen Fanatismus anderer Gegner beherrscht; hätte ernste Zweifel an dem von Gropius eingeschlagenen Weg. Er beklagte es, daß Gropius seine Experimente gerade an einer so „renommierten blühenden Schule wie der weimarischen, die der höheren bildenden Kunst diente", unternommen habé (Dok. 23). Ohne Zweifel hatte er sogar, soweit sich das damals absehen ließ, recht mit der Behauptung, Gropius züchte gerade das, was er bekämpfen wolle — ein 21

„künstlerisches Proletariat". 18 Im ersten Jahr war tatsächlich wenig Positives geleistet worden. Es fehlten dazu die finanziellen Mittel; zum anderen hatte der neue Geist, der mit Gropius und den jungen Lehrkräften Feininger, Mareks und Itten eingezogen war, die Studierenden heftig durcheinandergewirbelt. Der Sprung von der akademischen Lernschule zur Schule als Stätte schöpferischer Auseinandersetzungen mit den Problemen der Zeit war zu groß gewesen. Gropius und eine Reihe der jungen Bauhäusler teilten die damals verbreitete Aversion gegen das Tafelbild. Diese Bildform, Ergebnis einer Überwertigkeit des Subjektiven in der Sehweise des Perspektivischen, der Produktion durch einen Künstler und der Bestimmung für einen Besitzer, stand dem kollektiven Wollen, dem „Einheitskunstwerk" entgegen. Ziel war die architekturgebundene Malerei. Außerdem fielen anfangs manche mißverständliche Äußerungen; so, wenn Gropius sagte, er begrüße jede extreme Richtung in der Kunst, und wenn er forderte, jeder müsse von innen heraus seinen eigenen Weg zum gemeinsamen Ziel finden. Solche Sentenzen waren allzusehr auf die wirklich große Begabung ausgerichtet, als daß sie Richtlinie einer Schule hätten werden können. Im Grunde bedeutete es keine Besserung, wenn die Schüler nun, anstatt nach dem Vorbild ihrer Lehrer, wie Braque oder Picasso malten. Das einzige wirklich Positive bestand um die Jahreswende darin, daß die inneren und äußeren Kämpfe des Bauhauses jeden einzelnen Schüler vor Entscheidungen stellten und zur gründlichen Auseinandersetzung zwangen. Die Studierenden, die nach freiem Entschluß bereit waren, Gropius zu folgen — es war die große Mehrheit —, entwickelten sich zu aktiven Trägern des Bauhausgedankens. Von ihnen sollten in Zukunft wichtige Anregungen ausgehen. Daß sie sich mit ihrer jung gewonnenen Überzeugung oftmals den als verstaubt angesehenen Weimarer Bürgern provozierend entgegenstellten, mag unter diesen Umständen verständlich sein, schockierte aber doch die Bedächtigeren, zu denen Thedy gehörte. Viele der Studenten lebten im Gefühl einer Zeitenwende. Sie waren gefühlsmäßig für große Umwälzungen aufgeschlossen. Ohne ein klares politisches Fundament haßten sie alles Althergebrachte, alle Phrasen von Bodenständigem, Nationalem, mit denen man sie in den Krieg getrieben hatte. Ihr Expressionismus, wie wenig er im Ganzen den Problemen auch auf den Grund ging, wirkte in der behäbigen Bürgerlichkeit der ehemaligen Residenzstadt als Explosivstoff. Erst die neuen, von Gropius' Programm angezogenen Studierenden, die zum Teil schon eine Ausbildung hinter sich hatten oder aus dem Berufsleben kamen, brachten die Absicht zu ernster Arbeit mit und gaben dem brodelnden Haus allmählich eine Zielrichtung. Thedy ging in seiner Kritik über die künstlerischen Probleme hinaus. Er stellte das ganze Programm in Frage. Als er im Frühjahr 1919 die Berufung von Gropius gefördert hatte, dachte er an eine bescheidene Reform der Kunsterziehung. Sie sollte seiner Meinung nach darauf hinauslaufen, die Maler durch zusätzliche Ausbildung in verwandten Handwerken wie Dekorationsmalerei und Vergolderei in ihrer wirtschaftlichen Existenz sicherzustellen. In solchen Handwerken zu arbeiten, wäre den Malern in Notzeiten durchaus noch mit einer gewissen Kavaliersgeste 22

möglich gewesen, ohne sich etwas zu vergeben. Gropius' genereller Umbau, seine Gleichsetzung der Studierenden mit Lehrlingen und Gesellen und der Professoren mit normalen Handwerksmeistern (übrigens auch in der Entlohnung) bedeutete ihm eine unerträgliche Degradierung, zumal überall nach dem Ausnahmezustand der Revolutionszeit die altgewohnten gesellschaftlichen Maßstäbe wieder Geltung landen. Die Schule war von dem bisherigen bürgerlichen Renommierinstitut unvermittelt zum Bürgerschreck ersten Ranges geworden. Die als „Proletarisierung" empfundene Einbeziehung der Kunst in das „Werkleben des Volkes" und die Beseitigung des Nimbus um den Künstler drohten die gesellschaftliche Stellung der Kunstprofessoren zu untergraben. Die ganze Gilde der Maler, auch außerhalb des Bauhauses, fühlte sich betroffen. Sie trat geschlossen zur Gegenaktion an. Thedy fand sich bereit, einen am 1. Januar 1920 in der Zeitung „Deutschland" veröffentlichten Protest der Weimarer Künstler mit zu unterschreiben. Da er Vorsitzender der Kunstkammer Thüringens war, hatte seine Unterschrift ein erhebliches politisches Gewicht. Unter den Unterzeichnern befand sich auch Hans Bauer, später Landesvorsitzender der faschistischen Reichskammer der bildenden Künste. Es folgten nun Proteste, Resolutionen und Versammlungen am laufenden Band. Eine Versammlung in der Gaststätte „Armbrust" am 22. Januar zeigt die Gegner in einheitlicher Front. Thedy schickte dem Hauptredner Dr. Herfurth für seine Ausführungen sogar ein Anerkennungschreiben.

Bauhausgegner formieren eine politische Front Bisher hätte man den Kampf durchaus als Kunststreit betrachten können, obwohl einem scharfen Beobachter die politischen Hintergründe schon sichtbar waren. Gropius sprach am 16. Dezember 1919 von der „altdeutschen reaktionären Clique", die in Weimar „recht dick und rund ist" (Dok. 15). Am 20. Januar schrieb er an Poelzig, die „ungeheuren Maßnahmen" der Gegner hätten „rein parteipolitischen Hintergrund". Bei der Versammlung in der „Armbrust" wurden die politischen Motive offenkundig. Als Kampforgan hatte sich der Bürgerverein konstituiert. Sein Wortführer war der Sprecher des völkischen Blocks und spätere deutsch-nationale Abgeordnete Dr. Herfurth. Was bisher in mehr oder minder plumpen gefühlsmäßigen Aktionen steckenblieb, entfaltete sich jetzt zu einem äußerst gefährlichen und geschickten diplomatischen Spiel. Gropius sagte von der Versammlung, sie sei „förmlich ein deutsch-nationaler Parteitag" gewesen; man müsse die Anfeindungen ernst nehmen, Sorglosigkeit könne sich eines Tages rächen.19 Der Bürgerverein stellte seine Forderungen, und Herfurth gab sie im Februar in einer Broschüre heraus. Wichtigster Punkt darin war das Verlangen nach Selbständigkeit und nach organischer Weiterentwicklung der bisherigen Hochschule für bildende Kunst. Das wurde mit den Argumenten der völkischen Rechten begründet: Die Kunst an der bisherigen Kunstschule sei „bodenständig, volkstümlich und bescheiden, im besten Sinne deutsch gewesen".20 23

möglich gewesen, ohne sich etwas zu vergeben. Gropius' genereller Umbau, seine Gleichsetzung der Studierenden mit Lehrlingen und Gesellen und der Professoren mit normalen Handwerksmeistern (übrigens auch in der Entlohnung) bedeutete ihm eine unerträgliche Degradierung, zumal überall nach dem Ausnahmezustand der Revolutionszeit die altgewohnten gesellschaftlichen Maßstäbe wieder Geltung landen. Die Schule war von dem bisherigen bürgerlichen Renommierinstitut unvermittelt zum Bürgerschreck ersten Ranges geworden. Die als „Proletarisierung" empfundene Einbeziehung der Kunst in das „Werkleben des Volkes" und die Beseitigung des Nimbus um den Künstler drohten die gesellschaftliche Stellung der Kunstprofessoren zu untergraben. Die ganze Gilde der Maler, auch außerhalb des Bauhauses, fühlte sich betroffen. Sie trat geschlossen zur Gegenaktion an. Thedy fand sich bereit, einen am 1. Januar 1920 in der Zeitung „Deutschland" veröffentlichten Protest der Weimarer Künstler mit zu unterschreiben. Da er Vorsitzender der Kunstkammer Thüringens war, hatte seine Unterschrift ein erhebliches politisches Gewicht. Unter den Unterzeichnern befand sich auch Hans Bauer, später Landesvorsitzender der faschistischen Reichskammer der bildenden Künste. Es folgten nun Proteste, Resolutionen und Versammlungen am laufenden Band. Eine Versammlung in der Gaststätte „Armbrust" am 22. Januar zeigt die Gegner in einheitlicher Front. Thedy schickte dem Hauptredner Dr. Herfurth für seine Ausführungen sogar ein Anerkennungschreiben.

Bauhausgegner formieren eine politische Front Bisher hätte man den Kampf durchaus als Kunststreit betrachten können, obwohl einem scharfen Beobachter die politischen Hintergründe schon sichtbar waren. Gropius sprach am 16. Dezember 1919 von der „altdeutschen reaktionären Clique", die in Weimar „recht dick und rund ist" (Dok. 15). Am 20. Januar schrieb er an Poelzig, die „ungeheuren Maßnahmen" der Gegner hätten „rein parteipolitischen Hintergrund". Bei der Versammlung in der „Armbrust" wurden die politischen Motive offenkundig. Als Kampforgan hatte sich der Bürgerverein konstituiert. Sein Wortführer war der Sprecher des völkischen Blocks und spätere deutsch-nationale Abgeordnete Dr. Herfurth. Was bisher in mehr oder minder plumpen gefühlsmäßigen Aktionen steckenblieb, entfaltete sich jetzt zu einem äußerst gefährlichen und geschickten diplomatischen Spiel. Gropius sagte von der Versammlung, sie sei „förmlich ein deutsch-nationaler Parteitag" gewesen; man müsse die Anfeindungen ernst nehmen, Sorglosigkeit könne sich eines Tages rächen.19 Der Bürgerverein stellte seine Forderungen, und Herfurth gab sie im Februar in einer Broschüre heraus. Wichtigster Punkt darin war das Verlangen nach Selbständigkeit und nach organischer Weiterentwicklung der bisherigen Hochschule für bildende Kunst. Das wurde mit den Argumenten der völkischen Rechten begründet: Die Kunst an der bisherigen Kunstschule sei „bodenständig, volkstümlich und bescheiden, im besten Sinne deutsch gewesen".20 23

Ein geschickter Schachzug war es, den Bauhausgedanken nicht rundweg abzulehnen. Man sei mit der Forderung nach handwerklichem Einheitsunterricht, wie er auißh von Riemerschmid, Bruno Paul und dem Werkbund vertreten wurde, durchaus vertraut, empfinde auch volle Teilnahme für den Idealismus Gropius' und erkenne die „zielbewußte Geschlossenheit und organische Werbekraft" seines Programms an (eine Formulierung, die der sozialdemokratische „Vorwärts" gebraucht hatte). Der Bauhausgedanke sei aber vorerst nur Theorie, und Weimar eigne sich nach Überlieferung und finanziellen Möglichkeiten nicht für seine Durchführung. Außerdem müsse die „Freiheit des künstlerischen Schaffens gewährleistet und die unduldsanle Vorherrschaft einer einseitigen Kunstrichtung (gemeint war der Expressionismus) vermieden" werden. Dieser Appell an das demokratisch-parlamentarische Prinzip in der Schule traf einen Kernpunkt von Gropius' Konzeption. Er hatte mehrfach betont, daß eine gewisse Einseitigkeit in Kauf genommen werden müsse, wenn Gemeinschaft uiLd Geschlossenheit entstehen sollen. Die Alternative sei eine Arche Noah aller künstlerischen Richtungen mit einem Verwalter als Direktor, und das käme nicht in Frage.21 Aber das war eine Sache der Auffassung und daher anfechtbar, — besonders anfechtbar in dieser Zeit, in der in Antithese zum gerade überwundenen Untertanengeist der Monarchie der Demokratiebegriff mit dem Heiligenschein eines unabdingbaren Absolutums umkränzt wurde. Gerade die politische Rechte aber, erklärter Feind der Demokratie, wußte diese ideologische Säule des jungen Staates mit Schläue als Hebel für ihre Zwecke zu gebrauchen. Gropius versuchte, sich dagegen abzuschirmen, ohne dem Widerspruch ausweichen zu können. „Wenn der zum Demokraten arrivierte Untertan seine jungen Majoritätsrechte noch nicht zu handhaben versteht, ergibt solche Übertragung eines Anspruchs auf bestimmte Fälle, in denen der Anspruch keine Geltung haben kann, besonders in der Praxis der öffentlichen Kunstpflege, jenen Widerspruch, dessen Lösung immer mehr als dringende Notwendigkeit empfunden wird." 82 Neben dem Hinweis auf die finanzielle Lage Sachsen-Weimars und Thüringens blieb die „Überspannung des Demokratiebegriffs" (Gropius) einer der gefährlichsten, weil allgemein einleuchtenden, Trümpfe in den Händen der Bauhausgegner.23 Ein Überblick über die Fronten Ende Januar 1920 zeigt, daß es schlecht um das Bauhaus bestellt war. Der nahezu einheitlich organisierten Gegnerschaft mit gestaffelter Taktik, die vom gehässigen, verleumderischen Klatsch und Zeitungskrieg (typisch für Leonhard Schrickel und Frau von Freytag-Loringhoven) über die um sachliche Ziele ringenden Kunstschulprofessoren bis zur hohen Politik der Reaktion reichte, standen die Bauhäusler mit einer kleinen Gruppe von Anhängern gegenüber. Die wichtigsten davon waren der Direktor der Baugewerkenschule Paul Klopfer, der Schriftsteller Bruno Adler, Benda von der Zentrale für Heimatdienst in Erfurt und der Kreis um den Verleger Eugen Diederichs in Jena. Sie warben um Verständnis in der Öffentlichkeit. Die organisierte Arbeiterschaft Weimars versicherte dem Bauhaus wohl in einem Brief des Vorsitzenden des Gewerkschaftskartells, Emil Friedrich, ihre Sympathie, und die Vertreter der sozialistischen Parteien wiesen,- es 24

nachdrücklich zurück, „die kunstpolitischen Manöver der Bürgerschaft mitzumachen". Aber sie blieben doch mehr oder minder Gewehr bei Fuß. Die Regierung, deren Prestige durch die Front der Völkischen gefährdet war, stellte sich auf die Seite des Bauhauses, und besonders Staatsrat Rudolph half, wo er konnte. Aber alles, was von den progressiven Kräften an Argumenten angeführt wurde, ging in Weimar unter in dem lauthalsen Gezeter der Gegner und deren Anhang, der alten Damen und Pensionäre. Es kam darauf an, Unterstützung von auswärts zu erlangen. Zum Teil von Gropius erbeten, zum Teil spontan in ehrlicher Entrüstung über die Vorgänge in Weimar abgefaßt, trafen bald von überall aus dem Reich Stellungnahmen für das Bauhaus ein.24 Die Angelegenheit hatte so große Wellen geschlagen, daß alle Stellen, auf die es ankam, gezwungen wurden, sich mit den Vorgängen am Bauhaus und Gropius' Absichten auseinanderzusetzen (z. B. Dok. 25 und 27). Gropius bemühte sich zu zeigen, daß es sich um eine prinzipielle Auseinandersetzung handelte und daß in Weimar, stellvertretend für ähnliche Bestrebungen an anderen Hochschulen, ein „zeittypisches" Experiment durchgeführt werde. Er versuchte außerdem, aus der Falle Weimar herauszukommen und über Bartning, den Vorsitzenden des Deutschen Werkbundes Poelzig und den Reichskunstwart Redslob die Übernahme des Bauhauses durch das Reich zu erwirken (Dok. 28). Redslob jedoch sah keinen Weg dahin. Er vertröstete auf den bevorstehenden Zusammenschluß der thüringischen Kleinstaaten zum Lande Thüringen. Die Situation war für Gropius um so prekärer, da wegen des Fehlens finanzieller Mittel nicht die Möglichkeit bestand, die Lehre dem Programm entsprechend auszubauen und das Ringen durch die eigenen Arbeitsergebnisse zu entscheiden. Die Bauhausfreunde hatten es schwer, ihre Meinung zur Geltung zu bringen. Als Bruno Adler einen Artikel zugunsten des Bauhauses an die Presse gab, wurde er nur von der linksgerichteten Presse gedruckt. Selbst der Abdruck der Erklärung der zweiundzwanzig Kunstschuldirektoren wurde in Weimar nur von der „Volkszeitung" gebracht, während die Landeszeitung „Deutschland" und die „Thüringer Tageszeitung" die Wiedergabe verweigerten. Im gesamten Land, auch außerhalb Thüringens, öffneten dagen die Blätter der Rechten ihre Spalten für gehässige Ausfälle (z. B. „Tägliche Rundschau" und der deutschnationale „Berliner Lokalanzeiger"). Nur vereinzelt sprachen neben der linken Presse (z. B. „Freiheit" und „Vorwärts") auch Blätter der liberalen Großbourgeoisie, wie die von Gropius umworbene „Frankfurter Zeitung" (Kulturredakteur war der bekannte Kunstschriftsteller Müller-Wulckow, ihr Berliner Redakteur Max Osborn) und die „Vossische Zeitung" für das Bauhaus. Dabei kam es zu so bezeichnenden Erscheinungen, daß die Schreiber ihre Gesinnung je nach Blatt änderten. Der Redakteur Harä,ld Koegler, der für das „Berliner Tageblatt", eine Zeitung der Demokraten, noch verhältnismäßig objektiv über die Vorgänge in Weimar berichtete, bediente sich für andere Zeitungen entsprechend deren politischer Ausrichtung Herfurths Argumentation. Er sorgte auch für die Verteilung der Herfurthschen Schrift an alle wichtigen Zeitungen. Herfurth, der Führer der Deutschnationalen, versuchte den ganzen Komplex von 25

Aversionen auf seine politische Linie zu bringen. Die Reaktion wünschte die Wiedererrichtung der Hochschule für bildende Kunst. Sie wollte dem Bauhaus daneben nur den Rang einer Kunstgewerbeschule zugestehen. Zum Teil sprach man sich bereits wieder für eine völlige Trennung der handwerklichen von der künstlerischen Erziehung aus. Das Bauhaus warnte die Regierung immer wieder, sie möge einen solchen Schritt nicht zulassen, weil durch das Nebeneinander zweier grundverschiedener Schulen ein „Konflikt ohne Ende" entstehen würde. Der Sieg der alten Kräfte entwerte das progressive Programm des Bauhauses. Da Gropius sich jedoch auf Grund des Kräfteverhältnisses keinen Erfolg mehr versprach, aber auch die institutionelle Gleichrangigkeit der neuen Gründung auf alle Fälle vermeiden wollte, plädierte er für die Gründung einer „Altweimarer Malerschule" und bot als Kompromißlösung den Hochschulprofessoren selbständige Ateliers mit eigenem Programm in lockerer Bindung zum Bauhaus an.25 Doch vergebens. In einer Meisterratssitzung vom 3. Februar erkannte man, daß die Gegensätze tiefgreifend und unüberbrückbar waren und daß sich eine verwaltungsmäßige und räumliche Trennung nicht mehr vermeiden ließ. Das Bauhaus stellte am 3. Februar Antrag auf Abtrennung der Malschule Thedy. Er wurde auf einer Konferenz am 15. April 1920 bestätigt. Zugleich wurde die Rechtsnachfolge an den beiden Vorgängerschulen (ein juristisch wichtiger Punkt!) allein dem Bauhaus zuerkannt. Die Folgen des Kapp-Putsches im März 1920, die Bildung des neuen republikanischen Staatsgebildes Thüringen durch Zusammenschluß der bisherigen Kleinstaaten Sachsen-Weimar-Eisenach, Sachsen-Coburg-Gotha, Sachsen-Meiningen, Schwarzburg-Rudolstadt, Schwarzburg-Sondershausen und Reuß am 1. Mai 1920, schließlich die ersten Landtagswahlen am 20. Juni 1920 veränderten das politische Feld. Noch vor der Konstituierung der aus den Wahlen hervorgegangenen Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und Demokraten am 20. November 1920 hatte der inzwischen als Landtag fungierende Volksrat mit einer Stimme Mehrheit der Bürgerlichen die Gründung einer zweiten selbständigen Schule beschlossen. Die Gründung erfolgte offiziell am 20. September 1920 als „Hochschule für Malerei" mit den Klassen Thedy und Rasch. Gropius beurteilte die Bestätigung des Etats des Bauhauses durch den Finanzrat von Thüringen neben der „gleichzeitigen Bewilligung einer Altweimarer Malschule" als Anerkennung des Bauhauses durch die Staatsregierung. Nebenher sei damit der „radikale Charakter" des Staatlichen Bauhauses offiziell geworden (Dok. 32). In Wirklichkeit war dieser Kompromiß ein Sieg der Reaktion. Unter der Übergangsregierung Paulssen-Baudert und auch noch unter der ersten gesamtthüringischen Regierung Frölich (SPD) und Paulssen (DP) bestand kein selbständiges Volksbildungsministerium. Das Schulwesen war dem bürgerlichen Justizminister (Paulssen) unterstellt. Die verwaltungstechnische Leitung der separaten Klassen und später der Hochschule hatte der ehemalige großherzogliche Staatsminister Rothe übernommen. Als eingefleischter Monarchist und Verfechter der Restauration des feudalen Systems ver-

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folgte er biß zu seinem Tode am 28. April 1921 mit Eifer den Sturz des Bauhauses und die Wiederherstellung der alten Zustände. Am 27. Oktober wechselten auch die letzten Lehrkräfte aus der ehemaligen großherzoglichen Hochschule für bildende Kunst, der Graphiker Walter Klemm und der Bildhauer Engelmann, in die neue Schule über. Nach einer Erweiterung um eine Klasse für Bildhauerei erfolgte am 4. April 1921 die endgültige offizielle Neugründung der „Staatlichen Hochschule für bildende Kunst" in Weimar. Gropius machte später in einem Rundschreiben der Presse Vorwürfe, weil sie nicht eingegriffen hatte: „Wir haben uns gewundert", so schreibt er, „daß die Kritik ... widerspruchslos diese monströse Geburt der Reaktion hingenommen hat". Man versuchte, das neue Institut „als Fortsetzung der ehemaligen Großherzoglichen Hochschule" hinzustellen. Das Besitzrecht des Großherzogs an Inventar und Baulichkeiten wurde in diesem Sinne ausgespielt. (Der Auseinandersetzungsvertrag mit dem ehemaligen Fürstenhaus war noch in der Schwebe). Das Bauhaus sollte wieder auf den Status einer Kunstgewerbeschule zurückgedrängt werden. Die Gefahr war sehr groß, daß durch einen formalen juristischen Entscheid in der Frage der Rechtsnachfolge gegen das Bauhaus nicht nur dessen Idee von der Synthese werklicher und künstlerischer Disziplinen, sondern dessen gesamtes Programm zunichte gemacht wurde. Gropius hatte diesen Punkt seines Programms von Anfang an sehr wichtig genommen. Auf sein ausdrückliches Drängen hin waren die beiden Vorgängerschulen in die amtliche Bezeichnung aufgenommen worden: „Staatliches Bauhaus, vereinigte ehemalige Großherzogliche Hochschule für bildende Kunst und ehemalige Großherzogliche Kunstgewerbeschule". Nun erwies sich dieser so belanglos erscheinende Punkt auf Grund der „demokratischen" Spielregeln der Weimarer Republik plötzlich als das seidene Fädchen, an dem das Schicksal der Schule hing. Das Bauhaus wagte in dieser Situation einen letzten Einsatz: „Da wir (unsere) Arbeit nicht als Wettlauf mit einem akademischen System, das wir als längst überlebt ablehnen müssen, auffassen wollen, ... können wir die Verantwortung für erfolgreiche Weiterarbeit im Bauhaus nicht mehr tragen und sehen uns, nachdem alle Bedenken verworfen wurden, durch die von der Regierung geschaffene unklare Lage gezwungen, ... unser Amt in Ihre Hände (der Regierung) zurückzulegen ... Wir bitten, dem Landtag von unserem Entschluß Mitteilung zu machen".26 Ein juristisches Gutachten vom 10. Juni 1921 entschied den Streitfall endgültig zugunsten des Bauhauses.27 Die Hochschule für bildende Kunst mit ihrem Stamm von Professoren aus der alten Schule wurde juristisch als Neugründung aufgefaßt und praktisch als sekundär behandelt. Die ihr nahestehenden Kreise hatten viel, doch nicht das Letzte erreicht. Sie gaben sich vorläufig mit diesem Teilerfolg zufrieden. Obwohl die Neugründung einer Schule mit den entgegengesetzten künstlerischen Auffassungen, pädagogischen Programmen und zum Teil auch weltanschaulichen Positionen das Ergebnis des jämmerlichen Versagens der regierenden sozialdemokratischen Partei darstellte, trat nun doch im Ganzen eine gewisse Klärung ein. Die Ursachen für die erste politische Krise, die sich an den künstlerischen Fragen ent27

zündet hatte, waren behoben. Beide Seiten konnten trotz des engen räumlichen Nebeneinanders in einem Gebäude nach ihren eigenen Vorstellungen arbeiten. Die Krise als solche ging über in eine Dauerfehde. Sie wurde fortan vorwiegend auf dem parlamentarischen Felde ausgetragen. Die Gegner des Bauhauses glaubten, in Ruhe abwarten zu können, weil sie der Meinung waren, „daß die ganze Eichung bald abgewirtschaftet haben wird", und die „Sendlinge aus fremden Ländern" aus Weimar verschwinden würden. Die durch das Ausscheiden der Professoren frei gewordenen Stellen blieben dem Bauhaus erhalten. Gropius konnte sie mit Männern seiner Wahl besetzen. Er berief Oskar Schlemmer und Paul Klee. Die Hochschule für bildende Kunst stockte ihr Kollegium — und das ist bezeichnend für die dort herrschende politische Tendenz — mit einem Maler aus dem Kreis um Schultze-Naumburg, Hugo Gugg aus Saaleck auf. Als wichtigstes Ergebnis der Kämpfe der ersten beiden Jahre können wir folgendes festhalten: Obwohl es den reaktionären Kreisen nicht gelungen war, das Bauhau3 zu beseitigen, hatten sie doch dessen Arbeitsfähigkeit erheblich gedrosselt. Das Ausbleiben der so dringend benötigten Mittel zum Aufbau der Werkstätten und die internen Auseinandersetzungen mit den Professoren der ehemaligen Hochschule lähmten das Bauhaus beim Bemühen, neue Formen und Ziele der Ausbildung zu entwickeln. Die Reaktion hatte einen Teilerfolg erlangt. Sie gab aber ihr Ziel der gänzlichen Beseitigung des Bauhauses nicht auf. Der Fall wurde , immer mehr zu einer Prestigefrage für die politischen Lager in Weimar und Thüringen. Die Gegner verlegten sich fortan auf andere Methoden. Die Auseinandersetzungen wurden in den folgenden Jahren im Landtag geführt, bis schließlich im Frühjahr 1924 eine geeignete politische Situation herangereift war, um einen Generalangriff zu wagen. Das Bauhaus und der thüringische Landtag Für das Schicksal einer Institution, die zu ihrem Unterhalt öffentliche Gelder benötigte, war es in der Weimarer Republik von ausschlaggebender Bedeutung, welche Stellung das Parlament und die darin vertretenen Parteien ihr gegenüber einnahmen. Da in dem bürgerlich-parlamentarischen System der jeweils zustande gekommene Mehrheitsbeschluß die weiteren Maßnahmen bestimmte, entwickelten sich im thüringischen Landtag bei den Verhandlungen um den Staatshaushalt heftige Debatten um das Bauhaus. Hierbei kam die Haltung der politischen Parteien, wenn auch in den offiziellen Argumenten manchmal kaschiert, deutlich zum Ausdruck. Im Weimarer Landtag saßen nach Gründung des Landes Thüringen Abgeordnete der Deutschen Volkspartei (DVP), der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), der Mehrheitssozialisten (SPD), der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) und der Kommunistischen Partei (KPD). Für unsere Untersuchung ist die Haltung der Sozialdemokraten, der Kommunisten und der Deutschnationalen von besonderer Bedeutung. , ,' 28

zündet hatte, waren behoben. Beide Seiten konnten trotz des engen räumlichen Nebeneinanders in einem Gebäude nach ihren eigenen Vorstellungen arbeiten. Die Krise als solche ging über in eine Dauerfehde. Sie wurde fortan vorwiegend auf dem parlamentarischen Felde ausgetragen. Die Gegner des Bauhauses glaubten, in Ruhe abwarten zu können, weil sie der Meinung waren, „daß die ganze Eichung bald abgewirtschaftet haben wird", und die „Sendlinge aus fremden Ländern" aus Weimar verschwinden würden. Die durch das Ausscheiden der Professoren frei gewordenen Stellen blieben dem Bauhaus erhalten. Gropius konnte sie mit Männern seiner Wahl besetzen. Er berief Oskar Schlemmer und Paul Klee. Die Hochschule für bildende Kunst stockte ihr Kollegium — und das ist bezeichnend für die dort herrschende politische Tendenz — mit einem Maler aus dem Kreis um Schultze-Naumburg, Hugo Gugg aus Saaleck auf. Als wichtigstes Ergebnis der Kämpfe der ersten beiden Jahre können wir folgendes festhalten: Obwohl es den reaktionären Kreisen nicht gelungen war, das Bauhau3 zu beseitigen, hatten sie doch dessen Arbeitsfähigkeit erheblich gedrosselt. Das Ausbleiben der so dringend benötigten Mittel zum Aufbau der Werkstätten und die internen Auseinandersetzungen mit den Professoren der ehemaligen Hochschule lähmten das Bauhaus beim Bemühen, neue Formen und Ziele der Ausbildung zu entwickeln. Die Reaktion hatte einen Teilerfolg erlangt. Sie gab aber ihr Ziel der gänzlichen Beseitigung des Bauhauses nicht auf. Der Fall wurde , immer mehr zu einer Prestigefrage für die politischen Lager in Weimar und Thüringen. Die Gegner verlegten sich fortan auf andere Methoden. Die Auseinandersetzungen wurden in den folgenden Jahren im Landtag geführt, bis schließlich im Frühjahr 1924 eine geeignete politische Situation herangereift war, um einen Generalangriff zu wagen. Das Bauhaus und der thüringische Landtag Für das Schicksal einer Institution, die zu ihrem Unterhalt öffentliche Gelder benötigte, war es in der Weimarer Republik von ausschlaggebender Bedeutung, welche Stellung das Parlament und die darin vertretenen Parteien ihr gegenüber einnahmen. Da in dem bürgerlich-parlamentarischen System der jeweils zustande gekommene Mehrheitsbeschluß die weiteren Maßnahmen bestimmte, entwickelten sich im thüringischen Landtag bei den Verhandlungen um den Staatshaushalt heftige Debatten um das Bauhaus. Hierbei kam die Haltung der politischen Parteien, wenn auch in den offiziellen Argumenten manchmal kaschiert, deutlich zum Ausdruck. Im Weimarer Landtag saßen nach Gründung des Landes Thüringen Abgeordnete der Deutschen Volkspartei (DVP), der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP), der Deutschen Demokratischen Partei (DDP), der Mehrheitssozialisten (SPD), der Unabhängigen Sozialdemokraten (USPD) und der Kommunistischen Partei (KPD). Für unsere Untersuchung ist die Haltung der Sozialdemokraten, der Kommunisten und der Deutschnationalen von besonderer Bedeutung. , ,' 28

Zur Rolle der Sozialdemokratie genügen hier wenige Hinweise; Die SPD war seit der Novemberrevolution die stärkste Partei. Sie hielt wichtige Positionen des Staatsapparates in ihren Händen. Sie stellte den Reichskanzler und den Reichspräsidenten. In vielen Landesregierungen hatten Sozialdemokraten entscheidende Stellungen inne. Aber die reformistische und opportunistische Haltung ihrer Führer verhinderte, daß ihre Macht dazu benutzt wurde, eine konsequente Politik im Interesse der Arbeiterklasse zu betreiben. Aus Angst vor einer „Bolschewisierung" einerseits und Repressalien der westlichen Siegermächte andererseits gingen sie den schändlichen Pakt mit den alten Militärs (Vereinbarung zwischen Ebert und dem Vertreter der obersten Heeresleitung General Groener) ein und spalteten die Arbeiterklasse. Damit bereiteten sie den Boden für den schrittweisen Sieg der Konterrevolution. Die Forderungen der Wähler nach Sozialisierung beantworteten sie mit scheinrevolutionären Vorstellungen von einer sozialistischen Zukunft, die auf parlamentarischem Wege, also mit Stimmzetteln ohne Diktatur des Proletariats, erreicht werden sollte. Im Respekt vor Mehrheitsbeschlüssen und vor dem System der parlamentarischen Demokratie ließen sie sich von der rasch erstarkenden Reaktion die Macht aus den Händen nehmen oder wurden sogar zu deren Handlangern. Sie fühlten sich zusammen mit den Demokraten als Träger der bürgerlichdemokratischen Weimarer Republik, kämpften um Ordnung und wieder Ordnung und vergaßen darüber ihre Aufgabe als Interessenvertreter der Arbeiterklasse. Die Unabhängige Sozialdemokratische Partei (USPD) war 1917 als linke Opposition gegen die Mehrheit in der SPD entstanden. In Thüringen konnte sie sich nach der Novemberrevolution und besonders nach dem Kapp-Putsch auf eine große Anhängerschaft stützen. Im Freistaat Gotha bildete sie die Regierung. Auch in der USPD gab es zunächst Illusionen, als sei mit der Entmachtung der preußischdeutschen Monarchie und mit der Einführung wichtiger demokratischer Rechte, zum Beispiel des allgemeinen Wahlrechtes, schon das Ziel der Revolution erreicht. Sie fand aber schließlich in einem revolutionären Klärungsprozeß zurück zur Forderung nach der Diktatur des Proletariats auf der Grundlage des Rätesystems und nach Zerstörung des kapitalistischen Staates. 1920 zerbrach die USPD an dem ihr anhaftenden Widerspruch zwischen dem revolutionären linken Flügel und der zentristischen Führung. Nach dem Parteitag im Oktober in Halle wechselte die Mehrheit der Mitglieder zur K P D über (in Thüringen erfolgte der Zusammenschluß auf dem Bezirksparteitag in Erfurt am 9. Januar 1921), während der Rest immer stärker der SPD folgte und schließlich mit ihr verschmolz. Konsequent revolutionär war die Kommunistische Partei. Sie erkannte als Voraussetzung für die Lösung der nationalen Lebensfragen die politische und ökonomische Entmachtung des Imperialismus und seiner Vertreter und bekannte sich zur Diktatur des Proletariats. Die K P D war im Dezember 1918 aus dem Spartakusbund hervorgegangen und hatte sich zunehmend zu einem wichtigen Faktor der thüringischen Politik entwickelt. Zu ihren bedeutenden Funktionären gehörten in Thüringen Dr. Theodor Neubauer, der die Landtagsfraktion leitete, Albin Tenner, Otto Geithner und Käthe Duncker. Die Kräfte der Reaktiön fandet ihre Vertretung in der Deutschnationalen Volks29

partei (DNVP) und der Deutschen Volkspartei (DVP). Die DNVP war aus dem früheren rechten Mügel der Nationalliberalen Partei und auB der Konservativen Partei hervorgegangen. In ihr sammelten sich all die durch die Niederlage und Revolution geschwächten und isolierten Elemente — Großgrundbesitzer, Teile der Industriellen, des Offizierskorps und der hohen Staatsbürokratie —, Gruppen also, die entsprechend ihrer objektiven Klassensituation keine Chance gehabt hätten, erneut eine politische Rolle zu spielen, wenn sie nicht durch den Namen „Volkspartei" und durch ideologische Verbrämung mit Nationalismus, Volkstum und Antisemitismus eine wirksame Tarnung gehabt hätten. Ihre Anhänger suchte die DNVP in den Kreisen, die sich durch die Revolution gedehmütigt fühlten und den Verlust ihres Besitzes oder ihres sozialen Prestiges fürchteten: bei Handwerkern, Kleinbürgern und Intellektuellen. Eine deutsch-völkische Mythologie und ein antisemitischer Irrationalismus, verbunden mit offener chauvinistischer Revanchehetze, begünstigte ihren demagogischen Einfluß auch auf die Mittelschichten. In ihrem Programm forderten die Deutschnationalen bereits 1920 ganz offen „Erneuerung des von den Hohenzollern aufgerichteten Kaisertums". Als Feinde der Weimarer Verfassung begrüßten sie den Kapp-Putsch, sahen sich aber nach seinem Scheitern gezwungen, mit „legalen" Mitteln um die Macht zu kämpfen. In ihrem Doppelspiel von volksverbundener Phrase und extrem-reaktionärer Zielsetzung wurden sie später nur noch von den Nationalsozialisten übertroffen, denen sie in den Sattel halfen. Fraktionsvorsitzender der Deutschnationalen im Thüringer Landtag war Dr. Herfurth. Die Deutsche Volkspartei stand den Deutschnationalen nahe. Auch sie wurde getragen von der Großindustrie, von Teilen der Großagrarier und der hohen Staatsbürokratie. Sie bekannte sich zunächst ebenfalls zur „vergangenen politischen Tradition Deutschlands" und dessen „Symbol im deutschen Kaisertum", war aber schließlich einverstanden mit einer republikanischen Staatsform, wenn sich diese, wie in der Weimarer Republik, als Herrschaftsform des Monopolkapitals benutzen ließ. Vorsitzender der Deutschen Volkspartei und gleichzeitig Sprecher in Schulfragen war in Thüringen Dr. Witzmann. Zu Bauhausfragen sprach Dr. Neumann. Die demokratischen Kräfte des Bürgertums und der Intelligenz sammelten sich in der Deutschen Demokratischen Partei (DDP). Die Demokraten fühlten sich der Republik verpflichtet und befürworteten streckenweise sogar eine Nationalisierung von Schlüsselindustrien. Der Vorsitzende ihrer thüringischen Landtagsfraktion, Rosenthal, Professor der Rechte in Jena, hatte entscheidend an der Ausarbeitung der Verfassung von Thüringen mitgewirkt. Ihr Sprecher in Bauhausangelegenheiten war Dr. Krüger. Die erste thüringische Landesregierung entstand auf der Basis einer Koalition zwischen SPD, USPD und DDP. Das Bauhaus war in seiner Existenz abhängig vom Landtag, weil die Mittel zum Ausbau der Werkstätten und des gesamten Betriebes dem sogenannten „außerordentlichen Etat" entnommen wurden, der vom Landtag bestätigt werden mußte. Die Regierung hatte Gropius hinsichtlich der Bewilligung der Mittel während des ersten Jahres auf den Abschluß des Auseinandersetzungsvertrages zwischen dem Lande Thüringen und dem Großherzog vertröstet. (Die Unterhaltsmittel für die 30

Kunstinstitute waren bislang zu einem wesentlichen Teil aus der sogen. Großherzoglichen Schatulle gekommen.) Deshalb konnte er den Ausbau des Bauhauses nicht weiter voranbringen. Noch im Frühjahr 1920 war er nicht in der Lage, den praktischen Unterricht aufzunehmen, weil den Werkstätten die Ausrüstung mit Maschinen und die notwendigen Rohstoffe fehlten. In einem Brief vom 31. März 1920 bat Gropius das Kultusministerium dringend, zu untersuchen, „welche Wege geeignet sind, um dem Bauhaus die praktische Arbeit endlich zu ermöglichen, auch für den Fall, daß die Entscheidung des Landtages und die Auseinandersetzung zwischen Großherzog und Staat vorläufig noch nicht zum Abschluß kommt". Und einen Monat später erklärte er: „Die Zustände sind unhaltbar, und ich kann die Verantwortung nicht länger tragen, die Meister und Schüler wegen der Mittel und der Rohstoffe auf die Zukunft zu vertrösten. Wir können nicht arbeiten ohne Material und Werkzeug! Wenn nicht schnelle Hilfe kommt, sehe ich schwarz für die Existenzmöglichkeit des Bauhauses. Viele müssen und wollen es verlassen, da sie nicht arbeiten können."28 Am 9. Juli wurde im Plenum des Landtages darüber beraten, nachdem die dringendsten Mittel bereits am 23. Juni vorgeschossen worden waren. Aus diesem Anlasse entwickelte sich durch den Einspruch der Deutschnationalen Fraktion eine heftige Debatte.89 Der Referent für das Bauhaus im Volksbildungsministerium, Staatsrat Rudolph, verteidigte Gropius gegen den Vorwurf des Nichtkönners durch Aufzählung seiner bisherigen Bauten und Leistungen und wies die engstirnigen Anwürfe der Lokalpatrioten zurück, die ein thüringisches Institut nur von Thüringern besucht wissen wollten. Gropius selbst hatte als Regierungskommissar das Recht, vor dem Plenum zu sprechen. Er verteidigte seine Forderungen, indem er sie mit den Unterhaltsmitteln ähnlicher Institute des Reiches verglich, und wehrte sich dagegen, daß geistige und kulturelle Erscheinungen nicht nach ihrem sachlichen Wert beurteilt, sondern für die Zwecke der Parteien benutzt würden. Auch das Bauhaus sei so, obwohl es mit Politik der Parteien nichts zu tun habe, ein politisches Kampfobjekt geworden. Der von den Gegnern fortwährend beschworenen „Tradition von Weimar", die sich im Bewahren erschöpfte, hielt er seine Auffassung entgegen: „Die Tradition von Weimar kann nicht Feststehen auf einem Punkt bedeuten, sondern lebendige Weiterentwicklung, und der wahre Geist von Weimar kann nur Kampf um geistigen Fort*schritt sein". Gropius entwickelte dann die Grundzüge seines Bauhausplanes in so überzeugender Weise, daß die gegnerischen Parteien nicht umhin konnten, ihn anzuerkennen und weit hergeholte Ausflüchte brauchten, um ihre negative Haltung zu begründen. Der Abgeordnete der Deutschvölkischen meinte, daß zur Durchführung einer solchen Idee „ein Mäzen, ein Fürst mit reichen Mitteln oder irgend eine Persönlichkeit oder eine Gruppe von Persönlichkeiten, die große Mittel für einen solchen Zweck verwenden kann", gehöre. Eine Staatsverwaltung könne sich ein solches „Mäzenatentum" nicht leisten. Der Abgeordnete von Eichel-Streiber von den Deutschna31

tionalen pflichtete ihm bei. Die Debatte war durch diffamierende Artikel in der Lokalpresse, vor allem in der weitverbreiteten „Thüringer Allgemeinen Zeitung", und durch Beschwerdeschreiben an die Regierung vorbereitet worden. Die Landtagsfraktionen der Arbeiterparteien sprachen für das Bauhaus. Der Sprecher der SPD, Leutert, bemühte sich, das von seiner Partei mitgeschaffene Institut zu verteidigen.30 SPD und USPD waren überzeugt, in ihm etwas Neues und Fortschrittliches gegen die Angriffe der Reaktion schützen zu müssen. Sie sahen im Grundgedanken etwas Zukunftsträchtiges, das mit dem Kampf der Arbeiterklasse um eine bessere soziale Ordnung in Verbindung stand. Zum künstlerischen Programln äußerten sie sich nicht, offenbar, weil sie selbst keine Klarheit besaßen. Die Sozialdemokraten setzten in dieser Debatte mit schwacher Hilfe der Demokraten den Etat des Bauhauses durch. Die erste Finanzklippe war damit überwunden. Gropius war seiner Sorgen aber noch nicht enthoben, zumal die im Haushalt verankerten Kosten für Gehälter, Verwaltungen usw. und auch für den weiteren Ausbau des Instituts immer wieder neue Gelder nötig machten. Sie konnten nur durch den außerordentlichen Etat gedeckt werden. So kam die Bauhausfrage bei jeder Etat 1 behandlung auf den Tisch des Parlaments. Nur dem Umstand, daß wegen der Inflation der Haushalt des Landes Thüringen in den nächsten Jahren nicht jährlich verabschiedet werden konnte, war es zu verdanken, daß nicht jedes Jahr mit einer neuen Großdebatte die Existenzfrage für das Institut aufgeworfen wurde. Im Spätsommer 1921 löste sich auf Initiative der kommunistischen Fraktion der erste thüringische Landtag auf. Die Neuwahlen am 20. September 1921 brachten eine knappe Mehrheit für die Arbeiterparteien. Sozialdemokraten und Unabhängige bildeten die neue Landesregierung. Die Kommunistische Partei sagte ihre Unterstützung im Parlament zu. Von den insgesamt 54 Landtagsmandaten hatten die Arbeiterparteien 28 inne, und zwar SPD 13, USPD 9 und KPD 6. Die 26 Mandate der Bürgerlichen verteilten sich auf den Landbund (10), die DVP (9), DNVP (4) und die DDP(3). Staatsminister wurde August Frölich (SPD). Emil Hartmann (SPD) übernahm die Finanzen und Karl Hermann (SPD) das Innenministerium. Neu gebildet wurde nun ein selbständiges Ministerium für Volksbildung unter Minister Max Greil (SPD, vorher USPD). Wie wenig aber die von den Sozialdemokraten geleitete Regierung tatsächlich sozialistisch war, beweisen einige — von Mitzenheim mitgeteilte — Zahlen31. Von einhundertzwei höheren Beamten in den Ministerien waren nur fünfzehn „Sozialisten". Hartmann hatte unter seinen dreiundzwanzig Mitarbeitern des Finanzministeriums nicht einen einzigen, und der gesamte Justizapparat blieb nach wie vor erzreaktionär und monarchistisch. Nur der Minister Greil hatte es gewagt, einen Kommunisten als Referenten einzusetzen. Dennoch war die politische Konstellation Thüringens in diesen Jahren recht günstig, und die Regierung hätte Maßnahmen ergreifen können, um die Position des Bauhauses zu festigen und das unglückliche Nebeneinander zweier gegensätzlicher Schulen zu revidieren. Es wäre vor allem' notwendig gewesen, dem Bauhaus Gelegenheit zum praktischen Bauen zu geben. Gropius drängte gerade in dieser Zeit sehr dai'auf . Aber es geschah nichts. Die Regierung blieb allzusehr vom Druck der Rechten ab32

hängig, um konsequente freie Entscheidungen treffen zu können. Große Schritte hätte ohnehin die zunehmende Inflation nicht erlaubt. Daß die bürgerlichen Parteien in dieser Zeit im Parlament nicht viel ausrichten konnten, bewies die Haushaltsdebatte 1922/23,32 bei der sich wiederum längere Aussprachen über das Bauhaus entwickelten. Der bürgerliche Abgeordnete Dr. Neumann von der Deutschen Volkspartei erklärte, er könne sachlich nichts zum Problem sagen. Einerseits behaupte man, das Bauhaus tauge überhaupt nichts, und andererseits hoffe man, es werde später nicht nur glänzenden Ruhm nach Weimar tragen, sondern auch wirtschaftlich kolossale Gewinne bringen. Er wolle deswegen im Namen seiner Partei mit seinem Urteil zurückhalten und „ein drittes Gnadenjahr" bewilligen. Nach dieser Stellungnahme der Volkspartei und einer ähnlichen der Demokraten sah Herfurth keine Möglichkeit mehr, die Bewilligung der Mittel zu verhindern. Er benutzte aber den Anlaß zu einer demagogischen Rede. Er sei schon immer für das Bauhaus und seine Ziele eingetreten und habe volles Verständnis für den handwerklichen Einheitsunterricht gehabt. Seine Bedenken gegen die Errichtung des Staatlichen Bauhauses seien damals (1920) im wesentlichen finanzieller Natur gewesen (Zuruf von Links: „Eine hundsgemeine Hetze war es"). Herfurth kritisierte sodann die mangelnde Verbindung zwischen dem Bauhaus und dem Handwerk und forderte die Regierung auf, dafür zu sorgen, „daß das Bauhaus künftig zum Nutzen des Handwerks tätig ist"33. Der Landtag bewilligte die Mittel und Sonderausgaben für 1922. Die Zeit des zweiten thüringischen Landtages vom September 1921 bis Dezember 1923 war trotz der ungeheuren wirtschaftlichen Schwierigkeiten die politisch ruhigste für das Bauhaus in seiner Weimarer Zeit. Als besonders günstig erwies sich die Ablösung des bisherigen Ministers für Volksbildung, Kultus und Justiz, Paulssen (DDP), eines Juristen, durch einen aus der USPD in die SPD gekommenen Schulmann und Funktionär — Greil. Paulssen hatte sich zwar Gropius und dem Bauhaus gegenüber immer fair und wohlwollend verhalten, war aber als Jurist ohne Verständnis für die aktuellen Probleme der Kunst und des Schulwesens geblieben. Greil dagegen war von der Notwendigkeit einer Schulreform überzeugt und versuchte, sie, soweit es die gesellschaftlichen Bedingungen und die kompromißlerischen Formulierungen in den Schulparagraphen der Weimarer Verfasssung zuließen, zu verwirklichen. Er arbeitete ein Einheitsschulgesetz aus34 und brachte es im Landtag mit den Stimmen der Linksparteien gegen die Deutschnationalen und Deutschvölkischen durch. Diese Maßnahmen bedeuteten für Gropius endlich eine Rechtfertigung seines eigenen Programms. Er begrüßte sie dankbar. Das Debakel der Jahre 1922/23 war die Finanznot. D ; e Inflation hatte alles in ihren Strudel hineingezogen. Die ohnehin geringen Mittel verloren ihren Wert, noch ehe sie verbraucht waren.35 Das Bauhaus verstärkte seine Anstrengungen zur Selbsthilfe. Die inzwischen arbeitsfähigen Werkstätten wurden neben ihrer eigentlichen Aufgabe als Schul- und Versuchswerkstätten zur unmittelbaren Produktion verpflichtet. Die Studenten arbeiteten sechs Stunden am Tag produktiv. 3 Hüter

33

Angriff der Deutschnationalen und Stellungnahme aller Parteien zum Bauhausprogramm Bei der Durchsetzung dieser schwierigen Verbindung von Produktion und Schulbetrieb entstanden erneute Konflikte. Der Syndikus Beyer, der zur kaufmännischen Verwertung der Produktion eingestellt worden war, betrieb zusammen mit einigen Handwerksmeistern eine gänzliche Umstellung des Bauhauses zu einem Wirtschaftsbetrieb. Er verlangte, ausgehend von Vorstellungen eines reinen Produktionsbetriebes, die Trennung zwischen wirtschaftlicher und künstlerischer Leitung und den unbedingten Vorrang des wirtschaftlichen Faktors. Außerdem wandte er sich scharf gegen die Formmeister, also gegen die für die künstlerische Erziehung zuständigen Maler. Sie seien mit ihrem berühmten Namen Aushängeschild der Anstalt, ohne in den Werkstätten wirklich wirksam zu werden. Die führenden Meister und mit ihnen Gropius verwahrten sich gegen eine solche Verfälschung des Bauhausgedankens. Staatssekretär Rudolph unterstützte sie. Er wies Beyer zurecht: Das Bauhaus sei nicht in erster Linie Produktionsbetrieb sondern Schule. Wenn hierbei Arbeit geleistet werde, die sich durchweg in hochwertigen Kunstund Gebrauchsgegenständen verkörpere, so sollen diese wirtschaftlich vorteilhaft verwertet werden, anstatt wie an anderen Kunstakademien Böden und Keller zu füllen; Selbstzweck dürfe die Produktion aber nie werden.36 Von der explosiven Stimmung verführt, ließen sich die Meister Zachmann und Carl Schlemmer (Bruder des Malers Oskar Schlemmer) in den Konflikt verwickeln. Sie bauschten internen Klatsch auf und klagten Gropius an, sein Lebenswandel entspreche in sittlicher Beziehung nicht seiner Stellung. Gropius, dem an einer sauberen Atmosphäre im eigenen Hause gelegen war, brachte die Angelegenheit sofort vor die Vollversammlung des Bauhauses (am 16. Oktober 1922) und, nachdem die Studierenden sowie die übrigen Meister ihm das Vertrauen ausgesprochen hatten, vor die Regierung. Die betroffenen Meister stellten noch am gleichen Tage Antrag auf Disziplinarverfahren gegen Gropius. Die daraufhin eingeleitete mehrere Wochen dauernde Untersuchung des Falles durch Regierungsbehörden mit Vernehmungen der Ankläger, einiger Zeugen und mit geheimen Informationen ergab, daß die Anschuldigungen in allen wesentlichen Punkten unbegründet waren.37 Die Regierung ermächtigte Gropius, die Meister und den Syndikus sofort zu entlassen, und erhob selbst Verleumdungsklage. Während Zachmann und Schlemmer, durch die Forderung nach Beweisen in die Enge getrieben, ihre Anschuldigungen zurücknahmen, fand Beyer eine starke Rückendeckung im Kreise der Völkischen. Dadurch blieb die Angelegenheit als gerichtliches Verfahren und von der Sache her in der Schwebe.38 Vor diesem Hintergrund und gestützt auf das Material Beyer versuchte Herfurth Anfang 1923 einen erneuten Angriff im Landtag. Er brachte dort eine Interpellation ein „betreffend die Organisation und Betriebsführung des Staatlichen Bauhauses" (Dok. 61).39 Beim Vortrag dieser Interpellation begann er mit einer halben Entschuldigung: Die Grundsätze des Bauhauses, die lange vor Gropius entwickelt worden seien, 34

erkenne er an. Im übrigen sei es nicht Sache eines Parlaments, über die Richtigkeit der Leitsätze und der aus ihnen abgeleiteten Arbeit zu urteilen. „Wenn wir" so fährt er fort, „die eigentliche Kunstfrage, über die letzten Endes die deutsche Kunst entscheiden muß ... ganz ausschalten, so unterliegen das Programm und seine Durchführung doch unserer Kritik in seinen Beziehungen zum Gesamtorganismus der Verwaltung, der Wirtschaft und der Kultur Thüringens. Wir müssen fordern, daß es sich in diese Gesamtheiten eingliedert, in fruchtbarer Gemeinschaft mit ihnen arbeitet und sich nicht in selbstbewußter Sonderstellung von ihnen abschließt... Der Hauptvorwurf, den wir dem Staatlichen Bauhaus als einer vorwiegend aus Staatsmitteln unterhaltenen Anstalt machen, ist der, daß es sich der Finanzlage des Landes nicht anpaßt, vielleicht nicht anpaasen will. Die psychologische Erklärung liegt in der schrankenlosen Ausdehnung seines Wollens und der großen Geste, in der es sich gefällt... Der Staat kann nicht einmal den Haushaltsplan für 1922 drucken lassen, und eine Staatsanstalt verblüfft durch unzeitgemäßen Luxus (gemeint ist das Programm der Ausstellung 1923), während die Schüler des Staatlichen Bauhauses, wie ich weiß, vielfach aus Idealismus hungern. Dadurch kommt in den ganzen Bauhausbetrieb ein Element der Unehrlichkeit, oder, um mit Gropius zu sprechen, ein ,Umlügen der Tatsachen'."40 Herfurth bemängelte weiter die hohe Zahl der Meister gegenüber der geringen Zahl an Lehrlingen — es bestanden neun Werkstätten mit je zwei Meistern, dem Formmeister und dem Handwerksmeister, in denen 22 Gesellen und 56 Lehrlinge arbeiteten —, wandte sich scharf gegen die Bauhausbühne, die einen Luxus darstelle, und kritisierte die unsystematische Arbeit, die Studien- und Arbeitsdisziplin. In mehreren dieser Punkte benutzte er Aussagen Beyers. Wie dieser bezeichnete auch er die Meister als Dekoration und Reklame für die Öffentlichkeit, da sie gar nicht ausreichend beschäftigt werden könnten. Um dies zu bekräftigen, verwies er auf einen Artikel von Huszar in der Zeitschrift „De Stijl" vom Dezember 1922.41 Dort war, allerdings aus ganz anderen Motiven, die fehlende geistige Gemeinschaft der Formmeister beklagt und deren Abberufung verlangt worden. Herfurth forderte eine starke Einschränkung der Zahl der Meister und beschuldigte schließlich Gropius selbst noch, er habe Staatskredite betrügerisch, zum Teil für persönliche Zwecke verwendet. Beweise blieb er schuldig. Weitere Ansatzpunkte für seine Kritik fand er in dem öffentlichen Vortrag von Gropius über „die Mitarbeit des Künstlers in Technik und Wirtschaft" vom 15. Februar 1923, besonders in der dort erörterten Ansicht, daß das Handwerk „als isolierter Kulturfaktor" seinem sicheren Ende entgegengehe, — aber auch im Programm des Bauhauses für die geplante große Bauhausausstellung, bei dem er sich vor allem an dem Passus von der „Kathedrale des Sozialismus" stieß. Herfurths Schlußfolgerung aus allem war: Thüringen kann die Mittel für das Bauhaus nicht aufbringen. Das Reich möge sich der Schule annehmen. Herfurth verfolgte mit der Interpellation mehrere Ziele. Er hielt es für politisch vorteilhaft, die durch Beyer geschaffene innere Krise für sich und seine Freunde auszunutzen. Ihm schien es zu dieser Zeit taktisch klüger, die Angriffe immer stärker auf die Person Gropius zu konzentrieren, um nach dessen Beseitigung mit der Anstalt oder zumindest mit den für die Bürgerlichen unangenehmen Programmpunkten 3*

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aufzuräumen. Seine Forderung, Organisation und Betriebsführung des Bauhausee den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Landes anzupassen, also erheblich zu reduzieren, enthielt verschleiert die Hoffnung, auf diese Weise die progressiven Gedanken aus dem Programm auszumerzen und die Anstalt den Verhältnissen der thüringischen Wirtschaft unterzuordnen. Er ließ dabei unerwähnt, daß sich das Bauhaus gerade zu dieser Zeit selbst um Verbindung mit der Wirtschaft bemühte, denn von der Ausstellung 1923 erhoffte Gropius den großen Durchbruch aus der Isolierung und schulmäßigen Abkapselung der ersten Jahre. Herfurth ging es aber gerade darum, die mit großem Elan angelaufenen Vorbereitungsarbeiten für diese Ausstellung zu sabotieren. Im Namen der Regierung hatte der Volksbildungsminister Greil die Interpellation zu beantworten. Er deckte zunächst als deren Kern auf: Es handele sich bei den Deutschnationalen um den Kampf gegen das Bauhaus an sich. Dem Vorwurf wegen des ungesunden Zahlenverhältnisses zwischen Meistern und Schülern begegnete er mit dem Hinweis, daß an höheren Schulen des Landes ähnliche Verhältnisse bestünden, hier aber keine Abhilfe verlangt werde, weil diese Schulen von Kindern der Kapitalisten und Großgrundbesitzern besucht würden. Man müsse bedenken, daß es sich beim Bauhaus zunächst um einen Versuch handele. Niemand könne die unbedingte Bürgschaft übernehmen, daß der Versuch gelingt. „Aber wer den Fortschritt will, muß auch den Mut haben, einen Versuch zu machen. Jeder neue Gedanke muß irgendwo und irgendwann zum ersten Male verwirklicht werden." Greil stellt sodann die Durchführung des Bauhausgedankens in den großen Rahmen seiner Schulreform, wie er sie in Thüringen durchführen wollte. „Schulreform im Sinne des Arbeitsschulgedankens, im Sinne der Umwandlung unserer Schulen in der Richtung der Produktionsschule ..., daß künftig zwischen Unterricht und produktiver Tätigkeit eine enge Verbindung hergestellt wird ... Insofern bedeutet das Staatliche Bauhaus ein Stück fortschrittlicher Kulturpolitik." Wenn die Finanznot zu einem Abbau auf dem Kultursektor zwinge, so würde man nicht gerade bei den Anstalten anfangen, die fortschrittlich gerichtet seien. Auch Greil sah, wie Gropius, den besten Weg zur Reduzierung der Aufwendung in einem raschen Ausbau der produktiven Werkstätten. Als Sachverständiger für Kulturfragen hatte Gropius auch diesmal das Recht, in eigener Sache im Landtag zu sprechen. Es sei, so sagte er, bemerkenswert, „daß, wenn eine Sache geistig nicht mehr bekämpft werden kann, der Verusch gemacht wird, sie durch persönliche Verunglimpfung des Urhebers aus der Welt zu schaffen." Er wies die Anschuldigungen zurück, konnte es sich aber nicht versagen, großzügige Berechnungen über die künftige Rentabilität des Bauhauses anzustellen, nach denen es bald finanziell selbständig sein werde. „Wir haben einen Plan auf weite Sicht aufgestellt, indem wir uns gesagt haben: Unsere Leute können nur existieren, wenn man das Bauhaus auf eine breite Basis stellt und den dort arbeitenden Menschen Existenzmöglichkeit gibt. Aus der Erkenntnis heraus, daß heute die jungen Menschen nicht aus eigener Tasche studieren können, oder höchstens einzelne reiche Söhne, war ich darum besorgt, den Schülern Existenz- und Verdienstmöglichkeit zu geben." Er berichtete, daß das Bauhaus ein Grundstück gepachtet habe, auf dem es Häuser bauen wolle, aber wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten noch nicht dazu ge36

kommen sei, daß aber trotzdem jetzt ein Musterbau in Angriff genommen werde, an welchem das Bauhaus seine praktischen Erfahrungen zeigen wolle. Gropius verlangte Zeit f ü r den weiteren Aufbau und für die vorgesehene Auseinandersetzung mit Handwerk und Industrie des Landes: „Wir brauchen Geduld und langen Atem." Die tiefere Ursache für die Interpellation sah er darin, daß dem Bauhaus noch vor der Ausstellung der Dampf abgedreht werden soll. Zum Schluß verwahrt er sich gegen die „Vermengung von Kunst und Politik". Der SPD-Abgeordnete Brill folgte Gropius in der Beurteilung der Gründe f ü r die Interpellation. Sie stelle sich „als nichts weiter heraus, als eine Sabotage der Absichten, die das Bauhaus mit dieser Ausstellung verbindet. Dahinter stünden parteipolitische Interessen, außerdem der mitteldeutsche Handwerkerbund, der von den Deutschnationalen, zum Teil auch von den Völkischen (der Vorsitzende Alander gehörte der D V P an), parlamentarisch vertreten werde. Den Vorwurf gegen das Bauhaus, es sei eine Zelle des Kommunismus und verkörpere eine sozialistische Kunstidee, wies er zurück. Sie stünden als historische Materialisten auf dem Standpunkt, daß sich über das, was einmal sozialistische Kunst sein wird, heute mit Bestimmtheit noch nichts sagen lasse. Die SPD beurteile das Bauhaus „kulturpolitisch und künstlerisch als eine Erscheinung der Übergangszeit zu der sozialistischen Periode". Sie sehe es in einem soziologischen Zusammenhang mit der Umstellung der Industrie auf „Normisierung und Typisierung". Genau zu dem Zeitpunkt, in welchem die Industrie aus wirtschaftlicher Notwendigkeit diesen Prozeß einleite, komme das Bauhaus aus anderen Gesichtspunkten zu ähnlichen Ergebnissen und liefere das notwendige künstlerische Rüstzeug. Kritisch äußerte sich der Sprecher der SPD gegenüber der Architekturkonzeption des Bauhauses. Man müsse aber abwarten, was bei einem „metaphysischen Bau, der für die kommende Periode nur der Bau für Gemeinschaftszwecke sein soll" (Gesamtkunstwerk), herauskommt. Schließlich erklärte er im Namen seiner Fraktion, daß die SPD dem Bauhaus mit bejahender Kritik gegenüberstehe. Der Vertreter der Deutschen Volkspartei, Neumann, bezog sich in seiner Rede auf die von Gropius angestellten Berechnungen, nach denen sich das Bauhaus durch E n t wicklungsarbeit für die Industrie eine gesunde Basis schaffen wolle. E r bezweifelte, daß die Industrie Unterstützung gewähre, im Gegenteil, die Bauhausarbeit werde von ihr abgelehnt. Ganz besonders gelte das für die Textilindustrie, die eigentlich notwendig für das Bauhaus wäre. Sie hielt die Bauhausentwürfe nicht geeignet für Massenherstellung. Die Deutsche Volkspartei vertrat die Industriekreise. Sie mußte wissen, wie man dort über die Schule dachte. Gropius hätte allen Grund gehabt, bei seinen wirtschaftlichen Perspektivplänen vorsichtiger zu sein. Auch Neumann setzte sich wie die Deutschnationalen und die Weimarpatrioten für die alte Kunstakademie ein. Der Abgeordnete der Deutschen Demokratischen Partei, Krüger, sah die Hauptursache für den Konflikt, wie übrigens auch anfangs Gropius, im lokalpolitischen Klima Weimars. E r stellte den Antrag, die Schule nach Gotha zu verlegen. Vielleicht dachte er an die dortigen Schulreformen, durch die erste Beispiele des Arbeitsunter37

richtes geschaffen worden waren. In Gotha waren die demokratischen und sozialistischen Kräfte verhältnismäßig stark. Die USPD hatte unter Führung so bewährter Funktionäre wie Geithner zeitweilig die absolute Mehrheit. Krüger unterlag einem Trugschluß, indem er annahm die Aversion gegen das Bauhaus und dessen Neuerungen sei eine typische weimarische Angelegenheit. Sie war in viel stärkerem Maße eine klassenbedingt bürgerliche. Die in Gotha gegen den Initiator der Schulreform, Jacobi, inszenierte Hetze hätte schon Beweis sein können, und Dessau sollte es später bestätigen. Aber Krüger mißverstand bei aller Gutwilligkeit den Bauhausgedanken. Er redete einer allgemeinen Kunstbürgerlichkeit das Wort. Für die Kommunistische Partei sprach der Abgeordnete Tenner. Er teilte mit, daß die Bauhausgegner auch zur kommunistischen Fraktion gekommen seien, um Unterstützung zu finden, hätten aber das verlangte sachliche Material nicht erbringen können. Er erklärte, daß die Kommunisten den Plänen des Bauhauses sympathisch gegenüberstünden. Allerdings müsse es erst beweisen, ob es die Idee auch tatsächlich verwirklichen könne. Tenner gab im Verlauf seiner Rede eine für die Beurteilung der späteren Entwicklung des Bauhauses aufschlußreiche Analyse: „Wenn ... behauptet wird, im Bauhaus sei eine sozialistische Kathedrale verwirklicht..., wenn deshalb aus politischen Motiven heraus von rechts besonders gegen das Bauhaus gekämpft wird, so möchte ich bemerken, daß dieser Gedanke der Kunst, die Vereinigung der Kunst mit dem Handwerk, kein sozialistischer, sondern ein mehr kleinbürgerlicher Gedanke ist ... Die Kunst kann erst dann wieder die breite Masse erfassen ..., wenn sie in der Produktion selbst ihren Ausdruck findet. Aber diese Verbindung kann nicht in vergangenen, überwundenen Formen vollzogen werden. Die Zeit der Herrschaft des Handwerks ist endgültig vorbei. Wir stehen auf dem Standpunkt: Nicht das Kleingewerbe, nicht das Handwerk ist die Produktionsform der Zukunft, sondern es ist der Großbetrieb, die Industrie; Industrialisierung heißt die Produktionsform der Zukunft. Wenn heute die Kunst in der industriellen Produktion noch keinen Eingang gefunden hat, wenn es noch nicht möglich gewesen ist, Massenerzeugnisse so herzustellen, daß sie den ästhetischen Bedürfnissen des Menschen Rechnung tragen, so liegt das an der Entwicklung und an der Klassenstruktur der Gesellschaft ... Die Probleme der Kunst mit den Problemen der Produktion zu vereinigen, das wird vielleicht erst die kommunistische Gesellschaft bringen". (Dok. 61) Am Schluß der großen Debatte versuchte Herfurth noch einmal, seine Interpellation zu rechtfertigen. Er habe lediglich im finanziellen Interesse des Landes gesprochen. Es gehe ihm auch keineswegs darum, das Bauhaus zu beseitigen — „wir sind es nicht, die das Bauhaus zu Tode quälen wollen". Die Interpellation sei sogar für das Bauhaus vorteilhaft, weil sie durch die Aufmerksamkeit auf die Anstalt gelenkt und die Ausstellung verstärkt besucht werde. Die „weitreichenden Pläne von Gropius" bezeichnete er als Utopien. Die Landtagsdebatte im Frühjahr 1923 hatte so, gleichsam vor dem Kulminationspunkt der Entwicklung des Weimarer Bauhauses, die Standpunkte der Parteien von rechts bis links klar hervortreten lassen. 38

Die Deutschnationale Volkspartei, weiterhin mit dem Endziel der Beseitigung der Anstalt oder zumindest dessen Reduzierung auf einen dem Bürgertum und dem Handwerk genehmen Rahmen, versuchte mit taktisch klugen und auf den ersten Blick nicht durchschaubaren Zügen, die Anstalt matt zu setzen. Das Programm des Bauhauses wurde als Utopie abgetan und stattdessen die rein fachliche und auf Handwerkerbelange abgestimmte Kunstgewerbeschule gefordert. Den Deutsch völkischen war im Grunde die ganze Angelegenheit „Bauhaus" zu belanglos. Sie glaubten nicht, daß die Schule für die von ihnen vertretene Industrie einmal von Wert sein könne. Die Demokraten, immer bereit zu vermitteln und Gropius' Zielen durchaus zugetan, schlugen einen Ausweg durch Ortswechsel vor. Um ein wirkliches Verständnis bemühten sich nur die Arbeiterparteien. Sehr richtig war die Meinung des Vertreters der SPD, das Arbeitsziel des Bauhauses, die Schaffung von Typen, müsse im Zusammenhang mit dem Bestreben der Industrie nach Normierung, also mit einem klassenindifferenten Prozeß im Rahmen der technischindustriellen Entwicklung gesehen werden. Greil betonte in seiner Funktion als Volksbildungsminister den Zusammenhang des Bauhauses mit den Bestrebungen nach konsequenter Schulreform, nach Einführung der Produktionsschule. Auf einen bissigen Einwurf Heriurths hin, er sehe als Schulmeister eben alles vom Standpunkt seiner Schulorganisation, fand er die ausdrückliche Zustimmung von Gropius für diese Sicht des Bauhausgedankens. Die Ausführungen des kommunistischen Sprechers Tenner enthielten eine treffende gesellschaftspolitische Analyse. Die Idee einer Synthese zwischen Kunst und Handwerk wie sie vom Bauhaus anfangs verfolgt wurde, bezeichnete er als einen „mehr kleinbürgerlichen" Gedanken. Das Handwerk gehe seinem Ende entgegen. Die Synthese könne nicht in überwundenen Formen vollzogen werden, sondern nur mit der am weitesten entwickelten Produktionsform, der industriellen Produktion. Diese Auffassung deckt sich aber 1923 voll mit der von Gropius. Herfurth ließ es s ; ch nicht entgehen, diese Gleicheit der Gedanken bei Gropius und bei den Kommunisten festzustellen. Allerdings ging Tenner noch einen Schritt weiter, indem er die volle Lösung dieser notwendigen Aufgabe unter den herrschenden Klassenbedingungen für unmöglich hielt. Sie sei vielleicht erst im Kommunismus zu verwirklichen. An der Stellungnahme der kommunistischen Fraktion arbeitete wahrscheinlich Theodor Neubauer mit. Er war Leiter der Fraktion und Fachmann für Schulfragen. Gropius und der Syndikus Lange hatten einige Tage vor der Debatte eine Unterredung mit ihm. Die Abstimmung über die Interpellation brachte ein positives Ergebnis für das Bauhaus. Die Eingabe der Deutschnationalen und der damit verbundene Antrag, die Kredite für die Ausstellung nicht zu genehmigen, wurde abgelehnt.4 Die Haltung der Parteien zu der Bauhausfrage blieb in den folgenden Jahren im wesentlichen die gleiche, und zwar auch außerhalb Thüringens. Im Dessauer Magistrat wurde die Zustimmung zur Übersiedlung des Bauhauses mit den Stimmen des Magistrats und der Linksparteien gegen die Stimmen der Rechtsparteien beschlossen, und die Abstimmung für die Auflösung der Schule in Dessau 1932 sah schließlich 39

allein die Kommunisten und den demokratischen Oberbürgermeister Hesse auf der Seite der Befürworter, während sämtliche bürgerliche Parteien, zusammen mit den Nationalsozialisten, gegen das Bauhaus stimmten. Die Sozialdemokraten enthielten sich der Stimme. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang noch die allgemeine Reaktion der Parteipresse, so kann man schließen, daß der Kampf der bürgerlichen Parteien in Thüringen gegen das Bauhaus keineswegs nur lokalen Interessenkonflikten entsprang, sondern daß zumindest die Billigung, wenn nicht gar die Unterstützung der Parteizentralen und damit der hinter ihnen stehenden Kräfte des Monopolkapitals vorlag. Schon im Sommer 1922 hatte die thüringische Parteizentrale der DVP einige von einem Dr. Vogeler aus Erfurt bei der „Tagung des Landesausschusses Thüringen der DVP für Handwerk, Handel und Gewerbe" gegen das Bauhaus vorgetragene Beschuldigungen an die Presse weitergeleitet.43 So mußte 1924 auch der Versuch des Bauhauses mißlingen, über den Reichstagskanditaten der Deutschnat'onalen, Hans Stehr, die thüringische Leitung der Partei zu überspielen. Selbst Blätter der Demokraten, wie das „Berliner Tageblatt" als Organ der liberalen bürgerlichen Intelligenz und die vom Friedrich-Naumann-Kreis herausgegebene „Hilfe" vollzogen 1924 eine Wendung. Nachdem „Die Hilfe" einen Antibauhausartikel publiziert hatte, versprach die Herausgeberin, Frau Bäumer, auf Grund eines Einspruches des Bauhauses zunächst einen Besuch zur genaueren Information und zur Richtigstellung, zog sich aber schließlich zurück. Wahrscheinlich hatte sie inzwischen die Meinungen der Parteifreunde eingeholt. Die Stellung der Demokraten war geteilt. Während der Abgeordnete Krüger im thüringischen Landtag für das Bauhaus sprach, standen eine Reihe anderer Vertreter der Partei auf der Seite der Gegner.

Flucht in die Öffentlichkeit Die Regierung drängte 1922 das Bauhaus, eine Ausstellung zu organisieren. Sie wollte sich auf diese Weise eine Rechtfertigung und eine Deckung gegenüber der Öffentlichkeit verschaffen. Im Grunde leisteten aber die wohlwollenden Regierungsstellen dem Bauhaus einen Bärendienst, indem sie die Ausstellung als Examen aufzogen. Da erst ein Lehrgang durchlaufen war und die Werkstätten eben erst richtig zu arbeiten begonnen hatten, war eine internationale Probe zu hoch gegriffen und das Risiko enorm. Aber es blieb kein anderer Weg. Gropius fand sich — trotz entgegengesetzter Äußerungen in den früheren Jahren und trotz starker Bedenken seiner Meister — notgedrungen dazu bereit, verfolgte aber mit ihr neben dem „außenpolitischen" noch ein „innenpolitisches" Ziel. Er hoffte, mit dem Druck von außen die Umwandlung der „modernen Kunstschule", die das Bauhaus letztlich noch immer war, zur produktiven Werkschule zu beschleunigen und die Kräfte, die einer solchen Entwicklung in der Lehrer- und Schülerschaft entgegenstanden, zurückzudrängen. Die Klärung der Absichten und die stärkere Beachtung der Wirtschaftlichkeit wären 40

allein die Kommunisten und den demokratischen Oberbürgermeister Hesse auf der Seite der Befürworter, während sämtliche bürgerliche Parteien, zusammen mit den Nationalsozialisten, gegen das Bauhaus stimmten. Die Sozialdemokraten enthielten sich der Stimme. Berücksichtigt man in diesem Zusammenhang noch die allgemeine Reaktion der Parteipresse, so kann man schließen, daß der Kampf der bürgerlichen Parteien in Thüringen gegen das Bauhaus keineswegs nur lokalen Interessenkonflikten entsprang, sondern daß zumindest die Billigung, wenn nicht gar die Unterstützung der Parteizentralen und damit der hinter ihnen stehenden Kräfte des Monopolkapitals vorlag. Schon im Sommer 1922 hatte die thüringische Parteizentrale der DVP einige von einem Dr. Vogeler aus Erfurt bei der „Tagung des Landesausschusses Thüringen der DVP für Handwerk, Handel und Gewerbe" gegen das Bauhaus vorgetragene Beschuldigungen an die Presse weitergeleitet.43 So mußte 1924 auch der Versuch des Bauhauses mißlingen, über den Reichstagskanditaten der Deutschnat'onalen, Hans Stehr, die thüringische Leitung der Partei zu überspielen. Selbst Blätter der Demokraten, wie das „Berliner Tageblatt" als Organ der liberalen bürgerlichen Intelligenz und die vom Friedrich-Naumann-Kreis herausgegebene „Hilfe" vollzogen 1924 eine Wendung. Nachdem „Die Hilfe" einen Antibauhausartikel publiziert hatte, versprach die Herausgeberin, Frau Bäumer, auf Grund eines Einspruches des Bauhauses zunächst einen Besuch zur genaueren Information und zur Richtigstellung, zog sich aber schließlich zurück. Wahrscheinlich hatte sie inzwischen die Meinungen der Parteifreunde eingeholt. Die Stellung der Demokraten war geteilt. Während der Abgeordnete Krüger im thüringischen Landtag für das Bauhaus sprach, standen eine Reihe anderer Vertreter der Partei auf der Seite der Gegner.

Flucht in die Öffentlichkeit Die Regierung drängte 1922 das Bauhaus, eine Ausstellung zu organisieren. Sie wollte sich auf diese Weise eine Rechtfertigung und eine Deckung gegenüber der Öffentlichkeit verschaffen. Im Grunde leisteten aber die wohlwollenden Regierungsstellen dem Bauhaus einen Bärendienst, indem sie die Ausstellung als Examen aufzogen. Da erst ein Lehrgang durchlaufen war und die Werkstätten eben erst richtig zu arbeiten begonnen hatten, war eine internationale Probe zu hoch gegriffen und das Risiko enorm. Aber es blieb kein anderer Weg. Gropius fand sich — trotz entgegengesetzter Äußerungen in den früheren Jahren und trotz starker Bedenken seiner Meister — notgedrungen dazu bereit, verfolgte aber mit ihr neben dem „außenpolitischen" noch ein „innenpolitisches" Ziel. Er hoffte, mit dem Druck von außen die Umwandlung der „modernen Kunstschule", die das Bauhaus letztlich noch immer war, zur produktiven Werkschule zu beschleunigen und die Kräfte, die einer solchen Entwicklung in der Lehrer- und Schülerschaft entgegenstanden, zurückzudrängen. Die Klärung der Absichten und die stärkere Beachtung der Wirtschaftlichkeit wären 40

dann wohl auch das wichtigste Ergebnis der Ausstellung. Was in ihr selbst, trotz weiterer Störversuche durch Verzögerung der Geldbewilligung im Plenum, trotz Generalstreik kurz vor der Fertigstellung des Musterbaues am Horn und trotz des wirtschaftlichen Chaos, das die Inflation inzwischen hervorgerufen hatte, gezeigt wurde, überraschte und befriedigte die Freunde und die Fachleute. Die Gegner aber waren kaum zu überzeugen. Die Ausstellung fand vom 15. August bis 30. Sept. 1923 statt. In der ihr angeschlossenen internationalen Architekturausstellung konnte der Besucher einen Überblick über die neuesten Ergebnisse der Architekturentwicklung in Deutschland, Holland, Frankreich, Ungarn und der Tschechoslowakei gewinnen (ein sowjetischer Beitrag war in letzter Minute ausgefallen). Zur gleichen Zeit wurden eine Werkbundtagung und eine Bauhauswoche mit Theater- und Konzertveranstaltungen (Strawinsky und Busoni) durchgeführt (s. Abb. 14—21). Das Echo in der deutschen und internationalen Presse war im allgemeinen günstig. Der Werkbund stellte sich geschlossen — selbst mit seinen konservativen Vertretern wie Bruckmann — hinter Gropius und versprach, seine Arbeit moralisch und sachlich zu stützen. Ebenso bestand eine gewisse politische und moralische Unterstützung durch das Reichsministerium des Innern. Der dortige Staatssekretär Schulz wollte eröffnen, wurde aber durch die politischen Ereignisse in letzter Minute daran gehindert. Der Reichskunstwart Redslob, der für ihn einsprang, äußerte sich nachträglich außerordentlich positiv über die Ausstellung (Dok. 69). Der erhoffte wirtschaftliche Erfolg der Ausstellung blieb aus. Es waren lediglich Erzeugnisse im Werte von 4500 Goldmark verkauft worden. Auch die erwartete Verbindung zur Industrie kam nicht zustande. Nur wenige Industrielle machten Angebote. Erst die nächsten Messen in Frankfurt und Leipzig brachten günstigere Abschlüsse. Finanziell endete die Veranstaltung mit einem Chaos. In einer Zeit, da die Mark auf den millionsten Teil ihres Vorkriegswertes herabgesunken war 44 und die Bevölkerung nicht in der Lage war, ihre elementarsten Bedürfnisse zu befriedigen, konnte das nicht überraschen.45 Aber die Gegner des Bauhauses suchten nicht nach Ursachen, sondern nach Argumenten. So hatte die Ausstellung nach außen hin keine Stärkung der Position gebracht. Die Pressestimmen, die man sammelte und den Regierungsstellen zur Bekräftigung vorlegte46, wogen in der Landespolitik wenig. Einzige Garantie für die weitere Existenz war die Unterstützung des Volksbildungsministeriums und das Übergewicht der Arbeiterparteien im Landtag. Jedoch schon der sozialdemokratische Finanzminister Hartmann stand faktisch auf der Gegenseite. Er weigerte sich wiederholt, dem Bauhaus Kredite zu bewilligen, weil er die Schule für „eine überflüssige und aussichtslose Einrichtung" hielt. Seiner Meinung nach wurden die Schüler dort falsch ausgebildet. „Sie müßten unterrichtet werden, um sorgfältige schöne Werkzeichnungen machen zu können für Möbel in einem schönen Stil."47 Was nützte gegen eine solche Geisteshaltung die Feststellung des Bauhauses, mit solcher Reißbrettkunst habe man gebrochen, der Schüler solle seine gestalterischen Vorstellungen und sein Können selbst entwickeln. Was nützte auch die eigene Einsicht Hartmanns: „Gott sei Dank, daß ich nichts von Kunst 41

verstehe"! Es blieb die bedenkliche Tatsache, daß dieser Mann seine subjektive Meinung tagtäglich in die Waagschale der Auseinandersetzungen warf. Hartmann wurde mit Recht vorgeworfen, seine gesamte Finanzpolitik sei einer „bürgerlichen Staatsauffassung" entsprungen. 48 Generalangriff der Reaktion gegen das Bauhaus So in ständiger Finanznot gehalten, geriet das Bauhaus mit wenig Kraftreserven in die verhängnisvollen Ereignisse, die Thüringen in den Herbstmonaten 1923 mit schweren politischen Kämpfen überzogen und die revolutionäre Nachkriegskrise beendeten. Bereits im Frühsommer 1923 hatte die Inkonsequenz der sozialistischen Regierung Frölich (deren Paktieren mit der bürgerlichen Mitte) die KPD veranlaßt, ihr die weitere Unterstützung aufzukündigen. Am 11. September entzog sie ihr gänzlich das Vertrauen. Es wurde eine neue Regierung gebildet. Auf Grund der neuen, von der Parteizentrale beschlossenen Linie trat die KPD am 16. Oktober 1923 in sie ein und übernahm einige Ministerien. Die in der bürgerlichen Demokratie legal errungene Mehrheit der Arbeiterparteien sollte konsequent zu demokratischen Reformen genutzt werden. Albin Tenner wurde Wirtschafsminister, Dr. Karl Korsch Justizminister. Auch Dr. Neubauer gehörte als Staatsrat der Regierung an. So war eine reine Arbeiterregierung entstanden. Da sich in Sachsen Gleiches vollzogen hatte, bestand noch einmal die Chance, die Revolution von 1918 sozialistisch zu Ende zu führen. Zunächst galt es aber, die bewaffnete Arbeiterschaft Sachsens und Thüringens zu einem Sperriegel gegen die von Bayern her drohende Gefahr eines faschistischen Angriffs zu machen. Dort war durch Staatsstreich eine reaktionär-klerikale Regierung zur Macht gelangt. Obwohl die Arbeiterregierungen in Sachsen und Thüringen nach den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie gebildet worden waren, wurde von den Kreisen des Monopolkapitals und des hohen Militärs gerade dies als höchst gefährlich für ihren Staat empfunden, weil es zum Modellfall für ganz Deutschland hätte werden können. Unter dem Vorwand, die Grenzen gegen Bayern schützen zu müssen, marschierte im November mit Zustimmung des Reichspräsidenten Ebert die Reichswehr in Sachsen und Thüringen ein. Die Arbeiterschaft hatte zwar überall Arbeiterwehren und proletarische Hundertschaften aufgestellt, um das Land gegen die faschistische Bedrohung zu verteidigen (hierbei beteiligte sich auch der spätere Syndikus des Bauhauses Dr. Necker). Die von der Chemnitzer Konferenz der Arbeiterparteien erwartete Entscheidung zum Einsatz der Arbeiterwehren auch gegen die Reichswehr und zum Generalstreik blieb jedoch aus, weil die Führer der SPD unter dem Druck der Berliner Parteizentrale den offenen Kampf scheuten. Der Besetzung folgte ein Terrorfeldzug der Konterrevolution gegen die Arbeiterschaft. Die kommunistischen Mitglieder verließen die Regierung. Teilweise mußten sie außer Landes gehen. Linksgerichtete Personen wurden schikaniert. Auch bei Gropius führte die Reichswehr eine Haussuchung durch. Der Grund war „Verdacht kommunistischer Betätigung". Sein Protest bei dem Militärbefehlshaber von Thü42

verstehe"! Es blieb die bedenkliche Tatsache, daß dieser Mann seine subjektive Meinung tagtäglich in die Waagschale der Auseinandersetzungen warf. Hartmann wurde mit Recht vorgeworfen, seine gesamte Finanzpolitik sei einer „bürgerlichen Staatsauffassung" entsprungen. 48 Generalangriff der Reaktion gegen das Bauhaus So in ständiger Finanznot gehalten, geriet das Bauhaus mit wenig Kraftreserven in die verhängnisvollen Ereignisse, die Thüringen in den Herbstmonaten 1923 mit schweren politischen Kämpfen überzogen und die revolutionäre Nachkriegskrise beendeten. Bereits im Frühsommer 1923 hatte die Inkonsequenz der sozialistischen Regierung Frölich (deren Paktieren mit der bürgerlichen Mitte) die KPD veranlaßt, ihr die weitere Unterstützung aufzukündigen. Am 11. September entzog sie ihr gänzlich das Vertrauen. Es wurde eine neue Regierung gebildet. Auf Grund der neuen, von der Parteizentrale beschlossenen Linie trat die KPD am 16. Oktober 1923 in sie ein und übernahm einige Ministerien. Die in der bürgerlichen Demokratie legal errungene Mehrheit der Arbeiterparteien sollte konsequent zu demokratischen Reformen genutzt werden. Albin Tenner wurde Wirtschafsminister, Dr. Karl Korsch Justizminister. Auch Dr. Neubauer gehörte als Staatsrat der Regierung an. So war eine reine Arbeiterregierung entstanden. Da sich in Sachsen Gleiches vollzogen hatte, bestand noch einmal die Chance, die Revolution von 1918 sozialistisch zu Ende zu führen. Zunächst galt es aber, die bewaffnete Arbeiterschaft Sachsens und Thüringens zu einem Sperriegel gegen die von Bayern her drohende Gefahr eines faschistischen Angriffs zu machen. Dort war durch Staatsstreich eine reaktionär-klerikale Regierung zur Macht gelangt. Obwohl die Arbeiterregierungen in Sachsen und Thüringen nach den Spielregeln der parlamentarischen Demokratie gebildet worden waren, wurde von den Kreisen des Monopolkapitals und des hohen Militärs gerade dies als höchst gefährlich für ihren Staat empfunden, weil es zum Modellfall für ganz Deutschland hätte werden können. Unter dem Vorwand, die Grenzen gegen Bayern schützen zu müssen, marschierte im November mit Zustimmung des Reichspräsidenten Ebert die Reichswehr in Sachsen und Thüringen ein. Die Arbeiterschaft hatte zwar überall Arbeiterwehren und proletarische Hundertschaften aufgestellt, um das Land gegen die faschistische Bedrohung zu verteidigen (hierbei beteiligte sich auch der spätere Syndikus des Bauhauses Dr. Necker). Die von der Chemnitzer Konferenz der Arbeiterparteien erwartete Entscheidung zum Einsatz der Arbeiterwehren auch gegen die Reichswehr und zum Generalstreik blieb jedoch aus, weil die Führer der SPD unter dem Druck der Berliner Parteizentrale den offenen Kampf scheuten. Der Besetzung folgte ein Terrorfeldzug der Konterrevolution gegen die Arbeiterschaft. Die kommunistischen Mitglieder verließen die Regierung. Teilweise mußten sie außer Landes gehen. Linksgerichtete Personen wurden schikaniert. Auch bei Gropius führte die Reichswehr eine Haussuchung durch. Der Grund war „Verdacht kommunistischer Betätigung". Sein Protest bei dem Militärbefehlshaber von Thü42

ringen und beim Reichswehrgeneral und Chef der Heeresleitung, von Seeckt, wurde mit dem Vermerk zurückgeweisen, die „nicht anonymen" Anzeigen und Zeugenvernehmungen hätten bewiesen, daß er und andere Angehörige des Bauhauses „der Kommunistischen Partei nahestanden" (Dok. 72). Gropius geriet in einen Beleidigungsprozeß „wegen Beschimpfung der Reichswehr" und des Reichswehrgenerals von Seeckt, da er von Seeckt vorgeworfen habe, er wolle die Angelegenheit vertuschen. An den Reichstagsabgeordneten der SPD Wels schrieb Gropius: „Es steht für mich außer Zweifel, daß die Reichswehr hier nach schwarzen Listen einiger deutschnationaler Abgeordneter ihre Maßnahmen trifft". Aber da die politischen Hintermänner der Reichswehraktion in Thüringen auch den Justizapparat in der Hand hatten, waren die Aussichten für Gropius, gegen den mit Diktaturvollmachten ausgestatteten General von Seeckt zu bestehen, äußerst gering. Gropius und Lange berieten sich mit dem Ministerpräsidenten Frölich (SPD) und dem Ministerialdirektor Rittweger (SPD). Da Rittwegers Sohn in der Metallwerkstatt des Bauhauses studierte, ist eine besondere Sympathie für die Schule anzunehmen. Beide Politiker hielten es für geraten, das Risiko nicht einzugehen, weil die Richter befangen, also feindlich eingestellt seien, und Gropius es deshalb nicht leicht fallen dürfte, nachzuweisen, daß er „in Wahrung öffentlicher Interessen" gehandelt habe. Selbst der Ministerpräsident des Landes war — nicht ganz ohne Schuld — machtlos gegen die Machenschaften der Reaktion und der Reichswehr. Gropius zog es nach reiflichem Überlegen vor, sich mit einem Brief vom 14. Dezember bei von Seeckt zu entschuldigen, mit dem Hinweis, daß ihm eine Beleidigung fern gelegen habe. 49 Die Affäre hatte schlagartig den ganzen Ernst der Lage gezeigt. Sie hatte Gropius vor Augen geführt, was ihm und dem Bauhaus bei einem vollen Sieg der Reaktion bevorstand. Dieser Sieg auf parlamentarischer Ebene ließ nicht lange auf sich warten. Die Reichswehraktion hatte in kritischer Stunde die monopolistische Staatsmacht erneut gefestigt. Die sozialdemokratische Rumpfregierung trat im Dezember 1923 zurück. Der thüringische Landtag wurde aufgelöst. Die Demokratische Partei ging nach den Novemberereignissen mit den Deutschnationalen und Deutschvölkischen ein Wahlbündnis ein, den sogenannten Ordnungsbund. Die Wahlen zum Landtag im Februar 1924 wurden vom Bürgerblock mit viel Geld und Demagogie geführt. Dadurch wurde das Heer der NichtWähler mobilisiert. Unter dem Druck der Reichswehr trieben Teile des Kleinbürgertums und der Intelligenz nach rechts. 80 Die Wahlen brachten eine bürgerliche Mehrheit. Da das Monopolkapital mit seinem Sieg im Herbst auch die Inflation beendet und die Währung stabilisiert hatte, begann die Phase der relativen Stabilisierung des Kapitalismus. Die Veränderungen auf dem politischen Felde und der Wahlerfolg der Deutschnationalen waren von einem enormen Anwachsen reaktionärer Propaganda begleitet. Die verschiedenen völkischen Gruppen — Stahlhelmbund, Jungdeutscher Ofden, Nationalverband deutscher Offiziere, Regiments- und Kriegervereine, Alldeutscher Verband und nicht zuletzt die Nationalsozialisten — verstärkten ihren Einfluß in der Öffentlichkeit. Vertreter solcher Strömungen veranstalteten 1924 in Weimar ein großes Treffen, den „Deutschen Tag" (Abb. 25) (s. auch Dok. 86). 43

Unter der Regierung des reaktionären Bürgerblocks gab es für das Bauhaus kaum noch eine Chance. Schon im Wahlkampf war es Objekt der Propaganda gewesen. Im Wahlaufruf des Ordnungsbundes hieß es: „Handwerk, Gewerbe, Einzelhandel! Niederknüppeln war das Ziel der sozialistisch-kommunistischen Regierung. Denkt an die soziale Bauhütte, Staatliches Bauhaus etc. Alles hatte bewußt den Zweck, den schwer ringenden Mittelstand zu vernichten". 61 Bei ihrer Konstituierung verpflichtete sich die neue Regierung von vornherein zu Maßnahmen gegen das Bauhaus. 5 Zu den ohnehin unüberwindlichen und lähmenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten kam für die Schule nun wieder die ganze Härte der politischen Abwehrkämpfe hinzu. Beschlüsse im Parlament oder in der Regierung bedeuteten nur noch reine Vollzugshandlungen für die in der Öffentlichkeit vorbereiteten und von der Phalanx der Gegner erzwungenen Entscheidungen. Die Regierung ließ sich zunächst Zeit. Sie hatte damit zu tun, die progressiven Errungenschaften der vorangegangenen Regierung durch neue Gesetze und Verordnungen wieder zu beseitigen und überließ es den verschiedenen Grüppchen der Bauhausgegner, das Bauhaus sturmreif zu schießen. Gropius versuchte, mit einigen Abgeordneten der Mittel- und Rechtsparteien in ein sachliches Gespräch zu kommen, um Aufklärung zu geben. Das half wenig. Schon am 20. März, kurz nach Konstituierung der bürgerlichen Regierung, bedeutete ihm der neue Volksbildungsminister Leutheußer, daß er die Verträge nicht zu erneuern gedenke. Entsprechende Meldungen gingen durch die Presse. Eine Kommission des Bauhauses wurde von ihm nicht vorgelassen. In den folgenden Monaten häuften sich die Angriffe. Der Syndikus des Bauhauses, Alfred Lange, verglich deren Polgen auf die Arbeit in der Schule mit der Wirkung von Artilleriefeuer auf die Bautätigkeit einer Stadt. 53 Wie stark die Belastung war, soll ein Überblick über die wichtigsten Versammlungen, Presseartikel und Erklärungen in einem Monat, im April 1924, zeigen: Am 5. April wurde auf der 3. Tagung des Weimarer Künstlerrates das Verhältnis zwischen Bauhaus und Hochschule für bildende Kunst erneut besprochen. Diese erhob ihren alten Anspruch auf Priorität und verlangte, daß ihr allein der Rang einer Hochschule zugebilligt werde. Das Bauhaus müsse auf den Status einer Kunstgewerbeschule zurückversetzt werden. Am 12. April richtete der Deutschvölkische Block im Landtag eine „kleine Anfrage" an die Staatsregierung, worin er genaue Rechenschaft über die Situation des Bauhauses forderte. Da in der neuen Regierung niemend mehr die Interessen des Bauhauses vertrat, antwortete Gropius selbst am 24. April in einem längeren Aufsatz in der Zeitung „Deutschland". Nachdem bereits am 21. März die „weimarische Künstlerschaft" eine Versammlung abgehalten und dabei die Ablösung des „einseitigen Bauhausreferenten Rudolph" im Volksbildungsministerium durch den Referenten für Heimatschutz und Denkmalpflege (!) verlangt und auf den kommenden Quartalswechsel als Gelegenheit, einem Teil der Angestellten des Bauhauses zu kündigen, hingeweisen hatte, veröffentlichte sie am 26. April ihre Forderungen: 1. das Bauhaus verschwinden zu lassen, 44

2. die Hochschule für bildende Kunst in ihre alten Rechte einzusetzen, 3. der Hochschule eine Kunstgewerbeschule anzugliedern. Die weimarische Künstlerschaft berief sich auf die Denkschrift der Schule von 1917. Es ging ihr aber jetzt darum, die Ausbildung in Kunst und Handwerk wieder vollkommen zu trennen. Am 26. April reichte die Handwerkskammer eine Petition beim Volksbildungsministerium ein, die gleichermaßen die Neueinrichtung einer Kunstgewerbeschule betraf. Auf eine entsprechende Frage des Ministers gaben die Herren zu erkennen, daß sie schon zufrieden wären, wenn die „radikale Richtung" am Bauhaus verschwinde. Ein erbitterter Feind entstand dem Bauhaus in Dr. Nonn, einem Mann vom Geiste Schultze-Naumburgs, der sich noch 1941 zum Beweis seiner alten nationalsozialistischen Gesinnung mit seinem Kampf gegen das Bauhaus brüstete.64 Nonn vermengte geschickt Fachurteile und Verunglimpfungen. In einem Artikel in der „Deutschen Zeitung" vom 24. April, der den gehässigen Titel „Staatliche Müllzufuhr, das Staatliche Bauhaus in Weimar" trug, scheute er sich nicht, die Leistungen des Bauhauses als pathologisch zu bewerten. Es trage die Zeichen tiefster geistiger Entrücktheit und innerer Zersetzung in sich. Die lediglich auf Verneinung gerichtete Weltanschauung lasse die Bauhausleute allen gesellschaftlichen Zusammenhang mit der übrigen Welt verlieren. Das Unternehmen sei ja nur scheinbar künstlerisch, in Wirklichkeit aber von vornherein parteipolitisch als „Sammelpunkt ... himmelstürmender Sozialisten" gedacht gewesen. Die dünne Schicht seiner Anhänger, die noch zum wichtigsten Teil Ausländer seien, dürfe nicht „wie Petroleum auf dem Wasser die gesunde Masse der deutschen Kunstjünger unter sich ersticken". Nonn, der von Berlin-Wilmersdorf aus Kontakt mit Dr. Beyer und Kreisen des Weimarer Handwerks unterhielt, wurde von nun an der eigentliche Dirigient der Antibauhausfront. Er brachte Artikel gegen das Bauhaus in verschiedenen Zeitungen unter, sogar in der „Hilfe", dem Organ des Friedrich-Naumann-Kreises, dem ehemals auch Gropius nahestand (Dok. 91). Nonn war „politisch rechtsradikal". Wenn er auch andere Blätter benutzte, so geschah es, um eine möglichst breite Basis gegen das Bauhaus zu gewinnen. Da Nonn Schatzmeister des Architektenvereins war, erklärte Gropius seinen Austritt. Auf Bitten der Leitung war er bereit, erst den Vertrauensausschuß anzurufen. In dessen Sitzung vom 20. Juni 1924 kam eine Einigung zustande. Nonn wollte einige Punkte in der Presse richtigstellen. Statt dessen setzte er eine Woche später den Streit fort. Das führte zu einer Privatklage, die erst im Oktober 1925 mit einem Vergleich endete. Nonn nahm die politischen Argumente zurück.55 Er habe die Künstlervereinigung „Arbeitsrat für Kunst", der Gropius leitend angehörte, mit „Arbeiterrat" verwechselt und aus der zeitlichen Parallele auf eine gleiche politische Haltung geschlossen. Gropius habe ihn überzeugt, daß der Arbeitsrat mit Politik nichts zu tun hatte. Der zweite Punkt betraf den Begriff „Kathedrale des Sozialismus" im ersten, nicht verschickten Blatt des Ausstellungsprogrammes von 1923. Gropius bemerkte dazu, der Teil sei nicht wegen dieses Satzes weggelassen worden, „denn an eine politische Einstellung wurde auf Grund dieses Wortlautes von den Bauhausmeistern überhaupt nicht gedacht", sondern weil die Äußerungen zu schwülstig waren. Nonn akzeptierte Gropius' Darstellung, der Aus45

druck „sozialistische Kathedrale" könne auf die Arbeit des Bauhauses nicht bezogen werden. Nonn hatte aus Weimar Informationen von Regierungsrat Koch erhalten. Koch arbeitete im Ministerium für Volksbildung. Er war Vertreter des Heimatschutzbundes und ein heimtückischer Gregner des Bauhauses, der seine Aktionen heimlich betrieb. Trotz seiner amtlichen Stellung schrieb er im April 1924 einige anonyme Artikel.5® Das Bauhaus entdeckte dies, stelle ihn zur Rede und zwang ihn zur Einstellung seiner Wühlarbeit. Ebenfalls noch im April (am 27. und 28.) erschien die berüchtigte „Gelbe Broschüre", eine zusammenfassende Darstellung der Vorwürfe gegen das Bauhaus mit Zitaten aus gegnerischen Pressestimmen. Verantwortlich zeichnete der Schlossermeister Arno Müller. Der Text stammte offensichtlich von anderer Hand. Beginnnend mit den alten Vorwürfen wegen angeblicher kommunistischer Betätigung wurden alle irgendwie für die bürgerliche Öffentlichkeit anrüchigen Fakten breit und aufgebauscht dargelegt. Für die Argumentation wird die Affäre Beyer-Zachmann-Schlemmer, wie an Hand der Akten leicht zu überprüfen 'st, weidlich ausgeschlachtet, ohne daß Namen genannt sind. Sofort am 29. April suchte der Syndikus Lange in Begleitung eines Zeugen, eines Mitgliedes des thüringischen Handelsverbandes, Müller in dessen Wohnung auf und stellte ihn zur Rede. Müller gab zu, diese Broschüre nicht verfaßt zu haben, ja, er habe sie nicht einmal gelesen. Sie stamme von Dr. Beyer. Beyer, Zachmann und Carl Schlemmer hätten ihn gedrängt, seinen Namen herzugeben, damit nicht Verfasser und eventuell notwendige Zeugen identisch seien.57 Die Attraktion der Hetzbroschüre bildete der Abdruck des üblen Briefes eines ehemaligen Bauhausschülers und fanatischen Anhängers des Wanderpredigers Haeusser, Ludwig Man, an den Meisterrat. Die hemmungslosen Schimpftiraden dieses Briefes, die wiedergegeben werden, ohne den Schreiber und dessen Umstände zu nennen, stempeln die Broschüre von vornherein zu einem widerwärtigen Machwerk. Obwohl ihr Vertrieb von der Regierung untersagt wurde, waren doch genügend Exemplare in die Öffentlichkeit gedrungen, um die Atmosphäre weiter zu vergiften. Gropius leitete eine Verleumdungsklage ein. Durch Verzögerungsmanöver der Justiz wurde das Verfahren, da eine Entscheidung gegen Gropius kaum möglich gewesen wäre, über Jahre hin verschleppt. Zur Hauptverhandlung am 12. Januar 1928(!) konnte es dann ohne Folgen für die Verleumder wegen Verjährung eingestellt werden. Es hatte seine Zwecke erfüllt. Die KPD-Fraktion bezeichnete in ihrer großen Anfrage vom 3. Februar 1928 solche Taktiken des reaktionären Justizapparates als „Amtsverbrechen der bereits in mehreren Fällen schwer belasteten Weimarer Staatsanwaltschaft' ' .58 In dieser Art ging das Treiben weiter. Am 4. Juli forderten die thüringischen Nationalsozialisten den Abbau des Bauhauses. Aus der Antwort der Regierung geht hervor, daß die Beseitigung der Schule beschlossene Sache war. „Die Regierung wird darüber wachen, daß vor einer Entschließung des Landtages über das Schicksal des Bauhauses der Betrieb der Anstalt nicht in einer die Auflösung zum 1. April 1925 unmöglich machenden oder erschwerenden Weise ausgedehnt wird."59 46

Rettungsversuch durch Privatisierung des Bauhauses Trotz dieser eindeutigen Anzeichen und trotz der aufreibenden Auseinandersetzungen mit den widerwärtigen und schmutzigen Anwürfen, die an der Arbeitskraft zehrten, entwickelten Gropius und sein Syndikus Lange sowie dessen Nachfolger Necker Pläne, wie das Bauhaus aus den politischen Verstrickungen mit den regierenden bürgerlichen Parteien herausgezogen und weitergeführt werden könne. Man mußte vor allem von der Bindung an den Staat loskommen, weil auf andere Weise die unweigerliche Vernichtung nicht aufzuhalten war. Sie wollten es auf dem Wege der Privatisierung der Produktionswerkstätten versuchen. Wohlgesonnene Kapitalisten sollten Anleihen geben. Die Ausnutzung der Lehrwerkstätten für unmittelbare Produktion, wie sie bisher schon üblich war, hatte bereits gewisse Voraussetzungen geschaffen. Seit Juli 1922 bestand eine getrennte Buchführung für den Lehrbetrieb einerseits und den Produktionsbetrieb andererseits. Gropius scheint sich aus seinem Mißtrauen gegen die Stabilität der politischen Verhältnisse in der Weimarer Republik heraus und unter dem Druck, die staatlichen Unterhaltsmittel könnten über kurz oder lang reduziert werden, einen solchen Ausweg von langer Hand vorbereitet zu haben. Bereits am 8. Mai 1923 berieten die Bauhausmeister „Maßnahmen zum weiteren Ausbau und zum rentablen Betrieb des Bauhauses als Produktivunternehmen". Die Ergebnisse faßten sie in den „Vorschlägen für die neue Form" (Dok. 73) zusammen. Einen Monat später erörterte Gropius mit Dr. Loeb (SPD), dem Präsidenten der Staatsbank Thüringens, die Möglichkeiten einer finanziellen Zusammenarbeit. Von privater Seite fand er Unterstützung bei Franz May, München, der jedoch später wieder absprang, und Graf Kielmannsegg. Doch blieb vorläufig alles bei unverbindlichen Vorbereitungen. Erst die politischen Ereignisse im Herbst 1923 zwangen Gropius, die Pläne ernsthaft aufzugreifen und rasch zu betreiben80. Am 22. November verhandelte er „wegen Umgestaltungsplänen" mit dem Finanzminister. Er drängte Lange, im Hinblick auf die politische Lage, die Unterlagen sehr schnell fertigzustellen. Am 14. Dezember reichte er Material ein „zur Umgestaltung des Bauhauses auf ein die Anstalt erhaltendes selbständiges Produktivunternehmen". Es enthielt den Nachweis der Absatzgebiete und eine Zusammenstellung von Firmen und Verkaufskommissionen, die Verträge mit dem Bauhaus eingehen wollten. Es war vorgesehen, die produktiven Werkstätten vom Lehrbetrieb abzutrennen und zu einem privatwirtschaftlich geleiteten Betrieb zusammenzufassen. Der Staat hätte dann nur noch den Etat für einen kleinen Lehrbetrieb zu zahlen brauchen. Der Produktionsbetrieb sollte sich selbst tragen und Gewinn abwerfen (Dok. 76). Besprechungen am 14. Januar 1924 mit der Staatsbank und am 19. Januar mit Vertretern des Volksbildungsministeriums (Dok. 78) verliefen im wesentlichen positiv. Dr. Loeb bot seine Hilfe an und erklärte es als überflüssig, daß sich Gropius noch um private Mittel bemühe. Auch der Finanzminister war grundsätzlich mit den Plänen einverstanden. Die Staatsbank sollte mit Betriebskapital und der Staat Thüringen mit den Gebäuden und Einrichtungen der Gesellschaft beitreten. 47

Mit diesen Zusicherungen konnte Gropius am 18. Februar vor der Versammlung der Bauhausangehörigen seinen „Plan zur Gründung einer GmbH, unabhängig von der Regierung" darlegen. Aber die verbliebene Amtszeit der sozialdemokratischen Regierung reichte nicht aus, um die komplizierten Fragen, die eine solche Verkoppelung von staatlich subventionierter Schule und privatem Produktionsbetrieb mit sich brachte, zu klären. Die Bürgerblockregierung begann ihre Arbeit am 21. Februar. Sie zeigte sich wenig geneigt, dem Bauhaus diesen Ausweg zu eröffnen. Bald schon teilte Loeb Gropius mit, daß er auf Wunsch des neuen Finanzministers Stolze keine weiteren Kredite an das Bauhaus geben dürfe, so gern er es von sich aus tun würde. Für eine solche Sperre gab es keinen sachlichen Anlaß. Das Bauhaus war, um produzieren zu können, auf Betriebsmittel angewiesen. Die Staatsbank hatte sie bisher anstandslos bewilligt, und das Bauhaus zahlte sie aus dem Erwirtschafteten zurück. Wenn die Behörden nun auch noch die Frage des Produktionsbetriebes und dessen Umwandlung in eine GmbH Schwierigkeiten machten, so hatte das vor allem den Grund, das Bauhaus bis zu den nächsten Landtagsverhandlungen, auf denen das Schicksal der Schule entschieden werden sollte, hinzuhalten und keine Stärkung seiner Position zuzulassen. Auch das Professorenkollegium der Hochschule protestierte am 24. Juni gegen die Umwandlung des Bauhauses in eine Aktiengesellschaft und gegen Schulgeldfreiheit für Bauhäusler. Die Schulgeldfreiheit sei eine ungerechtfertigte Begünstigung der dortigen Schüler, zumal diese, sobald sie in den Werkstätten arbeiteten, noch entlohnt würden. Die endgültige Gründung einer Bauhaus GmbH gelang erst im Oktober 1925 in Dessau. Die gefürchtete nächste Landtagsverhandlung blieb vorläufig aus. Die Regierung mußte sich deshalb dem Bauhaus gegenüber mit stillem Boykott begnügen. Die Beamten des Finanzministeriums entwickelten dabei besonderen Eifer. Bereits unter dem früheren SPD-Minister Hartmann hatten sie, da ihnen jedes Verständnis für die Bedürfnisse der Anstalt abging, hemmend gewirkt. Jetzt unter der neuen Regierung trieben sie offene Sabotage. Lange schrieb, seine Erfahrungen hätten gezeigt, daß es zum Beispiel der Oberregierungsrat Schmidt „für ein unerhörtes Unrecht hielt, daß das Bauhaus überhaupt da ist". Er sei anscheinend überzeugt, der Gesellschaft etwas Gutes zu tun, wenn er möglichst viele Dinge, die das Bauhaus angehen, nicht fördere.61 Im Sommer 1924 war, wie aus einem Umlauf vom 10. Juni hervorgeht, die Gesamtlage des Bauhauses „so ernst und besorgniserregend, wie sie noch niemals gewesen ist." Ein gründlicher Bericht der Thüringischen Rechnungskammer über die Prüfung der Kassen- und Buchführung beim Staatlichen Bauhaus 62 , die im Juni vorgenommen worden war, bezeichnete den Betrieb als unrentabel. Als Gründe werden angeführt, daß die Kosten der Verwaltung des Produktionsbetriebes nicht im gesunden Verhältnis zu erzeugten Waren stünden und deshalb der Produktionsbetrieb seine Produktionsmöglichkeiten nicht voll entfalten könne. Zur Erhöhung der Produktion bedürfe es der Gewinnung von Abnehmern. Die Prüfer mußten aber andererseits entgegen den häufigen Vorwürfen der Bauhausgegner bestätigen, daß Verfehlungen irgendwelcher Art nicht festzustellen seien. Die Ursachen für das Miß48

Verhältnis zwischen Produktionsertrag und Allgemeinkosten sah Lange im böswilligen Einschieben einer Formel bei der Aufstellung des Haushaltsplanes 1924, durch die der Produktionsbetrieb stark mit allgemeinen Sach- und Personalkosten der Schule belastet wurde (Dok. 94). Gropius und der neue Syndikus Necker antworteten in einem „Bericht über die wirtschaftlichen Aussichten des Bauhauses".83 Sie behaupteten, die letzten Messen hätten den notwendigen Abnehmerkreis geschaffen, und nach den Jahren der Modellund Versuchsarbeiten seien inzwischen bei vielen Artikeln endgültige Typen erreicht worden, mit denen eine fabrikmäßige Herstellung begonnen werden könne. Die völlige Abhängigkeit vom starren Haushaltsplan und die offene Feindschaft aus politischen Gründen, aus künstlerischer Unduldsamkeit oder aus Unverständnis habe bisher den Wirtschaftsapparat geschwächt. Mit einem Unternehmen, dessen weitere Existenz nicht gesichert ist, könne ein solides Geschäftsunternehmen keine Bindung eingehen. Nach dem gegenwärtigen Stand sei für einen lebhaften Absatz lediglich eine zweckmäßige privatwirtschaftliche Organisation und die Bereitstellung ausreichender Betriebsmittel notwendig. Es war damals nicht leicht, und ist es heute noch weniger, die Erfolgschancen einer solchen Umstellung abzuschätzen. Wir müssen es offen lassen, wie weit Gropius recht hatte, oder ob seine Pläne nicht doch von einer allzu optimistischen Einschätzung der Möglichkeiten, vor allem des Interesses der Industrie, ausgingen. Inzwischen war bereits eine wichtige Vorentscheidung gefallen. Die Regierung hatte im September 1924 „vorsorglich" und dem Beschluß des Landtages vorgreifend die Verträge der Bauhausmeister zum 1; April 1925 gekündigt. Eine frühere Kündigung war gesetzlich nicht möglich. Die endgültige Entscheidung blieb den Landtagsverhandlungen im Frühjahr vorbehalten. Das Bauhaus unternahm in den drei letzten Monaten des Jahres 1924 noch einmal eine gewaltige Anstrengung, und noch einmal wurden, wie im Frühjahr 1920, all die Organisationen, Verbände und Einzelpersönlichkeiten, die sich solidarisch erklärten, aktiv. Aus Weimar richteten über sechshundert Persönlichkeiten, an ihrer Spitze der Dichter Johannes Schlaf, ehemals Wortführer der Naturalisten, eine Petition um Erhaltung des Bauhauses an die Regierung. Weitere fünfzig Eingaben kamen vom Verband deutscher Kunstkritiker. Sie brachten zum Ausdruck, daß man sich bei aller Verschiedenheit der künstlerischen Einstellung in den Fachkreisen Deutschlands einig sei über den „Ernst und die wertvollen Grundgedanken der künstlerischen und kulturellen Bestrebungen des Bauhauses". Es schlössen sich an: der Deutsche Baugewerbebund, der Allgemeine Deutsche Gewerkschaftsbünd, der Allgemeine Freie Angestelltenbund und eine große Anzahl führender Persönlichkeiten: die Architekten Peter Behrens, Fritz Schumacher, Hans Poelzig, Heinrich Tessenow, Richard Riemerschmid, Henry van de Velde, J. J. P. Oud, Martin Wagner, der Pädagoge Kerschensteiner, die Maler Adolf Hölzel, Lovis Corinth, Hans Thoma, die Kunsthistoriker Richard Hamann und Ludwig Justi und viele andere. Weiterhin gingen zahlreiche Telegramme, Briefe und Gutachten ein, darunter vom Architektenverein Amsterdam, von achtundreißig Persönlichkeiten Erfurts, vom Deutschen Werkbund, vom Bund Deutscher Gewerbe4

Hüter

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schullehrer, vom Bund Deutscher Architekten und vom Österreichischen Werkbund. Personen, die in den vergangenen Jahren das Bauhaus sachlich kritisiert hatten, zum Teil, weil Gropius ihrer Meinung nach nicht entschieden genug handelte, sahen sich unversehens von den Bauhausgegnern in ihre Front eingereiht. Van Doesburg gehörte dazu, aber auch Adolf Behne. Sie distanzierten sich entschieden von einer solchen Wertung ihrer Einwände und betonten ihre selbstverständlich grundsätzlich positive Einstellung (Dok. 89). Zahllose Zeitungen berichteten über die Vorgänge in Weimar. Eine große ideelle Unterstützung fand das Institut in dem neu gegründeten „Kreis der Freunde des Bauhauses", 64 dem so bedeutende Namen wie Albert Einstein und Gerhart Hauptmann ein besonderes Gewicht verliehen. Das Ende des Bauhauses in Weimar Im November erfolgte ein erneuter Vorstoß mit einem modifizierten Vorschlag zur Privatisierung. Die Aktiengesellschaft sollte fast ausschließlich von interessierten Firmen getragen werden, die ein Stammkapital von hundert- bis hundertfünfzigtausend Mark aufbringen sollten. Initiatoren gegenüber den Behörden waren einige Erfurter Unternehmer mit Dr. von Löbbecke und Alfred Heß. Sie wollten auch den „Reichsverband der deutschen Industrie" dafür gewinnen. Die Produktivabteilung des Bauhauses sollte nach diesen Plänen ein gemischtwirtschaftlicher oder privatwirtschaftlicher produktiver Musterbetrieb werden. Zugleich aber sollte der Lehrbetrieb als „Modellwerkstatt, gleichsam als ein Laboratorium für die Industrie und das Kunstgewerbe" dienen.66 Der Vorschlag kam auf der Debatte des Haushaltsausschusses des Landtages am 11. und 12. November 1924 zur Sprache. Dort wurde die Angelegenheit von der finanziellen Seite her beraten. Die Regierung sicherte eine Prüfung zu. Das bedeutete aber nichst anderes als eine Fortsetzung der Hinhaltetaktik. Die wirklichen Absichten traten zutage, als die Regierung ihre bisherige Haltung und die Stellungnahme der Regierungsparteien begründete: Mit der Kündigung der Verträge habe man frei von politischer Bindung gehandelt. Das Projekt zur Erweiterung des Produktivbetriebes sei nicht durchführbar, weil zu riskant für den Staat gewesen. Künstlerisch habe am Bauhaus eine „extrem expressionistische Richtung" geherrscht. Es müsse jedoch eine „neutrale Bildungsrichtung" beibehalten werden. Außerdem verhalte sich das thüringische Handwerk völlig ablehnend, und das sei für die Regierung maßgebend. Die Regierung habe ihre Absicht bekanntgegeben, das Bauhaus als Kunstgewerbeschule mit praktischem Lehrbetrieb weiterzuführen und es seines Charakters als Hochschule zu entkleiden. Hochschule solle allein die jetzige Hochschule für bildende Kunst sein.66 Die Deutschnationale Volkspartei und die Deutsche Volkspartei standen hinter den Plänen der Regierung. Sie wünschten Gropius' Beseitigung. Ihrer Meinung nach habe er nicht befruchtend auf das Bauhaus gewirkt, „sondern es einseitig kommunistisch-expressionistisch ausgestaltet". 67 50

schullehrer, vom Bund Deutscher Architekten und vom Österreichischen Werkbund. Personen, die in den vergangenen Jahren das Bauhaus sachlich kritisiert hatten, zum Teil, weil Gropius ihrer Meinung nach nicht entschieden genug handelte, sahen sich unversehens von den Bauhausgegnern in ihre Front eingereiht. Van Doesburg gehörte dazu, aber auch Adolf Behne. Sie distanzierten sich entschieden von einer solchen Wertung ihrer Einwände und betonten ihre selbstverständlich grundsätzlich positive Einstellung (Dok. 89). Zahllose Zeitungen berichteten über die Vorgänge in Weimar. Eine große ideelle Unterstützung fand das Institut in dem neu gegründeten „Kreis der Freunde des Bauhauses", 64 dem so bedeutende Namen wie Albert Einstein und Gerhart Hauptmann ein besonderes Gewicht verliehen. Das Ende des Bauhauses in Weimar Im November erfolgte ein erneuter Vorstoß mit einem modifizierten Vorschlag zur Privatisierung. Die Aktiengesellschaft sollte fast ausschließlich von interessierten Firmen getragen werden, die ein Stammkapital von hundert- bis hundertfünfzigtausend Mark aufbringen sollten. Initiatoren gegenüber den Behörden waren einige Erfurter Unternehmer mit Dr. von Löbbecke und Alfred Heß. Sie wollten auch den „Reichsverband der deutschen Industrie" dafür gewinnen. Die Produktivabteilung des Bauhauses sollte nach diesen Plänen ein gemischtwirtschaftlicher oder privatwirtschaftlicher produktiver Musterbetrieb werden. Zugleich aber sollte der Lehrbetrieb als „Modellwerkstatt, gleichsam als ein Laboratorium für die Industrie und das Kunstgewerbe" dienen.66 Der Vorschlag kam auf der Debatte des Haushaltsausschusses des Landtages am 11. und 12. November 1924 zur Sprache. Dort wurde die Angelegenheit von der finanziellen Seite her beraten. Die Regierung sicherte eine Prüfung zu. Das bedeutete aber nichst anderes als eine Fortsetzung der Hinhaltetaktik. Die wirklichen Absichten traten zutage, als die Regierung ihre bisherige Haltung und die Stellungnahme der Regierungsparteien begründete: Mit der Kündigung der Verträge habe man frei von politischer Bindung gehandelt. Das Projekt zur Erweiterung des Produktivbetriebes sei nicht durchführbar, weil zu riskant für den Staat gewesen. Künstlerisch habe am Bauhaus eine „extrem expressionistische Richtung" geherrscht. Es müsse jedoch eine „neutrale Bildungsrichtung" beibehalten werden. Außerdem verhalte sich das thüringische Handwerk völlig ablehnend, und das sei für die Regierung maßgebend. Die Regierung habe ihre Absicht bekanntgegeben, das Bauhaus als Kunstgewerbeschule mit praktischem Lehrbetrieb weiterzuführen und es seines Charakters als Hochschule zu entkleiden. Hochschule solle allein die jetzige Hochschule für bildende Kunst sein.66 Die Deutschnationale Volkspartei und die Deutsche Volkspartei standen hinter den Plänen der Regierung. Sie wünschten Gropius' Beseitigung. Ihrer Meinung nach habe er nicht befruchtend auf das Bauhaus gewirkt, „sondern es einseitig kommunistisch-expressionistisch ausgestaltet". 67 50

Die Demokratische Partei verteidigte Gropius. Das Bauhaus stehe und falle mit ihm. Sie befürwortete den gemeinsamen Vorschlag des Leiters und der Erfurter Industriellen. Die Kommunistische Partei versicherte wiederum, daß das Bauhaus mit Kommunismus nichts zu tun habe, es sei eine bürgerliche Institution, freilich keine Gewerbeschule. Es suche nach neuen Normen für die Industrie. Daher herrsche bei dieser mehr Interesse dafür als beim Handwerk. Der Kampf gegen Gropius habe politische Gründe.68 Bei der Einzelbehandlung des Etats bewilligten die linken Parteien und die Demokraten den Haushaltsplan des Bauhauses in der bisherigen Höhe. Die Nationalsozialisten verlangten die Streichung sämtlicher Posten. Im Endergebnis kam der Antrag der Deutschnationalen Volkspartei durch, der eine drastische Kürzung von bisher 100000 auf 50000 RM pro Jahr vorsah. Bei einem so geringen Etat war das Bauhaus nicht lebensfähig. Dieser finanziellen Erdrosselung konnte es nur durch die schnelle und konsequente Privatisierung entgehen. Alle Hoffnungen hingen an den Verhandlungen mit der Industrie. Am 10. Dezember 1924 besuchte der Vorstand des mitteldeutschen Industrieverems das Bauhaus. Gropius erwartete von dessen Stellungnahme die endgültige Wendung zum Guten. Die Besprechung verlief positiv. Drei der Präsidialmitglieder wurden wenige Tage später bei der Reigierung vorstellig und baten, die Kündigungen rückgängig zu machen. Die Regierung forderte eine schriftliche Erklärung des Vereins. Da einige Mitglieder die Unterschrift verweigerten, verzögerte sich die Abgabe über den vorgesehenen Termin hinaus. Am 23. Dezember 1924 fand im Anschluß an die Sitzung der Staatsminister eine Führung von Regierungsvertretern durch das Bauhaus statt. Sie äußerten am Schluß des Rundganges auf Befragen, daß sie höchstens bereit seien, Verträge mit einer halbjährigen Kündigungsfrist abzuschließen. Da die Gründung einer GmbH bei einer so kurzen Vertragszeit für alle Beteiligten illusorisch war, brachen die Meister mit einem Schreiben vom 26. Dezember die Verhandlungen ab und erklärten „das aus ihrer Initiative und Überzeugung entstandene Bauhaus" mit Ablauf der Verträge zum 1. April 1925 für aufgelöst (Dok. 100). Am 13. Januar schlössen sich die Mitarbeiter, Studierenden, Lehrlinge, Gesellen und Jungmeister in einem Protestbrief dem Entschluß des Meisterrates an und gaben bekannt, daß sie mit Gropius und den Meistern das Bauhaus verlassen. Es war von Gropius richtig, sich auf eine Weiterarbeit nur bei entsprechenden Sicherungen einzulassen. Die Landtagsdebatten im Frühjahr 1925 bewiesen es.68 Die alten Gegner, die Deutschnationalen und Völkischen, und die neuen, die Nationalsozialisten, waren jetzt im Parlament so stark, daß sie mühelos ihren Willen durchsetzen konnten. Zweifellos hätte das Bauhaus als Ganzes oder zumindest sein soziales Programm in den Verhandlungen sein Ende gefunden. Staatsrat Dr. Herfurth vertrat in der Debatte am 25. März 1925 die Meinung, alle Versprechungen von Gropius, soweit sie das finanzielle Ergebnis der Arbeit betrafen, hätten sich als falsch erwiesen. Er beantragte die Fortführung der Schule unter einem anderen Leiter und bei einem reduzierten Lehrkörper. Auch der Staatsminister Leutheußer plädierte für ein Weiterbestehen der Anstalt ohne Gropius. 4*

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Bs sei bezeichnend, so sagte er, daß nun, nachdem Gropius für sich und die jetzige Gestalt des Bauhauses Schluß gemacht habe, in der künstlerischen Welt die Meinung darüber bestehe, die Bauhausidee, wie sie Gropius aufgezogen habe, sei zusammengebrochen.69 Bei diesen Worten und Erklärungen entsteht die Frage, ob die Regierung vielleicht doch nicht anders handeln konnte, ob die wirtschaftlichen Argumente, das heißt die Reduzierung der Subventionen, nicht doch berechtigt waren und das Bauhaus sich in seiner inneren Struktur eben darauf hätte einrichten müssen. Dem steht entgegen, daß der gleiche Minister Leutheußer ein Jahr später der Nachfolgeschule unter Otto Bartning anstandslos nicht nur die vom Bauhaus geforderten 100000 RM, sondern sogar 144000 RM bewilligte, und das bei anfangs nur zweiunddreißig bis sechsunddreißig Schülern. 1927 erhielt sie sogar 165000 RM.70 Schon allein dieser Hinweis genügt, um festzustellen, daß die wirklichen Gründe nicht wirtschaftlicher Art waren — übrigens auch nur bedingt künstlerischer, denn die Schule unter Bartning setzte mit einer Gruppe von Lehrkräften aus dem Bauhaus die Linie in der Architektur und angewandten Kunst bruchlos fort71 —, sondern daß vor allem politische Motive den Ausschlag gaben. Der ehemalige Volksbildungsminister Greil stellte dies in seiner Rede am 19. März 1925 klar heraus: „Daß dem Abbruch des Bauhauses, den Sie (die Rechtsparteien) ja nun glücklicherweise — von Ihrem Standpunkt aus betrachtet — erreicht haben, politische Motive zugrunde liegen, kann nach meiner Meinung gar nicht bestritten werden ... Der Kampf gegen Gropius ist in durchaus persönlicher Weise geführt worden. Man tut Gropius unrecht! Gropius ist eine unpolitische Natur ... Ich glaube, es gibt wenige, die das glauben, daß keine politischen Bindungen für die Regierung vorlagen. Als die Ordnungsregierung gebildet wurde und als in dieser Ordnungsregierung der Staatsrat Dr. Herfurth saß, da war über das Schicksal des Bauhauses bereits entschieden. Der wirkliche gute, feste Wille, das Bauhaus zu halten, war gar nicht vorhanden."72 Greil warnte davor, das Institut ohne Gropius und die Meister fortzuführen, und bezeichnete die Kürzung der Mittel um 50 Prozent als Todesstoß. Neben Greil behielt nur noch die kommunistische Fraktion des Landtages bis zum Schluß eine eindeutig positive Haltung bei. Das Schicksal des Staatlichen Bauhauses Weimar war entschieden. Es scheint so, als habe Gropius schon seit September 1924 kaum noch um ein Weiterbestehen in Weimar gekämpft, als sei sein Kampf vielmehr darum gegangen, dem Institut ein solch nationales und internationales Gewicht zu verleihen, daß es von einem anderen Land oder von einer anderen Stadt übernommen werde. Aus den Fühlungsnahmen und Verhandlungen mit verschiedenen Städten kristallisierte sich schließlich das Projekt Dessau als am vorteilhaftesten heraus.73 Der größte Teil der Angehörigen des Bauhauses, Meister und Studenten, siedelte im Verlaufe des Jahres 1925 nach dort über. In Weimar führte ein Restbestand von Lehrkräften unter Leitung des neuberufenen Berliner Architekten Otto Bartning das Institut weiter, anfangs noch unter dem Namen „Staatliches Bauhaus", später nach Übereinkunft mit Dessau mit der Bezeichnung „Hochschule für Handwerk und Baukunst". Bartning, wiewohl von Anfang an mit dem Bauhausgedanken vertraut74 und einer 52

der Fürsprecher für Gropius in den Jahren des Kampfes, entkleidete die Schule aller weitergespannten weltanschaulichen Ziele, legte sich äußerste Zurückhaltung auf und begnügte sich mit einer fachlich und sachlich gebundenen Arbeit. Auf diese Weise konnte er in sehr bescheidenem Rahmen ein durchaus modernes künstlerisches Programm bis 1930 durchhalten. Dann jedoch nahmen die inzwischen in Thüringen zur Macht gekommenen Nationalsozialisten die Gelegenheit seines Vertragsendes wahr, um die Schule durch Schultze-Naumburg in ihrem Sinne umstülpen zu lassen. So vollzog sich, entsprechend der schnelleren Rechtsschwenkung der Kleinbürgerund Beamtenschichten Thüringens in Weimar ein ähnlicher Prozeß wie einige Jahre später in Dessau, als Gropius' Nachfolger Hannes Meyer, der sich zum Marxismus bekannte, durch Mies van der Rohe abgelöst wurde und schließlich nach dem Wahlsieg der Nationalsozialisten 1932 im Anhalt-Dessau das Bauhaus auch diese Wirkungsstätte verlor und für wenige Monate bis zur Machtübernahme durch die Nazis im ganzen Reich nach Berlin ging. Ähnlich wie 1926 die Hochschule in Weimar unter Bartning wurde das Bauhaus 1930 unter Mies van der Rohe auf eine „neutrale Bildungseinrichtung" festgelegt, das also, was die Bürgerparteien schon in Weimar von Gropius verlangt hatten.76 „Neutral" bedeutet „konform", gefügig den Bedingungen und Anforderungen des kapitalistischen Staates auf allen Gebieten; denn um parteipolitische Neutralität hatte sich Gropius wahrhaftig überreichlich bemüht. Da aber das Arbeitsprogramm des Bauhauses ein Eingreifen in die wirtschaftliche und soziale Wirklichkeit forderte, ja seine historische Legitimation daraus herleitete, sah es sich notwendig mit den herrschenden politischen Kräften konfrontiert, die entsprechend ihren Klasseninteressen in Parteien organisiert waren. So wurde es selbst umgekehrt mit gleicher Notwendigkeit während seiner gesamten Geschichte als Politikum gesehen und behandelt. Trotz Versicherung seiner parteipolitischen Unabhängigkeit und trotz der Bestätigung dieser Tatsache durch die Arbeiterparteien konnte Gropius sein Schul- und Kunstprogramm nicht von der politischen Beurteilung freihalten. Beruhten die jahrelangen Angriffe der bürgerlichen Rechten und die wilde Hetze der rechtsgerichteten Presse auf einem Mißverständnis, oder waren doch im Programm und in der Arbeit des Bauhauses Züge angelegt, die mit der sozialen oder gar sozialistischen Revolution parallel liefen, und gab es Anzeichen für eine weltanschauliche Linksorientierung bei den Bauhausangehörigen? Das Bauhaus war zunächst einmal Schule. Als solche hatte es ein Erziehungsprogramm und Bildungsziel. Bildungsziele sind politische Leitbildner, berechnet auf einen zukünftigen Zustand der Gesellschaft, zu dem hin erzogen werden soll. Zum anderen war das Bauhaus eine Produktionsstätte für vorbildliche Erzeugnisse, ein Laboratorium, wo Modelle und Typen für die industrielle Fertigung entwickelt werden sollten. In dieser Eigenschaft ging es die Bindung mit dem „Werkleben des Volkes", im konkreten historischen Fall mit Handwerk und Industrie des Kapitalismus ein. Drittens strebte das Bauhaus eine Gemeinschaft schöpferisch tätiger Menschen an. Ihre individuellen weltanschaulichen und geistigen Profile sollten zu jener Einheit der Anschauungen verschmolzen werden, aus der das Einheitskunstwerk", später 53

das „Einheitswerk" als Sinnbild einer angestrebten Einheit der Gesellschaft hervorgehen konnte. Wir müssen das Phänomen Bauhaus nach diesen Gesichtspunkten, nach politischen Aspekten des Programmes, nach Beziehungen zur Schulpolitik, nach der Stellung zur kapitalistischen Wirtschaft und schließlich auch nach Anzeichen für die weltanschauliche Orientierung und der Stellung von Angehörigen des Lehrkörpers und der Studentenschaft zu den sozialen Klassen näher untersuchen.

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2. KAPITEL

Gesellschaftspolitische Aspekte des Bauhausprogramms

Kulturgeschichtliche Zusammenhänge Das Programm des Bauhauses ist ein charakteristisches Produkt der politischen, sozialen und kulturellen Situation Deutschlands nach dem Ende des ersten Weltkrieges und nach der Novemberrevolution, als in Auswirkung der allgemeinen Krise des Kapitalismus jahrzehntelange, im Untergrund schwelende, krisenhafte Prozesse im geistig-kulturellen Leben offen ausbrachen und aufgestaute Widersprüche eruptiv nach Lösung drängten. Bereits gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte sich in Teilen der deutschen künstlerischen Intelligenz ein Unbehangen an der offiziellen Kultur verbreitet. Die materialistisch eingestellte, technizistische, von Geld regierte und von Profit stimulierte Bürgerwelt stieß die jungen Künstler ab, zumal der fortschreitende materielle Aufschwung mit permanenten Kriegsdrohungen einherging. Die imperialistische deutsche Industrie war nicht nur zur technisch fortgeschrittensten und wirtschaftlich stärksten Industriemacht geworden. Ihr stand auf Grund des Paktes zwischen Kapitalismus und Feudaladel ein von der preußischen Junkerkaste organisierter Militärapparat zur Verfügung, der bedenkenlos bereit war, ihr Absatzmärkte freizuschießen. Nach Innen diente ein mit mittelalterlicher Kaisermaskerade aufgeputzter politischer Überbau dazu, gesellschaftliche Zustände und Herrschaftsverhältnisse zu stabilisieren, deren Existenzberechtigung auf Grund der Entwicklung der Produktivkräfte und der Vergesellschaftung der Produktion bereits verwirkt war. Die Folge war Stagnation und Erstarrung in vielen Bereichen des geistig-kulturellen Lebens. Arroganz, Aggressivität und patriotischer Rummel und deren Kehrseite, bedingungsloser Gehorsam und psychische Verkrüppelung durch Drill in Kaserne und Schule, vergifteten das Leben. Der Dichter Alfred Döblin sprach von „brütender Luft dieses Kaiserreichs von Geldraffern", von „zunehmender Atrophie des Bürgertums, das in Verdiener, Speichellecker, Apathische und Mißvergnügte zerfiel". Man sehe so, woher die Verzweiflung der Künstler komme, die vom Haß gegen den Bürger getrieben würden" und dem Nihilismus verfielen. Man verstehe die Künstler der einen Seite, „die Kunst 55

für belanglos halten und Gesinnung und Kampf um Gesinnung an erste Stelle rücken, und die auf der anderen Seite, denen die Kunst zu einem fast äußerlichen artistischen Spiel wird".1 Infolge der Unsicherheit ihrer eigenen Existenz empfanden die Künstler eine gewisse Schicksalsgemeinschaft mit dem Proletariat, und dieses Gefühl der Solidarität steigerte ihre Bereitschaft, an der Vorbereitung der sozialen Revolution teilzunehmen. Sie trugen dazu bei, die bürgerliche Ideologie zu unterhöhlen und alle Formen, in denen sich alte Hierarchie manifestierte, zu zerstören. Allerdings bewirkte ihre ökonomische Abhängigkeit, daß ihre Revolten und oppositionellen Bewegungen, die isoliert von der Arbeiterbewegung erfolgten, oft wieder von der herrschenden Klasse eingefangen und in den Dienst genommen werden konnten. Im Grunde genommen ist der Deutsche Werkbund die Institutionalisierung eines solchen Engagements einer ursprünglich oppositionellen künstlerischen Reformbewegung, zugleich auch des Widerspruchs zwischen den humanen, sozialen und künstlerischen Zielen der Künstler und den Profitinteressen des Kapitals; eines Widerspruchs, der, wie wir noch sehen werden, zu heftigen Auseinandersetzungen innerhalb des Bundes führte, an denen sich auch Gropius beteiligte. Allgemeiner in seinem Ausdruck und umfassender Reflex der sich ausbildenden allgemeinen Krise des bürgerlichen Geistes war der künstlerische und literarische Expressionismus. Die meisten der späteren Bauhausmeister standen zu ihm in Beziehung, ohne im engeren Sinne Expressionisten zu sein. Wassily Kandinsky und Paul Klee gehörten der Münchener Gruppe des „Blauen Reiter" an. Lothar Schreyer, Lyonel Feininger standen dem Kreis um Herwarth Waldens „Sturm" nahe. Die Expressionisten — wir verwenden hier den Begriff in seinem allgemeinsten Sinne — lebten in dem Gefühl einer Weltenwende, in utopischen Hoffnungen auf baldige Wiederkehr einer sozial geordneten Welt. Ihre Dichtungen waren Anklagen gegen die Bürgerwelt, Ausbrüche gequälter Seelen, Aufrufe an das menschliche Gewissen, Manifeste für Brüderlichkeit, für eine neue soziale Menschengemeinschaft. Dem Bruch mit der Vätergeneration, mit bürgerlichen Konventionen und sterilem Akademismus folgte die Suche nach Verankerung in elementaren Lebensbereichen, das Bemühen, den Menschen aus seinen zivilisatorischen Fesseln zu lösen, ihn in seiner Natürli chkeit darzustellen, das Unterbewußte seiner Seelenregungen zu erfassen, Verschwisterung mit der Natur und dem Kreatürlichen zu suchen oder aus Abscheu vor dem banalen Materialismus der kapitalistischen Wirklichkeit in ästhetische Welten auszuweichen. Die rebellierende junge Intelligenz schloß sich in Bünden und Gemeinschaften zusammen und gründete eigene Zeitschriften mit Titeln wie „Die Aktion", „Der Ruf", „Kain", „Das neue Pathos", „Revolution", der „Orkan". Sie enthielten allgemeine humanistische Proklamationen oder radikale, gegen die bestehende Gesellschaft gerichtete Aufrufe. Einzelne, wie Franz Pfempferts „Aktion", betrieben politische Aufklärung. Als 1914 nach Jahren quälender Spannung und wiederholter Kriegsdrohungen der imperialistische Krieg ausbrach, verfiel kaum einer der Expressionisten der allgemeinen Kriegshysterie. Ihre Haltung war antimilitaristisch-pazifistisch. Doch fehlte ihnen eine politische Orientierung, die sie die wahren Ursachen des Krieges hätte 56

erkennen lassen können. Sie neigten zum Anarchismus. Ihre Verbindung mit der revolutionären Klasse war gering. Im fruchtbaren Inferno der Vernichtung, im Grauen von Verdun schlug bei ihnen der Widersinn des Krieges um in die große Hoffnung, jenseits des Zusammenbruchs und am Ende des Blutvergießens in einer „Menschheitsdämmerung" die soziale Revolution als große Menschengemeinschaft über die Gräben hinweg aufsteigen zu sehen. Nach der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution und ein Jahr später in den revolutionären Kämpfen des deutschen Proletariats, die das monarchisch-feudale System gestürzt und den Krieg beendet hatten, wurden die utopischen Hoffnungen mit der Wirklichkeit der Revolution konfrontiert. Ergriffen von der Tragweite des welthistorischen Prozesses wollten die von der Front zurückkehrenden Künstler nicht wieder dort in ihren Ateliers fortfahren, wo sie aufgehört hatten. Die moralischen, politischen und sozialen Impulse, die von den revolutionären Kräften Rußlands und Deutschlands auf sie übergingen, führten zu einer radikalen Revision der eigenen Position. Gropius hat mehrfach geäußert, daß das volle Bewußtsein seiner gesellschaftlichen Verantwortung als Architekt sich in ihm als Ergebnis dieser Ereignisse gefestigt habe. Nach den heftigen Erschütterungen habe „jeder denkende Mensch die Notwendigkeit eines intellektuellen Frontwechsels" gespürt2. Es bestand der ernste Wille, am Aufbau einer besseren sozialen Ordnung mitzuwirken, auch die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit den Trägern der sozialen Revolution, der Arbeiterklasse, ihren Räten, den Gewerkschaften und später der kommunistischen Partei. Programme und Manifeste überschwemmten das Land. „Die Revolution entfesselte alle zurückgehaltenen Kräfte und trieb sie aus der Tiefe an die Oberfläche". (Lenin) Die Bewegung des Expressionismus schwoll erneut empor und strömte in die Breite. Überall entstanden Künstlervereinigungen, die den Kampf gegen das Bestehende auf ihre Fahnen schrieben. In Berlin wurde im Herbst 1918 der „Arbeitsrat für Kunst" gegründet, der zusammen mit der ihm eng verbundenen „Novembergruppe" das künstlerische Leben in den Jahren nach dem Kriege bestimmte. Das Programm war von Bruno Taut, dem Kunstschriftsteller Adolf Behne und Walter Gropius formuliert worden. An erster Stelle erhoben sie die Forderung nach Volksverbundenheit der neuen Kunst: „Kunst und Volk müssen eine Einheit bilden". Kunst sollte nicht mehr Luxus für den Bürger, sondern Lebensnotwendigkeit für die Massen des Volkes sein. Der Arbeitsrat sah es als seine Aufgabe an, nach Wegen zu suchen, wie die Künste und die Künstler voll in den gesellschaftlichen Lebensprozeß eingeschaltet und wie die wahren Bedürfnisse des Volkes Richtschnur für die Kunst werden könnten. Als Gropius wenige Monate später in Weimar als Leiter einer staatlichen Lehranstalt ein durch Staatsmittel finanziertes Wirkungsfeld erhielt, sah er sich im Namen des Freundeskreises gefordert, die Ideen und Programme der fortschrittlichen Künstlerschaft in die Praxis umzusetzen und mit Leben zu erfüllen. Da dies in einer staatlichen Institution geschah, war er von vornherein verpflichtet, nur politisch akzeptable und legitime Mittel einzusetzen, was bedeutete, die als notwendig erachteten 57

„radikalen" Umwälzungen auf evolutionärem Wege durchzuführen. Ansatzpunkte lagen in der Krise der spätbürgerlichen Kunst, deren Isolierung vom Leben des Volkes und akademische Exklusivität überwunden werden sollte durch Einbindung in die alltägliche produktive Werkarbeit, wobei deren spezialisierte Gattungen im Dienste an Gemeinschaftsaufgaben wieder unter der Ägide der Architektur zusammengeführt werden sollten. Sie lagen zum anderen in der Krise des bürgerlichen Bildungswesens, das im Beharren auf klassisch-akademischer Bildung in den höheren Schulen und in der Ausrichtung auf eine sterile Salonkunst auf Kunstschulen in Widerspruch zu den Anforderungen der entwickelten Produktionsweise geraten war. Gropius glaubte anfangs, durch die Revolution sei der Weg frei, um überall einen „großen Plan, ein fernes Ziel" aufstellen zu können (Dok. 12). Der alte Beamtenapparat sei ins Wanken geraten, in diesen Kreisen habe sich eine „sauve qui peutStimmung" eingeschlichen. Er und seine Freunde hofften auf seinen Abbau. Die statt dessen bald einsetzende Konsolidierung und Restaurierung des kapitalistischen Systems hinter einer Scheinfassade von Demokratisierungs- und Sozialisierungsparolen entzog den progressiven bürgerlichen Künstlern und Architekten den ohnehin unsicheren Boden für ihre weitgespannten Ziele. Sie zwang in der Folge zur Verschlüsselung der Absichten und zur Beschränkung auf fachlich abgesicherte Teilziele des ursprünglichen totalen Gesellschaftsentwurfs. Walter Gropius' erstes Bauhausmanifest enthielt, wie wir sahen, (s. S. 17 f.), folgende wesentliche Punkte: den Gemeinschaftsgedanken, die Idee vom Einheitskunstwerk, die Forderung nach praktisch-werklicher Erziehung, den Werkbundgedanken der Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Leitern des Handwerks und der Industrie, schließlich die Forderung nach Volksverbundenheit der Kunst. Auf die Beziehungen zum Werkbund und auf die praktisch-werkliche Erziehung wird an anderer Stelle eingegangen. Hier sei nur soviel gesagt, daß sich Gropius entgegen der Meinung damaliger Kritiker nicht mit den fragmentarischen Sonderinteressen und Einzelanliegen des reformerischen Werkbundes zufriedengab, sondern die gestalterische Arbeit als unablösbaren Bestandteil des sich vollziehenden gesellschaftlichen Prozesses ansah.

Forderung nach Volksverbundenheit In einem Artikel „Baukunst im freien Volksstaat" schrieb Gropius 1919: „Die Throne sind zwar umgestoßen, aber der alte Geist wurzelt noch zähe im ganzen Lande. Wir brauchen eine neue gemeinsame Geistigkeit des ganzen Volkes. Keine Regierung allein kann sie schaffen. Der Staat ist nichts als eine Summe von Einzelexistenzen. Jeder helfe, jeder kehre zunächst vor seiner eigenen Türe ... Noch nicht die politische, erst die vollendete geistige Revolution kann uns ,frei' machen. Kapitalismus und Machtpolitik haben unser Geschlecht träge gemacht im Schöpferischen, und ein breites bürgerliches Philistertum erstickt die lebendige Kunst. Der 58

„radikalen" Umwälzungen auf evolutionärem Wege durchzuführen. Ansatzpunkte lagen in der Krise der spätbürgerlichen Kunst, deren Isolierung vom Leben des Volkes und akademische Exklusivität überwunden werden sollte durch Einbindung in die alltägliche produktive Werkarbeit, wobei deren spezialisierte Gattungen im Dienste an Gemeinschaftsaufgaben wieder unter der Ägide der Architektur zusammengeführt werden sollten. Sie lagen zum anderen in der Krise des bürgerlichen Bildungswesens, das im Beharren auf klassisch-akademischer Bildung in den höheren Schulen und in der Ausrichtung auf eine sterile Salonkunst auf Kunstschulen in Widerspruch zu den Anforderungen der entwickelten Produktionsweise geraten war. Gropius glaubte anfangs, durch die Revolution sei der Weg frei, um überall einen „großen Plan, ein fernes Ziel" aufstellen zu können (Dok. 12). Der alte Beamtenapparat sei ins Wanken geraten, in diesen Kreisen habe sich eine „sauve qui peutStimmung" eingeschlichen. Er und seine Freunde hofften auf seinen Abbau. Die statt dessen bald einsetzende Konsolidierung und Restaurierung des kapitalistischen Systems hinter einer Scheinfassade von Demokratisierungs- und Sozialisierungsparolen entzog den progressiven bürgerlichen Künstlern und Architekten den ohnehin unsicheren Boden für ihre weitgespannten Ziele. Sie zwang in der Folge zur Verschlüsselung der Absichten und zur Beschränkung auf fachlich abgesicherte Teilziele des ursprünglichen totalen Gesellschaftsentwurfs. Walter Gropius' erstes Bauhausmanifest enthielt, wie wir sahen, (s. S. 17 f.), folgende wesentliche Punkte: den Gemeinschaftsgedanken, die Idee vom Einheitskunstwerk, die Forderung nach praktisch-werklicher Erziehung, den Werkbundgedanken der Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Leitern des Handwerks und der Industrie, schließlich die Forderung nach Volksverbundenheit der Kunst. Auf die Beziehungen zum Werkbund und auf die praktisch-werkliche Erziehung wird an anderer Stelle eingegangen. Hier sei nur soviel gesagt, daß sich Gropius entgegen der Meinung damaliger Kritiker nicht mit den fragmentarischen Sonderinteressen und Einzelanliegen des reformerischen Werkbundes zufriedengab, sondern die gestalterische Arbeit als unablösbaren Bestandteil des sich vollziehenden gesellschaftlichen Prozesses ansah.

Forderung nach Volksverbundenheit In einem Artikel „Baukunst im freien Volksstaat" schrieb Gropius 1919: „Die Throne sind zwar umgestoßen, aber der alte Geist wurzelt noch zähe im ganzen Lande. Wir brauchen eine neue gemeinsame Geistigkeit des ganzen Volkes. Keine Regierung allein kann sie schaffen. Der Staat ist nichts als eine Summe von Einzelexistenzen. Jeder helfe, jeder kehre zunächst vor seiner eigenen Türe ... Noch nicht die politische, erst die vollendete geistige Revolution kann uns ,frei' machen. Kapitalismus und Machtpolitik haben unser Geschlecht träge gemacht im Schöpferischen, und ein breites bürgerliches Philistertum erstickt die lebendige Kunst. Der 58

intellektuelle Bourgeois ... hat seine Unfähigkeit bewiesen, Träger einer deutschen Kultur zu werden. Seine erstarrte Welt ist nun aufgerüttelt ... Neue ... Schichten des Volkes drängen aus der Tiefe empor. Sie sind das Ziel der Hoffnungen" (Dok. 9). Gropius knüpfte bei Absage an Kapitalismus und Bürgertum seine Hoffnungen auf eine neue Blüte der Kultur an den Aufstieg der bisher unterdrückten werktätigen Schichten des Volkes. Allerdings war er, wie damals viele, der Illusion verfallen, als habe die politische Revolution diesen Aufstieg bereits wirklich eingeleitet, und es gelte nun, beharrlich und konstruktiv den geistigen und kulturellen Um- und Aufbau zu vollziehen. Dabei war er sich der Abhängigkeit der Entwicklung neuen kulturellen Ideengutes vom allgemeinen gesellschaftlichen Fortschritt durchaus bewußt. Es könne sich, so sagt er, „nicht rascher verbreiten und entwickeln als die neue Gesellschaft, der es dienen soll"3. In seiner Stellungnahme zu einer Umfrage, die 1919 in einer Ze-'t härtester ant'bolschewistischer Propaganda zum Problem „der Bolschewismus und die deutschen Intellektuellen" durchgeführt wurde, setzte er seine Hoffnung auf eine neue Kultur unmißverständlich auf die in der sozialistischen Oktoberrevolution entstandene neue Gesellschaft: „Da wir heute überhaupt keine Kultur besitzen, sondern nur Zivilisation, bin ich der Überzeugung, daß der Bolschewismus trotz all seiner üblen Nebenerscheinungen wohl der einzige Weg wäre, in absehbarer Zeit die Voraussetzungen für eine kommende Kultur zu schaffen".4 DJe Annäherung zwischen Kunst und Volk stellte er als einen langwierigen Prozeß wechselseitiger Einwirkungen dar. Der wahre Einklang liege noch weit in der Zukunft. Alles was man vorläufig leisten könne, sei ein Modellversuch, ein „großer Entwurf" als Bild einer kommenden Gesellschaft, ausgearbeitet von einer „aufrichtigen Gemeinschaft nicht nur im künstlerischen, sondern auch im menschlichen Sinne" (Dok. 7). Erst dann, wenn eine „allgemeine Lebensform des Volkes" entstanden sei, werde der Künstler das einheitliche Sprachmittel finden, mit dem er sich dem Volke verständlich machen kann. Die Künste würden dann aus ihrer vereinsamten Abgeschiedenheit in den Schoß der allumfassenden Baukunst zurückfinden. D«e Architektur als gestaltete gegenständliche-räumliche Umwelt des Menschen und unentbehrlich für sein Leben würde zum Sammelpunkt derjenigen Künstler werden, die ihre Arbeit mit dem Leben der Gesellschaft verbinden wollen (Dok. 9). Dem Architekten falle dabei die Rolle eines „Ordners ihres ungetrennten Gesamtlebens" zu. Er müsse „die geistig gleichgesinnten Werkleute wieder um sich sammeln ..., wie die Meister der gotischen Dome in den Bauhütten des Mittelalters, — und so in neuen Lebens- und Arbeitsgemeinschaften aller Künstler untereinander den Freiheitsdom der Zukunft vorbereiten ..., getragen von der Gesamtheit des Volkes" (Dok. 9). Der Künstler habe die „seherische Gabe", die „geistigen Parallelerscheinungen aus seiner Zeit abzulesen" und sie „in reiner Form darzustellen" (Dok. 11). Die Arbeit des Bauhauses trug so in den ersten Jahren einen stark perspektivischen Charakter. „Wir schweben im Raum und kennen noch nicht die neue Ordnung ... Unser Werk 59

kann nur darin bestehen, die kommende Einheit einer späteren harmonischen Zeit vorzubereiten. — Wir werden das nicht mehr erleben, aber wir sind, das glaube ich fest, die Vorläufer und ersten Werkzeuge eines solchen neuen Weltgedankens' (Dok. 7 und 11). Solche zwischen Utopie und praktischem Programm schwankenden Vorstellungen beherrschten nicht nur Gropius und nicht nur die Anfangszeit des Bauhauses. Noch 1923 schrieb Oskar Schlemmer im Ausstellungsprogramm: „Ein Idealismus der Aktivität, der Kunst und Wissenschaft und Technik umfaßt, durchdringt und einigt und der in Forschung-Lehre-Arbeit wirkt, wird den Kunst-Bau des Menschen aufführen, der zu dem Weltgebäude nur ein Gleichnis ist. Wir können heute nicht mehr tun, als den Plan des Ganzen zu bedenken, Grund zu legen und die Bausteine zu bereiten" (Dok. 60). Gropius verwendet den Begriff „Volk", niemals „Proletariat" oder „Arbeiterklasse", versteht aber Volk nicht im Sinne von Volkstum, sondern als Gegensatz zum Bürger: „Je mehr sein (des Volkes) K l a s s e n s t o l z wächst, um so mehr wird es verachten, den reichen Bürger nachzuahmen und selbständig einen eigenen Stil seines Lebenszuschnittes erfinden. Dieser Sinn im Volk ist der fruchtbare Untergrund für kommende Kunst." 5 Die Erkenntnis notwendiger gesellschaftlicher Prozesse führte Gropius soweit über die Schranken seiner Klasse hinaus, daß er das wachsende Klassenbewußtsein der bisher unterdrückten Klasse als notwendig für die kommende Kunst voraussetzte. Die Unterdrückten müßten sich ihres Gegensatzes zur herrschenden Klasse bewußt werden, die übernommenen ethischen und ästhetischen Normen abwerfen und einen eigenen geistigen Lebensinhalt erringen. Klara Zetkin hatte ähnliches in anderem Zusammenhang 1911 geäußert: „Erst wenn die Beherrschten als emporstrebende, rebellierende Klasse einen eigenen geistigen Lebensinhalt bekommen; erst wenn sie kämpfen, um drückende soziale, politische, geistige Fesseln zu sprengen: Erst dann wird ihr Einfluß auf das künstlerische Kulturerbe der Menschheit zu einem selbständigen und daher wirklich fruchtbaren, zu einem entscheidenden".6 Die Reaktion von Gropius und anderer Künstler auf die Forderungen der Zeit ist ein Beispiel dafür, daß unter besonderen Umständen „das Leben und der Kampf der Volksmassen in der Sphäre des Überbaus der bürgerlichen Gesellschaft eine demokratische und eine sozialistische Kultur oder zumindest deren Elemente hervorbringen muß". 7 Hellwag resümierte im Hinblick auf den Kreis um Gropius und Taut: „Diese jungen Künstler ... wollen nicht mehr außerhalb, sondern mitten im Volke stehen und mit ihm ihre Kraft und ihr Leben austauschen ... Aus der handwerklichen Erziehung des Volkes soll ihnen künftig ein Kraftstrom entgegenfließen, dem sie die Richtung geben wollen. Diesem Plan entsprechend sollen die Schulen des Volkes und der Künstler beide auf handwerklicher Grundlage neu aufgebaut werden ... Das ist der Kern. Alles übrige ist Beiwerk und der sehnsüchtige Überschwang des sprachlichen Ausdrucks."8 Diese Vertreter der künstlerischen Intelligenz waren zu der Einsicht gelangt, zum Bereich der Werktätigen, zum Volke zu gehören, und nicht zum Kapital, zu den 60

Ausbeutern. Daraus ergab sich die hohe Wertung des Gemeinschaftsgedankens, der kollektiven Arbeit und der Rolle, die man dem Einheitskunstwerk als dem Symbol der neuen Werkgemeinschaft des Volkes zuerkannte.

Der Gemeinschaftsgedanke In Antworten auf Vorwürfe gegen die romantisch utopische Konzeption des ersten Bauhausprogramms 1919 hob Gropius mehrfach hervor, daß bei der Gründung des Bauhauses nicht ein irgendwie geartetes fachliches Anliegen in der Lage gewesen wäre, die jungen Leute anzulocken, sondern daß allein die von ihm angestrebte Gemeinschaft dafür die notwendige Zugkraft geboten habe: „Nicht um ,werkgerechte' Lampen zu entwerfen" kamen junge Leute, „sondern um Teil einer Gemeinschaft zu sein, die den neuen Menschen in neuer Umgebung aufbauen ... wollte."9 Deshalb stand im Programm, Ziel sei eine „Arbeitsgemeinschaft führender und werdender Werkkünstler", und in der Rede an die Studierenden 1919 hieß es: „Mir träumt von dem Versuch, aus der zersprengten Isoliertheit der einzelnen hier eine kleine Gemeinschaft zu sammeln" (Dok. 11). Der Begriff Gemeinschaft meint eine bewußte und freiwillige Vereinigung von Menschen, die möglichst auf emotionaler und geistiger Übereinstimmung beruht und egoistische Interessengegensätze ausschließt. Geschichtlich gesehen hat dieser in seiner Bedeutung schwankende Begriff in Deutschland später eine verhängnisvolle Rolle gespielt, weil er in der Verkopplung mit Volk und Nation die Grundlage abgab für die chauvinistische Entwicklung in den zwanziger Jahren bis hin zum Faschismus. In der Zeit nach der Novemberrevolution jedoch verkörperte er für die progressiven bürgerlichen Künstler und Intellektuellen die Alternative zur bürgerlichen Gesellschaft, das „Bekenntnis zur Revolution und zur neuen Gemeinschaft", ... „die revolutionäre Sehnsucht nach e;ner reineren Gemeinschaft und nach einem Zusammenhang mit den Massen der Arbeitenden".10 In seiner Anthologie „Die Gemeinschaft, Dokumente einer geistigen Weltenwende" (1919) zog Ludwig Rubiner die Summe aus dem, was der Begriff Gemeinschaft damals umfaßte und welche Kreise man dazu zählte, nämlich all diejenigen, „die in der Änderung der Welt ihr Lebensziel sahen . . ( d i e sich) gegen die Gesellschaft wandten, die Schöpfer unserer kritischen Einstellung, dann die Anführer des Geists, die den Bewußtseinsstand der Welt umbrachen; seelische Vorbereiter der Wirklichkeitskrise unserer Tage ...; endlich die Revolutionäre, die Denker der Volksbewegung, Gestalter und Historiker der Massenaktionen, die Sprecher des Proletariats, die Schöpfer der neuen sozialistischen Weltkultur, die aus dem langen Anlauf der Weltrevolution hervorgehoben wird". Das Ziel aller müsse sein: „Die Gestaltung der produktiven Menschengemeinschaft über alle Länder hinweg".11 Oder man denke an den Satz, den Klara Zetkin an das Ende ihres Aufsatzes „Kunst und Proletariat" stellte: „Denn alle große Kunst lebt von dem geistigen Herzblut einer großen Gemeinschaft." Sehnsucht nach 61

Ausbeutern. Daraus ergab sich die hohe Wertung des Gemeinschaftsgedankens, der kollektiven Arbeit und der Rolle, die man dem Einheitskunstwerk als dem Symbol der neuen Werkgemeinschaft des Volkes zuerkannte.

Der Gemeinschaftsgedanke In Antworten auf Vorwürfe gegen die romantisch utopische Konzeption des ersten Bauhausprogramms 1919 hob Gropius mehrfach hervor, daß bei der Gründung des Bauhauses nicht ein irgendwie geartetes fachliches Anliegen in der Lage gewesen wäre, die jungen Leute anzulocken, sondern daß allein die von ihm angestrebte Gemeinschaft dafür die notwendige Zugkraft geboten habe: „Nicht um ,werkgerechte' Lampen zu entwerfen" kamen junge Leute, „sondern um Teil einer Gemeinschaft zu sein, die den neuen Menschen in neuer Umgebung aufbauen ... wollte."9 Deshalb stand im Programm, Ziel sei eine „Arbeitsgemeinschaft führender und werdender Werkkünstler", und in der Rede an die Studierenden 1919 hieß es: „Mir träumt von dem Versuch, aus der zersprengten Isoliertheit der einzelnen hier eine kleine Gemeinschaft zu sammeln" (Dok. 11). Der Begriff Gemeinschaft meint eine bewußte und freiwillige Vereinigung von Menschen, die möglichst auf emotionaler und geistiger Übereinstimmung beruht und egoistische Interessengegensätze ausschließt. Geschichtlich gesehen hat dieser in seiner Bedeutung schwankende Begriff in Deutschland später eine verhängnisvolle Rolle gespielt, weil er in der Verkopplung mit Volk und Nation die Grundlage abgab für die chauvinistische Entwicklung in den zwanziger Jahren bis hin zum Faschismus. In der Zeit nach der Novemberrevolution jedoch verkörperte er für die progressiven bürgerlichen Künstler und Intellektuellen die Alternative zur bürgerlichen Gesellschaft, das „Bekenntnis zur Revolution und zur neuen Gemeinschaft", ... „die revolutionäre Sehnsucht nach e;ner reineren Gemeinschaft und nach einem Zusammenhang mit den Massen der Arbeitenden".10 In seiner Anthologie „Die Gemeinschaft, Dokumente einer geistigen Weltenwende" (1919) zog Ludwig Rubiner die Summe aus dem, was der Begriff Gemeinschaft damals umfaßte und welche Kreise man dazu zählte, nämlich all diejenigen, „die in der Änderung der Welt ihr Lebensziel sahen . . ( d i e sich) gegen die Gesellschaft wandten, die Schöpfer unserer kritischen Einstellung, dann die Anführer des Geists, die den Bewußtseinsstand der Welt umbrachen; seelische Vorbereiter der Wirklichkeitskrise unserer Tage ...; endlich die Revolutionäre, die Denker der Volksbewegung, Gestalter und Historiker der Massenaktionen, die Sprecher des Proletariats, die Schöpfer der neuen sozialistischen Weltkultur, die aus dem langen Anlauf der Weltrevolution hervorgehoben wird". Das Ziel aller müsse sein: „Die Gestaltung der produktiven Menschengemeinschaft über alle Länder hinweg".11 Oder man denke an den Satz, den Klara Zetkin an das Ende ihres Aufsatzes „Kunst und Proletariat" stellte: „Denn alle große Kunst lebt von dem geistigen Herzblut einer großen Gemeinschaft." Sehnsucht nach 61

Gemeinschaft ergab sich aber auch als die positive Umkehrung des Kriegserlebnisses mit seiner Entwertung des Individuums in den Massen- und Materialschlachten. Ein Umbau der Gesellschaft zum Besseren, eine Erneuerung des ganzen Menschen schien angebrochen. Das Scheitern der Revolution begünstigte die Abdrängung der geweckten Energien ins Ideale und Moralische. In ihrer Unfähigkeit, die gesellschaftlichen und politischen Prozesse bis zum Grund zu durchschauen, überschätzen progressive bürgerliche Intellektuelle die Rolle der „geistigen Revolution", die Revolutionierung des Bewußtseins. Nach Gropius' Ansicht müsse sich der entscheidende Wandel im einzelnen Menschen vollziehen. Diese einzelnen werde eine gemeinsame Überzeugung zusammenführen, und von diesen kleinen Gemeinschaften, — Keime des Neuen im Alten, — werde dann die neue Gesinnung allmählich auf die Gesamtheit der Gesellschaft ausstrahlen. Solche Zellen und Gemeinschaften sollten möglichst gemeinschaftlich leben, wohnen und essen. Aber auch eine solche Gemeinschaft verlangt eine bewußte Form ihrer Organisation. Am Bauhaus war der äußere Rahmen durch die „Satzungen" festgelegt. Sie waren im Herbst 1920 ausgearbeitet und nach Bestätigung durch die Regierung im Januar 1921 herausgegeben worden. Danach oblagen alle wichtigen Entscheidungen, wie endgültige Aufnahme von Studierenden nach dem obligatorischen Probehalbjahr, Neuberufungen von Meistern, Satzungsänderungen usw. nicht der Direktion, sondern dem Meisterrat, bestehend aus dem Leiter und den „Meistern mit Sitz und Stimme". Die anderen Meister, Handwerksmeister, Jungmeister und Vertreter der Studierenden konnten beratend hinzugezogen werden. Dadurch erweiterte sich der „Meisterrat" in der Praxis immer mehr zum „Bauhausrat". Die „Vertreter der Lernenden" hatten außerdem, laut Satzungen, das Recht, „in allen wichtigen Fragen, z. B. Neuberufung von Meistern, endgültige Aufnahme von Lehrlingen usw. der Leitung ihre Vorschläge" zu unterbreiten. Die möglichst weitgehende Demokratisierung des innerschulischen Betriebes war Voraussetzung dafür, alle Mitglieder des Bauhauses, nämlich nach den Satzungen„Meister, Jungmeister, Gesellen und Lehrlinge", zu überzeugter Mitarbeit anzuspornen. Der überschaubare Raum, der übersichtliche schulische Organismus, die gemeinsame Arbeit in Werkstätten erleichterten, verstärkt durch die Notzeit und den Druck der vorwiegend feindlich eingestellten Öffentlichkeit, ohnehin den inneren Zusammenhalt und die innerschulische Kommunikation. Ehemalige Schüler betonten immer wieder diese besondere Atmosphäre des Vertrauens als Vorzug des Weimarer Bauhauses, auch gegenüber der späteren Situation in Dessau. Gropius gebrauchte gern das Bild von einer Einheit, die durch das „Konzert" einer Reihe miteinander harmonisierender Personen entsteht. Das Zusammenwirken einer Anzahl so ausgeprägter Individualitäten und, wie Klee sagt, „verschieden gerichteter Kräfte", wie sie sich am Bauhaus nicht nur im Kreis der Meister zusammengefunden hatten, führte notwendigerweise oft zu scharfen Spannungen und zum Kampf untereinander. Aber dieser Kampf der Meinungen war durchaus nicht destruktiv, weil er sich im allgemeinen dem Gesamtziel des Bauhauses unterodnete und in Leistung sich äußerte. Jeder einzelne konnte seine Meinung vorbringen und bei Entscheidungen in die Waag62

schale werten. Die Protokolle der Meisterratssitzungen (z. B. Dok. 48) zeigen, wie gründlich alle künstlerischen und organisatorischen Fragen von dem Lehrkörper gemeinsam verhandelt wurden, und auch, wie sehr dabei bei allem Brodelnden das Bewußtsein der Pionierstellung und des gemeinsamen Anliegens mitschwang. Das Bauhaus verfolgte seit 1920 den Plan, eine Siedlung für Meister und Studierende am Horn zu bauen. Aus Mangel an finanziellen Mitteln kam sie nicht über das Musterhaus und die gärtnerische Nutzung des Geländes zur Unterstützung der Gemeinschaftsküche hinaus.12 Gemeinsame Feiern und Feste, wie das Drachenfest und die beliebten Bauhausfeste rundeten das Gemeinschaftsleben zu einem, wie Gropius es nannte, „heiteren Zeremoniell" ab. Gemeinschaftsleben war die eine, Gemeinschaftsarbeit die andere wichtige Komponente des Bauhausprogramms. Bereits einige Wochen nach der Gründung des Bauhauses erließ die Studierendenvertretung einen Aufruf, in welchem sie, entgegen bisherigen Gepflogenheiten an Kunstschulen, die A r b e i t s g e m e i n s c h a f t als das bestimmende Element ihres zukünftigen Studiums proklamierte (Dok. 10). Moholy Nagy bezeichnete es später als ein Hauptziel, den alten Begriff und Inhalt „Schule" zu überwinden und eine „Arbeitsgemeinschaft" entstehen zu lassen. „Die einem jeden innewohnenden Kräfte sollten zu einem freien Kollektiv zusammengeschlossen werden. Ein solches Kollektiv bedeutet Lebenspraxis".13 Das einheitliche und mit gleichem Ziel und gleicher Werkgesinnung arbeitende Kollektiv war nach Gropius' Ansicht in der Lage, die verkrüppelnde Wirkung der Arbeitsteilung und die polaren Gegensätze von körperlicher und geistiger Arbeit aufzuheben. Die kollektive Arbeit führe zu einer größeren Gesamtleistung. Sie sei mehr als die Summe der möglichen Einzelleistungen aller Mitglieder. Gropius' damalige Fassung des Kollektivbegriffs ging weit über den engeren Interessenbereich des späteren „team work" hinaus. Er meinte nicht nur Zusammenarbeit, sondern setzte die Gemeinsamkeit der Weltanschauung und jene Imponderabilien einer intensiven Gemeinschaftsatmosphäre voraus. Mit Recht sah Karl Rößger, ein Pädagoge, in diesem Streben nach gemeinschaftlichem Leben und nach Gemeinschaftsarbeit den wichtigsten Faktor, durch den sich das Programm des Bauhauses als pädagogisches Programm ausweise. Daß er die Erziehung zur Gemeinschaft als Aufgabe gestellt habe, rücke den Architekten Gropius heraus aus der Reihe schaffender Künstler und Kunstschuldirektoren und mache ihn „zum Pädagogen im vollen Wortsinne"14. Die Triebkraft dieser Gemeinschaftstendenz war der gleichsam als neue Religion empfundene soziale Gedanke. Vergleicht man jedoch einzelne Punkte in Gropius' Bauhausprogramm mit entsprechenden Forderungen aus dem Kreis des Arbeitsrats für Kunst, wie sie sich in dessen Publikation „Stimmen des Arbeitsrats für Kunst" niedergeschlagen haben, so wirken sie wie Ableitungen ohne Angabe der Prämisse. Die Einheit und Werkgemeinschaft aller Künste, also das Grundanliegen des Bauhauses, wird dort als „Sozialisierung" bezeichnet: Die Kunst müsse sozialisiert werden, das ganze Kunstleben vom freischaffenden Künstler bis zum Handwerker müsse „eine Gemeinschaft, eine Verschmelzung" bilden. Der vorgeschlagene Weg, 63

dies im Bereich der künstlerischen Erziehung zu verwirklichen, deckt sich mit Gropius' Lösung: „Lehr-und Übungsstätten mit akademischen Lehrern, möglichst Sezessionisten15 und Handwerkslehrern, und daneben Staatswerkstätten als produktive Werkstätten." 16 Der „große Aufbau der Gesamtkultur" wurde „aus der sozialistischen Idee heraus" gefolgert. Selbst unter den ungünstigen Umständen müsse die Tat versucht werden, und zwar, um ein wirksames anschauliches Beispiel zu schaffen. Gropius sprach in ähnlichem Sinne vom M o d e l l c h a r a k t e r des Bauhauses. Auch sein utopisches Bild vom „neuen Bau der Zukunft ..., der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens" findet eine reale Interpretation in Allwohns Beitrag in den Stimmen des A.f.K., 17 die schöpferische Werkgemeinschaft umfasse nicht nur die Künstler, sondern auch das Volk. Arbeiter seien „solche, die, von einer Idee ergriffen, sich zu dieser Aufgabe verpflichtet fühlen", seien „Mitschaffende". Auf diese Weise werde jede Aufgabe wieder durch den Zweck geadelt und zur inneren Notwendigkeit. Das bedeutet mit anderen Worten, die Entfremdung der Arbeit würde aufgehoben durch das Bewußtsein von der schöpferischen Leistung der Gesamtheit aller Werktätigen. In Herzogs Beitrag findet sich schließlich noch die Forderung, als Vorbedingung zur Verwirklichung dieser Ziele die „unbedingte Verbindung mit Führern der unabhängigen Sozialdemokraten und Kommunisten" zu suchen.18 Es ist so verständlich, daß das Bürgertum in Weimar gleiche politische Motive auch hinter Gropius' Plänen vermutete. Das war jedoch eine Täuschung. Zwar setzte das dem Bauhausgedanken zugrunde liegende Gesellschaftsbild ebenfalls die Aufhebung der Klassengegensätze und damit die Überwindung des Kapitalismus voraus. Dennoch standen die Bauhausangehörigen, selbst wenn sie die Begriffe Sozialismus oder Kommunismus gelegentlich auf sich bezogen, keineswegs schon in der Front der sozialistischen Bewegung. Gropius' humanitärer „Sozialismus" war nicht mit dem wissenschaftlichen Sozialismus der revolutionären Arbeiterklasse identisch. Es war ein ethischer, ein voluntaristischer „Sozialismus"-Begriff. Natürlich kannte Gropius Marx und Engels, aber nicht primär über die sozialistische Bewegung, sondern wohl über Tönnies und dessen Nachfolger. Wie Tönnies galt ihm Sozialismus als „politische und moralische Notwendigkeit". Auch die Proklamierung des Willens als Basis aller sozialen Beziehungen und vor allem der Gemeinschaftsbegriff fand sich bei Tönnies vorgebildet: Der Wille formiere die Gemeinschaft.19 Auf pädagogischem Gebiet gab es entsprechende Vorstellungen in der Sozialpädagogik, besonders bei Paul Natorp, dessen Schriften Gropius wahrscheinlich gekannt hat. Jedenfalls erwähnte er den Namen, um auf parallele Bestrebungen zum Bauhaus hinzuweisen. Natorp wollte die inneren Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft, die Zersplitterung aller Pfeiler des sozialen Gefüges durch kapitalistische Arbeitsteilung und Interessengegensätze mit Hilfe der Gemeinschaftserziehung aller Schichten des Volkes überwinden. Es gelte, „aus diesem Chaos die zertrümmerte Welt wie neu zu schaffen". „Erhebung zur Gemeinschaft ist Erweiterung des Selbst." Echte Gemeinschaft aber sei, und auch das deckte sich mit Gropius' Vorstellungen, nur über die Umformung des einzelnen möglich20. 64

Die wenigen Hinweise genügen, um zu zeigen, daß Gropius sein geistiges Rüstzeug bei der Gründung des Bauhauses aus der Gedankenwelt bürgerlicher Soziologen bezog, die, aufgeschreckt durch den sozialen Katastrophencharakter des Kapitalismus, aus dem Geiste eines klassisch-bürgerlichen Humanismus Rettungsversuche vorschlugen.

Idee vom Gesamtkunstwerk Die architektonische Verkörperung ihres Gemeinschaftsideals sahen die Bauhausangehörigen im ,.großen Bau", auch „Kathedrale des Sozialismus" oder „Kathedrale der Zukunft" genannt. Als Symbol einer neuen Gemeinschaft sollte er herauswachsen aus der Zusammenarbeit aller am Bau tätigen künstlerischen und handwerklichen Disziplinen. Der Architektur war anfangs eine führende Rolle zugedacht. Malerei, Plastik, angewandte Kunst, auch Musik, Tanz und ein „heiteres Zeremoniell" sollten in ihrem Rahmen zusammengeführt werden und mit dem Leben der Gemeinschaft verschmelzen. Ziel einer solchen Synthese der Künste und der Einheit von Kunst und Volk war das Gesamtkunstwerk. 2 1 Die Idee vom Gesamtkunstwerk war erstmalig am Anfang des 19. Jahrhunderts aufgetaucht, und zwar als Reaktion auf Veränderungen in der sozialen Funktion der Künste im Verlaufe der Entfaltung kapitalistischer Produktionsverhältnisse: Soziale Isolierung der Künste, Spezialisierung der Kunstgattungen, zunehmende Bewertung der Kunstwerke als Ware und eine verbreitete l'art pour l'art-Haltung, die dem Künstler zwar einen größeren Freiheitsraum gewährte, aber zugleich des produktiven unmittelbaren Austauschs mit dem Kunstkonsumenten beraubte, erzeugten als zunächst romantische Gegenbewegung die Sehnsucht nach Einheit der Künste und nach deren Bindung an kultische Aufgaben, wie sie in der mittelalterlichen Kathedrale bestanden hatten. Doch bald schon erfolgte eine Umkehrung auf ein zukünftiges Ideal, in Ansätzen bereits bei G. Semper und R. Wagner (Wagner prägte den Begriff „Kunstwerk der Zukunft") und verstärkt gegen Ende des Jahrhunderts in der Reformbewegung in Kunstgewerbe und Architektur, im Jugendstil und auch beim Werkbund. Mit dem Erstarken der internationalen sozialistischen Bewegung wurde das Gesamtkunstwerk immer mehr im Sinne von komplexer Umweltgestaltung interpretiert. Diese neue Qualitätsveränderung ist bei Morris erkennbar. Morris schrieb 1881: „Die Architektur umfaßt die gesamte physische Umwelt, die das menschliche Leben umgibt. Wir können uns ihr nicht entziehen, denn die Architektur ist die Gesamtheit der Umwandlungen und Veränderungen, die im Hinblick auf die Bedürfnisse des Menschen auf der Erdoberfläche vorgenommen werden !" 2 2 Auch bei van de Velde und Berlage ist das Gesamtkunstwerk mit gewissen sozialistischen Tendenzen verbunden. Berlage erhoffte einen „Einheitsstil" als neuen Gemeinschaftsstil der sozialistischen Zukunft und entwarf in diesem Sinne einen utopischen Bauentwurf „Pantheon der Menschheit". Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieses Bewußtsein Allgemeingut der progressiven Architekten. Sie erkannten im Arbeitsrat für Kunst, in der Novembergruppe und 5

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Die wenigen Hinweise genügen, um zu zeigen, daß Gropius sein geistiges Rüstzeug bei der Gründung des Bauhauses aus der Gedankenwelt bürgerlicher Soziologen bezog, die, aufgeschreckt durch den sozialen Katastrophencharakter des Kapitalismus, aus dem Geiste eines klassisch-bürgerlichen Humanismus Rettungsversuche vorschlugen.

Idee vom Gesamtkunstwerk Die architektonische Verkörperung ihres Gemeinschaftsideals sahen die Bauhausangehörigen im ,.großen Bau", auch „Kathedrale des Sozialismus" oder „Kathedrale der Zukunft" genannt. Als Symbol einer neuen Gemeinschaft sollte er herauswachsen aus der Zusammenarbeit aller am Bau tätigen künstlerischen und handwerklichen Disziplinen. Der Architektur war anfangs eine führende Rolle zugedacht. Malerei, Plastik, angewandte Kunst, auch Musik, Tanz und ein „heiteres Zeremoniell" sollten in ihrem Rahmen zusammengeführt werden und mit dem Leben der Gemeinschaft verschmelzen. Ziel einer solchen Synthese der Künste und der Einheit von Kunst und Volk war das Gesamtkunstwerk. 2 1 Die Idee vom Gesamtkunstwerk war erstmalig am Anfang des 19. Jahrhunderts aufgetaucht, und zwar als Reaktion auf Veränderungen in der sozialen Funktion der Künste im Verlaufe der Entfaltung kapitalistischer Produktionsverhältnisse: Soziale Isolierung der Künste, Spezialisierung der Kunstgattungen, zunehmende Bewertung der Kunstwerke als Ware und eine verbreitete l'art pour l'art-Haltung, die dem Künstler zwar einen größeren Freiheitsraum gewährte, aber zugleich des produktiven unmittelbaren Austauschs mit dem Kunstkonsumenten beraubte, erzeugten als zunächst romantische Gegenbewegung die Sehnsucht nach Einheit der Künste und nach deren Bindung an kultische Aufgaben, wie sie in der mittelalterlichen Kathedrale bestanden hatten. Doch bald schon erfolgte eine Umkehrung auf ein zukünftiges Ideal, in Ansätzen bereits bei G. Semper und R. Wagner (Wagner prägte den Begriff „Kunstwerk der Zukunft") und verstärkt gegen Ende des Jahrhunderts in der Reformbewegung in Kunstgewerbe und Architektur, im Jugendstil und auch beim Werkbund. Mit dem Erstarken der internationalen sozialistischen Bewegung wurde das Gesamtkunstwerk immer mehr im Sinne von komplexer Umweltgestaltung interpretiert. Diese neue Qualitätsveränderung ist bei Morris erkennbar. Morris schrieb 1881: „Die Architektur umfaßt die gesamte physische Umwelt, die das menschliche Leben umgibt. Wir können uns ihr nicht entziehen, denn die Architektur ist die Gesamtheit der Umwandlungen und Veränderungen, die im Hinblick auf die Bedürfnisse des Menschen auf der Erdoberfläche vorgenommen werden !" 2 2 Auch bei van de Velde und Berlage ist das Gesamtkunstwerk mit gewissen sozialistischen Tendenzen verbunden. Berlage erhoffte einen „Einheitsstil" als neuen Gemeinschaftsstil der sozialistischen Zukunft und entwarf in diesem Sinne einen utopischen Bauentwurf „Pantheon der Menschheit". Nach dem Ersten Weltkrieg wurde dieses Bewußtsein Allgemeingut der progressiven Architekten. Sie erkannten im Arbeitsrat für Kunst, in der Novembergruppe und 5

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im Bauhaus die unlösbare Verflechtung ihrer fachlichen Probleme mit dem Schicksal des Volkes und verlangten nach gesellschaftlicher Vollmacht für die einheitliche Planung ganzer Siedlungen, Stadtteile und Territorien. Der Begriff Gesamtkunstwerk wurde auch jetzt mit unterschiedlichem Inhalt gebraucht. Bruno Taut sah darin mehr oder minder einen Bau, ein Kunsthaus, iri welchem Sehnen und Hoffen der Menschen Ausdruck finden sollte, ein Volkshaus als neuer Kultbau, der aus der gesammelten Arbeitsleistung einer Gemeinschaft heraus ohne utilitäre Zwänge als zentrale künstlerische Idee erwachse und Sammelpunkt ihrer gemeinsamen Interessen sein könne. Die „Kathedrale der Zukunft" des Bauhauses wurde zunächst ebenfalls visionär als ein konkretes Bauwerk gesehen, als Bau für Gemeinschaftszwecke. Gropius sprach in seiner ersten Rede an die Studierenden von „utopischen Bauentwürfen", die es auszuarbeiten gelte. „Utopisch" waren sie zunächst deshalb, weil keine Möglichkeit für eine Realisierung bestand, aber auch, weil in ihnen künftige Bauten einer harmonischen Gemeinschaft modellhaft sinnfällig vorweggenommen werden sollten. Diese Vorstellungen wurden jedoch zunehmend überlagert von einer allgemeineren Fassung des Begriffs, bei der die „Kathedrale der Zukunft" oder der große Bau" mehr war als das Beispiel einer architektonischen künstlerischen Einheit, bei der sie vielmehr als „Sinnbild des neuen kommenden Glaubens", einer neuen Gesellschaft aufgefaßt wurde, die ihre „Lichtfülle bis in die kleinsten Dinge des Lebens" ausstrahlte, das heißt, die die Gesamtheit der gegenständlichen räumlichen Umwelt des Menschen umschloß, wo es „keine Grenze gibt zwischen monumentaler und dekorativer Kunst" (Dok. 8). Schlemmer sprach von der sozialen S y n t h e s e der neuen Gesellschaft und ihrem Symbol, der ä s t h e t i s c h e n S y n t h e s e des Gesamtkunstwerks. Die Architektur wurde im semantischen Sinne angesehen als anschauliche Verkörperimg einer Sozialstruktur. Dieses Gesamtkunstwerk konnte nach Gropius' Ansicht nur einer kollektiven Leistung entspringen, dje eine moderne arbeitsteilige Industrie ermöglicht, um in höherer Form die Arbeitseinheit, die beim Handwerk ursprünglich vorhanden war, wiederherzustellen. Nicht die individuelle Führung bringe das echte Gesamtkunstwerk hervor, wie es noch die vorangegangene Generation eines van de Velde, Bruno Paul oder Peter Behrens versucht habe. Sie hätten nur die stilistische Einheitlichkeit eines Interieurs oder eines Hauses erreicht, und zwar dadurch, daß alles, vom Briefbeschwerer über das Sofakissen bis zum Hause selbst, möglichst die Garderobe der Dame eingeschlossen, von einer Künstlerhand entworfen wurde: das Einheitskunstwerk als individuelle Leistung. , Ihm stellte Gropius eine Einheit gegenüber, die durch das Konzert einer Reihe voti Personen, durch ein „geistig zu einem Ziel hin verbundenes Kollektiv" geschaffen wird. Von solch einer Arbeitseinheit eines Kollektivs erwartete er auch die Überwindung nachteiliger Folgen der Arbeitsteilung. Die Idee vom Gesamtkunstwerk der revolutionären Phase blieb utopische Vision, voluntaristisch, die Realität bewußt überspielend, ohne Kontakt mit den politischen Kräften, die für die neue Gesellschaft kämpften, auf die die Künstler ihre Projekte 66

bezogen. Sie beruhte auf einer Fehleinschätzung der Mittel zu einer solchen radikalen sozialen und kulturellen Umwälzung. (Und doch war sie ein Reflex der umfassenden Vergesellschaftung der Arbeit, antikapitalistisch und gerichtet auf die Überwindung der Folgen der Entfremdung, deren Ursachen allerdings mehr in der Arbeitsteilung als in der durch Lohnarbeit eingetretenen Entfremdung der Arbeit gesehen wurden.) Mit dem Ende der revolutionären Nachkriegskrise trat ein stärkerer Realitätsbezug ein. Am 30. Mai 1921 hatte sich der Arbeitsrat für Kunst aufgelöst. Bei der Abschlußsitzung äußerte Gropius, ihre Arbeit habe gezeigt, daß die Zeit für eine solche Organisation der künstlerischen Zusammenarbeit noch nicht gekommen sei. „Wir erkennen, daß sie nicht mit Willen und nach Wunsch herbeigeführt werden kann, denn die menschliche Gemeinschaft ist ihre Voraussetzung, — und diese Voraussetzung fehlt." 23 Auch die Novembergruppe verlor in diesem Jahr ihre Kraft durch Abspaltung des proletarischen linken Flügels. Sie formte sich um zu einem mehr o d r minder bürgerlichen Künstlerverein. So blieb schließlich das Bauhaus, das im eigentlichen Sinne als künstlerisches Experimentierfeld des Arbeitsrats für Kunst aufgezogen war, allein lebensfähig, oder besser, wurde in den kritischen Stunden am Leben erhalten dank der Zähigkeit und des diplomatischen Geschicks seines Leiters, und, was noch wichtiger war, ohne „das verheißungsvolle Erbe preiszugeben, das sich in den aufgewühlten Visionen" der Revolutionszeit gezeigt, aber nicht erfüllt hatte (H. Meyer). Stimuliert durch verschiedene innere und äußere Einflüsse, vor allem von Holland und Frankreich her, erfolgte eine Umorientierung auf die neue Lage, ohne daß der für das Bauhaus so wichtige kollektive und überindividuelle Gedanke aufgegeben zu werden brauchte. Er wurde im Gegenteil auf neuer Grundlage bestätigt. Die Einheitsbestrebungen blieben wach. Die Einheit wurde aber nicht mehr von einer künstlerischen Synthese gleichsam von oben erwartet, sondern von der systematischen Analyse der realen Faktoren des Lebens. Gropius formulierte nun in einem Vortrag 1923 als Programm die These: „Kunst und Technik, die neue Einheit", und 1925 ergänzte er im Vorwort zu seinem Buch „Internationale Architektur": „Die Erkenntnis wächst, daß ein lebendiger Gestaltungswille, in der Gesamtheit der Gesellschaft und ihres Lebens wurzelnd, alle Gebiete menschlicher Gestaltung zu einendem Ziel umschließt, im Bau beginnt und endet. Folge dieses veränderten und vertieften Geistes und seiner neuen technischen Mittel ist eine veränderte Baugestalt, die nicht um ihrer selbst willen da ist, sondern aus dem Wesen des Baues entspringt, aus seiner Funktion, die er erfüllen soll". 24 Moholy formulierte die neue Konzeption schärfer und in kritischer Auseinandersetzung mit der Idee vom Gesamtkunstwerk. Er schrieb: „Was wir brauchen, ist nicht das ,Gesamtkunstwerk', neben dem das Leben getrennt hinfließt, sondern die sich selbst aufbauende Synthese aller Lebensmomente zu dem alles umfassenden Gesamtwerk (Leben), das jede Isolierung aufhebt, in dem alle individuellen Leistungen aus einer biologischen Notwendigkeit entstehen und in eine universelle Notwendigkeit münden."25 5*

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Hauptaufgabe der nächsten Periode müsse sein, ein jedes Werk — Bauwerk, Bildwerk oder Gerät — nach den ihm innewohnenden Gesetzmäßigkeiten und funktionellen Besonderheiten zu gestalten. Dies schließt ein, daß auch die Architektur ihrer Rolle als „Mutter der Künste" verlustig geht und die bildenden Künste nicht mehr dem Bauwerk untergeordnet, sondern gleichen Ranges sind (Hilberseimer). Die Konzeption vom „Gesamtwerk" erweist sich so als Synthesebegriff des Funktionalismus: An die Stelle eines einheitlichen großen utopischen Entwurfs trat die empirische Methode mit der Hoffnung auf natürliche Synthese (vgl. auch Breuer in Dok. 104). Breuer erklärte, die Gegenstände bekämen zwar ihren verschiedenen Funktionen nach verschiedene Erscheinung, wenn jeder einzelne jedoch die menschlichen Ansprüche befriedige und sie sich einander nicht stören, entstehe die Einheit „durch die relativ beste Erfüllung ihrer spezifischen Aufgabe". (Dok. 104) Nicht die Zugehörigkeit zu einer Stilrichtung ist Kriterium für ein Produkt, sondern die Qualität, definiert nach dem Gebrauchswert. Die „Stilangelegenheit" wird zur ,, Qualitätsangelegenheit''. Die elementar praktisch-sinnlichen Grundlage des Bauhaus-Funktionalismus hat Mart Stam 1929, als er Gastdozent an der Schule war, angesprochen: „Das Maß der Dinge um uns ist das Maß unserer Hände, unseres Körpers, das Maß der Brauchbarkeit ... (und) die Maße unserer Räume sollen dem Maß des Menschen Rechnung tragen, sollen von den physischen und psychischen Bedürfnissen ausgehen".258. Die Synthese verknüpft so eigentlich nur das, was in einer auf den menschlichen Gebrauch bezogenen Welt von Gegenständen (im Sinne des Marxschen Begriffspaares „menschlicher Gegenstand" und „gegenständlicher Mensch") schon als Einheit existiert. Der von Gropius als „Wesensforschung" bezeichnete Analyseprozeß des Funktionalismus, der die materiellen sozialen und psychischen Faktoren eines zu gestaltenden Gegenstandes ermittelt, war Gegensatz und zugleich Korrelat, also notwendige Ergänzung zum Syntheseprozeß, der die ermittelten Elemente zu einem übergreifenden Ganzen zu verbinden hatte. Hier erfolgt der Übertritt zum Ästhetischen. Soll nämlich „jedes Teilwerk in Beziehung zu einer großen Einheit stehen", sagt Gropius, so müssen „die realen und geistigen Mittel zur räumlichen Gestaltung von allen am gemeinsamen Werk Vereinten gekonnt und gewußt werden" . 25b Die Erarbeitung einer elementaren Gestaltungslehre mit dem von ihr geschaffenen großen gestalterischen Freiheitsraum fand in Theorie und Methode des Funktionalismus ihre Vollendung und eigentliche Bestimmung. Beide sind Kinder der innovationsträchtigen Epoche der industriellen Revolution, dazu bestimmt, die Vielfalt und Vielzahl neuer Produkte zur kulturellen Synthese zu verschmelzen, wozu ein traditionelles Stilkonzept nicht fähig war. Daß das Bauhaus darin scheiterte, hing mit den herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen zusammen, die sich gegenläufig zur sozialen Orientierung des Bauhauses entwickelten. Wesentliche Voraussetzung dafür, daß die vom Menschen gestaltete Umwelt im funktionalistischen Analyseprozeß nicht auseinanderfällt, sah Moholy mit Recht darin, daß letztlich nicht irgendwelche Objekte Ziel der gestalterischen Arbeit sind, 68

und schon garnicht, wie im Kapitalismus, „Profitinteressen mit mechanischem Werkresultat"26, sondern der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Er, seine Selbstverwirklichung müsse im Mittelpunkt stehen. Die volle Selbstverwirklichung des Menschen aber (von der ja die „Selbstverwirklichung" der menschlichen Gegenstände nur Reflex ist) setze — und hier wagt Moholy die politische Schlußfolgerung — die Revolution voraus. Der Kämpfende solle sich dieses eigentlichen Zieles bewußt bleiben, daß nämlich „der Klassenkampf letzten Endes nicht um das Kapital, nicht um Produktionsmittel, sondern in Wahrheit um das Recht auf befriedigende Beschäftigung, innerlich ausfüllende Arbeit, gesunde Lebensführung und erlösende Kräfteauswirkung geht".27 Eine „schöpferische Werkgemeinschaft", wie sie das Bauhaus als Grundlage für eine umfassende Synthese ( = komplexe Umweltgestaltung) anstrebte, verlangte ohne Zweifel die Überwindung der antagonistischen Klassenstruktur des Kapitalismus. Dennoch blieben Äußerungen der Bauhaus-Künstler, besonders aber von Gropius, zu solchen politischen Konsequenzen merkwürdig verschleiert. Gropius betrachtete noch 1923 in „Idee und Aufbau . . . " das ganze Problem als Frage der inneren Einstellung. Für ihn blieb entscheidend der Wille zur Umstellung auf den neuen Geist. Die Lösung des Konflikts, in dem der einzelne innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft steht, verschob sich so auf die philosophische Ebene, als Aufhebung des dualistischen Weltbildes, des Ichs im Gegensatz zum All. An seiner Stelle tauche der Gedanke einer neuen Welteinheit auf, die den absoluten Ausgleich der gegensätzlichen Spannungen in sich berge: „Diese neu aufdämmernde Erkenntnis der Einheit aller Dinge und Erscheinungen bringt aller menschlichen Gestaltungsarbeit einen gemeinsamen, tief in uns selbst beruhenden Sinn. Nichts besteht mehr an sich, jedes Gebilde wird zum Gleichnis eines Gedankens, der aus uns zur Gestaltung drängt, jede Arbeit zur Manifestation unseres inneren Wesens" (Dok. 66). Solange die Wirtschaft und die Maschine „Selbstzweck" seien, also den Menschen beherrschen, anstatt Mittel, die Geisteskräfte zunehmend von mechanischer Arbeitslast zu befreien, bleibe der einzelne unfrei und die Gesellschaft könne sich nicht ordnen. Das ist ein wesentlicher Punkt. Nur bedenkt Gropius auch hier nicht, daß der Anschein, als ob die Dinge den Menschen beherrschen, daher rührt, „weil Menschen vermittels der Dinge von anderen Menschen beherrscht werden" (Brecht), und daß Wirtschaft und Maschine nur als „Selbstzweck" erscheinen, weil sie zu dem Hauptzweck in Gang gesetzt sind, Mehrwert, Profit zu erzeugen.

Künstlerische V i s i o n als soziale U t o p i e Bei diesen Fragen war das Problem der Form, der Gestaltung der menschlichen Umwelt, von einer besonderen Seite angesprochen worden. „Form ist", sagt A. Behne, „eine eminent soziale Angelegenheit. Wer das Recht der Gesellschaft anerkennt, anerkennt das Recht der Form". 28 Die Form, in der sich gesellschaftliche Wertsetzung ausdrückt, wurde Gegenstand kritischer Forschungsarbeit. 69

und schon garnicht, wie im Kapitalismus, „Profitinteressen mit mechanischem Werkresultat"26, sondern der Mensch mit seinen Bedürfnissen. Er, seine Selbstverwirklichung müsse im Mittelpunkt stehen. Die volle Selbstverwirklichung des Menschen aber (von der ja die „Selbstverwirklichung" der menschlichen Gegenstände nur Reflex ist) setze — und hier wagt Moholy die politische Schlußfolgerung — die Revolution voraus. Der Kämpfende solle sich dieses eigentlichen Zieles bewußt bleiben, daß nämlich „der Klassenkampf letzten Endes nicht um das Kapital, nicht um Produktionsmittel, sondern in Wahrheit um das Recht auf befriedigende Beschäftigung, innerlich ausfüllende Arbeit, gesunde Lebensführung und erlösende Kräfteauswirkung geht".27 Eine „schöpferische Werkgemeinschaft", wie sie das Bauhaus als Grundlage für eine umfassende Synthese ( = komplexe Umweltgestaltung) anstrebte, verlangte ohne Zweifel die Überwindung der antagonistischen Klassenstruktur des Kapitalismus. Dennoch blieben Äußerungen der Bauhaus-Künstler, besonders aber von Gropius, zu solchen politischen Konsequenzen merkwürdig verschleiert. Gropius betrachtete noch 1923 in „Idee und Aufbau . . . " das ganze Problem als Frage der inneren Einstellung. Für ihn blieb entscheidend der Wille zur Umstellung auf den neuen Geist. Die Lösung des Konflikts, in dem der einzelne innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft steht, verschob sich so auf die philosophische Ebene, als Aufhebung des dualistischen Weltbildes, des Ichs im Gegensatz zum All. An seiner Stelle tauche der Gedanke einer neuen Welteinheit auf, die den absoluten Ausgleich der gegensätzlichen Spannungen in sich berge: „Diese neu aufdämmernde Erkenntnis der Einheit aller Dinge und Erscheinungen bringt aller menschlichen Gestaltungsarbeit einen gemeinsamen, tief in uns selbst beruhenden Sinn. Nichts besteht mehr an sich, jedes Gebilde wird zum Gleichnis eines Gedankens, der aus uns zur Gestaltung drängt, jede Arbeit zur Manifestation unseres inneren Wesens" (Dok. 66). Solange die Wirtschaft und die Maschine „Selbstzweck" seien, also den Menschen beherrschen, anstatt Mittel, die Geisteskräfte zunehmend von mechanischer Arbeitslast zu befreien, bleibe der einzelne unfrei und die Gesellschaft könne sich nicht ordnen. Das ist ein wesentlicher Punkt. Nur bedenkt Gropius auch hier nicht, daß der Anschein, als ob die Dinge den Menschen beherrschen, daher rührt, „weil Menschen vermittels der Dinge von anderen Menschen beherrscht werden" (Brecht), und daß Wirtschaft und Maschine nur als „Selbstzweck" erscheinen, weil sie zu dem Hauptzweck in Gang gesetzt sind, Mehrwert, Profit zu erzeugen.

Künstlerische V i s i o n als soziale U t o p i e Bei diesen Fragen war das Problem der Form, der Gestaltung der menschlichen Umwelt, von einer besonderen Seite angesprochen worden. „Form ist", sagt A. Behne, „eine eminent soziale Angelegenheit. Wer das Recht der Gesellschaft anerkennt, anerkennt das Recht der Form". 28 Die Form, in der sich gesellschaftliche Wertsetzung ausdrückt, wurde Gegenstand kritischer Forschungsarbeit. 69

Was sich damals in einer relativ kurzen und begrenzten Zeitspanne am Bauhaus und in einigen anderen künstlerischen Zentren Europas ereignete, betraf die befruchtende Einwirkung der bildenden Kunst in einer spezifisch modernen Richtung auf die Architektur, die angewandte Kunst und schließlich auf den ganzen Bereich der Produkt- und Umweltgestaltung. Wichtiger auslösender Faktor war dabei das Bewußtwerden der revolutionierenden Rolle der neuen Produktionsinstrumente, der großen Industrie und der Technik. Gropius sah in der Annäherung von Kunst und Technik das Zusammentreffen zweier Entwicklungsketten, die sich gegenseitig bedingt haben können, im ganzen aber selbständig abgelaufen sind. Die Industrie verlangte dringend nach einer artspezifischen künstlerischen Gestaltung ihrer Produkte, und in der bildenden Kunst entwickelte sich eine gewisse Affinität zur Welt der Technik, die Gropius mit dem etwas schiefen Begriff „zwecklose' Maschine" bezeichnete (Dok. 43). Bei den Malern des Bauhauses herrschte ein Bestreben, das Klee kennzeichnete als „Kultur der bildnerischen Mittel, ihre reine Aufzucht und reine Verwendung", also eine Reduktion der bildenden Künste auf ihre elementaren Gestaltungsmittel, eine Verwissenschaftlichung des schöpferischen Vorgangs, soweit dieser einer wissenschaftlich-analytischen Durchdringung zugänglich ist. Der Beginn dieser Verabsolutierung der bildkünstlerischen Mittel, der Herausbildung eines „Generalnenners" der Gestaltung (Gropius) lag schon zwei Jahrzehnte zurück bei Obrist, Endeil, Holzel und van de Velde. „Formen und Farben lösen", so schrieb Endeil, „in uns ohne Vermittlung wie alles andere, das uns zu Bewußtsein kommt, eine bestimmte Gefühlswirkung aus. Wer gelernt hat, sich seinen visuellen Eindrücken völlig ohne Assoziationen, ohne irgendwelche Nebengedanken hinzugeben, wer nur einmal die Gefühlswirkung der Formen und Farben verspürt hat, der wird eine nie versiegende Quelle außerordentlichen und ungeahnten Genusses finden ... Wer das nicht durchgemacht hat, wird niemals bildende Kunst begreifen."29 Van de Velde erwartete vom kommenden Jahrhundert eine Schönheitskonzeption, die aus einer solchen reinen Sinnlichkeit schöpfe und „die Sehnsucht nach einer ursprünglichen, sehr normalen, sehr reinen, sensiblen und sehr tiefen Schönheit" zum Ausgangspunkt habe.30 Man empfand dies als Befreiung von der im 19. Jahrhundert vorherrschenden Haltung, bei der künstlerische oder kunstgewerbliche Werke vorwiegend über Assoziationen durch die in ihnen dargestellten Gedanken und Ideen oder auch nur durch den in ihnen manifesten Geldwert wirkten. Die Sensibilität für die reine, abstrakte Form wurde schließlich gleichbedeutend mit dem Sinn für das Allerkonkreteste, für Holzmaserungen, Materialwirkung von Glas, Stein, Metall und selbst für Maschinenformen, die man bislang nur mit herkömmlichen Kunstformen verkleidet als annehmbar empfunden hatte. Die Blüte der Reformbewegung im Kunstgewerbe nach 1895 und die beginnenden Umwälzungen im Bereich von Produktgestaltung und Architektur haben eine ihrer Grundlagen in dem neuerwachten Sinn für die elementaren bildnerischen Mittel. Van de Velde führte an den entwicklungsgeschichtlichen Kern der Frage heran, 70

wenn er sagt, die neue Form biete durch „ihre eine unendliche Abwechslung bergende Geschmeidigkeit" die Gewähr, „sich den geistigen Forderungen kommender Jahrhunderte und der Stoffe, die sie uns bringen werden, anzuschmiegen."81 Es scheint notwendig gewesen zu sein, daß die Künste ihre gestalterischen Mittel zunächst aus allen Bindungen an vorgeprägte Formen befreiten — Semper hatte im gleichen Sinne von „Zerstörung traditioneller Typen" gesprochen — und so beweglich hielten, um den Anforderungen gewachsen zu sein, die eine rasch sich entwickelnde Industrie mit einer Vielzahl neuer Stoffe, Produkte und Geräte an sie stellte. Die Verabsolutierung bildkünstlerischer Mittel im engeren Sinne und die abstrakte Kunst hatten bekanntlich eine ihrer Ursachen in der gesellschaftlichen Isolierung der Kunst, >m Fehlen eines verpflichtenden gesellschaftlichen Auftrages. Sie führte in der weiteren Entwicklung zur Zerstörung wesentlicher Werte der bildenden Kunst, vor allem ihres Totalitätsaspekts und ihrer Kommunizierbarkeit. Einige der beteiligten Künstler haben diese Lage, in die sie geraten waren, selbst als Verhängnis empfunden. Die freie Kunst leide „unter dem Fluch ihrer Freiheit", sie schwebe gleichsam in der Luft, weil die praktische Zweckbestimmung, die Verankerung im Leben fehle; sie sei, sagte Feininger, steuerlos, wo sie wähne, schöpferisch zu sein, „ein mißlungener Selbstmord". Und Schlemmer ergänzt, sie habe viel Form, ohne ebenbürtigen Gehalt32. Besonders aufschlußreich sind die tiefsichtigen Schlußsätze in Paul Klees Jenaer Vortrag von 1924: j,Manchmal träume ich ein Werk von einer ganz großen Spannweite durch das ganze elementare, gegenständliche inhaltliche und stilistische Gebiet. Das wird sicher ein Traum bleiben, aber es ist gut, sich diese heute noch vage Möglichkeit ab und zu vorzustellen. Es kann nicht überstürzt werden. Es muß wachsen, es soll hinauswachsen, und wenn es dann einmal an der Zeit ist jenes Werk, desto besser! Wir müssen es noch suchen, wir fanden Teile dazu, aber noch nicht das ganze. Wir haben noch nicht diese letzte Kraft, denn: Uns trägt kein Volk. Aber wir suchen ein Volk, wir beginnen damit, drüben am Staatlichen Bauhaus. Wir begannen da mit einer Gemeinschaft, an die wir alles hingeben, was wir haben. Mehr können wir nicht tun."33 Neben der Selbstinterpretation der Lage des spätbürgerlichen Künstlers, seiner gesellschaftlichen Isoliertheit, dem Fragmentarischen seiner Arbeit, und dem Mangel an inhaltlicher Bindung steht die Sehnsucht nach dem ganzheitlichen Kunstwerk als Spiegel einer Lebenstotalität. So wird von einem ihrer Hauptvertreter die abstrakte Kunst als eine temporäre Erscheinung angesehen. Auch Gropius betrachtete die reine oder abstrakte Kunst als eine Übergangserscheinung, setzte sie aber entschieden für eine Aufgabe ein, für die sie wegen ihrer Tendenz zur Objektivierung der bildkünstlerischen Mittel hervorragend geeignet war. Die Formmeister, die neben den Handwerksmeistern den einzelnen Werkstätten vorstanden, mußten in der Lage sein, Form, Farbe oder Materialprobleme auch außerhalb ihres Metiers, des Bildes, bei Gerätschaften verschiedenster Art, bei den Industrieprodukten und beim Bau beurteilen und anwenden zu können. 71

Stärker noch als die Maler des Bauhauses, die gegenüber der Technik recht reserviert blieben, drängten Künstler der jungen Sowjetunion zur Auseinandersetzung mit der Welt der Technik. Malewitsch entwickelte mit seinen „suprematischen Architektonen" neue architektonische Raumvorstellungen mit einem asymmetrischen Gleichgewicht der Volumen. Tatlin wollte durch intuitive künstlerische Beherrschung neuer Materialien und Konstruktionen, zum Beispiel in seinem bekannten Denkmal für die 3. Internationale, eine „Synthese zwischen .Technischem' und .Künstlerischem'" schaffen. El Lissitzky bezeichnete seine Malerei als „Umsteigestation zur Architektur"34. Die großartigen Raumstudien seiner Proun-Serie waren sein Beitrag dazu. Ein Maler der De-Stijl-Gruppe und zugleich deren schöpferischste Kraft, Mondrian, schrieb in seinem Buch „Neue Gestaltung", erschienen in der Reihe der BauhausBücher, die „neue Gestaltung" sei erst „als Mehrzahl von Bauten, als Stadt gänzlich zu realisieren". Bau-, Bildner- und Malerkunst sowie Kunstgewerbe seien dann zur Architektur geworden, daß heißt zu „unserer Umgebung", wobei dies im Zusammenhang gesehen wurde mit dem „Nahen eines neuen Lebens", mit der „endlichen Befreiung des Menschen".36 Das „Maschinenwesen" (also die neuen Produktionsinstrumente) wurde, wie übrigens auch von den russischen Konstruktivisten, als eine treibende Kraft auf dem Wege zu einer neuen sozialen Ordnung aufgefaßt, und in dieser Verbindung erfuhr es eine soziale Werterhöhung. Van Doesburg schrieb in seinem letzten Essay: „Das neue vergeistigte Kunstgefühl des zwanzigsten Jahrhunderts hat nicht nur die Schönheit der Maschine empfunden, sondern auch ihre unbegrenzten Ausdrucksmöglichkeiten für die Kunst erkannt ... Unter der Herrschaft des Materialismus drückt das Handwerkliche die Menschen auf das Niveau von Maschinen herab. Aber die der Maschine angemessene Tendenz (im Sinne einer kulturellen Entwicklung) geht gerade in der entgegengesetzten Richtung; sie macht sie zu einem einzigartigen Medium auf dem Wege zur sozialen Befreiung".36 Wie das Bauhaus betonte „De Stijl" die Überwindung der Vorherrschaft des Individuellen auf allen Gebieten und die Entwicklung der kollektiven Idee. Um aber kollektive Übereinkunft zu finden, müsse man vorgeprägte Formstereotype verwerfen und auf Elementares zurückgehen, zum Beispiel auf die Horizontale und die Vertikale, die zugleich die größtmöglichen Spannungen in sich enthielten. Auch alle passiven Elemente in der Gestaltung sollten überwunden werden: In der Architektur Fenster und Türen nicht mehr als Löcher, sondern als gleichwertige Flächen. Man wies weiterhin auf die Raum-Zeit-Komponente in der Architektur hin, damit zusammenhängend hob man die Symmetrieachsen und die Fassadenwirkung auf, strebte Gleichwertigkeit von vorn und hinten, oben und untern, rechts und links an. Im Ganzen galt das Gesetz der Einheit von Individuellem und Universellem. Bildkünstlerische und architektonische Strukturen blieben offen und fortsetzbar. Der langjährige Leiter des Vorkurses am Bauhaus, Josef Albers, bestätigte die Gültigkeit dieser De-Stijl-Prinzipien auch für das Bauhaus. Zugleich schlug er, ausgehend von einem anderen Grundgesetz, dem der Gleichwertigkeit von Positiv 72

und Negativ (Figur und Grund, Körper und Raum), die Brücke zur Gesellschaftsstruktur: „Die Aktivierung der Negativa (der Rest-, Zwischen- und Minuswerte) ist vielleicht das einzige ganz neue, vielleicht das wichtigste Moment der heutigen Formabsichten. Aber es merkten noch nicht viele — es hat sich noch nicht rumgesprochen —, weil die s o z i o l o g i s c h e n P a r a l l e l e n nicht notiert werden ... Gleiche Berücksichtigung der Positiva und Negativa läßt nichts „übrig". Wir unterscheiden wesentlich nicht mehr tragend und getragen, wir lassen nicht mehr Scheidung zu in dienen und bedient, schmücken und geschmückt. Jedes Element oder Bauglied muß gleichzeitig helfend und geholfen wirksam sein, stützend und gestützt." 37 Was er hier mit Begriffen zu entschlüsseln versuchte, betraf ein Strukturgesetz, eine neue Raumstruktur, mit der ein neues ästhetisches Grundverhältnis des Menschen zu seiner Umwelt gleichsam zu einer semantischen Formel verdichtet war. Nach Moholy war die neue Raumstruktur Ausdruck dafür, daß der Mensch „den unwägbaren und allgegenwärtigen Raum, soweit seine menschlichen Beziehungen und heutigen Vorstellungen reichen, in Besitz genommen hat". Damit sei der Weg für die zukünftige Architektur vorgezeichnet: „Das Innen und das Außen, das Oben und das Unten verschmelzen zu einer Einheit". 38 Moholy erwartet von der neuen Architektur, sie werde in ihrem höchsten Niveau berufen sein, den bisherigen Gegensatz zwischen organisch und künstlich, zwischen offen und geschlossen, zwischen Stadt und Land aufzuheben. 39 Die architektonischen Zukunftsbilder sind bei den Künstlern des De Stijl und des Bauhauses verknüpft mit gesellschaftlichen Zukunftsvorstellungen. Beide bilden im tieferen Grunde eine Einheit. De Sijl stellt die neue Gestaltung „betont" der barocken Gestaltung entgegen. Während die klassische Architekturform absolutistischer Tradition den Menschen ständig in ein strenges Gefüge formal manifester Ordnungen einweist, wobei Unter- und Überordnung unbewußt zum selbstverständlichen Denkmuster werden (Warnke), ihn beherrschen durch Dimension (z. B. Kolossalordnung), autoritative Wirkimg hoher Sockel, distanzfordernde grobe Steinquaderung, oder ihn den Zwängen achsialsymmetrischer Ordnungen unterwerfen, suchten die Künstler nun nach Ordnungssystemen, die ihn von solchen ritualisierten Zwängen befreien konnten. Man sprach von einer „Gesellschaft des gleichwertigen Dualismus von Geist und Materie, einer Gesellschaft gleichwertiger Beziehungen"49. Vantongerloo sagt: „Die neue Gesellschaft sei anonym und kenne kein Eigentum. In ihr werde es nur Arbeiter und Geistesschaffende geben. Die Arbeit wird dann statt Stumpfsinn, geistige schöpferische Werte fördern. So wird die neue Ära die Selbstverwirklichung des Menschen, „unsere eigene Entwicklung" bringen, während uns unsere augenblickliche Zivilisation in eine Sackgasse führt." 41 Mondrian hielt es für eine „Aufgabe der Kunst, einem klaren Zukunftsbild Ausdruck zu verleihen". 42 Mit der Bevorzugung von Baukörpergruppierungen in „unsymmetrischer, rhythmischer Balance" (Gropius), die den komplizierter und vielschichtiger gewordenen Lebensprozessen entsprachen, fiel die absolutistische Achse, die im Souverän ihre gesellschaftspolitische Verkörperung hatte. Die Vielfalt von Bezugs- und Ansichts73

punkten setzte den Betrachter frei. Die Gleichwertigkeit von Oben und Unten beseitigte die uralte, zum „selbstverständlichen Denkmuster" gewordene Teilung in „dienen und bedient" (Albers), also Herrscher und Diener. Solche architektonischen Visionen trafen sich mit der Idee von einer neuen Menschengemeinschaft als eines Bestandteils des Bauhausprogramms. Die Architektur reflektierte dabei gesellschaftspolitische und weltanschauliche Tatbestände in der ihr eigenen relativ autonomen Symbolsprache. Es sind bei aller Einseitigkeit und begrifflichen Verschwommenheit sozialistische Zukunftsvorstellungen, deren Transformierung ins Künstlerische hier versucht wurde, ohne daß dabei der wissenschaftliche Sozialismus und die revolutionäre Arbeiterbewegung ernsthaft zur Kenntnis genommen wurden. Der Prozeß wurde getragen von einer starken demokratischen Tendenz in den Künstlerkreisen. Ihr Nährboden lag in den sozialen und geistigen Erschütterungen der Kriegs- und Revolutionszeit, in dem Glauben an die große „Menschheitsdämmerung", im Ahnen einer Gesellschaft, in der sich alle Menschen in einem grundsätzlich gleichwertigen Verhältnis zueinander befinden, in der Gemeinschaft und Gesellschaft auf höherer Ebene wieder identisch werden. Der Einfluß von De Stijl auf das Bauhaus war kurz, aber eindringlich und bedeutungsvoll. Er lieferte das formale Rüstzeug für die knappste, einfachste und damit auch ökonomischste gestalterische Verwirklichung einer architektonischen Strukturund Raumvorstellung, wie sie Gropius seit dem Bau der Schuhleistenfabrik in Alfeld 1911 verfolgt hatte. Es handelte sich um einen funktionalen Raumbegriff. (Seine tieferen Wurzeln lagen in der Revolutionierung der Produktivkräfte, in neuen Maschinensystemen, Konstruktionen und Verkehrsformen.) Ob Bauwerk, Möbel, Gerät — in der konsequenten formalen Ausdeutung ihrer Funktion sind sie immer Teilsysteme innerhalb des Gesamtsystems des gesellschaftlichen Lebens, daher formal offen, eurhytmisch komponiert und, mit unterschiedlichem Wert, allseitig bezogen. Was van Doesburg als formale Doktrin propagierte, das rechtwinklige System als einzig maschinengerechte Form, wurde am Bauhaus zu einem Ordnungsmittel relativiert und der funktionalen Aufgabe untergeordnet. Starke Anregungen kamen auch vom russischen Konstruktivismus. Gropius hielt diesen Einfluß auf da« Bauhaus sogar für wesentlicher als den von De Stijl.43 Beide wurden im letzten Weimarer Jahr in die eigene Methodik eingeschmolzen. Ergebnis war die einheitliche Konzeption des Funktionalismus, mit der die Schule in eine Führungsposition aufrückte. Es sind bestimmte Schlagworte, die einen neuen Weg markieren. Bei den Studierenden des Bauhauses waren es nun die Begriffe: konstruktiv, utilitär, rationell, international, kurz „KURI". Aus dieser Zeit gibt es eine für eine Jugendzeitschrift geschriebene Studie vom damaligen Gesellen Marcel Breuer zum Thema Form und Funktion. Sie läßt die Änderung der theoretischen Konzeption in diesem so wichtigen Jahr 1924 erkennen. Breuer distanzierte sich zunächst in ironischer Form von dem Versuch, eine „Stil74

einheit ä la Stiji" auf der Grundlage bestimmter Formprägungen, zum Beispiel des Horizontal-Vertikal-Gefüges, der Rechteck-Struktur oder des kubistischen Quadratgefüges erreichen zu wollen. Die Stilangelegenheit des BauhauseB sei durchaus keine vorwiegende Formangelegenheit. Noch neulich habe man zu viel gesprochen von einem Motiv, Grundriß-Motiv oder Quadrat oder horizontal-vertikal. Dieses Motiv sollte die verschiedenen Elemente formal zusammenstimmen und die gewünschte Einheit bringen. Das Motiv habe sich später in ein Konstruktionsprinzip verwandelt. Aber das sei dieselbe Sache. Wörtlich fährt er fort: „Wir sind aber heute nicht auf Motive oder Konstruktionen eingestellt, sondern auf Funktionen ... Wenn wir die Sachen so gestalten, daß sie richtig funktionieren und einander in ihren Funktionen nicht stören, ist es fertig ... Die Gegenstände bekommen ihren verschiedenen Funktionen nach verschiedene Erscheinung ... Einheitlich sind sie im ganzen durch die relativ beste Erfüllung ihrer speziellen Aufgabe" (Dok. 104). Die Stilangelegenheit des Bauhauses nennt er eine „Qualitätsangelegenheit, keine Richtungsangelegenheit". Breuer spricht weiter von der Priorität des programmgebenden Menschen gegenüber Konstruktion und Maschine, ein für das Bauhaus wichtiger Gedanke, und erörtert die Notwendigkeit der Zusammenarbeit zwischen Künstler und Techniker, ohne der zuweilen am Bauhaus vertretenen Meinung zu verfallen, die Kunst werde bei diesem Prozeß einer Synthese in die Rolle einer Propädeutik verwiesen. Er gesteht beiden ihre Gebiete zu, wo sie voneinander unabhängig entstehen und wirken. Die wesentliche historische Leistung des Funktionalismus als Theorie, Programm und schöpferische Entwurfsmethode bestand darin, die alten, überlebten Denk- und Gestaltstereotypen zerstört und den Boden für neue Struktursysteme geschaffen zu haben, die den Bedingungen des veränderten gesellschaftlichen Lebens besser entsprachen. „Das Zurückgehen auf den Zweck wirkt", schrieb Adolf Behne, „immer wieder revolutionierend, wirft tyrannisch gewordene Formen ab, um aus der Besinnung auf die ursprüngliche Funktion aus einem möglichst neutralen Zustand eine verjüngte, lebendige, atmende Form zu schaffen,"44 Als Auswirkung der Entwicklung von Wissenschaft, Technik und Industrie auf Architektur und Produktgestaltung förderte der Funktionalismus die Übernahme wissenschaftlicher Methoden. Es sei höchste Zeit, sagt Gropius, in das Stadium nüchterner Rechnung und exakter Auswertung praktischer Erfahrungen zu treten, die technisch, wirtschaftlich und sozial günstigen Bedingungen des Wohnungsbaus wissenschaftlich zu erforschen und daraus das „Wie" der Gestaltung abzuleiten. Das Wohnhaus wurde als „betriebstechnischer Organismus" und Bauen als „Gestaltung von Lebensvorgängen" aufgefaßt. Le Corbusiers Schlagwort von der „Wohnmaschine" war in Gesprächen am Bauhaus 1922 erstmalig aufgetaucht. Es stand als Inbegriff dafür, daß auch an die Wohnung und das Wohnhaus die gleichen Anforderungen eines exakten Funktionierens gestellt werden müssen, wie an eine Maschine. Die Methodik des Funktionalismus erlaubt es, die wirklichen Bedürfnisse der Bevölkerung aufzudecken und im Siedlungsbau — gegen die bislang herrschenden bürgerlichen Traditionen — breiten Schichten von Werktätigen gerecht zu werden. 75

Im Text für seine Abteilung auf der Bauausstellung in Stuttgart 1924 bezeichnete das Bauhaus als „die brennendste Frage des Tages überhaupt: Wie werden wir wohnen, wie werden wir siedeln, welche Formen des Gemeinswesens wollen wir erstreben?" 45 Die im Rahmen des Funktionalismus ausgebildete Methodik der „Wesensforschung" und sozialen Analyse wurde später am Dessauer Bauhaus weiter ausgebaut. Sie erwies sich als ein Schlüssel, um politische Einsichten zu gewinnen, und führte schließlich bis zu einem Punkt, wo die bestehende soziale Ordnung in Frage gestellt wurde. Hannes Meyer, der mit Recht erklärte, „das Bekenntnis zur fortschrittlichen Architektur ist ein politisches Bekenntnis, denn ihre Geburtsstätte ist die Barrikade und nicht das Reißbrett", bekannte von sich: „Die Ergebnisse solcher fortgesetzten marxistischen Analyse unserer Gesellschaft zwangen mich, die Irrtümer meiner früheren liberalen und reformistischen Deutung der sozialen Zustände schrittweise aufzugeben ... (Sie) setzten mich ... in den Stand (als Leiter des Bauhauses Dessau), für eine marxistische Baulehre zur Schulung des sozialistischen Architekten einzutreten und mich einzureihen in die Front des revolutionären Proletariats." 46 „Volksbedarf statt Luxusbedarf" und eine unbedingte Hautnähe zur gesellschaftlichen Wirklichkeit waren seine Forderungen für die praktische Arbeit. Meyer zog damit Folgerungen aus dem Bauhausgedanken, mit denen er an den Schranken des bürgerlich-kapitalistischen Staates der Weimarer Republik zerbrechen mußte. Sie gingen weit über das hinaus, wozu Gropius bei aller Progressivität bereit oder fähig gewesen wäre. Die Theorie des Funktionalismus und die Suche nach neuen Form- und Raumstrukturen waren zwei einander bedingende Komponenten in dem einen großen historischen Umwandlungsprozeß in Architektur und Produktgestaltung. Ihre oft gegensätzlichen Positionen waren dialektischer Art. Das wurde aber manchmal mißverstanden und konnte zu harten Konfrontationen führen. In der Ära Meyer brach ein in der funktionalistischen Konzeption enthaltener Konfliktstoff auf und drohte den Kreis des Bauhauses zu sprengen. Hannes Meyer, von Gropius 1927 zur Leitung der Architekturabteilung berufen, vertrat diese Tendenz besonders scharf: radikaler Bruch mit der Vergangenheit, radikale Anerkennung der technischen und wissenschaftlichen Faktoren der Gegenwart. „Bauen ist ein technischer und biologischer, kein ästhetischer Prozeß." 47 Die Ablehnung entleerter künstlerischer Traditionen wuchs aus zum Mißtrauen gegen den künstlerischen Faktor im gestalterischen Prozeß, die Problematik des Formalismus wurde gleichgesetzt mit dem Problem der Form. Kunst und Technik ließen sich so nicht zur Synthese zusammenführen. Die Künstler am Bauhaus zogen auf die eine, Hannes Meyer auf die andere Seite. Die Bildung selbständiger Malklassen, die dem Bauhausprogramm zuwiderlief, war die organisatorische Folgerung. 1928 schrieb der Redakteur der Bauhaus-Zeitschrift, Ernst Kallai, gewiß im Sinne Hannes Meyers: „Kunst und Technik, die neue Einheit — so hieß es theoretisch, und die Praxis war dementsprechend: technisch interessiert, aber kunstbeflissen. Ein bedenkliches Aber!" Die Kunstbeflissenheit sei, so fährt er fort, die Ursache 76

für den Formalismus, der Mode werden konnte und merkantil für den Snob ausgebeutet wurde, für das, was man mit Recht Bauhaus-STIL nannte, weniger verspielt als das Kunstgewerbe, dafür aber gehemmt und „in doktrinärer Scheinaskese befangen". Das Bauhaus müsse mit aller Konsequenz die soziale, technische, ökonomische und psychische Organisation erstreben, sonst schaffe es eben Bauhausstil, „weder gefühlsmäßig-ausschwingend und frei wie die Kunst, noch eindeutig-exakt und notwendig wie die Technik"48. In dieser radikalen Auffassung schlug die Konzeption des Funktionalismus um in einen Gegensatz zu Gropius' Vorstellungen von einer Synthese zwischen Kunst und Technik — und für diesen scharfen Affront gab es durchaus gute Gründe! —, denn die Form als die eine Komponente der dialektischen Wechselbeziehung zwischen Form und Funktion konnte, wenn sie gänzlich der Obhut der Maler überlassen wurde, leicht die praktisch funktionalen Bedingungen zum reinen Vorwand degradieren. Die nüchterne Reinigungskur in der kurzen Ära unter Hannes Meyer hat die Sache der Architektur und Produktgestaltung ein gutes Stück vorangebracht. Aber sie war — und das vergaß Meyer zu erwähnen — nur erfolgreich, weil er sich dabei stillschweigend auf einen einmaligen Schatz von Formerfahrungen stützen konnte, der in den vorangegangenen Jahren erarbeitet worden war, und zwar von Formund Strukturvarianten, mit denen die Umrissse eines angestrebten Ideals und dessen grundsätzliche Tendenz prognostisch erfaßt worden waren. Die Form, die praktische, geistige und sinnliche Erfahrung zum Ausdruck bringt und gesellschaftliche Bedeutsamkeit verleiht, mußte, wo gesellschaftliche Verantwortung gefordert war, ein wichtiges Arbeitsfeld bleiben. Wenn sie fehlte, glitt die funktionalistische Konzeption leicht in technische Perfektion bis hin zum Barbarischen ab. Der italienische Futurismus zeigte das. Aber schon bei van Doesburg und in dem von ihm mitverfaßten Gründungsmanifest der „Konstruktivistischen Internationale" vom Mai 1922 gab es solche Ansätze: „Diese Internationale ist", so kann man dort lesen, „nicht das Ergebnis humanitärer, idealistischer oder politischer Gesinnung, sondern sie beruht auf dem amoralischen und elementaren Prinzip, auf das sich Wissenschaft und Technologie stützen." 49 Man war bereit, indem man die Kunst in ihrer neuen Funktion mit wissenschaftlichen Methoden durchtränken wollte, auch die „Erbsünde" der neueren Naturwissenschaft, ihre Indifferenz zu den Produktionsverhältnissen, mit zu übernehmen. Aus der Physiologie ist bekannt, daß „das Gehirn ständig Wahrscheinlichkeitsprognosen für den in der folgenden Zeit zu erwartenden Zustand der Umwelt aufstellt". 50 Ähnlich entstehen in der Kunst, besonders in Zeiten revolutionärer Veränderungen, Programme und Modelle der Zukunft. Es werden in vielen Varianten Strukturen der Umwelt ersonnen, mit den Vorstellungen von der zukünftigen Gesellschaft in Übereinstimmung gebracht, verändert oder wieder verworfen. Die besondere weltpolitische Situation der zwanziger Jahre war ein günstiger Boden für weitgespannte Projekte. Es herrschte ein Überangebot von Ideen, und das Bauhaus war einer ihrer Umschlagplätze. In den Auseinandersetzungen mit der politischen und wirtschaftlichen Realität 77

läuterte eich das Bauhausprogramm. Auf Dauer war nur das entwicklungsfähig, was gesellschaftlich angepaßt war. Vieles erstickte in Ansätzen. Ein Beispiel dafür bieten die schulpolitischen Bestrebungen des Bauhauses.

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3. KAPITEL

Das Bauhaus in der Schulpolitik Thüringens

Schulpolitische Zusammenhänge i m geschichtlichen Rückblick Im Programm des Staatlichen Bauhauses waren, ohne ausdrücklich so bezeichnet zu sein, Erziehungsziele aufgestellt. Erziehungsziele sind an weltanschauliche und politische Leitbilder gebunden. Daher galten Schul- und Erziehungsfragen stets als Politikum ersten Ranges. Erziehung ist ihrem Wesen nach Projektion in die Zukunft. Sie setzt das Bild einer zukünftigen Sozialstruktur, zu der hin erzogen werden soll, voraus. Die herrschenden Klassen haben Erziehungsfragen immer als Existenzfragen betrachtet. Sie haben mit allen Mitteln solche Versuche und Bemühungen bekämpft, von denen sie eine Gefährdung ihrer Privilegien oder eine Schwächung ihrer Klassenposition befürchteten. Die innere Verwandtschaft des Bauhausprogrammes mit der breiten Bewegung der Schulreform findet ihre sinnfällige Bestätigung in dem gegen beide gleichermaßen gerichteten politischen Kampf. Gropius hat in seinen Schriften mehrfach auf parallele Ziele der Schulreformbewegung hingewiesen. Schon in seinem Beitrag zu den „Stimmen des Arbeitsräts für Kunst" forderte er gleich zu Anfang „entschlossene Durchführung der VolksEinheitsschulen, in denen der Handfertigkeitsunterricht den breitesten Raum einnimmt", und auf dem Kongreß des Landesverbandes Preußischer Kunstschulen ami 28. und 29. November 1919 war auf Betreiben des Bauhaus-Delegierten Bampi in dessen Programm die Forderung aufgenommen worden, die „Einheitsschule auf staatlich handwerklicher Grundlage s o f o r t praktisch in Angriff zu nehmen".1 Mit Begriffen aus der Schulpolitik gesprochen, bedeutete dies die Forderung nach einem einheitlichen, vom Kindergarten bis zur Hochschule alle Stufen der Ausbildung umfassenden Aufbau des Schulwesens, deren einzelne Glieder allen Schülern entsprechend der Begabung und ohne Rücksicht auf Stand und Vermögen der Eltern offenstehen. Diese Einheitsschule sollte außerdem im Interesse einer allseitigen Ausbildung die Arbeit als produktive Leistung und schöpferische Methode, also ab Unterrichtsfach und Unterrichtsprinzip, einbeziehen. Ergänzt man diese beiden genannten Ziele noch durch das oben ausführlich dargelegte Programm einer Erziehung zur Gemeinschaft und zur Gemeinschaftsarbeit, so sind die drei tragenden Pfeiler der Schulreformbewegung beisammen: Einheitsschule, Arbeitserziehung, Gemeinschaftserziehung. Gropius sah in ihnen zum Teil parallele B679

strebungen, zum Teil Vorbedingungen für die Arbeit und die Aufgabe des Bauhauses. Zugleich aber sind diese drei Ziele der Schulreform umkämpfte Objekte in der Schulpolitik der Parteien gewesen, und zwar mit der auf den ersten Blick überraschenden Verkehrung, daß sie mit erbitterter Energie von nahezu der gesamten Front der bürgerlichen Parteien bekämpft wurden, obwohl es sich bis zu einem gewissen Grade um bürgerlich-liberale Reformen handelte, die dementsprechend auch Vorkämpfer unter bürgerlichen Pädagogen hatten. Eine Beleuchtung der politischen und weltanschaulischen Hintergründe der Auseinandersetzungen um die Schulreform läßt zugleich einige der auf andere Weise nicht zu ergründenden Motive für die politischen Konflikte des Bauhauses sichtbar werden. Seit den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts waren von bürgerlich-liberalen Kräften auf dem schulischen Gebiet Versuche unternommen worden, um die Diskrepanz zwischen der alten Drillschule und den veränderten Anforderungen des Werk- und Wirtschaftslebens zu überwinden. Es traten dabei in verschiedenartigster Motivation der Arbeitsschulgedanke und die Gemeinschaftserziehung hervor, die schließlich Bestandteile des Programms einer nationalen Einheitsschule mit Arbeits- und Gemeinschaftserziehung wurden. Seit den achtziger Jahren gab es vereinzelte Versuche, die bisherige einseitige intellektuelle Bildung durch Einführung von Knabenhandarbeit oder Werkunterricht zu überwinden. Zur Begründung wurden volkswirtschaftlich-utilitaristische und erzieherische Gesichtspunkte (d. h. verstärkte Anschaulichkeit durch manuelle Tätigkeit) angeführt. 1885 erklärte Robert Seidel, einer der Vorkämpfer der Arbeiteschule, den „Arbeitsunterricht als eine soziale und pädagogische Notwendigkeit". 2 Als Sozialdemokrat berief er sich auf die von Marx verfaßte Resolution, in der unter Erziehung drei Dinge verstanden werden: „erstens: g e i s t i g e E r z i e h u n g , zweitens: k ö r p e r l i c h e E r z i e h u n g , wie sie in den gymmnastischen Schulen und durch militärische Übungen gegeben wird. Drittens p o l y t e c h n i s c h e A u s b i l d u n g , die die allgemeinen Prinzipien aller Produktionsprozesse vermittelt und gleichzeitig das Kind und die junge Person einweiht in den praktischen Gebrauch und die Handhabung der elementaren Instrumente aller Arbeitszweige."3 Im Gegensatz zu diesem Ziel, „wissenschaftliche Grundsätze aller Produktionsprozesse" zu vermitteln, litten die praktischen Versuche, soweit es überhaupt dazu kam, unter einer zu starken Einengung auf das Handwerkliche. Unter kapitalistischen Verhältnissen war eine Verbindung von Schule und Industrie nicht realisierbar. Daher mußte man sich auf Schulwerkstätten beschränken, die im allgemeinen nur Raum für Werkelei boten. Erfolge blieben aus. Zudem lehnte die preußische Regierung die Einführung des Arbeitsunterrichtes in den Schulen ab, und die Handwerkerkreise führten einen beständigen Krieg gegen die Gründung von Schülerwerkstätten. Die Sozialdemokratische Partei übernahm vom Mannheimer Parteitag 1906 an die Forderung nach Arbeitserziehung und Arbeitsschule in ihr Schulprogramm, das von Heinrich Schulz und Clara Zetkin ausgearbeitet worden war. Schulz sah in diesem 80

Schulsystem die Schulreform, die den Sozialismus vorbereiten helfe und auch später dem Sozialismus gemäß sei. Die Idee der Gemeinschaftsschule als zweiter Programmpunkt erstrebte die Überwindung der konfessionellen und klassenmäßigen Aufsplitterung des Schulwesens. Natürlich lag sie deshalb im Interesse der progressiven Kräfte und der Arbeiterklasse, war aber auch Ziel der Sozialpädagogik (Paul Natorp). Die nationale Einheitsschule schließlich, seit 1906 ebenfalls im Schulprogramm der Sozialdemokratischen Partei, war auf deren Initiative von 1911 an mehrere Jahre lang Gegenstand von Debatten im Reichstag, bei denen um die Einrichtung einer Reichsschulkommission gestritten wurde. Dabei zeigte es sich, daß sie von allen bürgerlichen Parteien, teils mit plumpem Bekenntnis gegen jeglichen Schulfortschritt (Konservative), teils mit Bemäntelungen (Liberale) abgelehnt wurde. Reaktionäre Borniertheit der Konservativen, religiöse Intoleranz des Zentrums, dem die Schule nur Anhängsel der Kirche war, und die zwiespältige Haltung der Liberalen, die einerseits zur Vermehrung des Profits der Unternehmer einen gut vorgebildeten Proletarier brauchten, andererseits aber ein dadurch bedingtes Selbstbewußtsein fürchteten und auch das Bildungsprivileg nicht gefährden wollten, verhinderten bis zur Novemberrevolution jeden echten Fortschritt.4 So kam es, daß neben einzelnen bürgerlich-liberalen Schulmännern allein die Arbeiterklasse als organisierte politische Kraft zum Träger der progressiven bürgerlichen Schulideen wurde und für deren Durchsetzung als Vorstufe für eine spätere sozialistische Schule focht. Alle Aufgaben einer Schulreform lagen noch 1918 auf dem Tisch, und es sollte sich zeigen, daß der Kampf um ihre Realisierung ein wichtiger Faktor in den politischen Auseinandersetzungen zwischen den Parteien des Bürgertums und der Arbeiterklasse wurde. Es gehört zu den vielen schwerwiegenden Versäumnissen der Sozialdemokraten, daß sie die ihnen in die Hand gegebene Macht nicht nutzten, um bald nach der Revolution entschieden schulpolitische Maßnahmen zu verfügen und durchzusetzen. Statt dessen sahen sie sich schließlich in den Verhandlungen um die Weimarer Verfassung, gefesselt von ihrem Parlamentarismus, im Interesse einer Koalitionsregierung mit dem Zentrum zum Verzicht auf wesentliche Punkte ihres Schulprogramms der Vorkriegszeit gezwungen. Das Zentrum hatte als Preis für den Eintritt in die Regierung die Beibehaltung der Konfessionsschulen gefordert. Dieser sogenannte „Schulkompromiß" hemmte die praktische Auswertung einiger positiver Empfehlungen der Weimarer Verfassung. Heinrich Schulz, der den Kompromiß mit ausgehandelt hatte, erhoffte von einer Reichsschulkonferenz die Einleitung genereller schulpolitischer Maßnahmen. Seiner Meinung nach wäre für eine solche Konferenz im Frühjahr 1919 der rechte Augenblick gewesen, um sie als wirksames Instrument einer fortschrittlichen Schulpolitik zu gebrauchen. Sie kam aber erst im Juni 1920 zustande, als sich die Reaktion auf allen Gebieten gesammelt hatte. Dadurch wurde die Konferenz nach einem Wort von Heinrich Wigge, einem thüringischen Vertreter, „ein Interessenparlament und kein Volkserzieherparlament". Es war ein Irrtum zu glauben, „daß eine ge'stig so bunt schillernde, in ihren Elementen einander widerstrebende, von verschiedensten Interessen bewegte, in unverein6

Hüter

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baren Weltanschauungen befangene, nach allen Richtungen auseinanderstrebende, unter keinen höheren Gesichtspunkt gestellte Konferenz Bausteine herbeitragen konnte zu einer inneren und äußeren Neugestaltung des gesamten Volksbildungswesens".5 Dieser Satz charakterisiert treffend die Situation auf der Reichsschulkonferenz und im Schulwesen überhaupt. Man muß sich diesen historischen Hintergrund bei der Betrachtung von Gropius' Bestrebungen vergegenwärtigen. Tonangebend waren noch immer und schon wieder die zahlreichen Berufs- und Standesorganisationen, besonders die der akademischen Lehrer. So blieben als Rahmen für Schulreformen die fortschrittlichen Formulierungen der Weimarer Verfassung, in denen die Durchführung der Einheitsschule und der Arbeitsschule empfohlen wurde6. Da die Schulgestaltung vollständig der Landesgesetzgebung vorbehalten war, lag es an den politischen Kräfteverhältnissen und den Fähigkeiten der Funktionäre in den Ländern, ob dieser Spielraum für eine Umgestaltung genutzt wurde oder nicht.

Schulversuche in Thüringen In Thüringen geschah während des ersten thüringischen Landtages von Regierungsseite auf dem Schulsektor absolut nichts. Es erwies sich als großer Mangel, daß dafür kein eigenes Ministerium bestand. Die Volksbildung war zusammen mit der Kultur als Ressort dem Justizministerium angegliedert. Dem Justizminister Paulßen fehlte ein tieferes Verständnis für die herangereiften Schulprobleme. Dagegen hatte sich nach der Revolution verstreut im Lande eine starke schulpädagogische Aktivität entwickelt. Sie ging zum Teil noch von älteren Gründungen wie der Schulgemeinde Wickersdorf unter Gustav Wyneken oder den Landschulheimen aus. In den Gebieten Gotha und Gera-Reuß, wo mit Jacobi (KPD) und Greil (USPD) fortschrittliche Schulräte tätig waren, gab es wertvolle neue Versuche in der Durchsetzung von Teilreformen. Die Versuchsschulen in Gera und Sundhausen bei Gotha erlangten dabei größere Bedeutung. In Sundhausen war der Arbeitsunterricht nicht nur Lehrfach, sondern durchgehendes Unterrichtsprinzip. Die Geraer „Gemeinschaftsschule" unter pädagogischer Anleitung des Hamburger Pädagogen Lamszus hatte ebenfalls den Arbeitsunterricht eingeführt, betonte aber besonders die Gemeinschafts- oder Gruppenarbeit und trug mit Gymnastik, Tanz und Zirkeln für Musik und Zeichnen verstärkt künstlerische Elemente in den Bildungsprozeß. Als Ganztagsschule sollte sie sich nach dem Willen ihres Gründers und der Förderer zu einer großen, weitgehend sich selbst versorgenden Lebens-, Arbeits- und Bildungsgemeinschaft entwickeln. Sie wurde von der Bürgerschaft als „sozialistisch-kommunistisches Experiment" angefeindet. Die prinzipiellen Parallelen — selbstverständlich auf anderer Stufe — in der Methode und Gesinnung zum Bauhaus sind evident. Solche Versuchsschulen waren wie das Bauhaus nur Inseln, kleine Zellen im Lande und nahezu ohne Verbindung zum Gesamtgeschehen im Schulwesen. Deshalb hielt 82

baren Weltanschauungen befangene, nach allen Richtungen auseinanderstrebende, unter keinen höheren Gesichtspunkt gestellte Konferenz Bausteine herbeitragen konnte zu einer inneren und äußeren Neugestaltung des gesamten Volksbildungswesens".5 Dieser Satz charakterisiert treffend die Situation auf der Reichsschulkonferenz und im Schulwesen überhaupt. Man muß sich diesen historischen Hintergrund bei der Betrachtung von Gropius' Bestrebungen vergegenwärtigen. Tonangebend waren noch immer und schon wieder die zahlreichen Berufs- und Standesorganisationen, besonders die der akademischen Lehrer. So blieben als Rahmen für Schulreformen die fortschrittlichen Formulierungen der Weimarer Verfassung, in denen die Durchführung der Einheitsschule und der Arbeitsschule empfohlen wurde6. Da die Schulgestaltung vollständig der Landesgesetzgebung vorbehalten war, lag es an den politischen Kräfteverhältnissen und den Fähigkeiten der Funktionäre in den Ländern, ob dieser Spielraum für eine Umgestaltung genutzt wurde oder nicht.

Schulversuche in Thüringen In Thüringen geschah während des ersten thüringischen Landtages von Regierungsseite auf dem Schulsektor absolut nichts. Es erwies sich als großer Mangel, daß dafür kein eigenes Ministerium bestand. Die Volksbildung war zusammen mit der Kultur als Ressort dem Justizministerium angegliedert. Dem Justizminister Paulßen fehlte ein tieferes Verständnis für die herangereiften Schulprobleme. Dagegen hatte sich nach der Revolution verstreut im Lande eine starke schulpädagogische Aktivität entwickelt. Sie ging zum Teil noch von älteren Gründungen wie der Schulgemeinde Wickersdorf unter Gustav Wyneken oder den Landschulheimen aus. In den Gebieten Gotha und Gera-Reuß, wo mit Jacobi (KPD) und Greil (USPD) fortschrittliche Schulräte tätig waren, gab es wertvolle neue Versuche in der Durchsetzung von Teilreformen. Die Versuchsschulen in Gera und Sundhausen bei Gotha erlangten dabei größere Bedeutung. In Sundhausen war der Arbeitsunterricht nicht nur Lehrfach, sondern durchgehendes Unterrichtsprinzip. Die Geraer „Gemeinschaftsschule" unter pädagogischer Anleitung des Hamburger Pädagogen Lamszus hatte ebenfalls den Arbeitsunterricht eingeführt, betonte aber besonders die Gemeinschafts- oder Gruppenarbeit und trug mit Gymnastik, Tanz und Zirkeln für Musik und Zeichnen verstärkt künstlerische Elemente in den Bildungsprozeß. Als Ganztagsschule sollte sie sich nach dem Willen ihres Gründers und der Förderer zu einer großen, weitgehend sich selbst versorgenden Lebens-, Arbeits- und Bildungsgemeinschaft entwickeln. Sie wurde von der Bürgerschaft als „sozialistisch-kommunistisches Experiment" angefeindet. Die prinzipiellen Parallelen — selbstverständlich auf anderer Stufe — in der Methode und Gesinnung zum Bauhaus sind evident. Solche Versuchsschulen waren wie das Bauhaus nur Inseln, kleine Zellen im Lande und nahezu ohne Verbindung zum Gesamtgeschehen im Schulwesen. Deshalb hielt 82

es Gropius für geboten, sich gegenseitig zu stützen. Schon 1919 nahm er Verbindung mit Wyneken auf. Dabei äußerte er, wer heute etwas von Grund auf Neues anfangen wolle, müsse sich mit der Totalität des Lebens auseinandersetzen und könne gar nicht ein Teilgebiet allein reorganisieren. Die Schulfrage stehe da an erster Stelle. 7 Gropius hat während der ganzen Weimarer Zeit den Ausbau des Bauhauses zu einem komplexen Schulsystem betrieben. Am 31. Januar 1920 schrieb er in einem Brief an Hans Poelzig, den damaligen Vorsitzenden des Deutschen Werkbundes: „Das Reich sollte die Sache im Großen anpacken und gleichzeitig (mit der Übernahme des Bauhauses) eine Einheitsschule für Kinder mit Handfertigkeitsunterricht und eine gymnastische Schule angliedern, um von dieser Zentrale und unter Vermeidung von Stückwerk die Einwirkung auf die Jugend von unten rauf nach den neuen Gesichtspunkten auszubauen." (Dok. 29) Wahrscheinlich dachte er an Schulen wie in Sundhausen, Gera und Wickersdorf. Zwei Jahre später sagte er, die Basis könne nicht breit genug sein, sie sei eher zu eng als zu weit, das bestätigten die Erzählungen über die parallelen russischen Versuche.8 Im thüringischen Ministerium war 1920 ebenso wie im Reich kein Verständnis für einen so weit gespannten Plan zu erwarten, denn was Gropius hier vorschlug, war im Grunde ein Exempel des Einheitsschulsystems mit allen seinen Stufen. Als im zweiten thüringischen Landtag entsprechend der Forderung der freien Lehrerschaft vom 25. September 1921 und auf Betrieben der sozialdemokratischen und der kommunistischen Partei ein selbständiges Volksbildungsministerium gebildet wurde und der bisherige Bezirksschulrat von Gera-Reuß, Max Greil (TJSPD, später SPD), 9 die Leitung übernahm, begann eine Zeit gesteigerter Aktivität. Greil trat sein Amt mit dem ernsten Willen an, eine Umwandlung und Reformierung des gesamten Schulwesens so bald wie möglich einzuleiten und konsequent durchzuführen.10 In Anlehnung an die Forderungen des Leipziger Lehrervereins und der Volksschullehrerschaft arbeitete er seinen Gesetzentwurf über die Durchführung der Einheitsschulen in Thüringen aus. Greils Ziele waren unter den Bedingungen der kapitalistischen Gesellschaft weit gesteckt: „Ich gebe ohne weiteres zu, daß ich eine völlige Umgestaltung des Schulwesens erstrebe in dem Sinne, daß die Schule eine Angelegenheit des ganzen Volkes wird, daß sie auch der Arbeiterschaft dieselben Bildungsmöglichkeiten bietet, die bisher nur einzelnen Bevölkerungskreisen offen standen." 11 Um seine Gesetze und Verordnungen im Landtag durchzubringen, konnte sich Greil auf die Regierungsparteien (SPD und USPD) und auf die K P D stützen. Die Landtagsfraktion der K P D stand unter der Leitung von Dr. Theodor Neubauer, einem erfahrenen Pädagogen, der Oberreallehrer in Ruhla und Weimar gewesen war. Obwohl Greils Gesetzesvorlage nicht voll den Vorstellungen der Kommunistischen Partei entsprach, zögerte Neubauer nicht, sie als notwendigen Schritt mit seiner Fraktion zu unterstützen: „Wir wollen aus der Schule einen Organismus machen, der für alle Kinder des Volkes gleichmäßig da sein soll und allen Bedürfnissen gerecht wird. Wir wollen ihr als Grundlage geben die gemeinsame schaffende Arbeit, die soziale oder kommunistisch gebundene Arbeit." Dae Gesetz, wie es vorliege, entspreche diesen Dingen nicht. Es fehle vor allem die wirtschaftliche und soziale Voraussetzung, Gewährung von Erziehungsbeihilfen etc. 12 . Neubauer verlangte, die Regie6*

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rung müsse umgehend Ergänzungen folgen lassen und das Schulwesen durchweg und möglichst schnell auf Arbeitsschule umstellen. „Denn das ist das einzige Gegengift, das wir zur Zeit gegen den Ungeist, der bisher gezüchtet worden ist, haben". Nur die Arbeitsschule biete eine gewisse Gewähr, daß wirklich ein sozialer Geist mit Entfaltung der freien Kräfte des Kindes heranwachse, daß wirklich die Kräfte des Kindes nicht einseitig intellektuell, sondern allseitig entfaltet werden können.13 Das Einheitsschulgesetz war das Kernstück der Greilschen Schulreformen. Am 24. Februar 1922 wurde es vom Landtag gegen die Stimmen der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen beschlossen und am 1. April 1922 in Kraft gesetzt. Damit trat Thüringen an die Spitze der Schulgesetzgebung in Deutschland. Die „Neugestaltung des gesamten thüringischen Schul- und Bildungswesens vom Kindergarten bis zur Universität im Sinne der Einheits-, G e m e i n s c h a f t s - und A r b e i t s s c h u l e " konnte in Angriff genommen werden. Schritte innerhalb dieser Aktion waren: die Anerkennung der Volksschule als gleichwertiges Glied im schulischen Aufbau, der Ausbau des Berufsschulwesens, Lehrmittelfreiheit für die Volksschule (für die Oberschule war sie erst vorgesehen, wenn sich dort die soziale Zusammensetzung geändert hatte), Abschaffung der alten Lehrbücher, Abschaffung der Prügelstrafe, Zurückdämmung der monarchistischen Elemente in den Schulen mit Hilfe des Gesetzes zum Schutze der Republik, Abschaffung des Büß- und Bettages als Feiertag, Erhebung des Revolutionstages zum Staatsfeiertag, Schaffung einer erziehungswissenschaftlichen Abteilung an der Universität Jena und Umformung der Universität zur Volksuniversität. Das Bauhaus als ein Faktor in der thüringischen Schulpolitik Das Bauhaus war nun aus der Isolierung der ersten Jahre erlöst. Es konnte sich als Glied innerhalb eines größeren Bildungssystems fühlen, das allmählich Gestalt gewinnen sollte. Von der Sache und der Überzeugung her bestand eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Gropius und dem Minister Greil. Greil erklärte im Februar 1923 vor dem Landtag ganz eindeutig: „Bei Durchführung des Bauhausgedankens handelt es sich nur um ein Teilgebiet der großen Schulreform, wie wir sie in Thüringen durchführen."14 Karl Rößger bezeichnete später die Ziele des Bauhauses als „Ziele der neuen Pädagogik", wie man sie „in verschiedener Form und Stärke in den Schulversuchen Deutschlands" wiederfinde.15 Gropius informierte seine Meister erstmalig am 2. Mai 1923 in einem Umlauf über die neu aufgenommenen Kontakte: „Der Staat Thüringen hat als erster im Reich sehr bemerkenswerte Schritte auf dem Schulwesen getan, die dank der unermüdlichen Tätigkeit des Volksbildungsministers Greil schon zu greifbaren Resultaten gelangt sind. Ich habe ... die erfreuliche Feststellung gemacht, daß sowohl innerhalb des Volksbildungsministeriums als auch in den verschiedenen Schulinstituten in Weimar neue Persönlichkeiten zu wirken begonnen haben, mit denen wir zahlreiche Berührungspunkte haben und die auch aus diesem Grunde ganz bewußt mit mir Fühlung 84

rung müsse umgehend Ergänzungen folgen lassen und das Schulwesen durchweg und möglichst schnell auf Arbeitsschule umstellen. „Denn das ist das einzige Gegengift, das wir zur Zeit gegen den Ungeist, der bisher gezüchtet worden ist, haben". Nur die Arbeitsschule biete eine gewisse Gewähr, daß wirklich ein sozialer Geist mit Entfaltung der freien Kräfte des Kindes heranwachse, daß wirklich die Kräfte des Kindes nicht einseitig intellektuell, sondern allseitig entfaltet werden können.13 Das Einheitsschulgesetz war das Kernstück der Greilschen Schulreformen. Am 24. Februar 1922 wurde es vom Landtag gegen die Stimmen der Deutschen Volkspartei und der Deutschnationalen beschlossen und am 1. April 1922 in Kraft gesetzt. Damit trat Thüringen an die Spitze der Schulgesetzgebung in Deutschland. Die „Neugestaltung des gesamten thüringischen Schul- und Bildungswesens vom Kindergarten bis zur Universität im Sinne der Einheits-, G e m e i n s c h a f t s - und A r b e i t s s c h u l e " konnte in Angriff genommen werden. Schritte innerhalb dieser Aktion waren: die Anerkennung der Volksschule als gleichwertiges Glied im schulischen Aufbau, der Ausbau des Berufsschulwesens, Lehrmittelfreiheit für die Volksschule (für die Oberschule war sie erst vorgesehen, wenn sich dort die soziale Zusammensetzung geändert hatte), Abschaffung der alten Lehrbücher, Abschaffung der Prügelstrafe, Zurückdämmung der monarchistischen Elemente in den Schulen mit Hilfe des Gesetzes zum Schutze der Republik, Abschaffung des Büß- und Bettages als Feiertag, Erhebung des Revolutionstages zum Staatsfeiertag, Schaffung einer erziehungswissenschaftlichen Abteilung an der Universität Jena und Umformung der Universität zur Volksuniversität. Das Bauhaus als ein Faktor in der thüringischen Schulpolitik Das Bauhaus war nun aus der Isolierung der ersten Jahre erlöst. Es konnte sich als Glied innerhalb eines größeren Bildungssystems fühlen, das allmählich Gestalt gewinnen sollte. Von der Sache und der Überzeugung her bestand eine weitgehende Übereinstimmung zwischen Gropius und dem Minister Greil. Greil erklärte im Februar 1923 vor dem Landtag ganz eindeutig: „Bei Durchführung des Bauhausgedankens handelt es sich nur um ein Teilgebiet der großen Schulreform, wie wir sie in Thüringen durchführen."14 Karl Rößger bezeichnete später die Ziele des Bauhauses als „Ziele der neuen Pädagogik", wie man sie „in verschiedener Form und Stärke in den Schulversuchen Deutschlands" wiederfinde.15 Gropius informierte seine Meister erstmalig am 2. Mai 1923 in einem Umlauf über die neu aufgenommenen Kontakte: „Der Staat Thüringen hat als erster im Reich sehr bemerkenswerte Schritte auf dem Schulwesen getan, die dank der unermüdlichen Tätigkeit des Volksbildungsministers Greil schon zu greifbaren Resultaten gelangt sind. Ich habe ... die erfreuliche Feststellung gemacht, daß sowohl innerhalb des Volksbildungsministeriums als auch in den verschiedenen Schulinstituten in Weimar neue Persönlichkeiten zu wirken begonnen haben, mit denen wir zahlreiche Berührungspunkte haben und die auch aus diesem Grunde ganz bewußt mit mir Fühlung 84

nahmen, um sich an unseren schon älteren Erfahrungen zu bereichern. Ich habe danach das Gefühl, daß, wenn wir mit diesen Männern zusammengehen, sich für das Bauhaus wichtige Vorteile ergeben werden. Namentlich auf dem Gebiet des Werkunterrichts erwartet man von uns Anregungen ..." (Dok. 63). Diese „neuen Persönlichkeiten", von denen Gropius spricht, waren (neben dem Minister Greil selbst) vor allem der ehemalige Bezirksschulrat von Gotha, Jacobi (KPD), der bereits 1920 durch ein Kesseltreiben reaktionärer Kreise aus seinem Amt geschieden war und nun im Ministerium arbeitete, weiterhin Dr. Herbert Kühnert (parteilos), dem die Personalpolitik unterstand, Karl Rößger (damals parteilos, 1945 KPD), der neue Schulrat in Gotha, ein aktiver Vertreter des Arbeitsschulgedankens, dann Prof. Dr. Julius Schaxel (SPD), der vor allem für die Universität zuständig war, Staatsrat Rudolph (SPD), 16 Referent für das Bauhaus, und eine Reihe neuer Schulräte (Wicke, Bär, Kluge, Vogel). Die KPD-Fraktion, ohne deren Unterstützung die Greilsche Schulreform nicht durchführbar gewesen wäre, stand auch in den Schulfragen unter der zielstrebigen Führung von Dr. Th. Neubauer. Der damalige Syndikus am Bauhaus, Alfred Lange, selbst Mitglied der SPD, knüpfte Kontakte zu Presseorganen und Funktionären der Arbeiterparteien an, unter-anderem zu Dr. Neubauer (Dok. 54). Dadurch lernten sich Walter Gropius und Dr. Th. Neubauer persönlich kennen. Zu dem KP-Abgeordneten Tenner bestanden schon länger persönliche Beziehungen. Es scheint, als habe die aufrechte Haltung vor allem Th. Neubauers Gropius nicht unbeeindruckt gelassen. Dies muß man bedenken, um zum Beispiel die verbürgte Äußerung von Gropius zu verstehen, er könne seine Ziele vielleicht nur mit den Kommunisten erreichen. Solche Worte sind, selbst nach früheren abfälligen Urteilen in der Zeit des zweiten thüringischen Landtages nicht sonderlich erstaunlich, denn die K P D hatte inzwischen ihre linksradikalen Kinderkrankheiten überwunden und war zu einer revolutionären Massenpartei mit klar formuliertem politischem Programm geworden. Leider sind Thema und Inhalt solcher Gespräche nicht aktenkundig geworden, wir sind auf sporadische Andeutungen und auf Rückschlüsse angewiesen. Im Brennpunkt stand zweifellos der Gedanke der Arbeits- und Produktionsschule. 18 Greil bezeichnete den Bauhausgedanken als Übertragung des Gedankens der Produktionsschule auf das Gebiet des Kunstunterrichts, und das Bauhaus selbst erkannte in der Arbeitsschule die ihm gemäße Vorschule. Von ausschlaggebender Bedeutung sei, so sagte Gropius, die Vorbildung der Kinder. Grundsätzliche Äußerungen zu den Beziehungen zwischen Bauhaus und thüringischer Schulreform finden sich in Gropius' Stellungnahme zu Herfurths Vorwurf, Greil bringe eben alles, auch das Bauhaus, mit seiner Schule in Verbindung. Das sei, sagt Gropius, da das Bauhaus eine Schule ist, gewiß nicht verwerflich: „Ich habe auch selbst in dem Aufsatz in dem Amtsblatt unterstrichen, daß wir Schwierigkeiten darin erkennen, daß die Entwicklungskette der Ausbildung in werklicher Beziehung nirgends ganz gewährleistet ist. Wir spüren bei den Lehrlingen sehr stark, daß ihnen jede Handarbeitsvorbildung fehlt. In einer Arbeitsschule dagegen, wie sie geplant ist, würde schon das Kind spielend die Handarbeit lernen, also nicht nur 85

in bezug auf den Kopf, sondern auch in bezug auf die Hand geschult werden. Auch wir wollen beide Zweige ausbilden, weder nur den werklichen und noch nur den akademisch-theoretischen. Wir wollen beide Wege verbinden, weil der ganze Schaffensvorgang eine Einheit ist und nicht getrennt werden kann"19 (Dok. 61). In seiner Schrift „Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses" ergänzt er: „Die neuen, auf Werkarbeit aufgebauten Schultypen geben eine gute Vorbereitung für eine aufbauende, breit eingestellte Arbeit, wie sie das Bauhaus will, da sie bewußt dem ganzen menschlichen Organismus Entwicklung geben, während die bisherigen Schulen durch ihre fast ausschließliche Kopfarbeit die Harmonie des Individuums zerstörten." 20 In diesem Bereich konnte die Zusammenarbeit beginnen. Gropius' Vorschlag von 1920, ein komplexes Schulsystem als Beispiel für die Einheitsschule zu schaffen, wurde aktuell. Greil nahm ihn auf. Er betrieb den Aufbau einer Mittel- und Oberschule mit Handfertigkeitsunterricht, um durch diese die Versuchszelle Bauhaus im Sinne eines solchen komplexen Schulsystems zu erweitern. Mit der Ausarbeitung des Planes war Seminardirektor Rößle betraut. Er beriet sich mit Gropius. Mit dieser Schule sollte „zum ersten Male die Möglichkeit geschaffen (werden), der bisher allein herrschenden Form der philologischen Mittel- und Oberschule die neue Form der t e c h n i s c h e n , der Werk-, Mittel- und Oberschule gegenüber-, und, was mehr ist, gleichzustellen". Sie sollte nicht gewonnen werden durch Erweiterung einer deutschen Mittel- und Oberschule, sondern durch Ausbau des Staatlichen Bauhauses oder eventuell auch der Musikschule. Gerade die Einrichtungen der „erstgenannten vorbildlichen Anstalt" (also des Bauhauses) zeige, so schreibt Rößle in seinem Programm, „wie sehr es nötig ist, die neue Schulreform von der Werkstätte aus, also „arbeitsschulmäßig'" aufzubauen. Sie sollte, keineswegs in degradierender Form für die philologische Oberschule, aus dem „Wirtschafts- und Werkleben" der Zeit heraus „in ständiger Wechselwirkung mit ihm eine umfassende, und dabei wurzelhafte Bildung" entwickeln. Man wollte, analog zum Werkstudententum, um der „sozialen Blutleere" des Bildungswesens entgegenzuwirken, auch ein „Werkschülertum" schaffen. Lehrlingen sollte durch diese „technisch-künstlerische Mittel- und Oberschule" ermöglicht werden, ohne ihre Berufstätigkeit aufzugeben, „vielmehr in organischem und fruchtbarem Zusammenhang mit ihr eine erweiterte Bildung zu erwerben" und nach drei Jahren (11 Schuljahren) die mittlere Reife und zwei weiteren das Abitur zu erwerben. Diese Schule sollte die Rolle einer Leitschule übernehmen, um schließlich den gesamten Werk- und Kunstunterricht im Lande auf eine neue Grundlage zu stellen durch 1. Einordnung der Kunstbetätigung in das tätige Gemeinschaftsleben der Schule, und 2. durch die Einstellung des Werkunterrichts auf produktive Arbeit. 21 Auf einen weiteren interessanten Punkt der geplanten Maßnahmen macht Schulrat Rößger in einem Aufsatz aufmerksam. In einem Kreis von Fachleuten sei die Möglichkeit geprüft worden, „einen Zweig der künftigen Thüringer Lehrerbildung über das Bauhaus zu leiten". 22 Es handelte sich dabei um die sogenannten „technischen Lehrer" für die neue Schulreform. Kerschensteiner, einer der bürgerlichen Vertreter der Arbeitsschulidee, 86

hatte gerade zu dieser Zeit in einem Aufsatz 23 geschrieben, daß für die Arbeitsschulen neben den theoretisch-wissenschaftlichen Lehrern noch technisch durchgebildete Lehrer gebraucht würden. Die aushilfsweise Anstellung von Männern aus der „gewerblichen Technik" habe sich zwar an einigen Stellen bewährt, könne aber nicht als Dauerlösung betrachtet werden. Diese könne nur der technische Lehrer bringen, der eine Ausbildung analog der des wissenschaftlichen Lehrers erhalten habe. Solche technischen Lehrer sollten also am Bauhaus ausgebildet werden. Mit der Ausarbeitung eines Ausbildungsplanes und einer „Prüfungsordnung für das künstlerisch-technische Lehramt an der thüringischen Einheitsschule" war von Greil ebenfalls Oberstudienrat Dr. Rößle beauftragt worden, zugleich mit der Weisung, sich mit Gropius zu beraten. Am 17. August 1923 schickte Rößle seinen Entwurf an Gropius und betonte, daß er von ihm „entscheidende Anregungen" erwarte.24 Aus der Prüfungsordnung geht hervor: „Die Ausbildung geschieht ... für Werktätigkeit am Staatlichen Bauhaus." 26 Die Angelegenheit wurde zwischen Gropius und Dezernenten des Ministeriums „wiederholt und eingehend erörtert". Sie scheint noch im Herbst im vorgesehenen Sinne geregelt worden zu sein, kam aber mit den ersten Ansätzen zur Verwirklichung in den politischen Umschwung, der die revolutionäre Nachkriegskrise beendete. Als Gropius am 22. Januar 1924 beim Volksbildungsministerium anfragte, ob nun solche Personen und zu welchen Bedingungen in das Bauhaus aufgenommen werden könnten, riet das Ministerium ab, „schon jetzt Studierende in größerer Zahl aufzunehmen, da die Forderungen der Prüfungsordnung von den späteren politischen Verhältnissen" (nach den Wahlen) diktiert würden. Gegen die Aufnahme einzelner sei nichts einzuwenden; nur solle auf die wissenschaftliche Vorbildung (Reifezeugnis) besonders geachtet werden.26 Beide Projekte waren im Sommer und Herbst 1923 zügig betrieben worden, wurden im Frühjahr 1924 wegen der politischen Verhältnisse gestoppt und von der Bürgerblockregierung schließlich ganz abgebrochen. Gropius unterstützte auch die Bemühungen des Volksbildungsministeriums unter Greil, die Berufsschulen zu stärken. Anläßlich und im Rahmen der Bauhauswoche und der Bauhausausstellung 1923 war eine fünftägige Berufsschultagung in Weimar geplant (24. —28. September 1923). Sie wurde unter das Leitthema gestellt: „Der Erziehungsgedanke des Bauhauses in seiner Bedeutung für die Berufsschule". Im Eröffnungsvortrag wollte Gropius über „Die Arbeit des Staatlichen Bauhauses und seine kulturellen Zusammenhänge, mit besonderer Berücksichtigung der modernen Schulbestrebungen" sprechen.27 Eine Woche vor Eröffnung wurde die Tagung durch das Ministerium abgesagt — „mit Rücksicht auf die gegenwärtige Finanzlage"! Die Inflation erreichte gerade ihren Höhepunkt. Immer wieder waren Gropius und die führenden Bauhausangehörigen bereit zu einem verpflichtenden Engagement mit den progressiven Kräften auf schulischem Gebiet. Aber immer wieder blockierten Hemmungen finanzieller oder politischer Art die fruchtbaren Ansätze. Lediglich im Bereich der Jugendwohlfahrt und der Kindergärten kam es zu einigen 87

Ergebnissen, weil hier die Zusammenarbeit auch noch nach dem Regierungswechsel 1924 fortgesetzt wurde. Die Jugendwohlfahrt/Kindergärten unterstanden dem Wirtschaftsministerium, wo Regierungsrat Döpel Verständnis für die Bauhausarbeit aufbrachte. Er regte an, das Bauhaus für die künstlerische Ausgestaltung thüringischer Kindergärten und Jugendheime und besonders für eine Ausstellung über Kinder fürsorgeeinrichtungen heranzuziehen. „Vielleicht tritt das Bauhaus dem Gedanken näher, seine Schüler durch praktische Anwendung der Lehr- und Schülerversuche in nähere Verbindung mit der sozialen Arbeit in unserem Lande zu bringen."28 Man dachte zunächst an die Ausgestaltung des Fröbel-Kindergartens in Bad Blankenburg und von Kindergärten im Kreise Camburg (s. Abb. 60 u. 61). Syndikus Lange hielt eine solche Mitarbeit für äußerst wichtig, da sie zu der bisher fehlenden Popularität des Bauhauses beitrage. So sagte Gropius zu. Besonderen Anklang fand die Ausstellung über Kinderfürsorgeeinrichtungen im November 1924, die von Bauhausangehörigen gestaltet und mit eigenen Produkten, wie Spielzeug, Kindermöbeln und Modellentwürfen für Kindergärten, beschickt worden war. Muche sprach in Jena vor den Erzieherinnen Deutschlands über die Bauhausziele. Als wichtigstes Projekt entwickelten sich aus dem Kontakt zwischen Bauhaus und Wirtschaftsministerium die umfangreichen Planungen für den Bau eines FriedrichFröbel-Heimes in Bad Liebenstein, der allerdings ebenfalls aus finanziellen Gründen nicht zur Ausführung kam.29 Das Bauhaus und die Kunstgewerbeschulen Der gesamte Unterricht am Bauhause basierte auf einer engen Verbindung von Schule und Werkstatt. „Die Schule ist die Dienerin der Werkstatt", sagte Gropius, „sie wird eines Tages in ihr aufgehen." 30 Das Bauhaus schloß an die Traditionsfolge der Kunstgewerbeschulen an, für die seit Lethaby in London (um 1900), Muthesius in Preußen, der 1905 den preußischen Erlaß über Werkstatterziehung im Kunstgewerbe veranlaßte, und van de Velde in Weimar (1906) die Werkstattarbeit zur Grundlage der Ausbildung erhoben worden war. In der Flut von Plänen und Entwürfen, in denen sich vor allem 1919, dem Jahr hochfliegender Reformprogramme, ein aus verändertem Zeitbewußtsein begründeter Wille zur kulturellen Erneuerung entlud, spielt die Lehrmethodik der Kunstgewerbeschulen eine führende Rolle. Viele glaubten, daß sie durch ihre Verbindung von Theorie und Praxis noch immer voll den neuen Bedürfnissen genüge. Man hielt sie für die modernsten kunstpädagogischen Anstalten und strebte an, den Akademien durch Werkstätten oder, wie am Bauhaus, durch Zusammenschluß mit bestehenden Kunstgewerbeschulen eine werkliche Basis zu geben. Die Hauptforderung der Fachleute ging aus auf „Einheitskunstschule", auf den Abbau der Scheidewände zwischen sogenannter hoher Kunst und dem Handwerk.31 88

Ergebnissen, weil hier die Zusammenarbeit auch noch nach dem Regierungswechsel 1924 fortgesetzt wurde. Die Jugendwohlfahrt/Kindergärten unterstanden dem Wirtschaftsministerium, wo Regierungsrat Döpel Verständnis für die Bauhausarbeit aufbrachte. Er regte an, das Bauhaus für die künstlerische Ausgestaltung thüringischer Kindergärten und Jugendheime und besonders für eine Ausstellung über Kinder fürsorgeeinrichtungen heranzuziehen. „Vielleicht tritt das Bauhaus dem Gedanken näher, seine Schüler durch praktische Anwendung der Lehr- und Schülerversuche in nähere Verbindung mit der sozialen Arbeit in unserem Lande zu bringen."28 Man dachte zunächst an die Ausgestaltung des Fröbel-Kindergartens in Bad Blankenburg und von Kindergärten im Kreise Camburg (s. Abb. 60 u. 61). Syndikus Lange hielt eine solche Mitarbeit für äußerst wichtig, da sie zu der bisher fehlenden Popularität des Bauhauses beitrage. So sagte Gropius zu. Besonderen Anklang fand die Ausstellung über Kinderfürsorgeeinrichtungen im November 1924, die von Bauhausangehörigen gestaltet und mit eigenen Produkten, wie Spielzeug, Kindermöbeln und Modellentwürfen für Kindergärten, beschickt worden war. Muche sprach in Jena vor den Erzieherinnen Deutschlands über die Bauhausziele. Als wichtigstes Projekt entwickelten sich aus dem Kontakt zwischen Bauhaus und Wirtschaftsministerium die umfangreichen Planungen für den Bau eines FriedrichFröbel-Heimes in Bad Liebenstein, der allerdings ebenfalls aus finanziellen Gründen nicht zur Ausführung kam.29 Das Bauhaus und die Kunstgewerbeschulen Der gesamte Unterricht am Bauhause basierte auf einer engen Verbindung von Schule und Werkstatt. „Die Schule ist die Dienerin der Werkstatt", sagte Gropius, „sie wird eines Tages in ihr aufgehen." 30 Das Bauhaus schloß an die Traditionsfolge der Kunstgewerbeschulen an, für die seit Lethaby in London (um 1900), Muthesius in Preußen, der 1905 den preußischen Erlaß über Werkstatterziehung im Kunstgewerbe veranlaßte, und van de Velde in Weimar (1906) die Werkstattarbeit zur Grundlage der Ausbildung erhoben worden war. In der Flut von Plänen und Entwürfen, in denen sich vor allem 1919, dem Jahr hochfliegender Reformprogramme, ein aus verändertem Zeitbewußtsein begründeter Wille zur kulturellen Erneuerung entlud, spielt die Lehrmethodik der Kunstgewerbeschulen eine führende Rolle. Viele glaubten, daß sie durch ihre Verbindung von Theorie und Praxis noch immer voll den neuen Bedürfnissen genüge. Man hielt sie für die modernsten kunstpädagogischen Anstalten und strebte an, den Akademien durch Werkstätten oder, wie am Bauhaus, durch Zusammenschluß mit bestehenden Kunstgewerbeschulen eine werkliche Basis zu geben. Die Hauptforderung der Fachleute ging aus auf „Einheitskunstschule", auf den Abbau der Scheidewände zwischen sogenannter hoher Kunst und dem Handwerk.31 88

Die akademische Vorstellung einer Kunst um der Kunst willen war der Idee des Sicheinfügens in die „nationale Arbeit" gewichen, das heißt, selbst primitivste Konstruktionsformen sollten noch mit ästhetischem Gefühl und sozialer Verantwortung erfüllt sein. Den weitreichendsten Plänen schwebte die Zusammenfassung aller Bereiche der visuellen Gestaltung vom Industrie- und Städtebau über Architektur und Kunstgewerbe bis zur freien Kunst auf gemeinsamer Grundlage vor. Sie entsprachen also dem Bauhausprogramm. Fritz Schumacher prägte für eine solche Lehrstätte den Begriff „Hochschule für Gestaltung",32 den später übrigens das Bauhaus in Dessau annahm. Stets sollte jedoch wie an Kunstgewerbeschulen auf Werkstattarbeit besonderer Wert gelegt werden. Die Arbeit in der Werkstatt war zugleich Fachunterricht, pädagogisches Prinzip und im fortgeschrittenen Stadium auch unmittelbare Produktion. Man kann das als Übertragung der herkömmlichen Handwerkslehre auf schulische Verhältnisse ansehen — selbstverständlich bei stärkerer Intensivierung, bei Erweiterung der theoretischen Kenntnisse und des künstlerischen Trainings. Die Handwerksbetriebe selbst hatten nach Gropius' Meinung immer mehr die Fähigkeit verloren, Schüler den gewachsenen Anforderungen des Wirtschaftslebens entsprechend auszubilden, weil viele, des Schöpferischen ihrer Arbeit beraubt, zur „unvollkommenen Teilnatur", zu Händlern verkümmert waren. Die Begründung des Unterrichts auf Werkstattarbeit war gegen das akademische System gerichtet. Gropius hielt die Akademien für überlebt und äußert es wiederholt in Stellungnahmen und Reden. „Die heutigen Akademien befinden sich ... in einem letzten Stadium der Unfruchtbarkeit. Ihr Bestand ist weder volkswirtschaftlich noch künstlerisch länger zu verantworten, denn K u n s t ist nicht erlernbar. Mit der Entwicklung der Akademien starb allmählich die wahre, das ganze Volksleben durchpulsende Volkskunst ab, und es blieb jene vom Leben isolierte Salonkunst übrig." 23 Eine solche Überzeugung teilten mit ihm, wie die Namenliste von Kunstschuldirektoren unter ihrer Eingabe zugunsten des Bauhauses zeigt (Dok. 25), viele Fachleute. Aber Gropius kritisierte ebenso die Arbeit an den Kunstgewerbeschulen, die vorwiegend individuellen Entwürfen und „Luxusgegenständen" galt, und Oskar Schlemmer stellte drastisch das „verbosselte Kunstgewerbe" auf gleiche Stufe mit „versacktem Akademikertum". Im Kunstgewerbe liege die falsche Absicht, krampfhaft Kunst zu machen. Die Ausbildung sei zu oberflächlich und technisch zu dilettantisch. Der Werkstattunterricht sollte der Praxis draußen angenähert sein.34 Deshalb war es (nach Hellwag) auch nicht damit getan, „die alten verrotteten Akademien ... mit der Aufsaugung des Kunstgewerbes ... [wieder] flott zu machen". Das wäre ein bloß formaler Akt gewesen. Es ging Gropius vielmehr um die Änderung der gesamten Ausrichtung der Arbeit, um die Übernahme der am Vorbild des Ingenieurs geschulten „unsentimentalen, rationalen und praktischen Methode" auch für den Entwerfer und Architekten. Die Umwandlung sämtlicher Kunstschulen in staatliche Lehrwerkstätten biete dafür die besten Voraussetzungen. Die rationale, die wissenschaftliche Methodik war aber am Weimarer Bauhaus 89

noch recht einseitig entwickelt. Sie stand auf hohem Niveau als Gestaltungslehre, auf zu niedrigem dagegen in den anderen Disziplinen. Die Bauhauslehre glich so noch auf weiten Strecken der Ausbildung an Kunstgewerbeschulen. Nur allmählich wuchs sie darüber hinaus, bis Gropius schließlich 1924 in dem anläßlich der Ausstellung „Die Form" in Stuttgart gehaltenen Vortrag „Beginn einer neuen Baugesinnung! Ende des Kunstgewerbes" eine klare begriffliche und sachliche Scheidung vollzog. Die Fachausbildung in den einzelnen Gewerken schloß ab mit dem Gesellen- und Meisterbrief der örtlichen Handwerkskammer und des Bauhauses. Das war eine Geste des guten Willens, die fachliche Autorität der Handwerksorganisation anzuerkennen. Eine unmittelbare Produktion mit dem Ziel des Verkaufs begann sporadisch, seitdem die Werkstätten arbeitsfähig waren. Die allgemeine Notlage erzwang schließlich 1922 eine Intensivierung und die Einrichtung eines regelrechten produktiven Betriebes. Die Studierenden wurden verpflichtet, täglich sechs Stunden produktiv zu arbeiten. Auf diese Weise konnten viele von Haus aus Mittellose ihren Lebensunterhalt verdienen. Zur eigentlichen Triebkraft der Bauhausarbeit entwickelten sich zwei Prinzipien, die der zeitgenössischen Pädagogik entnommen waren und über die Methodik von Kunstgewerbeschulen hinausgingen: die Gemeinschaftsarbeit und das Prinzip der Selbsttätigkeit und Selbsterziehung, ohne Bevormundung durch Lehrer. Er habe es sich, so äußerte Gropius in dem Briefwechsel mit Maldonado, ganz besonders angelegen sein lassen, „keinen Studenten auf ein endgültiges System oder Dogma festzunageln; vielmehr wollte (er) ihn seinen eigenen Weg finden lassen — auch durch Sackgassen und Irrwege. Er sollte mehr suchen als untersuchen."35 Diese allgemein nach Montessori benannte und damals auch von thüringischen Versuchsschulen praktizierte Methode ist für Elementarschulen fragwürdig — an einer Hochschule, wo zu eigenständiger schöpferischer Arbeit erzogen werden sollte, war sie jedoch durchaus möglich, vorausgesetzt, daß durch entsprechende Auswahl eine Summierung schöpferischer Begabung gelang. Von der Vorlehre an und über die gesamte Studienzeit hinweg wurde auf Anregung und Entfaltung der individuellen gestalterischen Fähigkeiten besonderer Wert gelegt. Dies geschah unter der leitenden und einenden Gemeinschaftsidee, die die Verpflichtung zur bewußten Disziplin und zur Unterordnung unter die gewählten Obleute und die Meister einschloß, und schuf die eigentliche Grundlage für die einmalige schöpferische Atmosphäre dieser Schule. Die „entschiedenen Schulreformer" um Paul Oestreich sahen gerade in dem Begriff der sich selbst erziehenden Jugendgemeinschaft das eigentlich Revolutionäre der neuen Schulversuche.36 Der Erziehung zur schöpferischen Selbständigkeit war es auch zu verdanken, daß dem Bauhaus der Schritt über die anfängliche Phase hinaus zur höheren Stufe einer modellschaffenden Versuchsarbeit für die Industrie gelang. Das Bemühen der Bauhäusler, mit ihren handwerklichen Produkten auf dem von der Industrie beherrschten Markt zu bestehen, öffnete ihnen, mehr als es tiefschürfende Untersuchungen vermocht hätten, die Augen für die qualitativen Unterschiede zwischen Handarbeit 90

und Industrie und stieß sie bei der Suche nach der gemäßen Form der Verbindung von Schule und Industrie auf die Laboratoriumsarbeit. Wir kommen darauf im nächsten Abschnitt zurück. Hier nur soviel: Die vom Bauhaus in den ersten vier Jahren durchlaufenen Phasen vom Handfertigkeitsunterricht als vorwiegend pädagogischem Prinzip über die reine handwerkliche Produktion zur Versuchsarbeit für die Industrie entspricht Auffassungen der Arbeitsschule, der Übung der Hand und der Sinne im Werkunterricht, der Gewöhnung an Arbeitsdisziplin in der Produktionsschule und schließlich der eigentlichen polytechnischen Erziehung. Hannes Meyer gebrauchte später genau diesen Begriff „Polytechnik" zur Kennzeichnung des Wesens der Bauhausarbeit37. Er trifft aber bereits seit 1923 auf sie zu. Seitdem bestand die Arbeit des Bauhauses, wenn auch noch unausgereift, einerseits aus der produktiven Tätigkeit für den Markt (vorweigend mit handwerklichen Mitteln) und andererseits aus der Entwicklung von Typen für industrielle Großserien. Die Ausbildung war also streng auf das Ziel gerichtet, die Studierenden zu befähigen, später als schöpferische Kräfte, als „künstlerisch und handwerklich gleich wertvolle Produktionsmenschen" (Gropius) in die industrielle Produktion einzutreten.

Ende der Schul reformversuche Es ist nutzlos, die Möglichkeiten der Entwicklung abstecken zu wollen, die das Bauhaus hätte nehmen können, wenn die Schulpolitik der Arbeiterparteien und des Ministers Greil erfolgreich verlaufen wäre, auf jeden Fall aber wäre ein noch komplexeres, ein stärker sozial verankertes Bauhaus entstanden. Die Arbeiterregierung Thüringens hatte in dem von der Verhandlungskommission der Bezirksorganisation der USPD und der KPD am 13. Oktober 1923 beschlossenen Programm die schulpolitischen Bestrebungen ausdrücklich bestätigt. Dort hieß es unter Punkt 11: „Die Schulreform ist im Sinne der Einheitsschule fortzuführen, und die Berufsschulen (sind) auszubauen."38 Der wütende Haß der rechten Parteien und des Bürgertums traf jedoch, heftiger noch als das Bauhaus, Greil selbst und sein Programm. Von der ersten Stunde an war er gezwungen, seine und seiner Mitarbeiter Reform des Schulwesens gegen eine Flut von Angriffen, gegen Boykott und Diffamierungen durchzusetzen. „Wo der Gedanke der Versuchsschule auftauchte und Gestalt annahm, dort bildeten sich ... promt .christliche Elternvereinigungen', die politische, kirchliche und oft sogar persönliche Motive in einer geradezu grotesken Form des Widerstandes anführten."39 Der Kampf gegen das Bauhaus war keineswegs ein Sonderfall. Der Ausbau des Berufsschulwesens wurde von den Handwerkern mit der Begründung bekämpft, es beeinträchtige die freie Meisterlehre. Die landwirtschaftlichen Berufsschulen waren monatelang durch einen vom Landbundvorsitzenden Höfer organisierten Schulstreik lahmgelegt. Einen Schulstreik gab es auch um die Versuchsschule Sundhausen, wiederum organisiert vom Landbund im Verein mit dem christlichen Elternbund. Er erzwang die Aufhebung des Schulversuches. 91

und Industrie und stieß sie bei der Suche nach der gemäßen Form der Verbindung von Schule und Industrie auf die Laboratoriumsarbeit. Wir kommen darauf im nächsten Abschnitt zurück. Hier nur soviel: Die vom Bauhaus in den ersten vier Jahren durchlaufenen Phasen vom Handfertigkeitsunterricht als vorwiegend pädagogischem Prinzip über die reine handwerkliche Produktion zur Versuchsarbeit für die Industrie entspricht Auffassungen der Arbeitsschule, der Übung der Hand und der Sinne im Werkunterricht, der Gewöhnung an Arbeitsdisziplin in der Produktionsschule und schließlich der eigentlichen polytechnischen Erziehung. Hannes Meyer gebrauchte später genau diesen Begriff „Polytechnik" zur Kennzeichnung des Wesens der Bauhausarbeit37. Er trifft aber bereits seit 1923 auf sie zu. Seitdem bestand die Arbeit des Bauhauses, wenn auch noch unausgereift, einerseits aus der produktiven Tätigkeit für den Markt (vorweigend mit handwerklichen Mitteln) und andererseits aus der Entwicklung von Typen für industrielle Großserien. Die Ausbildung war also streng auf das Ziel gerichtet, die Studierenden zu befähigen, später als schöpferische Kräfte, als „künstlerisch und handwerklich gleich wertvolle Produktionsmenschen" (Gropius) in die industrielle Produktion einzutreten.

Ende der Schul reformversuche Es ist nutzlos, die Möglichkeiten der Entwicklung abstecken zu wollen, die das Bauhaus hätte nehmen können, wenn die Schulpolitik der Arbeiterparteien und des Ministers Greil erfolgreich verlaufen wäre, auf jeden Fall aber wäre ein noch komplexeres, ein stärker sozial verankertes Bauhaus entstanden. Die Arbeiterregierung Thüringens hatte in dem von der Verhandlungskommission der Bezirksorganisation der USPD und der KPD am 13. Oktober 1923 beschlossenen Programm die schulpolitischen Bestrebungen ausdrücklich bestätigt. Dort hieß es unter Punkt 11: „Die Schulreform ist im Sinne der Einheitsschule fortzuführen, und die Berufsschulen (sind) auszubauen."38 Der wütende Haß der rechten Parteien und des Bürgertums traf jedoch, heftiger noch als das Bauhaus, Greil selbst und sein Programm. Von der ersten Stunde an war er gezwungen, seine und seiner Mitarbeiter Reform des Schulwesens gegen eine Flut von Angriffen, gegen Boykott und Diffamierungen durchzusetzen. „Wo der Gedanke der Versuchsschule auftauchte und Gestalt annahm, dort bildeten sich ... promt .christliche Elternvereinigungen', die politische, kirchliche und oft sogar persönliche Motive in einer geradezu grotesken Form des Widerstandes anführten."39 Der Kampf gegen das Bauhaus war keineswegs ein Sonderfall. Der Ausbau des Berufsschulwesens wurde von den Handwerkern mit der Begründung bekämpft, es beeinträchtige die freie Meisterlehre. Die landwirtschaftlichen Berufsschulen waren monatelang durch einen vom Landbundvorsitzenden Höfer organisierten Schulstreik lahmgelegt. Einen Schulstreik gab es auch um die Versuchsschule Sundhausen, wiederum organisiert vom Landbund im Verein mit dem christlichen Elternbund. Er erzwang die Aufhebung des Schulversuches. 91

Der heftigste Widerstand gegen Greil kam von den Akademikern aller Grade an den höheren Schulen und an der Universität Jena. Sie sprachen Greil als Nichtakademiker und als ehemaligem Volksschullehrer das Recht und die Befähigung ab, über ihre Institutionen zu urteilen. Die höheren Schulen intrigierten, die anderen Länder des Reiches möchten die thüringischen Reifezeugnisse nicht anerkennen, und an der Universität Jena hatten die von Professor Schaxel und Greil unternommenen Maßnahmen, eine akademische Lehrerbildung an der neugegründeten erziehungswissenschaftlichen Abteilung einzuführen, den sogenannten „Thüringer Hochschulkonflikt" im Herbst 1923 zur Folge, der die Presse ganz Deutschlands beschäftigte und die Reichsregierung zur Intervention veranlaßte.40 Greils demokratischer und in Ansätzen sozialistischer Schulpolitik war keine lange Dauer beschieden. Die Schulgesetzgebung kam kaum zur Auswirkung. Der Wahlsieg der bürgerlichen Parteien und die Amtenthebung Greils am 24. Februar 1924 setzte allen Bemühungen ein Ende. Die progressiven Mitarbeiter wurden sofort aus dem Yoksbildungswesen entfernt, die bereits erlassenen Verordnungen und Gesetze im Verlauf des Jahres 1924 annulliert, und gleichsam als Symbol für den veränderten Geist zog dabei auch die Prügelstrafe wieder in die Schulen ein. Das Bauhaus war, wollte es überleben, gezwungen, sich realpolitisch auf wohlgesinnte Kreise der kapitalistischen Wirtschaft zu orientieren und das gesamte Institut möglichst ganz aus dem staatlichen Rahmen zu lösen. Die Pläne einer Integration des Bauhauses in die Schulpolitik des Landes brachen zusammen, bevor sie auch nur in Teilen verwirklicht werden konnten. Dennoch sind sie wichtig, weil sie über die Erkenntnisse der Verwandtschaft in der pädagogischen Grundeinstellung hinaus die inneren Anlagen und die Entwicklungsmöglichkeiten des Bauhauses offenbarten. Minister Greil hatte das Bauhausprogramm „ein Stück radikale Schulreform" genannt. Gropius verwendete ebenfalls den Begriff „radikal", um seinen Weg von dem der bürgerlich-konservativen Hochschule für bildende Kunst abzugrenzen (Dok. 31). Radikal bedeutet hier nicht nur „wurzelhaft" oder „von Grund auf neu", wie man gern neue Kunstströmungen tituliert. Die umfassenden Pläne auf schulpolitischem und kunstpädagogischem Gebiet berechtigen durchaus dazu, — trotz der ihnen noch anhaftenden ideologischen und praktischen Hemmnisse — das Attribut „revolutionär" einzusetzen. Hier war eine günstige politische Konstellation in der revolutionären Nachkriegskrise zu einem Versuch genutzt worden, der bei längerer Laufzeit zu einer demokratischen, sozialen und polytechnischen Schule hätte führen können.

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4. KAPITEL

Das Bauhaus und die kapitalistische Wirtschaft

Plan einer Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk Gropius hatte in seinem ersten „Vorschlag zur Gründung einer Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk" von 1916 (Dok. 1) seine einleitenden allgemeinen Überlegungen aus dem Ideengut des Werkbundes übernommen — zugleich mit der Andeutung, daß das Handwerk überlebt sei und durch die neue Produktionsform der Industrie abgelöst werde. „Während in alter Zeit die gesamte Masse menschlicher Erzeugnisse allein durch die Hand hergestellt wurde, wird heute nur noch ein verschwindend kleiner Teil der Weltware ohne maschinelle Beihilfe erzeugt ... Der drohenden Gefahr der Verflachung, die hieraus folgerichtig erwächst, kann der Künstler, dem die Bildung und Fortentwicklung der Form in der Welt obliegt, nur dadurch begegnen, daß er sich mit den gewaltigsten Mitteln moderner Formgestaltung, mit der Maschine jeder Art — vom einfachsten Werkzeug bis zur komplizierten Spezialmaschine — verständnisvoll auseinandersetzt und sie in seinen Dienst zwingt." Die Folgerungen daraus waren für Gropius — wie vorher schon für den Werkbund — eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Kaufmann und Techniker auf der einen und dem Künstler auf der anderen Seite. Handwerksbetrieb und Kleingewerbe hätten, so sagte er, die Fühlung mit der Kunst nie ganz verloren. Aufgabe der Stunde aber sei es, daß sich die Industrie mit künstlerischen Fragen ernsthaft befasse, um ihren Produkten die „edlen Eigenschaften des handwerklichen Erzeugnisses neben den Vorzügen der maschinellen Herstellung" mitzugeben. Die künstlerische Qualität des Maschinenproduktes werde erreicht durch Mitarbeit der Künstler „gleich bei der Erfindung der Form, die vervielfältigt werden soll". Diese Leistung des Künstlers sei kein Luxus, keine gutwillige Zugabe, „sondern unentbehrlicher Bestandteil im Gesamtwerk der modernen Industrie". Der bisherige Musterzeichner genüge für diese Aufgabe nicht, sondern nur die „besten, wohldurchdachten Ideen" seien zur Vewirklichung gut genug. Mit solchen Gedanken, die in der Traditionslinie von Kunstreformbewegung und Werkbund eine Humanisierung der Massenproduktion durch das Ethos einer geistigen Form erwarteten, stand Gropius auf der Höhe des Problems. Aber wie der Werkbund beschränkte auch er es auf die technisch-wirtschaftlichen und kul93

turellen Gesichtspunkte. Die politischen und sozialen blieben vorläufig noch gänzlich ausgeklammert. Eine zweifelhafte politische Manipulation steckte hinter dem, was Gropius im zweiten Teil der Abhandlung über seine Pläne für Weimar äußerte. Er schlug als Vermittlungsorgan zwischen den Künstlern und Gewerben eine „von Staats wegen einzurichtende Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle" vor. Das Vertrauen der Fabrikanten könne sie um so leichter erringen, wenn deren „sachliches Urteil bereits bei der Gründung der Anstalt zu Rate gezogen und ihren Wünschen von vornherein stattgegeben" werde. Das „Einverständnis der Gewerbetreibenden und Industriellen, in erster Linie ihre Bereitschaft, Schüler zu entsenden", sei notwendige Voraussetzung für die Gründung der geplanten Schule. In der vorgesehenen Methodik der Arbeit griff Gropius bis in Einzelheiten van de Veldes Programm für sein kunstgewerbliches Seminar von 1902 auf: Der Schüler oder Lehrling bringt aus dem Betrieb, in dem er arbeitet, „seinen Arbeitsstoff aus der Werkstatt selbst in die Schule mit, und zwar in Form bestimmter Aufträge seines Meisters, die augenblicklich in dem betreffenden Betrieb aktuell sind", und arbeitet sie dort unter Anleitung des Lehrers zum fertigen Modell durch. Eine solche Anlehnung der Schule an bestehende praktische Betriebe erspare ihr die „kostspielige Unterhaltung eigener Versuchswerkstätten" und beseitige gleichzeitg „die Gefahr eines Konkurrenzmißtrauens von Seiten der Fabrikanten". Gropius bot sich den Kleinfabrikanten und Handwerkern in einer Weise an, die unverständlich ist, wenn man weiß, daß ihm van de Velde ein halbes Jahr vorher ausführlich die Unzweckmäßigkeit eines solchen Unternehmens dargelegt hatte: Das Interesse der Kleinfabrikanten an künstlerisch gediegenen Produkten sei zu gering und der Zuspruch deshalb spärlich gewesen. Für Gropius könne dies keine Aufgabe mehr sein. 1 Das beschränkte praktizistische Programm stand im Gegensatz zu den eigenen einleitendenDarlegungen. Undsowsit eres den provinziellen thüringischen, oder genauer, sachsen-weimarischen Bedingungen anpassen wollte, hatte er nicht einmal den gewünschten Erfolg. Die Handwerkskammer, die Gropius' Vorschläge begutachten sollte, stieß sich an der starken Betonung der Industrie und riet von einer Berufung ab.

Das Bauhaus und der Deutsche Werkbund Im Verlauf der kunstgewerblichen Reformbewegung war die Notwendigkeit einer engen Werkgemeinschaft zwischen Künstler und Industrie erkannt worden. Die ursprünglich aus kultureller Verantwortung von Künstlern ins Leben gerufene internationale Bewegung wurde seit der Dresdener Ausstellung 1906 in Deutschland auf eine nationale Bahn geleitet und 1907 mit der Gründung des Deutschen Werkbundes organisatorisch straff gefaßt. Der Werkbund erklärte als sein Ziel: „Die Veredlung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handel durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen." 94

turellen Gesichtspunkte. Die politischen und sozialen blieben vorläufig noch gänzlich ausgeklammert. Eine zweifelhafte politische Manipulation steckte hinter dem, was Gropius im zweiten Teil der Abhandlung über seine Pläne für Weimar äußerte. Er schlug als Vermittlungsorgan zwischen den Künstlern und Gewerben eine „von Staats wegen einzurichtende Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle" vor. Das Vertrauen der Fabrikanten könne sie um so leichter erringen, wenn deren „sachliches Urteil bereits bei der Gründung der Anstalt zu Rate gezogen und ihren Wünschen von vornherein stattgegeben" werde. Das „Einverständnis der Gewerbetreibenden und Industriellen, in erster Linie ihre Bereitschaft, Schüler zu entsenden", sei notwendige Voraussetzung für die Gründung der geplanten Schule. In der vorgesehenen Methodik der Arbeit griff Gropius bis in Einzelheiten van de Veldes Programm für sein kunstgewerbliches Seminar von 1902 auf: Der Schüler oder Lehrling bringt aus dem Betrieb, in dem er arbeitet, „seinen Arbeitsstoff aus der Werkstatt selbst in die Schule mit, und zwar in Form bestimmter Aufträge seines Meisters, die augenblicklich in dem betreffenden Betrieb aktuell sind", und arbeitet sie dort unter Anleitung des Lehrers zum fertigen Modell durch. Eine solche Anlehnung der Schule an bestehende praktische Betriebe erspare ihr die „kostspielige Unterhaltung eigener Versuchswerkstätten" und beseitige gleichzeitg „die Gefahr eines Konkurrenzmißtrauens von Seiten der Fabrikanten". Gropius bot sich den Kleinfabrikanten und Handwerkern in einer Weise an, die unverständlich ist, wenn man weiß, daß ihm van de Velde ein halbes Jahr vorher ausführlich die Unzweckmäßigkeit eines solchen Unternehmens dargelegt hatte: Das Interesse der Kleinfabrikanten an künstlerisch gediegenen Produkten sei zu gering und der Zuspruch deshalb spärlich gewesen. Für Gropius könne dies keine Aufgabe mehr sein. 1 Das beschränkte praktizistische Programm stand im Gegensatz zu den eigenen einleitendenDarlegungen. Undsowsit eres den provinziellen thüringischen, oder genauer, sachsen-weimarischen Bedingungen anpassen wollte, hatte er nicht einmal den gewünschten Erfolg. Die Handwerkskammer, die Gropius' Vorschläge begutachten sollte, stieß sich an der starken Betonung der Industrie und riet von einer Berufung ab.

Das Bauhaus und der Deutsche Werkbund Im Verlauf der kunstgewerblichen Reformbewegung war die Notwendigkeit einer engen Werkgemeinschaft zwischen Künstler und Industrie erkannt worden. Die ursprünglich aus kultureller Verantwortung von Künstlern ins Leben gerufene internationale Bewegung wurde seit der Dresdener Ausstellung 1906 in Deutschland auf eine nationale Bahn geleitet und 1907 mit der Gründung des Deutschen Werkbundes organisatorisch straff gefaßt. Der Werkbund erklärte als sein Ziel: „Die Veredlung der gewerblichen Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handel durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu einschlägigen Fragen." 94

Die Mitglieder — neben Vertretern der Großindustrie und des Handels gehörten ihr fast alle führenden Künstler der Reformbewegung an — suchten die „Großmächte des Wirtschaftslebens" davon zu überzeugen, daß die Kunst neben ihren ästhetischen und sittlichen Werten durchaus auch wirtschaftlich von erheblichem Gewicht sei und daß durch „Veredelung und Durchgeistigung der deutschen Arbeit" die auf dem Weltmarkt gewonnene Position gesichert und ausgebaut werden könne. Besonders Deutschland war wegen seiner geringen Rohstoffquellen ihrer Meinung nach darauf angewiesen, in seinem Konkurrenzkampf mit den anderen kapitalistischen Großmächten das Vorhandene hochgradig zu veredeln und möglichst intelligenzintensiv zu verarbeiten. Deutschland war auf den Weltmarkt vorgedrungen, indem es die Konkurrenz mit billigeren, meist schlechteren Waren unterlaufen hatte. Nun schienen die Bedingungen herangereift, sie mit „Wertarbeit" herauszufordern. In der Qualitätsarbeit liege, so sagte Muthesius, für Deutschland die mögliche Steigerung seines „nationalen Vermögens".2 Man stehe (1908) nicht mehr vor einer eigentlich kunstgewerblichen Bewegung, sondern vor einer Neugestaltung der gesamten menschlichen Ausdrucksform unter großen einheitlichen Gesichtspunkten.3 Fasziniert von den unerschöpflichen Möglichkeiten einer fortschreitenden Industrialisierung warben die Künstler um Mitspracherecht bei der Gestaltung der Produkte, der Produktionsstätten und der gesamten von den neuen Produktivkräften hervorgebrachten Umwelt. Sie leisteten damit einen historisch bedeutsamen Beitrag zur ästhetischen Gestaltung des industriellen Produkts und zur Lösung der herangereiften gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, geistig kulturelle Entwicklungen unmittelbar in die Produktion zu integrieren. Aber nur wenige begriffen die sozialen Folgen und die tödlichen Gefahren, die eine Stärkung der Industrie unter kapitalistischen Verhältnissen mit sich bringen mußte. Der natürliche Widerspruch zwischen dem kulturellen, ethischen Anliegen der Künstler und den Export- und Profitinteressen der imperialistischen Industrie kam auf indirektem Wege zum Ausbruch, und zwar auf der Werkbundtagung 1914, unmittelbar vor dem Krieg, als Hermann Muthesius im Interesse einer raschen Stärkung des Exports Maßnahmen vorschlug, die den Künstlern Fesseln auferlegt hätten. Es ging um Normierung und Typisierung auf der Grundlage der damaligen Stilentwicklung. Muthesius trug dazu Thesen vor. Gegen sie erhob sich der starke Protest einer Gruppe von Künstlern mit Gropius, Taut, Endeil, van de Velde und Osthaus. Auch Poelzig und Behrens gehörten bedingt dazu. Die Opposition wollte Typisierung nur als Ergebnis eines Reifeprozesses akzeptieren. Sie sprach sich für die Beibehaltung der schöpferischen Freiheit aus. Gropius notierte auf dem Rand des Blattes, auf dem die Thesen abgedruckt waren, Typen seien etwas Unbewußtes, durch gleichen Pulsschlag der Zeit Entstehendes und nicht durch „Willensbetätigung" („schon die Wortbildung!") zu erzwingen.4 Gewiß ist das Problem sehr kompliziert. Die weitere Entwicklung gab Muthesius recht. Die Typisierung war bei der rasch fortschreitenden Industrialisierung nicht zu umgehen. Aber Typisierung kann verschieden motiviert sein und mehrere Ziele verfolgen. Durch die Typisierung, wie sie die Künstler verstanden, sollten die besten 95

Lösungen ermittelt und hohe ästhetische Werte und Qualitätsnormen allgemein gemacht werden. Für die Industrie standen andere Gesichtspunkte im Vordergrund.: Schon der ökonomische Zwang zur rationellen Produktion verlangte die Einführung von Normen und Standards, ein Prozeß, der vor und besonders im ersten Weltkrieg forciert wurde. Zum anderen setzte im Bereich der Konsumgüterindustrie die Eroberung des Marktes typische Formen voraus, die den Durchschnittsgeschmack der Konsumenten trafen. In diesem Falle wird das zum „Typ", was am meisten gefragt ist, bezieht sich auf einen bereits festgelegten Bedarf, hemmt den kulturellen Fortschritt und „zementiert den Status quo" (Bonsiepe). Eine solche Fehlentwicklung befürchtete die oppositionelle Künstlergruppe 1914. Herrmann Obrist, der viele der Werke auf der Ausstellung als pseudobarock,: pseudoklassizistisch, pseudobiedermeierlich charakterisierte, warnte eindringlich vor einer solchen Gefahr: „Unser Volk", sagte er, „stemmt sich ja wirklich gar nicht gegen den großen Fortschritt. Der Wind jedoch, der die Fackelflamme treibt, der Wind, der weht von hinten. Er ist reaktionär."5 Die eigentlichen Wurzeln des Konfliktes lagen in der sozialen Bestimmung der Arbeit. Van de Velde, der zum Sprecher der Künstleropposition ernannt worden war und Gegenthesen formulierte, hatte auf der Werkbundtagung 1908 die aufschlußreichen, den widerspruchsvollen: Charakter des Fortschritts aufdeckenden Worte geäußert, sie, die Künstler, hätten von Anfang an versichert, daß sie sich der Industrie und der maschinellen Fabrikation anpassen würden, aber sie wären Toren, wenn sie sich durch ihre Angst, rückständig zu bleiben, zu Handlungsweisen verleiten ließen, bei der die „Moral des Gegenstandes" einer Umwandlung geopfert würde, die doch nur in der „Vergrößerung des Gewinns der Industriellen" gipfle.6 Auch 1914 empfanden die Künstler Muthesius' Vorstoß als Versuch, sie dem Diktat der Industrie zu unterwerfen, ihre gleichberechtigte Mitarbeit zu torpedieren und die freie Entwicklung der künstlerischen Form und der Architektur durch vorzeitige Kanonisierung zu erdrosseln. Der Protest der Künstler brachte die Thesen zu Fall. Die Leitung des Werkbundes aber veröffentlichte im „Berliner Tageblatt" eine Notiz, wonach Muthesius sie in vollem Umfang aufrechterhalte. Man versuchte, eine van-de-Velde-Gruppe zu konstruieren und deren Mitglieder als Individualisten abzustempeln. Gropius schrieb dazu, es liege auf der Hand, daß diese Notiz darauf hinauslaufe, van de Velde und seine Gesinnungsgenossen, von denen man Behrens und andere gegen ihren Willen zunächst öffentlich abgespalten habe, als Nörgler und gefährliche Individualisten zu brandmarken. Jedenfalls, „das Publikum versteht es so, und wer diese Sätze geschrieben hat, versteht sich aufs Publikum." 7 Tatsächlich werden sie bis heute so verstanden, weil die Scheu, den Werkbund zu sprengen, die Künstler von dem Äußersten zurückhielt, weil Muthesius von „einflußreichen Hintermännern" gestützt wurde, und weil schließlich der Ausbruch des Krieges die in privater Korrespondenz geführte Vorbereitung einer Gegenaktion abbrach. Die Kontroversen auf der Kölner Tagung bewiesen, daß in der Zusammenarbeit zwischen den Künstlern und der Industrie erheblicher politischer Konfliktstoff enthalten war. Nach dem Kriege hatten sich die Spannungen noch verschärft. 96

Man erkannte, daß das Werkbundschaffen „nur allzu wohlgefällig im Fahrwasser des Opportunismus und der offiziellen Vertretung" geschwommen war. Die ursprüngliche Sorge der Künstler um gleichberechtigte Mitarbeit war umgeschlagen in Feindschaft gegen jegliche imperialistische Tendenz und gegen den „Händler" als dem kleinbürgerlichen Symbol für Kapitalisten. Obwohl das Bauhaus die Aufgaben aufgriff, die auch der Werkbund verfolgt hatte, und obwohl Gropius stark in der Tradition des Werkbundes stand, bedeuteten doch dessen Programme für den Anfang und für die ersten Jahre des Bauhauses wenig. Wenn damals einige Künstler dem Bauhaus mißtrauten (J. Molzahn, H. Waiden) und vom „werkbündlerischen Bauhaus" sprachen, so urteilten sie falsch. Was aus dem Gedankengut des Werkbundes weiterwirkte und unterschwellig das Bauhausprogramm mitbestimmte, war die sachliche Aufgabe, Folgerungen aus der technischindustriellen Entwicklung für die künstlerische Arbeit zu ziehen. Die politischen Motive der Werkbundleitung in der Vorkriegszeit, den Bund zu einer exportsteigernden Organisation zu machen und die Künstler kapitalistischen Privatinteressen zu unterwerfen, waren in Verruf geraten, ja drohten nun, ihn als Institution aufzuheben. Seine Krise von 1914 hatte zu einer inneren Spaltung geführt. Junge progressive Kräfte stellten ihn in Frage und wollten ihn grundsätzlich erneuern. Auf der Werkbundtagung im September 1919 in Stuttgart, auf der Gropius nach eigenen Worten als „großer Bombenschmeißer" auftrat, gelang es, einige Vertreter des rechten Flügels aus dem Vorstand zu drängen und fortschrittliche Künstler hineinzunehmen, unter anderem Bruno Taut, der in den ersten Jahren nach der Revolution mit seiner Aktivität den Arbeitsrat für Kunst trug. Gropius zählte in einem Brief vom September 1919 an Behne zum linken Flügel unter anderen Taut, Osthaus, van de Velde, Bartning und sich selbst (Dok. 13). Mit Poelzig als Vorsitzenden hoffte die Werkbundopposition, das Übergewicht innerhalb des Bundes gegen die Rechte mit Behrens, Bruckmann und Karl Schmidt zu gewinnen und dessen weitere Entwicklung lenken zu können. Diese Pläne blieben in den Anfängen stecken. Die jungen Leute, und wiederum vor allem Taut, der schon der Stuttgarter Tagung aus Protest ferngeblieben war, brachten nicht die Besonnenheit und die Ausdauer auf, mit einem solchen institutionellen Apparat systematisch zu arbeiten und ihn allmählich auf eine neue Position zu steuern. Tauts Absicht, den Werkbund in eine Künstlervereinigung umzuwandeln, ging von dem Bestreben aus, damit die Industrievertreter und „Händler" hinauszudrängen. Das wäre kein Ausweg gewesen, weil damit der Bund seinen Einfluß auf die Wirtschaft ganz verloren hätte. Der Druck solcher Stimmen begünstigte Poelzigs neutrales, verwaschenes Programm, der Werkbund solle „künftig ohne alle wirtschaftlichen Erwägungen dem Willen der Form und der Förderung der künstlerischen Qualität dienen", ein Programm, das im Bestreben, die Widersprüche auszugleichen, den Bund aktionsunfähig machte. Am ehesten traf wohl noch Adolf Behne den Kern der Sache: Wenn der Werkbund Künstler zur sogenannten praktischen Arbeit in technischen, industriellen und kaufmännischen Angelegenheiten benutze, so erreiche er nichts als eine besser lackierte Oberfläche der täglichen Umgebung. An den bestehenden Zuständen der Tiefe 7

Hüter

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wolle er ja auch gar nichts ändern. Der Werkbund erkenne die Basis der Kulturlosigkeit (womit das ökonomische und soziale System gemeint war) ausdrücklich als vernünftig an, so daß letzten Endes die Künstler, statt sie zur Arbeit an unserer Kultur zu bewegen, nur härter noch zu Sklaven der bestehenden Misere heruntergedrückt würden. Die Hoffnung auf die moderne Reformarbeit sei deshalb ganz eitel. Gropius kämpfte lange für eine Verständigung. Noch im Dezember 1919 bat er Behne, den Werkbund vorläufig nicht anzugreifen. 1921 jedoch sah er sich gezwungen, aus Protest gegen Manipulationen um die Münchner Gewerbeschau aus dem Vorstand auszutreten. 8 Er blieb aber weiterhin in Verbindung mit dem Bund. Dessen Fürsprache wurde sogar einer der wichtigsten Aktivposten im Existenzkampf des Bauhauses, wie ja der Werkbund im ganzen während der späteren zwanziger Jahre wieder eine positivere Rolle spielte und Sammelpunkt derjenigen Kräfte blieb, die den technischen und künstlerischen Fortschritt in der Industrieform und Architektur förderten.

Der Handwerksbegriff am Bauhaus Gropius' Ansprüche an die in der Praxis erreichbaren Ziele hielten sich nach der Gründung des Bauhauses, trotz der umfassenden Gesamtkonzeption, zunächst noch in einem bescheidenen provinziellen Rahmen. In seiner Rede vor den Studierenden im Juli 1919 stellte er den Malern unter ihnen einen „Kursus beim Dekorationsmaler" und den Bildhauern einen „praktischen Betrieb" in Aussicht. Innerhalb des hochtönenden Bauhausprogramms muten solche Ziele seltsam spärlich an. Es ging einfach darum, die Studierenden, die durch die wirtschaftliche Katastrophe den Boden verloren hatten, wieder auf festen Grund zu stellen. Das Problem stand für die Künstler und Kunststudenten überall im damaligen Reichsgebiet ähnlich. Kurt Eisner (USPD), Ministerpräsident der bayrischen Räterepublik, hatte kurz vorher die Rückkehr der Künstler in ihr Handwerk — also zum Beispiel der Bildhauer in die Steinmetzwerkstatt — empfohlen, damit sie nicht mehr wie Bettler abhängig wären von den Launen der kunstsammelnden Bourgeoisie. Der Ausbildungsweg für die künstlerischen Berufe sollte durch ein Handwerk hindurchführen, damit „die auf der Strecke gebliebenen" nicht zu „nutzlosen Drohnen" werden, sondern als tüchtige handwerkliche Qualitätsarbeiter für die Gesellschaft nützliche Arbeit leisten könnten. In der Ansprache 1919 sagte Gropius: „Die nächsten Jahre werden es zeigen, daß das Handwerk für uns Künstler eine Rettung wird. Wir werden nicht mehr neben dem Handwerk, sondern im Handwerk stehen, da wir verdienen müssen." (Dok. 11) Es lag also ein unmittelbar materieller Druck vor. Der wirtschaftliche Verschleiß durch den Krieg zwang solche Berufe, die nur von einem gewissen gesellschaftlichen Überfluß (im Kapitalismus vom Profit der herrschenden Klasse) leben konnten, dazu, sich nach dem nächstliegenden Broterwerb umzusehen. Diese Sorge hatte 98

wolle er ja auch gar nichts ändern. Der Werkbund erkenne die Basis der Kulturlosigkeit (womit das ökonomische und soziale System gemeint war) ausdrücklich als vernünftig an, so daß letzten Endes die Künstler, statt sie zur Arbeit an unserer Kultur zu bewegen, nur härter noch zu Sklaven der bestehenden Misere heruntergedrückt würden. Die Hoffnung auf die moderne Reformarbeit sei deshalb ganz eitel. Gropius kämpfte lange für eine Verständigung. Noch im Dezember 1919 bat er Behne, den Werkbund vorläufig nicht anzugreifen. 1921 jedoch sah er sich gezwungen, aus Protest gegen Manipulationen um die Münchner Gewerbeschau aus dem Vorstand auszutreten. 8 Er blieb aber weiterhin in Verbindung mit dem Bund. Dessen Fürsprache wurde sogar einer der wichtigsten Aktivposten im Existenzkampf des Bauhauses, wie ja der Werkbund im ganzen während der späteren zwanziger Jahre wieder eine positivere Rolle spielte und Sammelpunkt derjenigen Kräfte blieb, die den technischen und künstlerischen Fortschritt in der Industrieform und Architektur förderten.

Der Handwerksbegriff am Bauhaus Gropius' Ansprüche an die in der Praxis erreichbaren Ziele hielten sich nach der Gründung des Bauhauses, trotz der umfassenden Gesamtkonzeption, zunächst noch in einem bescheidenen provinziellen Rahmen. In seiner Rede vor den Studierenden im Juli 1919 stellte er den Malern unter ihnen einen „Kursus beim Dekorationsmaler" und den Bildhauern einen „praktischen Betrieb" in Aussicht. Innerhalb des hochtönenden Bauhausprogramms muten solche Ziele seltsam spärlich an. Es ging einfach darum, die Studierenden, die durch die wirtschaftliche Katastrophe den Boden verloren hatten, wieder auf festen Grund zu stellen. Das Problem stand für die Künstler und Kunststudenten überall im damaligen Reichsgebiet ähnlich. Kurt Eisner (USPD), Ministerpräsident der bayrischen Räterepublik, hatte kurz vorher die Rückkehr der Künstler in ihr Handwerk — also zum Beispiel der Bildhauer in die Steinmetzwerkstatt — empfohlen, damit sie nicht mehr wie Bettler abhängig wären von den Launen der kunstsammelnden Bourgeoisie. Der Ausbildungsweg für die künstlerischen Berufe sollte durch ein Handwerk hindurchführen, damit „die auf der Strecke gebliebenen" nicht zu „nutzlosen Drohnen" werden, sondern als tüchtige handwerkliche Qualitätsarbeiter für die Gesellschaft nützliche Arbeit leisten könnten. In der Ansprache 1919 sagte Gropius: „Die nächsten Jahre werden es zeigen, daß das Handwerk für uns Künstler eine Rettung wird. Wir werden nicht mehr neben dem Handwerk, sondern im Handwerk stehen, da wir verdienen müssen." (Dok. 11) Es lag also ein unmittelbar materieller Druck vor. Der wirtschaftliche Verschleiß durch den Krieg zwang solche Berufe, die nur von einem gewissen gesellschaftlichen Überfluß (im Kapitalismus vom Profit der herrschenden Klasse) leben konnten, dazu, sich nach dem nächstliegenden Broterwerb umzusehen. Diese Sorge hatte 98

schon gegen Ende des Krieges die Kunstschulprofessoren und Fachkreise beunruhigt. Die zahllosen Reformvorschläge, die alle das Handwerk betonen, haben darin eine ihrer Wurzeln. Gropius als Architekt brauchte sich nicht betroffen zu fühlen. Er faßte den historischen Zufall als eine notwendige Zwischenstufe auf — als kräftigen Anstoß zum Umbau der künstlerischen Ausbildung überhaupt: Der Künstler ist die Steigerung des Handwerks. Kunst entsteht oberhalb aller Schulmethoden. Das Künstlerische selbst ist nicht erlernbar, sondern nur das Handwerkliche. Nur dies zu lehren, kann infolgedessen Aufgabe der Schule sein. Alles andere ist Persönlichkeitsbildung und Schulung der Sinne. Der Begriff Handwerk gewann bei ihm einen anderen Sinn. Er bezeichnete die körperlich-geistige Ausbildung, das werktätige Erarbeiten von Material- und Werkertahrungen. Im übertragenen Sinne bedeutete er, verkörpert im mittelalterlichen Ideal des Handwerks, echte Werkgesinnung, Arbeit als Dienst für die Aufgaben einer Gemeinschaft. Unter Handwerk wollte Poelzig, und das deckt sich mit Gropius' Auffassung, in seiner Antrittsrede als Vorsitzender des Werkbundes am 6. September 1919 „etwas ganz und gar Geistiges verstanden wissen, eine seelische Grundstimmung, nicht die technische Vollendung in irgendeinem gewerblichen Zweig. Wenn wir also vom Handwerk reden, so meinen wir einen geistigen, einen ethischen Begriff ... Damit rücken wir ab von jeder Art Industrialismus" und der „alles beherrschenden Rücksicht auf die wirtschaftliche Ausnutzung".9 Der Begriff Handwerk enthielt im Umkreis von Bauhaus, Arbeitsrat für Kunst und linken Flügel des Werkbundes eine Antithese zum Industrialismus. Gerade daraus kam seine agitatorische Kraft. Man sprach vom „fruchtbaren Mißerfolg des exportwütigen Jahrzehnts", von der „Verderblichkeit des Kompromisses zwischen Künstlern und Industriellen" vor dem ersten Weltkrieg. „Die Triumphe von Industrie und Technik vor dem Krieg und deren Orgien im Zeichen der Vernichtung währenddessen riefen eine leidenschaftliche Romantik wach, die flammender Protest war gegen Materialismus und Mechanismus von Kunst und Leben." Das was man erstrebte, der neue aufbauende Gemeinschaftsgeist, die soziale Verankerung und die echte Werkgesinnung, war nicht im Bunde mit der profitsüchtigen Industrie zu erreichen, im Gegenteil, man beklagte, daß sie mit ihrer arbeitsteiligen Methode die Werkgesinnung abgetötet habe. Das Bauhaus wollte „an Stelle des Prinzips der Arbeitsteilung wieder auf eine Einheitsarbeit hinstreben, die den schöpferischen Gestaltungsvorgang als unteilbares Ganzes auffaßt". Gropius sagte, man müsse der jungen Generation das Gefühl für eine miteinander verwobene Werk- und Formarbeit wiedergeben, Durchbildung aller im Handwerk sollte als einheitliche Grundlage dienen (Satzungen 1921). „Das Handwerk und nochmals das Handwerk ... Alle großen Kunst-Epochen brachten ihre Werke hervor mit Hilfe eines souverän beherrschten Handwerks. Bringen wir das nicht wieder zurück, so kann es keine großen Gestalter, keine Architekten, keine Baukunst mehr geben" (Dok. 43 u. 12). Moholy bestätigte, daß die Einstellung auf die allseitige Ausbildung des Menschen, 7*

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auf den „totalen Menschen", die handwerkliche Ausbildung begründe, weil der Studierende „auf diesem technisch einfachen überschaubaren Niveau den ganzen Gegenstand vom Anfang bis zum Ende wachsen sehe und das Erlebnis eines organischen Ganzen" habe. Der handwerkliche Unterricht sei damit ein „Erziehungsfaktor". 1 « Einige Studierende faßten den Handwerksbegriff noch eindeutiger sozial. In ihrer Zeitschrift „Austausch" schrieb Auerbach, an Gropius gerichtet, es sei von großer Bedeutung, was er über „ihr Verhältnis zum Handwerker" sage. „Ist es doch höchste Zeit, daß wir alle Schranken zwischen uns und der Klasse, der nun einmal die Zukunft gehört, niederreißen. Sonst wird es unser Schicksal sein, abseits von wahrer Lebenskraft und Kultur, links (oder rechts?) liegen zu bleiben, wie etwa jene, die damals, als die politische und kulturelle Macht von der Aristokratie auf die Bourgeoisie überging, den Fortschritt der Weltgeschichte zu leugnen versuchten, und in alten Formen erstarrten." 11 Mit „Handwerker" wird hier, wie zuweilen im 19. Jahrhundert der Handarbeiter, der Werktätige bezeichnet. Selbst hinsichtlich des Programms der Sowjetregierung sprach man in den Werkbundmitteilungen davon, daß dort nur noch zwischen „Handwerker und Spezialisten" unterschieden werde. Auch bei Gropius schwingt gelegentlich dieser Sinngehalt mit: „Bilden wir also eine neue Zunft der Handwerker ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte" (Dok. 8). Eine genauere Definition bringt er nirgendwo. Kurz zusammengefaßt ergibt sich für den Handwerksbegriff am Bauhaus folgendes: Gropius' Ziel war nicht auf das Handwerk als betriebswirtschaftliche Organisation oder als Berufsstand ausgerichtet. Der Begriff Handwerk galt in erster Linie als ethische Haltung zur Arbeit, etwa im Sinne von Ruskins „Arbeitsfreude" als innere Anteilnahme am Werk, wo Arbeit nicht Selbstentäußerung, sondern Selbstbestätigung ist. Im Dienste einer schulischen Erziehung verkörperte er zweitens ein pädagogisches Prinzip, also Erziehung durch Arbeit. Drittens enthielt er Aspekte eines sozialen Engagements, die Erkenntnis, daß die künstlerische Intelligenz zur Werktätigkeit gehört und nicht zur Ausbeuterklasse. Dieses Handwerksideal hat nichts zu tun mit dem kleinbürgerlichen, neoromantischen Bauhüttenideal eines Schultze-Naumburg, der das Handwerk als Berufsstand durch Pflege handwerklicher Baumethoden (Steildach, Schieferdeckung, Werkstein^ mauern) wieder in den Mittelpunkt der Baukultur stellen wollte. Zweifellos hat Gropius auch in den ersten Jahren des Bauhauses nicht seine frühere Überzegung von der volkswirtschaftlichen Bedeutung der Industrie vergessen. Sie klingen immer wieder durch. Im Programm der Schule jedoch blieben sie unerwähnt. Er mußte vermeiden, die Handwerkerkreise vor der Zeit zu reizen. Vor allem aber scheint er durch die damals in der Jugend verbreitete Stimmung gegen den „Industrialismus" zu einer solchen Haltung verleitet worden zu sein. Erst zwei bis drei Jahre später wurde die Bedeutung der Maschine und der industriellen Produktion für eine konsequente Produkt- und Umweltgestaltung wieder voll berücksichtigt. E s wurde klar, daß das Handwerk, das als Gesamtheit zur einfachen Warenproduktion 100

gehört, wegen des gering entwickelten Standes seiner Technik nicht Leitbild für eine moderne Schule sein durfte. Im sozialpolitischen Sinne war das Handwerk ein Überbleibsel aus einer früheren gesellschaftlichen Periode. Einzelne Gruppen hatten sich aus dem Untergang im Wettkampf mit der Industrie heraushalten und als „Edelhandwerker", als Kunstgewerbler, absondern können. Ihren Aufgabenbereich fanden sie in der Deckung exklusiver Bedürfnisse. Das Massenprodukt kam aus der Industrie. Angesichts dieser besonderen historischen Konstellation mag Gropius' Haltung 1919 verständlich erscheinen. Dennoch war es falsch, das Bauhaus anfangs so einseitig auf das Handwerk zu orientieren, ohne diesen Schritt als eine taktische Übergangslösung zu erklären oder den offensichtlich vorhandenen anderen Inhalt des Handwerksbegriffes genauer zu bestimmen. Gropius hat die Verantwortung für das erste Programm stets voll auf sich genommen, konnte aber den Vorwürfen nichts anderes als den Hinweis auf die Atmosphäre der Nachkriegsjahre entgegenhalten. In gewisser Weise war ja das Handwerkerideal kulturgeschichtlich auch eine Parallele zum Expressionismus, denn das Handwerk, aufgefaßt als „mit der Hand schaffen", schloß das Ornamentale im gewerblichen Gerät und in der Architektur ein. Dafür gibt es, von dem bekannten romantischen Stuhl Breuers bis zum mit reichem Schnitzwerk ausgestatteten Haus Sommerfeld, zahlreiche Beispiele. Gropius' Werben um die Handwerker hielt bis ins Jahr 1921 an. Es sei, so schrieb er an einen Handwerksmeister, für ihn eine besondere Freude, wenn gerade Handwerker mit Hoffnung auf die Arbeit des Bauhauses blickten, denn nur auf diese Weise sei allmählich eine enge Verbindung zwischen Kunst und Handwerk wirklich zu erreichen. Es wachse bei den jungen Menschen die Einsicht, „daß das Handwerk an sich und die Menschen, die es ausüben, nicht eine andere Kaste sind als (die) Künstler, sondern daß sie zusammengehören."12 Bei einer solchen Idealisierung des Handwerks und des Handwerklichen verwundert es zunächst, daß sich die Handwerker in keiner Weise angesprochen fühlten, sondern im Gegenteil aus ihren Reihen wesentlich die wachsende feindliche Front formierten. In einem Regierungsbericht (12. November 1924) heißt es, das thüringische Handwerk verhalte sich völlig ablehnend, und das sei für die Regierung sehr maßgebend. Die Handwerkerinnungen und als oberstes Gremium der Mitteldeutsche Handwerkerverband, der parlamentarisch von der Deutschnationalen Volkspartei und zum Teil auch von der Deutschen Volkspartei mit vertreten wurde, haben niemals einen Hehl aus ihrer feindlichen Gesinnung gemacht. E s handelte sich also keineswegs nur um die kleinbürgerliche Borniertheit einiger Handwerker — der Schlossermeister Arno Müller, der bei der Veröffentlichung der „Gelben Broschüre" nur Strohmann war, ist von der Bauhausliteratur als Prototyp der banausischen Bauhausantagonisten herausgestellt worden, in Unkenntnis der wahren Hintermänner. Der Vorsitzende der Handwerkskammer Thüringens, Rudolf Alander (DVP), und offenkundiger später noch der Syndikus der Handwerkskammer Sachsen-Anhalt, Dr. Seiß, haben die politische Macht ihres Verbandes gegen das Bauhaus eingesetzt. Der Präsident der Weimarer Handwerkskammer und Abgeordneter der Deutschnationalen, Linkmann, forderte im Ausschuß des Landtages unversöhnlich die 101

Beseitigung von Gropius. Gropius müsse unbedingt gehen, dann werde seine Partei auch die Mittel genehmigen. Das Bauhaus unter der Leitung von Gropius wirke auf ihn wie ein rotes Tuch.13 Als Argument führte das Handwerk an, die Werkstätten des Bauhauses seien ihm eine von staatlichen Steuergeldern unterstützte Konkurrenz. Schon bei van de Velde hatte es anfangs diese Befürchtung gegeben, ohne daß sie sich bestätigte. Die Arbeit van de Veldes war den Handwerkern im Gegenteil ökonomisch gut bekommen. Gropius' Bemühen, das Bauhaus durch wirtschaftliche Auswertung der Werkstattarbeiten finanziell zu stärken und den meist mittellosen Schülern eine Erwerbsquelle zu verschaffen, verklagten sie, da dies in einer öffentlich finanzierten Schule geschah, als „unlauteren Wettbewerb". Im Verhältnis zu dem Millionenumsatz des thüringischen Handwerks war der Verkaufserlös des Bauhauses ein belangloser Betrag. Gegenseitig beschuldigte man sich der mangelnden Kontaktnahme. „Das aber ist Tatsache, daß das Bauhaus abseits vom Handwerk steht und damit auch restlos abseits der lebendigen Wirtschaft", schrieb der Mitteldeutsche Handwerkerverband im Februar 1923 in der „Mitteldeutschen Zeitung". Er unterstrich seine Meinung mit dem Hinweis auf die Anzahl der Arbeitskräfte im Handwerk (ein Drittel der Gesamtbeschäitigten). Insbesondere sei das Handwrk in den Gewerbegruppen, deren Ausbildung sich das Bauhaus angelegen sein lasse, nahezu allein herrschend. Deshalb werde das Bauhaus, solange es sich nicht in die Aufgaben des Handwerks eingliedere, seine Schüler nicht für das Leben reif machen können. Das Bauhaus andererseits erldärte (April 1924): „Die Betätigung unserer Werkstätten könnte überhaupt, wenn nicht die dauernde Brunnenvergiftung jeden fruchtbaren Kontakt zwischen uns und dem Weimarer Handwerk verhinderte, für beide Teile sehr segensreich und belebend wirken."14 Echte Gründe wurden im Geplänkel kaum angeführt. Und doch gab es solche. Man war sich zum Beispiel in den Handwerkerkreisen besonders in den späteren Jahren durchaus der Auswirkungen bewußt, die die sachliche Gestaltungsweise, sollte sie sich allgemein durchsetzen, mit sich bringen würde. Ein Dessauer Handwerker schrieb nach Besichtigung des Bauhauses Weimar, die dort gefertigten Gegenstände, vor allem Möbel, seien nicht für das Handwerk geeignet. Sie seien „Fabrikware". Bei einem solchen Stil würde das Handwerk wieder beschäftigungslos werden wie nach der Brüsseler Weltausstellung 1910. Damals war als Ergebnis der ersten Phase der Sachlichkeit ein schlichtes, auf maschinelle Fertigung hin entworfenes Brettmöbel aufgekommen. Der Handwerker stellte fest: „Die schmückenden Gewerbe haben aufgeatmet, als diese Periode vorüber war, und sehnen sich nicht nach einer neuen solchen."16 Das Handwerk befürchtete eine Schädigung seiner Interessen durch Typisierung. Selbst gegen die von ihm mit etablierte Nachfolgeschule unter Bartning mußte es sich schließlich aus den gleichen Gründen wenden (siehe S. 53). Andere Motive für die nahezu geschlossene Gegnerschaft sind in der politischen Linksorientierung der Bauhäusler zu suchen. Keiner der alten monarchistisch gesonnenen Haus- und Hoflieferanten hätte es über sich gebracht, in aller Öffentlichkeit mit dem als rot verschrienen Bauhaus Verbindung aufzunehmen. Wo es dennoch 102

zu einem gegenseitigen Verständnis kam, handelte es sich um demokratisch-liberale oder sozialdemokratische Leute, wie bei den Abgeordneten Neumann und Leutert (SPD), die als Handwerker Gropius auch im Parlament verteidigten. Die unter dem Handwerksideal stehende Anfangsphase des Bauhauses reichte bis gegen Ende des Jahres 1921. Von da an wurde das Handwerk von Gropius immer mehr als Mittel zum Zweck, als pädagogische Methode interpretiert und rückwirkend auch für die Anfangsjahre gerechtfertigt.

Bauhaus und Industrie Die fortschreitende Restaurierung des Kapitalismus in den Jahren 1920/21 zwang das Bauhaus zu einem grundsätzlichen Umdenken. Gropius wies ihm den Weg zur Auseinandersetzung mit den bestehenden Wirtschaftsmächten. Im Herbst 1921 begann die Schule, Verbindung mit Wirtschaftskreisen zu suchen. Gleichzeitig setzte ein Klärungsprozeß der Begriffe Handwerk und Industrie ein. Erste Anzeichen dafür finden sich in Gropius* Notizen zum Thema „Die Notwendigkeit der Auftragsarbeit für das Bauhaus" vom Dezember 1921: „Das Bauhaus in seiner jetzigen Form steht oder fällt mit der Bejahung oder Verneinung der Auftragsnotwendigkeit. Ich würde es für einen Fehler ansehen, wenn sich das Bauhaus nicht mit der realen Welt auseinandersetzte und sich als isoliertes Gebilde betrachtete."16 Es bestehe die Gefahr der Eigenbrötelei, wenn das Bauhaus den Kontakt mit der übrigen Welt und ihrer Arbeitsart verliere. Schlemmer kommentiert dies mit einer Tagebuchaufzeichnung vom 7. Dezember: „Gropius aber sagt, daß wir uns nicht abseits des Lebens und der Wirklichkeit stellen dürfen (Gefahr bei Itten). Gropius will den lebens- und arbeitstüchtigen Menschen, der in der Reibung mit der Wirklichkeit und in der Praxis reift!" (Dok. 42). Bei einer Meisterratssitzung im gleichen Monat hatte der damals stärkste Kontrahent von Gropius, Johannes Itten, die Alternativfrage aufgeworfen: entweder in vollkommenem Gegensatz zur wirtschaftlichen Außenwelt individuelle Einzelarbeit leisten (die nur handwerkliche Arbeit sein könnte), wie bisher, oder die Fühlung mit der Industrie suchen. Gropius antwortete darauf am 3. Februar 1922: „Ich suche die Einheit in der Verbindung, nicht in der Trennung dieser Lebensformen." Später erklärte er genauer: Sowohl „ein gut gebautes Automobil, ein Flugzeug, eine Maschine" als auch ein „von schöpferischer Hand schön geformtes Einzelkunstwerk" kann von uns bejaht werden (Dok. 43). E r stellte die These auf, daß ein immanenter Prozeß der Annäherung zwischen Kunst und Industrie vor sich gehe: „Die Industrie bemüht sich seit einiger Zeit, schöpferische Kräfte zurück zu gewinnen, die die Formen ihrer Erzeugnisse entwickeln sollen (Deutscher Werkbund). Auf der anderen Seite beginnt die Auseinandersetzung der jungen Künstler mit den Erscheinungen der Industrie und der Maschine. Sie gehen auf die Gestaltung ... der ,zwecklosen' Maschine aus". Gropius begreift beide Erscheinungen als zwei Seiten eines Prozesses, der ästhetischen An103

zu einem gegenseitigen Verständnis kam, handelte es sich um demokratisch-liberale oder sozialdemokratische Leute, wie bei den Abgeordneten Neumann und Leutert (SPD), die als Handwerker Gropius auch im Parlament verteidigten. Die unter dem Handwerksideal stehende Anfangsphase des Bauhauses reichte bis gegen Ende des Jahres 1921. Von da an wurde das Handwerk von Gropius immer mehr als Mittel zum Zweck, als pädagogische Methode interpretiert und rückwirkend auch für die Anfangsjahre gerechtfertigt.

Bauhaus und Industrie Die fortschreitende Restaurierung des Kapitalismus in den Jahren 1920/21 zwang das Bauhaus zu einem grundsätzlichen Umdenken. Gropius wies ihm den Weg zur Auseinandersetzung mit den bestehenden Wirtschaftsmächten. Im Herbst 1921 begann die Schule, Verbindung mit Wirtschaftskreisen zu suchen. Gleichzeitig setzte ein Klärungsprozeß der Begriffe Handwerk und Industrie ein. Erste Anzeichen dafür finden sich in Gropius* Notizen zum Thema „Die Notwendigkeit der Auftragsarbeit für das Bauhaus" vom Dezember 1921: „Das Bauhaus in seiner jetzigen Form steht oder fällt mit der Bejahung oder Verneinung der Auftragsnotwendigkeit. Ich würde es für einen Fehler ansehen, wenn sich das Bauhaus nicht mit der realen Welt auseinandersetzte und sich als isoliertes Gebilde betrachtete."16 Es bestehe die Gefahr der Eigenbrötelei, wenn das Bauhaus den Kontakt mit der übrigen Welt und ihrer Arbeitsart verliere. Schlemmer kommentiert dies mit einer Tagebuchaufzeichnung vom 7. Dezember: „Gropius aber sagt, daß wir uns nicht abseits des Lebens und der Wirklichkeit stellen dürfen (Gefahr bei Itten). Gropius will den lebens- und arbeitstüchtigen Menschen, der in der Reibung mit der Wirklichkeit und in der Praxis reift!" (Dok. 42). Bei einer Meisterratssitzung im gleichen Monat hatte der damals stärkste Kontrahent von Gropius, Johannes Itten, die Alternativfrage aufgeworfen: entweder in vollkommenem Gegensatz zur wirtschaftlichen Außenwelt individuelle Einzelarbeit leisten (die nur handwerkliche Arbeit sein könnte), wie bisher, oder die Fühlung mit der Industrie suchen. Gropius antwortete darauf am 3. Februar 1922: „Ich suche die Einheit in der Verbindung, nicht in der Trennung dieser Lebensformen." Später erklärte er genauer: Sowohl „ein gut gebautes Automobil, ein Flugzeug, eine Maschine" als auch ein „von schöpferischer Hand schön geformtes Einzelkunstwerk" kann von uns bejaht werden (Dok. 43). E r stellte die These auf, daß ein immanenter Prozeß der Annäherung zwischen Kunst und Industrie vor sich gehe: „Die Industrie bemüht sich seit einiger Zeit, schöpferische Kräfte zurück zu gewinnen, die die Formen ihrer Erzeugnisse entwickeln sollen (Deutscher Werkbund). Auf der anderen Seite beginnt die Auseinandersetzung der jungen Künstler mit den Erscheinungen der Industrie und der Maschine. Sie gehen auf die Gestaltung ... der ,zwecklosen' Maschine aus". Gropius begreift beide Erscheinungen als zwei Seiten eines Prozesses, der ästhetischen An103

eignung und der menschlichen Bewältigung der modernen Welt der Technik. Auch das richtige Handwerk müsse erst wieder erlernt werden, um den Jungen den ganzen Entwicklungsverlauf der wesentlichen Gestaltungstätigkeit richtig begreifbar zu machen. Die Ablehnung der Maschine und der Industrie sei (bei einer solchen Sicht des Handwerks) damit keineswegs verknüpft. Es war taktisch klug, die Handwerksidee des Anfangs nicht einfach über Bord zu werfen, sondern ihr eine andere Bedeutung zu unterlegen. Damit machte Gropius sich den Weg zur Industrie frei, ohne seine bisherige Haltung entscheidend revidieren zu müssen. Der Unterschied zwischen Handwerk und Industrie wurde exakt definiert. Er liege weniger in der Verschiedenheit der Produktionswerkzeuge, als vielmehr in der Arbeitsteilung der Industrie gegenüber der ungeteilten Kontrolle des gesamten Arbeitsvorganges im Handwerk. „Diese Einstellung sieht die Maschine nicht mehr als ein rein wirtschaftliches Mittel, durch das möglichst viele Handwerker eingespart und aus dem Markt geworfen werden, oder als ein Instrument zur Imitation des Handwerks, sondern vielmehr als ein Instrument, das dem Menschen schwerste körperliche Arbeit abnehmen und der Potenzierung seiner Hand zur Gestaltung seiner schöpferischen Impulse dienen soll."17 Die zwangsläufige Beschränkung der persönlichen Anteilnahme an der Arbeitsleistung müsse kompensiert werden durch eine andere Einstellung zur Arbeit, durch die Entwicklung einer „kollektiven Arbeitsform", die eine größere Gesamtleistung garantiere als die „autokratische Arbeit des einzelnen Individuums". Das ist ein wichtiger Gedanke. „Stünde dem schöpferisch Begabten eine Fabrik mit allen ihren Maschinen zur Verfügung, so würde er neue Gebilde schaffen können, die andere wären als die im Handwerk entstandenen" (Dok. 43). Damit gibt Gropius einerseits den prinzipiellen Unterschied des Industrieproduktes gegenüber dem handwerklichen Erzeugnis zu, postuliert aber andererseits eine prinzipielle Gleichartigkeit in dem zur Formfindung notwendigen schöpferischen Akt und infolgedessen auch in der Ausbildung der Gestalter. Ob ein handwerkliches Stück angefertigt oder ein Modell für die industrielle Produktion entwickelt wird, ist dabei eine Frage der Methode, des Instrumentalen, das heißt der schöpferischen Berücksichtigung der andersartigen Fertigungsverfahren. Wie Gropius sagt, bestehe eine Kluft zwischen der Tätigkeit in den Werkstätten und dem gegenwärtigen Stand der Industrie und des Handwerks. Wie sie einmal geschlossen werden könne, bleibe das große „X". Der Kontakt mit der Industrie und der Werkarbeit der Welt könne nur allmählich gefunden werden. Hier zeichnet sich ihm bereits der einzig mögliche Weg ab, eine dem Wesen der maschinellen Produktion angemessene Methode für die Einwirkung gestalterischer Kräfte zu finden: „Es wäre denkbar, daß die Arbeit in den Werkstätten des Bauhauses mehr und mehr zur Schaffung typischer Einzelstücke führen wird" (Dok. 43), von Modellen also, die für eine Massenherstellung durch die Industrie geeignet sind. Die Schüler müßten nur ihre Künstlerallüren fallen lassen und sich entschließen, in die industriellen Werke hineinzugehen und aus ihnen heraus zu wirken. Sie würden mit dem Können, das sie im Bauhaus erworben haben, durchaus in der Lage sein, entscheidenden 104

Einfluß auf bestehende handwerkliche und industrielle Werke zu nehmen." Die so vorgebildeten Gesellen und Meister sollten sich der technischen Gestaltungsprozesse bemächtigen und in Anpassung an deren Forderungen die alten Handwerksformen zu typisch technischen Formen umbilden, die in ihrer Gesamterscheinung den Stempel der Massenherstellung tragen ... und so eine Verkörperung der industriellen Herstellungsverfahren darstellen.18 Die Aufgabe, Kontakt mit der Maschine zu suchen und „produktiv verwertbare Normen", also Typen, zu schaffen, war das Thema der Meisterratssitzungen im September und Oktober 1922 (Dok. 46 ff.). Die Zielstellung in diesem inneren Wandlungsprozeß der Struktur und Arbeitsmethode des Bauhauses bedeutete im Grunde nichts Neues. Sie bestand in Ansätzen in Weimar schon 1881 in der damaligen Zentralstelle für Kunstgewerbe 19 und seit 1901 in van de Veldes kunstgewerblichem Seminar. Sie hatte anderenorts Behrens' Arbeit als künstlerischer Beirat der AEG geleitet und war bestimend geworden für die Gründung des Deutschen Werkbundes. In diesem Gremium hatten ja auch die ersten grundsätzlichen Erörterungen um die Fragen von Normung und Typisierung stattgefunden. Die Typendiskussion auf der Werkbundtagung 1914 bildete über eine Zwischenzeit von fast einem Jahrzehnt hinweg den eigentlichen Auftakt zu der Auseinandersetzung mit diesen Fragen in den zwanziger Jahren. Der Prozeß war auch in dieser Zeit weitergelaufen. Selbst 1919 auf der Werkbundtagung in Stuttgart gab es Stimmen, die warnten, die Jungen möchten sich nicht so entschieden von der Industrie abwenden, weil die wirtschaftliche Entwicklung und damit die Ausdehnung der industriellen Produktion fortschreite und es nach wie vor darauf ankomme, „handwerkliche Gesinnung in die Industrie zu tragen" (Hellwag). In einer Meisterratssitzung am 18. September 1922 sprach Gropius von der Notwendigkeit einer „Fusion" der bisher getrennt stehenden Arbeitskomplexe, des Werklebens vom Handwerker zum Industriellen auf der einen und des freischaffenden phantasiebegabten Künstlers auf der anderen Seite. Es müsse endlich Ernst damit gemacht werden, eine Brücke zwischen beiden Bereichen zu schlagen. Die bisherige Art und Weise, künstlerische Entwürfe an die Industrie zu geben, sei nur eine halbe Maßnahme. Der künstlerisch Schaffende müsse mit dem Werkvorgang selbst innig vertraut sein, damit F o r m u n d T e c h n i k in einem geboren werde. Deshalb benötigen die Versuchswerkstätten mehr als bisher, gleichzeitig im Hinblick auf verwertbare Normen, Kenntnis des technologischen Prozesses, „denn wenn unsere Werkstätten Normen an die Industrie liefern sollen, so müssen diejenigen, die Normen schaffen, von der maschinellen Herstellung eine genaue Kenntnis haben" (Dok. 46). Die Normung im engeren Sinne war im Krieg von der Industrie unter dem Zwange, die Produktion bei möglichster Vereinfachung des Betriebs, bei höchster Ausnutzung der Rohstoffe und der Arbeitskräfte und bei Herabsetzung der Selbstkosten zu steigern, weiter vorangetrieben worden. Im Dezember 1917 hatte sich ein „Normenausschuß der deutschen Industrie" konstituiert. Die „Vereinheitlichungsarbeit" hatte damit eine Leitstelle erhalten. Parallel dazu bestand seit Februar 1918 105

der „Ausschuß für wirtschaftliche Fertigung", der sich die „Spezialisierung und Typisierung" zur Aufgabe gemacht hatte. 20 Unter Normung, damals „Normalierung" genannt, verstand man die „Herausarbeitung einheitlicher Formen für vielfach verwendete Einzelteile", wie sie im Maschinenbau frühzeitig entwickelt worden waren. Typisierung bedeutete dagegen „Vereinheitlichung von Fertigprodukten". Ziel war die „Einführung von Typen für jede Art industrieller Erzeugnisse". Die Betriebe sollten sich jeweils auf wenige Typen beschränken. Daraus erwuchs die „Spezialisierung", nach deren Durchsetzung bestimmte Werke nur solche Spezialtypen produzieren sollten, für die sie besonders geeignet sind. Sie können diese dann laufend vervollkommenen. Voraussetzung aller Spezialisierung und Typisierung war die NORM. Es gab eine Reihe von Arbeitsausschüssen, zusammengesetzt aus Fachleuten, Vertretern der Industrie und Verbrauchern, die die vorbereitende Arbeit leisteten. Selbst für den Bereich Bauwesen war im Sommer 1918 im Rahmen des Normenausschusses der deutschen Industrie ein Arbeitsausschuß gebildet worden, in dem unter anderen Behrens und Muthesius mitarbeiteten. Er sah seine Aufgabe darin, Normen für Türen Fenster, Beschläge und anderes, namentlich für Siedlungen, auszuarbeiten, das Kleinhaus zu normen und lokale Typengrundrisse einzuführen. Gerade hier lag aber der neuralgische Purkt, der die progressiven Kräfte zur Aufehnung brachte. Die Normung und Typisierung bedeutete eine Fixierung der damaligen unausgereiften Konzeption und Form des Hauses und der Siedlung auf längere Zeit. Sie empfanden diese von Sparmaßnahmen ausgehende praktizistische und utilitaristische Denkweise als Hohn auf die großen Perspektiven, die sie durch die Revolution eröffnet glaubten. Adolf Behne hatte für sie alle geschrieben: „Nein, wir können uns nicht daran beteiligen, für unsere Menschen Höhlen und Zellen zu bauen, Massenquartiere und Menschanställe. Wir wären doch nur Werkzeuge der Schmuggler und Ausbeuter." 21 Im Sommer 1921 aber bezeichnete derselbe diese Auffassungen als „Stufe eines romantischen Utopismus", beherrscht von heftiger, gefühlsmäßiger Reaktion gegen den alten Kanon auf allen Gebieten, dem nun gefolgt sei: Kampf gegen allen Utopismus, Bejahung der Zeit, Aufnahme der Verantwortung, selbst im Mietshausbau, wo es gelte, ihn, statt bisher durch die Spekulanten miserabel lösen zu lassen, aufs beste zu lösen.82 ¡-. Gropius glaubte an die Möglichkeit, den notwendigen wirtschaftlichen Prozeß als ein gesamtgesellschaftliches Anliegen durchführen und mit ihm die künstlerischen, das heißt menschlichen Belange verschmelzen zu können: in der Architektur zum Beispiel nicht Sparbauweisen, sondern eine Umprägung der Gesamtstruktur der Architektur, bei der die kleineren Wohneinheiten nicht durch Reduktion bisheriger bürgerlicher Wohnungstypen auf ein spärliches Mindestmaß gewonnen werden, sondern als Zellen in einen höheren neuen Organismus eingehen. Normierung, Typisierung, Standardisierung gingen, so schrieb er später in „Die neue Architektur und das Bauhaus" von einem elementaren volkswirtschaftlichen Impuls aus, die Bedürfnisse der Gemeinschaft durch Verbesserung der Produktionsmethoden mit geringen Kosten und Arbeitsaufwand decken zu können, denn alle Mechanisierung könne „in ihrer letzten Auswirkung nur den einen Sinn haben, das 106

menschliche Individuum von materieller Arbeit zur Befriedigung seiner Lebensbedürfnisse zu entlasten, damit Geist und Hand für die höhere Leistung frei werde". Als anerkannter Typ könne nur gelten, was als „letztes reifstes Ergebnis aus der Summe von vielen Lösungen verschiedener Individuen" entstehe und so zum „formalen Generalnenner einer ganzen Zeit" werde.23 Im Kreise des Bauhauses wurde mit aller Deutlichkeit erkannt, daß das universelle Prinzip der industriellen Produktion eine universelle Gestaltungsstrategie verlangt. Wenn das Bauhaus nach Gropius Worten der „zeitgemäßen Entwicklung der Behausung" dienen wollte, „vom einfachen Hausgerät bis zum fertigen Wohnhaus" so war unerläßlich, „daß Haus und Wohngerät untereinander in sinnvoller Beziehung stehen müssen ... auf formalem, technischem und wirtschaftlichem Gebiete"23*. Bei industrieller Produktionsweise treffen in der Wohnung Produkte vieler Industriezweige zusammen. Das erfordert erstens, daß die Gestalter in diesen verschiedenen Industrien über zahlreiche Typen zu Normen finden, das heißt zu einfachen Größen, die von menschlichen Maßen abgeleitet sind. Als allgemeine Maßordnung müssen sie sodann allgemeine Verbindlichkeit erlangen. Es erfordert zweitens, daß allen Gestaltern solcher Industrieprodukte ein „einheitliches Sprachmittel" zur Verfügung steht und ihre Methodik des Entwerfens gleichgerichtet sein muß. Gropius hoffte, sich mit seinem Institut in die Normenbestrebungen der Industrie einschalten zu können. Kontakte mit dem „Normenausschuß der deutschen Industrie", dem beträchtliche finanzielle Mittel aus Stiftungen der Großindustrie zur Verfügung standen, scheinen jedoch nicht zustande gekommen zu sein. Die Gärung am Bauhaus, deren Beginn zeitlich fixierbar ist mit der Ablösung des expressionistischen Bauhausstempels durch den von Schlemmer entworfenen kubistischen Stempel im Oktober 192124 führte zu heftigen inneren Auseinandersetzungen. Ihr Ergebnis war nicht nur eine neue theoretische Konzeption für die Schule selbst, sondern auch die Formulierung und Klärung wesentlicher Fragen der Zeit. Mit der Übersiedlung nach Dessau war dieser Prozeß abgeschlossen. Die Höhepunkte lagen im Herbst 1922, als die große Bauhausausstellung vorbereitet, und im Herbst 1923, als sie ausgewertet wurde. Seine Vorstellungen über das Zusammenwirken von Künstler und Wirtschaft legte Gropius am 15. Februar 1923 in einem öffentlichen Vortrag in Weimar dar. Er sprach klar aus, daß das „Handwerk als höherer Kulturfaktor" seinem sicheren Ende entgegengehe. Das Handwerk als Stand sei dazu verurteilt unterzugehen. Aus dem ehemaligen Handwerker als dem Beherrscher der Wirtschaft sei mehr oder minder ein Verkäufer geworden, aus seiner Werkstatt ein Laden. Die handwerkliche Tätigkeit müsse sich in der kommenden Zeit wandeln, „in dem Sinne, daß das Handwerk mehr und mehr die spekulative Versuchs- und Normarbeit für die Industrie leisten wird, daß eine innige Verbindung zwischen Handwerk und Industrie der Zukunft eintreten wird ..." (Dok. 61). Die Thüringer Handwerker waren schockiert von diesem Vortrag. Sie hörten die Prognose, daß sie als Stand untergehen würden, ohne für sich — zweifellos mit 107

Recht — eine Perspektive aus der neuen Sicht des Handwerks als Versuchsfeld der Industrie zu entnehmen. Gropius faßte seine Gedanken in dem programmatischen Satz zusammen: „Kunst und Technik, die neue Einheit", den er seinem Vortrag auf der Bauhausausstellung im Sommer 1923 voranstellte. Eine solche Einheit sei nicht als Addition möglich, denn Kunst und Technik gehörten ihrem Wesen nach allzu verschiedenen Komplexen an, als daß sie sich widerspruchslos verbinden ließen. Es müsse deshalb zunächst ihr „gemeinsamer Schaffensurgrund" erforscht und aufgedeckt werden. Das Mittel, dies zu erreichen, sei die gründliche Vorbildung der Menschen im Handwerk und in der Technik. Die Wahl des Begriffs „Handwerk" für eine solche Ausbildung der Gestalter war nicht glücklich. Gropius konnte anführen, daß es dafür noch keinen festen Begriff gab und seine Bezeichnung „Handwerk im neuen Sinne" am ehesten die Sache traf. Doch setzte er sich damit weiterhin Mißdeutungen aus. Eine solche Versuchsarbeit forderte Laboratorien und Entwicklungsbüros, die entweder in den Industriebetrieben selbst oder in Hochschulen oder als selbständige Institute eingerichtet werden konnten, niemals aber in bisherigen HandwerksWerkstätten. Auf eine Frage, wie sie in einer Formmeisterbesprechung am 22. Oktober 1923 aufgeworfen wurde (Dok. 71), ob Werkstätten zeitgemäß seien, stimmte er der Meinung zu, daß sie es als „Handwerkstätten" nicht seien. Diese könnten als aussterbende Angelegenheit betrachtet werden. Er wies jedoch auf die praktischen Schwierigkeiten hin, die darin bestünden, die Ausbildung in Indstriewerkstätten vorzunehmen. „Es wäre sinnlos, den bildnerisch begabten Lehrling werklich unvorbereitet in die Industrie zu senden, ... er würde am materiellen und einseitigen Arbeitsgeist der heutigen Fabrik ersticken; die Handwerksarbeit dagegen entspricht in ihrem Umfang seiner geistigen Einstellung und ist daher das beste Mittel zur werklichen Schulung ... Ausgehend vom einfachsten Werkzeug und einfachsten Arbeitsvorgang gewinnt er (der Lehrling) allmählich Können und Verständnis für kompliziertere Werkvorgänge und für die Anwendung der Maschine, ohne daß er, wie der Fabrikarbeiter, der allein die Teilleistung kennen und beherrschen lernt, die Beziehung zu dem gesamten Gestaltungsvorgang verlieren muß."25 Parallel zu dieser Umorientierung vollzog sich der allgmeine Übergang von der vorzugsweise expressionistischen Konzeption der Anfangsjahre zu einer funktionalistischen Konzeption. Gedanken Le Corbusiers und des De-Stijl-Kreises flössen fördernd oder gar provozierend ein. Van Doesburg führte 1922 in Weimar seine De-Stijl-Kurse durch, in denen er eine radikale Ausrichtung auf die praktischen Probleme des Lebens forderte („Kunst wird Leben"). Im Frühjahr 1922 taucht in der Diskussion am Bauhaus erstmalig Le Corbusiers These von dem Haus als Wohnmaschine auf, die er in der Zeitschrift „L'esprit nouveau" 1920/21 entwickelt hatte. Schlemmer schreibt: „Wir können und dürfen nur das Realste ... wollen. Statt Kathedralen die Wohnmaschine". Unter dem Datum vom 11. Mai 1922 notiert er ein Gespräch: Schwertfeger habe einen Kursus gewünscht, um die Wohnmaschine im Modell zu machen. Dazu bemerkt Schlemmer: „Wir können es nicht, da es rein technisoher Natur ist, also Sache des Ingenieurs." 108

Schärfer war der Kurswechsel nicht formulierbar. Er zwang zu einer radikalen Revision wesentlicher Teile des bisherigen Programms, vor allem derjenigen, die das Handwerk betrafen. Schlemmer folgerte: „Abkehr also ... vom mittelalterlichen Begriff des Handwerks, und zuletzt des Handwerks selbst, als nur Schulung und Mittel zum Zweck der Gestaltung. Statt Ornamentationen, in die ein ... ästhetisches, von mittelalterlichen Begriffen geleitetes Handwerk notwendig verläuft, sachliche Objekte, die Zwecken dienen." Schlemmer vertrat, obwohl er Maler war, sehr entschieden eine funktionalistische Konzeption und forderte, „an Maschine, Technik, Ingenieur nicht so achtlos und negierend vorbeizugehen wie bisher am Bauhaus". Die Überwindung des Handwerksideals gebar einen Skeptizismus, der schließlich die Existenzberechtigung des Bauhauses selbst in Frage stellte. „Das Handwerk des Mittelalters stellen wir nicht wieder her, so wenig wie die Kunst des Mittelalters, auch nicht relativ im entsprechend modernen Sinn. Es ist überholt durch die ganz moderne Entwicklung ... Ich glaube nicht, daß das Handwerk ... über das Ästhetische hinaus tiefere soziale Aufgaben erfüllen kann. Es ist nicht getan mit dem ,Fühlungnehmen mit der Industrie'; ein Hineinsteigen und In-ihr-Aufgehen wäre nötig. Das kann aber unsere Aufgabe nicht sein, wir müßten dem Bauhaus den Rücken kehren."26 Gewiß lag ein Widerspruch darin, daß das Bauhaus mit seinen handwerklichen Methoden Typen für die Industrie schaffen wollte. Slutzki sagte, es sei falsch, daß die Industrie die „Handarbeit" des Bauhauses nachmachen solle, denn jedes habe seine eigene Gesetzmäßigkeit. Lange hielt dem entgegen, und sprach dabei im Sinne von Gropius, am Bauhaus herrsche ein viel zu großer Respekt vor der Industrie. Trotz der guten Maschinen sei das Produkt der Industrie oft ganz unökonomisch. Die „Ökonomie der Maschine" werde ja gerade hier am Bauhaus gefunden, wo das „Können mit einer freien schöpferischen Kraft" verbunden sei (Dok. 48). Auch später gab es manche Stimme, die Gropius' Methode, gestalterische Kräfte für die Industrie auf der Grundige einer handwerklichen Schulung auszubilden, für falsch hielt. In der technischen Zeitschrift „Stavba" schrieb 1924 Karel Teige, wenn Gropius die Schule gegen den kunstgewerblichen Dillettantismus führen wolle, die Maschine als Produktionsmittel akzeptiere und mit der Arbeitsteilung rechne, warum er dann glaube, daß die Kentnis des Handwerks für die Industriearbeit notwendig sei? Handwerk und Industrie gingen doch von grundsätzlich verschiedenen Voraussetzungen aus, theoretisch sowohl wie praktisch. Mochte das im Prinzip schon richtig sein, so blieb unklar, wie man sich die erforderliche Schulung der Hand und der Sinne bei den zukünftigen Gestaltern und Architekten vorstellte, war sie doch nur durch einen zeitweiligen unmittelbaren und „handgreiflichen" Umgang mit den Stoffen und Materialien ihrer späteren Arbeit zu erreichen (s. S. 131). Die Form eines Produktes entsteht ja nicht automatisch innerhalb des industriellen Prozesses, sondern wird vom Menschen als Programm und Modell vorgegeben. Ihre wesentlichen Faktoren müssen, das gilt für den Typ ebenso wie für das handwerkliche Einzelstück, auf eine ihnen angepaßte Weise für die zukünftige Bestimmung vorausgeplant werden. Dabei müssen mit ästhetischem 109

Feingefühl die Möglichkeiten und Grenzen der Ausformbarkeit — bei einem Massenprodukt anders als bei einer handwerklichen Kleinserie oder gar bei einem Einzelstück — gefunden werden. Der Unterschied liegt nur im Grad der Determiniertheit der Form. Das handwerkliche Einzelstück ist variabel und korrigierbar während des gesamten Herstellungsprozesses bis zur Vollendung. Der Typ muß gestalterisch vollendet sein, bevor er in die Massenproduktion geht, das heißt, die Korrekturen müssen in einem langen Yorbereitungsprozeß am Modell erfolgen, bis alle individuellen Zufälligkeiten abgestreift sind und eine gültige Form herausgeschält ist. Die Maschine empfängt nur den geprägten Entwurf. Das Handwerk verkörpert - am Bauhaus die Stufe einer allgemeinen Vorbildung, nach deren Abschluß erst die Spezialisierung entsprechend der arbeitsteiligen Welt der modernen Industrie einsetzen kann. Wie jedes Kind in der Schule die Grundlagen lerne, so müsse, nach Gropius, auch der Studierende die Elementarform der werklichen Produktion durchlaufen, um Materialerfahrung zu erlangen.27 Gropius' funktionalistische Konzeption, die er 1922 in die Worte zusammenfaßte „beste Ökonomie, beste Technik, beste Form" (Dok. 57) verlangte nach der Mitarbeit des formschöpferischen Künstlers. Um ein Ding zu gestalten, damit es richtig funktioniere, müsse zuerst dessen Wesen erforscht werden. „Diese Wesensforschung führt zu dem Ergebnis, daß durch die entschlossene Berücksichtigung aller modernen Herstellungsmethoden, Konstruktionen und Materialien Formen entstehen, die, von der Überlieferung abweichend, oft ungewohnt und überraschend wirken ... Die Fähigkeit, einen Gegenstand schön zu gestalten, beruht auf der meisterlichen Beherrschung aller wirtschaftlichen, technischen und formalen Voraussetzungen, aus denen sein Organismus resultiert." 28 Zu den Elementen der Wesensforschung zählt Gropius nicht nur die Gesetze der Mechanik, Statik, Optik, Akustik, sondern auch die Gesetze der Proportion. Diese sind eine Angelegenheit der geistigen Welt. „Zwischen einer Vielheit gleichmäßig ökonomischer Lösungen — denn es gibt nicht nur jeweilig eine — wählt das schaffende Individuum nach seinem persönlichen Empfinden und Geschmack die ihm gemäße." 29 Das bedeutet: Bei aller primären Berücksichtigung der objektiven funktionalen Grundlagen der Gestaltung, die durch die Wesensforschung ermittelt werden oder ingenieurmäßig errechenbar sind, ist die Form eines Dinges letzten Endes ebenso von subjektiv menschlichen Komponenten bestimmt, in die solche der historischen Epoche, der Art der gesellschaftlichen Konsumtion, der Tradition, der Region usw. einbegriffen sind. Gropius war es deshalb möglich, den Malern unter seinen Meistern auch nach der expressionistischen Phase noch echte Aufgaben zuzuerkennen. Die Schwierigkeiten lagen auf Seiten der Künstler. Von ihnen war ja eine doppelte Entsagung gefordert: Sie sollten sich als freie Künstler der Ausbildung von Handwerkern widmen, denen zudem noch durch ihr Verhältnis zur Maschine und Maschinenform äußerste Sachlichkeit und Zurückhaltung auferlegt war. Deshalb ist es verständlich, daß bei ihnen eine starke Abneigung gegen den neuen Kurs herrschte. Feininger schrieb: „Gegen die Parole: ,Kunst und Technik, die neue Einheitl' lehne ich mich mit ganzer Überzeugung auf — diese Verkennung der Kunst ist 110

aber ein Symptom unserer Zeit. Und die Forderung nach ihrer Zusammenkoppelung mit der Technik ist in jeder Hinsicht unsinnig. Ein wirklicher Techniker wird sich mit Recht jede künstlerische Einmischung verbieten; und auch die größte technische Vollkommenheit, andererseits, kann niemals den Gottesfunken der Kunst ersetzen!" (Dok. 67) Muche formulierte seine Überzeugung geradezu als Gegenthese: „Kunst und Technik sind nicht eine neue Einheit. Sie bleiben in ihrem schöpferischen Wert wesensverschieden ... Das künstlerische Formelement ist ein Fremdkörper im Industrieprodukt."80 Das Beharren auf Alternativpositionen galt für viele Bauhäusler. Kandinsky meinte, man erhebe hier die Maschine zum Götzen. Gerhard Mareks, der während der handwerklichen Phase in inniger Übereinstimmung mit Gropius stand, schrieb 1923 an diesen: „Daß ich diesen Standpunkt (des industrialisierten Bauhauses) nur halb teile, weißt Du ja. Mir scheinen die Menschen wichtiger als die erfolgreiche Geschirrfabrikation, und die Menschen bilden sich am Handwerk, was für uns Erfolgsritter allerdings schwer einzusehen ist." (Dok. 68) Selbst Schlemmer, dessen entschiedene Stellung in diesem Punkt mehrfach erwähnt wurde, blieb bei der Alternative: Industrie oder Kunst. „Ich kann nicht wollen, was die Industrie schon besser tut, und nichts, was die Ingenieure besser tun. Es bleibt das Metaphysische: die Kunst!"31 Am stärksten vom Kurswechsel betroffen wurde Johannes Itten, der bisher auf Grund seiner pädagogischen Methode und als Leiter des Vorkurses eine starke Position innerhalb der Schule innehatte. Er war der Meinung, daß das Bauhaus als staatliche Schule keine Verpflichtung habe, aus diesem Schulbetrieb eine Verdienstquelle für den Staat zu machen. Nach dem Sommerurlaub 1922 sprach er von „muffiger Luft" am Bauhaus. Was bisher geschehen sei, müsse nach den neuen Gesichtspunkten als „daneben gelebt" angesehen werden. Er war nach seiner künstlerischen Überzeugung nicht in der Lage, Gropius zu folgen, und schied aus. Gropius' Stimme und Haltung in dieser Auseinandersetzung verkörperte das stabilisierende Element. In seinem Bemühen, alles was einen fruchtbaren Ansatz zur Fortentwicklung des Problemkreises versprach, einzubeziehen, sein Streben nach „Integration" und „Koordination" bewirkte trotz allem Brodelnden und Schwankenden die innere Kontinuität. Er fand eine starke Stütze in Moholy-Nagy, dem an die Stelle Ittens neuberufenen Meister (31. 3. 1923). Zunächst wollte Gropius — übrigens bezeichnend für die neue Tendenz — eine wissenschaftliche Lehrkraft für Mathematik, Physik und Chemie einstellen. Die schließliche Entscheidung fiel auf Moholy, weil damit gleich zwei Dinge ihre Lösung fanden. Moholy verkörperte wie kaum ein anderer Künstler die Beziehung zwischen Kunst und Technik, Kunst und Wissenschaft. Schon im Äußeren wirkte er wie der Prototyp eines Ingenieurs, vorurteilsfrei, sachlich, wissensdurstig. An der Kunst beschäftigte ihn vorrangig deren Informationen mitteilende Funktion. Deshalb bevorzugte er Gattungen, die am ehesten von dieser Seite zu packen waren: die Schrift, die Werbung, das Ausstellungswesen, aber auch Fotografie und Film. Moholy kam aus dem Kreis der Konstruktivsten. Er war mit El Lissitzky bekannt. 111

Von da hatte er manche Einsicht in die großen Zusammenhänge zwischen industrieller Revolution und Politik mitbekommen: „So ist unser Jahrhundert: Technologie, Maschine, Sozialismus. Mach deinen Frieden damit, nimm die Aufgaben des Jahrhunderts auf dich .. ." 3 2 Zugleich gehörte Moholy durch seine Freundschaft mit dem propagandistischen Träger der holländischen De-Stijl-Bewegung, van Doesburg, zu jenen Künstlern, die, gefördert durch den Konflikt zwischen Gropius und van Doesburg, eine von sachlichen Argumenten getragene gegnerische Front um das Bauhaus herum aufzogen. Sie bezichtigten es mit gewissem Recht fortdauernder Romantizismen. Bin großer Teil der Schülerschaft war von dem unsentimentalen, auf Technik und Maschine eingestellten van Doesburg gefangengenommen worden, ohne die Gefahren zu bedenken, die in einem einseitigen Gebrauch der formalen Doktrin von De Stijl steckten. Obwohl Gropius selbst in verwandte Richtungen drängte, drohte ihm, gefesselt durch seine scharfe Zurückweisung von van Doesburgs Absicht, am Bauhaus Fuß zu fassen, daß er in der Führung der Schule aktionsunfähig wurde. Er brach den Bann, indem er mit dem jungen, damals erst achtundzwanzigjährigen Moholy den lebendigen Geist der neuen Ideen für das Bauhaus fruchtbar machte, zugleich aber den Fall van Doesburg neutralisierte, wodurch der Ring der Gegner in sich zusammenfiel. Was das Bauhaus unter den Bedingungen einer kapitalistischen Wirtschaft tun konnte, war, sich in das System der auf Konkurrenz aufgebauten Wirtschaft einzugliedern und Kontakt zur Industrie zu suchen. Möglichkeiten boten sich hauptsächlich auf Ausstellungen und Messen. Die große Ausstellung des Bauhauses 1923 sollte einem solchen Zweck dienen. Man wollte die eigenen Arbeitsergebnisse „in einer sorgfältig vorzubereitenden Ausstellung vor die weite Öffentlichkeit bringen, (um) endlich die bisher verschlossene Tür für die Verbindung mit dem öffentlichen Wirtschaftsleben aufzustoßen". Man hoffte auf „Kontakte mit der produktiven Industrie", damit „die Beeinflussung des Marktes" beginnen könne. Für die Ausstellung sprachen ausschließlich wirtschaftliche Überlegungen. Sie war aktuell geworden mit der Kurswendung. Da viele Argumente gegen eine solche Schau zu einem so frühen Zeitpunkt vorgebracht wurden, machte man die Entscheidung von einer Umfrage in den Werkstätten abhängig. Im September 1922 beschloß das Bauhaus endgültig, die Ausstellung trotz berechtigter Bedenken im Sommer 1923 durchzuführen. Die wirtschaftliche Not ließ keine andere Wahl. Feininger schrieb: „... Wenn wir nicht ,Taten' nach außen hin zeigen und uns die .Industriellen' nicht zu gewinnen vermögen, dann steht es sehr schlecht mit den ferneren Aussichten auf Bestehen des Bauhauses. Es muß auf Verdienst, auf Betrieb, auf Vervielfältigung! gesteuert werden. Und das ist uns allen entgegen und dem Entwicklungsgang ein schweres Zuvorgreifen ... I see a new Gropi" (Dok. 51). Es ging um den Absatz der eigenen Produkte und um die Gewinnung von Industriebetrieben, für die das Bauhaus Typen entwickeln konnte. Obwohl die Ausstellung in der internationalen Fachwelt höchste Beachtung fand, blieb der erhoffte wirt112

schaftliche Erfolg aus. Die Inflation in ihrer Hoch- und Endstufe ließ keine reale Kalkulation zu, und der Generalstreik der Arbeiterschaft zum Sturz der CunoRegierung wenige Tage vor der Eröffnung zog die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das politische Geschehen. Außerdem wurden die Kreise, die man ansprechen wollte, durch die ausgestellten Stücke mehr schockiert als interessiert. In der folgenden Zeit ging das Bauhaus mit seinen Erzeugnissen auf die Messen: auf die Herbstmesse 1923 nach Frankfurt, auf die Frühjahrs- und Herbstmesse 1924 nach Leipzig und ebenfalls 1924 auf die Ausstellung des Werkbundes „Die Form" nach Stuttgart. Die Messevertreter waren in einer schwierigen Lage, weil die drohende Auflösung ihres Instituts über ihnen schwebte. Sie waren angewiesen worden, keine Diskussionen über eine eventuelle Schließung zu führen. Doch konnten sie die Gerüchte nicht zerstreuen. Die Messen zeigten aber auch, daß das Bauhaus mit seinen handwerklichen Erzeugnissen ökonomisch nicht mit entsprechenden Industrieprodukten konkurrieren konnte. Da sie industriell gedacht waren, verlangten sie die technische Perfektion eines Industrieproduktes. Mit handwerklichem Werkzeug war sie nicht oder nur unter erheblichem, daher unwirtschaftlichem Arbeitsaufwand zu erreichen. Die Herstellungskosten lagen am Bauhaus viel zu hoch. Das Ausmerzen dieses Mankos wurde dringende Notwendigkeit. Mit dem seit Herbst 1923 verfolgten Plan, auf privatwirtschaftlicher Basis eine GmbH zu gründen und die Werkstätten für eine bessere unmittelbare Produktion maschinell zu komplettieren, steuerte das Bauhaus praktisch auf eine in bescheidenen Grenzen gehaltene „Industrialisierung" hin. Aus der Bauhausidee der Frühzeit, die ihr Ziel in einer freien menschlichen Gemeinschaft auf der Grundlage einer autonomen wirtschaftlichen Einheit, als Vorwegnähme einer zukünftigen harmonischen Gesamtgesellschaft sah, wurde nun, erzwungen durch die retardierende politische Entwicklung, ein Bauhaus, das sich in seiner Organisation und Arbeitsweise den Bedingungen des kapitalistischen Systems anzupassen suchte. Der Produktionsbetrieb, ursprünglich eingerichtet, um die jungen Menschen auf neue Weise werklich zu schulen, sollte so umgestaltet werden, daß er durch die eigenen Arbeitsleistungen zur wesentlichsten Stütze des Schulorganismus werden konnte. Der reine Lehrbetrieb, für den allein noch staatliche Mittel beansprucht wurden, sollte neben seinen schulischen Aufgaben „zugleich als Modellwerkstatt, gleichsam als Laboratorium für die Industrie und das Kunstgewerbe dienen".33 Bei dieser Umwandlung in einen Produktionsbetrieb gab es für Gropius durohaus genügend Anzeichen für einen günstigen Ausgang. Eine Reihe von Produkten der Werkstätten waren soweit durchgearbeitet, daß sie endgültige Typen darstellten. Auf der Werkbundausstellung „Die Form" hatte die Presse die Überlegenheit der Bauhauserzeugnisse in gestalterischer Hinsicht ausdrücklich hervorgehoben. Problematisch war nur, daß dies alles wegen des Drucks der reaktionären Parteien viel zu früh und überstürzt gewagt werden mußte. Die Angebote des Bauhauses an Industriebetriebe, die gestalterische Verbesserung ihrer Erzeugnisse betreffend, blieben in der Weimarer Zeit fast ohne Resonanz. Erwähnt sei nur, daß Schlemmer bereits 1922 anregte, man möge sich eingehender 8

Hüter

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mit Tapetenmuster beschäftigen. Realisiert wurden die berühmten „Bauhaustapeten" aber erst 1929, und zwar dann mit überraschendem Erfolg. Die Formen wurden Mode. Mit den Jenaer Glaswerken Schott und Genossen begann die Ztisammenarbeit mit dem Ziel einer besseren Gestaltung der Durax-Gläser im Mai 1924. Aber die Formen, in denen dieses begehrte Glas mehrere Jahrzehnte lang hergestellt wurde, entwickelte der Bauhausschüler Wilhelm Wagenfeld ebenfalls erst später, von 1930 an. Auch mit Hellerau waren 1924 erste Kontakte angebahnt worden. Die wenigen 1923/24 wirklich zustande gekommenen Verbidungen mit der Industrie beschränkten sich auf den Bereich Keramik (Boglers Küchengarnitur, hergestellt seit 1923 in der Steinzeugfabrik Velten, Vervielfältigung von Kaffeegeschirren in der Staatlichen Porzellanmanufaktur Berlin und in der Volkstedter Porzellanmanufaktur), und Metall (Arbeiten der Modellwerkstatt unter Moholy-Nagy für die Firma Körting und Mathiessen in Leipzig-Leutzsch). Sie gingen nicht über das hinaus, was praktisch jeder Kunstgewerbeschule gelang. Hartwigs bekanntes Schachspiel schließlich wurde vervielfältigt von einem Tischlermeister Toll, der wegen Beteiligung an der Organisation eines Streiks in der Pianofabrik Römhild als Kommunist auf die Straße gesetzt worden war und sich nun, gestützt auf diesen und andere Aufträge des Bauhauses, einen eigenen Betrieb aufbaute. Das Bauhaus hat während der ganzen Weimarer Zeit manches unternommen, um Unterstützung und Hilfe von Kapitalisten zu erlangen und dadurch Zeit zur eigenen Entwicklung zu gewinnen, doch fast immer vergebens. Gropius hatte sogar — in ihrer Formulierung peinlich anbiedernde — Briefe an die Dollarkönige Amerikas veranlaßt (Dok. 58), ohne eine positive Antwort zu erhalten. In einem Brief an Herwarth Waiden, den Herausgeber der expressionistischen Zeitschrift „Der Sturm", schrieb er: „Seit zwei Jahren versuche ich es, Kapitalisten für unsere Sache zu gewinnen — überall mit demselben Mißerfolg." Einem Leidensgenossen empfahl er, „einige Kapitalisten anzuzapfen", äußerte jedoch zugleich seinen Zweifel: „Leider mache ich nur immer die Erfahrung, daß die Leute entweder Geld oder Verständnis für unsere Idee besitzen. Beides trifft selten zusammen" 3 4 . In einem Brief; an den Redakteur des „Börsenkuriers", Oskar Bie, steht schließlich eindeutig: „Wir haben uns seit Jahr und Tag bemüht, zur Stützung des Staatlichen Bauhauses Kapital heranzuschaffen. Die Kapitalisten haben im allgmeinen versagt. Darauf wenden wir uns an die Künstler aller Länder, die sich in breitem Maße zu Beiträgen bereit erklärt haben." 3 5 Gemeint sind hier die Spenden für die GraphikMappen des Bauhauses, an denen sich nahezu alle bedeutenden Künstler beteiligten. Der finanzielle Gewinn war natürlich gering. Abgesehen von Freitisch-Spenden für Studierende und kleineren Finanzhilfen für die Ausstellung hat nur ein einziger Kapitalist das Bauhaus unterstützt — der Holzgroßhändler und Bauunternehmer Karl Sommerfeld. Zu seinen Lasten ging auch der Bau des Versuchshauses 1 am Horn, nachdem die anfängliche Absicht, verschiedene Industrien zur unentgeltlichen Lieferung der Materialien zu bewegen, fehlgeschlagen war. Sommerfeld tat dies jedoch nicht als wirtschaftlich interessierter Unternehmer, sondern als großzügiger 114

Mäzen. Mäzenatentum hat aber mit unserer Fragestellung nichts zu tun. Sommerfelds finanzieller Beitrag bildete auch 1924 bei der geplanten Umwandlung in eine GmbH den wesentlichsten Anteil am Stammkapital38. Es war damals dank der Rührigkeit der Erfurter Industriellen Dr. Löbbecke und A. Heß sogar gelungen, einige Vertreter des Vorstandes des Mitteldeutschen Industriellenverbandes für das Bauhaus zu interessieren. Sie konnten sich jedoch gegen den Widerstand in den eigenen Reihen nicht durchsetzen. Als Gropius 1924, nachdem durch Entscheid der Regierung eine Kreditnahme bei der Staatsbank Weimar erschwert war, zusammen mit dem Syndikus Necker persönlich verschiedene Bankiers um Betriebskapital ansprach, erhielten sie entweder Angebote mit unannehmbaren Zinssätzen oder die Antwort: „Wir sind Banken und keine Wohltäter" (Dok. 103). Die in der Zeit der Arbeiterregierung gegründete Thüringische Staatsbank mit ihrem Präsidenten Loeb, die dem Bauhaus Kredithilfe gewährte, war, wie die in Berlin gegründete „Arbeiterbank" im Interesse und zur Verwaltung der Gelder von Arbeiterorganisationen entstanden. Die Parteien des Ordnungsbundes richteten deshalb heftige Angriffe gegen sie und schlössen sie nach ihrem Wahlsieg 1924 sofort wieder. In Dessau traten die Organisationen des Großkapitals und des Großgrundbesitzes offen als Gegner auf. Der Arbeitgeberverband für das Baugewerbe, die Fraktion der Hausbesitzer und der Arbeitgeber- und Industriellenverband starteten (neben der Handels- und Handwerkskammer) verschiedene Aktionen gegen das Bauhaus. Woher rührte diese Feindschaft? Die Ziele des Bauhauses, Typen für die industrielle Fertigung zu entwickeln, lagen objektiv im Interesse der Industrie, und die Industrie war ja andererseits bereit, dem Normenausschuß größere Summen zur Verfügung zu stellen. Gewiß spielte der neue Formgedanke eine Rolle. Die Lösungen des Bauhauses waren, obwohl stärker als irgend sonst auf den industriellen, den maschinellen Herstellungsprozeß abgestimmt, vorläufig noch unvereinbar mit der Mentalität breiterer Käuferkreise und der Industriellen selbst. Für ethische oder soziale Anliegen, die das Bauhaus in den Prozeß eingeschlossen hatte, war ohnehin kein Verständnis zu erwarten. Die Schaffung wirklicher Typen ließ die Industriellen kalt, solange sie auf andere Weise verdienten, zumal mit den einfachen unprätentiösen Bauhausformen kein Maasenabsatz garantiert war. Das Bauhaus wollte nicht einzelne Produkte partieller Industriezweige formal aufbereiten. Ein solcher Praktizismus, wie ihn noch van de Velde betrieb, wäre dem umfassenden Auftrag, den es ätis sozialer Verantwortung auf sich genommen hatte, zuwider gewesen. Gropius schrieb im September 1924, das Bauhaus habe sich mit Modell- und Versuchsarbeit beschäftigt, doch sei es ihm im Gegensatz zur Industrie nicht um einen oder einige Artikel gegangen, sondern das Gesicht ganzer Produktionszweige sollte verändert werden. Solange ein als Typ für Massenkonsum entwickeltes Möbel, Gerät oder Haus in völliger Verkehrung der Absichten nur Eingeweihte und Liebhaber zu interessieren vermochte, solange mußte die Kulturarbeit des Bauhauses neben der Industrie herlaufen. Die tieferen Ursachen liegen aber im Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Tauschwert in der kapitalistischen Warenproduktion. Ökonomie der Herstel8*

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lung und des Gebrauchs war Ziel des Bauhauses. Ökonomie der Herstellung vertrug sich mit den Interessen der Industrie. Deren Rationalisierungs- und Typisierungsbestrebungen liefen parallel zu ähnlichen Bemühungen des Bauhauses. Aber konnte eine kapitalistische Industrie auch an Ökonomie des Gebrauchs interessiert sein? — Langsamer Verschleiß hemmt den Absatz. Das kapitalistische System aber ist auf ,,raschen und ständig zunehmenden Konsum aller produzierten Waren angewiesen, um auf die Dauer existieren zu können". (Vanee Packard) So kann unter Bedingungen kapitalistischer Produktion die Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen und der Gebrauchswert der Produkte, auf die hin die „echte Werkgesinnung" des Bauhauses orientierte, nicht Sinn und Ziel der Produktion sein, sondern nur ein Mittel, um Profit, Mehrwert zu erzielen. Die Qualität und die Form der Produkte sind in diesen Mechanismus eingeschlossen. Form dient gemäß dem System nicht der ästhetischen Erziehung der Gesellschaft, sondern vorrangig der Manipulierung von Kunden. Das Produkt muß, solange allein Geld Geltung verschafft und das Sozialprestige bestimmt, teuerer, wertvoller aussehen, einen höheren Geldwert vortäuschen als das des Konkurrenten (in der Produzentenebene) oder des Nachbarn, Bekannten usw. (in der Konsumentenebene). Formfindung war daher nicht in erster Linie eine ästhetische Entscheidung, sondern eine kommerzielle. Form ging als Komponente in den Tauschwert ein. Künstler und Kritiker sprachen Ende der zwanziger Jahre von zwei Strömungen, zwei polaren Tendenzen in Architektur und Produktgestaltung aller bisherigen Epochen und (Klassen-) Gesellschaften: von einer reich dekorierten repräsentativen Form, vorwiegend mit hohem sozialen Geltungswert, die Rang, Anspruch, Herrschaft zu dokumentieren vermochten, und von einer Tendenz zur funktionalen sachlichen Zweckform, die an Geräten, Instrumenten, Werkzeugen oder Zweckbauten zur Anwendung kam. Die erste Tendenz erfuhr in der industriellen Warenproduktion des 19. Jahrhunderts eine hypertrophe Aufgipfelung, als reiche unikale Formen mühelos mechanisch massenhaft vervielfältigt wurden. Es entstand der sattsam bekannte billige Pomp für den neureichen Bourgeois, der bei allen Reformbestrebungen des zwanzigsten Jahrhunderts als abstoßendes Gegenbild galt. Zugleich aber bewirkte diese massenhafte Vervielfältigung einst hochwertiger unikaler Gegenstände einen schon von Semper registrierten raschen Verschleiß der ihnen innewohnenden künstlerischen und sozialen Werte. Der so in Gang gesetzte Prozeß ist mit Abbau der Repräsentativform nur unzureichend gekennzeichnet. Vielmehr vollzog sich hier, trotz aller Umwege und Rückschläge, eine fortschreitende tiefgreifende Demokratisierung der Produktgestaltung. Die Avantgarde der zwanziger Jahre glaubte sich dem Ziele nahe. In der von Gropius geforderten neuen Einheit aus Kunst und Technik, in dem Bemühen des Konstruktivismus um Verschmelzung von Ingenieurwissenschaft und Architektur, in der Erwartung von Hugo Häring.daß es nun an der Zeit sei, die beiden bisher getrennten Tendenzen, die er „Form als Leistungserfüllung" und „Form als Ausdruck" nennt, „gleichgerichtet auf den Weg zu bringen"38®, ging es letztlich um nichts anderes als um „Entschälung des Gegenstandes aus seiner Hülle" (Walter Benjamin), um Abstreifen alles dessen, was „den Gebrauchsgegenständen in ihrer un116

persönlichen Neutralität und vollendeten Zweckmäßigkeit hinderlich sein könnte" (Ernst Kallai)36". Damit war eine wirkliche Allgemeingültigkeit (zumindest in der Konzeption) für die Produkte massenhaften Gebrauchs erreicht und eine historisch gesetzmäßige Entwicklung erfüllt. Aber gab es dafür auch Adressaten, die erwartete breite Käuferschicht? Das Warenhausdesign der zwanziger und frühen dreißiger Jahre wurde von einem Art Deco amerikanischer Spielart beherrscht, das mit den US-Dollars ins Land gekommen war. Es wirkte als Leitbild für breite Kreise von Mitte bis Rechts, und der zähe kleinbürgerliche Geschmack griff weit nach links. Freilich konnten das Bauhaus und andere Verfechter einer funktionalen und sozialen Designkonzeption erwarten, daß durch Erziehung und Gewöhnung allmählich eine echte Identifikation der werktätigen Schichten mit solchen Produkten eintrat, vergleichbar etwa Vorgängen gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als das revolutionäre Bürgertum mit Stolz seine schlichte Haltung (Simplizität)360 dem Rokoko-Prunk des späten Feudalismus entgegensetzte. Aber damals gab es noch ein (zudem bürgerliches) Handwerk, das auf Wünsche des Gebrauchs reagieren konnte. Die Industrie im 20. Jahrhundert hingegen diktierte und manipulierte den Verbrauch. Also hat das Bauhaus, marktwirtschaftlich gesehen, am Bedarf, oder genauer gesagt, an den Konsumenten-Erwartungen vorbei geplant? — Ja, das Bauhaus ist, mit wenigen Ausnahmen, zu denen seine Tapeten zählten, in seinen auf die Industrie gerichteten Plänen gescheitert. Und es hat dieses Scheitern im Interesse seines „praktischen sozialen Humanismus" einer Anpassung vorgezogen. „Wenn das Bauhaus", so schrieb der Redakteur der Zeitschrift „bauhaus", Ernst Kallai, „seine Werkarbeit in den Dienst eines neuen praktischen sozialen Humanismus stellen soll, — und worin könnte sonst der Sinn dieser Hochschule für Gestaltung sein — ..., wenn also das Bauhaus einer neuen, besseren Menschlichkeit dienen soll, dann muß seine moderne praktische Werkgesinnung klaren Abstand nehmen von der ebenfalls modernen und praktischen Warengesinnung des Kapitalismus".37 Als der Deutsche Werkbund 1930 dieses Problem, die Mitarbeit des Künstlers am industriellen Erzeugnis, zum Gegenstand einer Umfrage bei Industriegestaltern machte, wurden die Möglichkeiten einer wirksamen Einflußnahme negativ beurteilt. Die Befragten antworteten, die Industrie erkenne „keine kulturellen Verpflichtungen an, sondern nur Konkurrenz" (W. Kersting, Köln). Manchmal seien einige „seltene Männer ... Schrittmacher, denen die Konkurrenz, das heißt die große Masse der Industriellen, folgt, weil sie müssen, oder glauben, es zu müssen".38 Trotz ihres „natürlichen kapitalistischen Expansionstriebes durch die Bildung von Trusts und Interessengemeinschaften und der damit verbundenen Bürokratisierung" sei die Industrie „zunehmend konservativer" geworden, so daß sie gerade in sehr entwickelten Industriezweigen kaum noch interessiert sei, „neue Gedanken aufzunehmen oder zu verarbeiten, außer wenn die Konkurrenz sie dazu zwingt". Neue Ideen würden nicht als Fortschritt betrachtet, sondern als Mehrbelastung und Risiko. „Solange Ideen und Projekte nicht marktgängig sind, herrscht die Tendenz, moderne Erfindungen, wertvolle Patente aufzukaufen, ja sogar zu vernichten, um die Möglichkeit einer Konkurrenz auszuschalten" (Ferdinand Kramer)39. Das wich117

tigste sei ihr der Umsatz und der Gewinn, und beides lasse sich meist mit schlechten und geschmacklosen Produkten leichter erreichen als mit guten. In diesen Sätzen resümiert sich plastisch das Dilemma der am industriellen Produkt arbeitenden Künstler. Abgesehen von einigen Ausnahmen scherten sich die Industriellen nicht um irgendwelche sozialen und kulturellen Verpflichtungen. Da, wo sie schließlich neue Formen aufnehmen, handelte es sich im tieferen Sinne um deren Pervertierung. Der amerikanische Kunstkritiker Mumford berichtete, wie die Möbelindustrie der USA in den Jahren 1928/29 plötzlich die modernen Formen für Küchenmöbel übernahm, weil sie damit alle bisherigen Küchen mit einem Schlage moralisch veralten lassen konnte. Er erkannte, daß sich ein unauflösbarer Widerspruch auftut: „Heute stehen die besten industriellen Formen in psycholigischem Gegensatz zu den Prinzipien dieser (kapitalistischen) Gesellschaft. Sie sind billig, sie sind allgemein, sie erfüllen ihren bestimmten Zweck; aber, um den Geboten der Verschwendung zu genügen, müßte eine Gebrauchsform teuer aussehen, einzigartig erscheinen und neben der mehr oder weniger geglückten Erfüllung des eigentlichen Zweckes, auch der Eitelkeit und Selbstgefälligkeit des Eigentümers dienen. Hier stehen wir vor einer wirklichen Schwierigkeit. Ungeachtet der herrschenden Politik eines Landes ist die Maschine immer Kommunist". Das ganze gesellschaftliche Leben der Länder des westlichen Europa sei aber, so fährt er fort, aufgebaut auf finanziell unterschiedenen Schichten, und das Ziel der Gebrauchskunst sei es immer gewesen, diese sozialen Unterschiede präzis zu dokumentieren. Auf die Frage: Welchen Platz die beste und typisierte Gebrauchskunst in der bürgerlichen Gesellschaft einnehmen könne, gibt er deshalb selbst die lakonische Antwort. „Es gibt wenig Platz." Mumfords Schlußfolgerung war, Maschinenproduktion müsse „sozial gerichtet sein", denn sie schaffe „entweder nützliche, dauerhafte Waren und freie Zeit, oder eine große Menge wertloser Waren, die weder an freier Zeit noch an Wohlstand Gewinn bringen, außer für die Money-maker".40 An der Aktualität dieser Problematik hat sich bis heute nichts geändert! Die Erfahrungen des Bauhauses zeigten, daß gewissenhafte Forschungsarbeit auf dem Gebiet der Industriegestaltung solange boykottiert und bekämpft wurde, bis sie auf Umwegen Anerkennung erfahren hatte, daß die Formen dann bei einer Chance der Marktfähigkeit übernommen und schnell als Mode verwässert wurden. Nur eine gezielte Öffentlichkeitsarbeit, wie sie das Bauhaus betrieb, bot unter diesen Umständen eine gewisse Aussicht auf Besserung. Aber der Widerspruch zwischen dem im Bauhausprogramm enthaltenen ethischen und sozialen Zielsetzungen für die Industrieproduktion und deren kapitalistischer Form blieb im Kern unüberbrückbar. Das Bauhaus war sich dessen bewußt. In Schlemmers Programm von 1923 konnte man lesen: Wissenschaft, Technik und Industrie seien, „gegründet auf Naturgesetze ..., das Werk des Geistes zur Bezwingung der Natur, gegründet auf die Macht des Kapitals ein Werk des Menschen gegen Menschen" (Dok. 60). Praktische Schritte bildeten zwangsläufig eine Kette von Kompromissen. Es war nur konsequent, wenn Meyer deshalb in der Krise des Kapitalismus 1929/30 klare Verhältnisse schuf und die Bauhausarbeit auf eine kommende sozialistische Gesellschaftsordnung zu orientieren versuchte. 118

5. KAPITEL

Vom gesellschaftspolitischen Standort des Bauhauses

Die gesellschaftspolitische Position einer Institution wie des Bauhauses wird bestimmt von dem Programm, mit dem es antritt, von den Bedingungen des politischen Feldes, in denen es wirkt, und von der Summe der Entscheidungen, die es bei Auseinandersetzungen fällt. In den vorangegangenen Abschnitten wurde versucht, dies an einigen wichtigen Konfliktfronten aufzuzeigen. Es ergab sich dabei das verhältnismäßig geschlossene Bild eines einheitlichen Programms, wohl verändert nach den Entwicklungsetappen, festgelegt aber in der Hauptrichtung der gesellschaftspolitischen Entscheidungen, der Durchsetzung fortschrittlicher kulturpolitischer Ziele. Am Weimarer Bauhaus selbst war nur selten und nur andeutungsweise von gesellschaftspolitischen Konsequenzen der Arbeit die Rede. Schlemmer erwähnte solche in einer Tagebuchnotiz: „Handwerkliches Kunstgewerbe im Zeitalter der Maschine und Technik wird Ware für die Reichen, ohne die breite Basis von ehedem und Wurzeln im Volk. Das Handwerk von ehedem macht heute die Industrie, oder sie wird es machen nach ihrer ganzen Entwicklung: typisierte, solide, materialechte Gebrauchsgegenstände".1 Kritiker bestätigten, daß die Umorientierung des Bauhauses von Handwerk auf Industrie von solchen sozialen Überlegungen bedingt gewesen sei. Für Gropius bedeute die Schaffung von Typen für die Gegenstände des täglichen Gebrauchs ... eine soziale Notwendigkeit". Unter sozialer Notwendigkeit versteht er hier Ökonomie des Materials, der Zeit und der. Arbeitskraft, also Begriffe, die für die Gesellschaft im Industriezeitalter von allgemeiner Gültigkeit sind, ohne spezifische politische Wertigkeit. Er sah die „Verantwortung des Bauhauses ... darin, Menschen heranzubilden, die die Welt, in der sie leben, erkennen, und die aus der Verbindung ihrer Erkenntnisse und ihres erworbenen Könnens heraus typische, die Welt versinnbildlichende Föfcmen ersinnen und gestalten."2 Im gleichen Sinne schrieb der damalige Bauhausgeselle Wilhelm Wagenfeld: „In kollektiver Werkarbeit mit der Maschine gilt es, nicht mehr individuellen Bedürfnissen einzelner zu genügen, sondern: allgmeingültige, den modernen sozialen, ökonomischen und technischen Forderungen entsprechende Werte zu schaffen", ge119

leitet nicht von traditionellen oder modischen Tendenzen, sondern allein bestimmt durch die kulturellen Bedingungen der Zeit (Dok. 104). Diese Aufgabenstellung und auch die von Gropius eingeleitete Wesensforschung hätten eigentlich zur Untersuchung der wirtschaftlichen und sozialen Zustände führen müssen. Solche soziologischen Analysen waren jedoch in Weimar noch völlig unentwickelt. Soweit sie vorgenommen wurden, vollzogen sie sich spontan und intuitiv, ohne feste Arbeitsmethode und ohne Verankerung in der Lehre. Die überraschende prognostische Leistung auch des Weimarer Bauhauses entsprang den individuellen Fähigkeiten und dem persönlichen Einsatz der Mitarbeiter, nicht aber einer exakten Methodik, wie sie später Hannes Meyer versuchte. Man blieb ohne tieferen Einblick in die augenblickliche Lage, fragte ausschließlich nach den Notwendigkeiten im Großen und kaum nach dem Möglichen; ja, es scheint sogar, als habe das Bauhaus weniger Kenntnis von den Industrien des Landes und deren Bedürfnissen gehabt als vor ihm van de Velde. Selbst augenfällige Konsequenzen der Arbeit, wie etwa die wirtschaftlichen Folgen einer allgmeinen Verbreitung der neu entwickelten Formen für das Handwerk, scheint man kaum überdacht zu haben, denn wie hätte sonst Gropius bei seinem Start in Dessau noch immer auf die Mitarbeit und das Entgegenkommen der Handwerker spekulieren können. In diesen Kreisen war man sich der Auswirkung bewußt (s. S. 102). Die thüringische Industrie als vorwiegend Fertigwarenindustrie befand sich ohnehin in starker Abhängigkeit von der Mode. Für manche Industriezweige konnte ein Modewechsel zum völligen Verlust des Marktes führen. Gerade in den Jahren nach dem Kriege und besonders nach 1923 gab es in Thüringen dafür Beispiele selbst bei den Großbetrieben (s. S. 15). Das Mißtrauen, mit dem Handwerker und Industrielle die künstlerische Arbeit des Bauhauses verfolgten, ist daher begreiflich. Natürlich wäre es auch denkbar gewesen, daß bei einer Zusammenarbeit solche Tendenzen frühzeitig erkannt worden wären. Man hätte sie dann durch rechtzeitige Umstellung der Produktion für sich, statt gegen sich arbeiten lassen können. Große Konzerne praktizierten dies unter eigener Regie mit Erfolg. Unter Bedingungen einer miteinander konkurrierenden Vielzahl kapitalistischer Klein- und Mittelbetriebe, wie sie damals in Thüringen bestanden, war das nicht möglich. Erkenntnisse aus Untersuchungen solcher Art hätten das Bauhaus vor den wirtschaftlichen Fehleinschätzungen der eigenen Chancen bewahren können. Mit seinem Bestreben, die Arbeit und die Ziele der Schule als ausschließlich fachliche Angelegenheit zu betrachten und politische Schlußfolgerungen nicht über den Bereich persönlicher Einsichten hinauswachsen zu lassen, band sich Gropius auf einem durch und durch politischen Feld selbst die Hände. Die zu dieser Frage deutlichste Aussage findet sich beim Syndikus Alfred Lange, den Gropius aus den Sozialen Bauhütten Breslaus durch Vermittlung Poelzigs für das Bauhaus gewonnen hatte. Langes Verdienst für die organisatorische Entwicklung des Bauhauses ist sehr groß.3 Es wurde bisher nur ungenügend gewürdigt. Er hat sich bis zur physischen Erschöpfung in den Kampf geworfen, gegen äußere Feinde, aber auch gegen Wider120

stände im Inneren. Lange (Mitglied der SPD) bezeichnete im November 1922 das Bauhaus als „staatliches Produktiv-Institut, bereits im Sinne der Sozialisierung organisiert". Mit ihm spiele sich „ein Vorgang sehr ideeller, natürlicher Sozialisierung ab". Doch müsse er die gleichen Erfahrungen machen wie in Preußen (Breslau), wo sich die Regierungsstellen gegen die Sozialisierungsbestrebungen der Bauhütten gestellt hätten. Hier in Thüringen geschähe in bezug auf das Bauhaus das gleiche. Das sei doch „bei einer sozialistischen Regierung einfach unmöglich" (Dok. 55 und 56). Diese an den Finanzminister Hartmann gerichteten Worte wurden 1922, und gewiß nicht ohne Gropius' Kenntnis, geschrieben. Das Bauhaus scheint damals noch mit einer sozialistischen Entwicklung der Gesellschaft gerechnet zu haben, wobei es irrtümlicherweise glaubte, mit seinem strukturellen und funktionellen Aufbau nach genossenschaftlichem Prinzip bereits Elemente des Sozialismus zu verkörpern. Die subjektiv ehrlichen „Sozialisierungsbestrebungen" innerhalb einer genossenschaftlichen Organisationsform konnten aber, da der Charakter der Genossenschaften von den herrschenden Produktionsverhältnissen abhängig ist, nicht zum Erfolg führen. Die erwähnte Reaktion der sozialdemokratischen Minister innerhalb der kapitalistischen Weimarer Republik war bezeichnend dafür. Aufschlußreiche Gedanken zum sozialpolitischen Standort des Bauhauses äußerten auch die Parteien (Dok. 61). In den Auseinandersetzungen um die Schule im Landtag waren sie gezwungen worden, ihre Vorstellungen dazu zu formulieren (s. S. 34ff.). Die Meinung der bürgerlichen Rechten, nach der das Bauhaus ein sozialistisches oder gar kommunistisches Unternehmen sei, konnte, da sie mit auschließlich demagogischer und verleumderischer Absicht vorgebracht wurde, nicht ernst genommen werden. Die beiden Arbeiterparteien, die SPD und die KPD, lehnten es in ihren Beurteilungen mit Recht ab, im Bauhaus eine spezifisch sozialistische oder kommunistische Kunstidee zu erkennen. Einen Kernpunkt trafen sie, wenn sie, zwar von unterschiedlichen Gesichtspunkten aus, das Bauhaus als eine typische Erscheinung der Übergangsepoche vom Kapitalismus zum Sozialismus betrachteten. Von den Sozialdemokraten wurde die „tiefe soziale Kausalität" hervorgehoben, die darin bestände, daß das Bauhaus gerade zu dem Zeitpunkt aufträte, als die Industrie aus ökonomischen Erwägungen heraus sich mehr und mehr umstelle auf den Prozeß der Normung und Typisierung, und das notwendige künstlerische Rüstzeug dafür liefern wolle. Sie sahen im Bauhaus eine historisch notwendige Erscheinung innerhalb des umfassenden technisch-industriellen Prozesses — als dessen Pendant auf kulturellem Gebiet. Der Sprecher der kommunistischen Fraktion rückte die eigene Auffassung zunächst klar von dem Handwerkerideal der Anfangsphase des Bauhauses ab. Die Verbindung von Kunst und Handwerk sei keineswegs ein „sozialistischer", sondern ein mehr „kleinbürgerlicher Gedanke"! Entsprechend der marxistischen Auffassung von der konservativen Position der Handwerker und kleiner Industrieller im Kampf um ihre Existenz als Mittelstand angesichts der anwachsenden Großindustrie erkannte er die Leistung des Handwerks 121

für die künstlerische Kultur der Vergangenheit zwar an, verwies das Bauhaus aber — in voller Übereinstimmung mit dessen eigenem damaligen Programm — auf die industrielle Großproduktion als der fortgeschrittensten Form der materiellen Produktion. Der kommunistische Sprecher erklärte jedoch auch, daß das Bauhausprogramm an diesem Punkt unter kapitalistischen Bedingungen kaum zu verwirklichen sei und deutete damit an, daß es in einzelnen Zügen auf Bedingungen und Bedürfnisse einer sozialistisch organisierten Gesellschaft vorausweise. „Wenn heute", so sagte er, „die Kunst in der industriellen Produktion noch keinen Eingang gefunden hat, wenn noch nicht möglich gewesen ist, Massenerzeugnisse so herzustellen, daß sie den ästhetischen Bedürfnissen des Menschen Rechnung tragen, so liegt das an der Entwicklung und der Klassenstruktur der Gesellschaft. Die Probleme der Kunst mit den Problemen der Produktion zu vereinigen, das wird vielleicht erst die kommunistische Gesellschaft bringen" (Dok. 61). Fast ein halbes Jahrhundert Produktgestaltung hat diese Prognose bestätigt. So stark auch die künstlerischen Ergebnisse des Bauhauses inzwischen in die ganze Welt ausstrahlten, die tieferen, die gesellschaftspolitischen Anliegen der Schule stießen im Kapitalismus stets auf unüberwindliche Schwierigkeiten, und selbst die sozialistische Gesellschaft muß Wege dahin erst noch suchen. Trotz des verhältnismäßig einheitlichen künstlerischen Programms, mit dem das Bauhaus nach außen auftrat, gab es an ihm keineswegs eine offizielle, für alle Angehörige verpflichtende Ideologie. Unterschiedlich nach Herkunft, Erziehung und Charakter, verschieden nach Begabung und Zielstellung, waren sie ausgesprochen eigenständige, ja nach Gesinnung und Überzeugung sogar gegensätzliche Persönlichkeiten, zusammengehalten nur durch den freiwilligen, jederzeit aufkündbaren Dienst an der gemeinsamen Aufgabe. Die Reaktion auf politische Ereignisse und Probleme war unterschiedlich. Durch die Zeitumstände von vornherein zum Kompromiß verdammt, bauten sie sich einerseits Utopien auf, hoben sich also mit ethisch idealen Zukunftsbildern über die geschichtliche Realität hinweg, oder lösten andererseits ihre Arbeit gar aus dem gesellschaftlichen Zusammenhang. Selbst in Gropius' Programm, das im ganzen durchaus realistisch war, wurde doch der Packen wirklicher Aufgaben noch eingehüllt von verlockenden Idealbildern eines zukünftigen Lebens. Wenn mit Utopie jener Zustand des sozialen Bewußtseins bezeichnet wird, der zwar nach Veränderung der Gesellschaft strebt, diesen Veränderungen aber nicht genau entspricht, sondern sie idealisiert versinnbildlicht und damit die wirkliche Bewegung umdeutet zur Realisierung eines Ideals vermittels Propaganda und Musterexperimenten — eines Ideals, das aus den reinen Sphären des Geistes entsteht und nicht aus der gegenwärtigen geschichtlichen Erfahrung4, so ist damit zutreffend ein wesentlicher Zug der Bauhausidee der Anfangsjähre charakterisiert. Gropius sagt dazu: „Solch ein Beginnen hat immer etwas Romantisch-Utopisches, wie der Schöpfungsakt biologischen Lebens immer eines Elementes der Überschwenglichkeit und Illusionskraft bedarf."6 Je stärker das Programm sich jedoch zur Konzeption des Funktionalismus hin veränderte, der ja mit seiner analytischen Methode zugleich Voraussetzung für 122

prognostische Arbeit bot, um so mehr trat an die Stelle des idealen Antriebs die reale, auf Veränderung der Wirklichkeit gerichtete Tätigkeit; denn die funktionalistische Konzeption — im Sinne des Bauhauses — zwingt dazu, den wahren Bedürfnissen der Zeit auf den Fersen zu bleiben. Vielleicht war es gerade der fruchtbare Widerspruch zwischen sozialer Utopie, die sich in künstlerischen Visionen offenbarte, und exakter Analyse, zwischen den weitgesteckten, damals noch unrealisierbaren Zielen und der ungeschminkten Sicht auf die wirklichen Zustände, der die Entwicklung innerhalb des Bauhauses so rasch vorantrieb und die enorme Wirkung der Schule begründete. Gropius als Architekt und ausgerüstet mit jener höheren Diplomatenbegabung, die ihn für seine Aufgabe prädestinierte, hatte den „rechten Blick für die Realität". Manchem seiner Maler aber fehlte er. Besonders sinnfällig verkörperte unter ihnen Paul Klee die zweite Weise der Reaktion auf die gesellschaftlichen Zustände. Eingesponnen in eine Welt der künstlerischen Schau — durchaus hartnäckig übrigens, wenn es um persönliche Belange ging®, trafen ihn die elementare Not und das erbitterte Ringen der Klassen nur noch in den letzten abgeklärten Wellen. Alle aktuelle „Weltgeschichte" rückte sich ihm in weltferne räumlich-zeitliche Distanz, wurde „eine Strophe im Epos": „Später lächeln wir feucht leicht darüber, wie wir jetzt vergangene Leiden belächeln. Die Kunst sieht darüber hinweg".7 Selbst die heranrückende Revolution 1918 veranlaßte ihn lediglich zu der verblüffenden Feststellung: „Wenn aber die Massen aktiv werden, was dann? Dann wird es sehr gewöhnlich zugehen, es fließt Blut, und was noch schlimmer ist: es gibt Prozesse! Wie banal!"8 Gewiß kennen wir auch die Erklärungen seines Jenaer Vortrages, wo die gesellschaftliche Isolierung der Kunst vom Volk und ihre Beschränkung auf Teilaspekte des Lebens als ein zeitbedingtes Verhängnis empfunden und dessen Überwindung eindringlich gewünscht wird (siehe S. 71). Vergegenwärtigt man sich aber, wie sehr das Volk in dieser Zeit der Krisen und Wirren aufklärender Hilfe bedurfte, so konnten solche Äußerungen nicht viel mehr sein als eine Geste der Gutwilligkeit eines lebensfremden Träumers gegenüber dem gesellschaftlichen Fortschritt. Im Angesicht des Kampfes, im Angesicht auch solcher Künstler wie John Heartfield, George Grosz, Heinrich Vogeler, Otto Dix und anderer, die Partei nahmen und in Solidarität mit der Arbeiterklasse den persönlichen Einsatz wagten, kann man die bitteren Worte verstehen, die ein Mann wie Grosz gegen Künstler wie Klee und Kandinsky richtet (auch wenn er von Picasso und Derain spricht): „Vielen ist die Kunst auch eine Art Flucht aus dieser .pöbelhaften' Welt auf einen besseren Stern, in das Mondland ihrer Phantasie, in ein reineres, parteiund bürgerkriegsloses Paradies ... Es ist ein Irrtum zu glauben, wenn einer Kreisel malt, Kuben oder tiefseelisches Gewirre — er sei dann, viellicht im Gegensatz zu Makart, revolutionär ... Arbeitet ihr etwa für das Proletariat, das der Träger der kommenden Kultur sein wird? Bemüht ihr euch, die Ideenwelt der Proletarier zu erleben und zu erfassen und den Ausbeutern ... entgegenzustellen? ... Eure Pinsel und Federn, die Waffen sein sollten, sind leere Strohhalme ... laßt euch von den 123

Ideen der arbeitenden Menschen erfassen und helft ihnen im Kampf gegen die verrottete Gesellschaft."9 Man muß sich diese politische Haltung eines damals entschieden linken Künstlers als Richtmaß hinstellen, nicht, daß wir damit alles von ihr aus beurteilen wollen — neben solcher Gesellschaftskritik hat die nahezu wissenschaftliche Gestaltungsforschung, der sich ja die Bauhauskünstler im wesentlichen widmeten, durchaus ihr Eigenrecht —, sondern daß wir damit die sogenannte Linksposition richtig einschätzen. Links bedeutet zunächst nicht mehr als links, vor allem vom Bürgertum und der Masse der Intelligenz, die sich nach wie vor mit der herrschenden Klasse identifizierte. Wo sich die einzelnen in ihrer inneren Überzeugung der Arbeiterklasse und der proletarischen Revolution näherten, handelte es sich um einen ethischen Aspekt, um die moralische Verantwortung, die sie für ihr ureigenes Anliegen fühlten, das nicht mehr mit der kapitalistischen Klasse, sondern nur mit der Arbeiterklasse zu verwirklichen war, oder auch nur um eine Frage des Gewissens, in miserablen Zeiten nicht besser leben zu wollen als die arbeitenden Schichten. Das kommt zum Ausdruck etwa bei Gerhard Mareks, wenn er an Gropius schreibt, ihn peinige sein Gehalt, obwohl das nicht einmal ausreichte, wenn die Lehrlinge Fron leisten sollen. „Ein bißchen Kommunismus müssen wir uns von der Revolution übrig behalten" (Dok. 98). Schlemmer, der für sich gern gelten ließ, daß er links sei und modern, hat uns in seinen Tagebüchern und Briefen einiges von seinen politischen Überlegungen niedergeschrieben. Sie zeigen, daß er die Abdrosselung der Novemberrevolution durch die rechten SPD-Führer und deren Parolen von „Ruhe und Ordnung" als Halbheit und Verhängnis empfand. In drastischen Worten gab er seinem Wunsch nach Vollendung der Revolution Ausdruck: „Die Welt muß sich auskotzen zur Zeit; was soll Ruhe und Ordnung, bevor es geschehen ist, voll und ganz" (s. S. 17). Bereits Anfang 1925 ahnte er die Folgen des „Marsches der Reaktion in Deutschland": „Es treibt bei uns auf etwas zu: ich weiß nicht, ob es Staaten- oder Bürgerkrieg heißen wird." Jedoch zögerte er, als sich ihm in Dessau durch Zusammenarbeit mit Erwin Piscator in einer politischen Tendenzbühne die Gelegenheit bot, diesem Lauf der Entwicklung den eigenen Einsatz entgegenzustellen: „Wenn er aber das Politische einerseits gelten, und das Moderne, Formale andererseits nicht gelten läßt, muß ich bedauern." Schließlich fühlte er sich fehl am Platze, als die Studierenden und Hannes Meyer in der Bühnenarbeit Tendenz sozialpolitischer Natur forderten10. Der Einsatz folgte nicht gradlinig der Einsicht. Als Rechtfertigung seiner Äußerungen im Manifest von 1923 und in Abwehr von Vorwürfen schrieb er: „Wollte denn 1918 nicht die Mehrheit des deutschen Volkes die Kathedrale des Sozialismus bauen? War die Revolution und nachfolgende Verfassung nicht das Bekenntnis zum Volksstaat? Und was ist und heißt Volksstaat denn anderes als Sozialismus? Ferner: Heißt Sozialismus etwa sozialdemokratische und kommunistische Partei? Ist Sozialismus nicht ein Begriff, eine Ethik, die über den Parteien steht?" 11 Dies etwa kann als Quintessenz seiner politischen Auffassung gelten. Sozialismus? J a ! — Aber Partei? Nein! Als ob eine neue Gesellschaft ohne die entsprechende 124

politische Kampforganisation entstehen könnte. Nach links offen, mit „Herz und Hoffnung" die sozialistische Oktoberrevolution begrüßend und mit Sympathie die Entwicklung der Sowjetunion verfolgend, vertrat er gemeinsam mit Moholy so etwas wie eine Linke innerhalb des Weimarer Bauhauses. Die Rechte verkörperte Wassily Kandinsky, obwohl gerade er wegen seiner Vergangenheit von den bürgerlichen Parteien als politisch untragbar empfunden wurde12. Der Russe Kandinsky, der vor dem ersten Weltkrieg in Deutschland lebte, war während des Krieges nach Rußland zurückgekehrt und hatte dort nach der Revolution als Leiter des neuen Staatlichen Museums für Malkultur, als Professor für Kunstgeschichte an der Moskauer Universität und als Mitglied der Kunstabteilung des Volkskommissariats für Volkserziehung wichtige Funktionen in der Kulturpolitik des jungen Sowjetstaates inne. Damals übrigens gab es schon einen Briefwechsel zwischen Gropius und Kandinsky, der 1920 in der Zeitschrift „Chudoshestwennaja Shisn", Moskau, publiziert wurde. Kandinsky war jedoch den härteren politischen Anforderungen, erzwungen von der Notwendigkeit, die Kunst in die Waagschale des ideologischen Kampfes zu werfen, aber wohl auch der materiellen Not nicht gewachsen. Er kehrte 1921 nach Deutschland zurück und wurde wenig später von Gropius an das Bauhaus berufen. Skepsis und die scharfe Ablehnung des Kollektivismus hinderten ihn jedoch daran, sich voll mit dessen Programm zu identifizieren. Die Studierenden des Bauhauses kamen, soweit Personalbogen Auskunft geben, vorwiegend aus bürgerlichen und kleinbürgerlichen Verhältnissen. Doch konnten nur wenige zu Monatsanfang mit dem sicheren Wechsel des Vaters rechnen, nicht nur, weil die Inflation diese Schichten teilweise ihrer Existenzmittel beraubte, sondern weil diese Jugend sich über kurz oder lang mit den Eltern überwarf. Das war einer der Gründe, weshalb Gropius von Anfang an darauf ausging, den Studierenden am Bauhaus im Rahmen der Studienarbeit Verdienstmöglichkeiten zu schaffen. Durch Krieg und Revolution ideologisch heimatlos geworden, schwankten die jungen Menschen, ob sie nun aus der Wandervogelbewegung kamen oder das Kriegserlebnis sie geprägt hatte, unsicher zwischen den Klassen. Es ist bekannt, wie stark die studentische Jugend im allgmeinen nationalistische und chauvinistische Parolen verfocht, mit dem Korpsgeist Standesvorurteile kultivierte und zu einem verläßlichen Bollwerk der Reaktion wurde. Das Bauhaus ist hier die große Ausnahme. Obwohl in den Prozessen und Auseinandersetzungen der späteren Jahre die Bauhausmeister immer wieder verteidigend erklärten, unter den Studierenden des Bauhauses seien sowohl Anhänger rechter als auch linker Parteien vertreten, hatte sich doch nach der Groß-Affäre und der Neugründung der benachbarten Kunstschule, zu der Studierende bürgerlich-reaktionärer Gesinnung abwanderten, eine natürliche Scheidung vollzogen. Nur wenige Bauhausangehörige bekundeten eine nationalistische Einstellung. Theo Bogler zum Beispiel, von dem Mareks schrieb, er tendiere zum Fabrikbesitzer, und der später Mönch in Maria Laach wurde, bot sich, als die Bauhausleitung nach dem Sieg des Bürgerblocks versuchte, Brücken zu den neuen Regierungsvertretern zu schlagen, mit dem Hinweis an, daß er durch seine nationalistische Gesinnung und als Reserveoffizier einiges mit den Deutschnationalen gemeinsam habe.13 125

Der überwiegende Teil der Studierenden aber war antibürgerlich eingestellt und in romantischer Revolutionsbereitschaft für gesellschaftliche Veränderungen offen. Wingler spricht von politischen Gruppen „vorwiegend sozialistischer Tendenz"; und in einem Regierungsbericht wird zugegeben, „daß ein kleiner Teil der Schülerschaft radikal-politisch veranlagt" sei.14 Es herrschte Sympathie für das Proletariat und die Revolution. Berichten nach wurden an den Bauhausabenden unter anderem Dichtungen des als Mitglied der ersten Münchener Räteregierung von der Konterrevolution im März 1919 ermordeten Anarchisten Gustav Landauer gelesen, oder es fand ein Vortrag über Rußland statt, mit anschließendem Spiel des Gesanges der demonstrierenden Massen und des Trauermarsches beim Begräbnis der Revolutionsgefallenen.18 Aus der Metallwerkstatt (siehe Abb. 57/58) gehörten Wolfgang Rößger, Max Krajewsky und der 1945 auf dem KZ-Schiff „Kap Arkona" ermordete Josef Knau der KPD an. Berichtet wird auch, daß Studierende des Bauhauses an der Gründung der Ortsgruppe Weimar der KPD teilgenommen haben sollen (u. a. Dörte Helm).16 Andere wurden vom Künstler und Kommunisten Heinrich Vogeler „Jugendgenossen" genannt (Grete Rühle, Alfred Lackheit) (Dok. 40). Von einem Gast und Freund des Bauhauses, Hans Sachs, hatten die Bauhausgegner ausgekundschaftet, daß er am Münchener Räteaufstand beteiligt gewesen sei. Fred Forbat kam an das Bauhaus, nachdem er von der reaktionären bayrischen Regierung aus München ausgewiesen worden war. Peter Röhl veröffentlichte eine Zeichnung „Germania" in dem kommunistischen Blatt „Prolet", weswtegen ihn Gropius mahnte, solches in Zukunft zu unterlassen, weil es dem Bauhaus schade. Aber gerade Röhl ist der Typ des wurzellosen Kleinbürgers. Nach anfänglicher Vertrauensstellung bei Gropius wechselte er später zur Kunstschule über und unterstützte dort Aktionen gegen das Bauhaus. Nach dem Sieg des Faschimus wurde er Nazi. Die Quellen für diese spezielle Fragestellung fließen spärlich. Man ist auf Zufallsfunde angewiesen, solange eine soziologische Auswertung der Lebensläufe der Studierenden nicht vorliegt. i«a Im ganzen wurde das Bild des studentischen Lebens in den ersten Jahren geprägt von einer tiefen weltanschaulichen und künstlerischen Unsicherheit, die die Studierenden bald hierin, bald dahin trieb, die sie ihr Heil bei der von Itten praktizierten fernöstlichen, auf Reinhaltung des Körpers und der Seele gerichteten MazdaznanLehre suchen ließ und sie ebensoleicht van Doesburgs Doktrinen zutrieb. Einzelne fanden, wie der Meister Adolf Meyer, Halt in der Theosophie. Natürlich bot die ziellose Antibürgerlichkeit auch günstigen Nährboden für dadaistische Abenteuer.17 Die Weimarer Bürger faßten es schon als Revolte wider den guten Geist der Stadt auf, wenn die jungen, verarmten Leute unkonventionelle Kleidung trugen oder zu Weihnachten selbstgebasteltes Spielzeug an bedürftige Kinder verschenkten.18 Zu politisch ernst zu nehmenden Aktionen größerer geschlossener Gruppen von Bauhäuslern kam es in Weimar nur wenige Male. Bei der Explosivität der Atmosphäre in der Zeit der revolutionären Nachkriegskrise und den vielen tragischen, den Bestand der Republik gefährdenden Ereignissen, die eigentlich zur Solidarität 126

hätten herausfordern müssen, ist eine solche Passivität nur schwer verständlich. Nach dem Rathenau-Mord am 24. Juni 1922, der die gesamte demokratische Öffentlichkeit empörte, erwartete Gropius auch Kundgebungen der Studierenden. Aber seine Bitte um Zurückhaltung genügte, um solche Aktionen zu vermeiden. In den dramatischen Oktobertagen 1923, als sich die revolutionäre Arbeiterschaft Thüringens gegen den Anmarsch der Reaktion von Bayern her und gegen die Reichswehr rüstete, beteiligten sich nachweisbar nur zwei Studierende, die der kommunistischen Jugendorganisation angehörten, und laut eigenen Angaben der spätere Syndikus Dr. Necker (Dok. 103) an Verteidigungsmaßnahmen.19 Das einzige Ereignis, das sie zwang, aus ihrer Reserve herauszutreten, war der KappPutsch, jener Husarenritt der Konterrevolution, mit dem sie hoffte, auf direktem Wege die politischen und sozialen Errungenschaften der Novemberrevolution wieder zerschlagen zu können (März 1920). Der offene Anschlag auf die junge Republik hatte die Arbeiterschaft und das demokratische Bürgertum wie überall im Reich, so auch in Weimar, zum geschlossenen Handeln zusammengeführt. Bei den Kämpfen in der Stadt waren mehrere Arbeiter gefallen. Ihre Beerdigung wurde zu einer Demonstration aller fortschrittlichen Kräfte. An ihr nahmen die Bauhausangehörigen nahezu vollständig teil. Daß die Transparente und Losungen, die sie trugen — nach Bruno Adler „linksradikalen" Inhalts20 — in den Räumen des Bauhauses angefertigt waren, brachte die reaktionären Kreise wiederum gegen die Schule auf, und der Fall wurde jahrelang durch die Presse gezerrt. Andererseits aber zeigen die weiteren Umstände um dieses Ereignis erstmalig die zweifelhafte Taktik von Gropius, jeden Anschein von Parteipolitik von sich und der Schule fernzuhalten. Selbst hier, wo es um die geschlossene Aktion aller demokratischen Kräfte gegen den Putsch ging, sprach er aus diplomatischen Erwägungen heraus den Schülern, die an der Anfertigung der Transparente beteiligt waren, seine Mißbilligung aus. Er selbst hatte, angeblich auf Zureden seiner Frau Alma Mahler21, nicht an der Demonstration teilgenommen. Man verdächtigte ihn später sogar, gewiß zu unrecht, er sei in den kritischen Stunden auf dem Wege zur thüringischen KappRegierung angetroffen und zurückgehalten worden22. Doch übernahm er 1920 den Auftrag der Gewerkschaft, für die Märzgefallenen ein Denkmal auf dem Friedhof zu errichten. Er entwickelte dafür jene dynamische Betonform eines aus der Erde aufzuckenden Blitzes, die (ohne statische Horizontale und Vertikale) kein „in memoriam" sein sollte, sondern ein Fanal bedeutete. Diese Lösung, die formal gesehen, den Expressionismus voraussetzt, hat ihre tieferen Wurzeln in der eruptiven Ideologie der Revolutionszeit. Nicht zufällig erhielt das erste Marx-Denkmal in Moskau (1920) ebenfalls jene aufbrechende Schollenform als Sockel. Außer diesem Gropiusschen Entwurf gab es noch andere Projekte, darunter eine figürliche Konzeption von Engelmann. In der Abstimmung auf einer dazu einberufenen Vollversammlung des örtlichen Gewerkschaftskartells wurde nach heftigen Auseinandersetzungen Gropius' Entwurf, für den sich (nach Auskunft eines Arbeiterveteranen) von Anfang an die 127

der KP nahestehenden Vertreter eingesetzt hatten, zur Ausführung bestimmt. Das Projekt gewann Gropius große Sympathien in der Arbeiterschaft. Der Vorsitzende der Gewerkschaft, Emil Friedrich, schrieb: „Dem Meister des Staatlichen Bauhauses sei für seinen kühnen Entwurf gedankt, der in harmonischem Einklang mit den Bestrebungen der Arbeiterschaft steht"23. Das Denkmal wurde am 1. Mai 1922 eingeweiht. Von den Kontakten des Bauhauses mit fortschrittlichen Organisationen, soweit sie in Schriftstücken des Archivs ihren Niederschlag fanden, ist noch zu erwähnen, daß die Arbeiterschaft Weimars im Oktober 1922 den Syndikus des Bauhauses, Emil Lange, als ihren Vertreter ins Stadtparlament delegieren wollte und daß Moholy-Nagy die künstlerische Leitung des Festes des Konsumvereins im Mai 1923 übernahm (Dok. 65). Nach der Oktoberrevolution war die Stellung zu ihr, zur bolschewistischen Partei und später zur Sowjetunion eine Kardinalfrage politischer Gesinnung. Gropius hatte schon 1919/20, zu einer Zeit, als eine wüste politische Hetze alle bürgerlich kapitalistischen Länder überzog und auch die Sozialdemokratie den Antibolschewismus zum Programm erhob, entschieden und in aller Öffentlichkeit seine prinzipielle positive Haltung bekundet (s. S. 59). Als im Sommer 1921 auf Initiative der Kommunistischen Internationale eine Solidaritätsaktion für Sowjetrußland durchgeführt wurde, die in Deutschland unter den Künstlern Otto Nagel leitete, beteiligte sich auch das Bauhaus. Die Meister spendeten geschlossen für die Rote Rußlandhilfe und ebenso im Januar 1924 für die Internationale Arbeiter-Hilfe zugunsten der Küchen der ArbeiterHilfe.24 Diese Hinweise mögen das bisher gewonnene Bild von der persönlichen Seite her abrunden. Von der politischen Borniertheit und Arroganz üblichen Akademikertums war bei den Bauhausangehörigen nichts zu spüren. Sie waren bereit, einen demokratischen, teilweise sogar sozialistischen Weg zu gehen. Bestimmend für das öffentliche Auftreten der Schule blieb natürlich über die ganzen Jahre hinweg die persönliche Überzeugung von Gropius. Gemäß seinem Programm konnte für ihn seine Tätigkeit als Leiter nicht Direktionstätigkeit im hergebrachten Sinne bedeuten. Sie forderte vielmehr, daß er seine Ideen in diesen institutionellen Zusammenhang unterschiedlicher Persönlichkeiten als Ferment einbrachte. Diese Ideen waren gekennzeichnet von den gegensätzlichen Faktoren, dem Erkennen der politischen und sozialen Notwendigkeiten der Zeit einerseits und der Verantwortung für einen Schulplan und eine Schulgemeinschaft andererseits. Da sein Name für das Bauhausprogramm im ganzen stand, wurde jede politische Entscheidung von der bürgerlichen Öffentlichkeit sofort als Element eben dieses Programms aufgefaßt und bekämpft. Deshalb hat er sich schon nach den ersten Monaten in Weimar auf eine Position zurückgezogen, die als überparteilich gelten sollte. Die bürgerlichen Parteien haben dies immer als Tarnung betrachtet. Zu Unrecht. Unparteilichkeit wurde zu seiner und des Bauhauses Ideologie erhoben, und zwar keineswegs als Tarnung, sondern als ernst genommene Taktik. Greil erklärte nach Schließung des Bauhauses Weimar ganz in diesem Sinne, es habe keinerlei politische 128

Bindung vorgelegen zwischen der sozialdemokratischen Regierung und Gropius. Gropius sei ein durch und durch unpolitischer Mensch. Gropius' Äußerungen in privaten Briefen bestätigten dies: „Wir haben", sagt Gropius, „in unserem Kampf immer mehr eingesehen, daß wir unstürzbar sind, wenn wir unpolitisch bleiben.. ."25. Wenig später erklärte er seine Auffassung Behne gegenüber: „Ich sehe jetzt mit voller Deutlichkeit ... Wir müssen die Partien zerstören. Ich will hier eine unpolitische Gemeinschaft gründen. Das, was wir alle ersehnen und wollen, .Gemeinschaft', ist überhaupt nur unter Menschen möglich, die die Partei ablehnen und sich einer Idee hingeben und dafür kämpfen. Im AfK (Arbeitsrat für Kunst) habe ich damals schon ein Gleiches gefühlt, aber heute ist mir das alles sonnenklar geworden" (Dok. 28). Behne, damals Mitglied der USPD, warf ihm daraufhin Kompromißlertum vor. Gropius stellte dagegen seinen Standpunkt vom „Zünglein an der Waage in allen Dingen". Das war aber im Grunde nur eine andere Formulierung für den gleichen Sachverhalt. Diese Differenzen führten zu einer zeitweiligen Entfremdung der beiden vertrauten Freunde. Auch Bruno Adler hatte Gropius' Vorstellung, als sei ein so stark sozial verankertes Programm, wie es in der Bauhausidee vorliege, auf einem parteipolitisch neutralen Felde zu verwirklichen, mit Recht als Selbsttäuschung bezeichnet. Eine solche Sache sei eben „noch ganz auf Parteipolitik angewiesen". Gropius' Aversion gegen die Parteien der Weimarer Republik hat dennoch einen verständlichen realen Hintergrund. Auch andere fortschrittliche bürgerliche Künstler teilten ihn, denn die neue Qualität der gerade erst gegründeten Kommunistischen Partei wurde damals nur wenigen bewußt. Döblin nannte die Parteienbildung das „Nessüshemd der Freiheit". Sie klebten am Volke ebenso schmerzlich wie Dynastien. Werde nicht zur Auflösung der Parteien geschritten, so sei keine Möglichkeit zur Entfaltung republikanischer und freiheitlicher Grundsätze gegeben. Döblins Folgerung war aber nicht, unpolitisch zu bleiben, sondern an die Seite der Arbeiterklasse zu treten. — „Herüber nach links. An die Seite der Arbeiterschaft."25 Gropius versuchte den Widerspruch zu lösen, indem er für sich zwischen parteipolitischer Meinung und ideologischer Einstellung zu den Geschehnissen unterscheiden wollte. Das kommt in einem Brief an den Künstler und Kommunisten Heinrich Vogeler, Worpswede, zum Ausdruck (Dok. 40). Auf dessen Anfrage, ob er am Bauhaus über die „religiöse Bewegung der Revolution" oder „die Arbeitsschule" sprechen könne, antwortete Gropius, er habe gegen einen Vortrag innerhalb, des Bauhauses nach seinen Erfahrungen schwere Bedenken, weil Regierung und Spießertum parteipolitische Meinung und „ideologische Einstellung auf die Geschehnisse" nicht unterscheiden können. „Man würde sofort sagen: ,Aha, man sieht es ja, Gropius treibt kommunistische Propaganda!". Es folgt ein Satz, der seine politische Hältung präzisiert. „Es ist klar, daß meine ideologische Einstellung ebenfalls auf Ablösung vieler kranker und morsch gewordener Einrichtungen abzielt. Ich habe aber weder Interesse noch Kenntnis in praktischer Parteipolitik, sie ist mir in allen Lagern unsympatisch. Ich habe mich bewußt von aller Parteipolitik ferngehalten, und 9

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diesem Umstand habe ich es zu verdanken, daß ich das Bauhaus in tausend Gefahren am Leben halten konnte." E r gab schließlich Vogeler einen Hinweis, wie er dennoch in Weimar sprechen könne und versicherte ihm, daß er das Publikum, welches er suche, dort finden werde. E r hoffe, ihn auf jeden Fall in Weimar begrüßen zu können. Man muß zugestehen, daß diese taktische Einstellung in hohem Maße den Bedingungen der Weimarer Scheindemokratie angepaßt war. Ein offenes parteipolitisches Bekenntnis, das seiner „ideologischen Einstellung" entsprochen hätte, würde die sofortige Schließung des Bauhauses nach sich gezogen haben. — Aber wo liegt die Grenze zwischen elastischer Politik und Opportunismus? Schließlich war es ja die millionenfache Wiederholung ähnlicher Entscheidungen, die die Demokratie systematisch untergrub und zum totalen Sieg des Faschismus führte. Heinrich Mann bezeichnete es einmal als ein Verhängnis der Weimarer Republik, daß alle, die in ihr was zu sagen hatten, es sich noch zur Ehre anrechneten, in den großen Auseinandersetzungen praktisch neutral geblieben zu sein. Auch die Lebensfrist des Bauhauses wurde damit teuer erkauft. Bedenkliche Folgen lagen schon darin, daß Gropius mit einer solchen Einstellung nicht fähig war, den Studierenden eine feste weltanschauliche Orientierung zu geben. Die bewußte Unoder Antiparteilichkeit wirkte auf die ungefestigte Jugend auf die Dauer destruktiv und hemmend. Die mit dem Siedlungsbau und mit der Industrialisierung herangereiften fachlichen Probleme hätten, wie Hannes Meyers Arbeit später bewies, gleichsam auf wissenschaftlichem Wege wesentliche soziale Erkenntnisse erschließen können. Gropius machte aber immer da halt, wo sich ihm solche als politische Fakten offenbarten. So unterlag er ungewollt oft selbst der bekämpften Gegenwart. Auf die Krisenzeit und die anwachsende Flut der Reaktion reagierte er immer stärker mit einem Legalitätskomplex und mit dem Glauben, seine hohen fachlichen Leistungen könnten ihn vor den Unbilden der Politik schützen. Man darf auch die Möglichkeit nicht unerwähnt lassen, daß Gropius 1924 sogar mit den nunmehr regierenden Bürgerblockparteien eine Übereinkunft gefunden hätte, wenn diese was allerdings der Sachlage nach unmöglich war, sein Bauhausprogramm angenommen hätten. Es enthielt jedoch so viele progressive Elemente, so daß dessen Ablehnung durch die bürgerlich-kapitalistischen Parteien ganz folgerichtig war. In gewisser Weise entsprang Gropius' Haltung einer disziplinierten Selbstbescheidung: Ein Mensch, der etwas leisten wolle, müsse wissen, wo er sein Bestes geben könne, und wo seine Grenzen seien.27 In einem Brief von 1938 bekennt er für sich als die einzige Alternative zu der von ihm gewählten Aufgabe den Weg eines Revolutionärs 88 . Gropius hatte seine Strategie auf große Zeiträume eingestellt. E r verfolgte sein Ziel mit Beharrlichkeit und mit einer gewissen Bereitschaft zum Kompromiß als einer Bedingung, um in der Welt zu wirken, blieb aber zäh und unbeugsam in den Sachfragen und in der Verteidigung des sozialen Anliegens Beines Programms. Das brachte das Bauhaus 1925 und schließlich ihn selbst 1928 ebenso zu Fall wie später Hannes Meyer, der die politische Problematik des Bauhausprogramms nicht mehr verschleierte, sondern offen als solche ansprach. 130

Die Widersprüche in Gropius' Haltung, wie überhaupt im Erscheinungsbild des Bauhauses, lagen begründet in dem Konflikt zwischen den objektiv herangereiften Notwendigkeiten zur höheren Integration der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Kräfte der Gesellschaft und der Tatsache, daß die Voraussetzungen dafür, nämlich deren entschiedener Umbau durch die proletarische Revolution nicht vollzogen waren. Jene höhere Integration erzwang vom Bürger — und Gropius und die Mehrzahl der Bauhausangehörigen waren Bürger nach Herkunft und Erziehung — die Absage an die ererbte Illusion eines souveränen Individuums. Sie verlangte die Bereitschaft, sich selbst als Teil in die neue von Industrie, Technik und der Armee des Proletariats determinierte rationale Welt einzufügen, was im Ergebnis die Selbstaufgabe des Status als Bürger bedeutet hätte. Das Dilemma, die objektiven Notwendigkeiten zu erkennen, den Folgerungen für das eigene Ich jedoch zu widerstreben, erzeugte enfangs noch idealistische Zukunftsbilder der Gesellschaft und der Kunst, die — wie die Idee vom Gesamtkunstwerk — die Integration der gesellschaftlichen Kräfte zwar einschloß, dem Architekten und Künstler aber noch das Purpurgewand eines souveränen „übermenschlichen Wächters und Ordners ihres ungetrennten Gesamtlebens" (Gropius) umhängte. Ideale Pläne, was in der Gesellschaft und für die Gesellschaft zu verändern sei, wurden in Angriff genommen mit verschwommenen Vorstellungen über den realen Weg zur Weltveränderung. Als nach den Erschütterungen der Revolutionszeit in der allgmeinen Krise des kapitalistischen Systems das deutsche Bürgertum die Unvermeidlichkeit seines Untergangs bemerkte und ihm auf seine Weise zu begegnen suchte, indem es, wie Argan sagt, „ein neues, auf die Macht des Staates begründetes autoritäres Prinzip aufstellte", also in seiner Mehrzahl national-chauvinistisch reaktionär und antidemokratisch wurde, „mußte es zum B.uch zwischen Gropius und der deutschen bürgerlichen Gesellschaft kommen"29. Die Groß-Affäre hatte den Bruch erstmalig gezeigt, und er wurde immer offensichtlicher, je mehr Gropius aus dem Dunst der Kunstbürgerlichkeit heraustrat und reale Lösungswege für die herangereiften Probleme der Architektur und Produktgestaltung in ihrer neuen Rolle als wichtige gesellschaftliche Faktoren suchte. Argan will schließlich in Gropius' Beteiligung am Wettbewerb für das Theater in Charkow und für den Sowjetpalast in Moskau — und dem ließen sich nach andere offenkundige Stellungnahmen, zum Beispiel die Unterschrift gegen den Panzerkreuzerbau30, hinzufügen — untrügliche Symptome der Enttäuschung am Bürgertum und des Protestes eines humanistischen zukunftsoffenen Bürgers gegen die hereinbrechende Flut des Faschismus erkennen. Es war Gropius klar geworden, daß die bürgerliche Intelligenz nur dann weiterhin noch eine Aufgabe in dieser Epoche des Umbruchs und Übergangs haben konnte, wenn sie auf ihre ererbten Privilegien verzichtete und die Rolle eines kulturellen Vermittlers an die neue aufsteigende Gesellschaft übernahm. Das verlangte Verwandlung des eigenen Ich. Gropius war bereit dazu und fühlte sich für die Pflicht (vergleichbar in der Literatur J. R. Becher), dies als Beispielvorzuleben. „Nicht nur Können und Wissen", schrieb er, „sondern Enteitelung und Zuchthaltung befähigen erst eine Mehrzahl von Individuen zu gemeinsamer 9*

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Stoßkraft. Jede lebendige Form ist immer Ausdruck eines inneren Resultats. Nicht nur die gedachte, sondern auch die gelebte Objektivierung, d. h. Ich-Überwindung muß der Gestaltung vorausgehen, damit das Produkt mehr als persönliche Geltung gewinnt".31 Die auf die Gemeinschaft bezogene Sozialethik war integraler Bestandteil des Werkes, auch des Bauhausgedankens. Sie schloß Toleranz gegenüber dem Mitstrebenden und Fairneß gegenüber dem Gegner ein. Aber sie verleitete auch zur Lauheit, und manche politischen Urteile und Reaktionen erscheinen im Angesicht der immer schärferen Konfrontation der Klassen einfach naiv. Er stand auf zur Verteidigung des künstlerischen Prinzips in Bereichen, wo, und in Zeiten, als kapitalistische Profitinteressen es zu liquidieren drohten und die gegenständliche Umwelt bis hin zur Architektur durch Verwertung im kapitalistischen Marktmechanismus entwertet, paralysiert wurde. Er prangerte als Mahner die „raffinierte Verkaufspropaganda" an, den „bedenkenlosen Mißbrauch unserer Sprache", die „Verfälschung aller Werte", die „bedenkenlose Geschäftsmentalität" mit ihrem „Anreiz zu planmäßiger Verschwendung", und er kam doch nicht bis zu den gesellschaftspolitischen Wurzeln dieser Erscheinungen. Er verfolgte seinen Weg als konsequenter, aufrechter Demokrat in einer Zeit, als die Mehrheit des Bürger- und Kleinbürgertums in einer Art neurotischem Reflex auf die Kriegsniederlage und den Versailler Vertrag in nationalistische, chauvinistische Bahnen geriet und auch kulturelle und künstlerische Meinungsverschiedenheiten und Positionen unweigerlich zur politischen Frontbildung führten. Daß Gropius das Bauhaus auf ein demokratisches und sozial gerichtetes Gesellschaftsmodell bezog, daß er es, wie die schulpolitischen Bestrebungen bewiesen, in das gesellschaftliche Leben eingliedern wollte, daß er in die Wirtschaft einwirken und ein Beispiel geben wollte für eine Humanisierung (nicht bloß Ästhetisierung) der industriellen Produktion, — das verlieh der Schule ihren historischen Rang und machte sie zu einer Herausforderung für die Herrschenden, auch wenn von den übergreifenden Zielen wenige erreicht wurden. Josef Albers, der dreizehn Jahre als Schüler und Lehrer am Bauhaus wirkte, gesteht dies Scheitern der eigentlichen, auf die Industrie gerichteten Ziele ein. Man habe aber stattdessen, so sagt er, etwas anderes, wesentlich Wirkungsvolleres gewonnen: eine neue visuelle Erziehung und mit ihr einen weitreichenden Einfluß auf die allgemeine künstlerische Erziehung überall in der Welt32. Obwohl dies stimmt, liegt in solcher Wertung eine Selbsttäuschung. Wenn das Instrumentale, das Methodische und eigentlich Schulinterne zur wesentlichsten weiterwirkenden Leistung wurde, so doch nur, weil dieser Teil am ehesten der gesellschaftlichen Bedeutsamkeit entkleidet, aus dem sozialen Zusammenhang gelöst und beliebig verpflanzt werden konnte, zum Beispiel in die USA, während die eigentlichen großen gesellschaftlichen Ziele am Widerstand und Unverstand einer breiten militanten Front bürgerlicher Kreise und der Industrie scheiterten. Bei den verschiedenen wie auch immer gearteten Versuchen eines Bauhaus-revival übersieht man in den westlichen Ländern beharrlich die gesellschaftspolitischen Zusammenhänge. Man verschweigt, daß das Bauhaus seine Existenz und Arbeit im zähen, zermürbenden Kampf gegen diese bürgerliche Front verteidigen mußte, und 132

daß es ins Leben trat, wirken konnte und über die gesamten Jahre der Weimarer Republik von 1919—1933 erhalten blieb, — wenn auch an verschiedenen Wirkungsstätten —, dank der Unterstützung durch Vertreter der Arbeiterparteien, die es im Parlament verteidigten. Und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß auch die bedeutenden künstlerischen Leistungen der Schule in der Produktgestaltung, in der Herausarbeitung einer neuen Gestaltungskonzeption und bei der Ausbildung einer Raumstruktur für die Organisierung der Umwelt einer zukünftigen konsequent demokratischen Gesellschaft aus diesem gesellschaftspolitischen Räume mit seinen Leitbildern, Wünschen und Wertungen erwachsen sind.

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Anhang

Anmerkungen Kap. I. Die Geschichte des Bauhauses in Weimar 1 K.-H. Hüter: Henry van de Veldes Kunstgewerbeschule in Weimar. Wiss. Ztschr. der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar, 9. Jg. 1962, Heft 1 und 2, S. 12 2 Baudert, August (1860—1934); Reichstags- und Landtagsabgeordneter der SPD; nach der Novemberrevolution Vorsitzender der provisorisch-republikanischen Regierung im Freistaat SachsenWeimar; 1919—1921 Chef des Ministeriums des Inneren und Äußeren Sachsen-Weimar-Eisenach. Baudert gehörte zu den Opportunisten, die vor revolutionären Aktionen zurückschreckten. (Siehe seine Schrift: Sachsen-Weimars Ende, 1920) Er bot schon am 10. November 1918 bürgerlichen Kreisen die Mitarbeit an und setzte sich gegen den Willen des Arbeiter- und Soldatenrates, dem er angehörte, für die Nationalversammlung ein. 3 Eingabe an das Staatsministerium: Reformvorschläge des Lehrerkollegiums der Großherzoglichen Hochschule für bildende Kunst in Weimar vom 3. Oktober 1917. S T A W 4 Brief F. Mackensen an Freiherrn von Fritsch vom 4.4. 1920, STAW, Hofmarschallamt 3708.

Kap, II. Die ökonomische und politische Struktur Weimars nach der Novemberrevolution 5 Nach L. Wallraf, Manuskript 6 Die Industrie bestand (nach Pfeiffer) aus Rohstoffindustrie = 480 Betriebe mit 20000 Beschäft. Halbfabrikate = 2900 Betriebe mit 57000 Beschäft. Fertigwarenindustrie = 29500 Betriebe mit 236000 Beschäft. 7 Brief Henry van de Veldes an Walter Gropius vom 8. 7. 1915. Abgedruckt bei H. M. Wingler: Das Bauhaus, S. 28 8 Diese und folgende Angaben über die thüringische Industrie nach Joh. Müller: Thüringen und seine Stellung zu Mitteldeutschland. Weimar 1919: — Joh. Müller: Die thüringische Industrie. Jena 1930 — Joh. Müller: Das thüringische Handwerk. Statistisches Jahrbuch 1930 — Hans Pfeiffer: Das Werden und Vergehen der industriellen Großbetriebe in Thüringen. Statistisches Jahrbuch 1930 — Max Richter: Die thüringische Industrie, ihre Stellung in der deutschen Volkswirtschaft und ihre Beziehungen zum Weltmarkt. Erfurt 1919. 9 Zum Beispiel 0 . Schlemmer in Briefen vom 25.1. und 23.2. 1919: „Rußland: die Jugend Europas. Die deutsche Revolution eine schwache Nachahmung der russischen, und auf ihrem Zug gen Westen bricht sie sich am neuerwachten westlichen Imperialismus; wenn wir es zu einer leidlichen Demokratie bringen, wird es viel sein. Ich sehe wirklich wenig Tiefe jetzt in Deutschland. Ein

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Widerstreit westlicher und östlicher Maximen, auch in der Kunst; nur keine deutschen. Es ist trostlos zu denken, daß auf Kompromissen der neue Bau ausgeführt werden soll. Aber es ist ja kaum ein neuer Bau, ein halbzerstörter, alter, recht und schlecht zusammengeflickt. Es gibt heute gebildete Menschen, die vom Staat nur verlangen, Buhe und Ordnung zu schaffen, dasjenige, was das alte Deutschland so bewundernswert gemacht hatte. Mir scheint das Verlangen egoistisch, gegenüber dem großen Geschehnis der Revolution — die sich auswirken muß, und vielleicht langsam, entgegen den Wünschen. — Die Welt muß sich auskotzen zur Zeit; was soll Buhe und Ordnung, bevor es geschehen ist, voll und ganz." O. Schlemmer: Briefe und Tagebücher. München 1958. 10 E. Friedrich, Vorsitzender der Gewerkschaft, Weimar, in: „Märzgefallenendenkmal, Weimar", Broschüre, hg. anläßlich der Einweihung am 1. 5.1922. 11 Martin Wagner, Dr. ing.: Die Sozialisierung der Baubetriebe. I n : Die Volkswohnung, Zeitschrift f ü r Wohnungsbau und Siedlungswesen. H. 1, 24. Juni 1919, S. 155. 12 Arbeitsrat für Kunst. „Unter den Flügeln einer großen Baukunst". Flugblatt vom März 1919 13 Wilhelm Bode: Aufgaben der Kunsterziehung nach dem Kriege. I n Ztschr. „Die Woche", 18. Jg. vom 1. 4. 1916. Dieser Aufsatz war eine Erwiderung auf die konservativen Auffassungen des Berliner Akademiedirektors Arthur Kampf. 14 Bruno Adler: Bildende Kunst in Weimar. In Ztg. „Das Volk" vom 22. 4. 1921 15 Der Fall wurde ausreichend dokumentiert in den Broschüren: 1. Dr. Herfurth, Weimar und das Staatliche Bauhaus. Weimar 1920 (von gegnerischer Seite). 2. Staatliches Bauhaus in Weimar. Der Streit um das Staatliche Bauhaus. Weimar 1920, mit Beilage: Kultusministerium in Weimar, Ergebnisse der das Staatliche Bauhaus in Weimar betreffenden Untersuchung. Sie wurden nachgedruckt in: H. M. Wingler, Das Bauhaus. Zitate siehe dort. Weitere Zitate aus Gropius' Niederschrift über die Unterredung mit Groß am 12. 12. 1919 und Bericht der Studierenden. STAW—B vorl. 4 0 0 - 4 0 1 und 417 16 Vorhanden im STAW—B vorl. 400/401. 17 W. Gropius an A. Behne am 15. 1. 1920. STAW—B. vorl. 399 18 Der Begriff ist vorwiegend negativ gebraucht und meint einen Personenkreis, der mit hohen Erwartungen die Kunstschulen absolvierte, um schließlich ohne Verdienstmögliohkeiten auf der Straße zu liegen. 19 Brief an Müller-Wulckow. Kulturredakteur der „Frankfurter Zeitung", vorhanden im STAW—B vorl. 399 20 Herfurth: Der Streit um das Staatliche Bauhaus (Borschüre). Weimar 1920. STAW—B vorl. 417 21 Zum Beispiel in Brief an O. Bartning vom 29. 1. 1920. STAW—B. vorl. 399 22 Staatliches Bauhaus in Weimar. Der Streit um das Staatliche Bauhaus. Hektographierte Broschüre Weimar 1920. Abgedruckt bei Wingler, Bauhaus S. 49 23 Wie das gemeint ist, wird historisch verständlich durch den Hinweis auf eine Artikelserie von W. Ulbricht vom 22. 9. bis 4. 10. 1921 in der Jenaer „Neuen Zeit" unter dem Titel „Thüringer Landespolitik". Er schreibt: „Breite Massen der Arbeiterschaft leben . . . noch im Glauben an die segensreichen Wirkungen der bürgerlichen Demokratie. Die werktätigen Massen von dieser Illusion zu befreien, die sogenannten demokratischen Maßnahmen des Staates als Maskierung der Diktatur der Bourgeoisie zu entlarven, ist die Aufgabe der Kommunisten im Parlament und außerhalb des Parlaments." 24 Kundgebungen an die Regierung zugusten des Bauhauses kamen von: Kunstverein Gera — Arbeitsrat für Kunst, Berlin — Neue Musikgesellschaft, Berlin — Novembergruppe, Berlin — Vereinigung Bielefelder Künstler — dem Kreis um Eugen Diederichs, Jena — der Künstlerschaft Halle — dem R a t für künstlerische Angelegenheiten Frankfurt am Main. Weiterhin kamen: Offener Brief, unterzeichnet von Harry Graf Keßler, Reichskunstwart Dr. Redlob, Professor Koetschau, Professor Poelzig — Offener Brief des Deutschen Werkbundes — Kundgebung von Direktoren und Professoren deutscher und österreichischer Kunstschulen. 25 W. Gropius an das Kultusministerium am 27. 1. 1920. STAW—B vorl. 399 26 W. Gropius an das Kultusministerium, 5. 2.1921. STAW—Vb VE 12, Nr. 14 Am 20. 1. 1921 richtete der Meisterrat ein Protestschreiben an das Kultusministerium wegen der

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beabsichtigten Neugründung einer Hochschule für Malerei. Es enthält den Hinweis auf die „glänzende Bestätigung" des Bauhausgedankens durch die Münchener Tagung der Kultusminister der Länder, die kurz zuvor stattgefunden hatte. STAW—B vorl. 289 27 Gutachten über die Frage der Rechtsnachfolge, ausgefertigt von Rechtsanwalt Grünspecht Berlin, vom 10.10.1921. STAW—B vorl. 406 bis 408 28 Briefe von W. Gropius an das Kultusministerium. STAW—Vb 33. 29 Landtag von Thüringen, 83. Stenographenprotokoll vom 9. 7. 1920. 30 Ebenda, 31 Paul Mitzenheim: Die Entwicklung des Schulwesens in Thüringen zur Zeit der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der Greilschen Schulreform. (Diss.) Jena 1964 32 Landtag von Thüringen, Stenographenprotokoll 33 Ebenda 34 Siehe P. Mitzenheim, a. a. O. 35 Stand der Mark 1923 (nach Brockhaus): 3. 1.1923 - 1 Dollar = 7525 Mark 1. 4.1923 - 1 Dollar = 20975 Mark 1. 7. 1923 - 1 Dollar = 160400 Mark 1.10. 1923 - 1 Dollar = 142000000 Mark 1.11.1923 - 1 Dollar = 130225000000 Mark 36 Staatsrat Rudolph, Amtsnotiz, STAW—Vb 268 37 Vorgang: Entlassung von Beyer, Schlemmer und Zachmann beim Staatl chen Bauhaus 1922 bis 1925. S T A W - V b 268/269 38 Der Prozeß ging erst am 13. 3. 1927 nach 1405 Tagen positiv für das Bauhaus zu Ende. BD X / I X . 39 Landtag von Thüringen 1923, Stenographische Berichte, 156. Sitzung vom 16. 3. 1923, S. 436ff. Betr.: Beantwortung der Interpellation der Abgeordneten Dr. Herfurth, Burchardt und Genossen, Nr. 1014, Seite 1244 der Drucksachen, Organisation und Betriebsführung des Staatlichen Bauhauses betreffend. 40 Ebenda, S. 4364 41 Huszar hatte geschrieben: „Da bei den Meistern ein einheitlicher Untergrund, eine geistige Gemeinschaft, fehlt, ist die Möglichkeit kollektiver Disziplin bei der Erziehung ausgeschlossen". In Ztschr. „De Stijl" Dezember 1922. 42 Landtag von Thüringen, 157. Sitzung vom 17. März 1923, S. 4401 43 Abgedruckt in: „Jenaer Zeitung" vom 26. Juli 1922. STAW—B vorl. 149—151 44 Als finanzielle Mittel für die Ausstellung wurden 36 Millionen Papiermark gewährt. Bei der Festsetzung der Summe stand der Dollar bei 33000 Mark. Die Subvention hatte also einen Realwert von etwa 1200 Dollar. Bereits am 1. Juli 1923 stand der Dollar bei 160000 Papiermark. Das Bauhaus mußte also schon jetzt mit der spärlichen Summe von 225 Dollar auskommen. 45 Als Schulden werden angegeben: Schulden bei der Staatsbank umgerechnet 1050 Goldmark; von dem am 14. 8. 1923 aufgenommenen Kredit von 600 Millionen Papiermark, zum 1. 9. umgerechnet, 17 Goldmark. Insgesamt also 1067. Diesen Schulden stand angeblich ein Vorrat an Fertigwaren von 20000 Goldmark gegenüber. 46 Publiziert als „Pressestimmen (Auszüge) für das Staatliche Bauhaus Weimar". Weimar, März 1924 47 Hartmann in einer Besprechung vom 29. 1. 1923. STAW—B vorl. 142/143 48 Siehe P. Mitzenheim, a. a. O. 49 Weitere Dokumente dazu im BD 3 g/I und STAW, Landtag von Thüringen 323 uB. 71 50 Dazu schreibt die „Weltbühne", Nr. I, 1924, S. 73: Die Wirkung der Aktion des Generals von Seeckt sei, daß es in Thüringen keinen einzigen Republikaner mehr geben wird. „Heute denkt die thüringische Arbeiterschaft nur mit Haß und Verachtung an die Republik, mit Abscheu und Ekel an das Reich . . . " 51 B D X / V I I 2 52 Dazu z. B. das linksdemokratische „Berliner Tageblatt" vom 29. 3.1924: „Das Bauhaus in Weimar ist von der sozialistischen Regierung begründet worden. Nun, da die Rechtsparteien an die Macht gelangt sind, hoffen die Feinde dieses Unternehmens, es vernichten zu können." — „AI1-

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gemeine Zeitung", Chemnitz, vom 30. 3. 1924: Gropius habe die amtliche Auskunft erhalten,' daß • das Staatliche Bauhaus aufgelöst werde, warum?, „weil so viele Ausländer in der Lehrer- und Schülerschaft seien, weil linksradikale Gesinnung unter den Bauhausleuten herrsche, weil der von ihnen gepflegte künstlerische Radikalismus verdammenswert s e i . . . Die tiefere Ursache ..'. ist aber wohl die, daß eine bürgerliche Regierung ein bisher von einer Linksregierung protegiertes Instit u t nicht fördern zu können glaubt." 53 Bemerkungen des ehemaligen Syndikus Lange vom 9. 9. 1924, S. 7. STAW—B vorl. 180 ' • 54 Ministerialrat Dr. Ing. Nonn schickte am 3. Januar 1941 einen Sonderdruck seines Artikels über Sohultze-Naumburg, veröffentlicht im „Zentralblatt der Bauverwaltung" — dessen Schriftführer er war —, an den nazistischen Ministerpräsidenten Marschner. Was er dazu schreibt, ist bezeichnend für die Gesinnung dieses Mannes: „Ich hebe die kulturpolitische Bedeutung der Weimarer Anstalt (Hochschule unter Schultze-Naumburg) eindeutig hervor. Da die Reaktion immer wieder ihr Haupt erhebt, schien es mir wichtig zu sein, die alten Kamarille-Bestrebungen des Jugendstils, die auf Rathenau und Graf Keßler zurückzuführen sind und in Weimar in der Figur van de Veldes in Erscheinung traten, um im Bauhaus später als offener Bolschewismus sich zu offenbaren, einmal knapp geschichtlich und in Dokumenten unterbaut darzustellen. Ich habe selbst seit 1921 öffentlich an dem Kampf gegen den Bauhaus-Schwindel teilgenommen und bin darin schließlich durch meinen persönlichen Prozeß gegen Gropius führend gewesen, was Ihnen SchultzeNaumburg bestätigen kann. Aus dieser Tätigkeit leite ich meine Aktivlegitimation her, mich gerade jetzt wieder zu melden . . . Ich bitte daher, meinen Artikel als kulturpolitisch wichtig anzusehen und insbesondere meine Wachsamkeit für das Ansehen des Führers als den Hauptbeweggrund für meine Veröffentlichung zu erkennen". Heil Hitler gez. Dr. Nonn" STAW—Vb C 11, Loc. 12, Nr. 13, Bd. 30 Siehe auch Hildegard Brenner: Die Kunst des Nationalsozialismus. Hamburg 1963. 55 „Kölnische Zeitung" vom 30. 11. 1925: „Herr Dr. Nonn erklärte, daß für ihn die fachliche Kritik des Bauhauses das Wesentliche war. Von einer besonderen parteipolitischen Betätigung im Bauhaus ist ihm nichts bekannt; er hat sie nicht behauptet." Artikel gegen das Bauhaus veröffentlichte Dr. Nonn in: „Zentralblatt der Bau Verwaltung" vom 6. 2. 1924 mit Titel „Staatliche Müllzufuhr . . . " und am 26. 4. unter dem Titel „Schwindelpropaganda" „Deutsche Zeitung" Berlin, 24. 4. 1924, „Die Hilfe", Juni 1924. I n der Dessauer Zeit kam es erneut zu Prozessen Nonn gegen Gropius, Nonn gegen die Reichsforschungsgesellschaft, die vor dem Ehrengericht des Bundes deutscher Architekten, z. B. im November 1928, verhandelt wurden. 56 Artikel von Koch z.B. in: „Jenaer Zeitung" vom 7. 4. 1924 und Ztg. „Deutschland" vom 25. 4. 1924 Archivalien zum Fall Dr. Nonn-Bauhaus in BD. 3i/V und 3i/I 57 Protokollarische Niederschrift über das Gespräch im BD X/XI. Daraus unter anderem: „Weiter erklärte Müller, daß nach seinem Dafürhalten gegen das Bauhaus und Herrn Direktor Gropius irgendetwas geschehen müsse, da das Bauhaus nach Ansicht des Handwerks die Versprechungen, die es gemacht habe, nicht erfüllt habe, und deshalb . . . eine Korrektur der Bauhausprogramme auf das tatsächliche Maß herbeigeführt werden müsse. — Er erklärte weiter, daß das Handwerk grundsätzlich nichts gegen das Bauhaus habe und seine erfinderische und befruchtende Tätigkeit anerkenne, es sei aber in bezug auf die Lehrmethode und vor allen Dingen bezüglich der Konkurrenz-machenden Produktion notwendig, daß hier ein anderer Kurs eingeschlagen werde . . . " 58 Drucksachen des Thür. Landtages FAbt. Große Anfrage des IV. Landtages von Thüringen Bd. 3 59 S T A W - B vorl. 153/154 60 Handschriftliches Protokoll der Besprechung vom 9. 6. 1923. STAW—B vorl. 153/154. Ein Hinweis auf die Beschleunigung der Umwandlung wegen der politischen Lage in einem Briefe von Gropius an den Präsidenten der Staatsbank Dr. Loeb vom 5. 12. 1923: „ I n Anbetracht der politischen Lage wäre ich sehr dankbar, wenn die Besprechung möglichst umgehend stattfinden könnte, damit zur Gründung geschritten werden kann." STAW—B vorl. 153/154

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61 Gedruckter Bericht: Bemerkungen des ehemaligen Syndikus Lange zum Bericht der Thüringischen Rechnungskammer über die Prüfung der Kassen- und Buchführungen beim Staatliohen Bauhaus in Weimar am 9. 9.1924. Breslau, 7. 10.1924, STAW—B vorl. 180 und Dok. 94 62 Prüfung der Kassen- und Buchführung beim Staatlichen Bauhaus in Weimar und Anlagen dazu. Weimar 1924. STAW—B vorl. 180 63 Bericht über die wirtschaftlichen Aussichten des Staatlichen Bauhauses vom 19. Oktober 1924 S T A W - B vorl. 180 64 Der „Kreis der Freunde des Bauhauses" wurde auf Vorschlag eines Herrn Dr. Tiede aus Celle gegründet. Durch ihn sollte das Bauhaus ideell und materiell gestützt werden. Die Arbeitskommisaion im Bauhaus übernahmen Moholy-Nagy, Helene Börner und Wagenfeld. 65 Ausschußberichte des Thür. Landtags, 1924, S. 175 ff. betr. verschiedene Petitionen zur Erhaltung des Staatl. Bauhauses, verhandelt vom 7.—15. Nov. 1924 Siehe hierzu auch „Begründung der Abtrennung der produktiven Werkstätten vom Lehrbetrieb vom 19. 12. 1923, Dok. 76ff. 66 Landtag von Thüringen, Ausschußberichte 1924, S. 175. Siehe dazu auch H. M. Wingler, Bauhaus S. 104 ff. 67 Ebenda 68 Landtag von Thüringen, Stenographische Beriohte, Sitzung vom 19. 3. 1925. 69 Gemeint sind z. B. Äußerungen wie die von H. de Fries in „Baugilde", 1925, S. 77ff.: „Aber in einem Augenblick, da das Bauhaus, wesentlich durch eigenes Verschulden, sich auflösen muß, ist es notwendig zu sagen, daß wir keine Gründe zur Verleihung der Märtyrerkrone erblicken können, und daß wir auch in eine Umpflanzung und Neuetablierung des Institutes an anderer Stelle kein Vertrauen setzen können, ehe nicht die Struktur, die Zielrichtung und die Führung des Bauhauses zum wahrhaft Wesentlichen sich gewandelt hat . . . " Weimar müßte sich zu einer Neugestaltung „nach der Seite der Baukunst hin entschließen". H. de Fries verlangte zu Recht eine andere Zusammensetzung des Lehrkörpers: statt 6 Malern, 2 Architekten und 1 Bildhauer etwa 4 Architekten, 3 Maler und 2 Bildhauer. „Solches Institut ließe sich ganz anders in die Forderungen der unmittelbaren Gegenwart und nächsten Zukunft lebendig eingliedern und müßte unserer elementarsten Not in seiner Arbeitsrichtung in erster Linie gerecht werden. Und die fordert Wohnungsbau, Siedlungsbau, Städtebau, aber nicht neuartige Trinkgläser, Körbchen, Tischdekken, Teeservice und Schachspiele." 70 STAW, Staatliche Hochschule für Handwerk und Baukunst 22/23. Die „Preußische Volkszeitung" schrieb dazu am 5. 12. 1927: „Wenn es sich um die Erfüllung reaktionärer Forderungen handelt, dann wird Herr Bichard Leutheußer jedesmal großzügig." 71 Der größte Teil der Lehrkräfte kam aus dem Bauhaus: Ernst Neufert, Heinz Nösselt für Architektur; Erich Dieckmann und Reinhold Weidensee für Möbel; Otto Lindig für Keramik, Wilhelm Wagenfeld und Richard Winkelmeyer für Metallarbeiten, Glas und Lichttechnik, Ludwig Hirschfeld-Mack f ü r Form- und Farbenlehre. Neu berufen wurden lediglich E. Dülberg und Hedwig Heckmann für Weberei und aus dem De-Stijl-Kreis Cor van Eesteren für Vorlesungen über Städtebau. Von der praktischen Arbeit her kann die Weimarer Schule durchaus als Tochterinstitut des Weimarer Bauhauses angesehen werden. Die Werkstätten stellten sich ebenfalls die Aufgabe direkter Produktion und der Entwicklung von Typen. Besonders bekannt wurden die von Dieckmann entworfenen Typenmöbel. Es bestand eine Reihe von Vertriebsorganisationen f ü r die verschiedensten Produkte. Obwohl die Schule ohne feste ideologische Position war und in der Form ihrer Produkte die stilistische Haltung des Bauhauses dämpfte und ins Bürgerlich-Gemäßigte zurückführte, kam doch 1928 energische Kritik von den Bürgerblockparteien gegen Methoden der „Stilisierung und Typisierung" mit der Forderung, die Ausbildungsform und die Werkstattarbeit der Hochschule mehr den Erfordernissen und dem Entwicklungsgange des Handwerks anzupassen. Weitere Bauhausmitarbeiter wurden an die Frankfurter Kunstschule berufen: Josef Hartwig (Bildhauerei), Christian Dell (Metallwerkstatt) Adolf Meyer (Klasse für Hochbau) 72 Landtag von Thüringen, Stenographische Berichte, Sitzung vom 19. 3. 1925 73 Verhandlungen wurden, außer mit Dessau, noch mit Mannheim und Frankfurt am Main geführt In Frankfurt wollte Fritz Wiehert einen Teil des Bauhauses in die Frankfurter Kunstschule

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übernehmen. Am 31.1. sehrieb er an Gropius, daß er nicht imstande sei, das Bauhaus als Ganzes nach F r a n k f u r t zu verpflanzen oder den Bauhauskörper in die Frankfurter Schule aufzunehmen. 74 Bartning h a t t e 1919 als Mitglied des A. f. K . Vorschläge zu einem Lehrplan f ü r Handwerker, Architekten und bildende Künstler ausgearbeitet, die Berührungspunkte mit dem Bauhausprogramm h a t t e n (Betonung des Handwerks, Krönung im Bau) Mitteilung des Deutschen Werkbundes 1919, H . 2, S. 42 75 Hübner nennt das in seiner Arbeit „Verwissenschaftlichung" u n d möchte darin eine notwendige Stufe bei der nach innerer Gesetzmäßigkeit verlaufende Entwicklung im Prozeß der Auflösung der „sozialen Utopie", die das frühe Bauhaus gekennzeichnet habe, sehen. Er behauptet daß der Vorgang unabhängig von den konkreten politischen Bedingungen ebenso verlaufen wäre. — Die Parallelität der Vorgänge u n d der Programmänderungen in den beiden Tochterinstituten Weimar und Dessau mit den jeweiligen politischen Veränderungen widerlegt diese These

Kap. II. Gesellschaftspolitische Aspekte des Bauhausprogramms 1 Alfred Döblin, Bepublik. I n : Die neue Bundschau, 1920, Bd 1. Zitiert nach: A. Döblin, Die Vertreibung der Gespenster, Berlin 1968,J3. 198/99 2 W. Gropius, Architektur, Wege zu einer optischen Kultur. F r a n k f u r t a. M. 1956, S. 15 3 Ebenda, S. 25 4 Anneliese Schmidt, Der Bolschewismus und die deutschen Intellektuellen, Äußerungen auf eine Umfrage des Bundes deutscher Gelehrter u n d Künstler, Leipzig 1922, S. 5 5 W. Gropius, Sparsamer Hausrat und falsche Dürftigkeit. I n : Die Volkswohnung, 1. J g . 1919, Berlin, S. 105 6 Klara Zetkin, zit. nach Katalog „Anklage u n d Aufruf", deutsche K u n s t zwischen den Kriegen. Staatliche Museen zu Berlin, Berlin 1964, S. 9 7 G. Nedoschiwin, Die Volksverbundenheit der Kunst. I n : K u n s t u n d Literatur, 11, 1967, S. 1118 8 F . Hellwag: Die Revolutionsprogramme der Künstler. I n : „Mitteilungen des Deutschen Werkbundes" 1919, H . 2, S. 33 9 W. Gropius, Brief a n Maldonado vom 24.11. 1963. I n Ztschr. „ U l m " , Nr. 10/11, S. 68 10 Offener Brief a n die Novembergruppe, in „Der Gegner, Blätter zur Kritik der Zeit", 1919, S. 297 11 Die Gemeinschaft, Dokumente einer geistigen Weltenwende, hg. von L. Rubiner, P o t s d a m 1919 12 W. Gropius vermerkt in einer handschriftlichen Notiz, vorhanden im Bauhausarchiv D a r m s t a d t : „Außerdem Pflege, kameradschaftlichen Verkehr zwischen Lehrern und Schülern. Fester Kreis (Theater, Musik, Dichtkunst, Vorträge durch Schüler und Lehrer). Weitgesteckte . . . Projekte, a n denen die Gesamtheit der Lehrer- und Schülerschaft arbeitet, Projekte eines Volkshauses." I n einem Brief vom 10. 3. 1921 a n Kämmerer schrieb er: „Sie sehen, daß alle diese Schritte bereits auf einen geschlossenen internatsmäßigen Charakter hinauslaufen. I c h glaube, d a ß n u r auf diese Wiese schließlich eine geschlossene Arbeitsgemeinschaft erreicht werden k a n n " . STAW—B 126/128 I n einem Brief vom 11. 10. 1920 a n Eugen Diederichs, J e n a , b a t Gropius diesen Verleger u m Siedlungsliteratur. Er schrieb: „ I c h bin aber willens, nur soweit den Plan zu verwirklichen, als bei den Beteiligten die absolute Notwendigkeit besteht. Sonst ist auch hier wie überall das Resultat, daß die Siedlung a n einer inneren Unreife der Siedler zugrunde geht." Diederichs verweist Gropius auf den Siedlungsgedanken bei Heinrich Vogeler u n d Leberecht Migge, beide Worpswede. S T A W - B , vorl. 70 Der Siedlungsgedanke war auch in der kommunistischen Jugend blebendig. E r entsprang dem Wunsch, das Leben abseits der konventionellen bürgerlichen Normen von Grund auf neu aufzubauen. (Mitteilung von Herrn Pfotenhauer, Weimar.) 13 L. Moholy-Nagy: Malerei, Fotographie, Film. Bauhausbücher 8, München 1927 14 Karl Rößger: Das Bauhaus. I n : „Neue B a h n e n " . Illustrierte Monatshefte f ü r Erziehung u n d Unterricht, 36 J g . 1925

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15 Gropius notierte als Künstler, die evtl. als Bauhaus-Lehrer in Frage kämen, folgende Namen: Itten, Kirchner, Heckel, Mutzenbecher, Meidner, Mareks. 16 R. Herzog in: „ J a ! — Stimmen des Arbeitsrates für Kunst", a. a. 0 . S. 45 17 Allwohn, ebenda 18 Herzog, ebenda 19 F. Tönnies: Einführung in die Soziologie, Stuttgart 1931. 20 Paul Natorp: Sozialpädagogik, 2. Aufl., 1904, S. 84 und 86 21 Siehe dazu: A. Behne: Die Wiederkehr der Kunst. Leipzig 1919, S. 36 22 W. Morris: The Prospeets of Architecture in Civilisation. Vorlesung 1881 I n : The Collected Works, edited by Mary Morris London 1910—1915, vol. X X I I , p. 119 23 Nach Protokoll der Abschlußsitzung des Arbeitsrates für Kunst am 30. Mai 1921 in Berlin, Wilhelmstraße. BD, und Presseerklärung des Arbeitsrates für Kunst über die Auflösung, verfaßt von A. Behne. 24 W. Gropius: Internationale Architektur, Bauhausbücher, München 1925 25 L. Moholy-Nagy, Malerei, Fotographie, Film. Bauhausbücher 8, 2. Aufl., München 1927 25a M. Stam: Unser Hausgerät und Möbel. I n : Das neue Frankfurt, I I I . Jg. 1929, S. 29 25b W. Gropius: Der Baugeist der neuen Yolksgemeinde I n : Die Glocke, 10, 1, 1924, S. 311 26 L. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. Bauhausbücher 14, München 1929, S. 14 Moholy erkannte, wie z. B. vor ihm Morris u. van de Velde das Dilemma der industriellen Formgebung im primären Streben der kapital. Industrie nach Profitmaximierung. Vergl. van de Velde: „Kunst und Industrie" (1908) in „Essays", Leipzig 1910 Dort heißt es: „Kunst und Industrie einigen, heißt nichts Geringeres als Ideal und Wirklichkeit verschmelzen... Die Gewinnsucht, welche die Industrie hervorruft, stempelt ihr Wesen und ihre Mittel. Beide sind rücksichtslos. Schönheit und Moral — unsere Forderungen schienen für die Industrie zwei neue Pole festzulegen. Bisher hatte es sich um zwei Achsen gedreht, um die Billigkeit und die schlechte Qualität." Der Kampf der Künstler um diese Werte habe nur indirekt, über die Eroberung des Publikums und die Beeinflussung seines Geschmacks zum Erfolg führen können. 27 L. Moholy-Nagy, ebenda, S. 1 0 - 1 9 28 A. Behne: Alte und neue Plakate. I n : Das proletarische Plakat, Charlottenburg 1919, S. 19—23 29 August Endell: Um die Schönheit. München 1896. Zitiert nach Seling: Jugendstil, Heidelberg 1959 30 Henry van de Velde: Essays. Leipzig 1910, S. 104 31 Henry van de Velde: Renaissance im modernen Kunstgewerbe. Berlin, o. J . (1901), S. 202 32 W. Pfleiderer: Form ohne Ornament. 1924. O. Schlemmer: Briefe und Tagebücher, a. a. O., S. 118 L. Feininger, nach L. Schreyer: Erinnerungen an Sturm und Bauhaus, München 1956, S. 131 ff. 33 Paul Klee: Die bildnerischen Mittel. Rede im Museum Jena 1924. Publiziert in P. Klee, über die moderne Kunst, Bern 1945 34 Siehe: El Lissitzky, Maler, Architekt, Typograph, Fotograf. Erinnerungen, Briefe, Schriften, übergeben von Sophie Lissitzky-Küppers. Dresden. 1967, S. 325 35 Piet Mondrian: Neue Gestaltung, Neoplastizismus, nieuw beelding (Bauhaus-Bücher Nr. 5) ! München 1925, S. 59/60 u. 55 36 Th. van Doesburg: Der Wille zum Stil. De Stijl V, S. 29ff. 37 Josef Albers: Werklicher Formunterricht. I n : „bauhuas", Zeitschrift für Gestaltung, H. 2,1928, S. 3 38 L. Moholy-Nagy: Malerei, Fotographie, Film. Bauhausbücher 8, München 1927 39 Ebenda 40 Piet Mondrian in: „De Stijl" II, S. 137. Zitiert nach Jaffe: „De Stijl" 1917 — 1931. Der niederländische Beitrag zur modernen Kunst. Frankfurt am Main 1965. S. 139 Die Beziehungen zwischen dem Strukturbegriff der Formen und der Gesellschaftsstruktur wurde bisher kaum wissenschaftlich untersucht. Auch bei den folgenden Äußerungen von Helmut Baierl handelt es sich um die Selbstinterpretation eines Künstlers. Sie werden wiedergegeben, um zu zeigen, daß hier wichtige Ansatzpunkte für ein Verständnis der Formkonzeption unseres Jahrhunderts liegen: „Der Widerspruch verliert schon seinen Stachel... Aber es ist doch so: Wenn ich

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die Herrscher bekämpfe und dafür bin, daß möglichst nicht viel geherrscht wird, bekämpfe ich auch die Diener, oder besser gesagt: das Dienen. Denn ohne Herrscher gibt es auch keine Diener mehr. Bekämpfe ich das Oben, bekämpfe ich fast automatisch das Unten, denn ohne Oben gibt es kein Unten mehr. Ohne Klassen gibt es keinen Staat, ohne Staat keine Grenzen, ohne Grenzen kein Militär, ohne Militär keine Kriege, ohne Kriege keinen Frieden, sondern einen Zustand, in dem der Friede endlich das Normale und vielleicht kaum mehr beachtet i s t . . . " („Sonntag" Nr. 44/1964) Berthold Breoht bringt in seinem Tui-Fragment, einer Parabel auf den Marxismus, ebenfalls das Verhältnis von Kapitalismus und Proletariat in die Formel vom Oben und Unten: „Vor allem die Untersten waren es, die aller menschlichen Voraussicht nach das ganz bestimmte Oben und Unten, das eben herrschte, beseitigen würden. Damit aber würden sie . . . jedes Oben und Unten und für alle Zeiten und Völker beseitigen." („Sonntag" Nr. 6/1968) Vantongerloo: Reflections. Zitiert nach Jaff6, a. a. O., S. 146 Piet Mondrian: Essays, S. 15, Zitiert nach Jaff6 a. a. 0., S. 149 W. Gropius in einem Interview, Gesprächspartner Friedrich Luft, gesendet vom westdeutschen Fernsehen am 12. 12. 1965 A. Behne, Der moderne Zweckbau. München 1926. Nachdruck in Ullstein Bauwelt Fundamente 10, Berlin, Frankfurt/M., Wien 1964, S. 11 S T A W - B vorl. 366 H. Meyer, Der Architekt im Klassenkampf. I n : „Der Rote Aufbau", Jg. 5, 1932, S. 619 H. Meyer, Die neue Welt (1926) in: Claude Schnaidt: Hannes Meyer, Bauten, Projekte und Schriften, Teufen AR 1965, S. 92 Ernst Kallai: Zehn Jahre Bauhaus. I n : „Die Weltbühne", Berlin, Jg. 26, 1930, S. 136ff. Gründungsmanifest der konstruktivistischen Internationale. Zitiert nach Reyner Banham: Die Revolution der Architektur. Hamburg, 1964, S. 155 Siehe Beitrag: „Mensch und Wissenschaft", in der Zeitung „Sonntag" Nr. 25, 1972, S. 15.

Kap. III. Das Bauhaus in der Schulpolitik Thüringens 1 Bericht Bampis vom Kongreß des Landesverbandes Preußischer Kunstschulen am 28. und 29. 11. 1919 in Berlin. STAW—B vorl. 400/401. Der angenommene Antrag der Bauhaus-Delegierten lautet: „Sämtliche anwesende Delegierte stellen sich auf den Boden des Programms der Berliner Kunstschulen, die Weiterführung im Sinne der Einheitsschule auf „staatlich-handwerklicher" Grundlage sofort praktisch in Angriff zu nehmen und im gegebenen Fall gegen jegliche Regierung, gegen jede Opposition . . . tatkräftig zu vertreten." STAW—B vorl. 300/301. 2 E. Seidel: Der Arbeitsunterricht als soziale und pädagogische Notwendigkeit. I n : Arbeitsschule, Arbeitsprinzip und Arbeitsmethode, 2. Aufl., 1910, S. I X . 3 Karl Marx: Instruktionen für die Delegierten des provisorischen Zentralrats Zu den einzelnen Fragen. 1866. I n : K. Marx/F. Engels, Werke Bd. 16, S. 1 9 3 - 1 9 5 , Berlin 1962 4 H. Schulz: Der Weg zum Reichsschulgesetz. Leipzig 1920, S. 114 bis 116. Zu dem Thema siehe auch Kurt Eisner: Gesammelte Schriften. Cassirer, Berlin 1919. Im Antrag 148, Schulz, Zetkin zu „Sozialdemokratie und Volkserziehung" hieß es: „Einführung des Arbeitsunterrichts in allen Schulen. Errichtung von Lehrwerkstätten. Pflege der künstlerischen Bildung". Protokoll über die Verhandlungen des Parteitages der SPD, Berlin 1906, S. 134. 5 H. Wigge: Die Reichsschulkonferenz 1920, zit. nach G. Hohendorf: Die pädagogische Bewegung in den ersten Jahren der Weimarer Republik. Berlin 1954 6 Die Deutsche Reichsverfassung vom 11. 8.1919. Berlin 1926, Artikel 148: „Staatsbürgerkunde und Arbeitsunterricht sind Lehrfächer der Schulen". 7 W. Gropius an Wyneken, 12.12.1919: „Ich sehe immer mehr, daß derjenige, der heute etwas von Grund auf Neues anfangen will, sich mit der Totalität des Lebens auseinandersetzen muß und gar nicht ein Teilgebiet allein reorganisieren kann. Die Schulfrage steht da an erster Stelle," STAW—B vorl. 122/124

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8 W. Gropius, Erklärung wegen Meinungsverschiedenheiten am Bauhaus. Umlauf vom 3. 2. 1922. S T A W - B vorl. 197/88 9 Max Greil, geb. 31. August 1877 in Loßnitz, Erzgebirge, als Sohn eines Schuhmachers, gest. 1939. 1907—1919 Lehrer in Gera; November 1918 Anschluß an Geraer Lehrerverein, dessen Sprecher er wurde; Mitglied der USPD; 1919—1921 Bezirksschulrat für Gera-Reuß; kämpfte im Reichsschulausschuß gegen den Weimarer Schulkompromiß; November 1921 bis Februar 1924 Thüringischer Minister für Volksbildung. Greil kam (nach Mitzenheim) aus einer der „roten Inseln" Thüringens. Er brachte daher bei der Aufnahme seiner Tätigkeit als Minister einige falsche Vorstellungen über den Reifegrad des Proletariats in Thüringen mit. Seine Berufung wurde, da er Nichtakademiker war, von den akademischen Kreisen von Anfang an als Provokation empfunden und von den bürgerlichen Parteien bekämpft. 10 Die wichtigste Arbeit zu diesem Thema ist: Paul Mitzenheim: Die Entwicklung des Schulwesens in Thüringen zur Zeit der Weimarer Republik unter besonderer Berücksichtigung der Greilschen Schulreform. (Diss.) Jena 1964. Publiziert wurde sie unter dem Titel „Die Greilsche Schulreform in Thüringen". Friedrich-Schiller-Universität, Jena 1966. 11 Max Greil anläßlich eines Mißtrauensantrages der bürgerlichen Parteien im Landtag. Landtag von Thüringen, Stenographische Berichte, Bd. 4, S. 4033, Zit. nach Mitzenheim, a. a. 0 . S. 97 12 Th. Neubauer: Schulpolitische Reden im II. Landtag von Thüringen (1921 — 1923), ausgewählt, eingeleitet und erläutert von Wolfgang Mehnert. Jahrbuch der Erziehungs- und Schulgeschichte. Berlin 1961, S. 77 13 Ebenda 14 M. Greil in der 156. Sitzung des Landtages von Thüringen. Stenographische Berichte. S. 4374 15 Karl Rößger: Das Bauhaus. I n : „Neue Bahnen", Illustrierte Monatshefte für Erziehung und Unterricht, 36. Jg., 1925 16 Hugo Jacobi (USPD, später KPD) hatte im Hinblick auf die Arbeitsschule Lehrerkurse in Gotha durchgeführt. Dr. Herbert Kühnert (parteilos) war geprägt von dem Erlebnis der Wynekenschen Schulgemeinde in Wickersdorf. Er verfaßte einen Bericht über Greils Schulreform, den Frau Krupskaja (die Frau Lenins) erbeten hatte. Karl Rößger (parteilos, erst 1945 KPD) kam aus dem Kreis des Leipziger Lehrervereins. Er war entschiedener Verfechter der Arbeitsschulidee und eine führende Kraft bei der Durchsetzung der Arbeitsschule in Thüringen. 1925 fuhr er mit der ersten deutschen Lehrerdelegation in die Sowjetunion. Bericht darüber in Ztschr. „Pädagogik" 12. Jg. 1957, S. 855—903 Dr. Julius Schaxel (1887 — 1943) (SPD), Professor für Biologie. 1916 außerordentlicher Professor in Jena, 1918—1933 Leiter der Anstalt für experimentelle Biologie; 1933 Emigration in die Sowjetunion, wo er ein biologisches Institut leitete. A. Rudolph (SPD), 1918 Mitglied des Arbeiterrates. Erziehungsminister im Freistaat SachsenWeimar, dann Staatsrat im Ministerium für Volksbildung. 17 Dr. Theodor Neubauer, geb. 1893 als Sohn eines Gutsinspektors. 1914 Kriegsfreiwilliger und Reserveoffizier; 1918 Mitglied der USPD; 1920 mit deren linkem Flügel zur K P D ; 1921 Abgeordneter des thüringischen Landtages; 1923 Staatsrat. Wegen politischer Einstellung aus dem Schuldienst entlassen; Redakteur kommunistischer Zeitungen. 1924—1930 Reichstagsabgeordneter der K P D . 1933—1939 Konzentrationslager. Organisierte nach Entlassung Antifaschistische Widerstandsgruppe (Neubauer-Poser-Gruppe). 1944 erneute Verhaftung; am 5. 2. 1945 in Brandenburg hingerichtet. 18 D. Wentscher über die Arbeits- und Produktionsschule: „Die Produktionsschule ist ein Problem, das in Deutschland in der Nachfolge Rußlands seit geraumer Zeit die Gemüter bewegt. Es gilt, Schulen zu gründen, in denen die Kinder von früher Jugend q.uf zur werktätigen Arbeit erzogen werden, zn Rußland fängt die Produktions chule an, sich zu bewähren. Die deutschen Versuche stecken noch in den Anfängen." Dora Wentscher: Die Produktionsschule. I n : „Die Hilfe", 1924, S. 109 Die Sowjetunion hatte mit Erlaß vom 26.10. 1918 die Einrichtung der „einheitlichen Arbeitsschule" beschlossen. Th. Neubauer zur Schulreform in Thüringen: „Es kommt ferner die Arbeitsschule in Betracht, wo unser viel geschmähter und viel gehaßter Genosse Oberschulrat Jacobi

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die ersten segensreichen Anfänge des Arbeitsschulunterrichtes geschaffen h a t . " (Th. Neubauer: Schulpolitische Reden, a. a. 0.) 19 W. Gropius vor dem Landtag von Thüringen am 16. 3.1923, Landtag von Thüringen, 156. Sitzung. Stenographische Berichte, S. 4400. Der Hinweis auf das Amtsblatt betrifft: „Amtsblatt des Thür. Ministriums für Volksbildung", Jg. 2, Nr. 1, 1923, „Idee und Entwicklung des Staatlichen Bauhauses zu Weimar". 20 Staatliches Bauhaus Weimar 1919—1923. Bauhausverlag Weimar, München 1923, S. 18 21 S T A W - B vorl. 303/304 22 K. Rößger: Das Bauhaus, a. a. O. 23 Kerschensteiner: Die Arbeitsschule. 1925 24 S T A W - B vorl. 303/304 25 Ebenda 26 S T A W - B vorl. 261/262 27 STAW—B vorl. 303/304. Das Programm der Berufsschulwoche sah vor: 1. Tag vormittags, Vortrag Gropius, Thema: „Die Arbeit des Staatlichen Bauhauses und seine kulturellen Zusammenhänge mit bes. Berücksichtigung der modernen Schulbestrebungen"; nachmittagB, Führung durch die Ausstellung des Bauhauses. 2. Tag. Der Bauhausgedanke und das Handwerk. Vorgesehener Redner Obermeister Neumann. 3. Tag. Der Bauhausgedanke im industriellen Großbetrieb. , a) vom Standpunkt des modernen Unternehmens. Vorgesehene Redner Wershofen, Schmid. b) vom Standpunkt des Arbeiters. Vorgesehene Redner Wenzel Holik, Balzer, Optiker Nikolai, Jena 4. Tag. Konsumentenerziehung. Vorgesehene Redner Ilse Müller-Oestreich, Lily Braun 5. Tag. Der Bauhausgedanke als Erziehungsaufgabe. Vorgesehener Redner Dr. Flitner, Volkshochschule Jena. Abends Bühnenveranstaltung des Bauhauses (Namen ungenau, da unleserlich) 28: Schreiben des thüringischen Wirtschaftsministeriums an den Direktor des Staatlichen Bauhauses vom 15. 11.1923. S T A W - B vorl. 383 29 Über das Projekt für Bad Liebenstein siehe Ztschr. „Kindergarten", 1925, Jg. 66, Nr. 2, S. 27 ff. 30 W. Gropius im Programm des Staatlichen Bauhauses, 1919 31 Von den zahlreichen Schriften zu diesem Problem seien genannt: Bruno Adler: Fragen des Kunatunterrichtes. I n : Ztschr. „Der Kunstwanderer", Dez. 1919 — Fritz Hoeber: Revolutionierung des Kunstunterrichtes. I n : „Die neue Rundschau", 1919, H. 1., S. 489 — Richard Riemerschmid: Künstlerische Erziehungsfragen. München 1917 — Bruno Paul: Erziehung der Künstler an staatlichen Schulen. I n : „Innendekoration", 1919, S. 344. Siehe auch O. Stelzer, Erziehung durch manuelles Tun. Vortrag im Bauhaus-Archiv Darmstadt 1966. 32 Fritz Schumacher: Die Reform der kunsttechnischen Erziehung. Leipzig 1918 33 W. Gropius: Idee und Entwicklung des Staatlichen Bauhauses zu Weimar. I n : „Frankfurter Zeitung" vom 14. 4.1923 oder „Amtsblatt" (s. Anm. 19) 34 W. Gropius an Chr. Kämmerer, Stuttgart, 10. 3. 1921: „ . . . wir wollen ja gerade weg von dem bisherigen kunstgewerblichen Dilettantismus, an dessen Stelle der Werkunterricht, der möglichst der Praxis angenähert ist, treten muß." STAW—B vorl. 126—128 35 W. Gropius in einem Brief an T. Maldonado. Abgedruckt in: „Ulm", Ztschr. der Hochschule f ü r Gestaltung, Nr. 10/11, S. 63 36 Entschiedene Schulreform. Vorträge, hg. von Paul Oestreich, Berlin 1920 37 Hannes Meyer: Bauhaus Dessau 1927—1930. Erfahrungen einer polytechnischen Erziehung. I n : „Deutsohe Architektur", 1964 38 Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung Bd. 3, S. 666 39 P. Mitzenheim, Die Greilsche Schulreform in Thüringen, S. 81 40 Ebenda, S. 86. Siehe auch: Geschichte der Universität Jena, Bd. I, S. 571 ff. Jena 1958. Der Konflikt entbrannte um die Besetzung der Stellen in der neu geschaffenen Erziehungswissenschaftlichen Abteilung.

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Die Philosophische Fakultät hatte reaktionäre Leute vorgeschlagen, die keine Verbindung zur Pädagogik hatten. Das Ministerium setzte die Berufung von Fachleuten und Praktikern durch (u. a. Peter Petersen, der durch seinen Jena-Plan bekannt wurde). Sie wurden aber alle (mit Ausnahme des nationalistisch gesinnten Prof. Petersen) von Rektor und Senat abgelehnt. Das führte zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen der Universität und der Landesregieruiig, die in ganz Deutschland Aufsehen erregten und eine Intervention der Reichsregierung heraufbeschworen. Unter der Bürgerblockregierung wurde im März 1924 die Erziehungswissenschaftliche Abteilung sofort wieder aufgelöst.

Kap. IV. Das Bauhaus und die kapitalistische Wirtschaft 1 Brief H. van de Veldes an W. Gropius vom 8. 7. 1915. Abgedruckt in H. M. Wingler: Bauhaus, S. 28 2 H. Muthesius in: Veredelung der gewerblichen Arbeit im Zusamenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk. Verhandlungen des DWB in München. Juli 1908. Leipzig o. J . S. 48 3 Ebenda, S. 42 4 Vorhanden im BD. Gropius erwähnte in einem Brief an den Autor noch ein persönliches Motiv der Ablehnung der Mutheussischen Thesen: „Very interesting is your part on the Werkbund clash in Cologne 1914. What you do not know is that much of the controversy against Muthesius was because he was personally very much disliked. The artists in the Werkbund didn't want him to have too much power." 5 H, Obrist in: Die Werkbundarbeit der Zukunft. Jena 1914, S. 63 6 H. van de Velde: Kunst und Industrie. Vortrag, gehalten auf der ersten Werkbundtagung in Frankfurt am Main 1908. In: Van de Velde. Zum neuen Stil. München 1955, S. 206 7 Briefwechsel zur Werkbunddiskussion. BD X/V, u. a. Brief von Gropius an die Werkbundleitung vom 14. 7. 1914: „Es bestand bei der überwiegenden Mehrheit der fürenden Künstler die bestimmte Absicht, sich nicht unter die Führerschaft seiner (Muthesius) Person und — in diesem Falle — seiner Leitsätze bei der Kölner Tagung zu begeben. Ich kann Ihnen mit aller Bestimmtheit sagen, daß eine große Zahl von Künstlern, und darunter einige sehr einflußreiche Persönlichkeiten, bereits vor der Tagung unter keinen Umständen noch im Werkbund bleiben wollten. Über die Verbreitung und Gemeinsamkeit der Gründe war ich selbst überrascht. Erst die Niederlage von Muthesius durch die Rücknahme seiner Thesen ... hatte alle Gemüter beruhigt. Als dann Muthesius am 2. Tag seine Schlußbemerkung machte und seine Leitsätze in allerdings sehr vorsichtiger Form zurückzog, war es fast still im Saal ... Die Gegenleitsätze blieben dagegen bestehen. Das ist das nackte Resultat." (Die Leitung stelle sich aber in der Tageblattnotiz ganz auf Muthesius' Seite.) „Müssen wir nicht an eine Parteinahme der .Leitung' glauben und an die Absicht, ,eine kleine Gruppe' (van de Velde) zu konstruieren gegenüber der großen Majorität?" ... (Muthesius solle persönliche Konsequenzen ziehen und abtreten). 8 Brief W. Gropius an Prof. Thiersch. München, vom 11. 11. 1921, STAW—B vorl. 354—357 „Ich habe eine so große Abneigung gegen die Deutsche Gewerbeschau und die Dinge, die dort geschehen, daß ich über diese Sache vor einiger Zeit vom Vorstand des Werkbundes zurückgetreten bin . . . Die Ausstellung wird eine verwässerte Werkbundausstellung werden, also einen Rückschritt und nicht einen Fortschritt bedeuten ... Es wird von der Ausstellungsleitung allenthalben verhindert, daß ganze Arbeit gemacht wird, und die große Sammelausstellung, die nur Anhäufung bedeutet, hält uns meiner Ansicht nur auf und bringt uns nicht vorwärts." 9 Hans Poelzig: Werkbundaufgaben. I n : „Mitteilungen des Deutschen Werkbundes", 1919, Nr. 4, S. 110/111 10 L. Moholy-Nagy: Von Material zu Architektur. Bauhausbücher 14. München 1929, S. 18 11 Auerbach in „Der 2. Austausch", Veröffentlichungen der Studierenden am Staatlichen Bauhaus zu Weimar 1919

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12 Brief von W. Gropius an Christian Kämmerer, Stuttgart vom 20. 11. 1920, STAW—B vorl. 126-128

13 Landtag von Thüringen, Niederschriften über die Sitzungen des Haushaltsausschusses 1924, S T A W - Landtag von Thüringen Nr. 145, S. 307ff. 14 „Handwerk und Bauhaus", eine Erwiderung des Mitteldeutschen Handwerkerbundes. In: „Mitteldeutsche Zeitung", 1923, Nr. 53 und STAW—B vorl. 258 15 Bericht des Tischlerobermeisters A. Wagner über seine Eindrücke bei dem gemeinsamen Besuch des Bauhauses Weimar am 7. 3. 1925. In: „Anhalter Anzeiger" vom 18. 3. 1925. Stadtarchiv Dessau. 16 Wingler: Bauhaus, S. 61 17 W. Gropius: Meine Konzeption des Bauhausgedankens. In: Architektur, Wege zu einer optischen Kultur, Frankfurt am Main/Hamburg 1956, S. 18 18 Dr.-Ing. Harkort: Kunst und Technik, eine neue Einheit. Betrachtungen zur Bauhausausstellung in Weimar. Pressestimmen. In: „Die Kachel- und Töpferkunst", Heft 9, 1923, Verlag Velten b. Berlin 19 Bericht Bruno Eelbos vom 15. Nov. 1884 über die dreijährige Tätigkeit der GroßherzoglichSächsischen Zentralstelle für Kunstgewerbe 1881 bis 1884. STAW, KHS 257. Eelbo schrieb u. a.: „Bei dem Exportgegenstand muß die höchste Solidität des Materials und der Arbeit Hand in : Hand gehen mit äußerst vorsichtig verwendetem künstlerischen Schmuck, um der auswärtigen Konkurrenz erfolgreich standhalten zu können: Jeder überflüssige Schnörkel, jedes Ornament untergeordneter Wirkung verteuert den Gegenstand und macht ihn konkurrenzunfähig." Daher war nach Eelbos Ansicht eine enge Zusammenarbeit zwischen dem Künstler und dem Fabrikanten nötig. „Der erstere muß dem letzteren ins Handwerk pfuschen, und dieser muß jenem in die Geheimnisse der Technik folgen, muß den Wert jeder Schraube bedenken", bis er endlich imstande ist, „billig und gut zu arbeiten", bis die „typische Form ... herausgebildet" ist. 20 W. C. Behrendt: Normen im Bauwesen. „Mitteilungen des Deutschen Werkbundes", 1918, Nr. 3, S. öff. Siehe auch Harkort: Künstler, Massenerzeugnis und Type. „Mitteilungen des Deutschen Werkbundes", 1920, Augustheft. 21 Adolf Behne, in: „Ruf zum Bauen", Zweite Buchpublikation des Arbeitsrates für Kunst. Berlin 1920. 22 Adolf Behne: Kunst und Schule. „Sozialistische Monatshefte", 1921, H. 2 vom 11. 7. 1921. 23 W. Gropius: Die neue Architektur und das Bauhaus. Mainz u. Berlin 1964 (Engl. Ausgabe London 1935) 23a W. Gropius: Bauhaus Dessau — Grundsätze der Bauhausproduktion. Druckblatt, 1926. Abgedruckt in Wingler: Bauhaus, S. 120 24 Vorschlag für neuen Stempel in der Meisterratssitzung vom 12. Oktober 1921, Gebrauchsgenehmi: gung durch das Ministerium am 26. 1. 1922. Verwendet bei veränderter Umschrift bis 1933. 25 W. Gropius: Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses: In: Staatliches Bauhaus Weimar 1919 bis 1923. Bauhausverlag Weimar/München 1923, S. 13 26 O. Schlemmer: Briefe und Tagebücher. München 1958, S. 128,132, 142, 154. 27 Siehe hierzu auch Carlo Argan: Gropius und das Bauhaus. Hamburg 1962, S. 30 28 W. Gropius: Grundsätze der Bauhausproduktion. Manuskript vom 23. 11. 1924. BD 9 29 W. Gropius: Brevier für Bauhäusler. Wingler: Bauhaus S. 90 30 G. Muche: Bildende Kunst und Industrieform. In: „bauhaus", Zeitschrift für Gestaltung, H. 1, 1926 31 O. Schlemmer: Briefe und Tagebücher, a. a. O., S. 141. 32 L. Moholy-Nagy: Konstruktivismus und Proletariat. Zitiert nach Scheidig: Bauhaus Weimar, Werkstattarbeiten, S. 31 33 Ausschußberichte des Thür. Landtags, 1924, S. 175ff. betr. „Verschiedene Petitionen zur Erhaltung des Staatl. Bauhauses", verhandelt vom 7. —15. Nov. 1924. 34 W. Gropius an Ernst Müller, 4. 10. 1921 S T A W - B vorl. 126-128 Müller war ein Tischlermeister aus Hellerau, der von Gropius das Angebot hatte, als Handwerks10

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meister nach Weimar zu kommen, aber selbst den Versuch unternehmen wollte, in Söllhuben bei München „im Sinne der alten Meister handwerklich zu leben und zu wirken". 35 W. Gropius a n Oskar Bie, Redakteur des „Börsenkuriers". STAW — H f b K . 36 Gropius behauptete im Dezember 1924, es seien 121000 Mark Gesamtkapital vorhanden gewesen. Davon waren 50000 Mark befristetes Darlehen, von den übrigen 71000 Mark hatte A. Sommerfeld 30000 Mark u n d Branchen des ADGB (Allgmeiner Deutscher Gewerkschaftsbund) 15000 Mark, also die Hälfte, zur Verfügung gestellt. Die kapitalistische Industrie erwies sich selbst in diesem Falle als nicht gerade gebefreudig. Bei mehreren der realen Geldgeber handelte es sich zudem noch um persönliche Bekannte von Gropius. Anteile hatten gezeichnet: R. Benscheidt, Alfeld (3000 Mark); H . Benario, Berlin (6000 Mark); E . Bienert, Dresden (3000 Mark; Becker und Bernhard, Köln (2000 Mark); A. Heß, E r f u r t (3000 Mark); Dr. v. Löbbecke, E r f u r t (6000 Mark); Weiß und Sanek, Berlin (3000 Mark). 36a H . Häring: Wege zur Form. I n : Die Form, J g . 1. 1925 36b W. Benjamin: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. I n W. B.: Lesezeichen. Leipzig 1970, S. 381 E. Kallai: Zehn Jahre Bauhaus. I n : Die Weltbühne (Berlin), Nr. 21, 1930. Zit. nach Wingler, Bauhaus, S. 169 Siehe auch Anneliese Fleischmann (später Albers): Wohnökonomie, 1924, in: Neue Frauenkleidung und Frauenkultur (Beilage). Karlsruhe (1924): „Das Bauhaus versucht dem H a u s wie dem einfachsten Gebrauchsding die funktionelle Form zu geben, die es notwendig heute haben muß. Es will klaren Aufbau der Dinge, es will zweckmäßiges Material, es will diese neue Schönheit": 36c Siehe z. B. J . N. L. D u r a n d : „Die Ökonomie (in der Architektur) verlangt Anwendung der einfachsten Mittel, sowie weise Sparsamkeit mit Material, Zeit und Menschenkraft. Sie verbietet alles Unnütze a n den Werken der Baukunst ebenso streng als sie die größte Simplizität der Anordnung der nötigen Gegenstände v o r s c h r e i b t . . . Die architektonische Schönheit geht demnach lediglich aus Zweckdienlichkeit und Simplizität hervor." Übersicht architektonische Vorlesungen nach J . N. L. Durand, Prof. der Architektur an der Polytechnischen Schule zu Paris. I n : W. Schneemann, C. W. Coudray, Goethes Baumeister. Weimar 1943, S. 133 37 E. Kallai: „Sie wundern sich." I n : „bauhaus", Zeitschrift f ü r Gestaltung, J g . 3,1929, H. 3, S. 11 38 „Die Mitarbeit des Künstlers am industriellen Erzeugnis". I n : Die Form, 1930, S. 202ff. 39 Ebenda, S. 200 40 Lewis Mumford, „Modern" als Handelsware. I n : Die Form, 1930, S. 222/223 Kap. V. Vom gesellschaftspolitischen Standort des Bauhauses 1 0 . Schlemmer: Briefe und Tagebücher, S. 142 2 W. Gropius: Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses: I n : Staatliches Bauhaus Weimar 1919 bis 1923, München 1924, S. 18 3 Emil Lange, geb. am 4. 2. 1884 in Glogau, Schlesien, war 1912 Mitarbeiter bei Max Berg und 1920 bis 1922 Leiter der Sozialen Bauhütte in Breslau. 1922 — 1924 f ü h r t e er die Geschäfte des Syndikus am Bauhaus Weimar. Lange war Mitglied der SPD. 4 Engels interpretierte den Ausgangspunkt der Utopisten folgendermaßen: „Die Gesellschaft bot nur Mißstände; diese zu beseitigen war Aufgabe der denkenden Vernunft. E s handelte sich darum, ein neues vollkommenes System der gesellschaftlichen Ordnung zu erfinden und dies der Gesellschaft von außen her durch Propaganda womöglich durch das Beispiel von Musterexperimenten aufzuoktroyieren." Engels: Entwicklung des Sozialismus von der Utopie zur Wissenschaft. I n : Marx/Engels, Ausgewählte Schriften, Berlin, 1953, Bd. 2, S. 112 5 W. Gropius an T. Maldonado, 24. 11. 1963, I n : Ztschr. „ U l m " , Nr. 10/11, S. 68 6 Klee und Kandinsky waren 1926 nicht bereit, im Interesse des Ganzen 10 Prozent ihres Gehaltes zu opfern. Darüber schrieb Ise Gropius a n Carola Welcker: „Das erste, womit Pius (Gorpius) am Bauhaus aufräumen wollte, war „Divatum", und gerade das versuchten sie (Klee u n d Kandinsky) wieder einzuführen, indem sie Rechte und Privilegien forderten. — W-s Forderung, 10 Prozent Gehalt zu opfern, stieß bei ihnen auf harte Ablehnung." BD X / X I I

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7 P. Klee Tagebucheintragung, 14. 1. 1918 nach D. Schmidt, Manifeste, Manifeste, Künstlerschriften I, Fundus-Bücherei, Dresden 1965, S. 127 8 P. Klee, Tagebucheintragung vom 30.10. 1918 ebenda, S. 142 9 George Grosz: Statt einer Biographie. Aus G. Grosz und W. Herzfelde: Die Kunst ist in Gefahr. Berlin 1925. Zitiert nach: Manifeste, Manifeste. Schriften deutscher Künstler des zwanzigsten Jahrhunderts, Bd. I, gesammelt und herausgegeben von Diether Schmidt. Dresden 1965, S. 258ff. 10 O. Schlemmer: Briefe und Tagebücher. München 1985, S. 169, 209, 248 11 Ebenda, S. 206 12 Der Weimarer Kulturrat forderte den Bücktritt Kandinskys. Siehe „Thüringische Landeszeitung" vom 12. 1. 1925 13 Theo Bogler an E. Lange, 3. 5. 1924, BD 3 f / I 14 Kultusministerium in Weimar, Ergebnisse der das Staatliche Bauhaus in Weimar betreffenden Untersuchung. Beilage zu „Der Streit um das Staatliche Bauhaus", Weimar 1920. 15 Oskar Schlemmer, a. a. O., S. 104 16 Mitteilung von L. Wallraf 16a Inzwischen sind durch das im Herbst 1976 an der Hochschule für Architektur und Bauwesen in Weimar geschaffene Zentrum für Bauhausforschung mehrere Bauhäuslerschicksale aufgeklärt und publiziert worden. (Siehe Bauhaus- Sonderhafte der WZ Weimar, H. 5/6 1976 und 4/5 1979). Allerdings betreffen sie vorwiegend Studierende des Bauhauses Dessau. 17 Dada als Bürgerschreck spielte am Bauhaus zeitweilig eine Bolle. Doch nahm Gropius die Sache recht ironisch. In einem Briefwechsel mit dem „Oberdada" Johannes Baader lehnte er es ab, dadaistische Ideen am Bauhaus verbreiten zu lassen und schrieb: „Das ist vielleicht sehr undadaistisch, aber wir haben eben offenbar die völlige Dadareife noch nicht erreicht." STAW—B vorl. 122-124 18 Zum Beispiel hatte Gropius Kleidung aus dem Heeresbestand in einer thüringischen Stadt ausgekundschaftet und einen Studenten geschickt, um die Sachen zu holen. Da die Revers meist durchgewetzt waren, wurden sie abgeschnitten und die Jacketts ohne Revers getragen (Mitteilung von Theo Müller, Weimar). Außerdem trug der Itten-Kreis eine russenkittelähnliche Tracht. I n gegenerischen Zeitungsartikeln wurde von „mit Badehose und Hemdtorso bekleideten Jünglingen" gesprochen. In den Sozialistischen Monatsheften (1920/1, S. 69) schreibt H. Zehder ironisch: „Die Schülerschaft hat zu Weihnachten Spielzeug gemacht und es in improvisierten Buden vor dem Theater an arme Kinder verschenkt... Es ist wohl zu verstehen, daß die Bürger eine Gänsehaut dabei bekommen haben. Das können doch nur Spartakisten sein, die Spielzeug verschenken . . . " 19 Mündliche Mitteilung von W. Rößger 20 Das Bauhaus war nach Aufforderung der Streikleitung am 17. 3. 1920 geschlossen worden. Dr. Bruno Adler, der mit der Itten-Gruppe 1919 aus Wien gekommen war, hat die Ereignisse in Weimar aus nächster Nähe erlebt. Er berichtet: „Am Begräbnis der Opfer beteiligten sich damals die jungen Leute sehr zahlreich, noch dazu mit linksradikalen Spruchbändern. Gropius sah das ungern. Er hatte allen Grund, die Studierenden von jeder politischen Parteinahme fernzuhalten. Das Bauhaus war ja, schon weil es unter einer sozialistischen Landesregierung entstanden war, ohnedies verdächtig, und er wollte natürlich nicht noch Wasser auf die gegnerischen Mühlen treiben. Der Zwischenfall wurde geräuschlos erledigt, indem einer der älteren Teilnehmer die Verantwortung für die kompromittierenden Transparente auf sich nahm und ausschied." Bruno Adler: Das Weimarer Bauhaus. Veröffentlichung des Bauhaus-Archivs, Darmstadt, 1963. 21 Die erste Frau Gropius', Witwe des Komponisten Gustav Mahler und spätere Frau des Dichters Franz Werfe), schrieb über diesen Tag in Weimar: „Heute war das Leichenbegängnis der im Kampf gefallenen Arbeiter. Der Zug zog vor meinem Fenster vorbei. Eine unendliche Reihe von Emblemen mit Aufschriften: Es lebe Rosa Luxemburg! Es lebe Liebknecht! — Das Bauhaus war vollständig vertreten, und Walter Gropius, der einige Minister im Zuge gehen sah, bedauerte es, daß er sich von mir hatte bereden lassen, da nicht mitzutun. Ich aber wollte nur, daß er nicht politisiere . . . " Alma Mahler-Werfel: Mein Leben. S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 1960, S. 145 22 Der Fall wurde wiederholt verleumderisch gegen Gropius vorgebracht, um seine Position moralisch 10*

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zu untergraben. Deshalb sei er kurz dokumentiert. Ausgangspunkt war eine Erklärung Peter Köhls. Eidesstattliche Versicherung von Peter Böhl: „Während der Tage des Kapp-Putsches traf ich Herrn Dr. Adler, Weimar, der mir unter großer Entrüstung mitteilte, daß er Gropius auf dem Wege zu der neuen Kapp-Regierung getroffen habe, um sich dieser zur Verfügung zu stellen. Es habe seiner ganzen Überredungskunst und des Hinweises auf die wahrscheinlich nur kurze Dauer dieser Regierung bedurft, um Gropius zur Aufgabe seines Vorhabens zu veranlassen. Derselbe Gropius hat andererseits mir gegenüber geäußert, er könne seine Pläne bei einer sozialdemokratischen Regierung nicht durchsetzen, hierzu müßte die Regierung in den Händen der Kommunisten liegen. Ich versichere hiermit an Eides Statt, daß obige Schilderung der vollen Wahrheit entspricht. 20. Februar 1923 gez. Peter Röhl Bruno Adler, auf den sich Röhl beruft, dementiert entschieden, daß sich der Vorgang so abgespielt habe. Bruno Adler an Gropius: 5. 4. 1923 „Daß ich Sie in den Tagen des Kapp-Putsches ,auf dem Wege zur neuen Regierung getroffen' und Sie zu irgend etwas ,überredet' habe, ist natürlich barer Unsinn. Ich entsinne mich allerdings, daß wir an jenem historischen Sonntag die politische Situation und ihre mögliche Wirkung auf das damals noch gefährdete Bauhaus besprachen. Sie waren damals für mein Gefühl ein wenig skeptisch, und ich habe Ihnen gegenüber in der Tat die Meinung vertreten, daß es keiner Schritte Ihrerseits bedürfe, weil es bald zum Krach kommen werde. Es versteht sich von selbst, daß ich, wenn ich wirklich mit einem Freund darüber gesprochen haben sollte, nicht mehr als das geäußert habe." Ein weiterer Brief Adlers an Gropius vom 8. 4. 1923 enthält schließlich einen harten Vorwurf gegen diesen wegen dessen Verhalten in den kritischen Tagen: „Es hat mich ganz, gewiß niemals verstimmt, daß Sie keine Parteipolitik mitgemacht haben. Damals aber handelte es sich doch nicht um eine politische, sondern um eine menschliche Angelegenheit, und die ist gerade von der Sache nicht zu trennen. Von dieser Sache, die bedauerlicherweise gerade damals und später noch ganz auf Parteipolitik angewiesen war." BD 14. Emil Friedrich in der Broschüre „Märzgefallenen-Denkmal, Weimar" 1. 5. 1922. Für die Rußlandhilfe der Internationalen Arbeiterhilfe wurden am 10. 1. 1922 am Bauhaus Werke bereitgestellt von Feininger, Itten, Klee, Mareks, Muche, Schlemmer, Schreyer. Am 11. 1. 1924 sandte das Bauhaus wiederum Arbeiten (21 Bilder) an das Komitee „Internationale Arbeiterhilfe". Die Spenden sollten diesmal den Küchen der IAH zugute kommen. Unter den Spendern befanden sich Albers, Breuer, Feininger, Kandinsky, Klee, Mareks, Moholy-Nagy, Molnar, Muche und Schlemmer. In Dankschreiben der IAH, unterzeichnet von Otto Nagel, wurden die Hilfe des Bauhauses beide Male als „Akt der Solidarität" bezeichnet, STAW—B vorl. 354—357 W. Gropius an Karl Peter Röhl, 7. 2. 1920. S T A W - B vorl. 399 Alfred Döblin: Republik. In: Die Neue Rundschau, 1920, Bd. I, zitiert nach: A. D.: Die Vertreibung der Gespenster. Autobiographische Schriften, Betrachtungen zur Zeit, Aufsätze zu Kunst und Literatur. Berlin 1968. S. 191 ff. W. Gropius in einem Brief an den Autor vom 8. Februar 1968: „ I am quite convinced that totality of approach theoretically includes everything, but a man doing a job must know where his limitations are and where he can give his best contribution. I deliberately kept to my own field." Gropius schreibt in einem Brief vom 20. Februar 1938 an Simon, Paris: „Ich habe mir Ihren Vorschlag von allen Seiten überlegt, kann mich aber nicht entschließen, Ihrem Bunde „Neues Deutschland" beizutreten, denn ich möchte nicht die unpolitische Kampflinie verlassen, der ich bisher immer in meinem Leben gefolgt bin. Auf meinem eigenen Gebiete habe ich, wie Sie wissen, recht scharf gekämpft und mußte früh dabei erfahren, daß meine Sache litt, sobald sie mit politischen Fragen verknüpft wurde. Sie mögen einwenden, daß die heutige Lage nicht mehr taktisch, sondern strategisch ist und daß man daher nun aufs Ganze setzen muß. Das mag wahr sein, aber es müssen ganz bestimmte Umstände zusammen kommen, die mich bestimmen würden, an einer Front zu kämpfen, deren Kampfesmittel mir nicht geläufig sind. Über meine Ansichten als solche auf künstlerischem Gebiet kann niemand im Zweifel sein, da ich mich oft und deutlich darüber ausgedrückt

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habe; Ihre Wiederholung im Zusammenhang mit politischen Tendenzen würde aber einen völlig veränderten Akzent geben. Betrachte ich heute meine Lage als Weltbürger, so sehe ich nur zwei Möglichkeiten: entweder das Leben eines Revolutionärs unter voller Aufgabe von Beruf und allem übrigen oder aber langsamer Weiterausbau dessen, womit ich mir einen Namen geschaffen habe. Revolutionär im Nebenberuf zu sein, kann ich mir nicht vorstellen und — ich habe einen tiefen Zweifel, ob organisierte Kulturpropaganda gegen die Art von Feind, gegen die sie gemünzt ist, heute überhaupt noch zum Ziele führen kann . . . " Giulio Carlo Argan, Gropius und das Bauhaus. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1962 S., 90. Siehe: Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung, 1. Aufl. 1968, Dietz Verlag Berlin. Kap. VIII, S. 175 W. Gropius, Der Baugeist der neuen Volksgemeinde. I n : Die Glocke, 10. 1. 1924, S. 311 (Erwiderung auf einen Aufsatz von Paul Westheim in Heft 6, 1924) Josef Albers, Thirteen years a t the Bauhaus. I n : Bauhaus and bauhauspeopel, hg. von Eckhard Neumann. Von Nostrand Reinhold Company, New York, Cincinnati, Toronto, London 1970.

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1 Walter Gropius: Vorschläge zur Gründung einer Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk, Januar 1916 (STAW — H f b K 100) 2 Stellungnahme des Großherzoglichen Staatsministeriums, Departement des Inneren u n d Äußeren, Slevogt, zu den Vorschlägen von Walter Gropius, 1. Mai 1916 (STAW — H f b K 100) 3 Großherzogliches Staatsministerium, Departement des Inneren und Äußeren, an Professor Fritz Mackensen, Direktor der Hochschule für bildende Kunst, 1. Mai 1916 (STAW — H f b K 100) 4 Walter Gropius an das Hofmarschallamt, Freiherr von Fritsch, 31. Januar 1919 (STAW— Hofmarschallamt 3707, S. 125) 5 Freiherr von Fritsch, Neubabelsberg, zur Frage der Gründung des Bauhauses, 20. April 1920 (STAW - Hofmarschallamt 3708, S. 13) 6 Henry van de Velde an Engelmann und Klemm, 17. April 1919 7 Walter Gropius in: J a ! — Stimmen des Arbeitsrats f ü r Kunst in Berlin, 1919 8 Walter Gropius: Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar. 1919 (STAW — B vorl. 417) 9 Walter Gropius: Baukunst im freien Volksstaat (Auszug. Deutscher Revolutionsalmanach, Berlin 1919) 10 Aufuruf der Studierendenvertreter: An die Arbeitsausschüsse der Bauhaus-Arbeitsgemeinschaft! 18. Mai 1919 (STAW - B vorl. 190) 11 Walter Gropius: Rede bei der ersten Ausstellung von Schülerarbeiten des Bauhauses im Juni 1919 (STAW - B vorl. 241) 12 Walter Gropius an den Ausschuß der Studierenden Berliner Kunstschulen in Charlottenburg, 15. Juli 1919 (STAW - B vorl. 114/115) 13 Walter Gropius an Adolf Behne, 16. September 1919 (STAW — B vorl. 399) 14 Stellungnahme des Bauhauses zu einer Eingabe des „Künstlerbundes Ostthüringen",; die Beziehungen zwischen Kunst und Staat betreffend, 26. September 1919 (STAW — B vorl. 113) 15 Walter Gropius an Max Osborn, Berlin, 16. Dezember 1919 (STAW — B vorl. 399) 16 Offener Brief der nationalchauvinistischen Studierenden des Bauhauses, 16. Dezember 1919 (STAW - B vorl. 400/401) 17 Erklärung der gesamten Schülerschaft des Staatlichen Bauhauses Weimar zum Fall Groß, Dezember 1919 (STAW - B vorl. 400/401) 18 Protokoll der Sitzung des Meisterrates, 18. Dezember 1919 (STAW — B vorl. 184) 19 Protokoll der Sitzung des Meisterrates, 20. Dezember 1919 (STAW — B vorl. 184) 20 Protokoll der Sitzung des Meisterrates, 27. Dezember 1919 (STAW — B vorl. 184)

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Walter Gropius an Dr. Adolf Behne, 29. Dezember 1919 (STAW — B vorl. 399) Auszug aus: „Tägliche Bundschau", 40. Jg., Nr. 4, 3. Januar 1920 Max Thedy an Walter Gropius, 9. Januar 1920 (STAW — B vorl. 400/401) Walter Gropius an Dr. Edwin Redalob. Reichskunstwart, 13. Januar 1920 (STAW — B vorl. 399) Dok. 25 Kundgebung von Direktoren und Professoren deutscher und österreichischer Kunstschulen für das Staatliche Bauhaus zu Weimar, 1920 (STAW — B vorl. 400/401) Dok. 26 Leitsätze der Kundgebung für Erhaltung der alten Kunstschule (STAW — B vorl. 400/401) Dok. 27 Hans Poelzig, Vorsitzender des Deutschen Werkbundes, an die Staatsregierung des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach, 20. Januar 1920 (STAW — B vorl. 400/401) Dok. 28 Walter Gropius an Dr. Adolf Behne, Charlottenburg, 31. Januar 1920 (STAW —B vorl. 399) Dok. 29 Walter Gropius an Hans Poelzig, Dresden, 31. Januar 1920 (STAW — B vorl. 399) Dok. 30 Brief des Meisterrates an Studierende, betreffend Verbot politischer Betätigung, 24. März 1920 (STAW - B vorl. 399) Dok. 31 Protokoll der Besprechung des Meisterrates am 15. Juni 1920 (STAW — B vorl. 184) Dok. 32 Protokoll der Sitzung des Meisterrates am 20. September 1920 (STAW — B vorl. 184) Dok; 33 Protokoll der Versammlung der Meister und Lernenden des Staatlichen Bauhauses am 13. Oktober 1920 (STAW - B vorl. 184) Dok. 34 Protokoll der Sitzung des Meisterrates am 6. Dezember 1920 (STAW — B vorl. 184) Dok. 35 Aus Briefen und Tagebüchern von Oskar Schlemmer (s. Lit.-Verz.) Dok. 36 Lyonel Feininger an den Minister für Volksbildung und Justiz, Paulßen, Weimar, 16. Februar 1921 (STAW - Vb 277) Dok. 37 Umlauf an den Meisterrat, 15. März 1921 (STAW - B vorl. 184) Dok. 38 Walter Gropius an Dr. J . Schikowski, „Vorwärts", Berlin, 8. Juni 1921 (STAW — B vorl. 402) Dok; 39 Aus Briefen und Tagebüchern von Oskar Schlemmer (s. Lit.-Verz.) Dok. 40 Briefwechsel zwischen Walter Gropius und Heinrich Vogeler, Worpswede, September 1921 ; (STAW - B vorl. 126-128) Dok. 41 Walter Gropius, protokollarische Niederschrift seines Referates auf der Kunstschulkonferenz am 17. —19. November 1921 in Weimar (STAW — B vorl. 117/118) Dok. 42 A Briefen und Tagebüchern von Oskar Schlemmer (s. Lit.-Verz.) und Marcel Franciscono: Walter Gropius and the creation of the bauhaus in Weimar: the ideals and artistic theorie of its foundings years. Urbana. Chicago. London 1971, S. 288 Dok. 43 Walter Gropius: Erklärung wegen Meinungsverschiedenheiten am Bauhaus vom 3. Februar 1922 (STAW - B vorl. 187/188) Dok. : 44 Walter Gropius: Umlauf an den Meisterrat, betreffend Professorentitel, 21. April 1922 (STAW - B vorl. 187/188) Dok. 45 Protokoll der Besprechung aller Meister am 27. Juni 1922 (STAW — B vorl. 184) Dok. 46 Protokoll der Besprechung des Meisterrates am 18. September 1922 (STAW — B vorl. 184) Dok: 47 Protokoll der Besprechung des Meisterrates am 3. Oktober 1922 (STAW — B vorl. 184) Dok. 48 Protokoll der Besprechung mit Gesellen und Lehrlingen am 6. Oktober 1922 (STAW — B vorl. 184) Dok. 49 Aufruf an alle Bauhäusler zur Mitarbeit an der Ausstellungsvorbereitung, 13. Oktober 1922 (STAW - B vorl. 184) Dok. 50 Oskar Schlemmer an den Meisterrat, 30. Oktober 1922 (STAW — B vorl. 187/188) Dok. 51 Lyonel Feininger an Julia Feininger, 5. Oktober 1922 (Wingler: Bauhaus, S. 68) Dok. 52 Protokoll der Meisterbesprechung am 14. Oktober 1922 (STAW — B vorl. 184) Dok. 53 Aus dem Arbeitsbericht des Syndikus Lange vom 9. Dezember 1922 (STAW — B vorl. 142/143) Dok. 54 Walter Gropius an Dr. r Theodor Neubauer, Landtagsabgeordneter der Kommunistischen Partei Deutschlands, 10. November 1922 (STAW — B vorl. 307) Dok. 55 Syndikus Lange an den Chefredakteur der Zeitung „Das Volk", Organ der SPD, Jena, 13. November 1922 (STAW - B vorl. 191)

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Dok. 56 Syndikus Lange an den Finanzminister Hartmann (SPD), 17. November 1922 (STAW — B vorl. 409) Dok. 57 Walter Gropius an Westrum (Bauunternehmer), Hannover, 27. November 1922 (STAW — B 56) Dok. 58 Briefe an die „Dollarkönige" Henry Ford, John Rockefeiler, Charley Fugl, Willy Hearst, Paul Warburg, 25. Januar 1923 (STAW - B vorl. 311) Dok. 59 Protokoll der Meisterratssitzung am 5. Februar 1923 (STAW — B vorl. 184) Dok. 60 Oskar Schlemmer: Manifest zur Bauhausausstellung 1923, Februar 1923 (STAW — B vorl. 417) Dok. 61 Bauhausdebatte im Landtag von Thüringen, 1923, stenographischer Bericht der 156. Sitzung. Beantwortung der Interpellation der Deutschnationalen, Organisation und Betriebsführung des Bauhauses betreffend Dok. 62 Syndikus Lange an die Ausstellungskommission des Staatlichen Bauhauses, 6. März 1923 (STAW - B vorl. 142/143) Dok. 63 Walter Gropius in einem Rundschreiben an die Meister vom 2. Mai 1923 (STAW — B vorl. 187/188) Dok. 64 Walter Gropius an Dr. Edwin Redslob, Reichskunstwart, vom 8. Mai 1923 (STAW — B vorl. 308) Dok. 65 Protokoll der Besprechung der Formmeister am 26. Mai 1923 (STAW — B vorl. 184) Dok. 66 Walter Gropius: Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses (Staatliches Bauhaus Weimar 1919-1923, Weimar/München 1923) (STAW - B vorl. 414) Dok. 67 Lyonel Feininger an Julia Feininger, 1. August 1923 (Wingler: Bauhaus, S. 83) Dok. 68 Gerhard Mareks, Briefe aus Dornburg an Walter Gropius, März bis September 1923 (STAW — B vorl. 60) Dok. 69 Dr. Redslob, Reichskunstwart, an Walter Gropius, 25. August 1923 (STAW — B vorl. 308) Dok. 70 Protokoll der Formenmeister-Besprechung am 18. Oktober 1923 (STAW — B vorl. 184) Dok. 71 Protokoll der Sitzung des Bauhausrates vom 22. Oktober 1923 (STAW — B vorl. 184) Dok. 72 Briefwechsel zur Reichswehraffäre zwischen Walter Gropius und Reichswehrgenerälen (STAW, Landtag von Thüringen 323) Dok. 73 Maßnahmen zum weiteren Ausbau und zum rentablen Betrieb des Bauhauses als Produktivunternehmen, 8. Mai 1923 (STAW - B vorl. 153/154) Dok. 74 Walter Gropius an den Präsidenten der Staatsbank, Loeb, Weimar, 18. Oktober 1923 (STAW - B vorl. 65) Dok. 75 Walter Gropius an Franz May, München; betrifft Produktivbetrieb des Bauhauses, 23. November 1923 (STAW - B vorl. 65) Dok. 76 Begründung der Abtrennung der produktiven Werkstätten vom Lehrbetrieb und Zusammenfassung dieser in einem privatkapitalistisch geleiteten Betrieb, 19. Dezember 1923 (STAW - B vorl. 405) Dok. 77 Gerhard Mareks an das Staatliche Bauhaus, 2. Januar 1924 (STAW — B vorl. 47) Dok. 78 Besprechung über Gründung der Bauhaus-Produktiv-GmbH am 19. Januar 1924 im Volksbildungsministerium (STAW — B vorl. 405) Dok. 79 Protokoll der Sitzung des Arbeitsausschusses des Bauhausrates am 18. März 1924 (STAW — B vorl. 184) Dok. 80 „Vossische Zeitung", Berlin, 30. März 1924: „Das Schicksal des Weimarer Bauhauses" Dok. 81 „Frankfurter Zeitung", 31. März 1924: „Das Weimarer Bauhaus bedroht" Dok. 82 „Bauhaus Weimar", Stellungnahme der Zeitschrift „G", Material zur elementaren Gestaltung, 1924, zur Broschüre A. Müllers Dok. 83 Briefe von Walter Gropius an Staatsminister Leutheußer, Ministerium für Volksbildung, 31. März 1924 (BD 3f/l) Dok. 84 Rundschreiben Langes an verschiedene Parteivorsitzende und Landtagsabgeordnete der bürgerlichen Parteien, betreffend Person Dr. Beyers, 10. April 1924 (BD 3f/l) Dok. 85 Syndikus Lange an den Reichstags-Kanditaten der Deutschvölkischen Bewegung, Hans Stehr, 26. April 1924 (BD 3f/l)

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Dok, 86 Syndikus Lange an Stadtbäurat Max Berg, Breslau, 26. April 1924 (BD 3 f / I I I ) Dok. 87 Aufruf der Studierenden des Staatlichen Bauhauses, 28. April 1924 (BD 9) Dok. 88 Professor Engelmann an Professor Hans Poelzig; betrifft Beurteilung des Bauhauses von Seiten der Hochschule, 28. April 1924 (STAW - H f b K 196) Dok. 89 Theo van Doesburg a n Walter Gropius, Mai 1924 (BD 3i/l) Dok. 90 Erklärung des Meisterrates, 8. Mai 1924 (STAW — B vorl. 417) Dok. 91 Dr.-Ing. N o n n : Das Staatliche Bauhaus in Weimar, in: „Die Hilfe" vom 1. J u n i 1924 • Dok. 92 Walter Gropius an Frau Dr. Gertrud Bäumer, Berlin, Reichsministerium des Innern, betreffend Artikel in der „Hilfe", 16. J u n i 1924 (BD 3i/V) Dok. 93 Kundgebung der „Vereinigung zur Pflege deutscher Kultur in Thüringen", Weimarische Zeitung", 6. Juli 1924 Dok. 94 Bemerkungen des ehemaligen Syndikus Lange zum Bericht der Thüringischen Rechnungskammer über die Prüfung der Kassen und Buchführung beim Staatlichen Bauhaus in Weimar vom 9. 9. 1924, Breslau, 7. Oktober 1924 (STAW — B vorl. 180) Dok. 95 Walter Gropius a n Emil Lange, 20. Oktober 1924 (STAW — B vorl. 191) Dok. 96 Untersuchung des Bauhauses über „Ursachen f ü r die bisherigen Schwierigkeiten" (STAW — B vorl. 153/154) Dok. 97 Protestbrief Studierender gegen den Beschluß, ihre Arbeiten nicht unter ihrem Namen, sondern unter „ B a u h a u s " zu veröffentlichen. 17. Oktober 1924 (STAW — B vorl. 249/250) Dok. 98 Gerhard Mareks an Walter Gropius, 27. Oktober 1924 (STAW — B vorl. 47) ! Dok. 99 Marcel Breuer aus Paris a n Erich Dieckmann, Herbst 1924 Dok. 100 Die Meister des Staatlichen Bauhauses Weimar: Erklärung der Auflösung des Bauhauses. Offener Brief, 26. Dezember 1924 (Zeitung „Deutschland", 29. Dezember 1924) Dok. 101 Die Rechtspresse zur Erklärung der Meister des Bauhauses (Zeitung „Deutschland", 30. Dezember 1924 und „Weimarische Zeitung", 30. Dezember 1924) Dok. 102 Protestbrief der Mitarbeiter am Staatlichen Bauhaus an die Thüringische Regierung, Weimar, 13. J a n u a r 1925 (STAW — B) Dok. 103 Dr. Necker (Syndikus des Bauhauses): Bauhaus 1923/24 (Auszug aus „Architectural Review", London 1962) Dok. 104 Beiträge von Gesellen und Jungmeistern deB Bauhauses zum Bauhausgedanken in. der Bauhaus-Sondernummer der Zeitschrift „ J u n g e Menschen", Monatshefte f ü r Politik, Kunst, Literatur und Leben, H e f t 8, November 1924

Dokumente Abkürzungen bedeuten: STAW — Archivalien des Staatsarchivs Weimar (B — Bestand staatliches Bauhaus, Vb — Bestand Ministerium f ü r Volksbildung, H f b K — Bestand Hochschule f ü r bildende Kunst) B D — Archivalien des Bauhaus- Archivs in Darmstadt, jetzt (West-)Berlin Zusätze oder Erklärungen des Herausgebers stehen in ( ). Soweit nicht anders angegeben, handelt eB sich bei Briefen, deren Empfänger das Bauhaus, Mitarbeiter des Bauhauses oder des Volksbildungsministeriums waren, um Ausfertigungen, bei Briefen, deren Absender das Bauhaus war, u m Durchschriften. Unwesentliche Hervorhebungen wurden getilgt. Von einigen im ungeordneten Bestand„Bauh a u s " gefundenen Quellen konnte der neue Standort nach der vorläufigen Ordnung des Bestandes nicht ermittelt werden. Dok. 1 Walter Gropius: Vorschläge zur Gründung einer Lehranstalt als künsterlische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk, Januar 1916 ( S T A W — H f b K 100) Während in alter Zeit die gesamte Masse menschlicher Erzeugnisse allein durch die H a n d hergestellt wurde, wird heute nur noch ein verschwindend kleiner Teil der Weltware ohne maschinelle Beihilfe erzeugt, da das natürliche Bestreben, die Arbeitsleistung durch Einführung maschineller Hilfsmittel

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Dok, 86 Syndikus Lange an Stadtbäurat Max Berg, Breslau, 26. April 1924 (BD 3 f / I I I ) Dok. 87 Aufruf der Studierenden des Staatlichen Bauhauses, 28. April 1924 (BD 9) Dok. 88 Professor Engelmann an Professor Hans Poelzig; betrifft Beurteilung des Bauhauses von Seiten der Hochschule, 28. April 1924 (STAW - H f b K 196) Dok. 89 Theo van Doesburg a n Walter Gropius, Mai 1924 (BD 3i/l) Dok. 90 Erklärung des Meisterrates, 8. Mai 1924 (STAW — B vorl. 417) Dok. 91 Dr.-Ing. N o n n : Das Staatliche Bauhaus in Weimar, in: „Die Hilfe" vom 1. J u n i 1924 • Dok. 92 Walter Gropius an Frau Dr. Gertrud Bäumer, Berlin, Reichsministerium des Innern, betreffend Artikel in der „Hilfe", 16. J u n i 1924 (BD 3i/V) Dok. 93 Kundgebung der „Vereinigung zur Pflege deutscher Kultur in Thüringen", Weimarische Zeitung", 6. Juli 1924 Dok. 94 Bemerkungen des ehemaligen Syndikus Lange zum Bericht der Thüringischen Rechnungskammer über die Prüfung der Kassen und Buchführung beim Staatlichen Bauhaus in Weimar vom 9. 9. 1924, Breslau, 7. Oktober 1924 (STAW — B vorl. 180) Dok. 95 Walter Gropius a n Emil Lange, 20. Oktober 1924 (STAW — B vorl. 191) Dok. 96 Untersuchung des Bauhauses über „Ursachen f ü r die bisherigen Schwierigkeiten" (STAW — B vorl. 153/154) Dok. 97 Protestbrief Studierender gegen den Beschluß, ihre Arbeiten nicht unter ihrem Namen, sondern unter „ B a u h a u s " zu veröffentlichen. 17. Oktober 1924 (STAW — B vorl. 249/250) Dok. 98 Gerhard Mareks an Walter Gropius, 27. Oktober 1924 (STAW — B vorl. 47) ! Dok. 99 Marcel Breuer aus Paris a n Erich Dieckmann, Herbst 1924 Dok. 100 Die Meister des Staatlichen Bauhauses Weimar: Erklärung der Auflösung des Bauhauses. Offener Brief, 26. Dezember 1924 (Zeitung „Deutschland", 29. Dezember 1924) Dok. 101 Die Rechtspresse zur Erklärung der Meister des Bauhauses (Zeitung „Deutschland", 30. Dezember 1924 und „Weimarische Zeitung", 30. Dezember 1924) Dok. 102 Protestbrief der Mitarbeiter am Staatlichen Bauhaus an die Thüringische Regierung, Weimar, 13. J a n u a r 1925 (STAW — B) Dok. 103 Dr. Necker (Syndikus des Bauhauses): Bauhaus 1923/24 (Auszug aus „Architectural Review", London 1962) Dok. 104 Beiträge von Gesellen und Jungmeistern deB Bauhauses zum Bauhausgedanken in. der Bauhaus-Sondernummer der Zeitschrift „ J u n g e Menschen", Monatshefte f ü r Politik, Kunst, Literatur und Leben, H e f t 8, November 1924

Dokumente Abkürzungen bedeuten: STAW — Archivalien des Staatsarchivs Weimar (B — Bestand staatliches Bauhaus, Vb — Bestand Ministerium f ü r Volksbildung, H f b K — Bestand Hochschule f ü r bildende Kunst) B D — Archivalien des Bauhaus- Archivs in Darmstadt, jetzt (West-)Berlin Zusätze oder Erklärungen des Herausgebers stehen in ( ). Soweit nicht anders angegeben, handelt eB sich bei Briefen, deren Empfänger das Bauhaus, Mitarbeiter des Bauhauses oder des Volksbildungsministeriums waren, um Ausfertigungen, bei Briefen, deren Absender das Bauhaus war, u m Durchschriften. Unwesentliche Hervorhebungen wurden getilgt. Von einigen im ungeordneten Bestand„Bauh a u s " gefundenen Quellen konnte der neue Standort nach der vorläufigen Ordnung des Bestandes nicht ermittelt werden. Dok. 1 Walter Gropius: Vorschläge zur Gründung einer Lehranstalt als künsterlische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk, Januar 1916 ( S T A W — H f b K 100) Während in alter Zeit die gesamte Masse menschlicher Erzeugnisse allein durch die H a n d hergestellt wurde, wird heute nur noch ein verschwindend kleiner Teil der Weltware ohne maschinelle Beihilfe erzeugt, da das natürliche Bestreben, die Arbeitsleistung durch Einführung maschineller Hilfsmittel

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zu steigern, in ständigem Wachsen begriffen ist. Der drohenden Gefahr der Verflachung, die hieraus folgerichtig erwächst, kann der Künstler, dem die Bildung und Fortentwicklung der Form in der Welt obliegt, nur dadurch begegnen, daß er sich mit dem gewaltigsten Mittel moderner Formgestaltung, mit der M a s c h i n e jeder Art — vom einfachen Werkzeug bis zur komplizierten Spezialmaschine, verständnisvoll auseinandersetzt und sie in seinen Dienst zwingt, anstatt ihr in falscher Verkennung des natürlichen Laufes der Dinge aus dem Wege zu gehen. Diese Einsicht wird notwendig zu einer engen Arbeitsgemeinschaft zwischen Kaufmann und Techniker einerseits und dem Künstler andererseits führen. Auf dem gesamten Gebiet des Handels und der Industrie ist zweifellos neben den bisherigen Forderungen nach technischer und wirtschaftlicher Vollkommenheit ein V e r l a n g e n n a c h S c h ö n h e i t d e r ä u ß e r e n F o r m erwacht. Augenscheinlich genügt nicht mehr die materielle Steigerung der Erzeugnisse allein, um im internationalen Wettstreite Siege erringen zu können. Das technisch überall gleich vorzügliche Ding muß mit geistiger Idee, mit Form durchtränkt werden, damit ihm die Bevorzugung unter der Menge gleichgearteter Erzeugnisse gesichert bleibt. Handbetrieb und Kleingewerbe haben die Fühlung mit der Kunst naturgemäß nie ganz verloren; sie allein künstlerisch zu befruchten genügt nicht mehr den modernen Anforderungen; auch die gesamte Industrie ist heute vor die Aufgabe gestellt, sich mit künstlerischen Fragen ernsthaft zu befassen. Der Fabrikant muß darauf bedacht sein, mehr und mehr den Makel des Surrogats von seiner Ware zu entfernen, ihr auch die edlen Eigenschaften des handwerklichen Erzeugnisses neben den Vorzügen der maschinellen Herstellung mitzugeben. Erst dann findet der ursprüngliche Leitgedanke der Industrie, Ersatz der Handarbeit auf mechanischem Wege, seine vollkommene Verwirklichung. Denn der alte Handwerker vereinigt alle drei Arbeitsgebiete des Technikers, des Kaufmanns und des Künstlers in einer Person. Solange nun die Mitarbeit des Künstlers für entbehrlich angesehen wurde, mußte das Maschinenprodukt minderwertiger Ersatz des handwerklichen Erzeugnisses bleiben. Doch ganz allmählich erkennt man in kaufmännischen Kreisen, welche neuen Werte der Industrie durch die geistige Arbeit des Künstlers zugebracht werden. Man versucht nun in besserer Erkenntnis, die künstlerische Qualität des Maschinenproduktes von vornherein zu verbürgen und gleich bei der Erfindung der Form, die vervielfältigt werden soll, den Künstler mit zu Rate zu ziehen. Daraus bildet sich eine A r b e i t s g e m e i n s c h a f t z w i s c h e n K ü n s t l e r , K a u f m a n n u n d T e c h n i k e r , die, dem Gebot der Zeit entsprechend organisiert, vielleicht im Stande sein könnte, auf die Dauer alle Faktoren der alten individuellen Arbeit, die verloren ging, zu ersetzen: denn der Künstler besitzt die Fähigkeit, dem toten Produkt der Maschine Seele einzuhauchen; seine Schöpferkraft lebt darin fort als lebendiges Ferment. Seine Mitarbeit ist nicht Luxus, nicht gutwillige Zugabe, sondern muß unentbehrlicher Bestandteil in dem Gesamtwerk der modernen Industrie werden ... Es genügt nicht, Musterzeichner zu dingen, die gegen geringes Monatsgehalt täglich 7 bis 8 Stunden selbständig und meist, ohne genügende Schulung „ K u n s t " erzeugen sollen, ihre mehr oder minder geistlosen Entwürfe in tausenden von Exemplaren ausführen und über die Welt verstreuen lassen. So leicht gelangt man nicht in den Besitz künstlerisch reifer Entwürfe. Genau so wie technische Erfindung und kaufmännische Regie selbständige Köpfe verlangt, fordert die Erfindung neuer beseelter Formausdrücke starke Künstlerkraft, künstlerische Persönlichkeit. Gerade die besten, wohldurchdachten Ideen sind zur Vervielfältigung durch Industrie und Gewerbe eben gut genug und wert, nicht nur dem einzelnen, sondern einer großen Allgmeinheit zugute zu kommen. Solange sich diese Erkenntnis nicht breite Bahn gebrochen hat, wird leider noch immer die Mehrzahl der Fabrikanten privaten Künstlern zögernd und ablehnend gegenübertreten. Eine von Staats wegen einzurichtende L e h r a n s t a l t a l s k ü n s t l e r i s c h e B e r a t u n g s s t e l l e unter Oberleitung eines namhaften, technisch erfahrenen Künstlers dürfte dagegen leichter das Vertrauen der Fabrikanten erringen, namentlich wenn ihr sachliches Urteil bereits bei der Gründung der Anstalt zu Rate gezogen und ihren Wünschen von vornherein stattgegeben wird. Das Einverständnis der Gewerbetreibenden und Industriellen, in erster Linie ihre Bereitwilligkeit, Schüler zu entsenden, ist notwendige Voraussetzung für die Begründung der geplanten Schule . . . Ihr i n n e r e r A u f b a u ist folgendermaßen gedacht: Der A u s w a h l d e r S c h ü l e r nach Maßgabe ihrer Vorbildung und ihrer natürlichen Fähigkeiten kann seitens der Meister und Fabrikherren, die sie entsenden, nicht genug Sorgfalt gewidmet werden. Um

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so schneller werden greifbare Erfolge aufzuweisen sein. Der teilnehmende Schüler muß den Nachweis führen, ein Handwerk erlernt oder eine bestimmte Zeit in einem praktischen Betriebe als Zeichner gearbeitet zu haben. Er bringt seinen A r b e i t s s t o f f aus der Werkstatt selbst in die Schule mit, und zwar in Form bestimmter Aufträge seines Meisters, die augenblicklich in dem betreffenden Betrieb aktuell sind, seien es Entwurfsaufträge für neue oder für verbesserungsbedürftige Erzeugnisse. Der Schüler arbeitet nun im Entwurfsatelier der Anstalt die Form bis ins Detail unter Anleitung der Lehrer zeichnerisch durch und kehrt für die Ausführung zur Werkstatt seines Meisters nach Bedarf zurück. Die Lehrer der Schule besuchen gleichfalls persönlich die Werkstätten und Fabriken, verfolgen sorgfältig die Ausführung der Entwürfe und unterrichten sich dauernd über die besonderen Eigenheiten und Entwicklungsmöglichkeiten des betreffenden technischen Zweiges, seiner Hilfsmaschinen und Werkzeuge und der zu verarbeitenden Materialien; sie geben Anregungen zu neuen technischen Versuchen und halten dauernd enge Fühlung mit den Leitern der Betriebe ... An Stelle der alten verwerflichen Methode, die gedankenlos die einmal vorhandenen Erscheinungsformen gewerblicher und industrieller Erzeugnisse mit fremden Zieraten nachträglich zu verbrämen sucht, tritt die L e h r e d e s o r g a n i s c h e n G e s t a l t e n s . Zu der knappen Straffheit des modernen technischen und wirtschaftlichen Lebens, zu der Ausnutzung von Material, Geldmitteln, Arbeitskräften und Zeit paßt nicht mehr irgendeine erborgte Stilform des Rokoko oder der Renaissance; denn die an sich edle Form wird, sinnlos verwendet, zur sentimentalen Phrase. Die neue Zeit fordert den eigenen Sinn. Exakt geprägte Form, jeder Zufälligkeit bar, klare Kontraste und Einheit von Form und Farbe werden entsprechend der Energie und Ökonomie des modernen öffentlichen Lebens das ästhetische Rüstzeug des modernen Werk-Künstlers werden. Das unablässige Streben des leitenden Lehrers wird also darauf abzielen müssen, den Schülern von Anbeginn als wichtigste Mitgift ein klares k ü n s t l e r i s c h e s G l a u b e n s b e k e n n t n i s ins Herz zu pflanzen, das als lebendiger Sauerteig in ihnen ausreifen soll. Er muß ihnen die Überzeugung einprägen, daß erst die Fähigkeit, die veränderten oder gänzlich neuen Lebensbedingungen der Zeit umzuwerten und neuzugestalten, die Leistung eines Künstlers bestimmt,... doch ohne das überkommene Erbe der Kunst vergangener Zeiten mit falscher Anmaßung zu vernachlässigen. Eine also geleitete Schule könnte dem Gewerbe und der Industrie eine wirkliche Unterstützung bringen und besser als durch Selbsterzeugung vorbildlicher Einzelstücke — die selbstverständlich immer ihren hohen Einzelwert behalten werden — die Werkstatt in ihrer ganzen Ausdehnung unbegrenzt befruchten. I n ihrem Kreise könnte eine ähnlich glückliche Arbeitsgemeinschaft wiedererstehen, wie sie vorbildlich die mittelalterlichen „ H ü t t e n " besaßen, in denen sich zahlreiche artverwandte Werkkünstler — Architekten, Bildhauer und Handwerker aller Grade — zusammenfanden und aus einem gleichgearteten Geist heraus den ihnen zufallenden gemeinsamen Aufgaben ihr selbständiges Teilwerk bescheiden einzufügen verstanden aus Ehrfurcht vor der Einheit e i n e r gemeinsamen Idee, die sie erfüllte und deren Sinn sie begriffen. Mit der Wiederbelebung jener erprobten Arbeitsweise, die sich der neuen Welt entsprechend anpassen wird, muß das Ausdrucksbild unserer modernen Lebensäußerungen an Einheitlichkeit gewinnen, um sich schließlich wieder in kommenden Tagen zu einem n e u e n S t i l e zu verdichten. Architekt Walter Gropius Januar 1916, im Felde Dok. 2 Stellungnahme des GroOherzoglichen Staatsministeriums, Departement des Innern, Slevogt, zu den Vorschlägen von Walter Gropius, I . M a i 1916 ( S T A W — H f b K 100) Die von Herrn Gropius empfohlene, von Staats wegen einzurichtende Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle hat ihren, wenn nicht ausschließlichen, doch hauptsächlichen Zweck in dem Bestreben, der durch die Einführung mechanischer Hilfsmittel, insbesondere der Maschinen, drohenden Gefahr der Verflachung vorzubeugen, der technischen Vollkommenheit die Schönheit der äußeren Form beizugesellen, den Makel des Surrogates zu beseitigen und eine Arbeitsgemeinschaft zwischen Künstler, Kaufmann und Techniker zu schaffen, der hierdurch veredelten Ware einen höheren Wert zu sichern

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lind sie auf diese Weise über die Durchachnittserzeugnisse, auch über technisch Gleichartiges hinauszuheben . . . Man kommt bei den Gropius-Vorschlägen nicht darüber hinaus, daß der Zusammenhang mit dem Handwerk bei ihm ein sehr lockerer ist und daß der Schwerpunkt auf der Seite liegt, der gegenüber Stärkung der Lage des Handwerks Pflicht des Staatsministeriums sein muß, wenn es nicht der bis jetzt nach Kräften verfolgten Aufgabe untreu werden will . . . Die von Gropius gedachte Hilfstätigkeit muß zu einer dauernden Beeinflussung erweitert werden. Uijd das ist möglich, fordert aber auch, daß die zu gewinnende Persönlichkeit zum Mittelpunkt der gewerblichen Ausbildung gemacht, ihr die geistige Fürsorge für die Handwerke in umfassender Weise übertragen wird. Die Erfüllung all dieser Pflichten gewährleistet die Ausnutzung der gesamten Tätigkeit des Leiters zugunsten des Handwerks, die, abgesehen von einzelnen, sich im Laufe der Zeit empfehlenden Ausnahmen, keineswegs in der Erteilung von Unterricht, sondern nur in der geistigen Befruchtung der Tätigkeit des Handwerks zu bestehen braucht... Und deshalb bedürfen wir für die Lösung der gestellten Aufgabe eines hervorragenden Kunstgewerblers, der den Zusammenhang mit dem gesamten Handwerk festhält und fördert. gez. Slevogt

Dok.3 Großherzogliches Staatministerium, Departement des Inneren und Äußeren, an Professor Fritz Mackensen, Direktor der Hochschule für bildende Kunst, t. Mai 1916 ( S T A W - H f b K 100) Die von dem Architekten Walter Gropius uns überreichten . . . Vorschläge zur Gründung einer Lehranstalt als künstlerische Beratungsstelle für Industrie, Gewerbe und Handwerk müssen zwar von uns als vortrefflich und wohl durchdacht anerkannt werden, es läßt sich jedoch nicht verkennen, daß sie mehr die künstlerische Durchdringung von Handel und Großindustrie im Auge haben und daß das für unsere Zwecke mehr in Betracht kommende Handwerk nicht die Berücksichtigung gefunden hat, die wir nach der uns obliegenden Verpflichtung beanspruchen müssen (Verweis auf Ausführungen der Vorsitzenden der Handwerkskammer vom 15. März und des Sachreferenten Slevogt). . . . Wir sehen uns daher vor die Erwägung gestellt, ob die gedachten Ziele nicht besser verfolgt,werden, wenn wir versuchen, die auf Ihren ursprünglichen Vorschlag mit dem Architekten Endell eingeleiteten Verhandlungen wieder aufzunehmen . . . gez. Unteutsch

Dok. 4 Walter Gropius an das Hofmarschallamt, Freiherr von Fritsch, 31 Januar 1919 ( S T A W - Hofmarschallamt 3707, S. 125) Noch unter der alten Regierung hat seit Jahren das Ministerium in Weimar mit mir Verhandlungen angeknüpft für eine eventuelle Übersiedlung meinerseits nach Weimar als Nachfolger Professor Van de Veldes. Nach einer Audienz beim Großherzog und Besprechungen im Ministerium durfte ich aus verschiedenen Schreiben entnehmen, daß die entscheidenden Stellen einer auf mich fallenden Wahl sympatisch gegenüberstehen würden. In neuerer Zeit hat sich dann Herr Dr. Köhler in gleicher Weise für mich eingestzt. Ich habe aber nicht erfahren können, in der Hand welcher Persönlichkeiten die Entscheidung der Frage nach der Revolution liegt. Herr Ernst Hardt schreibt mir nun soeben einen Brief, in dem er mir anrät, mich an Sie, Exzellenz, als an den Verwalter aller Kunstinstitute in Weimar zu wenden. Darf ich daher heute die Bitte ausprechen, mir mitteilen zu wollen, ob in absehbarer Zeit an die Besetzung des freien Direktorpostens geschritten wird? Ich war seit Kriegsbeginn im Felde, bin nun im Begriff, mir mein Leben wieder neu aufzubauen und stehe vor der Frage, ob ich mich nach einer anderen Seite hin, wo sich mir eine Möglichkeit, die mich 159

freilich weniger lockt, bietet, binden soll. Ich habe mich in die Idee der Neugestaltung eines künstlerischen Lebens in Weimar seit langem vertieft und habe ganz bestimmte Pläne dafür, die ich zum Teil schon vor längerer Zeit dem Ministerium in Broschüre eingereihct habe. Ich bin auch augenblicklich hier in Berlin tätig, in Wort und Schrift f ü r die Idee zu wirken, daß die einzelnen „ K ü n s t e " aus ihrer isolierten Vereinsamung erlöst und wieder in innigere Berührung gebracht werden müssen unter den Flügeln einer großen Baukunst. Ich bin mir aber voll bewußt, daß solche Ideen kaum in der großen Stadt, sondern aus einem engen Kreis innerlich sich nah berührender Künstler in einer kleinen S t a d t erwachsen können, um so mehr, wenn Reste einer alten Tradition zu Hilfe kommen. Ich habe jedenfalls die feste Absicht, sei es hier oder sei es dort, meine ganze Arbeit der Verwirklichung dieses Gedankens zu widmen. Ihr sehr ergebener Walter Gropius

Dok. 5 Freiherr von Fritsch, Neubabelsberg, zur Frage der G r ü n d u n g des Bauhauses, 20. A p r i l 1920 ( S T A W - H o f m a r s c h a l l a m t 3708, S. 13) I m Anfang des Jahres 1919 k a m Herr Professor Thedy, der zu der Zeit stellvertretender Direktor der Hochschule f ü r bildende K u n s t war, zu mir u n d stellte den Antrag, daß der Architekt Gropius als Direktor der Hochschule berufen werden möchte. Dieser Antrag entspricht einem gemeinsamen einstimmigen Beschluß des Lehrerkollegiums der Hochschule. Wenige Tage darauf erschienen auch die Professoren Engelmann und Klemm auf dem Hofmarschallamt und bestätigten mir, daß es der einstimmige Wunsch des Lehrerkollegiums der Hochschule sei, daß Gropius als Direktor berufen würde. Ich wandte mich schriftlich a n Exzellenz von Bode in Berlin und bat ihn, mir seine Ansicht zu sagen, ob es empfehlenswert sei, einen Architekten an die Spitze der Hochschule zu berufen, und ob Gropius sich f ü r die Stelle eigne. Exzellenz von Bode schrieb mir, daß es sehr wohl angängig sei, einem Architekten als Leiter der Hochschule f ü r bildende K u n s t zu berufen, daß man in neuerer Zeit diesen Gedanken, einen Nichtmaler an die Spitze einer Hochschule f ü r Malerei zu stellen, verschiedentlich erwogen und als wünschenswert bezeichnet hatte, und daß er, Exzellenz von Bode, Herrn Gropius f ü r diese Stellung als geeignet empfehlen könne, nachdem er ihn darüber gesprochen u n d seine Arbeiten gesehen hätte. Unter dem 13. J a n u a r 1920 h a t sich dann aber Exzellenz von Bode mir gegenüber brieflich folgendermaßen geäußert: „ E w . Exzellenz müssen nach dem, was ich in den Zeitungen über das Treiben des Bauhauses lese, einen schönen Begriff von meiner eigenen Kunstanschauung und von meiner Gewissenhaftigkeit bei Auskunft bekommen haben. Ich bin ganz entsetzt, habe seinerzeit gleich nach der ersten Berufung des Gropius . . . des Kubisten Feininger . . . diesem mein Erstaunen ausgesprochen. Gropius h a t t e mir schon ein Programm vorgelegt, das mir etwas radikal, aber in den wesentlichen P u n k t e n durchaus annehmbar schien. Er hat es dann mündlich dahin erläutert, daß ihm, wie mir, zunächst alles auf die Wiederbegründung des Handwerks ankomme, daß er zuerst nur tüchtige Handwerker heranziehen u n d die jungen Leute ein paar J a h r e lang ordentlich im Handwerk ausbilden wolle. Die hohe K u n s t müsse sich später finden. Und nun fing er sofort mit der Berufung Feiningers a n ! " Die Berufung des Herrn Gropius erfolgte darauf durch das Hofmarschallamt, nachdem ich das Einverständnis des Vorsitzenden der damaligen provisorischen Regierung, des Herrn Baudert, eingeholt hätte. S K H dem Großherzog ist von der beabsichtigten Berufung des Herrn Gropius nicht Kenntnis gegeben worden. Die Verhandlungen mit Herrn Gropius wurden nämlich in Weimar geführt. E r war öfter persönlich in Weimar und verhandelte auch direkt mit Herrn Baudert. Herr Gropius ist als Direktor der Hochschule f ü r bildende Kunst angestellt worden. Wenn in dem Anstellungsvertrag auch von seiner Anstellung als Direktor der ehemaligen großherzoglichen Kunstgewerbeschule die Rede ist, so ist dies insofern unzutreffend, als ja diese Anstalt damals gar nicht mehr existierte I m § 5 des Anstellungsvertrages ist ausdrücklich bestimmt, daß Bich Gropius den bestehenden u n d etwa künftig unter seiner Mitwirkung zu erlassenden Satzungen u n d Dienstvor-

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Schriften der Hochschule für bildende Kunst unterwirft. Solange ich die Leitung der Geschäfte des Hofmarschallamtes inne hatte, ist eine Änderung der Satzungen nicht erfolgt. Die Genehmigung einer Änderung des Namens der Hochschule in „Staatliches Bauhaus" wurde von der Regierung erteilt, ohne daß das Hofmarschallamt dazu gehört wurde. Ich habe die Bezeichnung „Staatliches Bauhaus" Herrn Gropius gegenüber als unerwünscht bezeichnet . . . Fritsch

Dok. 6 Henry van de Velde an Engelmann und K l e m m , 17. A p r i l 1919 Liebe Freunde, Ihre Mitteilung von der Möglichkeit einer Wiederaufnahme meiner Tätigkeit in Weimar hat mich tief gerührt . . . Es gehörte wohl eine vollkommene Umwälzung dazu, eine von Grund aus neue Lage, welche Ihnen die Möglichkeit gab, Ihre Wünsche durchzusetzen und Ihr Ziel zu erreichen und welche es mir wiederum ermöglichen würde, die engen Beziehungen, welche mich an Deutschland und an Weimar banden, wiederaufzunehmen. Das a l t e Deutschland ist nicht mehr, welches mein Heimatland angriff, vernichtete und so unerbittlich leiden machte! Von diesem „alten" Deutschland hätte ich mich fernhalten müssen. An dem Aufbau des „neuen" Deutschland kann ich desto eifriger mitwirken, als der Gedanke eines neuen Stils, welchen ich nun seit 25 Jahren vertrete, durch die Umstände aktueller geworden ist denn je und zweitens da Belgien sich meiner keineswegs zu erinnern scheint! Das letzte wird wohl seinen Grund darin haben, daß ich Deutschland nie verleugnete, mich trotz allem nie von Deutschland lossagte, d. h. von d e m Deutschland, an dem ich durch Sie und so viele andere Freunde ebenso wie durch die Vorkämpfer des neuen Deutschlands, welches aus der Revolution entstehen sollte, stets errinnert wurde! . . . Ich setze voraus, daß all dieses in vollkommenstem Einvernehmen mit Gropius erwogen worden ist, daß, nachdem ich mich freudig „prinzipiell" einverstanden erkläre, ich bald durch Gropius selbst aufgefordert werde und daß er mir auch endgültig über meine Mitarbeit durch Vorträge oder sonstiges an der Hochschule Näheres mitteilen wird ... I n herzlicher Anhänglichkeit Ihr gez. van de Velde

Dok. 7 Walter Gropius in: Ja! — S t i m m e n des Arbeitsrats für Kunst, Berlin, 1919 Fragen, die der Klärung bedürfen I. Lehrprogramm Welche Maßnahmen werden für geeignet gehalten, eine gründliche Reform der Ausbildung f ü r alle bildnerischen Tätigkeiten zu erreichen? Walter Gropius: I. Entschlossene Durchführung der Volks-Einheitsschule, in denen der Handfertigkeitsunterrioht den breitesten Raum einnimmt. Umwandlung sämtlicher Kunstschulen in staatliche Lehrwerkstätten. Ziele: Die Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die W i e d e r v e r e i n i g u n g a l l e r k ü n s t l e r i s c h e n D i s z i p l i n e n — Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk — zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile. Das letzte, wenn auch ferne Ziel ist das E i n h e i t s k u n s t w e r k — d e r g r o ß e B a u — in dem es keine Grenze gibt zwischen monumentaler und dekorativer Kunst. Erziehung von Architekten, Malern und Bildhauern aller Grade je nach ihren Fähigkeiten zu t ü c h t i g e n H a n d w e r k e r n o d e r s e l b s t ä n d i g s c h a f f e n d e n K ü n s t l e r n . Gründung von Arbeitsgemeinschaften führender und werdender Werkkünstler, die Bauwerke in ihrer Gesamtheit — Rohbau, 11

Hüter

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Ausbau, Ausschmückung und Einrichtung — aus gleichgeartetem Geist heraus einheitlich zu gestalten suchen. V. Der Künstler im sozialistischen Staat Walter Gropius: V. Kunst und Staat sind unvereinbare Begriffe. Sie bekämpfen sich aus ihrer Natur heraus. Der beweglich-lebendige Schöpfergeist, ungewöhnlich und unberechenbar, bäumt sich gegen die engen Grenzen des staatlichen Gesetzes, gegen das Zwangskleid des bürgerlichen Durchschnitts auf. Verhindert jedoch der Staat mit seinen Mitteln der Gewalt das freie Wachstum dieser „anormalen" Geistesbefruchter, so schneidet er sich selbst den Lebensfaden ab. So erstickte unsere Zeit am Krämertum, im materiellen Sumpf. Diesen bösen Dämon des Kommerzialismus auszurotten, den gestaltenden Geist des Aufbaus aber im Volke wieder blühen zu lassen, ist die wahre Aufgabe des sozialistischen Staates . . . VI. Kunstausstellungen Welche neuen Wege sind geeignet, um das Volk wieder für das Gesamtkunstwerk — Architektur, Plastik und Malerei in ihrer Vereinigung — zu interessieren? Staatliche Probierplätze anstelle SalonKunstausstellungen. Walter Gropius: VI. Die Kunstausstellung ist eine Mißgeburt des kunstverarmten Europas. Da die Kunst im wirklichen Leben der zivilisierten Völker erstarb, mußte sie sich in jene grotesken Schauhäuser flüchten und sich dort prostituieren. Das Kunstwerk hat heute nicht mehr seinen festen, geheiligten Platz inmitten des Volkes, es ist vogelfrei geworden und dient als Luxusware für den Salon des reichen Bürgers. Die Kunstausstellung ist ihr Stapelplatz und ihre Kaufbörse. Das Volk geht leer aus und weiß heute nichts von der lebenden Kunst. Deshalb: statt der alten Salonkunstausstellungen, die W a n d e r k u n s t s c h a u in demontablen, bunten Baracken- oder Zeltbauten. Darin nicht nur Rahmenbilder und Einzelplastiken, sondern auch Architekturen in Modellen kleinen und großen Maßstabes, in Stereoaufnahmen und kinematographischen Darstellungen. Bild und Plastik im Kähmen des Architektonischen zu zeigen, den ursprünglichen Sinn der bildenden Künste, im B a u zu w i r k e n , wieder lebendig zu machen, das ist die zukünftige Aufgabe der Kunstausstellung. Künstlerisch starke Zeiten werden die Kunstausstellung vergessen; die Kunst hat es dann nicht mehr nötig, sich anzubieten. VII. Wie können die Künstler der verschiedenen Kunstzweige gegenwärtig einen Zusammenschluß und eine Einheit bilden? Walter Gropius: VII. Durch einen Zusammenschluß verwandter Künstlernaturen auf freundschaftlicher Grundlage. Durch eine aufrichtige Gemeinschaft nicht nur in künstlerischem, sondern auch in menschlichen Sinne. Durch unbedingte gegenseitige Hilfe in jeder Beziehung. Nicht die Kunst ist das wichtigste, auch nicht daB Werk, sondern der Mensch. Der heutige Künstler lebt in einer dogmalosen Zeit der Auflösung. Er steht geistig allein da. Die alten Formen sind zerbrochen, die erstarrte Welt ist aufgelockert, der alte Menschengeist ist umgestoßen, und mitten im Umguß zu neuer Gestalt. Wir schweben im Baum und kennen noch nicht die neue Ordnung. Wir Lebenden werden sie nicht erleben. Unser Werk kann nur darin bestehen, die kommende Einheit einer späteren harmonischen Zeit vorzubereiten. Vielleicht ist der lebende Künstler dazu berufen, vielmehr ein Kunstwerk zu l e b e n , als es zu erschaffen, und so durch seine neue Menschlichkeit, durch seine neue L e b e n s f o r m die geistige Grundlage zu erbauen, welche die kommende Kunst notwendig braucht. G e m e i n s a m k e i t im G e i s t i g e n tut not.

Dok. 8 Walter Gropius: P r o g r a m m des Staatlichen Bauhauses in Weimar, 1919 (STAW — B vorl. 417) Das Staatliche Bauhaus in Weimar ist durch Vereinigung der ehemaligen Großherzoglichen Sächsischen Hochschule für bildende Kunst mit der ehemaligen Großherzoglich Sächsischen Kunstgewerbeschule unter Neuangliederung einer Abteilung Baukunst entstanden.

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Ziele des Bauhauses: Daß Bauhaus erstrebt die Sammlung alles künstlerischen Schaffens zur Einheit, die Wiedervereinigung aller werkkünstlerischen Disziplinen — Bildhauerei, Malerei, Kunstgewerbe und Handwerk — zu einer neuen Baukunst als deren unablösliche Bestandteile. Das letzte, wenn auch ferne Ziel des Bauhauses ist das Einheitskunstwerk — der große Bau —, in dem es keine Grenze gibt zwischen monumentaler und dekorativer Kunst. Das Bauhaus will Architekten, Maler und Bildhauer aller Grade je nach ihren Fähigkeiten zu tüchtigen Handwerkern oder selbständig schaffenden Künstlern erziehen und eine Arbeitsgemeinschaft führender und werdender Werkkünstler gründen, die Bauwerke in ihrer Gesamtheit — Rohbau, Ausbau, Ausschmückung und Einrichtung — aus gleichgeartetem Geist heraus einheitlich zu gestalten weiß. Grundsätze des Bauhauses Kunst entsteht oberhalb aller Methoden, sie ist an sich nicht lehrbar, wohl aber das Handwerk. Architekten, Maler, Bildhauer sind Handwerker im Ursinn des Wortes, deshalb wird als unerläßliche Grundlage für alles bildnerische Schaffen die gründliche handwerkliche Ausbildung aller Studierenden in Werkstätten und auf Probier- und Werkplätzen gefordert. Die eigenen Werkstätten sollen allmählich ausgebaut, mit fremden Werkstätten Lehrverträge abgeschlossen werden. Die Schule ist die Dienerin der Werkstatt, sie wird eines Tages in ihr aufgehen. Deshalb nicht Lehrer und Schüler im Bauhaus, sondern Meister, Gesellen und Lehrlinge. Die Art der Lehre entspringt dem Wesen der Werkstatt: Organisches Gestalten aus handwerklichem Können entwickelt. Vermeidung alles Starren; Bevorzugung des Schöpferischen; Freiheit der Individualität, aber strenges Studium. Zunftgemäße Meister- und Gesellenproben vor dem Meisterrat des Bauhauses oder vor fremden Meistern. Mitarbeit der Studierenden an den Arbeiten der Meister. Auftragsvermittlung auch an Studierende. Gemeinsame Planung umfangreicher utopischer Bauentwürfe — Volks- und Kultbauten — mit weitgestecktem Ziel. Mitarbeit aller Meister und Studierenden — Architekten, Maler, Bildhauer — an diesen Entwürfen mit dem Ziel allmählichen Einklangs aller zum Bau gehörigen Glieder und Teile. Ständige Fühlung mit Führern der Handwerke und Industrien im Lande. Fühlung mit dem öffentlichen Leben, mit dem Volke durch Ausstellungen lind andere Veranstaltungen. Neue Versuche im Ausstellungswesen zur Lösung des Problems, Bild und Plastik im architektonischen Kähmen zu zeigen. Pflege freundschaftlichen Verkehrs zwischen Meistern und Studierenden außerhalb der Arbeit; dabei Theater, Vorträge, Dichtkunst, Musik, Kostümfeste. Aufbau eines heiteren Zeremoniells bei diesen Zusammenkünften. D a s E n d z i e l a l l e r b i l d n e r i s c h e n T ä t i g k e i t i s t d e r B a u ! Ihn zu schmücken war einst die vornehmste Aufgabe der bildenden Künste, sie waren unablösliche Bestandteile der großen Baukunst. Heute stehen sie in selbstgenügsamer Eigenheit, aus der sie erst wieder erlöst werden können durch bewußtes Mit- und Ineinanderwirken aller Werkleute untereinander. Architekten, Maler und Bildhauer müssen die vielgliedrige Gestalt des Baues in seiner Gesamtheit und in seinen Teilen wieder kennen und begreifen lernen, dann werden sich von selbst ihre Werke wieder mit architektonischem Geiste füllen, den sie in der Salonkunst verloren. Die alten Kunstschulen vermochten diese Einheit nicht zu erzeugen, wie sollten sie auch, da Kunst nicht lehrbar ist. Sie müssen wieder in der Werkstatt aufgehen. Diese nur zeichnende und malende Welt der Musterzeichner und Kunstgewerbler muß endlich wieder eine bauende werden. Wenn der junge Mensch, der Liebe zur bildnerischen Tätigkeit in sich verspürt, wieder wie einst seine Bahn damit beginnt, ein Handwerk zu erlernen, so bleibt der unproduktive „Künstler" künftig nicht mehr zu unvollkommener Kunstübung verdammt, denn seine Fertigkeit bleibt nun dem Handwerk erhalten, wo er Vortreffliches zu leisten vermag. 11*

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A r o h i t e k t e n , B i l d h a u e r , M a l e r , w i r a l l e m ü s s e n z u m H a n d w e r k z u r ü c k ! Denn es gibt keine „Kunst von Beruf". Es gibt keinen Wesensunterschied zwischen dem Künstler und dem Handwerker. D e r K ü n s t l e r i s t e i n e S t e i g e r u n g d e s H a n d w e r k e r s . Gnade des Himmels läßt in seltenen Lichtmomenten, die jenseits seines Wollens stehen, unbewußt Kunst aus dem Werk seiner Hand erblühen, die Grundlage des Werkmäßigen aber ist unerläßlich für jeden Künstler. Dort ist der Urquell des schöpferischen Gestaltens. Bilden wir also eine n e u e Z u n f t d e r H a n d w e r k e r ohne die klassentrennende Anmaßung, die eine hochmütige Mauer zwischen Handwerkern und Künstlern errichten wollte! Wollen, erdenken, erschaffen wir gemeinsam den neuen Bau der Zukunft, der alles in e i n e r G e s t a l t sein wird: Architekt u r und Plastik und Malerei, der aus Millionen Händen der Handwerker einst gen Himmel steigen wird als kristallenes Sinnbild eines neuen kommenden Glaubens. Walter Gropius

Dok. 9 Walter Gropius: Baukunst im freien Volksstaat (Auszug. Deutscher Revolutionsalmanach, Berlin 1919) . . . Der alte zerbrochene Staat herrscht mit der Geste des Gewalthabers über die Kunst. Der neue Staat muß ihr dienen, um sich das große Beiwort „der freie" erst zu erringen. Er muß freie Flugbahn schaffen f ü r den schöpferischen Geist. Die Throne sind zwar umgestoßen, aber der alte Geist wurzelt noch zähe im ganzen Lande. Wir brauchen eine neue gemeinsame Geistigkeit des ganzen Volkes. Keine Regierung allein kann sie schaffen. Der Staat ist nichts als eine Summe von Einzelexistenzen. J e d e r helfe, j e d e r kehre zunächst vor seiner eigenen Türe. Wir stecken tief im Sumpf der alten Sünden. Noch nicht die politische, erst die vollendete geistige Revolution kann uns „frei" machen. Kapitalismus und Machtpolitik haben unser Geschlecht träge gemacht im Schöpferischen, und ein breites bürgerliches Philistertum erstickt die lebendige Kunst. Der intellektuelle Bourgeois des alten Reiches — lau und schwunglos, denkfaul, anmaßend und verbildet — hat seine Unfähigkeit bewiesen, Träger einer deutschen Kultur zu werden. Seine erstarrte Welt ist nun aufgerüttelt, ihr Geist ist umgestoßen und mitten im Umguß zu neuer Gestalt. Neue, geistig noch nicht erschlossene Schichten des Volkes drängen aus der Tiefe empor. Sie sind das Ziel der Hoffnungen. Ihre frischeren ungebrochenen Instinkte wurzeln noch in der Natur. An sie wird der kommende Künstler sich wenden, an das urwüchsige heitere Volksgemüt, das sich nicht scheut vor Farbe, Goldglanz und Süßigkeit, vor kindlicher Freude am Schönen. Aber wie gelangt das Volk zu jener Gemeinsamkeit im Geistigen, die erst den natürlichen Rhythmus der Gesamtheit schafft? Eine große allumfassende Kunst setzt geistige Einheit ihrer Zeit voraus, sie braucht die innigste Verbindung mit der Umwelt, mit dem lebendigen Menschen. Erst muß der Mensch wohlgestaltet sein, dann erst kann ihm der Künstler das schöne Kleid gestalten. Das heutige Geschlecht muß von Grund auf neu beginnen, erst eine neue Menschlichkeit, eine allgemeine Lebensform des Volkes erschaffen. Dann wird die Kunst kommen. Dann wird der Künstler das einheitliche Sprachmittel finden, mit dem er sich dem Volke verständlich machen kann. Dann wird das Volk wieder mitbauen an den großen Kunstwerken seiner Zeit. Die „Künste" werden aus ihrer vereinsamten Abgeschiedenheit in den Schoß der allumfassenden Baukunst zurückfinden. Denn nur durch innigstes Mit- und Ineinanderwirken aller künstlerischen Disziplinen kann eine Zeit jenes vielstimmige Orchester erzeugen, das allein den Namen Kunst verdient. Ars u n a species mille (es gibt nur eine Kunst, aber tausend Arten). Der berufene Dirigent dieses Orchesters war von alters her der Architekt. Architekt das heißt: Führer der Kunst. N u r er selbst kann sich wieder zu diesem Führer der Kunst erheben, zu ihrem ersten Diener, dem übermenschlichen Wächter und Ordner ihres ungetrennten Gesamtlebens ... Sein hohes Amt muß im Volksstaat wieder öffentliche Geltung finden, er selbst muß sie sich erzwingen durch seine hohe Menschlichkeit, die über dem Wirken des Tages steht, durch glühendes Interesse am gemeinsamen Werk. Wenn die Probleme der Maler und Bildhauer erst seinem Geist wieder so leidenschaftlich bewegen wie die eigenen der Baukunst, so müssen sich auch die Werke dieser Maler und Bildhauer wieder mit architektonischem Geist füllen. Er muß die geistig gleichgesinnten Werkleute 164

wieder um sich sammeln zu enger, persönlicher Fühlung — wie die Meister der gotischen Dome in den Bauhütten des Mittelalters — und so in neuen Lebens- und Arbeitsgemeinschaften aller Künstler untereinander den Freiheitsdom der Zukunft vorbereiten, nicht behindert, sondern getragen von der Gesamtheit des Volkes. Dok. 10 Aufruf der Studierendenvertreter: A n die Arbeitsausschüsse der BauhausArbeitsgemeinschaft! 18. M a i 1919 ( S T A W - B vorl. 190) Es gilt, möglichst jeden einzelnen zur Mitarbeit zu gewinnen. Es gilt, die Idee der A r b e i t s g e m e i n s c h a f t , ohne die unsere Ziele unerreichbar sind, so lange zu erklären und zu befürworten, bis diese Idee allen lieb geworden und keiner, der etwas zu leisten vermag, sich mehr ausschließt. Die Schwierigkeiten sollen überwunden werden, die Freude in gegenseitiger Förderung soll wachsen. Frisch ans Werk! Dok. 11 Walter Gropius: Rede bei der ersten Ausstellung von Schülerarbeiten des Bauhauses i m Juni 1919 ( S T A W - B vorl. 241) Die Ausstellung hat dem Meisterrat Kopfzerbrechen gemacht. Wir konnten u m am ersten Tage noch nicht zur Preisverteilung entschließen und sind nach reiflicher Überlegung noch einmal zusammen gekommen. Ich selbst habe das Gefühl einer erdrückenden Verantwortung vor Ihren Arbeiten und befinde mich seit Tagen in Erregung darüber. Denn wir stehen in einer ungeheuer chaotischen Zeit und diese kleine Ausstellung ist ihr echtes Spiegelbild. Ich habe auch den ganzen Sonntag in den Ausstellungsräumen verbracht, weil ich jeden von Ihnen erfassen und einschätzen wollte, um einen richtigen Querschnitt des Bauhanses zu gewinnen. Meine Herrschaften, es ist Talent da, aber ungeheuerste Zerrissenheit. Es war eigentlich gegen meinen Willen, daß fremde Menschen in die Ausstellung gekommen sind, denn sie können nur verwirrt werden. Ich dachte die Ausstellung nur für uns im internen Kreise. Ich schlage vor, daß wir für absehbare Zeit von jeder öffentlichen Ausstellung Abstand nehmen und von einem neuen Ausgangspunkt aus arbeiten, um uns in dieser unruhigen Zeit neu zu sammeln und uns erst selbst genug zu werden, und das wird hoffentlich sehr viel sein. Wenn ich nun . . . mein rein persönliches Urteil zum Ausdruck bringen möchte, so tue ich es nicht als ein päpstlicher Richter . . . sondern weil ich Ihr Verlangen spüre, ich solle endlich Farbe bekennen, damit jeder eine klare Stellung zu mir und meinen Plänen findet. Ich werde versuchen, mich aus allen Vergleichswerten herauszustellen und ein absolutes Ziel, das so hoch wie möglich gesteckt sein soll, zu wahren. Mittelmaß im Urteil darf ich weder Ihnen noch mir antun. Der Durchschnittsspießer darf uns in keinem Fall das Tempo angeben. Meine Herrschaften, zunächst das Äußere: Viele schöne Kähmen, prachtvolle Aufmachung, fertige Bilder, für wen eigentlich? Ich hatte besonders aufgefordert, auch Entwurfs- und Ideenskizzen einzureichen. Nicht ein Maler oder Bildhauer hat Kompositionsideen gebracht, die ja eigentlich den Kern einer solchen Anstalt bilden sollen. Wer kann heute ein fertig gebautes, durchgeführtes Bild malen? . . . Die Hauptsache für uns alle bleibt ja das Erleben und was der einzelne Mensch daraus macht. Wir befinden uns in einer ungeheuren Katastrophe der Weltgeschichte, in einer Umwandlung des ganzen Lebens und des ganzen inneren Menschen. Für den künstlerischen Menschen ist das vielleicht ein Glück, wenn er stark genug ist, die Folgen zu tragen, denn was wir brauchen, ist der Mut zum inneren Erleben, dann ist plötzlich auch ein neuer Weg für den Künstler da. Viele von uns sind festgefahren, sie brauohen noch das wirkliche innere Erlebnis, ein anderer kann das aber niemandem schaffen, es muß aus ihm selber kommen. Die Lauheit, das Hindämmern, die Bequemlichkeit ist der schlimmste Feind der Kunst, sie führen zu dem materiellen Historismus, in dem wir so tief verfangen sind; doch stärkste Intensität, Aufrüttelung des ganzen Menschen durch Not, Entbehren, Erschrecken, harte Begegnungen oder l i e b e führen zum echten künstlerischen Gestaltungsausdruck. Viele der Studierenden sind erst aus dem Felde zurückgekommen. Diejenigen, die das Todeserleben draußen erfuhren, sind völlig verändert zurückgekommen, sie spüren, daß es auf dem alten Wege nicht mehr weiter geht. Ich sehe es manchen an, daß sie unsicher sind und schwer mit sich kämpfen. Eines Tages werden

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sie plötzlich aus sich herausbrechen und wissen, wohin sie zu gehen haben. Wir werden Überraschun gen erleben, einige werden Entschlüsse fassen, noch einmal neu zu beginnen, auch wenn sie schon Meisterschüler waren und irgendwelchen Ruhm geerntet haben. Weil ich das alles so deutlich fühle, möchte ich für meinen Teil nichts Gewaltsames tun. Es wird alles aus Ihnen selbst kommen. Sie werden sich alle selbst aufrichtig fragen, ob Sie sich notwendig der Kunst widmen müssen, ob der Drang dahin in Ihnen so gewaltsam, die Kräfte so stark sind, daß sie die ungeheuren Schwierigkeiten, die sich schon aus der äußeren Weltlage auftürmen, überwinden können. Nur wer dies ehrlich bejahen kann, hat meiner Ansicht nach heute das Recht dazu, sich der Kunst zu widmen. Unser verarmter Staat hat kaum mehr Mittel für kulturrelle Dinge und kann nicht für die sorgen, die sich lediglich beschäftigen und ein Talentchen spazieren führen wollen. Meine Herrschaften, ich muß das so eindringlich sagen, das Gewissen verlangt es von mir. Denn ich sehe voraus, daß eine ganze Reihe von Ihnen in absehbarer Zeit leider durch die Not gezwungen werden wird, in verdienende Berufe abzuwandern und es wird nur der bei der Kunst bleiben, der für sie zu hungern vermag. Wir müssen die Zeit vor dem, Krieg, die völlig anders war, abstreifen, je schneller wir uns auf die neue veränderte Welt umstellen, auf ihre neuen wenn auch herben Schönheiten, um so eher wird der Einzelne wieder sein subjektives Glück finden können. Wir werden uns durch die deutsche Not verinnerlichen und vertiefen. Mit den sinkenden materiellen Möglichkeiten sind die geistigen schon jetzt enorm gestiegen. Vor dem Krieg haben wir das Pferd beim Schwanz aufgezäumt und wollten die Kunst durch Organisation von rückwärts in die Allgemeinheit tragen. Wir bildeten Aschbecher und Bierseidel künstlerisch aus und wollten uns so allmählich bis zum großen Bau emporsteigern. Alles durch kühle Organisation. Das war eine maßlose Überhebung, an der wir Schiffbruch litten und nun wirds umgekehrt werden. Keine großen geistigen Organistionen, sondern kleine geheime in sich abgeschlossene Bünde, Logen, Hütten, Verschwörungen, die ein Geheimnis, einen Glaubenskern hüten und künstlerisch gestalten wollen, werden entstehen, bis sich aus den einzelnen Gruppen wieder eine allgemeine große tragende, geistig-religiöse Idee verdichtet, die in einem großen Gesamtkunstwerk schließlich ihren kristallischen Ausdruck finden muß. Und dieses große Kunstwerk der Gesamtheit, diese Kathedrale der Zukunft, wird dann mit seiner Lichtfülle bis in die kleinsten Dinge des täglichen Lebens hineinstrahlen. Also der umgekehrte Vorgang als bisher. Wir werden das nicht mehr erleben, aber wir sind, das glaube ich fest, die Vorläufer und ersten Werkzeuge eines solchen neuen Weltgedankens. Bisher stand der Künstler ganz allein, da keine sammelnde Idee in dieser chaotischen Zeit zu sehen ist, die geistig und materiell das unterste nach oben kehrt. Der Künstler liest ja vermöge seiner seherischen Gabe die geistigen Parallelerscheinungen aus einer Zeit ab und stellt sie in reinen Formen dar. Fehlen solche geistigen Gemeingüter, so bleibt ihm nichts übrig, als sein metaphysisches Fundament allein aus seinem Ich sich aufzubauen. Er steht allein und allenfalls verstehen ihn wenige Freunde, nicht aber die Allgemeinheit. Wir Künstler brauchen also die Gemeinsamkeit im Geistigen des ganzen Volkes wie das Brot. Wenn nicht alle Zeichen trügen, so sind die ersten Anzeichen einer neuen Einheit, die auf das Chaosfolgen wird,schonzuerkennen. Mir träumt von dem Versuch, aus der zersprengten Isoliertheit der Einzelnen hier eine kleine Gemeinschaft zu sammenln; gelingt das, so hätten wir viel erreicht. Zum Schluß komme ich wieder auf das Handwerk. Die nächsten Jahre werden es zeigen, daß das Handwerk für uns Künstler eine Rettung wird. Wir werden nicht mehr neben dem Handwerk, sondern im Handwerk stehen, da wir verdienen] müssen. Für die große Kunst ist dieser geschichtlich, ich möchte sagen, zwangsläufige Vorgang eine Notwendigkeit. Alle Kunstgroßtaten vergangener Zeit, die indischen, die gotischen Wunder, sind aus souveräner Beherrschung des Handwerks entstanden. Sie werden mich fragen, was aus meinen Handwerksabsichten wird, damit der Abstrom derer, die sich bei der freien Kunst wirtschaftlich nicht halten können, aus unserer Mitte eben nicht geschehe. Ich arbeite rastlos an der Verwirklichung meiner Pläne. Im Herbst wird zunächst für die Bildhauer ein praktischer Betrieb fertig eingerichtet sein, für die Maler hoffentlich ein Lehrkursus beim Dekorationsmaler. Dann wird sich auch ganz langsam klären, wer bei uns bleiben will, wer zurecht Lehrling, Geselle oder Jungmeister ist, denn im Augenblick sind diese Begriffe eine Spielerei, da ihnen der handwerkliche Sinn noch fehlt. Viel hängt jetzt davon ab, daß ich trotz der trüben Wirtschaftsaussichten unser Budget werde durchsetzen können. Wenn es gelingt, so stürze ich mich im Herbst mit aller Kraft auf die Umgestaltung des Bauhauses und hoffe Ihnen einen Boden zu schaffen, auf dem Sie sich wohlfühlen werden. 166

Dok. 12 Walter Gropius an den Ausschuß der Studierenden Berliner Kunstschulen in Charlottenburg, 15 Juli 1919 ( S T A W - B vorl. 114/115) (Der Verband der Berliner Kunstschulen hatte am 19. Mai 1919 ein Programm zur Reform des Kunstunterrichtes veröffentlicht. In Verbindung mit sämtlichen übrigen deutschen Kunstinstituten als Reichsverband der Lernenden deutscher Kunstschulen wollten sie ihre reformistischen Forderungen geschlossen durchsetzen. Allgemeine Reformen des Schulwesens als Grundlage: Die Einheitsschule als einziger Weg zur Aufhebung der Klassenunterschiede. Gleichstellung und Anerkennung des Handwerks bei der Berufswahl. Ergänzung des bisherigen Zeichenunterrichts durch erweiterten und fachgemäßen Handfertigkeitsunterricht. Das Ziel war, „Akademien, Kunst-, Kunstgewerbe- und Handwerkerschulen . . . zu verstaatlichenund auf handwerklicher Grundlage zusammenzufügen" (als Staatliche Kunstwerkstätten) — „Lostrennung der Hochbau-Architekten von den technischen Hochschulen und Angliederung an die Staatlichen Kunstwerkstätten" — „Einrichtung von Lehr- und Versuchs Werkstätten für alle Kunstzweige" — „Ablegung von Gesellen- und Meisterprüfungen unter Hinzuziehung von zukünftigen Handwerksmeistern." Gropius nimmt dazu Stellung:) Ich kann Ihnen nicht verhehlen, und muß Ihnen aussprechen, die Forderungen, die Sie stellen, sind halb und sehen arg nach einem Kompromiß aus, den ich tief bedauern muß. Ich glaube, daß auf dem Weg, den Sie anschlagen, keine w e s e n t l i c h e Besserung von Grund auf möglich ist. Aber meine Herren, wir stehen vor einem Neuland, vor einer von Grund auf veränderten Welt. Die alten Behörden schwanken und sind unsicher, es ist die sauve-qui-peut-Stimmung bei Ihnen eingeschlichen, und es bedarf nur eines energischen Willens der Jugend, um Ihnen endlich begreifbar zu machen, daß wir von der Wurzel neu aufbauen müssen, um vorwärts zu kommen. Wir Architekten haben den hohen Beruf, der sich in Zukunft fraglos wieder in den Vordergrund schieben wird, denn der Händlergeist wird schwinden und an seiner Stelle wieder der handwerklich gestaltende Geist treten; die Baukunst, der Bauzauber wird das Volk wieder ergreifen, und dann wird es auch Architekten geben, denn heute gibt es diese noch nicht. Meine Herren, wir müssen den Behörden begreiflich machen, daß überall wo jetzt geändert und erneuert wird, ein großer Plan, ein fernes Ziel aufgestellt werden muß, nach dem wir unsere Schritte, wenn auch allmählich, hinlenken müssen. Dieses große Ziel vermisse ich in Ihrer Denkschrift. Es ist nur ein Stückwerk und damit kommen wir kaum weiter. Die Architekturabteilung der Hochschule wie sie heute ist, ist eine Totgeburt, ein fünftes Rad am Wagen ... Baugewerkschulen und staatliche Werkstätten wären die Rettung. Das Handwerk und nochmals das Handwerk . . . Alle großen KunstEpochen brachten ihre Werke hervor mit Hilfe eines souverän beherrschten Handwerks. Bringen wir das nicht wieder zurück, so kann es keine großen Gestalter, keine Architekten, keine Baukunst mehr geben. Wir bleiben dann am Reißbrett und in der Eklektik hängen. Meine Herren, weil mir das Ganze zu tief am Herzen liegt, antworte ich Ihnen postwendend auf Ihre Denkschrift. Begnügen Sie sich nicht, stellen Sie eine neue auf voll Zielstrebigkeit. Glauben Sie mir, ich finde bei jeder Behörde, die Zeit ist reif, es bedarf nur eines Anstoßes der Jungen, damit wir endlich Wandel schaffen und von dem neuen, durch Krieg und Toderleben gewandelten Menschen ausgehend wieder zu einer Gemeinsamkeit hinfinden, nach dem wir, jeder mit Mut und Überzeugung, die schwerste Krankheit Europas, die Anmaßung zu Grabe getragen haben. Wenn Sie mich für solche Schritte brauchen so bin ich da. Gehen Sie auch zu Bruno Taut. Er hat gerade vor ein paar Tagen einen grundlegenden Aufsatz über die Erziehung des Architekten geschrieben, der Ihnen vieles geben wird. Seien Sie von Herzen gegrüßt. Gropius Dok. 13 Walter Gropius an Adolf Behne, 16. September 1919 ( S T A W -

B vorl. 399)

. . . Mit Molzahn habe ich noch nicht gesprochen, hörte aber von einem seiner Trabanten, er habe eine innerliche Abneigung gegen den A.F.K, und sei deshalb nicht beigetreten. Waiden stand nicht dahinter. Ich bin aber etwas mißtrauisch, da Molzahn neuerdings mit Waiden stark liiert i s t . . .

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Auf großes Drängen von Poelzig und Taut war ich in Stuttgart und trat dort wieder als großer Bombenschmeißer auf. Es ist mit Mühe gelungen, Peter Behrens, Bruno Paul und R. L. F. Schultz aus dem Vorstand herauszudrängen. Von unserer Gruppe sind hineingewählt, Klein, Bartning, Taut und ich. Außerdem können wir noch zu uns rechnen: Pankok, Osthaus, Tessenow, van de Velde. Auf der anderen Seite stehen Bertsch-München, Bruckmann-Heilbronn, Feinhals-Köln, Arbeitsminister Leiphart-Stuttgart, Pöschel-Leipzig, Riemerschmid-München, Schmidt-Hellerau. Wenn es gelingt, Poelzig zum 1. Vorsitzenden zu machen, so ist das Resultat ganz günstig. Wenn ich auch nicht allzuviel von ihm erwarte. Jedenfalls ist mein Antrag durchgegangen, daß der neue Vorsitzende sich sein Arbeitskabinett und seine Geschäftsstelle aus der Reihe der Namen zusammensetzt. Es liegt dann also an Poelzig, ob er halbe oder ganze Sache machen will. Ich habe aus alledem gelernt, daß es das Wichtigste ist, sich immer in der Opposition zu halten. Man bleibt dann selber am frischesten. Vor allem habe ich jetzt große Sehnsucht, alles Reden und Schreiben zu lassen und hier etwas zu schaffen. Die Schwierigkeiten sind exorbitant, aber trotzdem wage ich den Kampf. Herzlichst Dein Gropius Dok. 14 Stellungnahme des Bauhauses zu einer Eingabe des „Künstlerbundes Ostthüringen", die Beziehung zwischen Kunstund Staat betreffend, 26. September 1919 ( S T A W — B vorl. 113) ... Der Meisterrat erkennt an, daß in den Vorschlägen des „Künstlerbundes Ostthüringen" wertvolle Hinweise auf eine Besserung der Lebensverhältnisse der Künstler enthalten sind, trägt aber Bedenken, die Anregungen des Bundes beim Staate . . . zu unterstützen. Es muß zu schweren Bedenken Anlaß geben, wenn kunstpolitische und wirtschaftliche Fragen miteinander verquickt werden. Die Vorschläge in der vorliegenden Form würden das Cliquenwesen unterstützen. Eine Instanz zu schaffen, die über den Wert künstlerischer Leistungen zu befinden hat, ist unmöglich, denn gerade in der Kunst werden die Stärksten von den Zeitgenossen verkannt. Der angedeutete Vorschlag, daß der Künstler dem Staate seine gesamte Produktion zur Verfügung stellt und dafür von ihm unterhalten wird, wäre allerdings eine Lösung, deren Ausführbarkeit aber heute noch auf unüberwindliche Schwierigkeiten stoßen dürfte. Daß der Staat aber auch heute in der Lage ist, den Künstlern mehr wie bisher wirtschaftliche Erleichterungen zu schaffen, und zwar ohne Ansehen der „Richtung" lediglich nach dem Grad der wirtschaftlichen Bedürftigkeit, steht wohl außer Zweifel. Er sorge vor allem dafür, daß kein Künstler verhungere. Das Geistige läßt sich nicht organisieren, aber die grundsätzliche Verpflichtung des Staates, das Geistige zu unterstützen wo immer es entstehe und wie immer es geartet sei. liegt heute mehr denn je auf der Hand. Die kulturellen Werte sind das einzige Gut, das uns von unseren Feinden nicht genommen werden kann. Alle staatlichen Mittel, die dort investiert werden, können dem Lande nie mehr verloren gehen. Erkennt der Staat eine solche Verpflichtung grundsätzlich an, so bedarf es keiner Künstlerräte und Interessengemeinschaften. Die Kunst läßt sich nicht organisieren . . . Gropius Dok. 15 Walter Gropius an M a x Osborn, Berlin, 16. Dezember 1919 ( S T A W — B vorl. 399) Sehr geehrter Herr Dr. Osborn Das blöde Spießertum in Weimar hat uns den Fehdehandschuh hingeworfen und versucht, eine große Stimmungshetze gegen uns zu machen. Wir haben den Kampf aufgenommen und in einer Versammlung, die geradezu grotesk zu nennen war, gelang es mir, alle Lacher auf meine Seite zu bekommen. Es wird aber weiter in der Presse unterminiert... An und für sich begrüße ich die Klärung der Atmosphäre. Es besteht nur die eine große Gefahr, daß unser Budget im Landtag zerpflückt wird, wenn systematisch von der altdeutschen reaktionären Clique, die hier recht dick und rund ist, dagegen Sturm gelaufen wird . . . Wäre es möglich, daß Sie in der nächsten Zeit noch einmal über die Idee des Bauhauses etwas verlauten ließen? Positiv ist zwar noch herzlich wenig vorhanden, nur eines beginnt zu wachsen, eine lebendige Spannung zwischen den Schülern, woraus sich hoffentlich alles Übrige entwickeln wird . . .

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Dok. 16 Offener Brief der nationalchauvinistischen 16. Dezember 1919 ( S T A W - B vorl. 400/401)

Studierenden des

Bauhauses,

An die Weimarer Künstlerschaft, z. H. S. H. Herrn Lambrecht! Die augenblicklichen Zustände am Staatlichen Bauhaus veranlassen uns, auf diesem Weg uns an Sie und damit an die 'weimarische Künstlerschaft zu wenden. Anläßlich der Versammlung „Freie Vereinigung für städtische Interessen" am Freitag, dem 12. dieses Monats, in der unser Studiengenosse H a n s G r o ß in seiner Rede energisch für den Bauhausgedanken auf deutscher Grundlage eintrat, wurde er von einem Teil der Schülerschaft aufs heftigste angegriffen und gröblich beleidigt... Durch die d ü n n g e s ä t e n d e u t s c h denkenden Studierenden wurde erreicht, daß G(roß) offiziell bleiben kann, während ihm von den Gegnern nahegelegt wurde (Basedow), als Studierender auszuscheiden. Wir Unterzeichneten fühlen uns durch die Maßnahmen gegen G(roß) als e c h t e D e u t s c h e ebenso beleidigt, wie dieser. Gleich wie G(roß) ist es uns auch vollkommen unmöglich, unter solchen Umständen auch nur eine einzige Stunde länger uns als zu dieser Schülerschaft gehörig zu betrachten. Hiermit stellen wir uns g e s c h l o s s e n hinter Groß, hinter den Bauhausgedanken auf d e u t s c h e r Grundlage und damit gleichzeitig hinter die gesamte d e u t s c h denkende und fühlende Künstlerschaft. Dadurch werden wir gewissermaßen obdachlos, wir sind in keiner Weise in der Lage, unser Studium fortsetzen zu können. Die Überzeugimg, daß die mit uns gleichgesinnte und gleichfühlende Weimarer Künstlerschaft durch diese eben geschilderten Zustände sich ebenso wie wir beleidigt fühlt, berechtigt uns zu der Hoffnung, die Künstlerschaft geschlossen hinter uns zu haben und auf deren tatkräftige Mithilfe reohnen zu können. Mit dem ursprünglichen „Bauhausgedanken" Gropius' konform gehend, setzten wir anfangs begeistert unsere ganze Kraft für denselben ein. Erst nachdem sich im Laufe der Zeit der w a h r e Charakter der Bauhausidee herausstellte und vor allen Dingen die Denkungsart unseres Führers uns klar wurde, mußten wir als e o h t e D e u t s c h e von nun an unbedingt unseren e i g e n e n W e g beschreiten . . . Wir Unterzeichneten fühlen uns zu dem Glauben berechtigt, daß trotz aller vorherigen Versicherung seitens der Leitung, jede Politik innerhalb der Bestrebungen des Bauhauses auszuscheiden, hinter diesen immer mehr zutage tretenden Zielen ein politischer Hintergrund zu suchen ist!! Bei dieser uns drohenden Gefahr halten wir es für unsere dringende Pflicht, als D e u t s c h e auf unserem Posten zu sein! Wir glauben bestimmt, in Ihnen, sehr verehrter Herr Lambrecht, den Mann erwählt zu haben, der für unsere gute Sache vor der Weimarer und somit vor der ganzen d e u t s c h e n Künstlerschaft eintreten und uns im Kampf gegen unsere Widersacher mit allen Mitteln energisch den Rücken decken wird. Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung habe ich die Ehre zu sein Ihr Paul Teichgräber, Thekla Dietrich Wrede, J u p p Haamann, Sophie Klapper, Charlotte Waga, Alfred Schroeter, Willy Hesse, Gerd Schniewind, Margarete von Hanke, Eva von Münkwitz, Mila Böning, Lisa von Oertzen, Karl Pietschmann, Frieda von Düring, Joseph Hilartz, Wilhelm Majowski.

Dok. 17 Erklärung der gesamten Schülerschaft des Staatlichen Bauhauses Weimar zum Fall Groß, Dezember 1919 ( S T A W - B vorl. 400/401) Wir wollen nicht alte oder moderne Kunst, wir wollen den Weg gehen, den jede Jugend eines in Erniedrigung lebenden Volkes gehen muß, den Weg zur Wahrhaftigkeit und Reinheit . . . mit uns ist das Recht und die Pflicht unserer Jugend, nicht stehenzubleiben, sondern vorwärts und aufwärts

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zu schreiten. Niemand h a t das Recht, einer in Inbrunst ringenden Jugend Einhalt zu gebieten. I n der Jugend ist das Leben, der Jugend ist das Recht. Wir erklären, daß wir mit dem Arbeitsplane des Bauhauses voll u n d ganz einverstanden sind, daß wir Herrn Gropius, dem Träger des Bauhausgedankens und seinen Mitarbeitern vollstes Vertrauen schenken . . . Die Einwohner Weimars mögen bedenken, daß zu jedem Aufbau Zeit notwendig ist, man gebe uns e n d l i c h R u h e z u r A r b e i t ; das wünschen wir. i. A. Walter Determann R . Winkelmayer

Dok. 18 Protokoll der Sitzung des Meisterrates, 18. D e z e m b e r 1919 ( S T A W — B vorl. 184) Tagesordnung: Politische Betätigung der Studierenden Der Vorsitzende . . . berichtet über den Verlauf der von der freien Vereinigung f ü r städtische Interessen für Freitag, den 12. des Monats einberufen gewesenen außerordentlichen Versammlung. I n dieser sind Angriffe seitens Herrn Dr. Kreubel gegen das Staatliche Bauhaus geführt worden, auf die unter anderen Professor Klopfer und Gropius mit Erfolg geantwortet haben. Leider habe auch der Studierende Groß eine Rede gehalten, in der er sich gegen die Tendenzen des Staatlichen Bauhauses gewendet habe. Dieses sei um so überraschender gewesen, da Gropius zufällig den Groß am Vormittag des Versammlungstages gesprochen und Groß erklärt habe, daß er durchaus die Ziele des Staatlichen Bauhauses anerkenne und bereit sei, mit Gropius durch dick und d ü n n zu gehen. Am Sonnabend habe Gropius den Groß wieder zu sich kommen lassen und ihm erklärt, daß er die Art, wie er sich entgegen seinen vorherigen Beteuerungen gegen das Bauhaus stelle, (für) häßlich und verschlagen halte. Er habe ihm bisher geholfen wo er konnte, aber nun zöge er seine H a n d von ihm zurück. Die große Erbitterung, die unter den Studierenden gegen ihn zu herrschen scheine, würde er wohl auch in der gegen ihn einberufenen Versammlung der Studierenden merken. Groß sei nunmehr am 17. 12. ausgetreten und habe behauptet, daß Gropius ihm das Stipendium entzogen habe . . . Dies bezeichnete Gropius als unwahr . . . Auf Grund der falschen Angaben des Groß haben sich nunmehr bis jetzt 13 Studierende a m 16. u n d 17. 12. vom Bauhaus abgemeldet. Gropius ließ diese sofort auffordern, am selben Tage bei Gropius zur Besprechung der Angelegenheit zu erscheinen. Es kam jedoch nur Herr Schröter, der mitteilte, die ausgetretenen Schüler wollten nicht verhandeln . . . Nach allen Äußerungen u n d zur Kenntnis gelangten Tatsachen müsse er (Gropius) annehmen, daß Groß als Prellbock einer seit langem gegen ihn und das Bauhaus wühlenden Clique benutzt werde. Man suche nach politischen Mitteln, um das Bauhaus und ihn selbst zu mißkreditieren. Es wurde festgestellt, daß bei der Versammlung in der „Erholung" anwesend waren: Gropius, Itten, Thedy, Mareks. An der folgenden Aussprache beteiligten sich Thedy, Itten, Mareks, Engelmann. I t t e n betont, daß er es von Groß als flegelhaft und gemein empfunden habe, wie er in seiner Rede gegen die Tendenzen des Bauhauses vorgegangen sei. Daß ein Schüler ein derartiges Benehmen wie Groß gegen die Meister zeige, dürfe im Interesse der Autorität unter keinen Umständen geduldet werden. Thedy erklärte, die Art des Groß bei seiner Rede sei so arrogant und unangenehm gewesen, daß er gar nicht zugehört habe. Mareks erklärt, die Rede sei aus mißverstandenen Phrasen zusammengedrechselt gewesen. Engelmann teilt mit, daß Teichgräber bei ihm gewesen sei und ihm angegeben habe, daß es sich nicht u m einen politischen Kampf, sondern u m die Frage des „Tafelbildes" handle und möglicherweise noch mehr Schüler ihre Abmeldungen einreichen würden. Engelmann habe Teichgräber aufgefordert, alles schriftlich der Leitung einzureichen. Gropius erklärt, dieses habe er nicht getan, sondern sei mit den anderen ausgetreten . . . Engelmann und Klemm, welche die Rede von Groß nicht gehört haben, stellen den Antrag, die O b .

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leute der Studierenden, Determann und Winkelmeyer zu rufen, um von diesen zu hören, welchen Bindruck die Bede von Groß auf die Studierenden gemacht habe. Die beiden werden gerufen und Winkelmeyer erklärt: Ich halte die Rede für national, vorbereitet, zum Teil aus Phrasen zusammengesetzt. Sie stand in keinem Zusammenhang mit dem, was vorher gesagt worden ist. Der Inhalt konnte anderswo vielleicht als ganz allgemein aufgefaßt werden, da aber an dem Abend über das Bauhaus und den „Geist von Weimar" gesprochen wurde, hat Groß mit seiner Rede nur die Führer der Kunst in Weimar treffen wollen. Determann hält die Rede von Groß nicht für so gefährlich. Nach seiner Meinung ist das Publikum nach der Rede mit dem Gefühl weggegangen, daß im Bauhaus alle Parteien, auch rechtsstehende, vorhanden seien und nicht nur, wie Dr. Kreubel gesagt habe, die bolschewistisch-spartakistische. — Sehr übel sei es aber nach der Versammlung im Kaiserkaffee zugegangen, wo Groß von verschiedenen Studierenden zum Vorzeigen seiner Rede aufgefordert worden wäre. Groß habe dies nicht getan. Es sei ihm gesagt worden, wenn du die Rede, mit der du gegen das Bauhaus gesprochen hast, jetzt nicht zeigen willst, hast du die Absicht, sie zu ändern, und dann bist du ein Lump. Engelmann fragt die beiden Herren, ob ihnen etwas von einer Maßregelung des Groß seitens der Leitung bekannt sei. Determann weiß nichts davon. Er äußert sich noch, er könne sagen und vermuten, daß verschiedene Strömungen unter den Studierenden seien, einige ältere Schüler glaubten sich in ihrer Arbeit gestört, sie seien der Ansicht, daß sie früher oder später ihr Atelier aufgeben müßten, sie würden vielleicht deshalb unter Protest gehen, um zu vermeiden, daß sie später geschoben werden. Gropius hält die Ansicht dieser Leute für unberechtigt, da von seitens der Leitung nichts unternommen sei, was zu derartigem Vorgehen Veranlassung gäbe. Nach Weggang der beiden Obleute beschließt der Meisterrat einstimmig folgenden Anschlag: Der Meisterrat weist neurdings darauf hin, daß jede politische Betätigung der Studierenden im Bauhaus gleich von welcher Seite, untersagt wird unter Androhung des Ausschlusses. Im übrigen stehen wir auf dem Boden des Bauhausprogramms und weisen nochmals darauf hin, daß Naturstudium und reine Malerei (Staffeleibild) in jeder Weise gepflegt werden soll. (Unterschriften sämtlicher Herren des Meisterrates) (Handschriftlicher Zusatz von Thedy:} Zur Frage „Tafelbild" bemerkte ich, daß ich das Gefühl habe, meine Schule und das Tafelbild würden an die Wand gedrückt, worauf Meister Feininger und Itten entgegeneten: daß sie doch auch Tafelbilder malen und durchaus gewillt sind, das Tafelbild zu pflegen.

Dok. 19 Protokoll der Sitzung des Meisterrates, 20 Dezember 1919 ( S T A W — B vorl. 184) Gropius ... bittet die Herren um Anerkennung der Schweigepflicht über das zur Verhandlung kommende. Er teilt mit, daß sich der Konflikt zugespitzt habe und einer Krise zutreibe. Sowohl in dem in Nr. 347 der Zeitung „Deutschland" erschienenen Artikel über das Bauhaus als auch in einer am Donnerstag, den 18. Dezember abends im „Schwan" stattgefundenen Sitzung der Gegenpartei seien ungeheuerliche Dinge gesagt und Unwahrheiten verbreitet worden. Die Angriffe richteten sich nicht nur gegen Gropius und einzelne Meister, sondern auch gegen das Programm des Bauhauses. Gropius habe mit Exzellenz Paulssen gesprochen, der ihn antelefoniert habe und wünsche (was Gropius bereits vorgehabt habe), daß der Regierung das Tatsachenmaterial zur Prüfung übergeben werden sollte. Nach eingeholter Genehmigung der Regierung will Gropius dieses Material zur Veröffentlichung bringen. Er habe ferner die Absicht, eine Sitzung der Institutsleiter von Weimar, der Pressevertreter und Herren des Bauhauses einzuberufen und auch Vertreter der Regierung zu dieser Sitzung zu bitten. Der Meisterrat ist mit dem von Gropius geplanten Vorgehen einverstanden. (Handschriftlicher Zusatz von Thedy): Ich bemerkte in der Sitzung, daß ich Bedenken hege, ein Urteil abzugeben, ehe man die Rede von Groß wörtlich gelesen habe.

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Dok. 20 Protokoll der Sitzung des Meisterrates, 27. Dezember 1919 ( S T A W - B vorl. 184) Gropius berichtet . . . über eine Staatsratssitzung mit den Institutsleitern und Pressevertretern, die die Regierung auf seine Anregung zusammengerufen habe. Die Regierung habe sich im Laufe dieser Sitzung loyal auf die Seite des Bauhauses gestellt, sowohl in der vorliegenden Affäre, als auch in bezug auf die programmatischen Absichten des Bauhauses. Fröhlich sagt, daß er die Rede von Groß erst hinterher gelesen habe und betont, wenn er sie früher bekannt hätte, würde er seine Unterschrift nicht unter die Gegenerklärung gesetzt haben. Er wirft der Leitung vor, daß sie nicht rechtzeitig die ganze Angelegenheit dem Meisterrat vorgelegt, sondern eigenmächtig gehandelt habe. Gropius weist diesen Vorwurf zurück, da kein Grund vorhanden gewesen wäre, gegen Groß disziplinarisch einzuschreiten. Erst die spontane Schülerversammlung habe Groß und andere Mitschüler zum Austritt veranlaßt und daraufhin habe Gropius sofort den Meisterrat zusammenberufen. Ein Zweifel über die Absicht, die Gegenerklärung zu veröffentlichen, habe bei niemand bestehen können. Feininger bestätigte dies und bemerkte, daß die Angelegenheit bereits in der vorigen Sitzung besprochen worden sei. Itten erklärt zu dem Vorwurf von Fröhlich gegen die Leitung, daß erst durch die Einberufung der Schülerversammlung die Angelegenheit eine so gefährliche geworden sei, die die Beschäftigung des Meisterrates mit der Angelegenheit notwendig gemacht habe.

Dok. 21 Walter Gropius an D r . A d o l f Behne, 29. Dezember 1919 ( S T A W -

B vorl. 399)

Lieber Ekard! Heute also zur Beantwortung der sachlichen Angelegenheiten. Zunächst verschaffe Dir bitte die Vossische Zeitung vom Sonnabend, dem 27. 12. abends, die Dir gleichzeitig das sachliche Material in meiner Angelegenheit in die Hände gibt. Am gleichen Tage oder Sonntag soll in der Täglichen Rundschau ein entgegengesetzter, mir noch nicht bekannter Artikel erschienen sein. Du siehst also, es wird bereits eine große Hetzaffäre daraus, die vermutlich die gesamte Presse, natürlich, wie das zu sein pflegt, aus unsachlichen, politischen Gründen beschäftigen wird. Bitte tue was möglich ist und sieh zu, ob nicht auch Bruno (Taut) durch den Werkbund etwas machen kann. J e mehr Tages- und Kunstzeitschriften jetzt die Angelegenheit f ü r uns verfechten, desto mehr wird hier der Regierung, die sich bis jetzt anerkennenswerter Weise zu mir hält, der Rücken gesteift. Für Dein generöses Geschenk an das Bauhaus danke ich Dir herzlich und habe einen entsprechenden Anschlag gemacht und zunächst 30 Exemplare bei K u r t Wolff München bestellt. Dein Buch („Die Wiederkehr der Kunst") wird hier sicher viel Proselyten machen. loh selbst habe es auch fünf Mal zu Weihnachten verschenkt... Die Verlobung Novembergruppe A. F. K. (sie war am 17. 12.1919 beschlossen worden) rücke ruhig in kurzer Notiz in die Zeitung ein. Nun noch eine andere wichtige Sache. Peter Behrens hat sich in Weimar eingeschlichen, um ein von der Regierung geplantes Kongreßhaus hier zu bauen. Sein Vertreter ist bereits hier gewesen. Er hat deshalb Aussichten mitgebracht, weil er Geldgeber mitbringt. Für das Bauhaus ist es eine schwere Gefahr. Ich habe den Dezernenten am Ministerium bereits aufgeklärt, wie ich glaube nicht ohne Erfolg. Immerhin aber bitte ich Dich, mit auf der H u t zu sein . . . Schon wieder kommen Reporten. Die Zeitungsschlacht tobt. G(ropius)

Dok. 22 Auszug aus: „Tägliche Rundschau", 40. Jg., N r . 4, 3. Januar 1920 Aus dem Kunstleben Unseres Wissens liegen die Dinge in Weimar so: die alteingesessenen Kunstkreise und die gebildete Laienwelt Weimars sind über die von Gropius und seinen Leuten eingeschlagene Kunstrichtung mehr

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als erbittert. Da nun die sozialistische Regierung und vornehmlich der sozialistische „Kultusminister" und „Staatsrat", ehemalige Schriftsetzer, Rudolph (R. war Erziehungsminister im Freistaate Sachsen* Weimar) Gropius unterstützt und seine Bestrebungen billigt, während die Gegner unter Führung von Professor Fleischer ihn beseitigt haben möchten, so konzentrieren sich die Vertreter beider Anschauungen in den beiden politischen Lagern, d. h. dem sozialistischen und deutschnationalen. Wie die Dinge heute liegen, ist es freilich zweifelhaft, wer durchdringen wird.

Dok. 23 M a x Thedy an Walter Gropuis, 9. Januar 1920 ( S T A W - B vorl. 400/401) . . . Ich habe in einer sehr aufgeregten Sitzung der Künstlerkammer Ihre Bestrebungen damit verteidigt, daß man Ihnen Zeit lassen müsse, sich zu gestalten. Ich habe mich nunmehr überzeugt, wohin Ihre Experimente führen müssen und bereits geführt haben, und bedaure ich nur, daß Sie dieselben an einer renommierten blühenden Schule wie der weimarischen, die der höheren bildenden Kunst diente, unternommen haben. Ich bin immer mehr zu der Überzeugung gelangt, daß Sie gerade durch Ihr Experiment ein künstlerisches Proletariat züchten, also gerade das hervorbringen, was Sie bekämpfen wollen. Da ich überzeugt bin, daß die jungen Leute nach Absolvierung der Lehrzeit am Bauhause weder als Handwerker genügen, geschweige denn als Maler . . . Aus allen diesen Gründen muß ich . . . Ihnen erklären, daß ich von jetzt ab Ihrem Programm nicht mehr zustimmen werde, da ich mir keine Erfolge von demselben verspreche und dasselbe für verfehlt halte. Ich könnte Ihr Programm für kunstfördernd halten, wenn Sie den jungen Malern ohne Zwang Gelegenheit geben würden, nur mit der Kunst verwandte Handwerke — wie Dekorationsmalerei und Vergolderei — zu erlernen . . .

Dok. 24 Walter Gropius an Dr. Edwin Redslob, Reichskunstwart, 13. Januar 1920 ( S T A W - B vorl. 399) Es geht . . . nunmehr regelrecht ums Ganze. Mir wachsen die Kräfte im Kampf, und es kommt jetzt immer mehr das zum Ausdruck, was ich von Anfang an bei dieser Affäre vor(aus)gesehen habe, daß es sich hier nicht um eine interne Stadtangelegenheit handelt, sondern um etwas viel Bedeutenderes: den Kampf zwischen der alten zerbröckelnden klassischen Bildung, für die Weimar ein Hauptbollwerk ist, mit der eruptiv neu aufbrechenden, sagen wir, neuen gotischen Weltanschauung, der wir angehören ... Äußerlich ist alles in Ordnung. Was mir sachlich vorgeworfen wurde, ließ sich aktenmäßig glatt widerlegen, und die Regierung steht für mich. Es kommt nun aber darauf an, ihr dadurch den Rücken zu stärken, daß Außenstehende sich für den Bauhausgedanken als solchen einsetzen. Die Bürgerschaft hier will statt der neuen Idee die alte gemütliche Kunstschule wiederhaben — das ist des Pudels Kern — und es muß nun der Regierung klar gemacht werden, daß das Bauhaus und der neue Gedanke, der sich da Bahn bricht, nicht die ausgefallene Idee eines irgendwo hergelaufenen Architekten ist, sondern daß ich nur hier das praktisch vollziehe, was im ganzen Lande angebahnt und geplant wird. Es kommt letzten Endes auf Folgendes hinaus: Ein Institut, wie ich es leite, muß unter allen Umständen eine gewisse Einseitigkeit haben, wenn eine Gemeinschaft und Geschlossenheit, aus der allein heute etwas Gutes entstehen kann, gewährleistet sein soll. Eine andere Möglichkeit ist nur die, einen Verwalter einzusetzen, der die ganze Arche Noah mit Künstlern aller Richtungen besetzt. Dann aber ist kein Programm, keine Einheitlichkeit, keine Begeisterung zu erreichen, die wir so notwendig brauchen, um weiter zu kommen. Es muß also gelingen, dem Staat klar zu machen, daß es nicht darauf ankommt, jedem Bürger einen künstlerischen Konzessionsschulzen zu halten, sondern ein Kunstinstitut zu schaffen, das in sich stark ist, und wenn es auch eine gewisse Einseitigkeit aufweist, gerade dadurch Bedeutung für das ganze Land gewinnen kann. Das wird meiner Ansicht nach . . . zweifellos gelingen, wenn sich die außerhalb stehenden einsichtigen Köpfe dafür einsetzen. Die Heftigkeit der Auflehnung, gerade der rückständigen Elemente, beweist mir, daß in der Idee Wert liegt, sonst würde sie nicht so bekämpft...

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Der Augenblick ist kritisch, es kann jetzt alles geschehen, um die in das Heerlager der künstlerischen Reaktion geschlagene Bresche zu erweitern. Sie sind d e r M a n n , der augenblicklich nach dieser Richtung hin das Heft in der Hand hat. Können und wolllen Sie etwas tun? Es handelt sich nicht um meine Person, die ich je mehr desto lieber in den Hintergrund gestellt wissen möchte, sondern allein um den Gedanken, wie wieder ein gesunder Boden für künstlerisches Wachstum geschaffen werden kann.

Dok. 25 Kundgebung von Direktoren und Professoren deutscher und österreichischer Kunstschulen für das Staatliche Bauhaus zu Weimar, 1920 ( S T A W — B vorl. 400/401) Den Unterzeichneten ist es Bedürfnis auszusprechen, daß sie die heftigen Angriffe, die sich gegen Gropius und seine Bestrebungen richten, die Kunsthochschule und die Kunstgewerbeschule von Weimar in einem „Bauhaus" zusammenzufassen, entschieden verurteilen. Wenn einem Mann eine so umfangreiche und bedeutungsvolle Aufgabe anvertraut worden ist und wenn er dann mit Ernst und idealer Gesinnung an sie herangeht, so darf ihm auch das Recht nicht verweigert werden auf eine Zeitspanne zu ungestörter Arbeit, groß genug, daß die Früchte seiner Tätigkeit sich zeigen und heranreifen können. Wenn ihm Einseitigkeit vorgehalten wird, so muß gesagt werden, daß seinen eigenen Weg zu gehen, meistens Einseitigkeit bedeutet, zu gleicher Zeit aber auch mehr Gewähr bietet, zu wertvollen Anregungen und zu neuen Gebieten zu führen, als das Einhalten der ausgetretenen Wege. Prof. Peter Behrens, Architekt und künstlerischer Beirat der AEG Neubabelsberg Prof. Rudolf Bosselt, Direktor der Kunstgewerbeschule in Magdeburg Maler Wilhelm von Debschitz, Direktor der Kunstgewerbeschule Hannover Prof. August Endeil, Architekt, Direktor der Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau Prof. Dr. phil. Theodor Fischer, Architekt, Technische Hochschule München Geheimrat Prof. Otto Friedrich Gussmann, Direktor an der Kunstakademie Dresden Genossenschaft Graphischer Künstler, Leipzig Prof. Dr. August Grisebach, Technische Hochschule Hannover Prof. Karl Gross, Direktor der Kunstgewerbeschule Dresden Prof. Josef Hoffmann, Kunstgewerbeschule Wien, Direktor der „Wiener Werkstätten" Prof. Adolf Holzel, ehem. Direktor der Kunstakademie Stuttgart Maler und Architekt Prof. Erich Kleinhempel, Direktor des Kunstgewerbemuseums Bremen Prof. Dr. phil. Hermann Lüer, Direktor der Kunstgewerbeschule Kassel Prof. Meyer, Direktor der Kunstgewerbeschule Hamburg Stadtbaurat Prof. Hans Poelzig, Vorsitzender des Deutschen Werkbundes, Dresden Prof. Bernhard Pankok, Kunstmaler, Architekt, Direktor der Kunstgewerbeschule Stuttgart Prof. Bruno Paul, Direktor der Kunstgewerbeschule Berlin Prof. Richard Riemerschmid, Direktor der Kunstgewerbeschule München Prof. Roller, Direktor der Kunstgewerbeschule Wien Prof. Fritz Schumacher, Oberbaudirektor von Hamburg Prof. Dr. Strzygowski, Universität Wien Prof. Wilhelm Thiele, Direktor der Kunstgewerbeschule Charlottenburg Architekt Paul Thiersch, Direktor der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Halle März 1920

Dok. 26 Leitsätze der Kundgebung für Erhaltung der alten Kunstschule ( S T A W — B vorl. 400/401) Eine große Anzahl Weimarer Bürger aller Parteien und Berufe, durchdrungen von gemeinsamer Liebe zu Weimars Kultur, glaubt sich verpflichtet, im Interesse einer gesunden Weiterentwicklung folgende Leitsätze der Regierung und den zuständigen gesetzgebenden Körperschaften einzureichen: 1. Es wirkt in weiten Kreisen verstimmend und ist den freiheitlichen Grundsätzen des modernen Staatsgedankens nicht entsprechend, daß über den Kopf der hiesigen Bevölkerung hin(weg) und ohne

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Bücksicht auf das Volksempfinden eines jener altbewährten wichtigen Institute, die Weimar ber ü h m t gemacht haben und die uns teuer sind, des bisherigen Charakters gänzlich entkleidet wird. 2. So wenig wie etwa das Goethe-Nationalmuseum oder das Goethe-Schiller-Archiv und ähnliche Kunst- u n d Kulturstätten ihres Wesens beraubt werden dürfen, wenn auch Weiterentwicklung innerhalb des Gegebenen erwünscht und möglich ist, ebenso wenig durfte die Hochschule f ü r bildende K u n s t unter Mißachtung ihres bisherigen Wesens in ein sogenanntes „ B a u h a u s " verwandelt werden. 3. S t a t t sich etwa als Kunstgewerbler und Architekt in den Rahmen des Ganzen einzufügen, h a t der Leiter von seinen besonderen Gesichtspunkten aus die ganze Kunsthochschule selbstherrlich umgestaltet und in einen Zustand des Experimentierens gebracht, der sich weder mit den geistigen Überlieferungen unsere Stadt noch mit unseren finanziellen Möglichkeiten verträgt. 4. Auch wir möchten die Freiheit der Kunst gewahrt wissen. Aber bei der ausschließlichen Pflege einer einseitigen und extremen Richtung, wie sie jetzt am Bauhaus geübt wird, herrscht dort weder Freiheit noch Unbefangenheit. 5. Hinzu kommt, daß sich dieses (Unternehmen) . . . nicht frei hält von einem politischen Beigeschmack radikalster Strömungen. Auch hierin wird die weimarische Kulturtradition nicht etwa maßvoll weiterentwickelt, sondern mißachtet. 6. Das alles h a t in weiten Kreisen der hiesigen Bevölkerung im Bunde mit mancher unerfreulichen Lebenserscheinung aus jener Ecke, wachsendes Unbehagen, ja Entrüstung hervorgerufen. Deshalb bitten wir die Regierung und die zuständigen Körperschaften, dieser f ü r uns Weimarener u n d unseren Ruf in Deutschland höchst wichtigen Frage ihre volle Aufmerksamkeit zu widmen. Die auch von uns gewünschte Weiterentwicklung Weimars als Kultur- und K u n s t s t a d t darf sich nicht in Gegensatz stellen zu dem, was Weimar groß gemacht h a t u n d was uns heilig ist. Wir verlangen daher mit aller Entschiedenheit, daß 1. die Selbständigkeit u n d organische Weiterentwicklung der bisherigen Hochschule f ü r bildende Kunst von der Regierung und den gesetzgebenden Körperschaften sichergestellt wird; 2. von den zuständigen Stellen unter Berücksichtigung des Willens der Einwohnerschaft sorgsam «rwogen wird, ob sich gerade Weimar nach seiner Überlieferung und nach seinen gegenwärtigen finanziellen Möglichkeiten überhaupt zur Durchführung des Bauhausgedankens in der bisher angestrebten Form eignet; 3. in den Weimarer staatlichen Anstalten f ü r bildende K u n s t die Freiheit des künstlerischen Schaffens gewährleistet und die unduldsame Vorherrschaft einer einseitigen Kunstrichtung vermieden wird; 4. die Lebensführung der Angehörigen des Kunstinstituts sich dem Geiste unserer großen Tradition u n d den Lebensformen Weimars einfüge . . .

Dofc. 27 H a n s Poelzig, Vorsitzender des Deutschen Werkbundes, an die Staatsregierung des Freistaates Sachsen-Weimar-Eisenach, 20. Januar 1920 ( S T A W — B vorl. 400/401) Der öffentliche Streit, der um das Staatliche Bauhaus entfesselt wurde, ist keine örtliche Angelgenheit, sondern geht in mehr als einem Betracht alle diejenigen an, welchen Werden u n d Wachsen unserer K u n s t am Herzen liegt . . . Der Deutsche Werkbund fühlt sich berechtigt und verpflichtet, gegenüber den Weimarer Behörden und gegenüber der deutschen Öffentlichkeit auszusprechen, daß er in dem Versuch von W. Gropius ein ernsthaftes und notwendiges Unternehmen sieht, der jungen K u n s t in Deutschland die innere Verbindung mit dem Handwerk zu geben, aus der sie ihren Geist und ihre Ausdruckskraft erneuern kann. Die Jugend selber will frei werden von einer Überlieferung, die Geschicklichkeiten, Routine und als breitestes Ergebnis ein Proletariat von Halbkünstlern züchtete, und will in einer Bindung des Werkes selber zur Verantwortung wachsen. Sie sucht nach neuen Formen der Arbeitsgemeinschaft, nach neuen Formen des künstlerischen Ausdrucks, nach neuer Wertung von Geist, Gesinnung und Werk. Sie ist noch auf dem Wege, aber sie h a t Willen und Glauben, und dies Beste darf ihr nicht zerstört werden durch Philisterhaftigkeit, die bequem ist, durch Pedanterie, die rechthaberisch, durch Politik, die

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feindselig ist. Heute weniger als je. Kunst muß durch Leistung sprechen; aber man darf dieses Reifwerden einer neuen Sprache der Kunst und einer neuen Durchdringung von handwerklicher Arbeit mit künstlerischer Verantwortung nicht verderben wollen, indem man Lokalpolitik zu einer Richtschnur für künstlerisches Wollen und jugendliche Energie zur Sündhaftigkeit macht. Weil wir die Arbeit, die Walter Gropius in Weimar begonnen hat, für eine Sache halten, die um ihres beispielhaften Zieles willen alle angeht, erwarten wir, daß der Weg ihm freigehalten bleibe und die Gesinnung, die ihn und seinen Kreis bewegt, ungehindert sich auswirken darf, ohne daß Mißgunst, Ängstlichkeit, künstlerisches oder politisches Banausentum ein Werk gefährdet, das durch seine Ergebnisse sich rechtfertigen soll. Prof. H. Poelzig Vorsitzender des Werkbundes

Dok. 28 Walter Gropius an Dr. Adolf Behne, Charlottenburg, 31 Januar 1920 ( S T A W — B vorl. 399) Lieber Ekard! Leider habe ich recht behalten. Mit der muffigen Attraktion (in der Erklärung des Arbeitsrates für Kunst zugunsten des Bauhauses hatte Behne geschrieben: „Wir lehnen es ab, uns mit Leuten auseinanderzusetzen, die aus Goethe und Schiller eine muffige Attraktion ihres Frauen- und Verkehrevereins machen und für die alles Neue unbesehen eine Gefahr ist.") ist man hier erheblich hausieren gegangen, sowohl in der öffentlichen Kundgebung gegen mich wie auch in anliegendem Artikel spielt Euere Erklärung eine große Rolle. Solche Worte reizen eben doch mehr als daß sie klären, und der Hauptwiderstand, darüber bin ich mir ganz klar, liegt hier in Weimar selbst und ihn mit den geeigneten Mitteln niederzukämpfen muß mein Ziel sein. Professor Thedy hat sich, gerade durch Eure Erklärung verletzt ins Gegenlager begeben, was unter den obwaltenden Umständen nachteilig ist. Verzeih', daß ich auf alle Deine lieben Mühen hin nachträglich noch einmal kritisiere, aber ich habe so viel gelernt in diesem Kampfe, daß ich glaube, in diesen Dingen nun besonders klar zu sehen. Zuletzt bleibt der Sieger, der sich von aller Polemik fern hält und den Gregner mit überlegener Milde behandelt, ohne ihn zu beleidigen. Ich habe nun einige achtzig Zeitungsartikel in den letzten Wochen über meinen Kampf gelesen und einen so tiefen interessanten Einblick in das Getriebe der Presse und der Parteien gewonnen, daß schon diese Erkenntnisse allein die Mühe des Kampfes lohnt. Ich sehe jetzt mit voller Deutlichkeit: Jede Partei ist Schmutz, sie erzeugt Haß und wieder Haß. Wir müssen die Parteien zerstören. Ich will hier eine u n p o l i t i s c h e G e m e i n s c h a f t gründen. Das was wir alle ersehnen und wollen: „Gemeinschaft" ist überhaupt nur unter Menschen möglich, die die Partei ablehnen und sich einer Idee hingeben und dafür kämpfen. Im A. F. K . habe ich damals schon ein gleiches gefühlt, aber heute ist mir das alles sonnenklar geworden und die jungen Leute verstehen mich vollkommen. Es gilt allmählich unter ihnen als unwürdig, einer politischen Partei anzugehören. Ich lege Dir auch eine Zeitung von einem hiesigen deutsch-nationalen Redakteur Dr. von Stegmann bei. Er ist ein anständiger Mann, spürt, daß meine Sache gut ist und hat sich, was eine Tat ist, in seinem Blatt bis zu einem gewissen Grade für das Bauhaus eingesetzt. Seine Aktionäre wollten ihn daraufhin die Augen auskratzen. Er ist nun in einem schweren Pflichtenkonflikt. Ich konnte ihm nur erwidern: „Entscheiden Sie sich, entweder einer Partei oder der Sache zu dienen. Beides gleichzeitig ist unmöglich." Dieses Erlebnis, das mir ungeheuer wichtig ist und mich innerlich stärkt, wollte ich Dir heute mitteilen. Deine A. F. K.-Erklärung gab mir den Anstoß dazu und darum muß ich Dir dafür danken, wie für vieles andere. Die Sozialistischen Monatshefte habe ich erhalten. Beim Werkbund vergißt Du seine wichtigste Tat, die Anregung der Stelle des Reichskunstwarts und das Durchsetzen der Person Redslobs. Ich habe an Redslob geschrieben und verfolge nun als wichtigstes Ziel, das Reich für das Bauhaus zu interessieren. Ich hatte schon, ehe Stahl im Tageblatt schrieb, in gleicher Linie Schritte getan . . . Alle Hilfe sollte jetzt in dieser Richtung ihren Hebel ansetzen.

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Dok. 29 W a l t e r G r o p i u s an H a n s Poelzig, Dresden, 31. Januar 1920 ( S T A W — B vorl. 399) Lieber Poelzig! I n den letzten Tagen ist auch in der Presse in Berlin u n d anderweitig die Frage, das Reich solle das Staatliche Bauhaus übernehmen, angeschnitten worden . . . Ich bin dabei, eine diesbezügliche Denkschrift auszuarbeiten, aber die ist natürlich ganz unwichtig gegenüber persönlichen Befürwortungen bei den entscheidenden Männern. Das Reich sollte die Sache im Großen anpacken u n d gleichzeitig damit eine Einheitsschule f ü r Kinder mit Handfertigkeitsunterricht und eine gymnastische Schule angliedern, u m von dieser Zentrale u n d unter Vermeidung von Stückwerk die Einwirkung auf die Jugend von unten rauf nach den neuen Gesichtspunkten auszubauen. Stahl h a t den Vorschlag gemacht, der Werkbund solle hierfür Vermittler sein . . . Die Lage ist jetzt hier so, daß eine klare Scheidung nach rechts u n d links eingetreten ist. Die K l u f t zwischen dem alten Akademismus u n d dem, was wir hier wollen, ist unüberbrückbar . . . E s wird hier also zur Sezession kommen, die wir selbst betreiben . . . Wir werden dem Staat vorschlagen, eine altweimarische Malschule getrennt nebenher gehen zu lassen . . . aber die Frage der Mittel! So, nun habe ich Dich genug mit Bauhausfragen gefüttert. Mir wird's auch bald über, in Zeitungsartikeln zu wühlen. Man h ä t t e etwas Besseres zu tun, aber die Schlacht muß durchgefochten werden und noch h a t mir keiner die Ruhe rauben können. Dok. 30 Brief desMeisterrates an Studierende, betreffend V e r b o t politischer Betätigung, 24. M ä r z 1920 ( S T A W - B vorl. 399) Wir verweisen auf unsere Bekanntmachung vom Dezember vorigen Jahres, womit wir politische Betätigung im Bauhaus verboten haben. Wir sehen uns veranlaßt, Ihnen unsere Mißbilligung darüber auszusprechen, daß Sie in den R ä u m e n des Bauhauses politische Propagandaschilder gelegentlich der Beerdigung der in der Gegenrevolution gefallenen Arbeiter angefertigt haben. gez. Gropius Engelmann Feminger Klemm Itten Mareks Thedy Dok. 31 Protokoll der Besprechung d e s M e i s t e r r a t e s a m 15. Juni 1920 ( S T A W — B vorl. 184) Gropius teilt mit, daß er die Herren zu der Besprechung gebeten habe, um mit ihnen die wirtschaftlichen Fragen der Werkstätten zu besprechen. Von dem Kreditfonds seien bis jetzt (für) über 100000,— Mark Material und Werkzeuge angeschafft worden. Diese Werte müßten wieder hereingebracht werden. Jeder Studierende sehe das Bauhaus aber als billige Arbeitsstätte an, dessen Material er benutze, ohne jedoch die fertigen Arbeiten zur Ablieferung zu bringen. I n Anbetracht der hohen Werte, die im Material angelegt seien, müsse unbedingt daruf gesehen werden, daß sich die Materialkosten durch Verkauf von Arbeiten wieder decken. Gropius ist der Meinung, daß den Studierenden ein Anreizmittel gegeben werden müsse, ihre Arbeiten zur Ablieferung zu bringen. E r m a c h t folgenden Vorschlag: Alle Werkstätten-Arbeiten der Studierenden, auch die Studienarbeiten u n d Modelle beiben Eigentum der Schule. Sämtliche Arbeiten haben die J u r y des Meisterrates zu passieren, und die vom Meisterrat für den Verkauf f ü r gut befundenen Arbeiten (werden) mit 50 Prozent des geschätzten Arbeitswertes bezahlt und außerdem den Studierenden eine Beteiligung von Prozent a m Gewinn beim Verkauf des Gegenstandes,... wenn der Verfertiger dann noch Schüler des Bauhauses ist, zugesichert. 12 Hüter

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Von allen anderen Arbeiten, die von der Jury nicht für den Verkauf geeignet gehalten werden, zahlt das Bauhaus dem Schüler 25 Prozent des geschätzten Arbeitswertes. Diese Sachen werden entweder vernichtet oder auseinandergenommen und das noch brauchbare Material den Werkstätten wieder zugeführt. Das Material von allen Arbeiten, die die Schüler verderben, muß von diesen bezahlt werden . . . Gropius ist dafür, daß die Studierenden für ihre Arbeiten nicht Geld sondern Naturalien: Kleidung, Wäsche, Schuhe usw. nach Maßgabe der Leistungen erhalten. Ebenso soll in Zukunft mit den Freitischen verfahren werden. Durch diese Art der Entschädigung für die Mitarbeit der Studierenden würden diese nicht das Gefühl einer Schenkung haben, wie es bisher z. B. bei den Freitischen empfunden worden sei. Die wirtschaftliche Lage einer großen Anzahl von Studierenden sei jetzt geradezu katastrophal . . .

Dok. 32 Protokoll der Sitzung des Meisterrates a m 20. September 1920 ( S T A W — B vorl. 184) Der E t a t des Bauhauses ist, nachdem er vom Landtag Sachsen-Weimar genehmigt, nunmehr auch vom Finanzrat von Thüringen bestätigt worden . . . Mit dieser Bewilligung, die den Abschluß der langen Kämpfe des Bauhauses bildet, ist endlich das Bauhaus von der öffentlichen Staatsregierung anerkannt worden, und zwar durch die gleichzeitige Bewilligung einer Altweimarer Malschule nebenher ist der „radikale" Charakter des Staatlichen Bauhauses offiziell geworden ... Bericht über die Siedlungsangelegenheit. Der Staat hat ein Grundstück am Horn überwiesen, daran anschließend hat das Bauhaus vom Kammergut Oberweimar 7000 m 2 Land gepachtet, die nach Ablauf der Pachtzeit uns gleichfalls vom Staat überwiesen werden. Die Siedlung muß mit großer Vorsicht behandelt werden, damit nicht hier wie allenthalben sonst durch die Unreifheit der Siedler im Beginn schon der Keim zum Ende gelegt wird. Es sollte nur so viel geschehen, wie sich als unbedingt nötig aus dem Bedürfnis der Meister und Lernenden ergibt. Ein Prüfstein, wie ernst die Lernenden an diese Frage mit herangehen, wird zunächst die Teilnahme an der Feldbebauung ergeben, die in diesem Herbst noch in Angriff genommen wird. Gropius bittet die Meister, an der Siedlungsfrage mitzuarbeiten, auch durch Hergabe schriftlich skizzierter Ideen . . . Erst wenn ein klarer einheitlicher Plan möglich ist, wird an die grundsätzliche Lösung der bereits eingeleiteten Geldbeschaffungsfrage getreten. Um die Not unter den Lernenden zu steuern, hat Gropius sich bemüht, fertige Kleidung und Wäsche billig zu erhalten ... Es soll sich dabei nicht um Almosen und Geschenke handeln, sondern die Gegenstände sollen nur gegen Arbeitsleistungen abgegeben werden. Um den Bargeldumlauf möglichst einzuschränken ist geplant, nur im Bauhaus gültige Geldmarken auszugeben, für die die Lernenden in der Kantine Essen, in der Verkaufsstelle Ware oder durch das Sekretariat Wäsche und Kleider beziehen können . . . Nach dem allgemeinen Bericht erklärte es Gropius für notwendig, da das Bauhaus einen gewissen äußeren Abschluß nunmehr erreicht hat, einmal rücksichtslos Revision zu halten, was bisher geleistet sei und was dagegen n i c h t erreicht worden wäre. Er habe selbst das Programm des Bauhauses und seinen ganzen Aufbau in letzter Zeit gründlich revidiert und die Änderungen seien zum Teil zu Papier gebracht den Meistern zugegangen. Die positiven Ergebnisse des Bauhauses seien bisher außerordentlich gering. Das, was als neu erreicht vielleicht angesehen werden könne, sei eine gewisse starke Krisenluft, in der die Lernenden zu ernsthaften eigenen Erlebnissen kämen. Das ist zweifellos eine wichtige Voraussetzung, aber nunmehr muß auch erreicht werden, daß eine Arbeitsluft entsteht. Die Absicht des Bauhauses sei es gewesen, die Lernenden von zwei Seiten zu befruchten, einmal von künstlerischer, zum anderen von handwerklicher Seite. Da Persönlichkeiten, die beides in hohem Maße besitzen, heute nicht existieren, sei man zu der Regelung geschritten, wie sie im Bauhause bisher üblich sei: jedem Lernenden zwei Meister zu geben, einen technischen und einen künstlerischen. Das wichtigste aber, die Verbindung zwischen diesen beiden Lehrstätten sei bisher n i c h t erreicht worden bis auf einzelne Fälle. Es fehlt noch die gegenseitige Durchdringung des Form-

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Unterrichts mit dem Werkstättenunterricht. Hier muß eine gründliche Änderung eingreifen. Es scheine, daß der psychologische Moment jetzt vorhanden sei, um den Lehrplan straffer zu gestalten und damit auf die Arbeit der Lernenden anregend zu wirken. Es erscheine notwendig, einen o b l i g a t o r i s c h e n Vorunterricht für alle in den Werkstätten Arbeitenden einzuführen . . . Gropius stellt die Schwierigkeiten wirtschaftlicher Natur des Bauhauses dar und bittet die Meister, sparen zu helfen und ihren Einfluß auf die Schüler auszuüben, damit sie die aus Material des Bauhauses gefertigten Arbeiten fertig zur Ablieferung bringen . . . Bei der Besprechung der Werkstätten im einzelnen führt Gropius aus, er sei sich klar, daß das Bauhaus sich auf allen Gebieten schrittweise den Boden erkämpfen muß. Die Wichtigkeit der Forderung, die Lernenden sollen bei der Handwerkskammer einen regelrechten Lehrbrief übernehmen, sei nach wie vor vorhanden. Auf andere Weise sei es nicht möglich, in das morsch gewordene freie Handwerk Bresche zu schlagen. Wenn wir uns nicht den gleichen Pflichten unterziehen wie der freie Handwerker, so wird dieser uns immer als Dilettant bezeichnen. Nur deshalb sei die Gesellen- und Meisterprüfung wichtig, nicht um des Examens selbst willen. Aus diesem Grunde sei es aber auch erforderlich, daß die Werkstättenleiter sämtlich das Lehrrecht (Meisterbrief) von der Handwerkskammer besitzen.

Dok. 33 Protokoll der Versammlung derMeister und Lernenden des Staatlichen Bauhauses am 13. Oktober 1920 (STAW - B vorl. 184) . . . Muche spricht über die Gemeinschaft: Nicht was man Gemeinschaft nenne, sondern was Gemeinschaft sein solle. Gemeinschaft bestehe da, wo ein gemeinsames Ziel vorhanden sei, das nicht von einzelnen, sondern nur von einer Gesamtheit erreicht werden könne. Für uns sei Unterordnung nötig. Dadurch wurde zwar nicht die Aufgabe des Individuellen verlangt, wohl aber die Unterdrückung der Meinungsverschiedenheiten, die Kritik des einzelnen am anderen. Wir haben hier zwei Gruppen am Bauhaus: Lehrende und Lernende. Die Stellung des Lernenden müsse klar sein. Wichtig sei, daß wir endlich zu intensiver Arbeitsweise kommen, und wir wollen dem einzelnen die besten Voraussetzungen für eine individuelle Entwicklung geben . . . Gropius sagt, daß der Ausdruck „Gemeinschaft" im Bauhaus Schlagwort geworden sei und die Gefahr bestehe, daß sie in Cliquenweise ausarte. Die Gemeinschaft wachse von selbst, sie werde aus der Not geboren und sei nicht mit Reden zu erreichen. Im Bauhaus sei jedoch jedes Leben augenblicklich chaotisch. Es sei nötig, daß einer dem anderen T a k t entgegenbringe und ihn gewähren lasse. Diesen T a k t brächten jedoch die wenigsten auf, die auch von dem lauten Wesen der anderen erdrückt würden. Jeder solle mehr Selbstdisziplin üben. Von Kunst müsse doch so wenig wie möglich geredet werden, denn diese käme von selbst. Durch die Ereignisse der letzten Jahre seien die jungen Menschen gegen alles, was Zwang heiße, was Gesetz sei. Diese Neurasthenie sei zwar begreiflich, müsse aber auf alle Fälle überwunden werden. Zur Überwindung der Neurasthenie gehöre, dem gewählten Meister sich unbedingt hinzugeben, nicht aber stets zu kritisieren und (dem Unterricht fernzubleiben) . . . Die Schülerschaft solle den gewählten Obleuten Vertrauen für die Zeit ihrer Tätigkeit entgegenbringen. Es gehe nicht, alle reden zu lassen, e i n e r müsse die Verantwortung-tragen. Die Schülerschaft solle hinter dem Obmann stehen und nicht gegen ihn agitieren. Die Schülerschaft müsse unbedingt sich ein Semester lang an die Wahl ihrer Obleute gebunden (fühlen). Wir müssen schweigen und arbeiten; wir wollen uns nicht festlegen auf starre Formen, sondern immer lebendig, immer wachsend sein; wir wollen einfach sein, aber nicht simpel . . . Ziegefeld spricht, daß ihr Hiersein beweise, daß die Idee sie ja festhalte, denn nur durch die Bekanntgabe der Idee seien sie hierher gekommen. Gilles: Das von Gropius verlesene neue Arbeitsprogramm sei ihm vollkommen neu, er lehne die Beteiligung ab. Er würde sich wohl dem Material unterordnen, nicht aber einer Person. Er erkenne als Meister nur den an, der ihn in handwerklicher Hinsicht zu lehren in der Lage sei. Chomton bedauert, daß eine Starrheit in der Ansicht der Schülerschaft (vorhanden) sei. Was Meister 12*

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Milche gesagt habe, halte er für richtig. Es sei nötig, daß jeder einzelne innerhalb der Gemeinschaft seine Persönlichkeit behalte und für sich arbeite. Er halte es für sehr gut, daß der Formunterricht eingerichtet sei und ist der Ansicht, daß es lediglich Ausdruck von Schwäche sei, den Unterrricht als Gefahr für die Persönlichkeit anzusehen. Das Programm erkennt er als gut an . . . Winkelmayer: Es sei viel Explosivstoff aufgespeichert worden und er wundere sich, daß die Schüler in den Versammlungen sich bisher so ruhig verhalten hätten. Er sagt, daß es Herr Gropius mit seiner Redegewandtheit verstanden habe, die Schülerschaft zu beruhigen, aber damit sei dem Bauhause nicht viel geholfen, denn die Gefahr bleibe bestehen und werde sich vielleicht im Laufe der Zeit verstärken. Es müsse also ein Weg gesucht werden, um eine Verbindung zu schaffen; das geschehe aber nicht durch Zwang zur Arbeit. Gropius nennt den Vorwurf „Redegewandtheit" eine Infamie Winkelmayers und betont, daß ein Zwang gegenüber der Schülerschaft nicht bestehe. Winkelmayer erwidert, daß er mit seinem Ausdruck nicht eine Beleidigung habe aussprechen wollen. Itten: Herr Winkelmayer scheint sich zu verwundern, daß die Schüler Einsicht bekommen haben; man müsse sich doch freuen, wenn eine Verständigung stattfinde. Chomton: Die Rede des Herrn Winkelmayer richtet sich auch gegen mich; vor Beginn der Versammlung hätten die Obleute beschlossen, zu dem neuen Programm Stellung zu nehmen; er hätte zu denen gehört, die reden wollten, aber er habe sich durch die Ausführungen von Gropius, Muche und Itten von der Richtigkeit der beabsichtigten Kurse überzeugen lassen. Er sehe in der Art des Unterrichts von Itten keinen Zwang mehr . . . Peretti lehnt die Teilnahme am Kursus Muche ab. Er findet es unmöglich, wie man der Ansicht sein könne, lehren zu können. Darum, weil es heute keine Lehrer sondern nur ein gemeinsames Suchen gäbe, könne er an dem Kursus nicht teilnehmen. Gropius erwidert, daß, wenn Peretti solche Ansichten vertrete, die so viel Arroganz verraten, er den Bauhausgedanken verneine und schließlich an der Schule nichts zu suchen habe.

Dok. 34 Protokoll der Sitzung des Meisterrates am 6. Dezember 1920 (STAW — B vorl. 184) Punkt 2 der Tagesordnung: Statutennachtrag Gropius teilt mit, daß die Satzungen auch den Obleuten der Schülerschaft vorgelegen haben und daß von diesen einige Änderungen vorgeschlagen werden. Es wird beschlossen: § 1 erhält folgende Fassung: Das Bauhaus erstrebt die Ausbildung bildnerisch begabter Menschen zum schöpferisch gestaltenden Handwerker, Bildhauer, Maler oder Architekten. D u r c h b i l d u n g a l l e r i m H a n d w e r k d i e n t a l s einheitliche G r u n d l a g e ...

Dok. 35 Aus Briefen und Tagebüchern von Oskar Schlemmer An Otto Meyer-Amden 21. Dezember 1920 . . . E s ist eine Gefahr, daß das Bauhaus eben nicht viel anderes wird (dafür sprechen etwas die Art der Berufungen), als eine moderne Akademie, denn das Wesentliche, das es von solchen unterscheiden soll: das Handwerk, die Werkstätten, sind nur nebenbei. Es fehlen zum Beispiel die hauptsächlichsten Werkstätteneinrichtungen. Auch soll bei den Schülern wenig Lust zum sachlichen Handwerk sein, vorwiegend sei der Ehrgeiz, moderner Maler zu werden. Schön ist, daß Gropius sich und dem Bauhaus Zeit lassen will, er will vor fünf Jahren nichts öffentlich zeigen. An Tut Schlemmer 20. Januar 1921 ... Gestern abend war Bauhausvortrag über Rußland. Der Redner hat die Weite der russischen Landschaft mit der Weite des russischen Menschen in Zusammenhang gebracht. H a t viel Schönes erzählt. Nachher, auf dem Klavier, den Marsch gespielt und gepfiffen, den die demonstrierende Menge dort sang. Dann den Trauermarsch beim Begräbnis der Revolutionsgefallenen. —

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An Otto Meyer-Amden 3. Febraur 1921 . . . Daß sich das Bauhaus den Geistern von heute nicht verschließt, auch bei offenkundiger Gefahr (es sind dies die Bauhausabende); daß schon das Programm des Bauhauses eine verwegene Schar a n jungen Menschen zusammenrief (es ist eine tolle Jugend von heute beisammen), macht, daß das Bauhaus nach ganz anderer Seite hin „ b a u t " , als erwartet wird, nämlich: den Menschen. Gropius scheint das sehr bewußt, und er erkennt darin das Manko der Akademien, die die Menschenbildung außer acht lassen. Er wolle, sagt er, daß ein Künstler auch ein Charakter sei, u n d erst dies, nachher das andere. Doch scheint er zuweilen Angst zu bekommen ob den Folgen: es wird nichts gearbeitet — aber viel, viel geredet. So wünschte er sich eine zeitweilige Mauer um das Bauhaus u n d klösterlichen Abschluß... An Unbekannt 2. März 1921 Der Schülerabgang dauert an (Italien im Bund mit dem Frühjahr), wenig Anmeldungen heuer. Angriffe in der Presse. Dann heute als Neues: Die Regierung h a t die Wiederaufrichtung der bis auf drei Professoren reduzierten Hochschule f ü r bildende Kunst, die im Bauhaus mit einbegriffen sein sollte, beschlossen . . . Das Bauhaus werde dadurch zur Kunstgewerbeschule degradiert. Gropius h a t t e genügend u n d gute Argumente gegen die Akademie der Regierung gegenüber vorgebracht, gestützt auch auf Vorgänge im Reich, wie da u n d dort, wo der Zusammenschluß oder die Zusammenlegung von Akademien und Kunstgewerbeschule gemäß der wirtschaftlichen Not beschlossen wurde. Der Magistrat von Halle zum Beispiel, der vor dem Krieg vorbildlich a n kulturellen künstlerischen Einrichtungen war und keine Mittel scheute, derselbe Magistrat beschließt heute, „in klarer Erkenntnis unserer Lage", die Streichung des Kunstetats . . . Nun ist ja Gropius' geheimer Traum, das Bauhaus so bald als möglich unabhängig vom Staat zu machen, ohne Verpflichtung; es ist dies eine der Utopien, denn selbst mit den staatlichen Mitteln geht es heute kaum. Von den Schülern, die ich bis jetzt kennenlernte, erstaunte mich der Unwille gegen Gropius. E r sei nicht mehr das, was er zu Anfang gewesen sei, wo er als „Vater Gropius" in echter Gemeinschaft mit den Schülern lebte und — litt. E r h ä t t e sich stark verändert, . . . und in den jetzt herausgegebenen Satzungen des Bauhauses sei so gut wie nichts mehr von dem einstigen schönen Programm geblieben . . . ob jenen Schülern das flackernde Feuer lieber war als die stille Glut, ob der jetzige Zustand ein solcher ist, — weiß ich noch nicht zu sagen. Es ist auch eine Gruppe von Schülern da, die dies letztere ernst und tief glauben, die sagen, daß es um die, die gingen, nicht schade sei, wertvoll seien aber die, die jetzt kämen oder widerkämen. Für Gropius spricht auch, daß er sich so sehr die Arbeitsruhe für das Bauhaus wünscht, die genannte chinesische Mauer darum. Einiges Schöne: zum Beispiel die Kantine, in der mit Mithilfe einiger Schülerinnen (zum Teil unter freiwilligem Verzicht auf künstlerische Produktion) nach Mazdaznan-Rezepten (vegetarisch-naturgemäß) gekocht wird, f ü r Schüler und Meister. Freitisch f ü r einen Teil der ersteren. I n diesem Zusammenhang „Die Siedlung". Ein Stück schön gelegenes Land, auf dem Obstbäume u n d Gemüse gepflanzt werden sollen . . . Gropius erstrebt auch gemeinsame Schülerschlaf räume, überhaupt Internatscharakter; nicht zuletzt wohl, weil er aus den Vorgängen der letzten Zeit die Lehre zieht, die Schüler irgendwie mehr zu verpflichten. Viele brechen mit den Eltern über kurz oder lang und stehen dann mittellos da. Schön ist, daß die Mädchen diese wirtschaftlichen Notwendigkeiten am bereitwilligsten einsehen u n d sich aus freien Stücken zu Dienstleistungen verpflichten. Was — von den Schülern — positiv gearbeitet wird, an K u n s t oder Handwerk, ist gering. F a s t erschreckend gering. Es ist wohl berechtigt zu sagen, das BauhauB ist eine schöne Fassade, ein Begriff, eine Idee in Deutschland, gestützt auf die Namen einiger Künstler und auf ein Programm. Der Kampf gegen die Akademie, da er scharf geführt wird, wird vieles klarstellen — vielleicht den Zusammenbruch. An T u t Schlemmer 3. März 1921 . . . die alte Akademie soll auf Drängen der Rechtsparteien und sonstiger Kreise wiederhergestellt werden, unter Einem Dach mit Bauhaus, Ein Verwaltungsbeamter, Ein Kastellan u n d so weiter, aber natürlich verschiedenen Direktoren, mit ständigen Reibereien, nicht zuletzt unter den Schülern. Überhaupt die Vermengung und Vermantschung, nachdem Gropius immer reinlicher vorgehen wollte, nur „Gesinnungstüchtige" in den verschiedenen Stellen. Kurz, die Form, in der die Wiedereinrichtung der alten Akademie mitgeteilt wurde und vor sich ging, f a ß t Gropius als Brüskierung auf. E r meint,

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das sei jetzt die letzte Welle, das letzte Rennen. J e t z t durchhalten, das heißt, nötigenfalls die Konsequenzen ziehen, und — demissionieren! Er wollte es f ü r sich tun, aber selbstverständlich müssen die Meister hinter ihm stehen. Wir könnten nur gewinnen. Denn die Sache käme dann vor den Landtag, und da seien die Linksparteien, die f ü r das handwerkliche Bauhaus seien . . .

Dok. 36 Lyonel Feiniger an den M i n i s t e r für Volksbildung und Justiz, Paulßen, W e i m a r , 1«. Februar 1921 ( S T A W - V b 277) Exzellenz! Gestatten Ew. Exzellenz, daß ich Ihnen einige Gedanken äußere, die sich mir in der letzten Zeit aufdrängten? Ein Staat wie Sachsen-Weimar gründet ein Institut, das „Bauhaus", auf das nicht nur ganz Deutschland, sondern auch bereits das Ausland mit dem größten Interesse schauen und dessen W e i t e r E n t w i c k l u n g überall mit Spannung verfolgt wird. Davon, daß hier anerkannte künstlerische K r ä f t e am gemeinsamen Werke beteiligt sind, will ich nicht sprechen, das ist anderswo auch der Fall; aber, ich möchte betonen, wie sehr der „ B a u h a u s G e d a n k e " der M e n s c h e n e r z i e h u n g dient, die Deutschlands Jugend jetzt mehr als je not t u t . Handwerkliche Arbeit wird a m „Bauhause" verlangt; ernste, prätensionslose Arbeit; Arbeit, die zur Menschwerdung jedes einzelnen dienen soll; Disziplin und Selbstsucht im Handwerklichen, eine feste Grundlage, auf der sich Künstlertum entfalten kann, wenn die Veranlagung des einzelnen dazu ausreicht; in jedem Fall aber sollten tüchtige Arbeiter herangebildet werden, die ihren Weg in diesen verarmten Zeiten finden und durch ihr p r o d u k t i v e s Schaffen der Allgemeinheit dienen sollen. Das ist ein wahrhaft zeitgemäßes, eines jeden Deutschen würdiges Ziel. Dieser selbe Staat nun, der diese Gründung in großzügigster Weise fördert und unterstützt, willigt gleichzeitig in die Neubelebung des als unfruchtbar längst erkannten akademischen Gedankens durch Wiedergründung einer Maler- und Bildhauerakademie alten Stils! Ich will gewiß nicht verkennen, daß auch tüchtige einzelne auf diese Weise vorgebildet (nicht h e r a n g e b i l d e t ) werden können; aber die Menge der jungen Menschen, die sich auf Akademien zusammenfindet, machen solche aus, die zur künstlerischen Laufbahn, mit Künstler-Prätensionen erfüllt, kommen und die auf das Handwerk, im Sinne des „Bauhauses", als auf etwas unter ihnen Stehendes herabschauen; — und h i e r m i t , neben vielem anderen, ist der e r s t e G r u n d gegeben, Widerstreit der Meinungen hervorzurufen, da hier in Weimar diese beiden sich bekämpfenden Prinzipien unter e i n e m Dach vereinigt werden sollen! Ich gestatte mir, a n Ew. Exzellenz die Frage zu richten: ob, nach Ihrer tiefen Kenntnis der Menschen u n d der politischen Leidenschaften (die sich unter Künstlern leider ebenso wie anderswo betätigen), sich nicht als notwendige Folge dieser widersinnigen Zusammenpferchung zweier Gegensätzlichkeiten ein K o n f l i k t o h n e E n d e ergeben m u ß ? auch trotz allerbesten Willens unter Meistern und Schülern beider Lager? Und muß nicht unter den Schülern beider Anstalten eine sich mehr und mehr steigernde Verwirrung ausbrechen — die ersten Anzeichen dafür sind schon vorhanden — wenn der Staat selbst seine Unschlüssigkeit mit der gleichzeitigen Unterstützung sich bekämpfender Ideen an den Tag legt? und der einen wie der anderen die Lebensfähigkeit durch die Teilung der an sich so geringen Mittel und Räumlichkeiten raubt? Ich bin, mit dem Ausdruck vollendeter Hochachtung Euerer Exzellenz ergebener Lyonel Feininger Dok. 37 U m l a u f an den Meisterrat, 15. M ä r z 1921 ( S T A W -

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4. Verbindung der freien Meister untereinander und mit den Werkstättenleitern Die schwierigste und wichtigste Frage des Kontaktes der Meister untereinander, aus dem erst eine gemeinschaftliche Arbeit mit gleichem Ziel entstehen kann, ist bisher, wie wir alle wissen, ungelöst.

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I n den Satzungen haben wir geschrieben § 4 letzter Absatz: „Lehrgrundsatz: Jeder Lehrling und Geselle lernt gleichzeitig bei z w e i Meistern, je einem Meister des Handwerks u n d einem Meister der Formlehre. B e i d e s t e h e n i n e n g e r L e h r v e r b i n d u n g . " U m im gleichen Maße auf die Schüler und auf die Werkstätten einwirken zu können, brauchen wir f ü r die wichtigsten Formfragen eine Übereinkunft untereinander, ein gültiges Ausdrucksmittel, mit dem wir uns untereinander u n d unseren Schülern gegenüber verständigen können. Bis jetzt arbeitet im großen und ganzen jeder isoliert und die Werkstättenleiter kennen kaum unsere Arbeiten u n d unsere Ateliers. Deshalb m u ß zunächst erreicht werden, daß bestimmte Werkstätten Bereich eines bestimmten freien Meisters sind; u n d damit der Aus(tausch) aller untereinander gewährleistet ist, schlage ich regelmäßige Zusammenkünfte aller freien Meister u n d aller Werkstättenleiter vor zu Vorträgen und Aussprachen über die grundlegenden Fragen der von uns verfolgten Formlehre. Die Hinzuziehung der Werkstättenleiter ist hierbei von besonderer Wichtigkeit. Ich möchte vorschlagen, daß Herr Itten, der die größte Erfahrung in diesen Fragen von uns besitzen dürfte, mit diesen Vorträgen beginnt. Aus diesem K o n t a k t muß, wenn alle Meister dazu bereit sind, schließlich ein gemeinsamer Boden f ü r uns alle gefunden werden, so daß die Werkstätten nicht jede allein f ü r sich mit ihren zwei Meistern arbeiten, sondern der alle verbindende Bing durch die gemeinsamen Aussprachen der Meister geschlossen bleibt. Ich schlage vor, folgendermaßen versuchweise die Werkstätten a n die freien Meister zu verteilen: I. Steinbildhauerei Schlemmer Muche I I . Holzbildhauerei Gropius I I I . Tischlerei IV. Töpferei Mareks Itten V. Gold-Silber-Kupferschmiede Itten VI., VII. Wand- und Glasmalerei Muche V I I I . Weberei I X . Kunstdruckerei Feininger Klee X . Buchbinderei 7. Aufnahme von Gesellen Bei der Art unserer Schüler ist nach wie vor die Gefahr dilettantischer Handwerksarbeit vorhanden. E s würde deshalb eine Stärkung f ü r die Arbeitsleistung der Werkstätten bedeuten, wenn wir tüchtige Gesellen in die Werkstätten aufnehmen, die nicht bezahlt werden, sondern nach Art von Fachkursen eine Zeitlang in unseren Werkstätten, etwa zur Vorbereitung auf ihr Meisterstück arbeiten. Diese Gesellen müßten den einmal wöchentlich stattfindenden Formunterricht mitnehmen u n d im übrigen in der Werkstatt arbeiten. Wenn wir auch nur einen kleinen Bruchteil dieser Gesellen als f ü r das Bauhaus geeignet, behalten, würden die Werkstätten an K r a f t und Leistungsfähigkeit gewinnen.

Dok. 38 W a l t e r G r o p i u s an D r . J. Schikowski, „ V o r w ä r t s " , Berlin, 8. Juni 1921 ( S T A W — B vorl. 402) Sehr geehrter Herr Dr. Schikowski! Ich erlaube mir, Ihnen anliegend zwei Zeitungsartikel aus der Feder Leonhard Schrickeis zu übersenden, der trotz seiner kulturfeindlichen, unqualifizierbaren Auffassung von künstlerischen Fragen in Deutschland bekannt ist und die Presse systematisch bearbeitet. Wir haben uns nach der umfangreichen Pressefehde des ersten Jahres im Bauhaus von allen Presseveröffentlichungen ferngehalten, müssen n u n aber wieder einmal aus unserer Reserve heraustreten u n d unsere Freunde bitten, die Sache, die wir hier vertreten, in der Öffentlichkeit in ein richtiges Licht zu rücken. Die sich mehrenden Artikel wie die anliegenden sind nämlich der Auftakt zu einem neuen systematischen Angriff gegen das Bauhaus von Seiten der alten reaktionären Gegner angesichts der vor der Tür stehenden Landtagsverhandlungen (Beginn Ende Juni), wo über die Bewilligung weiterer Mittel f ü r unsere Arbeit entschieden werden soll. Nach dem Landtagsbeschluß des Jahres 1920 sollte neben dem Bauhaus eine zweite „Malschule" nach altem System eingerichtet werden. Trotz unserer sachlichen Einwendungen, daß die Neueinrich-

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tung eines solchen nach rückwärts gerichteten Instituts den heutigen Auffassungen selbst der bundesstaatlichen Regierungen (siehe die Tagung aller Begierungsdezernenten in München und Berlin 1921 und anliegenden Zeitungsausschnitt, die den Grundgedanken des Bauhauses bejahen) geradezu entgegenläuft, verhinderten die Regierung nicht, das „neue" Institut einzurichten und zwar — unter einem Dache mit dem Bauhaus. Die Absicht der Reaktion läuft offenbar darauf hinaus, dieses n e u e Institut wieder als Fortsetzung der ehemaligen großherzoglichen Hochschule hinzustellen und das Bauhaus zu einer Kunstgewergeschule zu stempeln. Das Besitzrecht des Großherzogs an Inventar und Baulichkeit wird in diesem Sinne ausgespielt. Der Gedanke des Bauhauses gründet sich aber unzweifelhaft auf der V e r b i n d u n g einer Akademie u n d einer Kunstgewerbeschule, d. h. Zusammenfassung aller „Künste" unter Führung der Architektur. Darin beruht sein allgemein interessierendes Problem, mit dem es unlösbar verwachsen ist. Juristisch liegt die Sache zwar einwandfrei zugunsten des Bauhauses, da Beschlüsse der seinerzeitigen republikanischen Regierung rechtsgültig sind, aber das verhindert nicht die unaufhörlichen Quertreibereien, die in dem neugegründeten Altenteil, dessen Zusammensetzung sachlich freilich ganz belanglos ist, willkommenen Boden finden. — Wir haben uns gewundert, daß die Kritik — anscheinend wohl nur, weil sie nicht orientiert wurde — widerspruchslos diese monströse Geburt der Reaktion hingenommen hat. Vor allem mußte öffentlich dagegen protestiert werden, daß man zwei so heterogene Anstalten unter e i n e m Dach vereinigt, wo sie fortgesetzten Reibungen und gegenseitigen Arbeitshemmungen unterworfen sind. Es ist darin das beliebte Mittel der Regierung zu erblicken, die Dämonen aufeinander zu hetzen, damit sie sich gegenseitig in Schach halten. Künstlerische Dinge können aber nicht gedeihen, wo man politisch mit ihnen Katz und Maus spielt. Das Bauhaus ist so weit gediehen, daß vorhandene schädliche Kompromisse der Anfangszeit — Personen und Einrichtungen — o h n e Gewalt der stärkeren Luft gewichen waren und nun könnte eine ersprießliche Aufbauarbeit beginnen, wenn man nicht den Gegner in unser eigenes Bett gelegt hätte. Unser Wesen liegt in der Bekämpfung des Dilettantismus und des geistigen Hochstaplertums in der bildenden Kunst durch das Mittel des Handwerks. Jeder künstlerisch begabte junge Mensch soll seinen Fähigkeiten und Kräften entsprechend arbeiten. Er soll Arbeit leisten, die er verantworten kann aus eigener Kraft. Die andere „Schule" läßt dagegen von neuem meist unbegabte Schüler und adlige junge Mädchen Landschaften und Figuren in öl malen zu niemandes Nutz und Frommen. All das würde uns weniger berühren, wenn es sich nicht störend unmittelbar unter unseren Augen abspielte. Ich bitte Sie nun sehr, angesichts der eingangs erwähnten Budgetverhandlungen unsere Sache doch einmal von einem großen Standpunkt aus der Öffentlichkeit wieder näherzubringen und wenn auch möglichst o h n e Polemik auf die Schäden hinzuweisen, die jene unklaren Regierungsverfügungen zur Folge haben müssen. Politische Erörterungen in Verbindung damit könnten der Sache nur Abbruch tun; nur weil ich alles in Bewegung setzte, um dem Bauhaus innen und außen die Parteipolitik fernzuhalten, hielten wir allem gegenerischen Ansturm bis heute glücklich stand. Es wäre für uns gerade im Augenblick bedeutungsvoll, wenn der „Vorwärts" einen entsprechenden Aufsatz aus Ihrer Feder brächte. Ich hoffe, daß Sie unserer Sache weiterhelfen und begrüße Sie herzlich. als ihr ergebener G(ropius)

Dok. 39 A u s B r i e f e n u n d T a g e b ü c h e r n von O s k a r S c h l e m m e r An Otto Meyer-Amden 14. Juni 1921 Ich sah eines; sah es in der Perspektive des Bauhauses besonders deutlich: vieles der heutigen, modernen Kunst strebt nach Anwendung, nach der Architektur. Wir werden infolge unserer wirtschaftlichen Depression auf lange vielleicht nicht bauen können. Es fehlen die großen Aufgaben für die utopischen Phantasien der Modernen ... (Spengler:) Unser Zeitalter stehe im Zeichen des Industrialismus, und er rät den Dichtern, zur Marine zu gehen und den Malern, Ingenieure zu werden. Das wird Gelächter in der Malerwelt hervorgerufen

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haben; mich ließ der Gedanke nicht los in folgendem Betracht: Die Entwicklung seit Picasso war eine zunehmend formalistische. Das Funktionelle, das Dynamische, das Tektonische hießen die Begriffe. Man sah Werke, die so sehr dem Gefüge von Maschinen ähnelten, daß der Unterschied nur war, daß sie keine waren. Wegen der Zweckmäßigkeit der Maschine standen diese Werke, in ihrer romantischen Zwecklosigkeit, wie auf Erlösung wartend. Ich selbst tendiere dahin, u n d es beunruhigt mich das Wohin. Sie nannten einmal Maschinen abstrakte Kompositionen. N u n sind aber Maschinen nicht aus Abstraktion, vielmehr aus reinster Zweckmäßigkeit entstanden. Lernt die K u n s t an ihnen, sich der Romantik zu entkleiden und sachlich zu sein?

Dofc. 40 Briefwechsel zwischen W a l t e r G r o p i u s und H e i n r i c h S e p t e m b e r 1921 ( S T A W - B vorl. 126-128)

Vogeler, Worpswede,

[Heinrich Vogeler an Walter Gropius] Auf ähnlichem P f a d e der Erziehung wie Sie habe ich immer viel Beziehungen zu Ihrer Sache in Weimar gehabt. Ich würde gern in Weimar bei den Jugendgenossen einen Vortrag halten über „die religiöse Bewegung der Revolution" oder über Arbeitsschule. Würden Sie so gut sein, diesen Wunsch den Jugendgenossen in Weimar (Grete Rühle, Alfred Lackheit) usw. zu übermitteln, . . . da mich der Weg im Oktober nach Mitteldeutschland führt. Ich würde Ihr Werk gern kennenlernen, da mir das Programm alles sagt. [Antwort Walter Gropius' an Heinrich Vogeler] 17. September 1921 Lieber verehrter Herr Vogeler! Ich würde mich freuen, Sie kennenzulernen und hier im Bauhaus begrüßen zu können. Allerdings glaube ich, daß wir uns in vielem gegenseitige Bestätigung sein werden u n d daß Sie in manchem unserer Anfänge auch f ü r Sie Interessantes finden werden. Gegen einen Vortrag innerhalb des Bauhauses habe ich nach meinen Weimarer Erfahrungen schwere Bedenken. Regierung und Spießerpublikum können partei-politische Meinung und ideologische Einstellung auf die Geschehnisse nicht unterscheiden. Man würde sofort sagen: „Aha, man sieht es ja, Gropius treibt kommunistische Propaganda!" Es ist klar, daß meine ideologische Einstellung ebenfalls auf Auflösung vieler kranker und morsch gewordener Einrichtung abzielt. Ich habe aber weder Interesse noch Kenntnis in praktischer Parteipolitik, sie ist mir in allen Lagern unsympatisch. Ich habe mich bewußt von aller Parteipolitik ferngehalten, u n d diesem Umstand habe ich es zu verdanken, daß ich das Bauhaus in tausend Gefahren am Leben erhalten konnte. An und f ü r sich würde ich Sie gerne sprechen hören. Ginge es nicht, daß Sie sich mit dem Unternehmer solcher Veranstaltungen, Herrn Wohlbrück (Buchhandlung Thelemann) Weimar, Schillerstraße in Verbindung setzen u n d in einem öffentlichen Vortrag hier sprechen. Das Publikum, was Sie suchen, würde sicher dort hinkommen. I n jedem Falle hoffe ich Sie hier zu begrüßen und bin bis dahin mit bestem Gruß Ihr Gfropius]

Dok. 41 W a l t e r Gropius, protokollarische Niederschrift seines Referates auf der Kunstschulkonferenz a m 17.-19. N o v e m b e r 1921 in W e i m e r ( S T A W - B vorl. 117/118) Ich glaube, die Hauptfrage der künstlerischen Erziehung ist heute die: Soll man die Praxis mit der Theorie vereinigen oder nicht, sollen grundsätzlich die theoretischen Akademien und die handwerklich tätigen Kunstgewerbe- und Gewerbeschulen miteinander vereinigt werden oder nicht. Von dieser Frage läßt sich die äußere Bezeichnung dieser Institute nicht trennen . . . Die große Unklarheit über den Namen ist nur ein Spiegel der Verworrenheit der Anschauungen über die heutigen Kunstanstalten und deren große Verschiedenheit . . . Ich sehe bei den heutigen Kunstschulen eine große Gefahr in der Prätension, die mit dem Worte K u n s t verknüpft ist. Wir haben heute keine allgemeine K u n s t mehr, deshalb reden wir davon. Die schöpferisch Befähigten sollen als Grundlage ein Handwerk lernen, daraus wird ganz von selbst K u n s t entstehen, wenn eben schöpferische Befähigung vorhanden ist. Darüber mögen die kommenden Geschlechter entscheiden . . .

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Die Institute müssen sich daher so einstellen, daß der junge Studierende irgendwie in die Lage gebracht wird, durch seine Arbeit am Institut Erwerb zu finden. Sonst besteht die Gefahr, daß a n diesen Instituten nur noch Kinder reicher Eltern ohne Begabungsauswahl studieren können, und das Studium zur Zeitvertreibsbeschäftigung wie a n vielen Akademien wird. Das Ziel muß aber im Gegenteil darauf gerichtet sein, in diesen Instituten solchen Menschen das Studium zu ermöglichen, die durch besondere Begabung bevorzugt sind, denn auf diese kann es dem Staat eigentlich nur ankommen, auch wenn sie, wie es meistens heute der Fall ist, unbemittelt sind. I m Staatlichen Bauhaus sind zahlreiche praktische Versuche gemacht worden, den Studierenden ein Existenzminimum zu ermöglichen.

Dok. 42 A u s Briefen und Tagebüchern v o n O s k a r S c h l e m m e r An Otto Meyer-Amden 7. Dezember 1921 Gropius . . . ließ I t t e n gewähren, da er selbst zu sehr mit der Organisation u n d Verwaltung beschäftigt war. Heute, meint Gropius ..., müsse I t t e n in seine Schranken gewiesen werden, die Gropius ihm innerhalb des Pädagogischen zieht . . . N u n liegt der Fall so: Gropius ist ein ausgezeichneter Diplomat, ein Geschäftsmann u n d Praktiker; er hat innerhalb des Bauhauses ein ausgedehntes Privatbüro, und die Aufträge sind Villen f ü r Berliner. Berlin und der Geschäftsbetrieb dazu, daraus Aufträge, halb oder kaum begriffen von den Schülern (denen Gropius damit den Einstieg in die Praxis erleichtern will), sind nicht die besten Voraussetzungen f ü r Bauhaus-Arbeiten. I t t e n h a t recht, wenn er hier angreift und den Schülern die Stille der Arbeit sichern will. Gropius aber sagt, daß wir uns nicht abseits des Lebens und der Wirklichkeit stellen dürfen, welche Gefahr bei Ittens Methode besteht, daß z. B. Schülern der Werkstatt Meditation u n d Riten wichtiger sind als die Arbeit . . . Gropius will den lebens- und arbeitstüchtigen Menschen, der in der Reibung mit der Wirklichkeit und in der Praxis reift. Memorandum von Oskar Schlemmer a n den Meisterrat, 9. Dez. 21 Der Konflikt wurde heraufbeschworen durch die Tatsache der Aufträge, die einen Zusammenstoß der Meinungen über Schule und Werkstatt zur Folge hatten. Die Aufträge, wenn sie wachsen werden, können zur Folge haben, daß eine Werkstatt auf größere Zeiträume fern vom Bauhaus sein muß. (Beispiel Wandmalerei). Die Werkstatt steht leer, die Schüler gehen des wertvollen Unterrichts verlustig und den ansässigen Werkstätten ist die Möglichkeit einer Zusammenarbeit genommen. Vielleicht ist eine Lösung möglich mit einer Teilung in Schul- und Versuchswerkstatt einerseits und Produktion- oder Bauwerkstatt anderseits. — I n der Schul- u. Versuchswerkstatt wäre das Handwerk Bildungs- u. Erziehungsmittel mit romantischem Einschlag (das Basteln). Die Produktion- oder Bauwerkstatt leiste rationelle Arbeit möglicherweise bis zum maschinellen Großbetrieb. Dort würde erdacht, was hier mit allen Mitteln der Technik gemacht würde. Von jeher und heute noch vermisse ich am Bauhaus eine stark dominierende Architekturabteilung; die bis jetzt nur im Programm in ihrer Bedeutung umschrieben ist. Sie müßte dem Bauhaus das Gesicht geben. Auch in den Statuten t r i t t sie zu sehr in Hintergrund gegenüber den Werkstätten, die sich in ihrer Formulierung von denen der alten Kunstgewerbeschulen wenig unterscheiden. Ich bedaure dies hinsichtlich der Stosskraft der Bauhausidee weil dadurch Bauschule und Akademie, die wir miteinschließen wollten, wieder a n Daseinsrecht gewinnen. — Ich habe eine sehr hohe Meinung von der Architekturabteilung, weil ich glaube, daß die neue Baukunst aus der Malerei herauswächst; diese stand u n d steht noch im Brennpunkt der modernen Kunst. Sie h a t die Plastik erobert und ist im Begriff sich der Baukunst zu bemächtigen. Der Standpunkt des Architekten ist falsch, der die angewandten Künste und Künstler seinem Bau „schmückend" dienstbar m a c h t ; sie müssen ihn durchdringen. Der Leiter und einzige Architekt des Bauhauses müßte hier sein eigenstes und würdigstes Arbeitsgebiet haben. Das obligatorische Probehalbjahr als Vorunterricht f ü r die Neueingetretenen erscheint mir notwendig. (Vielleicht sind Ausnahmen in Einzelfällen von genügender Vorbildung u. ausgesprochener Klarheit über die zu erwählende Werkstatt zu erwägen.) Fraglich erscheint die Weiterführung des Obligatorismus als Form Kurs, eine Maßnahme die vielleicht berechtigt war bei dem früheren Zustand des Bauhauses, aber einer Revision bedürftig ist, seitdem der Meisterrat vollzählig ist. Das Obligatorische

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dieses Unterrichts mißt diesem eine prinzipielle Bedeutung bei, die die Schüler veranlassen kann, darin ein Werturteil gegenüber den Kursen der anderen Meister zu erblicken. Ich halte es für notwendig, daß das Bauhaus solange es staatl. Institut ist eine Neutralität in religiösen Dingen bewahrt, wenn nicht überhaupt eine Verpflichtung erwächst als staatliches Institut dem herrschenden Staatsgedanken zu dienen.

Dok. 43 Walter Gropius: Erklärung wegen Meinungsverschiedenheiten a m Bauhaus v o m 3. Februar 1922 ( S T A W - B vorl. 187/188) Die Meinungsverschiedenheiten, die die Meister in letzter Zeit über entscheidende Probleme im Bauhaus beschäftigt haben, veranlassen mich als den Urheber des Bauhauses, die ideellen und praktischen Grundfragen zunächst vor mir selbst zu revidieren . . . Wir sind uns alle darüber klar, daß die alte Auffassung von l'art pour l'art überholt ist und daß alle Dinge, mit denen wir uns heute beschäftigen, nicht für sich selbst bestehen können, sondern in unserer sich entwickelnden Weltanschauung verankert liegen. Die Basis, auf der unsere Arbeit aufgebaut ist, kann deshalb nicht breit genug sein, sie ist heute eher zu eng als zu weit. Das bestätigen die Erzählungen über die parallelen russischen Versuche, bei denen auch Musik, Literatur und Wissenschaft als alle aus einer Quelle kommend mit einbezogen wurden. Eine breite Basis erscheint auch deshalb so wichtig, weil ein Einzelkomplex, der für sich allein auf neuen Grundlagen aufbaut, zu leicht der Abschnürung anheimfällt . . . Meister Itten stellte neulich unter uns die Forderung, man müsse sich entscheiden, e n t w e d e r in vollkommenem Gegensatz zur wirtschaftlichen Außenwelt individuelle Einzelarbeit zu leisten, o d e r die Fühlung mit der Industrie zu suchen. Ich glaube, daß in dieser Fragestellung das große „ X " liegt, das der Lösung bedarf. Um es gleich vorauszuschicken: Ich suche die Einheit in der V e r b i n d u n g , nicht in der T r e n n u n g dieser Lebensformen. Wie kommt es, daß wir ebenso wohl ein gut gebautes Automobil, ein Flugzeug, eine moderne Maschine in ihrer Form bejahen können, wie ein von schöpferischer Hand schön geformtes Einzelkunstwerk. Wir sind durchaus nicht so geartet, daß wir entweder das eine oder das andere ablehnen, sondern es handelt sich offenbar um zwei ganz getrennt nebeneinander hergehende Gestaltungsvorgänge, von denen nicht etwa der eine veraltet und der andere modern ist, sondern beide sich weiter entfalten und, wie es scheint, allmählich aufeinander zulaufen . . . Die Industrie bemüht sich seit einiger Zeit, schöpferische Kräfte zurück zu gewinnen, die die Formen ihrer Erzeugnisse entwickeln sollen (Deutscher Werkbund und bessere). Auf der anderen Seite beginnt die Auseinandersetzung der jungen Künstler mit den Erscheinungen der Industrie und der Maschine. Sie gehen auf die Gestaltung, ich möchte sagen der „ z w e c k l o s e n " M a s c h i n e aus; also eine Annäherung jener beiden Gestaltungsvorgänge! . . . Das Bauhaus hat den Anfang gemacht, mit der bisher üblichen akademischen Erziehung zum kleinen Raffael und zur Entwurfsarbeit zu brechen und die aus dem gestaltenden Werkleben des Volkes zu dessen und ihrem Schaden entflohenen schöpferischen Begabungen wieder dahin zurückzuleiten. Es ging bewußt darauf aus, an Stelle des Prinzips der Arbeitsteilung wieder auf eine Einheitsarbeit hinzustreben, die den schöpferischen Gestaltungsvorgang als unteilbares Ganzes auffaßt. Dazu war es notwendig, in Brunnentiefe vollkommen neu aufzubauen, um einige Aussicht zu haben, der jetzigen Generation das richtige Gefühl einer miteinander verwobenen Werk- und Formarbeit wiedergeben zu können. Auch das richtige Handwerk mußte erst wieder geboren werden, um an ihm den Jungen den ganzen Entwicklungs-Ablauf der wesentlichen Gestaltungstätigkeit begreiflich machen zu können. Aber eine Ablehnung der Maschine und der Industrie ist damit keineswegs verknüpft. Ein grundsätzlicher Gegensatz liegt nur in der Arbeitsteilung bei der einen, der Arbeitseinheit bei der anderen Seite, also eine synthetische Auffassung anstelle einer analytischen. Die Maschine an sich ist ebenso wenig an die eine oder die andere Auffassung gebunden wie das Werkzeug des Handwerkers. Stünde dem schöpferisch Begabten eine Fabrik mit allen ihren Maschinen zur Verfügung, so würde er neue Gebilde schaffen können, die andere wären als die im Handwerk entstandenen und deren neue Möglichkeiten unabsehbar sind, wenn die Zeit dafür gekommen ist. Das Bauhaus könnte zu einer Insel der Eigenbrötler werden, wenn es den Kontakt mit der Arbeit 187

der übrigen Welt und ihrer Arbeitsart verlöre. Seine Verantwortung besteht darin, Menschen zu erziehen, die die Welt , in der sie leben, in ihrem Grundcharakter klar erkennen und aus der Verbindung ihre Erkenntnisse mit ihren Phantasien typische, ihre Welt versinnbildlichende Formen zu schaffen vermögen. Also auf die Verbindung der schöpferischen Tätigkeit der einzelnen mit der breiten Werkarbeit der Welt käme es an! Lehnten wir die Umwelt völlig ab, so bliebe als Ausweg nur die romantische Insel. Eine Gefahr für unsere Jugend sehe ich in Anzeichen einer verstiegenen Romantik, die aus einer begreiflichen Reaktion gegen den herrschenden Geisteszustand — Zahl und Macht — und aus dem Fiasko der Staaten erwächst. Manche Bauhäusler huldigen einer mißverstandenen Rousseauschen „Rückkehr zur N a t u r " . . . Es wäre konsequent, wenn einer der diese ganze Welt ab(lehnt), sich ehrlich auf eine Insel zurückzieht ... Bleibt er aber auf dieser Welt, so werden die Formen seiner Werke umsomehr ihren Rhythmus tragen, je stärker er sich mit ihr auseinandersetzt... Die gesamte Architektur und das „Kunstgewerbe" der letzten Generationen . . . ist bis auf verschwindende Ausnahmen eine Lüge. I n allen diesen Erzeugnissen liegt eine falsche krampfhafte Absicht, „Kunst zu machen" . . . Wie die noch breite Kluft zwischen der Tätigkeit, wie wir sie in unseren Werkstätten üben, und dem gegenwärtigen Stand der Industrie und -des Handwerks draußen sich einmal schließen wird, das ist das unbekannte X, das heute niemand von uns eindeutig zu lösen vermag. Der Kontakt mit der Industrie und der Werkarbeit der Welt kann nur allmählich gefunden werden. Es wäre denkbar, daß die Arbeit in den Werkstätten des Bauhauses mehr und mehr zur Schaffung typischer Einzelstücke führen wird ... Schüler, die durch das Bauhaus hindurchgegangen sind, werden mit dem Können, das sie dort erworben haben, in der Lage sein, entscheidenden Einfluß auf bestehende handwerkliche und industrielle Werke zu nehmen, wenn sie nur den Entschluß fassen, in dieser hineinzugehen und aus ihnen heraus zu wirken. Die große Umstellung von analytischer auf synthetische Arbeit vollzieht sich auf allen Gebieten, auch die Industrie wird sich darauf einstellen. Man wird Leute suchen, die eine umfassende Durchbildung erfahren haben, wie wir sie im Bauhaus zu geben versuchen, und diese Menschen werden die wirkliche Maschine von ihrem Zwang e r l ö s e n ! Der freie Künstler, der voraustastend nach der zwecklosen Maschine sucht, orientiert sich bereits nach diesem Zukunftskompaß. Er ist kein Gegner der Maschine, ... er will ihren Dämon bezwingen . . .

Dok. H Walter Gropius: U m l a u f an den Meisterrat, betreffend Professorentitel, 21. April 1922 ( S T A W - B vorl. 187/188) Die in letzter Zeit oft ausgesprochene Besorgnis, das Bauhaus könnte sein ursprüngliches Ziel aus den Augen verlieren und sich wieder zu einer „Kunstschule" umbilden, findet in der Titelfrage einen Brennpunkt. Den reinen Malern unter uns ist vielleicht dieses Problem des Bauhauses nicht von so lebendiger Bedeutung wie mir als Architekten und Begründer des Bauhauses. Dieser Satz meines damaligen Programms ist noch heute für meine Arbeit bestimmend: „Die Schule ist die Dienerin der Werkstatt, sie wird eines Tages in ihr aufgehen, deshalb nicht Lehrer und Schüler am Bauhaus, sondern Meister, Gesellen und Lehrlinge." Ich bin mir nach wie vor darüber klar, daß wir auch die schulmäßige Erziehung brauchen (Vorkurs, Formunterricht), aber sie ist nicht das Endziel, das Endziel ist Bauen, nicht Probieren, aber das Probieren ist die notwendige Vorarbeit, die erst das Bauen in unserem Sinne ermöglicht. Dieser Bauhausgrundgedanke steht im klaren Gegensatz zur „Kunstschule". Nach außen hin findet er seinen sinnfälligen Ausdruck im Namen „Bauhaus" und den Bezeichnungen „Meister, Gesellen und Lehrlinge". Der Professorentitel ist der Stempel des akademischen Lehrers, der zu den Grundgedanken des Bauhauses nicht paßt ... Wir hängen also ein falsches Schild heraus, wenn wir ihn für den „Meister" eintauschen, und aus einem „Meisterrat" wieder ein „Professorenkollegium" machen. Vor uns selbst ist ja der eine wie der andere Titel unwichtig, nicht aber für andere. Die innere Klarheit auch in unseren äußeren Zeichen zum Ausdruck zu bringen, um aller derer willen, die auf uns schauen, scheint mir wertvoller zu sein als die praktischen Vorteile, die ich nicht verkenne. Ich fürchte von der Verwirklichung dieses Plans eine Vergrößerung des Abstandes zwischen uns und den Werkstättenleitern, vor allem aber eine verhängnisvolle Wirkung auf die Schüler, die

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wir zu Gesellen und Meistern, nicht zu Professoren erziehen wollen. Deshalb bitte ich die Meister, mich persönlich von dem Auftrag zu entbinden, bei der Regierung wegen der Verleihung des Professorentitels Schritte zu unternehmen. Dok. 45 Protokoll der Besprechung aller Meister a m 27. Juni 1922 ( S T A W - B vorl. 184) Ferner teilt Gropius mit, daß wegen der Trauerfeierlichkeiten für den ermordeten Minister Dr. Rathenau morgen das Bauhaus geschlossen bleibt . . . Gropius bittet, darauf hinzuwirken, daß sich bei eventuellen politischen Ereignissen die Angehörigen des Bauhauses zurückhalten, wegen der Folgen, die für das Bauhaus (nach den Erfahrungen aus der Zeit des Kapp-Putsches) erwachsen könnten. Dok. 46 Protokoll der Besprechung des Meisterrates a m 18. September 1922 ( S T A W — B vorl. 184) Gropius führt aus, daß durch die in letzter Zeit eingetretene Markentwertung eine Umstellung der Arbeit nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten hin notwendig werde, und zwar müßten s o g l e i c h Änderungen vorgenommen werden, um die Existenzmöglichkeit der Meister, Gesellen und Lehrlinge einigermaßen zu sichern. Aus diesem Grunde sei von ihm in Aussicht genommen, die theoretischen Vorträge in diesem Winter wesentlich zu beschränken, jedoch ist die Entscheidung darüber bis zur Anwesenheit der Formmeister zurückzustellen. Gropius weist darauf hin, daß die von allen Angehörigen des Bauhauses als notwendig empfundene Durchdringung der Werkarbeit mit der Formlehre und die gegenseitige Achtung und Fühlungnahme Bedingung für die hier erstrebte Arbeitsweise sei. Sodann verliest Gropius seinen Plan für die Bauhaus-Ausstellung im kommenden Sommer . . . Das nächste Arbeitsprogramm des Bauhauses wird demnach 1. die Vorbereitung für die Ausstellung und 2. produktive Erwerbsarbeit der Gesellen und Lehrlinge bilden. Es wird darauf werkstattweise durchgesprochen, was für die Ausstellung in Frage kommt und ferner welche Gegenstände für die Verdienstmmöglichkeit geeignet erscheinen . . . T i s c h l e r e i : Außer der Wiederholung schon angefertigter Stücke schlägt Zachmann vor, eine Zimmereinrichtung anzufertigen, die einen gut verkäuflichen Normaltyp darstellt. Mit der serienweisen Herstellung dieses Zimmers könnten andere Tischlereien vom Bauhaus beauftragt werden . . . Lange macht den Vorschlag, eine Art zusammensetzbarer Teppiche zu erfinden, die ermöglichen, zeitlich getrennte Einzelstücke hinzuzukaufen, bis der Käufer schließlich einen großen Teppich besitze. Ferner schlägt Fräulein Börner vor, Kleiderstoffe zu weben. Weiter wird vorgeschlagen, sich mit Tapetenmustern eingehender zu beschäftigen und ein Marionettentheater zu bauen. Gropius weist auf folgendes hin: Die Schwierigkeit der gemeinsamen Arbeit am Bauhaus sei die, aus den bestehenden Zuständen eine klare Verbindung bisher getrennt stehender Arbeitskomplexe zu schaffen; das sei auf der einen Seite das bisherige Werkleben vom Handwerker hin zum Industriellen, auf der anderen Seite der frei schaffende phantasie-schöpferisch begabte Künstler. Eine solche Fusion könne sich nur allmählich vollziehen, es handele sich darum, gemeinsam die praktischen Wege zu finden, die das ermöglichen. Bei der bisherigen Auswahl der mitarbeitenden Schüler sei der Maßstab des Schöpferischen maßgebend gewesen; danach richte sich auch die Art der Werkstatt und ihre Arbeit. Es müsse klar unterschieden werden zwischen dem inneren Zweck der Werkstatt und ihrer wirtschaftlichen Auswirkung; es sei bereits in früheren Besprechungen der Gedanke ausgesprochen worden, sobald sich die Notwendigkeit herausstelle, neben den bisherigen Werkstätten Produktivwerkstätten aufzumachen. Darin sei der Unterschied gegenüber den bisherigen Werkstätten deutlich zum Ausdruck gebracht. Diese seien eben ausgesprochene Versuchs- und Lehrwerkstätten, deren Ziel sein müsse, Normen zu schaffen. Aufgabe anderer Werkstätten und anderer Menschen sei es, diese Normen zu vervielfältigen und wirtschaftlich fruchtbar zu machen. Durch die gegenwärtige wirtschaftliche Lage seien wir in die schwierige Notwendigkeit versetzt, mit den

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gleichen Werkstätten und gleichen Menschen uns bis zu einem gewissen Grade auch mit der produktiven Erzeugung zu beschäftigen. Wir müssen uns aber jeden Augenblick über die Verschiedenartigkeit dieser Gebiete klar sein, damit das eine nicht unter dem anderen leidet. Es seien noch zahlreiche Mißverständnisse auch über die Art der Arbeit, die das Bauhaus verfolgt, in unserer eigenen Mitte. Die Ablehnung der Entwurfsarbeit als solcher habe den tiefen Grund, daß endlich damit ernst gemacht werde, die Brücke zwischen dem Künstler und dem Werkarbeiter zu schlagen. Die bisherige Art und Weise, künstlerische Entwürfe an die Industrie zu geben, die sie ausführe, sei eine halbe Maßnahme, die eine Durchdringung künstlerischer und techischer Arbeit nicht gebracht habe. Der künstlerisch Schaffende müsse eben mit dem Werkvorgang selbst innig vertraut sein, damit die Form und Technik in einem geboren werde. Deshalb sei es erforderlich, daß nunmehr die Versuchswerkstätten mehr als bisher, gleichzeitig im Hinblick auf produktiv verwertbare Normen, den Kontakt mit der Maschine suchen. Denn wenn unsere Werkstätten Normen an die Industrie liefern sollen, so müssen diejenigen, die Normen schaffen, von der maschinellen Herstellung eine genaue Kenntnis haben. Selbstverständlich sei eine Beschränkung der Gebiete zunächst notwendig, damit uns nicht allzu große Vielseitigkeit materiell zu Grunde richte. Bei der Auswahl der in Frage kommenden Gebiete sei von allen Werkstätten zu berücksichtigen, daß der Bau mit allen seinen Teilen im Vordergrund stehe und daß die Werkstätten darüber nachdenken müßten, wie sie vor allem Teile für den Bau schaffen könnten, denn dort sei vor allem die Zusammenarbeit von Werkstatt zu Werkstatt, die wir anstreben, möglich. Dok. 47 Protokoll der Besprechung des Meisterrates a m 3. O k t o b e r 1922 ( S T A W — B vorl. 184) . . . Die Arbeitsweise am Bauhaus gehe heute in zwei Richtungen, die sogar in einem Menschen sich äußern. Das eine sei die romantische Arbeitsweise, des gefühlsmäßigen Arbeitens, und das Resultat seien Gegenstände, die vielleicht besonders kostbar, sicher aber besonders zeitraubend seien und mit den praktischen Anforderungen, die das heutige Leben stellt, nichts zu tun haben. Die andere Arbeitsweise wächst aus dem heutigen Leben, und das Resultat ist eine für die Allgemeinheit gültige Form, ein nützlicher Gegenstand, der Rücksicht auf den Gebraucher in Hinsicht auf die Verwendbarkeit des Gegenstandes nimmt, wie auf die rationellste Herstellungsweise. Als Beispiele die beiden Arbeiten von Breuer: der romantische Stuhl und der polierte Tisch in knappster Form ... Auf die Befürchtung (0.) Schlemmers, daß die Arbeit nach Aufträgen auf Erwerb hin die schöpferischen Kräfte des einzelnen ersticken würde, antwortet Lange, daß er glaubt, daß eine Arbeitsweise ohne die andere unfruchtbar sei und nur die Wechselbeziehungen einer Probierarbeit mit der Anwendung und Ausführung eine Entwicklung mit sich bringe. Er ist der Meinung, daß die Tatsache eines bestimmten Auftrages an einen bestimmten Gesellen oder Lehrling die disziplinierte Arbeit ohne weiteres zur Folge habe. Itten führt aus: Es sei heute wohl zu unterscheiden zwischen zweierlei Arbeitsweisen. Die eine sei die aus der Not unserer Zeit entstandene, die den Verfertiger in den Stand setze, wirtschaftlich existieren zu können und den Zweck, solche [Werke] zu schaffen, die für die Allgemeinheit h e u t e einen Nutzen haben, die den allgemeinen Bedürfnissen zum Leben auf die beste Weise in Ausführung, Nutzbarkeit, Billigkeit und Form dienen. Daß diese Arbeitsweise, den einzelnen mit der Notwendigkeit des Lebens vertraut zu machen, hier bisher versäumt worden sei, ist anscheinend der Grund der Arbeitsunwilligkeit. Die Organisation war bisher falsch. Es ist notwendig, wenn die Menschen in dieser Zeit standhalten wollen, daß sie lebendige Fühlung mit der Zeit gewinnen ... Dok. 48 Protokoll der Besprechung m i t Gesellen und Lehrlingen a m 6. O k t o b e r 1922 ( S T A W - B vorl. 184) Gropius: Längere Ausführung (über die) bisherige Arbeit am Bauhaus und (die) gewünschte Zielrichtung für zukünftige Arbeit. Nicht Herstellung von Luxusgegenständen für Liebhaber. Wirtschaftlicher Katastrophe nicht unvorbereitet entgegengehen. Durch heutige wirtschaftliche Ver-

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hältnisse müssen die Werkstätten versuchen so zu arbeiten, daß der einzelne Verdienstmöglichkeiten hat... Dieckmann: wirft die Frage des Vervielfältigens innerhalb der Werkstatt auf. Gropius: antwortet, daß dafür die Voraussetzung der für solche Arbeit geeigneten Menschen hier nicht vorhanden sei und daß es nicht das Ziel der hier arbeitenden Tischler sei, die Ausführung von guten Arbeiten oftmals zu wiederholen . . . Brendel: Um Verdienstmöglichkeiten zu haben, müßte man Großbetriebe kennenlernen und die Möglichkeit haben, die dortigen Arbeitsgelegenheiten mit Maschinen und sonstigen Bedingungen kennenzulernen. Gropius: Der Weg, den wir zur Beherrschung dieser Dinge gehen, ist ein allmählicher . . . Die Verbindung der schöpferischen (Arbeit) mit der Werkarbeit bahnt sich langsam an . . . Slutzki: Die Wünsche in bezug auf zukünftige Arbeit seien zu früh und alles sei zu viel. Es werde vom einzelnen zu viel verlangt. Gropius: Viele sind hier noch ganz unklar. Das Ziel soll weit sein, nicht knapp. Das Tempo der Arbeit ist etwas anderes. Es wird hier seit zwei Jahren versucht, langsam die Verbindung herzustellen, damit das, was jetzt getrennt ist, zusammenwächst. Trotz der Industrie können die Erzeugnisse, die wir schaffen wollen, daneben bestehen. Slutzki: Es kommt darauf (an), daß die Industrie unsere Handarbeit nachmachen soll, und das ist falsch, denn jedes hat seine eigene Gesetzmäßigkeit. Es kommt darauf an, was gebraucht wird. Hier aber ist es zu früh, schon damit anzufangen. Gropius: Nichts ist zu trennen, das Technische nicht vom Formalen. Muche: Es ist nicht zu früh. Es kann nicht so weitergearbeitet werden, da nur theoretisiert wird. Leben fehlt gerade hier. Die Lebendigkeit ist eingeschlafen. Die Außenwelt wird da nehmen, was wir ihr geben. Jeder soll versuchen zu arbeiten, u n t e r a l l e n U m s t ä n d e n , was er für richtig hält. Kritisieren lähmt und erstickt alles Leben. Wir sollen mit Temperament anfangen, und wenn es eine temperamentvolle Dummheit ist, was dabei herauskommt. Zachmann: Die Schüler haben Angst vor der Vergewaltigung des „inneren Erlebnisses". Lange: Hier herrscht viel zu viel Respekt vor (den von) der Industrie hergestellten Gegenständen. Trotz guter Maschinen ist der Gegenstand oft ganz unökonomisch. Die Ökonomie der Maschine wird hier gerade erfunden, wo das Können mit einer freien schöpferischen Kraft verbunden ist. Breuer: Freut sich über Muches Äußerung, daß gearbeitet werden soll, ohne vor jedem Handgriff zu philosophieren. Kandinsky: Man erhebt hier, scheint's die Maschine zum Götzen. Das Leben schafft die Maschine, wir beherrschen sie, wir ändern sie. Grunow: Das „ F ü r " und „Gegen" „Maschine" kommt von verschiedenen Standpunkten und Stellungen zum „Bauhaus". Die das Bauhaus als einen Begriff ansehen, der nicht in dieser Welt sei, sind gegen die Maschine, die anderen für. Itten: Nach seiner Rückkehr vom Sommeraufenthalt ist er erstaunt über die hier herrschende muffige Luft. E r ist dafür, Einfaches herzustellen und sich darauf einzustellen, findet jedoch diesen Entschluß als zu spät. Das, was bisher geschah, muß also „daneben gelebt" gewesen sein. Der einzige Weg herauszukommen sei, (daß) jeder für sich schöpferische Kräfte freimacht, (und sieht), wo eigene Arbeit einsetzen muß. Hirschfeld, Ludwig: Es hat sich gezeigt, daß keine überschüssigen Kräfte da sind, darum sollte jeder sich selbst fragen, wo seine Grenzen sind. Denn durch eine Arbeitsforderung, die der einzelne nicht leisten kann, entsteht die muffige Luft. Zum Beispiel sollte in der Weberei eine oder die andere einen Stoff viele Male machen, da sie nicht immerzu schöpferisch sein kann. Itten: Jeder Mensch ist schöpferisch, nur die Kraft ist bei jedem verschieden. Bienert: Die jungen Menschen, die (hier) waren, haben stark das Positive . . . empfunden. Wir sollten das Positive auch viel stärker betonen als das Negative. Gropius: In einer Tat einmal das Angesammelte herausstellen. Es ist nicht zu spät! Albers: Nachdem im vorigen J a h r das Wort „Arbeit" verpönt war, ist es sehr erfreulich, daß heute gesagt wird, nur die Arbeit stehe zur Diskussion. Wer das nicht eingesehen habe, könne sich woanders hin scheren, am Bauhaus jedenfalls würde Arbeit Leben sein.

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Winkelmayer: Gropius fragt, was wir arbeiten wollen. loh kann aber nur sagen, was ich arbeiten will. Das Ganze macht unbedingt den Eindruck eines Programms. Wenn ich aber das Gefühl eines Programms habe, ist jede Arbeitskraft vergangen. Schlemmer: Von Lebendigkeit und Freudigkeit war die Rede. Schlemmer glaubt, daß dieses andere, die Unlust, von jedem durchgemacht werden müsse und schein(bar) zum Leben gehöre. Dieses Stadium sei wohl nun überstanden . . . Gropius: Es solle endlich etwas getan werden. Wer nicht mitmachen will, soll es lassen.

Dok. 49 Aufruf an alle Bauhäusler, 13. O k t o b e r 1922 ( S T A W -

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Aufruf! Die für den Sommer 1923 geplante Erste Ausstellung des Bauhauses soll erstmals Arbeit und Ziele des Bauhauses in größerem Umfang der Öffentlichkeit zeigen und ein Appell sein an diese, daß wir gewillt sind, uns nicht resigniert oder selbstherrlich zu verschließen, sondern schaffend, helfend und dienend unseren Platz in der Allgemeinheit einzunehmen. Konzentration aller künftigen Arbeit auf dies eine Ziel ist also Wunsch und Gebot, wenn wir bestehen wollen. Es tritt von heute ab ein Ausnahmezustand in Kraft, der die Arbeit jedes einzelnen und der Werkstätten in Beziehung setzen soll zu Idee und Gestaltung der Ausstellung. Die erwählte Kommission ist ermächtigt, dies mit Einschluß aller Sonderwünsche und -interessen durchzuführen. Muche, Schlemmer, Hartwig Schwerdtfeger, Breuer, Gropius

Dok. SO O s k a r Schlemmer an den Meisterrat, 30. O k t o b e r 1922 ( S T A W - B vorl. 187/188) Das Bauhaus wurde gegründet seiner Zeit mit Hinblick auf den zu errichtenden Dom oder Kirche des Sozialismus und die Werkstätten wurden nach Art der Dombauhütten eingerichtet. Der Gedanke an den Dom ist vorläufig in den Hintergrund getreten [und] damit ganz bestimmte Gedanken künstlerischer Art. Heute ist es so, daß wir bestenfalls an das Haus denken dürfen, vielleicht sogar nur d e n k e n dürfen, jedenfalls an das H a u s e i n f a c h s t e r Art. Vielleicht ist angesichts der wirtschaftlichen Not unsere Aufgabe, Pioniere einer Einfachheit zu sein, das heißt für alles Lebensnotwendige die einfache Form zu finden, die dabei anständig und gediegen ist. Es ist die Frage, ob unsere Arbeit bestimmt sein soll von Gedanken solcher sozialer und ethischer Natur, oder von der Tatsache der Existenz von Werkstätten, die, weil sie nun einmal dsa sind, arbeiten müssen . . . Wir schnitzen am Bauhaus nicht in Holz, nicht, wie Meister Hartwig meint, weil uns nichts einfällt, sondern, weil unser Gewissen es uns verbietet . . .

Dole. 51 Lyonel Feininger an Julia Feininger, 5. O k t o b e r 1922 (Wingler: Bauhaus, S. 68) .. Wir machen eine große, schwere Konzession im Bauhaus, indem wir an die geplante Ausstellung jetzt schon gehen, und im Innersten widerstrebt es uns allen, derartige „Kunstpolitik" zu treiben. Ich mag nicht darüber jetzt schreiben — heute abend ist große Aussprache mit den Schülern, und darauf kommt vieles an, wie die Sache abläuft. Soviel aber steht fest — wenn wir nicht „Taten" nach außen hin zeigen und uns die „Industriellen" nicht zu gewinnen vermögen, dann steht es sehr schlecht mit den ferneren Aussichten auf Bestehen des Bauhauses. Es muß auf Verdienst — auf Betrieb, auf Vervielfältigung! gesteuert werden. Und das ist uns allen entgegen und dem Entwicklungsgang ein schweres Zuvorgreifen. Gelingt es, allen dieses klar zu machen und größeres Versinken zu verhüten — dann wollen wir das Opfer nicht als vergebens betrachten. Nun heißt die Parole , anfeuern"! Auch die Zeit, die zu dieser Ausstellung noch vorhanden ist, ist recht knapp — so sollen 192

auch nachmittags die Werkstätten offen bleiben. Du begreifst, wie die Luft geladen ist. I see a new Gropi — aber gottlob! Kandinsky und Itten und Muche halten sehr gut das pädagogische Gegengewicht . . . Gropi kann sehr ungut sein, um es allerdings sofort wieder zu bereuen und unsicher zu werden; aber es ist ein Flackern und nichts Ständiges. Das Beste will er, vom Standpunkt des guten Handwerks, aber der Mensch muß (hinter) diesem zurückstehen und ist weniger wesentlich in seiner Vorstellung. „Wer nicht jetzt zeigen kann, was mit ihm los ist, mag mit seiner Kunst zum Teufel gehen", sagte er in der Sitzung; dann wäre ich längst als junger Mensch, zum Teufel verwiesen worden. Aber den klaren Blick für Realien hat Gropi, und das haben wir anderen nicht — oder: wir verstehen unter Realien etwas tiefer Liegendes, was Zeit braucht, um zu gedeihen . . .

Dok. 52 Protokoll der Meisterbesprechung a m 14. O k t o b e r 1922 ( S T A W — B vorl. 184) Tagesordnung: 1) Bericht der am 5. 10. 1922 eingesetzten Untersuchungskommission [wegen] der (vom Syndikus Beyer und den Meistern Zachmann und C. Schlemmer) gegen Gropius vorgebrachten Anklagen. 2) Herbeiführen von Entscheidungen über weitere Maßnahmen auf Grund des Untersuchongsergebnisses . . . Muche erklärt . . . zum Fall Dr. Beyer: Ich möchte aber nicht darauf verzichten, Ihnen die allgemeinen Eindrücke der Kommission in dieser Angeigenheit zu schildern, zumal gerade diese im Gesamtbericht von außerordentlicher Bedeutung für das Wohl und Wehe des Bauhauses ist. Die Kommission war erschrocken über die Gesamtauffassung des Dr. Beyer zu seinem Arbeitsgebiet, und die von Dr. Beyer so oft hervorge(brachte) Sachlichkeit bedeutet in dieser Form eine große Gefahr für das Bauhaus selbst, da Dr. Beyer glaubt, das Bauhauswesen verstanden zu haben, aber im Irrtum ist. Er handelt nun in dieser irrigen Auffassung, und es besteht die Gefahr, daß durch solche Handlungen vom Sekretariat aus die Arbeit des gesamten Bauhauses unterbunden werden kann. Das Bauhaus kann nur richtig geleitet werden, wenn in der Zentralstelle ein volles Verständnis für die Sache da ist, und Dr. Beyer hat dieses Verständnis nicht . . . Dr. Beyer äußert sich zu dem Kommissionsbericht über seinen Fall. E r habe seine Stellung übernommen in der Meinung, daß es ein unbedingt selbständiges Arbeitsgebiet sei, da er dank seiner langjährigen Praxis nur selbständige Stellungen bekleiden wolle. Von Gropius wurde ihm die Selbständigkeit seiner Stellung wiederholt versichert. Er habe auch den Eindruck gehabt, daß bei der Art des Bauhauses eine künstlerische und wirtschaftliche Trennung in der Leitung stattfinden könne, und daß beide Köpfe selbständig arbeiten können. Das halte er auf Grund seiner langjährigen Praxis für sehr gut möglich . . . Itten, Schlußwort: Die Entscheidung ist von dem Gesichtspunkt aus getroffen worden, daß hier Dinge vorlagen, die das Wachstum des Bauhauses stören konnten, und man hat aus diesem Grund hart zugefaßt, weil eben kein anderer Ausweg war, um die Störung des Wachstums zu beseitigen, und wenn nun einzelne Menschen das Opfer dieser Umstände geworden sind, so mag dies nur ein Zeichen sein, daß die Betreffenden dazu empfänglich sind, solcher Umstände Opfer zu werden. Die davon Betroffenen, die das Ganze in Fluß gebracht haben, mögen nun ihre Sache weiterführen wie sie es für richtig halten. Das Urteil soll keine absolute Verurteilung sein, es soll niemandem abgesprochen werden, daß er positive Fähigkeiten hätte, es hat jeder Fähigkeiten an sich, die man als durchaus positiv bezeichnen muß. Es soll nur gesagt sein, daß es der Gemeinschaft unmöglich ist, mit den Betreffenden zusammenzuarbeiten . . . Durch die Abstimmung erklären wir, daß wir mit den Betreffenden nicht zusammenarbeiten können, und sie müssen anerkennen, daß sie nun nicht mehr zu unserer Gemeinschaft gehören. Wir sind verpflichtet, alles auszuscheiden, was uns stört. Nun möchten diese sehen, daß sie in eine Gemeinschaft kommen, in die sie besser passen . . . 13

Hüter

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Dok. 53 A u s dem Arbeitsbericht des Syndikus Lange v o m 9. Dezember 1922 ( S T A W — B vorl. 142/143) . . . Die notwendige Bezahlung der in den Werkstätten produktiv arbeitenden Kräfte ist zur Zeit unmöglich. Ebenso für die nach ordentlicher Tarifbezahlung arbeitenden Gesellen ist die Bezahlung in nächster Zeit nicht möglich. Die noch notwendigen Anschaffungen für die Werkstätten: 1. Holzdrehbank 2. Rohstoffe für den Ausbau des Vestibüls 3. Bezahlung der Entwurfsarbeit für den Hausbau (am Horn) ist zur Zeit unmöglich. Alle Anschaffungen, die in nächster Zeit durch die Arbeit der Ausstellungskommission notwendig werden, können nicht bezahlt werden. Die Kosten für die Bauhausmappen, die zur Zeit mit 500000 Mark (RÖ 80 Dollar) geschätzt werden, für die Acontozahlung geleistet werden muß, können nicht bezahlt werden. Eine Beseitigung dieser Schwierigkeiten ist nach zwei Richtungen hin möglich: 1. Durch die in Aussicht stehende, aber immer noch gefährdete Bewilligung des Kredits von der Regierung 2. Wir haben nach der Schätzung vom 1. 11. 1922 für ca. eine Million 160 Dollar) Fertigware der Werkstätten in Vorrat, die für die nächstjährige Ausstellung zurückgehalten werden sollen. Dieses Zurückhalten ist die Ursache, daß uns aus dem laufenden Kredit die Mittel ausgegangen sind. Wenn wir nicht in die Lage kommen, weitere Kreditmittel von der Regierung zu erhalten, so wird uns nichts weiter übrig bleiben (damit wir die unersetzlichen produktiven Kräfte durchhalten können), mit dem Verkauf der produzierten Werte zu beginnen. Bilanz . . . Ich habe festgestellt, daß immer, wenn von der Leitung irgend etwas angeordnet oder angeregt wird, wobei Werkstätten und Zentrale zusammenarbeiten müssen, sofort großer Widerstand eintritt, der nur mit größtem Kraftaufwand und innerer Erschütterung überwunden werden kann, und dieser Widerstand kommt aus einer bestimmten geistigen Atmosphäre des Bauhauses. 1. Als damals von der Zentrale die Parole ausgegeben wurde — Vorbereitung der Ausstellungsarbeiten und Ideen für die Werkstätten — war das Echo: lange philosophische Erwägungen, ob das nötig sei oder nicht, zum Teil Ablehnung der Ausstellung aus allerhand Gründen, die hier schon lange nicht mehr diskutabel sein sollten, heimliche unbegründete Gegenaktion einzelner. Die Folge — Lähmung der Zentrale und keine Spur von Hilfsbereitschaft. 2. Der Hausbau Parole: Jetzt soll es mit allen Kräften losgehen. Die Leitung präsentierte einen Plan, damit sich alles einstellen konnte und die Bitte, höchste Eile, damit es nicht zu spät wird. Die Reaktion darauf war: Ablehnung — Gegenwirkung — neue Ideen r - , die für die Kürze der Zeit noch unausgereift waren, aber keine Entscheidung zur praktischen Tat;, Lange schwierige Ringkämpfe der einzelnen Meinungen, die wiederum das ganze Bauhaus auf das stärkste und gefährlichste erschütterten. Wenn das Bauhaus als Ganzes wirklich die gemeinschaftliche Tat will und sich auf diesen Willen 2 Jahre lang bewußt eingespielt hat und wenn darüber kein Zweifel ist, dann muß die Reaktion auf bestimmte Dispositionen der Leitung eine entschiedenere und diszipliniertere sein. Jede andere Einstellung schafft für den Knotenpunkt, die Führung, unüberwindliche Schwierigkeiten. So lange dies nicht anders wird, kann eine gemeinschaftliche Tat unter den heutigen ungewöhnlioh schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht möglich sein, d. h. daß wir die Ausstellung in dem Rahmen, in dem sie als Existenzrettungsmittel für das Bauhaus unbedingt notwendig ist, nicht verwirklichen werden. Es erscheint mir heute sicher, daß die einzelnen Menschen (Lehrer und Schüler) von der unheimlichen Notwendigkeit dieser Ausstellung für unsere Existenz noch gar nicht überzeugt sind. Der Kampf des Bauhauses in den letzten Monaten und die Einstellung der oberen Behörden bis: zu den Ministerien ist ein sicherer Beweis dafür, daß diese Kreise, von denen unser Sein oder Nichtsein

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abhängt, wohl die Kraft haben, das Bauhaus zu erdrosseln und heute bereit sind, dem Bauhaus jede Hilfe für die nächste Zukunft zu versagen. Aus dem Ausbleiben des seit Jahren erwarteten produktiven Ergebnisses entnehmen sie einen Grund für den Beweis, daß das Bauhaus keine Existenzberechtigung hat (Finanzminister). Es gibt heute keinen anderen Weg mehr, unsere Daseinsnotwendigkeit zu beweisen und unseren Zusammenbruch zu verhüten, als die möglichst beschleunigte stark wirkende Ausstellung ... Diese Ausführungen geschehen von mir aus nicht, um durch Kritik irgendwelchen Schwung oder Begeisterung zu nehmen, sondern ich habe die Pflicht, das zu sagen, was uns hindert, die Dinge auszuführen, die wir alle mit starker Sehnsucht wünschen, — das starke Aufblühen des Bauhauses. Dok. 54 Walter Gropius an Dr. Theodor Neubauer, Landtagsabgeordneter der K o m m u nistischen Partei Deutschlands, 10. November 1922 ( S T A W — B vorl. 307) Sehr geehrter Herr Dr. Neubauer! In Erinnerung unserer, das Bauhaus betreffenden Besprechung im Frühjahr liegt es mit besonders am Herzen, Sie für die kommenden Landtagsverhandlungen in Bauhausfragen orientieren zu dürfen. Es steht zu erwarten, daß wieder von einer gewissen Clique aus die üblichen Vorstöße gegen das Bauhaus unternommen werden, so daß wir auf die Unterstützung der Weiterblickenden im Landtag angewiesen sein werden. Es handelt sich um die Bewilligung des Zusatzetats dieses Jahres und des Kredits von 21/2 Millionen Mark für die im kommenden Jahr geplante Ausstellung. Durch die allen bekannte katastrophale Entwertung der Mark reicht der uns bisher im Sommer bewilligte Kredit nicht aus. Wir haben in der Öffentlichkeit bereits mitgeteilt, daß wir nunmehr unsere bisherige Arbeit in einer umfangreichen, sorgfältig vorbereiteten Ausstellung im Sommer des kommenden Jahres zeigen und dazu die weite Öffentlichkeit einladen werden. Die nötige Unterstützung seitens der Regierung ist vorläufig außerordentlich schwach. Das Finanzministerium stellt sich geradezu kulturfeindlich, so daß wir uns dagegen verwahren mußten, daß kulturelle Dinge grundsätzlich in letzte Linie gestellt werden. Wir sind der festen Überzeugung, daß diese Ausstellung in Art und Zuschnitt wie sie geplant ist unter der Mitarbeit so bedeutender Leute wie wir sie hier haben, eine Angelegenheit von außerordentlicher Bedeutung für das Land Thüringen zu werden verspricht und daß auch das Ausland sich mit ihr beschäftigen wird. Wir kommen aber nur vorwärts, wenn uns wenigstens die allernötigste Hilfe seitens des Landes zuteil wird und wenn die Behörden wenigstens einige Einsicht für die Wichtigkeit einer solchen Angelegenheit aufbringen. Es wäre deshalb unserer Ansicht nach von Bedeutung, wenn im Landtag von geeigneter Stelle auf die Wichtigkeit dieser Ausstellung hingewiesen und die Unterstützung der Ministerien verlangt wird. Man hat immer wieder gefordert, wir sollten ausstellen; nun wir uns endlich dazu entschlossen haben, verhindert man uns durch mangelnde Unterstützung, namentlich auch in räumlicher Beziehung. Vielleicht ist es Ihnen möglich, mir gelegentlich eine Zeit anzugeben, wann ich Sie zur näheren Erläuterung dieser Fragen sprechen könnte. (Die Unterredung fand am 26. Januar 1923 im Bauhaus statt. Sie bestimmte die Stellungnahme der kommunistischen Fraktion im Landtag. S. Dok. 61, S. 202) Ich begrüße Sie als Ihr sehr ergebener G(ropius)

Dok. 55 Syndikus Langeanden Chefredakteur der Zeitung „Das V o l k " , O r g a n der S P D , Jena, 13. November 1922 ( S T A W - B vorl. 191) Sehr geehrter Herr Redakteur, als Leser Ihrer Zeitung und Parteigenosse bitte ich Sie, sich für nachstehende Angelegenheit zu interessieren und mir mitzuteilen, wann es möglich ist, Sie zu einer mündlichen Besprechung über diese Angelegenheit aufzusuchen. 13*

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Ich bin zur Zeit Syndikus und Geschäftsführer des Staatlichen Bauhauses. Diese Anstalt ist nach sehr vernünftigen und viel für den Sozialisten erfreulichen Gesichtspunkten organisiert und wird von Menschen geleitet, die unserer Weltanschauung außerordentlich verwandt sind. Das Bauhaus ist zu dem Zweck gegründet, um die alte falsche Methode, wie sie bei den Kunsthochschulen heute noch geübt wird, Menschen auszubilden, zu beseitigen, weil nach dieser Methode auf der einen Seite der Künstler zu einem unpraktischen Einseiter gemacht wurde, der nur unendliche Quadratmeter Leinewand vollschmiert, und auf der anderen Seite wurden durch Industrie und Innungen Handwerker ausgebildet, kunst- und schönheitsfeindlich, die keine Verbindung mit dem Künstler hatten und deren Produkte auch in den letzten Menschenaltern einen Niedergang bedeuteten. Das Bauhaus will nun durch Zusammenwirkung von Künstlern einerseits und praktischen Handwerkern andererseits die Lehrlinge derartig vielseitig erziehen, daß sie zu künstlerisch und handwerklich gleich wertvollen Produktionsmenschen werden, wie sie unser Altertum hatte. Es soll dann in diesem Gebiete des produktiven wirtschaftlichen Lebens... erreicht werden, daß wir hochwertige Qualitätsarbeiter bekommen, deren Leistungen dazu angetan sein sollen, den Wert unserer gesamten Produktion und damit den Aufstieg unseres Volkes zu erhöhen, bzw. zu beschleunigen. Alle vernünftigen Volkswirtschaftler sind sich darüber klar, daß dies der einzige Weg zur wirtschaftlichen Gesundung unseres Volkes sein kann. Unter diesen Gesichtspunkten hat das Bauhaus . . . zwei Jahre gearbeitet, organisiert und vorbereitet und steht nun im Begriff, durch eine breite Öffentlichkeit wiederholt aufgefordert, im nächsten Jahr eine große Ausstellung zu machen, damit der Kontakt mit der produktiven Industrie und die Beeinflussung des Marktes von uns aus beginnt. Um nun in anderen Kreisen für dieses erfreuliche Beginnen die entsprechende Propaganda machen zu könnnen (es handelt sich um ein staatliches Prodnktiv-Institut, bereits im Sinne der Sozialisierung organisiert) bitte ich um eine entsprechende Rücksprache mit der Redaktion derjenigen Zeitung, in deren Bereich diese Produktivstätte liegt, und ich bitte Sie um die Freundlichkeit, mir mitzuteilen, wann ich gelegentlich hinüberkommen kann. Mit Parteigruß Ihr ergebener Lange

Doli. 56 Syndikus Lange an den Finanzminister Hartmann ( S P D ) , 17. November 1922 ( S T A W - B vorl. 409) Sehr geehrter Herr Finanzminister und Parteigenosse! ... Ich stehe hier an einem Platz, wo sich nach einem genialen, weitsichtigen Plan eine Produktionsstätte entwickeln soll, die für den Staat Thüringen, wenn sie sich ungehindert entwickeln kann wirtschaftlich ungeahnten Gewinn bringen wird ... Um endlich vorwärts zu kommen, müßte natürlich eine erhöhte Tätigkeit an zentraler Stelle einsetzen, um auf allen Einzelgebieten 1. Beschaffung von Betriebsmitteln 2. Beschaffung von Rohstoffen 3. Vollendung der inneren Organisation 4. Richtiger Einsatz der Produktivkräfte 5. Kluge Propaganda 6. Werbung von Aufträgen zum Anspielen der großen Maschine — das Klügste, was möglich [wäre], mit großem Nachdruck [zu] machen . . . Das Finanzministerium muß uns mit Rücksicht auf die gesamte wirtschaftliche Lage und die bereits erworbenen Rohstoffe unseren Kredit erhöhen, sonst sind wir in einigen Monaten erledigt... Nach meinem Gefühl und den bisherigen Erfahrungen an meiner Stelle habe ich nicht den Eindruck, daß das Staatsministerium vollkommenes Verständnis für die Schaffensziele hat, die Herr Gropius hier im Bauhaus erstrebt. Hier sind zum ersten Mal seit 3 Jahren Menschen ... zu produktiven Persönlichkeiten ausgebildet worden, von denen aus eine Gewähr . . . besteht, daß sie einzig und allein geeignet sind, auf unserem Gebiet die Qualitätsware herzustellen, nach der die ganze Welt schreit, und die, wenn es gelingt, sie in Deutschland herzustellen, uns wirtschaftlich retten kann. Jetzt hat

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man von hier aus das Signal gegeben. Wir sind so weit. Eine Gruppe von unseren Zöglingen kann etwas. Gebt uns Geld, damit wir produzieren können und an die bestimmte Öffentlichkeit treten können ... Das meiste, was der Staat tun sollte, ist ungetan und erscheint heute nicht einmal wahrscheinlich. Mit dem Bauhaus spielt sich hier in Thüringen ein Vorgang sehr ideeller, natürlicher Sozialisierang ab. Ich habe in Preußen schon oft den Kopf geschüttelt, wie unmöglich sich Regierungsstellen gegen die Sozialisierungsbestrebungen unserer Bauhütten gestellt haben. Ich habe hier in Thüringen schon wieder denselben Eindruck in Beziehung auf unsere Bestrebungen. Und weil ich mir jeden Tag sage, das ist ja bei einer sozialistischen Regierung einfach unmöglich, hier muß ein großer Irrtum vorliegen, deshalb war es mir eiserne Notwendigkeit, an Sie zu schreiben ...

Dok. 57 Walter Gropius an Westrum (Bauunternehmer), Hannover, 27. November 1922 ( S T A W - B) ... Der heutige Hausbau krankt daran, daß von Seiten der Architekten die zahllosen Erfindungen und Neuerungen der Industrie für den Hausbau noch nicht in einheitlicher Weise zusammengefaßt wurden. Man hat zwar allenthalben versucht, den Hausbau zu typisieren, diese Typisierung ist aber nicht in der Weise durchgeführt worden, daß vielfach verschiedenartige Bedürfnisse durchgeführt werden können, trotz der Typisierung. Noch immer wird beim Hausbau so verfahren, daß bei der Aufschließung irgendeines Grundrisses der Architekt beauftragt wird, schleunigst Pläne herzustellen, die erst für diesen bestimmten Zweck baureif durchgearbeitet werden müssen. Dagegen muß beim Hausbau der Typus des Hauses in seinen Teilen und im Ganzen durch systematische Vorarbeit so festgelegt werden, daß man jederzeit auf das Vorhandene zurückgreifen und es variabel benutzen kann. Das heißt, es muß ähnlich verfahren werden wie in der Industrie beim Herstellen von Modellstücken, die nach ihrer Fertigstellung in großen Mengen vervielfältigt werden: beste Ökonomie, beste T e c h n i k , beste Form. Ein ähnlicher Arbeitsweg müßte auch für den Hausbau angewendet werden. Bei der Vielfältigkeit dieser Gebiete des Hausbaus ist die zusammenfassende Regie naturgemäß eine komplizierte, aber grundsätzlich dieselbe wie bei den Vorgängen in der Industrie. Das Ziel dieser Regiearbeit muß sein, die Typisierung beim Hausbau weniger auf das ganze Haus als Einheit als vielmehr auf die T e i l e , aus denen sich das Haus zusammensetzt, zu erstrecken, (aus denen man) das Haus wie eine Maschine aus einzelnen Stücken zusammenmontieren kann. Das Ziel ist weit nach vorn gesteckt. Seine Verwirklichung ist nur ganz allmählich etappenweise zu erreichen ...

Dok. 58 Briefe an die „Dollarkönige" Henry Ford, John Rockefeller, Charley Willy Hearst, Paul Warburg, 25. Januar 1923 ( S T A W - B vorl. 311)

Fugl,

Sehr geehrter Herr! ... Trotz der Notlage, in der sich Deutschland befindet und die niederdrückend auf seine Bevölkerung wirkt, sind hier Kräfte am Werke, welche in weitschauender Weise Ziele verfolgen, die über den Kreis der täglichen Bedürfnisse hinaus gehen. So hat es sich das Staatliche Bauhaus in Weimar, daa vor drei Jahren gegründet wurde, zur Aufgabe gemacht, einen neuen Typ des schöpferischen Menschen heranzubilden. Es will den schaffenden Künstler dadurch, daß es ihm handwerkliches und technisches Können vermittelt, aus seiner bisherigen Isoliertheit und Weltfremdheit herausziehen und ihn in das kräftig pulsierende Leben der Arbeit, der Technik, der Industrie einführen, so daß er nicht mehr ein Einsamer, ein Fremder unter den anderen ist, sondern wieder ein tätiges, nützliches und notwendiges Mitglied der menschlichen Gesellschaft wird. Durch diese Einführung des Künstlers in die Technik aber wird diese zugleich aufs stärkste und (in) einer ihr ganz unerwarteten Weise angeregt und befruchtet, denn dadurch, daß der Künstler in

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allen technischen Fragen als Wissender, Eingeweihter und Kenner sein Wort in die Waagschale werfen kann, wird es dahin kommen, daß es bald keine häßlichen Maschinen, Apparate, Konstruktionen, Bauten usw. gibt, denn in all diesen Dingen wird dann nicht allein mehr die praktische Seite, sondern auch die Frage der Schönheit, der guten Form berücksichtigt werden. Der Künstler aber wird durch seine enge und tätige Beziehung zum Leben des Tages und allen wichtigen Neuerungen und Erfindungen in seinen persönlichen Werken eine viel größere Intensität des Ausdrucks erlangen als dies bisher der Fall ist. Er wird sich von überflüssigen sentimentalen Träumereien abwenden und Werke der lebendigen Gegenwart schaffen. Das Staatliche Bauhaus wird nun im Sommer 1923 in einer ersten umfassenden Ausstellung der Welt zeigen, wie weit es sein Ziel: die Vereinigung des Künstlers mit dem Techniker und Kaufmann in praktischer Werkarbeit erreicht hat. Neben den Einzelerzeugnissen der verschiedenen Werkstätten des Bauhauses und einer Gemäldeaussstellung soll vor allem in einem mustergültigen Wohnhaus dieses Ziel gezeigt werden, in dem hier der Künstler die beste Form, der Ingenieur die beste Technik, der Kaufmann die beste Ökonomie in gemeinsamer verständnisvoller Arbeitsverbindung zu einem schönen einheitlichen Ganzen verbunden hat. Wir versprechen uns von der Ausstellung und besonders von der Ausführung dieses Musterhauses eine außerordentlich große Wirkung auf das ganze Bauwesen und die Künstlerschaft der ganzen Welt. Künstlern und Technikern werden neue fruchtbare Bahnen der Zusammenarbeit und des Fortschritts gewiesen, und dies wieder wird nicht ohne Wirkung auf die gesamte Kulturarbeit der Menschheit bleiben . . . Dem Staat aber, dem es als ersten zukäme, sich der Ausführung und Herstellung dieses Hauses anzunehmen, fehlt das notwendige Geld. Deutschland kann in seiner augenblicklichen wirtschaftlichen Not keine Mittel für Zwecke aufbringen, deren Bedeutung und Rentabilität sich erst in der Zukunft deutlich erweisen wird. Wir brauchen zum Bau dieses Hauses 30 Millionen Mark (3000 Dollar), und wir wenden uns daher an Sie . . . und bitten Sie, wenn wir Ihr Interesse für die Wichtigkeit unseres Unternehmens haben wecken können, uns in der Erreichung unseres Zieles zu unterstützen und uns einen Betrag zu überweisen, der Ihnen für den bedeutenden Zweck angemessen erscheint. Wir senden Ihnen unsere Grüße die Lehrer und Studenten des Staatlichen Bauhauses (Unterschrift sämtlicher Bauhausangehörigen)

Dok. 59 Protokoll der Meisterratssitzung a m 5. Februar 1923 ( S T A W — B vorl. 184) . . . Gropius berichtet von seiner Verhandlung mit dem Obmann der Handwerkskammer Linkman. Die Handwerksinnung habe auf Grund der Mitteilungen von einem oder mehreren der drei: Dr. Beyer, Schlemmer, Zachmann, den Kampf gegen das Bauhaus begonnen, jedoch nach Bücksprache mit Gropius die in Aussicht genommenen Protestversammlung wieder rückgängig gemacht . . . Geldlage des Bauhauses und Ausstellungsvorbereitungen Gropius berichtet von dem schwierigen Stand, den das Bauhaus augenblicklich dem Finanzminister gegenüber habe, dem die Einstellung zum Bauhaus mangele. Das Ergebnis einer Besprechung bei dem Herrn Finanzminister in Gegenwart seiner, sowie Bauhaus-Dezernenten, habe die Bewilligung der zehn Millionen ( = 1000 Dollar) für die Ausstellung gebracht, . . . [doch] unter solchen Bedingungen, die Gropius veranlassen mußten, sich beim Volksbildungsminister zu beschweren. Die Vorbereitungen für die Ausstellung müssen nun sofort in die Wege geleitet werden, und Gropius möchte auf jede Weise darum besorgt sein zu verhindern, daß nicht nachträglich noch Hindernisse in den Weg gelegt werden, die das Ganze wieder in Frage stellen können. Die Bekanntgabe an die Öffentlichkeit ist sofort einzuleiten. Ein öffentlicher Vortrag von Gropius ist bereits für Mitte Februar in Weimar vorbereitet, zu dem die Herren des Ministeriums eingeladen werden. Eventuell im Landtag auftretende Schwierigkeiten hoffe er durch seine Bestellung als Regierungsvertreter in den

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Landtag selbst zu beseitigen. Gropius berichtet von dem Plan, mit der neugegründeten Staatsbank in Verbindung zu treten, Unterredung mit dem Direktor der Staatsbank Loeb habe bereits stattgefunden. Gropius hofft, auf diese Weise die nötigen Kredite bis zur Ausstellung zu erhalten . . . Freie Meisterstellen Gropius macht darauf aufmerksam, daß nach Abgang Ittens vom Bauhaus zu Ostern dieses Jahres zwei Meisterstellen am Bauhaus unbesetzt seien und macht den Vorschlag, hierfür keinen Maler zu berufen. Er schlägt vor, um die Grundlagen zu erweitern und die jetzt schon fühlbaren Lücke auszufüllen, wissenschaftliche Lehrfächer einzuführen, und zwar zunächst Physik und Mathematik, sowie Chemie. Diese Fächer können eventuell vorübergehend gelehrt werden, so daß sich verschiedene wissenschaftliche Gebiete semesterweise ablösen können. Es wird von den Meistern hierzu angeregt, mit der Jenaer Universität Fühlung zu nehmen, um von dortigen Dozenten über diese Gebiete Vorträge im Bauhaus gehalten zu bekommen. Da jedoch auch auf diesen Gebieten eine Z u s a m m e n a r b e i t erwünscht ist und weniger ein Lehren in Form von Vorträgen, wird dem Plan, wie Gropius ihn vortrug, beigestimmt... Zukünftige Handhabung des Vorkurses Gropius bedauert, daß Itten nicht anwesend ist und zu diesem Punkt Stellung nehmen kann. Gropius ist der Ansicht, daß die Teilnehmer am Vorkurs mehr beschäftigt werden müssen und daß z. B. Werkzeichnen, Mathematik und Physikunterricht in dieser Zeit erteilt werden könne . . .

Dok. 60 O s k a r S c h l e m m e r : Manifest zur Bauhausausstellung 1923, Februar 1923 (STAW - B vorl. 417) Das Staatliche Bauhaus, gegründet nach der Katastrophe des Kriegs, im Chaos der Revolution und zur Zeit der Hochblüte einer gefühlsgeladenen explosiven Kunst, wird zunächst zum Sammelpunkt derer, die zukunftsgläubig-himmelstürmend die Kathedrale des Sozialismus bauen wollen. Die Triumphe von Industrie und Technik vor dem Krieg und deren Orgie im Zeichen der Vernichtung währenddessen, riefen jene leidenschaftliche Romantik wach, die flammender Protest war gegen Materialismus und Mechanisierung von Kunst und Leben. Die Not der Zeit war auch die Not der Geister. Ein Kult des Unbewußten, Undeutbaren, ein Hang zu Mystik und Sektiererei entsprang dem Suchen nach den letzten Dingen, die in einer Welt voll Zweifel und Zerrissenheit um ihren Sinn gebracht zu werden drohten. Der Durchbruch der Bezirke klassischer Ästhetik verstärkte die Grenzenlosigkeit des Fühlens, die in der Entdeckung des Ostens und der Künste der Neger, Bauern, Kinder und Irren Nahrung oder Bestätigung fand. Der Ursprung künstlerischen Schaffens wurde ebenso gesucht wie seine Grenzen kühn erweitert. Eine Inbrunst der Ausdrucksmittel entstand wie auf den Bildern der Altäre. Doch Bilder und immer wieder Bilder sind es, in die sich die entscheidungsvollen Werte flüchten. Als Höchstleistungen individueller Ubersteigerung, fessellos und unerlöst zugleich, mußten sie der proklamierten Synthese, außer der Einheit des Bildes selbst, alles schuldig bleiben. — Das biedere Handwerk tummelt sich in exotischer Lust am Stoffe und die Baukunst türmt Utopie auf Papier. Die Umkehrung der Werte, Wechsel von Standpunkt, Name und Begriff ergibt das Gegenbild, den näöhsten Glauben. Dada, Hofnarr in diesem Reiche, spielt Ball mit Paradoxen und macht die Atmosphäre frei und leicht. Amerikanismus auf Europa übertragen, die neue in die alte Welt gekeilt, Tod der Vergangenheit, dem Mondschein und der Seele, so schreitet mit Eroberergeste die Gegenwart einher. Vernunft und Wissenschaft „des Menschen allerhöchste K r a f t " sind die Regenten und der Ingenieur ist der gelassene Vollstrecker der unbegrenzten Möglichkeiten. Mathematik, Konstruktion und Mechanismus sind die Elemente und Macht und Geld die Diktatoren der modernen Phänomene aus Eisen, Beton, Glas, Elektrizität. Geschwindigkeit des Starren, Entmaterialisierung der Materie, Organisation des Unorganischen erzeugen Wunder der Abstraktion. Gegründet auf Naturgesetze sind sie das Werk des Geistes zur Bezwingung der Natur, gegründet auf die Macht des Kapitals ein Werk des Menschen gegen Menschen. Tempo und Hochspannung des Merkantilen machen Zweck und Nützen zum Maßstab aller Wirkung und die Berechnung ergreift die transzendente Welt: die Kunst ein-Logarithmus. Sie, ihres Namens längst beraubt, lebt ein Leben nach dem Tode, im Monument des Würfels und im Farbquadrat. Religion ist der präzise Denkprozeß und Gott ist tot. Der Mensch,

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der Selbstbewußte und Vollkommene, von jeder Puppe an Exaktheit übertroffen, harrt auf die Resultate der Retorten, bis sich die Formel auch für „Geist" gefunden . . . Goethe: „Wenn die Hoffnungen sich verwirklichen, daß die Menschen sich mit allen ihren Kräften, mit Herz und Geist, mit Verstand und Liebe sich vereinigen und voneinander Kenntnis nehmen, so wird sich ereignen, woran jetzt noch kein Mensch denken kann — Allah braucht nicht mehr zu schaffen, wir erschaffen seine Welt." Es ist die Synthese, die Zusammenfassung, Steigerung und Verdichtung alles Positiven zur starken Mitte. Die Idee der Mitte, fern von Halbheit und Schwäche, verstanden als Waage und Gleichgewicht wird zur Idee der deutschen Kunst. Deutschland, Land der Mitte, und Weimar, Herz in diesem, ist nicht zum ersten Mal Walstatt geistiger Entscheidung. Es geht um die Erkenntnis dessen, was uns gemäß ist, um uns nicht ziellos zu verlieren. Im Ausgleich der polaren Gegensätze; fernste Vergangenheit wie fernste Zukunft liebend; Reaktion wie Anarchismus abgewandt; vom Selbstzweck, Einzel-Ich im Anmarsch auf das Typische, vom Problematischen zum Gültigen und Festen — so werden wir zu Trägern der Verantwortung und zum Gewissen der Welt. Ein Idealismus der Aktivität, der Kunst und Wissenschaft und Technik umfaßt, durchdringt und einigt und der in Forschung — Lehre — Arbeit wirkt, wird den Kunst-Bau des Menschen aufführen, der zu dem Weltgebäude nur ein Gleichnis ist. Wir können heute nicht mehr tun, als den Plan des Ganzen zu bedenken, Grund zu legen und Bausteine zu bereiten. Aber W i r s i n d ! W i r wollen! U n d wir s c h a f f e n !

Dok. 61 Landtag von Thüringen, 1923, stenographischer Bericht. Beantwortung d e r Interpellation d e r Deutschnationalen, Organisation und Betriebsführung des Bauhauses betreffend Beantwortung der Interpellation der Deutschnationalen (Dr. Herfurth, Burchardt und Genossen), Organisation und Betriebsführung des Bauhauses betreffend. Antwort des Volksbildungsministers Greil (SPD) : . . . In Satz 3 der Interpellation führen die Interpellanten aus: Welche Maßnahmen gedenkt die Regierung zu treffen, um die Durchführung des Bauhausprogramms von Walter Gropius im Staatlichen Bauhaus der Finanzlage des Landes anzupassen? . . . Die Regierung hält zwei Maßnahmen für notwendig: 1. das größte Sparsamkeit beobachtet wird, besonders hinsichtlich des Lehrbetriebes und 2. daß ein rationeller Ausbau des Produktivbetriebes stattfinden muß. Zunächst den ersten P u n k t : größte Sparsamkeit im Lehrbetrieb. Die Regierung bejaht zwar den Grundgedanken des Bauhauses, der Ausführung des Bauhausgedankens steht aber auch die Regierung, wie das selbstverständlich ist, kritisch und abwartend gegenüber ... Das wichtigste aber wird sein, wenn wir den Staat finanziell entlasten wollen, daß wir den Produktivbetrieb des Bauhauses ausgestalten . . . Erforderlich ist aber, wenn man den Bauhausbetrieb zu einem Produktivbetrieb ausgestalten will, daß die Verwaltung nach kaufmännischen Gesichtspunkten erfolgt, daß dem Bauhaus auch eine gewisse Bewegungsfreiheit gelassen wird, daß das Bauhaus nicht in bürokratische Fesseln gelegt wird, sonst ist natürlich eine Entwicklung des Produktivbetriebs nicht möglich. Notwendig ist dann auch, daß dem Bauhaus die notwendigen Kredite zur Verfügung gestellt werden zur Beschaffung von Rohstoffen und Maschinen; notwendig ist auch, daß man dem Bauhaus Gelegenheit gibt, in einer Ausstellung zu zeigen, was es tatsächlich leisten kann. Notwendig ist ferner, daß das Bauhaus so bald wie möglich die Verbindung mit der Industrie aufnimmt; in einzelnen Wirtschaftsbetrieben, in einzelnen Handwerksbetrieben ist das auch tatsächlich bereits gelungen. Das Bauhaus wird sich künftig darauf einstellen müssen, daß es Normen schafft, die dann von der Industrie weiter verarbeitet werden . . . Noch einige grundsätzliche Ausführungen. Der Bauhausgedanke ist zweifellos g u t . . . Die Verbindung von Kunst und Handwerk ist ein erstrebenswertes Ziel, und die weitgehende Verwirklichung des Bauhausgedankens würde für unser kulturelles und wirtschaftliches Leben mancherlei Vorteile bringen, im kulturellen Sinne, indem die Durchführung des Bauhausgedankens eine Hebung der künstlerischen Volkskultur herbeiführen, im wirtschaftlichen Sinne, weil eine Förderung der Qualitätsarbeit in

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Handwerk und Industrie zugleich eine Förderung des gesamten wirtschaftlichen Lebens zur Folge haben, und schließlich auch im sozialen Sinne, indem durch die Verwirklichung des Sauhausgedankens die Existenz der Künstler in größerem Maße als bisher sichergestellt werden würde. Bei Durchführung des Bauhausgedankens handelt es sich nur um ein Teilgebiet der großen Schulreform, wie wir sie in Thüringen durchführen, Schulreform im Sinne des Arbeitsschulgedankens, im Sinne der Umwandlung unserer Schulen in der Richtung der Produktionsschule, in der Richtung, daß künftig zwischen Unterricht und produktiver Tätigkeit eine enge Verbindung hergestellt wird. Der Bauhausgedanke ist die Übertragung des Gedankens der Produktionsschule auf das Gebiet des Kunstschulunterrichts. Insofern bedeutet das Staatliche Bauhaus ein Stück fortschrittlicher Kulturpolitik. Ich gebe zu, es ist ein Stück radikale Schulreform, vielleicht die radikalste Kunstschule, die wir in Deutschland haben. Ich gebe zu, daß die Künstler zum Teil auf einem extrem expressionistischen Standpunkt stehen. Es ist selbstverständlich . . . daß diese Kunstrichtung mit dem Bauhausgedanken nichts zu t u n hat. Der Staat muß weitherzig sein und kann in Kunstfragen nicht Richter sein. Ebenso, wie er sich in den wissenschaftlichen Lehrbetrieb der Universität nicht einmischen kann, kann er sich auch nicht in den Streit um die Kunstrichtungen einlassen. Vor der Öffentlichkeit muß festgestellt werden, daß dem Bauhaus eine Reihe von künstlerischen Persönlichkeit zur Verfügung stehen, um die uns die Welt beneidet, daß in dem Bauhaus Künstler vereinigt sind, die Weltruf besitzen, und daß es wenige Stellen gibt, wo in engem Räume so viele Künstlerpersönlichkeiten vereinigt sind, wie beim Bauhause . . . Bei dem Bauhause handelt es sich zunächst nur um einen Versuch. Niemand von uns kann die unbedingte Bürgschaft dafür übernehmen, daß der Versuch gelingt. Aber wer den Fortschritt will, muß auch den Mut haben, einen Versuch zu machen. Jeder neue Gedanke muß irgendwo und irgendwann zum ersten Male verwirklicht werden. Jedem neuen Gedanken muß man Zeit zur Entwicklung geben . . . Nachdem der Versuch seit drei Jahren im Gange ist, wäre es die größte Torheit, in dem Augenblick, wo das Bauhaus zeigen kann, was es zu leisten imstande ist, die Entwicklung abzubrechen und den unvollendeten Versuch liegen zu lassen. Das wäre ungeschickt und töricht. Man muß zunächst dem Bauhaus Gelegenheit geben, voll und ganz in einer Ausstellung zu zeigen, was es leisten kann. Ich bin mir bewußt, daß wir bei der Finanznot außerordentlich vorsichtig sein und Sparsamkeit üben müssen . . . und hie und da zu einem Abbau mancher Staatsanstalten kommen müssen. Aber wenn ein Abbau nötig ist, werden wir nicht gerade bei den Anstalten anfangen, die durchaus fortschrittlich gerichtet sind. Wir werden nicht gerade bei den Anstalten anfangen, die dem kulturellen Fortschritt dienen, und nicht bei den Anstalten, die erhoffen lassen, daß sie sich nach und nach zu einem produktiven Betrieb ausgestalten werden . . . Direktor Gropius: . . . Ich möchte betonen, daß von derselben Seite, die mit allen Mitteln gegen das Bauhaus und gegen meine Person gehetzt hat, mit Hilfe der Handwerkerinnungen in Weimar und mit Hilfe der Landtagsfraktionen versucht werden sollte, das Bauhaus systematisch zu vernichten. Die ausgewiesenen Personen (Dr. Beyer, C. Schlemmer, Zachmann) versuchten ihre Hetzarbeit zuerst bei der Partei der Kommunisten; dort haben sie nichts erreicht, daraufhin gingen sie zu Herrn Dr. Herfurth und sind dort empfangen worden . . . Zwischen den Zeilen der Interpellation kann man den Wunsch lesen, dem Bauhaus, an dem doch etwas Starkes sein muß und dem das Ergebnis der Ausstellung doch Vorteile bringen könnte, vorher den Dampf abzudrehen. Das Bauhaus muß daran denken, reale Dinge zu zeigen, und wir haben die Absicht, diesen Sommer zum ersten Male an die große Öffentlichkeit zu gehen . . . Unsere lebendige Beziehung zur heutigen Kunst geht aus der ungeheueren Anteilnahme der gesamten Außenwelt an unserer Arbeit hervor. Was nun von mir in jenem Vortrage in der „Erholung" ausgesprochen worden ist, wurde hier ganz mißverständlich durch Herausgreifen einzelner Sätze wiedergegeben, aus denen hervorgehen sollte, ich hätte mich speziell gegen das Thüringer Handwerk gewendet. Das ist nicht richtig. Ich habe in breitem Zuge über das Handwerk an sich gesprochen und zum Ausdruck gebracht, daß die Entwicklungslinie heute so zu gehen (scheint), daß ein Ab-

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bau des alten Handwerks zu merken ist, und zwar so, daß vielfach aus dem Handwerker ein Verkäufer geworden ist, ein Kaufmann, aus seiner Werkstatt ein Laden, daß sich die Art der Handwerkstätigkeit gewandelt hat und in der kommenden Zeit sich noch mehr wandeln wird, in dem Sinne, daß das Handwerk mehr und mehr die spekulative Versuchs- und Normarbeit für die Industrie leisten wird, daß eine innige Verbindung zwischen Handwerk und Industrie der Zukunft eintreten wird ... Weiter hat Herr Abgeordneter Herfurth gesagt, er ginge bei allen diesen Anfragen vor allem vom Standpunkt der finanziellen Vorteile des Staates aus. Diese Einstellung halte ich für grundfalsch und möchte bemerken, daß bei einem so großen Versuch, wie er hier unternommen wird, sicher nicht der rein finanzielle Standpunkt in den Vordergrund gestellt werden darf. Der Staat darf nicht womöglich von einem solchen Institut schon im voraus Wucherzinsen nehmen, sondern hier steht die kulturelle Frage im Vordergrund, und wenn es dann außerdem noch möglich ist, das Unternehmen auch auf eine praktische Grundlage zu stellen — und das haben wir in bezug auf die beginnende Produktionsarbeit im Bauhaus bereits in Angriff genommen —, so wird ein gesunder, richtiger Ausgleich entstehen . . . Wir haben das Institut darauf eingestellt, daß es praktisch arbeiten soll. Wie soll daB Bauhaus aber an die Praxis kommen? Der Staat hat mir leider noch keine Aufträge gebracht, ich habe sie mit meiner Initiative hereinbringen müssen durch mein eigenes Geschäft. Dadurch, daß ich Bauten auszuführen habe, ist es möglich gewesen, die Werkstätten mit Aufträgen zu versorgen . . . Wir haben einen Plan auf weite Sicht aufgestellt, indem wir uns gesagt haben: Unsere Leute können nur existieren, wenn man das Bauhaus auf eine breite Basis stellt und den dort arbeitenden Menschen Existenzmöglichkeit gibt. Aus der Erkenntnis heraus, daß heute die jungen Menschen nicht aus eigener Tasche studieren können oder höchstens einzelne reiche Söhne, war ich darum besorgt, den Schülern Existenz und Verdienstmöglichkeit zu geben. Das ist eine schwierige Sache, die von langer Hand vorbereitet werden mußte. Wir haben zunächst eine Kantine gegründet, die aus Privatstiftungen ermöglicht worden ist, so daß unsere Leute sich billig beköstigen können. Zur Zeit hilft uns dabei die Europäische Studentenhilfe, aus Interesse an unserer Sache, so daß wir die Küche gut versorgen können. Wir haben ferner darauf hingearbeitet, daß der einzelne in den Werkstätten verdienen kann,' daß er für seine Leistungen bis zu einem gewissen Grade bezahlt wird, anstatt daß er noch Schulgeld zahlen muß. Das hat schon gute Resultate gezeitigt. Demselben Gedanken nun entsprang die Idee der Siedlung. Wir hatten den Staat zunächst gebeten, uns ein Grundstück zu verpachten. Das bekamen wir und bebauten es aus privaten Mitteln, zu denen die Meister des Staatlichen Bauhauses und andere aus eigener Tasche hergegeben haben. Wir haben Gartengebäude errichtet, Gemüse- und Obstpflanzungen gemacht, für die der Staat keinen Groschen gegeben hat, ganz aus eigener Kraft, weil wir uns sagten, wir müßten zunächst aus Steinen Brot machen. Das ist geschehen, der Garten steht da. Er hat unsere Kantine versorgt. Wir haben weiter die Idee, daß dieser Boden unseren Werkstätten Arbeit geben soll. Wir wollen Häuser darauf bauen, denn wir sind das Bauhaus. Wir haben zunächst gründlich auf dem Papier vorgearbeitet, und es sind eine Menge Baupläne bereits vorhanden. Wegen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten kamen wir noch nicht zum praktischen Bau . . . In diesem Sommer wird auf dem Siedlungsgelände ein erstes Haus stehen, denn es ist mir gelungen, aus eigener Kraft bei der Industrie teils Barmittel, teils Sachwerte zu bekommen — im Werte von etwa 100 Millionen Mark (5000 Dollar). Wir werden einen Musterbau errichten, an dem das Bauhaus seine praktischen Erfolge zeigen kann. So haben wir also einen produktiven Weg beschritten. Daß die Schwierigkeiten groß sind, ist für uns kein Grund, den Plan fallen zu lassen. Ich finde es notwendig und richtig, daß solche Ideen auf weite Sicht eingestellt werden, nicht nur bis nächsten Donnerstag. Es kommt darauf an, daß man praktisch denkt und bei der Durchführung einen Schritt vor den anderen tut. Daß wir diese Praxis im Bauhaus besitzen, müssen wir beweisen, und es liegen schon Beweise vor . . . Die Bemerkung des Abgeordneten Dr. Herfurth, man solle eine solche Schule in eine Großstadt wie München oder Berlin bringen, halte ich für verkehrt. Es war richtig, sie in einer kleinen Stadt zu gründen. Das Chaos in einer Großstadt ist der denkbar ungeeignetste Boden dafür. Man braucht einen kleineren, stillen Ort, um ein gemeinschaftliches Arbeiten der Beteiligten untereinander zu ermöglichen. Die Einfügung in den Gesamtorganismus des Landes ist von mir von langer Hand vorbereitet worden.

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Ich habe neulich im Amtsblatte zum Ausdruck gebracht, daß die Schwierigkeit der Arbeit des Staatlichen Bauhauses darin besteht zu erreichen, die noch weltfremden künstlerisch veranlagten Menschen in das Leben der Umwelt hereinzureißen, denn ich bin mir bewußt, daß ein Organismus, der sich isolieren will, der Abschnürung verfällt. Wir gehen bewußt darauf aus, uns mit dem, was um uns herum vorgeht, mit Industrie, Handwerk usw. auseinanderzusetzen. Der Weg ist schwierig. Aber sollen wir Fehler, die Generationen gemacht haben, nun in drei bis vier Jahren gutmachen? Wir brauchen Geduld und langen Atem, um das einst zu erreichen. Wir haben drei Jahre arbeiten müssen, um nur erst einen Lehrgang zu absolvieren und die ersten fertigen Kräfte zu haben, mit denen wir etwas Positives arbeiten können, aber auch ein Geselle kann noch nicht soviel, daß man große Ideen in die Tat umsetzen kann, wenn er gerade erst seine Lehre beendet hat. Zu dem Ausstellungsprogramm (von 0 . Schlemmer, Dok. 60) darf ich noch sagen: es ist so gelesen worden, als ob alles darin Geschriebene auf das Bauhaus gemünzt wäre. Der Aufsatz ist programmatischen Inhalts und legt den Querschnitt durch die gesamte künstlerische Auffassung von heute; er will nicht darauf hinaus, das Bauhaus als das hinzustellen, was diese Gedanken schon alle verwirklicht hätte, sondern er will nur unterstreichen, daß das Bauhaus in der Tat zum Brennpunkte dieser Fragen in Deutschland geworden ist. Vor mir habe ich über tausend Zeitungsausschnitte liegen von Artikeln, die die Presse gebracht, nicht nur des Inlandes, sondern auch des Auslandes. Man hat uns in der ganzen Welt großes Interesse entgegengebrächt, am wenigsten aber in Weimar selbst. (Hört, hört! — Zuruf links: Weimarischer Zopf!) Wir haben augenblicklich Ausstellungen unserer Künstler in Zürich, New York, Kalkutta, Schweden, Berlin, überall verlangt man nach unseren Arbeiten. Für unsere Idee ist überall Interesse vorhanden. Mit vollem Bewußtsein habe ich mich dagegen gestellt, daß wir zu früh an die Öffentlichkeit kamen, weil erst ein Grundbau da sein muß. Nach den ersten vier Jahren haben wir aber nun begonnen, in der Öffentlichkeit zu schreiben und Vorträge zu halten, ich selbst und auch andere Meister. Und nun wollen wir mit der Ausstellung diesen Sommer herausgehen und praktische Verbindung mit der Industrie herstellen. Ich kann erklären, daß ich mit den ersten Versuchen bei der Industrie zufrieden bin. Sie hat bereitwillig ihre Mitwirkung zugesagt und diese mit der Tat bewiesen. Die Spiegelglasindustrie z. B. hat 5 Millionen (250 Dollar) zur Verfügung gestellt und macht mit uns praktische Versuche. Unsere Leute sollen, nachdem sie bei uns vorgebildet sind, später in die Industrie hinein gehen und dort weiterlernen können, so daß sie sich ohne die falsche akademische Auffassung mit der Praxis, mit der Maschine usw. selbst auseinander setzen müssen. Dieser Gedanke hat uns die Industrie für unsere Ideen zugänglich gemacht . . . Wir haben die Form sehr weit gefaßt. Neu ist vor allem der Weg, eine konkrete handwerkliche Praxis mit der künstlerischen Ausbildung zu verbinden. Der erwähnte Angriff der Handwerker auf meinen Vortrag — in der Mitteldeutschen Zeitung —, der übrigens von dem Syndikus des Bauhauses in der Presse beantwortet wird, scheint mir zum Teil bestellte Arbeit zu sein . . . Abgeordneter Brill (SPD): Es kann für mich als Sprecher der Sozialdemokratischen Fraktion nicht meine Aufgabe sein, auf die vielen Einzelheiten einzugehen, die der Herr Abgeordnete Herfurth in der Begründung seiner Interpellation erwähnt hat. Sie sind von der Regierung eingehend untersucht. Ihre Haltlosigkeit hat sich in dieser Untersuchung herausgestellt. Wir haben Vertrauen zur Regierung, deshalb erübrigt es sich für uns, sie noch einmal hier aufzurollen . . . Ich werde vielmehr versuchen, aus diesen vielen Einzelheiten des Herrn Abgeordneten Herfurth ein Bild der politischen Gesamteinstellung zu zeichnen ..., ich bin dabei grundsätzlich der Meinung, die soeben von Herrn Gropius in seinen Schlußausführungen ausgesprochen worden ist, daß rein künstlerische Dinge mit politischen Angelegenheiten nicht verknüpft werden sollen. (Sehr richtig!) Ich bin da der Meinung, daß die Kunst eigene Gesetze ihrer Bewegung besitzt, die sich entwickeln und durchsetzen müssen. (Sehr richtig! links) Aber ich vertrete auf Grund unserer historischen und materialistischen Einstellung auch zur Kunst,

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daß das, was von einzelnen Persönlichkeiten auf dem Gebiete des Kunstschaffens entsteht, nicht absolute Dinge sind, sondern sich in kausalem Zusammenhang mit den übrigen sozialen Erscheinungen unserer Zeit befindet, und ich glaube, dieser Zusammenhang ist ja gerade beim Bauhaus bis zur Evidenz bewiesen... Es handelt sich in der ganzen Interpellation . . . um nichts weiter als darum, daß das Oppositionsbedürfnis gegen die gegenwärtige Regierung befriedigt ist. Aber ich bin der Meinung, daß in diesem Umfange die Opposition gegen die Regierung von dem Herrn Abgeordneten Herfurth nicht hätte aufgenommen werden können, wenn er den ganzen Bestrebungen, die das Bauhaus vertritt, nicht grundsätzlich ablehnend (gegenübersteht und seine Beziehung auf die Auslassungen des mitteldeutschen Handwerkerbundes, der ja in der Deutschnationalen Partei, zum Teil wohl auch in der Deutschen Volkspartei, seine parlamentarische Vertretung hat, und vor allem die Sympathie, die für die alte Malerschule immer wieder durchgeklungen hat, zeigt uns, daß der Herr Abgeordnete Herfurth auf Grund seiner sozialen Einstellung diese ganzen Dinge, die mit dem Bauhaus verbunden sind, eben a b l e h n t . . . Es ist meiner Ansicht nach ein reaktionärer und, um es ganz offen herauszusagen ein banausischer Standpunkt, der das, was sich an Geistigkeit im Bauhaus durchsetzen will, einfach nicht anerkennen will und der mit allen Mitteln der Politik, bevor die Leute des Bauhauses dazu kommen, ihre Leistungen zu zeigen, es totschlagen will. (Sehr richtig! links) . . . Es ist oft gesagt worden, daß das Bauhaus in Weimar eine Zelle des Kommunismus sei, es sei eine ausgesprochen sozialistische Parteiangelegenheit. Es wird behauptet, daß das, was dort gemacht wird, sozialistische Kunstideen seien. Wir stehen als historische Materialisten auf dem Standpunkt, daß sich über das, was einmal sie sozialistische Kunst sein wird, mit Bestimmtheit heute irgend etwas nicht sagen läßt. Wir stehen auf dem Standpunkt, daß wir auch das Bauhaus als eine Vertretung spezifisch sozialistischer oder kommunistischer Kunstideen abzulehnen haben. Wir beurteilen das Bauhaus kulturpolitisch und künstlerisch als eine Erscheinung der Übergangszeit zu der sozialistischen Periode, in der wir stehen. Wir hoffen, daß das Gute, was das Bauhaus bietet, insbesondere in seinem Zurückgehen auf das Handwerk, in dieser Übergangszeit dazu geeignet ist, unsere Industrie und Bauwirtschaft mit neuen kulturellen Ideen zu befruchten und so unsere Industrie und Bauwirtschaft auf ein höheres kulturelles Niveau zu heben, als wir es gegenwärtig haben. Wir sehen in der kulturellen Erscheinung des Bauhauses eine tiefe soziologische Kausalität: wo die Industrie aus ökonomischen Erwägungen heraus sich in ihrer Produktion mehr und mehr umstellt auf den Prozeß der Normisierung und Typisierung, genau in dem gleichen Zeitpunkt kommt das Bauhaus aus anderen Gesichtspunkten zu ähnlichen Ergebnissen und liefert der Industrie das notwendige künstlerische Rüstzeug. Mehr sehen wir nicht darin. Insbesondere stehen wir dem, was das Bauhaus in bezug auf den Bau vertritt, kritisch gegenüber und müssen abwarten, was es in dem metaphysischen Bau, der für die kommende Periode nur der Bau für Gemeinschaftszwecke sein soll, erarbeiten wird und für die anderen künstlerischen Zweige an Leistungen herausbringt. Von diesem Gesichtspunkt aus betrachten wir das Bauhaus. Wir stehen ihm mit bejahender Kritik gegenüber und unterstützen es, soweit es in unserer Macht l i e g t . . . Abgeordneter Dr. Neumann (DVP): Meine Damen und Herren! Meine Fraktion hat zu dem Staatlichen Bauhaus bisher eine abwartende Haltung eingenommen und auch der Regierung eine abwartende Haltung empfohlen . . . Ich habe mir erlaubt, als wir das letzte Mal über das Bauhaus sprachen, das uns häufig beschäftigt, in einer Anspielung auf den „Freischütz" zu sagen: Wir wollen ihm ein Gnadenjahr bewilligen. Der Gang der Bildung dort verlangt ein abgeschlossenes Triennium. Vorher konnte man auch etwas Endgültiges nicht sagen. Nun naht allerdings die Zeit der Abrechnung . . . Meine Partei steht auf dem Standpunkte, daß wir nicht versuchen, neuen Ideen von vornherein, wenn sie aufsteigen, den Garaus zu machen. Wir wissen, daß auf diesem Gebiete der Kunst probiert werden muß. Wir wissen aber] auch, daß keine Zeit zu solchen Proben von unbeschränkter Dauer so wenig angetan ist, wie die wirtschaftliche Notzeit, in der wir heute leben. Wir haben auch Verständnis für eine sehr begabte Persönlichkeit wie Herrn Gropius, der, aus einer 204

Berliner Künstlerfamilie kommend, schon Leistungen hinter sich hat. Wir wissen aber, daß seine Stärke bisher vor allen Dingen auf dem Gebiete der Theorie gelegen hat. Er macht glänzende Programme, hält gute Vorträge, schreibt famose Artikel bis hinein in das Amtsblatt des Volksbildungsministeriums, mit der Glut der Leidenschaft, wie sie ein von seiner Idee überzeugter Mann besitzt. Die Hauptsache für uns als Landtag ist aber die Frage der Praxis: Vermag er seine Ideen so in die Wirklichkeit umzusetzen, daß sie greifbare Werte schaffen in der finanziell und produktiv so schwierigen Zeit? Er hat gesagt, er habe in Thüringen beinahe noch keinen Auftrag gehabt. Bei uns in Jena hat er einen kleinen Auftrag gehabt. Er hat aus einer alten Scheune nur mit Formen, Farben und Lichtdurchbrächen ein kleines nettes Theater geschaffen. Ich habe auch auf diesem Gebiete Hoffnungen. Aber eine Schwalbe macht noch keinen Frühling und die große Abrechnung muß zweifellos noch kommen. Hier habe ich nun die schwersten Bedenken. Wenn gesagt wird, daß Gewerbe und Industrie sich sehr zustimmend geäußert hätten, so möchte ich bemerken, daß bisher, soviel mir bekannt ist, das Gegenteil der Fall ist. Ich weiß, daß die Textilindustrie, die notwendig für das Bauhaus wäre, es ablehnt. Sie sagt: Die grotesken Muster sind für die Massenproduktion nicht zu gebrauchen, sie werden individuelle Werte bleiben. Ich habe nur gehört, daß die Glasindustrie etwas t u n will, und ich würde über diesen Punkt gerne noch etwas Genaueres erfahren. Es ist von einer Summe von hundert Millionen ( = 5000 Dollar) die Rede gewesen. Ich würde gern hören, wie weit solche Hoffnungen begründet sind. Es ist mir nur von ferne in die Ohren geklungen, daß bei der finanziellen Auseinandersetzung der Gebiete mit dem Staate Thüringen die Gebietsleitung des Landes Thüringen auch einen Sicherheitspragraphen über das Staatliche Bauhaus aufgenommen hatte, daß so etwas darin stand wie: wir wollen das Bauhaus weiter unterhalten, wenn es bis 1925 produktiv geworden ist. Ob das wahr ist, ob es darin steht, ob es darin bleibt oder aus opportunistischen Gründen vielleicht herausgenommen wird, weiß ich nicht. Aber es war das Urteil der Gebietsregierung über das Bauhaus, ein Urteil höchster Vorsicht, viel vorsichtiger als das des thüringischen Ministers für Volksbildung, der schon vom Stolz auf das Bauhaus redet, ehe die praktischen Ergebnisse herausgekommen sind. Wenn die Gebietsregierung so ähnlich gestanden haben sollte, kann man sich nicht wundern, wenn wir dem Bauhaus gegenüber auch in Zukunft vorsichtig, zuweilen sogar skeptisch gegenüberstehen, dem Bauhause als einer „Kathedrale des Sozialismus", wie es sich selbst bezeichnet hat in den einleitenden Worten der Werbeschrift, mindestens den Ideenträgern gegenüber, die hinter solchen Worten stecken. Wir stehen dabei auf einem Standpunkt, den freilich die Linke nicht mag . . . Sie werden demnach begriefen, wenn ich zusammenfassend sage, daß wir das Bauhaus auch in Zukunft mit höchster Vorsicht betrachten und alles unterstützen werden, was auf diesem Gebiete die nötigen Sicherungen heraufführen kann, oder, wenn sie schon da sein sollten, aufrecht erhalten werden . . . Abgeordneter Dr. Krüger (DDP): Wir sind ja alle davon überzeugt, daß es sich nicht um eine politische Frage handelt, sondern um eine kulturelle, und da kann eine Partei wie unsere, die sich, ich glaube wohl mit einigem Recht ..., um kulturelle Dinge gnaz besonders kümmert, nicht schweigen . . . Jedenfalls der Zeitpunkt, den Sie, Herr Abgeordneter Herfurth, gewählt haben ... war der allerungünstigste nicht nur für Ihre Taktik — die überlasse ich Ihnen vollständig —, sondern für die Sache des Bauhauses, das eben jetzt noch, ich möchte sagen wie ein Pflänzlein, wie ein Ableger unter dem Glas wächst. Wir mußten mindestens warten, bis der Ableger so weit gediehen war, daß er an die freie Luft gestellt werden konnte; wir mußten unbedingt warten, bis die Ausstellung . . . der öffentlichen Kritik (unterzogen) worden ist. Dann erst kann der Staat, der dieses Bauhaus zu finanzieren hat, seine Folgerungen daraus ziehen . . . Der Staat kann selbstverständlich nicht alles das gewähren, was der Künstler will ... Aber wenn mir gerade etwas besonders gut gefallen hat an den Ausführungen des Herrn Gropius, dann iBt es der klare Weg, den er vorhin hier zeigte, wie das Staatliche Bauhaus sich von dieser finanziellen Fürsorge des Staates und natürlich auch, denn das ist die Kehrseite der Medaille, von der staatlichen Bevormundung allmählich freimachen will und scheinbar auch freimachen kann. Aber . . . hier möchte ich doch als Mann, der der Kunst, wenn auch nicht gerade der bildenden, nahesteht, auf gewisse

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Gefahren aufmerksam machen. Gegenüber der Industrie stehe ich auf einem ähnlichen Standpunkt wie etwa der ReichskunBtwart, der . . . gewarnt hat, daß wir nicht wieder in eine Industrialisierung unseres Kunstschaffens hineinkommen möchten. Was ist das Wesen der Industrialisierung? Bs wird immer und immer sein: Entpersönlichung. Und was ist das Wesen der Kunst? Persönlichkeit. Ich meine, das, was uns gefehlt hat in der letzten Entwicklungsphase, war Gesamtheitsgeist. Überall machte sich ein Überwiegen des Einzelgeistes geltend. Wenn eine so gewaltige Bewegung durch das Volk geht, wie eine Revolution es ist, dann drängen alle schaffenden Geister nach neuen Zielen, nach Neuerfassung und Umwertung aller Probleme und einer neuen Befruchtung aller Begriffe, Nachprüfung alter Schlagworte u. a. So muß das Sonderwesen und der Einzelgeist, der in unserer ganzen Sucht zur Spezialisierung nicht nur in der Kunst, sondern auch in der Wissenschaft und auf vielen anderen Gebieten geradezu verheerend gewirkt hat, wieder eingedämmt oder neu befruchtet werden durch den Gesamtgeist. Gerade der Grundgedanke des Bauhauses, daß beim Bau nicht die Einzelwirkung als solche rein künstlerisch sein kann, sondern daß sie notwendig in Beziehung stehen muß zur Gesamtwirkung dessen, was geschaffen wird, ist durchaus gesund und meiner Ansicht nach in dieser Zeit wichtig, ja unbedingt notwendig. Anders ist das Wesen der Industrie mit ihren Fabrikaten, die im besten Falle unpersönliche, erstarrte Kunst zeigen, und wird niemals anders sein können. Die Industrie begrüßt es selbstverständlich mit Freuden, wenn sie jetzt künstlerisch durchgebildete Kräfte bekommt, die die Qualitätsarbeit, die sie für den Auslandsbedarf schaffen muß, neu befruchten. Das ist ganz gewiß im Interesse der Industrie. Aber es kann auch zu einer gewissen Gefahr für die künstlerische Entwicklung werden, wenn sich die Künstler damit begnügen wollten oder zu sehr darauf einstellen, nur neue Geschmacks- und Stilformen zu schaffen und sie dann wieder in einer industriellen Fabrikation festzulegen, die dann natürlich wieder das Künstlerisch-Persönliche mehr oder weniger erkalten läßt. Also, davor möchte ich ein wenig warnen. Nun habe ich noch einen anderen kurzen Wunsch ... ich möchte zugleich auch für die anderen künstlerischen Kräfte, die wir im Lande haben, bitten — und das müßte auf dem Weg eines allgemeinen Wettbewerbes von Zeit zu Zeit geschehen —, auch diese anderen Kräfte bei der neuen Entwicklung nicht zu kurz kommen zu lassen. Wenn die Weimarer unglücklich sind über das Bauhaus, nun, dann geben Sie (zur Regierung) und das Bauhaus nach Gotha, wir nehmen es mit offenen Armen auf. (Heiterkeit) . . . Die Kunst wird niemals dauernd gedeihen, wenn sie nur vom Staat unterstützt wird. Der Weg, den Herr Gropius gezeigt hat, ist beachtlich, und er kann dazu führen, das Schaffen der Bauhauskünstler frei zu machen, die . . . private Förderung zu sichern. Die Kunst muß auch für den Luxus arbeiten. Deshalb kann sie dauernd nur dann große Ziele verfolgen und erreichen, wenn sich das Privatkapital, wenigstens solange wir noch nicht in das kommunistische Zeitalter hinübergeglitten sind, ihr zur Verfügung stellt. Abgeordneter Tenner (KPD): Ich hatte nicht erwartet, daß die Interpellation zu einer so ausführlichen Besprechung führen würde, nach dem dürftigen und ärmlichen Material, das dem Herrn Interpellanten zur Verfügung stand und das uns vorher bekannt war. Durch die Äußerung des Herrn Gropius ist das Haus ja schon unterrichtet, daß sich die Herren mit ihren Beschwerden zuerst an uns gewandt hatten, daß wir verlangt hatten, sachliches Material zu bringen, was sie nicht vermochten. Da aus Anlaß der Interpellation die verschiedenen Parteien ihre grundsätzliche Stellung zum Bauhaus dargelegt haben, muß auch ich etwas Grundsätzliches dazu sagen. Wir müssen auseinanderhalten, daß es sich bei den Streitfragen über das Bauhaus um zwei Dinge handelt, einmal um eine Kunstrichtung und ferner um die Vereinigimg der Kunst mit dem Handwerk. Über die Kunstrichtung, die dort vertreten wird, und die besonders den Zorn der Reaktionäre erregt hat, will ich nicht reden. Es ist schon hervorgehoben worden, daß diese künstlerische Seite allein Sache der Kunst ist und daß das Parlament darüber nicht zu entscheiden hat. Etwas anderes ist es mit der Idee der Verbindung zwischen Kunst, Gewerbe und Handwerk, weil die Durchführung dieser Idee ja beträchtliche finanzielle Auswirkungen hat und uns deshalb beschäftigen muß. Diese wesentliche Grundlage des Bauhauses ist von den verschiedenen Seiten schon gewürdigt und begrüßt worden. Wenn aber dann behauptet wird, im Bauhause sei eine sozialistische Kathedrale

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verwirklicht — ich weiß nicht, von welcher Seite dieser Ausdruck stammt —, wenn deshalb aus politischen Motiven heraus von rechts besonders gegen das Bauhaus gekämpft wird, so möchte ich bemerken, daß dieser Gedanke der Kunst, die Vereinigung der Kunst mit dem Handwerk kein sozialistischer, sondern ein mehr kleinbürgerlicher Gedanke ist. Trotzdem begrüßen wir ihn. Unsere Kunst hat sich aus dem Handwerk, aus der innigen Verbindung mit dem Gewerbe entwickelt. Es ist nicht so, wie Herr Dr. Krüger sagt, daß die Kunst Ausdruck einer Persönlichkeit ist. Kunst ist jederzeit Ausdruck einer sozialen Struktur gewesen. (Zuruf: Das ist unser Gegensatz!) . . . Wenn wir das verflossene Jahrhundert betrachten, so sehen wir, wie armselig es an künstlerischer Gestaltungskraft und Ausdrucksformen war. Wir brauchen nur durch unsere Städte zu gehen, durch die Vororte, durch die Arbeiterviertel, um diese Schandkultur zu sehen, die uns ein Jahrhundert lang aufgepfropft worden ist. Die Kunst kann erst wieder die breite Masse erfassen und mehr Inhalt unseres Lebens werden, wenn sie in der Produktion selbst ihren Ausdruck findet. Aber diese Verbindung kann nicht in vergangenen, überwundenen Formen vollzogen werden. Die Zeit der Herrschaft des Handwerks ist endgültig vorbei. Wir stehen auf dem Standpunkt: nicht das Kleingewerbe, nicht das Handwerk ist die Produktionsform der Zukunft, sondern es ist der Großbetrieb, die Industrie, Industrialismus heißt die Produktionsform der Zukunft. Wenn heute die Kunst in der industriellen Produktion noch keinen Eingang gefunden hat, wenn es noch nicht möglich gewesen ist, Massenerzeugnisse so (herzustellen, daß sie den ästhetischen Bedürfnissen des Menschen Rechnung tragen, so liegt das an der Entwicklung und der Klassenstruktur der Gesellschaft. Nicht in diesen kleinlichen Verhältnissen wird sich die Kultur der Zukunft entwickeln, sondern in der Großindustrie, im Industrialismus, — und dort die Probleme der Kunst mit den Problemen der Produktion zu vereinigen, das wird vielleicht erst die kommunistische Gesellschaft bringen. Trotzdem wird für kleinbürgerliche Ausdrucksformen auch noch Platz sein. Gerade auf dem Gebiete des Bauwesens wird auch in Zukunft ein großer Teil der Arbeit durch Handwerk hergestellt werden. Im Bauhaus ist diese Idee glücklich vertreten, die auch lebensfähig sein wird. Wir stehen deshalb den Plänen des Bauhauses sympathisch gegenüber. Wir begrüßen die Idee und begrüßen, daß sie verwirklicht werden soll. Allerdings, der Ausführung stehen wir noch abwartend gegenüber. Das Bauhaus soll erst beweisen, ob es die Idee verwirklichen kann. Wir stehen dem Bauhaus nicht mit der Feindschaft gegenüber, wie die Rechtsparteien. Diese haben kein anderes Interesse, als das Bauhaus in einer Zeit, bevor es sich entwickeln kann, totzuschlagen, und alle die Schikanan von rechts beweisen das. Was haben wir von rechts erlebt? Bei den ersten Anfängen die schärfste Opposition gegen die Idee des Bauhauses und schärfsten Kampf. Die damalige Pressefehde wurde in der Hauptsache von Herrn Dr. Herfurth bestritten, und als es ihm nicht glückte, das Bauhaus in den ersten Anfängen abzuwürgen, kam die Fortsetzung des Kleinkrieges. Wir sehen im Ausschuß bei jeder Beratung kleinliche Schikanen, um dem Bauhause Schwierigkeiten zu bereiten . . . Von verschiedenen Seiten ist festgestellt worden, daß wir das Sparsamkeitsprinzip, das Herr Dr. Herfurth hier vertritt, mit viel größerem Rechte bei allen höheren Schulen und bei der Universität durchführen sollten, gerade bei der Universität kommt es oft vor, daß in einem Hörsaale nur ein bis zwei oder drei Leute sitzen . . . Wenn man die Universität nach dem Grundsatze der Sparsamkeit durchorganisieren wollte, müßte der größte Teil der Universitätslehrer entlassen werden. Solche Dinge aber kann man nicht nur fiskalisch organisieren, da sind noch andere Gesichtspunkte maßgebend. Aber das ist ja auch nicht das Wesentliche, worauf es Herrn Herfurth ankommt. Der Bgründer war unglücklich in seiner Begründung. Er hat nicht gesagt, was er eigentlich will, trotzdem fühlt es jeder mit dem Krückstock. Die Absichten der Rechten und des Herrn Dr. Herfurth gehen darauf hinaus, das Bauhaus zu zerstören, die Idee sich nicht verwirklichen zu lassen, die Einrichtung zu; beseitigen, und ich glaube, daß die Rechte auch sehr im prinzipiellen Widerspruch zu dieser Idee steht. Ich glaube, daß hier wirklich eine prinzipielle Feindschaft gegenüber dieser Idee besteht . . . Abgeordneter Dr. Herfurth: . . . Die Gegenseite hat mit sehr geschickten Fechterkunststückchen versucht, die Begründung unserer Interpellation zu erschüttern und sie immer wieder hinüberzuziehen auf das rein künstlerische, zum Teil auch auf das politische Gebiet. Ich tue Ihnen nicht den Gefallen, Ihnen auf diesen Abwegen zu folgen, sondern ich bleibe — in Harmonie mit dem Herrn Finanzminister — auf rein sachlichem Boden. (Zuruf links: Beleidigen Sie unseren Finanzminister nicht!)

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. . . Sehr bezeichnend war für den Herrn Volksbildungsminister besonders der Eingang und Ausgang seiner Rede. Er kann eben nun einmal den Schulmeister nicht verleugnen. Er betrachtet auch das Bauhaus vom Standpunkt seiner Schulorganisation und gliedert es in seinen Einheitsschulorganismus ein. Ob das der Idee des Bauhauses so völlig entspricht, weiß ich nicht; jedenfalls konnte, als Herr Gropius 1919 das Programm entwickelte und zu verwirklichen begann, noch kein Mensch etwas ahnen von dem Einheitsschulsystem und der Planwirtschaft des Herrn Greil . . . Wenn wir heute die Bauhausfrage in der Öffentlichkeit zur Sprache bringen, so tun wir das, weil die Öffentlichkeit Rechenschaft von uns verlangt. Aus Handwerkerkreisen, aus den Kreisen der Industrie, aus den Kreisen der Kunst, aus den Kreisen der Steuerzahler schlechthin sind wir immer wieder aufgefordert worden, im Landtage einmal zum Bauhaus Stellung zu nehmen. Nun wird uns zur Last gelegt, wir hätten mit einer gewissen Absicht den Zeitpunkt der Interpellation so gewählt, daß die Sache des Bauhauses Schaden leiden müsse . . . Gewiß, die Bauhausausstellung wird entscheidend sein f ü r das Schicksal der Anstalt. Um so mehr ist es Pflicht des Landtages, rechtzeitig zu prüfen, ob sie auch eine solide Grnndlage hat. Aber, abgesehen davon, welches wird denn die Wirkung unserer Kritik sein, die wir als Realpolitiker vorausgesehen haben? Doch nicht etwa die, daß die Ausstellung dadurch gefährdet, sondern im Gegentiel, daß sie gefördert wird durch eine — von uns nicht gewollte — Reklame . . . . . . Wenn der Herr Abgeordnete Dr. Krüger es bedauerte, daß die schaffenden Künstler durch unsere Kritik in ihrer Arbeit beeinträchtigt würden, so trifft das, glaube ich, auf die Künstler des Bauhauses nicht zu. Die brauchen den Kampf und wollen ihn. (Zuruf: Nicht Verägerung!) Sachliche Kritik kann niemals die Quelle von Verärgerung sein. Wir sind es nicht, die das Bauhaus langsam zu Tode quälen wollen! (Zuruf links: Verleumdung!) . . . Was die Stellung des Bauhauses zum Kunsthandwerk und zum Handwerk allgemein anlangt, so hat Herr Gropius heute versucht, Äußerungen, die er gelegentlich seines Vortrages getan hat, als von uns mißverstanden zu erklären. Ich habe den Vortrag selbst gehört. Aus ihm ging hervor, was heute von kommunistischer Seite unterstrichen worden ist, daß nach Ansicht des Herrn Gropius das Handwerk seinem Ende entgegengehe und daß deshalb nur eine Verbindung mit der Industrie in Betracht komme. Bei der Gründung des Bauhauses aber wurde gerade auf die Zusammenarbeit mit dem Handwerk Wert gelegt . . . Der Herr Kollege Tenner endlich hat die ganze Frage auf das politische Gebiet hinübergespielt und erklärt, wir seien als Politiker gegen jeden Fortschritt und deshalb auch gegen die kommunistische Idee, die im Bauhaus gepflegt werde. Daraus erkläre sich unsere Opposition gegen das Bauhaus. Ich weise diese Unterstellung entschieden zurück. Uns leiten lediglich sachliche Motive. Richtig ist, daß ich mit Herrn Dr. Beyer, dem früheren Syndikus des Bauhauses, die Fragen besprochen habe. Nicht richtig aber ist, daß mein Material lediglich auf ihn zurückgeht. Direktor Gropius: . . . Die Verständnislosigkeit, die gerade in den Thüringer Handwerker- und Industriekreisen vorhanden war, hat uns gezwungen, weiter zu suchen und Verständnis bei auswärtigen Industrien zu suchen. Dieser Zustand ist darauf zurückzuführen, daß unsere Sache leider von Anfang an mit der Politik verquickt worden ist und von derselben Seite, von der die Interpellation gekommen ist, das Bauhaus immer erneut angegriffen worden ist. Ich habe seit Jahren davor gewarnt. Jene große Versammlung des Dr. Herfurth im Armbrustsaal vor zwei Jahren (1920) ging auf dasselbe Ziel aus, das Bauhaus zu verunglimpfen. Wir sind dort auch unverantwortlich moralisch angegriffen worden, das machte uns große Schwierigkeiten, und die Schwierigkeiten, die noch heute von Seiten der Handwerker in Weimar kommen, sind mit darauf zurückzuführen. Wir haben überall die Wege gewählt, die gangbar und möglich waren, um mit diesen Fühlung zu gewinnen. Vor Jahr und Tag hielt ich hier einen Vortrag für die Handwerker, ich habe mich um sie bemüht, aber die meisten kamen nicht. Dagegen haben wir die Verbindung mit Industriefirmen in der Weberei, z. B. in Gera, sodann Verbindung mit Firmen für Kunstseide, Porzellan und Glas. Es haben sich auch noch andere Firmen zur Verfügung gestellt, auf dem Gebiet des Bauwesens. Wir wollen versuchen, alles was an modernsten Mitteln der Technik des Bauwesens da ist, zusammenzutragen und Einfluß auf die Weiterentwicklung dieser Gebiete zu gewinnen. Wenn im weimarischen Landtage einmal gesagt worden ist, man sollte uns eine Frist bis 1925 geben,

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so bin ich bereit, eine solche Frist anzunehmen. Ich bin nach dem, was hinter mir liegt, der Ansicht, daß wir 1925 schon ein ganz klares Bild haben werden und daß der Produktionsbetrieb dann laufen wird, wenn nicht ganz abnorme Verhältnisse kommen, die wir nicht voraussehen können. Schließlich wurde der Herr Volksbildungsminister angegriffen, weil er alles von seinem Schulstandpunkte aus betrachte. Da das Bauhaus eine Schule ist, halte ich das gewiß nicht für verwerflich. Ich habe auch selbst in dem Aufsatz im Amtsblatt unterstrichen, daß wir Schwierigkeiten darin erkennen, daß die Entwicklungskette der Ausbildung in werklicher Beziehung nirgends ganz gewährleistet ist. Wir spüren bei den Lehrlingen sehr stark, daß ihnen jede Handarbeitsvorbildung fehlt. In einer Arbeitsschule dagegen, wie sie geplant ist, würde schon das Kind spielend die Handarbeit lernen, also nicht nur inbezug auf den Kopf, sondern auch in bezug auf die Hand geschult werden. Auch wir wollen beide Zweige ausbilden, weder nur den werklichen und noch nur den akademisch-theoretischen. Wir wollen beide Wege verbinden, weil der ganze Schaffensvorgang eine Einheit ist und nicht getrennt werden kann. Dok. 62 Syndikus Lange an die A u s s t e l l u n g s k o m m i s s i o n des Staatlichen Bauhauses, 6. M ä r z 1923 ( S T A W - B vorl. 142/143) . . . Das Zugeständnis, daß alle Beteiligten wenig Neigung hätten, sich um die wirtschaftlichen Fragen zu kümmern, erscheint mir für das Bauhaus deplaciert. Ich würde es hinnehmen und mich auch nicht weiter drüber wundern, wenn Meister oder Schüler der Kunsthochschule, die ausgesprochen nur Künstler sein wollen, Abneigung gegen das wirtschaftliche Gebiet äußern würden. Menschen am Bauhaus, also an einer Zentralstelle, an der man dem Problem des menschlichen Schaffens auf der ganzen Front entgegentreten will, also nicht nur auf künstlerischem, sondern auch auf technischem, wirtschaftlichem und kaufmännischem Gebiet, dürften diese Abneigung nicht haben, da es ein Ignorieren des Programmes bedeutet. Nach meiner Meinung ist der Künstler, der glaubt, es überall betonen zu müssen, daß er gar nicht wirtschaftlich und praktisch denken kann, daß alle diese Dinge Nebensache sind, von unserer Bauhausanschauung (aus) eine ebenso überlebte Figur wie der ehemalige Professor mit seiner Zerstreutheit, seiner vernachlässigten Gestalt und Kurzsichtigkeit. Ich bitte daher die führenden Köpfe der Ausstellungskommission, mit dieser Einstellung aufzuräumen und sich für alle Fragen, die gelöst werden müssen, auf sämtlichen Gebieten gleichmäßig zu interessieren. Dok. 63 W a l t e r G r o p i u s in einem Rundschreiben an die M e i s t e r v o m 2. M a i 1923 ( S T A W - B vorl. 187/188) Der Staat Thüringen hat als erster im Reich sehr bemerkenswerte Schritte auf dem Schulwesen getan, die dank der unermüdlichen Tätigkeit des Volksbildungsministers Greil schon zu greifbaren Resultaten gelangt sind. Ich habe in den letzten Wochen mit einer ganzen Reihe neuberufener Persönlichkeiten aus dem Schulwesen Fühlung genommen und habe die erfreuliche Feststellung gemacht, daß sowohl innerhalb des Volksbildungsministeriums als auch in den verschiedenen Sohulinstituten in Weimar neue Persönlichkeiten zu wirken begonnen haben, mit denen wir zahlreiche Berührungspunkte haben und die auch aus diesem Grunde ganz bewußt mit mir Fühlung nahmen, um sich an unseren schon älteren Erfahrungen zu bereichern. Ich habe danach das Gefühl, daß, wenn wir mit diesen Männern zusammengehen, sich für das Bauhaus wichtige Vorteile ergeben werden. Namentlich auf dem Gebiet des Werkunterrichts erwartet man von uns Anregungen, und nach meinen Erfahrungen am Bauhaus fehlen allen hier eintretenden Schülern die einfachen Fundamente zu der Werktätigkeit, die bisher in allen Volks- und höheren Schulen fehlen, nun aber neu geschaffen werden sollen. Ich gebe anliegend die neuen Gesetze und Richtlinien über das Schulwesen in Umlauf mit einer Schrift des Studienrates Rößle, der mit dem Minister zusammenarbeitet. In dieser Schrift wird der Versuch gemacht, das Bauhaus in einer sehr sympathischen Form dem Berufsschulgesetz einzugliedern und den daraus Hervorgehenden gewisse staatliche Berechtigungen zuzusprechen. 14

Hüter

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Dok. 64 Walter Gropius an Dr. Redslob, Reichskunstwart v o m 8. M a i 1923 ( S T A W — B vorl. 308) Lieber Redslob! Ich erbitte Ihre Hilfe in folgender Angelegenheit: Auf der Sommerausstellung des Staatlichen Bauhauses soll innerhalb der internationalen Architekturausstellung auch die Entwicklung der neuen russischen Architektur gezeigt werden. Die bisherigen Erfahrungen haben gezeigt, daß das russische Material nur mit Hilfe einiger an dieser Arbeit interessierter Privatkreise, die den amtlichen sehr nahe stehen, zu erhalten ist. Herr Schor, Ausschußmitglied der Akademie für Kunstwissenschaft in Moskau, hat diese für die Ausstellung wichtige Arbeit übernommen. Die Fortsetzung dieser Arbeit ist dadurch in Frage gestellt, daß der Paß des Herrn Schor abgelaufen ist und die Verlängerung nach den neuesten Vorschriften Schwierigkeiten macht. Ich bitte Sie, Ihren Einfluß geltend zu machen, um die Paßverlängerung zu erreichen, damit Herr Schor sofort für die Bauhausausstellung weiter arbeiten kann. Er wird Sie aufsuchen, und ich bitte Sie, ihm einen Empfehlungsbrief an das Auswärtige Amt zu geben. Wie schon oben erwähnt, ist Schor Mitglied der Akademie für Kunstwissenschaft in Moskau und bearbeitet theoretische Architekturfragen. Wie mir Herr Kandinsky bestätigt, schätzt man ihn in Bußland als einen sehr wertvollen Spezialisten. Er hat den Auftrag, mit den deutschen Künstlern und Gelehrten Fühlung zu nehmen und eine gemeinsame Arbeit zu organisieren. Da Deutschland selbst an dieser Verbindung interessiert ist, halte ich es für wichtig, daß Herrn Schor Gelegenheit gegeben wird, die neue Bewegung der deutschen Kunst eingehend zu studieren. Wenn durch seine Hilfe die Arbeiten der russischen Architektur, die neuen Stadtpläne von Moskau und Petersburg, Modelle und Zeichnungen von Industriebauten, Arbeiterwohnhäusern etc. ausgestellt werden können, so bedeutet das einen wichtigen Fortschritt einer gemeinsamen Arbeit. Herr Schor stellt in Aussicht, daß ebenso in Rußland die Erzeugnisse der deutschen Kunstindustrie, besonders des Bauhauses, gezeigt werden könnten. Hier wäre eine Möglichkeit der deutschen KunstnduBtrie, eine Verbindung mit Rußland und ein großeB Absatzgebiet zu schaffen. Mit herzlichem Gruß G(ropius) Dok. 65 Protokoll der Besprechung der Formmeister a m 26. M a i 1923 ( S T A W — B vorl. 184) . . . Der wirtschaftliche Verband bildender Künstler hat das Bauhaus in der Zeitung „Deutschland" angegriffen ... Gropius schlägt vor, die Verbindung mit dem wirtschaftlichen Verband abzubrechen, da dieser die persönlich getroffenen Vereinbarungen nicht hält und dem Bauhaus und seinen Meistern dauernd in den Rücken fällt. Ein resolutes Vorgehen gegen die Leute ist notwendig; man muß sich verbitten, daß, wie es in dem Artikel geschehen ist, aus einer wirtschaftlichen eine politische Angelegenheit wird . . . Der Konsumverein feiert am 15. Juli ein Jubiläum. Vom Bauhaus soll jemend genannt werden, der die künstlerische Leitung des Festes, den Einkauf und die Herrichtung übernimmt. Schlemmer lehnt die Übernahme dieses Auftrages wegen der Überlastung mit Arbeiten für die Ausstellung ab. Moholy-Nagy nimmt den Auftrag unter der Bedingung an, daß er nicht durch Bauhausarbeit überlastet ist und einen Schüler zur Mithilfe erhält . . . Dok. 66 Walter Gropius: Idee und Aufbau des Staatlichen Bauhauses (Staatliches Bauhaus W e i m a r 1919-1923, Weimar/MUnchen 1923) ( S T A W - B. vorl. 414) Die Idee der heutigen Welt ist schon erkennbar, unklar und verworren ist noch ihre Gestalt. Das alte dualistische Weltbild, das Ich — im Gegensatz zum All — ist im Verblassen, die Gedanken an eine neue Welteinheit, die den absoluten Ausgleich aller gegensätzlichen Spannungen in sich birgt, taucht an seiner Statt auf. Diese neuaufdämmernde Erkenntnis der Einheit aller Dinge und Erscheinungen bringt aller menschlichen Gestaltungsarbeit einen gemeinsamen, tief in uns selbst beruhenden Sinn. Nichts besteht mehr an sich, jedes Gebilde wird zum Gleichnis eines Gedankens, 210

der aus uns zur Gestaltung drängt, jede Arbeit zur Manifestation unseres inneren Wesens. Nur solche Arbeit behält geistigen Sinn, mechanisierte Arbeit ist leblos und Aufgabe der toten Maschine. Solange aber die Wirtschaft, die Maschine Selbstzweck sind, anstatt Mittel, die Geisteskräfte zunehmend von mechanischer Arbeitslast zu befreien, bleibt der einzelne unfrei und die Gesellschaft kann sich nicht ordnen. Die Lösung hängt von der veränderten innerlichen Einstellung des einzelnen zu seinem Werk, nicht von Verbesserungen der äußeren Lebensumstände ab. Der Wille zur Umstellung auf den neuen Geist ist deshalb von entscheidender Bedeutung für neue aufbauende Arbeit. Das Weltgefühl einer Zeit kristallisiert sich deutlich in ihren Bauwerken, denn ihre geistigen und materiellen Fähigkeiten finden in ihnen gleichzeitig sichtbaren Ausdruck und für ihre Einheit oder Zerrissenheit geben sie sichere Zeichen. Ein lebendiger Baugeist, der im ganzen Leben eines Volkes wurzelt, umschließt alle Gebiete menschlicher Gestaltung, alle „Künste" und Techniken in seinem Bereich. Das heutige Bauen ist aus einer allumfassenden Gestaltungskunst zu einem Studium herabgesunken, in seiner grenzenlosen Verwirrung ist es ein Spiegel der alten zerrissenen Welt, der notwendige Zusammenhalt aller am Werk Vereinten ging darin verloren. Ganz langsam bilden sich erst die neuen Elemente zum neuen Aufbau: denn die Entwicklung der Baugestalt — gebunden an den ungeheuren Aufwand technischer und stofflicher Mittel, ebenso wie an das Eingehen neuer Geistigkeiten über lange Erkenntnisreihen hinweg in das Bewußtsein der Schaffenden — folgt nur langsam der vorauseilenden Idee. Die Kunst zu Bauen ist an die Möglichkeit zu gemeinsamer Arbeit einer Vielheit von Schaffenden gebunden, denn ihre Werke sind im Gegensatz zum isolierten Einzel- oder Teilbildwerk orchestraler Art und mehr als diese Abbild für den Geist der Gesamtheit. Die Beschäftigung mit der Kunst des Bauens und ihren vielen Gestaltungszweigen ist also eine Lebensangelegenheit des ganzen Volkes, nicht eine Sache des Luxus. Die verbreitete Ansicht, Kunst sei Luxus, ist die verderbliche Folge des gestrigen Geistes, der die Erscheinungen isolierte (l'art pour l'art) und ihnen so das gemeinsame Leben nahm. Der neue Baugeist fordert von Grund auf neue Voraussetzungen für alle gestaltende Arbeit. Werkzeug jenes gestrigen Geistes ist die „Akademie". Sie brachte die Entblutung des gesamten Werklebens — der Industrie und des Handwerkes — vom künstlerischen Menschen und dies zog dessen völlige Vereinsamung nach sich. I n starken Zeiten wurde dagegen das gesamte gestaltende Werkleben des Volkes vom künstlerischen Menschen befruchtet, weil er mitten darin stand, weil er die gleiche Grundlage des werkmäßigen Könnens und Wissens in werktätiger Praxis, wie jeder andere Werkmann des Volkes, von unten herauf erworben hatte, weil nicht der verhängnisvolle und anmaßende Irrtum von Staats wegen gezüchtet wurde, Künstler sein sei ein erlernbarer Beruf. Kunst ist nicht erlernbar! Ob eine gestaltende Arbeit nur als Fertigkeit oder schöpferisch getan wird, hängt von der Begabung der Persönlichkeit ab. Diese kann nicht gelehrt und nicht gelernt werden, wohl aber ein Können der Hand und ein gründliches Wissen als Grundvoraussetzung für alle gestaltende Arbeit, für die Leistung des einfachen Arbeiters, ebenso wie für die des genialen Künstlers. Die Erziehung der Akademien dagegen hatte zur Wirkung, daß sich ein breites Kunstproletariat entwickelte, das schutzlos dem sozialen Elend preisgegeben war, weil es, in einen Genietraum eingelullt, zum Künstlerdünkel erzogen wurde, zu dem „Beruf" des Architekten, Malers, Bildhauers oder Graphikers, ohne daß ihm das Rüstzeug der wirklichen Ausbildung gegeben wurde, das ihn allein im sozialen Existenzkampf auf eigene Füße zu stellen und damit auch in seinem künstlerischen Wollen unabhängig zu machen vermag. Sein Können war lediglich zeichnerisch-malerischer Art, ohne Bindung an die Realitäten des Stoffes, der Technik, der Wissenschaft und endete darum in ästhetischer Spekulation, da die reale Beziehung zum Leben der Gesamtheit nicht vorhanden war. Der pädagogische Grundfehler der Akademie war die Einstellung auf das außerordentliche Genie, anstatt auf den Durchschnitt, während sie trozdem eine Unzahl kleiner Begabungen allein im Zeichnen und Malen ausbildete, von denen auf Tausend kaum einer zum wahrhaften Architekten oder Maler wurde. Die große Masse dieser mit falschen Hoffnungen einseitig ausgebildeten Akademiker blieb zu unfruchtbarer Kunstübung verdammt, ungerüstet zum Lebenskampf, und mußte zu den sozialen Drohnen gezählt werden, anstatt daß sie dem Werkleben des Volkes durch entsprechende Schulung nutzbar gemacht wurden. Mit der Entwicklung der Akademie starb allmählich die wahre, das ganze Volksleben durchpulsende Volkskunst ab, und es blieb jene vom Leben isolierte Salonkunst übrig, die schließlich im 19. Jahr-

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hundert nur mehr das Einzelbild ohne Beziehung zu einer größeren Baueinheit kannte. I n der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts begann aber eine Protestbewegung gegen die verheerenden Wirkungen der Akademien. Ruskin und Morris in England, van de Velde in Belgien, Olbrich, Behrens (Darmstädter Künstlerkolonie) und andere in Deutschland, endlich der „Deutsche Werkbund", suchte u n d fanden bewußt erste Wege zur Wiedervereinigung der Werkwelt mit den schöpferischen Künstlern. I n Deutschland entstanden die „Kunstgewerbeschulen", die eine neue Generation der künstlerisch Begabten werklich vorgebildet in Industrie und Handwerk einführen sollten. Aber der Akademismus steckte noch zu tief im Blut, die werkliche Ausbildung blieb dilettantisch, der gezeichnete und gemalte „ E n t w u r f " stand noch immer im Vordergrund. Der Versuch war also noch nicht weit und tief genug angelegt, u m gegen die alte, vom Leben abgewandte l'art pour l'art-Anschauung entscheidend Bahn zu brechen. Auf der anderen Seite begann auch das Handwerk — und namentlich die Industrie — nach dem Künstler Umschau zu halten. Neben den bisherigen Forderungen nach technischer und wirtschaftlicher Vollkommenheit erwachte ein Verlangen nach der Schönheit der äußeren Form der Erzeugnisse, die der Techniker der Praxis ihnen nicht zu geben vermochte. Man kaufte den „künstlerischen Entwurf". Aber diese papierne Hilfe blieb ein untaugliches Mittel, denn der Künstler war zu weltfremd, zu wenig technisch und werklich geschult, um seine Formgedanken mit dem praktischen Werkvorgang der Ausführung in Einklang zu bringen, während es dem K a u f m a n n und Techniker a n vorausschauender Einsicht dafür fehlte, daß die erstrebte Einheit von Form, Technik und Ökonomie aller Erzeugnisse nur in sorgfältig vorbereiteter Gemeinschaftsarbeit mit dem f ü r die Form verantwortlichen Künstler am Werkobjekt selbst und bei seiner Herstellung erreicht werden kann. Da die richtig geschulten künstlerischen K r ä f t e fehlen, die die mangelnde Einheit im Wirtschaftskörper zu vollziehen vermöchten, folgt daraus als Grundforderung für die künftige Bildung aller bildnerisch Begabten: Gründliche praktische Werkarbeit in produktiven Werkstätten eng verbunden mit einer exakten Lehre der Gestaltungselemente und ihrer Aufbaugesetze. Dok. 67 Lyonel Feininger an Julia Feininger, 1. A u g u s t 1923 ( W i n g l e r : Bauhaus, S. 83) . . . Gestern traf ich Gropi — er kam so liebevoll mir entgegen und nahm mich untern Arm und wollte mir einiges sagen — so ging ich dann mit, bis zum Bauhaus. Nichts von Klage, nichts von Ermüdung oder gar Bitterkeit, in diesem Menschen! Er arbeitet bis 3 nachts — schläft fast überhaupt nicht, und wenn er einen ansieht, strahlen seine Augen wie die keines anderen Menschen! Dabei weiß er nicht, wie er's machen soll, daß alles klappt . . . Wer sich nicht an diesem Menschen irgendwie aufrichten kann, der kann einem leid tun. Ich habe oft genug ganz positive Vorwürfe gegen das Ganze zu machen; oft bin ich tief unglücklich darüber, wie die Bahn sich neigt — aber es ist hier doch eine K r a f t am Werk, die die einzige ist, die dazu im Stand wäre. Daß vieles einfach umsonst ist und zuschanden wird, liegt nicht an Gropi — es liegt an der Zeit und a n den Menschen. Gegen die Parole: „ K u n s t und Technik, die neue Einheit!" lehne ich mich mit ganzer Überzeugung auf — diese Verkennung der Kunst ist aber ein Symptom unserer Zeit. Und die Forderung nach ihrer Zusammenkoppelung mit der Technik ist in jeder Hinsicht unsinnig. Ein wirklicher Techniker wird sich mit Recht jede künstlerische Einmischung verbieten; und auch die größte technische Vollkommenheit, andrerseits, kann niemals den Gottesfunken der Kunst ersetzen! Aber die Zwecklosigkeit der üblichen Kunstschulen etc. ist, denke ich, bewiesen, u n d die Aussichtslosigkeit f ü r die meisten jungen Kunststudierenden, jemals ohne Nebenberuf durchzukommen . . .

Dok. 68 G e r h a r d Mareks, Briefe aus D o r n b u r g an W a l t e r Gropius, M ä r z bis S e p t e m b e r 1923 ( S T A W - B vorl. 60) Lieber Walter! Dornburg, 23. I I I . 23 Das Leben hier stellt eine dauernde Überanstrengung dar, in viel höherem Maße als Ihr in geordneten Verhältnissen das vielleicht nachempfinden könnt. Die Gehälter sind das momentan Bauhausmögliche, aber sie reichen natürlich nicht hin noch her. Die dauernde und unumgängliche körperliche

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Arbeit in, neben und außer der Werkstatt ruiniert schließlich alle hier, und ich muß sehr fürchten, daß auf diese Weise die Töpferei eingeht. Die Heizung ist lange nicht ausreichend, und die große Ulme, die dafür gedacht war, noch schwammnaß und einfach nicht zu zerkleinern. Krehan, Bogler, Lindig, Burri, alle sind fertig . . . F ü r Bogler wäre eine Reise nach Velten in die Steingutfabrik wünschenswert, wo wir an H a n d der Bauhaus-Hauskücheneinrichtung Beziehungen auch f ü r Dauer anknüpften. Die Beziehung zu Velten wäre in Deinem Sinne des industrialisierten Bauhauses sehr zu begrüßen. Daß ich diesen Standpunkt nur halb teile, weißt Du ja. Mir scheinen die Menschen wichtiger als die erfolgreiche Geschirrfabrikation, und die Menschen bilden sich am Handwerk, was f ü r uns Erfolgsritter allerdings schwer einzusehen ist . . . Dornburg a/S, 20. IV. 23 Hier ist durch Langes Betreibung der „Wirtschaftsbrände" eine unheilschwangere Atmosphäre entstanden. Ich traue mich überhaupt kaum noch in die Töpferei, es werden auch nur noch Mustöpfe gedreht. Wollt Ihr nicht wieder abstoppen? Sonst muß das ganze H a u s ersaufen . . . Dornburg, 26. V. 23 . . . Zur Schaffung meines Ateliers habe ich in Dornburg nur eine Gelegenheit gefunden: Die Scheune des alten Bürgermeisters Kuntze. I m alten Schloß sind einige Räume, die aber kasemattenartig gebaut und k a u m geeignet sind. Am besten vielleicht noch die sogenannte alte Kapelle, freistehend, ca. Z1!^ X 7 m, die aber sehr ausgebaut werden müßte. Ich habe in meiner bisherigen Werkstatt im Winter mir eine Nieren-Affektion zugezogen, ich bitte also und stelle das Bauhaus vor die Alternative: n e u e W e r k s t a t t o d e r L e i h s a r g . Dornburg, 23. I X . 23 Der Fall Bogler ist nicht ganz einfach. Nach reiflicher Überlegung bin ich doch dazu gekommen, seinen — vorübergehenden — Aufenthalt im Sekretariat zu befürworten; und zwar in seinem Interesse. E r wäre der richtige, an dem der Bauhausparagraph von der kaufmännischen Ausbildung ohne Schädigung des Bauhauses angewendet werden kann, u n d f ü r seinen zukünftigen Lebensweg, der zweifellos in die Fabrik geht (er wurde Mönch in Maria Laach), ist diese Ausbildung seiner organisatorischen Fähigkeiten nötig. Aber mehr als ein Semester hielte ich f ü r nicht angeraten . . . Krehan h a t f ü r Bleiglätte ca. 70 Millionen ausgelegt, u n d das ist schon Zündstoff genug! Endlich h a t t e ich einen Arbeiter gefunden, der unser Holz spalten will — K . meinte, er würde nicht kommen — als er aber doch kam, schickte er ihn wieder weg, weil er kein Geld hätte, ihn zu bezahlen! — K a n n der Geldpunkt nicht geregelt werden? Ich weiß ja, die Finanzen des Bauhauses sind wie die des Reiches. Aber jetzt n a h t der Winter, und wir haben noch keine Heizung. Ich muß in meiner Werkstatt leider zur Hälfte Holz heizen, da der Ofen sonst nicht zieht. Und das würde ich gern jetzt spalten lassen. Die Baukommission, die mit wahrer Wonne alle unsre Schäden konstatierte, h a t uns schon große Luftschlösser gebaut. Dabei wird es nun bis zu unserem Tode bleiben. Wenn ich wenigstens die Möglichkeit hätte, im Winter zu arbeiten, würde ich die Tuberkeln gern mit in Kauf nehmen. Herzlichen Gruß! Gerhard

Dok. 69 D r . Redslob, Reichskunstwart, an W a l t e r Gropius, 25. A u g u s t 1923 ( S T A W — B vorl. 308) Sehr verehrter und lieber Herr Gropius! Nach Berlin zurückgekehrt, möchte ich Ihnen doch ein Wort des Dankes f ü r all die Eindrücke, Anregungen und Aufmerksamkeiten sagen, die ich während der Bauhauswoche empfangen durfte. Ich schied mit dem Eindruck, daß hier in ehrlicher, ernster Arbeit verantwortungsvoll u n d unerbittlich der Weg in die Zukunft versucht wird. Ich habe die Ausstellungen alle mehrfach besucht und bin bei jedem Besuch noch mehr in dem Eindruck bestärkt worden, wieviel von der Ausstellung und von der Methode des Bauhauses ganz allgemein zu lernen ist.

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In dem Bericht an das Ministerium habe ich durchaus positiv zu den Arbeiten Stellung nehmen können, habe auch ausdrücklich betont, was es bedeutet, daß in dem verhältnismäßig jungen Thüringer Staatengebilde eine solche Kulturarbeit geleistet und zugleich von der Regierung gefördert wird. Jedenfalls bitte ich Sie, mich immer als Verwandten dieser Bestrebungen anzusehen. Ich schließe mit herzlichen Grüßen als Ihr stets ergebener Redslob Dofc. 70 Protokoll der Formmeister-Besprechung a m 18. Oktober 1923 ( S T A W — B vorl. 184) Gropius eröffnet die Sitzung und schildert das Ergebnis der Ausstellung auf allen in Frage kommenden Gebieten. An Verkäufen wurden getätigt 4500 Goldmark, davon sind bezahlt bis 1. Oktober 1923 2500 Goldmark. Das Ergebnis ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben wegen der außerordentlich ungünstigen Gesamtwirtschaftslage. Daher ist auch der Weiterbetrieb der Werkstätten wegen Mangel an flüssigen Mitteln außerordentlich erschwert. Die Bemühungen der letzten Zeit brachten die Möglichkeit, eine Verwertungs-AG für Werkstättenerzeugnisse zu gründen, mit der wir in der Lage wären, genügend Betriebskapital und Umsatz zu schaffen. Die derzeitige Gesamtlage erfordert, daß sich das Bauhaus den augenblicklichen Verhältnissen anpaßt und in der Gesamtheit auf eine Produktion einstellt, da anders ein Weiterbestehen der Anstalt unwahrscheinlich ist. Es wird zu diesem Zweck notwendig sein: 1. D e n N a c h w u c h s im B a u h a u s w e n i g e r a u s d e r k ü n s t l e r i s c h e n Z o n e u n d m e h r a u s d e m H a n d w e r k zu r e k r u t i e r e n . Zu diesem Zwecke haben Lehrer der Berufsschule angeregt, bei den Aufsichtsstellen dafür zu wirken, daß begabte Volksschüler dem Bauhaus zugeführt werden. Über die Anwendung der richtigen Lehrmethode und die Heranziehung der Menschen wird diskutiert ... Gropius stellt als Ergebnis des Meinungsausstausches fest, daß 1. b e s o n d e r e S o r g f a l t auf die W a h l des N a c h w u c h s e s g e l e g t w e r d e n soll, 2. die D u r c h s e t z u n g d e r W e r k s t ä t t e n m i t e r f a h r e n e n T a r i f g e s e l l e n a n g e s t r e b t w e r d e n soll, 3. die V e r b i n d u n g m i t v e r w a n d t e n I n d u s t r i e n d u r c h die ... W e r k s t ä t t e n h e r b e i g e f ü h r t w e r d e n soll. Dok. 71 Protokoll der Sitzung des Bauhausrates vom 22. Oktober 1923 ( S T A W — B vorl. 184) Gropius spricht über die gemeinsamen Ziele der Werkstätten und die der einzelnen, über die Werkstättenarbeit im Hinblick auf den Bau, über besondere Schwierigkeiten bei der Wand- und Dekorationsmalerei und bei der Stein- und Holzbildhauerei. Hier haben die Leute im Handwerk keinen Verdienst, da kein Verkauf. Ganz besonders schwierig liegt die Frage bei den Bildhauereien. Was bisher dort geleistet wurde, ist gering. Die Werkstatt ist kein Tummelplatz für akademische Drükkerei. Muche: ist der Ansicht, daß beide Werkstätten als solche keine Berechtigung haben. Man solle sie umstellen in plastische Werkstätten oder in praktischen Architekturprobeplatz (Gropius' Vorschlag). Gropius: bejaht Muches Ansicht, ist für laboratorische Arbeit — kein Handwerk — keine systematische Ausbildung... Moholy: stellt die Frage: Ist das Bauhaus, sind die Werkstätten zeitgemäß? Als Hand-Werkstätten sind sie es nicht, können als aussterbende Angelegenheit betrachtet werden. Gropius: bejaht dies, spricht aber über praktische Schwierigkeit: der Grundstock an Leuten fehle. Daß keine Produktion vorhanden ist, sie das Kritische. Es entstehen nur freie plastische Arbeiten, die mit Handwerk wenig zu tun haben.

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Schmidt: ist für die Sperrung der Werkstätten, ist der Ansicht, die Werkstätten als Spekulative zu belassen, in die nur solche Leute eintreten dürfen, die schon eine andere Lehre beendet haben. Schlemmer: berichtet, daß der Drang zur plastischen Betätigung groß sei. Man will wieder „ A k t " modellieren, eine Gegenströmung gegen den Pormalismus sei offenbar . . . Kandinsky: bemerkt, es sei hier falsch, von Kunstrichtungen zu sprechen, man solle die Frage, offen lassen. Wenn wir die Werkstatt schließen, was entsteht? Die plastische Entwicklung hört auf. Soll man die Angelegenheit prinzipiell besprechen? Ist das Prinzip notwendig — wie sind die Werkstätten einzurichten? Gropius: sagt, daß das Bauhaus nicht nur Schule ist, sondern Produktiv-Apparat und stellt die Frage: Sollen Lehrbriefe ausgestellt werden oder nicht? Kandinsky: stellt die Frage: Wozu Lehrlinge ausbilden? Gropius: erwidert, der Grundgedanke sei, keinen Dilettantismus aufkommen zu lassen, Gesellen und Meister heranzubilden. Hartwig: betont, nur die Leistung entscheide. Der tote Punkt sei, daß reines Handwerk in der Bildhauerei nicht vorhanden wäre. Macht auf pädagogischen Wert des Lehrbriefes aufmerksam; Lehrbrief ein Erziehungsmittel. Breuer: Schlemmers Bede sei maßgebend. Es seien Leute da, die arbeiten wollten, das entscheide für das Bestehen der Werkstätten. Gropius: entgegnet, daß dieser Einwand nicht gelten könne, alle Akademien müßten dann auch bleiben. Die verschiedenen Ansichten beweisen, daß der Fall nicht klar ist. Er schlägt deshalb vor, diese Frage vorläufig offen zu lassen . . .

Dok. 72 Briefwechsel zur Reichswehraffäre zwischen Walter Gropius und Reichswehrgenerälen ( S T A W , Landtag von Thüringen 323 und B D 3g/l) (Der Anlaß zu dieser Beschwerde wird in einem Brief(entwurf?) Langes an den Militärbefehlshaber in Thüringen, General Hasse, geschildert:) . . . Als Syndikus des Staatlichen Bauhauses war ich eben Zeuge, wie in der Wohnung des Direktors des Staatlichen Bauhauses von Ihren Truppen Haussuchung gehalten wurde . . . Aus diesem Grunde muß ich Ihnen mitteilen daß dem Anschein nach die Anregung zur Vornahme der Haussuchung von Mitgliedern der rechtsstehenden Partei gegeben wurde, und daß man Herrn Gropius politisch verdächtigt hat. Aus meiner sicheren Kenntnis weiß ich, daß Herr Direktor Gropius vollkommen unpolitisch ist und fernab all den Kreisen steht, die heute als Staatsgefahr betrachtet werden. I n Wirklichkeit liegen die Verhältnisse wie folgt: Herr Direktor Gropius vertritt die Idee einer neuen Kunstrichtung und steht damit im Widerspruch zu den Vertretern der alten Kunstrichtung. Die Vertreter der alten Kunstrichtung haben in ihrer Handlung innigste Fühlung mit den Rechts-Parteien und führen mit diesen aus kunstpolitischen Gründen einen rücksichtslosen und oft sehr schmutzigen Kampf gegen Herrn Direktor Gropius und das Staatliche Bauhaus. Als Schlagwort wird erklärt, das Staatliche Bauhaus sei bolschewistisch, in Wirklichkeit ist es allerdings kunstrevolutionär, hat aber mit politischem Bolschewismus niohts zu tun ... Sr. Exzellenz Weimar, den 30. November 1923 Herrn Generalleutnant von Seeckt, Berlin Vor Ew. Exzellenz erhebe ich Beschwerde über einen empörenden Mißgriff des Reichswehrkommandos in Weimar. Mein persönliches Prestige und das der von mir geleiteten Anstalt ist durch eine vom hiesigen Wehrkommando befohlene Haussuchung, die sich auf nichts zu gründen vermag, was gegen meine Person vorliegen könnte, empfindlich geschädigt worden. Alle Eingeweihten sind empört, daß sich die Truppe dadurch lächerlich gemacht hat, daß sie eitlem Geschwätz oder böswilligem Denunziantentum in diesem Falle zum Opfer gefallen ist. Es ist bedauerlich, wenn bei öffentlichen Personen die verantwortlichen Reichswehrstellen sich nicht an

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verschiedenen Stellen erkundigen, ehe sie durch einschneidende Maßnahmen öffentlich bekannte Persönlichkeiten verdächtigen. Ich gebe Ew. Exzellenz anliegend meinen Schriftwechsel mit Herrn Generalleutnant Hasse und erlaube mir noch hinzuzusetzen, daß ich Ihnen persönlich bekannt bin, indem ich mehrere Jahre lang Ihre Nachbarwohnung in Berlin in der Kaiserin-Augusta-Straße bewohnte. Da ich in meinem ganzen Leben niemals irgendwelche politische Tätigkeit aufgenommen habe, sondern sie bewußt sogar immer ablehnte, hat mich der törichte Eingriff der hiesigen Reichswehr um so mehr verblüfft. Ich bitte Ew. Exzellenz, dafür Sorge tragen zu wollen, daß ein von der hiesigen Reichswehr getanes Unrecht durch eine entsprechende öffentliche Entschuldigung seine Genugtuung erfährt und mein und meines Institutes dadurch beschädigtes Ansehen seine Rechtfertigung findet. Ich wende mich an Ew. Exzellenz, da ich mich leider des Eindrucks nicht erwehren kann, daß das hiesige Wehrkreiskommando den gemachten Fehler aus allgemeinen Gründen zu vertuschen sucht. Ich habe aber die Absicht, mit allen öffentlichen Mitteln mein Recht zu erkämpfen. Ew. Exzellenz ganz ergebener gez. Gropius Direktor des Staatlichen Bauhauses Der Militärbefehlshaber in Thüringen Ic Nr. 1532 Hauptquartier Weimar, den 6. Dezember 1923 An Herrn Direktor Gropius Weimar Die von Ihnen gemäß Schreiben vom 24. 11. 1923 erbetene Untersuchung hat folgendes ergeben: Bei der Dienststelle, die die Haussuchung anordnete, waren von verschiedenen Seiten (nicht anonyme) Anzeigen eingegangen, die darauf schließen ließen, daß Sie und andere Angehörige des Bauhauses der Kommunistischen Partei nahestanden. Die auf Grund dieser Anzeigen zu Protokoll vernommenen Zeugen sagten aus: 1. Daß Schüler des Bauhauses sich an kommunistischen Umzügen beteiligt und sich besonders als Träger von roten Fahnen und Schildern mit aufreizenden Aufschriften, die im Bauhaus angefertigt waren, hervorgetan haben. 2. Daß von Schülern des Bauhauses kommunistische, also staatsfeindliche, Propaganda getrieben wurde, insbesondere von Ausländern. 3. Daß Sie selbst geäußert haben, Sie könnten Ihre Pläne nur bei einer kommunistischen Regierung durchsetzen. Auch sei es durchaus verständlich, wenn sich Schüler des Bauhauses politisch auf den kommunistischen Standpunkt gestellt und bei entsprechenden Gelegenheiten wohl auch in diesem Sinne betätigt hätten, denn die vom Bauhaus gepflegte Kunst verkörpere gewissermaßen den Kommunismus auf künstlerischem Gebiet. Da der betreffende Truppenkommandeur keine Veranlassung hatte, die Wahrheit der Aussagen in Zweifel zu ziehen, war er nicht nur berechtigt, sondern verpflichtet, durch eine Durchsuchung Ihrer Wohnung feststellen zu lassen, ob dort irgendwelches kommunistisches Material vorhanden war. Ich habe somit keinen Grund, gegen den Offizier einzuschreiten und weise Ihre Beschwerde als unbegründet zurück. gez. Hasse, Generalleutnant und Militärbefehlshaber in Thüringen

Dok. 73 Maßnahmen z u m weiteren Ausbau und zum rentablen Betrieb des Bauhauses als Produktivunternehmen, 8. M a i 1923 ( S T A W - B vorl. 153/154 oder 188) Vorschlag f ü r die neue F o r m Der einzig mögliche Weg, um den Bauhaus in seiner heutigen Struktur mit seinem jetzt fest umrissenen Programm eine sichere Lebensmöglichkeit zu garantieren, ist die Lösung der Anstalt aus dem Behördenkörper und die Umwandlung seines Aufbaues in eine nach privatwirtschaftlichen Grund-

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Sätzen arbeitende gemeinnützig sich auswirkende Gesellschaft. Um dem Bauhaus die Weiterentwicklung auf der ganzen Front seines Vorhabens zu ermöglichen, wird eine Gesellschaftsform gefunden werden müssen, nach der alle die Kräfte, die ausschlaggebend für Leben und Bestand sind, im vollen Ausmaß zur Auswirkung kommen, als da sind: 1. Betriebskapital 2. das Ausbildungselement .. 3. der Geist des Formalen, des Handwerklichen und des Aufbauenden. Besonders geeignet hierfür erscheint die Form der GmbH, da hier die einzelnen Organe je nach Bedarf ohne alleinige Auswirkung der Kapitalverteilung zur Wirkung kommen können. Als maßgebend für die Gesellschaftskonstruktion muß sein: 1. daß das eingesetzte Kapital und die Sachwerte nach der günstigsten Formel und mit geringstem Kräfteaufwand werterzeugend wirken können, 2. daß die Durchführung der im Bauhausprogramm im Sinne des Begründers, Architekt Gropius, festgelegten Ziele gewährleistet ist, 3. daß der Staat als der für das Bildungswesen verantwortliche Faktor genügend Einflußmöglichkeit behält.

Dok. 74 Walter Gropius an den Präsidenten der Staatsbank, Loeb, Weimar, 18. O k t o b e r 1923 ( S T A W - B vorl. 65) Sehr geehrter Herr Staatsbankpräsident! ... Der Grundgedanke, der mich veranlaßt, diese Vertriebsgesellschaft zu gründen, ist folgender: Das Bauhaus hat nach den vier Jahren seines Bestehens seine Existenzberechtigung erwiesen und die Fundamente zu einem weiteren Ausbau gelegt. Geschulte Arbeitskräfte sind vorhanden, ebenso Werkstätten und Einrichtungen. Es fehlt nur an dem richtigen kaufmännischen Apparat, um die Verwertung des bisher Aufgebauten zu zeitigen und das ganze Unternehmen auf eine gesunde wirtschaftliche Basis zu bringen. Die Form würde dann eine derartige werden, daß neben dem Lehrbetrieb, für den der Staat nur einen begrenzten Etat fortlaufend zu zahlen hat, getrennt ein Produktivbetrieb läuft, der sich selbst trägt und Gewinne abwirft ... Ich bitte Sie ganz besonders, verehrter Herr Präsident, die Angelegenheit recht beschleunigen zu wollen, denn wir sind in einem Stadium, das ein schnelles Handeln verlangt bei den immer wachsenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Ich möchte noch besonders betonen, daß es mir außerordentlich daran läge, wenn Sie selbst den Vorsitz im Aufsichtsrat der Gesellschaft übernehmen wollten, zumal es sich hier um ein Unternehmen mit stark kulturellem Hintergrund handelt. Indem ich Ihnen für die verständnisvolle Einstellung zu unserer Arbeit meinen verbindlichen Dank ausspreche, begrüße ich Sie als Ihr sehr ergebener Gropius Dok. 75 Walter Gropius an Franz May, München; betrifft Produktivbetrieb des Bauhauses, 23. November 1923 ( S T A W - B vorl. 65) Lieber Herr May! ... An der AG habe ich fortgesetzt gearbeitet, aber die Schwierigkeiten sind enorm, weil der langsam arbeitende Apparat des Staates nicht umgangen werden kannn, und gegen diese Schlammauer helfen keine noch so intensiven Energien. Aber ich denke, daß wir nun doch bald zum Resultat kommen werden. Von einem Punkt raten wir alle ab, daß der Teil Textilien und Keramiken als Sonderangelegenheit aus dem Ganzen herausgeschnitten wird, und je mehr ich mir überlege, desto mehr komme ich davon zurück. Wir würden die Einheit des Bauhauses zerrupfen und wollten ja gerade alle Kräfte zusammenfassen. Ich bitte also, von diesem Gedanken Abstand nehmen zu wollen. 21.7

Ware haben -wir Ihnen ja bereits nach München geschickt. Wir könnten nötigenfalls auch noch mehr schicken, wenn wir Bargeld von Ihnen bekommen, was für uns außerordentlich notwendig ist, den wenn der Umsatz nicht schneller geht, so bleiben wir bei den jetzigen Verhältnissen mit den Löhnen hängen. Es haben sich ungeheuer viel Stellen in Deutschland darum bemüht, von unserer Ware zu Weihnachten einiges zu bekommen. Ich will mich nicht zersplittern, sondern konzentrieren und werde diejenigen am besten beschicken, die uns die günstigsten Bedingungen geben. Die deutschen HausratWerke in Berlin sind sehr scharf auf unsere Sachen. Aber das Ganze ist ein Zirkel, die Produktion ist viel zu schwach, weil wir nicht laufende Mittel genug haben, um ausreichende Produktionskräfte zu bezahlen . . . Der Präsident der Staatsbank, Loeb, beschäftigt sich persönlich mit der Gründungsgeschichte. Auch Graf Kielmansegg, von dem ich Ihnen sprach, geht mir bei allen Dingen an die Hand. Also wir haben zweifellos Helfer für unsere Pläne, nur muß die außerordentlich schwierige Klippe geschickt überbrückt werden, Staats- und Privatunternehmen klar voneinander zu scheiden. Der Finanzminister heißt den Plan gut, aber nur vorausgesetzt, daß die Gesellschaft über die bloße Verkaufsorganisation hinaus auch die nötigen Kredite schafft. Die Herren, mit denen ich hier sprach, sehen darin keine Schwierigkeiten . . . Mit herzlichem Gruß! Ihr Gropius

Dok. 16 Begründung der Abtrennung d e r produktiven Werkstätten vom Lehrbetrieb und Zusammenfassung dieser in einem privatkapitalistische geleiteten Betrieb, 19. Dez e m b e r 1923 (STAW - B vorl. 405) Nachdem bis zum Juli 1922 die Einrichtung des Staatlichen Bauhauses nach den Grundsätzen der Bauhausidee im rohen Gerippe fertig war (es wurde das Lehrpersonal zusammengerufen und die seit 1920 ausgebildeten Lehrlinge zu einer Arbeitsfähigkeit entwickelt, mit der praktische produktive Betätigung in den Werkstätten möglich war), konnte daran gegangen werden, die eigentliche Arbeit des Bauhauses, die eine praktisch produktive Auswertung erhalten soll, zu beginnen, und es wurde damit angefangen, daß in den Werkstätten nicht nur zu Lehr- und Probierzwecken, sondern zum Zwecke des gewinnbringenden Weiterverkaufes Gegenstände hergestellt wurden. Wenn auch zu Anfang nicht darauf gesehen werden konnte, daß der Produktionsprozeß bei dieser Arbeit allen Anforderungen eines modernen Betriebes entsprach, so konnte doch über den rein künstlerischen Zweck hinaus an wirtschaftliche Notwendigkeiten bei der Arbeit gedacht werden (Beschränkung des Aufwandes an Arbeitszeit und Material auf das Maß, daß der Gegenstand noch im marktüblichen Verkaufspreis lag). Auf der anderen Seite beruhte aber die Produktion immer noch nur darauf, daß die Herstellung der Einzelstücke nicht von einer regulierenden Zentrale angeregt wurde, sondern der einzelne Werkstätteninsasse ganz nach eigenem Ermessen produzierte. Nebenbei mußten — gestützt auf die ersten produktiven Fundamente des Produktionsunternehmens — die Voraussetzungen geschaffen werden, die notwendig waren, um der Anstalt mit ihren Werkstättenerzeugnissen und der Lehrmethode die notwendige Haltung nach außen zu geben (Schaffung eines Absatzgebietes und Werbung in der breiten Öffentlichkeit als Schule). Zu diesem Zwecke wurde im Winter 1922 von der Leitung des Bauhauses die Ausstellung für den Sommer 1923 beschlossen und mit Aufwand der größtmöglichsten Kraft vom 15. August bis 1. Oktober 1923 (durchgeführt). Die seit vier Jahren gesammelten Werkstätten-Erzeugnisse, in der Ausstellung ordnungsmäßig zusammengetragen, hatten in ihrer werbenden Wirkung zur Folge, daß dem Bauhaus in der großen Öffentlichkeit die notwendige Daseinsberechtigung als Schule zuerkannt und daß sich nicht nur für die bisherige, sondern auch für die zukünftig sorgfältig organisierte und erweiterte Produktion notwendige Absatzgebiet eröffneten. Schon während der Ausstellung (stellten) sich die wichtigsten Handelsstellen für kunstgewerbliche Erzeugnisse in den deutschen Großstädten ein und erklärten sich als Dauerabnehmer für unsere Erzeugnisse. Von Beginn der Ausstellung bis jetzt wurde der Kreis der Abnehmer so groß, daß wir mit unserer heute noch geringen Produktion die Nachfrage nicht befriedigen konnten. Wir mußten den meisten Firmen abschreiben und sie auf spätere Zeit

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vertrösten. Die Ursache für die geringe Produktion liegt außerhalb des Gebietes unserer Kraft. Es handelt sich vor allen Dingen darum, daß wir nicht genügend Betriebskapital haben, um die notwendigen Rohstoffe einzukaufen und Löhne zu zahlen. Wir können aus diesem Grunde in allen Werkstätten nur wenig Personen beschäftigen und auch keine Vorräte herstellen, in denen Kapital stillgelegt ist. Weiter sind unsere Werkstätten, die wir aus den geringen vom Staate zur Verfügung gestellten Mitteln nur nach und nach ausbauen konnten, so primitive Einrichtungen, daß die Produktionsfähigkeit sehr beschränkt ist. Es fehlt an Maschinen und anderen Anlagen . . . Trotzdem wir wiederholt die Rentabilität unserer Werkstätten und das schon vorhandene Absatzgebiet nachgewiesen haben, konnten wir die Skepsis bei den maßgebenden Stellen nicht beseitigen, und außerdem war der langsame Dienstgang bis zur jedesmaligen Entscheidung, ob wir weitere Betriebskredite erhalten sollten, derartig erdrosselnd auf den Geschäftsgang unserer Produktionsabteilung, daß wir in unserer Arbeit empfindlich gestört und aufgehalten wurden. Trotz all dieser Schwierigkeiten war es uns bis jetzt möglich, die Vermögenslage unseres Produktionsbetriebes so zu gestalten, daß wir sämtliche Produktivkredite vom Staat abzahlen konnten . . . Ist aus rein wirtschaftlichen Gründen die Umgestaltung des Bauhausbetriebes zu einem privatkapitalistisch arbeitenden Unternehmen notwendig, so ist auf Grund des jetzt aktuellen Abbaues der Staatsverwaltungskörper die Umformung des Bauhauses nach den oben angeführten Grundsätzen ebenfalls dringend notwendig . . . Es ist . . . vorgesehen, daß 50 Prozent des Gehaltes der gesamten Werkstättenleiter, sämtliche Löhne der sogenannten Etatgesellen und 50 Prozent der Angestellten der Zentrale dem sich selbst erhaltenden Produktivbetrieb zur Last geschrieben sind. Je nach der Umsatzmöglichkeit des Produktivbetriebes wird es noch möglich sein, weitere Unkosten des Schuletats aus den Erträgnissen des Produktivbetriebes zu bezahlen. Diese Zergliederung zeigt, daß von der gesamten Summe der Bauhaus-Haushaltskosten für das Jahr 1924 50 Prozent auf den sich selbst erhaltenden Produktivbetrieb abgeschrieben werden können und daß damit der E t a t des Staates nicht nur um 25 Prozent der Bauhauskosten, sondern um 50 Prozent verringert wird. Es tritt also hier die Tatsache ein, daß die Lehranstalt „Staatliches Bauhaus" durch eigene gewinnbringende Arbeit den Staat sofort um ein Erhebliches entlastet, und daß damit der Beweis erbracht ist, daß die nach den Grundsätzen des Staatlichen Bauhauses arbeitende Lehranstalt, wenn es die Sparmaßnahmen des Landes erfordern, sich zum großen Teil selbst erhalten kann und damit vor dem Schicksal der übrigen Kultur-Lehranstalten bewahrt wird, in der allgemeinen Verelendung des Landes mit unterzugehen. Als dritter wichtiger Grund für die Umgestaltung der Bauhauswerkstätten zu einem modernen gewinnbringenden Unternehmen gilt noch die Notwendigkeit der Erhaltung der hochqualifizierten Bauhausgesellen . . . Der Umstand, daß wir seit Beginn der Produktion und seitdem diese Menschen auf einen lebenserhaltenden Verdienst rechnen müssen, stets in unerträglicher Weise am Betriebsmittelmangel gelitten haben, hat zur Folge, daß wir diese Kräfte nur ungenügend bezahlen können. Durch die Zunahme der Nachfrage nach unseren Produkten wächst auch das Interesse der ähnlichen Produktionsstellen (Kunstgewerbe und Hausratindustrie) an unseren hochwertigen Qualitätsarbeitern, und es wird zur Gewißheit, daß, wenn dieser Kapitalmangel und die schlechte Bezahlung der Leute noch längere Zeit anhält, unsere besten Arbeitskräfte, weil sie mit dem geringen und ungleichmäßigen Verdienst nicht auskommen können, von unserer Konkurrenz wegengagiert werden . . .

Dok. 77 Gerhard Mareks an das Staatliche Bauhaus, 2. Januar 1924 (STAW — B vorl. 47) . . . Wir müssen uns immer vor Augen halten, daß das Bauhaus eine Bildungsstätte sein soll, das heißt, daß Leute von einiger Begabung und Charakter zu einer ihnen gemäßen Tätigkeit ausgebildet werden, auf unserem Gebiet etwas Mustergültiges zu leisten. Zur Erreichung dieses Zieles erscheint uns der praktische Betrieb das richtige. Der Betrieb darf aber niemals das Ziel sein. Sonst wird das Bauhaus die 101. Fabrik der 100 schon bestehenden, das heißt, eine völlig gleichgültige Angelegenheit... Nur durch die Modell- und Versuchsarbeiten (der Begabtesten) können wir vorwärts kommen. Die Gesellen müssen die Hauptzeit hierauf verwenden . . .

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Dok. 78 Besprechung über Gründung der Bauhaus-Produktiv-GmbH a m 19. Januar 1924 i m Volksbildungsministerium ( S T A W — B vorl. 65) (Unwesentliche Hervorhebungen wurden getilgt) Anwesend: Ministerialdirektor Wuttig Ministerialrat Ortloff Oberregierungsrat Rudolf Oberregierungsrat Schmidt Regierungsrat Stuckert Bauhaus-Direktor Gropius Bauhaus-Syndikus Lange Kaufmann Beiersdorfer Wuttig stellt nochmals das Ergebnis der Verhandlungen bei Staats-(bank)-Präsident Loeb am 14. Janauar 1924 fest, wonach die Staatsbank und die Regierung auf Grund der Vorschläge des Staatlichen Bauhauses bereit sind, die Bauhaus-GmbH zu gründen, und es sollen heute alle vom Standpunkte der Regierung wichtigen Rechtsfragen und vor allen Dingen finanzielle Einzelheiten durchgesprochen werden . . . Lange macht darauf aufmerksam, daß wohl der Staat nicht mit Sachwerten beteiligt werden sollte, daß aber nach den Ausführungen des Herrn Finanzministers Hartmann unzweifelhaft feststeht, daß der Staat sich an der Gesellschaft beteiligen wollte, und zwar nach Vorschlag des Präsidenten Loeb mit 10000,— Goldmark, und daß dieser Anteil daraus hervorgehen soll, daß der Staat seine Sachwerte an die Gesellschaft verkauft und aus dem Erlös die Gesellschafts-Anteile erwirbt und damit Gesellschafter wird. Mit dieser Auslegung erklären sich die Teilnehmer an der StaatsbankSitzung einverstanden . . . Gropius macht darauf aufmerksam, daß die Gründung der Gesellschaft nur ein Anfang zur Verselbständigung des Bauhauses sein soll, und bei diesem Anfang sei zu berücksichtigen, daß das Unternehmen nicht gleich zu stark belastet würde, damit es eben Zeit hat, kraftvoll für spätere Zeiten zur Aufnahme höherer Belastungen zu werden. Ortloff hält es für nicht möglich, daß bei den augenblicklichen politischen Verhältnissen, ehe die neue Regierung feststeht, diese Maßnahmen zur Umformung der Bauhaus-Produktiv-Werkstätten getroffen werden könnten, da hier längere Verpflichtungen eingegangen werden, die die neue Regierung mit übernehmen müsse und diese gegebenenfalls in ihren Dispositionen hindern könne. Es wird hier der Fall aufgeworfen, daß die neue Regierung das Bauhaus eventuell auflösen könne. — Man wird sich darüber einig, daß sehr lange Bindungen durch die Gesellschaft für den Staat durch Anstellungs-, Rechts- oder Mietsverträge nicht eintreten dürfen . . . Wuttig erklärt, daß die augenblicklichen politischen Verhältnisse nicht maßgebend sein dürften für Gründung der Nichtgründung der Gesellschaft; wenn die Verhältnisse im Bauhaus augenblicklich so liegen, daß derartige Maßnahmen zur Belebung und Erhaltung der Produktion des doch jedenfalls sehr hoffnungsreichen Unternehmens getroffen werden müssen, und daß diese Maßnahmen am zweckmäßigsten in der vorgeschlagenen Form sind, so ist es für die Regierung wichtig, die Gesellschaft erstehen zu lassen. Wenn die Genehmigung des Landtages dazu notwendig ist, so ist eben diese Genehmigung unmöglich, weil kein Landtag da ist. Es könne also die Gesellschaftsgründung von Staats wegen verantwortet werden ... Es wird vereinbart, daß über die Einzelheiten der Vermögensteile noch besonders verhandelt wird, daß aber der Staat das Vermögen des Produktiv-Betriebes an die Gesellschaft verkauft und vorläufig nicht als Gesellschafter teilnimmt, daß aber bei der Gründung festgelegt wird, einen Teil der von: der Staatsbank genommenen Anteile später an den Staat zu übertragen . . . Es wird weiter besprochen, daß bei Zustandekommen der Gesellschaft die Lehrkräfte, die für diese arbeiten sollen, durch Sondervertrag verpflichtet werden, oder daß Lehrkräfte, die vorwiegend für die Gesellschaft arbeiten, von dieser ganz übernommen und durch Sondervertrag zur Lehrtätigkeit für die Schule verpflichtet werden ...

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Dok. 79 Protokoll der Sitzung des Arbeitsausschusses des Bauhausrates am 18. März 1924 (STAW - B vorl. 184) 1. Gewinnbeteiligung der Werkleute . . . B r e u e r schlägt vor und es wird angenommen, daß alle Entwürfe sofort bezahlt werden, sobald sie überhaupt brauchbar sind und das Bauhaus dazu finanziell fähig ist. Bei einem wiederholten Verkauf werden außerdem Gewinnprämien an den Erfinder oder Schöpfer des Stückes bezahlt. Ferner soll der Gewinn nicht in einem bestimmten Prozentsatz vom Verkaufspreis, sondern vom gesamten Gewinnzuschlag ausgezahlt werden. Bei vielfacher Reproduktion soll sich der Gewinnanteil grundsätzlich pro Stück verringern. Auszahlung von Gewinn an Personen, die nicht mehr dem Bauhaus angehören, soll nicht rechtlich festgelegt werden, aber in der Regel üblich sein, und zwar auf die Dauer von zwei Jahren. Der Gewinn wird nur ausgezahlt, wenn die Betreffenden ihn fordern. Der übrigbleibende fällt an eine gemeinschaftliche Wohlfahrtskasse des Bauhauses. Einzelheiten über diese Abmachungen werden von Fall zu Fall von der Kommission entschieden. Buchtechnisch sollen Einrichtungen getroffen werden, daß die Gewinne stets ersichtlich sind. Diese Prämienvereinbarungen sollen ein Jahr rückwirkend gelten, und zwar ist als Datum das Herstellungsdatum gültig . . . L a n g e schlägt außerdem vor, für die Reproduktionskräfte ebenfalls Prämien auszusetzen, die allerdings geringer prozentig sein müssen. Bei Patenten sollen besondere Verträge abgeschlossen werden . . .

Dok. 80 „Vossische Zeitung", Berlin, 30. März 1924: „Das Schicksal des W e i m a r e r Bauhauses" Die scharfe Gegnerschaft, die führende Kreise der Rechtsparteien Thüringens aus unangebrachtem Vorurteil bisher dem Weimarer Staatlichen Bauhause und seinem Schöpfer und Leiter Prof. Walter Gropius gegenüber bekundet haben, hat neuerdings zu Gerüchten über eine nahe bevorstehende Auflösung dieses in kurzer Zeit weltbekannt gewordenen Bildungsinstituts moderner deutscher Werkkunst Veranlassung gegeben. Man nimmt vielfach an, daß der politische Regimewechsel in Thüringen auch für das Bauhaus nicht ohne Folgen bleiben werde. Zweifellos glauben sich die Feinde des Bauhauses dem Ziele nahe. Sie dürften alles versuchen, um auch die neue Staatsregierung für ihre Auffassung zu gewinnen. Alle Freunde des Bauhauses und seiner bahnbrechenden Arbeit, deren Bedeutung weit über die Grenzen des Landes Thüringen hinausgeht und das Geschick des Institutes bereits heute zu einer allgemeindeutschen Angelegenheit macht, haben Veranlassung genug, ihre Stimme für die Erhaltung des Werkes des Professor Gropius und seiner Mitarbeiter zu erheben. Die Nachrichten über eine demnächst erfolgende Liquidation sind allerdings ohne Zweifel verfrüht. Vorläufig laufen die bestehenden Verträge, auch der von Walter Gropius, noch ein volles Jahr. Auch hat die neue Thüringische Staatsregierung bei ihren Umorganisationsarbeiten offensichtlich noch nicht genügend Zeit gefunden, sich mit der Bauhausangelegenheit eingehender zu befassen. Von Regierungsentschlüssen gegen den Bestand des Bauhauses kann jedenfalls zur Zeit noch nicht gesprochen werden. Es scheint, als ob eine Entscheidung über den Fortbestand des Institutes in seiner heutigen Gestalt und unter seiner jetzigen Leitung ohne eine Mitwirkung des Landtages von Thüringen auch nieht zu erwarten sei. Vielmehr dürfte dieser berufen sein, das Geschick des so hoffnungsvoll entwickelten Bauhausunternehmens zu bestimmen. Man kann aber kaum annehmen, daß die Landtagsfraktionen der Deutschen Volkspartei und der Demokratischen Partei als Träger des Thüringischen Liberalismus in einer so wichtigen kulturellen Frage etwa deutschnationalen Anregungen folgen werden. Vielmehr sollte man erwarten dürfen, daß die Mehrheit des Thüringer Landtages, geleitet von der Einsicht, daß Kunstfragen mit Parteipolitik nicht verquickt werden dürfen, für eine Sicherung des Wieterbestandes des Gropius'schen Werkes sorgen wird.

Dok. 81 „ F r a n k f u r t e r Zeitung", 31. März 1924: „Das W e i m a r e r Bauhaus b e d r o h t " . . . Man scheint in Weimar rückwärts revidieren zu wollen und beim Bauhaus den Anfang zu machen. Es ist an der Zeit, eine starke Warnung zu verlautbaren ... Mit dem Bauhaus steht und fällt die Idee einer deutschen Kulturerneuerung. Wir haben nichts Ähnliches in Deutschland und wahrscheinlich

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in Europa: eine Stätte, an der Kunst als Gesamtheit gelehrt, als Gesamterlebnis empfunden wird. Legt man sämtliche Akademien auf die eine Schale und das Bauhaus auf die andere, so würde die Wahl, sich für die Erhaltung nur eines von diesen zu entscheiden, ohne Schwanken auf das Bauhaus fallen müssen . . . Jeder, dem an deutscher Kultur liegt, muß seine Stimme erheben. Helft das Bauhaus erhalten wie es ist. Ihr erhaltet die geistige Zukunft Deutschlands in ihm! Dok. 82 „Bauhaus W e i m a r " , Stellungnahme der Zeitschrift „ G " , Material zur elementaren Gestaltung, 1924, zur Broschüre A . Müllers So? — Also nicht Konjunkturpolitik? Was man auch gegen Lehrmethoden, -material, -Organisation usw. des Bauhauses einzuwenden hat, in diesem Moment ist das P a r t e i a r b e i t , F r a g e ob rechte oder linke Partei. Dieser Kampf wird nicht geführt gegen die unzulänglichen Kräfte und Methoden des Bauhauses, gegen seine Unvollkommenheit, sondern im Gegenteil gegen den idealen Plan einer solchen Einrichtung überhaupt. Das Bauhaus war der Mittelpunkt vieler Angriffe, auch der unsrigen, weil es einen Plan hatte, an dem es zu messen war. Keinem Menschen würde es einfallen, über die Berliner oder Münchener Akademie oder ähnliche Sinnlosigkeiten ein Wort zu verlieren. Die Öffentlichkeit, die Interesse an der Erhaltung dieses schwachen Bollwerks gegen allgemeine Empfindungslosigkeit hat, soll sich durch „objektive" Kritik und sonstige Einzelheiten und Manöver, berechtigte oder unberechtigte Vorwürfe gegen den Leiter, nicht über das Ganze als Plan täuschen lassen. Dok. 83 Briefe von Walter Gropius an Staatsminister Leutheußer, Ministerium für Volksbildung Weimar, den 31. M ä r z 1924 (BD 3f/l unf 3f/lll) . . . Schließlich möchte ich mich noch einmal, soweit das Bauhaus und seine Angehörigen damit gemeint waren, gegen die am Telefon... von Ihnen ausgesprochene Ansicht verwahren, das Bauhaus sei bisher als Parteiangelegenheit behandelt worden. Wir sind von Anbeginn mit unserer Sache über den Parteien gestanden, haben uns niemals irgendwie politisch betätigt und bewußt mit peinlicher Sorgfalt und Strenge alle Versuche, uns persönlich in den Parteienkampf hineinzureißen, abgewiesen. Das Bauhaus ist, wie es Kritiken und Referate aller Parteien beweisen, eine unpolitische Kulturangelegenheit des deutschen Reiches geworden . . . Weimar, den 14. April 1924 Die Lage im Bauhaus wird immer kritischer. Es droht eine Katastrophe, die die übelsten Folgen in der Öffentlichkeit nach sich ziehen muß, wenn nicht für die Klärung und damit auch für die Kreditregelung schnell Entscheidendes geschieht. Verzeihen Sie . . . mein großes Drängen. Ich bin aber selbst dazu durch die Umstände gezwungen, da sich bereits im Wirtschaftsverkehr die übelsten Folgen der Gerüchte über die Auflösung des Bauhauses zeigen. Bereits vorige Woche habe ich Gelegenheit genommen, mit einigen Abgeordneten der Mittel- und Rechtsparteien Fühlung zu nehmen (Herr Dr. Witzmann (DVP), Herr Prof. Krüger (DP), Herr von Eichel-Streiber (DNVP)). Andere Herren konnte ich nicht erreichen. Es lag mir daran, persönlich sachliche Aufklärung zu geben . . . Dok. 84 Rundschreiben Langes an verschiedene Parteivorsitzende und Landtagsabgeordnete der bürgerlichen Parteien,betreffend Person Dr. Beyers, 10. April 1924 ( B D 3 f / l ) (an Staatsrat Dr. Herfurth (DNVP); von Eichel-Streiber, Vorsitzender der DNVP im Thür. Landtag; Bauer, Sondershausen, Vorsitzender der DVP; Dr. A. Dinter, Vorsitzender der Deutsch-Völkischen Partei; Prof. Dr. Rosenthal, Vorsitzender der DP u. a.) Sehr geehrter Herr! Zu den Angriffen gegen das Staatliche Bauhaus, die aus Anlaß der bevorstehenden Landtagsberatung zur absichtlichen Schädigung des Bauhauses stattfinden, fühle ich mich verpflichtet, dazu beizu-

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tragen, daß die. Abgeordneten des Landtages über das Staatliche Bauhaus, den Wert und das moralische Gewicht von dessen Gegnern völlig unterrichtet sind. Es ist eine allen interessierten Kreisen seit langer Zeit bekannte Tatsache, daß der Kampf gegen das Bauhaus, der seit der Gründung des Bauhauses bis Ende 1922 von einer kleinen rückwärts orientierten Künstlergruppe Weimars mit verhältnismäßigem Anstand geführt wurde (allerdings auch schon mit Verleumdungen und bewußten, übelwollenden Verdächtigungen aller Art) seit Herbst 1922 von den Weimarer Gegnern des Bauhauses unter Führung eines Herrn Hans Beyer aus Berlin fortgesetzt wurde. Beyer mußte im Herbst 1922 nach einer kurzen (3 Monate langen) Tätigkeit wegen Ungeeignetheit und Unfähigkeit fristlos aus seiner Syndikusstelle am Bauhaus entlassen werden. Aus Bache darüber bekämpfte er das Bauhaus durch Presseartikel, durch rüpelhafte Eingaben an die Regierung und durch Wühlarbeit von Mund zu Mund auf das heftigste mit den gröbsten Unwahrheiten. Sein sehr zweifelhaftes Material gegen das Bauhaus wurde u. a. auch von dem Landtags-Abgeordneten Dr. Herfurth für seinen seit Jahren geführten Kampf gegen das Bauhaus anscheinend kritiklos verwendet. Durch diese hierdurch entstandene Kampfgemeinschaft mit einer gegen uns ohne Notwendigkeit feindlich eingestellten wichtigen politischen Partei erhielt pp. Beyer unerwünschtes Gewicht auch bei den Behörden und in sehr achtbaren Kreisen, so daß seit dieser Zeit ein völlig den Tatsachen widersprechendes Zerrbild von Zweck und Betätigung des Staatlichen Bauhauses in der Öffentlichkeit entstand, daß es z. Zt. zu einer scharf ablehnenden Einstellung aller der Kreise gegen das Bauhaus führte, die wegen der tatsächlich eingetretenen günstigen wirtschaftlichen (Produktivtätigkeit) und wichtigen nationalen Wirkung (Erschließung neuer vom vaterländischen Standpunkt wichtiger Betätigungsgebiete wertvoller deutscher Menschen — die geistige Jugend —) eigentlich das Bauhaus als wichtige Wiederaufbau-Erscheinung unseres Volkes mit allen Mitteln unterstützen müßten . . . Als B(eyer) erfuhr, daß Nachforschungen über sein Vorleben angestellt wurden, gestand er selbst ein, daß er einen deutschen Doktor-Grad nicht besitze, behauptete aber, ohne es wiederum mit geeigneten Dokumenten oder Daten zu belegen, daß er seinen Doktor-Grad (und zwar wiederum Dr. phil.) an der Oriental-University in Washington (Amerika) erworben habe. Sonderbar erscheint es, daß dies während der Kriegsjahre auf einer amerikanischen Universität stattgefunden haben soll angesichts des bekannten allgemeinen Deutschenhasses ... (Beyer wurde als Hochstapler entlarvt, der seinen Dr.-Titel zu Unrecht führte).

Dok.85 Syndikus Lange an den Reichstags-Kandidaten d e r Deutschvölkischen Bewegung, Hans Stehr, 26. April 1924 (BD 3f/l) (Lange versucht, politisch naiv, mit den Gegnern und nunmehrigen Begierungsparteien in ein sachliches Gespräch zu kommen.) Sehr geehrter Herr! Ich habe am Mittwoch, dem 23. (April) mit großer Aufmerksamkeit Ihre Ausführungen in der „Erholung" verfolgt und muß sagen, daß der Eindruck des von Ihnen Vorgetragenen auf mich außerordentlich viel günstiger war, als der Rummel Ihrer Anhänger in der Öffentlichkeit und in der Presse... Ich will Ihnen erklären, daß der Gesamteindruck von Ihnen persönlich auf mich der war, daß ich Ihnen das Gesagte glaube. Eine tiefe Traurigkeit hat mich dabei erfaßt, als ich daran denken mußte, welch anderes Bild die praktische Tätigkeit Ihrer Bewegung ergibt, soweit ich es aus meinem persönlichen Kampf um das ideelle Ziel meiner und vieler Hundert anderer echt deutscher Existenzen erleben mußte. Ich gebe Ihnen anliegend die Abschrift einer Interpellation der Deutschvölkischen im Thüringer Landtage, die ein Teilstück aus dem brutalen, von keinem ideellen Geist geleiteten Kampf gegen das Staatliche Bauhaus ist, ferner einen Personal-Auszug aus dem Leben eines Dunkelmannes (gemeint ist Beyer), der, wie ich informiert bin, Ihren Kameraden das Material zu dieser Interpellation gegeben hat. Ich könnte Ihnen auch noch einige Zeitungsnotizen geben, die alle auf deutschvölkische Inspiration zurückzuführen sind und zusammen eine Menge Material ergeben, was man in parlamentarischer Sprache „Dreck" n e n n t . . . Weil wir die Jugend sind, und weil wir mit den Zielen absolut brechen, mit dem Krämergeist, mit

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dem rechnenden Materialismus und in einer fast verzweifelnden Energie ideale Ziele auf dem Kunstund Lebensanschauungs-Gebiete verfolgen, deshalb haßt uns das ganze immer noch sehr starke, rettungslos verkalkte Spießertum, und das ist in Weimar so entsetzlich groß, daß es auch die völkische Bewegung schon versucht hat ... Wir haben gerade in den langen Jahren unseres Felddaseins uns die Kräfte geholt zu der sehr schweren Reformarbeit, die wir hier, am Bauhausein der Jugenderziehung vornehmen, und ich bitte Sie sehr, ton all diesem Kenntnis zu nehmen und vor allen Dingen auf Ihre Kameraden hier in Weimar einzuwirken, damit sie ihre Finger von diesem skandalösen Vorhaben fortlassen . . . Ich begrüße Sie mit besonderer Hochachtung! gez. Lange

Dok. 86 Syndikus Lange an Stadtbaurat M a x Berg, Breslau, 26. April 1924 ( B D 3f/lll) Lieber Herr Berg! Sie müssen uns hier bei unserem wieder schwer entbrannten Existenzkampf des Bauhauses helfen ... Wir werden in neuerer Zeit von dem Weimarer Spießer-Pöbel, dessen Tendenz ja in ganz Deutschland bekannt ist, schwer bekämpft. Das Traurige dieses Kampfes ist, daß unsere Gegner derartig angesehen sind in der hiesigen Lakaienwelt, daß selbst die Presse, die angeblich überparteilich sein will, es nicht recht wagt, unsere Erwiderungen aufzunehmen. Die Redakteure erklärten mir, es sei für sie furchtbar schwer, hier die richtige Stellung einzunehmen, weil unsere Gegner mit ihnen so verwachsen seien, daß sie nicht anders könnten. Aber sie würden uns helfen, wenn die Zeitung — es handelt sioh um die Allgemeine Thür. Landeszeitung „Deutschland" in Weimar — von prominenten Persönlichkeiten Znschriften erhalten würde, die sie dann einfach abdrucken könnten . . . Das Verhalten der Weimaraner im Hinblick auf die Bedeutung Weimars . . . auf dem Gebiete einer bestimmten Kultur ist in den letzten Jahren derartig undiskutabel, eben wegen der absoluten Verspießerung und Verkalkung . . . Jetzt ist nun noch der sehr verpöbelte völkische Rummel dazu gekommen, Weimar und andere mitteldeutsche Städte stehen im Zeichen der „Hittler"-Mütze, so daß in letzter Zeit schon oft unbefangene Kulturmenschen des In- und Auslandes ihr Befremden über den geistigen Zustand des Weimaraners und über die eigentümliche Haltung dieses Menschen und die Beschwernisse und Ärgernisse, die man als Fremder hier in Weimar hat, ausgedrückt haben . . . Ich begrüße Sie . . . herzlichst und danke Ihnen im Namen des Bauhauses und aller guten geprügelten Geister. Ihr Lange

Dok. 87 Aufruf der Studierenden des Staatlichen Bauhauses, 28. April 1924 ( B D 9) Weimar! Wir rufen auf: Um sachliches Urteil. Es geht der Kampf gegen das Staatliche Bauhaus, die Hochschule für gestaltende Arbeit. Weil einige Gegner sich momentan geschädigt glauben, soll junge Arbeit, elementar beginnend und erst weittragend auswirkbar, im ersten Atemzug erdrosselt werden. Durch systematische Denunziation bei Volk und Parlament. Kritik ist berechtigt und nirgends mehr geübt, als unter uns. Weiß sie aber nicht Besserung und Fortschritt, bedeutet sie Kampf, dessen Resultat Vernichtung ist. Und was wiegt schwerer? Das Urteil anerkannter Künstler verschiedenster Richtungen, die das Bauhaus als Kulturfaktor ersten Ranges bezeichnen, oder: Schmähungen von Obskuranten, die, meist namenlos, nur zu schimpfen wissen? Ihr Handwerker! Die Ihr Euch gegen uns erklärt, wir fragen: Habt Ihr nicht Henry van de Velde ebenso abgelehnt? Und welchen Aufschnwung hat das Weimarer Handwerk durch ihn genommen!

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Aber nach Jahren. Warum wollt Ihr mit uns nicht warten. Wir wissen besser: daß wir, je länger, je mehr gegenseitige Förderung erfahren werden. I n Weimar wollen Übelgesinnte (sind an den Händen zu zählen) unser Bauhaus — persönlich erledigen, durch das Parlament. Es wird unwahrer Unflat gegen unseren Leiter Gropius gesammelt. Und bald gedruckt kolportiert. Diese Sammler seht näher an (sofern sie ihre Namen nennen). Wir wehren uns dagegen, daß maßgebende Politiker von solchen Kolporteuren beraten werden und durch sie die öffentliche Meinung gegen uns beeinflußt wird. Wir bezeichnen diese Personen als unsere Feinde. Und ihr Vorgehen als unverantwortlich. Wir erkenen ihre Angriffe gegen unseren Leiter als gegen uns selbst gerichtet. Wir stehen in allen Entscheidungen hinter unserem Leiter W a l t e r G r o p i u s . Und fordern entsprechend unserem Einsatz für die Verwirklichung der Bauhaus-Idee (jahrelange schwerstwiegende persönliche und wirtschaftliche Opfer — Aufgabe gesicherter Lebensstellungen), bei wichtigen Entscheidungen gehört zu werden, da wir es wissen, daß kein anderes Institut die Arbeits- und Ausbildungsmöglichkeiten des Staatlichen Bauhauses bietet. Die Studierenden des Staatlichen Bauhauses

Dok. 88 Professor Engelmann an Professor H a n s Poelzig; betrifft Beurteilung des Bauhauses von Seiten der Hochschule, 28. April 1924 ( S T A W - H f b K 197/198) Mein lieber Poelzig! Das fehlt gerade noch, daß du für dieses morsche Gebäude zur Stützung herbeigeholt wirst. Du, der Du die Ausstellung gesehen und in Grund und Boden verurteilt h a s t . . . Zur Klärung folgendes: Wir, d. h. die Hochschule, denken nicht daran, das Bauhaus auflösen zu wollen. Wir halten es aber in der jetzigen Form für durchaus verfehlt, für eine untragbare Last für den Staat, (er (d. h. Gropius) fordert ungefähr ömal so viel wie wir) und in seiner einseitgen Einstellung auf eine ganz einseitige Kunstrichtung für unhaltbar. Wir sind für freie Mal- und Meisterschulen an der Hochschule, außerdem gleichberechtigt und angegliedert eine Kunstgewerbeschule (Bauhaus) unter der Leitung eines Architekten, der an der Hochschule eine Meisterschule für Architekten innehat und all dies (Hoch- und Kunstgewerbeschule) verwaltungstechnisch von einem gemeinsamen Verwaltungsdirektor geleitet, der Jurist oder sonst was ist. Also ein Senat von Künstlern, von denen jeder seine Schule nach eigenem Ermessen leitet... Unser System (mit Verwaltungsdirektor) hat sich glänzend bewährt. Wir begannen nach unserem Erdrosselungsversuch durch Gropius im Jahre 1921 mit 19 Schülern und sind auf 130 + 40 Hospitanten im Vorjahr gekommen. Durch die unter der vorigen Regierung von Gropius in unerhörter Weise ausgenutzte politische Lage als Stiefkinder behandelt, haben wir uns trotz des ständigen Wunsches von Gropius, uns zu vernichten, nicht nur über Wasser halten können, sondern sind ja eine absolut gefestigte, vom ganzen Lande gewünschte und geachtete Hochschule . . . Die Hochschule und die frühere Kunstgewerbeschule unter van de Velde hatten stets Verbindung gehabt ... Diese Verbindung hätte fruchtbar werden können, wenn nicht die beiden Direktoren Mackensen und van de Velde persönliche Gegner gewesen wären. Unsere Hochschule war stets in Deutschland die freiest» und fortgeschrittenste. Wir beriefen ja doch Gropius, Feininger, Itten und sind auch jetzt jederzeit bereit, wenn wir die Mittel bekommen hätten, ganz moderne Meister zu berufen. Seien wir doch ganz klar und ehrlich: Das Bauhaus besteht aus einem Ober- und Unterbau. Der Oberbau ist eben die Hochschule für Künstler, der Unterbau die Kunstgewerbeschule; zwei Hochschulen kann sich der Staat nicht leisten, also muß eine fallen, entweder unsere oder die vom Bauhaus. Wir sind vielleicht bereit, die wirklichen Meister am Bauhaus zu uns zu nehmen; aber kannst Du Dir eine Verbindung vorstellen, solange Gropius am Ruder ist? Freie, wirklich bedeutende Künstler können sich überhaupt nicht unter einen Leiter stellen, ebensowenig wie Universitätsprofessoren es t u n . . . 15

Hüter

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Dok. 89 Theo van Doesburg an Walter G r o p i u s , M a i 1924 ( B D 3i/l) (van Doesburg, Propagandist der holländischen Gruppe „De Stijl", war der wichtigste sachliche Gegner des Bauhauses. Seine Kurse 1922 in Weimar wollten eine Alternative bieten. Er bekennt sich nun angesichts der drohenden Auflösung ebenfalls zum Bauhaus. Der Brief, in gebrochenem Deutsch geschrieben, wurde sprachlich verbessert.) . . . Im Anfang, als ich das Bauhaus und sein künstlerisches Programm kennenlernte, habe ich mich dafür außerordentlich interessiert. Insofern die Bestrebungen parallel gingen mit ähnlichen schon am praktischen Bau geprüften Bestrebungen in Holland wollte ich mich, ohne dabei die g e r i n g s t e p e r s ö n l i c h e A b s i c h t zu h a b e n , sowohl mit meiner künstlerischen Tätigkeit als auch mit meiner Propaganda u n a b h ä n g i g v o m B a u h a u s für die Sache einsetzen und die Leitung in ihrem Kampf unterstützen. Ich memoriere, was Herr Walter Gropius über unsere Stijlarbeit sagte, als ich ihm 1920 zum ersten Male die Photographien zeigte: „Die Künstler der Stijlgruppe sind viel weiter als wir. Aber wir wollen keine Dogmen pflegen am Bauhaus. Jeder soll seine eigene schöpferische Individualität entwickeln, usw." Als ich mich (und nicht bloß aus persönlicher Initiative) in Weimar niederließ, um dort unabhängig vom Bauhaus zu arbeiten, bekam ich ein ganz anderes Bild vom Bauhaus. Meine Wohnung am Horn — und später mein Atelier am Schanzengraben — wurden Sammelpunkt von Leuten, die am schärfsten die innere Konstruktion des Bauhauses, welche mir fremd (unbekannt) war, kritisierten und tadelten. Das waren nicht nur Feinde des Bauhauses, sondern Freunde, Meister, Schüler und direkte Mitarbeiter des Leiters, welche mich zur Kritik herausforderten. Damals, als ich in Weimar wohnte, wunderte es mich sehr, daß diejenigen, welche sich für meine Auffassungen interessierten, davon nur heimlich Kenntnis nehmen mochten, und daß von den Möglichkeiten, öffentlich die Gedanken einer neuen Kunstgestaltung zu entwickeln, und zwar am Bauhaus, niemals die Rede war. Das war doch nicht mit den über die ganze Welt geschleuderten Manifesten des Bauhauses (vereinbar). An Stelle „freundschaftlicher Unterkunft (Aufnahme) der ausländischen Kollegen" empfand ich nur eine wachsende Feindseligkeit und Engherzigkeit. Und diese ganz unerklärbare Haltung der Bauhausleitung mir gegenüber, . . . der ganze Dualismus, die Zerrissenheit, forderten mich zur Kritik heraus . . . Nun weiß jeder, und meine Weimarer Freunde werden es bestätigen können, wenn meine Kritik auch scharf war, sie nur hinsichtlich rein k ü n s t l e r i s c h e r u n d p r i n z i p i e l l e r Differenzen am Bauhaus geführt (geübt) wurde, und immer nur das grundlegende Programm als Ausgangspunkt genommen ist. Mit Ordure (Schmutz) zu werfen, kam mir nicht in den Sinn, und wenn man mich dazu aufforderte, habe ich immer aufs schärfste abgelehnt. Das Bauhaus als solches oder Personen habe ich niemals bekämpft. Die kardinalen Punkte, um die meine ganze Kritik sich drehte, waren: 1. Der Widerspruch zwischen programmatischen Aufgaben und praktischen Lösungsmethoden 2. Die Unmöglichkeit, zum kollektiven Gesamtbau zu gelangen ohne Disziplin und ohne geistige Gemeinschaft von Formmeister, Werkmeister und Schüler 3. Das Fehlen eines General-Prinzips 4. Das Einbeziehen von rein persönlichen Angeigenheiten in schöpferische Angelegenheiten, 5. Das Entwickeln von metaphysischen Problemen, politischen, religiösen oder sonstigen Spekulationen, anstatt die realen Gestaltungsprobleme gemeinsam in Angriff zu nehmen usw. Gegenüber verschiedenen Weimarern habe ich damals meinen Standpunkt folgendermaßen ausgedrückt: „Wenn das Bauhaus bloß eine freie Kunstschule wäre, ein Institut, wo jeder nach seiner eigenen Laune und Willkür experimentieren könnte, so würde ich einen ganz anderen Standpunkt vertreten . . . Aber das Bauhaus hatte ein Programm, erhebt den Anspruch, eine Mission zu haben, und nun erlaube ich mir, mich zu fragen: Wie will das Bauhaus das Ziel erreichen, das Programm praktisch durchführen, wenn (es sich) in Mazdaznan, Ittianismus und individualistischer Kunstproduktion verliert??" Das war mein Standpunkt in Weimar um 1920—23. Nun mein Standpunkt . . . (im Angesicht) der

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Kunstreaktion und im Verhältnis zu allen akademischen Schlafpulvern und Kunstkonservenbüchsen! loh möchte dann behaupten, daß das Bauhaus t r o t z a l l e m von großer Bedeutung ist für die Kunstentwicklung in Deutschland, und, soweit es seine kulturelle Mission bewußt erfüllte (d. h. allen schöpferischen Potenzen die Möglichkeit zur Entfaltung gibt), für die Kunstentwicklung im allgemeinen. Ich bin ganz sicher, daß, wenn wir die Fähigkeit des Bauhauses nicht auf das Programm festlegen, sondern es als Kulturphänomen betrachten, die Feinde Deutschlands und die Feinde nordischer Gesinnung die Auflösung des Bauhauses mit großer Freude (aufnehmen) werden. (Die deutsche Regierung hat also die moralische Pflicht, das Bauhaus aufrecht zu erhalten). Sie können doch nicht glauben: die Stijlkünstler stehen an der Seite von denen (den Feinden). Ebensowenig können Sie es von mir glauben. Ich bitte Sie aber zu bedenken, was ein deutscher Philosoph folgendermaßen ausdrückt: „Der eine Sache am meisten liebt, kritisiert sie am meisten!" . . . Mit kollegialem Gruß Theo van Doesburg

Dok. 90 Erklärung des Meisterrates, 8. M a i 1924 ( S T A W -

B vorl. 417)

Durch die Veröffentlichung der von dem Schlossermeister Arno Müller als verantwortlich gezeichneten bereits verbreiteten Broschüre „Das Staatliche Bauhaus Weimar und sein Leiter" sinken die Angriffe auf ein unwürdiges Niveau herab. Es ist uns unmöglich, auf den Ton dieser Machenschaften einzugehen, und wir müssen es ablehnen, uns in der Öffentlichkeit gegen die schmutzigen Behauptungen dieses Pamphlets zu wehren. Der gerichtlichen Klage gegen die Urheber muß es überlassen bleiben, unseren so niederträchtig verleumdeten persönlichen guten Ruf, den des Instituts und seines Leiters, wieder herzustellen. Zur Erklärung unserer Entrüstung müssen wir der Öffentlichkeit jedoch mitteilen, daß nicht der so unverantwortlich als „verantwortlich" zeichnende Herr Arno Müller, Weimar, der Verfasser ist, sondern der bereits am 11. 12. 1922 durch Verfügung des Gesamtministeriums fristlos entlassene Syndikus des Staatlichen Bauhauses, Herr Hans Beyer . . . Eine ausgedehnte Untersuchung durch Beamte des Staatsministeriums führte damals zur Vernehmung einer großen Zahl von Zeugen und schließlich zur Entlassung der Verleumder selbst, weil ihre besonders gegen den Leiter unseres Institutes gerichteten Anschuldigungen sich als „unbegründet", „unverantwortlich" und „ehrverletzend" erwiesen. Auf Grund dieser Tatsache müssen wir die Broschüre „Das Staatliche Bauhaus Weimar und sein Leiter" als einen persönlichen Racheakt bezeichnen, dem auch die geringste sachliche Kritik fehlt. Für das Staatliche Bauhaus: gez. G. Muche, Paul Klee, Josef Hartwig, Lyonel Feininger.

Dok. 91 Dr.- Ing. N o n n : Das Staatliche Bauhaus in Weimar, in: „ D i e H i l f e " v o m 1. Juni 1924 Die Kunsterziehungsfrage hat in dieser Zeit geistiger und wirtschaftlicher Not Deutschlands eine erhöhte Bedeutung gewonnen. Gilt es doch, bei der erschütterten öffentlichen und privaten Finanzlage den verarmten ehemaligen Mittelschichten die Möglichkeit zu erhalten, Söhne und Töchter zu nützlichen Berufen vorzubilden: Kunst und Handwerk, letzteres hauptsächlich, liegen darnieder. Die Erhaltung eines tüchtig gebildeten Nachwuchses ist daher auch Lebensbedingung dieser Berufsarten selbst. Mit großen Erwartungen sah man daher auf die Ergebnisse, die ein in Weimar unternommener Versuch zeitigen würde, der mit einem beträchtlichen Pressegeräusch in die Wege geleitet wurde . . . Schon zu Beginn der Arbeit regten sich heftige Widersprüche, so daß sich der Werkbund veranlaßt sah, 15*

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eine Zeit der ruhigen Entwicklung für das Bauhaus zu fordern. Ende 1922 trat man dann, wie behauptet wird, auf Drängen der Gegner und angeblich verfrüht, mit einer Ausstellung an die Öffentlichkeit ... Die Weimarer Erzeugnisse ähneln in ihren wesentlichen Zügen nicht sowohl aller futuristischen, expressionistischen, kubistischen und sonstwie benamten neuen Kunst, sondern sind auch den Erzeugnissen, die Prinzhorn in seinem Buch über die Bildnerei der Geisteskranken abbildet, so ähnlich . . . Es ist eben alles auf den Kopf gestellt: Nebensächliche äußerliche Sinneswirkungen, die nicht einmal notwendig von dem Gegenstand ausgehen müssen, werden vom subjektiven Standpunkt des Empfindens aus willkürlich verallgemeinert und zum Lehrweg erhoben . . . Also dieser schrankenlose Subjektivismus, der schon keine Kunstwerke zu zeitigen imstande sich zeigte, läßt auch kein ethisches Bewußtsein für die Pflicht gegenüber einem wirklichen Gemeinschaftsleben mehr aufkommen. Nur die ins Chaos führenden Instinkte werden entfesselt. Es herrscht Mystizismus an Stelle des Verstandes, Wortschwall anstatt ernster Arbeit, Planlosigkeit anstatt Ordnung. Mit banalen Redensarten, durchsetzt mit unverdauten philosophischen Brocken — selbstbewußt und mit geistigem Hochmut vorgetragen — fasziniert man Schwächlinge, Urteilslose und Oberflächliche . . . Vor einer Übertragung der Weimarer Versuche auf Preußen kann nach allem nur dringend gewarnt werden. Der Weimarer Naturpark muß mit einem Schutzzaun umgeben werden. Er hat mit Kunst und Kultur nichts zu tun, nichts mit gesteigertem Können und mit der Einordnung des einzelnen in das Gemeinschaftsleben. Das bis ins Schrankenlose gesteigerte Ichbewußtsein gibt dort den einzigen Maßstab für Tun und Denken ab. Die öffentliche Zurschaustellung des Aberwitzes, begleitet von einer rührig wirkenden Reklame, übt eine verderbliche suggestive Kraft aus und lähmt wertvoll junge Menschen in ihrer geistigen Entwicklung, Von jeder Lehranstalt wird mit Recht das Gegenteil erwartet.

Dok. 92 Walter Gropius an Frau Dr. Gertrud Bäumer, Berlin, Reichsministerium des Innern, betreffend Artikel in der „ H i l f e " , 16. Juni 1924 ( B D 3i/V) (Frau Dr. Bäumer war Herausgeberin der „Hilfe", einer Zeitschrift der demokratischen bürgerlichen Intelligenz) Wider besseres Wissen, wie wir begründet annehmen müssen, kämpft Herr Dr. Nonn seit einigen Wochen mit unfairen, sophistischen Mitteln gegen unser Institut, und zwar seit der rechtsradikale völkische Flügel im Thüringer Landtag eine . . . Hetze gegen uns unternimmt und unsere sachliche Arbeit durch parteipolitische Machenschaften entehrt. Wenn dieser selbe Herr Dr. Nonn in Hetzblättern wie der „Deutschen Zeitung" Artikel unter aufreizenden Überschriften gegen uns bringt, so wird uns das nicht sonderlich berühren. Aber in die „Hilfe" kann unserer Überzeugung nach dieser häßliche Aufsatz nur durch eine Irreführung der Schriftleitung gelangt sein. Wir wissen zwar, daß von einer Seite der demokratischen Partei in Weimar über uns nachteilig an Sie, verehrte Frau Bäumer, geschrieben wurde, aber wir wissen ebenso, daß diese Person in der Partei allein steht, die uns bisher dauernd unter Wortführung des Herrn Prof. Krüger in Thüringen unterstützt hat. Es wäre wirklich schlimm um unser Land bestellt, wenn eine wichtige kulturelle Pionierversuchsarbeit, wie die des Bauhauses, die wir unter größten Opfern in den schwersten Jahren nach dem Kriege leisteten und die schon längst von zahllosen angesehenen Fachleuten aller Lager ernsthaft gewürdigt wurde, bei den geistig Hochstehenden der Mitte deshalb nicht mehr gewürdigt werden sollte, weil b ö s a r t i g e W ü h l a r b e i t , die für parteipolitische Sonderinteressen ausgenutzt wird, durch geschicktes Verhalten der betreffenden Wortführer dort Fuß zu fassen vermag. Dies sind nicht etwa vage Behauptungen, sondern wir sind in der Lage, einwandfreies Beweismaterial dafür zu geben . . . (Frau Bäumer kündigte zunächst einen informativen Besuch an. Daraufhin Gropius am 26. Juni 1924): Ich wäre Ihnen besonders dankbar, wenn es bald sein könnte, da die entscheidenden Verhandlungen im Landtage von Thüringen augenblicklich begonnen haben, und es gar keinem Zweifel unterliegt,

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wie mir auch Herr Dr. Rauhecker vor ein paar Tagen von sich aus sagte, daß die Stellungnahme in der „Hilfe" zur Bauhausfrage ihre politischen Konsequenzen haben kann . . . (Frau Bäumer kam schließlich doch nicht.)

Dok. 93 Kundgebung der „Vereinigung zur Pflege deutscher Kultur in Thüringen", „Weimarische Z e i t u n g " , 6. Juli 1924 Die verschiedenen Schritte, welche die Leitung des Bauhauses und ihre Freunde in der Öffentlichkeit, auch bei der Regierung, zur Aufrechterhaltung des Bauhauses als staatliche Anstalt unternommen haben, veranlassen uns zu folgender Erklärung: Wir erheben Protest gegen das Weiterbestehen des Staatlichen Bauhauses. Wir erheben Protest gegen jede Staatliche Unterstützung eines Institutes unter der Leitung des Herrn Gropius und der Mitarbeit seiner derzeitigen Lehrer und Meister. Unseren Protest begründen wir folgendermaßen: Das Staatliche Bauhaus will nach Angabe der Leitung ein Institut sein, das „die neuerdings zueinander strebenden Gebiete: Kunst (in erster Linie Architektur, Malerei und Plastik), Wissenschaft (Mathematik, Physik, Chemie, Physiologie usw.) und Technik verbindet". Aber wie sieht es mit Kunst und Wissenschaft in diesem mit großer Reklame angekündigten Programm aus! Über Kunst läßt sich nicht verstandesgemäß streiten, sie ist trotz der gegenteiligen Behauptung der Meister des Bauhauses nicht wissenschaftlich greifbar, sondern ist tief innerstes Erleben, im Unbewußten, im Instinkt des Menschen wurzelndes Empfinden. Unser gesunder Instinkt sagt uns, daß wahre echte Kunst nicht bloß Farbenkomposition, Flächenfüllung, technische Konstruktion oder sonst eine Einseitigkeit sein kann. Jene mechanischen Spielereien, Stoffzusammenstellungen, Farbenwirkungen, jene verzerrten Idiotenköpfe und bizarren menschlichen Körper, alle jene schizoiden Kritzeleien und Verlegenheits-Experimente, wie wir sie in den Ausstellungen und Veröffentlichungen des staatlichen Bauhauses zu Weimar finden, sind Niedergangswerte, die in Ermangelung künstlerischer Schöpferkraft von Leitung und Meistern des Bauhauses theatralisch zu Kunst aufgeblasen werden, mit wahrer echter Kunst aber nichts zu tun haben. Wir wollen nicht ruhig zusehen, wie Phantasten uns die im Verlauf von Jahrhunderten mühsam neu errungenen Methoden des wissenschaftlichen Denkens und Arbeitens zertrampeln und den Sinn f ü r die Realitäten des Lebens, den gesunden Tatsachensinn durch verwirrende pädagogische Methoden in unserer heranwachsenden Jugend vergiften. Es ist eine Anmaßung, wenn behauptet wird, daß der Staat sich an der Erhaltung und Förderung seiner Kultur versündigt, wenn er diesem Institute seine Unterstützung versagt. Solch blutleerer, krankhafter künstlerischer Instinkt, solch leere wissensarme Wissenschaft, wie sie, bisher unterstützt von der Leitung sowie den für die kulturelle Entwicklung des Staates verantwortlichen Stellen des bisherigen Volksbildugnsministeriums, am Bauhaus zutage tritt, trägt nicht zur Erhaltung und Förderung unserer Kultur bei, sondern fördert nur den Verfall. Von der jetzigen Regierung erwarten wir, daß sie diesem „Kulturinstitut" jede staatliche Unterstützung versagt.

Dok. 94 Bemerkungen des ehemaligen Syndikus Lange z u m Bericht der Thüringischen Rechnungskammer über die Prüfung'der Kassen- und Buchführungen beim Staatlichen Bauhaus in W e i m a r v o m 9.9.1924, Breslau, 7. O k t o b e r 1924 ( S T A W - B vorl. 180) . . . Die öffentlichen Kämpfe, die in den vergangenen Jahren gegen das Bauhaus geführt wurden, brachten es mit sich, daß einzelne über dem Bauhaus arbeitende Personen, die fördernd für dasselbe sein sollten, mit großem Übelwollen gegen das Bauhaus wirkten. Die Folge von dem allen war und ist heute noch, daß für die unvermeidlich notwendigen und ganz besonders gearteten Bedürfnisse in den übergeordneten Instanzen im günstigsten Falle zu keiner Zeit Verständnis war, im ungünstigsten Falle ein starker Widerstand durch offene Gegnerschaft zu überwinden war, besonders aus dem Finanz-

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ministerium. Zur Zeit des Ministers Hartmann und auch ganz offen zur Zeit der neuen Regierung wurde unzweifelhaft Sabotage gegen das Bauhaus getrieben. Meine persönlichen Erfahrungen, z. B. mit Herrn OberregierungBrat Schmidt des Finanzministeriums zu den verschiedensten Zeiten und bei den verschiedensten Anlässen haben ganz offen gezeigt, daß dieser Herr es für ein unerhörtes Unrecht hielt, daß das Bauhaus überhaupt da ist und anscheinend überzeugt ist, der Gesellschaft etwas Gutes zu tun, wenn er möglichst viel Dinge, die das Bauhaus angehen, nicht fördert. Über diesen Punkt bin ich bereit, Einzelheiten bekannt zu geben, die meine Behauptung bekräftigen. Wenn diese offene Gegenarbeit von Stellen, die wegen ihrer finanziellen Gewalt jede weitere Entwicklung des Bauhauses verhindern können, nicht unbedingt abgedrosselt wird, so wird das Bauhaus aus seinem Siechtum, in dem es sich jetzt befindet, nicht herauskommen ... I n der Aufstellung des Etats für 1924 hat das Finanzministerium ohne Einverständnis mit dem Bauhaus bestimmte Bemerkungen eingesetzt, nach denen Sach- und Personalunkosten des Etats in ganz bestimmter Höhe vom Produktivbetrieb mitgetragen werden sollten . . . Warum das Finanzministerium, ohne sich mit der Bauhausleitung in Fühlung zu setzen, diese Formel eingesetzt hat, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls ist die Wirkung dieser Formel die, daß die Bauhauswerkstätten, die jetzt erst ungefähr zu einem Viertel ihrer letztmöglichen Produktion arbeiten können, mit so starken Generalunkosten belastet werden, daß ein rentables Arbeiten ausgeschlossen ist, und jeder Sachverständige bei dieser Formel erklären muß, daß das Bauhaus unrentabel ist. Infolge dieses Ergebnisses muß ich bei der übelwollenden Einstellung des Finanzministeriums, die ohne Zweifel auf eine Vernichtung des Bauhauses hinzielt, annehmen, daß man sich dort über die Wirkung dieser Formel klar gewesen ist und daß man sie deshalb eingesetzt hat, um dem Bauhaus weitere Schwierigkeiten zu machen . . . Für alle Maßnahmen, die das Bauhaus mit seinem Auf- und Ausbau programmäßig treffen mußte, war in den übergeordneten Stellen, solange ich dort arbeitete, eine außergewöhnliche Verständnislosigkeit bemerkbar. Die Folge hieraus war, daß, wenn wegen dringender Bedürfnisse vom Bauhaus nach oben Anträge gestellt wurden (die in der Regel überhaupt keinen Erfolg hatten), entwickelten sich lange Schriftwechsel und die entscheidenden Momente gingen zumeist vorüber, ohne daß das Notwendigste geschehen konnte . . . Wenn man bedenkt, daß bei dem Versagen der übergeordneten Stellen das Bauhaus trotzdem arbeiten mußte, daß die Ereignisse trotzdem kamen und die Notwendigkeiten erledigt werden mußten, so ist es verständlich, daß sich ein Berg ungewöhnlicher Schwierigkeiten nach und nach aufhäufen mußten, die unter normalen Umständen gar nicht vorhanden gewesen wären. Alle die angeführten Tatsachen wirkten auf die Arbeit des Bauhauses ungefähr wie starkes Artilleriefeuer auf die Bautätigkeit einer damit belegten Stadt. Jede neue Tat, jede Ordnungs- und Aufbauarbeit wurde dadurch auf das empfindlichste gestört, ja fast unmöglich gemacht. Meine zweijährigen Erfahrungen an dieser Stelle wären das durchschlagendste Beweismaterial, daß irgendwie gewinnbringende Produktionsstellen in unmittelbarer Verbindung und Abhängigkeit von der staatlichen Verwaltungsbürokratie in heutiger Verfassung sinnlos sind. Die Konsequenz für das Bauhaus für die Zukunft ergibt sich hieraus von s e l b s t . . .

Dok. 95 Walter Gropius an E m i l Lange, 20. O k t o b e r 1924 ( S T A W - B vorl. 191) Lieber Herr Lange! Mit einer Hochdruckarbeit der letzten Tage, die fast unsere schlimmsten gemeinsamen Erlebnisse übertraf, haben wir vor Toresschluß noch die gesamten Berichte für den Landtag, der nun aller Wahrscheinlichkeit Mittwoch entscheidet, fertiggebracht. Auf den von Ihnen eingegangenen Bericht telegrafierte ich Ihnen sofort nach Erhalt, daß ich bäte, ihn noch nicht der Rechnungskammer einzuschicken. Ich erhielt keinen Bescheid von Ihnen. Hoffe dringend, daß es noch nicht geschah, denn wir halten die Form dieses Berichtes nach der augenblicklichen Lage hier taktisch für ungünstig. Wenn diejenigen Personen, die uns jetzt stützen sollen (Hartmann, Vorsitzender des Haushaltsausschusses usw.) zu scharf persönlich angegriffen werden, so kann unter Umständen das Gegenteil

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erreicht werden, als wir erzielen wollen. Ich habe ganze Passagen Ihres Berichtes in meinem Gesamtbericht aufgenommen und versucht, trotz sachlicher Trockenheit und Exaktheit, die Schuld der Behörde eindeutig nachzuweisen. Selbstverständlich werde ich mich in jeder Weise vor Sie stellen . . . Die Chancen stehen vorläufig schlecht; niemand weiß was wird, aber wie sie aus den Anlagen entnehmen wollen, haben wir in bezug auf die kulturelle Bedeutung des Bauhauses der Regierung die Waffen aus der Hand geschlagen. Durch den Kreis der Freunde des Bauhauses will ich nun versuchen, auch finanziell zu siegen. Es geht schon mit Eingängen los . . . Bitte versuchen Sie doch auch, Stimmen und Geld zu gewinnen. Dem Kuratorium trat außerdem noch bei: Albert E i n s t e i n . Die Angelegenheit Beyer verschlechtert sich. Die bekannten Zeugen, auch Winkelmayer, haben glatt erklärt, bei Eintritt Beyers sei bekannt gewesen, daß er amerikanischer Doktor war. Gegen diesen Kompanie-Schwindel läßt sich von unserer Seite nichts tun. Neuerdinga ist Herr Schacht von der Rechnungskammer als Zeuge geladen worden, der Beyers Angriff gegen die Wirtschaftsführung auf Antrag Beyers bestätigen soll. Ich selbst bin auch noch einmal als Zeuge geladen worden. Ich hoffe, daß es Ihnen gut geht und grüße Sie und Ihre Frau G(ropius)

Dok. 96 Untersuchung des Bauhauses Uber „Ursachen f ü r die bisherigen Schwierigkeiten" (STAW - B vorl. 153/154) (Die Schwierigkeiten) sind in ihrem Charakter zweiartig: 1. Hindernisse von außen kommend. Sie äußerten sich in einer feindlichen Einstellung der Öffentlichkeit, besonders der Weimarer Bürgerschaft, (die ihren) Niederschlag in Presseangriffen (fanden und) die sich auf Begebenheiten bezogen, die natürliche Begleiterscheinungen des Entwicklungsprozesses sind und, weil sie neu und anders waren, als böse beurteilt wurden. Weiter der Angriff gegen die Anstalt im Landesparlament. Es waren Kampfmaßnahmen des alten Kunstberufs, die in der Anstalt einen unverantwortlichen undurchdachten Neuerungsversuch auf dem Gebiete der Künstlerausbildung und zum Teil eine Existenzgefahr vor sich sahen. Diese Erscheinungen sind aber nur in Einzelheiten ernst zu nehmen. Da aber in dem nie ruhenden Kampf in der Öffentlichkeit um das Bauhaus die Stimmen doch mit der Zeit recht zahlreich wurden, die in der Bauhausidee das fanden und hervorkehrten, was ihre Förderung so notwendig macht, so werden sich diese Widerstände in dem Maße verflüchten als die Anstalt durch ihr Wirken mit der Öffentlichkeit Kontakt bekommt. 2. Hindernisse von innen kommend, d. h. hier von Stellen aus, die von staatswegen als Träger der mit Staatswillen gegründeten Anstalt anzusehen sind. Es sind dies hier die über- und nebengeordneten Staatsbehörden, die Verwaltungsbürokratie. Die Hindernisse, die hier wirken, entstehen: a) aus Ursachen, die im Wesen aller Verwaltungsbehörden liegen. b) aus Ursachen, die im Wesensunterschied der unmittelbar übergeordneten Behörden (Volksbildungsministerium) und der sich aufbauenden Anstalt liegen. c) aus Ursachen, die aus der persönlichen Einstellung einzelner bestimmender Beamten kommen, die als Privatpersonen den politischen oder gesellschaftlichen Gruppen angehören, die dem Bauhaus als auf seinem Gebiet revolutionär wirkenden Faktor feindlich sind. d) aus Ursachen, die aus der heute geltenden parlamentarischen Regierungsmethode kommen, nach der Staatsanstalten je nach der Einstellung der Parlamentsmehrheiten zur Regierung nach jeweils geltenden innerpolitischen Gesichtspunkten unter Außerachtlassung der wirtschaftlichen Notwendigkeit behandelt werden. Nach den bisherigen Erfahrungen ist es unwahrscheinlich, daß die Wirkungen der unter a—d genannten Ursachen so beseitigt werden können, daß eine ungehinderte Entwicklung des Bauhauses in der Zukunft möglich ist und zwar aus folgenden Gründen: Zu a: Das Tempo einer Verwaltungsbehörde ist bestimmt durch den mit der Zeit notwendig gewordenen Instanzengang. Es läßt sich durch äußere Einflüsse in seiner Geschwindigkeit nicht verändern. Das Lebenstempo eines kaufmännisch geleiteten Betriebes wie das Staatliche Bauhaus ist, da das Unternehmen nach allen Seiten mit dem großen Wirtschaftsleben untrennbar verbunden ist, von den Einzelheiten dieses Wirtschaftslebens bestimmt. Es ist deshalb im ganzen schneller, und weil

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wichtige Einzelheiten schnelle Entschlüsse gebieten, so ist es ausgesprochen unregelmäßig, erzeugt starke Stöße und erfordert nach allen Seiten sofortige Reaktion. Es ist deshalb selbstverständlich, daß das Tempo der übergeordneten Verwaltungsmaschine nicht zu dem des Bauhauses paßt, und da ersteres bestimmend ist, so müssen, weil dem Bauhaus ein unnatürliches Tempo aufgezwungen wird, im Bauhausbetrieb selbst lebensgefährliche Funktionsstörungen und zu Zeiten blutleere Zustände eintreten. Hier Wandel zu schaffen erscheint deshalb nicht möglich, weil das Tempo der übergeordneten Behörden seiner übrigen Arbeitsaufgabe wegen richtig sein mag und weil das übrige Aufgabengebiet vom Standpunkt der übergeordneten Behörde für den Staat wichtiger und größer ist als das Bauhaus. Da diese Erwägung für alle in die Behörden ordnungsgemäß eingegliederten Betriebe gilt, so wird doch in Zukunft nach einer neuen Form gesucht werden müssen, nach der die staatlichen Produktivbetriebe, die für die zukünftige Gemeinschaft notwendig sind, lebensfähig verankert sind. Zu b: Das dem Staatlichen Bauhaus übergeordnete Volksbildungsministerium ist im ganzen selbstverständlich so aufgebaut wie es zur Pflege der staatlichen Bildungsanstalten notwendig ist. Das ganze Gewicht im gesamten Aufbau des Ministeriums, in der Ausbildung und Auswahl der einzelnen Menschen liegt in der Hauptsache auf dem schulischen Gebiet. Da das Wesen der Schule heute noch unwirtschaftlich und unproduktiv ist, so ist auch in diesem Verwaltungskörper eine Einstellung auf wirtschaftliche Dinge nicht vorhanden. Das Staatliche Bauhaus besteht aus einem schulischen Betrieb und einer Produktionsabteilung. Ist durch die Wirkung der Produktionsabteilung der schulisohe Betrieb schon ein anderer als bei den übrigen üblichen Bildungsanstalten, so erfordert der Produktionsbetrieb selbst, daß die unmittelbar ihm übergeordnete Behörde als Apparat Organe hat, die in der Lage sind, die für das Bauhaus notwendigen Wirtschaftsbedürfnisse auch vom wirtschaftlichen Standpunkt aus anzufassen und zu erkennen, die aber in einem Volksbildungsministerium, wenn sie wirklich geschaffen würden, Fremkörper sein müßten. Die Folge aus dieser Verschiedenheit ist, daß bei den dringenden wirtschaftlichen Bedürfnissen wegen Nichterkennen der Tragweite von Unterlassungen den Hilferufen des Bauhauses nicht die Bedeutung beigemessen wird, die sie wirklich haben und daß daher dauernd Unterlassungen und Verzögerungen eintreten, die in Vorhergehendem geschildert sind. Zu c: sind Begleiterscheinungen zu der negativen Einstellung der Öffentlichkeit und werden, wie es dort bereits gesagt, zur gegebenen Zeit nicht mehr vorhanden sein. Zu d: Ein in der Hauptsache kaufmännisch aufgezogener Betrieb wie das Staatliche Bauhaus kann nur dann intensiv wirtschaften, wenn das Fundament, auf dem es steht, zuverlässig und auf lange Sicht sicher tragfähig ist. Das Staatliche Bauhaus, dessen Daseinsberechtigung bisher nur von einem ganz bestimmten Teil der großen Öffentlichkeit anerkannt wird, wurde in der Vergangenheit durch die verschiedenen Angriffe, die aus ... politischen Partei(en) des Landesparlaments kamen, jedes Mal ganz erheblich in die Gefahr gebracht, daß man ihm durch zufälligen Mehrheitsbeschluß die Existenz abdrosselte. Jede Veränderung in der Regierungszusammensetzung wird daher eine andere Einstellung von Parlamenten und der Regierung gegen das Bauhaus mit sich bringen. Diese andere Einstellung wird jedes Mal einen so starken Einfluß auf die Weiterentwicklung ausüben, (und muß) bei allen vorausschauenden Dispositionen sehr in Rechnung gestellt werden. Es ist dies ein Moment, welches in jedem Falle für ein produktiv arbeitendes Unternehmen unmöglich ist, (da) es dauernd eine Existenzgefahr bedeutet und weil es keine Formel gibt, die bei der heutigen Staatsorganisation eine Sicherheit gegen eine solche Gefahr wäre ... Dok. 97 Protestbrief Studierender gegen den Beschluß,ihre Arbeiten nicht unter ihrem Namen, sondern unter „Bauhaus" zu veröffentlichen, 17. O k t o b e r 1924 ( S T A W — B vorl. 249/250) (Die finanziellen Schwierigkeiten führten zu internen Reibungen) An die Bauhausleitung! Die Unterzeichneten erheben energischen Protest gegen den gefaßten Beschluß, ihre Arbeiten, für die sie in jeder Hinsicht vollste Verantwortung übernehmen, ohne Namensnennung unter dem Allgemeinbegriff „Bauhaus" zu veröffentlichen.

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Dieser aus weltfremder Gefühlsduselei entstandene Antrag (von Wagenfeld, Albers, Hirschfeld) läuft auf eine Vergewaltigung derjenigen unter uns hinaus, die genügend Selbstbewußtsein haben, für sich und ihre Leistungen voll einzutreten, es dagegen ablehnen, mitverantwortlich gemacht zu werden für Erzeugnisse, von deren Qualität und künstlerischem Wert sie nicht überzeugt sind. Es ist nicht angängig, Leute unseres Alters und Könnens auf die Dauer als Schüler zu behandeln . . . Solange das Bauhaus nicht in der Lage ist, seine Gesellen wenigstens so weit sicher zu stellen, daß sie nicht mit aufgerissenen Stiefeln laufen müssen, hat es kein Recht, auf diese Weise über ihre Kräfte zu verfügen und deren weitere Nutzbarmachung zu unterbinden. So wenig die Meister (die malenden...), sowie die Bühnenwerkstatt ihre Namen verschweigen, kann man uns dazu veranlassen, die wir, im Gegensatz zu diesen, dringend darauf angewiesen sind, auch einmal an unsere persönliche rein wirtschaftliche Existenz zu denken, anstatt weiterhin in äußerlicher Not zu verkommen. Alles äußere Glänzen des Namens Bauhaus ist Widersinn, solange die Verhältnisse der Betrachtung von innen her nicht standhalten. Man mache ein modernes Kloster daraus unter Einbeziehung aller damit verbundenen Konsequenzen — andernfalls verarge man es uns nicht, wenn wir bestrebt sind, über ein Wochenverdienst von 20 Mark und die damit verbundene proletarische Lebenshaltung für uns und unsere Familien hinauszukommen ... Erich Dieckmann, Marcel Breuer, Joost Schmidt, Wolfgang Tümpel, Andreas Feininger, Heinz Nösselt, Mila Lederer, Johannes Zabel, F. Häberer, Ernst Gebhardt, Hartogh, Heinrich Koch, Berthold, Gertrud Hantschk, Hans Hoffmann, Bosen, Otto Rittweger. Dok. 98 Gerhard Mareks an Walter Gropius, 27. O k t o b e r 1924 ( S T A W -

B vorl. 47)

Lieber Walter! Schon seit etlichen Tagen bin ich dabei zu versuchen, die Gemüter zu beschwichtigen. Bei jedem liegt der Fall etwas anderes; der elementare Grund ist natürlich der, daß ein hungriger Löwe auch die Nerven verliert . . . Darf ich Dich auf einen Punkt aufmerksam machen, der hier mit einigem Recht böses Blut macht. Es ist seinerzeit zwischen Dir, Lange und den Töpfern die Lohnfrage schriftlich so geregelt worden, daß der Lehrling des zweiten Jahres 2 / s , der des dritten Jahres 3 / 4 des Gesellenlohnes bekommen soll. Diese Regelung ist in der Praxis von der Leitung angefochten worden. So geht das aber nicht. Wenn kein Geld da ist, was jeder Lehrling einsieht, so sage: „es steht Euch zu, aber wir sind nicht in der Lage, Eure Ansprüche zu erfüllen:" Nicht: „wir stoßen den Vertrag einfach um." Damit werden alle verbittert oder zu Halunken erzogen. (Ich habe die Fälle kraß gegenüber ge stellt). Im Fall Hübner, der jetzt an der Reihe ist, will Rrehan den beanspruchten Lohn nicht geben, „weil sie in Weimar auf mich drücken, ich soll rentabel arbeiten." Mich peinigt mein Gehalt, obwohl mir das nicht einmal ausreicht, wenn die Lehrlinge Fron leisten sollen. Ein bißchen Kommunismus müssen wir uns von der Revolution übrig behalten. I m übrigen bin ich hier aufrichtig am Werke ... Deine Bemühungen um das Bauhaus wissen hier fast alle zu würdigen. Mit herzlichem Gruß! Gerhard Mareks Dofc. 99 Marcel Breuer aus Paris an Erich Dieckmann, H e r b s t 1924 (Privatbesitz) Lieber Dieckmann! Ich tue alles, um die Bauhaussorgen zu vergessen, es ist nicht einfach. Na wenn wir älter werden, und Blut und Kopf ein wenig ruhiger, dann geht sowas besser. Armer Dieckmann, das glaube ich, daß Dein Kopf voll mit Sorgen und müde ist! Es ist tatsächlich arg, was einer manchmal auf einmal vertragen muß! Aber, ich glaube, und es wird sicher anders, es dauert nicht lange. Mache einen Reißaus, unter allen Umständen, und schlafe 3 Tage und 3 Nächte durch, vielleicht macht das auch schon alles rosiger. Ich habe hier die ganze Zeit auch flicht schlafen können, jetzt ist es besser. Grund

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habe ich wenig dazu, nur Pläne, Gedanken, und diese nie verwirklichbare Existenz. Aber, Du weißt, (die) Letzten werden die Ersten, und bald, — aber noch auf dieser Welt! — Paris ist schön und angenehm, schöner als ich mir vorgestellt habe. Natürlich, ebensoviel nackte Mädchen wie Engländer, das sind übrigens zwei verschiedene Bichtungen. Weil ich kein Geld habe, zu vielen Sachen, helfe ioh mir mit einem sehr guten Bauhausmittel: mit der künstlerischen Verachtung. Ich verachte die Autos, das Mittagessen für 20 Francs, Opera, Theater, Moulin-Rouge, Mädchen, Kleider, Kravatten, so bleibt man stiller Betrachter, und genügsam, und ebenso lustig. Um mein tägliches Brot und Wein zu verdienen, bin ich in Stellung bei einem Architekten bis abends 7 ... Breuer

Dok. 100 Die Meister des Staatlichen Bauhauses Weimar: Erklärung der Auflösung des Bauhauses. Offener Brief, 26. Dezember 1924 (Zeitung „Deutschland", 29. Dezember 1924) Offener Brief Leiter und Meister des Staatlichen Bauhauses in Weimar geben der Öffentlichkeit zur Kenntnis, daß sie das aus ihrer Initiative und Überzeugung entstandene Bauhaus mit Ablauf ihrer Verträge vom 1. April 1925 ab für aufgelöst erklären. Wir klagen an, daß zugelassen und begünstigt worden ist, daß die sachliche und stets unpolitische Kulturarbeit des Bauhauses durch parteipolitische Machenschaften gestört wird, und dies in dem Augenblick, als die wesentlichen Grundlagen zur Errichtung einer Bauhaus-GmbH, die den Staat vom Hauptteil der finanziellen Lasten befreien sollte, von der Privatindustrie präsentiert wurden (121000 Mark Beteiligungen und Kredite waren bereits gezeichnet). Auf Grund dieses Gesellschaftsvertrages ermächtigte der Haushaltsausschuß des Thüringischen Landtags vom 16. November 1924 die Regierung, „die angebahnten Verhandlungen wegen Gründung einer Gesellschaft zwecks Aufrechterhaltung und Ausbau des Produktivbetriebes des Bauhauses weiterzuführen". Trotzalledem wurde die Leitung des Bauhauses mit immer neuen Forderungen an Garantien für die GmbH hingehalten, ohne daß als elementare Voraussetzung f ü r weitere Verhandlungen die Zurücknahme der Vertragskündigungen erfolgt wäre. Diese waren dem Leiter und sämtlichen Meistern Ende September 1924 als ausdrückliche Vorbeugungsmaßnahme bis zur Entscheidung der Landtagsvertretung, die am 16. November 1924 erfolgte, zugegangen. Am 13. Dezember dieses Jahres entsandte auch der Vorstand des Mitteldeutschen Industrieverbandes — nach einer Besichtigung des Bauhauses — drei seiner Präsidialmitglieder, die im Namen des Verbandes für den Fortbestand des Bauhauses nachdrücklich eintraten und eine sofortige Zurücknahme der Kündigungen beantragten. Der Minister forderte eine schriftliche Formulierung dieser Anträge, die aber durch Proteste einzelner Mitglieder des Verbandes über den vorgesehenen Termin hinaus aufgeschoben wurde. I m Zusammenhang mit der Staatsministeriumssitzung am 23. Dezember erfolgte dann eine Führung des gesamten Staatsministeriums durch das Bauhaus. Die Bauhausleitung hatte tags vorher schriftlich im Namen aller Meister endliche Entscheidung über das Schicksal des Instituts und über die Verträge der Meister gefordert. Als der Leiter des Bauhauses am Schluß der Besichtigung diese Forderung mündlich wiederholte, wurde ihm die Erklärung gegeben, daß das Staatsministerium im günstigsten Falle Verträge höchstens mit halbjähriger Kündigungsfrist abschließen würde. Da die Gründung der geplanten Bauhaus-GmbH bei einer so kurzen Vertragszeit für die verantwortlichen Personen illusorisch wird, brechen wir die Behandlung der Bauhausangelgenheit durch diese Veröffentlichung ab. Ob das Bauhaus an anderer Stelle seine Arbeit fortsetzen wird, läßt sich zur Zeit noch nicht übersehen. Walter Gropius, Lyonel Feininger, Wassily Kandinsky, Paul Klee, Gerhard Mareks, Adolf Meyer, Ladislaus Moholy-Nagy, Georg Muche, Oskar Schlemmer.

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Dok. 101 Die Rechtspresse zur Erklärung d e r Meister des Bauhauses (Zeitung „Deutschland", 30. Dezember 1924 und „Weimarische Zeitung", 30. Dezember 1924) Es wirkt . . . geradezu apaßig, wenn es in der Erklärung (der Kündigung des Bauhauses) heißt, daß die sachliche und stets unpolitische Kulturarbeit des Bauhauses durch parteipolitische Machenschaften gestört wird, und wenn man mit dieser Miene politischer Neutralität die Unterschriften in Einklang zu bringen versucht, in denen sich die sogenannten Meister des Bauhauses der Öffentlichkeit vorstellen. Und der mit den einschlägigen Verhältnissen Vertraute weiß nur zu genau, daß diese Namen eine ganz bestimmte Richtung gewährleisten. Es ist ja auch nur irreführende Schlagworttaktik, von unpolitischer Kulturarbeit zu reden. Kultur und Kunst bedeuten Weltanschauung und ebenso jedes klar durchdachte politische Parteiprogramm mit all seinen letzten Folgerungen. Wie hieß es doch in einer der ersten Kundgebungen des Bauhausleiters Gropius? Da galt allerdings in Thüringen noch Rot als Trumpf und er nahm für seine sogenannte Kulturpropaganda im Bauhause mit der Losung, die Pyramide des Sozialismus aufzurichten, nur das auf, was die Sozialdemokraten Hermann, Frölich, Hartmann, Greil, überall in der Umstellung des Staatswesens vorhatten. Will etwa Gropius jetzt glauben machen, daß er sich zu einer anderen Richtung bekehrt habe? Das glaubt ihm kein urteilfähiger Mensch . . . Dieses Vorgehen sollte nun endlich Anlaß genug sein, ein für allemal j e d e Modifikation dieser Bauhausidee abzulehnen, zumal der Bauhausgedanke . . . auch in der Verkleidung eines Privatunternehmens ein Fremdkörper im Volkstume bleiben muß. . . . Wir verweisen auf die Erfahrungen, die wir während der letzten Jahre in Weimar mit dem Bauhaus gemacht haben — und auf seine „Leistungen" — und geben der bestimmten Erwartung Ausdruck, daß Regierung und Landtag, das a l l g e m e i n e in unserem Deutschtum wurzelnde Kulturempfinden über die I n t e r e s s e n einer winzig kleinen Gruppe stellend, die Kündigung des Leiters und seiner Helfer selbstverständlich aufrechterhalten, und das kostspielige, verfehlte Bauhaus in Weimar am 1. April 1925 schließen. „Vereinigung zur Pflege deutscher Kultur in Thüringen"

Dok. 102 Protestbrief der Mitarbeiter am Staatlichen Bauhaus an die Thüringische Regierung, Weimar, 13. Januar 1925 (STAW — B) Wir teilen der Regierung mit, daß wir Mitarbeiter am Staatlichen Bauhaus mit dem erzwungenen Fortgang der leitenden Personen das Bauhaus gleichzeitig verlassen werden. Wir werden die Bauhausidee durch unsere aktive Arbeit anderwärts weiter fördern. Die letzte Möglichkeit, „unser Bauhaus" in Weimar weiterzuführen, ist mit unserem Fortgang endgültig genommen — da die wesentliche Bauhausarbeit in den Werkstätten von der Gruppe, die sich hier freiwillig zusammengeschlossen hatte, geleistet wurde. Da wir nach dem Vorgefallenen wissen, daß die Regierung weder über den Wert des Bauhauses noch über seine innere Struktur orientiert ist, sehen wir uns veranlaßt, unsere Stellung innerhalb des Bauhauses klarzulegen. Diese mitarbeitende Gruppe, bisher vor der Öffentlichkeit als Studierende, Schüler, Gesellen und Lehrlinge bezeichnet, besteht großenteils aus selbständig im Leben stehenden Menschen, die auf den von Gropius ergangenen Aufruf hin aus allen Gesellschaftsschichten der deutschen Sprachgebiete in Weimar zusammenkamen, um in positiver Arbeit am allgemeinen Aufbau mitzuschaffen. Tatsächlich ist es uns im Bauhaus in fünfjähriger Arbeit gelungen, eine klare Übereinkunft in den wesentlichsten Fragen der Gestaltung zu schaffen, die Ausdruck findet in unserer gemeinsamen Werkarbeit. Diese hat weit über die deutsche Grenze hinaus das größte geistige und seit einem halben Jahre auch wirtschaftliche Interesse gefunden. — Nur Weimar war nicht in der Lage, für uns Heutige Notwendig-Neues anzuerkennen. I m Gegenteil: Gerade hier wurden wir in der gehässigsten Weise in der Presse, in Broschüren, durch Protestversammlungen bekämpft. Wir stellen fest, daß die Regierung unsere Arbeit gehemmt und uns gegen Verleumdungen nicht geschützt hat. Die Gesamtheit der Bauhäusler gez. L. Hirschfeld

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Dok. 103 Dr. Necker (Syndikus des Bauhauses): Bauhaus 1923/24 (Auszug u. Übersetzung aus „Architectural Review", London 1963, S. 157ff.) . . . Es war ein vertracktes Geschäft, und Gropius war zu sehr in dem idealen Aspekt der Dinge und besonders mit dem praktischen Vorwärtskommen und den gegenseitigen Verhältnissen von Meister zu Meister und Studenten zu Meistern befangen, um einen aufmerksamen Zuhörer für finanzielle Schwierigkeiten abzugeben. Politik und Finanzen konnten nie voneinander getrennt werden. Die Lokalzeitungen griffen das Bauhaus ständig an, ebenso mich selbst, seit ich in Versammlungen nazistischen Propagandisten widersprochen und bei der Organisierung der Verteidigung Thüringens geholfen hatte. Sie wußten auch, daß ich Memoranden gegen die unsinnigen Wirtschaftspläne nazistischer Parlamentsmitglieder geschrieben hatte. Ich war mit Verfolgung bedroht worden wegen Verleumdung der Armee und kam nur davon, indem ich dem Anklagevertreter mitteilte, daß ich diesen Fall zu einer riesigen „Schau" aufmachen würde, was er nicht wollte. I n einer Massenveranstaltung griff mich Baidur von Schirach, der spätere Führer der nazistischen Jugendorganisation an, und ich schlug ihm ins Gesicht. Um es noch einmal zu sagen, es war keine verheißungsvolle Situation als ich anfing, und wir entschlossen uns, den Versuch zu unternehmen, das Bauhaus dem Einfluß und dem Haushalt des Staates zu entziehen. Es war der Plan, privat Geld aufzubringen und das Bauhaus auf eine gesunde geschäftliche Grundlage zu stellen, so daß nur die Gehälter für das Personal durch den Staat bezahlt werden sollten. Gropius fuhr mit mir nach Berlin, und wir versuchten überall, die Herzen der Bankiers oder anderer Kapitalisten zu erweichen. An einer Stelle wurden uns beträchtliche Summen in Form von Darlehen angeboten, die jemand an einige Städte gezahlt hatte und die jetzt über 40—50 Prozent unter Pari waren. I n einer Zeit von ein paar Jahren hätten wir sie zu 100 Prozent zurückzahlen müssen, was in der Tat unmöglich war. Anderenorts hieß es: „Wir sind Banken und keine Wohltäter." Der Hintergedanke unseres Vorschlages war es gewesen, Muster für die Industrie gegen Lizenzgebühren zu produzieren. Wir hatten einige wenige Objekte im Sinn gehabt, die ich registriert gehabt hatte, allerdings nicht patentiert, weil wir das Geld für Vollpatente nicht aufbringen konnten. Unsere Werkstätten hatten immer einen hohen Qualitätsmaßstab erreicht, aber unsere Kosten waren hoch. Unsere Studenten waren größtenteils unbemittelt, und, da gemäß den Prinzipien des Bauhauses die Studenten Lehrlinge waren wie Lehrlinge in einem Handwerksbetrieb, wurde ihnen für ihre Arbeit Lohn gezahlt, obgleich sie zum großen Teil Schüler waren und als solche benötigten sie mehr Zeit. Es war daher schwierig für uns, laufend zu verkaufen. Nur wirklich am Bauhaus interessierte Käufer gaben uns eine Chance — die aber kam nicht zu oft. Wenn das Bauhaus in einer Stadt gewesen wäre, wo eine Anzahl größerer privater und öffentlicher Gebäude gebaut wurde, wäre es möglich gewesen, die Hauptabsicht des Bauhauses zu erfüllen. Architektur als Mutter der Künste zu demonstrieren, und alle schönen Künste und das Kunstgewerbe hätten um sie herum und für sie arbeiten können . . .

Dok. 104 Beiträge von Gesellen und Jungmeistern des Bauhauses zum Bauhausgedanken in der Bauhaus-Sondernummer der Zeitschrift „Junge Menschen", Monatshefte für Politik, Kunst, Literatur und Leben, Heft 8, November 1924 Historisch oder jetzig . . . Wirklich brachte die individualistische Schule uns die Zeit der Parteizeitungen und der Parteihörigkeit, sogar den Schrei nach dem großen Führer. Also hat die individualistische Erziehung die Massen nur hilfloser gemacht . . . Die Schule als Staatseinrichtung bestimmt also das Gesicht des Staates. Die beamtete, unproduktive erreicht den verwaltenden Staat. So ist Europa auf dem Marsch, Museum mit lauter Dienern, Führern, Schreibern, Konservatoren, Restauratoren zu werden. Eine historische Sehenswürdigkeit für Amerika, das die Gestaltung zumeist an sich genommen hat.

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Die heutige Jugend merkt die falsche Richtung: daß weitere Eigenartsbetonung in Erziehung unerträgliche Zersplitterung bringt und historisches Wissen Produktion hemmt. Und daß Lehren-hören ohne Vergessen-dürfen eine Nahrungsaufnahme ohne nachfolgenden Stuhl bedeutet, und daß der Ersatz dafür: Erbrechen im Examen, ungesund ist. Die Söhne werden Opposition zum gebildeten Vater, die bilden Bünde mit einigenden Zielen, die die Schule vergessen hat. Die Unzufriedenheit mit den bestehenden Lebensformen läßt andere wünschen. Die Kraftsammlung dazu heißt meist falsch Jugendbewegung. Falsch, weil sie meist wieder kreist, da sie wieder ins Hinterleben schaut. Um alte Lieder oder Dorflindentänze oder Landsknechtstiefel und Schillerkragen. Sogar um Greise und Schlachtendirigenten als Führer, die andersrum sie mit Jugend-Pflege beglücken. . . . Wir können nicht tote Zeiten wiederbeleben. Was gekaut wurde, ist nicht nochmals zu essen, was schon gesagt wurde, gehört nicht ohne weiteres uns. Wir müssen unsere uns gehörige Form finden. Sich an der alten guten zu begeistern, zu erfreuen, daran lernen, ist gut. Aber das allein zu tun, ist sich selbst vergessen . . . Die Befreiung von dem Individualitätsdünkel und vom gelehrten Wissen sieht zwar leicht nach Nivellierung aus. Die Gefahr überwiegt aber ein wichtigeres Ergebnis: die Einigung . . . Die meisten Gebrauchsgegenstände werden heute schon mechanisch hergestellt, fabriziert. Wir sind auf dem Wege, durch äußerst ökonomische Herstellung gut funktionierender Gebrauchsdinge die Lebenshaltung zu bessern. Das zu fördern, dazu soll die Schule viel lernen lassen, also wenig lehren. Daß jeder seine Möglichkeiten vielseitigst versuche, damit er im wirkenden Leben den ihm gehörenden Platz finde. Einen Weg dahin will das Bauhaus gehen . . . Ziel ist, die bisher von dem praktischen Leben isolierte Kunsterziehung mit den werklichen Forderungen heutigen Lebens in Einklang zu bringen. Zu diesem Zweck hat es die Einheit der theoretischen Ausbildung und der Werkstattarbeit, welche in bezug auf die heutige technische industrielle Arbeitsmethode gepflegt werden soll, in sein Erziehungsprogramm eingeführt. Unter dem Gesichtspunkt, daß heute eine ganze Reihe isoliert nebeneinanderstehender Spezialberufe oder schöpferischer Leistungen letzten Endes auf das Bauen gerichtet ist. So ist das Ziel der einzelnen Bauhauswerkstätten der „ B a u " als Synthese . . . Albers Handwerk und Gegenwart. Mit dem Eingriff der Maschine in den wirtschaftlichen Produktionsprozeß war das Schicksal des traditionellen Handwerks besiegelt. Es mußte verfallen , und alle Bestrebungen und Versuche zu einer „Neubelebung" führten ins Absurde durch ihre atavistische Tendenz. Die Maschine liquidierte das Handwerk, und doch konnte sie — durch die soziale und ökonomische Konstellation der menschlichen Gesellschaft zu seinem Konkurrenten bestimmt — seine vermittelnde Attrappe nicht entbehren; sie imitierte die manuelle Arbeit und imitierte schlecht und minderwertig. So entstand zu einem nicht geringen Teil jener Abscheu vor maschinellen Erzeugnissen, der bis in die Gegenwart besteht. Aber auch das Handwerk — unter den gleichen Bedingungen dem rationellen Arbeitsprozeß der Maschine unterlegen, — verlor seine Qualität. Wollte es sich in seiner Weise behaupten, so müßte es die Möglichkeiten der maschinellen Industrie auch für sich in Anspruch nehmen und zuerst die menschliche Arbeitskraft mechanisieren, sie so in rationeller Weise . . . verwenden. Selbst wenn dieser Arbeitsprozeß noch seine manuelle Qualität behaupten konnte, bedeutete er doch das Ende des Handwerks im traditionellen Sinn; mit ihm war der ganze Mensch unzertrennlich verbunden, die Mechanisierung aber, die Industrie erforderte nur noch Hände . . . (Das) Kunstgewerbe ist ohne Allgemeingültigkeit, ist abhängig und geduldet von einem Minimum der heutigen Gesellschaft und so ein Spielball modischer Laune. Eine stilistische Neugestaltung konnte es nicht geben, solange sie die Form allein zu beeinflussen trachtete. — Jeder Versuch zu einer Restauration muß durch seinen Kontrast zu der kulturellen und wirtschaftlichen Entwicklung unserer Zeit ad absurdum führen. Eine Evolution in der Weise, daß das Handwerk aufgeht im maschinellen Produktionsprozeß, ist sein unumgänglicher Weg. In kollektiver Werkarbeit mit der Maschine gilt es, nicht mehr individuellen Bedürfnissen einzelner zu genügen, sondern: allgemeingültige, den modernen sozialen, ökonomischen und technischen Forderungen entsprechende Werte zu schaffen. Ist so der

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Dualismus von Maschine und Handwerk überwunden, dann ist zugleich eine stilistische Einheit jener Gestaltung erreicht, die nicht geleitet wurde von traditionellen oder modischen Tendenzen, sondern allein bestimmt wurde durch die kulturellen Bedingungen unserer Zeit. — Wagenfeld Daa Kunstwerk unserer Zeit Wissenschaftliche Erkenntnisse und deren Erweiterungen und Verallgemeinerungen einerseits, — die sich immer mehr verfeinernde Funktion und Zuverlässigkeit der Maschine andererseits, — haben Anschauungen und Begriffe kristallisiert und uns zu einer vollständigen Realität im Denken, Empfinden, Handeln gebracht. Die Maschine hat unsere Lebens- und Arbeitsweise umgeändert durch die Abnahme der Handarbeit. Dadurch ersparte körperliche Kräfte sind freigeworden für geistige Produktion. Es fallen der so gesteigerten geistigen Potenz naturgemäß größere Aufgaben zu — dieser mechanischen Zeit entsprechend. Zeitforderungen greifen in alle Gebiete des Lebens ein und beeinflussen diese — ganz gleich, ob wirtschaftlicher, ökonomischer, politischer oder künstlerischer Art. Erfüllung der von unserer Zeit gestellten Aufgaben liegt außerhalb individualistischer Einstellung, — sie kann nur kollektivistisch stattfinden, d. h. Mittel und Gesetze müssen elementar-allgemeingültig sein ... Hoffmann Form und Funktion In vier Jahren haben wir hier unsere Angelegenheit ausprobiert. Eigene Erfahrungen haben feststellbare Resultate gebracht in Ideen und Gedanken. Ideen und Gedanken sind Basis zu der Organisation, welche sie verwirklicht. Nicht umgekehrt . . . U n s e r e Stilangelegenheit ist durchaus keine vorwiegende Formangelegenheit. Eben das ist der Unterschied zwischen unserem Stil und zwischen den anderen Stilarten. In Barock, Renaissance, Gotik usw. hat man, nehmen wir an, die Fassade eines Gebäudes ähnlich ausgebildet wie die Fassade eines Schrankes, — oder Tisch, Stuhl, Schrank in Form einander passend gemacht. Noch neulich hat man viel gesprochen von einem Motiv — Grundriß-Motiv oder Quadrat, oder horizontal-vertikal — dieses Motiv sollte die verschiedenen Elemente formal zusammenstimmen und die gewünschte Einheit bringen. Das Motiv verwandelte sich später in ein Konstruktionsprinzip, es bleibt dieselbe Sache. Wir sind aber heute nicht auf Motive oder Konstruktionen eingestellt, sondern auf Funktionen, das heißt auf die Resultate der Funktionen. W e n n w i r d i e S a c h e n so g e s t a l t e n , d a ß sie r i c h t i g f u n k t i o n i e r e n u n d e i n a n d e r in i h r e n F u n k t i o n e n n i c h t s t ö r e n , ( s i n d sie) f e r t i g . . . Der hauptsächliche Inhalt davon: Die Gegenstände bekommen ihren verschiedenen Funktionen nach verschiedene Erscheinung. Da sie einzeln unsere Ansprüche befriedigen und einander nicht stören, geben sie zusammen unseren Stil. E i n h e i t l i c h s i n d sie im G a n z e n d u r c h d i e r e l a t i v b e s t e Erfüllung ihrer speziellen Aufgabe. Also ist unsere Stilangelegenheit auch keine Richtungsangelegenheit, sondern eine Qualitätsangelegenheit. Ein Stuhl zum Beispiel soll nicht horizontal-vertikal sein, auch nicht expressionistisch, auch nicht konstruktivistisch, auch nicht rein auf Zweckmäßigkeit hin gearbeitet, auch nicht zu dem Tisch „passend", sondern er soll ein g u t e r Stuhl sein, und dann paßt er zu dem g u t e n Tisch. Erfindung und Kunst sind da, um die Lücken in unserem Leben auszufüllen. D e r s c h ö p f e r i s c h e M e n s c h g r e i f t d o r t ein, wo e t w a s N o t w e n d i g e s f e h l t . . . Konstruktion ist immer eine sekundäre Frage, notwendig zur Ausführung der Idee. Die Maschine, die Industrie sind entstanden, nur um unsere Bedürfnisse zu befriedigen. Nicht umgekehrt. Also: man kann nicht sagen, man soll Möbel konstruieren, welche mit dem Fräser und der Hobelmaschine zu machen wären, sondern die Pläne, die notwendigen Forderungen genau festlegen und nachher die Maschine suchen oder konstruieren, die sie a u s f ü h r t . . . Das Wesentliche bei dem Künstler ist, daß er mit höchstem Grad von Empfindung arbeitet. Das Wesentliche bei dem Techniker, daß er mit höchstem Grad von Logik a r b e i t e t . . . Kunst und Technik sind verschieden, aber durchaus nicht entgegengesetzt ... Kunst und Technik haben beide ihr Gebiet, wo sie voneinander unabhängig entstehen und wirken. Das dritte Gebiet, hauptsächlich der Bau, wo Kunst und Technik beide vorhanden. Heute mehr wie je brauchen wir den höchsten Grad von Fähigkeiten. Also, entweder ein und dieselbe Person, ein

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guter Künstler und ein guter Techniker in Vereinigung, was höchstens ausnahmsweise möglich; oder: D e r g u t e K ü n s t l e r a r b e i t e t m i t d e m g u t e n T e c h n i k e r z u s a m m e n . Um eine Idee zu f a s s e n , braucht man kein technisches Wissen oder Können. Um diese Idee zu e n t w i c k e l n , braucht man technisches Können und Wissen. Aber es braucht nicht derselbe diese Idee zu fassen und die Technik zu beherrschen. Damit ist nicht gesagt, daß der Künstler sich um das Technische nicht zu kümmern braucht, daß er nur seine Ideen bringt, ohne daß er sorgt, daß sie auch durchgeführt werden. U n a u s g e f ü h r t e o d e r u n a u s f ü h r b a r e I d e e n b e w e g e n u n s m e h r r ü c k w ä r t s w i e v o r w ä r t s . Wir brauchen sie nicht, höchstens in der Literatur . . . Unsere Baukultur liegt in den Händen 1. einerseits: eines i n t e r e s s i e r t e n Künstlers, der die fehlenden Notwendigkeiten e i n d e u t i g formuliert, 2. andererseits: in den Händen des T e c h n i k e r s . Unter e i n d e u t i g formulieren verstehe ich bei einem Gegenstand, die notwendigen funktionellen Teile bis zur äußersten Konsequenz ihrem Inhalt entsprechend zu gestalten. Besultat: Die Gegenstände bekommen ihrer gleichen Funktion nach gleiche Gestalt. Im Gegensatz zur kunstgewerblichen Auffassung, wo durch Variieren und anorganisches Schmücken die gleich funktionierenden Gegenstände verschiedene Gestalten bekommen. Die kunstgewerbliche Auffassung degradiert die relative Vollkommenheit oder das Gleichgewicht des Gegenstandes. Breuer Junger Bauhäusler . . . Respekt vor den Alten! Ohne sie wären wir noch Höhlenbewohner und würden auf andere Weise selig werden. Aber die Alten sind alt, sind nicht mehr unsere Brüder. Sie würden lachen, würden wir dasselbe tun wie sie . . . Was unsere Meister klar auftischen, vereinbart sich nicht alles mit unserem Fleisch und B l u t . . . Noch lange sind nicht alle Bätsei gelöst. Es wird auch bei weitem nicht so viel gesprochen, wie der geneigte Leser aus diesem dicken Heft schließen könnte. Diese Weisheiten haben sich die einzelnen auf ihrer Bude ausgedacht. Wir spielen viel lieber tolles Theater, wenn wir freie Zeit haben. Kein Auge bleibt trocken. Bis spät in die Nacht hinein — bis der Henker Hebekrach auf der Szene erscheint, uns mit vibrierender Stimme eine Szene macht und uns in den Hades hinunterjagt. — Oder wir tanzen! Ach, du bist noch nie im Bauhaus-Tanz untergegangen? Noch bist du ein gewöhnlicher Erdenwurm, noch hast du nicht das Shakespearesche Bätsei vom Sein oder Nichtsein zu lösen vermocht. — Das Nichts und die Unendlichkeit — hast du sie je in einem erleuchteten Moment deines Daseins erfassen können? Wir tanzen die ganze Nacht. Wir arbeiten auch die ganze Nacht, wenn wir am Tag nicht fertig werden . . . Schawinsky

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Verzeichnis der Abbildungen 1 2 3 4 5 6 7 8—13

14 15 16 17 18/19

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L. Feininger, „Die Kathedrale des Sozialismus", Holzschnitt zum Programm des Staatlichen Bauhauses in Weimar 1919 Karte von Thüringen um 1920. Die schraffierten Teile gehörten zum Freistaat SachsenWeimar. Signet des Bauhauses von 1919—1922 Entwurf Röhl Porträt von Walter Gropius W. Kandinsky, W. Gropius und J . J . P. Oud während der Bauhauswochen 1923 in Weimar Werkstattgebäude des Bauhauses, erbaut 1905/06 von Henry van de Velde Gebäude des Bauhauses und der Kunsthochschule, erbaut 1904 und 1911 von Henry van de Velde Porträts der Bauhaus-Meister: Schlemmer Feininger Klee Itten Moholy-Nagy Mareks Programm der Bauhaus-Ausstellung 1923 in Weimar Nebeneingang Belvedere-Allee zur Bauhaus-Ausstellung 1923 Bauhaus-Ausstellung 1923, Blick in den Oberlichtsaal Neue Architektur auf der Internationalen Architekturausstellung im Kähmen der BauhausAusstellung 1923 Musterhaus am Horn in Weimar, errichtet anläßlich der Bauhaus-Ausstellung 1923 nach einem Entwurf von G. Muche, finanziert von dem Holzgroßhändler Sommerfeld. Ansicht und Grundriß Musterhaus am Horn, Blick in die Arbeitsnische Ausstellungs-Küche im Musterhaus am Horn, Möbel von Benita Otte und Ernst Gebhardt, hergestellt in der Tischlerei des Bauhauses. Steingutgefäße von Th. Bogler, industriell in Serie produziert von der Steingutfabrik Velten bei Berlin. Durax-Gläser von Schott und Gen., Jena Brief L. Feiningers an Staatsminister Paulßen vom 16. Februar 1921 Vertreter der thüringischen Kleinstaaten bei der Konstitutierung des Landes Thüringen in Weimar 1920. Auf dem Präsidiumssitz Paulßen, links davon Frölich, übernächster nach rechts Baudert Die Reichswehr auf dem Markt in Weimar im November 1923

58 59 60

Versammlung nationalistischer und faschistischer Organisationen vor dem Deutschen Nationaltheater in Weimar anläßlich des sogenannten „Deutschen Tages" 1924 Beispiele von Entwürfen aus dem Kreis des Arbeitsrates für Kunst: Bruno Taut, Kristallhaus und Hof der neuen Schule, 1920; W. Luckhardt, Entwurf für ein Volkshaus, 1921 Siedlungsgedanke am Bauhaus: Gesamtansicht und Lageplan der von W. Gropius mit Mitarbeiter F. Forbat projektierten Bauhaus-Siedlung „Am Horn" in Weimar, 1922, Zeichnung F. Molnar Lageplan und Modell für eine Bauhaus-Siedlung in Buchfahrt bei Weimar von dem BauhausSchüler Determann, 1920 W. Gropius und A. Meyer, Stadttheater-Umbau in Jena, 1922. Einziger öffentlicher Auftrag in Thüringen W. Gropius und A. Meyer, Haus Sommerfeld in Berlin-Dahlem, 1920. Die Innenausstattung war die erste gemeinsame Arbeit der Bauhauswerkstätten, Holzschnitt der Einladungskarte zum Richtfest O. Schlemmer, „Tänzerin". Oel u. Tempera, 1922 (Privatbes. Stuttgart) O. Schlemmer, Reliefs im Werkstattgebäude, 1923 (zerstört, teilw. rekonstruiert) L. Moholy-Nagy, Komposition, 1923, Lithographie (Privatbes. Karl-Marx-Stadt) P. Klee, „Zerstörung und Hoffnung", 1919, aquarellierte Radierung (Privatbesitz, Dessau) L. Feininger, Tor-Turm IV, 1923, Feder (Staatliche Galerie Moritzburg, Halle) G. Mareks, Trommler, 1921, Holzschnitt (Nationalgelerie Berlin) F. Molnar, Raumstudie Mensch-Architektur (Privatbesitz, Weimar) F.Molnar, nach dem gleichen System Entwurf eines Etagenreihenhauses für Kleinwohnungen, 1923 F. Molnar, Mensch, Pflanze, Technik, Bauwerk (Privatbesitz, Weimar) W. Kandinsky, aus „Kleine Welten", Propyläen-Verlag, Berlin 1922 Van Doesburg mit van Eesteren, Raumstudien, 1922/23 Aus dem Ausstellungskatalog zur Bauhaus-Ausstellung 1923. Thema Raum Der Ungar Sandar Bortnyik malt das befreundete Ehepaar Forbat 1922 in Weimar unter dem Thema Mensch, Raum, Architektur (Verbleib des Originals unbekannt) Einladungskarte für einen Bauhaus-Abend, Entwurf von Peter Röhl, 1921 Otto Rittweger und W. Tümpel, Teekugeln mit Ständer, 1924 (Staatliche Kunstsammlungen, Weimar) Typisierungsvorschläge der Keramikwerkstatt. Th. Bogler, Variationen von Kannen bei genormten Grundelementen, 1923 Tischlampe von K. J . Jucker und W. Wagenfeld, erstes ausgereiftes und für Serienproduktion bestimmtes Modell, 1923/24 (Staatliche Kunstsammlungen, Weimar) W. Gropius, Türklinkentyp einfachster Form aus Rund- und Vierkantstab, von mehreren Firmen produziert Stühle von M. Breuer, entwickelt für einfachste maschinelle Fertigung, 1922 Nachrichtenblatt des Reichsbundes deutscher Kunsthochschüler, Deckelrückseite (links) und -Vorderseite (rechts), 1920 W. Gropius mit F. Forbat, Vorschlag zur Typisierung und Rationalisierung des EinfamilienWohnhausbaues mit dem sogenannten Wabenbausystem, 1922. Standardisierung der Raumzellen, dementsprechend vielfach verwendbare Schalungselemente, Gießen der Wände. G. Muche, Siedlungshaus aus vorgefertigten Einzelteilen unter Verwendung eines Stahlskeletts. Zeichnung zur Anfertigung eines Modells, 1924 Die Ausbildung der Studierenden vollzog sich im wesentlichen in den Werkstätten Tischlerwerkstatt des Bauhauses Weimar Metallwerkstatt des Bauhauses Weimar Private Feier der Angehörigen der Metallwerkstatt in Weimar Geldscheine der Inflationszeit in Thüringen, entworfen von Herbert Bayer, Bauhaus, 1923 Bauhausarbeiten auf der Ausstellung „Kinderfürsorgeeinrichtungen" in Jena 1924

Hül

241

25 '27

31 '29 '31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54

55 /57

61 Kindergartentyp, entwickelt für thüringische Dörfer von Adolf Meyer, 1924 62 M. Breuer, Strukturstudie zu einem scheibenförmigen Wohnhochhaus für Kleinwohnungen, 1924 63 Demonstrationszug der Weimarer Arbeiterschaft und des demokratischen Bürgertums bei der Beerdigung der während des Kapp-Putsohes im März 1920 ermordeten Arbeiter 64 W. Gropius und Mitarbeiter des Bauhauses, Denkmal für die März gefallenen in Weimar, 1920/22 65 Einweihung der Märzgefallenen-Denkmals am 1. Mai 1922 auf dem Friedhof Weimar 66 Titelblatt mit Grundriß und ein Schriftsatz aus der Broschüre über das MärzgefallenenDenkmal, 1922 67 W. Gropius, Gebäude des Bauhauses Dessau, Modell (Rekonstr.), 1925 68 0. Schlemmer, Signet des Bauhauses 1922 — 1925

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Lehrkräfte a m Staatlichen Bauhaus in W e i m a r FM = Formmeister

WM = Werkmeister

(—

) = Zeitraum insgesamt

Name

Zeit

Werkstatt

Walter Gropius

1 9 1 9 - 1925 ( - 1928)

Johannes Itten

1 9 1 9 - 1923

Lyonel Feininger Gerhard Mareks Oskar Schlemmer

1 9 1 9 - 1925 ( - 1933) 1 9 1 9 - 1925 1 9 2 0 - 1925 ( - 1929)

Georg Muche Lothar Schreyer Paul Klee Wassili Kandinsky Laszlo Moholy-Nagy

19201921192119221923-

Josef Albers

1 9 2 3 - 1925 ( - 1933)

Otto Dorfner Carl Zaubitzer Max Krehan Josef Hartwig Josef Zachmann Christian Dell Beinhold Weidensee Carl Schlemmer Heinrich Bebernisa Helene Börner Adolf Meyer Gertrud Grunow

1919- 1922 1 9 1 9 - 1925 1 9 2 0 - 1925 1 9 2 1 - 1925 1 9 2 1 - 1922 1 9 2 2 - 1925 1922- 1925 1921-•1922 1 9 2 2 - •1925 1 9 1 9 - 1925 1 9 1 9 -•1925 1 9 2 0 - 1923

Direktor FM Tischlerei 1919-1925 Vorlehre FM Metallwerkstatt 1919 — 1922 FM Druckerei 1919-1925 FM Töpferei 1919-1925 FM Wandmalerei 1920-1922 FM Bühnenwerkstatt 1923-1925 FM Stein- u. Holzbildhauerei 1922 — 1923 FM Weberei 1920-1925 FM Bühnenwerkstatt 1921 — 1923 FM Glasmalerei 1922—1925 FM Wandmalerei 1922-1925 Vorlehre FM Metallwerkstatt 1923-1925 Vorlehre WM Glasmalerei 1923-1925 WM Buchbinderei WM Druckerei 1919—1925 WM Töpferei 1920-1925 WM Holz- u. Steinbildhauerei 1921 — 1925 WM Tischlerei 1921-1922 WM Metallwerkstatt 1922—1925 WM Tischlerei 1922-1925 WM Wandmalerei 1921—1922 WM Wandmalerei 1922—1925 WM Weberei 1919—1925 außerordentlicher Meister (Architektur) nebenamtlich (Harmonisierungslehre)

16*

1925 1923 1925 1925 1925

( - 1927) ( - 1931) ( - 1933) ( - 1928)

243

Bildnachweis Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar, Bauhaus-Alben: 4, 5, 15—21, 28, 32, 49, 52, 53 64, 56, 57 Staatliche Museen zu Berlin: 9, 39 Kunstgeschichtliche Bildstelle des Instituts für Denkmalpflege, Berlin: 34, 35, 51 Staatliche Kunstsammlungen Weimar, Schloßmuseum: 48, 50 Stadtmuseum Weimar: 63, 65, 66 Stadtarchiv Weimar: 29 Foto Held, Weimar: 7, 23, 24, 25 Foto Scharf, Berlin: 6 Foto H. Heider, Roßlau: 36, 37, 38 Private Sammlungen: Tut Schlemmer, Stuttgart: 8, G. Mareks, Köln: 31; G. Muche, Lindau-Schachen 55; W. Rößger, Berlin: 58; Determann, Weimar: 30, 31 Repros aus H. M. Wingler, Das Bauhaus 1919 — 1933, Weimar—Dessau—Berlin, Bramsche 1962: 10, 11, 62; H. Hesse — Frielinghaus, (Hrsg.) Karl-Ernst Osthaus, Leben und Werk, Recklinghausen 1971: 26

244

Tafelteil

Abb. 1 L. Feininger. ..Die K a t h e d r a l e des Sozialismus", H o l z s c h n i t t z u m P r o g r a m m des S t a a t l i c h e n B a u h a u s e s in W e i m a r . 1919

17

Hüter

247

MUHLHAUSEN •

• NAUMBURG

LANGENSALZA

WEIMAR 'ALTENBURI

:

EISENACH

¡ERFURT

• JENA

GOTHA •

ARNSTADT!

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: KALTENI • NORDHEIM' MEININGEN •

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HILDBURG- • A HAUSEN

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COBURG

A b b . 2 K a r t e von T h ü r i n g e n um 1U20. Die s c h r a f f i e r t e n Teile g e h ö r t e n zum Freistaat S a c h s e n - W e i m a r

A b b . 3 Signet des B a u h a u s e s von 1919 — 1922 . Entwurf Röhl

248

Abb. 4 P o r t r ä t von Walter Gropius 17*

249

A b b . f> W . K a n d i n s k y , W. Gropius und J . .J. P. Oud w ä h r e n d der B a u h a u s w o e h e n 1923 in W e i m a r

A b b . 6 W e r k s t a t t g e b ä u d e des B a u h a u s e s , e r b a u t v a n de Velde

250

1905/06 von

Henry

Itten Moholy-Nagy Mareks

253

DIE ERSTE BAUHAUSAUSSTELLUNG IN WEIMAR JULI BIS SEPTEMBER

1923 A b b . 14 P r o g r a m m

der

Bauhaus-Ausstellung

1923

in

W p i m a r

A b b . 16 B a u h a u s - A u s s t e l l u n g 1923, B l i c k in den O b e r l i c h t s a a l

254

Abb. lö

Xobeneingung zur

Belvorlcre

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B a u h a u s - A u s s t e l l u n g 1923

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Bauhaus

A u s s t e l l u n g 1921!

255

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GRUNDRISS Abb. 18/19 J l u s t o r h a n s a m H o r n in W e i m a r , errichtet anläßlich der B a u h a u s - A u s s t e l l u n g 1923 n a c h einem E n t w u r f von G. Muche. f i n a n z i e r t von d e m H o l z g r o ß h i i n d l c r S o m m e r f e l d . Ansicht und G r u n d r i ß

256

rrrrtiTP)

Abb. 20 Musterhaus am Horn, Blick in die Arbeitsnische

Abb. 21 Ausstellungs-Küche im Musterhaus am Horn, Möbel von Benita Otte und Ernst Gebhardt, hergestellt in der Tischlerei des Bauhauses. Steingutgefäße von Th. Bogler, industriell in Serie produziert von der Steingutfabrik Velten bei Berlin. Durax-Gläser von Schott und Gen., J e n a

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