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German Pages 520 Year 1890
Das Auslaud. Wochenſdrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fach männer herausgegeben von I. G. Gotta'ſchen Budhandlung Nachfolger in Stuttgart und Wünden. Dreiundſechzigſter Jahrgang. 1890 .
Stuttgart, 6. Januar
Nr. 1 .
Jährlidh 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal 9N . 7. zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. Manuſcripte und Recenſion:-( remplare von Werten der einſchlägigen Litteratur ſind direft an die Verlagshandlung in Stuttgart zu jenden . Inſertions . preis 20 Pf. für die geſpaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Politiſch -geographiſche Riidblice. 1. Afrika . S. 1 . 2. Albaneſiſche Famlienſehden . S. 6. 3. Aus der S. 9 . 4. leben der Eingeborenen in Britiſch - Borneo. S. 13. 5. Ein unerwiinſchtes Geſchenk für England. Con Rudolf Schüd. 5. 16. 6. Ein Edchen von Niederländiſch - Judien. Von Kapitän G. Langen. S. 17. 7. Kleinere Mitteilungen . Südſee.
.
S. 20 .
8. Litteratur. S. 20.
Politiſd -geographiſche Rüdblickr.
fallen . Obidon nur zum kleinen Teil unterworfen , iſt Afrika ſchon jeßt eine Dependenz Europas und muß es
1. Afrika.
mit jedem Tage mehr werden. Daran rüttelt auch nicht der augenblickliche Sieg der Barbarei über europäiſche Ziviliſationsbeſtrebungen im ehemaligen ägyptiſden Sudan, noch die Auflehnung des ſklavenhändleriſchen Arabertums in unſeren eigenen Bes ſißunge:1 in Oſtafrika. Die leßtere wird ja auch unſerer ſeits kräftig niedergeworfen, wenngleich die endgültige Be
Kein anderer Erdteil hat in den lezten Jahren ſo ſehr das Intereſſe Europas gefeſſelt, als der dunkle ", wie wir ihn bisher aus mehr als einem Grunde mit Recht
zu nennen pflegten . Das semper aliquid povi ex Africa gilt, wie vor hundert Jahren , ſo auch nody jetzt. Nur erſcheint uns heute dieſes Intereſſe mehr von dem Egois
mus der einzelnen Nationen gefärbt, als in den Zeiten,
ſeitigung dieſes freſſenden Krebsſchadens am dunklen Erd
wo die auf afrikaniſdem Boden geleiſtete Arbeit Gemein gut der ziviliſierten Welt war. Denn es iſt noch gar nicht ſo lange her, daß die direkte ſtaatliche Einwirkung Europas ſich auf den Nord- und Südrand faſt allein beſchränkte,
teil noch eine Arbeit von Generationen ſein dürfte.
und wir erinnern uns ſehr wohl dara :1, wie in Frankreid) nach dem deutſch- franzöſiſchen Kriege die Regierung ernſt:
lich mit dem Gedanken umging, ihrer ſämtlichen afrikani
idhen Befißungen ſich zu entäußern . Aber dieſe Enthaltſam feitspolitik währte nidyt lange. Heute iſt in dem Wett: lauf von ſieben europäiſchen Mächten, mit Ausnahme einer kurzen Strecke am Díthorn des Kontinents, die ganze Küſte den ſchwachen Händen eingeborener Eigentümer entriſſen, und die bei dem Mangel derſelben an maritimer Vegabung
Mit dem ſiegreichen Vordringen der Mahdiſten in Emin Paſha's bisher wader gehaltene Provinz fiel auch
der lebte Reſt der vordem ſo ausgedehnten Befißungen des Chedive jüdlich von Wadi Halfa, und alles, was ein Gordon, ein Munzinger, Geili, Sdnißer und ſo viele an dere Europäer hier für die Hebung der geknechteten , durch Sklavenjagden dezimierten und demoraliſierten Bevölke: rung gethan haben, iſt auf eine kaum abſehbare Zeit hin verloren.
Wir in Europa hatten gehofft, daß Emin fich werde
ebedem öden Buchten und Häfen beleben jetzt die Flaggen
halten können . Er ſelbſt war vod Zuverſicht, ſeine Unter: gebenen ſchienen ihm feſt anzuhängen und gerade die Beforgnis für ihr Loos im Falle eines Sieges der Mah.
Aller Nationen .
diſten , Tod oder Verſtümmelung der Männer , Verkauf
Man hat Afrika mit einer großen belagerten Zita delle verglichen , deren 200 Millionen ſtarke, in unendlid
der Weiber und Kinder in die Sllaverei, war es, welche
viele, einander unbekannte Gruppen geſpaltene Beſatzung von vornherein verurteilt iſt, ihre Thore zu öffnen, um die Europäer, ſei es als Sieger, ſei es als Sdußherren , unter ſich aufzunehmen . Den Herren des Meeres und ſeiner Ufer muß unwiderruflich der Beſiß des Innern zu
und allen Gefahren zu troken . Er iſt in dem ungleichen Kampfe erlegen und eine lange Kulturarbeit mit ſeinem Fall der Vernidytung, das Land dem Raub und der Ver:
Ausland 1890 , Nr. 1 .
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inn beſtimmte, auf ſeinem verlorenen Poſten auszubarren
wüſtung preisgegeben.
An Verſuchen , den tapferen Vorfämpfer der Zivili 1
Politiſch-geographiſche Riidbliđe .
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jation aus ſeiner gefährlichen Lage zu befreien oder ihm dodh die Mittel zur ſiegreichen Aufrechterhaltung jeiner Herrſchaft zuzuführen , hat es nicht gefehlt. Sein Neich war der Zufluchtsort von Junker und Caſati geworden,
und in Gemeinſchaft mit den Manjema-Kannibalen eine Zeit des Sdređens über den oberen Kongo brachten. 311 deſſen ſchien es Stanley ratſam, den mächtigen Mann zu
während Lupton, Slatin und ſo viele andere in die Hände
decken und ſich weitere Trägermannſchaften zu ſichern . Am 18. März 1887 traf Stanley mit 9 Europäern als
der Mahdiſten Gefallene die entehrendſten Sklavendienſte verrichten mußten. Aber vergebens verſuchten Fiſcher und Lenz, den Bedrängten Entſaß zuzuführen , doch vermochte Junker zu entfommen . Erſt dem König aller Afrika: forſcher, den v. Richthofen nicht mit Unrecht dem großen Columbus an die Seite geſtellt hat, gelang es, die dwierige Aufgabe zu löſen. Wer hätte auch daran zweifeln wollen, daß der Mann, der Livingſtone fand, der uns den bisher faum gekannten Kongo gab , auch dieſe Aufgabe glüdlich löſen würde ? Freilich, aber ohne ſeine Schuld, nicht ganz in der erhofften Weiſe.
Stanley war im Begriff, nach einem vielbewegten thatenreichen Leben , der ſchönen Frucht ſeiner Arbeit ſich
zu erfreuen und einen Bund zu ſchließen, welcher ihm die Ruhe gegeben hätte , deren ſein Leben ſo lange entbehren mußte. Aber wie ein altes Schlachtroß, wenn der Klang der Kriegstrompete an ſein Dhr dringt, ſo warf Stanley alles, was ihn hindern und binden fonnte , von ſidy, als die Aufforderung an ihn erging, dem bedrängten Emin zu
Hülfe zu eilen. Wenige an ſeiner Stelle dürften ſo ges handelt haben. Er hatte ein Recht , darauf hinzuweiſen, daß er für Afrika und Afrikaniſches genug gethan und nun anderen, jüngeren Kräften Arbeit und Ehre gern überlaſſe. Er hat es nicht gethan und ſich ohne Baudern
einer Reiſe unterzogen , welche , wie ſehr richtig geſagt wurde, troß ihrer wenig bedeutenden räumliden Aus: dehnung an Entbehrungen , Mühen und Gefahren den
ſich herüberzuziehen , um ſeinen Marſch im Rüden zu
Dffizieren, 3 Dolmetſchern, 13 Somal, 61 Sudaneſen und 620 Sanſibariten an der Kongo-Mündung ein, mit ihm Tippu Tib, begleitet von 40 ſeiner Leute. An den wenig
ergiebigen Ufern des unteren Stromes herrſchte wieder ein mal Nahrungsmangel und der Marſch bis zum Stanley Pool, wo die Schiffe beſtiegen werden konnten , war be : ſdwerlich. Nicht ohne Störungen wurde am 28. Mai der Aruwimi erreicht, wo Tippu Tib ſich von Stanley
trennte , um ſeine Station zu übernehmen , während die Erpedition den Aruwimi aufwärts fuhr bis zu den erſten Schnellen bei Yambuya, wo auf einem wie dazu von der Natur geſchaffenen Punkte ein feſtes Lager errichtet werden fonnte. Dieſes Lager wurde unter den Befehl des Majors Barttelot geſtellt, der nach Erhalten von 600 Trägern,
die Tippu Tib gegen eine beſondere Entſchädigung zu be: ſdhaffen ſich verpflichtete, der Haupterpedition mit den vor läufig zurückgelaſſenen Vorräten von Schießbedarf u. A. auf dem von Stanley eingeſchlagenen Weg folgen ſollte. Barttelot verfügte über 257 Mann , außerdem ſollte er die in Leopoldville und Bolobo Zurüdgelaſſenen an ſid)
ziehen. Stanley ſelber trat ſeinen Marſd in's Innere mit 4 Europäern und 389 Trägern und Soldaten am 28. Juni an .
Hinter Yambuya begann völlig unbekanntes Gebiet. Stanley folgte dem Fluß ſo viel als möglich , zuerſt auf dem linken , dann auf dem rechten Ufer , er ſelbſt, wie es
vorhergegangenen, ſeinen Forſcherruhm begründenden Un : ternehmungen würdig zur Seite geſtellt werden darf, wäh:
ſcheint , das mitgeführte Stahlboot benußend , das audy
rend ſie zugleich Ergebniſſe liefert , durch die frühere Er
Außerordentlich häufig auftretende Stromſdynellen er divers
fahrungen beſtätigt und vervollſtändigt, neue überraſchende Thatſachen feſtgeſtellt, zur Löſung auffordernde Probleme
ten dieſe Benußung freilich ſehr beträchtlich. Seinen Namen wechſelt der Fluß nach afrikaniſcher Art häufig
angeregt werden.
genug.
Ueber Stanleys Unternehmen ſind nach ſeinen zu uns gelangten Briefen und in Berichten am Kongo leben
Strede von der Mündung aufwärts, dann wird er Dudu,
der Perſonen in dieſen Spalten bereits Mitteilungen ge:
genannt. Nechts fließt ihm der von Junker im Mai 1882
macht worden , ein zuſammenfaſſender Ueberblick über das Gegebene und Geleiſtete ſdeint indeſſen heute angezeigt,
erreidyte Nepoko zu , der dem Hauptſtrom an Waſſerreich
nun das Ende gekommen iſt.
einen Teil der Waren und die Erkrankten aufnahm .
Aruwimi heißt er nur auf einer ſehr kurzen
Viverre , Lubali, Nevora, Nowelle, Itiri , endlich Jturi
tum faſt gleidykommt. Bereits am Ende des erſten Tages geriet Stanley
in eine Waldwildnis, deren Ende erſt am 5. Dezember,
Stanley hatte das Glück , in Kairo dem eben ſeiner Internierung bei Emin glüdlid entronnenen funker zu
alſo nach 160 Tagen mühevollen Marides, erreicht werden
begegnen und deſſen Rat zu erhalten.
fonnte.
In Aden warb er
Sudaneſen und Somali als Soldaten, in Sanſibar Träger und wußte dort den alten Sklavenhändler Tippu Tib für den Poſten eines Generalgouverneurs am oberen Kongo
zu gewinnen. Es darf nicht vergeſſen werden, daß gerade dieſer ſchlaue und wenig von Strupeln geplagte Händler und Menſdenjäger es geweſen iſt, deſſen Gefolgſdaften die Station Stanley Falls des Kongo -Staates zerſtörten
Er fand hier dieſelbe lleppigkeit und Mächtigkeit
der mehrhundertjährigen Vegetation , dasſelbe alles mit einander verſchlingende Neßwerk taugleider Lianen und aud dieſelbe geheimnisvolle Stille in dem träumeriſchen feudyten Halbdunkel, wie alle Forſcher der Tropenwelt, auch aus anderen Erdteilen ſie uns geſchildert haben . Es erſcheint dieſer Ulrwald in Afrika faſt ausſchließlid) in Togen. Galerien an Bach- und Flußufer gebunden. Su
Politiſch geographiſche Rüdbliđe.
ſaben ihn Wißmann , Junker und andere Forſcher auf afrikaniſchem Boden. Aber da die unzähligen Waſſer: läufe ſich vielfach veräſteln , jo nähert ,die Summe dieſer Waldungen , obgleich faſt immer in idmalen Streifen auftretend , in ihren Wirkungen ſich den ausgedehnteſten tropiſchen Regenwäldern " . Da Stanley faſt ohne Unterbrechung dem Ufer des Fluſſes folgte , ſo befand er ſich eben ſehr lange im Be : reich dieſes Waldgebietes , das zur traurigſten Einöde wurde, als er über die Mündung des Nepoko hinaus in eine von arabiſchen Sklavenjägern verwüſtete Gegend gelangte. Und dabei wurde die durch Hunger demoralis ſierte Mannſchaft, nun der Fluß nicht mehr befahrbar war, noch beſchwert durch die bisher im Boot mitgeführten Laſten und durch das Boot ſelber. So mußte man denn zuerſt bei der Station des Arabers Ugarrowa an 50 Kranke und Sdwache, bei der ztveiten, ebenfalls nach ihrem Be jißer benannten Station Rilongalonga das Stahlboot nebſt 70 Laſten und 38 Trägern unter den Engländern Park und Nelſon zurüdlaffen .
In dieſer Urwaldregion ſtieg die Not aufs höchſte. Neben dem Hunger, der Näſſe und der dumpfen Wald : luft litt die Erpedition hier ſchwer unter den Angriffen eines feindliden und, wie alle Bewohner dieſes Gebietes , anthropophagen Zwergvolkes. Fand doch Barttelot , als er Tippu Tib mit den verſprochenen Trägern nady Yam buya führte , auf einer Inſel im Aruwimi in der ver:
laſſenen Hütte der Eingeborenen einen Topf , in welchem ein Menſchenkopf gekodit wurde! So hatte denn Stanley, als er am 12. November in dem Dorf Jbwiri ankam , von den 389 Mann, die mit ihm ausgezogen waren 1, nur
nod) 174 um ſich. Aber die Expedition war nun aus dem Bereich der Sklavenjäger herausgekommen in eine mit Nahrungs mitteln wohlverſehene Gegend , die Leute erholten ſich dinell, nach 12 Tagen Raſt don konnte der Vormarſch angetreten werden , am 5. Dezember wurde die Urwald :
region verlaſſen und acht Tage ſpäter die Südiveſtede des Albert-Nyanza erreicht. Von Emin war indes nod keine Nachridyt eingelaufen ,
und da die Bewohner des Seeufers die Ankömmlinge wenig freundlich aufnahmen , kehrte Stanley ſogleich nach
Jbwiri zurück, errichtete hier ein feſtes Lager, das er Fort Bodo nannte , und zog ſeine auf der Marſchſtrecke ge laſſenen Mannſchaften nebſt Stahlboot und Laſten an ſich. Dann brach er abermals zum See auf. An deſſen Südweſtufer erfolgte bei Kawalli am 29. April die Zu ſammenkunft mit Emin und Cajati , die im Dampfer ,,Khedive " endlid, anlangten. Stanley und Emin blieben bis zum 25. Mai beiſammen. Wir wiſſen , wie entſchie
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mußte. „ Meine Leute verlaſſen ? Niemals!" ruft er in einem ſeiner früheren Briefe aus. Alles , was er ver langte, war eine freie Straße nach der Küſte, und er
meinte, daß England, ſei es nad Oſten oder nach Weſten , eine ſolde wohl daffen könne.
Aber nun kam Stanlety, um ihn zu „ retten ", ihn, der etwas ganz anderes von Europa, insbeſondere von England erwartete. Nur ein Wohlausgerüſtetes Heer hätte ſeine Stellung haltbar machen können. Er entſchloß ſich, obwohl ſdyweren Herzens, mit Stanley zu gehen. Stanley und Emin trennten ſich. Emin kehrte mit Caſati und dem Engländer Jephſon, einem Dffizier Stanleys, nad, Wadelai zurück, um die Vorbereitungen zum Ab zug zu treffen , Stanley trat nach Zurüdlaſſung einer kleinen Beſaßung in Fort Bodo den Marſch den Fluß aufwärts an , um .
ſich nach Major Barttelot und der
Neſervetruppe umzuſehen. Er hatte faſt den ganzen Weg zurückzulegen und fand dann ſeine ſchlimmſten Befürchtungen nod übers boten ; Barttelot ermordet, wie es ſchien nicht ohne Vers ſchulden Tippu Tibs, durdy einen der von ihm geſtellten
400 Manyema-Träger, von dieſen keinen mehr vorhanden , die zurückgelaſſenen 257 Mann auf ein Fünftel zuſammen geſchmolzen, von den Europäern nur noch einen am Plaß.
Unverzüglich aber organiſierte er mit Hülfe des Arabers, welder 100 Träger fandte , eine ncue Rarawane , ſo daß er bereits Mitte September 1888 mit 400 Trägern und Soldaten und fämtlichen vorhandenen Vorräten abermals zum Albert-Nyanza aufbrechen konnte. Von den wilden Eingeborenen , inſonderheit dem tüdiſchen Zwergvolke der Waldwildnis unabläſſig anges
griffen , von den Blattern überfallen , die unter ſeinen Manyema- Trägern furchtbar aufräumten , unter Hunger und Strapazen entfeßlich leidend, verfolgte die Erpedition ihren mühſeligen Weg den Fluß aufwärts und erreichte endlich am 20. Dezember nach einem vier Monate dauern den Marich Fort Bodo. Dort erwarteten Stanley ſchlimme Nachrichten. Die längſt unzufriedenen meuteriſchen ägyptiſchen Offiziere hatten die Soldaten gegen Emin aufgewiegelt, indem ſie ihnen ſag. ten, daß Stanley nicht vom Khedive geſandt ſei, um Emin zu retten, ſondern ein Abenteurer ſei, welcher die Soldaten, ihre Weiber und Kinder aus dem Lande führen und dann als
Sklaven verkaufen wolle. Emin wurde ins Gefängnis ge worfen , und nur die Intervention der zum großen Teil
immer noch an ihm hängenden Soldaten rettete ihm das Leben und bewahrte ihn vor der Sdymadı der Ketten. Inzwiſchen waren die Mahdiſten mit drei Dampfern
bis Lado und Redjaf vorgedrungen, hatten die Garniſonen niedergemacht und die ihnen entgegentretenden Truppen
den Emin immer den Gedanken, ſeine Provinz zu ver
der Aequatorprovinz geſchlagen ; wobei die Haupträdels
laſſen , zurückgewieſen hat. Er wollte ſeine treuen An
führer der Emeute ihr Leben ließen. Nun forderten die Soldaten Emins Befreiung, er trat wiederum an ihre Spite, beſiegte die Mahdiſten , vermodyte aber dennoch nicht,
hänger nicht dem Loſe überliefern , das ihnen , den an ſtürmenden Mahdiſten preisgegeben , ſicher zuteil werden
Politiſch-geographiſche Rüdblice.
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ſeine alte Autorität wieder zu erlangen und breitete ſich nun vor, ſich Stanley anzuſchließen und das Land zu ver laſſen.
Nili , wie nad Kirchhoff dies bereits Claudius Ptolemäus angedeutet hatte.
Weitere wichtige geographiſche Ereigniſſe ſind die Feſt
Und doch wurde ihm das Aufgeben ſeiner bisher von reichſtem Erfolg gekrönten Wirkſamkeit ſo ſchwer, daß erſt
Stanleys Erklärung , ſogleich allein aufzubrechen , ihn zu feſtem Entſchließen beſtimmen konnte. Am 13. Februar 1889 langte er mit allen ihm Treugebliebenen ſamt deren Wei bern und Kindern in zwei Dampfern bei Stanleys Lager an, ſo den Zug auf 1500 Menſchen an dwellend. Aber noch ruhten Emins Feinde nicht. Zwiſchen den
legung der nördlichen Umriſſe des Muta Niige, der ſich viel weniger weit über den Aequator hinaus erſtredt, als man früher annahm , und die Erkenntnis, daß die Süd füſte des Victoria -Nyanza ſehr viel weiter nach Süden zu verlegen iſt, als unſere Karten dies bisher gethan haben. Stanley war nicht der einzige , welcher außzog , um Emin Hilfe zu bringen . Von den aus Amerika und Eng land Entſandten hat man wenig gehört. Und über das
mit ihm ziehenden Aegyptern und den in Wadelai Zurück
Schidſal der von Deutſchland ausgegangenen Erpedition
gebliebenen beſtand eine geheime Verbindung, welche nichts
unter Peters ruht heut noch ein Sd leier. Urſprünglich hatte
anderes bezwedte , als die Vernichtung der ganzen Kara
man Wißmann dafür gewonnen , gemeinſchaftlich mit Peters
wane und den Raub ihrer reichen Vorräte. Emins edle Natur war leicht getäuſcht, Stanley aber durdyſchaute den Verrat, den die Rädelsführer mit ihrem Tode büßten . Stanley hatte ſich für die Reiſeroute zum Indiſchen
den Verſuch zu machen, zu Emin vorzubringen. Wißmann follte die Vorhut führen , Peters die Leitung des Haupt: zuges übernehmen. Die erforderlichen Mittel wurden
Ozean entſchieden, und zwar in ſüdöſtlider Richtung am
mann den Poſten eines Reidskommiſjärs für Oſtafrika
Südufer des Victoria -Nyanza vorüber in das deutſche Gebiet . Das Südende des Albert Nyanza war ja nur eine kurze Strecke entfernt von ſeiner 1876 beſchrittenen Reiſeroute. Allein der Marſch war ein außerordentlich be fdwerlicher ; nicht nur ſtellten die Bewohner der durch:
annahm , übertrug man Peters die alleinige Leitung. Eine Förderung erfuhr dieſer von keiner Seite , der Reichs
zogenen Diſtrikte ſich ihm feindlich gegenüber, ſo daß bis weilen Tag für Tag der Durchzug mit den Waffen er: kämpft werden mußte, auch verderbliche Fieber befielen die Marídkolonne , die bald ihren Pfad durd Hunderte von Leiden zu bezeidinen hatte. Da, wo am äußerſten Südende des Victoria -Nyanza der See im Smithſund gabelt , wurde die Richtung nach dem großen Markt Tabora eingeſchlagen, der vielbeſuchten Zwiſchenſtation aller Reiſenden, welche von Sanſibar nach
Innerafrika gehen , und darauf in ſüdöſtlicher Richtung auf dem vielbetretenen Karawanenwege durch die Lands ſchaften Ujanſi und Ugogo die weſtlichſte Station Wiß manns , Mwapwa, erreicht. Hier trafen die wegemüden Wanderer die vom Reichskommiſjär abgeſandte Truppe,
welche dem arg zuſammengeſchmolzenen Zuge Erfriſchungen zuführte und den weiteren Marſch durch deutſches Gebiet
durch Sammlungen zuſammengebracht. Als dann Wiß
kanzler mißbilligte das Unternehmen ſogar ziemlich offen. Erſt ſehr ſpät fonnte Peters nördlich von Witu gegenüber der Kwaibu - Inſel ſeine Erpedition landen , und auch dann verſtrich viel Zeit , ehe der Vormarſch begann. Peters wählte das öſtlidie Ufer des Tana und benußte , ſoweit thunlich, den Fluß ſelber , gelangte nachweisbar bis über den 10 jüdl. Breite hinaus, gab aber ſpäter kein Lebens:
zeichen. Gerüďte ließen ihn den Kenia erreichen , ver kündeten dagegen auch ſeine und ſeiner ganzen Karawane Ermordung durd Somali-Stämme. Was aber auch ſein
Loos geweſen ſein mag , die Stimme aller Parteien und aller Länder ehrte in ihm den Begründer unſeres oſt afrikaniſchen Beſißes und den unermüdliden Pionier unſrer kolonialen Herrſchaft in Oſtafrika. Um dieſen unteren ausgedehnten überſeeiſden Beſit
hatten inzwiſden ſchwere Kämpfe ſtattgefunden. Hätten Stanley und Emin das deutſche Schußgebiet um einige Monate früher betreten , ſo wäre ihr Durdyzug im höchſten
Grade gefährdet geweſen. Denn gerade in Mwapwa, der innerſten Station der Deutſch-Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft,
bis zur Küſte fidyerte.
Als ein höchſt wichtiges geographiſches Ergebnis dieſer
welche ſie erreichten, waren Miſſionäre und Beamte durch
jüngſten Reiſe Stanleys muß die Beſtätigung der von Profeſſor Kirchhoff vertretenen Zugehörigkeit des bisher
den arabiſden Bandenführer Buſdiri ermordet worden. Es erſcheint angezeigt, unſer Verhältnis zu dieſem Gebiet kurz zu ſkizzieren. Die Intereſſenſphäre Deutſchlands in Dſtafrika iſt von ſehr bedeutender Ausdehnung. Sie zieht ſich an ſeiner idymalſten Stelle im Dſten durch nahezu ſechs Breiten: grade und reicht, nach dem Innern zu ſich verbreiternd, zwiſchen britiſchem Gebiet im Norden und portugieſiſchem im Süden bis zu den großen Waſſerbecken des Victoria Nyanza, Tanganjika und Njaſſa. Freilich iſt die weſtliche Grenze noch eine völlig unbeſtimmte. Da aber die ganze Küſte in einer Breite von 10 Km , im Beſit des Sultans
noch ſehr ungenügend bekannten Muta Nſige oder , wie
ihn Stanley getauft hat , des Albert Edward Sees , zum Nilgebiet bezeichnet werden . Stanleys Zug kreuzte den I
Semliki oder Kalibbi , deſſen rötliches Waſſer die Ver bindung zwiſchen dem Muta und dem Mwutan darſtellt, gegenüber dem Vulkanfegel Ruvenzori und hielt ſich darauf am Dſtufer des Semlifi bis zu deſſen Ausfluß aus dem Muta Njige, deſſen Nordſpiße er nun umging, um am Dſt ufer des Sees feine frühere Reiſeroute zu idneiden. Somit
iſt der Muta neben dem Ukerewe das eigentlide caput
Politiſch -geographiſche Rückblicke.
von Sanſibar verblieb , ſo vermochte das ſehr ausſichts volle Gebiet nur idwer ſich zu entwickeln. Die Verhält: niſſe wurden beſſer, als die beiden Häfen Dar-es-Salaam und Pangani der Deutſch - Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft,
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erfahrener und durchaus glaubwürdiger Zeugen, ſo kommt man zu dem Schluß , daß wohl einzelne Ueberſdrei
tungen allzu eifriger und ſelbſtbewußter Beamten vorges
kommen ſein mögen , daß die meiſten Darſtellungen der
der Befißerin dieſes großen Reiches , vom Sultan über
Vorgänge aber entweder unwahr oder übertrieben ſind
laſſen wurden , und ſie ſchien die beſten Ausſichten auf
und man die wahren Urſachen der ausgebrochenen Un:
eine gedeihliche Entwicelung zu haben, als durch einen am
ruhen in ganz anderen, als ideellen, religiöſen oder natio
30. April 1888 abgeſchloſſenen Vertrag die ganze Küſte mit ihren 14 Zollſtellen in die Verwaltung der deutſchen
nalen Triebfedern zu ſuchen hat.
Geſellſchaft überging.
Man war dabei dem Vorgehen der Briten gefolgt. Es iſt bekannt , daß England ſchon längſt auf Djtefrifa
Da der Aufſtand im Gebiet des Sultans ausbrach und ſich ebenſowohl gegen deſſen Autorität als die der deutſchen Geſellſchaft richtete, ſo wäre es Pflicht Sejid Ralifas geweſen , die Nuhe wiederherzuſtellen . Und in der
als eine ihm ſeinerzeit von ſelbſt zufallende reife Frucht
That entſandte er auch ſeinen General Matthews mit dem
hinjah. Der britiſche Generalkonſul , Sir John Sirke, hatte bereits nahe an 19 Jahre dafür gearbeitet. A16 Peters und Genoſſen auf ihrem abenteuerlichen Zuge, der
in Sanſibar ſtehenden Corps , das er aber ebenſo ſchnell wieder zurüdrief, angeblich weil die Haltung dieſer ſchwarzen Truppe ihren Stammes- und Glaubensbrüdern gegenüber
zur Erwerbung Deutſch -Dſtafrifas führtc , über Sanſibar
in einem Kampf für ungläubige Weiße eine wenig zuver
kamen, ſah Kirke jich die jungen Leute wohl an, aber war völlig beruhigt und überzeugt , daß ſie ſeine Kreiſe nid )t ſtören würden. Wie ſehr er ſich getäuſcht hatte, erkannte er zu ſpät. Es iſt erklärlid , daß England die Beſißers greifung eines Gebiets , welches ſid dasſelbe durch eine ſeit vielen Jahren unter großen pekuniären Dpfern be:
läſſige war. Die in dieſen Gewäſſern ſtationierten deutſchen Kriegsſchiffe ſaben ſich durch ihre Ordres verhindert , ein zugreifen , und ſo konnte denn die Bewegung ſich ſchnell über die ganze Küſte und bis ins Innere hinein , ſoweit deutſche Poſten reichten, verbreiten.
triebene Miſſionsthätigkeit geſichert glaubte , nicht mit Gleichmut anſehen konnte. Man ſuchte zu retten , was zu retten war, und legte Beſchlag auf einen an die Nords
der deutſchen Offiziere und der Tapferkeit ihrer ganz vor züglich ſich bewährenden ſchwarzen Truppen iſt der größere, ördliche Teil der Küſte von den Feinden geſäubert, und mit berechtigtem Stolz durfte der ſdynell zum Major bes förderte Wißmann telegraphiſch melden , daß die große Karawanenſtraße über Mpwapwa wieder frei ſei. Ohne cine ſtarke militäriſche Machtentfaltung wird ſie dies aber
grenze des deutſchen Gebiets anſtoßenden Landſtreifen, deſſen Verlängerung in gerader Richtung zu dem Teil Afrikas führt , welcher bis vor kurzem als Emin Paſchas
Provinz bekannt war. Daß dies ſich ſo trifft, iſt wohl kein Zufall, darf vielmehr als eine weitere Beſtätigung der Anſicht derer gelten , welche Stanleys Zug zu Emin Paſca in Verbindung mit der Britiſch - Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft bringen . Daß der Leiter und der Sekretär dieſer Geſellſchaft,
die Herren Madinnon und Mackenzie , zugleich an der Spiße des Emin Relief Committee ſtehen , iſt wohl kein bloßer Zufall, legt vielmehr die Vermutung nahe, daß die thatfräftige Unterſtüßung, man ſpricht von 600,000 Litrl., welche Stanley bei ſeinem Auftrage fand , anderen als rein humanitären Zwecken zu dienen beſtimmt war . Die Ereigniſſe in unſerem oſtafrikaniſden Beſit ſind zur Genüge in der Tagespreſſe beſprochen worden . Hier ſei nur eines Vorwurfs gedacht, den man den Beamten der genannten Geſellſchaft wiederholt gemacht hat.
Sie
follen zu rückſichtslos vorgegangen ſein , das Land faſt
Dank der Energie des Reichskommiſjärs, der Umſicht
nicht bleiben, auch iſt noch ein großer Teil der Küſte im Süden zurückzuerobern , und an Widerſtand der Araber und ihrer eingeborenen Verbündeten , die übrigens eine
ſtaunenswerte Tapferkeit und Zähigkeit zeigen , wird es ichwerlich fehlen. Die kleine , aus 100 Europäern und 1100 Schwarzen beſtehende Truppe ſcheint indeſſen aus: reichend , um unſern Beſiß , ſoweit er uns vorläufig von Wert iſt, genügend zu ſichern. Freilid), ganz ſo billig, als man anfangs meinte,
werden wir nicht wegkommen. Die zwei Millionen Mark, welche man bei der Ausſendung Wißmanns vom Reichs tage forderte , haben infolge unvorhergeſehener Umſtände und der Verteuerung mehrerer Bedürfniſſe bei weitem
nicht ausgereicht. Die Ausrüſtung und Beförderung der Schiffe erforderte 837,000 M., die Anwerbung 341,000 M. Der Transport der Soldaten mußte auf beſonderen Schiffen
wie ein erobertes behandelt , die Sultansflagge herunters
erfolgen, eine ganz unvorhergeſehene Ausgabe. Das Hülfs
geriſſen haben , während doch der zwiſchen dem Sultan und der Geſellſchaft vereinbarte Vertrag beſtimmte , daß
material verſdılang 434,000 M. So war mit den Neben ausgaben die bewvilligte Summe bereits bis Auguſt 1889 verausgabt. Statt alſo im zweiten Jahre eine um mehr als die Hälfte geringere Summe nötig zu haben , hat man den Reichstag abermals um mehr als zwei Millionen Mark angehen müſſen. Man mag jid daran erinnern, daß nach dem Ausbruch des Aufſtandes die Deutſch - Oſt:
die Flaggen der beiden kontrahierenden Parteien neben einander zu hiſſen ſeien. Prüft man indeſſen die Sadie genauer , ſieht man von den Berichten englider und amerikaniſcher Blätter als naturgemäß gefärbt ab und hält man ſich an die Darſtellungen völlig unparteiiſcher, Ausland 1890 , Nr. 1 .
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Albaneſiſche Familienfehdeni.
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afrifaniſche Geſellſchaft an die Reichsregierung den An
Albaneſiſche Familienfehden.
trag ſtellte, die Zinsgarantie für eine von der Geſellſchaft aufzunehmende Anleihe von 6 bis 10 Millionen zu über: nehmen , deren Verzinſung und Amortiſation aus dem
Sfodra, die Hauptſtadt des nördlichen Albaniens, hat einen ſchlechten Ruf wegen ſeiner blutigen Fehden und
häufigen Meuch elmurde. Hier wie in vielen anderen halb:
deutſchen Anteil der Zölle geſchehen ſollten , was audy wohl ziemlich geſichert war. Die Reichsregierung 30g es
ziviliſierten Gemeinden iſt das Geſeß ausnehmend lang: ſam und ungewiß , dagegen ſind Yatagan und Piſtole raſd und entſcheidend. Um hierüber Zeugnis zu erhalten, braucht man nicht erſt ins Gebirge zu geben. Zwiſchen dem Ende des öffentlichen Gartens und dem Eingang zum Konat liegt ein langer Feldweg oder Durdogang zwiſchen zwei hohen Mauern, welche jederſeits Häuſer und Gärten umſchließen. Am oberen Teile dieſes Durchgangs befinden ſich die großen Thore von zwei Häuſern und am unteren Teile ſißt ein Bergbewohner in Mirditentracht, mit einer
vor, die Sache ſelber in die Hand zu nehmen, und es iſt
nicht wahrſcheinlich, daß ſie nach Beruhigung des Landes die Deutſch Dſtafrikaniſche Geſellſchaft wieder in die frühere Stellung eintreten laſſen wird. Deutſch - Dſtafrika und mit ihm wohl alle übrigen noch unter Geſellſchaftsverwal tung ſtehenden deutſchen Beſißungen werden Kronkolonien werden , wie es Kamerun und Togo ſind, in denen die betreffenden Geſellſchaften Handel und Kultivation betreiben
können, ohne aber Hoheitsrechte zu genießen. Wie in Dſt
afrika das Reich und die Geſellſchaft ſich über die Er
Büchſe quer über den Knieen. Stundenlang ſigt er da,
hebung der Zölle verſtändigen werden, bleibt abzuwarten. Freilich iſt bisher nicht einmal zwiſchen der Geſellſchaft und dem Sultan von Sanſibar eine Einigung über die Höhe der letterem zu gewährenden Entſchädigung für die olleinnahmen zuſtande gekommen. Nachdem nun durch Wißmanns energiſches Vorgehen die Küſte zum größten Teil beruhigt iſt, werden die ſchon vorher hier thätigen Geſellſchaften wiederum auf dem Plate erſcheinen. Die Deutſch -Oſtafrikaniſdie Geſellſchaft will eine Faftorei in Bagamoyo errichten und wird auch mit dem neuen
heitlichen Programm geleitet werde. Auch die Deutſd)
ſchaut den Weg auf und nieder und hütet den Eingang des Gäßchens, welches zu dem Haus ſeines Häuptlings führt. Zu beſtimmter Zeit wird er abgelöſt von einem Mann, welcher ſein genaues Ebenbild iſt und nun ſeinen Sit auf dem erledigten Stein einnehmen wird, worauf der abgelöſte Wachtpoſten ſich einigermaßen reden und dehnen, einige Worte mit ſeiner Ablöſung wechſeln , dann langſam das Gäßchen hinanſchreiten und durch eines der großen Thore am oberen Ende verſchwinden wird. Auf dieſem Stein an der Seite des Weges ſieht man beſtändig einen Gebirgsbewohner mit ſeinem Gewehr auf den Knieen und ſeiner Piſtole in der Sila, wie er ruhig Cigaretten
Ditafrikaniſche Plantagengeſellſchaft ſteht vor der Auf
raucht und mit vorübergehenden Bekannten ein Kopfnicken
nahme ihrer Arbeiten , die Deutſche Pflanzergeſellſchaft hat beſchloſſen, Plantagen bei Tanga anzulegen. Eine ſehr wirfjame Stüße und Förderung ihrer Ar
tauſcht.
Jahr das der Witu - Geſellſchaft gehörige Gebiet über nehmen, damit die deutſche Koloniſation nach einem ein
In einem der Häuſer am Ende des Gäßchens wohnt ein Agha, aus Mittelalbanien, welcher wegen einer Blutrache, die er an einer benachbarten, der ſeinigen an Bedeutung und
beiten werden die deutſchen Geſellſchaften in Ditafrika haben nach Einrichtung der geplanten Dampferlinie,
Kopfzahl überlegenen Familie begangen hat, in blutige Fehte
welche, in Aden an die oſtaſiatiſche Linie des Norddeut iden Lloyd ſich anigließend , alle wichtigeren Häfen der
geraten und aus ſeiner Heimat geflohen iſt. Der Häupt :
Ditfüſte Afrikas bis zur Delagoa-Bay anlaufen würde.
iſt ein junger Bey, welcher in Frankreid) erzogen ward,
Die bereits dem Bundesrat unterbreitete Vorlage ſieht einen vierwöchentlichen Dienſt und einen Reichszuſchuß
tragen , aus dem weſtlichen Europa nur die Laſter ſeiner
von 900,000 M. vor.
ling der mächtigſten Familie in dem Bezirk des Aghas allein außer feiner Gewohnheit, fränkiſche Kleidung zu
Daß wir dadurdy von den mit
Sdulgefährten und keine von ihren wenigen Tugenden mitgebracht hat. In einem Wortwechſel über irgend eine Kleinigkeit dlug eines Tages dieſer junge Bey den Agha ins Geſicht, und im Nu griffen die Verwandten und das Gefolge der
uns im Handel konkurrierenden Engländern , insbeſondere der British India Steam Navigation Company, frei werden und ſich für unſere oſtafrifanijden Unternehmungen weit beſſere Ausſichten geſtalten müßten , leuchtet ein. Von ſolchen Geſichtspunkten ausgehend, hat ja auch Frant reich für ſeine Beſißungen im Indiſchen Dzean ſeit einigen Jahren eine Dampferlinie errichtet, welche über Mozam bique und Jbo nach Sanſibar geht. Die Engländer aber ſind im Begriff, ſogleid zwei neue Dampferlinien nady Dſtafrifa einzurichten, und auch Portugal plant eine Linie,
beiden Häuptlinge 311 den Piſtolen und Yataganen und lieferten ſich ein bißiges Sdarmuşel, worin mehrere Männer getötet und nod) weit mehr verwundet wurden . Eine Zeit
lang waren die Häuſer der beiden Häuptlinge in einem Belagerungszuſtand, und ſo oft die beiden feindlichen Par : teien ſich auf der Straße oder in Bazar begegneten, fam
welche feine Befißungen im Weſten wie im Diten mit dem
Mutterlande verbinden würde.
es zu einem offenen Gefecht, weldies alles Geſchäft ſtörte. Dieſe beſtändigen Scharmüßel wurden ein folcher Unfug,
( Forti. folgt . )
daß der türkiſche Statthalter endlich einſchritt und es ihm
.
Albaneſiſche Familienfehbeit.
gelang, den Agha und ſeine Familie nach Skodra zu ver-
dann eine Abteilung türkiſcher Zaptiehs (Gendarmen ) darein mengt unter dem Vorwand, die Kämpfenden zu trennen, ſo
bringen, wo ſie mehr oder weniger als Staatsgefangene wohnen und der Familie des Bey den Plaß räumen
wird die Sadie nod zehnfadı ſalimmer, denn dieſe lekteren
mußten.
werden mit ihren Martini-Peabody-Gewehren ziellos und
Beinahe jeden Tag verläßt der Agha ſein von Mauern eingeſchloſſenes und befeſtigtes Haus und macht ſeinen Nachmittagsſpaziergang , ihm voraus ſchreitet ein Mann von
aufs Geratewohl in die Volksmenge hineinfeuern und aller Wahrſcheinlichkeit nach das ifeuer beider kämpfenden Par teien auf ſich ziehen, weil ſie ſich in Dinge miſchen, welche ſie nichts angehen. Diejenigen Leute, welche am meiſten dar
ſeinem Gefolge mit der Budſe auf der Sdulter und einem
Arſenal kleinerer Waffen in ſeinem Gürtel.
Ungefähr fünf
Sdritte hinter ihm kommt der Agha, ein großer, ſchlanker ,
unter leiden, werden die unſduldigen Zuſchauer wider Willen ſein, welche nicht mehr imſtande geweſen ſind, eine ſichere
wohlgebauter Mann von fünfzig Jahren , welcher aber
Unterkunft zu erreichen. Glüdlicherweiſe kommt die Mög
kaum wie ein Dreißiger ausſieht. Sein langer Sdnurrbart iſt nod immer goldbraun und ſein ſonnverbranntes
lidheit eines ſolchen Straßenkrawalls nur noch ſelten oder
gar nicht mehr vor, denn Sfodra wird idon allzu ziviliſiert für derartige Parteifämpfe auf der Straße, und der Baſda iſt zu klug, um ſolche Ausſchreitungen zuzulaſſen , wo er
raſiertes Geſicht glatt und ohne eine Runzel. Sein Kopf iſt über der Stirn geſchoren und das Haar auf dem Scheitel ganz kurz geſchnitten und mit einem Fes bedeckt, ſo
vier oder fünf Konſuln in der Stadt an dem einen Ende
daß kein graues Haar ſein Alter verrät. Er trägt die Tracht der albaneſiſchen Gebirgsbewohner : dicht anliegende Vein-
des Telegraphendrahtes hat , an deſſen anderem die Ges
ſandtſchaften in Konſtantinopel ſind. Darum wird die Fa
fleider und kurze Jade, aber ſeine Weſte glänzt ſo von
milie des Bey ohne Zweifel ſorgfältig überwacht und jede
Goldſtiderei, daß dieſe beinahe ganz den fdarladyroten
größere Anzahl von Mitgliedern derſelben prompt am
ſammetnen Grund verdeckt, auf welchem ſie ruht, und ſeine Beinkleider ſind auf den Nähten mit dweren Streifen von goldenen Schnüren beſeßt. An den Füßen trägt er
Betreten der Stadt verhindert, und ohne eine ſtarke be: waffnete Scar wäre es Wahnſinn , unſern Bekannten,
den Agha, anzugreifen, denn er iſt nicht nur gut bewacht,
Kanonenſtiefel, welche genau bis unter das Knie reichen
ſondern ſteht überdies unter dem Sduße und der Ober aufſicht der Regierung.
und ein wahrer Triumph der Kunſtfertigkeit ſeines Schuh : machers ſind, der ſie in allen möglichen Zeichnungen und Muſtern mit Gold- und Silberdraht benäht. So ſchreitet er ſtolz und herausfordernd einher und ſchaut mit ſeinen Falkenaugen um ſich, die Hand auf dem geſchnitten Rolben ſeiner
Allein troßdem ſind ſelbſt heutzutage vereinzelte Ehren händel keineswegs ſelten , und Männer, welche in Blut rache und Fehden verwidelt ſind, werden noch heute häufig
auf den Straßen oder im Bazar niedergeſchoſſen. Der
ſilberbeſchlagenen Piſtole ruhend. Hinter ihm gehen, in Ab:
Monat Ramazan iſt ganz beſonders fruchtbar an ſolchen
ſtänden von etwa zwei Schritten , ſeine beiden Söhne, jeder
Bemühungen , jid Recht oder Rache zu verſchaffen. Wäh rend dieſes Monats darf kein guter Muſelmann zwiſchen Sonnenauf- und Sonnenuntergang Speiſe oder Trank
mit einer Waffe in der rechten Hand, und den Schluß des
Aufzugs bilden zwei weitere Mirditen mit Büchſen und Piſtolen . So marſchieren ſie in langſamem , ſtattlichem
berühren oder zu ſich nehmen ; er darf nicht einmal eine
miteinander zu wechſeln, außer wenn in ſeltenen Zwiſchens
einzelne Taſſe Kaffee trinken oder heimlich eine Cigarette rauchen . Man kann ſich nun leicht vergegenwärtigen,
räumen der Häuptling über die Sculter hinweg dem ihm
welch eine qualvolle Prüfung dies iſt, wenn der Ramazan
folgenden Sohne ein Wort zuraunt , welches dieſer mit einem Grungen beantwortet. In dieſer prahleriſchen Weiſe ſchreiten fie durch den öffentlichen Garten und durch die Straßen hin nach dem
in den heißen Sommer fällt , und wie ſchredlich dieſe ge zwungene Enthaltſamkeit von Speiſe und Trank unter einer glühenden Juli- oder Auguſtſonne ſein muß , wo beinahe jeder Grashalm und jedes grüne Blatt der Pflanzenwelt verdorrt ſind, wo ſeit Monaten kein Regen tropfen gefallen iſt und die Luft wie die Ausſtrömung eines Ofens er dyeint. Die Nachtzeit zwiſchen Sonnenunter
Schritt an der einen Seite der Straße, ohne ein Wort
türkiſchen Quartier, wo ſie vielleicht einem Bekannten einen Beſuch machen, und ſtolzieren alsdann wieder nach Hauſe mit einer Feierlichkeit, als ob ſie ihrer eigenen Beerdigung beiwohnten. Sie erwarten alle, eines Tages einem Haufen ihrer Feinde auf der Straße zu begegnen, denn ſie ſind der Familie des Bey noch Blut ſchuldig, und dann wird ein Kampf ausbrechen, wo und wie ſie gehen und ſtehen,
und Sonnenaufgang iſt im Sommer ſo kurz , daß man nur wenig Zeit zum Schmauſen hat , und man kann die
langen Tagesſtunden doch auch nicht ganz mit Schlafen
verbringen, ſelbſt wenn man keine Arbeiten oder Geſchäfte
und wehe dann den Vorübergehenden, gleichviel Europäern
im Bazar oder in der Stadt zu beſorgen hat. Und ſo fann
oder anderen, wenn ſie nicht ſogleich das nächſte ſichere Obdach aufſuchen, denn alsbald werden Büchſen und Pis
man denn immer da und dort Gruppen von hungrigen
ſtolen knallen und Kugeln die Straße auf und ab pfeifen
1
und durſtigen Muslimen unter ihren Hausthüren lehnen und ſehnſüchtig nach der Sonne ſchauen ſehen, ob ſie noch
nicht bald untergehe, wobei fie finſteren grimmigen Blickes ohne alle Rüdſicht auf die harmloſen Leute, welche vors über und ihren täglichen Geſchäften nachgehen. Wenn ſidy i nadh den ,,Chriſtenhunden " bliden , welche nach einem 1
Albaneſijde Familienfehden.
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tüchtigen Mittagmahl vergnügt umhergehen und ihre Si garette rauchen und den ganzen Tag hindurch ſo viel Kaffce trinken können , als ſie nur wollen. Es verbeſſert ihre Stimmung durchaus nicht, wenn ſie die wohlgenährten ,,Ungläubigen" und „Gjaurs" ſo behaglich vorübergehen ſehen, während ſie auf die Kanonenſchüſſe warten, welche im Ramazan den Sonnenuntergang verfündigen und den .
wo er ihn auch immer finden mag. Kann er den wirk lidhen Mörder nid )t finden , ſo muß er deſſen Bruder, Sohn oder nädyſten Verwandten umbringen , und hat er auf dieſe Weiſe den Mord geſühnt und dem Geiſte des Erſchlagenen Ruhe verſchafft, ſo geht das Recht der Blut: radhe auf die Familie des urſprünglichen Mörders über,
Muslimen anzeigen , daß ihr ſechzehnſtündiges Faſten
und dieſe lauert nun Einem von dem feindlichen Clan auf oder wählt am liebſten einen einzigen Sohn oder den
vorüber iſt. Und ſo werden denn in dieſem Monat weit
Mann, deſſen Tod der Gegenpartei den größten Kummer
mehr Leute in Privathändeln niedergeſchoſſen , als in irgend
und das meiſte Unglück zufügen kann. So vererben fich
einem andern Monat des Jahres. Vor zwei oder drei
die Blutrache und die blutigen Fehden von einer Gene
Jahren wurden in dem einen Monat Ramazan in Skodra
ration auf die andere, und die urſprüngliche Urſache von
allein vierzehn Männer niedergeſdoſien ; die Zahl dieſer
manden derſelben verliert ſich im Dunkel der Vorzeit. Im Jahre 1857 madhte die türkiſche Regierung einen kräftigen Verſud), die Vendetta oder Blutrade zu unter:
Morde nimmt jedoch von Jahr zu Jahr ab, denn Skodra wird langſam ziviliſierter und der Einfluß der kleinen europäiſchen Kolonie immer mädytiger. Doch kommt es noch immer das ganze Jahr hindurch einmal im Monat
drüden , denn über fünfhundert Männer aus Slodra allein wanderten infolge von Blutfehden obdach- und heimatlos
ziemlich regelmäßig vor, daß, wenn mein Koch Simon
im Gebirge herum . Beinahe alle Stämme mit Ausnahme
morgens zu mir hereintritt, um zu fragen , ob id lieber muskulöſes Geflügel oder lederzähes Odſenfleiſch zu Mittag haben will, er mit dem Fes in der Hand ſtehen bleibt, weil er unverkennbar mit Neuigkeiten ganz geladen iſt. Ich muß natürlich wahrnehmen , daß er von mir eine Frage nach ſeinen Neuigkeiten erwartet, und ſo thu ' ich ihm denn den Gefallen. Haben Euer Gnaden idyon ges hört," fragte er eifrig, „ daß Haſſan den Sohn von jenem Huſſein erſchoſſen hat." Simon bezeichnet ſeine Lands leute immer nur mit dem Vornamen und bedient fich
der Mirditen nahmen den Waffenſtillſtand an , allein das
mit ſtolzer Unbeſtimmtheit dafür des Präfixes „ jener“. „ Was für ein Haſſan ?" erkundigte ich mid ), denn es gibt wahrſcheinlich zwei- oder dreihundert Männer dieſes Namens in der Stadt .
,,Der Sohn von jenem Selim , der in der Nähe des Bajars wohnt."
wilde Geſetz der Wiedervergeltung „ Auge um Auge, Zahn um Zahn “ ward niemals ganz abgeſchafft und wird es niemals eber werden , als bis eine feſte, konſequente und
geordnete Regierung ihre Verwaltung der Rechtspflege
von Beſtechung und Vakſdiſch unabhängig macht und von den Stämmen als eine ohne Furcht und Gunſt hoch
geachtet wird. Die römiſch-katholiſche Geiſtlichkeit hat im Gebirge ihr Möglidiſtes gethan , um die Blutrache abzu: ſchaffen, aber ohne Erfolg . Ein reformfreundlicher junger Prieſter ging einmal ſo weit, den Kirchenbann über einen
Mann auszuſprechen , welcher anerkanntermaßen mehrere Perſonen in einer Blutfende getötet hatte. Der Mörder glaubte ſich vom Himmel ausgeſchloſſen , nicht durch ſeine eigenen Unthaten , ſondern durch das übereifrige Ein (dreiten des Prieſters ; er ſudyte daher dieſen auf und bedrohte ihn mit augenblidlichem Tode , wenn er nicht auf der Stelle den Bannfluch zurücknehme. Der arme
Nadidem ich mich über den Mann vergewiſſert habe, frage ich weiter : „ Warum hat er denn den Huſſein erſchoſſen ?" ,,Wie kann ich das wiſſen, Effendi ? Der böſe Geiſt iſt ihm in den Kopf geſtiegen ." Da der Vorfall ſich erſt in der jüngſten Zeit zuge tragen hat , kann ich kaum mehr als den bloßen Umriß
Prieſter verſuchte ſich aus der Schlinge zu ziehen , aber vergebens: der Gebirgsbewohner blieb unerbittlich, ertroßte
der Thatjade aus meinem Kody herausbekommen . Morgen ,
nur um ihre eigenen Angelegenheiten bekümmern . Es entſtand einmal ein Streit zwiſchen zwei Freun
wenn er Zeit gehabt hat, die Sache mit ſeinen Bekannten bei einigen Gläſern Raky (Branntwein ) zu beſprechen , wird er mir genauere und wunderbare Einzelheiten mit: teilen ; aber für heute hat ſein Hirn keine Zeit gehabt, mehr zu erfaſſen , als die einfache Thatſache , daß ein Mann den andern erſchoſſen hat.
Die Veranlaſſungen zu dieſen unglückliden Händeln find häufig ſehr trivial. Ein Streit beim Kartenſpiele oder ein Anrempeln im Bazar genügen oft , daß ein Mann auf ſeinen Freund feuert und ihn totſchießt. Aber damit endet die Geſchichte noch nicht, denn jedes Mitglied der Familie des Ermordeten iſt durch Ehre und Pflidit
gebunden , den Mörder aufzuſuchen und niederzuſchießen ,
die Abſolution und ging dann mit der Warnung hinweg,
Seine Hochwürden dürften flüger handeln und ſich fünftig
den , weil der eine dem andern vierzehn Kugelpatronen
verſprochen und ſpäter verweigert hatte , und als Folge davon verloren zwölf Männer an einem einzigen Tage ihr Leben . Eine furdytbare blutige Fehde zwiſchen zwei Familien von Gebirgsbewohnern entſprang daraus, daß ein
Schwein des einen das Getreide eines Nachbars abgefreſſen hatte , als das Korn eben in Aehren geſchoſſen war. Der
Beſchädigte erſchoß das Schwein und der Eigentümer des Schweines erſchoß augenblicklidy den Mann , welcher ſein Tier getötet hatte , und viele Jahre vergingen und viele Menden verloren ihr Leben , bevor dieſe Blutfende bei: gelegt und die Beſja hergeſtellt wurde. Die Veranlaſſungen
9
Aus der Siidjee.
zu den Blutfehden ſind aber zuweilen auch ernſt genug .
Aus der Südſee.
Viele entſtehen dadurch , daß ein junges Mädchen ohne I.
die Einwilligung ihrer Eltern entführt wurde, denn irgend eine Beleidigung eines Frauenzimmers wird ſogleich mit dem Tode beſtraft. Ein hintergangener Ehegatte muß den Schimpf, welcher ſeiner Familie und ihm ſelbſt ange
than worden iſt, durdy Tötung des Beleidigers rächen , wenn er nicht lebenslang ein entehrter und dymachbededter Mann bleiben will.
Eine „ Kreuzerfahrt im Stillen Dzean nach den ge würzreichen (spicy) Inſeln ,“ unter dieſem Titel bringt der רו,Sydney Morning Herald “ in einer Reihe von Nummern vom März und April v. I. eine Reiſebeſchrei bung ſeines Spezialberichterſtatters nach den Tonga- und Samoa Inſeln , die bei dem lebhaften Intereſſe, das dieſe
Vor kurzem ging ich einmal durch eine Straße im
Inſelgruppen jeßt hervorrufen, und wegen ihrer im ganzen
Türfenquartier, als ich einen Ropf und einen Flintenlauf
objektiven Darſtellung wohl beanſpruchen dürfte , audy
um die Ecke einer Nebengaſſe unmittelbar vor mir herum ſdauen ſah. Als ich zur Stelle fam , ſah ich einen jungen Muſelmann aus der Stadt ruhig auf einem großen Steine
einem europäiſchen Leſerkreis vorgeführt zu werden. Mit dem Dampfer „ Lübec “ verließ er als einziger Paſjagier erſter Klaſſe Sydney in der Drkanzeit und bes
Tißen, wie den Berg-Arnauiten des Agha, aber in einer ver
ſchreibt nun in ſeinem erſten Artikel die „ Reiſe“; zwiſchen Leſen, Søreiben, Studium, Eſſen, Schlafen und Betrach
ſchiedenen Abſicht. In der Straße, worin ich eben ging, war der Eingang zum Hauſe ſeines Feindes , und der junge Mann hatte ſchon ſeit Wochen jeden Tag mehrere Stunden lang jene Hausthür belauert. So oft er Schritte ſich nähern hörte, daute er um die Ede , wie er gethan hatte, als ich herankam ; gewöhnlich aber fitt er auf dem
Stein, von wo aus er gerade die Hausthür ſehen kann . Seine Familie ſteht in Fehde mit dem Beſitzer jenes Hauſes, und das lebte Dpfer weldes in dieſer Blutrace fiel, war ſein Bruder, der erdoſjen wurde , als er eben nach ſeinem Laden im Bazar ging. Der damalige Blut rächer iſt ein hochgewachſener hübider Mann von unge
tungen über die Zuſtände in Samoa ſudit er ſeine Seit
einzuteilen und ſich über die 2500 engl. Min. betragende Entfernung, von denen der Dampfer 10 bis 11 in der Stunde zurücklegt, hinwegzuſeßen. Der auf der Speiſe karte paradierende „ Soweinebraten mit Brudſpargel" gibt Veranlaſſung zu einer weitläufigen Auseinander ſeßung über die Speiſegewohnheiten der Engländer, Deut ſden, Auſtralier und der Einwohner von Tonga, Samoa, Hawaii, welche leßteren er den erſten betreffs einfacher Nahrung und Kleidung zur Nachahmung empfiehlt. Der Anblick der Norfolk- und Phillip -Inſeln erinnert ihn an
fähr dreiundzwanzig Jahren und wird geduldig warten,
die Meuterer des engliſchen Schiffes „ Bounty ,“ welche im
bis ſein Feind oder deſſen Sohn aus jenen großen Thoren
Jahre 1788 bis 1789 die Pitcairn - Inſeln in Beſiß nahmen und dann 17 Jahre veridollen blieben, bis ihre Spuren 1808
tritt, und wird dann ſeinen Bruder räden. Der Feind iſt ihm Blut (quldig , und ſo wird niemand auf ihn ſchießen, bevor er noch nicht geſdoſſen hat. Die Bewohner
jenes Hauſes wiſſen, daß ſie belauert werden, und bie und da , wenn der junge Mann nicht auf ſeinem Poſten iſt, ſo ſchlüpfen der Vater oder der Sohn hinaus und kehren heimlich nach Alſdam
zurück ; allein die Dienerinnen ,
Frauen und Baſen gehen den ganzen Tag hindurch unan gefochten aus und ein , denn in Albanien vergreift ſich kein Mann an einer Frau , und ſelbſt die entfernteren
männlichen Verwandten ſind vergleichsweiſe ſicher, ſolange
der hauptſächlichſte Beleidiger noch unverleßt iſt. Eines Tages wird das Wadheſtehen des jungen Mannes von Erfolg begleitet ſein ; der Feind wird ſid, für ſicher halten und ſein Haus verlaſſen , und eine Büchſenfugel wird dann den Tod des ermordeten Bruders rächen. Der
zuerſt durch ein amerikaniſches Schiff, dann 1814 durch engliſche Kriegsſdiffe aufgefunden wurden , nachdem von ihnen nur noch ein Matroſe Adams am Leben war , der fidh mit 8 Tabiterinnen und 19 Kindern in dem Beſiß der
Inſeln befand.
Im Juni 1856 wurden dieſe Inſulaner,
zuſammen 187 Perſonen , von der engliſchen Regierung nach Norfolk hinübergebracht, und erſt im vorvorigen Jahr
hat bekanntlich ein engliſches Kriegsſchiff wieder auf Pit cairn die britiſde Flagge gebißt. Die ,, Lübed " lobt der Reiſende febr ; in Stettin gebaut , iſt ſie mit allem modi:
idhen Komfort ausgerüſtet, elektriſchem Licht, elektriſchen Glodenzügen , dön ausgeſtatteten Staatszimmern , be
Nidts vermag ihn von dieſem
ſtehend aus Raudı- und Speiſeſalon mit hübſcher Füllung und Ausrüſtung , trefflichen Gemälden , Anſichten von Bremen und Lübeck und allegoriſden nationalen Figuren. Doch nur drei Offiziere außer ihm aßen an den vier Tafeln und genoſſen die künſtleriſche Umgebung, ſo daß er ſich oft die Frage vorlegte, ob ſich die Linie je bezahlt
Vorhaben abzubringen , denn er würde für immer beſchimpft bleiben , wenn ſeines Bruders Tod ungerädyt bliebe , und
antwortet, nidyt direft als Handelsgeſchäft, aber in natio
Bluträcher wird lange und geduldig warten und die Bes lagerung jenes Hauſes nicht eher aufgeben , als bis er ſeinen Zweck erreidyt hat.
es iſt nicht viel Ausſicht vorhanden , daß die Blutradhe und die tödlichen Fehden in deren Gefolge in Stobra abgeſchafft
werden , ehe es ihm gelingt ſeinen Feind niederzuſchießen.
maden würde - eine Frage, die er dann ſelbſt damit be naler Bedeutung und durd die Ausdehnung des deutſchen
Handels im Stillen Ozean. In weiteren Artikeln be
ſpricht er die kriegeriſchen Ereigniſſe der lebten Monate in Samoa, die bereits anderweitig bekannt ſind ; von all
Ausland 1890 , Nr. 1 .
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Aus der Siidjee .
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halt unter den Eingeborenen , im Lager des Königs und einige hiſtoriſche Rüdblicke auf die Geſchichte der Inſeln. Naddem die ,, Lübed " die Tonga Inſeln, denen ſpäter einige Artikel gewidmet werden, verlaſſen hatte , kam an einem Sonntagmorgen die Inſel Tutuila in Sicht. Schon einmal war er dort geweſen, 1886 fünf Tage , nachdem die amerikaniſche Flagge dort gehißt war, und von dem
geborenen erklettern die Schiffswand, ſie ſind den Tonga: nejen ſehr ähnlich, von derſelben Höhe , aber muskulöſer, und machen den Eindruck, größere Erfahrung zu haben, infolge eines derberen Lebens. Das Fleiſch ihrer hübſchen Bronze körper iſt feſt und ſtramm , dabei fo friſd wie das eines Kindes. Es ſcheint beinahe unmöglich, den Gedanken an Wildheit mit dieſer Menſchenraſſe zu verbinden, denn ihre Tätowierung ſelbſt hat nichts Wildes an ſich. Sie fochten unter ſich, ſie verbrannten ihre Gefangenen in alten Tagen , aber die Geſchichte kann gegen ſie keine Thaten des Morbes,
damaligen Ratgeber Malietoas , Mr. W. L. Rees, in die
des Verrates oder der Grauſamkeit anführen .
Geſchichte der ſamoaniſchen Schwierigkeiten eingeweiht. Derſelbe hat im November 1888 im ,,Nineteenth Cen-
gute Freunde der Weißen , wie die Miſſionare Turner und Taylor es bezeugt haben. – Der Anker fällt. Zur
gemeinerem Intereſſe iſt das , was die Weißbücher nicht gebracht haben , der erſte Eindruck bei der Landung in Samoa, ein Einblid in das Leben von Apia, ſein Aufent-
Sie waren
tury “ einen Bericht ſeiner Verwaltung gegeben. Bald | Linken flattert auf Matautu Point der Union Jad, es iſt das Haus des britiſchen Konſuls; faſt im Mittelpunkt der
ſchwindet Tutuila aus den Augen und Nuulua und Upolu kommen nebſt kleineren Inſeln in Sidit; die lange, von der Brandung beſpülte Küſte Upolus entlang, mit dem kugelförmigen Berge im Hintergrund, fährt das Schiff, am
Stadt weht das Stern- und Streifenbanner von einem niedrigen Gebäude mit Veranda, auf welcher amerikaniſche
Seeſoldaten auf Wache hin und hergehen, es iſt das Kon
Ufer ſieht man die üppige tropiſche Vegetation und an den Bergwänden 3000 Fuß hody das verſchlungene Grün und den lillen Wald.
ſulat der Vereinigten Staaten. Und rechts iſt das deutſche Konſulat , nicht weit davon die verlaſſenen Parlaments
gebäude und die verlaſſene Reſidenz des Königs. Das lange Gebäude mit ſteinernem Kirchturm iſt die römiſch katholiſche Kirche, die Steinfapelle inmitten der Stadt jeßt das Hoſpital für die Verwundeten , und weit hinauf in
Ein weißer Streif an der Berg.
wand Hunderte von Fuß ſenkrecht wird ſichtbar; anfänglich ſcheint es ein lebendiger Waſſerfall, beim Landen in Apia aber ſieht man, daß jener ſilberne Waſſerſtreif ein Fluß
den Hügeln ſind die weißen Däder der römiſch-katholiſchen
iſt, der Vaiſigano, der die Stadt durch fließt und nicht nur in ſeiner ruhigen Schönheit einen entzückenden Gegenſaß zu der ſalzigen wogenden See bildet, ſondern auch den
durſtigen Einwohnern – nach ſeiner Anſicht iſt Apia einer der durſtigſten Erdenwinkel – friſches Trinkwaſſer liefert und ſie mit einer föſtlichen Badeſtelle bedenkt.
Am Sonn-
tag Mittag kamen beim Landen alle weißen, roten und ſchwarzen Reiſenden aus ihren Verſteden zum Vorſchein und genoſſen über die Schiffstand lehnend die Landluft,
Miſſion.
Dahin fam Mataafa, der König, um zu beten.
Raum ſtanden die Maſchinen ſtill, ſo kamen zu uns von 1
den Kriegsſchiffen die Offiziere der verſchiedenen Nationen , von der ,Calliope", der ,,Olga ", dem ,,Adler" , „ Eber" und der ,, Nipſic ", alle in dneeweißem Anzuge, um ihre Poſten abzuholen , und bald entwickelte ſich ein munteres Leben 11
am Bord der „ Lubed ".
Ich beſuchte ſofort den britiſden
Konſul, jah auf dem Wege nach Matautu Point Sdaren von Eingeborenen im Sonntagskoſtüm , das mehr durch
die ſüß, leichter als die Seeluft, obſtduftig, etwa wie ein ,,alter , feiner Madeira “ herwehte. „ Um 2 Uhr fuhren
feinen Glanz als durch ſeinen lleberfluß ſich auszeichnete.
wirum Matautu herum undkonnten dieStadtauf halb:
Eswar ſchredlid heiß.. Einigehaben eine geiſtreicheArt,
mondförmigem Geſtein erblicken. Nun ſahen wir Hunderte von Beweiſen menſchlicher Wohnung an den ſonſt ſo öden Ufern . Der Anblick des reifen Landes war der einer
ſich vor der Sonne zu düßen. Sie gehen zu Zweien , ( halten uber ihren Köpfen ein Stüc farbigen Calicos, am
Land mit den Warenhäuſern der Händler und der Arbeit
liebſten blau , das der ſanfte Wind hinter ihnen her Flattern läßt wie ein wagrechtes Segel , eine Art trag : barer Marquiſe. Aber ſehr viele trugen auch Sonnen ſchirme, und es war ſicher ein neuer Anblic , ein menſch lidhes Weſen mit einfachem lava lava um ſeine Lenden dahinſchreiten zu ſehen mit neumodiſchem Sonnenſchirm über ſeinem Haupte und eine Banane verzehrend. Bis
der Natur in ihrer höchſten Schönheit zu entſtellen.
weilen
Odaliske, mit halbgeſchloſſenen Augen an einem Sommernachmittag träumend. Dieſes Gefühl ſchläfriger Trägheit konnten wohl die Kriegsſdiffe zerſtören mit ihren deutſchen , engliſchen, amerikaniſchen Flaggen ; aber ſelbſt Krieg und Blutvergießen vermochten nicht, dieſes palmengeſchmüdte
traf man ein Mädden in vollem
europäiſchen
„Allmählich unterſcheidet man den Teleabaum, die
Koſtüm, das ſehr loſe anſchluß und einem mehr oder
Drangen- und Brotfruchts, die Bananen- und Zitronen:
weniger ariſtokratiſch ausſehenden Hute und Sonnenſchirm .
bäume. Die Eingeborenen ſtoßen ihre Boote in die Bran-
Einige dieſer Mädden waren ſeltſam ſchön . Nach einer
dung, teils um zu uns zu kommen, teils um dem anregenden Spiele des Wellenreitens ſid hinzugeben. Wir haben unſern Lotſen an Bord genommen und treiben mit fliegen:
drehte ich mich um , als ſie vorbeiging, ſolde Schönheit und Anmut beſaß ſie. Hofdamen gehen nicht anmutiger als dieſes Mädchen. Ich ſah ſie in anderem , kühlerem Koſtüm am nächſten Tage , denn ſie war die ,Dorfmaid " und war Hauptfigur in einem Siva oder Tanz , der mir zu
den Fahnen burd, das in den Märztagen dieſes Jahres
ſo verhängnisvolle Korallenriff in den Hafen. Die Ein :
1
Aus der Südſee.
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Ehren aufgeführt wurde. Das , nil admirari“ lernt ſich
vorſichtiger Mann in der Rede, aber eifrig auf den Schut
in Apia ( dynell, denn als ich über den kleinen Fluß ging,
der britiſchen Unterthanen in Samoa bedacht und ſieht
ſah ich in demſelben ein Dußend dunkler Mädchen ohne į nach ſeinen Proklamationen auf die deutſchen Anſprüche lava lava, ohne Kleid à la ,,Mutter Hobbard " , oder Schirm unter der Brüde fich baden , ſo daß ich begreifen lernte, daß der Scritt von der Ziviliſation zum Heidentum unter ſolchen Umgebungen und Umſtänden nicht ſchwer iſt,
und das deutſche Vorgehen nicht mit ſehr günſtigen Augen."
Da der Bericht vom Gefecht von Vailele, der nun folgt,
und daß die Bilder , die ein Raleigh, Prescott, Humboldt
beſonders auf dieſer Quelle und des berüchtigten Mr. Klein Erzählung beruht, ſo faſſen wir ihn kurz. Beſonders weiſt dieſer Bericht auf die von allen Seiten, auch von deutſcher,
von weißen Männern entworfen haben, die, der Ziviliſation müde, ſich unter den dunklen Raſſen Weſtindiens, Zentralund Südamerikas niederließen, einfache Kinder der Natur
zugeſtandene Thatſache hin , daß das Gefecht kein Ueber fall geweſen ſei, vielmehr beide Parteien die gegenſeitigen Abſichten wohl kannten. Ferner ſucht er darzuthun, daß
wurden , ihre Sprache vergaßen und alle ihre früheren Ges
Mataafa fid in der Notwehr befunden habe und daß er ſchließlich noch die Deutſden „ geſdont" habe ; zum Schluß
wohnheiten aufgaben, zu verſtehen ſind. Doch iſt man überraſcht , wenn man in einem europäiſchen Hauſe und ſeiner Umgebung half -caste -Kinder im Eingeborenenkoſtüm oder im Roſtümmangel erblickt oder ſie am Eingeborenen: tanze teilnehmen ſieht. Ich ging weiter mit großer Kraft, zu großer für ein ſo heißes Klima , aber doch ſolcher, die ſelbſt ein dreijähriger Aufenthalt in Sydney mir nicht hatte nehmen fönnen.
Doch war es in Apia ein
ſagt er : ,,Damals war der Krieg nicht erklärt , denn ſpäter war das „ Blutbad von Vailele " die Vollmacht der Deutſchen gegenüber den Eingeborenen, gegen Samoa Krieg I
zu führen. Im Kriege iſt Strategie nötig. Keiner er: wartet, daß die Anführer ihre Pläne der Menge enthüllen , aber in Samoa war es etwas anderes. Hier wünſchte eine Nation mit Wort und That eine friedliche Löſung
ungewohntes Ding , einen Mann im Geſchäftsidritt zu
von Schwierigkeiten und bereitete ſich zugleich zu einem
ſeben, der ſich dabei umſchaute, als wollte er militäriſche
vernichtenden Schlage gegen den Gegner vor. Hier waren 5000 Eingeborene gut bewaffnet, geſchickt im Brauchen der
Terrainaufnahmen zu Krieg und Angriff machen .
„Ich bin nicht ſicher, ob die Weißen mich nicht mit
Waffen, Buſchkrieger, die jeden Zoll ihres Landes kannten ,
Verdacht betrachteten , aber ſicher bin ich , daß die Einges borenen den „ſchwarzen Papalangi" – ja dieſe Schurken , die „ roten Nigger" , nannten mich ,, idwarz" - als ein ein Leben dahinzugeben hatte und daß es gut thun würde, meine Kräfte zu donen ; ſo machte ich unter einer ſchattigen Palme Halt und hielt Umſdau . Doch bin ich ſicher,
die angegriffen werden ſollten von guten , tapfern Soldaten, die aber an Zahl zu gering waren . Die Deutſchen ſind jeßt machtlos , denn die Samoaner haben ſich den Be weis geliefert, daß die weißen Leute, die Papalangi oder „ Himmelbrecher“ nicht göttergleich gegen ſamoaniſche Kugeln feſt ſind. Beſtrafung der Eingeborenen würde mehr Leute und Ausrüſtung erfordern, als Deutſchland bereit iſt, nadh
daß die Einwohner von Apia mich als ſtörendes Element
der Südſee zu ſenden. Nad Zerſtörung ihrer Dörfer
in ihrem Leben betrachteten : was hatte ich auch herumzus laufen und mich abzuarbeiten, da id doch nur „ mich ein-
fönnen ſich die Eingeborenen in ihren Bergfeſtungen vers ſchanzen , wo ſie ſich verproviantieren und einer geringeren Soweit die Worte des auſtra Madyt troßen fönnen .“ liſchen Berichterſtatters, der über Deutſchlands Macht verhältniſſe doch wohl zu gering urteilt und der inzwiſchen auch wohl von den allem furor teutonicus abgeneigten, friedlich geſinnten Abſichten der deutſden Reichsregierung dem tapfern Inſelvolke gegenüber ſich überzeugt haben
Wundertier anſtaunten.
Endlich merkte ich, daß ich nur
fach umſehen und Notizen madien " wollte. Die Straße längs der Bai war ſehr eng, eine Art Kuhpfad, auf welchem Wagen ſich nicht begegnen konnten , doch was braucit man auch Wagen in Samoa ? Wer will weiter gehen als zur Kirche, zur Bai oder zu einem der ſieben Schenkſalons ? Wer geht überhaupt ſo weit ?
So ſprechen die meiſten
ihr Gebet zu Haus und nehmen ihr Getränk ebenfalls , wird, nachdem die Abberufung des deutſchen Konſuls und im Hauſe.
Deutſcher Gin iſt billig in Samoa , außer
Kokosnüſſen , Bananen , Jams, Taros , Brotfrucht am billigſten. Dody ſah ich nur einen Mann betrunken , ſo daß der Schnaps wohl nicht allzu zerſtörende Wirkung ausübt. Endlich kam ich um Matautu Point herum an das britiſche Konſulat , eines der beſten Häuſer in Apia , mit
ſchöner Seefront.
Ich fand gaſtliche Aufnahme beim
Konſul oder Deputy Commissioner und ſeiner Frau, und von ihnen und den Schiffsoffizieren erhielt ich Nachrichten über die Eingeborenen und das Gefecht von Vailele.
Die Vorderſeite des Konſulats iſt jeßt zu Hoſpitalzweden beſtimmt. Das Gefecht hatte ca. 3 Meilen auf der Straße jenſeit des Konſulats ſtattgefunden. Der Konſul iſt ein
der Zuſammentritt der Konferenz Thatſachen geworden ſind. „ Unter den Eingeborenen ", ſo heißt die Ueberſchrift
des folgenden Artikels. „ Mehr als irgend ein Plaß im ſtillen Djean trägt Apia ein amerikaniſches Gepräge. Nicht daß dort ſo viele Amerikaner ſind , aber es iſt da eine
Menge von Hotels nach amerikaniſcher Mode und meiſt von Amerikanern gehalten. Meine erſte Mahlzeit in Apia hielt ich im Tivoli , einem Plaße mit weiten Verandahs.
Auf ihnen ſaß eine Anzahl amerikaniſcher Offiziere, und da mich nur ein Schirm von ihnen trennte, ſo hatte ich das Vergnügen, von ihnen einige recht luſtige Geſchichten zu hören, die das ſehr zweifelhafte Verdienſt der Mahlzeit
erſekten , für welde ich 4 sh. bezahlen mußte. Andern
Xus der Südſee .
12
Tages nach einem Frühſtück, beſtehend aus gebratenen
Cigaretten an und ſchwaßten noch lange über ſamoaniſche
Seegarnelen, verlangte ich, da ich den Morgen einen Ritt gemacht hatte, Sherry und Sodawaſſer, für welchen Lurus mir 3 sh. angerechnet wurden, ſo daß ich mich ſpäter auf Thee beſchränkte. In der erſten Nacht war ich durch die Höflichkeit des amerikaniſchen Vizekonſuls ſo glüdlich, drei der bekannteſten Samoaner, Salu, Leapai und Sea, fennen zu lernen , die als Typen edler , würdiger , einſichtsvoller, ſtaatsmänniſd erzogener Männer ſpäter noch eingehender
aber oft ſtehen ſie auch mitten in der Nacht auf und dwaßen bei Cigaretten und Rawa. Während ich in einem dieſer Häuſer ſiße und ver ſuche, eine Cigarette zu rauchen , die aus einheimiſchem Tabat gemacht und in ein Bananenblatt gewidelt iſt, die die Häuptlingsfrau mir gerade gegeben hatte, indem ſie mir den Ehrenplaß an ihrer Seite mit der Hand an
von mir gewürdigt werden .
wies, betrachte ich das Innere des Hauſes.
Ehe ich ſie traf , wanderte ich zwiſchen den Häuſern der Eingeborenen umber , denn während id am dunklen Abend in Tivoli mein Mittagsmahl einnahm , wrang zu mir durch die weiche Luft der Schall menſchlicher Stimmen, Eingeborener, die eine wohlbekannte Melodie ſangen, welche ich vor 25 Jahren zum erſten Male in einer Dorfkirche in einem Lande vol Schnee und Fichten hörte. Sie war
blicken zu dem ſchönen Dache erinnere ich mich des Dr. Turner, der dasſelbe mit einem rieſigen , rundgipfligen Bienenſtode bergleicht, der mit Rohr- und Zuckerrohr blättern gededt und mit den Faſern des Kokosnußbaumes
dem Adeste Fideles an einem Weihnachtstag vorauf-
gegangen. So ſuchte ich den Häuptling Salu auf ; von mehr als einem Hauſe unter den Palmen erſdoll die alte Hymne ,,Ale Menſchen, die auf Erden wohnen ", während aus anderen, weiter entfernten Händeklatſchen und Zauber: geſang ertönte ; das mußte der Siva , der Tanz , fein. So vereinigt das Volk naiv die Sinnlichkeit ſeiner alten Gewohnheiten mit den driſtliden Gebräuchen . Id ging an die Thür oder die offene Seite eines Hauſes. Da waren wenigſtens zwölf Men den verſammelt, die ſofort bei meinem Anblide aufſprangen ; aber ich hielt mich zu :
rück , denn dort fniete eine ſehr alte Frau , die laut ihre Gebete in ihrer Sprade berſagte. Als ich nidit eintreten wollte, nidten ſie mir zu, und ich hörte noch lange draußen im Dunklen die zitternde alte Stimme. Ich trat in ein
anderes Haus. Einige lagen mit den Kopfen auf ihren Kiſſen von Bambusholz, andere rauchten ſibend Cigaretten , ein hübſches Mädden mit einem prieſterrocartigen ſeidenen Gewande bereitete Kawa. Dieſes Gewand und die Java lava vervollſtändigten das für Samoa reiche Roſtüm . Mein Eintritt machte kein Aufſehen , da ich willkommen gegeweſen wäre, wenn ich auch Monate lang midy im Hauſe hätte aufhalten wollen. Die Samoaner ſind die größten Kommuniſten der Welt.
Keiner fann unter ihnen reid
werden , denn ſein ganzer Stamm nimmt an ſeinem Beſit Teil und er erhält ſelten viel außer wenigen Ertra-
Es gibt weder reiche nod arme Leute unter ihnen in ſamoaniſchem Sinne; ſie wiſſen nicht , was Armut iſt. Man weiß nie , wer Eigentümer eines Hauſes iſt, denn jeder ſcheint ganz bereditigt, den Wirt zu machen.
matten.
Angelegenheiten. Die Samoaner ſind meiſt Frühaufſteher,
befeſtigt iſt.
Beim Auf
Vier Dinge machen die Freude Ses Samo
aners aus : ſeine Tättowierung, ſein Dady, ſeine Matten und ſein Haar ; dazu dürfte noch als fünftes die Ehre bin zukommen, einem Manne den Kopf abgeſchnitten zu haben ; doch gehört dies meiſt, wie das Tättowieren, der Ver: gangenheit an, obſdon unſere deutſchen braven Seeleute es noch erfahren haben. Dus höchſte Entzücken iſt die Matte, der Denkzettel der Samoaner. Selbſt der König iſt nicht darüber erhaben und ein Häuptling ſaß auf zweien und zog zwei andere über ſeine bloßen alten Beine.
Wie in Bermuda die hödſte Achtungsbezeigung der Ruf ,,Du biſt eine Gurfe " ſein ſoll , ſo glaube ich , daß ein Samoaner der beſte Freund ſein würde, wenn man ihm mit einer Kawabowle in der einen , mit einer Cigarette in der anderen Hand ſagte : ,, Talofa, Du biſt eine Matte " . Ich ſtreichelte und liebkoſte daher ſtets die Matten , auf denen Sie waren wunderbar erfriſdend rein. Ich id faß. jah nie etwas an Reinlidyfeit gleid) den ſamoaniſden Häuſern. Die Matten ſcheinen weiß ſelbſt im Halbdunkel, der Boden beſteht aus Kieſelſteinen vom Ufer, dicht ge preßt und ohne ein Atom von Staub, die Pfoſten ſind poliert wie die Kawabowle, die vom Dachſparren herab bängt. Da hängt auch ein Gewehr, ebenfalls rein, das bei Vailele gute Dienſte that. Ueber den Häuptern liegt auf den Bambusſparren ein ſtattlicher Haufen von Matten . Niod bängen da ein Fijderneß , einige Rindenkleider, Bildſpeere, ein Paar Ruder und ein Körbchen mit einem fleinen Kinde. Das Dad, war dreißig Meilen aus dem Inneren gebradt, da es als einziger Wertgegenſtand mit
Nobrblenden zum Schuße gegen die Sonne und Matten oft vom Eigentümer weither transportiert wird .
Mit den drei Häuptlingen wird ein Beſuch im Lager des Königs Mataafa unternommen , und wenn in dieſem
Ich ſah fünfzehn erwadiſene Leute in einem Hauſe
Beridjte ſich auch der Angloauſtralier recht deutlich ausſpricht
und nur drei von ihnen gehörten wirklich dazu. Wie wenig Umſtände ſie maden, ſah ich den Abend, ehe idy Samoa verließ. Ich ging um Mitternacht zum Hauſe eines Häuptlings und klopfte ihn heraus oder vielmehr, er hörte mich draußen auf den kleinen Steinen, ſtand auf,
und das friegeriſdie Vorgehen der Deutſden in Samoa verurteilt wird, ſo befindet er ſich auch hier nur in Ueber
einſtimmung mit den Veröffentlidungen im deutſchen Weiß : budhe ( Nr. 47 und 49 ), ,,daß Konſul Knappe ohne zwingende
Gründe und Ermächtigung und ohne Wahrſcheinlichkeit des
und dann ſteckten wir , wie die anderen Hausbewohner, ! Erfolges am 17. Dezember vorvor. JB. militäriſche Maß
1
Leben der Eingeborenen in Britiſch-Borneo.
regeln herbeigeführt habe, deren Folgen ſich in dem Ver: luſt an Menſchenleben am 18. Dezember, in der uners ivünſchten Aenderung der Lage unſerer Pflanzer auf Samoa und in der Gefährdung des Friedens mit Amerika dar ſtellen .“
( Schluß folgt . )
13
Die erſte Höhle, welche man nach einem dreiſtündigen Klettern erreicht, die leßte halbe Stunde über ſchlüpfrige, bemooſte Findlingsblöde von Kalkſtein , iſt die wertvollſte, kann aber nur von geübten Kletterern erklommen werden. Der Eingang iſt ein kleines Lod ), vier Fuß hoch und
ebenſo breit und mit einem hölzernen Gitter verſchloſſen,
Leben der Eingeborenen in Britiſch- Borneo. Der britiſche Aſſiſtent- Neſident D. D. Daly , einer der höheren Beamten in Britiſch -Borneo , hat auf zwei
größeren Reiſen die Küſte dieſes beinahe noch unbekannten Gebietes von Nordborneo nad Oſt und Weſt hin bereiſt und dabei Gegenden und Stämme kennen gelernt, von denen die Weißen beinahe noch nichts wußten. Wir ent
lehnen einem Vortrage, weldien er darüber in der Königl. Geographiſchen Geſellſchaft in London hielt , einige Aus: züge, welde mehrere neue und intereſſante Thatſachen und Bereicherungen der Länder- und Völkerkunde enthalten .
um die Aufmerkſamkeit auf dieſen Punft zu lenken , weil der unachtjame Reiſende ſonſt plößlid in ihre Tiefen hinunterſtürzen fönnte. Dieſe Gitterthür wird alle zwei Monate geöffnet, und die Erflimmer laſſen ſich dann an Rotangſtriden in die Höhle hinab und ſammeln alle Neſter, große und kleine. Dies gibt alſo im Jahre ſechs Ernten . Diejelben Zeitfriſten werden auch beim Einſammeln der Neſter in den Senobang-Höhlen in den Ulu Benungſa eingehalten . Die Sammelzeiten in Gomanton , Batu Timbang, Madai und Segolang fallen alle zwei oder drei während der zwölf Monate, und dieſe find, wie der Tuns gara -Stamm behauptet, zu wenig. Sie behaupten, durch
häufigeres Sammeln -- ſagen wir ſechsmal im Jahre -
Nachdem Herr Daly im Auguſt 1887 Sandakan, die
bekomme man weiße Neſter erſten Ranges, obwohl einige
Hauptſtadt jenes Gebietes, verlaſſen hatte , fuhr er den
von den Neſtern jung und erſt halb fertig ſind, und die Sulu -Händler bezahlen ihnen dafür beſſere Preiſe. Joh nahm übrigens wahr, daß die neſtbauenden Schwalben ziemlich ſelten waren und es ſtatt derſelben deſto mehr Fledermäuſe gab, was man vielleicht auf das allzu häufige
Kinabatangan, den größten chiffbaren Fluß , hinan und erreicte als erſten Platz von einiger Bedeutung Malapi, welches 12 engi. Min. von den berühmten Vogelneſter-Höhlen von Gomanton entfernt und die Niederlage für die eß: baren Salanganen -Nefter iſt. Die jährliche Ausfuhr der hier geſammelten Neſter hat einen Wert von 25,000 lſtri., und die Höhlen ſelbſt bringen der Regierung von Nord borneo einen jährlichen Padit von 9000 Lſtrl. ein. Eine der Grotten in den Höhlen foll eine Höhe von 900 Fuß haben.
Einen Begriff von der Maſſe der daſelbſt niſten
den Salanganen (Collocalia ) kann man fid ) aus der vers bürgten Thatſache maden, daß der ununterbrochene Flug derſelben aus einer Deffnung heraus , nach angeſtellten Beobachtungen, volle drei Viertelſtunden gedauert hat. An Bod Sagit - wörtlid) Berg bis zum Himmel, von welchem eine Sage erzählt, daß er früher bis zum Himmel ge
reicht, aber wegen der Verdorbenheit ſeiner Bewohner ſid, bis auf ſeine gegenwärtige Höhe von 400 Fuß geſenkt habe – und an einem Kalkſteinhügel namens Chuko Beſar
vorüber, welcher einige kleine Höhlen enthält und alljährs lich einige Hundert Vogelneſter liefert, beſuchten die For: ſchungsreiſenden einen der Eigentümer der Höhlen von Batu Timbang, in deren Erträgnifie ſich zwei eingeborene
Radichas alle zwei Jahre abwechſelnd teilen. Die Höhlen liegen am Fluße Quamute, einem Arm des Kinabatangan, und ſind wegen einiger Stromſdynellen ſehr ſchwer zu er reichen. Einige der hier geſammelten Vogelneſter ſind von der ſchönſten weißen Art, die größere Menge aber iſt grau und mit Federn beklebt. Noch weiter hinauf – drei
Sammeln der Neſter zurüdführen darf, welches die Salan: ganen am Brüten hindert. Der Berg Obang-Obang ver: läuft von Nord nach Süd und iſt ungefähr eine halbe Meile lang.
Die Grotten haben ſieben Eingänge vom
Gipfel der Anhöhe herab, und alle dieſe liegen ziemlich nahe bei einander. Fünf von dieſen Grotten enthalten keine Vogelneſter, weil daſelbſt keine Salanganen , ſondern nur Fledermäuſe wohnen . Die einzige Höhlenkammer, in welche auch jemand, der nicht an das Erklettern der Decke mittelſt Notangſtangen gewöhnt iſt, gelangen kann, mag eine Pfeilhöhe von fünfzig Fuß haben und enthält Salan ganen und Fledermäuſe. Die Neſter der leßteren ſind an
Geſtalt denjenigen der Salanganen ſehr ähnlich, aber nur aus Moos verfertigt, welches dieſe Flatterſäugetiere von den außerhalb der Höhle liegenden Findlingsblöden holen. An einer Strecke des unteren Kinabatangan waren einige Jahre früher mehrere Dörfer infolge der Ver beerungen der Pocken verlaſſen worden. Wenn man eins zelne von den Eingeborenen nad ihrem Alter befragte, ſo gaben ſie an , ſie ſeien ſo viele Jahre alt, als ſeit der
lekten Podenſeudhe vergangen ſeien. Der gewöhnliche Zwiſchenraum, welche die Heimſuchungen durch die Epi
Stunden Kletterns von dem Melifop -Arm aus und in
demien einhalten, ſind achtzehn oder zwanzig Jahre, und ältere Leute äußern zuweilen, ſie haben die Verheerungen durch drei oder vier Epidemien erlebt und mit angeſehen. Eine andere Niederlaſſung hat wegen der Gefräßigkeit der
einer Meereshöhe von 1810 Fuß über der Meeresfläche
Krokodile aufgegeben werden müſſen, welche nachgerade
– liegen die Kalkſteinhöhlen von Dbang-Obang, welche
die Kunſt erlernt hatten, Rähne umzuſtürzen und deren
bisher noch nicht von Europäern beſucht worden waren .
Inſaſſen aufzufreſſen. Die Krokodile ſind in dieſen Süß
14
Leben der Eingeborenen in Britijd) Borneo.
waſſerflüſſen ſehr zahlreich, und viele Eingeborene fallen ihnen alljährlich zum Opfer. An einem Drte weiter ſtroms
feierlichen Refrain in einer Art gregorianiſchen Geſanges auf.
Einander bei den Händen haltend, tanzten ſie an:
wohnte, ein großes vierzehn Fuß langes Krokodil erſdlagen
mutig um den geheimnisvollen Gegenſtand ihrer Bezaube rung herum ; Geſang und Tanz werden fortgeſeßt, bis der
auf das Ufer gezogen, und es herrſchte über ſeine Erbeu-
Zauberer erklärt, daß der Zauber auf die Arznei gewirkt
tung große Freude unter den Muruts , da es einen Schwager des Häuptlings gefreſſen hatte. Stüde von
hanuahs erklären, ihre Seelen finden nach dem Tode
aufwärts wurde gerade neben dem Hauſe, wo Herr Daly
Knochen desſelben und ſein Schädel wurden in dem Krokodil gefunden und in großem Triumph nach dem Hauſe des
Häuptlings gebracht. Ein Häuptling, welcher viele Weiber beſißt, hat in der Regel auch viele Schwäger und iſt gewiſſermaßen verpflichtet, denſelben beizuſtehen und ſie zu unterſtüßen. Der Verluſt eines Schwagers mehr oder weniger iſt daher nidht nur unweſentlich, ſondern eher eine
willkommene Befreiung, und ſo gab es denn einen ſo lauten Jubel, große Freude und ein Beglüdwünſchen, als ob Maharadída Dban von einem ſeiner Weiber mit einem weiteren Sohne beſchenkt worden wäre. Der Murut trägt , nach Herrn Daly's Verſicherungen, keine Kleider, ſondern nur ein kleines Stüd Rinde
vor dem Körper, den Kopf umwindet er mit einigen
habe. Hier möge beiläufig bemerkt werden, daß die Tam Ruhe und Frieden auf dem Gipfel des großen Berges Kinabalu, wie es ihre Vorväter längſt geglaubt haben. Zu Imbod beſuchten unſere Reiſenden ein merkwürdiges Mauſoleum ; es war ganz aus Bilianholz, einem Material von ungemeiner Dauerhaftigkeit, erbaut, und die Enden der hübid, verzierten und gefehlten Pfoſten und Balken waren zu grotesken Tierköpfen ausgeſchnitten. Dasſelbe enthielt etliche dreißig oder vierzig Leichen und 'war von Obſtbäumen umgeben.
Zu Pemengah , wo eine Polizeiſtation eingerichtet wurde, fand man, daß viele Händler in ſogen. Lantinen,
d. h . auf Flößen errichteten Häuſern , wohnten und ihre Waren feilboten. Dieſe Lantinen waren mit Stricken aus Rotang am Ufer befeſtigt. Die Leute in einem Dorf in
Schnüren farbiger Glasperien, um den Hals hängen ihm einige Amulette; in der Hand führt er einen Speer, als
der Nähe diefes Ortes hatten noch nie einen Weißen ge
ob er keinen Menſchen fürchte, und er legt ſich ein neues Weib bei, ſo oft er mit der alten Liebe fertig iſt. Um Weiber und Kinder fümmert er ſich nicht. Wo der Fluß einen großen unbewohnten Dſchungelwald durchſtrömt, da waren an beiden Ufern hohe zuſammen-
und Kinder davon und verſteckten ſich in einem der Hinter räume ihrer Häuſer, und auch die Männer ,,ſchauten nervös Vruſt und lachten gewaltig bei dem Gedanken , daß ſeine Haut weiß ſei, was ſie für ein komiſches Naturſpiel hielten.
gepreßte Haufen Laub und Holztrümmer in der Mächtig
Dieſe Leute rauchen von früh bis ſpät und zwar aus Pfeifen
keit von vier bis zu zehn Fuß aufgehäuft, weldie von den Fluten heruntergeſpült worden waren. Wo das Fluß waſſer einen Teil von den Schichten hinweggeſpült hatte, da bot der Durchſchnitt des Ufers das Ausſehen eines Einſchnittes in einen Heuſchober dar. Dieſe großen Nieders
init meſſingenen Mundſpiten und großen Köpfen, wie ſolche bei den Duſum - Stämmen der Weſtküſte üblich ſind. Den Tabak bauen ſie ſelbſt, und er behält durch ihre Art der Fermentation eine grüne Farbe. Den Gebrauch von
ſchläge können ſich , wenn ſie nicht geſtört werden, nach
kennen gelernt, und namentlich hatten ſie noch nie ein Hinterlader-Doppelgewehr geſehen, ſo daß fie , als Herr
einem Druck von vielen Jahrhunderten in Kohle verwan
deln. Auf einer Station in der Nähe der Batu Timbang: Höhlen, wo unſer Reiſender mit dem Radſchah , dem das Land gehörte, über den Ertrag der Vogelneſter unter: handeln mußte, wurde ihm zu Ehren ein Tanz gegeben. In den Lieblingsfiguren bewegten ſich die Weiber, einander an den Händen haltend, in einem Kreiſe, und die Männer hielten ſich ebenfalls bei den Händen und bildeten
einen äußeren Kreis um die Frauen , bewegten ſich aber 1
ſehen, und als Herr Daly dort ankam, liefen die Weiber 11
und argwöhniſch drein ".
Sie unterſuchten ſeine Arme und
Schießpulver und Schießgewehren haben ſie noch nicht Daly das ſeinige öffnete, um eine Patrone hineinzuſchieben, in den Ruf ausbrachen : „ D , es iſt gebrochen !" Herr Daly ſchoß einige von den Schwalben herunter, welche
die eßbaren Vogelneſter bauen, und fand, daß ſie ſehr klein ſind und einen weißen Fleck auf dem Rücken und Schwanze haben. Die Männer tragen in jener Gegend nur ein Lendentud); das einzige Kleidungsſtück der Weiber iſt ein kurzer Roc, welcher durch eine Art Gürtel von geflochtenem
in entgegengeſeßter Richtung zum Ton einer Muſik von
Meſſingdraht um die Hüften zuſammengehalten wird ; die
Gongs, welche auf verſchiedene Akkorde geſtimmt waren. Die nächſte Unterhaltung wurde ihm von einer Geſellſchaft von etlichen und zwanzig Männern und Weibern gegeben ,
jungen Mädchen tragen noch überdies Spiralen von Meſſingdraht vom Knöchel halbwegs bis herauf zum Knie.. Das Zeug zu den Weiberröcken iſt aus einem Garn ge woben, welches ſie aus der Baumwolle der um ihre Häuſer herum üppig wachſenden Kapokbäume ſpinnen ; die Weiber bedienen ſich dabei derſelben Art von Spindel, welche
die eine Art Beſchwörung über irgend eine Medizin abhielten, welche dem Häuptling gereicht werden ſollte. Sie hielten ſämtlich Palmzweige in den Händen, welche ſie in anmutigem Einklang und vollkommenem Takt zu der melodiſchen Kadenz ihrer Stimmen ſchwenkten. Die Weiber
ſangen eine Zeile und die Männer nahmen dann den
unter den Duſums der Weſtküſte gebräuchlich iſt, halten die Baumwolle in der linken Hand oder unter dem linken
Arm und geben gelegentlich der Spindel eine Drehung
1
Peben der Eingeborenen in Britiſch-Borneo.
mit der rechten Hand. Die Leute fennen feine anderen Mineralien als Steinfohlen und eiſenhaltige Pyrite ; ihre Häuſer beherbergen zehn zu fünfzehn Perſonen ; auch halten ſie keine Schweine unter ihren Häuſern , wie andere Stämme der Meeresküſte zu thun pflegen. Eigen
15
bis dasſelbe zuleßt zu lauter feinen Spänen zerfaut iſt : ,, Id gehorche der Regierung der Britiſchen Nord- Borner : Kompagnie *. Die Sandûwar- * und die Peluan -Leute * ſind nun Eines Sinnes 4. Wenn ich einen Sandawar umbringe ( ichwört ein Peluan ) *, dann, wann ich zum
tümlich ſind ihre Schlafſtunden ; ſie haben nämlich keine
Waſſer gehe, möge ich nicht imſtande ſein zu trinken + ;
Betten, ſondern ſchlafen auf Matten bis ungefähr um
wenn ich in die Dichungel gehe, möge ich nicht imſtande
Mitternacht, wo ſie wegen der Kälte, welche in dieſen Bergen des Binnenlandes herrſcht, aufwachen . Alsdann auf einem großen, eirunden Herd, der von Lehm in
Mutter ſterben t, möge mein Weib ſterben t, möge mein Haus niederbrennen i, möge der Reis nicht auf meinem
ſein zu eſſen
. Möge mein Vater ſterben t, möge meine
der Mitte jedes Hauſes errichtet iſt, ein Feuer angemacht
Felde geraten i, möge ein Krokodil midi verſchlingen ,
und alle Hausgenoſſen, Jung und Alt , kauern hodend bis Tagesanbruch um das Feuer herum , erzählen einander
mögen die Eier in meinem Hühnerhauſe niemals aus :
langatmige Geſchichten, niden zuweilen ein oder lebnen
ſich mit Rüden oder Scultern an einen Nachbar an, während ſie den Kopf auf die Kniee ſtüßen ; zuweilen ver treiben ſie ſich nachts auch die Zeit mit einem kläglichen
gebrütet werden t, möge ich nie einen Fiſch fangen, wenn
ich fiſchen gehe t, mag mein Leben enden t. Ich ſchneide dieſes Holz an t, als ob ich mir meinen eigenen Kopf ab ſchnitte Der große Geiſt iſt mein Zeuge t. Möge dieſes Holz wieder ins Leben wachſen 1, wenn ich jemals
Bambus, worin etwas Zunder und ein Stüdchen Pors zellan oder Stein gut gegen den Regen verwahrt wird.
wieder einen umbringe oder weitere Köpfe erjage t, und ich befolge alle die Bräuche der Britiſchen Nord-Borneos Rompagnie 1, und ich leiſte dieſen Eid mit einem auf: richtigen Herzen * , und ich werde die Kopfſteuer der Kom
Indem ſie dann den Zunder und das Stück von einem
pagnie bezahlen *.
zerbrochenen Teller 2c. in der rechten Hand und damit darf an die Seite des Bambus idlagen, rufen ſie Funken hervor, welche den Zunder entzünden . Der Hauptzweck der Erpedition war, den Raubzügen der Kopfabſchneider zwiſchen den Murutſtämmen und ihren alten Erbfeinden, den Peluans, ein Ende zu machen ; die lekteren bilden feinen beſonderen Stamm, ſondern mit
Einer der Murut-Häuptlinge faute an ſeinem Steden herunter und wiederholte den Eid mit lauter Stimme,
eintönigen Geſang. Als Feuerzeug tragen die Männer in ihrem Leibgürtel einen kleinen , hübid geſchnişten
dieſem Namen bezeichnet man die Eingeborenen des Innern im allgemeinen. Die Muruts geſtehen ganz offen die Zahl der von ihnen erbeuteten Köpfe und halten darüber ſorgfältige Abrechnung, z. B.: die Muruts haben 26 Köpfe von Peluans erbeutet, die Peluans haben ſich 31 Murut
köpfe geholt, die Bilanz iſt alſo zu Gunſten der Peluans
mit 5 Köpfen, und ebenſo ſind im leßten Sdjarmüßel 4 Muruts verwundet worden.
Jeder Stamm mißtraut
bis er an die Stelle fam : ,,möge mein Weib ſterben"
(falls id mir wieder einen Kopf hole), dann hielt er plößlid) inne und rief mit einem grimmigen Lächeln : „Ich habe kein Weib ; ihr Peluanen habt ihr ſchon lange den Kopf abgeſchnitten " worauf die Peluanen in ein lautes
Lachen ausbrachen, in weldjes er ſchließlich ſelber einſtimmte, während die Umſtehenden ſich vor Laden beinahe aus: ſchütten wollten und vor Vergnügen auf dem Boden
wälzten . Dies dürfte darauf hindeuten, daß die Wieder vergeltung in der Kopfjägerei nicht aus einem Geiſt der Anhänglichkeit und Zuneigung zu den verſtorbenen Ver wandten, ſondern eher aus einer Regung von Blutrache oder Vendetta entſpringt, welche durch ein Gefühl erzeugt wird, daß einem Stamme ein Schimpf angethan worden
dem anderen und der Friede kann nur dadurch wieder: hergeſtellt werden, daß die Peluans für die von ihnen
iſt, wenn er einen von der Familie durch die Hand des
mehr erbeuteten fünf Köpfe ein entſprechendes Blutgeld
Feindes
bezahlen. Um nun den Frieden zwiſchen beiden Parteien herzuſtellen , ließ man den Peluans ſagen, ſie ſollten zu einer anberaumten Zeit herunterkommen , wofür ihnen freies Geleit verbürgt wurde. Als die beiderſeitigen Häupt linge zuſammengetreten waren, begannen die Muruts den Friedenseid zu leiſten, indem ſie an einem Stück Baumaſt oder jungen Stamm mit großer Wucht nagten und dabei mit lauter Stimme die Worte des Eides wiederholten, bis ſie
verliert. Eine andere Veranſchaulichung der Gleichgültigkeit, mit welcher das Volt den herkömmlichen
Brauch der Kopfjägerei betrachtet, ward im Hauſe eines Häuptlings geliefert, wo 52 Menſchenköpfe und Stücke
dauerte, bis der Eid geſprochen war, ſo koſtete es eine
von Menſchenknochen von den Deckenbalken herabhingen. Die Haut war an einigen Geſichtern ſo gut erhalten, daß man den Geſichtsausdrud noch erkennen konnte. Herr Daly erzählt, er ſei außerſtande geweſen, ſeine Abend mahlzeit in einem Raume einzunehmen , wo dieſe grauſigen Trophäen aufgehängt waren, und habe gebeten, daß man ſie herunternehme. Der Häuptling und ſeine Söhne er: füllten dieſe Bitte gern , aber mit einem dwachen Lächeln gönnerhaften Mitleidens über die ſentimentale Bedenklich
lange Zeit.
feit und den Gfel des iveißen Mannes, und um ihm
am Ende ganz aufgeregt erſchienen. Zuerſt leiſtete ein Murut , dann ein Peluan -Häuptling den Eid und ſo ab: wechſelnd weiter, und da es immer ſechs bis ſieben Minuten Der kurzgefaßte Wortlaut des Eides iſt fol.
gender, wobei jedes
ein Nagen an dem Holz bedeutet,
zu Willen zu ſein , nahmen ſie die widerlichen Trophäen
Ein unerwünſchtes Geſchenk für England.
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herunter, padten fie in Rotangförbe und ſchafften ſie auf die Hinterſeite des Hauſes, von wo aus ſie ohne Zweifel wieder als Salon-Zieraten an ihren alten Plaß zurüd verſeßt wurden , ſobald Herr Daly weggegangen war. Dieſer behauptet, unter dem Einfluß der Britiſchen Nord Borneo-Kompagnie haben die Zuſtände in jenem Gebiet bereits an Drdnung, Ziviliſation und perſönlicher Sicher heit gewonnen.
Ein unerwünſchtes Geſchenk für England. Von Rudolf Sch id .
entgegengeſetzt haben. Die Vigilance Committees ( Sicher: heitsausſchüſſe) von Californien, Teras 2. haben, obgleich wir die Drittel, die ſie anwendeten, ſtreng verwerfen müſſen ,
einen guten Erfolg gehabt. Auf einen groben Kloß gehört ein grober Keil und in einem halbwilden Lande mit zum Teil halbwilden Einwohnern und faſt ohne jeden Shut des Gefeßes mußte die beſſere Klaſſe der Bevölkerung ſich
ſelbſt helfen, um ſich die Verbrecherwelt nicht über den Kopf wachſen zu laſſen. Der That folgte ſofort die Strafe, wenn audy, wie wir leider geſtehen müſſen und wie es wohl unvermeidlich war , vielfache Grauſamkeiten und Ueberſchreitungen ausgeübt wurden . Und heute iſt Californien das reichſte Land der Erde, das in Trefflich
Daß in dem dichtbevölkerten England und nament
keit ſeiner politiſchen und ſozialen Einrichtungen keinem
lich in der Rieſenſtadt London mit ſeinen fünf Millionen
andern nachſteht. Schon ſeit lange war es Sitte in England, den Erz
überſteigenden Einwohnern auch die Verbrecherklaſſen ſehr ſtark vertreten ſind , dürfte wohl niemanden wundern . London vor allem iſt der Zufluchtsort aller derer, die ſid)
dem rächenden Arme der Gerechtigkeit entziehen wollen ;
denn in dem ungeheuren Menſdiengewimmel haben ſie beſſer als irgendwo anders Gelegenheit, von den ſpähen den Augen der Polizei überſehen zu werden.
Es iſt dies
böſewicht in den ſo beliebten Senſationsſtücken, beſonders in den Theatern zweiten und dritten Ranges , zu einem Ausländer zu machen. Der Grund dafür liegt wohl hauptſächlich in dem tiefen Haſſe, den der Engländer gegen jeden Fremden hat. Das Gefeß ſchüßt uns und ſtellt und ſeinen eigenen Kindern gleich. Nichtsdeſtoweniger iſt
eine den Sicherheitsbehörden wohlbekannte Thatſache, die
der Name foreigner, Ausländer, ein Schimpfwort, das
ihnen nicht wenig Schwierigkeiten macht. Das reiche London hat von jeher auf die Abkömm linge aller Nationen der Erde eine große Anziehungskraft ausgeübt. Zuvörderſt war es der Welthandel Englands,
ſeinen Haß ausdrüdt. Beiläufig ſind wir Deutſche unter
der Fremde dahin bradyte, andererſeits war es der Nimbus
dhnell aufeinanderfolgenden Mordthaten verübt wurden ,
des fabelhaften Reichtums, der es zum Eldorado aller
da drie alle Welt , It is a foreigner und meinte damit
Abenteurer machte, wenn auch dies lettere, dank den fo dnellen und billigen Verbindungen mit überſeeiſden und
gleich habhaft werden konnte, lo bezeidunete man als den
noch im Stadium der politiſchen und ſozialen Entwide
lung begriffenen Ländern, ſich bedeutend vermindert hat. Endlich aber war es für die europäijden Staaten der
Zufluchtsort für alle diejenigen , die ſich dem Aufenthalt in den heimatlichen Gefängniſſen entziehen wollten ; denn wenigſtens bis noch vor kurzem, waren ſie mit dem erſten Fuß auf engliſdem Boden völlig frei und ſtanden, ſo lange ſie engliſches Geſet reſpektierten, unter dem Schuße desſelben. Das Aſylrecht iſt dem engliſchen Volfe ein
Heiligtum, für das es troß der anerkannten üblen Erfolge mit aller Kraft einſteht, und ſelbſt die jetzt faſt mit allen ziviliſierten Staaten abgeſchloſſenen Auslieferungsverträge fanden , als eine Verleßung der engliſden Freiheit, in allen Kreiſen der Bevölferung große Oppoſition, und noch heute haben ſich die Behörden durch ein Labyrinth von Formen und Eraminationen durchzuwinden, ehe ſie dem Betreffen den durch deſſen Ueberweiſung an die heimatlichen Behör: den das Aſyl fündigen.
Mit Ausnahme von England
ſind es wohl nur noch die Vereinigten Staaten von
Amerika, die einem jeden, ohne zu fragen, gleich bereit willige Aufnahme gewähren , obgleich auch dort ſchon einige der verbündeten Länder der maſſenhaften Einwanderung
des Vagabundentums mehr oder minder draſtiſche Mittel
1
f
den Gäſten auf engliſchem Boden die in allen Kreiſen am
beſten Gehaßten. Als im vorvorigen Jahre im Diten Lon dons, dem
deutſchen Arbeiterviertel , die ſcheußlichen , ſo
natürlid einen Deutſchen, und da man eines ſolchen nicht Mörder einen armen oberſchleſiſchen Juden, der faſt ein Opfer des Voltshaſſes getoorden wäre. Zur Ehre der Behörde ſei es geſagt , daß ſie dem armen unſduldigen Teufel jeden Schuß angedeihen ließ.
Als im Jahre 1887 ein Belgier, Mr. Polydore de Keyſer (jeßt geadelt und nun Sir Polydore), zum Lord mayor von London gewählt werden ſollte, da war die
Oppoſition gegen den Fremden ſehr groß. Die Antwort, die er einem feiner Opponenten gab, war bezeid nend genug. Ich bin ein beſſerer Engländer als Du ", ſagte er, ,,denn Du biſt durch Deine Geburt gezwungen , es zu ſein, ich aber bin Engländer aus freier Wahl." Uebrigens
war dieſer Herr während ſeines Amtsjahres 1887/1888 einer der hervorragendſten Lordmayors, ſeit langen Jahren. Es läßt ſich jedoch nicht ableugnen , daß, um uns mild auszudrücken , dieſes Vorurteil der Engländer immers hin einigen Grund hat , denn unter den gezwungenen Einwohnern der engliſchen Gefängnifie iſt der Prozentſatz der Ausländer wahrhaft ſtaunenerregend. Nach den veröffentlichten Berichten der Direftoren der engliſchen Zuchthäuſer (Convict prisons) kommen auf je 10,000 Engländer eine Kleinigkeit von über vier Gis fangenen männlichen Geſchlechts, in Schottland auf die
Ein Edchen von Niederländiſch-3 dien .
gleiche Anzahl nur dreiundeinhalb und in Wales ( Wallis)
ſogar nur einundeinviertel. Selbſt Irland mit ſeinen fürchterlich ungeordneten Verhältniſſen , wo Mord und Totſdlag an der Tagesordnung iſt, liefert nur neunund: eindrittel dieſer Galgenvögel auf eine gleiche Zahl von Einwohnern .
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aud, an Intelligenz und Leiſtung bilden, hat das Jahr 1870 mit ſeinen großen politiſchen Errungenſchaften un gebeuren Vorteil gebradyt. Der Stodengländer glaubt heutzutage, daß hinter jedem
Deutſden Fürſt Bismard
perſönlid, ſteht, und mit dieſem , wiſſen ſie ſehr wohl, iſt nicht zu ſpaßen. Sie begnügen ſich zumeiſt jeßt, die Fäuſte
Betrachten wir nun die Ausländer, ſo ſtehen in dieſer
in der Talde zu ballen und innerlich ihren Haß auszus
durchaus nicht rühmenswerten Beziehung die Gäſte aus
laffen oder ihn wenigſtens in Gegenwart von Deutſden nicht laut werden zu laſſen. Schimpfreden aber brechen
den engliſchen Kolonien und beſonders die aus den Bes ſißungen in Dſtindien obenan, denn von je 10,000 von ihnen lernen über 12 die engliſchen Gefängniſſe tennen , während das Verhältnis unter den übrigen Foreigners nur eine geringe Kleinigkeit unter 11 iſt. Nach dieſer offiziellen Statiſtik läßt es ſich kaum leugnen, daß der Engländer einigen Grund hat , die Fremden ſcheel anzuſehen und alle Verbreden denſelben in die Schuhe zu dieben.
Vor längeren Jahren verübte ein deutſcher Schneider: geſelle, Müller, einen Raubmord in einem Eiſenbahn wagen und flüchtete ſich mit der Beute nac, New York, von wo er jedod gleich bei ſeiner Landung arretiert, nad
feine Knochen .
Ein Edchen von Niederländiſch - Indien. Von Kapitän G. Pa il gen .
Die Ké : oder Key : Inſeln in Niederländiſch - Indien leiten ihren Namen von einem Worte der Eingeborenen
her, welches beſagt : „Was ſagſt Du ? “ Die Ueberlieferung der Eingeborenen lautet: Als die Händler aus Makaſſar erſtmals hier landeten und fid in malayiſcher Spradie
wir uns auf der Straße zeigten, da rief man uns ,,Müller,
nach dem Namen der Inſel erkundigten , auf welche ſie den Fuß geſetzt hatten , antworteten die Eingeborenen Re" oder ,,ka " ( fay) , welchen Ausdrud die Frager irr tümlich für den Namen der Inſel hielten. Die Gruppe beſteht aus zwei größeren Inſeln, von welchen die weſtliche den Namen Muhu -roa oder Klein-Key , die öſtliche den Namen Ju -ud oder Groß-Rey führt , und aus einer An zahl kleineren Eilande um ſie herum . Der Geſamtflächen raum dieſer Inſelgruppe beträgt 125 geogr. Qu. Meilen ; die Geſamtbevölkerung beläuft ſich auf 25,000 Seelen, wovon 15,000 allein auf Groß-Rey kommen . Groß-Key iſt unbezweifelbar geologiſch älter als Klein Key und die umgebenden Inſeln und beſikt Erhebungen
Müller " entgegen .
von zwei- bis zu dreitauſend Fuß, während Klein-Rey und
Glüdlicherweiſe bewies das auf dem Scaffot dem deutſchen Geiſtlichen Dr. Cappell gemachte Geſtändnis,
die anderen Eilande ſehr flach und niedrig ſind. Große Key weiſt eine vorwiegend felſige und vulkaniſche Bildung
daß Müller ſein Schidjal vollſtändig verdiente.
auf ; Klein -Key und die kleineren Eilande ſind von Korallen
In dem vorher angeführten Berichte der Direktoren wird auch einer Anomalie Ertvähnung gethan, wie foldhye nur zu oft im engliſden Geſet borkommen . Gefängnis: ſtrafe zerfällt in zwei Klaſſen, und zwar bloße Einſperrung, mit oder ohne Zwangsarbeit, oder Zuchthaus. Nun feßt aber das Geſet die längſte Sentenz für Inhaftierung auf 2 Jahre feſt, während das fürzeſte Urteil für Zuchthaus
gebildet und von Feuerſtein und Quarz durchzogen. Klein
London zurückgebracht und zum Tode des Hängens ver:
urteilt wurde. Obgleich kaum ein Zweifel obwaltete, daß er der Thäter war, maditen es doch einige Umſtände
wenigſtens möglich, daß er dod un duldig fei oder vie! leicht nicht mit Vorſaß gehandelt habe. Die deutſche Kolonie nahm ſich ſeiner an und verſuchte wenigſtens den Henkertod von ihm abzuhalten. Selbſt unſer greiſer Kaiſer Wilhelm
ridhtete einen eigenhändigen Brief an die Königin, um Gnade für ihn, ſchon ſeiner Jugend halber, zu erwirken. Alles vergebens, die Wut des Volkes war ſo groß, daß
nur ſein Tod ernſthafte Unruhen abwenden konnte. Wo
nicht weniger als 5 Jahre betragen darf, ein Umſtand, der den Richter oft zwingt, entweder verhältnismäßig
mild zu ſein oder andererſeits ein zu hartes Urteil fällen zu müſſen . Wenn auch mit der endlid in England kräftig in die
Hand genommenen Volkserziehung das ſinnloſe Schimpfen auf die Fremden etwas nachgelaſſen hat, ſo dürfte der Haß doch nie ganz aufhören. Uns Deutſchen aber, die
wir in der Fremdenkolonie Englands und beſonders Lon dons den bei weitem wichtigſten Teil an Zahl und wohl
Key hat ſid , nach der Ausſage der zuverläſſigſten Häupt: linge , erſt vor etwa fünfunddreißig Jahren während der Stöße eines gewaltigen Erdbebens und einer Flutwelle cmporgehoben , worauf bis zum April 1884 feine Erdbeben mehr ſtattfanden.
Jede der zu dieſer Gruppe gehörenden Inſeln iſt bis zum Waſſerrande herunter mit dichter tropiſcher Dichungel bededt , worin rieſige Schlingpflanzen ſich von Baum zu Baum winden und ein didytes Neßwerk bilden. Dieſe Wälder enthalten auserleſene Holzarten , deren Handels wert zur Gründung der gegenwärtigen deutſchen Kolonie daſelbſt verlodt hat. Der Südweſt-Monſun, welcher während unſerer Wintermonate währt, bringt reichliche Regen, und die gelegenheitlichen Regenſdauer
im
April nebſt dem
chiveren Thaufall im Juni, Juli und Auguſt erhalten den
Boden feucht und liefern der Pflanzenwelt reichliche Nah
Ein Edchen von Niederländiſch Indien.
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rung. Im Oktober und November, den heißeſten Monaten , leidet der Pflanzenwuchs unter der Trodenheit. Der Regen fidert ihnell durch den Boden bis zur Koralle , und der Reiſende trifft daher nur wenige Streden ſumpfigen Bos
dens auf den Inſeln , erſtaunt jedoch über das üppige
Stirne, dunkle Augen mit langen ſchwarzen Wimpern und Brauen, eine große , aber wohlgeformte Naſe, borſtehende Badenknochen und einen breiten Mund, deſjen Unterlippe mehr oder weniger hervorſteht, einen ſchwarzen oder brau nen Bart und langes , gewelltes , aber ſchön gelodtes
Pflanzenwachstum, über die rieſigen und ſtattlichen Bäume, welche ihre Wurzeln weithin ausbreiten , um einen feſten Halt auf dem Korallengeſtein zu ſuchen, aus deſjen poröſer Tertur ihre Wurzelfaſern Nahrung jaugen, und fein Flec chen auf der ganzen Gruppe iſt gänzlich fahl und ohne
ſchwarzes Haar , mit mehreren helleren oder dunkleren
Pflanzenwuchs.
ſie dieſelbe Kleidung , deren ſich die Alfueros von Ceram und Borneo noch bedienen , allein ſeit der Gründung der europäiſchen Kolonie iſt ihre Kleidung und Lebensweiſe eine mühjamere und kompliziertere geworden. Es haben Kreuzungen zwiſchen ihnen und den Papuas von Neu Guinea ſtattgefunden und haben zur Bildung eines Mens
Schattierungen von braun gemiſcht, das bis zur Schulter
herabreicht und wie ein Beſen um den Kopf herum ab ſteht. Ihre Haut iſt ziemlich dunkel, aber heller als
diejenige der Papuas von Neu - Guinea. Früher trugen
Der Vorrat an ſüßem Waſſer iſt ſehr ungleich ver : teilt, und es gibt viele Dörfer, wo fein Trinkivaſſer zu be: kommen iſt und wo die Einwohner es von weit berholen müſſen. Die Süßwaſſerquellen liegen in der Regel dict am Meere , aber alles ſüße Trinkwaſſer enthält Kalk in großen Mengen , deſſen charakteriſtiſche Wirkungen durdy den reichlichen Genuß von ſauren Früdyten neutraliſiert werden . Dffenbar wird das Meerwaſſer, indem es all mälig durch die Boren des Korallenfalls ſickert, gereinigi, ſo daß ſich auf ſeinem Wege zu den Quellen alle ſeine falzigen Beſtandteile abſcheiden ; diejenigen Orte, wo kein
erbaut ſind , und einige wenige Häuſer von Häuptlingen ſind ganz aus Holz errichtet. Die Hütten werden darum
Süßwaſſer zu erlangen iſt, gehören der Quarzformation an.
einige Fuß über dem Boden erbaut, um Schuß gegen die
den dylags geführt, weldien man nun in allen Teilen der Inſeln findet.
Die Eingeborenen wohnen in Hütten , welche auf Pfählen von ſtarkem , hartem Holze oder dickem Bambus ,
Die Inſeln teilen ſich in Bezirke, deren jeder eine Ar::
Sdwärme von Ungeziefer zu geben , welche ſich während
zahl Dörfer mit ihrem umgebenden Gelände umfaßt. Jeder
des Südweſt-Monſuns einſtellen , und um einen freien Luft
Diſtrikt hat ſeinen beſonderen Häuptling oder Radſah,
zug und dadurch mehr Kühle herzuſtellen .
und unter dieſen ſtehen in den Dörfern wieder Unterhäupt linge von verſchiedenem Rang. Alle dieſe Aemter ſind
erblic und gehen auf die älteſten Söhne der betreffenden
wände dieſer Häuſer ſind entweder mit Attap gededt, welcher aus den getrockneten und über einen dünnen, ſechs Fuß langen Bambusſtod gewickelten und mittelſt geſpal
Familien über. Sſt kein Nachfolger vorhanden, ſo haben die Eingeborenen des Bezirks einen neuen Häuptling zu wählen. Ein Häuptling bezieht keine Beſoldung , er er:
palme beſteht, oder beſtehen aus den Stengeln (Stielen) desſelben Palmblatts, welche durchbohrt und ihrer Dornen
hält, nachdem er durch den Reſidenten von Amboyna an:
beraubt und ſenkrecht zwiſchen zwei Brettern in folcher
erkannt und in ſein Amt eingeſert iſt, einen ſilbernen Knopf mit dem eingravierten holländiſchen Wappen für
dem Verbrennen ſeines Gefidtes durch die Sonne zu düßen .
Weiſe befeſtigt werden, daß der hohle Teil des Stiels ge: nau über den halbrunden Teil des nädyſtfolgenden paßt. Auf dieſe Weiſe wird eine ſehr leichte, aber waſſerdidyte äußere Bededung hergeſtellt, die dem Hauſe ein nicht unan genehmes Ausſehen gibt, denn die getrockneten Blattſtiele haben einen braunen Glanz, als wenn ſie poliert wären. Die Thüre, in der Mitte der Vorderſeite des Hauſes, führt in ein geräumiges Gemach, welches das Empfangszimmer für Beſuche darſtellt. Auf dem Fußboden dieſes Zimmers, welcher mit einem weitmaſdigen Fledytwerk von geſpaltenem Bambus bedeckt iſt, ſind dann andere aus feinem Gras
Ungefähr ein Drittel der Einwohner ſind Mohamme: daner und vermehren ſich jedes Jahr durch den Einfluß der Araber und der Eingeborenen, welche als Habſchis von
Matte gehört ein Polſter mit einem Ueberzug von hellem Drudkattun , deſſen Enden mit Sticerei verziert ſind.
feinen Spazierſtod .
Wenn er fein Amt fünfundzwanzig
Jahre lang tadellos und treu verſehen hat , ſo wird der ſilberne Knopf gegen einen goldenen umgetauſcht. Hat
ein Häuptling der Regierung noch einen außerordentlichen lobenswerten Dienſt geleiſtet, ſo wird er mit einem reich: verzierten ſeltſamen Sonnenſchirm beſchenkt, welchen ein Diener vor ihm herträgt , wenn er ausgeht , um ihn vor
Mekka zurückgekehrt ſind. Dieſe Männer werden von ihren niedrigerſtehenden Glaubensgenoſſen mit hoher Ehrfurcht angeſehen und üben einen folden Einfluß auf dieſelben aus, daß ſie für den Reſt ihres Lebens mit Nahrung und Kleidung verſorgt werden. Die Eingeborenen von Rey ſind hochgewachſen , kräftig gebaut, haben eine breite und nach hinten zurücktretende
Die Seiten:
tenen ſpaniſchen Rohrs feſtgebundenen Blättern der Sago
oder Rinde geflochtene Matten ausgebreitet. Zu jeder
Zu beiden Seiten des Empfangszimmers führen Deff nungen in die anderen Gemächer, die wieder in Wohn und Schlafzimmer geſchieden und mit fantaſtiſch verzierten Schachteln aus Palmblättern geſit müdt ſind , auf welche
Figuren aus verſchieden gefärbter Rinde und Kügelchen und Perlen aus kleinen Muſdeln angebracht ſind.
Ueberein
andergeſtellt bilden dieſe Sdachteln einen guten Erſaß für
Ein Etchen von Niederländiſch Judien.
Schränke und Kommoden , während eine ſtarke , plumpe hölzerne Truhe , mit einem ſchwerfälligen Schloß von
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Erbſtücken, Waffen und Zierraten enthält. Eine Anhäufung von Hütten oder Häuſern bildet ein Dorf. Die Dörfer find mit Mauern aus Korallengeſtein umgeben
vom Morgen bis zum Abend emſig damit beſdhäftigt iſt, roſtige Nägel in einem Koblenfeuer zuſammenzuſchmelzen , das mittelſt eines Pars von dem Gehilfen gehandhabter primitiver Blaſebälge brennend erhalten wird. Dieſer Apparat beſteht aus zwei etwa zwei Fuß langen Bam: buscylindern , und am Fuß eines jeden von ihnen führt
und liegen größtenteils an der Meeresküſte.
eine kleine Bambusröhre den Luftſtrom in eine noch
Jedes Dorf hat ſeinen Anteil an Land, deſſen Grenzen von den Häuptlingen feſtgeſeßt werden. Hier darf
dieſen Bambuscylindern enthält einen Kolben non dem
der Eingeborene ſein Bauholz fällen , einen Garten an:
ſelben Diateriai , an deſien unteres Ende ein Büſchel
Eiſen oder Meſſing, die Schäße der Familie an Juwelen ,
kleinere, welche in das Kohlenfeuer hineinführt. Jeder von
legen oder die Sagopalme umhauen , welche ihm ſeine | Federn geknüpft iſt. Ein Eingeborener von Key wird in hauptſächliche Nahrung liefert. Die Kokospalmen aber werden als allgemeines Eigentum angeſehen und ſtehen unter der Aufſicht der Häuptlinge, ohne deren Befehl oder Zuſtimmung vor der Erntezeit feine Nuß gepflückt werden darf. An dem dazu anberaumten Tage rüdt dann das
ganze Dorf aus, um die Früchte zu ſammeln, wobei jeder eine ſeinem Rang und Stande angemeſſene Anzahl erhält .
Sobald ein eingeborenes Kind ſtart genug iſt, um ſeinen
der Regel den von dem Dorfichmied gefertigten rohen Wert
zeugen den Vorzug vor den aus Europa eingeführten fein vollendeten und polierten geben.
Die Eingeborenen beſchäftigen ſich ſtark mit dem Fällea und Verkauf des wertvollen Bau- und Nußholzes. Zum Fällen der Bäume bedient ſid der Holzhauer nur einer keilförmigen Art, mittelſt welder er den größten Baum umzubauen imſtande iſt.
Naddem er alle Aeſte und die
Eltern in deren täglichen Geſchäften beizuſtehen , muß es dieſelben in den Garten , auf den Bootszimmerplaß oder an irgend einen anderen allgemeinen Arbeitsort begleiten. Man fann Kinder von drei bis fünf Jahren ihre Geſchid
Ninde weggehauen hat, haut er den Stamm auf eine ſehr geſchidte , aber verſchwenderiſde Weiſe derart vierkantig, daß in der Regel die vier Seiten genau dieſelben Dimen: jionen darſtellen. Die Inſeln erzeugen große Mengen ver
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ligkeit erproben ſehen , wie ſie ornamentale Figuren, wie
ſdhiedener Arten von hartem und weichem Holz, welches für
man ſie als Zierbilder für Spiffe verwendet, oder Sdiffe
alle möglichen Bauzwede tauglich iſt, allein die wertvollſte
aus Baumrinde ſanißen und auftakeln, und man kann ältere
Sorte iſt das Bayano oder Neu -Guinea -Teakholz, von den Eingeborenen mit einem malayiſchen Worte bezeichnet,
Knaben ihre Väter beim Bau eines Boots oder eines
Hauſes unterſtüßen ſehen . Obgleich ſie ohne alle Materia-
welches Eiſenholz bedeutet und das wegen ſeiner Biegſam:
lien zum Zeichnen ſind , gibt ſich doch beinahe allgemein ein auffallender Formenſinn und ein fünſtleriſches und ihre Kunſt im Zeichnen auf einer glatten Fläche ſchönen Sandes mit Tieren , Häuſern , Dampfidhiffen , Segelboten,
keit und Dauerhaftigkeit und weil es von den Angriffen der weißen Ameiſen verſchont bleibt, ſehr geſchäßt wird. Perlmutter-Muídeln findet man in den Buchten und Ein fahrten, und andere wertvolle Muſcheln ſind im Ueberfluß vorhanden. Schildpatt wird in ſehr geringer Menge aus:
und ich wurde ſtets von der Symmetrie ihrer Arbeit übers
geführt .
raſcht. Man hält die Kinder ſdon mit dreizehn Jahren
Wenn nach Verlauf dieſer Zeit feiner von
An der ſenkrechten Stirnfläche einer Klippe an der Nordweſtküſte von Nubu -roa iſt eine in den Felſen ge: bauene Zeichnung von roher eingeborener Hand zu ſehen, welde verſchiedene Geſtalten und Ideen darſtellt und ehe dem mit rotem Farbſtoff ausgefüllt geweſen zu ſein ſcheint. Es erſcheint als ein Wunder, wie der Ausmeißeler dieſer Figuren ſich an dieſen ſehr ſteilen Felſen ſchwebend erhalten hat, ſo daß er imſtande war, dieſe Zeichnungen einzu : meißeln. Das Auge vermag deutlich noch mehrere Geſtal: ten zu unterſcheiden, z. B. ein kleines Segelboot , Kopf,
den beiden Parteien ein Unfall zugeſtoßen iſt, ſo wird das ſtreitige Land zu gleichen Hälften verteilt.
Fuß und Hand eines Menſchen, Seeſterne, Grabſteine und ähnliche Gegenſtände. Wenn man ſid, bei den Eingeborenen
Das ausgeſprochenſte Talent der Eingeborenen iſt das-
über dieſe Felſenbilder erkundigt, ſo erwidern ſie, ſie könnten ſich dieſelben nicht erklären und wüßten nid ts davon , und ihre Väter vor ihnen ſind darüber auch nicht flüger geweſen ; ſie glaubten aber, die Geiſter der Toten hingen
baulides Talent bei ihnen fund.
Die Kinder verſuchen
für heiratsfähig , aber für die Verheiratung der kleinen Mädchen werden don bald nach ihrer Geburt Verabredungen getroffen.
Wenn Streitigkeiten in Bezug auf Grenzen zwiſchen verſchiedenen Dörfern entſtehen , ſo wählt jeder der ſtreiten-
den Bezirke eine Perſon und übergibt dieſe dem Urteile des Gottes , von welchem man annimmt, daß er die im
Unrecht befindliche Perſon binnen drei Monaten ſterben laſſen werde.
jenige für den Bootbau. Die ſymmetriſche Konſtruktion ihrer großen und kleinen Fahrzeuge wird einem europäiſdien Sdiffbauer ein Erſtaunen abnötigen und iſt umſo merkwürdiger, als ſie ſich nur der robeſten und unvollſtändigſten Werkzeuge bedienen. Alle Werkzeuge welche ſie führen ,
ſind von Eingeborenen von Teor verfertigt. Beinabe in jedem Dorfe findet man einen Sdymied anſäſſig, weldier
ſidy um Mitternadyt an dieſe Klippen und meißelten jene Figuren daran ein . Alle Eingeborenen meiden dieſen Ort und laſſen ſich unter feinen Umſtänden bewegen, die
Klippe zu erſteigen , um jene ſeltſamen Eingravierungen
Kleinere Mitteilungen.
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zu kopieren. vein Eingeboreir läßt ſich bereden, einen Europäer nad jenein Ort zu begleiten, wo nad ſeinem jeſten Sluit die Geiſter ihre Zujammenfünfte balten.
Gewiſſe Bäume werden ebenfalls heilig gehalten und gelten
für den Aufenthalt eines unſidhtbaren Gottes, welchem die Eingeborenen Opfer bringen, wenn irgend ein Unfall in ihren Familien vorkommt oder wenn irgend ein Mitglied den :
Litteratur.
Madeira, Chartreuſe, Badwerk, Friichte und was weiß ich ſonſt riod, alles ; die Fiirſtinnen,1 , Gräſimen , Baroninnen , die übrigens den etwa 311 (chichternen Gäſten auch die Piſtole auf die Bruſt
311 jeten verſtehen , ſtiirzen geſchäftig berbei , ſervieren fogar das Beſtellte, iibrigens zu ohne ein pour boire auszuſprechen ſo mäßigen Preiſen, daß man gar nicht in Wien zu ſein glaubt, und der geſamte Erlös (am erſten Montag wurde für mehr als 1090 fl. „ verzehrt“) fließt in dieſelbe Wohlthätigkeitstaſſe, die das
ſelben vom Hauſe weg oder zur See geht. Die Opfer werden in folgender Weiſe dargebracht: etwas gekochter Reis oder
Eintrittsgeld aufiimmt. Es iſt die raffinierteſte „ Räuberei “
Sago wird in ein Palmblatt gewidelt, und bevor die opfernde Perſon dasſelbe mit einem Stück geſpaltenen Rohrs zur Geſtalt eines Pakets zuſammenſchnürt, ſchabt
qu'entrate.
den Abruzzen wandelt der Reiſende ſicherer
ihr das Opfer gegeniiber: Lasciate ogni
in
und wehrlos ſteht
speranza ,
voi
G. W.
ſie mit einem Meſſer oder einer Feile oder auch nur mit
* Virgils Grab. Das Grab Virgils in Poſilippo wird demnächſt unter den Hammer fommen ; ſein Eigentümer, ein Franzoſe, der es ſeither
einem ſcharfkantigen Stein etwas Goldſtaub von ſeinen
durch die Erhebung von Eintrittsgeldern von den fremden Be
Sierraten über den Sago oder Reis. Wenn dies geſchehen iſt, bindet er das Pädden zuſammen und hängt es mit:
ſuchern ausbeutete, hat es der italieniſchen Regierung vergebens zum Kauf angeboten . Das Grab, mit dem von Virgil ſelbſt ver faßten Epitaph , iſt ein inmitten von Wein- und Obſtgärten , die einſt den landſit Virgils bildeten , gelegenes vierediges kleines Gebäude mit einer gewölbten Kuppel. Hier ſind die Aeneide und die
tels eines geſpaltenen Rohres an einen Aſt des heiligen Baumes , wobei er andächtig zu ſeinem Gotte betet. In einigen Teilen der Inſel findet der Reiſende dieſe heiligeni Bäume von unten bis oben wie einen deutſchen Weih nachtsbaum mit dieſen ſeltſam ausſehenden PalmblattPädchen verziert. In anderen Teilen der Key - Gruppe findet man noch immer öffentliche Opferpläße, beſtehend aus einer fantaſtiſd gednißten Kiſte, welche auf einem 4-5 Fuß hohen Pfahl ſteht. Das Opfer wird durch eine kleine Deffnung in das Loch gelegt.
Viele Dertlichkeiten werden von den Eingeborenen gemieden, welche lieber einen großen Umweg machen, als
einen unheimlichen geſpenſtigen Drt paſſieren, wo nadı ihrem Glauben irgend ein eingebildeter Satan und ſeine Anhänger ihre ſpukhaften Zuſammenfünfte halten ."
kleinere Mitteilungen . * Thee-Montage im Palais Schwarzenberg. In die feit bald vier Wochen pröjjnete Goldſchmiedekunſt Ausſtellung im Palais Schwarzenberg in Wien, die übrigens aus einer Ausſtellung - die Entwicelung dieſer Kunſt von ihren An fängen bis in die neueſte Zeit zıır Anſchauung zu bringen beſtimmt
völlig programmwidrig zu einer Ausſtellung von furioſitäten und Altertümern , allerdings der feſjelndſten Art, in Edelmetall und Edela geſtein geworden , iſt eine neue Niiance hineingetragen worden , es ſind nämlich Thee- Montage etabliert, an den Montagen deshalb, weil daim das doppelte Eintrittsgeld zi1 entrichten und das Publifum jdou deshalb ein gewählteres iſt. Die Thee-Montage ſind eine
Erfindung der Baronin Bourgoing, geborenen Gräfiit Kiinsky, der Gattin des friihern legationsjefretärs der franzöſiſchen Botſchaft und nadımaligen Generalfonſuls der Republik in Budapeſt ; ſie hat ſich die Fürſtin Montenuovo, die Markgräfin Pallavicini, die Gräfinnen Waldſtein, Ejzterhazy, Czernin, Feſtetics, Potocka und Wydenbrud und die Baroninnen Herring ind Rothſchild zugeſellt. Ihre „ Kunden “, an den im Silberſaal aufgeſtellten Tiſchen Platz nehmend, „ fordern “ Thee, Schokolade, Gefrornes, Champagner, 1 A18 den Verhandlungen der Londoner Königlichen Geos graphiſchen Geſellſchaft abgefiirzt.
Georgica gedichtet und hier hat der Dichter ſeine lebte Ruheſtätte gefunden. Die Vaſe , die einſt ſeine Reſte barg , iſt ſchon längſt gänzlich leer
G. W.
geſtohlen.
Litteratur . * Sombart, Werner: Die römiſche Tampagna; eine Die ſozial- öfonomiſche Studie. Leipzig . Dunder 11. Humblot. römiſche Campagna, der a! te Ager romanus, dieſe große klaſſiſche Joylle , dieſer rieſige Friedhof , welcher die Weltſtadt Rom mit ſeiner majeſtätiſchen Dede und Ruhe umgibt und einſt ein durch ſorgfältige Bewäſſerung und fleißigen Anbau bliihender Garten war, un aber beinah eine wiiſtenähnliche, unbewohnte und faſt unbewohnbare Einöde, verdiente ſchon als die ,,hiſtoriſche Landſchaft par excellence “ längſt eine gute und erſchöpfende Dionographie, welche teils auf eigener Anſchauung beruht, teils al das zuſammen : trägt , was ſeit Jahrtauſenden über die ehemalige Kornkammer
der Weltſtadt geſchrieben worden iſt. Eine ſolche nach allen Seiten vollſtändige und gelungene Monographie liegt ins mn in der vorgenannten Schrift vor als ein Heft der vortrefflichen „ Staats und ſozialwiſſenſchaftlichen Forſchungen “ von Guſtav Schmoller. Es iſt ein mmgemein friſches , anziehendes und lehrreiches Buch, das in ſechs Abſduitten und zwei Beilagen uns mit der Geſchichte
und Gegenwart der Campagna, ihrer Natur, ibrer wirtſchaftlichen Verhältniſſe, ihrer ſozialen Zuſtände und ihres Wirtſchaftsbetriebes, ſowie des ökonomiſchen Fazits derſelben , mit den wirklichen und Icheinbaren Iluſadhen der Zuſtände der Campagna bekannt macht und uns ſchließlich auch Andeutungen über die Zukunft der Cam : pagna gibt, indem es uns die Reformmaßregeln der italieniſchen Negierung ſchildert und die Geſetze über die möglichen Melio rationen vorfiihrt. Nidht allein der Geograph und der Volkswirt und derjenige, welcher über die Mauern Homs hinaus einen Blic in die großartig dwermütige Landſchaft gethan hat, wird ſich von
diejer Sdildering angezogen und gefeſſelt fühlen , ſondern jeder (Gebildete wird dadurch ſeine Kenntniſſe bereichern und ſeinen
Horizout erweitern. Druď im
Verlag der F. G. Cotta'den Buchhandlung Nachi.
in München und Stuttgart. Fiir die Redaktion verantwortlich : W. Keil in München ,
Das Juslaud. Wochenſchrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fachmänner herausgegeben von der
I. G. Gotta'ſden Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und Münden. Dreiundſechzigſter Jahrgang.
1890 .
Stuttgart, 13. Januar
Nr. 2.
Jährlid, 52 Nummern à 20 Seiten in Duart. Preis pro Quartal M. 7. - Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. Manuſcripte und Recenſions-Gremplare von Werfen der einſchlägigen Litteratur ſind direkt an die Verlagshandlung in Stuttgart zu jenden. Inſertioncs preis 20 Pf. für die geſpaltene Zeile in Petit. 2113 Inhalt : 1. Politiſch -geographiſche Riidblide. 1. Afrika. (Fortjepung.) S. 21. – 2. Jin Im Oſten von Aſien . S. 25. – 3. 413 4. Die Kolonie Neu -Südwales. Von Herry (Greffrath . Š . 34 . 5. Der vulkaniſche Sand ini der Eifel und ſeine Bedeutung. S. 36. 6. Waſſerverbindung mit Sibirien. S. 37 . 7. Kleinere Mitteilungen. S. 39.
der Siidſee. (Schluß.) S. 30.
Politiſch -geographiſde Rückblicke. 1. Afrika .
( Fortſetzung.)
Die Deutſch -Oſtafrikaniſche Geſellſchaft folgte bekannt lich bei Uebernahme der Zollſtationen des Sultans von Sanſibar dem Beiſpiel ihrer Nachbarin , der Britiſd ): Oſtafrikaniſchen Geſellſdaft. Lettere freilidh war etwas
Beſig gelegene Teil der Somali- Küſte ſeit kurzem in italieniſchen Händen iſt. Mit der erwähnten Beſiks
ergreifung hat die Reichsregierung wenigſtens einen Teil der Anſprüde der Deutſch - Oſtafrikaniſchen Geſellſchaft, welche ſich auf die ganze Somali-Küſte erſtreden , dod) noch anerkannt. Bekanntlich hatte die Geſellſchaft in dieſem Gebiet die Station Hohenzollernhafen am Wubuſchi (Port Durnford) angelegt.
vorſichtiger vorgegangen. An die Nordgrenze des britiſden
Das Auftreten der Engländer hier hat troß der vor
Gebietes ſtößt das deutſche Witu-Land , das zum Teil in Händen ihrer urſprünglichen Erwerber , der Gebrüder Denhard , zum Teil in denen der deutſchen Witu-Geſell
trefflichſten offiziellen Beziehungen zwiſchen Lordon und Berlin ſehr wenig Freundnachbarliches gehabt. Man ſcheint ſich jenſeit der Nordſee nod; immer nicht darein finden zu können, daß das Volk der Denker, Muſiker und Soldaten wirklich praktiſche Kolonialpolitik und noch dazu in ſo umfaſſender Weiſe treiben könne. Vor allem aber war es in England zum Ariom geworden , daß Afrika engliſch werden müſſe vom Rap bis zum Nil. Nun dieſer idöne Traum zerſtört iſt, ſucht man zu retten , was zu retten iſt, und hält auch mit einer Zähigkeit , die an die bekannte Fabel vom Hund in der Krippe erinnert, an Bes ſigungen feſt, welche für England abſolut feinen Wert
ſchaft iſt. Die engliſche Geſellſchaft zeigt große Neigung, ſich räumlich auszudehnen , die Erwerbung des Witus Landes oder eines Teils desſelben iſt von ihr ganz offen angeſtrebt worden. Wirklich erreicht hat ſie aber nur die Uebernahme der dem Sultan von Sanſibar gehörigen Zollſtellen auf den Inſeln Lamu und Benazir , ſowie in
den Küſtenpläßen Kismaju , Baraw , Merfa , Makdiſdu und Mruli. Auch die Inſeln Manda und Patta wurden als Sanſibar unterſtehend beanſprucht, wofür aber durch aus feinerlei Rechtstitel vorliegen. Das Beſtreben der engliſchen Geſellſchaft war deut:
lich erkennbar ; es ſollte der Verkehr von Deutſch -Witu gänzlid, unterbunden und die Beſißergreifung des Somali: Landes vorbereitet werden .
Deutſchland hat darauf mit
der Stellung der ganzen Küſte von Witu bis Kismaju unter ſeinen Sdjuß geantwortet. Bekanntlich hatte Reichard einen ſolcher Sdritt ſehr dringend empfohlen. Ob dar nach die Briten noch an ihren Zollämtern feſthalten werden, ſteht dahin . Es erſd )eint dies aber um ſo mehr fraglid, als nun audy faſt der ganze, nördlich von unſerm Ausland 1890 , Nr. 2 .
haben, anderen aber ſehr nüßlich ſein könnten. Ein Beiſpiel dafür iſt die Walfiſchbai an der Küſte
von Südweſtafrika. Sie bildet den einzigen Zugang zu dem durch ſeine Mineralſdäße und ſeinen Herdenreichtum wertvollen Damaraland. England bat hier gar keine
Intereſſen , aber von einem Aufgeben des Plaßes iſt keine Nede. Pluch unſer Beſit hier iſt nicht ohne Anfechtung geblieben .
Zunädſt haben ſich die etwas hochgeſpannten
Hoffnungen, welche man auf die an verſdiedenen Stellen gemachten Goldfunde ſekte, durdaus nicht erfüllt. Einem alten Auſtralier, wie dem Sdyreiber dieſes Aufiaßes, mußte 4
22
Politiſch-geographiſche Riichlide.
es gleich von vornherein bedenklich erſcheinen, daß die in
zu einer Verſammlung , in welcher er erklärte , daß die
Kapſtadt gezeigten ſchönen Goldquarzproben in den Hän:
von ihm an die Deutide Rolonialgeſellſchaft erteilten, im
den auſtraliſcher Digger fich befanden. Er witterte ſe :
September 1887 durch eine feierliche Kundgebung beſtätigten Vollmachten null und nichtig ſeien , da Lewis eine ſolche
gleich den landesüblidhen Schwindel. Die Befürchtungen ſind leider zur Wahrheit geworden , man hat nach vielen Verſuchen von weiteren Wagniſſen Abſtand genommen und
die Arbeiten eingeſtellt. Man iſt ſogar weiter gegangen und hat die Einwilligung der Reichsregierung zur Ueber gabe des großen nördlichen , anſcheinend weit beſſer vers anlagten , aber bisher noch gar nicht beachteten Landes an eine engliſche Geſellſchaft nachgeſucht. Die Reichs:
regierung hat dieſes Geſuch abgelehnt , wohl in der Er wägung, daß, falls die Uebergabe ſtattfände, die Loslöſung dieſes Gebiets von dem deutſchen wohl nur eine Frage
der Zeit ſein dürfte , während ſie ſelbſt ſofort mit der
Aufrechterhaltung der Ordnung belaſtet wurde. Aber auch abgeſehen von den wirtſchaftlichen Fehl. ſchlägen, iſt die Lage in Deutid Südweſtafrika eine durch aus unbefriedigende geworden. Als Deutſchland die Schuß herrſchaft über die Nama und Herero übernahm , lebten dieſe beiden Stämme bereits ſeit Jahren in erbitterter Fehde. Viehraub von ſeiten der arbeitsſcheuen und vers
Vollmadit bereits am 9. September 1885 erhalten habe .
Alle Vorſtellungen und Hinweiſe auf die getroffenen Ab: machungen waren fruchtlos, und ſo zogen ſich alle Beamten ſamt den Gliedern der goldſuchenden Erpeditionen und dem neuerrichteten Berg- und Poſtamt ſogleich auf das
britiſche Territorium an der Walfiſchbai und die meiſten dann auch nach Deutſchland zurück. Nur die Miſſionäre und einige ſeit lange im Lande angeſiedelte deutſche Händler blieben auf ihren Pläßen. Denn irgend welche Machtmittel, um den deutſchen
Beſißſtand zu behaupten, beſaß der Reichskommiffär nicht. Man hatte im Sommer 1888 einige deutſche Dffiziere
und Feldwebel hinausgefandt, um aus den Baſtard-Hotten totten eine Schußtruppe zu bilden, aber die Rekruten prü
gelten eines ſchönen Tages ihre Lehrmeiſter durch, und die Sache mußte fallen gelaſſen werden. lebrigens hatte dies die beſtehende Diſciplin fennzeichnende Verfahren
armten Hottentotten , die ſich zu ganzen Räuberbanden
keinerlei üble Folgen für die Ercedenten. Die Errichtung einer Schußtruppe war auch viel zu ſpät und mit zu
zuſammengeſchart hatten , war an der Tagesordnung.
ichwaden Mitteln erfolgt. In neueſter Zeit hat man nun
Die Herero begrüßten daher die deutſche Schußherrſchaft,
unter dem Befehl des als Afrikaforider bewährten Haupt manns v. François fünfunddreißig ausgediente deutſche Soldaten hinausgeſandt , eine unter den ſchwierigen Ver: hältniſſen und bei dem Mangel an Rekrutenmaterial unter ben Eingeborenen viel zu kleine Zahl , die man nun auf das Doppelte bringen will. François hat in lobenswerter Weiſe damit begonnen , den Ruheſtörer Lewis und ſeinen
in der Hoffnung , fortan vor dem argen Räubergeſindel geſchüßt zu werden , mit hoher Freude. Sie erinnerten ſich, wie die engliſchen Beamten bei dem erſten Ausbruch der Feindſeligkeiten zwiſchen den beiden Stämmen ſogleich davongelaufen waren. Von den Deutſchen hatten ſie durch die unter ihnen ſeit vielen Jahren wirkenden Miſſionäre eine beſſere Vorſtellung bekommen , ſie waren es daber wohl zufrieden , daß dieſe das Land fünftighin verwalten follten.
Anhang aus dem Lande zu weiſen .
Es läßt ſich nicht verkennen , daß die bedeutenden
Schwierigkeiten , welche der Ausübung unſerer Kolonial herrſchaft hier erwuchſen, auf eine allzu geringe Entfaltung
„ Für die Kolonialpolitik ," ſchreibt Fabri in ſeiner jüngſten, höchſt beachtenswerten Schrift, ,,namentlich wenn es ſich um Länder mit faſt völlig unkultivierter Bevölke: rung handelt, ſind die Geſichtspunkte des geſunden Men dhenverſtandes , die allgemeinſten , pſychologiſchen und moraliſchen Wahrheiten von großer unmittelbarer Bedeu:
von Machtmitteln ſeitens des Deutſchen Reiches zurückzu: führen ſind. Und dieſe Unterlaſſungsſünde, in allen Ver: hältniſſen bedenklich, in der gegebenen Lage aber im höchſten Grade gefährlich , wird ſid), nun der Glaube an die Macht Deutſchlands geſchwunden iſt , ohne ſehr be
tung." Solche Geſichtspunkte waren bei den Herero die
deutende Dpfer ſchwerlich wieder gut machen laſſen.
Furcht vor dem Mächtigeren und die Hoffnung, das eigene Intereſſe zu fördern. Aber als ſich herausſtellte, daß der
bisherigen Fehlſchläge ſcheint es ſo. Auch die Bereitwillig:
deutſche Kommiſſär keinerlei Macht beſaß, den Räubereien zu ſteuern , als dieſe vielmehr auf eine früher nie dage:
weſene Höhe ſtiegen , als ferner Mahaherero , der Ober: häuptling des Stammes, aus ſeiner bereitwilligſt erteilten Bergbaukonzeſſion nicht den geringſten Vorteil für fidh ſelber abfließen ſah, kehrte ſich die Hochſchäßung in Ver achtung und die frühere freundliche Geſinnung in ausges ſprochene Feindſeligkeit , zumal als mit allerlei anderem Volt aus der Rapkolonie der alte Händler Lewis zurücks tehrte. Auf ſein Anſtiften lud Mabaherero den Reichs. kommiſjär und einige andere Deutſche am 31. Oftober 1888
Iſt nun das Land dieſer Dpfer wert ? Troß unſerer
feit engliſchen Kapitals , ſtatt unſerer einzutreten , ſpricht dafür. Nur ſind die Mittel , mit welchen man die wirt: ſchaftliche Verwertung des großen Beſißes in Angriff ge nommen hat , nicht ausreichend. Die , Deutſde Kolonial geſellſchaft für Südweſtafrika", welche die Lüderit'ichen Erwerbungen übernahm, iſt bereits am Ende ihrer Mittel angekommen , das aus derſelben hervorgegangene Gold: ſyndikat hat ſehr ſchlechte Geſchäfte gemadt und die
,,Deutſch-Weſtafrikaniſche Kompagnie ", welche Handel und Seefiſcherei betreiben und Schlächtereien anlegen wollte, iſt wohl infolge der unſicheren Verhältniſſe von dem Weſten
1
Politiſch -geographiſche Nildblice.
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nad dem Dſten übergeſiedelt. Die Lage unſerer füdweſt afrikaniſchen Rolonie iſt demnach in feiner Weiſe bes
Fünffache berteuert erreichen. Dieſes Monopol zu durch brechen , iſt die deutſche Verwaltung unermüdet thätig
friedigend. Db wir Beſſeres von einem andern Punkte Süds
verſteigende Widerſtand der Küſtenneger gegen derartige
afrikas , wo deutſcher Unternehmungsgeiſt eingeſeßt hat, von dem Pondoland , erhoffen dürfen , ſteht dahin. Die
Arbeiten haben erſt vor zu kurzer Zeit begonnen, als daß man von einer ſo jungen Koloniſation ſchon klingende Reſultate erwarten dürfte. Boden und Klima erſcheinen gut und der Beſtand an wertvollen Hölzern in der wald reichen Gegend iſt ein ſehr bedeutender. Leider weht über
geweſen.
Der bisweilen zu offener Feindſeligkeit fich
Verſuche, wurdt zwar von der deutſchen Verwaltung ener
giſch niedergeſchlagen, aber erreicht hat man das Ziel bis her noch nicht.
Die Thätigkeit Dr. Zintgraffs mit dem Lieutenant Zeuner, ſowie die der Lieutenants Rund und Tappenbeck, verfolgten neben der Erforſchung des noch unbekannten
Hinterlandes dieſes Ziel ſehr kräftig. Zintgraff errichtete
dem Land nicht die deutſche, ſondern die engliſche Flagge.
am Elefanten-See die Verſuchsſtation Barombi und brang
Ganz anders als im Dſten und Süden des Erdteils ſtehen unſere Kolonialunternehmungen am Golf von Gui nea . Sie ruhen auch auf ganz anderen Grundlagen.
bis zum Binue vor. Kund und Tappenbeck wandten ſich von
Hier wurden alte , wohlbegründete kaufmänniſche Unter
Batanga oſtwärts und vermochten, obwohl bei einem erſten Verſuch 1887 von den feindlichen Eingeborenen überfallen und idywer verwundet, doch bei einem zweiten glüdlicheren
nehmungen , um ſie vor fremder Konkurrenz und Bes drüdung durch die Eingeborenen ſicher zu ſtellen , unter
Vorſtoß 1888 mit einer 240 Mann ſtarken Karawane den
den Schuß des Reiches geſtellt, dort ſollten deutſche Inter:
Stationen, eine am Kribifluß, eine andere in Epſumb, zu errichten und in Bezug auf die Hydrographie des deutſchen Gebietes wichtige Entdeckungen zu machen. Leider ſtarb Tappenbed nicht lange danach in Epſumb, worauf der nach
eſſen erſt durch die neue Schußherrſchaft geſchaffen wer
den. Hier alſo Fertiges, dort Werdendes. Und das Verhältnis zum Reich nahm auch ſofort eine
andere Geſtalt an. In Dít: und Südweſtafrika überließ
Oberlauf des Sannaga und Njong zu erreichen , zwei
man es den mit Schußbriefen ausgeſtatteten Geſellſchaften ,
Europa zur Wiederherſtellung ſeiner Geſundheit zurücge kehrte Kund , ohne ſeine völlige Geneſung abzuwarten,
die Verwaltung der ihnen übertragenen Gebiete aus eigenen
ſofort deſſen Stelle erſeßte, aber ſehr bald in lower leidens
Mitteln und nach eigenem Plan , wenn auch unter der Oberaufſicht des Reiches, einzurichten , indem man auf das Vorbild früherer engliſcher und holländiſcher Geſellſchaften zurückgriff; in Kamerun und Togo übernahm die deutſche Regierung ſogleich alle Laſten, beide Gebiete wurden Kron
dem Zuſtand wieder die Heimat aufſuchen mußte.
tolonien .
Auch in anderer Beziehung erfuhren dieſe beiden Be
fißungen, gegenwärtig ganz ohne Zweifel die wertvollſten von allen , eine beſondere Berückſichtigung. Die Reichs:
Da ſeit 1. Januar 1888 Einfuhrzölle von euro:
päiſchen Waren erhoben werden , hat die Reichsregierung
nur noch geringe Zuſchüſſe zu den Verwaltungskoſten von Kamerun zu machen. Bisher wurden der Gouverneur welcher zugleich mit den Befugniſſen eines Generalkonſuls für die Küſtengebiete am Golf von Guinea bekleidet iſt, ſowie der Kanzler, die beiden Sekretäre und alle ſonſtigen Beamten aus Reichsmitteln befoldet. Um die Eingeborenen
regierung hatte den ſehr berechtigten Beſchluß gefaßt, die
zum Polizeis und Marinedienſt auszubilden , ſind einige
von ihr bisher für Afrikaforſchung im allgemeinen bes
deutſche Unteroffiziere dorthin geſandt worden, ebenſo ſeit 1882 ein Lehrer, welcher den Kindern der Eingeborenen
willigten Summen fortan zur Förderung der Kenntnis unſerer eigenen Kolonien zu verwenden, und zwar wählte
man als die erſten Kamerun und Togo. Maßgebend war dabei nicht allein die verhältnismäßig ſehr geringe Bes fanntjóaft mit dem Innern des Landes jenſeit des bis
her faſt allein betretenen ſdmalen Küſtenſtreifens, ſondern die Hoffnung auf die großen Vorteile engerer Beziehungen
Elementarunterricht erteilt. Dieſe Erziehungsverſuche find den Verhältniſſen entſprechend befriedigend ausgefallen. Auch hat man mehrere Knaben nach Deutſchland ge bracht, um dieſelben das Zimmerhandwerk erlernen zu laſſen oder ihnen eine elementare Erziehung für den Kauf mannsſtand zu geben, für den ſie ſich ja ganz beſonders
mit dem vorausſichtlich ſehr ergiebigen Hinterlande wirkte bei der Entſcheidung fräftig mit. Die kommerzielle Entwidelung Kameruns leidet ganz
eignen. Die deutſche Kolonie ſtößt weſtwärts an engliſches
außerordentlich durch die ſtrenge Monopoliſierung des
del Rey und ſpäter eine zu den Ethiope-Stromſchnellen des
Handels ſeitens der ausſchließlich dieſem Erwerbszweig ſich widmenden Küſtenſtämme. Hinter der erſten Sou: linie gelangt man in eine ziveite, dritte und vierte, ſo daß die Produkte des Hinterlandes, das bei der Abneigung der Neger gegen jede ſchaffende Thätigkeit, welche infolge des
Did Calabar gezogen gedachte Linie die Grenze bilden. Weiterhin iſt über dieſelbe noch nichts abgemacht worden.
Schachers immer mehr zunimmt, bald als alleiniges Er zeugungsgebiet angeſehen werden muß, die Rüſte um das
Gebiet, gegen welches die Mündung des Numbi oder Rio
So konnte die engliſche Royal Niger Company ihre An ſprüche bis weit den Binue hinauf ausdehnen , ohne Widerſpruch zu erfahren. Dieſe Geſellſchaft hat bis jest von der Mündung des Niger bis zum Binue neunzehn Stationen errichtet, ihr Haupthafen iſt glaſja, Siß der
Politiſch geographiſde Rüdblide.
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Das deutſche Schubgebiet hat ſid nad kleinen Ans
Verwaltung aber Ajaba oberhalb des Deltas , während der britiſche Ronſul für dieſes Gebiet ſeinen Siß in dem geſünderen Did Calabar hat. Aber die engliſche Geſellſdaft erhebt Anſprüche auf
Innen zu noch einer beträchtlichen Ausdehnung fähig. Nachdem 1886 die in nordweſtlicher Ridytung gelegenen
die beiden Nigerufer bis Sa und die des Binue bis
fogenannten Königreiche Towe , Kewe und Agotime auf
fängen allmählich ſehr bedeutend erweitert und iſt nach
über Jola hinaus . Nach Unterſuchungen des kaiſerlichen
ihr Anſuchen unter deutſchen Schuß geſtellt wurden, haben
Konſuls v. Puttkamer zu Lagos , welchen die Reichs regierung mit der Prüfung gewiſſer Beſchwerden eines deutſden Kaufmanns gegen die genannte Geſellſdaft be:
im nächſten Jahre auch die nördlicher gelegenen Gebirgs: landſchaften Agome, Agu und 3bele Anſchluß erhalten.
Und unſer Einfluß dehnte ſich durch Wolfs Thätigkeit in
auftragte , hört das engliſche Gebiet aber unterhalb Lo kodja auf, alſo ſchon vor Einmündung des Binue, und es
der von ihm gegründeten Bismardsburg auf dem 750 m .
fann von einem engliſchen Beſik an dem leßteren Fluſſe gar nicht die Rede ſein. Aud) ergab ſich aus der unter: ſuchung, daß die engliſche Geſellſdaft, ganz im Widerſprud) mit der Congo - Afte, Zölle in einer ſolchen Höhe erhebt, daß ein Geſchäftsbetrieb nicht ihr angehöriger Raufleute gänzlich ausgeſchloſſen wird. Sie dehnt ferner ihre Juris: diktion weit über das ihr wirklich zuſtehende Gebiet , jo
ordneten ſich gern unſerer Herrſchaft unter, Wolfs Thätig keit in ſeinen periodiſd gemachten Vorſtößen war eine ſehr erſprießliche, bis er Mai 1889 auf einer Reiſe allzufrüh
hohen Adadoberg immer weiter aus , die Eingeborenen
durd das Fieber hingerafft wurde. Mit England hat man ein Abkommen getroffen , wonad die Weſt- und
Nordgrenze jährlich einmal beſichtigt und nach Befinden neu beſtimmt werden ſollen.
durch allerlei veratoriſche Beſtimmungen betreffs Anlaufen von Häfen , von denen ſie einige für offen , andere für
Die Reiſen der genannten deutſchen Forder , aud) 6. A. Krauſe's, der über Waghodogho, die Hauptſtadt des großen Reiches Moſi, in nördlider Riditung nad Duenſa
geſchloſſen erklärt, die nicht zu ihr gehörigen Handelshäuſer
in Maiſina und von da in ſüdweſilicher Richtung nach
zu vertreiben. Die monopoliſtiſchen Tendenzen der Geſell
Bandjagara, der Hauptſtadt von Maſſina, vordrang, ver: folgten natürlich andere als rein ideale , vielmehr recht reale Zwede , nämlich die Anknüpfung neuer Handels beziehungen und die Ausbreitung unſerer Macht nach dem
über das vollkommen unabhängige Nupe, aus und ſudit
îchaft machen ſich nicht allein in den jeßt ihr unter: ſtehenden Territorien geltend , ſie ſind auch ſchon auf ſämtliche die chiffbaren Teile des Niger und ſeiner Neben
Es iſt wohl zu
Dod muß die Erdkunde vorläufig wohl den Innern zu. Doch
erwarten , daß infolge des energiſchen Proteſtes der Neids :
regierung gegen dieſes durchaus vertragswidrige Gebahren
Hauptgewinn davon haben , wenn der große weiße Fled innerhalb des mächtigen Bogens des Niger endlich ent
die engliſche Regierung, welche die Verhältniſſe gleichfalls
fernt wird.
durch einen Specialkommiſjär unterſuchen ließ , dauernde
Wir nähern uns damit dem großen Reiche, das Frank reich in Nordoſtafrika ſich bereits gegründet hat und das es noch fortwährend erweitert. Es iſt wohl unver
flüſſe umſchließenden Gebiete gerichtet.
Abhülfe ſchaffen und für die Befriedigung eines durch die genannte Geſellſchaft geſchädigten deutſchen Angehörigen ungeſäumt Surge tragen wird. Im Togogebiet und in deſſen Hinterland forſchten Wolf und v. François , während Henrici und v. Putt: kamer kleinere Reiſen ins Innere machten , das , wie foon Hugo Zöller gefunden , weit beſſer iſt, als man , nach .
geſſen , daß nach dem deutſch-franzöſiſden Kriege noch bis 1875 man in Frankreich ſehr ernſtlich daran dachte , die an der Stlaven- und Elfenbeinküſte zerſtreut liegenden
Poſten gänzlich aufzugeben, wie dann aber ein, übrigens
auch gerade wie in Kamerun, ein Verwaltungsrat aus den angeſeſſenen deutſchen Kaufleuten eingeridytet, zu weldem audy Eingeborene zugezogen werden können. Eine Sduk
auch von andern europäiſchen Völkern geteilter Umſchwung in den Anſchauungen über den Wert von Kolonialbeſit eintrat und Frankreich , ſtatt ſeine afrikaniſchen Kolonien abzutreten, im Gegenteil bemüht geweſen iſt, dieſelben zu konſolidieren und zu vergrößern. Wenn es auch zu Gunſten Deutſchlands auf Porto Seguro und Klein-Popo verzichtete, ſo war dies doch eine Gegenleiſtung für Deutſdlands Zurückziehung ſeiner bereits ausgeſprochenen Schußherr daft über Kobah und Kapitay in dem ſüdlichen Teil der Kolonie Senegal, den die Franzoſen als Rivières du Sud bezeichnen . Für die Ausbreitung ihrer Intereſſenſphäre in Afrifa haben die Franzoſen eine erſtaunliche Rührigkeit gezeigt. Machen ſie doch gegenwärtig Anſpruch auf nahe an 2 , Millionen Quadratkilometer dieſes Erdteils, erheblich
mannſchaft aus Sdwarzen , durch einen preußijden Feld:
mehr als irgend eine andere Rolonialmacht für ſid reklamiert.
webel ausgebildet, leiſtet bereits gute Dienſte.
Und ſie zeigen noch immer ein ſehr reges Beſtreben , dieſen
der Befdjaffenheit des Küſtenlandes zu dließen, gemeint
hatte, ja zum großen Teil vortrefflich für Koloniſations: zwecke geeignet erſcheint. Eine von Dr. Henrici gebildete
Geſellſchaft hat bereits die Anlage von Plantagen in Un: griff genommen , gegenwärtig aber iſt die Kolonie nur durdy ihren Handel für uns von Wert. Dieſer Handel iſt indes ein ſo bedeutender, daß die ſeit dem 1. Auguſt 1887 er : hobenen Einfuhrzölle auf europäiſche Waren die Verwal tungskoſten bereits nahezu beden.
Die Verwaltung beſorgen ein kaiſerlicher Kommiſjär
mit einem Sekretär und einem Zollbeamten ; 1886 wurde
25
Im Oſten von Aſien .
Beſit zu erweitern. Freilich mag wohl das Urteil Leroy
Cruise Marchesa “ . Die folgenden Mitteilungen Cruise of the Marchesa“.
Beaulieus, wonach ſeine Landsleute, d. i. die franzöſiſden
ſind dem Buche entnommen . Formoſa iſt, wie bekannt, auf feinein weſtlichen Teile
Miniſter, Gouverneure und Kapitäne, nicht fruchtbringende
Reſultate für Handel und Induſtrie, nicht friedliche Ent: faltung des wirtſchaftlichen Lebens , vielmehr nur Ruhm ſuchen, nicht ohne Berechtigung ſein.
Die Forſchungsthätigkeit der Franzoſen in Senegambien iſt Hand in Hand gegangen mit der Erweiterung ihres politiſchen Madhtbereide. Der frühere Gouverneur Gallieni hat für dieſen Zwed ſehr emſig und erfolgreich ges arbeitet.
Das Futa Didallon, das große Reich Samorys, das Sultanat Segu find alle dem gewaltig anſchwellenden franzöſiſchen Kolonialreich in Weſtafrika angegliedert, und durch Kapitän Bingers ebenſo fühnen als erfolgreichen Zug durch das Mandingoland über Bontuku an die Küſte bei Grand Baſſam iſt auch der Beherrſcher des bisher von keinem Europäer betretenen Kong mit ſeiner für den Karawanenhandel hochwichtigen Hauptſtadt für das franzöſiſche Protektorat gewonnen .
Die Franzoſen ſind damit ſehr nahe Nadbarn der Engländer am Golf von Guinea geworden . Als dieſe von der Goldküſte auszogen, um zu retten , was zu retten war, ſahen ſie bereits in Vontuku die franzöſiſche Trikolore ivehen. Sie waren zu ſpät gekommen.
Ebenſo ſtreden die Franzoſen nad dem altberühmten Timbuktu, das freilich durch neuere Forſdjungen viel von
bauptſächlich von Chineſen bewohnt, auf ſeinem öſtlichen aber von wilden Stämmen, die heute noch das Standrecht in grauſamſter Weiſe ausüben. Seit im Jahre 1881 in Nan -fha, dem ſüdlichſten Teile der Inſel, ein Leuchtturm
crbaut iſt, und ſeit Nordamerika fich für die Siderheit der Landenden intereſſiert, gehört ein Beſuch des Weſtens und Südens nicht mehr zu den lebensgefährlichen Abens
teuern , was man vom Dſten aber immer noch nicht bes haupten kann . Die Felſenſzenerie an der öſtlichen Küſte
iſt ſo großartig, daß dagegen die Klippen des Yoſemite Thales in Californien , die Seemauern von Hoy auf den Drknevs, Penha d'Aguia auf Madeira und die gewaltigſten Felsformationen in Norwegen kleinlich erſcheinen. Keelung und Tamſui im Norden der Inſel ſind die hauptſächlichſten Häfen ; erſtere Stadt verdankt ihren Wohlſtand den Koblens bergwerken in ihrer Nähe, die ſeit 1876 von Engländern rationell ausgebeutet werden und bis 500 Tonnen täglich ergeben. Die Landidaft um Keelung mit ihren grünen Bambushainen iſt reizend, aber die Stadt ſelbſt wird als die ſchmutigſte des Univerſums bezeichnet; die ſanitären Zu: ſtände ſind derart, daß europäiſche Aerzte den dauernden
Aufenthalt von Meniden daſelbſt für unmöglich erklären würden ; und dod; hört man nicht von einer ungewöhnlich ſtarken Sterblichkeit.
ſeinem früher Ruf eingebüßt hat, ihre Hände aus. Der
Die Inſel Formoſa, von der nur der dritte Teil unter
franzöſiſche Marinelieutenant Colin gelangte in einem Dampfer auf dem Niger bis Rabara, dem Hafen der bis Caillé und Barth ſo geheimnisvollen Stadt , die nody inimer der bedeutendſte Stapelplaß des weſtlid )en Sudans
den Tropen liegt, iſt ungefähr 210 engl. Min . lang und 70 breit ; fie iſt unter der Meeresoberfläche, in einer Tiefe von 20 bis 40 Faden, mit dem chineſiſchen Feſtlande ver bunden , während ſie dagegen im Diten unmittelbar ſteil
bleibt.
in die See abfällt, ſo daß ichon dicht am Ufer mehr als
Durdy Colins Aufnahmen wird die Karte dieſes Teils
von Afrifa, namentlich die Lage von Timbuktu, eine ſehr bedeutende Veränderung erfahren . Eine unmittelbare Folge war die Abordnung eines Geſandten ſeitens des Sultans nady St. Louis und von
1000 Faden Tiefe konſtatiert worden ſind. So wäre hier wohl die öſtliche Grenze jenes großen Kontinents gefunden, dem in einer nod nicht fernen Erdperiode auch die Inſeln Borneo und Sumatra vereinigt waren . Die Vogelwelt
da nach Paris, wo man ihn natürlid, mit großen Ehren
zeigt eine größere Annäherung an die indiſchen und malayiſchen Arten, als an die chineſiſchen. Formoſa hat
empfing.
dreiundvierzig ihm eigentümliche Arten, was bei der geringen
Hält die Thätigkeit der in Nationen in gleicher Weiſe Jahre vergeben , ehe eine Frankreich, Deutſchland und
dieſen Gegenden intereſſierten an , ſo dürften nicht viele Auseinanderſeßung zwiſchen England fidh nötig macht.
Fortſetzung folat . )
Entfernung der chineſiſchen Küſte fehr auffällig iſt. Auch betreffs der Säugetiere laſſen ſich ähnliche Beobachtungen machen. Es gibt gegenwärtig feine thätigen Vulkane mehr I auf Formoſa, aber überali Spuren früherer uebrüde, To daß ſich die Inſel als ein Glied in der langen Kette von
Vulkanen de :ſtellt, die ſich von Kamtſchatka bis zu den
Philippinen
Im Often von Aſien. Dr. Guillemard durdyfreuzte von 1882 bis 1884 auf
der ,Marcheſa " die chineſiſden, japaniſden und malayis (den Archipele und hat über dieſe Forſdungsreiſe in London 1886 ein höchſt intereſſantes Bud, cridheinen laſſen : ,, The Ausland 1890 , Nr. 2 .
zieht. Heiße und ſchwefelhaltige Quellen
werden hei Tamſui gefunden, und Sdwefel gehört audy, allerdings gegen dyineſildes Verbot , zu den Ausfuhr: artikeln nach Hongkong. Die drei oder vier Millionen Chineſen , welche Formoſa betrohnen , erzielen ihren Lebens: unterhalt hauptſächlich durch Anbau von Gemüſen auf dem reichen Boden. Mit dem Bergbau befaſſen fie fid; 5
26
Im Oſten von Aſien .
nicht gern. Das Land erzeugt enorme Quantitäten Reis in den Ebenen und auch Zucker ; es treibt bedeutenden Handel mit Jute, Indigo, Tabak, Thee und ſogen. Reispapier, welches die Chineſen für ihre Malereien verwenden , das aber nicht aus Reis hergeſtellt wird, ſondern aus der Aralia papyrifera, einer Epheu -Art, die Formoſa eigentümlid iſt und auf vielen Teilen der Inſel wild wächſt. Das Mark dieſer Pflanze wird in dünne Scheiben zerſchnitten, gepreßt und getrocknet für den Gebrauch fertig geſtellt. Die dichten Urwälder von Formoſa erzeugen einen faſt unerſchöpflichen Vorrat von Kampher. Der Baum, welcher dieſen Handelsartikel darbietet , iſt eine Art von Lorbeer
(Camphora officinarum ), und die Chineſen dringen immer weiter in die Wälder von Formoſa vor, um dieſe Poſts
baren Hölzer zu fällen , die in Hongkong und anderen großen Häfen hohe Preiſe erzielen ; die Ureinwohner machen ihnen jeßt aber mit aller Kraft das Eindringen in ihr
Terrain ſtreitig, ſo daß mancher Chineſe für den Rampher blutet. Das Klima Formoſas iſt, wenn auch nicht ganz tropiſd, ſo doch außerordentlich heiß. Die Regenfälle im Norden und Oſten ſind ſehr ſdhwer während des Vors herrſchens des nordöſtlichen Monſums. Da der Monſum über die erhißten Waſſer des öſtlichen Golfſtroms bläſt, dann mit ſeinen Waſſermaſſen an die großen Gebirgs-
fetten im Norden und Zentrum der Inſel ſchlägt, ſo gibt
er dort gewaltige Quantitäten Waſſer ab und Formoſa bildet für die öſtliche Küſte von China eine Art Regens ſchirm , ſo daß der Winter und das Frühjahr in dieſen Gegenden eine Periode faſt ununterbrochenen Sonnen: cheins iſt. Kein Europäer wird ſich auf die Dauer mit dem Slima der Inſel Formoſa befreunden , ungezwungen dort einen längeren Aufenthalt nehmen . Von Formoſa wandte ſich die ,,Marcheſa " den LiuKiu- Inſeln zu , die ſelten von Europäern beſucht worden ſind , da ſie außer den gewöhnlichen Touren liegen und
die Einwohner ſich auch jeder Erforſchung ihrer Terrains abgeneigt zeigen, obgleich ſie weſentlich ſanften , friedliebenden Charakters ſind. Ein Amerikaner, Kommodore Perry,
alten feudalen Kaſtelle in Japan, und ſchön gebaut. Sie don von großem Alter zu ſein. Heutzutage wird cheinen ſchon
derartiges von den Inſulanern nicht mehr errichtet; ſie waren urſprünglich zu Zweden der Verteidigung hergeſtellt. Eines jeden Mannes Haus iſt buchſtäblich ſein Schloß,
in das man nur eindringen kann durch eine ſchmale und leicht zu verteidigende Thür in der hohen Mauer. Innerhalb der Mauern ändert ſich ſofort die Szenerie,
und in einer Sekunde werden wir 'in ein anderes Land verſeßt. Die Häuſer, welche vollſtändig aus Holz erbaut und braun von Alter find, entfalten ihr Inneres mit der
einladenden Gaſtlichkeit, die für Japan fo charakteriſtiſch iſt. Die Bewohner, welche die Stühle und Tiſche der weſt lichen Ziviliſation nicht kennen, ruhen friedlich auf den diden , länglichen Matten, die aus Reisſtroh geflochten ſind, und trinken plaudernd Thee aus winzigen Taſſen und rauchen aus noch winzigeren Pfeifen. Draußen iſt der uns allen ſchon aus Beſchreibungen oder eigener Ans
ſchauung bekannte kleine Garten , deſſen Kiespfade zu Miniaturbrüden über Zwergſeen führen , deſſen kleine
ſteinerne Laternen und ſonderbar verſchnittene Bäume ganz japaniſch ſind. Schreitet man dann wieder durch die
ſchmale Mauerpforte , ſo hat man keinen Zweifel mehr daran, daß die Liu-Riu-Inſeln ethnographiſch unter die perrſchaft des Mikado gefallen ſind. Der Vizegouverneur der Inſeln wurde zum Diner auf die „,Marcheſa" geladen und erſchien mit ſeinem Ses fretär und einem kleinen japaniſchen Doktor, der mit einem Vorrate von dreißig bis vierzig engliſchen und ebenſo viel franzöſiſchen Wörtern den Dolmetſcher machte. Erſt der Cham pagner brachte die Unterhaltung in Gang ; die Gäſte gaben ſich große Mühe, ſich der Meſſer und Gabeln zu bedienen,
und erregten beſonders große Heiterkeit, als ſie unverdroſſen dem Spargel an ſeinem unteren holzigen Ende zuſekten . Shiuri, die Hauptſtadt von Okinawa -ſima, beſißt be
größeres Entgegenkommen zu bezeigen hätten . Die Inſeln
merkenswerte Befeſtigungen , welche innerhalb ihrer drei Linien ein großes Areal umſchließen ; das Mauerwerk hat einen faſt cyklopiſchen Charakter, und die Steinblöcke find mit wundervoller Genauigkeit aneinander gefügt. Außer dieſen drei beſtimmten Linien von unregelmäßig konſtruier ten Befeſtigungen iſt noch ein vollſtändiges Labyrinth von kleineren Mauern vorhanden, zwiſchen denen man ſich leicht
ſind teilweiſe vulkaniſch und gehören zu der vorerwähn-
verirren könnte ; die Zitadelle innerhalb der inneren Linie
ten großen vulkaniſchen Kette. Bei ihrer Landung in
erhebt ſich hier und dort zu maleriſchen Türmen und Zinnen, die eines Malers Auge entzüden können. Einige von dieſen Mauern ſind mehr als 16 Fuß hoch und von enormer Dide, ſo daß ſie in den alten Tagen der Rämpfer mit Bogen und Pfeil und Mann gegen Mann uneins nehmbar geweſen ſein müſſen. Am ſüdlichen Ende des Schloßhofes von Shiuri iſt der Eingang zu dem ehemaligen Palaſte der Könige bon
verbrachte 1854 einige Monate auf Okinawa- ſima, der
größten Inſel dieſes Archipels, und ſchloß einen Vertrag mit den Eingeborenen ab, wonach dieſe den Amerikanern
Napha-Riang, an einem vortrefflich gebauten Damme des
inneren Hafens , wurden die Reiſenden von Haufen neugieriger Eingeborener empfangen , Männer mit Kindern auf ihren Schultern, aber keine einzige Frau unter ihnen.
Die Straßen bieten einen ganz eigentümlichen Anblic, da immer eine kleine Anzahl von Häuſern zuſammenſteht, von der Straße und von einander getrennt durch maſſive Mauern, aus großen Blöden koralliniſchen Kalkſteines hergeſtellt,
Liu-Riu , ein überaus heilig gehaltener Ort , in den vor
von acht bis vierzehn Fuß Höhe und von großer Dide,
Dr. Guillemard fein Europäer eingedrungen zu ſein
nach außen an der Baſis abfallend, gleich denjenigen der
ſcheint. Das lebhafte Intereſſe, mit welchem der Doktor
Im Oſten von Aſien.
durch den von zwei großen ſteinernen Drachen bewachten Eingang in den geheiligten Umkreis eintrat , verwandelte ſich alsbald in arge Enttäuſchung , als er nur feuchte, modrige, zerfallende Reſte der vergangenen Liu-Kiu-Herrs lichkeit vorfand. Während der Beſucher Zimmer um Zimmer durchſdhritt, durch Korridore , Empfangshallen ,
Frauengemächer, durch ein vollſtändiges Labyrinth von Gebäuden vordrang, bot ſich ihm durchweg nur ein Bild ganz unbeſchreiblichen Verfalles. Nach der naturwiſſenſchaftlichen Seite war die Auss beute auf den Inſeln eine geringe ; die Vogelwelt ſcheint
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meln von Fiſchen ; und obgleich Schellfiſch und Häring in Fülle vorhanden ſind, ſo läßt man ſie doch faſt durchweg unbeachtet, da man mit ſo großer Leichtigkeit ſich Lachs ver:
ichaffen kann. Der Schiffsmannſchaft erſchien dieſer Aufent haltsort wie eine Art von Paradies ; das helle ſonnige Wetter und falte Nächte waren eine angenehme Abwechs : lung nach der tropiſchen Hiße, und ihre Mittagstafel fand ſich meiſt mit ungewohnten Lederbiſſen beſeßt. Die Reiſenden letzten ihre Tour nun zu Lande nord
wärts fort , mit Gepäck und Pferden , von der Avatſcha Budyt, bis ſie zu dem Hauptarm des großen Kamtſchatka.
nur wenig vertreten zu ſein. Doch laſſen ſid, hierüber
Fluſſes gelangten, wo ſie ſich Boote und Flöße verſchafften,
noch nicht beſtimmte Urteile fällen , da der Aufenthalt der Reiſenden auf der Inſel ein zu kurzer war und ſie ſich
um ſich von dem Strome hinab zur See führen zu laſſen ; dort ſollte die Yacht ſie wieder treffen . Sie fanden in den Flüſſen unterwegs einen unerſchöpfliden Reichtum von Fiſchen (Salmoniden ). Bei Naſchiki , einer kleinen
ſtets von Haufen der Eingeborenen umgeben fahen, ſo daß
ihnen freie Erforſchung unmöglich wurde. „ So bleiben die Inſeln noch immer ein faſt jungfräulicher Boden für künftige Erforſcher nach den verſchiedenſten naturwiſſen :
ſchaftlichen Richtungen hin ." Von den Liu-Kiu-Inſeln ſteuerte die ,,Marcheſa " nordwärts, auf Kamtſchatka zu , durch die einſamen und
nebligen Gewäſſer des nördlichen Stillen Djeans. Die ſcharfe Spiße des Vulkans Vilutchinska, eines anmutigen Kegels von ungefähr 7000 Fuß Höhe , gab zu gehöriger
Zeit dem Schiffe ſeine Richtung an , welches nun bald
durch den ſchmalen Eingang in die Bucht von Avatída einfuhr , die als einer der ſchönſten Häfen der Welt bes ſchrieben wird und Rio und Sydney an Schönheit über: trifft. Die Szenerie der Küſte des ſüdöſtlichen Ram
Ausbuchtung des Avatſda- Fluſſes , wo der Strom nicht
mehr als 18 Zoll tief iſt, erhielt Dr. Guillemard zuerſt
eine annähernde Animauung von der ungeheuren Anzahl von Fiſchen , welche jährlich dieſes Land beſuchen und von
denen man beinahe buchſtäblich ſagen kann , daß ſie die
Flüſſe ausfüllen . „ Hunderte waren in Sicht, immer einer dicht an dem andern , und als wir den Fluß durchritten, traten unſere Pferde beinahe darauf ; ihre Rüdenfloſſen waren ſichtbar, ſo weit wir den Strom entlang ſehen .
konnten , und auf dem Grunde, oder luftidnappend auf
den ſeichten Stellen, oder ſterbend und ſchon abgeſtorben
tidatta, mit ihren ſteilen Klippen, an deren Fuß nur ein
auf den Ufern waren abermals Hunderte. Der Geruch dieſer verweſenden Fiſche war in einer Entfernung von mehreren Hundert Ellen noch bemerkbar. Das Gewicht dieſer
Vogel landen kann , mit ihren tiefen , der See zulaufen den Thälern, an deren Mündungen noch die aufgehäuften
Lachle ſchwankte zwiſchen ſieben und fünfzehn Pfund, einige hatten ſogar zwanzig Pfund ; es waren meiſt häßliche
Maſſen des Winterſdnees lagen , ihren ausgegadten Feljen, die wie eine lange Reihe rieſiger eiſerner Zähne zum
Fifde , dmußig mit roten und weißen Fleden und von der Ait , welche die Ruſſen Garbuſa nennen ( Salmo proteus) ; aber auch andere in beſſerem Zuſtande waren zu finden , und ohne jede Anſtrengung war ich imſtande, drei gute zehnpfündige Fiſche in ebenſo vielen Minuten
Himmel ragen , muß wunderſchön ſein. Die „ Marcheſa " landete im Hafen von Petropaulowsk, welches wenig mehr
als ein Dorf iſt, mit 200-300 Einwohnern, unter denen acht oder zehn Europäer ſind. Der geringen Zahl von Menſdien ſteht eine ſehr große von Schlittenhunden gegen:
über, die an Abrichtung, Schlauheit und Ausdauer ihres gleichen ſuchen , aber auch oft eine Widerſpenſtigkeit be ſißen, welche durch die heftigſten Sdläge ſich nicht beſiegen läßt ; ſie verſtehen das Jagen und Fiſchen gleich gut und erhalten ſich ſelbſt von dem Wilde und dem Ladie, die ſie ſich fangen , wobei ſie ſelten , ſelbſt bei ſchlechter Bes handlung, ihrem Herrn untreu werden. Indeſſen iſt ihre Freßgier doch ſo groß , daß die Einwohner ſich nicht Sdafe, Ziegen oder andere kleine Haustiere halten können. Rohe Häute, Stiefeln und ſelbſt kleine Kinder ſollen bis: weilen von ihrem Appetit nicht verſchont bleiben. Der Hafen und die Flüſſe von Petropaulowsk wims ? Wir haben einen Teil dieſer Schilderungen ſchon im Jahrgang 1888 ,1 S. 625 in dem Aufſatz „Kamtſchatka , das A. d . R. Land der Lachſe“ mitgeteilt.
mit einem Haken herauszuziehen. Jede andere Methode des Fiſchens würde nußlos geweſen ſein ." Der ungeheure Reichtum an Lachſen, welcher die Flüſſe von Kamtſchatka erfüllt, machte den Wunſch rege, daß der Handel dieſe Schäße weiteren Kreiſen zugänglich
machen möge ; Millionen werden ſchon jeßt gefangen und bilden während des ganzen Jahres die Hauptnahrung faſt jedes lebenden Beſdöpfes auf der Inſel – ſelbſt Rube und Pferde nicht ausgenommen - aber das iſt gar nichts im Vergleich zu den Myriaden, die jährlich ungenüßt um kommen. Die verfaulenden Fijde , welche die Ufer ums fäumen und ſtellenweiſe zu Haufen aufgeſchichtet ſind,
dürfen nicht als Dpfer irgend einer verheerenden Fiſch: krankheit angeſehen werden ; die Erſdeinung iſt von regels mäßiger jährlicher Wiederkehr.
Die Wohnungen der Eingeborenen ſind Hütten , oft mit vorliegenden Ställen , durch die man paſſieren muß,
Im Oſten von Aſien.
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natürlich nicht viel Licht ein. Das Mahl , welches die
den Uskovska, 15,400 Fuß für den Kojerevska und 11,700 Fuß für den Tolbatchingfa. Der erſtgenannte Vulfan hat einen wundervollen ſteilen Abfall und eine unge
Reiſenden in einer dieſer Hütten einnahmen, beſtand aus
brochene Kugelgeſtalt und wird von Dr. Guillemard als
ſaurer Milch , Berghimbeeren , Kartoffeln und weißen
eines der beſten Beiſpiele angeſehen , um zu veranſchau
Rüben .
lidhen , wie ein Berg ſeine ganze Höhe und Geſtalt er: bält von den langſamen Anhäufungen der Aſche und Lava, die ſein Krater auswirft. Die Vulkane von Ramtſchatka
bevor man in den Wohnraum gelangt ; die Fenſter ſind aus Streifen von Bärendärmen zuſammengenäht und laſſen
Die Geſellſchaft gelangte an den Kamtſchatka- Fluß, nicht weit von einem kleinen Dorfe Namens Gunal, wo ſich in etwa zwanzig Hütten eine Bevölkerung von vier: undneunzig Seelen befindet, lauter Nachkommen von Ruſſen , die ſich im vorigen Jahrhundert hier angeſiedelt und mit Frauen der Eingeborenen verheiratet haben. An .
ſcheinen ſeit langen Jahren nicht thätig geweſen zu ſein, bis ungefähr neun Monate, nachdem unſer Verfaſſer das Land verließ, eine Anzahl von Ausbrüchen ſtattgefunden zu haben deint, welche an Großartigkeit denen bon 1737
Reiſenden 400 bis 500 engl. Min . bis zur See tragen follte, nur ein kleiner Waſſerlauf von faum 15 Ellen Breite und nicht mehr als einen Fuß oder 18 Zoll tief. Die Geſellſchaft ſekte ihre Landreiſe bis Sheruwmy fort , wu ſie ihre Pferde ſamt den Pferdejungen entließ und nun
gleich zu ſtellen ſind. Bericht darüber findet ſich nur in der , Japan Gazette “ ; noch zwei Jahre nach dieſen Er eigniſſen waren dieſelben den beiden großen Geographiſchen Geſellſchaften Englands unbefannt. Sie haben zur ſelben Zeit ſtattgefunden wie die ſchredliche Kataſtrophe von Krafatau bei Java (Auguſt 1883 ) ; ſie bedürfen noch ges
die Flußreiſe auf Booten und Floßen begann.
nauerer Erforſchung.
dieſer Stelle iſt der Hauptarm des Fluſſes, welcher die
1
Bei dem
Dorfe Melcova ging ihnen Thee und Zucker aus , fie konnten fich aber wieder damit verproviantieren ; der Thee,
welchen man hier genießt , iſt der gewöhnliche Ziegelthee, wie man ihn auch in den anderen Teilen von Sibirien antrifft ; er wird in Kuchen geformt von 10 Zoll Länge, 5 Zoll Breite und 3/4 Zoll Dicke, durch hydrauliſchen Drud platt gedrückt und mit großen chineſiſchen Zeichen beſtempelt. ,,Ziegelthee iſt für den Ramtſdadalen , was der Kaffee für den Lappen iſt; er wird in der ärmlichſten, elendeſten Hütte gefunden und als ein ebenſo unentbehr liches Lebensbedürfnis angeſehen wie der Tabak."
Der
hohe Preis des Suders macht dieſen für viele unerreichs bar ; die Geſellſchaft kaufte einen kleinen Vorrat, das Pfund zu 18 Pence = 11 Mark 80 Pfennig. Beim Einbruch der Nacht wurden die Floße in der nächſten Bucht an's Land getrieben und die Zelte an dem ſteinigen oder ſandigen Ufer des Fluſſes aufgeſchlagen. Der Speiſezettel der Abend: mahlzeit war fein ſehr abwechſelnder , aber doch das Lu
Als die Reiſenden in Uſt Kamtſdatta antamen , nahe der Mündung des Fluſjes im Dſten der Halbinſel , war ihre Flußreiſe thatſächlich zu Ende; ſie waren nur noch vier Meilen von der Barre an der Flußmündung ents
fernt.
Von einem Ausſichtsturme jahen ſie die heran
nabende ,,Marcheſa ", ſo daß ſie nach vierwöchiger Trens
nung ſich genau zu gleicher Zeit an dem anberaumten Stelldichein einfanden . Außer der ,Marcheſa " traf noch ein japaniſcher Schooner im Hafen ein ; dieſe beiden großen Begebenheiten mußten durch einen Ball gefeiert werden . Dvr Kapitän des ,,Nemo" war ein Swede mit noc einigen Schweden unter ſeiner Mannſchaft. Zur Feſt tafel ichidten die Schweden verſchiedene berauſchende Ge tränke; an gebratenen Enten , Berghimbeeren, Ziegelthee und
anderen famtſchadaliſden Delikateſſen war
fein
Mangel; leere Flaſden dienten als Leuchter ; die Dede des Ballzimmers war niedrig, 10 baß die „ 6 Fuß 3 Soll" hohen Schweden ihre Häupter unter den getrodneten Fiſchen
geſchmortes Birthuhn, Krifente à la Kamtidadale, Him beer - Marmelade und Thee und Kaffee bilden ein ſehr
und allerhand Vorräten , die von den Dedbalken baumelten , hin- und herbewegten ; die Muſikbande wurde durch einen alten Fiedler repräſentiert , welder ununterbrochen der Geſellſchaft fechs Stunden lang zum Tanz aufſpielte.
adytbares Mahl für einen Reiſenden , deſſen Appetit durch
Die Notabilitäten des Dorfes waren anweſend ; das
die kräftige Luft eines nördlichen Herbſtes geſchärft wur: den iſt, und wir ließen ihm faſt immer ausgiebig Gerech tigkeit widerfahren. Wenn dann die Tagebücher geſchrie: ben, die Vogelhäute abgezogen waren und wir unſere leßte Pfeife an dem ruhigen Feuer geraucht hatten , bevor wir uns in unſere Zelte zurückzugen, geſtanden wir, daß Kam : tichatka , mit Ausídluß der Eingeborenen , zu den ange nehmſten Landſtrichen gehöre , in denen wir unſer Lager aufgeſchlagen hatten . " Die Hobe der Vulkane, weldie im Süden des unteren
ſchöne Geſchlecht wurde durch vierzehn Individuen ver treten, die ringsum ſaßen und nach Fiſden roden. Das
ruriöſeſte , das der Verfaſſer je bei ſolchen Gelegenheiten zuſtande bringen konnte: ,,Jägerſuppe , geſottener Ladis,
Teiles des Kamtſchatka - Fluſſes liegen, wurde gemeſſen und
ergab 16,988 Fuß für den Kludhefskaya, 12,508 Fuß für
Ballvergnügen bedreibt der Autor ſo :
„ Ein Tanz hatte gerade aufgehört, als wir ankamen, und wir nahmen unſere Siße ein in völliger Unwiſſenheit von dem , was unſerer barre. Da ließ ſich das Quietſchen der Fiedel hören, und ſogleid ſprangen auch die Damen auf, um ſich ihre Tänzer zu ſuchen ; hauptſächlich drängten
ſie ſich um die beiden Schweden , ſo daß ich als beſchei dener alter Junggeſelle don glaubte, die Rolle des Mauer blümdens ſpielen zu können ; aber es war mir anders beſtimmt; als ich meine Augen erhob, fand ich, daß zwei
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Jm Oſten von Aſien .
ſchöne Dämchen um die Ehre meiner Hand baten, -- ſie ! an der Mündung eines kleinen Fluſſes , famen einige waren nicht verlockend aber was half es ! Der SeeKanus mit Bambus-Maſtenſtüßen an die „ Marcheſa“
bundjäger, der amerikaniſche Rigger und der große Schwede waren idon eifrig bei der Arbeit , und ſo legte ich denn meinen Arm um die Taille der nächſten Schönen und ſtürzte mich blindlings in den Tanz. Zuerſt war die
heran , etwas mißtrauiſd), da man die Anweſenheit von Spaniern fürchtete, zwiſchen denen und den Eingeborenen ſeit mehr als zwei Jahrhunderten Krieg iſt. Bald war
Sache einfach genug ; der Tanz beſtand nur in einem
auf Sulu-Territorium , wo man ſich ſtets wohl fühlen
langſamen Schieben rund um das Zimmer , Seite bei Seite , der Herr mit ſeinem linken Arm frei , die Dame die Muſik mit einer Art von einförmigem Geſange begleitend. Mit dem Tafte nahm man es nicht ſehr genau ; Rauden war erlaubt. Leider ſollte es ſo idön nid )t bleiben ; plößlich hielt die Muſik inne ; jedermann klatſchte mit den Händen und nun entwickelte ſich plößlid) ein „ Ruſſiſcher“ mit – Küſſen ." „ Es gibt Augenblicke, in welchen ſelbſt der ſtärkſte Geiſt zuſammenſchridt; ich warf einen verzweifelten Blick auf meine Partnerin - und mein Herz ſank mir in die Schuhe. ... Ich ſehe die Szene noch vor mir, der rothaarige Seehundjäger beugte ſich nieder , um ſich ſeinem
Schidſale zu unterwerfen , wie ein Held ; id) jah einen tapferen Offizier, der Ihrer Majeſtät in mander Zone gedient, herzhaft bis zum leßten fämpfen. Langſam zog
aber ihr Argwohn beſchwichtigt, und die Reiſenden landeten
wird , wenn man nur nicht für einen Spanier gehalten wird. Die Szenerie von Meimbum beſchreibt der Ver faſſer 10 : „ Hätte ich meinen Leſer auf einen Ort zu führen , 11
der ſo uneuropäiſd wäre, als ich nur irgend einen kenne, ſo würde ich ihn bitten, mit mir Plaß zu nehmen in dem Kanu eines Eingeborenen und die anmutigen Windungen
des Meimbum -Fluſſes mit mir hinaufzufahren. An ſeiner Mündung bildet von den Hütten, die auf mit Seepflanzen bededten Pfählen ſtehen , jede einzelne eine beſondere Inſel. Die Fußböden ſind nur drei Fuß über dem Rande des Waſſers angelegt, was der beſte Beweis für die Thatſache iſt, daß wir hier uns endlich in einer ſturmloſen See befinden .
Auf dem
Soller von Palmſtämmen , vorn am
Eingang , plaudern die Eingeborenen , während ringsum ein halb Dußend kleiner nadter Cupidos ſpielen, bald ſich ins Waſſer ſtürzend, bald auf winzigen Kanus umhers
meiner Partnerin Arm mich nieder ... ihre Lippen wandten
rudernd. Ein wenig weiter, und wir ſind auf dem Fluſſe,
ſich mir zu. Ich bot alle meine Kraft der Selbſtbeherr: ſchung auf... und nun war es vorüber! Dem nächſten Tanz entfloh ich." Nahe der Betchevinskaya- Budyt war die Jagdausbeute
deſſen Waſſer ſo klar, rein und glänzend iſt, daß man ſid) hineinbegeben möchte, ohne erſt die Kleider abzulegen. Gleich an dem Ufer liegt der Marktplaß , ein maleriſches
der Geſellſchaft ergiebig ; es wurden mehrere Didhörner oder wilde Kamtſchatka -Schafe geſdoſjen (Ovis pivicola). Dieſe wilden Schafe beſteigen die ſteilen Abhänge der Seeklippen und werden auch im Innern der Halbinſel
angetroffen ; ſie bilden kleine Herden von drei bis zu neun Individuen. Von den vierzehn erlegten Tieren waren alle männlich und im Alter von drei bis ſechs
Jahren. Außerdem wurden in den zwei Tagen noch einige Seehunde, Krikenten , Wildenten und Strandpfeifer ges doſjen. Zwei ſtark angeſchoſſene Bären wußten in dem
dichten Geſtrüpp zu entkommen. Das wilde Schaf gibt
Durcheinander von Ponies, reifen Bananen, roten Weiber röden (sarongs), Palmblätterbuden und funkelnden Speeren. Dort drüben werden ſeetüchtige Kähne ans Land gezogen, deren mächtige Hinterteile mit dem ſeltſamſten Sønißwerk
bedeckt ſind. Dann , durch eine kleine Ausbreitung , be: grenzt von der Nipa -Palme, deren anmutige Wedel, 30 bis 40 Fuß lang, direkt aus dem Stamm kommen , gelangen wir in eine Art von oberer Stadt , wo die Häuſer bald
innerhalb, bald außerhalb des Waſſers gebaut ſind. Der Ort iſt durchaus vollkommen in ſeiner Sdönheit und Seltſamkeit. Oben ruht das Auge auf einem Reichtum von Grün -- Bambus, Bananen , Betelpalmen , mit ihren
ein köſtliches Fleiſd), ſo daß allſeitig erklärt wurde, man
goldenen eierartigen Nüſſen. In dieſen glüdlichen Klimaten
habe noch nie ſo wohlídmedendes Sdöpſenfleiſch gegeſſen .
wadſen die Bedürfniſſe des Menſchen vor ſeiner Thür; Kälte und Hunger , Elend und Mangel ſind Worte , die für ihn keine Bedeutung haben. Die Ziviliſation iſt frei lich hier nicht anzutreffen , aber für den Augenblick wenig
Was man nicht gleich verzehren konnte, wurde für ſpäteren Gebraud eingeſalzen ; darüber , daß Kamtſchatla ein vorzüg: liches Jagdland ſei, war man allſeitig einig. Dr. Guille-
mard berichtet über 186 Vögelarten auf der Halbinſel. Die „,Marcheſa " ſteuerte nun wieder dem Süden zu,
nad den Sulu-Inſeln , im Nordoſten von Borneo, denen ſich nun ſechs Wochen lang die Aufmerkſamkeit der Reiſenden zuwandte. Die außerordentliche Stille der See in
ſtens haben wir fein Verlangen darnach." Troß der Nähe von Borneo und den Philippinen iſt
war die glänzende Oberfläche nid)t von einem einzigen Lufthauche berührt , ſondern auch nidt die Spur einer
die Flora und Fauna doch eine von der dort vorhandenen merkwürdig verſchiedene. Die der erſteren iſt faſt typiſdy indiſdy-malayiſd in ihrem zoologiſchen Teile, während die Flora eine gleid große Aehnlichkeit mit der der malayi: den Halbinſel hat. In phyſiſder Beziehung aud) iſt Borneo , gleich Java und Sumatra , mit dem Feſtlande
Schwellung war ſichtbar auf der ſpiegelglatten Ebene.
burd) eine unterjeeiſde Bant von großer Ausdehnung ver:
Alles glühte vor Hiße. Als ſie bei Meimbum anferten ,
bunden, über der das Waſſer nicht ſehr hoch ſteht, ſo daß
dieſen Regionen war ihnen zunächſt auffällig ; nicht nur
Ausland 1890 , Nr. 2 .
6.
Aus der Südíce.
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in einer früheren Erdperiode Borneo mit dem Feſtlande
Vogel, Mixornis bornensis, der ſich ganz in das Gewebe
vereinigt war und die ſüdöſtliche Grenze des großen aſia
einer Spinne von der Art Nephila verwickelt hatte. Er
tiſchen Kontinents bildete. Anders iſt es mit den Philips
Geographiſch gehören die Sulu - Inſeln zu den Philippinen,
ſagt: ,,Dieſe Gewebe ſind in den tropiſden Forſten dieſer Gegenden oft ſehr groß und von bedeutender Feſtigkeit, aber doch erſtaunte ich , daß ſie imſtande waren , einen Vogel von der Größe eines Goldfinken feſtzuhalten. So befreite den Vogel, bedauerte es aber gleich nachher, weil ich gern den Verlauf des Trauerſpiels gekannt hätte. Die Spinne hatte ſich durch das ſtarke Schwanken ihres Gewebes bei dem großen Fange nicht abſdyrecen laſſen , ſondern hielt ſich ganz in der Nähe." In dieſer Gegend wurde der „ Marcheſa “ auch ein Drang-Utan zum Geſchenk gemacht, der ganz erſchreckend wild ausſah und deshalb zunädyſt in einem feſten höls zernen Käfig eingeſperrt wurde und durch die Barren mit der äußerſten Vorſicht gefüttert wurde. „ Eines Tages
denen ſie aud) politiſd ſeit 1885 zugeteilt ſind. Die Geſchichte des Archipels würde nur aus Beridyten
indeſſen gelang es ihm , zu entwiſchen, und wir entdeckten plößlich, daß er von ganz harmloſer und leicht zugänge
über fortwährende Bürgerkriege beſtehen , welche zwiſchen den Eingeborenen und den verhaßten Kaſtilianern gewütet
licher Dispoſition war. Von dieſem Augenblick an wurde ,Bongou' das Lieblingstier des Schiffes und ebenſo von der Mannſdaft wie von uns ſelbſt verwöhnt. Indirekt war dies ohne Zweifel die Uijache ſeines Todes , eines
pinen- Inſeln , welche entſchieden in ihrer Fauna und Flora inſular ſind. Nur eine Art von Affen bewohnt den Ardipel, während zahlreiche Arten auf Borneo und den anderen
indiſch-malayiſchen Inſeln gefunden werden, Elefant, Rhi nozeros , Tapir und Tiger fehlen , und es gibt nur eine kleine Anzahl von Wachteln. Unter den Vögeln ſind nicht viele malayiſche Arten vorhanden , während andererſeits
Hühnerarten , wie die in Neu-Guinea häufigen Megapodien,
und zahlreiche Taubenarten die Philippinen bewohnen. Dr. Guillemaro brachte von den Sulu - Inſeln mehr als
zweihundert Vögel für ſeine ornithologiſde Sammlung mit, die vierundſechzig verſchiedenen Arten angehörten.
haben , ſeit der Zeit der Beſißergreifung der Philippinen
durch die leßteren und deren Anſtrengungen , ihre Macht
in Sulu zu befeſtigen. Durch das Uebereinkommen zwiſchen
viel beklagten Ereigniſſes, das einige Monate ſpäter an
England, Spanien und Deutſchland, 1885 , iſt die Ober
der Küſte von Celebes ſtattfand." Ein ſehr guter Holz ſchnitt führt in dem Buche Guillemards uns „ Vongou " vor ; philoſophiſche Forſchbegier und gut gelaunte Geſellig keit ſind auf ſeinen Zügen ausgeprägt.
hoheit Spaniens über den ganzen Archipel anerkannt, d. h. über alle Inſeln, welche zwiſden Mindanao und der Küſte
von Borneo liegen . Spanien entjagt allen Anſprüchen an Nordborneo und einige kleine naheliegende Inſeln zu Gunſten Englands und erkennt die britiſche Oberhoheit über alle Inſeln an, welche innerhalb eines Gebietes von
(Schluß folgt . )
drei Meilen von dem Hauptlande Nordborneos gelegen
Aus der Südſce.
ſind; auf dem Sulu-Archipel foll vollkommene Freiheit des Handels und der Schiffahrt ſein.
(Schluß .)
Noch einer Pflanze ſei Erwähnung gethan , welche die Sulus auf ihren Kirchhöfen didt an die aus Holz
würdigkeit und dildert die beſtehenden Verhältniſſe redyt
geldinißten Monumente pflanzen, es iſt dies die Champai,
eine Michelia-Art, die bei den Eingeborenen „ des toten Mannes Blumenbaum " heißt. „ Buddhiſten und Moham medaner pflanzen den Champai auf ihre Gräber ; wir würden dies auch thun , wenn es uns das Klima ge ſtattete ; Tag für Tag, durch das ganze Jahr blüht dieſer Baum ; Tag für Tag fallen die zarten, weißlichen Blüten auf das Grab und behalten ihre Friſche und ihren Duft, wie keine andere Blume. Wie kurze Zeit nach ihrem
Tode finden wir die Gräber unſerer Lieben geſchmückt ? Hier zeigt ſich die Natur warınherziger und weniger zum Vergeſſen geneigt : ſie legt täglich ihre Spende von Cham pai-Blüten auf die Ruheſtätte."
Zu Kudaf im britiſden Nordborneo, wo die Geſell daft eine Wodye verweilte , konnte der Doktor ſeine 300
logiſche Sammlung bedeutend vermehren. Auf einem ſeiner Morgenſpaziergänge den hübſchen Dſchungelprome naden entlang, an der Bucht hin , welche mit Cycas und und Caſuarina eingefaßt iſt, ſtieß er auf einen kleinen
Der Bericht verliert alſo nichts an ſeiner Glaub Am Abend nad, meiner Ankunft ſtrahlten die Lichter der Kriegsſchiffe im Hafen, und man hörte die anſdaulich .
11
Glodenſchläge und das Anrufen der Wadyen. An der Bai wandelten Sdaren von Eingeborenen auf und ab,
aus denen die weißen Jaden der Fremden ſich abhuben. Gruppen lachender Mädchen und Jungen zogen an unſerer Thür vorbei und ihre ,, Talofas" famen zu uns hinüber, ſanft, klar und gaſtlich. Keine Stimmen in der Welt
ſind ſo lieblid, wie die der Polyneſier Samoas, Tongas und Hawaiis. Neben ihnen ſind die Italiener, Merikaner, Inder rauh in ihren Aeußerungen . Id hörte oft ihr Geſpräd, an , und es war nur ein langſames und faſt un : merkliches Bewegen der Lippen , während die Töne ſo ſanft und flüſſig waren, daß man ſie kaum hören konnte, und dod deutlid ). Neben mir ſaßen die drei Häuptlinge mit bloßen Beinen,
nur mit lava lava und kleinen offenen Jaden, da ſie in
der Stadt waren, bekleidet, mit einem Kranz von Knoſpen um
den Hals.
Ihre braunen Geſid ter drüden Selbſt:
Aus der Siidſee.
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beherrſchung und Intelligenz aus, Würde, Artigkeit und | Häuptling bewillkommte uns zuerſt mit ſeinem Fliegen Gelehrigkeit in den Sitten. Salus Kopf iſt der eines Staatsmannes mit ſtarkem Kinn, dunklen , nadıdenkenden
und dabei entwickelte Salu eine Kenntnis der Z :itgeſchidhte,
einem gewiſſen Grade königlich. Id wurde ihm vorge
die wunderbar war, ſprad vom Kriege in Afghaniſtan, der Riel-Rebellion in Canada, dem Zulukriege, von Sanſibar, dem
ſtellt, ein Begleiter brachte eine Bank und warf darüber
Aſchanteekrieg, den alten Wirren in China, der franzöſiſchen und in Cayenne, der polyneſiſchen Politik des Sir G. Grey,
König ſaß zu Ehren ſeines fremden Beſuchers auf einem modernen Stuhl, und alle ſeine Häuptlinge und ſein Par lament ſaßen rund umher im Zimmer ſchweigend , wach
dem Charakter der engliſchen Koloniſation im Gegenſaß zur deutſchen und den entgegenzutretenden mächtigen Hinder-
unglüdliche Lage Samoas und die Wirren berührte, wies
Augen unter breiten Brauen. Ein wohlgepflegter Sdnurr: bart verleiht dem Geſichte Feſtigkeit und der ganze Ausdrud zeigt Ueberlegung. Leapais Aeußeres zeigt Idealität, Ueberrebungskraft, Ehrenhaftigkeit im Urteil und Ueberlegung. Sea iſt praktiſch tüchtig und klar. Die drei ſind die beſten Ratgeber Mataafas und wiſſen am beſten mit Europäern umzugehen, zeigen dabei eine Einſicht in politiſchen Angelegenheiten, die an „ Wilden " jeden in Erſtaunen feßen muß. In unſerer Unterredung berührten
Koloniſation auf den Neuen Hebriden , in Neukaledonien
niſſen bezüglich reiner Eingebornenregierung vom euro-
päiſchen Standpunkt aus betrachtet. Und doch war das
ein Mann, der in Sydney eingeſperrt würde, bis er ſich in Kingſtreet Kleider gekauft hätte, ein Mann, welchen die Nationen nicht beachteten , wenn er als Bürger ſeines Landes die Intereſſen desſelben auf einer Konferenz zu vers
treten hätte. ,,Wir ſind Wilde, Vieh, und fein Volk in den Augen der Deutſchen,“ ſagte Salu, „ ſonſt hätte man unſern König Mataafa, der neun Zehntel der Häuptlinge und des Volkes auf ſeiner Seite hat, anerkannt. “
Am andern Morgen ritt ich mit meinen drei Begleitern unter rieſigen Kokosnußpalmen , durch Zitronen :
heđen und Drangenhaine, Wälder von Apfelbäumen und Brotfruchtbäumen, Hibiskus und Oleandern auf dem Wege zum Lager ; in einem Fluſſe badeten die Eingeborenen, ohne an Krieg und Kriegsgeſdrei zu denken . Da ging ein Mädchen mit zwei Remingtongewehren auf der Schulter zur Stadt, ein Jüngling folgte mit Speeren und weitere andere ſtattliche Krieger , die uns mit Talofa begrüßten. Einige trugen einen Roſenkranz am Hals , an der ein Kruzifix hing, wie denn Mataafa felbſt Katholik iſt, ohne
*****
wir die famoaniſchen Schwierigkeiten nach allen Seiten,
webel über der Sculter und dann wurden wir in das Beratungszimmer des Königs geführt. Ich hatte Zeit mich umzuſchauen, ehe er kam. In der Mitte befand ſich ein großes Pult und wenige Stühle ſtanden umher. In einem Winkel lagen ein Paar Revolver und auf den Dachs ſparren ein Gewehr und eine Rolle herrlicher Matten. Schöne Matten lagen auf dem Boden und hingen an den Seiten des Hauſes. Der König trat mit ſeinen Häupt lingen ein. Er trug ein breites , weißes lava lava und eine loſe weiße Jade. Er war groß und ſtattlich. Sein graues Haar war zierlich von ſeiner ſchönen Stirn zurück gebürſtet und ſein Benehmen war anmutig und bis zu
ein ſchönes Tappakleid , auf das ich mich ſeßte. Der
ſam , ſittſam. Id redete den König an , indem ich die ,
auf die Stellung der Großmächte und drückte zu Gunſten der Auſtralier einen Wunſch aus , daß der Tag beſſerer Dinge für Samoa ' kommen möge. Dann herrſchte eine Zeit lang Stillſchweigen. Es folgte eine kurze Konferenz der Häuptlinge und Berater , der Mataafa mit vor ſich gefalteten Händen zuhörte, indem ſein hübſches, asketiſches Geſicht keinen Muskel bewegte, und als Stille um ihn war, antwortete er, während Selu mir ſeine Rede verdol
metſchte. Er begann mit Dank gegen Gott , daß es ihm erlaubt ſei , vor ſich, ſeinen Häuptlingen und Ratgebern einen Mann willkommen zu heißen, der aus einem großen Lande komme, ein guter Nachbar in einer Friedens geſandtſchaft ſei und der Welt die Wahrheit über Samoa ſage. Er beklagte die bedrängte Lage ſeines Landes, aber er hoffte, daß , wie ſein Gaſt ſagte , wie die Sonnen vorübergingen, Samoa Frieden finden werde. Er wünſche
kein Blutvergießen. Sein Volk in Samoa ſei nicht groß, und er wolle dasſelbe, wenn er könne, vor weiterer Zer ſtörung bewahren . Er ſehe einen Freund , einen großen Freund in England und in der großen Nation der Vers
einigten Staaten, und er blicke auf Auſtralien, das wegen
dadurch an Ergebenheit ſeiner proteſtantiſchen Anhänger zu
ſeiner Nähe mit klarerem Auge ſehen könne, um England zu
verlieren, welche nur Ausdehnung der franzöſiſchen Herrſchaft
veranlaſſen zuzuſehen , daß Deutſchland nicht mehr von Samoa oder von Macht in Samoa erhalte, als ſie anderen Nationen gegeben ſei. Samoa wünſche, alle an ſeinen Ufern willkommen zu heißen, wenn ſie zu Gutem und nicht
von Tahiti aus befürchten, die ſie ebenſo verſchmäben wie
die deutſchen Angriffe. Endlich ſianden wir unter einer feſtgebauten Palliſade , links davon lief eine ca. 4 ' hohe Steinmauer und weiter hinauf auf dem Berge Haufen von Sandjäden . Wir betraten das Fort und ſchritten durch die Gaſſe von Eingeborenenhäuſern, in denen viele Krieger und Frauen
zu Böſem
kämen .
Er dyloß , indem er ſich wegen der
dürftigen Gaſtfreundſchaft, die er ſeinem Gaſte bieten könne, entſdyuldigte, und wünſdhte , daß dieſer für immer leben möge.
Dann folgte ein langes Geſpräch über
verſchiedene Dinge. Id bemerkte ſdon , wie Miniſter der
ſaßen. Dann kamen wir zu zwei größeren Häuſern als die übrigen. Das eine zur Redten war das eines großen
Krone ſorgfältige und geſchickte Antworten auf ſchwierige
Häuptlings , das zur Linken das des Königs. Der dide
Fragen gaben, doch hörte ich nie diplomatiſchere Antworten
Aus der Siidſee.
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und geſchidter konſtruierte Erwiderungen als die von Mataafa und ſeinem Rate auf geſtellte Fragen erteilten. Einige Bemerkungen des Königs, die mir Salu deutete, waren eines Staatsmannes würdig und tief politiſch . Sie
waren frei von Erregung oder falſcher Effekthaſcherei und die
Mit einem hiſtoriſchen Rückblicke und einer Sdildes
rung der jebigen Zuſtände auf Samoa, der fremden A11
ſprüche und Politik, ſchließt die Reihe der Artikel und berührt ſich hier im weſentlichen mit den Darſtellungen , die kürzlich in deutſchen Tageblättern, wie ,, Rölniſchen Zeitung" und „Deutſche Kolonialzeitung “ Nr. 14, 1889, erſchienen ſind, indem ſie auf Dr. Turners Buch über Samoa ihre Angaben ſtüßen. Neu darin dürften die Hinweiſe ſein, daß
Erwiderungen oft wieder ſo einfach und klar wie Sonnenlicht. Die ganze Zeit über ſaß des Königs Sekretär auf einer Matte neben ihm , mit einer Rolle Papier , Feder und Tinte an ſeiner Seite , wandte eine Anzahl Briefe
auf der 1722 von Roggeveen entdecten, von Bougainville
um oder macte Notizen über das, was ich ſagte. Mataafa
1768 genauer erforſchten Gruppe Deutſchland nicht die
wünſcht eine Regierung von Eingeborenen , denen weiße Männer vol Weisheit und Beſonnenheit zur Seite ſtehen ,
einzige Nation geweſen iſt, die dort Krieg geführt hat.
die von England oder den Mächten ernannt werden, nicht
von den Konſuln.
Er will keine ſolche Vorſchläge in Erwägung ziehen, wie ſie ihm Dr. Knappe machte , daß er über die Samo: aner und daß die Deutſchen über die Fremden herrſchen ſollten. Er iſt ſchlau genug , die Thorheit eines ſolchen Vorſchlages zu durchſchauen, und ſelbſt wenn er ſid verleiten
ließe, zuzuſtimmen, ſo ſind die Prieſter der Miſſion da, die
ihm abraten würden. Als Beweis , daß die Antipathie der Samoaner gegen die Deutſchen nicht unvernünftig iſt, möchte ich die Thatſache anführen, daß Mataafa und ſeine
Häuptlinge des frühern deutſchen Konſuls ,,Dr. Zembſd) " (?) lobend, ja mit Liebe gedachten ; er ſei abberufen , da er nicht gegen ihre Intereſſen handeln wollte. Während dieſer Konferenz trat ein Begleiter mit einer großen Kales
Das erſte Gefecht mit Europäern fand 1787 auf Tutuila ſtatt, als Mr. de Langle und andere, die zu der unglüd lichen Erpedition von La Perouſe gehörten, dort getötet wurden. Hier waren die Franzoſen die Angreifer , denn
ſie töteten einen Eingeborenen wegen Diebſtahls. Die erregten Eingeborenen überfielen die Partie an der Bai
und töteten de Langle, einen anderen Offizier und 10 Leute von der Mannſchaft. Alsbald wurden ſie als eine blut dürftige, verräteriſche Raſſe beſchrieben und galten als Rolche, bis die Miſſionare, beſonders der treffliche Williams mit adyt Begleitern, die 1830 zur Zeit eines ſchredlichen Bürgerkrieges dort landeten , bewieſen, daß ſie nicht ſo ſeien, und ihr Liebeswert begannen, das nur durch den böſen Einfluß weißer Händler und Abenteurer, die ſchlimme
Laſter mit ſich brachten, geſtört wurde. Jeßt wirken neben der franzöſiſchen Mariſten - Miſſion adyt Miſſionen der
baſje voll Rawa ein und ſtellte ſie vor einen andern Eins geborenen. Dann begann die feierliche Handlung. Alle
Londoner Miſſionsgeſellſchaft mit 177 eingeborenen Geiſt
in der Runde klappten mit den Händen, und unter einem eigentümlichen Geſange goß man die Kawa in eine Bowle, indem alle aufgefordert wurden, zu ſehen und zu trinken, worauf der Name des erſten Empfängers gerufen wurde. Dies war der König. Ein zweiter Diener empfing knieend
Sawaii, Tutuila, Manua und die Zahl der Bekehrten beläuft ſich auf ca. 29,000, alſo bei 38,000 Einwohnern
lichen und 166 Predigern auf den vier Hauptinſeln Upolu ,
ca. 80 Prozent. Das Nähere findet ſid, in der ,, Deutſchen
Kolonialzeitung “ 1889, Nr. 14 . Im Jahre 1876 fand aud) ein Gefecht zwiſchen den
die Bowle von dem erſten und reichte ſie demütig dem
Samoanern und einer Abteilung des engliſchen Kriegs
König. Dieſer tranf nicht viel , um mich nicht zu be: Ich dachte nicht lange an die Zubereitung,
ſchiffes ,, Barracouta“ ſtatt, in dem einige Seeſoldaten und Eingeborene getötet wurden. Erſtere hatten den unruhigen
welchen Prozeß der Trant zwiſchen den Zähnen dunkler
Premierminiſter Colonel Steinberger feſtgenommen und
Samoanerinnen durchgemacht hatte , ſondern ſchloß die Augen, trank ein, zwei, drei, vier, fünf Züge, atmete auf
nach Fidjdi gebracht, worüber große Aufregung unter
ſchämen .
und wagte innezuhalten und zu dymeden . Es war nidyt jo
den Eingeborenen entſtand. 1878 hißte Konſul Griffin zu
übel wie ich dachte, und zum Entzücken der Anweſenden
erſt die amerikaniſche Flagge, um britiſche Beſißergreifung zu hindern, da der damalige Gouverneur von Fidſdi, Sir
nahm ich noch einen langen Zug.
Arthur Gordon, die Annahme des Vertrages zwiſchen Eng
3c fonnte nun ficher
ſein , fein unwillkommener Gaſt zu ſein. Das Geſpräch wurde fortgeſeßt , während wir einheimiſche Cigaretten rauchten und ich die ölige Wärme der Kawa innen fühlte, äußerlich fühl.
Endlid jagte id dem tapfern Könige
Lebewohl , beſtieg mein Pferd und ritt unter einem Chor von „Kofas“ mit Salu und Sea weg , die mir noch die Befeſtigungen zeigten. Seds Meilen erſtrecken ſich dieſe und bieten den Angegriffenen große Vorteile. Durdy
land und Samoa betrieb. 1886 flatterte aufs neue die amerie
kaniſche Flagge auf den Regierungsgebäuden , um Deutſchland entgegenzutreten, da Dr. Stuebel 1885 die deutide kaiſerlidye Flagge gehißt hatte, was 1888 wiederholt wurde. Hiſtoriſch, das mag man dem Verfaſſer zugeben, haben die Engländer die erſten Anſprüde, da ihre Händler und Miſſionare zu : erſt in Samoa arbeiteten und vor 50 Jahren ſchon eng
liſche und amerifaniſde Konſulen auf den Sdifferinſeln
Reihen bronzefarbener Soldaten ging der Weg , an der
ernannt waren .
Palliſſade rief id) ihnen noch ein Sofa zu und ritt wieder
Die deutſchen Intereſſen begannen erſt
mit dem Jahre 1857 , wo die Hamburger Firma Apia
nad Apia zurüd ."
zum Mittelpunkt ihres Handels in der Südſee machte
Aus der Sidſee.
die amerikaniſchen um 1870, die ſich 1878 zu einem Handelø vertrage erweiterten, indem die Vereinigten Staaten fidh
Pago-Pago als Kohlenſtation, den Inſeln dagegen die Auto : nomie ſicherten. Die neueren Vorgänge ſind zu bekannt, als daß ſie hier noch weiter zu berückſichtigen wären. Zum Sdiluſſe ſollen nur noch die thatſächlichen Beſi verhältniſſe und der Bericht über den Stand der deutſchen Plantagen Samoas auch hier angeführt werden , wie die neueſten Veröffentlichungen folche darſtellen , da manchem Leſer des „ Auslandes " dieſelben vielleicht willkommen ſind. Nach den Angaben der Kolonialzeitung " und der „ Rolniſchen Zeitung" kommt für die Beſißverhältniſſe .
nur die Inſel Upolu in Betracht, da ſonſt nur Sawaii
33
ihr treiben einige kleinere deutſche Firmen , wie Ruge u. Comp., ohne Plantagen und Zwiſchenhändler Handel.
Die engliſchen Handelsintereſſen vertreten außer den zwei kleinen Plantagen das Haus Mr. Arthur u. Comp., ein Zweiggeſchäft eines neuſeeländiſchen Hauſes und kleinere Händler , die amerikaniſchen einige kleine amerikaniſche Firmen , deren Kopra -Ausfuhr aber kaum 800 Tons im Jahre erreicht, und die Wirte. Aus Anlaß von Aeußerungen, die in der Reichs tagsfißung vom 15. Januar 1888 über die Deutſche Handels- und Plantagengeſellſchaft der Südſee-Inſeln in
Hamburg gemacht wurden , in denen Herr Richter ſagte,
in Angriff genommen iſt. Auf Upolu ſind 2/5 (24,000 bis 28,000 ha) im alleinigen und unbeſtrittenen Beſit
ſie ſolle von ihren 25 Millionen in Samoa in 10 Jahren 20 Millionen verloren haben, ging befanntlich dem Reiches fanzler ſeitens der Direktion eine Eingabe am 1. Februar
der Deutſchen Handels- und Plantagengeſellſchaft, der
vorigen Jahres zu, in der ſie unter anderem die Gründe
Nachfolgerin der Hamburger Firma Godeffroy und Sohn.
zur Abſdyreibung der Hälfte des Aktienkapitals (das früher
Von dieſen ſtehen 3200 ha unter Rultur, ivährend vom
5 Millionen Mark betrug) motivierte und über den Stand ihrer Plantagen Daten gab. Darnach betrug der Verluſt im kaufmänniſchen Teil des Geſchäftes ca. 630,000 Mark, der beſonders durch die ſcharfe, von Neuſeeland aus ge leitete Konkurrenz des engliſchen Handels herbeigeführt
Reſt die Ernte von den wildwasſenden Rofosbäumen eingeheimſt wird. Von den unter Kultur befindlichen Landſtrecken liegen ca. 2000 ha ganz in der Nähe von
Apia und erſtreden ſich von dort ins Land hinein . Nad dem die Bäume geſdılagen ſind, werden während der erſten drei Jahre Baumwolle , dann Kofospalmen gepflanzt, die nach ſieben Jahren die erſten Früchte tragen und im
fünfzehnten Jahre ihre Blüte erreichen. Auch Viehzucht wird auf den Plantagen getrieben , um den Boden vom
(dnell wachſenden Unkraut zu ſäubern . Außerdem wird auf Utumapu Kaffee gebaut, und zwar betrug die Kaffeeernte 1888 bon 450 Acres ca. 90,000 Pfund.
Auf 40 Stationen
Upolus tauſchen weiße Händler Ropra ein. Die Arbeiter werden mit dreijährigem Vertrage wie in Fidſchi unter Aufſicht des deutſchen Ronſulats auf den Salomos, Ellice-, Kingsmills, Neu -Hebriden -Gruppen angeworben und unter Aufſicht zurückgebracht, haben Veſchwerderecht, ärztliche Pflege, Kleidung , eine beſtimmte Arbeitszeit von 6 bis
wurde, die aber nachgelaſſen hat, nachdem die Annerions beſtrebungen ſeitens Neuſeelands als ausſichtslos erkannt worden ſind. Durch Annahme der Samoa-Vorlage wäre eine kapitalkräftige Entwidelung des deutſchen Südſees Unternehmens ermöglicht, die kommerzielle Ronkurrenz und politiſche Eiferſucht der Engländer und Amerikaner nicht hervorgerufen und die traurigen Zuſtände und Ereigniſſe der leßten Jahre nicht herbeigeführt worden. Das Aktienkapital der Geſellſchaft von 5 Mill. war eingeteilt in 24/2 Mill. Lit. A und 24/2 Mill. Lit. B, wovon die erſteren durch Anſpruch auf eine prioritätiſche Jahresdividende von 5 Prozent bevorrechtigt waren . Dasſelbe iſt nun herab geſeßt , indem die Aftien Lit. B auf 10 Prozent ihres Nominalwertes (alſo 250,000 M.) reduziert wurden, aber
11 Uhr morgens , von 12 bis 4 Uhr nadymittags , Sonn
Gleichſtellung mit den Aktien Lit. A erlangten , ſo daß
tags Feiertag ; ihre Zahl iſt ca. 750 .
das Aktienkapital jeßt 2,750,000 M. in gleichberechtigten Aftien ſtatt 5 Mill. Lit. A und B von verſchiedenem
Der engliſche Landbeſig auf Upolu beträgt ca. 3200 ha mit nur zwei Plantagen im Geſamtumfange von ca. 200 ha ;
Werte beträgt.
der amerikaniſche vier Landesteile, ca. 3600 ha, der Cen
Das Plantagenunternehmen hat ſich als rentabel ers
tral Polynesian Land Company gehörig, und ca. 400 ha
wieſen , obgleich auch hier die unſicheren politiſchen Zu ſtände ſtörten. Das Areal der im dönſten Zuſtande be findlichen Pflanzungen war Ende 1888 3200 ha und in ihnen iſt einídließlid Gebäude und Inventar nebſt Vieh ſtand (ca. 1300 Stück Rindvieh) ein Rapital von etwa 24/2 Mill. M. angelegt. Dbgleich jeßt nur ca. 1400 ha einen Ertrag liefern, da die reſtierenden ca. 1800 ha aus heranwachſenden , aber noch nicht tragfähigen Palmen bes
von einem Mr. Williamſon beanſprudyt , ohne Plantage. Noch mehr tritt das deutſde Uebergewicht in dem geſamten Handelsverkehr auf den Inſeln hervor ; Hunderte von Stationen der Geſellſchaft befinden ſich unter europäiſchen Händlern auf den Samoa: und den umliegenden Inſeln , auf denen ſich je ein Mittelpunkt für die einzelnen bändler
befindet , die dann wieder durch der Geſellſchaft gehörige Segelfutter mit der Hauptſtation in Apia in fortwähren dem Verkehr ſteben, Tauſdwaren beziehen , Kopra abliefern. In Apia beſchäftigt die Geſellſchaft ca. 30 Comptoiriſten , auf den Plantagen Upolus ca. 40 Stationshalter, außer dem mehrere Hundert Händler auf anderen Inſeln. Neben
ſtehen , ſo verzinſte der Reingewinn das Geſamtkapital 1887 mit 2 Prozent, 1888 mit 4 Prozent. Bailele ergab 1886 bis 1887 bereits einen Zins von 5 bis 6 Prozent,
obſchon erſt die Hälfte des Palmenareals ertragfähig iſt. 3n drei bis vier Jahren dürfte ſomit das in den Pflan
34
Die Kolonie Neu.Siidwales .
zungen angelegte Rapital einen Zins von 8 bis 10 Prozent bringen. Der Erlös aus den von den Pflanzungen ge lieferten Erzeugniſſen betrug nad Abzug aller Verpadungs und Verkaufsſpelen , ſowie Frachten nach Europa 1886
705 weibliche) geſunken und geben dem Ausſterben raſch entgegen. Geboren wurden 37,236 (+952) und 13,448 ( - 1139) ſtarben . Es wanderten auf dem Seewege ein
ca. 335,000 M., 1887 ca. 330,000 M., 1888 ca. 400,000 M.
wunderbar ſchönen Hafen Port Jacſon gelegene City of Sydney, Hauptſtadt, zählte 125,850 Seelen (+ 1479 )
„Nach Darlegung dieſer Thatſachen bedarf es wohl keines weiteren Beweiſes, daß die Pflanzungen der Geſell ſchaft ein vielverſprechendes Unternehmen ſind, das idon jeßt , obgleich noch kaum die Hälfte des Areals ertrages
fähig iſt, einen mäßigen Zins auf das angelegte Kapital abwirft und in wenigen Jahren, ſelbſt bei Fortdauer der
gegenwärtig ungünſtigen Preiskonjunkturen für Baumwolle
67,605 ( -2783) und 44,089 - 2193) aus. Die an dem
und mit den Vorſtädten 350,866 ( + 16,568) .
Die Zahl
der Selbſtmorde war in dieſer Solonie am höchſten ; ſie betrug 121 ( +26) oder 1.18 auf je Tauſend der Bevöl kerung. Auch das Laſter der Trunkenheit war hier am verbreitetſten . Es wurden 22,706 Perſonen (-3604) -darunter 3477 Frauenzimmer - oder 2.22 Prozent der
und Kopra – den Haupterzeugniſſen der Pflanzungen ganz bedeutende Ueberſchüſſe ergeben wird .“ Damit ſchließt die Darlegung der Direktion und es iſt zu wünſchen , daß die Verhandlungen der Samoa -konferenz dem ſchönen , fruchtbaren Inſelreiche und ſeinem aufgewecten, liebens würdigen , aber leicht erregbaren Volke den Frieden und die ruhige Entwidelung unter dem Schuße der drei Vers
Es beſtanden , bei Schulzwang für das Alter von 6 bis ein ſchließlich 14 Jahren , 2939 (+106 ) Staats- und Privats
tragømächte bringen mögen.
ſchulen, in denen 226,669 Schüler und Schülerinnen von
geſamten Bevölkerung, gegen 2.69 im Vorjahre, wegen Trunkenheit und dabei begangenen Unfugs arretiert und von dieſen 20,596 ( - 3162) vom Polizeirichter beſtraft. (!!) Für das Schulweſen iſt gut geſorgt , der Staat ver
ausgabte im Jahre 1887 dafür 561,087 Lſtrl. (- 30,159).
5811 Lehrern und Lehrerinnen Unterricht empfingen. In den
Volksſchulen beträgt das Schulgeld 3 d. (25 Pfennig)
Die Kolonie Neu -Südwales.
pro Woche.
An höheren Lehranſtalten fehlt es nicht. Im
Jahre 1851 wurde in Sydney eine Univerſität gegründet. Bon entry Greffrath. Neu-Südwales iſt die Mutterkolonie auf dem auſtras
liſchen Kontinente. Sie wurde am 26. Januar 1788 als Straffolonie gegründet und blieb eine ſolche bis zum 12. Mai 1850, an welchem Tage das leßte Schiff mit Deportierten aus England in der Moreton-Bay eintraf.
Die Zahl der Profeſſoren und Lektoren im Jahre 1887 betrug 34. Immatrikuliert waren 132 Studenten (+ 10), und andere 412 Perſonen männlichen und weiblichen Geſchlechts hatten die Erlaubnis, ſich an den Abend: vorleſungen zu beteiligen.
Die öffentliche Staatsbibliothek in Sydney zählte
Sie umfaßte urſprünglich die ganze öſtliche Hälfte des Kontinents , iſt aber jeßt durch die Abtrennung von
75,962 Bände (+ 1638).
Victoria ( 1851) und Queensland ( 1859) zu ſelbſtändigen Rolonien auf ein noch immer ſehr bedeutendes Gebiet von 309,175 engl. Qu. Min . oder 800,454 Qu.-Km. beſchränkt. Der Stand der Kolonie am Schluſſe des Jahres 1887,
42,099,373 Acres (+ 1,038,886) oder 17,036,253 Ha , in
Von dem geſamten Areal der Kolonie waren erſt
Zeugnis ab von dem bedeutenden Fortſchritt, welchen ſie
Privatbeſiß übergegangen und davon 1,048,305 ( + 72,834) oder 414,118 Ha, unter Kultur gebracht. Unter Weizen ſtanden 389,390 Acres ( + 51,660) oder 173,717 Ha, und lieferten einen Ertrag von 4,695,849 Buſhels ( -- 1,172,995 infolge großer Dürre) oder 12.06 vom Acre (40.46 Ar).
in dem erſten Jahrhundert ihres Daſeins gemacht hat.
Ein Buſhel enthält 36.35 Liter. Die Kolonie mußte zur
Derſelbe würde ſich ſicher noch viel günſtiger geſtaltet haben, wenn Neu-Südwales nicht bis zum Jahre 1850 eine Verbrecherkolonie geweſen wäre. Die im Nachſtehens den in Parentheſe beigefügten Zahlen beziehen ſich auf das Vorjahr. Die Bevölkerung belief ſich auf 1,042,919 ( + 40,953)
Dedung ihres eigenen Bedarfs noc Brotſtoffe im Werte von 497,154 Lſtrl. importieren. Nächſt Weizen iſt Mais eine Hauptfrucht. Von 171,662 Acres ( +24,705 ) wurden
über den wir uns im Folgenden verbreiten wollen, legt
Köpfe und war am 30. Juni 1888 auf 1,066,783 ges
4,953,125 Buſhels (+ 1,127,979) geerntet. Wenn auch Neu -Südwales ſich für Zuckerrohr nicht ſo ausgezeichnet eignet wie Queensland, weil das Rohr weniger ſaftig wird und aud) leichter Fröſten ausgeſeßt iſt , ſo hat ſidy
ſtiegen. Zum männlichen Geſchlechte gehörten 574,012
doch auch dieſer Produktionszweig von Jahr zu Jahr
(+ 22,669), zum weiblichen 468,907 ( + 18,284 ). Die eingewanderten Chineſen zählten 16,828, meiſt männlichen Geſchlechtes. Um ihren ferneren Zudrang zu verhindern,
immer mehr erweitert.
Es waren 13,119 Acres ( + 7204 )
muß, auf Beſchluß des Parlaments, jeßt jeder ankommende
oder 5310 Ha , mit dynittbarem Rohr beſtanden und lieferten einen Ertrag von 273,928 Tonnen, aus welchen 450,000 Zentner Zucker (+ 175,000) und 880,000 Gallonen
Chineſe eine Ropfſteuer von 100 ſtrl. an die Staatskaſſe
Melaſſe (+ 373,000) gewonnen wurden. In der Wein
entrichten. Die Eingeborenen der Kolonie waren nach
kultur leiſtet Neu : Sübwales , wie überhaupt Auſtralien,
dem leßten Zenſus bereits auf 1643 (938 männliche und
Vorzügliches. Von 6745 Acres + 905) oder 2730 Ha.,
Die Kolonie Neu -Siidwares.
welche mit Weinſtöden bepflanzt waren, gewann man
35
lebendes Vieh zu 1,469,121 Lſtrl. (+ 531,275), Gold zu
666,382 Gallonen ( + 64,485) Wein und 3606 Gallonen
1,319,934 Lſtrl. ( -- 264,390), Koble mit 1,790,442 Tonnen
Ein Gallon hält 4.543 Liter.
(+ 54,579) zu 960,539 Lſtrl. ( + 6633 ), Zinn zu 829,391 Lſtrl. ( + 361,738), Silber zu 577,145 Litrl. (+85,106),
( +2843) Branntwein.
Ale Südfrüchte gedeihen vortrefflich. An Drangen wurden 8,704,677 Dußend ( +2,327,809) geerntet. An wertvollen Mineralien iſt die Kolonie außerordents lich reich. Bis Ende 1887 war die Ausbeute darin fol : gende : Gold zu 36,863,717, Silber und Silbererz zu 1,806,349, Sinn zu 7,927,876 , Kupfer zu 5,163,228 ,
Eiſen zu 265,465, Kohle zu 19,699,109, Brandſchiefer (Rerojene) zu 1,083,174 und verſchiebene andere Mineralien
zu 129,360 Lſtrl. oder in Summa 72,938,278 Lſtri. Die im Jahre 1851 entdeckten Goldfelder der Rolonie haben gegen ihre frühere Ergiebigkeit erheblich nachgelaſſen. Im Jahre 1852 wurden 818,751 Unzen Gold zu 2,660,946
Häute zu 288,230 Lſtrl. (— 15,651 ), Kupfer zu 266,877 Lſtrl., ( + 99,241), Talg mit 249,907 Zentner ( + 114,892) zu 241,765 Lſtrl. ( + 96,572), Mais zu 63,460 (+ 28,263)
Lſtrl., Nußhölzer zu 94,943 eſtrl. (+ 32,971 ) u. f. W. Es liefen in den Häfen der Kolonie 2815 Schiffe ( +131 ), darunter 1903 Dampfermit einem Tonnengehalte
von 2,142,457 (+ 27,839), ein und 2906 (+ 151 ), darunter 1937 Dampfer mit einem Tonnengehalte von 2,180,301 (+ 36,315), aus.
Die öffentlichen Einnahmen des Jahres 1887 beliefen ſid, auf 8,582,811 Lſtrl. ( + 988,510 ) oder auf den Ropf
Lſtrl., in 1862 619,909 zu 2,860,383 Lſtrl., in 1872
der Bevölkerung 8 lſtrl. 7 sh. 10 d., die des Jahres
434,100 zu 1,634,821 Lſtrl., in 1882 129,233 zu 491,594 Lſtrl. und in 1887 nur noch 108,102 zu 386,771 Lſtrl.
1888 auf
gefunden.
8,886,360.
Aus der Beſteuerung floſſen
2,664,548 (+ 52,713), aus dem Kronlande 2,378,995 ( + 735,040), aus den Eiſenbahnen, dem Poſt- und Tele graphenweſen und anderen Leiſtungen des Staates 3,245,907 2
Eine große Bedeutung durch ihren Reichtum haben die erſt im Jahre 1886 entdeckten Silverton- und Broken
Hill Silberminen in den Barrier Ranges , unweit der
Grenze der Kolonie Südauſtralien, in 31° 58' 1. Br. und 141° 10' ö. L. von Gr. Man gewann aus denſelben im Jahre 1887 insgeſamt 2,370,909 Unzen Silber und 13,458 Unzen Silberblei im Wert von 519,574 lſtrl.
Neu-Südwales beſißt ſeit 1855 das Münzrecht. Es wurden bis Ende 1887 im ganzen 53,484,500 Sovereigns, 2,388,500 halbe Sovereigns und erſt ſeit 1887 auch Silber- und Kupjermünzen zu 800 lſtri. geprägt.
Mit ſeinem Viehſtapel rangiert Neu-Südwales an erſter Stelle. Von den 96,462,038 Schafen ( +10,110,018 ), welche die ſieben auſtraliſden Kolonien am 31. März 1888 beſaßen , fielen 46,965,152 ( + 7,795,848) , von den 9,916,970 Rindern ( + 652 192) 1,575,487 ( + 207,643 ), von den 1,439,484 Pferden ( +66,728 ) 390,609 (+28,946)
( + 156,672) und aus ſonſtigen Quellen 293,361 eſtrl. (+ 44,086). Die Ausgaben dagegen erforderten 9,098,460 2ſtrl. (+ 19,591 ) oder 8 Lſtrl. 18 sh. pro Ropf , im Jahre 1888 nur 8,719,698 eftrl. Die Finanzen ſtehen ſchon ſeit Jahren außer Bilanz, und das Defizit war unter
dem eingeführten Freihandelsſyſtem Ende 1888 auf 2,632,858 Lſtrl. geſtiegen. Man ſcheint ſich aber übers zeugt zu haben, daß die Staatsfinanzen beim Freihandel ſchlecht fahren, und es iſt daher jeßt wieder ein du :
zöllneriſches Miniſterium unter Mr. Dibbs zur Regierung gelangt. Die öffentliche Schuld belief ſich auf 40,995,350 lítrl. ( -38,899) oder 39 ſtrl. 1 sh. pro Ropf der Bevölke:
rung und erforderte zu ihrer jährlichen Verzinſung 1,643,136 Lſtrl.
Auf den Bau von Eiſenbahnen waren
und von den 1,114,171 Schweinen ( -- 29,795) 264,111
29,989,750, auf Waſſerleitungen 3,472,882, auf freie und aſſiſtierte Einwanderung aus Europa 569,930 Lſtrl. 2c.
( + 54,535) auf NeusSüdwales.
verwendet worden .
Der Import des Jahres 1887 bewertete 18,806,236 ( -2,067,312) lſtrl." und der Erport 18,496,917 Lſtrl. ( + 2,940,704). Vom Erport betrafen 15,472,361 Lſtrl.
60,154 Perſonen, teils frei, teils aſſiſtiert, auf Koſten der Kolonie aus Europa nach Neu- Südwales befördert, ſeit
Von 1860 bis Ende 1888 wurden
oder 15 Lſtrl. 2 sh. 8 d. pro Kopf der Bevölkerung die
1887 aber nur noch in ſehr beſchränkter Weiſe. Das Eiſenbahnweſen der Kolonie hat große Fort:
interne Produktion, der Reſt den Re-Export. Der geſamte
(dritte aufzuweiſen. Die erſte Bahn von Sydney nach
Handelsverkehr belief ſich mithin, ſeinem Werte nad), auf 37,303,153 Lſtrl. (+ 1773,392 ), an welchem Großbritannien
Parramatta, 22.5 Km., wurde am 27. September 1855
mit 14,964,624 Lſtrl. (7,998,568 im Import und 6,966,056
im Erport) partizipierte.
Zu den wichtigſten Imports
artikeln gehörten Manufakturwaren, Eiſenwaren, Maſchinen, Eiſenbahnbedarf , fertige Bekleidungsſachen , Brotſtoffe, Kolonialwaren , namentlich Thee (381,258 lftrl.) u. . w.
In feinem Lande der Erde wird ſo viel Thee verbraucht wie in Auſtralien (7.66 Pfund pro Kopf der Bevölkerung). Aus dem Export heben wir hervor Wolle mit 224,295,209 Pfund (+ 50,309,569) zu 9,200,071 Litrl. (+ 2,171,475),
eröffnet, an demſelben Tage, an welchem dreißig Jahre früher die erſte Eiſenbahn der Erde in England in Ver kehr kam . Im Jahre 1865 waren 230, in 1875 761 , in 1885 2860 und Ende 1887 3277 Km. im Betrieb, deren
Bau 26,532,122 Lſtrl. gekoſtet hatte.
Die Jahresein
nahme (1887) von 2,208,295 Lſtrl. ließ nach Abzug der Betriebskoſten einen Reingewinn von 750,534 eſtrl. übrig,
welcher das Anlagefapital mit 2.96 Prozent verzinſte. Sydney iſt nach Norden mit Brisbane, der Hauptſtadt von Queensland, und nach Süden und Südweſt mit Mela
36
Der vulfaniſche Sand in der Eifel und ſeine Bedeutung.
bourne und Adelaide , den Hauptſtädten der Kolonien
und die Größe der Stüde des durchbrochenen Gebirges
Victoria und Südauſtralien, durch Eiſenbahn verbunden .
wechſelt ebenſo vielfach wie das Mengenverhältnis. Dit iſt die räumliche Ausdehnung dieſer herausgeworfenen, rings um eine Deffnung liegenden , geſchichteten Maſſen ſehr gering, oft dagegen von bedeutender Ausdehnung und Mächtigkeit.“ Damals ahnte man noch nicht, daß dieſer vulfaniſche Sand in dem induſtriellen , bezw. wirtſchaftlichen Leben unſeres Vaterlandes eine Rolle zu ſpielen berufen ſein würde, man beſchäftigte ſich eben lediglid mit der wiſſen (daftlichen Löſung der Frage bezüglich der Entſtehung und Zuſammenfeßung der Produkte jener vulkaniſchen
Das Telegraphenneß der Kolonie hatte Ende 1887 eine Länge von 17,253 Km . ( + 166 ) mit einer Draht : länge von 34,510 Km . ( + 1041), deren Anlage 684,600 Lſtrl. koſtete. Es wurden 2,876,504 Depeſchen (+ 215,378)
zu 164,511 Lſtrl. ( + 6383) befördert. Eine bis zehn Worte (ohne Adreſſe) enthaltende Depeſche wird von
Sydney aus bis zur Entfernung von 24 km , mit 6 d. (50 Pfg.) berechnet, ſonſt aber durch die ganze Kolonie mit 1 sh. Kabeldepeſchen liefen 7044 ( + 552) zu 33,401 Lſtrl. ( + 9078 ) ein und 8162 (+ 680 ) zu 41,010 Lſtri. gingen ab. Für jedes Wort einer Kabeldepede von
Sydney nach London und vice versa werden , ohne die Adreſſe, 9 sh. 6 d . beredynet, und fein Wort darf mehr als zehn Buchſtaben enthalten.
Auch das Poſtweſen der Kolonie iſt vortrefflich ge ordnet. Ende 1887 waren 1167 Poſtämter ( + 10) und 263 Annahmeſtellen (+56 ) mit 2363 Beamten eingeridytet. Es wurden 44,845,900 Briefe ( + 1,996,000) oder 40 ,
34,181,600 Zeitungen ( + 4,649,200) oder 32.81 und 5,530,700 Badete ( +681,900) oder 5.30 pro Kopf der Be: völferung befördert. Die Einnahme ergab 342,094 Lſtrl.
(+ 11,503) , die Ausgaben erforderten 426,586 Lſtri. (+ 30,876 ).
An der Spiße der Kolonie ſteht ein von der Krone Englands ernannter Gouverneur, zur Zeit der Right Honorable Charles Robert Baron Carrington , in der Reihenfolge der 18. Das von ihm gewählte Miniſterium iſt dem Parlamente verantwortlich und wediſelt daher
häufig. Das jebige iſt ſeit Einführung der Konſtitution im Jahre 1856 bereits das 24.
Das Parlament beſteht
Erſdeinungen. Anders heute , wo der Gedanke , den in duſtriearmen Gegenden der Eifel durch Verwendung dieſer Produkte zu gewerblichen Zweden vielleicht Aufſchwung
geben zu können , greifbare Geſtalt anzunehmen gewinnt. Es iſt das Verdienſt der fgl. Regierung in Trier , durch eine an den Miniſter für Handel und Gewerbe , Reichs kanzler Fürſt Bismarck, und den Miniſter für öffentliche
Arbeiten , v. Maybacı, gerichtete Vorlage auf dieſe Ver wendung des vulkaniſchen Eifelſandes hingewieſen zu haben .
Dieſer vulkaniſde Sand , audy Kraterſand oder na :
türlicher Spladenſand genannt, der namentlich in dem der Fürſorge ganz bedürftigen Kreiſe Daun in der Nähe der Kraterſeen , des Weinfelder, Gemünder und Schalken mehrener Maares, aber auch in den Gegenden der vul:
faniſchen Eifel teilweiſe in großer Ausdehnung und Mäd)
tigkeit aufgeſchichtet iſt, findet ſid) in zwei Arten , nämlich als grobkörniger und als feinkörniger, beide jedoch in ihren weſentlichen Eigenſqaften einander ſehr ähnlid), vor, und zivar didt an der Oberfläde, ſo daß er eine leichte
aus dem Legislative Council und der Assembly. Die
Ausbeute ohne jegliden Tiefbau geſtattet.
Mitglieder des erſteren, gegenwärtig 65 , werden vom
Hervorgehoben wird von der Trierer Regierung in erſter Linie, daß dieſer Sand als Bindemittel zur Befeſti: gung von Wegen , Chauſſeen und Bahnförpern ſich vor züglich bewährt habe, die Verwendung jedoch nur auf
Gouverneur auf Lebenszeit ernannt. Die Assembly zählt 116 Mitglieder, welche in 72 Wahldiſtrikten aus freier Volkswahl hervorgehen und auf drei Jahre gewählt werden . Der auffällig rohe Ton , in welchen die Mitglieder der Assembly bei ihren Debatten gegen einander zu verfallen pflegen , iſt auch in England fehr übel bemerkt und ſcharf .
gerügt worden.
die nächſte Nähe der Fundorte beſchränkt bleibe , zumal ſein hohes ſpezifiſches Gewid) t und die Abgeldloſſenheit der Eifel die Ausfuhr ſehr erſdweren, daß aber der Sand,
ſobald feine hervorragenden Eigenſdaften zu allgemeiner
Der vulkaniſde Sand in der Eifel und ſeine Bedeutung.
Kenntnis gelangt ſeien , in den weiteſten Entfernungen Abſaugebiete finden werde. Wie ein Auszug aus einer der Handelskammer zu Trier zur Verfügung geſtellten Denkſdrift beſagt , liefert der vulfaniſche Sand als Zuidlag zum Salt einen unges
Mitſcherlid dreibt in ſeiner 1865 von 3. Roth herausgegebenen Abhandlung „ Ueber die vulkaniſchen Er
mein feſten und durchaus wetterbeſtändigen Mörtel, welder
deinungen in der Eifel":
Luft wie unter Waſſer, insbeſondere auch zum Verpuß, zur Herſtellung waſſerdichter Behälter u . dgl. in beſon
,,Die einfachſte vulkaniſde
Erſcheinung in der Eifel iſt das Auswerfen von vulkani dem Sand und kleinen Soladenſtüchen, welche mit dem durchbrochenen , medyaniſch zerſtörten, oft durch hohe Tem peratur umgeänderten , oft ungeändert gebliebenen Ges
birge vermengt ſind. Das Korn des vulkaniſchen Sandes
ſid zu Bauten aller Art ſowohl an der atmoſphäriſden
ders hohem Maße eignet. Ebenſo empfehle fid der vul kaniſche Sand als Zuſaß zu Portland - Zement, da durch einen verhältnismäßig geringen Zuſat von Zement zum Vulkanſand ein Zementmörtel erzeugt werde , der nid) t
Waſſerverbindung mit Sibirien .
nur hohe Bindekraft beſiße, ſondern audy den Vorzug großer Billigkeit habe. Es wird ſogar als ſehr wahrſcheinlich die Annahme ausgeſprochen , daß der Vulkanſand vermöge ſeiner hydrau :
liſchen Eigenſchaften geeignet ſei , unmittelbar zur Her: ſtellung von Zement zu dienen.
Da es an Kalt im Eifel-Gebiet nicht fehle und un: ausgenußte Waſſerkraft vielfach vorhanden ſei , ſo würde die Möglichkeit vorliegen , in der Eifel , welche eine ge
werbliche Thätigkeit annähernd ganz entbehre, einen viel: verſprechenden Induſtriezweig ins Leben zu rufen. In dem genannten Bericht wird auch auf die etwaige Verwendbarkeit des vulkaniſchen Sandes als Rohmaterial zur Anfertigung feſter Sdılamm- und Schlađenſteine, zur Herſtellung von Waſſerglas , ferner auf ſeine Braudbar: keit für die Steingießerei bezw. den Kunſtſteinguß hins gewieſen.
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Eigenſchaften beſiße und zur Mörtelfabrikation ebenſo brauchbar erſcheine, als die jeßt vielfach zu gleichem Zwed benußten Eiſenhodhofen dladen. Der vulkaniſche Sand habe aber vor dieſen einen Vorzug , nämlich den blaſigen Zuſtand , in welchem er ſich befinde und welcher es ermögliche, daß er einen Sand von ſo außerordentlicher Schärfe ausmache. Noch bedeutſamer ſind die Ergebniſſe der Unter: ſuchungen mit dem in Rede ſtehenden Material in der .
Egl. Prüfungsſtation für Baumaterialien zu Berlin. Durch außerordentlich zahlreiche Verſuche wurde der
günſtige Einfluß des vulkaniſchen Sandes auf die Feſtig keitsſteigerungen der verſchiedenen Mörtel nachgewieſen . Auch bezüglich des Haftvermögens am Stein und als Puß bewährte ſich der vulkaniſche Sand vorzüglid ; denn
die feſthaftenden Mörtel nahmen für ihn durch angemeſſenes Bügeln der Pugplatten vorzügliche glatte Oberflächen an,
Als notwendig wird ſchließlid nod; die Vornahme
die in klarer dunkelgraublauer Farbe unter Waſſer und
genauer Unterſuchungen über die Zuſammenfeßung und
an der Luft ſich erhielten. Die mit ſolchen Proben gleichzeitig angeſtellten Froſts verſuche ausgeführt mit waſſerfatten Platten für öfters wiederholte Beanſpruchung durch Froſt an der Luft und Froſt unter Waſſer, wurden beſtanden ; denn die Proben hielten ſich ſcharfkantig, riſfrei, haftend und eben. Nad, den fomit erwieſenen außerordentlichen Feſtig : feitsſteigerungen, welche der vulkaniſche Eifelſand in den benüßten Mörteln herbeiführte , iſt zweifellos erwieſen, daß er in der That die Eigenſchaften , welche ihm in der Vorlage der königlichen Regierung zu Trier für ſeine Ver
die Eigenſchaften des vulkaniſchen Sandes einerſeits, ſowie über ſeine Verwendbarkeit in den vorerwähnten Richtungen andererſeits bezeichnet.
Bei der großen Bedeutung dieſer Angelegenheit hat der preußiſche Miniſter für Handel und Gewerbe der artige Unterſuchungen ſofort angeordnet, und ihre höchſt wichtigen und intereſſanten Reſultate liegen nun in dem Ergänzungsheft I der , Mitteilungen aus den königlichen
techniſchen Verſuchsanſtalten zu Berlin “ in einem Beridt des Herrn Dr. Böhme vor. (Berlin 1889, Verlag von Jul. Springer.)
wendbarkeit zur Mörtelbereitung zugemutet wurden, im
Wir entnehmen denſelben zunächſt, daß Herr Profeſſor Dr. Seger , Vorſteher der chemiſch -techniſchen Verſuchs
hohen Maße beſikt. Wir dürfen daher wohl annehmen,
anſtalt bei der t. Porzellanmanufaktur, den vulkaniſchen
Sandes für die Eifel eine bedeutſame Einnahmequelle ers ſchließen werde. Vorausſeßung dafür iſt jedoch ein billiger Transportweg. Als ſolcher bietet ſich die Moſel dar, an welche der Sand leicht mittelſt Seilbahnen herangeſchafft werden kann. Freilid, müßte die Moſel, welche nur noch zum Teil ſchiffbar iſt , kanaliſiert werden. Für dieſe Kanaliſierung ſprechen, wie den Leſern des ,,Auslandes " bekannt iſt, auch noch ſonſtige Gründe , namentlich die Notwendigkeit, für die Einfuhr der luremburgiſch-lothringi ſchen Minette nach Rheinland - Weſtfalen einen billigen Waſſerweg zu ſchaffen. Der vulkaniſche Eifelſand bietet ein neues Moment in der Kette der Gründe für die Notwendigkeit der Kanaliſierung dieſes Fluſſes, die hoffent lich baldigſt in Angriff genommen werden wird.
Eifelfand zwar nicht zur Herſtellung von feuerfeſten Steinen geeignet erklärt, weil Eiſenoxydul, Kalk, Bittererde , Kali und Natron, die als Flußmittel dienen, in dem Sande in viel zu großen Mengen vorhanden ſeien, daß ſich dagegen das Material einerſeits den ſtrengflüſſigen Thonen als .
ein feines Pulver beigemengt, zur Herſtellung von Flieſens material eignen, andererſeits als ein Glaſurmaterial auf
ſtrengflüſſigen Thonen benußen laſſen würde.
Ebenſo
fönnte der Sand als Glaſur für gleichfalls beſtändigere
Thone Anwendung finden bei der Herſtellung ſolcher Gegenſtände, bei welden die braune Färbung der Glaſur entweder für den Verlaufswert der Produkte nichts ſchadet oder ſogar erwünſcht iſt. So würde er für viele ordinäre Geſchirre verwendet werden können , ferner für glaſierte
daß ſich aus der vermehrten Verwendung des vulkaniſchen
Dr. B ....
Ornamentſteine, Waſſerleitungsröhren, Dachziegel, Dach : pfannen und ähnliches. Endlich würde der Sand Ver wendung finden können zur Herſtellung von ordinärem farbigen Glaſe, Wein- und Bierflaſden ; er würde dazu einfach mit einem Zuſaße von Kalk und Sand einzu ichmelzen ſein. Unzweifelhaft ſei , daß das Material für die Herſtellung von Luft- und Waſſermörtel ſehr wertvolle
Waſſerverbindung mit Sibirien. Seit lange war das weſtliche Europa darauf bes
dacht, auf dem Sees oder Flußwege eine Handelsverbin dung mit dem Innern Sibiriens und ſeinen Hinter
Waſſerverbindung mit Sibirien .
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ländern zuſtande zu bringen: auch jeßthat ſich eine ſolde | laufe, ſondern daß er ſeinenWeg oſtwärts an der Küſte Verbindung noch nicht befriedigend herſtellen laſſen, aber es ſind in leßter Zeit beachtungswerte und nicht ganz erfolgloſe Verſuche dazu gemacht worden, und wir finden darüber in einem vom 30. Juli v. Js. datierten Bericht Sir R.
das Kariſche Meer eintrete, ſeine löſende Kraft, in Vers bindung mit der Kraft der warmen, von Süden nach
Moriers, des engliſchen Botſchafters in St. Petersburg,
Norden ſich ergießenden Waſſermaßen des Db und des
höchſt intereſſante und ſehr überſichtliche Daten. Ein Blick auf die Karte, welche das europäiſche und das aſiatiſche Rußland nebeneinander ſtellt, zeigt uns, daß von der Verbindungslinie beider aus ſich ſcheinbar, zwiſchen dem 70. und 75. Breitengrade, ein halbmond-
Jeniſſei, das Eis des Meeres nordwärts treiben und alſo die Fahrt durch den ſüdlichen Teil des Rariſchen Meeres
förmiges Vorgebirge ſtredt, und dieſes ſcheinbare Vorgebirge ſchließt einen Meerbuſen ein, in welchen ſich die von fübwärts kommenden Ströme Db und Jeniſſei ers
gießen, Ströme, waſſerreich und tief genug, um ſelbſt große
von Lappland entlang bis Nowaja Semlja nehme, und
Wiggins
chloß daraus, daß, wenn derſelbe wirklich in
im Sommer frei ſein müſſe.
Das war einſtweilen nur
Theorie, aber geſtüßt auf ſie, war im Jahre 1875 der Schwede Nordenſfjöld imſtande, ſeine erſte Reiſe nach dem Jenifſei und nach der Beringſtraße zu unternehmen.
Wiggins hatte durch die Ausrüſtung der „ Diana" ſeine Mittel erſchöpft, und da er bei der engliſchen Kauf: mannſchaft die erhoffte Unterſtüßung nicht fand , konnte
Schiffe bis ins Herz Aſiens, bis an die Grenzen Chinas
er im nächſten Jahr nur einen mit acht Mann bemannten
zu tragen. Das erwähnte Vorgebirge iſt in Wirklichkeit
Segelfutter von 25 Tonnen ausrüſten.
die Inſel Nowaja Semlja und der hinter ihr liegende
mit dieſem kleinen Fahrzeug in die Kara-Straße einzu
Meerbuſen heißt in der Geographie das Kariſche Meer. Die Inſel Nowaja Semlja wird von drei Waſſerſtraßen
ſegeln, hatte keinen Erfolg, aber er ließ die Zeit von ſechs Wochen , die er diefſeit dieſer Straße liegen blieb , nicht ungenußt verſtreichen , er ſtellte durch zahlreiche Lotungen
Sein Verſuch,
durchſchnitten, von der ſehr engen Fukerski-Straße, dann von der Kara-Straße, auch, weil angeblich ſtets durch Eis geſchloſſen, Eiſernes Thor genannt, und endlich von der ebenfalls ſehr engen und dabei ſehr gewundenen Mas toſchkin -Straße. Lange Zeit war man des Glaubens, die Schiffahrt im Rariſchen Meer ſei wegen der dort aufgehäuften ge-
Sibiriakoff, für die Forcierung der Fahrt durch das Kariſche Meer in den Jeniſſei einen namhaften Beitrag zu geben, und als auch von anderer Seite für denſelben Zwed Beis träge einliefen , ſtellte Wiggins einen neuen Dampfer,
waltigen Eismaſſen abſolut unmöglich. Admiral Lüdke ver-
die „ Theres", von 100 Tonnen und fuhr mit ihm nicht
ſuchte troßdem ſchon vor 40 Jahren, eine regelmäßig bes nügbare Ausfahrt aus dieſem Meer zu gewinnen, aber der Verſuch blieb erfolglos und nun ſtand vollends die Meinung feſt, durch das Kariſche Meer ſei ein Handels-
bloß quer durch das Kariſche Meer, ſondern den Jeniffei noch etwa 1000 engl. Min. ſtromaufwärts. Während des Winters wurde das Schiff aufgelegt , der Eisgang im Frühling richtete es jedoch zu Grunde ; aber es war dodh zweifellos konſtatiert, daß ein ſich bis ins Herz Aſiens
.
weg nach und von dem Weſten nicht zu ſchaffen. Erſt ſpäter glaubte ein junger engliſcher Steuermann, der an
feſt, daß alle Zugänge zu ihr eisfrei ſeien. Im Jahre 1876 erbot ſich der ſibiriſche Grubenbeſißer
erſtreckender Waſſerweg vorhanden und daß es möglich
Bord eines Archangel- Fahrers jene arktiſche Region regel-
fei, auf ihm zu jenen Schäßen des Mineral- und Pflanzen
mäßig befuhr - ſein Name iſt Wiggins – überzeugt ſein zu können, daß ein ſolcher Verbindungsweg ſich doch werde
reichs zu gelangen, welche das Innere Sibiriens und ſein
den, wenn derſelbe beſtändig mit Eis bedeckt ſei, und es
Hinterland zahllos darbietet. Im Jahre 1879 ſtellt eine Liverpooler Firma dem unermüdliden Forſder einen Dampfer von 500 Tonnen zur Verfügung, und mit dieſem brachte Wiggins eine La dung nach Nadim an der Mündung des Db und eine
währte nicht lange, ſo hatte er aus eigenen Mitteln eine
andere Ladung von dort zurück. Im nächſten Jahr bes
für die Fahrt in den arktiſchen Gewäſſern gebaute Dampf-
frachtete man in England fünf Dampfer nach dem Ob
yacht von 120 Tonnen, die ,, Diana" , ausgerüſtet und führte damit im Jahre 1874 die Aufgabe, die er ſich ſelbſt geſtellt, durch und erreichte durch das Kariſche Meer die
und der oben genannte Sibiriakoff befrachtete einen weiteren
Mündung zuerſt des Db , dann des Jeniſſei. Einen kommerziellen Zweď hatte ſeine Fahrt nicht, ſie ſollte nur
übernehmen , lehnte Wiggins ab ; ſein Anerbieten, das Schiff Sibiriafoffs zu führen , id lug dieſer aus, weil er nur Ruſſen
feſtſtellen , daß der ſüdliche Teil des Kariſchen Meeres, einſchließlich der Küſtenſtriche zu beiden Seiten der ges nannten Flüſſe, ſowie ihrer Mündungen, in einer beſtimmten Jahreszeit eisfrei ſei. Es war zugleich erwieſen, daß der Golfſtrom ſich nicht, wie früher angenommen worden, vom Weißen Meer direkt nach Nordoſten ver-
beſchäftigen wollte. Alle fechs Schiffe gingen zu Grunde und die Entmutigung war eine allgemeine, weil man
finden laſſen. Er ſtüßte ſich darauf, daß „ Rara “ im Tartariſchen „ Schwarz" bedeute ; er folgerte daraus, jenem Meeregteile ſei eine ſolche Bezeichnung nicht gegeben wors
Dampfer nach dem Jeniſſei. Die Führung der engliſchen
Schiffe, die er als für die Fahrt ungenügend erklärte, zu
glaubte , das Kariſche Meer ſei nur gelegentlich eisfrei
und Wiggins habe , als ihm die Durchfahrt gelang, zu fällig eine ſolche eisfreie Zeit getroffen. Wiggins jedoch hielt an ſeiner Ueberzeugung feſt, und
Steinere Mitteilungen.
es gelang ihm im vorvorigen Jahre , Männer zu finden, welche eine Aktiengeſellſchaft mit beſchränkter Haftpflicht ,, The Phönix Merchant Adventurers16" gründeten.
Dieſe
Geſellſchaft kaufte einen eiſernen Dampfer von 400 Tonnen , befracytete ihn mit einer aſortierten Warenladung, und auf ihm fuhr Wiggins von Newcaſtle-on - Tyne nach Jeniſſeisk, der erſten großen Stadt am Jeniſſei, etwa 2000 engl. Min . von der Mündung des Stromes aufwärts und einige hundert Werſt von der chineſiſchen Grenze. Er durchfuhr eine zum großen Teil der Schiffahrt ganz unbekannte
Stromſtređe, und er mußte ſich mit ſeinem Schiff von 11 Fuß Tiefgang den Weg im eigentlichſten Sinne des
Wortes hinauffühlen. Aber am 9. Oktober 1887 warf zum erſtenmal ein aus Europa kommender Seedampfer im Innern Sibiriens Anfer und landete, von der Bevölkerung enthuſiaſtiſch bewillfommt, ſeine Fracht. Schon vorher war der engliſche Botſchafter, der dem lInternehmen das lebhafteſte Intereſſe entgegentrug , mit
der ruſſiſchen Regierung betreffs der demſelben zu gewähren : den Erleichterungen in Verhandlung getreten ; nicht daß er eine klingende lInterſtüßung angeſtrebt hätte, er wünſchte für die gelandeten Waren nur Zollfreiheit zu erlangen, und die ruſſiſche Regierung, in Würdigung der hohen internationalen Bedeutung eines vom Handel zu benußens den Waſſerweges, gewährte dieſelbe nicht nur, ſondern er: teilte auch die Zuſicherung, daß gewiſſe in folcher Weiſe den Jeniſſei aufwärts geführte Waren während eines Zeitraums von fünf Jahren Zollfrei gelandet werden könnten. Für den Db wurde eine gleiche Konzeſſion auf die Dauer eines Jahres gemacht. Aber noch war eine
große Schwierigkeit zu beſiegen, es war die Erlaubnis zu
erwirken -- das ruſſiſche Geſet behält die Flußſchiffahrt den ruſſiſchen Unterthanen vor – daß der Dampfer die 2000 Min . lange Strede des Jeniſſei auch wieder ſtrom
abwärts fahren dürfe ; hätte man dem Phönir: Dampfer nicht geſtattet, eine Rüdladung aufzunehmen und dieſelbe dem im laufenden Jahr mit einer Ladung von Newcaſtl: zum Austauſch in Goldhifa an der Mündung des Jeniſſei ausgeſandten Dampfer „ Labrador" zu übermitteln , ſo wäre das ganze Unternehmen in die Brüche gegangen. Für das Jahr 1888 , aber auch nur für dieſes, wurde
jene Erlaubnis erteilt , doch darf man hoffen, daß dieſelbe bis zu der Zeit verlängert wird , wo man in Sibirien felbſt imſtande iſt, ſeinerſeits eine Dampferfahrt auf dem Jeniſſei bis Goldhifa ins Leben zu rufen . Indes der neue Weg iſt gefunden und er wird in keinem Fall wieder
verloren gehen.
G. W.
Kleinere Mitteilungen. * Der Palazzo di Venezia in Rom . Der öſterreichiſch -ungariſchen Delegation iſt vom Miniſterium des Auswärtigen eine Vorlage zugegangen , die auch fiir die nicht politiſchen Kreiſe ein Intereſſe hat : es wird von ihnen ein Kredit
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von 100,000 fl. zur Reſtaurierung des Palazzo di Venezia in Rom crbeten , in welchem die Botſchafter Deſterreich-Ulugarns ſowohl
am heiligen Stuhl, als am italieniſchen Fofe ihre Amtswohnung haben. Der Palazzo iſt im Jahr 1456 von dem Venetianer Pietro Barbo, Kardinal von San Marco, dem nachmaligen Papſt Paul II . , erbaut worden, und derſelbe reſidierte auch darin . Im Jahr 1564 machte ihn Pins IV. der Republik Venedig zum Geſchenk , und er blieb länger als zwei Jahrhunderte in ihrem Beſiy , bis ihn Frankreich im Vertrag von Campo Formio, zugleich mit dem Territorium Venedigs, an Oeſterreich abtrat . Weit iiber 400 Jahre ſind ſeit ſeiner Erbauung verfloſſen , und jetzt, wo er mehr und mehr verfallen , denkt man daran, ihn nicht bloß durch eine gründ.
liche Reſtaurierung zu erhalten , ſondern auch, da er eigentlich niemals ganz vollendet war, auszubauen. Der Palazzo repräſen tiert, abgeſehen von ſeiner hiſtoriſchen Bedeutung, einen Geldwert von zehu bis zwölf Millionen lire.
G. W.
* Grillparzer.
In Wien iſt im lepten Sommer ein Grillparzer -Denkmal enthiillt, und das iſt uns ein Anlaß , die Schreibweiſe ſeines Namens, wie ſie ſich allgemein eingebürgert, richtig zu ſtellen : das nachſtehende Dofil ment erbärtet , daß der große öſterreichiſche Dichter nicht Grill parzer, ſondern Grilparzer (mit einem 1) hieß.
Das Taufbud
der Pfarre von St. Peter verzeichnet nämlich ſeine Taufe im fol Vater genden : „ 1791, den 15. Juni Franciscus Seraphicus Mutter Herr Wenzel Grilparzer , Hof- und Gerichtsadvokat Frau Maria Anna Sonnleitner , Hof- und Gerichtsadvokatens Tochter -- Taufpathe Franz Joſeph Pauer, Magiſtratsrat --- Name G. W. des Tauſenden Thomas Huber, Cooperator.“
* Chriſti Him teljahrt im alten Wien.
Das Feſt von Chriſti Himmelfahrt, in früherer Zeit „ Auf fahrtstag des Herrn " genannt, wurde im alten Wien mit einer eigentümlichen allgemeinen Sitte gefeiert : in allen Kirchen wurde ein hölzernes und von Engeln umringtes Bild des Heilandes an einem Seil durch ein rundes Loch im Kirchengewölbe hinauf gezogen fahrt.
eine bildliche Darſtellung des Prozeſſes der Himmel
Bisweilen erſchienen auch einige junge Leute als Teufel vermummt und ließen ſich in die Kirche, die nun die Hölle vors ſtellte, einſperren ; dann erſchien der Prieſter mit dem CharfreitageSiruziſir vor dem Kirchenthor, ſtieß damit das Thor auf und ver trieb die Teufel, die ſich zur Wehre ſetzten , brennendes Merg um ſich warfen und auch ſonſt mancherlei „ Späße“ trieben , die meiſtens ſo derb waren , daß endlich die ganze Teufelsaustreiberei
inbibiert wurde. Das Chriſtusbild- Aufziehen wurde aber auch anderswo in Szene geſett und hat ſich im Paſſeier- Thal in Tirol am längſten erhalten . Dort ſtand das fromme Volt und folgte
mit höchſter Spannung der Richtung, in welcher ſich das Geſicht des Bildes bewegte, denn mm wußte man , aus dieſer Richtung her fämen im Sommer die Gewitter !
Es iſt iibrigens merkwürdig , daß die Himmelfahrt Chriſti äußerſt ſelten auf Hansídyildern verwendet wurde; die Flucht aus Aegypten , den Fiſchz11g Petri ac. verherrlichte eine lange Reihe ſolcher Schilder, aber nur ein einziges Wiener Haus führte das Schild „ Zur Himmelfahrt Chriſti“, das erſt vor wenig Jahren durch einen Neubau erſetzte alte Haus in der Rotenturmſtraße (jekt Nr. 12, alt 733 ), in welchem ſich das uralte Gaſthaus „ Zur Linde " befand und noch heute befindet. Mit dem alten Hauſe verſchwand auch ein berühmtes Relief aus dem 15. Jahrhundert, welches allerdings nicht die Himmelfahrt veranſchaulichte , wohl aber den auferſtehenden Chriſtus mitten unter den ſchlafenden
Wächtern des Grabes und gleichzeitig der heiligen Maria Magdalena erſcheinend. Das Bild dürfte ſich, wie ſo viel jouft Wertvolles , in irgend einer Rumpelfammer der Stadt Wien befinden . G. W.
Kleinere Mitteilungen .
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* peilige Goldſchmiede.
Der heilige Eligius, Biſchof von Noyon ( Frankreich ), im Jahre 585 in einem Dorfe bei Limoges geboren , fam zu einem berühmten königlichen Münzmeiſter (Abbo in limoges) in die Lehre und arbeitete ſo tüchtig , daß ihn ſein Lehrherr an den König Lothar empfahl, der, ſowie ſein Nachfolger Dagobert, ihn in höchſter Gunſt hielt und ihm Solignau ſchenkte. Eligins hing ſofort ſein Handwert an den Nagel, bante !
! uralten , ſchon 1130 genannten Hadersdorf, das er von einem Liechtenſtein gefauft. pier ſchwebte einmal ſein Leben in höchſter Gefahr. Der Wienfluß und der Aljerbach traten aus ihreu Ufern (es war im Jahr 1785 ), Loudon ſaß mit einem Buch in der Hand
eingeſchlafen im Luſthaus ſeines Gartens, das tobende Hochwaſſer rauſchte näher und näher, ſein kleiner Hund lag zu ſeinen Fiißen und dieſer zerrte ihn am Kleide, bis er erwachte; er eilte ins Schloß, und faum war er dort angekommen , als der Strom das Luſthaus
migkeit bewirkte, daß er zum Biſchof von Noyon gewählt wurde. Als ſolcher verrichtete er ſelbſtverſtändlich eine Maſſe Wunder
mit fich fortriß. Fünf Jahre ſpäter rettete ihn derſelbe kleine Hund zum zweitenmale. Eine im Schlafzimmer auf den Fuß boden gefallene Koble hatte eine Menge Papier entzündet und
und ward , als er im Jahre 659 ſtarb, in der ihm zu Ehren erbauten Kirche begraben .
bereits die Dielen erfaßt , dichter Rauch erfüllte das Gemad) da war es wieder der kleine Hund, der ſo lange bellte und
Dieſer heilige Eligius nun iſt der Schutzpatron der Innung der Brager Goldſchmiede, die ihm zu Ehren ſchon ſeit 500 Jahren
entgangen.
als frommer Mann ein Kloſter, und der Geruch ſeiner Fröm
kragte, bis Loudon erwachte. Diesmal war er dem Erſtidungstod
Innung die ihm von König Karl V. von Frankreich über
Schloß Hadersdorf , das nach Loudons Tod an ſeine Witwe und dann an einen Neffen fiel, iſt mit einem Waſſergraben umgeben ; über eine feſte ſteinerne Brücke gelangt man in den Hof. Dicht
ſandten Reliquien ihres Schuppatrons (ſeine Inful, Mitra und Ring , ſowie einen eigenhändig von ihm gearbeiteten Melch ),
„türkiſche Wäldchen“, eine dichte Gruppe von Pappeln und Tannent,
ſchon früher war der Junung für ihren Gottesdienſt die Sankt
ein von ſeinen Hinterbliebenen ihm geſeptes Grabdenkmal be.
Eligiustirche, auch Goldſchmiedekapelle (capella auri felorosum ) genannt, ſamt einigen anſtoßenden Fäuſern und dem Gute Zlatnik geſpendet, und die Schenkung war an die Bedingung geknüpft, daß die Reliquien ſowohl am Eligiustage (1. Dezember) als am
(chattend. Auf drei Stufen erhebt ſich ein antiker Sarkophag mit Emblemen der Tugenden des Toten , auf den Stufen ſelbſt zeigt
alljährlich einen ſolennen Gottesdienſt abhält, und das ereignete ſich jo : Kaiſer Karl IV . ſchenkte im Jahre 1378 der genannten
Tage der Schenkung (25. Juni) bei einem feierlichen Hochamt dem gläubigen Volfe zur Verehrung auf dem Altar ausgeſetzt würden . Der zweite heilige Goldſchmied iſt St. Du uſtan, im Jahr 924 in Frland geboren.
Auch er beganu als tüchtiger Goldſchmied , wurde dann aber Mönch und ſtieg erſt zum Abt von Glaſton, ſpäter zum Biſchof von Worceſter und endlich zum Erzbiſchof von Canterbury auf, als welcher er im Jahre 986 ſtarb. Er war nicht nur ein ausgezeichneter Handwerker, ſondern auch Maler und Muſiker und fou der Erfinder des Contrapunktes ſein . Nebenbei aber war er ein „ verfluchter Kerl“ . Als er nämlich , ſchon
Biſchof geworden , an einem kunſtvollen Abendmahlfelch arbeitete, erſchien der Teufel , um ihn zu ſtören, St. Dunſtan aber, höchlichſt entrüſtet , ſtand von der Arbeit auf , padte eine glühende Zange und klemmte mit ihr dem Gottſeibeiuns ſo heftig die Naſe eini , G. W. daß dieſer mit Gebrüll und Geſtant Reißaus nahm .
* Ein Bejuch in Vadersdorf .
Schloß Hadersdorf liegt unweit Mariabrunn ; es fuiipfen ſich an dasſelbe zahlreiche Erinnerungen an einen der beriihmteſten Feldherren Deſterreichs, an den Feldmarſchau Gideon v. London. Loudon war , bevor er in die öſterreichiſche Armee trat , ruſſiſcher Offizier. Bei einer Anweſenheit in Wien im Jahre 1744 begegnete er zufällig einem früheren ruſſiſchen Kriegsfameraden , dem berüchtigten Panduren-Oberſt v. d. Trend, dieſer beſtimmte ihn, in öſterreichiſche Dienſte zu treten, und gab ihm eine Offiziers , ſtelle in ſeinem Regiment. Nach dem zweiten ſchleſiſchen Kriege war er Major in dem eben errichteten liccaner Regiment und garniſonierte in Bunic im Liccaner Capitanat, dort konvertierte er
von der evangeliſchen zur fatholiſchen Kirche, heiratete ein Fräulein v. Hagen, ſtudierte in der ihm reichlich gewährten Muße Mathe: matit und Kriegswiſſenſchaften und pflanzte Wälder : der ſchöne
an das Schloß lehnt ſich ein reizender Garten , darin das ſogen. .
ſich ein gewappneter Krieger, das Schwert in der Fauſt, den Schild
neben ſich, mit dem Ausdrud des Schmerzes in ſeinen Zügen. Eine Inſchrifttafel zeigt die Worte : „ Kriegsziiglich am Dnieſtr , Heer führer an der March, Oder , Bober , Neiſſe, Biſtriţ , Veteran an der Unna, Donau, Save. Sieghaft beriihmt; teuer dem Kaiſer, 1
!
dem Heere , dem Volfe .“ Auf der Kiidſeite des Dentmals lieſt Gideon Ernſt Loudon von ſeiner ihu ungern überlebenden Gattin und ſeinen Erben errichtet 1790. “
mani :
.
Am 14. Juli 1790 hatte der Feldmarſchall, 74 Jahre alt, im Hauptquartier zu Nentitſchein ſein Leben beſchloſſen ; init ſchon brechelle dein Auge ſprach er zu den ſein Sterbelagerumſtehenden Offi zieren : „ Wir haben einen gütigen , edeldenkenden Monarchen, wir werden Frieden haben ; da wird man meine Perſon um ſo weniger vermiſſen . An dem Hauſe in Neutitſchein , wo er ſeine Seele aushauchte , iſt ein roter Stein angebracht mit der einfachen J11
ſchrift: „ Hier ſtarb Loudon 1790.“ * Auch eine Auktion . Am 15. Mai iſt im Hotel Drouot in Paris der Nachlaß des gefeierten Sängers Tamberlit zur Verſteigerung gebracht. Kränze, welche ihm auf ſeinen Triumphzügen geſpendet worden , wurden , als ſich ſonſt keine begeiſterten Käufer fanden , nach dem
Gewicht ausgeboten und ſelbſt vier gewaltige Sränze in Silber filigrani, dem Niinſtler bei ſeinen letzten Gaſtſpielen in St. Peters
burg (im Jahre 1884) dargebracht, erzielten nur einen Preis von 184 Fros . Solidere Gegenſtände , zwei große goldene, ſchwarz emaillierte Bracelets mit einem Brillant - Keif und einem Quer
band von Noſen und Brillanten wurden freilich ſolider gezahlt , mit 1900 Fris. Man ſicht, die Nachwelt flicht nicht nur dem
Mimer: feine Kränze, ſie fauft ſie auch nicht. Drud und Berlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Naci. in Minden und Stuttgart.
Fiir die Redaktion verantwortlich : W. Keil in München .
400 Joch große Eichenwald in einem weiten Thalfeſſel unweit Bunic iſt ſeine Schöpfung; dort erbaute er aud aus eigenen
Berlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachfolger
Mittelu eine Kirche, in der man noch heute einen am Eingang
Friedrid der Große als Kronprinz.
eingemauerten Votivſtein ſieht mit der Juſchrift : Gedeon Ernestus Nunc tibi Virgo Auget di Loudon , qui Procolonselles capis Accipe Opris anno 1753.“ Seine ſpätere Laufbahn ge bört der Weltgeſchichte ani. Er lebte, nachdem er ſeine Groß thaten vollbracht, in Wien, in der ſchönen Jahreszeit aber in dem
in Stuttgart.
Don
Reinhold Kojer, a . 0. Profeſſor an der Univerſität Berlin . Oftav . 267 Teiten . M. 4.- , Geb. M. 5.- .
Zu beziehen durch die meiſten Buchhandlungen .
ampel.
Das Auslaud. Wodenſdrift für länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fach männer herausgegeben von der I. G. Gotta'ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und München . Dreiundſechzigſter Jahrgang.
Nr. 3.
1890.
Stuttgart, 20. Januar
Jährlich 52 Numinern à 20 Seiten in Quart . Preis pro Quartat M. 7.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtäinter.
Manuſcripte und Recenſions-Gremplare von Werten der einſdlägigen Litteratur ſind direft an die Verlagshandlung in Stuttgart zu jenden.
Inſertions .
preis 20 Pi. für die geſpaltene Zeile in Petit.
Inhalt : 1. Politiſch -geographiſche Riidblice. 1. Afrika. ( Fortſetzung.) S. 41 . 4. Arbeiter ausſchüſſe oder Aelteſtenkollegien . S. 53. 7. Kleinere Mitteilungen. S. 60.
3. Kanſas. S. 51 . S. 58 .
2. Im Oſten von Aſien. (Schluß .) S. 45 . - 6. Geographiſche Neuigkeiten..
5. Cetrinje. S. 56.
in der Trođenzeit ergeben, er erſcheint aber nach den An gaben in dem deutſchen Loango-Wert ſehr ſchwierig.
Politiſd -geographiſche Rückblide. 1. Afrita .
Dagegen wird das lange beſprochene Projekt einer
( Fortſetzung. )
Eiſenbahn zwiſchen Matadi unfern der Kongo-Mündung am linken Ufer, wohin Schiffe mittleren Tiefganges gelangen
Außer den ſchon genannten Forſchern iſt noch eine lange Reihe anderer, wie Oberdorf , Lechatelier, Vallière,
können, und Kinſhaſſa am Stanley Pool bereits in Angriff
Liotard, Colin, Frey, Broſſelard, Plat, Levaſſeur, Treiche
genommen. Die von der Compagnie du Congo pour le
la Pleine, bemüht geweſen , das Frankreich bereits unter: ſtehende, ſowie das angrenzende Gebiet zu erforſchen und
wurden 1888 beendet. Das Terrain bietet ganz außerordent:
commerce et l'industrie unternommenen Vorarbeiten
namentlich auf ſeine wirtſchaftliche Leiſtungsfähigkeit hin
liche Schwierigkeiten, indem der Bergkamm, welcher das linke
zu unterſuchen. Auch hat man die Errichtung von zwei neuen Dampferlinien in Ausſicht genommen und dafür eine Subvention von 700,000 Franken gefordert.
Kongo-Ufer begleitet, zahlreiche Ausläufer zum Strome ent ſendet, deren oft 10 bis 12 Kilometer lange Plateaus von fünf engen , nur 40 bis 80 m breiten Thälern getrennt werden , welche alle zu überbrüden ſind. Man iſt daher möglichſt nach Süden ausgewichen. Die Bahntrace kreuzt
Solange aber auch Frankreich in Weſtafrika herrſcht, ein finanziell günſtiges Ergebnie hat es nicht erzielen können, was auch in der unausgeſeßt für Frankreich höchſt ungünſtig erſcheinenden Handelsbilanz fich widerſpiegelt. Wie alle andern franzöſiſchen Kolonien, für deren Verwaltung
die Flüſſe Mpoſo, Lufu, Kuilu und Infiſſi, aber bedeutend
Frankreich jährlich weit über 60 Millionen Franken auf
ſüdlicher als die gewöhnliche Karawanenſtraße, und vers folgt nach Ueberſchreitung des leßten, die meiſten Schwierig feiten bietenden Fluſſes eine nahezu nördliche Richtung.
wendet, wobei Algerien und Tunis nicht in Betracht fom
Die Baukoſten der 435 Kilometer langen Bahn ſind auf
men – iſt auch Senegambien ein recht koſtſpieliger Beſik.
25 Millionen Franken veranſchlagt, woran die belgiſche
In dem räumlich noch weit ausgedehnteren Franzöſiſch
Regierung ſich mit 10 Millionen beteiligen will. Sie iſt bereits von der neugebildeten Compagnie du chemin de
Rongo iſt es in leßter Zeit recht ſtill geblieben.
Die
fieberhafte Thätigkeit, mit welcher Frankreich dieſe feine um
fangreichſte Kolonie eroberte, ſcheint ermattet. Grampels Reiſe vom oberen Dgowe durch das Gebiet der Diſieba und Fan nach der Meeresſüſte iſt das einzige Forſchungs
werk , weldies wir aus neueſter Zeit hier zu verzeichnen haben. Db der Plan einer Schiffbarmadung des mitt:
fer du Congo in Angriff genommen und ſoll vor Ende 1893 dem Verkehr übergeben werden. Da der Rongo - Staat nach ſo vielen Jahren ſeines
Beſtehens und nachdem König Leopold großherzig faſt fein ganzes Privatvermögen für denſelben geopfert hat,
lern Ruilu-Laufes zur Herſtellung einer bequemeren Handele :
noch immer nicht lebensfähig iſt, wird die belgiſche Regies rung zehn Jahre lang eine jährliche Unterſtüßung von
ſtraße nach Brazzaville am Stanley Pool wirklich ausführbar iſt, fann erſt eine genauere Unterſuchung des Flußbettes
11/2 Millionen Franken gewähren , während der König in derſelben Zeit jährlich eine halbe Million zuſchießen will.
Ausland 1890 , Nr . 3 .
7
Politiſch geographiſche Ridblicke.
42
Nach den leßten Ausiveiſen hatte die Einfuhr einen Wert von rund 7.6 , die Ausfuhr einen ſolden von 7.4 Mil lionen Franken erreicht. Den Beſtimmungen der Kongo
afrikaniſchen Geſellſchaft“ für das von derſelben als Opera tionsgebiet in Ausſicht genommene Matebele -Neid ), Betſdu:
Konferenz gemäß dürfen aber nur Ausfuhrzölle, und zwar
Zambeſia gegeben wurde, am 15. Ditober 1889 ihr Pro
Die
Einnahmen aus dieſer Quelle find demnach ſehr gering,
tektorat durch einen Freibrief zuſicherte. Dieſe Bejißergreifung eines Stückes von Afrika, auf
die belgiſche Regierung hat daher bei den Mädyten den Antrag geſtellt, daß ihr die Erhebung von mäßigen Ein fuhrzöllen geſtattet werden möge.
obſchon dieſe Rechte nie in irgend welder Form geltend gemacht wurden , rief in Portugal eine ſo hochgradige
nur 2 bis 5 Prozent vom Wert , erhoben werden .
Die Forſchungsthätigkeit hat hier ſeit den Reiſen von Wißmann, Wolf, François, Büttner, Kund und Tappen bed niemals geruht, der unermüdliche, um die Kenntnis des Rongo-Bedens und ſeiner Zuflüſſe hochverdiente Miſſios nar Grenfell feßt ſeine Arbeit raſtlos fort. Die ſchon ge nannte Compagnie du Congo hat durch Delcommune die füblichen Zuflüſſe des Kongo erforſchen laſſen , dabei einen bisher unbekannten , 10 Kilometer langen und 2 Kilos meter breiten See gefunden und am Leopold : See den be deutenden Drt Jlambu entdedt. Dann wurden der Lukenje, der Jfatta , ſpäter der Djuma , ein großer rechter Neben fluß des Kuango, befahren. Die wichtigſte That Delcom munes aber war ſeine Fahrt auf dem unterhalb der Stanleys Fälle einmündenden Lomami, auf welchem der Forſcher bis über den 4.0 1. Br. hinaus gelangte. Ta der Fluß audz hier noch ſchiffbar war und ſich dem Kongo den Angaben
anen-Land und Khamas Reich, welchem der Name Britiſch
welches man mehrhundertjährige Rechte zu haben glaubte,
Erregung hervor, wie ſie feinerzeit auf die Nachricht von der Abtretung der Delagoa - Bai an England erfolgte. Der ſcharfe Ton der Note Lord Salisburys , in welcher er die Anſprüche Portugals zurüdweiſt, laſſen eine Nach: giebigkeit Englands in dieſer Sache nicht erwarten , ſidher lid, nicht des jeßigen Miniſteriums, das damit unzweifelhaft ſein Todesurteil beſiegeln würde. Es dyeint aud), daß die Portugieſen, nadidem ſie anfangs eine ſehr gereizte Stimmung bekundeten , in ruhigere Bahnen einlenken wollen .
Die Begehrlichkeit anderer europäiſchen Mädyte hat Portugal aus der völligen Teilnahmloſigkeit aufgerüttelt, welche es ſeinen Kolonien gegenüber ſeit langer Zeit immer gezeigt hat. Schon auf der Kongo-Konferenz trat ſein Beſtreben , ſich ſo viel als möglich vom afrikaniſden Boden zu ſichern , in überraſchender Weiſe hervor, und Portugal
der Eingeborenen zufolge bis auf wenige Tagereiſen ges
war es neben Frankreich , weldes dem Kongo-Staat den
nähert hatte, ſo wäre in ihm ein trefflicher Erſaß für den oberhalb der Mündung des Lomami für die Schiffahrt nicht mehr brauchbaren Kongo aufgefunden.
Zugang zum Meere ſo gewaltig beſchnitt.
Die portugieſiſche Grenze iſt nur auf einigen Strecken nach dem Innern zu feſt beſtimmt. So gegen Deutſch
Im ſüdlichen Teil des Kongo - Staats , wie ihn die
Südweſtafrika von der Mündung des Cunene bis zu den
Karte zeigt, wurde in den leßten Jahren durch Mſiri, einen Kupferhändler aus Unjamweſi, mit Liſt und Gewalt ein neues Reich gegründet, dem er auch das alte Cazembe-Reich am Moero See einverleibte. Dieſes Reich wurde von ſeinem Begründer Garengaze genannt und zur Reſidenz Bunkeia gewählt. Hier verweilte der bereits ſeit 1881 dieſe Gebiete durchforſchende Miſſionar Arnot zwei Jahre ; nach einem
Katima- Fällen des Sambeſi, gegen das Amatonga -Land und die Südafrikaniſche Republik. Nad allen anderen Richtungen hin bleibt ſie aber völlig unſicher. Ein Vor-: rüden Englands kann daher mit ſehr guten Gründen dwerlich bekämpft werden. Uebrigens erfordert das audy die Aufmerkſamkeit Deutſchlands, welches zivar als Grenze gegen das britiſche Betſchuanen - Land den 20.0 Ö. 2. von Gr. vereinbart hat, von deſſen Schnittpunkt aber mit dem 22.° 1. Br. an , alſo über das ganze weite Gebiet um den
furzen Beſuch Europas kehrte er 1889 auf ſein altes Arbeits.
feld zurüd. Auch der um die Erforſdung Südafrifas ſehr verdiente Selous wollte hieher von Süden aus vordringen,
wurde aber , wie vor ihm Holub , von den räuberiſchen Maſchukulumbe ausgeplündert und konnte nur mit Lebens 1
gefahr entfliehen . Ungebrochenen Mutes hat er jedoch den Verſuch wieder aufgenommen . Wir haben uns hiermit Gebieten Innerafrikas ges nähert, auf welche, wie es ſchien , bislang keine europäiſche
Macht Anſprüche machte. Unſere neueſten und zuverläſſigſten Afrifa-Karten grenzten ſie ſtets von den hier von verſchies denen Seiten hereintretenden Beſißungen europäiſder Mächte ab. Man war nicht geneigt anzunehmen , daß Portugal ein Anrecht auf afrikaniſches Gebiet vom Atlan
tijden bis zum Indiſchen Dzean in ununterbrochener Folge habe. Das ſcheint auch die Anſicht der engliſchen Regierung
geweſen zu ſein, als ſie einer in London gebildeten „ Süd
Ngami-See, Khamas Reich u. a., keinerlei Abmachungen getroffen hat.
Infolge dieſer Anregungen von außen hat nun audy die portugieſiſche Regierung die Erforſchung ihres aus gedehnten Beſißes, welche man früher gern anderen Natio:
nen überlaſſen hatte , nun auch ſelbſtthätig in Angriff genommen. Neben dem Namen des mit Ruhm bedeckten Serpa Pinto ſtehen würdig die ſeines Mitarbeiters Cardozo, die von Paiſa, welcher am Cunene forſdite, und von Paiva
d'Andrada, deſſen Erpedition ins Gaſa -Land ſich ſehr erfolg reich erwies. Auch für die wirtſchaftliche Erſchließung des. Landes beginnt man ſich zu regen und die enormen Defizits des Kolonialbudgets müſſen hierin ihre Erklärung finden . Eine längſt geplante Reihe von Eiſenbahnen iſt in Angriff genommen ; in Angola hat man bereits 350 km fertiggeſtellt,
Politiſch geographiſche Rüdblice.
in Mozambique freilid, hat man erſt 25 km vollendet, aber mehrere andere Linien vermeſſen , welche meiſt von
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der Delagoa-Bai ausgehen. Hier iſt auch bereits die auf portugieſiſches Gebiet
den Sieg weiter verfolgend, ungünſtiges Terrain betrat, wandte ſich das Glück, das Heer des Negus Johannes erlitt eine furchtbare Niederlage, er ſelbſt ſtarb bald darauf an ſeinen Wunden , vor ſeinem Tode noch ſeinen Neffen
fallende Strecke der Bahn vollendet, welche von Lourenço
Mangaſdh zum Erben ſeines Reiches einſeßend.
Marques in das Transvaal hinein bis Pretoria führen und den in den leßten Jahren entdeckten reichen Gold
Nun aber erſdien Menelek mit ſeinem längſt dlag: fertigen Heer auf dem Plat, das Land unterwarf ſich nach kurzem Widerſtand , die Großen des zerfallenen Reiches beugten ſid), wenn ſchon widerwillig, und der Herrſcher von Sdoa fonnte ſich unangefochten zum Kaiſer von Abeſſinien krönen laſſen. Freilid, hat er den Thron mit einer Min derung ſeiner Macht beſtiegen ; Italien verkündet uns, daß Abeſſinien fortan nach außen durch das italieniſche Mis niſterium vertreten werden ſoll. Tas bedeutet alſo, daß
feldern des Freiſtaates einen Zu- und Abfuhrweg ver
ſchaffen ſoll, der kein britiſches Gebiet berührt. Es iſt immer das Beſtreben der Buren geweſen , ſich von eng .
liſcher Vermittelung freizumachen , ſie haben ſich daher gegen alle Annäherungen ſeitens der Regierung der Rap:
kolonie, inſonderheit gegen eine Einladung zum Eintritt in einen zu begründenden Südafrikaniſchen Zollverein fühl ablehnend verhalten . Der Gegenſaß zwiſchen den alten holländiſchen Eigentümern des Landes und den engliſchen Eroberern iſt auch heute noch nicht ausgeglichen, er findet im Transvaal offenen Ausdruct, und beſteht, wie Froude
und Frhr. v. Hübner uns gezeigt haben, wenn auch weniger ſcharf ausgeſprochen , doch immerhin ſtark genug empfun den in allen übrigen Teilen Südafrikas. Als jüngſte Kolonialmad )t in Afrika iſt Italien auf getreten. Von England gefördert , beſeßte es Maſſauah
das alte Reich ſich in den Schuß Staliens begeben hat, weldjes endlich die Früchte ſeiner jahrelang getragenen
Opfer wird ernten können. Damit iſt nicht nur für Italien , damit iſt auch für Afrifa, für Europa viel ger Der ſich mädytig ausbreitenden Herrſchaft des Jslams wird dadurch ein wirkſameres Bollwerk als zuvor entgegengeſtellt. Der Jelam kann von hier aus an der Wurzel getroffen, und ſo verhütet werden, daß dieſe den Su : ivonnen .
dan in die alten barbariſden Zuſtände zurüdwerfende Be
und ſpäter die ganze ſüdliche Küſte bis zum franzöſiſchen
wegung, welche im Norden an Englands Waffen ſich
Dbock , mit Deutſchlands Zuſtimmung übernahm es die Shubherrſchaft über Dbbi an der Somali-Küſte und ſpäter das nördlich daran ſtoßende Gebiet von Garad und Wadi Nogal bis 80 ſüdlicher Breite. Aber mit dieſen Erwerbungen am Roten Meer geriet Italien in Konflikt mit Abef ſinien , deſſen Negus Maſjauah als ihm zuſtehend und das Vorgehen der Staliener als einen Eingriff in ſeine
bricht, das im Süden, an den großen afrikaniſchen Seen und am Kongo langſam einſeßende Kulturwerk gefährde, wenn nicht vernichte. Mit Emin Paldas Abzug öffnet ſich der ſtets aggreſſiven Natur des Jslams ſchon jeßt weit mehr als die Aequatorprovinz. Auch wir werden in
Rechte anſah. Die Bemühungen der Staliener , durch
tige Propaganda finden müßte , ſobald einmal die erſten
eine diplomatiſche Miſſion ein freundſchaftliches Verhältnis anzubahnen, ſchlugen fehl, die Feindſeligkeiten begannen, ein
Sendlinge der Mahdiſten ihre Erſcheinung gemacht hätten und religiöſer Fanatismus mit dem Kampf um materielle Intereſſen ſich verquidte. Daß Aegypten dieſem Anſturm erliegen ſollte, ſolange England die Wacht am Nil-Delta hält , iſt undenkbar. Die anſtürmenden Wellen der mahdiſtiſchen Bewegung
italieniſches Korps wurde durch Ras Alulah , den Feld herrn des Negus Negeſti, überfallen und vernichtet, die äußerſten Vorpoſten mußten geräumt werden. Blieb aber Abeſſinien ber dloſſen , ſo war Maſſauah
für Italien abſolut wertlos. Dazu fam die Verderblich keit des heißen Küſtenklimas und die ganz außer Ver hältnis ſtehende Koſtſpieligkeit der Erhaltung der nötigen Truppen, deren Zahl man angeſichts der nicht allein von Abeſſinien her drohenden Gefahren doch nicht zu niedrig bemeſſen durfte. Der alte Wahrſpruch: Divide et im pera ! führte auch hier wieder zum Ziele.
Oſtafrika mit dieſem Faktor zu redinen haben, der in den über unſer ganzes Gebiet verſtreuten Arabern eine mäch:
werden ſich an europäiſcher Kriegskunſt immer brechen, troß der nicht zu unterſdäßenden Sympathien , welche in Kairo für dieſe Sache im geheimen thätig ſind. Und es iſt das ein Glück für das Land, das unter geregelter und
ehrlicher engliſcher Verwaltung dnell aus der troſtloſen Verwirrung und Verarmung ſich herausarbeitet, in welche die Mißwirtſchaft ſeiner Herrſcher es jo tief geſtürzt hatte.
Die Italiener hatten bereits ſeit langer Zeit in
Den Nordrand Afrikas verband das Mittelmeer eber
freundſchaftlichen Beziehungen zu Menelef von Schoa ge: ſtanden , dem Vaſallen des Negus Negeſti, der aber die ihm aufgezwungene Abhängigkeit nur widerwillig trug. Ein Kampf um die Vorherrſchaft ſtand in naher Ausſicht, als die Derwiſche aus dem Sudan hereinbrachen, um das alte verhaßte Bollwerk des driſtlichen Glaubens in Nord
mit ſeinen europäiſchen und aſiatiſchen Geſtaden, als daß
afrika endlich zu zerſtören . Aber wie alle früher gemachten Angriffe, wurde auch dieſer abgeſdlagen. Als man indes,
es denſelben getrennt hätte. Der weite Wüſtenſtrich der Sahara bildete gegen Süden eine Scheide, ſchwerer zu überſchreiten als Dzeane , gegen die eigentlichen afrikani ſchen Völfer. Hier allein , wo eine der europäiſden ver: wandte Bevölkerung ihre Siße aufgeſchlagen hatte , trieb man die Seeſchiffahrt, die ſonſt in ganz Afrifa unbe kannt war. Durch die Eroberungen der Römer gehörte
Politiſch -geographiſche Rüđblice.
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das alte Libyen politiſch und wirtſchaftlich zu Europa, und dieſe Zugehörigkeit blieb beſtehen, bis der Jolam auf den Trümmern der weſteuropäiſchen Kultur ſeine eigene Herr dhaft aufrichtete. Aber die Rückſtrömung hat begonnen. In Aegypten
herrſchen gegenwärtig und vermutlich auf lange Zeit, wenn nicht für immer, die Engländer, Algerien und Tunis ſind in franzöſiſchen Händen , Tripolis und Maroffo danken
ihre Eriſtenz nur der Eiferſucht der expanſionskräftigen Völfer Europas , welche es verhindert, daß ihr Zerbrödke: lungsprozeß durch äußere Angriffe beſchleunigt wird.
Marokko hat in allerjüngſter Zeit die europäiſchen Mächte gerade zu herausgefordert ; England, Spanien und Jtalien ſind in ihren dortigen Angehörigen, Stalien ſogar in ſeinem Geſandten auf das ſchwerſte verlegt worden , und nur den drohenden Flotten - Demonſtrationen gegenüber hat ſich der Sultan zur verlangten Genugthuung bequemt. Aber
noch immer bleibt Marokko ein verſchloſſenes Land. Nur unter der Verkleidung eines Juden vermochte der fran: zöſiſche Vicomte de Foucauld über den Atlas nad Süd marokfo zu gelangen , um uns ein Werk zu liefern , das wir als umgeſtaltend und grundlegend für die Kenntnis des Landes mit Freude begrüßen. Und als Doult, dann Jannaſch , lekterer als Schiffbrüchiger, die Weſtküſte be
traten , entgingen ſie mit genauer Not dem Tode durd, die fanatiſchen Nomaden des Wadi Draa. Der erſtere iſt freilich ſpäter dennod ermordet worden. Auch dem Engländer Thomſon, der im Sommer 1888 den Atlas im Teluetpaß überſchritt und dann das Quellgebiet der Draa-Tributäre erreichte, verwehrte die feindſelige Haltung der Bewohner das weitere Vordringen. Beſſer fuhr der Premier lieutenant Quedenfeld , welcher im Auftrage der Berliner Akademie 1881 , 1885 und 1886 zoologiſche Forſch ungen, zuleßt zwiſchen der Hauptſtadt Marokko und Caja: blanca, machte, wogegen Duveyrier weniger glüdlich war, als er die Küſtenlandſchaft Er Rif durchreiſen wollte, denn die dortigen wilden Bewohner , deren Eriſtenz ſich
uns beſonders ſcharf eingeprägt hat durch die verräteriſche Niedermeßelung deutſcher Seeleute im Jahre 1856 , wei gerten ihm entſchieden das Betreten ihres ungaftlichen Gebiets.
Daß das Land, deſſen wunderbar fruchtbarer Boden , der, nach Jannaſch, in den beſten Gegenden den Vergleich mit den tiefgründigen Börden des Nilthals nicht zu ſcheuen braucht, deſſen herrliches Klima zu den geſündeſten der
Erde gehört , unter der ſchmählidyſten Mißwirtſchaft ſo wenig hervorbringt, haben alle Reiſenden beklagt , welche
tuelle europäiſche Eigentümer wird in dem dereinſt um die Herrſchaft im Mittelmeer entſtehenden Kampfe ſicherlich
die Entſcheidung geben. Da aber eine ſolche Herrſchaft aus den angeführten Gründen ſchwerlich bald aufgerichtet werden wird, erſcheint die vom Zentralverein für Handels geographie in Berlin angeregte und ins Wert geſepte wirtſchaftliche Erforſchung des Landes ausſichtsvoll genug. Algerien iſt ſchon ſeit vielen Jahren in franzöſiſchen Händen , und wenn auch die Fortſchritte in leßter Zeit groß ſind, ſo iſt das wohl der franzöſiſchen Regierungs
politik am wenigſten zu verdanken. Nach den Darlegungen des berühmten Leroy-Beaulieu wechſelt dieſelbe den Ein geborenen gegenüber planlos zwiſchen drei Syſtemen : Ver drängung derſelben über den Atlas hinaus, Aſſimilierung derſelben mit den europäiſchen Koloniſten , endlid, voll
ſtändiger Aufrechterhaltung ihrer Nationalität. Da das erſte Syſtem ungerecht und idywer durchführbar iſt und das leßte gleichbedeutend wäre mit Verzichtleiſtung auf die Kolonie, ſo kann man nur an das zweite denken . Und
die Befolgung dieſes Syſtems wird dadurch erleichtert, daß die Eingeborenen feine homogene Nation ſind, daß der
Kabyle vom Araber und arabiſchen Berber durch Stammes verfaſſung, Kollektiveigentum und Polygamie geſchieden wird, vom Europäer aber nur durch die Religion. Leider ſind die franzöſiſchen Beamten wenig vorbereitet für ihre, eine beſondere Begabung und Schulung fordernden Pflich ten. Wollte man das Beiſpiel Englands in Bezug auf
die Ausbildung ſeiner indiſchen Beamten befolgen , man würde ſicherlich beſſere Erfolge erzielen. Auch iſt es hobe Zeit, daß aus dem bureaukratiſch oder militäriſch regierten
Volke ein ſich ſelbſt regierendes herangebildet werde. Noch aber fißt weder im Conseil supérieur, noch im Parlament
ein einziger Eingeborener, noch auch gibt es ein orga: niſches Gefeß , vielmehr ſind es nur periodiſch und oft ohne genauere Kenntnis der Verhältniſſe verkündete Dekrete, durch welche die Verwaltung beſtimmt wird. Dit genug haben die erlaſſenen Maßregeln die freie Bewegung der
Koloniſten gehemmt, während andererſeits das Kollektiv : eigentum der arabiſden Stämme den raſderen Aufichwung der Koloniſation hinderte. Es iſt daher kein Wunder, daß die Ausgaben faſt regelmäßig die Einnahmen überſteigen, und daß Frankreid jährlich bedeutende Zuſchüſſe machen muß einſchließlich der Koſten für das Militär 70 bis 80 Millionen Franken. Dennoch iſt die Handelsbewegung in überraſchender Weiſe, aber freilich auch mit ſehr ſtarken Sdwankungen, gewadiſen, von nahe an 83 Millionen im
Jahre 1850 auf weit über 420 Millionen im Jahre 1888.
Marokko beſuchten. Und es iſt ſicher, daß der begehrens
Und in der Liſte der Ausfuhrartikel finden wir einen , der
werte Befiß längſt einem der beiden Nadbarn in die
mit erſtaunlicher Schnelligkeit ſteigt, das iſt der Wein. Vor noch nicht vielen Jahren von der franzöſiſchen Regie
Hände gefallen wäre, hätten nicht andere Mächte ein leb: haftes Intereſſe , daß dies nicht geſchehe. So dankt das Land die Aufrechterhaltung ſeiner Unabhängigkeit ſeinem inneren Wert und audz, das darf nicht vergeſſen werden, ſeiner unvergleichlichen ſtrategiſchen Lage. Denn der even:
rung durch allerlei veratoriſche Maßregeln , die Einfuhr von Reben betreffend, gehindert und belaſtet, hat ſich die Weinproduktion in den leßten Jahren ſehr zum Vorteil
Frankreichs ſelber außerordentlich gehoben. Schon ſind
Im Oſten von Aſien .
über 100,000 Hektar mit Reben bepflanzt und beläuft ſich die jährliche Produktion auf weit über 3 Millionen Hekto: liter. Aber auch hier hat ſich ſchon der Fluch der Weinberge, die Phylovera gezeigt und erfordert die umſichtigſte
45
Zeit iſt nahe, wo der alte Name, mit dem wir den Erd :
teil ſo lange bezeichneten , ſeine Berechtigung verloren baben wird.
( Fortſ. folgt.)
Wachſamkeit der bisher leider allzu wenig ſorgſamen Re gierung. Weit glüdlicher als Algerien iſt das Nachbarland Tunis beanlagt. Wie die orographiſchen Gegenfäße hier abgeſchwächt erſcheinen , ſo iſt auch die Bevölkerung lenfſamer. Sie hat ſich ſehr bald in die franzöſiſche Herrſchaft gefunden. Denn die früher ſchwer auf den Be:
Im Often von Afien. (Schluß .)
wohnern laſtenden und in gewaltſamſter und betrügeriſcher Weiſe von den Eingeborenen erhobenen Steuern haben
Die ,,Marcheſa " beſuchte Sumbawa und die benach barten Inſeln Flores und Samba, welche öſtlich von Java liegen. Sumbawa iſt ungefähr 170 engl. Meilen lang und ziemlich dicht bevölkert , hauptſächlich von Leuten der malayiſchen Raſſe. Dieſe Inſeln ſind den Europäern
unter franzöſiſcher Verwaltung einem geordneten und ges
wenig bekannt, obwohl holländiſche Befißungen. Sie ſind
rechten Syſtem Plaß gemacht, ſo daß das Volk mit dem Wechſel der Regierenden zufrieden iſt und die Finanzen vortrefflich ſtehen . Werfen wir noch einen Blick rückwärts, um zu überſchauen , was für die beſſere Kenntnis des Erdteils in
in zwei Sultanate geteilt : Sumbawa und Bima , über welche die Holländer eine Art von Oberhoheit ausüben. Der Rontroleur, welcher auf Bima wohnt, iſt der einzige Europäer. Eine auffällige Verſchiedenheit zwiſchen der Inſel Sumbawa und den Sulu - Inſeln machte ſich für die
der jüngſten Vergangenheit gethan worden iſt, ſo ſehen
Reifenden ſofort bemerkbar; ſoweit man blider: tonnte,
wir die Ausfüllung einer großen Lücke im Innern, die endliche Löſung der Nilquellenfrage, die Entdeckung eines
los , wie bei uns im Winter.
.
war das Land ausgedörrt und die Bäume ſo blatt Vom April bis zum Juli
neuen Schneegebirges, endlich die Richtigſtellung der Süd-
fällt wenig Regen und die Büffel tummeln ſich in Wolfen
grenzen des Ukerewe als wichtigſte Ergebniſſe der großen Reiſe Stanleys. Daneben dürfen wir als wertvolle Be:
von Staub.
reicherung der Karte Graf Telekis Entdedungen nordöſtlich vom Ukerewe ſtellen , die Auffindung des langgeſtredten Baſſo Narok oder Rudolf-Sees und des kleineren,
ſalzigen Baño Naébor oder Stephanie-Sees, nebſt der merk-
Die Urſache davon ſind die Südoſtwinde,
welche über die trodenen , wüſten Ländereien von Auſtra : lien ſtreichen und die Gegenden, welche ſie dann berühren, bis nach Java hin ausdorren. Es war die Abſicht der
Reiſenden, den Tambora zu beſteigen, welcher der Schau plaß einer der fürchterlichſten vultaniſchen Eruptionen war , die es je gegeben hat. Aber das dichte, dornige
würdigen, weil allein in Afrika heute noc thätigen Vulfangruppe am Südende des erſteren. Sicher bringt uns auch die ſo oft vergebens verſuchte, endlich dem Dr. Meyer mit dem Alpiniſten Purtſd eller geglückte Beſteigung des Rieſen: doms des Kilima'ndicaro in den angeſtellten Beobach:
und durch das nicht der ſchmalſte Pfad führt , ſchredte doch ſchließlich vor dieſem fühnen Unternehmen ab. Der große Vulfan -Ausbruch , über welchen Wallace
tungen für die geographiſche Wiſſenſchaft wertvolle Er: gebniſſe. Wichtige Forſchungen ſind im Kongo- Gebiet,
am 11. und 12. und endete erſt vollſtändig im Juli. Der
in Togo unb Kamerun , in Senegambien und Marokko
Donner der Erploſionen wurde nach einer Richtung bin
.
Dſchungel-Gebüſc ), welches die Seiten des Berges bedeđt,
beridtet hat, begann am 5. April 1815 , war am heftigſten
gemacht worden. Somit iſt auch wieder in der jüngſt:
auf 1100 Meilen Entfernung gehört und in entgegen
verfloſſenen Zeit ein gutes Stüd Entdeckungsarbeit voll-
gefester Richtung auf 900 Meilen. Wirbelivinde führten Menſchen , Pferde, Rindvieh und was ſonſt irgend in ihre Gewalt kam, hoch in die Luft ; große Bäume wurden mit den Wurzeln ausgeriſſen , ſo daß ſich das Meer mit mächtigen Stämmen bedeckte; Ströme von Lava floſſen zum Meere hinab , alles zerſtörend, was in ihren Lauf
endet.
Der größte Teil Afrikas iſt uns heute bekannt. Die noch vorhandenen weißen Flecke der Karte bedecken ſich bei der unausgeſeßten Thätigkeit aller hier beteiligten Nationen mit jedem Jahre mehr mit den Umriſſen von
Gebirgen , Ebenen und Gewäſſern. Die Zeit der extenſiven Forſchung naht ſchnell ihrem Ende, ein Zug mitten durch das Herz des Kontinents, noch vor wenigen Jahren eine ſtaunensiverte Leiſtung, wird heute kaum nod beachtet,
wenn er unſere Kenntniſſe der Dro- und Hydrographie,
fam .
Maſſenhaft fiel Afde herab und machte die Häuſer
von Bima , das 60 Meilen entfernt liegt , unbewohnbar. Längs der Küſte von Sumbawa und den benachbarten Inſeln ſtieg die See plößlich von 2 bis zu 12 Fuß, Schiffe wurden von ihren Ankern losgeriſſen und an das Ufer ge
des organiſchen und anorganiſchen Lebens des Erdteils nicht zugleich bereichert. Die Forſchungsthätigkeit hat ihre
worfen.
ertenſive Richtung aufgegeben und iſt beſtrebt, ſid, zu vertiefen. In dieſer Beziehung bleibt freilich noch viel zu thun, aber doch begegnen wir immer mehr Licht und die
einer Vevölkerung von 12,000 Perſonen, welche die Pros
Ausland 1890, Nr. 3 .
Die Stadt Tambora ſank in das Meer und
blieb dauernd mit 18 Fuß tiefem Waſſer bededt. Von vinz Tambora bewohnten , ſollen nur 26 übrig geblieben ſein. Eine gewaltige Kluft iſt an der nördlichen Seite 8
Jm Often von Afien.
46
des Rraterrandes , durch welche der Lavaſtrom hervorge:
Strümpfe in goldgeſtidten fürfiſchen Pantoffeln ſteden .
brochen iſt und ſeinen Weg durch den Urwald nach dem Meere genommen hat. Heute bedeckt ſchon wieder üppiger
Dieſer Anzug ſteht jungen und hübſchen Damen ganz reizend. Dic Geſellſchaft in Macaſſar erwies ſich als ſehr
Wald die Stätte der Verwüſtung.
liebenswürdig ; faſt jedermann ſprad das Engliſche oder
Die Vogelwelt von Sumbawa zeigt ein Gemiſch der indiſchen und der auſtraliſchen Formen. In den Dbſt
Franzöſiſche faſt ebenſo gut, wie ſeine Mutterſprache. Die Reiſenden wurden zu einer privaten Theateraufführung
gärten in und um Bima waren die Vögel ſehr zahreich;
eingeladen , welcher ein Ball in einem öffentlichen Saale folgte , der am Sonntag für den Gottesdienſt benußt
I
als etwas ber Wiſſenſchaft bisher noch unbekanntes brachte der Autor einen Zosterops sumbavensis mit, von bräun: lichem Kopfe , während der übrige Körper ein hübſdyes Goldgelb hat. Die Ziegenmelker ſind hier ſo zahlreich
vertreten , wie nicht leicht irgend anderswo ; ſie bedecken zu Hunderten die ausgetrodneten Reisfelder. Auf den Märkten findet man hauptſächlich getrodnete
Fiſche, Bananen und vorzüglichen Tabak , der von Lom bof herkommt, einer kleinen Inſel im Weſten von Sum Der auf Sumbawa wachſende Tabal würde bawa .
wahrſcheinlich ebenſo gut ſein , aber die Eingeborenen wiſſen ihn nicht zu präparieren. Mit Ausnahme eines einzigen Schiffes, das jährlich von Mauritius nach Bima fommt, um Ponies zu kaufen , beſucht kaum noch irgend
ein bedeutenderes Schiff die Inſel. Sandelholz und Pus nies werden auch von Timor erportiert ; die Tiere ſind bewunderungswürdig klein , ungefähr zwölf Hände hoch, von brauner Farbe , ſehr kräftig , im Preiſe von 12 bis 15 Dollars.
wurde ! Die Zahl der Gäſte war groß , das ſchöne Ge
ſchlecht war ſehr zahlreich durch die „ Chokoladen-Damen " vertreten , wie ſie hier ihrer Hautfarbe nach genannt wer den. Die holländiſchen Beamten müſſen in dieſen Regionen eine Anzahl von Jahren dienen , vielleicht fünfzehn , ehe ſie Urlaub erhalten ; ſo vergeſſen ſie ihr Vaterland und die heimiſchen Schönen , und heiraten, vielleicht nicht Halb faſte, aber doch Frauen, deren ſchwarzes Haar und warme Färbung auf anderes als europäiſches Blut hinweiſen . Verträgt ſeine Ronſtitution den häufigen Genuß des Port weins und der Bitteren , ſo zieht der Beamte ſich nach Beendigung ſeiner Dienſtzeit nach Batavia oder Buiten zorg zurück und verbringt den Reſt feines Lebens in
der Geſellſchaft ſeiner Genoſſen. Bei der theatraliſchen Unterhaltung war das Spiel gut ; bei dem Balle ſchien der Vorrat an Champagner , den die Holländer ſehr lies
ben, ganz unerſchöpflich. Man ſchreibt dem Champagner eine vorbeugende Kraft gegen die Cholera zu , deren Er
Von Sumbawa ging die ,,Marcheſa “ nach Macaſſar,
deinen erwartet wurde, und man ſuchte die Fremden da :
an der ſüdlichen Küſte von Celebes. Die Stadt ſieht von
mit bekannt zu machen , wie ſie dieſe ſchredliche Geißel von ſidh abwenden fönnten. ,,Spülen Sie die Leber ges hörig , mein teurer Herr , laſſen Sie ihre Leber beſtändig von Champagner durchſtrömen , und Sie werden niemals die Cholera bekommen " , lautete der gegebene Rat ; „ und jedermann kam augenſcheinlich dieſer Mahnung gewiffen
der Seeſeite nicht anziehend aus , das Land iſt flach und
niedrig; „der Plaß iſt förmlich geſchmort in der Hiße." Wenn man von Java abſieht, ſo iſt Macaſſar die wich. tigſte Stadt im ganzen holländiſchen Dſtindien und der Mittelpunkt des Handels für einen großen Teil des Lan
des, „ Batavia iſt das Singapore der Holländer; Macaſſar ihr Hongkong". Ein Engländer wird ſelten in dieſen Regionen gefunden , engliſche Schiffe freuzen felten in dieſen Gewäſſern. Von den holländiſchen Sitten in Ma caſſar gibt der Autor eingebenden Bericht. Ein ceremos niöſer Beſuch findet um v Uhr nachmittags ſtatt; das Mittageſſen wird um halb neun Uhr eingenommen, wobei der Frad etwas unerläßliches iſt; dazu weißes Beinkleid und hoher Hut, wenn auch nur in der Hand ; im holläns diſchen Dſtindien werden nach Sonnenuntergang von bei: den Geſchlechtern keine Kopfbededungen getragen. Die Gäſte
haft nach ."
Während des Doktors Anweſenheit in Macaſſar gab der König von Goa einen Feſtſchmaus, zu welchem die meiſten der holländiſchen und deutſchen Reſidenten ein geladen waren. Obgleich er freundlich mit den Holländern ſteht, ſo bringt doch die große Nähe eines Gebietes der .
Stadt manche Beunruhigung, da Räubereien nicht zu den Seltenheiten gehören. Die Unterhaltung endete mit einem Hahnenkampfe, dem Lieblingsſport der Malayen. Die da: bei angewendeten Sporen ſind ungefähr 3 Zoll lang und
aus den Klingen von Raſiermeſſern hergeſtellt, die man
nehmen gewöhnlich in der Veranda Plaß und Portwein,
zu außerordentlicher Dünne geſchliffen hat.
Madeira und feine Liföre werden ihnen troß des heißen Klimas vorgeſeßt ; Manila-Cigarren ſind zur Hand, denn geraucht wird allgemein. Die holländiſchen Damen find in betreff des Anzuges ihren engliſchen Mitſchweſtern in dieſen Gegenden voraus , indem ſie denſelben dem Klima anzupaſſen ſuchen . Des Morgens erſcheinen ſie im Roſtüm eine kurze, ſpißenbeſeßte Kibaya von der Eingeborenen feiner weißer Leinwand iſt bis zum Halſe zugeknöpft und ein feidener Sarong reicht bis zu den Füßen, welche ohne
Waffen vermindert ſich die Grauſamkeit des Herganges bedeutend. Wir warteten das Erde eines der Haupt kämpfe ab. ,,Der König und andere königliche Herr ſchaften machten ihre Wetten ; die Kämpfer wurden ein:
Mit folden
ander gegenübergeſtellt, fie madyten zwei Angriffe und in
weniger als ſechs Sekunden lag der beſiegte Vogel regungs los auf dem Boden. Wäre ihm das gewöhnliche Los zu teil geworden , durch die Hand des Kochs zu fallen , ſo hätte ſein Tod fein dynellerer ſeir: können . "
Im Oſten von Afien.
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In Menado auf Nord Celebes machten die Reiſenden ihre erſte Bekanntſchaft mit der Kanarinuß , deren Ge: dhmad Dr. Guillemard über den jeder anderen Nuß ſtellt, falls ſie friſch genoſſen wird. Der Baum wächſt zu großer Höhe ; eine Schale von außerordentlicher Härte -- ſo hart, daß ſie nur mit dem Hammer zerſchlagen werden kann umſchließt eine fleiſchige Frucht, von zwei oder drei Kernen , die mit einer dünnen Haut bebedt ſind; wenn
fangene hielt ſich am Tage ſtill in ſeinem Käfig, aber des Nachts, beſonders wenn er geſtört wurde, ſprang er ſent recht in die Höhe, in einer ſeltſam mechaniſchen Art, nicht unähnlich dem Hopſen der Flöhe." Da er nicht Schwaben eſſen wollte, die einzige für ihn paſſende, erreichbare Nah rung , ſo lebte er nur bis zum dritten Tage , wo er ſein Grab in einer Flaſche mit mixed pickles fand und gehörig
man leßtere entfernt hat, ſo zerfällt die Nuß in eine Ana
wurde. Die Abbildung des wahrſcheinlich noch nie lebend nach England gebrachten Tieres findet ſich ebenfalls in
zahl unregelmäßiger Floden, ſchneeweiß und von köſtlichem Wohlgeſchmad. Der ſchwarze Rakadu von Neu-Guinea hat einen ſo kräftigen Schnabel, daß er die Nuß damit öffnen fann . „ Die Anſtrengung iſt eine gewaltige , aber der Vogel wird auch reichlich dafür belohnt".
Wallace
fand den Kanaribaum in den dichten Wäldern von Bat :
ſchian, einer Inſel der Molukken. In Menado gelang es den Reiſenden , ihrer natur
einem Fache des Columbariums der ,,Marcheſa " einverleibt
Dr. Guillemards Bude.
Bei Likoupang , nahe der Maim -Bucht auf Norts Celebes , fanden die Reiſenden eine große Anzahl ſonder: barer Vögel, die einzigen Repräſentanten ihres Genus, die Maleo, kräftig am Ufer grabend. Die Jäger ſuchten nun „ ſo nahe als möglich zu kommen, ohne geſehen zu werden, und dann auf ſie los zu laufen , indem ſie ihre Arme
wiſſenſchaftlichen Sammlung einen Sapi - utan - Ochſen ( Anoa depressicornis) hinzuzufügen , den ihnen ein Ein
ſchwenkten und feuerten. Die Vögel laufen nicht weg,
geborener lebendig brachte. Dieſes Tier, einer der vielen Celebes eigentümlichen Arten angehörig, hat einen kleinen, aber fräftigen Körper und zierliche Glieder ; es iſt eine Art von Büffel, mit kurzen, dünnen niedergedrüdten Hörs nern, welche ſich an der Baſis ringeln und beinahe gerades aus rüdwärts weiſen. Das Eremplar war beinahe zwei Jahre alt , zahm , leicht zu behandeln ; es wurde für den Zoologiſdhen Garten in Regent's Park beſtimmt, ſtarb
Bäumen , am Rande der Bucht laſſen ſie ſich nieder und halten ſich dort für ſo ſicher, daß ein Maleo nicht weg fliegt, wenn ſein Nachbar ſchon getroffen niederſinkt. So gelang es der Geſellſchaft eine ganze Anzahl zu erlegen, die ſchöne Bälge und föſtliches Fleiſd lieferten. Der Vogel hat ungefähr die Größe eines kleinen Auerhahns, iſt der Inſel Celebes eigentümlich und gehört zur Familie der Megapoden oder Hügelbauer , hühnerartiger Vögel , die
aber auf der Heimreiſe in der Biscayiſchen Bucht, bei
Auſtralien charakteriſtiſch ſind, aber ungleich den meiſten
einem heftigen Sturme. Die Sammlung lebender Vögel und anderer lebender Geſchöpfe, welche allmählich die ,,Mars
auſtraliſchen und Papuan-Vögeln, welche ihre Hügelneſter aus Hölzern , Sand und Blättern errichten , benußt der Maleo nur den Kies der Seebucht allein, um darin ſeine Eier auszubrüten. Die Eier ſind von ungeheurer Größe, ganz außer Verhältnis zum Umfang des Vogels. Die Neſthügel werden nicht mit irgend welcher Regelmäßigkeit
cheſa“ zu einem ſchwimmenden zoologiſchen Garten machen follte, nahm ihren Anfang im nördlichen Celebes. Unter anderen Kurioſitäten war ein kleiner Lemuroid (Tarsius
spectrum Geoffroy) , den ein Eingeborener brachte , die intereſſanteſte Vermehrung der kleinen Menagerie. Dieſe
ſondern fliegen , aber nur eine kurze Stređe ; auf den
nebeneinander errichtet, ſondern die Bucht zeigt eine große
kleine , lebhafte Kreatur , ungefähr von der Größe einer Ratte , iſt in ihren Gewohnheiten nächtlich und liebt die Bäume ; ſie iſt bededt mit einem ſehr dicken , weichen, wol ligen Pelze ; ihr Schwanz iſt lang , Wurzel und Spiße
Anzahl unregelmäßiger Erhebungen und Depreſſionen , welche Dr. Guillemard mit der Oberfläche einer wild : erregten See vergleidyt. Die Eier werden weder auf dem Grund der Aushöhlungen , noch oben auf den kleinen
ſind mit Haaren bebedt , der mittlere Teil aber beinahe
Hügeln gefunden, ſondern in ſeichten Gräben und an den Abhängen der unregelmäßigen kleinen Anhöhen. Die
nadt. Die Augen und Dhren ſind enorm und ſcheinen den größten Teil des Kopfes auszumachen, da Kinnbacken und Naſe klein ſind.. Die hinteren Glieder ziehen be ſonders die Aufmerkſamkeit auf ſich , denn die Tarſals Knochen ſind von großer Länge , woher der wiſſenſchaft
liche Name ſtammt. „ Die Hand iſt ebenſo merkwürdig
Eingeborenen unterſuchen den Sand mit dünnen Stöden, um die Eier aufzufinden. Wenn das Ei eben erſt bedeckt worden iſt, ſo iſt dort der Sand loderer, ſo daß der Stod leicht eindringen fann ; dann wird der Sand vorſichtig entfernt , der Stod noch
wegen ihrer Länge, als wegen der ſeltſamen Klauen, mit
weiter zur Auffindung der Richtung benußt , und endlich
denen ſie verſehen iſt, und wegen der ungewöhnlichen, runden Fleiſchmaſſe auf der Innenſeite der Finger, welche es wahrſcheinlid, dem Tiere ermöglichen, ſich in jeder Stel
lung feſtzuhalten . Der Name spectrum deutet auf den
die Eier ausgegraben , oft mehr als eine Elle tief unter der Oberfläche. Die Hähne graben ebenſowohl wie die Hennen und werfen den Sand in wahren Fontänen in die Höhe ; aber der Maleo fraßt nicht abwechſelnd mit beiden
Schreden bin , welchen das Tier mit ſeinem ſeltſamen Kopfe den Eingeborenen einjagt , wenn es in der Däm
Füßen, wie das gewöhnliche Huhn, ſondern ſtüßt ſich auf das eine Bein und führt mit dem anderen einige ſchnelle Grab
Der kleine Ge:
bewegungen aus ; der große Fuß der Megapoden iſt breit,
merung plößlich zum Vorſcheine kommt.
48
Im Oſten von Aſien.
feſt, mit einer dünnen Bindehaut an der Baſis der Zehen,
er iſt beinahe jo leiſtungsfähig, wie eines Mannes Hand
und ichidte zu unſerem größten Erſtaunen ſich an, die An gabe des Kukum Kadna in Litoupang wahr zu machen,
ſein würde. Nachdem die Eier in dem heißen Sande ſorg fältig untergebraďt ſind , fümmern fid, die Eltern nicht mehr darum , fie tonnen ſorglos der Sonne das Brut geſchäft überlaſſen. Die Inſel Celebes bietet mehr ſeltſame Probleme zur Löſung als irgend eine andere Inſel der Welt , und die abnorme Geſtalt eines Malev - Eies iſt eines dieſer Pro bleme. Warum iſt das Ei ſo ganz außer Verhältnis zur Größe des Vogels ? Dr. Guillemard glaubt eine Antwort auf dieſe Frage gefunden zu haben. Die Eier der großen erdniſtenden Vögel würden vielen Gefahren ausgeſeßt ſein, wenn ſie nicht ſo tief in den Sand vergraben wären ; unter einer diđen Sanddecke oder in einem künſtlichen Hügel ſind ſie vergleichsweiſe ſicher. Aber die Eer liegen oft
indem er verſuchte , an dem etwas ſchiefen Stamme zu ſeinem Gegner in die Höhe zu klettern. Wie weit er bei
drei Fuß unter der Oberfläche; bedenkt man nun , welches
dem er ſich büdte und die Stöße mit ſeinem meſſerſcharfen
5
Gewicht dieſe aufliegende Sandmaſſe auf das Ei ausüben muß , ſo kommt man zu dem Schluſſe , daß kein junges Hühnchen von gewöhnlicher Größe ſich durch dieſe laſtende Dede Bahn brechen könnte, wenn es das Ei verläßt ; da mit iſt die Notwendigkeit des großen Eies und des fräf
tigen Hühnchens gegeben. Wallace meint , daß der In: ſtinkt des Vogels ſich ſeiner ungewöhnlichen Eiergröße angepaßt habe ; unſer Autor dagegen behauptet , die Eis
dieſem Aufſtiege gekommen wäre, konnten wir leider nicht erfahren , denn kaum hatte er ſich von dem Boden er hoben, ſo wurde ſein weiteres Steigen durch einen läder
lichen Zufall verhindert. Aengſtlich zu entwiſchen , war der Mann zu weit nach vorn auf ſeinem Zweige vorges
drungen, ſo daß dieſer nadygab und der unglüdliche Jäger fich plößlich auf ſeinem Rüden auf dem Erdboden befand, ein oder zwei Ellen von den fürchterlichen , nadelſpißen
Hauern ſeines Gegners entfernt. Glüdlicherweiſe wurde die Aufmerkſamkeit des leßteren von einem anderen Ein : geborenen abgelenkt, welchen er ſogleich angriff. Der
Mann parierte dieſe Angriffe in geſchidteſter Weiſe , in Speere auffing. Die Spiße desſelben drang vorn an der Schulter ein, und obgleich der Schaft durch den An prall beinahe brach , wußte er ſich doch das Tier abzu halten , bis ſeine Gefährten zu ſeiner Hilfe berbeieilten. Selbſt mit vier Speeren in ſeinem Leibe ſeşte ſich der Eber noch zur Wehr und fudyte bis zum legten Augen: blicke an ſeine Gegner heranzukommen .“ Außer dem Babiruſja und dem Anoa iſt auch nodi
größe hänge von den Gewohnheiten ab, welche die Art zu
ein ſchwarzer, pavianartiger Affe eine Eigentümlichkeit von
ihrer Erhaltung angenommen habe. Hinter dieſer Teleo: logie birgt ſich immer etwas Geheimnisvolles , das mit
Celebes. Audy die Vögel ſind merkwürdig abweichend von denen der benad barten Inſeln ; ebenſo zeigen die Schmetter linge und andere Inſekten ihre Beſonderheiten , ſo daß man ſchließen muß, Celebes ſei in einer ſchon ſehr fernen Zeit von den umliegenden Inſeln abgeſondert worden. Als die ,, Marcheſa " auf Ternate, einer kleinen Inſel Molukken der , landete , hatte der dortige Reſident gerade
den Schlagwörtern der Anpaſſung und Vererbung nicht erledigt wird. Während ſie auf der Inſel Limbe , im Dſten von Nord- Celebes, verweilte, traf die Geſellſchaft Anſtalten zur Jagd des Babiruffa, des Hirſchebers oder wilden Schwein hirſhes, von den Eingeborenen ſo genannt, wegen der ſchlanken Beine und gebogenen Hauer des Tieres, welche
einige Aehnlichkeit mit Hörnern haben. Hier iſt wieder ein anderes feltſames Problem von Celebes , da gegens
wärtig nicht zu ermitteln iſt, wozu ihm dieſe Hauer nüßen. Wallace denkt, daß ſie meiſt dem Tiere nüßlich waren und ſich damals ſo ſchnell abnüßten, als ſie wuchſen ; daß aber
aus Neu - Guinea allerhand feltene Tiere und Pflanzen
heimgebracht. Sein Vogelhaus enthielt eine Fülle der ſeltenſten und ſchönſten Papageien aus der Papua -Region , unter denen ſich der ſeltſame Pesquet: Papagei ( Dasyptilus Pesqueti) befand , dem Ausſehen nach ein halber Geier, Geſicht und der Hals nadt; er bewohnt das Hauptland von Neu -Guinea.
„ Das dönſte der Sammlung waren
veränderte Lebensbedingungen ſie unnüß gemacht haben
zwei prächtige Eremplare des großen zwölffedrigen Para
und daß ſie ſich nun zu monſtröſen Formen entwickeln, gerade ſo , wie die Schneidezähne des Bibers oder des
diesvogels (Seleucides). Die von den Eingeborenen prä parierten Bälge , die wir in Europa zu ſehen bekommen ,
Kaninchens ſich überwachſen , wenn die entgegengeſekten
geben keine Vorſtellung von der glänzenden Schönheit des
Zähne ſie nicht abnüßen.
lebenden Vogels. Die Steißfedern, deren verlängerte und fadenartige Schäfte dem Vogel feinen gelehrten Namen gegeben haben, ſind von einem reichen Goldgelb und der
Binnen zwei Tagen hatte man ſechs wilde Schweine und vier Babiruſa erlegt. Die alten Eber ſind fürchters liche Gegner , ſo daß einer von der Jagdgeſellſchaft nur knapp mit dem Leben davon fam ; ein alter Eber hatte fidh mit ſeinen Hauern in die Maſchen des Nebes ver
wickelt und die Eingeborenen wollten ihn niederſtoßen ; er machte ſich aber los und jagte ſeine Feinde nach allen
Richtungen ; ein Mann flüchtete fid, auf einen Baum. „ Der Babiruſſa richtete ſich am Fuße des Baumes auf,
Bruſtſdyild zeigt, wenn er ausgebreitet iſt, ſehr vorteilhaft die Spißen von metalliſdem Schmelze. Dieſe erleſenen Geſchopfe werden mit den Früchten des Pandanus genährt, gelegentlich auch mit einem Schwaben als Delikateſſe. Beim Verzehren von Inſekten, welche ſie in die Luft war: fen und dann wieder auffingen , entfalteten ſie die wun dervolle grasgrüne Färbung der Innenſeite des Mundes
Im Oſten von Aſien.
49
Id fann die Gefühle der Bewunderung,
Papua iſt fühn, ſelbſtbewußt, unabhängig, und es iſt nicht
mit welcher ich dieſe Tiere betrachtete, welche zu den ſchön ſten aller lebenden Geſchöpfe gehören, faum wiedergeben ...
wahrſcheinlich, daß er ſich ſo leicht wird zum Chriſtentum
und des Halles.
es find Meiſterwerke des Farbenſpiels."
Auf Ternate nahm man ſich die Zeit, das Schiff aus. zubeſſern , die Sammlungen zu ordnen und Plat für die Waren zu machen , deren man auf Neu-Guinea bedurfte, und die in Türkiſchrot , Bildern , dunkelblauem Rattun , baumwollenen Hemden, Nadeln, Aerten, Knöpfen, Berlen, Flaſchen, Meſſern, Spieldoſen, chineſiſchen Spiegeln, Tabak,
Eiſenſtangen , Meſſingdraht, Fijdhaken und malayiſchen Sarongs beſtanden. Davon wurden dann am meiſten die
chineſiſchen goldenen Knöpfe begehrt, von denen die Eins geborenen fidh Dhrgehänge machten, aber auch Aexte und Eiſenſtangen waren ſehr gefragt ; dagegen erwieſen ſich Türkiſchrot und Kattun als ſehr nußlos, denn der Papua hängt ſein Herz nicht an Kleider ; auch die Fiſchhaken
befehren laſſen , wie dies auf einigen Inſeln des Stillen Dzeans möglich geweſen iſt .“ Dr. Guillemard meint, die Miſſion habe faſt gar keinen Einfluß auf die Papuane gehabt ; dieſe laſſen die Europäer unbeläſtigt, aber ihre Sitten und Gewohnheiten bleiben unverändert. Während der Anweſenheit der „ Marcheſa " wurde ein Gößentempel, Rum-flam, der vom Feuer zerſtört worden war, in ſeiner
früheren Häßlichkeit und Indecenz wieder aufgebaut. Von den echten ſchiefmäuligen Papuaneri gibt der Verfaſſer einen ſehr intereſſanten Bericht. Eine Anzahl derſelben beſuchte das Schiff in ihren Kanus ; erſt etwas
mißtrauiſch , legten ſie doch bald ihre Schüchternheit ab,
wollte er nicht, da ihm die ſelbſtgefertigten , wie plump
kletterten dreiſt an ſich auf dem Deck, genſtände ringeum verblüffte ſie ſehr
ſie auch aus einer Muſchelart hergeſtellt werden , doch völlig
Dr. Guillemard wollte von ihnen einen rob in Holz ges
genügen. Die Reiſegeſellſchaft hatte bei holländiſchen Freun:
ſchnißten Kopf von dem Hinterteile eines der Kanus er: bandeln ; der Eigentümer verlangte drei Meſſer dafür.
den während längerer Zeit die gaſtlichſte Aufnahme ge funden und machte ſich nun nach dem holländiſchen Neus Guinea auf den Weg , dem weſtlichen Teil der Inſel, welcher wegen der Abwechſelung der Arten von Inſel zu Inſel, wegen der Eigentümlichkeit in der Verteilung des Paradiesvogels wohl der intereſjanteſte Teil für den Naturforicher iſt. Hier findet ſid) auch der Papua noch in unvermiſchter Neinbeit. Dieſer weſtliche, ſchönſte Teil der Inſel iſt noch wenig erforſcht; er bietet die beſten Häfen dar, weiſt einige Flüſſe auf, von denen der Amberno ſehr anſehnlich iſt. Das Innere wird von Gebirgen durchzogen , auf denen wohl in nicht ferner Zeit ebenſo wertvolle Plantagen angelegt werden dürften wie auf Java. Jenſeit der Grenze der holländi ſchen Beſißungen befindet ſich nur eine einzige holländiſdje Niederlaſſung, Dorei , an der nordöſtlichen Küſte in der Geelvint- Bucht, wo eine Miſſion ſich ſeit 1855 nieder: gelaſſen hat. Hier und in der Nachbarſcaft ſind fünf bol
ländiſche Miſſionare, die einzigen Europäer im Lande ; der Bekehrten ſind wenige im Verhältnis zu den aufgewandten
Mitteln, aber das Werk wird doch fortgeſeßt. „ Geſchädigt in ihrer Geſundheit durch das bösartige Klima und nieher: gedrückt durch den geringen Erfolg ihrer Arbeit, erſcheint ihre Lage beflagenswert, und man konnte nur bedauern , daß ihnen nicht ein befriedigenderes Arbeitsfeld zugewieſen
den Schiffsſeiten empor und tummelten plaudernd und lärmend, alle neuen Gc prüfend , das Läuten der Schiffsglode und regte ſie zu lauten Ausrufen an.
Als der Doktor burd fein Mienenſpiel zeigte , daß dies
eine zu hohe Forderung ſei , äffte man ihn ſofort nach und brach dann in ein Gelächter aus. Das Gefühl der
Verehrung ſcheint in ihnen gar nicht entwickelt zu ſein ; der Papua iſt lärmend , aufbrauſend , von ſozialiſtiſchen Tendenzen erfüllt, aber auch mit einer Anlage zum Humor. „ Als vor einiger Zeit ein Kanonenboot an der nördlichen
Küſte von Neu - Guinea freuzte und dabei ein Dorf be : rührte, das nie vorher Europäer geſehen hatte, wollte der Rapitän dadurch einen bedeutenden Eindruck auf die Wils
den machen, daß er ſamt dem Shiffsarzte in voller Uni form unter ihnen erſchien. Alsbald famen die Einge: borenen zu Hunderten herbei, ganz freundſchaftlidy, machten aber doch bald durch Zeichen deutlich , daß die Fremden ihnen in des Häuptlings Hütte folgen ſollten.
Dieſe
widerſtrebten nach Kräften, weil ſie Verrat fürchteten, ſie wurden aber doch ſchließlich gezwungen , ſich dem Willen der Wilden zu fügen , ohne daß ihre Wache ihnen folgen durfte. Stunden vergingen, ohne daß die Offiziere wieder etwas von ſich hören ließen , und die Schiffsmannſchaft, die ihrer harrte , gab ſich don den ſchlimmſten Befürch tungen hin, als ſie plößlich einen dichten Haufen der Ein: geborenen näher kommen ſahen. In ihrer Mitte entdeckten 1
ſie dann den tapfern Rapitän und ſeinen Begleiter, beide
Befehrte auf, und viele Menſdenleben haben dieſem dyred
ihrer Uniform beraubt und nur bekleidet mit einer Malerei bon roten und weißen Streifen . " In der Mardeja -Bucht, öſtlich von der Batanta
lichen Klima geopfert werden müſſen , woran die peſti lenzialiſchen Mangrove- Wälder der Küſte große Schuld
Paradiesvogel ( Diphyllodes Wilsoni), welcher ſich nur auf
haben. Die Miſſionare faufen die eingeborenen Kinder,
Batanta und den Waigiou- Inſeln findet, auf den leşteren
wenn es angeht , recht jung ; aber die Eltern verkaufen
noch ſeltener als auf der erſteren. Dieſer auserleſen lieb: liche Vogel, der kleinſte von allen Paradiesvögeln, hat die Sdwingen und den Rücken (darladrot und hinter dem
war. “ Das Reſultat von 28 Jahren Miſſionsarbeit in der Dorei- Bucht weiſt nur 16 Erwachſene und 26 Kinder als
nur ungern ihre eigenen, ſo daß nur Waiſen oder Kinder von Stiaven in die Hände der Befehrer kommen, Ausland 1890, Nr. 3 .
„Der
Inſel, erhielt die Geſellſchaft zehn Eremplare von Wilſons
9
Im Oſten von Aſien.
50
Kopf einen aufrechten Buſch von kanarienfarbenen Federn ; auf der Bruſt ein Schild von glänzendgrünen Federn , mit violetten Tupfen von metalliſchem Glanze und äußerſt
Vibration erhalten. Sobald nun die männlichen Vögel im glänzenden Hochzeitskleide ſich einen Baum für die Entfaltung ihrer Pracht ausgeſucht haben, bauen die Ein
leuchtend; die zwei mittelſten Schwanzfedern ragen vier bis fünf Zoll über die anderen heraus und freuzen eins
geborenen ſich aus Palmblättern ein kleines Schußbach
ander , dann biegen ſie ſich grazios zu einem Kreiſe von
Tageslicht anbridit, ſchleicht ſich der Jäger, bewaffnet mit
glänzender Purpurfarbe zuſammen ; „ aber die hauptſäch: liche Eigentümlichkeit dieſes Vogels iſt ſein Kopf, welcher von dem Scheitelpunkt an nach rückwärts kahl iſt; die fahle Haut iſt vom ſchönſten Robaltblau “ , welches jedoch meiſt nach dem Tode verbleicht und ſchließlich ganz ſchwarz
Bogen und Pfeilen, an deren Spißen runde Kolben ſind,
wird. Von den roten Paradiesvögeln (Paradisa rubra), welche auch auf Batanta und Waigiou beſchränkt ſind, glückte es Dr. Guillemard, auch einige Eremplare in den verſchiedenſten Stadien der Entwicelung zu erhalten , ſo daß ſich die verſchiedenen Wechſel der Befiederung von dem einfach gefärbten jungen Vogel bis zu dem ſchön und ſeltſam gezierten erwachſenen verfolgen ließen . Von den Niſtgewohnheiten des Paradiesvogels ſcheint nichts
Beſtimmtes bekannt zu ſein , und obgleich unſer Autor
an einer paſſenden Stelle unter den Zweigen. Ehe das
unter einer ſchüßenden Bedeđung zu dem Palmblattdache. Am Fuße des Baumes wartet ein Knabe ; wenn die Vögel
in gehöriger Zahl angelangt ſind und mit dem Tanz bes gonnen haben , ſo ſchießt der Jäger mit ſeinen ſtumpfen Pfeilen und betäubt dadurch den Vogel, ſo daß er berab: fällt und ſofort ergriffen und getötet wird, ohne daß das Gefieder durd, einen Tropfen Blut geſchädigt würde. Bei ihrer Rüdkehr von Neu- Guinea war die ,,Mars
cheſa“ eine ſchwimmende Menagerie, deren ſchönſtes Stück der zwölffedrige Paradiesvogel war, der ſich leidt zähmen ließ und bald aus der Hand fraß. Er ſdien empfindlid für den leiſeſten Temperaturwechſel und ſtarb , bevor das Schiff die Tropen verließ. „ Affen ſaßen knuppernd auf
hohe Belohnungen bot , ſo wollte ihn doch niemand zu einem Neſt hinführen. Die Eingeborenen ſuchen ſich in folgender Weiſe in den Beſiß von Seleuciden zu bringen : ,,Geduldig ſuchen ſie im Walde umher , bis ſie den ge wöhnlichen Sißplaß des Vogels entdecken ; der Jäger ver: birgt ſich hinter dem Baume , nachdem er ſich genau den vom Vogel erwählten Zweig gemerkt hat ; in der Nacht klimmt er fachte hinauf und deckt ein Tuch über ſeine ahnungsloſe Beute. Da dieſe Arten außerordentlich die charlachrote Frucht des Pandanus lieben , ſo ſind die Sippläße ſehr leicht an dem Auswurfe derſelben zu er: kennen. Dieſer Fangplan wird den meiſten von uns
bem Sdanzded , und weiße Kakadus (doben ſich feierlich
ähnlidh demjenigen erſcheinen, den uns unſere Kinderwär:
känguruhs (Dendrolagus) auf dem Sciffe, von der Größe
terinnen erteilen , für deſſen Ausführung nur eine Priſe Salz nötig iſt; aber die geräuſchloſen Bewegungen der
eines kleinen Haſen. In Auſtralien iſt das Känguruh ein in der Erde lebendes Tier , aber in Neu -Guinea zwingen die dichten Dichungeln dasſelbe zu einein Wechſel der Gewohnheiten, ſo daß wir im Dendrolagus ein inter eſſantes Beiſpiel von einem Erdtier haben, das zu einem Baumbewohner wird ; troß leßteren Umſtandes iſt es in der Kunſt des Kletterns kein Meiſter , es geht langſam und ungeſchickt dabei zu Werke. Leider gelangte keine der Arten lebendig nad England. Zu den Lieblingstieren der Schiffsinſaſſen gehörte auch ein aus Kamtſchatka mit gebrachter , noch nicht ganz ausgewachſener Bär , Misky genannt , der den Reiſenden viel Erheiterung gab , aber auch manches Unheil anſtiftete. „ Als eines Tages ein galanter Lieutenant in vollem Paradeanzug auf das Sdiff kain , war die Verſuchung für Misky zu groß , er erfaßte ſofort die Rodſchöße; es war unmöglich, ihm leß
eingeborenen Jäger helfen über alle Schwierigkeiten hin weg, und fobald der Baum einmal entdeckt iſt , hat der 11
Vogel faſt ſicher ſeine Freiheit verwirkt." Indeſſen iſt es nicht leicht, den Baum zu finden , ſo daß während eines Monats nicht ſelten nur ein Vogel troß eifrigen Nach:
ſpürens im Walde gefangen wird.
Die Eingeborenen
der Aru - Inſeln erhalten Eremplare des großen Paradies
vogels (Paradisa apoda Linn .), der größten bekannten Art, mit vergleichsweiſer Leichtigkeit, weil ſie die Gewohn: heiten des Vogels kennen. Zu einer gewiſſen Zeit des Jahres , manchmal im Mai , beginnen dieſe Vögel ihre Tänze, von den Eingeborenen sacaleli genannt, welche auf gewiſſen Bäumen des Waldes abgehalten werden ,
deren Zweige einen freien Raum für die Vögel zum Spielen und zur Entfaltung ihres Gefieders darbieten. Auf einem dieſer Bäume, ſo erzählt Wallace, ſich ein Dußend oder zwanzig volbefiederte heben ihre Schwingen , recen ihre Hälſe aus ihre prächtigen Federn auf , die ſie in einer I
verſammeln Vögel , ers und richten beſtändigen
auf ihren Stangen hin und her ; Kaſuare fegten mutwillig von einem Ende der Yacht zum andern ; der eine davon war ſo zahm, wie ein junger Hund ; ſeine Hauptbeluſtigung tvar, ein Sdeingefecht mit dem Ventilator einzugehen, indem er in groteskeſter Weiſe um ihn herumtanzte, bald zurüdweichend , bald von rechts und links darauf los: gehend." Des Sonntags wurde der Gottesdienſt öfters daburd geſtört, daß der Raſuar ſich unter die Verſamm lung miſchte , in lebhaftem Streit mit einem Känguruh,
wodurch ſofort auch einige Hunde und ein zahmes Sdywein herbeigelockt wurden . Es waren zwei Arten von Baum
tere aus den Tagen zu winden , ſo daß ihm der entſeşte
Offizier den Rod preisgab, womit der entzückte Sünder ſofort ſeinen Abzug nahm. Misky war für Sdhmerz
faſt unempfindlich; man nahm eines Tages einen brenz lichen Geruch auf dem Vorderteile des Schiffes wahr,
Kanſas.
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und einer von der Mannſchaft ſpürte der Urſache nach
37 und 400 nördlicher Breite, iſt ſo groß wie etwa England
und fand den Braunen aufrecht ſtehend oben auf einem
und Irland oder England und Sdyottland, 3000 Qu. Min .
beinahe rotglühenden Ofen , damit beſchäftigt, Rohlföpfe von einem Fadhe darüber zu ſtehlen. Er brummte dumpf vor ſich hin , ſtand erſt auf dem einen , dann auf dem anderen Bein, ließ ſich aber durd, das Verbrennen ſeiner Pfoten in dem Freßgeſchäfte nicht ſtören .“ Strafe für
größer als Dänemark, Sachſen , Bayern, Baden, Hannover und Württemberg zuſammen, und enthält gegen 52 Mil lionen Acres, alſo mehr urbares Land als Schweden und
ſeine vielen Vergehen war ganz umſonſt, und je älter er
Norwegen. Eiſenbahnen durchſchneiden auf circa 3000 MIn.
das Land nach allen Richtungen. Die Einwohnerzahl hat
wurde , deſto häufiger wurden ſeine dhlimmen Streiche.
ſich ſeit 1861 bis auf reichlich eine Million vergrößert. Es befinden ſich im Lande gegen 600 Kirchen und 5000
Nachdem er einen Teil des Kajütenſchrägfenſters gefreſſen,
bis 6000 Schulhäuſer , i Univerſität , 1 Ackerbauſchule,
ſowie den Daumen eines Matroſen , nadidem er das Del
Blinden-, Taubſtummen- und Irrenanſtalten. Der niedrigſte Punkt des ganzen Landes befindet ſich bei dem Zuſammenfluß des Kanſas und des Miſſouri in einer Höhe von 751 Fuß über dem Meere. Nach Weſten hin hebt ſich der Boden. Der höchſte Punkt liegt
1
aus der Binakellampe getrunken , wurde er von Hung kong aus direkt nach England geſchickt, wo er ſich jeßt wohl im Bärenzwinger des Zoologiſchen Gartens befin . den wird.
Ein anderes Lieblingstier war ein junges Schwein, das vielleicht mehr Charakter in ſich hatte, als irgend ein anderes Tier der Menagerie ; Chugs war ſein Name.
4000 Fuß hoch.
In vielen Teilen von Neu - Guinea machen die Frauen
Unter den Mineralien nimmt die Kohle den erſten Plaß ein. Im äußerſten Südoſten finden ſidh ausgedehnte Adern von Blei und Zink. Salz iſt reichlich vorhanden. Man trifft Gyps- und Kalklager von verſchiedener Mäch. tigkeit und großer Ausdehnung , Sandſtein und Erdharz,
ſolche junge Schweine zu ihren Lieblingen , tragen ſie herum und ſäugen ſie neben ihren eigenen Kindern ; ob
Chugs ſo aufgezogen worden war, iſt ungewiß. Es war der Länge nach ſchwarz und gelb geſtreift und, obgleich es faum acht Zoll lang war, als man es auf das Schiff brachte,
Die beiden Hauptflüſſe ſind der Miſſouri und der Arfanias.
an verſchiedenen Stellen im Dſten aud Töpferthon.
fürchtete es ſich doch vor keinem lebenden Weſen auf dem=
Kanſas wurde 1861 unter die Vereinigten Staaten
ſelben. Es trieb fich, vom Morgen bis zum Abend, auf
aufgenommen , gerade zu der Zeit, als der große Bürgers frieg begann. Während dieſes Krieges machte der Staat natürlich keine Fortſchritte. Als aber 1865 der Friede
dem Deck herum , fing Sdwaben und verzehrte ſie mit
Wohlgefallen, indem es mit den Lippen ſchnalzte und zu frieden vor ſich hingrunzte. Wenn es müde war, neſtelte
es ſich in den Lodenrod von Did, dem Schiffsjungen , ein, oder ſchmiegte ſich an den dicken Kaſuar an, welcher es verwundert anſchaute, als ob er überlege, ob dies wohl ein gutes Futter für ihn ſei. Chugs wuchs ſo dinell, daß
geſchloſſen war, begann die Periode des Aufblühens, und Kanſas hat in den leßten 23 Jahren in der Landwirtſchaft und Induſtrie ganz enorme Reſultate erzielt. Beiſpiele: weiſe ſind 1876 und 1883 gebaut an Winterweizen auf 758,600 Acres 11,738,408 Buſhel , bezw . auf 1,480,204
es bald ſo groß war, wie Dick: es fuhr immer noch fort,
Acres 28,958,884 Buſhel, an Roggen auf 166,674 Actes
den Schiffsjungen als Schlafmatte zu benußen , ſo daß lekterer ſchließlich kaum wagte, ſich niederzulegen. Dr. Guillemards Bud hat in England großen Bei fall gefunden. Die Illuſtrationen von Edw. und Charles Whymper und J. Keuiemans ſind vortrefflich. E. De.
3,441,189 Buſbel, bezw. auf 321,508 Acres 5,084,391 Buſbel , an Mais auf 1,884,454 Acres 82,808,176 Bus
Kanſas. Kanſas i bildet die Mitte der Vereinigten Staaten von
Thel , an Hafer auf 391,845 Acres 12,386,216 Buſhel, bezw. auf 694,576 Acres 30,987,864 Buſhel. 1883 wur den 3,730,150 Acres zur Heuwindung benüßt. Im ſelbigen Jahre betrug von 2175 Acres die Buchweizenernde 19,575 Buſhel, auf 80,545 Acres wurden 6,413,600 Bus Thel Kartoffeln gebaut, auf 12,799 Acres 135,838 Buſhel Bohnen, auf 116,196 Acres 1,159,995 Buſhel Flache, auf 478 Acres 107,550 Pfund Baumwolle, auf 973 Acres
Nordamerika . Die Größe beträgt 81,318 engl. Qu. Min .,
778,400 Pfund Tabak, auf 21,481 Acres 429,620 Pfund
die Länge von Dſten nach Weſten 400 , die Breite von
Reis.
Norden nach Süden 200 Min. Die Nachbarſtaaten ſind zu Diten Miſſouri, zu Süden das Indianerterritorium, zu Weſten Colorado und zu Norden Nebraska . Der Geſtalt nad bildet es ein Parallelogramm , deſſen nordöſtliche Ede von dem Miſſourifluſſe abgeſchnitten wird. Das Land liegt zwiſchen dem 940 37' und 102° weſtlicher Länge und
23,947,016 Pfund Butter bereitet. Die Zahl der 1883 vorhandenen Pferde betrug 423,426, der Eſel und Maul eſel 59,282, der Milchkühe 471,548, der Schafe 1,154,196
1 Wm . Sims, Information Concerning agriculture &c. &c., Topeka 1884.
1882 bis 1883 wurden 591,770 Pfund Käſe und
und der Schweine 1,393,968.
Die Haupterwerbsquelle bildet die Landwirtſchaft. Es gedeihen Aepfel, Birnen, Pflaumen, Kirſchen, Pfirſiche, Stachelbeeren , Johannisbeeren , Erdbeeren , Brombeeren
Kaujas.
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und Weintrauben. Die Zahl der Dbſtbäume iſt in den 1 erſtreckte ſich bis an dieſen Fluß. Als aber bei der Ver leßten 20 Jahren von 300 auf 20,071,740 geſtiegen. Die meſſung alles gute Land in der Nähe meines Hauſes einem Weinberge umfaſſen ein Gebiet von 6532 Acres. Auch ältern Anſiedler zufiel, ſah ich mich genötigt, weiter nach eignet ſich der Boden zur Kultivirung des Zuckerrohrs. dem Weſten zu gehen. Im März 1871 ſiedelte ich mich Man kennt in Kanſas weder große Hiße, noch ſtarke hier an, wo ich nocy jeßt wohne, nämlich 5 Meilen ſüd : Kälte. lich von Elf - Fals in Howard County. 1873 ward He: Der jährliche Regenfalli beträgt im öſtlichen Drittel ward County in 2 Counties geteilt. Die jüdliche Hälfte über 30 Zoll, im mittleren durchſchnittlich 20 bis 30 Zou, bekam den Namen Chautauqua County , die nördliche wurde Elt-Falls genannt. Wir haben hier durchſchnittlich im weſtlichen gewöhnlich unter 20 Zoll. Schnee fält gewöhnlich nur in geringer Menge und nur Prärie. Der Boden iſt etwas hügelig mit großen bleibt nur kurze Zeit liegen , doch hatte man ausnahms:
weiſe in den Jahren 1872 und 1877 im Norden länger als 1 Monat Schlittenbahn . Was die Verteilung des Regens anlangt, ſo kommen in den Wintermonaten die wenigſten Niederſchläge vor,
was dem Acerbau im höchſten Grade zuträglich iſt. Der häufigſte Regen fällt in der leßten Hälfte des Monats Mai , im Juni und Juli. Damit das Getreide vor dem Eintritt der Dürre des Spätſommers zur völligen Reife
gelangen kann, empfiehlt es ſich, die Einſaat Mitte April zu beſchaffen.
Eine Eigentümlichkeit von Kanſas iſt im Sommer und Herbſt das Vorherrſchen ſtarker Süd- und Südweſtwinde, unter deren Einfluß der Erdboden austrocknet, was aber dem Gedeihen des Korns nicht ſchadet. Ein Deutſcher, welcher ſich in Kanſas angeſiedelt hat,
erzählt in einem Briefe vom 1. Februar 1885 folgendes :
„ Nachdem ich faſt 10 Jahre lang zur See gefahren war , landete ich am 19. November 1865 in New - York und begab mich zunächſt nad Ohio, wo ich reichlich drei Jahre
blieb. Im Frühſommer 1869 machte ich mich auf nach dem Weſten . Am 9. Februar 1870 ging ich mit mehreren Deutſchen von Kanſas City fort , um mich im ſüdlichen Teile von Kanſas anzuſiedeln. Am 21. Februar langten wir in Elf- Falls , Montgomery County , an , und fanden gleich am Tage nach unſerer Ankunft Land, was uns gefiel. Nachdem ein jeder Tags darauf ſein Stück Land
in Befiß genommen hatte, begannen wir mit dem Fällen von Bäumen , um uns Blodhäuſer zu bauen , und es währte denn auch nicht lange , bis ein jeder fein Haus bewohnen konnte. Das Land, auf welchem wir uns nieders
gelaſſen hatten, gehörte damals noch den Dſage- Indianern , die uns aber vollkommen unbeläſtigt ließen und kaum das zu zu bewegen waren , ein Wort mit uns zu ſprechen.
Strecken ebenen Landes. Nur an Flüſſen und Bächen iſt reichlid Holz. Die am häufigſten vorkommenden Bäume
ſind: weiße , rote und idwarze Eichen , wilde Walnuß bäume mit ausgezeichnetem , dunkelbraunem Holz , das in großen Mengen nach Europa verſchickt und dort zu Mö beln verarbeitet wird. Die Früchte dieſer Wallnußbäume ſind eßbar, haben große Aehnlichkeit mit den gewöhnlichen Walnüſſen , ſind aber viel dunkler und haben eine didere
Scale. Hickory iſt ein Baum , der ſchöne eßbare Nüſſe trägt und weißes, ſehr zähes, biegſames und hartes Holz hat. Außerdem gibt es hier Ahorn, Ulmen, Eſchen, Bap: peln, Sykomoren u. a. m.
Der Boden iſt ſehr ergiebig .
In der Zeit meines Hierſeins haben wir nur einmal, im Jahre 1874 , eine durch Dürre und Heuſdyreden verur ſachte Mißernte gehabt. Als ich im gedachten Jahre bei meinem Heu beſchäftigt war , fühlte ich plößlich überall an meinem Körper etwas anſchlagen und als ich genauer nachſah , bemerkte ich , daß Heuſdrecken die Urſache ge weſen waren. Oben in der Luft ſah es gerade ſo aus, wie im Winter , wenn Schnee fällt. In Zeit von einer halben Stunde war alles voll von dieſen Tieren ; jeder Scritt ſcheuchte ſie ſo maſſenhaft auf, daß man Naſe und Mund verſchließen mußte. Am nächſten Tage waren
die Tiere im Graſe nicht mehr ſo zahlreid); ſie hatten in zwiſchen unſere Kornfelder in Beſik genommen, wo ſie in
einigen Tagen alles verwüſteten. Dabei wehte beſtändig ein ſehr trodener beißer Wind.
Es war ſo warm , daß
ſich den ganzen Tag auch nicht ein einziger Vogel ſehen ließ. Bei meiner Anſiedelung hier war auf der Prärie bis dicht vor Elf- Falls noch keine Wagenſpur vorhanden. Die Stadt Ell - falls beſtand damals aus etwa 80 bis
Am
100 Wohnhäuſern und unter dieſen waren einige fogar noc Blodhäuſer. Jekt zählt der Drt 500 Einwohner,, die größtenteils von den Farmern der Umgegend leben . Es ſind in der Stadt zwei Kirden vorhanden , nämlid
10. Juni 1870 faufte die Regierung den Indianern das Land ab und wurde dasſelbe bald darauf vermeſſen. Mein Haus ſtand am ſüdliden Abhang eines dicht mit Wald bewachſenen Hügels. Zu Süden meines Hauſes befand
einnahme der Farmer in Kanſas beſteht in dem Erlos aus fetten Kindern und Sdweinen , welche das ganze Jahr hindurd in großer Zahl nach dem Dſten verſandt
Die Indianer ſind überhaupt ſehr zurüdhaltend.
ſid) ein mit Wald didyt beſtandenes dones Thal , durch weldes der Salt- Greek von Nordweſten nad Südoſten
hindurch fließt. Das Land, welches ich zu bekommen hoffte, I Prof. Lovewell, Meteorology of Kansas, Topeka.
eine Baptiſten
und eine Methodiſtenfirde.
Die Haupt
werden.
Jeßt noch einiges von den Indianern . Wie ſie ſich uns gegenüber anfangs benahmen , habe ich oben ange: deutet. In den erſten Jahren famen fie oft in Abtei : lungen von 10 bis 50 hier durd , beſonders im Frühjahr
Arbeiterausſchüſſe oder delteſtenkollegieni.
auf ihren Jagdzügen nach dem Norden und im Herbſt bei ihrer Rüdehr von dort. Ein folcher Zug nimmt ſid) recht romantiſd aus. Da zu Anfang hier nur wenig Land eingefriedigt war, benüßten ſie ſelten die Wege, ſondern ritten auf ihren Ponys querfeldein , der Führer voraus , die übrigen hintereinander her , faſt nie neben: einander. Zuerſt kommen in der Regel die Männer und dann die Frauen. Kinder im Alter von zwei bis drei Jahren habe id) oftmals auf einem der kleinen Pferde feſtgebunden fißen fehen , an deinend ohne jede Aufſicht. Hinterher getrabt kamen die Padtiere mit den Wigwams und einigem Rodygeſchirr beladen, ebenfalls eins nach dem anderen , wie Hunde ihren Herren folgend. Niemand kümmerte ſich um ſie vom Morgen bis zum Abend. Dit blieben die Tiere eine Zeit lang zurück, um zu graſen, dann aber liefen ſie wieder, bis ſie die anderen eingeholt batten.
Wenn es Abend wurde, war es Sache der Frauen,
die Wigwams aufzuſchlagen und das Eſſen zu bereiten. Die Ponys ließ man laufen , wohin ſie wollten ; am andern Morgen waren die Tiere ſtets wieder in der Nähe. Nachdem man dann gefrühſtückt hatte, ging es in derſelben Weiſe weiter. Dicſe Indianer beläſtigten uns niemals. Mitunter aber kamen kleinere Züge , die in der Ge. gend umherſtreiften , um zu betteln. Dieſe wurden zu: weilen recht unbequem , namentlich wenn ſie eine Frau allein zu Hauſe trafen. Am ſchlimmſten waren ſie, wenn ſie bemerkten , daß man ſich vor ihnen fürd;tete. Eines Tages kam ein junger Indianer , der verhältnismäßig recht anſtändig war. Er ſprad gebrochen Engliſh. Um ihn etwas aufzuhalten und mit ihm über die Jagd 2c. zu
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ſie brauche fich deshalb auch gar nicht zu bemühen , ſie möge ihm die Hühner , die er haben ſolle, nur zeigen , dann wolle er ſie ſchon friegen. Als ihm auch dies ver weigert ward, wurde er ſo unverſchämt, daß meine Frau ſich genötigt ſah , die Hausthür zu ſchließen , worauf er ſein Pferd beſtieg und ſingend davonritt. Manches aber wird den Indianern zur Laſt gelegt, .
woran ſie unſchuldig find.
Davon ein Beiſpiel. Im Jahre 1873 verkaufte einer
meiner Nachbarn , ein unverheirateter junger Mann von .
deutſcher Abſtammung, ſeinen Beſiß, um mit einem andern
nach Kolorado zu gehen. Von Independence aus ge langten ſie nach Fort Dodge, ohne daß etwas beſonderes vorgefallen war. Hier aber wurde ihnen mitgeteilt, daß
die Weiterreiſe der Indianer wegen gefährlich ſei. Aus demſelben Grunde hatten dort ſchon andere Reiſende Station gemacht. Man kam überein , die Reiſe gemein:
ſchaftlich auszuführen. Jede Nacht ſollten der Reihe nadı zwei auf Wache ſtehen . Wer auf dem Poſten ſchlafend betroffen werde, ſollte ſofort erſchoſſen werden. Dieſer Vertrag wurde ſchriftlich abgefaßt und von den ſämtlichen
Reiſenden unterſchrieben. Man bewaffnete ſich ſo gut wie möglich. Ein paar Tage ging denn auch alles gut. Da entſtand in einer Nadt ein ſtarkes Gewitter , bei welchem
zwei Pferde der Reiſegeſellſchaft vom Bliße erſchlagen wurden . Gegen Mitternacht wurde plößlich auf die Reis
ſenden geſchoſſen.
Sofort waren alle zum Kampf mit
den Indianern , von welchen man ſich angegriffen glaubte, gerüſtet, und nun wurde ſchleunigſt nad der Stelle ges
feuert, von welcher die Schüſſe gefallen waren . Als man
ein Indianer im Haar getragen hatte , erklärte er mir,
am andern Morgen die verdächtige Stelle aufſuchte, fand man zwei Leichen am Boden liegend , welche ſich bei näherer Beſichtigung als die Leichen nicht von India nern, ſondern als die von weißen Pferdedieben heraus:
wie die Indianerſtämme an den Federn , mit welchen ſie
ſtellten.
ſprechen, gab ich ihm Mehl , Fleiſd und Tabat. Als id
ihm eine Feder von einem wilden Truthuhn zeigte , die
ſich ſdhmüden , zu unterſcheiden ſeien. Am Tage darauf kam wieder ein Indianer, der aber ſehr unverſchämt war. Er forderte alles Möglide, ging ganz ungeniert in meinem Hauſe umber und durchſtöberte jeden Winkel. Weil er ſich .
Zum Schluß noch eine Begebenheit aus der ärztlichen
Praxis. In einer kleinen Stadt namens Coffyville, die gerade im Entſtehen begriffen war, wurden einem Zimmer:
mann bei einem Neubau einige Finger zerquetſdt. Der
ſo ungezogen benahm, bekam er natürlich nichts. Als er
Verunglüdte eilte zum Arzte , den er in einer Whisky.
ſah, daß er bei mir nichts ausrichten konnte, wollte er ſich
kneipe fand. Auf dergleichen war der Arzt nicht vor: bereitet, wußte ſich aber zu helfen : er ſchickte einen Knaben nach dem Bauplat und ließ ſich von dort einen ſcharfen Meißel und einen Hammer bringen . Nun mußte der
entfernen und hatte ſchon den einen Fuß im Steigbügel, als er einen kleinen Hund bemerkte, von dem meine Frau ſehr viel hielt. Er redete darauf meine Frau jo an : „ D ! Du biſt ja meine Schweſter, willſt Du mir nicht den kleinen Hund geben ?" Natürlich bekam er auch den nicht. Ein anderesmal, als meine Frau allein zu Hauſe war, fam ein Indianer herangeritten und verlangte bald dieſes, bald jenes. In der Meinung, ihn dyneller los:
der Doktor ihm dieſelben mit dem Meißel und dem Hammer
werden zu können , wenn ſie ihm nichts gäbe , erklärte
Arbeiterausſchüſſe oder Aelteftenkollegien.
meine Frau ihm , daß ſie von dergleichen Dingen nichts befäße. Da ſah er meine Hühner und bat , ob er nidt davon einige bekommen könnte, und als meine Frau ihm erwiderte, ſie könne die Tiere ießt nicht fangen, meinte er,
Jeder Streit, mag er ſchließlich enden wie er will, iſt ſowohl für den Arbeitgeber wie den Arbeiter mit ſchweren wirtſchaftlichen , ſozialen und ſittlichen Nachteilen verbun
Patient die verlegten Finger auf die Tonbank legen , wo einen nach dem andern abſchlug.
Arbeiterausſchüſſe oder Aelteſtenlollegieni.
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den, Nachteile, auf deren ſpezielle Darlegung um ſo mehr
verſteht, ſich perſönliche Achtung und Zuneigung zu ge:
verzichtet werden darf, als dieſelben ſchon oft und ein
winnen . In vielen Unternehmungen, die reichlich für das leibliche Wohl ihrer Arbeiter geſorgt haben, findet man
gehend beſprochen worden ſind.
Angeſichts aber der lekten, glücklicherweiſe jeßt bei
ein kaltes Verhältnis zwiſchen beiden Teilen, einen unaus
gelegten Arbeitsausſtände der Bergleute in den verſchiedenen
gejeßten Arbeiterwechſel ; andererſeits trifft man auf ein
Koblenrevieren iſt es vielleicht nicht unzweckmäßig, auf die
höchſt erfreuliches Einvernehmen , obſchon der Arbeitgeber
ſeinerzeit vom Reichstagsabgeordneten Dedhelhäuſer, Ge : heimen Kommerzienrat in Deſſau, vorgeſchlagenen Arbeiter
nicht inſtande iſt, große materielle Dpfer für Wohlfahrts: einrichtungen zu bringen oder hohe Löhne zu zahlen.
ausſdjüſſe oder Aelteſtenkollegien, wie folde übrigens ſowohl
Derartigen Erfahrungen gegenüber zeigen nun folche
bei Herrn Dechelhäuſer ſelbſt wie in Sachſen und in der .
Unternehmungen, wo Arbeiterausſchüſſe bereits fungieren
Rheinprovinz mit Erfolg fungieren, zurüdzukommen und das Weſen und die Organiſation derſelben , wie ſich dies
oder wo in einem analogen Geiſte gehandelt wird, ein
Herr Dechelhäuſer denkt, einer näheren Betrachtung zu unter:
höchſt erfreulides Bild. Zu unſerer großen Freude hat eine große Zahl von Arbeitgebervereinen und einzelnen Arbeit wir nennen die Anhalter und Mittweidaer Arbeitgebervereine und die großen rheiniſchen Vereine ,Ar: beiterwohl“ und „ Gemeinwohl“ - die Einrichtung der
ziehen. Wir benüßen zu dieſer Arbeit die in der in Berlin erſcheinenden , Deutſchen Arbeiterzeitung" von Herrn Dechel häuſer ſelbſt veröffentlichten Artikel, welche derſelbe in folgender Weiſe einleitet. Herr Dechelhäuſer findet den Widerſtand ſeiner Be rufsgenoſſen auf dem Gebiete der Großinduſtrie nidyt ſo: wohl in einem mehr oder minderen Grade von Menſchens freundlichkeit und Opferwilligkeit begründet, als vielmehr in der Befürchtung, daß unter dem Deckmantel der Arbeiter: vertretung der „ Pferdefuß der Sozialdemokratie" hervor:
gebern
ſchaue, daß die Auflöſung der Disziplin und die Schädi: gung der Autorität des Arbeitgebers oder des Dirigenten
und Arbeitern , und zwar, ohne daß nachteilige Folgen für die Disziplin hervorgetreten ſind. Keine einzige dieſer Inſtitutionen iſt wieder eingegangen ; alle beſtehenden haben vielmehr die Anerkennung ſelbſt mißtrauiſcher Ar
die Folge derartiger Einrichtungen ſein werde. Dieſe Meinungsdifferenz, führt Herr Dedhelhäuſer weiter aus, fußt in erſter Reihe auf der grundſätzlid ver. ſchiedenen Anſchauung deſſen, was wir zur Herſtellung eines dauernden ſozialen Friedens unbedingt für notwendig halten. Während nämlich die Gegner der Arbeitervertre: tung den ſozialen Frieden durch Darbringung von materi ellen Dpfern erreichen zu fönnen ſtreben, verkennen wir zwar keineswegs das darin liegende wichtige Hülfsmittel, allein für allein ausſdılaggebend halten wir dieſen Faktor nicht. Es hieße die Bewegung im Arbeiterſtande gänzlich verkennen, wollte man ihm lediglid materielle Motive unter:
ſchieben und die allgemeine Unzufriedenheit nur auf ſozial demokratiſche Heßerei zurüdführen. Jener Geiſt, welcher ſeit 100 Jahren mächtig durch
die Welt geht, treibt die ehemals einfluß: und machtlojen Volksklaſſen nach oben ; nachdem die Emanzipation des dritten Standes ſich vollzogen hat, erſtrebt aud) der Ar:
Arbeiterausſchüſſe teils bereits durchgeführt, teils in An: griff genommen . Von vereinzelten humanitären Anläufen kann daher heute füglich nicht mehr die Rede ſein, denn wenn ſich die Arbeiterausſchüſſe auch noch nicht auf einem
großen Felde ausgebreitet haben, ſo zeigt ſich doch allent: halben, wo ſold)e exiſtieren, ihr vortrefflicher Einfluß auf
die Verbeſſerung des Verhältniſſes zwiſchen Arbeitgebern
beiter geivonnen .
Um Einſicht in das Weſen der Arbeiterausſchüſſe zu erhalten , knüpfen wir an die Beſtimmungen bereits beſtehender Kollegien an. Da iſt z. B. der Verein der
Anhalter Arbeitgeber, auf Grund deſſen Normalſaßungen ein Arbeiterausſchuß in einer Deſſauer Fabrik gebildet iſt.
Dieſer Ausſchuß beſteht aus ſieben gänzlich frei gewählten
Arbeitern ; wir führen die Hauptparagraphen ſeines Statuts hier ivörtlich an : § 2. Das Aelteſtenkollegium hat im allgemeinen die Auf gabe, alle Jutereſſen der Arbeiter im Sinne der Satzungen des Vereins de: Anhaltiſchen Arbeitgeber und im Wege friedlichen Zujammenwirkens zu fördern und hierin allen Arbeitern mit gutem Beiſpiel voranzugehen. Jusbeſondere liegen ihm hiernach folgende Pflichten ob : a . Im Arbeiterperſonal, und namentlich auch beim jüngeren Teil desſelbell , Disziplin , Ehrenhaftigkeit, Ordiung und
beiterſtand nicht allein eine materielle Beſjerung ſeiner
gute Sitten aufrecht zu erhalten, Streitigkeiten zu ver
Lage, ſondern auch ſeine geſellſchaftliche Hebung. Es wäre
hüten oder zu ſchlichten , insbeſondere auch die Trunt
unflug und unpolitiſch, dieſer thatſächlichen Bewegung gegenüber die Augen zu verſchließen ; es iſt keine Auf wallung der Geiſter, die nach und nad verfladyt, ſondern es iſt eine mächtige Strömung, die mit elementarer Ges
walt jedes zwe&widrige Eindämmen beſeitigen wird . Unſeren eigenen Erfahrungen gemäß ſteht feſt, daß überal die Stimmung der Arbeiter, ihr Verhältnis zu den einzelnen Arbeitgebern nur dann durd Wohlfahrtseinrich tungen gebeſſert werden kann , wenn der Arbeitgeber es
ſucht und Noheit zu bekämpfen ;
b. fiir Aufrechthaltıng der Fabrikordingen , Unfallver hiitungsvorſchriften und der ſonſtigen das Intereſje, die Geſundheit und Sicherheit der Arbeiter und die
Ehre und Wohlfahrt des Geſchäftes berührenden Anord nungen und Maßnahmen Sorge zu tragen , auch mit ziiwirken , um die Veruntreuung oder Vergeudung von 1
Rohſtoffen , Werkzeugen u . 1. w . zu verhindern ;
c. ſein pflichtmäßiges Gutachten über die Fabrifordningen und alle ſonſtigen ihm vom Geſchäftsvorſtand vorzu:
legenden Fragen oder Maßnahmen im Gebiete des
Arbeiterausſchliffe oder Petejtenfollegien. Arbeiter. Intereſſes und der Wohlfahrt des lInternehmens
liberhaupt abzugeben ; auch Anträge in dieſer Richtung zu ſtellen , umbeſchadet jedoch des Rechts des Geſchäfts
vorſtandes , auch ohne Mitwirkung des Aelteſtenkollegi ums ſeine Anordnungen zu treffen ; d . in den vom Geſellſchaftsvorſtand oder den beziiglichen
Statuten feſtzuſtellenden Grenzen an der Begründung, Leitung und Kontrole der zu Gunſten der Arbeiter und ihrer Familien 311 treffenden Wohlfahrtseinrichtungen teilzunehmen ;
e. Wünſche und Beſchwerden der Arbeiter zu unterſuchen und, ſoweit ſie ſolche fitr gerechtfertigt halten , mit ihren Anträgen zur Kenntnis des Geſchäftsvorſtandes zu bringen ; f. im Vereine mit den Mitgliedern des Hiilſstaſſenvore ſtandes ſich von llngliids- und Notfällen in der Ar
beiterſchaft oder ihren Familien, ſowie in den von ver ſtorbenen Arbeitern hinterlaſſenen Familien , Kenntnis zu verſchaffen und ihnen zu deren Abhülfe oder Linde : rung Beiſtand zu leiſten, auch erforderlichenfalls Anträge zu ſtellen . § 4. Die Sitzungen des Kollegiums finden nach Bediirfnis
auf Einladung des Vorſißenden ſtatt. Derſelbe iſt zur Einbe rufung einer Sigung verpflichtet, ſobald der Geſchäftsvorſtand , unter Angabe der zur Beratung 311 ſtellenden Gegenſtände, dies verlangt. Das Lofal fiir die Sitzung beſtimmt der letztere. Er fann den Siķungen perjönlich oder durch einen von ihm bezeich neten Stellvertreter beiwohnen . Der Termin der Siyungen und die Tagesordnung ſind ihm vom Vorſigenden des Aelteſtenfolegiums mindeſtens zwei Tage vorher mitzuteilen ; er behält ſich das Recht vor, ſowohl die Tagesordnung 311 vermehren , als auch ihm im
geeignet erſcheinende Gegenſtände davon abzuıſepen . Die Beſchlüſſe erfolgen durch Stimmenmehrheit , bei Gleidyheit der Stimmen ent ſcheidet der Vorſitzende.
Alle Beichliiſſe und Protokolle ſind in ein
Protokolbuch einzutragen , welches nach jeder Feſtſtellung eines Proto kolls und vor Ausführung der Beſchliiſje dem Geſchäftsvorſtand
vorzulegen iſt. Derſelbe faun ſeinen Einſpruch gegen die Ausführung vou Beſchliffen geltend machen oder deren nochmalige Beratung ver
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gemeinen Negeln aufſtellen ; das ſubjektive Ermeſſen wird immer maßgebend ſein , im Zweifelsfalle aber empfiehlt Dechelhäuſer auf Grund eigener Erfahrungen große Vors ſicht, denn es ſei weit leichter, Rechte zu erweitern als einzuſchränken oder gar zurückzunehmen. Es iſt uns auf Grundlage folcher Organiſation nicht
mehr begreiflich, wie das Selbſtentſdließungsrecht des Fabrikherrn beſchränkt und die Disziplin erſchüttert werden foll. Die bisherigen Erfahrungen haben im Gegenteil
gelehrt , daß das Gegenteil Plaß gegriffen hat , wobei freilid, vorausgeſeßt iſt, daß der Arbeitgeber ſich mit Liebe der Sade hingibt, die nötige Geduld entwickelt und
den Arbeitern die Ueberzeugung beibringt , ,,daß es ſich nicht um eine formelle Spiegelfediterei handelt , ſondern der ernſte Wille beſteht, berechtigten Wünſden der Arbeiter geredyt zu werden und ein menſdlich näheres Verhältnis zu begründen ."
Es entſteht nur noch zuleßt die Frage, ob ſich über haupt die Durchführung der Arbeiterausſchüſſe überall er: möglichen läßt und ob eventuell nicht andere Wege zu betreten ſind, um ein gleiches Ziel zu erreichen. Wir teilen auch in dieſer Beziehung ganz die An
ſichten des Herrn Dedjelhäuſer, nämlich daß ein medias niſdes Losgehen auf das Endziel, alſo eine ſchablonen : mäßige Errichtung von Arbeiter- Ausſchüſſen ein verhänga nisvoller Mißgriff ſein würde, ganz geeignet , die wohl
gemeinte Sache für alle Zeiten zu diskreditieren. Um die richtigen Wege aufzufinden , muß in jedem Einzelfalle von den thatſächlichen Verhältniſſen ausges
gangen werden. Und dieſe liegen natürlich ſehr verſchieden .
nächſt nur Pflichten auferlegt worden ſind , gleichſam un demſelben Gelegenheit zu geben, fid einen moraliſden Einfluß zu erwerben ; das Selbſtentſchließungsrecht des
Welcher Unterſchied beſteht z. B. zwiſchen dem ländlichen Taglöhner und dem ſtädtiſden Fabrifarbeiter ? Wie ver ſchieden geſtaltet ſich Groß- und Kleinbetrieb ? Wie uns gleich iſt der Bildungsgrad der Arbeiter in den verſchies denen Gegenden und Gewerben ? Solche Verſchiedenheit grundjäßlicher Natur läßt ſich nicht durch eine allgemeine Formel ausgleichen ; ein ſchablonenmäßiges Vorgehen wird
Unternehmers iſt dabei ſorgfältig gewahrt.
niemals den ſozialen Frieden fördern, ſondern im Gegenteil
langen , wenn er ſolche für ſchädlich oder ſtatutenwidrig hält.
Hieraus ergibt ſich, daß dem Aelteſtenkollegium zu :
Andere Arbeiterausſchüſſe beſißen bereits gewiſſe Redite, z. B. bei Brandts in München -Gladbach und Rößler in Wächtersbach, wo dem Ausſchuß eine maßgebende Stimme bei Straffeſtſeßungen und Entlaſſungen zuſteht. Ob man in dieſer Erteilung von Rechten allgemein ſo weit geben
wird , wie in den genannten Etabliſſements , das hängt von den Erfahrungen ab , die jeder einzelne Arbeitgeber mit ſeinem Aelteſtenkollegium machen wird. Auch die Zuſammenſeßung der Kollegien wird ſich
hiernach regulieren ; das Deſſauer Kollegium beſteht ledig lich aus Arbeitern, die ſich ihren Vorſißenden ganz ſelbſt: ſtändig wählen ; in anderen Fabrifen iſt der Fabrifherr der Vorſißende, noch häufiger wird das Rollegium , analog
den Krankenkaſſen -Vorſtänden , zu einem Drittel von dem Arbeitgeber, zu zwei Dritteln von den Arbeitern gewählt, Ž. B. in Mittweida. Doch laſſen ſich hierbei feine all
vollends untergraben. Es muß aber in jedem Einzelfall beſonders und eigenartig vorgegangen werden.
Bei kleinen Betrieben mit geringer Arbeiterzahl iſt ein Arbeiterausſchuß naturgemäß unmöglich ; als ausges dloſjen ſind auch die meiſten landwirtſchaftlichen Betriebe anzuſehen , nur in großen landwirtſdaftlichen Induſtrien
laſſen ſich die Funktionen eines Aelteſtenkollegiums mit jenen der Kranken- und Hilfskaſſen vereinigen. Im Um drehen dagegen iſt die Bildung von Aelteſtenkollegien nicht ausgeldloſſen und fann damit der Sozialdemokratie ſehr erfolgreich entgegengewirkt werden. Im
großen ganzen ſollte man dieſe Inſtitution auf
die eigentliche Induſtrie mittleren und größeren Betriebes beſchränken. Auf dieſem immerhin ſehr ausgedehnten Ge biete aber ſollte jeder Arbeitgeber ohne Zaudern vorgehen.
Vorſicht bleibt natürlich allenthalben geboten ; und Dechel
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Cettinie.
häuſer empfiehlt die Bildung von ſelbſtändigen Arbeiter Ausſchüſſen nur da :
vor einigen Stunden aufgebrochen iſt. Von Kerſtaz aus
1. wo der Arbeitgeber ſeiner ſelbſt und ſeiner Vertreter ſicher iſt, daß ſie ſich dieſer ſozialen Aufgabe mit der nötigen Geduld und Ausdauer und unbekümmert um anfängliche
jenſeitigen Berg hinan , welcher uns voli in Sicht der dyneegekrönten Höhen von Albanien bringt und wo wir im bläulichen Duft der Ferne den See von Skutari ſchim : mern ſehen. Dann noch ungefähr eine ſtarke Stunde Marſch, und wir ziehen in Cettinje ein, das gewiß die außerordents lichſte Hauptſtadt in ganz Europa iſt. Es beſteht aus einer langen Gaſſe, welche von vier kleineren gekreuzt wird und ins freie Feld hinausführt. Die ganze Stadt bededt einen Flächenraum von ca. 30-40 preußiſchen Morgen. 1! Das Hauptgebäude iſt der Gaſthof, welcher das Ende der Hauptſtraße würdig blodiert ; es iſt ein fables, baufällig ausſehendes Gebäude, ſtellt aber den höchſten Lurus in
.
Mißerfolge widmen werden , und
2. wo der Arbeitgeber ſeiner Arbeiterſchaft ſo weit ſicher iſt, daß ſie die neue, zur Befeſtigung des Friedens geſchaffene
Organiſation nicht durch Uebergriffe zur Quelle des Un friedens machen, vielmehr, wenn auch nur ganz allmählich, zur Erkenntnis und Würdigung der 311 Grunde liegenden arbeiterfreundlichen Tendeng fortſchreiten werden .
Mit unſeren Erörterungen zum Abſchluſſe eilend, würde es uns eine große Genugthuung ſein , wenn wir mit derſelben manches Vorurteil beſeitigt hätten. Ueberall möge als Endziel das Beſtreben feſtgehalten werden, friedliche und ehrliche Beziehungen zwiſchen Arbeitgeber und Arbeitnehmer herzuſtellen , die gegenſeitige Fühlung zu fördern und hiebei vertrauensvoll die Mitwirkung der
Arbeiter in Anſpruch zu nehmen.
überſdreiten wir die Neguſch - Ebene und klettern dann am
Cettinje dar. Die übrigen öffentlichen Gebäude ſind das Gefängnis, die Kirche und die Schule. Das erſte der: ſelben liegt auf der Seite rechter Hand, und vor den Thoren desſelben, auf einem grünen Anger, beluſtigen ſich die Sträflinge mit verſchiedenen rohen Spielen : mit Kegel
Cettinje. Der gewöhnliche Weg nach der Hauptſtadt von Montes negro führt über Cattaro. Beim Landen daſelbſt bietet ſich dem Reiſenden die Wahl zwiſchen einer ſiebenſtündigen Fahrt und einem fünfſtündigen Marſch. Wer ſich einer kräftigen Lunge und ſtarker Glieder berühmen kann, der gibt entſchieden der Fußwanderung den Vorzug. Wenn er die kleine Stadt gerade durchſchreitet, ſo befindet ſich der Wanderer in zehn Minuten am Fuße des hodragen :
den Berges, den er zu erklettern hat. Es gibt hier keine Täuſdung darüber, keine ſanften Abhänge, feine trüge: riſche Reihenfolge urſprünglich ungeſehener Bergkämme. Der Berg liegt in ſeiner ganzen klippenartigen Groß
artigkeit vor Einem, ſein Fuß taucht ins Meer , ſein Gipfel ragt in die Wolken, und wem das Herz verzagen will, der thut beſſer, wenn er ſogleich umkehrt, denn der Abſtieg iſt nur um wenige Grade minder mühſam als der Anſtieg. Die erſte Hälfte des Anſtiegs wird über eine Reihe von 80-90 Zidzadpfaden zurüdgelegt, deren eins
und ausſpringende Winkel oft nur wenige Schritte von einander entfernt ſind, ſo ſteil iſt die Steigung. Mit dem leßten Zidjad erreidit man ein kleines Plateau, von wo aus man die lieblichen bocche überdauen kann, welche ſich wie ein Panorama dort unten ausbreiten . Von hier
ſpiel, wobei Feldſteine die Stelle von Kugeln vertreten, Froſchſprung 2c. Einige von ihnen ſind auch als Tages löhner bei verſchiedenen Bauten in Settinje verdungen, an: dere arbeiten als Holzhauer in den Bergen. Sie ſind nicht in Ketten gelegt und ſcheinen auch nur ſelten ans Davonlaufen zu denken. Wenn irgend ein Gefangener durchgeht, ſo werden ihm einige andere Sträflinge nach:
geſchidt, um den Entſprungenen einzufangen und wieder zurückzubringen.
Die Theorie, den einen Dieb zum Eins
fangen eines anderen zu verwenden, wird hier höchſt buch ſtäblich und methodiſd; praktiſch verwirklicht. Der einzige
Unterſchied zwiſden einem verurteilten Sträfling und einem freien Bürger iſt der, daß der erſtere ſeiner Waffen bes raubt iſt, und dies iſt eine Erniedrigung, weldie der an derwärts üblichen Sträflingskleidung oder Brandmarkung gleichkommt.
Dicht bei dem Gaſthof iſt der fürſtliche weißgetünchtes Haus mit grünen Jalouſien , man gewöhnlid) annimmt, feine Erbauung der großen Transportkoſten für das Material,
Palaſt, ein von welchem habe, wegen eine Million
Franken gekoſtet. Demſelben gegenüber ſteht ein langes, niedriges, rotes Gebäude, bekannt als das „ Bigliardo ",
Felfen und Blöde an, bis der Gipfel des Kerſtaz erreicht iſt. Hier wird der Horizont noch weiter, und die Berge,
welches ſeinen Spişnamen von einem engliſchen Billard hat, das früher dort aufgeſtellt war. Das Heraufſchaffen dieſes Möbels über den Berg durch 50 Männer galt für eine ungeheure Leiſtung und war es in der That aud). Während die Träger mannhaft unter der ſchweren Tafel keuchten, ſtand der Lotſe mit geſpreizten Beinen auf der Tafel und rief ihnen ſeine Winke zu, wie ſie um gefähr
welche die Budyt von Cattaro einſchließen , ſinken zu
liche Eden herumkommen ſollten .
Zwergen herab, bis der Blick weit über ſie hinaus nad dem Adriatiſchen Meere (dweift. Einen Begriff von der Steilheit der Berglehne kann man daraus entnehmen , daß wenn man einen Stein vom Gipfel hinunterwirft, derſelbe beinahe auf derſelben Stelle niederfällt, von welcher man
nun als Kanzlei für die verſchiedenen Miniſterien und
an läuft der Pfad hin und her, ſteigt aber immer über
Das Bigliardo dient
i Ganz Montenegro hat einen Flächenraum von etwa 9030
Quadrat Kilometer, eine ortsanſäſſige Bevölkerung von etwa 236,000 Menſchen , wozu noch etwa 2000 Seelen im Ausland femmen mögen; Cettinje hat ungefähr 1200 Einwohner.
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Cettinje.
als Parlamentsgebäude. Die Kirche iſt ſehr klein und
und ſeine Familie bemerkbar geweſen oder wird jemals
vermag wohl faum 150 Perſonen zu faſſen. Auf beiden Seiten des Eingangs ſind die Grabmäler des Fürſten Danilo
tigen Verehrung für die Autorität im Palaſte verbindet
und ſeines Bruders Mirko Petrowitſch, und auf dem Altarplaß eine Art Sarkophag, welcher bei feierlichen Ge: legenheiten geöffnet wird und die einbalſamierten Ueber: reſte des Fürſtbiſchofs Peter 1. enthält. Das alte Kloſter ſteht dem Palaſt genau gegenüber. Vor 50 oder 60 Jahren ſtellten dieſes Kloſter und 20 oder 30 Hütten um dasſelbe herum die ganze Stadt Cettinje dar. Hinter dem Kloſter ſteht der berüchtigte Schädelturm . In früheren Zeiten durfte ſich kein Montenegriner für einen tüchtigen
Krieger betracyten, bevor er nicht dieſen Turm mit einem Türkenſchädel geſchmückt hatte. Die lebte Gelegenheit, wo derſelbe ſeine grauſigen Verzierungen erhielt, war die Schlacht von Grahowa, welche am 13. Juli 1859 ſtattfand. Der Verluſt der Montenegriner belief ſich auf 400 Mann, aber ſie brachten , wie wenigſtens die Sage behauptet, 4000 Türkenſchädel mit. Die Schilderung iſt
mehr oder minder beſtätigt durch unabhängige Zeugen, von denen einer, ein öſterreidiſder Offizier, einige Wochen nach der berühmten Schlacht noch 2300 Skelette auf dem Wahlplaße zählte. Die Sitte des Ropfabichneidens iſt jeßt abgekommen, weil ſie, zuſammen mit den meiſten Bräuchen ähnlicher Art, durch das drakoniſche Geſekbuch und die unbeugſame Regierung Danilos I , abgeſchafft ward. Der Fürſt bemühte fidy, neben anderen Barbareien auch
der Vendetta oder Blutrache ein Ziel zu ſteđen, und ſein Nachfolger, der gegenwärtig regierende Fürſt, ſeßte dieſes Syſtem mit ſolchem Erfolg durch , daß , obwohl ſeine Unterthanen anfangs nicht an die Aufrichtigkeit ſeines Entſchluſſes glauben wollten, einige an Uebertretern dieſes Verbots vollzogene Hinrichtungen vollkommen hinreichten, um das Verbrechen zu unterdrüden , welches nur der Gegenſtand eines beſonderen Uebereinkommens mit der Türkei iſt. Der leßte Fall von Vendetta ereignete fich zu Anfang dieſes Jahres, als ein Beamter des gegenwär-
tigen fürſtlichen Hofhalts, unter dem rimcecco oder Hohn, daß er noch einen ungerächten Todesfall in ſeiner Familie habe, einige Verwandte des Mörders in ein Boot auf dem See von Skutari lockte und dort ermordete.
Mit
einigem Widerſtreben ward er verurteilt, in Rjeka am Geſtade des Sees erſchoſſen zu werden, und er fiel vor der feuernden Partei mit dem Rufe : „ Lang lebe Fürſt Nikolas, lang lebe ſeine Familie !"
In die Gefühle blinder Hingebung an den Souverän mengt ſich wahrſcheinlich noch eine religiöſe Regung aus der Zeit, wo der Herrſcher zugleich noch Vladika, d. h. Oberhaupt der Kirche wie des Staates, war ; allein ſo wie ſie ſind, bilden jene Gefühle eine unſchäßbare Bürg: ſchaft für die nationale Einheit und Ordnung. Inmitten der dynaſtiſchen Fragen, welche die Ruhe der Balkans völker bedrohen, iſt unter den Montenegrinern niemals irgend ein Wanken in ihrer Loyalität für den Fürſten
vorkommen . Mit dieſem Gefühle einer beinahe ehrfürch: ſich aber auch ein angenehmes Gefühl individueller Gleich: heit. Der Fürſt iſt von der Vorſehung zum Herrſcher be ſtimmt worden, aber ſeine Familie und Verwandte zeichnen ſich außerdem in feiner Weiſe vor ihrer Umgebung aus. Die jeßige Fürſtin Milena (geboren 4. Mai 1847) war
ein Bauernmädchen, das eines Tags in der Hütte ihres Vaters in den Bergen dem fürſtlichen Reiſenden die Füße wuſch und nun den ruſſiſchen Großfürſten die Hand zum Kuſſe reichen darf. In den Straßen von Gettinje oder unter dem Gerichtsbaum fönnten Fürſt Nikolaus und ſeine
Familie von einem Fremden nicht von der übrigen Volks menge unterſdieben werden.
So ſtolz und auf gewiſſe
Standesvorzüge eiferſüchtig die Montenegriner ſind namentlich im Auslande oder in Gegenwart von Fremden, ſo ſind ſie doch in ihren täglichen Lebensgewohnheiten
hervorragend republikaniſch. Man kann eine Gruppe von drei oder vier von ihnen rauchend um einen Tiſch fißen oder miteinander einen Abendſpaziergang machen ſehen, jeder mit einem ganzen Arſenal im Gürtel und die un vermeidliche strouka, d. h. die Decke aus ungefärbtem
Ziegenhaar, über die Schulter geworfen. Der eine davon iſt vielleicht der (mit dem Fürſten verwandte) Wirt des Gaſthofs, der zweite der Kriegsminiſter, der dritte ein Schneider, der vierte ein Schafzüchter und der fünfte der Senatspräſident. Die Prieſter unterſcheiden ſich nicht durch ihre Tracht, fönnen aber leicht an ihren langen Haaren und Bärten und daran erkannt werden, daß ſie in Friedenss zeiten keine Waffen tragen. In der Regel tragen die
Männer nur einen Schnurrbart und es gilt für jeden an: deren als einen Prieſter für ſchlumpig, den Bart wachſen zu laſſen. Als Raſſe vertreten ſie einen Menſchenſchlag, der eine beinahe vollkommene Verkörperung des wunderbarſten menſchlichen Ebenmaßes und der gediegenſten phyſiſchen Kraft iſt ; die mittlere Höhe iſt über ſechs Fuß rhein
ländiſch. Ihr Wuchs iſt trefflich proportioniert, die Bruſt breit und tief, die Hüften ſchlank, die Glieder lang und ſehnig und keine Unze überflüſſiges Fleiſch am Leibe. Sie liefern ein gutes Beiſpiel davon, daß nur die Tüch tigſten am Leben bleiben, da ſie ihren Kindern nur ſehr
wenig Pflege angedeihen laſſen und nur die kräftigen und geſunden derſelben heranwachſen. Auch im ſpäteren Leben haben ſie eine außerordentliche Abneigung gegen geſundheitliche Maßregeln oder ärztliche Behandlung, und
ein kranker Montenegriner iſt beinahe gleichbedeutend mit einem Toten.
Zuletzt gibt er ſich ſogleich ganz auf
und betrachtet es, wenn er wieder geneſt, als einen merk würdigen Fall von der Launenhaftigkeit der Naturgeſeße. Sie kennen feine Todesfurcht und ertragen die größten
körperlichen Schmerzen mit unglaublicher Seelenſtärke. Die Wenigen, welche ſich chirurgiſden Operationen unterwerfen, lehnen alle Betäubungsmittel ab, rauchen eine Cigarette
·
Geographiſche Neuigkeiten .
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und plaudern mit ihren Freunden, während man ihnen einen Arm oder ein Bein amputiert. Der Arzt am Spital hat daher nur wenig anderes zu thun, als Beobachtungen der intereſſanteſten Art an dieſer in ihrer Art einzigen
uns als eine Utopia, und doch iſt dieſes Land ein wirk:
lidher Staat , welchen die Vorſehung noch lange er halt " möge!
Bevölkerung zu machen. Sind die Männer in ihrer Art merkwürdig, ſo find es ihre Weiber und Tochter in an deren Stücken kaum weniger. Die Damen ſpielen in Montenegro jene ſekundäre Rolle, welche in patriarchali-
ſchen Gemeinſchaften ihnen immer zufällt. In den unteren Klaſſen beſorgen ſie die ganze Arbeit in Feld und Haus,
Geographiſche Neuigkeiten. * Sir W. Mac Gregors Beſteigung des Mount Owen Stanley. Ein britiſcher Geiſtlicher in Neu -Guinea, der Rev. W. G. Lawes von Port Moresby,
beſtellen die Aeder und Gärten, heimſen die Ernte ein
teilt der königl. Geographiſchen Geſellſchaft in London
und bauen ſogar ihre eigenen Hütten, während ihre Herren und Meiſter Karten und Puff ſpielen und ſich ander:
einige intereſſante Einzelheiten über Sir W. Mac Gre
weitig in Männergeſellſchaft die Zeit vertreiben. In den beſſeren Ständen nehmen ſie eine ſehr ungleiche Hälfte des Lebens ein, denn ſie bleiben den ganzen Tag zu Hauſe,
nehmen alle Arbeit und Unbehaglichkeiten des Daſeins auf ſich und überlaſſen die Süßigkeiten desſelben dem männs lichen Geſchlecht. Die Folge dieſer Sahrhunderte langen Erziehung und Behandlung iſt, daß ſie weſentlid dazu
beigetragen haben, aus den Manieren und dem Benehmen
und Charakter der Montenegrinerinnen einen großen Teil der weiblichen Anmut und Schüchternheit zu beſeitigen. Allein während der Montenegriner die Frauen mit wenig
äußerer Darlegung von Bewunderung und Rückſidit be: handelt, ſo hegt er doch eine tiefe wohlverdiente Achtung vor den Tugenden des zarten Geſchlechts, und vielleicht nirgends fönnte ein junges Mädchen ſich einer ſo vollkommenen Freiheit der Handlung und Bewegung erfreuen wie in der Crnagora. Es iſt etwas Gewöhnliches, daß man Bauernmädchen von 15 oder 16 Jahren allein auf halbem Wege zwiſchen Settinje und Cattaro begegnet eine Wanderung, welche ſie wodyentlich zwei- oder dreimal zu Fuße machen müſſen , um Eier zu verkaufen und Fijde einzukaufen ; und wehe dem Manne, welcher ſid) in Wort
oder Blick die geringſte Beleidigung gegen ſie erlauben würde.
Man könnte leicht ganze Bände über das Leben und
gors erfolgreiche Erſteigung des Hodygipfels des Owen Stanley-Gebirgs in Neu -Guinea mit, denen wir nachſtehend folgen. Der eingeſchlagene Weg ging über die Redscai Bucht und den Vanapa- Fluß. Man fuhr den lekteren etwa 40 engl. Meilen binan, ſchlug daſelbſt ein Lager, und Herr Cameron ( chidte von dort nach dem 30 Meilen von Port Moresby entfernten Rigo :Bezirk, um den Häuptling Rebofanamoa (welcher vor zwei Jahren Herrn Cuthbertſon nach dem Mount Obra begleitet hatte) und eine Anzahl Papuans zu engagieren. Die Geſellſchaft brady am 17. Mai vom Lager nach dem Gebirge auf ; ſie beſtand aus vier Europäern und achtunddreißig Eingeborenen mit Einſchluß mehrerer Südſee- Inſulaner , welche gute Buſch- und Fuß wanderer ſind. Der eingeſchlagene Weg war einer, welchen
nie zuvor ein Reiſender verſucht hatte , und führte über Berg und Thal , Stock und Stein , über mehrere Flüſſe und durdy didten Budwald , wo man ſich erſt mit Art und Meſjer einen Pfad bahnen mußte, bis der Gipfel des Mount Musgrave, in einer Meereshöhe von etwa 9100 Fuß, erreicht war. Von hier wurden einige von den Trägern zurückgeſchickt, andere blieben bei Herrn Cameron , während Sir William mit fünf Getreuen : Herrn Belford (einem
halbblütigen Samoaner), einem Fidichi-Inſulaner und drei Papuans nach der Höhe vordrang. Am 11. Juni erreid te die lettere Geſellſchaft den höchſten Ramm des Gebirgs, 13,121 Fuß über der Meeresfläche , welcher den Namen Mount Victoria erhielt. Die Witterung war feucht
Treiben in Settinje ſchreiben , uns iſt nur einigermaßen über: raſchend, daß ſich noch niemand die Mühe genommen | und nebelig bis zu einer Höhe von 8000 Fuß , allein hat, dies zu thun. Die Litteratur über Montenegro iſt ſehr dürftig : außer einem ruſſiſchen und einem franzöſiichen , aber von einem ſerbiſden Difizier geſchriebenen Werke und den Büchern von Gopčević und Schwarß iſt
noch wenig wertvolles über Montenegro veröffentlidit worden, und body dürfte es faum ein Land geben , weldes ſogar für einen nur flüchtigen Beſuch ſo lohnend wäre.
über dieſer Hohe herridte ein klarer blauer Himmel vor.
Während der zehn Tage , welche die Reiſenden in einer Höhe von mehr als 10,000 Fuß verbrachten , war keine Wolfe zu ſehen, das Klima einfady prachtvoll. Das Meer zu beiden Seiten der Inſel war ſichtbar, auf der Nord feite natürlich entfernter und der Streifen des Binnen landes gegen dasſelbe hin war weit ebener als das auf
Es wird jedoch, gleich Japan, wahrſcheinlich raſch ver-
der Südſeite, woraus natürlich zu ſchließen war, daß die
verdorben werden , wenn es in die große Heerſtraße der Touriſten und Vergnügungsreiſenden eingefügt wird. Heutzutage könnte eine Hauptſtadt, worin es keine Advokaten
leidt ſein würde. Von Mount Victoria oſtwärts nach
und feine Bankiers, keine Juden und keine Polizeimann:
Erſteigung des Gebirges von Norden her ungehindert und dem Mount Lilley erſtreďt ſich ungefähr 30 engl. Meilen
fdaft gibt, nur noch in einem Lande obne Zollhaus und ohne
weit ein unebener Kamm und dieſem entlang wanderte Sir William , ſo daß er im ganzen drei und einen halben
Paßbureau exiſtieren , und ein ſoldes Land erſcheint
Tag auf dem Gipfel war. Hier labte ſich ſein Auge
Geographiſche Neuigkeiten .
an dem Anblick der Maßliebchen, Vergißmeinnicht, Butter: blumen und weißen Haidekräuter , welche auf weiten
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einem großen Maßſtab eine Karte der Küſte von Kaiſer
Wilhelms Land vom Rap Tretin bis zu den Legoarant:
Streden dicht und raſenbildend wuchſen und wie Schnee
Inſeln in der Nähe des Haßfeldt-Hafens hergeſtellt und
ausſahen. Große Eiszapfen beluſtigten ſeine tropiſchen Begleiter , welche ſich den Mund zu verbrennen glaubten,
die Ergebniſſe aller neuen Vermeſſungen und Beobachtungen
wenn ſie in dieſelben zu beißen verſuchten . Lerchen gab es im Ueberfluß, an Geſang, Gefieder und Flug denjenigen des nördlichen Europa ähnlich. Bis auf ungefähr 1000 Fuß
* Der italieniſche Forſchungsreiſende Borelli , von deſſen Forſchungen im Gallas- Lande wir ſchon einmal in dieſen Spalten geſprochen haben , weiſt in einer Zuſchrift
darauf eingetragen.
vom Gipfel gibt es keine Bäume mehr. Den lang-:
an die Geographiſdie Geſellſchaft in Marſeille die Bezieh
ſchwänzigen Paradiesvogel , welchen man einmal vorher
ungen ſeiner Entdeckungen, beſonders hinſichtlid des Omos fluſſes , zu denjenigen des Grafen Teleki und des Lieute: nants v. Honel, welche er beide auf ſeiner Heimreiſe in Kairo traf. Herr Borelli ſchließt aus den Unterredungen, welche er mit den beiden Forſdungsreiſenden hatte, daß
von Belford erlangt hatte (nun im Muſeum in Sydney),
traf man in einer Höhe von 5000 bis zu 9000 Fuf und
erlegte ungefähr zehn Stück davon. Einen anderen an ſcheinend neuen Paradiesvogel erhielt man auf dem Mount Knutsford.. Der ſüdliche Abhang des Bergtamms wird durch den Fluß Vanapa drainiert, deſſen oberſte Gewäſſer man in einer Höhe von 10,130 Fuß freuzte. Die Ein geborenen wohnen im Gebirge nicht höher als bis zu
4000 Fuß, jagen aber noch bis zu einer Höhe von 9700 Fuß. Obwohl die Papuans am Fuße des Gebirges ſich ſehr freundlid erwieſen , ſo konnte ſie doch nichts veranlaſſen, die Geſellſchaft auf dem Anſtieg zu begleiten. Sir W. Mac Gregors botaniſche Sammlung iſt an den Baron
Ferdinand v. Müller nad Melbourne zur Beſtimmung geſchiđt worden ; die geologiſchen und zoologiſchen Sa!nm: lungen wollte Sir William mit ſich nach Brisbane nehmen . Die Geſellſchaft fehrte geſund und wohlbehalten am 25. Juni nach Port Moresby zurück und bald darauf reiſte Sir William ab , um dem Archipel der Louiſiaden einen offi ziellen Beſuch abzuſtatten. Ein vollſtändiger Bericht über die Erpedition foll demnächſt veröffentlicht werden.
* Namen und Höhen der Gipfel im Dwen :
der See Baſio-Narol derſelbe fei, welchen er weiter ſüdlich
als die Gewäſſer des Omofluſſes aufnehmend verlegte und
der gewöhnlich als Samburu See bekannt iſt. Natürlich nimmt der See im Norden einen Fluß namens Niannam auf, welcher nach Borellis Behauptung fein Omofluß iſt, ſowie er nach ſeinem Vorgeben, einen andern Namens Baß
aufnimmt, weldien die Herren Telefi und Hönel nicht geſehen haben. Dieſelben ſahen gegen Nord-Nordoſt Berge namens Aro , nämlich dieſelben, welche Herr Borelli Ara oder Aro genannt hatte. Ebenſo weiſt er nady, daß mehrere von den Herren Teleki und Hönel erwähnte Völkerſchaften mit denjenigen identiſch ſeien , von denen er ſelbſt weiter nördlid, gehört habe. Die Hauptſache iſt jedoch, daß der Samburu- oder Baſſo - Narof oder Kronprinz - Rudolfas See ein und derſelbe See find.
Wenn dies der Fall
iſt, ſo gehört Borellis Omo nicht zum Nilſyſtem , ſondern ergießt ſich in den See , welcher nach den Herren Teleki und Hönel keinen Ausgang hat. Sie behaupten , der
Nadſtehend jind die Maße der
Samburu liege in einer Höhe von 1970 Fuß über der
hauptſächlichſten von Sir W. Mac Gregors Geſellſchaft
Meeresfläche , der Victoria Nyanza in einer Meereshöhe von ungefähr 3800 Fuß. Herr Borelli iſt daher übers zeugt, daß der Samburu -See ein von demjenigen des Nils
Stanley - Gebirge.
beobachteten Höhen : 13,121 Fuß.
Mount Victoria
11
Albert Edward
12,500
ganz unabhängiges und verſchiedenes binnenländiſches
Scratchlez Knutsford Douglas
12,000
Becken bilde.
11,157
11,796
Der Sabara - Forider Camille Douls. Dieſer 1!
Service
Mt. flwraith it. ( zwiſchen 10,000 u .
11,000 Fuß.
Morescar
11,000 F11B. 8,000 8,000 9,100
Griffith 1
Gillies Parkes Musgrave
1
6,000 Belfors Henry Forbes ? ) 3,000 Frant Lawer ( ?) 3,000
!!
* Aus dem deutſchen Neuguinea . Im Ver lauf eines kurzen Ausflugs von Finſchafen aus beſtieg der Botaniker Dr. Hellwig im Januar 1889 den Sattel :
berg , 3182 Fuß hoch, weldzer ungefähr 512 Meilen von der Küſte entfernt liegt.
Der ganze Berg iſt ſehr zers
flüftet und dicht bewaldet.
Baron v. Schleinit hat in
abenteuerliebende junge Reiſende hat bei ſeinem zweiten Verſuch, in die weſtliche Sahara einzubringen, ein trauriges
jähes Ende gefunden, denn es ſind vor kurzem Nachrichten nad Frankreich gelangt, wonach er im Innern ermordet worden ſein ſoll. Sein früherer Verſuch wurde in einer eigentümlich fühnen Weiſe gemacht: nachdem er ſich durch genaues Studium der Sprache und Sitten der Wüſten . ſtämme auf ſeine Aufgabe vorbereitet hatte, veranlaßte er einige Filder von den Kanariſchen Inſeln, ihn, als Muſel man verkleidet , allein an der Küſte der Wüſte in der Nähe von Kap Garnet zu landen, wo er bald in die Hände einer nomadiſchen Abteilung fiel , knapp dem Tode ent:
ging, in den Stamm aufgenommen wurde, mit demſelben einen großen Teil der weſtlichen Sahara durchwanderte und endlid durd Marokko entkam. Er kam nad dieſer
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Kleinere Mitteilungen .
Reiſe im Herbſt 1887 nad London und veröffentlichte in
bau von Kafao iſt nun ein ſehr vielverſprechender Zweig
der ,, Times" eine Schilderung ſeiner romantiſchen Abenteuer.
des Landbaues. Jn den erſten Zeiten der engliſchen Ves
Er legte auch den Beamten der königlichen Geographiſchen Geſellſchaft die einigermaßen roben Kartenſfizjen ſeiner Wanderungen vor , welche weite , zuvor noch ganz unbe fannte Landſtriche umfaßten. Sein Zwed war damals, die Mittel zuſammenzubringen, welche ihn in den Stand leßen
ſiedelung der Inſel ſtand der Kafao -Anbau auf Jamaica in großer Blüte, fam dann fahrläſſigerweiſe vollkommen ab und iſt erſt in den jüngſten Jahren wieder verſucht worden.
Kleinere Mitteilungen.
würden eine zweite Reiſe zu unternehmen. Dies gelang ihm * Neue Höhlenfunde im þarz.
ſpäter in Paris, von wo er im Juni 1888 die Erpedition antrat, auf welcher er ſeinen Tod fand.
Er war erſt
Der Harz hat ſchon
beide längſt erſchloſſen
ſeine
Baumannshöhle und ſeine Bielshöhle (bei Riibeland), neueſens .
fünfundzwanzig Jahre alt und in Bordes, Departement Aveyron , im Jahre 1864 geboren. Die über ihn einges
gangenen Nachrichten laſſen kaum an ſeinem Tode zweifeln. Die Verkleidung als Muſelman und der Name El-Hadich. Abd-el-Malek, unter weldjem er reiſte, identifizieren ihn mit dem Reiſenden , von welchem das Gerüdyt geht, daß er von ſeinen Führern in der Sahara zwiſchen den Daſen Alouef und Akabli , 900 Kilometer ſüdlich von Dran, er : mordet worden ſei. Er war auf der Reiſe von Tanger nach dem Tafilet und hatte wahrſcheinlich im Sinne, Tim buftu zu erreichen ; ob er aus Beweggründen des Fanati ciśmus oder der Habſucht ermordet wurde, iſt nicht zu
aber nimmt dort noch eine dritte Höhle, die Hermannshöhle, das Intereſſe der Forſcher in Anſpruch.
Bereits iſt in derſelben
außer den Eremplaren einer echten Diluvial- Fauna, neben Knochen reſten von Schneehuhn , Lemming, Pfeifhahn , Hamſter, Waſſer .
ratte und Hermelin , nicht bloß eine zweite, von ihr ganz verſchie.
ermitteln geweſen. In einem Brief an einen Freund,
dene Fauna aufgefunden , ſondern auch feſtzuſtellen , daß die Höhle eine bisher ungeahnte Ausdehnung beſitze. Man hatte ſchon aus Vergleichungen mit den anderen Rübelander Höhlen geſchloſſen , daß noch ein höheres Niveau exiſtieren müſſe , und dieſe Ver mutung wurde beſtärkt, als man in einem kleinen , 70 m m vom Eingang entfernten und über der Sohle liegenden Seitengang die erſten Knochen und Zähne vom Höhlenbären fand, alle in den für ſämtliche Bärenhöhlen Charakteriſtiſchen ſogen. Höhlenlehm eingebettet. Bei jeder Berührung desſelben mit Schanjel oder Hade ſtürzte die Maſſe nach, und ſo zeigte ſich alsbald eine Spalte,
welchen er von Tanger aus kurz vor ſeinem Aufbruch in das Innere ſcrieb, äußerte er einige trübe Ahnungen wegen
höher gelegenen Niveau darſtellte. Während die unteren Räume
der Zukunft , betonte aber ſeine Abſicht, allen Shwierig: keiten zum Troß fühn vorwärts zu wandern in dem Beſtreben , in die glorreichen Fußſtapfen von René Caillie
zu treten, welcher vor nahezu ſiebzig Jahren ebenfalls die Sahara erforſchte. * Die Einführung von Nußgewächſen auf der Inſel Jamaica. In ſeinem Bericht von 1887 bis 1888 über ſeine amtliche Thätigkeit lenkt der Direktor der öffentlichen Gärten und Pflanzungen der genannten
Inſel die Aufmerkſamkeit ſeiner Leſer auf die Fortpflan: zung der Manilahanf-Pflanze in Caſtleton, in der Abſicht, ſie in verſchiedene Teile der Inſel einzuführen, und weiſt nach, daß die Fajer, wenn ſie auch nicht als Ausfuhr: artikel verwendet werden ſollte, doch die lokale Nachfrage nad Striden zu verſehen und ſo einen wertvollen Hody ſtamm , den Mahon, vor Ausrottung zu retten imſtande jei , von welchem die Einwohner jährlich große Mengen umbauen , nur um die Rinde oder den Baſt zu erhalten,
welche die Verbindung mit dem vermuteten , ungefähr 10 m niedrig und ſchwer paſſierbar waren , zeigte ſich oben eine 7 bis 8 m hohe und 10 ni lange Halle mit den ſchönſten Tropfſtein bildungen , und der Boden war mit zahlloſen Skelettreſten des
Ursus spelaeus bedect, zum Beweiſe, daß jene mächtigen, unſere heurigen Bärenarten weit überragenden Tiere in großer Zahl in dieſer Höhle gelebt und in ihr den Untergang gefunden haben. Menſch liche Ueberreſte, d. h. Spuren des paläolithiſchen Zeitalters, haben ſich aber noch nicht gezeigt , und es iſt alſo um ſo fraglicher, ob
das Harzgebirge zur Zeit der Höhlenbären ſchon von Menſchen bewohnt geweſell, als ſonſtige Beweiſe dafiir nicht vorhanden ſind. Ganz neueſtens iſt man übrigens auf dem ſehr beſchwerlichen Umwege durch die tiefſten Niveaus des Höhlenſyſtems noch in weitere bisher unbekannte Rägime, eine Fortſegung der Bären . böhle , vorgedrungen . Nach den bisherigen Vermeſſungen hat die ganze Haupthöhle eine Länge (von Oſten nach Weſten) von 203 m und da hinter ihr, weiter öflid ), noch eine 100 m lange Galerie exiſtiert, die durch einen engen hohen Gang mit ihr in Verbin dung ſteht, ſo beträgt , mit Hinzurechnung der 110 m langen unteren Schwemmhöhle, die Gejamtlänge der aufgedecten Räume 413 m .
Von der Haupthöhle gehen aber ſo viele Berzweigungen
ab , daß , ſobald die nötigen Wege bergeſtellt ſind , jedenfalls min .
deſtens 600 m zugängiich ſein und durchwandert werden können . G. W.
aus welchem ſie Stride drehen. Ein anderer von ihm erwähnter intereſſanter Gegenſtand iſt der gelungene Ver: ſuch, die Mangoſtane (welche zwar ſon ſeit vielen Jahren in Caſtleton wächſt, aber erſt in den jüngſten Jahren das
Druid und Verlag der I. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachf . in München und Stuttgart.
Stadium der Tragbarkeit erreicht hat) auf den „ Gamboge
Verlag der J. G. Gotta'ſchen Buchhandlung Nachfolger
Baum " von gewöhnlichem Wachstum zu pfropfen. In der
in Stuttgart.
Cinchona - Pflanzung hat man den weitern Anbau einge:
Shakeſpeareftudien
ſtellt, aber einen Verſuchsgarten in den Bergen angelegt. Das betreffende Jahr hindurch hat die genannte Behörde ſich durch Sammlung und Verteilung wertvoller ökonos
G. Rümelin .
miſcher Nußgewächſe verdient zu machen geſucht. Der An
Fiir die Redaktion verantwortlich : W. Neil in München .
von
3 weite vermehrte Auflage . Preis geheftet M. 6 .
1 s Auslaud.. Da Wodenſdrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fach männer herausgegeben von
der
I. 3. G. Gotta ſden Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und Münden. Dreiundſechzigſter Jahrgang.
Nr . 4.
1890.
Stuttgart, 27. Januar
Jährlich 52 Rummern à 20 Seiten in Quart . Preis pro Quartal M. 7. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. Manuſcripte und Recenſions -Gremplare von Werten der einſchlägigen Litteratur ſind direft an die Verlagshandlung in Stuttgart zu jenden . Inſertions. preis 20 Pf. für die geſpaltene Zeile in Petit.
Inhalt : 1. Politiſch - geographiſche Riidblice. 2. Aſien . 3. Amerika. ( Fortſetung.) S. 61 . 2. Die Grönländer. Nach dem Tagebuch eines Miſſionars aus dem Däniſchen. S. 66. 3. Die ſuidafrikaniſchen Goldfelder. S. 71 . 4. Aug Britiſh New Guinea . S. 73. 5. Aus der Geſchichte der Siebenbürger Sadiſen. S. 75. 6. Die Japaneſen . Von Rudolph Schück. S. 76 . 7. Geographiſche Neuigkeiten. S. 77.
Politiſch -geographiſche Rückblide.
ſo dem verdienten Toten eint dauerndes Denkmal ſein,
2. Ajien .
dauernder vielleicht als das gewaltige Monument, welches ihm ſein dankbarer Kaiſer an ſeiner Sterbeſtätte zu ſeßen
( Fortſeķung.)
Obwohl als die Wiege des Menſchengeſd lechts zu erſt vor allen Erdteilen in der Geſchichte hervortretend,
iſt Aſien doch noch zum ſehr großen Teil ein unbekanntes Land. Das berſchulden nicht nur ſeine Maſſenverhältniſſe, ſeine mächtigen, trennenden Gebirge, die Wüſtenhaftigkeit eines ſehr großen Teiles ſeiner Oberfläche, auch die Be wohner ſelbſt haben durch ihre fanatiſche Abſchließung gegen alles Fremde es verhindert, daß ſo lange Aſien für mehr als einen kleinen Teil wirklich bekannt war. Aber die immer weiter hineingreifende Herrſchaft der
Ruſſen nach Süden und Dſten, die Erweiterung des britiſch indiſchen Kaiſerreiches nach Norden und Dſten hin , die Beſchlagnahme großer Gebiete in Hinterindien durch Frank reich , das Sichöffnen des ſo lange verſchloſſenen Oſtens
gegenüber dem bisher ſorgfältig gemiedenen Weſten haben im leßten Vierteljahrhundert unſere Kenntnis Aſiens in überraſdender Weiſe gefördert , und auch hier ,,tritt die Erde allmählid aus dem Dunkel hervor" .
Nicht ſo männermörderiſch wie Afrika , fordert doch aud Aſien ſeine Dpfer. Eines der edelſten und uner: jeßlichſten iſt mit Przewalskij gefallen , dem ſeine raſtloſen
und erfolgreichen Bemühungen um die geographiſche Rennt nis Inneraſiens nicht lange zuvor den Rang eines Generals eingetragen hatten. Im Begriff, mit den ſchon früher
erprobten Begleitern feine fünfte Forſdungsreiſe nad Zentralaſien anzutreten, ſtarb er in Karakol am Jiyf-Rul in der Provinz Semiretſchenst. Nun ſoll nach kaiſerlider Verordnung die Stadt fortan ſeinen Namen führen und Ausland 1890, Nr. 4 .
befohlen hat.
Doch wurde die ſorgfältig vorbereitete Erpedition nicht aufgegeben ; an die Stelle des gefallenen Führers trat der bereits auf mehreren Reifen im chineſiſchen Reich bewährte Oberſt Preßow, welcher mit zwanzig Begleitern, darunter die alten Gefährten von Przewalskij , Roborowski und Koslow, ſowie der Geolog Bogdanowitſch, den Thianſdan überſchritt und dann die direkte Route über Affu und Utſch - Turfan nach Jarkand einſchlug , während Bogdano: wirſch nach dem Tichatyrkul, Kaſchgar und dem großen
Gletſchergebirge von Musdagata reiſte und erſt in Jar fand wieder zur Erpedition ſtieß, die nun das nordweſtliche Tibet, womöglich Lhaſſa ſelbſt, erreichen wollte. Przewalskij hatte dies wiederholt verſucht, immer mußte er wieder
zurüdweichen , nur den unermüdlichen indiſchen Panditen iſt es in neueſter Zeit gelungen , bis zu der argwöhniſch vor fremden Augen behüteten Stadt vorzudringen und dort längere Zeit zu verweilen. Als aber im leßten Jahre der Amerikaner Rodhill es verſuchte, von dem berühmten
Kloſter Kumbum in Geſellſchaft von Pilgern in tibetiſcher Verkleidung nach Lhaſſa vorzudringen , wurde er dreißig Tagereiſen vor ſeinem Ziel erkannt und mußte völlig
ausgeplündert die Rückreiſe antreten. Die Ruſſen entwickeln auch ſonſt eine außerordentlid) rege und erfolgreiche Thätigkeit. Grombtſdheweli, welcher
ziierſt gegen geſeßt hatte ,
1885 mit der Beſtimmung der Grenze Ferghanas China beauftragt worden war und ſeitdem unaus in den ruſſiſch - chineſiſchen Grenzländern geforſdt feßte ſeine Wanderungen auf dem Pamirhodland, 10
62
Politiſch - geographiſche Riidblide.
in Wachan, Chineſiſch- Turkiſtan, Kundſchuf und im Süden des Hindukuſch fort , alſo auf jenem Gebiet , weldes biss
Seitdem das Königreich Birma zur britiſc-indiſden Provinz geworden iſt, hat ſich England eifrig bemüht,
lang noch das aſiatiſch -ruſſiſche vom britiſch- indiſchen Reiche
hier Ordnung zu daffen und die reichen Hilfsquellen des
trennt.. Dabei gelangte er aud in das wegen ſeiner
Landes zu erſchließen. Ein weiterer Schritt auf dieſem Wege iſt der geplante Eiſenbahnbau zwiſchen dem Thal des Brahmaputra und dem des Hukong, wofür eine unter
Räubereien und ſeines Sklavenhandels übel berufene
Chanat Kundſchuk, das nach ihm 1889 auch Kapitän Durand, der Vertreter der indiſchen Regierung in Gilgit, von dem Kundſduk abhängig iſt, beſuchte, indem er bis zu deſſen Hauptſtadt Hungar oder Baltit vordrang. Ein anderer ebenſo raſtlos thätiger ruſſiſcher Forſcher iſt Grum-Grjimailo , welcher gleichfalls das „Dach der Welt “ durchzog und dann in Begleitung ſeines Vruders eine auf zwei Jahre bemeſſene Reiſe antrat , um eine
Needham und Mitchell 1888 ausgeſandte Expedition eine Tehr günſtige Trace finden konnte, da das zu überſchreitende Patfoi-Gebirge einen nur 1280 m hohen Paß hat.
Sonſt ſind hier noch thätig geweſen im Jahre 1888 Flegels ehemaliger Begleiter in Weſtafrika, Hartert, welcher in Aſſam zoologiſche Sammlungen machte, und Walther,
welcher in Südindien und Ceylon geologiſche Unterſuch:
gründliche Durchforſchung des öſtliden Thianſdan , des Lob Nor und des Altyn - Tagh vorzunehmen. In dem
ungen anſtellte; Mitte 1889 ging auch Sdhmidt hieher, um in ebendenſelben Gebieten Forſchungen in Bezug auf
öſtlichen Thianſdan machte auch Katanow im Auftrag der faiſerlid Ruſſijden Geographiſchen Geſellſchaft ethno: graphiſche Studien.
die Drawida-Volfer anzuſtellen .
Aber auch über die Grenzen des britiſchen Gebietes hinaus iſt England eifrig bemüht , ſeinen Einfluß zu
Bekanntlich waren die ſüdlichen Teile des ruſſiſchen Transbaikalien ſowie die angrenzenden Gebiete der chine
ſtärken . Wie es im Nordweſten der Rivalität Rußlands
ſiſchen Mongolei ehemals ſehr ſtark angebaut und bevölkert, gegenwärtig aber liegen ſie gänzlid, veröbet da. Der durch ſeine Forſchungen im Altai bekannte Jadrinzew hat nun eine Reiſe in jene Gegenden unternommen , um den
einzige unabhängige Neich auf der hinterindiſchen Halb
Gründen für dieſe Erſcheinung nachzuſpüren. Eine der großartigſten Leiſtungen in der Forſdungs geſchichte Aſiens iſt ohne Zweifel die Reiſe , welche der Engländer Young Husband ausführte , indem er von Peking über Raſchgar und Jarfand durch Raſchmir nach Indien ging. Dieſer Reiſe, die zwar in ihren einzelnen Teilen bereits von anderen gemacht worden , welche aber noch nie zuvor von einem Manne im Zuſammenhang zurück: gelegt worden war , ließ er 1889 eine zweite folgen , auf welcher er, vom oberen Industhal aufbrechend, die Päſſe über den Hindukuſch und das Karakorum-Gebirge unter ſuchen wollte. Hier begegnen ſich alſo die ruſſiſche und die britiſche Forſchung, wohl nicht ohne an ſpäter mögliche Ereigniſſe zu denken. Der Weg nach Indien von Norden her wurde mehr: mals gemacht. Nachdem der Franzoſe Duvergne von
begegnet, ſo tritt ihm im Oſten Frankreich entgegen. Das inſel iſt heute Siam. Während hier England eine Reihe größerer Cijenbahnbauten projektiert und in Ausführung bringen will – einige davon ſind bereits vermeſſen, ſucht Franfreich das Land fommerziell auszubeuten. Der König hat den Franzoſen und Annamiten das Redyt des Handels in dem ſiameſiſchen Gebiet der Laos und in den Provinzen am linken lifer des Mekhong zugeſtanden und einem franzöſiſchen Konſul den Wohnſiß in Luang Phra: bang, dem Hauptmarft dieſer Gegend zugewieſen. Zugleid) er: hielt die Geſellſchaft , Messageries fluviales ", welche bereits in Batambang ein Kontor errichtet hat , die Erlaubnis,
auf dem Melhong bis Stung Treng und darüber hinaus einen Dampferverkehr einzurichten. Dem in Luang - Phrabang inſtallierten franzöſiſchen Konſul Pavie iſt nun auch von ſeinem Amtsſiß aus der mehrfach gemachte, aber immer mißglüdte Verſuch, von Siam aus Tonking zu erreichen , glüdlich gelungen und zwar auf zwei verſchiedenen Wegen. Auf ſeiner erſten Reiſe ging er in nördlicher Richtung nach Tungino , wo
Ruſſiſch - Turkiſtan über Kaſhgar bis zu den britiſchen Bes
er franzöſiſches Militär antraf , mit dem er an den
fißungen durchgedrungen war, reiſte auch der Deſterreicher Troll auf demſelben Wege über Jarfand nach Indien, während der franzöſiſche Sibirien-Reiſende Martin dieſes Ziel über den Kukunor erreichen wollte. An der Nordgrenze von Britiſch - Indien ſelbſt gaben die ſtets unruhigen Stämme der Schwarzen Berge ein mal wieder Gelegenheit , die Kenntnis des bisher kaum
Schwarzen Fluß gelangte, welchem er flußaufwärts bis Lais tſdau folgte , worauf längs des Namhu wieder Luang Phrabang erreicht wurde . Das zweite Mal verfolgte er eine öſtliche Richtung und gelangte ſo in weniger als ſedis
betretenen Grenzgebietes zu erweitern.
Dieſe Stämme
hatten wieder einmal Einfälle auf britiſches Gebiet ge: macht, und es wurde daher eine Truppenmacht abgeſandt, um ſie dafür zu züchtigen . Bei dieſer Gelegenheit hat der
Kapitän Wahab faſt von dem ganzen Gebiet eine Auf nahme machen können.
Wodyen nach Hanoi , der Hauptſtadt Tonki.gs. Die Frans
30ſen verſprechen ſich für den Handel ſehr große Vorteile von dieſer Straße , der ſie durch eine befeſtigte Station bei Dienbienphu am Namhu auf ſiameſiſchem
Gebiet
bereits einen Stüßpunkt gegeben haben . Einen angeblich noch beſſeren Verkehrsweg fand 1889 der franzöſiſde
Hauptmann Cupet , und zwar von Luang Phrabang auf dem Namkan oſtwärts und dann über die Waſſerſcheide nad Vind in Annam .
63
Politiſch geographiſche Rüdblide.
Noch ſind hier zu nennen die Arbeiten von Roffet,
Einen wichtigen Schritt im Intereſſe des kommerziellen
welcher ethnographiſche Studien am Donnot und in dem
Aufſchwunges hat die Regierung durch Eröffnung von neun bedeutenden Häfen , welche bisher nicht Vertrags
bisher noch unerforſchten Gebiet zwiſchen dem Mekhong und Annam machte , von dem Grafen Anrep-Elmpt,
welder in Siam dem Fieber erlag, von Marquis de Mores, Thorel und van Dieſche, welche die Verkehrswege zwiſchen Tonking und China einer Unterſuchung unterzogen. In Tonking ſelber iſt endlich die Frage der Schiff barkeit des Roten Fluſſes , der großen Verkehrsader des Landes, bis Laokai an der Grenze von Jünnan glücklich gelöſt worden. Ein eigener zu dieſem Zweck erbauter Rads dampfer von geringem Tiefgang hat die Reiſe von Hanoi aus zurückgelegt und damit den Anfang gemacht zu einem nunmehr errichteten regelmäßigen Verkehr auf dem Fluſſe. In China madt der Eiſenbahnbau langſame Fort idritte , von der Verwirklichung der großen vor einiger Zeit gefaßten Pläne iſt man ſehr weit entfernt , da der Widerſtand gegen die Zulaſſung fremden Kapitals nicht überwunden iſt. Indes iſt man doch ſeit dem Jahre 1877,
in dem die Regierung die kleine Schanghai-Wuſung-Bahn ankaufte, um ſie zu zerſtören, anderer Meinung über die Eiſenbahnen geworden . Damals ſah man in der eiſernen Straße eine Schändung der Friedhöfe, und die Eiferſucht der Träger und Bootsleute trug den Sieg davon. Aber nachdem der alte Patriot und Feldherr Tjo - Tjung-tang von ſeinem Sterbebette in Futſdheu aus in einer Denkſchrift die Eiſen bahnen als das einzige Mittel bezeichnet hatte, um den das Himmliſche Reich bedrohenden Gefahren zu begegnen, machte die Reformpartei, voran der ehemalige Geſandte in Europa, Marquis Tſeng, die Sache zu der ihrigen, und eine kleine Lokalbahn in Tientſin, eine zweite in Formoſa waren der Anfang zu weiteren Unternehmungen. Eine bedeutendere Strede iſt die 130.5 km lange Bahn von den Kohlens
gruben von Tongſchan in der Provinz Tſdili. Außerdem ſind weitere Bahnen auf der Inſel Formoſa im Bau begriffen. Und endlid iſt es auch dem unermüdlichen Archibald
Little nach langwierigen Verhandlungen geglüdt, von der chineſiſchen Regierung die Erlaubnis zur Befahrung des Yangtſekiang von Jetſdang bis Tſchunking zu erhalten, nachdem ichon 1887 Little praktiſch bewieſen hatte , daß eine Befahrung des Stroms durch Dampfer trop der Stromſchnellen ſehr wohl thunlich iſt.
bäfen waren , für den fremden Handel gethan. Dieſe neun Häfen, ſämtlich ſehr günſtig gelegene Ausgangspunkte
eines äußerſt produktiven Landſtrichs, ſind Jokkaichi in Iſe, Shimorosti in Nagato , Hakato in Chikuron , Moji in Buzon , Kuchinotſu und Karatſu in Hizen , Abiſumi in Higo, Fuſhigi in Etchin und Otaru in Jezo. In Sibirien , über beſſen entfeßliche Zuſtände als
Strafkolonie ſoeben durch einen amerikaniſchen Beobachter die ergreifendſten Schilderungen gemacht worden ſind , iſt Rußland, wie bisher, in der Erforſchung des Landes recht thätig geweſen. Die St. Petersburger Afademie und Univerſität entſandte Ratanow zu ethnologiſchen und lin guiſtiſchen Studien zu den Turkſtämmen am oberen Jeniſſei
und der durch die erſte Durchfreuzung von Notvaja Semlja bekannte Arzt Grinewezki trat eine auf mehrere Jahre bes rechnete Reiſe in die aſiatiſchen Küſtenländer des Berings meeres an , um die Ethnologie der Tichuktſchen , die geo
graphiſchen und die wirtſchaftlichen Verhältniſſe genauer zu unterſuchen.
Der Raukaſus 'war das Ziel einer großen Anzahl
von Engländern, welche wetteifernd mit mehreren Ruſſen und Italienern die höchſten Gipfel und Päſſe des Ges birges bezwangen , nicht ohne daß dabei zwei Menſchen:
leben zum Opfer fielen. Die Erſteigung und Beſtimmung der Höhe des Kasbet, des Elbrus, des Roſchtantau und anderer bedeutender Berge im Jahre 1888 wurde 1889 fortgeſeßt. Kuſnezow, der auf der Nordſeite des Raukaſus geforſcht hatte, feßte ſeine Arbeiten weiter fort ; im zentralen Teil waren der
bekannte Alpiniſt Freſhfield, Powell, Dent und Wolley nebſt ben Italienern Vittorio und Erminio Sella thätig. Perſien macht ſeit einigen Jahren lebhafte Verſuche,
durch Einführung europäiſcher Kulturinſtitute ſein wirt idaftliches Leben neu zu befruchten. Europäiſche, nament lidh deutſche und öſterreichiſche Offiziere und Beamte ſtehen an der Spiße der Telegraphendirektion, der militäriſchen
und techniſchen Hochſchule, der Polizei , find Inſtruktoren der Infanterie, Artillerie, der Muſik.
Aber die beiden
Länder, welche den Hauptanteil der auf nahe an 106 Mill.
Mark geſchäßten Einfuhr haben, ſind Rußland und Eng
Japan iſt beſtrebt, auf der Bahn des Fortſchritts
land . Seitdem die Bahnlinie durch den Kaukaſus für
energiſd weiter zu gehen. Am 11. Februar 1889 wurde die Verfaſſung proklamiert, und das erſte Parlament, be ſtehend aus einer erſten Kammer von teils erblichen , vom Mifado zu ernennenden, teils zu erwählenden Mitgliedern,
den fremden Handel geſchloſſen iſt und da der Karawanen
ſowie aus einer zweiten Kammer von 300 auf breiteſter Grundlage zu erwählenden Mitgliedern ſoll im Oktober
1890 eröffnet werden. Die altjapaniſche Partei ſteht dieſer Neuerung freilich nicht ganz freundlich gegenüber, ebenſo: wenig wie der Abſchluß der neuen Handelsverträge mit einigen europäiſchen Ländern ganz im Sinne der Reform partei zu ſein ſcheint.
weg über Trapezunt und Erzerum nach Nordperſien zu
koſtſpielig erſcheint, hat England die Freigebung der Schiff fahrt auf dem Karun-Fluß und damit einen neuen Handels weg nach Südperſien erlangt. Doch müßte nun entweder von Schuſter direkt nach 3sfahan durch das Gebiet der Bachtiaren oder von Disful , nordweſtlich von Schuſter, nach Burudſchird durch das Gebirge ein praktikabler Kara wanenweg hergeſtellt und vor den Ueberfällen der Gebirgs
bewohner geſichert werden, ehe dieſe Konzeſſion einen prat: tiſchen Wert erhält.
Bolitiſch -geographiſche Rüdblide.
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Eine wichtige Etappe in der Erſchließung dieſes Landes bezeichnet auch die an Baron Reuter erteilte Kuns zeſſion, der zufolge dem lekteren die Ausbeutung aller Mineralſchäße mit Ausnahine der Edelmetalle zugeſtans
fallenden Aufgaben vor einigen Jahren in einer an geiſt vollen Gedanken reichen Schrift niedergelegt. 1 In dieſem Sinne hat Dr. Karl von den Steinen auf ſeine erſte Schingu - Expedition eine zweite folgen
den iſt.
laſſen , von welcher er bereits 1888 zurüdkehrte, ſein
Durch Verordnung der engliſchen Regierung vom 9. Januar 1889 wurde die kleine , ſüdlich von der Weſt
Begleiter Dr. Ehrenreich blieb dagegen zurück , um ſich
ſpiße Javas einſam gelegene Chriſtmas - Inſel mit der Kolonie Straits Settlements vereinigt. Es iſt dies ein faſt ganz aus Korallenfels beſtehendes Eiland, mit rieſigen
am 17. Dezember 1888 von Manaos am Rio Negro nadh ber Handelsſtation Sepatiay am Rio Purus zu begeben. Dieſer anſehnliche Zufluß des Amazonas auf deſſen rechter Seite hat durch die reichen Kautſchukwälder an ſeinen
Bäumen und Sträuchern bedeckt, aber bisher nur von
Ufern in den leßten 20 Jahren eine ſo hervorragende
Seevögeln bewohnt. Nach der engliſchen Beſißnahme ſind von den Keeling- Inſeln dreizehn der dortigen Eingeborenen mit einem lange unter ihnen anſäſſigen Schotten nach der Inſel übergeſiedelt. Dieſelbe purde dann auch ebenſo wie die Keeling-Inſeln von dem Engländer Guppy beſucht,
Bedeutung gewonnen, daß ſich hier ein blühender Handel
der ſich nach Niederländiſch Indien begab , um dort ſeine
Studien über die Entſtehung der Koralleninſeln fortzu: feßen.
Auf dem aſiatiſchen Inſelgebiet forſchten ferner Werk heim aus Amſterdam , welcher die geologiſche Beſchaffen
und Dampferverkehr entwickelt hat , der aber freilich auch I
eine vollige Vernadıläſſigung des Aderbaues und eine ſolche Erhöhung der Arbeitslöhne nach ſich zog, daß man 8-10 Mart pro Tag für gewöhnliche Dienſtleiſtungen zu zahlen hatte und für den Lebensunterhalt ausſchließlich auf die Ergebniſſe der Jagd, auf Fiſche und Sdyildkröten angewieſen war. Dabei wurde dem Reiſenden durch die
namentlich während der Regenzeit in überaus läſtiger
Andamanen-Gruppe, Portman, auf , Taylor bereiſte als
Weiſe auftretende Inſektenplage das Leben recht ſauer gemacht. Nachdem Ehrenreich noch weitere Forſdungen an anderen Zuflüſſen des Amazonas gemacht hatte, kehrte er im Juli 1889 nach Europa zurüd. Wir dürfen wichtige Mitteilungen über die geographiſchen wie über die ethnos graphiſchen Verhältniſſe der von ihm durchforſchten Gebiete
der erſte Europäer den öſtliden Teil von Formoſa.
erwarten.
heit der Rey- Inſeln unterſuchte und dort eine meteoro: logiſche Station errichtete, und mit ihm Lieutenant Planten, welcher den erkrankten Lieutenant Meyjes erſeßt hatte. Die Küſte von Klein-Andaman nahm der Gouverneur der
Endlich ſei noch der Forſchungsreiſe der Profeſſoren Weber aus Amſterdam und Widmann aus Utrecht gedacht, welche mit Unterſtüßung der Niederländiſchen Geographi
Aud von anderer Seite ſind die noch wenig flaren hydrographiſchen Verhältniſſe des oberen Amazonas und ſeiner Zufluſie Gegenſtand eingehender Forſchung geweſen.
(den Geſellſchaft über Celebes nach Flores gingen , um dieſe Inſel geologiſch und zoologiſch zu unterſuchen , während zur Ausführung topographiſcher Arbeiten der Ingenieur van den Brod gewonnen wurde.
Man hatte vor mehreren Jahren begonnen , den Plan einer Eiſenbahnlinie Madeira - Matamoré , wodurch die 370 km lange Strecke der Stromſchnellen des Madeira
3. Amerika.
Verbindung zwiſchen der Schiffahrt des Ober- und des
Die heutigen Forſchungen auf amerikaniſchem Gebiet gehören nicht mehr jenem erſten Stadium der Erploration
Unterlaufes herzuſtellen. Dadurch wären die frud)tbaren Gebiete Nordbolivias und des ſüdlichen , öſtlich von den
an , welches in der Durchſtoßung unbekannter Landſtriche
Anden gelegenen Teils von Peru in die Lage gebracht worden , ihre Produkte nad Braſilien und dem Meere hin abzuſeßen. Indes wurde die Bahn nicht vollendet und der Plan endgiltig aufgegeben. Ein neuer Plan liegt nun ſeitens des braſilianiſchen Oberſten R. Pereira Labre vor , der im April 1888 von Manaos mit einer
zwiſchen den Fällen von Guajara-mirim und São Antonio
umgangen werden ſollte , zu verwirklichen und ſo eine
ſeinen Hauptzwed ſieht - der Erdteil iſt uns ja idon mehr als in bloßen Grundzügen bekannt - es gilt hier jeßt, an eine gründliche Forſchung der bisher nur ober:
flächlich bereiſten Länder heranzutreten und die Wechſel beziehungen zwiſchen Boden, Klima und organiſdem Leben urſächlich zu erkennen. Aber man begnügt ſich auch nicht mit dieſer Erkenntnis allein .
Die Erfahrungen , welche
.
wohlausgerüſteten Expedition füdwärts aufbrad , um die
in dem einen Erdteil geſammelt wurden , werden mit denen verknüpft, welche man in den übrigen machte, und ſo
Zuflüſſe des Purus und Beni zu erforſchen und den beſten Weg für eine Handelsſtraße vom nördlichen Bolivia und dem öſtlichen Peru nach dem Atlantiſchen Dzean zu ers
wird ein Verſtändnis ganzer Kategorien geographiſcher Pha:
mitteln .
nomene gewonnen, in weit höherem Maße, als wenn das Gebirge oder der Gletſcher nur in dem Lande betrachtet würde , welchem er angehört , ohne den Vergleich zu den
von 150 km Länge nötig ſein , um eine Verbindung zwiſchen den durch Dampfſchiffahrt erreichbaren Punkten
verwandten Erſcheinungen in anderen Ländern zu ziehen. Sehr klar hat v. Richthofen die der Geographie jeßt zu
1
Nach ſeinen Erfahrungen würde eine Eiſenbahn
F. v. Richthofen , Aufgaben und Methoden der heutigen Geographie, Leipzig 1883.
65
Politiſch- geographiſche Rüdblice.
am Madre de Dios, dem Zufluß des Beni, und dem Aquiry, dem Zufluß des Purus, herzuſtellen .
Einen linken Nebenfluß des Araguaya , eines der bedeutendſten Zuflüſſe des Amazonas, den bei Cuyaba ent ſpringenden Rio das Mortes , wollte ein Militärarzt in
Paraguay, Dr. Haßler, erforſcht haben. Er lieferte darüber
90 Jahre verheißen. Allerdings dürfte ſich nach Ehrens reich nur ein Teil des Programms verwirklichen laſſen und , falls die erſchloſſenen Minen wirklich ſo lohnend werden ſollten, wie man erhofft, eine Eiſenbahnverbindung 1
oſtwärts nach São Paulo ſehr bald entſtehen .
Aud
möchten wohl Koloniſten aus den Vereinigten Staaten
ſowie über andere Forſchungen in dieſem Gebiet der ,, Fern
oder aus Europa für dieſe ſo entlegenen Landſchaften
(dau " , dem Drgan der Mittelſchweizeriſchen geographiſch
idwerlid zu haben ſein, ſolange die Küſtengegenden noch ſo viel beſſere Ausſichten eröffnen . Ehe die jeßt ein getretene Unſicherheit der inneren Verhältniſſe Braſiliens einer vertrauenerivedenden Nobilität Plaß gemacht, wird
kommerziellen Geſellſchaft in Aarau , einen eingehenden Bericht. Wie aber Dr. K. von den Steinen auf dem
leßten Amerikaniſten -Kongreß nachwies, hat Haßler dieſe Gegenden niemals bereiſt, die ganze Darſtellung iſt ein
ichwerlich etwas bedeutenderes auf wirtſchaftlichem Gebiete
reines Phantaſiegebilde. Es wurde nun von der braſilia niſchen Regierung ein Offizier abgeſandt , um den Fluß
unternommen werden. So wird aud das Unternehmen vorläufig ruhen müſſen. Wie man vom nördlichen Bolivia aus die Verbin dung mit Braſilien ſudyt, ſo ſtrebt man im ſüdlichen Teil
von ſeiner Quelle bis zur Einmündung in den Araguaya
aufzunehmen, ſo daß wir demnächſt ein wahrheitsgetreues Bild der ganzen Gegend vor uns haben werden . Solche Vorkommniſſe , wie das mit Haßler , ſtehen leider nicht
des Staates einen beſſeren Verkehr mit Paraguay an.
ordentlich ſchwer macht, der geographiſchen Forſchung mit
Beide Länder trennt bekanntlich das große, faſt unbewohnte Gebiet des Gran Chaco. Durch den nördlichſten Teil desſelben hatte der Franzoſe Thouar vergebens einen Weg zu finden verſucht, welcher das Innere von Bolivia mit dem Paraguay verbinden ſollte. Darauf ſind dann mehr : fache Verſuche gemacht worden , einen guten gangbaren Weg zu erſchließen, ſo von Calvimonte, dem bolivianiſchen Adminiſtrator in Puerto Pacheco am Paraguay , von
ſicherem Sdritt zu folgen.
Arana , endlich auch von dem franzöſiſchen Vicomte
Seit einigen Jahren hat ſich nordamerikaniſches Kapi tal bemüht, die braſilianiſchen Bodenſchäße auszubeuten und zugleich die Verkehrsmittel zu verbeſſern. Seitens
de Brettes ; allein die Angaben dieſer Reiſenden, inſonders heit die des leftgenannten , ſind ſo wenig klar, daß noch weitere Beſtätigungen der gemachten Angaben abgewartet werden müſſen . Ganz in aller Stille hat aber in Feuerland die eng
vereinzelt da , im Gegenteil deint trop der regelmäßig erfolgenden Entlarvung der Betreffenden dieſe Art geo graphiſchen Schwindels immer neue Nachahmer zu fins den -- eine höchſt bedauerliche Erſcheinung, welche durd)
das naturgemäß erregte Mißtrauen gegen jeden Bericht eines nicht durchaus gut beglaubigten Reiſenden es außers
der braſilianiſchen Regierung iſt dabei bereitivilligſt jede Hilfe gewährt worden. So haben ſich bereits vor einigen Jahren in den Vereinigten Staaten zur Er:
idhließung der an Metallen und wertvollen Holzarten ſehr reichen Uferländer des Araguaya zwei Geſellſchaften ges bildet, die jedoch in Wirklichkeit nur eine einzige ſind :
die Guyaz Mining Company und die Para Trading and Transportation Company , mit einem Kapital von 7 Mill. Doll. Sie haben ein mehrere Tauſend Quabrat meilen großes Territorium im Süden der Provinz Goyaz
an den Hauptquellflüſſen des Araguaya, dem Cayapoſinho und Rio Benito, mit dem Recht der Ausbeutung der bor
tigen ſehr bedeutenden Golds und Edelſteinlager erworben, wogegen ſie ſich verpflichteten, dort mehrere Tauſend Kolo niſten anzuſiedeln. Ferner ſoll die Ausbeutung des Wald reichtums an dem untern Tocantins und der Handel mit Goyaz in Angriff genommen werden. Die Geſellſchaft hat ſich verpflichtet, den Staboca -Rataraft durch eine Eiſen
liſd -ſüdamerikaniſche Miſſionsgeſellſchaft ſehr bedeutende Erfolge erzielt. Nachdem ſie ſchon ſeit längerer Zeit von ihrer Station Uſchuaja auf der Inſel Hoſte mit großem Erfolg unter den Eingeborenen gearbeitet hat , ſo daß einige derſelben bereits Rindviehzucht treiben und mit dem Anbau von Kartoffeln, Rüben u. a. ſich beſchäftigen , hat dieſe Geſellſchaft nun auch eine Station auf der Wollaſton :
Gruppe, der ſüdlichſten des Kontinents , errichtet. Dieſe Inſelgruppe gehört zu Chile. Die dortige Regierung hat der Miſſion auf ihr Anſuchen die Grevy-Inſel nebſt drei
benachbarten kleineren , ſowie den weſtlichen Teil der Hermite-Inſel anweiſen laſſen. Da hier ein Zufluchts hafen errichtet werden ſoll, deſſen Leuchtturm die Miſſion
unterhalten will, ſo wird die Station ohne Zweifel eine bedeutende Wichtigkeit für die Schiffahrt erlangen. Aud im Weſten und Norden Südamerikas iſt die
bahn zu umgehen , zu den nötigen Vermeſſungen wurden
Forſchungsthätigkeit in mehreren Unternehmungen hervor
zwei engliſche Ingenieure abgeſandt. Die braſilianiſche Regierung hat der Geſellſchaft eine Subvention auf
getreten. In Bolivia und Peru arbeitet ſeit Mai 1888 Hettner im Auftrag des preußiſchen Unterrichtsminiſteriums
20 Jahre verſprochen, falls ſie die Flüſſe Araguaya, Tocan
und zugleid mit Unterſtüßung der Geſellſchaft für Erd kunde zu Berlin , welche 1000 Mark für geographiſche
tins und Nio vermelho für Dampfer fahrbar macht, die
Provinzialregierung von Para hat gleichfalls eine Sub : vention zugeſichert und die Erteilung eines Monopols für Ausland 1890, Nr. 4 .
Zwede beiſteuerte , während die von der preußiſchen Res gierung geſtellten Aufgaben weſentlich archäologiſcher Natur 11
Die Grönländer.
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ſind. A18 Ausgangspunkt wählte Hettner Arequipa , bes reiſte von hier aus zunächſt das ſüdliche Küſtengebiet und begab ſich dann über Urbinas und durch die Puna auf der alten, ſeit Erbauung der Eiſenbahn gänzlich verödeten Karawanenſtraße zum Titicaca : See , deſſen Weſtufer er folgte, worauf er nach La Paz gelangte. Von hier machte er einen längeren Ausflug nach dem fruchtbaren Dſtabhang der Cordillere, den Yungas und unterſuchte darauf die
Gegenden im Nordoſten, Dſten und Südoſten des Titicaca Sees.
Die Quelle des Drinoco aufzufinden, hatte ſich Chaf: fanjon vergeblich bemüht, ſchon vor deſſen Rückkehr war aber von dem italieniſchen Grafen Stradelli zu demſelben Zweck eine Expedition ausgerüſtet worden , welche Mitte 1887 von Ciudad Bolivar aufbrach , indes ihren eigent, lidhen Zwed bald aufgab , den Fluß nur bis San Fer: nando de Atabapo, der Hauptſtadt des Territoriums Alto Orinoco, verfolgte und darauf den Atabapo ſtromaufwärts bis Yavita befuhr. Dann überſtieg Stradelli die Waſſer: ſcheide zwiſchen dem Gebiet des Drinoco und dem des Ainazonas, fuhr den Rio Negro abwärts bis Manaos und ging nun zum Rio Branco , ſo einen guten Teil der Zuflüſſe des Drinoco und des Amazonas erforſchend. In dieſem Gebiete war auch der Franzoſe Coudreau thätig , welder beſonders das Tumac-Humac-Gebirge , die Waſſerſcheide zwiſchen den Guyana - Flüſſen und Amazonas Tributären, bereiſte und die Flüſſe Maroni, Dyapot und Maruini bis zu ihrer Quelle verfolgte und aufnahm , ſowie ſein Landemann Brouſſeau , welcher am Oberlauf des Maroni reiche Sammlungen machen konnte, die allerdings leider in Cayenne durch eine Feuersbrunſt vernichtet wurden , ſo daß er noch einmal in ſein Forſchungsgebiet zurüdzukehren ſich gezwungen ſah. Hier iſt Frankreich auch mit den Niederlanden in
einen Konflikt geraten, deſſen gütliche Löſung indes außer Zweifel ſteht. Die Grenze zwiſchen Franzöſiſch-Guyana und Surinam iſt bekanntlich eine noch nicht ſicher beſtimmte. Die Franzoſen behaupten , daß von den beiden Suflüſſen des Maroni der weſtliche, der Tapanahani, die Grenze bildet, während die Niederländer den öſtlichen Zufluß, den Awa, als ſolche anſehen. Bisher wurde dieſe Frage als von wenig Belang kaum beachtet. Seitdem aber das
zwiſchen jenen beiden Zuflüſſen eingeſchloſſene Terrain durch das Auffinden von Goldlagern wertvoll geworden iſt, wünſchen beide Teile ſich das Gebiet zu ſichern. Man iſt nun übereingekommen , die Frage einem Schiedsrichter zu unterbreiten .
trag der 141. Meridian die Grenze bilden ; die Aufgabe foll demnach die ſein, der Erpedition dieſen Meridian überall feſt= zuſtellen, wo derſelbe von Flüſſen gekreuzt wird. Den Mount Elias ſelber zu beſteigen, gelang Tophane, der dieſen Verſuch im Juli 1888 machte, nur infoweit, daß er bis zu 3491 m Höhe gelangte , alſo nad Dalls Schäßung nod) 2450 m
unterhalb des Gipfels blieb. Wagner meint freilich, daß bei Dalls Meſſung ( 19,500 Fuß) wahrſcheinlich ein Fehler Nad Tophanes Beobad :. von 400 engl. Fuß vorliegt. Nach tungen iſt der Mount Elias kein erloſchener Vulkan , wie ( Schluß folgt.) vielfad angenommen wurde.
Die Grönländer. Nach dem Tagebuch eines Miſſionars aus dem Däniſden .
Die älteſten Anſiedelungen .
Schon im Jahre 982 n. Chr. follen ſich Isländer an der Dítſeite von Grönland niedergelaſſen haben. Später trafen auch Züge von Norwegern ein. Die Anſiedler
hatten hier nicht allein genug zum eigenen Bedarf, ſondern führten fogar Waren aus. Es entſtanden zahlreide Be ineinden , Kirchen , Klöſter und Biſchofsſige und waren namentlich im ſüdlichen Teile der Weſtſeite des Landes manche Städte und Kirchen vorhanden, von welden nod heutzutage Spuren zu finden ſind. Die Einwohner trieben Ackerbau, und ſoll der Boden außer anderem Getreide be ſonders vortrefflichen Weizen geliefert haben. Fruchtbare Weiden ernährten eine Menge Kinder und Schafe, von welchen Milch, Butter und Käſe nicht allein im Ueberfluß, ſondern auch von folcher Güte gewonnen wurden , daß damit die Tafel des Königs in Nidaros (Trondhjemn) ver : ſorgt werden konnte. Auch gab es hier Wälder mit Rehen und Haſen und fiſchreiche Binnengewäſſer. Die Dſtſeite des Landes war daher in kurzer Zeit ſtark bevölkert.
Nach und nach hörte indeſſen, aus welchen Gründen iſt unbekannt, die Auswanderung nach dieſem ſchönen Land ſtrich und damit zugleich alle und jede Verbindung mit dem Mutterlande auf. Später hat man ſich aufs neue mit Grönland in Beziehung geſeßt , aber weder Isländer noch Norweger angetroffen. Jeßt iſt die Dſtküſte fo von
Treibeis eingeſchloſſen , daß es nicht möglich iſt, hinduid) zu kommen und auf der Südweſtſeite hat man nur wilde und unwiſſende, in Sprache, Sitten und Lebensweiſe ganz von einander verſchiedene Völkerſchaften gefunden, welde
erzählten , daß ihre Vorfahren , die Skrällinger, die Ein wanderer überfallen und getötet hätten , zuerſt auf der
In Kanada iſt die Regierung , wie immer , außer ordentlich thätig geweſen , das noch unbekannte Gebiet zu
Weſt- und nachher auch auf der Oſtſeite. Db dieſes Sage
vermeſſen und geologiſch zu unterſuchen, die Grenze gegen
ſtellen.
oder Wahrheit iſt, läßt fich heutzutage nicht mehr feſt:
Alaska wurde aber von einer durch die Regierung der
Die Ausbeſſerung der Böte.
nordamerikaniſchen Union unter Mac Grath ausgeſandten
Da die Böte aus ausgeſpannten Fellen beſtehen , kommt es oft vor , daß ſie vom Treibeis Löcher erhalten .
Erpedition genauer beſtimmt. Vom Mount Elias bis zum Arktiſchen Dzean ſoll nach dem früher abgeſchloſſenen Ver:
1 Siehe „ Ausland" 1886, Nr. 18, 19.
Die Grönländer.
Dieſe verſtopft man zuerſt mit Sped . Wenn aber das Boot ſo viele Löcher bekommen hat, daß Waſſer ins Boot läuft (mein Boot hatte einmal neun Löcher erhalten),
67
iſt." Geſagt, gethan.. Aber das Unwetter erreichte uns ſchon beim Wenden des Bootes und würde dasſelbe zum Rentern gebracht haben , wenn ſich nicht der Grönländer
dann muß man das Ufer zu erreichen ſuchen , um die
mit ſeinem Kajat vor den Wind gelegt und ſo meiſterhaft
ichadhaften Stellen zuzunähen.
In ſoldem Falle oder
gegen die gewaltigen Wogen manövriert hätte , daß dies
wenn man auf längere Zeit ans Land geht , wird das
jelben , ſich an ſeinem Boot brechend, dhon bedeutend an ihrer Kraft verloren hatten , bevor ſie unſer Boot trafen.
1
Boot umgekehrt , ſo daß der Kiel nach oben zu liegen kommt. Zur Stüße des Bootes bedient man ſich kleiner Stäbe, die ungefähr eine Elle lang und ſo did ſind, wie ein Rohlſtrunt. An dem einen Ende ſind dieſe Stäbe zuge: ſpißt , an dem anderen Ende geſpalten , und in der
Regel beſtehen ſie aus Föhrenholz. Mit dem ſpißen Ende werden ſie in die Erde geſtedt und mit dem geſpaltenen Ende über den Rand des Bootes geſchoben. Man ges braucht drei bis vier folder Stäbe , um das Boot zu
ſtüßen, und dieſe Stäbe ſind bei der Bootfahrt ebenſo unentbehrlid), wie Sped, Nadel, Faden und eine Art von Pech, womit die Nähte beklebt werden. Eine Reiſe nach Chriſtianshaab.
Unter meinen zahlreichen Amtstouren nach Chriſtianss
haab waren viele mit ſolchen Gefahren verbunden , daß ich mit den Erzählungen davon ganze Bogen füllen könnte.
Zuweilen reiſte ich dorthin zu Lande, wobei es nicht ſelten vorkam, daß ich, nachdem ich mit vieler Mühe die Spiße eines hohen Felſens erklommen hatte, auf der Thalfahrt aus
Infolge des ſtarken Arbeitens des Bootes waren inzwiſchen idhon einige Rippen an demſelben gebrochen , ſo daß es ins Sdwanken geriet und es für uns nicht nach Rettung ausſah.
Die Nuberer verloren der Mut und wollten
nicht weiter rudern. „ Rudert doch," rief ich ihnen zu, indem ich eines der Ruder ergriff, „ſonſt ſind wir vers loren !" „ Wir ertrinken doch ,“ antworteten ſie, res nüßt alles nichts ." – Id Ich verſuchte durd Wort und That, ſie aufzumuntern , ruderte aus aller Macht und ſagte : „ Wir müſſen thun , was wir können , und ich hoffe , daß
wir uns durdarbeiten .“ Da griffen ſie wieder zu den Rudern. Aber das Unwetter hielt an, unſer Boot wurde dwächer und ſchwächer und leider auch meine Hoffnung. Da gelangten wir , nach ungefähr einer Stunde An ſtrengung und Lebensgefahr, nach einer kleinen Bucht, wo ſich die Gewalt der Wellen am Ufer brach . Hier ſahen
wir uns geborgen. Es koſtete zwar einige Mühe , das Boot über die hervorragende Eiskante hinaufzuſchaffen , aber es gelang uns endlich doch. Wir kehrten das Boot
meinem Schlitten, wenn er die galoppierenden Hunde übers
um , legten uns unter demſelben auf den Sonee und
holte, herausgeſchleudert ward und einen ſteilen Abhang hinunterrollte. Mitunter unternahm ich die Reiſe zu Eis, wenn dieſes ſo dünn war, daß es kaum vier Hunde tragen konnte. Ein anderesmal legte ich den Weg zu Waſſer zurück unter auffommendem Unwetter und zwiſchen einer Menge von Treibeis, welches mein Boot arg beſchädigte. Die Reiſe , von welcher ich jeßt erzählen will, fand
unterhielten und von den überſtandenen Gefahren .
am Tage vor Dſtern ſtatt, um welche Zeit ich wiederholt
deſſen was konnte das bißchen verſchlagen.
nach Chriſtianshaab fuhr , teils um Ben dort anweſenden Dänen eine Predigt zu halten , teils um diejenigen zu
zu dem Grönländer : „ Da morgen Dſtern iſt, muß ich
prüfen, welche ſid taufen laſſen wollten.
Diesmal war das Meer offen , aber voll von Treibeis. Einige Matroſen , welche in Geſchäften in Klaushavn ge weſen waren, beſchloſſen, ſid, mir anzuſchließen. Als aber der Tag der Abreiſe da war , blieben ſie aus Furcht vor dem Eiſe zurüc. 3ch brach mit einem Steuermann und jedhs Ruberern , ſowie einem Grönländer in einem Kajat
früh morgens auf und legte bis 12 Uhr mittags unter großen Anſtrengungen drei Meilen zurüc. Schon ſprachen wir davon , daß die leßte Meile , die wir noch durch das Eis zu machen hatten , wohl nicht gefährlich ſein würde, als der Steuermann plöblid rief : ,,Sehen Sie einmal, dort hinter jenem Gebirge hervor erhebt ſich ein fürchter: liches Unwetter und das wird ſehr ſchnell heraufkommen !" Ich entgegnete : „ Vorwärts können wir nicht weiter , laßt uns ſehen , ob wir nicht eine Stelle in der Nähe finden , wo wir anlegen können , bis das Wetter vorübergezogen
Der
Kajak-Ruderer war nicht wenig ſtolz auf ſeine That, und
er hatte wirklich auch Urſache dazu , denn er hatte ent ſchieden viel zu unſerer Rettung beigetragen. Nun würden
uns einige Erquidungen recht wohl gethan haben , allein daran war nicht zu denken . Id beſaß allerdings etwa Zwiebad , welchen mir meine Frau mitgegeben hatte, in Gegen Nachmittag legte ſich der Sturm, und ich ſagte entweder vorwärts oder über Land zurück." ,,Sie derzen , Herr Pfarrer !" erividerte mein Steuermann. „ Nein , es iſt mein voller Ernſt.“11 - ,,Vorwärts können
Sie nicht kommen ; ich weiß keinen Ausweg , die Felſen ſind ſchwer paſſierbar und der Rückweg iſt ſo weit , daß Sie nicht rechtzeitig ankommen." „,Laßt uns ſehen !" entgegnete ich, „ folgt mir !"" – Und es gelang mir zuleßt,
den Steuermann und zwei der übrigen zu überreden , wir vier Perſonen machten uns alſo auf den Weg.
Obgleich der Schnee hoch lag , gut, ſolange es Tag war. Als aber konnten wir nicht mehr Berg und Jeden Augenblic verſanken wir in
ging es doch recht der Abend anbrach, Thal unterſcheiden . Schneehaufen . Wir
halfen einander auf , aber wurden matter und immer
matter. Nach einer vielſtündigen Wanderung ſagte der Grönländer: „ Wir ſind auf einen verkehrten Weg ge:
raten , ich höre nicht mehr das Brauſen des Meeres ."
68
Die Grönländer.
Ich horchte auf und konnte es auch nicht mehr hören.
herrührte , die nach dem Genuß eines ſchweißtreibenden
,, Dann müſſen wir," bemerkte idy, ,,die Riditung nach
Mittels bald wieder verſchwunden war. Während dieſelbe
Weſten einſchlagen .“ Nach ein- bis zweiſtündiger äußerſter
noch in ihrem Schweiße lag , kam unglüdlicherweiſe ihr heidniſcher Bruder, welcher einige Meilen von der Kolonie entfernt wohnte und ein Herenmeiſter war , zum Beſuch. Sie erzählte ihm nun , daß ſie frank geweſen ſei und daß der Piarrer ihr etwas zu trinken gegeben habe , wonach ſie ſchwißen ſollte. „,,Nein ,"" ſagte er geheimnisvoll, das „
Anſtrengung famen wir wieder an den Strand und be: fanden und in einer an zwei Seiten von hohen Felſen
eingeſchloſſenen Ebene. Mir fam dieſe Gegend bekannt vor. Ich ging am brauſenden Meer hin und her und merkte , daß ich hier im lesten Herbſt ſchon einmal ges weſen war. ,,Wir befinden uns," bemerkte ich zu meiner
Begleitung, ,,in Sandboy, und von hier iſt es nicht weit bis nach Hauſe." – „ Eine Meile noch ," entgegnete der Grönländer, „falls wir den Fahrweg gehen, dagegen kaum eine halbe Meile, wenn wir übers Gebirge gehen ." -- Nad ): dem wir den geringen Mundvorrat unter und geteilt und
Schnee dazu geſchluckt hatten , fühlten wir uns doch ein wenig geſtärkt. „ Nun den hohen Felſen hinauf!" rief ich. ,,Oben geht es aber faſt ſenkrecht," erwiderte der Gröns länder , „ und wenn der Fuß ausgleitet, ſtürzt man ins Waſſer und iſt rettungslos verloren." ,, Wir wollen's verſuchen ," ſagte ich, und wir begannen mit den geringen
iſt nicht wahr , es iſt eine böſe Here , die Dich bezaubert hat. Du biſt noch krank. Id werde gleich die Here ausfindig machen . “ Sein Schwager geſtattete ihm, ſeine Kunſt zu zeigen. Es ward nun der gewöhnliche Hofug : pokus gemacht, und das Ende vom Liede war , daß eine ältliche Frau am Orte , auf welche man vielleicht böſe war, die Kranfe behert haben ſollte. „Ich ſehe ,“ ſchrie der Herenmeiſter , „ unter der Bettſtelle ihren Geiſt, der Deiner habhaft zu werden ſucht. Schießt, ſchießt, jagt den Geiſt fort , tötet ihn !" Schnell luden die Anweſenden ihre Gewehre , ſchoſſen verſchiedene Male nach dem böſen Geiſte und heulten und ſchrien dazu ; denn bei ſolcher Gelegenheit ſind die Grönländer oft bis zur Raſerei er
Kräften , die uns noch übriggeblieben waren , hinaufzu klimmen. Bald gingen , bald krochen wir , tamen aber
bittert.
allmählid immer höher , bis wir die bezeichnete ſteile Stelle erreicht hatten. Hier war das Hinaufkommen ſehr
Ich konnte mir die Urſache des Schießens nicht er: klären und dachte eben darüber nach, was das wohl be
ſchwierig. Nun kletterte zuerſt der Grönländer hinauf,
deuten ſollte, als ein Grönländer zu mir kam und mich bat, hinabzukommen, die Leute ſeien verrüdt geworden.
ruhte ſich dann einen Augenblid aus , legte ſich auf den
Bauch , ſo lang wie möglich ſich ausſtreckend , und holte nun einen nach dem anderen hinauf. Endlich waren wir alle oben , aber ſo erſchöpft, daß wir auf der leßten
Auf dem Wege dorthin erzählte er mir, was ich eben mitgeteilt habe, und daß die Frau, welche man als Here in Verdacht habe, ſich in großer Angſt befinde. Da der
Viertelmeile wohl zehnmal uns ſeßen und ausruhen mußten .
Weg mich an ihrer Wohnung vorbeiführte, ging ich zu
Am Ofterſonntage um 4 Uhr morgens famen wir zu
ihr hinein, um ſie zu beruhigen . Als ich in das Haus eintrat, wo die Sdüſſe ge
Hauſe an. Meine Frau wachte noch und hatte für meine Rettung gebetet ; denn die Dänen ſowohl wie die Grön länder in Klaushavn waren der feſten Meinung, daß. wenn wir uns während des Drkans auf dem Waſſer be : funden hätten , wir verloren wären , doch hofften fie, daß
wir ſchon vor dem Losbredien des Unwetters unſer Ziel erreicht hätten. Mein Knecht war mit dem Gedanken ein: geſchlafen, daß wir ertrunken ſeien. Als ich ihn endlich zum Bewußtſein gebracht und er meine Stimme gehört hatte, glaubte er, daß es mein Geiſt ſei, bekreuzte ſich und ſagte : „ Gott ſei ſeiner Seele gnädig ! Es war ein guter Menſch." Die Lebensmittel waren ſchon knapp geworden , es
fallen waren , fand ich dasſelbe voll von Pulverdampf und
fah die abgeſchoſſenen Büchſen daliegen. Man wurde ſehr beſtürzt, als man mich fah, beſonders der Ehemann der Kranken. Der Schweiß rann ihm von der Stirn und die Augen rollten ihm wild im Kopfe. „ Was iſt hier vor:
gefallen ?" fragte ich. Er ſchwieg. „ Wo iſt der Heren: meiſter ? Wer darf ſich unterſtehen hier Hererei zu treiben und meine Leute zu verderben ? " Ich ſah mich um und wurde gewahr, daß der Betreffende in einer Ede unter einem großen Tierfelle verborgen lag, ſtand auf, nahm das Fell fort und padte den Herenmeiſter feſt an der
fehlte uns an Wein, Branntwein, Kaffee, Thee, Zucker 2c. Meine Frau ließ uns aber eine tüchtige Portion Bier
Schulter. „ Du biſt ein Betrüger !" ſagte ich zu ihm .
ſuppe bereiten, eine Speiſe, welche uns in unſerer damaligen
nicht wieder geſund machen. Sie iſt durch mich geſund
Verfaſſung vielleicht auch am zuträglichſten war. Mein Boot,
geworden. Du ſollſt morgen zu mir kommen ." Er erwiderte nichts.
welches der Kajak-Ruderer inzwiſchen ausgebeſſert hatte, kam
,,Du kannſt nur böſes thun, Du kannſt Deine Schweſter
gegen Nachmittag zurück. Es war übel zugerichtet geweſen.
Ich ging darauf fort und ſah auf dem Heimwege
Die Mannſchaft befand ſich wohl, war aber ſehr hungrig geworden. Noch etwas von der Zauberei.
wieder bei der armen Frau vor , welche noch zwiſchen
Id hatte an einem Sonntag Nachmittag eine kranke Frau beſucht , deren Unpäßlichkeit von einer Erkältung
Furcht und Hoffnung dwebte.
„ Niemand darf Hand
an Did legen , " ſagte ich, „ vertraue auf Gott und fei ruhig !"
Am anderen Tage kam richtig der Herenmeiſter zu
Die Grönländer.
69
mir , hatte aber aus Furcht einen getauften Grönländer
erſte fand ſie Schuß bei einem verheirateten Koloniſten
mitgebracht.
in der Nähe von Chriſtianshaab.
Dieſer trat zuerſt herein mit den Worten :
Als ich ſpäter von
,,Mein Bruder iſt draußen, aber er fürchtet ſich ſehr." „ Er fürchtet ſich," antwortete id ) , „weil er Böſes gethan bat. Wer Gutes gethan hat, braucht fid nicht zu fürch: ten ." Ich rief ihn , und er trat ſehr demütig herein.
ihrer unglücklichen Lage Kenntnis erhielt, verſprach ich
„Ich habe alle Urſache, Dich zu ſtrafen," ſagte ich, „ aber da Du nicht weißt, was Du mit Deinem Hexenkram für
zu gleichem Zwecke um Pfingſten nach Chriſtianshaab.
Unheil unter den Leuten anrichten kannſt, will ich Dir diesmal noch verzeihen , unter der Bedingung jedoch, daß Du Did) hier nie wieder ſehen läſjeſt." - ,,„ Ich werde
Witwe. ,,Wollen Sie die taufen ?" fragte mich unſer
ihr meinen Beiſtand. - Der Sommer fam heran und
damit zugleich die Zeit der Taufe. Nachdem ich dieſe bei
mir zu Hauſe in Klaushavn vorgenommen hatte, reiſte ich Unter den Täuflingen befand ſich auch die erwähnte Kaufmann. Er pflegte ſich ſonſt nicht in ſolche Angelegen
niemals wieder kommen ," entgegnete er , und ſolange ich
heiten zu miſchen. 3d beantwortete ſeine Frage bejahend, worauf er bemerkte : ,,Id rate Ihnen, das nicht zu thun ;
auf Grönland geweſen bin, hat er Wort gehalten . „Noch
denn die Grönländer vom Süden wollen dieſe Witwe
eins," fügte ich hinzu , „wenn irgend jemand wagen ſollte,
ein Grönländer zu ſprechen wünſche. Id bat ibn , bis nach dem Gottesdienſt zu warten. Er aber verlangte
töten, und es wäre doch ſchlimm , wenn ſie auch Getaufte als Heren umbringen würden .“ Ich entgegnete ihm, daß es um ſo mehr ſeine und ſeiner Leute Pflicht ſei, ſich der Uns duldigen anzunehmen. „Ich und meine Leute können die Verteidigung nicht übernehmen , " ſagte er , denn wir ſind oft außer dem Hauſe , und einen ſolchen Zeitpunkt würden die Mörder (dieſe wohnten etwa eine Meile von der Kolonie entfernt) benußen. Man hat nun einmal be ſchloſſen, ſie umzubringen .“ Dann will ich ſie mit mir nehmen, wenn ich zurückreiſe, und ſo lange werden Sie ſich
mich ſofort zu ſprechen und erzählte mir, daß ſein Onkel,
ihrer doch annehmen ?"
welder vor kurzem mid beſucht hatte , gleich nach ſeiner
die alte Frau zu töten , ſo wirſt Du als Urheber anges ſehen und ich werde Dich ſchon zu finden wiſſen , wo Du auch ſein magſt." „ Sie ſoll nicht ſterben ," antwortete ,,Nun, ſo geh ! und vergiß nicht, was Du verſprochen 11
er.
haſt !“
Einmal, als ich gerade im Begriff war , mit dem ,
Gottesdienſt zu beginnen , meldete man mir, daß mich
hätten. „ Já fann ,“ bemerkte er , „ unter jenen Menſchen
Pfingſten war gekommen. Mit Studieren beſchäftigt, fümmerte ich mich nicht um das , was um mich her vor: fiel, bis ich den Schrei hörte : ,,Die Mörder kommen ! Sie landen idyon !" Zwei von dieſen Menſchen famen
nicht länger wohnen . Wollen Sie uns nicht aufnehmen ?
ſofort zu mir. Nach einigen gleichgültigen Rebensarten
Wir ſind unſerer acht, die meiſten ſind Kinder. Dann wollen wir hieher kommen und unter den Gläubigen wohnen , die doch keinen Unſchuldigen umbringen .“ Ich
ein Jahr nachher wurden ſie getauft. Unter denjenigen , welche ich im Chriſtentum unter richtete, befand ſich auch einmal eine ältliche Witwe, welche
fragte mich einer derſelben , ob ich die Witwe taufen wollte. Sie taugt nicht," fügte er hinzu, „ſie iſt eine Here." ,,Das ſagen Eure Weiſen ," entgegnete ich, aber die lügen. Ich weiß wohl, daß Ihr ſie töten wollt, aber id nehme mich derſelben an, denn ſie iſt unſchuldig. Und wenn ſie erſt getauft iſt, dann werden ſie nicht nur die Dänen , ſondern auch Eure getauften Landsleute verteidigen . Sie ſchwiegen und gingen . Inzwiſchen war die Zeit zum Beginne der Tauf handlung gekommen, und ich ließ die Grönländer, welche getauft werden ſollten , rufen, zugleich aber einige von den Matroſen bitten , die Witwe , da ſich dieſe wahrſcheinlich
vom Süden des Landes geflüchtet war , weil man ſie für eine Here hielt und die ſich daher in Lebensgefahr befand.
fürchtete, zu begleiten. Die Feinde , zehn bis zwölf an der Zahl , hatten ſich ſo aufgeſtellt, daß die Witwe an
Der Mann , welcher ſie beſchuldigte, hatte einige Jahre vorher in ihrem Zelte Didad gefunden und auch ihr Boot geliehen erhalten , unter der Bedingung , daß er die
ihnen vorüber gehen mußte , thaten ihr jedoch nichts zu Leide, da ſie ſaben , daß ſie nicht allein war. Nach der Taufe ließ ich die Witwe den übrigen Teil des Tages in meinem Zimmer bewachen. Tags darauf fuhr ich nach
Rüctehr ermordet worden ſei , weil die grönländiſchen Weiſen , Agerkoffer genannt, ihn der Hererei beſchuldigt .
verſprach ihm , mein Möglichſtes zu thun , aber ich müſſe erſt unterſuchen, ob Plaß vorhanden ſei, er müſſe deshalb warten. „Das will ich auc gern , " bemerkte er , „ ivenn wir nur hierherkommen dürfen ." Einige Familien hatten noch Plaß übrig und erklärten ſich bereit, die Leute auf zunehmen. Am andern Tage waren ſie alle bei uns und
nötigen Reparaturen an demſelben vornehme. Alsbald aber
bekam er Luſt , Eigentümer dieſer Sachen zu werden und dies glaubte er am beſten dadurch erreichen zu können , daß er die Frau für eine Here ausgab. Gedacht, gethan , und die alte Frau , weiche zum Glück nod rechtzeitig Wind von dem gegen ſie geſchmiedeten Plan bekommen hatte, mußte nun mit einem franken Kinde von 9 Jahren heim lich ihren Beſit verlaſſen , um ihr Leben zu retten. Fürs Ausland 1890, Nr. 4 .
Hauſe. Außer mir befand ſich im Boot meine Frau, die Witwe, deren Tochter, der Steuermann und vier Ruderer.
A13 wir eine gute Meile von der Kolonie entfernt waren, ſahen wir eine große Anzahl Kajaks, ohne aber die ge ringſte Ahnung davon zu haben, daß es die Mordgeſellen von geſtern waren. Die Witwe erkannte ſie zuerſt und warf ſich mit dem Schrei ,,Da ſind ſie!" zu Boden. 12
Die Grönländer.
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Sie hatten gehört , daß ich die Witwe mitnehmen wollte, und hatten daher , ſtatt nach Süden zu fahren , die von
mir eingeſchlagene Richtung nordwärts genommen . Sie tamen raſch auf uns zu gerudert , operierten mit ihren Lanzen herum und faßten endlich mein Frauenboot an . Nun hieß es den Mut nicht ſinken laſſen. Man fragte
mich, wer die Frau ſei, die im Boote liege. ,Die Witwe,“ !
entgegnete ich mit Feſtigkeit, ,,welche Ihr töten wolltet. Aber jeßt iſt ſie getauft, ich nehme ſie mit mir und werde
ſie beſchüßen. " Das ſchien ihnen zu imponieren , fie ſchwiegen und ruderten eiligſt nach einer Bucht hin, wo ſie ihre Zelte aufgeſchlagen hatten. Nun ichien die Ge fahr vorüber zu ſein , und die unglückliche Witwe fing wieder an, freier zu atmen.
Aber, ob es nun vom raſchen
Rubern tam , da wir ſo ſchnell wie möglich aus der Nähe
Hütten bezogen. Man wandte ſich an mich , ihnen ein kleines Häuschen einzuräumen, welches ich eine viertel Meile entfernt beſaß. Obgleich uns allen der Zweck der Reiſe jenes Mannes nach dem Süden bekannt war , ging ich doch auf ſeine Bitte ein und that, als wenn ich von nichts wüßte. Einige Tage darauf war das Häuschen in Stand geſeßt und bezogen . Kurz darnach kam der bewußte Mann zu mir , um ſich zu bedanken. Er fam dann öfters zu mir und äußerte
nach einigen Wochen , er möchte gern etwas von dem großen Herrn des Himmels hören, welcher alle Dinge er ſchaffen haben ſolle , und denſelben Wunſch hegten auch einige von ſeinen Angehörigen. Id) trug fein Bedenken, darauf einzugehen, und begab mid, daher am folgenden Tage nach ſeiner Wohnung, wo
jener Menſchen fortzukommen ſuchten, oder von ſonſt etwas,
id) erfuhr, daß zunädiſt 10 bis 12 Perſonen zum Chriſten
genug, eines von unſern Rudern zerbrady, und es blieb uns
tum übertreten wollten .
nun nichts anderes übrig , als uns nach der erwähnten
Kunnut ( o hieß der Grönländer , von welchem hier
Bucht hineintreiben zu laſſen und dort den Schaden zu
die Rede iſt) zeichnete ſich durch Fleiß und gute Fortſchritte aus. Als das Frühjahr herankam, fand zwiſchen mir und
reparieren. Es war dies ein Wageſtück, aber es blieb uns eben nichts anderes übrig. Wir ſteuerten alſo dort
hin und landeten endlich mitten zwiſchen den Feinden, die ſich alle am Ufer verſammelt hatten . Mit dem zerbrochenen Ruder in der Hand ging ich an Land und fragte, ob man
das Ruder wohl gegen gute Bezahlung in Stand feßen wollte. Nachdem das Ruder ausgebeſſert und die Arbeit, und zwar, wie es ſchien, zur Zufriedenheit bezahlt worden war , ſchieden wir als gute Freunde von einander. Es war Mitternacht, als wir zu Hauſe anlangten. Die Witwe mit ihrer Tochter wurde bei einer Familie in Klaushavn
untergebracht. Blutradhe.
Für die Ermordung ſeines Vaters muß der Sohn früher oder ſpäter Rache nehmen. Zehn Jahre vor meiner
Ankunft auf Grönland war ein Sohn von 13 bis 14 Jahren
ihm folgendes Geſpräch ſtatt: „ Ich möchte mit meiner Frau getauft werden ." – ,,Dann darfſt Du aber keinen Men : îchen töten , denn Du weißt , daß das gegen Gottes Gebot iſt.“ Er dwieg. Ich fuhr fort : „ Höre, Kunnuk ! Es iſt mir bekannt , daß Du mit Hilfe Deiner Angehörigen Did an dem Mörder Deines Vaters rächen willſt. Das darfſt Du aber nicht, wenn Du getauft werden willſt." Darauf erwiderte er mit bewegter Stimme : ,,Aber er hat ja doch meinen Vater getötet, ich ſtand dabei und konnte meinem Vater nicht helfen , nun muß ich ihm ſeine That dod vergelten ." - Id : „ Aber der große Herr des Him mels ſagt , daß man nid)t töten ſoll." Er : „Ich will ja auch nur ihn nur ihn töten . “ : „Der Herr 1
11
ſagt auch : ' Die Rache iſt mein.'"
Er :
So darf
11
denn der Böſewicht töten und töten und geht ſelbſt frei Er : aus ? " Id : ,,Nein , Gott wird ihn ſtrafen.“ 11
Augenzeuge bei der Ermordung ſeines Vaters geweſen. Der Knabe wudhe heran , ward ein tüchtiger Mann , ver: heiratete ſich und nahm eine angeſehene Stellung unter feinen Landsleuten ein. Er war aber zu ſchwach, um ſich an ſeines Vaters Mörder zu rächen, da dieſer mit ſeinen
Familie würde mich tadeln , wenn ich meinen Vater un
drei Frauen eine große Familie hatte und in vieler Hin
gerächt ließe." - Jd : „ Vielleicht war Dein Vater auch
ſicht ſeinen Landsleuten ſo weit überlegen war , daß ihn
nicht ohne Schuld , hatte am Ende auch einen Menſchen getötet und verdiente alſo den Tob . " - Er : ,,Aber dann
die Dänen König nannten.
Um nun ſeinen lang gehegten Racheplan auszuführen , war der beleidigte Sohn einige Jahre vor meiner Ankunft weit füdwärts gezogen , wo ſeine Verwandten wohnten. In der Hoffnung , ſich mit ihrer Hilfe an ſeinem Feinde zu rächen , offenbarte er ihnen ſeinen Plan , ſchilderte die Ermordung ſeines Vaters in den lebhafteſten Farben und bewog ſie, ſich ihm anzuſchließen. Zuvor aber mußten ſie ſich mit den notwendigſten Lebensmitteln verſehen , was im Verein mit dem unbeſtändigen Herbſtwetter die Abreiſe
verzögerte. Als ſie endlich in unſrer Nähe gelandet waren, hatten die Grönländer in Klaushavn ſchon längſt ihre
„ Wann denn ? " – Jh : „ Vielleicht in dieſer, jedenfalls aber in jener Welt, denn jeder erntet, was er geſäet hat."
Er : „ Aber das fann ja noch lange dauern, und meine
11
hatte vielleidyt aud dieſer den Tod verdient." – Id : ,, Nun, meinetwegen töte ihn denn , aber dann magſt Du auch ein Ungläubiger bleiben und fannſt erwarten , daß eines feiner Kinder Did oder die Deinigen umbringt." Er : ,, Ich will einmal mit meinen Angehörigen über dieſe Sadje ſprechen ."
Er ging und kam betrübt zurück , ſprach wenig und AB den ganzen Tag nicht. Er erzählte mir , daß ſeine Angehörigen für Rache ſeien, und daß er nicht wiſſe, was er thun folle. Er erbat ſich noch einige Bedenfzeit. End
lich kam er heiter und froh wieder zu mir. Er hatte
Die fiidafrikaniſchen Goldfelder.
ſeinen Racheplan aufgegeben. Vierzehn Tage ſpäter taufte id ibn und ſeine Frau. Einige Wochen nachher didte er einen Boten an ſeinen Feind mit der Meldung , er habe nichts mehr von
ihm zu fürchten. Auf wiederholte Einladung erſchien derſelbe wirklich mit einem kleinen Gefolge, wurde freund lid aufgenommen und aufs beſte bewirtet. Sunnut hatte
ihn mit dem Bemerken empfangen , daß er alles ber geſſen habe. Kunnuf wurde zu einem Gegenbeſuch einge laden und begab ſich, obgleich gegen den Rat ſeiner Freunde, ohne Begleitung dahin. Man blieb bis zum Abend bei
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Reſultate ihrer Ausbeutung waren , teils wegen der Uns vollkommenheit der Maſchinenanlagen, teils wegen des
Mangels ſelbſt an den gewöhnlichſten Verkehrswegen und der dadurch bedingten Roſtſpieligkeit der einzelnen Unters nehmungen, verhältniømäßig unbedeutend : es ging den neueren Goldſuchern faſt ebenſo, wie in vorgeſchichtlichen Zeiten den Eingeborenen, von deren Thätigkeit mit primitiven Werkzeugen, die dem Vordringen in das harte Geſtein alsbald eine Grenze zogen, nod heute in vielen Gegenden Tranos vaals zahlreiche alte Gruben , Schachte und Tunnels Zeugnis ablegen. Gleichwohl waren vor 1884 einzelne
ſammen. A18 aber Runnut auf der Heimreiſe ſchon eine
Minen (z. B. in Lydenburg, Mac Mac, Pilgrims Raſt und
ziemliche Strede weit aufs Meer hinausgerudert war, bemerkte er , daß ſich ſein Kajat raid mit Waſſer füllte. Er ſteuerte nun ſchleunigſt dem Lande zu und fand , daß man ein Loch in ſein Boot geſchnitten hatte. Kunnut er
Spitzkop) unausgeſeßt im Betriebe, während andere, weſt lich von Pretoria gelegene, weil ſie in engliſchen Händen waren, von den aufſtändiſchen Boers im Jahre 1881
zählte mir ſpäter dieſen Vorfall und bemerkte lächelnd : ,, Er fürchtet mich doch und hat deshalb ohne Zweifel mein Boot led machen laſſen, aber ich will ihm nichts zu Leide
Im Lydenburg - Diſtrikt arbeiteten einzelnen Goldgräber ( Individual-Diggers) auf Aluvial-Gold, aber auch ver: ſchiedene, mit ausreichendem Kapital ausgerüſtete Geſells
thun .“
Als ich bereits zehn Jahre wieder in meiner
ſchaften auf Goldquarz und Aluvialboden, wenn auch
Heimat war , ließ er mir melden, daß er ſeinem Gelübde treu geblieben ſei.
und kleinen Augen , dicken Lippen und dunkelroter Haut farbe. Ihre Nahrung beſteht in Kräutern, Beeren, Fijden,
nicht immer ohne, ſo doch mit wechſelndem Erfolg, aber die Induſtrie nahm erſt einen raſchen Aufſchwung und die Zahl der Goldſucher wudjs ſtetig, als im Anfang des vorigen Jahres bekannt wurde, es ſei in Moodie's Farm im De Kaap - Diſtrikt eine Goldformation von rieſiger Ausdehnung und von ungeheurem Reichtum aufgefunden
Seevögeln , Rentieren , Seehunden und Walfiſchen. Das
worden ; jeßt feßte fid) eine wahre Völkerwanderung in
Fleiſch wirb teile roh , teils getrodnet , teils geräuchert gegeſſen . Als Kleidung dienen Rentier- und Robben
Szene. Das Kontingent der Beuteſuchenden zählte freis
felle und Walfiſchdärme. Die leßteren werden zu Hemden
mindeſte verſtanden und den ihrer harrenden Anſtrengungen und Entbehrungen nicht die erforderliche Körperkonſtitution entgegenzuſeßen hatten ; die Pionniere der Goldfelder " waren zu einem beträchtlichen Teile dem Ladentiſch oder
Die Grönländer ſind Menſchen von 1 m 14 cm bis
1 m 42 cm Größe , mit kleinen Händen , kleinen Füßen
verarbeitet.
Auch die heidniſchen Grönländer glauben an ein
künftiges Leben. Die Toten werden in vieredigen Kiſten begraben. Dem Manne gibt man ſeinen Wurfſpieß , der Frau ihr Nähzeug mit. Die Frauen ſtimmen noch eine Zeitlang nad der Beerdigung der Leiche täglich Klages lieder an.
ſamt ihren koſtſpieligen Anlagen mutwillig zerſtört wurden.
lidh maſſenhafte Elemente, die von der Sadie nicht das
dem Rontorpulte entlaufen und ſie erlagen, unter freiem Himmel lagernd und auf die härteſte Koſt angewieſen, oft dem Klima, bevor ſie noch das gelobte Land geſehen ; die Ueberlebenden aber ſammelten ſich in Kap Valley und gründeten dort, das Leben notdürftig durch Goldwaſchen friſtend, mit Zelten und Strauchhütten die ,,Stadt" James
Die ſüdafrikaniſchen Goldfelder.
Town. Selbſt die erfahrenſten ,,Diggers“ zweifelten immer
Was über die neueſten Goldfelder-Funde bisher ver lautet, iſt mit wenigen Ausnahmen mit ſehr großer Vor
noch an der Eriſtenz eines eigentlichen Aluvial-Goldfeldes in irgend einem Teile Südafrikas, als aber endlich einzelne Goldſucher in De Kaap mit primitiven Quarzſtampfern, welche das aus Adern in den nahen Gebirgen reidlich
ſicht aufzunehmen : die Reklame auf der einen, die Kons kurrenz anf der anderen Seite fälſcht die Thatſachen in der verwirrendſten Weiſe. Mit umſomehr Intereſſe wird eine fachkundige, an Drt und Stelle geſchriebene und an
eine unbeteiligte große Hamburger Firma gerichtete Dar ſtellung, der wir die weſentlichſten Momente entnehmen, geleſen werden.
Der rapide Aufſchwung der Goldfelder in Trans vaal datiert von der Auffindung (im Anfange des Jahres 1884) von Moodie's Reef im Diſtrikte De Raap. Wohl
vorkommende Goldquarz zerkleinerten, zu arbeiten begannen und als dieſe Arbeit ſich lohnte, wendete man ſich allge mein von der Goldwäſche ab. In dem ziviliſierteren Teile Südafrikas war inzwiſchen das Goldfieber faſt gänzlich gewichen : die mündlichen und (driftlichen Berichte aus den Goldregionen lauteten nichts weniger als ermutigend , kaum daß jemand der
Goldfelder noch anders als einer ,1 failure “ gedachte, zumal
waren ſchon jahrelang vorher in verſchiedenen Teilen
damals Südafrika infolge der engliſchen Niederlage bei
des Landes Goldminen im öffentlichen Betrieb , aber die
Majuba Hill und der dadurch herbeigeführten Entziehung
72
Die ſüdafrikaniſchen Goldfelder .
des engliſchen Handelskredits eine der traurigſten Ges | Aktienſchwindel nahm unglaubliche Dimenſionen an, wähs ſchäftskriſen beſtand , welche je die Annalen des Handels zu verzeichnen hatten. Da plößlich, es war im Beginne des Jahres 1886, kam die Kunde von dem erſten übers raſchenden Ergebniſſe der Sheba Reef Gold Mining Com-
pany : ihr Minenbeſit, ſo hieß es, ſei ein wirklicher Berg von Goldquarz, und es hat ſich ſeither gezeigt, daß das keine Uebertreibung war. Die Aktien der Kompanie mit einem Nominalwert con 1 Lſtrl. fanden reißende
Abnahme und ſchnellten raſch zu ſchwindelnder Höhe empor,
rend ſich die eigentliche Minenarbeit auf das , developing“ ,
auf das Offenlegen vorhandener Quarzadern, beſchränkte und daher die Goldausbeute kaum nennenswert war. Einzelne Geſellſchaften freilich ſtampften und wuſchen
Probequantitäten ihres Quarzes, aber allmählich traten die Schwierigkeiten effektiver Goldgewinnung zu Tage. Die Induſtrie war dem Lande über Nacht gekommen, und als es aus dem erſten Fiebertraum zur Wirklichkeit er: wachte, waren die Leute des praktiſchen Verſtändniſſes
ſie ſtiegen auf 25 und ſpäter auf 35 lítrl., endlich infolge
nicht da, es fehlte an erfahrenen Kräften für die Leitung
lebhafter Nachfrage aus England, auf 60, auf 70 und endlich auf 100 Lſtrl. und ganze große Vermögen wurden mit ihnen gemacht. Von dieſer Zeit her datiert nicht bloß
des Minenbetriebes und vom Maſchinenweſen vollends verſtand niemand etwas ; jede Geſellſchaft erperimentierte mit einem andern Patent, mit einer anderen Konſtruktion ,
die auch jeßt noch nicht raſtende, die weiteſten Kreiſe erfaſſende Spekulationswut in Gold-Aktien , ſondern das
hinausgeworfen waren , die Erfahrung über den Wert
Aufblühen der bis dahin mit Geldmangel fämpfenden
dieſer oder jener Maſchine entſdied und die gewöhnlichen
Goldinduſtrie. Eine neue Geſellſchaft nach der andern
Grobſchmiede, die anfangs als „, Engineers die Stampfen
bis endlich, nachdem Unſummen für ſolche Erperimente
trat ins Leben und neue Aktien waren kaum aufgelegt,
für den Goldbetrieb zuſammenhämmerten , davongejagt
als ſie ſchon dreifach überzeichnet waren. Als nun gar
wurden.
die Meldung kam, auch in der Nähe von Knysna, einem Hafen im Süden der Kapkolonie , ſeien goldhaltige For: mationen aufgefunden worden, begann man an allen Eden und Enden Südafrikas nady Gold zu ſuchen. Frei-
folche Höhe erreicht, daß der Krach nicht ausbleiben konnte. Da traf die Kunde ein, es ſei weſtlich von Pretoria eine
lich ſtellten ſich die meiſten der täglich von den Blättern angekündigten neuen Goldfunde als freiwillige oder uns freiwillige Täuſchung heraus. Inzwiſchen blieb der De Kaap - Diſtrikt in Transvaal der Hauptſiß der erfolgreiden Goldinduſtrie. Der Diſtritt
Der Aftien dwindel hatte in Barberton ſchließlich eine
Formation mit einem Prozentſaß von Gold wie noch nir: gendwo aufgefunden worden. Ein junger Mann – Struber hieß er – der vordem im De Raap - Diſtrikte geweſen war
und ſich dort einige Kenntnis der Goldformationen ange: eignet hatte, war, ohne ein „ Geſchäft " gemacht zu haben, auf ſeine Farm in Witwatersrand zurüdgefehrt und hatte
war reich an mehr oder weniger goldhaltigen Quarzabern ,
dort in ſeinen Mußeſtunden „ proſpektiert“. Er fand eine
die ſich nach verſchiedenen Richtungen meilenweit fortzogen. In unglaublich kurzer Zeit ſtrömten dort Tauſende
ihm Erfolg verheißende Quarzader , nahm mit ſeinem
von Beutegierigen zuſammen und gründeten im Zentral-
das Reef genauer. Dieſe Unterſuchung enttäuſchte ihn,
punkt der Goldregion die Stadt Barberton , diesmal eine wirkliche Stadt aus Zink, aus Holz und ſchließlich aus Mauerſteinen. In wenigen Monaten hatte ſie ſowohl an
Formationen fand er eines ſchönen Tages einige abſonder lid ausſehende Steine, ein Konglomerat : er zerſtampfte
Bruder eine ,, Claim
License
heraus und unterſudyte
aber bei einer weiteren Durchforſchung der umliegenden
Umfang als an Volkszahl Pretoria, die Hauptſtadt des
ſie und ſie waren buchſtäblich reines Gold. Er ſudite
Landes, überflügelt und die Bevölkerung beſtand großenteils nicht aus mittelloſen Abenteurern , ſondern aus
weiter und ſah, daß große Maſſen ſolcher Konglomerate mit einem unermeßlidhen Reichtum an Gold das Land bedecten. Wie ein Lauffeuer ging dieſe Runde durch
ſpekulierenden Kapitaliſten, welche an die Bequemlichkeiten der Ziviliſation zu ſehr gewöhnt waren, als daß ſie dieſelben in der Wildnis hätten entbehren mögen. Ungleid) ähnlichen aus der Erde geſtampften settlements im Weſten der Vereinigten Staaten mit ihrer an ein rauhes und entbehrungsvolles Leben gewöhnten Bevölkerung zog hier mit den notwendigſten Bedarfsartikeln ſofort der Lurus ein : auf dieſem entlegenen Fleck Erde konnte man ſich, allerdings nur um ſehr teures Geld - das bedingt der dwierige Transport jeden Komfort verſchaffen . Mit der Ausbeutung der Minen freilich ſah es anfangs
ſchlecht aus ; ſie waren vorläufig in den Händen der Spekulanten und dieſe waren natürlich in erſter Linie darauf bedacht, Aktienunternehmungen zu gründen und das foloniale und europäiſde Kapital heranzulocken. Der
das Land und von überall her ſtrömten lange Wagenzüge mit Glüdsjägern nach den neuen Feldern : im Nu , lo
raſd, wie die Welt es noch nie geſehen , ſtand eine neue Stadt da, Johannesburg.
Der Reichtum der Felder
offenbarte ſich mit ſolcher Klarheit , daß man von allen ſonſt hergebrachten primitiven Bauten Umgang nahm , ſofort in Mauerſteinen baute und jeden denkbaren Komfort
hineintrug : in wenigen Monaten ſtand Johannesburg fertig da, ſelbſt das Diamantenparadies Kimberley , das nod heute meiſt nur Zinkhäuſer aufweiſt, in Schatten ſtellend.
Das Goldfonglomerat in Witwatersrand iſt ſelbſt: verſtändlich weit leichter zu ſtampfen als der harte Goldquarz und man arbeitet daher bedeutend billiger ; außerdem ſind
73
Aus Britiſh New Guinea .
genügend Waſſer zum Waſchen und in nächſter Nähe
auch Steinkohlenlager zur Feuerung der Maſchinen vors handen , zwei Umſtände, die für den Goldbetrieb nicht hoch genug angeſchlagen werden können. Wie die Pilze ſchoſſen
deshalb über Nacht Geſellſchaften zur Ausbeutung der Funde in die Höhe und in Kürze waren dieſelben in der Lage, ihren Aktionären Dividenden von 5 bis zu 15 Proz.
monatlich zu zahlen. Das Konglomeratlager erſtrect ſich meilenweit, und noch iſt man nirgends auf den Grund gekommen , ſo daß der Goldinduſtrie in Witwatersrand bis heute noch kein ſichtbares Ziel geſteckt iſt. Dabei
nimmt die Bevölkerung von Johannesburg ſtetig zu, und die Stadt iſt ſowohl die Zentralſtation der ganzen Minen: induſtrie von Transvaal geworden , von der aus zugleid die Ausbeutung der übrigen Golddiſtrikte geleitet wird , als auch der Siß des Kapitals , inſonderheit des engliſchen Kapitals und mit ihm des engliſchen Einfluſſes. Die Goldformationen des De Kaap Diſtriktes erſtreden ſich weſtlich über Komatie bis in das noch ganz wilde
Swazie-Land, welches dem ſchwarzen König Umbandine gehorcht, der wiederum die Regierung mit einem Englän: der Shipſtone teilt oder vielmehr dieſen mit den gold:
ganze Gebiet, welches vom Sambeſi und von ſeinen Zus flüſſen durchzogen wird , in ſeinem Aluvialboden jenen foloſſalen Reidytum an Gold birgt, welchen die Elemente
feit Urzeiten mit den Trümmern der zerſtörten Teile der Goldformationen von den Gebirgen herabgeſpült haben und daß hier das eigentliche Alluvial-Goldfeld Südafrikas geſucht werden muß. Alluvialgold iſt der Traum jedes kapitalloſen Arbeiters , der nur auf die Arbeit ſeiner Hände angewieſen iſt, und noch iſt, troß einzelner wert voller Funde (e8 wurde 3z. B. am Waterfall im De Raap
Diſtrikt fürzlich ein großes ,,Nugget" von 160 Unzen auf gefunden ), ein größeres Alluvial-Goldfeld in Südafrika noch nicht entdect. Auch vom Bamangwato -Land, wo die herrſdenden Häuptlinge große Ronzeſſionen vergeben
haben, melden die Pionniere des Goldgrabens die Auf findung ſtarker Quarzadern von ungeheurer Ausdehnung, aber dieſe Herren ſind eben nicht untrüglich. Die Ges chichte endlich von der Auffindung von Goldfeldern in Deutſch - Damaraland (durch die Brüder Stevens ) ſcheint vorläufig Roman zu ſein , denn alle Details darüber
fehlen gänzlich , und ſelbſt die deutſchen Intereſſenten tragen den bezüglichen Meldungen ſtarke Zweifel entgegen . G. W.
ſuchenden Geſellſchaften ſich herumſchlagen läßt und mit einen Unterhäuptlingen aus dem Erlös in Saus und Braus lebt.
Einzelne lohnende Goldminen ſind auch in Natal im Betrieb , Knysna an der Südküſte der Kapkolonie hat
verhältnismäßig wenig Fortſchritte gemacht, auch nicht das 18 Miles von Mafoking an der Grenze Transvaals gelegene Malmani. Aber Johannesburg hat ein ganzes Heer von „ Proſpektors" in die übrigen Golddiſtrikte ent
ſendet , um auf alles zu fahnden , was einem Quarzreef ähnlich ſieht, und täglich wachſen neue Geſellſchaften aus
Aus Britiſh New Guinea. Die „ Kölniſche Zeitung" brachte vor einiger Zeit höchſt intereſſante Berichte aus der Feder ihres Berichts erſtatters Dr. Zöller, der in ihrem Auftrage die deutſchen Beſibungen in der Südſee bereiſte und namentlich den deutſchen Teil von Neu-Guinea zuerſt eingehender er: forſchte; da dürfte ein engliſcher Bericht über den Enga land gehörenden Teil dieſer großen, bisher faſt völlig uns
dem Boden und werden von der Regierung neue Diſtrikte
bekannten und unbetretenen Inſel, wie ihn die , Fiji Times
als öffentliche Goldfelder proklamiert, die bedeutendſten von
vom 26. Januar v. I. bringt , gewiß von Intereſſe ſein.
ihnen Potalefetown, Klerksdorp, Lichtenberg , Heidelberg ,
Der Verfaſſer, ein Beamter der dortigen Kolonialregierung ,
Zaruſt und Maraboſtad. Die Blicke richten ſich aber neueſtens
beginnt mit der offiziellen Beſdireibung der ,,Befißung ":
auf das nördlich von Transvaal gelegene Matabele- und
Die ſüdlichen und ſüdöſtlichen Ufer von Neu-Guinea vom
Maſhona-Land, von einem den Zulus ähnlichen kriegeri idhen Volke unter dem König Lobengula bewohnt. Die
141. Meridian Ö. L. oſtwärts bis Dſt Cap und von dort
engliſche Regierung hat ſchon vor kurzem mit dieſem wilden Herrſcher einen Freundſchaftsvertrag " abgeſchloſſen , der
ihn natürlich unter engliſchen „ Schuß " ſtellt. Die Jati Goldfelder in Marabele wurden ſchon ſeit einigen Jahren
mit Erfolg bearbeitet, aber es ſind ſeitdem noch andere Gold felder entdeckt worden, von deren Reichtümern viel gefabelt wird. Die eingeborenen Kaffern ſind jedoch eiferſüchtig
nordweſtlich bis zum 8.° 1. Br. bis Mitre Rod zuſammen mit dem Territorium , das ſüdlich einer Linie liegt , wie ausgeht von Mitre Rock, den 8. Breitengrad entlang läuft bis zum 147.0 ö. L., dann in gerader Linie nords weſtlich bis zu dem Punkt, wo der 6.0 1. Br. und der 144.0 ö. L. fichidneiden , von dort weſtnordweſtlich bis
auf die weißen Goldgräber und es kommt häufig zu blutis
zum Punkt, wo der 5.0 5. Br. und der 141.0 0. L. zuſammen treffen , zuſammen mit den Trobriands, Woodlarks, d'Entres caſteaur- und Louiſiades Inſeln und allen Inſeln zwiſchen
gen Zuſammenſtößen. Nach alten Ueberlieferungen haben
8 bis 120 1. Br. und 141 bis 1550 D. L. , die nicht einen
portugieſiſche Händler, die von den Beſißungen an der Oſtküſte des Sambeſi hinauf ins Innere vordrangen, ſchon vor Jahrhunderten Gold von den Eingeborenen, die das
Teil der Kolonie Queensland bilden ." – Die genannten
ſelbe von ihren Weibern aus dem Flußſand waſchen ließen,
eingehandelt, und ſo liegt der Gedanke nahe , daß das
Inſelgruppen heißt es, dann weiter, liegen gegen Südſüdoſt und Dſten vom ſüdöſtlichen Punkt Neu-Guineas. Einige ſind ſchöne umfangreiche Inſeln mit hohen Hügeln , die größeren ſind ganz unbekannt. Sie ſind nie von Euro:
74
Aus Britiſh New Guinea.
jeßt koloniſiert genannt werden . Sehr wenig iſt vom
Hafen. Der Hafen von Port Moresby zieht ſich nordweſt lich ins Land hinein, er iſt nicht ſchlecht, aber an manchen Stellen feicht. Sobald man in den Hafen einläuft, kommt man an einem 400 Fuß hohen Hügel vorbei, dem ſüdöst lichen Punkt des Hafens. An einem Abhange liegen die meiſten Regierungsgebäude und ein Privatladen . -- Auch ein kleiner Hafendamm iſt dort , doch wird das Waſſer
Innern des Landes bekannt. Hohe und ausgedehnte Berg:
bald tief, ſo daß das Landen nicht ſchwierig iſt.
fetten ſind da , und demgemäß iſt es gut beiväſſert und
päern erforſcht und die Eingeborenen haben keinen guten
Namen. In Sudeſt Island iſt Gold entdeckt ; wir haben keine genaue Beſchreibung von den Einzelheiten erhalten, aber das Aluvialgold iſt gewonnen und die Goldgräber
verlaſſen die Inſel. Britiſh New Guinea heißt offiziell ,,eine Befißung ", nicht Kolonie. Das Land fann kaum
aber die Jahreszeit war naß und ſie litten ſehr unter
Ein Bergrüden erſtreckt ſich eine Meile weit von der See ins Land hinein. Hier erheben ſidi das Hauptregie rungsgebäude und eine Meile weiter ca. zwölf Holzhäuſer der Londoner Miſſionsgeſellſchaft, daneben die Anſiedlungen
Krankheit und Unbequemlichkeiten und fanden kein Land, das ſich bezahlt machte. Jeßt ſind Goldgräber am St. Joſephs.
der Eingeborenen , teils im Waſſer, teils am Rande der Bucht. - Wir ſehen nicht viel von den Eingeborenen ;
Fluſſe in einiger Entfernung weſtlich von Port Moresby.
ſobald das monatliche Schiff kommt, helfen ſie beim Ents
Einige von ihnen kamen gerade zurück. Sie berichten, daß ſie ca. 60 Meilen ins Land hineingingen und alles Land vertrodnet fanden. Die Eingeborenen, die ſie trafen,
ihre Pflanzungen alle eingezäunt ; ihrem Peußern nach
ſind ſie kleiner und weniger fleiſchig, als Fidſchi-Inſulaner,
waren freundlich. Dbſchon ſie etwas Gold fanden, machten
denen ſie ſonſt mehr gleichen als den Polyneſiern. Die
doch die Funde die Arbeit nicht bezahlt. Eine oder zwei Erpeditionen ſind von hier ausgegangen , um die Dwen Stanley-Kette zu erſteigen und zu erforſchen, aber obſchon eine von ihnen nahe herankam , erlaubten Umſtände nicht, ſie zu erforſchen. Die Entfernung von hier iſt nicht groß, ca. 60 Meilen in direkter Linie , aber die unebene Natur des Landes verlängert den Marſd , da man ſich um die dazwiſchen tretenden Bergketten herumwinden muß. Hier und da hemmen auch die Flüſſe beſonders ben Gang der Pad pferde. Ich glaube nicht, daß nach der Erforſchung des Berges ſehr viel Neues entdeckt ſein wird, obſchon die Flora höher oben neu ſein mag, da die Rette über 13,000 Fuß hoch geſchäßt wird. Wahrſcheinlich leben dort auch neue
Frauen tragen große Grasſchürzen , die Männer nichts ;
gut gebaut. Vor einigen Jahren befahen einige Gold: gräber das Land in einiger Entfernung von Port Moresby ;
1
Arten von Paradiesvögeln , da dieſe Vögel an Zahl und Varietät zuzunehmen ſcheinen, je höher man kommt. Einer von der Geſellſchaft erzählte mir, daß er ein großes Tier im Buſche geſehen habe, das ihn anſah wie eine große Affen
laden , Männer und Frauen. Sie ſind ziemlichy fleißig,
die verheirateten Frauen tragen ihr Haar kurz , die uns verheirateten nicht fraus und lockig , wie in Fidſchi, ſon dern wellenförmig. Eingeborene Frauen , die Europäer geheiratet haben, ſdeiteln ihr Haar und bürſten es nieder. Die Männer ſehen halb wild, halb mißtrauiſch um ſich und ſehen und mit Neugier und Argwohn an. Die Häuſer
der Eingeborenen am Hafen ſind ebenſo wie die in Fidſchi, dodh nicht ſo ſolid gebaut. In den Dörfern ſind die Häuſer alle auf Gerüſten , die im Waſſer errichtet ſind, ähnlich den Pfahldörfern erbaut, und die meiſten haben draußen
eine ſchmale Plattform. Da die Häuſer eng aneinander gehäuft ſtehen , ſo trägt das Dorf ein etwas unſauberes Anſehen. Auch in ihren Gewohnheiten ſind die Ein geborenen feineswegs reinlich. Ihre Hauptwaffe ( dyeint der Speer zu ſein. Ihre Kanoes ſind nicht ſo gut gebaut, wie die in Fidſchi, das gewöhnliche Segel iſt ein kleines,
art. Jeßt ſind die einzigen Tiere, die mit Sicherheit als ein:
quadratförmiges. Die Eingeborenen der ſüdöſtlichen In:
heimiſche gelten, „,Marſupials", Beutelratten. – Das Land um Port Moresby bietet jeßt keinen ſehr heitern Anblid . Das Jahr iſt ein ungewöhnlich trockenes geweſen, da ſeit act Monaten kein Regen fiel. Deshalb iſt der Plaß ganz verſengt. In den Schluchten und an Hügelabhängen ſieht man Ränguruhgras ; aber da der größte Teil des Landes durch Feuer und Trođenheit verbrannt iſt, ſo ſind große Landflächen von allem Grün entblößt und ſehen aus, als wäre nie etwas dort gewadſen. Die meiſten Bäume ſind blattlos, beſonders die Zwerggummibäume , der hier ver
ſeln ſollen geiſtig höher ſtehen und machen ſehr hübſche Sdnißarbeiten. Ihre Modelle find ornamentale, wenn ſie nicht einen natürlichen Gegenſtand kopieren, doch ſind ſie mehr eigentümlid) als anmutig. Kalk als Toilette artikel iſt hier nicht gebräuchlich, wohl aber wird er mit Betelnüſſen innerlich konſumiert. Id amüſierte mich mehr
breitetſte Baum , andere im Abſterben. Die Berge und Hügel eignen ſich nicht ſehr zum Spazierengehen und wirken
ſehr vernichtend auf das Schuhleder. Sie ſind felſig, aber nicht ganz Felſen , da etwas Bodenerde auf ihnen liegt, und zwar gute ; dod ſind ſie ſehr ſteil und obendrein mit loſen Steinen überfäet. Da die Hügel bis an die See herantreten , ſo iſt keine größere Budit im eigentlichen
fach über die Anſidhten der jüngern Generation , welche dieſe betreffs der Kleidung haben. Unſer Proviantmeiſter bat zwei oder drei Knaben im Alter von acht Jahren be ſchäftigt, die jeßt ihre Sulus tragen ; am erſten Tage meines Hierſeins fam einer ins Zimmer, dem Steward zu helfen , und da er es offenbar nicht für anſtändig hielt, ohne Kleider zu erſcheinen, ſo hatte er eine alte, weit aus: ,
geſchnittene Weſte angezogen , ſonſt nichts. – Bei einer andern Gelegenheit ſah ich zwei kleine Mädchen von acht oder neun Jahren am Hauſe. Sie trugen ein gedrucktes
Kleid , und ſo glaubte id ), daß es die Kinder eines der
Aus der Geſchichte der Siebenbiirger Sachſen .
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fremden eingeborenen Lehrer wären, von denen einige mit
waren zwiſchen Steinen gebaut und beſtanden aus Stöden
Frauen des Diſtrikts verheiratet ſind , und daß ſie unſre Jugend beſuchen wollten. Nachmittags ging id aus und holte ſie auf ihrer Rückkehr ein. Der Tag war warm und ſie
und Stroh. Im Buſch begegneten wir einem Eingeborenen,
gingen , indem ſie ihre Kleider über den Arm genommen hatten. Sie trugen Schürzen oder Lifus aus ſchön gearbeiteten Grasfäden in verſchiedenen Farben. Als ſie mich ſahen , wollten ſie offenbar erſt ihre Kleider anziehen und ſtill ſtehen. Nach einigen verzweifelten Verſuchen , die Kleider anzuziehen , gaben ſie es auf , hüllten ſich damit ein und ſtellten ſid ſeitwärts, indem ſie ſehr unglücklid dreinſchauten. Einen größeren Ausflug unternahmen wir und zogen
um 10 Uhr morgens aus, der Regierungs Arbeiteraufſeher, ein alter Buſchmann , zwei Fidſchi- Leute und ich , alle zu
Pferd mit einem Padpferde hinter uns. Wir wollten unterſuchen , ob das Land für den Unterhalt der Herden
der uns einen Weg über den Fluß zeigte ; er trug einen
Speer und einen Fiſchhaken und war ſchlant gebaut. — Das nädyſte Nachtlager nahmen wir an einem kleinen Teid, der ſonſt ein ausgedehnter See und Aufenthalt von Ali gatoren iſt, jeßt jedoch von Waſſer und Tieren verlaffen war. In den Flüſſen befinden ſich viele Alligatoren , doch ſind ſie etwas furchtſam und verbergen fich tagsüber in den tieferen Stellen, hindern aber das Baden ſowohl im Süß wie im Salzwaſſer. - Das Wetter war nicht übertrieben
heiß , obſchon ich mich die ganze Zeit in einem gelinden Kochzuſtande befand. In ſehr kurzer Zeit wird der Regen erwartet , der , wenn er kommt , ernſtlich eintritt. Die Negenzeit dauert bis April ; dies iſt die ungeſunde Jahres
geeignet ſei , und auch etwas ſchießen. Nachdem wir die
zeit und die Zeit , in der die Mosquitos beſonders läſtig werden.. - Gerade jeßt werden dieſelben am Hafen vermißt,
Bergkette am Hafen paſſiert hatten, ritten wir über ziem:
während ſie ſich im Buſche finden.
lich erträglich ebenen Boden ; es war auſtraliſcher Buſch mit wenigen neuen Bäumen und Pflanzen, alles ſdredlich verbrannt und troden . Wir ſahen einige ſehr wilde Wallabies und einige große rote und grüne Papageien. Die
Der Zuſtand der Luft und die Hiße hängt hier ſehr vom Winde ab ; ſolange der Handelswind weht , iſt er tödlich. - Ein bald folgender Artikel wird über die neue
nicht unangenehm , jeßt , wo er nicht bläſt, wird er faſt
Eingeborenen haben wegen der Dürre großen Mangel an
ſten Forſchungsreiſen des Adminiſtrators von Neu-Guinea ,
Nahrung und müſſen durch Jagen von Wallabies ſich ſolche verſchaffen. Um 3 Uhr erreidten wir den Lolokifluß, deſſen grüne Umgebung angenehm abſtach gegen das eben durch zogene trođene Land. Unſere Jagd auf Buſdvögel war ver:
Dr. Mc. Gregor im Sommer v. Js. Näheres mitteilen.
geblicy, doch fingen wir ein paar Burdefin - Enten im Fluſſe.
Mit Bezug auf den Artikel ,,Aus Siebenbürgen " in Nr. 51 des „ Auslands " vom Jahre 1888 , in welchem auf die feindſelige Haltung der Sachſen gegenüber den unter
Am nächſten Morgen zogen wir früh zu Fuß weiter, um den Buſch am Goldiefluſſe, einem Nebenfluſſe des Poloki, zu durdyſtreichen, erlegten auch ein Wallabi, deſſen Fleiſch als einziges friſches Fleiſch hier von Wert iſt.
Aus der Geſchichte der Siebenbürger Sasſeu.
ihnen ſich niederlaſſenden Fremden hingewieſen wird , dürfte
Zweigen zu ſehen , man muß vielmehr auf den Ruf der
eine Darſtellung der betreffenden Verhältniſſe in früheren Zeiten , wie ſie in folgendem gegeben werden ſoll, nicht ohne Intereſſe ſein. Die darin angeführten Daten find ſächſiſchen Schriftſtellern entnommen. Wie aus der Geſchichte zu erſehen , ſtüßten ſich alle
männlichen Vögel hören und ihm folgen ; unſere Jagd
früheren Rechte , oder beſſer geſagt Vorrechte der Sieben
war nicht ſehr erfolgreich, da wir nur einige Enten und
bürger Sachſen auf den ihnen vom König Andreas II. 1224 aufgeſtellten Freibrief. Dieſe Urkunde iſt zwar im Sturm der damaligen kriegeriſchen Zeiten verloren gegangen, wie dies auch mit den jedenfalls ſchon bei Beginn der Einwanderung im Jahre 1141 ausgeſtellten ſchriftlichen Verſprechungen der Fall geweſen ſein mag , deren In : halt aber durch ſpätere Beſtätigungen der nachfolgenden Könige vollſtändig wörtlich erhalten . Daraus lautet eine Stelle in deutſcher Ueberſeßung : ,,Auch wollen wir, und befehlen es mit königlicher Machtvollkommenheit, daß ſich
Im Buſche hielten wir Ausſchau nach dem Paradiesvogel, da dieſe häufig bieber kommen . Da die Bäume hoch und
didbelaubt ſind , ſo hält es ſchwer, die Vögel unter den .
Tauben ſchoſſen . Das Flußgebüſch erinnerte ſehr an das in Queensland, die ſehr bekannte Schlingpflanze , lawyer vine" iſt reichlich in Neu-Guinea und wächſt ſehr üppig.
Es iſt eine hübſch ausſehende Pflanze mit palms oder
farnartigen Blättern. Ein Unerfahrener ſieht nichts als wenige große Blätter vor ſich und verſucht durchzugehen. Dann entdeckt er aber , daß der Blattſtiel jich 3 oder 4 Fuß vom Hauptſtamme ausſtredt und daß ſeine Unterſeite mit rüdwärts gekrümmten Häkchen befeßt iſt, die ein Fortſchreiten ſelbſt für Pferde unmöglich machen.
Am folgenden Morgen gingen wir über den Fluß und machten einen Umweg , um den Strom einige Meilen weiter unten wieder zu durchſchreiten. Kurz zuvor ſahen wir ein Eingebornendorf auf einem kleinen felſigen Hügel an der Ecke des Gebüſches. Es ſah aus wie eine Gruppe von Neſtern einiger Rieſenvögel. Die meiſten Häuſer
feiner von Unſeren Vaſallen unterſtehen ſoll, eines ihrer
Landgüter oder Grundſtüde von der königlichen Majes ſtät zu verlangen ; wenn aber Jemand eines verlangen ſollte , ſo ſollen ſie nach der ihnen hiemit von Uns er teilten Freiheit das Recht des Widerſprucs haben."
Auf Grund dieſes Privilegiums waren die Szedler und ungariſchen Edelleute noch bis zum Landtag von 1790
Die Japaneſen .
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auf 1791 vom ſogenannten Königs- oder Sachſenboden auß
geſchloſſen , und dies bildete nicht zum geringſten Teil die Veranlaſſung zur Verſchärfung der nationalen Gegen fäße und immerwährenden Reibungen und Kämpfe. Es war eben die Zeit der ſtändiſchen Geſellſchafts- und Rechts
ausgeſprochenen Klage ihren Ausdruck fanden : „ Und wollen ſie zwiſchen ſich nicht wohnen laſſen , einen verlaufenen
Teutſchen von Japan oder vom Meere her bürtig, den ſie ihr Lebtag nicht geſehen, den diffikultiren ſie nicht unter ſich aufzunehmen .“ Nach der alten Zunftordnung mußte jeder deutſche
ordnung, und es mögen jene Beſtimmungen wohl auch zur Erhaltung des Volkstums beigetragen haben und für die
Handwerker, Einheimiſcher wie Auswärtiger, in die Zunft
damalige Zeit ſogar notwendig geweſen ſein. Unſtreitig von größerem Einfluß auf Erhaltung und immer neue
aufgenommen werden. „ Wer dagegen war und den Frem den irgend einer ehrloſen That anklagte, um ſeine Auf
Kräftigung des Volkstums war jedod), daß man gegenüber
nahme in die Zunft zu hindern, mußte die Klage auf
den eigenen Nationsgenoſſen vom entgegengeſeßten Geiſte beſeelt war. Wie ſchon die von König Geyja im Jahre 1141 gerufene deutſche Einwanderung nicht auf ein Mal
eigene Koſten beweiſen, ſonſt litt er die Strafe dafür ; nie war der Fremde gehalten, Beweiſe ſeines guten Rufes
und nicht aus einer und derſelben Gegend Deutſchlands
Wenn eine Zunft die Aufnahme jemandem acht Tage vers weigerte und, vom Rate der Stadt deswegen gemahnt, ſie aufs neue acht Tage berzögerte ohne rechtlichen Grund, fiel ſie in eine Strafe von 20 Marf feinen Silbers. " Und wie ſteht es heute hier in all dieſen Beziehungen ?
erfolgte , aber ſtets der gleichen Rechte teilhaftig wurde, jo fanden auch die in noch ſpäteren Jahrhunderten in größerer oder geringerer Zahl zugezogenen Deutſchen willige Aufnahme ; bildeten ſie doch teilweiſe Erſaß für den durch mörderiſche Kriege ſo vielmal verurſachten Verluſt, führten immer friſches Biut zu und wirkten anregend und be:
lebend auf alle Verhältniſſe. Man ging aber noch weiter. In richtiger Erkenntnis der ſich zeigenden Schwächen ſuchte man befähigte Leute von wo immer zu gewinnen , und mehr als einer der hervorragenden Führer, deren Namen in der Geſchichte der Sachſen verzeichnet iſt und auf welche
die heutigen Nachkommen nicht wenig ſtolz ſind, waren Fremde. Die höchſten geiſtlichen und weltlichen Aemter findet man von ſolchen beſeßt, und ſtets iſt derſelbe wohl thätige Einfluß auf die ganze Verwaltung zu bemerken, welchen die prinzipielle Berufung von Fremden zur höchſten Würde der italieniſchen Republiken im Mittelalter auf deren Emporblühen ſeinerzeit ausgeübt hat. Selbſt der , deſſen Leben und Wirken durch die dramatiſche Be handlung in ,,Sache von Hertenet " dem Gedächtnis der heutigen Generation in Erinnerung gebracht worden iſt, Johann Zabanius — war fein geborener Sache und foll
und ſeiner Ehrenhaftigkeit aus ſeinem Vaterlande zu holen.
Aus dem eingangs erwähnten Artikel iſt es zur Ge nüge zu erſehen. Zur Beſtätigung des dort Geſagten möge nur noch zum Schluß ein Ausſpruch des gelehrten Verfaſſers der
hier benüßten Geſchichte der Siebenbürger Sachſen, des hoch angeſehenen, auch in Deutſchland geſchäßten Biſchofs der
ſelben, des kürzlich verſtorbenen Dr. G. D. Teutſch, in ſeinem Wortlaut ſelbſt eine Stelle finden : ,,Da lehren ſie keinen, der nicht ein Meiſterſohn iſt, und wer nicht in derſelben
Stadt geboren, kommt nimmer in die Zunft. Ziehſt Du von Medwiſd nach Hermannſtadt, jo nennen ſie Did )
einen Fremden, und faum daß man in koſtſpieligen Pro zeſſen ſein Recht erhält. Und kommt gar ein Deutſcher, da iſt des Widerſtandes kein Ende, ob ſie wohl alle Tage ſingen : Was iſt des Deutſchen Vaterland . " Genanntes
Werk iſt nun zwar ſchon vor dreißig Jahren erſchienen und die Einführung der Gewerbefreiheit im Jahre 1860 hat die Macht der Zünfte gebrochen ; aber der Geiſt der Engherzigkeit und Ausſchließung, ein das allgemeine Wohl
nicht einmal deutſcher, ſondern ſlawiſcher Abſtammung ger
und damit auch den eigenen Vorteil verkennender Egois
weſen ſein. Auch die lette größere Zuwanderung von
mus iſt geblieben. Der Aufnahme des Fremden ſtehen zwar keine Zunftvorſchriften mehr entgegen , doch des
einigen Tauſend evangeliſchen Kärntnern , weldie unter und durch Maria Thereſia zwiſchen 1752 und 1757 er folgt iſt, hat ſich noch mit den eingeborenen Sachſen ver ichmolzen. Die gleidfalls in jener Zeit , ſowie überhaupt ſeit Heimfall Siebenbürgens an Deſterreich bis in die Gegen: wart zugezogenen, meiſt als Beamte hierher verſekten öſter
reichiſchen Deutſchen ſind als Katholiken abgeſchloſſen ge blieben, wie dies gegenwärtig mit allen aus dem Mutter: lande Kommenden der Fall iſt, die ſämtlich, zum Unter
ſchied von den Sachſen, ſpeciell Deutſche genannt werden . Wie ſehr man früher beſtrebt war, die Kraft des Volks :
Widerſtandes iſt nach wie vor kein Ende."
dt.
Die Japaneſen. Es gibt wohl kein Volk des Dſtens, das ſich auf ſo überraſchend idynelle Weiſe europäiſcher Kultur und euro päiſchen Sitten und Gebräuchen angeſchloſſen hat, als die Japaneſen. Während ihre Nachbarn , die Chineſen , ob : gleich derſelben Raſſe angehörig, in ihrer Halsſtarrigkeit
tums durch neue Anſiedelungen von Nationsgenoſſen zu
beharren und dem unaufhaltbar vordringenden Zeitgeiſte
heben, davon zeugen auch ſchon die Gegenbeſtrebungen der
nur gezwungen und dann nur Schritt für Schritt nad
anderen beiden ſtändiſchen Nationen des Landes
alle
geben, haben ihm die Japaneſen bereitwilligſt Thore und
Deutſchen von dem ſächſiſchen Bürgerrecht auszuſchließen ---
Thüren geöffnet und aſſimilieren fidy immer mehr und mehr den ſozialen Einrichtungen und den Gebräuchen
welde in der von denſelben auf dem 1653er Landtag
77
Geographiſche Neuigkeiten .
und Sitten der europäiſchen Völker.
Die ſo überaus ers
leichterten Verbindungen zwiſchen allen Ländern der Erde bringen auch manches Mitglied dieſer beiden Nationen nad Europa, wo ſie zum Teil jahrelang verbleiben, aber es läßt ſich nicht ableugnen, der Chineſe, ſelbſt wenn er europäiſche Kleidung trägt , bleibt immer der Chineſe, während ſein Vetter , der Japaneſe , wenn er nicht durch feine nationale Geſichtsbildung fenntlich wäre, bald unter der Bevölkerung des Landes, in dem er ſich aufhält, ver dwindet. Es gibt wohl keinen größeren und döneren Beweis für die Bereitwilligkeit der Japaneſen , europäiſche Bil dung anzunehmen und ſich den ſozialen Verhältniſſen des Weſtens anzupaſſen , als die vor kurzem proklamierte Ron .
ſtitution, die mit einem Schlage dem ſeit Jahrtauſenden beſtandenen Feudalismus ein Ende gemacht hat. Es iſt
bewunderungswürdig, wie ſich das ganze Volk und ſelbſt die bisher herrſchenden Klaſſen, die dadurch einen großen Teil ihrer Prärogative verloren haben, dem neuen Geſet gefügt haben und mit welchem Enthuſiasmus es auf
päiſche Sitten anzunehmen , durchaus nicht zurück, und namentlich ſind es feine Näharbeit und Stickereien , denen
ſie ſich zumeiſt zuwenden, ſo daß der Verbrauch von fremd ländiſcher Stidwolle und anderem Nähmaterial um das
Vierfache geſtiegen iſt, was wohl zum großen Teile Deutſch: land zu gute kommen dürfte. Rudolph Sdüd.
Geographiſche Neuigkeiten. *
Forſchungsreiſen im aſiatiſchen Rußland. Nach Mitteilungen von Venukoff. Herr Grum-Grjimailo
hat ſeine Reiſe nad Zentralaſien von Wernoi aus anges treten. Sein erſter Brief , datiert aus Jarfent, an der ruſſiſch chineſiſchen Grenze in der Djungarei , erſdien in der ruſſiſchen Zeitung ,, Novoſti" vom 6. Juli 1889 und
gibt an , die Frühjahrszeit ſei in dieſem Jahre in der
Es dürfte uns Deutſchen ſchmeichelhaft ſein, daß fida die japaneſiſche Konſtitution die deutſche zum Vorbilt genommen hat, natürlich mit einigen, den beſonderen Ver: hältniſſen des Landes angepaßten Abänderungen und Bes
Djungarei ſpät eingetreten und die untere Schneegrenze im Ala - Tau - Gebirge babe im Monat Mai nod) eine Höhe von 2400 m (7874 Fuß) über der Meeresfläche erreicht, was für dieſe Jahreszeit und unter 430 n. Br. und unter dem glänzenden Himmel von Zentralaſien ſehr niedrig geweſen ſei. . Der Ili und alle anderen Flüſſe dieſer Region waren durch das Schneeſchmelzen im Juni ſtark
ſtimmungen.
ausgetreten.
Wie in ſtaatlicher , ſo iſt auch in kommerzieller Be: ziehung der Fortſchritt der Japaneſen ſehr groß und fortwährend wachſend, und der Handel Japans iſt bereits zu einem wichtigen Faktor im Weltmarkte geworden. Auch die Induſtrie ſpielt ſchon eine bedeutende Rolle, ſo daß
die an den Thianſchan grenzenden chineſiſchen Provinzen fortſeßen , aber es iſt zu erwarten , daß die chineſiſchen
genommen wurde.
es ſich z. B.: in baumwollenen Waren in wenigen Jahren
Herr Grum-Grjimailo wird ſeine Reiſen in
Behörden ihm Schwierigkeiten in den Weg legen werden, weil er nicht mit einem Paß vom Tſungli-Yamên (Aus wärtigen Amt) in Peking verſehen iſt. Gelingt es ihm aber dennoch durchzukommen, ſo wird er einen Präzedenzfall für
von England ganz unabhängig gemacht haben wird.
alle fünftigen Forſchungsreiſenden ſchaffen. Es iſt noch
Europäiſche Kleidung iſt in den beſſeren Kreiſen der Japaneſen jeßt völlig allgemein geworden , doch hat ſich nebenbei auch manches eingebürgert , was für ſie von
beizufügen , daß Jarkent erſt vor kurzem unter einem heftigen Erdbeben gelitten , welches aber anſcheinend erſt nach Herrn Grum-Grjimailos Abreiſe ſtattgefunden hat. Oberſt Preßow erreichte Yarkand gegen Ende Mai, und ungefähr um dieſelbe Zeit war Hauptmann Gromb tichewski auf dem Pamir , in der Nähe von Daraout Kurgan , von wo er ſich nach Chougnan zu wenden ge habt hätte ; da aber leşteres Land wieder von den Afghanen
zweifelhafterem Werte ſein möchte. So wird über den Handel Yokohamas berichtet, daß ſich der Import von Bier gegen das vorhergehende Jahr mehr als verdoppelt habe , und daß der Konſum dieſes Getränkes ſo im Zu : nehmen ſei , daß eine dortige fremdländiſche und mehrere japaneſiſche Brauereien kaum genug liefern können. Gleichen Schritt mit dieſem hält auch die Zufuhr von Wein und Spirituoſen , deren Wert im Jahre 1887 41,054 ſtrl. betrug, in den leßten zwölf Monaten aber auf 68,248 Lſtri. geſtiegen iſt. Nach Yokohama allein wurden für 13,907 Lſtrl. Rognat eingeführt. Wie wir es in allen neu eröffneten Ländern finden, daß ſich der Import von Spirituoſen und Schießmaterialien ſtets das Gleichgewicht hält, ſo auch hier. Die Einfuhr .
von Waffen und Pulver iſt um das Doppelte geſtiegen. Nehmen wir an , daß alle die genannten Artikel nur für den Gebrauch der Männer beſtimmt ſind , ſo bleiben aber auch die japaneſiſchen Frauen in ihrem Eifer, euro
beſeßt worden war, ſo iſt es unſicher, ob unſer Forſchungs reiſender es zu beſuchen wagen wird. - Herr Venukoff verſendet zugleich ein Eremplar von der ethnographiſchen -
Karte, welche er im Jahre 1883 vorbereitet und nun bis auf unſere Zeit vervollſtändigt hat, und worauf er die Bevölkerung in dem intereſſanten und wichtigen Bezirke Wladiwoſtok nachweiſt. Die dargeſtellte Region iſt eine ſehr rauhe , weſtlich von der Mandſchurei, nördlich von dem 45.0 n. Br. und etwas darüber hinaus , im Weſten von dem 135. ° ö. 2. und im Süden vom Meere begrenzt. Innerhalb dieſes Gebitees wohnte im Jahre 1888 eine Bevölkerung von ungefähr 55,600 Seelen, wovon 35,000 Ruſſen, 10,000 Koreaner, 9500 Chineſen, 500 Japaner,
78
Geographiſche Neuigkeiten .
500 Goldis und Drotſchen und 110 Europäer waren. Unter den Chineſen waren beinahe tauſend Nomaden ; die
Bengalen einen regelmäßigen Fall nach deren Mündung
:
hat, daß die Inſelreihen der Andamanen und Nikobaren
Goldis und Drotſden ſind ebenfalls beinah alle Nomaden ( Jäger und Fiſcher). Die Europäer und Japaner wohnen in Wladiwoſtof. Die Koreaner ſind alle feßhaft und be: wohnen die großen Ortſchaften, während die Chineſen über das Land zerſtreut ſind und merkwürdigerweiſe in Gemeins
deren öſtliche Grenze bilden (das Meer oſtwärts von den Andamanen iſt nämlich ein beſonderes Beden) , daß es etwas tieferes Waſſer in der Nähe der Küſten als im
ben oder Hofgütern den öſtlichen Flußläufen entlang an:
geſiedelt ſind und wohnen. Das hauptſächlichſte Bevölke rungszentrum iſt natürlich Wladiwoſtok mit 13,000 Ein wohnern ; dann kommen Nikolskoé, Nowo-Kief und Kamen kybolow . In den ruſſiſchen Dörfern befinden ſich neun Stanißen mit einer Beſaßung von 2877 Roſaken, welchen die Aufgabe zufällt, die Grenze zwiſchen dem Hantar-See und der Mündung des Tunten-ula zu bewachen . * Die Bai von Bengalen und die Küſten von Indien. (Nadh Commodore Carpenters Verwaltungs bericht über die Meeresvermeſſung von Indien für 1888 bis 1889.)
Zur Zeit des leßten Beridts hatte der ,, In:
veſtigator" die gefährliche Vermeſſung an der Weſtküſte der Andaman -Gruppe beendet und bereitete ſich zur Rücks fahrt nach Bombay vor. Nachdem er Port Blair am 11. April verlaſſen hatte , wurden noch einige Züge mit dem Schleppneß in der Nachbarſchaft der Gruppe vor: genommen , und dann eine nördliche und eine ſüdliche
Linie tiefer Peilungen ungefähr hundert Seemeilen weſt: lich von den Andamanen und Nikobaren von 120 40'n. Br. bis 50 45' n. Br. veranſtaltet.
In leşterer Lage ward
eine unterſeeiſche Erhebung von 1370 Faden entdeckt, die auf einem Plateau von ungefähr 1900 Faden ruhte, welcher Unterſdied einen verſunkenen Bit von 2000 Fuß Hohe darſtellt. Hier wurden mehrere Züge mit dem Sdylepp: neß vorgenommen , der tiefſte in 1924 Faden , allein der Fang in dieſer Tiefe beſchränkte ſich auf einige Seeſterne und eine Holothurie. Am 23. April wurde eine Reihe
von Temperaturmeſſungen mit Tiefſee-Thermometern bis zu 250 Faden Tiefe in 60 7 n. Br. und 850 11 ' ö. L. vorgenommen. Am 20. Oktober verließ der ,, Inveſtis
gator" den Hafen von Bombay und nahm einige weitere Peilungen zwiſchen den nördlichen Lakadivh - Bänken und der Bank vor der Weſtküſte von Indien vor, wvelde die aus den Peilungen des Vorjahres hervorgegangene Anſicht
beſtätigten , nämlich, daß die Lakadivh-Gruppe eine Kette von Gipfeln bildet, die ſich aus einem Bett von 1100 Faden erhebt, oder an ſich ungefähr 6600 Fuß über dem Meeres grunde liegt - eine Höhe, welche einigermaßen derjenigen
der weſtlichen Ghats in dieſen Breiten ähnlich iſt. Man fand , daß die Lage von Klein-Andaman ungefähr um anderthalb Seemeilen weiter nach Dſten verſchoben werden mußte.
Man nahm nun einen Kurs nach Falſe Point in Driſſa und veranſtaltete wieder tiefe Peilungen auf der
Fahrt quer über die Budit. Aus der dem Bericht bei gegebenen Karte iſt erſichtlich, daß das Bett der Bai von
Mittelpunkt gibt , und daß die Tiefe ganz plößlich von der Hundertfadenlinie feewärts von den Sunderbands zu der Neunhundertfadenlinie abfällt. Der raſdeſte Fall iſt in der That der von hundert Faden (der kontinentalen
Schichte) auf 650 Faden, wo der Fall 1 : 13 beträgt, eine bedeutende Neigung für weichen Schlamm.
Wenn wir die Neigung des Betts der Bai zwiſchen den Konturen von 1100 und 1400 Faden als den natür
lichen Neigungswinkel ſeines Falls annehmen, wie er noch nicht bedeutend durch den Schlamm und Schutt aus den Flüſſen beeinflußt wird, und dieſe Neigung (nur 1 : 136)
nordwärts übertragen , ſo finden wir, daß ſie das Bett der Bai erſt auf dasſelbe bringt , wenn ſie den Fuß ſind nur noch einige wenige feite der Bucht erforderlid ),
Niveau mit ihrer Oberfläche des Himalayas erreicht. Es tiefe Peilungen auf der Weſt um die Konturen genau her:
zuſtellen .
Die Mündung des Chilfa-Sees ergab ſich als un:
brauchbar für den Verkehr, da ſie äußerſt ſeicht iſt und feinen Durchgang zwiſden der Brandung hat. Die Vers bindung zwiſchen dem See und dem Meere wird gebildet durch einen 20 Meilen langen ſchmalen Arm Sand, welcher parallel mit der Küſte verläuft ; und wahrſcheinlich findet eine Ebbe und Flut durch den ſandigen Arm ſtatt und vermindert noch die Waſſermenge , welche den wirklichen Eingang oder die Breſdye in der Küſtenlinie paſſiert.
Die lange ſandige Landſpiße iſt ein Zug , welcher den meiſten an dieſer Küſte mündenden Flüſſen ' gemein iſt, und es iſt eine intereſſante Thatſache , daß mehrere von dieſen Flußmündungen, nämlich Falſe Point, der Jotadors,
der Devi-Fluß und der Eingang zum Chilka-See inner halb der leßten vierzig Jahre durch die Ausdehnung ihrer ſandigen Landſpißen bis zu dieſem Grade ihre Lage um ungefähr drei Meilen nach Nordweſten verſchoben haben. Die wirkende Urſache des Wachstums dieſer Spißen iſt die Brandung, welche durch die beſtändige ſüdliche Deining gebildet wird, gegen die ebbenden Flußgewäſſer hart an bringt und dieſe nötigt, in einer nordöſtlichen Ridytung zu entweichen, wobei die Landſpiten allmählich durd; die An
häufung des Fluß duttes und des an die Küſte getriebenen Sandes , welche nicht mehr ſeewärts entweichen können , vermehrt werden .
In Gopalpur bemerkt man zu Zeiten einen merkwür: digen Streifen phosphoreszierenden Waſſers ungefähr zwei Meilen von der Küſte, welcher das Ausſehen einer Bran dung hat. Das Licht ſtrömt von unten herauf, und ein Eimer an einer Leine , welchen man hinunter läßt, tann mit dem Auge beinahe bis zum Meeresgrund verfolgt werden . Die Urſache iſt noch nicht entdedt worden ; da
Geographiſche Neuigkeiten .
die Erſcheinung aber gerade auf der Berührungsfläche zwiſchen dem grünen Küſten- und dem blauen Dzeanwaſſer vorkommt, iſt es möglich, daß hier irgend eine chemiſde
Thätigkeit ſtattfindet, welche die leuchtenden Ausſcheidungen der hier im Uebermaß vorhandenen unzähligen winzigen Organismen hervorruft. Man hat beobachtet, daß eine kleine Meduſe, welche zuvor keine Spuren von Leuchtkraft gezeigt hatte, jedem Strahl entlang ſo hell war, daß man ihre Phosphoreszenz ſogar bei Tage wahrnehmen konnte. Temperatur-Beobachtungen, welche auf einer Linie in Tiefen von 40 bis zu 300 Faden angeſtellt wurden, zeigten , daß auf der Höhe dieſer Küſte feine ,, Mauer" von faltem
Waſſer vorhanden iſt. Wenn man die gegenwärtigen Tiefen in der Coconada : Bucht mit denjenigen vergleicht, welche von der marinen Vermeſſung im Jahre 1882 gefunden wurden , ſo wird wiederum eine nördliche Bewegung der Seebuchten ſicht: bar, denn ſowohl an der Godavari-Spiße wie am Anfer: plaße haben ſich die Bänke in ſieben Jahren um eine halbe Meile ( oder im Verhältnis von drei Meilen in zwei undvierzig Jahren) nordwärts verſchoben. Dies ſollte in Coconada genau begriffen werden, da es deutlich auf der
79
niſchen Urſprungs bilden und die Provinz Burma mit der großen Inſel Sumatra verbinden. Die Namen der Inſeln ſind : Kar Nikobar, Chowra, Tereſia, Bompota, Kamorta,
Trinkut, Nankowry, Ratchal, Pulo Milo , Klein-Nifobar, Kondur, Groß-Nifobar, Baiti Malv, Tillangſchong, Meroë, Trat, Treis, Menchal und Kabra ; die leßten ſieben ſind
unbewohnt. Der Geſamtflächenraum der Gruppe beträgt ungefähr 635 engl. Qu. Min. oder etwas mehr als ein
Viertel von demjenigen der Andamanen. - Kurz weiſt in jeiner „ Skizze der Vegetation der Nifobaren Inſeln " nach, daß dieſelben geologiſch in zwei Gruppen, die ſüdliche und die nördliche, teilbar ſind. Die erſtere umfaßt Groß- und Klein-Nitobar mit den umgebenden Eilanden und Katdal und wird gekennzeichnet durch das Vorwalten kalkhaltiger Sandſteine (Braunkohlen-Formation). Die nördliche Gruppe umfaßt Nanfowry , Kamorta , Trinkut, Tereſja , Tillang ſchong, Kar Nikobar und die kleineren Inſeln Bompoka, Chowra und Batti Malv. Alluviale Ablagerungen und plutoniſche Geſteine bilden hier die augenfälligen Züge.
Dieſe geologiſche Einteilung ſtimmt merkwürdig überein mit dem allgemeinen botaniſchen Ausſehen der betreffenden
Hand liegt , daß in weiteren vierzig Jahren die Nieders
Inſeln. Während die Inſeln der ſüdlichen Gruppe von unten bis oben mit Wald bekleidet ſind , beſchränken ſich
laſſung zu Waſſer unnahbar ſein wird .
die Wälder der nördlichen Gruppe auf die plutoniſchen
Die Eroſion oder Uebertragung von Sand durch die
Geſteine und auf die Abhänge und Thäler des ältern
fortwährende ſüdliche Deining und den vorherrſchenden
Aluviums , und die hügeligen Hochebenen und Kämme ſind mit parkähnliden Naſengründen und Haiden bededt.
ſüdlichen Wind brauchen nur von einem Beobachter ge ſehen zu werden , um ihm begreiflich zu machen, welche
Mehrere der Nikobaren-Inſeln, beſonders von der ſüdlichen
ungeheure Veränderungen dieſem unmittelbaren Meeres : rande entlang vorkommen müſſen . Wenn man den Sand
Gruppe, haben Hügel von 600 bis 2000 Fuß Höhe. Das
durch Anpflanzungen von Kaſuarinen , durch Hemmung
und übertrifft dasjenige der Andamanen weit. Die ans mutigen hohen Areka- Palmen werden auf den Andamanen
und Eindämmung des Flugſandes mittelſt Hürden , durch die Bepflanzung der Sanddünen befeſtigt und das Haupts fahrwaſſer des Fluſſes daran hindert, fleinen und nuklojen
Waſſerläufen zu folgen , lo fann viel geſchehen, um die Schiffahrt zu verbeſſern und ſolche Deltas wie dasjenige des Godavari bewohnbar zu machen . Allein es iſt hoff: nungslos, mehr zu thun, als ſich zu bemühen , dieſe trü
geriſchen Kräfte zu leiten ; es iſt rein unmöglich , deren
phyſiſche Anſehen der Inſeln läßt nichts zu wünſchen übrig
nicht gefunden, ſind aber auf den Nikobaren reichlich vors banden ; und während die Didungeln der Andamanen beinahe nur eine einzige fortlaufende Maſſe von weſentlich derſelben Färbung darbieten, zeigen die Wälder der Nilo:
baren die mannigfaltigſten und üppigſten Formen der Vegetation. Baumfarne finden ſich auf den Andamanen
die tiefen Peilungen , den Rapport des Arztes und Naturs
nicht, wachſen aber in wildem Ueberfluß den Flußufern von Groß-Nikobar entlang und erreichen häufig eine Höhe von 40 bis 45 Fuß. Die Gewäſſer , welche dieſe Rüſten beſpülen, beſißen jene außerordentliche Klarheit und Tiefe
forſchers und eine Denkſchrift des Commodore Carpenter
der Färbung , welche ſich gewöhnlich in der Region auss
hinſichtlich der unerforſchten Beſchaffenheit gewiſſer Teile
gedehnter Korallenriffe bemerkbar macht. Es gibt mehrere gute Häfen und viele günſtige Anfergründe auf den Niko baren und auf einigen der größeren Inſeln findet man
Fortſchreiten aufzuhalten. Der Anhang des Berichtes enthält eine Tabelle über
der Küſtenlinie von Indien und Burma.
* Die Nitobaren und ihre Bewohner. Dieſe ſchildert Herr Man , welcher ſieben Jahre auf der Nikos baren-Gruppe gelebt hat , auf Grund ſeiner perſonligen
Beobachtungen und Erlebniſſe in einem eingehenden Artikel des ,, Journalof the Anthropological Institute " (Mai 1889 ), welchem wir folgende Auszüge entlehnen. Der Nifobaren Archipel umfaßt zwölf bewohnte und ſieben unbewohnte Inſeln, welche mit den Andamanen, Coco- und Prepariss Inſeln gleichſam eine Reihenfolge von Trittſteinen vulfa
auch ſchiffbare Kanäle und auf Groß -Nifobar auch Flüſſe, welche zur Entwidelung der inneren Hilfsquellen des Landes von unſchäßbarem Werte ſein würden. Teat- und
Padouc-Holz (Pterocarpus indicus , eine Roſenholzart) finden ſich in den Wäldern der Nikobaren nicht; dagegen
gibt es eine große Mannigfaltigkeit von wertvollen Nuk hölzern, welche für die Zukunft einen ſehr gewinnbringenden Ausfuhrhandel damit in Ausfidit ſtellen .
Geographiſche Renigteiten.
80
Der große Nachteil des Aufenthalts auf den Niko baren iſt das Malaria -Fieber, welches mehr oder weniger zu allen Jahreszeiten vorherrſcht. Die Temperatur-Schwan kungen das ganze Jahr hindurch ſind weit unbedeutender als auf den Andamanen ; das verzeichnete Maximum im Schatten iſt ungefähr 340 C. , das Minimum 22.70 C.,
und die mittlere Jahrestemperatur 22.4° C. Der Maris
wilden Stämme aus den Bergen des Binnenlandes gelten – und nach meinem Dafürhalten mit einigem Recht für die urſprünglichen Eingeborenen , und ihr entfernter Urſprung und reiner Stamm ſtehen offenbar außer aller Frage, während die verſchiedenen Abteilungen der Küſten ſtämme je nad ihren äußeren Einflüſſen oder anderen Umſtänden zwar von einander verſchieden ſind, allein ohne
malſtand des Barometers 30.163, der Minimalſtand 29.708 , der mittlere Stand ungefähr 238. Bezüglich des Regen
Zweifel von einem baſtardartigen malayiſchen Urſtamm
falls zeigen die Aufzeichnungen , daß die jährliche Durch
mit Burmeſen und gelegentlich auch mit Eingeborenen
ſchnittsmenge derjenigen von Port Blair auf den Anda: manen entſpricht. Dieſelbe iſt in der nördlichen Gruppe größer. Die Regen beginnen zu Anfang Mai und hören
von der gegenüberliegenden Küſte von Siam und viels leicht in ferner Vorzeit auch mit ſolchen von den Schom Pen gekreuzt hat, welche ſich in ihrer Mitte niedergelaſſen haben mögen. Die Thatſache, daß die Schom Pen mons goliſche Verwandtſchaften darbieten, würde auf dieſe Weiſe bis zu einem gewiſſen Grade das häufige Vorkommen des
ſelten vor Ende Dezember auf.
Die Dauer des Süd
weſt-Monſuns läßt ſich von Anfang Mai bis Mitte Dkto ber berechnen, von welchem Zeitpunkt an die Winde bis zum
Januar wandelbar ſind, von wo an ſie gewöhnlich un: gefähr vier Monate lang aus Nordoſten wehen. Hinſichtlich der numeriſchen Stärke der ureingeborenen Bevölkerung ſcheint aus einer im Jahr 1884 vorges
nommenen Volkszählung hervorzugehen , daß auf Kar Nikobar (der Hauptinſel der Gruppe und derjenigen, welche
wahrſcheinlich vollauf die Hälfte der ganzen Bevölkerung enthält) eine entſchiedene Zunahme der Bevölkerung ſtatt findet ; ein ähnliches Ergebnis macht ſich auch auf Chowra, Tereſſa und Bompoka geltend , dagegen ſcheint ſich eine
berrühren, welcher ſich wahrſcheinlich in den meiſten Fällen
ſchiefſtehenden Auges in mehr oder minder ausgeſprochener Weiſe durch die ganze Gruppe hindurch erklären . " Der Man'ſche Aufſaß iſt von einigen trefflichen Photographien von Eingeborenen begleitet. Die Erforſchung des Lomami. Nachdem Alexander Delcommune mit dem Dampfſchiff „ König von Belgien" dieſe intereſſante Waſſerſtraße erforſcht hat, deren Oberlauf ſchon Cameron und Wißmann befahren, hat er
Im
uns gezeigt, daß der Lomami nicht, wie man vermutete, ein Zufluß des Sankuru, ſondern ein eigener ſelbſtändiger Fluß und identiſch mit dem großen Nebenfluß iſt, welchen der Rongo etwas unterhalb der Fälle aufnimmt und deſſen
Jahr 1886 dößte Herr Man die Zahl der Einwohner
Unterlauf Grenfell im Jahre 1884 unterſuchte. Siebzehn
von Rar Nifobar auf 3500 und meint , die Errichtung dieſer Kolonie habe ihre urſprünglichen Zwecke vollkommen erreicht und auch das Mittel abgegeben, einen regelmäßigen und wachſenden Handel dorthin zu ziehen und die Ein geborenen einigermaßen über die Wohlthaten und Hilfs
Tage lang , und auf eine Strecke von 570 Meilen fuhr er den Lomami hinan und fand, daß derſelbe eine mitt lere Breite von ca. 270 Yards, eine Tiefe von zehn bis ſechzehn Fuß und eine Strömung von zweieinhalb bis drei Meilen auf die Stunde habe und leicht zu beſchiffen ſei. An der Stelle, wo Herr Delcommune ſeine Forſchungen einſtellte ( ungefähr unter 40 1. Br.), war er nur noch drei
Verminderung der Volkszahl in den zentralen und füd lichen Teilen der Gruppe bemerkbar zu machen.
quellen der Ziviliſation aufzuklären.
Herr Man erörtert ſeinen Gegenſtand hauptſächlich vom anthropologiſchen Geſichtspunkte aus , weshalb wir ihm hier nicht weiter zu folgen brauchen . Er ſagt : „ Wenn man die Eingeborenen der Archipeln der Andamanen und
der Nifobaren ſtudiert , müſſen die großen Unterſchiede und Abweichungen , welche nicht allein in der Sprache und den phyſiſchen Kennzeichen derſelben, ſondern auch in ihrer Kultur und ihren Sitten und Bräuchen vorhanden ſind, auch den zufälligſten und oberflächlichſten Beobachter überraſchen. Während man die Andamaneſen, troß ihrer vielen trefflichen Eigenſchaften , als eine der entartetſten und barbariſchſten Raſſen der Erde betrachten muß , er weiſen ſich die Nikobareſen , namentlich diejenigen der nörd
Tagereiſen von Nyangwé entfernt ; oberhalb dieſer Stelle war der Strom fortwährend noch offen und frei. Los mami verſpricht ſich dem Raſiai und Mobangi als einer der hauptſächlichſten Nebenflüſſe des Kongo anzuſchließen , da er nach Norden und Süden parallel mit dem Kongo berläuft und ſich unterhalb der Station der Fälle in den ſelben ergießt, ſo bietet er eine ununterbrochene ſchiffbare Waſſerſtraße bis innerhalb drei Tagereiſen von Nyangwé.
Seine bedeutende Wichtigkeit für die Entwicklung des Kongo - Freiſtaates liegt daher klar am Tage. Drud und Verlag der F. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachf. in München und Stuttgart.
Fiir die Redaktion verantwortlich : W. Reil in München .
lichen Inſeln , als würdig , beinahe ihren die malayiſche Halbinſel bewohnenden Verwandten gleidhygeſtellt zu werden, und es fehlt ſogar nicht an Beweiſen, welche darthun, daß ſie imſtande ſind , einen noch höhern Grad von Zivili ſation zu erwerben und zu behalten , als denjenigen , welchen ſie bisher erreidyt haben.. Die Schom Ben oder
Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart.
Riehl, W. H., Lebensrätſel.
fünf no
vellen . Erſte und zweite unveränderte Auflage. Oktav .
XVI und 508 S.
Eleg. geb. M. 7. -
Broſch . M. 6 .
Das Juslaud.. Wochenſchrift für Länder- und Völkerkunde, der
unter Mitwirkung bewährter Fach männer herausgegeben von I. G. Gotta’ſchen Budhandlung Nachfolger in Stuttgart und Nünden . Dreiundſechzigſter Jahrgang.
Nr. 5.
1890 .
Stuttgart, 3. Februar
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7 .
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des Ill- und Auslandes und die Poſtämter.
Manuſkripte und Recenſionsefremplare von Werten der einjdlägigen Litteratur ſind direkt an die Verlagshandlung in Stuttgart zu jenden .
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preis 20 Þi. für die geſpaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Politiſch - geographiſche Riidblice. 4. Auſtralien. 5. Die Polarländer. (Schluß. ) S. 81 . 2. Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel. Eine kulturhiſtoriſche Skizze. A1:8 dem Däniſchen nach C. F. Alen . S. 85. 3. Erinnerungen an Neu : Guinea. Nach Tagbuchnotizen von F. Grabowsky . S. 91. — 4 , Die Zuiderinduſtrie in Bundaberg. S. 96 . 5. Die Kolonic Viktoria im Jahre 1888. S. 97. 6. Geographiſche Neuigkeiten . S. 98. 7. Kleinere Mitteilung. S. 100.
Politiſd -geographiſche Rüdblike.
der Karte Auſtraliens ein unbeſdriebenes Blatt. Von den
(Schluß .)
rund eine Million Quadratkilometern, welche die Kolonien Viktoria und Neu-Südwales umfaſſen , iſt freilich faſt
4. Auſtralien.
Neben Afrika iſt dieſer Weltteil es geweſen, welcher in den leßten Jahren die Begehrlichkeit Europas wach :
gehalten hat, denn es gibt hier immer noch Broden herren loſen Landes, deren Nußbarmachung in der einen oder anderen Hinſidit dieſe oder jene Macht angeſtrebt hat.
Und ſo iſt auch im jüngſt verfloſſenen Jahr mehr als eine der vielen Inſeln, welche über den weiten Raum der Süd
ſee dünn verſtreut liegen , in den Beſit Europas über gegangen. Aber auch die Geographie hat davon einigen Vorteil ziehen können.
Der Auſtralkontinent iſt ja bekanntlich ſchon längſt in feſten Händen, alles, was unabläſſig zu ſeiner beſſern Kenntnis geſdieht, geht von den Koloniſten oder von den Regierungen der fünf Kolonien aus, in welche derſelbe zerteilt iſt. Entdeckungen von größerer Bedeutung haben indes nicht ſtattgefunden, ſeit Warburton, Forreſt und Giles, geſtüßt auf die große, den Kontinent burdinei dende Telegraphenlinie, ihre denkwürdigen Züge durch den damals faſt noch ganz unbekannten Weſten madyten. Mit dieſen Unternehmungen waren eben die allgemeinen Grunds züge des Landes klargelegt. Wie ſchon Betermann lange
vor jenen großen Reiſen vorausſagte, haben dieſe und alle nachfolgenden Forſchungen bewieſen , daß das Beiwort ,,wüſtenhaft“ für Auſtralien nicht voll anwendbar iſt, weil ,,vorwaltend die Wirkung der Dürre bei der Steppen
bildung ſtehen bleibt und verhältnismäßig wenig ſahara
jeder Quadratkilometer durchzogen worden, in Queensland harrt noch ein verhältnismäßig kleiner Teil der nördlichen Halbinſel näherer Unterſuchung, aber von Südauſtraliens großem, quer durch den Erdteil ziehendem Gebiete ſind mindeſtens 548,000 Quadratkilometer noch völlig oder dod) größtenteils unbekannt und von Weſtauſtraliens rieſigem
Beſit haben die Erpeditionen jener drei Forſcher mehr als 1,295,000 Quadratfilometer eben nur berührt. Man darf ſagen, daß im großen und ganzen der Telegraphendraht zwiſden Adelaide und Palmerſton das Bekannte vom Un bekannten ſcheidet. Dod ſteht nicht zu erwarten , daß
künftige Forſchungen uns ein weſentlich neues kartographi des Bild liefern werden, wohl aber dürften ſich die Hoff nungen auf die Entdedung neuer reicher Mineralſchäße in
abſehbarer Zeit erfüllen. Denn in dieſer Beziehung bringt faſt jede Poſt etwas Neues, wenngleich nicht immer etwas wirklich Wertvolles. Auſtralien iſt das zweite Goldland der Welt , zeitlich und dem Werte nach. Seit der Entdedung ſeiner Golds .
felder im Jahre 1851 hat Auſtralien der Welt rund für 6360 Millionen Mark Gold, d. i. nahezu 36 Prozent der
Geſamtausbeute der Welt, geliefert. Freilich iſt dieſe Aus beute in den leßten 20 Jahren faſt ohne Anhalten geſunken
und namentlich in dem ehedem ſo ergiebigen Goldlande Viktoria, dem mit Recht ſo benannten Australia felix , ſind die Erträge heute ſo niedrig , daß ſie nur noch ein Viertel der während der Glanzperiode 1853 bis 1857 er
ähnliche Wüſtengebilde als Ertreme der Steppe auftreten ."
zielten Gewinne ausmachen. Die wachſenden Erträge der
Noch immer aber bleibt ein ſehr großer Raum auf
queensländiſden Gruben, neue Entdeckungen in Neu -Süd:
Ausland 1890, Nr. 5 .
13
Politiſch - geographiſche Richlide .
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wales und Südauſtralien , ſelbſt nach langem vergeblichem Suden auch in Weſtauſtralien, haben den Ausfall nidyt auszugleichen vermocht. Aber dennoch iſt der Reichtum Auſtraliens an wert:
vollen Bodenſchäßen erſtaunlich. Entdedungen von Gold:
und Silberlagern ſind einander in den leßten Jahren in To dyneller Weiſe gefolgt, daß es idywer fiel, die Namen der neu in den Vordergrund tretenden Landſchaften und ,, Townſhips" feſtzuhalten . Ehedem faum betretene, waſſer:
gewinnen. Die Nachricht, daß ſich ein thätiger Vulfan im Innern Auſtraliens befinde, weldie Eingeborene dem Forſcher Lindſay mitteilten, erwies ſich, wie vorauszuſehen war , als eine völlig grundloſe Fabel ; je weiter man fam, deſto weiter entfernte ſich auch der feurige Berg, bis dhließlich fein Menſch mehr von ſeiner Eriſten ; etwas wißen wollte. Indeſſen fand auch Lindſay an vielen Stellen Spuren von Gold und anderen wertvollen Mi neralien .
loſe Gegenden ſind plößlich zu volfreiden Handels- und
Auch die Kolonien Queensland und Weſtauſtralien
Verkehrsmittelpunkten geworden , denen das leichtbewegliche Volt der auſtraliſden Rolonien ſchnell maſſenhaft zuſtrömt, um dann aber auch vielleicht bald noch idylimmerer Ver:
Teile ihres Gebietes aus, doch verwirklidhten ſich die Hoff:
nungen, welche man in die Reiſe von Favenc und Cuth
öbung anheimzufallen , nachdem die Adern erſchöpft waren , oder, was nicht ſelten geſchah, die ganze Sadie ſich als ein
bertſon in das Quellgebiet des Gascoyne und Aſhburton geſeßt hatte, in keiner Weiſe. Die geologiſchen Aufſchlüſſe
arger Schwindel erwies. Troßdem iſt genug des Wertvollen übrig geblieben. Eine ſolche, früher faum beachtete Gegend iſt das Land in der waſſerloſen Barrierfette auf dem weſtlichen Gebiet von Neu-Südwales, hart an der Grenze von Süd :
ſandten Erpeditionen zur Erforſchung nod unbekannter
geſtatteten nid)t, anzunehmen , daß belangreiche Mineral idäße in dieſer öden Gegend vorhanden ſind. Bekanntlid) durdy fließt der einzige große Fluß Auſtra
liens Gegenden, welche mit Ausnahme einer kurzen Strece in ſeinem Quellgebiet bisher nur für Weidezivece benut
auſtralien . Hier, wo noc vor wenigen Jahren vereinzelte
bar erſdienen . Es fehlt dem Lande aber nur an der
Herdenbeſißer in wenig beneidenstverter Einſamkeit lebten , drängt ſich jeßt an verſchiedenen Bergwerken eine nady vielen Tauſenden zählende Bevölkerung zuſammen ; denn
nötigen Bewäſſerung, um es zu einem vortrefflich produt: tiven zu machen , wie chineſiſche Gärtner durch ihre ganz
man hat hier vor nunmehr vier Jahren Silbererzlager
Vor einigen Jahren nun bewarben ſich die Gebrüder Chaffey, welche die Erfolge von Bewäſſerungsanlagen in dem ebenſo regenarmen Kalifornien beobachtet hatten, um die Konzeſſion ausgedehnter Ländereien an den Ufern des mittleren Murray auf ſüdauſtraliſdem und vittorianiſchem Gebiet. Die Anlagen, welche dieſe Unternehmer geſchaffen
aufgefunden , welche ſogar den weltberühmten Comſtock: Gang in Nevada in den Schatten ſtellen. Eine einzige der vielen Gruben lieferte im verfloſſenen Jahre mehr als vier Millionen Unzen Silber ; fie iſt freilich die reidſte von allen .
Eine andere Grube wurde ihrem urſprünglichen Ent
ausgezeichnete Gemüſezucht ſchon längſt bewieſen haben .
haben , ſind wahrhaft großartig .
Mächtige Pumpverke
beder um 1700 litrl, abgekauft, und ſchon nach fünf
heben das Flußwaſſer in meilenlange Kanäle, welche die
Monaten hatten ihre Aftien einen Wert von 144,000 Lſtri. Aehnlich ſind die Steigungen anderer Aktien, auch der Zinn bergwerke , die hier gleichfalls in der leßten Zeit er:
Pflanzungen durchziehen , auf denen Weinſtöđe, Oliven ,
loſſen wurden. Wertvolle Funde hat man auch auf der
Gebrüdern Chaffey auf Grund ihrer auf das Land ver:
Inſel Tasmanien und auf Neu -Seeland gemacht.
Der Wunſ , folche Bodenſchäße aufzufinden, iſt es
wendeten Auslagen die Beſigtitel über 26,000 Acres (ein Acre iſt gleich 40.467 Ar) Land zuſprechen können.
auch geweſen, wvelder den Anſtoß zu den Forſchungsreiſen
Noch freigebiger iſt Weſtauſtralien mit ſeinem freilid)
der jüngſten Zeit gegeben hat. Zwei derſelben richteten
wenige Bewerber findenden Grund und Boden . Hier hat eine Geſellichaft, das Hampton -Land - Eiſenbahn -Syndikat, nidyt weniger als 1,340,000 Acres gepachtet, von welchen ſie fürzlich 516,000 Acres für 27,000 Lſtrl. und den Neſt zlı
ſich nach der vom Wendekreis durchſchnittenen Mac Donnell Rette, einer der am meiſten von der Natur bevorzugten Gegenden Innerauſtraliens. Die am Dſtende des in nahe: zu weſtöſtlicher Richtung ſtreichenden Gebirgszuges gelegene Telegraphenſtation Alice Springs war der Ausgangs:
punkt dieſer Erpedition, wie ſo mancher anderen, früher unternommenen .
Der Geologe Eaſt unterſuchte die öſtlichen Ausläufer des Mac Donnell- und Hart-Gebirges, fand hier an vielen Stellen Spuren von Gold, ſtellte aber feſt, daß die an: geblich hier gemachten Entdeckungen von Rubinen auf Jrrtum beruhten. Tietkens erforſchte die traurigen Um : gebungen des großen ſalzigen Amadeus Sees ſüdlich vom Wendekreis, ohne irgend welche erfreuliche Reſultate zil
Drangen- und Zitronenbäume bereits nach Hunderttauſen : den gedeihen. Scyon haben die beiden Regierungen den
2 sh 6 d per Acre faufte.
Dabei bleibt die Geſellſchaft
bis 1905 von allen Abgaben vom Lande frei und wird Eigentümerin aller Metalle und Mineralien , die auf dem Lande etwa gefunden werden ſollten . Wird der wiederholt diskutierte Plan einer Eiſenbahn
quer durch die weſtauſtraliſdie Wüſte nad, Südauſtralien wirk lid ausgeführt, ſo wären damit ſämtliche Kolonien des Feſt: landes in nähere Verbindung gebracht und der Plan einer Konföderation, ſeit mehreren Jahren in der Preſje erörtert und auf Konferenzen beſprochen, zwiſdien jämtlidhen auſtralia ſchen Kolonien um einen Scritt weiter gerüdt.
Gegen
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Politiſch -geographiſche Rüđblice. wärtig ſteht der Widerſtreit fiskaliſder Intereſſen , welcher
und heiße Quellen ausgezeichneten Inſeln auch Spuren
auch die Rivalität zwiſchen den beiden bevölkertſten Solo: nien fortwährend reizt, der Verwirklichung des ſo natürlich ſcheinenden Planes noch immer hemmend entgegen. Von den Inſeln Dzeaniens ſind es naturgemäß die dem Deutſchen Reich zugehörigen Teile, welche am meiſten unſere Teilnahme beanſpruden . Deutſchland befißt gegen: wärtig in Ozeanien einen Länderkompler, der halb ſo groß iſt, als ſein eigener Umfang. Dabei iſt dieſer Kolonial: beſiß aber äußerſt dünn bevölkert , ſoweit uns nämlich
von Gold und Sinn gefunden. Die politiſche Machtſphäre der in der Südſee "inter eſſierten Mächte hat ſich wiederum in der leßten Zeit einigermaßen erweitert. England hißte ſeine Flagge auf den Inſeln Fanning, Chriſtmas, Savage, der Cooks: oder Hervey-Gruppe , Penrhyn und Suwarow , Frankreich auf den Geſellſchaftsinſeln unter dem Winde, auf Futuna und den zum Auſtral Archipel gehörigen Inſeln Rurutu und Rimitara, DeutſQland auf der kleinen Inſel Nauru oder Pleaſant zwiſdyen dem Bismard -Archipel und den Mars
unſere noch ſehr dürftige Kenntnis einen Schluß von dem Bekannten auf die Algemeinheit erlaubt. Aber in den wenigen Jahren unſerer Herrſchaft iſt ſehr fleißig gearbeitet
dall-Inſeln. Die Beſchlüſſe der am 29. April 1888 in Berlin er:
worden. Die Neu - Guinea -Geſellſchaft ſelbſt hat durch ihre Beamten, voran den Landeshauptmann v. Sdileiniß, ſowie durch eine wiſſenſchaftliche Erpedition unter Schrader mit dem Botaniker Hollrung und dem Geologen Schneider eine höchſt anerkennenswerte Arbeit vollbracht. Und 1888 machte der vielgereiſte Berichterſtatter der Kölniſchen Zeitung " H. Zöller einen Vorſtoß in das äußerſt (d)wierige Finiſterre: Gebirge, das er bis zu 2750 m Höhe erſtieg, während hinter demſelben andere noch höhere Gebirge fich auf türmten . Als Hauptreſultat der Reiſe ergab fidy, daß das Land an der Aſtrolabe-Bai aus einer Reihe von parallel laufenden Gebirgstetten, die nach dem Innern immer höher werden, fidy aufbaut, daß das Land bis auf die größeren Höhen, wenn auch durchſchnittlid, nur ſpärlid), bevölkert iſt, an den Flußläufen indeſſen eine ziemlich didyte
öffneten SamoaKonferenz zwiſchen den Vereinigten Staaten
Bevölkerung vorhanden iſt.
beſchädigte und eine Anzahl unſerer waderen Seeleute in
Zöllers daran ſid, anſchließende Reiſe nach den Sa : lomons- Inſeln bereicherte unſere bisher noch ſehr dürftige Kenntnis dieſer Gruppe durch die Entdeckung, daß der nördliche Teil von Bougainville durd, eine Meeresſtraße von demſelben geſchieden iſt und die ſelbſtändige Inſel
den Wellen begrub. Die Wiedereinſeßung des von ſeinem Verbannungs: ort auf den Marſdall- Inſeln durch ein deutſches Kriegs ( chiff zurückgebrachten früheren Königs Malietoa in ſeine
Buka bildet.
genannten Mächte wird hoffentlich dem Lande die lang entbehrte Ruhe und Sicherheit wiedergeben .
Zu gleicher Zeit wurde auch auf engliſchem Gebiet emſig gearbeitet.
von Amerika, Großbritannien und Deutſchland zur Reges lung der Beziehungen ziviſchen dieſen Mächten auf der Inſelgruppe wurden bisher noch nicht veröffentlicht. Deutſch land iſt dort nach wie vor die am Handel weitaus am meiſten beteiligte Macht, wie auch ſein Plantagenbau alle Verſuche anderer Mächte in dieſer Richtung weit übers
ragt. Leider hatten dieſe Pflanzungen , ſowie demzufolge der Sandel unter den Kämpfen zwiſchen rivaliſierenden Thronprätendenten dywer zu leiden, noch ſchmerzlicher für Deutſchland aber waren die Verluſte, welche unſere wackere Marine erſt durch einen Ueberfall an Zahl weit über legener Banden von Samoanern , ſodann durch einen furchtbaren Drfan erlitt, welcher zwei der im Hafen liegen: den deutſchen Kriegsſchiffe vernichtete, ein anderes ſtark
alte Würde und ſeine Anerkennung durch die Konſulen der
Der neu ernannte Gouverneur von 5. Dic Polarländer.
Britiſch-Neu-Guinea, Sir William Mc. Gregor, ging zuerſt
Nadidem Nordenſtjöld feine oft ausgeſprochene Ans
von der Milne-Bai quer über Land nach Mullens Har: bour, wobei er den Diſtrikt in der Nachbarſchaft des Dſt faps ſehr ſtark bevölkert fand, und erreichte dann , was
ſicht von einem
keinem ſeiner Vorgänger bisher gelungen war, die Ers
legt geſehen hatte , zweifelte niemand mehr daran , daß
ſteigung des 4000 m hohen Gipfels des Owen Stanley : Gebirges , den er Mount Victoria benannte. Die Ein wohner, welche man hier antraf, erſchienen durchaus fried:
Binnengrönland unter Eis begraben liege. Aber der Be
fertig, beſaßen gute Pflanzungen und unterhielten einen Verkehr mit den Bewohnern von Kaiſer- Wilhelms- Land. Auf die bisher wenig bekannten Inſeln, welche die ſüdöſtliche Spiße von Neu-Guinea umſäumen , hatte der raſtloſe Gouverneur ſchon früher ſein Augenmerk gerichtet. Hier wurden die Inſeln St. Aignan, Joannet, Normanby, Ferguſſon, Goodenough, Goulvain und Welle in Begleitung
einer Anzahl ſadyverſtändiger Bergleute unterſucht und auf den durchweg vulkaniſchen, zum Teil durch Solfataren
eisfreien Innern Grönlands durch einen
im Sommer 1883 unternommenen Vorſtoß ſelbſt wider:
weis dafür iſt uns erſt jüngſt durch des Norwegers Nanſen fühnen Zug quer durch das ganze Gebiet von Oſten nady Wiſten wirklich erbracht worden.
Es iſt dies eine geos
graphiſche That , welche ſich jeder anderen jüngſten Leiſtung auf dem Gebiet der Erforſchung unſerer Erde fühn an die Seite zu ſtellen vermag.
Verſuche, Grönland zu durchqueren , ſind ſeit dem erſten Anlauf des Gouverneurs Paars im Jahre 1728 wiederholt gemacht worden. Immer vergeblich. Dennoch glaubte Nanſen, daß die Löſung des Problems wohl durch zuführen ſei , nur müſſe man von der Oſtküſte aus zur
Politiſch - geographiſche Ridblide.
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Weſtküſte gehen und nicht umgekehrt , da man im erſten Fall den Weg nur einmal, im zweiten Fall aber zweimal
Zur Diskobai vor Anbruch des Winters zu gelangen, erſchien unmöglich , eine Reiſe in dieſer Jahreszeit aber
zurückzulegen hat. Denn die Weſtküſte iſt bewohnt , die Oſtküſte aber faſt ganz menſchenleer, nur wenige Eskimo
ausgeſchloſſen .
Unter 64° 50' und in einer Höhe von
2600 m wurde die bisher verfolgte nordweſtliche Richtung
familien führen hier zeitweilig ein entbehrungsreiches Wan
verlaſſen , man wandte ſich in nahezu ſüdweſtlicher Rich
derleben. Als umumgänglich erforderlich erſchien es Nanſen
tung Godthaab zu. So groß aber wurde die Hiße auf dieſen eisbededten Höhen im Monat Auguſt , daß man
ferner, daß die Unternehmung nur geübten Schneeſchuh läufern anvertraut werde, da dieſe unvergleichlich ſchneller zu reiſen imſtande feien, als Fußgänger. Brauchten doch, wie er ſelber betonte , Nordenſtjölds mit Schneeſchuhen verſehene Lappen nur 37 Stunden , um eine doppelt ſo lange Strecke zurüdzulegen, wie diejenige war, welche die
zu Fuß fid; fortbewegende Expedition in 27 Tagen durch:
anfangs nur des Nachts marſchierte; der Fortſchritt war äußerſt langſam , da tiefe Schluchten und heftige Regens güſſe das Reiſen außerordentlich erſchwerten. Das Eisfeld ſtieg allmählich zu einer Höhe von 3300 m und breitete ſich dann zu einer großen , nach Norden zu anſteigenden Hochebene aus, die einem gefrornen
maß.
Djean glich und über weldhe furchtbare Stürme hinweg
Fridtjof Nanſen , der gegenwärtig im dreißigſten Lebensjahre ſteht, iſt ſelbſt ein vortrefflicher Schnee duh
brauſten, die Temperatur bis zu 500 C. herabdrückend.
läufer. Dreimal hat er auf Schneeſchuhen im Winter die Reiſe von Bergen nach Chriſtiania gemadyt und dabei im Hodgebirg im Schnee eingegraben übernachtet. Zugleid,
Abſtieg zur Küſte. Das ſchredlich zerklüftete Eis madyte denſelben aber äußerſt gefährlid ), und mehr als einmal drobte den Wanderern der Abſturz in die mächtigen Spalten , in welche das Eis bis zu unergründlicher Tiefe ſich zerklüftete. Immer aber rettete Nanſens Geiſtesgegen : wart durch ſchnelles Herumwerfen der mit raſender Sdnellig keit über das Eis dahinſegelnden Schlitten die Erpedition
war er wiſſenſchaftlich vortrefflich geſchult , feine zoologi iden å beiten als Konſervator des Muſeums in Bergen trugen ihm die goldene Medaille des Muſeums ein. In allen Leibesübungen gewandt, geſtählt gegen jedes Wetter, ein vortrefflicher Seefahrer, ſchon mit 16 Jahren im Beſit
Nad vierzehntägigem , mühevollen Marſd) begann der
vor dem ſicheren Untergang.
einer großen Anzahl von Prämien für Schlittſchuh- und
Am 19. September kam das Küſtengebirge in Sicht,
Sdhneeſchuhlaufen erſchien er, wie feiner geeignet, die große Eiswüſte Innergrönlands zu bezwingen. In dem alzeit für wiſſenſchaftliche Zwecke gern von ſeinem Reichtum ſpendenden Kaufmann Auguſtin Gamél in Kopenhagen fand er einen opferwilligen Mäcen . Zu Gefährten wählte er drei erprobte Norweger, den Lieutenant Olaf Dietrichſen , den Steuermann Otto Sverdrup und den Landbeſißer Kriſtian Kriſtianſen. Dazu kamen noch
26. September wurde der innere Ausläufer des Amera:
zwei Lappen Dle Ravna und Samuel Janſen Bratto, alle, wie Nanſen ſelber, vorzügliche Schneeſchuhläufer. Die Fahrt ging von Leith über die Faröer nach Jsland und von da in dem Dampfwaler ,, Jaſon " zur
Oſtküſte Grönlands, an welcher nach einigem Umberkreuzen
lit-Fjords unter 640 12' nad, jedysundvierzigtägiger Wan derung über eine ununterbrodene Eisfläche von mehr als
400 km Breite erreicht. Nanſen zimmerte hier aus dem Fußboden des Zelts , aus Kiſten , Bambusſtöcken und
Weidenzweigen ein Boot und erreichte in dieſem gebrech lichen Fahrzeug am 3. Oktober Godthaab. Zur Rüdfahrt nach Europa war es nun aber zu ſpät.
Der leßte Dampfer in dieſem Jahre war bereits
vor mehreren Tagen von Godthaab nad Ericſtad abges gangen , Nanſens in einem Kajak nadygeſandte grönlän: diſde Boten erreichten den Dampfer zivar nod) zur rechten Zeit , um ſeinen kurzen Reiſebericht mit auf die Fahrt zu nehmen , an eine nochmalige Rückkehr aber nady Godthaab durfte der Kapitän der vorgerüdten Jahreszeit wegen nidt denken . So mußte ſid Nanſen zur Ueber
am 17. Juli 1888 in Sicht der grönländiſchen Küſte bei dem Sermilit- Fjord das Schiff in zwei Boten verlaſſen wurde, in der Hoffnung, am nächſten Tage das Land durch das loſe Padeis hindurch zu erreichen. Allein das erwies ſich als unmöglich. Ju beſtändigem Rampf mit dem Eis bis Anoretot unter 610 30' , alſo bis in die Nähe von
Kopenhagen zurüdfehren.
Kap Farvel ſüdwärts getragen , konnte ſich die Expedition erſt nach zwölftägiger unabläſſiger Arbeit in offenes Küſten
Grönland mit Ausnahme eines dmalen Küſtenſaumes
waſſer durcharbeiten und in dieſem nach Norden bis Umivit unter 62° 15' hinaufrudern, wo die Expedition
von einer ungeheuren Eisdecke überlagert iſt, deren Mächtigkeit er auf 1600 bis 1900 m ſchäßt.
landete und die Ueberlandreiſe begann.
Dieſer Erfolg hat die lange fallen gelaſſene Hoff nung , den Nordpol zu erreichen , wieder neu belebt. In Norwegen wurde der Plan gefaßt, unter Nanſen im Som
Nanſens urſprünglicher Plan, in nordweſtlider Rich tung Chriſtianshaab an der Diskobai zu erreichen , von welchem ſüdlid Nordenſfjöld 1883 und nördlid Peary 1886 ihre Vorſtöße nad Dſten zu gemadt hatten , mußte auf
gegeben werden, da die Jahreszeit zu weit vorgerückt war.
winterung entſchließen, erſt am 21. Mai 1889 konnte die
ganze Erpedition mit dem erſten Schiff des Jahres nady
Damit hat Nanſen den Beweis geliefert , daß ganz
mer 1890 eine Erpedition auszuſenden, welche, das Franz
Joſeph -Land als Stüßpunkt benußend , in gewiſſen Ent: fernungen, wo immer thunlich, Zwiſchenſtationen bis zum
Die alten Bewohner der timbriſchen Halbinſel.
Nordpol anlegen ſoll. Franz-Joſeph-Land iſt bekanntlich ſchon früher als Ausgangspunkt einer ſolchen Erpedition empfohlen worden.
Während der „ Kampf um den Nordpol" ſo unent-
wegt weitergeführt wird , hat das Intereſſe für eine Erforidung der Südpolargegenden troß der warmen Befür : wortung Neumayers u. a. und der opferwilligen Bereit ſchaft der auſtraliſchen geographiſchen Geſellſchaften , das
Unternehmen zu unterſtüßen, zu einer Inangriffnahme der
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Unterſuchungen, an welche ſich für Biologie und Zoologie, phyſikaliſche Geographie und andere Disziplinen Fragen von höchſtem Intereſſe knüpfen, noch keineswegs, denn ſie ſind ebenſo ſchwierig als koſtſpielig ; indeſſen gewähren nach Krümmel die 160 Plankton- Stationen der jüngſten Erpedition jedenfalls ein annähernd zuverläſſiges Bild von der Menge und Artung der im Dzean treibenden organi ſchen Weſen.
So gewahren wir denn auch in dem jüngſt vers floſſenen Zeitraum eine emſige Thätigkeit in allen Teilen
Erforſchung des noch ſo wenig bekannten Gebiets nicht führen können. Das engliſche Miniſterium verſagte den Auſtraliern die erbetene Beihilfe und im übrigen Europa hat
der Erde.
man ſich auch nicht für ein ſolches Unternehmen erwärmen
Vild ſider und beſtimmtvorliegt, die Erdkruſte nach ihrer
Ein Schritt zur Wiederaufnahme antarktiſcher Forſchung mag alerdings die von einem in Neuſeeland
geologiſchen Zuſammenjeßung , ihrer pflanzlichen Dede,
anſäſſigen Norweger geplante Seefiſcherei im Südpolarmeer ſein, wobei auch die Errichtung einer ſtändigen Winterſtation an einem geeigneten Punkte in Ausſicht genommen iſt. Das wichtigſte geographiſche Ergebnis aber der lebten Forſchungen in den Polargebieten iſt nädſt Nanſens
Der Zuſammenhang zwiſchen den verſchiedenen Erſchei nungen auf dem einen Felde mit dem , was man auf anderen Gebieten fand , wird geſucht und nachgewieſen . rung der rein räumlichen Grenzen, ſie ſtrebt nicht ſo ſehr
fühnem Zug die Ridhtigſtellung der Lage und Ausdehnung
nad Erweiterung als nach Vertiefung .
können .
Die weißen Flede der Karte werden ausgefüllt,
Unrichtigkeiten ausgemerzt und , wo das fartographiſche
ibren tieriſchen und menſdlichen Bewohnern näher erforſcht.
Die Forſchung begnügt ſich nicht mehr mit der Erweites
des bisher nur wenig bekannten König Karls-Lands öſtlid) von Spißbergen. Mit Unterſtüßung der Geographiſchen
Geſellſchaft in Bremen traten Dr. Küdenthal und Dr. Wal: ter am 7. Mai 1889 eine zoologiſche Forſchungsreiſe von Tromso an , zuerſt auf dem Fangſchiff „ Bernina “, dann, nad dem dieſes bei den Rus - Inſeln geſtrandet war , auf dem Fangſchiff „ Cecilie Malene" . Begünſtigt durch die Eisverhältniſſe im Díten , konnten ſie ſchon früh mit reichen geographiſden Reſultaten nach Bremen zurüdfehren. Als eines der bedeutendſten muß die Richtigſtellung der Aus: dehnung des König Karls - Lands bezeichnet werden, welches ſidy mit Einfluß der 1884 von Johanneſſen und Andreaſſen entdeckten neuen Inſeln um mindeſtens 8 Längengrade weniger weit nad Dſtnordoſt erſtreckt, als die Karten bis: her angegeben haben. Schließlich jei noch der im Sommer des Jahres
Die alten Bewohner der kimbriſchen Halbinſel. Eine kulturhiſtoriſche Sfizje. Aus dem Däniſden nach C. F. Alle n . Götterlehre . 1. Die älteſte Bevölkerung des Nordens. Götterverehrung. - Stjaldengefänge. Sprache. Runeii.
Unſere nordiſchen Vorfahren gehörten zu dem großen
gotiſch -germaniſchen Volksſtamme, welcher ſich über die nördliche Hälfte von Europa, rund um die Nord- und Dſt fee, ausbreitete. Von dem fernen Aſien, von den Gegenden
am Kaukaſus, dem Schwarzen und Aſowſchen Meere und vielleicht noch weiter aus dem Oſten her wanderten ſie durch die öſtliche Tiefebene von Europa in das jeßige Deutſch
unter Leitung des Profeſſors Henſen ausgeführten PlanktonErpedition gedacht, welche im Juli von England auf-
wandten Stämmen , den Germanen und den Goten , die
brach und der außer dem genannten Führer die Zoologen
in Lebensweiſe, Sitten, Götterlehre und Staatsverfaſſung
Brandt und Dabl, der Botaniker Sdütt und der Geograph Krümmel angehörten. Die Hauptmaſſe des Plant-
manches gemeinſam hatten, ſich aber burd mehrere Eigen tümlichkeiten, namentlich hinſichtlich der Sprache, vonein
tons (d. i. ,,das Treibende" ), der lebenden Weſen, welche an der Dberfläche des Meeres unbedingt den Meeres: ſtrömungen folgen, findet ſich in der Schicht bis etwa 300 m unter der Oberfläche, alſo etwa ſoweit das Licht reicht. Man unterſcheidet perennierendes oder nichtperen : nierendes Plankton. Die Formen des erſten durchlaufen ihre ganze Entwidlung im Meere dhwimmend, während dem zweiten Quallen angehören, deren Brut als Polypen am Grund ſich feſtſeßt, ſowie feſtgewachſene Muſcheln, deren Embryonen umberſdwimmen. Profeſſor Henſen iſt der erſte geweſen, welcher mit der biologiſchen Seite des Planktons ſich beſchäftigt hat. Abgeſchloſſen ſind die
ander unterſchieden. Nachdem die Goten eine zeitlang
Ausland 1890, Nr. 5 .
land.
Sie beſtanden aus zwei miteinander nabe vers
ſich an der ſüdlichen Küſte der Dſtſee aufgehalten hatten, wo wir ſie mehrere Jahrhunderte vor Chriſti Geburt an treffen, feßten ſie die von Aſien begonnene Wanderung von Oſten nach Weſten fort. Frühzeitig an Meerfahrt gewöhnt, zogen ſie über die Oſtſee hinüber und beſetten
die gegenüberliegenden Länder. Ein Stamm ließ ſich in
Schonen, Seeland , Fünen und auf den umliegenden Inſeln, ſowie in dem nördlichen Teile von Jütland nieder, während andere verwandte Stämme ſid) über Sdweden
und Norwegen ausbreiteten . Derjenige Zweig des gers maniſden Stammes , welcher dem däniſden Feſtland zu 14
Die alten Bewohner ber timbriſchen Halbinſel.
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nächſt wohnte, waren die holſteiniſchen Sadſen ; einzelne mit dieſen verwandte Stämme brangen von hier nach
Schleswig und in die ſüdlichen und weſtlichen Teile von Jütland hinein, wo ſie ſich unter dem Namen Angeln und Jüten niederließen.
Dbgleich dieſe beiden Volksſtämme
ſpäter durch eine Auswanderung nach England (450) be deutend kleiner wurden und ihr Land zum großen Teil von ihren nördlichen Nachbarn beſeßt ward , welche die zurückgebliebenen Uebereſte verdrängten oder ſich mit ihnen
vermiſchten, legt doch eine bis auf unſere Tage erhaltene Eigentümlichkeit in der Sprache Zeugnis davon ab, daß die
ſtufe; ſie kannten feinen Ackerbau, kaum einmal Viehzucht;
aber ihre Hauptbeſchäftigung, Jagd und Fiſcherei, ver ſchaffte ihnen reichliche Nahrung in den großen Wäldern, die voll von Wild waren , und in den fiſdreiden Förden und Landſeen, welche damals in einer weit größeren An zahl vorhanden waren als jeßt , da manche im Laufe der
Zeit ausgetrocknet oder infolge Hebung des Landes zurüd: getreten ſind. Ihre Waffen und Jagdgerätſchaften waren einfach und von Stein gemacht, ihre Kleidung beſtand aus Tierfellen und ihre Wohnungen waren nach dem Bedürf nis des Augenblics errichtete Hütten aus Holz und Erde. Gleichwohl muß es ein tapferes und kräftiges Volk ge
erſten Bewohner dieſer Gegenden von einem anderen als dem gotiſch däniſchen Stamme entſprungen ſind. Die weſtlichen Küſten von Holſtein und Schleswig wurden von
weſen ſein , weil die ſiegreichen Goten den mit der Unter:
den Frieſen beſeßt, welche, gleichwie die Sachſen, einen
Bildern abmalen .
Zweig des großen germaniſchen Stammes bildeten. Die einwandernden gotiſden Volfsſtämme fanden
indeſſen den Norden nidit unbewohnt; denn in einer
drückung der Finnen endenden Kampf in fürchterlidhen Was die alten Dänen, wie überhaupt die Nordländer
von den meiſten übrigen Völkern der Erde unterſdeidet, iſt der kriegeriſche Geiſt, welcher die Nation beſeelte. Ehre
früheren Zeit hatten ſchon die Finnen und vielleicht auch
und Ruhm konnten nur durch blutige Thaten zu Waſſer
die Kelten, zwei der älteſten und größten Völkerſchaften
und zu Lande erworben werden, wogegen friedliches Ver
Europas, welche ebenfalls von Dſten nach Weſten gewan
halten und ruhige Beſchäftigung gering geachtet wurden.
dert waren, ſich in dieſen Ländern niedergelaſſen. Ueber
Durch Schweiß zu erwerben, was durch Blut hätte erlangt
Finnland und den Bottniſchen Meerbuſen zogen die Finnen nach Schweden und Norwegen, einen anderen finniſchen
Volksſtamm, deſſen Ueberbleibſel die jeßt in den nördlichſten Gegenden von Schweden und Norwegen lebenden Lappen
ſind, vor ſich hertreibend und nach verſchiedenen Seiten hin auseinander drängend. Die Kelten, von deren Soidal im Norden wir noch weniger wiſſen als von den Finnen, ſcheinen in den weſtlichen und ſüdlichen Gegenden von Skandinavien gewohnt zu haben. Auf dieſe Volfsſtämme ſtießen die Goten bei ihrer Ankunft im Norden , und ein
hartnädiger , Jahrhunderte hindurch fortgeſekter Kampf
werden können , galt als Zeiden eines fflaviſden Sinnes,
ſagt ein Schriftſteller, der im erſten Jahrhundert nach Chriſti Geburt lebte und mit den Sitten des Nordens genau bekannt war. Taher waren Körperſtärke und Ge ſchidlichkeit im Gebrauch der Waffen das hödſte Gut, Tapferkeit die größte Tugend und Feigheit das ſchimpf: lichſte Laſter. Eine ſolche Lebensanſdauung zeigt ſich in dem ganzen Thun und Treiben der Nordländer, in der
religiöſen Anſchauung, in der Staatsverfaſſung, in der Erziehung, in der Liebe der nordiſchen Frau und in den Freundſchaftsbündniſſen der Männer. Je ſtärker die ver
begann ziviſchen den älteren Bewohnern und den Neu
ſchiedenen Aeußerungen des Volfslebens waren, deſto deut:
angekommenen, welcher damit endete, daß jene teils aus:
licher ſpiegelt ſich in ihnen dieſe eigentümliche Lebens.
gerottet, teils vertrieben wurden, teils zuſammenſchmolzen und ſich mit den ſiegreichen Goten vermiſchten. Das Andenken an dieſe blutigen Kriege wird in den Sagen
anſchauung der Nordländer ; am ſtärkſten tritt ſie daher
werden in einem beſtändigen Kampfe mit den in der
hervor in der Religion und in der Götterlehre , welche von demſelben Volksgeiſte geſchaffen und weiterentwickelt wurden . Die Götterlehre des Nordens iſt in einem Zeit alter, in dem man keine andere Geſchichte hatte als die von
Zauberkunſt bewanderten ſtarken Thurſen , Riefen oder
den Vorſtellungen und Erinnerungen des Volkes zuſammen :
Jöttnern , und den ſchwächeren , aber heimtüdiſchen
gewebten und in eine dichteriſche Bilderſprache eingekleideten Sagen, nicht eine Erzählung von hiſtoriſchen Begeben
der Nordländer verewigt, in welchen die Götter dargeſtellt
Zwergen , mit welchem Namen die Finnen und Lappen bezeichnet werden . Zu den Kelten dagegen iſt das Verhältnis ohne Zweifel ein friedlicheres geweſen, da dieſe in den alten
Sagen mit dem freundlichen Namen Lichtelfen bezeichnet zu ſein ſcheinen. In der Finniſchen Zeit war Dänemark mit ungeheuren Wäldern bedeckt, die mit öden Haiden und großen Sümpfen abwechſelten, und von dieſer ſeiner Bes daffenheit ſcheint das Land den Namen ,, Tánmark" be:
kommen zu haben, den man ableitet von dán, dàyn, dovn, d. i. flady, und von Marf, d. i. eine mit Wald bedeďte
Ebene. Die Finnen ſtanden auf einer niederen Bildungs
heiten, obgleid) es nicht unwahrſcheinlich iſt, daß einzelnen
dieſer Sagen wirkliche Begebenheiten zu Grunde liegen ; aud kann ſie nicht betrachtet werden als das Ergebnis
des Naddenkens einzelner Weiſen über die Geheimniſſe der Natur und den Gang der Sterne ; ſie war eine Frudyt der unwillkürlichen Volksdichtung, in welcher das Volt feine Vorſtellungen von den göttlichen und menſchlichen Dingen zum Ausdruck brachte und ſich ſelbſt mit ſeinen Leidenſchaften, Wünſchen und Hoffnungen abmalte. ſo erzählen die alten Sagen - war der Odin Schöpfer der Welt, der Herr und Vater der Götter und
Die alten Bewohner der fimbriſden Halbinſel.
Menſchen . Zu Anfang der Zeit entſtand der Rieſe Ymer, ins Daſein gerufen durd, die Einwirkung der belebenden Sonnenwärme auf tie formloſen Maſſen.
Er wurde
Vater der böſen Thurſen oder Jätten (Rieſen) ; aber Odin tötete das Ungeheuer, und ſeine ganze Nachkommen: chaft ertrank in dem Blutſtrom bis auf Einen, welcher
der Stammvater des den Göttern feindlichen Rieſens
geſchlechts wurde. Dieſer ward von Ddin bis nach dem äußerſten Norden verbannt, nad, dem falten Jotunheim,
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hinausziehen und einander töten. Aber die Gefallenen
erheben ſich wieder und kehren nad Walhalla zurüd ; hier werden ſie von den Walkyrien empfangen, welche das Methorn herumreichen während eines feſtlichen Mahles, das von dem Speck des Ebers Sährimner bereitet iſt, welcher, obgleid) jeden Tag geſchlachtet, ſtets aufs neue wieder auflebt. Am willkommenſten in Walhalla ſind diejenigen Helden, welche manche Länder verheert haben und mit einem anſehnlichen Gefolge von beſiegten Feinden
Vor ſolchen Gäſten erheben ſich jämtliche
das auch den hinterliſtigen Zwergen zum Aufenthaltsort
erſcheinen.
angewieſen worden war. Aus Ymers Körper bildete Odin die Welt ; aus dem Fleiſch wurde der Erdboden ge:
Kämpfer Walhallas und die Walkyrien reichen ihnen zum Wilfommen den Weinbeder, welcher übrigens nur dem
ſchaffen ; aus den Knochen entſtanden die Berge, aus dem
Odin fredenzt wird . Dem Helden folgt das von ihm im
Blut das Meer, aus dem Gehirn die Wolken, aus dem
Kriege Erbeutete, welches mit ihm auf den Scheiterhaufen
Haar die Bäume und aus den Augenbrauen Midgaard,
oder in den Grabhügel gelegt wurde , denn es war nicht
die Wohnung der Menſchen, deren erſtes Paar, Askur
gut, „arm zu Odin zu kommen .“ Während ein fo herrliches Loos dem mutigen Krieger
und Embla, aus Eſchenholz gemacht wurde. Durch die Fürſorge und Liebe der Götter für die Menſchen ziehen dieſe ſich den Haß und die Verfolgung der böſen Rieſen zu ; aber Thor, Odins Sohn, iſt ihr Beſchüßer und heißt daher der Retter der Menſchen und der Schuß Mids
zuteil warb, welcher ſich durch mannhafte Thaten einen
Namen erworben hatte, wurde der Feige, welcher niemals Feindesblut hatte fließen ſehen , wenn ſein thatenloſes Leben auf dem Krankenbett zu Ende gegangen war, nach
gaards“. Oft zieht er gegen die Thurſen zu Felde , und indem er auf ſeinem Wagen über den Himmel fährt, trifft er ſie mit ſeinem Donnerkeil oder zerſchmettert ſie mit ſeinem dweren Hammer Mjölnir. Er iſt der Freund und Beſchüßer aller Tapfern ; dieſe wenden ſich daher an ihn, wenn ſie in Not geraten ſind, und er gibt ihnen
dem bleichen Helheim , dem äußerſten Norden, verwieſen,
Kraft zur Ueberwindung ihrer Feinde. Thor war den kriegeriſchen Nordländern immer der liebſte Gott und wurde nod verehrt, als der Glaube an die übrigen Götter nach und nach zu ſchwinden begann ; ſeine Thaten und namentlich
vor Angſt, ſo oft ein Laut von der Oberwelt zu ihnen hinunterbringt. Ddin und Thor, wie auch der Derbe Thyr waren die eigentlichen Kriegsgötter und gehörten zu dem Stamme
ſein Kampf mit den Riefen bildeten den Inhalt der meiſten
der Ajen ; milder waren die Wanen Njord und Frei, die
Götterſagen, und noch nach Verlauf von Jahrtauſenden lebt in einzelnen abſeits gelegenen Gegenden von Nor wegen die Sage von Thor mit dem ſchweren Hammer. Odin, weldjer von dem Hlidſfjalf mit ſeinem Weisheits
ihren Anbetern Reichtum und Ueberfluß ſchenkten und für
wo die garſtige Hela in ihrem unheimlichen Reiche herrſchte. Ihr Gefäß heißt Hunger, ihr Saal Elend, ihre
Thür
(dywelle Verrat, ihr Bett Sdwindſudt und Qual. Hier
ſeßen die Sdjatten der Feigen ihr elendes, freudeloſes Daſein fort, verurteilt zu ewiger Unthätigkeit und zitternd
friedliche Beſchäftigung, für Wetter und Wind, für gün ſtige Meerfahrt, Jagd und Fiſcherei und gute Ernten ſorgten. Zu den Wanen gehörte aud Freia , die Göttin
auge die Erde überſchaut, iſt der Beherrſcher und Lenker des Schidſals der Menſchen. Er beſtimmt das Glück im
der Liebe .
Kriege und den Ausfall der Schlacht, weshalb er der Siegesvater und Heervater genannt wird ; er iſt auch der Urheber kluger Pläne und denkt ſeinen Günſtlingen Weisheit und Beredſamkeit in der Natsverſammlung. Odins Jungfrauen, die Walkyrien , fahren mit dem blin kenden Spieß durch die Luft, um die Helden in Gefahren
in der Lehre von den Göttern und vom Zuſtande nach
zu beſchüßen, oder um ſie mit der Spiße des Spießes zu zeichnen , wenn ſie zu Odin nad Walhalla wandern ſollen . Dieſe Götterwohnung, weldje ſo geräumig iſt, daß acht: hundert Mann neben einander durch jedes der fünfhundert vierzig Thore gehen können, hat ein Dad von blanken Schilden , die Wände werden von Speeren gebildet, und die blinkenden Schwerter dienen an Stelle der Fackeln. Außen vor Walhalla liegt eine grüne Wieſe, wo die Ein
Neben der kriegeriſchen Lebensanſdauung, welche ſich dem Tode ſo klar abſpiegelt, und welche dem eigentlichen Grunddharakter der Nordländer am meiſten entſpricht,
bricht ſich eine andere Anſchauung Bahn , nach welcher die Menſchen nicht in Tapfere und Feige , ſondern in Gute und Böſe geteilt werden und friedliche Tüchtigkeit und reine Sitten aud ihren Lohn finden. Dieſe Lebens anſchauung hat, obgleich ſie niemals eine allgemeine ge worden iſt, ſich dennoch nicht unbezeugt gelaſſen, indem
die Geſchichte uns einzelne Perſonen vorführt, in denen dieſe friedliche und mehr Fittliche Richtung fich ausgeprägt findet.
Dies iſt insbeſondere bei dem däniſchen Volfe der
Fall, welches überhaupt von ſeinen nördlichen Nachbarn , deren ſtrengeres Klima auch eine rauhere Denkart erzeugte,
heriarnen , d. h. die in Walhalla aufgenommenen Helden,
durd einen ſanfteren und milderen Charakter ſich unter:
ihr früheres Rampfſpiel fortſeßen, indem ſie jeden Morgen
chieden zu haben ſcheint. So wird von dem König Stjold
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Die alten Bewohner der timbriſchen Halbinſel.
berichtet, daß er ebenſo ſehr durch ſeine milde Regierung
ihrer Geſellſchaft ausgeſtoßen ward, nachdem er Balder
und ſeine Fürſorge für das Wohl feiner Unterthanen wie durd Tapferkeit und friegeriſche Thaten ſich ausgezeichnet hat ; Armengeld zahlte er aus ſeiner eigenen Schaßkammer, Kranke ließ er auf ſeine Koſten pflegen und heilen und harte und unbillige Geſeße durch mildere erſeßen. Von König Fredfrode in Leire wird erzählt, daß unter ſeiner Regierung allgemein Friede im Lande geherrſcht, daß die Erde reichlich Früchte hervorgebracht hat und daß die
verraten hatte. Dieſer war Odins und Friggas Sohn, der freundlidſte, rechtſdyaffenſte und weiſeſte von allen Ajen, in deſſen Nähe fein Unreines geduldet wurde und
Sicherheit ſo groß geweſen iſt, daß man ſelbſt den Mörder feines Bruders, wenn man demſelben begegnete , nicht getötet, ſondern das Geſeß hat walten laſſen . Rolf Krafe warb berühmt nicht ſo ſehr durch ſeine Heldenthaten, als
durch die Liebe, die er bei dem Volke fand, wegen ſeiner milden Sitten und der unparteiiſchen Handhabung der Gefeße gegen Hoch und Niedrig, ſo daß ſelbſt chriſtliche Könige in ſpäteren Jahrhunderten ſich ihn zum Vorbild nahmen. Endlich wird der edle Hroar als das Muſter
deſſen Urteilsſprüche unumſtößlich waren . Er , tvar der Liebling aller Aſen und, ſo lange er, der Unſchuldige und Reine, lebte, iar Walhalla nicht in Gefahr. Aber durch Lokes Verrat wurde Balder von ſeinem blinden Bruder Hödur getötet. Dieſe Begebenheit erfüllt die ganze Welt mit Schrecken und bangen Ahnungen. Die Götter ſchicken Boten an Hela mit der Bitte, Balder zurückzugeben, aber ſie antwortet, ſie wolle ihn nicht fahren laſſen , wenn nicht die ganze Welt feinen Tod beweinte. Dieſes Ver: langen wird von Menſchen und Tieren, Steinen, Pflanzen und Metallen erfüllt; nur Loke, in Geſtalt einer alten Zauberin , erklärt, daß er Balder nur mit trockenen Thränen beweinen wolle, und Balder muß in Helheim bleiben. Jebt,
da Unſchuld und Rechtſchaffenheit die Aſen verlaſſen hat,
eines rechten Bürgerkönigs genannt. Während ſein Bruder
gehen dieſelben ihrem Untergang entgegen. Der Fenriswolf
Helge auf dem Meere umherſtürmte, Feinde erſchlug und
wird losgemacht, die Midgaardsſchlange ſteigt aus dem Meere empor und Loke ſtürmt mit den Thurſen und dem
Länder verwüſtete, blieb Hroar ruhig zu Hauſe , baute Städte, ſtellte die Sicherheit der Wege wieder her, indem er Räuber und Mörder verfolgte, beſchüßte Kaufleute und Handwerker und beförderte alle bürgerlichen Geſchäfte. Dieſe Beiſpiele werden hinreichen, um zu beweiſen, daß wenigſtens bei demjenigen Teil der Nordländer, der den däniſchen Volksſtamm bildete, Ehre nicht einzig und allein durch blutige Thaten erworben wurde, und dazu
brennenden Surtur gegen den Himmel. Die Afen ziehen mit den Einheriarnen aus Walhalla heraus , fallen aber ſämtlich in dem Entſcheidungskampfe. Das Meer tritt
über ſeine Ufer, die Sonne wird verdunkelt, die Sterne
Götter waren wohl die Beherrſcher der Erde und des Himmels und ſtark und ſiegten über ihre Feinde , aber ſie
verſchwinden vom Himmel, Feuerflammen brechen überall hervor und die ganze Welt wird zerſtört. Aber es ent ſteht eine neue Erde und ein neuer Himmel, wo Recht ſchaffenheit herridyt, und nun ſteigt er hernieder, der Mäch: tige, deſſen Name die alte Wahrſagerin , welche uns das Schidſal der Götter verkündet hat, nicht auszuſprechen wagt ; er richtet und ſchläfert die Müden ein und gibt heilige und unverbrüchliche Gefeße. Die Erde ſteigt wieder aus dem Meere empor in prächtigem Grün , das Korn wächſt auf den bejäeten Feldern und alle Not verſchwindet. In Gimle, auf der mit goldenem Dach verſehenen Burg,
waren nicht unſterblich; es wurde geweisjagt , daß dic
welche ſchöner iſt als die Sonne, ſollen die Scharen der
Götter einmal ſterben und die Welt in Ragnarok (Götter: dämmerung) verſinken werde. Judeſſen waren die Götter
Rechtſchaffenen in ewiger Freude wohnen. Balder und alle Götter, welde in den Feuerflammen geläutert ſind, kehren zurück und wohnen bei dem Allmächtigen in Gimle. Die Böſen dagegen, die Mörder, die Meineidigen und die Verführer der Frauen, werden ewig in Naſtrand gepeinigt, wo ſie durch einen Eiterſtrom waten in einer von Sdlangen rücken geflochtenen Burg. In dieſen Zügen malen und die alten Sagen die Vorſtellungen unſerer Vorväter über den end
dienen, um den merkwürdigen Gegenſaß zu zeigen, welcher ſich in der religiöſen Anſchauung entwickelte, infolge deren die alten Kampfesgötter einer neuen und höheren ſittlichen Macht Plaß machen mußten. Dieſe Veränderung in der
religiöſen Anſchauung wird , obwohl nur in ſchwachen Umriffen, in den noch vorhandenen Sagen angedeutet. Die
ſo lange ſider, bis ſie ſelbſt die Saat des Verderbens
dadurch ausgeſtreut, daß ſie ſich mit den böſen Jätten eingelaſſen hatten. Der doppelzüngige und doppelherzige Loke, halb zu dem Thurſens und halb zu dem Ajen: Geſchlechte gehörig, war der erſte, der den Tod unter die Götter brachte. Mit einem Rieſenweib erzeugte er die drei häßlichen Ungeheuer Hela, welche von Ddin nad Helheim hinuntergeſtoßen wurde , um die Schatten derjenigen zu bewachen , die einen unehrenvollen Tod auf dem Kranken . bett gefunden hatten , den raubgierigen Fenriswolf und die Midgaardeſchlange, welche ins Meer geſtürzt wurde wo ſie in ungeheuren Windungen die ganze Welt um : dhließt, beſtändig auf die Stunde wartend, in welcher die Götter fallen ſollten. Der heimtüifiſche Loke wußte ſich bei den Göttern beliebt zu machen , bis er zu ſpät aus
liden Sieg des Guten über das Böſe und eine moraliſche
Vergeltung; dennod, aber war die kriegeriſche Lebens: anſchauung, die der Tapferkeit einen unbedingten Wert bei: legte, ohne Rückſicht auf das ſittliche Verhalten des Menſchen , die weit überwiegende, und erſt durch das Chriſtentum,
das in jenen alten Vorſtellungen Anknüpfungspunkte fand, fam die Idee einer ſittlichen Weltordnung allgemein zur Geltung.
Die Götter wurden in der älteſten Zeit unter offenem
Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
89
Himmel in Hainen auf Pläßen verehrt, die mit Steinen
îchen Vorfahren in Krieg und Vifingerfahrten beſtand,
umgeben waren . Später führte man hölzerne Tempel auf, unter welchen der in lipſala beſonders berühmt war,
Lebensweiſe waren, fehlte es dody niemals an geiſtiger
und errichtete hier Bildſäulen der Götter.
Der Gottes:
dienſt wurde in den kleineren Kreiſen von dem Familienvater und Stammeshäuptling geleitet, in den größeren Verſammlungen von dem König und Droſt, und obgleich
es Prieſter gab, weldhe die Opfer und die gottesdienſtlichen Verrichtungen in den größeren Tempeln beſorgten, iſt es doch nicht erwieſen , daß ſie eine beſondere Kaſte bildeten, welche eine geheime, von der Volfsreligion ver: ſchiedene Lehre fortpflanzte. Der wichtigſte Teil des Gottesdienſtes beſtand in Opfern, welche bei den großen Opferfeſten ſtattfanden , von welchen drei beſonders heilig waren : das Erntefeſt, gegen Winter , an welchem man nach beendigter Ernte den Göttern für die erwieſenen Wohlthaten dankte und den kommenden Winter begrüßte ; das Weihnachtsfeſt, das zu Anfang der längſten Winter: nacht gefeiert wurde und manche Tage dauerte, an denen man den Göttern für Fruchtbarkeit und ein gutes Jahr Opfer brachte ; das Frühlingsopfer für Glück im Kriege und auf den Vifingerzügen , welche jeßt beginnen ſollten. Das Weihnachtsfeſt war das heiterſte von allen und wurde mit Spiel und munteren Gelagen gefeiert, wo das Bier und das Methorn unter den Gäſten herumgingen. Alle, welche dazu imſtande waren, berſammelten ſich bei dem Haupttempel und die Abweſenden didten Geſchenke dorthin ; Freunde bedachten einander und alle Fehde ruhte. An den Dpferfeſten wurden verſchiedene Tiere , z. B. Stiere, Pferde, Ziegen , Schafe und Hühner, geſchlachtet,
vor allen aber galt der Weihnachtseber für heilig, der unter verſchiedenen Feſtlichkeiten am Weihnachtsabend geweiht, aber erſt ſpäter im Winter geopfert wurde.
Wenn
die Tiere geſchlachtet waren, weisſagten die Prieſter aus den Eingeweiden und dem fließenden Blute, das darauf über die Götterbilder, die Wände des Tempels und über
das verſammelte Volt ausgeſprengt wurde. Das Fleiſch
und obgleich ſie von Natur hart und ſtreng in ihrer Bildung, wenn es auch vergeblich ſein würde , eigentliche Wiſſenſchaften bei ihnen zu ſuchen. Die Sfjalden- oder Dichtkunſt war bei allen geachtet, und Geſchidlichkeit hierin gab eine ebenſo ſichere Anwartſchaft auf einen unſterb lidhen Nadruhm wie blutige Thaten, weshalb auch die angeſehenſten Männer der Nation eine Ehre darin ſuchten, dieſe Kunſt zu fennen und auszuüben. Das Volt lauſdite
gern dem Sänger in den Thingverſammlungen und den Gilden , und die Könige empfingen den berühmten Sänger
mit nicht geringerer Aufmerkſamkeit als den Krieger ; denn nur die Dichtkunſt, deren Geſänge durch Jahr hunderte hindurd) ſid) fortpflanzten, ſicherte ihnen einen dauernden Ruhm ihrer Thaten bei den kommenden Ges idylechtern. Gegenſtand der Sfjalden -Geſänge waren die großen Thaten der Vergangenheit und der Gegenwart, und ſehr oft war der Sänger ſelbſt Zeuge der von ihm
beſungenen Thaten geweſen. Daher bildeten dieſe Stjalden Geſänge gleidſam eine fortlaufende Geſchichte der Nation, und durch mündliche Ueberlieferung der Nachwelt erhalten, ſind ſie die zuverläſſigſte Grundlage für die Kunde von den älteſten Begebenheiten und der älteſten Verfaſſung des Nordens. Aber nicht allein das wilde Kriegsleben gab dem Dichter Stoff zu Geſängen ; auch Liebe und weibliche Anmut wurden von den Dichtern beſungen , denen es auch für dieſe ſanfteren Töne nicht an willigen Zu hörern unter unſeren Vorfahren fehlte.
In allen nordiſchen Ländern wurde dieſelbe Sprache geſprochen , welche ſich nod ziemlich unverändert auf Js: land erhalten hat, das wegen ſeiner Abgelegenheit bon manden Einflüſſen frei blieb, die in den übrigen Gegen: den des Nordens die Veränderung der Urſprache bewirkten .
Allerdings gab es ſchon im Altertum kleine Verſchieden : heiten in den verſdiedenen Gegenden, gleidwie man noch Abweichungen findet in der Ausſprache und in dem Sprach
im Gottes:
gebraud, in den einzelnen Provinzen eines und desſelben
bauſe angezündeten Feuer gekocht und darauf zu einer Mahlzeit für die Opfergäſte angeridytet . Zuweilen wurden aud Menſchen geopfert, um z. B. während einer großen Kriegsgefahr oder Hungersnot den Zorn der Götter zu verſöhnen oder ſonſt bei außerordentliden Veranlaſſungen ; dody iſt von dieſen grauſamen Menſchenopfern, wozu man Kriegsgefangene, Sllaven und Verbrecher nahm , nur ſelten
Reiches, aber nirgends ſo bedeutende , daß der eine den andern nicht verſtehen konnte. Ja, die Verſdiedenheiten waren noch weit geringer, als man in einem ſo ausge dehnten Lande hätte erwarten ſollen , da der beſtändige Verkehr, welcher zwiſchen der Bevölkerung des Nordens ſtattfand und den das Meer, welches überall Buſen bildete, ſo ſehr erleichterte , die Unterſchiede ausglid). Dazu kam , daß die Menſchen dieſelben Geſchäfte, Lebensweiſe, Sitten,
der Dpfertiere wurde in Reſſeln über einem
die Rede.
An den Opferfeſten wurde auch zu Ehren
der Götter getrunken ; zuerſt zu Ehren des Odin, damit er dem Könige Sieg verleihe , darauf zu Ehren Njords und Freis, damit Ruhe im Lande bliebe und es ein gutes
Religion und Staatsverfaſſung hatten, und die Kluft,
Jahr gäbe ; dann pflegte man die Geſundheit des Brage,
nicht entſtanden oder doch nur bodyſt unbedeutend. In den Geſängen der Stjalden und in den Reden auf den
des Gottes der Beredſamkeit und der Dichtkunſt, zu trinken und manche tranfen auch zur Erinnerung an ihre bes
welche die Verſdiedenheit in Erziehung, Stand und Bils dung zwiſchen den Menſchen bildet , war entweder nod)
Volfsverſammlungen erreichte die nordiſche Sprache einen
hohen Grad von Biegſamkeit , Reichtum und Mannig Obgleid, die gewöhnliche Beſchäftigung unſerer nordi- , faltigkeit im Ausdrud . Die germaniſche und die nordiſche
rühmten Vorfahren .
Ausland 1890 , Nr. 6 ,
15
Die alten Bewohuer der timbriſchen Halbinſel.
90
Sprache waren aus einer gemeinſamen Wurzel entſprungen
und nahe miteinander verwandt, unterſchieden ſich aber durch mehrere Eigentümlichkeiten, die ihren Grund hatten in einer frühzeitigen Trennung und darauffolgenden abs
ſtumpf machen, Feuer löſchen , Sturm beruhigen oder Un wetter heraufbeſchwören , ſeine eigene Geſtalt verändern und die Geſtalt dieſes oder jenes Tieres annehmen, die Zukunft vorausſehen, Geiſter aus den Gräbern hervors
geſonderten Entwickelung. Der gewöhnliche Name der
rufen zu können 2c. Häufig Ivar beſonders der Gebrauch
nordiſchen Sprache war däniſche Zunge", eine Benen. nung, die teils in dem großen Anſehen und der Uebers legenheit , welche dem däniſchen Volke frühzeitig eigen waren, teils in anderen Umſtänden ihren Grund hatte.
der ſog. Liebesrunen, mittelſt welcher man einer anderen
Dänemark hatte in den leßten Jahrhunderten der Heiden zeit mehrere berühmte Könige , als Harald Hildetand,
angewandt wurden, leicht Krankheit und Tod zuziehen. Man ſchrieb Runen auf das Ruder des Schiffes, auf den
Sigurd Ring und Regner Lodbork, welche den größeren Teil des Reiches beherrſchten und durch ihre glüdlichen Kriegszüge an den Küſten der Oſt- und Nordſee den däni: idhen Namen bekannt und gefürchtet machten. Dänemark bildete auch früh einen Staat , weshalb die einzelnen
Schwertgriff, auf die Nägel der Hand, in die hohle Hand oder auf das Handgelenk, als eine Art von Amuletten,
Kriegszüge und Eroberungen als das Werk eines ganzen Volkes betrachtet wurden. Zwar wurde auch Norwegen zu einem Reiche bereinigt, nicht lange nachdem dies in Dänemark geſchehen war, jedodh entſtanden dort ſchnell innerer Streit und Bürgerkrieg , welche die Kraft des Landes verzehrten, und was Schweden anlangt, ſo lag
dieſes zu weit abſeits und war in zu viele Teile geteilt, um in der alten Zeit eine irgendwie bedeutende Rolle unter den Völkern des Nordens ſpielen zu können.
Von
Liebe abgewinnen zu können glaubte ; wenn aber der Runenmeiſter in ſeiner Kunſt nicht bewandert war , dann konnten ſeine Beſchwörungen demjenigen, für welchen ſie
um ſich des Glückes zu verſichern oder Unglück von fich abzuwenden. Aber neben dem abergläubiſchen Gebrauch der Runen benußte man ſie auch als ein Mittel zu ſchrift
licher Mitteilung und ſchrieb ſie zu dieſem Zweck auf dünne Holztafeln, welche gleichwie Briefe abgeſchickt wurden, um von wichtigen Angelegenheiten Nachricht zu geben.
Sollte die Sache geheim bleiben, dann bediente man ſich
der Geheimrunen , aber machte dieſe zuweilen ſo künſtlich, daß ſelbſt der Empfänger ſie nidt deuten konnte.
Weit
läufige Erzählungen wurden nicht mit Hilfe von Runen aufgezeichnet, wohl aber Stammtafeln und dergleichen , was ſonſt leicht in Vergeſſenheit geraten konnte ; auch findet man ausdrüdliche Zeugniſſe, daß mitunter ganze Gedichte auf dieſe Weiſe aufgezeidnet worden ſind.
allen nordiſchen Ländern hatte Dänemark die glücklichſte Lage zwiſchen der Nord- und Oſtſee, welche es zum Mittelpunkt für den Verkehr des Nordens machte und Tauſende von Schiffen in ſeinen Gewäſſern verſammelte, beſonders im Deres
geworden durch die Sitte der Nordländer, zur Erinnerung
Sund und in den Belten, den Schlüſſeln zur Dſtſee. Für
an merkwürdige Begebenheiten oder berühmte Tote Runen
den Verkehr aus dem Süden lag Dänemark am nächſten , und auf dieſem Wege wurde der Süden zuerſt mit dem Norden bekannt , zuweilen durch Handel und friedliche Zuſammenkunft, öfter durch feindlichen Zuſammenſtoß.
man manche Hunderte rund umher in den nordiſchen Län dern, die meiſten in Schweden, die wenigſten in Däne
Am wichtigſten für die Nachwelt ſind die Runen
in Stein einzugraben. Von ſolchen Runenſteinen findet
mark und Norwegen, und der größte Teil ſtammt aus
Dieſe und andere ähnliche Umſtände bewirkten , daß die
der Zeit nach der Einführung des Chriſtentums, einige
Dänen als das Hauptvolk angeſehen und die Sprache
aber rühren aus der Heidenzeit her. Ein paar der merks
nad ihnen benannt wurde.
würdigſten Denkmäler dieſer Art ſind die Fellingſteine bei
Unſere Vorfahren, gleichwie die verwandten Stämme außerhalb des Nordens , hatten eine eigene Buchſtaben
den Grabhügeln des Gorm und der Thyra Danebod, die beide mit Inſchriften verſehen ſind; von dieſen Steinen iſt der eine von Gorm dem Alten gefekt zum Andenken an ſeine Frau Thyra und der andere von Harald Blau zahn zur Erinnerung an ſeine Eltern Thyra und Gorm .
.
ſdrift, die merkwürdigen Runen, deren Entſtehung ſich ſo ſehr im grauen Altertum verliert , daß man ſie von den Göttern ableitete. Das Wort Runen bedeutet in der alten
Sprache Heimlichkeit, woraus teils hervorgeht, daß ihr Gebrauch urſprünglich auf wenige Eingeweihte beſchränkt geweſen iſt, teils daß ſie zu heimlichen Künſten, zu Zau
Seiten ganz mit Striden und Rißen bedeckt ſind , hat
berei und Beſchwörungen, gebraucht worden ſind. Es gab
Striche lange Zeit für Runen gehalten und ſchon im
mehrere Arten Runen, von welchen einige künſtlich und chwer verſtändlich waren, die fog. Idwarzen Runen oder Lönſtaver (Geheimſdrift) , die nur von denjenigen geleſen oder geſchrieben werden konnten , welche große Uebung und Erfahrung darin hatten ; andere waren einfach und leicht verſtändlich. Mit den Runen, namentlich der erſteren
12. Jahrhundert den Verſuch zur Entzifferung derſelben gemacht hat. Jeßt iſt man geneigt , das Ganze als ein Spiel der Natur zu betrachten. Die Runenſdrift erhielt ſich bis tief in das Mittelalter hinein, da das Volk ſeine alten Schriftzeichen ungern aufgeben wollte; zuleßt aber mußten ſie der lateiniſchen Möndisidrift weichen .
Art wurde viel Aberglauben getrieben. Man glaubte damit
( Fortſetzung folgt.)
I
Krankheiten hervorrufen oder heilen , feindlide Waffen .
Der ſogen. Runamo, eine Klippe bei Bledingen , deren eine beſondere Bedeutung dadurch erlangt, daß man jene
Erinnerungen an Neu -Guinea.
Erinnerungen an Neu-Guinea . Nach Tagbuchnotizen von F. Grabowsfy. II.1
91
werden , bis die Häuſer fertig waren und große Tanks (Waſſerbehälter) aus Wellbledh zum Sammeln von Regen waſſer daran aufgeſtellt waren . Dieſe Reſervoirs ſind im nördlichen Auſtralien allgemein im Gebrauch, und ſolange
Am 6. November 1885 landeten wir nun mit den
die Behälter gut rein gehalten werden , hält ſich das Regen
malayiſchen Arbeitern auf der Tags zuvor gekauften Inſel Madang und begannen ſofort mit der Klärung des dichten Waldes, um Stellen für den Bau von Häuſern und Schuppen freizulegen . Auch auf der ,, Lübken " begann man mit dem Löſchen der Balten und Bretter der Häuſer, die
waſſer darin fühl und gut und ſchmeckt als Trinkwaſſer vortrefflich. Wir hatten ſolde Tanks deshalb in Cooktown
I
in Hamburg angefertigt waren. Man hatte zu ihrer Er richtung einen früheren Schiffszimmermann mitgeſchidt, der in Hamburg beim Bau zugegen geweſen war, der ſich aber in der Folge ganz unfähig zeigte , ſelbſtändig nach der Zeichnung ein Haus aufzuſtellen .
angekauft.
Am 13. November war das erſte Haus fertig. Der
Bau dauerte verhältnismäßig lange, weil das Holz ſo hart war, daß für jeden Nagel ein Loch vorgebohrt werden mußte. Wir Europäer hätten nun alle, wenn auch nicht bequem , doch für die Nacht darin Unterkunft finden können,
was um ſo dringender zu wünſchen war, da das Hin- und Herfahren zu den Schiffen viel Kräfte und Zeit in An
Inzwiſchen brachen die Eingeborenen ihr an der Landungsſtelle ſtehendes Haus , gegenüber dem Feſtlande,
ſpruch nahm.
unter vielem Geldrei ab und ſchafften die einzelnen Teile nach dem Feſtlande hinüber , welches zur Ebbezeit längs einer Sandbank von der Inſel aus faſt trockenen Fußes zu erreichen war. Das zweite in der Mitte der Inſel ge legene Haus fauften wir dem Eigentümer ab , errichteten daneben als Anbau aus Kadjang-Matten, die wir in Java
in einem der beiden Zimmer, die das Haus enthielt, das
gekauft, und Segeltuch einen primitiven Schuppen , in dem vorläufig die Malayen untergebracht wurden.
Sdhon am folgenden Tage entſtanden Differenzen, da der Leiter der Erpedition erſt die ganze Inſel abholzen und vermeſſen wollte, um die Häuſer in richtiger Symmetrie bauen zu können , während die übrigen auf den Schiffen mangelhaft untergebrachten Europäer den ſofortigen Bau
der Häuſer verlangten. Erſt nach langen Debatten kam man überein, das erſte Haus ſofort in Angriff zu nehmen. Es war dies ein in Cooktown angekauftes , aus auſtra
liſchem Hartholz angefertigtes Haus. Ein Teil der Euro päer ging nun mit den Malayen aus , um Mangrove ſtämme zu fällen , die in 5 bis 6 Fuß lange Stücke zerſägt wurden. Andere machten mit Bredheiſen Löcher in den Korallenboden , worin die Pfähle aufgerichtet wurden ;
wieder andere faßten endlich die Aufgabe ihrer koloniſato riſchen Thätigkeit dahin auf, daß ſie mit den Eingeborenen Allotria trieben oder die ſchleunigſte Errichtung einer Flaggenſtange für notwendiger hielten, als den Bau eines
Hauſes , tagelang nach einer Flaggenſtange herumſuchten, die dann, unter Aufwendung vieler Kräfte herbeigeſchafft, ſich ſchließlich noch als unbrauchbar erwies. Der 7. und 8. November brachte uns viel Regen und hinderte die Arbeit erheblich. Viele Kräfte abſorbierte das Herbeiſdaffen von Trints
waſſer, da ſolches auf der kleinen Koralleninſel nicht vors handen war. Dasſelbe mußte anfangs in Fäſſern aus
Daraus wurde aber nichts. Es mußte natürlich (!) Stationsbureau ſofort eingerichtet werden, und im andern Zimmer nahm der Leiter der Station mit einem ſeiner
Freunde Wohnung. Auch war es dringendes Bedürfnis geworden , ſofort mit den meteorologiſchen Beobachtungen zu beginnen , und ſo fand auf der Veranda des Hauſes eine ca. 7 Fuß lange umfangreiche Kiſte Play , die für Wochen jede freie Bewegung auf derſelben hinderte. Dies
ſelbe enthielt meteorologiſche Inſtrumente, die ſofort auß gepackt, bald aber wieder eingepackt wurden und Selbſts regiſtrierung üben konnten.
Wollten alſo die übrigen Europäer auch an Land bleiben, ſo mußten ſich dieſelben Zelte aufſchlagen , wobei
ſich herausſtellte, daß einzelne Zeltteile in den Kollis fehlten. Auch die übrige Ausrüſtung war ganz mangel haft ; das zeigte ſich unter anderm in der Küchenaus rüſtung , die herausgeſchickt war. Dieſelbe beſtand in unglaſierten Eiſentöpfen, ſogen. Hamburger Grapen und Negro Pots , barin ſollte Kaffee, Thee , Erbſen , Salz fleiſch 2c. gekocht werden. Da für die Malayen in Java gute , verzinnte Geſchirre angeſchafft waren , mußten wir dieſelben leihweiſe benußen, bis von Auſtralien brauchbares
und anſtändiges Kochgeſchirr beſchafft war , womit die Europäer dann ihre ,,Selbſtbeköſtigung“ bewerkſtelligen konnten. Für die etwa zehn Tage nun , die dieſelben wegen der fehlenden Kücheneinriditung und weil dieſelbe in den erſten Tagen in den vollgepacten Schiffen gar nicht aufzufinden war, auf den Schiffen zu eſſen gezwungen
waren , ſtellte – woran natürlich keiner der Teilnehmer ges bacht hatte --- nach ca.
1 % Jahren die Neu - Guinea Kompanie Rechnungen aus, die, wenn auch kopfſchüttelnd, bezahlt wurden . Id erzähle dieſe Maßnahme der Neu
bem Bumi, einem Fluſie, der etwas außerhalb des Hafens
Guinea-Rompanie als einzelne von vielen hier ausführs licher, weil jedem , der den Vorgängen in Neu - Guinea
in die See einmündet , oder aus dem Atatáfum , einem Bache, der im zweiten Hafenbaſſin einmündet, herbeigeholt
gefolgt iſt, der Umſtand des fortwährenden Beamtenwechſels dadurch vielleicht etwas erklärlicher erſcheinen dürfte.
1 Siehe „ Ausland “ 1889, Nr. 7.
Am 14. November wurde mit dem Bau eines Waren:
Erinnerungen an Neu - Guinea .
92
hauſes aus Welblech begonnen, da die Schiffe alles löſch ten und wir faum noch Rat wußten , wie namentlich die Reisvorräte für die Malayen bei dem herrſchenden Regen vor Fäulnis zu idüßen wären.
dem ſchon vorhin erwähnten Schiffszimmermann , in den
Am 17. November verließ die ,,Lübken“ unter vollen
Männer und zwei Frauen zugeteilt. Weshalb die zweite Station in der Aſtrolabe - Bai
Segeln Finſchhafen, um nach Mioko, der Station der Ham
burger Handels- und Plantagen -Geſellſchaft, im Bismard Archipel gelegen, zu fahren, wohin am 18. November auch der Dampfer ,,Samoa" abging , um dort von Dr. Finích zurückgelaſſene Warenvorräte und Proviant abzuholen. Die ,, Samoa " fehrte am 29. November wieder ; ſie hatte für die Hinreiſe 52 Stunden, zurüd 57 Stunden gebraucht. Inzwiſchen war das Warenhaus fertig geworden und auch ein zweites, größeres Wohnhaus vollendet. Um dieſe Zeit hätte eine falſche Grenzregulierung
beinahe zu Zwiſtigkeiten mit den Eingeborenen geführt, deren einer Speere nadi den Malayen warf. Die Sache
nächſten Tagen zur Errichtung der dritten Station ab: reiſen fönnte. Als Arbeiter erhielten wir einen malayiſchen
Aufſeher (nebſt Frau und zwei Kindern), neun malayiſde
nicht zuerſt gegründet wurde, was doch aus manchen praktiſchen Gründen, wegen der ſnelleren Verbindung 2c., näher gelegen hätte , wurde uns nicht mitgeteilt ; indeſſen
hörten wir ſpäter , daß der dazu deſignierte Beamte es abgelehnt hätte , mit ſo wenigen Leuten die Gründung einer Station zu unternehmen. Wir waren um ſo froher, Finſchhafen verlaſſen zu können , als ſchon damals die denkbar unfreundlichſten
Verhältniſſe unter den wenigen Europäern und zwiſchen dieſen und den Arbeitern herrſchten , die zuweilen einen
Augenentzündungen litten. Am 3. Dezember ging die erſte Poſt per Dampfer Papua" in See nach Cooktown, um nad Berlin audy
ganz bedenklichen Charakter annahmen und Finſchhafen ſpäter von einem humoriſtiſch angelegten Herrn den ſehr bezeichnenden Namen „ Schimpfhafen " einbrachten. Wir beeilten uns deshalb , das von uns verwaltete Warenhaus an unſere Nachfolger zu übergeben , ſchafften am 14. Dezember das uns mitgegebene Wohnhaus und die übrigen Vorräte an Bord der Samoa und verließen am 15. Dezember nachmittags 5 Uhr finíchhafen. Der
per Telegramm die erfolgte Gründung der Station Finſch:
Tag war ſo klar , daß wir alle zum erſten Mal vom
wurde aber nod friedlich beigelegt.
Endlich wurde auch für unſere malayiſchen Arbeiter
ein Wohnhaus in Angriff genommen , was um ſo nötiger war, als viele von ihnen häufiger an Blutdiarrhöe und
hafen zu melden.
Stationshauſe in Finſchhafen aus die Umriſſe der Root
Leider erreichte die „ Papua " niemals Cooktown, ſondern ſcheiterte auf dem „ Osprey Riff" im ſogen. Kos
Inſel deutlich ſehen konnten. Von dem Flaggenmaſt, der zur Genugthuung eines
rallmeer.
der Herren am 12. Dezember endlich errichtet war , rief
Die Mannſchaft rettete fid in den Böten mit der Poſt
uns die deutſche und die Kompanie - Flagge in üblicher
glüdlich nach Cooktown. Uebrigens wurde von den See leuten der , Papua" keine Thräne nachgeweint, da ſie von ihnen für ein gänzlich verbautes, namentlich für Tropen : meere unpraktiſches Fahrzeug gehalten wurde. In den erſten vier Wochen unſerer Anweſenheit in Finidhafen hatten wir 15 Regentage zu verzeidnen ; aller dings fiel der meiſte Regen während der Nacht, war alſo den Arbeiten weniger hinderlich. Am 8. Dezember bezogen die malayiſchen Arbeiter das für ſie errichtete Wohnhaus , welches wie die übrigen Häuſer auf Pfählen errichtet war, eine Flur von Brettern , Wände von Kadjang-Matten und ein Dad aus Wellblech
Weiſe den leßten Gruß nach. Wir fuhren nahe der Küſte und behielten Findhafen
hatte.
Damit war eine Station im großen und ganzen
fertig geſtellt. Da wir bereits vor unſerer Abreiſe von Cooktoron von der Direktion aus Berlin eine Depeſche empfangen hatten, wonach außer in Finſchhafen eine zweit: Station in Friedrich -Wilhelmshafen und eine dritte in Dallmannshafen angelegt werden ſollte - ſo war mir die Leitung der dritten Station zugebadt. Es war mir daher ſehr lieb, als mir am 10. Dezember
eröffnet wurde , daß ich mit dem mir als Aſſiſtenten zu: geteilten Herrn , einem mir ſehr lieben Freunde, ſowie
lange in Sicht. An einzelnen Stellen der Küſte, die bald
hinter Finſdbafen mehr offenes Land zeigte , wurden wir von Eingeborenen angerufen.
Beim Feſtungshul an
gelangt , der ja mit den nun folgenden Terraſſenländern To oft in den ſpäteren Berichten über dieſen Teil der Küſte von Neu -Guinea genannt iſt , wurde es leider ſo dunfel, daß ich dieſes Mal darauf verzichten mußte , dieſelben
kennen zu lernen , auf denen ein ſpäterer ſanguiniſcher Beridterſtatter ,,im Geiſte idon herrliche Viehberden weiden ſah ." 3d hoffe, auf dieſes Terrain nod ſpäter zurückzukommen , da es meine Abſidyt iſt, meine Erinne
rungen in dronologiſcher Reihenfolge wiederzugeben. Am Morgen des 16. Dezembers befanden wir uns bereits in der Aſtrolabe- Bai, etwa in der Höhe der viel :
genannten Inſel Bili- Vili , in deren Nähe der Friedrich Wilhelmshafen liegt , wo die zweite Station gegründet werden ſollte.
Wir hatten bisher eine vorzügliche Fahrt gehabt, da der Strom allein uns in der Stunde drei Meilen weiter
half , während die Samoa bei vollem Dampf ſedys bis ſieben Meilen in der Stunde zurücklegte. Mittags befanden wir uns auf 5 ° 0' ſüdl. Br. und 1450 55' ö . L. und
Erinnerungen an Neu -Guinea. abends näherten wir uns der Vulfan -Inſel , aus deren
Krater nach Sonnenuntergang Feuerſchein ſichtbar wurde, und wo am Tage zwei Rauchwolken geſtanden hatten, was auf einen Doppelkrater ſchließen läßt, was uns ſpäter die Ausſagen der Eingeborenen beſtätigten. Am Donnerſtag den 17. Dezember früh morgens hatten wir die weſtlichſte der Scouten-Inſeln Roiſſy in Sidt und bald darauf tauchten am weſtlichen Horizont auch die Umriſſe der Inſeln Dumont d'Urville und Greffien
93
hinten ausgezogen und mit Kuskusfell von verſchiedener Farbe umwunden . In den langen Zottelbärten waren Hundezähne , taubeneigroße Kugeln aus roter Erde 2c. eingeflochten. Sie waren offenbar ſehr erfreut , uns zu ſehen , ſchenkten uns Kokosnüſſe und luben uns durch Geſten ein, an Land zu kommen. Als wir ihnen bedeuteten, wir würden bald kommen ,
fuhren
ſie an Land und
warteten im Schatten der rieſigen Barringtonien, die auf ganze Strecken das Ufer beſchatteten , ruhig auf unſere
auf. Doch erſt gegen 12 Uhr konnten wir unſer Ziel Dallmannshafen - To benannt nad dem Führer des
Ankunft.
Dampfers ,,Samoa " , dem alten , vortrefflichen Kapitän dieſe Küſtenſtrecken zuerſt befahren hatte – und die Um
Sie ſprangen in die Brandung und halfen das Boot an Land ziehen und dann geleiteten ſie uns auf einem Pfade quer durch die Halbinſel zu ihrem Dorf , das an der
gebung desſelben deutlicher unterſcheiden. Wir dampften
anderen Seite derſelben am Strande unter Rokospalmen
entlang der Südküſte der Greffien - Inſeln, auf deren Dſt und Weſtſpiße unter dichten Kokospalmenhainen Dörfer lagen , während die ganze Mitte der Inſel, außer einem idmalen Waldgürtel an der Küſte, von einer einzigen aus gedehnten Grasfläche eingenommen wird. Drei Ranoes mit Eingeborenen famen von den Dörfern ab und hielten Kokosnüſſe in die Höhe , wir hatten aber keine Zeit , uns mit ihnen abzugeben. Wir fuhren bis zum Weſtende von Grefſien , ſaben die Pâris-Inſel und dwenkten dann
liegt und muſterhafte Sauberkeit und Ordnung zeigte.
Dallmann, der mit Dr. Find an Bord ein Jahr vorher
in einem kurzen Bogen wieder nach Diten, längs der Küſte des Feſtlandes fahrend. Heberall ſtand ſtarke Brandung an der flachen , ſandigen Küſte. An einer Stelle fegte das Waſſer über die Düne weg in das dahinterliegende
Um 3 Uhr Nachmittag folgten wir ihnen an Land.
III .
Vor dem Dorfe lag auf Holzunterlagen eine jener Holztrommeln , vermittelſt deren ſelbſt entfernt liegende Dörfer durch eine beſtimmte Reihenfolge von langen und kurzen Tönen fich verſtändigen können . Sie war reich mit Sdnitereien bedeckt und beſtand aus einem ca. 4 Fuß
langen und 3 Fuß dicken Baumſtamm , der trogartig aus gehöhlt war, doch ſo , daß die Deffnung nur einen ver hältnismäßig ſchmalen Sdəliş bildete. Die Töne werden hervorgebradt , indem man mit einer ca. 6 Fuß langen,
armdicken Stange aus hartem Holz in der Nähe der Spalt
Terrain , wo ſich offenbar eine Sumpflagune befinden
öffnung aufſtößt; die Töne ſind nicht unmelodiſch und
mußte , was man ſchon aus der niedrigen , ſtrauchartigen
ſehr weithin bernehmbar.
Vegetation ſchließen konnte.
Die ca. 20 Häuſer des Dorfes waren gut und ſtark gebaut, was wir namentlich an einem Neubau beobadten
Den Hintergrund der Szenerie bildet an dieſer Stelle
eine ziemlich weit landeinwärts liegende , ca. 800 bis
konnten, der im Gerippe, ohne Wand und Dachbedeckung,
1000 Fuß hohe, gleichmäßig verlaufende Bergkette. Nir : gends aber zeigte ſich eine Flußmündung. Etwa eine Seemeile vom Feſtlande liegt eine auf
baſtand ; namentlid fiel uns die Gleichmäßigkeit auf, mit
den (damals beſtehenden) Karten nidht verzeichnete kleine Inſel, die nach Nordweſt ein Riff ins Meer (didt ; ebenſo geht vom Feſtlande , das der Inſel in Form einer Halb inſel gegenüberliegt, ein Riff aus, ſo daß nur eine ſdmale
welcher Latten an Wand und Dachgerüſt befeſtigt waren ; jedes Stück iſt mit dem anderen durd Rottang verbunden. Die Flur des Hauſes , aus armdiden Rundhölzern bes ſtehend , liegt ca. 3 Fuß über dem Boden. Die Wände
beſtehen aus Baumrinde, die Dächer ſind mit freuzweiſe durdyflochtenen Blattwedeln der Sagopalme gedeckt. Die
Fahrſtraße zwiſchen beiden Riffen bleibt. Dieſe Bucht,
einzige große Deffnung im Hauſe , als Thür und Fenſter
von der Halbinſel gebildet und durch die Inſel geſdrüßt, iſt der Dallmannshafen , eigentlich nur eine geſchüßte Reede. Etwa eine halbe Seemeile vom Strande, an der einzigen Stelle, wo eine Landung mit dem Boote möglich war, gingen wir gegen 2 Uhr nachmittags in neun Faden
dienend, iſt immer an der Giebelſeite angebracht und durch eine nach innen ſid , öffnende Falthüre zu verídließen. Nadidem
wir in der Mitte des Dorfes auf einem
Bald kamen Kanoes vom Lande ab ; fräftig gebaute Geſtalten , phyſiognomiſd ſehr verſdieden von den Eins geborenen in Finſchafen, ruderten darin aufrecht ſtehend.
Baumſtamme Plat genommen hatten, gingen wir alsbald darauf aus, von den Eingeborenen zu erfahren, ob Waſſer in der Nähe des Dorfes ſei ; dies zu erfragen , war durchaus keine leichte Aufgabe. Wenn wir die Gebärde des Trinkens machten , dann bradyte man uns Kokosnüſſe, niu (ein Wort , das offenbar auf malayiſchen Urſprung
Bekleidet waren ſie mit einem Streifen geklopfter Baum
zurückzuführen iſt) genannt.
Tiefe vor Anker.
rinde, der vorn und hinten in je einem Zipfel herabhing und den Leib bis zu halber Höhe wie ein Panzer umgab.
Das lange , krauſe Haar war zu langen Büſcheln nach
Erſt nad vielen mimijden Produktionen fanden wir
das Wort ,moti" für Waſſer oder Quelle heraus , und man führte uns etwa hundert Schritt vom Dorfe land
Erinnerungen an Neu -Guinea .
94
einwärts zu einem ca. 1/2 Fuß breiten und tiefen Waſſer: lod, das inmitten einer reinen Sumpſvegetation , wie
ca. 60 bis 80 Fuß breiten Fluſſes (moti urip ), deſſen
Sagopalmen, auch wirklich nur ſchmußiges und ſumpfiges
Waſſer jedoch, ſo weit wir längs den Ufern vordringen konnten , bradig war. Längs beiden Ufern zog ſich ein
Waſſer enthielt, aus dem die Leute trofdem ihren Bedarf
dichter Saum von Mangrovewald hin. Wir waren jeden:
an Waſſer zu entnehmen ſchienen . Das war wenig er:
falls die erſten Europäer, die dieſen Fluß ſahen, welcher
freulich für uns, da Waſſer, und vor allen Dingen gutes Waſſer , doch die Hauptbedingung bei Gründung einer Station ſein muß. Dr. Finſch ſcheint dieſe Waſſerquelle allerdings für hinreichend gehalten zu haben , denn auf ſeinen Bericht und Rat hin ſollte ja die Station in
fehrten wir nach der Landungsſtelle zurück , wo wir kurz vor Sonnenuntergang eintrafen , unſere Begleiter mit Kattun und Perlen beſchenkten und an Bord fuhren . Hier
leider für unſere Zwecke wenig brauchbar war. Um 5 Uhr
Dalmannshafen gegründet werden . Wir kehrten mit einem
wurde darauf beraten, ob in Anbetracht des ſchlechten Waſſers und der ſchwierigen Landungsverhältniſſe die Gründung
fleinen Umwege längs der Küſte nach dem Dorfe zurüd. Ueberall brach ſich die Brandung an den Korallblöden,
ein , am nädyſten Tage längs der Küſte nach Dſten zu
die dieſen vorſpringenden Teil der Küſte bedecken. Die Eingeborenen machten uns auf jeden Stein und jede Wurzel aufmerkſam , über die wir hätten ſtolpern können ; Knaben
faßten uns bei der Hand, um uns zu führen. Alle waren offenbar bemüht, auf uns einen guten Eindruck zu machen . Unſere.Namen ſprachen ſie bald ziemlich geläufig aus und
gebrauchten ſie oft , ohne uns zu verwechſeln ; audy nann ten ſie uns einzeln ihre Namen. Sobald ein Neuling hinzukam, teilten ihm die Anweſenden mit, wie wir hießen.
Im Dorfe angekommen , nahmen wir wieder Plat, und ein Gaſtmahl wurde aufgetragen. Es beſtand aus Sagobrei, der ſo zähe und dick war, baß er uns zu plaſtiſcher Verarbeitung geeigneter ſchien, als zum Eſſen. Derſelbe war auf einer runden Holz: ſdhüſſel mit niedrigem Rande ſerviert und dywamm in Kokos: nußwaſſer. Man aß den Vrei in der Weiſe , daß man die Finger erſt mit dem Rokosnußwaſſer anfeuchtete, um ſo leichter ein Stüd von der klebrigen Maſſe abkneifen zu fönnen ; dann bog man den Ropf nad hinten über
und ließ den Lederbiſſen im Munde verſchwinden. Als Zuſpeiſe gab es kleine , ſtark geräucherte Seefiſche, die troß ihrer Näucherung lebten ; denn Pelzkäfer und deren
einer Station ausgeführt werden ſollte. Wir kamen über rüđzufahren und eine geeignetere Stelle für die Anlage einer Station zu ſuchen . Am Freitag den 18. Dezember waren wir ſchon vor Sonnenaufgang von den Kanoes der Eingeborenen um
geben. In der Nacht hatte es in Strömen geregnet. In einem Kanoe hatte man ein Schwein (bor) gefeſſelt mit: gebradt und machte uns deutlich , wir ſollten an Land kommen und es in Gemeinſchaft mit ihnen verzehren. Als wir ihnen bedeuteten , daß wir weiter fahren müßten, verkauften ſie uns das Schwein für ein Beil und ein Hobeleiſen. Von ihrer Sprache fiel es uns auf, daß viele Worte auf malayiſden Stamm zurückzuführen waren, ſo ,, maka “, eſſen , malayiſd makan ; ru , 2 , mal. dua ; lum , Haus, mal, rumah ; labi bedeutet Sago und nalu Sohn oder Kind.
Erſt als die Dampfpfeife ertönte und ſich der Dampfer in Bewegung leßte , ſtießen die leßten Kanoes ab, deren Inſaſſen fidy ſo lange an dem niedrigen Schiffsrand der „ Samoa " feſtgehalten hatten . Im Laufe des Tages paſſierten wir die ſieben Schouten : Inſeln. Roiſſy , die weſtlidſte, iſt noch von Dallmanns:
Larven ſpielten darin Verſtecken.
hafen aus zu ſehen ; ſie iſt ſehr gebirgig . Deblois , die nächſte , erſcheint ſehr niedrig. Dann folgen nach Dſten
Daß wir von dem Ehrenmahl, zu deſſen Inangriff nahme wir mit den liebenswürdigſten Mienen ermutigt
zu Jacquinot, Garnot , Bloſſeville und Leſſon , alle mehr oder weniger hohe Bergkegel. Audy Bloſſeville liegt auf
wurden , ſehr erbaut waren , fann ich nicht behaupten. Ich war der einzige, der, um die Leute nicht zu fränken, ein
einem Abſaß , der vom Gipfel des Berges noch etwa um
( Stüdchen des Sagobreis hinunterquälte.. Es dymedte un
200 Fuß überragt wird , und iſt ein weithin ſichtbares Dorf, ca. 800 Fuß hody, hoch, unter dem Schatten von Kokos
geſalzen und unbeſchreiblich. Meine Begleiter konnten
palmen .
beim beſten Willen meinem Beiſpiel nicht folgen, namentlidi der Eine wurde bedenklich bleich. Die Retter aus unſerer Not wurden die Inſaſſen
und 144° 0' ö. L. Um 4 Uhr waren wir in der Höße von
eines inzwiſchen von einem anderen Dorf angekommenen Kanoes , die ſich ſofort des Inhalts der Schüſſel mit
Um 12 Uhr mittags ergab das Beſteck 3 ° 37' 1. Br. Kap de la Torre , gegenüber der Mündung des Kaiſerin Auguſta Fluſjes , deſſen Waſſer noch meilenweit von der
Küſte das Meerwaſſer trübe färbt. So weit das Auge reicht, erſdeint hier das Feſtland als niedriger Streifen
vollem Verſtändnis annahmen und ihn in kurzer Zeit mit Wohlbehagen verzehrten. Inzwiſden ſuchten wir zu erfahren , ob noch ein anderes Waſſer , etwa ein Fluß in der Nähe wäre. Schließlich begriff einer der neuen An :
am Horizont. Dann fam Vulkan - Inſel in Sidht. Aus dem Krater des thätigen Vulkans auf Leſſon, der öſtlichſten der Schouten - Gruppe, ſahen wir gewaltige Raudhwolken
kömmlinge unſeren Wunſd , und die Leute waren bereit,
aufſteigen .
uns zum Waſſer zu führen. Nach einem faſt einſtündigen Marſch längs der Küſte famen wir an die Mündung eines
Abends 8 Uhr trat ſtarker Regen ein . Da wir nadys nur mit halbem Dampf fuhren und teilweiſe ſtill
Erinneringen an Neu - Guinea.
lagen , befanden wir uns am nächſten Morgen in der Nähe der Aris - Inſel ' (Waiſſa der Eingeborenen ) und .
Vulkan-Inſel (Manamur), aus deren Doppelkrater ſtetig zwei Rauchſäulen emporſtiegen .
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geben , die in erſter Linie großes Verlangen nach unſeren Zigarren zeigten und ſehr diebiſcher Natur waren. Einer der Kerle ſtahl eine noch halbgefüllte Blechkaffeekanne,
wurde aber dabei ertappt und ihm die Beute aus dem
Wir hielten nun auf eine noch unbekannte Budit (ſpäter
Kanoe wieder abgenommen. Ein anderer ſtahl den kupfernen
Hanja -Bucht genannt) ab, in welcher die Laing Inſel liegt,
Hebel der Schiffepumpe, ein dritter eine wollene Decke, weshalb beſtändig aufgepaßt werden mußte und nur ein:
um dort vielleicht nach einem Hafen und geeigneten Platz für eine Station zu ſuchen. Gegen 8 Uhr fuhren wir in die Bucht hinein und am Weſtrande derſelben entlang ; es famen einige Ranoes Eingeborener ab, die uns zuwinkten.
zelnen der Zutritt an Ded geſtattet werden konnte. Eine ſqauderhafte Nacht brachten wir, von der ſtarken
Am Südrande der Bucht ſtanden viele Kokospalmen, aber
Regen goß in Strömen . Oberlichtfenſter und Kajüten
nirgends war ein ſicherer Anfer- oder Landungsplaß zu bemerfen ; wir gerieten plößlich auf drei Faden mit bläu : lichem Sandgrund, ſo daß Kontrebampf gegeben werden mußte. Gegen 9 Uhr dampften wir zur namenloſen Bucht hinaus und hielten auf die nächſte Landſpiße ab. Das
fenſter mußten geſchloſſen werden und bald wurde es in
Land wird allmählich höher und zeigt viele offene, nur mit Gras beſtandene fuppenförmige Bergrücken. Am Strande liegen viele und große Dörfer. An ſteilen Berg rüden , die noch bewaldet ſind , haben die Eingeborenen
ihre Plantagen angelegt, welche, wahrſcheinlich gegen Wild: ichweine, mit hohen Zäunen umgeben ſind.
Um 1/2 12 Uhr befanden wir uns vor einer zweiten Bucht , an deren Dítſeite zwei Inſeln lagen ; langſam fuhren wir hinein und ſahen unter Land noch zwei Inſeln
liegen, an denen ſich die Brandung brach. Viele Kandes mit Eingeborenen famen hinter den Inſeln hervor auf den Dampfer zu. Wir ſtiegen in ein Boot , fuhren weiter in die Vucht hinein und fanden hinter den Inſeln einen guten, geſchüßten Hafen mit gutem Ankergrund. In einer Ecke des Hafens ſahen wir einen Waſſerlauf aus münden . Wir wateten dort hin , fanden aber , ſo weit wir auch aufmärts gingen, nur bradiges Waſſer. Gutes Trinkwaſſer muß aber in der Nähe ſein , da viele Ein geborene mit Bambusgefäßen voll guten Trinkwaſſers, als wir zurüdfamen, bei dem Boote waren. Die Eingeborenen zeigten ſich ſehr diebiſ(); unter den Händen ſtablen ſie uns außer andern Dingen auch eine Bootsdolle weg.
Landſchaftlich bot die Umgebung des Hafens ( ſpäter Prinz Albrechthafen ) wohl das ſchönſte Bild, das ich bis dahin in Neu-Guinea geſehen hatte. Aber es herrſdite in
dem von Winden ganz abgeſchloſſenen Baffin eine drückende Hiße (49° C.), die Nachmittags 3 Uhr durch einen Regen guß etwas gemildert wurde.
Wir beſchloſſen nun, noch bis Samoahafen zu fahren
und , falls wir dort keine günſtigeren Verhältniſſe vor: fänden, hierher zurückzukehren und eine Station zu gründen. Wir dampften deshalb (am 19. Dezember 1885) weiter, kamen Vulkan- Inſel ziemlich nahe und ſteuerten dann in
.
Dünung hin und her geſchaufelt, auf der Reede zu. Der
der engen Kajüte dumpf und unerträglich warm. Wir begrüßten daher freudig den Anbruch des Tages (Sonn tag den 20. Dezember ), der ſofort eine Menge Ranoes mit Eingeborenen, darunter auch Frauen und Kinder, zu uns führte. Um 9 Uhr fuhren wir per Booi zwiſchen Mades Inſel und Feſtland hindurch in den Hafen hinein , von
allen Kanoes , die ſo lange das Schiff umlagert hatten, begleitet. Da wir ſchon am Tage vorher von den Eins geborenen das Wort für Waſſer, ju“, erfragt hatten, wurde es uns leicht, dieſelben zu veranlaſſen , und die Waſſerquelle zu zeigen. Sie befand ſich unmittelbar am
Strande , durch eine Sanddüne von der See abgeſperrt, und enthielt friſches , klares und ziemlich fühles Waſſer in Menge. Etwas weiter öſtlich war ein durch eine Sands barre geſperrter Flußlauf , Daigun , der weniger gutes, aber immerhin brauchbares Waſſer lieferte, namentlich in einiger Entfernung von der See. – Die Waſſerfrage war alſo hier glüdlich gelöſt und es kam nun darauf an, einen
günſtigen Plaß für die Anlage der Station zu ſuchen. Wir fanden denſelben auf der von den Eingeborenen „Tichirimotſch" genannten, unbewohnten Made- Inſel und beſchloſſen , an der Oſtſeite der mit üppiger Vegetation bedecten kleinen Koralleninſel unſere Häuſer zu bauen,
weil in der Nähe der beſte Landungsplaß war und die
Vegetation gerade an dieſer Stelle die wenigſten Hinders niſſe bot , was in Anbetracht unſerer geringen Arbeits kräfte wohl berüdſichtigt werden mußte. Die Südſeite der Inſel läuft in eine Sanddüne aus , die mit jungen Kaſuarinen beſtanden war. Bäume dieſer Art ſtanden auch in zwei mächtigen Eremplaren auf der Inſel , die
außer prächtigem Hochwald ſo dichtes Unterholz und namentlich ein foldes Gewirr von durcheinander ge ſchlungenen Lianen zeigte, wie ich es ſelten weder vorher, 110ch ſpäter in den Tropen geſehen habe. Ganze Schwärme von weißen Wildtauben (Carpophaga spilorrhoa) bevöl ferten die Kronen der Bäume und lieferten uns gutes
Wildpret. Schwarze und weiße Kakadus flatterten , von
nähern konnten. Auf der Außenreede , nordweſtlich von
uns aufgeſcheucht, umher und ließen ihre kreiſchende , un angenehm klingende Stimme ertönen. Sie ſaßen zumeiſt auf den Ketapang - Bäumen ( Terminalia ketapang) , die
der Sechsſtroh - Inſel, gingen wir vor Anker und waren n kurzer Zeit von ca. 30 Kanoes der Eingeborenen um
auf der Inſel ſehr häufig waren ; deren mandelähnlich ſchmeckende Fruchtferne iſt ihre beliebte Nahrung , die ſie
ſüdöſtlicher Richtung auf Samoahafen zu , dem wir uns aber trüben Wetters wegen erſt um 4 Uhr nacimittags
Die Suderinduſtrie in Bundaberg.
96
freilich mit den Eingeborenen, welche die Früchte ſehr gern eſſen , und die auch wir ſpäter nicht verſchymähten , teilen
Kein Wunder, wenn dann die Eingeborenen an und für die geringſte Dienſtleiſtung Forderungen ſtellten , die
müſſen. Prachtvolle Orchideen und Asklepiadeen waren
wir nicht erfüllen konnten, wenn nicht für immer von der
ſehr häufig auf der Inſel.
Einführung eines normalen Lohnes, der, falls er der Leiſtung äquivalent ſein ſoll, für die Tagesarbeit eines Eingeborenen
Erfreut über den günſtigen Erfolg unſerer Erkurſion, fehrten wir an Bord zurück ; das Schiff wurde ſofort in den Hafen hineingelotet, und zwar durch die öſtliche Ein: fahrt zum Hafen, wo wir ſüdlich von der Made- Inſel auf 12 Faden Tiefe (Sandgrund) vor Anker gingen.
30 bis 40 Pfennige nicht überſteigen darf , abgeſehen werden ſollte.
Dod) fehren wir wieder zur Gründung von Haßfeldt:
Gegen 2 Uhr kamen wieder Eingeborene in Menge
hafen zurück. Um unſere gelandeten Vorräte zu bewachen, blieb ich mit den Malayen an Land , wo wir die Nacht
an den Dampfer heran, und ſelbſt Frauen und Mädchen ſtiegen ohne jede Sdeu an Bord. Leider durften wir der
in den Zelten ſchliefen . Es fielen einige kurze Regen
Diebſtähle wegen immer nur wenigen den Zutritt an
und überſtrömte die Gegend mit jenem magiſden Licht
Bord geſtatten ; die übrigen hielten ſich, in ihren Kanoes ſtehend, an den Railings der „ Samoa " feſt und beobach: teten uns bis Sonnenuntergang, während wir uns Mühe
glanz, der in ſolcher Intenſität nur ſolchen hellen Tropen:
güſſe, darnac trat der Vollmond aber herrlich hervor
( Fortj . folgt . )
nädyten eigen iſt.
gaben, einzelne Worte ihrer Sprache zu erfahren und aufzu
zeichnen . Die Made Inſelnannten die Eingeborenen ,, Tichiri motſd)", die Sechsſtroh - Inſel , Patafai“. Derſelben gegens
Die Zuckerinduftrie in Bundaberg.
über am Feſtland liegt das Dorf Tombenam ; weſtlich vom
Bundaberg in Queensland, 25° 1. Br., iſt jeßt der Haupts zuderdiſtrift in Auſtralien und hat Mađay, Clarence River ac.
Samoahafen , der ſpäter in Haßfeldthafen umgetauft wurde, liegt am Dſtrande einer tiefen Bucht das Dorf Dugumor.
1
in den Hintergrund gedrängt. Während der leßten ſechs
Am Montag den 21. Dezember 1885 landeten wir nun mit unſeren Arbeitern auf der Inſel und begannen
Monate des Jahres 1888 ſind hier drei vollſtändige Zuders faktoreien errichtet worden , ſo daß jeßt in dieſem Diſtrikt
zunächſt, von der Landungsſtelle aus einen Weg nach der Dítſeite der Inſel durchzukappen , wo wir dann einen Play freilegten, auf dem unſer Wohnhaus errichtet werden ſollte.
Zahl von Mühlen , die das Zuckerrohr nur preſſen und den Saft an die Raffinerie in Milliguin verkaufen , die
Von der ,,Samoa " brachte man bald aud das erſte Holz
an Land, und wir waren ſehr froh , von Finſchlafen Mangrovepfähle für den Unterbau mitgenommen zu haben , da in der Umgebung von Habfeldthafer fein Mangrove wächſt, deſſen Holz ſehr dauerhaft iſt. Am Nachmittag errichteten wir drei Zelte auf der Südſpite der Inſel.
mehr als zwanzig Zuckermühlen ſind, außer einer großen
den Herren Cran u . Co. gehören. Hier iſt das Preſſen ſeit einigen Jahren ſo bedeutend geweſen, daß große Maſſen
von Zuderrohr von Jahr zu Jahr weitergeführt werden mußten , was den Landwirten großen Schaden brachte. Das verurſachte natürlich viel llnzufriedenheit, und ſo
haben viele der großen Landwirte eigene Mühlen für ſich
Aus den Doppeldächern der Zelte wurde ein Schuppen
errichtet oder ſtehen in Unterhandlung; auch der geringe
für die gelandeten Vorräte improviſiert. Nachmittag wurde
Preis für den Saft ärgerte ſie. In verſdiedenen Teilen
auch der größte Teil der Balfen und Bretter des in Ham
von Neu -Südwales und Queensland befinden ſich jest
burg angefertigten Wohnhauſes gelandet. Das Bandeiſen,
viele ausgezeichnete Mühlen, die beinahe für den Abbruch zu haben ſind, und ſo geht es auch mit jenen kürzlich hier errichteten . Die Einfuhr neuer lohnenderer Pflanzen bätte
mit dem die einzelnen Kolli zuſammengehalten wurden,
bewahrten wir ſorgfältig auf, da wir bemerkt hatten, daß die Eingeborenen großes Verlangen darnach zeigten. Es wurde ſpäter in ſpannlange Stücke zerſchlagen, die unſere
erſte Münze im Tauſch mit den Eingeborenen bildeten, wo für ſie anfangs pro Stüd gern drei Kokosnüſſe oder eine entſprechende Anzahl Taro , Fiſdhe, Bananen , Krebſe zc. zahlten. Als aber die Matroſen der Schiffe merften, daß Cooktown ein guter Plaß für den Verkauf ethno
graphiſcher Objekte ſei, verdarben ſie uns den Markt, denn jie gaben breites , ſtarkes Bandeiſen und ſelbſt Hobeleiſen für Kleinigkeiten hin und verdienten dabei doch in Coof: town ſehr viel.
Selbſt ein Verbot der Neu - Guinea -kom :
pagnie hat hierin keine Beſſerung geſchafft, vielmehr wurde, und wird wahrſcheinlich auch noch heute , ein lohnender Handel mit den Erzeugniſjen der Papuas nad Auſtralien hin getrieben .
dem wahrſcheinlich vorgebeugt. – Der Geſamtzucerertrag vom Diſtrift Bundaberg beträgt beinahe 20,000 Tonnen, von dem ein Drittel allein von Milliguin beigeſteuert wird. Dann kommen zunächſt Fairy -mead und Bingera mit je 2000 Tonnen , die übrigen zwiſden 300 bis 1000 Tonnen , faſt alles der beſte weiße Zuder. Bei einem Vergleiche zwiſchen dem Rohrbau in Queensland und Fidſchi wundert man ſich zunächſt über die geringe Arbeiterzahl, die in Queensland zur Reinhaltung und Kultur des Landes genügt. In Fairy -mead mit 1400 bepflanzten Acres ge nügen 300 Polyneſier. Dod) wegen des geringen Regen falles und der langen trockenen Jahreszeit iſt wenig lln: fraut auszujäten und faſt alle Arbeit geſchieht durdy Pferdefraft. Der Tonnengehalt des Zuckerrohres iſt ges ringer als in Fidſchi, aber durch vermehrte Dichtigkeit
97 을
Die Kolonie Viktoria im Jahre 1888.
kompenſiert; es reift hier nicht ſo ſchnell und ſteht meiſt zwei Jahre, ehe es geſchnitten wird. Die Koſten für den polyneſiſchen Arbeiter betragen 6 Lſtrl. per Acre und die Koſten für Unterhalt und Einfuhr ſind höher als in Fidſchi. Doch ſind hier keine koſtſpieligen
Hoſpitäler zu unterhalten und das Dazwiſchentreten von Inſpektoren iſt unbekannt. Die Landwirte leben meiſt in behaglichen , wohlhabenden Verhältniſſen , der Wert des Zuckerrohrlandes iſt nicht geſunken und eine Plantage
erſter Klaſſe iſt mit Verbeſſerungen 50 Lſtrl. per Acre wert. Dudon Queensland ein unermeßliches Territorium
iſt, ſo iſt doch nur ein ſehr kleiner Teil nußbarer Kultur boden .
Der größte Teil dieſes Buſclandes liegt bei
Bundaberg und meiſt auserleſener , der unter der Heim ſtättenakte aufgenommen iſt. Dieſe Afte fordert ähnlich wie das nordamerikaniſdie Heimſtättengeſeß von 1860 für fünf Jahre perſönlichen Aufenthalt des Anſiedlers und Beſtellung eines gewiſſen Landteiles und erteilt ihm nach
erſten Bande Bevölkerung , Finanzen und Lebensverhälts niſſe der Kolonie und wirft intereſſante Streifblicke auf
die Vergangenheit und Zukunft derſelben, die um ſo charak teriſtiſder ſind, weil Viktoria in dieſem Jahre das erſte halbe Jahrhundert ſeiner Entwidlung durchlaufen hatte. Am 12. September 1838 wurde der erſte Zenſus von
Port Phillip vorgenommen. Die Bevölkerung zählte da: mals 3511 Seelen , 3080 männliche, 431 weibliche. Am 31. Dezember 1887 djäßte man dieſelbe auf 1,036,119, 550,044 männliche, 486,075 weiblide ; am 30. September 1888 : 1,075,569 , 572,633 männliche, 502,936 weibliche; der größere Zuwachs im Jahre 1888 rührt jedoch teilweiſe von dem Zufluſſe der Perſonen her, die als Beſucher oder ſonſt irgendwie mit der Ausſtellung in Melbourne in Be rührung ſtanden , ſo daß der Zenſus des Jahre 1887 einſt weilen maßgebend ſein muß. In 63/4 Jahren von 1881 bis 1887 ſtieg die Bevölkerung der auſtraliſchen Kolonien
folgendermaßen :
, title ".
So erwarben die meiſten Pflanzer große Land
ſiße. Es befinden ſich noch große Buſchſtrecken etwas weiter von Bundaberg, ivo Mais gepflanzt iſt. Das Land iſt von beſter Qualität und das Klima geeignet für Rohrs
bau, doch da die Arbeiterzufuhr aus Polyneſien mit Ende 1890 aufhören ſoll, hat man von Errichtung neuer Mühlen in neuen Diſtrikten Abſtand genommen. Man hofft jedoch, daß die die ganze Zuckerinduſtrie gefährdende Akte des Ausſchluſſes
farbiger Arbeit noch anders arrangiert werde, und die Regierung hat eine Kommiſſion ernannt, die Zuckerdiſtrikte
1887
1886
Erfüllung ſeiner Pflichten nach fünf Jahren einen freien
1,036,119
Vittoria Neu -Südwales Queciisland
1,003,043 1,001,966 342,614 Südauſtralien 312,758 Weſtauſtralien 39,584 Total : 2,699,965
Tasmania
137,211
Neuſeeland
589,386 3,426,562
1,042,919
366,940 312,421 42,488 2,800,887
142,478 603,361 3,546,726 .
In den Jahren 1881 bis 1887 : 1681
Viktoria
Zuwachs in 63/4 Jahren 173,773 291,451
Tasmania
862,346 751,168 213,525 279,865 29,708 2,136,912 115,705
hübſche Steingebäude errichtet und in der Hauptſtraße dürfen jeßt nur noch neue Häuſer aus einem nicht brenn baren Material gebaut werden. Die Hauptſtraße heißt Bourbon und wird dereinſt eine der ſchönſten Auſtraliens; die Looſe find idon auf zwei Meilen an beiden Seiten
Neuſeeland
489,933
verkauft.
Inſeln auf 4,000,000 Seelen und die wahrſcheinliche Bes völkerung Auſtralaſiens in zehn Perioden :
zu beſuchen und über die Lage und Ausſichten der Pflanzer zu weiterer Gefeßgebung über die Arbeiterzufuhr zu bes
Neu -Siidwales
Queensland
richten. – Vor zehn Jahren war Bundaberg nur von
Südauſtralien
Holzhändlern und Viehtreibern bewohnt. Auch jeßt iſt
Weſtauſtralien
die Stadt noch im Uebergangsſtadium , da faſt alle Ges bäude aus Holz beſtehen ; feit kurzem ſind jedoch mehrere
Eine hübſde Brüde foll für 80,000 Lſtrl. über
den Burnett gebaut werden, und durch ſie wird Bundaberg
153,415 32,556 12,780
663,975 26,473
113,428 803,876 .
2,742,550
Hiernach berechnet Mr. Hayter den nächſten gleich zeitigen Zenſus der Kolonien im Jahre 1891 für den Kons
tinent auf wenigſtens 3,100,000 und mit den beiden 1891 3,998,612 1901 5,678,029 1911 8,062,801 1921 11,449,177 1931 16,257,831
ein wichtiges Eiſenbahnzentrum werden. Da die Stadt nur ſieben Meilen vom Dzean entfernt iſt, erfreut ſie fid)
durch die beſtändigen Seewinde eines herrlichen Klimas, und zur Weihnachtszeit war es nod) kühl genug, um in ge
1941 23,086,120 1951 32,782,290 1961 46,550,852 1971 66,102,210 1981 93,865,138.
wöhnlicher Kleidung umherzugeben. ſpricht für ſich Finanzen ſelber : Im Jahre 1886 bis 1887 lautete der Finanz Aud) der zweite Teil
beridyt Viktorias :
Die Kolonie Viktoria im Jahre 1888. Das Jahrbuch Viktorias für 1887 bis 1888, das in neun Abteilungen zerfällt, herausgegeben vom Regierungs
ſtatiſtiker Mr. Henry Heylyn Hayter, behandelt in ſeinem
Einkünfte
6,733,825 lſtrl. 10 sh
Ausgaben
6,561,250
13
1d 11
172,574 431,559 604,134
16
2
14
7
10
9
Ueberſchuß Credit balance von 1885 1886 für 1887/1888
98
Geographiſche Neuigkeiten.
In den Jahren 1874 bis 1887 betrugen Deffentliche Einkünfte Ausgaben 4,169,700 eſtri. 4,296,649 ſtri . 4,325,156 4,394,066 4,336,139 4,513,738 4,485,412 4,536,062 4,520,277 4,809,724 4,600,627 4,803,790 5,115,041 5,100,225 5,589,972 5,145,764 5,602,066 5,651,885 5,665,293 5,934,578 6,290,361 6,125,741
1874-1875 1875-1876 1876 -1877 1877-1878 1878-1879 1879-1880
1880-1881 1881-1882 1882-1883 1883–1884
1884–1885 1885-1886 1886-1887
6,416,406
6,513,540
6,733,826
6,561,251
im Juli 1888 í 7,607,754
7,345,650
entnehmen. Er und ein Freund, welcher die Expedition als Künſtler begleitete, verließen die Vereinigten Staaten in der zweiten Hälfte des Februars. Sie nahmen Ge hilfen und Begleiter an oder entließen dieſelben, je nach: dem es die Umſtände erheiſchten ; allein niemals überſtieg die Reiſegeſellſchaft die Zahl von ſechzehn Perſonen und ſiebenundvierzig Reit- oder Padmaultieren. Von Chicago bis Deming in Neu -Meriko nahm man die Santa-Fé: Eiſenbahn, und in Deming rüſtete ſich die Geſellſchaft zu
einem Ausflug in das weſtliche Chihuahua und möglicher weiſe das öſtliche Sonora. Dieſer Teil von Meriko war
jahrelang unſicher gemacht worden durch die kriegeriſcheſten Banden der Apache Indianer, beſonders die Chiricahuas, ſo daß man praktiſch nur wenig oder gar nichts Genaues :
Voranſchlag ) 1887–1888
ſo daß der Ueberſchuß 1887 bis 1888 262,104 Lſtrl. und zu:
ſammen mit dem Reſtbetrag früherer Jahre ( +604,134 Litrl.) ca. 866,238 Lſtrl. als Credit balance für 1888 bis 1889 ergeben würde, was bei einer geſchäßten Bevölkerung von 1,037,600 Seelen an Einkünften 7 Litrl. 6 sh 8 d , an Ausgaben 7 Lſtrl. 1 sh 7 d per Kopf ergeben würde. Am 23. November 1855 wurde Viktoria eine Kolonie
mit eigener Regierung , während es bis dahin zu Neu : Südwales gehört hatte. Im Jahre 1856 beliefen ſich die Einkünfte auf 2,972,496 eſtrl., ſteigerten ſich alſo in dreißig Jahren faſt um das Dreifache. Die „ lebensverhältniſſe “, der dritte Teil , beginnen mit der Zahl der Heiraten. Im Jahre 1854 belief fich
von dieſem Landſtrid wußte. Man vermutete nur, der ſelbe enthalte alte Ruinen vom ausgedehnteſten Charakter, deren Erforſchung nun der Hauptzweck dieſer Erpedition war. Am 6. März überſchritt die Erpedition die Grenze zwiſden Mexiko und den Vereinigten Staaten bei Las Palomas in Chihuahua, und kehrte über dieſelbe am 31 . Mai wieder nach El Paſo, Teras, zurück, naddem ſie ſechs: undachtzig Tage auf dieſen Ausflug verwendet hatte. Die Erpedition erhebt den Anſpruch die erſte geweſen zu ſein, welde die allgemeine Aufmerkſamkeit auf den Reichtum und die Frudytbarkeit des nordweſtlichen Chihuahua, den öſt: liden Ausläufern der Bergkette der Sierra Madre entlang, gelenkt habe. unzählige Ruinen und Grabhügel waren zu ſehen : „ An cinem Erdhügel nach dem anderen fam man
bei einer Bevölkerung von 234,361 Seelen die Zahl der
vorüber, während alle fünf oder ſechs Meilen ein Haufe
Heiraten auf 3696, im Jahre 1881 bei einer Bevölkerung von 849,438 Seelen auf 5732, im Jahre 1887 auf 7768. Die Zahl der Geburten in ſtädtiſchen und ländlichen Diſtrikten belief ſich 1887 auf 33,043, in Melbourne auf
mal ſo weit ſo viele zu finden waren, daß man ſagen konnte, hier habe eine größere oder kleinere Stadt geſtan den, welde einſt eine lebendige Bevölkerung von Tolteken
von folden ein Dorf aufwies und alle drei oder viers
14,583 ; das Sterblichkeitsverhältnis war 1861 nod) 19.49
oder Azteken gehabt habe.“ Die Hügelhänge waren einigen
aufs Tauſend , 1887 nur 15.70, der Jahresdurchidhnitt der 27 Jahre zwiſchen 1861 bis 1887 15.71 per Tauſend. Da das Werk bis zu einer Periode hinaufreicht , die den Schluß der erſten hundertjährigen Entwidlung Auſtraliens bezeichnet, beſißt es einen beſonderen hiſtoriſden Wert und fann als die Geſchichte eines Jahrhunderts des Fort: (drittes und der wunderbaren Entwicklung des Erdteils betrachtet iverden , der zuleßt europäiſcher Kultur und Ziviliſation erſchloſſen iſt.
der Thäler entlang aufwärts und abwärts terraſſiert und die unteren Terraſſen derſelben von folder Anlage und Bauart, daß ſie als Bewäſſerungsgräben benüßt worden
ſein mochten. An einigen Stellen waren nods alte Land ſtraßen , welde direkt an ſehr ſteilen Hügeln hinauf oder zu irgend einer Art von Feſte oder nach irgend einem Ausläufer eines Hügels führten, auf welchem ein Opfer altar geſtanden haben mochte. Lieutenant Sdywatka ſah genug, um fid) zu überzeugen , daß die alten Bewohner dieſes Landes ein vorwiegend acerbauendes Volt geweſen ſein müßten , und ihre Befeſtigungen ſchienen nur Zweden der Verteidigung gedient zu haben. Die Erpedition lenkte die Aufmerkſamkeit auf den un
Geographiſche Neuigkeiten. * Das nördliche Meriko.
Zu Anfang des
vorigen Jahres führte der bekannte Reiſende Frederick Schwatka, Lieutenant der amerikaniſchen Flotte, im Auf trag der Zeitung „ Amerika " eine Expedition nad Mexiko, über welche er vorerſt nur einen kurzen vorläufigen Bericht veröffentlicht hat , weldem wir Nachſtehendes
geheuren Mineralreidytum von Meriko in der Nähe der Grenze der Vereinigten Staaten. Lieutenant Sdywatka
behauptet, es gebe daſelbſt wahrſcheinlich 2000 Silber: bergwerke, wveldie eine Eiſenbahn durch das Land mit großem Gewinn abbauen laſſen würde. Das bemerkens:
werteſte Ergebnis der Expedition war aber die Ent: dedung, daſs im
ſüdweſtlichen Teil des Staates Chi
Geographiſche Neuigkeiten .
99
huahua noch hunderte von Felſen- und Höhlenbelvohnern
Baltimore, Charleſton. In St. Louis zählt man 39,000
wirklich leben , und daß man von Tauſenden derſelben hörte. Lieutenant Scwatka meint, dieſelben gehörten wahr : ſcheinlich zu demſelben Stamme wie die Tarahumari. Wenn ſie überraſcht werden , flüchten dieſe Wilden des Gebirges nach ihren Behauſungen in den Felswänden oder ihren Höhlen mit einer Behendigkeit, die jede Vera folgung vereitelt. Sie erreichen die Felswände mittelſt eingekerbter Baumſtämme, welche Leitern bilden , wenn die Klippen zu ſteil ſein ſollten , um ſie zu erklettern. Sie haben für Indianer eine ungewöhnlich dwärzliche Haut, unterſcheiden ſid, aber in dieſer Hinſidyt nid) t weſentlich von den ſogen . ziviliſierten Tarahumaris. Sie ſind hod ) gewachſen, ſchlank, hager und ſehr muskelfräftig, aber ihre Muskeln ſind nicht eigentlich groß und breit, und er :
Deutide , in Chicago bilden ſie ungefähr ein Drittel der Bevölkerung ; in New Orleans , welches noch immer in
ſcheinen mehr wie Sehnenbündel als wie fleiſdige Muskeln. Die ſeltſamen Völker ſind Sonnenanbeter; ſie jeten ein neugeborenes Kind am Tage ſeiner Geburt den vollen Wirkungen der Sonne aus. Sie ſind außerordentlich behend und ausdauernd zu Fuß und ſolien imſtande ſein, einen Hirſd) niederzuſeßen , dem
ſie zwei oder drei Tage
lang auf der Fährte folgen. Madagastar. Der norwegiſche Miſſionar 3. Nielſen Lund hat eine ſehr widytige Reiſe auf Mada:
gaskar gemacht, wovon er zwar einen Teil ſchon Ende 1887 ausgeführt, deren Ergebniſſe er aber erſt fürzlich ver öffentlicht hat („ Antananarivo :Annual" 1888 , S. 440 ). Er iſt der erſte Europäer, der das ſüdliche Madagaskar durch quert hat. Er durd querte Bara - Land auf einem
neuen Wege, beſchiffte den Onilahy, den Oberlauf des St. Auguſta-Fluſjes bis zur Provinz Tanolly, weldje er in einer öſtlichen Ridhtung durchreiſte. Dann wanderte er ſüdwärts, durchzog eine unbewohnte und gering be wäſſerte Wildnis und bog wieder in wohlbevölkerte Bezirke beraus.
thätigen Beziehungen zu Bremen ſteht, gibt es 15,000 bis 16,000 Deutice, in San Francisco 13,000. Die Zahl der deutſchen Sdyweizer und Deſterreicher in Meriko däßt man auf 6000 bis 8000 , welche zur
Hälfte in der Hauptſtadt, in der überwiegenden Mehrzahl aber in Colima und Vera Cruz angeſiedelt ſind. Deutſche Agenturen gibt es aber auch in der Havana (Cuba) und in einigen Markt- und Küſtenſtädten der Inſeln Portorico und Jamaica , ſowie auf Curaçao. Auf Hayti befaſſen ſidh die Deutſchen mit dem Anbau und der Verſendung
des Kaffees. Im Jahre 1877 hat die Hamburger Linie ein Drittel der Kaffeeausfuhr von Port au Prince mehr als die Hälfte vom Kap Hayti und zwei Drittel in Gonaïves verladen .
In der Argentiniſchen Republik zählte man vor zivanzig Jahren noch 32,000 Franzoſen und 5000 Deutſche.
Heutzutage zählt man 153,000 Franzoſen und 54,000 Deutſde. Im Jahr 1873 führte Frankreich in die Argen tiniſche Republik für 90 Millionen Waren aus, und noch 1887 war die Ziffer dieſelbe. Für die Deutſchen hat ſich die Ziffer der Einfuhr von 1873 bis 1887 von 15 Mil lionen auf 60 Millionen gehoben.. Die Deutſchen haben
ſich insbeſondere in den Provinzen Entre Rios und Santa Fé angeſammelt. Der direkte Verkehr mit DeutſQland nimmt dermalen den dritten Rang ein.
Die deutſche Kolonie in Buenos Aires beſteht unge: fähr aus 4000 Perſonen . Vierzig deutſche Häuſer be ſorgen beinahe ausſchließlich den Ausfuhr- und einen großen Teil des Einfuhrhandels. In Chile bewohnen 4000 Deutſde vorzugsweiſe die Südregionen und befaſſen ſich mit Bes
treide- und namentlich Reisbau.
( Nach , Petermanns Mitteilungen " .) * Iteber die Verbreitung der Deutſd ) en auf
Etwa 1000 Deutide in Peru vertreten den Handel mit Gladbach und Bremen. In Braſilien haben ſich 80,000 Deutſche in der Pro vinz Rio Grande do Sul niedergelaſſen und aus dieſem Land die Getreidefammer des ſüdlichen Braſiliens gemacht. Die deutſchen Kolonien haben ſich auch über alle anderen Provinzen zwiſchen dem 20.º und dem 25.0 ſüdl. Br., nämlich über Bahia , Minas Geraes , Eſpiritu Santo, Parana, Rio de Janeiro, Sao Paolo, Santa Catharina zc. verbreitet. In leßter Provinz bemerft man die Kolonie
der Erde außerhalb Europas, bringt Henri de Beau
Tonna Francisca , welche durch den vorzüglichen Hafen
mont im ,, Economiste Français " einen Aufſaß, worin er be rechnet , daß dermalen etwas mehr als neun Millionen Deutſche im Ausland verbreitet ſind.
Wir führen ferner noch die im Jahre 1852 gegründete
Den früheren Vorſtellungen entgegen iſt der ſüdliche und früher unbekannte Teil der Inſel nicht eine von ein : zelnen Hügeln dicht befekte Ebene, ſondern ein bergiges Gelände mit Erhebungen von mehr als 4000 Fuß.
Der
Erforſcher tauchte aus dem unbekannten Lande wieder auf in Fort Dauphin und madyte den Nüdweg nad Norden der Küſte entlang.
1
Vereinigte Staaten von
Nordamerit a :
Ueber ſieben Millionen Deutide , ungefähr der ſiebente
Teil der Bevölkerung. Die Anhäufungen ſind þaupt fächlich im Oſten , in New York und Pennſylvanien. Die Deutſchen behaupten vor allem die Hauptpunkte des trans atlantiſchen Verkehrs , New York, Boſton , Philadelphia,
San Francisco in direkter Verbindung mit Europa ſteht. Rolonie Blumenau an, weldje eine Bevölkerung von etwa 18,000 Landbau treibenden Deutſchen aufweiſt. Im Staate Uruguay haben 3000 Deutſche zu Montevideo fidh gemein
ſam mit den Engländern des hauptſächlichſten Handels, d. h. der Ausfuhr von Vieh, Fleiſch, Häuten, Wolle, kon ferviertem Fleiſch 2c. 2c., bemächtigt. Die Einfuhren aus Deutſchland haben ſich ſeit fünfzehn Jahren mehr als ver
Kleinere Mitteilung.
100
doppelt, während die der Franzoſen nur um ungefähr ein Viertel zugenommen haben. Colombia. Die deutſchen Faktoreien von Baranquilla
Leder, Schuhwerk, Toilettenartikel, Eiſenwaren , Schmud gegenſtände aus Silber, Bronze 2c. 2c. einführen.
und Sabanilla ſind durch die unaufhörlichen Revolutionen
Von den deutſchen Kolonialgeſellſchaften zu ſprechen, welche in beinahe allzu ſchnellem Aufblühen begriffen ſind,
und Kriege geſchädigt worden , welche den Handel geſtört
dürfte noch zu früh ſein ; denn ihre Zukunft iſt wenigſtens
haben.
vorerſt noch nicht vorauszuſehen , aber ſie werden zur weiteren Verbreitung der Deutſchen auf dem Erdball nocy
Venezuela. Die Deutſchen bilden daſelbſt ungefähr 12 % der auswärtigen Bevölferung und beſtehen in Kauf leuten, Pharmaceuten, Arbeitern. Die Zahl der in Caracas
+
weſentlid, beitragen.
anſäſſigen Deutſchen rechnet man auf 1700. Es gibt aber aud deutſche Kolonien in Puerto Cabello, La Guayra,
kleinere Mitteilung.
Ciudade Bolivar 2c.
Auſtralien. Die Zahl der in den Provinzen Queens land, Neu -Südwales, Vittoria 2c. 2c. verbreiteten Deutſchen
beträgt 65,000 und ſie gehören zu den Aderbauern, Hir ten, Gewerbtreibenden und Kaufleuten. Singapur , der hauptſächlichſte Mittelpunkt des Verkehrs zwiſchen Deutſchland und China , und zugleich der große Handelsplaß Hamburgs in Oſtaſien, enthält eine Hamburger Kolonie und eine ziemlich bedeutende Anzahl von Deutſchen.
* Flädieninhalt und Bevölkerung Rußlands. Eine neue Schrift Strelbigkis, Generalmajors vom ruſſiſchen Generalſtab und wirklichen Mitgliedes des internationalen J11
ſtituts -- durch ſeine ausgezeichneten geographiſchen und tarto graphiſchen Arbeiten der Gelehrtenwelt längſt bekannt liefert uns an der Hand ſeiner ausgedehnten Forſchungen genaue Daten
über die ungeheure räumliche Ausdehnung des ruſſiſchen Reiches
und über deſſen Bevölferungsverhältniſſe. Das ruſſiſche Reich mit ſeinen Binnenwaſſern und Inſeln
nimmt gegenwärtig ein Areal von 407,248 Quadratmeilen ein ; davon entfallen 100,131 Quadratmeilen auf das europäiſche und
China. Die Zahl der Deutſchen in China iſt in ſtetem Steigen begriffen ; die deutſchen Intereſſen find namentlich in Schanghai, Kanton , Hongkong, Tientſin und Amoy vertreten. Die deutſche Kolonie in Sdhanghai zählt über 200 Perſonen, 26 Handelshäuſer, 10 Verſiche:
rungsgeſellſchaften gegen Unfälle zur See. In Kanton beſigen die Deutſchen 25 zum Teil ſehr bedeutende Handels: häuſer , welde ſich mit Rommiſſion und Küſtenſdiffahrt befaſſen, ſowie verſchiedene Reederunternehmungen , welche chineſiſche Erzeugniſſe nach den hawaiiſden Inſeln und Kalifornien ausführen. In Tientſin zählt man ungefähr 20 Deutſche.
307,116 Quadratmeilen auf das aſiatiſche Rußland ; ſeine aſiati ſchen Beſigungen ſind alſo dreimal ſo groß als ſeine europäiſchen
und anderthalbmal ſo groß als ganz Europa, und nehmen faſt den ſechſten Teil des geſamten Feſtlandes und mehr als den zweiundzwanzigſten Teil der ganzen Erdoberfläche ein . In den legten 15 Jahren hat Rußland einen Gebietszuwachs von 348,215 Quadratwerſt aufzuweiſen , einen Zuwachs von der Größe der Balkan - Halbinſel, und unter der Regierung Aleranders III . allein einen Zuwachs von 214,856 Quadratwerſt, ein Areal von der Größe Italiens. Die Grenzlinie des Reiches hat eine Ausdehnung von 9330 Min . (6650 Min . Seegrenze und 2680 Mli . land grenze); davon entfallen auf das europäiſche Rußlaid 1373 Min .
Land- und 2680 Min . Seegrenze. Die Geſamtbevölkerung Rußlands ſtellt ſich (im Jahr 1885) auf 108,787,000 Köpfe ; der natiirliche Zuwachs jährlich zu
Auch in Japan iſt der Einfluß der Deutſchen im Wadſen begriffen ; man zählt , außer den Angeſtellten ,
1 Mill. veranſchlagt , wiirde ſie jetzt mindeſtens 112 Mill. be
Aerzten 2c. 2c. , ungefähr 300 Deutide und 39 deutſche
tragen ; von jenen nahezii 109 Mil . tommen beinahe 93 Mill .
auf das europäiſche , nur 16 Mil. auf das (dreimal größere) aſiatiſche Rußland. Auf eine Quadratmeile kommen im ruſſiſchen
Handelshäuſer und Firmen , allein die deutſchen Waren haben ſich die japaniſchen Märkte noch nicht zu ſichern
Reich überhaupt 270 Einwohner, im europäiſchen Rußland 928,
gewußt.
im aſiatiſchen 52 Einwohner.
Dzeanien. Auf den Samoas beſitt eine urſprüng lich Hamburgiſche Geſellſchaft ein Gebiet von 120,000 Morgen Plantagenland , und andere deutſche Handels
137 im aſiatiſchen Rußland, dann 112 Stromſyſteme, mehr als
häuſer haben Pflanzungen von Kokospalmen, Baumwolle, Zuder, Reis 2c. 2c. Auf Tonga ſiten verſchiedene deutſche Pflanzer und Kolonen .
Auf den Hawaii- und Sandwichs - Inſeln be finden ſid einige wichtige Stationen für den deutſchen überſeeijden Verfebr.
Afrika . Die Rapkolonie enthält 11,000 bis 12,000 Deutide, welche zum geringſten Teile Induſtrielle oder Landwirte ſind , ſich vielmehr zumeiſt mit dem Handel bes
Das ungeheure Reich zählt nur 1310 Städte , davon bloß .
1100 Inſeln , gegen 6000 große und kleine Seen. Von den Seen iſt der Kaſpi- See (7975 Quadratmeilen) der größte , die beiden größten Inſeln ſind Nowaja Semlja ( 1631 Quadratmeilen ) und Sachalin ( 1368 Quadratmeilen ). Der größte Fluß, 701 Min . lang und mit einem Stromſyſtem von 54,118 Quadratmeilen, iſt der Ob ; die Wolga mit einem Stromſyſtem von 26,489 Quadrat: meile , hat eine länge von 481 Min . und nimmt in der Reihe der großen Ströme (Ob, Lena, Amur, Jeniſſei , Jrtyſch) erſt die ſechſte Stelle ein.
Vom Geſamtgebiet des ruſſiſchen Reiches liegen 60,939 Quadratmeilen in der kalten und 341,986 Quadratmeilen in der G. W. gemäßigten Zone.
Druid und Verlag der J.G. Totta'ſchen Buchhandling Nadi.
faſſen, einerſeits Wolle, Tierfelle, Diamanten, Straußen
in München und Stuttgart.
federn 2c. X. aus , andererſeits Kleidungsſtoffe , Tüder,
Fiir die Redaktion verantwortlich: W. Kcil in München.
Das Juslaud. Wochenſchrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fachmänner herausgegeben von der I. G. Gotta’ſden Budhandlung Nachfolger in Stuttgart und Münden. Dreiundſechzigſter Zahrgang .
Nr. 6.
1890.
Stuttgart, 10. Februar
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7.
Zu beziehen durch alle Vuchhandlungen des Ill- und Auslandes und die Poſtämter. –
Manuſtripte und Recenjions- remplare von Werfen der einjdlägigen Litteratur ſind direkt an die Verlagshandlung in Stuttgart zu ſenden.
Inſertione.
preis 20 Pi . fiir die geſpaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Durch den Siiden Merifos und durch Zentral-Amerika. Vou Guſtav Pauli. S. 101. 2. Die alten Bewohner 105.. - 3. Erinnerungen an der fimbriſchen Halbinſel. Eine kulturhiſtoriſche Sfizze. 21: 3 dem Däniſchen nach C. F. Allen. S. 105
Neu - Guinea. Nach Tagebuchuotizen von F. Grabowsſy. (Mit einer Skizze von Hatfeldthafen .) S. 111 . Neuigkeit. S. 115.
5. Kleinere Mitteilungen.
S. 115.
6. Litteratur.
4. Beographiſche
S. 120 .
Durd den Süden Mexikos und durd Zentral-Amerika. ' Zeilen, die jene beiden Særiftſtücke und noch andere an Von Guſtav Baitli.
Auf meiner zweijährigen Reiſe durch Amerifa war ich von Britiſch -Columbia bis zur Hauptſtadt Merikos durdis Innere gelangt ; um mein Programm getreulich durdizuführen, waren die zentralamerikaniſchen Republiken mein nächſtes Ziel. Da ich den Wunſch hatte , auf meinem Wege zu ihnen möglidiſt viel von Land und Leuten , vor allem aber wenigſtens einen der bedeutenderen Ueberreſte von Bauwerken aus der vorſpanijden Zeit zu ſehen , ſo glaubte
id nicht verſtändiger meinen Plan entwerfen zu können, als indem ich mir vornahm , über Vera Cruz an die ſüdöſtliche Küſte Merifos zu gehen, und dann über Palenque zunächſt zur Hauptſtadt des Staates Chiapas, S. Criſtobal. Wo ich auch dieſe meine Abſicht verlauten ließ, wo:
hin man mich auch , um Auskunft über das Nähere einer ſolchen Reiſe zu erfahren , wies, entweder fand ich völlige Unkenntnis oder, was mid , mehr beunruhigte, Warnungen vor meinem Vorhaben auf Grund dunkler Gerüchte von
unſäglichen Beſchwerden, Entbehrungen, ja Gefahren, die dort unten zu gewärtigen ſeien. Ich glaube, wenn es mir je einfallen könnte, mich in einer deutſchen Kleinſtadt über eine Durchquerung Afrikas oder Auſtraliens zu unterrichten, man würde mir dort mehr Aufklärung geben, als id hier über einen Beſtandteil der Bundesrepublit empfing.
Ich hatte unſeren Herrn Geſandten erſucht, midy
Privatperſonen geridytete, mit dem nicht ſehr ermuntern den Schluſſe begleiteten : ,,Der Geſandte von Guatemala läßt dringend warnen vor dem Wege von S. Criſtobal nad Guatemala ."
Der Rückblick auf lange Reiſejahre mit mancher Müh ſal und Gefahr läßt mich immer den Berg von Ungemach, welchen man vor mir auſtürmt, im Geiſte zu einem Hügel abtragen , über den idon eher hinwegzukommen iſt, und ſo died ich denn, nidt eben allzu ſorgenvoll beladen, von der ſonnigen , bergumzogenen Hauptſtadt, durch die jeßt die herrlichſte reine, leichte Winterluft wehte, um zunächſt in das heiße Tiefland niederzuſteigen. Obwohl ich nicht Willens bin, dem geneigten Lefer mehr zu bieten, als die Worte beſagen, die ich über den Eingang zu dieſen Spalten geſeßt habe, ihm alſo nicht in einer Schilderung der Hauptſtadt dieſes großen Landes Bilder vorführen will, mit denen ich denſelben ohnedies ver traut erachten muß, fo bot doch dem Reiſenden Merito in jenen Tagen eine ſo eigentümliche Erſdeinung dar, daß dieſelbe, als eine ueue und hoffentlich nur vorübergehende, der kurzen Erwähnung wert ſein mag. In Meriko war das Stiergefecht Herrſcher über die 1
Geiſter geworden ! Frühere Regierungen hatten dieſes blutige Volksvergnügen nicht geſtattet, neuerdings aber war demſelben , vermutlich unter dem Einfluß einer ſtarken Einwanderung aus dem Mutterlande , wo ja das Stiers
außer mit einer Empfehlung des merikaniſdien Miniſteriums
gefedyt als ein echt nationales Vergnügen zur Schmad,
des Aeußern an den Gouverneur von Chiapas, auch mit einer ſolchen von ſeiten des Vertreters von Guatemala an die Autoritäten auf dem Wege von der Grenze jenes Landes bis zur Hauptſtadt zu verſehen. Vor mir liegen noch die gütigen
des Landes noch heute hoc in Ehren gehalten wird, das Bürgerredyt erteilt worden .
Ausland 1890 , Nr. 6 .
Verlockend für diejenigen , die den Staatsſädel ver: walten oder ihm nahe ſtehen, mögen auch wohl die 15 % 16
102
Durch den Siiden Mexifos und durch Zentral-Amerika.
des Betrages gewirkt haben , welche die ſpaniſchen Unter: anboten. Die dem Municipium befreundetne
Bahn von Vera Cruz über Jalapa beendet , die auf dem
nehiner
Wege der alten Landſtraße in ſanfterem Anſtiege die Hoch
Blätter ſagen zwar den Gegnern , dieſe Abgabe , die ſchon damals 39,000 Doll. eingebracht, fließe dem Fonds
ebene erreichen und ſich ziehen wird , ſo werden carril Mexicano's wohl Es liegt eine lange
für die langerſehnte Entwäſſerung des Thales zu ; aber das iſt ein ſchwacher Troſt. Denn ſchon einmal ſoll ein dazu angeſammelter Fonds abgefloſſen ſein , während das Waſſer noch ſtagniert. Sechs plazas de toros “ erhoben ſich idon in der Nähe der Stadt, und zwei weitere erwartete man noch. Zuſammen haben die Eigentümer derſelben 338,000 Doll.
dann über Puebla zur Hauptſtadt die fetten Jahre für die „ Ferro dahin ſein. Liſte von 47, ſeit dem Jahre 1877
konceſſionierter Bahnen vor mir; bis heute haben ſich aber nur für eine ſehr geringe Zahl davon die nötigen Rapitalien finden laſſen . Willig fanden ſie ſich aber in den Vereinigten Staaten für zwei Linien. Die eine, die ,,Mexican Central ", führt in einer Länge von 1223 engl.
für ihr Unternehmen verausgabt und zwei davon ſchon
Meilen ( 1968 km) von El Paſo im Norden auf dem
nach wenigen Monaten das ganze ausgelegte Kapital ein
Nüdgrate des Landes zur Hauptſtadt hinab, und hat ſeit
gefädelt.
1884 dieſe ihre Hauptlinie im Betriebe ; aber mit zwei
Man mußte aber auch an einem Abende den Strom ber
Seitenlinien : öſtlich nach Tampico , und weſtlich nady
Menſchen geſehen haben, der ſich dieſen bretternen Bauten
San Blas, iſt ſie noch im Rüdſtande. Die andere kommt von Laredo , an der Grenze von Teras , und vereinigt ſich über Montereq mit der obengenannten Zentralbahn. Es iſt begreiflich, daß auf dieſen Straßen der rührige,
zuwälzte , um an ſo gute Geſchäfte glauben zu können ! Und alle die Tauſende werden dem Lande entzogen, wandern nach Spanien ! Von dort kommen mit den
diestros “ ( Fechtern ) auch die Stiere.
unternehmungsluſtige Yankee raſch ſeinen Weg ins Land
Das Stiergefecht erfüllt das ganze Denken, nament lich der Jugend , ſo daß mir ein Lehrer tlagte, wie dwer es ihm jeßt werde , ſeine Schüler mit ihren Gedanken beim Unterrichte zu feſſeln. Die kleinen Leute legten ſich
gefunden hat , und auf meiner vielfach unterbrochenen Reiſe von Norden herab waren es meiſtens Gefdäftsleute
förperliche Entbehrungen auf , um einen Siß im toro zu erübrigen ;
Ladenbeſißer ſagten mir , ihre Tagesfaſſen
würden kleiner und kleiner.
des Nachbarlandes , mit denen ich in Berührung fam : Fabrikanten , die neuen Abſaß anbahnen wollten , oder Käufer für Produkte des Landes. Id erfuhr ſpäter, daß
außerdem in Bahnen und Minen und ſonſtigen Unters nehmungen idon jeßt ca. 100 Millionen amerikaniſches
Verfechter dieſer SĐauſpiele wollten in ihnen eine
Geld in Mexiko engagiert ſeien. Amerikaner rühmten
Uebung des ritterlidhen Sinnes im Volfe erbliden ! Das hätte man wohl in einer Zeit von ihnen ſagen können, als noch die Ritter ſelbſt in die Arena hinabſtiegen , aber doch nicht heute mehr, wo die Matadores fid meiſtens aus Sdlächtergeſellen rekrutieren. Heute glaube ich, die Gegner hatten Recht, die ichon damals eine bedenkliche Verrohung der Maſſen feſtſtellen wollten. Und dieſe wird ſich über das Land mit den ,, toros “ verbreiten , die begreiflicher: tveiſe ſchon damals , da die Hauptſtadt die Mode angibt, wie eine Seuche hinausgetragen wurden. Ich wünſchte
mir auch, wie freundlich ihnen der Präſident Porfirio Diaz
.
dem Lande , daß ſich in ihm die Stiergefechte nur als
deren eine erwieſen - die da kommen und gehen ! Die Bahn zum Meere hinab iſt die älteſte im Lande ; ſie wurde 1873 dem Verfehre übergeben und iſt ein
engliſches Unternehmen. Schon 1857 wurde ſie begonnen, aber die politiſchen Zuſtände des Landes hemmten die raſche
Durchführung, und außerdem war die Ingenieurkunſt durch
geſinnt ſei.
Man braucht ſich nicht lange im Lande bewegt zu haben, um zu bemerken, wie wenig Spanier, Kreolen und Meſtizen im Großhandel , Erport wie Import, oder in irgend welchen induſtriellen Unternehmungen vertreten ſind; ihnen fehlt Unternehmungsgeiſt und Ausdauer. Sie ſind Großgrundbeſißer, beteiligen ſich vorſichtig an Unter
nehmungen Fremder und drängen ſich beſonders zum ziem= lich müheloſen Staatsdienſte und zum Dienſte in den Ge :: chäften der Europäer. Haben ſich aber idon Deutſche und Engländer eine ſo hervorragende wirtſchaftliche Stellung
im Lande erringen können, wie ſollten die Nachbarn nicht noch mehr erreichen ? Sie werden noch mehr Bahnen mit ihren ungeheuren Mitteln durchs Land legen , Montan fäße heben, Fabriken errichten und mit all dem Kapital eine ſolche Macht im Staate barſtellen , daß fie leidyt
den fühnen Aufſtieg aus dem Tieflande , den man wegen
eine Gefahr für ſeine Unabhängigkeit werden kann, wenn
des Reichtums des burdidnittenen Landes gewählt hatte,
eines Tages die wohlthätige , an Diktatur grenzende Re
vor enorme Schwierigkeiten geſtellt. So foſtet denn die 424 km lange Bahn die ungeheure Summe von 39 Mil lionen Dollars. So lange dieſelbe die einzige Vermittlerin des Verkehres zwiſchen dem bedeutendſten Hafen der Oſtküſte und der Hauptſtadt bleibt, trägt ſelbſt dieſes Kapital durch den außerordentlich hohen Tarif, den man ſich geſtatten darf , ſeine guten Zinſen , aber iſt erſt eine konceffionierte
gierung eines Porfirio Diaz ihr Ende erreicht und unter ſchwächerer Führung wieder die alte Pronunciamiento: Wirtſchaft ihr Haupt erhebt und innere Kämpfe die
großen Güter der Nachbarn bedrohen. Neben dieſen großen materiellen Gütern , die erworben ſind und als: dann den Schuß des Nachbarn fordern müſſen , ſind es auch geiſtige Güter, die ihn anrufen werden. In aller
Durch den Süden Meritos und durch Zentral-Amerika.
Stille dreitet nämlich die proteſtantiſche Miſſionsthätigkeit ſeit Juarez' Zeit im Lande vor, und bis Dayaca im Süden iſt faſt kein größerer Ort ohne Kirche und Schule der ver ſhiedenen proteſtantiſchen Sekten. Sind die Uebertritte zur neuen Lehre auch noch nicht mit impoſanten Zahlen ( etiva 15,000 bis 20,000) zu verzeichnen , ſo findet doch ein ſtetiges Fortſchreiten ſtatt. Wo ſonſt in den ſpaniſch -amerikaniſchen Republiken ſich Deutſche und Engländer niedergelaſſen , hat jeder für ſich gearbeitet, und auch da , wo ſie in größeren oder kleineren Gemeinweſen zuſammenleben, haben ſie nirgends einen politiſchen Einfluß angeſtrebt. Aber das merikaniſche Hochland iſt der einzige Punkt , wo das angelſächſiſche Element durch ein jugendſtarkes aufſtrebendes Staatsweſen ſich den Rücken gedeďt hat und einer dieſer Republiken ſpani ſcher Herkunft, denen die Freiheit zum Fluche geworden, ein Ende bereiten kann. Wem es geſtattet war , auch nur
103
ſtaunlich ſchwer ſein, den Mexikaner von den Vorzügen ders
ſelben zu überzeugen. Er zieht ſeine Furche noch mit dem primi tivſten hölzernen Haken, und dort ſtehen gar zwei Männer auf einem Balken, den vier Dahlen über den Ader ſchleifen : das iſt die Egge ! Wo der Ader klarer war, ſah ich auch die
Strauchegge verwenden . Nur Mähmaſchinen ſollen , wo die Arbeiter zu teuer geworden ſind, nach Ueberwindung hef: tiger Oppoſition von ſeite derſelben dennoch neuerdings Abnehmer finden .
Nach Süden hinaus feſſeln anfangs noch der Popos catepetl und Iptaquatl den Blidt; dann tritt zur Rechten der Regel des Malinzi in die Erſcheinung. In Eſperanza,
wo wir , nachdem wir in Apizaco gefrühſtückt haben , unſer Mittageſſen einnehmen , ſtehen wir am Rande des Ab : .
falles zum Küſtenlande und haben nach Norden hin den ges
waltigen, 5295 m hohen Zweiſpiß des Vulfans Drizaba
flüchtige Umſchau in dieſen Ländern zu halten , der wird in dem ſich auch hier in aller Stille unter der Bes
vor Augen. Die 254 km von der Hauptſtadt bis hierher ſind wir nodum 211 m geſtiegen und befinden uns in
teuerung gegenſeitiger Zuneigung vollziehenden Strangu
2452 m Meereshöhe. Nun aber geht's rapide abwärts,
lierungsprozeſſe nicht erſt zu überlegen brauchen , auf welche Seite er mit ſeinen guten Wünſchen treten ſoll. Nach dieſer kleinen Abſchweifung, die ich mir geſtattet habe, kehre ich auf den Weg zur Küſte zurüd. Es muß auf fallen , daß eine ſo anſehnliche Stadt wie Puebla abſeits der Bahn liegen geblieben iſt. Die Väter der Stadt, die damals wohl nur eine unklare Vorſtellung von der Bes deutung einer Eiſenbahn gehabt haben mögen , wollten ſicher gehen und forderten von der Bahngeſellſchaft für die Berechtigung , den Weg über Puebla zu nehmen , ein bes deutendes Kapital. So wählte dieſe denn natürlich einen andern , und die Stadt ſah ſeither im Abnehmen ihres Handels den Fehler ihrer Väter ein .
3d will geſtehen ,
daß ich den kleinen Umweg zu ihr nicht gemacht habe, weil ich damals fürchten mußte , dadurch einen Dampfer zu verfehlen .
Wer Puebla jah, rühmt den herrlichen Blid, den von dort aus die beiden großen Vulkane gewähren , und ſpricht von dem Kirchenreichtum . Jene beiden Bergriefen hatte ich von Amecca-mec aus im Weſten in großer Klarheit
geſehen, Kirchen im ſpaniſchen Amerika erfreuen aber ſelten das Auge ; entweder begegnet man der größten Nüchtern heit und Armut in den Formen, oder ſie zeigen den (dwülſtigen Jeſuiten Stil. Dichte Staubmaſſen aufwirbelnd , durcheilt der Zug
und in den 47 km, die es noch bis Drizaba , unſerem
heutigen Ziele , find , kommen wir 1224 m þinab. Bald hatte ſich ein Thal zur Rechten geöffnet; dort, wo es ſich erweitert, erſcheint , zu unſeren Füßen faſt , der ſaubere, quadratiſd angelegte Drt Maltrate, und mit einem Blid
liegt uns wie dem Vogel das ganze ſtille Leben einer
merikaniſchen Landſtadt vor Augen. Die Abhänge der Berge haben den friſchgrünen Waldmantel umgehängt ; reichlicheren Niederſchlag verraten auch die anſteigenden Dächer in Ziegel oder Stroh , welche an Stelle der flachen
Dächer des Hochlandes getreten ſind , und die Fülle der Früchte: Drangen , Bananen , Ananas , Mangos 2c. , die uns auf den Haltepunkten die Indianerinnen anpreiſen, unterſtüßt bei uns die Vorſtellung eines geſegneten Landes
ringsum. Doch bei der Ankunft in Drizaba ſenkte es ſich wie ein Trauerſchleier um das ſonnige Bild ! Im Golfe mußte der Nordwind wehen , der ſich in dieſer Höhe in dichten Nebel wandelt, welcher wie feiner Regen niederfält.
Fröſtelnd trat ich bei der Landsmännin ein, die den Gaſthof ,,De la Barba" leidlich hält ; derſelbe hat von dem toſen den Flüßchen ſeinen Namen erhalten, das neben ihm eine Mühle treibt und dann nad gethaner Arbeit fröhlich
unter einer Brüde die Hauptſtraße des ſchmucken Städt
Amerikaner haben ſchon in manchen Städten Nieders
chens freuzt. Obgleich der Ort 1227 m über dem Meere, ſoll die Lage in engem Thale ihn im Sommer nur wenig kühler machen ; aber er iſt geſund, und wenn an der Küſte das gelbe Fieber (vomito) herrſcht, birgt Orizaba ficher manchen Flüchtling von dort. Selbſt der gewiſſenhafteſte Reiſende wird , wenn er ſich im Lande ſchon etwas umgeſehen hat , von einem Rundgange durch die Stadt kaum neue Eindrücke nach Hauſe bringen : gerade, breite Straßen mit weißgetünchten Bauten, ſelten ein zweites Stockwerk tragend, tief herabgehende vergitterte Fen
lagen ihrer trefflichen Adergeräte errichtet, aber es foll er
ſter mit Damen in füßem Nichtsthun dahinter. Eine Plaza
die ebene Thalfläche; denn es iſt Januar und trockene Zeit. Haciendas ſehen wir mit ausgedehnten Pflanzungen der Agava mexicana , die den Nationaltrant Pulque liefert, und mit geađerten Fläden, welche die neue Weizenſaat erwarten, während die leßte Ernte zum Teil noch in langen, niedrigen Feimen ſteht. Nad alter Sitte löſen im Kreiſe getriebene Pferde das Getreide aus den Aehren.
104
Durch den Siiden Mexifos und durch Zentral-Amerika.
mit Anlagen , von geradlinigen Wegen durchkreuzt, eine
welchem die Stadt zu tragen hat ; aber als während meines
Kirche daran , blendend weiß wie die Häuſer. Und doch , bier iſt etwas Neues ! Mehrere geräumige Holzbauten mit Tiſchen und Bänken erheben ſidh dort in der Nähe.
Aufenthalts ein europäiſder Poſtdampfer eintraf und die
Noch in ſpäter Abendſtunde verſammelt ſich daſelbſt drei
Monate des Jahres hindurd, das Volk zum Lottoſpiel ! Von einer Höhe über dem Orte, die id) am nädyſten Tage im Sonnenſchein erſtieg , überſah ich, weit hinauf nach Dſt, das Thalmit Pflanzungen von Zuckerrohr, Tabak und Bananen . Weiter ſchließt ſich dort der Kaffee : diſtrikt an , der ſich bis über Cordova hinaus erſtredt. Drizaba ſoll für dieſes Produkt der Hauptmarktplaß ſein . In der Nähe ſind auch Marmorbrüde und Schleifereien. Die Weiterfahrt zur Küſte führte uns dann bald in die Tierra Templada, die Mittelzone zwiſchen der Tierra Fria, die wir geſtern verlaſſen, und der Tierra Caliente, der wir für die Schönheit der Natur, die uns nod) umgibt, leider nur
Reiſenden, obgleich gar kein Vahnzug zur Nachmittagsſtunde ins Hochland abgelaſſen wurde, ſofort zum Bahnhof zogen , ſagte man mir, daß man ſie gleich noch am Abend mit Extra :
zug bis Orizaba ſchaffte – eine Maßregel, die augenblidlich vielleidt unnötig war , aber bei der Angſt vor dem Dute, die den Inländern in den Gliedern ſtedt, ſehr verſtändig iſt. Auch noch andere unheimliche Gäſte kehren hier hin und wieder ein, wie Typhus, Gallenfieber, Blattern 2c.
Früh am Morgen hatte mich ein großer geräuſchvoller
Aermlich zwar ſehen ſich die offenen leichten Hütten der
Wanderzug von Reiſenden um meine Ruhe gebracht, und don vor der Sonne wandelte id durch die noch ſtillen Gaſſen zunächſt der Alameda zu , die nach Süden hinaus unfern des Meeres unter Rokospalmen eine mit Ziegeln belegte Wandelbahn bietet. Die Straßen ſind ſauberer gehalten als die der Hauptſtadt. Neben einer guten Kanaliſierung hat man die Reinlichkeit dem Zapilotes zu danken , einer Spezies von dwarzen Geiern (Cathartus atratus) und in der Größe eines ſtarken Haushuhns, der, überall auf den Dächern und Bäumen lauernd, mit jedem faßbaren Unrat ſofort auf- und davonfliegt. Iſt er geſättigt und wird es heiß, ſo ſieht man ihn dann mit gegen den Wind gehobenen Flügeln in behaglicher Ruhe auf den Dächern Tigen.
Indianer an , aber man fühlt fein Bebauern für die be
Ich erfannte auf meinem weiteren Rekognoszierungs
dürfnisloſen Bewohner; denn die treue Banane ſteht da: neben, welche geringe Mühe ſo reichlich und ſo ſicher lohnt wie kein zweites Gewächs , das ſidi der Menſch dienſtbar gemacht hat. Während ſich mein Auge erfreut, wird meine Naſe plößlid tief gekränkt ! Die Jugend in meinem Wagen hatte , als der Zug hart an einer Felswand hinfuhr, Zweige abgeriſſen , die aus deren Spalten niederhingen , und damit ein Stinktier geſdredt , das daſelbſt gelegen und auf der Flucht ſeine beiden Drüſen auf einen der Zweige
gange , daß die Stadt in einer vollſtändigen Wüſte gelegen iſt. Die raſenden Nordſtürme haben um leßtere hohe Dünen aufgetürmt, und die von den Höhen ſtrömenden Waſſer bilden hinter denſelben ſumpfige Flächen , die Brutſtätten der Seuden. Ich idlenderte durch die redytwinklig ſich
entleert hatte , der nun ſofort den ganzen Wagen mit
wie ich das (don ſo häufig an tropiſchen Küſten wahı : genominen habe ; denn von einer ſo leicht dem Verderben ausgeſeßten Ware varf man nicht mehr bringen , als die Nachfrage knapp zu deden imſtande iſt. Auf der kleinen Plaza , an der mein Gaſthof lag,
allzu raſch entgegeneilen. Nur flüchtige Blicke kann man in tiefe Barrancas werfen, an deren Wänden die Bahn ein: geſprengt oder auf Brüden fortgeführt iſt, von denen die kühnſte über den Atajoc circa 330 Fuß ſpannt. Man läuft von einer Seite des Wagens zur andern , um die Bilder der Tropenwelt mit Entzücken zu erfaſſen. Palmen , Baum . farne und Orchideen, die an Waldrieſen fleben, ſind unzählig.
ſeinem mephitiſchen Geruch erfüllte. Als wir zur Station Cordova kamen , befanden wir
uns 827 m hoch über dem Meere , ſo recht in der Region des Kaffeeſtrauches, der rund umher, unter Schattenbäumen ſtehend , die Abhänge bedte.
Das iſt die Höhe , die dem
Gewächſe am meiſten zuſagt ! Neben zahlreichen Barrancas, die ſich zum Tieflande öffnen, geht es in den Gürtel der Llanos, des Grass und Geſtrüpplandes.
Es wird dunkel
und ſchwül, und um adht Uhr ſchleppe ich meine Glieder durch die lange nicht empfundene Tropenluft dem Gaſt: hofe ,,De las Diligencias" zu ; ich bin in der „Ciudad de los Muertos" , der Stadt der Toten, wie der Hochländer voll Sdreden dieſes „ Vera Cruz", den berüchtigten Herd des gelben Fiebers , nennt. Mit großer Regelmäßigkeit hält dieſes mit Anfang April ſeinen Einzug und herrſcht 1
als Epidemie bis zum Eintritt der Nordſtürme zu Anfang Dezember fort. Endemiſch iſt es hier immer. Jeßt , im Januar, ſprach man nicht von dem „wahren Kreuz", an I
.
dyneidenden Straßen , deren Häuſer flachdadig ſind, dem
Markte zu. Unter der Halle bieten Negerinnen und India: nerinnen auf Matten eine Fülle von Früchten , aber nur wenig Gemüſe feil. Auch Fiſche waren ſchwach vertreten,
war inzwiſden das Leben erwacht.
Die Cafés ordneten
unter den Arkaden ihre Siße, und ein Diener der Ordnung umfreiſt die ſaubergehaltenen Anlagen, die am Abend elet triſch beleuchtet werden , mit weitragender Peitſde , um ſie jedem Hunde unſanft auf den Rücken zu legen , dem es beifällt, die Blumenbeete zu betreten. An den Inhaber des dwunghafteſten deutſchen Ima
portgeſchäftes hatte ich einführende Zeilen, und ſo folgte ich gern ſeiner freundlichen Aufforderung, in ſeinem ſchönen Hauſe Gaſt zu ſein. Als ich meinen Reiſeplan entividelte, ſtieß id ) auch hier noch auf dieſelbe Unkenntnis jener Ge genden und auf dieſelben Gerüchte, deren ich eingangs erwähnte. Niemand war aufzufinden , der dort geweſen war , und nur das ſchien klar zu werden , daß ich nadh
Die alten Bewohner der fimbriſden Halbinſel.
S. Juan Bautiſta zu ſchiffen häite. Da aber vorläufig
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mit kurzgraſigen Weiden und Getreideäckern um vereinzelt
kein Dampfer für jenen Plaß abging und die Stadt mir
liegende Anſiedelungen, dem Cerro Gordo zu. Das Geſtein ,
nichts mehr zu zeigen hatte, ſo entſchloß ich mich, in Jalapa
durch das ſie ſchnitt, war erſt vulkaniſcher Tuff, ſpäter Lava. Das Bild der Landichaft veränderte ſich , ſobald wir den Gebirgsrücken überſchritten. Friſch und üppig grünt und blüht es umher , und vor uns in der Tiefe blicken wir auf ein vielfach von Barrancas durchſchnittenes Hügel land, das ſich bis an den Fuß gewaltiger Bergmaſſen
das weitere abzuwarten.
Um 5 Uhr morgens verläßt man auf der „Ferrocarril Mexicano“ die Stadt, um, nachdem man eine Station auf derſelben und eine zweite auf einer Seitenbahn in San Juan erreicht hat, auf dem Schienenwege durch Maultiere weiter
befördert zu werden. Jede Fahrklaſſe hat ihren eigenen luftigen Wagen, mit dem dann bald die Viergeſpanne in
hinauszieht. Endlic), nach faſt zwölfſtündiger Reiſe, fahren wir in Jalapa ein. Seine Lage iſt unendlich maleriſ
das ſanftanſteigende Waldland fortſauſen. Auf der 114 km
und friedlich! Mit ihren rothen Dächern ſteigt die Stadt
langen Straße findet ſiebenmaliger Tierivedyſel ſtatt. „ Je idlechter die Straße , deſto mehr gebrauche die Peitſche," iſt der Grundſaß des mexikaniſchen Kutſchers, und ſo ging es die Abhänge im geſtredten Galopp hinab , wenn auch das urſprüngliche Steinpflaſter zwiſchen den Sdienen auf: gewühlt war und tiefe Löcher hatte. Jeder . Sturz eines Tieres hätte ihm dabei das Leben gekoſtet; denn die Bremſe wäre bei ſolchem Raſen nicht wirkjam genug geweſen. Da die Schienen ihren eigenen Weg laufen, ſo berührt man nur an den Stationen die alte Heerſtraße, die ſich hier
den Bergrücken, der dieſes ſegenerfüllte Thalbecken gegen Oſten vom Tieflande trennt, ſteil hinan. Zwei Gaſthöfe
im Hodland hinaufzog. Der Blick dweift meiſtens über Waldland. Je höher man ins Innere ſteigt, um ſo ſel
tener ragen daraus Palmen hervor ; denn die Palme ſucht Meerluft und feuchten Stand, weldien ihr die Formation des jungen Ralfes , der die Höhen bildet , verſagt. Der Wald iſt überhaupt nicht dön ; in Indien würde man
kommen für den Reiſenden in Betracht; dem einen hatten boshafte Menſchen den Namen „ Hotel Borgia ", dem an deren den ebenſo wenig empfehlenden , „ Hotel Tanner“ gegeben. Da ich mich doch lieber knapp als ſchädlich er nähre, ging ich zu Tanner (Hotel Veracruzana) und blidte
bald aus meinem geräumigen Zimmer auf den üblichen Patio mit plätſcherndem Brunnen und Blumen , den der
ebenerdige Bau mit Arkaden umzog. Mehrſtöckige Häuſer, überhaupt im Lande, namentlich in kleineren Städten nicht
bäufig , mögen hier um ſo weniger beliebt ſein , als die
Frauen, wie ich ſpäter vernahm , behaupten, daß Treppen ſteigen für ſie ſchädlich ſei, und von den Aerzten in dieſer Sdrulle noch beſtärkt werden . ( Fortſetung folgt. )
ihn „ Dſchungel " nennen . Seine Zierde war gegenwärtig ein mäßig hoher Baum mit breiter Krone, weißlicher Rinde und endſtändigen großen weißen Blüten . Man nannte ihn
Die alten Bewohner der kimbriſden Halbinſel.
Patagua und erwähnte, daß ſich in der Regenzeit an ſeinem Stamme eßbare Pilze entwickeln . Als Futterpflanze ſah
Eine kulturhiſtoriſche Skizze.
ich auf den Stationen ein Gras verwenden , dem id don
Aus dem Däniſchen nach C. F. Allen.
im ſubtropiſchen Braſilien begegnet war : man nannte es
II. Voltsgeiſt. – Bifingerleben, Normannenzüge. -- Zweifämpfe. Blutrace. Kriegeriſche Erziehung. Bruderverband. Gaſt Ausjebung von Kindern. Behandlung der Frauen. Andenfen an die Geſtorbenen. freiheit. Havamaal.
dort „ Zacate" und behauptete , es ſtamme aus Afrika. Man pflanzt es in den Ader , und da jeder Knoten ſeiner langen Ranken Wurzeln in den Boden ſendet, hat es ihn bald dicht überzogen.
In den weiten Waldflächen, die von dieſen Höhen bis ans Meer , wie einzelne freie Ausblicke der Straße mir
Gleid wie die friegeriſche Stimmung , welche durch
die Religion unſerer Vorfahren ſich hindurchzieht, mit dem
zeigten, die Tierra Caliente zu erfüllen ſcheinen , ſoll unter
Geiſte verwandt war, welcher in dem Volke lebte, ſo mußte aud) eine Lehre, welche perſönliche Tapferkeit als
der Gunſt von Wärme , Feudytigkeit und Schatten die
die größte Tugend, und Feigheit als das entehrendſte Laſter
Vanille zu Hauſe ſein und von den Indianern, die jenen
bezeichnete, wiederum mächtig dazu beitragen , die natür
Landſtrich von alters her innehaben , geſammelt werden. Auf der dritten Station , Rinconada, wurde unſer
liche Kriegsluſt zu ſtärken und zu nähren . Durſt nach Ruhm und Hoffnung auf Beute waren die beiden ſtarken
wildes Jagen auf ein Stündchen unterbrochen , und der belgiſche Wirt des Stationshauſes bot uns ein reichliches und idymadhaftes Frühſtück, deſſen Glanzpunkt, wie alle
Gefühle, welche den Nordländer beſeelten und zu deren Bes
friedigung er weder Gefahren noch Schwierigkeiten ſcheute. Vielmehr erhöhte die Gefahr ſeinen Mut; denn je größere
übrigen 364 Tage des Jahres , ein Truthahn war. Ich
Gefahren er beſtehen konnte , deſto größeren Ruhm konnte
will nebenbei bemerken, daß dieſer Vogel in Mexiko ſeine
er erlangen , und wenn er, mit ehrenden Wunden bededt,
Heimat hat und im Anfang des fünfzehnten Jahrhunderts durch die Spanier von dorther nad Europa gebracht wors
fiel, dann wartete ſeiner in Walhalla eine Glüdſeligkeit, von deren Größe er ſich feinen Begriff machen konnte,
den iſt.
und auf Erden lebte ſein Andenken in den Geſängen der
Unſere Straße wand ſid nun durch offenes Land, Ausland 1890, Nr. 6 ,
Sfjalden fort.
Auf dem Krankenbette zu ſterben war das 17
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Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
größte Unglück, welches einem nordiſden Kriegshelden be gegnen konnte ; denn dies galt für unehrenhaft und ſchloß ihn von der Teilnahme an den Freuden Walhalas aus. Es war daher nicht ſelten, daß er, wenn er alt geworden
war und vergeblich den Tod auf dem Schlachtfelde ges ſucht hatte, einen ſeiner Freunde bat, ihn mit dem Schwert zu töten, oder ſeinem Leben, das nun feinen Reiz mehr für ihn hatte, ſelbſt ein gewaltſames Ende machte. So eng verwachſen mit der Denfart des Nordländers war dieſe Geringſchäßung des Lebens, daß ſogar eine Mutter das Leben ihres Sohnes preisgab, um auch nicht den geringſten Schatten auf ſeine Tapferkeit fallen zu laſſen. So wird
erzählt, daß ein nordiſcher Häuptling mit ſeiner Mutter ſich darüber beriet, ob er ſich nicht vor einem weit überlegenen Feinde zurüdziehen ſolle. Hätte ich geglaubt“, antwor tete die Mutter, „ das Du ewig leben ſollteſt, dann würde ich Dich in Wolle eingewidelt haben. Wiſſe, das Sdid
ſal waltet über unſer Leben : es iſt beſſer, in Ehren zu ſterben , als in Schande zu leben !" Einen zu töten, zwei
anzugreifen, vor dreien etwas zurückzuweichen und vor vieren ohne Sdham zu fliehen, das war ſonſt Gebrauc
bei den nordiſchen Kriegern. Eine Abhärtung von Kinde heit an, eine geſunde und einfache Koſt bildete einen
ſtarken und fräftigen Körper, welcher den Nordländer in den Stand jeßte, die Beſchwerden des Krieges mit Leichtig: feit zu ertragen, und welcher ein Bewußtſein von der eigenen Stärke und Tüchtigkeit gab, welches bewirkte, daß er allen Gefahren zu Waſſer und zu Lande troßen konnte. Die Heimat war für den Durſt des nordiſchen Jünglings nach Ruhm und gefahrvollen Abenteuern meiſtens zu enge und daher ſuchte er in fremden Ländern einen größeren Tummelplat für ſeine wilden Thaten. Die herrſchende Meinung geſtattete auch keinem ehrliebenden Manne, ohne
daher, „ daß ſie niemals unter einem ſottigen Balken ſaßen oder am Herde tranken." Ihre Lebensweiſe und Sitten waren ebenſo wild, wie ihr Handwerk grauſam , wenn man dem trauen kann, was die Sage über einzelne von ihnen berichtet, daß fie Blut tranken und das Fleiſch roh ver : zehrten. Aber es gab audy edlere Vifinger, welche, weit
entfernt, den friedlichen Kaufmann zu beunruhigen, ihn im Gegenteil beſchüßten und eine Ehre darein ſepten, jene grauſamen Seeräuber zu verfolgen und zu bekämpfen. Von den Kaufleuten verlangte ein ſolcher Viking nur ſo viel, als er zu ſeinem und ſeiner Mannſchaft Unterhalt
bedurfte, und hieß ſie darauf in Frieden gehen. So er klärte der Viking Hjalmar : „Ich will von einem Kauf mann oder Bauer nie mehr nehmen, als ich jum Unter halt für die Mannſchaft bedarf, und vollen Erſatz dafür
Leiſten. Ich will niemals eine Frau ausplündern laſſen und wenn ſie noch ſo reich ſein ſollte, und wer von meinen Leuten eine Frau mit Gewalt fortführt oder gegen ihren Willen aufs Schiff bringt, der ſoll ſeines Lebens ver luſtig ſein, er mag vornehm oder gering ſein ." Die Vikinger beſchränkten ihre Räubereien nicht auf die nordiſchen Gewäſſer, ſondern wagten ſich frühzeitig hinaus auf entferntere Meere bis nach den ſüdlicheren Ländern Europas, welche durch ihre Fruchtbarkeit und Reichtümer ſie anlockten, und deren mehr gebildete, aber
auch weniger abgehärtete Nationen der wilden Tapferkeit der Nordländer nur einen ſchwachen Widerſtand entgegen ſeper konnten. England, wo ſich frühzeitig bürgerliche Ordnung, Handel und Aderbau entwidelt und Wohlſtand und Reichtum unter den Bewohnern ausgebreitet hatten, tvurde zuerſt das Ziel der verheerenden Einfälle der Dänen ,
während Schottland und Frland beſonders von den Nors mannen beimgeſucht wurden, die unter dem Namen der
Beſchäftigung zu Hauſe zu fißen ; wollte er in der Heimat
Dſtmannen hier eigene Reiche gründeten und ſpäter ihre
die Achtung der Männer und die Liebe einer Frau fich erwerben, dann mußte er ſich in der Welt umgeſehen und
nicht lange, bis die Normannen --- ſo nannten die Bes
ſich einen Namen und Reichtum verſchafft haben. Außer
dein waren die Länder des Nordens arm und unfrucht bar und boten den Bewohnern faum das Allernotwendigſte, ſo daß Zwang und Neigung ſich vereinigten, um das wilde Vifingerleben zu entwideln, welches die Bewohner
Herrſchaft über Nordengland ausbreiteten. Aber es dauerte wohner des Südens alle die Vikinger, welche aus den nördlichen Gewäſſern kamen, mochten es Dänen, Nors weger oder Schweden ſein
-
aud über noch füblidere
Länder Sdyreden verbreiteten. Alle ſüdlichen und weſtlichen Küſtenländer Europas
des Nordens ſo gefürchtet und berühmt machte. Jedes
Flandern, Frankreich, Portugal, Spanien, Italien und
Frühjahr zogen zahlreiche Scharen von den Küſten des Vaterlandes fort, zerſtreuten ſich über alle Meere, plün: derten Kaufleute und verheerten die Länder. Schonung fannten dieſe grauſamen Vikinger ſelten ; der Gefangene, dem das Leben erhalten blieb, ward Sllave und ſein Gut wurde als eine ehrlich erworbene Beute betrachtet. Doch
Griechenland, wurden von den fürchterlichen Normannen verheert und geplündert ; ja ſelbſt Afrifas ſonnverbrannte
waren nicht alle Vifinger von derſelben Art. Einige trieben das Vikingerleben gewerbsmäßig und brachten faſt ihr ganzes Leben auf dem Waſſer zu, ohne ein feſtes
Bewohner lernten die gewaltige Kraft des Nordens kennen. Einmal war beinahe das ganze Frankreich von ihnen er: obert, indem ſie von Süden, Weſten und Norden auf ihren flachen Fahrzeugen in die großen Flüſſe des Reiches bin auffuhren und im Herzen des Landes einander begegneten.
Paris wurde genommen, geplündert, und verwüſtet und
Heim auf dem Lande zu beſißen, ausgenommen höchſtens
die Hauptſtadt der Chriſtenbeit, Rom , verdankte es nur einem Zufall, daß ſie vor einem ähnlichen Schickſal ver
eine kleine Burg in der Nähe der Küſte, wohin ſie ihre Beute in Sicherheit bringen konnten. Von dieſen hieß es
thätigen Männer mit dem Schwert zu vertreiben , ſuchten
ſchont blieb. Zu ohnmächtig, um die fremden gewalt
Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
die Bewohner jener Gegenden in ihrer Not durch Gold und Silber ſie zum Abzug zu bewegen ; aber das war für die raubgierigen Normannen nur ein Reizmittel zur bal: digen Wiederkehr. Die Chronitſchreiber jener Zeit haben furchtbare Schilderungen von den Grauſamkeiten hinters laſſen, welche die Normannen auf ihren Vikingerzügen begangen haben. An den Ufern der Flüſſe wurden die
dönſten und fruchtbarſten Strecken in öde Wüſten ver wandelt, in welchen man meilenweit nicht ein lebendes Weſen antraf ; Kinder und Greiſe wurden mit faltem
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Einfluß des Chriſtentums, welche für den Augenblick die Auswanderungen vermehrt hatten, nach und nach durch
Wiederherſtellung von Ruhe und Ordnung im Norden die Quellen dazu verſtopften, hörte die Bewegung allmählich auf und Europa wurde von einer Geißel befreit, welche jahrhundertelang ſeine ſchönſten Länder verwüſtet hatte. Eine natürliche Folge von dem ganzen Charakter unſerer Vorfahren iſt die, daß wenn, wie es häufig der Fall war, Zwiſtigkeiten unter ihnen entſtanden , dieſe fel tener durch einen Vergleich, als durch einen Kampf mit
Blute mittels des Schwerts ermordet oder lebendig in die brennenden Gebäude geworfen, die Frauen wurden miß handelt und die Männer niedergemacht oder als Sklaven fortgeführt. Vornehnılich aber bildeten Kirchen, Klöſter und andere heilige Gebäude zugleich mit ihren Bewoh
den Waffen erledigt wurden. Sie hielten es eines Mannes
nern, den Nonnen, Mönchen und Prieſtern , den Gegens ſtand einer wilden Raſerei und eines mutwilligen Spottes
lich in dem 9. und 10. Jahrhundert wuchſen die Vikinger:
oder Haſelgeſträuch eingefriedigte Pläße wählte. Keiner der Rämpfenden durfte aus dieſem Kreiſe heraustreten, wenn er nicht für beſiegt gelten wollte. Die häufigſte Veranlaſſung zum Zweifampf waren Aeußerungen, durch welche die Ehre eines anderen verleßt oder auch ſein
züge in einem ſo erſtaunlichen Maße, daß es erſchien, als
Mut in Zweifel gezogen wurde, eine Beleidigung, welche
ob der ganze Süden eine ſichere Beute der unzähligen Vikingerſcharen werden follte, welche vom Norden heran: ſtürmten, gleichſam als wenn eine neue Völkerwanderung
zur See begonnen hätte. Der Grund dazu war zum Teil
ein Nordländer nicht eher vergab, als bis er ſeines Gega ners Blut hatte fließen ſeben ; aber auch bei Streitigkeiten, die über Erbſchaften, Eigentumsgrenzen u. dgl. entſtanden, zog er eine ſchnelle Abmachung durch Zweikampf einem
die Auflöſung, in welcher das fränkiſche Reich in dieſen
langwierigen Verfahren im Rechtswege vor. So allgemein
Jahrhunderten ſich wegen der Zwietracht zwiſchen den uns
war der Gebrauch, in allen Angelegenheiten die leßte Ents
fähigen Nachfolgern Karls des Großen befand. Daher erlangten die dreiſten Normannen-Häuptlinge ſo große
ſcheidung durch das Schwert herbeizuführen, daß ſogar die Dichter, weldie auf einander neidiſch waren, nachdem fie
Erfolge, und wenn erſt einzelne ſich auf einer Stelle feſt
durch die Kunſt ihre Nebenbuhler nicht hatten beſiegen können, ſchließlich die Waffen entſcheiden ließen. Bekam ein Bräutigam einen Rorb, ſo nahm er gewöhnlich ſeine Zuflucht zu einer Herausforderung des Vaters der Braut,
der heidniſchen Normannen , deren natürliche Grauſamkeit
durch den Religionshaß noch verídärft wurde. Nament:
gefeßt hatten , wurden bald neue Scharen von Abenteurern durch die Hoffnung auf ein gleidhes Glück herbeigelodt.
Hierzu aber geſellte ſich eine wichtige Veränderung, welche zur ſelbigen Zeit im Norden vor fich ging . In dieſen Jahrhunderten nämlich wurden ſowohl in Dänemark als in Schweden und Norwegen die vielen Kleinſtaaten zu Einem Staat vereinigt, und gleichzeitig begann das Chriſten tum in dieſen Ländern ſich Bahn zu brechen und die ältere
Religion zu verdrängen. Manche Häuptlinge verloren dabei ihre Veſißungen, und es fand ſich eine Menge von Unzufriedenen , die mit Liebe an der Religion und den Sitten ihrer Vorfahren hingen und ſich in die neue Ord: nung der Dinge nicht hinein verſeken konnten. Dieſe zogen es daher vor, lieber ihr Vaterland als ihre Religion und die gewohnte Ungebundenheit aufzugeben, und vergrößerten durch ihre Auswanderung die ſchon zahlreichen Scharen der Vikinger. Die Vikingerzüge nahmen ießt noch einen anderen Charakter an, indem die Normannen nicht bloß mehr nad Beute und Plünderung trachteten , ſondern auch feſte Beſißungen ſich zu erwerben ſuchten , welche ihnen Erſaß für das verlorene Vaterland bieten konnten. Erſt als die normanniſchen Staaten in der Normandie in Frankreich,
für würdiger, mit dem Schwert, als mit der Zunge zu fämpfen. Ein folcher Rampf zwiſchen zweien hieß Zweis
kampf oder Holmgang, weil man dazu in der Regel kleine Inſeln oder Holme oder in deren Ermangelung mit Steinen
welder nach Sitte der damaligen Zeit durch das Sdwert
entſcheiden laſſen mußte, wem feine Tochter zugehören ſollte. In jenen geſeßloſen Zeiten gab es auch übermütige
Leute, die im Lande umherzogen und im Vertrauen auf ihre Kraft ohne alle Veranlaſſung den Schwächeren ihre Güter wegnahmen, wobei dieſe außer dem Verluſt auch noch die Schande hatten, ſich durch Geld von einem Zwei
kampf loszukaufen. Dieſer geſeßloſe Zuſtand hatte nur ein Gegengewicht in einzelnen edleren Helden, welche ihren Ruhm darin ſuchten, dergleichen Räuber herauszufordern
und zu töten. Nachdem man einander öffentlich herausgefor: dert hatte, kamen beide Teile gewöhnlich am dritten Tage, mit ihren beſten Waffen und in Begleitung von Freunden und Verwandten auf dem beſtimmten Kampfplaße zu: ſammen. Der Herausgeforderte durfte ſich durch einen anderen vertreten laſſen, obgleich dies nicht für ehrenhaft
galt ; der Herausforderer dagegen war verpflichtet, perſön lich zu erſcheinen, und eine unauslöſchliche Schande folgte
in Italien, in Rußland und an anderen Stellen errichtet
dem, welder auf der Wahlſtatt ausblieb. Ein ſolcher galt als ein Schuft, wurde für unwürdig erklärt, an der Ges
waren und als die Vereinigung der Kleinſtaaten und der
ſellſchaft ehrenhafter Männer teilzunehmen und vor Gericht
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Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
einen Eid zu leiſten , und verlor überhaupt alle bürger lichen Ehren und Rechte. Ihm wurde eine ſogen. Schuft ſtange errichtet, deren Spiße mit einem Pferdekopf verſehen
und in welche Runen eingerißt wurden, um ſeine Schande zu verkündigen. Nicht ſelten dauerte der Kampf länger als einen Tag und die Streitenden ruhten oft in der Nacht frieblid nebeneinander, im Vertrauen auf gegen ſeitige Ehrlichkeit. Wenn beim Ausfall des Kampfes der
Sieger das Leben ſeines Gegners in ſeiner Hand hatte, ließ er ihm zuweilen Sdyonung zuteil werden ; gewöhnlich aber wollte der Beſiegte lieber als Feind ſeines Gegners
ſterben, denn als ſein Freund leben bleiben. Der Zwei kampf wurde unter dem Einfluß des Chriſtentums und infolge Einführung einer geſeblichen Verfaſſung allmählich abgeſchafft; ein Reſt davon aber hat ſich in den Duellen bis auf den heutigen Tag erhalten .
Da der Krieg von den Nordländern als Lebenszweck
gute Waffen zu verfertigen und ihren Körper darin zu üben, dieſelben mit Leichtigkeit und Kraft zu gebrauchen. Schwimmen , Ringen , Laufen, Springen und Klettern
waren die Körperübungen, in welchen die jungen Nord länder miteinander wetteiferten , und in welchen ſie eine faſt unglaubliche Fertigkeit erlangten . In den eigent lichen Waffenübungen brachten ſie es ſo weit wie kaum ein anderes Volk : mit dem Pfeil das fernſte Ziel zu treffen , das Schwert mit Leichtigkeit zu handhaben, ſowohl um den Hieb des Angreifers aufzufangen, als auc um ſchnell den Augenblick zu benüßen , wann er ſich eine Blöße gab, den feindlichen Spieß im Fluge zu ergreifen und in demſelben Augenblick ihn zurückzuſchleudern , oder ihm durch einen Sprung in die Höhe auszuweichen , das waren Fertigkeiten, welche demjenigen nicht fehlen durften, der durch Waffenthaten berühmt zu werden hoffte. Von dem berühmten Gunnar auf Jsland wird erzählt, ,,daß er
betracytet wurde, und Tapferkeit und Waffentüchtigkeit beinahe die einzigen Eigenſchaften waren, durch welche der Mann Ehre unter ſeinen Landsleuten erlangen und ſich gegen Kränkung Uebermächtiger düşen konnte, ſo
daß man drei Schwerter auf einmal in der Luft zu ſehen
wird eine Erziehung vorausgeſeßt, durch welche der kriege riſche Geiſt und das Streben nach Waffenruhm frühzeitig
glaubte; mit ſeinem Pfeil traf er alles, wonach er zielte ; in voller Rüſtung konnte er höher ſpringen, als er ſelbſt
geweckt und genährt und zugleich der Körper in den einem Krieger unentbehrlichen Fertigkeiten geübt werden konnte. Von ſeiner früheſten Jugend an hörte der junge Nord länder nur über Krieg und Fehden und Vifingerzüge
war, und er ſchwamm wie ein Seebund."
ſprechen, ſah den Mutigen geehrt, den Feigen verachtet und lernte auf dieſe Weiſe ſchon als Knabe Tapferkeit und Unerſchrockenheit als diejenigen Tugenden ſchäßen, welche einen Mann am meiſten ſchmückten. Wenn gegen
ebenſo gut mit der linken als mit der rechten Hand das
Sdwert dwingen oder den Spieß werfen konnte ; wenn
er kämpfte, führte er das Schwert mit ſolcher Sdnelligkeit,
Der derbe friegeriſche Geiſt der nordiſchen Völker
ſpiegelt ſich auch in der eigentümlichen Weiſe wider, in der die Freundſchaft bei ihnen in den merkwürdigen Ver: bindungen zu Tage trat, die man Brüdergelage nannte. Wenn die Jünglinge unter einer gemeinſamen Erziehung und bei einem längeren Zuſammenleben einander kennen und
achten gelernt hatten, ſchloſſen ſie, indem ſie ihr Blut zu:
Winter der Vikinger von ſeinen abenteuerlichen Zügen heimgekehrt war, hatte er ſeine größte Luſt daran, von
ſammenmiſchten, einen eidlichen Vertrag, wonac ſie Glück und Unglück im Leben teilen und einer den Tod des an
den fremden Ländern, die er geſehen, und von den männ:
deren räden wollten. Das Brüderredyt wurde heiliger gehalten als die engſten Familienbande, und wer ſeiner
lidhen Thaten, die er vollführt hatte, zu erzählen. Bei Gilden und anderen feſtlichen Zuſammenfünften ſcharten ſid Jung und Alt um den berühmten Krieger und lauſch
ten mit geſpannter Aufmerkſamkeit ſeiner Erzählung, in welcher die Alten gleichſam aufs neue ihre Jugend ver
lebten, und durch welche in der Seele der Jungen die Bes gierde, durch ähnliche Thaten ſich auszuzeichnen, erwachte. Bei ſolchen Zuſammenkünften verherrlichten auch die Stjal den die großen Männer der Nation und nährten ſo die friegeriſche Begeiſterung bei dem ganzen Volfe. Die Er ziehung des Knaben wurde faſt einzig und allein auf ſolche Uebungen gerichtet, die ihn zu ſeiner künftigen Bes ſtimmung geſchidt maden konnten , und ſelbſt die kind lidhen Spiele waren auf die Ausbildung körperlicher Schnelligkeit, Geſchmeidigkeit und Stärke berechnet. Die
Knaben ſuchten einander in dreiſten Wageſtücken und ſchlauen Unternehmungen zu überbieten, und wer hierin den Preis gewann, bekam eine entſchiedene Ueberlegenheit über ſeine
Kameraden. Alle ſchwere Arbeit war den Sklaven über: laſſen , während die Freien ſich nur damit beſchäftigten,
Pflicht, die Tötung ſeines ,, Bruders" zu rächen , ſich ents zog, wurde als ein ehrloſer Schuft betradytet, deſſen Um gang alle anſtändigen Männer mieden. Nicht immer waren ſolche Freundſchaftsbündniſſe die Frucht eines langen Umgangs und einer näheren Bekanntſchaft ; ein blutiger Kampf bildete oft den Anfang zu einer treuen Freund ſchaft zwiſchen Männern , welche zuvor einander fremd ge
weſen waren . Wenn zwei Vikinger lange miteinander gekämpft hatten, reidyten ſie nicht ſelten einander die Hand zur Freundſchaft im Leben und Sterben. Zuweilen ge lobten ſie einander eidlich, gleichzeitig ſterben zu wollen, um , wie ſie die Gefahren und Mühen des Kampfes ge teilt hatten, ſo auch Walhallas Freuden gemeinſam zu genießen ; und die Geſchichte des Altertums hat manche Beiſpiele von der Treue der Nordländer in der Erfüllung eines ſolchen Gelübdes aufzuweiſen. So wird erzählt, daß, als der alte berühmte Isländer Ingemund geſtorben war, ſein Freund Eyvind Sörkver zu ſeinem Sohne geſagt babe : ,, Gehe hin und erzähle meinem Freund Gaut, was
Die alten Bewohner der timbriſchen Halbinſel.
109
Du mich haſt thun ſehen.“ Darauf ſtürzte er ſich in ſein Schwert und ſtarb. Als Gaut davon Nachricht bekommen hatte, rief er aus : ,,Nun dürfen Ingemunds Freunde nicht länger leben ; ich folge Eyvinds Beiſpiel", worauf er ein Schwert ergriff und ſich durchbohrte. Ebenſo treu tpie der Nordländer ſeinen Freund liebte, ebenſo bitter und unverſöhnlich haßte er ſeinen Feind. Streit zwiſchen
ſich mit den Fremden und reichten den Gäſten das Methorn. Die nordiſchen Frauen zeichneten ſich durch einen feſten und männliden Charakter, ſowie durch Sclauheit in Gefahren
zwei Familien endete in der Regel nicht eher, als bis die eine Familie ausgerottet war. Ein jeder Mord mußte nämlich durch einen neuen gerächt werden , denn die Tö: tung eines Verwandten ungerächt hingehen zu laſſen ,
äußerte , daß berühmte Schönheiten beſondere Namen er hielten, z. B. Nachtſonne, Sonne des Thals , und von Dichtern der Nation beſungen wurden. Sittlichkeit ſtand bei den Nordländern in hohem Anſehen , und Verleßung
hielt man für die größte Schande und die Annahme von
der Keuſchheit war ein ſeltenes Verbrechen und fonnte
und Treue gegen den Ehegatten aus, und dieſe Eigenſchaften wurden nicht ſelten durd körperliche Schönheit und An: mut erhöht.
Für weibliche Anmut hatten die Nordländer
ein lebhaftes Gefühl , welches ſich unter anderem darin
Geldbußen galt in den Fällen für unehrenhaft, wenn der
nicht vergeben werden, weshalb auch die Geſchichtſchreiber
Ermordete der Vater, Bruder oder ein anderer naher Ver:
die reinen , keuſchen Sitten des Nordens im Gegenſaß zu
wandter war. Dieſe Verpflichtung zur Blutrache führte
der Verderbtheit des Südens hervorheben. Ungeachtet der
oft zu Ueberfällen und Brandſtiftungen , bei welchen nicht
Vater nad Geſeß und Herkommen über die Hand ſeiner Tochter zu beſtimmen hatte, wurde dieſe doch in der Regel
einmal das Kind in der Wiege verſchont blieb ; ,,denn oft “, heißt es in einem alten nordiſcher: Gedichte, lauert
der Wolf in dem zarten Kinde.“ Dieſe Geringſchäßung von Menſchenleben, ſei es nun, daß es galt, das eigene Leben zu laſſen oder anderen das Leben zu nehmen, tritt in ihrer ſcheußlichſten Geſtalt hervor in der Ausſeßung von Kindern. Große Armut fonnte zuweilen einen harten Vater dazu bewegen, ſein Kind auf offenem Felde aus zuſeßen, indem er es dem Zufall überließi ob es von einem mitleidigen Wanderer aufgenommen wurde oder,
nicht verheiratet , ohne daß fie zuvor gehört worden wäre und ihre Einwilligung gegeben hätte. Die Frau theilte die allgemeine Hochachtung der Nation vor kriegeriſcher Tüchtigkeit, und deshalb mußte ſich der Bräutigam , wenn er einige Ausſicht auf einen glüdlichen Ausfall ſeiner
Bewerbung haben wollte, im Waffenkampfe verſucht und unter ſeinen Landsleuten einen geachteten Namen er worben haben. Das Wort , mit welchem in der alten
Sprache die Verlobung bezeichnet wird, iſt Brautkauf, was
gaben auch Körperleiden bei dem Kinde, ſchlimme Weis:
freilich nicht ſo zu verſtehen iſt, als ob der Vater ſeine Tochter veckaufte und der Mann ſeine Frau faufte ; ſon
ſagung hinſichtlich ſeiner Zukunft oder, wenn der Mann
bern dem Vater wurde eine gewiſſe Summe ( Mund) zur
ſeiner Frau und ihren Verwandten feindlich geſonnen war, die Luſt, grauſame Rache an ihnen zu nehmen, Anlaß zu einer ſo unnatürlichen Handlungsweiſe. Doch ward eine ſolche Kindefausſeßung, die übrigens nicht oft vorkommt und auf die ödeſten und unfruchtbarſten Gegen
Ausſteuer der Tochter gegeben , welche ſie außer der ſon ſtigen Mitgift wieder mitbekam , wenn ſie das Vaterhaus verließ. Das Seiden der hausmütterlichen Wirkſamkeit und Würde war das Solüſſelbund , das der Mann
den des Nordens beſchränkt blieb, ſtets als etwas Abs
nung geführt hatte , und deren ganze innere Verwaltung übernahm . Der Mann nahm oft ſeine Zuflucht zu ſeiner
was wahrſcheinlicher war, zu Grunde gieng. Zuweilen
ſcheuliches betrachtet, wenn ſie nicht durch die größte Not veranlaßt war, und wenn der Vater das Kind durch Namengebung, die unter Begießen mit Waſſer ſtattfand, als das ſeinige anerkannt hatte, wurde die Ausſeßung einem Morde gleichgeachtet. Die Behandlung, welche die Frau bei einem Volke
genießt, iſt ſtets ein Beweis ſeines geiſtigen Fortſchrittes; je freier und edler ein Volt iſt, deſto würdiger wird auch
die Frau behandelt. Bei den hochherzigen und freiſins nigen Nordländern war natürlich die Stellung der Frau ſehr gut. Schönheit , Tugend und Verſtand wurden bei den Frauen nicht weniger gefchäßt als Härte, Mut und Tapferkeit bei den Männern. Die Töchter wurden im elterlichen Hauſe in den Geſchäften , welche den Gegen ſtand ihrer fünftigen Wirkſamkeit als Hausmütter bil deten, in angemeſſener Freiheit unterwieſen, ſo im Nähen, Spinnen, Weben und in der Beſorgung der inneren An gelegenheiten des Hauſes ; fie nahmen teil an Gilden und anderen geſellſchaftlichen Zuſammenfünften , unterhielten Ausland 1890, Nr. 6
ſeiner Ehefrau überreichte, wenn er ſie nach ſeiner Woh
Frau , um bei ihr in den ſchwierigſten Sachen Rat zu holen ; und die alten Sagen führen manche Beiſpiele davon an , daß die Hausfrau ihren Mann durch ihren
Mut , ihre Geiſtesgegenwart und ihre Schlauheit aus den gefährlichſten Lagen befreite. In der älteſten Zeit wurde den Frauen ſogar Göttliches zugeſchrieben , weshalb in manchen Tempeln der Gottesdienſt von Prieſterinnen beſorgt wurde, die namens der Gottheit redeten und weis:
ſagten. Beſonders waren die nordiſchen Frauen durch ihre Fertigkeit im Deuten der Träume , auf welche die Nordländer ein ſo großes Gewicht legten, bekannt, daß ſie
ſich oftmals dadurch in den wichtigſten Angelegenheiten ihres Lebens beſtimmen ließen. Eine andere Geſchidlich keit , die in alter Zeit faſt ausſchließlich von den Frauen ausgeübt wurde , und bei welcher bisweilen aud übers natürliche Mittel zur Anwendung kamen , war die Heil kunſt. Obgleich die Aerzte darin wohl feine große Kennt nis von der Natur der Krankheit beſaßen , gelang es .
18
110
Die alten Bewohner der kimbriſchen Halbinſel.
ihnen doch oft, mit Hilfe von gewiſſen erprobten Kräutern und Hausmitteln gefährliche Wunden und andere meiſtens äußere Schäden zu heilen, inſofern eine ſorgfältige Pflege zum Teil das, was dem Arzt an Tüchtigkeit fehlte, ers febte, und die Heilung des Kranken durch eine kräftige und unverdorbene Konſtitution erleichtert wurde. Obgleich Vielweiberei geſeßlich nicht verboten war,
angeſehen wurde. Ein ſchöner Zug in dem Charakter unſerer Vorfahren iſt es, daß ſie ihren Eltern ein ehrendes Andenken bewahrten. Sie errichteten über dem Toten große
Grabhügel, ſein Name und ſeine Thaten wurden in Stein gegraben, und die Stjalden verherrlidhten ſein Anbenken in
Geſängen , von denen mande bis auf den heutigen Tag
erhalten ſind. Bei den großen Dpferfeſten wurde nicht
bedienten ſich dieſer Freiheit zuweilen aus politiſchen Grün:
nur zu Ehren der Götter getrunken , ſondern auch ein Becher zur Erinnerung an die Eltern geleert, was Minni
den. Dagegen hatte man nicht ſelten Mätreſſen , und
genannt ward. Der Sohn hielt es für unpaſſend , den
obgleich dieſer Gebrauch in den Sitten der damaligen Zeit begründet war , gab er doch leicht Anlaß zu häuslichen Streitigkeiten , die mit Scheidung endeten , und aus denen ſich dann wieder blutige Familienfehden zwiſchen dem Ehemann und den Verwandten ſeiner beleidigten Ehefrau entwickelten . Dit ſuchte die Hausfrau auch um
Siß ſeines Vaters einzunehmen , bevor er das feierliche
war dieſe doch ſehr ſelten , nur Könige und Häuptlinge I
Begräbnismahl gehalten hatte , zu dem die Verwandten und Freunde des Geſtorbenen eingeladen wurden. Hier waren die Tugenden und Thaten des heimgegangenen
Vaters Gegenſtand der Unterhaltung zwiſchen dem Sohne und den anweſenden Gäſten, und es wurden Gelübde ges
Scheidung nac , ſobald ſie bei ihrem Manne Zeichen
than, ihm es gleich zu thun und ihn durch große Thaten
von Feigheit und einer niedrigen Geſinnung verſpürte,
zu ehren. Aber beſonders lag es dem Sohne ob , indem er den Becher zum Andenken ſeines Vaters leerte, feierlich zu geloben, die eine oder andere kühne That auszuführen, um dadurch ſich gleichſam das Redit zu erwerben, in ſeines
etwas , was der hochherzigen nordiſchen Frau unerträg lich war. Weit häufiger finden wir indeſſen in den alten Erzählungen Beiſpiele von innigſter Hingebung , Treue und Aufopferung der Frau für ihren Mann. Eines der ſchönſten Bilder einer nordiſchen Hausmutter und ein Muſter ehelicher Hingebung iſt Bergthora , die Ehefrau des würdigen Njals. Sie hatte ihrem Manne manche Kinder geboren und dieſe wohl erzogen, ſo daß ſie im ganzen Lande wegen ihrer braven Geſinnung geachtet war ; manches Jahr hatte ſie Njals' Hausweſen zu ſeiner Zufriedenheit verwaltet und ihm oft mit gutem Rate
Vaters Stelle als Familienhaupt einzutreten. Erſt wenn
geſteckt wurde. Dieſelben forderten Bergthora und die übrigen Frauen auf , das brennende Haus zu verlaſſen ; ſie aber
dies geſchehen war, ſeßte er ſide in der Halle auf den Ehrenplaß, welcher früher ſeinem Vater gehört hatte. Vortrefflich werden die Sitten und die ganze Denkweiſe unſerer Vorfahren in dem uralten nordiſchen Gedicht Ha vamaal dargeſtellt, in welchem es unter anderem heißt : „Still und bedachtſam und derbe zum Kampf muß eines Häuptlings Sohn ſein ; freundlich und wohlthätig gegen jeden bis zum Tode. Ein thörichter Mann glaubt ewig leben zu können, wenn er den Kampf meidet, das Alter gewährt ihm keinen Frieden ; aber der Speer fann ihm Frieden geben. Nie mand darf ſich einen Fuß breit von ſeinen Waffen ent
antwortete : „ jung wurde ich mit Njal verheiratet ; damals
fernen ; denn man weiß nicht, ob nicht das Schwert nötig
gelobte ich ihm, daß wir beide ein und dasſelbe Schickſal
ſein kann , wenn man hinauskommt.
teilen wollten." Nadbem ſie alsdann ein Lager zurecht ge
ſich weit und breit zu thun macht und viel verſucht, weiß, welchen Sinn ſich der Vernünftige bewahren muß. Früh foll derjenige aufſtehen , welcher eines anderen Gut haben will; ſelten bekommt ein liegender Wolf Speiſe und ein ſchlafender Mann Sieg. Vermögen geht verloren , Ver :
beigeſtanden. Im hohen Alter traf Njal das Unglück, daß ſein Hof von Mordbrennern umzingelt und in Brand
macht hatte , legte ſie ſich mit ihrem Manne nieder , und beide wurden unter den Ruinen des zuſammenſtürzenden Hauſes begraben . So hielt ſie ihr Jugendgelübde.
Gaſtfreiheit galt bei den Nordländern, wie bei jedem
Nur der , welder
unverdorbenen Volfe , für eine große Tugend. Der müde
wandte ſterben , ſelbſt ſtirbt man ebenfalls ; aber nie:
Wanderer wurde überall mit zuvorkommender Freund
mals ſtirbt der gute Name , den man ſich erworben hat.
lichkeit empfangen ; die Hausfrau bereitete ihm ſogleich ein Mahl und ſorgte für ſein Nachtlager, während ſich
die Männer des Hauſes mit ihm über ſeine Angelegen: heiten und das Ziel ſeiner Reiſe unterhielten. Wenn er
das Haus verließ , begleiteten ihn in der Regel die Bes ivohner eine Stređe Wegs oder, wenn er feindlichen Ver: folgungen ausgelegt war , ganz bis nach ſeiner Heimat. Selbſt dem größten Feinde gegenüber durfte das Recht
der Gaſtfreiheit nicht verlegt werden ; der Nordländer hielt die Perſon ſeines Gaſtes für heilig , ſelbſt wenn dieſer feinen eigenen Sohn getötet hatte , und dies war einer der wenigen Fälle, in welchen Blutrache für unzuläſſig
Vermögen geht verloren , Verwandte ſterben , ſelbſt ſtirbt
man ebenfalls ; aber Eins kenne idy, was nicht ſtirbt, das Urteil über einen jeden Toten. – Volle Vorratshäuſer ſah ich bei Söhnen eines Reiden , nun gehen ſie mit den Bettelſtab ; ſo iſt der Reichtum , wie der Blid des Auges ;
er iſt der unzuverläſſigſte der Freunde. Eigene Wohnung iſt die beſte, wenn ſie auch klein iſt; jeder iſt Herr in ſeinem Hauſe. Beſißt man auch nur zwei Ziegen und eine ſtroh gedete Hütte , iſt das doch beſſer als betteln. Es blutet dem Manne das Herz, welcher zu jeder Mahlzeit um Eſſen bitten muß. Man trägt keine beſſere Bürde als viel Verſtand ; der iſt beſſer als Reichtum ; der iſt der Sdus
Erinnerungen an Neu -Guinea .
111
des Bedrängten. Ein Thor wacht ganzeNächte und grü- | keiten in den Weg legte , noch ſo milde und üppig, daß belt über alles , und wenn der Morgen kommt, iſt er
müde, und die Sorge bleibt doch dieſelbe. Jeder muß Maß halten ; man darf ſein Schidſal nicht voraus wiſſen, dann hat man den freieſten Sinn. Haſt Du einen Freund , dem Du trauen kannſt , dann ſollſt Du Deinen
Sinn mit dem ſeinigen vermiſchen , Geſchenke mit ihm wedſeln und ihn oft beſuchen , denn mit Geſtrüpp bewädyſt
der Weg und mit Gras der Steig , den niemand betritt. Zu einem untreuen Freund führen lange Umwege , wenn er auch in der Nähe wohnt ; dagegen führen gerade Wege zu einem treuen Freunde , wenn er gleich weit entfernt wohnt.. Sorge verzehrt Deine Seele , wenn Du keinem Dein Herz ausſchütten kannſt; kennſt Du Deines Freundes Sorge , ſo mache ſie zu der Deinigen ; aber gib Deinen Feinden feinen Frieden . Liebe leuchtet heller ale unter falſchen Freunden fünf Tage lang Flammen , die da er: löſchen, wenn der ſediſte kommt, und damit iſt alle Freundſchaft aus. Ein Thor glaubt, daß alle füßredenden Leute ſeine Freunde ſeien ; er erfährt aber , wenn er zur Ver:
ſammlung kommt, daß wenige ſich ſeiner Angelegenheit Beſtürme den Gaſt nicht und jage ihn nicht annehmen. fort ; thue wohl den Dürftigen , ihre Gebete werden Dir Glück bringen. Freue Dich nie über das Schlechte, ſons dern laß nur Gutes von Dir reden. Ueber einen greiſen Redner ſollſt Du niemals laden ; oft iſt es gut, was Bes
jahrte ſagen , und oftmals kommen kluge Worte von dem runzligten Alten. Tugend und Laſter tragen die Menſchen: finder neben einander in ihrer Bruſt ; niemand iſt ſo gut, daß er keine Fehler hat, oder ſo ſchlecht, daß er zu nichts taugt.
Niemand wird leugnen können, daß unſere Vorfahren ein geiſteskräftiges und tüchtiges Volk geweſen ſind, mit geſunden und ſtarken Gefühlen und einer offenen, unbes fangenen Lebensanſchauung. Ihr gerader , derber Chas
der Menſch dadurch eingeſchläfert und von Anſtrengung und Selbſtüberwindung abgehalten wurde. Die glückliche Lage des rund umher von Meeren umgebenen Landes er leichterte den Verkehr mit fremben Völkern ; im Lande
ſelbſt boten die zahlreichen Föhrden und Seen ein leichtes Verkehrsmittel , und im Winter ſchufen der Schnee und das Eis bequeme Landwege. Die zahlreichen Kleinſtaaten, die ſich aus den verſchiedenen Volfsſtämmen bildeten, unters hielten in der Nation die Rührigkeit und Beweglichkeit
durch das bald feindliche, bald friedliche Verhältnis , in das ſie zueinander traten, ein Umſtand, der beſonders die Entwidelung der Kunſt beförderte. Dazu kam, daß die Haupts beſchäftigung der die Nation Schifffahrt war , die mehr als alles andere dazu geeignet iſt, unter dem häufigen Kampf mit einem gefährlichen und gewaltſamen Element ſowohl die geiſtigen , als förperlichen Kräfte auszubilden. In hohem Grade mußte das Selbſtgefühl unſerer Vor fahren durch das Bewußtſein vollkommener Unabhängige keit von fremder Macht und fremdem Einfluß gehoben
werden. Keine auswärtige Nation hatte jemals die Bes wohner des Nordens bezwungen , während ſie ſelber ba gegen oft ihre fiegreichen Waffen nach fernen Ländern ges tragen hatten. Religion , Sprache , Sitten und Staats verfaſſung, nichts von alledem war von Fremden gekommen , ſondern im Volfe ſelbſt entſprungen und entwickelt. Unter ſo günſtigen Verhältniſſen erlangten unſere Vorfahren die Größe des Charakters und die derbe, freie Denfart, welche die Nachkommen bewundern . (Schluß folgt .)
Erinnerungen an Neu-Guinea. Nach Tagebuchnotizen von F. Grabowsky.
rakter haßte alles Niedrige und Gemeine; tiefes Ehrgefühl,
IV .
Treue, Worthalten, Großmut ſind Tugenden, welche uns
Am 22. Dezember errichteten wir den Unterbau des Hauſes ; der Sandgrund bot keine Schwierigkeiten beim Seßen der Pfähle und verhinderte gleichzeitig die Anſied lung der Termiten , die einzelne Balten des Hauſes , das kaum 14 Tage in Finſhafen gelegen hatte , ſtark zers nagt hatten . Wir mußten die Tiere erſt mit Rodhendem Salzwaſſer in ihren Gängen töten, bevor wir die Balfen gebrauden konnten . Am 23. Dezember wurde das Gerüſt des Hauſes fertig , da Kapitän Dallmann uns zwei des
aus den
alten
Erzählungen oft
entgegentreten , ges
miſcht mit Zorn, Rachſucht und Grauſamkeit gegen Feinde, welche Fehler ſich bei einer Nation leicht entwideln , die oft in Krieg und Fehde fich befindet , und deren Leiden
ſchaften bei einer faſt ungebundenen Freiheit einen weiten
1
Spielraum haben. Unbekannt mit Wiſſenſchaften und Künſten, entbehrten ſie doch nicht der eigentlichen menſchlichen Bildung , nämlich eines offenen Sinnes für das Gute und Schöne, und eines für das Große und Ausges
Zimmerns kundige Matroſen zur Hilfe überlaſſen hatte, und
zeichnete im menſchlichen Leben empfänglichen Gemüts.
am 24. Dezember konnten wir das Dad mit Wellblech becken .
Vaterlandsliebe und eine lebendige Teilnahme an den öffentlichen Angelegenheiten des Landes wurden durch die
Da es auf der Sandbank ſehr heiß war, ſchlugen wir die Zelte für die Malayen in der Nähe des Hauſes auf und richteten uns in dem an allen Seiten offenen Hauſe ,-10
Volksverſammlungen genährt , in welchen jeder , der Geichid dazu hatte , ſich frei über das ausſprach , was dem Volfe und Staate von Nußen ſein konnte. Das Klima des Landes war weder ſo ſtreng, daß es der menſchlichen
Natur ſchadete und der Stultur unüberwindliche Schwierigs
gut es ging, ein, um den Weihnachtsabend unter eigenem Dad zu verleben. Aber wir mußten dafür büßen , denn es begann am Abend ſo zu ſtürmen und zu regnen , daß wir troß unſerer Wellblechbarrikaden auf unſerm Lager
Erinnerungen an Neu -Guinea.
112
ganz burchnäßt wurden. Das war die Freude des erſten Weihnachtsabends in Neu-Guinea. Am Weihnachtstage mußte tapfer gearbeitet werden , da die „ Samoa " uns bald verlaſſen wollte.
Wir Euro
päer verſchalten die Nordſeite des Hauſes, die in der Weih nachtsnacht am meiſten von Sturm und Regen gelitten batte , während die Maiayen den Buſch in der Nähe des
Hauſes aufräumten, wobei wir uns zum Prinzip machten , ſo viel wie möglich gleich zu verbrennen, damit keine Fäul: nisſtoffe der Erzeugung von Mikroorganismen günſtig, aber unſerer Geſundheit ſchädlich werden könnten. Selbſt grüne Zweige verbrannten total zu Aſche, wenn nur erſt
ein tüchtiges Feuer angemacht war und gut unterhalten wurde. Das brauchbare Holz wurde in ca. 2 m lange Stüde zerjägt und aufgeſtapelt. Am 26. Dezember wurde die Dítſeite des Hauſes fertig. Die Eingeborenen hinderten uns ſehr an unſerer Arbeit , da wir uns fortwährend mit ihnen beſchäftigen mußten und das beim Bau benußte Handwerkszeug in ſteter Gefahr war, geſtohlen zu werden. Wir verſuchten, einige zur Arbeit zu bewegen , beim Herbeitragen von Planken behilflich zu ſein , oder das von den Malayen niedergeſchlagene Holz auf Haufen zuſammen zu tragen. Sie begannen zwar , aber nach fünf Minuten verlangten
ſache, die großen Scheren, abgebrochen hatte ; von Fiſchen
brachte man nur die kleinſten, die man ſelbſt nicht genießen wollte ; von Fledermäuſen angefreſſene oder verdorbene Bananen ſchienen ihnen für uns noch gut genug zu ſein ; für zwei bis drei kleine Taro -Knollen verlangte man ein Eiſen. Dabei waren die Leute ſehr aufdringlich und ent widelten einen Duft , der es uns anfangs unmöglich machte, längere Zeit in ihrer Nähe zu verweilen. Doch
man gewöhnt ſich an alles , und ſo auch an den Geruch von Papuas. Am 1. Januar 1886 gönnten wir unſeren Malayen, mit deren Arbeit wir ſehr zufrieden ſein konnten, die wohl verdiente Nube.
Wir waren offenbar mitten in der Regenzeit , denn
es regnete täglich, und namentlich in der Nacht fielen ſehr ſtarke Regengüſſe. Dabei wehte ein ziemlich ſtarker Nords weſtwind. Am 2. Januar erbauten tvir in der Nähe der Lans
dungsſtelle einen Bootsſchuppen , da man ungekupferte Böte nicht lange im Waſſer ſtehen laſſen darf, weil ſie in
kurzer Zeit von Bohrwürmern durchlöchert werden. Wir gewöhnten nach und nach die Eingeborenen
geſtürzt und meldete , daß Gingeborene uns anzugreifen
daran , nur an dieſer Stelle der Inſel zu landen, ſo daß wir ſtets ſehen konnten, wer zu uns kommen wollte. Wir widelten aud , bis unſer Haus ganz fertig geſtellt war, die langwierigen Tauſchgeſchäfte dort ab , und erfragten bei jeder Gelegenheit Worte aus ihrer Sprache, wobei wir namentlich bei halbwüchſigen Jungen gutes Ver: ſtändnis fanden, während ältere Männer leicht ungeduldig
beabſichtigten .
Es ſtellte ſich ſchließlich heraus, daß etwa
wurden oder über unſere Fragen ladyten und uns verließen.
15 Kanoes , deren Inſaſſen alle mit Fadeln verſehen waren , beim Scheine derſelben auf den Riffen Fiſche ſpeerten. Die lange Feuerlinie mitten auf dem Waſſer, die infolge der Wellenbewegung beſtändig auf- und nieder: ging, bot ein prächtiges Bild dar. Am Sonntag den 27. Dezember wurde nicht ges arbeitet. Am Montag wurde die ſüdliche Giebelwand
Am 5. Januar ſtreuten wir den erſten fremden Samen in den jungfräulichen Boden , nachdem vorher ein geeig netes Stück Land gut umgehadt und von Wurzeln ge fäubert war. Wir pflanzten zuerſt Bohnen und Radieschen. Die leßteren waren nach drei Tagen aufgegangen und
ſie dafür ein Stüdt Eiſen.
Am Abend des 26. Dezembers jagte uns unſer Zimmer mann, der inzwiſchen auch an Land gezogen war, einen kleinen
Schrecken ein. Ganz aufgeregt kam er vom Baden ins Haus
.
verſchalt, während die Malayen einen Weg nach der Nord ſeite der Inſel durchſchlugen . Unſere leßten Sachen wurden von der ,,Samoa " ans Land gebradt und am Dienſtag
den 29. Dezember verließ uns die ,,Samoa ", um nach
Finſchhafen zurüdzukehren. In der Nacht hatte es ſtark geregnet, und da wir einen ca. einen Kubikmeter haltenden eiſernen Waſſerbehälter am Tage vorher aufgeſtellt hatten, war derſelbe gefüllt und wir waren der Mühe überhoben, wie ſonſt täglich, von der Quelle am Feſtland in einem Faß Waſſer
zu holen. Nachdem drei ſolche Waſſertanks aufgeſtellt,
Schwein von den Eingeborenen für ein Hobeleiſen einzu tauſden. Sonſt war aber mit den Leuten nicht viel zu handeln , ſie waren äußerſt zähe und gerieben. So bot man uns anfangs Krabben an , denen man die Haupts
Am 8. Januar bekam mein Kollege v. Oppen den erſten Fieberanfall in Neu -Guinea , war aber am nächſten Tag wieder geſund ; am 12. wurde der Zimmermann franf ; die Malayen befanden ſich wohl. Am 14. Januar langte die ,,Samoa " wieder in Haß. feldthafen an, bradyte aber , ſtatt der ſehnlichſt erwarteten Briefe von der Heimat, bie Nadzricht, daß die ,, Papua " ,
die am 3. Dezember v. Js. nach Cooktown gefahren war, noch nicht nach Finſchhafen zurüdgekehrt ſei ; man ſprady die Vermutung aus, daß derſelben ein Unfall zugeſtoßen ſein müſſe, da der Kapitän der , Papua " ſtrikte Ordre erhalten
*****
waren wir nur in ſehr wenigen Fällen bei anhaltender Trođenheit genötigt, Waſſer vom Feſtlande zu holen. Zum Sylveſterabend gelang es uns , ein kleines
entwidelten innerhalb der nächſten zehn Tage gute, ichmads hafte Knollen .
hatte , ſofort nach Empfang der Poſt nad Finſchafen zurüdzukehren. Für die Hin- und Rücreiſe wären aber im höchſten Fall 12 bis 15 Tage nötig geweſen. Die uns von Finſhafen per ,,Samoa" geſandten adt Hühner nebſt einem Hahn zur Zudyt wurden in einem inzwiſchen erbauten Hühnerhauſe untergebracht.
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Erinuerungen an Neu -Guinea. 113
114
Erinnerungen an Neu -Guinea.
Am 15. Januar verließ uns die ,,Samoa " wieber, mit der wir natürlich offizielle und private Briefe beför derten. Eine große Anzahl Eingeborener, darunter 96 bes waffnete Männer , tamen nach Fortgang der „ Samoa"
genommene Geſchenke. Es koſtete aber viel Mühe , die Leute zu bewegen , die Luft aufzuziehen , anſtatt ſie auss zuſtoßen , um eine Zigarre in Brand zu feßen ; bas
Abſchneiden der Spiße ließen ſie ſtets von uns beſorgen.
auf die Inſel und wollten Kokosnüſſe und Bananen ver kaufen. Wir hatten mehrere Stunden zu thun , bis wir
Ein Hilfsmittel zum Rauchen der Tabakblätter , in Ger
ſie alle 108 wurden , denn diejenigen , die uns noch nicht
beſucht , verlangten die Wunderdinge zu ſehen , von
Neu-Guineas beobachtet wird, fannten unſere Eingeborenen nicht , und deshalb fanden auch Kalkpfeifen , ein im Bis:
denen andere ihnen erzählt hatten. Einer von uns mußte dann ,, Vorſtellungen " geben. Spiegel und Ziehharmonika
marc -Archipel neben gepreßtem Tabak ſehr beliebter Tauſch artikel, bei ihnen wenig oder gar keine Beachtung.
waren Dinge , die das höchſte Erſtaunen hervorriefen ; ängſtliche Gemüter entflohen ſogar voller Schreden. Als Zeichen der Bewunderung wird in hoher Tonlage ein
kräftiges ,oi“ ausgeſtoßen und dabei der Kopf hin, und hergeſchüttelt; oder es wird der Mund zugeſpißt und ein langer pfeifender Ton ausgeſtoßen ; auch knippt man mit dem
Daumennagel einer Hand an den Zähnen des Oberkiefers oder endlich idlägt mit der flachen Hand auf den nadten Oberſchenkel. Als Zeichen der Begrüßung ſchüttelten ſich
die Eingeborenen die Hände, wenn auch nicht ganz in der bei uns üblichen Form ; auch beobachteten wir bei jüngeren
befreundeten Leuten aus entfernten Dörfern , die ſich auf unſerer Station zufällig trafen , ein gegenſeitiges Um armen und eine gewiſſe freudige Erregung über das Zus ſammentreffen. Man bietet einander dann zum Gruß oder als Gaſtgeſchenk eine oder mehrere unreife Pinangnüſſe an ; auch uns wurden dieſelben ſtets in die Hand gedrüdt. Die Kinder waren anfangs ſehr ſcheu, wurden aber zutraulich, ſobald wir ihnen Perlen zum Geſchenk machten. Der Hauptwunſch aller Erwachſenen war und blieb Eiſen.
Am Sonnabend den 16. Januar 1886 beſuchte uns eine Menge Eingeborener aus entfernten Dörfern ; fie bragten viele getrocknete Tabakblätter mit , die ſie uns zum Kauf anboten , nachdem jeder von ihnen jedem von uns mehrere Blätter zum Geſchent (alam) gemacht hatte. Die Blätter waren in Bündeln bis zu zwei Pfund in den
Blattſcheiben der Pinangpalme verpackt und wurden von uns angekauft, um nach Berlin geſchidt zu werden. - Die meiſten Papuas ſind leidenſchaftliche Raucher. Diejenigen aus der Gegend von Haßfeldthafen drehen ſich eine Art Zigarre, indem ſie ein Tabakblatt erſt über einer glühen
ſtalt einer Pfeife aus Bambu , wie ſie in anderen Teilen
Höchſtens nahmen ſie Pfeifen als Kurioſum zum Ges ident an.
Außer dem Tabak kennen die Papuas von narkotiſchen Mitteln auch das Betelkauen, nur üben ſie dasſelbe in anderer Weiſe als die malayiſchen Völker. Während dieſe die zum
Betelkauen nötigen Ingredienzien, wie Kalk, Arekanuß und Gambir , auf das Sirihblatt legen und es zuſammens gewickelt in den Mund ſteden , genießt der Papua jeden Stoff einzeln. (Gambir kennt man nicht). Zum Auf: bewahren des aus Turbo - Schnecken (koto) gebrannten und pulveriſirten Kalkes bedienen ſie ſich der Flaſchens fürbiffe (Lagenaria sp.), die an der Deffnung mit einem Harzring verſehen ſind , in den kleine Cypräen und ſchön
gefärbte Samen als Verzierung hineingedrüdt ſind. Dieſe Flaſchenkürbiſſe haben oft eine ganz reſpektable Größe , in der Deffnung ſtedt ein langer Spatel ( tsumum ) mit dem der Salt herausgenommen wird. Man faut nun zuerſt das aromatiſche Blatt, „ wui “ genannt, einer wilden Pfeffer: art angehörend, nimmt dann entweder gleich eine Portion Kalkpulver, das man von dem in den Mund geſtedten
Spatel abledt oder zerkaut vorher eine unreife , grüne Pinangnuß goab oder gep (Areca sp.) mit dem Perigon und Perikarp, welches die Malayen vermittelſt einer kleinen
Sange vom Kern der Nuß abſchälen. Zuweilen ſieht man
an Stelle der Flaſchenkürbiſſe auch Bambulöcher als Kalf behälter ; dieſelben ſind dann mit einem aus trockenen
Bananenblättern zuſammengerollten Pfropfen geſchloſſen . Berauſchende Getränke (kawa) lernten wir bei den Eingeborenen Haßfeldthafens nicht fennen. In Konſtantin hafen ſoll nach den neueren Berichten der dortigen Miſſio: nare eine der polyneſilden ähnliche Kawa bereitet und getrunken werden .
den Holzkohle hin- und herziehen, um es geſchmeidig zu
Am 31. Januar war das für die Malayen gebaute
machen und es dann in ein von ihnen, „ mamangal“ ge
Haus fertig geworden, und wir bewerkſtelligten gerade den
nanntes trođenes Blatt einer Pflanze wideln , das ſie
Umzug aus den Zelten, als ein Dampfer ſignaliſiert wurde. Es war der auſtraliſche Dampfer „ Truganini“, der 2 um Uhr mittags im Hafen vor Anker ging und uns zwei Europäer zur Verſtärkung der Station brachte. Audy der Arzt, der kurz vorher von Europa in Finſhafen ein: getroffen war , ein lieber Freund und Schulkamerad von mir, hatte die Gelegenheit benußt , um nach unſerm Se ſundheitszuſtand zu ſehen und uns eine kleine Stations apotheke zu überweiſen , welche die vorhandene Schiffs apotheke etwas vervollſtändigte.
in Bündeln bei ſich tragen. Dann halten ſie das dicere
Ende der ziemlich loſe gedrehten Zigarre an die glühende Rohle und blaſen dieſelbe an, um ſo die Zigarre zu ent:
zünden. Brennt dieſelbe , ſo werden einige tiefe Süge
gethan und die Zigarre dem Nachbarn gereicht, u. ſ. w. Den Raud ſchludt man unter und läßt ihn burd Mund
und Naſe ſehr allmählich entweichen. Auch Weiber und Kinder, ſelbſt ganz kleine, rauchen gern, und unſere Zigar :
ren, ja ſelbſt die kleinſten Stummel waren gern entgegen
Geographiſche Neuigteit. - Kleinere Mitteilungen.
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Die ,Papua " war am Dsprey : Riff im Korallenmeer
Zuſtand der Finanzen, welcher Beſtechlichkeit, Käuflichkeit
geſcheitert und die ,, Truganini“ zur Aushilfe gemietet wor den. Herr Hunſtein , eines der neuen Mitglieder unſerer
und drückende Beſteuerung mit ſich führte, verzögern eine
Station (er iſt leider bei einer vulkaniſchen Eruption an der Südküſte von Neu - Britannien im Mai 1888 umges kommen ), ein erfahrener colonialj man “ hatte einen großen Neufundländer-Hund mitgebracht, der den Ein geborenen heilſamen Schreden einflößte. Sie wagten feit her nicht früher an Land zu kommen, bis der Hund , der
den Namen ,,Rover “ führte, angebunden war ; denn Rover ſdien alles, was ſchwarze -Haut hatte, zu haſſen. Er ſtürzte ſich ſelbſt ins Waſſer, wenn Eingeborene an der Inſel vorbeifuhren Namentlich als Wächter war uns der Hund ſehr willkommen.
Am 2. Februar verließ uns die , Truganini" ; in der Nadht war ein Malaye , der ſich in den Wochen vorher verſdiedene Diebſtähle hatte zu Schulden kommen laſſen und der wohl Strafe fürchtete, weil ich zehn Gulden Be lohnung auf die Entdedung des Thäters gefeßt hatte, vermittelſt zweier Bretter , die wir vermißten nach dem Feſtlande (oder Dampfer) deſertiert und blieb für immer verſchwunden , troß aller Belohnungen , die wir den Ein geborenen verſprachen, wenn ſie ihn lebend oder tot zurüd: ( Fortſ . folge .)
brächten .
fortſchrittliche Bewegung , welcher die Gelehrten oder Ge bildeten, die die öffentliche Meinung bilden, als Körperſchaft noch immer und von vornherein abgeneigt ſind. Die
kaiſerlichen Finanzen ſind ferner durch eine Reihe von Kriegen, Rebellionen und Unfällen ſehr geſchwächt worden, und das Mißtrauen gegen ihre Beamten hindert die eins heimiſchen Kapitaliſten Geld in Unternehmungen anzu legen , mit welchen die Beamten des Reiches zu thun
haben. Die großen Haupterzeugniſſe des Landes , Thee und Seibe , ſind im einen Fall durch die Wettbewerbung
von Indien und Ceylon , im andern durch die von Südeuropa ſehr bedroht ; und die Chineſen ſträuben ſich ſehr gegen die Annahme erprobter Methoden der Zuberei tung, welche ſie in den Stand leßen würden, ihre einmal
eingenommene Stellung zu behaupten. Chineſiſcher Thee iſt ebenfalls durch Beſteuerung ſo cwer belaſtet, daß er die Konkurrenz mit dem ſteuerfreien Rivalen kaum aus halten kann . Fiskaliſche Hinderniſſe, unvollkommene Ver
kehrsmittel und daraus erfolgende Transportkoſten führen ebenfalls eine langſamere Entwidelung des Handels her: bei. Allein das weite Vorwalten der Hausinduſtrie und
die von der Entwertung der Silbermünze herbeigeführten Schwierigkeiten des Austauſches tragen ebenfalls weſentlich dazu bei, das erwartete Steigen der Nachfrage nach den engs lijden Manufakturen zu hemmen . Es ſcheint zwar gegens
Geographiſche Neuigkeit. * Der Fortidyritt von Handel und Gewerbe in China. ( Nach einem Vortrage, welden Herr R. S. Gundry vor furzem in einer Verſammlung der Britiſh Aſſociation gehalten hat.) Der Vortrag ichidte voraus, daß die ungeheuren Unterſchiede im Charakter und der
Denkweiſe zwiſchen den Engländern und den Chineſen es ſehr ſchwer machen , einer engliſchen Zuhörerſchaft einen genauen Begriff von der Sachlage zu geben, und beſtrebte
wärtig alle Ausſicht vorhanden zu ſein , daß binnen Kurzem mehr Eiſenbahnen gebaut und daß verſuchsweiſe Maſchinen für Zwecke der Fabrikthätigkeit zugelaſſen und
eingeführt werden . Allein es wird noch vieler Zeit, eines weiter verbreiteten Wunſches nach Fortſchritt und einer gründlichen finanziellen Reform bedürfen, bevor China in der Vollſtändigkeit ſeiner Umwandlung mit Japan zu wetteifern imſtande ſein wird.
ſich dann, die leitenden Züge von chineſiſchem Handel und Gewerbeweſen zu geben, inſoweit dieſelben den ausländiſchen Unternehmungsgeiſt betreffen oder von demſelben beeinflußt worden ſind. China begann ſich zu der Zeit zu rühren,
wo es im Krieg mit dem Auslande ſchwere Niederlagen erlitten hatte und wo ſeine erſten Bemühungen dahin
gehen mußten , ſich mit dem Kriegsmaterial zu verſehen, welches die Erfahrung es als ſo mächtig hatte erkennen
laſſen. Der Fortſchritt begann daher mit der Erbauung von Arſenalen und Dampfſchiffen . Die Anfänge des Telegraphenweſens und die Annahme der Eiſenbahnen im
Prinzip rührten ebenfalls einigermaßen von dem Nachdruck her , welchen die kriegeriſchen Verwickelungen in Kuldicha und Tonfing auf die Zuſtände des chineſiſchen Reiches ausübten.
Der Bergbau erſdien alsdann als ein über
reiches Mittel, um all dieſen geſteigerten Aufwand zu bes ſtreiten . Allein Unvollkommenheit der Kenntniſſe, Eifer:
ſucht auf auswärtige Ueberwachung und der zerrüttete
kleinere Mitteilungen. * Ruſſiſche Klöfter. Die ruſſiſchen Klöſter ſind durch um ſo engere Bande mit
dem Volksleben verknüpft , als das ruſſiſche Volf ohnebin , mag auch ſeine Religion viel Förmliches und Aeußerliches haben, einen tief religiöſen Simm hat ; die Kloſtergeiſtlichkeit verſtand es zudem , ſich nicht bloß nach unten, ſondern auch nach oben ein hohes Ans ſehen zu erringen und zu bewahren. Auch die griechiſchen Klöſter waren , wie die Klöſter im weſtlichen Europa, im Mittelalter vielfach
Zentren der Bildung ; während das Volk ringsum noch im Banne der Unwiſſenheit gefangen lag , ſchrieben gelehrte Mönche ſchon ſeine Geſchichte, und es war nicht ſelten, daß die alten Großfürſten und Zaren ihnen ihre vertrauten Ratgeber entnahmen und daß mithin die Aebte und Archimandriten einen maßgebenden poli . tiſchen Einfluß übten : als Zar Alexei Michailowitſch regierte, entſchied durch lange Zeit der Patriarch Niton, der ſich im Kloſter vom einfachen Bauernknaben bis zum höchſten geiſtlichen Wiirden träger emporgearbeitet hatte , über Krieg und Frieden. Es fam aber noch hinzu, daß in den blutigen Kriegen gegen die tartariſchen
Kleinere Mitteilungen .
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þorden die meiſt durch feſte Mauern geſchüßten Klöſter oft den
nach Rußland heimkehren, treiben ſie einen ergiebigen Handel mit
Bewohnern des platten Landes eine Zuflucht boten und den An
Jordanwaſſer , mit Steinen vom Delberg , mit Splittern vom
prad der Feinde ſiegreich beſtanden . Und das Anſehen , welches
Kreuz des Erlöſers ac. Alles echt! Oder auch nicht!
ſie in ſolcher Weiſe ſich einmal errungen , haben ſie ſich zu er.
Den löwenanteil an dem Einfluß der Klöſter auf die Maſſen
halten verſtanden : der waghalſigſte Reformer wiirde auch heute noch gerechten Anſtand nehmen , an ſie, an ihre Rechte und Privi. legien zu taſten. Wenn die Zeit der Sonnenwende da iſt , bededen ſich die
tragen die „ Großflöſter“ davon , die „ lawren “ und von dieſen
Straßen und Wege des ungebeuren Reichs , in den eišſtarrenden Regionen des Nordens wie in den weiten Steppen des Südens,
gibt es nur drei , das Kloſter des heiligen Alexander Newsfi in St. Petersburg , das Troizki-Kloſter des heiligen Sergius bei Moskau und das Höhlentloſter bei Kiew. Das erſtere gehört don der neueren Zeit an es verdankt Peter dem Großen ſeinen Rang und tritt den beiden anderen gegeniiber, die eine
mit Scharen , jede 20 bis 50 Köpfe ftark, Männer , Weiber und Kinder, barfuß und barhaupt einherſchreitend, auf dem Rüden
Das Troizki-Kloſter , im Jahr 1337 vom heiligen Sergius ge
!
1
.
ein ärınliches Reiſebündel, am Gürtel ein Kochgefäß, in der Hand einen Reiſeſteden ; ſie ziehen in ernſtem Schweigen dahin oder fie murmeln leiſe Gebete oder ſingen eine eintönige, dumpfe, klagende Hymne; dem einen hat die bittere Not den Wanderſtab in die Hand gegeben, den andern treibt ſein quälendes Gewiſſen, wieder ein anderer will ſeinen Dank für dieſe oder jene Rettung
.
lange und ruhmreiche Vergangenheit haben , tief in den Schatten . gründet, beſigt Schätze und Koſtbarkeiten im Werte von 100 Mill .
Rubeln und dieſer Schap würde im Falle der Not dem Kaiſer
jeden Augenblid zur Verfügung ſtehen ; die ruſſiſche „ ſchwarze“ Geiſtlichkeit hat von jeher durch ihre patriotiſche Opferwilligkeit geglänzt. Das Höhlentloſter in Kiew war früher nicht weniger reich; noch vor hundert Jahren , im Jahr 1786 , gehörten ihm
darbringen und noch ein anderer hat irgend ein Gelübde einzu.
138 Fleđen und Dörfer mit einer Bevölferung von 60,000 Seelen .
löſen oder will ſeine Frömmigkeit ohne beſtimmten Anlaß bethätigen.
Aber damals zog die Kaiſerin Katharina ſeinen kleinruſſiſchen Grundbeſitz ein und warf für den Unterhalt des Kloſters jährlich eine viertel Million Rubel ans. Indes haben ſeitdem die Schen
Irgend ein Kloſter, oft viele tauſend Werſt entfernt, aber berühmt entweder durch einen im Geruch beſonderer Heiligkeit ſtehenden Mönch oder durch einen weiſen Eremiten, der ſich in irgend einer entlegenen Schlucht von Wurzeln und Kräutern nährt, oder durch wunderthätige Reliquien, iſt ihrer aller Ziel und Hunderttauſende, von der Bevölkerung freudig beherbergt und bewirtet , damit ſie auch für ſie ein Gebet an der heiligen Stätte verrichten , pilgern in ſolcher Weiſe in den Sommermonaten , von Anfang Juni bis
kungen und Gaben der Pilger den Verluſt wieder hereingebracht. Das im Jahr 1013 durch einen Mönch vom Berge Athos ge gründete Stloſter iſt itbrigens eine der größten Sehenswirdigteiten Rußlands ; in den Höhlen, in welchen heute die frommen Mönche hauſen , bargen einſt warägiſche Räuber ihre Beute. Zum Kloſter gehören nicht weniger als 16 Kirchen , und in der Höhe der
in den September hinein, durch das heilige Rußland. Aber nicht
Pilgerzeit ſind ſie alle mit Andächtigen überfült. Mein ruſſiſches
bloß den gemeinen Mann , den Mužik, zieht es nach den flöſter -
Kloſter hat ſo viele Gräber von Nationalheiligen : St. Johann , Pimen , Spiridion und wie alle die Heiligen heißen mögen , von denen das weſtliche Europa in den ſeltenſten Fällen auch nur die Namen fennt, ſind dort zur letzten Ruhe gebettet ; ihrer aller Gebeine ſind in offenen Särgen den Andächtigen zur Verehrung ausgeſtellt und Tauſende von Kranken drängen ſich herbei , durch einen Kuß auf die heiligen Ueberreſte Geneſung z11 finden. Selbſt dieſe Gebeine ſind übrigens vor frevieriſchen Diebeshänden nicht
lichen Wallfahrtsorten : auch der reiche Kaufmann und Grund beſiger alten Schlags ſucht Erbauung, Troſt und Rat bei der „ dwarzen " Geiſtlichleit, wie der Volksmund ſie nennt im Gegen ſaß zu den Popen , der „ weißen “ Geiſtlichkeit, und das ſchöne Beſchlecht vollends bis in die höchſten Kreiſe hinauf gehört zu den
eifrigſten Pilgerinnen , die alljährlich „ ihr “ Kloſter beſuchen oder I
von Kloſter zu Kloſter wandern und, natürlich aus eitel Frömmig . keit , dabei Dinge treiben , von welchen ſich die Philoſophie des Occidents wenig träumen läßt. Selbſt der Kaiſer und ſein Haus verſäumen nicht, ſtellenweiſe den heiligen Stätten ihre Ehrfurcht
zu bezeigen, und man wird ſich vielleicht erinnern , daß vor zwei Jahren in St. Petersburg viel die Rede davon war, Alexander III . habe die Abſicht, wie einſt ſein gemordeter Vater gethan , dem Solodeztiſchen Kloſter am Weißen Meer einen Beſuch abzuſtatten.
Am zahlreichſten erſcheinen , wir haben es ſchon geſagt , die Pilger im Sochſommer : die Tage ſind dann lang und die Wege trođen . Und von überall her ziehen ſie heran ; in Kiew ſieht man Kamtſchadalen und Finnen und im Soloveztiſchen „ Monaſtyr“ auf den Inſeln hoch oben im Weißen Meer ſtrömen Kaukaſier, Südſibirier und Koſaken zuſammen . Den ganzen Tag hindurch läuten die Gloden, ſingen und beten die Andächtigen und lungern und jammern die zahlloſen Bettler an den Thoren des Kloſters und an den Thiiren der Kirche. Die armen Pilger werden in den Kloſterherbergen unentgeltlich aufgenommen , die wohlhaben den vergelten die genoſſene Gaſtfreundſchaft mit beliebigen , immer aber ganz freiwilligen Spenden , Kranke bleiben im Kloſter , bis
ſicher , obgleich ſelbſt der geringſte Diebſtahl unfehlbar in die G. W. ſibiriſchen Bergwerke führt. .
* Der Rieſen -Erdwurm von Gippsland. Einer der legt erſchienenen Bände der „ Verhandlungen der Königl. Geſellſchaft von Viktoria “ enthält eine gründliche Abhand lung über die Anatomie und Phyſiologie des Rieſen -Erdwurms von Gippsland, Megascolides australis , des größten bis jett bekannten Erdwurms. Dieſer Auflag ſtammt aus der Feder des jüngſt an die Univerſität Melbourne berufenen Profeſſors der Zoo . logie, des Herrn Baldwin Spencer, und behandelt ein Tierweſen, welches wir wohl fiiglich auch als eines der Charaktertiere Auſtra Tiens betrachten dürfen und das daher auch von geographiſcher Seite intereſſant iſt. Dieſer Wurm ,1 von welchem einige Erem
plare die außerordentliche Länge von ſechs Fuß erreichen , wurde 1879 zuerſt von Profeſſor Mc. Coy geſchildert und mit dem vor,
erwähnten Namen getauft; er gehört zu einer eigentümlichen auſtraliſchen Gruppe , von welcher nun fünf Arten bekannt ſind.
Herr Spencer gibt uns die nachſtehende allgemeine Schilderung
ſie geneſen ſind , oft verlaſſen ſie es überhaupt nicht mehr, ſondern
ſeiner Lebensweiſe in folgendem :
warten dort rubig, bis ihr lettes Stündlein gekommen . Aber auch Frömmlinge gibt es , die ihr ganzes Leben lang von einem heiligen Ort zum andern ziehen , und, alles von ſich werfend, was ſonſt den Menſchen ans Leben bindet , darin die wahre Gott gefälligkeit erkennen ; dieſe Frömmſten der Frommen ruhen nicht, bis ſie auch Jeruſalem geſehen ; die dort erſcheinenden ruſſiſchen Pilger zählen alljährlich nach Hunderten. Unter ihrer Firma treiben freilich auch zahlreiche Scrindler ihr Weſen ; wenn ſie
„ Von allen bis jetzt bekannten Megaskoliden ſcheint dieſe die größte und zunächſt auf Gippsland beſchränkt zu ſein. Wo ſie iiberhaupt vorkommt, iſt ſie ziemlich reichlich vorhanden und lebt
vorzugsweiſe auf den abgeböchten Ufern fleiner Fliiſje. Zuweilen findet man ihn unter gefallenen Baumſtämmen und nicht ſelten wieder auch vom Pflug zu Tage gefördert. „ Als wir ihn zuerſt şuchten , wunderten wir uns einiger:
maßen über die Verſicherung mehrerer Perſonen , welche mit den
Kleinere Mitteilungen . Lebensverhältuiffen des Wurmes genan bekannt erſchienen : dob der Eingang zu ſeiner Erdhöhle durch einen deutlichen „ Aufwurf" gekennzeichnet ſei , während andere anſcheinend ebenſo genau mit dem Tier bekannte Leute uns ebenſo beſtimmt verſicherten , daß der Wurm niemals irgend einen Aufwurf madhe. Während meiner Suche nach dem Tier fanden wir die meines Erachtens richtige Erklärung der beiden einander ſo widerſprechenden Behauptungen und entdecten bald , daß der ſicherſte Beweis von dem unterirdi ſchen Vorhandenſein des Tieres an einem gewiſſen Orte ein deut licher gurgelnder Ton iſt, welchen das Tier erzeugt, wenn es ſich nachdem man mit dem Fuß auf den Boden geſtampft hat , in
jeinen Bau zurüdzieht. Dieſer gurgelnde Ton iſt unverkennbar, wenn man ihn einmal gehört hat, und wir lernten ihn bald als ein ficheres Zeichen von der Anweſenheit des Wurms betrachten .
„ Der Wurm lebt ſehr häufig in einem Boden , welcher von den Löchern der ſogen. Landkrabbe durchzogen iſt. Dieſer Krebs hat einen fleinen , freisrunden Bau , welcher zu einem darunter
befindlichen ausgehöhlten Keſſel oder Rammer hinabführt, worin ſich ein Waſſertümpel befindet , und durch dieſe Kammern führen 1
häufig die Gänge des Baues dieſes Wurms. Die Krabbe hat beinahe unfehlbar einen großen fegelförmigen Aufwurf an der
Mindung ihres lodhe, jede Spur von dieſem Aufwurf fehlt aber,
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ein Zweifel obwalten , daß ſie noch den wichtigen und vielleicht .
ſekundären Zweck hat , die Wände des Baues glatt , feucht und ſchlüpfrig zu machen , um ſo das Tier in den Stand zu legen, leicht und raſch fortzufriecht. Der Wurm bewegt ſich in ſeinem Bau raſo , indem er, je nachdem der Fall liegen mag , ſein vorderes oder hinteres Ende anſchwillt , ſich deſſen als eines feſten oder ſtüßenden Punktes be dient und vielleicht unter der , wenn auch nur geringen, Unter ſtütung der Borſten, den Reſt ſeines Körpers ſtark zuſammenzieht. Dieſe Veränderungen in der Bewegung folgen einander ſo raſch ,
daß ſie in den Bauen das Ausſehen einer fortwährenden gleiten den Bewegung annehmen . Außer dem Bau, wenn nicht die ganze Körperfläche mit der Erde in Berührung iſt, macht der Wurm gar feinen Verſuch, ſich irgendwie zu bewegen, ſondern liegt träge am Boden . Jeder, der dieſes Tier außerhalb ſeines Baues fieht, möchte ihm ein ſehr träges Temperament zutrauen und macht
ſich keine Idee von ſeinen riihrigen und ſchnellen Bewegungen unter dem Boden .
„ Inſofern es ſich um die Ortsbewegung handelt, ſcheinen ihm ſeine Borſten nur von geringem oder gar feinem Nutzen zu ſein . Die Borſtenwürmer dagegen , wenn man ſie aus dein Boden nimmt, bewegen ſich mit merkwürdiger Geſchwindigkeit an der !
wo es feine Krabbenlöcher gibt. Die ſehr häufige Verbindung von Krabbe und Wurm führt zu der Anahme, dieſer ſloße einen Aufwurf auf , allein gerade eines der beinerkenswerteſten fenn zeichnenden Züge des Bodens, der zu Zeiten nur von Wurmlöchern
Erde fort und bedienen ſich unbeſtreitbar ihrer Borſten zur Unter
durchzogen iſt, bildet die gänzliche Abweſenheit der Aufwiirfe.
Röhren derſelben findet man oft 1 ) Abdrüde oder Abgüſſe der
Was der Wurm mit der ungeheuren Menge Erde thut , der ſeinen Leib paſſiert, das vermag ich vorerſt noch nicht z11 ſagen , muß aber bemerken, daß man nur bei ſehr ſeltenen Gelegenheiten irgend eine Spur von Laub entdecken fann, das in die Löcher
Würmer oder eher den wahrſcheinlich ehemaligen erdigen Inhalt ihres Speiſekanals , mit deutlich auf denſelben zurüidgebliebenen
hinuntergezogen worden wäre. „ Es iſt keine leichte Sache, den Wurm wegen ſeiner Länge, wegen der Windungen ſeines Baues , der Geſchwindigkeit ſeiner Bewegungen unter der Erde und ſeines Vermögens, entweder das 1
ſtügung ihrer Bewegungen . „ Die Baue des großen Wurmes haben einen Durchmeſſer von 9 Linien bis zu 1 Zoll rheinl., und in alten , nicht mehr benügten
Eindrüden der Körperſegmente, und ſeltener 2) förmliche Cocons
oder Geſpinſte. Dieſe letzteren ſind 19/2 bis 2 Zoll rheinländ. lang und , je nach ihrem Alter, von verſchiedener Färbung , und ieder enthält zwei Cocon nur einen einzigen Embryo , die ich mir vorerſt noch nicht in einem einigermaßen hochentwidelten Zu ſtande habe verſchaffen können . Der Cocon ſelbſt iſt etwas dünn
vordere oder das hintere Ende des Körpers oder beide zu ſpreizen,
und beſteht aus einem zähen lederartigen Stoff mit einem ſehr
ohne Verlegung aus dem Boden zu holen .
deutlichen ſtengelartigen Fortſat ant jedem Ende; er enthält eine
,Sobald nämlich der Bau bloßgelegt wird ., ſieht man den Wurm raſch davongleiten , wobei er oft den ſeltſamen gurgelnden Tou hervorbringt, wenn er durch die ſchleimige Flüſſigkeit welche
ſobald er in der Mitte erfaßt wird, beide Enden ſeines Körpers an , ſie anſchwellend, bis ſie ſich dicht an die Seiten des Baues anſchließen. Unter dieſen Umſtänden führt das Ziehen an dem
milchartige Flüſſigkeit, die ziemlich der in der Körperhöhlung des Wurmes vorkommenden ähnlich iſt. Es dürfte intereſſant ſein , hier auch noch die Thatſache zu verzeichnen , daß wir gegenwärtig drei beſonders große Arten von Erdwürmern kennen , daß eine derſelben in Südafrika, eine andere in den ſüdlichen Gegenden Indiens und Ceylons und die dritte im Siiden von Feſtland-Auſtralien vorkommt. Ueber die Verteilung der Erdwärmer wiſſen wir bis jett nicht viel,
Körper bloß zu deſſen Zerreißung. Man hat den Wurm als
allein dieſelben Geſetze, welche die Verteilung anderer Tiere ge
ſpröde oder zerbrechlich bezeichnet , allein dieſer Ausdruck iſt am wenigſten anwendbar, weil ſein Körper ſehr weich und einer großen Ausdehnung in die Länge fähig iſt, ehe er zerreißt. Im leben
leitet , müſſen auch immer über ihrer Verteilung gewaltet haben , und ſo iſt die Möglichkeit nicht ausgeſchloſſen , daß dieſe großen Erdwürmer die hinterbliebenen Ueberreſte einer einſt weitver
immer in dem von einem lebenden Tier bewohnten Bau vorhau den iſt paſſiert. Ehe er ſich herausziehen läßt , ſtemmt er lieber,
.
den Zuſtand verbreitet er einen eigentümlichen , einigermaßen an
breiteten Raſſe von größeren Erdwürmern ſind, deren Vers
Kreoſot erinnernden Gerud ), den ſchon Profeſſor Mc. Coy be. obachtet hat ; im toten Zuſtande iſt dieſer Geruch noch ſchlimmer als je und ſehr ſtark und eigentiimlich. Wenn der Körper ver weſt, geht er in eine ölige Flüſſigkeit über, welche nach der Ver.
treter in unſeren Tagen (wie es auch mit anderen Formen des organiſchen Lebens vorkommt) nur noch in den ſüdlichen Teilen der großen Landmaſſen der Erdoberfläche gefunden werden . Mög. licherweiſe werden ſorgfältige Nachforſchungen auch noch das Vor handenſein eines großen Erdwurms in den ſüdlicheren Teilen von Südamerika nachweiſen."
ſicherung einiger alten Eingeborenen des Bezirfes ſehr gut gegen Rheumatismus iſt. Das Geflügel aber riihrt den Wurm weder im lebenden , noch im toten Zuſtand an . „Hält man den Wurm in der Hand, ſo zieht er ſeinen Körper zuſammen und ſprißt aus den Þoren ſeines Rüdens Strahlen einer milchigen Flüſſigkeit inehrere zou hoch aus. Unterſucht inan den Bau genau, ſo findet man , daß deſſen Seiten ſehr glatt und mit einer Flüſſigkeit überzogen ſind, die der von den Poren ausgeſprigten ähnlich iſt. Welches auch immer die urſpringliche Beſtimmung oder Verrichtung der Fliiffigkeit ſolange, fie noch
innerhalb der Leibeshöhle iſt, ſein mag, ſo kann doch darüber faum
.
* Die antarktiſche Polarwelt. Die Beſchaffenheit des Eiſes bietet natürlich die intereſſan. teſten und fennzeichnendſten Charakterzüge der antarktiſchen Re. gionen dar. Wenn der Reiſende die gemäßigte Zone verläßt, um in die eiſigen Gewäſſer des fernen Siidens einzudringen, ſo ſollte er eigentlich als hauptſächlichſte Ausrüſtung eine ſehr bedeutende Kenntnis der Schifffahrt im Eiſe mitbringen , und um dort irgend einen längeren Aufenthalt zu nehmen , ſollte er ein Fahr.
Kleinere Mitteilungen .
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zeug von ganz ungewöhnlich feftem Bau beſitzen, welches gelegent lich einen derben Zuſammenſtoß mit den ſcharfen Kanten der ges fährlichen Eisfluen auszuhalten imſtande wäre. Was iſt die Lebensgeſchichte dieſer ſchwimmenden Eisiuſelu und Eisberge ? Sie ſind lauter Kinder aus dem Schoße der mütterlichen Eismüße, welche den Pol umgibt. Extreme von Froſt und das allmähliche Vorriiđen der Eismüge in das Meer hinein ſind die Urſache ihres Abreißens. Hier wächſt und bewegt fich, vielleicht ſchon ſeit Jahrtauſenden , jene große Eiskappe wie ein lebendes Weſen. Jeder Winter fügt ihrer Diđe eine neue Schneeſchicht hinzu , welche die Sonnenſtrahlen in mehr oder !
weniger dichtes Eis verwandeln . langſam und allmählich wächſt die gewaltige ſchwerfällige Maſſe über das darunter liegende land
und durch die Thäler zu , zerreibt und zertrümmert unter ihrem 1
ungeheuren Gewicht Felſen und erratiſche Blöđe , welche ſie, ver möge der zuſammenhängenden und feſt erfaſſenden Natur des Eijes, manchmal aufnimmt und mit ſich führt, um dieſen Schutt und dieſe Trümmer dann ſchließlich auf dem Meeresgrund abzu lagern.
Die Färbung der Eisberge iſt prachtvoll. Die allgemeine
Star“, das in die Bucht hineingeriet, ging mit Mann und Maus verloren .
Das Paceis iſt von einer dunkelblauen Farbe und immer ganz eigenartig ; es beſteht zum größten Teil aus ſchwerem Fluen
eis, welches vom Meere ſehr beledt, zerbrochen, zuſammengedrict und übereinander gehäuft iſt, ſo daß es eine Maſſe von ſehr unregelmäßiger Geſtalt darſtellt. Das Paceis der antarktiſchen Meere iſt infolge der heftigen Stitrme noch weit mehr zerbrochen und zertrümmert als dasjenige der arktiſchen Meere , in welchen die See gewöhnlich ruhiger iſt. Die Nachbarſchaft des Pađeiſes
gibt ſich dem Seefahrer durch eine prachtvolle meteorologiſche Er ſcheinung kund, welche man den „ Eisblint" nennt und die inan iiber demſelben wahrnimmt und beſchreiben kann, als ein an ſcheinend helles Band von weißen Reflexen , welches nach oben zuweilen von einer dunklen Wolfe begrenzt erſcheint. Roß mußte bei dem Verſuch , ſüdlich vom Kap Horn durch das Padeis zu dringen, ſechs Wochen lang mit Wind und Wetter kämpfen ; aber ſeine Schiffe wurden durch nordwärts fließende Strömung ſo beſtändig herumgeworfen, abgetrieben und rücwärts geführt, daß er ſchließlich nach Beſtehung vieler Gefahren den
rechten Wänden begrenzt. Einige von ihnen haben einen Umfang
Verſuch aufgeben mußte. Wir fönnen uns einen ungefähren Bes griff von den Gefahren machen , welche er beſtanden haben muß, wenn wir uns erinnern, daß die gewaltigen antarktiſchen Eisberge fortwährend zuſammenſtoßen und verwittern. Auch das Treibeis wird von den Wogen beſtändig herumgeworfen wie ebenſoviel ſchwimmendes Bauholz, und der Zuſammenfloß irgend eines
von zwei und ſogar von vier engliſchen Meilen , aber man hat auch ſchon Berge beobachtet, welche einen Durchmeſſer von vier
großen Stüdes desſelben kann einem nicht genügend ſtarken Schiffe verhängnisvoll werden . Die dieſen Regionen eigentiim
engl. Meilen hatten. Sie weiſen alle eine ziemlich gleiche Höhe von etwa 175 Fuß engl. auf , wobei etwa 90 Prozent ihres
lichen plöblichen und heftigen Böen , die mit den noch gefähr
Maſſe gleicht auffallend dem Hutzucer; die Höhlen und Spalten find vom tiefſten und reinſten Azurblau und ſtrahlen bei Nacht
eine Art Lichtſchein aus , ſo daß ſie von vielen bis zu einem ge wiffen Grade phosphoreszierend gehalten werden . Sie find, gleich den Eisbergen des arttiſchen Ozeans, auf allen Seiten von ſent
1
licheren Windſtillen abwechſelit, wo das Schiff hilflos zwiſchen
Volumens unter Waſſer ſtehen ; allein häufig trifft man auch noch
dem Eiſe ſchwimmt, rufen dann neue Fährlichkeiten hervor , die
höhere Eisberge, und die höchſten, welche Cook geſehen hat, wur
der Seefahrer beſtehen muß und die häufigen ſchweren Nebel, trüben Wolken , und blendenden Schneefälle vermehren und ſteigern noch ſeine Berlegenheiten. Die freie Bewegung ſeines Schiffes
den auf eine Höhe von 300 bis 400 Fuß geſchäßt. Da ſie nord wärts ſchwimmen , ſo werden ſie zerſtoßen und verlieren nach und nach ihr tiſch- oder tafelförmiges Ausſehen , bis ſie von den wärmeren Gewäſſern aufgelöſt werden.
Die Berge, welche man , beſonders in den niedrigeren Breiten, begegnet , nehmen jede nur irgend denkbare Geſtalt an . Die Challenger-Expedition 3. B. ſab einen Eisberg , welcher die Ge .
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ſtalt eines Giebels mit einem herrlichen offenen gotiſchen Bogen in der Mitte und einem beſonderen Spitzturm von mehr als
200 Fuß Höhe hatte und einer aus Sapphiren in orydiertem Silber errichteten prächtigen ſchwimmenden Kathedrale glich." Wilkes Roß und viele andere Reiſende beſchreiben die wunderbare Schönheit dieſer Baläſte, Kathedralen , Inſeln 2c. , die wie aus gediegenem Eiſe ausgeſchnitten und mit Schnee beſprengt und zuweilen , um ihnen ein noch wirklicheres Anſehen zu geben , von Pinguinen bevölkert ſind. Je näher man aber dem Pole kommt,
deſto gleichmäßig tiſchförmiger werden die Eisberge, weil fie noch nicht ſo verwittert ſind. Das Treibeiß wird gewöhnlich in keiner niedrigeren Region als unter 580 angetroffen ; aber in ſtrengen talten Jahren wie 1832 und 1840 beobachtete man Eisberge ſchon unter 420 1. Br. und ſah ſie manchmal noch 600 bis 700 Seemeilen von ihrer
gewöhnlichen Grenze entfernt. Man weiß von einer ungeheuren Inſel, welche im Dezember 1854 und im Januar, Februar und März 1855 vun einundzwanzig Schiffen paſſiert worden iſt; ſie
wird ferner noch verhindert durch die Geſchwindigkeit, mit welcher jich das junge Eis bildet und ihm die Paſſage verſperrt und in den engen offenen Wafferflächen häufige „ Gänge" und „ Schläge" beim Lawieren nötig macht, und wo die freie Handhabung der Taue beinahe unmöglich wird, wenn die Wogen , welche ins Takelwerk und auf das Verdeď ſchlagen , alsbald gefrieren und mit der Urt hinweggehauen werden müſſen . Ein Sturm im
Badeis oder eine darauffolgende Windſtille ſind die gefährlichſten lagen , in welche ein Seefahrer in den antarktiſchen Meeren nur verſeßt werden kann .
Aus der Thatſache, daß man fich zu jeder Jahreszeit unähnlich denen in den antipodiſchen Regionen jenen hohen ſüdlichen Ländern von allen Seiten her nähern kann , hätten wir eigentlich mit Recht vermuten diirfen , daß ſie nicht ſo lange un , erforſcht geblieben wären, wenn man von ihnen irgend einen an
gemeſſenen Vorteil fiir Handel und Schiffahrt hätte erwarten diirfen . Unſere namhaftere Bekanntſchaft mit den arktiſchen Re. gionen rührt nicht von irgend welchen beſonderen Anſprüchen an deren wiſſenſchaftliche Erforſchung , ſondern hauptſächlich von der
Thatſache her, daß es ſich um die Erforſchung einer nordöſtlichen , oder nordweſtlichen Durchfahrt nach Indien oder um die Ents dedung eines kürzeren Wegs um den Nordpol herum nach China
hatte die Geſtalt eines Hakens, deſſen längerer Schenkel ungefähr
und Japan handelt, und daß die Kauffahrtei-Schiffahrt ſich aus dieſem Grunde fortwährend bemüht, die eiſigen Schranken des hohen
fechzig und der kürzere vierzig engl. Meilen lang war und eine Bucht offenen Waſſers von etwa vierzig engl. Meilen im Durch .
der Handel nur mit dem Walfiſchfang und Robbenſchlag beteiligt.
Nordens zu durchbredjeni. Ju den antarktiſchen Meeren dagegen war
meſſer einſchloffen ; die Inſel ragte an der einen Seite über
Allein die antarktiſche Polarwelt bietet nun den Naturwiſſen
Dieſe gewaltige Eisinſel bereitete,
ſchaften ein beinahe noch jungfräuliches Feld der Wirkſamkeit und
wie ſich denken läßt, der Schiffahrt große Gefahren. Ein Schiff,
bevor dasſelbe nicht gründlich ſyſtematiſch durchforſcht und die Kenntnis desſelben nicht durch gleichzeitige Beobachtungen feſt geſtellt iſt, tann eigentlich feine von allen naturwiſſenſchaftlichen
300 Fuß aus dem Meere.
welches in die Blicht einlief, war ſo glüdlich, einen ſicheren Rück Zlig zu bewerfftelligen, allein ein Aufwandererſchiff, der ,,Guiding
Steinere Mitteilungen . Disziplinen ſich zu einer gründlichen Erforſchung der Kosmo gonie des Erdbaus fiir genügend ausgeſtattet erachten. Es fann noch eine lange Zeit währen, bevor die Nationen erkennen , wie ſehr ihr Fortſchritt durch denjenigen der Wiſſenſchaft geregelt wird und von demſelben abhängig iſt; allein die Thatſache der ſolidariſchen
Verpflichtung der Nationen hiezu und die Ueberzeugung ſtehen feſt, daß es immer Männer geben wird , welche das Publikum !
auf die hohe Wichtigkeit der Erforſchung des unbekannten Feſt landes am Siidpol und die Notwendigkeit genauerer Beobachtung der antarktiſchen Polarwelt hinweiſen werden . * Eröffnung einer chineſiſchen Eiſenbahu. Am lektverfloſſenen 9. Oktober hat die offizielle Abnahme der neu erbauten Eiſenbahn zwiſchen Tientſin , Tafu und Tong.
chan ſtattgefunden , nachdem ſie ſchon im September dem all. gemeinen Verkehr übergeben war. Die Bahn fann fich , was .
ihre Ausdehnung betrifft, mit den großen europäiſchen und ameri faniſchen linien nicht entfernt meſſen, denn ſie iſt nur 861/2 engl. Meilen lang , aber deshalb darf doch die Bedeutung des neuen Berkehrsweges nicht unterſchäßt werden . Die Bahn iſt, unter der Oberaufſicht des Zivilingenieurs Kinder, ausſchließlich von Chineſen gebaut worden . Techniſche Schwierig keiten hat ſie nicht viele zu überwinden gehabt ; die Fauptſchwierig
keit war die Ueberſchreitung des Fluſſes Peh-tang und die Führung des Bahndammes durch einzelne ſumpfige Diſtritte hindurch. Das ganze betreffende Terrain iſt nämlich vollſtändiges Flachland und daher Ueberſchwemmungen in dem Maße ausgeſetzt, daß ſtellenweiſe Sduydämme aufgeworfen werden mußten , um das Waſſer des Þei-ho und anderer Flüſſe zurüdzuhalten ; und um außer jenen
119
Für den Bau des Bahnförpers iſt als Unterſchiittung Bruch
metal und Metallabfad zur Verwendung gefomnien . Die Schwellen beſtehen aus hartem japaniſchen Holz , das jedoch nicht mit Kreoſot
durchtränft iſt. Die Schienen ſind aus Stahl und haben , je itachdem es der Verkehr erheiſcht, ein Gewicht von 45, 60 oder
und 70 Pfund. Ganz beſonders kräftig iſt die Strece von Tient-ſin bis Tong - Kul ausgebaut; es ſind dort Schienen ſchwerſten Kalibers und beſonders ſtarke Schwellen verwendet , denn dieſe Stređe hat ſowohl den Schnellzugsverkehr als den zu erwarten den ſtarken Transport von Salz und Mineralien zu bewältigen. Es iſt übrigens faum zweifelhaft , daß die neue Bahu in
kiirzeſter Friſt nach dem nur ungefähr 60 engl. Meiíen entfernten Tung- chow und von dort bis Peking weiter geführt wird. Das Signalweſen iſt auf der ganzen Linie höchſt primitiv und wird ausſchließlich durch das Schwenken weißer oder roter Flaggen beſorgt , nur daß außerdem an jeder Station und an jeder gefährlichen Kurve ein hoher Flaggenmaſt aufgerichtet iſt.
Au rollenden Betriebsmaterial ſind bis jegt nur vier Paſſagier Lokomotiven vorhanden , doch dürfte , wenn der Verkehr ſich
bleibend ſo befriedigend geſtaltet wie bisher , die Zahl derſelben
alsbald eine Vermehrung erfahren : drei dieſer Lokomotiven ſind in England (Glasgow und Mancheſter) , die vierte iſt in Amerifa
gebaut. Die Bahu verfügt weiter über zwei prachtvoll ausgeſtattete
Salonwagen , iiber zwölf große achträdrige und ſechs tleinere Paſſagierwagen, über 150 Kohlenwagen zu je 20 und 130 Wagen z11 je 10 Tons , endlich über 60 Lowries zu je 15 Tous Trag
Zwiſchen Peh -tang und Faku , auf einer Strecke von nicht ganz
fähigkeit. Die Perſonenwagen ſind nicht luxuriös , aber doch be. quiem eingerichtet und die Tarife ſehr niedrig , ſo niedrig , daß man die ganzen 861/2 Meilen der Bahn für 1 Doll. 30 Cents (ungefähr 5 Mark) zurüdlegen kann. Die Fahrt dauert im all gemeinen , einſchließlich des Aufenthalts in den Stationen, 41/2 bis 5 Stunden , aber das gibt keinen Maßſtab für die nötigenfalls 311 erreichende Fahrgeſchwindigkeit, auf deren Steigerung der
8 engl. Meilen , ſind außerdem , als Schutz gegen die Ueber
Chineſe , der bisher kein anderes Vehifel tannte als den Karren
ſchwemmung & gefahr, vier Brücken gebaut und ein Waſſerdurchlaß hergeſtellt. Die eine dieſer Brüden, welche über den dort 200 Yards breiten Beh-tang führt , hat eine Spannung von 60 Fuß , zehn Spannungen von je 50 und fünf Spannungen von je 30 Fuß. alſo eine Geſamtſpannung von 720 Fuß ; die Tragebalfen ſind
oder das Boot , einſtweilen noch wenig Wert legt. An der Spige der einzelnen Betriebszweige ſtehen ausſchließlich Engländer und
Dämmen noch einen weiteren Schutz für den Bahnkörper zu ges winnen , wurde das Geleiſe über einen eigens dazu hergeſtellten
Damm geführt, der das anliegende Terrain um 8 Fuß überragt.
aus Eiſen, die Pfeiler aus Mauerwerf hergeſtellt. Auf der ganzen Strede finden ſich nicht weniger als 50 Brüđen , deren hervor ragendſte die in Amerika gebaute bei Chung-hang -Chang iſt; ſie
hat eine Spannung von 40 Yards und kann, wenn es notwendig erſcheint, durch eine beſondere Vorrichtung verbreitert werden . Im übrigen iſt die neue Bahn eingeleiſig , mit Weichen an
1
1
G. W.
Amerikaner.
* Der Biehſtand der Welt. Der ſtatiſtiſche Sekretär des Landwirtſchaftsamtes in Waſhing ton hat den Verſuch gemacht, auf Grund der ihm zu Gebote
ſtehenden Daten den geſamten Viehſtand der Welt ziffermäßig zu berechnen. Es beſitzt hiernach Europa 97,239,593 Stüc Rind vieb , 33,253,454 Stüd Pferde , 3,727,396 Stüc Maultiere und Eſel, 186,556,547 Stid Schafe und Lämmer , 44,718,386 Stiic
den Stationen . Von Tient-ſin bis zur erſten Station Tong-Kui
Schweine und 19,512,726 Stiid Ziegen ; Südamerita 57,658,724
find 27 engl. Meilen mit einer Halteſtelle, von Tong Ku bis
Stück Rindvieh , 5,991,579 Pferde , 1,512,209 Maultiere und
Lutai 25 Meilen , von dort bis Tong -ſchan , wo die Werfe der Kaiping-Zechen in Sicht kammen , 32 Meilen. Bei Tong -ſchan be
Eel, 101,089,336 Schafe und lämmer, 1,388,500 Schweine und 3,016,956 Ziegen ; Nordamerifa 55,092,747 Stüc Rindvieh, 14,917,656 Pferde , 2,310,694 Maultiere und Ejel, 46,173,825 Schafe und Lämmer , 51,529,744 Schweine und 14,709 Ziegen ; Aſien 70,402,062 Stüc Rindvieh , 4,195,408 Pferde , 1,181,592 Maultiere und Ejel , 36,649,478 Schafe und Lämmer , 510,700
ginnt das Terrain anzuſteigen und der Boden iſt außerordentlich fruchtbar: man ſieht ausgedehnte , mit Hirſe , Hanf und Flachs
beſtellte Felder , auch Obſt und Gemiiſe wird gebaut ; nicht ein Zou des lehmigen Bodens iſt unbenutzt und die Felder wimmeln von blaugekleideten Arbeitern , die dort mit dem Fleiß der Ameiſen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang ſchaffen.
Die Bevölferung iſt ſehr wohlhabend und eben deshalb war ſie von dem Bahnbau wenig erbaut ; ſie ſprach vielmehr in lauteſter Weiſe den Wunſch aus ,! daß man ſie unbehelligt laſſe und Bahnen
ziehen möge, wo man wolle, nur nicht bei ihr. Das Bambus rohr ſchlug indes ihren Widerſtand alsbald nieder, ſelbſt dort, wo die Eigentümer von Grabſtellen und dieſe Grabſtellen gehören jouſt in China zu den am ſchwerſten zu beſiegenden Hinderniſſen
ihr unantaſtbares Recht ins Feld führten . Juides hier that, wenn das Bambusrohr nicht ausreichte , die dargebotenie volle
Geldentſchädigung ihre Wirkung.
Schweine und 1,227,000 Ziegen ; Auſtralien 8,966,326 Stück
Maultiere und Eſel , 97,912,272 Rindvieh, 1,440,424 Pferde, Schafe und Lämmer, 1,207,840 Schweine und 24,550 Ziegen ; Afrifa 4,017,889 Stück Rindvieh, 655,783 Pferde, 599,916 Maul tiere und Eſel, 28,959,154 Schafe und lämmer, 303,803 Schweine und 5,340,043 Ziegen ; Ozeanien endlich 3000 Stiid Rindvieh, 1000 Pferde, 15 Maultiere und Eſel, 3000 Schafe und Lämmer,
20,000 Schweine und 1300 Ziegen. Das alles zuſammengenommen gibt 293,380,341 Stiid Rindvieh , 60,455,504 Pferde, 9,331,822 Maultiere und Ejel , 497,343,612 Schafe und Lämmer, 99,687,973
Schweine und 29,136,984 Ziegen ; in Summa alſo exiſtieren auf der Welt 989,336,236 Stüd Zuchttiere. Am größten , mehr als
Litteratur.
120
die Hälfte der Geſamtzaht, iſt die Zahl der Schafe und lämmer,
„ eça “ abholen , denn Katafalk , Garnitur und Bahrtuch bleiben
damn kommt mit beinahe einem Drittel das Rindvieh , mit einem
ihr Eigentum , die erſten beiden Objekte in natura , während der Wert des Bahrtuchs in barem Gelde abgelöſt wird. Es dauert
Neuntel die Schweine, mit einem Sechzehntel die Pferde . Den größten Viehreichtum beſigt Europa, nur Schweine hat Nordamerika etwas mehr. Europa zunächſt ſteht Siidamerika. G. W.
* Die portugieſiſche Königsgruft. Wenige Wochen nach ſeinem verſtorbenen jüngeren Bruder iſt der König von Portugal Dom Luiz I. in die Gruft geſenkt worden . Die Mönigsgruft der König Dom Fernando I. hat ſie im Jahre 1755 gebaut und auch die ſterblichen Ueberreſte der vor ihm aus dem Leben geſchiedenen Könige aus dem Hauſe Braganza
zwei bis drei Stunden , bis der Sarg ſeine Wanderungen beendet hat. Fiir den Beſuch der Königsgruft bedarf es eines ſpeziellen Anſuchens. Dom Luiz iſt übrigens der letzte Braganza , der in der alten Gruft ruhen wird : ſie iſt voll. Man wird fortan die
abgeteilte zweite Hälfte hinzunehmen miſſen und ſie dadurch um das Doppelte erweitern .
G. W.
litteratur.
aus den verſchiedenen Kirchen , in welchen ſie bis dahin ihre Ruhe .
* Staudinger, Paul: Im Herzen der Hauſſa -länder.
ſtätte gefunden hatte, dorthin verbringen laſſen iſt die altertüm liche große Kirche Sao Vincent de Flora, der ſich in friiherer Zeit ein Mönchskloſter anſchloß und die jetzt die Reſidenz des Patriarchen von Liſſabon , ſowie eines von Geiſllichen geleiteten Knaben kollegiums iſt. Das frühere Refektorium in der Länge von 60 und in der Breite von 10 m wurde der Länge nach durchgeteilt,
Reiſe im weſtlichen Siidan nebſt Bericht über den Verlauf der
und die eine Hälfte zur Herſtellung der Gruft verwendet. Gegen die parallel mit der Kirche laufende Galerie iſt die Gruft mit einem großen Thor aus gelbem braſilianiſchen Holz abgeſchloſſen . Hat man das Thor im Rüden , ſo tritt man in .
deutſchen Niger - Benne- Expedition , ſowie Abhandlungen über flimatiſche, naturwiſſenſchaftliche und ethnographiſche Beobachtungen in den eigentlichen Hauſſa-ländern. Mit einer Karte. Berlin, ¥. Landsberger, 1889. Der Verfaſſer dieſes wichtigen Reiſe werkes war bekanntlich der Ueberbringer der Briefe und Geſchenke Seiner Majeſtät des hochſeligen Kaiſers Wilhelm I. an die Sul tane von Sofoto und Gandu , an der Spitze einer Karawane, welche, von Loko am Benuë ausgehend, in der Zeit vom
12. Auguſt 1885 bis 20. April 1886 den Reiſenden vom 8.0
einen dunklen Vorraum mit zwei in die Mauer eingefügten mar
nördlicher Breite durch die Länder Saria ,
mornen Tafeln zur Rechten, welche die Ruheſtätte zweier tapferer Soldaten bezeichnen , der Herzoge von Saldanha und von Ter ceira ; links ruht die Gattin des letzteren, die Herzogin von Ter: ceira. Durch ein großes Gitterthor gelangt man dann in die fönigliche Gruft, ein nur ſpärlich vom Tageslicht erhelltes hohes
und Samfara und Sokoto unter dem 13.0 27' 11. Br. fiihrte.
hohe und
um fo wechſelvoller die Beziehungen zu den mannigfaltigen Be
1.5 m breite Eſtrade aus ſchwarzem und weißem Marmor hin , und dieſe Eſtrade trägt die teils hochkünſtleriſch gearbeiteten , teils mit ſchweren Sammt- oder Damaſtdecken bedeckten Särge. Faſt auf allen Särgen befinden ſich noch Reſte längſt verwelkter Kränze.
wohnern , und um ſo aufregender die Gefahren und Abenteuer unter dieſen halbwilden und wilden Eingeborenen . Dieſes alles, knapp und ſpannend erzählt, muß man in den gegen 500 Seiten Großoktav einnehmenden zwölf Kapiteln der eigentlichen Reiſe
Am oberen Ende der Gruft in der Mitte ſteht ein kleiner marmorner
beſchreibung nachleſen, und man wird davon ſehr angenehm unter
und mit einem Kruzifir geſchmückter Altar , davor ein vergoldeter
halten werden . Fiir uns war noch faſt wichtiger der Anhang
Betſchemel; am unteren Ende erhebt ſich, die Ruheſtätte des Königs
über die wiſſenſchaftlichen Ergebniſſe der Expedition , nämlich die allgemeinen Ueberblicke iiber die geographiſchen und klimatiſchen
Gewölbe .
Zu beiden Seiten zieht ſich eine 120 cm
Dom Joao IV. anzeigend, ein ſchönes Denkmal aus Marmor. In der Gruft ruhen jeặt, nachdem ſie den König Dom Luiz anf.
Kano , Katſina,
Der urſprüngliche Leiter derſelben war Rob. Ed. Flegel , der allerdings das Ende derſelben nicht viel überlebte. Die Reiſe war reich an Mihen und Strapazen , durch das erſchlaffende Klima und die ſengende Hitze , das Land ziemlich eintönig , aber
Verhältniſſe der þauſſa- länder; die ſtaatlichen Verhältniſſe,! Ab
genommen, 46 Mitglieder des Hauſes Braganza ; zwei von ihnen ,
ſtammung und Zujammenſetung des Hauſja-Volfes, einige Körper
mit Glasdedeln verſehen , bergen den 1885 verſtorbenen König Dom Fernando II. mit noch kaum veränderten Geſichtszigen und das im Jahr 1887 geborene und bald nach der Geburt ge- ,
und Charakter - Eigenſchaften der Hauſja und Fulbe; Sitten , Reli. gion, Stellung der Frau , Sllaverei , Rechtsverhältniſſe, Induſtrie, Qandwerk, Handel, Bildungsverhältniſſe , Miſſionsansſichten im
ſtorbene Töchterlein des ietigen Königs. Mitten in der Gruft
Hauſſa - Land; Zuſammenfaſſung der wichtigſten Pflanzen des
ſtehen zwei hohe Katafalke. Der erſte trägt den mit der kaiſer
Hauſſa-Canides, die Tierwelt der Hauſſa -Länder in Bezug auf den
lichen und königlichen Krone geſchmidten Sarg Dom Pedros IV ;
Nutzen oder Schaden für die Bevölkerung ; iiber Kriegführung
unter den zahlloſen noch vorhandenen Kränzen ſieht man einen
und Waffen der Hauſſa ,I Kleidung bei Männern und Frauen ,
Kranz aus Immergrün, mit der Inſchrift auf dem goldbefranſten weißen Bande „ Os veteranos da liberdade ao Rei-Soldado“; dieſer Sarg bleibt für immerwährende Zeiten an ſeinem Platz. Der zweite Katafalf hat ſtets den Sarg des zuletzt verſtorbenen regierenden Rönigs aufzunehmen ; bisher trug er den Sarg Dom
Notizen über die Sprache , Begriißungsformen und edeweni dungen und meteorologiſche Aufzeichnungen. Dieſer Anhang von etwa 160 Seiten enthält ſehr viel Neues und Lehrreiches und zeigt uns in dem Verfaſſer einen vortrefflichen Beobachter. Das Buch iſt daher ſehr inſtruktiv I, obwohl es Gegenden ſchildert, welche ſchon friiher von Europäern ( Clapperton , Barth , Rohlfs 11. a. ) bereiſt,
Pedros V., jeßt trägt er den Dom Luiz' I.
.
Mit eigentümlichen Zeremonien vollzieht ſich die Beiſetzung
und beſchrieben worden ſind , und an der Hand der beigegebenen
der fürſtlichen Toten. Der Sarg wird , um die firchlichen Sego
Reiſefarte ſehr unterhaltend zu leſen, kurz eine recht fortbildende
nungen zu empfangen, auf verſchiedenen, eigens dazu hergerichteten Katafalten dreimal niedergelaſſen ; der erſte , „ eça da Miseri .
Lettire. Es bildet einen ſehr wertvollen Beitrag zur Kunde Inner. afrifas und verdient als ſolches namentlich den Leſevereinen 26 . einpfohlen zi1 werden .
!
cordia“ , befindet ſich am Eingang; eine mit beſonderen (ſofort zu erwähnenden alten Privilegien ausgeſtattete) Vereinigung, die „ Miſericordia“, nimint, wenn der Leichenzug am Fuße der Kirche
Druď und Verlag der F. G. Totta'ſchen Buchhandlung Nachf.
anlangt, den Sarg in Empfang und geleitet ihn zur erſten „ eça “;
Für die Redaktion verantwortlich : W. Keil in München .
។
in München und Stuttgart.
nach beendeten Gebeten zieht ſie ſich zuriid; die Munizipalbeamten und die öffentlichen Funktionäre bringen ihn zur zweiten , die Miniſter zur dritten „ eca “ . Die „ Miſericordia " aber läßt ihre
1
Hierzu ein Proſpektus der Verlagsbuchhandlung Robert Oppenheim in Berlin .
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Das Duslaud. Wohenſdrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fachmänner herausgegeben von der
3. G. Gotta'ſchen Budhandlung Nachfolger in Stuttgart und Münden. Dreiundſechzigſter Jahrgang.
Nr. 7.
1890.
Stuttgart, 17. Februar
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M.7.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. Inſertions.
Manuſtripte und Mecenſions-Fremplare von Werfen der einſchlägigen Litteratur ſind direkt an die Verlagshandlung in Stuttgart zu ſenden . preis 20 Pf. für die geſpaltene Zeile in Petit.
Inhalt : 1. Durch den Süden Mexikos und durch Zentral-Amerika. Von Guſtav Pauli. ( Fortſetzung.) S. 121 . 2. Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel. Eine kulturhiſtoriſche Sfizze. Aus dem Däniſchen nach C. F. Aden. ( Schluß .) S. 125. 3. Reiſebilder aus Aegypten. Von Ernſt Schreder . IV . Von Kairo bis zum erſten Katarakt. 1. Von Mairo bis Luror ( Theben ). S. 133. – 4. Das Gold in Auſtralien. Von R. v. Lendenfeld. S. 135. 5. Zur litauiſchen Volksmuſik. Von E. Lemke. S. 138. 6. Kleinere Mitteilung. S. 139.
Durd den Süden Mexikos und durd Zentral-Amerika .
Fernen liegt im Grün der Gärten und Pflanzungen der
wohner und iſt, mit ſeinem Gouverneur an der Spiße, der Sik der Regierung des „ ſouveränen “ Staates Vera Cruz, eines der 27, aus denen ſich die Konföderation zuſammenſeßt. Er teilt ſich in 18 Kantone (in den anderen Staaten ſagt
reiche Segen zu Füßen , den Gunſt des Klimas und Menſchenfleiß auf dem Grate jenes Bergrieſen ſproſſen ließ, der nun , wie in erloſchener Lebenskraft , mit fahlem Scheitel hobeitsvoll daliegt. Möchte nur ſeine Ruhe die Ruhe des Todes ſein und nicht ein Schlummer, der neue Kräfte verleiht und zerſtört, was er ſchuf! Der begreifliche Wunſch , in jene wundervolle Lands daft einzubringen , fann leicht erfüllt werden . Alle Morgen
man Diſtrikte), mit einem Gefe politico an der Spiße.
geht auf einer Maultierbahn ein Wagen nach Coatepec,
Jeder derſelben hat ſeine eigenen erſten beiden Gerichtes inſtanzen ; die dritte und höchſte hat hier ihren Sig. Außerdem ſendet die Zentral-Regierung in die Hauptſtadt jedes Staates einen Richter , der beſonders die Vergehen
einem Hauptort im Naſchudiſtrikte. Sechs Maultiere eilen mit uns davon. Undurchdringlich grüne Mauern hat die
Bon Guſtav Bauli. ( Fortſetzung.)
Jalapa liegt 1321 m über dem Meere, hat 12,000 Eins
politiſcher Natur aburteilt. Elf Vertreter bilden die Cortes
des Staates. ,,Femme et vent varient ; fou qui s'y fie !" ſagt der Franzoſe, und ein Reiſender, der im Winter nach Jalapa kommt, ſollte jeden klaren Himmel ſofort benüßen ;
üppige Vegetation zu Seiten des Weges aufgerichtet, zwiſchen denen wir in tiefe Barrancas hinabeilen und dann auf den Aedern mit tiefbraunem , reichem Boden Zuckerrohr , Tabak und , uns unſerem Ziele nähernd, Kaffee in ausgedehnten Pflanzungen erbliđen. Wir erkun I
digen uns bei einem Reiſegefährten nach der heilſamen
denn wer weiß , ob der Wind nicht morgen ſchon nach
Knolle jener Konvolvulaceen (Ipomaea Purga ), die wir
Norden umſpringt und ihn von aller Schönheit umher abſchließt, ſeinen Nebelregen ſendend , den man Chipi Chipi nennt. Es überraſcht deshalb auch nicht zu hören, daß der durchſchnittliche Feuchtigkeitsgehalt der Luft hier 80 Prozent beträgt ! Zuerſt klomm ich durch die ſtillen , ſteilen Gaſſen hinauf zum erloſchenen Vulkan Mapuiltepec, der, in einer Höhe von 200 m etiva, im Rüden der Stadt auf dem Kamme des Höhenzugez fich erhebt. Jenſeit des Thalkeſſels erhebt ſich die mächtige Pyramide des Cofre de Perote (4090 m) , in deſſen abgeplatteter Höhe man ſich
unter dem Namen Jalapentvurzel kennen , und erfahren , daß ſie höher hinauf in den Waldungen am Berge vors
.
komme, und daß es ein Geſchäft der Indianer ſei, ſie zu ſammeln , zu röſten und in Jalapa an den Markt zu bringen. Jedoch belehren mich in der Heimat eingezogene Erkundigungen , daß dieſe Knolle, verdrängt durch beſſere
Mittel, namentlich durch Ipekakuana, nur noch mit dem zehnten Teile des früheren Preiſes bezahlt wird, der kaum die Arbeit eines bedürfnisloſen Indianers mehr lohnen kann. Es iſt ein Sonntag , und je weiter wir kommen,
den Krater benken kann , und ferner gen Südweſt erſcheint
um jo dichter wird der Strom der Indianer, die mit uns
uns nochmals der Pico de Drizaba (5449 m). Es iſt ein gewaltiger Blid , den man hier genießt. Bis auf weite
das gleiche Ziel haben. Es ſind Leute von meiſtens mittlerem Wudiſe, und wer aus den nördlichen Ländern
Ausland 1890, Nr . 7
19
Durch den Sliden Meritos und durch Zentral-Amerika.
122
nach Mexiko herabkommt , der wird unter ihnen die oft mächtigen Erſcheinungen der Eingeborenen der Union vers miſſen , obgleich die durchſchlagenden Merkmale mongolis der Raſſe ihm aud hier leicht erkennbar ſind. Lebeng. weiſe und Geſchide der Völker können wohl kaum ohne Einfluß auf die äußerlichen Formen und das Weſen ge blieben ſein. Trokdem auch den Indianern der Union nicht gerade das beſte Los zuteil geworden iſt, ſo können ſie auf dem geringen Reſt der Jagdgründe, die man ihnen noch gegönnt hat, ſich doch immer noch als Herren fühlen und ungebeugt von ſchwerer Arbeit mit einem ſofort erkenn: baren Selbſtbewußtſein auftreten. Beim Anblid merita niſcher Indianer hingegen, die aus Herren des Landes zu deſſen elendeſten Weſen geworden ſind,die ihr Leben ewig unter Laſten leudend verbringen und troß all der herrlichen politiſchen Freiheit, die ihnen die Verfaſſung des Landes
gewährt – von der ein Deputierter verſtändnisvoll geſagt haben foll: ,, ſie ſei für Engel, während ſie doch für Eſel hätte gemacht werden ſollen" - fic nie mehr aus ihrer tiefen Erniedrigung emporarbeiten werden , bei ihnen babe ich immer in Geſtalt und Weſen die harte Geſchichte einer tief gedemütigten Raſſe erkennen wollen. Barfüßig, in weiten weißen Beinlleidern, durch einen
Dollars zeigte , kommt natürlich auch der Einrichtung jenes Inſtituts ſehr zu ſtatten. Ein in der inneren Ein richtung noch nicht ganz vollendeter, ſehr ſtattlicher Bau mit hoben, lichten und luftigen Räumen, an dem auch die ſtädtiſche Schule ihren Anteil hat, mit Garten, Spielplaß und Turnhalle , wird durch die Munifizenz des Staatee mit allen Lehrmitteln, die man jeßt in Deutſchland und der
Schweiz für nötig und heilſam erachtet, reich verſehen werden , in der ſchönen Aula des Hauſes wandelte man auf italieniſchem Marmor, weil die Frachten auf der „Ferro carril Mexicanas ſo hoch ſind, daß das Material aus Drizaba fidh teurer ſtellt.. — Bücher zahlen keinen Ein fubryoll, aber, um einige ſchlechte inländiſche Fabriten zu begünſtigen, dagegen das Papier einen ſo hohen, daß einige inländiſche Zeitſchriften in Paris gedrudt werden. Jeder der Rantone des Staates hat das Recht, einen Jüngling zur Heranbildung für das Schulfach in die Anſtalt zu ſenden, der Staat ſelbſt darf ſieben Aſpiranten ſtellen . Für
jeden Zögling zahlt der Staat 25 Doll. per Monat, und die Geſamtkoſten der Erhaltung belaufen ſich auf 28,000 Doll. Welche ſegengreichen Folgen die Normalſchule mit der Zeit für das Land haben lann, begreift ſich, wenn man erfährt, daß die Gemeinden bis jeßt den Schulen die Lehrer nach
roten Gurt gehalten , weißer Jade, auf dem Kopfe den
eigenem Ermeſſen gaben und oft die unwürdigſten und
breitträmpigen Strohhut , und mittels eine8 Stirnbandes die Laſt ſchleppend erſcheinen die Männer. Die Weiber winden eng ein Stüd farbiges Zeug, das ebenfalls ein Gürtel feſtigt, doppelt um den Unterlörper , und über
unfähigſten Leute wählten. Aud tönnen Knaben , die nicht den Beruf eines Lehrers ergreifen wollen, ſoweit es der Raum geſtattet und wenn ſie Mittel dazu beſißen , am
der Jađe tragen ſie ein langes Tuch, worin auch die
Ich will hier noch einſchalten , daß dem Lehrer vom Staate jede törperliche Züchtigung der Schüler geſeßlich
lebendige oder lebloſe Laſt auf dem Rüden getragen wird. Coatepec liegt von Kaffeegärten rings umgeben , und
ſchmude Häuſer beuten auf Wohlſtand. Im Jahre 1887 ſollen 1,200,000 Dollars als Erlös für die Kaffee-Ernte in die Gegend gekommen ſein. Die Produzenten, meiſtens
kleine Beſißer, ſcheinen nur geringes Vertrauen zu ihren Mitbürgern, zu den Behörden oder dem Frieden im Lande zu haben , denn ſie ſcheuen ſich durch größeren Aufwand zu verraten, daß fie Geld haben , und vergraben das Silber. Wo die Indianer geſchloſſen zuſammenwohnen, iſt der Grund und Boden Befiß der Gemeinde, und die Glieder derſelben haben nur ſo lange ein Recht auf ihren Anteil, als ſie denſelben zu bebauen imſtande ſind. 1
Als id von dieſem kurzen , ſonnigen Ausfluge heims
gefehrt war, überzog ſich der Himmel , und in vier Tagen tonnte die Sonne nur auf kurze Momente den Wolkenſdleier
linterrichte teilnehmen .
unterſagt iſt.
Gerade im Augenblide fanden die Prüfungen der präſen: tierten jungen Leute ſtatt: dabei mußte man eine geringe Meinung von der Leiſtungsfähigkeit der Gymnaſien er: balten , wenn man den Direktor von den leeren Köpfen erzählen hörte, die er zu prüfen hatte. So war ihm ein
Eraminand auf die Frage: wie viele Weltteile es gebe ? die Antwort ſchuldig geblieben. Er hatte fünf Jahre das Gymnaſium beſucht! Troßdem der Couverneur den Betreffens den empfohlen hatte, wurde er zurüdgewieſen. Auch der
erſte Poſtbeamte der Stadt follte in Unklarheit darüber gefunden worden ſein , wo er Belgien zu ſuchen habe : in Europa oder in Afrila ?
In dem Programm, mit dem der jeßige Präſident Porfirio Diaz auf ſeinem Stuhle Plaß nahm, erklärte er
zerreißen. Erhellt wurde mir der trübe Aufenthalt durch die Bekanntſchaft mit einem Deutſch -Schweizer , dem Direktor einer hier errichteten Normalſchule und zugleich Inſpektor aller Schulen des Staates Vera Cruz, einem intelligenten jungen Mann, der, unterſtüßt von dem ihm wohlgewogenen, für Hebung des Volksunterrichts reges Intereſſe zeigenden derzeitigen Gouverneur , dem Lande ficherlich zu großem
geſtrichen, und ſeine Herrſchaft iſt ihm auf weitere vier Jahre geſichert. Damit iſt auch die Wiederwahl der Gouver: neure möglich geworden, und insbeſondere auch dem Staate Vera Cruz der ſeinige erhalten geblieben , deſſen reges Intereſſe für das Schulweſen ich ſchon oben erwähnte.
Segen werden wird. Die gute Finanglage des Staates,
Indeſſen auch um die Rechtspflege im Lande hat der Mann
die im abgelaufenen Jahre einen Ueberſchuß von 100,000
er iſt General in der Armee, aber ſein Name fehlt leider
ſich entſchieden gegen eine Wiederwahl. Später hat er, ich glaube zum Heile des Landes , dieſen Paragraphen
Durch den Siiden Merikos und durch Zentral-Amerika.
in meinen Aufzeichnungen große Verdienſte. Die Un: abhängigkeit des Richterſtandes , bisher eine zweifelhafte Sache, iſt unter ſeiner Verwaltung doch ſo weit hergeſtellt,
daß fürzlich der Gerichtshof ſelbſt einen „19 Compadre“ des Gouverneurs zur Zahlung von 80,000 Doll. berurteilt
hat. Auch an einen alten Krebsſchaden , die Winkeladvolatur,
hat er das Meſſer geſeßt. Ein einträgliches Geſchäft inancher Leute beſteht nämlich in den indianiſchen Ges meinden darin , daß ſie in denſelben ganz ausſichtsloſe, unſinnige vorgebliche Rechtsanſprüche anregen , Geld zu deren Verfechtung ſammeln und die Leute derartig auf
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beſtraft wurde, weil er mit ſeiner kleinen ſchwarzen Kappe
über die Straße ging. Nur ein ſchwarzer Mantel mit kurzem Kragen iſt gerettet. Troß aller dieſer Demütigungen ſoll die Geiſtlichkeit doch noch einen großen Anhang im Volfe haben , große Mittel fließen der Kirche noch immer zu, und auch manches veräußerte Stüc Kirchengut, deſſen Beſiß man dem Käufer unheimlich zu machen weiß, ſoll wieder zurüdfallen. Auch tritt in ihrer Preſſe neuerdings die klerifale Partei dem liberalen Regimente ſchroff entgegen , und man wirft ſchon dem Präſidenten Porfirio Diaz vor, an der gegneriſchen Partei zu große Nachricht zu
regen, daß, wenn dann das geopferte Geld ſich als verloren
üben. Auch hier darf man vielleicht fragen : „ Où est la
ergibt, es bis zu örtlichen Aufſtänden kommen kann ; von der Verhebung von Haus zu Haus gar nicht zu reden. Da iſt denn jeßt ein Geſeß erlaſſen worden , das jeden Winkeladvokaten, dem in einem Jahre mehr als vier Fälle derartiger verderblicher Thätigkeit nachgewieſen werden können, mit harter Strafe bedroht.
femme ?", denn die Frau des Präſidenten ſoll eine große Freundin des Erzbiſchofe von Mexiko ſein. Jalapa war
Es iſt ja ſonſt leidige republikaniſche Sitte auch in Mexiko , daß die zur Herrſchaft gelangte politiſche Partei in öffentlichen Aemtern mit allen ihren Gegnern möglichſt gründlich aufräumt. Der Gouverneur hatte indes
den Beweis geliefert, daß ihm das Wohl des Staates über der Partei ſteht; denn er beſtätigte einen Gefe politico, obgleich dieſer fein politiſcher Gegner war, neu im Amte, weil er ihn als tüchtigen Beamten kannte. In Mexiko, einem Lande der Freiheit, dürfte natür
eine dem Kaiſer Marimilian wohlgeſinnte Stadt, und in ihr hat man die Schädigung des äußeren Glanzeß der Rirche um jo tiefer empfunden. Langſam waren die trüben Tage dahingegangen, feuchtfalte Luft erfüllte alle Räume ; in den ſtillen Gaſſen
pulſierte das öffentliche Leben nur in matten S lägen. Kein Gefährt raſſelte, nur der Hufſchlag eines Reits oder
Padtieres war hie und da vernehmbar, und aus den Patios brang der melancholiſche Ruf des ,, Clarins ", eines grauen Vogels etwa von der Größe einer Droſſel, wie wenn man .
dwache Eiſenſtäbe aneinander ſchlägt. Da ruft mich zu großer Freude ein Telegramm nach Vera Cruz binab, und am nächſten Tage jagen die braben Maultiere mit mir davon ing ſonnige Land ! Meine Freunde hatten bort einen Herrn ausfindig gemacht, von dem es hieß, er kenne die Provinz Chiapas. Dieſer gab denn ſeinen Rat dahin ab, einen Dampfer von hier nach S. Juan Bautiſta zu nehmen, von dort den Weg nad S. Criſtobal einzuſchlagen und als Ausflug von jener Stadt die Ruinen von Palenque zu beſuchen . Da mir der Blick auf meine
lich die Todesſtrafe nicht mehr beſtehen ! Da aber die todeswürdigen Verbrechen zunahmen, hat ſich eine eigens tümliche Praxis befeſtigt. Auf dem Landtransporte zum Zuchthauſe oder ſchon zur Unterſuchung werden die Ver brecher an einſamen Orten einfach rüdlinge von der militäriſchen Eskorte niedergeſchoſſen , und die Aften mit dem Vermerke geſchloſſen : „ bei verſuchter Flucht erſchoſſen .“ In Zacatecas war , turz ehe ich dort war , ein Beamter, dem man nachweiſen wollte, daß er hundert folche Flucht verſuche“ vereitelte, das Opfer eines Mordes geworden. Allerdings iſt im Staate Vera Cruz ein Gefeß erlaſſen,
wonach die Guarda civile Räuber und Mörder in flagranti erſchießen darf. Das gleiche Recht hat auch in Spanien das Elite-Korps der dortigen Sicherheitswächter.
Unter der Regierung des Präſidenten Juarez wurden die Klöſter aufgehoben , ihre Güter, wie die der Kirchen,
eingezogen , die Trennung von Kirche und Staat voll: zogen und völlige Religionsfreiheit proklamiert , wie es die Verfaſſung von 1857 beſtimmte. Da er aber als Sieger über eine klerikale Regierung, die ſich ihm im Felde
entgegengeſtellte, zur Macht gelangte, iſt die Kirche in Mexiko
Karte Bedenken über die Zweckmäßigkeit dieſes Rates ers - man hatte mir ja geſagt, es gäbe eigentlid teine zuverläſſige Karte des Landes -- ſo nahm ich freilich an, ihr ſei auch betreffs der Lage von Palenque nicht zu trauen . Es war ein heißer Sonntag Mittag, der 15. Januar, als ich mich zur „ Zberia " , die nicht fern von der auf einem flachen Felſeneiland erbauten Feſtung S. Juan d'Ullua ankerte, hinau. rudern ließ. Während gemeine Verbrecher weďte
-
in einem großen Bagno am Lande gehalten werden , bringt man dagegen politiſche Verbrecher hier in der Feſtung unter, wo ſie in den feuchten Zellen , namentlich die aus dem yodlande, einem ſicheren Tode verfallen ſein ſollen . Die kleine , Jberia " hatte ſchwer geladen , ſo daß mich ein Schritt aus dem Boote an Deck brachte. Seit ihr
no
von ihm härter behandelt worden , als wenn dieſe große
innere Frage allein in Redeſchlachten ausgefochten worden wäre. Reine Prozeſſion darf außerhalb der Kirche ab: gehalten werden , kein Geiſtlicher darf cine Leiche begleiten, kein geiſtliches Drnat darf ſich auf der Straße zeigen, wie denn erſt kürzlich in Jalapa ein Geiſtlicher mit 12 Doll.
Kiel zuerſt ins Meer getaucht, ichien kein Pinſel mehr über ihr Holzwerk gegangen zu ſein, und der Zuſtand der
Verſchmußung, in dem Ded und Dedfalon fich befanden ,
hätte mich tiefer verſtimmt, wenn es ſich nicht um eine kurze Fahrt gehandelt hätte. Es war eben einer jener Küſtenliniendampfer, auf denen, wie auch in anderen Län.
Durch den Süden Mexifos und durch Zentral -Amerika.
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dern , die nationalen Eigentümlichkeiten nicht durch die fremde Konkurrenz oder die abfällige Kritik der ſeltenen ausländiſchen Fahrgäſte beunruhigt werden , ſondern uns treu erhalten bleiben. Langſam füllte ſich der Raum bis auf
die leßte Lagerſtelle, und in ſpäter Nachmittagsſtunde hob man den Anker ; bei ſchwachem Winde gingen wir mit ſüdöſtlichem Laufe von dannen.
Schon Abends wurde die
Vewegung des Schiffes ſo ſtark , daß ich mich nicht mehr auf meinem Reiſebette, das ich auf dem oberen Deck aufgeſchlagen hatte, ficher fühlte und mein Kabine ſuchen mußte .
wolle, ſtellte man mir in Ausſicht. Bald war auch ein Raufmann gefunden , der mir meine Marſcroute von Palenque aus genau angeben konnte ; kurz es verbreitete ſich plößlich ein ſo wohlthätiges , helles Licht über meine Zukunft , daß ich freudig bewegt mein Gepäck an Land ſchaffen ließ , und , da ich den kleinen Gaſthof der Stadt beſeßt fand, gern bas liebenswürdige Anerbieten des Kons ſuls annahm , ein Zimmer in ſeinem Hauſe zu beziehen.
Drei ſdmale Eilande ſind der 25 Seemeilen langen Laguna de Terminos vorgelagert, und nicht fern der weſt
Stärker und ſtärker begann es aus Norden zu wehen ;
lichen Spiße , der größten und weſtlid) ſten derſelben , den
um Mitternacht hörte man die Sturzwellen über ſich, und
Rüden von Palmengärten umſtellt, den freien Blick über die ſtattlich breite Lagune vor ſich, liegt das reinliche, fleine Städtchen el Carmen mit ſeinen 6000 Einwohnern,
durch Fenſter und Thüren drang das Waſſer ein. Später trat eine beunruhigende Bewegung unter der Mannſchaft auf Luck ein ; unverſtandene Rommandorufe tönten in raſcher Folge , und das ganze Schiff erzitterte von lauten
der weſtlidiſte der Küſtenpunkte im Staate Campeche. Eine
Schlägen gegen die Wandungen. Als es zu tagen bes gann , erſchien der Kapitän mit der Mitteilung , daß er,
größere , mit voller Fracht den Hafen verlaſſende Schiffe notwendig, dieſe erſt außerhalb derſelben zu vervollſtändigen ;
um das Schiff zu retten , 300 Stüd Ladung , meiſtens Wein, habe über Bord werfen laſſen müſſen. Auf meine
eingehende kommen ſehr häufig in Ballaſt.
Barre mit nur 1212 Fuß Waſſer macht es daher für
Der Hafen
gilt für den ficherſten der ganzen mexikaniſchen Dſtküſte,
Frage: wann er glaube , daß wir an der Mündung des
wenn auch beim Norder der Kapitän ſein Schiff gut ver
Rio de Tabasco ſein würden ? antwortete er nur mit einem Lächeln und einer Geſte, die leider eine wenig tröſtliche Deutung zuließen. Wir hatten , um der verderbenbringenden Küſte fern zu bleiben , offenbar nordöſtlichen
ankert balten muß.
Kurs genommen. Erſt als der Abend des entſeglichen Tages hereinbrady, war die Macht des Sturmes gebrochen , die Dualen der Kranken um mich her wurden geringer, und am Vormittag des dritten Tages fuhren wir auf glatter See in die ſtille Laguna de Terminos ein und ſtiegen , ſtatt in dem Hafen von Frontera, in dem öſtlicher gelegenen S. Carmen mit den ſeligen Gefühlen eines dem Tode Entronnenen
Edle Hölzer aus den ungeheuren Waldungen , die dort vor uns das breite Tiefland und die in bläulicher Farbe den Horizont umſäumenden Berge bedecken, bilden den vornehmſten Artikel , in welchem ſich hier das Geſchäft bewegt ; und unter ihnen niinmt das Blauholz (von Haema
toxylon campechianum) die erſte Stelle ein. Ungeachtet
Munter flatterten auf den Maſten mehrerer Segel-
hier immer die größte Ausfuhr ſtattgefunden , hat es im Handel ſeinen Namen Kampecheholz nur deswegen erhalten , weil hier in früheren Jahren keine Zollbehörde beſtand und die Sd ;iffe erſt nach Campeche gehen mußten, worauf ſie mit ihren dort ausgeſtellten Papieren hinaus gingen. Auch Honduras, Jamaica und Domingo führen
îchiffe umher die ſchönen deutſchen Farben , und über den
Campecheholz aus , aber es gilt für minderwertig. Im
Laubkronen mächtiger Bäume , die das Ufer einſäumten, die Flagge des deutſchen Ronſulates. Die Sorglichkeit des faiſerlichen Geſandten in der Hauptſtadt hatte mich mit einem Einführungsſchreiben an den Konſul verſehen,
Jahre 1887 wurden 65,500 Tonnen dieſes Artikels ver difft und davon der größere Teil direkt nach Hamburg.
Troß dieſes anſehnlichen Quantums iſt eine Schwierigkeit in der Deđung des Bedarfs bisher nicht bemerkt worden
der hier an der Spiße des größten Handelshauſes am
und da in günſtigen Standorten der Nachwuchs in etwa
Plaße , einer Hamburger Firma , ſteht, die auch noch in anderen Pläßen des Landes vertreten iſt. Im Geſpräche
befürchten .
ans Land.
ſtellte ſich bald heraus , daß mich der Zufall an den geeignetſten Punkt für den Antritt meiner Landreiſe gebracht hatte. Die Ruinen von Palenque, von denen es bis zur
fünfzehn Jahren wiederum ſchlagbar iſt, auch kaum zu Der nächſtdem bedeutendſte Artikel in der Ausfuhr iſt Mahagoniholz mit 28,105 Tonnen im gleichen Jahre. Im weſtlichen Teile des Hafens liegen die den Fluß
Hauptſtadt S. Criſtobal noch acht Tagereiſen ſei , müßten
herabgekommenen Flöße der mächtigen Stämine bis zu
auf dem Wege dorthin und nicht als Ausflug von da beſucht werden , und mit Benußung eines zur Verfügung ſtehenden Dampfers, der dem Beſißer einer großen Holz handlung gehörte , könne ich mich, den Rio Uſumacinto
40 Zentner Schwere, und das ganze Ufer iſt bejäet mit zahlloſen , bis zu 1 m langen Endſtüden , die abgeſägt werden müſſen, weil ſie Spalte zeigen. Dann wäre noch das nicht unbedeutend ausgeführte Gelbholz zi1 erwähnen , für das mir leider die Angabe
aufwärts fahrend , bis auf zwei Tagereiſen Palenque nähern. Empfehlungen des Konſuls an einen befreundeten Waldbeſißer dort oben am Fluſſe, welchen man um Reittiere und zuverläſſige Leute zu meiner Begleitung bitten
des Quantums fehlt.
Um vollſtändig zu ſein , muß ich
nod Gummi (8000 Pfund), Häute (4000 Stück) und Reh felle ( 1500 Stüd) anführen.
Die alten Bewohner ber timbriſchen Halbinſel.
Wie Deutſchland im Erport der bedeutendſte Faktor iſt, ſo ſteht es auch im Import an erſter Stelle. Von den mit 58,000 Dollars erhobenen Zollgebühren entfielen auf deutſche Artikel 38,000 Dollars, auf Nordamerika 12,500 Dollars, und 8000 Dollars auf Frankreich. Engliſche Waren ſind nur ganz gering vertreten. Früher ſoll es dem Kaufmann leicht geweſen ſein , mit der Zollbehörde ein vorteilhaftes Abkommen zu treffen , aber neuerdings iſt verfügt worden , daß ſchon vom Verſandorte aus ein Eremplar der Ladeſcheine eines Schiffes der Hauptzoll
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Nähe gelegene Erfriſchungslokale ſtärker beſucht, wo man im Freien ein gutes , aber teures importiertes deutſches Bier oder Tequila , einen Zuckerrohrbranntwein , trinkt.
Der Karneval begann während meines Aufenthalts , und die weiße und farbige junge Welt ergab ſich dem Tanze.
Erſtere vereinigte ſich in den Räumen einer verkrachten Seifenfabrik unfern der Plaza. Da es Sitte war, daß eine
Deutſchland mit 36 die am ſtärkſten vertretene euro
Tänzerin an jedem der ſechzehn Abende , an denen man ſich dort vergnügte, in anderer Toilette zu erſcheinen hat, ſo kann nur die vermögende Klaſſe Teilnehmer ſein. Reiz voller war es , die farbige Jugend ihren Fandango unter dem von Fähnchen umſtedten , von Papierlampen um hangenen leichten Schußbach von Palmenblättern tanzen
päiſde Handelsmarine.
zu ſehen.
behörde in der Hauptſtadt vorausgeſchickt werden muß. Von den 164 Schiffen , die 1887 hier einliefen , war
Nur hier in der Nähe des Hafens herrſcht Leben !
Wenn ich oben berichtete, wie das liberale Regiment
Dort liegt auch die offene Markthalle , zu der ſchon im
im Lande die katholiſche Kirche um Macht und äußeren
Morgengrauen die Käufer wandeln, um, beſonders beglüdt durch ein Stück jungen Haifiſches , eine Landſchildkröte
Glanz gebracht hat, ſo trat mir hier die Folge, zugleich aber auch wohl ein Grund für eine Wandlung in ihrer Stellung entgegen. An den vier Kirchen der Stadt fungierte nur noch ein Geiſtlicher, und dieſer eine führte ein dermaßen ſkandalöſes häusliches Leben , daß man in einer Eingabe an die Regierung um ſeine Abberufung gebeten hatte. Die bedeutendſte der vier Kirchen lag an der Plaza, unfern
oder Auſtern und Taſchenfrebje , zu ihren Herden heims zugehen.
Im Innern der Stadt wirft der Strom des
Lebens keine Wellen . Nur zwei Hauptſtraßen laufen dem Waſſer parallel und geben dem Orte eine ſolche Länge,
daß ſich die Anlage einer Pferdebahn als Bedürfnis er wies.
Die Straßen ſind ungepflaſtert, haben aber wegen
der heftigen Regengüſſe ſtarkerhöhte Bürgerſteige.
Ich
meiner Wohnung ; aber ſelbſt an Sonntagen habe ich nie mehr als eine kleine Anzahl Weiber , faſt niemals einen
erlebte einen Guß, der in wenigen Stunden ſolche Waſſer:
Mann dieſelbe beſuchen ſehen .
maſſen brachte, daß die Straßen zu Teichen wurden. Es war ein barter Kampf zwiſchen Süd- und Nordivind
Daß angeſichts ſolchen Beiſpieles , das der Diener der Kirche dem Volke gab, die ohnehin bei den Merikanern
geweſen : der leßtere ſiegte, während das Barometer ſtark
lare Moral noch mehr Schaden nehmen mußte, iſt begreif
ſtieg und der Regen praſſelte. Beide Straßen freuzen die ſauber gehaltene Plaza, welche von einer Doppelallee einer
lich. Rühmend aber muß die große Sicherheit erwähnt werden , die hier an der ganzen Küſte Perſon und Eigens
Laurus:Art mit dichter Laubfrone umzogen iſt.
tum genießen.
Nur gegen Abend iſt mehr Regſamkeit in den ſonſt ſtillen Gaſſen bemerkbar. Das träge Völfchen verläßt ſeine Hängematten , wandelt jener Anlage zu oder fährt auf der Pferdebahn auf und nieder. An Abenden , an denen die Muſik auf der Plaza ſpielt, macht ſid, eine ge
meſſene, freiſende Bewegung um den Stand der Muſiker bemerkbar, und zwar wandeln zunächſt demſelben diejenigen, die ſich iveißerer Hautfarbe rühmen können ; auf einem ent fernteren Wege die Dunkelhäuter. Dbgleich auch unter den
(Fortſ. folgt.)
Die alten Bewohner der kimbriſdhen Halbinſel. Eine kulturhiſtoriſche Skizze. Aus dein Däniſchen nach C. F. Allen.
Mehrere kleinere Staatenverbindungen . III . Staatsverfaſſung . Die Freien , der Bauernſtand, die Häuptlinge. – Der König. -
- Königswahl. - Thingverſammlungen . - Rechtsverfaſſung. Sklaven. Rigsmaal.
Meſtizen und Kreolen uns manche angenehme Erſcheinung entgegentritt , muß man mit größerem Intereſſe die indias niſche Bevölkerung betrachten, die hier ſchon vielfach dem Stamme der Maya angehört, jener Urbevölkerung des nahen Yukatan, welche ſich vor den von Norden her einwandern den Toltekes dort vorfand ; fie unterſchied ſich vorteilhaft
von den Indianern, die ich bis dahin geſehen hatte. Die Form des Schädels iſt ovaler, und an Stelle der breiten Naſe tritt bäufig eine feingeſchnittene. Reizend iſt auch die hier zuerſt geſehene Tracht der Indianerinnen mit den breiten farbigen Stickereien um den weitausgeſchnittenen Hals und den Saum der weißen Kleidung .
An ſolchen Abenden ſind auch einige kleine in der Ausland 1890, Nr. 7.
In der älteſten Zeit , als die Kultur noch auf ihrer niedrigſten Stufe ſtand, lebten die Bewohner des Nordens
zerſtreut und vereinzelt , ohne feſte Wohnpläße und ohne
eine ordentliche Rechtsgemeinſchaft. Beim Wachſen der Bevölkerungszahl bildeten ſich indeſſen bald kleine Vereine, deren Umfang durch die natürlichen Grenzen beſtimmt ward, die das Meer , die Gebirge, die Flüſſe, die großen Wälder oder öden Heiden bildeten , und deren Mitglieder zum größten Teil mit einander verwandt waren , ſo daß der Familienvater Stammhäuptling wurde. In einem I
kriegeriſchen Zeitalter, wo oft feindliche Berührungen mit den Nachbarn ſtattfinden mußten, knüpfte die gemeinſame Ges 20
Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
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fahr die einzelnen Mitglieder des Vereins noch enger an
wodurch der Verein innere Feſtigkeit und Einheit bekam.
als ihr Stand geachtet war ; ſie wählten auf der Thing: Verſammlung den König , gaben Gefeße, ſprachen Recht und entſchieden über Krieg und Frieden . Der König durfte nichts von irgend welcher Wichtigkeit vornehmen , ohne zuerſt die Meinung der Bauern gehört zu , haben , und mußte ihren Rat befolgen , wenn er ſich nicht dem Ver luſt ſeines Thrones ausſeßen wollte. So großen Rechten entſprachen nur geringe Verpflichtungen ; Steuern kannte man in jenen Zeiten nicht , und wenn einmal in einem einzelnen Falle die eine oder andere Laſt auferlegt werden follte , bedurfte es dazu notwendigerweiſe der Genehmi
Ein wichtiges Mittel, ſolche kleinere Vereine zu bilden und
gung der Bauern. Dagegen lag einem jeden waffenfähigen
zuſammenzuhalten , war auch die Religion ; denn obgleich
Manne die Plicht ob , das Vaterland zu verteidigen, wenn dieſes von Feinden angegriffen wurde, - eine Pflicht, welche der kriegeriſche Nordländer gern erfüllte. In ſol dhem Falle mußte jeder ſelbſt für ſeine Ausrüſtung und
einander; es wurde ein Anführer gewählt, gewöhnlich das
Familienhaupt, oder ein anderer , welcher ſich durch Mut und Waffentüchtigkeit einen Namen zu verſchaffen gelußt
hatte, und das im Kriege erworbene Anſehen ſicherte ihm die Autorität zur Aufrechterhaltung der bürgerlichen Drds nung und Sicherheit in Friedenszeiten. Nach und nach
entſtanden Gefeße und Gewohnheiten , deren Handhabung für jeden einzelnen von Wichtigkeit war, und im Laufe der Zeit bildeten ſich mancherlei Privatrechtsverhältniſſe aus,
im ganzen Norden dieſelbe religiöſe Grundanſchauung herrſchte und die Götter ungefähr auf dieſelbe Weiſe verehrt wurden, hatte dennoch jeder Stamm ſeine eigenen heiligen Stätten, wo man zuſammenkam, um dem Gotte zu opfern, welcher als der beſondere Beſdüßer des Stammes anges ſehen wurde. Eine der älteſten Einteilungen , die wir in
Dänemark finden , die Einteilung in Harden, welche nadı
feinen Unterhalt forgen, und dies, ſowie die Verpflichtung, den König zu empfangen und zu bewirten , wenn der: ſelbe in ſeinem Reiche umherreiſte, waren die einzigen dem Bauer obliegenden öffentlichen Laſten . Wenn der Bauer
dem Namen zu ſchließen urſprünglich Vereine von 100 Fa: milien waren, und die ebenfalls alte Einteilung in Aemter, welche mehrere Harden umfaßten , icheinen auf ähnliche
nidyt im Felde ſtand oder an einem Vikingerzuge teilnahm ,
Stammesverbindungen hinzudeuten, die unabhängig neben
die unter den Mitgliedern derſelben entſtehenden Streitig
einander daſtanden und ſich häufig gegenſeitig befehdeten ,
keiten und leitete die gemeinſamen Angelegenheiten. Einen Adel in der jebigen Bedeutung des Wortes ,
ſich aber zur gemeinſchaftlichen Verteidigung verbanden, wenn eine allgemeine Gefahr das ganze Volt zu den Waffen rief. Durch Hochzeiten , und noch öfter durd Kriege,
lebte er in vollkommenſter Unabhängigkeit auf ſeinem Hofe. Er wurde als das Haupt der Familie betrachtet, entſchied
als einen Stand mit beſonderen Rechten , die vom Vater
wurden mehrere Stämme verbunden, und es entſtand auf dieſe Weiſe eine Anzahl von kleinen Staaten in Schonen, auf
auf den Sohn fich forterbten , kannte die alte Zeit nicht. Wohl werden Jarle , Häuptlinge und Königsmänner als vornehmere und angeſehenere Leute bezeichnet, aber ohne
Seeland und den umliegenden Inſeln , in Jütland und
daß mit dieſem vornehmen Range beſondere und aus
Schleswig, deren Grenzen bald erweitert, bald eingeſchränkt wurden, je nachdem die Könige und das Volf Macht und Glück hatten. Die unterworfenen Länder wurden von Jarlen oder
( chließliche Rechte verbunden waren. Auf eine berühmte Herkunft legten unſere Vorfahren großes Gewicht; und oft iſt von Leuten die Rede, die wegen ihrer vornehmen Abſtam
Statthaltern regiert , welche dem Oberfönige Steuern und Kriegsdienſte leiſteten. Dieſe Kleinſtaaten , unter welchen
mung geachtet waren ; doch läßt ſich hieraus nicht ſchließen,
beſonders Seeland mit dem Königsſit Leire durch ſein be rühmtes Königsgeſchlecht, den Stamm der Skjoldunger, hervorragte , wurden endlich in der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts von Gorm dem Alten zu einem Staate vereinigt. Die Nation teilte ſich im Altertum in 2 Klaſſen ,
in Freie und Sklaven , und da die leßteren keine bür gerlichen Rechte hatten, gab es eigentlich nur einen Stand, den Bauernſtand. Mit dem Worte Bauer barf man ins deſſen nicht den jeßigen Begriff, Landmann und Ackerbauer, verbinden. Bauer bezeichnete in der alten Zeit einen jeden freien Grundeigentümer , welcher einen feſten Wohn ſit hatte, und man faßte unter dieſem Namen ſowohl den
Aderbauer, als auch den Kaufmann und Handwerker zu ſammen .
Der Name Bauer war die ehrenvollſte Bezeich:
nung, welche das Altertum für einen freigeborenen Mann kannte, und der Einfluß der Bauern auf die Entſcheidung der wichtigſten Staatsangelegenheiten war ebenſo groß,
daß ihnen ihrer Geburt wegen Rechte vor anderen Frei geborenen beigelegt worden ſein. Damals, wie zu allen Zeiten , war ein ehrenvoller Name ein ſchönes Erbteil,
welches dem Sohne bedeutende Vorteile verſchaffte, wenn er ihn zu behaupten wußte ; andernfalls hatte er vor dem in niederem Stande Geborenen nichts voraus.
Dieſer
Unterſchied im Range , nicht in den Rechten , entwickelte
ſich aus den Verhältniſſen.
Reichtum und Tüchtigkeit
ſchufen Anſehen und Einfluß; der reiche Mann war in der Lage, ſeine Söhne mit koſtbareren Waffen zu verſehen
und ihnen eine beſſere Erziehung zu geben , wodurch ſie geeigneter wurden, hohen Aemtern am Hofe des Königs vors zuſtehen. Auch die Könige wählten am liebſten ihre nächſten Diener aus ſolchen Geſchlechtern, deren Hingebung an das Königshaus in einer langen Reihe von Jahren ſich bewährt batte. Dbgleich es darnad mitunter den Anſchein haben könnte, als ob die Aemter in gewiſſen Familien erblich geweſen, ſo ſtand doch der Zugang zu den höchſten Poſten am Hofe und im Heere einem jeden freien Mann offen ; aber zu
Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
weilen zog der Bauer das ungezwungene Leben auf ſeinem Hofe der mehr abhängigen Stellung am Hofe des Königs So antwortete ein Bauernſohn , als ihn Harald
Haarfager in Norwegen unter der Zuſage eines hohen Ehrentitels aufforderte , an ſeinen Hof zu kommen , daß er lieber Bauer bleiben wolle und ſich für ebenſo gut halte wie den, der den vornehmſten Ehrenpoſten am Hofe bekleide.“ In dem kriegeriſchen Norden mußte die erſte Anfor:
derung an einen König Tüchtigkeit als Heerführer ſein ; denn Anführer des Volkes im Kriege zu ſein, war die vor:
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wendig ; Rechtsſtreitigkeiten wurden auf dem Thing abges macht unter dem Vorſiß des Königs, der zugleich der Wächter des Gefeßes war, indem ihm die Aufgabe zukam , bie Aus übung desſelben zu überwachen und für Sicherheit im Lande gegen Raub und ſonſtige Gewaltthätigkeiten zu ſorgen.
Die Könige beſorgten zugleich den Gottesdienſt und wurden als Oberprieſter betradytet, - eine Würde, welche viel zur
Stärkung der in anderer Hinſicht ſo ſchwankenden und eingeſchränkten Autorität beitragen mußte. Als Vorſteher
griffen , erließ er ein Aufgebot an das Volk , und dann mußte ſich jeder Mann bei Strafe der Friedloſigkeit und
des Gottesdienſtes hatten die Könige einen Tempelſchap, und für die Handhabung der Geſeße erhielten ſie einen Teil der Bußen , auf die bei der Rechtspflege erkannt wurde. Dieſe beiden Einnahmepoſten, ſowie der große An
Ehrloſigkeit zur Verteidigung rüſten. Das Aufgebot er :
teil an der Kriegsbeute, welcher den Königen zufiel, bil:
folgte durch einen Gebotsſtab ( Budſtikke oder Heerpfeil), welcher von Hof zu Hof geſchickt wurde und in einem Zweig beſtand , der als ein Bogen geformt und an dem einen Ende mit einer Sdnur verſehen und an dem anderen angebrannt war , und ſo in bildlicher Weiſe
deten einen nicht unbedeutenden Teil ihrer Einkünfte , wich:
nehmſte Pflicht des Königs. Wenn Feinde das Land an
ſowohl auf den feindlichen Einfal, als auch auf das Sdid :
ſal hindeutete , welches einen jeden erwartete , der ſich der Pflicht zur Verteidigung des Vaterlands entzöge, nämlich daß all ſein Gut durch Feuer zerſtört werden würde. War daheim Friede , dann ſuchte man auf jähr lichen Vikingerzügen Feinde auswärts , was man ,,in Leding (Himmelsgegend) fahren " nannte. Im Frühjahr wurde gewöhnlich ein Teil der waffenfähigen Mannſchaft zu einem ſolchen „ Bedingszuge “ aufgeboten , der dar auf berechnet war, die Nachbarländer zu plündern und zu verwüſten, und erſt mit dem Herannaben des Winters
tiger aber waren die großen Güter, welche ringsumher im
Reiche zum Unterhalt des Königs und ſeines Hofes aus gelegt waren. Dies waren die Königshöfe, wohin fidh der König auf ſeinen Rundreiſen durch das Reich gewöhnlich begab , und welche für ihn verwaltet oder zuweilen als
eine Art Lehen an königliche Militärperſonen überlaſſen wurden. Der König nahm auch nach dem in der alten Zeit und im Mittelalter geltenden Grundſaß , daß alles, was herrenlos ſei , dem Könige zugehörte , alle Ströme, Gewäſſer und Seen mit dem , was ſich in denſelben be fand , alle Wälder , das ungeteilte Land und die unbe: bauten Ländereien in Anſpruch. Doch war es den Bauern geſtattet, in den Gewäſſern zu fiſden , in den Wäldern
Bäume zu fällen und auf den beregten Grundſtücken Schweine mäſten oder Vieh graſen zu laſſen ; wenn aber
endete, wo das Heer heimkehrte , um die erlangte Beute
ſpäter bei zunehmender Bevölkerung und Ausdehnung des
Sowohl die Mannſchaft als die Häuptlinge
Aderbaues dieſe Grundſtücke ausgerodet und urbar ge
zu teilen.
bekamen ihren Teil davon ; das meiſte aber fiel dem
macht wurden , mußten ſie dem Könige abgekauft oder
Könige zu , von deſſen Einkünften dieſe jährliche Kriegs
Abgaben davon bezahlt werden. Nach demſelben Grund :
beute einen wichtigen Teil ausmachte. Wenn der Zug beendet war , wurde das Heer aufgelöſt und jeder nach
ſaß hatte der König auch das Necht auf herrenloſe Schäße,
Hauſe entlaſſen ; aber die Könige hatten immer eine kleine Abteilung feſter Krieger, welche den Namen „ Hird “ führten und aus den vornehmſten und tapferſten Männern des Landes beſtanden . Von dieſen Hirdmännern , die für Rechnung des Königs unterhalten wurden und ihm den
die man in der Erde fand (Danefe) , auf den Nachlaß Fremder, welche keine Erben im Lande hatten (Daneary), auf Strandgut u. 1. w. Wenn durch den Tod des Königs der Thron erledigt war, trat das Voll auf dem Thing zuſammen, um einen 1
neuen Herrſcher zu wählen. In der Regel wurde der
Eid geleiſtet hatten , wurden gewöhnlich die Häuptlinge
mit dein Verſtorbenen in der männlichen Linie am nächſten
und die Statthalter der unterjochten Provinzen (Jarle),
Verwandte gewählt ; denn von den Frauen, welche ohnedies kein Erbrecht beſaßen , konnte in dem kriegeriſchen Alter tum keine Rede ſein. Obwohl das Volk ſich nicht aus: ſchließlich nach der Erbfolge richtete und zuweilen einen entfernteren Verwandten einem näheren borzog, wenn jener beſſer zum Regenten geeignet ſchien, wich man dennoch ſelten von der gewöhnlichen Ordnung in der Erbfolge ab, um nidht innere Zwiſtigkeiten hervorzurufen. Doch war das bloße Erbrecht an und für ſich zur Erlangung der Königswürde niemals ausreichend ; erſt wenn der König von allen freien Männern des Landes gewählt war, galt er als der ge
ſowie andere hohe königliche Beamte gewählt. Das An: ſehen des Königs beruhte zu einem großen Teil in ſeiner Tapferkeit und ſeinem Glück im Kriege , ſowie in dem Geſchid , mit welchem er im ganzen die Regierung führte ;
denn das Volf betrachtete es als eine Schande, einen feigen König zum Führer zu haben, und Unglücksfälle, als Hungerss
not und teure Zeit , war man geneigt, als eine Wirkung des Zorns der Götter gegen den König anzuſehen. Unter ſolchen Umſtänden ereignete es ſich nicht ſelten , daß der König abgeſeßt und zuweilen ſogar getötet wurde. Die Ges nehmigung des Volkes war zur Gültigkeit der Gefeße not
febliche Herr der im Reiche.
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Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
Das Volk übte ſeine Rechte in Verſammlungen aus, die unter offenem Himmel auf einem mit einer Reihe von Steinen oder mit heiligen Eichen eingefriedigten Plaße gehalten wurden, welcher Thing hieß, ein Name, der auch von der Verſammlung ſelbſt gebraucht wurde. In der Mitte des Kreiſes ſaß der König auf einem erhöhten Siße,
in ſeiner Nähe waren die älteſten und angeſehenſten Häupt linge, und rund umher ſtand das Volt im ſchönſten Waffen und Kleiderſchmud . Kein freier Mann war von den Things
verſammlungen ausgeſchloſſen ; vielmehr konnte ein jeder das felbſt erſcheinen und ſeine Anſicht geltend machen. Da alle
bewaffnet erſchienen und daher leicht blutige Streitigkeiten entſtehen konnten, war das Thing für heilig erklärt, und wer den Thingfrieden brady, machte ſich des größten Ver: brechens ſchuldig , welches Todesſtrafe oder Acht nach ſich
Da im Altertum die Verhältniſſe der bürgerlichen Geſellſchaft noch nicht die Mannigfaltigkeit erlangt hatten, wie ſie die höhere Entwicelung der ſpäteren Zeit mit ſich brachte , waren die Gefeßgebung und die Rechtspflege jehr einfach. Wenige Beſtimmungen genügten , um das bürgerliche Leben zu ordnen und die Rechtsſtreitigkeiten zu erledigen, die ſich oft unter derſelben Geſtalt wieders bolten. Es war, wie bemerkt, Sache des Volke, auf den Thingverſammlungen neue Geſeßesvorſchläge anzunehmen oder zu verwerfen , oder mit den beſtehenden Gefeßen ſolche Veränderungen vorzunehmen , wie ſie die Zeit erforderte. Geſchriebene Gefeße fannte man nicht, da es leicht war, die geltenden Beſtimmungen im Gedächtnis zu behalten,
indem ſie durch die bei allen Verhandlungen herrſchende Deffentlichkeit dem Volke beſtändig in Erinnerung gebracht
zog. Die Staatsverfaſſung und die Religion ſtanden im
wurden. Die Rechtspflege wurde auf dem Thing unter
Altertum in enger Verbindung miteinander und unter: ſtüßten einander gegenſeitig. Deshalb waren die Thing ſtätten zugleich Dpferſtellen, wo der König und das Volk unter Gebeten und Dpfern ſidy auf die wichtigen Bera tungen vorbereiteten. Da ſich immer eine große Menſchen menge auf dem Thing verſammelte, fand ſich hier Gelegen heit zu Handel und Tauſch , wodurdy Kaufleute anges
dem Vorſiß des Königs durch die verſammelten Things
lodt tvurden , die in der Nähe der Thingſtätte , gleichſam
legten Eid von der Beſchuldigung des Anklägers reinigen
wie auf einem Marfte , ihre Buden aufſchlugen. Jm Laufe der Zeit verwandelte ſich daher zuweilen die Thing ſtätte in einen Handelsplaß , und dies iſt der Urſprung zu verſchiedenen der älteſten Handelsſtädte des Nordens. Auf den Thingverſammlungen wurden auch Privatſachen von Wichtigkeit abgemacht, z. B. Eigentumsübertragungen ,
konnte. Die Strafen beſtanden zum größten Teil in Geld
Erbſchaftsregulierungen , Eheſchließungen 2c. , weil die Handlung dadurch, daß ſie in einer öffentlichen Verſamms lung und in Anweſenheit zahlreicher Zeugen ſtattfand, größere Gültigkeit bekam. Aber vor allen Dingen bildeten
Staatsangelegenheiten den Gegenſtand der Verhandlung auf dem Thing , ſie waren der Mittelpunkt, um welchen
ſich bei unſeren Vorfahren das ganze öffentliche Leben drehte. Hier wurden Gefeße gegeben und aufgehoben, Rechtsſtreitigkeiten entſchieden, über Krieg und Frieden be ídloſſen , Könige gewählt, überhaupt alle wichtigen Staate: angelegenheiten verhandelt. Wenn ein König etwas durch ſeßen wollte, dann mußte er es auf dem Thing vortragen und durch Ueberredung und Gründe das Volk für ſeinen
männer oder durch einzelne Perſonen ausgeübt , welche wegen ihrer Rechtſchaffenheit und Erfahrung von dem
Volk zu Ridhtern erwählt waren . Schon in der alten Zeit ſcheint der im Mittelalter herrſchende Gebrauch bes ſtanden zu haben , daß ſich der Angeklagte durch einen
von ihm und einer Anzahl hinzugezogener Männer abges
bußen , und ſelbſt Mord konnte auf dieſe Weiſe geſühnt
werden, doch wurde bei dem Mord von nahen Verwandten Blutrade dem Gelde vorgezogen. Die Neußerung, welche ein Vater that , als man ihm für ſeinen getöteten Sohn Geld anbot , ,,daß er ſeinen toten Sohn nicht in ſeinem Geldbeutel tragen wollte" , drückte die in dieſer Hinſicht herrſchende Anſdauung der Zeit aus. Auch gab es einige
gemeine und gefährliche Verbrechen , welche durch Geld nicht geſühnt werden konnten, als Verrat am Vaterlande, heimtückiſchen Ueberfall und Meuchelmord , Diebſtahl, Brud des Thingfriedens 2c. , welche mit dem Tobe , mit Act oder Sklaverei beſtraft wurden. Daß die Nordländer
in Uebereinſtimmung mit ihrem kriegeriſchen Sinn ſich oft des Zweikampfes bedienten und ihre Streitigkeiten
durch das Schwert entſcheiden ließen , entweder um die Sache ſchneller abzumachen oder um eine mehr befriedigende
Genugthuung zu erhalten, als der Rechtsſpruch geben konnte, iſt vorhin bemerkt worden.
Vorſchlag zu gewinnen ſuchen ; denn das Volk kannte und
Die Sklaverei im Norden ſtand mit der ganzen Lebens
behauptete ſeine Rechte, und ein Machtſprud würde ebenſo vergeblich als gefährlich geweſen ſein. Deshalb war für die Könige der alten Zeit , um Einfluß auf das Volk zu gewinnen und den Sinn der unſteten Menge zu lenken , Beredſamkeit eine ebenſo notwendige Eigenſchaft wie die
weiſe und Verfaſſung der Nation in engem Zuſammens
Kriegstüchtigkeit. Beifal wurde auf den Thingverſamms lungen durch Waffengeräuſch zu erkennen gegeben , indem
er außerdem auch mit ſeiner Würde als Krieger nicht für vereinbar hielt. Während daher der Freigeborene als Viking und Krieger ſeiner Luſt nachging, wurden foldie und ähnliche niedere Arbeiten den Sklaven überlaſſen . Deshalb beſtand auch die Sklaverei ebenſo lange als das ſtetige Kriegos
man mit dem Schwert auf den Schild ſchlug; erregte das
gegen ein Redner die Unzufriedenheit der Verſammlung, dann entſtand ein Lärmen und Murren .
hange. Der freie Mann , welcher oft im Felde oder auf
dem Vikingerzuge ſich befand , hatte nur wenig Zeit zur Beſorgung der häuslichen Verrichtungen , zur Beſtellung
des Aders und zur Hütung des Viehes, - Geſchäfte, welche
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Die alten Bewohner des fimbriſchen Halbinſel.
leben im Norden dauerte, und erſt als das Volt Geſchmad an friedlichen Gefdäften fand, als Aderbau, Handel und Gewerbe ſich ausbreiteten , begann dieſelbe abzunehmen,
weil die Notwendigkeit eines beſonderen Sklavenſtandes jeßt fortgefallen war und gleichzeitig das Chriſtentum ,
deſjen Einführung mit jener Veränderung im Charakter und in der Lebensweiſe des Volkes zuſammenfiel , mehr menſchliche Grundfäße zur Geltung bradte. Die Quellen der Sklaverei waren verſchiedene. Den erſten Stamm
er an demſelben ſehen, daß es einem feigen Manne zuges hört hatte. „ Seht ," ſagte er , „ jeßt zittert es , und doch nicht halb ſo ſtart wie damals, als es ſich noch in ſeiner Bruſt befand." Welche Verachtung man gegen den Sklaven
an den Tag legte, ſieht man auch aus der Sage von den Drontheimern, welche einen Hund einem Sklaven vorzogen als der König Eiſtein ihnen freiſtellte, einen von dieſen
zum Könige zu wählen. Von einem Sklaven getötet zu werden, wurde als die größte Schmach angeſehen, weshalb
haben ohne Zweifel die bei der Einwanderung der Gothen
die gefangenen Jonesvikinger nicht um ihr Leben , ſons
unterjochten Völker gebildet ; dieſer aber erhielt einen ſtetigen
dern nur darum baten, daß man ſie nicht durch einen Sklaven töten laſſe. Selbſt über die Grenzen dieſes Lebens
Zuwads durch die beſtändigen Kriege und Vikingerzüge; denn da jeder Kriegsgefangene Sllave ward , wurde der
Norden auf dieſe Weiſe mit einer großen Menge Sklaven
hinaus erſtreckte ſich die Verachtung des Sklaven ; denn er war von Walhalla ausgeſchloſſen , deſſen Freuden nur
perſönlichen Freiheit beraubt. Dod) war dieſe Art von Sklaverei milder, und der Eigentümer durfte einen ſolchen Sklaven nicht mißhandeln. Es famen auch Fälle vor,
den Tapferen und Freien gehörten. Die Sklaven, hieß es, gehörten dem Thor zu , vielleicht weil dieſer oder eine ähnliche Gottheit von dem Volt verehrt wurde, das bei der Einwanderung der Gothen zuerſt unterjocht wurde. Infolge dieſer Anſchauung von dem Wert der Sklaven ſprach man ihnen alle bürgerlichen und menſchlichen Rechte ab. Sie galten nicht mehr als das vernunftloſe Tier und wurden in alten Gefeßen dieſem ausbrüdlich an die Seite geſtellt. Falls ein Doſe ,, Dchle oder Sklave," heißt es, „ Schaden anrichtet, ſoll nur die halbe Buße ers
wo ein Freier, wenn er keine Mittel zum Auskommen be:
legt werden , und falls ein Sklave getötet wird , ſoll der
ſaß, fich freiwillig in Sllaverei begab ; aber dies wurde
gleiche Eid geleiſtet werden, als wenn ein anderes Stück
aus den verſchiedenſten und fernſten Ländern verſehen.
Da gab es ordentliche Sklavenmärkte , wohin die Vi finger ihre geraubten Gefangenen hinführten und ſie wie anderes Raufmannsgut verkauften. Verbrechen, welche in der Regel Todesſtrafe nad fidh zogen , wurden mitunter mit Sklaverei beſtraft. Auch ſelbſt der Schuldner, welcher ſeine Schuld nicht zahlen konnte , wurde zuweilen ſeiner
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ſtets als hödöſt entehrend angeſehen ſowohl für den, der folches that, als auch für den, der einen ſolchen Sklaven annahm , und gehörte zu den felteneren Fällen. Den reichſten Zuwachs erhielt die Sklaverei durd, die Geburt, da Sklavenkinder dem Eigentümer der Eltern zugehörten. War das eine der Eltern ein Freigeborener , dann folgte
das Kind dem Schidſal der Mutter, doch konnte der frei:
geborene Vater dadurch, daß er vor dem dritten Weih nadtsfeſte das Kind für das ſeinige erklärte, ihm gegen Erſaßleiſtung an den Eigentümer der Mutter die Freiheit verſchaffen. Es kam ſehr ſelten vor, daß die Mutter frei und der Vater Sllave war ; denn ein Mädchen , welches ſich in eine eheliche Verbindung init einem Sklaven einließ,
verlor dadurch in der Regel ſelber die Freiheit und bes reitete ihrer Familie eine unauslöſchliche Schande. Die Sklaven gehörten zu den verachtetſten Geſchöpfen , die das Altertum kannte. Man ( chob ihnen die enteh rendſten Laſter zu, als Feigheit, Hinterliſtigkeit, Diebſtahl, und ſprach ihnen alle Tugenden ab, die einen Mann zieren. Daher hatte die nordiſche Sprache für einen freien Mann
.
Vieh getötet iſt."
Der Herr konnte daher mit ſeinem
Sklaven ſchalten und walten, wie er wollte, ihn verkaufen,
beſtrafen , berſtümmeln , ja ihn töten , wenn ſein Zorn ſtärker war als die Rückſicht auf ſeinen eigenen Vorteil, oder wenn ſeine eigene Sicherheit den Tod des Sklaven erforderte. Als der Isländer Ketilbjörn eine Summe Geldes vergraben hatte, tötete er ohne Bedenken die Sklaven, bloß damit ſie die Stelle nicht verraten ſollten. Erlitt ein Sklave einen Schaden , dann wurde es ſo angeſehen, als wenn ſein Herr beleidigt worden wäre, und an dieſen mußte die Gelds
buße bezahlt werden. Die Größe der Buße richtete ſich nach dem Verluſt, den der Hausherr dadurch erlitt , daß ſein Sllave entweder ganz oder teilweiſe der Arbeitsfähigkeit beraubt worden war. Wurde dem Sllaven die rechte Hand abgehauen , dann erhielt der Hausherr den halben Wert
eines Sklaven , und wenn beide Hände abgehauen waren, mußte der Thäter ſoviel zahlen , als ein arbeitsfähiger Sklave wert war. Andrerſeits war der Herr für die unge
feßlichen Handlungen ſeines Sllaven verantwortlich und mußte für dieſelben büßen , wie für den durch ſein Pferd
fein ſtärkeres Scheltwort als Sklave , und wer ſich eine
oder feinen Doſen angerichteten Schaden. Infolge davon
ſolche Beleidigung hatte zu Schulden kommen laſſen , mußte
waren die Bußen für die Verbrechen der Sllaven ſehr
die blutigſte Rache erwarten. Man meinte, daß die niedere
niedrig, wenn ſie aus eigenem Antriebe gehandelt hatten ;
Denkart der Sklaven ſich in ihren Zügen und Mienen ausdrückte , und glaubte einen Freigeborenen , wenn er auch als Sllave verkleidet war , an ſeinem kühnen Blick und ſeiner verſtändigeren Antwort erkennen zu können.
wenn ſie aber auf Befehl des Herrn gehandelt hatten, dann wurde die volle Buße bezahlt , da der Stlave nur
Als man Gunar das Herz eines Sllaven brachte , konnte Ausland 1890 , Nr. 7 .
als
ein willenloſes Werkzeug betrachtet wurde.
Die
Sklaven waren von den gewöhnlichen bürgerlichen Rechten ausgeſchloſſen; ſie konnten nicht kaufen , verkaufen oder .
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Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
erben , nicht Bürgſchaft leiſten , nicht Zeugnis gegen freie Männer ablegen, noch Eide vor Gericht leiſten und feine
Händen war rauh, die Knie waren did , die Finger plump,
ſeine Geſichtsfarbe ſchwärzlich , ſein Rücken krumm und
vollgültige Ehe eingehen. Dbgleich demnach das Loos der
ſeine Ferſen lang.
Sklaven gewiß kein freundliches war, wurden ſie doch nie
gebrauchen. Einſt fam eine Frau mit ſchwerem Gang,
mals mit der Grauſamkeit behandelt , wie es oft in füds licheren Ländern der Fall war. Wenn ſie treu und ge horſam waren , konnte ihre Stellung recht erträglich ſein, und die milderen Herren geſtatteten fogar ihren Sklaven, fich durch eigene Arbeit etwas zu erwerben , das ſogen.
mit berbrannten Armen und mit Blaſen unter den Füßen
Drke, womit ſie ſich ſpäter loskaufen konnten. Auch war
das Loos aller Sklaven nicht dasſelbe. Diejenigen Sklaven, welche fich durch ein gutes Verhalten auszeichneten, wurden zu Aufſehern über die übrigen ernannt , und wenn der Herr mehrere Güter beſaß, ließ er dieſelben oft durch einige
Er wuchs und lernte ſeine Kräfte
in dieſes Haus. Sie hieß Thy, d. h. Sklavenweib , und verheiratete ſich mit Träl. Ihre Söhne , welche Hirten, .
Pfuſcher , Plump , Taub , Zauberer , Krummrücken und Schlepper hießen, beſchäftigten ſich damit, Hecken zu ſeßen, Felder zu düngen , Schweine und Ziegen zu hüten und
Torf zu graben. Die Töchter hießen Schwarze , Klunte, .
lung dieſer war natürlich eine viel beſſere als die der eigentlichen Arbeitsſklaven, was auch von denjenigen galt,
Krummnaſe, Krummrücken und Langbein. Hieraus iſt das Geſchlecht der Sklaven entſtanden. Darauf wanderte Rig weiter und kam zu dem Hofe eines Bauers. Ein Feuer war mitten auf dem Fußboden angezündet , der Mann ſchnitt Holz zu einem Webſtuhl; fein Bart war wohl gepflegt und ſein Haar auf dem Kopfe geſtußt, ſein Hemd
welche die perſönlide Aufwartung des Hausnaters oder der Hausmutter beſorgten. Ein hübſcher und bemerkenswerter
Spindel und machte das Garn für den Webſtuhl zurecht;
von ſeinen zuverläſſigſten Sklaven verwalten. Die Stel
Zug in dem Verhältnis der Sklaven zu den Freien iſt
der, daß ſie in allgemeinen Freudenzeiten, bei Feſten, Hoch zeiten und Gilden, eine beſſere Behandlung als gewöhnlich genoſſen und an den Rechten der Freien teilnahmen. Wenn die Sklaven ihre Herren zu dergleichen Feſten begleiteten, wurden ſie bewirtet und behandelt wie die übrigen Gäſte, und Beleidigungen derſelben wurden wie die der Freien gebüßt. Die Freilaſſung erfolgte durch Kauf , entweder
von Verwandten des Sklaven oder von ihm ſelbſt, wenn er Gelegenheit gehabt hatte, fich durch eigene Arbeit etwas zu verdienen. Der Herr ſchenkte auch oftmals ſeinem Sllaven die Freiheit , wenn er ihm lange treu gedient oder ihm den einen oder anderen beſonderen Dienſt ge leiſtet , z. B. ihm das Leben gerettet oder einen gefähr:
lichen Feind getötet hatte. Doch trat ein Freigelaſſener niemals in die vollen Rechte eines Freien ein , ſondern
eng und an der Bruſt offen. Die Hausfrau drehte die ihr Haar war zu einem Zopf geflochten , ihre Fade war vorn geöffnet, ſie trug einen Kragen um den Hals und Knöpfe auf den Schultern. Die Frau bekam einen Sohn, welcher in Leder eingewickelt , mit Waſſer begoſſen und Karl genannt wurde , d. h. Freigeborner. Er war hell von Haar , hatte rote Baden und große Augen. Als er heranwuchs , lernte er die Art gebrauchen , Pflug und Wagen machen , Baumſtämme zu Häuſern zurechthauen , Scheunen bauen und pflügen. Ein Mädden , Namens Flint, fam mit einem Kleid von Ziegenhaut und mit dem
Sūlüſſelbund an der Seite auf den Hof gefahren. Sie verheirateten ſich und lebten vergnügt zuſammen. Ihre Söhne waren Mann, Knedyt, Eigentümer, Bauer , Haus: mann, Langbart und Bravmann. Die Namen der Töchter waren Wortklug , Braut , Schneewittchen , Schamhaft, Stadtlieb, Mündig und Weib. Darauf kam Rig zu einem
blieb in einem beſtändigen Abhängigkeitsverhältnis zu
Gebäude, deſſen Thür gegen Süden lag ; in der verſchloſſes
ſeinen früheren Herrn, ohne deſſen Wiſſen er keinen wich tigen Schritt thun durfte , und wenn er getötet wurde,
nen Thür ſaß ein Ring , und Stroh war über den Fuß
ward nur die halbe Mannbuße für ihn erlegt. Erſt die Söhne des Freigelaſſenen kamen in den Beſitz der vollen bürgerlichen Rechte.
boden geſtreut. Der Mann und die Hausmutter ſaßen
und betrachteten einander und ſpielten mit den Fingern.
Der Mann flocht Taue, bog Ulmenholz und machte Pfeile. Die Frau plättete Leinen , ſteifte Aermel und machte ſich einen Kopfpuß zurecht. Ihre Bruſt war mit Ringen ges .
Ein altes nordiſches Gedicht, Rigsmaal , gibt ein anſchauliches Bild von dem Verhältnis der verſchiedenen Stände zu einander und von der ganzen Lebensweiſe im
ſchmückt, das Kleid war weiß und ihr Hemd blau , ihre Stirn und ihr Hals waren weißer als neugefallener
Norden vor Einführung des Chriſtentums. Der Gott
Schnee. Sie breitete das weiße Tuch über den Tiſch aus,
Heimdal, welcher dargeſtellt wird als in der Geſtalt Rigs auf Erden wandelnd , kam zuerſt in das Haus eines
in der Aſche gebaden war, und trug eine Suppe in einer
feßte dünne Weizenkuchen , Speck und gebratene Vögel in filbergeränderten Gefäßen, Mild und Wein in Bechern auf. Nach einiger Zeit gebar ſie einen Sohn , welcher in Seide eingehüllt, mit Waſſer begoſſen und Jarl ge nannt wurde. Sein Haar war hell und ſeine Augen
Schüſſel auf ; aber das beſte Gericht war ein gemäſtetes
glänzten wie Schlangenaugen. Er lernte den Bogen ſpan
Kalb. Einige Zeit nachher gebar die Frau einen Sohn,
nen, Pfeile machen, den Spieß werfen, die Lanze chwingen, reiten und ſchwimmen , das Wild mit Jagdhunden ver folgen und mit dem Schwert fechten. Als Rig zurüdkam,
Sklaven, wo er durch die geöffnete Thür eintrat und ſich auf die Bank ſekte. Die Frau nahm ein Brot , welches
welcher mit Waſſer begoſſen und Träl (Sklave) genannt wurde. Er war dunkel von Teint , die Haut an ſeinen
.
.
Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel .
erkannte er Jarl als ſeinen Sohn an und lehrte ihn die Runenſchrift. Jarl 30g hinaus , übte fich in Rämpfen, tötete Männer und erwarb fid Güter , ſo daß er zuletzt
18 Höfe beſaß. Er heiratete ein Mädden Namens Erna (die Raſche). Sie bekamen manche Söhne , welche wie der Vater allerlei kriegeriſche Thaten vollführten , und von dieſen iſt das Geſchlecht der Jarle entſprungen.
4. Lebensweiſe. Kleidertracht.
Nahrungsmittel. – Erwerbszweige. – Handel. Wohnungen . Waffen. Leichenbegäng niſie . - Grabhiigel.
Jagd und Fiſderei waren ohne Zweifel die älteſten
Beſchäftigungen , mit welchen man im Norden ſich ſeinen Lebensunterhalt verſchaffte. Die Seeküſten und Ufer der fiidreichen Förden und Binnengewäſſer waren die Stellen, welche zuerſt bebaut wurden , während Wälder noch den
größten Teil des Landes bedeckten. Kunſtloſe Jagd- und
Fiſchereigerätſchaften aus Stein , wie ſie noch in der Erde gefunden werden , geben von der Lebensweiſe der älteſten Einwohner Zeugnis. Sowie die Wälder ausgerodet wurden und Wieſen entſtanden , breitete ſich die Viehzucht aus,
und dieſe wurde , neben Jagd und Fiſcherei , die Haupt: nahrungsquelle des Volfes. Bei ſteigender Kultur und Zunahme der Bevölkerung trat Aderbau hinzu, welcher bes ſonders auf Budweizen , Hafer und Roggen gerichtet war, in welchem man es jedoch in der Zeit , von welcher hier die Rede iſt, nicht ſonderlich weit brachte. Derſelbe Fort
ſchritt in der Entwidlung , die man in anderen Teilen der Erdkugel wahrnimmt, vom Jagdleben zum Hirtenleben und von dieſem zum Aderbau, hat auch im Norden ſtatt:
gefunden. Ein Kaufmann von Marſeille, Namens Pytheas,
welcher ungefähr 300 Jahre vor Chriſti Geburt nach dem Norden tam , hat berichtet , daß die Einwohner hier Korn zu bauen und ein Getränk aus Honig zu bereiten ver ſtanden hätten , und daß ſie nicht wie in dem ſüdlichen Europa bas Rorn auf freiem Felde gebroſchen , ſondern wegen des feuchten Klimas dasſelbe in Garben gebunden und in die Scheunen gefahren hätten , um es dort zu dreſden. Die wichtigſten Haustiere waren Pferde, Horn vieh , Schaafe , Ziegen , Schweine. Schweinefleiſch war eine der beliebteſten Speiſen unſrer Vorfahren ; ſie meinten, daß ſie dieſes auch in einem anderen Leben genießen
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Nahrungsmittel der Nordländer. Bier und Met - um des leßteren willen wurde die Bienenzucht ſtark betrieben – waren die beliebteſten Getränke, welche bei keinem Gelage fehlen
durften. Dbgleich Viehzucht und Fiſcherei die Hauptbe ſchäftigung des Volkes waren , wurden doch früher ſchon verſchiedene Handwerke auf einen nicht geringen Grad von Vollkommenheit gebracit. Der kunſtfertige Schmied ſtand in hohem Anſehen und konnte ſich ſogar einen bes rühmten Namen machen. Man bereitete Sdmud- und andere Kunſtfachen ſowohl aus Gold wie aus Silber ; aber beſonders wichtig war bei einem Volfe, das oft Krieg führte, die Verfertigung von Waffen. Ein gutes Schwert wurde ſehr geſchäßt, dasſelbe erhielt einen beſonderen Na men und ward von dem Vater auf den Sohn vererbt. Die Geſchichte, welche mehrere folcher berühmter Schwerter anführt , vergißt dabei gewöhnlich nicht, den Namen des Verfertigers anzugeben. Nicht weniger ehrend war di Kunſt Smiffe zu bauen, welche, wie das Symiedehandwerk,
von freien Männern ausgeübt wurde , während dagegen folche Handwerke , die mehr Uebung als Kunſtfertigkeit verlangten, den Sllaven überlaſſen blieben. Handel wurde beſonders in den Ländern an der
Nord- und Ditſee betrieben ; dod wagte man ſich auch nach ferneren Gegenden , indem Uebung und Rühnheit Schiffen an Größe und Stärke dasjenige erſeßten, was den : fehlte , und in Ermangelung von Kompaſſen die Sterne den Weg zeigten. Die Schiffahrt wurde durch die Menge von Seeräubern geſtört, von welchen alle Meere voll waren, weshalb die Kauffahrteiſchiffe wie Kriegsſchiffe ausgerüſtet und die Mannſchaft friegstüchtig ſein mußten ; aber in der Regel war der Kaufmann ſelbſt ein Vifing, der ja nach Umſtänden friedlichen Handel oder Seeräuberei trieb.
Zu denjenigen Waaren , welche vorzugsweiſe Gegenſtand der Einfuhr bildeten , gehörten Korn, Mehl, Honig, Salz, Tuche und. Sklaven ; die erſteren wurden beſonders von England geholt , Sklaven mußte das ganze Europa hers
geben. Ueber Rußland bekam man durch Zwiſchenhandel die Produkte des Drients, und die Häfen an der ſüdlichen Küſte der Oſtſee öffneten den Zugang zu Mitteleuropa. Zur Ausfuhr hatte das Land faſt keine anderen Waaren, als Fiſche und Pelzwert , und in der älteſten Zeit auch Bernſtein , welder an der Weſtküſte von Jütland gefunden .
würden, und hielten daher große Schweineheerden , welche
ward. Münzen kannte man in jenen Zeiten nicht, fon
in den großen Eichenwäldern , die das Land bedecten, reichliche Nahrung fanden. Pferdefleiſch war ein gewöhns
idlug goldene und ſilberne Ringe in Stücke und bezahlte
dern Waare wurde gegen Waare ausgetauſcht, oder man
liches Nahrungsmittel , welches erſt mit der Einführung
nach Gewicht. Solche Ringe mit deutlichen Spuren, daß
des Chriſtentums außer Gebrauch kam , weil die Geiſtliden gegen dieſe Speiſe eiferten , da ſie ihnen fremd und deshalb
Stücke davon abgeſchlagen ſind, werden noch häufig in der Erde gefunden . Soon in der heidniſchen Zeit werden
edelhaft war, beſonders aber, weil das Pferdefleiſch bei den
verſchiedene Handelsſtädte genannt, z. B. Roeskilde, Lund, Skanör , Odenſee, Viborg, Ribe, Schleswig, unter welchen
Dpferfeſten gebraucht worden war und ſomit an die Heiden: zeit erinnerte. Fiſche, ſowohl friſch als gedörrt und geſalzen, Mehlſpeiſen , Robl , auf verſchiedene Weiſe zube
reitete Milch, Fleiſch von wilden Vierfüßlern und Vögeln bildeten zugleich mit der oben genannten die täglichen
beſonders die beiden zuleßt genannten wichtige Handels pläße waren. Die älteſte Tradit unſrer Vorfahren beſtand aus Tierfellen , welche man fid durch Jagd verſchaffte , ſpäter
Die alten Bewohner der fimbriſchen Halbinſel.
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aus Leinewand und Tud), welches teils im Lande gemacht, teils aus fremden Gegenden geholt wurde. Die Webkunſt war früh bekannt ,
und
wurde von
den
nordiſchen
Frauen ausgeübt , welche im ganzen ſehr kunſtfertig waren. Die Vornehmen verſtanden nid )t blos foſtbare Tapeten zu weben , mit welchen die Wände geſchmüct
wurden, ſondern ſogar hiſtoriſche Begebenheiten und Ereig
häufig Tiergeſtalten, wie Sdweine, Drachen und Schlangen oder andere Figuren , was die Veranlaſſung zu den ſpäteren Schildmarken und adeligen Wappen wurde. Die Angriffør
waffen waren Schwert, Dolch, die zweiſchneidige Streitayt und der Streithammer, Roller, Lanze und Speer, Soleuder, Bogen und Pfeil. Die Waffen beſtanden , gleichwie die meiſten anderen Gerätſchaften , in der älteſten Zeit aus
niſſe aus dem Leben der Götter hineinzuiveben. Die Nord
Stein , nachher aus Kupfer oder Bronze; zuleft lernte
länder liebten ſehr die Kleiderpracht, was ſich beſonders
man das Eiſen bearbeiten , deſſen Schmelzung ſchwieriger iſt, und welches ſeltener in reinem Zuſtand vorkommt. Die Wohnungen , welche in der älteſten Zeit wahr
bei den Zuſammenfünften auf dem Thing, bei Gilden und anderen feſtlichen Gelegenheiten zeigte, wo die Reichen oft mit koſtbaren ſeidenen und purpurnen Gewändern bekleidet waren, die durch Handel und Seeraub ins Land gekommen
waren. Die Frauen waren geſchmückt mit Halsketten, Ringen, goldenen Knöpfen und anderen goldenen und fil bernen Koſtbarkeiten , mit Perlen aus Bernſtein und Mo fait, welche Gegenſtände noch in der Erde und in alten Grabſtätten in Menge gefunden werden. Mehrere von dieſen Sdmudſachen waren auch für Männer beſtimmt, welche ſich aber beſonders durch Ringe aus Gold und Silber auszeichneten, die ſowohl an den Fingern, als auch um die Handgelenke und die Arme getragen wurden und
ſcheinlich Erdhütten mit eingeflochtenen Zweigen zur Stüße für Dach und Wände waren , fing man bald an, aus Holz aufzuführen, welches die großen Wälder in Ueberfluß dar boten. In Familien geringeren Standes diente die täga
liche Stube zugleich als Küche und Schlaffammer. Das Licht fiel durch Deffnungen in der Decke und in den Wänden ein, die durch Bretter verſd lojjen werden konnten .
Vor denſelben war eine Blaſe oder eine dünne Haut aus:
geſpannt , welche ſowohl den Regen abhielten , als auch das Licht durchließen . Schornſteine fannte man nicht,
ſondern der Rauch zog durch dieſelbe Dedenöffnung ab,
ſpiralförmig gewunden waren , ſo daß Stücke davon ab
welche als Fenſter diente.
geſdlagen und als Münzen verwandt werden konnten.
von Steinen umgebene Herd und in den Wänden waren die Schlafſtellen für die Familie angebracht. Die Woh
Ein ſchöner Haarwuchs galt für einen herrlichen Schmuck ſowohl bei Männern als bei Frauen , von welchen jene das Haar loſe herunterhängend trugen , während dieſe es zu einem Zopf flochten , welcher mitunter mittels eines goldenen Reifens zuſammengehalten wurde. Oft war des gefangenen Kriegers leßte Bitte, wenn die Art über ſeinem
Gerade unter dieſer war der
nungen der Vornehmen waren dagegen viel prächtiger und bequemer eingerichtet und beſtanden aus mehreren Zimmern , z. B. einem eigenen Frauengemach, beſonderen Solafſtuben , Badeſtuben , der Rüche und mehreren Ram
Haupte fdwebte, daß man dafür Sorge trüge, ſein ſchönes
mern zu verſchiedenem Gebrauch. Beſonders aber zeichnete ſich die Halle oder das Gaſtzimmer durch Pracht und eine
Haar nicht zu beſchmußen . Das Ausſehen unſerer Vors fahren wird von fremden Sdriftſtellern oft beſprodzen ; dieſelben bedreiben ſie als hoch und ſchlank von Wuché,
ſolche Geräumigkeit aus, daß ein reicher Bauer oft mehrere hundert Gäſte beherbergen konnte. Auch in dieſer Halle brannte in der Mitte ein Feuer auf dem Herb, aber nur
von heller Hautfarbe, blondem Haar und hellblauen großen
zur Beleuchtung und Erwärmung, nicht zum Kochen, und
Augen. Die Reinlichkeit und Sdönheit des Körpers wurden durch öftere Bäder erhalten , welche jo beliebt waren , daß die Reicheren auf ihren Höfen eigene Bades ſtuben eingerichtet hatten, um dieſelben im Winter zu ge brauchen. – Der wichtigſte Teil des Eigentums eines Nordländers, und derjenige, auf deſſen Sdönheit und Güte der höchſte Preis gejeßt wurde, waren ſeine Waffen. Dieſe
der Fußboden war bei feſtlichen Gelegenheiten mit Stroh beſtreut. An beiden Seiten längs den Wänden war eine Reihe Bänke angebracht, weldhe mit Polſter und Teppichen bedeckt waren, und in der Mitte einer jeden Reihe befand ſich ein erhöhter Siß. Den an der Südſeite befindlichen nahm der Hausherr ſelbſt ein , während der gegenüber befindliche Siß dem vornehmſten Gaſte eingeräumt wurde ; zu beiden Seiten dieſer erhöhten Site ſaßen die übrigen Gäſte und Hausgenoſſen , je nach Rang und Würden, in geringerer oder größerer Entfernung von denſelben. Für
waren teils zur Verteidigung , teils zum Angriff einge: .
richtet. Zu den Verteidigungswaffen gehörten das Panzer hemd, ein dichtes Gewand, welches aus verſdiedenen Lagen von zuſammengeſchnürten Fäden gewebt oder geflochten
war ; die Bruſtbededung, welche aus einer Anzahl kleiner zuſammengeflochtener Ringe oder fleiner didtidließender
Eiſenplatten beſtand , durch welche Einrichtung man er reichte , daß das Eiſen ſich biegen und nach den Beweg ungen des Körpers fügen konnte ; endlich Helm und Schild , von welchen der leßtere aus Holz , Leder und Eiſen ges macht und gewöhnlich fein verziert und gemalt war. So : wohl auf dem Schild als auf dem Helm fanden ſich ſehr
die Frauen war an dem einen Ende des Zimmers , dem Eingang gegenüber, eine Erhöhung angebracyt, welche die Querbant hieß und in deren Mitte ein erhöhter Siß für die Hausfrau eingerichtet war. Die Wände waren mit
Tapeten geſdýmückt und mit blanken Schilden , Helmen und anderen Waffen behängt, und hinter dieſen waren gewöhnlich Abſeiten als Schlafſtellen für den Hausherrn und ſeine nächſten Angehörigen angegebracht. Sorge und Ehrerbietung für die Toten waren ein
Reiſebilder aus Aegypten.
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eigentümlicher Zug bei den Nordländern, und keine Pflicht wurde heiliger gehalten, als die, ſeinen verſtorbenen Ver : wandten ein ehrliches Begräbnis zu geben . Die Art und Weiſe , wie die Toten zur Erde beſtattet wurden , war zu den verſchiedenen Zeiten verſchieden . In der älteſten Zeit ſcheint es gebräuchlich geweſen zu ſein , die Leiden ganz in die Erde zu verſenken ; in einer ſpäteren Zeit wurden die Leichen gewöhnlich verbrannt und ward dann die
in dieſem Leben , und Odin nahm diejenigen , welche arm nach Walhalla kamen , nidyt beſonders freundlich in Ems pfang. Daher ſind die Grabhügel reiche Fundgruben , auß welchen allerlei Sachen ans Licht gefördert werden , die
Ajde ſorgfältig in Urnen geſammelt , die ins Meer ver
leichter erhalten bliebe , oder am Strande , damit ſie von den Vorüberfahrenden geſehen würden und der Tote fic über die Nähe des Meeres freuen könnte, auf welchem er die längſte Zeit ſeines Lebens fich getummelt und ſeinen
ſenkt oder noch häufiger vergraben wurden , eine Sitte, die ſo alt war , daß man ihre Einführung dem Odin zu idrieb. Aber auch dieſe Srt des Begräbniſſes wurde von einer anderen abgelöſt , infolge deren die Leiche wieder
ganz beerdigt und unter einem Steinhaufen niedergelegt oder in eine Steinkammer hineingeſeßt wurde, über welchen
man Erdhügel aufwarf. In einigen Grabhügeln findet
uns über die Lebensweiſe der Vorfahren Aufklärung geben.
Die Grabhügel wurden in der Regel in der Nähe eines öffentlichen Weges aufgeworfen , wo ein reger Verkehr ſtattfand, damit das Andenken an den Verſtorbenen deſto
Ruhm ſich erworben hatte.
Um dem ſehnlichſten Wunſch
des Helden, daß das Andenken an ſeine Thaten der Nach welt erhalten bleiben möge , noch mehr zu entſprechen, wurden auf dem Grabhügel oder in der Nähe desſelben
man ſowohl Aidhenfrüge , als ganze Gerippe , und dieſe
Steine, teils mit Inſchriften, Runenſteine, teils ohne ſolche,
Hügel ſcheinen daher Familiengräber zu ſein , in welchen
ſogen. Bautaſteine, aufgerichtet.
eine Familie eine ganze Reihe von Jahren hindurch ihre Toten nach dem jeweiligen Gebrauch begraben hat. Von folchen Familiengräbern iſt bei den alten oft die Rede. Das einfache Begräbnis beſtand darin , daß die Leiche in die Erde gelegt und über derſelben ein Steinbaufen auf geworfen wurde, den man mitunter mit Erde bedeckte, mit
unter unbedeđt ließ ; für die Leichen vornehmerer Perſonen
Reiſebilder aus Aegypten. Von Ernſt Screder. IV. Bon Kairo bis zum erſten Katarakt.
aber wurden eigene Grabkammern eingerichtet, deren Wände
1) Von Kairo bis luyor ( Theben ).
von ſorgfältig zuſammengefügten Steinen gebildet waren
Wer Kairo kennt , kennt noch nicht Aegypten ; weder die Altertümer desſelben, die bei der modernen Haupt ſtadt Kairo immerhin etwas in den Hintergrund treten, noch Land und Leute, wie ſie fern von der Großſtadt ihr
und deren Decke aus großen flachen Deckſteinen beſtand.
Zuweilen, indeſſen erſt in ſpäterer Zeit, wurden die Grab kammern aus Holz gemacht, was z. B. der Fall war bei dem Grab der Thyre Dannbod ; oder man benüßte dazu
ein Schiff, beſonders wenn der Tote ein berühmter Vi kinger geweſen war. Die gewaltigen Erdhügel , welche über den Grabfammern aufgeworfen wurden , um das Ans denken an den verſtorbenen Helden zu verewigen , waren
Weſen haben.
Wer darum eingehendere Kenntnis dieſes
wunderbaren Landes befißen will, darf die Reiſe gegen Süden nicht ſcheuen. Zwar geht die Bahnverbindung von
Kairo fübwärts nur bis Affiût (Siut), der Hauptſtadt
am Fuße oft mit einer runden oder länglichen Steins
Oberägyptens. Aegypten iſt ja überhaupt noch arm an Eiſenbahnen. Aber dafür fann man auf gut gebauten
feßung eingefaßt. Es war herrſchender Volksglaube, daß
Dampfern den Nil hinauffahren, oder auf einer Dahabieh,
der Verſtorbene in dem fünftigen Leben ſeine bisherige Wirkſamkeit fortſeßen werde , und deshalb wurden in der Zeit , als man die Leichen verbrannte, die Gerätſchaften und Koſtbarkeiten, welde dem Verſtorbenen zugehört hatten,
einem Segelboote , das für eine oder mehrere Familien hinreichend Play gewährt. Auf ſold einer Dahabieh dauert natürlich die Fahrt ſtromauf bei ungünſtigem Winde unter Umſtänden ziemlich lange , während der Dampfer ungehemmt die 585 engliſchen Meilen von Kairo bis zum
auf dem Scheiterhaufen mit verbrannt. Als es ſpäter Sitte
geworden war, die Leichen in einem Hügel beizuſeßen, gab
erſten Katarakt bei Afjuan zurüdlegt. Freilich auch die
man dem Krieger ſeine Rüſtung und ſeine beſten Waffen, ſein Pferd oder ſeinen Hund mit ins Grab ; neben den Handwerker legte man die zu ſeinem Handwerk notwendigen Gerätſchaften ; der Hausfrau gab man ſolche Sadyen mit
Touriſtendampfer nehmen fidy Seit. Des Nadte fahren
ins Grab , welche auf ihre Wirkſamkeit und ihre Würde
Außerdem wollen die Reiſenden natürlich auf ihrer Fahrt etwas ſehen , deswegen liegt das Schiff nachts ſtill am Ufer.
im Leben hindeuteten , z. B. das Schlüſſelbund.
Jeder
ſie überhaupt nicht , icon weil das im Winter ſeichte
Waſſer des Nils, der ja zu dieſer Zeit im Fallen begriffen iſt, das Boot leicht auf eine Sandbank auflaufen macht.
Tote bekam außerdem ſeine beſten Koſtbarkeiten, als Ringe,
Es war im Beginn des Januar, als ſich in Kairo, wie man
Armbänder, goldene und ſilberne Halsketten , Perlen aus Glas , aus Bernſtein oder Moſaik , und andere oft ſehr
kunſtvoll gearbeitete Schmucjachen mit ins Grab ; denn
ſagte, der Winter fühlbar machte, indem die Morgen und Abende fühler als früher wurden , wie überhaupt der Temperaturunterſchied zwiſchen Nacht und Tag in Aegypten
dieſe waren ihm im fünftigen Leben ebenſo wichtig als
ſehr beträchtlich iſt. Wir verließen daher auf dem größten
Reiſebilder au $ Aegypten .
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Touriſtenboote mit dem altehrwürdigen Namen „ Ramſes " für einige Monate Kairo , um füdlicher zu gehen. Die
Stadt mit ihren unzähligen, ſchlanken Minarets, mit der hodhragenden Citadelle, auf welcher Feſtung eine ſtarke, engliſche Befaßung liegt, blieb immer weiter zurück. Bald berſchwanden auch die hinter Rairo fich erhebenden Wind
Der Schöpfvorrichtungen aber gibt es zwei Arten. Die einfacheren , etwa unſeren Siebbrunnen ähnlich, heißen ,,Sdaduf“. Sie werden von einem Menſchen regiert, der mittels eines Schöpfeimers Waſſer aus dem Nil in eine ſchmale Rinne leitet ; ein zweiter , von einem andern ge: führter Schöpfeimer befördert aus dieſer Rinne das Waſſer
Rhoda, ſteht der Nilmeſſer, an dem das Volk das Steigen
wieder in eine höher gelegene, und ſo wird das Waſſer aus einem Kanal immerfort in einen andern höher gelegenen hinaufbugfiert, um das Land möglichſt allſeitig zu berieſeln. Die großartigeren heißen „ Sakîye“ . Sie ſind unſeren fo genannten Vaggermaſchinen , die den Sand aus den leichten Stellen der Flüſſe holen , ähnlich und werden von Rind : vieh oder Kamelen gezogen. Hier wird durch eine beträcht: liche Anzahl Eimer , die radförmig zuſammenhängen , eine größere Waſſermenge aus dem Fluß in die Höhe gezogen und aufs Land geführt. Eine ſolche ,,Salîye" madit in ihrer Thätigkeit ein unangenehmes , Nerven erregendes
des Fluſſes im Sommer mit Spannung beobachtet. Die
Geräuſch.
Steigung beginnt in Aegypten etwa im Juli infolge der
nicht mehr wie bekanntlich im Altertum göttlid verehrt wird,
Tagtäglich konnte ich auf der Nilfahrt die Fellahs, die faum mit einem Hemde bekleidet waren, bei ihrer mühs feligen Arbeit ſtehen fehen. Aber wenn ſie dieſelbe fleißig ausführen, ſo bleibt auch der Segen nicht aus. Das Land gibt viel Getreide, Zuckerrohr und in Unterägypten nament: lidh auch Baumwolle. Damit von dem fruchtbaren Lande mögs lid )ſt wenig unbenußt bleibe , ſind die Dörfer (auch die alten Tempel und Gräber) meiſt in der Wüſte, aber nabe am Rande des fruchtbaren Nilthales angelegt , um von dem Drte der Thätigkeit und des Erwerbes doch nicht zu weit entfernt zu ſein. Die Wohnſtätten ſind gewöhnlich
ſo beobachtet man doch fein Steigen mit großer Aufmerk:
aus Nilſchlamm aufgeführt und gleichen mehr Trümmer:
ſamkeit. Von beſonders angeſtellten Beamten wird zur Zeit der Ueberidwemmung der Nilmeſſer fontrolliert. Der gefundene Waſſerſtand wird durch Boten den Ein wohnern von Kairo immerfort bekannt gemacht, bis der Nil diejenige Höhe erreicht hat, die es erlaubt, den Kanal von Kairo zu durchſtechen. Dies iſt ein Zeichen, daß eine gute Ernte wird ; ohne den Nilſchlamm würde das Land
haufen, die durch einen Brand zerſtört wurden, als menſch
mühlenhügel ſowie der Gebirgszug des Mokattam unſeren Bliden. Aber ſtatt deſſen waren auf dem andern Nilufer
die mächtigen Pyramiden von Gizeh lange Zeit ſichtbar
und winkten gewiſſermaßen als alte Bekannte zu uns herüber, die uns nun weiter führen ſollten auf dem Boden
des alten Aegyptens , welchen wir in Kairos Nähe idon flüchtig betraten. Aber ehe wir ihrem Winken folgten, mußten wir öftlich das ziemlich verfallene, jedoch bewohnte Alt-Kairo ( Foſtât, Masr el Atikah) an uns vorüberziehen laſſen . In der Nähe von Alt-Kairo , auf der Nilinſel
großen Waſſermaſſen , die aus der Schneeſchmelze des
abeſſiniſchen Hochlandes und den Regengüſſen des tro : piſchen Afrikas herrühren. Seine höchſte Höhe erreicht der Fluß Ende September. Dann gleicht Aegypten einem großen See, aus dem die Dörfer wie kleine Inſeln hervor ragen. Die Kommunikation derſelben iſt durch Dämme her: geſtellt, die ſich von einem Dorfe zum andern ziehen . Bald jedoch ſinkt der Fluß wieder. Aber das Fallen geht lang: ſamer als das Steigen.
Wüſte bleiben .
Wenn nun auch heute der Fluß
Und ſo hat das Wort bes Herodot ſeine
lidhen Behauſungen .
Nur noch einen flüchtigen Blick werfen wir zum öſtlichen Nilufer hinüber, wo in der Ferne die Stein brüche von Tura und die fünſtliche Daſe von Hélouan er
ideinen , die von einem deutſchen Arzt zu einem heilſamen, durch Sdwefelquellen unterſtüßten Kurort für Lungen: franke, denen gerade die freie, friſche Wüſtenluft gut thut, eingerichtet iſt. Dann landet das Schiff am weſtliden
volle Wahrheit, daß Aegypten ein Geſchenk des Nils ſei. Iſt die Ueberſchwemmung einmal geringer ausgefallen , ſo ergibt ſich ein bedeutender Ausfall in der Ernte. Die Haupt kunſt des Landmanns beſteht darin , die Ueberſchwemmung gut auszunüßen, indem er durch Abdämmungen große Reſer
palmenwald uns wieder auf den Boden des alten Memphis zu tragen, das ſich von dem nördlich gelegenen Gizeh bis
Ufer bei dem Dorfe Bedrachin an ; und hurtige Eſel ſtehen ſchon bereit , durch einen kleinen , ſchattenloſen Dattel
voirs bildet, in denen er das ausgetretene Waſſer feſt
hierher zum heutigen Satfarah erſtreckt. In ſchnellem
hält, oder auch von dort in Kanälen auf andere Ges
Trab geht es durch die Felder des Nilthales hin, an einer
biete weiter leitet. Das ganze Land, d. h. der im Verhält:
fopfüber umgeſtürzten Koloſſalſtatue Ramſes' II. vorbei, in die Wüſte hinein, wo wir bald an ,Mariettes Haus" halten. Jener große franzöſiſche Aegyptologe lebte dort lange Zeit ſeiner Studien wegen , denen das Muſeum in
nis zu den weiten Wüſtenſtreden Aegyptens immerhin
ſchmale Fruchtlandſtreifen zu beiden Seiten des Nils, iſt ſo mit vielen Dämmen und Kanälen durchzogen. In der
Zeit, da das Waſſer ſinkt, beſteht nun die mühſame Arbeit
Vulat und auch die europäiſchen Muſeen viele Kunſtſchäße
der Fellahs, welche die eigentliche Aderbau treibende Be völkerung des Landes bilden, darin, daß ſie mittels Sdyöpf:
verdanken . Dann werden die Pyramiden beſichtigt, unter
vorrichtungen das Waſſer aus dem Fluß durd, Kanäle
iſt. Sie ſtammt wahrſcheinlich aus der Zeit der erſten
auf das Land bringen.
Dynaſtie und enthielt vermutlich feine Königs- , ſondern
denen die Stufenpyramide die größte und merkwürdigſte
Das Gold in Auſtralien .
eine Apis -Grabſtätte, worauf noch die Reſte des großen
Apis- Friedhofes hindeuten. Sie ſteigt treppenförmig an in etwa ſechs Stufen von je 10 m Höhe. Einen Haupt
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In den Felſen eingehauen ſehen wir hier Gräber von dem heiligen Wolf ; Mumienreſte, Schädel und Knochen liegen rings herum , als ob man für ein Muſeum eine Ausleſe
gegenſtand des Intereſſes bildet das Serapeum , in dem ſich die großartigen Grabſtätten der heiligen Apisſtiere
halten ſollte.
befinden . Durch einen langen, dunklen Gang erreicht man einen größeren, freien Plaß, auf dem mächtige Sarkophage nebeneinander ſtehen. In ihnen lagen einſt die Mumien
die Ruinen von Abydos, die von dem Dorfe Bellianah aus
dieſer heiligen Tiere.
Halmen ſtand (wenn auch noch nicht reif) , an die Wüſte heran , wo Abydos liegt mit ſeinem berühmten Tempel aus der Seit Sethis', des Vorgängers Ramſes' des Großen
Dody fvir kehren auf unſer Nils
boot zurück und erſchauen im Vorüberfahren die Zwerg pyramide von Maydum , bei den Arabern El Kebab ges
Der nächſte wichtige Punkt weiter ſtromaufwärts ſind erreicht werden. Zwei Stunden ritten wir durch das hier beſonders fruchtbare Nilthal, in dem das Korn in dichten
lleberfluß, der Interägypten verderblich geworden ſein
(alſo nach Lepſius etwa um die Mitte des zweiten Jahr tauſends v. Chr.). Dieſer Tempel zeichnet ſich beſonders durch ſeine gut erhaltenen Malereien , wie durch ſeine bes rühmten Königstafeln aus. Wir verlaſſen Abydos und wenden und weiter dem Tempel von Dendera zu, der dem Drte Keneh gegenüber auf
würde, entſandte. Aber zur Zeit der Waſſerabnahme ließ
der weſtlichen Seite des Nils liegt. Nach kurzem Ritt er
man dieſen Waſſervorrat dem Delta zukommen. Von dem See Moeris ſind kaum noch die Reſte mächtiger Dämme zu erkennen. Aber der Nilkanal eriſtiert noch unter dem
blicken wir ihn ; er wurde von Kleopatra der Hathors Iſis erbaut an einer Stelle , wo ſchon früher ein alter Tempel ſtand. Gewaltig ſind die Säulen und Wände, die mit wunderlichen Hieroglyphen reichlich bedeďt ſind. Allüberall aber ſchaut auf uns das Bild der Hathor herab, den Ruhkopf und zwiſchen den Hörnern die Mondſcheibe zeigend , jener Göttin , welche die gebärende Kraft der Mutter Erde darſtellte und auch die Liebesgöttin war. Die ſchöne Kleopatra ſelbſt iſt durch ihr eigenes Bild an einer Außenwand verewigt. Es iſt dieſer Tempel ſpäten Urſprungs. Aber da er ganz nach altem Muſter gebildet iſt, ſo veranſchaulicht er durchaus die altägyptiſchen Formen ,
nannt , und den Drt Beniſuef , wo ſich der Weg zur Daſe Fayùm abzweigt. Die Alten hatten das Fayûm durch einen Waſſerbehälter , den See Moeris , zu dem ein Nil kanal führte, fruchtbar gemacht. Der See diente als Waſſer
reſervoir, wohin Oberägypten bei hohem Waſſerſtande den
Namen Joſephskanal (Bahr Juſſaf), und ein großer See, der im Nordweſten liegt, mit dem Namen Birket el Kerûn, macht das Fayùm aud heute zu einem der fruchtbarſten Gebiete. Von Altertümern ſind hier namentlich die Trüm mer des berühmten Labyrinths zu nennen, die bei Howara, am Eingang ins Fayûm, fich finden, ein Werk des Königs Amenenha III., der auch die Waſſerreſervoirs anlegte. Immer weiter ſtromaufwärts kommt das Shiff und er: reicht bald am öſtlichen Ufer das Dorf Beni- Haſſan. Schon von weitem erblickten wir an den Höhenzügen der Wüſte große Löcher eingehauen , die uns als alte Felſen gräber erklärt wurden. Unter ihnen , die uns das erſte Veiſpiel der doriſchen und Lotusſäulen geben, ragen die Gräber von Amenamah und Knum Hotep als beſonders intereſſant hervor. Weiter famen wir an großartigen Ge
iſt jedoch im Verhältnis zu den Bauten Thebens, dem wir uns jeßt nähern , verſchwindend klein und unbedeutend. Auf dem Boden der alten hundertthorigen Stadt liegt heute das Dorf Luxor. (Schluß folgt.)
birgszügen vorüber , an welche der Fluß nahe heranſpült, und in die mächtige Gräber, ehemals für die heiligen Kroko dile beſtimmt, eingehauen ſind. Endlich langten wir in Affiât, der Hauptſtadt Oberägyptens von 27,000 Ein wohnern , an. Hier war vor Abſchaffung der Sklaverei
der Hauptſklavenmarkt. In anderer Beziehung erſcheint der Drt auch heute noch für die Aegypter als ein wich . tiger Handelsplak. Hier iſt der Ausgangspunkt der Rara wanen von Dar- Fur und Kordofan. Groß iſt die Zahl
der Kamele auf den Märkten , und viele der Erzeugniſſe des Landes werden hier feilgeboten. Auch ſind die Bazare, obwohl hinter denen von Kairo natürlich weit zurück tretend, für die dortige Gegend ſtark beſucht. Denn es gibt in Dberägypten ſonſt keine Städte , ſondern nur winzige Dörfer, die ſelbſtverſtändlich keine impoſanten Bazare auf: weiſen können. Hinter der Stadt Affiūt befinden ſich felfige Hügel , von denen herab ein herrlicher Rundblic auf Wüſte , Nilthal und die Stadt Aſſigt fid bietet.
Das Gold in Auftralien. Von R. v. Lendenfeld .
Dbwohl die Chineſen ſchon vor Beginn unſerer Zeit rechnung von der Eriſtenz Auſtraliens gewußt haben, und , wie es heißt , auch Alexander der Große während feines indiſchen Feldzuges davon erfuhr , ſo blieb das Land doch bis in die neueſte Zeit für die Kulturvölker des Weſtens eine Terra incognita, Die älteſte fartographiſche Darſtellung Auſtraliens iſt jene auf dem 1492 hergeſtellten Globus bon Nuerem burg, wo an der Stelle Auſtraliens ein großes Land mit unbeſtimmten Umriſſen als Java Major aufgeführt wird.
Der Erſte, von dem man mit Sicherheit weiß , daß er Auſtralien beſucht habe, war der portugieſiſche Seefahrer, Kapitän Menezes , der 1527 auf einer Inſel nahe der Weſtküſte landete und dieſelbe Abrolhos nannte , welcher
Das Gold in Auſtralien .
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Name noch heute im Gebrauch iſt. Menezes ſegelte eine be trächtliche Strede weit an der Weſtküſte entlang und machte einige topographiſche Aufnahmen. In den Jahren 1598 bis 1629 ſcheiterten mehrere Fahrzeuge an dieſer Küſte. 1616 fuhr das Amſterdamer Schiff „ Endraght “ in Sharkes Bai an der Nordweſtküſte des auſtraliſchen Kontinents ein , und eine der Inſeln, welche in jener Bucht liegen, führt nod heute den Namen des zweiten Offiziers der „ Endraght", Peter Doore. Noch andere holländiſche und portugieſiſche , ſowie auch ſpaniſche Fahrzeuge berührten im erſten Teil des
Blut der Angelſady jen und Wikinger, das in ſeinen Adern rollte, ließ ihn in ſeiner beſcheidenen Stellung keine Rube
ſiebzehnten Jahrhunderts die auſtraliſchen Küſten , doch
Cook ſondierte mit großer Kaltblütigkeit mitten im Kugel regen den Fluß. Dieſe Vermeſſung ermöglichte den eng liſchen Angriff, der mit der glänzenden Erſtürmung Due: beds durch die Highlanders unter Wolfe endete. 1766 überreichte Cook einen Bericht über eine Sonnen
wurde das, was die Leute dort beobachteten, aus Handelss intereſſen ſtreng geheim gehalten.
Die Torres-Straße, welche im Norden Auſtralien bes grenzt und von Neu-Guinea trennt , wird ſchon in einem Werke von Wytfleet 1598 erwähnt. Gleichwohl waren die Geographen in Europa noch lange im Zweifel , ob
Auſtralien mit Neu -Guinea zuſammenhänge oder nicht. In einer 1571 publizierten Karte iſt die Torres-Straße dar: geſtellt, in einigen ſpäteren Karten aber an ihrer Stelle kontinuierliches Land. In der 1550 auf Befehl des Königs von Frankreich
hergeſtellten Karte iſt der Kontinent von Auſtralien zum Teil richtig dargeſtellt, und beſonders finden wir hier zum erſten Mal richtige Details an der Dſtküſte, welche allerdings
nicht am richtigen Plaße iſt. Es war eben wegen der mangelhaften Inſtrumente zu jener Zeit ſehr ſchwer , die geographiſche Länge eines Punktes der Erdoberfläche richtig zu beſtimmen. Einige Namen an der Dſtküſte, wie z. B.
genießen. Er wurde Matroſe. 1752 finden wir ihn als
Mate auf einem der Kohlenſchiffe von New Caſtle. 1755 trat er in den Dienſt der engliſchen Kriegsmarine, und es bot ſich ihm bei der Belagerung von Quebed durch die Engländer eine ſchöne Gelegenheit dar, durch ſeinen
Mut und ſeine Geſchidlichkeit ſeinem Vaterlande einen weſentlichen Dienſt zu leiſten . Es handelte ſich um die Sondierung des Lawrence- Fluſſes, deſſen Ufer von den Frans zoſen und den ihnen berbündeten Indianern beſeßt waren .
finſternis der Royal Society of London und dieſe Arbeit zeugte von ſo außerordentlicher Befähigung und Beobach tungsgabe , daß die Royal Society , als es 1769 zur Ausſendung einer Expedition nach der Südſee zur Beobs achtung des Durchgangs eines Planeten vor der Sonnen : ſcheibe kam , den inzwiſchen zum Marine- Lieutenant avan : cierten Cook mit der Leitung derſelben betraute. JI Begleitung von Banks und Solander verließ Cook Eng land und landete an 6. Dktober 1769 in Neuſeeland.
Er nahm das Land im Namen ſeiner Majeſtät, des Königs von England in Beſiß und errichtete ſein Obſer: vatorium. Nachdem er das aſtronomiſche Ereignis beobachtet und die Küſte topographiſch aufgenommen hatte, fuhr er hins
Coſte des Herboiges (Botany Bay) werden noch heute
über nach Auſtralien und landete am 18. April 1770 an der Oſtfüſte von Tasmanien. Er hielt Tasmanien für einen
gebraucht. 1642 entbedte der fühne holländiſche Seefahrer Abel
Teil des Kontinents, überquerte, ohne ſie als Meerenge zu erkennen, den öſtlichen Teil der Baßſtraße und ſegelte der
Tasman die Inſelgruppe Neuſeeland , ſowie die Inſel Tasmania. Leştere hielt er für einen Teil des auſtra:
Dſtküſte des auſtraliſchen Kontinents entlang nach Norden. An vielen Stellen ſah man Eingeborene, welche das vorbeiſegelnde Schiff anſtaunten und ihm der Küſte ents lang auf weite Strecken nachliefen. Dieſe Auſtralneger
1
liſchen Kontinents.
Obwohl die hiſtoriſch - geographiſchen Forſchungen in neueſter Zeit dieſe und noch viele andere Thatſachen an das Tageslicht gebracht haben und wir daber wiſſen , daß die auſtraliſchen Länder ſchon vor 1650 im großen und
ganzen bekannt waren , ſo hatten doch die meiſten Geo
waren dunkelhäutig und in grotesker Weiſe, das Skelett darſtellend, weiß bemalt : mit weißen Querſtreifen an der Bruſt und mit Längsſtreifen an den Gliedern. Sie hatten gar keine Kleidung, und mit Entrüſtung ſchrieb Coof in ſein
graphen und Seefahrer jener Zeit faſt gar keine Kenntnis
Tagebuch „ the old woman herself being destitute even
von dieſen Küſten , bis Kapitän Cook durch ſein Reiſewerk
of a figleaf.“
die allgemeine Aufmerkſamkeit auf Auſtralien und Neuſee: land lenkte.
Mit Recht iſt deshalb auch Coof der Nationalheld Auſtraliens und dies umſo mehr, als ſeine eigene Lauf: bahn ganz dem Geldmade der Auſtralier entſpricht.
16
In Botany Bay fuhr Cook ein, landete daſelbſt, aber es gelang ihm nicht, ſich , wie er wünſchte, mit den Ein: geborenen in Verkehr zu ſeßen ; denn dieſe erwieſen ſich gleich anfangs ſo feindſelig , daß man ihnen mit einigen .
Sdrotſchüſſen den Standpunkt flar zu machen genötigt
Kapitän Cook war der Sohn eines Bauernknedytes
war. Die Schrotkörner im Leibe waren der erſte Gruß,
und wurde 1728 in Marton ( Yorkſhire) geboren. Er genoſ
welchen ſie von der ziviliſierten Welt erhielten , kein Wunder alſo , daß ſie ſich dieſer nicht liebend und vertrauensvoll in die Arme warfen.
feine Schulbildung , lernte jedoch fümmerlich leſen und
ſchreiben und trat als Knecht in eine Gemüſehandlung Das Meer ſcheint auf ihn von Anfang an eine
Von hier ſegelte Cook an der Dſtküſte bis zur Nordípiße
unwiderſtehliche Anziehung ausgeübt zu haben , und das
Auſtraliens, Cape York , entlang , ließ in der Nähe des
ein.
Das Gold in Auſtralien .
137
heutigen Cooktown ſein an den Korallenriffen leck ge:
ſo wuchs doch die Anſiedlung ſtetig, da zahlreiche weitere
worbenes Fahrzeug ans Land ziehen und ausbeſſern ,
Verbrechertransporte in raſcher Folge eintrafen. Mit der
machte ſehr viele Beobachtungen und große Sammlungen und kehrte endlich ſehr befriedigt mit den Reſultaten ſeiner Reiſe nach England zurück. Hier ſchrieb er ſeine Beobachtungen nieder, und dieſes Werk , welches den Anſtoß zur Koloniſation des Landes
Zeit gelang es auch , Vieh zu züchten und Getreide zu kultivieren, und man begann , ſich in dem neuen Lande umzuſehen und von Sydney aus Reiſen ins Innere und an der Küſte entlang zu unternehmen.
Mit der Ausbreitung der jungen Rolonie mehrten
gab, iſt es, ebenſo wie ſein bekanntes jähes und tragiſches Ende im Dienſte der Wiſſenſdaft, denen er den Glorien
ſich auch die Streitigkeiten mit den Ureinwohnern des Landes, und es entſpann ſich jener erbitterte Kampf zwiſchen
ſchein des Ruhmes verdankt, welchen ſpätere Geſchlechter
den Europäern und den Auſtralnegern , der erſt neuerlich
über ſeine Erinnerung gebreitet haben. Sobald das Wert Cooks in weiteren Kreiſen bekannt geworden war, erwachte bei vielen Engländern die Idee, Auſtralien zu beſiedeln, teilweiſe um einen Erſat für die
mit der vollſtändigen Vernichtung der leßteren im ſüdöſt lichen Teile von Auſtralien geendet hat. Die erſten Entdeckungsreiſen von Wichtigkeit waren jene , welche Baß und Flinders in einem kleinen Boote
eben verlorenen nordamerikaniſchen Kolonien zu erlangen.
zur Erforſchung der Küſte ſüdlich von Sydney unternahmen .
Anfangs wollte man in England die Anhänger der engliſchen Herrſchaft in Nordamerika, welche ſich in Folge
Sie entdeďten im Jahre 1800 die „ Baß " -Straße und liefer ten damit den Beweis, daß Tasmanien nicht mit dem Feſt land von Auſtralien zuſammenhängt, ſondern eine Inſel iſt. In den folgenden Jahren entdeckte Flinders den König Georges -Sund und die Bucht von Adelaide an der Süds füſte, und er fuhr 1802 mit der ,, Lady Nelſon" in Port Phillip ein. Alle von ihm berührten Küſtenpunkte wurden
des Sieges der Independenten in einer ſehr mißlichen
Lage befanden , nach Auſtralien transportieren und dort anſiebeln und eine freie Rolonie in Neu -Südwales nannte Rapitän Cook das öſtliche Küſtenland
fo grün-
den. Doch es kam nicht dazu, nach längeren Unterhandlungen ivurde dieſer Gedanke wieder fallen gelaſſen. Bisher hatte man die zur Deportation verurteilten
Verbrecher immer nach Amerika geſchickt. Doch jeßt war
dieſe Abfaßſtelle verloren , und ſo füllten ſich denn die Gefängniſſe in England in ſehr bedenklicher Weiſe mit Verbrechern , mit denen man nichts anzufangen wußte.
Das neue Land bot das gewünſchte Abſaßgebiet , und es
wurde beſchloſſen eine Verbrecher -Kolonie in Neu-Südwales zu gründen . Eine kleine Flotte wurde zu dieſem Zwede ausgerüſtet, und verließ im Mai 1787 unter dem Kommando Phillips das engliſche Geſtade. Man nahm alle nötigen Geräte, Sämereien , Haustiere 2c. und Proviant für zwei Jahre mit. An Bord der Flotte befanden ſich 197 Offiziere, Soldaten , Matroſen und Beamte mit 28 Frauen und
in Befit genommen .
Shon im nächſten Jahre wurde von Sydney aus eine Verbrecher -Kolonie in Tasmanien gegründet, und bald darauf machte man von Tasmanien aus den Verſuch, in
Port Phillip eine Anſiedlung zu errichten . Dieſer Verſuch fchlug aber fehl - angeblich wegen der Unwirtlichkeit des Landes - und die Roloniſten kehrten nach Tasmanien zurüd. 1812 gelang es einigen fühnen Reiſenden , den ſchroffen Rand des Tafellandes hinter Sydney, die ſogen. ,,Blue Mountains", zu erſteigen. Bei dieſer Gelegenheit wurden die fruchtbaren Ebenen von Bathurſt entdedt. 1814 etablierte ſich eine Miſſion in Neuſeeland. 1817 bis 1823 wurden einige erfolgreiche Expeditionen nach dem Hinterlande und der Küſte entlang nach Norden
von Sydney aus unternommen. 1824 reiſten Hume und
17 Rindern , ſowie 558 männliche und 192 weibliche zur
Hovell von Sydney quer durch die ſüdöſtliche Ede bon
Deportation verurteilte Verbrecher, die leşteren mit
Auſtralien nach Weſtern Port an der Südküſte. Im folgenden Jahre wurde in Brisbane , an der Dſtküſte, nördlich von Sydney , eine Verbrecher-Niederlaſſung ges
13 Rindern .
Am 18. Januar 1788 erreichte das Flaggenſchiff ,,Sirius " Botany Bay. Dieſer Hafen ſchien dem Romman: danten Phillip jedoch nicht zur Landung geeignet , man rekognoszierte deshalb den etwas weiter nördlich gelegenen
Hafen Port Jadſon und fand hier eine günſtige Stelle am ſüdlichen Ufer : Sydney Cove. Dort wurde alſo die Aug:
ſchiffung bewerkſtelligt und eine Stadt angelegt, welche zu
gründet , welche ſich raſch entwidelte und zu dem Rern einer eigenen Kolonie wurde.
1826 verſuchten die Tasmanier abermals, wie vor zwanzig Jahren , eine Kolonie an der Südküſte des Ron: tinents, und zwar diesmal in Weſtern Port öſtlich von Port Phillip --- zu gründen , doch auch dieſer Verſud
Ehren des Lords Sydney deſſen Namen erhielt. Sydney
ſchlug fehl.
Cove, wo die erſte Landung ſtattfand, iſt heute der Mittel-
Koloniſten an der Weſtküſte des Rontinents an .
punkt der Weltſtadt Sydney mit einer drittel Million Ein:
wurde dieſelbe genauer unterſucht und im folgenden Jahre von England aus eine von Neu-Südwales unabhängige
wohnern.
In eben dieſem Jahre ſiedelten ſich einige 1828
Dbwohl die junge Kolonie anfangs keine beſonderen
Verbrecher-Kolonie dort in der Nähe von Perth – jeßt
Fortſchritte machte und die Unkenntnis der klimatiſchen Verhältniſſe den Roloniſten große Schwierigkeiten bereitete,
die Hauptſtadt – gegründet. Dieſe Kolonie erhielt den Namen Weſt Auſtralia.
Zur litauiſchen Bollemufit.
138
1834 endlich gelang is einigen Tasmaniern , ſich dauernd in Port Phillip niederzulaſſen, worauf ſie im fol : ſiedelung gründeten, welde während der letzten fünfzig Jahre zur Weltſtadt Melbourne mit ein drittel Million Einwohnern
feßung betrifft, ſo hat ebenfalls hier das Bemühen ge herrſcht, ſingbare Terte herzuſtellen , die zugleich, ſoviel wie einem deutſchen Dhr erträglich iſt, den litauiſchen Geſange charakter wiederſpiegeln . „Was unter allen Umſtänden bewahrt bleiben mußte,
angewachſen iſt.
iſt der Grundton des Volteliedes, bei welchem alles mehr
1836 wurde die Kolonie Süd - Auſtralien mit der Hauptſtadt Adelaide in dem von Flinders 1802 entdecten
empfunden , als gedacht, mehr in Bildern durchlebt, als
genden Jahre an der Mündung des Yarra - Fluſſes jene An
Hafen gegründet. Drei Jahre ſpäter ( 1839) begann eine religiöſe engliſche Geſellſchaft Neuſeeland zu koloniſieren. 1844 unternahm Dr. Leichhardt feine große Expes dition. Er reiſte von Sydney in nordweſtlicher Richtung und langte nach Jahr und Tag in Effington an der Nordküſte von Arnhems Land an.
nach Kunſtregeln ausgeſtaltet iſt. Wenn eine Erzählung 3. B. in der erſten Perſon beginnt und dann plößlich in der
dritten Perſon fortfährt ; wenn der Fortſchritt nicht ſelten unklar iſt und ſprungweiſe erfolgt, wenn es dem Ganzen an gehöriger Pointierung und endlich gar auch an einem rechten Schluß fehlt , - ſo iſt dieſes alles in der Natur
dieſer Lieder liegend und durfte nicht verwiſcht werden . —
1850 war der Diſtrikt in der Umgebung von Mel:
Unſere deutſchen Kunſtfreunde und Kunſtfreundinnen find
bourne (Port Phillip) ſchon in hoher Blüte und wurde,
freilich beeinflußt durd die moderne Schulung und können
um den Streitigkeiten mit Sydney ein Ende zu machen, für unabhängig von Neu-Südwales erklärt und zum Nang einer eigenen Rolonie : Victoria, erhoben. Neun Jahre
3. B. rhythmiſche Wilfürlichkeiten, wie ſie in den litauiſchen
ſpäter folgten die Bewohner von Brisbane und Umgebung
ſchäßung des Wertes der harmloſen kleinen Lieder ſprechen möchte (die – wie f. 3. erwähnt - Herder, Goethe und
dieſem Beiſpiele, trennten ſich von Neu-Südwales ab und
Sangweiſen'vorkommen , nicht ohne Unwillen ertragen .“ Bei der Erwägung , daß ein Kritiker von Ueber
ließen ſich zum Rang einer eigenen Kolonie : Queens:
Uhland gar hoch ſchätten ), ſagt Chr. Bartſd : „ Wenn
land, erheben. Jeßt, da die Küſten im Südoſten mit energiſchen Koloniſten bevölkert waren, begann man, ſich auch der Er forſchung des noch ganz unbekannten Innern des Rontis
gleich ich das nicht glaube , ſo könnte ich einem ſo Urtei
nents zuzuwenden .
Werkes , deſſen Idee ich vor mehr als dreißig Jahren, berauſcht von den fremden Tönen litauiſcher Volksmelos dien , faßte , die Idee eines Urkundenwerkes , auf Grund
(Schluß folgt . )
Zur litauiſchen Polksmuſik. Von E. Lemke.
Der im vorigen Jahre in Nr. 17 dieſer Zeitſchrift
angekündigte II. Teil der Dainu Balſai (Melodien litau iſcher Volkslieder, geſammelt und mit Tertüberfeßung, An. merkungen und Einleitung im Auftrage der Litauiſchen litterariſchen Geſellſchaft ), herausgegeben von Chriſtian
Bartic – Heidelberg , Karl Winters Univerſitätsbud :
lenden auch nicht zürnen , müßte vielmehr zugeben , daß
(die vorangegangenen Erörterungen betreffend) es zunächſt Worte der Freude ſind über das endliche Gelingen eines
deſſen die philoſophiſche Forſchung ein Urteil fällen könnte, einerſeits über den Zuſammenhang zwiſchen dem litauiſchen Nationaldarakter und der litauiſchen Volkemuſit, anderer: ſeits zwiſchen dieſer Muſik und der dazu gehörigen Dichter ſprache, ja der Volksſprade überhaupt. Daß es einen folden Zuſammenhang geben müſſe, geſeßt von der Natur zugleich mit der Geſamtheit aller andern Eigentümlichkeiten
und Fähigkeiten dieſes Volkes , und daß das Studium
vor, ein erfreuliches, bankenswertes Ereignis für die Vers
dieſes Zuſammenhanges zugleich von Wichtigkeit für die Erkenntnis der Menſchheitsſeele überhaupt und deren Aus ſtrahlungen in Muſit und Poeſie ſein müßte , ſtand icon
ehrer litauiſcher Volksmuſit , ſowie für jeden, der ſich für
damals in meinem Denken feſt."
handlung — liegt nunmehr in umfangreicher Ausſtattung
nationale Poeſie und Völkerpſychologie intereſſiert. Ins
Sehr häufig finden wir Doppellieder ; 3. B. „Wande
dem im allgemeinen auf die oben angedeutete, den I. Teil betreffende Beſprechung hingewieſen ſei , mögen hier noch
einſt ein Mädchen bei dem Rautengarten" und „ Wandelt'
einige Ergänzungen Plaß finden .
im Feld ein Bienchen fliegt," – wo im „ Gegenliede" ges ſagt wird : „ Ei, du Knäbchen , ei, du Kleechen .“ Ein ander: mal heißt es im „ Gegenliede" :
Zu den vorher gedructen Dainos ( 164 Nummern )
ſind 228 neue gekommen, welche große Anzahl der Heraus
einſt ein Jüngling bei dem Kirſchengarten ;“ oder „ Fern
geber beſonders dem Forſcherfleiße der Königsberger Pro
„Ach, ich wollte gar nicht
feſſoren Peter V. Bohlen und Adalbert Bezzenberger ver:
Einen Witwer nehmen ; Ach, ich wollte gar nicht Einem Witwer folgen .
dankt, die zu ganz verſchiedenen Zeiten und auf eigenen Wegen für denſelben Zweck gewirkt haben. Die mit
1
Wil darum mich flüchten
geteilten Melodien ſind aud in dieſem Bande den überall namhaft gemachten Quellen getreu nachgeſchrieben ; nur
einige wenige wurden dabei transponiert. Was die Uebers
Auf die grüne Wieſe , Wil mich dort vermandeln In ein weißes Kleedet. " 17
Sleinere Mitteilung.
139
Vielleicht ſtellen dieſe Doppellieder urſprünglich eine
durch unterſcheidet, daß es aus einem Malz gebraut wird,
Rollenverteilung bei geſellſchaftlicher Unterhaltung vor,
welches halb aus Hopfen , halb aus Gerſte beſteht und viel gelinder als das Biermalz gedarrt iſt; es hat eine blaßgelbe Farbe und berauſcht leicht.
indem einmal nur die weiblichen und das anderemal nur die männlichen Mitglieder des Kreiſes die Daina vortrugen.
In einigen Liedern iſt vom Pfau die Rede , deſſen
In auffallender Häufigkeit tritt uns die Anwendung
ſchöne Federn auf der Erde rauſchen; ſchön wohl iſt die Pfauenfeder im Samaitenlande". In mancher Gegend
der Diminutiv - Form entgegen ; z. B. Väterchen , Mütterchen , Männiten, Weibchen, Töchterchen , Söhnchen , Schwiegers ſöhnchen, Altchen, Brüderchen , Bräutchen, Ländchen, Städt
Litauens , beſonders des ruſſiſchen , iſt es Sitte , daß die Mädchen ihren Kopfpuß mit Pfauenfedern ſchmüđen , welche ſie nach der Hochzeit ablegen müſſen. Aber der Haupt: chmud des heranwachſenden Mädchens und ein weſentlicher Beſtandteil des Brautfranzes iſt die Raute (Ruta graveolens L.) ; und dieſe Pflanze kehrt in zahlloſen Liedern wieder. Außerdem ſind Vergleiche zwiſchen Lilien und
Mädchen , Päonien und Burſden äußerſt beliebt ; und u. a. wird auch das Eberreis (Eberraute , Artemisia Abrotanum L.) oft erwähnt. Leştere, von den Litauern faſt heilig gehaltene Pflanze iſt auch unter dem Namen Diemedelis, d. i. Gottesbäumchen, bekannt. Eigentümlich
iſt die Erwähnung des Delbaumes ; Dainu Balsai II., Nr. 189, ſowie I. Nr. 91. Während der Herausgeber bei dem lektgenannten , weit verbreiteten Liede die Deutung
„ Delbaum “ auf die Worte Alywas und Alywu medis
den , Dörfchen , Gütchen , Höfchen , Häuschen , Stübchen, Pferdchen, Grauchen, Schimmelchen, Dechschen, Schäfchen, Sdyweinchen , Gänschen , Entchen , Täubchen , Hähnchen , Küchelchen , Hechtchen , Bienden , Gärtchen , Bäumchen ,
Graschen , Rautchen , Kleechen , Blümayen , Sträußchen, Kränzchen , Birkenwäldchen , Birkenſtödchen , Heuchen, Wölf: chen, Neſtchen , Feinpelzchen , Wölfchen, Seechen, Schiffchen ,
Sūlittchen, Stegchen, Brettchen, Sdnürſchuhcen, Hütchen, Häubchen, Bettchen, Schnäpschen, Butterbrötchen, Weizen flädchen, Händchen, Köpfchen , Geſichtchen, Härchen, Ver ſtändchen, Herzchen , Wörtchen, Liebchen , Morgengrüßchen, Schulzchen, Mariechen, Alanelchen, Gottchen u. f. w. Der gleichen finden wir indes auch im übrigen Dſtpreußen
reichlich vertreten. Ilnd das litauiſche Alanelchen (Mädchen name) erinnert an das oſtpreußiſche Miſerehlchen. Uns gemein oft heißt es : „ O mein Gott, mein liebes Gottchen "
bezieht, indem er zugleich erklärt, daß damit der ſpaniſche Flieder (Syringa vulgaris L.) gemeint ſein könnte , ſagt er zu Nr. 189 im II. Bande : ,, Im übrigen darf man wohl mit Sicherheit annehmen, daß dieſes Lied in ſeinen. erſten Teil aus recht alter Zeit ſtammt, aus einer Zeit,
aud dies treffen wir in der ganzen Provinz Dſtpreußen an . Es ſei hier auch der allgemein üblichen ,, Marjell" d. i. Mädchen , gedacht; ein Wort , das ſowohl ein Zärt
in welcher Anſchauungen und Anregungen auf die Dainas
lichkeitsausdruck, wie ein Schimpfwort ſein kann, im übrigen
Sänger wirkten, die heute ſchon lange verſchwunden ſind. Bei der Natur des jeßigen Vaterlandes der Litauer iſt
aber keinen Altersunterſchied oder überhaupt eine Begrüns dung fennt , wie anderwärts angenommen wird. Der Dſtpreuße nennt ſein Töchterchen ,,'ne trautſte Marjell." In Litauen finden wir dem entſprechend Mergéle, Mers
nicht anzunehmen , daß hier je ſo wertvolle „ Delbäume" vor Väterchens Fenſter geſtanden und Früchte getragen hätten ; man denkt unwillkürlid an ein mehr ſüdliches Vaterland. Ein jo allgemein geſungenes und vielfach variiertes Boltslied aber aus der bloßen Neigung zur Nadbildung fremder Stoffe entſtanden denken , ohne daß
dieſer Nachbildung irgend eine andere ſinnliche Anregung als vielleicht eine gehörte Melodie zu Grunde gelegen,
oder „
Gott , mein Gottchen , mein liebes Gottchen" ;
gyte u. f. w.
Auf die eigentlich muſikaliſche Seite des wichtigen Werkes näher einzugehen , überlaſſen wir einer berufenen Feder ; doch können wir's uns nicht verſagen , noch auf .
die dem II . Bande mitgegebene und durch flluſtrationen
cheint mindeſtens gewagt. Wenn von den Beeren des
unterſtüßte Abhandlung über litauiſche Muſikinſtrumente hinzuweiſen. Pfarrer Lepner ſagt in ſeinem im 17. Jahr:
Delbaumes geſagt wird : ,,Sie dufteten wie Rheinwein ,"
hundert erſchienenen Buche über das ſangesluſtige Völlchen :
ſo iſt dieſe Vergleichung eine ſpätere poetiſche Zuthat, der wenigſtens die wirkliche Bekanntſchaft mit Rheinwein, den
,,Der Littau iſt geneigt zum Heulen , Spielen , Singen , Die Kantel, Trub, Geig, Pfeif muß bei ihm ofte flingen."
die wohlhabenden Litauer ſeit Jahrhunderten kauften und
Möge dem Herausgeber in immer zunehmendem Maße
bei Feſten neben ihrem Hausbier (Alus) und Met (Midus)
die Freude zu teil werden , ſein Lebenswert geſchäßt zu
tranken , zu Grunde liegt. Vielleicht ſtammt dieſes Lieb,
ſehen, wie dasſelbe es wahrlich verdient !
1
wie andere Lieder mit ähnlichen Anklängen , aus dem 14. Jahrhundert, da die Herrſchaft des Litauerkönigs Gibi
min und ſeiner ihm folgenden Söhne Olgierd und keiſtut bis ans Schwarze Meer reichte. Vielleicht aber ſind's auch
Kleinere Mitteilung.
Nadklänge aus noch früherer Zeit, die darin fortgeſungen
* Zur Riviera
wurden.“ (Vergl. das in Nr. 17
-
1889 – über das
eilen alljährlich die für den nordiſchen Winter wirklich oder ver Alter der litauiſchen Volksmuſik Geſagte !) Gelber Allus
iſt ein Nationalgetränk, das ſich vom Bier ( Pywas) da-
meintlich zu ſchwachen Naturen , um im meerumfloſſenen lande des ewigen Friihlings neue Lebenskraft gegen Gold einzutauſchen.
Aleinere Mitteilung.
140
Mit Vorliebe geht der deutſche Fremdenzug immer noch nach Cannes, Mentone und Nizza , da die Wettrennen zu Waſſer und
die tunnelreiche Fortſetzung bis Limoue aureiht, während gleich
zu land , die Faſtnachtss, Schaus, Muſik- und ſonſtigen Spiele
zeitig die Bahnſtređe Ceva-Gareſio (als Thalabzweigung der Hauptbahn Turin -Savona) den Fremdenverkehr iiber die ſtark
eine größere Anziehungskraft dort ausiiben , als in San Remo,
befeſtigten Alpenübergänge gegen Oneglia und Albenga zu fiihren
wiewohl die italieniſche Riviera billiger, für uns heimiſcher, auch
beginnt. Bemerkenswert iſt die unmittelbar an der Poſtſtraße Gareſio -Oneglia (3 km nördlich des Nava.Forts) gelegene , jeit
1
ſtets um einige Grad wärmer, als die franzöſiſche iſt.
Von den auf gleicher Breite und Meereshöhe gelegenen Orten zeichnet ſich durch die wärmſte Lage in der Regel derjenige aus,
welcher am längſten der Einwirkung der Sonnenſtrahlen , am ſeltenſten aber rauhen Winden ausgeſegt iſt. An der ſüdlichen Luft und Sonne nimmt die ganze mittelländiſche Küſte, ſoweit nicht etwa durch Vorgebirge verdedt, gleichmäßigen Anteil; der
klimatiſche Unterſchied der Riviera-Orte hängt alſo weſentlich von dem Maße ab, in welchem dieſelben gegen die kalten Luftſtrömungen ſich geſchüßt finden. Steil und unmittelbar zur Küſte abfallende
halbkreisförmige höhere Berge , wie bei Dipedaletti , halten die Winde kräftiger ab , als nur allmählich fich abdachende, in breitere Vorebenen auslaufende oder durch tiefe und lange Thäler durchfurchte Gebirge. Die in gerader Richtung von Norden her
1887 leicht zugängliche, 400 m lange Höhle bei Ponte di Nava mit hübſchen Tropfſteinbildungen , Schachten und Schluchten, auch zwei Seen . (Vgl. Vaccas „ Caverna ossifera nelle A! pi mari.
time“, 1886, Albenga bei Craviotto, 8 S.) Weſentlich abgekürzt wird dereinſt uns Nordländern die Fahrt zur ewigfrühlingsgrünen
liguriſchen Küſte durch die allerdings ießt erſt zu bauen begonnene Bahn Aſti-Acqui-Ovada-Genna, durch Parma-Spezia, wovon nur noch das Mittelglied (vgl. S. 24 Uziellis „ Gita geologica nella Liguria orientale “, 1888, Turin bei L. Rour) fehlt, ſowie hoffent. lich bald auch durch die Splligen und die Simplon Bahnen . Colmar i. E. F. Geigel.
Druck und Verlag der I. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachf.
einmündenden Thäler ſind es , welche Nizza , Mentone, wie der
in München und Stuttgart.
italieniſchen Grenzfefte ,, . D." Bentimiglia eine ſtändige Eisluft zufiihren. Mentone liegt zwar auch gegen Weſt- und Oſtwinde
Fiir die Redaktion verantwortlich : W. Keil in München.
frei, iſt aber gegen Nordwinde wegen des ſteilen Abfalles der bis zur Küſte reichenden Seealpen beſſer geſchikt, als die ganze Ritſte
von Nizza bis Fréjus, welche vom Bergwalle ſich bereits zu weit entfernt hat. Die ſelbſt gegenüber Mentone viel wärmere Lage San Remos erklärt ſich aus dem beſſeren Schuße gegen
In unserm Verlage erschien soeben und ist durch alle Buchhandlungen zu beziehen :
Oſt und Weft durch die 4 km entfernten Vorberge gegen Taggia - und Dipedaletti , ſowie daraus , daß die bei San Remo einmiin . denden , faum 6 km laugen Thälchen mehr weſtlich von dem Höhenzuge zwiſchen dem Bignone (1298 m ) nud der 750 m
Karte von Afrika
hohen Rocca oberhalb Col di Rodi herkominen , alſo keine eiſige
von R. Andree und A. Scobel.
Nordluft zufiihren. Um 2 Grade wärmer noch als San Remo liegt die nur gegen Süden offene , kaum 2 km lange. Bucht von
Massstab 1 : 10,000,000. Ausgeführt in der Geogr. Anstalt von Velhagen & Klasing
.
Oſpedaletti , geſchügt gegen Nord und Weſt durch die je 3 km entfernten Berge Rocca (750 m) und Monte Nero (609 m), enda lich gegen Oft durch den zwar nur 240 m hohen , aber um jo ſteiler abfallenden und von 'Oſpedaletti faum 1 km entfernten „ Rabenberg“, wie ſich dies aus der bei C. Deđer Ww. in Colmar i. E. (portofrei 85 Pf.) erſchienenen , im Oktoberheft der „ Gaea" 1888 S. 582 beſprochenen „ Vogelſchau yon Oſpedaletti bis über die franzöſiſche Grenze hinaus “ ergibt. Vielleicht wirkt hier, wie bei Baden -Baden und Wiesbaden auch die aus der Tiefe auf
in Leipzig.
Neuer revidierter und vermehrter Abdruck mit Spezialkarten der deutschen Besitzungen. Preis 5 M. Pf. In Umschlag gefalzt 7 M. 50 PT. Auf Leinwand gezogen in Mappe Auf Leinwand gezogen mit Stäben 8 M. – Pl.
Dieser nene revidierte Abdruck der bekannten
und allseitig geschätzten Andree-Scobelschen Karte
ſteigende Wärme etwas mit ; beim Palmenhain gegen Bordighera
von Afrika, welcher schon längst erwartet wurde
zu, welches villens, aber auch windreicher iſt, weil es, wie Monaco, halbinſelartig ins Meer vorſpringt, tritt eine ſchon von den Römern gefaßte warme Schwefelquelle 311 Tage. Bordighera , Dipedaletti und (etwa vom März ab) Nervi , Þegli und Alaſſio empfehlen ſich hauptſächlich denjenigen , welche ihre Befriedigung mehr im gemütlichen eigenen Heim des Villen- und Familien lebens oder gewiſſermaßen als Einſiedler im idylliſchen Kneipen
und jetzt, wo Afrika wiederum im Vordergrunde des politischen, wissenschaftlichen und merkantilen Interesses steht, zur gelegensten Zeit kommen
der Frühjahrsluft und der Naturſchönheiten finden. Leider hat noch kein Alpenflub die den Winterturorten 311 nächſt gelegenen Seealpen durch Pfade , Rundſchau , Wegefarten und Wegweiſer zugänglicher gemacht , troydem die Ausſicht z. B. von den erwähnten Bergen Bignone, Nero, Rocca und namentlich dem in ihrer Mitte gelegenen Caggio ( 1090 m ) , auf welchen noch Ringmauern uns an die Keltenzeit erinnern , von den lerini.
ſchen Jujeln und Corſica bis zur Provinzialhaupt und Hafenſtadt Porto Maurizio und den italieniſchen Sperrveſten am Col di Tenda
dürfte, wird für den Kolonialpolitiker, den Ge lehrten, den Kaufmann , sowie für jeden Zeitungs leser, der die Vorgänge in Afrika, speziell in unsern
Kolonialgebieten verfolgen will , unentbehrlich sein . Die Karte enthält die Ergebnisse aller Forschungs reisenden bis zum Schlusse des Jahres 1889 und ist, nachdem ihr Preis um ein Viertel des früheren
l'reises ermässigt worden ist, nicht nur die neueste und zuverlässigste, sondern auch die handlichste
and billigste inrer Art. Ueber die 1. Auflage ur teilte Herr Professor Dr. G. Schweinfurth in
Kairo : eine hoch verdienstliche Arbeit, die ihres Gleichen sucht, Herr Professor Dr. A. Kirchhoff in Halle a . S.: man kann be haupten , dass wohl noch nie ein so zu Terlässiges Material afrikanischer Lan deskunde
in
solcher
Fülle auf einem
reicht. Letteren Paß durchbricht die auch im Winter ſtets offene Poſtſtraße Cuneo-Nizza mittels eines 3.4 km langen Straßent
einzigen Uebersichtstableau
vereinigt
tunnels ; die italieniſche Militärbahn von Cuneo nach Bentimiglia wird faum vor ſechs Jahren fertig ſein ; ſeit 1888 iſt die Anfangs. fređe bis Robilante eröffnet , woran ſich im kommenden Jahre
Verlag von Velhagen & Klasing in Bielefeld u. Leipzig.
wurde.
1 Das Juslaud. Wochenſdrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fachmänner herausgegeben von der I. G. Gotta’ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und Wünden . Dreiundſechzigſter 3ahrgang.
Stuttgart, 24. Februar
Nr. 8.
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7.
1890.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des Jil- und Auslandes und die Poſtämter. -
Manuſkripte und Recenſione-Gremplare von Werken der einjdlägigen Litteratur ſind divett an die Verlagshandlung in Stuttgart zu ſenden.
Inſertionê.
preis 20 Pf. für die geſpaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Durch den Siiden Merikos und durch Zentral-Amerika. Von Guſtav Panli. (Fortſetung.) S. 141 .
2. Das
Gold in Auſtralien. Von R. v. Lendenfeld. (Schluß.) S. 145. 3. Reiſebilder aus Aegypten. Von Ernſt Schreder. IV. Von Kairo 4. Aus dem ſtandinaviſchen Norden . Von bis zum erſten Katarakt. 2. Luror ( Theben ). 3. Von Luror bis Aſſuan. S. 151 . Hans v. Schönberg . S. 154. 5. Die Kinder der Indianer Nordamerikas . Von Friedrich I. Bajeten . S. 157. – 6. Geographiſche Neuigkeiten .
S. 160 .
Durch den Südeu Mexikos und durd Zentral-Amerika.
Karrenpferden , die man jeßt nur mit hartem Gras und
Von Guſtav Þauli.
wähnung finden, derzufolge eine Familie im Falle des Todes
Laub fütterte. Beſſer hatten es zwei behende Rehe, die bis in mein Zimmer vordrangen , ſobald ich die Thüre zum ummauerten Garten zu ſchließen bergaß, wo ein vom Norder geknidter Stamm ihnen mit ſeinem Laube reich lidhe Nahrung bot ; die Tiere waren viel ſtärker als unſere Rehe. Sodann waren die Aeſte eines mächtigen Stammes dort, immer auf der Sonnenſeite, von dunkel: gefärbten, bis zwei Fuß langen Eidechſen (Leguanen) bedeckt.
eines ihrer Glieder das Haus auf einige Zeit verläßt und,
30 ſah die Haut dieſes Reptils zu recht dauerhaften
wenn thunlich, vermietet. Eine Leichenwache iſt üblich, bei der an jeder Ede des Sterbelagers eine Kerze brennt. Bei männlichen Leichen reicht man den Männern Bier , bei
Pantoffeldecken verwandt. Den merkwürdigſten Geſell
weiblichen halten Frauen die Wache und werden mit Schokolade bewirtet. Noch ſei der eigentümlichen Ver
der Chauna derbiana , ein Vogel von der Statur eines
( Fortſetzung .)
El Carmen gilt für ſehr geſund ; gelbes Fieber kommt wohl auf Schiffen vor , die aus infizierten Küſtenpunften einlaufen, tritt aber nie als Epidemie auf. - Da ich von
einer ſchweren Krankheit rede, mag hier die ſeltſame Sitte Er
wendung gedacht, welche die weißblechenen Petroleumkaſten am Drte finden. Die Leiden Unbemittelter, die ſich feine Grabſtätte faufen konnten , werden nach einer beſtimmten Reihe von Jahren aus den Niſchen der hohen Mauer, die
den Kirchhof umgibt, herausgenommen und die Knochen in ſolche Blechkaſten gethan.
ſchafter aber konnte ich nur über eine Mauer hin beob: achten ; ſein Ruf aber drang oft in meine Stille. Es war mittelgroßen Truthahnes, den man hier Taratana nennt. Er iſt ein Waldbewohner , der ſich den Menſchen als ein
überaus nüßliches Hauétier erweiſt. Sofort nämlich, nach: dem er ſich eingewöhnt , übernimmt er das Amt eines Wächters, und oft höre ich ſeinen Nuf in ſpäter Abends ſtunde noch. Am Tage hält er das Geflügel des Hofes unter Aufſicht; und ich ſehe ihn, wie er, ängſtlid um ſich
Als durchſchnittliche Jahrestemperatur des Ortes hat
blidend , vor einem Häuflein Hühner auf und nieder
man mir 25,50 C. angegeben. Eine große Plage in der heißen Zeit iſt neben den Mosquitos der ſogen. „ Rote
ſchreitet. Daß ihm Mäuſe, Ratten, Schlangen zc. ſchmad
Hund" , an dem auch Eingeborene leiden ſollen. Meinen gütigen Hausherrn hielten ſein lebhaftes Detail: geidäft, das gerade jeßt in der Beridhiffungszeit beſonders großartig fidh geſtaltende Holzgeſchäft und ſeine vielen Ronſulatsobliegenheiten vom frühen Morgen bis zum ſpäten Abend von Hauſe fern ; ſo konnten es denn nur ſtille Tage ſein , die id; verlebte. Beim Blick auf die Straße ruhte das Auge mit Bedauern auf den armen, abgemagerten Ausland 1890, Nr. 8 .
baſte Biſſen ſind, ſteigert ſeine Verdienſte um Haus und Hof. Aus den wenigen Tagen, die ich auf den Dampfer nach
dem Innern warten zu müſſen glaubte, wurden leider faſt zwei Wochen. Derſelbe war eingetroffen , fand aber ſebr lohnenden Verdienſt im Schleppen von Mahagoniholz,
Flößen von der Mündung des Rio Palizada in die Las guna, bis an die Stadt. Da er an keinen Fahrplan ge bunden war, mußte man ſich eben in Geduld fügen.
Endlich aber, um 1. Februar, ſollte der „ Tres Hermanos" 22
Durch den Siiden Mexifo . id durch Zentral-Amerika.
142
ein kleiner , einem Holzhändler aus dem Staate Tabasco gehöriger Tampfer, ſeine Reiſe antreten . Meine Reiſe gefährten waren meiſtens Holzhändler, die ihre Lieferungen
geregelt, neue Verkäufe abgeſchloſſen und dabei die Freuden der Hafenſtadt genoſſen hatten. Mit einem großen, leeren Holzkahn im Schlepptau ging es nur langſam vorivärts ; drei Stunden waren erforderlich, um die Laguna bis zur
Mündung des Rio Palizada zu durchkreuzen. Auf den Sandbänken, die dort den Mangrove-Waldungen vorgelagert waren, fonnten ſich in behaglicher Ruhe mehrere Alligatoren , die ich kaum erkennen konnte, wenn nicht einige Schüſſe die diden , grauen Leiber, fie mochten bis 12 Fuß meſſen, in Bewe: gung brachten. Die Indianer ſollen ſie entweder mit ſtarken Angelhaken fangen oder audy mit einem langen Meſſer bewaffnet, ſich voller Kühnheit und Gewandtheit
kahles Grasland. Zahlreich ruhten auf den Aeſten der Uferbäume Sguanas ; die größeren von roter Farbe be zeichnete mir ein Mitreiſender als die Männchen der
kleineren dunkelfarbigen. Nach einigen Stunden erreichten wir den kleinen Ort Palizada , wo wir leider den Reſt des Tages und die Nacht zu bleiben hatten. Das Dertchen von nur 1000 Einwohnern foll früher, als die Waldungen umher noch mehr Blauholz lieferten, mehr Verkehr ge habt haben. In meiner Kabine ſtieg das Thermometer bis auf 290 R.; Rein Schatten am Ufer , den ich endlich in einer offenen Halle beim Stadthauſe fand. Bis ſpät in den Abend hinein tobte der Tanz in einem dem Dampfer
gegenüberliegenden Hauſe. Am Morgen begrüßte ich ſchon hier den Grundbeſißer, zu deſjen Hacienda ich auf dem Wege war , begleitet von ſeiner
zu den größten Tieren ins Waſſer ſtürzen, um ihnen die
Familie und zahlreicher Dienerſchaft, die die Freuden des
Waffe in den Bauch zu ſtoßen.
Karnevals hier genoſſen hatten und nun nadi Hauſe wollten. Die Szenerie erlitt an dieſem Tage feine Wandlung: wenige kleine Anſiedlungen erſchienen an den flachen Ufern. Meiſtens war es junger Wald , von Schling gewächſen überſponnen , der den Fluß begleitet. Was nußt es , daß ich die einheimiſchen Namen für jene mäch tigen Stämme mit weißer Rinde und jene anderen , die
eine beliebte Speiſe.
Das Fleiſch iſt ihnen
Die Stämme, die am Fluſſe lagen,
waren dicht beſeßt mit der kleinen Auſter, der wir ſchon in der Markthalle der Stadt begegneten . An den Küſten des nahen Tabasco , ſei hier einge
daltet, findet man noch häufig die ſo viel verfolgte See
fuh (Manatus latirustris) ; ich beſite eine unverwüſtlidie Reitgerte aus ihrer Haut.
Man erzählte mir , daß aud
.
das prachtvolle Schirmbad tragen , hierher ſeße ?
Hie
Stöde aus derſelben gefertigt werden. Die Haut muß
und da kam auch der Mango vor. Drei Stunden brachten
dazu ein Jahr lang im Dunkeln Raum beſchwert aufge: hängt werden ; der Stock wird dann hart und durchſichtig.
uns zum Nio Ufumacinto, einem ſtattlichen Gewäſſer, das
der Fläche wieder und wieder klopfen und wenden und dann in den erhißten Ofen (comáls) legen. Im Hauſe verzehrt
aus Guatemala , wo es Rio de la Paſſion heißt , kommt und nun nordöſtlich von hier in Fontera, dem Hafen von San Juan Bautiſta , das Meer erreicht. Mit großer Pracht nahm der heiße Tag von uns Abſchied; die Haufen wolken des farbenreichen Abendhimmels ſpiegelten ſich in der ſtillen, weiten Waſſerfläche. Morgens gegen 2 Uhr erſt jepte der Dampfer uns an der großen Hacienda Pocoicuc des Don Amalio Ocampo ans Land, und ſoweit ein ſchnarchender Mitgaſt, zahlreiche
man ſie im biegſamen , heißen Zuſtande ; für die Reiſe
Moskitos und das muntere Völkchen der Ratten in einem
werdeir ſie ſtärker gebacken. Immer ſind ſie nur ein trau: riger Erſaß des Brotes geweſen , und nur die Not hat
nahen Haufen Maiskolben geſtatteten , fand ich Ruhe für
Nach kurzer Flußfahrt liegt eine kleinere Lagune vor uns, und bevor wir ſie betreten, nehmen wir das bei einem
kleinen Rancho bereit liegende Brennholz ein, während ich
im luftigen Baue mit Intereſſe zuſehe, wie die kleinen, zierlichen Hände einer jungen Meſtize den Teig der Mais kuchen, der Tortillas, formten und die runden Stücke mit
mich gelehrt , ſie zu genießen.
Als es dunkelte, wurde unſer Fahrwaſſer enge, mäan: driſch gewunden und von hohem Geſträuch bis an den Waſſerrand eingeſäumt. Nachdem don einigemale der läſtige Kahn ins Dickicht gefahren, verrannte ſich ſchließlich bei einer Wendung auch der Dampfer und zwar wegen der Dunkelheit ſo hoffnungslos , daß der Kapitän , den leider die zu reichlich genoſſenen Karnevalsfreuden etwas
den Reſt der Nacht. Nad 35 Leguas ( 1 mer. Legua = 4190 m) iſt der Ufumacinto, an deſſen ſteil abfallenden Ufern die Baulid keiten der Hacienda liegen , von hier aufwärts ſchiffbar;
dann ſollen ihn , wo er das Gebirge durchbricht, auf 7 Leguas Stromſdynellen unfahrbar machen. Weiter auf: wärts aber , bis nach Guatemala hincin , bietet er dann
wiederum reines Fahrwaſſer. Das ſeiner Schwere wegen nicht flößbare Blauholz aus den oberen Wäldern muß
leiſtungsunfähig gemacht hatten, die Nacht hier bleiben zu
daher auf dieſem Strecke durch Laſttiere transportiert
müſſen erklärte. Nur mit Grauen denke ich an jene Nacht zurüd ! Die Mosquitos wurden vollſtändig Herren des
werden , während man das geſchäßte Bauholz eines ,, Cedro " genannten Baumes den Waſſerweg nehmen läßt. Der:
Schiffes , litten keinen Schlaf und jagten die gepeinigte
ſelbe iſt feine Ronifere, ſondern ein Laubbaum mit paarig
Bevölkerung die ganze Nacht in obnmächtigem Kampfe
gefiedertem Blatte , deſſen botaniſchen Namen ich leider
umber.
nicht habe ermitteln können, da mir Blüten fehlen.
Das erlöſende Tageslicht brachte uns dann bald in beſſeres Fahrwaſſer und zu freiem Ausblick in ein weites,
der ſich hier am linken Ufer und jenſeits ausbreitet. Man
Es iſt ein großer, 16,176 ha umfaſſender Waldbeſit,
Durch den Siiden Merikos und durch Zentral Amerika.
rechnet nad Caballerias zu 42 ha , von denen geſeßlich im Zuſammenhang nicht mehr als 60 ſich in einer Hand befinden dürfen ; aber man umgeht das Gefeß, indem man das Plus auf anderen Namen ſchreiben läßt , wenn man
von der Regierung, die Eignerin des Waldes iſt, Erwer bungen macht. Der Preis iſt 12 Realen (14/2 Dollars)
143
Brettchen waren in wachſender Länge und Stärke mit dem
unterhalb vertikal darauf geſeßten entſprechenden Reſonanz körper aus Kürbis nur auf einen Wulſt von Gras ge bunden . Dieſes Inſtrument iſt erſt in der ſpaniſchen Zeit durdy afrikaniſche Neger ins Land gebracht worden ; das
f. Muſeum für Völkerkunde in Berlin beſißt unter der Be
per Hektar. Fehlen nun dem eingeborenen Erwerber, was meiſtens der Fall iſt, die nötigen Kapitalien , um die Wälder auszubeuten oder Zuckerrohrpflanzungen anzulegen, ſo feßt er ſich mit einem Erporthauſe an der Küſte in
zeichnung „ Marimba" ein bei den afrikaniſchen Malange ge fundenes Muſikinſtrument, das nach demſelben Prinzip ge: baut, aber eine gekrümmte Form, ſtatt der horizontalen, hat.
Verbindung und erhält von dieſem als Vorſchuß auf die
friedlichen Familienlebens gewann ich im Hauſe meines
ihm allein zu verkaufenden Produkte die erforderlichen Mittel. Auch hier ſah man ' jenſeits des Fluſſes ſchon eine ausgedehnte Zuckerrohrpflanzung, und der geſunkene
liebenswürdigen , liberal gaſtfreien Wirtes. Sein Haus
Preis des Produktes derſelben wird auch wohl Kaffee
pflanzungen zur Folge haben. Eine ſolche Zuckerrohr: pflanzung dauert hier bis zwanzig Jahre. Das Rohr wird ganz dicht über dem Boden abgehackt, nur alle fünf Jahre läßt man höhere Stoppeln und brennt dieſelben
Denſelben wohlthuenden Eindruck eines geordneten
glich in ſeiner Bauweiſe derjenigen, welche die Holländer in ihren tropiſden Kolonien als zweckmäßig erkannt haben. Aus einem breiten offenen Vorbau betritt man das Em : pfangszimmer, zu deſſen beiden Seiten Schlafräume liegen. Dann geht es nach dem Innern weiter in die große Speiſes
halle, auf die ſich ebenfalls feitlich Schlafzimmer öffnen. Durch einen bedeďten Gang ſteht die Halle mit der Küche
dann mit den Unkräutern ab.
und den Räumen für das Geſinde in Verbindung. Nur
Während fonſt der Blauholzbaum zerſtreut als Walds baum vorkommt, war er hier in der Nähe des Hofes in geſchloſſenem Beſtande vorhanden. Die Kokospalme kommt bier nicht mehr vor , aber ich ſah die Königspalme , eine Fächerpalme und die Delpalme (Cocozo). Neben dem geräumigen Wohnhauſe , mit hohen luftigen Näumen und ſeinen Anneren von Küche, Speichern , Waren: niederlage und Schreibſtube, zogen ſich in einer langen Gaſſe die luftigen Häuschen der Arbeiter am Flußufer hin.
einen Raum vermiſje ich hier wie überall da , wo die
ſpaniſche Naſje ſich in heißen Gegenden eingerichtet : das Badezimmer. Ich erinnere mich einer Verordnung der ſtädtiſchen Behörden
von Manila beim Ausbruch der
Cholera, worin der an ein tägliches Bad gewöhnte Indianer auf die dädlichen Wirkungen desſelben aufmerkſam ge
Freiheit , in einem an Hörigkeit grenzenden Zuſtand der
macht wird. Auf einem ſpaniſchen Poſtdampfer in den Tropen benußte außer einem Engländer und mir keiner der ſpaniſchen Mitreiſenden die Badevorrichtung. Leider ſtellte es ſich heraus , daß hier die Mittel zu meiner Landreiſe nicht zu beſchaffen waren : weder aus:
Niemals ſieht er ſein Ronto beim Herrn bes
dauernde Tiere, noch des Weges kundige Leute. Das
glichen , der ihm zugleich Verkäufer iſt für die kleinen
alles ſei leichter in dem 5 Leguas flußabwärts gelegenen Monte Chriſto zu haben , und mein gütiger Wirt ließ es ſich nicht nehmen , ſeinen Schußbefohlenen dorthin zu führen. In einem geräumigen ,, Cajuco ", einem aus einem Baumſtamme gezimmerten Boote mit einem Mattendach im Hinterteil, glitten wir dann in einigen Stunden dorthin den Fluß hinab. Aud hier wiederum nur getäuſchte Hoffnungen !
Ein ſolcher Arbeiter iſt, troß aller der herrlichen politiſchen Unfreiheit.
Bedürfniſſen der Küche und Kleidung. Hat ſein Herr ihn nicht mehr nötig, ſo überläßt er ihn gegen Zahlung ſeiner Sduld einem Nachbarn ; hat er ſich in irgend einer Weiſe
mißliebig gemacht, ſo wird er auch wohlfeiler fortgegeben und das Debit des Gewinn- und Verluſtkontos mit ſeinen Schulden belaſtet.
Ich muß geſtehen, mir wäre beim Anblick der Sdar
wohlgekleideter , wohlgenährter, ruhig und heiter den Bes
Maultiere gab es gar nicht, nur wenige kraftloſe Pferde,
fehlen folgender Arbeiter der Gedanke an einen ſo beklagens werte Lebenslage nicht in den Sinn gekommen. Unter Vortritt der Aelteſten unter ihnen ſammelten ſie ſich am Abende vor einem Feiertage mit Geſang und Gebet vor einem an der Vorderſeite des Hauſes angebrachten Kreuze. Später dann erſchienen ſie auf einem kleinen von Sißen umgebenen Plaß im Vorgarten, den eine Laterne erhellte, um aus dem Munde des alten Verwalters einzeln ihre Befehle für den nächſten Tag entgegenzunehmen , und ent fernten ſich mit höflichen Gruße. Von ihren Hütten berüber klang dann noch lange der helle Ton der „Ma rimba " . Hier war das Inſtrument , dem ich ſpäter noch ſo oft begegnen ſollte, in ſeiner primitivſten Form. Die
und der Vertrauensmann , der „ hombre de confianza “,
ein Freund meines Wirtes , dem derſelbe mich übergeben wollte, war frant. Endlid ſtellte man mir einen jungen Mann vor, Sclächter ſeines Zeichens, der an ſeine Stelle treten ſollte. Mit ihm müſſe ich am nädyſten Tag in meinem Cajuco nach dem großen Dorfe Las Playas de Ca tafajo, wo alle meine Wünſche ſich mit Leichtigkeit würden erfüllen laſſen. In dieſem Hoffen beſtärkte mich auch ein I
armer Landsmann aus Alzey in Rheinheſſen.
Er war
nach allerlei Schickſalen hierher geraten , hatte mit einem Spanier ein kleines Gütdhen, einen Nancho, erworben und Zuderrohr gepflanzt; die Einrichtungen zur Verwertung des Rohres hatten ſein kleines Betriebskapital erſchöpft,
Durch den Süden Mexikos und durch Zentral-Amerita.
144
und als dann Heuſchreden die ganze Pflanzung vernich teten, war er ein ruinierter Mann. Er mag hier manchen Leidensgenoſſen haben , denn er äußerte : ein anſiedler
ſuchen konnte, hatte mir zwar mein , Pavillon" gegen die
führe beſſer mit dem Rauf eines verlaſſenen Rando , als
Von den 2000 Einwohnern des Municipiums Playas jallen 600 auf das Dorf, das der Siß des Jefe politico
mit dem Erwerb von Wald vom Staat. So fuhr ich denn um die Mittagsſtunde des nächſten
Tages , mit Empfehlungsbriefen an einen gran amigos in Playas , einen anderen in Palenque und vielen guten Wünſchen bedacht, mit meinem „ hombre de confianza “ und zwei Ruderern in einem kleinen Cajuco bei brennender Hiße
den Fluß abwärts. Als es zu dunkeln begann , erklang von beiden Seiten aus den Wäldern in tiefen , vollen
Tönen der Sdyrei der Brüllaffen. Id habe dieſe Tiere aud ſpäter niemals zu Geſichte bekommen, hörte aber von meinen Leuten , es ſei die ſchwarze Spezies. Nach ſieben Leguas etwa , es war 9 Uhr abends geworden , lenften wir weſtlich, wiederum gefördert von ſchwacher Strömung,
in einen engen Kanal ein. Es war eine wundervolle, ſtille, ſternenklare Nacht. Zwiſchen den dwarzen Maſſen des ſeitlichen Waldes ſpiegelte ſich der Sternenhimmel in der ruhigen Waſſerfläche; die müden Ruderer bewegten ſie nur wenig. Gegen Morgen verengte ſich der Ranal mehr
Peiniger geſichert; aber dann trat, wohl infolge der Hiße, ein unerträgliches Juden über den ganzen Körper ein. ijt. Dieſe Hunderte , das trat gelegentlich der Tänze zu Tage , ſondern ſich ſtreng in die vier Klaſſen : Weiße, Miſchlinge von Weißen und Indianern , hier Pardos ges nannt, Mulatten und Indianer. Eine Kirche im Dorfe iſt länger außer Gebrauch und
dient dem Vieh zum Schuße. Auf einer Entfernung von etwa zehn Tagereiſen, von Palizada abwärts am Fluſſe bis Tumbala , halbwegs nad S. Criſtobal, gibt es feine Geiſtliden mehr ! – Don Angel, mein Wirt, hatte früher einmal eine Reiſe in die Vereinigten Staaten gemacht. Mochten ſich ihm nun im Verkehr mit einem Europäer bort gewonnene Eindrüđe neu beleben und ihm die heimiſchen Zuſtände um ihn her in um ſo trüberem Lichte erſcheinen laſſen , er brach in die Klage aus : ,,Wären doch 3. B. ſtatt der Spanier Engländer oder Deutſche ins Land
gekommen , wie viel beſſer würde es bei uns ausſehen !" Den gleichen Gedanken habe ich wohl in Braſilien und
und mehr , bis endlich unſere Straße zu einer ſchmalen,
Peru von Eingeborenen äußern hören, denen die Unfähig
ſeichten Rinne wurde, die ſich durch eine Schilffläche wand. Die Leute ſtiegen aus und ſchoben und drehten das Fahr zeug mühſam vorwärts, bis ſich um 8 Uhr vor uns die große Lagune öffnete, die wir in ſteigender Hiße in drei Stunden durchkreuzten , und im Dorfe Playas landeten , das über einen ſanft anſteigenden grünen Hügelrücken ſich in zwei langen Gaſſen hinzog. Ich hatte die Provinz Chiapas betreten. An D. Angel Tovilla, einem Kaufmann kleinen Stiles, lautete mein Schreiben ; von ſeinem guten Willen
feit ihrer Raſſe zur Erkenntnis gekommen , aus eigener
bing mein Fortkommen ab. Mit dem Fortkommen aber ſtand es, wie er mir nach mühevoller Leſung des Schreibens ſofort geſtand , nicht ſonderlich. In dem kleinen Dorfe !
gäbe es nur wenige Neitpferde , und die feien in jeßiger Jahreszeit, wo der Norder das Waſſer in die Laguna drüde und faſt alles Weideland überſchwemmt ſei , in I
ſchlechtem Zuſtande. Aber er wolle Boten in die Umgegend ſenden. Drei Träger aus dem Innern , die mit Kauf
Kraft in den Ländern ruhige politiſche Zuſtände herbei
zuführen, unter denen allein mit dem Gefühle der Sicher beit bie Werke der Kultur gedeihen fönnen .
Machten mir trunkene Indianer den Aufenthalt im
Hauſe allzu unbehaglich, ſo ging ich zu einem franzöſiſchen Ehepaare, das am Ende des Dorfes eine kleine Bambus bütte in einem Gärtchen beſaß.
Der Mann , nachdem er
früher an verſchiedenen Drten im Lande Schullehrer ges weſen, war nun Schreiber bei der hieſigen Behörde. Die Frau ſtammte aus den Pyrenäen , hatte einen Arzt ge: heiratet, der in türkiſche Dienſte trat und erſt in Kons ſtantinopel, ſpäter in Smyrna thätig war. Sein unſteter Sinn hatte ihn nad Meriko getrieben und bei ſtarker
Wandelbarkeit ſeine Herzensneigung ihn vor einigen Jahren veranlaßt , ſeine Frau allein und mittellos zurüđzulaſſen
und nach Cuba überzuſiedeln . Ihre einzige Tochter, die
mannsgütern gekommen, wolle er indeſſen für den Trans: port meiner Bagage mieten und zurüdhalten. Die Tage vergingen in unbehaglicher Lage. Das Haus des Kaufmanns beſtand nur aus zwei Räumen, von
einen Franzoſen geheiratet , lebte in guten Verhältniſſen in Paris. Sie ſprach mit Sehnſucht von ihrer ſchönen Heimat, bon Paris, von dem glänzenden Harem des Sul
denen der eine den Frauen , der andere eigentlich dem
habt haben mochte. Dann wies ſie thränenden Auges auf die Aimut um ſich her, aber, als wenn ein Vorwurf
ganzen Dorfe zu gehören (dien, und Schweinen und Hübs
nern dazu . Bei färglicher Nahrung, die eigentlich in der Hauptſache immer aus ſchwarzen Bohnen beſtand , war nicht einmal ein erfriſchender Trunk zu haben ; das laue Waſſer der Lagune wagte ich nicht zu genießen. Von Untergang der Sonne an, namentlich in den erſten Stuns den , war die Plage der Mosquitos unbeſchreiblich. Die Nachtruhe, wenn ich ſie nach den Karneval-Tänzen der
weißen Geſellſchaft, zu denen unſer Zimmer diente, endlich
tans , in den ſie als Frau des Arztes wohl Zutritt ge
für ihn darin hätte ausgedrüđt werden ſollen , pries ſie ihren Beſchüßer für ſeine Sorge um ſie, für die Pflege, die er ihr in Krankheit ſchenkte; ein Vater könne nicht für ſein Kind, wie er für ſie ſorgen. Muſterhaft reinlich und
ordentlich fand ich es zu jeder Stunde in der Hütte wie im Gärtden. Die Leute verkehrten mit niemandem im
Dorfe und beteuerten mir zu wiederholten Malen , wie glüdlich und zufrieden ſie ſeien.
Das Gold in Auſtralien .
145
Von glänzenden Erfolgen , großen geſammelten Vers mögen erfährt die Welt da draußen genug , warum ſoll ihr nicht auch einmal ein Blick gewährt werden auf arme,
gend, Adelaide an der Südküſte zu erreichen , nachdem ſchon ein Jahr früher Waſhburton noch weiter nördlich von der Weſtfüſte bis Alice Springs in der Mitte des
vom Schidjale hart und unſchuldig geprüfte Menſchen ,
Kontinents vorgedrungen war.
die mit ihrem Kummer nach bewegtem Leben ins Verborgene
So iſt jeßt der Kontinent nach allen Richtungen durch
gehen , wie das in wilder Jagd verwundete Tier des
quert und troß ſeiner Dürre und großen Ausdehnung
Waldes das Didicht ſucht, um zu verenden.
überall bereiſt worden .
( Fortſeßung folgt. )
Die Erforſchung von Neuſeeland, wo das Hochgebirge
Das Gold in Auftralien.
dem Reiſen bedeutendere Schwierigkeiten in den Weg legt, verdanken wir Haaſt, der in den ſechziger Jahren acht Erpeditionen in das Innere der Südinſel unternahm.
Von R. v . Lendenfeld.
Die Erforſchung von Tasmanien und der Nordinſel von
(Schluß .)
Ende der fünfziger Jahre gelang es Sturt , den Kontinent von Süd (Adelaide) nad Nord (Arnhems Land)
zu burchqueren , nachdem ſchon vorher Gregort; im weiten
Neuſeeland bot feine Schwierigkeit und wurde ſchon frühs zeitig durchgeführt. Es iſt gegenwärtig Auſtralien in ſieben Kolonien ein geteilt. Dieſe ſind in der Reihenfolge ihrer Gründung, beziehungsweiſe Unabhängigkeitserklärung : Neu - Südwales ( 1788) Tasmanien ( 1803) Weſt-Auſtralien (1829) Siid -Auſtralien ( 1836) Neu -Seeland ( 1839 ) Viktoria ( 1850) Queensland ( 1859) .
Bogen von Brisbane an der Dſtküſte nach Adelaide an der Südküſte vorgedrungen war. Burke und Wills durch
kreuzten Anfang der ſechziger Jahre ebenfalls den Kontinent von Süd nach Nord , etwas weiter öſtlich wie Sturt. Forreſt drang 1874 von Weſten kommend bis zum 126. Längengrad vor und Giles gelang es zwei Jahre ſpäter, etivas weiter nördlich von Perth an der Weſtküſte bis zu Sturts Route im Innern vorzubringen und, dieſer fola Engliſche Quadrat: Meilen .
Neu -Südwales Tasmanien
Weſt:Auſtralien
.
.
Süd- Auſtralien Neu -Seeland
Viktoria
.
Queensland
Summa :
Männer.
309,175
527,533
26,375
71,081 19,989
975,920 903,425
163,641 310,732 529,710
Frauen.
430,381 62,710 15,197 149,782 264,494 462,159
Frauen Bevölkerung , per 100 Männer.
957,914 133,791 35,186
Gegenwärtig dürfte die geſamte Bevölkerung der auſtra: lionen zählen.
Als die Verbrecher, welche zu Zwangsarbeit angehalten wurden, im Jahre 1814 die Straße über die Blue Moun : tains bauten , fanden ſie Gold . Es wurde jedod dieſe Entdeckung von der Kolonialregierung geheim gehalten und
totgeſdywiegen, denn man fürchtete, daß die Bekanntmachung derſelben eine nicht zu bewältigende Aufregung unter der großenteils aus Deportierten und ihren Nachkommen be ſtehenden Bevölkerung hervorrufen würde. Aud 1820 ſoll Gold gefunden worden ſein.
Der erſte, welcher die Exiſtenz von Gold in Auſtra lien mit Sicherheit nachwies , war Graf Strzelezki , der 1839 in der Nähe von Wellington in Neu -Südwales goldführenden Quarz auffand. Auch dieſe Entdeckung ver heimlichte man.
Zwei Jahre ſpäter erklärte der Geolog und Geiſtliche W. Clarke in Sydney , daß in der Nähe von Bathurſt
81.58 88.22 76 03
313,423 91.53
104,235 575,226 | 87,884 991,869 668,224 185,735 129,754 315,489 3,075,238 1,808,421 1,514,477 3,322,898 |
liſchen Kolonien (mit Ausſchluß der Eingeborenen) 3.7 Mil
Ausland 1890 , Nr. 8 .
Die Bevölkerungsverhältniſſe (mit Ausſchluß der Ein geborenen) waren 1885 folgende : Geburten Sterbefälle hodhzeiten Anfömm-
Meniden
im Jahre
a . d. engl.
1885 .
Jahre im Jahre 1885 .
35,043 | 15,282 4,637
2,036
1,200
600 3,987
12,046
87.27
19,693 29,975
69.86
11,672
85.12
im
83.75 | 114,266
1885 .
7,618 1,054
linge im
Jahre 1885. Qu. Mie.
78,738 14,822
3.098 5.073
3,047 14,500
0.347
6,081
2,447 3,813
16,199
5,519
14,364 6,235
7,395 2,842
76,976 11.287 34,334 0.472
256
48,585 25,425 238,016
0.036
1.081
(auf der Hochebene hinter den Blue Mountains) Gold vorkomme, und 1844 wies der berühmte engliſche Geolog Murchiſon auf die große Aehnlichkeit hin, welche zwiſchen gewiſſen Formationen in Auſtralien und im Ural beſteht. Hieraus, ſowie aus der Unterſuchung der Beſteinsproben, welche ihm Strzelezki geſandt hatte, ſchloß Murchiſon, daß Gold in dem Gebirge weſtlich von Sydney vorhanden ſei. H. Hargreaves, der in den kaliforniſchen Goldfeldern gearbeitet hatte , hörte hiervon und reiſte 1851 nad Bathurſt , um dort nach Gold zu ſuchen. In der That gelang es ihm , ohne viele Mühe beträchtliche Mengen des edlen Metalles aus dem alluvialen Geſchiebe heraus zuwaſchen.
Dieſes für die hiſtoriſche Entwicklung Auſtraliens hochwichtige Ereignis fand am 12. Februar 1851 an einer Stelle am Lewis Pond Creek bei Guyang ſtatt, die wohl durch ein Denkmal ausgezeichnet zu werden verdiente. Dieſe Entdeckung wurde nicht, wie die früheren, der Bevölkerung berheimlicht und nur einzelnen Männern 23
Das Gold in Auſtralien .
146
der Wiſſenſchaft bekannt gemacht. Mit der bekannten Geſchwindigkeit verbreitete ſich die Fama durch das Land, und ſcharenweiſe zogen die Bewohner aus, um in der Um
gebung von Bathurſt Gold zu gewinnen und an anderen Stellen nach dem Metalle zu ſuchen. Noch im ſelben Jahre fand man vielerorts, ſowohl in Neu-Südwales wie in Viktoria, Gold in ſehr bedeutenden Mengen. Die Begeiſterung fürs Goldgraben wuchs von Tag zu Tag. Aus aller Herren Ländern ſtrömte leichtfertiges
Volk zuſammen , um ſich raſch in dieſem neuen Eldorado zu bereichern. Wirte und Schmiede ſiedelten ſich in den
Lagern der Diggers an. Falſchſpieler, polyandriſche Mäd chen, Händler und Betrüger aller Art fanden ſich ein, und es entwickelte ſich überall, wo es Gold gab, im ſtillen Ur: wald eine bacchantiſche Orgie.
den. Dieſe Dinge koſten viel mehr Geld als der einzelne
Digger beſikt, und thaten ſo ſich die Goldgräber zu ſammen und bildeten Aktiengeſellſchaften zum Abbau der Quarzriffe.
Es iſt natürlich, daß mit dieſen Geſellſchaften viel Schwindel getrieben wurde, und viele – ja man kann wohl ſagen faſt alle – auſtraliſchen Rapitaliſten haben bedeutende Summen mit dieſen Goldkompagnien ver loren. Jedoch auch dieſes hat ſich überlebt und im Laufe der Zeit ein gewiſſes Gleichgewicht hergeſtellt. Der einzelne Digger, der durch den Fund eines Rieſennuggets plößlid)
reich wurde , iſt verſchwunden, die ſchwindelhaften Aktien: geſellſchaften ſind zu Grunde gegangen , die Begeiſterung iſt verraucht, aber ein ſubſtanzieller und verläßlicher Ers lverb, der Tauſende beſchäftigt und ernährt, iſt geblieben .
In große Blechfübel goſſen die glüdlichen Finder
Später ſind Goldfunde auch in den anderen Kolonien,
(dwerer Nuggets den Champagner, ſeßten ſich herum und ſchöpften mit kleinen Blechbechern das perlende Naß. Un : gebeure Summen wurden im Handumdrehen gewonnen
beſonders in Queensland und Neu-Seeland, gemacht wor:
und verloren , und es ſammelte ſich ein großer Teil des Goldes in den laſterhaften Tiefen der Geſellſchaft an.
können ſich dieſelben doch nicht im entfernteſten mit den Funden in Neu-Südwales und Viktoria meſſen. Wir wollen nun die Goldgewinnung in den einzelnen Kolonien für ſid , beſprechen.
Fabelhaftes Geld verdienten die Falſdſpieler und Kurti: ſanen. Jeder trug den Revolver im Gürtel, denn Raub
den , und obwohl in dieſen beiden Ländern bedeutende
Mengen des edlen Metalls gewonnen worden ſind, ſo
und Mord blühten üppig auf dieſem goldenen Boden. Inter Militäreskorte wurde das Gold meiſt ſicher nad
Neu -Südwales .
der Hauptſtadt befördert , aber die einzelnen Reiſenden waren ſtets den Anfällen von Näuberbanden ausgeſeßt,
Neu - Südwales liegt an der Oſtfüſte des Konti nents und erſtreckt ſich von 280 10'ſ. Br. bis 37° 28' 1. Br.
die, ſicher vor Verfolgung, in der Umgebung der Golds
und von 1410 Ö. L. bis 1530 37' Ö . L.
felder ihr Weſen trieben. Ratlos ſtanden die Kolonialregierungen dieſem Heren:
.
man aber ſah, daß ſich keine Seele um das Verbot füm
Der öſtliche, der Küſte zunächſt liegende Teil der Rolonie iſt gebirgig , während der zentrale und weſtliche Teil größtenteils eben ſind. Das Gebirge im Oſten iſt ein wahres Alpengebirge . Es beſteht aus gefaltetem Ges
merte, gab man Konzeſſionen zu dieſem Bergbau, anfangs
ſtein . Die Ketten und die Streichungsrichtung der Geſteine
wenige, ſpäter aber jedem, der darum anſuchte. Die erſten Konzeſſionen wurden in Viktoria am 1. September 1851 ausgegeben. Von jeßt an nahm das Goldfieber den
verlaufen der Rüſte parallel, bogenförmig im nördlichen Teile von Nord nach Süd, im ſüdlichen von Nordoſt nach
ſabbat gegenüber. Man verbot das Goldgraben. Als
Charakter einer wahren Epidemie an . Alles zog aus, um nach Gold zu ſuchen , und nicht mit Unrecht. War doch durch die Goldfunde die Quelle eines ungeahnten und, wie ſich ſpäter ergeben hat , unermeßlichen Reichtums erſchloſſen. Erſt als die mit dem Leben eines Diggers verbundenen Entbehrungen und Gefahren die Leute belehrt hatten, daß
nicht jeder zum Goldgraben tauge, kehrten viele enttäuſcht, ärmer an Geld und reicher an Erfahrung, zu den Wohn
ſißen zurück, die ſie in der erſten Aufregung verlaſſen .
hatten.
So traten denn allmählid) wieder normale Ver:
Südweſt. Im Norden und Süden beſteht das Gebirge aus ſehr alten Geſteinen , Silur , azoiſchen Schiefern, Gneis und Granit. In der Mitte aber , in der Umgebung von Sydney, aus trialſiſdem Sandſtein. Nördlid folgt auf den Trias Karbon - in der Umgebung von New Caſtle.
Hier befinden ſich die großen Kohlenlager. In dem zentralen und weſtlichen , größtenteils ebenen oder nur leicht hügeligen Teile der Kolonie treffen wir einen weſtöſtlich verlaufenden Streifen von Silur und Devon zwiſchen dem 300 und 320 ſ. Br. an. Nördlich hiervon lagert Kreide , während die große Ebene im Süden - das Murray-Thal - von tertiären Sdidten
hältniſſe in den Rolonien ein. Mit der Zeit begann man
gebildet wird.
auch das Gold in mehr bergmänniſder Weiſe zu gewinnen.
Sowohl in dem gebirgigen Küſtenſtrich , als auch in jenem erwähnten , oſtweſtlich verlaufenden , paläozoiſchen
Da die leicht zugänglichen, oberflächlichen , alluvialen Goldfelder bald erſchöpft waren, wurde es nötig, die gold haltigen Quarzriffe in Angriff zu nehmen . Hierzu braudit man aber größere Werke , Sdächte und Stollen müſſen gegraben , Stampf- und Deſtillierwerke angelegt wer
Streifen im Innern des Landes werden Erze und Kohlen, vor allem Goldlager angetroffen .
Wie oben erwähnt , wurden die erſten bedeutenderen Goldfunde 1851 in der Nähe von Bathurſt gemacht. Im
Das Gold in Auſtralieni.
ganzen iſt ſeitdem Gold im Werte von etwa 38 Mill. Lítrl. in Neu - Südwales gefunden worden. Im Durchſchnitt alſo ungefähr eine Million im Jahre. Neuerlich hat aber die Maſſe des gewonnenen Goldes bedeutend ab: genommen. 1886 wurden nur etwas über 100,000 Unzen
im Werte von 366,294 lftrl. erzielt. Es gab in dieſem Jahre in Neu- Südwales 6767 Goldgräber - davon 857 ſo daß alſo auf den Mann etwa 54 Litri.
Chineſen
kamen.
2665 beſchäftigten ſich mit Quarzriff - Bergbau .
und 4102 im Alluvium .
Der durchſchnittliche Ertrag einer Tonne Alluviums
gefunden worden .
Die wichtigſten Goldbergwerke ſind an folgenden Drten :
Es kommt beſonders im nördlichen
Teile der Inſel, ſowohl in Quarzriffen wie im Alluvium, vor. Die reichſten Lager finden ſich am Tamarfluſſe. 1886 waren 868 Leute mit der Goldgewinnung be ſchäftigt: 270 im Alluvium- und 598 im Quarzriffbau. Der Wert des erbeuteten Goldes betrug 155,309 eſtrl., Alſo auf den Mann etwa 179 Lſtri. Während des Dezenniums 1876 bis 1885 wurde Gold im Werte von 1,496,797 Lſtrl. gewonnen. Der Geſamtwert des bis heute in Tasmanien gewonnenen Goldes dürfte 2,300,000 Lſtrl. betragen.
war 8 Pennyweights 7.64 Grains. Die Quarzriffe liefer ten per Tonne Quarz durchſchnittlid) 12 Pennyweights 6,67 Grains.
147
Weſt- Auſtralien.
Die Rolonie Weſt-Auſtralien nimmt jenen Teil des Kontinents von Auſtralien ein, welcher weſtlich vom 129.0 öſtlicher Länge liegt, und ſie erſtreckt ſich von 130 30' bis 350 8' T. Br.
Bathurſt Diſtrict. Bathurſt, Trunkey, Tuena, Carcoar, Drange, Mount Mc. Donald. Tambaroora and Turon Diſtrict. Hil End, Sofala,
Stoney Creek, Tambaroora.
Mudgee Diſtrict. Gulgong, Hargreaves, Wellington,
Die weſtliche Küſte iſt jandig und flach. Sie foll aus Korallriff - Detritus beſtehen. Weiter landeinwärts, beſonders in der Darling - Bergfette , finden ſich Kon glomerate. Das Fundament des ganzen Landes iſt Granit,
auf deſſen undulierender Dberfläche horizontal gelagerte Sedimentgeſteine liegen , welche kleine, ſtufenförmig mit
Mudgee.
Lachlan Diſtrict. Forbes, Parkes, Grenfell, Young, Cootamundra, Temora.
ſteilen Flanken abſeßende Plateaur bilden. Gegen Dſten hin treffen wir vielerorts Siluran
Southern Diſtrict. Araluen, Goulburn, Braidwood, Shoalhaven, Bermagui, Nerrigundha. Tumut and Adelong Diſtrict. Adelong , Gundagai, Tumut, Tumberumba , Cooma, Wagga-Wagga , Kianbra.
Quarzgängen durchſeßt. An einigen Stellen ſind dieſe
Peel and Uralla Diſtrict. Armidale, Bingera, Nundle,
man eine engliſche Meile weit gerade fortgeht. In den Alluvialgebilden, welche in den Flußthälern
Rody River, Tamworth. New England and Clarence Diſtrict. Booroot, Ten terfield, Dalmorton , Solferino.
und im Kimberley : Diſtrikt wird der Silur von mächtigen ſo zahlreich, daß man etliche zwanzig überſchreitet , wenn
des Kimberley -Diſtrikts abgelagert ſind , und welche von dem quarzgangreidhen Silur ſtammen , wurde 1885 Gold gefunden , ſo beſonders im
Albert Diſtrict. Mount Browne, Silverton, Broken Hill, Milparinka, Wilcannia.
Im ganzen gibt es in Neu-Südwales 61 prokla:
Elviras, Panton- und Ords
Thale. Sobald dies bekannt wurde , ſtrömten zahlreiche Diggers aus anderen Kolonien im Kimberley- Diſtrikt zu=
mierte Goldfelder und man nimmt an , daß die gold:
ſammen.
führenden Geſteine eine Horizontalausdehnung von 13,700 engl. Qu .- Min . beſißen .
gewonnen wurden, ſo zeigte ſich doch bald, daß die zu er:
Obwohl nun in der That beträchtliche Mengen Goldes
Tasmanien.
langenden Quantitäten für die große Zahl der Diggers nicht ausreichten, ſo daß viele enttäuſcht abziehen mußten.
Tasmanien iſt eine Inſel im Süden des auſtraliſdhen
1886 waren 500 Leute mit dem Goldbau in Kimberley beſchäftigt. Einige der Quarzgänge ſehen recht vielvers
Kontinents. Sie liegt zwiſden 400 40' und 43° 38' 1. Br. und zwiſchen 144° 30' und 148° 30' ö. 2.
ſprechend aus, man hat jedoch nod nicht damit begonnen
Die Hauptinſel wird von zwei Bergketten durchzogen ,
das Niffgold zu gewinnen , da die Aufſtellung der ſchweren
Maſchinen an dieſem entlegenen Orte mit zu großen Koſten
welche annähernd nordſüdlich verlaufen und zwiſchen denen verbunden wäre .
ein undulierendes Hochland liegt. Im nordöſtlichen Teile herrſchen Granit und metamorphiſche Sedimentgeſteine vor und dieſelben Felsarten ſtehen auch in der gegenüber: liegenden ſüdweſtlichen Ede der Inſel auf weite Strecken zu Tage. Die dazwiſchenliegenden Bergkämme beſtehen aus Grünſtein , während die Thalmulden von paläozoiſchen Sedimentgeſteinen erfüllt ſind. Gegen Frenchmans Cape findet ſich auf den Höhen Quarz und Syenit. Gold iſt erſt neuerlich in abbauwürdigen Mengen
Süd - Auſtralien .
Süd Auſtralien erſtreckt ſich von der Süds zur Nords
küſte des auſtraliſchen Kontinents zwiſchen den Längen graden von 1290 öſtlich im Weſten und dem Längengrad von (nördlid)) 1380 öſtlich, ( ſüdlich) 1410 öſtlich im Dſten. Dieſe Kolonie wird in South Auſtralia proper, ſüd lich von 260 1. Br., und Northern Territory, nördlich von dieſem Breitengrade, eingeteilt.
Das Gold in Auſtralien.
148
South Auſtralia proper wird von zwei Gebirgsketten durchzogen , welche aus paläozoiſchen und azoiſchen Sedi mentgeſteinen beſtehen . Die eine erſtreckt ſich von Ade:
Vulkane, die jeßt durch die Geröllebene mit der Alpenkette verbunden ſind , und als Vorgebirge erſcheinen. Mount Cook, der Kulminationspunkt der neuſeeländiſchen Alpen
laide (an der Südküſte) in weſtlicher Richtung , während
3768 m hoch -- iſt zugleich der höchſte Punkt in den
die andere vom Cape Jervis (ſüdöſtlich von Adelaide) nad
auſtraliſchen Kolonien.
Norden zieht.
Landes unter jüngere, meſozoiſche, wenig gefaltete Schichten
Die neuſeeländiſchen Alpen beſtehen größtenteils aus gefalteten paläozoiſchen Sedimentgeſteinen. Nur am Weſt
hinab. Dod auch weiter nördlich erheben ſich , in der Verlängerung dieſer Kette, ab und zu einzelne Köpfe
abhange findet ſich in der Tiefe Granit. Die Schidyten ſtehen ſteil und ſtreichen im mittleren
paläozoiſchen und azoiſchen Geſteins über das umliegende
und nördlichen Teile der Inſel der Küſte und der Ver laufsrichtung der Alpenkette parallel von Südweſt nady Nordoſt, im ſüdlichen Teile von Weſt nach Dſt. 1861 iſt Gold in größerer Menge in Neu-Seeland entdect worden und ſeither wird an vielen Drten, befon:
Die leßtere Kette taucht im Innern des
meſozoiſche Land. Dieſer Kette entlang findet man vielerorts im Allu vium Gold.
Die Kette felbft wird von Quarzgängen
durchzogen, welche zum Teil ziemlich viel Gold enthalten. Es iſt jedoch im großen und ganzen die Goldausbeute unbedeutend. Eines der ergiebigſten alluvialen Goldfelder
ders an der Nordweſtküſte der Südinſel, das edle Metall
iſt jenes von Teetulpa, wo im ganzen Gold im Wert von
1886 wurden über 232,000 Unzen Gold in Neu
etwa 300,000 Lſtrl. gefunden worden iſt. In der Nähe
Seeland gewonnen , im Werte von 922,000 Lſtrl. Und zivar : im Audland Diſtrict 127,390 Lſtrl., im Marl
von Teetulpa findet ſich auch gutes Riffgold in einer an Eiſen ſehr reichen Gruppe von Gängen. Die Northern Territory iſt noch wenig bekannt, wurde doch die Hauptſtadt, Port Darwin, erſt vor zwanzig Jahren gegründet. Vielerorts findet ſich Riffgold, und der Quarz iſt hier ebenſo reich an dem edlen Metall wie in anderen Kolonien – es kommen durchſchnittlid 12 Pennyweights auf die Tonne Quarz - allein die Höhe der Taglöhne und der Mangel an Verkehrslinien verhindern die Aus: beute in größerem Maßſtabe. Gleid wohl ſind von 1880 bis 1885 127,797 Unzen Gold im Werte von nahezu 433,000 Lſtrl. aus der Northern Territory erportiert worden .
1886 wurde in dem ganzen Gebiete, South Auſtralia proper und Northern Territory zuſammengenommen, Gold im Werte von 32,535 Lſtrl. gewonnen . Neu-Seeland.
gewonnen .
borough Diſtrict 1723 Lſtri., im Nelſon Diſtrict 9966 Lſtrl.,
im Weſt Coaſt Diſtrict 462,946 Lſtrl., im Otago 319,406 Lſtrl. Im ganzen iſt in Neu -Seeland bis heute Gold im Werte von 45,500,000 2ſtrl. gewonnen worden.
1886
waren 775 verſdiedene Gruben in Thätigkeit. Biftoria.
Viktoria bildet den ſüdöſtlichen Teil des auſtraliſchen Kontinents. Es wird im Süden und Dſten vom Meer und im Weſten vom 141. Längengrabe (öſtlich) begrenzt.
Im Norden (gegen Neu - Südwales) folgt die Grenze dem Murray -Fluſſe bis zu ſeiner Quelle in den auſtrali ſchen Alpen hinauf und erſtredt ſich von hier in gerader Linie ſüdweſtlich nach Cape Howe. Viktoria iſt beſonders im Dſten ſehr gebirgig. Hier wird es von zahlreichen bogenförmigen Gebirgsketten durch zogen, welche nach Oſten konver ſind und kolonnenförmig
Neu - Seeland iſt eine Gruppe von Inſeln öſtlich
hintereinander ſtehen. Im allgemeinen verlaufen dieſe
und etwas ſüdlich vom auſtraliſchen Kontinent. Dieſe Inſelgruppe liegt zwiſchen 340 und 470 30' 1. Br.
Retten von Nord nach Süd und ſie beſtehen , wie die
Alpen in Neu-Südwales, aus Silur, Gneis und Granit.
und
An einzelnen Stellen findet ſich devoniſcher Kalk, ſo be
1660 30
und 1780 30' Ö . L.
Zwei von den
Inſeln ſind groß , alle anderen ſind klein. Die beiden großen Inſeln werden durch die ſchmale Cook- Straße von einander getrennt. Die nordöſtlich gelegene die ,, Nords inſel" iſt reich an Vulkanen . Hier erhebt ſich Mount Egmont , und hier öffnete ſich in der Nähe der be rühmten Schlammbäder von Rotomahana vor drei Jahren ein neuer Krater, und es fand eine ſtarke Eruption ſtatt. Die Südinſel , welche füdweſtlich der Cookſtraße liegt, iſt von Südweſt nach Nordoſt in die Länge gezogen
und ſchmal. Sie beſteht aus einem großartigen Alpen gebirge und Schuttanhäufungen , welche von den Bergen
ſonders in der Cobberas-Kette.
Im ſüdlichen Teile dieſes Gebirgslandes fanden in alter Zeit während der Devonperiode - koloſjale vul kaniſche Ausbrüche ſtatt. Ein weites Gebiet wurde mit
Baſaltmaſſen überſchüttet, deren Reſt heute als ein ſchwady undulierendes, 170 Quadrat-Kilometer weit ausgedehntes Plateau erſcheint. Mädytige Tradhyt- und Porphyrgänge ſtrahlen von dieſem vulkaniſden Zentrum aus und durch ſeßen weithin das Gebirge. An der Südküſte finden ſide gürtelförmige, ſtufig über:
einander liegende, horizontal gelagerte meſozoiſche Schid):
ſtammen und das Meer in der Umgebung der Alpenkette allmählich ausgefüllt haben. An einer Stelle abſeits vom
ten, welche dem Abhang der paläozoiſden Gebirgsmaſſe entlang ziehen. Die Murray-Ebene im Nordweſten iſt
Gebirgszug
tertiär.
im Dſten desſelben – ſtehen iſolierte alte
Das Gold in Auſtralien.
Gold wurde zuerſt 1851 in Viktoria aufgefunden und wird ſeitdem in großen gewonnen. Der Goldbergbau ergab 1851 bis 1886 54,424,399 Unzen Gold im Werte von 217,697,596 Lſtrl. In den einzelnen Jahren wurden gewonnen :
149
Einige der Goldbergbaue in Viktoria ſind ſehr tief. Die tiefſten Schächte waren 1886 : Magdala in Shawell, 2409 Fuß (engl.) ; Victory and Pandora in Sandhurſt, 2100 Fuß (engl.), und Lauſell's 180 mine in Sandhurſt 2020 Fuß (engl.). Sehr viele Schächte ſind über 500 Meter tief.
Im Jahre. 1851
1852
1853 1854 1855 1856 1857
Unzen. 212,899 2,286,535 2,744,098 2,218,488 2,819,283 3,053,744
Im Jahre. Unzen . Webertrag : 38,296,525 1870 1,304,304 1871 1,368,942 1,331,377 1872 1873 1,170,397 1874 1,097,643
Das 1886 gewonnene Gold hatte einen Wert von 2,646,194 Lftrl. Das geſamte, ſeit der Roloniſation des Landes bis heute gefundene Edelmetall repräſentiert einen Wert von 224,500,000. In 1886 beſchäftigten ſich waren 4476 Chineſen, 13,614 arbeiteten im Alluvium und
2,830,213
1875
1,068,417
1876
1859
2,596,231 2,348,703
1860
2,224,069
1878
963,760 809,653 758,040
1861 1862
2,035,173 1,730,201 1,694,819
1879 1880
1,622,447 1,611,554
1882
1,546,948 1,501,446 1,648,918 1,544,756
1884
1858
1863
1864 1865
1866 1867 1868 1869
1851-1869
1877
25,214 Leute mit der Gewinnung des Goldes. Davon 11,600 in den Quarzriffen. Auf den Mann kam ein Ers trag von 105 Lſtri.
758,947
829,121 833,378
1881
864,610 780,253
1883
778,618 735,218 665,196 54,424,399
1885
1886 1870—1886
38,296,525
Queensland.
Queensland nimmt den nordöſtlichſten Teil des auſtra lijchen Kontinents ein. Es wird , abgeſehen von einem kleinen Ausſchnitt im Südweſten, im Weſten vom 1380 ö. 2. und im Süden vom 290 1. Br. begrenzt. Die öſtliche .
und nördliche Begrenzung bildet das Meer. Queensland wird von der nördlichen Fortſeßung der auſtraliſchen Alpen durchzogen, ein Gebirge, das im weiten
Wir ſehen, daß das Marimum der Goldausbeute im Jahre 1856, nur fünf Jahre nach der Entdedung des
Bogen der Küſte entlang zieht und im Cap York (Nords
Goldes in Viktoria , erreicht wurde. Seitdem hat , troß
gefalteten azoiſden und paläozoiſchen Sedimentgeſteinen . Dieſe Streichungsrichtung der Schichten iſt dem Verlauf
der Verbeſſerung der Maſchinen , die Quantität des ges
wonnenen Goldes ſehr bedeutend abgenommen . Dieſe Abnahme iſt keine ſtetige und es fluktuiert die Quantität des Goldes ein wenig von Jahr zu Jahr.
Dieſe Abnahme des Goldertrages iſt jedenfalls der Erſchöpfung der bekannten und leicht zugänglichen alluvialen Goldfelder zuzuſchreiben . Heute wird der größte Teil des Goldes aus bedeuten deren Tiefen bergmänniſd gewonnen. Während die Quans tität des aluvialen Goldes fortwährend abnimmt , beobs achten wir eine Zunahme des Riffgoldes. In der folgenden Tabelle ſind die wichtigſten Riff bau - Diſtrikte in Vittoria mit Angabe des Goldgehaltes des Quarzes angeführt. Aus einer Tonne Quarz wurden gewonnen :
Pennyweights. In In In In
Ballarat Bedworth Sandhurſt Maryborough
In Caftlemaine In Ararat In Gippsland Durchſchnittlich in Viktoria :
Grains Gold .
6
18.09
10
28.75
der ganzen Kette und der Küſte parallel: bogenförmig, im großen ganzen von Südoſtſüd nad Nordweſtnord. Weiter
im Weſten , im Innern des Landes, breiten ſich weite Ebenen und Hügelland aus. Reſte alter Bergketten übers ragen hie und da das jüngere Land , welches großenteils aus Geſteinen der Kreideformation beſteht. Die erſte Entdedung größerer Quantitäten von Gold
wurde 1858 in Canoona 35 engl. Meilen landeinwärts von der Hafenſtadt Rodhampton gemacht, aber ſchon vorher, waren geringe Mengen des edlen Metalls an verſchiedenen Punkten Queenslands gefunden worden .
Gegenwärtig gibt es etliche zwanzig Goldfelder in der Kolonie, welche zuſammen eine Ausdehnung von mehr als 7000 engl. Quadrat-Meilen befißen. 1886 beſchäftigten fich 6,712 Leute mit der Gewinnung des Goldes, davon waren 931 Chineſen. Der weitaus überwiegende Teil der Europäer - 5430 — arbeitete in Quarzriffen ; die meiſten Chineſen und einige Europäer 1282 im -
-
9
4.69
9
14.49
Alluvium.
11 5
18.29
19
14.77 10.31
Es wurden in dieſem Jahre 340,998 Unzen Gold im Werte von 1,193,493 Lſtrl. gewonnen. Es kommen alſo 178 ſtrl. auf den Mann. Aus dem Aluvium wurden 15,316, und aus den Quarzriffen 325,637 Unzen Gold gewonnen.
9
8.45
Aus dieſer Tabelle iſt zu erſehen , daß der Ertrag
des Riffbaueß an verſchiedenen Drten ſehr verſchiedener iſt. Am goldreichſten ſind heute die Quarzriffe von Gipps land im ſüdöſtlichen Teile von Viktoria. Ausland 1890, Nr. 8.
ſpiße von Auſtralien ) endet. Dieſes Gebirge beſteht aus
Per Tonne Quarz erhielt man von 2 Pennyweight 6 Grains (in Tenningering) bis 4 Unzen 12 Pennyweights 14 Grains (in Croydon). Der durchidhnittliche Ertrag per Tonne
Duarz war 1 Unze 11 Pennyweights. 24
Das Gold in Auſtralien .
150
Die Goldproduktion von 1867 bis 1886 betrug in Queensland 18,134,266 Lſtrl. Im ganzen iſt in dieſer Rolonie bis heute Gold im Werte von etwa 30,000,000 ſtrl. gewonnen worden.
Das Gold kommt in Auſtralien ebenſo wie ander
wärts urſprünglich nur in quarzreichen Gängen vor, welche altes Geſtein durchſeßen. Da findet es ſich dann in bes ſonderem Reichtum an der Grenze des Quarzganges gegen das umgebende Geſtein. Es kommt in mikroſkopiſch feinen Flittern oder in größeren Stücken in dem Geſtein bor.
Mehrere Zentner ſchwere Goldklumpen ſind wiederholt in Auſtralien gefunden worden , aber ſie ſind ſehr ſelten. Solche größere Stücke füllen entweder Höhlungen im
ſchlauch unter Hochdruck hervorgepreßten Waſſerſtrahl ders
art gegen die Bank , daß das Waſſer ſamt dem loss gewaſchenen Sand und Sdlamm in die Ninne abfließt.
Das Riffgold wird in ganz gleicher Weiſe durch Schwemmen gereinigt, es iſt jedoch natürlich vorher nötig, den Quarz, in dem es eingeſchloſſen iſt, zu feinem Sande zu zerſtampfen. Aus den Stollen , welche im Quargriff angelegt ſind, werden die losgebrochenen oder geſprengten Quarzblöcke heraufgebracht an den Tag , dort dann mit dem Hammer zerkleinert und in die Stampfmühlen über tragen .
Eine Dampfmaſchine von 10 Pferdekräften reidyt hin, um eine Mühle mit acht Stampfen zu treiben. Die Stampfen ſind 2 bis 9 Zentner dywer und fallen 6 bis
15 Zoll (engliſch).
Sie führen per Minute 50 bis
Quarz vollſtändig aus und ſenden Ausläufer in die feinen
80 Stöße aus.
Spalten hinein , die das Muttergeſtein durchziehen , oder ſie ſind mehr abgerundet und füllen die Höhle, in der ſie
Der in der Stampfmühle zermalmte Quarz wird dann genau ebenſo geſchlemmt, wie alluviales , goldhaltiges Geſchiebe. Nachdem durch Schlemmung ein großer Teil des tauben
liegen, nicht ganz aus. Dieſes in den Quarzgängen vor: kommende nennt man Riffgold. Verwittert nun das Geſtein und wird es, zerkleinert,
Geſteins entfernt iſt , wird das aus den Leiſtenniſden
von fließendem Waſſer herabgeſchwemmt in die Thal mulden, ſo wird das Gold wegen ſeines hohen, ſpezifiſchen
berausgenommene Gemiſd von Goldſtaub und Sand in
Gewichtes von den anderen Beſtandteilen des verwitterten
Das Quedſilber kommt während der Rotation der Fäſſer mit dem Golde in Berührung und löſt dasſelbe auf. Der Sand 2c. ſwimmt dann auf der Oberfläche des gold haltigen Queckſilbers. Dasſelbe Queckſilber wird wiederholt und ſo lange benüßt, bis es eine hinreichende Quantität von Gold auf: genommen hat. Dann wird es in große eiſerne Retorten gebracht und erhißt. Das Quedſilber verdampft und wird in einer Vors
Geſteins mehr oder weniger getrennt und an gewiſſen Drten beſonders reichlich abgelagert. Hier bildet dann der Goldſtaub , vermiſcht mit Sand , Lehm oder Geröll,
ganze Nefter, in welchen auch größere Goldſtücke nicht ſelten angetroffen werden : das iſt das alluviale Gold. Beiberlei Arten von Goldlagern kommen in Auſtra: lien in großer Zahl vor. Aus dem Alluvium iſt das Gold verhältnismäßig
leicht zu gewinnen , denn es liegt bort loje im Sand oder Geröll. Der natürliche Verwitterungs- und Schlemm prozeß hat hier don das Schwierigſte gethan und es kommt nur darauf an, durch weiteres Schwemmen das Gold nod beſſer vom tauben Geſtein zu trennen.
Das Verfahren wird den lokalen Verhältniſſen an gepaßt ; das Prinzip desſelben iſt aber immer das gleiche. Man läßt einen Waſſerſtrom durch eine hölzerne Rinne von beträchtlicher Breite herabfließen und wirft am oberen Ende der Rinne das goldhaltige Geſchiebe in dieſen Waſſerſtrom hinein. Am Boden der Rinne ſind Quers leiſten befeſtigt. Gold , Sand und Waſſer ſchießen nun durch die Rinne hinab. Das Gold iſt am ſchwerſten , fällt zuerſt zu Boden und wird hinter den Querleiſten zurück
gehalten. Der leichtere Sand wird zum größeren Teile vom Waſſer entführt. Nadidem die Niſchen hinter den
rotierende Fäſſer übertragen, welche Quedſilber enthalten.
lage aufgefangen. Das Gold bleibt als eine dywammige
Maſſe zurück. Es wird geſchmolzen und verſandt. Nun iſt dieſes Gold keineswegs rein. Es enthält ſtets größere oder geringere Mengen von Silber, Blei und beſonders einen Reſt von Quedſilber, der durch Erhißen nicht entfernt werden kann. Es muß deshalb raffiniert werden , was in den Münzämtern in Sydney und Mel bourne und an anderen Drten geſchieht. Die Raffinerade des Rohgoldes iſt ein ſehr einfacher Prozeß. Das Rohgold wird geſchmolzen und trockenes
Chlorgas wird durch die geſchmolzene Maſſe hindurch ges leitet. Das Chlorgas verbindet ſich bei der hohen Tem peratur ſofort mit allen Metallen außer mit dem Golde.
Es entſtehen flüchtige Chloride , welche entweichen , und chemiſch reines Gold bleibt zurück. Obwohl die mir zur Verfügung ſtehenden ſtatiſtiſchen
Leiſten ausgefüllt ſind, wird der Waſſerſtrom unterbrochen.
Daten nicht für alle Kolonien vollſtändig ſind, ſo läßt ſich
Die Niſchen werden ausgeräumt und die Sache beginnt
dodh mit Hilfe derſelben die folgende Tabelle zuſammen
von neuem.
ſtellen . Die nicht ganz ſicheren Zahlen ſind mit einem (?)
Gar nicht ſelten lehnt man die Leiſtenrinne an eine Bank goldhaltigen Aluviums — beſonders in Gebirgs gegenden – und dirigiert einen aus einem Sprißens
verſehen . Da dieſe fraglichen Zahlen aber klein ſind , ſo können die durd, ihre Ungenauigkeit verurſachten Fehler keinen weſentlichen Einfluß auf das Geſamtreſultat ausüben.
Reiſebilder aus Aegypten. Vom erſten Gold : Im
Jahre 1886 .
fund bis heute.
Zahl der
Aui denl | Mann Wert
Wert des crbeute direkt mit ten Woldes : dem Wolds Litrl . bergbau Bes
des gejam
ten crbeuteten
lommen Litrl .
Goldes Vitrl . :
151
boten wird. Während Kairo mit europäiſchen Elementen ſchon ſehr durchſeßt iſt, lebt man hier in vollſtändig arabi ſcher Umgebung, und neben dem modernen berührt man auf Schritt und Tritt auch das alte Aegypten. Uns
ſchäftigten
mittelbar an das „ Luxor-Hotel“ grenzt der Tempel. Die
Neu -Südwales Tasmania
366,294
155,309 50,000 ( ! )
Weſt-Auſtralien Suid - Auſtralien Neu - Seeland Biltoria Queensland
Auſtrali dhe Holonient
6,767
868
179
500
100 ( ! )
32,335
400 ( ? )
922,200
920 ( ? )
2,036,194 1,193,193
25,214
5,277,163
41,411
70 ( ? )
100 ( ?) 105
6,712
178
127 1
38,000,000 2,300,000
200,000 (? ) 1,500,000 45,500,000 224,500,000 30,000,000
| 342,000,000
urſprüngliche Anlage desſelben läßt ſich nur undeutlich erkennen , weil nach beliebter Gewohnheit die Araber ihre
Moſcheen und Wohnungen hineingebaut haben. So .z. B. hat der Konſul , der England , Nußland und Belgien in einer Perſon vertritt, ein Araber, ſeine Reſidenz in den Vorhallen. Schon von weitem ſieht man die Flaggen der drei europäiſchen Nationen über dem Tempel wehen,
Dieſer Tabelle entnehmen wir zunächit, daß Viktoria bedeutend mehr Gold geliefert hat, als die anderen Kolo nien zuſammengenommen . Was den Goldreichtum an belangt, hätten wir alſo folgende Reihenfolge. Viftoria iſt die reichſte Kolonie (mit 224,5 Mill. Litrl.), dann folgen
und durch gewaltige Säulengänge gelangt man zu der
Neu-Seeland, Neu -Südwales und Queensland (mit 30
der zwei Monate, die wir in Luyor lebten, waren fleißige
einfachen Wohnung des Konſuls. Ein großer Teil des
alten Heiligtums iſt verſchüttet worden und gerade während
bis 45,5 Mill. Litrl.) und endlich die übrigen Kolonien (mit
Hände im Auftrage des Muſeums von Bulak geſchäftig,
0.2 bis 2.3 Mill. Lſtrl.).
Ausgrabungen vorzunehmen und den Tempel mehr und mehr freizulegen. Da ſaben wir, welche gewaltige Mühe es erforderte , die Steinblöcke wieder zu entfernen , aus denen die Alten ihre großen Bauwerke aufführten. Un-ะ
Im Jahre 1886 wurde Gold im Werte von etwa 5/4 Mil . Pſtrl. gewonnen und es beſchäftigte der Gold bergbau über 41,000 Menſchen. Der Ertrag per Mann belief ſich auf 127 Litrl. (2540 Mark), gewiß eine hohe
überſichtlich wird der Tempel aber immer bleiben, ſo lange
die neumodiſchen Wohnungen in ihm geduldet ſind.
Summe.
Im gangen iſt in den auſtraliſchen Kolonien bis heute Gold im Werte von 342 Mil. Lſtrl. (6840 Mid. Mark) erbeutet worden – eine Summe, deren ungeheure Größe be ſonders dann deutlich hervortritt, wenn wir bedenken, daß
die Geſamtbevölkerung der auſtraliſchen Kolonien gegen: wärtig nur etwa 3.7 Millionen beträgt. Es kämen ſo: mit von dem Ertrage des Goldbergbaues allein auf den Kopf der Bevölkerung 92.4 Iſtrl. ( 1848 Mark). Den erſten Impuls zu der unglaublich raſchen hiſto: riſchen Entwicklung Auſtraliens gab jedenfalls das Gold,
Um von dem vielen Merkwürdigen einiges Wenige hervorzuheben , ſo fällt vor allem ein gewaltiger Obelisk aus rotem Granit auf , deſſen hieroglyphiſche Skulpturen gut erhalten ſind. Ein früher vorhandener zweiter Obelisk iſt, wie jedermann weiß, nad Paris geſchafft worden. Weiterhin ſehen wir überall, wohin wir bliden, die Statue Ramſes II. , des Großen, mit der Krone von Ober- und Unterägypten auf dem Haupte. Man möchte meinen, der Tempel ſei ihm ſtatt den Göttern geweiht worden , ſo oft findet er ſich hier verewigt. Intereſſanter ſind die
wenngleich jeßt Auſtralien ein blühendes Land bleiben
Ruinen von Karnak , die eine halbe Stunde von Luror
würde, wenn man kein Gold mehr dort fände.
entfernt liegen. Dieſes mächtigſte Bauwerk der alten Welt
wurde ſchon etwa 2800 v. Chr. unter König Ujerteſen I. ( 12. Dynaſtie) begonnen. Und bis in die Ptolemäerzeit wurde an ihm weiter gebaut, wie die 233 v. Chr. errichtete
Reiſebilder aus Aegypten.
Cella Philippi beweiſt. Es war das Nationalheiligtum Oberägyptens.
Nicht weit von ihm befand ſich der alte
son Ernſt Schređer.
heilige See. Den Zugang zum Tempel bildet eine lange IV . Bou Kairo bis zum erſten Katarakt. 2. furor (Theben ).
Wo einſt die gewaltige Hauptſtadt Oberägyptens ſtand , von der aus die mächtigſten Könige des Landes,
wie Ramſes der Große, ihre weithin gefürchtete Herrſchaft übten , iſt heute ein ſchmußiges Dorf hart am öſtlichen Rande des Nils. Die Wohnungen liegen etwas erhöht, bas
mit ſie bei Ueberſchwemmung nicht überfüllt werden können.
Eigentliche Steinhäuſer nach unſerer Art gibt es nur wenig. Für die Reiſenden ſind zwei Hotels vorhanden, die aber höchſt mangelhaft erſcheinen.
Aber alle Uebelſtände laſſen ſich leicht aushalten im Hinblick auf die Fülle des Intereſſanten, die in Luyor ge
Reihe von Sphingen , denen leider allen die Köpfe von religiöſen Fanatikern abgeſchlagen worden ſind. Am Ende dieſer Sphinyallee ſtehen wir vor dem Hauptthore, das ſich
hoch erhebt. Wie gewaltig die Dimenſionen ſind, läßt ſich ſchon daraus erſehen , daß ſich einzelne Steine finden mit einer Länge von 4 bis 5 m und einer Höhe von 2 m und ent ſprechender Dide. Der Umfang des Tempels iſt ſo groß, daß man den Ruinenkompler für eine Stadt hält. Durch das Hauptthor gelangt man zunächſt in einen freien Hof, und rechts öffnet ſich dann die große Säulenhalle. Die Dede wurde hier von etwa 134 Säulen getragen, von denen die in der mittleren Reihe 65 Fuß hoch ſind und 10 Fuß im Durch meſſer haben. Weiterhin gelangt man zu zwei Obelisken
Reiſebilder aus Aegypten .
152
und vielen Gemächern, in denen die Skulpturen auch häus liche Szenen darſtellen , während ſie ſonſt meiſt religiöſen
Inhalts ſind. Es iſt unmöglich, in der Kürze die Einzelheiten dieſes gewaltigſten Denkmals der Vergangenheit zu bes ſchreiben. Es iſt im Grunde gar nicht ein einziger Tempel, ſondern umfaßt eine Summe von Tempeln und Paläſten, die nach und nach errichtet wurden . Beſonders hervorragend ſind der Chonſu - Tempel, der Tempel des Ammon -Ra, der Palaſt des Thotmes III, Wüſte Trümmerhaufen liegen allenthalben in Karnak umher. Hauptſächlich trägt der Nil die Schuld , der durch ſeine jährliche Ueberſchwemmung den Boden ers weicht und den Grund der Gebäude unterwühlt. Ueber kurz oder lang mag die majeſtätiſche Ruine einem Schutt haufen gleichen und der Welt zeigen, wie auch die ſtärkſte Menſchenkunſt im Kampf gegen der Elemente Gewalt unterliegt. Von dem Dſtufer des Nils , wo einſt die Reſidenza ſtadt Theben mit ihren Paläſten und Tempeln ſtand, wenden wir uns auf die andere Seite des Fluſſes zu der Totenſtadt.
Ehe wir zu den erhaltenen Gräberreſten kommen, paſſieren wir den Tempel von Kurneh , der leider zu ſehr vers
füttet iſt, als daß er einen befriedigenden Eindrud hinter laſſen könnte ; dann geht es durch das Theben-Thal (die Araber nennen es ,, Bab-el- Molut“ ) zu den Königsgräbern . Die Sonne brannte uns heiß auf den Rüden 1, als wir eine wüſte Felſenſchlucht, die das Thal burdhritten
uns ſchauerlich wild anmutete. So kamen wir zu den Gräbern von Ramſes IV ., Ramſes IX ., Ramſes VI., Ramſes III., Sethi I., die durch Belzoni 1816 geöffnet 1
wurden .
Lange , ſchmale Gänge , an deren Seiten gut erhal tene Gemälde in Hieroglyphenzeichen von Gebräuchen und Weſen der vormaligen Zeiten Kunde geben , führen in die Erde hinein , hinunter in die Königsgruft ; in dem tief
innen gelegenen Hauptſaale ſtand der Sarkophag mit den Gebeinen des Herrſchers. Hinter der Schlucht der Königs
gräber erhebt ſich die libyſche Bergkette ; wir kletterten hinauf , Ausſicht zugenießen. Und in der That, ein groß artiger Anblid ! Auf der einen Seite die Wüſte mit der Felſenſchlucht, die wir vor kurzem durchritten hatten, auf der anderen das idwarze Nilthal , inmitten alles deſſen eine Fülle von Tempeltrümmern. Dicht unten lag der Tempel von Hataſu , von den Arabern Dehr-el-Bahree genannt, etwas weiter das Rames ſeum , das Ramſes II. zur Erinnerung an ſeine Errettung aus der Hand des wilden Völkerſtammes der Cheta er:
Bauwerke.
Unter allen dieſen Denkmälern nehmen ges
wiß die Bauten von Medinet-Habu die hervorragendſte Stelle ein. Sie enthalten einen Palaſt und großen Tempel Ramſes III., in welchen ein kleiner Tempel von .
Thotmes III. eingebaut iſt. Durch einen Pylon gelangt man in einen Hof , der von Galerieen umgeben iſt, welche auf der einen Seite von acht großen Säulen,
auf der andern durch Pilaſter mit Dſiris - Bildern ge bildet werden. Darauf folgt ein zweiter Hof ähnlicher Art. Der hintere Teil des Balaſtes liegt größtenteils in Ruinen. Doch erkennt man noch mehrere Gemächer. Die Skulpturen an der Außenſeite ſind hiſtoriſcher Art, Dar ſtellungen von Land- und Seeſchlachten , Löwenjagden, an den Innenwänden religiöſer Art , Z. B. Einweihungs
zeremonien eines Königs in die Myſterien. - Auf dem Wege von dieſen Ruinen nach Luyor kommen wir bei
den zwei großen Memnonskoloſſen vorbei. Dieſe gewals tigen Rieſenſteinfiguren in ſißender Stellung von ſchwarzem Marmor ſind bekanntlich feit uralter Zeit berühmt infolge
des Klanges, den ſie bei Sonnenaufgang und -untergang geben ſollen oder früher gegeben haben ſollen. Man hat viel über die Erſcheinung gefabelt, hat ſie auch als Prieſter:
betrug darzuſtellen verſucht. Die Gelehrten der franzöſiſchen Expedition meinten , es ſei Eigenſchaft des Steines ges weſen, früh von der Sonne beſchienen, einen Ton von ſich
zu geben , wie ſie denn etwas Aehnlichen bei Sonnen aufgang im Tempel von Karnak zu bemerken glaubten. Während wir die Koloſſe betrachteten , kletterte einer uns ſerer arabiſchen Eſeltreiber hinauf und ſuchte durch An
ſchlagen mit einem Hammer den wunderbaren Klang hers vorzurufen , um hinterher dafür natürlich ein reichliches Bakſchiſch zu beanſpruchen. In kurzem Nitt gelangt man von den Koloſſen zum Nil zurüd , und nachdem man mittels eines Bootes den Fluß durchkreuzt hat, befindet man ſich wieder in Luyor.
Aber mehr noch als das Studium der Altertümer zog uns der Verkehr mit der heutigen Bevölferung an . Und da war es mir eine angenehme Beſchäftigung, auf meinem Eſel ziellos querfeldein zu reiten und die Fellah dörfer zu beſuchen , mit den Leuten zu ſprechen und ihre Ar beiten und Gewohnheiten zu beobachten. Von weſentlichem Vorteil für meinen Umgang mit den Einheimiſchen war mir der Verkehr mit unſerm deutſchen Konſul, Mobareb Todrus,
der Araber und koptiſcher Chriſt iſt. Er ſpricht neben ſeiner arabiſchen Mutterſprache Deutſch, Engliſch , Frans zöſiſch fließend und iſt ein ſehr freundlider Menſch , der ſidh der Deutſchen liebenswürdig annimmt. In ſeinem
richtete. Zur Linken hatten wir den vorher 'beſuchten
Hauſe hat er eine große Raritäten- und Mumienſamm :
Tempel von Rurneh, zur Rechten den Tempel von Medinet Habu. Aus der Ferne jenſeit des Nils ragten herüber die Tempel von Luxor und Karnak. Kein großartigeres Panorama fann man ſich denken. Das Nilthal, das ſich bei Luyor freisförmig ausweitet, umrahmt von den Berg zügen der Wüſte und inmitten dieſer Natur die erhabenſten
lung , ein Muſeum im kleinen, das er dem Fremden zeigt und wovon er auch gern verkauft. Nie aber entläßt er den Beſucher, ohne ihn nach arabiſcher Sitte mit Kaffee und Zigaretten zu bewirten. Zuweilen beranſtaltet er auch dem Gaſte zu Ehren eine Phantaſia, die oft ges
ſchilderte Vergnügung der Araber , beſtehend aus Tanz
Reiſebilder aus degypteil.
und Mufit. Tänzerinnen im bunteſten Koſtüm , welche uns
nur ſelten ſchön erſcheinen , treten auf und produzieren ihre Künſte, während eine für unſere Dhren dyredliche Muſit ertönt, die teils durch flötenartige Inſtrumente, teils durch näſelnden Geſang hervorgebracht zu werden pflegt. Es iſt daher auch die feinſte Phantaſia für uns in der Regel kein Genuß. Schon im alten Aegypten eriſtierte die Klaſſe der tanzenden Weiber und Mädchen , und heute
153
alten Bauten gewonnen wurde , und gelangten dann zu dem Tempel von Komombo, der dem Gotte Sebak geweiht war , als deſſen heiliges Tier das Krokodil galt. Ueberall an den Wänden des Tempels ſah man das Bild
des Krokodils, das gerade in der Kataraktengegend bes ſonders verehrt ward, weil es hier vor allem lebte. Heuts zutage kommen unterhalb des erſten Katarakte Krokodile nicht mehr vor ; aber vom erſten Ratarakte aufwärts, nas
den und bilden das Gegenbild zu den ſtreng abgeſchloſſenen
mentlich jenſeits des zweiten Katarakts (man zählt etwa zehn Katarakte ) ſoll es ihrer noch viele geben. Der
Haremsfrauen. Dieſe doppelſeitige Weiſe : entweder den
Tempel von Romombo wird wohl über kurz oder lang
weiblichen Teil der Menſchen gänzlich abzuſperren oder
Stromauf von Luror gelangen wir bald nadı Esneh, wo wir einen verhältnismäßig kleinen Tempel beſichtigen, der
ein Raub des Nils werden, da der Strom von Jahr zu Jahr bei der Ueberſchwemmung einen Teil des Gebäudes einreißt. Doch wir wenden uns von dieſer Ruine weiter nach Aijuan , der Grenzſtadt von Oberägypten und Nubien am erſten Katarakt. Hier liegen im Nil die beiden bekannten Inſeln Elephantine und weiter von Afluan entfernt Philae. Die leßtere Inſel nimmt bei weitem das größere Inters
tief in die Erde hinunterführt, aber unter den ägyptiſchen
effe in Anſpruch. Um dorthin zu gelangen , iſt eine
Bauwerken feine beſonders hervorragende Stellung eins
ganze Tagestour nötig. Wir ritten teils zu Efel , teils auf Ramelen in der Richtung ſtromauf durch die Wüſte; denn zu Waſſer läßt ſich die Kataraktengegend nicht wohl
ſind dieſelben in faſt allen orientaliſchen Orten vorhans
aber ihn preiszugeben , iſt eine der Hauptwurzeln der ungeſunden Zuſtände im Drient. Audy einem nur ober flächlichen Beobachter wird dieſe Wahrnehmung nicht ents gehen. 3. Voi Quror bis Aſſuali.
nimmt. Viel bemerkenswerter iſt der Tempel des Horus zu
Edfu. Errichtet ca. 180 v. Chr. , iſt er der beſterhaltene
Tempel Aegyptens und macht in dieſem vollſtändigen Zu
paſſieren. Wir kamen nach etwa halbſtündigem Ritt zu
ſtand einen impoſanten Eindrud. Wir kletterten zu ſeiner
den Granitſteinbrüchen , wo die großen Obeliske gewonnen wurden und wir noch einen ungeheuren , aber nicht vollen
höchſten Spiße, um von dori aus den Sonnenuntergang zu genießen. Wenn wir nun auch gerade kein herrliches Natur idauſpiel zu bewundern hatten , ſo wurde uns doch ein intereſſanter Blid auf ein naheliegendes Dorf, auf Nilthal
deten Monolith bewundern konnten. Nach einer weiteren
und Wüſte geboten. Die Landſchaft zu beiden Seiten des Nils bleibt ſich meiſt gleich : erſt ſchmale Streifen
Hier liegen großartige Reſte von Tempeln der Iſis und
dunkelſchwarzer Erde, dann die kahle Wüſte. Am Rande
erkennen, daß eine chriſtliche Kirche dort ſpäter eingebaut war, wie man dies in ägyptiſchen Tempeln öfter beobachten
von Wüſte und Nilthal ſtehen hier und dort Palmen
Stunde gelangten wir in die Nähe von Philae und feßten in einem von Nubiern geführten Boote zur Inſel hinüber. anderer Gottheiten. Auch iſt an Kreuzen und Inſchriften zu
und Sykomorenhaine. Wenn man aber dächte, daß ein Palmenwald etwas hervorragend Schönes ſei, ſo würde man irren ; die ſchlanke Palme mit der ziemlich dürftig ausgeſtatteten Blätterkrone gewährt in dem Sonnenbrande
ein herrlicher Blick auf die liebliche Inſel mit ihren Bauten und auf den Nil mit ſeinen Katarakten. Dann ging es
nur wenig Schatten, und gerne würde man die deutſchen Vuchen und Eichen gegen ſie eintauſchen. Als wir von
in kleinen Booten ſtromab zum Katarakt ſelbſt. Es iſt bekanntlich nicht ein Fall oder mehrere Fälle, ſondern es
Edfu weiterfuhren, überraſchte uns mitten auf dem Strom der Chamſîn , dieſer glühend heiße Wüſtenwind , der uns endlich viel feinen Staub aus der Wüſte mitführt und für Augen und Lungen höchſt gefährlich iſt. Die Luft war ganz mit dem Staub erfüllt, vor dem man ſich kaum zu ſchüßen vermochte; wie ein dichter Nebelſchleier verhüllte
ſind Stromſchnellen , in denen ſich der Fluß ſeinen Lauf durch das Gebirge bridt , kleinere oder größere Felſen inſeln bildend, zwiſchen denen er reißend hindurchſtrömt. Viele nadte Nubier , die ſich durch ihre dunkle Farbe namentlich von der Bevölkerung des eigentlichen Aegyptens
er ſelbſt die Sonne. Bei Lungenkranken, die Aegypten vielfach zur Kur aufſuchen, werden die wohithätigen Wir
von den Felfen in die Strudel und ließen ſich auf Holz balken hinabtreiben, um weiter unten wieder ans Land zu
kungen des Klimas oft durch einen Chamſîn zerſtört. Mehrere
kommen. Es war dies ſehr amüſant anzuſehen. Aber
Perſonen unſerer Reiſegeſellſchaft bekamen infolge des Una wetters Lungenentzündung. Wir mußten einen ganzen
nachmachen möchte man es kaum , denn der des Fluſſes unkundige Schwimmer könnte leicht in dem Strudel den Tod finden . Dann fuhren wir wieder ſtromauf zu einem nubiſchen Dorfe , wo unſere Tiere warteten. Und nun ging es hart am Ufer des Nils ſtromabwärts auf Aſſuan
Tag vor Anker liegen , weil die Fahrt unmöglich war. Als das Unwetter vorübergezogen , dampften wir am nächſten Morgen weiter und paſſierten zuerſt die Stein brüche von Gebel-el-Silſileh, wo das Material zu den
kann. Eine Kirche von St. Stephan iſt hier im 6. Jahr
hundert entſtanden. Von der Spiße des Tempels bot ſich
unterſcheiden , ſtürzten ſich für Geld und gute Worte
zurück die Wüſte hindurch, die hier wild und felſig wie
Aus dem ſkandinaviſchen Norden .
154
ſelten iſt, bergauf und bergab mit immer großartigeren
deđen , teils um dem Feinde möglichſt viel Schaden zu
Durchbliden auf den romantiſchen Fluß und ſeine ſtrudeln:
thun ; in dem fruchtbaren Süden des Landes treten dieſe Verödungen weniger zu Tage, denn entweder erſeßte die Natur ſelbſt oder Menſchenhand die entſtandenen Ver:
den Schnellen .
Dieſe Gegend des erſten Kataraktes bot entſchieden die ſchönſten Punkte unſerer ganzen Nilreiſe. Man ſieht,
wie die Natur den Sieg über die Kunſt, wenn ſie auch noch ſo majeſtätiſch iſt, davon trägt. Doch am herrlichſten iſt es, wenn Kunſt und Natur ſo nah miteinander ge : paart ſind , wie an der ehrwürdigheiligen Nilinſel Philae.
Sie iſt ein Glanzpunkt Aegyptens. Wer ſie einmal ſah, vergißt den Anblid nimmer.
Aus dem ſkandinaviſchen Norden. Bon
a 18 d. Sönberg.
Es iſt eine Modeſache geworden , den Norden zu be reiſen , was durch die vielen neu eröffneten Verkehrswege ſehr erleichtert wird. Die Schilderungen , die man zuweilen von Touriſten hört , werden aber , da ſie meiſt im Fluge das Land durcheilen , demgemäß furz und oberflächlich. Wohl lieſt man feſſelnde Beſchreibungen von Stod holm und ſeiner herrlichen Lage, den Scheren, den Troll hätta - Fällen , aber von dem Innern des Landes, von deſſen und der Bewohner Eigenheiten, Sitten und Leben erfährt
wüſtungen .
Je mehr man fidy aber dem Innern, beſonders in Smaland, nähert, wo der Boden meiſt aus Sand und
Geröll beſteht, deſto größer werden die Heideflächen, deſto ausgedehnter alſo die Strecken unbebauten Landes. Gegen die ſchlechte Waldwirtſdaft in Sdyweden iſt ſchon viel geſprochen und geſchrieben worden ; der Grund befißer trieb , um ſich ein Einkommen zu verſchaffen , die Hölzer ab, er erhielt infolge der weiten Frachten oft kaum ſeine Arbeit und Fuhrlohn bezahlt da er aber in ſeiner Heimat keine Verivendung für ſeine und der ihm gehören: den Geſpanne Arbeit fand , ſo bot ihm der Erlös der Forſtprodukte immerhin ein Mittel, die Bedürfniſſe ſeines Lebens zu befriedigen. Unter ſolchen Verhältniſſen war an einen Wiederanbau der abgeholzten Forſte nicht zu denken. Man überließ dies der Natur ſelbſt, verbrannte
die Reſter der abgetriebenen Waldungen und kraßte zwiſchen die Stöde mit dem Redhen das Saatkorn ein, und erhielt ſo aus der Ernte eine Ertraeinnahme. So behandelter Boden erleichterte das Keimen des aus benachbarten Hol zungen angeflogenen Nabelholzs und Birkenſamens. Doch auf weniger geeigneten , von Wäldern weiter entfernten
man wenig oder nichts; ich werde daher über längſt Bes kanntes hinweggehen und dem Leſer andere Bilder vor
Flächen, wo keine Selbſtbeſamung ſtattfinden konnte, ent
führen. Es lohnt wohl der Mühe, den Norden kennen zu lernen, und ich glaube nach einer dreißigjährigen Er :
deckten .
fahrung imſtande zu ſein, über dieſe Länder ein getreueres Bild zu entwerfen, als der flüchtige Beſucher . Ich wende mich zuerſt nach Schweden . Der ſüdliche Teil des Landes iſt mehr hügelig als bergig , die Boden : formation eine wellenförmige , mit wenigen einzelnen her: vorragenden Höhenzügen. Leidit erkennt man die Einflüſſe der Eisperiode und die Strömungen jener Zeiten nach dem Süden zu ; geben doch die hier und da abgelagerten erratiſden Blöde, die Richtungen der Höhenzüge davon unzweideutige Beweiſe. Unzählige größere und kleinere Seen bededen das
ſtanden allmählich die Blößen, die ſich mit Heidekraut be
Je länger nun eine ſolche Fläche mit Heide beſtan den, je dywieriger wird die Kultur folchen Bodens, ſei es zu Acer oder Holz ; der Abfall des Heidekrautes bildet allmählich eine Kruſte , die infolge ihres ſtarken Eiſens gehalts für andere Pflanzen ungenießbar wird und nur hier und da an feuchten Stellen weniges Gras erzeugt,
dem Vieh , das im Sommer auf dieſen Flächen weidet, zur Nahrung dienend.
Inmitten dieſer Heiden und der noch vorhandenen
Wälder liegen in den Thalſenkungen , wo beſſerer Boden ſich abgeſeßt hat, die Aecker und Wieſen und in ihnen die Dörfer und einzelnen Gehöfte. Die Wieſen ſind, mit Ausnahme der Gegenden, welche
Land und drücken demſelben ein ganz eigentümliches Ges
durch Bäche und kleine Flüſſe durdyſchnitten werden, meiſt
präge auf. Ebenſo fallen dem Auge im mittleren Schweden
unter mehr oder minder didt ſtehenden Laubhölzern zu finden . Dieſe Bäume nun verdünnen die Heide, und unter ihnen gedeiht meiſt ein gutes, blattreiches Gras. Wenn man auf der Fahrt durch das Land mittelſt der althergebrachten , skjuts auf einen höheren Hügel kommt, ſo bietet ſich dem Auge ein ganz eigenartiges Vild ; man erblickt auf den großen Heideflächen nicht allein
die oaſenartigen Ađer- und Wieſenflächen inmitten großer Heiden und Wälder auf.
Der abſeits der großen Heerſtraßen , Eiſenbahnen und
Kanäle Reiſende fragt mit Recht, woher dieſe unermeßlidhen Heiben und öden Fläden kommen. Zum Teil entſtanden ſie durch die Verwüſtungen der Dänen in ihren zahlreichen Kriegen mit den Schweden , zum Teil durch die ſchlechte Waldwirtſchaft der Eingeborenen ſelbſt. Die Dänen brannten auf ihren Rüdzügen , von den Schweden verfolgt, viele Wälder nieder, teils um ſich zu
inehrere kleine Seen , die meiſt von Erlen und Weidens
gebüſch umrahmt find , fondern audy hie und da in den
Thalfenkungen größere oder fleinere grüne Flächen, worin zwiſchen den grün leuchtenden Bäumen die Dorfſchaften
A18 dem ſkandinaviſchen Norden .
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mit ihren Xecern und Wieſen liegen. Das Ganze wird
ein Zimmermann ; beiſpielsweiſe arbeiten in einem kleinen
häufig von dunkeln Nadelholzwäldern umjäumt. Die Stille in der Natur , das Verborgenſein menſch.
Wohnhaus mit zwei Innenwänden deren acht, ſo daß der Aufbau gleichmäßig an allen Enden vorſchreitet. Zwiſchen den einzelnen Balfen , deren einer etwas hohl auf der hohen Kante gearbeitet iſt, wird Moos gelegt zur Dich tung ; der Länge nach bekommen die Balfen durch ein:
lichen Lebens und uns , die großartige Weite der Aus1
fidyt, die dunkeln Walbungen drücken der Landſchaft ein
ernſtes, beinahe melancholiſches Gepräge auf , das ſich unbewußt dem Volke mitteilt und in ſeinem Charakter
gelegte , ineinander verſenkte Pflöde Halt , um das Ein
wiederſpiegelt.
und Ausbiegen der oft bis zu 12 Ellen langen Balken
So oft ich mich auch in das Anſchauen dieſer Natur
zu verhüten.
vertiefte, ſo wurde ich doch immer von neuem durch den
Man rechnet gewöhnlich , daß jeden Tag das Haus
weiten, freien Blick auf große , nur hie und da unter:
eine reichliche Ele in die Höhe wächſt, ſo daß oft in einer Wode ein kleineres Haus fertig daſteht.
brochene Flächen gefeſſelt und und immer wieder mit ernſten Betradytungen erfüllt. Hier wie anderwärts übt
Die Dächer, deren Sparren aus ſtarken Hölzern hers
die Natur ihre Wirkung auf die Denk- und Lebensweiſe der Menſchen aus und ſo erklärt ſich der ernſte, ſolide und ehrenhafte Charakter der ſdwediſchen Nation, die ſich vorteilhaft vor uns übrigen Europäern auszeichnet durch einfadye Sitten , eine regelmäßige Lebens- und Ernährungsweiſe, Gaſtfreiheit und große Redlichkeit. Doch niớt überall begegnen uns die Heibeflächen mit
geſtellt werden , haben vom Firſt bis zur oberen Balken lage eine Höhe von ungefähr einem Dritteil der Breite des
ihren grünumrahmten Thalſenkungen , ſondern Sdweden hat auch ſehr fruchtbare Provinzen, wo keine öden Flächen anzutreffen ſind, Schonen , Dſt- und Teile von Weſtgot: land, Södermanland u. f. w. mit einem Boden, der dem
beſten in Europa nicht bloß gleichkommt, ſondern ihn noch übertrifft.
Man macht ſich oft von Schweden eine ganz
irrige Vorſtellung, glaubt , es ſei die Region des Eiſes, und Bären bevölkerten die Wälder ; ganz abgeſehen ton den fruchtbaren Provinzen , in denen der Akerbau auf hoher Kulturſtufe ſteht, ſo wird doch auch in den weniger von der Natur geſegneten Gegenden das Land mit Sorgfalt bebaut, und es mangelt weder an den edleren Getreide: ſorten noch an ſchönem Obſt, wenngleich es meiſt zeitige
Hauſes, werden mit Brettern dicht beſchlagen , auf welche Stroh oder noch beſſer Birkenrinde aufgelegt wird ; leßtere in etwa zolldider Lage und auf dieſe wieder ausgeſtochener Raſen , deſſen Grasnarbe nach unten zu liegen kommt. Den Naſen hält am unteren Teil des Daches ein vier edig bebauenes Holz von fünf bis ſechs Zoll Stärke , an den Giebeln breite bis zum Firſt reichende Bretter. Dächer , die Birkenrinde als Unterlage des Raſens I
haben , dauern mit geringen Reparaturen dreißig bis vierzig Jahre ; bildet Stroh die Unterlage , ſo müſſen ſie .
von Zeit zu Zeit umgedeckt werden , da das Stroh fault. Dieſe Dächer halten warm und dicht gegen Regen und Schnee.
Ein derartiges Haus iſt ſehr einfach eingeteilt , hat meiſt nur ein größeres Wohnzimmer, das gern nach Süden gelegt wird, mit einem großen Fenſter am Giebel und einem .
bis zwei an der Eingangsſeite, und wird von einem großen Herde erwärmt und erleuchtet.
Der Hausflur gegenüber
Sorten ſind. Id habe auch Aprikoſen und Pfirſiche in
liegt die kleine Küche und auf dem dem Wohnzimmer
günſtigen Lagen bis unter den 58.0 n. Br. im Freien reifen
entgegengeſeßten Giebel iſt ein kleiner Raum , der als
ſehen , denn das Klima iſt bei weitem milder, als man
Vorratskammer dient.
ſich vorſtellt, namentlich zeigt der Winter eine gleichmäßige
Ein ſolches Haus , das ſelten über zwanzig Ellen
Temperatur , die kaum niedriger iſt als im mittleren
lang, acht breit und vier hoch iſt, wird von einer Familie
Deutſchland.
bewohnt ; das Wohnzimmer iſt zugleich Schlaf- und Eſs raum. An den Langſeiten ſtehen die meiſt für zwei Menſchen benutzbaren Bettkäſten , die mit Vorhängen verſehen ſind. Am Fenſter der Giebelwand iſt im Winter der Webſtuhl aufgeſtellt , das Leinen und die Wollſtoffe zur Kleidung für die Familie gewebt worden . Auf den Fenſterbrettern ſtehen faſt immer Blumen, und ſelbſt in den ärmſten Hütten ziert die Fenſter ein, wenn auch ſchmaler, Vorhangſtreifen . Die Dielen werden jeden Morgen gefegt und mit
Freilich wenn ein Neiſender zufällig im mittleren Teil des Landes die Feldbeſtellung ſieht, wie der Pflug zwiſchen den vielen Steinen ſich bewegt , unzähligemale herausgehoben und wieder eingeſeßt wird , ſo begreift er nicht, wie man das Feld überhaupt beſtellt, und doch
trägt dieſer Boden gut und reichlich Frucht, übertrifft bei weitem die preußiſche Niederlauſit und die Mark an
Fruchtbarkeit. Einen beſonders belebenden Eindruck machen die roten Häuſer mit den weiß geſtrichenen Thüren und Fenſtern ; ſie find meiſt aus Holz, eigentliche Blodhäuſer, aus fünf bis ſechs Zoll ſtarken Balken von ungleicher Breite gezimmert. Der Aufbau eines ſolchen Hauſes geht raſch vor fidh; die idon vorher behauenen Stämme werden aufeinander geſeßt, an jeder Wandede , wo die Balken verzapft werden, ſteht
klein gehadtem Fichtenreis beſtreut, welches einen ſehr
angenehmen Gerud verbreitet. Herd und Schornſtein ſind ſtets weiß geſtrichen und dieſer Anſtrich wird öfters erneuert.
Wie traulich fißt es ſich am Abend um den von
einem muntern Feuer hell erleuchteten Herb. An ihm
Aus dem ſkandinaviſchen Norden .
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werden zur Winterszeit häusliche Arbeiten jeder Art vor: genommen. Die Frauen ſpinnen , die Männer beſſern Ge: räte aus oder verfertigen neue , als da ſind Schaufeln , Rechen, auch Holzſchuhe zum Verkauf.
In einigem Abſtande vom Wohnhaus ſtehen die ebenfalls aus Balfen gezimmerten Ställe und mit ihnen zuſammenhängend Scheuer und Dreichdiele, meiſt audi mit einem Schuppen zum Aufbewahren der Geräte ver: ſehen, da man dieſe, der beſſeren Erhaltung wegen, nicht ben Unbilden des Wetters ausſeßt.
Die Gehöfte liegen faſt immer getrennt von einander,
dicht zuſammengebaute Dörfer gehören zu den größten Seltenheiten , doch darf nicht unerwähnt bleiben , daß in den Dörfern häufig größere Höfe vorkommen, mit ſtatt: licheren Gebäuden, als die ſoeben beſchriebenen. Viele folcher kleiner Dorfſchaften bilden ein Kirchſpiel,
y socken“, mehrere Kirchſpiele ein Paſtorat; jedes Kirch ſpiel hat ſeinen eigenen Geiſtlichen. Die Geiſtlichen eines Paſtorats predigen viermal in jedem Jahr in den ver
ſchiedenen Kirchen desſelben , ſo daß die Gemeinden von Zeit zu Zeit einen andern Prediger als den zuſtändigen zu hören bekommen. Der Hauptgeiſtliche eines ſolchen
Paſtorats, der auch einen höheren Gehalt bezieht, iſt mit der oberen Verwaltung ſeines Sprengels betraut ; die Geiſtlichen eines Kreiſes ſtehen unter einem Kontrakte propſt, der wiederum unter dem Biſchof der Provinz und dem Konſiſtorium ſteht. Die Einkünfte der Geiſtlichen ſind feſtgeſtellt, die zu
Ich kann nidt behaupten , daß dieſe den liberalen
Grundſäßen der Neuzeit entſprechende Aenderung zum Heil des Landes gereichte. Die Sekten wachſen wie die Pilze aus der Erde und das Volt iſt durch die Freiheit, fich jedem chriſtlichen Glaubensbekenntnis anſchließen zu dürfen, nicht glüdlicher geworden . Ich kenne Gemeinden , in denen zwei bis drei verſchiedene Sekten in eigenen Ver
ſammlungsräumen ihr Weſen treiben, und da ſie von un gelehrten Vorſtänden geleitet werden , denen oft das Ver ſtändnis der Dogmen ganz abgeht, tragen ſie gewiß nicht zur Erbauung der Gläubigen bei. Die geſtattete Religionsfreiheit, die ſich auch auf die Juden erſtreckt, iſt ſicher keine ſegensreiche zu nennen. Es dürfte wenigen bekannt ſein , daß noch heute in den meiſten Landkirchen der Gebrauch herrſcht, nach been digtem Gottesdienſt von der Ranzel herab, welche der Geiſt liche zu dieſem Zwede wieder beſteigt, nicht allein die offiziellen Bekanntmachungen der Behörden , die Geſeße zu verleſen , ſondern auch Mitteilungen , welche man in Deutſchland
in die Wochenblätter ſeßt , z. B. Auktionen , Kauf- und Verkaufsanerbieten aller möglichen Gegenſtände, Geſuche um Arbeiter u. 1. w. Man hat oft verſucht, dieſen bers
alteten Gebraud, abzuſchaffen und die Verleſung ſolcher Bekanntmachungen in das Gemeindeverſammlungslokal zu verweiſen , aber nur in wenigen Gemeinden iſt dies
gelungen. Dieſer Gebrauch, wenn auch nicht mehr zeit
gemäß und gewiß nicht für das Gotteshaus paſſend, hängt
werden meiſtbietend verpachtet; die dazu gehörenden Forſten
mit der früheren iſolierten Lage der Gehöfte zuſammen , und da jeder Mann die Verleſung der amtlichen Bekannt madzungen anhören mußte und die wenigſten leſen konnten,
ſtehen unter Kontrole des fönigl. Forſtperſonals und
war dieſe Sitte praktiſch und zweddienlich.
werden ſeit einigen Jahren rationell bewirtſchaftet. Die frühere gehäſſige Art der Beſoldung durch Erlegung des
In jedem Kirchſpiel iſt ein Drganiſt angeſtellt, dem das Spielen der Drgel beim Gottesdienſt, die Beaufſichti gung des Läutens und das Impfen obliegt. Die Ein fünfte desſelben werden noch in altherkömmlicher Weiſe in Naturalien geleiſtet, wozu unter anderem die jährlich einmal um Jobanni wiederkehrende Lieferung an Milch gehört. Dieſe wird , da der Organiſt von Dorf zu Dorf
den Wohnſißen der Geiſtlichen gehörenden Ländereien
Zehnten hat ganz aufgebört, die Einziehung desſelben war mit vielen Unannehmlichkeiten verbunden . Jeßt koſtet weder Taufe, noch Hochzeit, noch Begräbnis den Betreffen den etwas, nur beſondere Dienſtleiſtungen im Haus werden bergütet.
Die kirchlichen und Schulangelegenheiten in den Ge
zur Einſammlung herumfährt und die Maſſe der gelieferten
meinden werden durch den Kirchenrat und die ,kyrko
Milch ſonſt nicht zu bewältigen wäre, zu Käſe verarbeitet,
stämma“ (Kirchengemeinde Verſammlung), deren Vorfißen der der zuſtändige Geiſtliche iſt, unabhängig von der = meindeverſammlung , kommunal stämma “, beraten und geordnet. Um über weitergehende firchliche Angelegen: heiten zu beſchließen , tritt alle drei Jahre , unabhängig vom Reichstag, eine Kirchenverſammlung zuſammen , be : ſtehend aus den Biſchöfen , Deputierten der Geiſtlichen und Laien, deren Beſchlüſſe der Zuſtimmung des Königs unter:
und man erhält, trokdem daß ſo vielerlei Mild zuſammen
9
ſtellt werden.
Seit einer Reihe von Jahren iſt das lutheriſche Bes
kenntniß nicht mehr Staatsreligion. Es herrſcht volle Religionsfreiheit für alle dyriſtlichen Selten.
Der Vor:
ſchlag dazu ging von der Regierung aus und erhielt, obſchon nach heftigem Widerſtande, Gefeßeskraft.
geſchüttet wird , doch einen ſehr guten feſten Käſe , deſſen Wert und Preis faum dem Sdweizerfäſe nachſteht. Uebrigens dürften die Naturalleiſtungen an den Orga niſten bald auch in feſten Gehalt umgewandelt werden. An und für ſich hatten ja die Naturalleiſtungen als Ab gaben und Steuern in dem an edlen Metallen armen Lande und bei den wenig wohlhabenden Bewohnern , bei den Schwierigkeiten , die Produkte in Geld umzuſeßen, viel
für ſich - die Entrichtung der Abgaben ward für die Steuerzahler erleichtert. Almählich ging man aber dodo daran , die Naturalleiſtungen in Geld umzuwandeln, nady dem allgemeinen Marktpreis, dem jedoch ein Durchſchnitts preis in den verſchiedenen Gegenden zu Grunde gelegt
Die Kinder der Judianer Nordamerikas.
und der durch eine Kommiſſion in jeder Provinz geregelt und beſtimmt wurde.
Bis noch vor kurzem waren den Beamten der Regie rung größere oder kleinere Güter als Gehaltsbezüge über wieſen. Hierdurch entſtand , da der Wert und der Ertrag der Güter in den einzelnen Provinzen ein ſehr verſchies dener war , eine große Ungleichheit in der Befoldung. Demzufolge iſt dieſer Uebelſtand abgeſchafft; die Regie: rung verpachtet die Güter meiſtbietend , verwaltet die dazu gehörenden Waldungen forſtmänniſch, zieht die Er:
träge ein und befoldet ihre Beamten baar aus der
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Schwarzbrot, ſowie „ blandbröd ", d. 5. Roggenbrot , in dem , je nach der Sitte der Gegend, ein Teil Hafermehl mitverbaden wird. Dan badt dieſe Brote und reiht ſie, da ſie ein Loch in der Mitte haben, an Stangen auf und
verbraucht ſie nach und nach. Auch darf ich nicht uner wähnt laſſen, daß in manchen Gegenden beim Schlachten von Kindern das Blut in den Brotteig gemiſcht und mit verbacen wird. Dieſes hartgetrocknete , pallbröd " wird beim Verbrauch zerbrödelt , weich gefocht und mit Milch
ſauce und geröſtetem Sped genoſſen , und iſt in dieſer Zubereitung äußerſt nahrhaft. Das ,knäckebröd “, ein
Staatskaſſe. Dieſelbe Beſoldungsweiſe fand aber auch bei den eingeteilten Truppen ſtatt. Vom Regimentschef bis zum Unteroffizier herab erhielt das „ indelte" Militär ſeinen Gehalt aus Krongütern. Es tamen Fälle vor , daß ein
flacher, mehr oder minder did aufgetriebener, ungeſäuerter, harter Kuchen , iſt ein ſehr beliebtes Nahrungsmittel, und man glaubt, daß deſſen häufiger Genuß die weißen Zähne
Sergeant in einem ſchoniſchen Regiment größere Eins nahmen hatte , als ein Stabsoffizier eines in den nörd:
,, vört“ genannt, aus Roggenmehl mit ſtarkem Bier und etwas Syrup und Anis angemacht. Ein Hauptnahrungs
lichen Provinzen liegenden Regiments. So erinnere ich
mittel bes Volkes iſt die Milch, in füßer und ſaurer Ges
mich eines Falles , wo der Zahlmeiſter eines ſchoniſchen Dragoner-Regiments, als er ſeinen Abſchied nehmen wollte, und ſeine Penſion nach damaligem Gefeß vom Reichstag bewilligt werden mußte, in ſeinem Geſuch darum einfam , er wolle, um dem Reichstag die Bewilligung einer größeren
Summe zu ſparen, ſtatt baaren Geldes mit den Einkünften
ſtalt ; ſie wird zu allen Tageszeiten falt oder auch warm als Suppe verſpeiſt. Die aus der Milch gewonnene Butter wird meiſt verkauft, der Reſt der Milch zu trockenem Käſe verarbeitet und dann gern gegeſſen. Außer Kartoffeln genießt der Schwede wenig Gemüſe, höchſtens Rohlarten und rote Rüben , leştere mit Effig.
des ihm bis jeßt zugeteilten Krongutes zufrieden ſein. Aus
( Fortſegung folgt.)
des Volkes verurſacht. Um die Weihnachtszeit wird auch außer Weizenbrot ein eigentümlich ſüßes Brot genoſſen,
mir unbekannten Gründen entſtand keine Debatte über
dieſes Geſuch , welches der Reichstag einfach und kurz bes wiligte. Das Reſultat ergab , daß der Zahlmeiſter ſein Sirongut für ca. 18,000 Mark verpachtete, während er in Penſion höchſtens 4000 Mark erhalten hätte. Solche Sachen können jeßt nicht mehr vorkommen. Da aber die Verwaltung der Krongüter durch die Vermeſſungen, Einteilung und Haupläne der Forſten , die Beaufſichti
gung derſelben die Kontrole der verpachteten Domänen ſehr erſchwert wird , beabſichtigt die Regierung , einen größeren Teil der Krongüter zu verkaufen und hat den Anfang damit bereits gemacht. Die Verwirklichung dieſes Planes kann natürlich nur langſam vorwärts ſchreiten. Ich wende mich nun zu dem eigentlichen Volk, deſſen Leben und Gebräuchen .
Der äußeren Erſcheinung nach
ſind die Schweden ein großer , kräftiger, wohlgeſtalteter Volksſtamm , meiſt blond und blauäugig ; Frauen und Mädchen ſind hübſch mit friſchen Farben. Der Volks. charakter iſt ein ſtiller , ernſter ; das Volk iſt mäßig, ars beitſam und redlich. Die Lebensdauer iſt infolge des einfachen und regelmäßigen Lebens eine längere als bei den meiſten anderen Nationen. Mild) , Brot , Kartoffeln , Fiſche und Fleiſch ſind die Hauptnahrungsmittel. Das Brot wird meiſt in größeren Mengen auf einmal gebacken.
Weizenbrot und Kuchen gehören zu den ſeltenen Genüſſen bei Gaſt- und Feſtmahlzeiten. Der Landbewohner genießt für gewöhnlich Roggenbrot, feineres von gefiebtem Mehl,
ober auch mit Kleie zuſammengemahlenes und gebadenes
Die Kinder der Judianer Nordamerikas. Von Friedrich I. Bajefen .
Der Indianer größter Wunſch iſt es, recht viele Kin der zu haben , und dies iſt auch wohl der Hauptgrund, weshalb ſie ſich meiſtens mehrere Weiber nehmen ; denn eine Frau würde ihnen nur drei, höchſtens fünf Kinder gebären. Die übermäßige Arbeit , welche den Weibern aufgebürdet i wird, macht dieſe bald zeugungsunfähig. Die Söhne ſind des Indianers Stolz, während die Mädchen ſein Eigentum vermehren , indem ſie, wenn ſie erwachſen ſind , gegen
Pferde, Sättel, Büffelfelle u. ſ. w . an irgend einen heirats luſtigen Krieger des Stammes eingetauſcht werden . Sehr beſorgt ſind die Indianerfrauen , daß ſie ſo viele Kinder wie möglich zur Welt bringen. Je glücklicher ſie darin ſind, deſto mehr werden ſie von ihrem Gatten geehrt. Ein Weib , welches keine Kinder bekommt , wird nicht allein von ſeinem Gebieter , ſondern von dem ganzen Stamme mißachtet. Es iſt ein bedauernswertes Geſchöpf, das
häufig eine ſcauderhafte Behandlung von ſeiten des Mannes erblidt und dem die ſchwerſte Arbeit zugemutet wird.
Fühlt eine Frau den Augenblick nahen, wo ſie Mutter werden ſoll, ſo geht ſie Sommers irgendwo in der Nähe des Dorfes in einen Buſch , Winters in einen im Dorfe eigens für ſtattfindende Geburten erbauten Wigwam . Dort verweilt ſie allein , bis das Kind geboren iſt. Si
Die Kinder der Indianer Nordamerikas .
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verſchmäht ſelbſt die geringſte Hilfe und würde ſogar im
eine ausgeſpannte Decke oder ein Fell verbunden und
höchſten Grade erzürnt ſein , wenn man ihr eine ſolche
darauf auf der Reiſe allerlei Gegenſtände und auch die
anböte. Nach dem Gebären geht die Mutter wieder an die Arbeit.
Kinder unter vier Jahren transportiert. Mit vier Jahren werden dieſe auf den Pferden ſelbſt feſtgeſchnürt.
Das neugeborene Weſen wird bis an den Hals in ein gegerbtes Rehfell oder in alte , wollenc Lappen ge
Die kleinen Mädchen haben eine große Vorliebe für Puppen , welche ihnen die Mutter aus allerlei Lappen
widelt und dann in ein aus Holzſtäben gefertigtes und
herſtellt und mit Sorgfalt nach ihren Begriffen von
mit Häuten umſpanntes Geſtell gethan , in welchem der kleine Körper bis auf den Kopf vollſtändig eingeſchloſſen iſt. Dieſe Wiege wenn man ſo ſagen darf beren Form mit unſeren, manchmal bei kleinen Kindern gebräud): lichen Stedfiſſen eine gewiſſe Aehnlichkeit hat, iſt oft kunſt voll mit allerlei Figuren bemalt oder mit bunten Perlen und Wollfäden geſtickt. Auf der Reiſe hängt die Mutter das Geſtell mit dem darin befindlichen Kinde über die Schulter, bei der Aibeit an einen Aſt in ihrer Nähe oder ſtellt es aufrecht gegen den Stamm eines Baumes . Zwei bis dreimal am Tage wird das Kind herausgenommen ,
Sdönheit fleidet. Auch mit Puppenhäuſern, natürlich in der Form der eigenen Behauſungen, habe ich Mädchen
gereinigt und mit friſcher „ Kleidung " verſehen. Vieles und unnötiges Schreien iſt den neugeborenen
einen Pfeil in die Luft, die anderen ſchießen darnach und
ſpielen geſehen.
Die Knaben halten ſich ſehr bald in ihren Spielen von den Mädchen fern. Schon mit ſechs bis ſieben Jahren befißen fie Pfeil und Bogen , mit denen ſie die Umgegend des Dorfes durchſtreifen und auf jeden Vogel , auf jedes
Tier ſchießen, das ihnen in den Weg läuft. Ich ſah bei den Arapahoes einen Knaben von ſieben Jahren, der mit ſtaunenswerter Geſchidlichkeit jedesmal ſein Ziel traf. Ein
beliebtes Spiel iſt bei den Knaben folgendes: Einer ſchnellt wer benfelben trifft, hat gewonnen. Er nimmt den Pfeil
ſchreienden Sprößling einfach Naſe und Mund zu , ſo daß dieſer bisweile dem Erſticken nahe iſt. Nach mehrmaligern
als fein Eigentum an ſid). Dabei zeigt ſich die Gauner: natur dieſer kleinen Taugenichtſe ; denn die Jüngeren werden von den Aelteren immer betrogen. Infolge deſſen entſtehen Schlägereien , die mit großer Liebhaberei von den
Wiederholung dieſer Prozedur, ziehen die Kleinen es vor,
Indianerfindern beiderlei Geſchlechts veranſtaltet werden.
lieber zu ſchweigen. Den Namen erhält das Kind , wenn es ein Knabe iſt, gewöhnlich nach dem Vater , ſonſt nach der Mutter.
Die Männer überlaſſen den Weibern alle Arbeit , ſo
Kindern nicht geſtattet. Die Frauen haben ein probates
Mittel , um ſie davon zu entwöhnen. Sie halten ihrem
Viele Mädchen und vereinzelt auch Männer beſigen keinen Namen. Mit Vorliebe wird auch von den Indianern für den Knaben ein neuer Name, und zwar der eines ſtarken oder gewandten Tieres mit hinzugefügter Eigens
ſchaft gewählt , 3. B. ,, Eiſerner Büffel" , ,,Steinerner Hirſch“, „ Gelber Bär“, „ Alter oder Sißender Büffel" (Sitting Bull, der durch ſeine Energie und Thattraft all gemein bekannt gewordene Häuptling der Siour), ,,Laufen des Pferd “, „ Weißer Wolf “ u. [. W .; dody ſind auch Namen gebräuchlich, wie ,,Dider Naden " , ,,Gefledter Schwanz", .
Shnellfuß “, „Hirſchzahn“, „ Wirbelwind", „ Regen im .
Geſich.“ (Häuptling der Crows , deſſen Name von einer gelbpunktierten Tätowierung im Geſichte herrührt) u. ſ. w. Iſt das Kind zehn bis zwölf Monate alt, ſo wird es
auch diejenige , welche die Kinder verurſachen. Sie ſelbſt haben jedoch eine große Anhänglichkeit für ihre Spröß linge, hauptſächlich für die Söhne. 3 hörte ſogar von einem Fall, wo der Vater fich den Feinden für den in Gefangenſchaft geratenen Sohn auslieferte und froh, dieſen 1
gerettet zu haben, einen martervollen Tod ſtarb.
Hat ein Indianer mehrere Frauen und von jeder eine Anzahl Kinder, fo herrſcht mandmal ein ohrenbetäus bender Lärm in den Wigwams , doch verlangt der Vater felten Mäßigung und Ruhe. Die Kleinen klettern und ſpringen über ihn hinweg , wenn er ihnen im Wege ſißt
oder liegt ; ſie wälzen ſich auf dem Boden, daß der Staub aufwirbelt ; ſie freiſchen und ſchreien. Alles das ſtört den Vater nicht ; im Gegenteil bekundet er oft durch ein Lächeln
oder behagliches Grunzen ſeine Freude über die tobende Kinderſchar.
von dem ſtedkiſſenartigen Geſtell befreit. Die Mutter
Iſt der Knabe von der Mutterbruſt entwöhnt, ſo hat
trägt es dann meiſtens in einer um den eigenen Körper
die Mutter fein Recht mehr, ihn förperlich für irgend
geſchlagenen Decke auf dem Rüden mit ſich umher und
welche Vergehen zu züchtigen. Höchſtens iſt es ihr ge
behält es auch dort , während ſie arbeitet , bis das Kind Laufen lernt, was nun ſehr bald der Fall iſt. Auch wird
ſtattet, ihn durd Hunger zu beſtrafen, was ihr jedod ſelten gelingt, da der Kleine einen Erbteil ſeiner Väter mit auf
es jeßt nicht mehr zu einer beſtimmten Zeit zur Ruhe ge legt, ſondern es ſchläft, wenn es dazu Neigung fühlt.
der Mutter nicht gutwillig erhält, ſtiehlt er ihr unter den
Vom Winters in das Sommerlager und umgekehrt
die Welt bringt : die Eigenſchaft, zu ſtehlen. Was er von Händen fort.
pflegen die Indianer ſtets ihre langen Hüttenpfähle mit zunehmen. Dieſelben werden mit dem diceren Ende an beiden Seiten der Pferde befeſtigt, ſo daß die Spitzen
So wädiſt der Knabe wild und ohne Zucht heran. Von Recht oder Unrecht hat er keine Ahnung. Er iſt
nadſchleifen. Hinter dem Pferde werden die Pfähle durch
der Männer, welche ſich hauptſächlich darum drehen , wie
clau und lauſdit don früh geſpannt den Erzählungen
Die Kinder der Indianer Nordamerikas.
dieſe die Weißen betrogen , wie viele Skalpe ſie erbeutet oder Pferde ſie geſtohlen , wie ſie ihre Gefangenen gequält und gefoltert haben u. 1. w. Das erſcheinen dem Knaben
die größten Tugenden, und in ihm erwacht das brennende Verlangen , es den Erwachſenen nachzuthun , auch ſo ver fällt er zuerſt auf die Tierquälerei, die bei den Indianers findern ſehr verbreitet und geradezu ſchauberhaft iſt. Die Mädchen , welche, ſobald ſie gehen können, arbeiten und der Mutter behilflich ſein müſſen , ſtehen unter deren Herrſchaft, bis ſie von einem Krieger zum Weibe genommen
159
der Indianerknabe ſchon früh gewißigt und ſelbſtändig; er iſt es oft mit ſieben Jahren mehr , als gewöhnlich der Sohn eines Weißen mit fünfzehn Jahren. Mit vier Jahren wird, wie ich bereits erwähnte, das
Kind auf dem Pferde feſtgebunden. Mit fünf bis ſechs Jahren reitet es allein , und ein ſiebenjähriger Knabe tummelt ſein Pferd wie ein Mann. Bei den Crows ſah ich einſt einem intereſſanten Wetts rennen zu , welches eine Anzahl Knaben im Alter von
ſieben bis neun Jahren in Scene feßten.
Der Boden
werden. (Siehe Heft Nr. 18. 1889.) Sie ſind früh reif.
war ſteinig und mit vielen washouts (Vertiefungen, welche
Mit 8 bis 10 Jahren beſuchen ſie bereits die in den
das im Frühjahr von den Bergen herablaufende Waſſer nach und nady in den felſigen Grund gegraben hat) durch zogen. Die Pferde waren auf den Büffeljagden überan geſtrengt und da , in der Umgegend des Indianerdorfes
Dörfern üblichen und ſehr beliebten Tanzbeluſtigungen, und nun regt ſich in ihnen auch die Luſt , zu heiraten . Trokdem ſie wiſſen , daß ſie vielleicht ein hartes Los an der Seite eines Mannes erwartet, ſehnen ſie ſich dennoch von der mütterlichen Zudyt hinweg. Sie dürfen ſich jeßt nicht mehr allein außerhalb des Dorfes bliden laſſen , wenn ſie nicht gewärtig ſein wollen , von irgend einem jungen Krieger bergewaltigt zu werden ; denn die Moral ſteht bei den Indianern auf einer ſehr niederen Stufe. Sie verlaſſen daher auch immer nur in Begleitung einer
älteren Frau das Dorf, und auch, wenn ſie zu den Tanz beluſtigungen gehen, ſtellen ſie ſich unter den Schuß eines älteren Weibes.
Häufig ſchon mit ſechzehn Jahren iſt ein Mädchen, beziehungsweiſe eine Frau in Folge der überanſtrengenden Arbeit, welche ſie verrichten muß, verblüht. Sehr ſchwer iſt es, das Alter eines, wenn auch noch jungen Indianers
weibes zu beſtimmen. Man tariert ſolche oft nach ihrem
wenig Futter ſtand, ſehr mager und anſcheinend kraftlos ; aber die Knaben verſtanden es, die Tiere durch Schlagen mit Peitſde:1, Striden und dornigen Stöden zum Laufen zu veranlaſſen ; die Väter halfen ihnen durch Kreiſden und Sdreien ebenfalls, und fort ſtob die Schar der jugendlichen Reiter, unbefümmert um den gefährlichen Boden. Daß
keiner Hals und Beine bei dieſer tollen Heßjagd brach , war mir unbegreiflich. Mehrere Pferde ſtürzten. Schnell waren die Knaben wieder aufgeſprungen. Mit Gewalt riſſen ſie die Gäule empor ; im Nu befanden ſie ſich von neuem auf den Rüden derſelben , und vorwärts ging es noch toller als vorher, um ihre vorausgerittenen Rameraben womöglich wieder einzuholen . In Waſhington gibt es idon ſeit Jahren eine Schule für Indianerknaben. Dorthin ſenden hauptſächlich die
Ausſehen auf 40 bis 50 Jahre , während ſie in Wahrs beit erſt 20 bis 25 Jahre zählen. Der Kleine Bär" , Häuptling der Arapahoes, beſaß z. B. eine Frau , welche
angelangt, vergeſien ſie meiſtens ſehr bald, was ſie mit
ich monatelang für ſeine Mutter gehalten habe. Sie war,
Mühe erlernt haben.
wie er mir ſelbſt eines Tages ſagte, 24 Sommer alt. Hat der Indianer auf ſeinen Kriegszügen Kinder zu Gefangenen gemadyt, ſo werden dieſelben mit den eigenen Kindern aufgezogen.. Bei den Apaches – dem jedenfalls
Sind die Knaben 14 bis 16 Jahre alt geworden, ſo gefällt es ihnen nicht mehr , von ihrem Vater abhängig zu ſein. Sie durchziehen mit mehreren ihresgleichen bas Land, und wo ſie, auch von anderen feindlichen Stämmen andere Knaben antreffen, werden dieſe befriegt. Häufig kehren ſie dann von ihren Streifzügen mit Wunden bes dedt in ihr heimatliches Dorf zurück. Schon die blutigſten und erbittertſten Kämpfe haben zwiſchen dieſen krieges: luſtigen Knaben ſtattgefunden. Im Dorfe verſammeln ſich dann die Häuptlinge und Krieger in dem Beratungs wigwam , welcher den Kindern zu betreten verboten iſt;
grauſamſten Indianerſtamme Nordamerikas - iſt es zu:
weilen vorgekommen , daß ſie nach der Rüdfehr in das Lager die Kinder ihren Weibern überlieferten , welche die uns glüdlichen Opfer langſam zu Tode folterten . Im allgemeinen ſind die Indianerweiber Kindern ſehr zu: gethan. Sie liebkoſen und bewundern nicht allein ihre eigenen Sprößlinge , ſondern auch die anderer Mütter. Für ein Rind, welches ſeine Mutter verliert, findet ſich immer ſofort eine Frau, die gern bereit iſt , das kleine Weſen groß zu
ziehen oder wenn deſſen Vater nichts dagegen einzuwenden hat, an Kindesſtatt anzunehmen . Die Knaben werden auch vom Vater nid )t weiter beaufſichtigt; nur benußt er ſie, wenn ſie etwas größer geworden ſind, um ſeine Pferde von ihnen hüten zu laſſen,
Häuptlinge und erſten Krieger der halbziviliſierten Stämme ihre Söhne. Sind dieſe jedoch wieder in ihrer Heimat
dort laſſen ſie ſich die Thaten der verſchiedenen Knaben ausführlich berichten . Allein unter ſich halten die Männer
nun feierlid, Rat, und nach einer Weile werden dann von dem Eingange der Hütte aus die Namen derjenigen Knaben
ausgerufen , welche tapfer und würdig genug befunden wurden, künftig als Krieger zu gelten.
oder er dyidt ſie auf die Jagd, damit ſie für den Bedarf
Dieſe Auserwählten ſuchen nun einen einſamen Play auf , wo ſie einige Tage in ſtiller Zurüdgezogenheit ver
der Hauptnahrung, Fleiſd ), ſorgen. Auf dieſe Weiſe wird
weilen und an allerlei Anzeichen ihr ferneres Shidjal zu
160
Geographiſche Neuigkeiten.
erforſchen verſuchen. Als Krieger von allen anerkannt, betreten ſie das Lager wieder. Ihr Vater hat von jeßt an keine Macht mehr über ſie, wenn ſie es oft auch vors ziehen noch bei ihm zu wohnen ; doch ſorgen ſie auch dann dafür , ſich ſobald als möglich durch Diebſtahl oder im Kriege mit feindlichen Stämmen Eigentum , hauptſächlich Pferde , zu erwerben . Manchmal gibt ihnen auch der Vater alles Nötige, um einen eigenen Hausſtand zu grün: den. Dann bauen ſie ſich einen Wigwam , tauſchen ſich ein oder mehrere Mädchen ein, welche ſie zu ihren Weibern machen , und ſind glüdlich und zufrieden wie ihre Väter, wenn der Himmel ihren Frauen ebenfalls recht viele Kinder beſchert.
Süden, dem 16.0 nördl. Breite vom nördlichen Ende Aethio piens bis zur Küſte, der Küſte vom 16.9 bis 20.0 nördl.
Breite im Dſten und dem 20.0 im Norden : 154,255. 5. Region zwiſchen dem Blauen Nil im Norden, dem Weißen
Nil im Weſten, der hohen Region im Süden von Aethiopien und dem 36.0 öſtl. Länge im Dſten und dem Aequator im
Süden : 213,880. 6. Die Galla-Region zwiſchen dem 10.0 nördi. Breite im Norden und dem Aequator im Süden, der Grenze der erſten und zweiten Region und dem 36.0 öſtl. L. im Weſten , und den Grenzen der Galla- und Somali-Länder im Dſten nad Habenichts Karte : 260,420. 7. Somali: Land, zwiſchen dem Golf von Aden, 45° öſtl. 2. , 100 nördl. Br. (vom 45.0 öſtl. £. bis zur angenommenen Somali
Grenze), im Norden, der Galla -Somali -Grenze im Weſten,
Grographiſche Neuigkeiten. *
Aethiopien , fein Flächenraum und ſeine Bevölkerung. Unter dieſem Titel veröffentlicht Pre feſſor E. Levaſſeur in dem Bulletin des Internationalen
Statiſtiſchen Inſtituts eine kurze Monographie, worin er die Grenzen und Flächen der verſchiedenen unter dieſem Namen begriffenen Länderabſchnitte feſtzuſtellen ſich bemüht. Er weiſt nach, daß Abeſſinien weder eine Nation noch
eine genau beſtimmte Region iſt.
Einer der neueſten
Schriftſteller, welche über dieſen Gegenſtand eine Meinung abzugeben berechtigt ſind , Herr Antonio Cecchi, gibt an, man fönne dieſen Namen dem Gebiete geben , das ſich .
dem Aequator im Süden und dem Indiſden Dzean im Dſten : 274,870. 8. Die Region zwiſchen dem 16. und 10.0 nördl. Br., den Grenzen der Regionen Nr. 1 und 2 im Weſten , der Küſte des Roten Meeres, dem Golf von Aden und dem 45.° weſtl. L. im Dſten 66,810. Geſammt betrag : 1,141,690 engl. Qu.-Min. Iſt aber der Flächen raum ungewiß, ſo iſt es die Bevölkerung noch mehr, denn
Herr Levaſſeur iſt geneigt, die Bevölkerung für Aethiopien in ſeinem weiteren Sinne auf 4/2 Millionen , und für die ganze, in dieſer Ueberſicht der Flächenräume begriffenen Region auf nicht mehr als 20 Millionen anzunehmen. * Die Entdedung von Gold in Nieder-kali fornien. Sir F. Denys, der britiſche Konſul in Mexifo,
nordwärts bis zum erſten Nilfatarakt erſtrect, weldes dieſen
gibt in ſeinem Bericht an das Auswärtige Amt über die
Strom und den Blauen Nil zu feiner weſtlichen und den
neueſte Entdedung von Gold in Santa Clara an , der Golddiſtrikt liege im nordöſtlichen Teil der Halbinſel Nieder - Kalifornien , 60 engliſche Meilen öſtlich von Enſenada , und ungefähr 4500 Fuß über der Meeres fläche. Er beginnt am Fuße der Bergketten , welche den Rücgrat der Halbinſel bilden, und verläuft fünfzig engl. Meilen oder mehr in einer nordöſtlichen Richtung. In dieſem Bezirke liegen viele Schluchten oder Cañons , in deren unteren Niveaus man placeres oder Niederlagen
Dzean zu ſeiner öſtlichen Grenze hat , deſſen Grenzen in
Nord und Süd aber in Ermangelung genauerer Belehrung nicht genauer angegeben werden können . Dieſe Anſicht Cecchis wird von allen geteilt , welche dieſe Region zum
Gegenſtand eines genauen Studiums gemacht haben. In früherer Zeit hatte Aethiopien eine ebenſo unbeſtimmte Oberfläche. Und doch ſo unbeſtimmt ſeine Grenzen ſind, hat
die Region, nach Herrn Levaſſeur, einen genau bezeichneten phyſiſchen Charakter. Auf Grund von Habenichts großer Karte von Afrika haben Herr Levaſſeur und Signor Bodio
vom Italieniſchen Statiſtiſden Bureau eine neue Schäßung der Flächenräume, nicht nur der verſchiedenen Negionen, welche ſie in Aethiopien inbegriffen glauben, ſondern audy der ganzen Region verſucht, welche zwiſchen dem Nil und dem Meere eingeſchloſſen iſt, und die ſie in acht Regionen geteilt haben. Folgendes ſind die Ergebniſſe davon in
engliſden Quadratmeilen : 1. Bogos, Tigré, Amhara 2c. nördlich vom Blauen Nil, oder das eigentliche Aethiopien , 68,625 Qu. Min . 2. Shoa, das eigentlich auch noch zu Aethiopien gerechnet wird, 28,830. 3. Hohe Regionen ſüd wärts von Aethiopien bis Raffa , welches aud noch zu Aethiopien geboren mag, 73,800 – im ganzen das eigent:
von Waſchgold findet , während Quarzgänge von einem mineraliſchen Charakter die Hügel in allen Richtungen durdſchneiden . Der Ronſul äußert ſich ziemlich feptiſch über ihren nußbaren Abbau ; doch werden verſchiedene an dere Mineralien und Erze , wie Silber , Kupfer , Blei,
Eiſen , Schwefel, Salpeter 2c. 2c., angeblich dort gefunden. Drud und Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachf. in München und Stuttgart. Fiir die Redaktion verantwortlich : W. Reil in München.
Berlag der J. G. Gotta'ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart.
Shakeſpeareſtudien von
liche Aethiopien etwa 171,455 Qu .-Min . 4. Gebiet zwiſden
G. Rümelin .
dem 33. ° öſtl. Länge , dem Nil und dem Blauen Nil im Weſten , dem oberen Nil als Grenze von Aethiopien im
3 weite vermehrte Auflage. Preis geheftet M. 6.
Das Ausland. Wodenſdrift für Länder- und Völkerkunde, der
unter Mitwirkung bewährter Fach männer herausgegeben von
I. G. Cotta'ſhen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und Nünchen. Dreiundſechzigſter Jahrgang.
1890.
Stuttgart, 3. März
Nr. 9.
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M.7. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. Manuſkripte und Recenſions-( remplare von Werfen der einſchlägigen Litteratur ſind direkt an die Verlagshandlung in Stuttgart zu ſenden. Inſertionê. preis 20 Pf. für die geſpaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Durch den Siiden Meritos und durch Zentral-Amerika. Von Guſtav Panli. (Fortſetzung.) S. 161 .
afrikaniſche Häuptling- und Königtum . Von Profeſſor A. W. Hubner. S. 166.
2. Das
3. Aus dem ſkandinaviſchen Norden . Von Hans
b. Schönberg. ( Fortſetzung.) S. 169. - 4. Tietkins' Forſchungsreije in Zentralauſtralien. Von Henry Greffrath. S. 174. 5. Die Nationaltracht der alten Dithmarſcher. (Mit Illuſtrationen .) S. 176. 6. Kleinere Mitteilungen : Der Straußenpark zu Matarié bei Kairo. Guano- und Salpeterlager in Chile. Von Dr. G. Zacher. S. 179. 7. Litteratur. S. 180 .
Durch den Südeu Mexikos und durch Zentral-Amerika.
gründe hinaustraten. Trotdem ich die 225 Pfund meines Gepädes auf drei Träger verteilt, die je 100 Pfund mit
Von Guſtav Pauli.
Leichtigkeit auf ſid nehmen , war es, wohl infolge der ( Fortſetzung.)
Endlid am vierten Tage morgens hieß es, es ſeien für mich drei Tiere gefunden ; davon ſei aber das eine
im Walde verloren gegangen, ein zweites auf dem Wege lahm geworden , das dritte endlich wurde mir gar nicht vorgeführt , da es für Gebirgsreiſen nicht geeignet ſei. Soon war id halb entſchloſſen , mit den Indianern und meinem Diener, der, nebenbei geſagt, für ſeine neue Rolle
weder Geſchick noch Neigung zeigte, zu Fuße die Reiſe an zutreten , als endlich am Drte ein paar Maultiere zum Vorſchein kamen , die , ſo hieß es , der Beſißer anfänglich gar nicht habe vermieten wollen, nun aber, da er mich in Verlegenheit wußte, für mehr als das Doppelte des üblidhen
Preiſes mir zur Reiſe bis S. Criſtobal überlaſſen wolle.
Für ganz ungewöhnlich hohe Preiſe wurden von dem „gran amigos Sattel und Zaumzeug 2c. 2c. mir auf Rechnung geſeßt. Da zu den Maultieren kein Knecht geliefert wors den , ein mir als Erſaß vorgeſchlagener junger Mann aber mit dem Benehmen eines Caballero auftrat , wie
ich ihn mir ſchon in dem „ hombre de confianza “ zu meinem Leidweſen angeſchafft, ſo zog ich es vor, nur einen Führer bis Palenque zu mieten , wohin ich ja gut em pfohlen war. So zog ich mit meinem Häuflein in dem gehobenen Gefühle wiedergewonnener Freiheit von dannen . Vor ſeinem
Gartenpförtchen erwartete mich das franzöſiſche Ehepaar
mit ſeinen freundlichen Abſchiedswünſchen. Dann nahm mich das Dunkel des Waldes auf, aus dem wir nur auf
kurze Strecken in mit hohem , harten Graſe bedeckte Weide Ausland 1890, Nr. 9 .
wüſten Karnevalstage, nur ein langſames Fortkommen mit ihnen. Bis auf einen ſchmalen Lendengürtel hatten ſie ſid, ihrer Kleidung entledigt und trugen ihre Laſten mittels einer Stirnbinde. Es waren braune, ungemein kräftig ge
baute, unterſeßte Geſtalten. Id brauchte, um die acht Leguas zurüđzulegen , neun Stunden. S. Domingo de Palenque bildet eine einzige breite Gaſſe auf dem Rüden eines mit
kurzem Naſen überzogenen, aus dem Walde aufſteigenden Hügels. Wenige Häuſer nur ſind weißgetünchte Stein: bauten, der Reſt Rohrhütten. D. Francisco Lacroix, an den mein Brief lautete , iſt der angeſehenſte Mann des Ortes. Er wies mir als Unterfommen die ,, Cabilda ", das der Gemeinde gehörige Haus für Reiſende, an, wo ich neben dem Gefängniſſe, von dem mich nur eine nicht bis unter das Dach geführte Scheidewand trennte, mich einrichtete. Auf dem hödöſten Punkte des Hügels ſteht eine jeg lichen inneren Schmuckes beraubte Kirche. Zu den beiden Seiten ihres Haupteinganges hat man zwei 6 Fuß hohe und 3 Fuß breite Steinplatten, welche die Pfeiler eines der
Tempel von Palenque ſchmüdten, eingemauert. Die zur Linken zeigt den Gott Tlaloc, den Gott des Regens, des Frühlings, der üppig grünenden Natur , des Waſſers, in der Geſtalt eines reich geſchmüdten jungen Mannes , auf dem Haupte einen Storch mit einem Fiſch im Schnabel. Die Platte zur Rechten ſtellt den Gott Queßabcuatl bar ; einen alten Mann, umgürtet mit einer Schlange, feinem ge wöhnliden Attribute; über die Schultern ein Jaguarfell, aus dem Munde mit Kraft Luft ſtoßend. Er iſt der Gott der Weisheit, auch ,, Nuemas ", d. i. die „ ſtarke Hand ", genannt .
25
162
Durch den Süden Merifos und durch Zentral-Amerita. Mit ſtarkem Winde bahnt er dem ,, Tlaloc" den Weg.
Beide Skulpturen ſind gut erhalten. Von Antiquitäten räubern ſind ſie vor Jahren hier im Dorfe im Stiche ge laſſen worden und hatten längere Zeit bei einer Witwe ges
lagert, der die Behörden ſie abnahmen, indem ſie die Platten für Staatseigentum erklärten.. Obwohl man ſich wohl freuen darf, daß eine ſo wertwolle Hinterlaſſenſchaft einer
untergegangenen Kultur nun in Sidherheit iſt, ſo macht es doch als ein Zeichen der Zeit einen eigentümlichen Ein I
drud, ſie gerade an dieſer Stelle zu finden. Die zelotiſchen
Prieſter jener Tage der Eroberung , auf deren Geheiß alles vernichtet wurde, was an den verhaften Gößen
ſtets Kummer , daß die Vogelwelt , die mit ihrem fremd artigen Rufe die Neugier erregt , in dem Didicht dem Auge des Reiſenden nur ſo ſelten erreichbar iſt. Unfo größer iſt die Freude , wenn man in Haus und Hof die Waldbewohner als Gefangene findet. So betrachtete ich tenn im Hauſe des Herrn Lacroix mit Intereſſe ein Zahnhuhn (Odontophorus), tiefbraun und weiß geflect, mit bläulichen Beinen, und das Hofkohuhn (Crax globicera ), mit ſchwarzem Gefieder auf Rücken und Flügeln , mit weißem Bauche. Am 15. Februar endlich konnte der Beſuch der Ruinen unternommen werden.
Außer meinem neu erworbenen
dieſes Haus weihten , hätten wohl ſchwerlich für möglich
Diener gab man mir noch einen der Ruinen beſonders kundigen Mann mit. Wir ſchlugen in füdweſtlicher Nichs tung den Waldweg zu der Hügelkette ein, die den ganzen
gehalten, daß eine Zeit komme , in der das Haus ihres
Weſten einrahmte. Der erſte Teil des Weges war betreten
kultus erinnerte, und die zur Ehre des Gottes der Chriſten
Gottes zerfallen und man an ſeinen Eingangepforten die
und bot krine Hinderniſſe, aber weiterhin hatte der Wald
Götter der Heiden aufrichten würde. Von hier aus alſo ſollte der Ausflug zu den Ruinen von Palenque ausgeführt werden . Die nächſten Tage
den ſchmalen Saumpfad wieder ſo vollſtändig in Beſiß
brachten jedoch morgens ſo heftige Regen , daß ich das Dorf nicht verlaſſen konnte. Bei meinem Diener traten indeſſen zu Ungeſchickt und Unluſt ſo bedenkliche Charakter
eigenſchaften zutage, daß man mir anempfahl, mich lieber hier ſchon ſeiner zu entledigen. Dafür gab mir Herr L. einen des Weges vollſtändig kundigen Mann zur Bes gleitung bis S. Criſtobal. Endlich ging denn auch der leidige Karneval zu Ende.
Junge Burſchen zogen den ganzen Tag mit Fahnen, Trommeln und Pfeifen durchs Dorf. Einige verbargen das Geſicht hinter fraßenhaften hölzernen Masken, hatten
Jaguarfelle umgehängt ; andere hatten Geſicht und Obers
förper mit rotem Pflanzenſaft überſtrichen. Abends ſchloſſen ſich vermummte Weiber dem Zuge an , der dann in das geräumige Haus eines Wohlhabenden trat , um Tänze zu vollführen , bei denen man hölzerne, mit kleinen Körpern
gefüllte Büchſen raſſelnd bewegte. Keinen der Tage ſah ich junge Mädchen weder im Zuge mitgehen , noch ſich an den Tänzen beteiligen. Die Indianer des Dorfes gehören
zum einſt mächtigen Stamme der Cholos, die zur Zeit auf merikaniſchem Gebiete außer an dieſem Drte noch in vier Dörfern leben. Man ſagte mir, ſie ſprächen jedoch nicht mehr das eigene Idiom , ſondern das der Mayas. Auch in dieſem Orte tauchten Schiffbrüchige aus fer nen Landen auf , ohne jedoch meine Sympathien rege machen zu können . Der eine war ein Corſe, ein früherer Seemann, der auf einem italieniſchen Schiffe an die Rüſte gekommen und wahrſcheinlich entlaufen war ; der andere, ein Engländer, wirkte augenblidlich als Schulmeiſter des Dorfes. Er war auf Jamaica erzogen und wollte in dem Kriege zwiſchen Peru und Chile eine ſo hervorragende Rolle ges
ſpielt haben, daß ich ſeinen Namen, er iſt mir entfallen -in den Annalen jenes Krieges ſicher finden würde. Ich glaube, die Flaſche war ihm lieber als die Schule.
Bei Berührung tropiſcher Waldgegenden bereitet es
genommen , daß die Meſſer ihn erſt befreien mußten. Obgleid meine beiden Leute mit großer Gewandtheit ihre
Machete gebrauchten und die Hauptgegner zu Boden ſchlugen, ſo blieben noch genug ſchwächere Kämpfer auf dem Plake, die mich , den Eindringling , mit kleinen , erbärmlichen
Mitteln , wie Kraßen , Stechen , Geſichtſtreichen und Hut abſchlagen zurüdhalten wollten . Dazu (drie das Volk der Vögel , als wenn ſie mich verhöhnten und mir allerlei dlechte Namen gäben. Und auch ſeine kleinen Bewohner allarmierte der Wald zu ſeiner Hilfe , und mit welchem Blutdurſt fielen ſie über mich her ! Nun haben ſidy gar
einige alte Kerle quer über den Weg gelegt, und da ſie nicht aufſtehen wollen , müſſen wir uns den Durdigang um ſie herum aushauen. Man kann ſich wirklid) auf ſolchem Ritte im tropiſden Urwalde in die Wahnvor ſtellung eines perſönlichen Feindes hineindenken , dem jedes Mittel zur Abwehr recht iſt. Endlich, nach faſt dreiſtündigem Nitte, gelangten wir an das faſt trockene Bett eines Baches. Noch ein kurzer, ſteiler Aufſtieg zu Fuß , und vor mir erhebt ſich plößlid) im Dididyt Gemäuer mit einem ſchmalen Eingange, und idh ſtehe am Ende eines pfeilergetragenen Korridors, von .
dem es zur Linken ſteil zu dem trođenen Vette eines Vaches abfällt, während jenſeits der Wald zur Sierra
aufſteigt. Wohlerhalten deďt den Korridor , im ſpißen Winkel aufſteigend, die Bedachung. Die Mauer zur Neyten
iſt mit fein verriebenem Mörtel überzogen , aber an den oblongen Pfeilern liegt das Baumaterial, ein didyter Kalt ſtein , in kleinen , mit Mörtel verbundenen Brudſtüden
zutage. Starke Steinplatten deden und verbinden die Pfeiler , und nun ſteigen in geraden Linien die Ein badungemauern gegeneinander auf, bis ſie ſich auf 1 ', Fuß genähert, wo eine darauf gelegte Steinplatte den Schluß herſtellt. Auf der Mauer zur Redten erblicken wir ſtau nenden Auges feine in Stucco aufgetragene Medaillons mit einer Umrahmung im Stile des Rokoko, in dem einen
erkenne ich einen weiblichen Kopf, wohlerhalten.
Durch den Süden Merifos und durch Zentral-Amerika. Auf halber Länge des Ganges öffnet ſich ein Thor
163
Jahre genügen, um vieles zum Sturze zu bringen, an dem
mit kleeblattförmigem Bogen, und vor uns liegt ein innerer Hof, den jeßt nur noch an zwei Seiten, hier, wo wir ein
mein Auge ſidy noch erfreut hat.
traten, und gegenüber, gedeckte Gänge begrenzen. Er hat in der dritten 55 Fuß und in der vierten 71 Fuß mißt. Die uns zur Rechten gelegene äußere Seite des Hofes
rüdwärts im Walde gelegenen Tempel aufzuſuchen . Sie ſtehen alle auf iſolierten Hügeln die bis etwa 50 Fuß hoch ſind ; die früher gemauerten Terraſſen an ihnen ſind nicht mehr kenntlid und nur umherliegende Bauſtücke und Mörtel
zeigt nur noch Trümmer mit Spuren von Pfeilern barin,
laſſen ſie erraten. Der erſte, den ich erklomm, man nennt
die linke ſchließt ein kleiner Wohnungsbau. Wandeln wir zunächſt dorthin, ſo finden wir auf unſerem Wege in der Wand eine Steinplatte eingelaſſen , die eine ſehr niedlich ausgeführte weibliche Figur zeigt , vor der ein Kind ſteht. Weiter liegt dort am Boden eine große Steinplatte auf
ihn den Tempel der Inſchriften , iſt der größte der ge: ſehenen. Seine Länge mißt 74 , feine Tiefe 25 Fuß. Sechs mächtige Pfeiler von 6 Fuß Länge und 3 Fuß Breite, die an der Außenſeite Steinplatten mit ſehr berdorbenen
die Form eines Trapezes , das in zwei Seiten 61 Fuß,
kurzen Füßen, die man für einen Tiſd halten möchte. Dann öffnet ſich zur Linken ein nach abwärts führender Gang,
der zu Wohnräumen geführt haben mag, deren Trümmer nach hier hinaus ohne Ordnung liegen. Uns entgegen flatternde große braune Fledermäuſe verlöſchen uns immer wieder die Lichter , ſo daß wir ein Vordringen aufgeben
müſſen. In dem erwähnten kleinen Wohnungsbau finden ſich, wie in der Galerie, Reſte von Verzierungen in Stucco. Eine breite Treppe mit ſieben Stufen von 16 Zoll
Höhe führt in den Hof hinab , der bis zur Treppenhöhe
Naddem der Palaſt beſidytigt worden , galt es, die
menſchlichen Darſtellungen zeigen, geben die fünf Eingänge in die Vorhalle. Der Reſt des Innern zeigt drei Räume, einen größeren , einen mittleren und kleineren zur Seite. In der Gallerie ſowohl wie im Mittelraume zeigen die Wände mädytige Steintafeln mit hieroglyphiſchen Inſchriften bededt , zu deren Enträtſelung bis heute der Schlüſſel fehlt.
Näher gegen das Gebirge zu , getrennt von dem
eben beſchriebenen durch den Bady, liegen drei kleinere Tempel.
Der ſog. Sonnentempel mißt 40 Fuß in der
Länge und 27 Fuß in der Tiefe. Die Anordnung im Innern iſt die gleiche wie beim erſt geſehenen. Das mittlere
angefüllt iſt mit einem breitblättrigen Krautdickicht, durch
Gemach, das Sanktuarium, zeigt noch Reſte reichen Stud:
das uns die Machete hindurchhelfen muß. Sie legt uns
fdmudes , in den Wänden ſind die großen Steintafeln leider nicht mehr vorhanden. Das Dad, dieſes kleinen
auch zwei mächtige Steinplatten mit Menſchengeſtalten frei : die Wangenſtücke der Treppe , die nun am Boden liegen. Auf Treppen entſteigen wir jenſeits dem Grün , betreten eine Galerie, finden aber nicht korreſpondierend mit drüben eine Thüre, ſondern müſſen uns an der ſchmudloſen , wenngleich fein polierten Wand bin etwas links wenden, um einen zweiten, kleineren Hof vor uns zu ſehen. Auch in ihm iſt Unregelmäßigkeit in Form und innerer Anordnung. An dem einen Ende iſt er 19 Fuß 6 Zoll breit, an dem
andern 22 Fuß , und die Stufen in ihm hinab liegen faſt in der Ecke des Raumes , wo ein vierediger Turm ſich erhebt. Mächtige Bäume, die an ihm und auf ihm ſtehen , arbeiten ſo erfolgreich an ſeinem Sturze , daß von den drei Stockwerken , die er hatte , nur noch zwei erhalten ſind. Im Innern der 6 Fuß ſtarken Mauern läuft in
Baues, das wohlerhaltenſte, das ich geſehen, erinnert mit feinem hohen aus den Dadyflächen aufragenden Firſt leb: haft an die kleinen japaniſchen Tempelchen.
Ein dritter Tempel , der von mir beſucht wurde,
zeigte in feinem Heiligtume drei nebeneinander geſtellte Steinplatten, von denen die mittelſte ein Kreuz zeigt, auf
dem zwei menſchliche Köpfe erſcheinen , und deſſen drei Schenkel in Blättern enden. Die linke der ſeitlichen Tafeln nimmt, neben mehreren Reihen hieroglyphiſcher Zeichen, eine
männliche Geſtalt mit reidiem Kopf- und Lendenſdmuck ein, wie die redyte eine ſolde kleinere , wohl weibliche Figur. Beide deinen mit geöffnetem
Munde , im Aufblide zu
dem über dem Kreuze angebrachten ſymboliſchen Vogel, als Betende und Dpfernde aufgefaßt zu ſein ; denn in ihren
jedem Stockwerke ein Gang um den Kern , in dem die
Händen ſind dargebracyte Gaben erkenntlich.
enge Treppe mit hohen Stufen ſich aufwärts windet, Dieſer kleine Hof hat nur an der von uns betretenen
hält man für das Symbol des Regengottes Tlaloc.
Seite einen durchlaufenden Gang , an der gegenüber liegenden iſt derſelbe zu drei Wohnräumen benußt worden ;
Ruine geworden iſt, hat ſich eine Steinplatte mit dem Zeichen des Kreuzes gefunden. Dieſelbe wurde jedoch ſchon
ihrer zwei zeigen einen Ausgang in die äußere Galerie,
vor langen Jahren entwendet und von den Dieben auf
von der wir den Blick auf den Abfall des Hügels haben.
dem Wege zur Küſte im Stiche gelaſſen , iſt aber dann
Wir haben unſeren Gang durch den „ Palaſt“ beendet, und werfen einen bedauernden Blick auf die düßenden Dächer, von denen die fernere Erhaltung der heute noch
vorhandenen Reſte alter Pracht abhängt. Dieſelben ſind zwar , dem feuchten Klima angemeſſen , ſteil anſteigend aber Baum und Strauch ſtehen darauf , mit tropiſcher
Triebkraft erfüllt, und ich fürchte, es werden ſchon wenige
Das Kreuz
Nod in einem anderen Tempel, der ſchon ſehr ſtark
ſpäter teilweiſe nach Frankreich gelangt. Ich glaube kaum , daß es mir , indem ich ſchrittweiſe geldildert, was ich auf meiner mühſamen Wanderung durch die komplizierten Ruinenmaſſen geſehen, gelungen iſt, dem Lejer ein anſchauliches Bild der Anlage im großen und ganzen zu geben. Indem ich den Verſuch wage , bin ich vielleicht behilflich eine irrige Vorſtellung aus der Welt
164
Durch den Siiden Merikos und durch Zentral-Amerika.
zu ſchaffen, die mir noch in einem, erſt vor wenigen Jahren er:
von Meriko, die Spuren von drei oder vier Terraſſen, in
dienenen Buche von Th. A. Dber : Travels in Mexico and
denen die drei Seiten der Pyramide ſich aufbauten. Er fand in den Trümmern der Nordſeite große Steinplatten von 4 Fuß 8 Zoll Höhe, die Mauerbekleidung dieſer Ter
life among the Mexicans “, der allerdings ſelbſt Palenque
nicht beſuchte, in einer Abbildung des rekonſtruierten Pa laſtes zu Geſidyte kommt. Wir ſind alſo am Fuße der Sierra angelangt , und
raſſen und mit Relief bedeďte Pfeiler, die nach ſeiner An
uns rüdwärts wendend, würden wir aus einer Meereshöhe
hervortraten ; die leßtere war gekrönt von einem 6 Zoll hohen
von 651 Fuß nach Norben hinaus einen weiten Blick in
Geſimſe. Durch dieſe Terraſſen führte die Treppe zum Palaſte. Vetreffs der Dit- und Weſtſeite ſpricht Charnay
die Ebene, ja bis zur Laguna de Cataſaja, die 10 Leguas entfernt iſt, genießen können, wenn nicht Sort hinaus der
Wald bis dicht an das Gemäuer träte. Die erwähnte Rekonſtruierung ſtellt nun zunächſt die ganze Bauwerfb maſſe auf eine allſeitig in gleicher Höhe ſich erhebende Pyramide ; das iſt aber irrig, denn nur nach Dſten, Nors den und Weſten läßt ſid, ein droffer Abfall erkennen . Derſelbe iſt auch auf dieſen drei Seiten nicht von gleicher Höhe geweſen , ſondern verringert ſich, je weiter man ſich auf der Dſt- und auf der Weſtſeite von der Nord
ſeite gegen die Sierra hin entfernt, und iſt auf der Süds
feite faſt verſchwunden. Zur Errichtung des Palaſtes war
nahme in Abſtänden von 6 Fuß aus der Terraſſenwandung
nicht von aufgefundenen Terraſſen , und eine dort wie hier klar zu Tage liegende, perpendikuläre, ununterbrochen 6 Fuß
hohe Wand läßt annehmen , daß jene nur an der Eins trittsſeite beliebt worden waren. Als ungemein reich gejdmückt ſtellt Charnay die
Dächer der Palaſtbauten dar. Auf den Steinplatten, mit denen er ſie eindeckt, waren zunächſt über dem Geſims eine Reihe von großen menſchlichen Masken angebracht, deren Herſtellung er dahin ermittelte, daß das Bild zuerſt in Stein gehauen worden und darüber der Stucco ge tragen wurde. Auf halber Dachhöhe über einem zierlichen
der Gipfel eines ſich aus der Sierra gegen Norden vors ſchiebenden Hügels nur unvollſtändig geebnet , wie ſchon
Frieſe gibt er dieſem einen ſanfteren Anſtieg, läßt dann den
aus dem erwähnten abſchüſſigen , dunklen Gange ſich er:
Den Wald der Sierra und die Ebene umber durch forſchend , hat Charnay unzählige Ruinen von Tempeln,
gibt , der nach Süden ſeine Richtung hatte , während die Tafel bei Ober alle Bauten auf eine horizontale Platte ſtellt. Die Galerie , auf die wir zuerſt traten , mit der jenſeit ihrer tüdwärtigen Mauer gelegenen eine Doppel galerie bildend, kann den Palaſt nur nach Dſten, Norden und Weſten umzogen haben ; nad der Südſeite hinauf, wo
Firſt hoch aufſteigen und fdmüdt ihn mit Skulpturen.
bürgerlichen Häuſern, Brücken und Straßen gefunden , ſo daß man ſich in dem alten Palenque eine große Stadt zu denken hat. Die gefundenen Skulpturen und der Schmud in Stucco , die ohne Ausnahme friedliche, religiöſe Dars ſtellungen zeigen, dazu das Vorhandenſein einer ſo großen
id, des dunklen Ganges, eines Wohnhauſes und des Tur mes erwähnte , find jenſeit derſelben keine Neſte einer
Menge von Tempeln nötigen den Forider zu der Vor
Doppelgalerie vorhanden, mit der die Abbildung die von
dieſe Gegend geweſen iſt, und nicht der Siß eines erobern den Herrſders, der nicht verfehlt haben würde, ſeiner Macht oder ſeinen Thaten in irgend einer Darſtellung Ausdrud
mir angegriffene Rekonſtruierung den Palaſthügel aud) hier abſchließt. Innerhalb dieſer großen Doppelgalerie, in ihrem öſt lichen und weſtlichen Flügel ungleich in Länge und nicht parallel in ihrem Laufe, liegen die beiden ungleich großen Höfe , die , während ſie nach Oſten und Weſten von der
großen Doppelgalerie begrenzt ſind, auf der Nordſeite eine ſchon verſchwundene eigene Doppelgalerie hatten, ſo daß hier ein idmaler Gang ſich vor den Höfen hinzog. Als ich die Ruinen betrat, fiel mein Blid jofort auf
den Namen ,,Charnay", der mit ſchwarzem Pinſel in großen Zügen auf einen Pfeiler geſeßt war. Die Reklame dieſes
ſtellung, daß Palenque ein großes, religiöſes Zentrum für
zu geben ; was man alſo gewöhnlich den „ Palaſt“ nennt, wäre demnach ein Sitz der Geiſtlichkeit, ein Kloſter geweſen. Was nun das Alter der Stadt Palenque betrifft, ſo
haben ſid manche Beſucher wegen des vorgeſchrittenen Verfalls der Bauten und der oft rieſigen Stämme , die ſich in und um denſelben gefunden, zur Annahme eines hohen
Alters verleiten laſſen . Charnay weiſt aber zunächſt auf das wenig dauerhafte Baumaterial der Kalkſteine, das über dies in kleinen Brudyſtücken unter Anwendung von viel Mörtel erſcheint, vor allem aber auf die gewaltige zerſtörende
verdienſtvollen franzöſiſden Durdyforjders altmerikaniſdier
Kraft des feudotheißen Klimas bin. Was alsdann die ſtarken
Trümmerſtätten , hat ſich an mir nüßlich erwieſen, und wo ich als flüchtiger Beſucher mit meiner Kritik an der irrigen Darſtellung der früheren Erſcheinung des Palaſtes zu Ende bin, will ich ſie nach Charnay vervollſtändigen. Die Tafel bei Ober zeigt nämlich die gemauerten Seitenflächen der Pyramide wie ununterbroden in kurzen Stufen auf ſteigend und an der Nordſeite den Aufſtieg in einer nach oben verjüngenden Treppe mit höheren Stufen . Charnay fand nun aber, übereinſtimmend mit Bauten im Hochlande
Baumſtämme betrifft, ſo haben diejenigen , die das Alter derſelben aus den Ringen berechnet, überſehen , daß in den Tropen nicht jeder Ring ein Jahr, ſondern in dem nimmer raſtenden Wadystum nur einen Monat zählt. So follen
die ſtärkſten Blöde Mahagoni liefernden Stämme in den hieſigen Wäldern kein höheres Alter als 200 Jahre haben. Sehr richtig hat dann Charnay bemerkt , wie gering nur die Abnußung der Stiegen erſcheint, über die dode in einer großen Stadt , in einem dicht bevölkerten Lande, wie es
Durch den Süden Merikoß und durch Zentral-Amerika.
die Eroberer hier vorgefunden , unzweifelhaft alljährlich
viele Tauſende zu ihren Göttern auf- und niedergeſtiegen. Wenn die Menſchen auch barfuß gingen , nach einer Benüßung von 1500 , ja 2000 Jahren , die man dieſen Bauten hat geben wollen , müßten , zumal in ſo wenig
dauerhaftem Stein , Aushöhlungen ſidtbar ſein , die aber nirgends bemerkbar waren. Beſſer und ſicherer aber als dieſe örtlichen Betradı: tungen und Erwägungen wird uns die Geſchichte des Landes dienen , um der Wahrheit näher zu kommen. Es iſt bezeugt , daß das im nahen Tabasco gelegene Comal calco, das jeßt nur noch vereinzelte Trümmer zeigt, noch
im Anfange des 16. Jahrhunderts von den Spaniern bewohnt gefunden worden iſt, und da man die von Norden nach Süden vordringenden Tolteks als die Erbauer der Städte dieſer Gegend annimmt , dieſe aber erſt im An : fange des 12. Jahrhunderts bis hierber vorgedrungen waren , ſie aber Comalcalco vor Palenque gebaut haben werden, ſo darf man dieſem wohl kaum ein höheres Alter als 500 bis 600 Jahre zuſprechen . Die Toltefs gehören zu den Nahua -Stämmen , die vom 7. bis 14. Jahrhundert vom Norden her in das merikaniſche Hochland eindrangen. Nach Charnay waren das nordöſtlid der heutigen Hauptſtadt gelegene Teoti
huacan oder Tula und Cholula ihre erſten Stadtgrün
165
den Spaniern in die Bergwerfe getrieben wurde. Schon nach 40 Jahren, erzählen die Chroniſten , waren die Familien
der eingeborenen Herrſcher heruntergekommen, wie die elens deſten unter ihren früheren Unterthanen . In jedem Stulps turwerk, in jeder Darſtellung in Thon erkannten die frommen ſpaniſchen Chriſten fortan ein Teufelswert, das vernichtet werden mußte. Was Wunder denn, daß jede Kunſtfertig feit bald verloren ging , daß die Indianer, die von ihren Göttern nicht laſſen wollten , um der Verfolgung zu ent
gehen , zu Heuchlern am Chriſtenglauben wurden .
Um
den Schreden vor den Eindringlingen noch zu erhöhen ,
erſdienen in ihrer Begleitung bisher ungekannte Kranf heiten : Blattern , Maſern , Ausſaß , Syphilis , Fieber ; Seuden, die noch intenſiver im heißen Tieflande auftreten mußten und die idon bis znm Ende des Jahrhunderts der Invaſion Millionen von Indianern hingerafft haben. Was hätte wohl aus dieſen reichen Ländern werden können , wenn man auf dem Boden der vorhandenen Kultur, ſtatt ihn zu veröden, erhaltend und fördernd ein gegriffen bätte ! Das ſind trübe Gedanken, zu denen man
auf ſolcher merifaniſden Trümmerſtätte unwidtürlid an geregt wird ; dieſelbe wollte mir wie ein übergrünter Grabe bügel erſcheinen, unter dem ein junges Weſen Ruhe gefun den , das mit ſchönen Gaben ausgeſtattet, aber verkannt und verfolgt worden war.
dungen. Unter ihrem Kaiſer Mitl (979 bis 1035) ſollen
Nach dem Verſchwinden der höheren Klaſſen bei
ſie im Hochlande zur größten Madit gelangt und 1097 weiter gegen den Süden vorgedrungen ſein. Auf dieſem
dem eingeborenen Volfe, welche die Träger geſchichtlicher
Wege iſt ihnen der franzöſide Forſber gefolgt und fand überall, bis auf die Halbinſel Yukatan hinaus, in der in den Ruinen entgegentretenden pyramidalen Form der
dem Indianer von heute jedes nationale Bewußtſein ges
Erinnerungen oder Legenden geweſen ſein werden , iſt .
ſchwunden . Der Wald wuchert zerſtörend über die Zeugen
feiner großen Zeit, an denen er ſtumpfſinnig ſeine Laſten
Hügel, auf denen Paläſte und Tempel erbaut waren , in
vorüberſchleppt, und nad einem halben Jahrhundert viel
der Konſtruktion der Dächer, in den Masken von Terra
leicht wird man nur noch in Muſeen und Bibliotheken ſich darüber Rais erholen fönnen , wie es im Lande ausſah, bevor die Spanier kamen. Am Abend ins Dorf zurüdgekehrt, konnte ich endlich
fotta , den Topferwaren und kleinen Figuren , ſodann in dem Kultus des den Gott Tlaloc darſtellenden Kreuzes
eine Beſtätigung für die ſtattgehabte Wanderung der Tolteks. Dafür , daß auch unſer Palenque eine ihrer Gründungen ſei, führt er ältere ſpaniſche Schriftſteller an, nach denen dasſelbe auch Tula genannt wurde, wie des Stammes erſte Hauptſtadt im Hochland. Die Azteken ſiedelten ſich erſt im 19. Jahrhundert
um den See bei der jeßigen Hauptſtadt an ; ein barbariſcher Stamm , trat er in die bei den jdwächeren zurüdgeblies benen Zweigen des Toltek-Stammes borgefundene Kultur ein. Menſenopfer kannte er nicht, und das Erſcheinen
am nächſten Tage meine Reiſe fortſeßen. Herr Lacroix erfreute mich zum Abidied noch mit mehreren Funden aus der Umgegend : in Palenque gefundene Tierköpfe aus gebranntem Thon , cin zierlicher Keil aus ſchwarzem Be ſtein und die foſſilen Muſcheln Pirula patula und Spou
dyla flabellum aus den Kalkbergen. Die Träger voraus, gings in weſtlicher Richtung über ein offenes Grasland
dem Urwald zu , wo eine breite ſogen. Picada das Fort:
der Azteken bezeid net alſo einen Rüdſdritt in der Ges
kommen leidyt geſtattet hätte , wären nicht mehrere von den Hoben zur Lagune fließende brüdenloſe Waſſer mit
ſittung des Landes. Die Tolteks fanden auf ihrem Zuge
jenfrecht eingeſchnittenen Betten dadurch ein unangeneh :
nach Süden den friedlichen , arbeitſamen Stamm der
mes, zeitraubendes Hindernis geworden , daß mein Maul
Mayas vor , der ihnen willig zur Hand war bei ihren
tier ſtandhaft ſich weigerte , ſie zu paſſieren . Da Hiebe ohne jegliche Wirkung auf ſeine Entſdlüſſe blieben , ſo mußten wir es über die Boſdungen hinab dieben , eins Prozedur , die namentlich bei dem von den Ruinen
Bauten. In dieſe anſcheinend glüdlichen Zuſtände griffen nun die Spanier mit roher Hand. Fanatiſche Prieſter und goldgierige Abenteurer verbreiteten einen ſolden Soreden unter der Bevölkerung , daß dieſelbe ſich weiter nach Süden in die Wälder flüchtete, wenn ſie nicht von Ausland 1890 , Nr. 9.
herabfommenden Kio Michols längeren Aufenthalt gab.
So gebrauchten wir denn neun Stunden bis zum Rio 26
Das afrikaniſche Häuptling- und Königtum .
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kleines Blätterdach errichtet und zu einem guten Feuer ein
Wilden der Geſchichte wie der Gegenwart," ſagt Hellwald, ,,baben teil an den eigenartigen Gütern der Menſchheit," und zu dieſen gehören vorzüglich der Beſiß der Sprade, der Ausdruck der Gemütsbewegungen , gewiſſe, obſchon
tüchtiger Holzvorrat , auch für die Nacht, herbeigeſdafft,
durch Aberglauben getrübte religiöſe Vorſtellungen , der
Tenjapa, an deſſen jenſeitigem Ufer uns zahlreiche Feuer ſtellen den gewöhnlichen Lagerplaß der Reiſenden anzeigten. Zum Schuße für mein Bett und Gepäd war bald ein
da die zahlreichen Jaguare , die hier in den dichten Wal: dungen hauſen , ſeine Unterhaltung nötig machten. Der
Fluß , der neben der Lagerſtelle eine ſtarke Krümmung machte, hatte eine große Menge Muſcheln am Ufer abs
gelagert , die als Melania (Pachychilus lacrissima) er fannt worden ſind. Bei 210 R, ging die Sonne unter.
Die Nacht verlief ohne Störung, aber der Morgen brachte durch einen heftigen Regenſdauer eine unangenehme Ver: zögerung des Aufbruches und dann des Fortkommens, da der ſofort beginnende ſehr ſteile Aufſtieg zur Sierra ſo
ſchlüpfrig geworden war, daß Menſch und Vich nur mühſam unter Gleiten und Stürzen , jeder auf feine Weiſe , durch den Wald vorrücken konnten. Nach vier Stunden war das kleine Soufhaus ,,Napa" auf der ſcharfen Spitze eines Berges erreicht (800 m über dem Meere) . ( Fortſegung folgt.)
Begriff von Eigentum , der Sinn, das Familienleben oder
auch größere geſellſchaftliche Verbindungen zu regeln und ſich einer obrigkeitlichen Gewalt zu unterwerfen. Die geſell ſchaftlichen Einrichtungen der afrikaniſden Völkerſchaften ſind gegründet , wie überall, in dem urſprünglichſten und innigſten Verbande , welchen die auf Blutsverwandtſchaft beruhende Familie bildet. Die Familien vereinigen ſich auf Baſis urſprünglicher Abſtammung von einem gemeins ſamen Ahnen zu Geſchlechtern, als einem größeren ſozialen Verbande. Zur Familie im engſten Sinne werden gezählt, je nach dem herrſchenden Syſteme, entweder nur die Ver wandten der Mutter ( Mutterrecht ) oder nur jene des Vaters (Vaterrecht), jedod ſo, daß im erſteren Falle mit
jedem Manne , im lekteren mit jedem Weibe die Ver: ivandtſdaft aufhört. Nach Mutterrecht hat demnach der Bater feine Gewalt über ſeine leiblichen Kinder ; Familien
haupt iſt der Mutterbruder . Nach Vaterrecht erſcheint
die , leibliche Mutter in einer ſklavenartigen Stellung
Das afrikaniſche Häuptling- und Königtum. Von Profeſſor A. W. Hubier.
Jüngſt erſchien ein Buch des um den Ausbau der
„ethnologiſchen Jurisprudenz" ſehr verdienten Dr. Poſt," welches uns wertvolle Aufídlüſſe über das Rechtsleben , über die ſozialen und politiſchen Einrichtungen der afris
kaniſchen Naturvölker liefert und zweifellos für die Ethno: logie eine große Bedeutung hat. Ohne hohle Spekulation
gegenüber dem Manne , als dem Familienhaupte. Unſer heutiges Elternrecht, nad weldem das Kind ſowohl mit
ſeinem Vater , als auch mit ſeiner Mutter und mit den Verwandten beider verwandt iſt, findet ſich nur bei höherer Kultur entwidelt und kann bei den einheimiſchen Völfern Afrikas kaum in Betracht gezogen werden.
Das Familienhaupt übt eine faſt deſpotiſde Cetvalt über die Mitglieder der Familie aus, und eine Beſdyrän : kung dürfte nur eintreten , wo das Intereſſe der Familie
und kulturgeſchichtliche Phantaſterei , vielmehr angeregt
es erheiſt oder eine höhere Gewalt die Grenzen feßt.
durch das erwähnte Werk und geſtüßt auf die neueren
Das Familienhaupt verfügt demnachy in der Regel über
Reiſeberichte, wollen wir dem Leſer vorerſt das afrikaniſche
Leib und Leben der Seinigen, d. h. es kann ſie ungeſtraft töten, als Sklaven verkaufen, verpfänden und die Tochter nach Vereinbarung des Brautpreiſes , deſſen Höhe nad Alter, Stand, Vermögen , Schönheit oder Talent variiert , verheiraten ; ferner iſt das Familienhaupt der Verwalter
Häuptling- und Königtum nach ſeiner Entſtehung , Wir fung und Erlöſchung in den markanteſten Zügen vors führen.
Vergleichen wir ältere Nachrichten über die afrikanis îchen Völker mit neueren, verläßlichen Berichten, ſo müſſen wir einräumen, daß manche wilde, tieriſche Inſtinkte, wie ſie ſich in den Gebräuchen einer früheren Zeit offenbar ten, eine , wenn auch geringe , Milderung erfahren und insbeſondere die Berührungen mit den Weißen Europas
des Familienvermögens, ſowohl der beweglichen Güter, als auch der Grundſtücke und kann allen Erwerb, welchen die
Seinigen machen , an ſich ziehen da Privateigentum in
Die Ergebniſſe der neueren ethnologiſchen Forſchungen führen zu der Ueberzeugung , daß keinem der heute auf
unſerem Sinne nur eine ſeltene Ausnahme bildet. Es gibt ſogar Stämme , welche feinen Aderbau und keine Viehzucht treiben, daher auch kein Grundeigentum kennen , ja ſelbſt das Dorf iſt häufig nur als vorübergehender Raſtplaß zu betrachten, der bei dem erſten Todesfall ver
Erden lebenden Menſdenſtämme die geiſtige Anlage , auf
laſſen wird. Wo aber ein Stamm das von ihm bewohnte
höhere Entwidlungsſtufen zu gelangen , d. i. die Kultur fähigkeit , abgeſprochen werden darf. „ Auch die roheſten
Land gegen Eingriffe anderer Stämme zu verteidigen ents dyloſjen iſt, dort werden dem Grundherrn Anteile jeder
.
nachhaltigen Einfluß auf die Entwicklung geübt haben.
Jagdbeute und der gefundenen Sachen zuerkannt.
Das
1 Afrikaniſche Jurisprudenz. Ethnologiſch-juriſtiſche Beiträge zur Kenntnis der einheimiſchen Rechte Afrikas von Dr. Albert
Familienhaupt hat ſchließlid die Seinigen nach allen
Hermann Boſt. Oldenburg und Leipzig 1887, Sdulte' dhe Sof
Seiten hin zu vertreten und für ſie zu baften .
Buchhandlung.
Verpflichtung ergibt ſich aus der gemeinſamen Verantwort
Dieſe
Das afritaniſche Häuptling. und Königtum .
lichkeit und Haftbarkeit aller Familien- und Geſchlechts: genoſſen unter einander. Die Genoſſen ſind nämlich ver
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weichungen , den Gemeinden ein demokratiſches Gepräge verleiht. Die Palaver werden an beſtimmten Orten , ge wöhnlich nahe dem Mittelpunkte des Dorfes , entweder auf offenen Pläßen unter großen alten Bäumen , welche
antwortlich für das vergoſſene Blut , d. h. ſie ſind ver: pflichtet, für einen erſchlagenen Blutsfreund Blutrache zu üben, und andererſeits laſtet auf ihnen die Blutſchuld für
die Tötung eines Fremden ; ſie haften für Schulden der Ihrigen , für die Zahlung des Blutgeldes und ſonſtige Bußen und find verpflichtet, ſich gegenſeitig bei Zahlung des Brautpreiſes und bei allen Bedrängniſſen zu unterſtüßen . Die Verbindung blutsverwandter Perſonen , die wir als Familie oder Geſchlecht bezeichnet haben , ſtellt ſich uns als der weſentlichſte Träger der ganzen ſozialen Dr ganiſation der Völkerſdaften Afrikas dar, indem an dieſen
engſten Verwandtſchaftskreis die kräftigſten politiſchen und rechtlichen Wirkungen geknüpft werden. Die Familie bleibt ſtets die Grundlage für die Bildung weiterer , umfaſſens
dann eine Verehrung genießen , oder in eigens dazu be ſtimmten Gebäuden oder Hallen abgehalten. Die Ein berufung geſchieht vom Häuptling mittels Boten oder mittels der Schläge auf den verſchiedenen weitfchallenden Inſtrumenten. Die Häuptlinge ziehen gern mit pompöſem Gefolge, Kriegern und Muſikanten zum Palaver ein. Die angeſehenſten ſowie die älteſten Männer erhalten nicht nur bevorzugte Pläße, ſondern ſie haben oft das entſcheidende
Wort, obſchon jedem Anweſenden das Recht zuſteht, ſeine Meinung zu äußern. Bei den Kru (an der Weſtfüſte ), welche, nad Rohlfs, die einzigen Neger an der Küſte ſind , die ſich gern und
derer, jedoch mitunter auch loderer ſozialer Verbindungen,
freiwillig als Arbeiter den Europäern verdingen , weite
und zwar der Gaugenoſſenſchaften
Dorf und Clan
gemeinſchaft (Komplex von Dörfern )
wie für die Ents
Reiſen nicht ſcheuen und Verträge ſelbſt auf mehrere Jahre eingehen , wird alle drei Jahre ein großes Palaver abges balten , und es erſcheinen dabei eigentümlicherweiſe nur
widlung eines herrſchaftlichen Häuptling- und Königtums. Jede geſchlechtsgenoſſenſchaftliche Drganiſation hat vielfach die Tendenz, in eine herrſchaftliche überzugehen. Bei den Völkern Afrikas findet dieſe Neigung eine beſondere Er
die erſten drei Klaſſen der Bevölkerung : die Alten (Gnak
klärung in den beinahe fortwährenden Kriegen , infolge welchen die Beſiegten zu Hörigen herabgedrüdt werden,
bade), die Krieger (Sedibo) und die jungen Leute (Kedibo), welche jedoch mehr eine Vorſtufe für die Krieger bilden. Eine aud den Rang und die Pläße beſtimmende Geſchäfts ordnung wird ſtrenge beobachtet. In Süd-Guinea finden
dagegen die Familien- oder Stammeshäuptlinge, als An führer , um ſo leichter eine deſpotiſche Gewalt erlangen, wenn ein Volf von kriegeriſchen Nachbarn ſtets in ſeiner
Palaver. Die Abſdaffung beſtehender Gebräuche, die Eins führung neuer Vorſdriften und allgemeine Angelegenheiten
Eriſtenz ſich bedroht ſieht. Als die regelmäßige Grund verfaſſung in Afrika kann füglich die Dorf- und Clans
werden in offener, von allen Männern beſuchter Verſamm lung beraten. Der König führt den Vorſiß und faßt,
verfaſſung angeſehen werden , aus welder ſich durch Vers einigung oder Unterwerfung unter eine herrſchaftliche Gewalt alle höheren Verfaſſungsformen, die unbeſchränkte und beſchränkte Monarchie , Feudalſyſteme und tributäre Verbindungen entwickelt haben. Dbgleich dieſe Bezeichs nungen unſeren Begriffen von Monarchie und Republik keineswegs gleichzuhalten ſind, ſo können wir doch im all gemeinen Häuptlinge der Dörfer und Clans, ferner Könige größerer Gebiete unterſcheiden. Beide Kategorien von Machthabern ſtehen als Herrſcher ihren Unterthanen gegens über. Die Stämme ſelbſt bilden nicht immer eine politiſche
nachdem er aus dem Gange der Verhandlung die Anſicht der Verſammlung erkannt hat , die Wünſche des Volkes in ein Geſet zuſammen . Die Verſammlung genehmigt,
Einheit, viele zerfallen in Clans und dieſe wieder in Dörfer. 1
Fetiſche eingeſeßt. Wer von folchen Uebertretungen Kunde hat und ſie nicht anzeigt , unterliegt nach dem Glauben des Volkes der Gefahr , ebenfalls vom Fetiſch beſtraft žu
Die Häuptlinge der Clans, welche teils vermöge ihres
Anſehens , ihrer Tapferkeit und anderer Verdienſte oder nach Erbrecht zu dieſer Würde gelangen , teils gewählt werden, beſigen entweder die volle Herrſchaft über ihr Volt
oder ſie ſind durch die Aelteſten oder durch das Volk mehr oder minder beſchränkt. Die Volksverſammlung (Palaver), in welder alle öffentlichen, häufig auch ganz geringfügige Angelegenheiten beraten werden , iſt in Afrika eine weit
wir eine vorgeſchrittene Ausbildung der Inſtitution des
was der König gethan, und der Beſchluß wird zum Landess
geſek erhoben. Der König hat zwar ein Veto , übt dieſes aber nie aus. Die Verfündigung des Geſeßes geſchieht durch einen öffentlichen Ausrufer, gleich nachdem dasſelbe zuſtande gekommen iſt, und zum zweitenmal mit Beginn des Abends, zu welcher Zeit faſt alle Leute ſich zu Hauſe befinden . Um die bindende Kraft gewiſſer Gefeße zu er hoben , werden zur Beſtrafung der Uebertreter beſondere
werden,
Nebſt der Schlichtung von Zwiſtigkeiten zwiſchen den Stämmen gehört nad der Clanverfaſſung die Ausübung der Gerichtsbarkeit zu den Obliegenheiten des Palaver, und zwar entweder unbeſdyränkt oder unter Mitwirkung des
Häuptlings oder der Dorfälteſten.
verbreitete Inſtitution , welde ungeachtet vielfacher Ab : .
Das afrikaniſche Königtum.
1 Bis zu welcher Stufe der Kultur und Ziviliſation ſich auch der Reger emporzuſchwingen vermag , zeigt uns das geordnete Staatsweſen der Negerrepublik Liberia.
Die monardhi dhe Verfaſſung, welche allgemein in dem Königtum ausgeprägt iſt, erſtreckt ſich nicht bloß regel
168
Das afrikaniſche Säuptling. oder Königtum .
mäßig über weitere Gebiete, als die Verfaſſung der Clans, ſondern es liegt das unterſcheidende Merkmal auch in der viel fach vorhandenen wirklichen Regierung, beſtehend in einem höchſten Rate und eigenen Beamten , welche Einrichtung den Clans meiſt gänzlichy mangelt. Obgleich dieſer Rat I
häufig nur eine beratende Stimme hat und der Monard unumſdyränfter Herr über Leben und Gut ſeiner Unter: thanen iſt, ſo ſtehen die bedränkten Monarchien doch nicht vereinzelt da , wobei uns allerdings das Bild eines konſtitutionellen Staates in unſerem Sinne nicht vors ſchweben darf. Die Verfaſſungen von Hambo und Kámba, beide Kimbunda:Reiche in Südzentralafrifa ; von Galam in Senegambien ; von Logon im Sudan dürfen als be
vom Almami ernannten Häuptlingen (Lambdo) anders
traut , welche zugleich die Anführer der Provinz-Armeen, die Vollſtreder der Befehle des Almami ſind und denen
die Marabuts (Tamsir) zur Verwaltung der religiöſen Angelegenheiten zur Seite ſtehen. Die Provinz-Häuptlinge wählen wieder die Häuptlinge der Dörfer und die Mara buts (Fodies) für die Moſcheen und dieſe endlich die Häuptlinge und Prieſter der Weiler. In ähnlicher Weiſe
ſind alle Pullo-Staaten organiſiert, welche nach Rohlfs Zeugnis, Einrichtungen haben , die am meiſten denen der ziviliſierten Völker nahe kommen.
Feudalverfaſſungen und tributäre Verbindungen bes deuten auch in Afrika eine Abhängigkeit von mächtigeren
Djallon (Senegambien ) und in den Pullo-Staaten ( Fulah,
Staaten ; auch ſie haben den Urſprung darin , daß fort währende Kriege die ſchwächeren Staaten nötigten , um dem Sidſale der Ausrottung zu entgehen oder um der
Fellatah, Peulhs im weſtlichen Sudan ), obicon hier das islamitiſche Recht verbreitet iſt, ohne aber das einheimiſche
mächtigeren Beſchüßer zu ſuchen oder durch Zahlung eines
ganz verdrängt zu haben.
Tributs Sicherheit und Frieden zu erkaufen.
ſdränkte Monarchien bezeichnet werden. Deutlich aus geprägt iſt dieſe Regierungsform im Königreiche Futa:
Hecquards Reiſeberichte geben uns einige ſehr inte
reſſante Aufſblüſſe. Danach war die frühere Verfaſſung in Futa- Diallon eine befondere islamitiſche Schöpfung theokratiſch -republikaniſcher Art, welche in den einbeimiſch afrikaniſchen Rechtsbildungen gar keine Begründung hatte. Der oberſte Rat der Dreizehn, in welchen unter dem Eins fluſſe der Marabuts nur Perſonen von einem gewiſſen Alter und erprobter Frömmigkeit gewählt wurden, übte die
volle Souveränität in allen politiſchen und religiöſen An gelegenheiten aus. Als jedoch die Unterdrüdungen uner träglich und die Unzufriedenheit über die Wilfür und Grauſamkeit des Rates allgemein geworden war, benußte der gewandte Häuptling 3brahim Seuris dieſe Umſtände
.
ſteten Gefahr der Plünderung nicyt ausgeſeßt zu ſein, einen Aehnliche
Urſachen waren es , welche den mittelalterlid -europäiſchen Feudalſtaat entſtehen ließen und durch die Gunſt der Zeit verhältniſſe zur vollen Reife brachten. Die Notwendigkeit in den ewigen Bewegungen ziviſchen Urſache und Wirkung läßt ſich auch hier nicht verkennen . Sowie das europäiſche Feudalſyſtem die Staatsgewalt ichwächte und die Kraft des Volkes zerſplitterte , indem die Feudalmonarchie zum Aggregat vieler größeren und kleineren ſich ſtets befehdens den Herrſchaften , unter der ſcheinbaren Oberhobeit eines
Königs, herabgeſunken war ; in ähnlicher Weiſe ſpiegeln ſich die Feudalverfaſſungen Afrikas ab. Die Oberherren verloren nad) und nad viel an ihrer Macht und nur dann ,
Tapferkeit und ſeine Großmut hatte er ſich viele Anhänger
wenn die Intereſſen der Vafallen die gleichen waren, durften erſtere auf Unterſtüßung rechnen. Die Vafallen trachteten die Selbſtändigkeit zu erlangen und wenn ſie im
erworben , und auch im Rate bildete ſidh eine zahlreiche
Befiße eines größeren Gefolges waren, ſo zögerten ſie nicht,
Partei für ihn , ſo daß er es wagen tonnte , mit Hilfe
der Autorität des Oberberrn zu troßen . Das große Pullo Reich zerfällt in viele Staaten, die alle mehr oder weniger unabhängig ſind, aber dennoch den Sultan von Sófoto, der
zu Gunſten ſeines perſönlichen Ehrgeizes. Durch ſeine
ſeiner Freunde die ihm feindlich geſinnten Mitglieder des Rates zu ſtürzen und in einer zumeiſt aus ſeinen Kriegern zuſammengeſeßten Volksverſammlung, ſich unter dem Titel eines Almami (El-Iman) zum alleinigen Oberhaupte des Staates ernennen zu laſſen. Den Rat der Aelteſten be hielt er bei , befekte ihn aber durch ſeine Anhänger , vers mehrte deſſen Mitglieder und verlieh ihm ausgedehnte
, bába-n -serki“ heißt, anerkennen und ihm jährlichen Tribut zahlen. Erlangung der Königswürde.
Die Frage, wie die Königswürde erlangt wird, kann ſoweit verläßlide Quellen vorliegen , dahin beantwortet
Befugniſſe. Der Almami iſt zugleich Dberprieſter, ent
werden : Manche Völkerſchaften wählen ihre Könige , bei
ideidet über alle Angelegenheiten in leßter Inſtanz und hat den Vorſiß im Rate der Aelteſten. Leşterer fann über zu dließende Bündniſſe und über die allgemeinen An gelegenheiten des Königreichs ohne beſondere Zuſtimmung des Oberhauptes entſdeiden und Mannſchaften oder Hilfe: mittel für den Krieg verweigern. Einer folden Weigerung
anderen iſt die Königswürde in beſtimmten Familien erb lid. Thronfolgefähig ſind in der Regel nur Männer, häufig auch nur dann , wenn ihnen kein körperliches Gebrechen anhaftet. Der König von Angoy (Loango: Küſte) darf nicht gekrönt werden , wenn er ein Gebrechen am Körper, einen gebrochenen oder gefeilten Zahn , eine Narbe u. ſ. w. hat. Ueberdies iſt es keine ſeltene Ers ſcheinung, daß alle herkömmlichen Regeln über die Thron folge mit Gewalt durchbrochen werden und der Mächtigere die Herrſchaft an ſich reißt.
gegenüber hat der Almami das Recht, eine allgemeine Volksverſammlung einzuberufen, welche endgültig die Ent ideidung trifft. Das Reich iſt in zehn Provinzen einge
teilt und die Verwaltung ſowie Steuererhebung iſt den
169
2118 bem ſkandinaviſchen Norden .
Die Wahl erfolgt entweder auf beſtimmte oder uns beſtimmte Zeit , oder für die Dauer des Lebens.
Aus dem ſkandinaviſden Norden.
Iſt die
Zeit unbeſtimmt, ſo kann der König jederzeit wieder ab geſeßt werden ; nach Verlauf des beſtimmten Zeitraumes iſt der Rüdtritt von der Königswürde ſelbſtverſtändlich. Ob der abgetretene König wieder wählbar iſt, darüber haben wir keinen Aufſchluß. Die Wahl wird zuweilen beſchränkt auf ein Mitglied der herrſdenden oder ſonſt einer , ſelbſt aud mehrerer beſtimmter Familien. Nach
Von Hans v. Schönberg. ( Fortſetzung.)
Die Fiſde bilden einen Hauptbeſtandteil der täglichen Nahrung; ſeien es nun friſch gefangene, oder an der Luft getrocknete, welche vor dem Verzehren in heißem Waſſer aufgeweicht werden , oder eingeſalzene, und vorzüglich auch Heringe. Das Meer , die Flüſſe und zahlreichen Seen
Livingſtone wird bei den Bangalas (Angola) das Ober
liefern große Mengen von Fiſden der verſdiedenſten
haupt der Reihe nach aus drei Familien , in Diagara
deſſen Minderjährigkeit die Mutter des Knaben mit den drei Großen regiert. Indeſſen wird der junge König in den Traditionen ſeiner Ahnen erzogen. Sind jedoch die
Arten , die ſich meiſt alle zum Dörren eignen. Wer die kräftigen Nordländer betrachtet, und hört, welche Mengen von Fiſden ſie verzehren , begreift die Wichtigkeit der Fiſdie für die Volksernährung. Die vereinzelte Lage der fleinen Botſchaften , der îdywierige Abſaß friſden Fleiſches veranlaßt das Volf, das Rindvieb und die Shweine im Spätherbſt und Winter zu ſchlachten , das nicht ſofort friſch verwendete Fleiſd) wird eingepökelt und mit der Zeit getrodnet oder ges räuchert. Lunge, Herz und Leber der Rinder wird fein gewiegt, mit Roggen oder Gerſtengries zuſammengerührt und gekocht genoſſen. Außer zu dem vorerwähnten Blut brot verwertet man das Blut auch noch, indem man es
Bafunga in der Wahl nid)t einig, ſo erklären ſie einander
mit Roggenmehl vermengt und in Klöje zuſammenrollt.
den Krieg, und der Sieger ſeßt den Knaben ſeiner Wahl
Dieſe Kloſe werden an der Luft getrocknet , vor dem Ge nuß in Scheiben geſchnitten und in Speck gebraten.
(Weſtküſte) wechſelweiſe aus zwei Familien erwählt. Das Recht der Wahl des Thronfolgers ſteht entweder dem Könige oder den Großwürdenträgern zu, ſeltener dem Volfe,
ſobald dasſelbe ſoziale Gewalten überhaupt auszuüben
berufen iſt (Süd- Guinea ; Namaqua, Südafrika ). ' Eigen tümlich iſt die Wahl in Uganda , einem Königreiche am Uferewe. Es wählen die drei erſten Balunga ( Häuptlinge
erſten Ranges) allein den Nadyfolger des Königs unter deſſen Kindern , und zwar ſtets einen Knaben , während
auf den Thron. Der Zweck dieſes ſeltſamen Gefeßes iſt die Verhütung von Intriguen zu des Königs Lebzeiten .
So verwendet der Landmann die im Winter geſam
Ein buntes Bild gewähren uns die unzähligen
melten Vorräte im darauffolgenden Frühjahr und Som
Variationen der Erbfolge. Im allgemeinen läßt ſich wohl behaupten, daß das Verwandtſchaftsſyſtem – daher Mutter recht oder Vaterrecht – als Regulator betrachtet wird, doch offenbart ſich oft ein wirres Gemiſch eigenartiger Beſtim mungen, welche eine Zurückführung auf allgemeine Grunds fäße kaum geſtatten . In regelmäßiger Weiſe folgt nad Mutterrecht der Mutterbruder oder der Sdweſterſohn und nad Vaterrecht der Sohn oder der Vaterbruder. Wir finden aber aud), daß der Bruder des Königs den Vorzug
vor deſſen Sohn hat ; daß in Afdyanti zunädiſt der Bruder
Beſjere Roſt wird bei Feſtlichkeiten gereidt , be ſonders in der Weihnaditszeit, wo vom 24. Dezember bis
mer .
6. Januar der Tiſd ſtets gededt und mit Speiſen bes fekt bleibt. Jeder, der das Haus betritt, iſt ein um ſo willfommenerer Gaſt, je mehr er den vorgeſeşten Speiſen zuſpridit .
Eine Eigentümlidykeit des Volkes iſt, daß bei Taufen , Hochzeiten , Begräbniſſen nid )t allein die Verwandten , ſondern auch die geladnen Gäſte Eßwaren aller Art mit bringen , die ſogenannte „ , förning“. Dieſe Sitte ſtammt
des Königs , dann der Sohn ſeiner Sdweſter zur Herr
wohl daber, daß es in ältern Zeiten oft recht dywer war,
ſchaft gelangt, wogegen die eigenen Kinder ausgeſchloſſen ſind ; daß in Uſambara (an der Sanſibar-Küſte) nicht der zuerſt geborene als Kronprinz ( Sebuke) angeſehen wird ;
ausreidend und genügend Mundvorrat anzuſchaffen, was durch das Mitbringen der „ förning “ ſehr erleichtert wird. Selbſtverſtändlich werden die mitgebrad)ten Speiſen bei den Mahlzeiten aufgetragen, und die Güte derſelben und
daß in der Form eines Seniorats die Herriderwürde auf
die Freigebigkeit der Geber gehörig geprieſen.
das jedesmalige älteſte männliche Mitglied der ganzen Familie übergeht, ſo bei den Tebu (obſdon alternativ in zwei Familien) und bei den Dongoſâ in Borkû (im öſtlichen
Bei dieſen Gelegenheiten wird eine gewiſſe Rang ordnung nach Stand , Alter und Vermögen ſtreng beob achtet und gewürdigt. Ein Herandrängen zum Eſſen, eine Unbeſcheidenheit iſt nie zu bemerken , und es gehört zur guten Sitte, ſich zum Eſſen nötigen zu laſſen . Die Getränke beſtehen teils aus ſelbſtgebrautem ,
älteſte Sohn des Königs , ſondern der nach der Krönung
Sudan) und daß die Herrderwürde ſelbſt in mehreren
Familien der Reihe nach erblich iſt. (Schluß folgt .)
ſchwächerem „svagdricka“ oder ſtärkerem , dem Porter ähn lichem Bier. Leßteres wird gewöhnlich vor Weihnachten gebraut und deshalb allgemein njulöl “ genannt , iſt ſtark mit Hopfen gewürzt und wird vor dem Genuß gern mit 27 Ausland 1890, Nr. 9 .
Aus dem ſtandinaviſchen Norden.
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etwas Zuder vermiſcht. Dies Bier wird auch in Flaſchen aufbewahrt und hält ſich oft jahrelang.
Außer Bier wird auch Branntwein gereicht, aber bei dieſen Gelegenheiten immer mäßig genoſſen. Die Vor ſtellung überhaupt, daß der Schwede fich mehr als andere Nationen dem Genuß des Branntweins ergibt , iſt ganz .
irrig.
Wohl verträgt der Nordländer in Folge des
Klimas, der Nähe des Meeres oder größerer Gewäſſer eine größere und ſtärkere Doſis Spirituoſen , aber man
ſieht bei Volksanſammlungen viel weniger Betrunkene als irgendwo anders.
Der Ausſchant an Branntwein bei
rändertes Papier und in Düten verpadt, liegen zum Mit: nehmen bereit. Bei derartigen Begräbniſſen eröffnen zwei Marſchälle mit jdwarzen Stäben und Florbändern den Zug. Der eine Marſdall fordert in kurzer Rede die Leid tragenden auf , dem Verſtorbenen die leßte Ehre zu er:
weiſen ; der zweite Darſdal danft nad, Sdluß der Feier: lichkeit den Anweſenden für die dem Toten erwieſene ehrenvolle Begleitung zur leßten Ruheſtätte.
Bei den gewöhnlichen Landleuten erfolgt die Teſta mentsregulierung oder Verteilung der Erbſchaft unmittel bar nach dem Begräbnis und dauert häufig mehrere Tage, während welcher weiter geſchmauſt wird.
Märkten , Auktionen, Gerichtsſizungen iſt überhaupt ſtreng verboten. Die Zahl der zum Ausſchant berechtigten Gaſt höfe iſt ſehr beſchränkt, und ſie werden hod; beſteuert. Auf dem Lande kann es vorkommen , daß die Entfernung von
bei Hochzeiten verſchiedene Gebräuche, wobei es oft ſehr
einer Branntweinſchenke zur andern zwei bis drei Meilen
jedoch in Blekinge und dem angrenzenden Während , das
beträgt.
zu Småland gerechnet wird.
Sdenken .
In vielen Kirchſpielen findet man gar keine Während im
mittleren Deutſchland oft auf
70 bis 100 Köpfe der Bevölkerung eine Søenke kommt, kann es in Sdweden vorkommen , daß auf 1000 bis
1500 Bewohner erſt eine zu redynen iſt.
In den Städten, namentlid den an der See liegenden, wo viele Schiffe verkehren , iſt das Verhältnis leider bei weitem ungünſtiger und kaum von dem des übrigen Europas abweichend.
Es darf hier nicht unerwähnt bleiben , daß von der Sšankſteuer in den verſchiedenen Provinzen ein beträcht licher Teil an landwirtſchaftliche Geſellſchaften zu gemein nüßigen Zwecken und auch an die Gemeinden zur Bei hilfe der Armenverſorgung abgegeben wird. Auf dem Lande iſt bei Todesfällen Sitte , daß die
Taufen werden weniger gefeiert , dagegen herrſchen laut zugeht. Eine merkwürdige Erſcheinung bietet ſich Seitdem nämlich Blenda
1150 n. Chr., die Jungfrau von Orleans jener Gegenden, wirkſam an der Vertreibung der Dänen teilnahm, dürfen infolge königlichen Freibriefs Trommeln vor jedem Hoch zeitszug gerührt werden , und das Volt hält feſt an dieſem alten Recht.
In manchen Kirchſpielen findet man ſilberne Brauts fronen , die durch Sittenreinheit ſich auszeichnende Jung frauen bei ihrer Hochzeit tragen, namentlich wenn dieſelbe um Johanni gefeiert wird. Ein eigentümlicher, in manchen Gegenden vorkommen der Braud, iſt das Zuſammenziehen der Brautpaare vor
werden . Es mag dies mit den großen Entfernungen zus
der Hodhzeit. Die Braut ſiedelt noch vor der Trauung in das Haus des Bräutigams über und führt die Wirt: ſchaft „ auf Probe“. Wenn nun auch in den meiſten Fällen die Heirat zuſtande kommt, ſo paſſiert doch auch hie und da, daß die Verlobung aufgelöſt wurde ; mir ſelbſt
ſammenhängen und den ſchwierigen Wegverbindungen
iſt ein ſolcher Fall erinnerlich , wo die Braut , nachdem
früherer Zeiten. Ehe die Nachricht von einem Todesfall zu den Verwandten und Freunden gelangte und bis dies ſelben ſich einſtellen konnten, bergingen oft Wochen . Wenn
fie wochenlang idon im Hauſe des Bräutigams gelohnt, dasſelbe verließ , weil der Bräutigam , wenn er ausging, den Schlüſſel zum Speiſeſchrank mitnahm, was der Braut
es jedoch, wie bei anſteckenden Krankheiten oder bei großer
natü. lich nicht behagen wollte.
Verſtorbenen oft längere Zeit liegen bleiben, ehe ſie beerdigt
Wärme geboten war , den Toten raſcher aus dem Hauſe
zu bringen, ſo wurde er auf dem Kirchhof mit einer ent ſprechenden längeren Feier beigeſeßt , das Grab aber erſt am eigentlichen Begräbnistage geſchloſſen und die übliche Feier abgehalten. Zu den Beiſeßungsfeierlichkeiten nament lich wohlhabender oder vornehmer Perſonen werden die nächſten Nachbarn , beſonders die ärmeren und geringeren, geladen und bewirtet , während die entfernter wohnenden Verwandten und Freunde, die vornehmeren Bekannten zu
1
Das eigentliche Volk läßt ſich in der Kirche trauen;
die Ziviltrauung iſt geſtattet, aber nicht obligatoriſch. Bei den Vornehmeren iſt es faſt allgemein gebräuchlich, die Trauungen im Haus der Braut ſtattfinden zu laſſen, und zwar meiſt am ſpäten Nachmittag. Ich will nicht unerwähnt laſſen , daß mitunter der
Hochzeit eine feierliche Verlobung durch den Geiſtlichen vorhergeht , die ſogenannte „ ringförlofning “. Bei dieſer Gelegenheit erhält Braut wie Bräutigam einen Verlobungs
dem eigentlichen Begräbnis, jordfästning, eingeladen und
ring, der am Ringfinger der linken Hand von beiden ges
entſprechend bewirtet werden . Unter den vornehmeren Bewohnern iſt das Mitbringen von törning nicht bräud): lich. Dieſe werden gewöhnlich, bevor ſich der Zug aus
tragen wird. Dieſe ringförlofningar find nicht leicht zu trennen und werden faſt der Trauung gleich gerechnet. Die Trauung ſelbſt wird in der gewöhnlichen luthes riſchen Form eingeleitet, doch, nachdem das Brautpaar die
dem Trauerhaus entfernt , mit Badwerk und Hochheimer belirtet. Hie und da iſt mir auch ein eigentümlicher Ges brauch aufgefallen : Konfekt und Bonbons, in ſchwarz ge
Frage des Geiſtlichen, ob ſie ſich ehelichen wollen , bejaht hat,
ergreift der Bräutigam den Trauring , an dem auch die
Aus dem ſkandinaviſchen Norden .
N. N. nehme Dich Braut mit anfaßt , und ſagt: ,, Glück und Unglüdt N. N. zu meiner Frau , um Dich in
zu lieben, und als Wahrzeichen gebe ich Dir dieſen Ning ," worauf die Braut antwortet : N. N. zu meinem Mann , den lieben will und empfange als Darauf ſteďt der Bräutigam
„Ich N. N. nehme Dich ich in Glück und Unglück Wahrzeiden dieſen Ring." den Ring an den Ringe
finger der linken Hand der Braut ; nur die Braut erhält
einen Trauring. Hierbei ſegnet der Geiſtliche als Chriſti Diener die Ehe ein und beſchließt die Feier mit einem
Vaterunjer. Nun gratulieren die Anweſenden dem Brautpaar, und
unmittelbar darauf wird Wein , meiſt Champagner, mit Konfekt herumgereicht, der Geiſtliche hält eine kurze An: ſprache an das Brautpaar und bringt die Geſundheit auf dasſelbe aus. In den dichter bevölkerten Drten verlangt das außerhalb des Hauſes verſammelte Volk die Braut zu ſehen, welche in vollem Hodizeitsſtaat ſid, an einem Fenſter zeigt, von den Brautführern , wenn es dunkel gewors den, mit brennenden Kerzen umgeben , und von den Außen ſtehenden mit Jubelgeſchrei empfangen wird. Das Feſt wird meiſt mit einem Gaſtmahl und Tanz
beſchloſſen, ja häufig währt ea, namentlid) in den Städten , mehrere Tage , da Verwandte und Bekannte die Neuvers
mählten in den der Hodizeit folgenden Tagen zu ſich ein laden und bewirten. In ſolchen Fällen erwidert cließ lich das junge Paar die erwieſene Gaſtfreundſchaft. Die ſoeben geſchilderten Feſtlichkeiten ſind bei den höheren Stän den gebräuchlich, bei dem Volt berlaufen ſie einfacher. Beſondere, jährlich wiederkehrende Feſte werden zu Johanni und Weihnachten gefeiert. Schon am Abend vor dem 24. Juni wird an einem freien Plaß die ſogenannte ,,Majſtang", welche mit grü:
nem Reiſig, ſowie natürlichen und fünſtlichen Blumen und an der Spiße mit einer Krone geziert iſt, aufgerichtet, und bleibt dann das ganze Jahr über ſtehen. An dieſer
171
für Haus die Einwohner angemeldet und aufgeſchrieben ; in früheren Zeiten dienten die ſo geſammelten Angaben den Behörden als ſtatiſtiſche Unterlagen , beſonders bei Beredynung der Steuern. Nach Beendigung des hus
förhör , wobei auch der Ort der Zuſammenkunft fürs nädſte Fahr feſtgeſeßt wurde , bewirteten die Befißer des Hofes die Anweſenden nach Kräften. Das Mindeſte, was jedem gereidyt wird, iſt ein Stück Brot, Butter und Käſe, ſowie svagdricka , das idon er wähnte dünne, zu Haus gebraute Bier. Reichere Leute jeßen natürlich ihren Verhältniſſen entſprechend mehr vor.
In früheren Jahren idloß häufig ein kleines Tänz chen dieſe husförhöre ; fehlte die Harmonika oder Geige, ſo beivegte man ſich fingend im Takte.
Wohl hat am Schluß des Jahres 1888 ein Verfaſſer in dieſem Biatte über die Weihnachtsgebräuche viel In tereſſantes, meiſt aus Dänemark und Norwegen ſtammend, mitgeteilt, doch vermißte ich die Erwähnung der in der Nacht
vom 24. zum 25. Dezember ſtattfindenden Feierlichkeiten. Zu Sonnenuntergang am 24. Dezember legt das Volk friſche Wäſche und Feſtkleider an , verſammelt ſich am Herd, auf dem ein mächtiger Reſſel mit Fleiſch aller Art kocht. Der Hausvater ſpricht ein Gebet , oft wird auch ein Lied aus dem Geſangbuch geſungen , das Weih nachtsevangelium vorgeleſen. Dann ſchneidet man Brot in
Scheiben und fiſcht mit dieſem die klein zerſchnittenen Fleiſch: ſtücke aus dem Reſſel und verzehrt ſie. Sämtliche Bewohner des Hauſes und Hofes nehmen hieran teil ; man nennt dies , toppa i grytan ", und natürlich fehlt es dabei audi nidit an Julöl und Branntwein . Auf einem weißgededten Tiſch ſind Braten und allerlei Speiſen , ebenſo die der Dienerſchaft beſtimmten Brote --- in der Regel fieben , verſdiedener Art - aufgetragen , welche, wie ich ſchon erwähnt habe, während der ganzen Weihnachtszeit auf dem Tiſche ſtehen bleiben.
beluſtigt fidh ſich ſowohl am midtsommarafton " , als am eigentlichen Johannistag , der auch kirchlidy gefeiert wird. Auf größeren Gütern bewirtet die Gutsherrſchaft ihre
Wenige Familien wird es geben, in denen zu Weihs nachten der Chriſtbaum fehlt, kleiner oder größer, je nach Raum und Vermögen , mehr oder minder aufgepußt mit allerhand Süßigkeiten , die jedoch bis zum 6. Januar, „tretton dagen“ , unberührt bleiben ; an dieſem Tage
hohen maſtähnlichen Stange verſammelt ſich das Volf und רל
Arbeiter und Unterthanen; Muſik, wenn ſolche zu erlangen
werden die Lichter am Chriſtbaum , jul-gran ", nochmals
iſt, ſpielt zum Tanze auf. Freilich muß in einſameren Gegenden häufig eine Ziehharmonika das Orcheſter erſeßen, doch auch dieſe genügt dem einfachen anſpruchsloſen Volke. Vogelſchießen , Erntefeſte, Kirmes werden nicht ges feiert , dagegen bietet im Herbſt beim „ husförhörs fich eine Gelegenheit zum Schmauſen.
angebrannt, um den die Anweſenden einen Ring ſchließen, den Baum mehrfach umtanzend unter Abſingung von bes ſonderen Liedern, jul visor", und ihn ſchließlid plündernd. Deutſchland, ſo daß die Geſchenke aufgeſtellt werden, für jeden an beſtimmten Pläßen , ſondern ſie werden ſoweit
In den verſchiedenen Dörfern der Gemeinde hält der
thunlidh mehrfach in Papier eingewidelt und jede Hülle befons
Geiſtliche Zuſammenfünfte ab , die vormals hauptſächlich
ders adreſſiert, ſo daß ein derartiges Paket durch mehrere Hände geht, ehe die leßte Umhüllung den richtigen Eigen:
religiöſen Zweden dienten. Die Dorfichaft verſammelte fidh abwechſelnd in einem der Bauernhöfe, die Zuſammens kunft wurde mit Gebet und Anſprache eröffnet, und die
>
Das Beſcheren geſchieht nicht in der Weiſe wie in
tümer angibt. In früheren Seiten wurden die Pakete zur Thüre hereingeworfen, dod, findet dies nur noch ſelten
Anweſenden , Jung und Alt , eraminiert , ihre religiöſen
ſtatt. Jedenfalls gewährt dieſe Art Geſchenke auszuteilen
Kenntniſſe geprüft. Dann aber wurden auch hierbei Haus
Zerſtreuung und Zeitvertreib.
Aus dem ſtandinaviſchen Norden .
172
In der Nacht vom 24. zum 25. Dezember rüſten ſich die Bewohner der Dörfer zur nächtlichen Fahrt nach der
vierte Fiſchſorten , Fiſch in Aſpif , Krebsſchwänze, ſogen. graflax, das iſt roh eingeſalzener Lachs, Rentierſchinken ,
Kirche. Wer nur irgend abkömmlich iſt, nimmt an dieſer
in Butter gebratene ſpaniſche Zwiebein , gebratene Leber,
Kirchfahrt teil, und man pflegt an vielen Drten Fadeln
kleine Fleiſchklöschen 2c. Ich habe einen ſolchen brännvins
dabei anzuzünden, um der , jul-otta“ beizuwohnen. Man
bord mit ſechzehn verſchiedenen appetitreizenden Schüſſeln
nennt „ otta “ überhaupt die Zeit von zwei bis fünf Uhr morgens, daher auch das Wort jul-otta , Die Kirchen ſind feſtlid erleuchtet durch Kronleuchter
beſeßt geſehen.
.
Die Hauptmahlzeit , die oft , namentlich wenn viele Menſchen dabei ſind , ſtehend eingenommen wird , beſteht
und Altarkerzen , ſowie durch zahlreiche Lichter, die auf
gewöhnlich aus Suppe , Fiſch , gebratenem Fleiſch und
den Rücklehnen der Kirchenſiße angebracht werden. Der
einer Mehlſpeiſe , als Gemüſe hauptſächlich Kartoffeln ; Salat und Kompott erſdeinen auf viel kleineren Schüſſeln als in Deutſdland.
Anblid einer auf ſolche Art feſtlich erleuchteten Kirche er:
höht die Feſtſtimmung weſentlich . Uebrigens erinnert nicht nur die Bezeichnung eines feierlichen Gottesdienſtes als högmessa , ſondern auch
die Feſttracht der Geiſtlichen : ein weißes Meßhemd, „mess skjorta “, mit einer Stola von ſchwarzem Sammt, auf der vorn und auf dem Rücken ein ſilbernes Kreuz geſtidt iſt, an katholiſche Vorzeiten ; ebenſo wie die Tracht der Biſchöfe bei feierlichen Gelegenheiten , nämlich Ordinationen und Einweihungen von Kirchen : ein Ueberwurf von rotem Sammt mit goldgeſticktem Kreuz, eine Art von Mitra und
der Hirtenſtab. Für gewöhnlich tragen die Biſchöfe zum ſchwarzen Prieſterrod ein goldenes Kreuz an goldener Kette.
Einer eigentümlichen Sitte muß ich noch gedenken . Am heiligen Abend, ehe ſich die Familie zur Weihnachts
feier verſammelt , wird ſämtlichem Vieh reichliches Futter geſchüttet, das beſte Heu aufgeſteckt. Aber auch der Vögel wird gedacht: man ſtedt für ſie im Hofe eine Garbe Ges treide auf, meiſt Hafer, die nach Bedarf unter der Weih
An den Enden des Estiſches findet man Teller,
Meſſer, Gabeln , Löffel und Servietten , auf den Lang: ſeiten werden die Gerichte aufgeſtellt. Jeder bedient ſich
ſelbſt, wobei den Damen ſelbſtverſtändlich der Vorrang gelaſſen wird , und dann folgen die Herren nach Rang und Stand, wie man auch überhaupt die Form ſtreng beobachtet.
Die Dienerſchaft beſchäftigt ſich nur mit dem Aufs tragen der Speiſen, dem Ab- und Zutragen von gebrauchten und friſchen Tellern u. f. w. Wird Wein gereicht, ſo ſteht er ebenfalls auf dem Eßtiſch, jeder holt ſich die Sorte, die er trinken will, und gießt ſich ſelbſt ein. Da in Schwe den das Zutrinken gebräudlich iſt, ſo fordert man ſich gegenſeitig dazu auf. Wirt und Wirtin trinken wohl den Gäſten zu , duch iſt es nicht Sitte , daß die Gäſte den Wirten zutrinken, ſondern der Vornehmſte der Geſellſchaft dankt am Sdluß der Mahlzeit den Wirten und trinkt
nachtszeit erneuert wird. Tiefer Sinn liegt in dieſer alten
ihre Geſundheit. Darauf danken nad, beendeter Mahlzeit
Sitte und iſt ein beredtes Zeugnis für das religiöſe Ges fühl des Volfes , das an ſo hohem Feſttage der Chriſtens heit nicht nur die Menſchen , ſondern auch die Tiere er:
die Gäſte dem Wirt und der Wirtin , ohne den andern Anweſenden , wie in Deutſdland , geſegnete Mahlzeit zu wünſchen.
1
freuen will.
An die übrigen firchlichen Feſte knüpft ſich keine beſondere Feſtlichkeit für das Volt ; nur in den höheren Schichten der Bevölkerung wird häufig der 1. Mai und der Namenstag außer dem Geburtstag feſtlich begangen. Die Lebensweiſe der wohlhabenderen und höheren
Klaſſen der Bevölkerung weicht vielfach von der in Deutida land gebräuchlichen ab. Der Tag wird mit einem kräf
tigen Frühſtüd begonnen, bei dem außer Kaffee oder Thee mit Gebäc gewöhnlich eine warme Fleiſdſpeiſe mit Rar: toffeln gereicht wird. Eingeleitet wird dieſes Frühſtück durch den ſogen. ,,brännvinsbord“ oder „ smörgåsbord “, dem meiſt ein abgeſonderter Plaß eingeräumt wird. Darauf befindet ſich außer Brot, Butter und Käſe, Hering, Pokel fleiſch ſtets eine oder mehrere Flaſchen mit verſchiedenen Branntweinſorten. Der brännvinsbord oder smörgåsbord fehlt bei keiner
Mahlzeit am Tage und wird, je nachdem die Mahlzeiten einen feſtlichen Charakter annehmen , reichlicher beſeßt.
Außer den ſchon genannten Beſtandteilen werden dann aufgeſeßt : Hummer, Kaviar, Sardinen, verſõiedene präſers
Bei Hodhzeiten und Begräbniſſen werden ſtellver tretende Wirte und Wirtinnen erwählt, die den Hausherrn
und deſſen Frau unterſtüßen. Wohl kommen ſigende Diners vor , doch gehören ſie zu den Ausnahmen .
Die gehenden " Mittag- und Abendmahlzeiten ſparen nid)t allein an Bedienung, ſondern auch an Geſchirr, man fann eine größere Menge Leute zugleich einladen, z. B. bei offiziellen Diners , die in den Provinzhauptſtädten ſeitens der Gouverneure, Biſchöfe u . 1. w. öfter vorkommen . Ich habe ſolchen Diners, wo bis gegen adytzig Perſonen
anweſend waren , wiederholt beigewohnt. Der Sdywede iſt in hohem Grade gaſtfrei, freut ſich
über jeden Beſud ), und ganz fremde Perſonen, welche zu:
fällig einen Herrenhof auf ihren Reiſen durch das Land berühren , werden mit der größter Liebensívürdigkeit auf genommen und bewirtet.
Aber aud) unter ſich verkehrt man ſehr geſellig. Nadh barſchaft wird häufig auf vier bis fünf Meilen Entfernung gehalten .
Weſentlich erleichtert der Froſt und Sdnee im Winter
173
Aus dem ſtandinaviſchen Norden.
den gegenſeitigen Verkehr , denn die Seen , die man im Sommer oft weit umkreiſen muß , frieren faſt immer im
Wehe dem Reiſenden der ohne fundigen Begleiter auf einem See von ſolchem Nebel überraſcht wird , denn er
Winter zu , und durch die Fahrt übers Eis wird manch
verliert jeden Anhaltepunkt, nach dem er ſeinen Weg richten
langer Weg abgekürzt. Das Bild , das ſich im Winter auf den Seen dar bietet , iſt äußerſt lebhaft ; wo man im Sommer nur
einzelne Boote ſab , ſind die Eisflächen mit zahlreichen
kann, Eisſpalten ; offene Stellen , unter dünnem Eis ver borgene Steinblöde , auch Strömungen unter dem Eis, namentlich am Ausfluß der Flüſſe und Bäche, drohen mit zahlreichen unſichtbaren Gefahren ganz abgeſehen davon,
Fuhrwerken bededt. Schafft doch der Landmann im Winter
daß ſelbſt die Pferde bei ſtarkem Nebel den Weg verlieren
über die Seen ſeine Nuß- und Brennhölzer und fährt das
ja ſich oft im Kreis herum bewegen.
im Sommer auf ſonſt unzugänglichen Mooren eingebrachte Heu und Torf im Winter leicht nach ſeinem Heim. Doch möge man ja nicht glauben, daß die Schlitten : fahrten über die Seen nur Nußen oder Vergnügen dars bieten, ſie ſind mit gar manden Gefahren verbunden , von denen ſich der durch Chauſſeen und gute Landſtraßen ver
Man kann von Glück ſagen , wenn der Inſtinkt der Tiere ſie den Weg zu einem Gehöft oder Haus finden läßt und man nicht, in der Jrre herumfahrend, meilenweit vom Ziele abkommt.
Je weiter vorgeſchritten der Winter iſt, je mürber und zerbrechlicher wird das Eis und um ſo heimtückiſcher er
wöhnte Deutſche feinen Begriff macht.
folgt der Sturz, da man nicht wie bei zähem, wenn auch
Vor allem ſind die auf den größeren Eisflächen ſich ſtets findenden Riffe und oft klafterweit fid öffnenden Klüfte manchmal ſchwer zu überſchreiten. Durch die Einwirkung der Kälte und der Sonne ent
dünnem Eis durd das Krachen desſelben gewarnt wird. Das donnerähnliche Geräuſch bei Bildung der Spal ten , erſchreckt den auf dem See fahrenden Neuling. Die
ſtehen im Eis Riſſe von größerer oder geringerer Breite, das Eis wird an ſolchen Stellen einwärts oder manns: hoch in die Höhe gedrüdt. Dieſe Riſſe und Sprünge ent
ſah wie ein großer erratiſcher Block von vielen Hunderten
ſtehen plößlich, ſo daß wo man vor wenigen Stunden noch
eine glatte ebene Fläche überfuhr, bei der Heimkehr ſich zahlreiche Sprünge finden , die nur mit der äußerſten Vorſicht zu überſchreiten ſind. Der über das Eis fahrende Landbewohner hat ſtets im Schlitten Art , Schaufel und Stride bei ſich. Das
Pferd iſt leicht angeſchirrt, zieht in der Gabel und kann durch wenige Griffe raſd vom Schlitten abgeſpannt werden. Vielfach ſchlingt man um den Hals des Pferdes eine
Kraft des Eiſes hierbei iſt überraſchend groß ; ich ſelbſt
von Zentnern Gewicht wie ein Federball einige zwanzig Sdritte auf den Strand herausgeſdoben wurde und die bis an den See heranſtehenden Erlen von mehreren 300 Durchmeſſer wie Rohr zerknidte. Hierdurch erhielt ich , wenn auch nur im kleinen , einen Begriff, wie in der Gisperiode die von Norden nach Süden drängender Eismaſſen die erratiſchen Blöcke mit ſich führten, ſie je nad
ihrer Schwere allmählich fallen laſſend. Auf den Seen ſinkt das Eis, und bricht nicht in Schollen , die ganze Flädie gleicht ſchließlich einem Brei. Der Winter mit Froſt und Sdnee iſt ſtets erwünſcht,
Die vom Schlitten leicht losgehakten Gabel - Deichſeln
und doch kommt es vor , daß im ſüdlichen Schweden die Seen hie und da nicht gefrieren , daher für Fuhrwerk nicht paſſierbar ſind, was große Störungen in der Wald wirtſchaft verurſacht, weil dann die Hölzer nicht abgefahren
unterſtüßen in ſolchen Fällen die Bemühungen, Pferd und
werden können.
loſe Leine, die am Schlitten befeſtigt wird, vorkommenden Falles wird ſie rajd zugezogen, um, wenn das Pferd auf dem Eis einbricht, beim Herausziehen benußt zu werden.
Schlitten aus dem Waſſer aufs Eis herauszuheben.
3d habe don früher erwähnt, daß man ſich im allge
Der Schwede fährt faſt immer einſpännig über das Eis, was auch bei Unglücksfällen die Rettung von Pferd und Geſchirr erleidytert. Auch ich verſuchte zweimal zweiſpännig übers Eis zu fahren, brad aber beide Male ein ; zwar kam ich immer glüdlich davon, unterließ aber dann jeden weitern Verſuch, zweiſpännig zu fahren.
meinen eine ganz falſche Vorſtellung vom Klima Schwedens macht; man vergeſſe indes nicht, daß die Einwirkungen des Meeres, wenigſtens auf den weſtlichen Teil des Landes,
Bei ſtarkem Froſt, wenn das Eis ellendid iſt, werden
Wenn ich einzelne Jahre erlebte, in denen die Seen ſich nicht mit Eis bedeckten , ſo erinnere ich mich auch andererſeits, daß im Jahre 1855 am 6. Mai morgens ein Mann etwa 400 Scritt weit über einen ſchmalen See ging. Im allgemeinen hört bis zum 59.0 n. Br. mit Ende März die Zeit auf, in der das Eis der Binnenſeen tragbar iſt.
allerdings oft recht ſchwere Laſten über die Seen gefahren, doch dieſe bewegen ſich langſam und erſchüttern die Eisbecke nicht in gleicher Weiſe , wie zwei raſch über die
Fläche dahineilende Pferde. Doch noch ein anderer beimtüdiſcher Feind überraſcht häufig die bei ſchönem Wetter über das Eis Fahrenden : ein, namentlich gegen Abend, plößlich entſtehender dichter Nebel.
weſentlich mildernd ſind.
Die größte Kälte , die ich erlebte , war 33° C.; die mittlere Temperatur dürfte bis zum 59.0 n. Br. im Winter .
-80 betragen .
Durch das allmähliche Verſchwinden des Eiſes von
den Seen wird der Beginn der Feldarbeit wohl etwas
1 verſpätet, um ſo ſchneller geht dann aber auch die Saats
Tietting Forſchungsreiſe in Zentralauſtralien .
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geit vorüber, und die Entwickelung des Getreides iſt um ſo raſcher , je höher man nach dem Norden herauffommt. Wenn man im Süden des Landes nicht allein die
gewöhnlichen Cerealien , ſondern auch Zuckerrrüben und Tabak baut, ſo kann unter höheren Breitegraden nur noch an den Anbau von Hafer und Gerſte gedacht werden ; in Norrland fäet und erntet man die Gerſte binnen ſechs
Neiſe waren von der Central Australian Exploring and Prospecting Association in Adelaide, im Verein mit der Geographiſchen Geſellſchaft in Melbourne , beſtritten for den. Wir geben im Nachfolgenden einen Auszug aus dem ausführlichen Reiſeberichte ; die hier und da in Parens
theſe beigefügten Namen ſind die bei den Eingeborenen üblichen Benennungen .
Viel Mühe gibt man ſich auch mit Anpflanzung von Dbſt, doch gedeihen die edleren Sorten nur in gejdhüßten Lagen , überhaupt darf man nicht erwarten , daß die Früchte die Süßigkeit wie unter niederen Breitegraden erlangen ; bei richtiger Auswahl der Sorten , die für die
Die Erpedition beſtand aus Mr. W. H. Tietfins als Leiter und aus Mr. David Beetfon, Fred Warman, dem ſchwarzen Ausſpürer (tracker) Billy und dem eingeborenen Knaben Weei. Für den Transport dienten 12 Ramele. Die Reiſe nahm am 14. März 1889 , bei einer Tempes ratur von 40° C. im Schatten , von Alice Springs, einer
Wochen.
Eigentümlichkeiten des Landes und Klimas paſſen , kann
Station des Ueberlandtelegraphen öſtlich von den Mac
man immerhin lohnende Reſultate erzielen. Das Aderland iſt kräftig und bringt Erzeugniſſe hervor , die mit denen der beſten Gegenden Deutſchlands
Donnell Ranges in 230 40' F. Br. und 133° 53' ö. von Gr., ihren Anfang. Der erſte Tag führte nach dem nur 24 km entfernten Painta Spring. Es iſt dies ein
wetteifern , ja in Schonen und Dſtgotland wird Weizen
am Fuße eines nördlichen Abhanges der Mac Donnell
gebaut, der den deutſchen an Dünnſchaligkeit und Mehl
Ranges von den Eingeborenen angelegter Brunnen mit
reichtum übertrifft. Die chemiſchen Analyſen der Zucker rüben ergaben einen größeren Zuckergehalt, als in den
reidlichem Waſſer, welcher ſpäter beträchtlich erweitert wurde. Die ſich hier ausbreitende Ebene, Burt Plain, zeigt ſchönes
beſten Rübengegenden Deutſdlands. Aber nicht allein die fruchtbareren Provinzen des Landes bringen ſchönes Getreide hervor , auch die mit
1
Der ſchwediſche Landwirt iſt in den leßten dreißig
Weideland, auf deſſen Weſtſeite das üppige Wachstum von Bloodwood oder Eucalyptus corymbosa und bean-trees der Landſdaft ein ſemitropiſches Anſeben verleiht. Von Painta Spring aus reiſte man 130 km in weſtlicher Rich : tung über feſten Sandboden. Zur linken Seite zog ſich eine über tauſend Fuß hohe , ſteil aufſteigende Hügelkette bin , welche man vergeblich zu überſdreiten ſuchte. Es
Jahren ſehr fortgeſchritten ; doch liegt das nicht allein in
war ſehr heiß, und die armen Kamele ledhzten nach Waſſer,
der Intelligenz desſelben , ſondern auch in den unaus geſetzten Beſtrebungen der Regierung und dem raſtloſen Eifer der landwirtſchaftlichen Geſellſchaften in den einzelnen Provinzen. An der Spiße der landwirtſchaftlichen Behörden ſteht
aber nirgends fand ſich ein Waſſerlauf oder ein Brunnen der Eingeborenen. Erſt am vierten Tage gelang es Billy , in einem Gum - Creef eine feuchte, wäſſerige Stelle auszu ſpüren , wo man mehrere Tage Halt machte. Das Gebirge fing nun an , ſich allmählich zu ſenken . Als man in 230
Steinen bebeden Aeder der mittleren Provinzen produ
zieren ſchweren Roggen und Hafer und mehlreiche Kar toffeln. Der Boden iſt dort ſehr reich an Kali.
die ſogen. landwirtſchaftliche Akademie, beſtehend aus einem von der Regierung ernannten Direktor und einer uns beſtimmten Zahl von den Mitgliedern der Afademie im ganzen Lande freigewählter hervorragender Perſonen ; die Geſchäfte führt ein Sekretär , der wiſſenſchaftlich gebildet iſt und praktiſche Erfahrungen in der Landwirtſchaft ge ( Schluß folgt.) ſammelt hat.
28' 1. Br. und 132° 29' ö. L. v. Gr. bei Mount Seil
(Wallatrica) anlangte, ſtieß man auf einen großen, nach Norden laufenden Creet , welden man ſüdwärts bis zu feiner Quelle verfolgte. Man geriet dabei unter niedrige, ſtark zerklüftete Hügel , die von Thälern mit üppigem
Graswuchſe durchſchnitten waren . Nach einem Marſche von 16 km Länge erreichte man endlich die Waſſerſcheide. Hier bot die Gegend ſofort ein anderes Bild dar. Striche
von Mulga Scrub, Afaziengeſtrüpp, zeigten ſich, der Boden
Tietkins' Forſchungsreiſe in Zentralauſtralien.
mit einer Unterlage von Lehm ward feſter und die reidy
Von Henry Greffrath.
begraſten Thäler , in denen fleine Waſſerläufe füdwärts dem Arumbara und Davenport Creets zufloſſen , erweiterten
Mr. W. H. Tietkins, ein bekannter auſtraliſcher Er plorer, hielt am 1. November 1889 vor der Royal Geo graphical Society in Adelaide , Kolonie Südauſtralien,
Haaſt's Bluff mit ſeiner zerriſſenen und gezacten Außen
einen intereſſanten Vortrag über ſeine neueſte Reiſe. Es hatte ſich dabei um die Erforſchung des den großen Salz fee Lake Amadeus , in 24 ° 35' 1. Br. und 1300 ö. L. v. Gr. , nad Nord und Nordweſt umgebenden , bis dahin noch unbekannten Gebietes gehandelt. Die Koſten der
ſid ). Ein auffälliges Naturgebilde war hier das ſogenannte Fläde.
Am 1. April erreichte man das nicht weit davon
gelegene romantiſche Glen Helen 1, in welchem man einige Tage Aufenthalt nahm . Die in der Nähe liegenden Mount Razorbad (Ooratunda) und Mount Sonder (Oora 1 Nicht zu verwechſeln mit dem in der Kolonie Weſtauſtralieu
in 240 56' 1. Br. und 1270 45' 0. l. v. Gr. gelegenen Glen Helen .
1
Tietting Forſchungsreije in Zentralauſtralien.
chipma) 1 wurden von Mr. Tietkins beſtiegen und ver: geblich nach Mineralien erforſcht. Wie die Meſſung er:
17 :)
mußte. Auf der Weiterreiſe nad Weſten zeigte ſich bald in der Entfernung von 6 km auf der Nordſeite eine
gab , ragten Mount Nazorback 560 Fuß und Mount
Sandſteinhügelkette, aus welder ein ſtark fließender Creek
Sonder , nach dem um einige 100 Fuß höheren Mount Giles der mächtigſte Berg im Mac Donnell Range, 760 m über Glen Helen empor. Weſtlich am Fuße des Mount Sonder entſpringt in einer wunderbar ſchönen Soludit der bis zu ſeiner Mündung in den Davenport Creef nur 8 km lange Redbank Creek (Oorachil pilla ). Sein breites ſtei niges Bett iſt voll von Eukalypten , und in der Spalte eines anliegenden Felſens befindet ſich ein auf drei Seiten von hohen Felswänden eingejhloſſenes großes und tiefes Waſſerlod mit zahlreichen , bis zu zwei Pfund doweren Fiſchen. Weſtlich von Glen Helen breiten ſich zwiſchen Sand ſtein- und quarzartigen Hügeln weite Thäler guten Weides
mit ſüdlichem Laufe aus einer romantiſchen Schlucht her vorkam. Man raſtete hier etliche Tage. Der Creet teilte ſich in der Schlucht in drei Arme, von denen der ſtärkere, welden man verfolgte , ſich zwiſchen 30 m hohen Felſen
landes aus , während nach Süd und Südweſt hin ein
ebenſo perpendikuläres Gebirge wie im Norden ſtreicht, durch welches ſich nur ein einziger, dem Finke River zu fließender Creef zwängt. Die Geſellſdaft verlieſ am 15. April Glen Helen. Es handelte ſid) nun zunächſt wieder um die Auffindung eines Baſes durd, ein in der Richtung der Reiſeroute gelegenes Gebirge. Man zog an deſſen ſüdlichen Ausläufern ziemlich 100 km weit hin , ohne daß ſich ein Durdlaß zeigte. Das dem Gebirge anliegende Land war leidlid begraſt, das Mulga Scrub außerordentlich dicht. Bei der enormen Hiße fehlte es gänzlid) an Waſſer. In dieſer Verlegenheit ſah ſich Mr. Tietkins genötigt, von ſeiner Route abzuweiden und das von dem Erplorer Erneſt Giles am 3. Oktober 1872 in 230 50'
. Br. und 1310 17' Ö. L. v. Gr. entdedte
liebliche Glen Edith , den entfernteſten Außenpoſten bis: heriger Forſchung in dieſer Richtung , wo ſich ein perma nentes Waſſerloch befindet, aufzuſuchen. Aber auch dieſes war durch die große Hiße ſo weit eingetrocknet , daß die Namele nur zweimal getränkt werden konnten . Mr. Tiet fins mußte ſich deshalb mit Billy und auf den drei beſten ſeiner Kamele auf die Suche nach Waſſer begeben. Das bei wurden ſie von fünf Tage lang anhaltendem heftigen Regen überfallen , alle kleinen Creets fingen an zu laufen
und ſandten Ströme Waſſers in den hungrigen Sand boden. Als ſie nach Glen Edith zurüdkamen , war audy dieſes Waſſerloch wieder voll angefüllt.
Am 10. Mai verließ man Glen Edith und verbradyte die erſte Nacht unter mit Spinifer, Triodia irritans, be: wachſenen Sandhügeln . Am Abende brad, von neuem ein ſehr heftiges Gewitter aus , und das ganze Lager
hindurchwand.
Mr. Tietfins benannte das Gebirge nach
dem Dr. Cleland in Adelaide ; die Schlucht, an deren oberem Ende ein 5 m tiefes und 90 m langes Waſſerloch, anſcheinend permanent , liegt , nach ſeiner Schweſter Glen Emily, und den Creef nach Mr. Gill, dem Kaſſierer der Geographiſchen Geſellſchaft in Adelaide. Von Glen Emily gelangte man an eine Hügelreihe, von deren Höhe aus man einen weiten Fernblid gewann. Die Cleland Hills dehnten fid, beträchtlich nach Nordweſt aus, und was man ſonſt überblickte, war nichts als Sand wüſte. Nad einem Weitermarſde von 135 km ſtieß man ſüdwärts auf niedrige Felſen , an deren Fuße ſich ein I
Vrunnen der Eingeborenen und gutes Futter für die Kamele fand. Einen 45 km nordweſtlich gelegenen und über 300 m hohen Berg benannte man nach Dr. Rennie, Profeſſor an der Univerſität in Adelaide. In einer Hügel
reihe weſtlid, vom Mount Rennie entdedte man in einem
weiten prachtvollen Thale , nach einer Tochter des Mit reiſenden Mr. David Beetfon das Laura Vale getauft, einen 4 km langen Creet mit ſchönem fließenden Waſſer. Nur am Rande desjelben war Futter für die Kamele vor handen , ſonſt war das Thal mit Spinifer bewachſen . Nady zwei Tagen erreidhte man ein nordweſtlich gelegenes bohes Gebirge. Die Hoffnung, hier Flüſſe zu entdeden , welche den ſüdlich davon liegenden Lake Amadeus ſpeiſten , erfüllte ſich nid t , auch nicht ein einziger , noch ſo unbe deutender Waſſerlauf eriſtierte.
Mit Ausnahme eines
ſdymalen Striches , welder den Ramelen etwas Nahrung bot , war überall nur Spinifer zu ſehen. Mr. Tietkiens
benannte dieſes Gebirge nach dem jeßigen Gouverneur der Kolonie Südauſtralien , dem Earl of Kintore, und deſſen
zivei hödyſte (460 m ) Berggipfel Mount Leisler und Mount Stridland.
Er beſtieg den letteren und hatte von der
Hohe aus einen weiten Fernblic. Nad Nordoſt in der
Entfernung von 90 km lag ein hohes impoſantes Gebirge, das Campbell Range , nach dem Vorſißenden der Affos ciation, welde die Erpedition ausrüſtete; nach Dſten eine langgeſtredte Hügelkette , das Magerey Range , nach dem Sekretär der Geographiſchen Geſellſchaft in Adelaide, mit
Mount Brown , nach dem fübauſtraliſchen Regierungs:
Am nächſten Morgen
geologen, als hödyſtem Gipfel ; und nach Norden eine
waren drei Kamele vom Genuſſe einer giftigen Pflanze
Hügelfette, das Dufaur Range, nad dem Mr. Dufaur in Sydney, welder ſid um die Auffindung der verſchollenen Dr. Leichhardt -Expedition verdient gemacht hat, von Mr.
wurde vom Regen eingeweicht.
erkrankt, ſo daß man ihnen einen Tag der Ruhe gönnen 1 Das Wort Oora bedeutet in der Sprache der Eingeborenen „ Feuer“, aber Mr. Tietfins fand weder auf Mount Razorbac noch auf Mount Sonder irgend welche Spuren von vulkaniſchen Felſen oder vulkaniſcher Aktion .
Tietfins benannt. Nad Südweſt zu endlich gewahrte man
einen 40 km entfernten Salzſee von beträchtlicher Auß dehnung , welchem nach dem Sekretär der Geographiſchen
Die Nationaltracht der alten Dithmarſcher.
176
Geſellſchaft in Melbourne der Name Lake Macdonald bei gelegt wurde. Durch heftige Regengüſje ward die Geſellſchaft bis zum 31. Mai am unwirtbaren Mount Kintore aufgehalten. Man reiſte dann auf den Lake Macdonald zu , welchen Mr. Tietkins anfänglid, irrtümlich für eine weſtliche Auss
wurde ebenfalls beſucht und erforſcht und nach dem Eigen tümer der in Adelaide erſcheinenden ,,Deutſchen Zeitung " das Baſedow Range getauft. Nach zioei Tagen erreichte man dann am 22. Juli die Erldunda- Viehſtation der Meſſrs. Warburton und Tomlin, wo man die freundlichſte
dehnung des Lake Amadeus hielt. Zu Seiten desſelben zog ſich, 40 km davon, ein Gebirge hin. Man folgte dem See weſtwärts und traf nach vier Tagen auf der Süd feite ein. Abgeſehen von etlichen gut begraſten oder mit Mulga Scrub beſtandenen Strecken, wird Lake Macdonald von Sandhügeln mit Spinifex umgeben. Nur wenige Thonpfannen (claypans) mit angeſammeltem Regenwaſſer exiſtieren. Eingeborene dienen dort in ziemlicher Anzahl zu leben, wiewohl man keine zu ſehen bekam. Man hatte nunmehr die weſtliche Grenze der Kolonie
ſüdweſtlide gelegenen Goyder Springs, ſogenannte mound springs. Es ſind dies Qvellen am Rande ſalziger La gunen , welche aus niedrigen Erdhügeln das vorzüglichſte Waſſer in Fülle hervorſprudeln. Die Eingeborenen nennen ſie Elinburra und Rolida. In der Umgebung liegt aus: gezeidznetes Weideland. Nach Verlauf einer Woche langte man auf der in jüdöſtlicher Richtung 250 km entfernten Telegraphenſtation Charlotte Waters in 250 55' 1. Br.
Südauſtralien erreicht, bis wohin der Erpedition die For:
vom Genuſſe einer giftigen Pflanze. Das eine frepierte am Mount Dlga , das andere mußte wegen Schwäche
ichung vorgeſchrieben war. Auch darüber hinaus feßte ſich , ſo viel man ſah , dieſelbe ſandige Spinifer -Wüſte fort. /
Vor Antritt der Rüdfehr nach Dſten beſuchte man noch
einen ebenfalls vom Rintore-Gebirge aus in dieſer Gegend beobachteten Höhenzug, welchen Mr. Tietkins, nach einem Mitgliede der Geographiſchen Geſellſchaft in Adelaide, das
Bonython Range taufte. Hier fah's traurig aus , weder Gras noch Waſſer exiſtierten . Von ſeiner Höhe aus konnte man den Lake Macdonald nach Norden hin
13 km weit überſchauen, feine Länge von Dit nach Weſt ſchäßte man auf 24 und ſeine Breite von Nord nach Süd auf 16 bis 20 km. Man reiſte jeßt auf das früher von Giles entdecte Blood Range zu , ein mächtiges Gebirge in 24° 37' 1. Br. und 1290 6' 0. L. v. Gr., deſſen beide höchſte Gipfel (425 m) von unſerm Reiſenden nach zwei Beamten im Vermeſſungsamte in Adelaide Mount Harris und Mount Carruthers benannt wurden .
Nach weiteren drei
Tagereiſen nach Dſten gelangte man an den großen
Aufnahme fand.
Von Erldunda aus beſidytigte man die
und 1340 54' ö . L. v. Gr. an.
Am Lake Amadeus erkranften von neuem zwei Ramele
zurückgelaſſen werden . Die von Mr. Tietfins mitgebrachten Geſteine tragen meiſt den metamorphiſchen Charakter , und die aus 300
Spezies beſtehende botaniſche Sammlung, unter denen ſich einige bisher noch nicht beſchriebene befinden, durchweg den Wüſtencharakter an ſich.
Die Reiſe hat nur für die Kartographie eine er ſprießliche Ausbeute geliefert. Das von Mr. Tietkins
neu erforſchte Gebiet figurierte auf den Karten bislang in Weiß , jeßt wird dort eine lange Reihe von Gebirgen,
Creeks und Glens eingetragen werden müſſen. Für Kulturzwecke iſt nichts gewonnen ; Kultur- und Weide land fand ſich nirgends , denn die wenigen begraſten oder mit Mulga Scrub beſtandenen Stellen fönnen zum Ganzen nicht in Betracht kommen. Niedrige Sandhügel mit Spinifer und Creefs, welche nur in der naſſen Jahres
moraſtigen Salzſee Amadeus, an deſſen Weſt- und Nord
zeit fließen und flache Beden zu Seen anfüllen , in der trocenen aber durch Einſidern in den hungrigen Sands
ſeite eine Sandſtein -Hügelkette hinſtreicht, die Mr. Tietkins nach ſeinem Schwager in Sydney das Long's Range hieß,
ſind ,
mit dem Mount Unapproachable , in 24° 40' 1. Br. und
Teiles von Zentralauſtralien. Von Mineralien und werts
1290 53' 0. l. v. Gr., am weſtlichen Ende. Lake Amadeus erſchien als ein langgeſtredter ſchmaler Kanal, im Weſten auf 32 km ſeiner Länge 8 km breit. Seine ſüdliche Grenze liegt in 24° 39' 16 " 1. Br. Die Reiſe ging nun
vollen Metallen fand ſich ebenfalls nicht die leiſeſte Ans
boden und durch Verdunſtung ( dynell wieder ausgetrocknet das iſt der allgemeine Charakter auch dieſes
deutung. Eingeborenen begegnete man auf der ganzen Reiſe nicht, allein Spuren wieſen hier und dort auf ihre Anweſenheit hin.
nach den wunderbar geformten Bergfoloſſen Mount Diga, 850 m hoch, in 250 13' 1. Vr. und 130° 46' ö. L. v. Gr., und Ayers Rock, 335 m hody , in 250 16' T. Br. und
131 ° 2' 0. 2. v. Gr., ebenfalls früher von Erneſt Giles
Die Nationaltracht der alteu Dithmarſcher. Mit Junſtrationen.
entdcdt, und von da nad Mount Connor in 25° 31' 1. Br. 1. Die Männer.
und 1320 15' ö. L. v. Gr. , wo Billy einen Brunnen der
Eingeborenen mit reichlichem Waſſer auffand. Von hier
Der alte Dithmarſcher trug bis zum Jahre 1559
aus madyte man eine Erkurſion nach einem 48 km nord wärts gelegenen Gebirge, welches Mr. Tielins nach dem Profeſſor Kernot an der Univerſität in Melbourne bes Ein 56 km öſtlich davon liegendes Gebirge nannte.
langes Haar und einen langen Bart. Bekleidet war er mit einer mit weiten Oberärmeln verſehenen Jade aus ,,Webbe" , d. h. aus Zeug, welches im Lande von Frauen
gewebt wurde. In ſpäterer Zeit hatten die Reicheren
Die Nationaltracht der alten Dithmarſcher.
Jaden aus Samt oder Seide. In den Hemdärmeln trug man ſilberne Knöpfe. Zur Befeſtigung der Jade um den Leib diente ein Gürtel, an dem ein kurzes Sdwert hing. Die Beinkleider waren weit und reichten faſt bis auf die Füße. Strümpfe wurden im
177
drei ſilber-vergoldete Roſen mit daranhängenden Ringen, die ſogenannten Nadenblumen . Ihr blondes Haar trugen ſowohl die Jungfrauen
als die verheirateten Frauen in zwei vom Rücken herunter
bekleidung diente der Schuh. In : deſſen bemerkt der Schriftſteller Neo:
hängenden Flechten. An einigen Stellen im ſüdlichen Teil des Landes ward das Haar nur in einer Flechte getragen. Bei den Frauen waren die
corus, daß ſich zu ſeiner Zeit, Ende
Flechten mit einem wollenen Bänds
des 16. und Anfang des 17. Jahr hunderts, die ſpezifiſch Dithmarſcher Männertracht bis auf die weiten und langen Hoſen ſchon „ na Art der um meliggenden Volker" geändert habe.
chen zuſammengebunden. Recht lange und ſtarke Flechten galten auch das
Sommer nicht getragen. Als Fuß
mais idon für einen beſonderen
Schmuck.
Das wollene Bändchen
bertauſdyte man ſpäter mit einer
Schwieriger iſt es, ſich ein klares
kleinen , roten Sdnur und hernach
Bild zu machen von der alten Natio :
mit einem rotjeidenen Bande von
naltracht der Frauen.
zwei Finger Breite und wohl noch breiter.
2. Die Frauen .
Die Frauen trugen gewöhnlich ein vierediges Barett von braunem
Um das Haar, das auf dem Kopfe uneingeflochten getragen wurde, vom
Zeug, oben mit einem kleinen grünen Zipfel ; ſpäter nahm man zu dieſer Kopfbekleidung rotes Zeug, das mari aus England bezog. Auch waren ichlichte, anſchließende Pelzmüßen ges bräuchlich, vermutlich für ältere Leute. Wenn ſie hinausgingen, batten die Frauen und Jungfrauen übe . den Kopf die „ Kagel“, eine Art von Kapuze, die auf
Geſicht abzuhalten, bedienten ſich die
unverheirateten Frauen urſprünglich eines ledernen Bändchens, ſpäter einer leinenen und endlich einer ſeidenen
unos
Sdnur.
An Sonn- und Feſttagen und wenn ſie zum Beſuch ausgingen, trugen ſie darüber den „ Peel" oder „ Zeppel", näm:
der
lich ein 1 bis 11/2Finger brei
Hälfte ſchwarz und auf der lins VI
ST
O
tes, goldburch wirftes, mit vers
goldeten Drei lingen
und
kupfer - vergols dete, erhaben ges
rechts herunter zuerſt mit einer 000000000
im Naden drei
ken rot war. Bei
denFrauen war die Ragel vorn
Sedelingen bes ſeptes Band, auf welchem ſich
rechten
60000 as
Reihe von Tuch knöpfen , hers nach mit kupfer nen und ends
arbeitete Span
lich mit ſilber
gen
befanden .
nen oder ver
Aus den Drei
goldeten Knos pfen beſeßt, 19
lingen
und
Sechslingen
an der Zahl,
wurden dann
von welchen ur
vergoldete Bfen nige und Schil
ſprünglich die
linge und mit
den Geſchlechts wappen und mit vergoldeten Figuren verſehene wert:
vollere Münzen und an Stelle der Nackenſpangen traten
vier oder ſechs unterſten , zus leßt alle, kunſt
voll gearbeitet waren und die Größe eines Taubeneies erlangten. Die Kagel war anfangs nicht länger, als daß
Die Nationaltracht der alten Dithmarſcher.
178
ſie den Hals und den Naden mitbededte, nach und nachy aber hing fie bis auf , ja ſogar bis über die Schultern hinab. Oben auf dem Kopfe war ein Band befeſtigt von demſelben Stoff und von denſelben Farben wie die Kagel ſelbſt, der Länge nach halb ſchwarz und halb rot. Dieſes Band pflegte man entweder unter den Gürtel zu ſtecken oder um den Kopf zu binden. Unter der Kagel trugen die Frauen eine Haube zuerſt von Zwirn, in ſpäteren Zeiten von Seide. Ueber die Kagel feste man den „ Hoiten ", eine Art Kappe von gefaltetem, ungefüttertem , braunem oder vio: lettem Tuch, mit einer Einfaſſung von Seide oder Samt.
den Rock herumlief. Zwiſchen dieſem Streifen und dem Saum befand ſich ein drei Finger bis eine Hand breiter, weißer Beſaß von Tud). Beſſer Geſtellte trugen oberhalb
Wenn die Frauen ihren Kirchgang hielten oder einer Leiche
ſtreifen. Der Rod war mit breiten , weißen , ledernen Streifen der Länge nach von oben bis unten dicht beſeßt. Unterhalb Kniehöhe trugen die Frauen ebenfalls einen
folgten , zogen ſie den Hoiken nicht über den Kopf , fons dern befeſtigten ihn nur um den Hals, wozu Vornehmere
des Leberſtreifens ein breites, ungefähr bis zum Knie hinauf
reichendes Stück Beſaß von braunem Gewebe , und wer recht vornehm ſein wollte, ließ den roten Lederſtreifen oberhalb dieſes Beſaßes anbringen. Man nannte dieſen Streifen dann Knieriemen .
Die verheirateten Frauen ließen das Leibchen von weißem , geſtippeltem Leder machen und mit braunem , flämiſdem Garn oder mit roter Seide benähen. Längs den Aermeln und bei den Händen trugen ſie weiße Leber
fich drei oder vier Paar großer vergoldeter Schrauben
breiten , weißen Streifen von Leder , an welchen ſich ein
bedienten.
ungefähr drei Finger bis eine Hand breiter Pelzbeſaß
In älterer Zeit trugen vornehme Frauen auch den
anſchloß
Ueber dem „ Pelz “ trugen Frauen und Jungfrauen
ſogenannten ,, Spangenhoiken ", nämlich einen grünen oder braunen , faltigen Hoiken , der vorn herunter an beiden
ſogenannte „ Vorhemden “, d. h. Kleider ohne Aermel und
Seiten mit breiten , ſilbernen Platten oder vergoldeten Spangen verſehen war. Dieſer Spangenhoiken war in
Kragen und, wie alle ihre Kleidungsſtücke, vor der Bruſt ausgeſchnitten . Dieſe Kleider waren ehemals von weißem
ſpäterer Zeit ausſdließlich ein Smud der Braut an ihrem Hochzeitstage, welche über dem Hoiken noch die
oder ſchwarzem, eigengewebtem Zeuge gemacht, ſpäter aus Stoff, den man von auswärts bezog, und bald hellgrün, bald dunkelgrün , bald weiß , bald rot. Die Einfaſſung
,,Kapfagel“ trug, eine Rappe, die ihr zugleid, das Geſicht verhüllte. Außerdem gehörte zum Brautſchmuck das „ Hen gelſche", d. h. ein rotjeidener Schleier, der vom Hinterkopf bis auf die Erde herunterhing. Der geſamte Frauen kopfpuß führte den Namen „ Vlege“. Die Hemden wurden ſehr weit ausgeſchnitten ge tragen und mit kurzen Aermeln. Späterbin waren ſie um den Hals und an der Bruſt mit einer bunten, andert: halb Finger breiten Borte verſehen, die man „ Lenninden
ftich" nannte. Die Aermel hatten bei den Händen Zacken
um Hals und Bruſt war mit Sticerei verſehen.
Der
Rock hatte hinten und vorn je fechs Falten, zuweilen (bei
vornehmeren Perſonen ) hinten zwölf bis vierzehn , vorn zehn und an jeder Seite zwei. Dieſe ,,Vorhemden “ wurden vorn zugeſchnürt, blieben aber wahrſcheinlid) ſo weit offen
ſtehen, daß der darunter befindlide , Pelz“ und der zwiſchen
„ Pelz“ und „ Vorhemd“ vorhandene ,,Laz " ſichtbar blieben. Dieſer reichte ungefähr bis ans Knie und war entweder weiß oder gelb. Der weiße hatte um die Bruſt herum
einen Daumen breite und weiter nach unten eine Hand breite Spiße, der gelbe war mit ſchönen bunten, ſeidenen
von ſchwarzem , flämiſchem Garn. Auch nahm man zu dieſen Einfaſſungen wohl Seide oder Golddraht. Das auf das Hemd folgende Kleidungsſtück, der
Sdynüren und breiten Borten von Goldſtickerei beſett.
IT
Pelz ", beſtand aus einem Leibchen und einem Rod. Bei
Den weißen Laß trug man bei Leichenbegängniſſen und
den unverheirateten Frauen war das Leibchen mit rotem ,
zuweilen auch Sonntags , den gelben an Feſttagen und
geſtippeltem Leder befeßt, auf welchem allerhand Figuren , z. B. Tiere 2c., ſich befanden, und von den Schultern lief
in Geſellſchaften. Dieſes Kleidungsſtück war aus Leinwand gefertigt und ſo kurz, daß der querlaufende Pelzbeſaß an
auf die Aermel herunter ein breiter, roter Lederſtreifen , mit
den Kleiderröcken der Frauen und die weißen Querſtreifen an den Röcken der Jungfrauen ſichtbar blieben. Der Ausſchnitt, den alle Frauenkleider an der Bruſt hatten , wurde ſpäter mit einem vieredigen Bruſttud, aus:
Stickerei verſehen. Ebenſo war die Verzierung der Aermel bei den Händen. Dabei trug man Vorärmel , urſprünglid) aus eigen: gemadytem Zeug, ſpäter aus Seide, Damaſt oder Samt,
mit oder ohne Stickerei. Die Manſchettenknöpfe waren urſprünglich aus Blei , dann aus Meſſing , ſpäter aus Silber und Gold.
An Stelle der Haken und Deſen traten in der Folge
gefüllt , das anfangs mit einer kleinen Sdynur und einer Borte von Samt beſetzt war , hernach aber ganz aus Samt beſtand , über und über mit Silber- und Gold: ſticerei (4 bis 5 Roſen ) verziert. Im Jahre 1575 dyeint man angefangen zu haben,
große ſilberne oder vergoldete Schrauben oder ,,Roſen ". Der Kleiderrock war mit zahlreichen , ſchmalen , roten, ledernen Längsſtreifen verziert, während oben oberhalb des
ein kleines Halstuch von Leinwand zu tragen, das den Namen ,,Dolphin " führte.
Saums ein rotlederner Streifen von 12 Handbreite um
Um den Leib hatte das weibliche Geſchlecht einen prächtig
In der Marſd) trug man aud ſilberne Halsketten.
Kleinere Mitteilungen.
179
geſtidten grünen , gelben oder roten Gürtel, der in eine fingerlange filberne Spiße auslief und, mit ſilbernen
ſich beſonders nach Paris, London und Wien, und das Kilogramm
Knöpfen oder Roſen beſeßt , mit einem Ende vor dem
Feinheit der Feder bezahlt. Die beſten Qualitäten erreichen ſogar Preiſe von 800 bis 1500 Frfs. (400 bis 750 fl.) für das Milo
Leibe lang herunterhing. Rechts unter dieſen Gürtel ſteckte man das dyön geſtidte Taſchentuch, während an der linken
Seite an ſeidenen Schnüren mit ſilbernen Haken und Ketten ein mit Silber belegtes Samt - Futteral, in welchem ſich ein Paar ſilber- vergoldete Meſſer und Gabel befand, vom
Gürtel herunterhing und daneben eine Taſche von Samt, die oben mit zwei ſilbernen oder vergoldeten Knöpfen und ringsum über und über mit ſilbernen Ketten , Troddeln ,
Eicheln und mit Laubwerf reich verziert war. Man trug lange Strümpfe ohne Sođen , mit einem Riemen um den Fuß befeſtigt und darüber lederne Squhe,
welche entweder hoch auf den Fuß hinauf gingen oder ausgeſchnitten waren , mit oder ohne Schnürriemen . In ſpäterer Zeit wurden auch Schuhe aus , Trip " , einer Art Wollenzeug , üblich, die mit einem Riemen an einem meſſingenen, ſpäter großen, ſilbernen Ringe auf dem Fuße feſtgemacht wurden .
wird mit 300 bis 400 Fros. ( 150 bis 200 fl .) je nach der
gramm .
Die Bedeutung dieſes bis jetzt noch etwas urwüchſigen Etabliſſements fiir den europäiſchen und mithin auch für unſern
öſterreichiſchen Markt liegt beſonders in dem Umſtande, daß es jeßt , ſeitdem ſich der Sudan , das friihere Erportland für Straußenfedern , in den Händen der Mahdiſten befindet , faſt den ganzen Bedarf, beſonders der europäiſchen Mittelmeerländer, liefern muß. Das ganze Etabliſſement ruht in den Händen eines Herrn M. Dervien , der den Poſten eines Direktors bekleidet.
Wenn die Zeit der Federnernte herannaht, werden die Strauße an den Fiißen knapp gefeſſelt, um bei dem für die Tiere natitrs
lich nicht ganz ſchmerzloſen Erperiment des Federnrupfens ſie an einer Verletzung der damit beſchäftigten Perſonen zu verhin derii. Dieſe Federnleje fällt in den Monat April, da dann die Federn ihre volle länge, Friſche und Schönheit erreicht haben . Im September zeigen ſie etwa die Hälfte der natürlichen aus gewachſenen Größe und nach
dem April verliert das Gefieder
etwas an Glanz und daher auch an Schönheit , zumal es auch bei dein im Sommer ſtattfindenden Brutgeſchäft ſtart in Mit leidenſchaft gezogen wird.
* Guano- und Salpeterlager in Chile. Von Dr. G. 3 adher.
kleinere Mitteilungen . * Der Straußenpark zu Matarié bei Kairo. Von Dr. G. Zacher.
Der belgiſche Generalkonſul in Kairo teilt in einem ſeiner leyten Berichte intereſſante Notizen über den Straußenpart bei Matarié , einem Dorfe in nächſter Nähe von Kairo , mit , der ungefähr ſeit zwölf Jahren dort beſleht und den Zweck hat, durch Ziichtung von zahmen Straußen die zum Hutſchmud ſo beliebten und teuern Federn dieſes Vogels in größerer Menge und, wenn durch Kultur überhaupt erreichbar , auch feinerer Qualität zii er 1
langen .
Im Juni verfloſſenen Jahres ſoll ſich nach dieſem Bericht ſogar eine Privatgeſellſchaft begründet haben , um den in den Zeiten der legten ägyptiſchen Wirren arg vernachläſſigten Park und die mit demſelben verbundene Straußenkultur in eigene Hand zu nehmen . „Ich hatte kiirzlich,“ erzählt der Konſul, „ Gelegenheit, den Straußenpark, der gegenwärtig ungefähr 600 Stück zählt , zu beſuchen . Soviel Tiere ſollen nämlich nach den letzten offiziellen Berichten in demſelben gehalten werden , doch ſchien mir dieſe ange
gebene Zahl übertrieben. Meiner Anſicht nach waren nur 100 bis 150 Vögel in vollem Federfleide dort zu erblicken , der Reſt waren junge Tiere von einem Jahr , von ſechs Monaten , drei Monaten oder gar nur vierzehn Tagen , deren Federn vorläufig noch gänzlich wertlos für den Handel ſind.“ Die Strauße befinden ſich zu zehil , fünfzehn uder fiinfund zwanzig Stiid unter freiem Himmel in Gehegen , deren Boden
Die ſtets zunehmende Bedeutung des Chiliſalpeters als künſtlichen Dungmittels beſonders für Nordamerika und Europa ergibt ſich wohl am flarſten aus dem gleichzeitigen Steigen der konſumtion dieſes Minerals von 452,750,000 Kilo im Jahre 1886 auf 712,750,000 Kilo im Jahre 1888 und des Preiſes, der von 2.20 Pejos im Januar bis auf 2.75 Bejos im Juli 1888 in Valparaiſo ſich hob .
Die reichſten Salpeter- und Guano - Ablagerungen in dem hieran ſo reichen Chile befinden ſich in der Provinz Tarapacá, die ein Areal von 16,7891/2 engl. Quadratmeilen faßt und ſich ganz natürlich in fünf wohl gegeneinander abgegrenzte Girtel gliedert. Der erſte derſelben beginnt von der Kiiſte des Pazifiſchen Ozeans iud erſtreďt ſich in einer durchſchnittlichen Breite von
18 engl. Meilen in der Richtung Weſt zu Oſt. Dieſer Land ſtreifen beſteht aus dem unmittelbaren Kiiſtengebiet und dem Ab hange der Küſtenkette, die eine zwiſchen 1125 und 5300 engl. Fuß ſchwankende Höhe beſitzt. Dieſe Zone fann man mit Recht die eigentliche Guano- und Bergbau -Zone viennen . Guano findet ſich längs der ganzen Kiiſte, während die reichen Mineralſchäte von
Huantajaya und Santa Roſa und die weniger bedeutenden von Cármell, Roſario , Huantaca , Paiquina, Cha aya und Loa in der Küſtenkette liegen . Die höchſten Punkte derſelben ſind Morro de Punta Gorda 2520 engl. Fuß, Morro de Biſagua 3220 engl. Fuß, die Huantaca -Berge 2310 engl. Fuß , Morro de Tarapacá 5787 engl. Fuß , Oyarvide unter der Breite von 200 31' 5" I
5800 engl. Fuß und Carrazco 5520 engl. Fuß. Die Sierra von Punta de lobos hat eine Höhe von 3090 engl. Fuß und die Terraſſen von loa beſitzen eine Höhe von 1500 bis 1600
der Wüſtenſand bildet und deren Größe und Ausdehnung einige
engl. Fuß. Dieſer, wie oben erwähnt, ungefähr 18 engl. Meilen
wenige Acres Landes ( 1 Acre = 40.467 ha) nicht iiberſdt;reitet. Das Futter der Vögel beſteht aus Mais, Bohnen, Korn, Luzerne,
breite Streifen zieht ſich , an Höhe allmählich abnehmend, oſtwärts
Kleie und Zwieback. Und wenn auch die Unterhaltungsfoſten bei der bekannten Gefräßigkeit des Straußes ziemlich bedeutend ſind,
und verläuft ſchließlich in die offenen Pampas in einer Erhebung von 3500 bis 3800 engi. Fuß iiber dem Meere. Faſt alle dieſe Pampas enthalten ausgedehnte lager von Salz , ſchwefelſaurer Soda und ſchwefelſaurem Kalt. Sie ſind dort unter dem Namen .
obgleich er in ſeiner Nahrung nicht gerade allzu wähleriſch iſt, ſo belaufen ſich doch auch andererſeits die Netto-Einnahmen
der „ Salares “ befannt.
von einem erwachſenen Vogel auf ungefähr 750 Frks. = 375 fl. im Laufe eines Jahres. Der Export der Schmucfedern richtet
In einigen Teilen der Wüſte von Atacama liegen die Salpeter- Anjammlungen unter dieſen „ Salares “, aber in der
Litteratur.
180
Provinz Tarapacá findet man dieſe gleichfalls einen eigenen Namen
glaubte man noch immer , daß die Salpeterlager ſich nicht ſiið
führenden Salpeterlager, die „ Caliche “, lediglich unter einem als „ Coftra“ bekannten Konglomerat vergraben . Ungefähr 18 engl. Zoll unter der Oberfläche ſtößt man nach Hinwegräumung der harten oberen Schicht aus verunreinigten Salzablagerungen (Costra) auf eine dem deußern nach weißem geſtreiften Marmor ſehr ähn liche Maſſe, etwa von der Härte des Steinſalzes. Dieſes iſt roher
wärts über die Loa -Schlucht ausdehntent, in jedem Jahre aber entdedte man in dem damals noch bolivianiſchen Gebiete reiche
Lager. Weitere Nachforſchungen im Jahre 1872 bewieſen , daß dieſe Lager nördlich iiber die Camarones- Shlucht bis zur Chaca : Schlucht und ſogar bis zum Azapa -Thal in der Provinz Arica hinſtreichen .
Salpeter oder , mit dem techniſchen Ausdruck benannt, Caliche.
Die Salpeterzone zieht aber nicht parallel zu der Tamarugal
Er mag ſieben bis zwölf Prozent reinen Salpeter enthalten, je nach ſeiner Zuſammenſetung , während der Reſt gemeines Salz iſt. Die Mächtigkeit dieſer Salpeterſchicht wechſelt ſehr, von drei bis fünf Fuß im Gebiete von Tarapacá und dünner in den Diſtrikten von Antofagaſta und Taltal , ſüdlich davon. Die Ge winnung des Salpeters iſt ſehr primitiv. Ein Bohrloch bis auf
Pampa, die als ihre Oſtgrenze anzuſehen iſt. An einzelnen Stellen ſpringt die Salpeterzone cin bis zwei engl. Meilen nach Oſten vor, während ſie an der Weſtſeite entſprechende Einbuchtungen aufweiſt.
den Grund der Ablagerung wird hergeſtellt und mit einer Spreng. ladung verſehen , die durch die Exploſion gelocerten Stiide mit der Fade vollends losgelöſt und auf Karren in die Fabriken (Oficinas) geſchafft. Hier wird das Mineral in fauf große Stüde zerkleinert, dann in Pfannen geſchaufelt und in fochendem Waſſer aufgelöſt. Das hierbei verwandte Waſſer wird ſorgfältig aufgefangen und immer wieder benußt, wozu die Waſſerarmut der Gegend unbedingt zwingt. Hat ſich der rohe Salpeter (calíche) im heißen Waſſer völlig gelöſt, ſo wird der untere Teil der ge ſättigten Löſung in Stühlapparate abgelaſſen . Nachdem die nötige Abkühlung erfolgt iſt, ſinken die Salpeterkryſtalle zu Boden , das übrige Waſſer wird abgegoſſen und die herausgeſchaufelten Kryſtalle zum Trocknen in Haufen gebracht und endlich zum Erport fertig in Säde gepa t. Salpeter enthält mehr Nitrogen als irgend ein
Die Quantität und Qualität der Caliche wechſeln beträcht
lich , 120 zwei Bei
aber man darf wohl die Erſtredung der Salpeterzone zu geogr. Meilen in der Richtung von Nord nad Siid und zu geogr. Meilen in der Breite von Oſt nach Weſt anſetzen. dieſer Annahme wiirde ſich die ungeheure Quantität von
1,980,630,502 Quintals ergeben , und der Verkauf
derjelben
Chili allein , den gegenwärtigen Erportzoll von 27968/1000 Pence .
pro Luintal miteingerechnet, eine Eimahme von 230,809,474 lſtri. gewähren .
Litteratur. * Baumgartner, Alerander, S. J .: Island und
die Faröer. Mit einem Titelbild in Farbendruđ , 36 in den Tert gedructen Abbildungen , 16 Tonbildern und einer Karte.
Freiburg i. Br. , Herder'ſche Verlagsbuchhandlung, 1889. Dieſe vorzüglich geſchilderte Reiſe nach der Feuerinſel im Norden , nach der ultima Thule der inittelalterlichen Chroniſten , gehört
anderer bekannter Dungſtoff und auf dem größeren oder geringeren Nitrogenquantum beruht auch demgemäß ſein Handelswert. Seit
unbedingt zu dem Lehrreichſten, Unterhaltendſten und Gediegenſten,
dem Guano ſo außerordentlich in ſeinem Gehalt an Nitrogen gefallen iſt, hat Salpeter nicht nur an und für ſich angefangen ,
was je iiber dieſe hochintereſſante vulfaniſche Inſel, ihre tiichtigen Bewohner und ihre uralte Kultur geſchrieben worden iſt. Wir begleiten den Verfaſſer auf der Fahrt von Kopenhagen nach
die Stelle des Guanodiingers zu vertreten , ſondern wird auch in großem Maßſtab bei der Herſtellung von kiluſtlidem Diinger zur Miſchung mit den Phosphaten verwandt. Früher nahm man an , daß alle dieſe Pampas Caliche enthielten , aber genauere Unterſuchungen haben bewieſen , daß ſie nur Spuren von Salpeter euthalten. Die wirklichen Salpeter
lager beginnen an der Oſtgrenze unſerer erſten Zone. Anderer ſeits enthalten die Berge dieſer erſten Region Kupfer, Silber und Gold ; in den Huantaca -Bergen wurde auch Nidel gefunden. Die Guanofelder liegen , wie geſagt , auch in dieſem Gürtel. Von der Camarones -Bai bis zur Mündung des Loa gibt es kaum einen Vorſprung oder Felſen an der Seefiiſte , der nicht !
Thorshavn , der Hauptſtadt der Faröer , und nach Reykjavil, der Hauptſtadt von Jsland, und machen von hier aus ſehr lehrreiche und intereſſante Ausfliige nach der Almannagjá und Thingvellir, nach den kleineren Geyſirs und dem größeren Geyſir , nach dem
Olafsvellir, Laugardaelir und Reykir, kehren dann mit ihm in die Hauptſtadt zuriid und werden Genoſſen ſeiner Beobachtungen über isländiſches Leben und ſeiner Studien über Islands heidniſche Vorzeit , das altnordiſche Sonnenlied , iiber das katholiſche Js land des Mittelalters , die Edda , die mittelalterliche Saga Litteratur und Sfaldendichtung, verſenken uns mit ihm in dia
Betrachtung von Islands Verfall nach der Glaubenstrennung
Dieſer Dünger iſt ſeit uralten Zeiten bekannt.
und Jslands Wiederaufleben im neunzehnten Jahrhundert und
Die Eingeborenen dieſer Thäler und Soluchten von Tarapacá, Mamiña , Chiapa , Huatacondo , Camiña und Quisma fannten ſchon die befruchtenden Eigenſchaften des Guanos und brachten ibu auf Llamas von der Küſte auf ihre Farmen. Die ſiid lichen Lager wechſeln jo in Ausſehen und Farbe, daß es große
begleiten ihn dann auf der Reiſe nach den Fiorden und Handels
Guano birgt.
Aufmertſamkeit und Erfahrung koſtet, ſie aufzufinden. Manche lager ſind mit ungeheuren Sandmaſſen iiberdedt, während andere unter einer feſteren Kruſe von Konglomeraten ,
pläten der Weſtküſte, nach dem Eismeer, nach Afreyri und dem Oſtlande und von da auf der Heimkehr über Norwegen. Die
großartige Natur der Feuerinſel und ihre mineraliſchen Schäße, ſowie Land und Leute der Inſel werden bei jeder Gelegenheit eingehend geſchildert. Ein Anhang von ſechs einzelnen kultur
und firchengeſchichtlidhen , volkswirtſchaftlichen und bibliographiſch
ſchuitten , die ſich nach dem Meere hinziehen . Die Mejilloneslager ſind von geringer Ausdehnung und der Guano von geringer Qualität. Die reichſten und größten Lager ſind bei Pabellon
literarhiſtoriſchen Aufſätzen ſind eine weitere Bereicherung des in jeder Hinſicht höchſt denkwürdigen und lehrreichen Wertes, welches auch den Nebentitel „Nordiſche Fahrten ; Stizzen und Studien!“ führt und einen Band der gehaltvollen „ Illuſtrierten Bibliothek der neueren Länder- und Völferkniide“ bildet , durch deren Heraus gabe ſich die Herder'ſche Verlagsbuchhandlung ein ſo hobes Vers
de Pica , Punta de lobos , Huanillos und Chipana. Am letzt
dienſt erworben bat.
genannten Orte liegen die Ablagerungen horizontal und flach, und die Lager von Chipana bis zur Loa-Bai jind noch nicht
Drud und Verlag der J.G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachi .
der Coſtra, begraben liegen. Guano findet ſich auch in den engen Schluchten und Eins
einmal berührt worden .
Die zweite Zone der Provinz iſt die eigentliche Salpeters
region. Dieſe beginnt an der Biegung der Camarones-Schludit und zieht ſich füdlich bis zur Wüſte von Atacama. Bis 1858
in München und Stuttgart.
Für die Redaktion verantwortlich : W. Keil in Miinchen. Hierzu ein Proſpekt vom Berlag der „ Union Deutiche Verlagsgeſellſchaft“ in Stuttgart.
Das Suslaud. Wochenſdrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fach männer herausgegeben von der J. G. Gotta'ſchen Buchhandlung Nadjfolger in Stuttgart und Wünden . Dreiundſechzigſter Jahrgang.
Nr. 10.
1890 .
Stuttgart, 10. März
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7. zu beziehen durd, alle Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Poſtämter. Manuſfripte und Recenſions - fremplare von Werfen der einſchlägigen Litteratur ſind direkt an die Verlagshandlung in Stuttgart zu ſenden . Inſertions. preis 20 Þi. für die geſpaltene Zeite in Petit.
Inhalt : 1. Das afrifaniſche Häuptling- und Königtum .
Von Profeſſor A. W. Hubner. ( Schluß .) S. 182.
2. Aus dem
ſkandinaviſdhen Norden . Von Hans v. Schönberg. ( Fortjepung.) S. 187. – 3. Durch den Siiden Merifos und durch Zentral, Amerifa. Bon Guſtav Þauli. ( Fortſetzung.) S. 189. - 4. Geologiſche Mitteilungen aus dem Staate Waſhington. Von K. Ludloff. S. 195 .
5. Dr. Mc. Gregor in Britiſch-Neil Guinea . S. 198 .
Das afrikaniſche Häuptling- nind königtum . Pon Profeſſor W. A. Hubier.
Regierungsantritt.
6. Litteratur.
S. 200.
Sinn dieſer Naturvölfer durch die Rüdſicht auf alles, was ihrer Genoſſenſchaft dient , offenbaren , ſo iſt es anderer ſeits eine verabſdheuungswürdige, unſer ſittliches Gefühl tief verleßende Erſcheinung , daß die Thronbeſteigung
(Colub .)
häufig mit Men denopfern verbunden iſt. Seibſt die ſcheins
Bei vielen afrikaniſchen Völferſchaften muß der Thron folger vor der Thronbeſteigung beſtimmte Gebräuche beob: achten , welche in ihrer Bedeutung und in ihrem Zwec
bare Notwendigkeit, die nächſten Verwandten des Königs
zu töten, um Empörungen zu verhüten , wird unſer Ur teil über ſolche beklagen @werten Gewohnheiten nicht mil
mitunter intereſſante Schlaglidhter auf die Denk- und
dern fönnen . Obidon der regere Verkehr mit den Euros
Handlungsweiſe dieſer Völker zu werfen geeignet ſind.
päern auch in dieſer Beziehung den wohlthätigen Einfluß
Der Thronfolger foll verhindert werden, vor Uebernahme der Gewalt in die Regierungsgeſchäfte einzugreifen, daher wird er verpflid ,tet, außerhalb des Regierungsſipes, auch in
nidt verkennen läßt, ſo werden doch nach verläßlichen neueren Berichten in Uganda die Brüder des gewählten Königs während deſſen Minderjährigkeit (1. oben ) in Ges wahrſam gehalten und bei deſſen Regierungsantritt vers brannt bis auf zwei oder drei , welde den Stamm fort pflanzen , wenn der junge König finderlos ſterben ſollte; in Unyoro (nördlich von Uganda) werden nach der Wahl des neuen Herrfchers deſſen Brüder und nächſte Verwandte bis auf einen oder zwei getötet ; in Bihé (Rimbunda-Reich in Südzentralafrika) wird , wenn ein neuer Soba (König ) den Thron beſteigt, ein Sklave aus jeder Nation, die der Soba beherrſcht, geopfert; in godah (am Niger) werden bei der Thronbeſteigung eines neuen Attáh (Königs) Menſchenopfer
den abgelegenſten Gegenden zu wohnen oder bebufs Samm lung und religiöſer Vorbereitung an einem heiligen Orte
fidh aufzuhalten ; der Thronfolger foll in der Beſcheidenheit, Geduld und Selbſtbeherrſchung ſidy erproben , daher muß er in ärmlider Kleidung erſcheinen , ſich von jedermann über ſeine Pflichten belehren laſſen , Schmähungen und Beleidigungen ertragen , ohne jemals Wiedervergeltung zu üben ; um der materiellen Uebermacht zu ſteuern , welche zur Bedrüdung des Volfes verleiten fönnte, wird der König gezwungen , beim Antritt ſeiner Regierung auf alle ſeine Beſiktümer Verzicht zu leiſten ; endlich iſt die Ver teilung von Geſdenken , wie bei ſo vielen feierlichen An läſſen , auch bei der Thronbeſteigung üblid). Dieſe und ähnliche Gebräuche find allerdings nicht alle und nicht jedem Volke gleich eigen, aber doch ſo ſehr verbreitet, daß
gebrad)t, um dadurch die Macht des Aitáb über das Leben
ſeiner Unterthanen zu bekräftigen ; in Bagirmi (Sudan) wers den die Brüder des Thronfolgers auf einem Auge , in Wadaï (Sudan) auf beiden Augen geblendet, um ſie durch dieſe
Verſtümmelung thronfolgeunfähig zu machen.
ſie die Berückſichtigung und Erwägung herausfordern. Machtbefugniſſe der Könige. Wenn dieſe Gebräuche der vielleidt nur dunfel empfuns
denen Fürſorge für das Gedeihen des Gemeinweſens ent ſproſſen ſind und deshalb erfreulicherweiſe den praktiſchen Ausland 1890, Nr . 10 .
Die Könige haben, je nach der Verfaſſung, entweder
abſolute Madytvollkommenheit über Leben und Vermögen 28
Das afrikaniſche Säuptling und Königtum .
182
aller Unterthanen
thatſädlid iſt jedoch ihre Madt
oder ihre oft durch zwingende Verhältniſſe eingeengt vollen Machtbefugniſſe find bloß auf die Zeit des Krieges
heimiſch iſt, ſondern von den Fremden dahin getragen wird . Sehr verbreitet iſt als große Münze der Maria: Thereſia- Thaler, mit der Prägung vom Jahre 1780 und auf
ausgedehnt oder durch andere Madhthaber ( Familienhäupter,
der Krone müſſen ſieben Punkte ſich befinden.
Dorfälteſten ) oder durch die Palaver beſchränkt. Die afri kaniſchen Herrſcher haben regelmäßig einen töniglichen Rat
ohne dieſe Kennzeichen werden von den Sudan - Negern,
( Miniſterium ) um ſich , der bald eine beratende , bald
eine entſcheidende Stimme hat. Zumeiſt in den größeren Reichen finden wir die Regierungsgeſchäfte unter die einzelnen Räte oder Würdenträger verteilt , von denen einer die erſte Stelle einnimmt, welchen man als Miniſter präſidenten oder Neidhskanzler bezeidynen könnte. Nach den Berichten Nachtigals über den Sudan beſtehen in
Logon neben dem Könige (Miarai) fünf Großwürdenträger. Dbichon der König von Dahomé (Goldküſte) deſpotiſch
herrſcht, umgibt er fid, doch mit einem Rate von mehreren Großwürdenträgern , unter denen der Miniſter der innern Angelegenheiten die erſte Stelle einnimmt , überdies auch als Oberſcharfrichter fungiert. In Aſhanti, in Bihé, im Barðtſe -Königreiche Lui (nördlich vom Zambeſi), bei den Monbuttu ( Zentralafrika ), im Lande Bautši (Sudan ) I
u . 1. w. finden wir ähnliche Einrichtungen. Für die einzelnen Geſchäftszweige insbeſondere wirtſchaftlicher Natur , für den Handelsverkehr mit Fremden , für die Fiſcherei, Schiff fahrt und Marktpolizei ſind oft eigene Beamte beſtellt.
Die Provinzen und Diſtrikte werden von Statthaltern, Provinzialgouverneuren oder Unterhäuptlingen ( Raboſſire) verwaltet.
Die Gerichtsbarkeit befindet ſich entweder in den Händen des Königs oder cines Rates oder des Palaver. Bei mehr entwideltem Gemeinweſen werden auch be ſondere Beamte mit den Richterfunftionen betraut. Wo islamitiſches Recht zur Geltung gelangte , bildete ſich der Stand der Anwälte zur Auslegung des Korans und zur Vertretung der Parteien. Aehnlich den Weistümern deut
ſcher Stämme werden (nach Baſtian: ,,Die deutſche Erpes dition an der Loango Rüſte") in Kongo Perſonen (Um danſa) den Palavern zugezogen , welche die Traditionen kennen, nach denen entſchieden wird. Auch das Finanzweſen- und Beſteuerungsrecht iſt ein Attribut der königlichen Würde und wird nach Größe und Umfang der Macht ausgeübt. Der deſpotiſche Herrſcher nimmt ſeinen Unterthanen, was er will; dagegen werden in manchen Staaten die Abgaben und Geſchenke durch Herkommen oder durch Anordnungen der Regierung einer
gewiſſen Regel unterworfen. Die meiſten Abgaben ſind Naturalabgaben , und zwar : Zeuge , Elfenbein , Wachs, Stlaven , Vieh , Feldfrüchte, Palmwein. Wo beſtimmte Wertmeſſer , 3. B. Muſcheln (Kauri), Glasperlen , Metall in verſchiedenen Formen ( Goldſtaub an der Goldfüſte) u. a., eingeführt ſind, werden dieſelben als allgemeines Tauſdimittel benußt und erſeßen die Stelle des gemünzten Geldes, das, mit Ausnahme der marokkaniſchen geprägten .
Golds , Silber- und Kupfermünzen , in Afrika nicht eine
Thaler
unbedingt zurückgewieſen. Das Wertverhältnis der Kauri zum Bu - Thir (Maria Thereſia- Thaler) ſtellt ſich nach Rohlfe an den verſchiedenen Orten verſchieden ; es ſteigt, je tiefer man von der Küſte in den Kontinent eindringt. Dod) ſuchen auch die Herrſcher und die Großen des Lan
des den Kurs, je nachdem es ihr Vorteil mit ſich bringt, künſtlich hinaufzutreiben oder herabzudrücken . Im allge: meinen ſchwankt der Wert eines Thalers zwiſchen 3000 bis 4000 Muſcheln oder etwa 16 Ellen Kalifo. Eine oft ergiebige Einnahmequelle der Könige find die Eins, Durch- und Ausfuhrzölle, ferner die Handels- und
Kopfſteuer. Aus dem wirren Bilde des afrikaniſchen Steuerweſens ragt doch auch der praktiſche Sinn hervor, mit welchem die ausgiebigſten Steuerobjekte aufgeſucht und die Steuern häufig durch eigene Veamte ſtreng ein getrieben werden. Der Handel iſt bisweilen ganz oder zum Teil monopoliſiert. Es ſei erwähnt , daß die Clan verfaſſung vermöge der ſolidariſchen Rechtsverantwortlichkeit der Geſchlechts- und Gaugenoſſen eine Entwidlung des Finanzweſens nicht zuläßt.
Ueber Krieg und Frieden entſcheidet der König allein oder er iſt auch in dieſer Beziehung an die Zuſtimmung des föniglichen Rates oder der Volksverſammlung ges bunden. Bei der vorwiegenden Clanverfaſſung ſind die Häuptlinge auch die natürlichen Anführer im Kriege, und wenn ſie ſich in einem Vafallenverhältnis befinden , ſo werden ſie nach erklärtem Kriege aufgefordert , mit ihrem Aufgebote ſid, zu ſtellen. In monarchiſchen Staaten fom: men jedoch auch in Afrika, nebſt taktiſcher Gliederung des Heeres, eigene militäriſche Würdenträger vor, insbeſondere im Sudan. Das Heer in Bornu , dem eine militäriſche , obgleidh ſehr mangelhafte, Drganiſation nicht abzuſprechen iſt, bildet drei große Abteilungen : Infanterie, welche zum Teil mit Pfeil und Vogen , zum Teil mit Flinten be 1
waffnet iſt und deren Oberft Katſchella Nburſa heißt ;
Reiterei, mit Säbeln und Flinten bewaffnet, deren Oberſt Katſchella Blall heißt ; die Schangermanger -Abteilung, eine Art berittener Leibgarde, mit Lanzen und Schangermangern bewaffnet, deren Oberſt Katſchella Nbauna oder Yalla-ma heißt. Der Schangermanger (mit welchem Namen er uns zuerſt durch die Araber bekannt geworden ) oder Medjri iſt eine eigentümlich afrikaniſche und gefährliche Waffe. Er gleicht einem Fleiſchermeſſer von etwa einem Fuß Länge, aus dem noch ein oder zwei ſpannlange Klingen hervorſtehen. Er wird ſowohl als Wurf: wie als Haus waffe benußt, in Borgu, Uadai und Ennedi verfertigt und iſt nur bei den oſtafrikaniſchen Völkern in Gebrauch. Nohlfs ſah in Bornu Schangermanger auch aus Holz mit künſtliche Schnißerei. Der Bogen der Schüßen iſt von
Das afrifaniſche Häuptling- und Königtum .
feſtem , biegſamem Holze , die Sehne von gedrehtem Leder und als Pfeile dienen 12 Fuß lange Rohrſtäbe mit 3 Zoll langer, meiſt in Gift getränkter Eiſenſpiße. Zum Schaft der Wurfſpieße und Lanzen nimmt man das ſehr zähe und
183
Mitglieder auch auf das herrſchaftliche Königtum , obſchon weſentlidy abgefdwädyt, übertragen worden find. In An
gola (Südguinea ) leiſtet der Sova ( Staatsoberhaupt ) für einen Diebſtahl, 'begangen von einemt ſeiner Unters
dauerhafte , aber verhältnismäßig leichte Holz von der
thanen, fofort Scadenerſaß und greift feinerſeits auf das
Wurzel des Ethelbaums. Aehnliche militäriſche Einrid): tungen finden wir in Uandala, Bautfdhi (Jacoba), Kanô
Vermögen des Diebes; in Großbaſſam (an der Goldfüſte ) haftet der Häuptling für die feinem Unterthan auferlegte Ehebrudebuße. Sogar für allgemeine wie für die einzelne Unterthanen betreffenden Unglüdsfälle werden die Könige verantwortlich gemacht, da ihnen die Macht beigemeſſert wird , widrige Ereigniſſe zu verhüten , Regen und ſchönes Wetter nach ihrem Ermeſſen herbeizuführen und für die
und im Pullo -Staate Nyfe oder Nupe. 3m leftgenannten Staate ſehen wir das militäriſde Element ſtart hervors
treten , und da Nupe , an beiden Seiten des mächtigen Nigerſtromes gelegen, eine bedeutende Kriegsflotte hat, von Schiffen bis zu 100 Matrofen bemannt, iſt auch die Charge eines Admirals vertreten , welcher den Rang gleich nady dem Könige hat und Bargo-n-gioa (Elefantenſpiegel) be titelt wird.
Im Clan find alle erwachſenen Männer zum Waffen dienſte verpflichtet, doch werden auch beſtimmte Alters
klaffen zum Kriegsdienſte herangezogen. Als Anfänge eines ſtehenden Heeres dürften die Leibwachen der Fürſten
Fruchtbarkeit des Bobens zu ſorgen . Eine ſolche Verant:
wortlich feit laſtet oſt fdwer auf dem Staatsoberhaupte und kann zur Auflehnung, zur Bedrohung, Mißhandlung und Abfeßung des Königs die Veranlaſſung geben. In Loango wird der König eines ſdhledyten Herzens beduldigt
und man bringt auf ſeine Abfeßung, wenn Ernten und Fiſchfang nicht ergiebig ſind. Die Vanjars (Nordweſtküſte)
im Sudan, das bei den Majai und Wafuafi (Aequatorial
verehren ihr Dberhaupt und überhäufen es mit Geſchenken ,
oſtafrika ) in ſteter Bereitſchaft gehaltene Kontingent der
ſolange das Wetter günſtig iſt; tritt jedoch eine große Trodenheit ein , iſt der Regen zu anhaltend und die Ernte
jungen Leute von 20 bis 25 Jahren und die Mufan Djamba, d. h. Elefantenföhne, in Bihé angeſehen werden. Lettere find in Hófa ( Bataillon ) von 200 bis 400 Köpfen eingeteilt und bilden in der That neben dem allgemeinen Aufgebot (vita ya feka) eine ſtehende Armee. Dieſe Armee hängt nur vom Herrſcher ab und dient mehr zur Geißel für das Volt, als zum Schuße desſelben. In Dahomé bekommen nur die Offiziere regelmäßigen Sold , die Sol
daten nur dann , wenn ſie ſich von ihrem gewöhnlichen Aufenthalte entfernen müſſen. Im Frieden bebauen die Soldaten das Land oder verfertigen Schurze (Pagnen ), um ſid, die Lebensbedürfniſſe zu verſchaffen. In Bornu erhalten die Soldaten wie die Zivilbeamten keinen Sold, ſondern Stücke Land zum Anbau. Ueberdies iſt es eine
bekannte Thatſache, daß die Könige von Afdhanti und Dahomé Amazonenkorps aus ihren zahlreichen Frauer (deren Zahl auf 3000 angegeben wird) bilden . Dieſes
Korps hat ſeine eigenen Offiziere und wird als der tapferſte Teil des Heeres betrachtet. Der König von Aſcanti deint überhaupt eine hinreidende einheimiſde Heeresinadt zu beſißen , indem er gegen Bezahlung eines jährlichen
Tributes den Holländern Soldaten für die oſtindiſchen Kolonien geliefert hat.
Eine Schranke gegen willkürliche Ausübung der Ges walt iſt dem Staatsoberhaupte häufig durch die traditio nellen Anfchauungen des Voltes über die Verantwortlichkeit des Königs gezogen. Wie ſehr nämlich die Einvichtungen der geſchlechtsgenoſſenſchaftlichen Organiſation auf dem dafür empfänglichen Boden der afrikaniſchen Naturvölfer
fich eingewurzelt haben , zeigt nebſt anderen Thatſachen die Erſcheinung, daß die mit Zähigkeit feftgehaltener Anſichten von der Verantivortlichkeit des Oberhauptes eines ſozialen Verbandes für die Handlungen der einzelnen
bedroht, ſo ſucht man zunächſt durch Geſchenke der Häupt
ling zur Schaffung eines günſtigen Wetters zu bewegen und wenn diefes Mittel fruchtlos ift, fo beleiðigt und chlägt man ihn, bis das Wetter fidy geändert hat. Aeufere Stellung der Könige.
Die fflaviſche Unterwürfigkeit, welche die afrikaniſchen Deſpoten zumeiſt von ihren Unterthanen mit brutafer Strenge fordern, prägt fich auch in dem äußeren Verhalten und in der genauen Beobachtung oft demütigender, men îchenunwürdiger Umgangsformen gegenüber dem Ober Haupte aus. In jenen Gebieten beſonders , in welchen das islamitiſche , in Formen erſtarrte Nedt des Korans
Eingang gefunden hat, alſo ſowohl im nördlicher und zens tralen Afrika, als auch von der Oſtküſte durch der Sudan bis zur Weſtküſte iſt nicht ſelten die Kluft zwiſchen dem
Herrfcher und feinen Unterthanen fo tief, daß felbft der Gedanke, der König habe Bedürfniſfe eines gewöhn: fichen Menſchen , als ein ſchweres Verbrechen angeſehen
und die geringſte unwillkürliche Vernadhläffigung der Vers haltimgsregeln gegenüber demt gottähnlichen Wefen des Herrſchers are Majeſtätsbeleidigung mit dem Tode beſtraft wird. Für den Europäer iſt es nach der Erſchließung der, gegenüber Afrika , auf einer höheren Kulturſtufe ſtehenden oſtafiatiſchen Reiche nicht befremdende zu hören ,
daß der König von Loango, der von Dahomé und an dere nur bei wenigen beſtimnten Gelegenheiten fidy ihren Unterthanen zeigen ; daß andere Herrſcher bei Audienzen ganz unſichtbar bleiber , indem ſie ſich mit einem Vors
hange, Gitter oder Geflechte verhüllen ; daß in Uándala und Bagirmi (Sudan) die Großen , wenn ſie mit dem
Könige ſprechen, ihm den Rüden kehren, zum wenigſten
184
Das afritaniſche Säuptling- und Königtum .
das Antliß abwenden oder nur durch einen Dolmetſd) verkehren ; und daß es ein weitverbreiteter Brauch iſt, vor dem Könige auf die Kniee zu fallen oder ſich niederzu:
wenn man ſich begegnet und wiederholt es beim Abſchiede.
Der Handel wird ebenſo beſiegelt. Je reichlicher Thomſon als Leibon (Medizinmann ) auf die ſeine ärztlide Hilfe
werfen , das Haupt mit Staub zu beſtreuen, und, wie in
Sudhenden ſpuckte , deſto größer war ihr Vergnügen, und
Logon und Wadai (Sudan ), die Handfläden an ein : ander zu ſchlagen oder, wie die Miniſter in Dahomé, auf dem Baude friechend und den Boden küſſend dem Könige zu nahen. Ein erfreulicher Fortſchritt iſt in Bornu wahr:
ſtolz erzählten ſie ihren Freunden , wie der weiße Leibon ſie geehrt habe, und wieſen mit größtem Behagen auf den augenſcheinlichen Beweis der Auszeichnung hin . Aehnliches berichtet Johnſton von den Djagga, welche die Abdadungen des Bergriefen Kilimandjaro bewohnen.
nehmbar, ſofern der König ( Mai), welcher ſich früher nicht einmal ſeinen Großen zeigte und ſtets hinter einem Vor:
hange fprach, jeßt für jedermann öffentlich ſichtbar iſt und in gewiſſen Fällen felbſt Recht ſpricht. Rühmend werden
in dieſer Beziehung auch die Pullo-Staaten hervorgehoben, wo dem Niedrigſten aus dem Volfe das Recht zuſteht, bei den öffentlichen Audienzen frei vor den Sultan zu
treten und ihm ſelbſt die Klage zu Gehör zu bringen .
Eigenartig , doch aus den geſchilderten Verhältniſſen ziviſchen Herrſcher und Unterthan erflärbar, iſt das ſtrenge und unter Strafſanktion geſtellte Verbot, den König eſſen oder trinken zu ſehen oder das anzutaſten, was der König beim Speiſen berührte. Sdweinfurth erzählt, daß bei den Monbuttu (Zentralafrifa) der König für ſich und allein
ſpeiſt. Niemand darf den Inhalt ſeiner Sdüſſel zu ſehen bekommen und alles , was er übrig läßt , wird in eine eigens dazu beſtimmte Grube geſchüttet; alles, was er be rührt , gilt als unantaſtbares Heiligtum . Nidyt einmal von dem Feuer , welches vor ſeinem Siße brennt, dürfen die Gäſte eine Kohle nehmen , um ſich eine Pfeife anzus zünden . Der Verſucı, dieſem Verbote entgegen zu handeln , ſoll, wie behauptet wird , als Majeſtätsbeleidigung bes trachtet und von dem Könige ſofort mit dem Tode beſtraft
werden. In Uganda (am Ukerewe) ſteht der Tod darauf, des Königs Thron oder Kleider, wenn aud) nur zufällig, zu berühren. Wenn beim Nieſen eines Königs alle An weſenden in die Hände flatiden , fo fönnen wir darin nur
eine freundliche Paraphraſe unſeres „ Helf' Gott“ erblicken ; aber wir werden uns kaum des Efels erwehren, wenn wir in den Berichten bewährter Forſcher, wie Nachtigal und Stanley , leſen , daß in Bagirmi (Sudan) ein Beamter (Mbarkatborð) beſteht, deſſen Titel als Gnadenbezeigung einem königlichen Diener dafür zu teil wurde, daß er den Speichel des Königs mit ſeinem Gewande auffing , für welche Dienſtleiſtung ihm die Nußnießung eines Bezirfes verliehen wurde ; ferner daß der König von Ukerewe in die Hände der ihn Begrüßenden ſich ſchneuzt oder ſpudt, als Zeiden ſeiner Huld und daß der königliche Speichel
für heilkräftig gehalten wird , weßhalb damit das Geſicht
Abzeichen und Vorrechte der königlichen Würde.
Ein weit verbreitetes Symbol der königlichen Macht und Würde iſt der Sonnenſdirm , der aud) in den aſiati idyen Reichen der heißen Zone eine bedeutende Wichtigkeit genießt, ſo daß durch deſſen Farbe und Form der Rang ſeines Eigentümers ausgedrüdt wird. Lehnert erwähnt in ſeinem Reiſewerk „ Um die Erde", daß man in Java gegen dreißig Arten dieſer Schirme unterſcheidet. Standesperſonen tragen
goldverzierte Schattenſpender ; je böher die Rangſtufe, deſto
breiter die Verzierung. Der Sdhirm eines javaniſchen Fürſten iſt jedoch ganz vergoldet und beſteht, wenn auf: geſpannt, aus drei über einander angebrachten Schirmen, die ſich durch einen einzigen Druck öffnen. Die afrikani djen Könige geſtatten ſich zwar nicht den Luxus koſtbarer Sdirme, immerhin iſt er ſelbſt in der einfachſten Form ein Zeichen der Herrſbaft. Der Muata - Staſembe in Lunda ( Zentralafrika ) hat bei Audienzen ſieben Sonnenſdirme von
verſchiedenen Farben , welche einen Thronhimmel
bilden ; er trägt überdies als Zeichen ſeiner höchſten Stel lung einen mit langen Haaren verſehenen Zeugſtreifen oberhalb des Ellbogens und einen Gürtel ( insipo). In Shemba -Shemba (Kongo) haben nur Prinzen das Recht, des Sonnenſchirmes, der Scube und der Hängematte ſidy zu bedienen . An der Guinea -Küſte, in Bagirmi und in
Dahomé wird der Sonnenſchirm als königliches Abzeichen betragtet ; bei den Beni Amern (Obernubien) ein brauner Samthut umd das Neggaret , eine Pauke von Metall ; bei den Kru (Weſtküſte) ein eiſerner Ring um den Knöchel ;
in Angoy der Tschingongo oder die Doppelglode ; in Diagara ein Doſenhorn und ein ſilbernes Armband; in Angola ein Stab aus Ebenholz oder einem anderen ges ſchwärzten Holz. Dieſe Stäbe werden mitgeſchickt, wenn ein Bote eine fönigliche Botſchaft zu überbringen hat.
Ein lukratives Vorredit der Häuptlinge und Könige be ſteht darin , daß ihnen beim Antritt ihrer Herrſchaft, bei beſonderen Gelegenheiten und religiöſen Feſten , bei An bringung einer Vitte u. 1. w. Geſdenke dargereicht werden
müſſen. In Futa -Djalon herrſcht die Sitte, dem Almami
gejalbt wird. Wir unterlaſſen es , dieſes Thema bei an deren Völkerſchaften zu verfolgen , und wollen nur anführen, was Thomſon hierüber ſagt. Das Anſpuden drückt bei den Maſſai das größte Wohlwollen , Achtung, Dankbarkeit und die beſten Wünſche aus. Es vertritt die Stelle un
nie ohne Geſdenk zu nahen , wodurch ſeine Reichtümer beträchtlich zunehmen ; dafür aber iſt der Almami die Vor: febung aller Leidenden ; jeder Unglückliche wendet ſich an
ſerer verſchiedenen Glückwünſche, und man darf ein junges
Afrifareiſenden ſind gezwungen , dwere Laſten von aller :
Mädchen eher anſpuden als füſſen. Man ſpuckt ſich an,
hand Sachen : Zeuge, Meſſer, Waffen, Glasperlen, Meſſing
ihn und niemand wird chne Hilfe entlaſſen. Unſere fühnen
Das afritaniſche Häuptling: und Königtum .
draht , bunte Taſchentücher , echte und unechte Korallen,
rote Müßen , ſelbſt Kinderſpielzeug u. f. w., mitzunehmen , welche teils als Geſchenke für die Beherrſcher , teils als Tauſchmittel dienen ſollen. Mit der Annahme der Geſchenke gelangt der Fremde unter den Schuß des Herrſchers , der ſeinerſeits mit Landesprodukten Gegengeſchenke madt. Der Glanz der hohen Stellung eines afrikaniſchen Königs prägt ſich in der oft ſehr umfangreichen Hofhal: tung aus. Die große Zahl der Frauen , Kinder und Sklaven nimmt viele und ausgebreitete Wohnräume in Anſpruch, ſo daß das königliche Haus einer eigenen Drt :
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Seite ſteht, Gehorſam zu erzwingen , ſo droht er, in dem Dorfe ohne Erfen und Trinken zu verbleiben , bis er den
Hungertod ſtürbe. Da das Dorf dadurch die Rache fämt licher Prinzen , die ſich gegenſeitig als Brüder betrachten , auf ſich ziehen würde , ſo pflegen alsdann die Dorfs bewohner allen Forderungen ihres Gaſtes ſchleunigſt zu
entſprechen. In Dahomé heißen nur die Söhne der
idhaft gleicht; die Aufſicht über Frauen und Sklaven, die
Hauptfrau (Dádá) Söhne des Königs. Die Söhne bon den anderen Konigsfrauen heißen Accovis , Bagen , ſind wohl die Großen des Reiches, dürfen ſich aber bei Todes ſtrafe nicht Söhne des Königs nennen. Eines geradezu grauſamen Schußes erfreuen ſich die Königsfrauen , indem
Sorge für die Befriedigung der Bedürfniſſe und das nicht
derjenige , der dieſe Frauen anſieht oder ihnen begegnet,
ſelten auffällig entwidelte Hofzeremoniel erfordern eine
in Uganda und Muata Kaſembe ſehr ſtrenge, ſelbſt mit dem Tode, beſtraft wird. In Aſhanti darf niemand die Frauen des Königs ſehen. Siehen ſie durch die Straßen ,
.
Menge von Beamten und Dienern.
Wir finden alle
möglichen Kategorien von Beamten und Reſſorts ihrer Thätigkeit vertreten. Dem Range nach werden zu den erſten Hofbeamten gezählt (mit einer ihrer Thätigkeit ent ſprechenden und uns verſtändlichen Bezeichnung), die 911s tendanten , die Dberkammerherren , die Schafmeiſter, die Oberzeremonienmeiſter, welche regelmäßig aus den Adeligen
Konigs geſehen zu haben , iſt ein Kapitalverbrechen.
gewählt werden. Doch ſind die Anſchauungen nicht immer
Dahomé wird das Naben der Königsfrauen durch Glöds
dieſelben. Der König von Ulganda erhebt den erſten Brauer und den Hauptfoch zu ſeinen ihm ſehr nahe ſtehenden
verkündet.
ſo geht eine Anzahl Knaben voraus , um das Volt zu
mahnen . Männer, welche nicht mehr ausweichen können, müſſen ſich flach auf den Boden werfen und ihr Angeſicht
verbergen , bis der Zug vorüber iſt, denn eine Frau des In
den , mit welchen vorangehende Sllaven verſehen ſind,
der Oberküchenrat, zu den einflußreidſten Hofbeamten, und
Ueber die Beteiligung der königlichen Familie an der Regierung beſißen wir allerdings zahlreiche Berichte in den Werken der neueren ausgezeichneten Forſcher, wie Nohlfe, Barth, Valdez, Capello, Nachtigal, Krapf, Schwein
nad Lafitte nimmt in Dahomé der Oberkod den höchſten
furth.
Nang ein . Daß in Staaten mit polygamiſchen Einrich tungen die Eunuchen zu hervorragenden Stellungen und
Stelle geſeßt werden : Königsmutter und die erſcheint als Oberfrau oder diejenige , welche erwählt wird. Ihre
Würdenträgern und Ratgebern ; in Bornu gehören der Obermundichent, welcher den Sultan ſtets begleitet und
ihm das Trinkgefäß und das Waſchbecken reidt , ſowie
zu großer Macht gelangen , iſt wohl ſelbſtverſtändlid . Ueberdies werden an den Höfen auch Muſiker , welche in
Kaſembe ſogar als Adelige zweiten Ranges angeſehen werden , ferner Stallmeiſter, Boten , Hofichlächter, Vers lpalter der Mundvorräte , Sklavenaufſeher u. 1. w. gebalten.
In Bornu , berichtet Rohlfs , iſt einer der einflußreichſten
Hofbeamten, der Marma kullo be, der Oberaufſeher über die durchſchnittlich mindeſtens 4000 Sklaven des Sultans. Dieſer Beamte beſtimmt , wie viel und welche Sllaven
zum Verkaufe kommen und wann wieder ein neuer Kriege zug zur Ausfüllung der Lüden unternommen werden ſoll. Die königliche Familie genießt beſondere Vorrechte und nimmt auch häufig dort , wo die monarchiſche Vers faſſung mehr entwickelt iſt, hervorragenden Anteil an der Regierung. Ueber die Ehrenrechte ſind allerdings die
Rüdſichtlich ihres Einfluſjes müſſen an die erſte
der mutmaßlidie Thronfolger , die Oberfrau. Unter mehreren Frauen entweder die zuerſt geheiratete Frau vom König zu dieſer Würde auss Stellung gegenüber den anderen
Frauen iſt eine herrſchende und Ehrfurcht gebietende ; ſie
wird zuweilen als Haupt des Hauſes angeſehen , ſchlichtet mit ihrem Anſehen vorkommende Zwiſtigkeiten unter den Frauen , hält Ruhe und Ordnung aufrecht und beſorgt das engere Hausweſen. Ihrer Würde entſprechend, erhält ſie die beſte Hütte zur Wohnung und es wird ihr die erſte Wahl bei Geſchenken eingeräumt , welche dem Hauſe ges macht werden. Die bevorzugte Stellung der Oberfrau äußert ſich auch in der Regierung, indem ſie dem tönig lichen Rate zugezogen wird , daſelbſt eine entſcheidende
Stimme hat und mit beſtimmten Verwaltungsbezirken bes lehnt tvird .
In den Kimbunda -Staaten beißt die Dbers
vorhandenen Quellen nur fpärlid ); doch wiſſen wir , daß in Loango an den Prinzen fein Todesurteil vollſtredt
ihrem Herrn die hochſte Gewalt.
werden darf , da ihnen das Recht des Loskaufes zuſteht; daß es Prinzen und Prinzeſſinnen geſtattet iſt, jeden zu ergreifen und zu verkaufen , der nicht Prinz von Geblüt iſt. An der Loango-Küſte darf ein Prinz , welcher ein Dorf betritt, alles ihm Zuſagende verlangen. Stößt er
auch dann noch gehuldigt , wenn ihr fürſtlicher Gemahl infolge irgend eines Ereigniſſes entſeßt oder , was noch gewöhnlicher iſt, des Lebens beraubt wurde. Die Königs mutter genießt ein großes Anſehen, hält wohl auch ihren eigenen Hof, wird durch reidhe Belehnung mit Bezirken und
auf Widerſtand, ohne daß ihm eine genügende Madt zur
Drtſchaften ausgezeichnet und iſt nicht ſelten der vertraute
Ausland 1890, Nr. 10 .
frau die Herrin oder Königin der Erde und teilt mit Es wird ihr vom Volk
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Das afritaniſche Häuptling. und Königtum .
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Beirat des Königs. Der Thronfolger , welchem verſchie dene ſymboliſche Namen beigelegt werden , nimmt die höchſte Stelle und Würde ein , und es werden ihm auch einige Diſtritte zur Verwaltung übertragen unter Ver: leihung der höchſten Gewalt. Die Mitglieder der könig
diesſeitigen Begebenheiten ins Jenſeits zu überbringen. Die Menſchenopfer werden teils aus den Frauen und Dienern
lichen Familie verſehen die Funktionen als Statthalter
fonen beiderlei Geſchlechts zum Dpfer , indem ſie es als eine Gunſt anſehen , mit dem König zu ſterben , um ihm im andern Leben dienſtbar zu ſein. Ein häufiger Brauch iſt es , nach dem Tode des Königs alle Anpflanzungen, das Hausgeräte , Wertſachen , die Hütte , ſelbſt das ganze Dorf, mit Schonung der den Fetiſchen geweihten Stätten, zu zerſtören. Daher kommt es , daß der Muata ya ndo ( Zentralafrika) ſich eine neue Reſidenz bauen muß, da er die Wohnung ſeines Vorgängers nicht benußen darf. Die Anſchauung, daß die Machtfülle der Regierung, die Erhaltung der Drdnung und das Strafrecht an die
oder Unterhäuptlinge in den Diſtrikten und Dörfern oder es werden ihnen Beamtenſtellen in der Verwaltung und im Hofſtaate verliehen. Der Onkel des Königs in Muata.
ya-nvo (Zentralafrika) bekleidet gewöhnlich das zweifel hafte Ehrenamt eines Dberſcharfrichters. Dieſe Stellungen
können jedoch mit einer Veränderung in der Perſon des Rönigs ihr Ende erreichen . In Uſambara (Sanſibar-Küſte) entläßt der neue König ſogleich nach ſeiner Thronbeſtei
gung alle Kinder des verſtorbenen Herrſchers und feßt ſeine eigenen Nachkommen zu Statthaltern ein.
des verſtorbenen Königs oder aus anderen Unterthanen
gewählt, teils werden Kriegsgefangene , Verbrecher oder Sklaven dazu beſtimmt, teils erbieten ſich freiwillig Per
.
Perſönlichkeit des Königs geknüpft iſt, daher mit ihm ers Erlöſchung der königlichen Würde.
Die auf eine beſtimmte Zeit gewählten Könige ver lieren nach Ablauf der Zeit die fonigliche Würde ; die auf
unbeſtimmte Zeit gewählten fönnen jederzeit abgeſeßt werden. Bei der Wahl auf Lebenszeit und bei Vererb lichkeit der königlichen Würde iſt der regelmäßige und natürliche Erlöſdungsgrund der Tod des Königs. Aller:
dings kommen nicht ſelten Anſchauungen der Völkerſdaften
liſcht, äußert ſich bei manchen Völkerſdaften in draſtiſcher Weiſe darin, daß nach dem Tode des Königs ein Zuſtand vollſter Ungebundenheit und Widfür eintritt. Verbrechen bleiben ſtraflos , das Eigentum wird nicht geachtet, die Fremden (weil ſie des Königsſchußes entbehren) werden zu Gefangenen gemacht, grobe Erzeſje verübt und jedermann hält ſich berechtigt, zu thun, was er will. Dieſer Zuſtand dauert ſo lange, bis der neue König in ſeine Würde ein
zur Geltung , welche mit unſeren Begriffen vom Staats :
geſeßt iſt. Die Nachricht von dem Ableben des Kimbunda
weſen nicht vereinbar ſind. Die Unterthanen verlaſſen
der Geſamtheit geſtattet iſt , darf dem Einzelnen , welcher
Fürſten wird, wie Magyar berichtet, gewöhnlich erſt zwei Monate nach dem Ereigniſſe allgemein bekannt ; denn ſobald die Kimbanda ( Prieſterſchaft) und die höchſten Würdenträger das Herannahen feines Hinſcheidens vers muten , geſtatten ſie niemandem, ſich ihm zu nähern und erlaſſen in ſeinem Namen auch dann noch Verordnungen ,
den Bedrüdungen oder Strafen entgehen will , nicht ver
nachdem er bereits geſtorben iſt. Zweifellos geſchieht dies,
wehrt werden. Solche Ueberläufer werden im fremden Reide gern aufgenommen , während grauſame Häuptlinge durch die Flucht ihrer Unterthanen empfindlichen Schaden erleiden . Es kommt ferner aud vor, daß ein König, der
um den Ausbruch anarchiſcher Zuſtände möglichſt zu ver ſchieben. Denn nach der Beerdigung der fürſtlichen Leiche
ihren Häuptling oder König, wenn derſelbe feine Stellung mißbraucht oder nicht gehörig verſieht, und begeben ſid unter den Schuß eines anderen Herriders. Beiſpiele fin:
den wir bei den Baſuto und Makololo (Südafrifa). Was .
zur Regierung unfähig oder allgemein unbeliebt geworden iſt oder im Kriege Niederlagen
erlitten hat , oder wenn
nadı allgemeiner Anſidit der Vorteil des Staates es er fordert , von einem Gericht oder einer Verſammlung der Vornehmen ſeiner Stelle entſeßt oder auch getötet wird . Der Tod des Häuptlings oder Königs iſt ein Er: eignis , welches , obidon man es auc mit myſtiſdem Sd)leier zu umgeben liebt, teils beklagenswerte Menſchen : opfer oder Vernichtung des Eigentums , teils fürſorgliche Maßregeln der Regierung im Gefolge hat. Dr. Poſt bes merft ſehr treffend , daß ſolden Menſdenopfern der aud)
beginnt die Lungata , d. i. freie Waffenführung , welche
neun Tage dauert. Während dieſer Zeit herrſcht im ganzen Lande die größte Unordnung; die ohnehin ſchwachen geſellſchaftlichen Bande verídwinden gänzlich , die Sichers heit der Perſon und des Beſißes hört vollſtändig auf, der Starke greift ungeſtraft den Schwächeren an. Die lange Zeit unterdrückte Rachſucht nimmt einen ungehemmten Lauf und läßt blutige Spuren hinter ſich zurück. Zu dieſer Zeit fann man nur mit einer zahlreichen bewaff: neten Begleitung von einem Ort zum andern reiſen.
Endlich bezieht der neue Fürſt ſein Lager und befiehlt, der Anarchie ein Ende zu machen ; aber das wilde Volt kehrt nur langſam wieder zur Ruhe und zum Gehorſam
ſonſt über die ganze Erde verbreitete Gedanke zu Grunde liegt , den Verſtorbenen mit allem verſorgen zu müſſen ,
zurüd. Ueber einen eigenartigen Vorgang nad dem Tode
was geeignet iſt, ihm im Seelenlande das Leben ebenſo
des Königs von Unyoro (nördlid vom Ukerewe) berichtet
angenehm zu machen, wie er es auf Erden gehabt hat, wozu vor allem eine genügende Bedienung gehört ; oder nach Oskar Peſchel, dem verſtorbenen König Botſdaften über die jüngſten
Baker. Die Söhne des verſtorbenen Königs kämpfen um
den erledigten Thron. Die Leiche des Königs wird über cinem langſamen Feuer mumifiziert , in einem eigens zu
Aus dem ſkandinaviſchen Nordei.
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dieſem Zwed erbauten Hauſe untergebracht und ſo lange
Mit der Afademie korreſpondieren die landwirtſchafts
unbeerdigt gelaſſen , bis einer der Söhne als Sieger den
lichen Kreisvereine und machen derſelben ihre Vorſchläge
Thron beſteigt. Die vorkommende Sitte, das Ableben des Königs bis zum Regierungsantritt des Nachfolgers geheim
und Mitteilungen. Einmal im Jahre treten Deputierte
Viktoria Nyanza) berichtet wird legt die Vermutung nahe, daß durch dieſe Maßregel dem ſonſt drohenden anarchiſchen Zuſtande vorgebeugt werden ſolle. Aber auch in den Einrich tungen, welche geradezu die Erhaltung der Ordnung und Sicherheit bezweden, erkennen wir häufig das Streben , die
der landwirtſchaftlichen Kreisvereine zu gemeinſamer Be ratung unter Vorſiß des Direktors der landwirtſchaftlichen Afademie in Stockholm zuſammen. Hier in Zahlen die verſchiedenen Verwendungen der Gelder zu landwirtſchaftlichen Zwecken zu erörtern, dürfte zu weit führen . Der Bedarf wird jeßt wohl 600,000 Mark weit überſchreiten ; er wird zum Teil durch Bewilligung des
ſtaatliche Verbindung vor jeder gewaltſamen Erſchütterung zu bewahren. Entweder wird durch den Willen des ver
und weit über die Hälfte durch den den landwirtſchaftlichen
ſtorbenen Königs für die Zwiſchenzeit ein Reicheverweſer
Kreisvereinen zufallenden Anteil an den Einnahmen der
ernannt oder es wird gleich nach dem Tode des Königs von einer Verſammlung der höchſten Staatsbeamten eine Regentſchaft gebildet, welche Drgane die ihnen übertragenen Funktionen bis zur Thronbeſteigung des neuen Königs
Schankſteuer. Bei Verteilung der Sdankſteuer iſt nur der Umſtand zu tadeln, daß jeder Provinz bloß 35 der geſamten in derſelben vereinnahmten Scantſteuer zukommt, ſo daß die Küſtens provinzen , namentlich Göteborgs Län und Schonen , auf Unkoſten des Innern des Landes ſehr begünſtigt werden ; doch dürfte mit der Zeit auch hier ſeitens des Reichstages
zu halten, wie insbeſondere über Unyamweſi ( ſüdlich vom
ausüben. In Süd - Guinea muß nach dem Tode des
Königs eine Sdyweſter oder eine andere nahe Anverwandte desſelben den Thron Tag und Nacht befeßt halten, bis
ein Nachfolger erwählt iſt, tvas manchmal innerhalb
Reichstages und durd, Zuſchüſſe der Kreisvereine gedeckt
einiger Tage geſchieht, doch auch wochenlang dauern kann.
ein Ausgleich angebahnt werden. In Schweden gibt es zwei höhere landwirtſchaftliche
Auf eine ſelbſt den Naturvölkern verſtändliche Art joll
Lehranſtalten zu Ultuna bei Upſala und Alnarp bei
damit dargethan werden, daß eine Thronerledigung eigent lich nicht ſtattgefunden hat ; vor der ununterbrochenen Machtfülle des Thrones ſollen anarchiſtiſche Beſtrebungen verſcheucht werden .
Malmö , ferner 28 Aderbauſculen und 4 vom Staate unterſtüßte Molfereiſchulen . Im Reid ſind Stämme verſchiedener Vieh- und Schafraſſen bei Privatperſonen aufgeſtellt. Dieſe haben für die Kopfzahl der Herden aufzukommen und müſſen
die Nachzucht öffentlich verſteigern. Von dem hierbei ges
Aus dem ſkandinaviſchen Nordeu.
wonnenen Gelde fällt ein Teil an die Akademie, der Reſt verbleibt , ebenſo wie die Nebennußungen , den zeitweiſen
Bon an $ v. Schönberg .
Inhabern der Herden , welche vom Staate leihweiſe auf eine Reihe von Jahren überlaſſen werden ; ſie ſtehen
(Fortſetuug . )
Unter der Akademie reſſortieren eine unbeſtimmte Zahl
übrigens unter ſtrenger Kontrole eigens dazu angeſtellter
Fachmänner , die in verſchiedenen Zweigen der Landwirt daft Rat erteilen, Drainage-Anlagen, Seeſenfungen unter: ſuchen , darüber Pläne entwerfen u..w . Dieſe ,, Ingenieure"
Beamter.
ſind den größten Teil des Jahres auf Reiſen in den ihnen angewieſenen Diſtrikten.
Steinmauern umfriedigt iſt. Am Tage ſteht das Bieb in den Ställen , wo es beim Eintreiben und vor dem Aus: treiben gemolken wird. Auf dieſe Weiſe werden die Holz und Weideflächen nukbar gemacht. Im ſüdlichen Schweden wird das Rindvieh auf den Kleeſchlägen an Retten be feſtigt, „ getüdert“, bleibt den ganzen Tag im Freien und wird allmählich vorwärts gerückt, Waſſer zum Tränken
Außer dieſen an beſtimmte Gegenden gebundenen „ Ingenieuren " gibt es auch noch folde, die, in Vieh- und Schafzucht, Flache behandlung , Fiſchzucht, Forſtweſen und auch in Agrikulturchemie Belehrung und Rat erteilend, im ganzen Lande herumreiſen. Mit der A fademie iſt eine landwirtſchaftliche und eine agrikulturchemiſche Ver ſuchsſtation verbunden , jede unter Leitung eines Fach mannes.
Alle dieſe Beamten erhalten feſten Gehalt von der Regierung, freies Fortfommen auf ihren Reifen und Tag traktament von 54/2 bis 8 '/ Mart. Das Tagtrattament bezahlt an den Reiſetagen ebenfalls die Regierung , an den eigentlichen Arbeitstagen der jeweilige Requirent ; iſt dieſer unbemittelt , ſo trägt die landwirtſchaftliche Geſells ſchaft der Provinz die Koſten .
Im Sommer wird das Vieh auf die Weide getrieben ,
ohne Hirten , da jedes Grundſtück von Holzzäunen oder .
wird angefahren. In ähnlicher Weiſe ſehen wir ja auch in Holſtein die Sommerfütterung ausführen. Im Winter ſteht das Vieh in den Ställen und wird
dort gefüttert. Geſtüte gibt es drei im Reich: Ströms: holm , Ottenby , Flyinge. Von den Geſtüten erfreute ſich Flyinge eines großen Rufes ; die Beſchäler wurden meiſt aus dem ſüdlichen Rußland , der Ukraine bezogen , doch kreuzt man in neuerer Zeit vielfach ' mit Halb- und Voll
blut. Faſt allgemein zieht man Pferde im Lande ; in den fruchtbareren Provinzen werden ſehr fräftige Tiere
Aus dem ſtandinaviſchen Norden .
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gezüchtet, so daß in neuerer Zeit vieleRemonten für 1 feinemEigennuß nochnicht hingelangt iſt, bekommt man ein Bild von den Wäldern der Vorzeit.
Dänemark und Frankreich aufgetauft werden .
Die Regierung unterſtüßt die Pferdezucht namentlich durch Stationierung von Landbeſchälern aus den Geſtüten auf dem Lande. Eine bemerkenstverte Raſſe ſind die Deländer Pferde, eine Art Doppelponies, die auf Deland
faſt das ganze Jahr im Freien zubringen. So viel für die Landwirtſchaft gethan wird, ſo ſegengs reich fidh ihre Entwidelung erwieſen hat, in gleiches vom
Waldbau leider nicht zu ſagen. Die Forſtwirtſchaft liegt noch ſehr darnieder ; man iſt noch zu ſehr auf Ausbeutung der reichen Naturſchäße bedacht , und wenig oder gar nichts geſchieht für den Wiederanbau der abgeholzten Flächen. Es iſt zu beklagen , daß dem Eigennuß der Grundbeſißer zu viel Freiheit gelaſſen und nicht, wie im Nachbarlande Dänemark , Swang auf den Wiederanbau der
abgetriebenen Forſten ausgeübt wird. Das planloſe Abtreiben der Forſten wird, wenn man ihm nicht bald Eins
Es finden ſich , je höher man nach dem Norden kommt, noch große Waldungen mit mächtigen Baumrieſen , vermengt mit jüngerem Holz , ſo daß ſolche Forſten faſt
undurchdringlich erſcheinen. Dieſe Wälder nun beherbergen Wild aller Arten. Von Raubtieren finden wir im nördlichen Schweden
den Bär, Luds, Wolf, Ejelfras ( järf) den Fuchs, kleinere
Raubtiere ungerechnet. Doch nimmt die Zahl der größeren vierfüßigen Raubtiere immer mehr ab, wozu die Lichtung der Wälder, der Wert der Pelze und die auf die Erlegung der Naubtiere geſeßten Prämien das ihrige beitragen. Am auffallendſten iſt die Abnahme der Wölfe, die noch Mitte
der fünfziger Jahre ziemlich häufig vorkamen , ja bis nach den ſüdlichen Teilen des Reiches herabſtreiften . Als ich nach Schweden fam, mußte jede Hufe, mantal, eine gewiſſe Klafterlänge Wolfegarne halten , und bei Aufgeboten zu Treibjagden auf Wölfe, die große Diſtrikte
halt thut, ſicher zu einer Verarmung des Bodens und zu
umfaßten , mußte jedes bewohnte Haus einen Treiber ſtellen.
einer Verſchlechterung des Klimas führen.
Dieſe mit allen Sorten Schießgewehren bewaffneten Treiber macyten aber auch einen Höllenlärm .
Warnende
Beiſpiele bieten fich in Spanien, in Teilen von Frankreich
und der Schweiz genügend dar. Das kleine intelligente Dänemark hat längſt erkannt, welchen großen Einfluß die
Ein ſolches Wolføtreiben, das unter der Leitung des
Forſtbeamten des Diſtrikts ſtand, umfaßte mehrere Quadrats
Wälder auf das Klima ausüben und hat in Zeiten durch ein energiſch durchgeführtes Forſtgeſeß für den Wiederanbau der abgeholzten Flächen geſorgt. Wohl unterſtüßt man in einzelnen Teilen Schwedens
meilen und man trieb in der Regel die Wölfe nach der
die Landwirte mit Rat und That bei Forſtkulturen , doch
zu leitete .
ſind dies nur vereinzelte Beſtrebungen. Möge man das allerdings ſiebzehn Millionen Hektar große Forſtareal Schwedens nicht für unerſchöpflich halten , die Sorgloſigkeit in dieſer Beziehung fönnte ſich ſonſt
An den Wolfsgarnen wurden die Schüßen und Wachen aufgeſtellt, welche die Wölfe , wenn ſie die Neße zu über: ſpringen verſuchten oder ſich in dieſelben verwickelten ,
bitter rächen.
Der Poſten an den Neßen war nicht ohne Gefahr, denn durch unvorſichtige Schüßen famen hie und da Un
Anerkennenswert ſind die Beſtrebungen der Regierung,
Halbinſel eines größeren Sees, die durch die aufgeſtellten Wolfsgarne eingeſchloſſen wurde , worauf man von der Spiße der Halbinſel aus das Treiben nach den Neßen
erlegten.
mit den vom Reichstag ihr allzu farg zugemeſſenen Mitteln
fälle vor.
hie und da Ländereien anzukaufen und mit Wald anzu: bauen, doch genügen dieſe Anſtrengungen nicht.
Die Wolfsgarne wurden aus Striden von mehreren Centimetern Dicke mit großen Maſchen gebunden und waren durchſchnittlich 10 bis 12 Fuß hoch.
Ein Fortſchritt iſt es auch zu nennen , daß das mit
Holz beſtandene Land und zum Teil auch die kahlen
Id habe nur eine ſolche Treibjagd mitgemacht, bei
Weideflächen der „ boställen ", Domänen , die früher den
der eine Wölfin und vier junge Wölfe erlegt wurden. Der ſchwediſche Wolf iſt größer als der polniſche und ſelbſt für Menſchen zu Winterszeiten bei tiefem Schnee nidt ungefährlich.
Zivils und Militärbeamten zugewieſen waren , jeft ver:
meſſen , forſtlich eingeteilt und bewirtſchaftet werden. Die Forſtbeamten ſelbſt haben einen ſehr großen
Wirkungskreis , eigene Reviere jedoch, nach deutſchen Bes griffen, nur im hohen Norden ; ihre Dbliegenheiten beſtehen hauptſächlich in der Ueberwachung der Kulturen und der Waldwirtſchaft auf den königlichen Krongütern .
und Domänen, aber ihre Zahl iſt zu gering und ihr Einkommen zu unbedeutend, um namentlich in den nördlichen Provinzen ihre Beſtimmung genügend erfüllen zu können . Der Eindrud , den die Wälder Schwedens machen , iſt überall da, wo man mit der Abholzung begonnen
bat, wenig erfreulid ; und nur dort, wo der Menſd mit
Der Wolf liebt es , tragende Kühe anzufallen und benimmt ſich ſehr frech dabei, da er ſeine Ueberfälle meiſt
bei Tage, wenn das Vieh zur Tränke getrieben wird, aus führt. Da er große Entfernungen an einem Tage zurüd legt, ſelten längere Zeit an einein Ort bleibt, iſt ihm nicht leicht beizukommen, und häufig geſchah es , daß bei den allgemeinen Wolfstreiben die Wölfe längſt verſchwunden
waren, ehe das Maſſenaufgebot ausgeführt und das Treiben in Gang fam. Der Wolf iſt übrigens auch für die Hunde weit ges
Durch den Siiden Merikos und durch Zentral-Amerika.
fährlicher als der Bär, zu deſſen Aufjagen und Verfolgung Hunde gut zu verwenden ſind; ſelbſt der Luchs läßt ſich mit Hunden jagen und wird oft erlegt, wenn er, von den Hunden verfolgt, aufbäumt und verbelt wird.
Aud Bären und Luchſe nehmen an Zahl ſehr ab und finden ſich nur noch in Vermland und den nörd lichen Provinzen, wo auch allein noch der Ejelfras anzu
treffen iſt. Füchſe und Marder dagegen kommen ziemlich häufig vor , doch wird den Füchſen durch die in den ein zelnen Provinzen auf ihre Erlegung ausgefeßten Prämien viel Abbrud gethan.
Von edlerem Wild iſt der Elch zu nennen , der dank der langen Shonzeiten ſich ſtetig vermehrt hat. Während
man ihn früher nur noch bis zum 60. Breitgrad herab antraf , tommt er jet idon , wenn auch nur ſpora 1
diſch , in Smaland und dem nördlichen Sconen vor ; er wird meiſt auf Treiben oder von eigens darauf eingeübten Hunden erlegt. Rotwild trifft man frei nur auf Deland, ſonſt, ebenſo
wie Damwild , nur in wenigen Tiergärten des ſüdlichen Schwedens. Dagegen hat das Rehwild in den legten Jahrzehnten ſehr an Zahl zugenommen ; während man es früher nur in Sdonen und Halland fand, kommt es jeßt ſchon im mittleren Sdyweden vor. Die lange Schonzeit,
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gute , wohldreſſierte Hunde , Ausdauer , geſchickte
wedt
Führung ſind nötig , um lohnende Reſultate zu erzielen , aber darin eben beſteht der Reiz.
Wenn irgendwo , lo findet dort ein tüchtiger Weids mann ſeinen Lohn. Das Herz dwillt mir noch heute, denke ich zurüd an vergangene Zeiten , wo id auf Sma: lands Haiden dem Weidwerk oblag, wenn der Blid frei über die blühende Haide ſchweifte, die hie und da von grünen Wäldern und lang hingeſtredten Seen unter: brochen wurde , deren Wellen ſich langſam hoben und fenkten, ſo daß man die Atemzüge der Natur zu vernehmen glaubte. Auch der größte Staatsmann unſeres Fahrhunderts beſuchte einſt in den fünfziger Jahren jene Gegenden und noch heute erinnern ſich ſeiner die Einwohner in Markaryds .
ſocken.
Durch den Süden Mexikos und durch Zentral-Amerika. Bon Guſtav Bauli.
(Fortſetzung.)
die natürlide Scheu, die Abnahme der Raubtiere aller Art
Nach kurzem Imbiß wurde der ebenſo ſteile Abſtieg angetreten, auf dem uns bald, feuchend und ſchweißtriefend, ein langer Zug wer beladener Indianer entgegenkam .
ſind Urſachen ſeiner zunehmenden Vermehrung.
Mehrere Knaben , kaum mehr als zehn Jahre alt , waren
Es gibt viel Haſen ; man findet nicht allein den deut den Haſen in Shonen und Halland , ſondern auch den nordiſchen, Lepus borealis, der im Winter faſt ganz weiß iſt. Die Haſen werden mit Hunden , einer Art leichtfüßiger, hochbeiniger Braden , gejagt. Die ſeit Jahren von der Res
darunter. In folder Jugend beginnen ſie idon , anfänglich nur die Lebensmittel tragend, allmählich unter ſchwererer
Bürde, ſid, für ihren Laſttierlebenslauf vorzubereiten. Nad einigen Stunden blißt ein Waſſer durch die Stämme des Waldes , und wir betreten das hier ſteile Ufer des Nio
deutender werden, was nur ein Vorteil für den Nationals
S. Pedro, der in ſtattlider Breite und maleriſcher Krüm mung ſein tiefblaues Waſſer von Oſt nach Weſt mit lawader Strömung in die Ebene führt. Zwei Knaben bringen ein Baumſtammkanoe von drüben und ſchaffen darin zunädſt die Indianer mit den Laſten hinüber ; dann folgen auf neuer Fahrt die Maultiere ſwimmend. Das meinige dwimmt anfänglich wader, plößlich aber vergeht ihm die Luſt, es verſinkt und hätte ſich vor meinen Augen aus Tüde ertränft, hätte ich es nicht an der Leine raſch an die Seite des Kanoes gezogen. Jenſeit war in einer
wohlſtand wäre. Zunächſt ſollte, wie in Norwegen, durch einen hohen Waffenpaß den Ausländern die Möglichkeit, Jagden zu pachten und zu ruinieren, etwas erſchwert werden . An Vogelwild iſt das Land beſonders reich ; das Meer, die Seen und die Sümpfe beherbergen Schwäne, Gänſe, zahlloſe Entenarten, Sdnepfen, Befaſſinen, Strand läufer u. 1. w., ebenſo birgt Wald und Heide Auers, Birt-, Haſels, Sonees und Rebhühner. Vor allem iſt es die Jagd auf Auer- und Birtwild, welche im Hodſommer vor ſtehendem Hunde ſchon lange Jahre die Jagdliebhaber aller Länder nach Sdweden zog. Es iſt nicht die reiche Beute allein , welche die Jagdluſt
Indianerdorf S. Pedro erreicht: leichte Hütten aus Bams bus an den Rand einer grünen , geräumigen Waldlichtung geſtellt. Die durdweg indianiſche Bevölkerung des Dorfes gehört dem Stamme der Cholos an. Wir ſtanden hier wiederum auf gleid Meereshöhe mit Palenque. Man wies mir ein kleines luftiges Häuschen in einem Hofe an , und id genoß unter meinem Pavillon , geſichert gegen Stid oder Biß, die trefflidſte Nachtruhe. Faſt mehr Sorge als um die Stillung eigenen Hungers mußte ich ſchon ſeit Playas um die gute Ernährung meiner Tiere haben , die nur auf der Weide gehalten waren und nun Großes leiſten ſollten. Morgens und Abends mußten die gekauften Maids
gierung eingeſepte Sconzeit verurſacht wohl eine Zunahme der Haſen , doch ſind infolge der Schonzeit die Hunde,
„ stöfvare“, nicht mehr ſo gut, als vor dreißig Jahren , wo ſie das ganze Jahr durch in Uebung blieben. Man könnte ſich nur darüber freuen, wenn es einmal
ſo weit kommen ſollte, daß die Benußung der Jagd nicht mehr jedem einzelnen Grundbeſißer zuſteht, ſondern die
Gemeinden, wie in Deutſchland, ihre Jagd gemeinſam ver pachten müßten ; dadurch würde der Neidytum an Wild be
Ausland 1890, Nr. 10 .
.
halben Stunde, nach einem Tagemarſch von 7 Leguas, das
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Durch den Siiden Merikos und durch Zentral-Amerika.
kolben vor meinen Augen auf einer Matte entkörnt werden, und ich überwachte die Mahlzeit.
Ein Tag boll ſchwerer Arbeit blidte wiederum aus den Bergen vor mir auf mich herab ; denn eine Picada ohne Straßenbau muß faſt immer über die Scheitel derſelben gelegt werden. S. Juan hieß die erſte Höhe , ſo ſteil, daß
ich ſie teilweiſe zu Fuß erklimmen mußte. Es waren % Leguas und ebenſo weit andererſeits hinab zum Rio Jſtela , wo ich zur Mittagszeit eine Stunde raſtete, um Kräfte für den zweiten Anſtieg zu ſammeln. Wald und immer wieder Wald , wohin auch dem Auge der Ausblid geſtattet war, in unſäglicher Pracht! Nach langen Stunden, die meinem Reittier ſo lange wurden , daß es mir den Dienſt verweigerte und ich es von meinem Diener treiben laſſen mußte , war ich auf dem noch friſcheren Tiere des leşteren etwas vorausgekommen und ſah mich einſam im dichten Walde. Da trat auf etwa 100 Sdiritt Entferung ein ſtattlicher Jaguar aus dem dichten Unterholz vor mir in die Picada. Mit hoch erhobenenem Kopf und lebhaft bewegtem Schweife blidte er mich eine Weile an, bis eine beſſere Ueberlegung ſiegte und er ſich rubig ins Didicht
er mir auffallenderweiſe nicht genau angeben. Das Dorf war zwar nur klein , aber von der nahen Bergſpiße , auf der die Trümmer der Kapelle S. Barbara lagen, zeigte er mir gegen Dſten das weite Thal, an deſſen ſeitlichen Pflan: zungen die kleinen Hütten der Indianer ſeiner Gemeinde lagen. Aber auch nad Weſten hinaus fiel es vom Dorfe in ein
weites , vom Walde idon vielfach befreites Thal hinab, ſo daß wir uns hier auf einem ſcharfen Bergrüden bes fanden ,. der nur nach Süden mit der Sierra in Verbin dung ſtand .
Schwere Gewitter geben hier nieder , und ein ſolches hatte auch die Kirche vor Jahren (don getroffen, zu deren
beſſern Inſtandſeßung der Geiſtliche die Anordnungen leitete. So mußte denn jeßt der Gottesdienſt in einem proviſoriſchen
Baue abgehalten werden , in dem am nächſten Morgen .
adit Mütter ſich mit ihren Neugeborenen zur Taufe eins fanden . Niedlid war ibre Tract : ein dunkelblaues Stüd Zeug umhüllte den Unterforper, worüber eine weiße, lange
Jade mit kurzen Aermeln herabfiel, an dem Saume mit rot und blauer Stickerei breit geſchmückt. Die Kindchen trugen ſie unter dieſer weiten Jacke wohlgeborgen.
Die
zurüdzog.
Taufhandlung bringt , dem Cura 1 ), Doll., eine Traus
Der quellenreiche Boden hatte fernerhin die Anlage von Knüppeldämmen veranlaßt , der Wald wurde lichter,
ung 12 Dol.
und nad zehnſtündiger Reiſe trat id, vor dem von Cholos
Nadidem die Mütter ihre Schuld entrichtet, füllte ſich der kleine Raum mit Männern. 3d hörte beftige Rede
bewohnten Drte Tumbala auf die fahle Berghöhe , die in
von ſeiten des Cura , hörte einige wohlgezielte Dhrfeigen
ſo didyte Wolfen gehüllt war, daß ich mich zum Hauſe des Curas führen laſſen mußte. Derſelbe wohnt in Tila, einem Drte einige Leguas nördlich, und ich mußte mich um ſo mehr freuen , ihn zu finden , als der Sculmeiſter, für den ich einen Brief hatte, verreiſt war, und im ganzen Orte nur Indianer wohnen ſollten. Jd ſtand hier in einer Höhe von 1500 m und mein Thermometer zeigte nur 12.5° R.
fallen und konnte mir , wenn ich auf die demutsvoll
an jenem Abend.
Der dicke, behäbig ausſehende geiſtliche Herr nahm mich freundlich in ſeinem beſcheidenen Zimmer auf ; er iſt mir
eine große Hilfe geweſen, um neue Träger für die fünftägige Reiſe nach San Criſtobal zu erlangen, deren ich bedurfte, da meine bisherigen hier ihre Heimat hatten. Leider machte dies einen Aufenthalt von zwei Tagen nötig , weil die meiſten
niederblidenden Empfänger bliďte, die Vorſtellung bilden, daß ein Geiſtlicher in ſo entlegenen Indianer-Anſiedlungen nodi ein mächtiger Herr iſt und auch in weltlichen Fragen
ſein kräftig unterſtüßtes Wort entſcheidend iſt. Sichtlich befümmert ſagte mir derſelbe ſpäter : „ Früher hatten die Indianer doch wenigſtens eine Religion, jeßt haben ſie gar keine !" Ein trauriges Geſtändnis nach dreihundert und fünfzig Jahren geiſtlicher Führung ! Ueber die Welt da draußen befand ſich mein liebens würdiger Wirt , da er gar keine Zeitungen hält , in trau
riger Unkenntnis , aber die Namen des Emperador Guillelmo“ und des Principe Bismarck “ waren ihm dennod bekannt.
leiſtungsfähigen Männer auf ihren weit umher gelegenen
Träger , leider nicht ſehr kräftige Geſtalten , waren
Pflanzungen waren . Auch machte ich mich ſchlüſſig, mich hier von meinem tüdiſchen Reittier zu trennen, und über gab es einem Handelsmann aus Playas , der auf der Reiſe dorthin begriffen war. Es war ein Soweinehändler, der hier in der ſchweinereichen Gegend ſeine Einkäufe gemacht hatte. Die inſektenfreie , leichte Luft , das herrliche Waſſer, die ich beide don ſeit Jalapa entbehrt , genoß ich mit wahrem Behagen. Auch der Cura pries ſein Bila wegen dieſer Vorzüge, ſprach von den prächtigen Menſchengeſtalten, die es dort gäbe, und gab mir die intereſſante Notiz, daß dort auf 200 Geburten im Durchſchnitte nur 25 Todes:
endlich gefunden , und der Weitermarſch begann. Ueber
fälle fämen . Die Bevölkerungszahl dieſer Gemeinde konnte
ſcharfes Kalkſteingeröll ging es durch drei Stunden ſteil
hinab zum Dorfe Eſtancia an einem Flüßchen gleichen Namens und weiter dann über einen Bergrüden zum Stäbchen Gayalung ( 1010 m ü. d. M.), wonach zurück gelegten fünf Leguas in dem Hauſe eines Kaufmannes Nachtquartier bezogen wurde. Der Wald hatte in der mehr bevölkerten Gegend den Kulturen von Mais und Bohnen weichen müſſen oder trieb in Geſtrüpp wiederum empor. Der 3000 Einwohner zählende freundliche Ort füllt einen Thalkefiel aus, hat gutes Waſſer, und die geringe Zahl von 15 bis 20 Todesfällen im Jahre ſpricht für ein geſundes
Klima. Die Einwohner rühmten mir den herrlichen Boden ,
Durch den Siiden Mexitos und durch Zentral-Amerika. der ohne Ruhe Mais auf Mais trage.
In den Wäſſern
des Waldes ſoll der Tapir, den ſie , anteburros nannten, häufig vorkommen . Mit dieſem Orte betrat ich ein neues
indianiſches Sprach- und Stammgebiet, das der Tjendals.
191
klagenswerten Zuſtande der Vernachläſſigung. Regellos ſtanden an den Wänden große Kreuze und rotverhangene Bilder ; weber Orgel noch Hochaltar war vorhanden . Indias ner in verſchiedenen Kolonnen machen die Nunde vor den
Mayas und Tſendals ſollen ſich nur dywer verſtändigen. Lebensmittel waren billig ; für 1 Real (40 Pfg.) gab man mir 12 Eier und für dieſelbe Münze eine halbe Flaſche
Gegenſtänden der Verehrung ; hier ſteht eine Reihe Männer in lautem Gebete, dort kniet eine andere, und weiter liegt
recht guten Zuderrohrbranntwein.
Meine liebe Not batte ich mit dem ſich als dringlich
ſtalten , die über den weißen Unterkleidern mit rotem Leib: gurte einen dweren ſchwarzen Poncho tragen, das Haupt
herausſtellenden Beſchlag meiner Maultiere, den ich nicht
iſt unbededt. Später betrinken ſie ſich und beläſtigen mich
eine dritte ausgeſtredt am Boden. Es find mächtige Ges
erlangt haben würde, wäre ich dem Schmiede nicht ſtets
bis in die Nacht binein. Hier gibt es zuerſt Drangen in
zur Seite geblieben. Nach jedem eingeſchlagenen Nagel
den Gärten ; wir ſind 1543 m ü. d. M.
folgte ein tiefer Seufzer und trat eine längere Pauſe ein. Der nächſte Tag brachte dywere Arbeit, gleich ſeinen Vorgängern, aber nad: kurzem Anſtiege die Freude des luf
gefährte , der des gleichen Weges mit mir ziehen wollte,
tigen Nadelholzwaldes (Pinus Montezumae), durch deſſen Wipfel ſanftes Nauſchen tönte wie ein vertrauter heimats licher Klang. Der dumpfe Urwald lag hinter uns. Das Dorf Chilon, in tiefem Grunde gelegen, hatten wir paſſiert, um in ſteigender Hiße von neuem durch den Walda aufzu: klimmen, der ſich erſt gegen Abend lichtete; wir gelangten
Mein Stubens
trieb bereits ſo zeitig zum Aufbruche, daß wir ſchon bald nach 5 Uhr, vor der Sonne, auf dem Wege waren . Mein Reits
tier mußte in der Dunkelheit einen Fehltritt gemadyt haben und fing an zu lahmen , ſo daß ich mich entſchließen mußte, die Reiſe zu Fuß fortzuſeßen. Sie führte durch ein recht intereſielojes offenes Land , das erſt ſich ſanft fenfte und
dann hob. Es war ein ſchweres Tagewerk. Labung brachten mir Drangen , mit denen beladen ein Indianer
zu dem Kirchdorf Chitala ( 1225 m ü. D. M.), und ich fand
des Weges fam ; als ich ihm für 20 Stück einen halben
leidliche Reſte in einem geräumigen Cabildo, in deſſen offener Vorhalle außer mit meinen Trägern noch ein zahl
Neal gab, war die Freude groß. Am Fuße einer ſchroffen Felswand lag plöblid das Städtchen Tenejapa mir zu Füßen ; aber es war ſchwer, mein erlahmtes Tier über den rauhen Ziczacweg ins Thal zu น bringen. Mit nur kurzer Raſt war ich ſieben Stunden gegangen. Abends deckte dichter Nebel den fleinen , ſtillen Ort , und unter gedämpfs tem Trommelidlag trug man die Figur des Heilandes mit dem Kreuze in violetter Gewandung, gefolgt von der Mutter Maria in Schwarz, durch die dämmerigen Straßen . Ein maleriſches Bild in trübſter Stimmung ! Da die Kirchenglocke (dywieg, fein Geiſtlicher der Prozeſſion vorans
reiches wanderndes Volk die müden Glieder ſtreckte.
Im Nadelwalde ging die Reiſe weiter. An einer Quelle ſtießen wir bald auf einen großen Trupp uns ents
gegenkommender , Zuder in fleinen , braunen Stüden
ſchleppender Indianer. Garſtiges, kleines Volt, gegen das mein Diener Valentino, wie überhaupt von jest ab gegen
die Bevölkerung, ein tiefes Mißtrauen hatte und vor dem
mich eindringlid) zu warnen er nicht unterließ. Männlein wie Weiblein trugen weite , ſchwarz und weiß geſprenkelte grob wollene Hemden, mit einem farbigen Gurte zuſammengehal ten ; die Weiber hatten Wülſte von rotem Tuch mehrfach um
dyritt , war es eine private Veranſtaltung , die man hier
duldete. Die Bevölkerung des Ortes ſollte in ihrer Mehrs
den Kopf gewunden . - Beim Dorfe Cahuantepec überſchrit: ten wir ein munteres Bergwaſſer. Auf dem Bergrüden , zu
zahl Ladinos (Weiße) ſein ; ich habe aber häufig die Beob: achtung gemacht, daß, wenn dieſelbe auch nach der Hauts
bem es dann in mäßigem Anſtiege hinaufführte, fand ich eine Eiche (Quercus macrophylla) inmitten der Pinien.
farbe ſich als ſolche bezeichnen könnte, wenn auch die hohen Jochbeine ſdon verſchwunden ſind , dod die breite Naſe mit großen Naſenlöchern an ihnen zum Verräter einer india
Der Blid nach Weſten von der erklommenen Höhe zeigte
in der Ferne das Gebirge in mehr einheitlicher Maſſe und fanfteren Linien. Auf böſem Ralfſteingeröll mußten wir nochmals zur Tiefe an ein maleriſches Waſſer, über das die einzige Brücke führte , die ich im Staate Chiapas ge : ſeben . Es war ein eingedachter Holzbau, 1880 beendet. Honor y gloria á la Administracion del “ 2c. 2c. ſtand
niſchen Vermiſchung wird. Eine Unterſuchung des erlabiten Tieres ſtellte ſeine
Unbrauchbarkeit für die Reiſe nad S. Criſtobal heraus. Da der Diener Valentino ſdon am nächſten Tage auf der Heimreiſe hierher zurückkehren mußte, gab ich dasſelbe in Dbhut, beſtellte einen Träger für mein Sattelzeug und
über dem Eingange; Worte , die ein Reiſender in dieſem
trat die leßte Tagereiſe von ſechs Leguas zu Fuß an. In der
Lande aus dankbarem Herzen unterzeichnen möchte. Mit meinen elenden Trägern ging es nur langſam voran, und
Ungeduld, das langerſehnte Ziel baldigſt zu erreichen , übers
Cancuc , ein größerer Ort mit Piazza und Kirche, wurde mühſam erreicht. Neben einem Hauſierer fand ich in der geräumigen Schulſtube meine wohlverdiente Ruhe.
Angeblich befand ſich kein Cura im Drte. Die Kirche, aus der mir lautes Beten entgegenſchallte, war in einem be
ließ ich die Führung der Indianer dem Diener und trat allein die Wanderung an. Aus dem Geſtrüpplande tam ich in ſtetem Auf- und Abſtiege in freies und mehr bes völkertes Land, in dem mir, wie früher von Geſteinen ber
Ralt, von Bäumen die Pinien und Eichen vorzuherrſchen ſchienen. Es kamen mir zahlreiche Ladinos , immer in
Durch den Siiden Mexifos und durch Zentral-Amerika.
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größeren Truppe, ſtädtiſch gekleidet , die Frauen nie ohne
S. Criſtobal iſt die Hauptſtadt des Staates Chiapas,
Sonnenſchirm , entgegen. Als einzeln meine Straße ziehend, mußte ich den Leuten auffallen, und teilnehmende Seelen warnten mich vor den Indianern und rieten mir, zu
der fid aus zwölf Departementos zuſammenſett zugleich Siß des Gouverneurs, ſowie eines Bildhofs, dem am Orte allein adytzehn Kirchen unterſtehen. Man gab mir die Bes
warten, bis ich Geſellſchaft fände.
völkerung der Stadt auf 15,000, diejenige des Staates auf
Ich bin darauf im
Walde mehreren einzelnen Indianern begegnet, habe aber immer einen höflichen und freundlichen Gruß erhalten . Um zwei Uhr ſchleppte ich die müden Glieder den leßten Berg hinab ; idon lange hatte ich von höheren Punkten
ca. 200,000 Seelen an. Die Stadt hat eine Garniſon von 500 Mann ; derſelben gehört eine Kaſerne mit hübſchem Ererzierplaß. Eine ſtändige Befaßung iſt erſt ſeit einigen Jahren in Folge von Unruhen als ratſam erkannt worden,
ſie erblidt , die Stadt , die mir Ruhe und Pflege nach
als die in der Nähe anſäſſigen Stämme der Chamulas unter
viel Mühſal und Entbehrung bieten ſollte. S. Criſtobal liegt in einer wohlkultivierten Ebene ; aus der Mitte der langgeſtredten Häuſermaſſen ragt ein Hügel mit einer Kapelle; gegen Weſten ſchließen die fahlen, droffen Berge der Sierra Madre das Bild ab , während ſonſt niedere Hügel die Ebene umgeben . Infolge meiner durch die Reiſe etwas geidädigten und auch der Mode des Landes nicht ganz entſprechenden Klei dung widerfuhr es mir, daß man mir in zwei Gaſthöfen die Aufnahme verweigerte und ich mit meinen inzwiſchen eina getroffenen Leuten auf der Straße lagern mußte, bis ich
Führung eines Weißen, eines früheren Schullehrers, ſich gegen die Stadt erhoben . Die Keime der Unzufriedenheit bei jenem kräftigen Indianerſtamme, der jenſeit der öſtlichen Höhen in fompakter Maſſe ſißt, ſollen allerdings durch die Weißen gelegt worden ſein , die zu ihren Landkulturen uns
mit einem Kreditbriefe aus der Hauptſtadt einen anges
ſtaunenswert ſein ; mit 3 bis 6 Arrobas ( 1/2 Ztr. ) überwin den ſie die ſchlimmſten Bergpfade, und unter Umſtänden
.
ſebenen Kaufmann aufſuchte und, durch ſeine gütige Be gleitung gehoben , bei einer franzöſiſchen Witwe ein Unter: kommen fand.
Ueber die Beſchreibung der Stadt kann ich leicht hin . weggeben : wie überall im ſpaniſchen Amerika, trägt faſt jede Stadt das gleiche Gepräge. Ueberall die quadratiſche Anordnung der breiten , dattenloſen Straßen ; das bür: gerliche Haus mit ſeiner ſchmudloſen monotonen weißen Mauer und den vergitterten Fenſtern zeigt auch in ſeinem
Innern faſt nirgends einen weſentlich verſchiedenen Plan. Die Kirchen in ihrem charakterloſen Bauſtil ziehen um ſo weniger an, weil man überall ſicher ſein kann , in
rechtmäßiger Weiſe indianiſchen Grund und Boden benußt haben. Die Chamulas, die ihr eigenes Idiom haben, und deren unterfekte, fraftvolle Geſtalten man täglich auf dem Marktplaße mit ihren Produkten ſehen kann, ſtellen die Laſtträger für den Handelsverkehr nad S. Juan Bautiſta im öſtlichen Tieflande. Ihre Leiſtungen als ſolche ſollen
ſd leppen ſie auch 4 Zentner. Der Zuſtand der erwähnten Straße foll allerdings ein ſo entſeglicher ſein, daß ſie für Laſttiere ſtredenweiſe nicht zu benußen iſt. Der jeßige Gouverneur Manuel Cacrascojas, der mich über den von mir gereiſten Weg befragte, äußerte bei dieſer Gelegenheit die Abſicht, die Verkehrswege zu verbeſſern , welche gegen wärtig noch ſo daliegen wie unter der Indianerherrſchaft. Wie ich fürzlich erfuhr , hat der Mann ſein Wort ges balten , und der dlimmſte Teil der erwähnten Strafe
foll ſchon heute ſu weit gebeſſert ſein , daß Laſttiere bis ins Tiefland hinab ſicher gehen fönnen .
Es iſt das um
ihrem Innern fein beachtenswertes Kunſtwert zu finden.
ſo anerkennenswerter , als der Gouverneur von ſeinem
Deffentliche Profanbauten leiden an derſelben ſchablonens haften Langweiligkeit. Es iſt wohl bezeichnend für die ſpaniſch -amerikaniſche Baukunſt, daß ich nirgends veranlaßt
Vorgänger eine Sdyuldenlaſt von 30,000 Dollar übers
worden bin, nach dem Namen des Baumeiſters zu for den
Der Beſchmad endlid , in dem die Gartenanlagen auf einem Plaße ſich darſtellen , iſt derſelbe , ob man ſie an der Dſt- oder Weſtküſte Amerikas oder in Merito fiebt. den Eindruck babe id Der Geiſt der Bevölkerung überall erhalten iſt nur in politiſchen und auch da
meiſtens nur aus egoiſtiſchen nicht patriotiſchen Gründen regſam. Nirgends erwärmt er ſich für Kunſt, für Wiſſenſchaft,
für Werke der Nächſtenliebe, für das Gemeinwohl; und wo man Spuren davon gefunden zu haben glaubte, ſind ſie auf europäiſche Anregung zurüdzufübren , und finden ſelten rechtes Verſtändnis, dauerndes Intereſſe oder Opferwilliga
feit, nur als Schauſtücke dienend. Su muß denn für den Europäer überall das Leben in dieſen Ländern ode, arm und dymudlos erſcheinen.
nommen hatte. Beſſer, für Laſttiere durchaus benußbar und fürzer, iſt die Straße nach Weſten hinab zum Hafen von Tonala ; man gab mir fünf Tagereiſen an , während es deren ſieben oder adyt bis S. Juan Bautiſta ſein ſollen .
So vollzieht ſich denn der Bezug europäiſcher Waren heute noch größtenteils vom weſtlichen Meere herauf. Die Kons
zeſſion einer Bahn war bereits geraume Zeit erteilt , und id böre nun neuerdings , daß eine engliſche Geſellſchaft den Bau endlich in Angriff genommen hat. Jď ſprach vom Marktplaße und ſeinem Verkehre ; da möchte ich doch noch eine kleine Berichtigung ein dalten . Noch neuere Reiſende erzählen , daß dort kleine
Sädchen mit Kakaobohnen als Speidemünze gebraucht würden , wie zu Zeiten Montezumas.
Das war bis vor
zwanzig Jahren ridtig , als man noch feine kupferne Scheidemünze hatte, aber heute ſieht man dieſes Zahlmittel nidyt mebr.
Bei raſdem Wedſel zwiſden Dſt: und Weſtwind war
Durch den Siideu Meritos und durch Zentral- Amerila.
die Temperatur ſehr veränderlich. Bei häufigen , nebeligen Morgen während meines Aufenthaltes von Ende Februar bis Anfang März fanf das Thermometer bis + 50 C.; und bis in den Mai hinein ſollen Nachtfröſte möglich ſein, ſo daß
Wein und Dliven nicht zu kultivieren ſind. Ein alter europäis der Reſident hat hier im Winter 50 C. erlebt. Im Sommer ſteigt die Wärme bis 300 C , und als Fahresmittel foll man 100 C. annehmen können.
In der Umgebung der Stadt baut man mit gutem
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ſich an Stelle eines abgebrannten Gebäudes ein neuer Regierungspalaſt, der jedoch erſt ſeit kurzem in Angriff genommen war. Bis zur Vollendung desſelben reſidiert der Gouverneur mit ſeinem Verwaltungsapparat in einem für ihn beſtimmten Teil des „Instituto“. Das Instituto “ , eine Lehranſtalt für Medizin und Jurisprudenz , hat mit dieſen Disziplinen ſeinen Siß im
alten Kloſter S. Domingo ; eine neuerdings eingerichtete Klaſſe für neuere Sprachen und faufmänniſche Buchhals
Erfolge Weizen , den eine Dampfmühle verarbeitet. Bes
tung iſt jedoch in dem oben erwähnten Gebäude unters
merkenswert iſt auch eine unter deutſcher Leitung und mit
gebracht. Das תInstituto “ iſt eine mit nicht unbedeutens
deutſchen Kräften, aber mit einheimiſchen , leider etwas zu knappen Mitteln arbeitende Schuhzeugfabrik. Die klimatiſch günſtiger gelegenen Teile des Staates im Dſten und Weſten produzieren einen guten Tabat, einen ganz vorzüglichen Rakao , der von Soconusco zur ſpaniſchen Zeit an den Hof von Madrid geliefert worden fein ſoll, ſowie Kaffee. Alle dieſe brei Produkte finden aber ihre Konſumenten zum großen Teile in Mexiko ſelbſt; Kakao muß ſogar noch aus Südamerifa zugeführt werden .
den Rapitalien ausgeſtattete Anſtalt. Ein Dr. Chriesbrecht, ein bejahrter belgiſcher Arzt, der ſchon lange Jahre im Lande lebte und mit dem ich häufiger verkehrte , erfreute mich beim Abdiede burch einige niedliche Gaben . Zunädſt zwei ſehr zierliche Beile aus Nephrit, einem Geſtein , das er in den nach Dſten ab fallenden Flußthälern häufig geſehen . Leider für mich nicht zu erwerben , weilſdon anderweitig darüber disponiert
In der Montaninduſtrie ſind ältere Kupfers, Silbers und Eiſengruben bei Tusla in der weſtlichen Sierra Madre
Material, ein Höhlenfund aus der Nähe von Comitan. Derſelbe ſtellte zwei mit dem Rüden gegeneinander fißende
zu erwähnen, und neuerdings hat man bei Acala Silber
menſchliche Geſtalten dar, von denen die eine barhäuptig, war die andere eine Art phrygiſcher Müße trug. Das Skulp
erze gefunden, die eine ungemein reiche Ausbeute verſprechen. Die Zahl der Europäer war zur Zeit ſehr gering ; Landsleute waren nur vier, dazu ein Frar:zoſe, zwei Stas liener und ein Belgier. Ich kann die Liebenswürdigkeit nicht dankbar genug anerkennen, die mir einer derſelben , ein junger Kaufmann, erwieſen , indem er mir meine Weiterreiſe erleichterte und gelegentlich eines Erpreſſungs: verſuches treu zur Seite ſtand, den der Verleiher der beiden Maultiere in Playas mit Hülfe ſeines hieſigen Ans hangs dadurch auszuüben ſuchte, daß man von mir die
worden , war ein intereſſanter Gegenſtand aus gleichem
turwert in etwas roher Ausführung hatte eine Höhe bon 30 cm . Aber eine Gabe erfreute mich beſonders : es iſt eine kleine nachgebildete menſchliche Totenmaste bon gebranntem
Thon, wie deren ſchon häufig in den europäiſchen Muſeen vertreten ſind, mir aber in ſo feiner Ausführung noch nicht zu Geſichte gekommen waren.
Der Ausdruck des
Todes iſt wunderbar ausgeprägt, die Stirne ſchmüdt ein Kranz. Dr. Chriesbrecht fand ſie im Staate Tabasco mit einer Menge anderer, neben einer Steinplatte, die
Hinterlegung einer übertrieben hohen Wertſumme verlangte, als Dedung für die Möglichkeit, daß die Tiere nicht
deutliche Spuren von Feuer auf der Oberfläche trug ,
wiederum nach Hauſe kämen. Ich bekam erſt Ruhe vor
Scheu vor dieſem Drte und waren draußen zurückgeblieben.
meinen Verfolgern , als der Gouverneur dem Polizeichef den Befehl gab , mein Quartier zu überwachen und dies felben berhaften zu laſſen , wenn ſie zu mir bringen wollten . Für eine zu Gewaltthaten geneigte Bevölkerung idien zur Zeit der Arm der Gerechtigkeit zu ſchwach zu ſein. Als in jenen Tagen eine Frau in ihrem Hauſe von einem Manne erſtochen wurde , meinte man , der Mörder würde
Bei mehreren der Masken ſah der Finder die Todesart des
.
ſich ſicherlich nur auf einige Zeit unſichtbar machen und
dann unangefochten hier leben können. Zum Beweiſe das für, daß dieſe Annahme nicht gewagt ſei, nannte man mir einen Mann , der hier lebte und fich ted rühme , ſiebzehn
Morbe begangen zu haben. Weit bedenklicher lautete jedoch ein anderer Fall. Ein Offizier hatte an hellem Tage vor dem Wachtlofale im Regierungegebäude in eigener Angelegenheit eine Frau niedergeſchoſſen. Er verließ den Dienſt für einige Zeit , war aber dann ins ſelbe Regi ment wiederum aufgenommen und ſogar befördert worden. Mit einer ſtattlichen Front gegen die Plaza erhob
in
einer Felsſpalte. Die ihn führenden Indianer hatten eine
Verſtorbenen deutlich wiedergegeben ; er beobachtete Vers wundungen, Blatternarben u. dergl. Endlich war der Daultierbeſißer , ben mein freunds licher landsmann mir zugedacht, von einer Reiſe zurüds gekehrt , ſeine Tiere hatten einige Tage geruht , und dem Aufbruche nach Guatemala ſtand meinerſeits nichts mehr im Wege. Der kontrahent jedoch hatte zwei Bedenken ; das eine war, daß ich den langen Ritt - die Wegſtrede war auf 14 Tagemärſche feſtgeſtellt worden – nicht würde aushalten können, das zweite knüpfte ſich an die Art, wie -
ich meinen Namen unter den Kontrakt geſeßt hatte. In Merito iſt es nämlich Gebrauch, denſelben mit einem oft
febr kunſtvollen Gewirre von Schnörkelzügen zu umgeben, „ rubrica“ im Spaniſchen ; dieſes vermißte er bei dem meis nigen und zweifelte deshalb die Wirkſamkeit meiner Unters idrift an. — Beide Bedenken konnten eigentlich nur bei der Ankunft in Guatemala vollſtändig gehoben werden ,
Geologiſche Mitteilungen aus dem Staate Waſhington.
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aber unſer Landsmann drängte ſie doch ſo weit zurüd , daß
am 9. März Don Elibertos mit einem Knechte und fünf Tieren im Hofe des Gaſthauſes erſchien.
einer Höhe von 9750 engl. Fuß fich erhebenden , ziemlich ſteilen Felſenkegel.
Derſelbe bildet mit dem Berg Rainier oder Tacoma,
Die Straße nad Süden verläßt bald die fahle Thal
14,444 Fuß hoch, und dem Berg Adams, 9570 Fuß, das
ebene ; vor die Rette der Sierra Madre im Weſten , die ſich in ſchroffen, bis 1000 und mehr Fuß hohen Bergen, von der Stadt aus darſtellt, treten niedere Hügel , im
rieſen , in einer Entfernung von 40 bis 60 engl. Meilen
Dſten mit Pinien , Eichen und Arbuten bedect. Sanft
überall , wo man ſteht oder geht , über den Geſichtskreis
aufſteigend, bleiben wir lange Stunden in ihrem Schatten.
Lid in Mitte grüner Fluren liegt uns zu Füßen das Städchen Teopisca. Einem von Süden fommenden Flüß chen hat man oberhalb einen Teil ſeines Waſſers für die
der Landſchaft. Bald iſt es der eine , bald der andere, des öfteren zwei von ihnen auf einmal , mandinal ſogar alle drei. Ihre im Sonnenglanze förmlich ſtrahlenden weißen Schneehäupter ſtechen wunderbar ſchön vom dunklen Grün der Urwaldborſten , von den grünen Fluten des Sundes und dem tiefen Blau des Himmels ab. Sie bilden eine lebhaft wirkende Staffage auf dem ewig
Gärten abgeleitet, die ſich ſichtlich dankbar dafür erweiſen.
wedſelnden, reizvollen Landichaftsbilde, weldes das Alpen
Von drei Kirchen des Ortes ſind zwei dem Verfalle preis: gegeben. Ueber einen Hügelrüden hin erreichen wir zu
land am Stillen Meere an unzähligen Stellen bietet. Mitten aus einem förmlichen Gewirr , einem bunten
guter Zeit, gegen den Geſchmad Don Elibertos, der ſchon
Durcheinander von Bergketten, weiten und engen Thälern,
gern bei Freunden in Teopisca geblieben wäre, das ans
während unſerer Zurüſtungen begafft von Dännern , die aus den Blättern einer kleinen Fächerpalme die Streifen
Schluchten, Bergkeſſeln, Schroffen, Graten, Domen , Kegeln, langgeſtreckten Höhenzügen , weldhe bis an das eigentliche Küſtengebirge ſich erſtreden , faſt durchweg mit düſterem Tannenwald bis zur Schneegrenze bededt , ſteigen dieſe Bergrieſen auf breit vorgelagerter, fahler, felſiger Grund
zu Hüten flechten.
mauer bis über die Wolken empor.
3ch fche große Strecken herrlichen Nadelholzbeſtandes zum Anbau ' von Weizen niedergelegt und in Brand geſteckt. Nachmittags ſind wir auf eine Höhe gelangt, und freunds
ſehnliche Dorf Amatenango, am Fuße der öſtlichen Berge, und ſchlagen im Gemeindehauſe unſer Nachtquartier auf,
(Fortſegung folgt .)
Wahrzeichen des Staates Waſhington. Dieſe drei Berge von einander ſtehend und ein Dreieck bildend, ragen faſt .
Im Vergleiche mit
ihnen ſehen die anderen Berge, obgleich viele der leßteren
cbenfalls mit ewigem Eis bededt ſind, klein, unbedeutend, fogar nichtsſagend aus. Und doch bilden dieſe Berge eine
Grologiſche Mitteilungen aus dem Staate Waſhington.
Alpenwelt, welche an Großartigkeit und Schönheit dem öſterreichiſchen Hochgebirge ebenbürtig an die Seite geſtellt
Von A. Ludloff.
ihre Witterungsverhältniſſe und ihre Forſten. Wie bereits eingangs erwähnt , ſind alle dieſe Berge
Der vulkaniſche Charakter der Gebirge Weſt-Waſhing tons wird am beſten durch die Thatſache gekennzeichnet, daß eine der bedeutendſten Erhebungen des Kaskaden
werden kann , und ſie ähnelt dieſem auch in Hinſicht auf
vulkaniſder Natur: in dem Sinne , daß ſie aus Felfen
arten beſtehen , welche ſamt und ſonders im feuerflüſſigen
Gebirges, der Berg St. Helens, in den vierziger Jahren
Zuſtande aus dem Erdinnern hervorgegangen ſind ; mit
dieſes Jahrhunderts in Geſtalt von Feuer und Lava: ergüſſen den Beweis lieferte , daß wir es hier nur mit hlummernder und keinesfalls mit erſtorbener unterirdiſcher Thätigkeit zu thun haben. Freilich ſind die Berichte hierüber ſehr ſpärlich und
der Einſchränkung jedod, daß mit dem Ausdruck vulkaniſch die ganze Stufenleiter der eruptiven Geſteine gemeint ſein ſol, vom Trachyt bis zur jüngſten Lava. Und ſo zeigen denn auch die aus dem eigentlichen Hochgebirge kommenden
recht ungenau ; ſie beſchränken ſich auf die Ausſagen einiger
alten Anſiedler, welche um jene Zeit ins Land famen und von der damals die ganze nördliche Pacifit-Küſte beherr
Ichenden Hudſon -Bai -Kompagnie auf dem unter der Bes zeichnung Rowlip: Prärie bekannten Landſtric), im jeßigen Lewis County des Staates Waſhington , ſekhaft gemacht worden ſind. Dieſe Leute erzählen mit großer Beſtimmts heit , der im Dſten von ihren Anſiedlungen ſichtbare, das Kaskaden-Gebirge hoch überragende Bergfegel habe zu jener Zeit in den Nächten ſo hell geleuchtet, daß man im Freien vor der Thür des Blockhauſes babe leſen können. Nad und nach ſei das Feuer erloſchen , der Raud babe aufgehört , und jeßt bededt ewiger Schnee den bis zu
Flüſſe eine wahre Muſterkarte aller nur erdenklichen plus toniſchen und vulkaniſchen Geſteine in ihren Geröllbänken,
ſo zwar , daß ein Mineraloge ohne alle Schwierigkeit die Hauptvertreter aller dieſer Geſteinsarten nebſt ihren Ueber gängen und Metamorphoſen auf dem beſchränkteſten Raum
aufleſen könnte. Damit nicht genug ; auch die durch die Glut der Laven aus ihren Lagerſtätten heraufgebrachten ,
meiſtens ſehr veränderten Bruchſtüde der kryſtalliniſchen Schiefer finden ſich ziemlich häufig und ferner Trümmer der Kreideformation , welche vor , während und nach der vulkaniſchen Aftion unmittelbar auf die vulkaniſchen Bil dungen gelagert zu ſein ſcheint. Mit voller Abſicht wurde geſagt „ ſcheint". Denn
das in Rede ſtehende Gebiet wurde bisher nur ganz obers
Geologiſche Mitteilungen aus dem Staate Waſhington,
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flächlich geologiſch unterſucht ; es iſt in ſeinem allergrößten Teile eine wahre terra incognita. Raum daß Gold oder Kohlenſucher , Jäger und Fallenſteller in die faſt
Unterſuchungen können hierüber endgültige Klarheit bringen . Es iſt überaus merkwürdig , daß bis jeßt weder in Kalis fornien, noch in Dregon, noch in Waſhington jemals von
undurchdringliche Gebirgswildnis eindrangen.
Seiten der Bundesregierung irgend welche geologiſche Auf nahme vorgenommen worden iſt. Was man weiß, beſchränkt
Erſt in
den allerleßten Jahren iſt es , dank dem Fortſchreiten der Anſiedlungen in den Thälern der Hauptflüſſe und denen
der Vorberge, möglich geworden, hier und da, wenn auch
ſich auf die Angaben von Privatleuten oder ſolchen Ges lehrten , welche zufällig die Küſte beſuchten und ein diegs
immer noch in ſehr beſchränkter Weiſe , in das eigentliche
bezügliches Urteil abgaben ; alles andere verliert ſich in
Hochgebirge borzubringen.
unbeſtimmte Mutmaßungen. So fann es ſich nur darum handeln , über das zu
Dem Schreiber dieſes wurde zu Anfang Sommers des vergangenen Jahres von ſeiten des Herrn Paul Sdulze, des Vorſtandes des Landdepartements der nördlichen Pacifif:
bahn zu Tacoma , Waihington , der ehrenvolle Auftrag, jenen Teil des Weſtabhanges der Kaskaden zu durch: forſchen , welcher ſüdlich vom Rowliß : Fluß liegt , die Quellengebiete der Bäche Winſton , Cedar und Salmon einſchließt und bis in jene Gegend reicht, wo ſich die vier Arme des Toutle-Fluſſes zu einem Ganzen bereinigen. Es bandelte ſich darum, die Grenzen der Rohlenformation gegen Dſten feſtzuſtellen und gleichzeitig Klarheit darüber zu erlangen , ob die Gerüchte über große Eiſenerzlager, welche über dieſe Gegend im Umlaufe waren , nur auf Annahmen oder auf Thatſachen beruhten. Es kann natür:
lich nicht Zwed dieſer Mitteilungen ſein , ſich über dieſe Angelegenheit zu verbreiten ; es kann fich bei denſelben
nur um Angaben von allgemeinerem Intereſſe handeln . Die Durchforſchungsarbeiten begannen im Juli, und ihnen
berichten , was man mit eigenen Augen ſah, und die Eins drüde zu dildern, welche man dabei erfuhr. Wie wenig paſſend die von der Wiſſenſdaft gewählten und allgemein als gültig betrachteten Benennungen manch mal ſind , ſieht man deutlich an der Bezeichnung Kreide gruppe , Cretaceus - Formation, für die hier und entlang
der ganzen nördlichen Pacifit-Küſte befindlichen großartigen Ablagerungen. Nicht eine Spur von Kreide iſt zu finden, und nur ſelten, an wenigen Dertlichkeiten, führen ſie Stalf.
Sie ſtellin ſich als rieſige Thon- und Sandſchichten dar, welde, wie bereits bemerkt , vor , während und nach der vulkaniſchen Epoche im Seewaſſer, alſo auf dem Meeress
grunde , als Küſtenbildung in den Meeresbuchten und binter vorgelagerten Inſeln abgeſekt worden ſind. Und der größte Teil der Thone und Sande , vielleicht die ges ſamten Beſtandteile, welche ſie bildeten, ſtammen von den vulkaniſchen Geſteinen her , welche das Rasfaden-Gebirge
wurden Ende Oktober durch die dann eintretenden Regen:
aufgetürmt haben. Im kleinen Maßſtabe vollzieht ſich
ſtürme ein Ende gemacht. Die kurze Spanne Zeit von nicht ganz vier Monaten reichte natürlich nicht hin , eins
dieſe Bildung noch heute , wenn auch ohne Beigabe von Kohlenflößen , im Buget-Sunde und in nod auffälligerer Weiſe an der Mündung des Columbiafluſſes in den Stillen Dzean.. Und das geht ſo zu : Die im Hochgebirge entſpringenden, in Folge des an: fehnlichen jährlichen Niederſchlages ſehr zahlreichen und
gebende Studien in einem Gebiete zu machen, deſſen Wild heit und Unwegſamkeit ſelbſt die fühnſten Vorſtellungen weit übertrifft. Aber das bereits Erreichte mag als Grunds
lage für weitere Forſchungen von beſonderem Werte ſein ; denn nur dann ſind ſolche Arbeiten erfolgreich , wenn ſie ſich an das bereits Befannte anſchließend , ſyſtematiſch fortgeſellt werden . Soviel über die Veranlaſſung zur .
Durchforſchung und die Berechtigung zu den vorſtehenden
waſſerreichen Flüſſe nehmen im Hochſommer, wenn der Schnee in jenen Höhen anfängt zu ſchmelzen und die Gletſcher des Tacoma (Rainier), Mount Helens und Adams in Bewegung geraten , eine mildweiße, dichte Trübung an ;
ſie ſind dann ſo ſchmußig , daß man nicht das Geringſte
Mitteilungen. *
Weſt-Waſhington iſt durch ſeinen Reichtum an Kohlen mit vollem Recht berühmt. Dbgleich noch nicht der tauſendſte Teil ſeiner fohlenführenden Ländereien erforſcht iſt und bis
jeßt nur etwa ein Dußend größerer Gruben im Betriebe ſind, ſpielt hon heute die Waſhingtoner Kohle eine ſehr bes deutende Rolle auf dem Abjaßgebiete der weſtlichen Erd hälfte , und die Zeit iſt nicht fern , da ſie die engliſche Koble gänzlich aus den Häfen des Stillen Meeres ver treiben wird .
Die Kohlen gehören einer verhältnismäßig jungen For mation an, welche von einigen Geologen der Kreideformation beigezählt wird, während andere behaupten, die betreffenden
darin zu erkennen vermag ; oder ſie führen feinförnigen Sand , Trümmer der Lavafelder und Bimsſteine in folder Menge , daß ſich die ins Waſſer gehaltene Hand ſofort mit Sandförnern bededt. In manchen Flüſſen , ſo z. B. im Toutle , iſt der Sand dermaßen mit Magnets eiſenerz-Körnern vermiſcht, daß die Magnetnadel von ihnen angezogen wird und den Dienſt verſagt. Die milchweiße Trübung, welche zu dieſer Zeit der Cowliß-Fluß zeigt, rührt vom Thon her.
Es iſt meiſtens verwitterter Feldſpath ,
Raolin, wie man ihn häufig in den im Gerölle des Fluſſes
befindlichen Bruchſtücken der alten plutoniſchen Steine be merken fann.
Schichten bildeten die jüngſten Ablagerungen der Jura
Wo fich nun dieſe vom Waſſer gebrachten Minerals beſtandteile abſeßen, müſſen Sand- und Thonſdidhten ents
periode. Neue eingehende, von Autoritäten vorzunehmende
ſtehen , welche denen der Kreides oder Juraformation
Scologiſche Mitteilungen aus dem Staate Waſhington.
196
volftändig gleidh fein werden . Denn die verſchiedenartige Färbung und Zuſammenſeßung der Thone iſt das Ergebnis der Miſchung verſchiedener Suflüſſe mit ihren Beimen
Städtchen Toledo eine ſolche Muſterfarte der verſchiedenſten Thone, daß man kaum ſeinen Augen traut : vom harten
flintartigen , feinförnigen Thon bis zum himmelblauen,
gungen bon Eiſens und anderen Erzen. Dieſe letteren
zähen, klebrigen, welcher ſidh wie Leim an die Füße heftet ;
bedingen die Färbung. Auch zeigen fide die Eiſenerze öfters als Sumpferz geſondert zwiſchen den Thonſchichten abgelagert und geben hier und da Gelegenheit zu getvinn
weiße, graue, gelbe, grüne Thone in allen Schattierungen und in ſolcher Menge , daß jede Sorte beſonders abge
bringendem Betriebe.
Die Sand- und Thonmengen , welche der Columbia : ftrom aus den in den Kaskaden entſpringenden Neben
baut und techniſcher Verwertung zugeführt werden könnte. Erſt feit etia Jahresfriſt haben dieſe ſo häufig auftreten: den Thonarten das Intereſſe einzelner Unternehmer erregt. Es wurden hier und da Proben entnommen und zur
flüffen fortwährend erhält, ſind ſo beträchtlich, daß ſie vor
Prüfung nach Deutſchland geſandt. Die Verſuche, welche
ſeiner Mündung jene ſtets ſich verändernden Schlamm und Sandbänke bilden , die der Schiffahrt fo gefährliche
damit unter Benußung der bekannten Dr. Segerſden Pyrometer angeſtellt wurden , ergaben zum Teil über
Hinderniſſe bieten . Die in den Puget-Sund mündenden Flüſſe fönnen deshalb kein Unheil anrichten , weil die Solammaffen von der im Sunde etwa vierzehn Fuß ſteigenden Flut unb Ebbe ins Meer getragen werden und die Straße Juan de Fuca , durch welche Ebbe und Flut augs und einſtrömen , gewaltig tief und anſehnlich breit ift. Mächtigkeit und Schichtenfolge der an der Pacifits
raſchend günſtige Reſultate. Nicht wenige Arten zeigten eine ſo hohe Feuerbeſtändigkeit, daß ſie die ſogar bis jeßt als unübertroffen betrachteten engliſchen Thone in den Schatten ſtellten. Doch iſt bis jeßt eigentlich noch nichts geſchehen , was der Hoffnung Haum geben könnte, daß fich eine größere Induſtrie hierauf gründen werde.
Die
Benußung der Thone bedränkt ſich bisher nur darauf,
Ziegelſteine und Abfallrohre herzuſtellen , und dieſe im
Küſte überall verbreiteten Kreideformation ſind bis jeßt
kleinen Umfange betriebenen Induſtriezweige ſind nur am
faft unbetannt; man fann jedoch nit Recht annehmen , daß ſie an manchen Orten mehrere tauſend Fuß ſtart iſt. Sie führt faſt überall Spuren von Kohlen , welche regel mäßig Sandſteine als Hangend :, Thon oder Schieferthone als Liegendichichten haben. Die gröberen, feſteren Sands
Puget -Sunde, nahe Seattle und Takoma zu finden. Es iſt dies umſo merkwürdiger, als hierzulande das Brennmaterial
ſteine, find mandmal äußerſt hart und widerſtandsfähig,
und werden wahrſcheinlich mit Recht als die tiefſten Glieder der Formation betrachtet. In ihnen befinden ſich jene höchſt wertvollen Floße muſchliger Tertur , welde einen Uebergang von der Steinkoble zum Anthrazit bars ſtellen , luftbeſtändig find, fidh fofen laſſen und ein aus : gezeichnetes Brennmaterial für den Hausverbrauch , für die Dampfſchiffahrt und viele induſtrielle Swede liefern . Die jüngeren Floße zeigen lignitiſche Struktur und werden bis jeßt nirgends beachtet. Sie haben in einem Lande,
welches einen Ueberfluß an Forſten und Mangel an Arbeitskräften hat, und in dem beshalb die Löhne anſehna
faſt nichts foſtet und das Abſaßgebiet gewiſſermaßen unbeldyränft iſt. Ein großer Teil der an der Pacififs Küſte benötigten Thonwaren wird immer noch auf dem Seewege um das Rap Horn aus England , ein kleiner, beſonders aus gewöhnlichem glaſierten Töpfergeſchirr bes ſtehend, aus den öſtlichen Staaten eingeführt. Von Verſteinerungen iſt in den Sandſtein- und Thon ſchieferſchichten nicht viel zu ſehen. Nur ſelten kommt ein Muſchel-, Fiſch- oder Blattabbrudt zum Vorſchein. Dagegen bergen die Thonſdichten an einzelnen Stellen eine große Sehenswürdigkeit für Naturalienkabinette: ber:
ſteinerte Erkremente, wahrſcheinlich von Robben , in ganz unglaublicher Menge. Der geneigte Leſer verzeihe, wenn dieſein wenig einladenden Gegenſtande noch ein paar furze Säße gewidmet werden, denn er hat immerhin wiſſen :
lich hoch find, feinen Wert. Auch hier macht fich die
ſchaftliches Intereſſe : unübertrefflich naturgetreu , beſtens
Erſcheinung geltend, daß die Stellung der Flöße bedeuten
konſerviert in ihrer äußeren Geſtalt und Färbung, ähneln fie auf das täuſchendſte den - nein,, es geht beim beſten Willen nicht, die Beidhreibung in dieſer Richtung fortzu jeßen ! Und in allen Größen ! babei feſt wie Feuerſtein,
den Einfluß auf die Güte der ſie bildenden Kohle aus geübt hat. Faſt alle anthrazitiſchen Flöße zeigen eine ſteile Stellung die meiſtens 50 bis 80 Grad beträgt ; ihre
Mächtigkeit wechſelt von 8 bis 16 Fuß. Außer an Kohlen iſt die Formation ganz außers ordentlid reich an techniſch verwertbaren Thonen. Selten
denn ſie beſtehen aus Quarz, welcher den hohlgewordenen Raum im Sdlamm allmählich ausfüllte und dabei ſeinen
wird man in einem anderen Lanbe ſo viele verſchiedens
Eiſengevalt an der inneren Wandung der im Thonſdlamm gebildeten Form abfeßte. Wer das erſte Mal unverhofft
artige Thonarten nebeneinander finden können , wie hier
auf eine solche Sammlung ſtößt, wvendet ſich mit großem
in Waſhington.
Entfeßen, vorſichtig idreitend, ab. Es koſtet einige Uebers windung , das ſonderbare Vermächtnis längſt aus dem Irdiſchen geſchiedener Strandbewohner einer näheren Prü : fung zu unterziehen . Ein Plaß , wo dieſe fonderbaren Verſteinerungen in erſtaunlich großer Menge vorkommen ,
Beſonders treten fie an ben faft ftete
ſteilen , hobe Bänke bildenden Ufern des Buget-Sundes zu Tage , aber ähnlich auch an den tief in die Erdober: fläche ausgewaſchenen Betten der größeren Flüſſe oder Bäde. Man findet, wie z . B. am Eowlit - Fluß, nahe der
Geologiſche Mitteilungen aus dem Staate Waſhington.
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iſt unweit der Mündung des Salmonkreef (Lachsbach ) in den Cowlißfluß in Lewis County, Waſhington . Die fohlenführende Formation feßt ſich weit ins Gebirge hinein fort , bildet dort die Thalflächen und die Hügelgelände , während die Bergkuppen regelmäßig aus eruptiven Geſteinen beſtehen , meiſtens Tradyten , welche von den ſpäter entſtandenen ſedimentären Bildungen um :
klippen einen Einblick in die Eingeweide der Erde geſtatten, ſo wird das Lager bereitet. Mandymal bleibt man tages, oder wochenlang auf einem Plaße, ein andermal muß man häufig wechſeln. Aus den verſchiedenen Beobachtungen
ſchloſſen wurden .
Daß die Gervalt des Waſſers in leta
aufreibend für Körper und Geiſt, weil neben der geiſtigen
teren ſelbſt bedeutende Auswaſchungen verurſachte , ſomit
Arbeit bedeutende förperliche Anſtrengungen gar nicht zu
ergeben ſich Regeln und die ſo erforſchten Regeln geſtat: ten Schlüſſe, die das weitere Forſden erleichtern . Das Ganze iſt im höchſten Grade anſtrengend und deshalb
tiefe Thäler , Schluchten mit ſteilabfallenden Rändern ,
vermeiden ſind und die ſtets höchſt mangelhafte Lagerkoſt
weite Betten der Flüſſe und Bäde iduf, iſt leicht ver: ſtändlich. Sdwerer zu erklären iſt der terraſſenförmige
den Entgang an Kräften gewöhnlich nicht erſeßen kann. Alles übrige , wie das Schlafen im Freien , das Fehlen
Bau der Ufergelände der größeren Flüſſe. So zeigt der
jedweder Bequemlichkeit u. f. w . läßt ſich ſehr leicht er
Cowlißfluß fünf deutliche Stufen , weiche zuſammen eine
tragen .
Höhe von etwa 200 Fuß vom gegenwärtigen Stande des
Sind geologiſde Studien in einem Gebiete , welches geſchichtete Geſteinsmengen zeigt, don ſchwierig und zeit raubend, um ſo (dwieriger wird die Aufgabe in vulkani iden . Denn da wird die Ausnahme zur Regel und faſt alle Schlüſſe, die man zieht, erweiſen ſich als trügeriſch. Da heißt es ganz einfach , jeden Fuß breit unterſuchen und nur das als Thatſache anerkennen , was man mit
Waſſers ausmaden und oftmals eine Breite von einer engliſden Meile einnehmen . Dieſe Bildungen ſind wahr: cheinlich ein Ergebnis der Eiszeit, da weit belangreidere
Waſſermengen zu Thale eilten , lvie überhaupt nur eine weit ausgedehntere Gletſcherwelt , als die jebige iſt, im Stande geweſen ſein kann, dieſe rieſig großen Gerölllager und ſelbſt die Sandſtein- und Schieferthon- Ablagerungen zu erklären .
Gelangt man aus der Hügelwelt der weſtlichen Vor berge in das eigentliche Hodgebirge, ſo hat man mit ganz anderen Faktoren zu thun. Hier ſind nur eruptive Ges ſteine zu finden und ſie bilden , wie bereits eingangs er: wähnt wurde , für den Mineralogen eine wahre Muſter: karte aller nur erdenklichen , durch Glut und Feuer ge gangenen Geſteinsarten. Geologie und Mineralogie am Studiertiſche oder im
Laboratorium betrieben, bieten unzweifelhaft eine höchſt an genehme und feſſelnde Beſchäftigung , etwas anders ſtellt ſich jedoch die Sache in einem mit Urwald beſtandenen Hochgebirge, in welches bisher noch niemand eingedrungen
war , das vollſtändig menſchenleer iſt und über deſſen Beſonderheiten man von niemanden Auskunft erlangen kann.
eigenen Augen geſehen hat.
Und hätte man es nur mit
jenen typiſchen Geſteinen zu thun , welche zu beſtimmen ſelbſt dem Anfänger in der Mineralogie nicht ſchwer fällt ! Neben dieſen gibt es aber zahlloſe Uebergänge von einem
zu dem andern und die Einwirkung der Hiße hat ein ſolches Chaos von Steinen geſchaffen , daß man ſehr häufig förmlich verwirrt wird. Und das Schlimmſte dabei iſt, daß es nicht angeht, chemiſche Neagentien und ſonſtige Hilfs mittel mit ſich zuſchleppen, denn man iſt ſchon froh, wenn man hinreichend Lebensmittel für ſich und ſeine Begleiter in die Wildnis ſchaffen kann. Muß doch alles und jedes auf dem Rüden von Menſden hereingeſchafft werden ! Von regelmäßig geſchichteten Geſteinen iſt alſo in
jenen Regionen keine Rede mehr. Aber es macht an manchen Stellen den Eindruck , als wären ſolche vorhan den geweſen und die vulkaniſche Thätigkeit hätte ſie ſo verändert, daß ſie thatſädlich aus Rand und Band ge
Das einzige Hilfsmittel, ſich zurecht zu finden , bietet der Kompaß. Wege, Merkmale, Richtpunkte gibt es nicht. Dichter Wald erſchwert die Umſchau. So gilt es auf
rieten , geröſtet, gebacken , gefrittet , geſchmolzen wurden,
gut Glück eine beſtimmte Richtung zu nehmen, unter allen
angehörten ? Audh das läßt ſich kaum mehr ſagen. Ver mutlich den unterſten Gliedern der fohlenführenden For: mation , welche hie und da in den tiefen Thälern der großen Flüſſe , mitten im Hochgebirge , wohl arg durch einander geſchüttelt, aber immerhin nod vorhanden iſt und ſogar Flöße höchſt wertvoller Kohle führen ſoll. Und dieſe Angabe iſt durchaus glaubwürdig. Eine Region mit einer ſolchen Fülle und Abwechs
Umſtänden ſie feſtzuhalten und den Pfad, den man ſelbſt ſucht , mit der Axt an den Bäumen zu bezeichnen. Das Suchen des Pfades fällt dem Führer, das Markieren der Bäume durch Blößen den Begleitern zu. Dabei hat jeder der Beteiligten Wolldeđe, Lebensmittel, Zelt und Gewehr zu tragen , ſo daß die Arbeit des mühſeligen Erklimmens von ſteilen Bergen , das Durdwaten von Sümpfen , das
ſo daß man ſie nun faum nod) von den eruptiven Ges
ſteinen zu unterſcheiden vermag. Welder Formation ſie
Ueberſchreiten der Flüſſe auf den zu dieſem Zweck ges
lung in den plutoniſch -vulkaniſchen Geſteingarten muß
fällten Bäumen , das ununterbrochene Ueberklettern von Windfällen höchſt ermüdend iſt. Hat man endlich einen Plaß gefunden , wo die ſteilen Uferbänke eines Fluſſes,
natürlich auch reich an Erzen und edlen Steinen ſein.
Das iſt ſie in der That. Doch gehören beſondere Fors dungen dazu , ſie zu entdecken. Noch ſei erwähnt, daß
tiefe Schluchten , durch Wildwaſſer verurſacht, oder Felſen:
man wahrſcheinlich nirgends weiter auf der ganzen Welt
Dr. Mc. Gregor in Britiſch -Neu-Guinea.
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ſo viele Achate, Karneole, Dpale, Jaſpis-Arten, überhaupt
Noch ein anderer Umſtand verdient Erwähnung. Die dicht an der Schneegrenze in Rubeln lebenben, äußerſt
Halbedelſteine finden kann, als in dieſen Bergen. Achat ſtüde, prächtiger Zeichnung und Färbung, von ſedis Zol bis einen Fuß Länge und entſprechend dict, ebenſo große Karneole find gar nicht ſelten. Man könnte an beſtimmten Stellen dieſe Steine ideffelweiſe aufleſen ! Dhne alle Uebertreibung. Die kleineren abgeſchliffenen
ſcheuen Bergſchafe , ein gemſenartiges Tier, etwa ſo groß wie ein Steinbock, mit langer , weißer Behaarung , ber laſſen dann und wann urplößlich in wilder Fludyt ihre altgewohnten Weidepläße und ziehen meilenweit fort nach
anderen Regionen. Man nimmt an, daß fie, die Gefahr
Bruchſtücke davon finden ſich in großer Menge im Geröle
fennend, von unterirdiſchem Getöſe erſchredt werden . Zum Glück ſind die drei Vulkane viele Meilen weit von den menſchlichen Anſiedlungen entfernt, befinden und ſich in Re: gionen, die vielleicht nie in den Bereid menſchlicher Bes
der Flüſſe , in den hie und da ſichtbaren Moränen, aber die Originalſlüde finden ſich hoch oben im Gebirge. Fände fid irgendwo Abfall dafür , man könnte ſie mit gering fügigen Koſten Herausſchaffen. Es wurde eingangs dieſer Zeiten die Behauptung aufgeſtellt, daß im Raskaden-Gebirge die vulfaniſche Thätigkeit feineswegs erloſchen ſei, ſondern nur dylummere. Dafür find außer den bereits angeführten Bericht noch mehrere vollwichtige Beweiſe zur Hand. Wenn man in dortiger Gegend in der Stille der Nacht ( chlaflos im Zelte ruht, ſo hört man, zwar nicht immer, nicht jede Racht, aber ziemlich oft, ein fernes , grollendes Geräufdh, ſo ungefähr , als wenn ein Bahnzug in der
wirtſchaftung gezogen werden können ; fo dürfte denn etwaigen Ausbrüchen mit Gemütsruhe entgegengeſehen werden können. Das einzige, was zu fürchten wäre, find
die ganz unausbleiblich zu erwartenden Ueberfdwemmungen jener Flüſſe, die an den Bergen felbſt ihren Urſprung haben. Denn das plößliche Abídmelzen der Gletſcher der und ſonſtigen Eiss und Schneemengen müßte dann unausbleiblich eine ſolche Kataſtrophe herbeiführen.
1
Ferne über Felſen fährt, oder wie das Rollen von Stein:
Dr. Mr. Gregor in Britiſd -Neu-Guinea.
blöcken in wildem Gewäſſer. Man kann ſich das dumpfe Getöſe nicht erklären und man hält es für Sinnestäuſchung
Die auſtraliſchen Zeitungen brachten im Sommer
oder kommt auf den Gedanfen, daß es durch das Stürzen der großen Urwaldbäume verurſacht werde , die ja auch ein donnerähnliches Kraden verurſachen, wenn ſie endlich,
vorigen Jahres zuerſt kurze Nachrichten von der mit Er
vielleicht nach einem Jahrtauſend , der Zeit ihren Tribut
Fidſchi- Inſeln als Dr. Mc. Gregor und als früherer Ko: lonialſekretär bekannter iſt, in der Owen Stanley - Bergkette. Nachdem zuerſt der Telegraph den unten folgenden Bericht
folg gekrönten Forſchungsreiſe des Adminiſtrators von
Britiſch:Neu -Guinea Sir Will. Mc. Gregor , der auf den
zollend , niederbrechen und im Sturz eine ganze Heibe
junger Gefährten zerſchmettern. Aber das klingt anders ins Dhr , dauert nicht ſo lange , iſt bei weitemt nicht ſo eindringlid. Jäger und Goldſucher , die dann und
von Port Moresby den Zeitungen übermittelt hatte, folgten
wann in die Kaskaden geraten , erzählen dasſelbe. Und alle ſind felſenfeſt davon überzeugt , daß es unterirdiſche
1. Juli vorigen Jahres datierte Depeſche an den Gou verneur von Queensland betreffend „ die Inſpektionsreife
Thätigkeit iſt, die dieſes Grollen und Rollen hervor: bringt.
des Adminiſtrators von Neu -Guinea von Maru Manu
bald genauere briefliche Mitteilungen imd auch eine vom
an der Küſte der Befißung bis zur Owen Stanley Range im Innern ." – Am 28. Juni kehrte die Erpedition , die
Der zweite Beweis iſt auf dem Hauptvulkan der Kaskaden, dem Berge Tacoma, zu finden . Er wurde bis her vielleidyt ein bußendmal erſtiegen.. Das leßte Mal im Auguft 1889 von einer Gefellſchaft von Naturfreunden aus Seattle , Waſhington , unter denen ſich auch der
am 19. April Port Moresby verlaſſen hatte, wieder dahin zurüd. Den hödöſten Berggipfel , der 13,121 Fuß hohen
Mount Viktoria, erſtieg Dr. Mc. Gregor , nur begleitet von Geo. Belford, einem Fidſchianer Joe und drei Leuten aus Neu - Guinea. Ueber 8000 Fuß war es klar und kalt und auf dem Gipfet fand man Maßliebden, gelben Hahnen
Geiſtliche der dortigen Unitarier -Gemeinde, Rev. Erneſt 6. Smith befand. Dieſer veröffentlichte in der Nummer vom 3. Ditober vorigen Jahres des in Boſton, Maſſachuſetts, erſcheinenden „ Christian Register“ einen ſehr lefenswerten
fuß, Vergißmeinnicht, Gräſer, Heideblumen, Lerchen, Eis: zapfen ; über 4000 Fuß begegnete man keinem Eingeborenen
Aufſaß über dieſe Beſteigung. Daraus geht hervor, daß
mehr. - Im offenen Boote war Dr. Mc. Gregor mit 14 Bes
der Tacoma -Berg ein Vulkan im vollſten Sinne des Wortes
gleitern zunächſt 30 Meilen iveſtwärts nach dem Vamuna
iſt, denn ſeinen woblerhaltenen Krater entſtrömen heute noch fo heiße Dämpfe, daß man Waſſer in einer Blech taſje in ihnen erhitzen kann und daß fid Eis oder Sdinee an jenen Stellen nicht hält. Ferner beſteht der ganze rieſige Berg aus echt vulfaniſchen Geſteinen , und ſo iſt es wohl möglidy, daß er uns eines Tages eine unangenehme Ueberraſchung bereitet .
1
Fluffe gefahren. Sidher kamen fie dort an und fuhren adt Tage lang den Fluß hinauf, überwanden unter großen Sowierigkeiten die Stromſchnelfen, indem ſie das Boot über
die Felfen zogen. Endlich mußten fie Halt maden , lagerten auf dem finken üfer und ſchidten Mr. Cameron nach Port Moresby zurüd. Dieſer brachte noch zwei Böte mit Vorräten, dreißig Eingeborenen und ſechs Polynefiern. Am
Dr. Mc. Gregor in Britiſch -Neu -Guinea.
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17. Mai war alles bereit und die zw :iundvierzig Röpfe darunter vier Weiße verließ das Lager. Sie überſtiegen den Mount Gleaſon, lagerten bei Eyton Junction und zogen dann in nordöſtlicher Rich: tung weiter. In einer Höhe von 1700 Fuß famen ſie über Mount Gunbar, überſchritten den Joſeph - Fluß, ſahen das erſte Eingebornenbaus in Goodwins - Dorf beim Mount Musgrave , der 7000 Fuß hoch iſt , tamen an den Vanupa-Fluß, überſtiegen die Knutsford-Bergkette
As entomologiſche Ausbeute brachte man nur einige milch . weiße Schmetterlinge heim. So lautete der erſte telegraphiſche Bericht. Eine Korreſpondenz des Sydney Morning Herald “ aus Port Moresby vom 5. Auguſt fügt hinzu : „Nur diejenigen, die
zählende Geſellſchaft
in die Wolken zwiſchen den Höhen und Spißen der Diven Stanley-Kette hineingeſehen haben, können verſtehen, was es bedeutet , zum Gipfel zu gelangen , und Sir William war der einzige der Weißen , der eß pollbrachte, da ſein .
und folgten ſieben Tage lang einer weſtlich laufenden
Begleiter Belford ein half -caste aus Samoa war , und die
Eingebornenſpur. Am 9. Juni begannen ſie den Auf: ſtieg zum Dwen Stanley: Gebirge , erreichten den Gipfel
übrigen Europäer 4000 Fuß darunter zurückblieben. Am
am 11., Mount Musgrave wieder am 12. Am 16. Juni
als fäme er von einem Spaziergang zurück und brachte
wurde die Heimreiſe angetreten , am 22. das Lager am Fluſſe erreicht, am 23. ein Eingebornendorf beſucht. Am
als Trophäe ein Stüd weißer Heide vom Gipfel.
24. traf man eine Dampflaunch der „ Merrie England ", die der Geſellſchaft nachgefandt war, das Boot ins Schlepp tau nahm und am 25. Juni Manu Manu erreichte , von
wo aus die „ Merrie England “ ſie nach zweimonatlicher Abweſenheit, während der nur ein Eingeborner ſtarb , nach
Bort Moresby zurüdbrachte. - Das burchzogene Land war ſehr gebirgig ; die geologiſche Formation desſelben
beſtand aus Schiefer, Granit, Quarz ohne Spur von Gold. Das Klima war bis zu einer Höhe von 8000 Fuß feucht, darüber troden und ſtärkend.
Nur zweimal fand man höher hinauf Eingeborene, die ſehr freundlich, aber abergläubiſch waren . Die Männer waren kräftig und wohlgebaut mit kurzen Beinen, Weiber ſah man nie. Die bebauten Gärten waren eingebegt und
trugen reichlich füße Kartoffeln, Yams, Zuckerrohr, Tabak. Die Eingeborenen trugen keine Waffen ; beſondere Auf merkſamkeit erregte ihr Ropfpuß, der aus Schalen beſtand, die ſie ſich von der Oſtküſte , von Deutſch -Neu -Guinea,
verſchafft hatten , was auf einen freundſchaftlichen Verkehr über die Owen Stanley Kette hindeutet. Der Adminiſtrator
Nachmittag des Herabſtieges war er fo friſch und kräftig, Nad
ihrer Rückkehr wurden die Eingeborenen , von denen ein Träger geſtorben war, abgelohnt und zogen heim in ihre Hütten , wo ſie noch manchen Abend am Abendfeuer von ihren Abenteuern auf dem großen Berge erzählen werden , während die Betelnuß und der Chunamtopf kreiſen. In ſeiner Depeſche an den Gouverneur von Queensland bes richtet der Adminiſtrator noch eingebender über die Bes ſchwerden und Unannehmlichkeiten ſeiner Reiſe, – Hunger, Durſt, Solafloſigkeit mußten unterwegs ertragen werden . So heißt es im Bericht vom 25. Mai , daß die Vorräte beſtanden aus fünf Sad Reis , einem Sad Mehl , etwas
Thee, einigen Blechbüchſen mit Fleiſch und einem Schinken für drei Europäer, einen half-caste, zwei Polyneſter und acht Papuas, und doch wären ſie mit dieſen Sachen und dem Lagergeräte überladen geweſen , ſo daß der Adminiſtra : tor die idywerſte Laſt ſelbſt auf ſich nahm .. In zwei ſehr ermüdenden Tagen legten ſie nur eine Stređe von 24/4 Min . zurück, ſo große Hinderniſſe ſtellten ſich ihnen entgegen . Auch die wohlverdiente Raſt hatte ihre unangenehmen
Seiten. Um 10 Uhr morgens zeigte das Thermometer idon 71 ° F. Der Boden war mit Feuchtigkeit durchzogen
ſammelte viele Arten von neuen Pflanzen, unter anderen
und war buchſtäblich von Blutegeln belebt.
einige ſchöne, gelbe Rhododendren , die er dem Baron von Mueller ſandte. Auf dem Mount Viktoria entdeckte
die kleinen , drahtartigen Blutegel ca. 3/4 Zoll lang und
er auf weiten Flächen viele neue Grasarten. Mr. Goodwin
verſchaffte ſich einige neue Vogelarten und ein Tier, das einem Bären etwas ähnlich iſt , aber mit langem Schweif
und von dunkelbrauner Farbe. An den Endgliedern war es ſchwarz, in ganzer Länge maß es 3 Fuß 6 Zoll, der Schweif i Fuß 6 Zoll, mit 5 Klauen an Vorder- und
Hinterfüßen, buldigem Schweif und an Gewicht ca. 60 Pfund. Die Vögel in den unteren Höhen waren die don be
kannten , außer einer neuen Art des Paradiesvogels , der dem großen Epinachus ähnlich iſt. Auch fing man ein Weibchen der Astrachia stephania , von welcher Art nur das Berliner Muſeum ein männliches Eremplar beſigen ſoll. Auf dem Viktoria-Berge fing man einige neue kleine Vögel , unter dieſen einige , die mit der engliſchen Lerche identiſch ſind, die jedoch einer der Polyneſier verzehrte.
Es waren
die größeren ſo did wie ein Gänſekiel und ca. 2 Zoll lang . Von beiden waren Hunderte , Tauſende da. Die Moskitos flogen in Schwärmen. - Am 26. Mai, heißt es weiter, kam die Geſellſchaft an einen 20 Eden breiten Bergſtrom . Hier konnten ſie ihr durchnäßtes Gepäd trocknen und ein herrliches, faltes Bad nehmen. Einigen gewährte es große Befriedigung, die Zeden aus der Haut zu entfernen, die ſich ſeit einigen Tagen eingeniſtet hatten,
da Mount Belford davon reichlich aufzuweiſen þat ; das Buſdjud Inſekt ( itch insect) ließ ſich jedoch weniger leicht entfernen. -- Am 31. Mai vollendete die Geſellſchaft in
einem Gewaltmarſd einen Herabſtieg von – 1700 Fuß — -
am 11. und 12. Juni befand ſich ein Teil derſelben in einer Höhe von 12,452 Fuß, ca. 670 Fuß vom Gipfel der höchſten
Spißen. Am Morgen war das Gras ganz weiß von Froſt, am Mittag betrug die Temperatur 70° F. und ſank allmählich) bis 4 Uhr auf 50 bis 60 °, ſo daß die Reiſenden ſehr von
200
Litteratur .
der Kälte litten , da ſie nicht genügend Kleidung zum Schuße gegen ſie mitgenommen hatten und ſelbſt ein an gezündetes Feuer nicht hinreichend wärmte. Ueberhaupt ſucht der Adminiſtrator bei jeder Gelegen
Dhne Mitrauen nahm der Häuptling die Einladung für
heit ſeinen Wirkungsfreis zu erforſchen und kennen zu
Frieden zwiſchen zwei Stämmen zu ſtiften , von denen der eine allmählich vom andern ausgerottet wird. Nachher wollte er nordwärts bis an die deutiche Grenze ziehen ; auf dieſem Zuge wird er dann wohl von Eingeborenen ange griffen worden ſein.
lernen. Acht Tage nad ſeiner Rückkehr beſuchte er ſchon wieder in der „ Merrie England " die Goldfelder bei Eaſt
End via Dinner Jeland, ebenſo Sud Eſt, Rouſſel Jsland, St. Aignan's , wobei der Dampfer dreieinhalb Tage auf einem Riff feſtſaß, ohne jedoch Schaden zu leiden. – Durch
ſeinen Sohn an , und ſo kann die Anhänglichkeit des Im Oktober vorigen Jahres Stammes als ſicher gelten. ins Innere reiſen , um Adminiſtrator wieder wollte der
die achtmonatliche Dürre und Regenloſigkeit hatte die Um gegend von Port Moresby im Sommer vorigen Jahres dhwer zu leiden, ſo daß 250 Männer und Jünglinge der
Litteratur.
Eingeborenen früher als ſonſt , vom Hunger getrieben,
* Kayſer , Dr. Friedrich: Aegypteni einſt und jett.
ihre alljährliche Expedition zur Sagoernte antraten , da ihre Gärten vertrodnet waren. Wahrſcheinlich ſind e6
Zweite, erweiterte und völlig durchgearbeitete Auflage. Mit einem Titelbild in Farbendrud , 118 JUuſtrationen im Tert , 17 Ton
dieſe 250, die nach einem neueren Telegramm vom Dktober
bildern und einer Karte. Freiburg i. Br. , Herder'ídhe Verlags.
handlung , 1889. – Dieſes wertvolle Werf erſchien zuerſt in der vorigen Jahres den Dr. Mc. Gregor mit 22 Begleitern
bei ſeiner Landung in Demara angriffen , jedoch zurück:
Herder'ſchen „ JŲuſtrierten Bibliothek der Länder- und Völfer kunde “ und erfreute ſich eines ſo regen verdienten Abſatzes , daß
geldlagen wurden, worauf man ihr Dorf verbrannte, und ſo war es der Hunger, der ſie zu dieſem Schritt der Ver: zweiflung trieb. Sonſt wird nämlich die treffliche Vers
der Verfaſſer einer gänzlichen bereichernden Ilmarbeitung unter
ſchon nach wenigen Jahren eine neue Auflage nötig wurde, welche
waltung und die gute Behandlung der Eingeborenen
zogen hat. Schon bei ſeinem erſten Erſcheinen erregte das Buch ver dientes Aufſehen , nicht mr wegen der gliidlichen Auswahl aus dem reichen vorhandenen Material,. ſondern auch wegen der ges
feitens des ſchon in ſeiner amtlichen Stellung in Fidſchi allgemein beliebten Adminiſtrators allſeitig gelobt. Nad )
vorzüglichen Aegyptologen , den genanen Kenner der Geſchichte
ichidten Sichtung und fritijden Behandlung, welche überall den
dem „ Brisbane Courier “ will cr zunächſt auf den Rat
und Kultur des Nillandes und den gewiegten Schriftſteller er
der Miſſionare einen einfachen Geſekeskoder, den die Ein
kennen ließ. Durch die erfolgte allſeitige und durchgreifende Um arbeitung iſt das Buch in der nun vorliegenden zweiten Auflage wohl das vorziiglichſte Buch iiber Aegypten geworden , das wir in unſerer deutſchen Litteratur beſigen. Die erſte Abteilung,
geborenen verſtehen können, aufſtellen und in Kraft ſeßen:
Als er zuerſt dort hinkam , verſtanden die Eingeborenen nicht, was man mit einer „ Regierung " meine, auch kannten
166 Großoktavſeiten ſtarf, idildert an der Hand von vorziiglichen
ſie nidyt den Unterſchied zwiſden Redyt und Unredt.
Illuſtrationen eingehend das alte Aegypten : den Nil, das Nilland,
Einander totſchlagen und Stammeskriege führen , war in ihren Augen vollſtändig natürlich und einen Weißen zu erſchlagen , war ein elementares Naturgeſet. Die Schwierig
und die älteſte Kultur; das Nilvolt im Altertum nach ſeinem
keit lag nun darin, ihnen zu zeigen , daß derartige Vergnü
gungen jeßt nicht mehr ſtraflos ſeien . Steblen galt ihren als Tugend , doch lernen ſie jeßt allmählich, daß es nicht redyt ſei. - Beſonders ſucht er den Widerwillen gegen Ein führung von Gebräuden zu beſiegen , die den Urbewohnern
Urſprung und Charakter , die ägyptiſche Religion nach Glaubens und Sittenlehre und Gottesdienſt, die Pharaonen, ihre Regierung,
Verwaltungsgeſchichte, die Wiſſenſchaft , Poeſie, Kunſt und Kunſt handwert, Schrift, Sprache und Litteratur, ſodann Fiirſt und Volf , Volkswirtſchaft , Aderbau , Handel und Gewerbe, Familie ind Geſellſchaft, geſelliges Leben, Sitten umd Bräuche, Religioſität Tod , Begräbnis , Einbalſamieren , leichenfultus ac. Die zweite
Abteilung iſt in
dem heutigen Aegypten und ſeinem Volt ge.
fremd und ihrer Ueberlieferung entgegenſtehend ſind. Bei
widmet und bietet nach einem geſchichtlichen leberblick vom Altertum bis auf die Neuzeit eine Schilderung der heutigen Be .
dem mächtigeren Stamme, dem Aroma Volfe an der Küſte
völferung und der Religion derſelben , ſowie der Geſchichte , Re
öſtlich von Port Moresby, das er als ein ſelten geeinigtes
gierung und Verwaltung, beſonders imter Mohammed Ali, ſowie
und unabhängiges Gemeinweſen , aber von zweifelhafter Loyalität ſchildert, dyeint ihm dies allmählich zu gelingen. Es ſteht unter der Leitung von Kaopena, der als einfluß: reidyſter Häuptling in Neu -Guinea gilt. Von ihm erwartete
der Wiſſenſchaft, Poeſie und Kunſt, insbeſondere der Baukunſt der inodernen Aegypter , ihres Volfscharakters, der ſozialen Verhält huiſje , des geſelligen Lebens, der Familie , der geſamten Kultur fernier die Geſchichte des Chriſtentums in Aegypten , eine reiche Sammlung wertvoller Anmerkungen, eine chronologiſche Ueberſicht
man heimliche Feind daft, doch ward dem Doftor ein
freundlicher Empfang zu teil, der allerdings dem Einfluſſe
iiber die Geſchichte Aegyptens und über die wichtigſten Erſchei mungen der neueren ägyptiſchen Litteratur. In dieſer Form iſt
der Millionare zuzuſdyreiben iſt. Dbſchon Kaopena dieſe yütt, bleibt er Heide. . Nach dem Beiſpiel der früheren
es ein Buch geworden , welches eine Zierde jeder Bibliothek und ein vorziigliches Handbuch und Nachſchlagewerf iiber das alte Wunderland der Pyramiden iſt.
Gouverneure Fidjdis lud Sir Will. Mc. Gregor den älteſten Sohn des Häuptlings zu ſich ein , um im Regie rungsgebäude etwas von der Methode der Herr daft und den Sitten und Gebräuden der Europäer zu lernen .
Drud und Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nadj. in München und Stuttgart.
Fiir die Redaktion verantwortlich: W. Keil in München.
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Wochenſchrift für Länder- und Völkerkunde, der
unter Mitwirkung bewährter Fach männer herausgegeben von I. G. Cotta'ſdien 210hhandlung Radfolger in Stuttgart und München. Dreiundſechzigfter Jahrgang.
1890 .
Stuttgart, 17. März
Nr. 11 .
Jährlid) 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preja pro Quartal MN . 7 . Zu beziehen durch alle Mudhhandlungen des Jit- und Auslandes und die Poſtämter. Manuſkripte und Recenſione -Gremplare von Werfen der einſdlägigen Litteratur ſind direft an die Veriagshandlung in Stuttgart zu ſenden. Injertions: preis 20 Pf . fiir die geſpaltene Seile in Petit
Inhalt : 1. Wohithuende Einrichtungen zur Bequemlichfeit des tibens in Judien. Qajjet und Eisverſorgung von Kalkutta. Bon Profeſſor Dr. Ottofar Feiſtmantel, Piag. S. 201. 2. Durch den Siiden Merifos und durch Zentral-Amerika. Von Guſtav Pauli. ( Fortſetzung.) S. 204. 3. 218 dem ſfandinaviſchen Norden . Bou Haus v. Schönberg. (Fortſetzung.) S. 210. 4. Wie
iſt die diluviale Nagelfluh der bayeriſchen Hochebene entſtanden ? Von Karl Sapper. S. 21 :3.
5. Das alte Nordfriesland. S. 216 .
6. Kleinere Mitteilungen. S. 219.
Wohlthuende Einrichtungen zur Bequemlichkeit des
derartig , daß die ſengende Kraft der Sonnenſtrahlen wo:
Lebens in Indien .
möglid) abgeſchwächt wird und freie und ausgiebige Luft zirkulation ſoviel als möglid
Kaſſer- und Eisverſorgung von Kallutte. Von Profeſſor Dr. Ottofar Feiſtmantel, Prag.
Zu den Bequemlid)feiten des Lebens, die der Europäer in Kalfutta und Indien überhaupt zu einer einigermaßen erträgliden Eriſtenz benötigt, gehören vor allem die Mitel
zur Abkühlung in der heißen Zeit und eine genügende Anzahl von Dienern .
Zunächſt iſt es die pankha, welche in ihren mannige fachen Formen und Größen uns labende Kühlung ſpendet.
Panfya bedeutet den Fäder überhaupt (Panthi einen kleinen Fächer) , der aber in Indien allenthalben einen vict praktiſcheren Zweck hat , als z. B. bei uns zu Hauſe, me er vielfach nur einen Toilette-Artikel bildet. Schon
in Aegypten, z. B. Alexandrien, Kairo, Suez 2c., bekommt
Id will vorerſt über den erſten Punkt aus eigener Erfahrung berichten und dabei aud das Nötige über die
Waſſer- und Eisverſorgung in Kalfutta mitteilen. Man könnte vielleidyt einwenden , daß es bei uns in Europa im Sommer auch heiß genug iſt, und daß man trofdem
ſtattfinden kann.
feine beſonderen Vorfebrungen zur Abkühlung
trifft. Jawohl, unſer Sommer iſt mitunter aud, bedeutend warm , aber im ganzen iſt er viel fürzer, die ſehr heißen
Tage ſind doch gewöhnlich nur wenig zahlreich; auch iſt ge:
man allerhand Fächer angeboten und auch auf den Schiffen , bei der Fahrt durch das Rote Meer und den Indiſchen Ozean werden ſelbe gehandhabt. In Indien gebraucht man vorerſt die ſogen. Hand pantha ( hāthpankhā ), mittelſt deren ſich jeder einzelne ſelbſt Luft zufächelt ; für dieſe werden faſt allgemein Palinblätter verwendet, und zwar ſtärkere, nach einer Seite gerichtete, von Borassus flabelliformis ( Fächerpalme), dann etivas dwächere, ſogen. chineſide , aud von einer Palme und
wöhnlich die Hiße bei Tag und Nacht nicht gleid, intenſiv, die Nädte ſind fühler, Gewitter und Regen bringen gewöhn :
zwar von Rhapis flabelliformis, ſolche, die auch in Europa
lich länger anhaltende Abkühlung mit ſich; man hat hier friſches Quellwaſſer, andere gut gefühlte Getränke, fühle, chattige Reſtaurationsgärten und andere Erfriſchungsorte.
weichlichten Männern oder ſolchen, die ſich als Ausländer aufſpielen , benußt werden . Dieſer Blätter:Handpankhas bedienen ſich auch die Eingeborenen (Natives) allgemein, und
Anders iſt es in Indien im Sommer der Fall (nas
häufig fann man ſie ſehen, wie ſie, auf dem Rücken liegend,
türlich die Bergſtationen ausgenommen ).
ſehr allgemein geworden ſind und auch vielfach von vers
Dort dauert
ſid Kühlung mit dem Fächer zuführen oder ein ander
der Sommer (mit Einſchluß der Regenzeit) von Mitte März bis Mitte oder Ende Oktober ; die Nädyte ſind ge
mal, wie ſie auch den Kopf oder ſelbſt den Rüden an fächeln. Die Europäer thun es in ähnlicher Weiſe
wöhnlich nur wenig kühler ; alle Räume , ſelbſt die ſchat tigen Pläße, ſind durchwärmt - ſo daß nichts anderes übrig bleibt, als ſich fünſtlich, wie nur möglich, Abfühlung zu verſchaffen. Schon die ganze Bauart der Häuſer iſt
aber gewöhnlid ; im Lehnſtuhle ausgeſtreckt; ohne Hande pankba wird , in der heißen Zeit wenigſtens , nicht aus. gefahren. Dieſe Blätterpankhas werden aber auch von den Kochyen dazu benüßt, um bei der Bereitung der Mahlzeiten
Ausland 1890, Nr. 11 .
-
31
Wohlthuende Einrichtungen zur Bequemlich feit des Lebens in Indien .
202
an den offenen Herden das Feuer anzuſachen . Die Aus ſtattung der Panthas iſt verſchieden ; entweder ſind es ganz einfach die Blätter ohne jede weitere Verzierung,
oder die Blätter find mannigfaltig bemalt, oder ſie ſind am Rande noch mit einem Anſaße aus weißem Stoffe verſehen und mit Glimmerblättchen beklebt u. . w. Sehr häufig fommen auch größere Blattpantābs in Anwendung, die aus Blättern der Talipotpalme (Corypha umbraculifera) beſtehen und von einem eigens hiezu bes ſtellten Diener über der betreffenden Perſon hin und her
Ding über ſich raſtlos hin und her (dwingen zu ſehen, zumal gewöhnlich der Pankhaſchwinger außerhalb des Zim mers ſich befindet (indem dann die Sdnur durch eine Deffnung in der Wand oder Thüre nach außen geleitet
iſt). Gewöhnlich verrichtet ein Pankhajdwinger ſeine Ar
beit ſechs bis ſieben Stunden hindurch und bekommt dafür 5 bis 6 Nup. ( = 5 bis 6 fl. = 8.30 bis 10 Mk.) monat lichen Lohn. Dieſe Leute ſind vielfach nur mechaniſche
Vorrichtungen ſelbſt, die es ſchon ſoweit gebracht haben,
Viel wichtiger aber iſt die Zimmerpantha (Pankha im eigentlichen Sinne) ; das Prinzip dabei iſt, innerhalb
daß ſie bei dem Ziehen auch ſchlafen können. Da ſieht man ſie ganz teilnahmslos baſißen , mit geſenktem Haupte und geſchloſſenen Augen , die Hände mechaniſch auf und ab bewegend. Dabei paſſiert es oft, daß ihnen die Schnur
des Zimmerraumes mittelſt einer geeigneten Vorrichtung
aus der Hand gleitet – was ſie nicht im geringſten aus
einen ſoviel als möglich kräftigen Luftzug oder Luftſtrom
der Faſſung bringt ; ſie heben die Schnur mechaniſch wie der auf und ziehen weiter. Sollte ſich dies jedod, öfter
gedwungen werden .
hervorzubringen.
Dieſe Vorrichtung beſteht gewöhnlich
aus einer länglichen , mit Stoff überzogenen Holzrahme, an welche nach unten ein Stoffanhang , vorhangartig zu : ſammengelegt, angeheftet iſt. Die Dimenſionen ſind, nach Größe des Zimmers, verídieden und davon hängt natür: lich auch der Preis ab ; derſelbe wird gewöhnlid , nach dem Längenausmaße (z. B. 1 Gulden, 1 Gulden 50 Kreuzer 1 2c. per Fuß) berechnet. Bei beſſeren Sorten von Zimmer pantāhs iſt die Holzrahme durch eine ſtarke, polierte Holz flange (gewöhnlich aus Teakholz, Tectona grandis) erſekt und daran der zwei bis drei Fuß breite Stoffanhang an
gebracht. Der Preis dieſer Sorte ſtellt ſich etwas höher. Dieſe Banthas nun ſind mittelſt Schnüren am Plafond
fo befeſtigt, daß ſie mittelſt einer anderen Schnur , die an der Pantha ſelbſt angebracht iſt und auf der gegen überliegenden Wand gewöhnlich über eine Rolle geführt wird , von einem eigens dazu beſtimmten Diener , dem
wiederholen , ſo wird natürlid der Diener in paſſender Weiſe auf ſeine Pflicht aufmerkſam gemacht. Dieſe Pantha dwinger ſind gewöhnlich keine ſtändigen Diener und werden zumeiſt nur für die ,,heiße Saiſon "
engagiert ; dies iſt beſonders bei den öffentliden Anſtalten
der Fall. In Privathäuſern zieht mitunter auch einer der übrigen Diener. Die Zeit des Anfangs und des Aufhörens
des Panthaſdwingens läßt ſich natürlich nicht genau auf den Tag beſtimmen . In den Regierungsanſtalten iſt aber der Termin vom 15. März bis 15. Oktoberfeſtges feßt es iſt dies gewiſſermaßen die offiziell anerkannte Dauer der heißen Zeit , obzwar es mandimal con Ende Februar , und häufiger noch auch im November ganz ers heblich heiß iſt.
Zunächſt ſpielt dann Eis als Abkühlungsmittel eine ſehr wichtige Rolle.
fogen. Panthaſdwinger ( Pankhāwala oder Pankhābearer)
Die ausgedehnteſte Venüßung des Eiſes iſt zum Ab
in ſchwingender Bewegung erhalten werden können. Durch
fühlen der Getränke , und zwar abermal zunächſt in der
dieſes Hin- und Herſchwingen wird eine mehr oder weniger
heißen Zeit. An Getränken gebraucht der Europäer in Kalfutta und in Indien überhaupt Waſſer, Bier , Wein, Sodawaſſer, Limonade, Kognaf mit Sodawaſſer 2c. , die
konſtante Bewegung der Luft erzeugt. Dieſe Pankha iſt
in ganz Indien ſüdlich vom Himalaya ein notwendiges Bedürfnis von wenigſtens Monat März bis etwa Mitte November.
Während dieſer Zeit ſieht man ſie überal,
in den Privathäuſern, in den Aemtern , Kanzleien, in den Hotels, Verkaufslokalen 2c. von der Decke berabhängen
alle fünſtlid) gefühlt werden, mittelſt in die Flüſſigkeit gcs
legter Eisſtüdchen. Von Bier werden verſchiedene Arten importiert, und zwar engliſches Pale Ale, Stout (Porter) ; ferner deutſche
und faſt den ganzen Tag nid)t zur Ruhe kommen . Sie ſind ſtets ſo hoch gehängt, daß man frei darunter herum geben kann ; ebenſo können ſie ohne weiteren Nadteil
Biere als : Tivoli-Vier aus Berlin , dann beſonders in
über die Tiſchlampen hinwegſdwingen , denn dieſe ſind über
mannigfadſten Sorten Wein importiert. Sehr verbreitet unter Europäern iſt der ſogen. Peg, d. i. Rognak (Brandy)
dem Zylinder mit einem eigens fonſtruierten Dedel vers feben, ſo daß der Luftzug die Flamme nicht beeinfluſſen kann . Viele Europäer gebrauchen dieſe Pankhas auch in der Nacht; ich habe es nie gethan ; denn erfahrene Indier halten dafür, daß die Nachtpankha einen ſchädliden Ein fluß auf den Organismus übt.
Anfangs kommt es einem redyt eigentümlich vor, ſo cin 1 Eine Rupee, 1 Rup. 8 Aunas = etwa 1 Diarf 60 Pfennig
bis 2 Marf 50 Pfennig.
den legten Jahren , ein ſogenanntes Pilſener Bier , aber aus der Kaiſerbrauerei, Vremen ; in ebenſo werden die
mit Sodawaſſer. Wenn ein Herr den anderen beſudit,
wird gewöhnlich dieſes Getränk verabreicht, wann es immer fein mag. „ Brandy -pāni-lao “ ( bringe Brandy-Waſſer), wird dann getvöhnlich dem Diener zugerufen , oder dieſe ſind in den meiſten Fällen dhon ſo inſtruiert , daß ſie es von ſelbſt bringen . Sodawaſſer nennen die Inder allgemein , belātī pāni“ (eigentlid) wilāyati pāni), d. 1. fremdes oder, ſpeziell, engliſdes Waſſer ; für Bier eriſtiert
Wohlthuende Einrichtungen zur Bequemlichkeit des Lebens in Judien.
zwar die einheimiſche Bezeichnung „boza “ (perſ.) , aber dennoch nennen es die Eingeborenen viel häufiger beer sharāb “ (aus beer = engliſches Bier ; und sharāb, arab., n
geiſtiges Getränk , aud Wein ); Wein wird entweder nur sharāb oder häufig auch wine-sharab genannt. Cham =
203
Waſſer" mehr als 0.1 Ammonium in einer Million Teilen Waſſer angeſetzt wurde. Mit Rüdſidyt auf Chlor wurden
als gute Waſſer jene bezeichnet, die weniger als 20 Teile in einer Million Teilen von Waſſer enthielten. Mit Rück fidit auf dieſe Verhältniſſe haben obige Analyſen gezeigt,
pagner geht allgemein unter der Bezeichnung schimkin oder schamkin ( jedenfalls eine Korruption der engliſchen Benennung Champaign ). Doch das wichtigſte Getränk, ſchon mit Rückſidit auf
daß von den Teid wafern nur fieben 0.1 bis 0.05 Ams
die Eingeborenen, iſt das Waſſer; denn mit geringen Aus
Die Europäer hatten vor der jebigen Waſſerleitung aud ihre liebe Not , obzwar jeder das Uebel ſoviel als
nahmen bildet es das einzige Getränk der Bevölkerung .
monium enthielten , tvährend drei Teichwaſſer und ein Brunnenwaſſer weniger als 20 Teile Chlor in einer Mil lion von Waſſerteilen enthielten .
Kalfutta hat kein Quellwaſſer; doch ſeit 1870 beſißt die Stadt eine ausgezeichnete Verſorgung mit gutem Trink
möglich zu verkleinern ſudyte. Von vielen wurde während
waſſer, das filtriertes Flußwaſſer iſt, was den beſten Bes weis liefert, daß filtriertes Flußwaſſer auch gutes Trint waſſer abgeben kann. Vor der Errichtung der gegenwärtigen Waſſerwerke, war die Waſſerverſorgung von Kalfutta ſehr primitiv. Die Eingeborenen, welche in der Nähe des Huglí wohn ten , benußten das Flußwaſſer ohne weitere Reinigung zu jedem Gebrauche. Die größere Zahl der Einwohner war aber auf Teide und Brunnen in der Stadt anges
waſſer mittelſt aufgeſpannter Leinwandſtücke , die in der
wieſen .
Die Teide enthalten zwar zum größten Teil
der Regenzeit auf den Flachen Hausdächern das Regens Mitte etwas eingeſenkt waren , aufgefangen und dann in großen glaſierten Thongefäßen aufbewahrt. Von anderen wurde wieder eine andere Vorridytung benüßt.
Es wurs
den nämlich auf eigens dazu hergeſtellten Holzgeſtellen 5 bis 6 unglaſierte (poröſe) Thongefäße übereinander angebradt ; das unterſte und oberſte Gefäß wurde leer ges laſſen , während die dazwiſchenliegenden mit Sand ober
zerſtückelter Holzkohle gefüllt wurden . Nun wurde in das oberſte Gefäß Waſſer aus einem Teiche oder aus dem
Regenwaſſer; doch iſt dies in den meiſten Fällen ſehr ver:
Fluß gegoſſen, aus dem es dann tropfenweiſe durchſiderte,
unreinigt , teilweiſe durch die Beimengungen , die es auf
in das nächſt untere fiel, aus dieſem in das zweite, dritte zc.,
dem Wege des Zufluſjes von der Oberflädie aufnimmt, hauptſächlich aber durd, den Umſtand, daß die Eingeborenen , nach der bei ihnen obwaltenden Sitte , entweder in den Teiden ſelbſt oder am Rande derſelben ihre zahlreiden
bis es ſidh in dem leßten (unterſten) aufſammelte und ſo ein ziemlid, reines Trinkwaſſer darſtellte. Dieſe Vorrich
Wajdungen vornehmen , was natürlich nicht gerade zur Reinerhaltung des Waſſers beiträgt ; trozdem wurden und werden audy noch jeßt dieſe Waſſer ohne Anſtand zum
Trinken wie zum Koden verwendet. Aehnlich iſt es der Fall mit den in der Stadt befindliden Brunnen. Dieſe ſind natürlich alle im Schwemmlande 1 des Ganga -Brah: maputra-Deltas eingeſenkt, und enthalten daher Grund
und Filterwaſſer aus dem Fluſſe, das aber bei der didten
Bevölkerung der Stadt und bei den nidits weniger als reinen Sitten derſelben idjon auf dem Durchgange durch den Boden ſtark verunreinigt wird , wozu auch noch die dhon erwähnten Abwaſchungen beitragen.
tung hatte außerdem den Vorteil, daß ſie in ſtarken Lufts
zug geſtellt werden konnte, wodurd, ſich das Waſſer zugleich bedeutend abkühlte. Auf dieſe Art wird auch noch jeßt das Waſſer vielfach in europäiſchen Häuſern beſonders an
jenen Orten filtriert, die keine andere Waſſerverſorgung haben . Vielfach wurden und werden auch noch jeßt vers diedene andere Filter benußt. In einer dicht bevölkerten Stadt aber , wie es Rals 1
kutta iſt , wo der oben erwähnten Verhältniſſe wegen die Mortalität ſehr bedeutend war, ſich aber auch die Bes völkerung ſehr mehrte, mußte auf Abhilfe gedacht werden. Quellwaſſer war unmöglich zu beſchaffen , da weit und
In den Jahren 1877 bis 1880 wurde von dein Regie
breit feines vorhanden iſt. Das Bohren nach artefiſchen Brunnen führte auch zu keinem befriedigenden Reſultate: Im Jahre 1865 gab daher die engliſche Regierung zu
rungschemiker in Kalkutta das Waſſer von etwa 200 Brun nen und Teiden analyſiert und feſtgeſtellt, daß nur etiva
dem Waſſerverſorgungs - Projekte , das gegenwärtig der Stadt täglich über 8 Mill. Gallonen (32,000,000 Liter)
vier oder fünf Prozent mittelmäßig gutes Waſſer ent
reines , filtriertes Flußwaſſer zuführt, ihre Sanktion.
halten , während alle anderen als „ ſchmutig " und „ voll
Die betreffenden Waſſerwerke ſtehen bei dem Orte
Der Grad der
Paltá, am Fluſie Huglí, ctia 16 engl. Meilen (25,6 km )
Verunreinigung wurde nach der Größe des Gehaltes an
nördlich von Kalkutta ; die Anlage iſt großartig. Sie
ſtändig verunreinigt" bezeid net wurden .
Landungsplaße für Mas
Ammonium und Chlor beſtimmt, beſonders des erſteren,
beſtchen vorerſt aus einem
und zwar derart, daß für ſehr gute Waſſer" weniger als
dinerie , Kohlen 2c.
0.05 Ammonium in einer Million Teilen Waſſer , für „ gute Waſſer“ dagegen 0.05 bis 0.1 und für „ ſchmutige
Dampfmaſdyinen , jede von fünfzig Pferdekräften , welche
1 Dieſes wurde bei Kalfutta in einer Tiefe von 485 Fuß ( 148 m ) noch nicht durchteuft.
die unmittelbar in den Fluß tauden, das Waſſer herauf
Das Maſduinenhaus enthält drei
durch zwei Röhren von 30 Zoll (etiva 78 cm) Durchmeſſer, pumpen. Dieſes Waſſer wird vorerſt in ſechs ausgemauerte
Durch den Süden Mexikos und durch Zentral-Amerika.
204
(leere) Baſſins geleitet , deren jedes 500 Fuß ( 152.5 m ) lang und 250 Fuß (76.25 m ) breit und etwa 8 Fuß (2.44 m) tief iſt.
In dieſen Ballins wird das Waffer
durch 36 Stunden ruhig ſtehen gelaſſen, während welder
das unermüdlide Andringen zahlreider Hunde deutete auf deren ältere Anredote auf dieſen Platz und ſtellte eine bevegte Nadt in Ausfidit. Der dritte Tag ließ mid dyon bald nad Mittag,
Zeit eine große · Menge medianiſd ) ſuſpendierter Unrein
nad dem ein Hohenzug ſanft aliegen war, am Fuße feines
heiten ſich abſeßt. Zum Zwede des Filtrierens wird aber das Waſſer nie vollſtändig abgezogen , ſondern nur bis zu einer gewiſſen Tiefe des Baſſins. Der Inhalt von zwei dieſer Baſſins , bis zur Tiefe von 4 Fuſ , riid )t für
ſüdlidhen dhroffen Abfalles das anſehnlidye Städtchen
eine Quantität von 6 Millionen Gallonen hin. Es werden
daher ſtets nur zwei oder drei dieſer Baſſins zum Zivede
des Filtrierens benußt, während die übrigen gereinigt werden können , indem ſie ſo eingerichtet ſind , daß das Waſſer leicht abgelaſſen werden kann . Aus den Sammel: baſſins wird das Waſſer in die Filterbaſſins geleitet ; dieſe ſind acht an der Zahl ; jedes 200 Fuß (61 m ) lang und 100 Fuß (30.5 m) breit und etwa 6 Fuß tief , wovon
4 Fuß vom Filtermaterial ausgefüllt ſind. Nadidem es die Filter paſſiert hat , wird das Waſſer vorerſt nod) in
einem gemeinſamen Baſſin angeſammelt, bevor es nad Kalkutta geleitet wird ; es wird dabei über eine Marmor platte fließen gelaſſen , wobei ſeine Reinheit geprüft wer: den kann. Hierauf wird es mittelſt zweier Eiſenröhren von
42 Zoll (etwa 1 m 11 cm ) Durdhmeſſer nad Salfutta ge leitet. Die Eiſenröhren haben trok der weiten Entfernung und in dem warmen Klima keinen ſdhädliden Einfluß auf das Waſſer; id habe nie einen unangenehmen Geſdımack herausgefunden .
Comitan erreichen . In dem kleinen Gaſthofe, in dem id) ein fümmerlides Unterkommen fand, hatte man im Speiſes zimmer eine kleine Tafel hergerid)tet, und gerade als id) eintraf, begrüßten ſich die Geladenen. Es geſchieht dies, in einer nur Meriko eigentümlidyen Weiſe , durch ein oft lange fortgeſetztes gegenſeitiges , heftiges Betätſdeln der Rüdenfläden mit der fladsen Hand. Es iſt eine Form der
Begrüßung unter Befannten , die außerordentlid gern geſehen wird , den Mann von guter Erziehung befundet
und den fremden in Yande nicht angelegentlid genug empfohlen werden kann.
Comitan hat einen weiten Nuf wegen ſeines aus dem Safte der Agave, Maguey genannt, deſtillierten Branntweins, der , indem man ihn mit der Frucht des Jokotebaumes anſett, cin angenehmes Aroma erhält. Jdy verſorgte mid, reid lid) mit dieſem
trefflidyen Trant für
ineine Reiſe und zahlte die Flaſche mit nur 2 Realen . Der zentralamerikaniſde Dollar, der in San Criſtobal nur mit 7 Realen beredynet tvird , wurde hier ſdon für voll an genommen . Teurer war europäiſdics (bayeriſdes) Bier, für das man das halbe Fläſddsen 5 Realen (2 Mark) zabite .
Nadmittags batten wir ein Gewitter , das die
Dieſe Waſſerwerke wurden 1870 beendet und die An
Luft empfindlich abfühlte. No muchos, pero los neces
lage koſtete damals 6 Mill. Nup. (Gulden oder 10 Mill.
sarios," hatte mir meine Wirtin wie zum Troſte vor dem Sdhlafengeben von den Feinden meiner Nädyte geſagt. Troß alledem hatte id) trefflid) geruht, mußte aber am Morgen zwei Stunden auf meine Tiere warten, da Dun Eliberto mit guten Freunden lange gezedit und erſt nad 8 lllr zur Weiterreiſe fertig war.
Mark). ( Schluß folgt . )
Durd den Süden Mexikos und durd Zentral- Amerika. Vou Guſtav Paul . ( Fortſetung .)
Morgens nahen (don zeitig, mit langem Stabe, dem Zeidhen ihrer Würde, die Väter des Ortes zur Beratung,
finden mich aber, der ich mich ſchon lange vor der Sonne aus dem Kampfe mit blutdürſtigen Peinigern zurückgezogen , bereits vollig gerüſtet. Der heiße Tag begann ſofort mit einem energiſdyen , langen Aufſtiege durd) einen kümmerliden Wald, auf dem Urkalke, der ſdon ſeit dem Tieflande ohne Unterbrechung das Material der Berge bildet. Zu den don erwähnten Waldbürgern trat hier häufig eine Tuja auf, und eine Agave , deren Blätter auf abgerundeter Spitze
ihren Stadyel trugen . In waldigen Soluchten ohne Quellen zog unſere Straße jenſeit des Kammes den Neſt des Tages binab, und mit einem Gewitter, nebſt praſelndem Hagelſdauer gelangten wir abends zur Hacienda S. Fran : cisco, auf einer weiten, graſigen Thalebene gelegen . Die Veranda des Gutshauſes wies man mir für die Nadyt an ,
Es war ein trübſeliger Nitt an jenem Tage. Durch eine braune Grasebene führte unſer Weg ; nad Dit und Beſt svar ſie eingefaſst von tablen, langgeſtredten Höhen
zügen , ein heftiger Wind jagte Wolfen hinüber, die uns leidyte Sprühregen gaben. Auf der großen Hacienda Juncan des Don Leon Caſtro war unſer Tagewerk beendet, und ein geräumiges Haus für Gäſte ſtand bereit. Ein Abend beſuch bei Don Caſtro zeigte mir die Anſprudysloſigkeit
des Lebens eines ſolden Großgrundbeſitzers, eines Herrn über 75 Caballerias (3150 ha ) treffliden Bodens. In feinein ziegelgepflaſterten großen Wolingemad mit fahlen Wänden ſtanden nur ein rubgezimmerter Tijd ) und einige Bänte, und ein Blick in die Nebenzimmer zeigte sie gleidye Dürftigkeit und viel Unordnung.. Auf dem Gute wurde eine Herde von 1000 Stück Rindvieh gehalten ; die ges
wonnene Mild) wird zur Säſebereitung benußt, aud) Vieh nad ) Guatemala ausgeführt. Maistolben von enormer Länge und der Anbau von Zuderrohr ſpraden für den treffliden Boden. In den Waldungen der Gegend , fo
205
Durch den Sliden Meritos und durch Zentral-Amerika.
erzählte der Gutsherr, ſei den Indianern ein Strauch be:
kannt , von deſſen Holz dieſelben ein Defoft bereiteten, das ein unfehlbares Mittel gegen den Blutfluß ſei. Ein mir zur chemiſchen Unterſuchung mitgegebenes Quantum Holz hat ſich leider als zu gering erwieſen , um Verſuche damit anzuſtellen , und der Chemiker hat mich veranlaßt, cine größere Sendung davon zu erbitten. .
Ueber die zwei nächſten Tagereiſen kann ich raſch hinweg
Milizen erſdien unbewaffnet im bürgerlichen Kleide , um die aufſteigenden Farben des Landes zu ſalutieren. Gleich hinter dem leßten Hauſe des Drtes begann der breite, gut gehaltene Saumpfad fich ſteil in die Berge zu winden , zog ſich aber bald hinab zum Fluſſe S. Cas
talina , der ſein klares grünes Waſſer in einem Bette von etwa 40 m Breite nach Norden zum Nenton ſendet. Mit dem Ueberſchreiten einer guten ſteinernen Brüde trat
gehen, ohne Wiſſenswertes zu verſchweigen. Die fahle Ebene
ein Wechſel im Geſtein ein ; drüben Kalt, hier roter Sand
endete bald ; mit fümmerlichem Laubwald überzogene, mit
ſtein , von ſchönem Pinienbeſtande bedeckt. Wir folgten dem munteren Bergſohne eine Weile , ſtiegen dann im
Steinblöden überſäete leichte Erhebungen erfüllten das Land zwiſchen den beiden parallelen Bergzügen, und teine Quelle durchrieſelte die Einſenkungen. Zu Mittag lagerten wir bei der Hacienda Chinigallia, in einem Thalfeſel mit gutem Boden , um dann über fahle braune Höhen noch bis zur Hacienda San Joſé zu gelangen , die ohne Baum und Strauch auf einem Hügel lag. Der Beſißer wollte mich in die kleine Jauskapelle einquartieren , aber ſeine
Frau proteſtierte, und ich mußte mid in dem Vorbau des Hauſes einrichten. Im Nebenhauſe war eine Station des Telegraphen, der San Criſtobal mit Guatemala berbindet, und dort fand ſich auch, da der Dit der leßte vor der Grenze war, ein Zollbeamter ſtationiert.
Mit ſanftem Abfall nach Norden durchzogen wir an
duftigen Walde ſteil aufwärts und genoſſen im Rüdblid ein wachſendes Bild über den Fluß hinweg auf das merikaniſche Hochland. Zur Mittagszeit traten wir, beim Dorfe San Andrea ins Freie. Mit ſeinem weißen Kirchlein in der Mitte und verlaſſenen Klöſterlein daneben nimit der Ort den felſigen Kamm eines ſich nach Weſten vor:
ichiebenden Bergrüđens ein. Mit dem Ueberſchreiten der Grenze find wir in das Stamm- und Sprachgebiet der Mame getreten. Weiber , die uns haben herantommen .
ſehen, erwarten uns am Lagerplaß mit duftigen Ananas, die hier der Wald bringt. Gleid jenſeit des Dorfes befinden wir uns wiederum
im Kalle , winden uns öſtlich am Berge durch dichtes
dem Abſchiedstage von Merito in ſteigender Hiße ein
Geſtrüppland in ein weites Thal hinein, in deſſen Grund
qualvoll ſteiniges Geſtrüppland. Nach Weſten hin fiel dasſelbe ſchroffer in ein mit kleinen Hügeln beſeftes Tief:
ſich ein Fluß ſein Bett geſchnitten , hüben und drüben am
Fuße der Verge einen Raum für Dörfer und Kulturen
land ab , in deſſen Mitte ſich eine runde , trodene Flädhe Grasland wie ein alter Krater ausnahm. Den ganzen
laſſend. Dort jenſeit liegt das anſehnliche Jacaltenango bald greifbar nahe, aber es gilt, nod; einen langen Weg
Süden nahm das Gebirge von Guatemala ein ; es türmt
durch die Schlucht zu machen und von Dſten zurüd ans
jidh chroff jenſeit des Nio Nenton auf, der nach Dſten fließt
Ziel zu gelangen. Sehr unluſtig folgt mir Don Eliberto,
und den wir nach einem leßten, ſehr ſteilen Abſtieg node zu guter Zeit auf einer hölzernen , eingedachten Brüđe
der gern ſchon diesſeit meines Dorfes geblieben wäre. Wir waren hier zu 1425 m Meereshöhe und in erfriſchen der Bergluft aufgeſtiegen. Außer der Kirche mit Pfarr: wohnung und Schule in einem aufgehobenen Kloſter da. neben , einem Verwaltungsgebäude und einigen Beamten wohnungen um die mit Eufalypten bepflanzte Plaza vur der Kirche, ſeßten viele kleine Hütten aus ſenkrecht neben einander geſtellten dünnen Holzſtäben und ohne jeglichen Bis wurf den Ort zuſammen. Auf einer großen Felsplatte, weldye inmitten der breiten Hauptſtraße zu Tage lag, hielten Weiber ihren kleinen Kram feil. Sie tragen um den
überſchritten , um die Plaza des reinlichen Grenzortes .
Nenton zu betreten. 40 Leguas ( 167,5 km ) hatte ich von San Criſtobal zurüdgelegt. Die Luft war ſchwül ; wir waren bis zu etwa 775 m Meereshöhe herabgeſtiegen und ſaben allſeitig die Berge aus dem kleinen Refſel aufſteigen . Mein offenes Schreiben an die Behörden des Landes überhob mid der Zollreviſion und brachte mir ein gutes Unterkommen in einem Amtslokale ein.
Der nächſte Tag war der Jahrestag des Regierungs antrittes des Präſidenten Barillas , des Nachfolgers des 1886 in einem Kriege mit San Salvador für die bon ihm erſtrebte Vereinigung der zentralamerikaniſchen Freis ſtaaten zu einem Föderativſtaate gefallenen Barrios. Man hatte die öffentlichen Gebäude , die an zwei Seiten die
Plaza einfaſſen, mit Lampions geſchmückt, und bis tief in die Nacht hinein ſendeten zwei Marimbas (mit drei Ditaven ), von je zwei Männern geſpielt , wedſelweiſe ihr helles,
heiteres Getöne an mein Dhr. Am Morgen des Gedent: tages trat die in apfelblütfarbene , baumwollene Uniform gekleidete kleine Grenzgarniſon ins Gewehr, und eine Angal ! Ausland 1890, Nr. 11 .
Unterkörper gefunden , wie die Malayen , ihren Sarong, ein breitgeſtreiftes Stück Zeug, meiſtens gelb und rot. Das weiße Hemd hat zwei Kragen mit buntem Beſaß. In das ſchwarze Haar ſind rote Tuchbänder geflochten .
Die Männer tragen über dem weißen Unterzeuge, bei dem in das Beinkleid rote Querſtreifen gewirkt ſind, ſchwarze wollene Dberkleider. Die Hoſe iſt ſeitlich bis ans Knie offen , und bie Jade hat kurze aufgeſchlißte Aermel. Kurz vor Sonnen : untergang hört man Böller, ſieht man Naketen ſteigen, und mit der Streitmacht nimmt die Schuljugend unter Mas rimbaklängen vor den Flaggen Stellung, als man ſie .
einzieht. Den Drt mag der heutige Tag, der ſie von 32
Durch den Silden Merifosim
206
durd) Zentral- Amerika.
dem blutdürſtigen Barrios befreite, nodh beſonders dankbar ſtimmen ; der Diktator ließ in dieſer Gemeinde zur Befeſti gung ſeines Anſehend bei der vielleicht etwas unzuverläſſig
ſich über die Prellerei und preiſt ſein Vaterland , wo er folden Leuten noch nie begegnet ſei ; er hätte gern icon
erſdeinenden Bevölkerung unter empórend roher Art der
gebrad)t.
Ausführung 25 Bürger er dießen . Ich habe mein Unterfommen und ruhigen Schlaf im Shullokal gefunden. Laute Stimmen, die id dort höre, rufen mich in die nahe Kirche. Draußen vor dem Thore ſdon ſehe ich
Von Todos Santos ſtiegen wir andern Tages noch vier Stunden neben dem Bade, der uns ſchon geſtern feit Mittag begleitet hatte, durch arg verſtümmelten und
Weiber vor fleinen Holzfeuern hoden , und auch im Innern ,
das arm und traurig verwahrloſt ausſieht, liegen ſie vor den Altären in lautem Gebete und pflegen ihr Feuerden. Wer ſie verſteht, ſoll da wunderſame Dinge hören können, wie z. V. Bitten an den chriſtlidien Gott, daß er dem Feinde Unglück ins Haus ſende ; und wenn es eine Krankheit ſein ſoll, ſo
wird an einer Puppe oder einem Vild durch eine Nadel der jenige Körperteil bezeichnet , welder leiden ſoll, worauf
dann das Bild vor der Kirdyenthüre vergraben wird. Kenner der Indianer behaupten fogar , daß überall unter denſelben dem heidnijden Gott nody heute im geheimen größere Verebrung gezollt wird als dem Gotte der Chriſten ; daß auch ihr ,,Gott des Waldes" ihnen noch
heute lebt und ihnen mehr helfen kann als der „ Gott der Kirche ", der ,, Gott der Yadinos " .
Die Indianer dieſes Ortes und einiger Dorfer umher haben ihre eigene, von den oben erwähnten Mame verſdie dene Sprache. Einige Foridyer nennen ſie Pocoman , die weit getrennt um die Hauptſtadt leben ; andere beſtreiten die Zuſammengehörigkeit und wollen hier ein eigenes
weiter unten im Thale fein Tageterl zum
Abfluſie
auch fümmerlid) werdenden Pinienivald aufwärts , bis ,
wir in 3114 m Meereshöhe auf dem Bergpaſſe La Ven: toja ſtanden . Ueber eine ſanft gewvellte Hochebene hin:
trabend, ward uns plößlich ein Blick von überwältigender Großartigkeit und Schönheit. Wir ſtehen über dem ſchroffen Abfall in das Thal des Rio Salegue, der etwa 2000 Fuß zu unſern Füßen ſich maleriſch durch eine grüne Ebene windet. Dort öſtlich liegt in ihr das Städtchen Huduetenango, und in geringer Entfernung weſtlid, Chiantla. Darüber
aber türmt fid, das ganze Gebirgsland Guatemalas bis zu ſeinem Abfall in den Stillen Ozean mit einer Welt von Gipfeln auf, aus der zunächſt in nordöſtlider Nich tung der Vulkan Tajamnico ragt, gegen Süden aber die anderen großen Vulfane ihre Häupter emporreden. Es herrſcht vollkommene Klarheit in dieſem ganzen impoſanten
Bilde , und in dieſer Klarheit will ich es mir bewahren, es hüten und zu anderen herrlichen Erinnerungsblättern legen , die id) auf weiten Wanderungen erworben . Zur Linken ſteigt in zwei Terraſſen aus der Ebene ein Bergrüden empor, über den wir hinab müſſen . Di obere beſteht aus Thonſdiefer und trägt Pinien , die zweite wiederum aus Kalt, erſt mit Eichen und dann , wo der Fels
Wo :vir oben auf der Höhe von dem herrliden
zu Tage tritt, mit dürftigen Mimoſen bedeckt. Bei einem Dorfe am Fuße des Thonſdiefer-Abhanges erblicke ich ein üppiges Kartoffelfeld. Der Kommandant von Chiantla räumt mir ein Zim mer in dem großen Hauſe ein , das zu ſeiner Verfügung ſteht, und führt mid dann zu einem anderen Gaſte, dem
Blick auf Jacaltenangu im Grunde ſowie von dem Ausblick
er Unterkunft gegeben. Dieſer, ein Schweizer, gibt mir –
über die Vorberge ins incrifanide Land hinüber Abidied
es war am 17. März
nahmen , erſdien bald vor uns das große Dorf Con cepcion . Unſere Straße berührt dasſelbe nur und führt uns in ſüdlider Nidtung auf langem Zidzadivege zu der Soble eines ſchönen , breiten Thales. Drei große Ort daften blicken von einer ſeitliden Bergterraſje herab auf unſere Straße ; aber um umfer Nadtquartier Todos Santos 3u1 crreiden, müſſen wir zu ihr hinauf, und ſo ſteil, daß
großen und guten Kaiſers Wilhelm . Als einen Beweis
goiom finden .
In den Gärten um
den Drt wudſen Kaffee und
Bananen in großer Weppigkeit , in den Kulturen , durdy die wir alsdann in zweieinhalbſtündigem Nitt ſteil am Abhange eines Berges nadh Diten binaufſtiegen, dominierte der Diais.
Runde von dem Tode unſeres
für das weltumfaſſende Anſehen des Kaiſers und für die Bedeutung , die man ſeinem Hinſdeiden beimaß , darf id) erwähnen , daß meinem
Geivährsmann von einem Staats
beamten eine Tagereiſe weit ein eigener Vote mit der Nach
unſere armen Tiere faſt ihre lebte Kraft hergeben. So
ridit entgegengeſandt worden war. Bis ſpät in die Nadyt hinein dauerte unſer Geplauder, fo reizvoll, weil ich nun wieder, und noch dazu ſo unvermutet, Fühlung mit der Welt
hod) ſind wir heute gefommen , daß es in den Gärten
gewonnen hatte .
umher ausſieht, wie im heimatlichen Frühjahr: Aprikojen
Mit dem Ueberſdreiten des Rio Salegue, der von Nord nadı Süd fließt, um ſid) ſpäter mit dem Rio Negro zu vereinen , betraten wir plutoniſdes Beſtein , erſt Granit,
und Apfelbäume in voller Blüte ! Die Männer des Ortes deinen ungefällige ind dledte Kerle zu ſein ; felbſt der Beamte des Dorfes erweiſt
dann Porphyr. Als wir dann nach langen , intereſſeloſen
für alles bobe Preiſe bczahlen ; für Gier nehmen ſie das
Stunden ſanften Aufſteigens ins tief eingeſchnittene Thal des Rio Negro niederſtiegen , ſaben wir uns von vulfani: den Tufjen umgeben und waren in 1166 m Meereshöhe
Geld, ohne die Ware zu bringen. Don Eliberto iſt außer
2248 m unter dem Paſſe La Ventoſa.
ſid ihnen gegenüber machtlos.
Erſt in dunkler Nadt
bringen ſie Waſſer, Holz und Mais herbei und laſſen ſid
Durch den Süden Mexifes und durch Zentral- Amerifa.
Nur wenige Häuſer hatten wir am Morgen geſehen , den ganzen langen Tag zog ſich unſer Pfad durch uns bewohntes Waldland, hie und da don Grasfläden unters
brodjen , und kein menſchlides Weſen ging des Weges.
Vom Fluſſe aus, den jeßt eine trefflidye Brücke, die, glaube id ), lange dymerzlich entbehrt worden war , überſpannt,
war es noch eine lange Cueſta, zu der hinauf wir uns winden mußten. Abſeits auf großen Grasflädjen lagen einige Randhus, und kleine Sdafberden weideten in ihrer Nähe, von deren Wolle man den loderen Stoff Serga webt.
207
Vald nahm uns der Wald in ſeine Schatten , und zur Mittagszeii raſteten wir unter der Veranda der Hacienda S. Francisco. Obgleid) die Mardroute idon hier das Nadytquartier anordnete, ſo dien dudy ſelbſt Don Eliberto die Leiſtung zu gering, aud) waren die Beſitzer unfreund lide Leute. Wir ſtiegen deshalb durch den Wald, in jäheſtem und ſteilſtem Abfall, in dem hier alle alten Wege die
Thäler freuzen , zum Rio Grande, aud Rio Montagna genannt , hinab.
Daß bei folden Gelegenheiten die Laſt
der Gepädtiere aus dem Oleid,gewidyt kommt und, ge
Jenſeit, in einem mübamen Niederſtiege, erreichten
rüdt, wohl gar von neuer gelaben werden muß , iſt bei
wir hungrig und müde das arme S. Maria nad 11 Liguas Tagesmarſd ). Außer cinem Kruge zum Waſſerholen war in den wenigen Hütten nid) ts zu erlangen , und das Raſt baus erwies ſich ſo erfüllt mit ungebetenen kleinen Gäſten ,
Reiſegepäd , defien Gewidyt man nicht genau verteilen fann , nicht zu vermeiden und verurſacyt vielen ärgerlichen Aufent halt. Um nun bei ſolder Arbeit das Tier zum ruhigen Stehen zu bringen , hatte Don Eliberto ein ſehr zweckmäßiges
daß ich mein Lager im jreien aufídlug. Meine Maul tiere litten bittere Not, und wir braden deshalb am Morgen
'in dieſer plövlidhen Umnadtung ſtand es wie angeivurzelt.
ſchon vor der Sonne auf, um ihnen irgendwo den ent
Jenſeit des Flufjes hatte die Negierung dodh endlid)
behrten Mais reiden zu fönnen .
Aud) heute ſd were Arbeit und wenig Freude! Ein
Drittel ; er warf ihm nämlid) ein Tud über den Kopf, und
ein Einſehen gehabt und nad ) den menden und tier freundlichen Regeln unſerer Zeit mit Pulver und Hade einen Eroſion hergeſtellt.
heißer Wind betvegte rajdend die trodenen Blätte: der
ſanfteren Anſtieg aus dieſer tiefen
Eichen , die einen großen Teil des Weges auf den verbranna
Wie id) ſpäter erfuhr, wird für den Wegebau im Lande eine Steuer ven neun Nealen auf jeden männlichen Kopf,
ten Weidenflädien ſtanden. Das Geſtein war hier Granit. Ein Händler aus Chiapas fürzte mir bei meinem Frübſtüd
die Zeit; er brad )te von dort Hüte aus den Blättern einer Fächerpalme und verſprad, ſid, davon in Guatemala ein gutes Geſchäft. Rechts in der Tiefe lag fruchtbares, glüdlideres
Land ; und dort hinab zog ſid, denn auch über einen ganz fahl gewordenen Hügel unſer Weg zur Stadt S. Cruz de Quidhés, wo wir eine Poſada fanden und audy nad 10 trockenem Tage ein Labſal, europäiſdies Bier, erhielten. Der übrigens traurige, nichtsſagende Ort liegt 1884 m über dem Meere. Wie ſdon ſein Name ſagt, waren wir zum Stamme
der Quid és gefommen , nachdem wir bald dies ſeit Chiantla Abſdied von den Mame genommen. Die Duidhés brei ten ſid, von hier ab über das ganze Hod )land (die Altus) bis an das Geſtade des Stillen Ozeans aus, waren früher
der mächtigſte Stamm im heutigen Guatemala und können ein um fo lebhafteres Intereſſe beanſpruden , als über das von ihnen gebildete Reich , ſein Bolt und ſeine Mythen Aufzeichnungen erhaiten ſind. Der nädyſte Vormittag führte uns anfänglid, durch mehrere Stunden auf dem Sdheitel cines fablen Berg. rüdens bin , erſt an einzelnen Gehöften vorüber und dann durch den lebhaften Ort Chidyiſtenango, mit einer von der Amate, einer Fifusart, beſdatteten Alameda. Nadh Díten
erhoben ; wer fie nidyt zahlt, wie Sie Indianer meiſtens, hat ſie auf der Straße abzuarbeiten . Mander von ihnen zahlt jedod ), muß aber dennod) arbeiten , indem man ihm feine Steuerquittung abzuidwvinden weiß und ſie ver nichtet. Unter einem geräumigen Sdubbade auf der Höhe eines kleinen grünen Hügels, in der Nähe eines
Dorfes, Hacienda vieja, ridyteten ivir uns zur Nadit ein luftiges Quartier ein. Ein ſchon auf der ganzen Reiſe gefundenes Grünfutter für die Tiere, ein rohrartiges Gras, war hier in beſonderer Saftigkeit und Größe vorhanden , und es war mir bei meinem tierfreundlichen Sinne das
Bredhen und Nauen der braven Gefährten eine angenehme Sdrummermuſik. Als ich don im Solafe lag, ſammelte fid) ein Trupp berittener Bewaffneter um uns und ver langte Einjidt in meine Papiere. D6 man etwa auf der Suche nad politiſden Wühlern war ? Sie ſind ja eines
Präſidenten größte Sorgenbringer. Nod) vor der Sonne waren wir wiederum reiſefertig
und fahen nady drei Stunden von einer leicht gewonnenen Höhe ſteil unter uns in einer Mulde das Dertdien Pueblo Nuevo liegen. Ein Haufen Neugieriger vor einem Hauſe zog mid; an .
Da but fid) mir ein originelles, vollstüm
wie nad Weſten zogen ſid) Kulturen in die Thäler hinab,
lidhes Sdjauſpiel. Zum Hilange der Marimba bewegte fid in feierlidem Kundtanze, in furzen Pauſen lid gegen
und die breite, gut gehaltene Straße war von wandern :
die Veranda des Hauſes wendend, wo neben einem kleinen
In den Händen der Feld:
improviſierten Altare einige Herren in ernſtem Zuſdauen ſaßen, ein Trupp Geſtalten in farbigen Gewändern . Be
dem Volke erfreulich belebt.
arbeiter ſah ich eine kurzſtielige Made , an der das Eiſen nicht den am Ende mit Vaſtſtreifen umwundenen Stiel wine faßte , ſondern redyttvinklig in denſelben eingeſetzt war
und ſomit an die Zeit erinnerte , als man noch Steine ſtatt Eiſen gebrauchte.
fonders reid, in ſeidenen , golddurdyvirften Mänteln , im
Sdynitte eines katholiſden Meßgewandes erſdyienen , zivei unter ihnen mit den Masken eines Hirſdes. Es war dies ein Feſt zu Ehren eines Heiligen , aufgeführt von einer
Durch den Siiden Mexifos und durch Zentral-Amerika.
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Bruderſchaft ( Confradia ), wie faſt jeder wohlhabendere Drt im Lande mehrere hat, und die ſich einander überbieten und
manchmal ſogar in Schulden ſtürzen, um bei ſolchen Feſten in recht glänzenden Gewändern prunken zu können. Die Maste des Hirſdies hat ihre beſondere Bedeutung : der Hirſch war ben heidniſchen Indianern ein heiliges Tier. Bevor man ſich entſchließt, einen der Heiligen ſo öffent. lid zu ehren, zieht man zu den Eremitas (Heiligenhäuschen ) der übrigen am Plaße und bittet um Erlaubnis, die ,,Zarabanda " - ſo heißt ein ſolches Feſt - veranſtalten zu dürfen, indem man etwas Kopal verbrennt, einige Raketen ſteigen läßt und ein paar Kerzen anzündet. Jede „ Confradia " hat ihre Raſſe, aus der fie kleine Geldbeträge zu Ehren des Heiligen zu 100 Prozent jährlid ausleiht.
Da in dem Schauſpiele nad längerem Verweilen keine Veränderung eintreten wollte, ritt ich meines Weges, hatte ich doch noch mehr als die Hälfte meines Tage: werkes vor mir. Als ich dem Thalkeſſel in jüdöſtlicher Nichtung entſtiegen war, öffnete ſich mir der Blid in ein weiteres Thar mit Mais- und Weizenfeldern, das anſehnlidhe Städtchen Tecpam in ſeiner Mitte (300 Einw .). Die Mittagsſonne glühte zwiſchen den geraden , ſchattenloſen
weißen Häuſerreihen, und erſt jenſeits in der Nähe einer Kirche fand ich ſchattige Bäume zur Naſt. Nun war am Nachmittage noch eine tiefe , enge Schlucht mühſelig zu durchſteigen, das Werk eines nur ſchwaden Waſſers, dem
ſcheint dank der Kaffeekultur und dem Tabakbau dicht bevöl kert, und man iſt in die Stadt Antigua eingetreten , faſt ohne es zu bemerken. Antigua war eine der blühendſten Städte Neuſpaniens, bis ſie ein Erdbeben 1773 arg verwüſtete. Sie fant dann noch mehr, als 1777 das heutige Guate
mala gegründet und Hauptſtadt wurde. Schwere Schädi gung ihres Wohlſtandes erlitt die Stadt außer durch die Entwertung der Kochenille noch durch einen Nachtfroſt des
Februar 1881, der die hoffnungsvollen jungen Kaffeepflan zungen vernichtete , und endlich durch einen verunglücten erſten Verſuch des Tabakbaues. Was Wunder , daß die
Vielgeprüfte heute einen überaus traurigen, verlaſſenen Eins bruck macht. Manche Kirche liegt in Trümmern, und wenn man von der langen , langen Hauptſtraße, in der ſich das wenige Leben noch konzentriert , in die Nebenſtraßen blidt. empfängt man den Eindruck einer unheimlichen Verödung, Heute aber ſollte die trauernde Antigua doch noch
einen heiteren Tag ſehen. Als ich endlich das leßte Haus erreicht, ſtieß ich auf die Spißen einer förmlichen Völker wanderung zu der Fiera , die im Drte beginnen ſollte.
Im langen Anſtiege zur Cueſta de las Cavas , den mein
treues Maultier, das den frohen Reiſemut mehr und mehr verloren, nur mühſelig vollführte, tam ich aus dem heitern farbenreidhen Menſchenſtrome für Stunden nicht
wieder heraus. Beritten und unberitten, in hochrädrigen
aber der vulkaniſche Tuff ſeine Arbeit erleichtert hat, und
Doſenkarren und in öffentlichen Fuhrwerken, die, bis zum leßten Plaße dicht beſeßt, mit mageren kleinen Pferden in
abends erreiche ich die Stadt Chimaltenango. Still iſt
geflicten oder gebundenen Geſchirren beſpannt waren und
es in ihren Straßen , die Häuſer ſehen verwahrloſt aus,
dahinraſten, als wäre ein Menſchenleben nicht mehr wert als
und man erhält den Eindruck einer heruntergekommenen
ein Maiskolben – fam mir das Volk entgegen. Das alles hüllte ſich in den feinen, leichtbeweglichen, hellgelben Staub,
Größe. An einen Gaſthof in dieſen Ländern betreffs Reinlichkeit, Bequemlichkeit und Verpflegung irgend welche An-
ſprüche zu ſtellen , habe ich längſt aufgegeben ; auch die
der in jo dichter Sdhidit die Straße bedte , daß die Hufe nicht mehr auf den harten Boden aufſchlugen.
beſcheidenſten Hoffnungen erweiſen ſid, ſtets als ein müßiges Spiel der Phantaſie. Der Stamm der Indianer dieſer
Dorf S. Lucas , dann öffnet ſich ein Thal zum Austritt
Gegend heißt Caddhike, und Tecpam war die alte Haupt-
ins Freie, das erſt ſanft, dann ſteil zur Tiefe fällt. Das
ſtadt ihres Reiches. Der leßte Tag meiner Reiſe bis zur Hauptſtadt des
Dorf Mirco liegt uns zu Füßen und weit darüber hinaus dehnt ſich das kable El Valle de las Vacas. und am Fuße ſeiner jenſeitigen Höhen lagert ſich eine lange, weiße Maſſe das iſt Guatemala , die Hauptſtadt: Uns trennt noch, nachdem eine tiefe Barranca jenſeit Mirco über wunden, eine mehr als ſtundenbreite Ebene von dem lang erſehnten , ſchwer errungenen Ziele. Auf derſelben fallen eine Anzahl kleiner Hügel in die Augen , es ſind alts
Landes iſt endlich gekommen.
In großen , regelmäßigen,
ſanft gegeneinander laufenden Linien liegen die Vulkane vor uns. Rechts, gegen Süden zunächſt der 3906 m hohe
Acatenanga, und der Cuego mit 3704 m, etwas mehr öſtlich der Agua mit einer Höhe von 3686 m . Eine breite ebene Straße, auf der man von hier ab
I
Jenſeit einer tiefen Barranca liegt auf der Höhe das
auch im Wagen die Hauptſtadt erreichen kann , weit hins aus durch den Llano überſehbar, liegt vor mir. Als wir
indianiſche Grabhügel , die bisher nur wenig wertvolle
dann das Dorf S. Luis erreicht haben, folgt noch ein kurzer
direkten Weg eingeſchlagen, während ich den Umweg von
Abſtieg auf der durch dywere Karren tief aufgewühlten
drei Leguas durch das Thal von Antigua gemacht. Durch eine endlos ſcheinende Vorſtadt erreichten wir den Kern
Straße (im vulkaniſchen Tuff) ins Thal des Rio Guacalate ; ein unternehmender Sdweizer hat ſich dieſen zu einer Mühle dienſtbar gemadt und damit hier wie an anderen Drten im
Gebirge ein großes Vermögen erworben. Das fruchtbare Thal, in dem die Kodhenillezudyt, wie überal in der Welt, durch die fünſtlichen Farben zugrunde gegangen iſt, ers
Funde geliefert haben. Ich traf hier meine Leute, die den
der Stadt, ich ſuchte in den beiden beſſeren Gaſthöfen, von denen der beſte von einem Deutſchen gehalten wird, vergebens
ein Unterkommen und fand es endlich in einer ſogenannten Caſa de Huespedes, wie die Häuſer zweiter Ordnung beißen, beren Wirt ein Franzoſe war.
Durch den Süden Merifos und durch Zentral-Amerita.
So hatte ich denn die 124 Leguas (5191/2 km) pros
grammäßig in 14 Tagen zurüdgelegt. Das eine der Be denken Don Elibertos, meine Leiſtungsfähigkeit betreffend, war ſchon bald gehoben worden, und nun erwies fich denn
209
geſprochene Wunſch in erſter Linie in der beklagenswerten
1
Leere des Staatsjädels und im teuren Kredit wurzeln. Sdon lange Monate hatten die Staatsbeamten auf die
Zahlungen ihrer Gehälter warten müſſen. Die Einlöſung
treters der deutſchen Intereſſen , der den Beſißern der
der Roupons der Staatsiguldſcheine war ſeit 1886 ſuge pendiert. Zwar ſtand im Frühjahre vorigen Jahres eine Wiederaufnahme der Zinszahlung in Ausſicht, aber es gab Leute , die da meinten, das würde wohl fürs erſte nicht wiederum vorkommen . Entgegen ſolcher peſſimiſtiſcher Anſchauung gehen mir, während ich dies dreibe, über Panama hoffnungsreiche Nachrichten über den Stand der Staatsfinanzen zu. Nach ihnen iſt im verfloffenen Jahre der Kurs der „ Bonds" erheblich geſtiegen, weil den Gläu
deutſchen Häuſer auch freundſchaftlich nahe ſteht.
bigern die ſichere Ausſicht auf fortan regelmäßige Ein
Die deutſche Kolonie iſt nicht zahlreich, wenigſtens nicht ſo zahlreich , daß bis jeßt das Gefühl der Zuſammengehörig feit durch die Bildung einer Vereinigung für den geſelligen Verkehr hätte zum äußern Ausdruck gebracht werden können.
löſung der Koupons eröffnet iſt. Auf demſelben Wege erfuhr ich auch das nicht minder Erfreulide, daß fich eine
auch hier meine Unterſchrift troß mangelnder „ rubrica “ als gut, ſo daß wir als buenos amigos von einander ſchieden. Tage wohlverdienter Ruhe durften nun folgen, Tage, deren ich mich auch deshalb gern und in Dankbarkeit er innere, weil ſie reich ſind an Beweiſen freundliden Ents gegenkommens, reizender Gaſtlichkeit und vielfach erfahrenen
Rates und Unterſtüßung von ſeiten des berufenen Ver
deutſche Geſellſchaft mit zwei Millionen Mark Kapital für Plantagenbetrieb im Lande gebildet hat.
Wohl aber beſteht ein Verein in derſelben , welcher dem
Barrios hatte die Finanzen der Republik im traurigſten
Landsmann, der in unverſchuldete Not gerät, Unterſtüßung gewähren fann. Mit Freude habe ich es hören können, einen wie guten Klang der deutſche Name fich im Lande erworben hat, durch den Fleiß und den Geiſt der Ehren
Zuſtande hinterlaſſen ; teils hatte der Krieg für die Union die Staatskaſſe ſtart in Anſpruch genommen , teils hatte die Hand des Präſidenten tiefe Griffe in dieſelbe gethan. Er hinterließ ein Vermögen von zehn Millionen Peſos, von deſſen Renten ſeine Witwe jeßt in der fünften Avenue in New -York lebt. Das iſt eben eine jener bedenklichen Freiheiten, an denen die ſpaniſch -amerikaniſchen Republiken Leiden , daß der jeweilige Macthaber und mit ihm alle
haftigkeit, der in der Kolonie waltet. Wenn auch einige deutſche Namen einen Mißklang hineintragen , ſo beans
ſpruchen deren Träger doch nicht den deutſchen , ſondern den Schuß der Vereinigten Staaten, und die Wiege ihrer Vorväter wurde nicht durch die deutſche Eiche, ſondern
ſeine Kreaturen in dem unpatriotiſchen Gedanken ,après
durch die Palme des Dſtens beſchattet.
nous le déluge“ immer zunächſt das eigene Wohl im
Vertretung des Landes ſind dem Deutſchen Reiche und
Auge haben. Was nun die von Barrios mit Waffengewalt anges
ſeinen Söhnen im Lande wohlgeneigt , wovon ein vor
ſtrebte Wiederherſtellung des Bundesſtaates der fünf zen
wenigen Monaten zum Abſchluß gelangter Freundſchaftss und Handelsvertrag , wie ihn keine der anderen Mächte beſißt, ein beredtes Zeugnis ablegt. In erfreulicher Weiſe
tralamerikaniſchen Republiken betrifft, der 1847 zerfiel, ſo ſcheint Guatemala, in dem ja idon unter ſpaniſder Herrs ſchaft, als einem Teile der bis nach Panama hinabreichenden
ſteigen denn auch die deutſchen Importe in gewiſſen Ar
Capitaneria general de Guatemala , der Kernpunkt der
tikeln , namentlich Kurzwaren , mit jedem Jahr.
Regierung gewalt lag, und das auch ſeit der im Jahre
Der Präſident Barillas mit ſeinem Kabinett und die
>
Als einen Beweis dafür , zu welchem Anſehen die
1821 erfolgten Losreißung vom Mutterlande dic Führerſchaft
Regierung des Deutſchen Reiches in den Republiken des
über die Schweſterrepubliken beanſprucht, geſonnen zu ſein , auf friedlichem Wege anzubahnen, was der Waffengewalt nicht gelang. Es ſind kleine Anfänge zwar , aber es ſind Früchte eines gemeinſam gefaßten Beſclufſes. Konnte man
ſpaniſchen Amerika gelangt iſt , zugleich aber auch als einen Beweis für das Gefühl eigener Hilfloſigkeit muß ich erwähnen, daß ernſte Männer im Lande das Heil desſelben in einem Protektorate des Deutſchen Reiches erbliden wollen . Zu welchem Segen fönnte aber die Erreichung dieſes freilich undiskutierbaren Wunſches dieſen unglüdlichen Län dern werden , die an ihrer Freiheit und an ihren Freiheiten
hinſiechen ! Ueberal höre ich von den verlodendſten An lagen für deutſches oder fremdes Kapital. Daß dasſelbe dort nie fehlt , wo ſich die ſtaatlichen Verhältniſſe tons
ſolidieren und die Gewähr für die innere Nube bieten , dafür liefern in neuerer Zeit Argentinien und Mexiko den beſten Beweis.
Ein leerer Sädel macht, wie männiglich bekannt, kleinmütig und verzagt , und ſo mag denn der oben aus Ausland 1890, Nr. 11.
ſich im vorigen Jahre noch nicht über die Ernennung eines gemeinſamen Vertreters in Berlin einigen , ſo iſt doch jeßt wenigſtens erreicht worden, daß für einige der wichtigſten Handelspläße des Auslandes die Ernennung von Konſuln unter die Republiken verteilt worden iſt, welche erſteren dann
an den betreffenden Orten die Intereſſen wahrzunehmen haben. Auch ſoll vereinbart worden ſein, daß bei einer im Ausland ſtattfindenden Ausſtellung ein einziger Kommiffär die fünf Staaten vertreten wird. ,, Liberale und Servile", die immer patriotiſche Phraſen im Munde führen , aber meiſt nur Herrſchſucht, Habgier oder perſönliche Rache im Herzen hegen, haben über Zentrals 33
Aus dem ſkandinaviſchen Norden.
210
amerika in blutigen Kämpfen unſägliches Elend gebracht,
Aus dem ſkandinaviſchen Nordeu.
und die Zukunft ſcheint mir nur wenig Gewähr zu bieten, daß die Streitäyte für immer vergraben ſind. Die Hauptſtadt zählt ca. 60,000 Einwohner und iſt
Von Hans v. Schönberg. ( Fortſetzung.)
damit die volkreichſte Zentralamerikas. Sie liegt 1480 m
über dem Meere und hat eine mittlere Jahrestemperatur von 18.640 C. Die heißeſten Monate April und Mai haben
Die Verwaltung des Landes iſt in ſieben Haupt departements mit verſdiedenen Unterabteilungen eingeteilt. Die Provinzialverwaltungen ſind dem Oberſtatthalter
eine mittlere Temperatur von 29.50 C. , in den fühlen
in Stockholm und vierundzwanzig „Landshöfdingen“,
Monaten Dezember, Januar , Februar mit vorherrſchend nördlichen Winden , die aber auch in dem übrigen Teile des Jahres häufig ſind , weiſt das Thermometer ein
Juriſt ſein muß , und ein Kaſſenbeamter , landskamrer, beigegeben iſt. Unter ihnen ſtehen als untere Polizei und
Gouverneuren, untergeordnet , denen je ein Sekretär , der
Mittel von 170 C. auf. Schon im Mai beginnt die Regenzeit, bis Oktober dauernd , und der Juni pflegt
Steuerbehörde in 112 Vogteien die kronovogtare und
der regenreichſte Monat zu ſein. Als ich Ende März
jeden härad, d. h. Gerichtsbezirks, und die Magiſtrate der
mich dort aufhielt, trübte fein Wölkchen den Himmel, um die Mittagsſtunde war es warm , aber die Morgen und Abende waren entzückend ſchön. Wie ſchon die mittleren Temperaturen andeuten , iſt das Klima dem Europäer durchaus zuträglich, und bei den reinlich gehaltenen breiten Straßen , dem zweckmäßigen , luftigen Bau der Häuſer und der offenen Lage der Stadt bei äußerſt ſeltenen Wind ſtillen, iſt dieſelbe niemals ein Herd von Seuchen , Lohnend iſt ein Gang durch die von Verkäufern nur faſt aUzu ſtart befekte Markthalle. Sie ſorgt nicht allein für den Magen , ſondern bietet auch alle Erzeugniſſe der indianiſchen Induſtrie: Deden , Fächer, Zeug für Frauen röđe in Baumwolle, ſeidene Gürtel und Kopfbänder, leichte
Städte.
Gewebe mit Stidereien - alles die große Vorliebe für grelle
Farbenzuſammenſtellung zeigend. Schwere einfarbige Um
dlagetücher von Seide, wie die Frauen der beſſeren Bürger fie tragen , kommen aus San Salvador. Was Lebensmittel betrifft, ſo iſt durch die Eiſenbahn die Zufuhr von Früchten
aus dem Tieflande zwar reichlich, aber von Fiſchen ſpärlich. Nur auf dem Tiſch der Vermögenden erſcheint daher der Seefild , der eigens beſtellt werden muß. Die Indianer der Markthalle gehören dem Stamme der Pokomane mit ſeiner eigenen Sprache an. Er bevölkert die Gegend, idon bei Mirco anfangend und weiter in einem Streifen durch das Hochland bis an die Grenze von Salvador.
häradsskrifvare , Sdfreiber , und die Länsmänner eines
Die Gemeinden haben ſeit 1862 eine neue Kommunal
verfaſſung erhalten ; ſie beſorgen ihre weltlichen Angelegen heiten unabhängig von den Geiſtlichen , denen früher die
Führung dieſer Geſchäfte oblag, während ſie jeßt nur noch in Kirchen- und Schulſachen die Beratungen des Kirchen und Schulvorſtandes leiten.
Jede Gemeinde wählt einen Vorſißenden , der das Protokoll bei den Beratungen und Wahlen führt , ſowie cinen Armenvorſteher und Bezirksgehilfen. Dreimal im
Jahre finden ordentliche Gemeindeverſammlungen ſtatt: im März zur Beſchlußfaſſung über den Bericht, den die Revi ſoren über Gemeinderechnungen geben, und zur Wahl der Wahlmänner der Mitglieder des Provinziallandtags, im Oktober zur Aufſtellung des Gemeindebudgets und im De zember zur Prüfung der Wahl- , Steuer- und Stimmver zeichniſſe der Gemeinde, zur Wahl der Gemeindebeamten und Rechnungsreviſoren. Außer dieſen geſeblich vorgeſchriebenen Gemeinde: .
verſammlungen können außerordentliche abgehalten werden, je nach Bedarf oder auf Anordnung der Behörden.
Die Bekanntmachungen zu den ordentlichen Gemeindes verſammlungen ſollen mindeſtens zwei Sonntage vor dem anberaumten Tage erfolgen und werden nach beendetem Gottesdienſt von der Kanzel verleſen.
Das gutgeheißene Protokoll der Gemeindeverſamm
Für einen Blid auf Stadt und Umgegend iſt der Trachytporphyr-Hügel Cerro del Carmen im Norden der Stadt ein geeigneter Punkt. Liebe Landsleute führten mid an einem Abend auf ſeine Höhe , als der Vollmond mit ſeinem milden Lichte faſt Tageshelle verbreitete. Dede umzieht der Llano bie große weiße Häuſermarſe, aus der Türme und Kuppeln ragen. Eine düſtere, bewaldete Bergmauer idließt das ebene Land ringsum ein , aber darüber hinaus tritt die Reihe der Vulkane in das Bild, mit dem im Süden gelegenen 2550 m hohen Bacaya, den ich hier zuerſt erbliďte. ( Fortſeking folgt.)
lungen wird ebenfalls von der Kanzel verleſen und erlangt erſt vier Wochen nach der Verleſung, wenn nicht bei dem landshöfdingsembete , das aus dem landshöfding, dem landssekretair und dem landskamrer der Provinz beſteht,
über dasſelbe Beſchwerde geführt wird, Gefeßeskraft. Wo direkte Wahlen zum Reichstag in der Provinz
eingeführt ſind, geſchieht die Wahl zum Reichstagsab geordneten auf dem Lande in der Gemeindeverſammlung, kommunal stämma ; das betreffende Protokoll wird an den Richter des Kreiſes eingeſendet und die Stimmen ſämtlicher
Gemeinden eines Kreiſes an einem Tage gezählt ; die Wahl entſcheidet einfache Majorität. Selbſtverſtändlich erfolgen die Wahlen zum Reichstagsabgeordneten an einem Tage in allen Gemeinden des Kreiſes oder der Provinz.
211
Aus dem ſtandinaviſchen Norden.
Die Wahlen zu den Provinziallandtagen erfolgen
werden , was dem Rechtſudjenden nicht bloß ein Zeitver
durch die Wahlmänner der Gemeinde am erſten Gerichts
luſt iſt, ſondern auch Geld koſtet , da das Aufſchub-Pro
tag des ſogen. ,, 80mmarting“ in den verſchiedenen Kreiſen.
tokoll bezahlt werden muß. Der Ertrag für derartige Protokolle, mit Ausnahme
Auf je 5000 Einwohner wird ein Abgeordneter in den
Provinziallandtag gewählt. Die Provinziallandtage treten im September zuſam: men ; der König ernennt den Vorſißenden gewöhnlich den landshöfding der Provinz.
Der Provinziallandtag hat ſich mit den inneren An: gelegenheiten der Provinzen, namentlid, den Heilanſtalten,
des Stempelpapiers , fällt dem Richter zu , ſo daß durch wiederholten Aufſchub eines Urteils dem Richter ein Vor teil erwächſt, da ihm dieſe Nebenſporteln zufallen . In Kriminalfällen tritt als öffentlicher Ankläger,
d. h. Bevollmächtigter der Krone irgend ein Beamter, ſei es Länsman oder Kronovogt, auf.
und den Wegebauten , Beiträgen zu gemeinnütigen Unter:
Die Verhaftung einer eines Kriminalverbrechens ver
nehmen zu beſdäftigen ; aud) liegt ihm ob, die Mitglieder zur erſten Rammer des Reichstags für die Provinz zu wählen .
dächtigen Perſon iſt, wenn nicht wenigſtens ein fiderer
Kein Provinziallandtag darf länger als eine Woche hinterein : ander tagen .
Verdachtszeuge vorhanden , nidyt leicht, da den betreffenden
Beamten wegen ungerechter Verhaftung harte Strafe treffen kann. So anerkennenswert dieſe Sicherſtellung der per
Wenn auch die Macht, welche die freie Gemeindes verfaſſung des Landes ausübt, groß und weitgehend iſt, ſo läßt ſich nicht läugnen, daß die Armenverpflegung und die Heilanſtalten in vorzüglichem Zuſtande ſind; Bettler trifft man faſt nie, und wenn auch jede Gemeinde für ihre Armen ſorgen muß , ſo hat ſie doch auch die Madt ſie zur Arbeit anzuhalten. Der Sozialismus wird nicht
ſönlichen Freiheit, bis dahin unbeſcoltener Perſonen , vor der Willkür der Beamten iſt, ſo wird dod dadurch auch manchem
ſo leicht auf dem Lande in Schweden Boden finden .
rätt, übertragen.
Die Rechtspflege wird auf dem Lande in erſter In: ſtanz von dem Kreisgericht, häradsrätt, durch einen Richter,
perſönlichen Freiheit bin , ſo iſt doch der gänzliche Mangel
häradshöfding , verwaltet.
Dieſem ſind zwölf Beiſiter,
nämndemän, welche von den Gemeinden des Kreiſes, hä rad, gewählt werden , beigegeben.
In jedem „ härad“ werden jährlich drei ordentliche Seſſionen , die ein halb bis zwei Monate dauern können , abgehalten , währenddem ſowohl Zivil- wie Kriminal:
fälle öffentlich unterſucht und verhandelt werden. Eigentliche Rechtsbeiſtände nach deutſden Begriffen gibt es nicht. Jeder führt ſeine Sadie ſelbſt, dod haben ſich in neuerer Zeit in den größeren Städten und an den
Orten, wo ſich Hofgerichte befinden, juridiſde Bureaus auf gethan , von denen man Rat erholen kann. In den ſeſſionsfreien Zeiten arbeitet der Richter die Urteile aus ; er hält ſich zur Bewältigung der großen Arbeit junge Juriſten , ſogen. Notarien . Erſt nach er: fülltem 25. Jahre erlangen dieſe jungen Leute den Rang
und Titel eines Vize: häradshöfdings, und damit die Berechtigung , auf Verordnung des Hofgerichts , nach: dem der zuſtändige Richter den Vorſchlag gemacht hat, während einer Gerichtsſeſſion den Richter des Kreiſes zu vertreten.
Gewöhnlich behält ſich der Richter gewiſſe Sachen zur alleinigen Abmachung vor, z. B. alle Urteile bei Dismem brations- oder Vermeſſungsangelegenheiten der Grundſtüde
,,skiftesmål“.
nicht entlarvten Verbrecher Vorſdub geleiſtet. Die 12 Beiſiter des Gerichts , nämndemän können
gemeinſchaftlid), aber nur einſtimmig, dem Urteil des Rich ters ihre Zuſtimmung verjagen , und in dieſem Fall wird die Entſcheidung dem zuſtändigen Appellationsgericht, hof Wenn ich auch für möglichſte Aufredyterhaltung der an Gendarmerie oder Polizei auf dem Lande zu beklagen ; der Organe, welche zu polizeilichem Einſdyreiten verpfliditet ſind , länsmänn , gibt es zu wenige und ihre Madyt iſt zu beſchränkt. Der größte Schuß , den man genießt, liegt in der Achtung vor dem Gefeß , welche die Bewohner des Landes
bethätigen . In den Städten iſt Polizei vorhanden , ſie wird gut und energijd gehandhabt.
Der Stadtrat unter Vorſit
eines rechtskundigen Bürgermeiſters verwaltet ſowohl Polizei als Juſtiz in den Städten. Die zweite Inſtanz in Beſchwerdefällen über die Ur teile der 191 Untergeridhte des Landes ſind die Hofgerichte: Svea in Stockholm , Göta in Jönköping und das ido niſche Hofgeridt in Kriſtianſtad.
Die dritte und leßte Inſtanz iſt das Hödyſte Gericht, , högsta domstolen“, aus zwölf vom König ernannte Beiſißern beſtehend. In dieſem Gericht hat der König zwei Stimmen.
Begnadigungsſachen , in denen dem König die Ent ſcheidung allein zuſteht, werden im Staatsrat in Anweſens
heit zweier Mitglieder des Höchſten Gerichts, die ihre An ſicht zu Protokoll geben, verhandelt. Die Anſicht des Höchſten Gerichts ſoll , wie die des Staatsrates den vom König dem Reid,stag vorgeſchlagenen
Wenn es auch unleugbar für junge Juriſten eine
Gefeßen beigefügt werden. Ebenſo ſoll die Meinung des
Uebung iſt, zeitweiſe eine Gerichtsſeſſion als Richter zu leiten , ſo will ich nicht behaupten , daß dies ein Vorteil fürs Publikum iſt, da die Urteile häufig aufgeſdoben
Hödjſten Gerichts und des Staatsrates über die vom Reichs tag vorgeſchlagenen Geſetze vom König eingeholt werden, ehe er dieſelben ſanktioniert.
Aus dem ſtandinaviſchen Norden .
212
Alle idwediſchen Gerichtshöfe, außer den Bezirks gerichten auf dem Lande, ſind permanent. Eigen in ihrer Art iſt die Einteilung des Grund und Bodens nad Hufen ,,mantal" oder hemman ; ee gibt deren nahe an 70,000, und zwar :
die Regimentskaſſe abliefern und wird , wenn ſie es längere Zeit unterläßt, einen Refruten zu ſtellen, auch mit wadyſens den Strafgeldern belegt. Die Bekleidung des indelta -Soldaten wird von der
1. Königliche Luftſchlöſſer und Höfe, „ lustslott“ und „kungsgårdar“, etwa 300 mantal, ſie gehören dem Staat
rote in der ſogen, rote kista aufgehoben , doch darf ſie der Soldat an Sonn- und Feiertagen und zu dienſt lichen Verrichtungen tragen. Die Waffen dagegen behält
und werden verpachtet.
jeder Soldat bei ſich.
2. Rittergüter, „ säterier“ , ſie ſind außer zu Kriegs zeiten , wo ſie ebenfalls Soldaten zu ſtellen haben , faſt ganz ſteuerfrei. 3. Innerhalb der Grenzen der Rittergüter belegene
Aber die kronoskatte und frälsehemman ſtellen nicht bloß Soldaten, ſondern auch Pferde für die indelta Kavallerie ; man nennt die Beſißer ſolcher hemman rust hållare. Ein Preis wird für die Bjerde nur in Unglückss
Güter, rå och rör hemman ", d. h. Güter, die in früheren
fällen bezahlt.
Zeiten nicht weiter als eine Meile vom Wohnort ihres adeligen Beſißers entfernt lagen, in Schonen und Halland
ſo werden ſie von einem der rusthallåre aufgenommen, der fie reiten und zu leichten Fuhren benußen darf. Die
Wenn die Pferde nicht im Dienſt find,
heißen ſie insockpe und utsockne frälse hemman. Sie
Pferde für die brei in Garniſon liegenden Artillerie-Regis
genießen faſt dieſelben Privilegien wie die Rittergüter, ſind aber im Krieg auch zur Stellung von Soldaten ver
menter werden von einer Remontekommiſſion eingekauft; ſos
pflichtet.
bald ſie nicht mehr zu den Uebungen nötig ſind , werden ſie auf das Land gegeben und ein ſehr anſtändiges Futter
4. Freigüter, „frälsehemman“, find ſolche, die ſeiner jeit durch Stellung von Soldaten von gewiſſen Abgaben
leriepferde darf ſie auch benußen, ſteht jedod; unter darfer
befreit wurden .
Rontrole.
5. Krongüter, kronohemman “, ſind ſolche, die dem Staate gehören , von Inhaber oder Bachter jedod, leicht
Die indelten Regimenter thun , außer bei Rommans dierungen nur etwa vier Wochen im Jahre Dienſt. Während der Dienſtzeit bezahlt ihnen der Staat Sold.
>
durch skatte köp erworben werden fönnen , wodurch ſie verwandelt werden in
6. Kronſteuer-Güter, ,,kronoskatte hemman “, welche
geld für ſie gezahlt. Der zeitweiſe Inhaber ſolcher Artils
Unleugbar wird dem Lande durch die Verteilung der
indelta - Truppen auf dem Lande eine große Arbeitskraft
den größten Teil der Grundſteuer zu tragen haben und
erhalten.
Soldaten ſtellen. Von den Beſißern der frälse und kronoskatte hem
Unteroffiziere und Offiziere leben in den betreffenden Regi: mentsbezirken und können , außer wenn ſie zum Dienſt
man wird das indelta -Militär geſtellt und erhalten. Die Gliederung der ſchwediſchen Armee, ihre taktiſche Einteilung iſt bekannt ; ſie beſteht aus den geworbenen
eingezogen werden, bürgerlichen Beſchäftigungem nachgehen
Truppen, die fortwährend aktiv ſind, den in den Provinzen verteilten, nur kurze Zeit im Jahre zum Dienſt eingezogenen
Truppen, indelta-Armee, und dem Landſturm , beväring. Je eine beſtimmte Anzahl hemmap ſtellen einen Sol daten zur indelta - Armee und rüſten ihn bis auf die Waffen aus.
Jeder Soldat erhält von dieſen hemmaprote, einen torp, d. h. ein kleines Gut mit Ader, Wieſen und Weide für ſein Vieh .
Der Ertrag dieſes torp iſt der Sold , den er erhält. Die Gebäude baut und unterhält die rote, in Kriegszeiten beſtellt die rote aus den Ader des Soldaten, ſie hat ihm
Nicht allein der gemeine Soldat, ſondern auch
und ſich auf dieſe Weiſe Nebenerwerb ſchaffen . Man findet ſowohl an den Eiſenbahnen , als auch bei den Branntweinbrennereien vielfac Dffiziere und Unters
offiziere ale Kontrolleure angeſtellt; zum Teil befißen ſie Güter oder verwalten ſolche. Sicherlich hat man in den leßten Jahrzehnten ſehr
viel für die Ausbildung des Offiziersſtandes gethan , um deſſen Leiſtungen den Anforderungen der Zeit anzupaſſen , und es weht ein friſcher Geiſt in der Armee. Wohl hat Schweden wenig von feindlichen Einfällen zu befürchten ; ſeine geographiſche Lage und die Eiferſucht der mächtigen Nachbarn düßt es , aber ſicher würde auch noch heute vorkommenden Falles das ſchwediſche Heer ſeinen alten Ruf ehrenvoll zur Geltung zu bringen wiſſen.
außerdem Fuhren zur Mühle und nach Holz zu leiſten.
Die Umſtände legen mir den Soluß dieſes Artikels
Die rote ſtelt dem Kompagniechef den Nefruten vor,
auf. Vielleicht iſt es mir ſpäter einmal vergönnt , die
derſelbe wird von der Zivilbehörde durd, den Regiments:
Lüden meiner Berichte aus dem ſkandinaviſchen Norden
def angenommen und dient häufig 20 bis 30 Jahre.
namentlich bezüglich des Schulweſens und der Volfsbil
Nach Ablauf einer dreißigjährigen Dienſtzeit erhält er eine, wenn auch geringe, Penſion.
dung zu ergänzen. Auch meine Anſichten über die poli
Wohl kommt es vor , daß einzelne Nummern einer Kompagnie vafant bleiben , doch muß die rote dann den
Gehalt des Soldaten , die Einnahme aus dem torp , an
tiſchen Zuſtände Schwedens muß ich jeßt verſchweigen, in der Hoffnung, mich darüber in der Zukunft gleichfalls äußern zu können.
Ehe id) von Schweden Abſchied nehme, möchte ich 3116
Wie iſt die diluviale Nagelſluh der Bayeriſchen Hochebente entſtanden ?
213
fünftigen Touriſten nodi einige Vorſdläge zu Reiſerouten
weldier , in mächtiger Bewegung begriffen , die von den
maden.
Alpenflüſſen bergeführten Sduttkegel nivelliert hätte, fann
Wer Sdyweden bereiſen will , durd ,fliege nidyt das Land mit der Eiſenbahn. Wohl lohnt es ſid in dem
ſüdliden Sdweden, ſid)
auf dem Lande umzuſehen, um ſich eine richtige Anſchauung über die Eigenart und Frudytbarkeit des Landes zu erwerben . Man benute die Eiſenbahn nicht weiter als bis Jona föping, gehe von dort auf dem Wettern See per Dampſ ſchiff nad Motala und durch den Kanal bis Näsholm ,
wenn man nicht vorzieht den ganzen Weg bis Stockholm
zu Schiff zurüđzulegen , und den ſchönen Anblick der Schären und der Einfahrt durch dieſe zu genießen . Von Stocholm aus verſäume man nicht, wenn man
Zeit hat, außer den zunächſt liegenden Ausflügen , Upſala zu beſuchen , ja bis Gefle Falun zu geben und von dort über Lubovita nad Karlſtad, von da aus per Dampfer
nach Wenersborg, dann den Gota -Ranal bis Gotenburg, wobei man vollauf Zeit hat , die Trollhätta Fälle zu bes ſichtigen .
Wir ifi dic diluviale Nagelful der bayeriſaijro Hodiobene rufftauden ? Bon fiarl Sapper.
Wenn man zu Mündens Thuren hinaustvandert, kann man allüberall Kiesgruben und andere Aufídlüſſe
finden ( ofern nicht Moor: oder Heidefläden der Kultur einen Riegel vorgeſdoben haben), in welden ſid, als bas Subſtrat der Humusdecke ein Sdyotter von meiſt falfigen
Geſchieben darbietet, die durd, fohlenſauren Ralf zu einer Nagelfluh verkittet ſind. Suweilen finden ſid, aud kriſtal: liniſdie Sdjiefer- oder Maſſengeſteine mit eingebacken , allein ihre Zahl iſt gering und beträgt nur ungefähr zwei oder drei Prozent der Geſamtmenge der Geſdiebe. Dieſer ver
kittete Schotter breitet fid) in Form eines mädytigen Van des am Fuß der nördlidyen Kalfalpen in der Weiſe aus
(ivie Profeſſor Penc nadygeivieſen hat), daß die Mädytig keit der Sdidt und der Durdymeſſer der Einzelgeſdiebe im allgemeinen mit größerer Entfernung vom Rande des
keineswegs befriedigen , denn ſie führt zur Erklärung ein Phänomen an , zu weldiem wir in der ganzen gegen tvärtigen Natur fein Analogon zu finden wüßten. Daß die Gefdiebe aus den Alpen ſtammen , unterliegt keinem Zweifel, aber ein gut Teil dwieriger iſt die Frage, durdy welde Madyt ſie zu einem ſo gleichförmigen Bande zu: ſammengetragen wurden. Auf die alte Hebungstheorie des Elie de Beaumont zurüdzugreifen , wäre thöridyt, da
wir ja nun wiſſen , daß hervordringende vulkaniſche Ges ſteine niemals die darüberliegenden Sedimentgeſteine in der Weiſe zu heben vermögen , wie es jener große Geologe angenommen hat. Daß übrigens der diluviale Sdotter von Waſſer abs gelagert wurde, geht daraus hervor, daß er ſich ganz deut lid) gediiditet zeigt, und daß die abſetzenden Waſſer in mäd)tiger Bewegung geweſen ſein mußten , crhellt aus der Größe der Geſdiebe; da aber jene Waſſer fein See ſein fonnten , weil nun einmal erfahrungsgemäß die Wogen nur bis zu einer geringen Tiefe wirken, was hindert dann anzunehmen , daß es ein Fluß geweſen ſei, der dieſe eigens tümlide Ablagerung beivirkt habe. Ich weiß wohl , e8 wäre abſurd , zu behaupten , daß in dem mächtigen Bette zwiſdien Alpen und Jura in jenem Zeitraum ſtändig ein Fluß gefloſſen ſei ; denn die Waſſerinaſie iſt ungeheuer groß, welde erforderlich wäre, ein foldes Bett auszufüllen, und ſelbſt der fühnſte Hypothetifer dürfte wohl faum auf den abenteuerlidien Gedanken kommen , in jener Zeit ſtän dige Plaßregen anzunehmen. Das aber ſdieint mir ganz wohl denkbar, daß einſtens nach der Tertiärzeit in dem damals noch weit wärmeren Klima der Sommer mit ziem lid, plötlichem Uebergang dem Winter folgte und die gefvaltigen Sdneemaſſen der Alpen faſt mit einemmale zum Sdimelzen brachte, infolge deſſen mädytige Fluten ſich von den Bergen in die Thäler ſtürzten und dieſe body hinauf mit ihren Waſſern erfüllten. Auf dieſe Weiſe ſammelten ſich an dem Ausgange der bayeriſchen Gebirgs
thäler mächtige Schuttkegel an ; denn die niederſtrömenden Waſſer wälzten allen loſen Geſteinsſdutt mit fidy nad
Gebirges abnimmt. Die Geſdiebe zeigen niemals jene für
der Tiefe und festen ihn , als die Geſchwindigkeit des
den glazialen Urſprung ſo klar ſprechenden parallelen Kritzer (außer zuweilen in der Gegend des Innthales ) und ſind ferner dadurch als präglazial unbedingt ſichergeſtellt, daß es Profeſſor v. Zittel gelang, beim Kloſter Sdäftlarn am rechten Sfarufer den Gletſcherboden in der typiſdyſten Weiſe ausgebildet auf dem Rüden dieſer Nagelfluh auf zufinden. Weiter abwärts im Jſarthal bei Höllriegels
Laufes abzunehmen begann , allmählid ) ab. Von Weſten her aber ergoſſen ſich die gewaltigen Fluten des Rhein thalſtroms, nadıdem ſie das Beden des Ur-Bodenſees völlig
gereuth läßt ſidy ſodann ſehr djön beobachten , wie dieſer
Maßſtab, und ſo häufte ſidy im Lauf der Jahre das mäd ):
diluviale Schotter auf Fluns aufliegt , und damit iſt das relative Alter beſprochener Sdhidt durdjaus klar:
tige Schotterland der ſd,wäbiſd -bayeriſden Hodebene an ; wenn aber die wilden Fluten nadı kurzer Zeit verſiegt 'waren , ſo bot die Hodiebene den Sommer bindurd, den Anblick einer großen Steinivüſte , eines mächtigen Karen Feldes, und der rieſige Strom wurde zu einem mäßigen
geſtellt.
Ueber die Art und Weiſe der Entſtehung aber
haben ſid) bislang die Gelehrten noch nicht recht einigen können , und die abenteuerlidie Hypotheſe von einem See,
angefüllt hatten, in breitem Laufe über die jetzige (dywäbiſdı baterijdie Hochebene und ebneten die in das Bett herein ragenden Schuttlegel der Nebenflüſſe. Dieſes Spiel wieder: holte ſich nun alljährlid, bald in größerem , bald in kleinerem
214
Wie iſt die diluviale Nagelfinh der bayeriſchen Hochebene entſtanden ?
Fluß, der am nördlichen Rande floß , da naturgemäß die
Alpen ein viel größeres Areal mit Schotter zu bedecken vermochten als der ſanfte Jura , oder aber er verſiegte
der Luft, wenn es nicht gelänge, eine plauſible Erklärung für dieſes Phänomen beizubringen, welche zugleich für auf fallende Erſcheinungen , wie das Auftreten von gefrißten
ganz. Wer je bas mädytige Bett der Parma oder anderer
Geſchieben im präglazialen Schotter der Innthalgegend,
Flüſſe der nördlichen Apenninen im Sommer geſehen hat, wird ſich von dieſen Vorgängen leicht das richtige Bild machen können . Auch der Ur-Bodenſee iſt während des
ausreichen würde.
jene Wildwaſſer während eines ſehr langen Zeitraums
Sommers ficherlich ſtark zurüdgegangen , und wenn er je
ſich (wohl alljährlich) wiederholten und daß alſo jene
einen Abfluß hatte, ſo ging derſelbe über die jeßige ober dwäbiſche Waſſerſcheide hinweg und floß ungefähr in der Richtung der unteren Donau. Sei dem nun, wie ihm wolle, das wenigſtens wird man annehmen müſſen, daß in jener
,, Flutenzeit" ebenſo gut als geologiſche Epoche bezeichnet werden kann , wie es bei der Eiszeit allgemein geſchieht;
Zeit noch nicht der große Dammbrud durch den Jura ſtatt
gefunden hatte, von welchem die Höhgauberge im weiteren Sinne noch Zeugnis geben. Es wäre ein thörichtes Bes ginnen , den Lauf des Rheinthalſtromes ganz genau an : geben zu wollen , denn man wird überhaupt überall die Thatſache finden , daß gerade die Frühlingswildwaſſer am
So viel muß zuvörderſt vorausgeſchidt werden , daß
denn ich zweifle nicht im geringſten , daß ſide das Phä nomen , welches ich auf der bayeriſchen und der Po Ebene beobachtet habe, auch anderwärts in großem Maß ſtabe auffinden laſſen wird.
Wenn aber wirklich die
Flutenzeit eine geologiſche Periode iſt, ſo muß ſie allgemein telluriſden, nicht aber lokalen Umſtänden ihre Entſtehung verdanken. Es liegt ein gewiſſer Trieb im Herzen des Menſchen , welder ihn antreibt , die Urſache für ihm un
unbändigſten ſind und großen Hang zeigen, die ihnen ge
verſtändliche Phänomene außerhalb des Erdkreiſes zu ſuchen,
fetten Grenzen zu durchbrechen . Wenn auch im allges meinen die Hauptwaſſermaſſe von der jeßigen bayeriſchen Hodiebene in Stromſchnellen nad dem Wiener und dem großen ungariſchen Beden gefloſſen ſein mag , ſo kann doch auch einmal bei beſonders hohem Stand auch der
und ſo haben in alter und neuer Zeit Volksglaube wie
Jura in ſeinen Einſenkungen überflutet worden ſein, z. B. in der Gegend gegen den bayeriſden Wald hin und über dem jeßigen Rheinthal , in welch lekterem Fall dann der Dammbrudy einmal erfolgt ſein dürfte. Da überhaupt
Gelehrte zur Erklärung der verſchiedenſten Naturerſdei nungen die Einwirkung fremder Himmelskörper zu Hilfe gezogen, allein im allgemeinen mit geringem Erfolg. Es
hat ſich zwar nachweiſen laſſen , daß z. B. Mond und Sonne einen mächtigen Einfluß auf unſere Hydroſphäre ausüben , aber die Verallgemeinerung der Theorie auf die
Atmoſphäre (durd Dverzier u. a.) und das feuerflüſſige
ein ſoldes Wildwaſſer nun einmal nid t den gewöhnlichen
Erdinnere (durch Rudolf Falb u. a.) will ſich nicht be ſtätigen , da die telluriſden Einflüſſe und Verhältniſſe
Regeln folgt, ſo laſſe ich mich auch nicht dadurch beirren, daß ſicherlich einſt der Rheinthalſtrom einen teilweiſen Ab: fluß durch den Wallenſee-Spalt genommen , und der gerade an dieſer Zweiungsſtelle von der Falknis herabgeſtürzte
Himmelskörper ſehr ſtark modifizieren oder völlig neutrali ſieren ; übrigens war die Erfolgloſigkeit genannter Theorien idyon im voraus daran erſichtlid), daß ſich durch das ſtatiſtiſche
Fläſcherberg ſpricht auch nidyt gegen dieſe Annahme.
Material durchaus feine deutliche Periodizität nadyweiſen
Während wir aber in folder Weiſe dieſe Wildwaſſer alé
läßt. In gleicher Weiſe haben die Geologen hödiſt wahr deinlich einen Jrrweg betreten , wenn ſie für die Eiszeit
unbändige Geſellen auftreten ſehen , ſind ſie in anderer Hinſicht doch wieder recht zahme Burſdhe, ſobald ſie näm : lich in ruhigeres Fahrwaſſer gekommen ſind ; denn da ver:
die mathematiſch ganz richtig gedachten Einwirkungen der
aſtronomiſche Erklärungen vorbringen, da ſolche ſtets eine
tiefen ſie ihr Bett niemals , füllen es im Gegenteil höher und höher auf, ja es kommt oft vor , daß ſie endlich ſo
Periodizität bedingen würden , welde nun einmal geo: logiſd nicht nachweisbar iſt. Indem ich alſo kosmiſde wie lokale Einwirkungen
viel Sdyotter herbeigeführt haben , daß ſie zuleßt ihren Lauf nach einer anderen Richtung verlegen müſſen . Dieſe aufbauende und ausfüllende Thätigkeit jener Fluten hat
beſtreite, muß ich eine Erklärung mit Hilfe der Atmoſphäre
einen großen Anteil an der Entſtehung des jetigen Aus ſebens unſerer Alpenthäler und Alpenfeen genommen , und
als die weſentliche Urſache der Fluten- wie der Eiszeit zu erreichen ſuchen.
Ich will bei dieſer Gelegenheit nicht Idy
unberührt laſſen , daß mir gerade die Atmoſphäre von ſeiten der Geologen etwas vernadıläſſigt svorden zu ſein
es iſt nicht (dwierig, ſich von dieſer Thätigkeit ein klares
ſcheint , was um jo mehr zu verwundern iſt, als gerade
Bild zu machen. Angeſichts dieſer Thatſachen und fafti: den Verhältniſſe dürfte die Annahme, daß jener Sdotter durch einen mächtigen und wilden Strom zur Ablagerung gelangte , einen gewiſſen Grad von Wahrſdeinlichkeit für
ſie nach der ziemlid) allgemein anerkannten Kant-Laplace
ſidh beanſpruden dürfen, um ſo mehr, als die beigemengten
kriſtalliniſchen Geſteine, z. B. der Münchner Gegend, ſider: lid) von Weſten und nicht von Suden hergewandert ſind. Andererſeits aber hinge dennoch die ganze Hypotheſe in
idhen Kosmogonie -Hypotheſe das Urſprüngliciſte, das Bil dungselement unſeres Erdballs iſt. Wohl haben die Geo logen in zahlreichen Fällen den hohen Druck der früheren
Atmoſphärenſäule , die große Löskraft überhitzten Waſſers, den größeren Kohlenſäuregehalt der Luft und anderes mehr zur Erklärung gewiſſer Phänomene herbeigezogen ,
aber es wurde hiebei aud mandjes überſehen , und bei
Wie iſt die diluviale Nagelfinh der bayeriſchen Hochebene entſtanden ?
genauer Durchforſchung des Materials ließen fid wohl vielerlei Irrtümer nachweiſen. Während z. B. einer weit verbreiteten Anſidyt zufolge das flüſſige Erdinnere haupts
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oberhalb unſerer Alpengipfel ; in der fälteren Jahreszeit nun ſchlug ſich die immer noch ſehr beträchtliche Waſſer
menge in der Luft in Form von Schnee auf den
fächlich aus Platin und Gold beſtehen ſoll, dünkt mich der
Gipfeln und Kämmen der Alpen nieder , und wenn nun
Shluß voreilig ; denn wenn ich gleich bei dem hohen Ges wicht der Erde ebenfalls ſchwere Stoffe in ihrem Innern annehmen muß, ſo beſtreite ich doch das maſſenhafte Vor
der heiße Sommer mit ſeinen Winden raſch und plötzlich
kommen von Gold darin ; denn ſo lange der Erdball nocy
eintrat, ſo ſchmolz in kürzeſter Friſt die ganze Schneemaſſe weg und mächtige Waſſerfluten tobten darauf eine kurze Zeit lang durch die Thäler. Es iſt gar nicht nötig, einen
völlig gasförmig war, hatte das relative Gewicht der ver
plößlichen Wechſel damals wehender Paſſatwinde anzu
ſchiedenartigen Gasmolefüle vermöge des gleichförmigen Verhaltens aller Gasarten und ihrer Diffuſionskraft keinen abſondernden Einfluß, und als nun die verſchiedenen Stoffe allmählich aus dem gasförmigen Aggregatzuſtand in den tropfbar- flüſſigen übergingen , hat ſich gewiß das Gold erſt ſpät abgeſeßt , da es bei viel niedrigerer Temperatur ſich verflüdytigt als Eiſen oder vollends die Platinmetalle. Es iſt hier nicht der Ort , weite: über dieſes Thema zu handeln ; id) will vielmehr kurz dazu übergehen , meine Anſicht über die Entſtehung der Fluten- und Eiszeit zu entwideln.
nehmen (was an fid ja wohl denkbar wäre ), denn es läßt
Die Pflanzengeographie hat gezeigt , daß die Veges tationsreiche an den Polen entſtanden und ſchrittweiſe im Gürtel bis zum Aequator vorgerücft ſind , indem eine Zone fortſ@ reitend die andere drängte. Die ganze Er ſcheinung iſt ſehr einfach aus der allmählichen Abkühlung der Erde und dem Kälterwerden des Klimas zu erklären ; analog den Vegetationszonen ſind auch allmählich die vers
(diedenen Klimate von den Polen gegen den Aequator gerüđt iſt und zugleid), an einem firen Punkte der Erde die ideale Schneelinic langſam, aber unaufhaltſam tiefer herab:
geſtiegen. Während ž. V. in der Tertiärzeit noch Palmen in Grönland gediehen , reichen dort jeßt die Gletſcher be reits ins Meer, und die Sdneegrenze liegt wenige hundert
Meter über demſelben. In der Tertiärzeit iſt in unſeren Breiten alſo wohl nie Schnee gefallen, ſicherlich aber nie liegen geblieben , und nicht die geringſten Anzeichen für
Gletſcherbildung ſind aus jener Zeit bekannt geworden . Das Klima war alſo damals noch durchaus tropiſch.
Durch die Entſtehung der Alpen , welche in jene Zeit zu feßen iſt , gewann die Oberfläche von Sentraleuropa im großen und ganzen dasſelbe Bild, weldies es nod beuts zutage bietet. Von dem Klima, welches damals hier herrſchte, mache ich mir eine ähnliche Vorſtellung wie von dem jebigen Klima in Kamerun. Dr. Hugo Zöller er: zählt , daß die Schneegrenze nur wenig über dem großen Kamerunberge liege, und daß in jener Gegend allnächtlich Plaßregen niedergeben, welche für den Reſt der Nacht die Temperatur ſtark abkühlen. Dieſe regelmäßigen Regen erklären ſich ſehr einfach dadurch , daß warme Luft viel mehr Waſſerdampf aufzunehmen vermag als falte, und 1
ſich ja noch heutzutage beobachten, daß der Föhn, welcher entſteht, wenn z. B. über der Po- Ebene ein Marimum , am Nordrand der Alpen aber eine tiefe Depreſſion der Atmos
ſphäre eintritt, in fürzeſter Friſt eine große Maſſe Schnee zum Schmelzen bringen kann . Es muß zwar zugegeben werden , daß mit der Efältung der Erde auch die Luft nicht mehr ſo viel Waſſer aufzunehmen vermochte wie zuvor, dagegen wirfte die lokale Erfältung der über bes ſchneiten Gebirgen liegenden Luftſchidten dabin , daß ein größerer Prozentſat des von wärmeren Luftzügen her: beigeführten Waſſers über jenen Bergen als Schnee nieder fiel; durch dieſe beiden Gründe läßt ſich wohl eine ſo große Sdyneemaſſe erflären , welche notwendig iſt, um die
für die rieſigen Flußläufe erforderlide Waſſermenge beim plößlichen Schmelzen zu liefern. Die Abkühlung der Erde und damit die der Atmos ſphäre ſdyritt immer weiter vorwärts ; die Schneegrenze erreichte die Gipfel der Alpen und ſchritt im Laufe der
Jahre tiefer und tiefer hinab, die Folge davon war ſelbſt verſtändlich , daß nun auf den hödyſten Gipfeln die Ver glitſderung begann : deshalb findet man auch am Aus gang des Innthals gefritte Geſchiebe im diluvialen Scots ter, in dem bei Münden aber nicht, da ja die Gipfel der dem Inngebiet angehörigen Zentralalpen weit höher ſind als die nördlichen Kalkalpen . Um jene Zeit floß ferner
noch der Rheinthalſtrom über die bayeriſche Hodebene, da ſich ſonſt ein Scuttkegel am Ausgang des Thales ge : bildet hätte ; die definitive Laufänderung des Rheinthal ſtroms erfolgte vielmehr erſt, als die Flutenzeit ihrem Ende zuneigte und ferner die ſeit Hebung der Alpen ent
ſtandenen Karenfelder, welche eine Hauptnahrung für den diluvialen Schotter bilden mochten , bereits herunterge ſchwemmt waren ; deshalb brachten die Salkalpenflüſſe nad
der Ablenkung des Rheinthalſtroms feine großen Schotter: maſſen und damit feine großen Schuttkegel mehr in die bayeriſche Hochebene hinein. Der Sommer trat allmählid minder jäh ein , die
Shneegrenze ſant noch tiefer, und die dadurch hervor gerufene lokale Erniedrigung der Temperatur ſchüßte hin : in etwas die benachbarten Sdneemaſſen vor
deshalb bei der durch die Nacht bedingten Temperaturs
wiederum
erniedrigung die Atmoſphäre die über düſſige Waſſermenge
allzuraſdem Abſchmelzen. (Sehr bequem wäre hier eine Ablenkung von jenen Paſſatwinden ; aber ich deue mich, ins Gebiet der Hypotheſen zu tief einzugehen .) Die Folge davon war, daß ein Teil des Sdnees alljährlich zur
niederſdlägt, d. h. jene Plaßregen der Tropen ſind homolog dem Tau unſerer Breiten .
Die Erde fühlte ſich mehr
und mehr ab, und endlich ſtand die Sdyneelinie faum mehr
Das alte Nortfriesland.
216
Gletſcherbildung verbraucht wurde, der Neſt aber allmäh: licher abidymolz wie zuvor; daher begannen die Gletider langſam vorzurücken , in der bayeriſchen Hodhebene aber begann das durdy die Sdottermaſſen unterirdiſch (von den nunmehr perennierenden Flüſſen her ') und oberirdiſch (als Regen) durchſidernde Waſſer ſeine auflöſende und (durch Verdunſten) verfittende Thätigkeit. So wurde aus den Schottermalien ein den Alpen vorgelagertes Nagel flubband, und die langſam tiefer gehenden Gletſcher fanden, als ſie in die bayeriſde Hochebene famen , bereits eine feſte
mähliche Erfaltung der Sonne; dieje geht jedoch ſo viel langſamer vor ſid) als die der Erde , daß man füglid)
aud , davon wird abſehen können,
Das alte Nordfriesland. Als vor mehreren Jahren durd, die Provinzialpreſſe Sdleswig -Holſteins die Nadyridyt verbreitet wurde , daß
der ausgezeichnete Kartograph , Herr Generalmajor 3. D.
Unterlage vor. So war infolge des allmählidhen Sinkens
Dr. phil. F. Geerz im Begriff ſei, ſeine auf langjährigen
der Schneegrenze und des noch immer maſſenhaften Nieder
Spezialforſdungen beruhenden Kartenwerke der deutſchen
ſchlags die Eiszeit hereingebroden, welche als eine einzige
Nordſeefuſten herauszugeben , wurde die frohe Hoffnung
Epoche aufzufaſſen iſt, wenngleich die rieſigen Gletſcher
erivedt, über manche dunkle Bunkte der Kartographie des alten Nordfrieslands gründliche und fritiſdie Aufklärung zu erhalten. Leider wurde es Geerz nid)t vergönnt , ge rade den Teil ſeines Werfes, der die dleswigiche Weſt fü von der Hever bis zur Inſel Nöm darſtellen wird,
bei der Gunſt oder Ungunſt der Verhältniſſe einigen Sowankungen unterworfen waren , welche bei der ges waltigen Ausdehnung der Eisſtröme leicht eine für unſere
jebige Anſchauung große Differenz hervorrufen konnten. Aber die Abkühlung ſchritt allmählich noch weiter vorwärts , die Luft vermochte nicht mehr ſo viel Waſſer
aufzunehmen wie zuvor , und die Niederſdläge nahmen daher an Menge mehr und mehr ab ; auch der Umſtand, welcher bei Beginn der Eiszeit ſo viel zur Vermehrung der Niederſdläge beigetragen hatte, daß nämlid, die über din beeiſten Gebirgen lagernde falte Luftſdicht die mit Feuchtigkeit beladenen warmen Südwinde ihres Waſſers beraubte , konnte den Ausfall nicht mehr decken , da bei der zunehmenden Erkaltung der Erde endlich die ſüdlicy vorliegende Zone ihre Temperatur jo tief erniedrigte, daß die Luft dort auch nicht mehr ſehr viel Waſſer aufzu nehmen vermochte. Die Gletſdyer mußten ſich daher aus Mangel an Nahrung, nicht aber aus flimatiſchen Grün den allmählich zurückziehen und höher und höher in die
Hochgebirgsthäler zurüdweichen. Die ideale Sdyneelinie lag in der Eiszeit höher als gegenwärtig, die Sdynee maſſe dagegen war eben ſo bedeutend, daß ſie jene foloſſalen
völlig abzuſchließen. Immer neue Sdwierigkeiten ſtell: ten ſich ein , wenn es galt , ungenaue duroniſtiſche An :
gaben an Ort und Stelle zu erfragen und dieſelben ent gültig feſtzuſtellen. Denn gerade das Nordfriesland bis treffende Kartenblatt but große Schwierig feiten , obwohl hier vortreffliche Kartenwerfe von Johannes Diejerus in
Dr. Kaſpar Dandwerihs Chronik als Grundlage vorlagen . Ein flüchtiger Blick auf dieſe Karten lehrt idon , daß im Laufe der letzten Jahrhunderte große Landverluſte ſtattgefunden haben , wenn es uns auch fern liegt, eiite
vollſtändige Genauigkeit der Karten von 1240 und 1648 zuzugeben. Wo aber, wie hier im Gebiete des Wattens 131eeres , nicht nur jede Sturmflut die Watten und Ufer verändert, ſondern jede Flut Veränderungen herbeiführt,
da hält es idywer , ältere fartographiſche Aufzeichnungen auf ihre Genauigkeit und Zuverläſſigfeit zu prüfen. Dant der Umſid)t und der reiden topographiſchen Kenntnis des
Gleiſder ſpeiſen konnte , ähnlich wie ja heutzutage nod)
verſtorbenen Dr. Geerz war das Werk beim Ableben des Verfaſſers bereits weit gefördert und iſt es gelungen,
manche Schweizer Gletidyer vermöge ihres großen Firn: gebiets bis in kultivierte Gegenden herunterragen. Die
dasſelbe zu veröffentliden . Jm Hinblick auf dieſes Unternehmen ſei es uns ver
gegenwärtigen Verhältniſſe in dem ſtart vergletſdyerten Grön
gönnt , aus den Sagen , der Geſchidyte und der geologi
land find alſo feineswegs homolog den ehemaligen in
den Beſchaffenheit der ſchleswigſden Weſtküſte darzuthun , wveldje großartige Veränderungen hier im Laufe der Jahr hunderte ſtattgefunden haben, um damit gleidyzeitig zu zeigen ,
unſerer Gegend zur Zeit ihrer großen Vergletſderung. Es folgt aus dieſer Theorie , daß es in unſerer Ges gend nur eine „ Eiszeit" gegeben hat und geben wird, und
daß dieſes Phänomen, wenn es ſidy je wiederholen ſollte, ſidy nur innerhalb einer dem Aequator viel näheren Zone
wiederholen fönnte. Sosmijde Einflüſſe haben keinen weſentlichen oder unmittelbaren Anteil an der Erzeugung der Eiszeit genommen , und tvenn ich je ein kosmiſches Moment als Faktor mitredynen wollte, ſo wäre es die all
ein wie verdienſtvolles und hochwidytiges Werf es gewveſen iſt, die Arbeit an die Deffentlichkeit zu bringeni. In Ermangelung einer wirklid , eigenen, ins Alter tum hineinreichenden Geſchidyte, fann und muß die Sage
die Geheimniſſe, die Heiligtümer unſerer Heimat und un ſerer Vorfahren aufbewahren und uns ausſchließen ; ſie muß das Bewußtſein unſerer Abkunſt und Nationalität erhalten und ſtärfen helfen ; ſie hilft die Getrennten mins
1 Dieſes erſte Moment anzımehmai. iſt nicht notwendig, das
deſtens geiſtig verbinden -- --" jagt C. P. Hanſen . Die
Analogon in unſerer Zeit läßt ſich aber oft beobachteni, beſonders
1 Sagen und Erzählungen der Sylter Frieſen . 2. Auflage. Garding 1875. Vorwort, 5. III.
im Kaltgebirge.
Das alte Nordfriesland.
Sage gewinnt an Bedeutung und an Wahrſcheinlichkeit, wenn ſie, wie hier, an beſtimite Dertlichkeiten gebunden
iſt, die größtenteils nod heute lidtbar ſind, und wir dürfen daher in Ermangelung hiſtoriſdier Viadrid ,tenaus ihr Sdlüſſe ziehen. Die Sage erzählt ung von dem leidyt: ſinnigen Mädchen, das, Brot unter dem Arme tragend, von Amrum nad Sylt gehen wollte, eins der Brote in
die Rinne zwiſchen Amrum
und Hörnum
warf , um
mit dem einen Fuß daraauf tretend, fie trockenen Fußes
zu überſchreiten. Eine andere Ueberlieferung jener Sage will wiſſen , daß man das Gerippe eines Pferdekopfes zu dem gleiden Zivede in die Rinne legte. Von einem Manne, Namens Frödden aus Tinnum auf Silt, geht die Sage , er ſei von Sylt nad) Amrum geritten.
Die Sage berichtet ferner , daß der Baumeiſter , der im 11. oder 12. Jahrhundert zu gleider Zeit den Bau der Kirchen St. Severin in Reitun, St. Johannis auf Führ und der ſogen, alten Kirde auf Bellworm leitete, auf einem Sdyimmel von Bau zu Bau geritten ſei. Nord weſtlich von dem Dorfe Kampen auf Sylt gibt es nod)
jeßt einen Weg, der „ Riperſtig " genannt und als eine in
alten Zeiten nad, der däniſden Stadt Ripen führende Heerſtraße bezeidynet wird, auf der die Föhringer über Sylt reiſend dorthin zogen . Eine an einem Wall bei Kampen befindliche Waſſerſtelle iſt diejenige, an der ſid) die Reiſenden mit ihren Pferden lagerten, der Wall heißt der ,, Föhringwall" bis auf dieſen Tag . Nad Paſtor Dußens Angaben bildete der Riperſtig die Fortſetung der von Weſterhever in Eiderſtedt nad Wenningſtadt auf Sylt durd ganz Nordfriesland ſid, hinziehenden Straße, die einer Amrumer Sage zufolge einſt von Helgoland nad) Ripen führte.
Wie hier die Sage die heute vorhandenen Meeres
217
Die erſte verheerende flut war die fimbriſche , die etiva ums Jahr 400 v. Chr. di: Vervohner jener Strecken fortzuziehen nötigte. Auf hohen Werften erbaute man
ſidy, der Flut zu troßen , ſeine Wohnung. Erſt ums Jahr 1000 11. Chr. berichtet man von Deichbauten ; hinter
niedrigen Sommerdeiden Sdut ſudend , entſtanden jetzt Städte und Dörfer, um 1100 wohlgebaute Kirchen ; nun
konnten aud) die Fluten ihr großartiges Zerſtörungswerk beginnen. Sdron 1075 hatte die ,,Allerheiligenflut" arg gehauſt, als das 12. Jahrhundert namentlid, in den Jahren 1158, 1162, 1161, 1170, 1187 und 1196 die Zerſtörung fortſekte. Um nur Beiſpicle anzuführen, wie ſolche Fluten ivüteten , ſeben wir aus Heimreidis Verid )t1 über 1187 und 1196 folgendes hierher : ,,Anno 1187 hat ſid, das
Meer drei Meilen lang erhoben, und hat das Waſſer viel Leute und Vieh ertränket, und iſt ein großes Zeichen Gottes geſehen , daß lebendige Kinder in den Wiegen, Mulden und Faplein , und die Männer auf Haus balken sefloſſen , und in fremde Gegend zu Lande ſeyn gekommen ." ,, Anno 1196 ſeyn audy grauſame Sturmwinde und hohe Wajjer geweſen , die vielen Marídländern großen Sdaden gethan ." Das 13. Jahrhundert war nid)t min der reid, an Sturmfluten als das voraufgehende. Nord ſtrand riß vom Feſtlande los , damals hatte es in fünf Harden auf adit Quadratmcilen 59 Kirden und Kapellen. 3m 14. Jahrhundert leerten unſere Vorfahren den Elends:
keld, bis auf die Hefen .“ Nungholt, die reidie Stadt der Edomsharde im Nordſtrande, ging mit ſieven Kirdyſpielen zugleich unter ; 7600 Men den fanden ihren Tod in den
ellen . Su groß , ſo id merzlid) war der Verluſt , daß
die überlebenden Frieſen nod lange Jahre nadher die verſinfende, läutende Kirchenglode Rungholts zu hören meinten. Nad) einigen Chroniſten ging gleid)zeitig, zu An
arme überbrüdt, die die einzelnen Inſeln und Inſelgruppen
fang des Jahrhunderts, bereits ,,Wendingſtadt am Frieſen
trennen, ſo erzählt die Chronik des Hans Riclholt, der es liebt , ſeine Mitteilungen in das Geivand der Sage zu kleiden , weil er feine Jahreszahl angibt und man daher nidyt einmal beſtimmt nad zuweiſen vermag, ob er im 13. oder 15. Jahrhundert lebte , von einer Verbindung der
hafen ", die blühende See- und Handelsſtadt am Sylter Strande, zu Grunde. Jene beiden Städte , deren Be:
wohner einander den regen Verkehr mit Ländern , wie mit England und Frankreich nid)t gönnten , ſo daß ein Rungholter Sdiffer einen ſtrandenden Wennigſtädter nidyt
Inſel Sylt mit dem Feſtlande durd) Pferd und Wagen.
aụs Lebensgefahr errettet, wenn er es audy gekonnt hätte ;
Er (dreibt : „ Und wvat ſee nidyt op den lande hadden , Wenn jee des morgens uthfohren , ſu konden fee desſula
fie fanden ein gemeinſames Grab ! Nad, anderen An gaben wurde die Zerſtörung beider Städte erſt 1362 vollendet. Nordſtrand verlor eine Anzahl „ lionge“ mit
vigen Dags wedder thu eren egen hus famen , fou naa
ihren Kirden und Wohnhäuſern und, ivas davon übrig
dat konden ſee van Huber mit peert unde ivagen halen .
weren de landen by) cenander gelegen .“ Im vorigen Jahr
blieb, zerriß in Halligen, von denen die meiſten nad, und
hundert gab es hier nod ) Häuſer, wozu das Bauholz auf
nad, untergingen, einige nod) beſtehen. Durd) 21 Deid) brüde zogen Ebbe und Flut aus und ein. Die Deide fonnten ſo idnell nidyt wiederhergeſtellt werden , als es nötig war. Neue Fluten kamen 1313, 1334, 1337, 1341 und 1342, 1354, die größte des Jahrhunderts vorbereitend,
dieſe Weiſe vom feſten Lande berge djafft tvar. Aus dieſer
kurzen Vetrad )tung der bezügliden Sagen geht jedenfalls hervor, daß die Verbindung der Inſeln der frieſiſchen Uthlande unter einander und mit dem Feſtlande eine ungleid) engere tvar als die heutige. Wann aber die uns
die von 1362.
Sie vollendete die Geſtalt Nordſtrands,
erſättliche Nordſee jene iveiten Fluren in ihren Schuß hinab:
wie ſie auf den Karten bis 1634 erſcheint , zu einer vom
zog, lehrt uns die Geſchidyte, wenn auch ihre Quellen ſtellen weiſe nur allgemeine, keineswegs befriedigende Kunde geben .
S. 238 .
1 Heimreich, Nordfreſi dhe Chronit, Edition Dr. Fald. Teil I.
Das alte rilidfriesland.
218
Feſtlande entlegenen hufeiſenförmigen Inſel, die von Halligen umgeben iſt. Man nennt dieſe Flut die große , Mannkränke" .
ums Leben , 664 Häuſer wurden vernichtet. Die Deiche
Dreißig Kirchſpiele Nordfrieslands mit ihren Kirden
Marſd iſt daher ſeither als unbejdüßtes Halligland den Fluten ausgeſetzt. Im Amte Tondern blieb kein Koog troden, 10,000 Menſchen raubte die einzige Flut in Nord
gingen unter. Sylt, Föhr und Amrum wurden ganz von einander geriſſen, zwiſchen ihnen verdwanden Dörfer und Kirchen . 1380, 1382, 1387, 1391 , 1395 ergingen über Nordfriesland hohe Fluten , in denen viele Menſden er tranken. Das Vertrauen auf die eigene Kraft war in dem Grade geſunken, daß die Nordſtrander den Herzog Gerhard zu Schleswig demütig baten, ihnen einen Zudtmeiſter zu fenden, „ der ſie zum Frieden unter ſich und zum Wieder aufbau ihrer eigenen Deidre zwingen könne." Doch das Elend hatte ihnen auch etwas gezeigt , was ihnen ſpäter zuträglich ſein konnte. Sie wandten dem Deidbau neue Sorfalt zu. Von 1435 an haben ſie in den darauf folgenden 200 Jahren faſt jedes vierte Jahr einen neuen Koog bedeicht. Im Jahre 1436 hatten ſie kaum die Ar beit der Bedeidung des fogen. Wiedingharder Kooges, einer Fläche von 9620 Demath, ca. 4810 ha beendet, als die Allerheiligenflut desſelben Jahres an ihre Deiche klopfte und Einlaß begehrte , leider aud denſelben fand. Das hufeiſenförmige Eiland Nordſtrand zerbrad, mitten
entzwei; wenn es auch nach 114 Jahren wieder zuſammen gedeicht wurde, ſo war damit doch das Werf der Flut von 1634 vorbereitet, die nur die Enden jenes Hufeiſens, Pell
worm und Nordſtrand übrig ließ
Alt-Rantum auf Sylt
auf Föhr und Sylt waren gänzlich durchwühlt. Sylt iſt feit der Zeit ohne Sommerdeide geblieben ; die Sylter
friesland. Dod) das 18. Jahrhundert behielt noch Raum für
weitere Verwüſtungen ; ſeine Fluten von 1717, 1720, 1751 und 1756 waren ſehr verderbenbringend. Die Halligen hatten 1717 ſehr viel von ihrem Grund und Boden ver
loren ; alle Koge auf Bellworm waren voll Waſſer ge
laufen ; auf Nordſtrand wurden 36 Häuſer weggeriſſen ; Ewerichop in Eiderſtedt ſtand faſt ganz unter Waſſer, Dithmarſchen hatte dwer gelitten. Von 1720 heißt es bei Dr. Clement: ,,Die Halligen litten große Not , viele
Häuſer riſſen nieder und viele Menſchen kamen um .“ „ Kein
einziger Sovg im Herzogtum Súleswig blieb trocken , aus: genommen die beiden Chriſtian Albrechtskuge“, ſo ſagt ein Augenzeuge. Die įdireďlidiſte Flut in unſerm Jahrhundert war die Sturmflut vom
3. bis 4. Februar 1825.
Die Deiche
braden an verſchiedenen Stellen, die Halligen verloren an Flädye und an Bewohnerzahl.. - Freilid, waren dann die Deidye ſtärker und höher ; aber weite Strecken des alten Frieslandes waren in ödes Watt verwandelt, ehe man einſehen lernte , daß die Deide ſtärker ſein mußten ; ſeit
mit der Weſterſeekirdye ging 1436 unter. ,,Ady und Wehe um das ſchöne Land " ,1 ſo können auch wir klagen mit dem Chroniſten jener Zeit. Im 16. Jahrhundert verloren in der Flut von 1570
jenen verderblichen Fluten des 17. und 18. Jahrhunderts
an der Frieſenküſte bis Jütland hinauf 10,000 Menſd) en das Leben ; elf Deidbrüche entſtanden bei Nordſtrand in
hinabgezogen. Das lehrt die Gefdridyte. Die Geologie beſtätigt jene großartigen Veränderungen
der ſogen.. „ großen Flut" 1532 – und 1500 Menſden
des alten Nordfrieslandes nidyt nur , ſondern ſie geht
hat man von dieſem Grund und Boden eine Fläche von
einer halben Quadratıneile wiedergewonnen, der größte Teil des alten Nordfrieslandes iſt in die Tiefen des Meeres
verloren dort das Leben ; aud; die Jahre 1533 , 1539,
noch weiter und ſūreibt dem Lande eine nod
1543, 1545, 1547, 1548, 1550 bradyten zerſtörende Sturm :
urſprünglide Ausdehnung zu.
fluten.
Zwiſchen den Jahren 1612 und 1618 waren viele
ſeiner Unterſudung der geognoſtiſchen Verhältniſſe der Inſel Sylt und ihrer Ilmgebung zu dem Neſultat: daß
und große Ueberſchwemmungen ; ſo daß man einſehen
während der Periode des alten Alluviums nicht bloß der
lernte, „ die Schutzvorridtungen ſind nicht ausreidend." Doch Streitigkeiten und Furdyt vor neuen Koſten ließen die Verbeſſerung der Deide nicht zuſtande kommen. Da ergoß ſich denn am 11. Oktober 1634 eine Flut ohne gleichen in die geſegneten Marſdlande der Frieſenfüſte; im Laufe einer einzigen Stunde brad , en die Deidre Nord ſtrands an 44 Stellen ; es war der jüngſte und dyredlidſte Tag des alten Nordfrieslandes hereingebroden. Von 8000 Bewohnern der Inſel Nordſtrand waren 6200 er:
größere
Dr. 2. Metin 1 kommt in
Meeresgrund dort, wo jetzt die kimbriſd Galbinſel liegt,
bis zu foldyer Höhe gehoben wurde, daſ; tie darin liegen:
eingeſtürzt, 50,000 Stück Vieh verloren ; 29,000 Demath,
ben Auſternbänke und Walſiſde bis 30 und 60 m über den Meeresſpiegel auſſtiegen , ſondern daß auch weiter weſtlid ) ein ähnlides Hügelland entſiand und die Ver: tiefung zwiſden beiden , aus denen nur einige Punkte, wie die höher liegenden Teile Sylts , Amrun , Oſterland fohr, Ballum , Holmerſand 2., hervorragten , einem Süß waſſerſee Plak bot , in dem ſich die Flüſſe des öſtlichen Jeſtlandes aufſtauten , der unzingelt war von einer Brud): und Waldvegetation . Die Waldverſumpfung verwandelte
ca. 14,500 ha, feines von Fruchtbarkeit ſtroßenden Bodens
ſich in ein Moor, das zunädſt Unterwaſſermoor, dann
trunken, 1300 Häuſer waren dort zertrümmert, 30 Mühlen
batte es verloren.
In Eiderſtedt famen 2100 Men den
1 L. Meyn, Geogitoſtiſche Beſchreibung der Inſel Sylt 2c . , Seite 120 ,
1 Geognoſtiſche Beſchreibung der Inſel Sylt und ihrer Um gebung 2c. von Dr. L. Meyn , Seite 146 ff. Berlin , Neu maim'de Kartenhandlung. 1876 .
Kleinere Mitteilungen .
219
aufſteigend yodimoor wurde. Die ganze Flädie ſenkte ſich darauf 3 bis 9 m , auch die äußere weſtlide Hügelkette;
Kaiſer Friedrich dem
die Stellen dieſer Kette, die dem Süßwaſſerſee zu Seiten
laſſen . Das Blatt, für die Zeit von 1643 bis 1648 mit beſonderer Berüdſichtigung der vor dem Jahre 1643 unter:
als Ausflußthor ins offene Meer gedient hatten , wurden
hodyverdienten Verfaſſer im März
desſelben Jahres einen Lorbeerkranz aufs Grab hatte legen
jeßt die Einflußthore der Nordſee , die die verſunkenen
gegangenen Möge , Kirchen , Drtſchaften 2c. redigiert , iſt
Wald- und Moorreſte mit einem fruchtbaren Marſhlande
im Maßſtab 1 : 200,000 auf einer Bildfläche von 55 cm
zudeckte. Die Weſtbrandung zehrte an der tertiären Vors mauer und verwandelte deren Sand in Dünenſand. Die
Breite und 77 cm Höhe in zwei Ausgaben , nady den
Frieſen bevölkerten dies Marſchland, „wie das aus der
Territorialgrenzen und nach der phyſiſch -topographiſchen Bodenbeſdaffenheit koloriert , zum Preiſe von 6 reſp.
Geſchidte mit großer Beſtimmtheit nachgewieſen werden
7.20 Mark erſchienen.
kann und durch Sage und Epos beſtätigt zu werden
Zu bedauern iſt nur, daß es dem Verfaſſer niớt ver gönnt war, eine Denkſdrift zu der Karte der ſchleswig holſteiniſchen Weſtfüſte erſcheinen zu laſſen , wie er dies ſelbe zu ſeinen ſonſtigen Kartenwerken zu liefern gewohnt war. Eine ſolche Sdrift wäre geeignet, über die früheren
ſcheint." 1!
Sie bewohnten es auf Wurthen oder Werften
und ſpäter hinter Deichen und Dünen. Die Dünen ſind
jeit der Zeit weit landeinwärts gewandert, gleichen Schritt
!
haltend mit der unerſättlichen Nordſee , die heute bereits da brandet und aufſchlägt, wo früher Wälder und Moore
Zuſtände des alten Nordfriesland ein noch helleres Lidt
lagen : aljo draußen vor dieſer Brandungsküſte lag früher das tertiäre Worland des alten Nordfrieslandes . Von
zu verbreiten, als es die Karte an ſich zu geben vermag. Hoffentlich wird es nur eine Frage der Zeit ſein, dieſelbe
cologen geſchätt, hatte Nordfriesland damals eine Aus :
aus dem zweifellos wertvollen Nadlaß des Verſtorbenen,
dehnung von 80 bis 100 Quadratmeilen . Nach 6. P.
deſſen Kartenſammlung nady Kiel gekommen , für die Ver
Hanſens „ Chronik der frieſiſchen Uthlande " mödyte dieſes
öffentlidung fertigzuſtellen.
Land (die uthlande oder Nordfriesland ) i
1250 noch
ca. 50 deutide Duadratmeilen groß geweſen ſein , um 1600 waren ca. 20 Quadratmeilen davon übrig (ca. 10 Qua bratmeilen Snfelland und
marſd ); 1856 nur 5 Quadratmeilen Inſelland mit 15,000 Einwohnern , und Eiderſtedt, die tonderſden Marjdbarden und Köge 11 Quadratmeilen mit 22,000 Einwohnern." 2 *
Sage, Geſchichte und Geologie laſſen uns fonach die ungefähren Ilmriſſe eines Bildes von der einſtigen Größe Nordfrieslands gewinnen . Herr Dr. Geerz hat ſich die
ſchwere Aufgabe geſtellt, dieſes Bild beſtimmt hervortreten 311 laſſen , nachdem er es von den unflaren Vorſtels lungen gereinigt, die ihm die Zeitläufe der Jahrhunderte angehängt hatten. Die Neſte dieſes ehemals geſegneten Landſtriches ſcheinen dem Intergange geweiht zu ſein ; ſie
ſind ſtart in der Abnahme begriffen und es dürfte bald nicht mehr möglich ſein , die alten Karten überhaupt berichtigen zu können. Aus dieſem
Grunde war es Dr. Geerz' ſehnlidſter
Wunſch , das Nordfriesland umfaſſende nördliche Blatt ſeiner hiſtorijden Rarte ſo bald wie möglich zu veröffent
lichen . Seine Hoffnung erfüllte ſich nicht, aber die Witive des 311 früh Verſtorbenen ſah es als eine Ehrenpflidit an , dem Lande dasjenige Werk in ſeiner Vollendung
vorzulegen , welchem der Verſtorbene die Arbeit langer Jahre und einen großen Teil ſeines Vermögens geopfert hat." Das in ſauberem Kupferſtid , ausgeführte Gartens blatt erfdien im Herbſt 1888 im Selbſtverlag, nadidem 1 Dr. Viftor langhana, Weber den Urſprung der Nordfrieſeni. Wien 1879.
S. 44 .
2 C. p. Hanſen , Chronit der frieſiſchen 11thlande. 1877.
S. 7.
kleinere Mitteilungen .
0 Quadratmeilen Feſtlandss
Barding
Vulfane in Borneo.
Es wurde noch bis vor furzem
für eine Eigentiimlichkeit
Borncos gehalten, daß, während auf den umliegenden Juſeln des Malaiiſchen Archipels cine ſtattliche Reihe von großen Vulkanen ſich crheben , ſolche auf der Inſel Borneo gänzlich fehlen . Die älteſten Nachrichten iiber das Junere des Eilandes ers
wähnen wohl noch in den dreißiger Jahren dieſes Jahrhunderts zahlreiche vilfaniſche Ausbrüche und häufige Erdbeben daſelbſt; Nachrichten, die ſich indeſſen mit der Vermehrung unſerer Semut uiſſe als ganz inrichtig herausſtellten. Späteren Angaben zufolge follte mm ein Berg im nordöft lichen Borneo, der 13,698 Fuß hohe Sina- balı , als Vulkan zu betrachten ſein. So erwähnt Junghuhn, der wiſſenſchaftliche Ent decer Javas, auch dieſen Berg bei Aufzählung der Vilfane im Indiſchen Archipel , bemerft aber auch zugleich, daß, den vorhan . denen Zeichnungen nach zu urteilen , der Kina -balu fein eigent licher Regelberg zu ſein ſcheine. Seine nichtvulfaniſke Natur be ſtätigten auch oder entdecten die Reiſenden Spenſer St. John, der ſeinen Gipfel beſtieg, und der Italiener Giacomo Bove, der wenigſtens bis 311 den Vorbergen vordringen founte. Sie geben an , daß das Gebirge aus Urgeſteinen, aus Granit und Gneis, zuſammengeſetzt ſei.
So wurde das nichtvulfaniſche Borneo ſtets in Gegenſat zu den iibrigen Eilanden im Malaiiſchen Archipel geſtellt. Als in den achtziger Jahren jedoch die niederländiſch-indiſchen Montan ingenieure an der Weſtliiſte Borneos geologiſch -montaniſtiſche lInter ſuchungen vornahmen , entdecten ſie ein kleines vulkaniſches Gebiet
im Diſtrikte Montrado unweit der Meeresfiiſte zwiſchen den uns anſehnlichen Gebirgen Bawang ind Bajang gelegen .
Das vulfaniſche Gebiet bildet tiefeingeriſſene niedrigere vilgelziige und inmitten größerer Plateaur kleine Kegelberge. Es iſt von den umgebenden Bergen leicht zu erkennen wegen des angefiihrten teftoniſchen Verhaltens; hauptſächlich aber daran , daſ es, bloß vom Alangalanggraſe bedeďt, eine ſehr ſpärliche Vege
Kleinere Mitteilungen .
220
tationsdecke trägt , während alle iibrigen umgebenden Höhen you iippigem Pflanzenwuchſe iiberwudert ſind .
Es erfolgten drei Eruptionen in nicht entfernten Zwiſchen räumen. Zuerſt ergoſſen ſich ältere, durch eingeſprengte Angitfryſtalle einen porphyrartigen Habitus zeigende Baſaltlavaſtröme, niedrige
Hügelreihen bildend, dann folgte eine Erruption von Hornblende andeſit, welche fleine Siegelberge bildete, und zum Schluſje er goſjen ſich größere Mengen jiingerer, diimfliiſſigerer Baſaltlava, die erwähnten Plateaux formend. Die drei fleinen Vulfane ſind der Melahii , Sitong und
Monggo Pando; erſterer knapp am linfon llfer des Sampitbaches, eines Nebenarms des großen Sambasíluſjes, gelegen, die beiden leßtern in größerer Entfernung rechtſeitig. In ihrem Neußern einander ſehr gleichend, bilden ſie kleine Siegelberge, deren Höhe, vom Fuße des Mantels gerechnet , 70 bis 80 Meter nicht überſteigt. Die Neigung des Mantels am Fuße beträgt 15 bis 18 Grad und ſteigt in der Nähe des flachen Gipfels bis 27 Grad. Der Mantel iſt von radienförmig auftretenden
bekannten weſtlichen Auſtralien bis zur Weſtküſte des Kontinents. Fiir den Transport dienten 17 Siamele. Die Reiſe verlief unter unendlichen Schwierigkeiten , Mühalen und Leiden ; anch die Lebens mittel gingen zuletzt aus, und ein Siamel nach dem andern mußte geſchlachtet werden . Dennoch erreichte die Geſellſchaft in höchſt erſchöpftem Zuſtande am 11. Januar 1874 die Viehſtation der Meſſrs. Grant, Harper and Anderſon am De Grey R. in 200 15' 1. Br. und 1190 5. ö. L. v . (G., unweit der Weſtküſte, wo aufs beſte fiir ſie geſorgt wurde. Es war die erſte Reiſe , welche in dieſer Richtung gelang. Mancher Buſchmann , der ſich zuvor daran gewagt hat , wurde zuiriidgetrieben oder ging in den Wiiſten ver
loren. Aber ſie ergab das traurige Reſultat, daß das weſtliche Zentralauſtralien , wie auch ſpätere Reijen vollauf beſtätigt haben , ein waſſerloſes Wiiſtenland mit viel pinifer iſt, wo ſich für !
Kulturzwede nicht die geringſte Ausſicht bietet. In Anerkennung ſeiner Verdienſte verlich die Königin von England dem Oberſten Warburton den St. Michael and George Orden , und die Royal
Geographical Society in London dic (Goldene Medaille.
Die Vulfane lieferten Pavaſtröme
Warburton war, wie es in einem Dachrufe einer auſtralia
und loſe Auswirflinge, vulkaniſchen Sand, Lapilli und Bomben
tiefen Einriſſen durchfurd)t.
bis zur Mindstopfgröße. Bei den Sulfanen Sitong umd Monggo
ſchen Zeitung heißt, ein ganzer engliſcher Gentleman „ of high moral character , strict integrity , and with true manly
Pando iiberwogen die Lavaergüſſe, beim Mclabu die loſen Aus
qualities. “
wirflinge.
* Londoner Verhältniſſe. Im Jahr 1603 hatte London eine Bevölkerung von 150,000 Seelen , heute zählt es deren 4,500,000. Nimmt ſie auch ferner hin 311 , wie bisher, nämlich alle zehn Jahre im 500,000 Köpfe, ſo wird die Stadt am nahen Ende des Jahrhunderts von 7 Mill.
Alle drei Vulfanie ſind aus Hornblendeandeſit 311 ,
animengeſetzt .
Ueber das Alter dieſer Miniaturvulfane läßt ſich vorläufig
nichts Beſtimmtes jagen ; man weiß nur, daß ſie Schichten , friiher fiir paläozoiſch gehalten , jetzt als fretaziſch erfamit, durchbrochen haben. Es iſt befannt, daß die zahlreichen Andeſit briiche in Borneo und ſpeziell im Siiden der Inſel, welche die Tertiärlagen durchſetzen, von dem bekannten indiſchen (Ger logen Verbeef fiir miozänen Alters gehalten werden ; ebenſo weiß
man , daß die Entſtehung des großen Pulfantegels in Java ind Sumatra wahrſcheinlich erſt Ende der Tertiärperiode erfolgte.
Intercſjant iſt es, daß auch in Weſtfumatra ähnliche Minia turvutitane zweifelhaften Alters vortommen , von denen Perbect meint, ſie ſeien älter als die großen Puifane, aber wahrſcheinlich
H. Greffrath.
Menſchen bewohnt ſein.
Die Zahl der Wohnhäuſer iſt in den
letzten zehn Jahren von 207,000 auf 320,000 geſtiegen. Die ſechs Haupteiſenbahnen , welche in London miinden , befördern jährlich mehr als 200 Mill. Perſonen , die Pferdebahnen 150 Mill ., die Omnibuſie 120 Mill ., die (11,300 ) ſonſtigen Stadtfuhrwerfe 30 Mill.
Druď und Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachf. in Minden und Stuttgart. Für die Redaltion verantwortlich : W. Keil in Minchen.
jiinger als die miozänen Andeſite.
Es iſt möglich, daß die neuentdeckten Sulfane Weſtbornene dasſelbe Alter wie die Miniaturvulfane Weſtſumatras haben , und
Verlag von T. 0. Weigel Nachf., Leipzig .
daß ſie jedenfalls viel jünger ſind, als die miozänien Andeſite. Dr. Th . Poſewit .
Soeben erschien :
Oberſt Warburton . Der ausgezeichnete auſtraliſche Erplorer Colonel Þeter Egerton Warburton ſtarb nach längeren firankenlager am 5. November 1889 auf ſeinem landſive Beaumont, 6 vilometer von Adelaide, Solonie Siidauſtralien , im Alter von 76 Jahren. Er wide am 15. Auguſt 1813 in Northwich, England, geboren, erhielt ſeine Er .
ziehung und Ausbildung in Crleans und Paris , trat dann als Sadett in die engliſche Marine und ward in Cſtindien ſtationiert. Das dortige 5öje Silima wirfte auch auf ihn allmählich ſehr nach -
eilig ; er fing an zu leiden und ſah ſich gerungen , im März 1853 mit dem Range eines Majors ſeinen Abſchied 311_ nehmen. Er ſiedelte nach Auſtralien über und traf im September desselben
Jahres in Adelaide cin , wo er ſchon im Dezember darauf 311 Commissioner of Police, Polizeipräſidenten , der volonic ernant wurde. In diejer Stellung verblieb er bis Februar 1867. War burton internahm von 1956 bis 1871 verſchiedene Forſchungen reiſen im damals noch imbefannten zentralen Auſtralien. Die wichtigſte darunter iſt jedenfalls die , welche er auf Koſten der
reichen Squatter Sir Thomas Ender und Sir W. H. Hughes am 15. April 1873 in Begleitung von drei Europäern, zwei Afghanen und dem eingebornen linaben Charley, von der Telegraphenſtation Allice Springs, in 230 104 1. Pr. and 1330 53' ö. v. (Hr. , aus antrat. Es handelte ſich in die Turdiquerung des gänzlich im
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Dar Suslaud. Wodenſdrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fachmänner herausgegeben von der I. G. Gotta'ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und Münden. Dreiundſechzigſter Jahrgang. 1890.
Stuttgart, 24. März
Nr . 12.
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7.
Zu beziehen durch alle Buchhandlungen des Jit- und Auslandes und die Poſtämter. Inſertione.
Manuſkripte und Recenſions -Gremplare von Werten der einſdlägigen Litteratur jind direkt an die Verlagshandlung in Stuttgart zu ſenden . preis 20 Pf. für die geſpaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Kurbrandenburg an der Weſtfiliſte von Afrika. (1683 bis 1717.) Von Profeſſor Dr. Theodor Schott. S. 221. 2. Wohlthuende Einrichtungen zur Bequemlichkeit des Lebens in Judien . Waſſer- und Eisverſorgung von Kalfutta. Von Profeſſor Dr. Ottokar Feiſtmantel, Prag . (Schluß . ) S. 226 . 3. Durch den Siiden Merifos und durch Zentral-Amerika. Von Guſtav Pauli. ( Fortſetzung.) S. 229. N. v. Seidlig. S. 234.
4. Rußland in Mittelaſien. Von Haus Altona. S. 232. 5. Merkwiirdige Winkel des Kaukaſus. Von 6. Die Slawen in Italien. Sou I. Ofič . S. 238 . 7. Einige alte Voltsſitten und Volksgebräuche
aus dem Kanton Ziirich. Von H. Meſſifommer. S. 239 .
8. Litteratur. 1
Kurbrandeuburg an der Weſtküſte von Afrika .
S. 240 .
Ein Stück glorreicher Vergangenheit haftet an dem kalten Metall, es führt uns im Geiſte zurück in die erſten Vers
( 1683 bis 1717.)
ſudhe preußiſcher Koloniſation an Afrikas Weſtküſte, und Von Profeſſor Dr. Theodor Schott.
damit zugleich in die Anfänge der preußiſchen Seemacht,
Das königliche Zeughaus in Berlin birgt unter der unendlichen Fülle ſeiner Koſtbarkeiten und Sehensivürdig keiten auch ein altes Kanonenrohr, nicht ausgezeichnet durch
und es lohnt ſich wohl der Mühe, dieſe merkwürdige Ver
künſtleriſchen Schmuck, nicht hervorragend als Trophäe aus einer ſiegreichen Schlacht, aus eroberter Feſtung, und dochy, könnte dies ſtumme Rohr ſeinen eiſernen Mund aufthun , nicht um Bliß und Donner unter Feinde und Angreifer
zu ſchleudern, ſondern um von längſt vergangenen Zeiten wir würden eine wunderbare Geſchichte vernehmen von den Tagen , da es blank gepußt von der
zu berichten
Bruſtwehr eines brandenburgiſchen Forts hinausſchaute über Afrikas Küſtenſaum in den unendlichen Dzean , wie es lange Jahre donnernd die Schiffe begrüßte , die mit
ſchwarz-weißem Wimpel an jenen Breiten landeten, und wie es dann endlich unter den Trümmern der zerfallen den Feſte begraben wurde und tropiſche Schlingpflanzen ihr dichtes Neß darüber woben, bis im Februar 1884 das deutſche Schiff, die „ Sophie " , dort landete und die Offi ziere desſelben das Vergeſſenc auffanden , von den Ein
geborenen eintauſchten und in die Heimat zurüdbrachten. 1 Die Quellen zu dieſer Studie ſind außer den bekannten Werken von Dronjen und Kanke beſonders das den Gegenſtand
gangenheit in kurzem Bilde wieder vor uns aufleben zu laſſen .
Als der weſtfäliſche Frieden dem grauſam verheerten Deutſchen Reiche die erſehnte Nuhe brachte und zugleich
eine neue Drdnung der Dinge ankündigte, da gehörte es zu den ſchwerſten Schidungen, unter welche ſich der jugend liche Herrider von Brandenburg -Preußen , Friedrich Wil helm , beugen mußte , daß die Mißgunſt übermächtiger
Nachbarn und ſtiller Feinde ihm für ſein Kurland den Weg ins Meer abſchnitt. Wohl durchſtrömten Elbe und Dder die Mart, aber
die Mündungen der beiden Flüſſe waren in fremder Hand ; für die Elbe beanſpruchte Hamburg ein Stapelrecht, welches die mächtige Seeſtadt trop anders lautender kaiſerlicher Entſcheidung bis tief ins 17. Jahrhundert hinein geltend machte. Pommern, um deſſen Beſit Friedrich Wilhelm gern den Schweden Magdeburg, Halberſtadt und Minden ſamt
der für die damalige Zeit gewaltigen Summe von zwei Millionen Thaler gegeben hätte, blieb in den Händen der nordiſchen Macht. Wohl lagen Pilau und Königsberg am Baltiſchen Meere, und allenthalben werden dieſe guten Häfen
gründlich behandelnde Werk : Richard Sch ii cť, „ Brandenburg Preußens Kolonial - Politif unter dem Großen Surfürſten und ſeinen
gerühmt , aber das Herzogtum Preußen ſtand noch unter
Nachfolgern “ ( 1647—1721) 2 Bde. Leipzig 1889, und „ Branden burg -Preußen auf der Weſtfiiſte von Afrika 1681 bis 1721“
der andern Staaten , welche die Oſtſee beherrſchten , bes
polniſcher Lebensherrſchaft, und die eiferſüchtige Selbſtſucht
Großen Generalſtabe. Heft 6. Berlin, 1885 ; O. Friedrid) v. Gröben :
fonders Schwedens, verweigerte Polen die Teilnahme an dem Condominium maris baltici. Und dod war der
„ Guineiſche Reiſebeſchreibung.“ Marienwerder 1694.
offene Zugang zur See geradezu eine Lebensfrage für den
in „ Kriegsgeſchichtliche Einzeluıſchriften .“
Ausland 1890, Nr. 12.
Herausgegeben vom
34
222
Kurbrandenburg an der Weſtfiifte von Afrika.
jungen Staat , der im Herzen von Norddeutſchland ſich immer mehr ausbreitete , im Dſten und Weſten nicht un bedeutende Beſißungen hatte , an Umfang alle übrigen deutſchen Staaten außer Deſterreich übertraf und durch die Energie feines talentvollen Fürſten allmählich die
führende Stellung gewann , welche Kurſachſen während des 16. Jahrhunderts und bis zum Beginn des 30-jährigen Krieges eingenommen hatte. Friedrich Wilhelm wußte und ſprach es offen aus, „ daß der gewiſſeſte Reichthumb in der Aufnahme eines Landes aus dem Commercium herkomme",
, daß Seefahrt und Handlung die fürnehmſten Säulen eines Estat“ ſeien. Nicht in der eigenen engen Heimat
aber ein Neu - Deutſchland ? - dieſe Stimmen fanden ein aufmerkſames Echo bei dem brandenburgiſchen Kurfürſten, und wenn man ihm berichtete , daß die Holländer z. B. allein in das Baltiſche Meer jährlich 1200 Schiffe ſendeten,
ſo mochte Scham und Unmut den deutſch geſinnten Mann ergreifen , daß ſeine Unterthanen und Landsleute ſo weit zurüdſtanden hinter dem rührigen Eifer der anderen Natios nen. Wie ein roter Faden zieht ſich durch ſeine ganze Politif das Streben : die Seeküſte zu gewinnen, eine Flotte zu ſchaffen , Kolonien zu gründen , am Welthandel teilzu
nehmen ; aufs engſte ſind auch alle dieſe Pläne und
hatte er dieſe Erfahrung gemacyt; denn ſeine Mark mit
Ziele miteinander verbunden. Die Gründung von übers ſeeiſchen Handelskolonien , der Erwerb von Landbeſit in
ihrem Binnenbandel nach Hamburg und Stettin, Schleſien
fernen Weltteilen lag ohnedies gewiſſermaßen in der Zeit.
und Polen, mit ihrer Ausfuhr von Getreide, Bier, Hopfen,
Die Reiche, welche die ſpaniſchen und portugieſiſchen Kon quiſtadoren in Aſien und Amerita gegründet hatten , die Schäße, welche ſie aus dieſen Ländern zogen, deren Größe
Wollwaren, Salz und ähnlichen Erzeugniſſen ſpielte durch aus keine Rolle im Welthandel.
Die harte Not der Zeit
hatte ſich überdies lähmend auf den Unternehmungsgeiſt gelegt , der entfeßliche Krieg hatte die Rapitalkraft faſt vernichtet, und es war nicht zu verwundern, daß geflagt
wurde : „ der Leute Humeur ſei nicht entreprenant“, und daß auch ſolche Bedenken gegen Handel und Seefahrt laut wurden : „Es ſei weit über das Meer und die Schiffahrt gefährlich und leicht ein Unglüc möglich." Der furmärkiſche
Bauer war waſſerſcheu, und ſein Herr und Rurfürſt teilte, wenigſtens in früheren Jahren , dieſe Abneigung gegen
wohl manchmal übertrieben wurde, hatten Neid und eifers ſüchtigen Wetteifer in ganz Europa erweckt. Die eigentliche feebeherrſchende Macht dieſer beiden Staaten war mit Ende des 16. Jahrhunderts vorüber - England und vor allem
Holland hatten begonnen, in ihr Erbe einzutreten. 1594 wurde die oſtindiſch - holländiſche Kompanie gegründet, 1600 entſtand die engliſch - oſtindiſche, 1616 eine däniſce,
1664 trat Frankreich unter Colberts Leitung in die Reihe der übrigen koloniſierenden Mächte, ſchon ſeit 1637 hatte
das tüdiſche Element. Aber während ſeines Aufenthalts am Hofe der nahe verwandten Dranier hatte Friedrich Wilhelm den Reichtum und die Macht eines friſch aufs blühenden Handels- und Seeſtaate3 gründlich kennen ges lernt. Hier in den Niederlanden, wo ein fernhaftes Volt ſoeben ſeine religiöſe und politiſche Unabhängigkeit in
dieſer Staat Faktoreien am Senegal. 1634 war dem Kurfürſten Georg Wilhelm, dem Vater Friedrich Wilhelms,
heldenmütigem Kampfe gegen die erſte Weltmacht errungen
Ausführung
hatte, to jeder neue Tag auch aufs neue den Kampf mit
den , da weitete ſich für den begabten Prinzen der Blid
So war es ein Aufnehmen väterlicher Ueberliefe rung und ſtimmte zu dem eigenen Herzenswunſch Friedrich Wilhelms , als er 1647 mit dem holländiſchen Kaufmann und Admiral Arnoult Gyſels van Lier in Verbindung trat wegen der Gründung einer brandenburgiſc oſtindis
für tühne Unternehmungen. Der Eindrud der großartigen Verhältniſſe, welche ihn damals umgaben, iſt nie aus ſeiner
den Kompanie. Der „ ſinnreiche , in Kommerzien wohl erfahrene“ Mann, der jahrelang in Amboina Gouverneur
Seele gewichen, und das Vorbild der Beharrlichkeit und Dpferwilligkeit, die er dort bei Fürſt und Volt chau
geweſen war , gab gern die Muße einer nicht ganz frei willigen Zurückgezogenheit auf , zu welcher ihn die Un: dankbarkeit ſeiner Landsleute (der oſtindiſden Kompanie) veranlaßt hatte. Ein unbeſiegbarer Trieb zur Thätigkeit und der Unmut über die erfahrene Unbill reizten ihn, einem fremden Herrſcher ſeine Pläne vorzutragen. Verlodend iſt das Unternehmen, das mit einer Million Thaler begründet
den Elementen heraufbrachte, welche den Beſtand des Landes bedrohten, wo tüchtige Fürſten in unermüdlich treuer Hingebung an der Spiße eines freien Gemeinweſens ſtans
hat die fittlichen Kräfte, welche ihn auszeichneten, geſtählt und befeſtigt.
Mit der ungebrochenen Energie eines friſchen, kräfti gen Geiſtes, mit nie erlöidendem Intereſſe richtete Friedrich Wilhelm ſeinen Blick auf das Meer und was dies ſeinem Staate für Nußen und Ehre ſchaffen konnte. Die Stimmen, welche mannigfad laut wurden und den Deutſchen lobend und tadelnd vorhielten , ſie ſeien tapfere Soldaten und
von dem ſchwediſchen Reichskanzler Arel Drenſtierna der
Vorſchlag gemacht worden, an einer „Generalhandelskom panie“ fich zu beteiligen. Das Projekt, das im öranden: burgiſchen Rate Anklang fand , fam indeſſen nicht zur
und eine eigentliche Handelskompanie ſein ſollte, geſchildert: großer Gewinn iſt in Ausſicht geſtellt für die Dſtindien fahrer.
Es iſt für den Stand des Welthandels daraltes
tüchtige Bauern, fleißig und arbeitſam, auch fehle es ihnen durchaus nicht an Verſtand, warum ſie aber geduldig zu:
riſtiſch, die hauptſächlichſten Waren kennen zu lernen, aus
ließen, daß auf der Mappa mundi wohl ein Neu -Spanien, ein Neu -Holland, ein Neu - England zu finden ſei , nicht
immer ſind die Edelmetalle und Gewürze beſonders ange:
denen der Handel damals ſeinen größten Vorteil zog. Nody führt , deren Aufſuchung und Gewinnung einſt Portugieſe
Kurbrandenburg an der Weſtfüſte von Afrika.
und Spanier zu ihren großen Entdeđungen geführt hatten : weiße und „ geele“ Seide, Diamanten und Gold, Droguen, Ambra, Pfeffer und Zimmt, Porzellan , aud Zuder und Sklaven. Tabat, Thee, Wolle, Kaffee, Eiſen, Del und Rohle, die jeßt wichtigſten Gegenſtände des Handels, überhaupt die Produkte, welche jeßt die Hauptfrachten der Dzeandampfer
bilden, werden gar nicht erwähnt, und Baumwolle und Zuder nur nebenher. Freudigen Mutes ging der Kurfürſt auf den Plan ein, und Gyſels trat in ſeine Dienſte. Aber die Sache ſcheiterte an der Unmöglichkeit, das nötige Rapital aufzubringen ; umſonſt verſuchte der kurfürſtliche Geſandte, die Hanſeſtädte Hamburg und Lübed zur Teilnahme zu bewegen ; auch die Stadt Königsberg war nicht in der Lage, ſich an der Kompanie zu beteiligen , obgleich ſie nicht be zweifle, daß der Kurfürſt ihr Beſtes im Auge habe Ebenſowenig war der Beitritt des Herzogs von Kurland, des Schwagers Friedrich Wilhelms, zu erlangen. So wurde die Sache liegen gelaſſen ; ebenſo cheiterte auch das Vor:
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ſtätigt, es war nicht bloß eine neue Feder, welche der
Brandenburger ſeinem Kurhut damit aufſeßte, es war der verheißungsvolle Anfang der bollen Selbſtändigkeit , der erſte fefte Pfeiler zur Gründung einer proteſtantiſchen .
deutſchen Großmacht in Norddeutſchland; zugleich hatte der preußiſche Aar feſten Fuß am Meere gefaßt, die Mit herrſchaft über das Baltiſche Meer war ſo ſicher, wie die von Schweden und Dänemark. Und wenn auch der Sieger
von Fehrbellin durch die neidiſche Eiferſucht von Frank reich und Schweden gezwungen wurde, ſeine mit koſtbarem
deutſchen Blute errungenen Eroberungen an der Oder (Stettin, Rügen, Pommern) wieder aufzugeben (im Frieden von St. Germain ), aus der Stellung im Norden konnte er nicht mehr verdrängt werden. Aufs engſte damit verbunden
war ein zweiter folgenreicher Schritt, die Gründung einer brandenburgiſchen Marine. Wohl lag auch hier alles ſo ungünſtig wie möglich ; das Herzogtum Preußen
aufbringen zu können .
hatte zwar „ gute Porten" und eine ſeetüchtige Bevölkerung, aber es war unmöglich , Kriegsſchiffe dort zu bauen oder zu bemannen ; es blieb nichts übrig , als dieſelben von einem ſeemächtigen Staate zu mieten oder zu kaufen. Gern gab daher der Kurfürſt feine Einwilligung , als der hols
Es war ein herber Schlag für den Kurfürſten , aber ſeine elaſtiſche Natur ließ ſich durch Sieſes Mißlingen nicht
ländiſche Kaufmann Benjamin Raule im Frühjahr 1675 auf die Nachricht von dem Einfall der Schweden in die
beirren ; kaum war der Frieden von Oliva geſchloſſen (3. Mai 1660) , ſo begannen die Verhandlungen wegen
Marken ſich erbot , eine Anzahl Schiffe auszurüſten , um
haben, von Dänemark ſeine oſtindiſche Befißung Trankes
bar oder , wie ſie damals hieß, Dansburg durch Kauf zu erwerben, an derſelben Urſache, die verlangte Summe nicht
einer oſtindiſchen Kompanie aufs neue. Gyfels wurde
mit der Leitung derſelben betraut, zum Beitritt follten bes ſonders der Kaiſer und die deutſchen Reichsſtände einges laden werden, auch an Spanien wollte man ſich wenden,
unter brandenburgiſcher Flagge den Schweden zur See möglichſt Abbruch zu thun. Es wurden Verträge mit ihm
geſchloſſen. Der rote Adler im weißen Felde, welcher den Flaggenmaſt der gemieteten Schiffe ſchmücte , machte ſich
Es liegt die größte Wahrſcheinlichkeit vor , daß der am 20. Juli 1661 mit England geſchloſſene Handels- und Schiffahrtsvertrag die eigentliche Urſache dieſer Sinnesän
bald den Schweden und Franzoſen unangenehm fühlbar. Binnen vier Wochen waren den Schweden einundzwanzig Schiffe weggenommen, und wenn aud die anderen Sees ſtaaten , beſonders die Niederländer , alle möglichen Schwierigkeiten in den Weg legten, trenn oft der Geldmangel To drückend war , daß man die Priſen ſogleich verkaufen mußte , nur um den Sold der Matroſen zu beſtreiten , ſo beharrte der Kurfürſt doch energiſch auf dem eingeſchlagenen Wege. Jedes Jahr wurden die Verträge mit Raule ers neuert , jedes Jahr wuchs die brandenburgiſche Flottille
derung war. Der Kurfürſt wäre wohl in die Lage gekommen ,
und mit ihr die Erfolge. Der Flagge, welche ſie ſchüßte
Aber auch diesmal kam es nicht über Vorſchläge und Ver handlungen hinaus, ſo eifrig auch der Markgraf Hermann von Baden, der von den Reichsſtänden am tiefſten in die Sache eingeweiht war, ſich derſelben annahm. Der Kurfürſt ſelbſt trat diesmal zurück: „ aus erheblichen und hochwichtigen Urſaden müſſe er anſtehen , dieſes Werk weiter zu pouſſieren . “
zwiſchen England und Spanien zu wählen ; politiſche,
und führte, brachte ſie keine Schande ; am 5. Juni 1676
religiöſe und verwandtſchaftliche Intereſſen knüpften ihn enge an das erſtgenannte Land. Noch einige Jahre betrieb
wurde bei Bornholm in einem ernſthaften Seegefechte dem erſten brandenburgiſchen meines Wiſſens – daß
Deſterreich, um dies beiläufig zu bemerken, dieſes Vorhaben ;
ſchwediſche Kriegsſchiff der ,, Leopard" von zweiundzwanzig Kanonen und ein Brander von acht Ranonen .ſo tapfer gepadt , daß ſelbiges neben dem Brander erobert wurde“ .
ins praktiſche Leben trat dieſer Koloniſationsverſuch des
Kaiſerſtaates , der ziemlid vereinzelt in ſeiner Geſchichte daſteht, nie ein .
Zum zweitenmal war der Verſuch mißglückt, es währte beinahe zwanzig Jahre, bis der Plan allerdings in anderer
Geſtalt wieder aufgenommen wurde; aber dieſe lange Warte zeit war für die Seeangelegenheiten keineswegs unfruchts bar. Der Frieden von Oliva hatte dem Kurfürſten die Souveränität ſeines Herzogtums Preußen , welche er in den Verträgen von Wehla und Bromberg durchgefeßt, bes
-
Die Flaggen des erbeuteten Orlogſchiffes, welche Raule pers fönlich überbrachte, mochten dem Kurfürſten , ſo viel Freude bereiten , als die in einer Feldidlacht eroberten Stan darten. Es war ſpäter der Flotte möglich, die Obermün: dungen abzuſperren und bei der Belagerung von Stettin und Stralſund und bei der Landung auf Rügen die weſent
licyſten Dienſte zu leiſten. Sie wurde daher nadi ge ſchloſſenem Frieden auch nicht aufgelöſt , ſondern zunächſt
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Kurbrandenburg an der Weſtküſte von Afrita.
dazu verwendet, um Hamburg an ſchuldige Verbindlichkeiten
währen ſollte, große Schiffe zu bauen und ſich auf die
zu mahnen , ja ſelbſt Spanien , welches bedeutende Subs
Negotien nach Guinea , Grönland , Davidsſtraße, den
fidiengelder an Brandenburg ſchuldete, wurde mit einem
Heringsfang u. f. w. zu legen ". Der Kurfürſt ging nicht
Kaperzug bedacht, und am 18. September 1680 bei Dſts ende glüdlich ein reichbeladenes ſpaniſches Schiff von acht:
darauf ein , er konnte ſich auch nicht entſchließen , einer
undzwanzig Ranonen, der ,, Carolus Secundus" , erobert. Das
Schiff wurde in den ,,Markgraf von Brandenburg" ums getauft, mit fünfzig Kanonen armiert und war das erſte Kriegsſchiff, welches dem Kurfürſten eigentümlich gehörte. Die Kaperzüge gegen Spanien wurden fortgeſeßt ; endlidy aber hielt Friedrich Wilhelm die Zeit für gekommen, aus dem unwürdigen Mietverhältnis mit Raule und ſeinen
guineiſchen Kompanie, welche 1679 gegründet werden ſollte, ſeinen Scuß zuzuſagen , erſt im Jahre 1680 hielt er die
Zeit , ſich an dem neuen Unternehmen zu beteiligen , für gekommen. Am 16. September ſegelten zwei Schiffe: das ,,Wappen von Kurbrandenburg" und der „ Morian “ nach Angola und Guinea an Afrikas Weſtküſte ; die Fahrt, die
Genoſſen ſich loszuwinden, und kaufte zu dem einen Schiff noch neun andere von Raule mit zuſammen einhundertſechs
auf Koſten und Gefahr von Raule ging, aber unter fur: fürſtlicher Flagge geſchah , und zu welcher der Kurfürſt eine Anzahl Soldaten und einen „ habilen Ingenieur" geſtellt hatte , war nicht vom Glüde begünſtigt. Die
undſiebzig Ranonen am 1. Oktober 1684. Man darf dieſen
Holländer beanſpruchten das Handelsmonopol an der Küſte
Tag als den Geburtstag der brandenburgiſch
von Guinea , ſie verboten ihren Unterthanen fremden Dienſt, und als das „ Wappen von Kurbrandenburg “ An fang Januar 1681 in der Nähe des Kaps der drei Spißen landete, um Waſſer zu ſchöpfen , und dabei an die dortigen
preußiſden Kriegsflotte feiern, und wenn derſelben auch nur ein verhältnismäßig kurzes Daſein beſchieden war, ſchon der Gedanke einer Flottengründung war wichtig. Es
war geradezu ein Ereignis in der politiſchen Welt, als die
Neger ein Faß Branntwein verkaufte , wurde es von den
brandenburgiſche Flagge an den Küſten der Niederlande, im Meerbuſen von Biscaya, im weſtindiſchen Archipel immer aufs neue und immer ſtärker fich zeigte, als der märkiſche Fürſt es verſtand, auch zur See ſeinem Adler Actung zu verſchaffen. Dasſelbe Mißbehagen, welches in unſerer Zeit die Beherrſcher der See beſchlidhen hat , als das Deutſche Neid ſeine Flotte ſchuf, durchzitterte aude damals die fees
Holländern konfisziert, und die Mannſchaft gefangen gehal ten. Wir wollen nichts von dem dnöden Unbank ſagen, mit
welchem die Niederländer ſo die vielfache politiſche Unter: ſtüßung vergalten, die der Große Kurfürſt ihnen hatte zu teil werden laſſen ; hier genüge es, darauf hinzuweiſen, daß ſolche Gewaltthaten und Chikanen fid, beinahe bei jeder
denken und allerlei Diskurſe". Und in Schweden fürchtete
Fahrt wiederholten und dem Kurfürſten unſägliche Schwierig keiten und Verdruß bereiteten. Es bedurfte ſtets lang wieriger diplomatiſcher Unterhandlungen, ernſter Drohun: gen , um Mannſchaft, Schiff und Ladung wieder freizu:
man, „ des Kurfürſten Armatur in der Ditſee möchte mit
bekommen oder eine Entſchädigung für die leßteren zu
der Zeit ſo zunehmen, daß denen nordiſchen Kronen ein prae judicium daraus entſtehen dürfte". Sie haben auch alle
erhalten ; und gar manchmal gelang dies nicht. Auch der ,,Morian" war nicht ſehr glüdlic); das feindliche Vorgehen der Holländer machte ſeinen Kapitän ängſtlich; nur mit ge ringer Ladung kehrte er im Auguſt 1681 nach Europa zurüd. Der Kurfürſt hatte gewünſt: ,,Dafern in denen Ländern einige rare Affen, Papageien oder andere Tiere und Vögel ſind, ſoll er ſelbige erhandeln und mitbringen, ingleichen ein halb Dußend junge Sllaven von 14-16 Jahren, welche ſchön und wohlgeſtaltet ſind, um ſelbige an unſern Hof zu überſenden ." Ob dies geſchehen, wiſſen wir nicht, wichtiger aber war , daß Kapitän Blond einen
gewaltigen Mächte. In Kopenhagen erregten die Schiffe, als ſie den Sund paſſierten, ein großes Aufſehen, Nach:
redlich dazu mitgeholfen , dem jungen Leben ein frühes Ende zu bereiten.
Es lag in der Natur der Sache , daß mit dem Ents ſtehen und Erſtarken einer Kriegsflotte auch die alten Kolonialpläne aus ihrer Vergeſſenheit wieder auftaudyten. Die Bewegung ging von Raule aus. Der niederländiſche Kaufherr , über deſſen Charakter und öandlungsweiſe die Urteile ſehr auseinandergeben , hatte einen außerordentlich lebhaften, man kann ſagen , unruhigen Geiſt; immer neue Pläne und Projekte entſtrömten demſelben , die Fülle von
Vorſchlägen, welche er dem Kurfürſten machte, iſt erſtaunlich, praktiſd und erfindungsreich, iſt er nie verlegen um Mittel
und Wege, und ſeit ſeinem Eintritt in brandenburgiſchen Dienſt — er wurde am 20. Februar 1676 zum Schiffsdirektor und fünf Jahre ſpäter zum Generaldirektor der Marine mit dem Rang eines Oberſten ernannt - iſt er der bei
Friedrich Wilhelm am meiſten geltende Rat in dieſen Dingen. Schon 1676 hatte er dem Kurfürſten eine Fahrt nach Guinea vorgeſchlagen. Dktober 1678 ſtellte er Grön land als Handelsziel auf. Auguſt des folgenden Jahres idlägt er vor, wo jeßt der generale Frieden eßliche Jahre
Handelsvertrag mitbrachte , welchen er am 16. Mai 1681 mit drei Negerhäuptlingen (oder Cabifier , Capuzir , wie ſie allgemein genannt werden) in der Nähe des Kaps der drei Spißen geſd loſſen hatte ; die drei Häuptlinge hatten fidh gegen Geſchenke, die ſchwerlich ſehr wertvoll waren, verpflichtet,
nur noch mit brandenburgiſden Schiffen
Handel zu treiben und einen zur Erbauung eines Forts geeigneten Plaß herzugeben. Eine kurbrandenburgiſche Flagge war ihnen überlaſſen worden zum Zeichen der
Beſißergreifung , binnen 6-8 Monaten ſollte das Schiff wieder zurüdkommen und die zum Bau der Feſtung nötigen Materialien mitbringen. Auch etwas Gold ſcheint Blond
225
Kurbrandenburg an der Weſtfiiſte von Afrika.
mitgebracht zu haben , denn der Kurfürſt ließ Münzen
man an der langgeſtreckten Weſtküſte Afrikas hin, bald
prägen, die ſogenannten Guineaukaten , die freilich etwas teuer famen (jeder Dukaten eigentlich auf zwei). Das Bild auf denſelben : ein Neger , welcher knieend in einer
hier und bald dort landend und trop des Verbotes der Hol länder mit den Eingeborenen Handel treibend. Im November war man an der Goldküſte, welche ihren Namen auch jest
Muſchel Goldförner und Elephantenzähne darbietet, ſollte
wieder rechtfertigte, indem die „Näger" - ſo ſchreibt
bic Hauptgegenſtände des Handels bezeichnen.
Gröben ſtets
Nun hatten die Koloniſationspläne ein feſtes Ziel, und man ging daran , eine afrikaniſche Kompanie unter
freilich kam auch ein Neger mit zwei ſeiner Weiber an
dem Schuße des Kurfürſten und nach dem Vorbilde der belländiſchen zu bilden. Am 7./17. März 1682 wurde das betreffende Edikt erlaſſen, das in einem Dctroi (oder Pri vilegium) vom 8./18. November ſeine Beſtätigung und Erweiterung erhielt. Die Kompanie bildete eine Aktien:
geſellſchaft mit einem Grundkapital von fünfzigtauſend
Gold zum Tauſde brachten .
Einmal
Bord, „ ſelbige vor zwanzig Stangen Eiſen zu verkauffen ; weil ſie aber häßliche alte Teuffels waren, ſtunden ſie uns nicht an " ; dagegen erwarb der Kapitän von einem der Schiffe ein Mädchen von fünf Jahren, weil es ſchön war , um drei Musketen und eine Korallenſchnur. Ende Dezember
langten die Schiffe in der Gegend des Kaps der drei
Thaler gezeichnet, aber trobdem mit dem Ausſenden von Schiffen begonnen. Welche Hoffnungen man auf die Kompanie jeßte , wie eifrig dieſe Unternehmung betrieben wurde, beweiſt am deutlichſten die Verlegung des Sißes der Kompanie nach Emden in Oſtfriesland. Es war nur all zu
Spißen an ; beim Landen (in der Nähe des Dorfes Akfada) fand man aber nur zerſtörte Negerdörfer ; in einem der nur allzn häufigen Kriege unter den Eingeborenen (oder Naturellen, wie Gröben ſchreibt) waren zwei der Cabiſiers, mit welchen Blond den Vertrag abgeſchloſſen hatte, um gekommen. Man fuhr noch etwas weiter füdwärts, um mit den Holländern, welche das Fort Elmine dort beſept hatten, nicht in Streit zu geraten ; in dem auf einer Land zunge gelegenen Berg Mamfro fand Gröben „ eine herr: liche Situation ", und da die Eingeborenen ſich bereit zeigten,
Thaler, wobei ſich der Kurfürſt , der Rurprinz , der Prinz von Anhalt , die oberſten Beamten (Miniſter , Feldmar: ichall u. 1. w. ) und ſelbſtverſtändlich auch Raule beteiligten.
Mit knapper Not wurden endlich achtundvierzigtauſend
wichtig, daß Pillau und die anderen Oſtſeehäfen nicht ſehr ge
mit den Brandenburgern ſich zu verſtändigen , ſo nahm
ichidt waren , daß die Fahrt durch Kattegat und Sund koſt ſpielig und gefährlich war, und daß man dem guten Willen der däniſchen Regierung über Gebühr preisgegeben
Gröben ohne weiteres, ohne ſich um die Proteſte der Hols länder zu kümmern , von dem Berge Beſit ; mit fliegenden Fahnen, mit Paufen und Schalmeien wurde dies vollzogen,
war ; wieviel günſtiger waren die Pläße an der Nordſee
ſechs dreipfündige Ranonen hinaufgeſchafft und ein Zelt für Gröben aufgeſchlagen. Am andern Tage – es war
gelegen ! Eine Streitigkeit , welche die Fürſtin Chriſtine Eleonore mit ihren Ständen hatte, bot dem Kurfürſten die erwünſchte Gelegenheit, ſich mit den leßtern , deren Sdup
ihm vom Kriſer aufgetragen war, ins Benehmen zu ſeßen : Oftober 1682 rüdten dreihundert brandenburgiſche Sol daten in Oſtfriesland ein, und ein Vertrag mit den oft: frieſiſchen Ständen vom 8. November befeſtigte das Band zwiſchen Schuherrn und Schüßling. Die Oſtfrieſen be: teiligten ſich auch mit einer bedeutenden Einlage bei der Kompanie, und die Stadt Emden wies ihr eine Zimmerwerft und ein Magazin an . So hatte Brandenburg, der junge
Seeſtaat, feften Fuß an der Nordſee gefaßt. Und beinahe zu gleicher Zeit wurde die eigentliche Kolonie in Afrika gegründet. Im Mai 1682 ſegelten die beiden Fregattſchiffe, der „ Kurprinz" (von 32 Geſchüßen ) und der ,,Morian" (mit 12 Geſcüßen) von Glüdſtadt ab. Da eine militäriſche Poſition mit der Handelsniederlaſſung verbunden ſein ſollte, wurde ein Offizier mit zwei In genieuren und vierzig Soldaten, darunter zwei Spielleuten - der Reger wegen - mitgeſandt. Der Rommandant der Schar und der Erpedition, Major Otto Friedrich von der
Gröben , ein vielgereiſter, energiſcher und kluger Mann, deſſen vernünftige Anſichten und offene Schilderungen ſeiner gedruckten Reiſebeſchreibung einen eigenen Reiz geben, paßte vortrefflich für ſeine Aufgabe und erfüllte ſie ausgezeichnet. Die Fahrt ging nicht ſehr ſchnell von ſtatten, langſam fuhr Ausland 1890, Nr. 12 ,
der erſte Januar 1683 – wurde die große furfürſtliche Flagge an einem hohen Flaggenſtod aufgezogen, mit Muſik, Gewehr- und Geſchüßſalven begrüßt und der Berg, „weil Sr. Kurfürſtlichen Gnaden Namen “, wie Gröben mit etwas plumper Sameichelei ſagte, in aller Welt groß iſt“, der 1
große Friedrichsberg genannt. Sogleich begann man mit Hilfe der eifrig arbeitenden Neger den Bau der kleinen Feſtung; ſie ſollte ein Viereck mit vier Baſtionen bilden, von welchen die gegen die Landſeite zuerſt in Angriff genommen wur ben , da man von dorther einen Angriff der Neger bes forgen mußte , während der Berg gegen die Seeſeite hin ungefähr 50 Fuß ſteil abfiel, auch durch einige davor liegende Klippen geſchüßt war.
Am 5. Januar ſchloß
Gröben mit 14 Cabiſiers den feierlichen Schußvertrag ; die Geſchenke , welche der Kurfürſt den „ Principalſten Herrn " beſtimmt: vergoldete ſilberne Dedelbecher und ſein Porträt, wurden übergeben, um Waren ( Zeugſtüde) und Branntwein der Berg und die Umgegend abgekauft und ihnen dagegen ihres Schußherrn Schuß und Schirm wider alle Feinde verſprochen. Beſiegelt wurde die Zeremonie mit einem feierlichen Umtrunk ( Fetiſchtrinken heißt es in den Berichten ). Ueberal finden wir dieſe Sitte in jener
Zeit und wie in der Gegenwart, ſo ſpielte ſchon damals der Branntwein die hauptſächlidſte Rolle dabei ; wir wollen nicht unterſuchen , wie weit es wahr iſt, was 35
Wohlthuende Einrichtungen zur Bequemlichkeit des Lebens in Indien .
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haben , können ſie beſſer denken. Das Getränke, welches Gröben den Häuptlingen vorſetzte zu dieſer Zeremonie, war ein abſcheuliches Gemiſch aus Branntwein, Wermuth
Seit der Einführung der Waſſerleitung iſt die Mors talität von Kalkutta auch bedeutend geſunken und auch die Eingeborenen wiſſen dieſe große Wohlthat hinreichend zu würdigen. Für die Europäer iſt der Wert dieſer Ein führung gerade zu unermeßlich. Während meines acht
ertrakt und Violenſaft. Sedis Wochen hatte der preußiſche
jährigen Aufenthaltes hatte ich hinreichende Gelegenheit,
Major , ſeiner eigenen Verſicherung nady, an dem einen Löffel genug, den er ſchlucken mußte.
die Güte des Waſſers gründlich zu prüfen, und vom erſten Augenblicke an fand ich es wohlſchmeckend. Natürlich iſt das Waſſer, namentlich in der heißen Zeit, warm , es muß daher fünſtlich gefühlt werden , und
ein Reiſender, der ſpäter jene Gegenden beſuchte, meldet, die Neger behaupten , wenn ſie Branntwein getrunken
dies geſchieht mittelſt eingelegter Eisſtückchen .
Wohlthuende Einrichtungen zur Bequemlidkeit des Lebens in Indien. Bon Profeſſor Dr. Ottofar Feiſtmantel, Brag.
Gerade fowie Kalkutta jeßt gutes Waſſer beſißt , iſt
auch für hinreichende Eisverſorgung geſorgt.
Doch auch die Eisverſorgung Kalkuttas hatte verſchie: dene Phaſen durchzumachen , ehe endlich die jebige Regel
(Schluß.)
In Kalkutta wird es abermals in einem großen Re ſervoir geſammelt, von wo es mittelſ Drudpumpen burdy die Stadt geleitet wird ; die Länge der Röhrenleitung in der Stadt beträgt 110 engl. Meilen ( 176 km). Es wird
mäßigkeit eintrat.
Die Notwendigkeit der Kühlung der Getränke bezieht
ſich natürlich nur auf die ſüdlich vom Himálaya gelegenen Länder, wo nur in der fühlen Zeit (November bis Mitte Februar) bei dem vorherrſchenden Nordoſt-Wind die Tem
dann entweder in den Gaſſen bei beſtimmten Hydranten
peratur ſich ſoweit abkühlt , daß die Getränke ohne Eis
geſchöpft, oder es wird direkt in die Häuſer geleitet. Im Jahre 1874 waren zu 8159 Häuſern Röhren gelegt, 1882 zu 14,245, und gegenwärtig wird ſich die Zahl weit über 20,000 ſtellen – es ſind zumeiſt Häuſer der Europäer. Die Waſſermenge betrug im Jahr 1874 : 2,524,566 Gallonen (10,098,264 Ltr.) pro Tag ; 1882 ftieg ſie auf
zugabe genoſſen werden können.
17,824,576 Gallonen (31,299,304 Ltr.) täglich oder 18 Gals
lonen (72 Ltr.) per Kopf in der Stadt , im Hafen und in der Feſtung ; 1883 ſtieg ſie noch weiter , und zwar auf 8,279,167 Gallonen (33,116,668 Ltr.) oder 19 Bals lonen (76 Ltr.) per Kopf und Tag, in der Stadt. Außer
dem handelt es ſich um eine weitere Vermehrung der Waſſerzufuhr, ſo daß die Menge per Kopf 35.5 Gallonen
( 142 Ltr.) täglich betragen würde.
Außer dieſem filtrierten (Trink-) Waſſer hat Kalkutta nød eine eigene Waſſerleitung unfiltrierten Waſſers, zum
Beſprengen der Straßen , zum Bewäſſern der öffentlichen Anlagen , Durchwaſchen der Abzugskanäle u. 1. w.; die 1
tägliche Menge betrug 1883 durchſchnittlich 3 Millionen
Gallonen ( 12,000,000 Ltr.) , und ſollte auch dann noch weiter vermehrt werden.
Das filtrierte Waſſer ſtellt nun ein ſehr gutes, reines Waſſer dar , das zum Trinken , Kodhen und zu anderen Bedürfniſſen im Hauſe gebraucht wird, und zwar das ganze Jahr hindurch (und nidyt nur im Winter , wie es in
Bevor der Gebrauch von Eis regelmäßig wurde, bediente man ſich zur Kühlung der Getränke verſchiedener Kühlmiſdungen, oder es wurden die Getränke in irdenen poröſen Gefäßen ſtarkem Luftzuge ausgefeßt ; waren ſie aber in Glasgefäßen, ſo wurden dieſe loſe mit Stroh be dedt , dieſes dann mit Waſſer beſprengt und das Ganze dann abermals in womöglich ſtarken Luftzug geſtellt; durch Verdampfen des Waſſers wurde eine bedeutende Tempera turerniedrigung erzielt. Die eine oder die andere Art
von Abfühlung iſt an vielen Drten auch heute noch in Gebrauch. Auf meinen Reiſen im Lande , wo man für ges
wöhnlich kein Eis bekommt , pflegte ich nach Umſtänden beide Methoden anzuwenden. Was nun den Gebrauch von Eis anbelangt, ſo wurde es vorerſt in kleinen Quantitäten von den Eingebores
nen ſelbſt auf natürlichem Wege , ohne Benüßung jed weder Maſchinerie erzeugt. Doch wurden durdy dieſe Methode ſtets nur geringe Quantitäten dünnen Eiſes zu ſtande gebracht; auch ſcheint ſie nur in der Gegend von Hugli ſtattgefunden zu haben (etwa 64 km nördl. von
Kalkutta ), und endlich konnte ſie nur während der fühlen Monate (November bis Februar) betrieben werden , wo
jedoch Eis am wenigſten notwendig war. Denn dieſe
Meyers Konverſ. - Ler. IV . Aufl. 1887 , Bd. IX p. 406
Methode erfordert fühle, trockene Luft und einen ſcharfen ,
angegeben wird).
frodenen Wind , was eben nur während der erwähnten
Die Güte und Reinheit des filtrierten Waſſers, ſowie feine Eigenſdşaften als Trinkwaſjer, ſind durch zahlreiche chemiſche Analyſen erwieſen ; dieſe haben das Neſultat er geben , daß die Waſſerverſorgung von Kalfutta eine bes friedigende iſt, ja in der That beſſer , als bei der Mehr zahl der Großſtädte Europas .“
Jahresperiode ſtattfindet , beim Vorherrſchen des Nords windes , während in der heißen Zeit , wo der Südwind bläſt und die Luft mit Waſſerdünſten geſättiget iſt , Eis bildung unmöglich ſtattfinden fönnte.
Der Prozeß pflegte damals folgender zu ſein. Auf
einer geräumigen offenen Feldfläche wurden drei bis vier
Wohlthuende Einrichtungen zur Bequemlichkeit des Lebens in Indien .
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flache Gräben von etwa 120 Fuß (36.6 m) Länge, 20
namentlich die Engländer, dem künſtlicy erzeugten Eis eine
Fuß (6.1 m) Breite und 2 Fuß (etwa 0.6 m) Tiefe ge zogen. In dieſe wurden, nachdem ſie gehörig ausgetrodt
gewiſſe Antipathie entgegentrugen. Bombay ſcheint in dieſer Richtung den Anfang gemacht zu haben , da ſchon im Jahre 1870 die „ Peninsular and Oriental Ice Company 5 Tonnen ( 100 Zentner) Eis täglich lieferte. In Kalkutta wurden erſt 1875 Verſuche gemacht, Eis
net waren, Reisſtrohbündel in der Höhe von etwa 1 Fuß ( etwa 0.3 m) gelegt, und darauf noch loſes Stroh ges ſtreut, etwa 6 Zoll hoch ( 18 cm.). Darauf wurden dann
flade, poröſe Thongefäße mit Waſſer ganz dicht nebenein
auf künſtlichem Wege herzuſtellen. Zum Unglüd aber war
andergeſtellt; manchmal waren ihrer 5000 bis 6000 an der Zahl. Dieſe Gefäße wurden von eigens dazu beſtellten
das Unternehmen in den Händen eines einzelnen Privaten, der mit der großen ,,Amerikaniſchen Eiskompagnie" nicht konkurrieren konnte ; fobald er zu arbeiten anfing, ſeşte die genannte Kompagnie die Preiſe ungemein niedrig;
Leuten mittelſt kleiner, an Bambusſtangen befeſtigten Thon: gefäßen gefüllt. Die Füllung betrug gewöhnlich einen viertel Liter. Der günſtigſte wind war von Nordnordweſt.
Das Eis fing dann gewöhnlich gegen Mitternacht an , ſich zu bilden ; wo eine dünne Eiskruſte erſchien , wurde der Inhalt dieſer Gefäße zuſammengeſiküttet und das übriggebliebene, abgefühlte Waſſer auf die übrigen Ges
fäße verteilt.
Die Eisbildung ging bis zum Sonnen
auch hatte der Unternehmer nur eine kleine Maſchine, die unr wenig und nur dünnes Eis erzeugen konnte ſo daß er ſchließlich das Unternehmen aufgeben mußte.
Der Fortſchritt aber läßt ſich nicht aufhalten ; das
Gute muß zur Geltung kommen . Das Jahr 1879 brachte auch für Kalkutta die Sicherheit gegen Eisnot. Es hatte
aufgang vor fidh; gegen Morgen wurde alles Eis ein geſammelt, in foniſche Körbe geworfen, damit nod alles überſchüſſige Waſſer abfließen könnte und endlich in Gruben, die mit Stroh ausgekleidet waren , eingelagert und mit Stroh bededt. Von dort aus wurde es dann, je nach Gebrauch, bei Nacht nach Kalkutta geführt, und zwar in
ſich eine große Aktiengeſellſchaft, die „Bengal Ice Com pany “, gebildet, die über ein großes Kapital verfügte, große Maſchinen aufſtellte und hinreichende Mengen Eis
mit Stroh ausgefütterten Körben. Doch war dieſe Art
nahen - zwar machte ſie noch Verſuche, burc Herabs
von Eisverſorgung ſehr ungenügend.
Endlich im Jahre 1833 kam Abhilfe. In Amerika
hatte ſich die ſogen. ,,Wenham Lake Company “ gebildet, die ſich die Eisverſendung von den nordamerikaniſchen
produzierte, ſo daß ſie dasſelbe billiger als in der ameri
kaniſchen Eisniederlage verkaufen konnte. Jekt ſah die
„ Tudor Ice Company “ ihr Ende als Einfuhr-Kompagnie ſeßung der Preiſe ſich ihre Kunden zu erhalten - aber
die Verſuche waren vergeblic ); die Verkaufslokale für künſtliches Eis waren viel günſtiger gelegen, das Eis war
Seen nach anderen Weltteilen zur Aufgabe machte. Im
ſchön , kompakt und vollſtändig rein , da es aus dem fil trierten Waſſer erzeugt wurde ; das Pfund koſtete 1/2 Anna
ſelben Jahre kam das Schiff ,, Tuskany " mit etwa 100
(3 Kreuzer) und das Eis war ſtets zu baben. Dieſe Um
Tonnen (2000 Zentner) Eis in Kalkutta an, wo es mit 4 Annas (25 Kreuzer) das Seer (2 Pfund) verkauft wurde. Zuerſt wurde es vom Wenham Lake, etwa 28.8 km nördlia) von Boſton, herübergeſchickt, ſpäter auch von an deren Seen. Die Einfuhr nad Indien nahm natürlich
ſtände hatten zur Folge, daß die Einfuhr von amerikani ſchem Eis endlich vollſtändig aufhörte. Die genannte Eiskompagnie für künſtliches Eis er richtete auch Filialen in vielen Städten im übrigen Indien,
bald zu und wurden idon im Jahre 1864 eingeführt:
meiſten größeren Orten , beſonders den Bahnen entlang,
nad Kalkutta 7472 Tonnen ( 149,440 Sentner ); nach
mit Eis gekühlte Getränke zu bekommen ſind.
Madras 1508 Tonnen (30,160 Zentner) und nach Bombay 3255 Tonnen (65,100 Zentner) und ſo ging es weiter. Als ich 1875 nad Kalkutta fam , eriſtierte dortſelbſt ein
Auch die Eingeborenen greifen jeßt , wo das Eis ſo billig iſt, ziemlich allgemein zu dieſem Lurusartikel ; man
auch kamen andere Kompagnien auf , ſo daß jeßt in den
ſieht ſie ſehr oft auf der Gaſſe ſich an einem Stüc Eis
großes Eishaus der ſogen. „Tudor Ice Company “ und
delektieren, und es fällt ziemlich ichwer, den Diener, welcher
das Pfund wurde damals zu 1 Anna (6 Kreuzer) ver kauft. Dieſe Einfuhr hatte aber auch ihre Unannehmlich keiten, denn manchmal traf es ſich, daß die Eisſchiffe (Segler) nicht zur rechten Zeit anlangten , wodurch dann, namentlich im Sommer, eine unangenehme Eisnot ein: trat ; doch die Rompagnie ſelbſt profitierte dabei , indem das Eis dann im Preiſe ſtieg. Deshalb ſollte endlich dieſe nicht immer ganz ſichere, dazu noch ziemlich teure
das Eis aus dem Verkaufslokale zu bringen hat, ſo weit ehrlich zu ſtimmen , daß er am Wege nicht ſelbſt die Hälfte
Eisverſorgung, durch eine beſſere erſeßt werden. Man machte Verſudje, künſtlides Eis an Ort und
Stelle zu produzieren. Dies hatte anfangs, in Kalkutta wenigſtens, ſeine Schwierigkeiten , indem die Europäer,
aufißt oder für eine Kleinigkeit an ſeine Bekannten abläßt.
Sogar eine Art Gefrorenes iſt bei den Eingeborenen aufgekommen und an den heißen Sommerabenden hört
man auf den Gaſſen die Rufe „Bárap , Bárap“ (Eis, das barf heißt , aber barap ausgeſprochen wird ) in den 7 .
verſchiedenſten Tonarten ertönen ; ſie ſtammen von hau ſierenden Verkäufern , die mit großen Kübeln auf dem Kopfe durch die Gaſſen geben und durch die obigen Rufe ihre Ware zum Kaufe anbieten ; die gewöhnlichſte Art Gefrorenes iſt mit Zitronenſaft gemengt.
In den Verkaufslokalen wird das Eis in großen
Wohltuende Einrichtungen zur Bequemlichkeit des Lebens in Indien .
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Kiſten, die mit Sägeſpänen gefüllt ſind, aufbewahrt ; ges
indem ſie den Riemen davon über die linke Schulter
13
holt wird es in diden Wolldecken , in denen eingewidelt es bis 24 Stunden aushält.
werfen und den Schlauch ſelbſt auf der rechten Hüfte ruhen laſſen. Dieſe Bihiſhtis ſind zum größten Teil Moham
Größere und wohlhabende Familien pflegen eigene
mebaner, denn die Kaſtenvorurteile verbieten den Hindus
Eisfäſten zu haben, worin die Getränke eingekühlt werden ;
bei der erſten Kompagnie, aber trofdem ein ſehr rentables
die Handhabung der Rindslederſchläuche. Die Badezeit iſt gewöhnlich früh zwiſchen ſieben bis zehn Uhr , vor dem großen Frühſtüd (Hazrī). Die Prozedur dabei iſt einfach die, daß man ſich in ein im Badezimmer befindliches großes Thongefäß, die Gamla , hinſtellt und ſich mit einem Blech gefäß ( für das die Eingeborenen den engliſchen Namen Tin adoptiert haben) von obenherunter begießt , wobei natürlich jede Begießung abkühlt. viele Wenigſtens einmal im Tage badet ein jeder baden ein zweitesmal auch Nachmittag. Die Eingeborenen machen ſich das Baden bequemer ; ſie baden entweder im Fluß an beſtimmten Pläßen , den ſogen. Ghāts , oder ſie baden bei den Teiden , bei den Brunnen oder vor ihren Häuſern oder ſie gehen direkt unter die Hydranten und laſſen das Waſſer über ſich fließen . Auch alle übrigen Einrichtungen in den Häuſern ſind ſo beſchaffen , um Abkühlung zu verſchaffen ; beſonders ſind es die geräumigen , halbverdedten Verandas, die einen verhältnismäßig fühlen Plaß gewähren ; die flachen Dächer werden zur Abendpromenade nad Sonnenuntergang be:
Unternehmen.
nüßt.
gewöhnlich aber wird das Eis mit Meffern in kleinere Stüdchen zerſchnitten und einfach in die Flüſſigkeit im
Glaſe hineingelegt ; zu dieſem Zwede ſind ſchon die Trink gefäße viel größer als ſonſt – und ein auf dieſe Art
gefühltes Glas Waſſer , Sodawaſſer oder Bier iſt eine Herrlichkeit, die man nur in ſo einem heißen Lande zu würdigen weiß. Auch Champagner und andere Weine
werden auf dieſe Art gekühlt, und wird ihre Güte hiedurch nicht im geringſten beeinflußt, vorausgeſekt, daß ſie wirk lich gut ſind. Als ich im Jahre 1883 Kalkutta verließ , wurde
gerade eine zweite große Eiskompagnie ins Leben gerufen, die „Calcutta Ice Company “, die über ein Kapital von 200,000 Rupien (200,000 Gulden, über 330,000 Mark), in Aktien à 100 Gulden (etwa 165 Mark), verfügte ; die Eis
erzeugung ſollte 36 Tonnen (720 Zentner oder 72,000 Bfd.) betragen, und der Verkauf war mit 1/2 Anna (3 Kreuzer) per Seer (2 Pfund) veranſchlagt; daher noch billiger als
In den Himalaya Stationen , z. B. Dárdſchiling in
Sikkim , Naini Tál , Almora , Ranikhet 2c. in Kumáun , die ich alle beſuchte, ebenſo wie in den übrigen , iſt auch im Sommer die Temperatur eine ſolche, daß die Getränke nicht erſt vermittelſt Eis gefühlt werden müſſen. Dagegen hat man , wenn man als Diſtriktbeamter,
als Kreisarzt oder als Geologe im Lande reiſen muß, gewöhnlich für die ganze Reiſe dieſem Kühlmittel zu ents ſagen, denn auf den Dörfern findet man es nicht vor, und mitführen kann man es nicht, es ſei denn, daß man einen
Apparat mitnähme und nach Bedarf Eis erzeugen würde was denn doch etwas zu umſtändlich wäre. Ein ferneres angenehmes Mittel , den Körper abzus fühlen, aber auch zu ſtärken, ſind die täglichen Bäder im falten Waſſer. Wenn ich ſage im falten Waſſer, ſo meine id Waſſer im natürlichen Zuſtande, nicht fünſtlich ge
wärmt , obzivar das Waſſer mit der Temperatur , die es 3. B. in Kalfutta in der heißen Zeit beſißt, bei uns als warm angeſehen würde. Im Vergleid, aber zur Lufttemperatur und bei der raſchen Verdunſtung iſt das Waſſer immerhin fühl zu nennen.
Jedes europäiſche Haus in Kalkutta beſikt für jede
Auch iſt die Kleidung vollſtändig den Umſtänden
angepaßt ; leichte weiße Kleider walten vor -- als Fuß bekleidung ſind zumeiſt Schuhe im Gebrauch ; als Kopf bebedung tragen die Herren in der heißen Zeit lidhte Filz hüte mit ausgiebiger Ventilationsvorrichtung, oder aber fogen. ,,Solahüte" oder ,,Helmhüte" , bei denen das Prinzip
angeſtrebt iſt, eine womöglich umfangreiche und undurch dringliche, zugleich aber leidhte Kopfbedeckung zu ſchaffen. Sie ſind aus dem markartigen Stamme der Aeshynomene paludosa Roxb., Sola oder Shola genesint , angefertigt
und haben die mannigfaltigſten Formen , die aber alle dieſelbe Beſtimmung haben , nämlich ſoviel als möglich die Wirkung der intenſiven Sonnenſtrahlen vom Kopfe abzuhalten. Bei den Eingeborenen hat der Turban oder
Pagri dieſelbe Beſtimmung. Außerdem wird noch faſt allgemein ein Schirm ge tragen, und zwar mit großer Vorliebe auch von den Ein geborenen und ſo kommt es, daß von Schirmen ungeheure Mengen eingeführt werden. Uebrigens braucht man in Indien keine beſonders luxuriöſen Schirme, da der Schirm als ſolcher noch mit einem weißen Ueberzug verſehen wird,
der einfach heruntergenommen und gereinigt werden kann. Zu den Annehmlichkeiten gehört es auch , daß man
Etage wenigſtens ein , oftmals mehrere Badezimmer ; in dieſe wird das Waſſer zumeiſt direkt aus der Waſſers leitung zugeleitet ; wo dies nicht der Fall ſein ſollte, wird
in der Regel überall hinfährt, beſonders in der heißen Zeit.
es Früh und Nachmittag von einem eigens dazu beſtellten
reiche Dienerſchaft, welche die Europäer gewöhnlich haben.
Diener , Bibishti (abgekürzt Bistī ) genannt , zugetragen. Das Waſſer bringen dieſe Leute in eigenen Rindsleder ichläuchen , den ſogen. Mashk's (ausgeſprochen Masak),
Mit dieſer wird es mir vielleicht nächſtens einmal vers
Hauptſächlich gehört zu den Bequemlid;feiten des Lebens in Kalkutta , und in Indien überhaupt , die zahl
gönnt ſein , den Leſer näher bekannt zu machen.
Durch den Siiden Meritos und durch Zentral-Amerika.
Durch den Süden Mexikos und durch Zentral- Amerika. Bon (G11 ſtav Pauli.
( Fortſetung .)
Auf der von Engländern gegründeten Bahn, auf der ic am 1. April die Hauptſtadt verließ, verkehrt an jedem Tag in jeder Richtung ein Perſonenzug. Man durdýfreuzt in ſüdlicher Richtung das Flachland und erreicht nach
zurückgelegten 20 km den See von Amatitlan , deſſen
Ufer zur Indianerzeit ſtark bevölkert geweſen ſein müſſen; denn ſeine Tiefe lieferte ſdon eine große Menge ſehr zierlicher Gegenſtände aus gebranntem Thon . Jen: feit des Städtchens gleichen Namens , wo eine Menge hauptſtädtiſcher Fahrgäſte den Zug verließ , um ein Bad zu nehmen , beginnt der Abſtieg ins Tiefland, aus dem uns don die lichtgrünen Zuderrohrpflanzungen ent gegenladen. Auf der Station ,,Val du Tecl" ſest mid der Zug ab, während er gewöhnlich hier nidyt hält. Sie iſt nur einer großen Zuckerrohrplantage ( Ingenio) halber errichtet, deren Beſißer, ein Edelmann wie id) glaube luremburgi ſcher Herkunft, es mir gütigſt geſtattet hatte, auf ſeinem Beſige vorzuſprechen ; der Verwalter, ein franzöſiſcher Schweizer, vertrat in liebenswürdiger Weiſe ſeinen Herrn. Wir ſind ſchon 1000 m tiefer als die Hauptſtadt, und ich bewege mich nad) einem ſo raſden Temperaturwedſel mit dem Empfinden , das uns mit dem Betreten eines Glashauſes für tropiſde Gewädſe überfommt, aber hier
noch mit dem Zuſate des beängſtigenden Gefühls, daß man die Thüre nidyt wieder öffnen kann , die uns ins Freie führt. Die ganzen baulichen Anlagen des Gutes ſind in muſterhafter Drdnung und verraten den europäis ſchen Befißer und wohlſituierten Mann . Von der breit überdachten Veranda im oberen Stode des in reizendem Gärtchen gelegenen Wohnhauſes überſieht man , nad Süden blidend, den weiten Wirt
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hohen Zolles der Vereinigten Staaten aber faſt nur auf das Inland beſchränkt iſt. Id) will noch erwähnen, daß außer dem Zucker der Kaffee, der Kakao , ſowie audy Indigo und Baumwolle in Guatemala produziert werden.
Wenn id nun aber gegen Norden ins Land ſchaute, hatte id die wilde, ungebändigte Natur vor Augen. Dort binaus deckte dichter Urwald den großen Beſit, an deſſen Nande die durch einen weißlichen Stamm auffallende Ceiba ihre mächtige Krone breitete. Die Ceiba iſt der den Indianern noch heute heilige Baum , unter dem ſie dem „Herrn des Waldes " Brandopfer bringen und eine „ Oration" beten ſollen.
Ueber dieſe ſtille Waldespracht ragen im Halbfreiſe die vier Vulkane, mit dem Fuego zur Linken beginnend,
mit dem Pacaya rechts endend. Nur der Fuego ſtößt fort während eine Naudyſäule aus, während eineBrüder ſchlafen ; unter ihnen zeigt die ( dyönſten Formen der mächtige Agua. Während der Fuego 1880 ſeine lebte Eruption hatte,
der Pacaya ſchon 1775 , ſind Agua und Acatenango feit ſpanijder Zeit in Unthätigkeit. Da ein von Norden tommender Dampfer don für
den nädyſten Tag erwartet wurde, mußte ich mich auf den Weg zur Süſte maden . Im nahen Escuintla trifft der Zug von der Hauptſtadt mit dem von S. Joſé zuſammen . Escuintla war in vorſpaniſcher Zeit eine der Hauptſtädte
der Pipil - Indianer; ihr nur noch in wenigen Drten Deſprochenes Idiom zeigt große Aehnlichkeit mit dein' Merikaniſchen , und man hält dafür, daß die Pipils zu den Toltecs gehören , deren Wanderung nach dem heutigen
Zentralamerika wir früher erwähnten . Es iſt das ſiebente der indianiſden Spradigebiete von den zweiundzwanzig vorhandenen, durch die ich in Guatemala reiſte.
Ein mir vorliegender Zenſus gibt 844,774 Seelen als
Molaſſe zur Bereitung von Aguardiente verwendet wird,
indianiſche Bevölkerung an , 379,222 als die Zahl der La dinos genannten Miſchlinge und 1500 Weiße. Als id S. Joſé nadmittags erreichte , war der Dampfer der amerikaniſchen Pacific Steam Navigation Co. noch nicht einmal von Champerico aus angemeldet. Außer einem indianiſden Hüttendorfe im Hintergrunde , bildet nur cine furze Reihe beſſerer Häuſer am Meeresſtrande dieſes Haupteingangsthor für Guatemala . Zum dritten
deſſen Beſteuerung eine der bedeutendſten Einnahmen des Staates bildet ; ſie kommt hier auf 20 Cts. per Flaſdhe.
Kontinent querend , hier an das Geſtade des Stillen
ſchaftshof mit Kokospalmen eingefaßt und jenſeits die aus: gedehnten Pflanzungen , für deren fid gelblich färbendes Rohr die Zeit des Schnittes gekommen iſt. Bis 30,000 Ztr.
Zucker liefern ſie durdyſchnittlid im Jahre , während die
male trat ich, von Dſten nach Weſten den amerikaniſchen
Nach neuerem Geſetze darf die Herſtellung des Getränkes nur am Site der Steuerbehörde geſchehen, und es muſs
Meeres.
Deshalb von hier die Molaſſe in das nahe Städtchen Ess cuintla geſchafft werden. Kleinere Pflanzungen mit meiſtens ſehr primitiven Maſchinen liefern nur die ſogen. Panela , ein tiefbraunes Produkt in Form kleiner Kudzen, die haupt jädlich zu Aguardiente verarbeitet werden. Der Ronſum
von Meriko bis hierher gefordert hatte, trennten mich nuns
davon im Lande muß außerordentlich groß ſein , der Ins
dränken .
dianer liebt ihn mit Leidenſdaft.
treffenden Dampfer Paſſage bis zu dem erſten Hafen
Durch den großen Aufwand von Zeit, den die Reiſe mehr nur noch wenige Woden vom Eintritte der Regenzeit,
der jeder Reiſende nad Möglichkeit zu entgehen ſucht. So mußte ich denn meinen Weg durch die Republik S. Sal vador auf einen kurzen Vorſtoß in das Ländchen be 3d nahm auf dem
am
anderen Tage ein
Beſſer eingerichtete „ Jagenios " bringen den Zucker
Acajutla , der dyon am nächſten Morgen erreicht wurde.
in Pulverform auf den Markt, deien Verbrauch infolge des
Hier beginnt die für die Hauptſtadt beſtimmte Bahn ; ſie
Ausland 1890, Nr. 12.
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Durch den Süden Mexikos und durch Zentral-Amerika.
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endet vorläufig in Arminia. Von dort erreichte id in achtſtündigem Ritte erſt um 11 Uhr nadits die Stadt S. Tecla. Sie liegt am öſtlichen Fuße des Vulfans Salvador, wurde 1855 gegründet und ſoll heute 7000 Einwohner zählen. Die kleine fruchtbare Buchebene, auf der die Stadt liegt, erhebt fid 3000 Fuß über dem Meere, und 1000 Fuß
nommen haben , und ſeines Nachfolgers Regiment deint auch nicht zu befriedigen.
Ein Ausflug zur Hauptſtadt war wenig lohnend. Sie wurde , nachdem das Unglück von 1854, dem idon vier andere voraufgegangen , den Einwohnern nod; keine genügende Warnung geweſen und eine Ueberſiedlung nach
der Regel des Vulkans über ihr. S. Tecla follte, als
S. Tecla nur teilweiſe vollzogen war, am 4. März 1873
1854 die Hauptſtadt durch ein Erdbeben vollſtändig zers
mit den nahegelegenen Ortſchaften abermals von einem Erds
ſtört wurde, bieſe erfeßen, erwies ſid, aber als ungeeignet.
beben faſt ganz zerſtört, dann in herkömmlicher Weiſe
Eine Pferdebahn führt von hier aus zu der zwei Leguas
wiederum aufgebaut, hat midy aber auch dadurch der Mühe
entfernten þauptſtadt hinab. Nur wenige Kilometer tvar
überhoben , ſie dem Leſer zu zeidynen .
es von hier bis zum Ingenio eines gaſtfreundlichen
Das Spaniſdie ſoll audy meiſtens unter den Indianern
Landsmannes , des ſeltſam auf dem Boden eines alten Kraterbedens gelegen war.
geſprochen werden, und nur die Pipils an der ſogen .
In der Fabrik kommen im Jahre 23—24,000 Zentner Zucker zur Produktion, ein Quantum , welches nod, erheb: lich erhöht werden dürfte, ivenn eine im ſteilen, bewaldeten
Abhange des Keſſels entdeďte Quelle den Feldern zuges führt ſein wird. Die Gegend öſtlich der Vulkane iſt überhaupt ärmer an Quellen als die weſtliche Abdadıung.
Balſam -Küſte zwiſchen Acajutla und S. Liberdad haben ſidy ihre Sprache bewahrt. Auf der Straße zur Küſte hinab verkehren wenig empfehlenswerte öffentlide Fuhrwerke, und da ein eigener Wagen nicht zu haben war , zog id, ein gutes Maultier zur Reiſe vor. Vor der Sonne brady ich auf , hatte von einer Höhe nod einen Rüdblick auf S. Tecla inmitten
Auch hier im Lande hatten die Zuckerproduzenten ſchwere Tage durch die Entwertung ihres Fabrikats.
ſeiner lichten Zuckerrohrfelder unter dem düſteren Vulkane
Uebrigens iſt das Hauptprodukt des Landes nicht der Zuder, ſondern der Kaffee, der 55 Prozent des ganzen
ſteigender Hiße, in furdytbarem Staube, den der Seewind
Erzeugniswertes darſtellt, wozu dann noch Indigo, Peru
nadh Negen. Um 10 Uhr vormittags hatte ich die adit Leguas fchon zurückgelegt und dann nod) bis zum Abend des nädyſten Tages Zeit, über die Sorge zu lädheln,
balſam ( Myroxylon Pereirae, Royle ), Tabak, Häute und etwas Silber zu rechnen ſind. S. Salvador iſt die kleinſte unter den fünf Repu
bliken, faſt genau ſo groß wie unſere Provinz Schleswig Holſtein, hat aber mit 34 Seelen pro Quadratkilometer bie dreifache Bevölkerungsdichtigkeit von Guatemala. Dies erklärt ſich leicht dadurch, daß erſtens dem Lande gänz lich jenes heiße alluviale Tiefland im Oſten fehlt , das zum großen Teile dort mit Waldungen bedeđt und nur dünn bevölkert iſt , und daß zweitens das Hudland des
Innern im Durchſchnitt nur 2000 Fuß über dem Meere
und auf die Hauptſtadt, und dann ging's durch Hügelland in mir entgegentrieb, hinab.
Die ganze Natur dürſtete
die mich auf dem Wege erfüllt hatte , ob ich meinen Dampfer in S. Liberdad wohl nod erreidhen ivürde ? Eine
kurze Doppelreihe von Häuſern zwiſdyen Strand und ſteiler Hügelwand ſtellt das Dertchen dar. Unſer Dampfer hatte von Mittag bis Abend kalis
furniſdes Mehl abzugeben ; denn an Vrotfrüchten baut S. Salvador nicht hinreidend für ſeinen Bedarf. Am nädyſten Morgen liefen wir in die budytartig tiefe Mündung eines Fluſſes ein, an dem das Hafenörtdhen
gelegen iſt, alſo durchgehends die obere Kulturgrenze für alle
Corinto gelegen. Von den wenigen Schiffen im Hafen
Hauptprodukte nicht erreicht. Der Fluß Lempa begleitet das etwa 100 km lange und 20—30 km breite fruchtbare
Thal am weſtlichen Fuße der öſtlichen Kordillerenkette von
zeigten fünf die deutſche Flagge , die mehr und mehr an dieſer Küſte erſcheint und im Augenblice der Kaffee-Ernte halber beſonders zahlreid, war. Von hier führt eine Eiſen
Norben nad Süden.
bahn von 116 km Länge über Leon an den See von Mana:
Wie S. Joſé de Guatemala, ſo ſind auch Acajutla und S. Liberdad nur offene Reeben , Union im Süden aber, das ich nicht berührte, liegt an der tiefeingeſchnittenen und tiefgründigen Fonſeca- Bucht. Kommt aber eine Bahn
zur Ausführung, welche Union, den reichſten Landesteil, burdineibend dieſen mit der Landes -Hauptſtadt und die lektere dann mit derjenigen Guatemalas in Verbindung bringt - weld ein Segen wäre dies für das Land !
Auce hier wiederum mit verändertem Terte dasſelbe Klagelied von der Unſicherheit der politiſchen Zuſtände
gua. Sie durchſchneidet ein mit Straudwald bedecktes,
nur von wenigen Anſiedlungen unterbrodzenes Fladıland. Der Stadt Leon hatte ich mehr Tage zu widmen, als ſie von einem Reiſenden billigerweiſe beanſpruchen kann . Nicaragua iſt der größte unter den fünf Freiſtaaten, hat, nebenbei geſagt, 1300 Quadratkilometer mehr Flädiena inhalt als die preußiſchen Provinzen Dſt- und Weſtpreußen , Pommern und Brandenburg. Aber mit ſeiner Bevölkerung, von der knapp zwei Menſchen auf den Quadratkilometer
und der frevelhaften Gewiſſenloſigkeit der jeweiligen Macht:
tommen, nimmt es die dritte Stelle ein . Etivas weniger küm merlid erſcheint dieſe Durdydnittsziffer jedudy, wenn man
haber. Der Präſident Saldiva, den man 1885 ſtürzte und aus dem Lande jagte, ſoll demſelben 7,000,000 Doll. ges
drei Vierteile einnehmenden Gebiete öſtlid, der die Seen
einen Blid auf die Karte wirft und in dem weiten , etwa
Durch den Siden Mexikos und durch Zentral-Amerika.
231
einjäumenden Gebirgskette faſt keine Ortidaſt verzeidynet findet, da in den ungeheuren Waldungen nur einige dhivace Indianerſtämme faribiſcher Herkunft, vielfad, init Neger blut vermijdt, fidh umhertreiben . Leon iſt, trobem es in den Bürgerkriegen dywer
bis 70,000 Sentner nimmt Kaffee ben größten Bruchteil der Ausfuhr in Anſprud ); er wädſt vorwiegend in den Bergen weſtlich von Managua. Gold, Silber , Kupfer und Eiſen erhöhen den Wert der Ausfuhr nicht weſentlich. Da die Ausſidyten für eine günſtige Handelsbilanz in der
gelitten und die Würde einer Hauptſtadt an Managua
Zukunft nid)t eben ſehr groß ſind, beſdjäftigt begreiflicher weiſe das nordamerikaniſdhe Projekt eines Kanals umſomehr
hat abtreten müſſen , mit 30,000 Einwohnern die voll ruidſte unter den Städten des Landes. Der Dom S. Pedro mit ſeinen ungeheuren Subſtruftionen pilt für die ſtatt
lıdſte der Kirden Sentralamerikas.
Kein Erdítoß hat
bis jett feinen Mauern Schaden zugefügt, in den Bürger ſriegen hat aud) der feſte Vau häufig als Feſiung gedient, und 1823 bradyte man fogar 31 Gejdüße auf ſein Dad . Von ſeiner Höhe foll man zuweilen weſtlid) aufs Meer blicken können , im Dſten aber liegt der See von Managua
das Land. Obgleich die Welt, namentlich durch das Bes mühen der Preſſe der Vereinigten Staaten, die das Unter nehmen von Panama ſtets einer ſcharfen Kritik unterzogen, wenig Hoffnung mehr hegen konnte, daß wenigſtens die beſtehende Geſellſdaft das Werk vollenden werde, gab es in Nicaragua dod nod) einſichtsvolle Leute, die da meinten : trotz aller der gründliden Studien der Amerikaner, die
und die Nette von neun Vulkanen, der Maribios mit den 6121 Fuß hohen Momotombo hier im Süden beginnend
augenblicklid, nod mit einem großen Apparat von In genieuren thätig waren , trots der bei der Regierung von Nicaragua bereits deponierten 100,000 Doll. und der eifrig
und dem El Viejo (6200 Fub) im Norden endend , in einem impoſanten Vilde vor Augen .
betriebenen Abkommenunterhandlungen mit Coſtarica werde der Nicaragua -Kanal doch nicyt zur Ausführung kommen ;
.
An dem bürgerlidien Hauſe der Stadt iſt doch ein
es käme den Vereinigten Staaten nur darauf an , daß
mal etivas Driginelles bemerkbar, indem die vergitterten
Panama-Unternehmen zu diskreditieren.
Fenſter erterartig im Halbrund aus der Mauer hervor: treten. Die Gegend iſt ſo häufig Erderſdjutterungen aus :
Weldhe Erquidung gewährte es nach dem heißen Aufenthalt in Leon und nad, heißer Fahrt durch das Geſtrüppland in Momotombo das Ufer des Sees von Managua in ſeiner nördlichen Bucht zu betreten . Tag für Tag weht dort während der trockenen Zeit der Nordoſt paſſat, um in der Regenzeit dem Süduſtpaſſat zu weichen . So nahe dem Ufer , daß die Muſik der Brandung bis in
gefept, daß vorſidytige Einivohner, obgleid, verheerende Erd: beben ſeit der ſpaniſden Zeit nid )t zu verzeichnen , in hölzernen Bauten inmitten ihrer Höfe fid) ihre Sdlaf
räume eingerichtet haben.
Sehr beruhigend für ſolde
Fälle iſt aud, die Abweſenheit der Decken in den Zim : inern , so daß man über fich das ziemlid) ſteil aufſteigende Dad) erblidt , unter weldem außerdem die Luft freier zirkus lieren kann .
Die Bevölkerung der inneren Stadt beſteht aus Ladinos; die dem Stamme der Chorotegamo angehörenden Indianer, der von der Fonſeca-Vuct im Norden das weſtlide Land bis an den ſd ,malen Iſthmus am größeren Binnenſee beivohnt, haben in der Vorſtadt Subtiaba ihr eigenes Quartier inne. Südlid , von ihnen , da wo das Land zwiſden dem
die Zimmer drang, hielt bort ein fäd,Tider Landsmann
ein reinliches kleines Gaſthaus. Der See ſoll wenig Fiſde haben, aber in der Nähe mündender Flüſſe von Alligatoren wimmeln . Nicht fern von hier , erzählte man mir , ſei eine ſehr heiße Sdywefelquelle. Aud) liegen dort von Geſtrüpp überwuchert die Neſte der alten Stadt Moabita, .
die früher die Bedeutung von Leon hatte. Ale aber in ihr ein Biſchof, der dritte in der Reihe, ermordet worden ,
großen See und dem Stillen Ozean zu einem ſdmalen
ſchleuderte der Papſt ſeinen Fludy auf ſie, und von 1610 ab wurde ſie ganz verlaſſen.
Iſthmus tvird , fißen die Wiquirans mit eigener, die
Jenſeit der ſtattliden Waſſerfläche, über die Tag und
merikaniſche Herkunft verratender Sprache. In dem ger birgigen Teile des Landes endlid, jenſeit des Sees von Manajua umb dem nad Norden in die Wudyt von Fons
Nacht die geſegnete Kühlung daherzieht , ſteigt unver mittelt, den Fuß in Grün gehüllt, die dwarze Geſtalt des Momotombo auf , welcher noch vor zwei Jahren in Thätigkeit geweſen iſt. Weiter rechts im See , auf einer kleinen Inſel, ſteht der Vulkan Moinotombito. Sie iſt jetzt unbetvohnt , zahlreich aufgefundene Skulpturs werke laſſen aber annehmen , daß die Indianer dort Tempel erbaut hatten . Zwiſchen der Inſel und dem jenſeitigen Feſtlande hindurch blidt man in die burd , den Rio Tipi: tapa hergeſtellte Verbindung zwiſchen den beiden Seen . In der Negenzeit ſoll das Waſſer in ihm bis Fuß ſteigen ; die durchid nittliche Tiefe des Sees gab man mir auf 6 bis 7 Faden an, um die Inſel her wediſelt dieſelbe
ſeca jließenden Nio Eſtera leben die Chunalals.
Die Nimeſſen der europäiſden Importhäuſer in Leon werden hauptſächlich in Gelbholz gemadyt.
Da
der Baum nur ſehr langſam von neuem tvädyſt, ſo iſt dhon
jetzt die Beſdaffung des Holzes aus größeren Entfernungen nötig und ſo wird es dadurdy berartig verteuert, daß,
wenn die Preiſe in Europa ficy nid t heben ſollten , auch aus dieſem Grunde, abgeſehen vom langſamen Nadwud,s, mit der Zeit der Erport überhaupt ein Ende nehmen inuß. Aud Mahagoni wird ſehr knapp, und aud von Kautidul kommen ſelten größere Poſten an den Markt; am meiſten nod) aus den weſtliden Wäldern . Mit 60,000
zwiſden 13 und 20 Faben.
( Schluß folgt . )
Rußland in Mittelaſien .
232
Rußland in Mittelafien. An geographiſchen Darſtellungen über Mittelaſien iſt fein Mangel. Beſonders ſeit der Erbauung der trans faſpiſden Bahn nad Samarkand iſt dieſe Litteratur um ein Beträchtliches vermehrt worden. In erſter Linie ſind es natürlich ruſſiſche Feldherren und Gelehrte , welche ſich an der Erforſchung dieſes Ges bietes beteiligten. Aber auch andere Nationen haben bem Lande, welchem eine ſo große Zukunft zu erblühen deint, ihre Aufmerkſamkeit zugewandt. Vor allem gilt dies von den Engländern.
Die bekannte Londoner Verlagsfirma von Longmans, Green u. Co. hat nun ſoeben ein Wert über Translaſpien veröffentlicht , welches verdient, auch außerhalb Großbris tanniens Beachtung zu finden ." Der Verfaſſer desſelben, G. Curzon, hat es verſtanden , dieſem vielbeſprochenen Gegenſtande neue und intereſſante Geſichtspunkte abzugewinnen. Die Darſtellung iſt überall ſtreng objektiv - ein Vorzug, den man ihm als einem Enga länder beſonders hoch anrechnen muß. Das Wert gliedert ſich in zwei Hauptabſchnitte:
1. die Beſdreibung einer Reiſe durch Translaſpien ; 2. eine Beſprechung des mittelaſiatiſchen Problems in Gegenwart und Zukunft. Verſuchen wir zunächſt, dem Ver faſſer auf ſeiner Fahrt zu folgen. Eine Reiſe nad Turkeſtan, welche vor wenigen Jahr:
zehnten noch mit den größten Gefahren verknüpft war, iſt jeßt , nach der Vollendung der transfaſpiſchen Bahn , ein verhältnismäßig leichtes Unternehmen . Die größte Schwie
rigkeit beſteht darin, daß man als Fremder überhaupt die Erlaubnis zum Reiſen erhält. Nidyt weniger als fünf der höchſten Beamten , darunter der Kriegøminiſter , der
General-Gouverneur und der Miniſter des Auswärtigen, müſſen ihre Zuſtimmung erteilen. Nachdem alle Hinderniſſe durch einflußreiche Fürſprache glüdlich überwunden ſind, macht Curzon ſich auf den Weg. Er fährt von St. Petersburg über Moskau direkt nach Wla : difawlas im Kaukaſus. Von hier bis Vaku am Kaſpiſchen Meer erleidet die Fahrt eine kurze Unterbrechung , da der Anſchluß an die ſüdliche Stređe noch nicht ganz vollendet
iſt. Die Ueberfahrt nach dem gegenüberliegenden Uzun Ada, dem Anfangspunkt der transfaſpiſden Bahn, erfolgt mittels Dampfer.
Betreffs Entſtehung und Bedeutung dieſes neuen Ver. fehrsweges beſchränken wir uns auf einige kurze Angaben (vergl. Nr. 43 v. Js. dieſer Zeitſchrift). Der Krimfrieg hatte die Vorherrſchaft Nußlands in
Europa gebrochen . Aber ein ſo großes Reich kann nidt
ſtille ſtehen in der Entwidlung. Im Weſten gehindert, fanden die Ruſſen ein neues Gebiet ihrer Thätigkeit in Mittelaſien .
1 Russia in Central Asia, by George N. Curzon , M. P. Mit vielen Illuſtrationen , 2 Karten und einem Jider. London 1889.
Wir fönnen an dieſer Stelle nicht ausführlich den ruſſiſchen Eroberungszügen in Turkeſtan folgen. Mit der Erſtürmung von Samarkand durch General Kaufmann ( 1868) und der Einnahme des feſten Gevt Tepe ( 1881 )
durch Skobeleff wird der Widerſtand der räuberiſden Turf menen für immer gebrochen . Während dieſer Feldzüge hatte ſich im ruflichen Heer:
lager das Bedürfnis nach einer raſderen Verbindung mit dem Mutterlande beſonders dringend fühlbar gemacht. Scon früher hatte man an die Erbauung eines Schienenweges gedacht.
Ferdinand v. Leſſeps hatte bereits einen Plan aus: gearbeitet, welcher eine direkte Verbindung zwiſchen Calais und Kalkutta herſtellen ſollte. Aber neue Unternehmungen ( Panama - Kanal) und der Widerſtand Englands hatten ſeine Projekte nicht zur Ausführung kommen laſſen. Der Ruhm , die Bahn ins Leben gerufen zu haben, gebührt dem ruffiſden General Annenkoff. Die Schwierigs
keiten, welche man zu überwinden hatte , waren keine ge ringen. Allerdings brauchte man keine Berge zu durch ſtechen. Aber dafür drohten furchtbare Sandſtürme jeden Augenblid das angefangene Wert zu vernichten .
Dazu
kam der Mangel an Holz und Trinkwaſſer. Daß der Bau trokdem gelungen iſt, und zwar mit Hilfe der eben unters
worfenen Turkmenen, gereicht der Thatkraft ſeines oberſten Leiters zu hoher Ehre.
Der Anfangspunkt iſt Uzun Ada am Raſpiſchen Meere. Die Stadt , welche erſt mit der Gründung der Babn emporgekommen iſt, gewährt einen traurigen Anblic. Rein Waſſer und nidts Grünes iſt zu erbliden . Die uns deinbaren Holzhäuſer ſind fertig von Aſtradyan herüber geſchafft worden . Die Einwohnerzahl beträgt etwa 800. Von Uzun Ada bis Merw läuft die Bahn hart an der perſiſchen Grenze her. Im Süden geivähren die füdlichen Ausläufer des Elbrus -Gebirges dem Auge manderlei Ab : wechſelung.. Im Norden dagegen erblidt man nur die troſtloſe Wüſte Kara Kum. Nur zuweilen kommt man an
einzelnen Daſen vorüber. Die berühmteſte iſt die erſte größere Station Athal Teffe. Ein turkmeniſches Sprichs wort ſagt von ihr : „ Als Adam aus dem Paradieſe ver trieben wurde, fand er nirgends eine ſchönere Niederlaſſung als in Athal Teffe." Die nächſte Station - wir ſpreden immer nur von den wichtigeren – iſt Geof Tepe, berüchtigt durch das Blutbad, welches Skobeleff hier unter den gefangenen Turkmenen anrichten ließ. - Asfabad, eine Stadt von 10,000 Einwohnern , iſt ſchon ziemlid) kultiviert. Sie iſt der Siß des General-Gouverneurs von Transfaſpien. Das nun folgende Merw hat durch den
Weiterbau der Bahn nad Samarkand ſehr gelitten. Die Stadt hat eine reiche Geſdichte. Alerander der Große, Craſſus, Dîchengisdan und andere haben hier fürzere oder längere Zeit geweilt und Spuren ihrer Thätigkeit zurückgelaſſen . Vor wenigen Jahrzehnten noch war es wegen des Fanatismus ſeiner Bewohner nur wenig be:
Rußland in Mittelafien .
233
kannt. Nur einige verwegene Reiſende wagten in Ver kleidung in die Stadt einzudringen. Bald hinter Merw
müßte. Es würde einer der furchtbarſten Kämpfe ents
paſſiert der Zug die berühmte Brücke des Amu-Darja. Bei mittlerer Geſchwindigkeit dauert die Fahrt über dieſelbe etwa 15 Minuten. Die Brüde, welche etwa auf 3000 Pfei
um ſeine Eriſtenz fechten.
lern ruht, iſt ganz aus Holz gebaut. Wenn dieſelbe auch vorläufig noch ihren Zwecken dient , ſo muß ſie doch
ſpäter jedenfalls einmal durch eine eiſerne erſeßt werden. In Bochara berührt die Bahn zum erſtenmale fremdes Gebiet. Durch den Vertrag vom Jahre 1868 wurde die
Unabhängigkeit dieſes Staates ausdrücklich vom General Kaufmann anerkannt. In Wirklichkeit iſt aber der Emir von Bochara nur ein Vaſall Ruzlands. Leşteres hat hier
die kluge Politik der Holländer auf Java befolgt : es hat dem Fürſten die äußeren Machtbezeigungen gelaſſen , um ſo leichter durch ihn auf die Bevölkerung einwirken zu können. Wie Merw , ſo war auch Bodhara wegen ſeiner
brennen, den die Welt geſehen hat. Denn England würde Nidyt Kalkutta iſt das Ziel des ruſſiſchen Ehrgeizes, ſondern Konſtantinopel. Um England in Europa ruhig zu halten , wird es in Aſien beſchäftigt. Wenn es fich, wie im Frieden von San Stefano , abermals den euro päiſchen Plänen Rußlands widerſeßen ſollte, jo droht lekteres mit dem Vorrüden auf Herat und Kandahar. Dieſe Anſid )t iſt mehrfach von ruſſiſchen Staatsmännern und Generalen ausgeſprochen worden .
Die Ruſſen ſind übrigens im Irrtum , wenn ſie ſich
die Eroberung Indiens als beſonders leicht vorſtellen . Man begegnet in ihren Blättern häufig der Anſicht, daß
Seit Eröffnung der Bahn hat ſid: bies aber raſch ge ändert. Die Stadt geht ihrer Fuſſifizierung raſch ent
ein ruſſiſches Heer nur am Himalaya zu erſcheinen brauche, um ſofort von den geknechteten Völkern Indiens als Be freier begrüßt zu werden. Abgeſehen davon , daß Ruß land als ,,Befreier " ſeit dem leßten türkiſden Kriege etwas übel beleumundet iſt, denken die meiſten indiſchen Völker auch gar nicht an eine Lostrennung von der britiſchen
gegen und wird dadurch manches von ihrer früheren Dri
Herrſchaft. Die Engländer haben aus dem leşten großen
Die Einwohnerzahl beträgt etwa
Aufſtand viel gelernt: durch Shonung der nationalen und religiöſen Vorurteile, durch Hebung des Verkehrs und des Handels haben ſie aud) früher widerſtrebende Elemente für ihre Herrſchaft gewonnen . Der beſte Beweis dafür iſt das Beiſpiel des Nizam von Haidarabad , welcher im vorigen Jahre dem Vizekönig von Indien eine bedeutende
fanatiſchen Bewohner bei den Reiſenden übel berüchtigt.
ginalität verlieren.
100,000 ; unter ihnen nur 150 Europäer. Der Handel
Bocharas iſt ſehr bedeutend. 1 — Den Ausgangspunkt der transfaſpiſchen Bahn bildet Samarkand. Wegen der zahl reichen Altertümer hat die Stadt für Archäologen ein hohes Intereſſe. Dos berühmteſte Denkmal iſt das Grab Tamerlans. Leider thut die ruſſiſche Regierung wenig oder gar nichts , um dieſe Reſte einer ehrivürdigen Ver gangenheit zu erhalten. Daß der neue Schienenweg Rußland ſowohl hohe
kommerzielle, als auch politiſche Vorteile gewährt, iſt leicht erſichtlich. Den Erzeugniſſen ſeiner Induſtrie eröffnet ſich
hier ein reiches Abſaßgebiet. Den Handel mit Perſien, welcher früher faſt ausſchließlich in den Händen Englands lag , reißt es allmählich an ſich. Bedeutender iſt für
Summe zur Verteidigung der Nordgrenze zur Verfügung ſtellte.
Eine wichtige Perſönlichkeit im anglo -ruſſiſchen Streite iſt der Emir von Afghaniſtan. Sein Land trennt noch die rivaliſierenden Mächte. Er iſt ſich ſeiner Wichtigkeit auch vollkommen bewußt und ſucht aus ſeiner Stellung den beſten Vorteil zu ziehen. Er nimmt Geſchenke von beiden Staaten und verſpricht beiden ſeine Hilfe. Augen blidlid neigt er mehr nach England , weshalb Rußland
Rußland die ſtrategiſche Wichtigkeit der Bahn. Im Falle
insgeheim den gegneriſchen Kronprätendenten unterſtüßte.
eines Krieges vermag es in kurzer Zeit anſehnliche Truppen maſſen in dieſe Gegenden zu ſenden. Da ein Aufſtand von Seiten der unterworfenen Turkmenen nicht mehr zu
Uebrigens hat das Kabinett von St. James wiederholt erklärt , daß die Selbſtändigkeit Afghaniſtans unbedingt
aufredyt zu erhalten ſei. Ein ruſſiſcher Angriff auf dieſes
befürchten iſt, ſo muß ſich dieſe Drohung gegen einen
Land würde in jedem Fall als Kriegserklärung aufgefaßt
andern Gegner richten. Dieſer Feind iſt England. Die anglo -ruſſiſche Frage beſchäftigt ſchon ſeit Jahr jehnten die Staatsmänner und Gelehrten. Der ſchon ſo oft vorhergeſagte Zuſammenſtoß iſt aber noch immer aus
iverben .
I
geblieben.
Curzon gibt hiefür verſchiedene Gründe an. Er glaubt nicht, daß es in Rußland ernſthafte Männer gibt,
welche in Wirklichkeit an eine Eroberung Indiens denken. Denn ſollte dies der Fall ſein , ſo würde es eine Unters
nehmung werden, mit der verglichen die Eroberung Indiens durch die Engländer ein wahres Kinderſpiel genannt werden 4 Bergl. Dr. Heyfelder, Bochara an der Schwelle der neuen Zeit... Peterm . Monatsh. 35. Bd. XI. 1889.
Außer Afghaniſtan iſt auch Perſien in Mitleidenſchaft gezogen. Beſonders in der leßten Zeit iſt die Rivalität Englands und Rußlands daſelbſt ſtart hervorgetreten. Leßteres ſtrebt, wie in Europa , mit aller Kraft dem Meere zu und ſucht zu dieſem Zweck die perſiſchen Bahnen an ſich zu bringen. Der Schah iſt zu ohnmächtig , um dem rückſichtsloſen Vorgehen des ruſſiſchen Geſandten in Teheran zu widerſtehen.
Daß die Eröffnung der transkaſpiſchen Bahn für Inneraſien als ein bedeutender Fortſchritt in der Kultur zu bezeichnen iſt, wird niemand in Abrede ſtellen. Gegenden, welche nod; vor kurzem wegen ihrer Unſicherheit berüchtigt
234
Merkwürdige Winkel des Kaukaſus.
waren, können jeßt ohne Gefahr bereiſt werden. Aber die Erbauung von Feſtungen , Eiſenbahnen , Poſt und Telegraph genügen nicht. Auch für die fittliche Hebung
Merkwürdige Winkel des Kaukaſus.'
.
die Unwiſſenheit, um deſto leichter die Maſſen beherrſchen
Das vorſtehenden Titel tragende Buch iſt eines der hübſcheſten, in blühender Sprache geſchrieben , von gründs licher Kenntnis der Botanik und überhaupt von viel Beobachtungsſinn zeugend, wie kaum noch eins in den leßten Jahren im Kaukaſus die Preſſe verlaſſen hat.
zu können.
Der Verfaſſer, Artillerie -Oberſt, mit der Inſpektion der
des Volkes muß etwas gethan werden. Und dies geſchieht
von ruſſiſcher Seite wenig oder gar nicht. Gründungen von Schulen und Kirchen ſind felten .
Man begünſtigt
Andererſeits ſucht man die Kulturfähigkeit des Landes mit allen Mitteln zu heben. Es geſchieht dieſes teils durch Bewäſſerung und Anpflanzungen, teils durch Kolo
niſation. Die hydrographiſchen Verhältniſſe des transs kaſpiſchen Gebietes ſind keine beſonders günſtigen. Der
Murghab und der Amu, welche allein in Betracht kommen, führen nur in der Regenzeit beträchtliche Waſſermaſſen mit ſich. Der Plan , den Amu von Khiwa aus in ſein altes Bett zum Kaſpiſchen Meer zu lenken , iſt wegen der Höhenlage unausführbar. H. Kiepert hat ſeinerzeit dieſes Projekt unter dem Namen ,,Die große mittelaſiatiſche Seeſchlange" einer herben Kritik unterworfen. Weit mehr verſpricht ſich die ruſſiſche Regierung von neuen Pflanzungen , beſonders von den Baumwoll-Plans
tagen an den Ufern des Amu-Darja. Welchen Aufſchwung dieſelben bereits in den leßten Jahren genommen haben, erhellt am beſten aus einigen Zahlen.
Waffen betraut , ward auf ſeinen Dienſtreiſen in dieſe maleriſchen , ſelten beſuchten ,Winkel des Kaukaſus" ver
idhlagen . Scon 1879 war es ihm vergönnt geweſen, von Adalzid bei der Prachtkirche von Sarsma vorbei auf den 5000 bis 6000 Fuß hohen Goders- oder Konny-Paß zu gehen und den wilden Gebirgswirrwarr anzuſtaunen, den der Batumer und Artwiner Bezirk, mit dem 11,240 Fuß hohen Kartſchdhal im Zentrum, darſtellen , in deſſen engen
Thälern im tiefen Grunde Oliven, prächtiger Wein, Pfir fiche, Birnen reifen , während auf den ſteilen Hängen, in bloß einer deutſchen Meile Entfernung, auf winzigen Fel dern kaum noch Gerſte gedeiht. Beim Mangel an Raum zu Viehzucht und Feldbau iſt das genügſame Volt aus: nehmend arm . Im Jahre 1884 ſollte der Verfaſſer von Poti aus an der Meeresküſte ein anderes Bild genießen, wo uralte
rieſige Eichen , Buchen , Eſchen , von wildem Saſſaparill ( lkāla , gruſin .) und bis 14 m im Umkreiſe haltenden Epheuſtämmen umrankt, ein dumpfes Farrndidicht bes ſchatten. Weſtwinde fegen an den Bäumen alle dem Meere zu >
1884 : 750 1886 : 30,000 1888 : 87,000
Acres mit amerikaniſcher Baumwolle bepflanzt n
11
n1
gewandten Ziveige weg und erſchüttern die hölzernen Häuſer
Die Ausfuhr an Baumwolle betrug :
in ihren Grundfeſten . Der ehemalige Grenzpoſten St. Nikolai beſteht bloß aus drei bis vier Dudyans (Kneipen ) und Scheuern zum Aufbewahren des Maiſes, den die Fe lugen von hier abholen. Im vormals türkiſchen Städtchen
1886 : 55,000 Balen à 100 Kilogramm 1887 : 200,000 à 100 1888 : 521,000 à 100 m
1/
Nädiſt der Kultur der Baumwolle hofft man dies
jenige der Seide und des Weines beſonders zu heben. In Bezug auf Roloniſation des neuen Gebietes hat
General Annenkoff vor einiger Zeit in der Kaiſerl. Ruſſiſden Geographiſchen Geſellſchaft zu St. Petersburg einen inters eſſanten Vortrag gehalten. (Vergl. ,, Petermanns Monats: hefte ", 35. BD. VI. 1889.) Er empfiehlt darin beſonders eine beſſere Bewäſſerung, Anlegung von Muſterfarmen, Unterſtüßung der Anſiedler mit Vieh , Geld u. 1. w. Db ſeine Pläne zur Ausführung kommen werden , muß die Zukunft lehren. Bis jeßt haben die Nuſſen als Roloniſten Hans Altona. wenig Erfolge aufzuweiſen. .
4 Der berühmte Geograph Sir Henry Rawlinſon , gewiß
kein Freund der Ruſjen , ſagt darüber in einer Situng der Königl. Geographiſchen Geſellſchaft: „ Niemand wird in Abrede
ſtellen , daß die Ausdehnung Rußlands öſtlich vom Kaſpiſchen Meer von ungeheurem Vorteil für das Land geweſen iſt. Die Räubereien haben aufgehört, der Stlavenhandel iſt abgeſchafft, Handel und Verkehr haben ſich gehoben ...."
Tiburuk-fſu waren gegenwärtig kubaniſche Fußkoſaken ( Plaſtuny) und gruſiniſche Miliz ſtationiert, um den dwie: rigen und undankbaren Guerillakrieg gegen die vielen Räuber – ein Ueberbleibſel des leßten Krieges und der auswandernden fanatiſchen Türken und mohammedaniſcher Gruſiner - zu führen. 1880 war hier ein Walfiſd der
Küſte ſo nahe gekommen , daß ihm von den damals hier ſtationierten Soldaten des tſchernomoriſchen Regiments mii Büchſenſchüſſen der Garaus gemacht worden war. Von hier ging es auf einer Feluge nadh Batum, ebenſo von dort fünf deutſche Meilen ſüdſüdweſtlich nach Limana,
einem Grenzdorf gegen die Türkei, in welchem auf Felſen über dem Meere Apfelſinenbäume im Grunde wachſen. – Hie : an der Küſte und ſüdlich in den Thälern von Beglewan und Tiddhala, linken Nebenbächen des Tichoroch, wohnent Laſen , die aus weiter bis zum Kap Kemerburun auf türkiſchem Boden leben – den Mingreliern ſo naheſtehent, daß ſie ſich leicht mit einander verſtändigen. Außer ihnen 1 (Liubopytnyje ugolki Kawkasa). Batumer Bezirt, Swe netien. Lebens- und Natur-Bilder von J. Kanewsti. Tiflis, 188 , S. 172. gr. 80.
(Ruſſiſch ).
Merkwürdige Winkel des Kaukaſus.
ſind im Batumer und Artwiner Bezirk alle Einwohner (bis auf wenige Kurden bei Batum und Armenier) Leute kartweliſcher Raſſe, die ſich von den benachbarten Guriern
nur durch ihren mohammedaniſchen Glauben unterſcheiden. Das Koſtüm der Leute iſt kleidjam : Fade, Pluderhoſen , nach unten eng am Fuße, den Kopf mit dem Baſdhlyt (phrygiſche Müße) umwickelt; an Stelle der im Kaukaſus allgemein ges bräuchlichen Burka (Filzmantel) ſieht man den unfehlbaren Regenſchirm unter dem Arm .
Vor allen ihren Stammvers
wandten zeichnen die batumer Gruſiner ſich durch ihre ſchönen , oft mehrſtödigen Wohnhäuſer und weitüberreichenden (in Ad: ſharien mit Schindeln, ſonſt mit Ziegeln gedeckten ) Dächer aus. Wie in Gurien und Imeretien ſtehen bloß zwei bis
ſechs Gehöfte zuſammen, keine eigentlichen Dörfer. Solche
235
mit 14 m hohen Stufen als Weg dahin. Im maleriſchen Itidchal- Thal kam der Dbriſt beim Dorfe Dusköi und den maleriſchen Häuſern des Dorfes Tíchat vorbei. Abends nad Tidewte-Röpri. Von hier ging es zum Tſcoroch Fluffe nach Bortſdidha hinab, und dann hinauf in ſein linkes Nebenthal Murgul, da niemand zu Pferde über die beide Thäler ſcheidende Balachly-daglar-Kette zu gehen über nahm. Bortſchcha, am linken Steilufer des Tíchoroch gelegen , lebt von Töpferei und Warentransport auf dem Fluſſe. Raum eine Meile oberhalb Bortſchdas mündet links in den Tichoroch das Murgul-Thal, hier unten bewachſen mit ſchönen Lotus - Bäumen (Diospyros Lotus) und Tas marisken . Ein ſchredlicher Weg führt weiter zum Dorfe
Thaldörfer haben in 1/2 bis 2 Meilen Entfernung auf
Díhwang, wo dann das Murgul-Thal ſchon breiter wird .
den Bergterraſſen gleichnamige Sommerdörfchen , Mesre, bei ihren Maisfeldern. Die entfernten Alpenwieſen –
Die ſchönen Häuſer in dieſem Thale, deſſen Bewohner zur meiſt zu harter Arbeit nach Konſtantinopel jahrelang wan:
Faila oder Jailag – könnten im Sommer viel mehr Vieh
dern, ſind von üppigen Fruchtbäumen umgeben, die durch
ernähren, als es das waldige feuchte Tiefland im Winter
ranft werden von mächtigen Weinreben und duftender
vermag. Die Männer haben meiſt Blutrache zu fürchten ,
Clematis Vitalba; dann folgen Tabatplantagen. Der Eichenhain oben an den Jangunly-dagh-Gehängen, mit Fid ). ten und Tannen gemiſcht, bildet eine eigene, weniger üppige Vegetation , da das Tidal- und Murgul-Thal don den Uebergang von den feuchten Wäldern des Küſtenſtrichs zu den unfruchtbaren, toten Felſen des Artwiner Bezirks bil den. Nach einer Raſt im Dorfe Erguna gelangter: die Reiſenden zum Ziele ihres Tagesrittes - ins Dorf Kura.
weshalb ſie nachts ſid zu Hauſe aufhalten, wenngleich fie am Tage gern , aud ohne Geſchäft, hin- und berſtreifen . Ihr
Verhältnis zu ihren Weibern iſt ein eigenes Gemiſd von feuriger, ſüdländiſcher, durch religiöſe Saßungen angefachter Eiferſucht mit ritterlichem Sinne einerſeits und gewiſſem
Widerwillen und Vernachläſſigung andererſeits. Aus Limana mußte der Dbriſt in die Mesre Tichewte: föpri ins Dſcala-Thal hinüberſteigen. Dazu ging man
ins nahe gelegene Dorf Makrial wieder eine Stunde weit in der Feluge zurück, dann an einem Nebenfluſſe des Ma
Eigentümlich ſind hier die von den Felſen an Retten, zum
Schuße gegen die häufigen Bären, herabhängenden Bienen förbe.
frial-tichai durch Reisfelder, aus denen die Dorfbewohner
Von Bortichcha nad Artiin aufwärts, wie auch ab:
Sommers flüchten , ſüdwärts ins Gebirge hinauf - bald durch mächtige , einen Reiter überragende Farrnbeſtände und Dornſträucher am Nordweſt - Gehänge des Kara
wärts nach Batum , führt ein prächtiger, von den Türken begonnener , von den Ruſſen vollendeter, freilich ſchmaler Kunſtweg hoch an der Felswand an der rechten Seite des
Shalwar aufwärts. Buchen (Fagus silvatica) und Linden
Tidhoroch dahin.
waren überſättigt von der feuchten Meeresluft, dabei lagen auf der bloß 4000 Fuß meſſenden Höhe des Dſhurfuf:
Die ſchwarzen Felſen machen bald grauen und weißen Kreidewänden Plaß, auf denen nur ſelten ſchwache Kiefern , verwachſene Eichen und Wacholderbüſche den ausgedörrten Boden ſchmücken. Da zeigt ſich gegen 3 Uhr nachmittags im grünen Rahmen der Gärten eine ſtattliche weiße Stadt, angeklebt an den linken Thalhang des 2088 Fuß hohen Berges Kuap , hoch über dem Tidoroch - Spiegel. Noch galt es aber ein verzweifeltes Abſteigen in den Thalſchlund und ein ſtundenlanges Aufſteigen bis zur Stadt, die erſt
Paſſes in der Kara-Schalwar-Kette Ende Juni a. St. im Schatten der Bäume noch Maſſen von Schnee. Beim Abſtiege ins Beglewan - Thal werden die Buchen und Linden bald durdy reine Kaſtanienbeſtände, untermiſcht mit einzelnen mächtigen Wallnußbäumen und hie und da Birn- und
Apfelbäumen, erſeßt. Das Tierleben fehlt hier ebenſowohl, wie in den feuchten Wäldern der Uferzone oder überhaupt im Batumer Gebiete ; nur ſelten war ein Nußhäher, (Cor vus glandarius) oder eine Schwarzdroſſel zu hören. Vom
gegen Sonnenuntergang erreicht wird. In drei Abſtus fungen liegt Artwin am Hange des Berges Kuap , ums
als auf den vorigen Paß - durd lichten Wald mit gelbem
ringt von Dbſtgärten und Dlivenhainen. Eng , kaum zu Roß zu paſſieren , ſind ſeine ſteilen Straßen. Die Ein wohner ſind zumeiſt Gruſiner mohammedaniſchen Glaubene,
Lehmboden . Dben ſtand eine von Lilium colchicum vers
wenige nur Armeno-Katholiken (vielleicht aber katholiſche
(diedene Lilie, deren zitrongelbe große Blumenblätter wie
Gruſiner - nach Bakradſes Anſicht). 30,000 Pud (12,000 Zentner) Dliven werden aus dem ganzen Liwana- Bezirke (wie die Gegend um Artwin vormals , allgemein bei den Eins geborenen aber noch heute, hieß) von hier verkauft, und
Dlhereſſi im Grunde des Beglewan - Thales ging es wieder aufwärts zum Jangusly dagh hinauf - noch viel ſteiler
an den Spißen, ſo auch außen am Grunde mit dunkelvioletten
Flecken gezeichnet waren . Durch das Dorf Baſchköi, wie
auch eine viertel Meile weiter führte eine ſteinerne Treppe
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Merfwiirdige Winfel des Saukaſus.
Nepfel , Birnen , herrliche Weintrauben in Kajuks den Tidorod hinab nach Batum befördert.
Ebenſo hody, wie Artwin über der Tichorod): Thalſpalte thront , erhebt ſid) über ihm der Chinſart-Poſten , der an die zwei Meilen ſüdweſtlid) im Grenzgebirge gelegen iſt. Um dahin zu kommen , ſteigt man an den Hängen der Berge Kuap und Chadſhuana beſtändig, doch nicht allzu ſteil auf:
wärts, läßt dabei zuerſt die Olivenhaine der Stadt, dann deren Nußbäume, Weingärten, Maulbeerbeſtände hinter ſich,
fommt weiter durch Maispflanzungen , Eidhengebüd), größere Haine von Eichen, Buchen und endlich zu Ejpen und ferzen geraden Tannen . Hoch oben am Chadſhuan-Berge erfreute den pflanzenkundigen Dbriſten ein prächtiges neues Rhodos dendron ; indes nicht Rhododendron ponticum, das in 2 bis 3 m hohen Büſchen mit bellen bis karmeſinroten Blumen die Vorberge und Mittelhöhen im Nhionbaſſin als Unter: holz beſiedelt auch nicht Rhododendron caucasicum , deſen an der Erde hinkriechende Büſde bloß über der Wald : region nahe der Schneegrenze vorkommen , mit Wachsperlen ähnlichen, innen grün beſprenkelten Blumen - ſondern eine neue Mittelform , die hier in 2 bis 3 m hohen Büſden wäd it, deren Blätter größer ſind als am Rhododendron ponticum ,
dunkler , unten filzig , und mit prächtigen , pyramidalen Blumenbouquets am Ende jedes Zweiges umgeben . Mit ſeinen herrlichen ſchneeweißen Blütenbüſchen iſt dieſes Rhodo: dendron ſo ſchön , daß die helllilafarbenen Sterne der präd):
tigen Aquilegia olympica neben ſeiner Pracht erblaſſen.1 In drei Stunden Aufſteigens gelangt man hier faſt durch alle Vegetationsgürtel der Welt, wie von den Ufern
des Mittelmeers bis nad Norwegen. 7000 Fuß über dem Meere, dicht an der Grenze gelegen , hat der Chinſait: Poſten eine herrliche Ausſicht auf das enge , drei Meilen lange , dürre Thal des Chatila-ſju , mit dem dasſelbe fro:
welchen der ebenſo ſchmußige Imerchewi von rechts her ſich ergießt , nur ſelten von einem hinabſchießenden Kajuk belebt werden. Zria iſt das Reich der Olivenbäume. Nichts anderes wächſt inmitten ſeiner ausgedörrten Felſen.
Die Dlivenbäume werden hier 5 bis 6 m hoch , alte Stämme erreichen eine Dide , daß ſie ein Menſch kaum umfaſjen kann.
Alte Bäume geben bis zu 12 Pub
(4/2 Zentner) Dliven, was ſehr einträglich iſt. Das arme wilde Land, faum imſtande, ſeine Bewohner zu ernähren, die einſtmals nur äußerlid dem Chriſtentume
oblagen, war wie dazu geſchaffen, den rauhen Koran gegen das beſcheidene Evangelium zu vertauſchen. 31, deutſche Meilen von Zria bis Ardanudih und 4/4 Meilen von dort zurück , am rechten Tidhorod):Ufer ,
begleiten den Reiſenden unabänderlich dieſelben grauen und gelben , toten Felſen. Schöne Eibenbäume ( Taxus baccata), thuja- ähnliche baumförmige Wachholder (Juni perus excelsa ), ſtadhliger Oleaſtor (Elaeagnus), Chriſtdorn (Palierus aculeatus) und Jujubenſträucher (Zizyphus vul garis) bilden die typiſche Vegetation dieſer dürren Einöde, aus welcher hinaus, nach anſtrengendem Ritte von wenigen Meilen , zu Häupten dichter Nadelwald , üppige Alpens wieſen , die im Juli von reifen Erdbeeren duften und köſtliche Rhododendronſträucher tragen , erreicht werden können.
Eine blißſchnelle Thalfahrt auf dem Tichorod) bringt die Meiſenden in einem 14 m langen, 1 m breiten Kajuk aus Kaſtanienholz unter Leitung eines geſchickten Reiß in weniger als ſedys Stunden die 14 deutſchen Meilen bis zur Tichoroch - Mündung hinunter, von wo bei rubigem Wetter Batum in zwei Stunden mit Rudern erreicht wer
den kann. Die Bergfahrt dauert drei bis vier Tage.
nenden, ſchneetragenden Kerzen-dagh (9457 Fuß) und dem
Ritt nach Swanetien.
Trial (9310 Fuß). Soredlich iſt der dyneereide Winter auf dem im
Im Kutaiſer botaniſden Garten oder an der ſogenannten Ferme vorbei , mit ſeinen 6 m hohen , im freien Grunde ſtehenden Magnolien , ſeinen Korkeiden und mädytigen Tulpenbäumen ( Liriodendron) ging es ( Ende Juni a. St. 1882) am redyten Ufer des Rhion 3 Meilen weit zum
Sommer blumenduftenden Chinſart:Paſſe , wohin für das Militärkommando der Proviant auf den Schultern der Leute zwei Meilen weit aus den noch fruchttragenden Dli venhainen durch Sdneetrandheen hindurch herbeigetragen
.
Dorfe Namachowani, hinter zahlreichen grünen Bergreihen
werden muß.
ſtets den nadten felſigen Chwamli oder Chelmi (6552 Fuß
Vom nebligen Chinſart ging es wieder in die Tiefe der Tidorodh-Spalte hinab, wo drei Meilen von Artwin flußaufwärts , um die Kenia - Rette berum , das Dorf Zria aufgeſucht ward. Leblos , erſtarrt iſt die Natur in dieſer Felſenſpalte,
Kirſchlorbeer, die Stechpalme ( Ilex aquifolium) und Sam ſchit (Buxus sempervirens) bilden das Unterholz, zu dem ſich die behauenen Stämme von Kaſtanienbäumen geſellen,
über dem Meere) in Sicht. Rhododendron ponticum ,
auf denen die hervorgeſchoſſenen jungen Zweige und Blätter
1 Dieſes herrliche Rhododendron , deſſen Samen , geſammelt im Jahre 1885 vom Fürſten Maſalski, gegenwärtig vom faiſ.
runde Hüte bilden. Ueber dieſes Unterholz erheben fidy an den Bergabhängen bis zu den Bergſpißen die dlanken Reihen von Eichen, Buchen und Eſchen -– ein Wald , un bewohnt, wie alle Wälder im Kaukaſus, von Vögeln , mit
Botaniſchen Garten in St. Petersburg in Europa verteilt wird,
Ausnahme von Schwarzdroſſeln und Nußhähern , dabei
nainte der jüngſt verſtorbene Botanifer v . Trautvetter Rhodo. dendron Smirnowji und Rhododendron Ungerni, doch herrſcht im faiſ. Botaniſchen Garten die Anſicht, daß beide Arten wohl D. U. als eine zuſammenzufaſſen ſein werden .
ohne jeglichen Graswudis auf dem ſteinigen Boden , der höchſtens zum Futter völlig untaugliches Farnfraut trägt.
in der die braunen , fdlammigen Wogen des Tidoroch, in
Geraſtet ward beim Dorfe Mekwena , 5 Meilen von Rus
Merkwürdige Winkel des Raukaſus.
taïs , genächtigt in Alpano , 71/2 Meilen von der Stadt. 1
Von hier ging es anfangs nody im Thale der Lad
fhianura auf der Chauſſee aufwärts, die bald rechts nach Lailaldi , dem adminiſtrativen Zentrum des Letſdygum :
Kreiſes abzweigt, während der Weg nach Swanetien links über das Dorf Drbeli nach Muri ins Thal des Zcheniß chale ( Pferdefluſſes) hinüberlenkt. Durch dieſes ſchmale düſtere Thal ging es in Regen und Dunkel ohne Führer ins erſte Dorf des dadianiſchen Swanetien , Lentechi , an der Mündung der Gebirgsbädje Cheledula und Lajdylidera in den Zdheniß-zchale gelegen. Bei ſtrömendem Regen vermochten die Reiſenden Tags darauf bloß nach Tidholur zu reiten , das 21/2 deutſde Meilen von Lentechi abliegt. In beiden Dörfern ſprechen alle Swaneten auch gruſiniſch. Der folgende heitere Tag erlaubte es , ſich zum Ers ſteigen des 9273 Fuß hohen Latpari-Paſſes anzuſchicken.
Immer ging es am Zdeniß-zdjale-Fluß hinauf. Nad mehrſtündigem , mehr oder weniger hartem Anſteigen famen ſie aus dem Bereiche der Eiden in den der Birken hins über , unter denen reife Erdbeeren prangten. Dann
ſchlängelte ſich der Weg durch Wieſengrün hinauf , in welchem ſich nur noch einzelne Birken an die Erde ſchmiegten
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ein Steinſalz foſtet 10 bis 20 Ropeken das Pfund ganzes Kapital für den armen Swaneten weshalb Salz handvollweiſe, wie Tabat, als Geſchenk verteilt wird. General Bartholomäis und Bafradies Abhandlungen
in den Memoiren der Kaukaſiſchen Geographiſchen Geſells ſchaft legten ſchon in den fünfziger Jahren den Grund zur Kunde des Volkes der Swaneten , das, chon von Strabo
erwähnt, bereits 21/2 Jahrhunderte v. Chr. in den gru: ſiniſden Annalen häufig genannt zu werden beginnt. Die Swaneten ſüdlich vom (wanetiſchen Gebirge, im Letích: gum , waren lekthin nodi der mingreliſchen Fürſtenfamilie Dadiani unterthan , die Swaneten in der anteren unteren Weſthälfte des ſwanetiſden Längsthales ſind noch heute
den Fürſten Dadiſdykaliani hörig, während diejenigen im Dſt winkel dieſes Thales , wie es ſcheint, ſchon im 18. Jahr hundert ſich von allen Fürſtenfamilien frei machten und elf ſelbſtändige Gemeinden bildeten. Dieſe kleinen Repu bliken befehdeten einander öfter, als daß ſie untereinander Föderationen bildeten . Im Jahre 1847 beſuchte der Kutaiſer Vizegouverneur , Obriſt Roliubafin , das Freie
Swanetien , wobei ſid ſieben Gemeinden freiwillig dem Sdube Rußlands unterwvarfen ; zwei weitere , die von Zürmi und EI, thaten dasſelbe unter der Verwaltung des
dazwiſchen gelbe Lilien (Lilium colchicum und monadel
dahin als Priſtaw (Kommiſjär) eingefepten Fürſten Mike
phum), Aconitum variegatum, Delphinien, eine hellblaue, innen weißblumige Aquilegia, roſa- und lilafarbene Aſtern, gelbe Anemonen (Anemone alpina ), Pyrethrum , himmel blaue Genzianen. Endlich erſchienen am Paſſe herrlich weiß :
ladihe, und nur die zwei reichſten Gemeinden , Latal und Len dſheri, blieben frei und unbehelligt , bis ſie ihren Wunſch zur Unterwerfung dem zu archäologiſchen Zweden im Jahre 1853 nach Sivanetien gekommenen Obriſten Bartholomäi zu erkennen gaben. Uebrigens iſt der Freiheitsſinn noch heutzutage nicht
blühende Sträucher des Rhododendron caucasicum , in kleinen Polſtern nahe der Schneelinie , umflattert vom Apollo-Schmetterling. Emberiza Cia waren die einzigen
ganz und gar in den Eingeborenen des Freien Swanetien
auf dem Latpari -Paſſe bemerkten Vögel. Nun prachtvolle Ausſicht auf die Kaukaſus-Kette, hinter
geſchwunden , und vor Geridt geladen, um ſich wegen ge
der hervor bisweilen der Elbrus fidytbar ſein ſoll — heute von Wolken verhüllt! Von unten her kommt Nadelival
preiſungen ihrer Großthat und erklären feierlich vor Geridit,
dung entgegen , rechts tief im Thale ſind die berühmten ſianetiſchen Türme der Dörfer des udkul-Gaues fidit bar. Erſt mit Anbruch der Nadt ward in der einſam
unter mächtiger Birke ſtehenden ſogenannten Kanzlei des Kal -Gaues Halt gemacht. Beide genannten Gaue bilden den Dſtwinkel der mächtigen Thalmulde, die als foges nanntes Freies und Fürſtliches (dadiſchkalianiſces) Swa netien am Oberlaufe des Ingur-Fluſſes zwiſden der gigan tiſchen Haupt- und der kaum weniger hohen ſwanetiſchen Nebenkette eingebettet iſt.
übter Blutrache zu verantworten , ergehen ſie ſich in An daß ſie vorkommenden Falls wiederum ſo handeln würden ;
oder aber ſie ziehen in Erwiderung von Citationen ſidh mit einem Haufen von Verwandten in ihre unzugängliden Türme zurück und drohen auf jedermann zu ſchießen, der ihnen nahe. Die heutige Religion der Swaneten iſt ein Gemiſd) des von ihnen urſprünglich aus Gruſien überkommenen Chriſtentums mit rohem Aberglauben und heidniſden Ge
bräuchen, deren Bewahrer die Papi, Nachkommen früherer Geiſtlichen , ſind , die ihren Einfluß auf das Volk noch
Taran -Fiſden ( Abramis -Arten ), die in Mingrelien, Ime: retien und Gurien haufenweiſe zum Verkaufe gelangen ,
nicht verloren haben , trotzdem heute ordinierte Geiſtlide nad Swanetien geſandt werden. Nädyſt Geld , Brannt: wein ( ein entſetzlicher Fuſel, aus Gerſte oder Fliederbeeren bereitet) und Tabak iſt gutes Schießpulver für den Swa neten der größte Schak , während er dyledytes ſelber zu bereiten verſteht. Die größte Merkivürdigkeit Swanetiens ſind aber ſeine 16 bis 20 m hohen Türme, von kleiner quadratiſcher Baſis aus fehr allmählich nad oben ver jüngt. Wann dieſe Türme, deren Bau viel Geſchic er:
gewiſſermaßen Lippen und Mund verbrannten. Graues
heiſd te, erridhtet ſind, weiß niemand
Die ſogenannte Kanzlei (das Amtshaus) des Kal Gaues iſt ein rohes Blodhaus ohne Fenſter und Diele, gedeckt mit Schiefertafeln. Einzig der Gehilfe des Dorf älteſten verſtand aud gruſiniſch und machte den Uebers feßer ins Swanetiſde. Salz iſt eine ſolche Selten :
heit , daß die Swaneten ſid, an den trockenen geſalzenen
heutzutage werden
Die Slawen in Italien.
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ſolche nicht mehr gebaut. Die öſtlichen , oberen Gemeins
Die Slaweu in Ztalien.
ben , in denen kaum Gerſte reift, ſind ſehr arm – anders Von J. Olič.
Latal und Lendſheri tiefer unten im breiteren Thale, wo außer Gerſte Weizen gut gedeiht, wie auch Hafer , Firſe, türkiſche Erbſen. Die Getreidefelder ſind, wie in Diletien,
Wenn Alltagsmenſchen von der Italia unita hören , ſo
könnten ſie in die Verſuchung kommen, zu glauben, daß in
ſorgfältig mit ſteinernen Zäunen oder Flechtwerk einge friedigt. Wohl beſißen die Swaneten Pferde, Kühe, Schafe und Schweine, doch in geringer Anzahl , da es ihnen an Weiben fehlt ; auch Hühner fand hier der Obriſt, die in
Italien nur eine einzige Nation, die italieniſche, lebt, was jedoch nicht zutrifft. Es iſt allerdings wahr, daß der romaniſch italieniſche Voltsſtamm die erdrüdende Mehrheit der Geſamts
vielen Dörfern Dffetiens nicht gehalten werden , um nicht
dem Königreiche, und zwar von Albaneſen, Deutſchen und
dem Getreide Schaden zu bringen. Die Swaneten ſind
Slawen . In dieſer Skizze will ich mich mit den leßteren beſchäftigen , weil ſie das größte fremdſprachliche Kontingent des Königreiches repräſentieren.
nach D. Bakradſes kompetentem Urteile fartiveliſchen Stammes, reden aber ein vom Gruſiniſchen ſehr abweichen: des Idiom . Im Jahre 1886 ergab die Volkszählung 15,188 Swaneten , wovon 5661 im Letic gumer Kreiſe, 9527 aber im eigentlichen Swaretien leben.
Von der ſogen. Kanzlei der Gemeinde Kal ging es am linken Ufer des Ingwes hinab , durch dichten Nadel: walb, borbei an dem zur ſelben Gemeinde Kal gehörigen
Heiligtum Sivanetiens , dem Kloſter der heiligen Kirika und Julita , mit koſtbaren alten Heiligenbildern aus Silber und Golb, mit einem alten griechiſchen Evangelium und ähnlichen aufs eiferſüchtigſte von den Swaneten ges hüteten Heiligtümern. Das Kloſter iſt, wie der ganze Berg, auf dem es liegt , von dichtem Tannenwald umringt, der .
allen Staneten als unantaſtbar gilt. Hinter dem Kloſter
war der Weg von mächtigen , umgehauenen Kiefern vers
barrikabiert, was im Jahre 1875 geſchehen war , als die .
uſhkuler gegen die Ruſſen rebellierten. Jeßt war durch die rieſigen Stämme mit Art und Feuer der Weg wieder
gebahnt. Einen bewältigenden und unerfaßlichen Eins
bevölkerung bildet, aber es gibt auch noch Sprachinſeln in
In Italien wohnen zwei ſlawiſche Volksſtämme, und zwar die Slowenen und die Serben .
Erſtere bilden die
äußerſten Ausläufer der in Krain , Südſteiermark, einem Teile von Kärnten und in dem Küſtenlande lebenden flawiſchen Völferfamilie und wohnen in dem Bezirke
San Pietro al Natiſone ausſchließlich, in den Bes zirken Tarcento , Gemona und Cividale in der Mehr heit. Ihr Idiom iſt mit dem der Slowenen des Görzer Gebietes identiſch. Sie bewvohnen die ſüdlichſten Ausläufer
der Juliſchen Alpen und dürften heute etwas über dreißig tauſend Seelen zählen. Ihr Haupterwerbezweig iſt die Viehzucht und die Obſtfultur. In tiefer gelegenen Orts
ſchaften wird auch der Weinbau betrieben, und zwar bei nahe ausſchließlich mit Hilfe der Riparia americana, wes halb auch der Wein ſtets Americano genannt wird , zum Unterſchiede von dem Noſtrano- Produkt der einheimiſchen
Rebe. Der Americano iſt wohl alkoholärmer als der Nos ſtrano , dafür aber billiger und , was noch wichtiger iſt,
drud macht durch ſeine ſcheinbare Nähe und ungeheuren Dimenſionen hoch über der gebrochenen Linie der bes
geſünder.
waldeten Bergkette der ſchneebededte Rieſe Uſhba – ein Berg , deſſen Anblick ſowohl aus dem Ingur- Thale ,
nehmend. Er iſt faſt ausſchließlich hoch gewachſen , in den ſeltenſten Fällen wohlbeleibt und beinahe ohne Ausnahme
wie aus Beticho idon allein die Reiſe nach Swanetien
blond. Rörpergebrechen , die einen großen Teil ſeiner Nachs
verlohnte.
Das Aeußere des italieniſchen Slowenen iſt ſehr eins
barn , der Friauler , zu Karikaturen der Schöpfung ſtem .
Aus dem Ingur: Thal begab man ſich über die wal
peln, kommen gar nicht vor. Nicht einmal der Kropf, ein
dige ſpiße Landzunge , die ſich zwiſchen dieſem Fluſſe und deſſen rechtem Nebenfluß Mulchre erſtreckt, rechts vom Dorfe Sfeti die Türme der Gemeinden Mulach und
Erbteil der Natur feines alpinen Mitbruders , iſt unter
Muſhal mit den ihnen naheliegenden Gletſchern in Sicht
ſtets gute Laune aus. Er iſt auch, ſo unglaublicy es klingen mag, ein ſehr guter Patriot und braver Soldat. Wenn ein Regiment in der Front aufgeſtellt ſteht, ſo kann man einen jeden Slowenen mit der größten Leichtigkeit
laſſend, um alsdann burdy die Gemeinde Lenſher mit
neuen Führern abends nach Betſcho hinüberzukommen. Dieſes Dorf liegt 4902 Fuß über dem Meere am Fuße des uſhba und beſaß zur Zeit der Reiſe des Dbriſten
eine Garniſon von 200 Mann , die im Juni oder Juli .
einiral im Jahre mit Geld und Proviant verſehen warb, da vom Auguſt an das ganze Dorf in tiefem Schnee
begraben liegt. Seitdem iſt dieſer halbverlorene Poſten aufgehoben worden.
N. v. Seidliß.
den Slowenen Italiens zu finden. Der ,,Schiavo " zeichs
net ſich ferner durch ſeine Gutmütigkeit und durch die
und Beſtimmtheit herausfinden. Nationalitätsgefühl hat der italieniſche Slowene gar feines , was daher rühren mag , daß ihm die jeweilige
Regierung zur Kultivierung ſeiner Mutterſprache jedes Recht abſpricht. Er kann ſich derſelben nur unter ſeines: gleichen und in dem Beichtſtuble bedienen . Auch die Predigt iſt teils ſloweniſch, teils utraquiſtiſch, aber außer der Kirche gilt die ſloweniſche Sprache gar nichts. Die Fortſchritte in den Normalſchulen laſſen alles zu wünſchen
Einige alte Voltsſitten und Volfsgebräuche aus dem Kanton Zürich.
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übrig, denn Lehrer und Schüler verſtehen ſich in der
dieſe Sprachinſel wird teils durch Verſchmelzung, teils
Regel nicht.
durch Vernachläſſigung und Unterdrüdung der Mutters ſprache in einer nicht allzu fernen Zeit in dem herrſchenden italieniſchen Idiom aufgehen.
Es iſt leicht begreiflid, daß unter ſolchen Umſtänden
auch von der ſloweniſchen Litteratur nicht die geringſte Spur zu finden iſt.
Nur hier und da trifft man in einem
Pfarrhofe einige von dem Hermagorasverein in Klagens furt herausgegebene Voltsbücher, in dem Volfe ſelbſt aber herrſcht tiefſtes Dunkel. Einſt war die Slowenenanzahl des heutigen Ztaliens wohl mehr als zehnmal größer, aber das herrſchende, von
Einige alte Polksfilten und Polksgebräude aus dem Kanton Zürid . Bon . ø Meffitommer , Weziton.
dem Rechte des Stärkeren unterſtüßte italieniſche Element macht ſich auf dem von den Slowenen bewohnten Gebiete
Die größere Voltsbildung ſeit 1830 hat in meiner
von Tag zu Tag breiter , und die Zeit , in welcher man
engeren Heimat, dem zürcheriſchen Oberland, vor allem
ſagen wird, daß es in Jtalien Slowenen gegeben hat, iſt
auch mit einem großen Ueberbleibſel des Mittelalters dem Aberglauben - aufzuräumen begonnen. Es iſt heut zutage unmöglich, dieſen Aberglauben in ſeiner damaligen น beſchreiben. Das Volt lebte eigentlid in Furcht Geſtalt zu und Angſt vor Heren, Zeuslern ( Irrlichtern ) u . 1. f.; die
nicht mehr fern.
Die Spuren von ſloweniſchen Anſiedelungen in Ita
lien laſſen ſich weit über Venedig hinaus verfolgen, aber heute iſt nichts mehr davon übrig geblieben als die Namen
der Orte und Familien , die auch noch zum größten Teil für die italieniſche Ausſprache zurechtgelegt wurden. Die Gedichte der glorreichen Republik verzeichnet auch zwei Dogen floweniſcher Abkunft, und zwar Pietro Gradenigo (Gradnik) und Antonio Mocenigo (Močnik.) Die Serben bilden in Italien zwei Sprachinſeln. Die
nördliche iſt in dem Winkel zwiſchen dem Bezirke von Flitſch (Küſtenland) und dem von Tarvis (Kärnten) ein gefeilt und bildet den italieniſden Bezirk Moggio mit ungefähr 10,000 Seelen. Dies ſind die ſogenannten Nes ſianer, welche in den meiſten Ländern Europas als Regens ſdirmausbeſſerer, Hafenbinder und Refſelflider anzutreffen ſind. Das Gebiet, das ſie bewohnen, iſt ſteinig, vors herrſchend mit Geſtrüpp und niederſtämmigem Holz bes wachſen, alſo größtenteils ſteril. Es iſt ein Land , von welchem ein italieniſcher Dichter ſagt , daß in ihm das „ nadte Elend “ wohnt. Eine oder ein paar Ziegen repräſen. tieren in der Regel den Viehſtand einer Familie. Die Gründungsepoche der Anſiedelung iſt dem Ges dächtniſſe der Nachwelt vollſtändig entſchwunden, auch das Woher ? tennt niemand mehr. von allen Seiten bon Katholiken umgeben , ſind infolge der Zeit auch die Res
ſianer katholiſch geworden. Was dem Volke geblieben, iſt nur die einheitliche ſchwarze Tracht der Frauen und zu
einem geringen Teile die Mutterſprache. Die zweite ſerbiſche Sprachinſel liegt im ſüdweſtlichen
Mittel-Italien , und zwar in der Provinz Campobaſſo. Dieſe Kolonie fam unter dem vielgenannten Skanderbeg im Jahre 1466 nad Italien und war urſprünglich neun Gemeinden ſtart; heute bildet dieſe Sprachinſel nur noch zwei Gemeinden , nämlich Voda živa (lebendes Waſſer) und San Felice ſlavo mit rund 5000 Perſonen. Zum Unterſchiede von den Refianern hat ſich ihre Sprache und Tradition bis auf den heutigen Tag rein erhalten. Es gibt daſelbſt noch heute viele Frauen, die fid in der ita lieniſchen Sprache nicht verſtändlich machen können. Auch
ſchwärzeſten Geſchichten von ſolch' unheimlichen Weſen machten tagtäglich die Runde von Dorf zu Dorf. Als eine der leßten Spuren mag noch der hier und da ver
einzelt auftauchende Glaube an die ſogen. „,Totenuhr“ und an ähnliche Todesvorboten ſein. Die Faſtnacht iſt bekanntlich ein altheidniſcher Brauch,
ebenſo die damit verbundenen Faſtnachtfeuer. Iſt dieſes Volksfeſt ziemlich allgemein , ſo trägt der der ſogenannten Herrenfaſtnacht folgende Dienſtag, im Voltsmunde ,,Schü bligziſtig " genannt, idon mehr lokaleren Charakter. Die eigentliche Faſtnacht findet bei uns acht Tage nach der
in den Kalendern verzeichneten ſtatt und dauert zwei bis drei Tage. An dieſem Tage nimmt an der Vermummung bloß die Jugend teil ; der Name „Schübligziſtig" kommt von einer Wurſtforte ,,Schüblig" her, die einer Sitte gemäß an dieſem Tage nur auf wenigen Tiſchen fehlen dürften. Eine für die Bermummung ebenfalls gebräuchliche Zeit iſt die Woche von Weihnacht bis Neujahr. Männer und Knaben fleiden ſich möglichſt grell, auf den Kopf wird ein bis 60 Zentimeter hoher und in zwei Spißen ſeitwärts auslaufender Hut aus Karton und Seidenpapier
mit ausgeſchnittenen , gewöhnlich humoriſtiſchen Figuren gefeßt, und darin eine Kerze angezündet ; am Gürtel hängen rings eine Anzahl ziemlich großer Gloden , ſogenannter „Ruhſchellen". In dieſem Anzuge durchlaufen am Tage und anfangs der Nacht dieſe ,, Samitläuſe" die Dorfſtraßen und beſuchen mit ihrem ohrenbetäubenden Gellinge die
Stuben , um etwaige mildthätige Gaben in Empfang zu nehmen.
Etwas abweichender Kleidung ſind die ſoges
nannten „ Chrungeli“ und Sadmänner. Der Silveſter
1:
und der vorangehende Kindleintag (28. Dezember) werden von der Schuljugend mit großem Lärm gefeiert, und dem leßtankommenden Schüler muß noch lange das faule Kindlein " in den Dhren tönen.
Von bedeutender Ausbreitung iſt der Braud , an
Dſtern Eier farbig zu ſieben , an der Faſtnacht Kuchen zu
Litteratur.
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baden und auf Neujahr jeden Haushalt mit Eierweden ,
Birnwecken ac, in großer Anzahl zu verſehen. Die hübſchen Volfstracyten , wie wir ſie heute noch
orts das Sammeln von barem Gelde zu Gunſten der Braut ; das Anhalten einer Hochzeitsgeſellſchaft in den Straßen durch die Jugend 2c. 2c.
in manchen Gegenden der Schweiz und umliegender Staaten finden , ſind aus meiner Heimat längſt verſchwunden. Auf eine Eigentümlichkeit möchte ich beſonders noch hinweiſen , auf die ,,Schwißſtübli" . In manchen älteren Häuſern (Bäckereien ) befanden ſich derartige in direkte Verbindung mit dem ſtark erwärmten Ofen gebrachte kleine Zimmerchen. Die Luft in denſelben ſtieg bis auf
einen ziemlich hohen Grad, und innerhalb kurzer Zeit war es möglich, ein vollſtändiges Schwißbad zu nehmen. Durch Blaſen eines Hornes wurde die ganze Nachbarſchaft, oder Dorfbevölkerung eingeladen, von dem Schwißbade Gebrauch
Litteratur. * Wlislodi , Dr. Heinr. v.: Märchen und Sagen der Transilvaniſchen Zigeuner. Geſammelt und aus imedierten Originaltexten iiberſetzt. Berlin , Nicolai'iche Berlags .
buchhandlung (W. Stricer).
In den Sagen und Märchen
eines Volkes , als den erſten , älteſten und primitivſten Erzeug. niſſen ſeines Geiſteslebens , ſpiegeln ſich ſeine Denk- und Fand
lungsweiſe, ſeine ehemaligen und gegenwärtigen Zuſtände, ſein uir eigentümlichſter Geiſt, ſeine Anſchauungen, Begriffe und Gebräuche am anſchaulichſten, und dies gibt ihnen ihren Wert für die Kultur geſchichte und das Folklore , welchem die neuere Wiſſenſchaft niin
zu machen . Die Schwitſtuben waren vor 20 Jahren noch
ein lebendigeres Intereſſe entgegenbringt. Je weiter wir nach
ſehr gebräuchlich und haben gewiß auch bei Erkältungen manchen guten Dienſt geleiſtet. Es ſind dieſe Schwißein richtungen bis auf die Römer zurück zu verfolgen – alſo
dem Oſten unſeres Erdteils vordringen , werden dieſe Märchen und Sagen eigenartiger , origineller und fennzeichnender, wie unſer verehrter Mitarbeiter Dr. F. S. Srauß in Wien in ſeiner wertvollen Sammlung der „ Märchen und Sagen der Siidſlawen “ bewieſen hat. Dem Charakter dieſer ſüidſlawiſchen Märchen und
direkt von denſelben bis auf die Gegenwart erhalten geblieben.
Ein ebenfalls in die graue Vorzeit zurücreidender Braud iſt das ſogenannte „ Liechtli-abeſchwemme", d. h.
Sagen nähern ſich auch diejenigen der ſiebenbürgiſchen Zeltzigenner,
Lichter oder Feuer auf den Bächen dywimmen zu laſſen.
armen , heimatloſen Nomaden auf der Grenzſcheide zwiſchen Weft
Bei der Sonnenwende im Frühjahr werden kleinere und größere Feuer von der Jugend in die laufenden Gewäſſer auf dywimmende Holzſtüde gelegt , kleinere und größere Fadeln werden in den Händen , freuz und quer ſpringend, getragen. Aus einiger Entfernung betrachtet, macht dies einen ganz eigentümlichen Anblic. Verſchwunden aus unſerer Gegend ſind die „ Licht ſtubete“, jene beliebten Zuſammenfünfte der reiferen Jugend
und Oſt, welche trot all ihrer Verwahrloſung und Wildheit doch
.
beiderlei Geſchlechtes.
Manche dieſer alten Bräuche, die bis auf uns ge fommen, haben indeſſen im Laufe der Zeit ihren urſprüng
jener halbwilden , von ungezügelten Leidenſchaften beherrſchten,
vom anthropologiſchen und ethnologiſchen Geſichtspunkt aus ein ſehr intereſſanter Gegenſtand des Studiums ſind. Alle dieſe Märchen und Sagen , welche das vorliegende Buch enthält, ſind am Lagerfeuer dieſer Zigeuner geſammelt und ſind ebenſo tenn zeichnend fiir ihre Eigenart, wie ein feiner Schlüſſel zum Ver ſtändnis ihres imerſten Weſens und ein ſehr wichtiger Beitrag zum Folklore des Oſtens.
Druck und Verlag der J. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachf. in München und Stuttgart. Für die Redaktion verantwortlich : W. Reil in München.
Verlag von T. 0. Weigel Nachf., Leipzig .
lidhen Zweck verloren . So iſt es bei uns Sitte, wenn ein
junger Bienenſchwarm auszufliegen beginnt, auf eine hän: gende Senſe in der Nähe der Bienenwohnung zu klopfen. Durch den Lärm erſchreckt, ſollen die Bienen nicht weit fort fliegen. Unzweifelhaft iſt dies aber nicht der alte Zweck des Klopfens , denn die Bienen werden ſich durdy das Getön nicht am Ausfliegen abhalten laſſen. Früher dürfte vielmehr mit dem weithin hörbaren Schalle das Fort fliegen eines Sdwarmes den Nachbarn und Dorf ojjen
verkündet, alſo ein Eigentumsrecht gewahrt worden ſein. Was mit dem Aberglauben in Verbindung ſtehend oder bloß um der Jugend Furcht und Ehrfurcht einzuflößen, die Jugend mußte, wenn ſie das erſte Mal in den Wald oder in die nächſte Stadt ging, in die ſogen „ Kette beißen “ . Zwei ältere Knaben hielten dem Neulinge eine Rute vor, und in dieſe mußte er beißen. Damit hatte er für alle Zeiten
ſich das Recht erworben , in den Wald 2c. geben zu dürfen . Einige andere Sitten mögen noch kurz erwähnt wer den : das Verteilen einer gewiſſen Summe Geldes durdy den Bräutigam an ſeine Altersgenoſſen , wofür dieſe dann gewöhnlid am Hochzeitstage ſchießen ; wieder andern
Soeben erschien :
(HINA #
Skizzen von Land und Leuten Mit besonderer Berück sichtigung kommer zieller Verhältnisse von
A. H. Exner, vorm . Delegirten
der
Deutschen
Bank
Deutschen
Eisenbahn
im
konsortium für China.
Mit einem Portrait in Stahlstich , 6 in lithographi schem Farbendruck ausgeführten Bildern , 17 autotypi schen Illustrationen , einem Plane der Stadt Peking 1. s . w. Elegant gebunden 20 Mark .
Das Iuslaud. Wochenſchrift für Länder- und Völkerkunde, unter Mitwirkung bewährter Fach männer herausgegeben von der I. G. Cotta'ſchen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart und Wünden . Dreiundſechzigſter Jahrgang.
r. Nr 13 .
1890.
Stuttgart, 31. März
Jährlich 62 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7 .
zu beziehen durch alle Buchhandlungen des 311- und Auslandes und die Poſtämter. Inſertions.
Manuſkripte und Recenſions- (syemplare von Werten der einjdlägigen Litteratur iind direft an die Verlagshandlung in Stuttgart zu ſenden . preis 20 Pf. für die geſpaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Nirrbrandenburg an der Meſifiiſte von Afrika. ( 1683 bis 1717. ) Pon Profeſſor Dr. Theodor Schott. ( Schluß .) S. 241. – 2. Durch den Siiden Merifos und durch Zentral-Amerika. Von Guſtav Pauli. ( Schlu3.) S. 246. 3. Das Unterrichts wejen in Bolivia .
- 4. Aus dem Kaukaſis. Mitgeteilt von C. Hahn ( Tiflis). 1. Eine Veſteigung des Kasbet. 2. Ueber
S. 219.
Körpermeſſungen. 9. 250 . Von P. Asmuſjeni. S. 256 .
5. Der niententſtandene Naturſchacht von Brundorf. Von Franz Kraus. S. 255. 7. Litteratur. S. 258. 8. Kleinere Mitteilungen. § . 260.
kurbrandenburg an der Wrfiliiſte von Afrika. ( 1683 bis 1717.)
6. Die Senuſſi.
lich belohnt. Raſch wurde eine neue Erpedition aus: gerüſtet, obgleid, das finanzielle Ergebnis der leßten nicht
beſonders günſtig ausgefallen war ; der „ Morian “ hatte Pon Profeſſor Dr. Theodor Schott. ( ch1113 .)
Raſdh wuchs die Feſtung aus dem Boden , bald mußte ſie den Beweis ihrer Stärke liefern. Zwar die Holländer begnügten ſich mit einem feierlichen Proteſte, weldien der Faftor von Arim , angethan mit Degen und Federhut, rotem Rod und weißſeidenen Strümpfen , perſönlid) aus:
Gold im Wert von 14,400 Thalern , Elefantenzähne, Ges treide u . 1. w . erhandelt; der ,,Kurprinz" aber brachte einen Teil der Waren wieder mit und hatte im übrigen nur durch Sllavenhandel etwas verdient. Es galt aber, die milis
tärijde Stellung zu feſtigen , und die beiden Sdiffe, welde Septimber und Oftober 1683 Emden verließen , brachten nicht nur der febr zuſammengeidmolzenen Bejabung von
richtete. Gröben fertigte den Mann kurz ab, war aber
Großfriedrichsburg eine anſehnlidie Verſtärkung, ſondern
auf der Hut, da er von einem Häuptling gewarnt wurde, die Neger, von den Holländern aufgereizt, wollten ſie überfallen . Wirklich fand auch bald der Angriff ſtatt, aber Gröben wies ihn ſiegreich zurück, obgleid) ſeine euro päiſche Mannſchaft durch das Landfieber ſtart dezimiert war ( 10 waren geſtorben, und die meiſten andern lagen frank darnieder.) Von ſeinen dwarzen Freunden hatte er 200 mit Musketen bewaffnet bei ſid ), und als die Feinde
waren auch mit allen zum Bau eines ſoliden Forts nötigen
anrüdten , ließ er einen Sedyspfünder abichießen , deſſen
Kugel in den didſten Haufen ſchlug. „Sogleich hatte der Krieg ein Ende, denn die Mohren nichts weniger, als das grobe Geſchüß vertragen können und lieffen in aller Ger
ſchwindigkeit davon." Unmittelbar nadher übergab Gröben das Rommando dem Kapitän Blond und reiſte ab, fieberfrank, mehr einem Toten ähnlich ſehend, als einem Lebendigen ; ſeine dwarze Braut, ein neunjähriges Mädchen , das ihm einer der Cabiſier aufgenötigt hatte, und die meiſtens ihn nur be ſudite, um ihren hungrigen Magen zu füllen und etwas geſchenkt zu befommen, ließ er zurück. Im Juli langte er in der Heimat an und wurde vom Kurfürſten reid : Ausland 1890 , Nr. 13.
Erforderniſjen verſehen.
Die noch vorhandene höchſt ums
fangreide Lijte legt ein rühmliches Zeugnis ab von der Umſicht, die man dabei walten ließ , ſowie von dem Eifer, der den Kurfürſten beſeelte und ihn die beträcht
liden Ausgaben nicht beachten ließ. Raſch wurde der Bau gefördert ; modhte das Fort mit ſeiner Holzverzäunung anfangs wie ein Bauerngarten qusgeſehen haben und die Wohnungen einer Bauernſcheune gleichen , nun verwan: delte ſich das Erdwert in folide , faſemattierte Mauern. Die Steine, den Kalk und den Lehm hatte man von
Konigsberg herbeiſchaffen müſſen ! -- Auch nach der Sees feite hin wurden Baſtionen angelegt, und die Haupts gebäude in Stein aufgeführt. Jahres, ja jahrzehntelang
währte der Bau mit den nötigen Verbeſſerungen ; eine Anſicht von 1708 zeigt das Fort wohl in ſeiner größten Ausdehs nung. Es bietet ganz den Anblick einer kleinen europäis idhen Feſtung mit Mauern und Gräben, die Wälle oder
Zinnen mit regelrechten Schießldarten , aus denen zahl reiche Kanonen dauer. ( 1713 war es mit vierundvierzig,
freilich nicht ſehr großen Stüden beſeßt), die Schildwachen 37
Kurbrandenburg an der Weftküſte von Afrita.
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ſpazieren vor ihren Schilderhäuſern , es fehlt nicht an Schmiede und Zimmerplaß, Krankenhaus und Gefängnis. Vor der Umwallung ſind die kleinen , mit Gärtchen um gebenen Hütten der Sklaven, und ſeltſam blicken in dieſes europäiſche Gemeinweſen , deſſen Häuſer ganz nach dem ge wöhnlichen langweiligen Stile jener Zeit erbaut ſind, die
afrikaniſchen Palmen herein, uns gemahnend, daß wir uns in der Aequatorialgegend von Afrika und nicht in einem Winkel der falten preußiſchen Küſte befinden. Der hol ländiſche Reiſende Bodmann , welcher um die Wende des Jahrhunderts lange Zeit an der Guineaküſte weilte und
Händen der Holländer verblieb, und als es 1694 wieder
in brandenburgiſchen Beſiß fam, hatten die Holländer die Schanze in die Luft geſprengt ; ſie wurde nicht mehr er:
neuert. Dagegen war — wohl Anfang der neunziger Jahre zwiſchen Akkada und Großfriedrichsburg eine neue kleine Schanze angelegt worden, „ Fort Sophie Luiſe", nach der dritten Gemahlin Friedrichs III. genannt ; ſie diente dazu,
die Verbindung der beiden größeren Forts zu deđen und eine gute Waſſerſtation für die Schiffe zu beberrſchen . Der große Kurfürſt hatte dieſe lebten Ereigniſſe nicht mehr erlebt ; wohl hatte er jene Beeinträchtigungen durch Hol:
hat , gibt leider keine ſolche von Großfriedrichsburg ; fie
land ſchwer empfunden, feinen Eifer abee, übırſeeiſche Vers bindungen anzuknüpfen oder Erwerbungen zu machen, hatten
Zeichnungen von den meiſten dortigen Forts hinterlaſſen wäre uns ſehr intereſſant als Bericht aus dem Munde
dieſelben ſo wenig gelähmt als die bisher erreichten, feines:
eines Nichtpreußen. Jedenfalls aber gehörte die Feſte zu
wegs glänzenden Handelsergebniſſe der Kompanie. Um
den größten und beſten , welche ſich an jener Küſte er hoben ; nicht bloß vor einem Handſtreiche war ſie gededt, ſie bot auch die ſchüßende Grundlage , den feſten Stüß: punkt für weitere koloniale Erwerbungen.. Gleich das Fahr 1684 fügte Affada hinzu , einige Stunden öftlich von Großfriedrichsburg. Auf einer vom Meer umſpülten Halbinſel in fruchtbarer, fornreicher Gegend, welche auch einen guten Hafen beſaß , wurde eine dreiedige Schanze
1683 wurde eine oſtindiſche Kompanie in Erwägung ges zogen, im März 1686 dachte man an eine isländiſche, mit Dänemark unterhandelte man wegen der Abtretung der
angelegt , zuerſt mit Holzpaliſſaden umgeben , dann aus feſtem Mauerwerk: die Dorotheenſchanze. Fünf Meilen öft: lich von Affada , in herrlicher Gegend , wurde in Taftas rary die kurfürſtliche Flagge aufgehißt und eine kleine Redoute aufgeworfen (Februar 1685), alles auf Wunſch der Cabifier , mit welchen dann Schußberträge geſchloſſen wurden.
So hatte alſo Brandenburg drei feſte Pläße im
ſchwarzen Weltteil , aber dem verheißungsvollen Anfang entſprach der weitere Fortgang nur wenig. Immer griff die holländiſche Eiferſucht aufs neue ſtörend ein ; unter nichtigen Vorwänden wurden die Schiffe der Kompanie weggenommen und ihrer Waren beraubt : ſo erging e$ 1685
dem „ Waſſerhund “; bald griffen ſie auch die Feſtungen an. In der Nacht vom 7. auf 8. Oktober 1687 erſchien der holländiſche General de Sweers mit 300 Negern vor Alfada ; es gelang ihm, den Kommandanten auf ein Schiff zu locken und dort gefangen zu halten. Die Befeſtigungen waren erſt halb fertig, und die Beſaßung ſehr ſchwach: 10 wurde ſie beim erſten Angriff überwältigt. Audy Taffarary wurde raſch erobert. In Großfriedrichsburg war man
Inſel St. Thomas oder der Feſte Chriſtiansfort, mit dem Herzog von Kurland über Tabago ; überall ſuchte der Fürſt in allzu reger Thätigkeit Fäden anzuknüpfen. Nichts von
alledem kam zur vollen Ausführung, dagegen war es ihm noch vergönnt, eine weitere Rolonialerwerbung zu erleben : die Inſel Arguin in dem gleichnamigen Meerbuſen, 16 bis 18 Stunden von Rap Blanco entfernt (200 35' n. Br., 00 5 ö. L. von Ferro), kam in ſeinen Beſiſ. Portugieſen,
Spanier , Holländer , Franzoſen hatten nacheinander das kleine Eiland, welches ein Meeresarm, eine Stunde breit, vom Feſtlande trennt, und das einen vorzüglichen Stapel plaß bot , beſonders für den Gummihandel in Beſiß ges habt. Die Franzoſen zerſtörten 1678 (oder 1679) das dortige Kaſtell und verließen das Eiland , das damit wieder ſeinen eingebornen Herrſchern zufiel. 1684 machte Raule auf den wichtigen Poſten aufmerkſam ; ſogleich wur den einige Schiffe dahin abgeſandt, darunter der uns wohl bekannte „ Morian ", aber die franzöſiſche Senegals kompanie konfiszierte ihn. Troßdem wurde Juni 1685 der „ Rote Löwe" dorthin beordert, am 1. Oktober langte derſelbe dort an. Die Beziehungen mit den Eingebornen geſtals teten ſich günſtig ; ſchon am 5. Ditober wurde die branden burgiſche Flagge aufgehißt ; im März des folgenden Jahres verſprach der König von (dem Feſtlande) Argunien einen Vertrag zu ſchließen, und am 20. Dezember 1687 wurde derſelbe feierlich geſchloſſen. Der König , der ſeine Cha:
beſſer auf der Hut ; die Aufforderung zur Uebergabe
raftere unter das Schriftſtüc malte, ſtellte ſich unter Branden:
wurde rund abgelehnt, obgleich auch hier die Wälle noch nicht ausgebaut waren ; ein nächtlidyer Angriff idlug fehl,
burgs Schuß und verſprach dagegen , in ſeinem Könige reich ſonſt niemand ,,die geringſte Handlung zu geſtatten."
die Neger ließen ſich nicht zum Abfall bewegen. Nun be: gann eine langwierige Blokade zu Waſſer, welche zwar
Unterdeſſen war das Fort raſch wieder hergeſtellt worden ;
nicht ganz ſtreng eingehalten wurde, aber den Handel auf
das Empfindlichſte ſtörte. Die Verhandlungen zwiſchen
die Seeſeite tehrte ; im Jahre 1687 zählte man dort 20, 1702 30 eiſerne Geſchüße. Noch im Jahre 1687 hatte es
Friedrich III., des Großen Kurfürſten Nachfolger, und den Generalſtaaten führten endlich zu dem Ergebniſſe, daß Affada zurüdgegeben wurde, Taffarary aber noch in den
ſeine Feuerprobe zu beſtehen ; gegen Ende desſelben ver: ſuchten zwei franzöſiſche Schiffe die Räumung des Plaßeo, der Frankreich gehöre, mit Gewalt zu erzwingen, aber nach
es war ein Halbmond , der ſeine meiſten Geſchüße gegen
Kurbrandenburg an der Weſtküſte von Afrifa. kurzem Gefechte mußten ſie unverrichteter Dinge wieder
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friedricheburg vor Anker gingen ; vom 28. Dezember 1711
abziehen. Kolonie und Handel blühten hier ; die Beſaßung
bis 24. Dezember 1713 zählte man fünfundneunzig. Die
war nie beſonders ſtark, 1702 betrug ſie alles in allem 19 Mann. Die erſten Kommandanten ſtanden mit den
hauptſächlichſten Handelsgegenſtände waren europäiſche Ar tifel : Kleiderſtoffe, Gewehre, Eiſenſtäbe, zinnerne Kannen und Branntwein, wogegen die Eingeborenen Salz, Getreide, Elefantenzähne , Goldſtaub, Straußenfedern , Ambra und Gummi geben. Daß der Gewinn dabei ein ſehr verſchie
Eingebornen gut, ſo daß ſie von dieſen nichts zu fürchten hatten, und der Handel, beſonders mit Gummi, nahm eine ganz beträchtliche Ausdehnung an.
Ob der Große Kurfürſt noch die erwähnte ſchöne kriegeriſche That erfahren, wiſſen wir nidit, aber als er am 27. April 1688 fein thatenreiches Leben beſchloß, da lag die Frage doch ſehr nahe, ob ſein Sohn und Nachfolger auch in der Verfolgung der Kolonialpolitik auf den Wegen ſeines großen Vaters wandeln werde. Niemand konnte ſich vers hehlen, daß ſo manche Teilnehmer an der Kompanie ihr Geld nur aus ſchuldiger Ehrerbietung gegen ihren Herrn und Meiſter in die Unternehmung geſteckt hatten, und nicht aus Begeiſterung für ſie. Der finanzielle Stand der
Kompanie war auch keineswegs der glänzendſte, und Raule,
dener war, läßt ſich denken ; bei dem Kleiderſtoff Pers
petuane betrug er nur ca. 75 Prozent, bei Gewehren über
140 Prozent , bei Branntwein deren 190 , bei Glasdoſen gar 550.
Die Goldausfuhr war nicht unbeträchtlid),
ſie ſoll in einigen Jahren bis zu 500 Mark Goldes ( 160,000 Gulden holländiſch) betragen haben. Der Vers
ſuch, der im Jahre 1697 gemacht wurde , burch euros päiſche Bergleute auf Gold zu dürfen , wurde bald
wieder aufgegeben , da die Neuankömmlinge in dem uns geſunden Klima bei Großfriedrichsburg wie Fliegen das hinſtarben. Einen Haupthandelsgegenſtand bildeten aber leider die Sklaven ; die brandenburgiſche Rompanie iſt hier
der doch die treibende Feder in dieſer etwas verwidelten Angelegenheit war, hatte ſchon als Ausländer viele Feinde
nicht ſchlechter und nicht beſſer geweſen als die übrigen
und Neider. In unſerer Darſtellung haben wir nun ſchon
der damaligen Zeit, und die Berichte, welche der Chirurg
zum Teil dieſer Zeit vorgegriffen und faktiſch den Beweis erbracht, daß der neue Kurfürſt den redlichſten Willen hatte, „dieſes kommerzienwert zu konſervieren ". So ging auch eine zeitlang alles ruhig ſeinen Weg weiter , aber es fehlte dem Sohne doch die eigentliche Liebe für die Sache , wie dieſe den Vater ausgezeichnet hatte, und der nagende Zweifel, ob es dem neuen Herrſcher auch möglich ſei, den Kolonialbefiß wirklich zu behaupten, regte ſich immer wieder aufs neue. Gegen Raule brady 1689 ein Sturm los,
Dettinger in ſeinem Tagebuche von den Greueln des Sklavens handels gibt , lauten ſchrecklich genug. Meiſtens wurden die Sklaven nach Amerita geſchafft, wo auf der Inſel St. Thomas ein bedeutender Stapelplaß für dieſe Menſchen
der in der ſchweren Anklage gipfelte : er habe ſeinen eigenen Beutel zu ſehr geſpidt , er ſuche das bare Gelb und die wertvollſten Güter in ſeine Hände zu bringen und ähn
ware war.
Mit dem Beginn der neunziger Jahre war die beſte Zeit für die Rompanie und die damit ſo eng verbundenen kolonialen Beſtrebungen vorüber. Schon im Jahre 1688 fuhren gar keine Schiffe nach den Kolonien. 1689 in dem neu ausgebrochenen Krieg mit Frankreich wurden nur zwei Raperſchiffe ausgerüſtet, 1690 wurden allerdings drei
Schiffe nach Großfriedrichsburg , zwei nach St. Thomas
- aber der gewandte Mann ſchlug ihn ſiegreich ab.
geſandt, und 1691 tamen auf drei Schiffen 80-100 Mann
Er konnte fide rechtfertigen, und wenn er auch nur zu ſehr
zur Ablöſung nach Großfriedrichsburg. Ende 1692 langten
empfand, daß mit dem Großen Kurfürſten ſeine hauptſäch
dort die leßten nötigen Geſchüße an ; aber nur mit der größ
lichſte Stüße gefallen ſei , ſo bedurfte der neue Kurfürſt doch ſeiner Dienſte bei der Belagerung von Bonn allzu ſehr, um ihn ganz ſinken zu laſſen. Durch die Einſeßung
ten Mühe hielt ſich die Rompanie über Waſſer ; man hatte
liches
der Oberadmiralität war indeſſen ſein Einfluß weſentlich gemindert. Auch brachten die Guineafahrten durchaus keinen reichen Gewinn. Es iſt bedauerlich , daß in den vorliegenden Quellen die eigentlichen kommerziellen Nach richten ſehr dürftig ſind und uns daher nur ein ſehr uns
zu klagen über vielerlei Verluſte, Unglüdsfälle und Schiff brud , über Raperei und aud Unredlichkeit der Beamten. Nur durch neue Dpfer , durch verſchiedene Transaktionen ,
deren nähere Ausführung über den Rahmen dieſer Skizze hinausgeht, wurde ſie 1691 vor dem Zuſammenbrud gerettet. Der erſehnte Aufſchwung, welchen man nach dem Rys: wyker Frieden erwartete , traf nicht ein ; zwar verfolgten
genügendes Bild von dem Verkehr geben, der zwiſchen den
die Franzoſen ihre Anſprüche auf Arguin, welche ſie eben
Rolonien und dem Mutterlande herrſchte.
nach jenem Frieden für die Senegalkompanie erhoben,
Wie viele Kriegsſchiffe, wie viele Handelsfahrer jene Reiſe, die jedesmal mindeſtens drei Monate koſtete, zurüds
nicht weiter , aber die Ungnade, in welche der Miniſter Dandelmann fiel, hatte auch den Sturz Raules zur Folge ; er wurde 1698 ,,wegen gewiſſer Malverſationen" verhaftet
legten , darüber fehlen uns leider ganz genaue Zahlen, ebenſowenig kennen wir die Zahl der Schiffe , welche überhaupt in den preußiſchen Stationen anlegten ; unbes deutend war die Zahl der leßteren nicht, eine Notiz meldet, daß in der Zeit vom 13. Mai bis 14. Juli 1712 vierzehn Schiffe, verſchiedenen Nationalitäten angehörend, bei Großa
und in Spandau gefangen gehalten. Dies und die Un einigkeit der Intereſſenten wirkte lähmend auf den Fort gang der Sache. 1698 wurde wieder kein Schiff nach
Guinea abgeſandt, und zu allem Unglüd gingen auch drei Schiffe in enem Jahre verloren. Nody war freilich ein
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Kurbrandenburg an der Weſtküſte von Afrika.
ziemlich ſtarker Perſonenbeſtand von Europäern in den Kolonien ; in Großfriedrideburg zählte man außer zahl: reichen Rompaniebeamten und Handwerkeleuten über vierzig Soldaten , in Arguin waren es gegen zwanzig , für die damalige Zeit immerhin ganz beträchtliche Garniſonen . Wir wiſſen nicht, ob dieſe Koloniſten ſtets ein ſo idylliſdes Daſein geführt haben, wie es der Kaufmann Hans Chri ſtian Düring von Arguin , das ein ſehr geſundes Klima hatte , etwas ſpäter beſchreibt: „ Wir haben gegeſſen , ſpazieren gegangen, einer den andern angeſehen, bisweilen
war die „ Fortuna " dorthin geſandt worden , aber trok des Namens hatte das Schiff kein Glüc , es wurde bei Finisterre von den Franzoſeri gekapert, und die „ Freund lichkeit", welche an ihre Stelle trat , hatte nach verſchie denen Fährlichkeiten dasſelbe Los. Die Frauen und Witwen der nad Guinea geſandten Beamten und Sols daten baten dringend um ihre rüdſtändigen Gagen, und die Unterbeamten in Europa erklärten, „ſie ſeien ſo übel
daran, daß ſie fämtlich krepieren müßten , wenn ſich nicht der König ihrer annehme" . Einmal noch gelang es, auf
gefiſcht und immer in der guten Hoffnung gelebt, es würde
drei gemieteten (! ) Schiffen ſowohl nach Großfriedricheburg,
ein Schiff mit Ladung kommen ; weil aber keines kam, bin ich zu meinem Leidweſen allzeit müßig geweſen " , aber dieſe luſtigen Worte haben einen tiefernſten Hintergrund,
als nach Arguin Ablöſung und Vorräte auf zwei Jahre
urſacht wurde, wechſelte ab mit der anderen , ſo lange als
zu bringen und die Afrifamüden in die Heimat zurückzu : führen ( 1709) ; es war dies aber die leßte Anſtrengung König Friedriche I. für ſeine Kolonien. Glüdlich bes wahrte er ſie nod über die Wechſelfälle des ſpaniſchen Erbfolgekrieges ; das Schidſal der Kompanie aber konnte und wollte er nicht aufhalten ; durch ein königliches Manis feſt vom 18. Mai 1711 wurden alle Ditrois aufgehoben, die Aktien und ſonſtigen Anſprüche für erloſchen und die ganze Kompanie mit allen Effelten, Schiffen, Forts und Magazinen für heimgefallen , d. h. für fönigliches Alein eigentum , erklärt . Auch das Schidſal der Kolonien war von dort an
nur irgend möglich die Kolonien zu erhalten.
beſiegelt; zwar verſtand der neue und lebte Generaldirektor
denn ſie zeigen mehr als viele andere den allmählichen Verfall der Unternehmung .
Im Dezember 1699 tauchte bei dem Kurfürſten zum erſtenmal der Gedanke auf, die Kolonien ſamt den Forts,
Logen und ſonſtigen Appertinenzien gegen ein Stück Geld zu verkaufen. 1703 wurde der Plan ernſtlicher erwogen , es kam aber nicht dazu, weil ſich kein Räufer fand. Aber dieſe Neigung, welde zum größten Teile durch die ſchlimmen finanziellen Verhältniſſe der Kompanie vers
Mühſam unter neuen Dpfern der Teilnehmer ſchleppte
die Kompanie ihr Daſein dahin. Auf die Bitten derſelben war Raule, deſſen Unterſuchung im Jahre 1700 niederge dylagen worden war , der aber immer noch gefangen ges halten wurde, am 12. Mai 1702 aus ſeiner Haft entlaſſen
von Großfriedrichsburg, Dubois, ,,ein Mann von Erperienz und Wiſſenſchaft", der eben 1711 eintraf, noch einmal der
preußiſchen Flagge die Stellung zu geben, welche ſie früher
aber die Vorſchläge , die er machte , führten aus Mangel an Geld zu feinem Reſultat. Der ſpaniſde Erbfolgefrieg
in jener Gegend eingenommen . Alfada, das eine Zeit lang von den Holländern beſeßt geweſen , fam wieder in preußiſche Hände ; der Krieg zwiſchen den europäiſchen Nationen und ihren Negern wurde gütlich beigelegt , die vordem Preußen untergebenen Häuptlinge ichwuren aufs neue Treue, und beſonders an dem energiſden Häuptling
wirfte ſehr lähmend , die vier Schiffe der Kompanie, zu : ſammen von 130 Kanonen , verſaulten im Hafen ; in
famen allerdings feine mehr von Preußen ausgeſandt,
St. Thomas redyneten die Dänen ſicher auf den baldigen
Dubois mußte den Unterhalt für ſid und ſeine Bedienſte:
worden.
Die Kerkerluft hatte den Mut und die Unter:
nehmungsluſt des ſiebzigjährigen Mannes nicht gebrochen,
Jan Conny hatte Dubois eine zuverläſſige Stüße. Schiffe
Zuſammenbrud, der Geſellſdaft und thaten alles, um ibn
ten durd) Handel mit Schmugglerſchiffen , welche auf der
zu beſchleunigen ; die Neger drohten, die geld loſſenen Ver: träge zu brechen, wenn man ſie nid) t beſſer mit den nöti gen Waren verſorge ; der König von Arguin jandte jogar
Reede von Großfriedrichsburg anlegten , gewinnen. Ein
ſeinen Neffen , „deſſen Erterieur allerdings nicht abzu:
nehinen war, daß er eines Königs Neffe ſei" , nad Europa, um die Kompanie an ihren Vertrag zu mahnen . In den Kolonien verlangten die Europäer dringend ihre Ablöjung,
in Arguin bildeten im Jahre 1704 adyt Brandenburger die Garniſon ; es gelang der Kompanie einhundert Thaler aufzunehmen (!) und mit Unterſtüßung des Königs Lebens mittel und Penſion dorthin zu ſdicken. In Guinea be trug die Garniſon ( 1707) ſiebenundzwanzig Mann , wovon die meiſten frank waren. Ein fedhajähriger Krieg unter den Eingeborenen hatte den Handel faſt vernichtet , doch betrug im Jahre 1704 der Wert der Waren und des ge ſammelten Goldes 154 Mart (gegen 60,000 Gulden ). 1705
gemietetes holländiſches Schiff, das 1716 nach Guinea
fuhr , um den Feſtungen den nötigen Bedarf zu bringen, wurde troß der preußiſden Flagge und Wimpel von den Holländern konfisziert und nicht mehr freigegeben. König Friedrid Wilhelm I. , der 1713 feinem
Vater auf dem
Throne folgte, verlor dadurd vollends alle Freude an den Kolonien ; von Anfang an hatte er ihnen nur geringe
Neigung entgegengebracht, ſeiner auf die nächſten praktiſchen Ziele gerichteten Politit, jeiner haushälteriſchen Sparſam feit war „ das afrikaniſche Kommerzienweſen “, das bis dahin
zwei Millionen Thaler gekoſtet hatte, eine „ Schimäre" ; die paar Orte in Afrika , ein baufälliges Haus in Emden, einige im Hafen vermodernde Schiffe wogen die vielen
Verluſte und den großen Verdruß wegen der Kolliſionen mit den anderen Mädyten bei weitem nicht auf. Auch der
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Kurbrandenburg an der Weſtkiiſte von Afrika .
königliche Wunſd, 150 bis „, 160 Stück Mohren (wohlge: wachſene Mannsneger) zu erhalten, die man als Soboiſten beim Militär benußen fönne", kam dagegen nicht in Betracht.
So war er „ aus wichtigen wohlüberlegten Urſachen" von Anfang an entſchloſſen, die ſämtlichen Beſißungen in Afrika unter billigen Bedingungen zu verkaufen. Aber es währte lange, bis ein paſſender Käufer gefunden wurde. Endlid erſtand die holländiſch -weſtindiſche Kompanie
dies nicht bezahlen wollten , wurden zehn Briten gefangen
gehalten und erſt gegen ein Löſegeld von ſechs Unzen Gold freigegeben. 1724 ' wurde er endlich verjagt ; die Holländer behielten das Fort, das den Namen Conny eine Zeit lang führte, bis ſie dieſe weſtafrikaniſden Beſitungen an England verkauften . Auch der Verkauf von Arguin endete mit einem friegeriſchen Nachſpiele. Dort verſuchte die franzöſiſche Senegalkompanie das Fort, das im Jahre 1720 nur noch vier Chriſten als Garniſon zählte, in ihre Gewalt zu be
um 6000 Dufaten ſämtliche preußiſche Kolonien in Groß friedrichsburg, Arguin , Taffarma und Affada mit all ihren Kanonen , der Munition und allen Befeſtigungen (Vertrag vom 18. Dezember 1717). Es war ein Bettel preis, um welchen dieſe Beſißungen dahingegeben wurden ; aber der König wollte die Sache los ſein , und die Hols länder , welche ihren Nebenbuhler nun glücklich zu Boden gerungen hatten, drüdten dadurch den Preis ſehr herunter, daß ſie das Gerücht, der Negerhäuptling Jan Conny werde ſich ihrer Botmäßigkeit nur gezwungen unterwerfen , ſtark betonten. Die Folgezeit beſtätigte dies zum eigenen Un: glüd der Holländer. Db Conny glaubte, jeßt völlige Un
Rugeln umgießen und beſaßen auch feine Arzneimittel.
abhängigkeit erringen und die preußiſơen Beſißungen für
In der Nacht des 9. März verließen ſie beim Eintritt der
fich beanſpruchen zu dürfen, ob er wirklich Anhänglich
Ebbe das halbzerſtörte Fort und retteten ſich auf Schiffen
feit an das Banner mit dem roten Adler hatte, jedenfalls
ans Feſtland, nachdem ſie, man darf es wohl ſagen, bis zum leßten Augenblid die Ehre des preußiſchen Namens
erklärte der ſchlaue Neger , den Holländern das Fort Großfriedrichsburg nicht zu übergeben, ſondern nur einem Schiffe, das dem König von Preußen zugehöre , wie er auch dem leßten Direftor bei deſſen Wegzug verſprochen
habe, ein Jahr lang das Fort für den König von Preußen zu bewahren. Umſonſt zeigten die Holländer Kaufbriefe und Vollmacht; nun verſuchten ſie es mit Gewalt : ſie landeten fünfzig Mann, „ und weil die Mohren ſich während der Ausſchiffung ſehr ſtill verhielten, ſo hat man ſich flattiert,
kommen .
Da Unterhandlungen nichts fruchteten , landeten
am 26. Februar 1721 700 Franzoſen mit zahlreichem Ges ſchüß. Die drei preußiſchen Soldaten mit dem holländi den Befehlshaber van Wijnen und 40 Mohren gaben auch jeßt das Kaſtell nicht auf ; bis zum 9. März erdul deten ſie eine regelmäßige Belagerung, bei welcher die Franzoſen zwei Batterien erbauten und durch dieſe die Bruſtwehr demolierten und eine Breſche ſchoffen. Die Bes
lagerten hatten wenig Munition , mußten ihr Zinn zu
hoch gehalten hatten.
Am 11. Januar 1722 wurde das
Kaſtell den Franzoſen wieder von den Holländern abs genommen.
So war alſo kein Fleden afrikaniſchen Landes mehr in preußiſdem Beſit ; das koloniale Unternehmen , das
ſtets den Charakter einer Handels- und nicht einer Aus: wandererkolonie hatte , das mit ſo vielen Hoffnungen und unter großen Dpfern ſo lange erhalten worden, war
als hätten ſie das Fort verlaſſen. Aber wie die Leute
jeßt zu Grabe getragen. Die Rüdwirkung der europäis
von der weſtindiſchen Kompanie an das Fort marſchiert, wurden ſie von 1800 Schwarzen , welche ſich in einer Hinterlage gelegt, dergeſtalt mit Diusfetenſchüſſen begrüßt, daß von den fünfzig Dann faſt feiner wieder zurüdges
îchen Kriege , in welche Preußen verwickelt war , die Un gunſt ſeiner Lage und die Mißgunſt der anderen Mächte trugen hauptſächlich die Schuld daran. Die preußiſche Politik wandte ſich im 18. Jahrhundert anderen Zielen zu, und wenn auch die Reiſebeſchreibungen jener und ſpäterer Zeit von Großfriedrichsburg und von der Gedichte jener
tommen" und der Kapitän van der Hoeven mußte ſich mit Sdwimmen nach dem Schiff ſalvieren. Aus den Steinen
des Forts hatte Conny ſich in einiger Entfernung von dem felben ein großes Haus erbaut. Sechs lange Jahre machte der ſtreitbare Neger den Holländern zu ſchaffen;
Unternehmungen manches berichten , im eigenen Volfe trat die Erinnerung an dieſe Epiſode ziemlich in den Hinters grund. Wie die tropiſchen Schlingpflanzen Fort und
gewaltig waren ihre Verluſte an Meniden und Geld.
Wall von Großfriebridsburg überwucherten, ſo wob die raſch
Nach dem Berichte eines Reiſenden (aus dem Jahre 1727) hatte der Barbar den Weg von dem Fort bis ans Thor ſeiner Wohnung mit Schädeln erſchlagener Holländer pflaſtern laſſen , und den größten Schädel ließ er in Silber
ſich bildende Sage einen Fabelſchleier über jene Zeit.
Eine derſelben , welche durch einen zuverläſſigen Zeugen uns überliefert iſt, möge zum Schluß hier ihre Stelle finden.
faſſen , um ſich ſeiner als Trinkſchale zu bedienen. Nady
Als der wacere Rolberger Nettelbeck auf ſeinen See
anderen Berichten waren die Schädel am Eingange des Hauſes angebracht. Später ließ er ſie in eine Kiſte legen mit etwas Branntwein, Pfeifen und Tabat und verſdarren .
fahrten am Ende des vorigen Jahrhunderts in jene Ge gend fam , wurde er von dem Befehlshaber von Arim,
Ueber die Gegend übte er ſeine Herrſchaft energiſch aus,
macht, daß Fort Arim früher eine Beſißung des Großen
für das Waſſerfaſſen ließ er ſich von jedem Sdiffe eine Unze Goldes bezahlen, und als 1721 Jobann Atkins Leute
8, 211 ff.
Ausland 1890, Nr. 13 .
einem gebornen Hannoveraner , darauf aufmerkſam ge 1 Vgl . Ehrmann, „ Geſchichte der merkwürdigſten Reiſen “ . 38
Durch den Süden Meritos und durch Zentral -Ainerita.
246
Arim habe urſprünglich den Spaniern gehört ; als
eine Menge von menſchlichen Fußſpuren und auch von kleineren Tieren deutlich und zahlreich zu Tage gekommen waren. Eine intereſſantere Erinnerung an die alte Zeit waren mir große , einſeitig weit ausgebauchte ſchwarz thönerne Töpfe mit einem , und zwar immer dem gleichen , Tiergeſichte darauf. Der öſterreichiſche Konſul, ein eifriger
Kurfürſt Friedrich Wilhelm von dieſen die ausbedungenen
Sammler indianiſder Altertümer, hatte eine größere Ans
Subſidien nicht erhielt, habe er in Hamburg eine kleine Flotte ausrüſten laſſen, 500 Mann eingeſchifft, Arim er:
zahl davon in ſeinem Hofe und hält ſie für Gräber
Kurfürſten geweſen, und erſt 1718 an Holland durch Rauf übergegangen ſei. Er zeigte ihm die Akten darüber, ſowie ſechs alte brandenburgiſche Kanonen , die noch auf
einer Batterie aufgepflanzt ſtanden, und erzählte folgende Geſchichte :
obert und ſich neun Jabre dort bebauptet. Während dieſer
Man findet dieſelben nicht in fünſtlichen Hügeln, aud in der Ebene nicht in größeren Mengen neben:
Zeit , wo der brandenburgiſche Gouverneur aud noch das
einander, ſondern einzeln verſtreut im Lande.
urnen .
zwei und eine halbe Meile öſtlich davon gelegene Fort
Bei den Gluten , unter denen ich meine Tage im
Friedrichsburg gegründet, ſei von Hamburg und Emden aus
Lande zu verleben hatte, pries ich deutiden Unternehmungs geiſt, der hier in Managua eine Eisfabrik ins Leben
ein lebhafter Handel dorthin betrieben worden , bis dieſe Befeſtigungen die Unzufriedenbeit der benad barten Neger:
ſtämme aufgeregt und dieſe die Beſaßungen beider Pläße überrumpelt und niedergemacht hätten . Dem damaligen Gouverneur ſei es zwar geglüdt, ſich mit einigen wenigen Gefährten in das Pulver Magazin zu flüchten ; doch habe
er vurgezogen, ſich lieber mit demſelben freiwillig in die Luft zu ſprengen , als unter den Händen der Neger einen marter: vollen Tod zu dulden . Dieſe hätten dann beide Forts ſpoliiert und dem Erdboden gleichgemacht. Solchergeſtalt hätten dieſe Pläße dreißig Jahre lang in Schutt und Verwüſtung gelegen , bis König Friedrich Wilhelm I. ſeine Anſprüche auf dieſe Belitungen an Holland gegen eine
Summe von 200,000 Gulden überlaſſen habe. 1
gerufen hat und täglich ihr Produft nach Leon und Corinto,
ſowie nach Granada verſandte. Denn dorthin führt in Länge von 65 engl. Meilen eine Eiſenbahn , auf der ich zus nächſt, mit dem betrübenden Ausblid in ein weites Ge: ſtrüppland, bis zum Städtden Maſjaya fubr. Es iſt ein betriebſamer Ort , wo man gute Sattlerarbeit , Baum
wollenzeuge, Stride und Hängematten , Matten und Hüte fertigt. Mich hatte zu meinem Beſude der döne, ſtille Kraterjee veranlaßt, zu dem ſich der Ort im Weſten auss
dehnt; unvermutet blidt man auf ihn hinab durch die Kronen alter Bäume, welche die diesjeits faſt ſenkrechte Wand
bis zum Waſſerſpiegel bejeßt halten. Das jenſeitige Ufer iſt flader anſteigend, und dort ſteht der Vulkan Maſaya. Nach Granada brachte mich in einer halbſtündigen
Bahnfahrt der nächſte Tag, welchem dann leider fünf weitere eines ſehr unbehaglichen , gezwungenen Aufent
Durch den Süden Mexikos und durch Zentral-Amerika .
baltes zu folgen hatten. Daß die Stadt - man ſagt, fie folle 10,000 Einwohner haben - nichts Sehenswertes -
Von Guſtav Pauli.
bietet , brauche ich kaum noch zu erwähnen.
Getrennt
( Schluß . )
von dem See durch Gärten mit hohen Bäumen , fann
Managua iſt 61 km von hier entſernt, und in etwas mehr als drei Stunden brachte mich ein kleiner Dampfer binüber. Durch die ungepflaſterten Straßen der 15,000 Ein : wohner zählenden Stadt jagte der Wind einen unſäglichen Staub ; ich fand ein Unterkommen in dem einzig möglichen
deſſen Nähe keine Kühlung bringen, und der Luftzug reicht nur hin , um den Staub in den ungepflaſterten Straßen in Bewegung zu ſeßen. Die Hiße war in jenen Tagen eine ſo geſteigerte, daß
ſelbſt ältere europäiſche Reſis
Gaſthofe, der mit allen landesübliden Mängeln ausgeſtattet
denten ſie noch kaum erlebt zu haben glaubten. Granada liegt in einer Ebene, aus der im Norden
war. In Managua hat die Regierung ihren Sit, an deren Spiße im Augenblick der Präſident Carazo ſteht, ein
der 5000 Fuß hohe Vulfan Mombadi aufſteigt. Die Küſtenfordillere ſieht man von hier nicht. Ein recht guter
Mann von viel natürlichem Verſtande , der ſeinen Lebens:
Stadt in der Küſtenfordillere , namentlich um Segovia,
Tabak wird in der Gegend gebaut, und die am Orte fabric zierten Zigarren ſind wohlfeil ; man ſieht ſie faſt in jedem Munde, auch dem der Frauen. Auch ein Rafao von großem Rufe gedeiht dort, von dem aber angeblich nichts
ſind die größten und wertvollſten Kaffeekulturen gelegen.
ins Ausland kommt.
Ganz in der Nähe der Stadt befand
Granada offenbar der bedeutendſte Plaß.
weg vom Eſelstreiber zum Haciendenbeſißer und nun zum Präſidentenſtuhl ſid gebahnt hat. Weſtlich der
ſidein merf
würdiger Steinbrudy : in einer Tiefe von vierzehn Fuß unter drei , wechſelnd lidten und dywarzen , Sdichten
Für das Geſchäft in Gummi iſt
Der Handel mit Spirituoſen iſt in den Händen der
Regierung , dieſelbe fauft den „ Guaro", wie das Volt
von vulfanijden Tuffen , die man als Bauſteine benußte,
bier das Probuft des Zuckerrohres , den Aguardiente , nennt,
war man auf eine Sdılammablagerung geſtoßen , in der
24prozentig und veräußert zu 17 Prozent.
I
1 „ Joachim Nettelbed . 1821. 2, 15 fi .
Eine Lebensbeſchreibung. "
Halle
Stärker, woblidmedender und teurer iſt eine, wie id
i glaube von Coſtarica, geſchmuggelte Ware, Cuzuſo genannt.
Durch den Siiden Meritos und durch Zentral-Amerita.
247
Der Schmuggel foll übrigens auch ſonſt noch fleißin
S. Dbaldo , am frühen Morgen S. Miguelita an und
geübt werden und einige Firmen des Landes raſch zu
lagen um 10 Uhr vormittags unter dem Fort S. Carlos
Wohlſtand gebracht haben . Neben Aguardiente iſt der aus Maie ( Pinol) und Kakao hergeſtellte Tiſte ein ſehr
Häufige Regen , die hier jeßt ſchon fallen, laſſen das Land
beliebtes Volfsgetränk .
ringsum in ſo friſchem Grün erſcheinen , wie id es feit
am Austritte des S. Juan aus dem See von Nicaragua.
entlang an zahlreichen kleinen vulfaniſchen Eilanden vorbei
langen Monaten nicht mehr geſehen. Prachtvoll bauen ſich nach Süden die Berge von Coſtarica auf, unter denen der Regel des Vulkans „ Irazu " eine dominierende Stel lung einnimmt. Gegenüber von S. Carlos mündet der
und freuzte dann zur Inſel Zapatera hinüber , auf der
Rio Frio, von Süden kommend.
Endlich kam der Tag meiner Erlöſung : ein Dampfer verließ Granada !
Die kleine „ Viftoria“ nahm ihren Kurs ſüdlich der Küſte
man zahlreiche indianiſde Skulpturwerke gefunden hat.
Wir hatten hier den erſten Dampferwechſel vorzu :
Bald erſcheint vor uns die größte Inſel des Sees, auf der
nehmen , den der niedrige Waſſerſtand des Fluſſes nots
zunächſt der Vulfan Ometepe (5100 Fuß) aufſteigt; derſelbe
wendig machte.
hatte im Jahre 1885 ſeinen legten Ausbruch , vor dem die ganze Bewohnerſchaft die Flucht ergreifen mußte. Es
fladere, aus dem Fluſſe femmende Boot an unſere Seite , Aber erſt am anderen Vormittag überlieferte die ,,Vif: toria " einen Teil ihrer Ladung an Kaffee, Gummi und Räje
war ein Augenzeuge jęner Kataſtrophe an Bord , der er: zählte, wie zuerſt Schlamm ſich ergoſſen, dann ein Aſchens auswurf erfolgt und ſchließlid Lava, ichöne Kulturen ver
beerend , dem Berge entſtrömt ſei. Nur in der Regenzeit getrennt, jeßt mit Dmetepe eine Inſel bildend, ſteht ſüd lich die Pyramide des Bulfans Madeira (4190 Fuß). S. Jorge, der Haltepunkt für das eine Legua landein wärts gelegene Rivas, iſt unſer nächſtes Ziel. Ein wenig
Spät am Abend erſt legte ſich das
der kleinen ,, Managua " ab, und mittags gingen wir den Fluß binab, an deſſen Ufern eine üppige Waldvegetation ihre Macht entfaltete. Nad zwei Stunden idon , wo das Flüßchen Los Sables von links mündet , findet unſere
Fahrt in einer Barre ein neues Hindernis, und ein noch kleinerer Dampfer liegt zu unſerer Aufnahme dort bereit ;
ſüdlich von biur, das Thal des Rio Lajas bis an den Fuß
„ Adele" war ſein Name. Auf einer Lichtung an dieſem Punkte hat ein Deutſcher eine hübſche Bananenpflanzung
der nur wie eine Hügelkette erſcheinenden , betaldeten
angelegt und hält auch eine kleine Herde Fornvieh. Auf
Ruſtentordillere benußend, will das amerikaniſche Ranals
wärts am Nebenfluſſe, 25 km entfernt, liegt eine engliſche
projekt den Durdyſtich zum Meere ausführen , der , etwas nördlich von S. Juan del Sur , in der kleinen Bucht
Goldmine im Quarzſand, ſie ſoll bis jeßt aber nur die
Briton enden ſoll.
Die ganze Länge der fünftigen Fabrſtraße von Meer zu Meer beträgt 169.8 engl. Meilen (273,209 m ). Durch eine
Eindämmung von 53 Fuß Höhe beim Durchbruche des S. Juan durch die öſtliche Kordillere, einen Bau, den die Einſattelung des Gebirges hier im Weſten nicht nötig madt, wird 110 Fuß über den beiden Meeren eine Waſſers fläche von 141 engl. Meilen ( 226,869 mi) hergeſtellt. Beiders jeits werden dieſe 110 Fuß durch je drei Schleuſen übers
wunden, ſo daß alſo für den eigentlichen Kanalbau 28,8 engl. Meilen (46,340 m .) übrig bleiben , von denen auf den
Auslagen deden können. Begreiflicherweiſe war auf den Schiffen die Koſt eine jammervolle, und nur die idwarzen „ Frijoles " ( Bohnen ), ein Gericht, das bekanntlich bei teiner Mahlzeit fehlt, fos weit im Nord und Süd des Weltteils eine Zunge ros
maniſche Sprache redet, brachten immer wieder dem Magen Troſt in ſo manchem Leid, das man ihm zufügen mußte. Abends waren wir in Caſtillo.
Bei guten Waſſerverhältniſſen kann der Dampfer von Carlos bis hierher durchfahren , wo die vorhandenen Strom ſchnellen ſelbſt in der Regenzeit unpaſſierbar ſind. Das erſte Haus im Städtchen iſt der Warenſchuppen der Dampf ſchiffsgeſellſchaft, vor dem wir anlegen . Bis über die
Dſten 20 engl. Meilen kommen. Da die öſtlide Rors dillere und auch das ſüdliche Gebirgeland von Coſtarica ibre meiſten Wäſjer in den See ſenden , iſt keine Sorge vorhanden, daß durch die Anzapfung desſelben von Weſten
Schnellen, deren Rauſchen wir hören , zieht ſich an der ſteilen Bergtvand in meiſt einer Häuſerrreihe der Ort am
den Schleuſen jemals das erforderliche Waſſer mangeln werde. Der Fluß S. Juan iſt durchweg von genügender
100 Fuß, ſieht man die Mauern des Caſtillo, das eine kleine Beſaßung . Das linke Ufer ſteigt über friſdgrünes Weideland zu den betaldeten höheren Bergen auf, die
Breite für eine frequente Waſſerſtraße, nur wird trop der
Hebung ſeines Niveaus eine Vertiefung ſeines Bettes und des Seeufers im Weſten und Dſten notwendig ſein, die bei bem felfigen Grunde allerdings nicht unerhebliche Koſten
rechten Ufer hin. Ueber ihm, in einer Höhe von etwa
allſeitig das Bild abſchließen. Kommt der Kanal zuſtande, ſo würden die Bewohner von Caſtillo ihre Häuschen räumen müſſen , da dieſelben
verurſachen dürfte. Die größte Tiefe des Sees ſoll 83 Fuß betragen. Das wäre in Kürze ein Bild des großen Werkes,
nur wenige Fuß über dem Fluſſe liegen .
das man ſich zur Aufgabe geſtellt hat ; möge es gelingen ! Wir nahmen nachmittags vier Uhr unſere Fahrt
Ueberſchiffung der Güter und des Gepädes auf den nun
wiederum auf. Um Mitternadyt liefen wir am öſtlichen Ufer
Am Morgen des fünften Tages war icon zeitig die vierten Dampfer geſchehen. Herrlicher denn zuvor trat der Urwald an die Ufer heran ; aber die Tage ſeines
Durch den Siiden Merikos und durch Zentral-Amerifa.
248
Friedens und ſeiner unbeſtrittenen Herrſchaft mögen ges
liſche Goldmine von Nicaragua, am See und erſt nächſten
zählt ſein ! Auf kleinen Inſeln im ſchönen , ſtattlichen Fluſſe und an den Ufern hin wächſt das hohe, grobe Gras,
Tages zu Mittag fann unſere kleine, in Geduld geprüfte Geſellſchaft den Ort verlaſſen. Nur mit dweren Dpfern fann natürlich in der trođenen Zeit der Verkehr auf dem Fluſſe unterhalten werden , der ſich in der Regenzeit auch diesſeits ohne Umladung bis
das man Gamalota nennt.
Nach wenigen Stunden ſchon gelangen wir zu den zweiten felſigen Hinderniſſen , und ein großes Boot , ein
,,bongo“ , nimmt uns und das Unſrige auf, und geſchidt durchſteuert man das ſchäumende und rauſchende Klippen gewirre bis an die Seite eines von unten angelangten Dampfers.
Derſelbe iſt vollbejeßt mit Reifenden
fürs
Junere, mit denen wir nun nach heillofem Durcheinander die Pläße zu tauſchen haben, unter der erſchwerenden Zu gabe einer tropiſchen Urwaldſtidluft. Mit Caſtillo näm: lich ſind wir ſchon ganz in den Bereich des öſtlichen Küſtenkiimas eingetreten, in dem keine ſtrenge Sdheidung zwiſchen trođener und naſſer Zeit vorhanden iſt, und die .
Sonne brütet bide Luft aus dem durchtränkten Boden.
Um 3 Uhr nachmittags erſt iſt der „ Hollenbeet" flar, Wir freuzen bald die Mündung des Fluſſes S. Carlos,
der von Coſtarica herabkommt, wo er in der Gegend des Vulfans Cartago entſpringen ſoll. Er iſt ein waſſerreicher Fluß , und von hier aus mit Bongos eine Tagereiſe weit
Caſtillo vollzieht. Aber die Inhaber der Schiffsberechtigung bringen dieſe Opfer mit etwas leichterem Herzen, weil ſie auf eine hohe Entſchädigung für dieſelben von Seiten der Kanalgeſellſchaft hoffen dürfen.. Als wir vor der ges fürchteten Barre des S. Juan eintrafen , erwartete uns
ein flaches, offenes Boot und jenſeit derſelben der ſiebente Dampfer, um uns endlich am ſiebenten Tage in Greytown ans Land zu ſeßen.
Eigentlich heißt der Ort S. Juan , die Engländer aber tauften ihn nach einem Gouverneur der von hier
nach Norden ſich erſtreckenden Moskito -Küſte, wo ſie ihr Pro teftorat aufgedrängt hatten, Greytown. Gegen dieſes Pros teftorat erhoben die Vereinigten Staaten ſo energijden
Widerſpruch, daß es 1861 in Managua zur Abtretung desſelben an die Republik Nicaragua fam. Greytown iſt Freibafen und ſieht mit Spannung den großen Dingen
[diffbar. An ſeiner Mündung ſteht ein freundliches Zoll haus der Republik Coſtarica, deren Territorium von nun ab zur
entgegen, die es aus ſeiner weltvergeſſenen Exiſtenz reißen
Rechten dem Fluſſe folgt, wo noch mehrere Bananenpflan : zungen , deren Frucht von hier ab Gegenſtand eines ſchwunga baften Handels nach den Vereinigten Staaten iſt, den Urwald verdrängt haben. Die Häuſer der Pflanzer, mit Sdatten bäumen und Blumen umgeben , ſehen ſich wohlhäbig an. Ein ſehr alter Grenzſtreit zwiſchen Nicaragua und Coſta rica, deſſen Objekt der Strich Landes iſt, den wir nun zur Rechten haben , erwartete ſeine endliche Löſung durch den angerufenen Schiedsrichterſpruch des Präſidenten
Geld hat, fauft Grund und Boden an für die Stadt der
Cleveland .
und zu einem weltbefannten Plaße machen können. Wer Zukunft, auch die Spielhöllenmänner halten ſich ihr Pläß dhen geſichert.
3 bin hier eigentlich am Ziel meiner Arbeit, will aber noch einige Nachrichten über die Moskito -Küſte anfügen, wie ſie mir ein bort anſäſſiger und von dort kommender
Landsmann überlieferte. Es war die Abſicht geweſen, in derſelben eine Reſervation für die Indianer zu ſchaffen . Der König aber heiratete eine Negerin und fam dadurch ganz in die Hände dieſer aus Weſtindien eingewanderten
Im Dunkeln kamen wir zur Inſel S. Francisco, auf
Raſſe , die heute bereits die herrſdende im Lande iſt.
welder der leitende Ingenieur Menocal ſein Hauptquartier hatte, deſſen Zelte unter den Bäumen fidhtbar wurden . Der Arzt, der, um ſeine Landsleute zu begrüßen , an Bord kam , rühinte das geſunde Klima der Gegend. Fieber träten
Jenem Indianerkönig folgte ein halbblütiger Verwandter, der ſich dem Trunfe ergab und ſchließlich an Gift ſtarb .
Arbeiten er deinen. Nicht fern oberhalb der Inſel follten
Der jeßige Herrſcher, ein noch junger Mann , iſt ein willenloſes Werkzeug der Neger. Die Indianer ſind machtlos geworden , die Neger teilen ſich in den Ertrag des Landes und laſſen die eigentlichen Herren desſelben
die Baffin- und Schleuſenbauten hergeſtellt werden.
darben.
hier niemals auf, fie möchten denn mit dem Beginne der
Yankees ſind ins Land gekommen und erhalten
Um 5 Uhr idon am nächſten Morgen aufbrechend,
von den Negern. Land zu Kulturen, die damit nicht allein
gelangen wir bald zu dem Punkte, wo der Rio Colorado
die Redite älterer Anſiedler verleßen, ſondern auch Uebers griffe in das Gebiet von Nicaragua machen ſollen. Auf
genannte ſüdliche Ausfluß des S. Juan ſich von dieſem abzweigt. Nur auf dem leßteren kann man in der trockenen Zeit zum Meere gelangen , der S. Juan bekonimt dann zu wenig Waſſer, und die Dampfichiffahrts- Geſellſchaft bat ſich für die Benußung des Rio Colorado , den Coſtarica
beanſprudyt, mit der dortigen Regierung abzufinden. Vor der Barre endet unſere Fahrt, uns erwartet vor dem Coſtaricaer Zolhauſe daſelbſt eine neue Umſchiffung. Aber unſer ſediſter Dampfer von Greytown erſcheint erſt am Abend, iſt ſd wer beladen mit Maldinenſtüden für eine eng
60,000 Dollars follen ſich die Einfünfte des Landes bes laufen , von denen 1500 Dollars dem König gezahlt werden .
Mit dem Gummi, deſſen Gewinnung frei iſt und der früher eine große Ausfuhr gab , geht es zu Ende ! Man tötet die Bäume, ben Samen verzehrt das Wild, an Ans
pflanzungen denkt man nicht. Die Banane, für die neuers
dings eine ſo große Nachfrage im Norden herrſcht, iſt Artifel, der dem Lande aufhelfen kann .
Das Unterrichtsweſen in Bolivia.
Die Indianer der Küſte find noch Heiden , an deren Bekehrung angeblid deutſche Herrnhuter arbeiten.
249
unter dem Thorgang zuſammen buchſtabierten, klingt uns jeßt noch als Reminiscenz an das ſüdamerikaniſche ABC Buch nicht ſehr lieblich in den Dhren nach.
Für das Jahr 1888 gelang es zum erſtenmale eine Statiſtik über den Schulunterricht in der Republik zu erheben. Der öffentliche Unterricht zerfällt in drei Kategorien :
La Baz (Stadt) 5 Provinzen d. Dep.// 6 47 Cochabamba (Stadt)| 6| Provinzen d. Dep . 52 Potoſi ( Stadt) Provinzen d. Dep. 23| 4 | 12 | Santa Cruz (Stadt)| 7 7
12
60 16 73
345 996 625
204
1,604 725 1,318 812 1,825 1,095
2,329 44 18 62
253
2,130 24 25 49 2,920 43210
179 362
935
Provinzen d. Dep . 14 516 35 1,215
710
1,925
135 980 316 143
8
121 18
265 | 1,406 |39| 6| 45
573
Tarija (Stadt) Provinzen d. Dep. Oruro ( Stadt) 4 Provinzen d . Dep . 63
Total
1,278 | 32 |11| 43 1,449 921 30
39 | 1,141 14
16
549 610
282 824
71 71 14 35 6
97
232
418
1,398
173 49
489 192
7 6
693 223
7/13 20 6 2
42 7 14 9 3
II . Privatſchulen . Sucre (Stadt) 7 7 Provinzen d. Dep. 62 81 21 La Paz (Stadt)
18 8 11 11 1 5. 101 14 2
4301
Provinzen d. Dep. 6 2. 4 | 12
343 160 155 180 701
Provinzen d. Dep . 2 2 Cochabamba (Stadt) Provinzen d. Dep . Potoſi ( Stadt)
5
2
Santa Cruz (Stadt) | 22 Miſſionsgebiet Tarija ( Stadt ) Provinzen d . Dep.
Wenn Regierungen ſich beinahe ununterbrochen auf Meſſers Schneide balancieren, ſo iſt es natürlich, daß das Unterrichtsweſen ein verkümmertes Daſein führt. Alle Ein
Oruro (Stadt )
nahmen werden von der Armee verſchlungen. So ging
Santa Cruz
4
6 6
Miſſionsgebiet
183 620 90 453 255 149
709
263 40
470 110 322
165 88 45 55 90 40 679 25
09851431466572
ihrem Leidweſen erfahren mögen, erſt nach vieljährigen Wirren wieder loslöfen wird.
I. Gemeindeſdulen .
91
466571
herauszuarbeiten , von den Wohlthaten der erſtaunlichen Fortidritte dieſes Jahrhunderts Nußen zu ziehen und in geordneten geſellſchaftlichen Zuſtänden ſeinen Halt zu fins den.. - Freilich, in manchen Fällen iſt, wenn je, hier Wort richtig : Der Geiſt iſt willig , aber das Fleiſd iſt ſchwach. Es ſoll alſo hierdurch geſagt ſein, daß an dieſes Beſtreben ein nachſichtiger Maßſtab zu legen iſt, denn oft ſcheinen die Schwierigkeiten unüberwindlich zu ſein. Und ſonderbar , gerade zu einer Zeit , wo das ſpaniſch -ameri: kaniſche Element ſich ſeiner Gärungsſtoffe entledigt, ichäumt das luſitaniſch -amerikaniſdie über und ſtürzt ſich in Aben: teuer , aus welchen es ſich vielleicht, wie die Braſilianer zu
Provinzen d. Dep . 32 11
I9823B873485959
beſtrebt wäre , fide aus dem Schlamme früherer Anarchie
Sucre (Stadt)
--- 15
gemeinſamen Kulturanſchauungen beruhenden Austauſch jeder Art bewirkt , deſſen Wert wir nicht unterſchäßen dürfen. Denn heute darf man ſagen , daß es dort kein republikaniſches Staatêweſen mehr gibt, das nicht ernſtlich
Männer
3
.amerikaniſchen Verhältniſſe andererſeits haben einen auf
Lebrer
Frauen
Departements
ziehende Konſolidierung (in günſtigem Sinne) der ſpaniſch
Schüler Total
6
Schulen
Mädchen
tuellem und materiellem Gebiet einerſeits , die ſich volls
Jünglinge beſtimmt ſind, und in höhere Lehranſtalten , welche den Charakter von Univerſitäten haben. Der Stand der Primarſchulen iſt aus nachfolgender Tabelle erſichtlicy: Knaben
für uns geworden iſt als in früheren Jahrzehnten , wo die mühſame, durch allzu häufige Bürgerkriege gehemmte Entwidelung der ſpaniſd -amerikaniſchen Staaten nur wenig Anſpruch auf unſer Intereſſe erheben konnte. Aber die europäiſche Ueberproduktion auf intellek
in Primarſchulen , die von Knaben und Mädchen beſudyt werden , in Sekundarſchulen , die nur für heranwachſende
Gemiſcht
Kontinent ſeit einigen Jahren von viel größerer Bedeutung
Total
Ch. N. Es iſt nicht zu verkennen, daß der ſüdamerikaniſche
Kiaben Mädchen
Das Unterridtsweſen in Bolivia.
1,090 |19 | 24| 43 2001 2 3 775 1625 420 1493 431 8 2051 2 210 270 110
3 11 2 4
1,388 25
41
2
.
es auch in Bolivia. Nun beſteht dort ein gewaltiger Bruchteil der Bevölkerung aus Indianern , von welchen man nicht weiß , ob ſie überhaupt der Erwerbung von
Shulkenntniſſen hold ſind oder nicht; man hat ihnen hierzu nie Gelegenheit geboten oder bieten können. Ueber das Warum fönnen wir uns hier nicht auslaſſen , weil deſſen Erörterung zu weit führen würde, aber das dürfen
wir ſagen , daß die Halbfaſten bis zur niederſten Stufe herab ſehr lernbegierig ſind. Selbſt ganz zerlumpte Gſels treiber, bei welchen niemand Schulfenntniſſe irgend welcher Art vorausſeßen würde, fekten uns durch ihre Schreibs feuntuis oft in Erſtaunen , und das eintönige be, a, enne
Beni Total :
31
2
III . Staatliche Schulen . 3 90 120 30
2 11 15
405
205
3 3 610 |13 | 215
|506 15,761|8,822 24,583
707
Die Regierung trägt, mit Ausnahme der 14 ſtaatlichen Schulen in den Departementen Santa Cruz und Beni, nidits zum Unterhalt der Primarſchulen bei . Die Summe
der für die Primarſchulen , ſoweit ſie nicht privat find, von den Departementen aufzubringenden Leiſtungen be: läuft ſich auf 43,900 Bolivianos ( 1 Boliviano zum jeßigen Kurſe = 2 Mark 40 Pfennig), dagegen war nicht zu ermitteln , wieviel die Munizipalitäten , deren Leiſtungen erheblich höher ſein müſſen , für dieſen Unterrichtsziveig
(b : a : n) = ban u. 1. w., das die beiden kleinen Mädchen
ausgeben. Die höheren oder Sekundarſchulen ſind in fünf Diſtritte
unſeres Nachbars, eines blutarmen Arbeiters, monatelang
abgeteilt :
Ausland 1890, Nr. 13.
39
250
Städte
Name der Lehranſtalt
Junin Sucre
Sucre
Sucre
La Paz
Geiſtliches Seminar
Potofi
Ridincha
Padilla
San Luis
Cotagaita
Porvenir Ayacucho Geiſtliches Seminar
[La Paz
Porvenir Nacional
Sucre
Cochabamba Cochabamba Geiſtliches Seminar Ballegrande Samaipata
Tarija
Nacional Geiſtliches Seminar Ciencias
Ballegrande
Santa Cruz
offiziell geiſtlich frei, privat offiziell frei, privat frei, privat offiziell geiſtlich
Samaipata
Sara
Sara
Trinidad
Nacional
Tarija
San Luis
2
7 9 7
5
6 7 6 8 5
geiſtlich frei, privat frei, privat frei, privat frei, privat offiziell
2 1 2
2
offiziell Total
ziellen Lehranſtalten. Vier Seminare ſtehen unter der Leitung der Biſchöfe von La Plata (Sucre), La Paz, Cocha: bamba und Santa Cruz, und zehn Lehranſtalten gehören der freien Schule an. Der Staat warf 1888 für den
Unterhalt ſeiner adyt Kollegien 56,344 Bolivianos aus ; an Schulgeld wurden 14,870 Bolivianos bezahlt, ſo daß ſich die Staatsſubvention auf 41,474 Bolivianos beläuft. Was an dieſem Sekundar-Unterricht, der zum Bakfas laureat befähigen kann, von den Univerſitätsbehörden ſelbſt getadelt wird, iſt, daß er die exakten Wiſſenſchaften nicht
6
2
frei, privat frei, ſubvent. offiziell offiziell geiſtlich offiziell,
Der Sekundar-Unterricht zählt demnach mit acht offis
6 6 7
Sail Calixto (Geſellſch. Jeju) frei, privat Inſtituto Nacional
Oruro
Pro feſſoren Schüler
Charakter
117
S6 130 114 112 24 19 127 163 90 64 49 100 367 248 88 118 111
41 24 26 37 87 2234
Der Studiengang der mediziniſchen
Fakultät iſt auf ſieben Jahre verteilt: 1. Jahr : Unorganiſche Chemie; bes
ſchreibende Anatomie, I. Teil Chirur 2. Jahr : Organiſche
giſche Klinik.
Chemie ; mediziniſche Naturgeſchichte ; beſdyreibende Anatomie, II. Teil Chirur: giſche Klinik. 3. Jahr : Allgemeine Anatomie ; Phyſiologie; Hygiene ; mes
diziniſche Klinif. 4. Jahr : Chirurgiſche
Pathologie , I. Teil Allgemeine Patho logie ; topographiſche Anatomie ; Chi. rurgiſche Klinif. 5. Jahr : Chirurgis iche Pathologie, Il, Teil Therapeutif und Arzneiverordnungslehre ; Geburts hilfe.
6. Jahr : Innere Pathologie,
I. Teil Chirurgiſcher Dperationskurs ;
pathologiſche Anatomie ; mediziniſche Klinit. 7. Jahr : Innere Pathologie,
II. Teil gerichtliche Medizin ; Toxikologie ; Geſchichte der Medizin . Jurisprudenz Städte
Stu
Pro-
Theologie
NNTA
Diſtritte
.Ou INNENO O.O.O. NN av et er alooo
Aus dem Raukaſus.
Stu : Pros
denten fejjor. denten fejjor. denten Sucre Potoſi La Paz
Cochabamba Santa Cruz Tarija
146
6
18
30
3 5
12
92 150 83 31 532
4
90 16
32
136
9
Total
Medizin Stus
Pro
Stus
Pro :
feſjor. denten feſjor. 13
25 12 22 42
189 3 2 42 4 | 126
10
282
14
5
104 31
9 4
106
4
14
5
774 ! 55
zu ſeßen : „ Die Wahrheit zu ſagen, ſcheint uns, daß, ohne das Studium der Klaſſiker zu verwerfen, das Land mehr intelligenter Landwirte und Bergleute, gebildeter Kaufleute
Die Zahl der Univerſitäten , das ſieht der Juſtiz miniſter, dem das Erziehungsweſen unterſtellt iſt, ſelbſt ein, iſt im Verhältnis zu dem in der Republik beſtehenden Sdulunterricht übertrieben hoch . Er ſchlägt daher die Ab: ſchaffung derjenigen von Santa Cruz und Tarija vor, indem er zugleich beklagt, daß die im Budget für den öffentlichen
und geſchickter Ingenieure bedarf , als guter Advokaten
Unterricht ausgeworfenen Summen nicht einmal immer
und Schriftſteller. Die Mußeſtunden genügen, um ſich mit
verfügbar ſind, um die vom Staat angeſtellten Lehrer zu bezahlen.
berüdſichtigt. Man ſchlägt vor, an die Stelle des Latei niſchen das Studium des Franzöſiſchen und Engliſchen
Homer und Virgil zu befreunden ; was jeßt von nöten iſt,
iſt die Wiſſenſchaft Euklids, die Sprache der Algebra, kennen zu lernen ."
Um zum Beſuch der Univerſitäten berechtigt zu ſein, muß man den Grad eines Balkalaureus erlangt haben.
Aus dem Kaukaſus.
In ihrer jebigen ſchlechten Organiſation ſind die Univer:
ſitäten aber bloß freie, durch private Lehrthätigkeit ſich er haltende Hochſchulen , welchen von dem an Geldmangel leidenden Staat keine Zuſchüſſe zufließen und deren Eri: ſtenz ſozuſagen von den Kollegiengeldern und den für die Univerſitätsgrade zu erlegenden Taren abhängig iſt. Die Lockerung der Schuldisziplin hat, dem Juſtizminiſter zufolge, an ihnen eine Höhe erreicht, die für die ſtudentiſche Jugend von ſehr ſchädlichen Folgen ſein kann. Wie aus nebenſtehender Tabelle hervorgeht , haben die Univerſitäten nur drei Fakultäten , unter welchen diejenige der
Jurisprudenz und Staatswiſſenſchaft leider die beſuchteſte iſt.
Mitgeteilt von C. Hahn (Tiflis) . 1. Eine Beſteigung des Kasbef. Die kaiſerlich Ruſſiſche Geographiſche Geſellſchaft zu
Tiflis hat in ihrer leßten Sizung im Dezember v. 3s. ein Machtwort geſprochen, das von ſeiten dieſer gelehrten Geſellſchaft etwas eigentümlich klingt. Sie hat nämlich zum Beſchluß erhoben , daß die von dem Topographen Paſtuchoff am 29. Juli 1889 ausgeführte Beſteigung des Kasbet die einzige bis jest beglaubigte lei , ignoriert alſo die von Woolley , Freſhfield und anderen vollführte Be
ſteigung dieſes Bergrieſen ganz und gar. Wollen wir die
Aus dem Hautaſus.
gelehrte Geſellſchaft bei ihrem frommen Glauben laſſen und hier einen Auszug aus der intereſſanten Erzählung
251
entzündungen herbeiführen, ſind dabei nicht ſelten. Dod foll, abgeſehen davon, das Waſſer große Heilkraft befißen .
über das Unternehmen geben.
Der Tur liebt das Waſſer außerordentlich und kommt oft:
Am 26. Juli begab ſich Paſtuchoff mit fünf Rojaken zu den heißen Quellen Tmeni-kau-farma-don am Fuße des Maili Gletſchers, der vom Weſtabhang des Rasbef herabfommt. Um 6 Uhr früh war man aus dem Dorfe Tmeni-kau
mals nachts, ohne die Menſchen zu fcheuen , zu den Quellen . Aud die Vögel lieben das Waſſer, obgleich es für eine
ausgegangen und hatte die Quellen um 8/2 Uhr erreicht.
liegen, andere hatten ſich die Füchſe zu Gemüt gezogen .
Der Weg vom Dorfe aus liegt auf dem linken Ufer des Genal-don, anfangs in bedeutender Höhe über dem Fluß, dann ſenkt er ſich ins Flußbett binab, um bald wieder aufwärts zu ſteigen . Im Flußbett iſt der Marſch durdy
Fünfzehn Saſchen oberhalb der Quelle beginnt einer der größten faukaſiſchen Gletſcher, der Maili. Vor ſechzig
die Menge von Steinen ſehr beſchwerlich.
Im all
gemeinen iſt der Weg ſehr ſchlecht. Je mehr man ſich den Thermen nähert, deſto ärmer wird in der Nähe der
Pflanzenwuchs, dagegen bieten die Bergabhänge weiter
Art derſelben tödlich iſt.
Berichterſtatter fand an einem
Morgen ein Dußend kleiner Vögel tot bei der Quelle
Jahren ging er zwei Werſt tiefer herab als jeßt. Hier: auf taute er im Laufe von fünf Jahren ſoweit auf, daß
ſein unteres Ende ſich faſt bei den warmen Quellen be fand. Im Auguſt 1834 ging er wieder abwäcts und feßte ſeine Bewegung unter ungebeurem Lärm und Pol. tern bis zum März 1835 fort, wobei er einen Weg von
Früher lag auf der Oberfläche
oben recht gute Weidepläße, auf denen die hier in großer
12 Werſt zurüdlegte.
Anzahl hauſenden Ture (Capra caucasica) weiden. Im Winter, zur Zeit tiefen Schneefalle , kommen dieſe Tiere
des Gletſchers ein rieſiges Felsſtüc, von welchem aus die
manchmal in die Dörfer.
gung des Eiſes rollte dasſelbe 20 Saſchen weiter herab und wurde ſpäter von dem Gletſcher in die Schlucht des Genal-don hinabgeſchleppt, wo er ſich noch jeßt befindet.
Die Thermen am Maili-Gletſcher ſind ſeit 26 Jahren entbedt. Damals befanden ſie ſich noch inmitten des Glets chers und gaben von ihrem Daſein nur durch die aus
Jäger dem Tur auflauerten ; allein während der Bewe
Noch mehreremale bewegte ſich nachher der Gletſcher, aber
der Deffnung des Eiſes hervorkommenden Dämpfe Zeugnis.
immer weniger und weniger. Zum leßtenmal, bor neun
Acht Jahre nachher war das Eis ſo weit aufgetaut , daß man zu zwei warmen Quellen ankommen konnte, eine dritte befindet ſich noch bis jebt unter dem Eiſe. Die umwohnenden Bergbewohner brauchen wie Bäder gegen verſchiedene Gebrechen , ganz beſonders aber Stropheln , Rheumatismus und Magenleiden. Am 31. Juli 1889 er. gaben die Temperaturmeſſungen folgende Reſultate : an der oberen Quelle betrug die Temperatur der Luft morgens 62 Uhr + 60 R., die Temperatur des Waſſers + 42° R.
Jahren, betrug ſeine Bewegung nicht mehr als 50 Saſchen . Am 27. Juli mittags 3 Uhr machte ſich Paſtuchoff mit zwei Rojaken und einem Dfieten auf den Weg, auss gerüſtet mit Schuheiſen und Bergſtöden. Proviſion hatte man nur für zwei Tage mitgenommen. Das Wetter war ſtill und heiter. Anfangs ging der Weg über den Glets îcher, welcher an dieſem Tage ſehr ſtart taute. Man ſchritt auf dem Eiſe 1 % Werſt weit von Norden nach Süden. Auf dieſer Strede waren viele tiefe Spalten,
Von der Quelle läuft das Waſſer in die Wannen ca. 15
die teils umgangen, teils überſprungen wurden ; in einige Spalten mußte man hinabſteigen , einige Zeit auf dem
Saſchen weit , teils auf der Erde, teils in einer höl zernen Rinne. In dem Bade beträgt die Temperatur der Luft + 14° R., die des Waſſers + 360 R. Die ſich das ganze Jahr hindurch gleichbleibende Ergiebigkeit des Waſſers beträgt 4 Wedro in der Minute. Die Meſſungen an der anderen Quelle am ſelben Tage um 83/4 Uhr morgens ergaben : Temperatur des Waſſers + 420 R., Lufttemperatur über der Quelle an der Sonne + 100, die
waren nicht angefeilt) und verbankte ſeine Rettung nur dem Umſtande, daß er eine Flaggenſtange in horizontaler Richtung in den Händen trug. Der weiter links ſchreitende
Temperatur in dem von dieſer Quelle geſpeiſten Bade
Ofſete fant ebenfalls tief ein. Um der Gefahr weiteren
+ 150, die Temperatur des Waſſers + 364/2 ° R ; Waſſer menge 1/2 Wedro in der Minute. Die Zahl der im Sommer ſich alltäglich Badenden beträgt 300 bis 400. Der Patient
Einſinkens zu entgehen , wurde der Weg über die links liegenden Felſen genommen, und an gähnenden Abgründen vorbei erreichte man endlich abends 6 Uhr ein kleines,
fißt fünf bis ſieben Minuten in der Wanne , dann ſteigt
zum Nachtlager fich eignendes Felſenplateau. Bald zog
er aus dem Waſſer, hüllt ſich in ſeine Burke, ruht zehn
aus den unten liegenden Soluchten dichter Nebel herauf und verdedte den Bergrieſen. Man legte ſich, ohne die
Minuten lang aus und ſteigt wieder ins Waſſer, wo er noch mals etwa ſieben Minuten verbleibt. Das wird vier: bis fünf mal wiederholt. Darauf zieht der Kranke einen Pelz und Burke an, hüllt den Kopf in den Baídlik und begibt ſich in dieſem Aufzuge, ſehr oft barfuß, zur Erdhütte, welche
ihm als Wohnung dient. Erkältungen, welche Lungen:
Grunde weitergehen und dann wieder herausklettern ; nady einiger Zeit wandte man ſich nach Dſten über vor kurzem herabgerutſchte Schneemaſſen. Als Paſtuchoff in deren Mitte
ſich befand, fiel er plößlich in eine Spalte (die Reiſenden
Dämmerung abzuwarten, zur Ruhe. Um 6 Uhr abends zeigte das Thermometer +3.50 R., um 7/2 Uhr + 30 R., Nachts ſenkte ſich der Nebel wieder in die Schlucht hinab. Morgens 52 Uhr zeigte das Thermometer – 0.50 R. und die Steine ringsum waren mit Reif bedeđt. Die
Aus dem Kaukaſus.
252
Burken und etwas Proviſion wurden hier zurüdgelaſſen und weiter aufgeſtiegen . Der Aufſtieg auf dem übereiſten Geröll war ungemein ſchwierig. Nach einiger Zeit ſtieß man auf einen Streifen ſehr feſten Eifes mit einem Ges fälle von mehr als 600; hier mußten mehr als 200 Stufen ins Eis gehauen werden, um hinüber zu kommen, und nach kurzem Klettern über Felſen hemmte die Tritte der Wan derer wiederum ein Eisſtreifen, über welchen man durch Einhauen von 116 Stufen hinüberfam. Weiterhin ging der Weg über Felſen ; um 10 Uhr ward kurze Raſt ges macht und gefrühſtüdt. Als man den Marſch fortſeßte, fühlte der eine der Roſaken ſich ſehr unwohl und wurde deshalb mit etwas Proviſion und einigen entbehrlichen Gegenſtänden zurückgelaſſen. Um 12 Uhr gelangte man auf die Firnfelder, welche in der Höhe von 13,664 Fuß beginnen und einen Flächenraum von ca. 6 Quadratmeilen
einnehmen. Ueber den Firn ging's verhältnismäßig rajdy hinweg, obgleich die Wanderer ſtellenweiſe bis ans Knie einjanken. Sie fühlten ſtarken Durſt, welcher immer
nieder und ſchlief ein , aber die empfindliche Kälte der
1
Nacht weckte die Schlafenden auf.
Der Nebel hatte ſich
zerſtreut. Blauſchwarz wölbte ſich der Himmel, mit einem
Heere bon Sternen überſäet. Hinter dem Kasbet ſtieg langſam der Mond empor und warf ſeinen Silberglanz auf die Schneefelder. Totenſtide herrſchte ringsum , nur ſelten
unterbrochen von dem Donner des berſtenden Eiſes und dem tauſendfach widerhallenden Echo desſelben. Man machte ſich etwas Bewegung , ſuchte ſich durch Hins und
Herlaufen zu erwärmen und legte ſich dann wieder ſchlafen, wobei abwechslungsweiſe einer nach dem andern in die Mitte genommen wurde, um ſich zu erwärmen. Aber die Kälte ließ nicht lange ſchlafen ; zum öfteren mußte man aufſtehen und ſich von neuem durch Bewegung erwärmen . So ging's die ganze Nacht durch. Der Froſt nahm mehr und mehr zu, und das Thermometer zeigte bei Tages anbruch 9120 R. Die Kleider waren ganz mit Reif bes dedt , die Glieder waren erſtarrt, und nur mit äußerſter
Anſtrengung fonnte man auf einen kleinen Hügel flettern, um ſich an den Strahlen der aufgehenden Sonne zu ers wärmen. Nach zweiſtündigem Ruhen auf jenem Hügel wurde der Marſch fortgeſeßt. Wiederum quälte der Durſt
großer und endlich ungemein qualvoll wurde. Ringsum war von Waſſer keine Spur, und man begann Eis in den Mund zu nehmen, wodurch aber der Durſt nicht gelöſcht wurde. Paſtuchoff hörte in der Nähe ein Rauſchen , wie
die Reiſenden ; man ſuchte ihn durch Eisſtüde zu löſchen .
von einem Waſſer , aber als er einige Schritte in der
Die übeln Anfälle des vorhergehenden Tages wiederholten
Richtung nach dem Geräuſch machte, verſank er plößlich in einer durch Schnee maskierten Spalte und verdankte ſeine Rettung abermals nur beſagter Stange. Nach kurzer Zeit . vernahm man wieder ein Rauſchen, wie von einem Bächlein , aber bei näherem Zuſehen bemerkte man , daß es nicht von Waſſer berrühre, ſondern von fleinen Eigs ſtüden , welche der Wind über den gefrorenen Schnee wehte.
fich vorderhand nicht. Man ſchlug die Richtung nach Südoſten ein , wendete ſich aber da , wo der Fuß der
Eine halbe Stunde ſpäter ſpürten Paſtuchoff und ſeine Ges
fährten heftiges Uebelbefinden ; zu allem Unglück ſtieg von Süden ein dichter Nebel auf, ſo daß man auf neun Sdyritte nichts unterſcheiden konnte ; dabei war es lo falt, daß ſich die Kleider mit Reif bededten . Um dieſe Zeit ſtieg die Geſellſchaft einen kleinen Gebirgsgrat hinan, nach deſſen Ueberſchreitung ein großes Firnfeld ſich eröffnete, wo zur Drientierung jeglicher Anhaltspunkt fehlte. Das Uebelbefinden nahm bei allen in dem Maße zu, daß
Halt gemacht werden mußte. Als man nach halbſtündiger Raſt weiter ging , verſchlimmerte ſich die Sache bis zum Erbrechen . Es war ſchon 342 Uhr nachmittags ; man bes ſchloß deshalb, etwas zurückzugehen und einen zum Nacht: lager geeigneten Plaß aufzuſuchen. Am Nordweſtrand des Firnfeldes in einer Höhe von 13,664 Fuß fand man ein mit Sciefergeröd bedectes Bläßchen, frei von Schnee ; dort ſollte genächtigt werden. Aus großen Steinen wurde .
eine Schußmauer gegen den falten Wind aufgeführt. Der Rojak wurde nach dem weiter unten zurüdgelaſſenen ges ſdict ; als er unten war, rief er herauf, daß der zurück gelaſſene nicht nachfolgen könne, und daß ſehr wenig Pro viſion nachgeblieben ſei ; er brachte auch, als er zurüdfam, nidt mehr als eine halbe Semmel mit.
Man legte ſide
beiden Gipfel des Kasbef zuſammenſtößt, nach Dſten und ſtieg in der Vertiefung zwiſchen beiden hinauf. Bald wurde der Berg ſo ſteil, daß man Stufen einbauen mußte. was bis zum Gipfel fortgeſeßt wurde. Die den Weg
hemmenden häufigen Sdyneeterraſſen zwangen, große Zicks zade zu machen und mehr und mehr nach Weſten auszu biegen. Der Durſt wurde immer ſtärker, der Roſak fühlte heftigen Schwindel, der Ofſete bekam ſtarkes Naſenbluten, das ſich nur dywer mit Schnee ſtillen ließ. Er wurde zurüdgeſchidt, tam aber bald wieder nach . Steiler und ſteiler wurde der Berg ; der Kojat wanfte vor Schwindel
und Fieber, das ſich bei ihm einſtellte. Endlich blieb er ſtehen und erklärte, nicht weiter gehen zu können , da es
ihm ſchwarz vor den Augen werde und die Füße ihm den Dienſt verſagten ; er mußte umkehren. Paſtuchoff ging mit ſeinem Dijeten weiter und erreichte um 122 Uhr die Mitte des Kammes , welcher ſich vom weſtlichen Gipfel zum Paß zwiſchen beiden Spißen hinzieht. Hier wurde etwas Halt gemacht; der Paß hat eine Breite von 50 und eine Länge von 30 Saſchen. Ein herrlicher Blic eröffnete ſich von hier aus auf die unten liegende Welt -
leblos und ſtill lag alles ringsumber, und ſelbſt in
den Thälern und Sdjluchten tief unten ſchien das Leben ausgeſtorben ; aber plößlich flatterte ein roter Schmetter: ling über dem Haupte der einſamen Wanderer, bald folgte ein zweiter und dritter. Um 1/2 Uhr war man am Fuße der öſtlichen Spiße , welche fait ſenkrecht aufſtieg. Der Dſiete weigerte ſich, weiter zu gehen ; als aber Paſtudoff
Aus dem Kaufaſus.
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ganz allein einige Stufen einzuhauen begann und friſch
und um 11
weiterfletterte , fam er dennod nadı. Vorerſt arbeitete man im gefrorenen Sanee , und dann folgten Fels partien , zwiſchen denen man da und dort auf Eis ſtieß. Auf die Felſen folgte wieder gefrorener Sởnee ; endlich war der Gipfel erreicht es war vier Uhr Nach
Menge von Bächlein rauſchte von allen Seiten herab. Etwa eine Werſt oberhalb der warmen Quellen hüllte dichter Nebel die Wanderer ein. Gerade um dieſe Zeit
mittags.
der Ferne bemerkte man einen Auflauf von Menſchen bei den warmen Quellen ; man erwartete die kühnen Berg ſteiger mit verwunderter Neugier. Um 2 Uhr famen ſie bei den Quellen an . Das Volk drängte ſich an ſie heran. Nach den Ausſagen des früher zurückgekehrten Koſaken hatte man die Rühnen für verloren gehalten. Die Ges
Die Höhe des Kaebek beträgt 16,246 Fuß.. Der Ans blick und die Ausſicht vom Gipfel ſpottet jeglicher Be ſchreibung. Der Gipfel ſelbſt hat, von oben geſehen, ein ganz anderes Ausſehen als von unten ; hier bemerkt man deutlich den Rand eines Kraters, der nach Süden hin eingeſtürzt iſt. Unterhalb des Kraterrandes, nad Diten
hin, iſt ein Vorſprung, welcher die Station Rasbek ver: deďt und welchen man von unten aus meiſt als höchſte
Uhr war der Gletſcher Maili erreicht. Eine
befand man ſich zwiſchen Eishügeln; bald aber verjagte ein leichter Wind den Nebel, und es fing an zu regnen. In
ſichter der Bergſteiger zogen durch ihre Schwärze die all
Da Paſtudyoff erfahren hatte, daß der
gemeine Aufmerkſamkeit auf ſid), was wohl den , durch die dünne Luft veranlaßten ſtarken Biutandrang nach dem Kopfe zur Urſache hatte. Unterdeſſen wurde der Regen
Engländer Whoolley einen Monat zuvor auf dem Gipfel
immer ſtärker und verwandelte ſich bald in ein heftiges
Spite anſieht.
geweſen ſei, ſudyte er und der Dijete im Schnee nadh
Gewitter , das mehrere Stunden anhielt. Als man am
Spuren, konnte aber auf dem ganzen Gipfel feine finden, weshalb er bezweifelt, daß der Engländer dort geweſen ſei. Das Thermometer zeigte um 412 Uhr — 3/4° R.
nädſten Tag durch die Dörfer Imeni- kau , Kani und
Dann wurde eine Flagge aus rotem Ralankas, vier Aridin lang und drei Arldin breit, auf einer 17 Fuß
hohen Stange aufgerichtet, welche von Wladikawkas aus mit dem Fernrohr und von den umliegenden Dörfern aus mit bloßem Auge ſichtbar iſt.
Kurz nach 4 Uhr ward
der Rüdweg angetreten. Auf den fertigen Stufen ging der Abſtieg rajd) vor fich ; aber über die Firnfelder ſchritt man
etwas langſamer hinweg, da die Müdigkeit ſich ſchon gel tend machte.
Um 79/2 Uhr war man an der Stelle des lepten
Nachtlagers, wo der zurüdgelaſſene Rojak wartete. Dann ging's weiter abwärts , und endlich ſtießen die Wanderer auf Waſſer , wo ſie den ſchrecklichen Durſt, der ſie zwei
Saniba kam , konnte man die verheerende Wirkung dieſes Gewitters wahrnehmen ; an vielen Stellen war das ſchon reife Sorn mitſamt dem Boden weggeſdywemmt und einige Erdhütten durch das Waſſer zerſtört worden. Im Dorfe Saniba wendete ſich ein Díſete mit folgenden Worten an Paſtudoff: ,, An all dieſer Verheerung und Verwüſtung trägſt Du allein Schuld : Du haſt den Kasbek erſtiegen, und Gott hat Dich dafür beſtraft," und der ganze Haufe nidte Beifall. Paſtuchoff erwiderte rubig, er wäre um feinen Preis auf den Berg geklettert, wenn er ſolch ſchlimme Folgen hätte vorausſehen können. Die von jenem Dijeten ausgeſprochene Meinung knüpft an folgende oſjetiſche Legende an : Als Gott, der Herr, beſchloſſen hatte, Jeſus Chriſtus auf die Erde herabzuſchicken , konnte er auf der ganzen Welt keine Stelle finden , die nicht durch den ſündigen
Tage lang gequält hatte, löſchen konnten. Da es dunkel
Fuß des Menſchen beflect gewejen wäre – als den Gipfel
wurde, mußte man darauf bedacht ſein, eine paſjende Stelle
des Rasbet ; hier legte er alſo das Jeſuskindlein in einer
für das Nachtlager zu ſuchen, aber außer Eis und Felfen war
goldenen Wiege nieder ; daneben feßte er eine Taube und ein
nichts zu ſehen. Da zog man das gänzlich durchnäßte Schuhwerk aus und verbradhte mit untergeſchlagenen Beinen
Staf mit goldenen Hörnern. Die Taube mußte die Wiege ſchaukeln und girren und das Schaf mit ſeinem Blöfen das Kind unterhalten. Damit aber Taube und Schaf nicht vers hungern, ſchüttete der Herr ebendaſelbſt einen Haufen Weizen
eine qualvolle Nacht.
Denn hier konnte man nicht hins
und hergeben, um ſich zu erwärmen . Daher war auch der nur geringe Froſt dennoch ſehr empfindlid). Bei Tagesanbruch zeigte das Thermometer -2° R. Das Schuhwert war gänzlich gefroren, und es koſtete große Mühe es anzuziehen .
aus. Als Jeſus herangewachſen war, ſtieg er auf die Erde herab, vollbrachte ſeine göttliden Thaten und fuhr dann
aus. Um 10 Uhr morgens war man an der Stelle des
wieder in den Himmel; aber zum Andenken an ſeinen Auf enthalt auf dem Kasbek ließ er für immer die Wiege, die Taube und das Schaf auf dem Berge ; nod immer ſchaufelt die Taube die Wiege, und das Blöken des Schafes
erſten Nadytlagers angelangt. Hier fanden ſich die Burfen
iſt zuweilen abends deutlich vernehmbar ; bis auf den heutigen
und etwa ein Pfund Brot von der zurückgelaſſenen Pros viſion vor ; das übrige hatte der früher zurüdgeſchickte Roſat
Tag nähren ſie ſid, von den Weizenförnern , welche nicht
aufgegeſſen , da er nicht glaubte, daß die Anderen jemals
Deswegen herrſcht bei den Dijeten der Glaube , daß Gott niemanden auf den Rasbef hinauflaſje – viele haben
Die Felſen , über welche man jeßt gehen mußte , waren
mit Eis bededt, und auf Schritt und Tritt glitt der Fuß
wieder zurückfehren würden. Zum Glüd war der Appetit
troß der überſtandenen Strapazen ein ſehr geringer. Nach : dem das Brot aufgegeſſen war , ging's weiter abwärts,
abnehren .
es verſucht: Engländer, Franzoſen, Deutſche und Díjeten, aber keinem iſt es gelungen. Die einen hat Gott ges
Aus dem Kaufaſus.
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blendet, andere hat der Sturm in den Abgrund geworfen,
Dbgleich ſechs Meſſungen im Bezirk von Achalkalaki 1700 mm
wieder andere unter den Schnee begraben .
ergaben, ſind doch das Ausnahmen ; in den Bezirken Gori
Jeßt aber, nachdem Paſtuchoff wirklich oben geweſen iſt und eine Flagge auf der Spiße aufgeſtellt hat , erzählt man folgendes : Einem Ruſſen iſt es gelungen, den Berg zu erſteigen ; er hat die goltne Wiege von dort wigge.
und Adalzych hielt ſich das Mittel zwiſchen 1644 und
nommen ; daher hat Gott durch ein redliches Gewitter
ſeinen Zorn an den Umwohnern ausgelaſſen . Bei den Dſſeten heißt der Berg Kasbef- Tſdriffi-Zup, d . h . Chriſtus gipfel ; bei den Tſchetſchenzen und Inguſchen dagegen : Beſch: Lam-kort, d. i. Haupt der fünf Berge.
1649 mm . In einem Dorfe bei Achalzych, wo nach der Ueberlieferung früher Rieſen wohnten und deſſen Bewohner die katholiſche Konfeſſion angenommen haben, erwies ſich die mittlere Körpergröße eigentümlicherweiſe geringer als bei anderen Gruſinern. In Tiflis war bei der Muſterung des vorigen Jahres das Mittel 1639 mm . Ueberhaupt haben die Gruſiner im Kurathale, was Wuchs und andere typiſche Eigentümlichkeiten anbelangt , große Aehnlichkeit untereinander.
2. Ueber Körpermeſſungen.
Bei der geringen Anzahl von anthropologiſchen Daten
Im Bezirk von Tioneti erreichten die
Gruſiner im Mittel 1670 mm ; die benachbarten und wenig: ſtens der Sprache nad mit den Gruſinern verwandten
über die faukaſiſchen Völker ſind die von Dr. Pantuchoff
Tuſchinen , Pichawen und Chewſuren hatten einen Wuchs
in der Mediziniſchen Geſellſchaft zu Tiflis gemachten Mit teilungen über Meſſungen an Individuen der verſchiedenen Völker von hohem Intereſſe. Solche Meſſungen fanden im leßten Jahre ſtatt an 30 Gruſinern, 50 erwachſenen Arme: niern und 73 armeniſden Kindern , 30 3merethinern , 92
von 1672, beziehungsweiſe 1683 und 1700 mm .
Guriern , 245 Mingreliern , 39 Türken , 23 Juden, 18 Oſſeten ,
19 Swaneten, 8 Abcaſiern, 10 Perſern und einigen Kurden ; außerdem wurden noch die Muſterungsliſten einiger ein heimiſcher Druſchinen benußt.
Unter allen kaukaſiſchen Völkern haben die Juden in Dagbeſtan und im Terefgebiet den kleinſten Wuche, der zwiſchen 1600 und 1640 Millimeter chwankt und in
16 Fällen 1616 mm betrug . Die Juden in den Gouvers nements Baku und Eliſabethpol ſind etwas größer ges wachſen , am größten aber die Juden von Adalzych, bei denen das Mittel 1665 mm beträgt und in einzelnen Fällen ſogar bis auf 1795 mm ſteigt. Bei den Armeniern iſt der Wuchs außerordentlich
Bei den Bewohnern des Rionthals , welche als Ver : wandte des ruſiniſchen Stammes gelten, finden wir bedeu: tend kleineren Wude. Auch die Schädelmeſſungen , die bei den Gruſinern 84-85 ergeben, dwanften dort zwiſchen 80 und 82. Die kleinſten Individuen weiſt der Bezirk von Djurgeti auf, der von Guriern bewohnt wird ; ihr
Wuds beträgt im Mittel 1645 mm ; nach ihnen fommen die Mingrelier aus dem Bezirke Sſenafi mit 1646 , noch größer ſind ſie im Bezirke von Sugdidi, nämlich 1657 mm ; am größten ſind die Imerethiner in dem Bezirke von Sdora: pani und in der Ratida im Gouvernement Rutais, nämlich 1671 mm . Die mittlere Körpergröße beträgt im Gouvers
nement Kutais bei 420 Meſſungen 1657 mm. An Türfen wurden 38 Meſſungen in den Städten Adalzych und Ardhagan vorgenommen , welche ein Mittel
von 1660 mm ergaben ; bei act Abchaſiern war das Mittel 1688 mm, wobei fünf Männer mehr als 1700 mm
verſchieden. Die geringſte Körpergröße, nämlich 1612 bis
maßen.
1620 mm, hatten die Armenier in zwei Dörfern im Bezirk von Achalkalaki . Nicht viel größer, näinlich 1621 mm,
Swaneten : 19 Meſſungen ergaben in Mittel 1695 mm ; doch bezieht ſich dieſes günſtige Reſultat nur auf Swanes ten, welche zum Militärdienſt herbeigezogen worden waren ; bei 71 zum Kriegsdienſt nidt tauglichen Swaneten ergab ſich ein Mittel von 1660 mm . Im hohen Swanetien er gaben 15 Meſſungen in Ezero 1701 mm , in Tiduberi 18 Meſſungen 1697, in parie 1656 mm und in uſchkul
ſind die Armenier in den Bezirken von Bafu und Sche macha, dagegen ergaben Meſſungen bei Angehörigen dieſes Volkes im Gouvernement Eliſabethpol 1651 mm (bei
83 Individuen), noch größer ſind die Armenier im Bezirt von Adalzych. Die Muſterungsliſten gaben dort in 35
Noch höher gewachſen als die Abchaſier ſind die
Fällen 1664 mm , in 25 Fällen 1679 mm an. Intereſſant iſt, daß die katholiſchen Armenier bei Achalıyd in 23 Fällen
ſogar nur 1570 mm .
um 20 mm kleiner waren als die gregorianiſchen Armenier. Die Vorfahren der Armenier in den Bezirken Adalzych
bei 16 Oſſeten aus dem
und Adalfalafi ſtammen aus der Umgegend von Erzerum
Unter allen Meſſungen erhielt man die höchſten Zahlen Bezirfe von Gori , nämlich
1718 mm ; doch ſind nicht alle Dſieten ſo hochgewachſen. Die Muſterungsliſten haben für 38 Olieten ein Mittel
und ſind in den Jahren 1829 und 1830 nad Rußland eingewandert. Dieſe Armenier haben ſehr oft blondes
von 1667 mm .
Hauptbaar, namentlich aber blonde Bärte, und ihr Typus
Meſſungen vor an ſieben Perjern, Mittel 1710 mm , fünf
iſt von dem der Armenier im öſtlichen Teil von Trans
Griechen aus Ardbagan, Mittel 1685, zwei Lesgbiern, Mittel 1715 mm , fünf Tataren aus Bortſdalo , Mittel 1673, und zwei Kurden , Mittel 1770 mm. Mit wenigen Ausnahmen war bei allen Völkern die Weite des Bruſtkorbs größer als das Maß des halben
kaukaſien im Mittel 1646 mm . Die Armenier von Tiflis,
welde in dieſem Jahre militärpflichtig waren , machten im Mittel 1651 mm .
Ebenſo verſchieden iſt die Rörpergroße der Gruſiner.
Dr. Pantuchoff nahm außerdem bei Gelegenheit noch
Der neuentſlandene Naturſchacht von Brunndorf.
255
Wuchſes; höherem Wuchs entſprach auch regelmäßig ein ! Schädelmaß von 87.4–90.9, im Mittel 88.7, der Mittel größerer Umfang der Bruſt. Dijeten hatten bei einem Wuchs von 1718 mm einen Bruſtumfang von 883 mm
wuchs 1698 mm, b. i. 38 mm über dem allgemeinen Mittel war.
(24 mm mehr als halber Wuchs), Díſeten mit 1667 mm einen ſolchen von 884 mm ( + 51 mm ), bei den gregoria-
bedeutend größeren Körperwuds als Armenier mit brei
niſchen Armeniern in Achalzych war das Verbältnis 1664 mm zu 863, bei den katholiſden Armeniern ebendaſelbſt 1658
findet. Bei Gruſinern , Dijeten , Juden und Swaneten ver
zu 874 mm . Die Art der Beſdäftigung zeigte überall entidiebenen Einfluß auf die Entwidlung der Bruſt. Bei
den Bauern des Rionthales überſtieg die Bruſtweite die halben Wuchſes um 52 bis 56 mm , bei den tuſdiniſchen und pſdhawiſchen Hirten um 42 bis 43 mm . Uebri-
des
gens trifft das nicht überall zu ; 3. B. war in acht Fällen
Alſo haben Armenier mit weniger breitem Schädel terem Schädel, während bei Türken das Gegenteil ſtatt änderte ſich das Schädelmaß nur wenig mit der Verſdiedens heit des Wuchſes , bloß in feltenen Fällen war das der Fall. So zeigte der Schädelmeſſer bei einem Juden von 1795 mm 79.9, d. h. bedeutend weniger als das von Chantre
und Erdert bei den kaukaſiſchen Juden beobadytete Schädel maß (86.7-87.7). Ein Swanete, ein Kretin mit großer
bei den Chewſuren die Bruſtweite um 6 mm geringer als
Naje , angedrüdten Ohren und unregelmäßigen Zähnen ,
der halbe Wuchs. Bei den armeniſchen Handwerkern und
hatte ein Schädelmaß von 90.6 bei einem Wuchs von
Händlern in Achalkalaki war die Weite der Bruſt um 8 mm, bei den Armeniern von Tiflis um 12 mm , bei den armeniſden Bauern um 60 bis 66 mm größer als das
1685 mm .
ſungen des Schädels bei 13 Armeniern von Diarbefir, die Chantre anſtellte, als Maß 84.08, bei 18 Armeniern
die Entſtehung eines Naturſchadites von bedeutender Tiefe nächſt dem durch ſeine Quellen berühmten Drte Brunn
am Wau -See dagegen 86.18 . Dr. Pantuchoff hat bemerkt,
dorf (Studenec ), ſüdlich von Laibach. Kleinere Erdfälle
daß die Höhe des Wudies abhängig iſt von der Breite des Schädels. Sieben Armenier von Achalgyd hatten bei
kommen am Karſte wohl ziemlich häufig in den Niedes
Die Länge der Hände und Füße ſteht nicht immer in gleichem Verhältnis zum Wudis des Körpers : ſo haben Maß des halben Wuchſes . Bei den Juden , welche ſich z. B. die Juden längere Beine als die Armenier. Bei außer mit Handel aud mit Aderbau beſchäftigen , war der 25 Juden in Achalzych betrug die Länge der Beine bei Bruſtkorb um 29 bis 35 mm weiter als das Maß des einem mittleren Wuds von 1665 mm 880 mm , bei halben Wuchſes, bei den Juden von Baku, welche aus: 31 gregorianiſchen Armeniern mit einem Mittelwuchs von ſchließlich Handel treiben , dagegen nur um 2 mm . 1664 mm war die Länge der Beine nur 874 mm . Ji Im Zuſammenhang mit dem Wuds ſtehen noch eine Adalfalaki haben die im Durchſchnitt ſehr hodgewadſenen Menge anderer phyſiſder Eigentümlichkeiten. So iſt z. B. 1 Duchoboren um 3 mm kürzere Beine (781 mm ) als die bei Menjden eines und desſelben Stammes , welche ver : kleineren Armenier (784 mm ). Bei der vorjährigen Mu ichiedene Farbe der Augen und verſchiedene Schädelmaße ſterung in Tiflis war die mittlere Länge der Beine bei haben, der Wuds verídieden . 28 Armeniern 762 mm , bei 10 Ruſſen 790 mm und bei Im allgemeinen war das Körpermaß bei 39 blau: 10 Gruſinern 770 mm . äugigen Armeniern 1632 mm , geringer als der Mittel: Was die Länge der Hände und Arme anbelangt, ſo wuchs um 14 mm , bei 15 blauäugigen Gruſinern 1631 haben die Swaneten die längſten Arme; die Entfernung ( 17 mm unter dem Mittel) , bei acht Türken mit blauen zwiſchen den Fingerſpiten der ausgeſtreckten Arme beträgt Augen 1645 ( 15 mm unter dem Mittel). 14 ſchwarzbei ihnen im Mittel 1.05 des Wudiſes , das größte Maß äugige Armenier und 10 Gruſiner mit ſchwarzen Augen der Hände und Füße wurde bei den Dijeten beobachtet: batten faſt genau mittleren Wudis. Bei Türten wurden nämlid 198 mm, beziehungsweiſe 275 mm , oder 11,9, be ſchwarze Augen gar nicht beobachtet. Starke und große ziehungsweiſe 16,4 % des Wuchſes. Individuen unter den Gruſinern und Armeniern hatten meiſt braune, ſchwächliche dagegen meiſt blaue Augen. Was die Schädelmeſſungen anbelangt, ſo ergaben ſie Der neuentſtandene Naturſdacht von Brunndorf. bei einem und demſelben Stamme in der Regel ganz ver: Von Franz Kraus. diedene Reſultate - eine Beobachtung, die ſchon Chantre und v. Erdert gemacht hatten. So ergab ſich bei Meja Nicht geringes Aufſehen verurſachte im Frühjahr 1889
einem Mittelwuchs von 1666 mm ein Shädelmaß von 8:2.35 , ſieben Armenier aus dem oſtliden Tranekaukaſien bei einem Mittelwud s von 1652 mm ein Sdpädelmaß von 87.94 . Ganz im Gegenteil davon batten acht Türken bei ſehr geringem Sdpädelmaß von 76.8–81.6, im Mittel 80.3, einen Mittelwudis von 1630 mm ( 30 mnm unter dem Mittel), wogegen bei acht anderen Türken bei einem
rungen vor , allein eine ſo großartige Neubildung wie
jene von Brunndorf iſt ſeit der Zeit noch nicht vorgekommen, wo man begonnen hat, den Naturivundern des Karſtes eine größere Aufmerkſamkeit zu ſchenken. Die Gelegenheit, der Natur hinter das Geheimnis zu kommen , wie ſie die
riefigen Felstelſel gebildet hat , war ſehr günſtig , allein die Unterſudung zeigte ſich nicht nur als fehr koſtſpielig,
ſondern auch als höchſt gefährlich , und darum mag man
Die Semiſi.
256
ſo lange Zeit hindurch nichts gehört haben , daß eine fach : männiſche Durchfordung ſtattgefunden habe. Man muß es daher dankbar anerkennen , daß
Soble des Laibacher Moraſtes liegenden unterirdiſchen Waſſerreſervoirs, welches dereinſt zur Verſorgung der Stadt Laibach mit gutem Trinkwaſſer herangezogen werden
der Aderbauminiſter Graf von
fann.
Falkenbayin
einen in
derlei Angelegenheiten wohlerfahrenen Techniker entſendet hat , um einen Befund an Ort und Stelle auſzunehmen .
Das Ergebnis dieſer Lokalunterſuchung iſt ein höchſt inter
Die Berge im Niederídlagegebiete erreichen eine
Höhe von 800 bis 1000 m , was genügend iſt, um die Temperatur der Quellen günſtig zu beeinfluſſen . Es würde nur noch erübrigen , die Größe der natürlichen
eſſantes und wiſſenſchaftlich bedeutendes, denn es erbrachte
Reſervoirs und ihre Veräſtungen genauer zu ermitteln,
neuerdings den Beweis, daß die Dolinenbildung im Karſt
ſowie Meſſungen der bei Brunndorf verfügbaren Waſſers quantitäten anzuſtellen , um für die Zeit vorgeſorgt zu
terrain ein Reſultat der ſubterranen Eroſion iſt, an der
die oberirdiſche nur ganz nebenbei beteiligt ſein kann.
haben, wenn die neue Laibacher Tiefquellenleitung für die
Die erſten Nachrichten in den Tagesblättern gaben die Dimenſionen in übertriebener Weiſe an , wie dies ja
ſich von Jahr zu Jahr immer mehr entwickelnde Stadt nicht mehr ausreichen ſollte.
bei außerordentlichen Ereigniſſen ſtets zu geſchehen pflegt. Dies galt beſonders von der Tiefe , die nach der alt: befannten Methode durd den Sdal hineingeworfener Steine gemeſſen wurde , und welche man auf 300 m
ſdjäßte, was von vornherein unglaubwürdig war. Denn die Sohle des Schachtes hätte dann bei 200 m unter das
Niveau der Laibacher Ebene hinabgereidt , deren Haupt gerinne – der Laibadfluß bekanntlich alle Nieder: dläge des nördlichen Teiles des Innerfrainer Karſt gebietes aufnimmt und der Save zuführt. Die Mündung des Naturſdachtes liegt nad den Erbebungen nur auf einer Seehöhe von 390 m , die Quellen von Brunndorf aber auf 293 m, die Tiefe fann daher nur unter 100 m
Die Senuſfi. Die Geſchichte hat oft gezeigt , daß politiſcher Druck vor allem imſtande iſt, idlummernde Religioſität zu fräf tigerem Leben zu erweden . Auch die Geſchichte des Jelam in unſerem Jahrhundert zeigt uns ähnliches. Die Türkei und die Raubſtaaten Nordafrikas waren nur zu lange der Screcen Europas geweſen ; endlich gingen ſie ihrer Auflöſung entgegen . In Nordafrika haben Frankreidy und England feſten Fuß gefaßt und werden wohl behalten , was ſie haben. Maroklo aber und die Türkei beſtehen
betragen , und dieſe verteilt ſich folgendermaßen : auf die
nur noch als ſelbſtändige Staaten , weil man ſich nicht
Ueberlagerung des feſten Geſteins mit loſen Steintrüm: mern und Lehmbänken entfallen 25 m . Von der oberen
darüber einigen kann, wer ihr Erbe fein foll.
Grenze des Anſtehenden bis auf den Grund zeigte die Lotung weitere 53 m. Der durch den Einbruch erzeugte Schuttfegel hat eine Höhe von 13 m , ragt aber nur 5 m aus dem am Grunde befindlichen Waſſer hervor. Zieht man die Summe von 25, 53 und 5 m , alſo zuſammen 83 m , von der Seehöhe des oberen Randes ab, ſo erfährt man , daß der Waſſerſpiegel am Grunde 14 m über dem I
Niveau der Brunndorfer Quellen liegt, was auf die Diſtanz
Auch die
übrigen mohammedaniſden Staaten beſtehen nur , weil feiner Luſt hat, ſie anzugreifen ; lebensfähig ſind ſie längſt nicht mehr.
Aber es läßt ſich nicht leugnen , daß der
religiöſe Faktor in der mohammedaniſchen Welt wieder mit verdoppelten Kräften arbeitet. Nicht nur iſt man beſtrebt,
den Islam in Ajien und Afrika weiter auszubreiten, aud geiſtiges Leben regt jid , und die nächſten Jahre
können uns Ueberraſchungen bringen , die uns denn doch nicht ganz gleichgültig ſein können. Nod in den erſten Jahrzehnten unſeres Jahrhunderts war von folder Regſamkeit wenig zu verſpüren .
von 4000 m ein Gefälle von nur 3,5 aufs Mille ergibt. Da heute der Abſißungsprozeß in den oberen luceren Partien noch nicht abgeſchloſſen iſt, ſo konnte eine Befahrung des am Grunde befindlichen großen Hohlraumes auch noch nicht gewagt werden. Einſtweilen muß man ſich mit den vorliegenden Reſultaten begnügen , die idon
unter den Moslemin beſonders ſtart entwidelt ; jeder, der etwas gelten will, ſchließt ſich einem ſolchen an, ohne das durch verpflichtet zu ſein , ledig zu bleiben und in ein
erheblich genug ſind, um über mandes urteilen zu können ,
Kloſter zu gehen – hallten wider von dürren Wortſtreitig
was wiſſenswert iſt. Vor allem weiß man nun , aus welcher Richtung die Quellen von Brunndorf ihr Waſſer: quantum beziehen. Ihr Niederſchlagsgebiet liegt im Mofric berge und fann nicht viel über 10 km ſüdlich von Brunn dorf hinausreichen , weil dann das Gebiet des Hochthales von Rob beginnt, welches don zum Flußgebiete der Gurt gehört. Die Befürchtung , daß eine Kommunikation mit
keiten und unfruchtbarem Gezänk über die Auslegung des Koran. Der vornehme Mošlein hielt ſich durch die Vor : ſchriften der Religion kaum mehr für gebunden , ſondern lebte, wie es ihm gefiel. Sogar die Autorität Mohammeds konnte ernſtlich in Frage geſtellt werden. Den Nang
den großen Keſſelthälern von Innerfrain beſtehe, iſt daher grundloe.
Weit wichtiger iſt die Entdeckung des 14 m über der
Sculen der verſchiedenen Orden – das Drdensweſen iſt
eines Propheten machte ihm zwar keiner jtreitig, wohl
aber den Da, man ſich der leßte
Rang des großten Propheten. in den Tagen allgemeinen Niedergangs, erinnerte einer alten Weisjagung, der zufolge der Mahdi, Prophet, im Jahre 1300 der Hebidra, alſo im
257
Die Senuſſi .
Jahre 1883, zu erwarten ſei. Vom Mahdi erwartet der gläubige Moslem Bekehrung oder Vernichtung aller Un: gläubigen und eine gerechte Verteilung aller Güter. Es
In der Lehre den Säßen der Wahabiten nahe und im ſtrengſten Gegenſat zu allem Chriſtlichen ſtehend, mußte fie don um der lebten Urſache willen Senuffie bolle
iſt noch in unſer aller Gedächtnis , daß im Jahre 1881
Sympathie erregen. Es dauerte denn auch nicht gar lange,
jener Mohammed ben Achmed ſich den Völkern des Sudan
ſo war er ausgeſprochener Leiter der Schule.
als Mabdi offenbarte.
es darum zu thun , fich einen möglichſt großen Anhang zu verſchaffen . So ſehen wir ihn denn bald Yemen durch
Zwar war er nur ein einfacher Zimmermeiſter aus Dongola, doch ſtand er ſchon, als er noch auf ſeiner Nilinſel Abbah hauſte, im Geruch großer Heiligkeit, und ſein Anhang mehrte ſich , weil man init der ägyptiſchen Wirtſchaft im Sudan unzufrieden war.
Dazu kam nocy,
daß eben in den Jahren der Einfluß der europäiſchen
Mächte in Aegypten groß war. So konnte er um ſo eher verkündigen , er ſei gekommen , dieſen Einfluß zu brechen
Ihm war
pilgern, um Schüler zu werben , bald unter den berberis ichen Pilgerſcharen , die Melfa beſuchen , ſeine Lehren ver
fündigen. Dort fand er wenig Anhang und ſcheint mehr als einmal ſchroff abgewieſen worden zu ſein, weshalb er feine Thätigkeit bald ausſchließlich auf die Berbern be: dränkte. Seine Lehre nannte er den Weg des Mohams med , ſeine Anhänger aber rebeten bald nur vom Wege
und alle zu vernichten, die nicht an ſeine Sendung glaubten.
des Senuſſi, con dadurch zu erkennen gebend, daß ihnen
Und als er nun mehrere gegen ihn geſandte Heere ſchlug und 1883 das unter Hids Paída gegen ihn ausgeſandte
der Lebende mehr galt als der Tote.
vernichtete und ſich dann in wenigen Monaten des ganzen
Er idöpft aus dem Koran und verſchmäht es nicht, bei
Sudan bemächtigte , erhöhte ſolches das Vertrauen der Gläubigen. Bereits im Juni 1885 aber ſtarb er, und wenn auch ſein Sohn Abdallah ſich Mabdi nennt und
den bedeutendſten Auslegern desſelben Anlehen zu machen . Den wahrhaftigſten und reinſten Jalam will er lehren
den Kampf fortſeßt, ſo iſt doch die Bewegung faum mehr
dazugethan iſt. Allerdings nimmt er für ſich die Rolle eines tüchtigen Auslegers in Anſpruch und verfährt eben
eine mahdiſtiſche zu nennen . Denn da er die dem Mahdi zugewieſenen Aufgaben nicht erfüllte, fann er nach dem Glauben der Moslemin der echte Mahdi nicht geweſen ſein. Die hohen Sculen des Jslams haben übrigens
Mohammed ben Admed nie als Mahdi anerkannt und ignorieren ſeinen Sohn natürlich gänzlich. Als Mohammed ben Achmed den Leuten des Sudan feine Sendung offenbarte, lebte bereits zu Djarabub auf der Daſe Silvah , wo vor Zeiten das Drakel des Jus
Doch fällt es Ses
nuſſi gar nicht ein, ſeine Lehre als eine neue hinzuſtellen .
und dieſen von dem befreien, was in zwölf Jahrhunderten
nicht immer gelinde mit dem Tert des Rorans , wenn ſelbiger nicht in ſeinen Kram paßt.
Bei dem den Orden der Senuſfi kennzeichnenden Chriſtenhaß iſt es natürlich , daß in unſeren Kreiſen über ihre eigentlichen Lehrmeinungen keine Klarheit herrſchen kann . Selbſt der tüchtigſte Kenner des Drdens, der Fran zoſe Henry Dubeyrier, gibt uns darüber nur dürftigen
piter Ammon ſtand, ein Mann, der auch Anſpruch darauf
Aufſchluß. Man iſt genötigt, ſich an die allerdings recht zahlreichen Werke des Stifters zu halten , und muß die
machte , der letzte Prophet zu ſein.
Es war das Obers
Frage unberückſichtigt laſſen , ob nicht außerdem eine Art
haupt des Ordens der Senuſſi, Sidi Mohammed el Mahdi. den Sein Vater Si Mohammed ben Ali es Senuſſi Titel Sidi legte er ſich erſt bei , als er es im Intereſſe feiner Sache für nötig hielt, ſich als einen direkten Nach kommen Mohammeds zu bezeichnen war im Jahre
Geheimlebre gelehrt wird. Neben Allah dürfen nur lebens dige Heilige verehrt werden , kein Verſtorbener, nicht eins
1813 zu Tlemſen in Algerien geboren und widmete ſich frühzeitig der Jurisprudenz, die eine genaue Bekanntſchaft
haben , d. h. dem Drden angehören. Die Kleidung des
mit den Lehren des Korans vorausſeßt. In Marokto ſchloß er ſich dem angeſehenen und mächtigen Drden Muley Tha: yibs an . War ihm idon die Beſeßung Algeriens durch die Türfen nicht recht geweſen, ſo hieß ihn religiöſer und politiſder Fanatismus der Eroberung des Landes durch die Franzoſen mit allen Kräften widerſtreben. Damals fam jener unheimliche Haß gegen alles Chriſtliche in ihm zum Durchbruch , der noc jeßt feine Anhänger beſeelt. Sein Vaterland war ihm
ein unreines Land, ſeitdem
es Chriſten betreten hatten , und da er mehr ein Mann des flammenden Wortes als des flammenden Schwertes war, ſo verließ er Algerien, um nach Mekta zu pilgern. Hier fand er in der Schule des Chadelija eine Rörper (daft, die ſeinem Denken , Fühlen und Wollen entſprach.
mal Mohammed , genießt beſondere Verehrung.
Nur
mohammedaniſden Herrſchern iſt der Senuſſi Gehorſam duldig, aber aud) dieſen nur, wenn ſie den rechten Glauben Mannes foll alles überflüſſigen Prunkes bar ſein , nur die Waffen dürfen mit Edelmetallen geziert ſein , doch dürfen die Frauen Geidhmeide tragen . Außer den Spiri tuoſen ſind nod Kaffee und Tabat verboten und allein 1
mäßiger Theegenuß erlaubt.
Zu Chriſten kann der Ses
nuſſi in feinem Abhängigkeitsverhältnis ſtehen , ſelbſt der Handel mit einem ſolden iſt unterſagt , und man vermeidet es möglichſt, mit einem Ungläubigen auch nur zu ſprechen . Wenn der Senuſii nur einer Obrigkeit unterthan zu
fein braucht, die ſeinem Drden angehört , ſo ſchuldet er augenblidlich nur dem Drdensgeneral Gehorſam, denn die Herrder der mobammedaniſchen Welt wollen mit dem
Drden noch nichts zu thun haben. Daß der Stifter, als er etwa im Jahre 1860 den Drden ſtiftete, mit demſelben beſondere Ziele zu erreichen ſtrebte, iſt klar, und wenn er
Die Senuſſi.
258
ſeinem Sohne Mohammed , der übrigens ein Sohn eines
Wunder aller Art foll der Mahdi dort täglich verrichten ,
Mohammed und einer Fatima war und nach der Meinung der Gläubigen von Mohammed abſtantmte, den Beinamen el Mahdi ins Leben mitgab, jo ſehen wir , daß Senuffi ſich berufen glaubte , eine mahdiſtiſche Bewegung anzubahnen. So ganz fern mochte der Gedanke einem Mann von der Sinnesart Mohammed ben Alis nicht liegen. Gerade jener Chriſtenhaß, in dem er alt und grau ges worden , ließ ihn mit beſonderer Inbrunſt ſeine Blide
und Gerh. Rohlfs wird wohl recht haben, wenn er meint, daß die großartigen Katakombenanlagen , die ſich von
auf den Mahdi richten, deſſen eine Aufgabe ja auch Vers
nichtung der Chriſten war. Wenn er ſich nun ſelber auch nicht berufen fühlte , der Verheißene zu ſein - falls er das in der Weisſagung feſt beſtimmte Jahr 1883 erlebte, war er ein Mann von 70 Jahren , alſo nicht mehr im-
ſtande, einen ſolchen Beruf auf ſich zu nehmen – ſo hielt er ſich doch berufen, einen Drden zu ſtiften , deſſen ſich der
Mahdi von vornherein bedienen konnte ; er wollte Bahn: brecher des Erwarteten ſein. Und je mehr er ſich ſolchem Bemühen hingab und je mehr Früchte ſeiner Thätigkeit er reifen ſah, deſto mehr wird er zum Glauben an ſich
ſelber gekommen ſein, und es war wohl ebenſoviel Schwärme: rei und Selbſtbetrug als abſichtliche Täuſdung, da er ſeinen Sohn als Mahdi bezeichnete. Wir fühl denkenden Abendländer können eben die glühende Phantaſie der Wüſtenföhne, die eden Augenblid mit dem Verſtande durchgeht, nicht ganz faſſen und reden viel zu leicht von Betrug, wo wenigſtens ein gut Teil Schwärmerei und Selbſttäuſdung vorhanden
altersher auf der Daſe vorfinden , ihm das Wunderthun
weſentlich erleichtern. Seit dem Jahre 1861 iſt Djarabub Hauptſiß der Senufli. Da thront der Mahdi in ſeinem Hauptkloſter wie ein Fürſt. Ein Wefir leitet die Geſchäfte, eine gut bewaffnete Leibwade forgt um ſeine perſönliche Sicherheit. An Lebensbedürfniſſen iſt, obgleich man in der Wüſte wohnt, kein Mangel, ebenſo wenig an Trinkwaſſer. Krante aller Art pilgern dahin, um Heilung zu finden , und ſelbſt
Ungläubige ſollen ſchon durch das wunderthätige Gebet der Brüder dem Drden gewonnen ſein. Siebzehn Klöſter in Aegypten, an neunzig in Tripolis und im Gebiet des
alten Kyrene, zwölf in der aſiatiſchen Türkei und je eines in Stambul, Metfa und Medina gehören den Senuſſi. In Algerien und Marokko haben ſie viele Anhänger ; unter den Stämmen der großen Wüſte ſind die räuberiſchen
Tebu ihre Parteigänger. Der Sultan von Wadai iſt längſt dem Orden zugethan, und ſelbſt vom fernen Sene gal her fommen Pilgerkarawanen nach Djarabub , ohne nach Meffa weiterzuziehen . So ſehen wir, daß der Drben namentlich in Nordafrika mächtige , ja teilweiſe durchs chlagende Erfolge zu verzeichnen hat, aber auch in Aſien ſich Gebiet erobert und ſelbſt in Europa und in den
werden.
heiligen Städten Anhang zu verſchaffen wußte. Naments lich aber iſt neueren, freilich noch nicht ſicheren Berichten zufolge die Zahl der Ordensglieder im mittleren und weſt lichen Sudan dauernd im Wachſen begriffen. Unter ſolchen Umſtänden iſt es begreiflich, wenn von einigen Seiten behauptet wird , der Mahdi tönne infolge eines einzigen Aufrufs 200,000 Mann marſchieren laſſen und ganz Nord- und Mittelafrika mit einem Schlage in religiöſe Rebellion verſeßen. Duveyrier gibt den Senuſſi
In Metta war für den Orden nicht der rechte Plat. In der Stadt und ihrer Umgebung fand er wenig An:
denn auch die Schuld an allen Aufſtänden und religiös nationalen Bewegungen , die Algier ſeit 1861 erſchüttert
bang , die hohen Schulen wollten von der neuen Lehre
haben, an allen Ermordungen franzöfiſcher Handels- und
nichts wiſſen , und die heiligen Städte mußten veröden, wenn das Verbot der Verehrung Verſtorbener burchbrang
Forſchungsreiſenden , die innerhalb deß von ihnen durchſeßten
iſt. Dder wer wagt es , zu behaupten , daß der Stifter
des Islam lediglich Schwindler geweſen iſt? Er hätte weder bei Lebzeiten noch nach ſeinem Tode eine ſolche
Schar begeiſterter Anhänger gefunden , wenn er nicht an ſich ſelbſt und an ſeine Sendung geglaubt hätte.
Daß er ſich zuweilen erlaubte , im Intereſſe der Sache die Leute zu täuſchen, ſoll damit natürlich nicht beſtritten
Feld gefunden werden, auf dem ſofort, wenn die Zeit ges
Gebietes geſchehen ſind, ja auch die Ermordung einiger ans deren europäiſchen Reiſenden möchte er ihnen zuſchieben, jo ſollen ſie namentlich an der Ermordung Beurmanns und der Tinne nicht unbeteiligt geweſen ſein. Gerhard
kommen war , der Kampf mit den Chriſten begonnen
Rohlfs aber, der ihr Gebiet verſchiedentlich durchſtreifte
werden konnte.
fand, zum Teil von ihnen direkt bedroht war. Dazu fam, daß der Drden gerade unter den Berbern und den Wüſtenſtämmen ſeine meiſten Anhänger zählte. Diarabub auf der
und mehr als einmal ihren wichtigſten Klöſtern nahe fam , beſtreitet namentlich, daß der Mahdi ſelbſt ſeine Hand dabei im Spiele gehabt habe. Er hat bei einem Ueberfall, den er auf der Daſe Kufra erlitt, den perſönlichen Schuß des Mahdi erfahren , obgleich allerdings der Ueberfall auf
Daſe Siwah wurde Mittelpunkt des Ordens, ein recht paſſen-
Rechnung der Senuſſi geſchrieben werden muß. Er meint
der Plaß , abgelegen genug , um nicht ſofort die Augen aller Welt auf die Thätigkeit und ichnelle Ausbreitung des Drdens zu lenken, und doch allen gefährdeten Punkten nabe genug , wenn es es einmal loszuſchlagen galt.
auch, es werde chriſtlichem Bemühen gelingen , ſie im Rampfe gegen den Mahdi des Sudan und ſeine Derwiſde als Bundesgenoſſen zu gewinnen. In der That ſtehen die beiden Mahdis fich feindlich
und alſo die Pilgerſcharen fortblieben.
Auch waren ja
die heiligen Städte nicht direkt bedroht. Es mußte ein
Dazu war Nordafrifa am geeignetſten,
das zum Teil in den Händen der Ungläubigen ſich be-
Litteratur.
gegenüber , und wenn der der Senuſji im Jahre 1883
259
nebſt den erforderlichen Belehrungen über die Lokalitäten zum Aufſtellen von Naturalienſammlungen , wie zur Juventariſierung,
nicht mit einer Proflamation auftrat , ſo mag das aller dings in erſter Linie deshalb geſchehen ſein , weil er ſich ſeinem Kollegen im Sudan noch nicht gewachſen fühlte und es vorzog, abzuwarten , wie die von ihm bereits ins
das tein Forſchungsreiſender, tein Naturalienſammler und pratii
Wert geſeßte Bewegung ablaufen würde. Heute iſt es
ſcher Naturforſcher entbehren kann , zumal der Verfaſſer ſtets auf
wohl klar , daß dieſelbe dem Chedive den größten Teil
Selbſtanfertigung aller Attribute beſonderen Wert legt.
ſeines Reiches geraubt hat, aber unfähig iſt, nach Norden hin weitere Ausbreitung zu gewinnen. Und wenn beute berlautet , daß die Senuſſi mit fieberhafter Anſtrengung baran arbeiten , ihre Macht auszudehnen , lo fann viel leicht der nächſte Tag idon eine Proklamation Mobammed
* Cecchi, Antonio: Fünf Jahre in Oſtafrika. Reiſen durch die fiidlichen Grenzländer Abeſſiniens von Zeila bis Kaffa. Nach dem italieniſchen Original in abgefiirzter Faſſung. Mit
el Mahdi8 bringen und damit einen Aufſtand hervors rufen , deſſen Tragweite ſich ebenſo wenig berechnen läßt wie ſein Enderfolg. Zwar die orthodoren Hochſchulen des Jslam verhalten ſich noch ablehnend gegen den neuen Propheten , aber bei der Hiße des neuerdings namentlich in Afrika entbrannten Rampfes zwiſchen Kreuz und Halb mond werden die Schulen mit der Anerkennung nicht
zögern, ſobald ſie nur erſt Erfolge ſehen. Jedenfalls gilt es für alle in Afrika engagierten Mächte , die Bewegung der Senuſſi feſt im Auge zu behalt: 11 . P. Asmuſſen.
zum Kauf und Tauſch und zur Verſendung von Naturalien , ſowie ein ſorgfältiges alphabetiſches Sachregiſter. In dieſem Umfang und dieſer Vollendung iſt dieſer Wegweiſer ein Blich,
über hundert Abbildungen und einer Karte. Leipzig. F. A. Brod Den Inhalt des vorliegenden wertvollen Werkes bildet die Beſchreibung der zweiten italieniſchen Erpedition , welche im
baus.
März 1877 von der Geographiſchen Geſellſchaft in Rom nach dein äquatorialen Afrika geſchidt wurde und von welcher der Hauptmann Antonio Cecchi als der einzig Ueberlebende am 23. Januar 1882 nach Venedig zuriidfehrte. Außer Cecchi nahmen noch an der Expedition teil der Hauptmann Sebaſtiano Martini Bernardi, drei europäiſche Diener, dann von Aden aus der Reiſende Kienzi Manzoni und der franzöſiſche Kapuzinerpater Aleris, welcher zur Miſſion nach Schoa beſtimmt war, und ſpäter Dr. Giovanni Chiarini, welcher mit dem Marcheſe Antinori von der verungliidten erſten italieniſchen Expedition in Fara zurüc. geblieben war. Dieſe fünfjährige Reiſe war eine ſehr beſchwer. liche und wechſelvole; ſie umfaßte den größten Teil der ſogen. .
Gallas-länder und die Gebiete der wildeſten Stämme, der Gurage,
Botor ac. , die Königreiche Limmut, Gera und Schoa, die Gebiete
der Diandjero und Hatto , die Provinzen Kaffa , Djimma und 1
1
Guma , welche uns, nach Land und Leuten und ihrer ganzen
gutgegliederten Abſchnitten in das Ganze des Samnielns von
Natur und allen den verſchiedenen Reiſe - Erlebniſſen äußerſt lebendig geſchildert werden und uns mit jenen zukunftsreichen Grenzländern im Süden von Abeſſinien bekannt machen , welche in der Geſchichte der europäiſchen Koloniſation in Oſtafrifa der. einſt noch eine Rolle zu ſpielen beſtimmt ſind. Das lebr- und gehalıreiche Wert des Hauptmanns Cecchi erſchien in Rom auf Koſten der italieniſchen Geographiſchen Geſellſchaft in zwei Bänden und wurde dem König Humbert gewidmet. Der erſte Band be . haridelt neben der Reiſe der italieniſchen Expedition von Zeila nach Schoa hauptſächlich Abeſſinien , und darum hat ſich die Bes arbeiterin dieſer deutſchen Ausgabe , Fräulein M. Rumbauer int Berlin , erlaubt, hier manches auszulaſſen und zu fitrzen ,1 weil dieſes Alpenland unter den Tropen ſamt ſeinen Bewohnern und ſeiner Natur unjerer deutſchen Leſerwelt ſchon aus anderen Schil . derungen bekannt iſt; der zweite Band des Wertes dagegen , die Schilderung der Reiſe von Schoa nach Kaffa, welcher viele neue und wichtige Aufſchlüſſe über die noch unerforſchten Galas - länder darbietet , wurde in einer faſt unveränderten Ueberſegung wieder
Naturobjetter , in Pflege und Zucht der Tiere, in die naſje Kon
gegeben , denn hier werden Gegenden berührt , welche zuvor noch
ſervierung der Naturalien , zunädſt das Einlegen der Tiere, dann dasjenige der Pflanzen und Mineralien und in die Herſtellung
Abenteuer , mit welchen Cecchis Heiſe verbunden war und die er
Litteratur. * Şinterwaldner, foh. Mar : Wegweiſer für Na turalienſammler; eine Anleitung zum Sammeln und Kons ſervieren von Tieren, Pflanzen und Mineralien jeder Art , ſowie zur rationellen Anlage und Pflege von Terrarien , Aquarien, Volieren 26. Wien , A. Pichlers Witwe und Sohn , 1889.
Ein derartiges encyklopädiſches Handbuch für alle Naturalien . ſammier hat uns längſt in unſerer Litteratur gefehlt , und wir ſind dem Verfaſſer des vorliegenden Wertes , einem f. t. Gym naſialprofeſſor und Bezirksſchulinſpeftor, für ſeine Arbeit zu großem Dant verbunden . Der angehende Naturforſcher und Forſchungs reiſende, wie der Beſiger und Konſervator größerer oder fleinerer
Sainmlungen erhält in dieſem Buche einen reich illuſtrierten ver ſtändlichen Wegweiſer ind Ratgeber , der ihil in feinem , wenn auch noch ſo ſeltenem Falle im Stiche läßt. In einem ſtattlichen Bande von 672 Seiten groß Oftav fiihrt uns der Verfaſſer in
und Aufbewabrung mifrojtopiſcher Dauerpräparate ein. Sodamn lebit er uns die trockene Konſervierung im Aufbewahrung der Naturalieit, zunächſt die der Wirbeltiere und ihrer Bälge, das Aus. ſtopfen derſelben und die Aufbewahrung der ausgeſtopften Objekte, das Konſervieren und Aufbewahren der Neſter und Eier der
1
nie der Fuß eines Europäers betreten hatte. Die Gefahren und alle glüdlich überſtand, tragen nicht wenig dazu bei, dieſem Reiſes wert einen hohen Reiz zu verleihen und es zu einer der inter. eſſanteſten Bereicherungen der neueren geographiſchen Litteratur von Afrifa zu machen. Die zahlreichen und guten Juuſtrationen und insbeſondere noch die ſchöne Karte erhöhen den lehrhaften
Vögel, das Ausſtopfen und Aufbewahren der Reptilien, Amphibien
Gehalt und den litterariſchen Wert des ſehr empfehlenswerten
und Fijde , die Anfertigung von Abgüſſen und Abdriiđen , die
Wertes.
Herſtellung und Aufbewahrung der anatomiſchen Präparate von Wirbeltieren und die trodenie Konſervierung und Aufbewahrung
* Die Tiefſee und ihr leben. Nach den neueſten Quellen gemeinfaßlich dargeſtellt von William Marſhal, Profeſſor an der Univerſität Leipzig. Mit 4 Tontafeln und 114 Abbildungen im Text. Leipzig , Ferdinand Hirt und Sohni ,
der wirbelloſen Tiere und der Pflanzen in der eingehendſten Weiſe. An dieſe Abteilungen ſchließt ſich dann noch die umſtänds
In England und Frankreich haben bereits bedeutende
liche Velehrung iiber die trockene Konſervierung und Aufbewahrung
1888.
der Mineralien und Foſſilien , die Anfertigung und Aufſtellung
Gelehrte die Reſultate der Tiefjeeforſchung, welche i:1 den legten
vou Aryſtallmodellen und die Herſtellung von Gebirgsmodellen
zwanzig Jahren rieſige Fortſchritte gemacht hat, einem gebildeteit
Kleinere Mitteilurg.
260
Publitum vorgeführt. 31 Deutſchland aber , deffen maritime Bedeutung doch von Jahr z11 Jahr zunimmt, fehlt noch ein Werk, welches gebildete Leſer gründlich mit dem befannt machte , was
die körperliche und geiſtige Kraft von Hunderten tiichtiger Mämer
in mühſeliger Arbeit der geheimnisvollen Tiefe abgeringen hat. Das vorliegende Buch will in dieſem Mangel abhelfen und
die iiberraſchenden Erfolge der unterſeeiſchen Forſchungen ziim Gemeingut machen. Der Verfaſſer beſikt auf dieſem Gebiete uim faſſende Kenntniſſe und hat iiber die Tiefee.Forſchungen don akademiſche Vorleſungen und öffentliche Vorträge gehalten ; ſeine lichirolle Darſtellung in dem vorliegenden Werte wird durch eine Menge vortrefflicher Abbildungen unterſtiißt, in Bezug auf welche der Verleger den Winſchen des Verfaſſers aufs liberalſle
entgegengekommen iſt. Der erſte allgemeine Teil des Werkes handelt von den Tiefmeſſungen der Temperatur, den Druidver hältniſſen, der Chemie und dem lichte des Tiefſeewaſſers, und der zweite weit umfangreichere Teil von dem Tierleben der Tiefſee. Die Quellen , aus denen der Verfaſſer ſchöpft, ſind meiſtens engliſche dann franzöſiſche deutſche ; und unter den engliſchen nchmen wieder die iryt ſchon 25 Lände füillenden Berichte über die wiſſenſchaftlichen Reſultate der Challenger : Expedition die erſte Stelle ein .
* Geiger , Dr. Wilh.: Die Pamir. Gebiete; eine geo #
Zuſammenfluß des Urn mit dem Chindwin entfernt iſt. Von dieſer Felswand, die bei den chineſiſchen Händlern ,,Nantc!ung “ oder „ jdwieriger Zugang“ heißt , iſt nichts Genaues bekannt, da die Händler ſchon ſeit zwanzig Jahren nicht mehr dort geweſen ſein ſollen. Funerhalb des obenerwähnten Nephrit -Bezirkes ſind kleine Mengen dieſes Geſteins an vielen Orten gefunden worden und zahlreiche verlaſſene Steinbrüche. Die größten der noch abge bauten Steinbriche liegen im Lande der Merip Sachins. Die be deutendſte Grube iſt ungefähr 50 m lang, 40 m breit und 20 m tief. Die Jahreszeit für den Abbau des Nephrits beginnt im No
vember und währt bis in den Dai. Die ergiebigſten Steinbrüche ſind in der Regel iiberſchwemmt und die Bearbtitung der ben iſt dadurch ſehr erſchwert. Im Februar und März , wenn die Sohle der Grube einige Stunden lang durch Ausſchöpfen trođen erhalten werden kann , werden am Fuße des Geſteins ungebeure Feuer angeziindet und man hält dann ſorgfältig Wache iiber die
gewaltige Hite, daß man die erſten Zeichens des Zerſpringens oder Berſtens entdecken fann. Sobald dies geſchieht, fangen die Sachins an , das anſtoßende Geſtein init Bideln oder Hämmern zu bearbeiten oder Stiide davon mittelſt Brecheiſen abzuſprengen ,
welche man in die Spalten einſegt. Die Hiße iſt beinahe 1111 erträglich , die Arbeit ſchwer und die Sterblichkeit unter den Ar beitern groß. Die Kachins beanſpruchen das ausſchließliche Recht,
graphiſche Monographie. Mit einer Karte. Wien, Ed. Hölzel .
die Steinbriidhe zu bearbeiten, und die iibrigen Einwohner haben
Der Gebirgsſtock oder das Hochland der Pamir, des „Daches der
auch keine große Luſt , ſie daran zu hindern. Die Händler be gniigen ſich damit, die Steine den Nachins abzukaufen. Der
Welt“, iſt eines der wichtigſten Gebirge in der Gliederung von Zentralaſien und die große Scheide der verſchiedenen Gebiete von Hochaſien. Die Wichtigkeit dieſes Hodlandes fiir Geographie und Naturkunde iſt zu allen Zeiten , ſeit Marco Polo und den arabi îchen Geographen deutlich eifaunt geweſen , das Zentralgebirge aber
ſelbſt erſt nach ſeiner Bedeutung und großartigen Natur genauer er fannt und erforſcht worden. Die 311 ſeiner Kunde beitragenden Notizen warum nun ſeither in vielen einzelnen Reiſewerfen zerſtreut in jiingſter Es iſt daher ein äußerſt verdienſtliches Unternehmen des Herrn Pro feſſors Dr. Geiger in München , daß er die Ergebniſſe aller feito herigen Forſchungen über die Bamir zit einer gewiſſenhaften und fleißigen Monographie vereinigt hat, die uns bier vorliegt. Zunächſt gibt er eine Ueberſicht liber die Geſchichte der Erforſchung der Pamir Gebiete und über ihre allgemeinen phyſikaliſchen Verhältniſſe, dan eine allgemeine orographiſche und geologiſche Ueberſicht iiber das Pamir -Syſtem , ſein Klima, ſeine Gletſcher- und Schneever
Nephrit wird dann von armen Schans und Kachin -Kulies nach
Namia Kyantjeik, eine ſtarte Tagereiſe von Tanon , gebracht. Von hier bringt man ihn in Einbäumen einen kleinen Fluß hinab , welcher ſich in den Tudaw ergießt (etwa drei Meilen unterhalb Safaw ), worauf er auf dem Tudaw ſelbſt nach Mo +
gaung geſchafft wird .
Druck und Verlag der I. G. Cotta’ſchen Buchhandlung Nachf. in München und Stuttgart.
Fir die Redaktion verantwortlich : W. Keil in München .
Verlag von T. 0. Weigel Nachf., Leipzig. Soeben erschien ;
hältniſſe, ſein Kulturgrenze und Vegetationszonen, Tierwelt 2c.; damn eine geographiſche Schilderung der Bamir -Gebiete , des Alai .
( HINA
Syſtems und des Gebietes des Sarefichant, der Alai- Steppe und
des Kiſil Siu , des turfeſtaniſchen Gebirges a . , des Þamir , Syſtems und des Stromgebiets des Pandich , des Steppens und des Gebirgs -Pamir , des findufuſch 2c. Es iſt eine muſterhaft fleißige, gewiſſenhafte und höchſt lehrreiche Arbeit, und bildet einen
##
### Skizzen von Land und Leuten
Teil der von Profeſſor Dr. Albert Bend in Wien herausgegebenen wertvollen „ Geographiſchen Abhandlungen “, auf welche wir die Beachtung unſerer Leſer ganz beſonders binleiten wollen .
Mit besonderer Berück
sichtigung zieller
R. M.
kommer
Verhältnisse von
A. H. Exner ,
vorm . Delegirten
Kleinere Mitteilung.
der
im Deutschen Bank Deutschen Eisen balin konsortium für China.
* Nephrit in Burma. Einem neueren amtlichen Bericht aus Burma zufolge iſt die Gegend, wo der Nephrit oder Nierenſtein gefunden wird, teilweiſe von den Flüffen Chindwin und liru eingeſchloſſen und liegt zwiſchen dem 25. und 26.0 11. Br. Man findet Nephrit auch im Bezirke
schem Farbendiuck ausgefülrten Bildern , 17 antotypi
Myadaung, und die berühmteſte aller Nephrit :Lagerſtätten ſoll eine
schen Illnstrationen , eine m Plane der Stadt Peking 11. s . w .
gewaltige Felswand ſein , welche an dem Chindwin oder einem Arm dieſes Fluſſes überhängt und acht oder nienn Tagereiſen von dem
Elegant gebunden 20 Mark .
# Mit einem Portrait in Stahlstich , 6 in lithographi
DAS AUSLAND Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde herausgegeben von 1
KARL VON DEN STEINEN .
Jahrgang 63, Nr. 14 .
Stuttgart, 7. April 1890.
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7.- Zu beziehen durch die Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Postämter .
Manuskripte und Rezensionsexemplare von Werken der einschlägigen Litteratur sind direkt an Dr. KARL VON DEN MDCXL STEINEN , 2. Z. Marburg-Hessen , Haspelstrasse 20 , zu senden. Inserate auf dem Umschlag 20 Pf. für die gespaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. An unsere Leser ! S. 261 . 2. Zur Ethnologie des Albert-Sees . Von Dr. Emin . S. 263 . 3. Am west lichen Kilimandscharo . Von Dr. Hans Meyer. S. 263 . 4. Geheimbünde der Küstenbewohner Nordamerikas. Von J. Adrian 6. Die vorge Jacobsen . S. 267 . 5. Leber Temperaturheobachtungen in den heissen Klimaten . Von Dr. R. Assmann . S. 269. schichtlichen Einflüsse des Orients auf Mitteleuropa. Von Dr. Moriz Hoernes . S. 272 . 7. Modiglianis » Reise nach Nias « . Von Dr. H. Schurtz . S. 275 . 8. Wilhelm Junkers Reisewerk . Von Prof. Ph . Paulitschke . S. 278 .
An unsere Leser ! Das neue Quartal soll auch für die Entwicklung der Zeitschrift einen neuen Abschnitt bezeichnen und eine wesentliche Umgestaltung oder, so viel als möglich, die Rückgestaltung zum guten Alten einleiten . Es kann nicht frommen , mit diplomatischen Wendungen in falscher Pietät die Thatsache zu um gehen, dass das »Ausland« der letzten Jahre keineswegs mehr das » Ausland« von früher war. Die zahl reichen Freunde , die ihm damals Förderung gaben und Förderung verdankten , werden sich durch das unumwundene Bekenntnis, dass zwischen einst und heute eine Periode geringer Fruchtbarkeit gelegen hat , am ehesten zur Versöhnlichkeit stimmen lassen ; wenn ihre Augen dem biedern grünen Umschlag,
dem lange verbannten , jetzt wieder begegnen , so mögen sie wohlwollend vertrauen : auch das Innere soll nach Kräften den besten Traditionen der näheren und ferneren Vergangenheit angepasst werden. Freilich , wenn wir etwa 25 Jahre zurückblicken , so finden sich die Linien des damals vorge
zeichneten Programms nicht unbedeutend von dem gegenwärtigen unterschieden : jene umgrenzten ein bei weitem umfangreicheres Gebiet , indem sie auch die Ergebnisse der Naturkunde« einschlossen. Aber diese gewaltige Ausdehnung war von dem genialen Leiter des Blattes im Kampfe gegen die zünf tige Gelehrsamkeit proklamiert worden , die » noch immer die seltsame Ansicht hegte, als entwürdige man die Wissenschaft, wenn man dem profanen Publikum Fachkenntnisse mitteile « ; indem er erfolgreich half, einer freieren Betrachtung der Natur die Bahn zu ebnen , hat er selbst dazu beigetragen , dass wir uns heute der Einschränkung auf die » Erd- und Völkerkunde « erfreuen dürfen .
Ueber die Umgrenzung der »Völkerkunde« waltet kein Zweifel ob ; allein die moderne »Geographie« erhebt sich auf so breiter Unterlage, dass in neuem Gewande die alten Versuchungen wiederkehren, auf den Grund und Boden der zahlreichen Nachbarwissenschaften abzuschweifen . Jeder fühlt, was Geographie ist , und niemand weiss es ; jeder ihrer akademischen Vertreter definiert sie auf eine andere Weise , und
nur darin sind alle einig , dass sie eine Wissenschaft mit eigner Verantwortlichkeit und keineswegs ein eklektisches System ist. Spötter sagen, sie sei die Universalwissenschaft, die Wissenschaft schlechthin.
Nun , diese theoretische Unsicherheit brauchte uns wenig zu kümmern ; wir könnten sogar die Zersplitterung durch oberflächliche Politur gefällig gestalten , die fachlichen Interessen vernachlässigen und wohlgemut wie ein sorgloser Wanderer alle Länder und Völker , jenachdem sich die Gelegenheit bietet, unter der Führung grosser und kleiner Reisenden besuchen zufrieden , wenn wir zu erzählen wissen
und die Freunde daheim über merkwürdige Gebräuche, seltsame Naturerscheinungen, wirkungsvolle Land schaften anregend unterhalten. Eine solche Aufgabe wäre, eine gute kritische Behandlung vorausgesetzt, nach unserer Meinung keineswegs geringzuschätzen, aber doch für unser Alter – wir stehen im 63. Jahr gang – wahrlich nicht ernst und umfassend genug. Es gibt nur eine gesunde Möglichkeit, zwischen der Scylla akademischer Schwerfälligkeit und der Charybdis touristischer Trivialität glücklich hindurch Ausland 1890 , Nr . 14.
40
An unsere Leser !
262
zusteuern : die Zeitschrift muss nach einem bestimmten und klaren, einheitlichen Plane ihr Gebiet zu un
grenzen suchen, vor allem aber innerhalb dieses abgesteckten Raumes die Grundanschauung, welche einst der Thätigkeit Peschels die Weihe gab und sie zu glänzenden Erfolgen führte , in ihre Rechte wieder einsetzen , die Grundanschauung , dass auch in einem Blatte , welches zwischen der fachlichen Forschung und dem Bedürfnis der Gebildeten vermittelt – wissenschaftliche Arbeit gethan werden kann und gethan werden muss. Wir wünschen uns Leser, die lernen, indem sie empfangen, wir wünschen uns Mitarbeiter,
die lernen, indem sie geben . Nicht darf sich die Zeitschrift zum Ziele setzen, in buntem Durcheinander über alle Beziehungen zu berichten , die zwischen Heimat und Fremde überhaupt stattfinden – weder jedermann für einen deutschen Aufsatz zur Verfügung stehen , der einmal nach Aegypten oder Sansibar
gekommen ist und sich nun als einen Afrikareisenden betrachtet , noch auf der andern Seite beliebigen geologischen , meteorologischen u . s. w. Spezialuntersuchungen , die keinen Ausblick aus dem engsten Kreise gewähren, ihre Spalten öffnen, noch endlich sich verpflichtet halten, politische und kaufmännische SO Unternehmungen, die über besondere Organe verfügen und in der Tagespresse gewürdigt werden , fern sie nicht auch wissenschaftlichen Gewinn aufweisen
bei allen ihren Schwankungen zu begleiten .
Jedem das Seine und Arbeitsteilung!
Zunächst rechnen wir zu unserm geographischen Gebiete selbstverständlich das Material der For schungen im Inlande und Auslande, welches unter die alte Bezeichnung der „Erdbeschreibung« fällt. Dann aber ist es wohl das Natürlichste , dass eine Zeitschrift, die sich in ihrer Ueberschrift der Erd- und Völkerkunde« widmet, gerade in dieser Verbindung das Schwergewicht ihrer Aufgabe suchen und in das
den beiden Wissenschaften gemeinsame Bereich den Mittelpunkt ihrer Thätigkeit verlegen möchte. Einerlei alsdann , in welcher Definition der »Geographie « sich ihre berufenen Meister einigen werden , die praktische Begriffsbestimmung für das Schwesternpaar Erd- und Völkerkunde lautet, dass sie 9
beobachten und erörtern die Gesetze der Kulturentwicklung und der Verbreitung des Menschengeschlechtes im Zusammenhang mit allen denjenigen Vorgängen in der unorganischen und organischen Natur, welche jene beeinflussen oder von jenen beeinflusst werden.
Von diesem Standpunkt aus würde sich unser gegenwärtiges Verhältnis zur »Naturkunde« , das allein der Auseinandersetzung bedarf, im allgemeinen unschwer festlegen lassen ; wir treiben keine Zoologie, aber uns interessieren die Verbreitungsgesetze der grossen und kleinen Tiere , die der Mensch verfolgt oder
die ihn verfolgen, die der Mensch kultiviert, oder gar die, welche, wenn der Ausdruck gestattet ist, ihn kulti vieren ; wir erblicken des besondern in dem Studium der Haussäugetiere eine höchst beachtenswerte Forschung, weil sie wahrscheinlich zu seiner eigenen Rassensonderung die bedeutsamsten Analogien darbietet und
natürlich einen Faktor seines Kulturaufschwungs von gewaltiger Tragweite liefert. Würden uns
nun
etwa die Schicksale und Ergebnisse einer Planktonexpedition gleichgültig lassen, deren Hauptuntersuchungen ausserhalb des bezeichneten Feldes liegen ? Selbstverständlich mustern wir mit lebhaftem Beifall und
Interesse, was von einem grossartigen wissenschaftlichen Beutezuge heimgebracht wird, und nehmen dan kend die Bereicherung unserer Kenntnisse in Empfang, wenn sie uns auch nur mittelbar dient. Nichts
stünde uns schlechter an als Prinzipienreiten. Es gibt andere Probleme für das Verständnis unseres Erdballs, die mit der Existenz des Menschen nicht das Geringste zu schaffen haben , so ungemein wich
tiger Art, dass wir die Behandlung derselben, mögen sie nun in das Schubfach »physikalische Geographie« oder » allgemeine Geologie« einzuordnen sein , – wenn sie gerade in unsern Tagen eine bedeutungsvolle Vertiefung erfahren --- einer Klassifikation , gewiss nicht opfern würden. Wir möchten überhaupt nur
versuchen, den zahlreichen Fragern Rechenschaft zu geben , welche wissen wollen, in welcher Weise die Neugestaltung des » Auslands« gedacht ist. Sie ist eben zunächst nur gedacht, nur gewünscht. Die Mit arbeiterschaft, wenigstens die beste, ist nicht zu kommandieren, sondern sie ist es, die kommandiert. Wir
können nur die Parole ausgeben , können nur erklären : es ist unsere feste Ueberzeugung , dass eine er spriessliche Thätigkeit entfaltet werden kann , wenn für unsere naturwissenschaftliche Arbeit die Beziehung zum Menschen in den Vordergrund gerückt wird, unsere Ueberzeugung, dass gerade dieses Bestreben in erster Linie geeignet wäre , gleichzeitig den engeren fachlichen und den weiteren allgemein-gebildeten Kreisen Nützliches zu bieten .
Das Terrain der Erd- und Völkerkunde ist unabsehbar gross ; es ist besetzt mit geschäftigen Arbei
Sonderausbildung. Ob sich allmählich eine Einheitlichkeit des Planes er tern der verschiedenartigsten liegt noch im Schosse der Götter. Wohin aber auch der Weg sich wende oder
reichen lässt
das
winde, überall werden wir erfüllt sein von einem ernsten und rüstigen Wollen . Glückauf!
Zur Ethnologie des Albert-Sees.
Zur Ethnologie des Albert -Sees. Von Dr. Emin .
Am westlichen Kilimandscharo .
263
lichen Negersprachen zuzuteilen. Natürlich haben im Laufe der Zeiten vielfache Vermischungen stattgefun den , und längs des Somerset- Nils finden wir ein
Nach den Ueberlieferungen der Wanioro war in den ältesten Zeiten der Albert-See von Zwergvölkern
zelne kleine Stämme, die sprachlich ein Gemisch bei Im ganzen und grossen
der Familien darbieten .
umringt, welche die noch heute an dem Seegestade jedoch deckt hier die Sprache die ethnologischen befindlichen Bananenpflanzungen angelegt haben sollen . Als nun durch die Wahuma, von Nordost her
Charaktere, und während die Bantu -Stämme ihre
kommendeEindringlinge,die Urbevölkerung Unioros, die Witchwesi, zur Wanderung getrieben wurden,
Stämme ihrer Sprache treu geblieben. Es wäre nun recht interessant zu untersuchen, ob die aus Nordost
wandten sie sich, da nach Süden hin die Strasse gesperrt war, ganz natürlicherweise nach Westen, drängten die verschiedenen Stämme vor sich her und zwan-
gekommenen Wahuma bei ihrer Ankunft in Unioro eine eigene Sprache mitbrachten , und zu welcher Sprach-Familie diese gehörten . Meine Erfahrungen lassen mich glauben , dass hier einer der interessan ten Fälle vorliegt, wo ein Stamm , der andere Stämme
gen sie, den See zu überschreiten . Vor ihnen wichen
die Zwergstämme zurück, erstiegen das westliche Plateau und siedelten sich in den weiten Waldungen an,
Sprache rein bewahrt haben, sind auch die Negroiden
welche die Quellflüsse derjenigen Ströme umgeben,
überwältigt, schliesslich seine eigene Sprache so ziem lich verloren und dafür die Sprache nicht sowohl
die ihr Wasser nach Westen führen .
Dort findet
der unterdrückten , sondern vielmehr benachbarter
man sie noch heute in kleinen Familien und Gesell-
Stämme angenommen hat. Es gehört dazu übrigens das Zusammenwirken vieler Umstände, und nur die
schaften, und ihre Reviere begreifen auch diejenigen
Wälder, welche den Südabhang der Ruwenzori-Kette
völlige Einkeilung eines Stammes inmitten anderer,
bekleiden und einen nach Osten vorspringenden Aus-
abweichende Idiome sprechender kann solch einen
läufer der westlichen Waldregion bilden . Hinter ihnen in den verschiedenen Hügelketten , welche auf das
Sprachwechsel erklären , und doch gibt es auch hier Fälle,in denen solches stattgefunden und kein Sprach
westliche Plateau des Albert -Beckens gesetzt sind ,
wechsel vorging . Ich erinnere an die Bewohner von
liessen sich ihre Nachfolger, die Witchwesi , nieder, Kawirondo, die bis heute ihre Schilluk-Sprache be welche heute, durch spätere Ankömmlinge etwas nach Norden gedrängt, als gefürchtete Räuberstämme von
wahrt haben.
In einer nächsten Mitteilung werde ich mir ge
den umwohnenden Völkern mit dem Allgemein- statten , die ethnologischen und sprachlichen Ver namen A-Lendu-Stämme bezeichnet werden, jedoch
hältnisse dieser interessanten Region ausführlicher zu
verschiedene Einzelnamen tragen. Auch die Witch- besprechen. wesi blieben nicht lange im ungestörten Besitze der
Seeufer, weil neuerdings sich Stämme von Osten nach Westen vorschoben , und zwar waren es dies-
mal verschiedene Abteilungen reiner Wahuma, welche, vom Ostufer aus den See nach Süden umgehend,
Die vorstehende interessante Mitteilung , viel leicht die erste wissenschaftlichen Inhalts, welche der wiedergenesene Dr. Emin Pascha verfasst hat, können
wir nicht der Oeffentlichkeit übergeben , ohne unsere
auf der Westseite desselben sowohl das Ufer weit- verehrungsvollsten Glükwünsche hinzuzufügen ; mit hin nach Norden besetzten , als auch das Randge-
Freude und Genugthuung darf es die Gelehrtenwelt
birge erstiegen und sich auf dem fruchtbaren Plateau
erfüllen, dass der unersetzlich wertvolle Schatz seiner
endgültig niederliessen . Ein anderer Zweig derselben
Erfahrungen ihr nunmehr wieder erschlossen ist. Die Redaktion.
Familie zog weiter südwestlich und besetzte den
Nordabfall der Ruwenzori-Berge hinüber bis zum Be ginne der geschlossenen Wälder. Auch heute findet sich dieselbe Verteilung innegehalten . Etwas später, als diese Völkerbewegungen Platz griffen, schob sich von Norden her eine völlig abweichende Völker familie gen Süden , und zwar handelte es sich hier um einen Zweig der grossen Schillukfamilie, die nach und nach einzelne ihrer Stämme quer durch das Gebiet des Baher-El-Gazal vorgeschoben hatte und nun
Am westlichen Kilimandscharo. Von Dr. Hans Meyer ').
Nachdem im Jahre 1848 der Missionar Reb mann den Kilimandscharo entdeckt hatte und bis zur Landschaft Madschame am Westabfall des Ge
birges vorgedrungen war , hatte die Expedition des
in einer ihrer an Mannschaften reichsten Abteilungen
deutschen Reisenden Claus von der Decken Anno
die Ufer des Sees erreichte. Es ist dies der Stamm
1869 Madschame wiederum besucht und von ihr aus das Gebirge zu erschliessen versucht. Seitdem
der Aluri , der heute seine Wohnsitze am linken
Ufer des Baher-El-Djebel, wo dieser den Albert-See
verlässt, aufgeschlagen hat . Fassen wir den nach die Umwohner des genannten Sees zusammen , so handelt es sich um zwei
völlig verschiedene Gruppen , die eine , das Bantu Idiom sprechend, die andere den eigentlichen nörd-
ist mancher Europäer dorthin gelangt , aber durch keinen ist unsere auf den Deckenschen Reiseergeb nissen beruhende Kenntnis von jener grossartigsten 1) Aus dem im Lauf des Sommers erscheinenden Reise werk des Verfassers.
Am westlichen Kilimandscharo .
264
Seite des äquatorialafrikanischen Schneeriesen wesent-
Aur über der Waldregion hinaus und wanderten auf
lich erweitert worden . Ich hatte deshalb auch die Westseite des Ge-
ihrem von roten Immortellen und Amaryllen durch webten Teppich nunmehr nach Westen. Bald zogen
birgstocks in meinen Forschungsplan mit einbezogen dunkelgraue Wetterwolken aus Südosten heran, und und rüstete mich Mitte November, nachdem wir von den Besteigungen des Mawensi und Kibo nach Ma-
ehe wir unserealten Strohhütten am Muëbach ( 3000 m) erreichten , brach es los in so urgewaltiger Heftig
rangu ins fruchtgesegnete Dschaggaland zurückgekehrt
keit, dass die meisten Träger, vom Hagel gepeitscht,
waren , zu einem Aufstieg am Süd- und Westkibo.
sich halb ohnmächtig vor Kälte und Entsetzen neben
>
Die westlichen Dschaggastaaten waren aber gerade
ihre Lasten warfen und nur durch handgreifliche Er
damals der Schauplatz besonders erbitterter Fehden zwischen den Häuptlingen Mandara von Modschi
munterung zum Weitergehen veranlasst werden konn ten. Zwei Stunden tobte der Sturm , und noch eine
und Sinna von Kiboso , an welchen die kleineren
halbe Stunde nachher bei strahlender Sonne lagen
Nachbarn notgedrungen teilnehmen mussten . Ich ver- Hagelkörner von Kaffeebohnengrösse stellenweise suchte deshalb nicht, quer durch Dschagga direkt auf 2 cm hoch auf dem Grasboden . Kein Wunder, dass mein Ziel loszugehen, sondern musste von Marangu in solchem Wetter unsere mitgeschleppten Hühner durch den Urwald zu den Grasmatten oberhalb der
elend umgekommen waren , aber auch sehr erklär
Waldregion aufsteigen , um von dort, westwärts über den Dschaggaländern entlang wandernd , den süd-
lich bei unseren Verpflegungsverhältnissen , dass wir ihnen trotzdem noch nachträglich feierlichst den Hals
lichen und westlichen Fuss des Kibo zu erreichen .
abschnitten , um sie mit nicht allzu schlechtem Ge
Am 14. November machten wir uns erst mittags im stechenden Sonnenbrand auf den Weg , da die
wissen verzehren zu können. Auf den stürmischen Nachmittag folgte eine klare kalte Nacht. Kaum graute der Tag , als ich zum Aufbruch antrieb, aber diesmal konnte ich die
beiden von Mareale gestellten Führer nicht früher aufzutreiben gewesen waren , und stiegen langsam
durch den offenen Busch in die schattigen bachdurchrieselten Bananenhaine hinein , auf dem nun
Leute selbst nicht durch Androhen von Schlägen
aus den Grashütten heraustreiben ; die Furcht vor
schon zum fünftenmal in diesem Jahr begangenen der Kälte, welche vor Sonnenaufgang noch -14 °° C . Pfad über die Kulturengrenze und die folgende betrug, war stärker als der sonst nie versagende Farnenregion hinaus , zum unteren Urwaldrand,
Respekt vor meinem geschwungenen Bergstock. Da
wo wir auf einer kleinen orchideentragenden Kam- ich die Berechtigung des Verlangens dieser nur not
pine am murmelnden Ruabach Lager aufschlugen . dürftig gekleideten grossen Kinder wohl einsah, gab Meine Karawane war diesmal nur 20 Mann stark, also beweglich genug , um alles mögliche mit ihr auszuführen. Herr Purtscheller war zwar noch recht
ich nach und wartete bis nach Sonnenaufgang. Von den wärmenden Strahlen hervorgelockt und ermutigt, setzte sich die kleine Karawane in Bewegung , um
angegriffen infolge von bösen Verdauungsstörungen , auf dem neutralen Pfad, der hart über der oberen die er sich durch reichlichen Genuss von DschaggaBananen zugezogen hatte (welche im reifen Zustand seltsamerweise nicht einmal die Sansibarträger unge-
Urwaldgrenze am ganzen Südkilimandscharo entlang läuft und den Bewohnern der östlichen Dschagga staaten den Besuch der westlichen ohne Betreten
straft geniessen konnten), er hoffte aber, ebenso wie ich für mein aus Ugueno stammendes Fieber , baldige Besserung von der Höhenluft. Und sie blieb
der dazwischenliegenden Gebiete ermöglicht , mit uns nach Westen hinüberzuziehen . Da plötzlich
nicht aus .
welche uns Mareale mitgegeben hatte, um uns nach Madschame zu geleiten, und welche nach Landes
Schon die erste Nacht im 1950 m hohen
trat ein neues Hindernis ein.
Die beiden Führer,
Ruabachlager war bei + 5 ° C .Minimumtemperatur brauch die Hälfte ihrer Bezahlung voraus erhalten köstlich erfrischend. Vom Vom Bach drang summendes
hatten, mochten sich die Sache in der Nacht anders
Murmeln , aus dem tauigen Riedgras unserer Kampine überlegt haben und erklärten nun offenbar auf Ver das Zirpen der Cikaden und aus dem Waldesdickicht zuweilen das ferne Posaunen eines Elefanten an
abredung , dass sie weder den Weg wüssten noch uns rieten , weiter vorzudringen , da wir unfehlbar
unser Im Ohr.Urwald Und prangten funkelnd nun klar viele ging Pflanzen der Morgen den meuternden Mandara- und Sinnakriegern in die , die Hände fallen würden . Ich schaute mich im Kreis
auf.
früher im graugrünen Moosbehang gestanden hatten ,
meiner Leute um , und ein Blick auf die drei mit
im vollen Blütenschmuck . Besonders wirkungsvoll
genommenen Somalis zeigte mir, dass ich verstanden
hoben sich die mit rotbraunen Blütentrauben be-
wurde. Ruhig legte ich dem verständigeren der
lasteten Essigbäume und die weissblütigen hohen Dracanaformen , welche den Hauptbestandteil des Waldes bilden , von den tiefstehenden indigoblauen Staudenblütlern ab , über welche einzelne grelle
beiden Führer die Hand auf die Schulter, und sofort
war er von hinten gepackt und gebunden. Der andere entwischte. Erst hielt ich unserem Gefangenen eine ein
Lichtstrahlen durch das Blätterdach im Halbdämmer
dringliche Rede über seine Thorheit und unsere
spielend hinwegtanzten . Gegen Mittag traten wir auf die offene Gras-
Klugheit, drückte ihm dann , als ich sah , dass er >
sich wirklich nur vor den räuberischen Mandara
Am westlichen Kilimandscharo .
265
und Sinnaleuten fürchtete , als kräftigstes Schutz- , Lager schlagen liess trotz des Widerspruchs Mkumbos, mittel unsere kleine Fahne in die Hand und hiess
ihn auf dem Pfad vorangehen , indem ich finstern
des nun seiner Fesseln ledigen Führers, welcher fürchtete, dass der Rauch unserer Lagerfeuer die
Blickes mit tödlich sicherem Niederschiessen drohte,
Wakiboso herbeilocken werde. Sein Bedenken ward
wenn er einen Fluchtversuch wagen werde. Mkumbo
gegenstandlos durch den Losbruch des Mittags
gehorchte nun willig und trennte sich von Stund
gewitters , das den gefürchteten Feinden zweifellos
an bis zur Heimkehr nicht mehr von seiner Fahne.
nur wenig Lust zu Beutegängen machen konnte.
Als drolliger Spassmacher und in dem wunderlichen Kostüm , in das ihn Mareale gesteckt hatte ( auf dem
man nur im Hochgebirg kennen und doppelt in
Was elementare Gewalt eines Gewitters heisst, lernt
Kopf den verwitterten Filzhut eines Missionars, auf einem tropischen Hochgebirg. Vor dem prasselnden dem Leib einen alten Paletot vom Grafen Teleki , an
Hagel und heulenden Sturm flüchteten sich die
den Füssen ein Paar zerrissene Schnürschuhe von mir, Träger unter die nur geringen Schutz gewährenden in der einen Hand die Fahne, in der anderen einen
Lavablöcke und Schichtenbänke, wo sie durch den
Speer) , liess er uns bald seine anfängliche Unart ver-
anhaltenden Regen den ganzen Nachmittag und die
ganze folgende Nacht bei qualmenden Feuern in Der Gewittersturm des gestrigen Nachmittages ihren durchnässten Hemden und mit hungerndem hatte dem Mawensi sowohl wie dem Kibo einen Magen festgebannt wurden . Dieser letztere Uebel blendenden Neuschneemantel umgelegt, der das Relief stand kam zu allen übrigen noch hinzu. Es stellte der Felspartieen herrlich hervorhob. Auf unserem sich heraus, dass die Leute in der sicheren Erwar
gessen .
Pfad durch die Grasfluren brannte die Sonne heiss
und liess für Mittag wieder Gewitter und Regen erwarten . Langsam kamen wir dem Kibo näher in dem Mass, in welchem wir uns vom Mawensi ent-
fernten. Nach Ueberschreiten einer grösseren Zahl kleiner Bäche , die meist in dieser Region oberhalb des Urwaldes und unterhalb der oberen Plateau-
tung , schon in drei Tagen nach Madschame zu kommen , nur für drei Tage Proviant gehabt, den vermeintlichen Ueberschuss an Nahrungsmitteln aber,
den sie in Marangu erhalten, auf dem Marsch ver schleudert hatten, um nicht zu schwer schleppen zu müssen .
Diese Entdeckung, welche mich zwang, am fol
stufe entspringen und in ihren tiefen Erosions- genden Tag in bewohnte Gebiete hinabzusteigen , schluchten häufig von zwei baumartigen Senecio-
selbst wenn ich trotz der Gewitterregen auszuhalten
Arten (Senecio Johnstoni und eine andere mit
gewillt gewesen wäre, hätte mich drei Monate vor
dünnem glatten Stamm und vielfacher Verästelung ) gesäumt sind, kletterten wir über einen hohen gra-
her vielleicht noch in grossen Zorn versetzt. Aber man wird gleichmütig im afrikanischen Lagerleben.
sigen Lavarücken hinweg in eine weite Mulde, von deren Rand ( 3200 m ) aus sich ein umfassender Ausblick
Ich stellte jedem der Missethäter eine ungeheuere Tracht Prügel in Aussicht , wenn wir nach Marangu
auf den aus der blaudunstigen Westebene aufsteigen-
zurückkehren würden, und ordnete für den nächsten
den Vulkan Meru bot. Deutlich war sein nach Ost
Morgen den Abstieg in die mit Mareale befreundete
geöffneter grosser Krater mit den westlichen zackigen
Dschaggalandschaft Uru an , um von dort westwärts
Steilwänden und einem hohen Eruptionskegel in seiner Mitte zu erkennen ; ich photographierte ihn.
nach Madschame weiterzuwandern . Der Gedanke, dass
Wir traten nun in das Gebiet von Kiboso ein .
die Berge mit Neuschnee bedeckten und sie für die
bei den nun täglich eintretenden Gewittern, welche
In der geschützten wassersammelnden Mulde gehen zweite Tageshälfte ganz in Nebel einhüllten, grosse der Urwald und über ihm die Strauchvegetation merk- Besteigungen ohnehin nicht ausführbar gewesen lich weiter zum Sattelplateau hinauf als im Osten des Gebirges. Ihre kleinen Rinnsale passierten wir
wären , war der einzige tröstliche. Thatsächlich hatten wir zu unseren 14 Tage vorher vom Sattel
in ihrem moosgepolsterten seneciengesäumten Ober - plateau aus gemachten Touren gerade die günstig lauf , wo das Bachbett nur in vereinzelten Steinlachen Sickerwasser enthält.
Um
die weissen Blüten der
Protetaceen schwirrten die kolibriartigen , Honig naschenden Sonnenvögel, mehrfach wurden kleine
sten Wochen des ganzen Jahres gewählt. Von nun an trat die Regenzeit in ihr Recht. Als wir uns am folgenden Morgen zum Rück marsch wendeten , liefen die hungrigen und frieren
hellgraue Antilopen (Dr. Abbotts neue Art) flüchtig, den Träger wie Wiesel bergab. In drei Stunden und einmal sahen wir einen prachtvoll gezeichneten waren wir wieder an unserem alten Muëbachlager, Leoparden in langen Sätzen entspringen. Vor den und nachdem ich dort einige photographische Auf Wildgruben , welche die Kibosoleute hier unmittel- nahmen der in der Frühsonne funkelnden , frisch bar neben dem Pfad 3-4 m tief ausheben und mit beschneiten Berge und der oberen Urwaldgrenze Gestrüpp verdecken,,muss man sehr auf der Hut sein.. gemacht, wanderten wir in den wassertriefenden In heissem Marsch durch das Gewirr von Erika- Wald hinein , indem die Träger vergnügte Wechsel stauden kamen wir höher und höher am südlichen
gesänge über die bevorstehenden Bananen- und
Kibo empor. Gegen Mittag wurde aber das Auf-
Milchgenüsse von Uru anstimmten .
bäumen der in Südosten sich sammelnden Cumuluswolken so drohend , dass ich an einem Rinnsal
sich in mancher Hinsicht von jenen oberhalb Marangu.
Ausland 1890 , Nr . 14 .
Wald und Terrain dieser Bergseite unterscheiden 41
266
Am westlichen Kilimandscharo .
Dort im SO. sanfter Anstieg , flache Ausdehnung, keine energische Ausarbeitung des Bodens zu Käm-
die seit 1 1/2 Tagen keinen Bissen über die Lippen gebracht hatten , kein Halten mehr. Da wir die
men und Schluchten , keine schroffen Uebergänge
ersten Weissen waren , welche in diesem Gebiet er
von einer Vegetationsform des Urwaldes in die
schienen und überdies von der Bergeshöhe herab
andere. Hier im SW . dagegen fällt das Terrain unter 20—25 ° ab und ist von den atmosphärischen Kräften und rinnenden Gewässern in ein gedrängtes Neben-
aus einer Gegend kamen, die noch nie eine Karawane
einander von hohen Rücken und tiefen Klüften
modelliert, wie es die Südostseite erst weit unten am Gebirgsfuss aufweisen kann. Den Wald setzen im obersten Teil zwischen 2900 und 2700 m fast ganz unvermischte Erikaceenbestände zusammen , die bis 5 m hoch sind, mit Stämmen von Schenkeldicke
betreten hatte, verhielt sich die Bevölkerung an fänglich sehr misstrauisch und zurückhaltend. Aber durch Mkumbos , unseres Führers, Zuspruch verlor sich allmählich die Scheu , und als die Träger die
Bananen mit Baumwollzeug und roten Glasperlen zu bezahlen begannen , und ich die gegen Abend
eintreffenden Abgesandten des Häuptlings Salika mit roten Taschentüchern und Messingketten be
und überzogen von langwehenden grauen Bart- schenkte, war bald laute Freude im Land über den flechten. Unterholz fehlt ganz. Rasch geht dieser » Msungu, der aus den Wolken herabgestiegen war « . Teil bei 2700 m Höhe in den typischen tropischen Urwald mit seinen , Dutzende von Arten repräsen-
Den folgenden Tag gab ich als Rasttag zu, um dem weit unten am Berg wohnenden Landes
tierenden Baumriesen , über , zu deren Füssen das
herrn , dem Häuptling Salika, einen Besuch abzu statten . Auf den langgedehnten kahlen Hügel
herrschende diffuse Licht ein üppiges Wuchern von übermannshohen Stauden , Kräutern , Farnen und Moosen 'begünstigt, welche die hier täglich fallenden Niederschläge vor Verdunstung schützen und somit recht eigentlich die Quellensammler für diese Gebirgsseite werden . Der Boden ist lehmig und schlammig, der kaum erkennbare Pfad sehr schwer zu gehen. Von 2300 m ab wird der Wald trockener und lichter. An Stelle der staudenförmigen Unter-
rücken und durch drei tiefe Bachthäler hindurch
brauchten wir fast zwei Stunden , bis wir vor das
umzäunte Gehöft des Häuptlings kamen . Dort hemmte unseren Fuss ein senkrecht in den lehmigen Boden geschnittener tiefer Graben , der vorsichtig
auf einem als Brücke übergeworfenen Baumstamm überklettert
werden
musste .
Der allerwärts
in
Dschagga übliche Ehrensalut von zwei Schüssen
vegetation treten dichte Wirrsale von Lianen und
aus den Gewehren meiner Somalis kündete dem
Sträuchern , und anstatt der grauen Bartflechten über-
Häuptling unser Nahen an. Neugieriges Gefolge hatten wir bereits eine ganze Menge. Jenseit des
ziehen nun braune Moose die Stämme und Aeste. In den sich immer tiefer schluchtenden Bachrinnen
Grabens umschliesst ein
hoher Palissadenzaun
ein
begleiten breitwedelige Baumfarne den Verlauf der
halbes Dutzend runde Hütten für Weiber , Kinder
kalten , klaren Gewässer.
und Vieh und eine viereckige grössere Hütte , die
In dieser Beschaffenheit
reicht der Hochwald hinab bis ca. 2000 m. Dann Wohnung SalikasErstaunen . An demein niedrigen Thor kamen uns zu unserem paar zerlumpteKüsten
wird er schnell offener und lichter und endet bei
1950 m in Buschdickicht, das 50 m tiefer in eine
Suaheli unterwürfig grüssend entgegen , die bei
Zone eng stehender Adlerfarne ausläuft. In 1800 m
keinem Dschaggafürsten zu fehlen scheinen , weil
Höhe verschwinden die Farne am Rand einer schrof-
es für sie in den dauernden kleinen Kriegs- und
fen Terrainstufe, unterhalb deren bei ca. 1750 in die
Raubzügen stets Gelegenheit zum Sklavenkauf gibt.
obersten Bananenpflanzungen von Uru beginnen. Durch den ganzen Wald von oben bis unten
Hofes, in ein Stück nagelneuen roten Baumwollen
Salika stand inmitten eines sauber gefegten
fanden wir an umgerissenen Bäumen , aufgewühlten
stoffes gekleidet und von vielen Weibern umgeben .
Wurzeln , knietief eingestampfter Erde ungezählte
Er ist etwa zwanzigjährig, dick und breit und wusste
Spuren von Elefanten ; die meisten im mittleren,
bei unserer Ansprache nicht, wo er vor Scheu und
den trockneren Teil , und dort war es , wo wo ich den einzigen Elefanten begegnete, die ich in Afrika zu Gesicht bekam . Es waren ihrer 14 , denen wir
die Hand schüttelte und ihm erzählte, dass ich über
plötzlich gegenüberstanden , sie nicht minder über-
sei, um nach Madschame weiterzugehen , und sein
rascht als wir ; aber ehe ich noch die Situation recht überschauen konnte, brachen sie donnernd an
Herz durch schöne Geschenke erfreuen wolle, taute
Verlegenheit hinschauen sollte. Erst als ich ihm den Berg von seinem Freund Mareale gekommen
er langsam auf und plauderte dann bei einem Kübel uns vorbei hinein ins Dickicht , aus dem wir noch Pombe (Bananenbier) ganz nett in Suahelisprache lange den Lärm der Flüchtlinge vernehmen konnten. über Sansibar und Europa , von dem ihm seine Als das Mittagsgewitter in den oberen Berg- suahelischen Hofschmarotzer Wunderdinge erzählt regionen zu toben begann, waren wir schon weit hatten. Seine beiden Liebhabereien : Pombe und aus seinem Bereich . Nach 4 Uhr langten wir in Weiber merkt man ihm und seiner Umgebung sehr den ersten Bananenpflanzungen von Uru an . Ein deutlich an . Ich habe nirgends besseres Bananen wenig unterhalb liess ich auf einem freien, zwischen bier getrunken und nirgends hübschere Dschagga zwei tiefen Erosionsschluchten stehenden Hügel weiber gesehen als bei Salika. Wie dem Häupt Lager aufschlagen, und nun gab es für die Träger, ling Mandara, so machte auch ihm unter meinen
Geheimbiinde der Küstenbewohner Nordamerikas.
Geschenken den tiefsten Eindruck eine schauerliche
d. h. oben am Kibo) bis zu 2000 m am Berg em
grün-weiss-rot bemalte Maske , die er als grosse porreicht. » Daua« (Zauber) selbst in Verwa hrung nahm, Verwahrung während er die Zeuge , Perlen , Spiegel, Ket ten , Messer , Fesse u. s. w. seinem Haushofmeister
übergab .
Schluss folgt.)
Geheimbünde der Küstenbewohner Nord amerikas .
Während
unserer Audienz
hatte
ich einen
Asikari ins Lager zurückgeschickt mit dem Auftrag, letzteres weiter am Berg herab an einen hübschen
Platz zu verlegen , den wir am Morgen passiert hatten .
267
Als wir nachher, von Salikas Leuten be-
gleitet , dort wieder ankamen , waren die Zelte bereits aufgeschlagen , und ich sah nun, dass wir nie
Von J. Adrian Jacobsen.
Es ist schwer für den Reisenden , über die Ge heimbünde der nordwestamerikanischen Indianer
etwas Genaues zu erfahren, um so schwerer, als von den Eingeborenen selbst nur diejenigen , welche in einen Geheimbund aufgenommen sind, von den Vor
einen schöneren Lagerplatz gehabt hatten. Wir gängen innerhalb desselben zu berichten wissen. standen auf einem frischgrasigen, vorspringenden und Auf meinen zwei Sammelreisen in Britisch -Colum hochwandigen Hügelrücken unter einem Schatten baum , um uns künstliche Wassergräben mit kristallklarem kühlen Bergwasser, zu beiden Seiten in der Tiefe rauschende Bäche , an den Hängen ringsum
bien habe ich Hunderte von Gegenständen erworben , die von den Mitgliedern solcher Bünde herrühren
hauptsächlich Masken, symbolische Zeichnungen, Tanzrasseln u . s. w . -, sowie verschiedene münd
Von Marangu bis Madschame kommt kein Fleck an landschaftlicher Schönheit, kein Rundblick an Grossartigkeit den mittleren Partieen von Uru -Salika nahe. Und auf keiner anderen Seite , auch nicht auf der später geschauten imposanten Westseite, ist das Bergbild des Kibo so formenschön wie
liche Informationen erhalten und dadurch einiger massen Einsicht in Sitten und Gebräuche gewonnen . Auch habe ich durch regen Briefwechsel mit meinem Bruder , welcher, seit Jahren unter jenen Stämmen wohnhaft, ihre Sprache und Lebensgewohnheiten genau kennt, meine Berichte bestätigt gefunden und viel Neues in Erfahrung gebracht. Es gibt bei den Küstenbewohnern , besonders aber unter den Kwakjult , vier verschiedene Bünde. Der erste Typus ist der des Hametz , der als
von Uru.
höchster und vornehmster zu betrachten ist ; als
Bananenhaine und Maisfelder, über Wald und Fels
und Schnee zum Kilimandscharo hinauf , über Wald
und Steppe zum Vulkan Meru hinüber und zur Südebene hinunter, überall das herrlichste Panorama.
Vom Kraterrand bis zur Ebene ist auf dieser
zweitangesehenster gilt der Medizinmann , der bei
Südwestseite die Kurve des Berges geradezu typisch
den Indianern , den Eskimos sowie den Sibiriaken
für einen Vulkan .
eine ziemlich gleiche Rolle spielt und in der Kwak jultsprache Pakhalla oder Pakwalla heisst. Der dritte im Range ist der Hatzi - Kwalla , eine Art
Seine Basisteile laufen hier er-
staunlich weit in die Ebene hinaus, denn nach
dieser Seite konnte der Kibo seine Eruptionsmassen ungehindert hinabsenden , während im Osten der ältere Mawensi und das Sattelplateau einen hemmenden Damm bildeten . Auch mag die vorherrschende
nordsüdliche Windrichtung des Antipassates, welche die ausgestossenen Aschen vorwiegend nach dieser Seite fortführte und fallen liess , dabei von mit-
bestimmendem Einfluss gewesen sein . Dies würde auch zum Teil erklären , weshalb die Nordhälfte des Gebirges, die überdies zu einer nordwärts leicht ansteigenden Ebene sich abdacht, steiler aufgebaut ist als die Südhälfte.
Am himmelstürmenden Kibokegel reichen die
Selbstpeiniger, ähnlich den Derwischen oder Fakiren ; der vierte endlich nennt sich Nuttlo -mattla, ge
wissermassen der privilegierte Hanswurst , doch ebenso wie die übrigen von den Geistern inspiriert
und einer strengen Wahl unterworfen. Zuerst möge in Kürze der Begriff »Hametza erklärt sein . Diese wunderlichen Heiligen , welche gleichzeitig die seltensten und zumeist verehrten dar stellen , meinen die Eingebung der höheren Wesen damit manifestieren zu sollen , dass sie andere Men schen anbeissen oder im wahren Sinne des Wortes anfressen . Sie scheiden sich in drei Klassen : erstens
Eiswände der Südwestseite, mit vielfacher Durch -
solche, die Menschen anbeissen, zweitens solche, die
brechung von dunkelbraunen Felsgraten , bis zum Fuss des Kegels herab , wo sie nur durch relativ
Leichen verzehren , und drittens diejenigen , die Hunde totbeissen und zerreissen .
Von den erst
schmale Grasmatten von der oberen Urwaldgrenze
beschriebenen , den berühmtesten , findet man ge
getrennt sind. Letztere steigt, wie wir auch einige
wöhnlich bei jedem einzelnen Stamme zwei Ver Die Kwakjult essen keine Hunde; bei den treter . Bella-Coola scheint der Leichenverschlinger zu fehlen,
Tage vorher in der oberen Kibosomulde beobachten konnten , höher am Berg auf als im Südosten, wäh-
Verlauf der Gebirgs- bei den Tschimsian und Haida der Menschenfresser rend der Wald unten mit dem in die Ebene hinaus er- ebenfalls nicht vorzukommen . basis sich sehr viel weiter
Früher wurden unter den Kwakjult sowie den streckt. Die Dschaggalandschaft Kibongoto (Kibongoto, d . h . unten am Kibo) liegt scheinbar ganz Bella-Coola Sklaven geschlachtet und verzehrt, um , in der waldigen Ebene, wogegen Kiboso (Kibo-so, wie es hiess, den Hametz zu belustigen . Seit der
Geheimbünde der Küstenbewohner Nordamerikas.
268
Herrschaft der Engländer wird dieser Greuel nicht mehr geduldet ; so muss sich der Hametz damit begnügen , einem Dorfgenossen ein Stück Fleisch aus
setzliche Schauspiel Gelegenheit zu einer inter essanten Entdeckung gegeben : ich sah nämlich , dass
dem Arm oder der Brust zu reissen ; oft stellen sich
wir erfahren und geglaubt hatten, sondern hie und
solche Opfer auch freiwillig, da sie von den Hametzen
da auch mit Hilfe eines Messers das Fleisch aus
gut bezahlt werden.
dem Arme lösen ; es mag dies der Masse der entfernter
Einer der Hudsonbai-Händler
die Hametze nicht immer nur mit den Zähnen, wie
erzählte mir , dass er in den fünfziger Jahren bei stehenden Zuschauer dadurch unsichtbar bleiben, dass einem Hametzfest gesehen habe, wie ein Sklave an
immer mehrere andere Hametze das am Boden lie
einen Pfahl gebunden und ihm der Leib aufgeschlitzt
gende Opfer und seinen Bedränger umringen .«
wurde, wie ein jeder der umhertanzenden Hametze seine Hände mit Blut füllte und trank ; ob der Tote
Die zweite Art Hametze, die der Leichenfresser, kommt , wie schon erwähnt , bei den Kwakjult so
gänzlich verzehrt wurde , konnte mein Gewährs-
wohl wie bei den Tschimsian vor. Bei den Kwak
mann nicht angeben, da er das Schauspiel nicht bis Jahre 1882 sah ich diese
jult , die ihre Verstorbenen in einer Kiste bestatten und diese auf hohen Bäumen befestigen , wird für
Scene an der Westküste Vancouvers bei einem Tanze
gewöhnlich eine gut getrocknete Leiche ausgesucht
pantomimisch aufgeführt.
und in Wasser aufgeweicht; der Gebrauch scheint
zu Ende aushielt.
Im
Mein Bruder schrieb in einem seiner Briefe
folgendes : » Ich kann Dir mitteilen , dass ich bei zwei
daher zu rühren , dass sich die Hametze beim Ge
niessen frischer Leichen zuweilen Blutvergiftung zu gezogen haben. Ist die Zeit gekommen , wo die
Hametzfesten als Zuschauer gegenwärtig war ; das Aufführung stattfinden soll , springt plötzlich der eine Mal wurden fünf Menschen Fleischstücke aus
den Armen gerissen , das andere Mal biss ein Hametz
älteste Hametz , die Leiche in den Armen haltend , hervor und tanzt mit seinen Genossen rings um das
16 Hunden die Kehle aus ; bei dem ersten Feste
Feuer des Hauses unter dem lauten Ruf : hap, hap,
sang und tanzte der Hametz zunächst die vier bei solcher Gelegenheit üblichen Tänze ; gegen den
hap, hap, hap, hap. Der Tanz wird mit gebeugten Knieen , d. h . in halb sitzender Stellung , nach Art
Schluss des vierten aber wurde er wie rasend und
der Raben springend , ausgeführt; der Kopf der Leiche, welche der Hametz nicht loslässt, ruht stets auf dem rechten Arm . Nachdem sie einigemale um das Feuer herumgesprungen sind, beginnt das Zer
schrie wie ein wütender Bär ; dann zerrte er alle Decken ,, mit denen er bekleidet war ,, herab und stürzte
sich
auf einen in
der Nähe
befindlichen
Indianer. Dieser wehrte sich nach Kräften und an-
reissen der Leiche. Es scheint den Indianern viel dar
fangs auch mit Erfolg, bald jedoch warf der Hametz ,
auf anzukommen , sich beim Zerbeissen der Knochen
dem der Wahn übernatürliche Stärke zu verleihen
das Gesicht, hauptsächlich den Mund, mit den Kno chensplittern zu verletzen , so dass Blut hervorströmt.
schien, seinen Gegner zu Boden , riss ihm ein grosses Stück Fleisch aus dem
Arm
und verschluckte das-
Ein Missionar
schilderte mir den Leichen
selbe. In gleicher Weise verfuhr er mit den näch-
schmaus bei den Tschimsian in folgender Weise.
sten seiner Stammesgenossen , bis er ihrer fünf gebissen hatte ; da schien es den übrigen wohl genug zu sein des grausamen Spiels , denn eine Anzahl anderer Hametze suchte ihn zu bändigen ; er aber sprang denen , die ihn halten wollten , über die Köpfe und war nicht zu bezwingen. Nun eilte man , den
Zuerst wurde mit der Leiche um die Häuser herum
schliesslich ruhig wurde. Ich kann Dir versichern, lieber Bruder, dass dieser ganze Vorgang den schreck-
können, ist es wohl denkbar, dass sich die Hametze
getanzt, dann sprang plötzlich der Hametz , der sie trug , in ein Kanoe , gefolgt von seinen Genossen , stiess das Fahrzeug vom Ufer ab und begann dar auf, die Leiche zu verzehren. Der Missionar aber behauptete, dass der Hametz den toten Körper erst Schamanen oder Medizinmann herbeizuholen , und mit gekochtem Hirschfleisch gefüllt und dieses statt dieser führte eine Viertelstunde lang allen möglichen des vermeintlichen Leichnams verzehrt habe; da die Hokuspokus mit dem Tobsüchtigen auf , bis er Zuschauer dies vom Land aus nicht gut entdecken lichsten Anblick bietet , dem ein Mensch begegnen kann , ich werde ihn mein Lebtag nicht vergessen . Ganz besonders dämonisch war der Blick des furcht-
bar Erregten , wenn er sich ein neues Opfer aussuchte ; er kam auch einmal auf mich zu , ich aber
machte mich bereit, ihm einen wuchtigen Schlag zu
>
dieses Kniffs bedienen.
Die dritte Art der Hametze , die der Hunde beisser , scheint besonders bei den Bella -Coola und Tschimsian vorzukommen . Mein Bruder beschreibt ein Fest , bei welchem ein Hametz 16 Hunden ein
Stück aus der Kehle herausbiss. Er trug während der Jagd nach den Hunden eine grosse Maske, einen
versetzen, und es ist wohl möglich, dass er meinen
Wolfskopf darstellend, dessen Unterkiefer und Augen
Gedanken erriet , denn er liess ab von mir und
beweglich waren . Als kein unverletzter Hund mehr
wählte einen anderen .
in der Nähe war , stellte er sich , als würde ihm
Viele Indianer flohen aus
Furcht. Nach Ablauf des Festes wurden die Gebissenen für das Wundfieber und die Angst, welche sie ausgestanden hatten , dem Brauch gemäss mit wollenen Decken entschädigt. Mir hatte das ent-
übel, und würgte scheinbar grosse Stücke Fleisch, die er unter den Decken verborgen gehalten hatte, durch den Wolfsrachen heraus, während ein zweiter Hametz die allzu grossen Stücke , welche schwer
Ueber Temperaturbeobachtungen in den heissen Klimaten.
269
durch den engen Rachen gingen , mit den Zähnen
jemand gegen diese Sitte vergehen , so wird er
erfasste und gewaltsam herauszog. Schliesslich vereinigten sich eine grosse Anzahl Indianer zu einem Tanze, in dem der Wolf, der durch Unterkriechen mehrerer unter die Decken immer länger und länger
wütend und reisst vielen der Anwesenden Fleisch
stücke aus dem Körper. Niemand darf sich , da er von dem höchsten Geist inspiriert ist , zur Wehre setzen .
Der Hametz ist bei Festlichkeiten
und
wurde , entfliehen zu wollen schien , während die Tänzen mit Kopf-, Hals-, Arm- und Fussringen aus Menge ilin unter gewaltigem Lärm zu halten trachDer Hametz sah sehr verhungert und mager aus und hatte am Kopf mehrere haarlose Stellen ; es biess, er habe die Haare durch sein langes Fasten verloren, doch meinem Bruder schien es , als seien
tete .
sie abrasiert.
Die ältesten europäischen Ansiedler in BritischColumbien , die Agenten der Hudsonbai-Compagnie,
Cederbast geschmückt, an Füssen und Armen ist er berechtigt je vier Ringe zu tragen . An dem Hals ring sowie an seinen Masken hat er totenkopfähn liche Holzschnitzereien befestigt, früher führte er je einen solchen Kopf für jeden Sklaven , der für ihn geschlachtet wurde. Er darf zu jeder Jahreszeit mit Masken tanzen, jedoch finden die meisten Tänze im Winter statt ; auch kann ein Hametz Medizinmann
sahen in den zwanziger Jahren diese Feste häufig
werden ; es geschieht aber fast niemals, da er glau
von den Indianern gefeiert und nannten das Schau-
ben würde, sich etwas zu vergeben . Das Hametzen
spiel , ohne genauer in den Sinn desselben einzudringen , "das Medizinmann machen « .
tum hat bei den nördlicher wohnenden Stämmen , die meist zum Christentum bekehrt sind, aufgehört
Um Hametz zu werden , ist es zunächst erfor-
und besteht jetzt fast ausschliesslich nur bei den Kwakjult, Bella-Bella und Bella-Coola.
derlich, dass der Kandidat von Häuptlingen oder aus hoher Familie stammt , und zweitens, dass er viel Besitztum , d . h . viele Blankets (wollene Decken )
( Schluss folgt.)
hat, da er häufig den an Bisswunden lange darnieder liegenden Opfern hohe Summen zahlen muss. Wird der Kandidat von den übrigen Hametzen für würdig befunden , so tritt er eine vierjährige Prüfungszeit an und trägt besondere Abzeichen
meist einen
Cederbastring unter dem linken Arm her zur rechten Schulter hinüber. Nachdem er die letzten vier Wochen allein im Walde gelebt hat , ist er in den Augen der übrigen Ortsinsassen ein Wesen höherer
Ueber Temperaturbeobachtungen in den heissen Klimaten. Von Dr. R. Assmann .
Man sagt dem Engländer nach, dass er bei dem Eintritt in ein neues zu eroberndes Land in der rechten Hand ein Remingtongewehr, in der linken aber ein Barometer trage, sowie dass in den Protz
Art, das bewohnt und geleitet ist von dem sonst in
kasten seiner Kanonen ausser den Shrapnells sich ein Regenmesser befinde !
der Luft hausenden krokodilähnlichen Gott Päh - PälıKwalanusiva .
bewussten Sohn Albions überaus charakteristisch ,
Es liegt nahe, jene indianischen Fanatiker mit
In der That ist dieser Mythus für den ziel indem
er ein Ausdruck für das Bestreben des Er
den wunderlichen Heiligen der mohammedanischen
oberers ist, durch sofortiges Studium der klimati
Welt zu vergleichen , die in einem einsamen , nach jeder Hinsicht, selbst in Bezug auf Reinlichkeit, be-
schen Verhältnisse den zu erwartenden Nutzungs wert des neuen Gebietes zu ermitteln .
dürfnislosen Leben ein Verdienst suchen und bei
Erfolg dieses Studiums aber sprechen die geradezu
Für den
Festlichkeiten lebende Schlangen und Skorpione oder mustergültigen, in grossartigster Weise ausgestatteten Glas mit den Zähnen zermalmen und verschlingen.
meteorologischen Institute in fast allen Kolonien
Und wie diese bei den Gläubigen des Islam , so ge
Grossbritanniens. Die jüngste Kolonialmacht , unser Deutsches
niessen auch die Hametze bei den im
Schamanen-
tum befangenen Indianern grosses Ansehen und Reich, kat sich zwar keineswegs der Ueberzeugung mannigfache Vorrechte. Ihre Teilnahme an Fest- von der Wichtigkeit klimatologischer Forschungen lichkeiten ist sehr begehrt, allein um einen berühm- in ihren Schutzgebieten verschlossen, geht aber doch ten Hametz zu gewinnen , müssen ihn vier Häupt- in einem erheblich langsameren Tempo vorwärts, linge viermal feierlich einladen, ehe er sich zu einer so dass ein neuerdings von Herrn von Danckelman Zusage herbeilässt. Ein so Geladener bereitet sich im Berliner Zweigvereine der Deutschen meteorolo
sodann durch Hunger und Abgeschlossenheit in der gischen Gesellschaft entrolltes Bild einen nur wenig dunkelsten Ecke seines Hauses für das Fest vor,
erfreulichen Anblick zu gewähren vermochte.
denn der Brauch erheischt, dass der Heilige blass Ohne auf die mavnigfachen Gründe für diese und hager aussieht. Er wandert unter Voran- Erscheinung eingehen zu wollen , möchte ich im schreiten der vier Häuptlinge äusserst langsam zum folgenden allein diejenigen Schwierigkeiten einer Festplatz. Von den Stammesgenossen wird er in kurzen Betrachtung unterwerfen , welche sich in den tiefstem Schweigen angestaunt und ehrfurchtsvoll heissen Klimaten der Ausführung einwurfsfreier Tem
begrüsst , was er mit erhabenem Selbstbewusstsein peraturbeobachtungen entgegenstellen , ein Punkt, erwidert. Niemand darf etwas geniessen , bevor der
Hametz nicht den Anfang gemacht hat; sollte sich Ausland 1890, Nr. 14 .
welcher auch in dem genannten Vortrage von Danckelmans in den Vordergrund gestellt wurde. 42
Ueber Temperaturbeobachtungen in den heissen Klimaten .
270
Einem jeden Meteorologen ist es bekannt, dass erneuerung beruhende Methode, ein ungeschütztes die Ermittelung der wahren Temperatur der Luft Thermometer mit kleinem Gefäss an einer Schnur in unseren gemässigten Breiten bisher noch immer schnell im Kreise herumzuschwingen Schleuder als ein » frommer Wunsch « hat bezeichnet werden thermometer – hat ausser manchen Unbequemlich müssen . Das wesentlichste Hindernis, welches sich der Lösung dieser Aufgabe entgegenstellt , ist die
keiten den Nachteil, dass der Strahlungseinfluss hier bei nicht gänzlich beseitigt wird, daher um so grösser
Wirkung der strahlenden Wärme, sowohl der direkten Sonnenstrahlung, als auch der reflektierten Strahlung.
ausfällt, je grösser die Strahlungsintensität ist. Alle auf der Verwendung ungeschützter Ther
Allein um diese auszuschliessen, hat man eine Reihe mometer beruhenden Methoden haben ausserdem
der verschiedenartigsten Schutzvorrichtungen in Ver- noch den Nachteil, dass bei Niederschlägen eine wendung genommen , welche entweder ihren Zweck nur unvollkommen erfüllen oder , wenn sie ihn erfüllen, andere Fehlerquellen erzeugen. Betrachten wir die einschlägigen Methoden in einigen kurzen Angaben . 1. Ein auf einem freien Platze ungeschützt auf-
Benetzung der Instrumente stattfindet, welche durch
einflüsse nicht unbeträchtlich über die Temperatur der Luft erwärmt, weil Glas und Quecksilber eine
beseitigen, so wird dies sicherlich in den Gegenden grösserer und grösster Strahlungsintensität, also in
grössere Absorptionsfähigkeit für Wärmestrahlen be-
den heissen Klimaten der Fall sein ,
Verdunstung eine künstliche Temperatur-Erniedrigung des Quecksilbers hervorbringt. Erweisen sich somit alle bis jetzt üblichen
Methoden der Lufttemperatur-Messungen schon in mittleren Breiten als ungenügend, um die Strahlungs gehängtes Thermometer wird durch die Strahlungs- einflüsse ohne Erzeugung neuer Fehlerquellen zu
sitzen als die Luft.
Wir sagen absichtlich nicht » in der Tropen
2. Ein in den Schatten eines Gegenstandes gehängtes Thermometer wird, falls es gelingt, die Besonnung dauernd zu verhindern , immer noch von
zone« , da die Strahlungsintensität im allgemeinen zwar mit dem Sinus der Sonnenhöhe zunimmt, des
halb caeteris paribus in den Tropen am grössten
der reflektierten Wärmestrahlung der Umgebung sein müsste , aber ausserdem noch von anderen über die Temperatur der Luft erwärmt. Ausser- klimatischen Faktoren , besonders der Wärmedurch dem aber übt der schattengebende Körper , welcher gängigkeit der Atmosphäre abhängt, so dass sub seinerseits von der Strahlung getroffen wird , selbst tropische Gegenden oder solche, welche eine erheb einen störenden Einfluss auf die Angaben des Thermometers aus, indem er einerseits durch seine eigene abweichende Temperatur auf das Thermometer einwirkt, andererseits aber die Erneuerung der das Thermometer umgebenden Luft erschwert . Diese
schädlichen Einflüsse werden um so grösser sein ,
liche Meereshöhe besitzen, grössere Strahlungsinten sitäten haben können als die Tropenregionen . Die Schwierigkeiten der Lufttemperaturmessun
gen sind daher in allen Gegenden grosser Strahlungs intensität derartig bedeutende, dass die gebräuchlichen
Methoden keineswegs im stande sind, verlässliche
je mehr Masse der schattengebende Körper besitzt
Werte zu liefern, selbst wenn wir die besten Hütten
und je mehr er das Thermometer einschliesst . Letz-
aufstellungen verwenden .
teres aber ist unerlässlich , wenn man in unseren
In der That zeigen alle sorgfältigeren Unter
Breiten, wo die Sonne im Hochsommer einen Bogen von gegen 270º durchläuft, das Thermometer gegen
suchungen der in jenen Regionen angestellten Beob achtungen eine starke Abhängigkeit von den Strah
direkte Strahlung vollkommen schützen will. Eine lungsverhältnissen, so dass wir noch nirgends völlig nach Nord gerichtete Hauswand beschattet im Hochsommer ein in einiger Entfernung von derselben befestigtes Thermometer nur von etwa 1/28 Uhr morgens
einwurfsfreie Werte der wahren Lufttemperaturen be sitzen dürften .
Wie viel mehr aber wird dies gelten müssen
bis 412 Uhr nachmittags, bedarf daher seitlicher Be- von denjenigen zahlreichen Beobachtungen , welche schirmungsvorrichtungen .
nicht an festen Stationen , sondern auf der Reise
Um die schädliche Wirkung der Masse zu ver-
in jenen sonnendurchglühten Landstrichen angestellt
ringern , hat man daher frei aufgestellte Thermometerhütten in Verwendung genommen , unter welchen
verwenden , da bisher kein Reisender es für notwen
die Wildsche in Russland und Deutschland , die französische in Frankreich , die englische (Stevenson
dig gehalten hat, auf seinem südafrikanischen Ochsen wagen eine solche aufzustellen , was vielleicht bei
werden !
Hütten und Gehäuse sind dabei kaum zu
screen) in England und den Kolonien, neuerdings
der während der Fahrt stattfindenden Lufterneuerung
auch vielfach in Deutschland gebräuchlich ist . Letz-
noch am ehesten Erfolge zu geben im stande wäre .
tere hat die kleinste Masse, ist daher von dem
ge-
Und wo hätte man in der Wüste unter scheitelrechter
nannten Fehler am meisten frei, bedarf indessen einer ebenso grossen mittleren Luftbewegung, wie sie in ihrem stark ventilierten Vaterlande herrscht, um den Einfluss der Sonnenstrahlung einigermassen auszugleichen . 3. Die auf dem Prinzip der massenhaften Luft-
Sonne sonst genügenden Schatten, um das Thermo meter der intensiven direkten Strahlung zu entziehen ? Und selbst , wenn dies gelänge, müsste man noch die von dem bis auf 70–80 ° erwärmten Boden reflek
tierte Wärmestrahlung abzuhalten suchen . Ein vergebliches Beginnen , wie jeder Reisende
Ueber Temperaturbeobachtungen in den heissen Klimaten .
271
anerkennt, wie ferner auch von Danckelman von den
thermisch gut leitender Verbindung miteinander
entsprechenden Versuchen in und an der Kalahari
stehen . Beide sind, wie der ganze Apparat, aus ver nickeltem , aussen und innen hochpoliertem Messing hergestellt; die innere, das Thermometergefäss direkt
konstatiert hat, so vergeblich , dass man sich ge-
nötigt gesehen hat, dasselbe gänzlich aufzugeben !
Dem gegenüber erscheint es mir als Pflicht,
umgebende, hat einen Durchmesser von i cm , eine
unbekümmert um den Vorwurf, pro domo zu reden , eine Methode zu erörtern , welche allein geeignet
Länge von 5 cm , die äussere einen Durchmesser von 1,75 cm und eine Länge von 4,5 cm . Zwischen
erscheint, die klaffende Lücke in der Klimatologie
der äusseren und inneren Röhre bleibt somit ein
der Regionen mit grosser Strahlungsintensität aus-
ringförmiger Zwischenraum von 3,7 mm , zwischen dem inneren und dem Thermometergefässe ein solcher
zufüllen .
Ausgehend von den dem Schleuderthermometer
von 3 mm Breite offen und für die Luft durch
eigentümlichen Vorzügen , durch massenhafte Luft-
gängig . Da beide Röhren nach oben offen sind,
erneuerung von dem grössten Teile der Strahlungswirkung befreit zu werden , kam ich zur Konstruk-
muss die aspirierte Luft in beiden Zwischenräumen
tion eines Apparates, welcher dieses Prinzip gleich-
Nur die äussere Umhüllung wird von der
sich bewegen .
zeitig mit einer Beschirmung gegen die Strahlung strahlenden Wärme getroffen und, da sie eine zu verwenden gestattet , indem der schattengebende
spiegelnde Oberfläche besitzt , nur in einem
Körper in seiner Masse auf das thunlichst geringste Mass gebracht wurde, zugleich aber eine Oberfläche
hältnismässig geringen Grade erwärmt werden und muss diese Wärme der sie berührenden, fortgesetzt er neuerten Luft mitteilen . Diese Luft aber tritt, ohne das Thermometergefäss zu berühren , unmittelbar in
erhielt, welche einen erheblichen Teil der auftreffenden Wärmestrahlen reflektiert.
ver
Die Lufterneuerung geschieht bei diesem Appa- das Mittelrohr und wird durch den Aspirator ent rat durch Aspiration , weshalb derselbe den Namen des »Aspirationsthermometers« erhalten hat.
fernt .
Das innere Rohr erhält von den äusseren
durch eine dunkle Wärmestrahlung , sowie von der
Das Aspirationsthermometer oder, da es gleich- es aussen berührenden wärmeren Luftschicht durch zeitig zur Messung der Luftfeuchtigkeit dient, das Aspirationspsychrometer, besteht aus zwei Ther-
Leitung einen nur noch geringen Betrag von Wärme, welcher dessen Temperatur nur noch sehr wenig
mometern , deren cylindrische, nur 4 mm im Durch-
über die der äusseren Luft erhöhen kann.
Die im
Innern desselben strömende, das Thermometergefäss umschlossen sind , welche in einem gemeinsamen umspülende Luft wird aber aus dem Grunde nur in Mittelrohre zusammenlaufen . Am oberen Ende des verschwindendem Masse Wärme aufnehmen können, letzteren befinden sich zwei horizontale, um eine weil die Zeit der Berührung eine äusserst kurze, für vertikale Achse drehbare Scheiben , wie sie der be- die ganze in Betracht kommende Rohrlänge nur kannten Konstruktion des Centrifugalventilators 169 Sekunde betragende ist. oder Exhaustors zu Grunde liegen. Ein in dem Die theoretisch zwar vorhandene, von der oberen Teile des Apparates befindliches, 12 Minuten inneren Röhre auf das Thermometergefäss wirkende lang laufendes Uhrwerk erteilt diesen Scheiben eine dunkle Wärmestrahlung ist aber,, wie zahlreiche Ver Umdrehungsgeschwindigkeit von etwa 21 Touren suche gelehrt haben, eine äusserst minimale und für messer haltende Gefässe von kurzen Metallröhren
in der Sekunde , wodurch die zwischen denselben
das praktische Bedürfnis durchaus zu vernachlässigen.
befindliche Luft auf centrifugalen Bahnen nach aussen
So sind die eingeschlossenen Thermometer den
geschleudert wird , wo sie die Scheiben in tangen- | Wirkungen der Wärmestrahlung durchaus entzogen tialer Richtung verlässt. Vier zwischen den Scheiben und müssen daher die wahre Lufttemperatur selbst angebrachte radiär gestellte Leisten befördern noch diese nach aussen gerichtete Bewegung der Luft.
im vollen Sonnenscheine angeben .
Der so bewirkte Luftverlust kann allein aus dem
in den heissen Klimaten bisher versagt war , nahm
centralen , mit dem Mittelrohre frei kommunizierenden Teile der Scheiben ersetzt werden, und so wird
derselbe auf Kosten der königl. preussischen Akade mie der Wissenschaften eine vierwöchige Unter
eine den ganzen Apparat passierende , aufsteigende
suchung desselben auf dem Gipfel des 2500 m hohen
Da dem Verfasser die Erprobung des Apparates
Luftströmung eingeleitet und , solange die Scheiben Säntis vor, wo die Intensität der Sonnenstrahlung der laufen, unterhalten. Die in Bewegung gesetzte Luft in heissen Klimaten erreichten nur wenig nachgeben ersetzt sich aus der freien Atmosphäre unmittelbar dürfte, wo ihm zur Zeit des höchsten Sonnenstandes
unterhalb der unten offenen , die Thermometergefässe unter Einwirkung der strahlenden Wärme nach kurzer umhüllenden Röhrenstücke; die Thermometergefässe Zeit die Haut von Gesicht und Händen in Fetzen
selbst werden also ununterbrochen von solcher Luft sich ablöste und das Schwarzkugelthermometer bei umspült, welche nur mit dem kurzen, über die Ther-
einer Lufttemperatur von 5-6 ° einen Stand von fast
mometergefässe hervorragenden Teile der Hüllröhren
53 ° erreichte !
in Berührung gewesen ist.
Auch dort ergab sich die absolute Unabhängig
Diese Hüllröhren aber bestehen aus zwei inein- überzeugendsten keit der Thermometer von der Strahlung in der Weise.
andersteckenden Rohrstücken , welche nirgends in
Die vorgeschichtlichen Einflüsse des Orients auf Mitteleuropa.
272
Dort konnte auch festgestellt werden, dass die
grossen Vorzug der Verwendung gleicher Luftge
Temperatur der strahlungsgetroffenen äusseren schwindigkeiten , und zwar 2,4 m in der Sekunde, 0
Umhüllung noch nicht 3 ° über die Lufttemperatur
besitzen , demnach eine grössere Vergleichbarkeitunter
anstieg. Experimente aber ergaben , dass man der-
sich haben, als die bei wechselnden Geschwindigkeiten
selben einen Temperaturüberschuss von 30 ° erteilen
ermittelten Werte der gewöhnlichen Psychrometer.
konnte, ohne dass das eingeschlossene Thermometer auch nur um 0,1 ° erwärmt wurde.
Ausserdem beträgt die Zeit, welche zur » Einstellung « des befeuchteten Thermometers erforderlich ist , bei
Somit ist die Voraussetzung eine berechtigte,
unserem Apparat nur etwa 15 bis 16 der sonst nötigen.
dass der Apparat selbst unter scheitelrechter Sonne
Alle im vorhergehenden erörterten Eigenschaften des Aspirations-Psychrometers zeigen , dass dasselbe für die Untersuchungen der wahren Temperatur und
im trockensten Wüstenklima sich als unabhängig von der Strahlung erweisen , deshalb ein für korrekte
Messungen der wahren Lufttemperatur unter allen Feuchtigkeit der Luft unter aller. Verhältnissen, be Verhältnissen geeigneter sein werde.
Für Forschungsreisende bietet der Apparat noch folgende Vorzüge :
Derselbe ist handlich, 39 cm lang, 9 cm breit und wiegt ohne Futteral 900 Gramm . Vermittelst Vermittelst
sonders aber in den Gegenden hoher Strahlungsin tensität mit bestem Erfolge zu verwenden ist, ja dass mittels desselben ohne Zweifel die meisten der
bisherigen Messungen einer Korrektur zu
unter
ziehen sein werden .
eines Schraubdornes ist derselbe überall ohne weiteres
anzubringen , wobei man die Nähe grösserer Massen möglichst zu vermeiden hat. Ist ein dünner Baum
Die vorgeschichtlichen Einflüsse des Orients
nicht vorhanden , verwendet man vorteilhaft einen
auf Mitteleuropa.
in den Boden gesteckten Alpenstock von 2 m Länge. Im Notfalle gibt der Apparat auch dann noch korrekte Werte , wenn man ihn an seinem oberen Teile mit der Hand umfasst und mit gestrecktem
Die fortgesetzten Einwirkungen der frühzeitig entwickelten orientalischen Kulturen auf das alt
Arme möglichst weit vom Körper abhält, sorgfältig
europäische Völkerleben bilden einen der wichtigsten
Von Dr. Moriz Hoernes .
zu vermeiden ist nur jede abnorme Wärmequelle Gegenstände der archäologischen Forschung unseres unterhalb der offenen Hüllrohre , wo die äussere Luft eintritt , da dieselbe bei der grossen Empfindlichkeit der Thermometer einen erheblichen Einfluss
auf deren Angaben ausüben würde. Benetzungen des Apparates können keine Störungen hervorrufen , da die Thermometer denselben
Jahrhunderts. Zuerst hat uns die grossartige Ent schleierung des vorderasiatischen Altertums gezeigt, wie die Vorstufen der klassischen Entwickelung Süd europas ganz unter dem Zeichen semitischer Ein
füsse stehen. Wir sahen , wie – entgegen älteren Aegypten als der ältere, gleichsam
Annahmen
Prozess etwas entzogen sind. Bei einiger Sorgfalt gelingt es leicht, quiescierte Lehrmeister bei diesem ewicht auf die abseits steht, und wie das Hauptg
selbst in feuchten Klimaten die Politur der Ver-
nickelung gut zu erhalten. Das Uhrwerk ist äusserst dauerhaft angefertigt , so dass Störungen desselben
blühenden Reiche Mesopotamiens fällt. Dann er man aus Schliemanns Entdeckungen auf
kannte
Für längere Reisen würde griechischem Boden, dass lange vor dem Zeitraum , können. kaum eintreten Mitna hme mehrerer Reserve-Feder- welchen die Archäologen der siebziger Jahre als sich indes die kapseln empfehlen , welche man bei einem Bruch der Feder mit geringer Mühe einsetzen kann . Ein festes Futteral schützt den Apparat gegen
» orientalisierende Periode der griechischen Kunst geschichte « bezeichneten , gleichsam dieselben Sterne schon vorbildlich über den Küsten des östlichen Mittel
zufällige äussere Verletzungen ausreichend, dasselbe meerbeckens gewaltet haben . Aus Schutt und Gräbern enthält die notwendigen Neben -Apparate, dabei auch ein kleines Handgebläse aus Kautschuk , welches, nach
dem Prinzip des Injektors wirkend, an Stelle des Uhraspirators sowie auch gleichzeitig mit demselben verwandt werden kann .
Die Schwierigkeit der Konservierung von Kaut-
sind die Zeugnisse aufgetaucht, welche uns lehren, dass schon in rein vorgeschichtlicher Zeit ein reger
Seeverkehr zwischen den peloponnesischen und asiatischen Gestaden bestanden hat, ein Verkehr, dem die Inseln des Aegeischen Meeres gleichsam als Brücken dienten, und der schon lange vor dem
schuk in den Tropen könnte zwar die Verwendung
ersten Auftreten der hellenischen Stämme zahlreiche
des Gebläses unratsam erscheinen lassen , doch dürfte
orientalische Kulturelemente nach dem europäischen
sich dasselbe in einer dichtschliessenden Blechbüchse, welche Ammoniak enthält, auch unter schwierigen
Festlande gebracht hat. In der Auffassung dieser prähistorischen , orientalischen Kultur auf griechischem
Verhältnissen während längerer Zeiträume brauchbar Boden , für welche wir nach dem berühmtesten erhalten .
Fundorte den Namen der »mykenischen « gebrauchen
Ueber die Verwendung des Apparates als Psychrometer, d . h . zur Bestimmung des Wasserdampf-
dürfen , sind die Forscher heute noch geteilter An sicht. Schliemann, Furtwängler und Löscheke halten
gehaltes der Luft, sei hier nur so viel gesagt , dass
sie für achäisch, also arisch , dem Orient gegenüber
die mittels desselben angestellten Beobachtungen den
stammfremd und nur seinen Einflüssen unterworfen.
Die vorgeschichtlichen Einflüsse des Orients auf Mitteleuropa.
273
Die darauffolgende Kultur der Dipylongräber mit ihren geometrisch verzierten Vasen und eckig -steifen figürlichen Darstellungen schreiben sie bereits den
keltischen Taurisker behandelt und lässt sie dem herab reichen . In beiden Fällen hat man wohl oder übel
Doriern zu . Dem gegenüber suchen Ulrich Köhler,
die ergiebigsten Fundplätze mit den ältesten ur
F. Dümmler und Studniczka nachzuweisen, dass
geschichtlichen Zeugnissen anderer Art verknüpft,
die mykenische Kultur auch in Griechenland einem
eine Kombination , die den Reiz der Entdeckung wesentlich erhöhte, vor der aber die Kritik keines
übers Meer gekommenen orientalischen Volke, den
nach bis an den Beginn unserer Zeitrechnung
Karern, angehört. Achäisch, d. h. gemeingriechisch wegs Halt machen darf. Für Griechenland brauchen (eine altertümliche prähistorische Vorstufe gegen-
wir die Sache hier nicht weiter zu verfolgen. Für
über der getrennten Entwickelung der hellenischen die Mitteleuropa ist sie so gut wie aufgeklärt durch immer weitere Ausdehnung, welche die Funde
Stämme) sei der Dipylonstil , welcher ersichtlich mit dem Norden zusammenhängt, während die
Fundstätten »mykenischer« Kulturreste bisher nur auf der nach Osten geöffneten Seite Griechenlands entdeckt worden sind.
aus der keltischen La Tène-Periode , der unmittel baren Nachfolgerin des Hallstatt-Zeitraumes, gewin nen . Dank den Entdeckungen der letzten zehn Jahre wissen wir heute, was keltisch ist , und wenn die
Es hat unleugbar etwas Verlockendes ,, die
alte Anschauung auch noch in vielen Köpfen fort
mykenischen und tirynthischen Funde mit Schlie-
spukt , wenn sie namentlich auch die Popular
mann für achäisch zu halten und sie dergestaltmeinung noch immer für sich hat, so darf uns das mit den - wie immer poetisch ausgeschmückten --
die Freude an einem der grössten Fortschritte der
Zeugnissen der homerischen Dichtung und fernerhin
europäischen Urgeschichtsforschung nicht verküm
mit den Nachrichten über die Einwanderung der Dorier zu verknüpfen . Es entsteht hier auf klas-
viel wir nicht wissen, vielleicht niemals wissen
sischem Boden ein Problem , welches mit dem un-
werden .
serer einheimischen Keltenfrage
wickelte vorrömische Eisenkultur der letzten vier
die grösste
nern .
Dieses Ergebnis lehrt uns aber auch , wie Wenn die La Tène-Kultur, die voll ent
Aehnlichkeit hat. Denn von gleicher Bedeutung, Jahrhunderte v. Chr., keltisch ist , so ergibt sich, wie die genannten Entdeckungen für Griechen- dass wir die Hallstatt-Kultur , diese jüngste, durch land, ist für Mitteleuropa eine enorme Masse von Funden , welche in den letzten Decennien , nament lich auf Gräberfeldern in den Ostalpen- und Donau ländern gemacht worden sind . Diese Funde bezeugen ebenso unzweideutig die Existenz von Be-
die Aufnahme des Eisens und anderer Elemente be reicherte Phase der Bronzezeit , die » prima epoca del ferro « ,
wenigstens in den Ostalpen und
Donauländern - keiner anderweitig geschichtlich bezeugten Nation zuteilen dürfen . Im östlichen Oberitalien und auf dem nordwestlichen Balkan , sowie in den zwischenliegenden Gebieten , ist man so glücklich , illyrische Stämme als Träger dieser
ziehungen,welchein ferner vorgeschichtlicher Zeit Obe dem Barbarengebiet an den Abhängen der centralen Hochgebirge und an den Ufern der grossen Ströme
Kultur ansehen zu können und eine teilweise An
Mitteleuropas bestanden haben : nur mit dem Unter- knüpfung an mythische und historische Ueber schiede, dass wir dort, auf dem engeren Schauplatz lieferungen zu finden . Aber man mag diese wert der griechischen Prähistorie, den Weg genau kennen, welchen der orientalische Einfluss gewandelt ist, während er hier , in dem weiten Raume zwischen
dem jetzt allgemein anerkannten Ausgangsgebiet und
volle Thatsache der südeuropäischen Paläoethnologie, mit Paul Orsi, soweit als möglich für die Prähistorie es bleibt des Nordens mit in Rechnung ziehen , er ser doch immer ein allzugros , unbedeckt Raum des
dem Verbreitungsbezirk der alt-mitteleuropäischen, Hallstätter Kulturkreises jenseit der Alpen übrig , als sog. » Hallstatt -Kultur «, nur mit grösster Mühe und
dass man die Illyrier ernstlich für weitergehende
nach Lösung schwieriger Vorfragen gefunden wer-
Hypothesen verwenden könnte .
den kann .
So stellt sich das
Hier wie dort haben die Entdecker
fatale Resultat ein , dass wir für die Fundmasse ,
der neuen , reichen und eigentümlichen Kultur-
welche in den Sammlungen und in der Litteratur den
schichte zur ethnologischen Bezeichnung derselben den Namen eines Volkes gewählt ,, welches durch Sage und Geschichte verherrlicht ist , eines Volkes
breitesten Raum einnehmen ,
von arischem Stamme, das sich durch seine , teil-
Kultur, Schliemanns achäischer Hypothese entgegen ,
weise gegen den Orient selbst gerichteten Kriegszüge in der Erinnerung der Nachwelt festgesetzt
unterstützt durch glücklich erhaltene Nachrichten alter Schriftsteller, den Karern zuschreiben , muss
hat.
Dieses Volk sind dort die Achäer , hier die
Kelten.
Denn sowie Schliemann und seine An-
keine Völkernamen ,
keine historischen Daten besitzen .. Die Rolle, welche jüngere Forscher auf dem Gebiete der mykenischen
in Oesterreich und Süddeutschland besetzt bleiben .
bei uns
un
Boden den Zer-
Wie sehr dies in der Natur der Ueberlieferung und in ihrer Verschiedenheit auf griechischem und
störern Ilions zuschreiben, so hat Freiherr v. Sacken
mitteleuropäischem Boden begründet ist, braucht
hänger die mykenische Kultur mit ihren Bauten und Gräbern auf griechischem
in seiner Monographie über das Grabfeld von Hall- nicht gesagt zu werden . Wir betonen nur beiläufig, statt diese Nekropolen als eine Hinterlassenschaft der dass es sich in Griechenland bei der mykenischen
274
Die vorgeschichtlichen Einflusse des Orients auf Mitteleuropa.
Kultur um eine Sache handelt, die ins zweite Jahr-
tausend vor unserer Zeitrechnung fällt, während die Hallstatt- Kultur auf demselben Gebiete am Beginne des ersten Jahrtausends v. Chr. schon eine volle
litterarische , wenn auch nicht historische, Beleuchtung durch die hoinerischen Gedichte erfährt, deren Entstehung diesem Zeitraum angehört, und deren Schilderungen sich mit Gräberfunden im weitesten
Bereich des Hallstätter Kulturkreises ( Italien, Mitteleuropa) teilweise überraschend decken . Wo wir
noch in Nacht und Nebel tappen , herrscht im Be-
santen Punkte zu suchen, wo diese Strömungen sich vereinigt und das ( thatsächlich vorliegende) Bild einer schwer zu analysierenden Mischkultur geschaffen hätten. Für diese Ueberzeugung ist namentlich der französische Forscher Ernst Chantre eingetreten . Er denkt sich Wanderzüge, die sich an dem Felsenwalle des Kaukasus geschieden hätten . Ein Teil der indo
germanischen Einwanderer , welche diese zugleich ethnologische und kulturhistorische Umwandlung unseres Kontinents hervorgerufen hätten , die nach maligen Südvölker Europas, sei über Armenien und
reich des östlichen Mittelmeerbeckens schon ein em-
die troische Landschaft ans Mittelmeer gelangt , wo
barras de richesse an kulturgeschichtlichen und ethno-
später aus solchen Anfängen die griechische und
logischen Daten . Aus dieser Epoche überwiegen bei
etruskische Civilisation entstanden sei . Der andere Teil müsse um die Nordufer des Schwarzen Meeres
uns die Funde, dort die Nachrichten . Dies nur zur
Charakterisierung des Unterschiedes, der sich ergibt, herum den Dnjepr und die Donau erreicht haben . wenn wir auf einen und denselben Zeitraum blicken.
Diese Völkerwelle sei dann, von Nordost nach Süd
In dem Zeitalter dermykenischen Kultur Griechen-
west fortschreitend, in die Alpenländer eingedrungen
lands herrschte nördlich der Alpen eine reine, d. h .
eisenfreie Bronzekultur, eine Erscheinung, welche in
und habe sich dort, sowie in Oberitalien, mit den Ausläufern der anderen Welle vermengt . In den
Norddeutschland und Skandinavien auch noch während
Terramaren Ungarns und der Po -Ebene, welche Helbig
der Hallstatt-Periode, somit in der ersten Hälfte des
und
letzten vorchristlichen Jahrtausends, fortdauert. Man unterscheidet in derselben mehrere Perioden , deren
nördliche Strömung vor ihrer Fusion mit der anderen
Undset durchforscht haben , will man diese
Linie erkennen ;
während die weitaus reicheren
Abgrenzung namentlich der schwedische Forscher
Nekropolen von Corneto, Bologna , Este , Sta . Lucia ,
Als Ganzes bildet sie
Watsch u . s. w. die Früchte der glücklich voll
Montelius unternommen hat.
eines der grössten Rätsel der Urgeschichtsforschung, zogenen Vereinigung darstellen. So wird die Ab sicherlich das grösste auf dem Gebiet der alteuropäischen Metallzeit-Kulturen . Jede der drei grossen
lösung einer kurz dauernden , reinen Bronzezeit im
der jüngeren Steinzeit aufeinander folgen sehen , hat ihren besonderen dunklen Punkt, den wir vor allem
andererseits das lange zähe Verharren des Nordens aufder bronzezeitlichen Kulturstufe durch eine grosse
südlichen Mitteleuropa und das rasche Auftreten der Stufen, die wir in Mitteleuropa nach dem Abschlusse mächtig um sich greifenden Hallstatt-Kultur, sowie - fast möchten wir sagen : dichterische -- Conception Orient, an den wir uns dabei um Autklärung wenden erklärt und mit historischem Leben beseelt. Was müssen . In den beiden späteren Perioden ist das daran unaufgeklärt bleibt, wie die entschiedenen An Problem räumlich beschränkter. Bei der Hallstatt- klänge mancher Seiten des Hallstätter Formenkreises Kultur handelt es sich weniger um das Ursprungs- an den semitischen Orient, wird fremdem Import gebiet , welches ziemlich sicher an die östlichen Küsten (aus Vorderasien und Aegypten) , die Verschieden des Mittelmeeres verlegt wird , als um den Weg, den heit in den Charakterzügen der einzelnen Fundge ihre Elemente nach Norden und Nordwesten zurück- biete aber der differenten Entwicklung lokaler Fa gelegt haben . Bei der La Tène-Kultur hat man gar brikationszweige zugeschrieben . Die Einflüsse der in einer einzigen Stadt - Massilia – und ihrer Hallstatt -Kultur sind bis nach Skandinavien hinauf civilisatorischen Wirkung auf das Hinterland die nachweisbar , doch berühren sie nur die Formen , Lösung der Rätsel finden wollen , welche Technik nicht das Wesen der in ihrer nordischen Abge gern geklärt sehen möchten , und immer ist es der
und Stil der specifisch keltischen Funde darbieten .
schiedenheit eigenartig und kräftig entwickelten Er
Bei der Frage nach dem Ausgangspunkt der europäischen Bronzezeit hat man dagegen mehr als die
scheinung einer eisenfreien Bronzekultur. So hat man die Einführung der Metallkultur in
halbe Welt des Altertums hypothetisch in Bewegung das vorgeschichtliche Leben Europas mit gesetzt , und von Aegypten bis nach Sibirien, ja bis China und Japan hin hat die Untersuchung alle * Länder berührt und überall Zeugnisse für diese oder
den
Wanderungen der Stämme in Zusammenhang ge bracht, welche heute den grössten Teil unseres Kontinents bewohnen .
Man ist mit einem Worte
jene Formel der Auflösung gefunden . Am beliebtesten ist die Annahme eines doppelten Weges geworden , der von einem nicht näher bestimmten Ursprungsland in Asien einerseits im Norden des Kaspischen und Schwarzen Meeres, andererseits über
für den indogermanischen Ursprung der Bronze eingetreten. Nun ist bekanntlich die Her kunft der Indogermanen eine Frage für sich, die in den letzten Jahren keineswegs immer im Sinne der asiatischen Hypothese beantwortet wurde. Man hat
Kleinasien und die Balkanhalbinsel, sowie nebenher
den Ursitz dieser
über Italien , nach Mitteleuropa geführt habe. Im Ostalpengebiet, sowie in Oberitalien seien die interes-
( Poesche), ja sogar in Skandinavien (Penka) gesucht.
Völkergruppe
in Osteuropa
Doch zählt die ältere Lehre noch immer viele An
Modiglianis » Reise nach Nias« .
275
hänger (Schrader u . s. w .) Das mag dahingestellt bleiben , und es soll nur beiläufig erwähnt werden,
In so allgemeinen Umrissen erkennt ein Forscher von dem Range Virchows heute erst die Direktion
dass an einen indischen Ursprung der europäischen
und die Art, in der wir zu suchen haben. Er meint:
Bronzekultur schon darum nicht zu denken ist , weil
» wenn wir die verschiedenen Länder und Völker
nach Virchow die indischen Bronzen weder dieselben
durchgehen , so gelingt es nach und nach, dass wir,
(oder ähnliche) Typen zeigen , wie die alteuropäischen ,
von Ort zu Ort fortschreitend, das Terrain ver
noch auch dieselbe Zusammensetzung des Metalls.
kleinern .
Es sind Zinkbronzen, eine Legierung , welche in
Anfanges finden .
Europa erst zur Zeit des römischen Kaiserreiches auftritt . Auch den Kaukasus mit seinen allerdings überreichlichen , noch lange nicht genügend bekannt gemachten Bronzefunden hat man zur Lösung jener Ursprungsfrage herangezogen. Aber die kaukasischen Funde, von welchen doch schon hinlängliche Proben
nicht mehr entdecken und ihm keine Ehre für seine
Endlich müssen wir auch den Punkt des
Den Erfinder werden wir wohl
That erweisen können , wohl aber werden wir den Gang genau verfolgen lernen , den die Kenntnis der Bronzefabrikation in der Menschheit genommen hat. « Virchows Bemerkungen zu diesem Gegenstand sind vorwiegend kritischer , methodischer Art und
in westeuropäischen Museen vorliegen , gehören einer darum von Wert in einer so wenig vorgeschrittenen relativ späten Zeit an und zeigen nach Form und Untersuchung. » Ueberall,« sagt er , »wo wir der Zusammensetzung , dass dieses Gebiet in der Vor-
Geschichte menschlicher Kultur im einzelnen nach
geschichte keine andere Rolle gespielt hat als unsere gehen können , kommen wir darauf hinaus , dass Alpen- und Donauländer. Es hat die ausgebildete nicht die Massenarbeit es war , welche die grossen Metallkultur übernommen , und jenes Kokan, dessen
Züge der Kultur bestimmt hat, sondern dass es ein
Altertümer so überraschende Analogien mit unseren Funden aus der Hallstatt -Periode aufweisen , lehrt doch
zelne Personen und daher auch einzelne Stämme
waren , an welche sich der Fortschritt der Kultur
nur, dass von einer gemeinsamen Centralstätte Ausstrahlungen nach den verschiedensten Richtungen vor sich gegangen sind.
knüpft. Die Spekulation in grossem Stile hat jetzt auf eine geraume Zeit vor der Detailarbeit zurück zutreten. Die Erfahrung auf diesem so schwierigen
Ueberhaupt muss man , wie Virchow auf der
Forschungsgebiete lehrt uns, dass wir nichts dank
gemeinsamen Versammlung der deutschen und der
barer zu begrüssen haben , als die Herbeischaffung
Wiener Anthropologischen Gesellschaft im vorigen
neuen Materials , das Anwachsen der Erkenntnis
Jahre mit Recht scharf betont hat , die Frage der Wanderungen, welche eine eminent anthropologische ist, trennen von der Untersuchung der Wege , auf
quellen , welche namentlich durch Ausgrabungen immer weiter und weiter erschlossen werden. Die
welchen Kultureinflüsse stattgefunden haben . Nur
höchste Bedeutung kommt diesen Arbeiten zu, wenn sie uns die archäologischen Verhältnisse gewisser
so erhält man sich den Blick rein und ungetrübt
Zwischenländer im
Südosten Europas klar legen.
für die archäologischen Thatsachen , welchen hier Darum finden die jüngsten Ausgrabungen im öster das erste Wort zukommt, ja man gelangt zu der reichischen Küstenlande , in Istrien und Bosnien so Ueberzeugung, »dass wir dem internationalen Ver- grosse Aufmerksamkeit seitens der Prähistoriker und kehr auch schon in jener alten Zeit eine grössere Be- ihres Anhanges. Die archäologische Erforschung deutung beimessen dürfen , als dies bisher der Fall war . « Albaniens und Makedoniens ist eine Sache von brennen Immerhin
wandelt auch
die
durch
anthro-
der Wichtigkeit und muss mit den gesteigerten Mitteln ,
pologische Skrupel unbeirrte, rein archäologische welche man heute anwendet, um der Erde das Forschung nach jener Centralstätte ältester metallzeitlicher Einflüsse des Orients auf Europa noch in
den Kinderschuhen . Sie geht noch auf den Wegen einzelner Parallelen und bewegt sich in ziemlich unbestimmten Vorstellungen . So sagte Virchow auf dem vorhin erwähnten Kongresse: » Soweit ich selbst mich in den alten Stätten
Siegel zu lösen , in Angriff genommen werden , so
wie die politischen Verhältnisse dies gestatten. Die Lösung der modernen Orientfrage, welche denn doch einmal vor sich gehen muss , wird auf diese Weise auch die Lösung der alten Frage nach den vorgeschichtlichen Einflüssen des Orients auf unseren Weltteil mit sich bringen.
menschlicher Kultur bewegt habe und soweit ich aus der neuesten Litteratur erschliessen kann , so scheint
es mir, dass in Aegypten und weiterhin in Baby-
Modiglianis „ Reise nach Nias“ 1 ).
lonien zahlreiche Funde ans Licht treten , welche
Von Dr. H. Schurtz .
mehr oder weniger zu der Ueberzeugung zwingen, dass die Uranfänge unserer Kultur nur zum kleinen
Teil auf unserem Boden aus jener Notwendigkeit
Wenn sich allenthalben eine Umwälzung in der Ethnologie vorbereitet, so ist die veränderte Art
des einzelnen Individuums, aus dem Bedürfnisse her vorgegangen sind, worauf man soviel zählt, dass im
in den Vordergrund tritt , nicht das unwichtigste
wissenschaftlicher Forschungsreisen, die allmählich Anzeichen dieses Umschwungs.
Die Arbeit der
Gegenteil ein Zusammenhang auch unserer Prähistorie mit jenen alten Kulturen bestand, und dass sie diesem
ihre Richtung verdankt. «
1 ) Élio Modigliani, Un viaggio a Nias. Milano, Fratelli Treves, 1890 .
Modiglianis » Reise nach Nias« .
276
Pioniere , die weite Landstrecken flüchtig durchstreifen und mit wenigen sicheren, sehr vielen zweifelhaften Ergebnissen zurückkehren , wird ersetzt durch die eingehende , gründliche Durchforschung beschränkter Gebiete. Liegt darin ein bedeutsamer
entzogene nach dem Ozean hinausblickt.
Fortschritt , so droht andererseits die Gefahr, dass
in so hohem Grade der Fall, dass eine ziemlich
>
Sinne ist Nias eine Küsteninsel ; daraus folgt, dass seine verkehrsreiche, vielbesuchte Seite Sumatra
gegenüber liegen wird , seine unkultivierte , ver kehrsarme , den Einflüssen fremder Blutmischung Dies ist
der grosse Ueberblick verloren geht und eine klein-
scharfe ethnologische Scheidung zwischen den Be
liche Betrachtungsweise Platz greift. Der Verfasser des Werkes , dem diese Zeilen gewidmet sind , ist dieser Gefahr im allgemeinen glücklich entgangen . Modiglianis Monographie der Insel Nias bietet eine
wohnern der Nordwestküste und denen des Südens
hervortritt, die Modigliani zu der wohl etwas zu
höchst willkommene Bereicherung der Länder- und Völkerkunde, nicht minder der Zoologie, die durch
scharfen Trennung in zwei besondere Rassen ver anlasst . Wenn gerade der Norden von Nias am stärksten von aussen beeinflusst ist , so hat dies seinen Hauptgrund in der Lage des aktivsten , see
36 neue Tierspezies erfreut wird, und der Botanik ; aus der Fülle der Thatsachen im folgenden einige
tüchtigsten Staates von Sumatra , Atschins, das be ständig , freilich meist in verhängnisvoller Weise,
der bemerkenswertesten anzuführen und sie , wenn
auf die der Seefahrt unkundigen Bewohner von Nias
möglich , aus einem allgemeinen Gesichtspunkt zu
eingewirkt hat. So haben sich mannigfache Unter
betrachten , wird nicht ohne Interesse sein . Eine zwar nicht räumliche, aber doch zeitliche
schiede entwickelt : die südlichen Nias sind grösser
Erweiterung des beschränkten Studienfeldes bewirkt
1
und kräftiger als die nördlichen , haben gewellteres Haar und vorspringendere Backenknochen . Im
?
Modigliani durch eine sehr eingehende Entdeckungs- Süden der Insel ist die Kopfjagd in voller Blüte, und Kolonisationsgeschichte der Insel . Zum ersten- im Norden ist sie verschwunden ; das Messer ist mal erwähnt sie ein arabisches Manuskript 851 im Norden als Waffe weniger geschätzt als im
n . Chr. als Al-Neyan. Merkwürdigerweise gehört | Süden ; neben dem leichten, dem Blatte der Musa
Insel auch Nias zu jenen verschollenen Goldländern, nachgebildeten Schild , der auf der ganzen schwere,
deren Reichtum ältere Berichte rühmen , während
verbreitet ist , findet sich im Norden der
die Gegenwart nichts mehr von ihm weiss ; die
lang-sechseckige Schild , der an viele im malaiischen
erste europäische Expedition , die 1520 von Portu- Archipel gebräuchliche Formen erinnert. giesen nach Nias unternommen wurde , hatte noch
Auch der Mittelpunkt des holländischen Ein
die Absicht , Gold zu suchen . Wichtiger war seit
Ausses, Gunung Sitoli, liegt an der Nordwestküste ;
alter Zeit der Sklavenhandel der Insel, der bald die Aufmerksamkeit der Europäer erregte und Nias unter die abwechselnde Herrschaft der Holländer,
die Stadt, fast ausschliesslich von Chinesen , Malaien , Indiern und Arabern bewohnt , ist seit 1870 eine Verbrecherkolonie. Die Macht des „ Kontrolleurs «
Engländer und Franzosen brachte, bis der Vertrag reicht nicht weit. Die Insel zerfällt in verschiedene von 1824 es endgültig Holland zusprach. Die Be-
Distrikte , die indes keine politischen Gebilde sind ;
richte über diese Ereignisse, so eingehend sie sein
unter den einzelnen Dörfern herrscht fast bestän
mögen , sind freilich nur ein schwacher Ersatz für die wirkliche Geschichte der Insel , die auch nach
dige Fehde. Namentlich im Süden führt die Kopf jagd zu unaufhörlichen Kämpfen , und es ist be zeichnend für das mangelnde Gemeingefühl, dass
>
den Forschungen Modiglianis und der deutschen Missionare, die vor ihm hier gearbeitet haben, noch dunkel bleibt .
Nias, die grösste der dem Westgestade Sumatras
beim Brande eines Dorfes die Nachbarn eilig herbei kommen , um
zu
stehlen ; natürlich entstehen
infolgedessen neue blutige Streitigkeiten. An Waffen,
vorgelagerten Inseln, ist von mässigem Umfang sie auszufechten, fehlt es nicht . Neben der langen (4580 qkm). Die Angaben über die Zahl der Be-
Stosslanze finden sich Wurfspeere und vor allem
völkerung schwanken zwischen 200 000 und 500 000 ;
Messer ; Bogen und Pfeile, auf den benachbarten
Modigliani berechnet als Minimum , das sicher hinter Inseln wohl bekannt, fehlen auf Nias , das Blasrohr der Wirklichkeit zurückbleibt , 88000. In geotektonischer Hinsicht ist Nias der Hauptinsel Sumatra
eng anzugliedern : die niedrige Bergkette, die Nias
beginnt sich erst allmählich im Norden zu ver breiten, während Gewehre schlechtester Konstruktion schon vielfach vorhanden sind und mit Geschick
durchzieht, läuft parallel den Gebirgen Sumatras,
gebraucht werden.. Eiserne Helme sind nicht selten ,
das Meer zwischen beiden Inseln ist von geringer
dürften aber erst seit verhältnismässig kurzer Zeit
Tiefe, auch die Fauna deutet auf einen früheren
Zusammenhang mit der Hauptinsel hin. Wollte man den Versuch wagen, Hahns geist-
die Rotanghelme zum Teil verdrängt haben , auch weist ihre Form auf chinesische und japanische Vorbilder zurück . Den einfachsten Kopfschutz bilden
vollen Inselstudien, die sich völlig auf dem Gebiete
Ringe von pflanzlichen Fasern ; Panzer finden sich
der physikalischen Erdkunde bewegen , ethnologische | häufig . Inselstudien gegenüber zu stellen , so wären die Berichte Modiglianis als eine sehr willkommene
Unterlage zu begrüssen. Auch im ethnologischen
Die einheimische Kleidung besteht aus der Rinde von Ficus oder Artocarpus, die geklopft, ge wässert und mit Steinen oder einem geschärften
:
1
Modiglianis »Reise nach Nias« .
277
Holze abgerieben wird ; Muster werden mit Stempeln
hier wirksam gewesen sind , muss dahingestellt
darauf eingeschlagen. Daneben finden sich aus Gnetumfasern geflochtene Jacken und europäische
bleiben .
Zeuge , unter denen man gern noch eine unmittel
woraus
bare Schamhülle aus einheimischem Stoffe trägt. Streifen europäischer Stoffe dienen ebenso wie ein-
stiert. Die Seele der Verstorbenen löst sich in ver
Die Religion ist vor allem ein Ahnenkultus, es sich erklären mag , dass eine ausser ordentlich weitläufige Genealogie der Götter exi
heimisches Rindenzeug als Geld ; der beliebteste schiedene Bestandteile auf: der eigentliche Geist , Wertmesser ist indes der Tabak , ferner Messing- der » Hauch « des Menschen, geht in das Totenreich draht, während Gold nur als Schmuck zu dienen scheint .
Auch im Häuserbau treten Unterschiede zwischen
Nord und Süd hervor. Die Häuser sind völlig aus Holz gebaut und stehen auf 4 m hohen Pfählen,
und erwartet dort den Weltbrand , der einiger massen an die germanische Götterdämmerung oder an das jüngste Gericht erinnert. Vornehme und reiche Personen sondern im Sterben einen Teil der
Seele ab , der vom ältesten Sohne mit dem Munde
welche im Norden in 6 Reihen zu 6 Stück , im Süden aufgefangen wird und die Eigenschaften des Ver auf ihn überträgt , – ein merkwürdiger in 8 Reihen zu 5–6 Stück angeordnet sind. Das storbenen auf eigentliche Haus ist von geringer Höhe, um so umfangreicher das mit Palmblättern gedeckte Dach. Die Dörfer liegen , wie in einem Lande der Kopf-
Versuch , die Erblichkeit des Charakters zu erklären . Endlich kommt auf dem Grabe des Toten nach
einiger Zeit ein dritter Teil der Seele in Gestalt
jäger nicht anders zu erwarten , wohl befestigt auf eines kleinen Tieres zum Vorschein , das eingefangen den Bergen , die Pflanzungen in den Thälern . Der
und zu dem mittlerweile angefertigten Ahnenbild
Ackerbau wird ohne grosse Sorgfalt betrieben , das gebracht wird ; letzteres gilt nunmehr als beseelt . gebräuchlichste Ackergerät ist im Innern noch die Finden wir darin schon einen interessanten Ver hölzerne Hacke , Düngung ist unbekannt , so dass such , die Anbetung selbstgeschaffener Bilder zu er häufiger Wechsel der Felder , der oft mit einem klären, so ist die Art, wie man sich die Beseelung >
Wechsel des Wohnplatzes zusammenfällt, sich als
der zu bestimmten Zwecken geschnitzten Holz
nötig erweist .
Man unterscheidet trockene und überschwemmte Felder ; die ersteren sind der Bodenbeschaffenheit wegen häufiger.
götzen , der Adu , denkt, noch bemerkenswerter: dreissig Söhne der Weltschöpferin wurden von ihr
Die Hauptarbeit auf dem Felde liegt den Frauen ob, die infolgedessen früh altern . Die Zahl der
schnitzt man aus diesen Hölzern eine menschen
Weiber , die als unermüdliche Arbeiterinnen die
Seele .
in dreissig verschiedene Holzarten verwandelt; ähnliche Figur, so gewinnt sie alsbald Leben und Wenn man den Zweck , den sie fördern
beste Kapitalanlage sind, hängt von dem Vermögen soll , erreicht hat, wirft man sie einfach fort. des Mannes ab, da die Ehe durch Kauf geschlossen
Aeusserlich haben wir hier also den rohesten Feti
wird ; doch gehört eine anscheinend gewaltsame Entführung zur guten Sitte. Stirbt der Mann , so erbt der älteste Sohn die Weiber des Vaters mit Ausnahme der eigenen Mutter. Wie die fortwährenden Kriege, die ein Anwachsen der Bevölkerung nicht gestatten , wirkt auch das Aussetzen neugeborener Kinder verderblich , das allerdings nur
schismus , in Wirklichkeit aber Animismus,
von bösen Geistern wimmeln , ist für das in zahl lose feindliche Gemeinwesen gespaltene , auf Ver derben sinnende und vom Verderben verfolgte Kopf
in gewissen Fällen Regel ist. So werden die Kinder
jägervolk bezeichnend ; und dass bei einem Stamme,
ausgesetzt, an deren Geburt die Mutter stirbt, ferner Albinos, die als Söhne von Waldteufeln gelten , von Zwillingen der eine , gewöhnlich der schwächere,
ein
Ergebnis, dass ich wohl allenthalben der genaueren Forschung enthüllen würde. Der Glaube, dass Wälder, Flüsse und Gebüsche
der in den Schweinen seinen Reichtum sieht, sie
Die Sitten-
zärtlich pflegt und aufzieht , um sie doch endlich zu schlachten, auch ein halb guter, halb böser Gott sich findet , der die Menschen wie seine Schweine
strenge auf Nias , die harte Bestrafung der Leicht-
betrachtet , sie zugleich fördert und sich von ihnen
und endlich die unehelichen Kinder.
sinnigen und das entwickelte Schamgefühl auch der nährt , ist ganz verständlich . Vieles Bemerkens >
Männer unter Männern sind sehr bemerkenswert.
Die Mythologie ist, wie die aller animistischen Religionen, verworren und dunkel, doch auch hier der Oertlichkeit angemessen : in der Schöpfungssage
werte muss leider hier übergangen werden . Er wähnt sei noch, dass ein Glaube von Doppelgängerei
existiert, der an schottische Ueberlieferungen erinnert, und dass sich auch hier Spukhäuser finden, deren
spiegelt sich die Geschichte der landnahen , von
eines Modigliani von seinen unheimlichen Gästen
aussen bevölkerten Insel.
Acht Welten bestanden
befreien sollte. Die Zauberer , deren Aufgabe es
vor der Erschaffung der Erde, und die letztere ist
hauptsächlich ist, die für jedes Unternehmen passen
eine Kolonie der achten Welt . Ob die Erfindung
den Adu zu bestimmen , werden durch einen vor
dieser zahlreichen Welten nur einer jener unge-
übergehenden Wahnsinn als zu ihrem Berufe ge
schickten Versuche ist , die Unendlichkeit und Ewigkeit gewissermassen auszufüllen, wie wir ähnliche so oft finden , oder ob buddhistische Einflüsse
eignet erkannt ; nur wenige von ihnen rühmen sich ,
ihre Kunst jeden Beliebigen lehren zu können . Ueber die Abstammung der Nias lässt sich
Wilhelm Junkers Reisewerk .
278
noch immer nichts Sicheres sagen . Modigliani verwirft den Gedanken an eine Einwanderung von
Battas, allerdings aus Gründen , die grösstenteils nicht recht stichhaltig sind ; die Anthropophagie und die
schaftlich ernste, dabei aber schlichte, von wahrem Idealismus getragene und doch natürliche Erzählung des Forschers ist vorzüglich geeignet, die Kenntnis des in seiner Natur und Menschheit grossartigen
einheimische Schrift der Batta können recht wohl nach der Kolonisation von Nias von ihnen an-
Ostens Centralafrikas zu vermitteln .
genommen worden sein. Da jedoch bestimmte Traditionen auf Sumatra verweisen , so glaubt Modigliani, dass Teile eines von den Batta unterjochten
blieb das Nildelta und dessen westliche und öst
Stammes die Insel bevölkert haben .
Bedenklich ist
die Hypothese, dass Einwanderer aus Vorderindien, und zwar Waldstämme der Provinz Madras , ein Element der Bevölkerung von Nias bilden, und auch
Seit Napoleon Bonapartes Zug nach Aegypten
liche Begrenzung ein bevorzugtes Forschungsfeld für den Archäologen . Naturkundige hatten sich selten über den östlichen Rand der Libyschen Wüste ge wagt, und so unternahm es Junker auf Prof. Schwein furths Anregung, im November und Dezember 1875 den nordöstlichen Teil der libyschen Wüste und
die Volkssage, dass die naheliegenden Nacco - Inseln von Bugis aus Celebes besiedelt seien, bedarf wohl
das sogenannte Natronthal zu erforschen. Er brach von Alexandrien auf und durchquerte von Qasr el
einer genaueren Prüfung. Leider gestattet der Raum nicht , das vorzügliche , wissenschaftlich ausserordentlich brauchbare
Wâdi Natrûn und Wâdi Faregh , die wichtigsten Centren derselben , Dêr el-Baramûs und Dêr Ma
Werk Modiglianis eingehender zu behandeln . Zahlreiche Illustrationen , Karten und Photographien
carius, berührend, und beendigte, vom Wâdi Faregh nach Süden vordringend , seine Reise im Fajům .
unterstützen das Verständnis des Textes, und nicht minder ist die übersichtliche Anordnung des Ganzen anzuerkennen , die trotzdem ein trockenes Schematisieren thunlichst vermeidet.
Eine eingehende Erforschung der Natur der durch
Amad das Gebiet der Aulâd Alî und durchzog das >
zogenen Landschaft, sowie interessante Aufschlüsse über den Zustand der im Natronthale befindlichen
koptischen Klöster war das Ergebnis dieser vorbe reitenden Tour. Die Frage, ob der Nil jenials in histo rischer Zeit einen Arm westlich von seinen jetzigen Mündungen in das Meer entsendet habe , verneint
Wilhelm Junkers Reisewerk.
Junker entschieden und trug dadurch zur Lösung der Frage des Bahr bilâ mâ wesentlich bei . In Kairo ermutigte den Forscher Theodor von Die wissenschaftlichen Ergebnisse seiner drei- Heuglin, die beabsichtigte Reise nach den Negerlän zehnjährigen afrikanischen Forscherlaufbahn hat dern am oberen Nil vom Osten her von der Küste Von Prof. Ph . Paulitschke.
Dr. Wilhelm Junker in den Petermannschen Geo
graphischen Mitteilungen und deren Ergänzungs-
heften niedergelegt. Die Ereignisse im Sudân und das Umsichgreifen der religiös -fanatischen mahdistischen Bewegung, durch welche eine mehr als halbhundertjährige Kulturarbeit im östlichen Central afrika in den Staub zu fallen droht, bewogen den
des Roten Meeres anzutreten . In dem wildreichen Bárakathal, dem Dorado der Weidmänner und Tier händler, mochte auch dem Naturfreunde und Ethno
logen die Erforschung verschiedener Objekte winken,, und so trat Dr. Junker von Suâkin und Tokâr aus die Wanderung durch dasselbe an, nachdem er das Delta des Chors erforscht und den Bewohnern der Aus
Reisenden , jene Fahrten , die er in dem Zeitraum
mündung desselben, den Hadéndoa, und dem Reich
von 1875—1886 unternommen hatte, in einem spe
tum der Tierformen im Chôr einige Aufmerksamkeit
ziellen, für alle geographischen Interessentenkreise geschenkt hatte. Eingehend beschreibt er die Schön bestimmten Werke zu beschreiben und in einer um
heit des Chộrs und Landschaftsbilder desselben bis zu
fassenden , künstlerisch neuartigen Weise illustrieren
und mit einem ebenso reichhaltigen als schönen
jenem Punkte, wo der Báraka gegen Osten abbiegt. Angebliche Seen in der Nähe von Bela Genda fand
Kartenmaterial versehen zu lassen .
der Forscher nicht vor. Dort, wo die Phantasie kri
Der erste Band des Reisewerkes 1) ist eben zum
stallblaue Fluten vorgespiegelt hatte , weideten, auf
Abschlusse gelangt, und der zweite hat bereits abgeerntetem gelben Durrastroh gelagert, am See einen vielverheissenden Fortgang genommen .
In
grunde friedliche Hirten ihre Herden. Dr. Junker
dem ersten Bande gibt Dr. Junker über seine Forscherthätigkeit auf afrikanischem Boden während der Jahre 1875-1886 Rechnung, welcher bekanntlich
wandte sich über Hanasched nach Kassala in der
nordländische Fahrten und Rundreisen in der Regent schaft Tunis vorangegangen waren. Die wissen
Kassala, die von den Aegyptern unter Moham med Ali erbaute Hauptstadt Takas, beherbergte den
2) Dr. Wilh . Junkers Reisen in Afrika 1875--1886 . Erster Band ( 1875–1878) . Nach seinen Tagebüchern unter der Mitwirkung von Richard Buchta herausgegeben von dem
Sin und Haras nach dem Bahr el -asrak wandte . An
Absicht, von hier aus über Qedâref Chartûm zu er reichen .
Forscher neun Tage, worauf er sich über Sûq Abû
Reisenden . Mit 58 Vollbildern , 125 Illustrationen im Text und
9 Karten. 8 °. XVI. 585 S. Wien und Olmütz, Eduard Hölzel.
ziehend beschreibt er das Leben der Beduinen und
der wenigen angesiedelten Fremden. Besonders die Frauen dieses Teils des Sudâns, deren Stellung und
Wilhelm Junkers Reisewerk .
279
Leben werden eingehend gewürdigt und geschildert. | ständig zu verkehren hatte, konnten hierbei genau Das Leben und Treiben in der Kapitale des ägyp- erforscht werden . In den Landschaften dieser Stämme, tischen Sudâns findet eine anziehende Beschreibung so bei den Niambara , waren von den Aegyptern und ist wohl darum von besonderem Werte, weil
Seriben erbaut worden, wo ägyptische Vekile mit
Junker mit seiner Schilderung Chartûms das Kultur-
aus Dongolanern gebildeten Garnisonen von Irregu lären das Sammeln des Tributes besorgten, denen
leben an diesem Flecke Afrikas auf jenem Gipfelpunkt
beschreibt, den es unmittelbar vor dem Ausbruch aber die Bevölkerung zumeist feindselig entgegentrat. der mahdistischen Bewegung erreicht hatte. Dr. Junker erfreute sich in Chartûm einer wohlwollenden Aufnahme und fand vielfache Förderung
Die Niambara, den Bari nahestehend , Ackerbauer und Viehhirten , sind in viele kleine Abteilungen zer
splittert und ohne festes nationales Gefüge. Die
seiner Pläne. Zunächst lag es in seiner Absicht,
Aegypter hatten ihre Herrschaft unter den Negern
Sennaar zu bereisen. Doch musste er bald von einer
der Nillandschaften ohne Rücksicht auf die Stamm
diesem Zwecke geltenden Exkursion nach der Haupt- verwandtschaft der einzelnen Abteilungen errichtet stadt Chartûm zurückkehren . Er organisierte eine
und besonders vier Mudiriehn (Sprengel) geschaffen
neue Expedition und brach über Faschoda nach der (Ladó, Mákaraká, Rohl und Bahr el-ghazâl). Dr. Mündung des rechtsseitigen Nilzuflusses, des Sobat Junker beschreibt eingehend diese Verwaltungsbe denselben zu erforschen und womöglich seinen Lauf aufzunehmen, ein Problem, dessen Lö-
zirke und bemerkt, dass die Gründung der aufkom merzielle Ausbeutung der Gebiete angelegten Nie
sung sich schon einige seiner Vorgänger ohne Er- derlassungen der Elfenbein- und Sklavenhändler aus folg gewidmet hatten. Die teilweise Erforschung Chartûm viel zur Vermengung der Stämme beige der die Nilufer bewohnenden Negerstämme der tragen hatte, indem sich in der Nähe der ägyptischen Schilluk und Nuër ging mit dieser Arbeit Hand in
Stationen allmählich Kolonien verschiedener Stämme
Hand . Auf dem Sobat selbst gelangte Junker nur
gebildet hatten und so eine ethnologischeMusterkarte,
bis zur Station Nasser und konnte in naturwissen-
ein Mosaikbild zusammengesetzt worden war. Dies erleichterte und ermöglichte eine eingehende Bekannt schaft mit den Eingeborenen an solchen Centren . Die Natur der Landschaften studierte Dr. Junker
schaftlicher Hinsicht nur die Ornis der Gegend näher ins Auge fassen. Von dem Verwalter der Seriba Nasser erhielt der Forscher Auskunft über den Ober-
lauf des Sobat und die Uferbewohner.
Er selbst
auf vielfachen Rundreisen von solchen Mudiriats
konnte über den Stationspunkt nur eine ganz kurze
sitzen aus .
Strecke flussaufwärts fahren , so dass er die Angabe
diriate von Mákarakả waren Wandi, Klein-Mákaraká,
der Eingeborenen, dass sich der Sobat nur eine kurze opsie nicht erhärten konnte, so wertvoll natürlich dieselbe gewesen wäre. Der Sobat soll nach den Angaben, die man Junker machte, eben aus vier Armen sich bilden , dem Addúra, Nikuár, Gélo und Abual,
Kabajendi, Rimó und Mdirfi, deren baulicher Zu stand (Hütten oder Gehöfte auf freier Fläche) kein günstiger . war und keinen guten Eindruck machte. Jeder dieser Stationen war eine bestimmte Anzahlvon Negerhäuptlingen unterstellt , die den Befehlen des Verwalters und seiner Organe oder Sendboten zu
Strecke oberhalb Nasser in vier Arme teile, durch Aut-
Die wichtigsten Stationen in dem Mu )
deren Ufer von den Niukk , Bandják , Dschibbe,
gehorchen hatten . Jede Station besass eine Garnison
Kunkung und Tschaj bewohnt werden . Gordon Pascha und Ismael Ejub Pascha, der
von 50—75 Dongolaner Irregulären und ca. 30 ägyp tischen Soldaten der regulären Truppen, die mit
Gouverneur des ägyptischen Sudâns,hatten Dr. Junker
Remington-Gewehren bewaffnet waren.
seine besondere Gunst geschenkt und unter dem Schutze dieses ausserordentlichen Mannes
In der Mudirieh Makarak, hatte Dr. Junker
konnte
so reichliches Material über das Natur- und Volks
der Reisende daran denken, 1876 den Nil aufwärts weiter nach Süden zu dringen . In den ägyptischen Militärstationen, die um diese Zeit bis an die Aequatorialseen reichten , boten sich Stützpunkte für Exkursionen und so wandte sich Junker zunächst nach Ladó,
leben zu sammeln vermocht, dass seine Beschreibung des Distrikts einer wahren Monographie gleicht und darin Ergänzungen der Daten aller seiner Vorgänger in grosser Fülle geboten werden . Unvorhergesehene Verhältnisse, besonders die Furcht des Gouverneurs
wo er zum erstenmale mit Emin , damals Arzt in
vor dem Einfalle Zibers in die Bahr el-Ghazal-Pro
ägyptischen Diensten, zusammentraf. Die Barineger, vinz, brachten es mit sich, dass der Forscher von die Ansiedelung von Ladó und der ehemalige Sta- einem weiteren Vordringen nach dem Süden , na tionsort Gondokoro konnten noch vor dem Antritte
mentlich einer Reise in das Gebiet der Kaliká ab
grösserer Exkursionen in die Landschaften westlich
sehen und nach dem Rohl seine Schritte lenken
vom Nil erforscht werden . Unter diesen lag es Junker besonders daran, die Mudirieh Mákaraká, welche
musste.
die Aegypter organisiert hatten, näher zu erforschen,
Efendi Fauzis , den Gordon Pascha nach dem Bahr
sie überhaupt zum Ausgangspunkte und zur Kopfstation für seine mannigfachen Touren westlich vom
el-ghazâl geschickt hatte , anzuschliessen , und that dies, nur 10 Traglasten und seine Dienerschaft mit führend. Die Expedition berührte den Aïre- Fluss,
Nil zu erwählen .
Die Bari Niambara und Maka-
Er ward gezwungen , sich dem Heere Ibrahim 9
raká, mit welchen die Karawane des Forschers be- die Station Sajadin , die Seriben Lori , Moffo, und
Wilhelm Junkers Reisewerk .
280
langte nach dem Sitz der Mudirieh Rumbêk in nur 70 Marschstunden , welche auf 18 Tage verteilt worden waren . Rumbêk bildet nach Junkers Worten den Zufluchtsort für das ärgste Gesindel der Dongo-
beschaffenheit und den Wegrichtungen von 5 , 10 bis 15 Minuten Entfernung verzeichnet. Mit der Rück kehr nach Kabajendi (Ende Januar 1878) fanden die Arbeiten der Wegaufnahme ihren Abschluss , denn
laner , so dass er froh war , diesen Punkt verlassen zu können . Man zog durch die Waldreviere der
in der Folge zog der Forscher auf bereits bekannten
Agahr bis zum Gebiet der Behli, eines Mittú-Stammes,
Wegen nach Ladó zurück . Diese Rückreise an den
nach der bekannten Seriba Djûr Ghattas. Die Mittú
Nil gestaltete sich infolge der grassierenden Pocken und der herrschenden Hungersnot schwierig. Die Musse
nehmen unter den Völkern des Nils eine besondere
auf der Reise konnte aber zur Aufnahme interessan
Stellung ein ; sie sind durch Sprache, Sitten und Gebräuche und durch körperliche Erscheinung von ihren Nachbarn, den Kongo, Diuka, Morú und den
ter Daten über das Verhältnis der eingewanderten ägyptischen Offiziere, Beamten und Soldaten zu den im Sudân geborenen, zur Feststellung der Einwohner
Mákaraká , verschieden und wohnen zwischen dem
zahl der Provinz Mákaraká verwendet werden . Ende
Roah und Rohl-Jalo. So wie der Reisende auf dieser Tour selbst Mangel litt, gewahrte er ringsum in den
März 1878 traf Junker wieder in Ladó ein und er hielt hier die Nachricht , dass vor wenigen Tagen
Landschaften nichts als bitteren Mangel , eine Folge
das Dampfschiff nach Chartûm abgegangen sei . Da
der schonungslosen Ausbeutung durch die Dongo-
durch war seine Weiterreise verzögert. Er widmete
Am 1. Oktober 1877 befand sich Junker,
sich daher der Anlage einer ethnographischen Samm
nachdem er das Gebiet der Madi und Abukâja durch-
lung mit grösstem Eifer und hatte das Vergnügen , hier mit Dr. Emin , der eben aus Uganda zurück kehrte, Umgang pflegen zu können , der ihn belebte und erfrischte. Am 29. Juni 1878 kehrte er nach Chartûm zurück, wo er mit Gordon, Gessi und Emin
laner .
messen , in Goså und fand hier wieder Anschluss
an seine früheren Routen und hatte damit eine schöne Rundtour in den Landschaften nördlich von Makaraká vollendet.
Hatte die unfreiwillige Reise nach dem Norden zwar vielfache Belehrung gebracht , so freute sich Dr. Junker, nach Mákaraká zurückgekehrt, auf einige
nämlichen Wege über Berber, Donqola und den Nil am 1. September 1878 in Kairo einzutreffen und da
noch vielfach verkehren konnte , um dann auf dem
Exkursionen nach dem Westen und Süden der Mu-
mit eine hochbedeutende afrikanische Forschungsreise
dirieh . Zu einer Reise von Kuderma nach den Silei-
abzuschliessen .
Bergen und in das eigentliche Gebiet der A-Sandeh oder Niam -Niam bot sich bald die Gelegenheit,
Am Ende der Darlegung der ersten grossen Reise des ausgezeichneten Forschers mögen hier
ebenso zu dem Besuche der Kaliká . Nach der letzt-
einige Worte über die Eigenart seines Reisewerkes
genannten Landschaft hatten die Aegypter eine 1000 Köpfe und 400 Feuergewehrträger umfassende Raubexpedition ausgeschickt, und Junker gedachte im Ge-
tion durch Abfassung erklärender Anmerkungen zu ara bischen Worten und Begriffen , historische und stati
folge derselben für die Wissenschaft zu profitieren.
stische Notizen und die Beschaffung von Bildern
Platz finden . Richard Buchta hat sich an der Redak
Da die Razzien der Aegypter in dem Rahmen eines beteiligt , welcher Kooperation Dr. Junker im Vor vollständig ausgebildeten Systems vorgenommen wur-
worte dankend gedenkt.
den und selten versagten, war auf Erfolg zu hoffen.
zurückgezogen und Dr. Junker arbeitet den zweiten
Man durchzog das Land der Kakuák und gelangte
Band seines Reisewerkes ohne Buchtas Redaktion aus , deren Spuren im ersten Bande an den beige
in den schönen Distrikt der Kalika , dessen Reichtum und Wohlhabenheit den Forscher an die euro-
päische Heimat erinnerte. Hier im Lande der Ka lika war es , wo Junker sich an der Wasserscheide
des Nil und Kongo befand und hier betrat er auch
Seither hat sich Buchta
fügten Namensinitialen auch äusserlich (was indes sehr überflüssig ist) kenntlich sind. Es kann natür
lich niemals den Anschein gewinnen , als wäre Buchta in anderer Weise an der Abfassung des Werkes be
die Ufer des Kibbi, des Quellflusses des Vélle, ein teiligt gewesen . Wenngleich anerkanntwerden muss, Ziel. Zum erstenmal befand er sich hier in Gegen-
dass Buchtas etymologische und historische Notizen wertvoll sind, so ist doch nicht zu leugnen, dass sie
den , welche vor ihm noch keines Weissen Fuss be-
sich häufig genug förmlich aufdrängen. In dieser Be
treten hatte. Leider konnte an friedliche Forschung hier nicht gedacht werden . Die Expedition wandte Norden , nach
ziehung stechen die fünf bereits erschienenen Liefe rungen des zweiten Bandes vorteilhaft ab. Dr. Junker wünschen wir Ausdauer und rüstige Gesundheit zur
Mdirfi und Kabajendi. Dr. Junker selbst gesteht,
Fortsetzung und Beendigung seines grossen Werkes,
von dem Reisenden lange und beharrlich erstrebtes
sich bald zur Rückkehr nach dem
dass er nach Vollendung dieser Reise ein Gefühl hoher Befriedigung gehabt habe, denn er konnte mit Genugthuung sagen , dass sein Itinerar auf allen bis herigen Reisen in den Negerländern nicht einmal
das ein standard work der afrikanischen Litteratur werden wird .
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger
die Lücke von einem Tage aufwies und eine un
in Stuttgart .
unterbrochene Arbeit darstellte. Täglich hat er wäh-
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.
rend des Marsches die Winkel je nach der Boden
9
K.K
LE
68
IT O
DAS A AUSLAND Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde herausgegeben von
KARL VON DEN STEINEN .
Stuttgart, 14. April 1890.
Jahrgang 63, Nr. 15. Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7.- Zu beziehen durch die Buchhandlungen des
Manuskripte und Rezensionsexemplare von Werken der
einschlägigen Litteratur sind direkt an Dr. KARL VON DEN STEINEN , z. Z. Marburg-Hessen , Haspelstrasse 20, zu senden. Inserate auf dem Umschlag 20 Pf. für die gespaltene Zeile in Petit . MDCXL
In- und Auslandes und die Postämter.
Inhalt : 1. Graf S. Telekis Afrika-Expedition. Von Ludwig Ritter von Höhnel. S. 281 .
2. Die Gesetze der Kultur im
Zusammenhange mit der Gestalt der Erdoberfläche. Von O. Henne am Rhyn . S. 285 . 3. Geheimbünde der Küstenbewohner Nord amerikas . Von J. Adrian Jacobsen. (Schluss.) S. 290. 4. Am westlichen Kilimandscharo. Von Dr. Hans Meyer. (Schluss.) S. 294. 5. Litteratur. S. 298 . .
Graf S. Telekis Afrika - Expedition. Vortrag gehalten im Wissenschaftlichen Klub zu Wien am 20. Februar 1890 von Linienschiffslieutenant Ludwig Ritter v. Höhnel.
Leiden und Entbehrungen unseren zweiten Ausgangs punkt, den Baringo-See, wieder. Das erzielte Resultat, die Erforschung eines 3000 geographische Quadratmeilen grossen , bis da hin unbekannt gewesenen Gebietes, musste uns ge
An der Spitze unserer Expedition stand Graf nügen , und erschöpft, wie wir uns infolge der aus Samuel Teleki , den ich begleiten zu können das gestandenen Strapazen fühlten , hatten wir uns zur Am 25. Oktober 1888
Glück hatte. Wir waren von keiner gelehrten Gesellschaft ausgeschickt, und niemand hatte uns eine bestimmte Route vorzuschreiben , denn Graf Teleki bestritt die grossen über 100 000 A. betragenden Kosten der Expedition ganz aus eigenen Mitteln. Wir begaben uns nach entsprechender Vorbereitung , mit ebenso ausgezeichneten Waffen wie schönen Instrumenten versehen, im Herbste des Jahres 1886 nach
Rückkehr zu entschliessen .
Sansibar, und erst dort entstand der genauere Reise-
flüchtige Umschau ergibt , bieten ; doch würde ich
plan . Im Januar des folgenden Jahres traten wir an der Spitze einer über 300 Mann starken und wohl ausgerüsteten Karawane unsere aufzwei Jahre berechnete Wanderung durch die Wildnis an .
es für ein ohnmächtiges Unternehmen halten , zu versuchen , Ihnen auch nur davon ein halbwegs voll ständiges Bild zu entwerfen . Die Inland -Reise traten wir bei Pangani, einem
sahen wir bei Mombas den Indischen Ozean , die bekannte Welt wieder.
Bei der Kürze der mir zur Verfügung stehen den Zeit kann ich Ihnen nur einen kleinen Auszug
aus der Fülle unserer Erlebnisse und Erfahrungen, einige Skizzen über die Art und Weise des Reisens, über Land und Leute und was sonst noch eine
Die Reise führte zunächst zum Kilimandscharo,
wohl wenig ansehnlichen , doch als Ausgangspunkt
dem Könige der Berge Afrikas, in dessen Umgebung wir 3 Monate verbrachten . Dann ging es durch
der Massai-Elfenbeinkarawanen wichtigen Küstenort,
das Land der Massai und durch das feindliche Ki-
Reisegütern bereits früher einen 6 Stunden flussauf
>
an .
Unsere Mannschaften hatten
mit sämtlichen
der Mauia hiess, bezogen. kuyuland nach Norden bis an den Fuss des jung- wärts gelegenen Lagerplatz, sämtlichen Verpflichtungen
fräulichen Kenia , dessen Hänge zum erstenmale Nachdem wir unseren durch uns bestiegen wurden . Nach der Erforschung noch vor unserem Abschiede von der Civilisation
des Guasso -Nyiroflusslaufes gelangten wir im weiteren
nachgekommen waren, bestiegen wir ein Boot, und
Verlaufe der Reise zum Baringo-See. Erst von hier an wanderten wir als eigentliche Entdecker nach
unter den monotonen, doch melodischen Ruderge
Norden weiter, und neue Länder und neue Seen,
sängen der Neger gingen wir zu unseren Leuten ab. Es dunkelte schon, als wir den Lagerplatz er
an welchen bis dahin unbekannt gebliebene Völker
reichten, der mit den vielen Hütten unserer Mann
wohnen, eröffneten sich unseren erstaunten Blicken .
schaft und den flackernden Feuern , um welche leb
Bis zu 5 ° nördlicher Breite waren wir vorgedrungen,
hafte Negergruppen herumsassen, einem geschäftigen
dann sahen wir uns durch widrige Umstände zur Rückkehr nach dem Süden gezwungen , und wir er-
Dorfe glich . In der Mitte des Platzes, umgeben von unseren
reichten nach 166tägiger Irrfahrt, nach schrecklichen | Zelten, lag die Riesenmenge unserer Waren , schön Ausland 1890 , Nr. 15 .
43
Graf S. Telekis Afrika-Expedition .
282
geordnet in Kisten und Ballen , die alle genau je i Geschmack und die Mode ganz so wie bei uns, 70 Pfund schwer sein mussten . Sie enthielten unseren ganzen Reisetross an Zelten und persönlicher Ausrüstung , die Instrumente , Waffen und Munition ,
nur mit dem Unterschiede, dass sie nicht mit jeder Saison wechseln . Für den Tausch gibt es Perlen in allen Farben und Formen , von ganz winzigen
ferner zerlegbare Boote, Taue, Konserven , Kochge-
bis zu taubeneigrossen ; und jeder Stamm hat seine
schirre , Bilderbücher und anderen Tand für die Eingeborenen, und was uns sonst noch alles nach
eigenen Muster, die bei ihm begehrt sind, und ver schmäht alle anderen . Wir führten nicht weniger als 20 Tonnen an solchen Modeartikeln mit, und obwohl uns bei der Aus wahl derselben die massgebendsten Elfenbeinhändler
mehrmonatlichem Studium und Kopfzerbrechen als notwendig erschienen war, um in der weiten Ferne auf eigenen Füssen stehen und unseren Forschungen obliegen zu können . Wir hatten alle diese Gegenstände aus Europa mitgebracht, denn obwohl Sansi-
beraten hatten, kamen wir doch im Verlaufe unserer
Reise in empfindliche Verlegenheit bei Eingeborenen ,
bar als Handelsplatz von Bedeutung und als Aus- inmitten derer wir uns arm fühlten , wie hier der gangspunkt vieler Forschungsreisen berühmt ist, ver-
ärmste Schlucker, da wir nicht die richtige Mode
mag man dort dennoch nichts eigentlich brauch-
getroffen hatten .
bares anzukaufen , ausser den Tauschwaren für die Wilden .
Ein Handel nach dem Innern mit Spirituosen ist bisher nicht gebräuchlich.
Der Hauptsache nach bestehen dieselben aus zumeist böhmischen und venezianischen Glasperlen ,
Kehren wir nun zum Lager zurück. Wir kamen am ersten Abende lange nicht zur Ruhe ; vielleicht
aus Stoffen und schliesslich verschiedenen Metallen in Drahtform . Wir kauften ausserdem eine Anzahl
war schuld daran der Umstand, dass wir zum ersten
besserer Kleidungsstücke, arabische Kaftane, Turbane,
suchten, wahrscheinlicher jedoch das tolle Lärmen
Fesse , Gewehre u . dergl . zu Geschenken für die schwarzen Majestäten , welchen wir im Verlaufe der Reise unsere Aufwartung machen würden , hatten überdies ganze Schätze an Spiegeln , Messern, Scheren , talmigoldenen Armbändern , Ringen mit gläsernen Edelsteinen und ähnlichen Kostbarkeiten, sowie an Helmen , Degen, Marine- und Kavallerieschwertern, Produkte des Wiener Tandelmarktes. So nichtig alle diese Gegenstände aussehen , so
unserer über 300 Mann starken Karawane, das, nach dem die Töpfe geleert waren, erst recht losging .
wertvoll sind sie im Innern . Sie machen das Reise
geld aus, und mit ihnen hatten wir von nun an zum Zwecke der Erhaltung der Karawane, zu Tributen, sowie zur Bezahlung von Führern , Dolmet-
schen und dergl. soviel als irgend möglich hauszuhalten . Schon 2-3 Tage von der Küste verliert der Klang von Gold und Silber seinen Reiz , und der Perlenstrang beginnt zu herrschen . Wir er lernten es bald , um etlicher Perlen willen stunden-
lang zu schachern , und es zerschlug sich mancher Kauf weniger Centimeter schlechten Kalikos wegen . Wir mussten uns dazu bequemen, sowohl die Tauschwaren , wie den Tauschhandel zu einem eingehenden Studium zu machen , und mit der Zeit verstanden wir es auch , unseren schwarzen Kunden die Schönheit unserer Perlen und den Wert unserer Stoffe
mit der gefälligen Geschwätzigkeit des gewandtesten
male unter afrikanischem Himmel unsere Zelte auf
Den Eindruck , den diese schwarzen Teufel auf
mich damals machten , als sie in ausgelassenster Heiterkeit wie von blutigem Feuerschein übergossen umhertanzten , werde ich lange nicht verlieren .
Es ist ganz eigentümlich beschaffen , dieses schwarze Reisevolk , das sich in den letzten Jahr zehnten in Sansibar und an der gegenüberliegenden Küste zu einer Gilde herausgebildet hat. Wenn Burton und Speke noch vor 30 Jahren ihre epoche machenden Entdeckungen mit Hilfe einer durch Sultansmachtspruch zugewiesenen Schar von Trägern auszuführen gezwungen waren , mit einer Bande von Sklaven, die bei dem Gedanken an das Innere zitterten ,
es überhaupt mit grundlosen Sümpfen und endlosen , von riesigen Schlangen und Menschenfressern be völkerten Wildnissen erfüllt glaubten , so muss man heute staunen , welche Wandlung in diesen 3 Dezen
nien platzgegriffen hat.
Trotzdem diesen Leuten
ihr » Unguja« , so nennen sie Sansibar , über alles geht, sie dort ihre Häuser und Weiber haben , die denn auch im Innern , besonders wenn es recht schlecht geht, des Abends am Feuer und während
der oft endlosen Märsche den Hauptgesprächsstoff bilden, so jubeln sie dennoch auf bei der Nachricht
Ladendieners in stundenlangen Auseinandersetzungen einer » safari«, einer Reisegelegenheit. Sie rekrutieren beizubringen. Von der Geduld , die man im Verkehre mit den
Eingeborenen zu entwickeln gezwungen ist, hat man
sich aus allen nur möglichen Stämmen Afrikas, da sie seltener Freie als Sklaven sind .
Es ist ein er
klärtes Pack von Vagabunden , die es hinaustreibt
in Europa wohl keine Ahnung; Geduld wird da- in die Wildnis, welche sie fürchten, und einem un mit in Afrika zur wichtigsten Eigenschaft für den gewissen Schicksale entgegen , an das sie jedoch Reisenden, und bringt er sie nicht von Europa mit, so muss er sie wohl oder übel zu erlernen suchen .
nicht denken . Und doch kennen sie fast alle das Elend , das ihrer da wartet , sowie die Leiden , Ent
Die wenigsten der erwähnten Gegenstände sind
behrungen und Gefahren, welchen sie entgegengehen.
wirkliche Bedürfnisse für die Eingeborenen ; sie sind
Sie fragen indes heutzutage nach keinem » Wohin «, keine Ueberredungskünste sind mehr nötig, und wenn
meistens reine Luxusartikel, und es herrschen der
Graf S. Telekis Afrika -Expedition.
es direkt in des Teufels Rachen ginge. Zu Hunderten umlagerten sie in Sansibar unser Haus, und ich bin
überzeugt, dass sich nirgends in der Welt ein grösseres Reisefieber zeigt , als an der Ostküste von Afrika, Europa vielleicht ausgenommen . Für fünf Dollar monatlich verpflichten sie sich
283
sie frech und unverschämt auf, jede Kost war ihnen zu schlecht , jede Last zu schwer , kein Marsch kurz genug. Bei dem geringsten Anlasse , nach jedem längeren Marsche und jeder Züchtigung liefen einzelne davon , ja am dritten Tage schon deser tierten sie, nach vorangegangenen meuterischen Vor
freudigst zu dem denkbar elendesten Hundeleben, gängen , in hellen Scharen . Vielen war es ja nur >
nämlich dem eines Trägers während einer Forschungsreise. Dreihundert solcher Leute hatten wir als Träger für die ganze Reisedauer in unseren Dienst genom-
um den üblichen dreimonatlichen Vorschuss zu thun gewesen .
Man bildet sich ein , der Führer zu sein , und findet bald , dass man der Geführte ist, dass man von
men . Es war eine wenig vertrauenerweckende, und
allen belogen und betrogen , auf allen Seiten be
doch wieder harmlos aussehende Bande. Um sie zu mustern und zu leiten , braucht man noch eine Anzahl Diese rekrutieren sich aus denselben
stohlen wird. Wir verzweifelten am Beginne unserer Reise schier an einem Gelingen , und schwere Sorgen umschlichen uns. Das dauerte so lange, bis wir den Kilimandscharo hinter uns hatten . Wer es sich mit
Elementen und sind wenig besser , haben gewöhn-
dem Davonlaufen bis dahin überlegt hatte, der war
von sogen. »Askaris« (Soldaten ), ferner Anführer und Dolmetsche.
lich jedoch mehr Erfahrung und tragen keine Lasten, nun gezwungen , treu auszuharren . Die Leute fürch da sie ausschliesslich dazu da sind, um die Ordnung
teten die blitzenden Speere der Massai mehr als
und Sicherheit aufrecht zu erhalten .
Wir hatten
die schwerste Last , als den längsten Marsch oder
manchen Mann darunter, dessen Name den Kennern der Afrikalitteratur bekannt ist , der auf frühere mit
die derbste Züchtigung. Das früher unverschämte
Speke , Cameron oder Stanley ausgeführte Kreuzund Querzüge zurückblicken konnte. Als Chef derselben hatten wir » Jumbe Kimemeta« , den TippuTib des Massailandes, für 2000 Dollar angeworben. Neu in der Geschichte der Afrikareisen war es,
dass jeder unserer Leute ein Gewehr trug , sowie auch die Neuerung von uns ausging , eine kleine
Schar von Somal mitzunehmen , die als Gegen-
Benehmen verwandelte sich in ein kriechendes, skla visch unterwürfiges, und nun erst konnten wir auf atmen , denn das Gespenst der Massendesertion trübte
nicht mehr unseren Schlaf, und wir durften uns nach Herzenslust den Genüssen eines freien und unge bundenen Buschlebens hingeben . Das Reisen im Innern von Afrika geschieht
meistens zu Fuss. Lange schon vor der kurz wäh
renden Dämmerung wird es im Lager lebendig.
element gegen unsere eigenen Leute dienen sollten .
Die Anführer rütteln die Leute auf , welche die
Dieser Versuch gelang glänzend. Sie bildeten sich mit der Zeit zu allem möglichen heraus , waren unsere
Nacht gewöhnlich schutzlos um ihre Feuer herum
Diener, unsere Garde, Polizei und Begleiter auf der Jagd. Mit ihrer Hilfe wären wir jederzeit im stande gewesen , eine Meuterei unserer Karawane niederzu-
schlagen , denn sie sind ebenso schneidig, wie die Sansibariten feige sind. Ihre Verdienste am Gelingen unserer Expedition verschweigen zu wollen , wäre undankbar ; sie halfen uns eine eiserne , wohl
noch nie dagewesene Disziplin zu erzwingen und unter allen Umständen aufrecht zu halten .
kauernd verbracht haben und nun schauernd vor Kälte sich schlaftrunken die Augen reiben. Es kann
bei aller nachfolgenden Mittagsglut vor Sonnenauf gang dennoch bitter kalt sein . Wenn es von der Küste weggeht, haben die Leute noch ihr Hemd, allenfalls auch einen Turban , mit dem
sie sich
schützen können ; bald jedoch gibt's nur mehr Fetzen, die ihnen vom Leibe hängen . Wir mussten oft
Erbarmen empfinden , wenn wir nach einer durch
Aller
regneten Nacht die aschfahlen, klappernden Ge
Tugenden, guten Eigenschaften und Fähigkeiten des
stalten des Morgens sahen . Die Askaris satteln und
er hiess Dualla Idris und war ein
beladen indessen die widerspenstigen grauen Esel,
junger Habr Auwal Somali — hier zu gedenken, würde jedoch zu weit führen . Ich wage es zu behaupten, dass allein seine Teilnahme jeden gewünschten Reiseerfolg sichert.
die Leute holen sich unter Stossen und Schreien
Chefs derselben
ihre Lasten , doch dauert es noch ziemlich lange, bis alles geschnürt und gepackt ist und Dualla mit seinem » ready Sir « militärisch meldet, dass wir ab
Nach uns haben sich alle Reisenden , Stanley, marschieren können. Mit den ersten Morgensonnen Dr. Peters und andere , unsere diesbezüglichen Er- strahlen begann gewöhnlich der Marsch. Nacht fahrungen zu nutze gemacht, jedoch mit geteiltem märsche vermeidet man wenn nur irgend möglich, Erfolge, eine Schattenseite der Somal ist es nämlich, dass sie für Fieber empfänglicher sind als selbst wir Europäer . Ich könnte nicht behaupten , dass die ersten Reisewochen besonders angenehme Erinnerungen in uns zurückgelassen hätten . Den sanften , ja ein-
da man sich bei den schmalen , oft undeutlichen
schmeichelnden Charakter hatten die meisten unse-
schmalen , gewundenen Pfade, die Afrika nach allen
rer Leute bald abgelegt . Kaum im Innern , traten
Richtungen durchziehen , zwingen jede Karawane,
Pfaden gar zu leicht verirrt. Machen wir uns nun auf den Weg !
Teleki ergreift seinen Wanderstab , ihm schliesst sich seine Garde von Dienern , Somal und Führern an , und langsam entleert sich das Lager. Die ganz
Graf S. Telekis Afrika -Expedition.
284
sich zu einer riesig langen Schlangenlinie zu forEin Mann geht hinter dem andern im Gänsemarsche einher , so dass der Zug auf eine oft stundenlange Strecke verteilt ist. Als erster marschiert an der Spitze des Zuges ein Träger mit seiner Last ; er gibt mit seinem Schritte das Marschtempo an , da die Führer sich sonst , bürdelos wie sie sind, versucht fühlen könnten , einen zu raschen Schritt anzuschlagen. Gewöhnlich legt man 1000 Schritte in zehn Minuten zurück , doch kommen auch bedeutende Unterschiede vor , sowohl in der mieren .
muss nach je 2—3 Stunden für ungefähr 1/2 Stunde gerastet werden .
Dann schliesst sich die Karawane
wieder zusammen .
Gewöhnlich
wurde
um
die
Mittagsstunde gelagert.
Wir Europäer nahmen vor dem Aufbruche stets nur eine halbe Schale kalten, schwarzen Kaffees zu uns, und es stellte sich zwischen 10 und 11 Uhr
vormittags natürlich bereits wütender Hunger ein ,
der am besten dadurch niedergekämpft wurde, dass man eine Pfeife nach der andern rauchte.
Kommt
man endlich zum Lager , dann hat man noch eine
Marschdauer wie in der Geschwindigkeit. Bei der
peinlich lange Zeit zu warten, bis der alte Neger,
Heimkehr z. B. ist kein Marsch zu lang, kein Schritt
unser Koch , Feuer gemacht hat und das Schaf, oder was es sonst gibt, geschlachtet, abgehäutet und ge braten ist. Es waren dies Stunden , die wir stets bleich vor Hunger und in höchster Reizbarkeit ver brachten . Unsere Kost bestand während der ganzen Reise hauptsächlich aus Fleisch; oft wurde noch irgend ein Brei aus Hirse, Negerkorn oder Bohnen
zu geschwind, und werden oft Tagesleistungen jubelnd und singend vollbracht, vor welchen mancher Europäer erbleichen würde. Dieser erste Mann an der Spitze des Zuges ist der sogen . »Kirongosi« , er trägt nebst seiner Last eine Karawanenflagge , die » Kome« voran , welche
bei den von Europäern geführten Expeditionen ge- verabreicht.. Da es kein Brot und nur sehr selten wöhnlich in der betreffenden Landesflagge besteht.
Zuckerrohr oder Früchte gab , vertilgten wir ganz
Aus diesem Gebrauche sind schon mehrfach Unan-
unglaubliche Mengen von Fleisch, und unser Verlangen
nehmlichkeiten hervorgegangen . Da zu unserer Zeit das Kolonieenerwerbungsfieber bereits die tollsten
nach Fett, das wir pfundweise zu vertilgen im stande waren , wuchs in ungewöhnlichem Grade an und er
Erscheinungen hervorgebracht hatte und man daher
schien beinahe ebenso unstillbar, wie bei den Eskimos.
jeden Reisenden für verdächtig hielt, glaubten wir
Als besonders wichtiges Bedürfnis erwiesen sich
klüger zu handeln , wenn wir unter Voranführung
Zucker und Süssigkeiten , und es verlangte der Körper, wenn er Monate hindurch dergleichen ent
der landesüblichen Kome auf Entdeckungen ausgingen . Sie bestand aus einer weissen Fahne, die über und über mit Koransprüchen beschrieben war ; mit grossen Feierlichkeiten, bei welchen das Schlachten und Verzehren eines fetten Ochsen die Hauptrolle
behrt hatte, so gebieterisch danach, dass wir Honig, wo derselbe nur irgendwie zu erlangen war, beinahe mit Gold aufwogen . Gelangt man jedoch erst abends an einen
spielte , war sie geweiht worden , und nach dem
Wasserplatz, dann hat man die mittägliche Hungers
Glauben aller unserer Leute wohnten ihr nunmehr
zeit zu überwinden ; es stellt sich freilich bereits
allerlei mächtige Zauberkräfte inne, denn unser Jumbe
nachmittags Gleichgültigkeit gegen das Essen ein.
* Kimemeta , der nebenbei auch das einträgliche
Wir befanden uns bei unserer Lebensweise aus
Handwerk eines Medizinmannes betrieb , hatte sie
gezeichnet wohl und träumten nie von den Genüssen,
angefertigt!
die wir kannten , jedoch nicht hatten und auch nicht
So lange wir mussten und so lange es uns
entbehrten. Der Hunger liess uns die einförmigen
passte, pflegten wir uns überhaupt den Gebräuchen unserer Leute anzuschliessen, in Rom wie ein Römer zu handeln. Das hat sich zu Zeiten überaus nütz-
Braten trefflicher munden als früher alle europäischen
Leckerbissen , und der Durst liess uns das Wasser, das wir fanden , oft eine trübe , graue , grünliche,
lich erwiesen .
selbst braune , lauwarme Flüssigkeit , als das köst
Erst lange nach Teleki komme ich dazu, das Lager zu verlassen, denn mir liegt es ob, die Karawane zu schliessen , und all die faulen und saumseligen Leute vor mir her zu treiben . Mit der Zeit ermüden nämlich einzelne Leute, sie bleiben zurück,
lichste aller Getränke erscheinen .
Selbst als wir
wieder in die Civilisation zurück versetzt waren, im
ponierten uns deren eisgekühlte Getränke so gut wie gar nicht, während unser ausgesprochenes Verlangen nach Schweinefleisch, Würsten und Brot noch lange
und unter jedem schattigen Baume finde ich eine
Zeit anhielt..
Gruppe Faulenzer lagern . Das beste Mittel , sie wieder auf die Beine zu bringen, habe ich unserem
niger üppig.
ersten Anführer, dem im Dienste europäischer For-
fand sich nur selten ein Eldorado für ihre Mägen..
Unsere Mannschaft lebte selbstverständlich we
In den von uns bereisten Gebieten
schungsreisenden ergrauten Manwa Sera abgelauscht : | Obwohl wir ihnen schon aus eigenem Interesse, ich trete ohne mich zu ärgern, überhaupt ohne ein um sie nämlich leistungsfähig zu erhalten , wo es Wort zu reden , mitten zwischen sie und leiste ihnen nur anging, genügende Lebensmittelmengen zukom stumme Gesellschaft. Damit hört jede Gemütlich- men liessen , so war doch ein minimales Mass von
keit auf, einer nach dem andern greift unfehlbar
Mais , Bohnen oder Negerkorn , einfach in Wasser
zur Last und schleicht sich davon .
gekocht, die gewöhnliche, durch den Zwang der
Die Riesenschlange wird immer länger, und es
Verhältnisse vorgeschriebene Ration. Dann gab es
Die Gesetze der Kultur iin Zusammenhange mit der Gestalt der Erdoberfläche.
285
wieder Zeiten , während welcher wir sie nur mit
Gefahren sind notwendig , um dem
Fleisch, durch die Jagd gewonnen , erhalten konnten ; Salz sahen die armen Kerle dabei gar niemals, und es entstanden aus diesem Grunde jedesmal Kämpfe
Buschlebens einen unwiderstehlichen Reiz zu ver leihen . Entbunden jedweden Zwanges fühlt man leihen. sich in der Wildnis ganz als Herr seines Geschickes.
Einerlei des
um das Blut des erlegten Wildes.
Jede glücklich bestandene Gefahr erhöht das Selbst
Es ist in den meisten Teilen Afrikas überhaupt eine wirkliche Kunst , eine Karawane zu ernähren ,
vertrauen , jede überwundene Strapaze stählt die Widerstandskraft, bald lernt man es , mit leichtem
und obgleich uns die Proviantfrage selbstverständ-
Sinne und vollkommener Ruhe dem
lich immerwährend auf das Aengstlichste beschäftigte
Schicksale entgegenzusehen und sich der erhabenen
ungewissen
und in Atem erhielt, war dennoch die Expedition
Genüsse zu erfreuen , mit welchen das Wandern
mehreremale bedenklich nahe daran, zu verhungern und erbärmlich zu Grunde zu gehen.
durch neue, noch unbekannte Länder so reichlich für alle gehabte Mühsal entlohnt.
Nicht alle Tage haben das vorschriftsmässige, früher geschilderte Gepräge. Es kommen zu Zeiten
( Schluss folgt.)
ganz verzweifelte Märsche vor, und gar manches Skelett bezeichnet den Weg , den wir genommen
Die Gesetze der Kultur im
Zusammenhange
haben. Es gab Tage, an welchen wir nach langem ,
mit der Gestalt der Erdoberfläche.
heissem Marsche den Wassertümpel, auf den wir
Von ( ). Henne am Rhyn .
rechneten, trocken fanden. In grösster Hast wurden dann Gruben gegraben , um in der Tiefe zum rettenden Nass zu gelangen . In ängstlicher Span-
Ob es Gesetze der Kultur, analog denjenigen der Natur gebe, ist eine Frage, die vor etwa dreissig
nung und mit gierigen Augen wird jeder Spatenstich
Jahren zum erstenmale aufgetaucht, aber bisher nur
geprüft, ob der Sand feuchter und feuchter wird, ob
allgemeiner Gleichgültigkeit begegnet ist. Damals,
sich endlich am Grunde der Grube die klare , helle
um
1860,
erschien Buckles
als Torso
hinter
Flüssigkeit ansammelt. Es ist stets nur eine winzige lassene Einleitung zu seiner geplanten » Geschichte Menge , die da zusammensickert; die ganze Nacht
der Civilisation in England «. In diesem Werke be
hindurch dauert dann das Trinken, und wir haben klagte es der Verfasser, dass die Historiker, ungleich vollauf zu thun und unsere ganze Autorität einzu- (wie er meinte ) den Gelehrten »aller « übrigen Wissen setzen , um zwischen unserer Mannschaft blutige schaften, es verschmähten, auf die Thatsachen ihres Kämpfe der Verzweiflung zu verhindern. Wehe je Forschungsgebietes gestützt, die Gesetze zu entdecken , erfolglos
unter deren Herrschaft diese Thatsachen stehen. Solche
Es kamen Marschtage vor, an welchen wir, den
Gesetze kannten indessen bis dahin keineswegs alle Wissenschaften ausser der Geschichte, sondern es
doch , wenn auch diese Bemühungen bleiben !
Hungertod vor Augen , den Beeren , Waldfrüchten, kannte solche ausschliesslich die Naturwissenschaft. essbaren Kräutern und Schwämmen , unserem täglichen Brote in dieser schweren Zeit , nachjagten. An solchen
Soll es nun auf dem geistigen Gebiete ebenfalls wissenschaftliche Gesetze geben, so können sie nicht
Tagen ging es durchaus nicht nach Vorschrift weiter,
wohl »Gesetze der Geschichte« heissen , wie man sie
sondern von Baum zu Baum wurde gesucht, und oft genannt hat; denn es ist auch nicht von Gesetzen wo sich besonders viele Beeren und Kräuter fanden, der Naturwissenschaft die Rede , sondern bloss von dort lagerten wir. Gesetzen der Natur. Gegenstand der Geschichte Anders waren die Tage, deren wir uns auch waren nun allerdings bis vor verhältnismässig kurzer Zeit unseres Lebens erinnern werden , die wir im
Zeit nur die Veränderungen auf politischem Gebiete.
Kikuyulande verlebten.. Da gab's Lebensmittel in Hülle und Fülle , doch hatten wir 4 Wochen lang unsere Märsche umdrängt und umdroht von Scharen
Es handelte sich nur um Begebenheiten ausserge wöhnlicher Art , wie Thronwechsel, Kriege, Revo
feindlicher Eingeborener in dichtgeschlossener Reihe zurückzulegen .Ueberall umlauerten uns die schwarzen . Teufel mit ihren vergifteten Pfeilen , und immerwährend gellte uns deren langgedehnter Kriegsruf in die Ohren ; mit stets schussbereiten Waffen hatten wir zu marschieren, zu wachen und zu schlafen, und erst nach mannigfachen Kämpfen und vielem Blut-
lutionen u . s. w . , und da konnte nicht wohl von Gesetzen die Rede sein ; denn auch für die ausser
gewöhnlichen Begebenheiten in den Reichen der Natur, wie Erdbeben , vulkanische Ausbrüche, Ueber schwemmungen ,Bergstürze, Eisgänge, Orkane u.s. w ., gibt es keine Gesetze. Solche haben nur die dauern den Zustände mit ihren regelmässigen Erscheinungen . Soweit diese nicht der Natur angehören , sondern dem
vergiessen erreichten wir mit heiler Haut die Grenze ihres Gebietes. So hatte auch diese Zeit verhältnis-
Menschen ihr Dasein verdanken , nennen wir ihren Inbegriff die Kultur. Mit Recht ist diese in neuester
mässigen Wohllebens ihre Schattenseiten . Und dennoch ! Diese wechselvolle Existenz mit
Zeit Gegenstand der geschichtlichen Wissenschaft ge worden; aber wir sind noch weit entfernt von dem
ihren Gefahren und Entbehrungen hatten wir ebenso
Durchdringen des einzig wahren Standpunktes, dass
wie alle anderen , die sie kennen gelernt haben , sehr
die Geschichte sich gleichmässig mit allen Gebieten
bald liebgewonnen. Eben diese Entbehrungen und l der Kultur zu befassen hat, und dass unter diesen Ausland 1890 , N : 15 .
44
Die Gesetze der Kultur im Zusammenhange mit der Gestalt der Erdoberfläche .
286
Gebieten die Politik zwar einen hervorragenden Platz
1889 vom
einnimmt , aber keineswegs die Hauptsache bildet.
gegebenen »Kulturgeschichtlichen Skizzen« neu be
Was man » Gesetze der Geschichte « nannte , wird daher richtiger » Gesetze der Kultur « heissen müssen . Die Schwierigkeiten, solche Gesetze zu finden,
arbeitet und endlich in dem zweibändigen Werke
betonte der Verfasser dieser Zeilen in seinem
1869
mehrt. 1) In diesen Veröffentlichungen sind indessen
erschienenen Buche »Die Kulturgeschichte im Lichte des Fortschritts . Es sind hauptsächlich folgende:
zerstreut, während sie im vorliegenden Aufsatze in
» Verein für deutsche Litteratur« heraus
» Die Kultur der Vergangenheit, Gegenwart und Zu kunft « ( 1890) in nicht unbedeutendem Maasse ver die Gesetze der Kultur unter dem übrigen Texte
1. Im Reiche der Natur können die Menschen
neuer Fassung und abermaliger Erweiterung zusam
die Weltkörper weitester Entfernungen des Alls be-
mengestellt werden . Es wird sich nun zeigen , ob
obachten und an ihnen die Naturgesetze erforschen :
die bisher diesem Versuche gegenüber an den Tag
im Reiche der Kultur steht uns einzig und allein gelegte Nichtbeachtung einer erfreulicheren Stimmung der kleine Planet » Erde « zur Verfügung. 2. Die Gegenstände der Naturforschung sind,
weichen wird .
mit Ausnahme der die kleine Minderzahl bildenden
Der Verfasser hat es unternommen , folgende Sätze als Gesetze der Kultur in Vorschlag zu
ausgestorbenen Tier- und Pflanzenarten (die aber
bringen.
wieder grossenteils in Versteinerungen vorliegen ),
1. Die Geschichte der Kultur besteht in
immer vorhanden und können daher mit Ruhe be
einem
obachtet werden ; die Thatsachen der Kultur aber
unvollkommeneren zu vollkommeneren
sind, mit einziger Ausnahme der heute vorhandenen ,
Erscheinungen und Zuständen . Vollkommener nennen wir jene Erscheinungen und Zustände , welchen ein grösserer Reichtum an Kräften innewohnt als anderen, und die daher auch mehr als andere zur Herbeiführung noch weiterer Vollkommenheiten beitragen . So finden wir in der Entwickelung des Menschengeschlechtes einen Fort schritt vom Geniessen roher zu demjenigen gekochter
für immer entschwunden und machen täglich neuen Platz . Was im Reiche der Kultur vergangen ist, dafür bürgen uns nur Urkunden, Chroniken , Bilder,
die bei weitem nicht immer zuverlässig sind und nur Bruchstücke von Gemälden einer Kulturwelt darbieten .
3. Die Naturwesen können den Gesetzen, wel-
andauernden Fortschritte
chen sie unterworfen sind, das Spiel nicht verderben ,
Speisen , von der Nacktheit zur Bekleidung, vom Be
da sie keinen Willen besitzen , so dass sie leicht zu beobachten sind. Der Geist des Menschen aber, aus dem die Kultur hervorgeht, ist nicht mit Sinnen
wohnen der Höhlen und anderer mangelhafter Woh nungen zur Errichtung von Häusern , zur Anlage von Dörfern und Städten , von der Benutzung stei nerner und hölzerner zu derjenigen metallener Ge räte , vom Nomadenleben zur Ansässigkeit , vom
wahrnehmbar, unergründlich, unberechenbar , unerforschbar. Wir erkennen nur seine Werke, die aber,
sowohl nach der Zeit als nach dem Orte, so verschieden wie möglich sind, so dass es eingehender, mühseliger und endloser Forschungen bedarf, um das Uebereinstimmende in ihren Erscheinungen zu er kennen und darauf Gesetze zu gründen . Höchst seltsam sind die Grundlagen, auf welche gestützt , Buckle »Gesetze der Geschichte « verlangte.
Weiberraube zur geregelten Ehe, und von der Viel weiberei zur einfachen Ehe , von der Stammesver
fassung zum Staate, von der Willkür im Rechtsleben zum Gesetze, vom Aberglauben zur Religion , vom Glaubenszwang und Glaubenshass zur Glaubensfrei heit , von der Gleichgültigkeit gegen jedes Sitten gesetz zur Hochhaltung der Sittlichkeit , von unge
Er suchte sie in der Statistik ; er fand , dass die
schickten Schnitzereien und Kritzeleien zur bildenden
Morde, die Selbstmorde, die Heiraten , die Kornpreise,
Kunst, von der Bilderschrift zur Buchstabenschrift,
die unbestellbaren Briefe u . s. w . sich jährlich in ge-
von der Unwissenheit zur Wissenschaft u . s . w .
wissen sich nahezu gleichbleibenden Zahlen wiederholen . Aber dies bezieht sich ja einerseits nur auf gewisse Länder und Zeiträume, und andererseits be-
die Wirklichkeit dieser Fortschritte in allen Rich
weist es lediglich, dass diejenigen Handlungen der geistigen Welt , welche stets vorkommen und dem jeweiligen Zustande der menschlichen Gesellschaft zufolge vorkommen müssen , so lange in entsprechender Anzahl stattfinden, als die Ursachen andauern , denen sie entspringen . Gesetze der Kultur müssen auf alle Teile der bewohnten Erde und auf alle Zeiträume der Ent-
wickelung ihrer Bewohner anwendbar sein . Nach langjährigem Nachdenken hat der Verfasser dieser Zeilen eine Reihe von Gesetzen der Kultur gefunden und zuerst in der Zeitschrift » Unsere Zeit « im
No
vember 1881 veröffentlicht, dann an der Spitze der
Die Thatsachen der Kulturgeschichte beweisen tungen .
Jeder Menschenstamm , selbst der roheste,
hat Zustände , die der Mensch ursprünglich nicht haben konnte . Eine Menge von Ideen sind im Laufe der Zeiten unter den Menschen aufgetaucht, wie z . B. die des Glaubens, der Forschung, der Freiheit,
der allgemeinen Menschenliebe, der Begeisterung für die Naturschönheit u . s . w .
Erheben wir uns, soweit es unser Gebundensein
an die Scholle, die wir » Erde« nennen , erlaubt, einen Augenblick zu den unermesslichen Höhen und Weiten 1) Der mehrfach missverständlich aufgefasste Titel dieses Werkes bezieht sich eben gerade auf die Gesetze der Kultur.
Was Gesetz für die Kultur der Vergangenheit war und für die Gegenwart ist , muss es auch für die der Zukunft sein .
Die Gesetze der Kultur im Zusammenhange mit der Gestalt der Erdoberfläche .
287
des Weltalls , so muss sich uns der Gedanke aufdrängen , dass es , wie von der unorganischen zur organischen Natur, von der Pflanze zum Tiere, vom Tiere zum Menschen , vom Naturmenschen zum Kinde der Civilisation, so auch einen Fortschritt von
Die gute alte Einteilung der Erdoberfläche in eine heisse, zwei gemässigte und zwei kalte Zonen hat ihre volle Berechtigung namentlich gegenüber den Thatsachen der Kulturgeschichte. Diese be weisen unwiderleglich , dass vier von jenen fünf
unvollkommeneren Bewohnern dieser zu vollkom-
Zonen aus sich selbst heraus keine höhere Kultur her
meneren jener Weltkörper geben muss ; aber wir
vorgebrachthaben ,und dass dies nur einer von ihnen
dürfen diesem kühnen Geistesfluge uns nicht über-
gelungen ist , nämlich der nördlichen gemässigten Zone.
lassen , ohne in unhaltbare Phantasien zu verfallen .
Die südliche kalte Zone ist überhaupt unbewohnt, die nördliche kalte ist dies grösstenteils, im Reste aber un wirtlich und erstarrt . Die heisse Zone vergeht in
Wir müssen uns damit begnügen, auf unserem Planeten den Fortschritt zu beobachten , der sich zwischen
den einzelnen Teilen seiner Oberfläche kundgibt, Sonnenglut und verhindert alles selbstthätige Schaffen. und aus demselben die Macht , welche die Eigen- Sowohl die sie bildenden Länder, als die der süd schaften dieser Teile auf den Menschen ausüben, lichen gemässigten Zone sind durch weite Meere kennen zu lernen . voneinander getrennt und entbehren des Zusammen
2. Das Gesetz des Fortschrittes schliesst eine fehlerlose Vollkommenheit auf der
hangs und daher auch der gegenseitigen Errungen schaften der Kultur. Dagegen umfasst die nörd
Erde aus und lässt nur eine stufenweise Annäherung an dieses Ideal zu ; denn
liche gemässigte Zone sämtliche Länder der Erde, welche eine höhere Kultur geschaffen oder fortge
die völlige Erreichung desselben würde bildet haben . Die Geschichte spielt ausschliesslich
Europa und Nordamerika, an die Stelle des Fortschrittes den Still- in Südasien , Nordafrika, stand setzen . Neben der Kultur geht und ausserdem nur dort , wohin die europäischen vielmehr stets noch die Unkultur ein-
Länder Kolonien entsandt haben. Ihr Klima ist
her, jedoch mit steter Verminderung
gemässigt und vorwiegend ozeanisch, daher den Ex
ihrer Macht.
Wenn wir uns in die Betrachtung der Unkultur versenken und z. B. beobachten , wie sehr in den
tremen der Temperatur abgewandt; ihre Landesteile sind in grosse Inseln, Halbinseln , Stufenländer ge gliedert ; sie hängen endlich in der Alten Welt« »
Zuständen unentwickelter menschlicher Kultur , so-
unmittelbar zusammen, und der Ozean , der diese
wohl in längst vergangenen Zeiten näherer, als in von Nordamerika trennt , kommt bezüglich seiner nicht oder wenig civilisierten Bevölkerungen weiter geringen Breite gegenüber dem Indischen und dem entlegener Gegenden , die Grausamkeit gegen Mitmenschen , die Zügellosigkeit im Verkehre der Ge-
Grossen Ozean nicht in Betracht.
schlechter und der wahnwitzigste Aberglaube eine
schen dem Lande und dem Wasser übt auf die
unbeschränkte Herrschaft ausübten, beziehungsweise noch ausüben , und uns dann vergegenwärtigen, wie
Kultur der Teile des ersteren einen bedeutenden Ein
sehr jetzt noch nach Jahrtausenden der Einwirkung
Raumes wegen ohne Bedeutung für die Entwicke
Auch die Art und Weise der Verbindung zwi fluss aus .
Kleine Inseln sind
ihres beschränkten
höherer Kultur Unsittlichkeit, Grausamkeit, Aber-
lung der Kultur und kommen darin den Extremen
glaube, sowie andere Laster und sittliche Gebrechen
dieser Form gleich , nämlich den tief im Innern grosser Festländer geborgenen Landschaften ohne
bei uns eine Rolle spielen , die uns erröten macht, --
so werden wir an dem genannten zweiten Gesetze
günstige Verbindung mit dem Meere . Die Inseln
nicht zweifeln und uns gestehen müssen , dass ein völliges Aufhören jener Schattenseiten des mensch-
der Südsee und Mittelamerikas, jene im
lichen Lebens zu den Utopien gehört. Denn der Mensch wäre nicht Mensch , wenn er nicht von Leidenschaften beherrscht und auf Schritt und Tritt
von Unvollkommenheiten begleitet wäre. Tröstlich ist nur die unverkennbare Abnahme jener dunkelnGe-
Westen
Afrikas und im Norden Europas haben daher eben
sowenig zu den Fortschritten der Kultur beige getragen wie die Steppen Mittelasiens , die Prärien Nord-, die Llanos und Pampas Südamerikas. Das Meer ist die grosse Erzieherin des Men schen zur höheren Kultur. Aber es übernimmt seine
walten und die ebenso deutliche Zunahme der Geltung
Erziehung nicht sofort selbst ; auf tief stehende
verständiger Absichten und sittlicher Ueberzeugungen . 3. Massenhafte, ungegliederte, vom offe-
nen Meere abgelegene , sehr kalte oder
Stämme hat es einen überwältigenden, erschreckenden Einfluss ; es bedarf zur Gewöhnung an dasselbe der Uebergänge. Diese sind : 1. Flüsse, 2. Seen , 3. das
sehr heisse
Wasser zunächst an der Küste.
Teile der
Erdoberfläche
bringen eine auf niedriger Stufe bleibende , dem Fortschritt ungünstige,
Darauf können
dann folgen : 4. die Mittelmeere, 5. die Weltmeere und endlich 6. das zusammenhängende Gesamtmeer
reich gegliederte, dem Meere (unmittels der Erde als Weg ihrer Umschiffung. Die dem bar oder durch Ströme) zugewandte Ge-
offenen Meere zufliessenden grösseren Ströme des ge
genden mit gemässigtem Klima eine mässigten Teiles der Alten Welt waren die Kultur
reichhaltige, mehr oder weniger rasch schöpfer ihrer Länder , so der Hoangho und Kiang fortschreitende Kultur hervor.
in China , der Ganges und Indus in Indien , der
288
Die Gesetze der Kultur im Zusammenhange mit der Gestalt der Erdoberfläche .
Euphrat und Tigris in Vorderasien , der Nil instalt des Landes auf die Kultur seiner Bewohner Aegypten . Europa bedurfte des Vermittleramtes der nicht abgeschlossen . Auch die inneren Unterschiede Flüsse schon nicht mehr. Sein Mittelmeer telmeer war der der des Landes, welche in der sogenannten vertikalen
Schauplatz des Wettstreites im Kulturaufschwunge zwischen Morgen- und Abendland. Die Kreuzzüge waren die Katastrophe dieses Kampfes; misslangen
Gliederung bestehen , sind von grosser Wichtigkeit für unsere geistige Entwicklung. Wie zwischen der heissen und kalten Zone die gemässigte , wie
sie auch zu Lande, so haben sie der Herrschaft Eu-
zwischen den landfernen Inseln und den meerfernen
ropas zu Wasser den Weg gebahnt und den Orient
Binnenländern die Küstenländer die goldene Mittel strasse bilden, auf welcher die Kultur am besten ge
in Versumpfung zurückgelassen, die ihn noch völlig
der Herrschaft des Occidentes unterwerfen wird.
deiht, so lässt sich dies von dem zwischen eintöni
Die dem Mittelmeer abgewandten Völker West- und
gen und reizlosen Ebenen und unwegsamen Hoch
Nordeuropas haben diese Entwickelung fortgesetzt
gebirgen die Mitte einnehmenden reizvollen Berg
und auch die Weltmeere zu europäischen Seen ge-
und Hügellande sagen . In der That bestehen die
macht. Der Indische Ozean diente der Entdeckung Länder, in denen hohe Kulturschätze gezeitigtworden des Seeweges nach Ostasien , der Atlantische der
sind, weder aus hohen Bergen noch aus weiten
Auffindung des neuen Kontinentes, der Grosse end- Ebenen, sondern aus Landschaften verschiedener und lich der Vollendung des Kreises, den Europas Kul- abwechselnder Bodenform. Dies gilt in Asien von tur rings um die Erde gezogen hat.
allen seinen Kulturländern , von China bis Kleinasien,
Nur ein Drittel der Erdoberfläche ist Land, und auch dies ist überall vom Meere abhängig. Der Globus kann nicht ohne Benutzung des Salzwassers
dann von Aegypten, von Europa mit Ausnahme der auf allen Gebieten zurückgebliebenen sarmatischen Tiefebene, und von Nordamerika. Wo diese Boden
umkreist werden . Auch ist beinahe alles Land auf gestalt sonst noch vorkommt, kann sie aus Mangel die eine Halbkugel zusammengedrängt, und zwar
in einer Weise, dass diejenigen Länder, welche die höchste Kultur erreicht haben, die von Westeuropa nämlich, die Mitte jenes Landganzen einnehmen, und dass den fast genauen Mittelpunkt desselben jener
an Gliederung des Landes, am Zusammenhang mit anderen Ländern oder an gemässigtem Klima ihre heilsame Wirkung nicht ausüben. Die Hochebenen des inneren Asien dagegen haben nicht nur keine Kultur hervorgebracht, sondern im Gegenteil immer
Ort bildet , welcher zur Ausdehnung des Weltver- fort kulturfeindliche Horden ausgeworfen , welche kehrs wohl das meiste beigetragen hat und auch alle Kultur , die sie auf ihrem Wege fanden , zer der grösste bewohnte Platz der Erde geworden ist, traten und vernichteten . London . Bezeichnend gegenüber dieser That4. Wie die verschiedenen natürlichen Ab sache ist die , dass das Land der Erde, wenn von ihm der durch den modernen Seeverkehr gewonnene
teilungen der Erdoberfläche durch ihr Klima, ihre Flora und Fauna , so unter
abgerechnet wird, zum unge fähren Mittelpunkt jenen Ort hat, an welchem die einseitige Betonung des religiösen Glaubens ihren höchsten Triumph gefeiert hat, Jerusalem . In ähnlicher Weise bildet Rom den Mittelpunkt des
scheiden sie sich auch durch die Kultur ihrer Bewohner; sie bilden natürliche
Da Beweglichkeit das Lebensprinzip der Kultur
Umkreises unseres Mittelmeeres, welches zuerst die
ist , sind die Grenzen der Kulturreiche naturgemäss
Bevölkerungen verschiedener Erdteile unter einer gemeinsamen Herrschaft neuer Ideen der Macht und des Rechtes vereinigt hat. In der Zone jener Länder, denen die höhere Entwickelung der Kultur zu verdanken ist, können
Wandelbarkeit besteht indessen hauptsächlich darin, dass eines der Kulturreiche , das europäische, sich durch seine Eroberungen und Kolonien auf Kosten aller übrigen immerfort vergrössert , was eine not
wir einen durchgreifenden Unterschied zwischen den
wendige Folge der erwähnten Fähigkeit Europas
östlichen asiatisch -afrikanischen und den westlichen
ist, die angeeigneten Schätze der Kultur in unermüd
Teil -- Amerika
und geschichtlich sich entwickelnde Ku turreiche.
wandelbarer als diejenigen der Naturgebiete. Diese
europäischen Ländern wahrnehmen . Jene haben sich
lichem Fortschritte weiter zu entwickeln und aus
mit Hilfe grosser Ströme, diese mit Hilfe des Mittel-
zubilden .
meeres, im äussersten Westen aber , sowie in seiner
Unter den nichteuropäischen Kulturreichen zählen
Kolonie, der Neuen Welt, des Atlantischen Ozeans
wir vier Reiche der Kultur- und vier der Natur
emporgeschwungen; jene haben durchaus eigen- völker. Unter Kulturvölkern verstehen wir Völker, tümliche Kulturen geschaffen, diese aber von jenen
welche auf die Natur durch Anbau und Verkehrs
gelernt; dagegen sind jene, nachdem sie geleistet, mittel mehr Einfluss ausüben,, als diese auf sie aus was sie konnten , stillgestanden , während diese das
übt , und unter Naturvölkern solche, bei denen das
von jenen entlehnte Material selbständig weiter aus- Gegenteil hiervon der Fall ist . gebildet und darauf neue und unaufhörliche Fortschritte gegründet haben . Mit dem , was wir horizontale Gliederung nen-
nen , ist indessen die Einwirkung der Lage und Ge-
Die aussereuropäischen Kulturreiche sind genau
dieselben, von welchen bereits gesagt ist , dass ihre Kultur das Werk grosser Flüsse ist, nämlich : China mit seinen Kulturkolonien : Japan, Korea, Mongolei
Die Gesetze der Kultur im Zusammenhange mit der Gestalt der Erdoberfläche.
289
und Annam ,
Indien mit seinen Kulturkolonien : Tibet, Birma, Siam und den ostindischen Inseln ,
einander treten . Diese Völker bleiben daher, wenn auch Sitten , Glauben , Staatsbegriffe und Kunst
Chaldäa mit Iran und Turan , - Aegypten mit Arabien und Nordafrika . In Chaldäa sind an die Stelle der verschwundenen Babylonier und Assyrer
leistungen sie mit anderen verbinden , im wesent
die Perser getreten , welchen aber die Araber , die
Nachfolger der alten Aegypter , Mesopotamien und Syrien weggenommen haben , so dass jene auf Iran und Turan beschränkt wurden .
Dagegen sind die
Perser, wenn schon tief verkommen , noch am
wenigsten durch Europa beeinträchtigt, während dagegen Japan , Vorderindien und Aegypten mehr oder weniger den Weg der Europäisierung beschritten haben . So ähnlich sich auch die Naturvölker in Sitten
und Aberglauben sind, so verschiedene Gruppen bilden sie doch infolge ihres weiten Auseinanderliegens von
lichen immer noch isoliert , wie die Beispiele von China und Japan , von Indien und Tibet zeigen . In Westasien und Nordafrika war es mehr die kriege rische Eroberung als die friedliche Kulturmitteilung,
welche solche Völkergruppen schuf. Je näher wir Europa kommen , desto mehr wächst die Neigung zu innigeren Völkerverbänden . Die Hebräer schu fen , wenn auch weit später, als gewöhnlich an genommen wird , den Glauben an Einen Gott , welcher in der Folge ein ausserordentlich wirksames Mittel der Völkerverbindung wurde. Die Phöniker wurden durch ihre Schiffahrt und Kolonisation die
Väter des späteren Weltverkehrs zur See. In Europa selbst hören die isolierten Kulturvölker vollständig
der nördlichen kalten bis zur südlichen gemässigten auf, und an ihre Stelle tritt die politische Verbin Zone . Da finden wir im hohen Norden die ark- dung verschiedener Völker , aber noch nicht mit tischen Stämme mit Wal- und Robbenfang oder Renntierzucht und der Glaubensform des Schamanis-
mus , in den gemässigten und heissen Teilen der » Neuen Welt« die amerikanischen Indianer mit
ausgebildeter Jagd- und Kriegsneigung und dem die Stammesverfassung und Religion durchsäuernden Totemismus , – durch den Grossen Ozean , über seine zahllosen Inseln und den Zwergkontinent Austra-
dem Grundsatze der Gleichberechtigung, sondern noch unter der Hegemonie eines bevorrechteten Volkes .
Die Rolle eines solchen fiel zuerst den
Hellenen zu, aber noch nicht unter der Form ge meinsamer Verfassung , sondern nach phönikischem Vorbilde unter derjenigen eines weiten Netzes von
Ansiedelungen, in denen, auch wo die Bevölkerung ursprünglich eine nichtgriechische war, der hellenische
lien verbreitet, die Polynesier und ihre Verwandten
Geist alles Leben und Treiben durchdrang. Dieses
als kühne Schiffer , aber unter dem alle Lebensverhältnisse beherrschenden und beengenden Gesetze des furchtbaren Tabu, – endlich im Süden und in
ideale Kolonienreich bildete gleichsam den Umriss des mit der Zeit denselben Umfang, nämlich den des Mittelmeers gewinnenden, aber stark überschreitenden
der Mitte des » schwarzen Erdteils
römischen Reiches, in welchem nicht nur Sitte,
die afrikani-
schen Völker mit despotischen Zaunkönigen, » blühen-
Kunst und Religion, wie in den Kolonien der Grie
dem « Sklavenhandel, ausgedehntem Ackerbau nebst
chen , sondern auch die Kriegs-, Rechts- und Staats
Vichzucht und einem über alle Begriffe verkommenen verfassung eine gemeinsame und stramm geordnete Fetischdienste. Sämtliche vier Gruppen der Natur- wurde. völker haben schon europäischen Einfluss zu kosten Das Christentum trat auf die Bühne der Welt bekommen ; die drei ersten stehen sogar bereits unter geschichte und erhob sofort den Anspruch auf eine
der Zuchtrute der Weissen , während in Afrika die Araber mit diesen um die Herrschaft kämpfen, aber
Vereinigung aller Völker unter seinem Glauben an den Gottmenschen. Die Germanen zertrümmerten ,
auf die Dauer wohl umsonst . 5. Die Fortschritte der Kultur gehen Hand
als es eben gesiegt hatte, das weströmische, und die
in Hand mit dem Aneinanderschliessen
Araber zerkleinerten unter der Fahne des Islam das
oströmische Reich .
Es war damit ein Ansatz zur
der einzelnen Völker und der Bildung
Erneuerung des hegemonischen Systems in Gestalt
grösserer , über die Volksgrenzen hinaus-
einer christlich -germanischen und einer mohamme
greifender Kreise mit übereinstimmenden
danisch -arabischen Hegemonie gegeben . Allein beide
Kulturerscheinungen. Beide Umstände
fielen durch den Trieb der unterworfenen Völker
bedingen einander gegenseitig.
nach Selbständigkeit , der sich jedoch sowohl im Abend- als im Morgenlande der gemeinsamen Reli
Die Naturvölker aller Erdteile, deren Wohnsitze
in sehr heissen oder kalten Gegenden, abgelegenen
gion unterordnete. Die romanischen, slawischen und
Festlandspitzen , Halbinseln oder kleineren Inseln und im tiefen Innern weiter Festländer liegen , bleiben
finnischen Völker trennten sich von den germanischen ,
für sich vereinzelt und treten mit keinerlei fremden
blieben aber mit ihnen durch die christliche Kirche verbunden ; ähnlich verhielten sich die Berbern ,
Völkern in irgend andere als feindselige Beziehungen. Perser und Türken gegenüber den Arabern , erkann Die aussereuropäischen Kulturvölker gehen einen Schritt weiter ; sie teilen ihre Kultur benachbarten
ten aber nach wie vor die Autorität des Koran an . Das Mittelalter ist hüben wie drüben , auf beiden
Völkern mit und bilden dann mit ihnen gewisse Seiten des Mittelmeers die Zeit der Verbindung Gruppen ähnlicher Verhältnisse und Zustände, deren gleichberechtigter Völker durch das Band einer ge Glieder jedoch in keine innigeren Beziehungen zu Ausland 1890, Nr . 15 .
meinsamen Religion, einer Weltreligion. 45
Geheimbünde der Küstenbewohner Nordamerikas.
290
Aber diese Form der Völkerverbindung blieb | Zeit in Europa neuerwachten nationalen Bestrebungen nicht die herrschende .
Die Fortschritte der Kultur
zu widersprechen, - aber eben , sie scheinen es
erforderten ein allgemeineres Band , das keine Be-
nur. In Italien und Deutschland z. B. bedeuten sie
schränkung durch den Glauben mehr duldete. Das
nur die endliche Erreichung einer früher vergeblich
Christentum büsste durch das Misslingen der Kreuz-
gesuchten Einheit, in Osteuropa aber lediglich die
züge das Ansehen seiner Hierarchie ein, und dieser Nachholung dessen, was die westlicheren Nachbarn Prozess setzte sich durch das grosse Schisma , die Reformation und die Schrecken der Inquisition fort. Auf der anderen Seite versumpfte der Islam . Der europäische Geist wurde auf allen Punkten Meister
längst erreicht haben, nämlich die Aufnahme in das Staatensystem des europäischen Kulturreiches. Der Charakter aller dieser sogenannten nationalen Be strebungen ist kein ethnologischer, sondern ein rein
durch die Wiedergeburt des klassischen Altertums, politischer , ein Streben nach Macht und Einfluss.. durch die Erfindung des Schiesspulvers, der Buchdruckerkunst und der Uhren, durch die Entdeckung
Den Beförderern dieser Richtung ist es gleichgültig, ob diese und jene Leute gleicher Abstammung sind ;
des Seewegs nach Ostindien in östlicher und westlicher Richtung und des Planetensystems mit der
die Hauptsache ist , dass sie mit ihnen halten , sie unterstützen . Dass die Sprache dabei als Mittel
Sonne als Mittelpunkt. An die Stelle der Hegemonie
dient , ist natürlich ; das Streben muss einen be
über einzelne Völker im Altertum und der Welt-
stimmten Charakter haben , und dieser wird am
religionen im Mittelalter trat der Weltverkehr der sprechendsten und wirksamsten durch die Sprache Neuzeit als ein alle Völker der Erde ohne Unter- ausgedrückt. Ist aber diese letztere keine bedeutende schied der Abstammung und des Glaubens verbin-
Litteratursprache, so wie es z . B. die deutsche, englische,
dendes Prinzip. Doch wir sind erst in der Aus- französische, italienische sind, sondern nur eine auf bildung dieses Systems der Völkerverbindung be- engen Raum beschränkte Mundart, wie z . B. die tsche griffen; seine Vollendung gehört der Zukunft an .
chische, slowenische, magyarische u. s. w ., so ist ihr
Neben diesem System geht aber seit seinem Beginne
Streben nach ausschliesslicher Herrschaft in irgend
noch eine andere Erscheinung einher, die demselben Triebe der Vereinigung entspringt. Es ist die innere Befestigung der modernen Staaten durch einheitliche
einem Lande nur ein aus Brutalität und Lächerlichkeit
Einrichtungen und Verfassungen. Aus einer Menge beinahe oder ganz unabhängiger Herrschaften oder
wenigstens einer grösseren Litteratursprache auszu kommen, scheitern muss.
Fürstentümer wuchsen schon zu Ende des Mittel-
Rein erhaltene Völker gibt es im Bereiche der
zusammengesetzter Grössenwahn, der mit der Zeit an
der Unmöglichkeit, im Weltverkehr ohne Kenntnis
alters die einheitlichen Monarchien von Frankreich, mittleren und höheren Kultur längst nicht mehr. Jede England und Spanien empor. Wenn auch erst in
europäische Nation umfasst zahlreiche » Landsleute«
neuere Zeit fallend, entspringt doch die Begründung mit Namen von ausländischer Abstammung. Ueber der Einheit Italiens und Deutschlands dem gleichen Gesetze. Ihm ist auch die fortschreitende Centralisation der Schweiz zuzuschreiben , ferner die Vereinigung der Moldau und Walachei zum heutigen Rumänien ,
dies gibt es in Europa Staaten von gemischter Be völkerung mit verschiedenen Sprachen (wie Oester reich -Ungarn, Belgien , Schweiz ), und in Staaten mit einer vorwiegenden Hauptsprache beträchtliche Min
derheiten anderer Zunge (Polen in Ostdeutschland, ( und wohl bald auch Kretas) an Griechenland u . S. W. Kelten in Schott- und Irland, Lappen in Schweden Eine weitere hierher gehörige Erscheinung ist und Norwegen , Basken in Spanien u . s . w). Voll der Anschluss der ionischen Inseln und Thessaliens
die Annäherung fremder Staaten aneinander durch
ends aber sind in den überseeischen Kolonien euro
Gesandtschaften und Konsulate , durch Handels-,
päischer Völker ( sowohl den unabhängig gewor
Niederlassungs- , Freizügigkeits- und Auslieferungs-
denen als den jetzt noch abhängigen ) alle Nationen
3
verträge, durch Befreiung wichtiger Durchgänge von bunt durcheinander geworfen , und in denselben lästigen Zollabgaben mittels Verständigung unter den Gegenden nehmen die Mischlinge verschiedener so beteiligten Staaten und durch Schiedsgerichte in strei- genannter Rassen fortwährend an Zahl zu, während tigen Fragen. Ob letztere Einrichtung mit der Zeit dagegen alle noch vorhandenen Naturvölker , etwa den Krieg ersetzen dürfte, der doch sicherlich der mit Ausnahme der Neger, dem Aussterben entgegen Durchführung des hier behandelten Gesetzes der Kultur im höchsten Grade hinderlich ist , wagen
zugehen scheinen.
wir nicht zu erörtern .
Geheimbünde der Küstenbewohner Nord
6. Infolge der inniger werdenden Ver bindung zwischen den Völkern der Erde geht die Menschheit einer fort schreitenden Assimilation und allmä h
lichen Verwischung aller Rassenmerkmale und Völkereigentümlichkeiten entgegen .
Diesem Gesetze scheinen zwar die seit kurzer
(Schluss folgt.)
amerikas. Von J. Adrian Jacobsen. (Schluss.)
Der zweite Typus des Bundes ist der Medizin mann oder Pak -halla, auch Pak -kwalla . Dieser soll bei Krankheitsfällen die bösen Geister, welche nach
indianischer Auffassung die Urheber des Uebels sind ,
Geheimbünde der Küstenbewohner Nordamerikas.
291
aus dem Körper vertreiben . Eine ähnliche Einrichtung, wie bei den meisten sibirischen Völkern , dass
ein viermaliges Pfeifen. Kaum ist der letzte Pfiff verhallt, so fällt der Kandidat mit dem Gesicht auf
der Ober -Schamane die Seele zum Himmel befördert , scheint bei den Küstenbewohnern nicht vor-
die Erde und bleibt eine Zeitlang liegen . Sobald er
zukommen . Die Zauberärzte der Bella - Coola » Alo-
Im Februar und März ziehen zahllose Stinte
aufsteht, ist er ein fertiger Medizinmann .
kwalla« erhalten ihre Begabung von vier Geistern,
( Olekan ) in die Flussmündungen und Fjordarme
deren vornehmster Kleklatisil heisst . Dieser Geist wohnt im Walde und läuft den ganzen Tag herum ,
Nordamerikas, um zu laichen. Von dem Fett dieses Fisches schmilzt der Indianer den Thranbedarf für
um unter den Menschen einen Würdigen zu finden , das ganze Jahr. Die Ankunft der Fische wird dem den er durch seine Inspiration zum
Medizinmann
weihen kann. Falls jemand ihm begegnet , kommt der Geist über ihn und bewirkt, dass er wie tot
niederfällt ; doch stirbt der also Betroffene niemals, sondern kommt nach einiger Zeit wieder zu sich . Dieser Geist ist ganz in Cederbast gehüllt und trägt ausserdem alle möglichen Arten von Ringen aus Cederbast, die Abzeichen der verschiedenen Geheim-
Medizinmann durch den Kollklullem
vorher verkün
det, indem sich der letztere mit einer grossen Vor ratskiste im Flusse fischend zeigt. Es soll noch nie vorgekommen sein , dass ein Medizinmann die An kunft der Fische falsch angesagt bätte. Bei dieser Gelegenheit läuft er vom Flusse zum Dorf und ruft : » Morgen müssen wir unsere Netze aussetzen , und
bünde. Der von der Betäubung wieder erwachte
wir werden so viel kleine Fische fangen , als wir nötig haben !«
Auserwählte fühlt sich dazu getrieben , einen Gesang anzustimmen , dessen Worte und Melodie der Geist
Eine bestimmte Zeit ist nicht angegeben , in welcher der von einem Geiste Berufene sein Amt
ihm eingibt. Von diesem Augenblicke ab ist er ein
als Medizinmann antreten muss ; es scheint dieses mehr
Medizinmann .
von seinem eigenen Willen und von den Umständen
Klesatplilanna ist der nächstmächtige Geist, der
abzuhängen , doch muss er zuvor ein grosses Fest
einen Indianer zum Medizinmann machen kann . Er hat auch, wie vielfach geglaubt wird, den Bella -Coola zuerst das Feuer gebracht, wäre also der Prometheus
teilen hat und einen Tanz aufführt, den die Gäste mit
der Indianer, während nach anderen der Rabe diese
Rolle gespielt hat. Daher sieht man oft die von diesem Geist geweihten Medizinmänner durch Feuer springen , sich an Tauen über Feuer hin und her schaukeln, Feuer essen , an glühendem Eisen lecken
geben, wobei er reichlich Speise und Trank zu ver Gesängen begleiten . Ein Medizinmann darf tanzen und singen , soviel er will, und so oft der Geist über ihn kommt, was gewöhnlich alle zwei bis vier Wochen geschieht und ausserdem jedesmal sofort eintritt , wenn er zu einem Kranken gerufen wird. Es soll berühmte, grosse Mediziniänner ge
u . dergl., wodurch sie zugleich den Stammesgenossen geben haben, welche Schützlinge der sämtlichen vier ihre Echtheit und ihre Erleuchtung durch jenen Geist
Arten von Geistern zu gleicher Zeit gewesen sind .
beweisen . Dieser letztere warnt auch die von ihm
Die Medizinmänner der Bella -Coola haben , wie auch
erwählten Medizinmänner vor herannahendem Krieg, indem er den Schlachtruf der Bella-Coola »Wüh, wüh, wüh, wüh « ausstösst . Hört der Medizinmann im Walde diesen Ruf, so läuft er sofort zum Dorf
die der Eskimos und der asiatischen Völkerschaften , die seltsame Eigenschaft, dass ihre Seele den Körper zeitweise verlässt und in einen anderen Körper ein kehrt. Dies soll geschehen, wenn der Medizinmann,
und alarmiert. Der dritte Geist ist der Skaia , der gewöhnlich in Gestalt eines Lachses erscheint. Wenn ein von
um die Ursache einer Krankheit oder eines Unfalls
ihm zum
Medizinmann Erwählter in einem Hause
mannes in einen später geborenen Verwandten zu
eine Kur vornimmt, bei der er wie alle Medizinmänner singt und tanzt, so muss jeder, der sich dem
rückkehrt. Ein kurz nach dem Tode eines Medizin
zu erforschen , recht scharf nachdenkt. Auch kommt es vor , dass die Seele eines verstorbenen Medizin
mannes geborener Neffe wird stets als eine neue
Hause naht und den Gesang hört, still stehen bleiben . erscheint Verkörperung des Dahingeschiedenen angesehen und Weise Medizinmann
Wer aber bei solcher Gelegenheit an dem Hause vorüberschreiten sollte , der fällt sofort tot nieder, gestraft von dem Geist Skaia. Deshalb geht kein Indianer an einem Hause vorüber , in dem überhaupt ein » Doktor « singt, da er nicht wissen kann, welches Geistes Schützling dieser ist .
auf diese
zum
ge
boren . Auch viele Frauen üben eine Thätigkeit als Schamanen aus, sind aber nicht so geachtet und be gehrt wie Männer. Unter den Kunststücken, welche die Schamanen von Zeit zu Zeit den Gläubigen vor machen müssen , um ihre Begabung aufs neue zu
Viertens haben die Geister der verstorbenen Vor- bekräftigen , ist die Feuerprobe eins der beliebtesten; väter der Bella-Coola die Macht, einen überlebenden
das Aufschlitzen des Bauches, wobei die Gedärme
Diese
bis zum Boden herabhängen , gilt als eine hervor ragende Leistung ; dieses Prachtschaustück fand im vorigen Winter im Dorfe Talio statt. Wenn jemand krank geworden ist, wird sofort der Doktor gerufen , welcher, nachdem er den Kran
Verwandten zum Medizinmann zu machen .
Geister werden Kollklullem genannt. Sie sind den Lebenden dadurch kenntlich , dass sie blau im Gesicht sind und keine Haare auf dem Kopf haben . Als Zeichen der Wahl zum Medizinmann durch einen
der Kollklullem vernimmt der Auserwählte im Walde I ken gesehen hat, sich Wasser geben lässt , einen
292
Geheimbinde der Kistenbewohner Nordamerikas.
Mund voll davon nimmt und es dem Kranken in
dieser gedreht , so fallen die Menschen tot nieder,
die Augen spritzt. Darauf tanzt er wie ein Toller, singend und zuweilen eine Rassel heftig schwingend,
doch kann er sie auch wieder beleben . Diese beiden
Geister oder Gottheiten werden auch als Stammväter in einzelnen Kwakjultdörfern angesehen , ebenso wer Gesang bestehen in Bitten , Flehen , Schimpfredenden Sonne und Mond als Geister gedacht und als um den Patienten herum .
Die Worte zu diesem
oder Drohungen an den Geist , der in den Körper Stammgottheiten betrachtet. Auch hier ist die Seele gefahren ist . Darauf fängt er an, die kranken Stellen
des Medizinmannes im stande , bei Lebzeiten den
tüchtig zu kneten , wodurch das Leiden in vielen
Körper zu verlassen und ähnlich wie bei den Eskimos
Fällen gewiss nicht besser wird, nimmt dann abermals den Mund voll Wasser, beugt sich an die schmerzende Stelle und scheint heftig zu saugen , bis er auf diese Weise Knochen, Scherben , Baumrinde, Blut,
und vielen Asiaten Wanderungen zu unternehmen , von denen sie oft erst nach Tagen wieder in den Körper zurückkehrt. Der Schamane bedient sich bei der Kur ausser dem schon erwähnten Cederbastringe
Steine, Tierkrallen , Dornen u . s. w . , die ein Geist
einer Rassel , auf der meistens eine Landotter , das
dorthin gezaubert hat, ans Tageslicht bringt. Oft wird einer der Dorfbewohner beschuldigt, dass er
Symbol der meisten Medizinmänner, ausgeschnitten ist. Ferner trägt er um den Hals Figuren aus Knochen
einen Medizinmann gegen Bezahlung veranlasst habe,
und Stein geschnitzt, in denen sich angeblich die
den Kranken mit dem Uebel zu belasten . Der Medi-
Geister befinden . Alle diese Sachen werden meistens
zinmann erhält für seine Kuren eine Belohnung im
im Wald an einer bestimmten Stelle versteckt . Jedes
Wert von zwei bis zehn Dollar oder auch mehr.
zweite oder dritte Dorf besitzt einen mehr oder
Die Schamanen tragen , wenn sie ihre Kunst ausüben , stets einen Kopfring aus Cederbast , in dem
an seine Kraft ist in der Seele des Nordwestindia
weniger berühmten Medizinmann , und der Glaube
zum Teil ihre Kraft liegt. Diese Schilderung be- ners tief eingewurzelt. Der dritte Geheimbund ist der der Selbstpei zieht sich vorzüglich auf die Bella-Coola , jedoch ist der Unterschied von den Medizinmännern der Küsten- | niger oder Hatzi-kwalla . Auch sie werden von be bewohner nur ein geringer. Bei den Thlinkieten stimmten Geistern inspiriert und müssen sich schweren der Jukalatbai und des Kupferflusses tragen die Scha- Kasteiungen unterwerfen . Es ist möglich, dass die manen bei Heilungen von Krankheiten und beson- | Sitte, Arme, Beine, Schultermuskeln zu durchbohren , ders beim Wahrsagen, ähnlich den Eskimos in Alaska, um ein Tauhindurchzuziehen und sich von der gewöhnlich besondere Holzmasken , deren jede einen Menge hin und her zerren oder mit den Stricken dienenden Geist darstellt. Ein Pelzhändler erzählte an einem Baum aufhängen zu lassen , von kriege mir folgendes : Das Schiff von San Francisco, welches rischen Stämmen der Rocky Mountains hierher ge jedes Jahr einmal zu kommen pflegte, um Proviant bracht worden ist und einen religiösen Charakter und Tauschartikel, sowie das eingetauschte Pelzwerk angenommen hat. Oft verweilt der Hatzi-kwalla abzuholen , blieb einmal wochen-, ja monatelang aus. längere Zeit im Walde und stürzt dann plötzlich mit zerschnittenem Skalp aus demselben hervor, um Da erbot sich ein berühmter Schamane, der am
Kupferfluss wohnte, wahrzusagen , was mit dem Schiff den übrigen Bewohnern anzuzeigen, dass der Geist
geschehen sei . Der Händler hatte nichts dagegen
soeben bei ihm gewesen sei ; er behauptet auch ,
einzuwenden , und man veranstaltete ein Fest, bei dem der Schamane in acht verschiedenen Masken
befreit und seinen Körper stärkt. Bei Aufführung
auftrat. Den letzten Teil des Schauspiels bildete eine
von Tänzen führen die Hatzi-kwalla einen in zwei
Feuerprobe. Man legte ein grosses Feuer im Hause
geschnitzte Schlangenköpfe endenden Stab in der
an , und der Schamane liess sich ein Tau aus Ceder-
Hand : dieser stellt den »Sisiûtél « dar, einen Geist in Form eines Drachens oder einer Schlange , der im Gebirge lebt und der Inspirator und Schutzgeist dieser Art Heiligen zu sein scheint. Die beliebteste Selbstpeinigung der Hatzi-kwalla besteht darin , sich
bast an Füsse und Arme befestigen ; eine Anzahl Indianer ergriffen die beiden Enden des Taues und schwenkten den Schamanen über dem Feuer hin riss ab, und her ---- das Tau fing an zu brennen ,, riss und der Schamane fiel ins Feuer, sprang aber so schnell aus den Gluten hervor, dass ihm kein Leid geschah . Nun erklärte er, dass das Schiff zu Grunde gegangen sei und nie wieder zurückkommen würde. Also geschah es auch wirklich , und für diesmal hatte der Schamane richtig prophezeit. Die Kwakjult-Medizinmänner behaupten beson-
keinen Schmerz zu fühlen , da ihn der Geist davon
die Oberarmmuskeln und Oberschenkel zu durch stechen und durch die Wunden Stricke von Ceder bast zu ziehen , mittelst deren sie dann an einen
Baum gehängt werden . Fällt nun der Gepeinigte
dadurch, dass das hängende Fleisch zerreisst, aus der Höhe herab, oder wird er ohnmächtig, so erschlagen ihn die Nuttlo -mattlas, die wir gleich kennen lernen
ders von einem grossen Geist Lullu - lalla inspiriert
werden . Diese Tortur dauert so lange, bis die mit
zu sein ( Lullu heisst im Malaiischen Archipel heilig ).
Speeren und Keulen bewaffneten Nuttlo -mattlas vier
In anderen Dörfern hingegen ist Manauka der grösste. Gesänge abgesungen haben . Häufig schneiden sich Diesem zu Ehren werden besondere Tänze aufge- auch die Selbstpeiniger die Haut auf den Armen führt. Es wird von ihm erzählt, dass er bei solchen Tänzen einen besonderen Stock verwendet; wird
und an der Brust auf und hängen in die kleinen Oesen Holzstückchen in Form von Paddles (Boots
Geheimbinde der Küstenbewohner Nordamerikas,
293
rudern ). Jeder Kandidat scheint sich eine Tortur
eine scheinbare Jagd nach dem Bären . Der Jäger
auswählen zu dürfen .
versucht, sich dicht an ihn heranzuschleichen . Dies
Sie sind sehr stolz auf die
Wunden , die sie sich erworben haben, und zeigen wird jedoch dadurch vereitelt, dass der Sklave her beikommt und zu früh lacht; es ist dann öfters
sie jedermann gern.
Es ist möglich, dass in der bei den Nordwest . nötig, dass der Jäger zurückkehrt und den Sklaven indianern beinahe krankhaften Sucht, einer der Ersten
züchtigt. Endlich ist der Bär durch mehrere Pfeil
zu sein , sich vor den anderen auszuzeichnen , die
schüsse verwundet , worauf der Jäger mit der Lanze
Ursache dieser Geheimbünde zu suchen ist. Aus dem und Ansehen verhelfenden grossen Schenkfeste entstanden , die den Festgeber oft für den Augenblick
selben Grunde sind auch die den Indianern zu Ehre
zum Bettler machen , ihm aber häufig , namentlich
auf ihn zuspringt und behend eine blutgefüllte Blase durchsticht, so dass das Blut herumspritzt und der Bär tot umfällt. Der Jäger versucht nun , seine Beute
auf den Rücken zu laden und mit ihr den Heimweg
bei Wiederholung, den Häuptlingstitel für seine Per-
anzutreten , dabei hängt sich der Sklave an die herab hängenden Beine des Bären und hindert somit das
son , wenn auch nicht für seine Erben , einbringen
Fortkommen seines Herrn – plötzlich aber lässt er
können .
los , und der Jäger fällt mit dem Bären der Länge nach auf die Erde ; dieses wiederholt sich öfter zum grossen Jubel der Zuschauer.
Die Hatzi-kwalla scheinen nur bei den Kwak-
jult vorzukommen , wenigstens findet man , soweit mir bekannt ist, bei anderen Stämmen keine Selbst-
Die meisten Masken der Nuttlo -mattlas sollen
Fische darstellen , jedoch ähneln dieselben sehr einem kwalla die den übrigen Geheimbünden angehören - Menschengesicht,, und nur die Farbe der Fische ist den bestimmten Masken und Rasseln , Arm- und durch die Bemalung zu erkennen . Die Nuttla-mattlas Kopfringe tragen ; ich sah sie nur beim Tanze mit unterscheiden sich von den übrigen Geheimbünden dem bereits erwähnten , in zwei Schlangenköpfe enden- dadurch , dass sie weiss und rot gestreifte Kopf-,
peiniger. Ich konnte nicht entdecken , dass die Hatzi-
den Stabe » Sisiûtél« , der eine entfernte Aehnlich - Hals-, Arm- und Fussringe tragen , an Armen und keit mit den chinesischen oder malaiischen hat. Die vierte und letzte Art der Geheimbünde ist die der Nuttlo-mattlas .
Füssen je zwei Ringe ; auch die Masken zeichnen sich meistens durch einen taudicken Ring aus, wel cher von der Stirn bis zum Kinn reicht, so dass das
Auch sie werden als von den Geistern inspi- Gesicht davon eingerahmt ist . Bei Maskentänzen riert angesehen , und aus ihren wunderbaren Sprüngen trägt der Nuttlo-mattlas stets eine eigenartige Lanze und Gebärden sollen die Umstehenden schliessen , in der Hand , und dreht den Kopf plötzlich bald dass sie nicht Herr ihrer Handlungen sind, sondern gewissermassen als Inkarnationen von Geistern er-
rechts, bald links, wobei die langen Haare , welche an der Maske befestigt sind , über das Gesicht hin
manchmal in theatralischer
und her flattern . Es sei hierbei noch bemerkt, dass
scheinen .
Sie treten
Weise auf und zu anderen Zeiten wieder als wahre
die Tänze , bei denen aus Holz geschnitzte und
Karnevalsnarren , indem sie allerlei Unfug und
bunt bemalte Masken , sowie besondere Tanzdecken
Albernheiten verüben ; sie stossen mit ihren Lanzen , werfen mit Knütteln und Steinen , und alles dies
und Kopfgestelle in Verwendung kommen , nur im Winter abgehalten werden , zu welcher Jahreszeit
ungestraft, da man für ihr Thun ja nur die Geister
die Arbeit des Indianers ruht.
verantwortlich machen kann . Die Nuttlo -mattlas scheinen früher bei allen Küstenstämmen von Alaska bis zu Vancouver vor-
Frühjahr, der sogenannte heilige Wintertanz (bei den Bella- Coola Kosint genannt), wird aufgeführt zu Ehren
gekommen zu sein ; besonders sollen die Haida höchst originelle Aufführungen veranstaltet haben . Eine der beliebtesten ist die Jagd auf den Bären . Zu diesem Zweck hat man fast in jedem Dorf ein Bärenfell, an dem sich noch Kopfhaut und Pfoten
von allen .
erhalten
finden .
Der letzte Tanz im
der nun wiederkehrenden Sonne und ist der feierlichste
Die Tänzer stellen bei dieser Gelegen
heit die Geister oder Stammesgottheiten dar. Fällt einer von ihnen durch Unvorsichtigkeit zu Boden , so umringen ihn die Nuttlo -mattlas mit ihren Keulen
und Spiessen, um den Gefallenen sogleich zu töten ,
In die Kopfhaut ist gewöhnlich als unwürdigen Vertreter einer Gottheit, die er durch
eine Holzmaske geschoben mit beweglichen Kiefern ,
seine irdische Schwäche beleidigt hat.
Knochen- oder Holzzähnen und ebenfalls beweg-
Von diesen vier genannten Geheimbünden findet man einen, auch mehrere in jedem Dorf, doch wird
lichen Augen .
Ein Nuttlo -mattlas kriecht in das
Fell und ahmt die Gebärden und das Verhalten eines
die Zahl jährlich geringer. Keine zehn Jahre wer
Bären täuschend nach .
Hierauf erscheint ein anderer
den vergehen , und die Zeit wird vorbei sein, da man
Nuttlo -mattlas in der Tracht eines Jägers , mit Bogen ,
etwas Näheres über den Geheimbund der Nordwest indianer erfahren konnte..
Pfeil und Spiess ausgerüstet und mit einer Holzmaske angethan , die einen hageren Mann darstellt . Hinter ihm folgt ein Sklave, der die Rolle des eigentlichen Hanswurstes spielt; er trägt eine Maske mit lachendem Gesicht und grossem Mund von Ohr zu Ohr. Es entwickelt sich nun vor den Zuschauern
Am westlichen Kilimandscharo .
294
Am westlichen Kilimandscharo. Von Dr. Hans Meyer.
(Schluss.
Ohne Zweifel hängt die grosse Ausdehnung des
nügte, um den nicht fernen Salika von unserem Thun in Kenntnis zu setzen, und eben war der letzte Mann über den Graben herübergeritten , als der » Manki« mit Gefolge an der Landesgrenze erschien und ver blüfft erkannte, dass er zu spät gekommen. Die
Urwaldes im Südwesten ebenso wie die gewaltige
Thorwächter mussten seinem Zorn standhalten . Ich
Schnee- und Eisfülle des südlichen Kibo mit der
aber begann, ihm von der neutralen Seite aus eine
bedeutenderen Menge der Niederschläge auf dieser Seite zusammen . Täglich konnten wir beobachten,
schwungvolle Rede zu halten über Gastfreundschaft gegen Fremde im allgemeinen und Hochachtung
wie die Mittagsgewitter von der Südebene zum Berg aufjagten , sich an seiner Südseite entluden , ihn dort
mittel seien, im besonderen , wodurch er dermassen
am dichtesten mit Neuschnee bestreuten und dann nach Südwesten über die grösste Walderstreckung
eingeschüchtert wurde, dass er versprach, uns einen Ochsen opfern zu wollen , wenn wir von Madschame
und Bächezahl zum grossen Westkamm in der Richtung des Meru wegzogen .
wieder zu ihm zurückkehren würden, und uns einen seiner Begleiter für den Marsch nach und von Madschame als Führer und lebendiges Unterpfand
Während ich den Nachmittag mit Instrument-
gegen Europäer, die im Besitz wirksamer Zauber
beobachtungen und Aufnahmen hinbrachte, warteten meine Leute sehnsüchtig und ungeduldig auf das
mitgab .
Schon daraus war zu schliessen, dass Uru freund
übliche Gegengeschenk des Häuptlings, denn nirgends
schaftliche Beziehungen zu Madschame unterhält,
mehr als in Afrika herrscht der unmoralische Grundsatz »do ut des« . Aber erst in dunkler Nacht er-
Sache mit
schien das Ersehnte in Gestalt zweier Ziegen , die dann auch sofort gemordet wurden und ans Feuer
Mkumbo jedoch freundete sich unser neuer , mit einem langen Steinschlossgewehr bewaffneter Führer
wanderten .
während es gegen Sinna von Kiboso gemeinsame Mandara
von Modschi macht.
Mit
Der afrikanischen Höflichkeitsform war
nur wenig an , vielleicht aus Eifersucht auf Mkumbos
aber damit nur schlecht Genüge gethan, denn Salika besass viele Rinder, und meine Geschenke waren
ältere Würde, und liess mich daher hoffen, dass sich in kritischen Augenblicken beide nicht unter eine
für ihn mindestens zwei Rinder wert.
Decke stecken würden .
Ich steckte
deshalb , da es mich drängte, nach Madschame zu
Unterhalb der Kulturengrenze von Uru erstreckt
kommen , am Morgen eine tief verstimmte Miene
sich ein trockener lianendurchflochtener Buschwald
auf und befahl, trotz Einspruchs einer Gesandtschaft , die mich zum » Manki« (Häuptling) entbot,
bis zur Steppenebene hinaus, in welchem wir mehr
kriechend als schreitend westwärts bergab zogen .
Abzug aus diesem ungastlichen Land. Die Träger Gegen 10 Uhr kletterten wir in das engschluchtige gegessen und folgten willig ;
Thal des Rauflusses hinab, dessen Gewässer aus den
Mkumbo kannte den Weg. Es dauerte lange, bis
Waldquellen am Südkibo stammen, und setzten über
hatten
sich
satt
wir aus den Bananenfeldern herauskamen , die auf den 10 m breiten schnell strömenden Fluss auf der dem wenig geneigten unteren Bergauslauf gar kein natürlichen Brücke eines von Ufer zu Ufer gestürzten Ende nehmen wollten . 21, Stunden zogen wir Baumstammes . Riesenhaft war die Entwickelung zwischen den Schambas bergab, die durch ein hier der Vegetation in der Nähe des Wassers ; 40 und ganz besonders verwickeltes System künstlicher mehr Meter streben die dicken Stämme einer Fikusart
Wassergräben aus dem oft stundenweit entfernten
kerzengerade empor und bilden den denkbar schroff
Oberlauf der Waldbäche mühsam bewässert werden
sten Gegensatz zu dem sich jenseits anschliessenden
und durch regelmässig verteilte Schattenbäume gegen zu heftigen Sonnenbrand geschützt sind. Wo
trockenen Buschwald mit seinen glanzblätterigen niedrigen Bäumen ,Dornsträuchern und Riesengräsern .
uns weiter unten auf den schmalen rotlehmigen
Dieser Buschwald gleicht jenem unterhalb Marangu ,
Pfaden Eingeborene begegneten, ergriffen sie eiligst mit dem er auch auf derselben Höhenzone liegt. die Flucht , denn dort kannte man uns noch nicht. Doch sind hier die Elefantenspuren häufiger als dort,
Nach 2 1/2 stündigem Schnellschritt standen wir gänzlich unerwarteterweise vor einem 15 m tiefen steilen Trockengraben, der unteren Landesgrenze von Uru. Dass derselbe wirklich ein Schutzmittel gegen
unvermutete Feinde ist , erkannten wir aus unserer eigenen Ratlosigkeit. Bald aber wurden seitwärts im Busch zwei Kerle entdeckt, welche sich als
Brücken- und Thorwache entpuppten und auf meine
Drohung hin zwei dünne lange Stangen über die
weil die Tiere hier selten gejagt werden . Je mehr wir uns der unteren Ostgrenze von
Kiboso näherten , desto scheuer und vorsichtiger wurden unsere Führer, und meine Träger, die bisher geschwatzt und gelacht hatten, wanderten nun lautlos hinter ihnen her. So oft ein Vogel schrie oder ein
Vierfüssler des Waldes aufgescheucht entfloh, blieben sie lauschend stehen , zu sofortiger Flucht bereit . Ich bin überzeugt, dass das Erscheinen von nur
Schlucht warfen, auf denen wir nun einzeln be-
1/2 Dutzend Kibosoleuten genügt haben würde, um die
dächtig hinüberbalancierten .
ganze Gesellschaft Reissaus nehmen zu sehen.
Ein Fehltritt hätte
Es
mindestens ein Bein oder einen Arm gekostet.Dieses gibt im allgemeinen kaum etwas Feigeres als die Uebersetzen dauerte eine volle Stunde; dieselbe ge- | Suaheli, besonders einem Feind gegenüber, von dem
Am westlichen Kilimandscharo.
sie wissen oder gehört haben, dass er nicht nur ein fürchterliches Geschrei erhebt, wie sie selbst es thun,
295
wärts in die Ebene hinab , nachdem
sie die Feld
früchte des Landes (Bohnen , Mais , Bananen und
sondern unter Umständen auch einmal Ernst macht, Honig) gegen einen Teil ihres Viehs eingetauscht wie die Massai und ein Teil der Wadschagga . Obwohl jeder zu seiner eigenen Beruhigung mit einem Gewehr und Munition bewaffnet war , wusste ich doch aus Erfahrung, dass im Ernstfall nach dem
hatten . Von uns nahmen sie wenig Notiz . Das Hinabklettern in der steilen palmenbe standenen , ca. 60 m tiefen Schlucht des Weriweri Ausses , der Durchgang durch die schnell strömenden
ersten Schuss keiner von ihnen standhalten würde . Hauptsächlich aus diesem Grund hatte ich beim An-
Gewässer, die uns bis an die Brust reichten , und
tritt der Reise zuverlässige 8 Somalis aus Aden als
den Morgen für die belasteten Träger ein schweres
Leibwache mitgenommen , von denen 3 mich auch auf dieser Tour begleiteten ; und mit s zuverlässigen
Stück Arbeit .
Schützen brauchten wir eine 20fache Ueberzahl nicht zu scheuen .
feindliche
Drüben stiessen wir beim ersten Madschamedorf sofort auf den Versuch der Bewohner, uns festzuhalten , um durch den Verkauf von Lebens mitteln in den ersehnten Besitz von Stoffen und
Soweit kam es indessen gar nicht. Am Ngomberefluss fanden wir zwar ein
der Aufstieg auf der Madschameseite war am folgen
Perlen zu gelangen. Eine angebliche Gesandtschaft
erst vor wenigen
des Häuptlings eröffnete uns, der » Manki« wolle hier
Stunden verlassenes Lager, das auf Anwesenheit von Kibosokriegern schliessen liess , aber sie selbst be-
her kommen , um an der Grenze des Landes mit
kamen wir nicht zu sehen .
Wären wir nicht von
indessen so leicht zu durchschauen , dass ich den
Sinnas Feinden Mandara und Salika hergekommen, so würde ich ohne Bedenken nach Kiboso hinauf-
Sprecher lächelnd beiseite schob und ruhig mit den Meinigen weiter bergan wanderte. Darob grosses
gestiegen sein , um den kraftvollen jungen Fürsten
Geschrei und Drohungen , aber keine Thätlichkeiten .
zu begrüssen , und bin sicher, von Sinna, der schon
Leider bekamen wir an diesem Tag vom Kibo , der hinter hochgetürmten Cumulushaufen schlum merte, gar nichts zu sehen . Um so klarer lag das westliche Dschagga vor unseren Augen. Hier gibt es keine hohen Lavarücken, keine mannigfaltig ge stalteten Hügelzüge wie in Uru und Modschi, son
früher Europäer bei sich gesehen hat, freundlich aufgenommen worden zu sein . So aber waren meine Leute um keinen Preis der Welt dazu zu bewegen , und allein mit Herrn Purtscheller konnte ich es nicht ausführen .
>
mir Blutsbrüderschaft zu trinken .
Das Manöver war
Der Ngomberefluss bildet die untereWestgrenze dern breit und wellenartig senkt sich der bebaute von Kiboso. Jenseit von seinem frischgrünen schma-
Landstrich vom Urwald zur Ebene hinab . Die Baum
len Galerienwald querten wir die Buschwälder der kleinen Staaten Kindi und Kombo , passierten die
bestände sind hier viel gründlicher ausgerodet als weiter im Osten , doch hat man in den Pflanzungen
auf geringer Bodenneigung träge fliessenden Bäche
und Wiesen auch hier' die hohen Schattenbäume
Maëmbe, Mandschoka und Nseri, bewegten uns aber
stehen lassen , welche der Landschaft ein im besten Sinn parkartiges Aussehen geben . Geschlossene Dörfer
immer unterhalb der Kulturengrenze auf der mittleren Höhe von 1100 m , bis wir nach 3 Uhr in den Bereich von Naruma kamen. Nun gelangten wir aus dem welligen und buschigen, wenig koupierten Terrain in dichteren hochstämmigen Wald, in welchem der Pfad nordwestwärts wieder langsam bergan zu steigen begann . Bald erschienen im Waldesdämmer
gibt es hier nur am unteren, den feindlichen Einfällen am meisten ausgesetzten Grenzgebiet , wo sie oft kleinen Forts gleichen ; landeinwärts von der Grenze sitzt jedermann auf seiner eigenen Scholle, umgeben
von seinen ausgedehnten Bananenpflanzungen , die von denjenigen des Nachbars durch eine leben
die ersten Bananenpflanzungen der Wanaruma. Eindige Hecke geschieden sind. Je höher wir zum kleines Dorf lag , verdeckt durch Hecken und Ver- Wohnsitz des Häuptlings anstiegen, desto häufiger haue, seitwärts im Dickicht, von seinen Bewohnern aber wurden nur einige Greise sichtbar, die uns
wurden aber die Spuren feindlicher Einbrüche und Zerstörung. An vielen Stellen schauten uns aus
scheinbar teilnahmlos vorbeiziehen liessen .
Eine
dem Grün der Bananenhaine die verkohlten Trümmer
Stunde später traten wir aus dem Wald auf offene
der niedergebrannten Hütten trübselig an. Nirgends
Rodungen heraus und sahen vor uns das tief ein- jedoch habe ich gesehen ,dass den Bananenpflanzungen geschnittene wenig breite Thal des Weriweriflusses, selbst Schaden durch Umhauen oder Brechen ge der Ostgrenze von Madschame. An seinem linken schehen war. Sie waren überall absichtlich verschont hohen Steilufer, also noch auf Narumagebiet , liess und im besten Stand. ich , da die Leute sehr ermüdet waren , diesmal gegen Nach dreistündigem Steigen durch Haine, Felder die allgemeine Reiseregel , an einem Fluss erst nach und Bäche langten wir an der ehemaligen Behausung seiner Veberschreitung zu lagern , verstossend, in ca. des Häuptlings Ngamine an , wo jetzt innerhalb eines 1200 m Lager aufschlagen und labte mich bald Palissadenzaunes unter riesigen Bananenwedeln ein an einer Schale wilden Honigs, die der Naruma- wirrer Haufen von Balken , Kohlen und Steinen liegt .
Häuptling Ndelongo als wertvolles Gastgeschenk
Davor schlugen wir, da des Manki neue Wohnung
übersandt hatte. Abends zog am Lager vorbei eine
nicht fern war , auf einem kleinen schattigen , wie eine Tenne festgestampften Platz. Lager und sahen
kleine Rotte der gefürchteten Masai-Nomaden heim-
Am westlichen Kilimandscharo .
296
uns auf unsere meldenden Schüsse hin alsbald von einem höchst lebhaften und bunten Treiben neu-
gieriger und feilschender Madschameleute umwogt. Nahrungsmittel wurden in Fülle zu billigen Preisen angeboten, und beide Parteien waren vom Handel befriedigt. Man lachte, sang, pries an , lief und tanzte,
dass es schier für einen Jahrmarkt oder eine Kirchweih « gelten konnte.
dass nichts davon übrig bleibt. « « Zum Schluss noch mals Spucken . Unmittelbar darauf wurde der Ziege der Kopf abgeschnitten, » damit sich Blut und Speichel mische« , und die bespuckte Stirnhaut abgelöst, aus welcher man für jeden Beteiligten einen schmalen Hautstreif
schnitt, den wir uns gegenseitig als Ring über den
Ich liess die Gelegenheit Mittelfinger der Rechten stülpten. Damit war der
nicht vorübergehen , eine Reihe photographischer Freundschaftsbund besiegelt , und höchst befriedigt Momentaufnahmen aus dem
vorher auf eine be-
zogen die Gesandten ab , nachdem sie mir das Ver
stiminte Stelle eingestellten Apparat zu machen und sprechen abgenommen hatten, am nächsten Morgen eine Anzahl der alten kleinen Speer- und Schildformen zu erwerben , welche im östlichen Dschagga längst durch die bis i m lange Speerklinge und den
das Lager in nächste Nähe zu Ngamines Hof zu verlegen.
Massaischild verdrängt sind.
serem Lager ging es hinab in das grasige, So m
Nach dem strömenden mittägigen Gewitterregen
Und so geschah es in der Frühe.
Hinter un
tiefe enge Thal des Kikafuflusses und jenseits steii
meldete der Niampara die Ankunft von des Häupt- hinauf zur » Sultanshöhe“ , wo ich hart am Ober lings Bruder nebst einigen Weisen des Landes, welche rand des Flussthales neben einem murmelnden Bäch eine Ziege gebracht hätten , um Freundschaft mit lein unter schattigen Laubbäumen die Zelte wieder mir zu schliessen , bevor ich den Manki aufsuchen
aufstellen liess.
In der Tiefe zu unseren Füssen
ginge. Ich vermutete, dass es sich um die allge-
rauschte über abgerundete Lavablöcke der Kikafu ,
mein übliche Form der Freundschaftsschliessung mit
an dessen Ufern früh und spät Paviane in kleinen
Geschenk und Gegengeschenk handele, und liess den Trupps zu lustwandeln pflegten. Der Kibo aber Ueberbringern der Ziege Zeuge und Perlen aus- blieb noch immer verschleiert. händigen , stiess aber zu meiner Verwunderung auf Vor Mittag stattete ich mit Herrn Purtscheller, den Somalis und Führern dem Häuptling Nga Widerspruch : » Wir nehmen deine Geschenke nicht, bevor du uns nicht einen Eid leistest. » « Was für einen Eid und warum ? «
Die Namen dieser Strassen sind: Hammam Schet-
eigentlich nur einem Teil der algerischen Kabylen zukommt. Die Suiua (berb..
tia , Edribet Bảiar , Bedhet Ssid -el-Mischrif, Ssidi
Iguầuen ) bewohnen nur eine gewisse centrale Partie
Manssur Bu-Ss'adia .
der nördlichen Abhänge und Vorberge des Djérdjera
Die algerischen Araber widmen sich in ihrer
gebirges südlich vom Fort National und teilen sich
in zwei grosse Fraktionen , die Ait Betrûn und Ait Menglåt. General Hanoteau , der treffliche Kenner Domestiken , niedere Beamte, Kaufleute , Grund- der Kabylen, dem ich diese Notiz entnehme, ') be
Mehrzahl keiner speziellen Beschäftigung. Es gibt Arbeiter verschiedener Branchen , Handwerker,
besitzer unter ihnen . Und auch unter diesen beiden
merkt, dass man in Algerien , ja in der Kabylie
letzten Kategorien finden sich wenige besonders
selbst , eine Anzahl benachbarter Stämme fälschlich
Wohlhabende. Ihre Zahl ist in der Stadt vielleicht
noch mit zu den Suaua zähle.
der der Garba überlegen ; auf dem platten Lande sind sie weniger vertreten , da ihr Renommee als Arbeiter kein so gutes ist , wie das der Marokkaner.
Die Kabvlen in Tunis sind sehr zahlreich ; sie mögen mit ihrer Descendenz vielleicht im Ver hältnis von 10 : 100 zur mohammedanischen Ge
Der Durchschnittstypus der algerischen Land-
samtbevölkerung stehen . Denn wie ich bereits er
araber (hier wie in Marokko sehr viel mit Berber vermischung) ist über Mittelgrösse, schlank, sehnig;
1
Grammaire kabyle, préface, p . XXII .
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis .
325
wähnte, hatten die Beys bis zur Okkupation eine | Hammâms oder mohammedanischen Bäder, sowie zahlreiche, zuletzt 4 - 6000 starke, meist aus Sukua bestehende Soldtruppe in ihren Diensten . Nachdem durch die Franzosen bei Neuordnung der Verhältnisse in der Regentschaft diese Truppe aufgelöst
Kohlen- oder Grünzeughändler. Einige wenige 1sind Kaufleute, welche meist mit Spezereien handeln .
worden war, blieben die Suầua doch zum grossen
Tróndja hält . Auf der Marrstrasse sollen sie ein
Die Beni Msâb haben einen Schech , der zur Zeit
Ba -Hammed heisst und ein grosses Bad auf der
T
Teile hier und ergriffen alle möglichen anderen Be- Korporationshaus (Dâr-el-djemàa ) besitzen , in wel schäftigungen . Sie sind vielfach Gartenwächter ausser- chem sie ihre internen Angelegenheiten abmachen , halb der Stadt, z . B. in Ariảna, Schuhmacher, Ger- z. B. Kontrakte in Gegenwart des Schêch schliessen, ber, Seidenwirker, Kleinkrämer, Diener u . s. w . und ähnliches. Der letztere erhält für diese Funk Die Suiua haben mehrere Cafés in der Tabanintionen, sowie für Stellenvermittelungen , eine Geld
(unweit des Bâb-ess-Ss adùn ), auf der Strasse Halfàuin entschädigung von den Betreffenden selbst und ist (der frühere Platz der Halfa-Verkäufer) und eins auf nicht etwa vom tunesischen oder französischen Gou der Haddjâmin (Barbierstrasse) neben dem erwähnten algerisch -arabischen. Dass die Kabylen als Berber sprachlich und typisch von den Arabern abweichen , ist allgemein bekannt; es haben aber doch gerade in der Algerie zahlreiche Vermischungen stattgefunden und fremde Einflüsse mitgewirkt, welche es sehr erschweren, den Kabylen allein am Typus zu erkennen , dop-
vernement bezahlt . Besondere Cafés haben die Msabia meines Wissens nicht; sie besuchen die in der Nähe
ihrer Bäder gelegenen. Am häufigsten habe ich sie in einigen Kaffeehäusern in der Strasse Ssidi Méheres gesehen . Die Mosabiten sind gleich einem Teile der Be wohner von Djerba , von denen ich weiter unten spreche, Schismatiker ; sie gehören zu keiner der vier
pelt ausserhalb seiner Heimat. Der Suâui ist im
gleichberechtigten sunnitischen Fraktionen , von denen
allgemeinen etwas kürzer und gedrungener als der
in Tunis und Tripolis übrigens nur die Malekiten
Araber, er hat ein mehr rundliches oder doch brei-
und Hanefiten in Betracht kommen .
Als
Cham
teres Gesicht und eine breitere, weniger gewölbte ssia« oder » Chuamssîa« ') sind die Beni Msâb von Nicht
den orthodoxen Musselmin sehr verachtet und dürfen
selten finden sich auch unter den Suậua blau- oder
Stirn als dieser , eine weissere Hautfärbung .
grauäugige Individuen mit blondem , braunem oder
keine Djema derselben betreten . Ihre religiösen Uebun gen , Gebete und Waschungen verrichten die Mosa
selbst rotem Haar.
biten in ihren Häusern ; sie sollen indessen , wie mir
In seiner Heimat kleidet sich der Kabyle meist mit einem
Hemd, über welches ein weisswollener
mitgeteilt wurde, in dem Hause eines der Ihrigen oder in einem Vereinshause auf dem
Ssùķ-el - Blât
Bernuss gezogen wird. Den glattrasierten Kopf be-
(dem früheren Steinplattenmarkte) einen regelmässi
deckt eine rote Filzkappe ohne oder mit kleiner
gen Gottesdienst abhalten . Den Begräbnisplatz haben
Quaste, zuweilen auch eine Kappe aus weissem Filz .
sie gleichfalls nicht mit den » rechtgläubigen« Musel
Der Anzug starrt gewöhnlich von Schmutz und Oel,
männern gemeinsam . Im allgemeinen sind die Beni Msâb kräftige, mittelgrosse Leute mit unschönen Gesichtern und
der Bart wird selten geschnitten. In Tunis ist das anders ; die Sukua kleiden sich meist, je nach ihren
Mitteln, wie die dortigen Städter der ärmeren oder gelblicher Hautfärbung. Etwas Negerartiges fehlt reicheren Klasse .
Als Arbeiter sind die Kabylen nach den marokka nischen Berbern – mit denen sie auch den Wander
ihren Zügen vollständig. Als eine besondere Eigen tümlichkeit ist mir aufgefallen , dass viele von ihnen Fehler an den Sehorganen haben , schielen u . dgl .
trieb gemeinsam haben am geschätztesten. Von den Kasernen, welche die Suầua bis nach der Okkupation innehatten , lag eine auf der soge-
krankheiten , die der Wüstensand ihrer Heimat im Verein mit der Unreinlichkeit in jungen Jahren bei
nannten Tróndja (der heutigen Avenue Bâb -el-chádra ), und dieses Gebäude dient gegenwärtig der französi-
ihnen hervorgerufen hat; doch erscheinen mir ge rade die Msabia hierfür mehr disponiert als andere
schen Centralverwaltung für Brücken- und Chaussee-
Bewohner der Vorwüste.
Ohne Zweifel sind dies Ueberbleibsel von Augen
bau als Sitz . Eine zweite frühere Kaserne der Suầua-
Die Kleidung der Beni Msâb ist die folgende :
Miliz liegt am Bàb -djedid , eine dritte im Haddadin
Kopftracht wie bei den Ulêd -el-'Arúsch , nur dass den Msib -Leuten die feste Halfa -Kappe fehlt und
(Strasse der Schmiede) des Quartiers Halfâuin , eine vierte endlich vor dem Bâb-ess-Ss'adûn , in welcher jetzt französischer Train und Administrationstruppen liegen.
die Kamelschnüre (häufig auch ein weisses oder blau und weiss gemustertes Tuch ) um den nur mit einer Stoffkappe und dem Shawl darüber bedeckten Kopf
Die Beni Msåb , auch Msabia , von den Fran- gelegt werden. Die Kopfform tritt so bei der Mosa zosen Mozabites genannt, sind berberischer Ab-
bitentracht viel natürlicher hervor als bei der der
stammung und sprechen einen dem marokkanischen
algerischen Araber. Vielfach verhüllen sie, die hei
Schilha nahestehenden Dialekt. Sie sind vielleicht in der Stärke von 600 in Tunis vertreten und fast
ausschliesslich die Eigentümer und Diener der Ausland 1890, Nr. 17 .
1 Die Bezeichnung »uahhàbi« für einen solchen ist nicht gebräuchlich in Tunis. Das Bekenntnis der Msabîa deckt sich auch nicht mit dem der Wahhabiten in Arabien . 50
che
Centralasiatis
326
mische erprobte Praxis beibehaltend, Kinn und Mund. Als Oberkleid tragen sie in der Regel eine gestreifte wollene Djellabîa, ähnlich der der Marokkaner, ein
Inschriften .
Buchstaben, teils an die altnordischen Runen erinnerten ,
betitelt » Inscriptions de l'Iénissei recueillies et publiées par la Société Finlandaise d'Archéologie « an die Mit
Kleidungsstück, welches in Tunis und Algier »Kascha-
glieder verteilt. Diese durch finnländische Expeditionen
bía » genannt wird; darunter meist eine schöne, dicht
in den Jahren 1887 und 1888 auf Felswänden und Grabsteinen in den Steppen des oberen Jenissei,
und fest aus dunkler Wolle mit bunten Streifen-
mustern in der Heimat gewebte Gandúra, ein weites Oberhemd. Die Tracht wird vervollständigt durch
nördlich und südlich von dem Sajanischen Gebirge
ein leinenes Unterhemd, kurze, oft bis zum Knöchel
entdeckten und kopierten Inschriften sind, wie man aus verschiedenen späteren Funden bereits schliessen
reichende Beinkleider und die schwarzer algerischen
kann, nur die ersten Beispiele einer Schriftart,
Schuhe oder gelbe Pantoffeln . Die mosabitischen Badediener sind , der Situation angepasst , im Hammâm stereotyp nur bekleidet mit einem Hüfttuch (Fóta), meist weiss mit
die in vormongolischer Zeit in Centralasien weit verbreitet gewesen ist , und deren Ent zifferung somit die grösste Bedeutung haben muss für die Völkerkunde und die Vorgeschichte eines
roten Seitenstreifen an den kurzen Enden , mit einem
Weltteils, der als die Wiege der Völker gilt.
turbanartig um den Kopf gewundenen Shawl und
indoeuropäische Charakter dieser Inschriften ist dabei
schliesslich – um sich beim Ein- und Ausgehen in
im höchsten Grade geeignet, unsere Wissbegierde zu erwecken, und die Geschichte der Entdeckungen wie die gegenwärtige Stellung der Frage darf ein all
den stark geheizten Räumen gegen Erkältung zu schützen
noch mit einem Bischkir genannten
Der
weissen Tuche um die Schultern und mit einem
seitiges Interesse beanspruchen.
gleichen , welches sie etwa in der Art, wie die Damen in Spanien ihre Kopftücher, tragen .
Einige der erwähnten Inschriften waren schon seit längerer Zeit bekannt; die sie reproduzierenden Hand
Die Bewohner von Uárgla werden Uarglia oder Uërglia genannt, und zwar bezeichnet man
zeichnungen ermangelten jedoch des Gepräges der jenigen Zuverlässigkeit, die die Aufmerksamkeit der
gewöhnlich in Tunis nicht nur die Bewohner dieses
Gelehrten dauernd hätte fesseln können . Die erste In
Oasenkomplexes, sondern auch die einzelner benachbarter Oasen mit gleicher Bevölkerung, z . B. Tug-
schrift wurde im Jahre 1721 von Dr. D. G. Messer schmidt, einem aus Danzig gebürtigen , auf BefehlPeters
gurt, als Uarglia. Der Name wird somit kollektiv angewendet auf die ganze Gruppe dunkler Misch-
d. Gr. reisenden Naturforscher, am Uibat, einem Neben fluss des Abakan , der seinerseits in den Jenissei fliesst,
berber im
und die zweite auf einer Bildsäule im
südöstlichen Algerien.
Die Sprache ist
folgenden
ein eigener Tamasigt-Dialekt mit geringer Beimi- Winter von einem Freunde Messerschmidts, einem schung von westsudanischen Idiomen. bei Pultava gefangenen Schweden , Kapitän J. Ph . Die Varglia in Tunis, die allermeist der armen Tabbert, in Stralsund geboren , der später unter dem Klasse angehören , haben ein mulattenartiges Aus- Namen von Strahlenberg geadelt wurde , an dem sehen, durchgehends eine stark bräunliche oder gelb- | Tes, einem in den Jenissei mündenden Bache, auf liche Färbung , aber manche haben dennoch nichts gefunden. Die beiden Inschriften wurden zum ersten
Nigritisches in ihrer äusseren Erscheinung. Ueber
male veröffentlicht von dem Akademiker Th . S.
die Beschaffenheit des Haares lassen sich nach der Bayer in Petersburg 1729 und von Strahlenberg blossen Anschauung keine Angaben machen, da die nebst der Beschreibung eines angeblich in einem Uarglia, wie alle Mohammedaner, den Kopf rasieren . Sie sind nicht allzu zahlreich in Tunis vertreten und fast ausschliesslich als Köche oder als Kaffee-
stösser (der Kaffee wird bekanntlich in mohammeda-
nischen Ländern nicht gemahlen, sondern in grossen
Grabhügel am Jenissei gefundenen , mit ähnlicher Schrift versehenen Spiegelfragments, in seinem be kannten Werke Der nördliche und östliche Teil
von Europa und Asia « 1730. Da Strahlenberg in diesem Buche gelegentlich die Charaktere der In
mörserartigen Gefässen zum feinsten Pulver gestossen)) schriften mit den altnordischen Runen vergleicht, thätig. Einige wenige sind Wächter in den Ssûks,
hat sich eine bis in unsere Tage dauernde dunkle
Heizer in den Bädern oder Diener.
Tradition ausgebildet , dass auch in Sibirien eine Art von Runenschrift existiere. Infolgedessen werden
(Fortsetzung folgt . )
die Inschriften in der russischen Litteratur noch als
Runenschrift bezeichnet. Die beiden Monumente sind heute noch vor
Centralasiatische Inschriften. Nach Mitteilungen des Herrn Professor J. R. Aspelin in Helsingfors.
.
Vier Inschriften dagegen derselben Art, die auf Befehl der Kaiserin Katharina II. am Jenissei
handen .
Bei dem internationalen Orientalisten -Kongress in Stockholm ( September 1889 ) wurde von Professor
und Uibat im Jahre 1784 kopiert und von Pallas 1793 publiziert wurden , und zwei andere, welche der Oberberghauptmann Spassky die eine an dem
Otto Donner aus Finnland eine interessante Publi-
Nebenfluss des Ob , Tscharysch , im
Altai -- ent
kation von 32 Inschriften in unbekannten Charakteren, deckte und der Akademiker Krug in den Inscriptiones die teils an die altetruskischen und altgriechischen | Sibirianae 1822 veröffentlichte, wie endlich eine 1823
Centralasiatische Inschriften .
von Klaproth publizierte Uibat-Inschrift sind nicht wiedergefunden worden . Ausserdem ist eine von
327
Die erste Expedition, welche durch Geldbeiträge verschiedener Gesellschaften und Privatleute in Finn
einem Beamten Titow in den 40er Jahren beschriebene land ermöglicht wurde, bestand aus Professor Aspelin Felseninschrift am Jenissei später dem Vandalismus, und dem Magister der Philosophie, Hjalmar Appel
angeblich eines reisenden Mineralogen , zum Opfer grien , und bereiste im Sommer 1887 die Kreise Mi gefallen und verschwunden . Von M. A. Castrén , der im Jahre 1847 den von Krug reproduzierten Inschriften nachspürte, wurden zwei Inschriften gefunden , die eine am Uibat , die
nusinsk und Atschinsk , wobei 9 früher bekannte und eine neuentdeckte Felseninschrift teils durch
Abklatschen auf nassem Filtrierpapier , teils durch Handzeichnungen kopiert wurden . Drei von diesen
andere, vielleicht mit einer von Pallas identisch,
Inschriften waren auf Bildsäulen eingegraben , von
am Jenissei , und nach Schwärzen der Buchstaben
denen mehr als dreissig sowohl an Gräbern als
für die Petersburger Akademie der Wissenschaften freistehend gefunden und abgebildet wurden; drei auf transparentes Papier übertragen . Diese Kopieen ,
andere schienen von Gräbern , die man dem Bronze
von denen die jenisseische 1856 durch Spassky
alter zurechnet, weggeschleppt worden zu sein ; nur
veröffentlicht worden ist , erregten grosses Interesse
ein einziges dieser Gräber konnte konstatiert werden .
und veranlassten im Jahre 1857 die Entdeckung
Auf der Reise wurden auch einige Hundert von
zweier neuer Inschriften am
russischen Bauern und Tataren aufgefundene anti
Jenissei durch Fürst
Kostroff, Hauptmann in Minusinsk, der sie nach
quarische Gegenstände angekauft und ein reiches
der Methode Castréns kopierte ; leider sind die
Kopieen verloren gegangen , was um so mehr zu
Material von Zeichnungen und vergleichenden Beob achtungen gesammelt; zu Ausgrabungen aber blieb
bedauern ist , als die Originale auf den Steinen später beschädigt worden sind.
keine Zeit übrig .
Die zweite , in ähnlicher Weise ausgerüstete
Im Jahre 1877 gründete der ApothekerMartianoff Expedition Aspelins, auf der ihn der Student Wuori in Minusinsk ein naturhistorisches und archäolo
als Artist begleiteté , ging von der Stadt Barnaul den
gisches Museum . Dorthin wurden allmählich von Tscharyschfluss aufwärts bis zu seinen Quellen im 1880-87 die Steine von Messerschmidt , Kostroff Altai, alsdann durch das Kalmükengebiet zu Pferde und der Castrénsche vom Jenissei, sowie vier neue vom Abakan und Uibat überbracht.
Fünf nach der
über die Bergketten , an den Quellensee des Tschu luschmarflusses Djulgol , wo das hohe Grenzgebirge
Methode Castréns in dem Museum genommene Saptschal ( 10560 Fuss) auf kaum passierbaren Pfaden Kopieen waren auf dem russischen Archäologen- überschritten wurde, und weiter die Flüsse Tschuj Congress 1884 in Odessa ausgesestellt und gaben und Kemtschik hinab in das sojotische Gebiet der
endlich den Anstoss zu eifrigen Nachforschungen
die seither mit immer wachsendem Erfolg betrieben,
dessen Nebenflüssen unter verschiedenen Abenteuern
worden sind .
mit den diebischen Sojoten und nach einer Reise
Als Repräsentant der Universität Helsingfors
Mongolei. Hier wurden an dem Ulu - Kem und auf Balkenflössen den Jenissei hinab , sowie noch
war bei dem Kongress in Odessa Prof. Aspelin
einmal zurück zu Pferde über die sajanischen Ge
anwesend , der in seinen Antiquités du Nord Finno - Ougrien 1877–84 nach Strahlenberg,
birge nicht weniger als 17 Inschriften mit denselben Charakteren , wie auf der russischen Seite des saja
Castrén und Spassky einige der laut Castrén und Rad- nischen Gebirges aufgefunden und kopiert .
Fünf
low den Gräbern des altai-uralischen Bronzealters
der Inschriften befanden sich auf Grabdenkmälern ;
entstammenden Inschriften publiziert hatte.
die Untersuchung der Gräber war jedoch wegen der
Von
ihm wurden die ausgestellten Kopieen kalquiert und
Haltung der Sojoten unmöglich. Nachdem die Ex
später durchforscht ; er fand, dass das Alphabet aus 38—40 Buchstaben zusammengesetzt ist , dass man
pedition die gefährliche Rückreise nach Minusinsk
von der rechten Seite zur linken lesen muss , und
auch in den Kreisen Minusinsk und Atschinsk fünf
dass die meisten Wörter, wie auch in der späteren Lapidarschrift , mit einem Kolonzeichen interpunk-
Inschriften, deren eine, an dem Flusse Ak- Jus, eine in schwarzer Farbe gemalte Höhlenschrift war, wäh
tiert sind .
rend drei sich an Grabdenkmälern befanden , entdeckt
Aspelin hatte an dem Kamafluss konstatiert, dass sich das finno -ugrische Eisenalter in den letzten Jahrhunderten v . Chr. aus dem altai-uralischen Bronze-
und kopiert, so dass die ganze Ausbeute dieser zweiten Expedition 22 Inschriften betrug. Um das somit gesammelte Material von 32 In
wiederum auf einem Holzfloss gemacht hatte, wurden
alter entwickelt hatte ; er sah deshalb die ungeheure schriften, die etwa 4000 Buchstaben umfassten, den Bedeutung dieser Inschriften für die Geschichte der Orientalisten vorläufig bekannt zu geben, wurde im
Völkerwanderung ein und forderte den finnischen folgenden Winter eine erste Publikation der » In Altertumsverein , dessen Präsident er war, auf, eine
scriptions de l'Iénissei« vorbereitet, dieselbe , die
Expedition auszurüsten, um die Inschriften in sicheren von Prof. Donner auf dem Orientalisten -Kongress in Kopieen für die Wissenschaft zu retten und ihren
Stockholm vorgelegt wurde.. Da indessen die Be
Zusammenhang mit den übrigen archäologischen
deutung der Inschriften für die Vorgeschichte und
Monumenten am Jenissei festzustellen .
Archäologie Centralasiens von einer durch Gräber
atische
Centralasi
328
n Inschrifte .
forschung vermittelten Bestimmung der entsprechen-
und goldene Gegenstände, in denen keine Traditionen
den Kulturschichten abhängig war , da fernerhin direkte photographische Aufnahmen für die Bear-
des Bronzealters sichtbar sind .
wähnt, dass das Museum in Minusinsk im vorigen
beitung der Inschriften unumgänglich nötig schienen ,
Jahre einen Riemenbeschlag und eine chinesische
Es sei hierbei er
.
zwei photographischen Apparaten . In Minu sinsk trennte man sich :
Dr. Heikel , von einem
sen .
schen Gründen einen noch etwas früheren Ur
sprung der Schrift vor
aussetzen . In den Jahr
Gehilfen für das Pho
hunderten nach Christi
tographieren begleitet, ging über die sajani schen Gebirge nach der Mongolei, während As pelin und Snellman auf
Geburt herrschten am
oberen Jenissei die Ha kasen , ein lichthaari
tig waren .
アンメトーク イ ク
Nach einer mühsa und abenteuer lichen Reise durch die
men
ters unterjocht und - nach Klaproth mit der Zeit die tür -
kische Sprache ange nommen hatte.
rat mit den Kassetten und anderem Zubehör
chinesischen
20
gelegentlich des Durch
for threath
watens angeschwolle
LANTAT
ner Flüsse oft durch
Laut
Quellen
benutzten die Hakasen dieselbe Schrift wie die
Ost-Uiguren , die an dem Quellfluss Orchon der Selenga in der öst
nässt wurde, gelang es Heikel, fast alle bekann ten Inschriften auf der
lichen Mongolei wohn ten . Diese Mitteilung
mongolischen Seite zu
photographieren
ges Volk, das, wie es scheint, die Bevölke rung des Bronzeal
:)".4
Berge, wobei der Appa
har X18X01.JikTel:, a
14.vN:2 YONNAL TAAN XA
der russischen Seite thä
und
auch ain Kemtschik und Ulu -Kem zwei neue zu
Doch kann man
vielleicht aus epigraphi
Ev
man , war im Besitz von
il
da endlich die Erwerbung neuen Materials noch in Münze erwarb , in welche Wörter mit Jenissei Aussicht stand , wurde eine dritte Expedition für Charakteren eingeritzt sind . Der Beschlag gehört den Sommer 1889 ausgerüstet und die chinesische einem entwickelten Eisenalter, die Münze den Jahren Regierung auf ministeriellem Wege ersucht, dem 841–46 an . Da die vergleichende Forschung an Finnischen Altertumsverein die Durchforschung von nehmen lässt , dass die Grenze des Bronze- und Eisenalters am oberen Jenissei um 300 v. Chr. Gräbern in der Mongolei zu gestatten . Die dritte Expedition , zusammengesetzt aus dem anzusetzen ist , so scheinen die jetzt bekannten In Prof. Aspelin , dem Dr. A. O. Heikel und dem schriften vom Jenissei einen Zeitraum von wenigstens 1000 Jahren zu umfas Mag. phil . Arthur Snell
I 29
120
1:29
ist nun soeben in un unerwarteter Weise be stätigt worden .
Herr Jadrintzeff, ein russischer Ethnograph kopieren. Dagegen erhielt er die zu Ausgrabungen nötigen Dokumente wegen der schlechten Verkehrs- in Irkutsk , machte im vorigen Sommer von Kjarta verbindungen zu spät , um sich auch diesem Teile aus eine Exkursion an den Orchon , um die 11. a . des Programms widmen zu können .
durch Rubruquis und Marco Polo bekannt gewordene
Auf der nördlichen Seite der sajanischen Berge Hauptstadt Dschengis-Khans, Karakorum , wieder entdeckte man mittlerweile ein neues Grabdenkmal mit Inschrift und öffnete drei mit Inschriften ver-
Tolafluss gut erhaltene Ruinen von einem
sehene Gräber. Das erste enthielt verbrannte Knochen
schloss und an dem Haruhafluss ein altes , ausge
von etwa dreissig Individuen und Gegenstände aus
dehntes buddhistisches Kloster.
einer anscheinend späten Periode des Bronzealters . Das zweite erwies sich als eine rektanguläre hölzerne Grabkammer, in der die Aschenreste von etwa 100, bisweilen mit bemalten Gipsmasken versehenen
See Ugej - Nora fand er weitere Ruinen von zwei
Toten , auf drei Schichten verteilt, gefunden wurden ,
und gehörte dem Anfang des Eisenalters an , wo die alten Formen der Bronzezeit in eisernen Gegenständen fortlebten . Das dritte endlich enthielt eiserne
zufinden .
Er entdeckte auf seinem Wege an dem
Khan
Südlich von dem
Städten , die eine 15 km im Umfang. Die Plätze sind gekennzeichnet durch Mauern und Türme aus
Lehm , Granitsockel, gewöhnliche und gefärbte "Ziegel . Ausser den Städten gibt es Schlossruinen und andere Trümmerreste am See Tsagan -Nora und dem Fluss Dschermonta . Unweit der Schlossruinen von Kara korum (Hora -Bolgosun ) am Orchon wurden Teile
Die Quälgeister bei den Südslaven .
eines grossen Obelisken mit Drachenabbildungen in
329
Die Quälgeister bei den Südslaven .
Basrelief und Inschriften mit Jenissei - Charakteren
Vorwiegend nach eigenen Erinittelungen
gefunden , sowie ferner nahebei vier Grabstätten mit 3 1/2 Meter langen und 1'2 Meter breiten Obelisken, bedeckt mit ähnlichen Charakteren auf gewaltigen Eine Seite nur , die Jadrintzeff ab Piedestalen .
von Dr. Friedrich S. Krauss in Wien.
I. Mora .
Blutwallungen, denen sich Krämpfe zugesellen ,
zeichnete, enthielt 40 Zeilen. Auf einigen Obelisken Anschwellungen der Blutdrüsen mit Milch- oder ist eine andere Seite mit chinesischen Hieroglyphen Blutfluss , schmerzhaftes Herzklopfen mit Atembe bedeckt, die wahrscheinlich eine Uebersetzung der klemmungen und dergleichen krankhafte Zustände, fremden Schrift enthalten . Nach Jadrintzeffs Mei
welche die nächtliche Ruhe zur nächtlichen Pein um
nung sind diese Schriftreste Spuren einer alten von den Kultur uigurischen nichtet wurde. Die, die erwähnten 40 Mongolen Zeilen hat ver Ja-
wandeln können, führt der Volksglaube, einen Grund für solche Wirkungen suchend , auf Bedrückungen
drintzeff lithographisch reproduziert und unter dem
nächtlicher Quälgeister, auf die Mahren zurück. Heu tigestags ist man über die Erscheinung und die Volks
Titel » Anciens caractères trouvés sur despierres auffassung völlig im klaren .. Viele gelehrte Erklä de taille et des monuments au bord du Orkhon rungsversuche vertragen kaum mehr eine Erörterung, wie z . B. jene A. Hennes : »Die Nachtgespenster
dans la Mongolie orientale« veröffentlicht; leider ist die Abschrift am Ende angefangen und von der
sind abergläubige Entstellungen der Gestirne, deren
linken Seite zur rechten gemacht, so dass alles um
Strahlen überall hindringen und den stärksten Einfluss
gekehrt erscheint. Nur einige Buchstaben sind neu
auf die Nachtruhe der Menschen üben , indem ihre
und kommen in den Inschriften vom oberen Jenissei Helligkeit dieselbe oft stört oder vereitelt. In den nicht vor. Auch zeigt eine vorläufige Vergleichung des Wortmaterials, dass die Sprache der Inschriften
wandernden und irrenden Nachtmahren .... erkennt man ohnehin (? ! ) die in Tiergestalt gedachten, ruhelos
vom Orchon eine andere, als die der Jenissei- hinziehenden Sterne.« Henne verkenntund überschätzt Inschriften sein muss .
den Einfluss der Sternenwelt auf die Nachtruhe des
Auch in der Umgebung von dem See Issik-Kul, südlich des Altai , hat ein junger Forscher, Namens Ivanovsky, im letzten Sommer einige Inschriften
ist mit dem Mahrgeplagten nicht zu verwechseln. Die Mahr verhindert eben die Beweglichkeit , sie
Menschen . Der Mondsüchtige oder der Nachtwandler
den Leib des Schlafenden lahm , die Sterne aber gefunden , die , nach seinen Handzeichnungen zu legt und der Mond beeinflussen in einer anderen , ent urteilen,zu derselben Schriftgrupp . Esaufist gegengesetzten Weise den Schläfer. e angehören somit hoffen , dass diese immer zahlreicher tretenden
Inschriften
eine sehr willkommene Be
In neuester Zeit wird wieder von einigen Ge
leuchtung der alten Sprachverhältnisse Centralasienslehrten die uralte Ansicht eifrig verfochten , die Gestalt bringen und bei ihrem westasiatischen Charakter
der Nachtmahr verdanke dem Traumleben ihre Ent
die Frage über die alte geschichtliche Verbindung der stehung und ihr Dasein. Diese Auffassung ist zum central- und westasiatischen Völker aufklären werden .
Teil richtig ; der nächtliche Quälgeist ist aber auch bei
In Finnland wird gegenwärtig eine vierte Ex
den meisten Völkern mit den Waldgeistern oder viel
pedition zur mechanischen und photographischen leicht eigentlich mit den Windgeistern innig verwandt, Aufnahme der neuentdeckten Inschriften und zur
doch erscheint nebenher, zumal bei den Slaven, die
Feststellung der archäologischen Schichtenfolge, deren
Mahr auch als der Geist eines Verstorbenen , der eine
historische Bedeutung unverkennbar ist , für den
neue Geburt durchgemacht hat, d. h . aus der unbe kannten Geisterwelt oder , wie die modernen Spiri
kommenden Sommer vorbereitet .
sagen , aus der vierten Dimension , inseieinen menschlichen und lebenden Leib hineingefahren Die drei Abbildungen sind dem am Eingang tisten
citierten Werke » Inscriptions de l'Iénissei« nommen .
ent
Die beiden ersten Steine stammen vom
Uibat, der dritte vom Ufer des Ujug. Gewöhnlich bestehen die aufgerichteten und behauenen Steine aus einem weichen , schiefrigen Sandstein , seltener
den Besessenen zu unheimlichen Thaten dränge. » Bezeichnend ist hierbei die Vorstellung , « sagt mit Bezug darauf F. Liebrecht , dass die auf unge wöhnlichem Wege auf Erden Anlangenden (oder
aus Granit . Auf den menschlichen Gesichtern ist Zurückkehrenden) nicht nach ihrer Heimat gefragt durch Linien und Kreise , ebenso wie auf den ge
sein wollen, als ob sie die Erinnerung daran mieden,
malten Gipsmasken einiger Gräber Tätowierung indem durch eine derartige Frage eine unwidersteh angedeutet. Figur III ist der einzige von allen auf gerichteten Steinen , der eine horizontale Inschrift trägt; er ist geschmückt mit Hirsch- und Eber
liche Sehnsucht nach derselben erweckt und sie so zur Heimkehr veranlasst werden könnten . Einen
Beleg dafür haben wir in meinem Buche ) beim
figuren, welche die Kenntnis der sajanischen Fauna Vilenglauben kennen gelernt, einen weiteren werden beweisen, und überliefert uns auch das Abbild eines Dolches, der mit denen des Bronzealters eine grosse Aehnlichkeit besitzt . .
wir gleich bezüglich der Mora erhalten . Wenn irgend ein Glaube allen Völkern der 1) Volksglaube und religiöser Brauch der Südslaven . Mün ster in Westfalen 1890.
Ausland 1890 , Nr . 17 .
51
Die Quälgeister bei den Südslaven.
330
Erde zu allen Zeiten und unter allen Zonen ge- | Unglück hatte sich damals niemand gefunden , der meinsam war und ist , so ist es der Mahrglaube. von der Spitze des Daches in die Welt hinausge Der südslavische weist unbedeutende Eigentümlich- schrieen haben würde : ‘Es ist eine kleine , rote keiten auf, es wäre denn eine, dass er besonders tief Hindin in einem roten Hemdchen geboren worden
im Volksgemüte noch gegenwärtig eingewurzelt ist. Die Mahr (nach anderer Schreibung: Mar) heisst bei den Serben in Serbien , Montenegro, Dal-
(rodila se crvena košutica u crvenoj košuljici).' Dies wäre ihre Erlösung , gewesen . Während ihrer Mädchenzeit wurde sie im ganzen Dorfe verfolgt;
mora , daneben unter den Kroaten mura und in
die Dorfleute waren fahl und blass , als ob das Fieber alle plage , und oft sah man morgens das
Falls das ,t' in
Mädchen zerkratzt in die Häuser kommen mit der
tmora nicht als parasitisch , sondern als thematisch angenommen werden sollte , so würde uns gerade diese Form eine erwünschte Aufklärung des rätsel-
Bitte : , Gevatter, gib mir ein Körnchen Salz !*< — All gemein gilt es, dass Kinder weiblichen Geschlechts, die mit einem sogen. Glückshäubchen, in der Lika
matien , bei den Bulgaren und Slovenen allgemein Slavonien und in Bosnien tmora .
haften Wortes geben. Es würde von tema (tmica, tama
-
Die Monte-
Dunkeln wandelnde zu übersetzen sein .
In Süd-
bulgarien nennt man die Mora auch la mia. Der Name ist dem Griechischen entlehnt.
sagt man »in einem Bettchen « (posteljica) oder einem blauen Hemdchen (modra košuljica) geboren werden , als Moren die Menschen quälen müssen. Solche Mädchen sähen bei Nacht ebenso gut wie Katzen . Der Volksglaube setzt die Moren in engere Be
Dunkelheit) abzuleiten und mit die im
negriner sagen lieber vještica (Hexe) als Mora.
ziehung zu den Hexen , doch gehen die Meinungen
Ausnahmsweise nennt das Volk die Mora auch Vila ,
in Einzelheiten stark auseinander. Die Beziehungen
doch ist letztere Bezeichnung dann nur als Schimpfwort aufzufassen, nicht aber als ein eigentlicher Name.
sind jüngeren Ursprungs. Manche glauben , die Mora sei eine Hexe (vještica ) , die ihr Thun bereut und
Das Wort Mora ist dem Bauer schrecklich auszu-
das Gelübde gethan habe , keinen Menschen mehr auszufressen , sondern die Leute bloss nächtlich im
sprechen, darum umschreibt er es gewöhnlich mit noénica ( Nachtfahre , Nachtfrau , domina noc turna). Wenn sich bei einem Manne die Brust-
Schlaf zu bedrücken und ihnen den Atem zu be
warzen verhärten und ihm dies Schmerzen bereitet, so glaubt man , Noćnice saugen an seinen Brüsten
heiratsfähiges Mädchen , welches nach der Ver heiratung eine Hexe werden soll . Im Herzögischen
nächtlich (Serbien , Slavonien). Verschiedene Namen für ein Wesen bilden sich im Volksglauben mit der Zeit zu neuen, verschiedenen Wesen aus. So unter-
borene Mädchen , die diesen ihr ganzes Treiben ablernen , doch während ihrer Mädchenzeit das
scheidet man im Savelande unter den Serben schon
Zauberwerk nicht ausüben können und vor ihrer
zwischen Mora und Noénica. Die Mora sauge die kleinen Kinder aus, die Noénica schlage sie, so dass der Oberleib eines geplagten Kindes gleichsam mit
Verheiratung niemandem das Herz ausweiden dürfen. In dem Augenblicke aber, wo bei der Trauung der
blauen Striemen bedeckt erscheine.
Mora zu einer Hexe . Auf Curzola und den übrigen Inseln behauptet man dagegen , die Mora sei keine unverheiratete Hexe, vielmehr gebe es sowohl ver heiratete als unverheiratete Moren , auch könne nie eine More zu einer Hexe werden . Im allgemeinen
Die Slovenen in Steiermark kennen neben der
Mora noch einen männlichen Quälgeist: vedomec, welcher, wie ich nach den einschlägigen Mitteilungen und Erhebungen schliessen muss , dem deutschen in Volksglauben entlehnt ist und unserem Alp in allen Stücken entspricht. Nur der Name ist slavisch . Im übrigen sind die Moren bei den Südslaven nur wirkliche menschliche Wesen , und zwar ausschliess-
lich weiblichen Geschlechts. ( Nach südslavischem Sprachgebrauche zählen Frauenzimmer freilich nicht zu den Menschen .) Die Mora bei den Südslaven beschränkt sich nicht, wie die Mahr bei den Deutschen , aufs Milchtrinken ,
sondern saugt regelmässig dem Menschen Blut aus. Ohne eigenes Zuthun wird das Menschenkind zur Mora .
Der
verderbliche Geist
nimmt
vom
Menschen Besitz und zwingt zu seinen Diensten den besessenen Leib , der schliesslich oft für den fremden
nehmen . Andere wieder glauben , die Mora sei ein glaubt man ferner , Moren wären von Hexen ge
Mora der Kranz aufgesetzt wird, verwandle sich die
seien die Moren an dem zerkratzten Gesichte, die Hexen aber an den Hitzbläschen und Wimmerln im Gesichte erkennbar (Insel Brazza). Moren vermögen gleich dem Teufel und den Hexen jede mögliche Gestalt anzunehmen, nur nicht die eines Schafes oder einer Biene. Dank ihrer Verwandlungsfähigkeit kann die Mora durch die allerkleinsten Ritzen hindurchschlüpfen. Die Mora steht nicht leicht ab von ihrem auserkorenen Opfer. Sie pflegt es z. B. in der Gestalt eines Pferdes oder eines Hundes zu begleiten . Es ist vielleicht kein Zufall, dass der Volksglaube sie ein Pferd von weisser Farbe sein lässt . Auch die Pest in Pferdegestalt ist von weisser Farbe. Nächtlich bedrückt eine
Mora
den
Schläfer
Geist zu büssen hat. In einer Dorfgeschichte des Dalmatiners Vuletić, » Die Mädchenhöhle« , erzählt ein Mädchen : » Ich hatte eine Tante Namens Aenn-
meist in Menschengestalt, oder als Henne, oder als ein Hund, oder als eine Schlange , oder als eine
chen, die war als Mora zur Welt gekommen , das
Schlinge, oder als ein Zwirnfaden , den man nicht
heisst, in einem blutigroten Hemdchen .
Zu ihrem
erfassen kann.
Die Mora wirft über den Menschen
Die Quälgeister bei den Südslaven .
vorerst einen tiefen Schlaf, doch raubt sie ihm das Bewusstsein nicht.
Hat einmal eine Mora bei einem
Menschen süsses Blut entdeckt, so verliebt sie sich in ihn und weicht nicht mehr von ihm . Mag er
331
ni udova udovica
keiner Witwe, zweimal Witwe ,
ni maciona macionica ; dokle ne bi pribrojila na nebu zvijezde , na gori listove na moru pijesak
15
im Hochgebirg die Blätter, die Sandkörner im Meer, auf der Hindin das Haar ,
na kućki dlake ,
im Schlafe noch so ächzen und stöhnen, die Mora wehrt ihm das Erwachen .
20
na kozi runje na ovci vune na vuni dlake ;
In Kroatien glaubt man, die Mora habe Füsse von dieser Form ☆ . Um sich vor den Heim suchungen der Mora zu schützen , zeichnet man sich auf die Brustwarzen (sise) ihre » Pratzen « (sape) auf , dann lässt sie einen in Ruhe.
Ich vermag
diesen Zug bei den übrigen Südslaven nicht nachzuweisen und wage die Vermutung, er sei dem Volksglauben der eingewanderten Schwaben entlehnt (Drudenfuss). Die Mora wälzt sich einem auf die Brust und benimmt einem den Atem .
Es sei er-
wähnt , dass der südslavische Bauer mit Vorliebe
keiner magischen Magierin , eh ' sie nicht zu End' gezählt hätt ' : am Himmel alle Sterne ,
a kad bi to prebrojila , vratilom se opasala, zaštikalom poštapila , ušla u jajsku ljusku,
utopila se u morsku pućinu, trinka joj Trakuli, vragu joj glava, sve joj koze vrag odnio mleko joj se ne sirilo , nego rekla : jaoh ! jaoh joj dala Lena plena i Marija Magdalena ! Amin !
auf der Ziege die Zotten , auf dem Schaf die Wolle , auf der Wolle die Haare ; und sollt ' sie dies zu Ende zählen ,
gürt ' sie sich mit einem Webbaum , 25 Webstuhlnagel sei ihr Stecken, sie fahre in eine Eierschale hinein, sie soll in der Meerflut ersauſen ; ihr Eingeweide dem Bandwurm , ihr Kopf falle dem Teufel zu , 30 der Teufel hol ' ihr alle Ziegen ; ihre Milch soll sich nicht verkäsen ; sie soll vielmehr schreien : o weh ! o weh ! bescher ' ihr Lena plena und Maria Magdalena ! Amen ! ( Aus Grbalj in Dalmatien .)
Das Wort ,bora' im 1. Vers mag vielleicht den Wind Bora bezeichnen, doch ist es möglicherweise
Auch
hier nur ein bedeutungsloses Füllsel . Die Namen in Vers 4-7 beziehen sich wahrscheinlich auf die
bei den deutschen Bauern beobachtete ich vorwiegend
Heiligenbilder, die an den Wänden der Stube hängen.
auf dem
Rücken liegend schläft und die Hände
unters Haupt, gleichsam als ein Kissen , legt.
Lena plena in Vers 33 ist wohl von der lateinischen
diese Lage , während der bürgerliche Deutsche die Seitenlage bevorzugt und wohl daher auch seltener über Alpdrücken zu klagen hat. Hauptsächlich wird die Mora als Quälerin der Wiegenkinder gefürchtet. Dass ein Kind von einer Mora ausgesaugt wird , erkennt man an den angeschwollenen Brüsten, welche Feuchtigkeit absondern. Die Ausscheidungen wäscht man weg und reibt die
plena ( amoris Christi). Katholische Bilder sind bei Altgläubigen in Dalmatien nichts Ungewöhnliches. Der Glaube an die gute Wirkung solcher Bann sprüche und Gebete ist nicht gross , denn man nimmt
Geschwulst mit Knoblauch ein ; denn die Moren
Mittel gilt , die Mora gründlich durchzubläuen oder
vertragen gleich den Hexen keinen Knoblauch . In Bosnien legt die Mutter ihr saugendes Kind nicht eher in die Wiege , als bis sie es mit einer Schere dreimal bekreuzigt hat. Die Schere verbirgt sie unters Kopfpölsterchen, sonst schadet dem Kinde eine Hexe, oder es wird von einer Mora erwürgt (da' ga ne bi umorila tmora ). Um Kinder vor der Mora und Krankheitsgeistern zu bewahren , räuchert man abends die Bettchen mit einem alten Stück Schuhleder aus , welches man auf glühende Kohlen
Unterschrift eines Bildes entnommen :
Sa. Helena
noch zu mancherlei anderen Abwehrmitteln seine
Zuflucht.
Als bestes , doch schwer durchführbares
gar zu verbrennen . Manches als Mora verdächtigtes Frauenzimmer wurde von erbitterten Leuten auf
Kohlenglut gesetzt , so dass sie böse Brandwunden davontrug. Man glaubt nämlich , dass die einmal angebrannte Mora nie wieder kommen werde. Mit
unter genügt es , dass man irgend ein Kleidungs stück der Mora vom Leib reisst und als Pfand zu rückbehält. Um es zurückzubekommen, muss sie sich
zu jeder Bedingung bequemen. In Montenegro
pflegen die Leute, die von einer Mora gedrückt und
legt ; denn man glaubt, dass Unholde solchen Ge-
gewürgt werden,vor dem Schlafengehen einen ge
stank scheuen . Gewiss ist es , dass Motten und
webten Leibgürtel der Länge nach über die Decke
Gelsen ferne bleiben (Serbien , Bulgarien ).
auszubreiten.
Die Flüche und Beschwörungen , die man gegen Krankheitsgeister sonst ausstösst, wendet man in kürzeren Fassungen auch gegen die Moren an . Im Vergleich zu den vielen Bannformeln in meinem Buche
erscheint, so zieht sie sich vor dem hegenden Band wieder zurück oder glaubt, eine andere Mora sei ihr zuvorgekommen und habe sich als Band über
Wenn die Mora zur Heimsuchung
den Schläfer gemacht. Im »Bergkranz« spricht Serdar
über Volksglauben lehren uns die speziellen Moraver- Janko zu Wolf Mićanović, der sich berühmt, ihn fluchungen kaum etwas Neues, bis auf einige wenige habe noch niemals eine Mora gedrückt (pritisla) : belanglose Wendungen. Ein Beispiel mag ausreichen . Wer von einer Mora geplagt wird , pflegt vor dem Schlafengehen folgendes » Gebet« aufzusagen : Mora bora , ne prelazi prek ovoga bjela dvora , e su na njem tvrdi ključi od našega Siodora Siodora i Todora
i Marije i Matije i sestrice Levantije, koja nema pristupišta prek ovoga bjela dvora , ni kamena kamenica,
ni vjetrušna vjetruština, ni nametna nametnica
Mora ( bora ) überschreit' nicht dieses weissen Hofes Schwelle ; denn an ihm sind feste Schlüssel
von unserem Siodorus, 5 Siodorus, Theodorus und Maria und Matthias
und der Schwester Levantija ,
» Mir aber ist sie zur Last geworden. Stets trage ich Kren bei mir und Dornenstacheln im Kleider
saume eingenäht; doch gibt es kein zuverlässigeres Gegenmittel gegen sie (die Mora) als das , wenn
man sich zu Bette begibt , über die Kleider einen Gürtel der Länge nach zu legen « (pas pružit ozgo svrh haljina ). Wen die Mora drückt , der braucht nur vor
der allda kein Eintritt zusteht 10
über dieses Hofes Schwelle ; keiner Steinhex , sie versteiner ' , keiner Windhex, sie verwehe , keiner Plaghex, sei geplagt sie ,
dem Schlafengehen hinter die Thüre einen Birken rutenbesen mit dem
Stiel nach unten zu stellen,
und er wird vor der Mora Ruhe haben .
Es lebte
Die Quälgeister bei den Südslaven.
332
im Jahre 1866 zu Požega in Slavonien ein Kürschner- | Menschengestalt einstellen und um Brot und Salz geselle, ein starker Fresser, dem aber das Vielessen bitten . Es hat sich dadurch schon öfters ereignet, dass
schlecht bekam , denn ihn plagte die Mora. Sobald Weiber , die arglos in der Nachbarschaft Brot und er nachts das Licht ausgelöscht hatte und sich
Salz ausborgen wollten , tüchtige Schläge davonge
niederlegte , kam die Mora durch die nicht ver-
tragen haben , weil man sie für Moren oder Hexen
schliessbare Thüre ins Zimmer hinein und sprang
gehalten hat. Der Herzogsländler glaubt, gegen die
auf den Gesellen hinauf. Vor Entsetzen getraute er
Mora sei das beste Mittel , man binde sich vor dem
sich nicht zu rühren . Deutlich hörte er die Mora
Schlafengehen einen Faden um die grosse Zehe;
atmen und sich räuspern , doch sonst that sie ihm
denn da erwache man , sobald die Mora sich auf
nichts zu Leide an . Alle Zaubermittel halfen nichts
einen wälzt. Man sage ihr : »Komm morgen und
gegen das Uebel . Da riet ihm jemand, er solle ein verlang' ein Salz von mir !« Am nächsten Morgen Freitagskind, welches vor Moren gefeit sei , bitten, baue man die Mora windelweich durch, und man dass es mit ihm in einem Bette übernachte und die Mora mit einer Schere durchschneide. Die Wahl
wird zeitlebens vor ihr Ruhe haben .
Die Mora-Sagen erzählen ferner immer mit un wesentlichen Abweichungen dieselbe Geschichte von der wunderbaren Errettung eines Geplagten, der nicht
fiel auf mich . Wir waren in der Florianigasse be. nachbart. Ich war völlig furchtlos , weil man mir frühzeitig eingeredet 'hatte , ich könne nie Geister
einmal durch Flucht sich zu helfen vermochte, wenn
sehen , noch vermöchten Unholde mir auch nur das Geringste anzuhaben . So sass ich denn mit der schweren Kürschnerschere in beiden Händen auf dem Bette an der Wand, während der Geselle aus-
ihm nicht ein Zufall Erlösung brachte. Als typisch darf aber nachfolgende Fassung angesehen werden : Es war einmal ein Mann , den plagte derart die Mora (morila mora) , dass er schliesslich gar
gestreckt im Bette neben mir lag . Auf einmal hörten wir den Besen umfallen und die Thür aufgehen . Ein Satz, und die Mora lag auf dem Gesellen . Er fing
nicht mehr einschlafen konnte. Das Leben daheim
wurde ihm zu Leid , und er bestieg sein weisses Ross und ritt davon in die Welt hinaus ganz ohne
an
Plan und ohne Ziel .
>
zu
ächzen und bat mich himmelhoch in die
Mora hineinzuschneiden . Die Schere war aber für meine Knabenhände zu schwer, und so gab ich der Mora nur einen Stich in den Leib. Sie sprang im
>
Seine Flucht blieb aber ver
geblich, denn wo immer er sich auf der Reise zur
Ruhe begab , fiel auch schon gleich die Mora über
ihn her. So immer weiter durch die Welt wandernd, Nu mit einem fürchterlichen Geheul auf und ver- kehrte er einmal zu Nacht bei einem Schneider ein . kroch sich unterm Bette. Nun kamen die Leute | Als nach dem Nachtessen der Schneider seine Arbeit
herbeigerannt, machten Licht und fanden einen wieder vornahm und zu nähen anfing , klagte ihm grossen Hund aus der Nachbarschaft vor. Der Ge- der Gast sein Leid , wie ihn die Mora heimsuche
selle schlug ihn halbtot. Am nächsten Tag gab es einen furchtbaren Auftritt zwischen dem Eigentümer
und plage. » Weisst du was ,« sagte er, »während du hier nähst, will ich mich mal aufein Weilchen nieder
des Hundes und dem Gesellen, worauf letzterer sein legen und zu schlafen versuchen ,« deckte sich mit Ränzlein schnürte und nach Miholjac wanderte. seinem Lodenrock zu und streckte sich aus . Kaum In Dalmatien sagt man , es sei angezeigt , falls hatte er zum Schlafe die Augen geschlossen , fing man nachts von einer Mora gedrückt werde , mit ihn die Mora zu drücken an , und er hub an zu >
dem Fingernagel in die Wand oder ins Bettgestelle
schreien und sich zu wehren . Als der Schneider
zu kratzen ; denn danach werde man am nächsten Morgen die Mora an ihrem zerkratzten Gesichte
dies hörte, hob er die Kerze , um zu sehen , wie sich sein Gast abplage ; als er jedoch hinschaute,
(ogrančana) erkennen . Ein mohammedanisches Mäd-
erblickte er , wie sich ein weisses Haar mit der
chen in einem Dorfe bei Derventa in Bosnien, das eine Hexe war , liebte einen jungen Mann , ohne Gegenliebe zu finden . Um sich an ihm zu rächen , kam sie in der Nacht als Mora zu ihm . Er jedoch
Schnelligkeit einer Schlange über den Lodenrock hinbewegte, mit welchem sich der Schläfer zugedeckt hatte. Zufällig hielt der Schneider seine schwere Tuch schere in der Hand , fuhr damit auf den Rock zu und schnitt jenes Haar durch. Sobald das Haar sich
schlief nicht und erfasste sie bei ihren roten Haaren .
Alle ihre Bitten, er möge darüber schweigen, nützten ihr nichts , denn er verriet es dem ganzen Orte. Das Mädchen konnte sich an ihm nicht rächen, da
zu bewegen aufgehört , beruhigte sich der Schläfer
er ihr Haar in Händen gehabt und ihr gedroht
dankte er Gott für den gesunden Schlaf und die
hatte, das Haar ihr bei nächster Gelegenheit abzuschneiden. Sie heiratete später einen anderen, blieb kinderlos und soll noch jetzt leben. Wenn es dem Geplagten glückt , der auf ihm lastenden Mora das
gegönnte Erholung und lief gleich in den Stall zum
Hemd vom Leibe herunterzureissen , so werfe er es hinter die Thüre mit den Worten : » Komm
morgen , ich werde dir Brot und Salz geben !“ Die Mora muss sich am nächsten Tag in ihrer wahren
und schlief ruhig bis zum nächsten Tag , als die Sonne schon hoch aufgestiegen war. Als er erwachte, Ross, um es abzuwarten . Da hatte man es ! Liegt
nicht das Ross im Stall tot ausgestreckt? Als ihm nun der Schneider erzählte, wie er das Haar auf
dem Lodenrock durchgeschnitten habe, ersahen beide, dass die Mora, die den Wanderer so gequält hatte, niemand andres als das Ross gewesen . sei. Man würde irren , wollte man annehmen , das
G. Nachtigals » Sahărâ und Südân « III .
sei nur eine Schauersage, ersonnen zur Unterhaltung. Das Volk glaubt unverbrüchlich fest an die Wahr-
heit der Erscheinung und an den Wert der Gegen-
333
und wollte die Kerze anzünden , doch die Henne
blies das Hölzchen aus. So ging er denn zu seinem Bruder ins Schlafkämmerchen (kiljer) hinaus, weckte
mittel. Noch in der unmittelbarsten Gegenwart be-
ihn auf und hiess ihn ein Licht anstecken , damit
trachtet der südslavische Bauer die Mora als seinen
sie sähen , was er für eine Henne gefangen . Da
bitteren Feind, den er bekämpfen müsse ; an die Säuberung seiner ungesunden Wohnstätte , an die Beschaffung zuträglicher Nahrung , an Mässigkeit und zweckdienliche Bekleidung denkt er weitaus
sahen sie richtig eine Henne, versengten ihr alle Federn auf dem Kopfe und schleuderten sie mit aller Wucht in den Thürwinkel. Die Henne präuchte wie ein leeres Fass. Als sie merkten, sie habe genug
weniger. Zwei gutbezeugte Fälle aus der jüngsten bekommen, packten sie sie und warfen sie auf einen Vergangenheit sollen zur Beleuchtung des Volks- Steinhaufen vors Haus. In der Frühe hörten sie, Baba
glaubens an die Mora dienen . Die Belege liessen Marga (die alte Margarete) in der Nachbarschaft. liege im Sterben , gestern sei sie noch frisch und
sich leicht vermehren ,
Manda Lučić in Ramanovci erzählte meiner gesund gewesen. Der Mann ging zu ihr, sah, dass Mutter ( im J. 1887 ) : »Vor vier Jahren erkrankte
ihr Kopf wie gebraten und ihr Leib zerschlagen sei ,
mein Kind. Ich beklagte mich bei den Weibern ,
und sprach zu ihr : 'Gelt , du wirst nimmer mein Kind aussaugen kommen ! (jel de da ne ćeš moje
dass dasselbe fortwährend kränkle, grosse Brüste bekomme, und wie ihm Milch aus den Brüsten fliesse. Die Weiber sagten mir : 'Dein Kind wird von einer
dite više sisati !) Das Weib starb noch am selben Tage, das Kind des Mannes genas aber vollkommen . «
Tmora ausgesaugt . Nimm du einen Wälger ( eine längliche Walze aus Holz zum Auswalgen von Mehl
speisteig, oklagija) und pass'nachts auf; sobald
G. Nachtigals ,,Sahărâ und Sûdân “ III .
das Kind zu ächzen anfängt, spring ' du zur Wiege hin und drück ' das Wälgerholz darüber. So wirst du die Mora auf dem Kinde erwischen .' Lukas setzt
Mein
sich abends in den Ofenwinkel und
Von Prof. Ph . Paulitschke.
Trauererfüllten Herzens schlagen wir das posthume Werk des einsamen Schläfers vom Kap Palmas auf.
wartet ab . Auf einmal gegen Mitternacht bemerkt | Pietätvolle Hände haben aus dem Nachlasse Gustav er , wie sich etwas durchs geschlossene Fenster ins Zimmer einschleicht und zur Wiege hinzieht. Als
Nachtigals der wissenschaftlichen Welt das geboten , was ihr nicht vorenthalten werden durfte, eine zu
er merkte, dass es schon auf der Wiege liege, sprang sammenhängende Darstellung des letzten Abschnittes er aus dem
Ofenwinkel hervor und drückte mit
der grossen Súdân -Reise nach des Helden eigenen
dem Wälger auf die Wiege nieder und fing just
Aufzeichnungen und Diktaten ?), und so liegt der
jenes Weib ein , welches er in Verdacht hatte. Nun
Bericht über die Ergebnisse sechsjähriger Reisen in
schlug er sie mit dem Wälgerholz braun und blau,
Afrika, wie der tiefbeklagte Forscher sein grosses
bis sie ihn zu bitten anfing: 'Liebster Gevatter, Reisewerk bescheiden nannte, abgeschlossen vor, schlag mich nicht tot , ich werde das nimmermehr thun !' (Kume dragi nemoj me ubiti, ne éu to više nikada raditi ! ) Dann schlug er sie nicht weiter , und unser Kind wurde frisch und gesund. Jetzt ist es fünf Jahre alt, im sechsten . « Manda Šuperina in Suljkovci erzählte meiner
wahrhaft ein monumentum aere perennius. Ueber die Richtung und den Verlauf der Reise Gustav Nachtigals von Bornû über Wadâi und Dar Fôr an den Nil ist seinerzeit in den geographischen
Mutter : » In unserem Dorfe lebten ein Mann und
darauf an , hervorzuheben , wie der berühmte For
ein Weib , die hatten ein einziges Kind , zu welchem allnächtlich eine Mora (tmora ) kam , die das Kind aussaugte . Er klagte sein Herzeleid einem Weibe,
zu erschauen vermocht, wieviel er für die Wissen
das Kind könne ihm sterben , da es von der Mora ausgesaugt werde. Riet ihm das Weib : "Nimm >
und in den Tagesblättern allgemeiner Farbe das Wissenswerteste berichtet worden .
Hier kommt es
scher auf der gefährlichen Tour gearbeitet, was er schaft auf dem denkwürdigen , bis heute noch von keinem Reisenden wiederholten Zuge sichergestellt hat. Von selbst wird dann klar werden , dass der
einen Sack , wend' ihn auf die Kehrseite um , leg ' pietätvollen That Frau E. Groddecks , Nachtigals dich nachts deinem Weib zu Füssen , deck ' dich mit
III . Band herausgegeben zu haben, uneingeschränktes
dem umgewendeten Sack zu und hüt ' dich einzu-
Lob gebühre.
Wenn du nachts das Kind wirst ächzen
Der erste Abschnitt des Bandes ist den Erleb
hören , springst du hurtig auf und packst fest den Gegenstand an , selbst wenn es ein lebendes Ge-
widmet. Wir kennen bereits die Undankbarkeit seiner
schlafen .
schöpf sein sollte , und lässt es um keinen Preis aus . ' Der Mann that so und fing eine Glucke auf dem Kinde ein . Er hub an , sein Weib zu wecken , sie hin und her zu drehen , aber er konnte sie durch
nissen Dr. Nachtigals im Winter 1872–73 zu Kûka ge arabischen Freunde, seine beispiellose Armut und die 1) Sahărâ und Südân. Ergebnisse sechsjähriger Reisen
aus nicht erwecken , weil die Vila cinen Schlaf auf
in Afrika von Dr. Gustav Nachtigal. Dritter Teil. Heraus gegeben von E. Groddeck . Mit einem Porträt in Photogravure, einer Karte , zwei Schrifttafeln und Generalregister zum I. bis
sie geworfen hatte. Nun nahm er ein Zündhölzchen
III . Teil. 8 ". XXILund 548 Seiten. Leipzig, 1889, F. A. Brockhaus.
G. Nachtigals » Sabărâ und Südâns III.
334
klägliche Regierungsweise des gutmütigen alten Sultans Omar von Bornù aus den in den beiden ersten
hervor, welcher meist das Gebiet Kůkas , des Fitri Sees und Kânems umfasste. Neben der Sprache
Bänden des Werkes enthaltenen erschöpfenden Erzäh-
der Kanuri ist bei dem Volke noch immer auch
lungen des Forschers.
das Arabische gekannt. Sultan Dschurâb versicherte
Die grösste Sorge machte es dem gänzlich mittel- Nachtigal, er sei wohl im stande, hinlängliche Doku losen Manne, die Ausrüstung und die Geschenke für mente herbeizuschaffen , aus welchen sich der Ur die Wadâi-Reise aufzubringen . Geldanleihen zu 150 % sprung der Bulâla beweisen lasse. bei befreundeten Bornuanern aufzutreiben, war nichts Leichtes, und die letzten Habseligkeiten mussten geopfert werden. Dabei galt es, dem praktischen Sinn des Königs 'Ali von Wadài und seiner Liebhaberei für Pferde entgegenzukommen und den Herrscher
Den Fitri-See fand der Reisende als ein kleines
Becken von zwei Tagereisen Umfang und ovaler Gestalt.
Das Wasser soll an vielen Stellen so tief
von Bornù durch wirksame Abschiedsgeschenke für
sein , dass es mit Ruderstangen nicht zu ergründen sei . Der See schwillt alljährlich in der Regenzeit an , sobald der Batha (ein Chôr am Ostufer desselben )
die Ausstellung wohlwollender Empfehlungen zu ge-
sich in einen Strom verwandelt, und überschwemmt
winnen . Nachtigal überwand alle Schwierigkeiten,
dann alles umliegende Land , den Verkehr bei dem
und am 1. März 1873 machte er sich auf den etwa 1000 km langen Weg von Kûka nach Abesche, der Hauptstadt Wadâis, welchen die Karawanen gewöhnlich in 28 bis 34 Tagen zurückzulegen pflegen.
lehmigen Boden ausserordentlich erschwerend. Die
Bewohner ziehen sich infolgedessen nach den höher gelegenen sandigen Gegenden zurück. Bösartige Fliegen erschweren hier Menschen und Vieh das
Die Landschaft im Süden des Tsâde an der Mün-
Leben . Das Rindvieh kann nur bei Nacht geweidet
dung und den Zuflüssen des Scharisowie deren Bewoh-
werden, und wenn es bei Tage hinaus muss, sieht man
ner konnten nur flüchtig berührt werden , offenbar, weil der Marsch eben erst in Fluss gekommen war. Erst
es in strohgeflochtene Decken gehüllt. Dasselbe ge schieht mit Kamelen und Pferden, und die Fitri-Gegend ist auch ganz wildleer. Nur der Löwe, der Wasser
am Bahr el-Ghazal, dessen Anblick den Forscher sehr enttäuschte , und am Fitri- See ward es mög-
und Schatten nicht entbehren kann, macht die viel
lich , eingehenderen Arbeiten obzuliegen. Nachtigal
geplagte Gegend unsicher, von der die Bewohner
berichtet, dass er, obgleich er sich an einem Punkte des Babr el-Ghazâl befunden habe, nahe seinem Ausflusse aus dem Tsâde, und das Bett desselben seit
dem Reisenden versicherten , es gebe keinen » süsseren
der ersten Regenzeit voll von Wasser war, doch durch-
östlicher Richtung am
Landstrich « der Erde als das Fitri-Land .
Aus diesem zog Nachtigals Karawane in nord rechten Ufer des Batha
aus keinen sicheren Aufschluss über die Richtung und durch das Dâr Zijůd nach dem Herzen von des rätselhaften Flussthales erlangt habe, das nur
eine dicht mit Bäumen durchwachsene Mulde dar-
Wadâi und dessen Hauptstadt Abesche, welche sie am 6. April erreichte. Der Forscher war hier so
stellte, deren Richtung das Auge nicht zu verfolgen
glücklich, eine wohlwollende Aufnahme bei Sultan
vermochte, ja dass beide Ufer nirgends sichtbar wurden. Erst nach fortgesetzter Wanderung konnte kon-
Beurmann und Vogel das Leben lassen mussten .
statiert werden, dass der Bahr el -Ghazâl eine südliche
Dem einsichtsvollen Herrscher von Wadâi dankte
Ali zu finden , in einem Lande, wo seine Vorgänger
Ablenkung erleide, bevor er seine Nordost-Richtung Nachtigal die Möglichkeit, sich überhaupt rühren zu einschlage. Die Beschaffung von Lebensmitteln und Wasser auf der Reise zum Fitri war ausserordentlich schwierig ,
dürfen , denn die Bewohnerschaft der Hauptstadt stand
da die Frauen von dem gebrachten Getreide nur
Leser seines Werkes völlig in den Vordergrund des In
einige Hände voll, die sie auf ihren Korbdeckeln
teresses und mutet uns so an wie die prächtige Ge stalt König Rumanikas von Karagwe, der Speke so
ausboten , zu verkaufen sich entschliessen konnten und durch keine Anerbietungen von dem Detail-
ihm feindlich entgegen .
König 'Ali tritt denn auch für Nachtigal und die
wohlwollend behandelte . Er ist ein liebenswürdiger,
verkauf, bei welchem sie am meisten zu gewinnen
einsichtsvoller, wohlwollender Mann, der bei allen
glauben , sich abbringen liessen . Von dem Könige
rühmenswerten Eigenschaften doch ein afrikanischer
Dschurâb des Fitri-Distrikts erfragte Nachtigal wichtige Daten über den Ursprung der Bulâla -Bevölkerung des westlichen Wadai. Diese ist nicht, wie Heinrich
Barth gemeint hat, aus den Kanuri hervorgegangen, sondern arabischen Ursprungs, und zählt zu den
Despot bleibt , soweit dies die Stellung gegenüber seinen Landsleuten erfordert . Dr. Nachtigal hat dem Fürsten in seinem Werke ein schönes Denkmal ge Bei dem ersten Zusammentreffen mit dem setzt .
Gelehrten gestattete Sultan ' Ali ohne weiteres, dass
nächsten Verwandten der in Wadài, Bahr el-Ghazal Nachtigal sein ganzes Land » beschreiben « dürfe, und und in Bornû verbreiteten Aulâd Hamed (Homeid ). Als dieselben in den Sudan von Osten her einwanderten , blieb ein Bruchteil in Kordofan , ein
versprach, ihn auf seinen Ausflügen überall gefahrlos zu geleiten . Nachdem Nachtigal viele Fragen über die durchreisten Länder hatte beantworten müssen ,
Bahr
schreibt er, habe der König einfach und verständig,
el-Ghazal an , ein vierter teils in Bagirmi, teils am Fitri, und aus diesem letztern ging der grosse Staat
und den übrigen europäischen Ländern gefragt, nach
anderer in Wadài, ein dritter siedelte sich im
wenn auch durchaus kenntnislos, nach der Türkei
G. Nachtigals » Sahărâ und Sûdân « JII.
335
Nachtigals Heimat und Beruf, von seiner (des Königs) | Wissenschaft als der Höhepunkt seiner Thätigkeit auf Krankheit (Hämorrhoidal-Beschwerden ) gesprochen, der grosser Reise bezeichnet werden kann. Es würde von der Wirkung dieses oder jenes Medikamentes,
zu weit führen , wollten wir es hier unternehmen ,
von den Organen des menschlichen Körpers u . dgl . einen Auszug aus dem Gebotenen zu geben. Es will » Er erkundigte sich nach der Heeresmacht meines als ein Ganzes betrachtet und genossen sein . Landes,« schreibt Nachtigal, »sprach über die Be- Die Beschreibung der Reisen nach Wadải und Dar waffnung , welche in Europa üblich sei u . s . w . Runga hatten Gelegenheit geboten , gewissermassen .
Alle seine Fragen , wenn ihrer auch mehr waren ,
das flache Land , die Provinz
als ein Mensch und ein Arzt füglich beantworten
zu lernen. Die Forschungen zu Abesche ergänzten
von Wadai kennen
konnte, waren höchst verständig, und seine eigenen die so gewonnenen Daten zu einem prächtigen Ge Antworten wurden mit grösster Besonnenheit, Ruhe und Höflichkeit gegeben. Ich hatte in jenen Län-
samtbilde, zu einer Monographie des centralafrika nischen Landes.
dern noch keine Person , noch weniger einen Sultan
In der umfassenden geographischen Schilderung
kennen gelernt, der mir einen so verständigen, einfachen , würdigen und selbstbewussten Eindruck ge-
Wadâis, die der bescheidene Verfasser freilich nur
macht hätte, als der gefürchtete König von Wadai . «
als »vorläufige Erforschung « gelten lassen will, ragt wiederum , was über die Bewohner des Landes
An einer andern Stelle zeichnet Nachtigal den König als einen Mann von gesundem Menschenverstand, wenig Gemüt, rücksichtsloser Energie und strenger, selbst
und all ihre ethnischen wie sprachlichen Frak tionen gesagt ist , besonders hervor. An Dichte der Bevölkerung, wie an Vegetation und Frucht
grausamer Gerechtigkeit. Sein Hauptbestreben ging
barkeit steht Wadâi
dahin, die Machtstellung Wadais nach aussen zu heben
und Dar Fôr
nach .
den
Nachbarländern
Bornů
Tausend Bewohner auf die
und im Innern das königliche Ansehen durch Ge-
Quadratmeile werden als Bevölkerungsmittel im
rechtigkeit bei den Guten und durch Furcht bei den Schlechten zu befestigen. Einen interessanten Zug der Denkungsweise eines Afrikaners beobachtete Nachtigal an 'Ali, nach-
Lande nicht erreicht, während dies Mittel z . B. in Bornû weit höher ist. Den Kern der Bevölkerung Wadais bilden die einheimischen freien Stämme, welche in der Mitte des Landes, dem Dâr Mába ,
dem er ihm ein Fernrohr geschenkt hatte, welche
concentriert sind. Dazu kommen die eingewanderten afrikanischen Stämme, dann die zahlreichen ara bischen Elemente Kamelhirten im Norden , Rinderhirten im Süden -- endlich die Heidenstämme
Spende ihm der König zurücksandte. Das Fernrohr sei ein Instrument, meinte Ali, von welchem ihm zwar die Leute gesagt hätten, dass er mit demselben bis in Nachtigals Heimat sehen könne, er habe sich gute Augen gegeben , und er verzichte auf dieses
im Süden und die Tedâ- oder Tubu -Abteilungen im Norden . Die eingeborenen schwarzen Stämme sind fast alle durch eine gemeinsame Sprache, die Bora Mâbang, vereinigt und unterscheiden sich auch in
Instrument um so lieber , als er wisse , dass die
ihrer physischen und moralischen Natur nicht wesent
aber vergebens einige Tage bemüht, irgend etwas Besonderes dadurch zu sehen ; Gott habe ihm sehr
Europäer grossen Wert auf dergleichen Erfindungen
lich voneinander. Maba, der Name ihres Landes,
legten. Nachtigal diene das Fernrohr besser als dem Könige, und so habe er es denn zurückgeschickt. Kaum besser konnte der König von Wadải seinem Vertrauen zu dem fremden Manne Ausdruck
soll arabischen Ursprungs sein , zusammengesetzt aus Ma = Wasser und ba = Vater , und die bergige, >
wasserreiche Natur des Dår Maba bezeichnen , also
gleichsam ausdrücken : » Das Wasser ist unser Vater.«
geben , als durch die Erlaubnis, Reisen in seinem Lande unternehmen zu dürfen . Nachtigal benutzte
Nicht weniger als 34 grosse Stämme beschreibt Nachtigal neben den zahllosen Abteilungen der
die Gelegenheit, um das im Norden von Abesche
Araber und Tubu , von welchen die Kodoi , ein
gelegene Wâra zu besuchen und einen Ausflug nach Dår Runga, der südlichsten Provinz von Wadài, aus-
Bergvolk , die Marârit, die Mimi, die Sungôr, die Massålit, die Bulâla, die Dâdscho, die Tâma u . a.
zuführen. Zuvor konnte, ebenso wie nach dem Besuche des Dâr Runga, durch längeren Aufenthalt in
die wichtigsten sind . Wann die Araber, welche in Wadai sehr zahlreich
sind, daselbst eingewandert seien , meint Dr. Nach und Leute von Wadâi , dessen Regierung, Volksleben , tigal , sei nicht festgestellt, jedoch könne kaum be Handel und Geschichte auf das Eingehendste studiert zweifelt werden , dass sie ihre jetzigen Wohnsitze werden. Was Nachtigal über alle diese Punkte in bereits seit Jahrhunderten innehaben. Als 'Abd- el seinem Werke verzeichnet, ist so umfassend und Kerim von Schendi die Herrschaft der Tundscher gediegen , dass es schon nach der räumlichen Aus- stürzte und das Reich in ein islâmitisches verwan der Stadt Abesche das Wissenswerteste über Land
dehnung des Gebotenen sehr wohl ein eigenes Werk
delte , fand er seine Hauptstütze bei den Arabern .
bilden könnte. Der Reisende scheint sehr wohl gefühlt zu haben, dass gerade diese Partie den Kern-
Man teilt die Araber Wadàis in Arab baqqâra und Arab abbâla, je nachdem ihr Hauptbesitz und die
punkt seiner Publikationen überhaupt bildet, wie denn
entsprechenden Abgaben in Rindvieh (baqar) oder in Kamelen ( ibl) bestehen. Die Araber werden, wie
die Reise nach Wadki, noch mehr aber der Aufenthait und die Wirksamkeit daselbst im Interesse der
Nachtigal versichert, in Wadài gut behandelt, leben
G. Nachtigals » Sahărâ und Sûdâna III .
336
vorzugsweise von Viehzucht, wobei sie ihrem Hange , welche von Osten her, kaum 100 Jahre vor der Ein zum Umherschweifen folgen können , und wenn sie Ackerbau treiben , so geschehe es fast nur mit Hilfe von Sklaven . Wenn sie, hebt der Forscher hervor,
führung des Islám , eingewandert sein sollen. Ihr Ahn herr war Yâme aus Schendi, nördlich von Chartum , dessen Familie ihren Stamm auf den Abbasiden
von jener angeborenen Wanderlust ergriffen , selbst jahrelang umherschweifen , lässt ihnen der Sultan volle
siedelte sich zu Debba bei Wära an , wo sein Sohn
Freiheit.. Im
'Abd el-Kerim eine kleine islâmitischeGemeinde be
allgemeinen haben die Araber des
Salih ibn Abdallah ibn Abbas zurückführt.
Yâme
Landes ihr Blut rein erhalten , doch gibt es einige, gründete, die heidnische Herrschaft stürzte und in welche so abgeschlossen und vereinzelt unter Heiden- Ruhe und Frieden 20 Jahre lang, angeblich in der stämmen hausen, dass sie schliesslich sich mit den- Zeit von 1635 bis 1655 regiert hat. Er selbst blieb noch von den Tundscher Dâr Fôrs abhängig und bezahlte selben verinischt haben ; noch andere seien durch Heiratsgemeinschaft mit ihren Sklaven -- durch Ver an dieselben Tribut. Unter dem dritten Nachfolger heiratung ihrer Tochter an diese - eine Verbindung desselben schüttelten die Wadâianer die Abhängigkeit mit fremden Elementen eingegangen . von Fôr ab, indem Sultan Jaqub Arûs ( 1681--1707) Die Mâba -Gruppe des Wadâischen Kernvolkes, das Heer der Fôraner in einer mörderischen Schlacht zu welcher die Kodoì und Aulad Dschema, Malanga, aufs Haupt schlug und ihren König Omar Lele Madaba, Debba, Galum und Dekker zählen , hat nicht gefangennahm . Unter dem Sultan Dschoda , auch nur eine gemeinsame Sprache, sondern auch phy- Charif Timan , » Die Doppelernte« , oder Sâlih, » Der
sische und moralische Aehnlichkeit ist gemeinschaft-
Fromme« , oder es-Sarif, » Der masslos Freigebige«
lichen Ursprungs und war lange Zeit durch politi-
genannt ( 1747–1795 ), hat Wadâi seine grösste Blüte zeit zu verzeichnen. Dschôda unternahm acht Kriegs züge gegen die heidnischen Völker im Süden des Reiches, eroberte einen grossen Teil des Nachbar gebietes Kånem und widerstand kräftig allen An i griffen Dår Förs. Die Regenten, die auf ihn folgten , waren teils unfähig , teils wenig kriegerisch. Nur 'Abd el-Kerim oder Sabûn ragt als tüchtiger Herr scher hervor, der sein Augenmerk auch darauf ge richtet hatte, eine Verbindung seines Landes mit
sches Zusammenhalten vereinigt. Die Kodoi preist der Forscher als die redlichsten, nüchternsten und tapfersten aller Stämme Wadâis . Sowie sie mit der Zähigkeit aller Bergbewohner an ihren Gewohnheiten und Gerechtsamen festhalten , so seien sie auch voll Treue und Anhänglichkeit zu ihrem rechtmässigen Fürsten, verteidigen mit Hartnäckigkeit ihre Rechte und be-
kämpfen immer wieder den ihnen aufgezwungenen Herrscher.
Die ziemliche Mächtigkeit des arabischen Elements bringt es mit sich , dass in Wadâi von Wära bis zum Fitri die arabische Sprache und mit ihr arabisches
dem Mittelmeere anzubahnen .
Wesen herrscht.
und glänzendsten Fürsten bezeichnet, der über Wa
Wie anderwärts in Afrika hat auch
Trotz seiner nur
zehnjährigen Regierung haben ihn die Geschichtskun digen des Landes neben Dschôda als den weisesten
in diesem Lande die Islâmisierung die Gruppierung
dâi geherrscht habe. Aufstände der Bergvölker kenn
der Stämme beeinflusst, je nachdem dieselben sofort oder später für den Islam sich erklärten, und je nachdem sie auf friedlichem Wege oder mit Gewalt zu dem
zeichnen fortab den Fortgang der Ereignisse in Wadài . Den Kodoi gelang es endlich , einen Mann ihres Stammes, 'Abd el-aziz , einen Abkömmling Sultan
selben bekehrt wurden .
Vielfach fanden fanden natürlich natürlich | Dschôdas, auf den Thron zu bringen ( 1830), dem es Vielfach infolge der geschichtlichen Ereignisse und der ge- auch gelang, sich der Kapitale Wära zu bemächtigen, schichtlichen Sonderentwickelung der Nachbarreiche der aber zahlreiche Empörungen und innere Kämpfe
auch Einwanderungen aus Bornù, Bagirmi, Kanem nur notdürftig ersticken konnte. Es kann nicht wunder und Dâr För statt. Der Hautfarbe nach reiht Dr. | nehmen , dass die Sultane von Dår För unter solchen Nachtigal die Bevölkerung Wadais in eine Skala von Verhältnissen Miene machten , sich des Landes zu sieben Stufen ---- von Weiss bis zum Schwarz reichend bemächtigen und Thron -Prätendenten allerorten auf tauchten .
ein .
Der Prinz Muhammed Scherif gewann
Eine der wertvollsten Partien des Werkes bilden den Thron und herrschte von 1835–1858 mit einer zweifelsohne die geschichtlichen Abschnitte. Bei dem Umstande, dass der Wissenschaft von afrikanischer Staatenkunde, der Geschichte der Völker Afrikas so
für wadaische Verhältnisse unerhörten Milde.
Sein
Sohn ' Ali erbte von ihm den Thron , der wohl wollende Beschützer Dr. Nachtigals, dessen überall
ausserordentlich geringes Material zur Verfügung
im Lande geschätzter Charakter selbst auf die sedu
steht, hat das Kapitel » Zur Geschichte Wadâis« eine besondere Bedeutung Dazu kommt, dass alle
losen Mâbagruppen den Einfluss übte, dass sie
Daten zur Geschichte Wadais im
statt blutiger Kämpfe und Raubzüge suchte dieser seinen Ruhm in der Hebung von Handel und Wandel, der
>
Lande selbst er-
hoben worden sind und so den Stempel des Au-
gegen ihn keinen Thron -Prätendenten aufstellten . An
thentischen , an der Quelle Erkundeten an sich tragen. Belebung des Karawanen -Verkehrs mit den Küsten
Das Reich von Wadii , auch Burgů von den Fori, des Mittelmeeres, der Beschützung von Gelehrten, sonst auch Kûgû und Dar Salih genannt, ward erst begründet, als Bornû und Där För lange schon geblüht hatten . Seine Begründer waren die Tundscher,
in der Ausübung strenger Gerechtigkeit und im friedlichen Verkehr mit den Nachbarn .
Schluss folgt . )
Brehms populäre Vorträge.
Brehms populäre Vorträge. 1) Von Karl von den Steinen .
337
glänzenden Wasserstreifen , welche an jeder Felsenwand hängen, der rauchartig aufsteigende Wasserdampf, welcher von den ver stecktesten Fällen erzählt, sie sind es, welche Leben hervorrufen
Sie brauchen nur angezeigt , nicht empfohlen zu werden. Jeder hat den einen oder den anderen dieser Vorträge gehört, oder hat doch von ihnen ge
selbst in der grausigsten Wildnis, an Orten, wo sonst nur Felsen
hört – denn kein Rhapsode dichterischer Meisterwerke
spricht, so zeigt er uns plötzlich ein Hildebrandsches
und Himmel dem Auge sich bieten. «
Und wenn er nun von den Inseln und Schären
und kein Schilderer abenteuerlicher Forschungs- | Aquarell, dessen Wirkung sich nur ein Farbenblinder reisen ist durch eine grössere Andacht seines Au ditoriums belohnt worden , als der Verfasser des »„ Tierlebens« . Wer immer von uns einen Abend
zu entziehen vermöchte : Ihnen , wie dem Meere , fehlt der Reichtum des Südens: >>>
sie sind jedoch keineswegs aller Schönheit bar und üben nament
in dem Bannkreis des Brehmschen Wortes gesessen hat, wird mit einem Gefühl der Neugier die stummen
lich in den Stunden um Mitternacht, wenn die Hochsommersonne niedrig und gross und blutrot über dem Gesichtskreise steht, und ihr gleichsam verschleierter Glanz auf den eisbedeckten Ber
Blätter aufschlagen , um sich zu überzeugen, ob ihnen
gesgipfeln und dem Meere widerspiegelt, tiberwältigenden Zauber aus .
dieselbe magische Kraft innewohnt, die uns einst aus dem dichtgedrängten Saal mitten in eine leben und farbensprühende ferne Naturscenerie mit so unwiderstehlicher Sicherheit entrückte , dass wir nie
geschaute Dinge und Wesen leibhaft vor Augen sahen , dass wir alle die fremdartigen Geschöpfe in ihrem Denken und Thun wie uns selbst zu ver
Wesentlich dazu tragen bei die überall zerstreuten Ge
höfte: Wohnungen aus Holz gezimmert, mit Brettern verschlagen und mit Rasen gedeckt , prangend in seltsam blutroter Farbe, welche sich lebhaft abhebt von dem grünen Rasendache darüber, dem schwarz erscheinenden Dunkel der Bergwand daneben und dem Eisblau der Gletscher im Hintergrunde des Bildes . « Wie ein Poet berichtet er über die im Grunde
herzlich prosaische Thätigkeit des Kabeljaufanges
stehen glaubten und immer wieder, was nach Goethe und der Stockfischherrichtung, indem er seine Schil die herrlichste Wirkung eines Kunstwerks ausmacht, derung durch einen glänzend durchgeführten Ver von der Bewunderung in die Rührung , von der Rührung in die Bewunderung verfielen . Es ver lohnt sich wohl, ein wenig zu analysieren, aus welchen Mitteln sich die merkwürdige Macht des Eindrucks , die auch der in Papier und Druckerschwärze umgewandelten Form nicht versagt, zusammensetzt. Wie kommt es, dass wir uns plötzlich für die Eiderente begeistern können ? Zunächst ist der Forscher Brehm auch Maler und Poet.
Wie ein Maler entwirft er uns das landschaft-
liche Bild Skandinaviens, indem er aber keineswegs
gleich zwischen unserem Ackersmann und dem Fischer
des unfruchtbaren Nordens, der den Segen des Meeres erntet, veranschaulicht und erhebt.
Wie ein Poet beschreibt er endlich sogar das Aeussere der Eiderente :
diese selbst erscheint in
dem Reflex des den Südländer überwältigenden Natur eindrucks; sie wird gesehen, wie sie nur gerade in dieser Umgebung gesehen werden kann : » Ihr Gefieder ist ein treues Spiegelbild des hochnordischen Meeres. Schwarz und rot, aschgrau , eisgrün , weiss , braun und gelb sind die Farben , der Nacken und Ricken , eine Binde über
den Flügeln und ein Fleck an den Seiten des Unterkörpers sind weiss, wie der Schaum der Wellen ; IIals und Kropf auf weissem Grunde rosig überhaucht, als ob Mitternachtssonnenglut haften
einseitig unsere im Bereich der Gesichtswahrneh mungen angeregte Phantasie zu fesseln , sondern das innere Ohr mit einem musikalischen Naturgemälde zu berücken weiss :
selbst. «
»Mit der Strenge paart sich die Milde, mit dem Düsteren wechselt das Heitere, init dem Toten, Beängstigenden einigt sich
buch , und doch steckt unter dem Schmuck der Me
das Lebendige und Erhebende. Schwarze Felsmassen bauen sich senkrecht aus dem Meere auf , steigen unmittelbar aus den tief
eingeschnittenen Fjorden empor, zerklüften und zerteilen sich, türmen sich schroff auf und neigen sich drohend über, und aut
ihren Häuptern lagern die eisigen Massen , meilenweit sich aus dehnend, Landschaften geradezu bedeckend und bis auf die von ihnen geborenen Wildbäche alles Leben verscheuchend : jene Waldbäche, welche überall ihre silbernen Bänder auf die dunkeln
geblieben wäre ; ein Streifen auf den Wangen zartgrün, wie das Eis der Gletscher; Cnterbrust und Bauch , Flügel und Schwanz, Unterrücken und Bürzel aber schwarz, wie die Tiefe des Meeres
Das passt freilich in kein ornithologisches Lehr
taphern der ganze Vogel , auch des Zoologen , bis auf den Kopf und den Bürzel . Es ist gewiss keine Frage, solch ein gewagtes Experiment gelingt nur dem Forscher, der erstens Autorität in seinem Fache und zweitens von innerster Liebe zu seinen
Tieren erfüllt ist ; mit dieser warmen Empfindung
dem Ohre die erhabene Weise des Hochgebirges zurauschen ,
entwickelt er eine echte und gute Naivität, die uns rührt und hinreisst. Ohne sie würde er mit jenem
welche in jeder Einsenkung zur Tiefe herniederbrausen, aus jeder
Schlusssatz , der die Farbe der unteren Entenhälfte
Schlucht hervorbrechen oder in tollem Reigen von den Felsen stürzen , einen Wasserfall nach dem andern bilden und an der jenseitigen Bergwand den Widerhall erwecken . Diese rauschenden Wildwasser, welche in jeder Einsenkung thalabwärts eilen , die
mit dem Dunkel der Meerestiefe in Vergleich bringt,
Massen breiten und nicht bloss das Auge befriedigen, sondern auch
1) Vom Nordpol zum Aequator. Populäre Vor träge von Dr. A. E. Brehm . Mit Illustrationen von R. Friese,
G. Mützel, Fr. Specht u. a . Stuttgart, Union Deutsche Verlagsgesellschaft 1890. Von den 10 monatlichen Lieferungen sind bereits erschienen : Die Vogelberge des Nordens. Die Tundra
und ihre Tierwelt. Tjerleben der Steppe Asiens. Wild , Wald und Weidwerk in Sibirien .
unrettbar einer grausamen Komik zum Opfer fallen und würde unser nüchterner Verstand gegen das Pathos protestieren , welches auf einem Entenhalse den Widerschein der Mitternachtssonne erblickt .
Hier berühre ich auch , wie ich glaube , den Punkt, wo der Erfolg Brehms wesentlich begründet und gerechtfertigt wird . Er hat im vollsten Maasse den Mut, die Tiere zu lieben , und er liebt sie -- diese
Bemerkung kann sich niemand verhehlen
weil
g Kleinere Mitteilun .
338
gerade so, wie er von den Gebräuchen eines fremden
bestreitende Wahrheit, um deren Erkenntnis sich Brehm unvergängliche Verdienste erworben hat, und
Menschenstammes erzählen würde.
die aus jeder seiner Beobachtungen siegreich hervor
» Jede weibliche Eiderente, und vielleicht jede Ente überhaupt, erstrebt nicht bloss das Glück , Kinder zu erzielen, sondern will ihr Mutterauge auch über möglichst viele Küchlein gleiten lassen . Dies hat zur Folge , dass sie ohne Bedenken andere,
leuchtet, hat mehr als alle Malerei der Sprache und Kunst des Vortrages dem merkwürdigen Manne, dessen kernige Geradheit vor keiner Schroffheit
neben ihr brütende benachteiligt, sofern sie dies vermag . So hin
des Ausdrucks zurückscheute , zu unwiderstehlicher
er sie kennt. Er schildert das Treiben seiner Enten
Wirkung verholfen und wird auch den Worten des Dahingegangenen in weitesten Kreisen ein freu wickelnden Bruthitze erheblich leidende Gefieder zu reinigen, ein diges Willkommen sichern. zufetten und neu zu ordnen . Einen misstrauischen Blick auf die
gebend sie brütet : einmal am Tage muss sie das Nest verlassen, um sich mit Nahrung zu versorgen und das unter der sich ent
Nachbarinnen zur Rechten und zur Linken werfend , erhebt sie sich in den ersten Vormittagsstunden , vielleicht schon seit langem vom nagenden Hunger gequält, tritt neben das Nest und breitet mit dem Schnabel sorgsam den umliegenden Kranz zu einer die Eier verhüllenden und schützenden Decke aus; dann liegt sie
eilend auf das Meer hinaus, taucht wiederholt in die Tiefe hinab,
Kleinere Mitteilung. Das Archäologische Museum zu Chambéry besitzt eine keineswegs genügend gewürdigte prähistorische Ab
füllt sich hastig Kropf und Speiseröhre bis zum Schlunde her
teilung. Die Uferverhältnisse des lac de Bourget waren für die
auf mit Muscheln , badet, putzt und fettet sich , kehrt zum Lande
Anlage von Pfahldörfern sehr geeignet ; nirgendwo in Frankreich hat man auch wichtigere Funde gethan. Merkwürdigerweise aber
zurück und läuft nun , unterwegs noch beständig die Federn trock nend und glättend, dem Neste wieder zu . Beide Nachbarinnen sitzen anscheinend ebenso harmlos wie früher auf ihren Nestern , und doch haben sie, wenigstens die eine, inzwischen ein Diebes stück ausgeführt. Sobald jene abgeflogen war, hat sich die eine erhoben , die Decke über den fremden Eiern gelüftet und mit den beiden Ruderfüssen eins , zwei, drei, vier Eier rasch in ihr eigenes Vest gerollt, sodann den Rest sorglich wieder bedeckt und sich beglückt auf ihr unrechtmässigerweise vermehrtes Ge
scheinen diese Bauten erst mit der Bronzezeit gegründet worden zu sein . Steinartefacte oder Geg tände überhaupt, welche auf frühere Ansiedlungen zurückweisen, sind nur in verschwindender Zahl ge
lege gesetzt . Wohl mag die heimkehrende Ente erkennen, welcher
auf einige besonders ausgeprägte Fundtypen aufmerksam machen : 1. figürliche Darstellungen aus Thon ; 2. die Thongefässe und 3. die Zierweise der letzteren . Von den Thonfigürchen, die ver
1
Streich ihr gespielt wurde ; merken aber lässt sie sich von dem,
was in ihr vorgeht, nicht das geringste, setzt sich vielmehr ruhig zum Briten nieder und thut, als dächte sie :
> Warte nur , Frau
Nachbarin , auch du wirst hinausfliegen auf das Meer , und das selbe, was du mir gethan , wird dir geschehen.« Thatsächlich
funden worden. Um so auffallender ist die überaus fortgeschrit tene Verwendung des Metalles , wir sind mitten in das » bel âge du bronce « versetzt. Ich übergehe die auch in unseren schweize rischen Bronzestationen vorkommenden Formen der täglichen Werkzeuge, Gerätschaften und Schmuckgegenstände und will nur
einzelt auch aus anderen Niederlassungen bekannt sind , finden sich wohl über zwanzig Exemplare in dem Museum zu Chambéry, nicht zu sprechen von der noch grösseren Mehrzahl, die ander
wandern die Eier mehrerer nebeneinander stehender Eidervogel
wärts in Museen und Privatsammlungen willige Aufnahme gefun
nester beständig aus dem einen nach dem andern. Ob dann die eigenen oder fremde Kinder unter der glücklichen Mutterbrust zum Leben reifen : der Eiderente scheint das gleichgültig zu sein ; sind es ja doch Kinder !«
den haben . Es sind äusserst primitive Darstellungen von Vögeln,
Möge die eine oder andere Wendung auch ein wenig sentimental klingen , es spricht aus der ganzen Darstellung eine solch packende Wahrheit, dass man behaupten muss : wer bestreiten will, dass die
Hundert teils vollständige, teils restaurierte Gefässe repräsentieren
Tieren und seltener des Menschen und , obgleich auf verschie. denen Stationen gesammelt, doch von grösster Cebereinstimmung. Weit mannigfaltiger ist die Töpferei vertreten : mehrere alle möglichen Formen und Grössen , worunter die hübsche An zahl mit Füssen auffällt.
Indessen wird die Aufmerksamkeit des Besuchers noch mehr
auf eine Anzahl von Topffragmenten gerichtet, welche in der
Tierseele nur in demselben Sinne mechanisch ar
Mitte des Saales einen eigenen Schrank füllen. Auf diesen Scher
beitet, wie unsere eigene mit dem Schein des Him
ben finden sich Streifchen dünngeschlagenen, reinen Zinnes, ver mittelst Erdpech zu den hübschesten Verzierungen aufgetragen.
melslichts , der hat sie nicht beobachtet und kennt
Die Farbe des Thones ist dunkelbraun oder schwarz, und ob
Mit souveräner Verachtung ignoriert Brehm die erst von der europäischen Kultur errichtete Scheidewand zwischen dem Homo sapiens und der übrigen animalischen Welt ; er ist sich genau der
gleich das Zinn im Laufe der Zeit leicht schwärzlich oxydierte,
sie
nicht.
Abstufungen bewusst, in denen die Entwickelung der
so stechen doch heute noch die Zeichnungen hübsch von ihrem Grunde ab . Der Mehrzahl nach sind es Ornamente, die wir auf
anderen Töpfen der Sammlung bloss eingegraben wiederfinden , das Alter muss demnach dasselbe sein . Auf mehreren Töpfen
Intelligenz von den niedersten bis zu den höchsten
leider sind aber nur kleinere Fragmente bis auf uns gekommen versuchten sich indessen die Verfertiger dieser originellen Zier
Formen erscheint, und macht sie zum Gegenstand
weise auch in der und bildlichen Darstellung , indem sie die Süjets ihrer Lebensweise entnahmen . Deutlich ihrer Umgebung
sorgfältiger Zergliederung und Beobachtung, aber er
können wir z. B. auf einem dieser Topffragmente die Darstel
findet dabei Triebe, Begierden , Gewohnheiten, Fertig keiten , kurz, alle psychische Konstruktion in ihrem
rieren und eingerammelte Pfähle , eine Schutzwehr wohl jeder
Wesen so identisch bei Tier und Mensch , dass er
Niederlassung ; dahinter sind die Giebelseiten von noch vier
lung eines Pfahldorfes erkennen . Den Vordergrund bilden Bar
zu erkennen. Macht die Darstellung vielleicht auch keinen einfach gar nicht begreift , wie man zu der Er Hütten Anspruch auf genaue Wiedergabe, so erreichte der Künstler doch
findung des „ Instinkts « gekommen ist , dass er
vollständig seinen Zweck . Auf einer weiteren Topfscherbe end
über die Lehre des Descartes, die Tiere seien seelenlos
lich sehen wir eine ganze Anzahl von Figürchen ,
dahinwandelnde Automaten , wahrscheinlich ebenso,
in Zinn, den Auszug einer Kriegsschar oder eine tanzende Gruppe
wie die Eiderente über das » Cogito, ergo sum , « ge
darstellend . Mr. Rabus, der Begründer der Sammlung, ist jeder
dacht hat. Eine menschliche Psychologie ist ohne eine auf gleichen Gesetzen aufgebaute Psychologie
zeit in zuvorkommender Weise bereit, den Besuchern alle wün schenswerten Details zu geben. II . Messikommer, Wezikon .
der Tiere unmöglich – diese jetzt nicht mehr zu
ebenfalls
Litteratur.
Litteratur. Geologische Uebersichtskarte der Alpen von Dr. Franz Noë. Verlag von Eduard Hölzel. Wien 1890. Diese in vortrefflicher Ausführung soeben erschienene Karte, deren Vorzüge nachstehend erörtert werden sollen , hat zur topo
graphischen Grundlage die Lebersichtskarte der Alpenländer von V. v. Haardt im Maassstabe von 1 : 1000000, es ist demnach i em = 10 km, ein Verhältnis, welches für eine Uebersichtskarte voll
kommen entspricht . Die Grösse der aus zwei Blättern zusammen gefügten Karte ist 98 cm zu 64 cm , der Preis in Anbetracht der in wissenschaftlicher wie in kartographisch -technischer Beziehung tadellosen Ausführung ein sehr mässiger ') . Beigegeben erscheint ein Heft Erläuterungen von Professor Dr. Franz Noë nebst einigen einleitenden Worten von Professor Eduard Suess. In den letzteren wird mit Recht hervorgehoben , wie sehr sich der Mangel einer geologischen Uebersichtskarte desagesamten Alpen
gebietes in wissenschaftlichen und Schulkreisen fühlbar gemacht » Als B. Studer im Jahre 1851 seine klassische Geologie
hat.
der Schweiz « herausgab, fügte er dieser ein Uebersichtskärtchen der Alpen bei. Dasselbe ist viel zu klein und zu sehr durch neuere Arbeiten überholt, als dass es zu Unterrichtszwecken die
339
Aus allen diesen Gründen konnte die Anzahl der auszuscheiden den Formationen und Formationsglieder nur eine beschränkte sein und musste auch in der Angabe von geologischen Details Maass.gehalten werden , um die Uebersichtlichkeit nicht zu stören . Noë hat in dieser Hinsicht das Richtige getroffen , so dass die
Karte mit gleichem Vorteil im Hörsaale bei Besprechung der allgemeinen Verhältnisse , wie ausserhalb desselben zu Zwecken ,
welche weiteres Eingehen auf die Detailverhältnisse notwendig machen , Verwendung finden kann. Eine Besonderheit der Noëschen Karte ist die Zeichnung des Bodenreliefs, welche sonst bei Vebersichtskarten selten zu finden ist .
Dass die Lesbarkeit einer geologischen Karte durch
gleichzeitige Darstellung des Reliefs schwer geschädigt werden
kann, hat Hirsch walds geologische Karte von Deutschland nur zu deutlich gezeigt . Bei der Noëschen Karte hingegen beein trächtigt der Terrainunterdruck die Deutlichkeit der Farben durch aus nicht, während die Brauchbarkeit der Karte durch leichtere
Orientierung und Lebersicht der Gebirgszige wesentlich gestei Berg- und Flussnamen wurden in grösserer Zahl, Ortsbezeichnungen unter möglichster Berücksichtigung der geo
gert wird .
nen könnte. Seither ist jedoch der Versuch , eine solche Karte in grösserem Maassstabe herzustellen, nicht unternommen worden,
logisch wichtigen Lokalitäten in geringerer aufgenommen . Das gewählte Farbenschema entspricht im allgemeinen den Beschlüssen des geologischen Kongresses in Bologna vom Jahre 1881. Nur für die Trias wurde eine abweichende Darstellungs
und es stehen der Schule für die Uebersicht des ganzen Gebirgs
weise gewählt, um wegen der grösseren Uebersichtlichkeit sämt.
zuges von Nizza bis Wien nur solche Darstellungen zur Verfü
liche mesozoische Formationen mit lichten Farbentönen darstellen
gung , welche innerhalb grösserer Karten , z . B. in Dumonts geologischer Karte von Europa, enthalten sind . Der Lehrer muss
zu können. Die violette Farbe wurde zur Darstellung der älteren
die Einzelheiten an F. v . Hauers Karte von Oesterreich -Ungarn und Gümbels Karte von Bayern für die Ostalpen darlegen ,
Absonderung der Dyasformation von den übrigen paläozoischen Ablagerungen und die auszeichnende Darstellung mittels einer eigenen Farbe scheint gerechtfertigt durch die grosse stratigra phische Wichtigkeit, welche dieser Stufe in den Alpen zukommt.
daran Studers und Eschers grosse Karte der Schweiz und etwa fiir den Westen die neue Karte Frankreichs von Vasseur und
paläozoischen Formationen (Silur, Devon, Carbon) verwendet. Die
Carez , im Süden die vom Comitato geologico herausgegebene
Dass die als Flyschfacies der Kreide und des älteren Tertiär be
Uebersichtskarte Italiens fügen . Diese Karten, jede für sich eine
kannten Ablagerungen besonders ausgeschieden wurden, begründet sich einerseits aus der grossen und eigentümlichen Verbreitung
vortreffliche Arbeit , sind jedoch in verschiedenem Maassstabe ausgeführt, nach verschiedenen Farbenskalen koloriert, ja in man
dieser Ablagerungen und ihrer landschaftlichen Bedeutsamkeit,
cher Beziehung auch nach verschiedenen Auffassungen entworfen . Nur da und dort reichen einzelne dieser Karten über die poli
andererseits aus der Unmöglichkeit , in gewissen Teilen der Alpen
tische Grenze des Reiches hinaus , welches sie darstellen sollen,
und kartographisch zu sondern . In seinen Erläuterungen gedenkt Noë ausführlich der Schwie rigkeiten , welche die kartographische Darstellung gewisser Schicht
und auch
dann bestimmt der Zufall die Grenzlinie des Rahmens.
So ist die von der Natur gebotene Einheit zerschnitten in fünf
Teile , und die grossen gemeinsamen Züge der Struktur bleiben in den Stücken nur schwer erkennbar. « Diese Worte kennzeich
den cretacischen und tertiären Teil des Flysches stratigraphisch
gruppen nach dem Stande unserer gegenwärtigen Kenntnis bildet. Sie betreffen zunächst die krystallinischen Schiefergesteine , ihre
nen einen Teil der Schwierigkeiten , welche Professor Noë bei
Gliederung und ihr Verhältnis zum Gneiss, sowie zu den jüngeren
der Herstellung seiner Uebersichtskarte zu überwinden hatte; es
Formationen . In der Gneissgruppe vereinigte Noë ausser Gneiss,
werden dieselben von Suess weiter erläutert durch eine kurze
Augengneiss, Centralgneiss, Porphyrgneiss, Hornblendegneiss, seri
treffende Darstellung des Entwickelungsganges der alpinen Geo
tischem Gneiss auch gewisse alte Glimmerschiefer, welche in den
logie , welcher an dieser Stelle nicht gefolgt werden kann . Im Eingange seiner Erläuterungen bemerkt Noë, dass Rich
Westalpen (z. B. in der Umgebung der Monte Rosa-Masse) mit Gneis
tigkeit und Uebersichtlichkeit die ersten Anforderungen seien, welche man an eine geologische Uebersichtskarte stellen müsse. Er sei deshalb bemüht gewesen , wo es nur immer anging, die
sen auf das innigste verbunden vorkommen. Der Gruppe der Glim merschiefer wurden zugerechnet: Glimmerschiefer (häufig Granaten führend ) , Quarzschiefer, Chloritschiefer, Talkschiefer, Hornblend
schiefer und Hornblendefels, Eklogit, Kalkglimmerschiefer etc. Die
neuesten Originalaufnahmen zu benutzen . Jeder, der Noës Karte eingehend prüft, wird diese Angabe bestätigt finden und es ist
richtige Ausscheidung dieser Gruppe ist mit mannigfachen Schwie rigkeiten verbunden , denn einerseits sind vielfach l'ebergänge der
leicht, durch Vergleichung mit älteren Kartenwerken (z. B. in betreff der Ostalpen mit der Cebersichtskarte F. v. Hauers)
Glimmerschiefer in Gneiss vorhanden, während andererseits, zumal durch die Kalkglimmerschiefer, eine Verbindung mit der Gruppe der
die wesentlichen Fortschritte zu erkennen , welche Noës Karte zur Anschauung bringt. Wir müssen dem Verfasser wohl bei
die verschiedenen Gebiete mit einem höchst ungleichen Grade von Genauigkeit durchforscht sind, und dass die Ansichten der Forscher
jüngeren Schiefergesteine gegeben ist . Diese letztere bietet keines. wegs einfache Verhältnisse. Die Gruppe der Casannaschiefer, Glanzschiefer und bunten Schiefer in den Westalpen umfasst Ge steine von sehr verschiedenem Alter. Dieselben wurden auch als metamorphische Schiefer oder Schiefer unbestimmten Alters be zeichnet. Es finden Uebergänge in typische krystallinische Schiefer
pflichten, wenn er sagt, dass die Hlauptschwierigkeit bei dem Ent wurfe einer geologischen Lebersichtskarte der Alpen darin liegt, dass über den Bau gewisser Alpenziige gar sehr voneinander abweichen,
statt , in anderen Fällen wurden diese Gebilde als zu paläozoi
so zwar, dass zur Erzielung einer einheitlichen Darstellung, sowie behufs Gewinnung eines Anschlusses in benachbarten Gebieten
schen Formationen (vermutlich Carbon ) gehörig erkannt.
eine gewisse Generalisierung der vorhandenen Angaben unver meidlich wird. Eine weitere grosse Schwierigkeit für die Auf stellung des den Anforderungen der Richtigkeit und Lebersicht lichkeit entsprechenden Farbenschemas bildet die grosse Verschie denheit der geologischen Verhältnisse der Ost- und Westalpen.
gemacht, dass ein auf älteren Karten als Casannaschiefer (Schiefer
1) Die Karte kostet gefalzt in Umschlagmappe 6 R., auf Leinwand gespannt mit Stäben 8 f . 40 kr.
Die
Untersuchungen der jüngsten Zeit haben es sehr wahrscheinlich unbestimmten Alters) bezeichneter, sehr umfangreicher Gesteins zug von dem oberen Rhônelaufe südwärts durch die ganzen West alpen bis an das Ligurische Meer der Triasformation angehört. Derselbe ist auch auf Noës Karte zur Trias einbezogen worden .
Die auf älteren Karten als Bündner-Schiefer ausgeschiedenen Ab lagerungen haben sich nach neueren Untersuchungen als Kom
Liiteratur .
340 plexe von sehr ungleichem Alter erwiesen .
Ein Teil derselben
wurde den metamorphischen Schiefern einverleibt. Ein anderer,
geologischen Darstellung erheblich alteriert worden wäre. Ein grosser Teil der früher als inneralpines Tertiär bezeichneten
südlicher Teil erwies sich als der Hauptsache nach aus Gneiss
Schotter- und Sandschichten wurde aber bereits auf der vorlie
in Wechsellagerung mit krystallinischen Schiefern bestehend . Der nördlichste Teil dieser Schichtgruppe (nördlich von Chur , im
genden Karte dem Diluvium zugewiesen . Wir sehen so, dass alle die vielen Schwierigkeiten, welche sich der Herstellung der Karte in wissenschaftlicher Hinsicht ent
Prättigau ) gehört der oberen Kreide und dem Eocän an , und zwar vorwaltend der Flyschfacies. Die Gruppe der Phyllite:
Urthonschiefer , Thonglimmerschiefer , Kalkphyllit, Quarzphyllit, umfasst in den Ostalpen eine ganze Serie von halbkrystallinischen Gesteinen, die wohl im allgemeinen jünger sind als die Glimmer schiefergruppe, aber an vielen Stellen Uebergänge zu derselben
zeigen oder durch Wechsellagerung mit ihr verknüpft sind. Es gehören hierher ferner gewisse tiefere Horizonte der früher als
Grauwackenschieter beschriebenen Ablagerungen. Noë bemerkt daher mit Recht, dass die Phyllitgruppe keineswegs einen nach oben und unten wohlbegrenzten Schichtenkomplex bedeutet, und dass deshalb die Abgrenzungen auf der Karte durchaus nicht
überall den Wert von Formationsgrenzen besitzen .
Es fehlen
ferner auch in vielen Teilen der nördlichen und südlichen Schiefer
zone neuere Aufnahmen , und es sind daher die Abgrenzungen in solchen Gebieten (Phyllitzone von Salzburg und Osttirol, das Gebiet südöstlich von der Mürz , die südlichen Schiefergebiete in Steiermark) nur als vorläufige anzusehen. Durch die im Zuge
gegenstellten , in vorteilhaftester Weise ihre Beseitigung fanden. Gleiches kann in kartographisch -technischer Beziehung hervor gehoben werden.
Es ist das Ergebnis vieler Mühe und Anstrengung, welches uns in der besprochenen geologischen Uebersichtskarte der Alpen vorliegt, aber die Arbeit Noës ist gewiss keine vergebliche, denn das gebotene einheitliche Bild des geologischen Baues der Alpen wird jeden Beschauer erfreuen und ihn veranlassen , den
Worten zuzustimmen , mit welchen E. Suess seine Einleitung schliesst : » Möge diese schöne Karte recht weite Verbreitung >>
finden . Sie umfasst das herrlichste Stück unseres Weltteils. Der
junge Wanderer jauchzt auf, wenn die Höhe erreicht ist , und indem er weit das Auge öffnet, um die Landschaft in sich auf zunehmen , öftnet sich auch das Herz für tiefe und unvergess
liche Eindrücke. Nach langen Jaliren, wenn er alt geworden ist, gräbt er den Erinnerungen nach bei dem Lichte der Studier lampe und freut sich ihrer, als stiinde er noch im Sonnenschein
befindlichen neuen Untersuchungen werden hier noch mannigfache
und in dem schneidigen Luftzuge von damals, und als würden
Verschiebungen der räumlichen Begrenzung eintreten . Die paläozoischen Bildungen der Alpen boten der karto
sich noch heute vor ihm die scharfen weissen Umrisse von dem
graphischen Darstellung insofern bedeutende Schwierigkeiten dar,
und alle Liebe zu demselben wird aber gesteigert und veredelt
als sie teilweise genauer untersucht und gegliedert, teilweise aber noch nicht in ihrem geologischen Alter sicher festgestellt wurden .
durch ernste Beschäftigung mit den Fragen über seine Entstehung
Noë hat deshalb zu dem zweckmässigen Aushilfsmittel gegriffen,
die Neigung zu solchen Studien und das Verständnis für die
tiefblauen Ilimmel heben .
All die Freude an dem Hochgebirge
und seinen Aufbau. Möge diese Uebersichtskarte beitragen, um
Silur , Devon und Carbon mit einer Farbe zu bezeichnen , und
selben zu vermehren . «
wir müssen ihm wohl beipflichten, wenn er sagt: » Da die Unter suchungen der paläozoischen Ablagerungen in den Ostalpen noch lange nicht zum Abschlusse gebracht werden dürften , da ferner ein Widerstreit der Meinungen über die hierhergehörigen Fragen
Darstellung der geschichtlichen Entwickelung des bayerischen Staatsgebietes von Adolf Brecher. Ber
besteht, und die grosse Ungleichmässigkeit unserer Kenntnisse in benachbarten Gebieten bedeutende Schwierigkeiten verursacht, so schien es nicht ratsam , die Trennung der drei genannten paläo zoischen Formationen auf einer Lebersichtskarte vorzunehmen .
R. Hoernes.
lin , Dietrich Reimer 1890. Die Hauptkarte stellt die Entwickelung Bayerns von Al brecht IV . an bis zum Wiener Frieden dar. Das Farbenbild ist klar, das Detail richtig . Nur in der Pfalz sollte das Gebiet der
früheren Territorialherren angegeben sein . Die geschichtliche Karte der Pfalz von Rau und Ritter war wohl dem Verfasser nicht
Das sicher konstatierte Vorhandensein einer dieser Formationen an bestimmten Lokalitäten wurde deshalb nur durch das Einsetzen
bekannt ?
eines Orientierungsbuchstabens (S. , D. oder C.) angedeutet. Wo aber
Bayern unter Karl Theodor. - Für bayerische Mittelschulen ist die Karte wohl geeignet , und zwar für Lehrer und für Schüler. Physikalisch -statistischer Schulatlas von V. v . Haardt.
eine solche Gliederung noch nicht sicher durchgeführt ist , wurde die allgemeine Bezeichnung : Paläozoisch (Pl . ) angewendet.« Hin :
gegen wurde, wie bereits oben bemerkt, die in den Alpen strati graphisch so wichtige Dyasformation durch eine besondere Farbe ausgezeichnet .
Eine besondere Berücksichtigung erheischte auch die Flysch entwickelung der Kreide- und Tertiärformation . Die hierher ge
Die zwei Nebenkärtchen bieten die wittelsbachischen
Besitzungen zur Zeit Kaiser Ludwigs des Bayern und Kurpfalz
Wien , Ed . Hölzel 1889 .
Der bekannte Kartograph , welchem wir die vortreffliche
Alpenkarte verdanken , hat sich die dankenswerte Mühe ge geben , einen rein physikalisch -statistischen Atlas , geeignet für
tige orographische und landschaftliche Rolle . Andererseits ist auf
Schule und Selbstgebrauch, zusammenzustellen . Selbstverständlich konnte der Verfasser nicht in allen Teilen dieser weitgesteckten Aufgabe Originalarbeiten liefern, sondern muss sich in vielen Partieen darauf beschränken , das vorhandene Material zum Schul und Hausgebrauch mundgerecht zu machen . Aber auch so bleibt die Arbeit für alle die von Wert, welche sich den grösseren Atlas Nr . I von Berghaus nicht anzuschaffen in der Lage sind .
weite Strecken die Flyschfacies des älteren Tertiär vom creta
gibt die Regenkarte von Europa , Nr. 2 die Vegetationsgebiete ,
cischen Flysch schwer zu trennen , weil Petrefakte äusserst seiten sind und auch der Gesteinscharakter der beiden Ablagerungen sich vollkommen gleicht. Noë hat deshalb mit Recht (len ge samten Flysch durch einheitliche Farbengebung dargestellt. Das Tertiär wurde in Eocän und Neogen gegliedert, die
Häckel und Fr. Müller ), Nr. 5 die Verteilung der Religionen, Nr. 6-9 gibt Höhen-, Regen-, Völker- und Bevölkerungsdichtig
hörigen Ablagerungen , welche unter den mannigfachsten Lokal namen beschrieben worden sind : Flysch, Wiener Sandstein, Kar pathensandstein , Macigno, Tassello , Tavegliannaz -Sandstein, Fucoi. densandstein , Spielen durch ihre Mächtigkeit, deutliche Schich
tung , sowie durch ihr zonenförmiges Auftreten eine sehr wich
Diluvial- und Alluvialablagerungen aber zusammengezogen . Noë bemerkt diesbezüglich , dass nach den neuesten, noch lange nicht abgeschlossenen Untersuchungen der Glacialgeologen der Umfang
der jungtertiären Schichten im nördlichen Alpenvorlande gegen wärtig wohl in vielen Fällen zu weit angenommen worden ist, und dass mancher dieser vermeintlichen Neogendistrikte in Zu kunft eine erhebliche Reduktion zu Gunsten des Diluviums wird
erfahren müssen .
Es empfahl sich jedoch nicht, an einzelnen
Lokalitäten eine solche Aenderung vorzunehmen , da sonst der
Nr. 3 die Tierregionen , Nr. 4 die Völkerkarte der Erde (nach keitskarten von Europa, während Nr. 10-14 sich speziell mit
Höhen -Geologie , Stromgebieten , Regenverteilung , Völkern und Sprachen von Oesterreich -Ungarn beschäftigt. Ein kurzer ein leitender Text (15 Seiten ) geht voraus. Die Kartenbilder sind
klar und ohne Leberladung mit Namen und Zahlen , Druck und C. Mehlis .
Ausstattung tadellos.
Druckfehler - Berichtigung. In dem Aufsatz « Fergunna a von H. Schurtz » Ausland « Nr. 16, S. 301 , 2. 4 l .) muss es natür lich » Virgunnia « anstatt » Virgunnai« heissen . >>
Verlag der J. G. Cotta’schen Buchhandlung Nachfolger
Anschluss und der natürliche Zusammenhang in benachbarten Ge
in Stuttgart.
bieten verloren gegangen und die einheitliche Ausführung der
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.
PELE STEN
DAS AUSLAND
TUNGS
Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde herausgegeben von
KARL VON DEN STEINEN . Jahrgang 63, Nr. 18. Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart . Preis pro Quartal M. 7.- Zu beziehen durch die Buchhandlungen des
Stuttgart, 5. Mai 1890. Manuskripte und Rezensionsexemplare von Werken der
einschlägigen Litteratur sind direkt an Dr. KARL VON DEN STEINEN, z . Z. Marburg-Hessen , Haspelstrasse 20, zu senden. Inserate auf dem Umschlag 20 Pf. für die gespaltene Zeile in Petit .
In- und Auslandes und die Postämter .
MDCXL
Inhalt : 1. Osmond Fisher's Physics of the Earth's Crust. Von Dr. Erich v . Drygalski. S. 341 . 2. Merkwürdige In schriften aus Fajum . Von Dr. Ludwig Wilser. S. 347 . 3. G. Nachtigals » Sahărâ und Sûdân« III. Von Professor Ph. Paulitschke. (Schluss.) S. 348. 4. Bella-Coola-Sagen. Von J. Adrian Jacobsen. S. 352 . 5. Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis. Von M. Quedenfeldt. (Fortsetzung.)' S. 354. 6. Kleinere Mitteilungen . S. 358 . - 7. Litteratur. S. 360.
Osmond Fisher's Physics of the Earth's Crust.
Von Dr. Erich v . Drygalski .
das Endziel bedingen , wird man losgelöst von dem Zustande des grössten Teiles der Erde, des Innern, niemals erkennen, weil er im Erdinnern wurzelt und die die Oberfläche in den Hauptzügen gestaltenden
So mannigfaltig und reich auch die Erscheinungen sind , welche die geologische Forschung uns über
Kräfte eben der Tiefe des Erdballs entstammen .
den Bau und die Zusammensetzung der Erdkruste
risse allerdings ahnen, in welchen sich die Erforschung
Die Wissenschaft der Erdkruste kann die Um
offenbart, so ist doch die Kenntnis, die wir auf geo-
der Endursachen der Oberflächengestaltung zunächst
logischem Wege über die Erde erwerben, immer
bewegen muss, und sie hat in der That das Material
nur auf einen verschwindend kleinen Teil unseres
geliefert, auf welchem der Physiker weiter bauen
Planeten beschränkt.Die Kontinente sind in grösserem , kann, um mit dem Zustande des Erdinnern der Er die Gebirge in kleinerem Umfange Störungen der welche auch eine so starre Gleichgewichtsgestalt
kenntnis der darin ruhenden Kräfte näher zu treten .
Materie wie Stahl von den Dimensionen unserer
Gravitation und Rotation , tritt die Wärme hinzu.
Erde annehmen würde, wenn sie gleich der Erde den beiden Fundamentalkräften : Gravitation und Rotation
Während jene allein einen Körper bedingen würden, welcher mit der Zeit die regelmässige Gestalt des
unterworfen wäre. Die geologischen Forschungen
Rotationsellipsoides annehmen müsste, werden durch
lehren uns die Zusammensetzung dieser Störungen kennen . Wir erfahren Schichten
bleibt der Erde nicht, wie die Masse erhalten, sondern
, dass , welche zusammenhängend in seichter Wasserbedeckung zur Ablagerung gelangt sein müssen , später durch Vertikal-
spalten zerbrochen sind ; dass die Bruchstücke zum Teil Tausende von Metern gesunken sein müssen, dass
sie an anderen Orten verbogen sind und zu den
Hochgebirgen der Erde sich türmen . Wir erkennen, dass entlang den Spalten und Klüften fremdartige, vulkanische Massen zur Oberfläche gedrungen sind, deren
Zu den schon genannten Fundamentalprinzipien ,
die Wärme Unregelmässigkeiten bewirkt. Sie strebt stetig einem Ausgleich mit der Wärme des Weltenraumes zu , und mit dem
so entstehenden
Wärmeverlust ist eine Aenderung des Volu mens der Erde verbunden ; diese geht nicht gleich mässig vor sich, sondern verschieden nach Lage und
Stoff, und damit ist der Grundstein der Abweichun gen gelegt , welche das ellipsoidische Gleichmass durchbrechen . Die geologische Forschung hat mit der
ganzes Wesen und Auftreten die Mitwirkung des
Erkenntnis der Wärmeverhältnisse in der Erdrinde den
Feuers verrät . Allein die Endursache aller dieser Veränderungen , welche unser Planet im Laufe der Zeiten erlitten, und welche zu der heutigen Oberflächen-
Physikern den Weg zur Erforschung des Erdinnern eröffnet, diese haben ihn quantitativ zu verfolgen ge sucht. Der Geologe sah in den Vulkanen unserer Zeit
gestaltung geführt hat, bleibt unsern geologischen
die Wärme in umbildender Thätigkeit, er konnte seine
Forschungen verborgen. Die Thatsachen, die der Schlüsse auf die Vulkane der geologischen Vorzeit Erdkruste eignen, werden gesammelt, man kann sie
machen , er erkannte in Bohrlöchern und heissen
gesondert von den Eigentümlichkeiten des ganzen Körpers betrachten : aber den Kausalzusammenhang, die allgemein und umfassend waltenden Kräfte, welche
Quellen direkt eine Wärmezunahme zur Tiefe. An dieses Material musste der Physiker knüpfen , die
Ausland 1890 , Nr . 18.
Wärmeverhältnisse der Erdrinde in die Tiefe ver 52
342
Osmond Fisher's Physics of the Earth's Crust .
folgen nach den ihm bekannten Gesetzen der Wärmeverbreitung, und hierauf musste er seine Betrachtungen
der Tiefe ab , wie schon Fourier und Poisson aus
Beziehungen , in welchen es zur Erdrinde steht. Die Wärmeverhältnisse der Erdrinde sind auch der
den Gesetzen der Wärmeleitung gezeigt haben . Die Annahme jedoch von Prestwich , dass die Wärme zunahme bei einer Tiefe von ca. 5ooo engl . Fuss aufhören müsse , weist Fisher als irrig zurück und
Ausgangspunkt des Werkes von Osmond Fisher, dessen zweite Auflage vorliegt . Haben wir in Deutsch-
zeigt in scharfsinnigen Deduktionen die Fehler quellen, aus welchen diese Annahme stammt. Die
land in Eduard Suess’ » Antlitz der Erde« ein Werk , welches in umfassender Weise alle geologischen
Wärme wächst mit der Tiefe nur in abnehmendem Verhältnis ; soweit man die Gesetze der Zunahme
gründen über den Zustand des Erdinnern und über die
Thatsachen , alles Material , das über die Kenntnis
aus der Erdrinde herleiten kann , erscheint es an
der Erdrinde vorliegt , zu einem Gesamtbild vereinigt, so möchte ich nicht anstehen, Osmond Fisher's Physics of the Earth's Crust als das physikalische Analogon hierzu zu bezeichnen. Fisher verfolgt die in der Erdrinde gewonnenen Anschauungen nach den Gesetzen der Physik in die Tiefe und prüft die Richtigkeit der so gewonnenen Schlüsse wieder um-
nehmbar , dass schon in der Tiefe von 30 engl. Meilen der Schmelzpunkt der Gesteine erreicht wird .
gekehrt an Thatsachen der Erdrinde.
So wird ein
unter der Voraussetzung , dass das Innere flüssig
Kausalzusammenhang hergestellt, der den ganzen
ist. Wir kennen die Dichtigkeit der Erde als Ganzes aus astronomischen Messungen zu ca. 5.5 , die
Erdball umfasst. Wir sehen Rinde und Kern in die
verschiedensten Wechselbeziehungen treten , und mag die Fülle der so gebotenen Sätze auch vieles Angreifbare enthalten, so viel ist sicher, das Buch räumt
Schon hierin ist auf den flüssigen Zustand des
Erdinnern hingedeutet. Die folgenden Kapitel häufen die Argumente dafür, doch ist zunächst noch eine
rein theoretische Betrachtungüber die Dichtigkeits und die Druckverhältnisse im Erdinnern eingefügt
Dichtigkeit der Oberflächengesteine zu ca. 2.75, dem halben Wert der Erddichte. Zur Erklärung dieser Thatsache wird die Annahme einer Dichtigkeits z u
viele Schwierigkeiten hinweg, welche grundlegenden nahme mit der Tiefe unabweisbar erscheinen. Wel Ansichten über den Zustand des Erdinnern bisher entgegenstanden , es bietet eine Fülle von Anregung und neuen Gedanken.
Die erste Auflage des Werkes ist 1881 er-
cherart diese Zunahme ist , wissen wir nicht, die Ge
stalt der Erde lehrt uns darüber nichts, sie ist mit einer sehr verschiedenen Dichtigkeitsanordnung im Innern verträglich. Laplace und G. Darwin haben
schienen , die zweite vorliegende 1889 , noch bevor je ein Gesetz der Dichtigkeitszunahme hypothetisch genommen , Fisher erteilt ersterem den Vorzug,
die erste vergriffen ist ; das erklärt sich durch die
Menge von Zusätzen , die das Werk in fundamen-
weil es mit astronomischen Daten besser in Einklang
talen Punkten enthält. Fisher's physikalische Gründe,
steht. Legt man es zu Grunde, so kann man den
z . B. für die Möglichkeit eines flüssigen Erdinnern , Druck im Aüssigen Erdinnern berechnen : er ergibt das die Geologen zur Erklärung der vulkanischen sich zu ca. 3 Mill. Atmosphären im Centrum der Erscheinungen stets postuliert haben , sind in der Erde. Diese Thatsache sich vorzustellen ist schwierig, zweiten Auflage bei weitem schärfer gefasst und denn man wird einen Druck so lange zugeben weiter geführt . Während die Physiker zum grossen können, als man im Innern einen Kern supponiert, Teil im Anschluss an Thomson und G. Darwin welcher durch seine Anziehung einen Druck ver
die Starrheit des Erdkerns behaupten, hatte Fischer anlassen kann. Denn der Druck eines Körpers auf vor allem auch aus physikalischen Gründen schon früher das Postulat der Geologen verteidigt. Hier sucht er nun die Gegengründe der anderen Physiker aufund zeigt, dass dieselben auch anders als durch eine
der Erde ist die Anziehung der Erde auf den Körper.
Im Centrum der Erde ist kein anziehender Körper und die Anziehung der umgebenden Massen hebt sich gegenseitig auf. Trotzdem kann man mathe
Starrheit des Erdkerns zu deuten sind, nämlich durch matisch den Grenzwert des Drucks bis zum Erd die Annahme, dass das feurig Aüssige Erdinnere mittelpunkt bestimmen , er würde den angegebenen mit Gasmassen gesättigt sei . Wir kommen auf Wert betragen und zeigt zur Genüge, wie gewaltige diesen wesentlichen Punkt noch zurück .
Druckkräfte wir mit zunehmender Tiefe erreichen .
dem Inhalt des bedeutenden Werkes kurz zu skizzieren .
Sie sind an sich schon fähig , durch Kompression die Dichtigkeit der Materie im Innern zu vergrössern ,
Es beginnt, wie erwähnt, mit den Wärmever-
und thun es zweifellos. Ob aber diese Thatsache
Wir wollen nun versuchen die Hauptzüge aus
hältnissen der Erdrinde und mit dem Wärmezuwachs ausreicht, die ganze Dichtigkeitszunahme zur zur Tiefe, den geologische Beobachtungen kennen zu erklären , ist fraglich. Nach Maxwell gelehrt haben. Fisher setzt die Wärmezunahme zur die Kompression bis zu einem bestimmten Tiefe im Mittel auf 1 ° Fahrenheit für si engl. Fuss ; und nicht weiter erfolgen , und wenn dieser
Tiefe kann Grad durch
stellenweise ist die Temperaturzunahme erheblich das Erfordernis an die Dichtigkeit der Materie im stärker, wie im Comstockgang, den Goldminen
Erdinnern überschritten wird , können wir nicht
des westlichen Nordamerika , doch ist das hier
umhin , eineLagerung von besonders schweren Stoffen , von Metallen, im Innern vorauszusetzen . Nach dem Gesetz von Laplace wäre die Dichtigkeit im Cen
durch lokale Ursachen , wabrscheinlich durch heisse
Quellen , bedingt. Der Wärmezuwachs nimmt nach
Osmond Fisher's Physics of the Earth's Crust .
343
trum 10.74 , dem würde die Dichtigkeit von Wis- | Beobachtungen Aufklärung bringen. mut und Silber nahe kommen ; die Dichtigkeit von
Ferner gibt
es theoretisch auch eine halbmonatliche Gezeiten
Gold und Platin wäre noch erheblich grösser , da
periode ; praktisch ist diese noch nirgends gesehen,
sie 19 resp. 22 beträgt. Ist das Erdinnere nun flüssig oder starr ? Nach
man könnte hieraus folgern, dass sie nicht gesehen
Fisher führen hier zwei Wege zum Ziel , entweder
vollkommen nachgeben kann , und man hätte dann
ist, weil in der halbmonatlichen Periode die Erdrinde
die Betrachtung der Zustände,welche ein ursprünglich ein starkes Argument für die ausserordentliche Starr geschmolzener Körper mit fortschreitender Abkühlung annehmen muss , oder die Betrachtung der Wirkungen anderer Himmelskörper auf eine Schale mit flüssigem Kern . Führt eine dieser Schlussketten zu dem heutigen Zustand der Erdrinde , so haben wir ein Argument mehr für die Annahme eines
flüssigen Erdinnern, auf welchesschon die Temperaturzunahme mit der Tiefe gedeutet hat.
heit des Erdballs.
Man kann diese Untersuchungen noch keines wegs als beendet bezeichnen , doch darf man von
den unermüdlichen Forschungen G. Darwins und
der planvollen Organisation der notwendigen Be obachtungen durch die British Association for the advancement of science die weitmöglichste Förderung erhoffen . G. Darwin vertritt die Starrheit des Erd
Der erste Punkt gipfelt in der Frage, ob beim balls auch aus anderen als den genannten Gründen. Uebergang von dem flüssigen in den festen Aggregat- So hat er berechnet , dass die ungleiche Belastung >
zustand eine Ausdehnung der Materie erfolgt, oder nicht. Wasser dehnt sich beim Gefrieren aus , Eis schwimmt
auf dem Wasser.
Schon
frühe
hat
F. v. Richthofen betont, dass das gleiche bei anderen Stoffen ebenfalls stattfinden müsse , und eine lange Reihe von Experimenten hat seine Ansicht bestätigt. Neuere Beobachtungen an Vulkanen , besonders dem
Kilauea auf Hawaii, führen zu demselben Schluss; man darf es heute ziemlich allgemein aussprechen, dass die Massen auf ihrem Schmelzflusse schwim
men . Der Schluss auf die Erde liegt auf der Hand, es ist nicht notwendig , dass bei der Bildung eines
der Erdrinde , wie sie durch die Verteilung der Kontinente und Ozeane vorliegt, eine sehrtiefgehende Starrheit verlangt. Die Belastung durch Amerika und Afrika einerseits, den Atlantischen Ozean anderer
seits erfordert beispielsweise noch in 1600 km Tiefe die Festigkeit des Granits. Freilich ist hierbei die Voraussetzung , dass die Erdrinde ein kontinuierlich homogenes Gewölbe , sei, eine Annahme, die O. Fisher durchaus nicht macht, und die auch den Thatsachen nicht entspricht, weil Bruchsysteme allerwärts nach weisbar sind .
Wir haben diese Ansichten nur angeführt, um Erstarrungsproduktes in dem allgemeinen Schmelz- zu zeigen, wie stark und gewichtig noch die Wider
fluss das erstarrte Gebilde in die Tiefe sank , und sprüche gegen den flüssigen Zustand des Erdinnern dass so allmählich durch weitere Erstarrungen ein
sind , besonders die Gezeitenanalyse muss weitere Auf
durchweg starrer Erdkörper sich packte , sondern es ist möglich , dass eine starre Rinde ein füssiges
klärung schaffen . Um so wertvoller ist es aber, dass
Innere umspannt .
welches das Vorhandensein aller Gezeiten auch mit
Von grösserer Tragweite ist die zweite Betrachtungsweise , die Untersuchung der Einwirkung anderer Himmelskörper auf eine Schale mit flüssigem Kern . Im Vordergrund steht hier das Phänomen
einem
O. Fisher nun mit einem Argument hervortritt, flüssigen Erdkern vereinbar erscheinen lässt.
- Wir haben seine Ansicht schon eingangs erwähnt und reproduzieren sie kurz.
Ein Schmelzfluss
kann Gasmassen binden ; das Volumen dieser
der Gezeiten. Der Grundstein der Beweisführung Gase ist unabhängig von dem Druck , unter welchem rührt von Sir William Thomson her , der weitere
der Schmelzfluss steht, doch die Masse der Gase
Ausbau ist in der imponierenden Reihe von Arbeiten ist proportional dem Druck, weil ein bestimmtes erfolgt, welche G. Darwin der Gezeitenanalyse ge- Volumen verschiedene Mengen von Gas fasst, je nach Nach Thomson werden wir die Gezeiten nur
dem Druck , unter welchem es steht. Ist nun das Erdinnere mit Gasmassen gesättigt und die Ex
wahrnehmen können, wenn die Erdrinde sich gegen über den Anziehungskräften von Sonne und Mond als unnachgiebig erweist ; denn ist dieses nicht der
halationen bei thätigen Vulkanen sprechen ja dafür, dass das feurig füssige Innere Gasmassen gebunden
widmet hat.
Fall , würde die Erdrinde mit dem Ozean ebben und
enthält,
so hat man den folgenden Vorgang:
fluten, wir würden keine Verschiebungen zwischen
würde die Attraktion von Sonne und Mond an einem Ort Ebbe bewirken, so wird an diesem Ort
Wasser und Land sehen , das Gezeitenphänomen
der Druck im Schmelzfluss verringert, der Sättigungs
würde uns fehlen. Wir finden nun die tägliche punkt überschritten , Gasmassen werden frei und Periode der Gezeiten an den Küsten des Weltmeeres verhindern durch ihre Spannung ein Ebben , ein
erwiesen ; es ist jedoch denkbar , dass die Erdrinde Einsinken der Erdrinde. Umgekehrt bei der Flut. längere Zeit zur Nachgiebigkeit braucht als das Wasser. Dann würden die täglichen Gezeiten gegen-
Fisher hat den Vorgang auch rechnerisch verfolgt
eintreten würden, nur abgeschwächt erscheinen, und
von Gasen.
und findet eine weitgehende Möglichkeit der Kompen über denen, die bei vollkommener Unnachgiebigkeit sation von Gezeiten der Erdrinde durch Spannung Der Gedanke dürfte die Aufmerksam
das ist ja denkbar, darüber können nur systematische keit in hohem Grade verdienen , wenn auch die
Osmond Fisher's Physics of the Earth's Crust.
344
Schwierigkeit, die Gesetze der Gasmassen bei den , bestimmen, sie wächst mit der Zeit. An diese Ver enormen Temperaturen des Erdinnern anzuwenden,
hältnisse wird durch die genannten Autoren eine
nicht übersehen werden darf.
Mächtigkeit der Erdrinde über dem flüssigen Innern.
Theorie der grösseren Unterbrechungen der Gleich gewichtsgestalt geknüpft; an die Dehnungszone speziell schliessen Davison und F. Mellard Reade eine
Diese fällt verschieden aus , je nachdem man an-
Theorie der ozeanischen Becken .
nimmt, dass die Verfestigung ungehindert fortschreitet,
oder dass ein Teil der verfestigten Massen immer
Aus Fisher’s Rechnungen geht hervor , dass die Kontraktion , welche ein starrer Körper durch
wieder in den Füssigen Zustand zurückgeführt wird,
Abkühlung erfährt, allein nicht hinreichend ist, um
indem in dem Glutfluss aufsteigende, besonders warme
alle Unebenheiten der Erdoberfläche zu erklären,
Es folgen nun zunächst Betrachtungen über die
Strömungen bestehen , welche die eben verfestigten
und er erblickt in diesem Umstande ein neues Argu
Rindenteile wieder schmelzen . Derartige Strömungen existieren in jeder Flüssigkeit, deren einzelne Schichten verschieden erwärmt sind. Fisher entscheidet sich
ment gegen die Starrheit des Erdballs. Es ist je
für diesen zweiten Fall , einmal, weil er die Annahme von Konvektionsströmungen im Glutfluss auch aus
doch zu bemerken , dass Schrumpfung durch Ab kühlung durchaus nicht das einzige Momentist, das die genannten Autoren zur Erklärung benutzen . Wir wer den daher Fisher darin beistimmen müssen,dass Schrum
anderen Gründen für unabweisbar hält, hauptsächlich
pfung durch Abkühlung eines starren Körpers allein
aber, weil er auf diese Weise die geringe Stärke der
zur Erklärung der Unebenheiten des Erdballs nichthin
Erdrinde erklären kann , welche das Gesetz der Wärmezunahme zur Tiefe und verschiedene geo-
reichend ist, doch als Beweisglied in der Frage, ob das Erdinnere starr oder flüssig sei, werden wir dieses
>
logische Gründe erfordern. Bei ungehinderter Ver- Argument nicht einzureihen vermögen . Uebrigens festigung und der Dauer derselben von ca. 25 Millionen Jahren , dem Resultat Thomsons, würde die
sprechen Fisher's Zahlen speziell in der erwähnten Theorie derozeanischen Becken durchaus nicht absolut
Stärke der Kruste schon ungefähr so engl . Meilen
gegen die Ansichten von Davison und T. Mellard
betragen ; Fisher kommt mehrfach zu dem Resultat
Reade.
einer Stärke von ca. 25 englischen Meilen , und diese würde eine Behinderung der Verfestigung durch Konventionsströmungen voraussetzen , wenn man nicht
Doch genug ; Fisher kommt auch hier zu dem Resultat von dem flüssigen Zustande des Erdinnern, er nimmt die Erdkruste als in hydrostatischem Gleich
die Dauer der Verfestigung gar zu gering, 3-11 Millionen Jahre, annehmen will, was aus anderen Grün-
gewicht aufspezifisch schwererem, flüssigem Magma schwimmend an , und entwickelt von diesem Gesichts
den unzulässig ist.
punkt aus seine Theorie der Unebenheiten der Erd
Nachdem so in grossen Zügen die allgemeinen oberfläche. Wäre die Erdkruste biegsam, so würde Bedingungen der Erdrinde und ihr Verhältnis zum Innern gekennzeichnet sind, geht Fisher zur Betrach-
sie einer seitlichen Zusammenpressung durch Falten
tung der Störungen über , welche das ellipsoidische Gleichmass durchbrechen , und prüft seine Ansichten und diejenigen seiner Gegner, indem er sie zur Erklä-
die Form dieser Falten mathematisch aus den Konse
bildung nachgeben müssen . Der Verfasser versucht quenzen der Gleichgewichtsbedingung herzuleiten und findet sie mit der Form
der Falten , welche
rung der Kontinente und der Gebirge anwendet. die Gebirge zeigen , absolut nicht in Einklang. Dieses Er beginnt mit dem Versuch , alle Unregelmässig- mathematische Resultat und ein Experiment von keiten mit der Starrheit der Erde in Einklang zu
Favre führen ihn zu dem Schluss , dass seitlich
bringen, indem er die Störungen und Runzelungen komprimierende Kräfte, über deren Ursprung er schätzt , welche eine starre Kugel von den Dimen-
vorläufig noch keine Angaben macht, sondern die
sionen der Erde erleiden würde , wenn sie lediglich durch Abkühlung schrumpft.
nicht einen Faltenwurf der festen Erdrinde in der
er lediglich als Ursache der Gebirgsbildung hinstellt,
Ich muss es mir versagen, an dieser Stelle auf Gesamtheit bewirken, sondern dass sie Verdickungen den überaus interessanten Widerstreit der Meinungen schaffen. Die Erdkruste wird in kleinste Teile zer malmt - der Vorgang wird in einem späteren näher einzugehen , welcher zwischen G. Darwin, malmt Davison, T. Mellard Reade auf der einen, O. Fisher Kapitel des Werkes ausführlich erörtert doch auf der anderen Seite geführt wird . Davison und die Kontinuität geht dabei nicht verloren . Es ent T. Mellard Reade haben die Theorie der Volumen-
steht an dem schwächsten, nachgiebigsten Teil des
veränderung eines abkühlenden Körpers entwickelt.
gepressten Erdstücks eine Schwellung, eine Ver
Sie unterscheiden zwei Zonen in diesem Körper, die
dickung nach oben und nach unten .
äussere erfährt eine Kontraktion und ist dadurch
Die Kräfte, welche diesem Vorgang entgegen
zur Bildung von Verdickungen und Faltungen präde- wirken , sind bei der Schwellung nach oben die stiniert, die innere erfährt eine Dehnung ; beide sind getrennt durch eine Lage , deren Volumenverände-
Schwerkraft und der Widerstand der Atmosphäre, bei der Schwellung nach unten der Widerstand des
rung mit der Abkühlung Schritt hält, und in-
feurig -flüssigen Magmas. Sie lassen sich gegeneinan
folgedessen keinen Störungen unterworfen ist. Die der abwägen, und so kommt Fisher zu dem Re Tiefe dieser Lage unter der Oberfläche lässt sich
sultat , dass die obere zur unteren Schwellung sich
Osmond Fisher's Physics of the Earth's Crust .
345
ungefähr wie 2 : 3 verhalten muss. In diesem Sinne besonders von Helmert , zeigen , dass die Kompen muss jeder äusseren Erhebung eine grössere sation bis zu gewissem Grade wohl stattfindet, dass Ausbuchtung der Erdrinde nach unten entsprechen, sie sich aber durchaus nicht derartig verhält , wie damit ist die Erklärung von Fisher's Wurzeln der Gebirge gegeben . Doch im Verhältnis von 2 : 3 können die gepressten Erdrindenteile nicht schwimmen , weil der
Unterschied der spezifischen Gewichte zwischen
Rinde und Magma nicht in der dazu erforderlichen Grösse annehmbar ist. Zwar werden die gepressten
es O. Fisher's Theorie der Gebirge verlangt. Wir können hiernach nicht umhin , diese Probe als miss
lungen zu bezeichnen . Das gleiche gilt von der zweiten Probe durch die Temperaturzunahme in verdickten Erdrinden teilen , in den Gebirgen . Falls die Wurzeln der
Gebirge sich ungeschmolzen halten sollen , dürfen
sie erst an ihrer Grenze mit dem Magma die Schmelz halten, allmählich aber müssen sie sinken . In grosser temperatur der Gesteine erreichen , also dieselbe
Teile noch eine Zeitlang durch seitlichen Druck ge-
Ausführlichkeit wird dieser Vorgang mit allen Kom- | Temperatur , welche nicht verdickte Erdrindenteile plikationen geschildert, er bietet dem Verfasser Er-
schon in weit geringerer Tiefe unter der Oberfläche
klärungsmomente für die Umsäumung derKontinental- erreichen . Die Flächen gleicher Temperatur in der massen durch Gebirgssysteme, für das Auftreten der tiefsten Meere am Rande dieser Gebirgsfalten , für die Anordnung der Vulkanreihen an den Rändern der Kontinentalmassive und anderes mehr.
Erdrinde, die Geoisothermen , müssten demnach von der konvexen Gestalt , die sie nachweisbar in Ge birgen haben, indem sie abgeschwächt die Terrain formen wiederholen , in der Tiefe in eine konkave
Die nächsten Kapitel des Werkes enthalten eine
Gestalt übergehen , indem sie sich hier mit den
Prüfung dieser Theorie der Gebirge. Wenn Hervorragungen über das allgemeine Niveau stets mit grösseren Ausbuchtungen der Erdrinde nach unten verbunden sind, muss sich diese Thatsache vor allem in den Schweremessungen äussern . Das Lot , die
Wurzeln der Gebirge nach unten ausbuchten. Findet dieses statt ?
Es ist mehrfach behauptet worden,
und O. Fisher versucht es zu beweisen.
Doch es
ist ein Trugschluss , der ihn zu dem erwünschten
Resultate führt, ein Trugschluss, der darin besteht,
dass die mittlere geothermische Tiefenstufe unter einem birgsmassen nach diesen hin durch Anziehung von Gebirge (die mittlere Temperaturzunahme) für die der vertikalen Stellung abgelenkt, die Grösse dieser geothermische Tiefenstufe der Mitte des Gebirges ge Ablenkung, »Lotabweichung «, lässt sich berechnen , setzt wird. Dieser Irrtum führt das unrichtige Resultat
Vertikale, wird durch das Vorhandensein naher Ge-
wenn man die ablenkenden Massen und ihr Ver-
herbei. Wir vermögen nicht anzugeben , wie die
hältnis zur gesamten Erdmasse kennt ; sie lässt sich
Temperaturzunahme sich in tieferen Zonen unter
ihrem thatsächlichen Wert nach bestimmen durch
einem Gebirge gestaltet ; so viel aber ist sicher, dass
ein Zusammenwirken von astronomischen und geo-
die Ausführungen Fisher's hier an dem genannten Irrtume kranken . Wir behaupten nicht, dass damit
dätischen Operationen. Nun haben diesbezügliche Arbeiten ergeben , dass der Wert der Lotabweichung, welchen man aus der Anziehung
der störenden
Massen berechnen kann , und der thatsächliche Wert,
auch seine Theorie der Gebirge fällt, doch wir sind nicht im stande, diese Probe , wie auch die zuvor behandelte, als beweiskräftig anzuerkennen .
welcher aus direkten Messungen folgt, nicht gleich
Die folgenden Kapitel enthalten ausserordent
gross sind. Der thatsächliche Wert war fast durch-
lich interessante Ausführungen über die wahrschein
weg geringerist als berechnete liche Dichtigkeitsverteilung in den subozeanischen das gleiche der der Falltheoretisch , wenn man aus den Wert; sicht- Erdrindenteilen , über den Einfluss von Inseln auf baren Massenunregelmässigkeiten Korrektionswerte
die Schwerkraft, über die Art und Weise, in welcher
für die Intensität der Schwerkraft bestimmt. Diese Thatsache fasst Osmond Fisher als Be-
die Zermalmung der Gesteine und die Schwellung des äusserlich so starren Gesteinsmaterials erfolgt, über die Bildung der ozeanischen Becken und über
stätigung seiner Theorie der Gebirge. Denn wenn
die unteren Ausbuchtungen , die Wurzeln der Gebirge anderes mehr. Wir müssen es uns versagen, alle vorhanden sind, wird dadurch ein Teil des spezifisch
diese Gegenstände im einzelnen noch zu verfolgen.
schwereren Magmas verdrängt. Die Folge ist , dass die stärkere Anziehung der Verdickung nach oben
örterung finden : Fisher's Erörterung der Vulkane
bis zu einem gewissen Grade durch die schwächere
und im Anschluss daran seine Erörterung der Kräfte,
Nur noch zwei Punkte können hier eine kurze Er
Anziehung der unteren Schwellung – schwächer die bisher die nur als thatsächlich angenommene kompensiert seitliche Kompression bewirken , welche die Ver als die des verdrängten Magmas wird . dickungen der Erdrinde schufen. Seine Behandlung der Vulk ane enthält vor So wenig sich die Thatsache einer gewissen Kompensation leugnen lässt, so sehr muss man sich allem eine Widerlegung von Mallets Theorie des jedoch hüten , diese Kompensation als vollkommen Vulkanismus. Mallet hat den Vulkanismus ohne ein
zu betrachten. Es ist zu bedauern , dass Fisher feurig -flüssiges Erdinneres zu erklären versucht , er nahm einen starren , durch säkulare Abkühlung hier nur die älteren englischen Arbeiten von Airy nahm und Pratt berücksichtigt hat. Neuere deutsche Arbeiten, schrumpfenden Erdkörper an und hielt dafür, dass Ausland 1890, Nr . 18 .
53
Osmond Fisher's Physics of the Earth's Crust .
346
die Schrumpfung, die Kontraktion an sich lokal so viel Wärme erzeugen könne , dass das Gestein da-
Es kommt hinzu , dass wohl die Wirkung jeder einzelnen Spalte, jedes Ganges beschränkt ist, nicht
es .
durch in Schmelzfluss gerät und so zu vulkani- aber die Zahl der Gänge in einem Gebiet. Sind schen Ausbrüchen geführt wird. Fisher führt nun
also in einem Gebiet neuer Sedimentbildungen die
des breiteren aus , dass die durch Kontraktion erzeugte Wärme niemals diesen Einfluss haben kann , weil sie nicht lokalisiert bleibt , sondern sich über
Bedingungen für die erste Entstehung solcher Sprünge an der Unterfläche besonders günstig gegeben , so ist es durchaus nicht unwahrscheinlich, dass dieses
die ganze schrumpfende Zone verteilt. Und in der
Gebiet seine ganze spätere Stauchung und Schwellung
ganzen Zone kann ihr Einfluss niemals bis zum
und Faltung der soeben geschilderten Kraft ver
Schmelzpunkte steigen . Fisher's Theorie des Vulkanismus wurzelt , wie es bei seinem Standpunkt bezüglich des Erdinnern
dankt . – Verbunden ist hiermit noch eine andere
nicht anders möglich ist , in dem feurig -flüssigen Magma des Innern der Erde, und in geistvoller Weise hat er entwickelt , wie die schon einmal an ent-
Kraft, nämlich die in der schliesslichen Kristallisation und damit eintretenden Ausdehnung begründete molekulare Gewalt. Ohne Auswertung erwähnt
O. Fisher diesen wichtigen Gegenstand kurz und nähert sich damit der Anschauungsweise von
scheidender Stelle gemachte Annahme der Sättigung F. v. Richthofen und T. Mellard Reade. – Doch schen Vorgänge hilft. Wenn durch ungleiche Belastung an der Oberfläche, wie es bei der Ablagerung von Sedimenten
weder diese Kräfte, noch die jedenfalls mitwirkende Schrumpfung durch säkulare Erkaltung scheinen dem Verfasser hinreichend , um die ganze an der Erd oberfläche sichtbare seitliche Kompression zu erklären .
leicht eintreten kann, oder auch durch Verdichtung oder
Er stellt deshalb schliesslich die Ansicht auf, dass
dieses Magmas mit Gasen zur Erklärung der vulkani-
Metamorphismus der tiefer sinkenden Sedimente selbst, ein Hauptgrund der seitlichen Stauchung in den sowie jener Erdrindenteile, die durch die Sedimente Konvektionsströmungen des Erdinnern liege. Wir herabgedrückt werden , an der unteren Fläche der haben mehrfach erwähnt, dass diese Strömungen Erdkruste ein Sprung entsteht, ist nach Fisher die Vor- ihm für den Zustand des Erdinnern unerlässlich er
bedingung der Vulkanbildung geschaffen. Das Magma scheinen , hier räumt er ihnen die weitgehendste dringt in der Spalte vor, durch seine Entlastung Wirksamkeit ein . Ihre Reibung an der Unterfläche von dem bis dahin grösseren Druck wird der Sättigungs- der Erdrinde soll fähig sein , den Hauptteil der punkt für Gase, der diesem Druck entsprach , über- seitlichen Kompression zu bewirken, welchen das schritten, Gase werden frei und wirken nun weiter
Ausmaass der Gebirgsfaltung verlangt. Der Punkt
zur Erweiterung der Spalte und zur Verlängerung
greift so weit in das Gebiet der Spekulation , dass
nach oben, wie ein Keil , und schaffen sich so selber
wir uns mit der Erwähnung begnügen .
immer mehr Entlastung und damit die Bedingung
Blicken wir nun zum Schluss noch einmal auf den Inhalt des hochbedeutenden Werkes zurück, so
weiteren Wirkens.
Diese Spalten können die Oberfläche erreichen
müssen wir staunen über die einheitliche Erfassung
und sind dann die Ausbruchskanäle der Vulkane.
und Begründung der den Erdball beherrschenden
Dampfexhalationen und ein Emportreiben von feurigflüssiger Lava durch die von unten nachdringenden
Kräfte. Die feste Erdrinde schwimmt auf einem feurig - flüssigen Magma, welches mit Gasmassen
und sich bisweilen zu gesteigerter Thätigkeit an-
gesättigt ist . Das Magma ist nicht unthätig und ruhig, sondern hat Strömungen , wie jede in ihren Teilen ungleich erwärmte Flüssigkeit. Dieses ist das Thema
sammelnden Gasmassen lösen sich ab.
Die Gase
selber entstammen dem Innern , Fisher räumt der Mitwirkung von Wasser, das von aussen hinzutritt,
nur eine untergeordnete Rolle ein und hebt die
des Werkes, ihm fügt sich die Mannigfaltigkeit der Naturgewalten , die den Erdball gestalten. Diese
Magma verhindern .
Thatsache ist so einleuchtend und klar, wie Dutton sagt, wer sollte ihr nicht zustimmen können ? Die
Wenn die Spalten nicht die Oberfläche erreichen , sind die darin empordringenden Gas- und
sich in seichtem Wasser gelagert haben , und wie das
Schwierigkeiten hervor, welche sein Vordringen zum
Geologie hat gezeigt , wie die meisten Sedimente
Lavamassen in hohem Grade an der seitlichen
Wasser immer dieselbe Tiefe bewahrt , ob auch
Kompression der Erdkruste beteiligt. Es dürfte
Tausende von Metern mächtige Sedimente
sich
das erste Mal sein , dass die gewaltige hebende und
schichten. Welche andere Erklärung ist möglich,
komprimierende Kraft, welche in diesem Umstande liegt , eine weitgehende Auswertung erfährt. Die
als dass die Sedimente die Erdrinde immer weiter
kanischen Magmas zwischen fremde Schichten lange kennen gelehrt, Fisher zeigt hier durch Rechnung, welch eine gewaltige Kraft damit verbunden ist.
änderte Tiefe des Meeres.
in das flüssige Magma gedrückt haben, der schwim geologische Forschung hat Hineinpressung vul- mende Gleichgewichtszustand allein erklärt die unver Und doch, wie grosse Schwierigkeiten haften der Annahme an ! G. Darwin hält an der Starrheit des
Er hält es wohl für möglich, dass die seitliche Erdkörpers fest, die ozeanischen Gestade zeigen täg Stauchung, welche die Gebirge geschaffen, in hohem
lich Ebbe und Flut , kann die Spannkraft der ein
Maasse hiervon herrührt, und seine Rechnung beweist geschlossenen Gase in vollem Umfange die Gezeiten
Merkwürdige Inschriften aus Fajum . der Erdrinde verhindern ?
347
Wir haben die That- | pansionstheorie zu gestalten und den Einfluss der
sachen , die Fisher's Theorie der Gebirge , welche
Molekularkräfte in ihrer elementaren Gewalt zu er
seine Wurzeln der Gebirge beweisen sollten, ablehnen müssen , doch das ist ohne nachhaltigen Einfluss ; ob die Wurzeln vorhanden sind, ob nicht, der Vor
kennen .
gang der Gebirgsbildung, wie ihn Fisher schildert, das Schwellen des starren Gesteins unter gewaltigem
Druck dürfte den Thatsachen entsprechen , dafür
Merkwürdige Inschriften aus Fajum . Von Dr. Ludwig Wilser.
» Der Erforscher altorientalischer Geschichte
zeugt auch das reiche Material geologischer For- ist in den letzten Jahren so sehr an archäologische schung. Und die Endfrage ist : welches sind die
Ueberraschungen gewöhnt worden, dass ihm nichts
Kräfte, die dieses Schwellen bewirkt ? Ueber den
mehr unmöglich erscheint. «
Diese Worte des be
Einfluss der Reibung von Strömungen des Erdinnern kannten englischen Gelehrten Sayce beziehen sich vermögen wir kein Urteil zu fällen. Das ist Hypothese ; Schrumpfung durch Abkühlung reicht
auf Inschriften , die im vorigen Jahre der glückliche Entdecker Mr. Flinders Petrie auf Topfscherben
nicht hin ; die Spannkraft von empordringenden in zwei Schutthügeln, Medinet Kahun und Medinet Gasen und Laven tritt hier in ausgedehnte Bedeutung, doch das ganze Ausmaass der Störungen vermag auch diese umfassende Kraft nicht zu schaffen .
Gorub , der Oase el Fajum in Aegypten mit anderen
Es mögen auch äussere Wirkungen , Temperaturänderungen der Oberfläche selbst von Einfluss gewesen
zwei „Städten der Werkleute«, d. h . von Nieder lassungen , einst bewohnt von Ausländern , die von
sein, häufig, doch nicht überall .
den alten Pharaonen zur Ausführung ihrer gross
hochwichtigen Altertümern gefunden hat. Flinders Petrie sieht in diesen Hügeln die Ueberbleibsel von
So oft in neuerer Zeit diese hier in Frage artigen Bauten ins Land gerufen waren . Die in kommenden Kräfte behandelt, so oft ihre Wirkungs- ägyptischer Schrift überlieferten Namen „Tursener sphären gegeneinander abgegrenzt worden sind, eben-
und Hittitena zeigen, dass diese kunstfertigen Fremd
so oft fast tritt schliesslich wie eine Ahnung die An-
linge von den Küsten des Mittelmeers gekommen
nahme molekularer Gewalten hinzu .
waren . Töpfereien vom ältesten mykenischen Stil und Thonfigürchen wie die von Thera beweisen
Wir haben an-
fangs hervorgehoben , dass die Erdrinde sich als der
spezifisch leichtere Teil des Erdballes erwiesen habe, dasselbe. Das Merkwürdigste aber sind die zu denn sie ist eine Auflockerungsschale des dichteren Magmas. Und was die Erdrinde im grossen ist, das sehen
wir in den Gebirgen im kleinen ; in den Alpen, wie
Dutzenden gefundenen , in die Töpferware einge ritzten Schriftzeichen . Unter diesen – die Illustrated London News haben Abbildungen gebracht finden
in allen Faltungsgebirgssystemen werden Strecken
sich neben unbestimmten Zeichen solche, die völlig
stärkster Konipression mit Strecken starker Expansion,
mit germanischen Runen , mit etruskischen oder
Auflockerung, in Gemeinschaft gefunden . Erstere altgriechischen Buchstaben übereinstimmen. entspricht dem Nordsauin , die letztere dem Südsaum der Alpen. F. v. Richthofen hat diese Thatsache mehrfach in ihrer vollen Bedeutung betont : nicht allein durch Kontraktion sind die Unebenheiten des
Erdballs bedingt, eine Ausdehnung gewisser Regionen geht Hand in Hand , untrennbar von jenen in ihrem kausalen Verband . Fisher's Physics of the Earth's Crust verkennt diese Thatsache nicht, wir haben
Das
ITOEL ON 3
Auf Holz .
Auf Topfscherbe.
seine Andeutungen mehrfach erwähnt; er spricht
Alter des erstgenannten Hügels wird von Petrie auf etwa 2500 Jahre v. Chr. geschätzt, da sich Inschriften
von der Ausdehnung, die die in Spalten eingeeinge
des Königs Usertesen II. aus der XII. Dynastie ge
drungenen Laven bei der Verfestigung erleiden , und es geht durch seine Ausführungen wie eine Ahnung
funden haben ; der andere ist jünger, etwa 1400 bis
von ihrer Gewalt .
1200 Jahre v. Chr., aus der Zeit Ramses ' des Grossen .
Eine quantitative Behandlung, In beiden aber fand sich die gleiche Schrift und die
wie sie alle Kontraktionsphänomene erfahren, finden gleiche Töpferware, ebenso in einem dritten , Tel wir nicht.
Schon etwas festere Gestaltung erfährt
dieser Gedankengang durch T. Mellard Reade ; wir schliessen uns der Hoffnung Duttons an , dass es
el-Amarna, den Sayce, der gegenwärtig in Aegypten weilt , selbst erforscht hat. »Revolutionary re sults« und » full of promise for the future « nennt
dem Zusammenwirken aller physikalischen Discipli- Sayce diese Inschriftenfunde in seinen Berichten , und sie scheinen in der That geeignet , einen Um
nen gelingen möge, in diesem Punkt Klarheit zu schaffen .
Die Aufgabe der bisherigen geophysischen Forschungen war es zum grossen Teil, die Alleinherrschaft der Kontraktionstheorie zu beschränken und
schwung in den Anschauungen über die Geschichte der Buchstabenschrift hervorzurufen. Die englischen Gelehrten neigen zu der Ansicht,
die fremden
»> Werkleute« hätten aus der hieratischen Schrift für
ihren Einfluss auf das richtige Maass zurückzuführen, den eigenen Gebrauch sich ein Alphabet gebildet, die Aufgabe der Zukunft wird es sein, die Ex- das dann durch den Verkehr mit der Heimat den
G. Nachtigals » Sahărâ und Sûdân « III .
348
Anstoss zur Entstehung der alteuropäischen Schrift gegeben habe. Man wird zugeben müssen , dass
Sibirien gefunden , etwa 16 germanische Runen unter 40 Zeichen enthalten und nach Professor Aspelin in
das nicht sehr wahrscheinlich ist. Wären die Werk- | Helsingfors zum Teil noch der reinen Bronzezeit an
leute völlig schriftunkundig nach Aegypten gekommen, gehören '). Auch dieser bedeutsame Fund ist ein so hätten wohl einige, die das Bedürfnis zu schreiben empfanden , einfach die ägyptische Schrift erlernt ; aber, auch die Bildung eines neuen Alphabets zu-
Zeugnis vom hohen Alter der Runenschrift im Norden . Seit Jahren, schon vor den besprochenen
gegeben , ist es denkbar , dass die versprengten
Zeilen die Ansicht von dem in den Runen ent
überraschenden Funden , hat der Schreiber dieser
Europäer (Tursha werden auch sonst in ägyptischen haltenen »urarischen Alphabet « in Wort und Schrift Inschriften genannt, und » Tyrsener« war ein im Alter-
vertreten .
tum weit verbreiteter Name, den ausser den Etruskern
tigen Fragen selbstverständlich bloss angedeutet
auch thrakische Stämine und Bewohner Kleinasiens
werden .
und der Inseln führten ) ihr Alphabet in ganz Europa
Hier
konnten
alle diese
hochwich
Die beigefügten Abbildungen enthalten das Fak
und Kleinasien zur Geltung gebracht haben sollten ?
simile der wenigen bisher (in den Illustrated London
Nein , wie die heimatliche Uebung der Töpferei müssen sie auch eine Buchstabenschrift aus Europa mitgebracht haben, die unabhängig von den Hieroglyphen ist, und deren hohes Alter durch die Petrie-
News ) veröffentlichten Zeichen ; es finden sich dar unter jedoch 33 unzweifelhaft deutliche : i das Zeichen für T , 2 dasjenige für H der ältesten griechischen und etruskischen Inschriften und 3 die Rune Ur des
schen Funde bezeugt wird. Es wird immer klarer, dass
gemein-germanischen Runenfuthark.
die Phöniker, die nach Diodor die Buchstaben nicht
erfunden, sondern nur verändert haben, bei Schaffung ihrer Schrift aus arischer Quelle geschöpft, d. h.
G. Nachtigals ,,Sahărâ und Sûdân “ III .
das Alphabet eines kleinasiatischen Thrakerstammes
Von Prof. Ph . Paulitschke.
für ihre Zwecke umgewandelt haben .
Infolge
(Schluss.)
lebhaften Handelsverkehrs mit den Hellenen haben
sie dann wiederum das altgriechische Alphabet in
Was die Regierung Wadâis betrifft, so schil
Aeusserlichkeiten, wie z. B. den Namen, beeinflusst.
dert Dr. Nachtigal dieselbe als despotisch -tyrannisch.
Suchen wir dann anderswo nach dem Ursprung der
Der König wird als ein halbüberirdisches Wesen be
europäischen Schrift, so müssen wir vor allem die
trachtet, das kein Sterblicher Nahrung zu sich neh
Germanen, die ja als letzter unvermischter Kern des
men, noch der Ruhe pflegen sehen darf. Er muss stets weiss gekleidet sein und darf nur bestimmte Gerichte zu sich nehmen. Selbst das Wasser, welches
arischen Urvolkes in die Geschichte traten , und ihr Runenfuthark ins Auge fassen . So sehr wir die grossen Verdienste Wimmers ) um die Runen
forschung anerkennen , mit seiner Ansicht von der
ihm zum Getränk bestimmt ist , wird in Krügen her
beigebracht , die ganz in Stoffe genäht sind, damit
Ableitung der Runen aus dem lateinischen Alphabet sie kein unberechtigter Blick treffe, wie denn auch können wir nicht einverstanden sein .
Zu viele
der betreffende Brunnen mit Zeug verhängt ist. Be
Gründe sprechen dagegen. Zu deutlich tragen die sondere Ceremonien sind für die Thronbesteigung Runen den Stempel der Ursprünglichkeit und Alter-
vorgeschrieben, und das gesamte Leben des Sultans
tümlichkeit. Auf die Forderung Wimmers, wenn man an dem Ergebnis seiner Untersuchungen zweifle,
vollzieht sich streng nach Vorschriften , von denen
Futhark von 24 Zeichen.
umgibt die Person des Herrschers, unter denen Eu nuchen sehr hohe Stellen einnehmen. An der Spitze der weiblichen Verwandten des Königs steht eine
einzelne wohl schon im Laufe der Zeiten eine Ab
müsse »man auf jeden Fall ein anderes älteres änderung erfahren haben . Der königliche Harem Alphabet nachweisen « , lässt sich entgegnen : ein enthält 5-600 Frauen . Die Königin -Mutter übt oft solches findet sich allerdings , nur nicht ausser einen weitgehenden Einfluss auf die Regierung halb , sondern innerhalb des gemein- germanischen und Politik aus. Ein grosser Stab von Hofbeamten Entfernt man nämlich
die offenbar aus Zusammensetzungen entstandenen
Runen, die Wimmer selbst fast alle anerkennt, und
ändert nur wenig die Reihenfolge , so ergibt sich Prinzessin, gewöhnlich die Schwester des regieren ein mit wunderbarer Symmetrie in drei »Ge
den Sultans ,
die zuweilen eine
nicht
unbedeu
schlechtern « angeordnetes Futhark von 18 Zeichen, tende Macht besitzt. Von den Prinzen des könig das allen Erwartungen entspricht, die man vom Ur
lichen Hauses , Brüdern , Oheimen u . s . w . haben
alphabet der europäischen Arier hegen konnte. diejenigen, welchenicht dem gewöhnlichen Schicksal Gerade diese ältesten Zeichen finden sich in allen
aller Prinzen , geblendet zu werden , anheimfallen,
alteuropäischen Alphabeten wieder , ebenso auch in
Stellungen als Oberhäupter von Stämmen und Ort
einer Reihe hochmerkwürdiger Inschriften, die, von finnischen Gelehrten in jüngster Zeit am Jenissei in
schaften inne, ohne jedoch zu den höchsten Würden im Lande zu gelangen .
1) Die Runenschrift von L. F. A. Wimmer. Aus dem
1) Vergl . den Aufsatz über » Centralasiatische Inschriftena Die Redaktion . in Nr. 17 des » Auslands« .
Dänischen übersetzt von Dr. F. Holthausen . Berlin 1887 .
G. Nachtigals » Sahărâ und Sûdân « III .
Das Reich Wadâi zerfällt in sieben Provinzen,
349
sorgfältiger sozialer Verkehr hat sich im Lande aus
welche von sogenannten Kemâkil (Sing. Kamkolak gebildet ; doch sind hierbei die Künste des Friedens, = grosser Mann ) verwaltet werden . Diese Kemâkil Handwerk , Handel und Verkehr in der Entwicke üben die Justiz und haben sogar das Recht über | lung,, die man unter so günstigen Verhältnissen Leben und Tod aller Unterthanen , mit Ausnahme hätte voraussetzen können , auffällig zurückgeblieben . der Verwandten des Königs und der Schmiede, welch Dr. Nachtigal verliess dies merkwürdige Land
letztere einen eigenen Schattensultan besitzen , der afrikanischer Halbkultur am 17. Januar 1874 , um zugleich Leibarzt des ganzen königlichen Hauses ist, und dem auch das traurige Amt zufällt, bei dem
sich nach Osten , nach Dâr Fôr zu wenden. Er überschritt am Wâdi Usunga die unbewohnte Wild
Regierungsantritte die Brüder oder Neffen und Vet-
nis , welche Wadai von Dår Fôr in ähnlicher Art
tern des Sultans zu blenden .
scheidet, wie die Gebiete der Galla-Staaten durch die sogenannte Udemmá voneinander getrennt werden . Der Weg führte von da ab durch das Dâr Fêa und
Wie fast überall in Afrika, sind auch in Wadai die Schmiede verachtet . Die Handhabung der Rechtspflege ist eine sehr
strenge. Blutrache und Zahlung von Blutpreisen den Nordrand des Dschebel Marra entlang nach Kôbê besteht aufrecht. Die Todesstrafe wird sehr häufig verhängt, so schon z . B. auf wiederholten Diebstahl. Wadai hat einen Waffenschatz von 4000 Steinschloss-
gewehren und 12 ( angeblich sogar 40) Kanonen . Der Hauptwert der Wehrmacht liegt in der Reiterei ( 5-6000 Mann). Ausserdem kann das Reich so bis 60 000 Mann Fussvolkes ins Feld stellen . Interessant
und der Hauptstadt Dâr Fôrs, el Fâscher. Ein wohl gesinnter Freund, Hadsch Ahmed, hatte den Forscher mit seiner Karawane geleitet, doch entging Nachtigal an einzelnen Punkten nicht dem Verdachte, als tür
kischer Spion betrachtet zu werden, einem Verdachte, der nachher in Dar Fôr sich sehr bedeutend stei
gerte , ohne dass Nachtigal demselben auch nur
ist, dass in Wadài die Schlachtordnung für den Krieg,
irgendwie Nahrung gegeben hätte.
also eine Art Kriegsoperationsplan ein- für allemal festgestellt ist .
traf er wohlbehalten in Fascher ein und hatte die
Befriedigung , von dem Sultan des Landes wohl
Wie das Staatswesen , so ist auch das Gemeindeund Familienleben in Wadài, wie Nachtigal hervor-
wollend aufgenommen zu werden . Vor allem kam es natürlich darauf an , sich im
hebt, sorgfältig organisiert . Die Dörfer bestehen
Lande persönlich umsehen zu dürfen und namentlich
aus Stroh- und Thonhütten, von denen letztere oft
das berühmte Marra-Gebirge erforschen zu können .
Am 7. März
auch ein zweites Stockwerk besitzen. In einiger-
Nachtigal trug die Karte von Dår Fôr von Peter
massen bedeutenden Dörfern finden sich 3 öffent-
mann
liche Hütten , von denen eine für die Alten «, eine
deutsche Expedition zur Aufsuchung Dr. Vogels an
gleiche für die Männer von 25 bis etwa 50 Jahren
gefertigt worden war, einerseits um dieselbe zu ver
und eine dritte für Jünglinge bestimmt ist. Eine eigene Wohnung hat der Mann nur für die Nacht. Den Tag über weilt er mit Nachbarn zusammen , Baumwolle spinnend, nähend , webend . Es würde in Wadâi für eine Schande gelten , seine Nahrung allein einzunehmen, ja nicht einmal die jungen, un-
gleichen und seine Kenntnisse des Landes zu er weitern ,, andrerseits, um sich bei den Leuten in andrerseits , um
verheirateten Leute lieben es, zu Hause zu schlafen .
Erlaubnis dazu zu geben , mit der Begründung , er sei noch nicht lange genug an der Regierung, um bei dem bestehenden Verdachte, Nachtigal sei ein
Bei den Mahlzeiten bedienen die jüngeren Klassen die älteren . Im Falle einer Ehescheidung verlässt nicht die Frau den Mann , sondern der Mann nimmt sein Eigentum an sich und schlägt seinen Wohn-
und Hassenstein bei sich , welche für die
Ansehen zu setzen und ihr Misstrauen abzuschwächen .
Dem Landesherrn von Dar Fôr , Sultan Brahim ,
setzte er seinen Plan , Rundreisen in Fôr zu machen, offen auseinander, doch dieser weigerte sich , die
türkischer Spion , die Verantwortung für dessen Sicherheit auf sich nehmen zu können , ja , er fürchte
sitz bei einer anderen Frau auf , denn es herrscht
seinerseits von den Leuten des Verrats bezichtigt zu
Polygamie . Was das Zusammenwohnen der Leute betrifft, so halten die » Alten « zusammen , ebenso die Jungen und die Jünglinge. Wie bei den alten Per-
werden, weil er türkische Spione im Lande umher schicke.
So war denn für Dr. Nachtigal die Sachlage in sern ist die Erziehung der Jugend in Wadâi ge- Fôr und die Möglichkeit, das Land zu erforschen, un
ordnet und gegliedert. Religiöse Bildung ist in
gleich schwieriger, und er musste während der ganzen
Wadai sehr viel verbreiteter und vorgeschrittener
folgenden Zeit sein Hauptbestreben darauf richten,
als z . B. in Bornû und fast allen andern central-
Berichterstatter zu erhalten .
afrikanischen Nachbarreichen . Es befinden sich Elementarschulen in allen Orten , und es existiert
Foraner liess nicht nach, und wo immer Nachtigal sich zeigte , selbst bei der Ausübung des ärztlichen
Das Uebelwollen der
der »Schulzwang“ , wie in Europa . Höhere Schulen Berufes, ja sogar im Königspalaste war er den existieren an 30 und verteilen sich auf die einzelnen gröbsten Beleidigungen ausgesetzt. Er bekennt indes Bezirke des Landes. Erfüllung religiöser Pflichten offen , dass vermöge seiner langen Bekanntschaft wird erst vom reiferen Alter ab verlangt. Die mit den Negervölkern , welche im Laufe der Zeit Formen strengster Etikette werden im bürgerlichen , wie im Familienleben beobachtet, und ein höchst Ausland 1890, Nr. 18.
dazu führte, sie richtig zu behandeln, es ihm gleich wohl mit der Zeit gelungen wäre, den Widerwillen 54
G. Nachtigals „ Sahărâ und Sûdân
350
III.
der Eingeborenen zu besiegen. Doch meint er, die | Foranerhäuptlinge mit der Zeit der Ahnherrschaft Nachrichten von dem Heranrücken der ägyptischen
der gebildeten Fremden sich berühmten, so die Kêra,
Streitkräfte, welche sich unter Ziber Pascha eben an
die eine blühende Dynastie im Lande erzeugten.
die Eroberung des Landes machten , und die bald
Diese Kera-Dynastie ward allgemach bedeutender
darauf gefolgten , sich überstürzenden Ereignisse als jene der Tundscher, entwand dieser die Herr hätten ihn frühzeitig aus dem Lande getrieben.
schaft und stellte sich an die Spitze des Landes, und
König Brahîm war selbst bemüht, Nachtigal zuver- erst ihr gelang die völlige Einführung und Befesti lässige Gewährsmänner für seine Zwecke zu verschaffen, und so widmete sich der Reisende Studien, deren Wert , wenn wir die späteren Zeiten ägyp-
gung des Islâm etwa um das Jahr 1600 n. Chr.
tischer Herrschaft ins Auge fassen und der topo-
Regent der Dåli (Delil Bahar) gewesen ist, hat wahre
unter Suleiman Solan .
Erst die Zeit der Kêra -Dynastie, deren erster
graphischen Thätigkeit ägyptischer Offiziere in Dår Erfolge in Dår För zu verzeichnen. Denn die Tund Fôr uns erinnern , vollauf aufwiegen , was dem
scher-Fürsten, darunter besonders Schau, gefielen sich zumeist in der Misshandlung der Unterthanen durch wurde . Sisyphusarbeiten. Dåli , neben Suleiman Solan und Ah Das Objekt der Studien Nachtigals war die Ge- | med Bokkor der glänzendste Fürst der Dynastie, or ganisierte das Land und erliess das berühmte Straf schichte und die Organisation des Fôr-Staates. Forscher auf Exkursionen zu leisten eben verwehrt
Bei seinen historischen Studien konnte der For- | gesetzbuch des Landes, den Ktáb Dåli ( eigentlich scher zunächst nur wenig wertvolle schriftliche Quellen
Kitâb Dâli = Buch des Dåli), welches keine Todesstrafe,
benutzen, nackte Herzählungen von Regenten, ohne
keine körperliche Züchtigung und keine Beschränkung Zeitangaben und ohne begleitende Bemerkungen , wie der persönlichen Freiheit kennt. Nur Vermögens sie von schriftstellernden Arabern alter und neuer
strafen ordnet es an, und auch heute noch ist es der
Auch Sultan Brahîm
Hauptsache nach in Dår Fôr in Geltung. Dali soll
Zeiten gern verfasst wurden.
übermittelte Nachtigal alte Schriftstücke aus der Zeit
um die Mitte des 15. Jahrhunderts regiert haben .
seiner Vorfahren Mohammed el Fadl und Abû abd
Nach dem Tode Dâlis verfiel das Land in Anar
er - rahmân . Dies waren aber nur Regierungsakten,
Schriftstücke verwahrt. Auf Befehl des Königs war Dr. Nachtigal ein Schriftkundiger des Landes bei
chie, und arge Thronstreitigkeiten brachten es an den Rand des Abgrunds, so dass es Suleiman Solan am Beginne des 17. Jahrhunderts geradezu neu begründen musste, ein kriegerischer Fürst, einer der volkstümlich sten Herrscher des Landes. Dreiunddreissig Feldzüge soll dieser Mann unternommen haben, und wenn er ,
der Sichtung der Dokumente behilflich , der aber
erzählt Nachtigal, seinen kleinen runden Schild (Schi
den aus Patriotismus entspringenden Fehler hatte ,
rim) schüttelte, dass die daran befindlichen Schellen
von denen nur bloss der den » Diwân « (die Steuer) im
ganzen Reiche festsetzende Teil Interesse bot. Auch hatten damals noch einzelne Familien
historische
alle zu Ungunsten der Könige sprechenden That- erklangen, so schien der Sieg allen gesichert. Alle
sachen dem Forscher vorenthalten zu wollen und Bergstämme vermochte er zwar auch nicht zu be sie erst dann zuzugestehen , wenn Nachtigal sie von anderer Seite erfahren hatte.
zwingen , doch soll er sein Reich im Osten bis an den Atbara ausgedehnt haben . Das Volk hüllte sich
In Dår Fôr war , wie Nachtigal berichtet, seit
damals noch in Felle, und selbst noch der Nachfolger
alters ein nationales Königtum der Dâdscho im
Solans soll, als er einen Teppich von Aegypten er halten hatte, nicht gewusst haben, was er damit an
Dschebel Marra , an welche die einzelnen Herrscher
der Fôr und einzelner Stämme Tribut zahlten. Die gefangen solle ; er habe ihn schliesslich als Gewand be nutzt. Solan regierte 41 Jahre ( 1596-1637) und
birgige Natur des Landes erleichterte die Unabhängigkeit der einzelnen Stämme. 21 Dâdscho -Fürsten, von denen noch einige heidnisch waren , sollen das Land regiert haben . Sie stammten aus dem Osten , doch führen sie meist nur arabische Namen , wenngleich sie nicht arabischen Blutes gewesen sein sollen .
wurde zu Torra im Centrum des Reiches begraben , woselbst seitdem alle Gräber der Könige von Dar
Fôr sich befinden .
Suleiman Solans Nachfolger war Mûsa , der
Die höhere Kultur und wahrscheinlich auch ein besseres
45 Jahre die Herrschaft inne hatte, ohne etwas Bedeu tendes geleistet zu haben, und diesem folgte Ahmed
Geschick spielte jedoch den von der arabischen Halbinsel (angeblich gar aus Tunis) stammenden Tundscher
Bokkor ( 1682—1722 ). Dieser Mann ist es, der es
in Dar For die Herrschaft in die Hände.
haft mohammedanischen Staat zu machen . Er war
Ihr Stamm-
sich angelegen sein liess, aus Dår Fôr einen wahr
vater soll Ahmed el Maqûr gewesen sein, der ohne
gleich gefürchtet, wie geachtet im Lande, zog Gelehrte
Kampf und Gewalt die Regierung gewann , dem Bekenntnisse nach selbst noch ein Heide , der gleichwohl arabische Sitte und Sprache in Dår Fór eingeführt hat. Die Herrschaft der Tundscher erstreckte sich nur auf einzelne Bergstämme. Es kann nicht Wunder nehmen , dass bei dieser durchaus friedlichen Festsetzung von Fremdlingen auch einheimische
heran , erbaute Schulen, lud fremde fortgeschrittene Nachbarstämme ein , sich in seinem Lande nieder zulassen , verbürgte ihnen Sicherheit und Steuerfrei heit und brachte so sein Land auf einen ziemlich
hohen Grad von Civilisation . Seine kriegerischen Unter nehmungen waren von Erfolg begleitet. Er drängte Wadâi zurück, unterwarf den Bergstamm der Qimr
G. Nachtigals „ Sahărå und Südàna III.
351
und soll merkwürdigerweise sogar schon bei seinen Kriegsoperationen sich einer Kanone, die damals ins Land kam, bedient haben . Vor einem beabsichtigten
Zeit getötet werden musste. Auch zwei Frauen des
Krieg gegen die Fundsch starb er. Unter den Nachfolgern Bokkors ragt keiner her-
Hofbeamten und Höflingen gesponnen wurden . Diese waren nach hierarchischer Art in Klassen abgestuft, und
vor .
Mord und Verfolgung der Verwandten des Königshauses sind an der Tagesordnung. Einen
deren Rangverhältnisse genau fixiert. Darunter gab es allerhand sogenannte Båsinga, » Aufseher«, unter an
Omar belegten die Unterthanen mit dem Beinamen
deren solche aller männlichen Personen königlichen
Königs übten zuzeiten überwiegenden Einfluss in der Politik , deren Fäden sonst von einem Heere von
»Lêle« (Esel) , um sein geringes Herrschertalent Blutes u . s. W. Selbst das Leibpferd des Königs zu kennzeichnen ; ein zweiter, Abül-qasim ( 1739 bis
wurde beaufsichtigt, und zwar von einer der Frauen
1752), führte ein Günstlingsregiment ein : Dâr Fôr glitt langsam von seiner Höhe herab . Die Völker machten Front gegen die Herrscher, Wadâi überzog
des Königs. Alles das deutet auf eine eigentümliche Mischung von Barbarei und Halbkultur, wie sie sonst in Central- Afrika in gleicher Weise nicht angetroffen
das Land mit Krieg . Nur Tirab ( 1752—85 ) herrschte
wird, besonders nicht im Westen.
noch mit Glanz und Geschick , erwehrte sich mit
Von Interesse sind die Angaben Nachtigals über
fester Hand der Nachbarn und war selbst ein gebil-
die Bewohner Dâr Fôrs, die heute schon bedeutend
Es folgten nun Kämpfe der Nach-
erweitert und vertieft vorliegen. Nichtsdestoweniger muss zugestanden werden, dass gerade die Darstel
deter Mann .
folger Abd er-rahmân und Ishảq, Aufstände der Schujůch des Landes, das Schreckensregiment Mohammed lung der Entstehung, der Anhäufung und der Kreuzun el Fadls, eines launischen, gewaltthätigen Despoten, gen der Elemente derselben, sowie der Besiedelung im Kriege mit Wadâi und andere Uebel mehr. Da in allgemeinen, hauptsächlich aber die Beleuchtung der Dâr Fôr kein Gesetz, keine alte Sitte die Nachfolge Rolle des arabischen Elements im Lande eine grosse regelte und ebenso ein Sohn wie ein Bruder des
Bedeutung haben und von Nachfolgern des Forschers
Königs die Regierung übernehmen konnte, hatte eben
nicht erreicht, geschweige denn übertroffen wurden .
derjenige die ersten Ansprüche, welcher beim Ableben
Die eigenartige Methode Nachtigals, Völkerverhältnisse im Spiegel des historischen Anwachsens, sie histo
des Königs gerade zugegen war und das grösste Ansehen besass. Die Ausbreitung der ägyptischen Herrschaft im Südân führte es mit sich, dass kühne Aben-
risch entfaltend, darzustellen , ist vortrefflich . Fügen
wir hinzu , dass er die ethnographische Beschrei
teurer , welche an der Spitze der Chartümer Elfen - bung nirgends unterlässt , so haben wir schöne
beinhändler standen , ihre Beutezüge auf Förer Ge- ethnologische Gesamtbilder vor Augen , an welche biet ausdehnten . Von Süden und Osten angegriffen,
spätere Forschung überall leicht anzuknüpfen vermag.
konnte das norsche Reich unter Sultan Hasîn und
Dr. Nachtigal verliess am 2. Juli Dâr Fôr, nach
Brahim nicht länger widerstehen. Eben als Dr. Nach-
dem er vier Monate im Lande verweilt hatte. In Be
tigal das Land verliess, operierte der ehemalige Sklavenhändler Ziber mit Glück gegen das Land, und
gleitung angesehener Kaufleute aus Kôbê mit einer
bald darauf rückten daselbst die ägyptischen Batail-
das Dar Abu Dali nach Kordofan und betrat hier
lone ein . Brahim fiel in der Schlacht, und sein Nach-
schon von Europäern vielbetretenen Boden .
Karawane von circa 300 Kamelen zog er durch
folger Hasib Allâh wurde nach Kairo gebracht ( 1875 ).
Wenn wir hier nur eben das Hervorragendste
Nachtigal dürfte so ziemlich den unparteiischsten und zuverlässigsten Bericht über die Eroberung Dâr Förs geliefert haben. Die Daten des Forschers über die Organisation des Fôr Staates haben heute, wo in Dar För die
aus dem Inhalte des III. Bandes von » Sahărâ und Sû
dan berühren konnten, so können wir uns doch nicht
versagen , auf das prächtige Buch nachdrücklichst aufmerksam zu machen. Es ist nunmehr Nachtigals Reisewerk ein würdiges Gegenstück zu Heinrich Barths
mahdistische Soldateska herrscht, nur mehr histo- grossem Werke. Beide beweisen , was deutsche Aus rischen Wert. Sie sind aber darum nicht weniger dauer , Arbeitskraft und Unternehmung in Central wichtig, als jene über Wadài. Im ganzen herrschte Afrika zu stande gebracht haben . Alle Freunde der For in diesen beiden afrikanischen Reichen eine gewisse Uebereinstimmung, wie sie sich aus natürlichen Gründen ergeben muss.. Hervorzuheben ist , dass in Fôr die unzugänglichen Distrikte des Marra-Gebirges stets eine Ausnahme in der Organisation der Verwaltung des Staates gebildet haben . Hier galt natürlich weniger der Einfluss von Beamten , als vielmehr die grosse oder geringe direkte Einflussnahme des Sultans. Neben dem König hatte in Dâr Fôr die Königin -Mutter das höchste Ansehen , nach dieser
aber der sogenannte Kamene ( » Hals des Königs« ), eine Art Minister (Nachtigal nennt ihn den Schatten des Königs), der beim Ableben des Sultans in früherer
schung wird es mit hoher Befriedigung erfüllen, dass die Büste Dr. Nachtigals bereits in Arbeit ist, welche auf granitenem Sockel im Berliner Museum für Völker kunde als ein Zeichen grosser Wertschätzung der Mit welt neben den heimgebrachten Trophäen des For schers einen würdigen Ehrenplatz erhalten soll. Ein Akt wahrer Pietät aber wäre es, die Gebeine Nach
tigals auf deutschem Boden zu bestatten, damit hei matliche Erde den wackeren Sohn aufnehme.
Bella -Coola -Sagen .
352
Vor vielen , vielen Jahren geschah es in den Bella-Coola-Fjorden , dass Verstorbene, nachdem sie kaum beerdigt waren , auch gleich wieder aus den
Schnanik einen Streich zu spielen und ihn aufzu halten , griff der vermeintliche Tote oft nach Baum zweigen ; sobald er aber losliess, fiel der Waldgeist, der sehr heftig zog, auf die Nase. Dem Laufe des Bella -Coola -Flusses folgend, langten sie zuletzt an dem ca. 4000 Fuss hohen Berge Nuschlakim an . Auf der Spitze desselben hauste der Waldgeist ; den
Gräbern verschwanden .
Bella -Coola -Sagen . Von J. Adrian Jacobsen .
I. Schnanik das Bergungeheuer.
Dies verursachte natürlich
Eingang zur Wohnung bildete ein Loch im Berge,
unter den Hinterbliebenen grossen Schrecken und gewaltige Aufregung, und allgemein wurde ange-
seiner Frau und einer zahlreichen Kinderschar be
nommen , dass ein starker , tückischer Geist die Leichen nachts aus den Gräbern entführe. Die
grüsst, trat er in eine grosse Halle, wo er den Ge raubten niederlegte, und zwar so, dass derselbe Um-.
Dorfbewohner berieten und berieten , wie sie dem Uebel steuern könnten , aber niemand vermochte
schau in dem Raume halten konnte.
ihm
durch welches er mit seiner Beute eindrang. Von
Er sah auf
langen , steinernen Bänken die Ueberreste der seit
Einhalt zu thun .
Jahren gestohlenen Leichname; sie waren teils in
Zu dieser Zeit lebten in dem Dorfe zwei un-
Felle, teils in Decken gehüllt, und neben ihnen lagen ihre Grabbeigaben und Kostbarkeiten. Kaum hatte Schnanik den Indianer niedergelegt , als seine Frau
zertrennliche Freunde; wo der eine war, musste der andere auch sein. Eines Tages sagte der eine Freund
zum anderen : »Komm , lass uns jetzt versuchen herauszufinden, wer unsere lieben Toten aus den Gräbern
mit ihren erwachsenen Töchtern hinzutrat, jede init
Es war nämlich gerade ein Häuptling gestorben, und schon am nächsten Morgen sein Leich-
teilen . Die Frau bestimmte, welche Teile des Körpers abgelöst werden sollten , und denjenigen, welchen sie für den grössten Leckerbissen hielt, wahrte sie für
holt !
nam verschwunden gewesen .
Darauf hielten die
Freunde Rat und kamen zu dem Entschluss , dass der beherztere von beiden sich für tot ausgeben und begraben lassen solle, um auf diese Weise den Misse-
thäter zu entdecken . Gesagt, gethan. Einer stellte
in furchtDorfbewohner sämtliche sich tot, Aufregung bare , und bald ertöntengerieten die schaurigen Leichengesänge der Frauen. Der Freund des scheinbar Verstorbenen brachte eine Bärenhaut, welche er
auf der letzten Jagd erbeutet hatte, und wickelte seinen Kameraden hinein , der nun unter allgemeinen Klagegesängen und gefolgt von der ganzen Bevölkerung zu Grabe getragen wurde. Die Indianer dieser Gegend bestatten ihre Toten
auf folgende Weise. Ein grosser Baum wird ca. 8 Fuss über dem Erdboden abgehauen , und die viereckige Kiste, welche als Sarg dient, auf den Baumstumpf gestellt. Die Kniee der Leiche werden bis
einem Steinmesser bewaffnet, um die Leiche zu zer
sich . Doch näherte sich der Geist selbst mit einem
grossen steinernen Messer und sagte : » Du weisst, ich habe viele Tote von den Bella - Coola geholt , aber noch keiner hat mir beim Hierhertragen so viel zu schaffen gemacht, als gerade dieser.« Damit setzte er sein Messer an die Kehle des Indianers und ver
suchte ihm den Leib aufzuschlitzen . Da aber sprang der angeblich Tote in die Höhe, stiess einen mark erschütternden Schrei aus , den Kriegsruf der Bella Coola „ Wuh -hoi« , und stürzte durch die Oeffnung ins Freie . Schnaniks Familie fiel vor Schrecken in Ohnmacht, der Flüchtling aber lief, so schnell ihn
seine Beine tragen wollten, den Berg hinab , dem Bella -Coola - Fluss zu .
Er war aber noch nicht sehr
weit gekommen , als er an einem Sausen in der Luft merkte , dass ihm Schnanik folge, und gerade als er kopfüber ins Wasser stürzte, griff schon das
zum Kinn heraufgezogen, wie man es bei peruani- Waldungeheuer mit seiner beklauten Hand nach schen Mumien findet .
dem Dorf zurück , nur der Freund des scheinbar Toten versteckte sich in der Nähe des Sarges und
ihm . Doch der kühne Sprung hatte den Mutigen Der Geist folgte zwar eine Weile dem Schwimmenden am Ufer entlang , sobald er aber ausholte , um ihn zu greifen , verschwand der Kopf
erwartete in fieberhafter Unruhe die Dinge, die da kommen sollten . Gegen Mitternacht hörte er ein
nik , des Jagens müde, sich wieder auf den Rück
furchtbares Sausen und Brausen in der Luft, als ob
weg begab .
hunderte von Winden sich begegneten ; kurz darauf erGrabe nieder. Er öffnete die Kiste, zog den Toten her-
Der Freund indessen hatte Schnanik , als dieser seine Beute den Berg hinauftrug, nicht folgen können , war ins Dorf zurückgekehrt und hatte den Ein
aus , nahm ihn auf seinen Rücken und wendete sich
wohnern die kühne That des Gefährten und dessen
Nach beendeter Zeremonie kehrten alle nach
schien der grosse Waldgeist Schnanik und liess sich am mit ihm dem Gebirge zu .
gerettet .
des Indianers in den dunklen Fluten , so dass Schna
Raub durch Schnanik mitgeteilt. Jetzt ertönte zum
Schnanik ist ein Ungeheuer, halb Bär , halb
zweitenmal das Wehklagen der Weiber vom Dorfe
Mensch ; nur sind seine Haare länger als die eines
her, der Freund aber begab sich wieder nach dem
Bären .
Berge, um den Verlorenen zu suchen . Doch kaum
Der am Grabe lauernde Freund sprang auf und folgte Schnanik auf dem Fusse, doch eilte der Geist
an den Fluss gekommen , begegnete er seinem Freunde, der eben triefend den Fluten entstieg. Die beiden fielen sich in die Arme, und nachdem sie
so sehr , dass er kaum Schritt halten konnte .
Um
Bella -Coola -Sagen.
353
ihre Erlebnisse ausgetauscht hatten , kehrten sie ge- | fragte: „Wie verhältst du dich , wenn Feuer an dich glücklich Gerettete mit unbeschreiblichem Jubel be-
meinschaftlich ins Dorf zurück .
Hier wurde der
gelegt wird ? « Die Tanne antwortete : » Ich brenne sehr ruhig ; aber zuerst muss dafür gesorgt werden,
grüsst ; er musste seine Abenteuer erzählen , und ein
dass ich trocken werde . «
allgemeiner Kriegszug gegen Schnanik ward geplant .
meinen Zweck ,« sagte der Rabe , ging weiter zur
»Du taugst nicht für
Am nächsten Tage sah man alle waffenfähigen Männer vom Bella -Coola -Dorfe, den Helden des Tages an der Spitze, dem Berg Nuschlakim zueilen . Oben angelangt, fanden sie aber die Oeffnung, welche den Eingang zu Schnaniks Wohnung bildete , mit grossen Steinen versperrt. Da nahm der junge Indianer seinen Cederbastring,, den er auf dem Kopfe trug, und schwang ihn in die Luft, indem er Zauber-
roten Ceder, legte ihr dieselbe Frage vor und erhielt dieselbe Antwort , wie von der Tanne. Dann wandte
er sich zur gelben Ceder, welche auf sein Befragen antwortete : »Wenn du mich ins Feuer legst, so sprühen meine Funken weit im Hause umher.«
» Du wärst
schon eher zu gebrauchen ,« meinte der Rabe, vich anderen um Er sah sich um und entdeckte eine Fichte,
will mich aber doch noch nach einer sehen.
formeln murmelte; denn er war plötzlich Medizin- deren Rinde lose herunterhing, stellte sich vor den mann geworden . Die Steine rollten auseinander, und
Baum
hinein stürmten die bewaffneten Bella-Coola.
vor .
Der
und legte der Rinde seine ständige Frage „ Wenn du viele meiner Schwestern zusammen
junge Held fällte mit eigener Hand den furchtbaren
suchst und uns Rücken an Rücken dicht aufstellst,
Schnanik , und die übrigen töteten dessen Familie und zerstörten die Hallen. Der junge Indianer aber
antwortete die Rinde, »so brennen wir lichterloh, fallen aber plötzlich in einen Haufen zusammen . « »Du bist die richtige,« sagte der Rabe hocherfreut,
wurde ein berühmter Schamane oder Medizinmann,
dessen Ruf bis zu weit entfernten Stämmen drang. II. Eine andere Schna nik -Geschichte.
Vor 9୨ bis 10 Jahren war eine Indianerfamilie, bestehend aus mehreren Männern , einer Frau und einem Kinde, den Taliofluss hinaufgefahren , um die
»du kannst in meinen Dienst treten .«
Hierauf lud
er eine Menge trockener Rinden auf seine Schulter und trabte damit nach Hause. Dort angelangt, schichtete er die Rinden in zwei
Haufen , die oben zusammenstiessen, und zündete ein mächtiges Feuer darunter an .
Dann luder
Rinde von Cederbäumen (Skinstik in der Chinuk-
seine Töchter ein , sich am Feuer zu wärmen ; sie
sprache) zu sammeln , welche geklopft zum Weben
gehorchten und setzten sich recht nahe an die Glut,
Als sie am Abend
um die Wärme zu geniessen . Gerade als die Flamme am höchsten loderte , stürzte · plötzlich die Rinde
von Decken verwendet wird .
den Rückweg angetreten hatten, erhob sich ein hef-
tiger Gegenwind, und da die Wellen fortwährend herunter , grosse Stücke derselben fielen auf den in das kleine Kanoe hineinschlugen , riet der eine
Unterkörper des einen Mädchens und verursachten
der Indianer dazu, die Frau und ihren zweijährigen ihr schlimme Brandwunden , denn damals ging noch Knaben ans Land zu setzen , damit das Boot leichter würde. So begab sich denn die Frau mit dem
jedermann nackt einher. Da die Arme grosse Schmerzen hatte , riet ihr der Rabe , in den Wald
laut schreienden Kinde ans Ufer, um den ca. zwei
zu gehen, wo er eine schmerzstillende Wurzel wisse. Das Mädchen ging mit ihrem Vater in den Wald. Dort angekommen , beschrieb ihr der Rabe
Meilen langen Weg nach dem Dorfe zu Fuss zurückzulegen . Die im Kanoe zurückgebliebenen Männer ihre stört fort.
setzten
Fahrt nach dem Heimatdorf unge-
genau das Aussehen der Pflanze und wie dieselbe
anzuwenden sei , befahl ihr, sich nur selbst umzu
Bald nach ihnen langte auch die Frau im Dorfe an, aber ohne ihr Kind . Alles geriet in Aufregung,
sehen, und schritt schnell davon. Die Tochter er blickte bald die heilkräftige Wurzel und kniete nieder,
man bestürmte sie mit Fragen , und sie erklärte: » Als ich kaum ans Land gekommen und in den
um sie nach Vorschrift auf ihre brennende Wunde
zu legen. Da erblickte sie plötzlich die Augen des Wald eingetreten war, hörte ich ein Sausen ; darauf Raben, welcher sich im Grase versteckt hatte, durch erschien Schnanik ,
flog mit ihm davon. gefunden .
entriss mir mein Kind und
schaute sofort, dass dies eine List von ihm war, um
Das Kind wurde nie wieder-
sie in seine Gewalt zu bekommen , sprang auf und
Die Indianer sagen , sobald jemand weint , sei
>
lief davon , so schnell sie nur konnte.
Der Rabe
aber schlich betrübt nach Hause.
es ein Erwachsener oder ein Kind, komme Schnanik und hole ihn auf Nimmerwiedersehen weg.
IV. Der Rabe und der Seehund.
III. Der Rabe und seine Töchter.
Erde in Gestalt von Tieren besuchten und auch als
Der Rabe hatte zwei wunderschöne Töchter, und da er Witwer war, wünschte er, seine eigenen
solche die Welt bewohnten, luden sie sich zuweilen gegenseitig zu Gaste. Zu jener Zeit bat der
Kinder zu heiraten .
Seehund einmal den Raben zum Mahl und bereitete,
listig zu Werke zu gehen . Eines Tages begab er
wie zu erwarten war, nur solche Gerichte, die in der See vorkommen, unter anderen eine bei den Indianern der Küste sehr beliebte Speise , Algen mit Thran
Vor vielen, vielen Jahren, da noch die Geister die
Er fürchtete aber doch , auf Widerstand zu stossen, und so beschloss er , recht
sich in den Wald , näherte sich einer Tanne und
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
354
gemischt. Nachdem der Seehund zu diesem Zweck eine grosse Holzschale mit Seetang gefüllt hatte, nahm er dieselbe zu dem in der Mitte des Hauses
brennenden Feuer , hielt eine Vorderflosse über die
Die Kleidung der Uarglía entspricht bei den
frisch aus der Heimat ankommenden ungefähr der in Algerien auf dem Lande allgemein üblichen, mit den Kamelgarnschnüren ; dagegen adoptieren sie nach
Glut , und siehe da , ein Strom von Thran ergoss
einiger Zeit des Aufenthaltes in Tunis gewöhnlich
sich aus der Flosse , welchen der Seehund in die tanggefüllte Schale fliessen liess. Dieses Gericht
die Tracht der dortigen arbeitenden oder dienenden
wurde dem Raben
vorgesetzt ,
der
auch
nach
Herzenslust zu schmausen begann . Nun ist es Sitte bei allen an der Seeküste
wohnenden Indianerstämmen, dass man niemals die vorgesetzte Speise aufisst,, sondern einen Teil davon
Klasse .
Die Köche, welche man häufig am Eingange der von Europäern, Italienern und Maltesern , gehal tenen Volksrestaurants sieht , sind meist mit einem
Hemd , kurzen weissen Beinkleidern und mit einer langen blauen Schürze bekleidet. Den Kopf bedeckt
mit nach Hause nimmt. Sollte ein Indianer aber der tunesische Fez mit langer blauer Quaste. Diese nichts übrig lassen , so würde er als ein Hund be- mohammedanischen Köche operieren ganz selbstän
trachtet werden. Gleichzeitig gilt dies als Schande für den Wirt, da er seinen Gästen nicht genug zu
dig von dem Europäer , der die Getränke – meist
Der Rabe aber wollte dem
Fusel oder soi-disant sicilianische Landweine der schlechtesten Qualität - zu ihrem Essen liefert ; sie
Seehund einen Streich spielen, achtete nicht auf die
führen ihre eigene Kasse und stehen in keinem Ab
essen vorgesetzt hat.
gute Sitte und ass die Schale bis zum letzten erhältnis zu dem christlichen Wirt. Krumen leer. Der Seehund sagte nichts, nahm sich hängigkeitsv Die Bewohner des unter türkischer Herrschaft aber vor, Vergeltung zu üben . Einige Zeit darauf lud der Rabe den Seehund
künstlich zusammengeschweissten Länderkomplexes, den wir als politisches Ganzes unter dem Namen
zu Gaste. Dazu holte er aus seinem Vorrat ein »„ Tripolitanien « zusammenfassen , stellen gleich Gericht , welches bei den Bewohnern des Binnen-
falls ein Hauptkontingent an Zuzüglern in Tunis .
Wir haben es hier im wesentlichen mit den . landes viel gegessen wird und Dokschot heisst. Es besteht aus einer mit Thran gemischten feinen Rinde. folgenden drei Kategorien zu thun : 1. die Trâb Nachdem der Rabe die zerstampfte Rinde in einer lissîa ; 2. die Ġadâmssia und 3. die Fesåsna.
Holzschale zum Feuer getragen hatte, wollte er, da es Unter der Bezeichnung » Trâblissîa « versteht ihm an Fett mangelte, dasselbe Verfahren anwenden , man in Tunis nicht nur die Bewohner der Stadt wie der Seehund beim vorigen Gastmahl, und hielt | Tripolis (Trâbliss-el-garb), sondern im weiteren Sinne seinen Fuss über das Feuer, um Thran herauszuholen . auch die gesamte arabische und berberische Bevöl Aber der Versuch schlug fehl , denn es kam nur kerung der nördlichen Teile des Wilajets Tripolis. ein einziger Tropfen heraus ; kaum aber war dieser Ich glaube sogar , dass man auch noch die Leute auf die Rinde geträufelt, so verschlang der Rabe, der aus dem Wilajet Bengasi oder der Cyrenaika wohl gemerkt hatte, dass der Seehund Rache nehmen mit unter der obigen Bezeichnung begreift, denn ich wollte , sein ganzes Gericht selbst. Der arme See- habe sie niemals besonders aufführen hören . Die Trâblissia stehen unter einem Schêch, als hund aber musste mit leerem Magen davongehen . Daher gilt der Rabe als ein schlauer, hinterlistiger dessen Name mir Ssi-Mohammed el- Chassmi genannt Patron , ähnlich wie in unseren Fabeln der Fuchs.
wurde. Sie sind sehr zahlreich ; es lässt sich aber ihre Gesamtheit auch nur annähernd kaum schätzen , da
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis
viele Trâblissîa in Tunis ansässig und dort geboren sind. Ueberhaupt sind sie , im Gegensatz zu den
und Tripolis.
übrigen Berrânis, sehr mit der einheimischen Bevöl kerung verquickt.
Von M. Quedenfeldt . (Fortsetzung . )
Die Varglia haben ein Café am Bàb-djedid und
Ein besonderer Zuzug von Trâblissîa findet
jedesmal zur Sommerzeit statt, da dieselben vielfach
im nördlichen Tunesien als Erntearbeiter Verwen
eine Ukåla in der Nähe der Kassba. Ein Schausch dung finden . Einen Fónduş 1) haben die Trâblissîa oder Moķaddim, den sie selbst wählen und der gegen- in der Strasse el-Márr und wohl noch anderwärts wärtig Ssi-Mohammed Bu-Bekr heisst, schlichtet ihre
eine Ukala .
Bestimmte Cafés für sich allein haben
Streitigkeiten , besorgt ihnen Stellen , leistet Bürg- sie , wie mir gesagt wurde, nicht , da sie an ver schaft für sie und wird dafür natürlich von ihnen
schiedenen Punkten der Stadt zerstreut wohnen .
honoriert. Vor der Okkupation hatten sie einen Aga,
Neben der grossen Mehrzahl von Arbeitern , Maurern etc. finden sich auch einige wohlhabende Kaufleute unter den in. Tunis angesessenen Trâ
der eine Art von Oberschausch darstellte und ver
schiedene Moķaddemin unter sich hatte. Der alte
Mann , welcher Ssi-Mohammed Bu-Miftâh 1) heisst, blissîa ; diese sind dann meist aus der Stadt Tri lebt noch . 1 ) Das Wort, dessen Plural » Fenâdik « lautet , wird auch
1) Ein im östlichen Teil der Magrib (nicht in Marokko) häufiger Name; » Miftâh « bedeutet » Schlüssel « im Arabischen.
Fúndak oder Fúnduş gesprochen , wie denn überhaupt die Aus sprache der Vokale im Arabischen sehr wechselt .
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
polis selbst. Im allgemeinen gilt der Trâblíssi ?) als kein besonders tüchtiger Arbeiter. Er rangiert dies-
355
nannt .
Auch sie gehören zu jener oft erwähnten berberisch -nigritischen Mischrasse, welche die Oasen
bezüglich mit dem Tunesier auf einer Stufe, macht
kette der nördlichen Ssáḥara in ihrer ganzen Breite
aber meist geringere Lohnansprüche als dieser. Ueber Typus und Kleidung der Trâblissîa werde ich bei der Besprechung der Bewohner von Tripolis einige Mitteilungen machen. in Tunis vertreten . Es sind brave und ehrliche, sehr
von Marokko bis Aegypten bevölkert. Ob die Ver schmelzung dieser sublibyschen Stämme mit den aus dem Norden verdrängten Berbern erst nach oder während der arabischen Invasion stattgefunden , wie Barth meint, oder nicht wenigstens teilweise schon in einer viel früheren Periode , mag dahin gestellt sein. Jedenfalls haben auch in späterer Zeit – und
fromme und in religiöser Beziehung gewissenhafte Leute, welche meist der Tâifa der Taïbin oder Tuhâma,
noch bis zum heutigen Tage aus dem Ssudân eingeführte Negersklavinnen dazu beigetragen, noch
deren Hauptsitz Uás-sân oder Dar-ed-Demâna in Marokko ist, angehören . Ihre Sprache ist ein dem maheit ihrer Wüstenstadt vollkommen erhalten hat.
mehr nigritisches Blut (und vielleicht von noch anderer Beschaffenheit) in diese Mischrasse zu brin gen. Auch die, übrigens geringen, sprachlichen An klänge an den Ssudân ') mögen in diesen Oasen aus verschiedenen Epochen stammen . H. Duveyrier
Doch sprechen fast alle männlichen Gadâmsser auch
schlägt in seinem Werke: Les Touareg du Nord 2) die
Die Gadâmssia oder Leute von Gadâmess sind
gleichfalls zahlreich, zu mehreren Hundert jederzeit,
rokkanischen Taschilḥâit nahestehender Berberdia-
lekt , dessen Eigenheit sich in der Abgeschlossen-
arabisch ; eine der vier wohl zu scheidenden Gruppen, Bezeichnungen sub-äthiopische oder garamantische aus der sich die städtische Bevölkerung zusammen setzt, die Tribus der Uled Bellil , ist arabischen Ur-
sprungs ?).
Unter den Zuzüglern aus Ġadâmess in Tunis
Bezeichnungen , von denen uns die erstere besonders glücklich ge wählt erscheint, die zweite, ihres zu lokalen Ursprun ges wegen, weniger. Rasse für dieses Mischvolk vor
finden sich viele sogenannte 'Atria , Mischlinge , aus dem Verkehr von Gadamssîa mit Negersklavinnen entsprossen. Fast alle gehören der armen Klasse an ; reiche Gadâmsser Kaufleute kommen ungleich
mehr, als anderwärts in diesen Ssáủara -Oasen vorhan den zu sein 3). Dies prägt sich im Typus aus und auch sprachlich hat das Arabische das frühere berberische
seltener nach Tunis, als nach Tripolis .
Idiom in dem
Die Gadâmssia haben zwei Vereinshäuser in der
Strasse Ssûk-Nḥass (Kupfermarkt), im alten Morstân oder Hospital » Asîsa ‘Atmâna« , nach der Gründerin des Krankenhauses, Mutter Seiner Hoheit des Bey , so benannt. Ferner zwei andere an der Bir-
Bei den Fes-sânern scheint arabischer Einfluss
grösseren Teile des Oasenkomplexes
verdrängt. Wenigstens sprechen die Fesâsna in Tunis und Tripolis alle ein dem in letzterer Stadt gesprochenen fast identisches Arabisch. Man findet unter ihnen viele, namentlich in den Jugendstadien schöne Menschen mit fast kaukasischen Gesichts
el-Hâdjar (Steinbrunnen) genannten Strasse unweit
zügen , nur die Hautfärbung ist meist dunkel, nimmt
drei andere in der Fechachrîa bei Ssidi Méheres.
den amerikanischen Indianern eignet. Das Haar ist
Der Schêch der Ġadâmssîa heisst Ssîd-el-Bâschir und
meist kraus. Selbstverständlich gibt es auch häufig Individuen mit mulattenartiger Gesichtsbildung unter
des Díuân ( arabischen Justizgebäudes), und endlich aber oft auch jenen rötlich-bronzenen Ton an ,
hat am Ssûk-Nḥass einen Laden . Jedes der genann-
der
ten Häuser hat einen Vorsteher, der »Kebîr-el-Dje-
ihnen. In Tunis sind die Fes-sâner meist als Gärt
mâ'a« genannt wird .
ner, Erdarbeiter u. dergl. thätig. In der Nähe vom
In erster Linie sind die Gadâmssîa als Garköche, Bâb-ess-Ssuika haben sie eineUkåla. — Einzelne Leute dann als Heizer bei den Bäckern , Kupfergeschirrverkäufer , Händler mit Fellen , Rosenkränzen, als
aus der Wüstenstadt Gât , die sich hier aufhalten , sowie einige aus dem Gâdâmess benachbarten Orte
Domestiken u. s. w . thätig . Sie halten untereinander
Derdj ( » die Stufen « ) mögen hier noch aufge
sehr zusammen und haben auch verschiedene kleine,
führt sein , weil die Tuneser sie unter den Namen
von einem Gadâmssi gehaltene, Restaurants oder Cafés, in denen sie fast ausschliesslich verkehren. In
Gâtîa oder ahel Ġât und Drâdja kennen. Von Tuâreg” hält sich kein einziger in Tunis auf, das
der Rue de la ķassba, in deren oberem Teile, habe ich beispielsweise einige dieser Gadâmsser Garküchen
targische Element hat einen solchen hochgradigen
getroffen .
sie selbst nicht nach Tripolis kommen, ja nicht ein
Fesåsna, Sing. Fesâni, auch, aber seltener, in
Abscheu vor dem Aufenthalt in den Städten , dass
mal in Städten, die innerhalb ihres Gebiets liegen,
der Pluralbildung Fes - sânîa, werden in Tunis die wie Gadâmess und Gât wohnen , sondern um die Bewohner des grossen Oasenkomplexes Fes-sân ge- selben herum in Zelten oder Hütten kampieren. 1) Vergl . René Basset, 1. c. p. 4 , und Reisen und Entdeckungen 1) Oder » Trâbélssi« . Trâbelssîa wird auch eine aus Tripolitanien stammende Tribus genannt , die im nördlichen Tune. sien (im Kâidat der Riâḥ , zwischen den Flüssen Medjérda und Miliâna) ihre Sitze hat. 2) Vergl. Les Touareg du Nord par Henri Duveyrier, Paris
in Nord- und Central-Afrika etc. von Dr. Heinrich Barth , Gotha 1857 , Bd . I , S. 241 . 2) Livre III, chap . I. 3) Die ältesten Bewohner der Fes-sân -Oasen sind sehr wahr
1864 , p . 256 .
oder Tibbu - Volk gewesen . Vgl . Duveyrier, Barth , R. Hartmann u . a .
scheinlich die Berâuna der Araber (Bornu -Neger) und das Tebu
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis .
356
Aegypten hat nur einige wenige Vertreter in Tunis , Kaufleute aus Alexandria oder Kairo , die
den Nebenfrauen im Harem des Bey sollen sich
einige Cirkassierinnen und Abessinierinnen befinden
sich gewöhnlich nur vorübergehend dort aufhalten
vielleicht sind auch Nubierinnen oder Galla
und sich , mit Ausnahme ihres in der Form vom tunesischen so sehr abweichenden Tarbusch oder Fez,
mädchen unter dieser letzteren Bezeichnung zu ver
meist europäisch kleiden . Einen ungleich wesentlicheren Faktor, als diese
letztgenannten Kategorien , bilden die Neger centralafrikanischen Ursprungs in der Bevölkerung von
stehen . Eine » Habeschỉa« erscheint jedem Muss lem als das Nonplusultra weiblicher Reizfülle und Schönheit. Die Neger in Tunis sind in verschiedenen Branchen thätig , als Dienstboten , Köche, Erd
Tunis, obschon sie hier weit weniger zahlreich sind, arbeiter, Mörtelmischer u . dgl . Bei Neubauten als in Tripolis . sieht man oftmals eine Anzahl derselben ein Terrain Sie werden von den hiesigen Arabern mit den applanieren und feststampfen , während ein Vorarbei Kollektivnamen Ssudânîa (Ssudân-Leute), auch 'Abîd ter, der zugleich Vorsänger ist, neben ihnen steht oder Ussfân, Sing. 'Abd und Ussif, »Sklaven« , 1) und sie durch Gesten und das Anstimmen eines
bezeichnet, obschon sie natürlich längst aufgehört Liedes zur Arbeit anfeuert. Begleitet von eintönigem haben, Sklaven zu sein . Ein grosser Teil ist in der
Gesange, meist mit dem Refrain »Aia« , wird dann
Regentschaft von bereits freien Eltern geboren . In
die Arbeit taktmässig verrichtet.
der Mehrzahl entstammen die Ussfân in Tunis den
Die Neger haben in verschiedenen Gegenden der Stadt Cafés, die vorzugsweise von ihnen besucht werden . So z. B. liegt ein solches » Káhuat-el
östlichen Ssud â n -Ländern um den Tsadsee etc.
Sie selbst unterscheiden übrigens bezüglich ihrer Provenienz solche, die aus Bornu , auch wohl aus
« in der Rue el Djazira, ein anderes in der ShStrasse oUssfân p el-Haddâdîn beim Bâb ess-Ssuſka.
Uâdâi stammen , von denen , die aus dem westlichen
Ssudân kommen , also Haussa oder Bambara-Neger u . dergl.
Hier vergnügen sich die harmlosen Leute häufig mit einem heimatlichen Spiel , welches, annähernd
Obschon die Sklaverei in Tunis lange vor der fran- unserem Domino vergleichbar, mit weissen Kieseln zösischen Okkupation (im Jahr 1846) offiziell aufgeho- oder Porzellanscherben gespielt wird. ben worden ist, so soll doch noch heutigestages, wie mir
Die Neger sprechen unter sich ein Idiom , wel
mitgeteilt wurde, der Sklavenhandel im südlichen
ches wahrscheinlich ein Gemisch verschiedener ost
Tunesien nicht ganz aufgehört haben . Die Berg-
sudanesischer Sprachen oder Dialekte ist und von den
bewohner um Gâbėss, Támasret, Metâmer, Duirât etc.
Arabern el - 'Adjmîa genannt wird.
In Marokko
kaufen, natürlich insgeheim und unter Beobachtung bezeichnet man mit diesem, ursprünglich irgend ein sehr grosser Vorsichtsmassregeln , noch gegenwärtig nichtarabisches, barbarisches Idiom bedeutenden Worte Schwarze , die von Gadâmess her eingeschmuggelt werden . Ja, es sollen nach Tunis selbst noch durch
Ġadâmssîa weibliche Sklaven in die Häuser einzelner
die europäischen Sprachen in ihrerGesamtheit, wäh
rend man das Neger-Idiom » Gnâuija « nennt, abge leitet von Gnâui, d. h. einer aus Guinea. Die
reicher Mauren gebracht und zu hohen Preisen an
Gesamtzahl der Neger männlichen und weiblichen
diese verkauft werden .
Geschlechts in Tunis kann sich rund auf 1800 bis
Der Inhalt dieser letzteren Mitteilung, obschon
2000 belaufen ; eine Schätzung ist äusserst schwierig,
nicht sehr wahrscheinlich und mir selbst als nicht
da die Mehrsahl der Sklavinnen fast nie das Haus
ganz verbürgt mitgeteilt , ist doch durchaus mög- verlässt. Rechnet man noch die zahlreichen Misch lich , wenn man erwägt, dass eine Haremssklavin
linge, Sprossen von Tunesern und Negerinnen u. dgl . ,
nie an die Oeffentlichkeit kommt und dadurch so unerfahren in allen Verhältnissen , so hilflos und un-
mit hinzu, so kommt natürlich eine weit höhere Zahl
selbständig ist , dass sie schon aus diesem Grunde
in Tunis dem nigritischen Element viel spärlicher, als
heraus. Immerhin begegnet man im Strassenleben
bei ihrem Herrn zu bleiben gezwungen ist ?). Unter in tripolitanischen oder marokkanischen Städten ; auch 1 ) Die Bezeichnungen »Mámluk« oder »'Öldja (Plural'Ölûdj)
die Negermusikanten mit grossen Trommeln und schmiedeeisernen Klappern , wohl auch mit einem
waren (vergl. Maltzan 1. c . S. 103 ) in Tunis mehr für die früheren
unförmlichen Saiteninstrument mittelafrikanischen Ur
christlichen (meist griechischen) Sklaven gebräuchlich , Mámluk
Bezeichnung » 'Öldj « identisch mit » Renegat « , der früher Christ
sprungs, die in anderen nordafrikanischen Städten zu den typischen Strassenfiguren gehören, trifft man hier
war , während ein zum Isslâm übergetretener Jude » Isslâmi« ge-
relativ selten an .
speziell für die Christensklaven der Beys .
In Marokko ist die
nannt wird .
2) Während des Druckes dieser Arbeit lese ich in der Zeit schrift : L'Afrique explorée et civilisée, Jahrgang 1890, p. 120 u. f., aus der in Tunis erscheinenden Zeitung » La Tunisie « entnom
Es erübrigt nun noch, einen Blick auf die weni fremden Mohammedaner aus Asien zu werfen , welche sich , meist vorübergehend, in Tunis auf
gen
mene sensationelle Enthüllungen über die Sklaverei daselbst. So selben geringfügiger Ursachen wegen in grausamer Weise haben
zu sein. Vorausgesetzt, dass diese Mitteilungen in allen Punkten der Wahrheit entsprechen, so wären sie allerdings dazu angethan, ein recht eigenartiges Licht auf die einschlägigen Zustände in
verstümmeln lassen .
der nächsten Nachbarschaft des Herrn Kardinal Lavigerie zu
soll u. a. ein reicher Bewohner der Manuba bei Tunis nicht nur
12 Sklavinnen widerrechtlich gehalten , sondern sogar eine derDer Mann scheint indessen von dem
zu-
ständigen Tribunal, der Usâra, nicht für schuldig erachtet worden
werfen .
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
357
halten , ehe wir zur Besprechung der einheimischen Bevölkerungselemente übergehen .
bei denen gegenwärtig die arabische Sprache und
Da sind zunächst Scherife aus Mekka oder
bei den Bewohnern aller älteren Küstenstädte des
Rasse dominieren .. Zweifellos haben aber hier, wie
auch Kaufleute aus Djidda oder Mekka (Mek- nördlichen Afrika schon vor dem Einbruche der kâuîa ) zu erwähnen, welche, an ihrem ķaftân , der abweichendenn Turbanbildung und der sonstigen abweichende Tracht leicht kenntlich, stets durch einzelne Reprä-
Araber zahlreiche Vermischungen des autochthonen Imasīģen -Elementes mit all den Völkern, welche zu verschiedenen Epochen diese Gestade befuhren , statt
sentanten in Tunis vertreten sind . Diese Scherife ziehen Gelder aus Stiftungen , welche fromme Leute
gefunden . Ob und inwieweit selbst prähistorische Einwirkungen ich erinnere nur an das rätselhafte
bei ihrem Tode hinterlassen , sowie aus Moschee-
blonde Tamhu -Volk, die mutmasslichen Erbauer der
gütern , oder sie erhalten auch wohl Almosen aus
megalithischen Monumente
bei dieser Rassen
der Privatkasse des Bey. Von jeher ist der Geld- | vermischung stattgefunden , wird wohl schwerlich beutel mohammedanischer Souveräne durch die Mek- | jemals festzustellen sein . kaner gebrandschatzt worden . Eine besonders eingreifende Verschmelzung fand Echte Türken, Turk , Sing. Turki, sind nur mit den aus Spanien auswandernden oder nach dem noch in einigen wenigen Familien ,> meist höhere Falle von Granada von dort vertriebenen Moham Beamte der Beys aus alter Zeit , vorhanden . Seit medanern statt ?), deren Nachkommen in der Re 1811 , im welchem Jahre sich Hamûda-Pascha zum gentschaft auch in dem Tunis benachbarten Städtchen
Regenten, aber souzerän der Pforte, machte, ist kein Tibúrba , in Binsert oder Bizerta , Näbel (Nea wesentlicher Zuzug von Türken mehr erfolgt. Ferner
polis) und anderwärts einen wesentlichen Bestandteil
finden sich stets einige türkische Kaufleute, beispielsweise aus Kleinasien, die dann » Smîrlia «, nach der Stadt Smyrna , genannt werden , oder solche aus
der Bevölkerung bilden .
Kreta, »Grîtlîa «, in Tunis.
liche Araber oder Berber , deren Familien – seit
Sehr zahlreich dagegen und vollkommen mit
Hierzu treten Leute aus den verschiedenen
Küsten- und Binnenstädten, sowie ursprünglich länd Generationen vielleicht – in Tunis festangesessen
der Stadtbevölkerung verwachsen sind dieKuruglia sind , und schliesslich vervollständigen die moham (Kuluglia), bekanntlich eine Mischrasse aus Türken
medanische Bevölkerung der Stadt Zuzügler aus allen
und Araberinnen ). Eine Anzahl derselben fungiert
Teilen der Regentschaft, welche hier Arbeit suchen, die aber unweigerlich nach längerem oder kürzerem
als Kauássen bei den Konsulaten ; diese werden in
Tunis offiziell noch heute » Janitscharen « (Janissaires) | Aufenthalte mit ihren Ersparnissen nach der Heimat genannt. Die Kuruglia bekennen sich ebenso wie die Besondere Kaffee
zurückkehren. Man nennt die altangesessene Bevölkerung in
oder Vereinshäuser haben sie nicht, da sie eben voll-
den nordafrikanischen Städten gewöhnlich »Mauren « .
kommen zur städtischen Bevölkerung zählen .
Es ist hier nicht der Ort , die verschiedenen Ety
Türken zum
hanefitischen Ritus .
Die Mitglieder der gegenwärtigen Dynastie zäh- mologien dieses Wortes , sowie dessen Gebrauchs len gleichfalls zu den Kuruglia ?).Der Bey und der berechtigung überhaupt zu erörtern. Der Name oder jener ältere Kurugli sprechen noch türkisch, sonst ist diese Sprache in Tunis nicht mehr gebräuchlich . 2. Einheimische (Städter und Zuzügler aus der Regentschaft ).
thut wenig zur Sache. Mag man immerhin eine gewisse superiore , allerdings sehr schwer zu be grenzende Klasse der Stadtbewohner ) mit diesem
Stadtbewohner : » Mauren « ; Frauen aus der Stadt und der nächsten
Umgegend. Städter von Ssfâķss , Binsert und ķairuân. Landbevölkerung : Araber aus den nördlichen und mittleren Landes-
teilen ; Chumeïr ; Leute vom Ssáḥel, aus dem Belêd -el-Djerîd und von den Ķérķenna -Inseln ; Urgámma ; Djerâba ; Djibälîa .
1) Diese selbst waren schon eine Mischrasse aus Arabern, Berbern und vielleicht auch Iberiern.
2) Manchmal begreift man unter der Bezeichnung »Mauren «
Den Kern der einheimischen Bevölkerung
auch nur die Nachkommen der früheren spanischen Moham medaner , welche zum Teil noch heut ihrer Herkunft wegen arabisch als » el- Andaluss « bezeichnet werden. Ein Stadtviertel
von Tunis bilden die ursprünglichen Stadtbewohner,
in Tunis und eine Moschee in Fäss führen ihren Namen . Ausser
1) Maltzan (1. c. Teil I, S. 104) gibt unter Vorbehalt als
in Tunis sind dieselben besonders zahlreich in Algier und Oran, im Sultanat Marokko in Fäss , Sslâ und Tetuan vertreten.
kischen : Sohn des Blinden (kior) an , und in der That stimmt mit dieser Version auch die Aussprache des Wortes : Kurugli
In letzterem Lande (ob es anderwärts auch so ist, kann ich augen blicklich nicht angeben) erkennt man diese Familien leicht daran, dass sie, abweichend von der sonstigen arabischen Sitte , eigene
Erklärung des Wortes » Kuruġli« die Uebersetzung aus dem Türin Tunis überein . Das ģ wird in diesem Wort fast dem ch gleich
Familiennamen führen , die vielfach noch mit spanischen überein
gesprochen. Die bekanntere Bezeichnung ist Kulugli, vom tür-
stimmen, so z. B. Garcîa, Tórres, Bárgasch (Vargas) ; ferner
kischen Kul , der Diener ( letzteres nach gütiger Mitteilung von
Herrn Dr. Friedr. Müller hierselbst). Vergl. auch Pascal Duprat:
Ralm îa, Ben - Nû na, B rêtel (Rabater Familie) u. a. m. Diesen Namen wird dann einfach der Rufname vorangestellt, beispielsweise
Essai historique sur les races anciennes et modernes de l'Afrique septentrionale etc. , Paris 1845 , p. 239 .
schen Araber verbinden sonst bekanntlich nur ihren Namen mit
2) Nach einzelnen Angaben wäre Hussêïn Ben 'Ali , der
Ssi-Mohammed Tórres, Hadj 'Abd-el -Kerîm Ralmîa. Die magribini dem ihres Erzeugers durch ein » Ben « oder » Uld « , Sohn ,
und
gegenwärtigen Dynastie, der Enkel eines griechischen Renegaten
setzen zur näheren Bezeichnung noch den von ihrer Kabîla ( Tri bus) abgeleiteten Namen hinzu , z. B. El-Jasîd Ben Muchtâr el
gewesen. Vgl . E. Pellisier : Description de la Régence de Tunis,
Hlassnâui, Jasîd, Sohn des Muchtår, von der Kabîla der Beni Hassin
Band XVI der Exploration scientifique de l'Algérie etc. , p. 10.
(Aḥssin). Die Berber setzen an Stelle des » Ben « die Präposi
Gründer der seit Beginn des vorigen Jahrhunderts regierenden,
Kleinere Mitteilungen .
358
ver einmal eingebürgerten Namen bezeichnen fehlt ist es aber, die Mauren als eine besondere Rasse
sind gewöhnlich schwarz "). Einen stärkeren Schnurr bartwuchs, als er bei den westlicheren Magribinern oder Mischrasse den Arabern und Berbern gegen- in der Regel vorkommt, habe ich bei vielen Tunesern überzustellen. wahrgenommen ; dies kann aber auch ein Attribut Blut- und Rassenmischungen haben in Nord- der mit der Stadtbevölkerung sehr verwachsenen afrika allerorten stattgefunden , und ganz rein Kuruglia sein . Die sehr graziöse Kleidung der Tuneser weicht (selbst von nigritischen Einflüssen ) haben sich nur die Imasiģen in den hohen, abgeschlossenen marok- in manchen Stücken von den anderwärts im Magrib kanischen Gebirgen und vielleicht verschiedene, mit üblichen Trachten ab . Europäische Tuche, meist einer der späteren Einwanderungen nach Afrika ge- in verschiedenartigen Nuancierungen der sehr be kommenen Araberkabilen erhalten. liebten roten Farbe, oder himmelblau, olivengrün etc.
Die Frage ist nun ,, ob typische oder sprachliche gehalten , bilden den Stoff.
Der wohlhabende Tu
Eigentümlichkeiten vorhanden , welche die Mauren zu etwas besonderem stempeln, eine Frage, die aber
neser trägt weite , sackartige Beinkleider bis zum Knie , Sseruâl genannt, die mit einer seidenen
entschieden verneint werden muss .
oder wollenen durchgezogenen Schnur um den Leib
Wohl kleidet
sich der Maure anders als der Landaraber, wohl
hat er eine zartere , weissere Haut als jener , abgeschliffenere Manieren , eine beim rustikalen Berber
oder Araber nie vorhandene Neigung zur Korpulenz,
Den Oberkörper bedeckt über dem Hemd zunächst eine, Ssedria genannte, meist sehr enge Weste mit Aermellöchern , welche vorn
befestigt werden .
ihn äusserlich allerdings vom Landbewohner voll
geschlossen ist und beim Anziehen wie ein Hemd über den Kopf gezogen wird . Darüber trägt man eine zweite , vorn offene Weste , Fermla , welche
kommen unterscheiden . Aber ist nicht allerwärts das Gleiche zwischen Städtern und Bauern der Fall ?
init seidenen Knöpfchen und mit diesen korrespon dierenden Schnüren von gleichem Stoffe besetzt ist.
feinere Gliedmassen und ähnliche Merkmale, die
Wirklich durchgreifende typische Unter- Ueber den unteren Teil dieser beiden Westen wird schiede existieren nicht , und wenn wir später
ein schärpenartiger breiter Shawl von bunter Seide
einmal, nachdem diese Länder der Wissenschaft mehr (Hasâm ) um den Leib geschlungen. Eine kurze erschlossen, ihre Bewohner zugänglicher sein werden , Jacke mit ziemlich engen , unten weiteren, zurück im Besitze eines umfangreicheren anthropologischen schlagbaren Aermeln, die meist mit Seide gefüttert Materials sind, wird sich dieser Nachweis auch streng wissenschaftlich führen lassen.
Ich habe diese Fragen hier nur flüchtig berühren, nicht erörtern wollen
-
sind , wird über die beiden Westen gezogen . Dies Kleidungsstück heisst Ġelila oder Gulila. Der ganze Anzug ist an den Aermeln, den Nähten etc.
dies ist von mir bereits oft gewöhnlich reich mit Seide gestickt und es wird
für alle Bestandteile eines Kostüms die gleiche zen Schilderung der „ Tunssia ') in Bezug auf Farbe gewählt. Den Kopf bedeckt bei jüngeren Leuten der Typus und Kleidung über.
genug geschehen
und gehe nun zu einer kur-
Die echten Tuneser sind ein schöner Menschen-
tunesische Fez oder die Schâschia , von einer dem
schlag, der Wuchs ist meist mittelgross, der Glieder-
marokkanischen Tarbusch ) ähnlichen Form , nur niedriger und flacher als dieser und mit dicker langer Quaste aus blauen gedrehten Seidenfäden versehen . Hauptfabrikationsplätze für diese Schâschỉas , deren
bau ebenmässig und elegant, abgesehen von der stark vorherrschenden Plattfussbildung, welche die Tuneser mitden übrigen Magribinern gemein haben ?).
Das Gesicht ist in der Regel länglich geformt, der Herstellung in sehr umständlicher Weise geschieht, Teint der der Süd -Europäer, die Nase durchschnittlich lang und kräftig angelegt , die Haare , die buschigen
sind die Städtchen Saġuân und Tibúrba im nörd lichen Tunesien . Billigere, aber auch viel schlechtere
Augenbrauen und der meist nicht sehr dichte Bart Ware wird natürlich in Menge aus Europa, nament lich Oesterreich, importiert. tion u , von, aus, z. B. Hámmed -u -Ménno, Hámmed aus (Sohn des) eine Ausdrucksweise, die wir in unserer Sportsprache Ménno
(Fortsetzung folgt . )
ganz ähnlich wiederfinden .
1 ) Ein anderer Plural des Singular » Tûnssi « ist » Tủänssa « ; vielfach werden die Tunesen auch » Ulêd et- Tûness « , » Söhne der Stadt Tunis «, genannt .
2) Das ist hier vielleicht weniger eine Eigenart der Rasse,
als vielmehr eine Folge der die Plattfussbildung fördernden Beschuhung. Etwas Analoges finden wir in dem Umstande , dass viele Mağribiner mehr oder minder stark nach einwärts gekrümmte Beine, sogenannte Säbelbeine, haben, was in den meisten Fällen · auch nicht angeboren ist , sondern aus der Gewohnheit der Mütter, ihr Kind in den ersten Lebensjahren, in einen Haik geschlagen, rittlings auf dem Rücken zu tragen , resultiert. Diese nament-
lich bei der marokkanischen Landbevölkerung sehr verbreitete Sitte gestattet der Frau die freie Bewegung der Arme und ermöglicht es somit , ihrer Arbeit nachzugehen.
Kleinere Mitteilungen. Nochmals pro Baer. Auf S. 316 u. ff. dieser Wochen schrift wurde von neuem darauf hingewiesen, dass die gar nicht zu leugnende, sehr oft und sehr grossartig sich äussernde ein seitige Uferannagung seitens des fliessenden Gewässers durch die
angebliche Widerlegung des Baerschen Gesetzes durchaus nicht aus der Welt geschafft werden kann.
Es wurde an genannter
?) Vergl . Maltzan, 1. c. Teil I, S. 100 .
2) In Marokko wird die Bezeichnung > Schâschîa « nur für eine besondere Form
im Lande gefertigter, höherer und spitz
zulaufender roter Kappen angewendet , welche vornehmlich die Lehensreiter der Regierung, Muschâsenîa, tragen.
Kleinere Mitteilungen .
Stelle darum mit Recht das Weiterverfolgen der anziehenden Frage nach der Ursache jener Erscheinung » eine lohnende Auf
359
gleichnamiger Hauptstadt und am gleichnamigen Flusse gelegen , ein unabhängiger, von einem eingeborenen Fürsten beherrschter
gabe für jüngere Geographen « genannt. Es dürften auch wohl ältere sein , wenn sie nur über das nötige Rüstzeug der mathe
Staat , der vom Kap Datu im Westen bis zur nordöstlichen Insel
matischen Physik verfügen ; und es wäre ausserdem zu wünschen,
der Sultan von Sulu Oberhoheitsrechte beanspruchte. Die erste Gebietsverminderung erfuhr Brunei , als 1841 Sir James Brooke den jetzigen Staat Serawak vom Sultan von Brunei nach erfolg
dass die Untersuchung keineswegs auf die atmosphärischen Ein griffe beschränkt bliebe. Gewiss hat Professor Koeppen recht, wenn er dem Wind
spitze sich erstreckte und hier an Gebiete grenzte , auf welche
und dem Regen, sofern davon fortgesetzt überwiegend bloss das eine
reicher Hilfeleistung in einem Aufstande zum Lehen erhielt und später als unabhängiger Herrscher Frieden und Ordnung in
Flussufer betroffen wird, eine beträchtliche Mitwirkung an der ein
seinem neuen Lande herstellte .
seitigen Uferzerstörung beimisst. Indessen damit wäre der von Baer
Im Jahre 1861 , also ጊzwanzig Jahre nach der Gründung des Staates Serawak , der sich vom Kap Datu bis zum Samarahan
behaupteten Gesetzmässigkeit , nach welcher auf der nördlichen Erdhälfte stets das rechte , auf der südlichen stets das linke das 7
angefressene und darum das steilere sein soll , doch noch gar keine rechte Grundlage gegeben ; im Gegenteil, an Stelle jener tellurischen Gesetzlichkeit wäre die an den Zufall von Luy und
flusse 1) erstreckte, erweiterte Brooke Radjah die Grenzen seines Landes gegen Osten bis zum Kap Kadurong , um ein Gebiet, welches zehnmal an Umfang sein bisheriges Land übertraf, und womit er über 300 englische Meilen Küstenlinie gewann . Im
Lee (mag dieser auch örtlich noch so konstant wirken) gekettete Gesetzlosigkeit getreten. Am allerwenigsten aber wäre das von
Jahre 1882 erfolgte eine neue Cedierung seitens des Sultans von
Baer gestiftete Gesetz hiermit gerechtfertigt, welches ja nicht der linken Abtragung der Stromufer als Thatsache behauptete,
vorgeschoben , wodurch wiederum ein Zuwachs von 100 englischen Meilen Seeküste stattfand . Im nächsten Jahre wurde das Trussan Flussgebiet, nördlich vom Bruneiflusse gelegen , erworben .
sondern , was doch entschieden eben die Hauptsache bei diesem »Gesetza war , die säkular fortschreitende Abtragung auf die
Im Laufe von 42 Jahren trat also der unabhängige Staat Brunei etwa die Hälfte seines Gesamtgebietes an den Staat
Achsendrehung der Erde zurückführte. So sei denn hier auf einen Gedanken aufmerksam gemacht,
Serawak ab .
allein die Einseitigkeit immer der rechten, beziehungsweise iminer
den ein scharfsinniger Wiener Geograph , Herr Gymnasialprofessor Dr. Wilhelm Schmidt , kürzlich äusserte, in seinem (bei Hölzel
in Wien erschienenen) Buch » Ueber einige geographische Ver anschaulichungs-Mittel«, wo man dergleichen kaum suchen sollte. K. E. v. Baer glaubte in der den Flusswasserteilchen selbst
(von ihrem Herkunftsort ab) eigenen Rotationsgeschwindigkeit die entscheidende Ursache erkennen zu müssen : bei jedem Wechsel der geographischen Breite in Gegenden entweder rascherer oder aber langsamerer Umdrehung sollten sie sich zufolge jenes äusserst geringfügigen Rotationsunterschieds ständig mehr gegen die eine Uferseite drängen und somit diese gefährden. Zöppritz
Brunei , und die Grenze Serawaks wurde bis zum Barramflusse
Ein ähnliches geschah im Westen . Hier hatte schon Mitte des vorigen Jahrhunderts der im
Dienste der englisch -ostindischen Compagnie stehende Dalrymple aus kommerziellen Gründen ein ausgedehntes Gebiet (vom Kima nisflusse im Osten bis zum Kanionganflusse im Westen ) erworben, welches aber von der erwähnten Handelsgesellschaft nicht be achtet wurde. Mitte dieses Jahrhunderts erwarb der damalige
hat jedoch den Beweis geführt, dass diese Kraftäusserung in viel zu geringem Verhältnis zu jener oft so beträchtlichen Uferzerrüt tung stehe , um diese aus jener ableiten zu können. Nun aber macht W. Schmidt darauf aufmerksam , dass die Stellung der
amerikanische Konsul in Brunei ebenfalls einige Gebiete vom Sultan von Brunei und verkaufte seine Rechte an eine amerika nische Gesellschaft , von deren einzigem überlebenden Teilnehmer nun Baron Overbeck , damaliger österreichischer Generalkonsul in Hongkong, alle Rechte übernahm . Der Plan Overbecks, die Regierung seines Heimatlandes zu bewegen , eine Kolonie hier zu gründen, scheiterte, und so begab er sich nach England , wo er in dem Kapitalisten A. Dent einen mächtigen Beistand für seine Sache erhielt. Beide erhielten 1879 Gebietsabtretungen
festen Uferseiten gerade zu der ihre Richtung wesentlich beibe
von den Sultanen von Brunei und Sulu im nordöstlichen Borneo.
haltenden Wassermasse sich ganz analog verhalte wie die gerade Linie, die wir uns unter dem schwingenden Foucaultschen Pendel
Kurze Zeit danach erwarb Dent alle Rechtsansprüche Overbecks und gründete 1881 eine Handelsgesellschaft, die »British North Borneo Company « , deren Rechte von der englischen Regierung an
als Zeichen für dessen erste Schwingungsebene ziehen : wie gar bald zufolge der Erdrotation diese Schwingungsebene in Kreu
erkannt werden , und welche , mit souveräner Gewalt bekleidet ,
zung mit jener Linie übergeht, so wird auch die sich selbst treu
das neue Land nun zu kolonisieren anfing, welches sich vom
bleibende Richtung der Flussströmung mit dem geradlinig sich
Sibukoflusse im Osten bis zum Kimanisflusse im Westen erstreckte .
fortsetzenden Flussufer in Winkelstellung kraft der Rotation treten ,
Vier Jahre später erfolgten neue Landerwerbungen bis zum Sipi
die Flut wird sich also bei uns gegen das rechte , jen
tongflusse , wodurch das neue Reich um 100 englische Meilen
seit des Gleichers gegen das linke Ufer werfen. Der Effekt muss ein ähnlicher sein , als wenn das geradlinig verlau fende Flussufer sich zur Kurve umbiege, und zwar bei uns nach links , auf der anderen Erdhälfte nach rechts. Da die Bedeu tung der Schlingenbildung für die Flusserosion gar keinem Zweifel unterliegt , so sollten unsere Geophysiker hier einmal mit ihrem
zunahm .
Kalkül einsetzen .
Donau und Theiss rücken in Ungarn jährlich
ihr Ufer durchschnittlich um 30 cm westwärts, trotz stark über
wiegender Nordwest winde! Die Atmosphärilien heben also das Baersche Gesetz nicht aus dem Sattel.
So sehen wir , wie der einst so mächtige Malaienstaat Brunei durch Verkauf von ausgedehnten Gebieten auf ein Minimum redu ziert ist und nunmehr bloss das Bruneiflussgebiet umfasst, west lich angrenzend an den von Brookes Nachkommen beherrschten Staat Serawak , östlich sich anlehnend an das jüngste Staaten gebilde Borneos, das Territorium der British North -Borneo Com pany, auch Sabah genannt.
Diese Staaten waren alle unabhängig, aber von England aner
reden , d . h . demjenigen Teile des Eilandes, welcher teils unter
kannt . Im Jahre 1888 nun wurden Verträge zwischen England einer seits und den drei erwähnten Staaten andererseits abgeschlossen , welche Verträge mir dem Wortlaute nach vorliegen , und durch die ersichtlich wird , dass die erwähnten Staaten sich unter das Protektorat Grossbritanniens gestellt haben , Den Verträgen zufolge erkennen die Staaten das Protektorat Englands an, welch letzteres Reich sich in die inneren Angelegen heiten des betreffenden Landes nicht einmischt , sich aber das
direkter , teils indirekter holländischer Botmässigkeit steht und
ausschliessliche Recht vorbehält, die auswärtigen Angelegenheiten
die zwei Residentschaften Süd-Ost-Borneo mit dem Hauptorte
Bandjermassin , und West -Borneo mit dem Hauptorte Pontianak
zu leiten und in etwaigen strittigen Fällen mit anderen Regie rungen das Schiedsrichteramt zu übernehmen. England errichtet
umfasst, während der nördliche Teil der Insel in mehrere unab
überall nach Gutdünken Konsulate , die mit allen Rechten aus
A. Kirchhoff.
Auf der grossen Sundainsel Borneo sind vor einiger Zeit grosse Veränderungen vor sich gegangen , indem der ganze nörd liche Teil der Insel unter britisches Protektorat gestellt wurde. Noch bis vor kurzem konnte man bloss von Holländisch -Borneo
hängige Staaten zerfiel. Der älteste und in früheren Zeiten mäch tigste Staat des nördlichen Borneo ist bekanntlich Brunei mit
1 ) Die jetzigen Distrikte Lu: du und Serawak proper umfassend .
Litteratur .
360
gestattet sind ; ebenso geniessen alle englischen Unterthanen die meisten Vorrechte, was Schiffahrt und Handel betrifft. Gebiets.
werpen , Amsterdam , Rotterdam , Vlissingen, Bremen , Hamburg, Kiel , der Nord -Ostsee-Kanal , Christiania , Bergen , Kopenhagen ,
abtretungen können ohne Vorwissen der englischen Regierung
Gotenburg , Stockholm , Petersburg , Riga , Libau, Königsberg ,
nicht vorgenommen werden .
Danzig , Stettin, Lübeck .
Eine Veränderung erfuhr in der jüngsten Zeit auch die un
Die Emporien des grossbritannisch -irländischen Mutterlan
weit von Brunei gelegene kleine Insel Labua n. Diese kam be kanntlich 1846 in englischen Besitz und wurde als Kronkolonie von einem Gouverneur, dem ein legislativer Rat zur Seite stand,
des : London , Hull, Newcastle, Glasgow , Edinburgh , Leith , Bristol, Cardiff , Liverpool und der Mersey-Kanal, Southampton , Dover,
regiert. Die Kolonie prosperierte aber nicht. Es stellte sich heraus,
in kurzer Angabe der Inhalt des ersten Bandes, von dem bis jetzt fünf Hefte vorliegen.
dass es kein so wichtiger Handelsplatz sei , als vorausgesetzt wurde, und dass seine Kohlengruben sich nicht rentierten . Die Einnahmen blieben stationär und stets geringer als die Ausgaben ; der Handel
nahm fortwährend ab, und so beschloss England, die innere Ver waltung von Labuan an (Britisch ) Nord -Borneo zu übertragen, dessen erste Regierungsgewalt (der Direktionsrat der Handelsge sellschaft) sich in London befindet. Auf diese Art hofft man die Kolonie wiederum zur Blüte zu bringen . Während man in Borneo bisher bloss von Holländisch -Borneo
und vom nördlichen Borneo sprechen konnte, muss den jüngsten Ereignissen zufolge der letztere Name umgeändert werden , und zwar in Englisch -Borneo , welches die Staaten Serawak , Brunei und das Territorium der British North -Borneo Company umfasst. Mit dem Namen Nord -Borneo hingegen soll von nun an bloss das Territorium der British North -Borneo Company, auch
Sabah genannt , bezeichnet werden , da diese Benennung in den erwähnten offiziellen englischen Schriftstücken gebraucht wird. Die Insel Borneo besteht demnach in politischer Beziehung aus Holländisch-Borneo, die zwei Residentschaften Süd -Ost- und West -Borneo umfassend , und Englisch -Borneo , aus den Staaten Serawak, Brunei und Nord-Borneo bestehend . Theodor Posewitz.
Litteratur. Die Seehäfen des Weltverkehrs , dargestellt von Josef Ritter v . Lehnert, k . k . Linienschiffskapitän, Dr. Carl Zeh den , Professor an der Wiener Handelsakademie, Johann Hole
Belfast, Dublin, Cork, Queenstown, Reykjavik auf Island. Das ist Der II. Band ist den Darstellungen der Häfen von Amerika, Asien , Afrika und Australien gewidmet. Die grossartigen Häfen der atlantischen Küste Nordamerikas : Quebeck , Montreal, Halifax,
Boston, New York, Philadelphia, Baltimore, eröffnen die stattliche
Reihe der Schilderungen. Hieran schliessen sich die Schilde rungen der Häfen von Central-Amerika und das wichtige Pro duktionsgebiet der Antillen , Panama mit dem Kanal und weiter die atlantischen Häfen von Südamerika : Para, Pernambuco, Bahia, Rio de Janeiro, Santos, Montevideo, Buenos Aires.
Die Darstellung geht dann auf die pacifische Küste von Amerika über und behandelt die Häfen von Valparaiso , Callao,
Lima, Acapulco, Guyaquil, San Francisco, die japanischen Häfen Hakodate , Jokohama-Tokio, Osaka, Hiogo -Kabé, Nagasaki etc.; die chinesischen Häfen : Tientsin , Tschi-fu , Shanghai, Ningpo, Amoy, Hongkong, Canton u. a .; die ostasiatischen Häfen Saigon,
Bangkok ; endlich die grossen Handelsgebiete von Südostasien mit den Häfen von Singapore, Manila , Batavia etc.
Es folgen nun
die Handelsplätze der ostindischen Küsten, wie Calcutta , Madras, Colombo, Bombay; dann die ostafrikanischen Häfen und die an
der westafrikanischen Küste gelegenen . Den Schluss des zweiten Bandes bilden die Häfen von Australien .
Nicht aus dem nebelhaften Reiche der Sagen und Märchen, sondern mit der nüchternsten Klarheit tritt die atlantische Küste Amerikas in die Geschichte ein , wenn man nämlich von den älte sten Entdeckungen von Nordamerika, die wir auch in etwas nebel
haften Ueberlieferungen besitzen, absehen will .
czek, k . k. Korvettenkapitän, und Theodor Cicalek, Professor
Die grossartigen Häfen an der amerikanisch -atlantischen Küste haben verhältnismässig erst eine kurze Geschichte, sie ar beiteten sich in kaum 200 Jahren zu ihrer Mächtigkeit , zu ge
an der Wiener Handelsakademie, unter Redaktion von Alexan der Dorn. Zwei Bände mit circa 400 Illustrationen und Plänen
den Weltverkehrshäfen
in 50 bis 60 Lieferungen à 30 kr. Wien, Volkswirtschaftlicher
waltigen Welthandelsplätzen empor. New York im Vergleich mit der Alten Welt tritt uns wie ein Wun der der Neuzeit auch als Geburtsstätte des elektrischen Lichtes
Verlag Alexander Dorn. Mit richtigem Takt beginnen die Verfasser ihr vielver sprechendes Werk mit der Darstellung der Häfen des Mittelmeer beckens. Es gibt kein zweites Meeresbecken mit so reicher Ge schichte und Poesie . Mit vollem Recht bezeichnen wir diesen
entgegen. Wenn neben so grossartigen Seehäfen , wie wir sie an der atlantischen Küste finden , im vorgenannten Werk auch
Meeresteil als ein Kulturmeer , eine Wiege des Völkerverkehrs,
wichtigen Rolle , welche Rhodos in der Kulturgeschichte zuge fallen , durfte dieser Platz nicht fehlen. Von den unermüdlich thätigen Phönikern gegründet, durch dorische Einwanderer zu Glanz und Macht emporgehoben, war der Ort im Altertum viel
einen Träger geschichtlicher Erinnerungen. Wie berauschend ist der erste Blick auf die Adria bei Nabresina ! Nach einer Fahrt durch den öden Karst erblickt man von hier aus tief unten
Triest und das wogende Meer . Das Werk beginnt mit Triest. In gedrängten , aber schwung. vollen Zügen wird die Geschichte von der ältesten Zeit, von den
altgriechischen Sagen bis in die neuere Zeit dem Leser vorge führt. Nach einer Schilderung der Stadt und des Hafens folgt der Handel und alles , was mit demselben zusammenhängt, wie Industrie, Schiffsverkehr, das Bank- und Versicherungswesen, und zum Schluss werden noch eine Reihe von staatlichen und öffent lichen Institutionen und die Konsulate aufgeführt . In dieser
Weise werden nacheinander die folgenden Hafenstädte, mit Bil dern und Plänen ausgestattet, anschaulich , lebendig und farben reich beschrieben : Fiume , Venedig , Ancona , Brindisi , Corfu, Patras, der Kanal von Korinth , Piräus , Syra , Salonichi , Kon stantinopel , die Häfen des Schwarzen Meeres , Varna , Sulina ,
kleinere, in der Gegenwart weniger bedeutende Handelshäfen Be rücksichtigung finden , wie z . B. Rhodos, so ist das sehr dankens wert hinzunehmen . Wegen der einstigen Seemächtigkeit und der
leicht verhältnismässig bedeutender als heute New York.
Es ist in der That ein Vorzug des vorgenannten Werkes, dass die Herren Verfasser es verstehen, den Zauber, welchen die
Geschichte spendet , mit dem Reiz, welchen die Natur über die beschriebenen Häfen ausbreitet, in Verbindung mit Handel und 1
Industrie , dem Leser in der denkbar vollendetsten Weise vorzu ühren .
Erschienen sind bis Mitte April 14 Lieferungen . H. Lange .
Afrika in 6 Blättern. Von R. Lüddecke. 1 : 10000000: Gotha, Justus Perthes. Es sei hervorgehoben , dass diese neue und vorzügliche Bear beitung Afrikas bei der Besprechung von Stielers Handatlas in Nr. 16 bereits ausführlich gewürdigt jetzt in bequemem
Galatz , Odessa , Batum und Trapezunt ; dann Smyrna, Beirut, Port Saïd und der Suez -Kanal , Alexandrien , Malta , Palermo, Neapel, Livorno , Genua , Marseille , Barcelona , Tunis , Algier ,
Format mit vollständigem Namensverzeichnis als Sonderausgabe v . d . St.
erschienen ist .
Gibraltar,
Hieran schliessen sich die Häfen der atlantischen Konti
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger
nentalküste von Europa und des baltischen Beckens , und zwar
in Stuttgart.
Lissabon , Santander, Bordeaux, S. Nazaire, Ilavre , Calais, Ant
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.
RUNGO M
DAS AUSLAND P C
Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde herausgegeben von
KARL VON DEN STEINEN .
Jahrgang 63, Nr. 19. Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart . Preis pro Quartal M. 7.- Zu beziehen durch die Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Postämter.
Stuttgart, 12. Mai 1890. Manuskripte und Rezensionsexemplare von Werken der
MDCXL
einschlägigen Litteratur sind direkt an Dr. KARL VON DEN
STEINEN, z. Z. Marburg-Hessen , Haspelstrasse 20, zu senden,
Inserate auf dem Umschlag 20 Pf. für die gespaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Bastians Lehre von den geographischen Provinzen. Von Thomas Achelis. S. 361 .
2. Die ältesten Gewichte
und Maasse. Von Moritz Alsberg. S. 364. 3. Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis. Von M. Quedenfeldt. (Fortsetzung .) S. 368. 4. Kükenthals Spitzbergenfahrten. Von M. Lindeman . S. 373 . 5. Erster Bericht von Dr. Oscar Bau mann . S. 377 . - 6. Ueber den mongolischen Gottesdienst. Nach dem Russischen des Professor A. Posdnäjew von Dr. Max v. Beguelin. S. 378. 7. Litteratur. S. 380.
Bastians Lehre von den geographischen Provinzen . Von Thomas Achelis.
machen zu wollen , solche Uebergangszustände sind eben für die ersten Phasen der Entwickelung charakte ristisch und nahezu notwendig ; aber gegenüber man
chen voreiligen Versuchen , für die Ethnologie schon Wohl in keiner Wissenschaft wäre eine unge-
ein festes Lehrgebäude errichten zu wollen, scheint
nügend begründete Systembildung so verhängnis- uns diese Vergegenwärtigung der eigentümlichen voll wie in der verhältnismässig jungen Ethnologie, Sachlage doch angebracht. Unsere vorliegende Be und doch hat auch hier schon die gerade für uns
trachtung gilt einem ähnlichen Zweck : sie möchte
Deutsche so gefährliche, rein spekulative Neigung sich
durch die Berücksichtigung der unvergleichlichen
gelegentlich wieder hervorgewagt; freilich sorgt das Dienste, welche Ad. Bastian um unsere Wissenschaft tiefeingewurzelte Misstrauen, das unsere naturwissenschaftliche Zeit derartigen mangelhaft fundierten Konstruktionen entgegenzubringen pflegt, dafür, dass der angerichtete Schaden sich bald wieder begleicht.
sich erworben hat und im
besonderen durch den
dass die Thatsachen allein , so unentbehrlich und
Ausbau seiner Lehre von den geographischen Pro vinzen die Anregung zu einer genauen kritischen Bestimmung eines der wichtigsten Elemente der ganzen ethnologischen Weltanschauung geben. Schon um deswillen kommt es dem geistigen
wertvoll sie auch sein mögen , keine Wissenschaft ausmachen ; schon die Bearbeitung des Materials
Gründer des Museums für Völkerkunde in Berlin zu, in der Geschichte seiner Wissenschaft an erster
Man darf aber von der anderen Seite nicht verkennen ,
verlangt gewisse methodische Grundsätze, die nicht Stelle genannt zu werden , weil er in der That das als solche schon gegeben sind , vielmehr von uns
erlösende Wort für ihre Aufgabe gesprochen hat.
aufgestellt werden müssen. Trotzdem nun gewisse Dies liegt in der klaren Aufstellung der sozialen Data und grundlegende Anschauungen ungeachtet
Perspektive , wie sie durch die Philosophie einiger
aller individuellen Abweichungen allseitig in der modernen Völkerkunde zugestanden werden, so ist
maassen vorbereitet war, oder, um es mit dem Aus druck unseres Gewährsmannes zu bezeichnen , des
doch kein Umstand für die Jugend dieser Disziplin
Völkergedankens. Damit war der eigentliche Kern
mehr bezeichnend, als dass die maassgebenden Vor- der neuen Wissenschaft klar und unzweideutig be aussetzungen und Ausgangspunkte der Forschung, welche letzten Endes keine Untersuchung entbehren kann, immer noch bei den verschiedenen Vertretern erheblich voneinander abweichen . Während der
stimmt, und sie hat diese Signatur nicht verloren bis auf die neueste Zeit hin ; so , um nur ein Bei spiel anzuführen , in den Arbeiten Schäffles und Lilienfelds. Die Quintessenz dieser Auffassung, die
eine unbedenklich mit dem Urmenschen beginnt,
hier wohl als bekannt vorausgesetzt werden darf,
hält sich dieser noch an den durch die biblische
beruht eben auf der unumstösslichen Thatsache, dass
>
Tradition geheiligten Rahmen der patriarchalischen die grossartigen Schöpfungen des menschlichen Familie, ein dritter nimmt die gegenwärtigen Natur-
Geistes in Sprache, Religion, Sitte, Recht, Kunst u. s. f.
nicht individuelle Leistungen sind, sondern Produkte völker als die getreuen Repräsentanten prähistorischer Es fällt uns nicht ein , der einer gesetzmässigen Entwickelung, die weit über die
Verhältnisse u. S. W.
jungen Wissenschaft das irgendwie zum Vorwurf | Sphäre des individuellen Menschen hinausgreift. Des Ausland 1890, Nr . 19 .
55
Bastians Lehre von den geographischen Provinzen .
362
halb begegnen wir auch den überraschenden Analo- | wird seinerseits wieder durch eine Reihe anderer Faktoren bedingt (geologische, klimatologische etc. ),
gieen, von denen schon die alten Historiker zu reden wussten , und die erst unsere heutige vergleichende For-
von denen Bastian besonders die Meteorologie nam
schung zu einem untrüglichen Spiegelbild des allge-
haft macht, und für die er eine möglichst umfassende
mein menschlichen Naturells zusammenzufassen be-
Mitarbeiterschaft an allen Punkten der Erde verlangt.
strebt ist . Von der alten, wenn auch nach Lage der Sache empirisch nicht ausreichend erhärteten aristotelischen Auffassung des Menschen als eines Zoon politikon ausgehend, sucht Bastian vermittelst einer riesenhaften Materialsammlung ein thunlichst umfassendes Inventar des gesamten menschlichen Geisteslebens aufzustellen, eine Gedankenstatistik , wie er sich ausdrückt, alles dessen , was je auf dem Erdenrund ge-
An diese Grundlage würde sich dann unmittelbar
das zoologische Moment schliessen , d . h . die ge >
samte Fülle derjenigen Funktionen und Eigenschaften,
welche jedem Lebewesen — natürlich in abgestuften
führbar. So weit begegnet die Theorie unseres
Verhältnissen – zukommen . Als tellurisch - organi sches Individuum verbleibt der Mensch mit all seinen leiblichen und seelischen Fähigkeiten eben in den ersten Stadien seiner grösstenteils im Unbewusst sein verlaufenden Entwickelung - auf dem Niveau des allgemein tierischen Lebens, wie es die Natur auf den einzelnen Stufen des organischen Werdens oder, um mit dem früheren Ausdruck zu sprechen, in den verschiedenen Reichen charakteristisch ausgeprägt
dacht und erdacht ist. Fürwahr , ein titanenhaftes Unternehmen und doch unter der genannten Vorwenn aussetzung seinem wesentlichen Gehalt nach auch in unendlich ferner Zukunft --- nicht undurch-
>
Altmeisters keinen nennenswerten Bedenken, um so
hat. Fortpflanzung , Ernährung, verschiedenartige,
weniger , als durch die Philosophie (man denke nur an das Programm der Völkerpsychologie !) der
fast mit instinktiver Notwendigkeit sich überall
Boden für eine derartige Anschauung schon einiger-
schen im wesentlichen gleichartig und bilden somit
maassen vorbereitet war.
die letzte Grundlage aller weiteren Erscheinungen . Durch Neuerzeugung und Ausscheidung von Individuen
Aber würde nicht ande-
rerseits die ganze Fülle des geschichtlichen Lebens, in ihren mannigfaltigen Differenzierungen , wie sie die menschliche Gattung in ihren verschiedenen Unterabteilungen klar und unwidersprechlich darstellt, mit einem Schlage beseitigt ? Sollte alles wieder
einem unterschiedslosen Chaos zugeführt werden , sollten die Gegensätze und Abweichungen nicht nur der individuellen , sondern auch der sozialen Existenz völlig verschwinden ? Diesem Irrtum soll die
einstellende Funktionen erscheinen bei allen Men
erhält sich der menschliche Organismus stets frisch ,
und in dem ewig tobenden Kampf ums Dasein kreuzen sich unaufhörlich die egoistischen , zunächst auf die persönliche Erhaltung des einzelnen abzielen den Interessen mit den Normen und Anforderungen der sozialen Verbände , in denen der Mensch lebt.
Damit berühren wir schon das Gebiet des spezifisch Menschlichen im Gegensatz zu dem allgemein Tel
Lehre von den sogenannten geographischen Pro- lurisch -Organischen. Denn trotz aller wahrer und vinzen vorbeugen , d. h. der gesetzlich umschriebenen falscher Analogieen des menschlichen mit dem tieri Areale, wie Bastian gelegentlich sagt, in welche sich die einheitliche menschliche Natur verschiedenartig
schen sozialen Leben sind doch bestimmte Grund
züge der Entwickelung (wir erinnern nur an die
gegliedert hat. Suchen wir uns diesen Begriff und Schöpfung des Staats- und Rechtslebens oder , um seine einzelnen Bestandteile näher zu verdeutlichen.
eine andere Sphäre zu berühren , an das weitver
Das durchschlagende Motiv zur Bildung dieses
zweigte Gebiet der Wirtschaft) spezifisches Eigen
hypothetischen Erklärungsmittels liegt in der allbekannten naturwissenschaftlichen Beobachtung von der mehr oder minder strengen Abhängigkeit, in der jeder Organismus von seiner jeweiligen Um-
tum unserer Rasse. Aber auch hier handelt es sich
gebung steht. Der leitende Grundsatz (so führt unser Autor diesen Gedanken weiter aus) für geo-
wieder um die Erklärung der tiefgreifenden Unter schiede, die überall in dem geschichtlichen Prozess Platz greifen ; in erster Reihe sind dafür die Exi stenzbedingungen namhaft zu machen , unter denen irgend ein Volk zu leben gezwungen ist . Diese
graphisch typische Provinzen fällt in die Abhängig- können selbstredend ihrerseits höchst mannigfaltiger keit des Organismus von seiner geographischen Um- Art sein ; hydrographische, orographische, überhaupt gebung (le milieu oder monde ambiant),) in eine irgend welche der äusseren Natur angehörige Be gegenseitig festgeschlossene Wechselwirkung und also ziehungen, andererseits soziale Verhältnisse, womit in Naturgesetze , mit denen sich rechnen lässt. ... wir schon die Grenze der geschichtlichen Entwicke Die Thatsache solcher Abhängigkeit, die Wechsel- lung berühren . Denn obschon die Anfänge des wirkung zwischen Organismus und seiner Umgebungs-
Staats- und Rechtslebens überall oder doch fast über
welt, liegt praktisch bewiesen vor , in den Experi-
all dieselben zu sein scheinen und die landläufigen
menten über Akklimatisation bei Pflanzen und Tieren ,
Unterschiede sprachlicher und ethnographischer Klassi fizierung bei weitem überschreiten, so ist doch die weitere Entwickelung aus den primitiven Friedens
>
so dass der Analogieschluss auf ein ähnliches Verhältnis bei den Menschen jedenfalls gewagt werden kann (zur Lehre von den geogr. Prov. S. 1 ). Wie schon angedeutet, erscheint dieser Einfluss schon auf einer niederen Sphäre, nämlich der botanischen, und
genossenschaften, die Ausbildung bestimmter Stände, Klassen und Kasten , der Ursprung eines von der Basis der Blutsverwandtschaft sich ablösenden Häupt
Bastians Lehre von den geographischen Provinzen.
363
lingtums u . s. w., gebunden an bestimmte soziale
über dem Gesamtbewusstsein eines Volkes stets ein
Faktoren, die bei dem einen Stamm stärker , bei dem anderen schwächer hervortreten . Dass diese
seitig ; ja es können sich in den Rechtsanschauungen der Einzelnen die schärfsten Gegensätze finden . (Grund
letzten Endes wieder auf apriorische Anlagen und | lagen des Rechtes , Oldenburg 1884, S. 24).
Das
ist nur ein Beispiel für alle ; man wird nie zu einer haltbaren Vorstellung kommen , wenn man in der versteht sich so sehr von selbst, dass dieser Punkt nicht alten Rousseauschen Manier (die leider heutzutage weiter erörtert zu werden braucht. Die gesellschaft- vielfach wieder aufgefrischt wird) das isolierte Indi
Kräfte zurückführen , welche ein Volk als Ausstat-
tung von der Natur mit auf den Weg bekommen hat ,
lichen Einrichtungen , bemerkt Bastian , bilden das psychische Gewand, dem der jedesmalige Volksgeist
viduum , dieses philosophische Abstractum , dem schlechterdings keine Wirklichkeit entspricht, als den
innewohnt, wie die Seele ihrem angeborenen Körper, alleinigen Ausgangspunkt der ganzen Entwickelung Ueberall vielmehr , soweit der prüfende
und wie über diesen hinaus die Thätigkeit der Seele,
ansetzt .
wenn zur Vollkraft angeregt , sich manifestiert, so
Blick auch
in die trüben Nebel der Vorzeit vor
der Volksgeist ( vom Fortschreiten vom Naturzu- dringen mag, finden wir soziale Verbände, und seien stande zur Kultur) in seiner Entwickelung. Zu- sie noch so dürftig und locker ; um so weniger aber nächst liegen die Ursächlichkeiten bereits in den
sollte man diese Thatsache ausser acht lassen, weil
physischen Verhältnissen der Umgebung ( nach geo-
in den Anfängen des gesellschaftlichen Lebens Recht
graphischer Provinz) , die indes nicht als apriori-
und Sitte sich fast genau decken , und diese letztere hat bislang noch keine Philosophie individuell ab
stische Ursächlichkeiten in ihren modifizierenden Ein-
wirkungen zu fassen wären ; denn sie bieten viel-
leiten können .
mehr die Hyle des Stoffes, innerhalb dessen der
gesagt ist , das gilt auch von allen psychischen
Volksgeist als Entelechie seiner Seelenkraft schöpfe-
Manifestationen überhaupt, soweit sie für jene An
Was hier vom Recht insbesondere
risch bildend emportreibt, um an der Horizontlinie fänge der Gesittung in Frage kommen : deshalb die des ethnischen Kreises die für denselben typischen
wunderbaren Analogieen in Mythologie und Kosmo
Völkergedanken hinauszuwerfen und dort in den so-
logie bei den stammfremdesten Völkern , wo jede
zialen Institutionen zu realisieren (a . a. 0. S. 34). Entlehnung von vornherein ausgeschlossen ist, des Um der Untersuchung durch die Bezugnahme aufhalb die Kongruenz in dem Aufbau des sozialen ein konkretes Gebiet mehr Anschaulichkeit zu ver- Lebens u . s. w. Dieser Gleichartigkeit des mensch leihen, so sei es uns gestattet , die Entwickelung des lichen Geistes, die sich nach Peschels Ausdruck bis Rechts in gedrängter Kürze nach dieser Perspektive zu charakterisieren . Dasselbe ist nicht, wie die idea-
listische Spekulation uns noch immer glauben machen
auf die seltsamsten Sprünge und Verirrungen des Denkens verfolgen lässt , tritt nun , wesentlich erst unter dem vollen Lichte der geschichtlichen Ent
will , der unmittelbare Ausfluss eines an sich gültigen ,
wickelung, die spezifisch topographische, man wäre fast
apriorischen Rechtsbewusstseins, sondern vielmehr der
versucht zu sagen, nationale Besonderung entgegen ,
Niederschlag derjenigen und zwar höchst mannigfal- | wie sie eben das Kennzeichen einer höheren Kultur tigen Anschauungen, welche in den betreffenden Or-
ist. Während früher die geographische Provinz noch
ganisationsformen zur Geltung gelangen . Man wird vollständig unter dem Banne klimatischer , geologi aber einwenden , dass diese Struktur ihrerseits auf scher und zoologischer Bedingungen stand und die >
einzelne Persönlichkeiten zurückführt, mithin die
Rassenkunde von einem afrikanischen, mongolischen,
Entwickelung des Rechts auf das individuelle Rechts- malaiischen Typus etc. (mit den entsprechenden bewusstsein . Aber das ist nur zum Teil richtig; Spielarten) reden darf, treten nunmehr die physi denn so wenig die Bedeutung des einzelnen Men- kalischen Momente gegenüber den sozialpsychologi schen völlig eliminiert werden soll, so falsch ist es schen als den Ausschlag gebenden mehr und mehr doch , das individuelle Rechtsbewusstsein als die letzte, zurück , und es beginnt damit die Entfaltung der ursprüngliche Quelle dieses ganzen Prozesses anzu- höheren Gesittung einzusetzen , wie sie sich (natür
sehen ;; denn wie das Individuum mehr oder minderlich mit den verschiedenartigsten Abstufungen und nur der getreue Abdruck seiner ethnisch -morpho- Nüancierungen) als unentbehrliche Grundlage in logischen Organisation ist , so muss auch das Be- allen Civilisationsprozessen findet. Man vergleiche
wusstsein des Einzelnen in allen seinen Beziehungen
die chinesische und indogermanische Kultur , nach
auf diesen treibenden Faktor zurückgreifen.
Inhalt und Form
Es
so unendlich abweichend, und
quillt , wie ein scharfsinniger vergleichender Rechts- doch finden sich gewisse soziale und ethische Be forscher, A. H. Post , treffend bemerkt, die Volks- rührungspunkte, die eben jedem Wachstum des seele fortwährend in die Seele des Einzelnen hin- geistigen Lebens der Menschheit eigentümlich sind ; auf und beherrscht die Ausbildung seines Rechts- | je näher verwandt freilich die einzelnen Vertreter bewusstseins. Es repräsentiert das Rechtsbewusstsein jedes Einzelnen das Gesamtleben einer bestimmten
einer speziellen Kulturform miteinander sind, desto
sozialen Schicht, und in diesen einzelnen Schichten
deshalb
einheitlicher wird das Gepräge derselben ausfallen : die Uniformität unserer modernen euro
variiert das Gesamtbewusstsein des sozialen Verbandes. päischen Bildung , die als die regsamste sich wohl Das Rechtsbewusstsein des Einzelnen ist daher gegen- den Erdkreis unterwerfen wird allerdings steht
Die ältesten Gewichte und Maasse .
364
der entscheidende Weltkampf mit dem Reich der Mitte noch aus. Mit dieser Durchbrechung aber
als in derselben die Beziehungen , in denen fast sämtliche Gewichte und Maasse des Altertums und
des rein topographischen und ethnographischen teilweise auch solche der Neuzeit zu dem Gewicht Rahmens hört die Untersuchung für die Ethnologie auf, die völlig gleichgültig gegen jeden chronologi-
und Maasssystem der Altbabylonier stehen , sowie die Wanderungen und das fünftausendjährige Fort
schen und lokalen Zusammenhang lediglich die Entwickelung des sozialen Lebens der Menschheit als sol-
bestehen des letzterwähnten Systems klargelegt wer den. Die Gewichte und Maasse der Altbabylonier
chen , nicht etwa das ihrer einzelnen Glieder gesondert
beruhen nun auf jenem Sexagesimalsystem , nach
verfolgt, und auch dies wesentlich nur für die ersten Stadien dieses Prozesses bei den sogen. Naturvölkern ,
welchem dieses Volk zu rechnen gewohnt war. Als die 1854 bei Senkereh am Euphrat vorgenommenen
wo eben von irgend welcher nach einem Schema
Ausgrabungen zwei Täfelchen mit Keilinschriften
der Weltgeschichte zugeschnittenen Berechnung nicht Es bedarf ge-
zu Tage gefördert hatten, erkannte der englische Gelehrte Rawlinson, dass jenes uralte Kulturvolk , dem wir diese Aufzeichnungen verdanken, eine Ziffer
ringer Ueberlegung, um zu erkennen, dass das vorliegende Problem seine grossen Schwächen hat, dass
System , welches in der von den altbabylonischen
die Rede sein kann .
Zum Schluss noch ein Wort .
schrift mit der Grundzahl 60 besessen hat – ein
gelingen wird, zwischen den äusseren physikalischen
Astronomen herstammenden Einteilung der Stunde in 60 Minuten, der Minute in 60 Sekunden , sowie
und den inneren , sozialpsychologischen Faktoren
in der Einteilung des Kreises in 360 Grade sich
es insbesondere dem menschlichen Scharfsinn nie
mit unzweideutiger Sicherheit die gegenseitigen
bekanntlich bis auf den heutigen Tag erhalten hat.
Grenzen abzustecken und gegebenen Falls zu ermitteln , wieviel diesem oder jenem zuzuschreiben
Behufs Bestimmung der antiken Gewichte stehen ver schiedene Hilfsmittel zu Gebote. Während einer
ist. Aber init diesem Bedenken trifft man schliesslich den wunden Punkt unserer Erkenntnis über-
zu Tage geförderten , aus Stein oder Metall herge
seits die aus den Trümmerstätten Altbabyloniens
haupt, die zuletzt immer in diese hoffnungslose In- gestellten Gewichtsstücke über die in Rede stehenden tegrale ausläuft, und es ist immerhin doch ein metho- | Gewichtsbeträge wichtige Aufschlüsse liefern , sind discher Gewinn , wenn für die , freilich vielleicht
andererseits die aus dem Altertum uns erhaltenen
endgültig niemals zu erschöpfende, Beantwortung
Münzen, insofern sie regelmässig einen bestimmten
einer Frage die richtige Perspektive gewonnen wird.
Bruchteil des landesüblichen Gewichts darstellen,
wohl geeignet, einen Anhaltepunkt abzugeben , von dem man auf die in den betreffenden Ländern ge Die ältesten Gewichte und Maasse.
bräuchlichen Gewichtseinheiten einen Rückschluss zu
Von Moritz Alsberg.
ziehen berechtigt ist. Was letzteren Punkt anlangt, so dürfen wir wohl als bekannt voraussetzen , dass bis
Die neuere Forschung begnügt sich nicht da mit, an der Hand der geschichtlichen Ueberlieferungen
etwa ins achte Jahrhundert der vorchristlichen Aera
Anhaltepunkte zu gewinnen, welche über die vor
des nach seinen höheren und niederen Einheiten
und frühgeschichtliche Existenz der Menschheit und
normierte den Wert derselben. Als ein solches nach
gewogenes Gold, Silber und Kupfer an Zahlungs über die Vergangenheit der Völker Licht zu ver statt gedient haben. Die gewogenen Stücke der breiten .. Ueberall da, wo die historischen Berichte fehlen odet lückenhaft sind, ist sie vielmehr bestrebt, genannten Metalle vertraten die Stelle unseres ge münzten Geldes, und das gangbare Gewicht des Lan über den Gang der menschlichen Kulturentwickelung
dem Gewicht normiertes Zahlungsmittel ist z. B.
Aufklärung zu liefern im stande sind . Von diesem Gesichtspunkte aus betrachtet dürften die nachfol
das aes rude zu bezeichnen – jene regelmässig ge formten Bronzeklumpen , wie sie von Gozzadini aus
genden Ausführungen, welche sich auf die ältesten vorgeschichtlichen Gräbern von Villanova zu Tage Gewichte und Maasse beziehen , für unsere Leser
gefördert wurden. In die nämliche Kategorie ge
nicht ohne Interesse sein.
Nachdem bereits vor mehreren Jahrzehnten Boeckh
hört auch jenes Ringgeld von Eisen , dessen sich nach Julius Cäsar die alten Britannier im Handels
und später Brandis darauf hingewiesen hatten , dass Altbabylonien als die Heimat der antiken Gewichte
verkehr bedient haben. Neben den Münzen können
und Maasse zu betrachten ist, haben neuere Forschun-
ins ferner noch Verarbeitungen edler Metalle besondere Schmuck- und Gebrauchsgegenstände aus
gen die in Rede stehende Frage noch weiter aufge-
Gold und Silber , zu deren Herstellung im Alter
hellt. Ganz besonders darf aber eine neuerdings von C. F. Lehmann veröffentlichte Abhandlung ?) die
tum genau normierte Mengen von Edelmetallen ge dient haben
- zur Bestimmung des Gewichtsfusses
Aufmerksamkeit insofern für sich in Anspruch nehmen , Verwendung finden . Betrachten wir nunmehr die ältesten Gewichte 1) Vergl . » Altbabylonisches Maass und Gewicht und deren Wanderung « . Zeitschrift für Ethnologie, Organ der Berliner Ge
im einzelnen, so hat das obenerwähnte babylonische sellschaft für Anthropologie, Ethnologie und Urgeschichte, 1889. Sexagesimalsystem in seiner Anwendung auf die Ge Heft IV, S. 245 ff. wichte folgende Gestalt : Einheit ist die Mine (mana) ;
Die ältesten Gewichte und Maasse .
60 Minen bilden i Talent; andererseits setzt sich
die Mine aus 60 kleineren Einheiten zusammen, die
365
fiel nicht in 60, sondern in 50 gleiche Teile - eine Thatsache, die als ein Eindringen der Prinzipien des
« Decimalsystems in das Sexagesimalsystem aufzu Hebräischen im »Scheckel«bezeichnetwerden als vermutlich einen fassen und mit grösster Wahrscheinlichkeit auf den Sprache altbabylonischen und in der
ähnlichen Namen getragen haben . Auf welcher hohen Entwickelungsstufe die Handelsbeziehungen
durch die Phöniker verinittelten Einfluss des nach
decimalen Grundsätzen eingerichteten altägyptischen
der Babylonier um 3000 v. Chr. sich bereits be- Gewichtssystems zurückzuführen ist. funden haben – dieser Schluss ergibt sich aus der
Man unter
schied dabei , von dem bestehenden Wertverhältnis
Thatsache, dass schon damals ein festgeregeltes des Goldes zum Silber ausgehend, ein Goldtalent Würderungsverhältnis der beiden Edelmetalle und von einem Silbertalent und in Bezug auf das letz eine Art von babylonischer Doppel währung,
tere den sogenannten » Zehnstaterfuss« von dem » Fünf
in welcher das Gold zum Silber im Verhältnis von
zehnstaterfuss .
3 : 40 stand, existiert hat. Andererseits kann es nicht verwundern , dass das im vorhergehenden namhaft gemachte Gewichtssystem im Wechsel der Zeiten
nische Normalgewicht tritt uns im Altertum in Syrien, Attika und in Italien entgegen ; dasselbe ist
und des Ortes gewisse Abänderungen erlitten hat.
Jenes zuvor erwähnte altbabylo
auch Jahrtausende hindurch in Gallien in Gebrauch gewesen . Erst die französische Revolution hat durch
jenes System , Die ursprüngliche Gewichtsnorm welches C. F. Lehmann als » babylonisches Gewicht gemeiner Norm « bezeichnet – wird repräsentiert durch gewisse aus einem basaltähnlichen Stein her-
Einführung des metrischen Systems auf dem euro päischen Festlande jene Gewichte verdrängt, welche von dem altbabylonischen Gewicht abgeleitet sind . Nach den Auseinandersetzungen Lehmanns unter
gestellte Gewichtsstücke, die sehr sorgfältig gearbeitet
liegt es keinem Zweifel , dass das alte französische
und völlig wohl erhalten aus den Trümmerstätten Altbabyloniens ans Licht gezogen wurden , und be-
Pfund im Normalbetrage von 489,5 gr identisch ist mit der zuvor erwähnten »babylonischen Mine
züglich deren gewisse hier nicht näher zu erörternde
gemeiner Norm « , mit deren Betrag es sich bis auf den geringfügigen Unterschied von 1,5 gr deckt.
Umstände es wahrscheinlich machen, dass dieselben
schon zu Beginn des dritten vorchristlichen Jahr - Dasselbe gilt auch von dem alten hannoverischen tausends in Gebrauch gewesen sind. Diese be- Pfund , und fast genau ist die Norm dieses altbaby merkenswerten Steingewichte besitzen entweder die lonischen Gewichtes gewahrt geblieben in dem althol · Form langgestreckter Ovale oder sind in jener Fässchen- ländischen Pfund Troy. Gewiss ist es auch kein blosser
form hergestellt, die bei den mit Weihinschriften versehenen babylonischen Cylindern vorherrscht.
Zufall, dass das russische Pfund ( = 409,2 gr) dem Betrag der leichten babylonischen Goldmine fast ge
Dieselben stimmen auch mit gewissen Fundstücken aus Ilios überein , die Schliemann zuerst als »Schleu-
bräuchlichen Gewichtsnormen sind die »milesische
dersteine« gedeutet hatte , bezüglich deren aber
nau entspricht.
Von den im Altertum selbst ge
neuerdings festgestellt wurde, dass sie als Gewicht-
Mine « (Gewicht der reichen Handelsstadt Miletos), die zuerst durch Solon in Athen eingeführte und
stücke gedient haben. Zwei jener Steingewichte weisen gewisse als Eichungsstempel zu betrachtende Zeichen und zugleich den Namen eines priesterlichen
daselbst mehrere Jahrhunderte hindurch gebräuch liche äginäische Mine , ferner die euböisch -attische Mine, das römische Pfund und das ältere sogenannte
Beamten auf . Wir müssen demnach annehmen , dass,
» italische Pfund« (Gewicht des ältesten pfündigen
ebenso wie dies im griechischen und römischen Alter- As), die attisch -römische Mine der Kaiserzeit (von tum der Fall war, so auch in Babylonien die Ge
wichte heilig gehalten und die Richtigkeit der Normen durch priesterliche oder staatliche Beamte überwacht wurde. Während aber die soeben beschriebenen ,
auf eine Mine im Betrage von 491 Gramm zurückführenden , Normalgewichtstücke das eigentliche altbabylonische Grundgewicht darstellen , haben doch, wie bereits angedeutet, gewisse Abweichungen von der Norm stattgefunden und sich allmählich zu besonderen Gewichtssystemen herausgebildet. Man
unterschied ein leichtes Talent von einem schweren, welches zweimal so viel als das leichte wog , und man trennte dabei ein älteres Gewicht von einem
der seinerseits wieder das englische Avoir-du-poids Pfund herstammen soll) und das Pfund der Gold prägung Kaiser Constantins als aus dem baby lonischen Gewicht abgeleitete Gewichtssysteme hier noch besonders zu erwähnen .
Was die soeben er
wähnten Umgestaltungen jenes uralten babylonischen Gewichts anlangt, so sind es insbesondere zwei Ur sachen , welche zu Abänderungen innerhalb des be sagten Systems geführt haben, nämlich einerseits der
Umstand, dass beiAusprägung der Metalle zu Münzen ein Abzug für den Prägeschatz gemacht wurde, und zweitens der Umstand, dass überall da , wo es sich
um Zahlungen, Abgaben oder Tribute handelte, die
jüngeren , das schwerer als das ältere gewesen ist. dem Könige zu leisten waren , zu dem gewöhnlichen Sobald es sich um die Edelmetalle: Gold und Silber
handelte, war nicht nur das Gewicht nach anderen
Gewichte ein besonderer Zuschlag gemacht wurde. Jenes Schwert, welches Brennus bei Abwägung des
Sätzen normiert, sondern auch die Einteilung nahm
ihm
Man rechnete · zwar 60 Minen auf das Talent, aber die Mine selbst zer-
mit in die Wage warf, versinnlicht die in dem Volks bewusstsein des Altertums tief wurzelnde Anschauung,
eine veränderte Gestalt an . Ausland 1890 , Nr. 19
seitens der Römer zu entrichtenden Tributs
56
. Die ältesten Gewichte und Maasse .
366
derzufolge der Herrscher Anspruch auf ein beson-
erhalten worden . Während auf den in Rede stehen
ders reichliches Gewicht haben soll.
den Denkmälern die abzuwägenden Edelmetalle in
Unsere bisherigen Betrachtungen galten jenen Form der soeben erwähnten Ringe und Scheiben Gewichten und Geldwerten , welche, ursprünglich
zur Darstellung gebracht sind, zeigen die Gewichte die
eine babylonische Kulturerrungenschaft darstellend,
Gestalt eines liegenden Nilpferdes, Stieres, eines Kegels
während des Altertums in Vorderasien in allgemeinem Gebrauche waren und von dort aus den an das Mittelmeer grenzenden europäischen Gebieten und dem übrigen Europa durch den Handelsverkehr zugeführt wurden . Dass das altbabylonische Gewicht
u . dergl . Während in den Darstellungen aus den Zeiten der Pyramidenbauten die Wage noch sehr unvollkommen , nämlich als schwerfällige Standwage auftritt (wobei der Ursprung der Wage aus der
schon in einer frühen Epoche nach Indien eingeführt worden ist , dafür legen die Veden ( älteste
» Trage«, einem Querstock mit zwei an den beiden Enden desselben befestigten und herabhängenden gleichgewichtigen Tragkörben , welcher damals wie
Dichtungen der Inder) Zeugnis ab, da in denselben
noch heute auf dem Nacken eines Menschen ruhte,
die babylonische Mine (mana) mehrfach erwähnt
unverkennbar ist) , erscheint im Gegensatz hierzu
wird . - Aus den Papyrusinschriften und aussonstigen inden späteren Darstellungen die altägyptische Wage Denkmälern sind wir auch über das Gewichtssystem schon sehr bedeutend vervollkommnet. Die Stän Altägyptens unterrichtet, welches mit demjenigen der derselben zeigen eine zierliche, fast künstlerische Babyloniens eine unverkennbareAehnlichkeit aufweist. Die Grundlage des altägyptischen Systems bildete
ein Gewichtsstück , welches in ägyptischer Sprache
Form , und an ihrer Spitze erhebt sich als Verzierung in der Regel der geschnitzte Kopf eines Königs. Die beiden tafel- oder korbförmigen Wagschalen
den Namen » Kite « führte und das wir nach dem
sind bei diesen vervollkommneten Wagen an drei
Vorgange von Brugsch 1) mit »Lot« wiedergeben
oder vier Schnüren befestigt, und an Stelle unseres
wollen . Auf einem in der ägyptischen Altertums- | Züngleins an der Wage befindet sich ein herzför
kunde berühmt gewordenen Gewichtsstücke finden
miges Ausschlaggewicht, das von dem Wägenden
sich die Worte : » 5 Kite. Weisses Haus von Helio-
aufmerksam beobachtet wird . Erwähnt sei hier noch ,
polis«. Zum besseren Verständnis dieser Inschrift sei
dass zufolge den Aufzeichnungen der Denkmäler
hier eingeschaltet, dass im alten Aegypten der Ausdruck » weisses Haus « gleichbedeutend mit dem war,
in der ältesten Geschichte des Pharaonenlandes Kupfer allein an Zahlungsstatt Verwendung gefunden hat,
was wir als „ Schatzkammer « oder » Schatzhaus « zu
und dass Gold und Silber damals noch als eine
bezeichnen pflegen . Der königliche Palast und je-
Ware galten . Erst mit dem zunehmenden Welt
der Tempel besass sein besonderes » weisses Haus«,
handel wurden Gold und Silber in gleicher Weise
in welchem preiswürdige Wertgegenstände jeder Art
verwendet, nur mit dem wichtigen Unterschiede, dass
niedergelegt wurden. Aus jenem soeben erwähnten
die Edelmetalle vorzugsweise in den königlichen
Schatz flossen, während das Volk sich mit dem Kupfer einzelnen Kite auf 9,09 Gramm . Dieselbe bildete begnügen musste. Mit dem zunehmenden Vorrat die niedrigste Einheit des altägyptischen Gewichts- von Edelmetallen, wie ihn die Ausbeutung der Berg systems ; 2 Kite werden als Stater bezeichnet ; die werke bedingte, sank dann allmählich der Wert des Fünfzahl des Staters tritt unter dem Namen „ Wo- | Kupfers, und zwar fortschreitend von Jahrhundert zu ten « oder » Ŭoten « auf, welches demnach 10 Kiten Jahrhundert. Während im 15. Jahrhundert v. Chr. das gleichwertig ist. Als Grundlage für die Abwägung Silber sich zum Kupfer wie 1 : 48 verhielt, hatte im der Edelmetalle diente nach Brugsch ein Talent im salomonischen Zeitalter das Wertverhältnis zwischen
Fünfkitestück berechnet sich nun das Gewicht der
Betrag von 360 Pfund (Woten ),welches in 60 gleiche beiden die Proportion von 1 : 80 und in der Ptole Teile zu je 6 Pfund geteilt war, während seiner-
mäerzeit von 1 : 120 erreicht.
Ebenso wie noch
seits das Teilstück in so gleiche Teile zerfiel. Schon
heutzutage die Engländer vielfach nach Guineen
eine oberflächliche Betrachtung ergibt hier also die Uebereinstimmung mit dem altbabylonischen Gewicht. Dafür, dass Kite ursprünglich »Kreis« oder » Ring«
rechnen, obwohl eine solche Münze in Wirklich keit gar nicht existiert in analoger Weise wur den nach Brugsch während der ptolemäischen Epoche
bedeutet hat, liefert der Umstand eine Erklärung,
der ägyptischen Geschichte die Summen , wie sie >
dass in Altägypten die Edelmetalle in der Regel zu beispielsweise in den demotischen Kaufkontrakten Ringen oder zu runden Scheiben gegossen auftraten
jener Epoche namhaft gemacht werden , regelmässig
bezw. in dieser Gestalt abgewogen wurden .
Dar-
nach altherkömmlicher Gewohnheit auf das im ge
stellungen, welche uns das Abwägen dieser Ringe bezw. Scheiben von Gold, Silber oder Elektron (im Altertum hochgeschätzte Legierung von Gold und
wöhnlichen Lebensverkehr damals längst beseitigte Geldgewicht in Silber zurückgeführt, die Zahlungen aber regelmässig in Kupfermünzen geleistet, deren
Silber) vor Augen führen , sind uns in den theba- | entsprechender Silberwert in allen Texten durch die nischen Denkmälern des 15. Jahrhunderts vor Chr. regelmässig wiederkehrende Formel: » 24 Lot Kupfer zu 210 Lot Silber « auf das genaueste bestimmt wird . " ) Vergl . » Das älteste Gewicht » , Zeitschrift für Ethnologie, Die in den ägyptischen Papyri jener Epoche häufig wiederkehrende Bezeichnung: »Kenken « ( gleichbe 1889 , Heft I und II .
Die ältesten Gewichte und Maasse.
deutend mit Stück oder Teilstück ) wird dazu be-
367
babylonische Längenmaass ist jedoch die
nutzt, um bei der Aufführung von Geldgewichten Doppelelle im Betrag von 994,5—996 mm zu in Gold, Silber und Kupfer die kleinste Rechnungs-
betrachten.
Ohne auf Einzelheiten einzugehen ,
einheit in dem herrschenden Teilungssystem anzu- wollen wir hier nur noch bemerken, dass aus dem soeben erwähnten , auf dem Sexagesimalsystem be geben . An unsere vorhergehenden Ausführungen über ruhenden Längenmaass sich als Konzession an das das altbabylonische und altägyptische Gewicht knüpfen | Decimalsystem der babylonische Fuss von 100 Linien wir noch einige Betrachtungen , welche die ältesten entwickelt hat , und dass sämtliche uns bekannte
Längenmaasse zum Gegenstand haben. Letztere Längenmaasse des Altertums, wie z. B. der » oskische her- Fuss « (welcher in Italien viele Jahrhunderte hin dass durch allgemein gebräuchlich war und bei der Er Ell- richtung der älteren Bauten in Pompeji als Grund der lage gedient hat), ferner der » römischeFuss« ( Längen Fuss schon im höchsten Altertum als Längenmaasse maass der römischen Kaiserzeit) , der » attisch - euböische eine wichtige Rolle spielen , während die Hand- Fuss « (d. i . jenes Längenmaass, welches durch Solon breite und die Fingerbreite als Unterabteilungen in Athen zur gesetzlichen Norm erhoben wurde, und der soeben erwähnten grösseren Einheiten Verwen- das nach W. Dörpfeld u . a. auch bei der Erbauung dung finden. In den Maasssystemen des Altertums des berühmten Niketempels zu Olympia als Grund gilt allgemein , dass Fuss und Elle sich wie 2 : 3 maass gedient hat), der » milesische Fuss « (der in verhalten. Die Länge des altbabylonischen Fusses, Kleinasien am Altare von Eumenes II. und am wie sie aus den von J. Oppert untersuchten alt- Augustustempel in Pergamon sich hat nachweisen
wurden ursprünglich vom menschlichen Körper genommen , und es ist daher leicht erklärlich , die Elle , d. i . die Länge des Unterarms vom bogen bis zur Spitze des Mittelfingers, und
babylonischen Ziegeln, deren Fläche einen Quadrat- lassen ), dass alle diese Längenmaasse nur als fuss darstellt , sich ergibt , schwankt zwischen 328
Ableitungen des zuvor erwähnten altbabylo
und 334 mm und kann im Durchschnitt als 330 mm Maass durch eine sehr lange Zeit konstant erhalten hat, davon kann man durch Betrachtung der im
nischen Längen maasses aufzufassen sind ') . Dass zwischen letzterem und der altägyptischen Elle ebenfalls bestimmte Beziehungen bestanden haben , dieser Schluss ergibt sich schon aus der Thatsache,
Berliner Museum aufbewahrten babylonisch-assyri-
dass der Maassstab des Gudea, wenn wir mit Dieulafoy
oder 33 cm angenommen werden . Dass sich dieses
die Länge desselben als 16 babylonische Finger königs Gudea ( Anfang des 3. Jahrtausends vor Chr.) | breiten annehmen, genau der Hälfte der ersterwähnten
schen Backsteine , die von den Zeiten des Priester-
bis in die Zeiten von Nebukadnezar II. und später Elle entspricht. Dass wir hier eine Annäherung an Das älteste ein altägyptisches Längenmaass vor uns haben – zu und wichtigste Zeugnis für die genauere Bestim- Gunsten dieser Annahme kann auch der Umstand mung des altbabylonischen Längenmaasses bietet aber geltend gemacht werden , dass der altbabylonische hinabreichen , sich leicht überzeugen .
eine Statue des ersterwähnten Königs, die vor eini-
Priesterkönig Gudea in seinen Statueninschriften sich
gen Jahren zu Telloh (Südbabylonien ) aufgefunden rühmt, er habe den für die Herstellung der Statuen wurde. Diese Statue verherrlicht den besagten altbabylonischen König als Baumeister, und neben
verwendeten Stein im Lande Magan brechen lassen,
und dass nach Oppert unter » Magan « Aegypten zu
cinem Bauplan und einem Richtlot ist daher auf verstehen ist.. derselben ein Maassstab angebracht, welcher die Einteilung des altbabylonischen Längenmaasses in Teil-
Zum Schlusse unserer Darlegungen sei hier noch
die Frage mit einigen Worten beantwortet, wie im
stücke und die Zerlegung dieser Teilstücke in kleinere ursprünglichen babylonischen System die Normen Einheiten deutlich erkennen Wenn lässt .
man unter
fürdas Hohlmaass und das Gewicht aus dem Längen maass abgeleitet sind. Was diesen Punkt anlangt,
Zugrundelegung des soeben erwähnten Gudea-Maassstabes sowie unter gleichzeitiger Berücksichtigung
so unterliegt es nach den Untersuchungen Leh
der auf einer der Thontafeln von Senkereh enthal-
manns keinem Zweifel, dass die Babylonier vor
tenen Angaben die einzelnen Einheiten des babylonischen Längenmaasses nach dem sexagesimalen System
mindestens 5000 Jahren bereits ein System hatten , das unserem Maass- und Gewichtssystem so gut wie
berechnet, so gelangt man zu dem Schluss, dass ebenso , wie im altbabylonischen Gewichtssystem die » schwere « und » leichte Mine« nebeneinander hergehen, so auch in Altbabylonien verschiedene Systeme von Längenmaassen nebeneinander existiert haben , nämlich eines, in welchem die Elle, die Rute ( quanu) und das Sechzigfache der Rute als Einheiten auf-
völlig analog war. Wie bei uns das Zehntel des Meters (Decimeter) die Kante des Würfels bildet , der ein Literfasst und mit destil
treten , und ein zweites, in welchem das Zweifache
ist . Da anzunehmen ist, dass der » römische Fuss « auch in den
dieser Grössen, nämlich die Doppelelle, das Doppel
Provinzen des Reiches angewendet wurde und von da weiter ge wandert ist , so dürfen wir uns auch nicht wundern , wenn wir diesem Längenmaass des Altertums in dem valt-augsburgischen Fusse « und in dem » schwedischen Fusse « wieder begegnen .
quanu und das Sechzigfache des Doppelquanu, als Einheiten figurieren .
Als das ursprüngliche
1 ) Der obenerwähnte, in 100 kleinere Einheiten eingeteilte »oskische Fuss « (= 275 mm ) besteht in dem noch heutzutage
in Italien vielfach gebräuchlichen Piede Romano fort , während die Aune de Paris aus dem » römischen Fuss « hervorgegangen
368
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
liertem Wasser gefüllt und bei einer Tem-
Volke geschaffen wurde, und dass das altbabyloni
peratur von 4 ° C. (d . i . bei einer Temperatur, sche Zeitmaass genau derselben Einteilung unterliegt die der grössten Dichtigkeit des Wassers wie die Maasse des Raumes und der Materie – an
entspricht) gewogen das Kilogramm ergibt ,
gesichts dieser Thatsachen wäre es gewiss nicht zu
so ist das Zehntel der zuvor erwähnten baby-
verwundern , wenn die Altbabylonier bereits auf den
lonischen Doppelelle die Grundlage des
Gedanken gekommen wären, die Länge des Sekunden
Hohlmaasses, dessen Wassergewicht dic baby-
pendels bezw . ein Teilstück dieser Grösse als Längen lonische » Mine gemeiner Norma ergibt. Schon maass zu benutzen und somit den Huyghensschen im frühesten Altertum war demnach jene Methode Vorschlag, der auf die Herstellung eines »Zeitfusses« bereits bekannt, deren wir uns heute bedienen, um (pes horarius) hinausläuft, schon ungefähr 4500 Jahre ein Normalgewicht nach dem herrschenden Längen-
vor Lebzeiten des berühmten holländischen Astro
maasse festzustellen, nur mit dem Unterschied, dass
nomen und Mathematikers zu verwirklichen
man sich neben dem Wasser des Weines zur Fest
stellung des Grundgewichtes bediente --- ein Umstand, der wegen der Geringfügigkeit des Unterschiedes im
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis
spezifischen Gewicht der beiden Flüssigkeiten auf
und Tripolis.
das Ergebnis der Gewichtsfeststellung keinen wesent lichen Einfluss ausgeübt haben kann . Was endlich
Von M. Quedenfeldt.
-
noch die Frage nach der Entstehung der den meisten,
( Fortsetzung.)
wenn nicht allen antiken Längenmaassen als Grund-
Aeltere Leute tragen um die Schâschỉa ein dün
lage dienenden altbabylonischen Längennorm anbe-
nes, rollenförmig gedrehtes Turbantuch (Káschta)
trifft, so machen gewisse , hier nicht näher zu erörternde Umstände es in hohem Grade wahrschein-
aus weissem Musselin oder grau- und gelbgeblümter Seide. Gelbe Pantoffeln oder schwarze Lackschuhe ,
lich , dass die Altbabylonier, während sie seltener (nur bei Standespersonen, Richtern , Ķorân ursprünglich wohl die Länge des Vorder- lehrern etc.) rote , vorn spitze Lederschuhe bilden arms (Elle) und Fusses als Längen maasse be-
die Fussbekleidung. Die bessere städtische Klasse
nutzten, in einem etwas späteren Abschnitt trägt in Tunis durchgehends Strümpfe, was in ande ihrer Geschichte die Länge des Sekunden-
ren , weniger von europäischem Einflusse durchtränk
pendels ihrem System von Längen maassen zu Grunde gelegt haben . Da den Maassen der Elle
ten mohammedanischen Ländern , z . B. Marokko,
und des Fusses durch die bei verschiedenen Indivi-
Gesundheitsrücksichten thun .
nur kränkliche oder alte Leute in den Städten aus
duen verschiedene Länge der betreffenden Körper-
Ueber dem Anzuge wird ein bequemer, vorn
teile eine gewisse Unsicherheit anhaftet, so muss
halb offener Ueberwurf aus Wolle oder Seide , mit
sich den Altbabyloniern der Gedanke aufgedrängt weiten Aermeln, Djibba , getragen,, oft von gelber, haben , aus der anorganischen Natur selbst ein un- meist aber von roter oder rotbrauner Färbung , in veränderliches Maass zu entnehmen, d. i . ein Maass, welches, wenn es verloren gehen sollte, mit Sicherheit und zu jeder Zeit leicht immer wieder zu derselben Zeit gefunden werden kann . In Hinblick
auf die Vorteile, welche die Verknüpfung des Raummaasses mit dem Zeitmaasse bietet, hat im 17. Jahrhundert Huyghens den Vorschlag gemacht, die
letzterem Falle mit reicher grüner Seidenstickerei ver brämt,, welche Kragen und Brustschlitz umsäumt. Einen Kaftân, wie er beispielsweise von vornehmen und reichen Leuten im Garb getragen wird, habe ich bei den Tunesern nicht bemerkt 4). Leute der ärmeren Klasse, Handwerker, Diener u. s. w. tragen meist weite Leinwandhosen bis zum
Länge des einfachen Sekundenpendels (d. i . des- Knie , eine Ssedria , Hasâm , und darüber einen jenigen Pendels , welches genau in einer Sekunde weissen , selten dunkeln Bernuss oder eine Lein eine Schwingung vollzieht) als Grundlage eines wanddjibba. natürlichen Maasssystems zu benutzen. Von den Die Beamten tragen den türkischen ähnelnde
Babyloniern ist nun sicher überliefert, dass sie Zeit
Uniformen ; neuerdings kleiden sich auch vielfach
und Raum zu einander in Beziehung gesetzt und
jüngere tunesische Elegants , gleich den türkischen Effendis, europäisch , natürlich mit Beibehaltung der
ibre räumlichen Maasse mit Hilfe von Zeitbeobach-
tungen oder umgekehrt bestimmt haben , dass sie z. B. eine bestimmte Zeiteinheit dadurch gemessen
einheimischen Schâschia. Die Strassentracht der tunesichen Frauen -- nur
haben , dass sie die Wassermenge wogen , welche
in einer solchen bekommt man gewöhnlich eine
innerhalb dieses Zeitraumes aus der Ausflussöffnung
Städterin zu Gesicht
eines Gefässes in ein zweites Gefäss abfliesst.
ganze Gestalt ist in ein weisses, oder bei Aermeren
An-
gesichts der staunenswerten Kenntnis der Himmels erscheinungen und der damit zusammenhängenden Naturvorgänge, wie sie das gesamte Altertum den Babyloniern zuschreibt, und angesichts der Thatsache, dass die Grundlage unserer Zeiteinteilung von diesem
ist sehr unschön .
Die
) Ausser dem eigentlichen Kaftan kennt man in Marokko
noch zwei ķaftânartige Oberkleider von Tuch , welche » Dja badôr « und »Djôcha« genannt werden ; das Hemd von Lein wand oder Shirting, welches zum Schutze der Kleidung tiber derselben getragen wird, heisst in diesem Lande » Foķîa “,
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
369
bunt gestreiftes grosses Wollentuch gehüllt, über
schliessend, von brauner Wolle und weiss bordiert.
den oberen Teil des Gesichts wie über den unteren
Darübertragen sie einen ebensolchen Ueberwurf
ist je ein schwarzes Tuch derart gebunden , dass
mit Kapuze , Ķebâia oder auch Kabûta (Kapote ) genannt. Die Schâschîa , um die der Ssfâșssi sein Turbantuch wickelt , ist mit einer Püschel von blauer Naturseide , abweichend von der in Tunis üblichen
nur die Augen freibleiben. Diese Vorrichtung macht den Eindruck des Visiers einer Ritterrüstung , ein Eindruck , der noch dadurch verstärkt wird, dass viele Frauen unter der Umhüllung einen erhöhten Kopfputz , in Form einer spitzen Kappe, >
tragen .
Manche Frauen , denen diese Art der Verhüllung noch nicht genügt, legen noch einen grossen Schleier
gigantischen Quaste aus gedrehten Seidenfäden, ge schmückt. Wie von den verschiedenen Städten, so halten sich auch Zuzügler aus der ländlichen Bevölkerung fast aller Teile der Regentschaft in Tunis auf, unter
aus dünnem , durchsichtigem Stoffe über ihr Haupt, welchen hier natürlich nur die besonders charak der dann während des Gehens mit beiden Händen teristischen Typen kurz erwähnt werden können ?). Wenn wir eine Teilung der gesamten Land ausgespannt vor dem Gesicht gehalten wird. Die Frauen vom Lande, aus der nächsten Um- bevölkerung in Araber und Berber vornehmen, gegend von Tunis, die man in den Strassen häufig was nach dem heutigen Stande unserer Kenntnis sieht, gehen , wie die gesamte weibliche Landbe- nur einigermaassen sicher vom sprachlichen Ge
völkerung in Nordafrika, unverschleiert. Ein sichtspunkt aus geschehen kann ?) , so finden wir dunkelblaues, langes Hemd aus billigem Shirtingdas Tamasigt in Tunesien nur noch auf der Insel
bildet den wesentlichsten Bestandteil ihrer Kleidung. Djerba und bei den Bergbewohnern im Südosten In dem eingangs erwähnten neu erschienenen Buche von Lallemand
hat der Künstler
ver-
des Landes verbreitet . Die ganze übrige Bevölkerung spricht, mit kleinen dialektischen Abweichungen in den verschiedenen Gegenden, arabisch. Doch sind
schiedene tunesische Strassentypen recht naturgetreu abgebildet.
gewisse grosse Stämme oder Fraktionen , ein Teil
Die Bewohner der übrigen Städte der Regent-
der Chumeïr:) an der algerischen, die Urgámma
schaft haben alle mehr oder minder zahlreiche Ver
treter in der Hauptstadt, und die meisten derselben
lernt man an gewissen kleinen Nuancen in der Tracht bei längerem Aufenthalte leicht von den echten Tunesern unterscheiden .
So tragen z . B. die
1) Nähere Informationen bietet H. Duveyriers Buch » La Tunisie « , Paris 1882 , geben der Indicateur tunisien , Pellissier u . a . Das Verzeichnis tunesischer Stämme bei Maltzan , in einer Zeit
zusammengestellt , wo es noch äusserst schwierig war , sich ein.
schlägige zuverlässige Informationen zu verschaffen, ist sehr un
Leute von Binsert und Ssfâķss !) mit Vorliebe grosse rote Turbane , die in einigen kühnen ,
vollständig, unübersichtlich und veraltet.
bauschigen Windungen um den Kopf gelegt werden.
Ibn Batâta , Leo Africanus und vor allem Ibn Chaldûn
Unter den Ssfâķssia und den Bewohnern von
die Geschichte und die ursprüngliche Rassenzugehörigkeit
2) Wenn uns auch ältere arabische (beziehungsweise ber berische) Schriftsteller
ich citiere nur El-Béìri , Abû-el-Fedâ, über
ķairuân ”) finden sich auch viele Träger des
vieler nordafrikanischer Stämme Aufschlüsse geben, so ist es doch
grünen Turbans, welche sich damit als Scherife oder Nachkommen des Propheten kenntlich machen
nach den stattgehabten grossen Umwälzungen und Vermisch gegenwärtig nicht möglich, auf diese Angaben hin Berber und
wollen .
In vielen Fällen mag dies auch zutreffen ;
bei der grossen Menge der grünen Turbane , die man namentlich in Ssfâķss sieht, bin ich aber geneigt anzunehmen , dass auch viele Nachkommen >
von angesehenen heiligen Männern , Merâbetin , sich dieses Attribut der Scherifenwürde zulegen ). Die Kleidung der arbeitenden Klasse der Ssfâķssîa , deren Vertretern man gerade am häu figsten in Tunis begegnet, besteht meist in einem Ķedrûn genannten , kurzen Oberhemd , eng an 1) Zweitgrösste Stadt der Regentschaft, an der Ostküste, mit etwa 30 000 Einwohnern. 2) Ein solcher wird in Tunis » ķairui« (gesprochen wie
» Ķerrui« ) genannt, nicht ķairuâni, wie die regelmässige Bildung wäre .
In Marokko dagegen scheinen beide Formen ge-
bräuchlich ; ein in Dar-el-bêida oder Casablanca begrabener lleiliger heisst Ssîdi 'Allâl Kairuâni, dagegen wird eine der grössten Moscheen in Fäss » Djema' del şairuîn «, Moschee der ķairuaner, genannt .
Araber mit Sicherheit auseinander zu halten. Auch die Sprache ist nur schliesslich ein einseitiges , dürftiges Unterscheidungs mittel. Viele ursprünglich berberische Tribus, welche im Laufe der Zeit die arabische Sprache angenommen haben, leugnen
jetzt ihre Abkunft und geben sich für Araber aus , weil ihnen dies für nobler gilt . Sprossen jüngerer Generationen, die mit der Sprache die Tradition verloren haben , glauben auch bona fide Araber zu sein .
3) Im Indicateur tunisien 1888 , p. 238 finde ich folgende Notiz über die Herkunft dieses s. 2. so viel erwähnten Stammes : » Nach
Ibn Chaldûn wären die Chumeïr 973 n . Chr. nach Tunesien ge kommen und stammten von Humir Ben 'Amer ab. Eine Version
der Chumeïr selbst besagte, ihr Stammvater, Namens Humir, sei von einem Stamme aus dem Irâķ gekommen. Gegenwärtig werden
sie in drei Kâidats geteilt : die Chumeïr von Tabárka im Norden , die Chumeïr Sselül im Centrum und die Chumeïr Tademaka im
Süden ihres Gebiets, « Ich selbst habe die oben angezogene Mit
teilung in Ibn Chaldûns Geschichte der Berber (Uebersetzung vom Baron de Slane, Alger 1852-57) nicht gefunden. H. Du veyrier sagt darüber im wesentlichen folgendes: » Sie teilen sich in vier Tribus, von denen drei, die Sselûl , die Messelma und die
Schia ia , arabischen Ursprungs sind. Die vierte Tribus, die der Dedmaka oder richtiger Tâdemakka, ist berberisch .
Und diese
3) In Marokko , dem Scherifenlande par excellence , ver-
Tâdemakka sind, trotz der ungeheuren Entfernung , welche sie
schmähen es die Schürfa , sich durch dieses oder ein anderes
von diesen letzteren trennt, die Stammesbrüder der gegenwärtig zur Konföderation der Tuareg Auéliminiden am Niger gehörigen Kêl- Tâdemekket. Die arabischen Chumeïr behaupten von dem
Abzeichen als solche kenntlich zu machen ; sie tragen weisse Turbane, wie alle übrigen. Ausland 1890 , Nr . 19 .
57
370
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
an der tripolitanischen Grenze, die Beni Sîd u. a. , nachweislich berberischen Ursprungs. Grenzstrei-
wahrt. Teils sesshaft , teils Nomaden , räuberisch und kriegerisch , haben sie sich unter tunesischem
tigkeiten mit den Chumeïr, vielleicht von alge- | Regime und sogar bis in die neueste Zeit hinein eine Sie sperren rischen Agenten provoziert , boten vor neun Jahren grosse Selbständigkeit zu wahren gewusst.oder Nuâ'il bekanntlich den Vorwand und ersten Anlass zur
zur Zeit, wie die Kabila der Ulêd Na'il
Okkupation des Landes durch die Franzosen . Ver-
auf tripolitanischer Seite, den Landweg von Sarsiss
anlasst durch die Art der Franzosen , den Kehllaut
nach Tripolis vollständig. Selbst arme magribinische Pilger ) sind nicht vor ihrer Raubsucht sicher.. Die Franzosen haben in der eben genannten , im Gebiete der Aķķåra liegenden Oase Sarsiss (Halbinsel südlich
» ch « durch khr oder kh wiederzugeben, wird dieser Stammname gewöhnlich »Krumir« bei uns · geschrieben und gesprochen . Im Typus im allgemeinen mit den Algerinern
verwandt, wenngleich doch unterschieden, zeigt
von Djerba, und von dieser Insel durch einen nur
Wuchs, als jene. Die Kleidung ist meist ein weisser Wollenḥâik , durch den Gebrauch schmutzig weiss-
1500 m breiten Meeresarm getrennt) ein befestigtes Kleinere Expeditionen gegen die unbotmässigen Urgámma,, welche einen Stolz darein setzen , für jeden gefällten Feind einen Kerbschnitt an ihrem Gewehre anzubringen, gehören nicht zu den
grau geworden, oder ein solcher Bernuss. Im Westen
Seltenheiten .
ähnelt die Kopfbekleidung der der Algeriner , im
Die Urgámma hüllen sich in grosse braune Wollendecken, ein Kleidungsstück, welches Harâm , auch Usera , Hâuli oder Barakan ?) genannt wird
die Landbevölkerung der nördlichen und mittleren
Landesteile durchschnittlich einen weniger hohen
Ssahel (so wird ein Strich an der Ostküste, in verschie-
dener Breite, etwa bis Mhammedia, genannt) werden gewöhnlich nur einige Kamelhaar- oderbrauneWollen-
Lager etabliert .
und dem
weisswollenen Hâik der Mehrzahl der
schnüre, ohne den komplizierten Kappenaufbau, um
Magribiner entspricht. Den Kopf, der auch in den
den Kopf geschlungen. Häufig dient auch hier wie
Hâuli eingewickelt wird , so dass nur das Gesicht
. im Beled -el-Djerid ").im Süden der Regentschaft frei bleibt, bedeckt die rote Schâschia, kein Turban der ein weisses, um den Kopf gewickeltes Tuch bei den
Sehr zahlreich sind auch die Bewohner
Landarabern als einzige Bekleidung dieses edelsten
Insel Djerba in Tunis vertreten, welche von den Mosabiten abstammen sollen , aber typisch sehr
Körperteils. Bei den Leuten vom Ssahel sah ich
brotbeutelartige, in bunter Wolle gestickte Umhänge-, verschieden von letzteren sind )“) und – ausser dem taschen für Proviant u . dergl . Gelbe Lederschuhe bilden die Fussbekleidung. Eine Waffe, welche ich in den westlicheren Ländern des Magrib nie bemerkte , trifft man zuweilen bei den tunesischen Arabern , einen kurzen Stutzen init sehr weitem ,
nur das in religiöser Beziehung mit ihnen gemeinsam haben, dass sie, wie jene, ausser
Geschäftssinn
halb der vier orthodoxen Bekenntnisse stehen . Man
hört sie daher auch stets als » Chamssia « , in
Büchern auch wohl als Wahhabiten oder Iba
nach der Mündung verbreitertem Lauf, der ķara - dhiten bezeichnen , in bildlicher Uebertragung dieser bila (Karabiner) genannt wird, und ebensolche, gleich namige Pistolen .
1) Die Wallfahrt nach Mekka wird gegenwärtig weit häu
Die Bewohner der Ssfâķss gegenüberliegenden Ķ érken na -Inseln tragen vielfach schwarze Djibben mit Püscheln von roter Seide oder Wolle an den
Aermeln. Sie haben eine eigentümliche , von der auf dem benachbarten Festlande abweichende, Aus-
sprache des Arabischen . Die grosse Tribus der Urgámma, welche in vier Fraktionen ( Tuâsin, Djelidât, Ulêd Schehida und Udârna) mit vielen Unterabteilungen zerfällt, bewohnt ein weit nach Süden ausgedehntes Terrain
an der tripolitanischen Grenze. Sie sind, wie oben bemerkt, berberischer Abstammung (Senâta) und haben noch vollkommen ihre Organisation , z. B. den Ķânûn, die altberberischen Tribus-Gesetze , be-
figer , als man gewöhnlich annimmt, noch zu Lande gemacht.
Die grosse » Pilgerstrasse « aus dem Magrib nach Aegypten führt vom südlichen Tunesien durch das Wilajet Tripolis stets in der Nähe des Meeres entlang, und ich selbst habe auf einer im April des vorigen Jahres von Tripolis nach Missrâta unternommenen Tour zahlreiche Pilger auf dieser Strasse angetroffen. Meist waren es Leute aus dem Draa -Gebiet oder dem Ssúss im süd
lichen Marokko , aber auch Algeriner.
Wenn irgend möglich ,
vermeiden es diese Wallfahrer, die Urgámma und Cled Na'il zu passieren , dadurch , dass sie eine Schiffsgelegenheit von Gâběss nach Tripolis benutzen . Nicht minder gefürchtet sind die Stämme an der Grossen Syrte. Wenn die Pilger in einiger Anzahl bei sainmen sind, liefern sie den Syrten -Arabern oft Kämpfe ; einzeln werden sie aber erbarmungslos ausgeraubt oder umgebracht. Daher betrachtete es, wie uns Barth erzählt, ein früherer ķaid
von Missrâta als ein Gott wohlgefälliges Werk , die Wallfahrer in einem Segelboot von diesem Ort bis Bengási schaffen zu lassen .
Merâbet Ssidi 'Ali Ben Djemél abzustammen .
Der Name Chu
meir ( Khoumîr) ist rein arabisch und bedeutet : Gärung , Volk
2) Das erste dieser Wörter ist wohl eine Verstümmelung von
iḥrâm « , welches » Pilgergewand « im allgemeinen bedeutet.
>>
in Gärung, und dieser Name sei sehr bezeichnend für den per-
Barakan ist eine von den Europäern , und zwar mehr noch in
manenten Zustand der Unruhe und Rebellion , in welchem sich
Tripolitanien , für dieses Kleidungsstück gebrauchter Ausdruck .
die Chumeir unter der Herrschaft des Beys befunden hätten . «
( La Tunisie, p. 57 et 58.)
3) Genau lassen sich solche Unterschiede in einer im Ver hältnis zu dem Stoffe kurzen und nur allgemein gehaltenen Ab
) Das Wort »Djerida hat im Mağrib genau dieselbe Bedeutung, wie » Nchál « , Dattelpalme. An die von Maltzan (1. c .
handlung, wie es die vorliegende sein soll, schwer fixieren . Der
Teil II , S. 141 u. f.) gegebene erste Bedeutung des Wortes : -» Land der kahlen Palmzweige «, denkt gegenwärtig niemand mehr.
Mosabiten - Typus nähert sich im Durchschnitt dem semitischen , während der Djerbi mehr das runde Gesicht und die kurze ,
grade Nase des einen echten Imasîgentypus hat .
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
371
Bezeichnungen auf alle Ketzer. Diese Chamssia sollen, nach verschiedenen Autoren , beim Beten und
bewohner nach der Hauptstadt, um nach mehr
bei anderen religiösen Handlungen das Beinkleid ab-
Tausend Franken nach der Heimat zurückzukehren .
legen . Ferner wurde mir gesagt , dass ihnen eine religiöse Vorschrift oder ein Usus verböte , sich beim Verkaufe der Wage zu bedienen, und dass sie
Sie haben in Tunis eine ganz bestimmte Organisation , und jede Tribus hat ihren besonderen Standort, die eine am Ssûk el-'Attaria , die andere am Bâb el-Behår, der Porte de la Marine der Franzosen , u.s. w. Nament lich an letzterem Platze sieht man zu jeder Tages zeit zahlreiche dieser Hammála sitzen, die mit ihrem
aus diesem Grunde alles nach Maassen verkauften : Sie verabscheuen das Chamäleon und halten die Katze
für unrein . Uebrigens gibt es auf Djerba auch zahl-
reiche Malekiten , meist arabischer Abstammung: unter ihnen und in Hâumt-ess-Ssûk ) dominiert die arabische Sprache. Das ursprüngliche Tamasigt hat sich auf der Insel ziemlich rein erhalten, weit reiner z. B. als in der algerischen Kabylie. Die Djerâba
jährigem Aufenthalte dort mit einigen Hundert oder
| bescheidenen Apparat, einigen Stricken zum Schnüren von Gepäckstücken oder einem Handkorbe , unbe
weglich an den Wänden der Häuser hocken , des Augenblickes harrend, wo jemand ihrer bedarf. Es sind kräftige, meist junge Leute mit groben und
(Sing . Djerbi) sind ein verhältnismässig sanftes und vom arabischen Typus gänzlich abweichenden Ge sehr industriöses, aber nicht als besonders reell besichtern , die man aber trotzdem nicht als hässlich
Völkchen. Sie handeln viel, auch hausie- bezeichnen kann .Bekleidet sind sie mit einem weiss kanntes rend , mit grossen , buntgemusterten Schlafdecken aus wollenen Ķedrûn ; den Kopf bedeckt eine oft bis Wolle, Bettania genannt, ebenso mit gewirkten Gürteln, Shawls u . dgl. , die auf der Insel wie auch im Belêd el-Djerid in vorzüglicher Qualität hergestellt
über die Ohren gezogene rote Kappe , doch tragen sie an dieser Schâschỉa vielfach keine oder doch nur
eine ganz kleine Quaste.
Bei den Magribinern ist die Zugehörigkeit zu schen Industriezweigen , zu denen sich noch die religiösen oder halbreligiösen Bruderschaften noch werden .
Aber auch ausser diesen ihren heimi>
Herstellung geschätzter Töpferwaren gesellt, widmen verbreiteter als anderwärts in der mohammedanischen sich die Djerâba jeder geldbringenden Handelsbranche. Die ärmere Klasse kleidet sich viel in graue,
faltige Harâms, die auf der Insel selbst gefertigt
Welt.
Auch die Tuneser machen keine Ausnahme
von dieser Regel. Viele gehören zu den bekannten und weitverbreiteten Orden der Raḥmânîa , ķa
Auf dem Festlande, im Südosten der Regent-
drîa , Tedjinîa , Taïbîn , Schadlîa und Der ķầua, Aissâua , Erfa'ia oder Refa'ia, Madânîa ').
schaft , und zwar in den Bergen südwestlich und
Dann gibt es aber einige spezifisch tunesische
südlich von Gâběss , wohnt gleichfalls eine An-
Bruderschaften ; es sind das zunächst die Uléd Ssidi Bu- Ali Nafti , welche namentlich im Beled
werden .
zahl berberischer Stäin me, aus denen sich die
Dienstleute oder Hammåla in Tunis rekrutieren . Die Leute , welche in der Hauptstadt unter dem Kollektivnamen „ Djebälíac bekannt sind , entstammen im wesentlichen den Ķabilen von Duirât, Schninna, Támasret ”) und Matmata und sind wohl gleich den Urgamma senatischen Ursprungs. Nur hat sich bei diesen Gebirgstribus das Berbertum besser erhalten , als bei den letzteren , vorwiegend
el - Djerîd (die ķubba des Gründers befindet sich
Bewohnern der Ebene. Ich habe von einem Berberdialekte dieser Djebälia, dem von Támasret, ein ziem-
(dessen Grabmal sich im marokkanischen » Djebäl«, südlich von Tetuan , befindet ?), gegründet , sind
in der Oase Nafta ) zahlreiche Anhänger hat. L. Rinn bezeichnet diesen Orden, dessen Zugehörige er Bu 'Alîa nennt , für Algerien nur als eine » confrérie de saltimbanques«
sich an seinem Lager die Verwandten .
In dem
Augenblick , wo er seine Seele ausgehaucht hat,
Bei den grossen Churalen , an denen nur die er wachsenen Lamas teilnehmen, ist die Ordnung eine sehr strenge. Ganz anders geht es da zu , wo die Schüler
erheben die Anwesenden ein grosses Klagegeschrei. strenge. fast ausschliesslich den Gottesdienst besorgen. Rufe,
Dann , wenn sie sich beruhigt haben , wird der Leich
nam mit Wasser gewaschen und in weisse Gewänder gehüllt. Um den Kopf und den Sarg des Entseelten werden mehr oder weniger Stücke von Koko 1) Vasallen .
Lachen und Weinen mischen sich in die Worte des Ge
bets, welches jeder der Teilnehmer so laut hinausschreit,
als es ihm seine junge Kehle erlaubt . Wer während des Gottesdienstes hinausgehen will , nähert sich dem auf sichthabenden Gebkui , lässt sich vor ihm auf das rechte Knie nieder und beugt das Haupt. Die Erlaubnis wird
Ueber den mongolischen Gottesdienst.
396
durch eine leise Berührung der Schulter des Knieenden mit dem Stabe erteilt. Da das Gebot der schleunigen Rückkehr fast stets übertreten wird, so müssen die wieder Eintretenden in einigen Klöstern sich ohne weiteres wieder zum Gebkui begeben, um ihre Strafe zu empfangen, die darin besteht , dass der auf beide Kniee Gesunkene drei Schläge auf den Rücken erhält, worauf er sich auf
seinen Platz begibt. Die Ordnung des Gottesdienstes ist ausserordentlich
einfach und gleichförmig. Zwar erkennen die Buddhisten eine grosse Zahl von Buddhas und Bodhisattvas an , doch wird die Verehrung des einzelnen mit wenigen Aus-
Der Dokschit-Dienst, welcher sich bald über ganz Chalcha und bis zu den Burjäten verbreitete , fügt zu dem blossen Sprechen und Absingen der Gebete noch die Instrumentalmusik hinzu und erfordert zugleich das
feierliche Darbringen der Opfergaben (Balin ). Körper liche Bewegungen , welche bei den Rapsal , von einer Ausnahme abgesehen, nicht vorkamen , spielen hier eine grosse Rolle , werden aber hauptsächlich nur von den hervorragendsten Mitgliedern des Chural ausgeführt, vor denen allein ein Tisch mit allen erforderlichen Gerät
schaften steht, während die Teilnahme der gewöhnlichen Lamas sich auf das Hersagen und Absingen der Gebete,
nahmen nicht auf bestimmte Tage verlegt. So haben
die musikalische Begleitung und die Ausführung von
die täglichen Gebete fast gleichmässig das Lob der drei
Verbeugungen an den vorgeschriebenen Stellen be
Kleinodien : Buddha, seine Lehre und seine Kirche, sowie
schränkt.
die Bitte um Erhöhung des Betenden zum Buddha, zum Inhalt.
Die buddhistischen Gebetbücher der Mongolen, tibe-
Ausser ihrer gewöhnlichen Kleidung tragen die La mas bei diesem Gottesdienst noch drei besondere Stücke.
tisch Sumbum genannt und meist in tibetischen Handschriften verbreitet, zerfallen in drei Klassen : die Rapsal oder Buddha -Hymnen, welche aus dem Glaubensbekennt-
Das erste ist der Dschodbon , eine Art Krone. Dieselbe besteht aus einer Mütze , die mit dünnen Schnüren aus schwarzer Seide besetzt ist , welche Haare vorstellen. Nach oben hin sind diese Haare zu einem Büschel ver
nis des Betenden, den Preis- und Lobliedern, der eigentlichen Bitte und der Danksagung bestehen ; sodann die
Elle Länge herab.
heiligen Schriften, welche ebenso wie die Burchane, zu
zwei Bänder angebracht, welche aus fünf Stücken ver
einigt, an den Seiten hängen sie als Flechte von einer Ausser diesen Flechten sind noch
deren Ehren sie geschrieben sind, Dokschit heissen ( alsschiedener Farbe (blau, weiss, rot, gelb und grün ) zu Dokschit werden die Buddhas und Bodhisattvas in ihrer
sammengesetzt sind. An Stelle des Randes ist die Mütze
Eigenschaft als Erhalter und Schützer der materiellen Welt bezeichnet; endlich die Undusun , welche nicht
mit fünf Schildern besetzt , deren jedes das Bild eines
überall, sondern nur bei den höchsten Festlichkeiten der
Burchan zeigt , in Gestalt einer blauen , weissen , roten, gelben und grünen Blume. Das zweite Kleidungsstück
grossen Heiligtümer zur Anwendung kommen , während man sich in den meisten Klöstern auf drei bis vier Rapsal und dasjenige Dokschit beschränkt, welches sich auf den speziellen Klosterheiligen bezieht. Die Lamas sprechen diese Gebete meist sitzend und gleichzeitig. Nur einige bestimmte Gebete werden
ist der Dod -jig, den die mongolischen Lamas, über die Schulter geworfen, bis zur Brust herabreichend, tragen ; er zeigt am unteren Rand ebenfalls die genannten fünf Farben. Das dritte Stück endlich ist der Bandsal, den die Lamas über dem Chalat tragen. Der Ursprung dieser Kleidungsstücke wird von den Buddhisten in eine sehr
von einem Vorsprecher hergesagt: diese beziehen sich
frühe Zeit verlegt. Schigemuni hat sie zuerst getragen
inhaltlich stets auf die Martern und Heldenthaten gewisser Buddhas und Bodhisattvas zur Ausbreitung und Verherrlichung des Glaubens. Mit dem Hersagen der Rapsal sind keinerlei körper-
und ihre Bedeutung seinen Schülern dargelegt. Jedes Wesen , so sprach er , kann in das Nirwana eingehen und ein Buddha werden , doch muss es sich zuvor von den 84000 Sünden reinigen , welche auf die fünf Laster als Ursache zurückgehen , die jedem lebenden Wesen
liche Bewegungen der Betenden verbunden . Nur bei dem an alle Buddhas und Bodhisattvas gerichteten Buss-
gebete um begangene Sünden , dessen einzelne Teile immer mit den Worten »Ich verneige mich darum ... « beginnen, werfen die Lamas sich jedesmal glatt auf die Erde. Doch scheint diese Ausnahme von der allgemeinen Regel ganz vereinzelt dazustehen . Hiermit verglichen ist der Dienst der Dokschit ungleich prächtiger und vielfältiger. Derselbe reicht in
seiner jetzigen komplizierten Form nicht weiter als bis
angeboren sind. Diese Laster sind : der Unverstand, der Zorn , der Hochmut, die Wollust und der Neid. Unter den Wesen höchster Art, also den Buddhas und Bodhi sattvas , welche seit unvordenklichen Zeiten danach
streben , die Macht dieser Laster zu brechen , gibt es nun fünf, welche sich als besondere Bekämpfer, der eine des Unverstandes, der andere des Zornes u . s . w., her vorgethan haben.
Und da der Dokschit in dem Gebet
in die siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück ,
der Befreiung der lebenden Wesen von aller Art Sünde gipfelt, so sollen die Lamas die Bilder dieser fünf Bur
und seine Einführung verknüpft sich mit den Ueber-
chane als Besieger der die Sünden erzeugenden Laster
lieferungen über die für die Geschichte des mongolischen
am Haupte tragen . Von Opfergerätschaften gehören zum Dokschit ausser
Buddhismus sehr wichtige Persönlichkeit des Lakbadordschi, welcher, nachdem er, von Jugend auf nur für
das Heil des Glaubens und der Menschheit besorgt und von Tuschetu -chan begünstigt, Vorsteher des Klosters
Erdeni-dsu geworden war , einen Bericht an den Chan abfasste, wonach es für die Abhaltung des Dokschit so-
den neun Opferschalen , welche vor den Burchanen stehen , noch verschiedene auf einer vor den Aeltesten befind lichen Tafel: so die Glocke , das musikalische Attribut des Vorstehers, und der unzertrennlich mit ihr verbun
wohl an einer vollständigen Sammlung der Gebete, wie der äusseren Vorschriften gänzlich mangle. Um das Feh-
dene Vatschir ; ferner die Gabála , auf niedrigem drei füssigen Untersatz , je nachdem mit schwarzem Thee, Wein oder Blut gefüllt; mit diesen Flüssigkeiten voll
lende zu beschaffen, wurde eine Gesandtschaft nach Tibet
zieht der Vorsteher an einer bestimmten Stelle des Ge
geschickt, welche mit den verlangten Schriften auch eine Anzahl Gerätschaften mitbrachte, die noch heute in ver-
bets die Besprengung, welche das Opfer bedeutet; so
schiedenen Klöstern aufbewahrt werden .
dem hineingelegten Weihwedel aus Pfauenfedern ; endlich
dann die Bumbá mit dem heiligen Wasser ( Arschån ) und
Ceber den mongolischen Gottesdienst.
das Schälchen mit Getreidekörnern , welche ebenfalls zum
Opfer dargebracht werden.
397
Wassers gewidmet ist. Die Feier ist entweder selbstän dig oder mit den Rapsal , niemals aber mit den Dokschit
Die Opfergaben , welche beim Dokschitischen Got-
verknüpft und an keine bestimmte Zeit gebunden. Die
tesdienst dargebracht werden , bestehen meist aus Weizenmehl, welches mit verdünntem Wein gemischt ist, einige auch aus Gerstenmehl oder Hafermehl u . s. w. Der Teig
Gebete der Feier , welche mit grosser Prachtentfaltung
begangen wird , zerfallen in drei Abschnitte : zunächst die Bitte um Reinigung der Versammelten von den be
wird auf Feuer gestellt , und nach Garwerden Zucker,
gangenen Sünden und um Herbeikunft der Buddhas zum
Rosinen und Gewürze hinzugefügt. Der so bereitete
Heile der beseelten Wesen ; dann die Erwähnung aller
Teig erhält dann die Form der Baline, welche sehr
Arten von Waschungen und die Bitte , dass durch die
verschieden ist . Drei kommen fast in jedem Chural vor. Das erste Balin , von ovaler Form , wird dem Beschützer der
Kraft des Arschan die segensreichen Eigenschaften der Buddhas auf alle Wesen übergehen möchten ; endlich
Opferstelle (Ghadsaryin edsen ) dargebracht, die beiden anderen, in Gestalt dreieckiger Pyramiden , dem Dokschit. Auf dem ersten , welches ganz mit Butter bestrichen
Arschan .
wird , befinden sich Sonne , Mond und das Kleinod des
der Dank an die Buddhas und Preisgesänge auf das
Von ganz eigenartigem Charakter und durchaus verschieden von den geschilderten grossen und kleinen
Chintamani aus Butter geformt und entsprechend ge-
Churalen ist der Sodschin, welcher ehemals täglich ge
färbt (die Sonne rot, der Mond gelb , Chintamani fünf-
wird. Es wird durch die Figuren der Sonne, des Mondes
feiert wurde , jetzt aber durchweg nur am 1. und 15 . jedes Monats begangen wird . An ihm nehmen nur die Gelun und Getsul teil , welchen er als Busstag für die in den letzten vierzehn Tagen von ihnen begangenen Sünden gilt . In ihm prägt sich tiefe Demut, die Nich
und des Nada ( feurige Zunge) bekrönt, hat an der Ecken
tigkeit von Seele und Leib aus , wenn er neuerdings
Nachbildungen flammender Feuer, an den Seiten Blumen
farbig ), an den Seiten Blumen aus Butter in verschie* denen Farben.
Das zweite Balin muss dieselbe Farbe
haben , wie das Gesicht des Dokschit, dem es geweiht
einer grossen Anzahl (60-80) kleiner Baline umgeben,
auch vielfach gemildert erscheint. Die Feier ist an keine bestimmte Stunde gebunden . In Urga wird sie um die Mittagsstunde abgehalten , eine bis ein einhalb Stunden nach Beendigung des Dokschit, d . h . der einzigen Zeit ,
welche den Mithelfern (Nuchur) des betreffenden Dok-
wo die Lamas etwas ausruhen und ihre für den Sod
schit gewidmet sind. Das dritte Balin feiert die Bestrafung aller Feinde des Glaubens und der Wohlgesinn-
schin bestimmten Kleider anlegen können , Zu diesen Kleidungsstücken gehört die Iranga, eine
ten : deshalb werden ihm Nachbildungen von Füssen, Händen , Zungen , Herz und Hirn beigegeben , als den hauptsächlichsten Organen aller menschlichen Thätig-
ärmellose Jacke oder Weste , welche auf dem blossen Leib getragen wird. Knöpfe sind nicht vorhanden, die
keit . Dieses Balin wird nach Schluss der Feier ausser-
drei Stoffen verschiedener Farbe zusammengesetzt : Kra gen und Schulterstücke sind zimtbraun , und die Vorder klappen bestchen aus je zwei Streifen von gelber Seide, welche in der Mitte durch einen Längsstreifen von roter Seide getrennt sind , der Rücken ist ebenfalls aus drei
und in der Mitte einen Buchstaben, an dem man erkennen kann, welchem Dokschit das Balin bestimmt ist. Es ist von
halb der Klostermauern auf einem Scheiterhaufen verbrannt, während die beiden anderen unter die Gläubigen verteilt werden . Die Baline müssen ganz ausserordentlich sauber erhalten werden , zu ihrer Reinheit gehört auch, dass sie nicht der Atem des Menschen trifft. Daher
tragen diejenigen Personen , welche sie herbeibringen
rechte Klappe wird über die linke gelegt. Sie ist aus
>
Streifen von gelber und in der Mitte von roter Seide
und auf den Tisch stellen , vor dem Munde eine Art
zusammengesetzt. Die Enden der die Brust bedecken den Streifen sind dreieckig , unter den Achseln hängen
Netz aus Haaren .
Zwickel herab.
Sodann die Tangiac und Schamtab,
die sieben zum Gottesdienst herbeigebrachten Gegen-
welche im Schnitt einander ganz gleich sind : Tücher, mit denen der ganze Leib von den Brustwarzen abwärts bis zu den Fersen doppelt umwickelt wird . Jedes dieser Kleidungsstücke besteht aus elf Stücken roter Seide.
stände bezeichnet werden . Diese sieben Gesten des Vor-
Von zehn Stücken sind je zwei zu einem Streifen ver
stehers sind folgende: 1. Er beugt die Hände dreimal, als ob er Wasser schöpfen wolle ; 2. er bewegt die ausgestreckte rechte Hand gegen die linke, als ob er sie
das elfte Stück bildet den Rand. Die Umwickelung be
Die äusseren Gesten beim
Dokschit -Dienst, soweit
sie dem Vorsteher zufallen, bestehen in dem Besprengen der Opfer und der Ausführung der Bewegungen, mit denen
einigt, diese Streifen werden wiederum zusammengesetzt,
mit Wasser bespritzen wollte ; 3. er wirft einige Körner
ginnt oben , bei dem erstgenannten Kleidungsstück auf der Brust, bei dem zweiten auf dem Rücken . Zusammen
aus der Schüssel in die Luft ; 4. er hebt die Zeige-
gehalten werden alle drei genannten Kleider durch ein
finger beider Hände empor, während die übrigen Finger gegen die Handfläche gekrümmt sind ; 5. er erhebt in
dreifach um die Brust gelegtes schmales Band (Garak .) Der obere Teil des Körpers wird durch zwei Ueber würfe bedeckt, welche über der linken Schulter getragen
ähnlicher Weise die beiden Daumen ; 6. er legt die rechte
Hand an das rechte Ohr und die linke auf die Brust; 7. er erhebt beide Hände so , dass Daumen und Zeigefinger einen Kreis bilden , während die übrigen ausgestreckt sind. Die Gesten der anderen Teilnehmer be-
werden : Orkimdschi und Lagoi.
Das erstere ist ein
Stück gelben oder roten Stoffes , das letztere , darüber
getragene, wird aus zwanzig quadratischen Lappen zu sammengesetzt.
Hierzu kommt dann noch ein aus
bei gewissen schliesslich den Gelun gebührendes Kleid (Namdschar), schränken sich auf zwei: sie klatschen Stellen des Gebets in die Hände und schlagen mit den welches den ganzen Körper einhüllt und aus verschieden Fingern Schnippchen .
Ausser den Rapsal und den Dokschit wird in den mongolischen Klöstern noch ein Gottesdienst gefeiert,, welcher unter dem Namen Tui-Urguchu bekannt ist
farbigen Stofflappen besteht. Endlich ein allen den Sod schin feiernden Lamas unentbehrliches Gerät : die Dinba,
ein Gebet- Teppich aus roter Leinwand. Es ist klar, dass alle diese aus Lappen zusammen
und speziell der Bereitung des Arschan oder heiligen gesetzten Kleidungsstücke in ihrer Formlosigkeit auf die
chen
Ueber den mongolis
398
Nichtigkeit des Lebens hindeuten sollen. Heutzutage hat sich jedoch das alte Bettlergewand unter dem Einfluss des immer prächtiger sich entfaltenden Buddhakultus zu einem ganz besonders kostbaren Kostüm umgestaltet ; denn ganz abgesehen davon , dass es aus wertvollen
enst
Gottesdi
.
gewohnten Opfergaben in besonders reicher Anzahl, und der Takilyin Schirä ist mit Blumen völlig überschüttet. Eine andere hierhergehörige Feier ist der Chural Tsaghan-Sara , welcher im wesentlichen aus der Ver nichtung des Linka und der Darbringung des Sor be
(meist chinesischen) Seidengeweben besteht, muss auch
steht . Die Feier findet am 28. des letzten Wintermonats
von den 177 kleinen Stücken , aus denen es sich zusammensetzt, eins zum andern in Stoff und Farbe passen. Der Ruf zum Sodschin geschieht vermittelst eines
statt und schliesst sich unmittelbar an den Dokschit an , dessen Gebet um Vernichtung der Feinde des Glaubens sie verstärken soll. Der Linka ist eine Figur aus be
besonderen Apparates , des Gandi , eines vierseitig behauenen Holzbalkens, dessen Oberfläche ganz glatt
sonders hierfür bereitetem Teig, eine nackte Menschen gestalt, welche die Feinde des Glaubens und die wich
ist, und an dessen Enden Frösche geschnitzt sind. Vor
tigsten Sünden personifiziert. Beim Beginn des Churals
dem Ruf legt ein Lama den Gandi auf die linke Schulter, bringt der Dschama des Klosters den Linka in den macht drei Verneigungen gegen Norden und ergreift | Tempel und stellt ihn auf den dazu bestimmten Tisch, den Gan -jik , einen runden Stab mit Mäuseköpfen an
neben dem er während der Dauer der Gebete Wache
den Enden . Mit diesem fährt er zunächst dreimal über
hält. Die Gebete, obgleich alle desselben Inhalts, zer fallen in 18 Abteilungen. Beim Beginn des dritten Teils
den Gandi, wie um ihn zu glätten , und thut dann drei
einzelne, und hierauf dreimal 35 Schläge. Der Sodschin beginnt mit dem gewöhnlichen Her-
sagen der Gebete , worauf der eigentliche Bussdienst seinen Anfang nimmt. Die Teilnehmer entfalten ihre Teppiche , treten auf dieselben und verneigen sich vor den versammelten Brüdern .
Hierauf einen Kreis bil-
dend verneigen, sie sich mit über der Brust gekreuzten
räuchert der Dschama den Linka mit Wohlgerüchen, ergreift ein Messer und zerschneidet denselben in zwölfa Stücke, entsprechend den zwölf hierzu von den Lamas
gesprochenen Verwünschungen ; die Stücke werden dann hinausgeworfen , wobei die Lamas den Dokschit für Vernichtung der Feinde des Glaubens danken und auch für künftig ihren Schutz und Schirm erfiehen. Hieran
sattvas. Zuletzt lassen sie sich mit gebeugtem Haupt
schliesst sich der Sor. Dies ist eine aus Teig bereitete, dreiseitige, innen hohle, rot gefärbte Pyramide, aufderen
auf die Hacken nieder. Der Vorsteher spricht laut alle Gelübde, welche von den Teilnehmern nachgesprochen
Oberfläche mit einem Stichel allerlei Figuren (Blumen, Kreise u. s. w .) eingegraben sind , und welche einen
werden, und wendet sich dann an die Versammlung mit
rotglühenden Scheiterhaufen darstellen soll.
Händen und sprechen ein kurzes Gebet an die Bodhi-
der Frage :
Auf der
» Erkennt ihr, dass eure Sünden wider das
Spitze der Pyramide befindet sich ein Schädel aus Teig,
» Wir erkennen
ebenso je einer an jeder Seite des Fussgestells. In die Mitte ist ein Pfeil gesteckt , von dem Tücher herab
Gesetz und schändliche Thaten sind ? «
es, « erwidern die Lamas. » Versprecht ihr, solches nicht wieder zu thun ? « » Wir versprechen es. « Die Sünden selbst, 253 an der Zahl, werden nach
hängen. Diesen Sor stellt der Dschama auf einen Tisch
ihrer Schwere in sechs Klassen eingeteilt. Die vier Grund-
schalen und Baline gestellt. Es folgt eine Anrufung des
nahe der Thür, ringsumher werden Lampen , Opfer
sünden, gegen welche es keine Busse gibt , sind: Un-
Sor durch die Lamas und 40 Lobgesänge auf ihn. Dann
keuschheit, Diebstahl, Mord und Lüge.
ergreift der Dschama zwei zur Linken stehende Baline,
Ausser den genannten Churalen , welche in jedem
dreht sie dreimal von links nach rechts und dann ebenso
buddhistischen Kloster gefeiert werden , gibt es noch
oft von rechts nach links im Kreise und setzt sie darauf
solche, welche nur in den grösseren Klöstern und auch
zur Rechten nieder.
da nur
an den ausdrücklich hierfür bestimmten Tagen stattfinden. Unter ihnen begehen die Mongolen mit be-
Weise mit zwei zur Rechten stehenden Balinen .
sonderem Glanze den Dsulain -Chural, welcher auf den
Ceremonie vollzieht sich unter Musikbegleitung, welche schweigt, sobald der Dschama die Umstellung ausführt
Sodann verfährt er auf gleiche Die
Ist die Umstellung sämt
25. Tag des ersten Wintermonats fällt . Zu Ehren Tsong-
und in die Hände klatscht.
kharas gefeiert , ist es ein Fest der Lampen ; selbst in
auf sein Erscheinen warten , zünden bei seinem Aufgehen sofort ihre Lampen innerhalb wie ausserhalb jeder Jurte
licher (64) Baline erfolgt , so erheben sich die Lamas von ihren Plätzen und ziehen aus dem Kloster in die Steppe zu der Stelle , wo ein Scheiterhaufen errichtet ist. Den Zug eröffnen zwei kleine Bandi mit Rauch gefässen , es folgen die Musikanten , dann der Dschama, welcher , von zwei Getsul unterstützt, den Sor trägt, endlich die sämtlichen übrigen Lamas. Nach der An
an , so dass das ganze Kloster von dem Licht dieser
kunft am Scheiterhaufen wirft der Vorsteher zunächst
Lampen überflutet erscheint. Zugleich ertönt der Ruf zum Chural. Das Innere des Klosters bietet ebenfalls einen ungewohnten Anblick : inmitten des Heiligtums er-
die Baline einfach in die Steppe, als Beute der Hunde, dann nimmt er dem Dschama den Sor ab, schwenkt ihn über seinem Haupte dreimal in der Luft herum und wirft ihn darauf, mit drei langen Schritten zum Scheiter haufen tretend , in das Feuer, bei allen diesen Hand lungen von dem Gebet der Lamas begleitet , welche
den unbedeutendsten Klöstern werden hierzu 1500 bis
2000 Lampen, in Urga bis zu hunderttausend verwendet. Das Fest beginnt am Abend , beim Erscheinen des Sterns
Betschi (Plejaden). Die jungen Bandi, welche schon
hebt sich ein tischartiger Aufbau von drei Stufen. Auf der obersten befinden sich stets 108 Lampen , während die Zahl der auf den beiden unteren stehenden dem
Eifer der Lamas anheimgestellt ist, und dieser zeigt sich denn auch in seinem ganzen Umfange. Die Lampen bedecken nicht nur diese Stufen, sondern stehen auch die Wände entlang , auf den Simsen , an den Säulen , kurz
überall, wo nur eine Lampe unterzubringen ist. Draussen schmücken sie das Dach , die Aussenwände, die Vor
halle, Treppe u . s. w. Ausserdem erscheinen auch die
nun nach Hause zurückkehren , während der Dschama bis zum gänzlichen Erlöschen des Feuers auf der Brand stätte bleibt .
( Schluss folgt.)
Kleinere Mitteilung.
Kleinere Mitteilung.
Litteratur .
399
dem Biliner Tertiär in Böhmen ohne Zweifel Dryandrareste (Proteaceen) dar, eine Deutung, die von Bentham , dem besten 1
In einer am 15. April zu Amsterdam gehaltenen Sitzung
Kenner der australischen Flora, bestätigt worden ist .
Andere
der Akademie der Wissenschaften sind durch Dr. Isak Grone
Blattfossilien des Biliner und Häringer Tertiärs erklärt v. Ettings
man Mitteilungen über die teilweise blossgelegten Tempel.
hausen für Banksiareste ( Proteaceen ).
ruinen von Prambanan gemacht worden . Diese bestehen aus drei grösseren und aus drei kleineren Tempeln , die durch eine
Ringmauer eingeschlossen sind, und aus 157 sehr kleinen Tempeln, die alle vermutlich schon vor Jahrhunderten eingestürzt sind.
mehreren tertiären Vorkommnissen sowohl Europas wie Australiens deutliche Blattreste, bei Parschling in Steiermark sogar Blütenreste von Eukalyptusarten gefunden. Es ist somit nicht zu leugnen, dass die europäische Tertiär
Der Schutt besteht aus grösseren und kleineren Bruchstücken, von mehr oder weniger behauenem Andesit. Man hat die Blosslegung der Ruinen und das Aufräumen des
Aora australische Pflanzenformen , wie Leptomerien , Proteaceen (Banksia, Dryandra u. a.) und Eukalypten enthält. Dies ist eine Thatsache von grosser Bedeutung. Seit dem
Endlich haben sich an
Inneren der grösseren Tempel unternommen ; die Arbeit ist zum
Jahre 1875 bildete der Satz , dass die heutige Vegetation nur
grössten Teil vollendet, und man hofft im nächsten Jahre die ganze Ruine blossgelegt zu haben.
ein Entwickelungszustand und nur das Ergebnis früher verbreiteter
Dr. Groneman berichtete nun über die Bildergruppen und
hausenschen Untersuchungen. Es ergab sich daraus die Aufgabe, die Thatsachen der gegenwärtigen Pflanzenverteilung mit früheren Entwickelungszuständen in Verbindung zu bringen. Am nächsten
Hautreliefs, die, was ihren Kunstwert betrifft, den Erzeugnissen der griechischen Kunst nalie kommen und zum grossen Teil Darstel
lungen aus dem altindischen Heldengedicht Ramayana enthalten. Hierbei wurde zur Sprache gebracht , dass auf den Bild werken sich nirgendwo eine Darstellung des Kriss , der jetzigen Na tionalwaffe der Javanen, findet, dagegen wohl von Dolchen und an deren Waffen , ebenso wie dies bei Boro - Budur der Fall ist . Dr. Groneman sprach nun die Ansicht aus, dass der Kriss vielleicht erst später, sei es vor vielleicht 1000 Jahren, auf Java einheimisch geworden ist. Hiergegen bemerkte Prof. Kern, dass das Nicht vorkommen des Kriss nur hinsichtlich der Frage, ob die Tempel
Zustände der Planzenwelt sei , den Ausgangspunkt der v. Ettings
lag es , die der heutigen Pflanzenwelt zunächst vorausgehende Flora der Tertiärperiode auf solche Verbindungen zu prüfen .
Schon damals fand v. Ettingshausen, dass die Tertiärfloren Steiermark , Krain, Kroatien, Tirol und Böhmen Repräsentanten der verschiedensten heutigen Floren enthalten . Neben der über
wiegenden Zahl europäischer Charakterpflanzen erscheinen in grosser Reichhaltigkeit fremde Formen, die teils amerikanischen , asiatischen und afrikanischen Gattungen, aus den verschiedensten Gebieten dieser Kontinente , angehören , teils mit solchen in
ausschliesslich unter Einfluss der Hindu oder der Javanen entstanden
nächster Verwandtschaft stehen. (Europäische Typen: Alnus,
seien, als entscheidend betrachtet werden könne. Es sei ja gar nicht sicher , dass die Vorlagen für die Bildhauerarbeiten dem eigenen Lande und der Umgebung entlehnt sind ; Künstler und Handwerker richteten sich nach den Hindumodellen , was um so
amerikanische Typen: Taxodium Sequoia, Libocedrus, Liqui
leichter war , als die Javanen wie alle Polynesier sehr geschickt sich freinde Kunst zu eigen zu machen. Er halte es nicht für wahrscheinlich , dass der Kriss erst in späterer Zeit auf E. Metzger. Java eingeführt worden ist. sind ,
Betula, Quercus, Fagus, Corylus, Castanea, Ulmus, Acer etc.; dambar, Catalpa, Tetrapteris, Berchemia , Robinia etc.; asia tische Typen : Glyptostrobus, Cunninghamia , Cinnamomum ,
Platanus , Juglans, Engelhardtia, Nerium , Ailanthus etc.; afri kanische Typen : Callitris, Widdringtonia, Podocarpus, Myrica, Celastrus, Rhus etc.) Ebenso
sind
südafrikanische
und
andere
fremdländische
Formen von Heer im Tertiär der Schweiz, von Saporta im süd
Litteratur.
östlichen Frankreich, von Unger auf Euboea gefunden worden. Es erhebt sich die wichtige Frage, wie diese , gegenwärtig
v. Ettingshausen . Das australische Florenelement in Europa. Graz , Leuschner & Lubensky, 1890. Die vorliegende Schrift ist die Fortsetzung einer grösseren
über die ganze Erde verteilten Florenelemente in die europäische Tertiärflora hineingeraten sind. Auf Grund der Lehre von der
Anzahl von Abhandlungen, durch welche sich der Verfasser seit
hypothesen darauf antworten zu wollen , würde nach v . Ettings
mehreren Jahrzehnten um die Kenntnis der Entwickelung der Floren in hervorragender Weise verdient gemacht hat. Nachdem ihm im Laufe einer längeren Reihe von Jahren gelungen war, in den Tertiärablagerungen Europas Pflanzen.
Einheit der Vegetationscentren ausschliesslich mit Wanderungs hausens Ansicht zu Absurditäten führen ; denn man müsste dann
in frühtertiärer Zeit eine allgemeine Pflanzenwanderung nach Europa annehmen . An Stelle dessen sucht er das Problem schon damals durch die neue und höchst bemerkenswerte Annahme zu
dings Saporta versucht , diese Entdeckung in Abrede zu stellen , obwohl dieselbe durch Unger und Heer mehrfache Bestätigungen
erklären , dass die im europäischen Tertiär vorhandenen Re präsentanten so verschiedener lebender Floren schon ursprünglich beisammen gewesen seien , dass dies aber nicht als alleiniges Privi.
gefunden hatte .
Die vorliegende kleine Schrift enthält zunächst
legium Europas, sondern von den Tertiärfloren aller Weltteile
eine Widerlegung Saportas und resümiert die Beweise für das Vorkommen australischer Bestandteile in der europäischen Tertiär flora, worauf dann auf die Bedeutung dieser Thatsache weiter eingegangen wird , mit Bezugnahme auf die zum grössten Teil schon älteren Untersuchungen des Verfassers über die Zusammen
gelte. Ueberall dürfte den heutigen Floren eine gemeinsame tertiäre Stammflora von univer :
formen australischen Gepräges nachzuweisen, hat neuer
setzung der modernen und der Tertiärflora Australiens und Neu
salem Charakter zu Grunde liegen , die aus den » Florenelementen « der verschiedenen lebenden Floren zu sammengesetzt gewesen sei : wobei unter Florenelement « der »Inbegriff aller jener vorweltlichen Pflanzenformen , deren Ana
seelands.
logien gegenwärtig einem natürlichen Florengebiete ausschliesslich
Zunächst erhält der Verfasser die Bestimmung der von ihm als Leptomerien (australische Santalaceen ) gedeuteten Pflanzenreste aus der Tertiärflora von Iläring in Tirol aufrecht, gegenüber den Bemühungen Saportas, zu beweisen , dass dieselben nur Blüten
angehören, zu verstehen ist . Wenn diese Annahme richtig war ,
glieder der lebenden Floren weitere Entwike lungsstadien der ursprünglichen Florenelemente repräsentieren ; also schon aus
stände tertiärer Palmen seien , wie sie von Saporta im fran
der Zerlegung zumal von besonders charakteristischen, lebenden
Nicht erfolgreicher hat Saporta versucht, die dem Häringer Tertiär entstammenden
ihnen eine gemeinsame Stammform zu Grunde liegt .
Kasuarinenreste anders zu deuten , zumal da ausserdem
im Tertiär
der That ist , wie mehrere Untersuchungen v . Ettingshausens er
von Sotzka in Ungarn , von der Westküste Sumatras und von
geben , in den Charakterfloren von Australien , Neuseeland , des
Neu -Süd -Wales analoge Fossilien gefunden und von Unger, Heer und v. Ettingshausen als unzweifelhafte Kasuarinen erkannt worden
Kaplandes und der Insel Hongkong eine Vertretung der wich
sind , im Tertiär von Schönegg bei Wies sogar die charak teristischen geflügelten Casuarinenfrüchte sich gefunden haben . Ferner stellen nach v . Ettingshausen gewisse Blattabdrücke aus
In Australien sind neben der bei weitem überwiegenden Zahl endemischer Arten, welche die eigentliche merkwürdige Charakter
zösischen Tertiär gefunden worden sind.
>>
so mussten die Floren
Floren in ihre Florenglieder musste sich ableiten lassen , dass In
tigsten Floren der Erde erkennbar.
flora Australiens zusammensetzen , zahlreiche andere , ebenfalls
Litteratur .
400
endemische Arten vorhanden, die aber den Typus der wichtigsten anderen Floren der Erde hinreichend deutlich repräsentieren .
schiedenem Grade und Richtung heraus. In einzelnen Gebieten , wie Japan , Kalifornien und in den Südstaaten von Nordamerika
Auf Neuseeland vertritt eine Reihe endemischer Arten der ver
ist der tertiäre Mischlingscharakter noch jetzt ziemlich gut er
schiedensten Charaktergattungen und -Familien die Flora von Australien, Ostindien, Amerika, Südafrika und Europa. Am Kap bilden über 600 Gattungen , namentlich Kompositen und Legu minosen, die eigentliche Charakterflora; daneben erscheint das
halten und lässt uns Verwandte mit fast allen Florengebieten
ostindische Florengebiet mit 71 Gattungen , das amerikanische
mit 66, das europäische mit 65, das tropisch -afrikanische mit 28, das australische mit 17, das ozeanische mit ni Gattungen ; end lich sind fast 200 » polygenetische « Gattungen vorhanden, d. h. solche, die » sich einer grossen ursprünglichen Verbreitung über die meisten Florengebiete der Erde erfreuena. Auch in ausserafrikanischen Florengebieten kennt man Gewächse von süd
vorfinden; anderwärts haben sich gewisse Pflanzengesellschaften, das Hauptflorenelement, vorherrschend stark entwickelt und haben ihrem Gebiet ein ganz spezifisches Gepräge gegeben , während die anderen Florenelemente allmählich zur Seite gedrängt worden und quantitativ zurückgeblieben sind . Auf diese sind dann die heutigen endemischen Florenbestandteile , welche andere Floren
gebiete repräsentieren ( vikariierende Formen ), zurückzuführen . In Australien hat diese Differenzierung schon früh begonnen ;
bereits im Miocän tritt das heutige Hauptflorenelement stärker
laceen in Brasilien , Fikoiden in Australien , Melianthus in Ost
hervor, noch mehr im Pliocän ; gleichzeitig nehmen die Neben elemente der heutigen Flora deutlich und in sich steigerndem Maasse ab . Die Differenzierung der Formen hat dann in Australien
indien und Zygophyllum in Mittelasien, und die Geranien, Thesien,
den höchsten Grad erreicht; aber dennoch sind die tertiären
Pelargonien , Mesembryanthemum- und Erica - Arten der südeuro
Florenelemente auch noch in der lebenden Flora erkennbar.
afrikanischem Typus: die Hermannien in Mexiko , die Krassu
päischen Flora stehen ohne Zweifel in verwandtschaftlichem Zu sammenhang mit der südafrikanischen Flora. Alle diese fremd artigen Gäste können unmöglich eingewandert sein, müssen also
ursprünglich aus früher vorhandenen Stammformen an Ort und Stelle entstanden sein.
Erich Goebeler.
H. Scharling , Haurân.
Deutsch
von
P.
I. Willatzen.
Bremen, M. Heinsius' Nachf . 1890. Bei einer Reise nach Palästina , welche die Professoren
So lässt schon die Beschaffenheit der
lebenden Floren darauf schliessen , dass die denselben voraus gegangenen Tertiärfloren eine der europäischen Tertiärflora ähn liche Zusammensetzung gehabt haben .
Durch neuere Untersuchungen mehrerer aussereuropäischer
Buhl und Scharling aus Kopenhagen im Jahre 1889 unternahmen und welche wesentlich historisch -topographische Ziele verfolgte,
wurde auch in Gesellschaft des dänischen Konsuls Löytved in Beirût ein Ausflug nach dem Haurân gemacht, jener merkwür digen Landschaft einstiger vulkanischer Thätigkeit im S. und SO .
Tertiärfloren lieferte der Verfasser dann seit 1882 den thatsäch
von Damascus, die in römischer und byzantinischer Zeit als Sitz
lichen Beweis für seine ursprüngliche Annahme und für die aus
einer blühenden Kultur und als Durchgangslanıl des mittelländisch
derselben sich ergebende, soeben vorgetragene Konsequenz.
In
persischen Handels von Bedeutung war, unter der Herrschaft des
der Tertiärflora der Sundainseln sind das indische Hauptfloren
Islâm jedoch rasch verfiel. Der Besuch galt vor allem den » toten Städten « und ihren zahlreichen gut erhaltenen Baudenk mälern , die für die Erkenntnis des christlichen Uebergangsstils
element durch 29 von den 75 bekannt gewordenen Arten , andere asiatische Florenelemente durch 2 , die amerikanischen durch 11 , das afrikanische durch 1 , das australische durch 2 Arten reprä sentiert ; von den übrigen 30 Arten, welche keinem Florenelemente
von Wichtigkeit sind, insbesondere der Hauptstadt Bosra ( Bostra ), die noch in der arabischen Zeit fortblühte. Scharlings schlichter und angenehm zu lesender Reisebericht schildert daher vor allem
untergeordnet werden konnten , finden viele im europäischen Tertiär ihre Analogien. Wie die Tertiärflora der Sundainseln,
diese Trümmerstätten , allein auch wo er Land und Leute berührt,
so erwies sich auch die japanische als eine Mischlingsflora, deren
geschieht dies in klarer, durchsichtiger Darstellung. Das Büch
Charakter von dem der europäischen Tertiärflora nicht wesent
dieser Bestimmnng in lobenswerter Weise. Eine Karte ist nicht
Untersuchungsmaterial von verschiedenen Fundorten aus Neu-Süd
beigegeben, allein auch kaum nötig , da nicht viel mehr als ein
Wales, Tasmanien und Neuseeland.
Aora, wie in der vorliegenden Schrift rekapituliert wird, wesent
Dutzend Ortsnamen genannt werden und die Bodengestaltung nur in allgemeinsten Zügen vorgeführt wird. Es mag mir indes hier
den gegenwärtig lebenden Floren und schliesst sich überhaupt keiner der lebenden Floren der Erde an , sondern trägt denselben Mischlingscharakter, wie alle anderen
gestattet sein, auf die schöne und sorgfältige Karte des Haurân hinzuweisen , welche die Zeitschrift des Deutschen Pa
lich
abweicht.
verschieden
Endlich erhielt v .
lein ist für weitere und weiteste Kreise bestimmt und entspricht
Ettingshausen ein reiches
lich
Auch hier ist die Tertiär
von
bekannt gewordenen Tertiärfloren . Sie vereinigt in sich Pflanzen formen der nördlichen und südlichen Hemisphäre, namentlich
solche , die jetzt in Europa und Nordamerika einheimisch sind : Arten von Alnus, Quercus, Fagus, Salix , Ulmus, Laurus, Cinna momum , Myrica , Apocynophyllum , Planera , Acer und andere; Ostindien ist z . B. durch Castanopsis und Eleaocarpus, das tropische
lästinavereins 1890 ( Bd. XII. Heft 4) wesentlich auf Grund der geologischen Reise von A. Stübel ( 1882) bringt und mit einer Reihe wertvoller Erläuterungen begleitet. Auf diese letz teren sei insbesondere verwiesen, wer die Erforschungsgeschichte dieses anziehenden Gebietes näher kennen lernen will .
7
Amerika durch Bombax vertreten .
Es steht also fest , dass Europa, Australien , Neuseeland und andere Länder ausserordentlich ähnliche Tertiärfloren be sitzen , die sich durch die Gemeinsamkeit einer grossen Anzahl
von Formen und durch eine auffallend gleichartige, allgemeine
Mischung von jetzt auf die verschiedensten Floren verteilten Florenelementen auszeichnen , dass auch die lebenden Floren, soweit sie darauf untersucht sind , noch Ueberbleibsel eines
ursprünglich
bestandenen
Gemengsels
von
Florenelementen
So mehren sich die Beweise für die schon vor fünfzehn Jahren vom Verfasser ausgesprochene Ansicht, dass die Flora der Tertiärperiode eine universale war. Die natür lichen Floren der Jetztwelt waren in derselben bereits vorge enthalten .
bildet , aber nicht , wie heute , auf gesonderte Gebiete verteilt, sondern überall waren die verschiedensten Florenelemente bei.
sammen , wuchsen Pflanzen nebeneinander, die jetzt durch ganze Weltteile voneinander getrennt sind . Das Vorkominen eines australischen Florenelementes ist somit durchaus begreiflich. Später differenzierten sich allmählich aus dieser Universalflora die einzelnen Florenelemente an verschiedenen Orten , in ver
Für den Verkehrsgeographen ist vielleicht ein Büchlein nicht unwichtig, das als » germanistisch -antiquarische Studie « unter dem Titel: » Zum deutschen Strassenwesen von der ältesten Zeit bis zur Mitte des 17. Jahrhunderts. Von Ernst Gasner, Leip zig bei IIirzel 1889 « erschienen ist . Es ist eine überaus fleissige und kritische Zusammenstellung unserer Kenntnis vom deutschen Stras senwesen seit den Römerzeiten , sowohl was seine technische Seite
(Bauart, Baumaterial, Graben, Zäune, vorgeschriebene Breite, Vor liebe für Höhen oder Thal, Strassenerhaltung , Plasterung, Rei nigung u.s. w. ) , als auch was seine rechtlichen Verhältnisse (Privat-, Regal- , Mark-, städtische und landesfürstliche Strassen, vorgeschrie bene Leistungen , Strassengerichtsbarkeit, Benutzungsrecht und Strassenzwang, Zölle u . s . w .) betrifft . Da die Verhältnisse nicht bloss auf den Verkehr in einem bestimmten Zeitalter bestimmend
einwirken, sondern in ihren Nachwirkungen wohl auch noch im Verkehrsnetze der Gegenwart sich erkennen lassen , ist eine klare und übersichtliche Zusammenstellung derselben , wie Gasner sie Robert Sieger.
bringt, sehr dankenswert .
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart.
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.
DAS AUSLAND Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde herausgegeben von
KARL VON DEN STEINEN .
Jahrgang 63, Nr. 21 .
Stuttgart, 26. Mai 1890 .
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7.-
Zu beziehen durch die Buchhandlungen des
In- und Auslandes und die Postämter.
MDCXL )
Manuskripte und Rezensionsexemplare von Werken der einschlägigen Litteratur sind direkt an Dr. KARL VON DEN
STEINEN, z . Z. Marburg-Hessen , Haspelstrasse 20, zu senden.
Inserate auf dem Umschlag 20 Pf. für die gespaltene Zeile in Petit .
Inhalt : 1. Das Recht in Afrika. Von Adolf Fleischmann in Minchen . S. 401 . 2. Neue Gräber der fränkischen Zeit vom Mittelrhein . Von Dr. C. Mehlis. S. 404 . 3. Gebärden und Mienenspiel des Negers , nach eigenen Beobachtungen von
Paul Reichard. (Fortsetzung .) S. 406.
4. Die Quälgeister bei den Südslaven . Vorwiegend nach eigenen Ermittelungen von
Dr. Friedrich S. Krauss in Wien . S. 410. 5. Zur Geschichte der wissenschaftlichen Erdkunde der Griechen. Von Professor A. Häbler. S. 414. 6. Ueber den mongolischen Gottesdienst. Nach dem Russischen des Professor A. Posdnäjew von Dr. Max 8. Litteratur. S. 420. v. Beguelin. (Schluss.) S. 416. 7. Kleinere Mitteilungen . S. 418 .
Das Recht in Afrika . Von Adolf Fleisch in ann in München .
leicht begreiflichen Schwierigkeit der Sammlung und der Erforschung der Rechtsquellen und des Studiums
Es ist ein ebenso interessanter , als fortschritt-
ihrer Sprache werden wir nicht auszuführen brauchen ,
verheissender Zug der modernen Pflege der Rechtswissenschaft, dass sie die Rechtsbildung aller Völker
dass es sich noch lange nicht um die Darstellung
eines durchgebildeten , übersichtlichen Rechtssystems
der Erde zu erkunden bestrebt ist .
handeln kann , wenn wir hier vom » Recht in Afrika«
Sie ist zwar
noch jung, die wethnologische Jurisprudenz «, aber
sprechen wollen . Wir können nur von Rechtssitten,
sie hat schon sehr viel und sehr wertvolles Material
Rechtsgebräuchen , Rechtseinrichtungen berichten , welche den Charakter teils dessen, was wir »öffent liches Recht« , teils dessen , was wir » Privatrecht««
zusammengetragen und die Aufmerksamkeit weiter
wissenschaftlicher Kreise Deutschlands, Hollands, Belgiens und Frankreichs auf sich gezogen, welche
ihre Bedeutung für allgemeine Rechtsgeschichte und
nennen , an sich tragen , und die nicht etwa gleich mässig über den ganzen Erdteil verbreitet, sondern
Rechtsphilosophie nicht mehr verkennen. Uns interessiert aber zunächst und für unsere folgende, einer Zeitschrift für Völkerkunde gewidmete, Darstellung noch ein anderes Moment in der Bedeutung der
im Gegenteil bei verschiedenen Volksstämmen oft soweit es in diesen wenigen Blättern geschehen kann ,
jungen Wissenschaft, nämlich der Gedanke, dass der
mit nichten den Anspruch auf erschöpfende Vollstän
recht verschieden nüanciert sind.
Und auch das
jenige, was wir so zu berichten im stande sind, darf,
Charakter eines Volkes sich gerade in seiner Rechts- digkeit erheben . Dagegen gelingt uns vielleicht der bildung und in seinem Rechtsbewusstsein recht klar und deutlich, ja noch deutlicher als in seiner Religion und in seinem Kultus spiegelt . Und so häufig dieses Spiegelbild bei denjenigen Völkern wechselt, welche vom
Strom
der Kultur überflutet werden ,
Versuch, gerade diejenigen Seiten afrikanischer Rechts bilder herauszugreifen und zu beleuchten, aus denen sich seitens unserer Leser Schlüsse auf den Charakter und den Kulturstand der verschiedenen Völkerstämme ziehen lassen , wobei wir , den soeben erwähnten
so selten und so wenig wechselt es da , wo die
Unterschied des öffentlichen und des Privatrechts
Kultur erst in neuester Zeit leise an die Pforten zu
beachtend, hiernach unsere Darstellung in zwei
pochen beginnt. Deshalb werden wir annehmen
dürfen, dass der grösste Teil des heutigen Zustandes
Hauptabschnitte teilen werden . Bei der Schwierig keit, aus den ebenso spärlichen, wie trüb fliessenden
und der heutigen Auffassung des Rechtes in Afrika
Quellen su schöpfen , läuft man gar leicht Gefahr,
uns noch dasselbe Bild erkennen lässt, wie es einst sich in Verirrungen soziologischer Spekulation und 5
vor langer, langer Zeit sich gestaltet hatte. Nur hie und da sind schon in früherer Zeit islamitische
kulturgeschichtlicher Phantasie zu verlieren; ihr zu entgehen , gibt es bis jetzt kein anderes Mittel , als
und in neuerer Zeit europäische Rechtsbegriffe in
das vorhandene Material thunlichst ganz so zu lassen ,
die Bevölkerung des schwarzen Erdteils eingedrungen,
wie es sich findet, wenn auch die Auffassung des
denen aber das einheimische Recht mit grosser Zähigkeit entgegengetreten ist und noch heute ent
selben gerade so holperig, einseitig und ungenau er scheinen mag , wie sie sich in den Quellenwerken
gegentritt.
selbst ausnimmt.
Bei der ausserordentlichen , selbst für den Laien Ausland 1890 , Nr . 21 .
Von Gesetzen im
Sinn von
Rechtsnormen , wie sie von einer organisierten Staats 61
Das Recht in Afrika.
402
gewalt europäischer Art erlassen werden, findet man in Afrika nur ein Minimum . So gibt es z. B. in Aschanti, dem Königreich an der Goldküste, gesetzliche Bestimmungen, die der König erlässt und deren Publikation in der Art stattzufinden pflegt, dass die Dolmetscher desselben mit ihren Insignien vortreten
thatsächlich ist sie durch gar manche zwingende Verhältnisse oft sehr beschränkt, und mehr noch durch die Macht der dem König gegenübertretenden Per sönlichkeiten ; Erscheinungen , die natürlich überall sich wiederholen und keineswegs dem afrikanischen Königtum allein eigen sind und selbst in kultivierten
und die Gesetze jedem der vier Grosswürdenträger Staaten durch Gesetz und Verfassung zwar gemildert, des Reiches und der ganzen Versammlung der Kabossire ( Hauptleute) kundgeben , worauf ein Oberausrufer sie dem versammelten Volk verkündet. In
anderen Gegenden findet sich , dass das gesamte Volk in grossen Versammlungen gesetzliche Normen in Beratung zieht und der König das Ergebnis derselben zusammenfasst und in den Strassen ausrufen
aber nicht beseitigt werden. Die rohe Despotie der Könige, die dem von Unyoro, nördlich vom König reich Uganda, Gewalt über sämtliche Töchter der Unterthanen , und dem Häuptling der Bógelé in Adamaua das Recht der ersten Nacht eingeräumt
haben soll, wird sich an der Macht gewaltiger Per sönlichkeiten gebrochen haben . Der König von
Dieser Ausruf wird am Abend wiederholt, Walo am Senegal gilt für den Eigentümer aller
lässt.
weil da fast alle Menschen zu Hause zu sein pflegen. Von viel grösserer Bedeutung ist das Gewohn-
Ländereien und hat das Recht über Leben und Tod
heitsrecht, welches sich wie überall auch in Afrika teils durch mündliche Tradition , teils durch Auf-
nennen , und im
seiner Unterthanen , die sich deshalb seine Sklaven Reiche der Matiamvo in Central
zeichnungen erhält und fortpflanzt . Die Bewohner
afrika raste der König in der Stadt herum und schlug allen , die ihm in den Weg kamen , den Kopf ab ,
der nördlichen Grenzländer Abessiniens erfreuen sich
bis er einen ganzen Haufen von Köpfen beisammen
eines aufgezeichneten Gewohnheitsrechts ') . Immerhin ist aber allenthalben , wo in Afrika sich ein despotisches Königtum (s. u .) entwickelt hat, der Wille des Königs das höchste Gesetz für den einzelnen Fall, weshalb man wohl oft erwähnt findet, dass in den Gerichtsverhandlungen teils nach Willkür,
hatte , um
dem
Volke einen Beweis seiner Macht
zu geben ). Man wird überhaupt annehmen dürfen , dass der Despotismus dieses höchsten Grades sich mehr in Centralafrika als in den Küstenländern findet,
die schon durch den Kontakt mit den Europäern
nicht ausgeschlossen ist, dass auch die Willkür der Billigkeit Rechnung tragen kann, wenn sie selbst
der modernen Kultur erschlossen sind. In Benin an der Goldküste bestand aber noch im vorigen Jahrhundert das Recht, wonach alle männlichen Kinder dem König, und nur die Töchter dem Vater
nach bestehenden Gewohnheitsrechten nichts fragen
gehören ?).
teils nach Billigkeit entschieden werde , wobei gar
Während wir die oft recht merkwürdigen Ge
sollte. I.
bräuche im äusseren Verhältnis der Unterthanen zum
An der Spitze gewisser Gesamtheiten , sowohl | König , z. B. dass er bei Audienzen nicht gesehen
territorialer , wie persönlicher, steht der Häuptling; bei grösseren Gesamtheiten erscheint er als König, und man findet immer dort ein Häuptlings- oder Königtum am kräftigsten entwickelt, wo ein Stamm ,
und nur durch eine Mittelsperson mit ihm ge sprochen werden , dass man vor dem König nur mit entblösstem Oberkörper erscheinen darf u . a . m ., übergehen , weil es sich dabei weniger um Recht,
von kriegerischen Nachbarvölkern umgeben , seine
als um
Existenz gefährdet sieht. Abgesehen von dem Recht der Führerschaft im Krieg ist aber die Macht der Könige
lieber zur Besprechung der Staatsrechtlichen Idee von der Rechtsverantwortlichkeit der Könige und
äussere Sitte handelt, wenden wir uns
in den verschiedenen Gegenden Afrikas sehr verschic- Häuptlinge und von der Entstehung des Häupt den , oft auch so viel wie nichts. Die Machtbefugnisse , lings- und Königtums: den einzelnen Formen des variieren von einer fast vollständigen Machtlosigkeit selben werden wir weiter unten einige besondere bis zu absoluter Gewalt über Leben und Vermögen Bemerkungen widmen . Aber in dem Sinn, dass der
aller Unterthanen, aber selbst da, wo die Häuptlinge so gut wie gar keine Macht haben, treten sie im Krieg als
König für seine Handlungen irgendwem oder einer politischen Autorität ausser ihm verantwortlich wäre ,
Anführer in den Vordergrund. Eine Beschränkung
handelt es sich hier nicht, sondern nur um den
ihrer Macht ausser dem Kriegsfall (s. u .) erwächst
Gedanken , dass das Oberhaupt eines sozialen Ver
ihnen bei manchen Völkerschaften aus der Stellung bandes für die Handlungen der Seinigen haſtbar der Familienoberhäupter und der Dorfältesten , die
erscheint, ein Gedanke, den wir nachher bei den
sie zu jeder wichtigeren Versammlung berufen müssen ,
Familienoberhäuptern finden werden , und dass er
und bei den Banjuns, an der Mündung des Senegal, als ein heiliges , gottähnliches Wesen auch für das
darf der König nicht einmal ohne Zustimmung der
Gedeihen der Arbeit seiner Unterthanen , ja für
Versammlung Krieg führen . Selbst die absoluteste
fruchtbares Wetter , für rechtzeitigen Regen und
Macht besteht meist nur der Theorie nach , denn 1) Livingstone, A. , Missionsreisen I. 356, und Schweinfurth , 1 ) Vrgl. Munzinger, l'eber die Sitten und das Recht der Bogos. Winterthur 1859 .
II . 24 .
2) Bosman , Nawkeurige beshrijwing etc. I. 233.
Das Recht in Afrika.
Sonnenschein verantwortlich ist .
403
Je grösser und | mächtigt sich ein Usurpator des Thrones und zwingt
unumschränkter die Macht des Königs sich darstellt, behufs seiner Legitimation, um dem Volksgebrauch desto schärfer tritt jener Verantwortlichkeitsgedanke
zu genügen, jene Quasi-Kurfürsten, ihn nachträglich
hervor, so dass man in ihm gleichsam ein Korrelat
in aller Form zu wählen. Aber noch ein anderes
zu den königlichen Machtbefugnissen erblicken kann .
Verhältnis dürfen wir nicht übersehen , die soge
Sogar im Küstenland Loango beschuldigt man den
nannten Nothäuptlinge, welche erst im Krieg oder bei sonstigen ganz ungewöhnlichen Anlässen ge wählt werden, während im Frieden die Völkerschaft
König schlechter Gesinnung gegen seine Unterthanen , wenn Missernten eintreten oder der Fisch-
fang nicht ergiebig ist , und dringt auf seine Ab- nur ein auf ihre engeren Kreise beschränktes Re setzung, wenn sich solche Unfälle mehrere Jahre giment der Familienoberhäupter oder Aeltesten aner hindurch wiederholen . Dafür erhält er eine Abgabe | kennt. Der gewählte Nothäuptling ist dann immer
an Getreide und Vieh '). Landen nicht genug Schiffe,
der Führer im Krieg, zugleich der Oberpriester. Zeigt
von denen die Eingeborenen Lebens- und Genussmittel beziehen können, so ist es ebenfalls um seine
er sich seines Amtes unwürdig oder demselben nicht gewachsen, so wird er abgesetzt, und bei den
Popularität geschehen.
Er soll der Segenspender
Masai und Wakuafi (Aequatorialostafrika) wird er
und der Erhalter seiner Unterthanen sein und sogar für Unglücksfälle, die sie treffen, und für allgemeine
sogar getötet, wenn er drei Schlachten verloren hat.
Um
ein klares Bild von der Erbfolgeord
Landeskalamitäten eintreten . Und dass er als Haupt nung der Königs- und Häuptlingswürde bei den einer grossen Volksfamilie für die Handlungen der
afrikanischen Völkerschaften
Einzelnen einzustehen habe , zeigt sich mehrfach
ist es erforderlich , die in Afrika üblichen verschie
entwerfen zu können ,
darin, dass er , wenn ein Diebstahl begangen wird,
denen Verwandtschaftssysteme: das Mutterrechts
die Entschädigung des Beschädigten zu leisten, sich am Vermögen des Diebes schadlos zu halten , ja dass er sogar für die Ehebruchsbussen zu haften hat, die einem seiner Unterthanen auferlegt werden .
system , das Vaterrechtssystem , die Mittelstufen zwischen beiden und das Elternrechtssystem , kennen
Die Entstehung der Rechtstitel des Häuptlingsund Königtums beruht entweder in der Wahl oder in der Erbfolge, zuweilen auch in der Usur-
zu lernen .
Nach diesen Systemen bestimmt sich
der erbliche Uebergang der Königswürde. Das Mutterrechtssystem ist dasjenige Ver wandtschaftssystem , nach welchem das Kind lediglich mit seiner Mutter und den durch den Weiberstamm
pation in Fällen der Eroberung. Thronfolgefähig
ihm verbundenen Personen als verwandt angesehen
ist nur, wer frei von jedem körperlichen Gebrechen
wird , während mit seinem Vater und den durch
Jeder gebrochene Zabn , jede Wundennarbe schliesst bei den Angoys an der Loangoküste die Thronfolgefähigkeit aus. In der Regel sind nur Männer thronfolgefähig, Frauen nur bei den Basutos,
den Mannesstamm ihm verbundenen Personen kein
ist .
>
Verwandtschaftsverhältnis besteht '). Diesem System liegt der Gedanke zu Grunde, dass nur der Erbe,
welcher von einem Weibe aus dem betreffenden
den Ovambos und in Agonna an der Goldküste. Die Wahl geschieht bald auf Zeit , bald auf die ganze Lebensdauer : bald ist sie frei, so dass jeder gewählt werden kann, bald kann nur eine Person aus könig-
Stamme oder Geschlecht geboren ist , eine
lichem Blute gewählt werden. Hier ist also eigent-
anderen Geschlecht als dem ihrigen heiraten , was
Garantie für die Reinheit des Blutes dieses Stammes oder Geschlechtes bietet. Denn wenn die Söhne
eine Frau aus einem anderen Stamm oder einem
lich die Krone in der Familie erblich , aber nicht bei vielen Völkerschaften strenges Gebot ist, die nach einer Erbfolgeordnung, sondern nach getroffener
Frauen aber den Söhnen ( ihren Männern ) nicht treu
Wahl. Ist die Wahl frei, so entscheidet persönliche seien , so gehe das Blut des Stammes oder Ge Tüchtigkeit. Selbst hier fällt sie gewöhnlich auf schlechtes, dem die Söhne angehören, in der Nach
die Töchter Wenn aber verloren einen Mann königlichen Blutes, aber nieauf den kommenschaft Un eine eheliche Geschlecht oder . aus diesem Stamm
Sohn , sondern mit Vorliebe auf den Sohn der
Schwester des Königs. Diese Eigentümlichkeit er-
treue begingen, so würde immerhin durch sie das
klärt sich aus dem nachher noch zu besprechenden
Blut in der Familie erhalten. Den Vater eines Kindes
in Afrika weit verbreiteten Misstrauen gegen die
könne man nie zuverlässig wissen , über die Mutter
Oft ist das Wahlrecht nur
könne kein Zweifel entstehen . Von der uns ge läufigen Rechtsfiktion : » pater est , quem nuptiae
eheliche Frauentreue.
subsidiärer Natur und tritt erst dann ein , wenn der König seinen Nachfolger nicht selbst ernannt hat.
demonstrant« , will man also bei dieser Rechts
Die Wahl geschiehtdurch die Grosswürdenträger
anschauung nichts wissen , das Blut soll in der
Diese Würdenträger sind meistens
Familie erhalten werden, folglich darf das Kind auch nur zur Mutter verwandtschaftliche Rechte haben , deren Blut ganz zweifellos auch in seinen Adern
des
Reiches.
Distriktshäuptlinge: einigen sie sich nicht, so erklären sie sich den Krieg , und der oder die Sieger besetzen den Thron nach ihrem Gutdünken ; ebenso oft be-
fliesst, wenn es auch illegitim gemischt ist. Ueberall nun , wo diese pessimistische Anschauung von der
1) Bastian, Die deutsche Expedition an der Loangokuiste. I. 268.
1) Post, Afrikanische Jurisprudenz. I. 13 .
Neue Gräber der fränkischen Zeit vom Mittelrhein .
404
Frauentreue bei den verschiedenen Völkerschaften
Neue Gräber der fränkischen Zeit vom
vorherrscht , gilt auch das Mutterrechtssystem ; wo
sie zurücktritt oder gar nicht besteht, gilt das Vater oder das Elternrechtssystem . Das Vaterrechtssystem gibt dem Kind lediglich
mit seinem
Vater und den durch den Manns-
stamm ihm verbundenen Personen verwandtschaft-
Mittelrhein . Von Dr. C. Mehlis.
An Grabfeldern der merowingisch- fränkischen Zeit ( 5. - 8. Jahrhundert) ist die Gegend des Mittel rheins, Rheinhessens und der Nordostpfalz besonders reich . Es genügt, auf die ausgedehnten und reichen
liche Rechte und schliesst jede Verwandtschaft mit der Mutter und dem Weiberstamm aus . Man setzt
Grabfelder von Wies, Oppenheim , Worms, Flomborn,
hierbei voraus , was man dort für zweifelhaft hält,
Flörsheim , Monsheim und das in neuester Zeit aus
und versteht unter dem Vater des Kindes den Gatten gebeutete von Obrigheim a. d. Pfrimm , zwischen seiner Mutter. Hier gilt also die vorhin erwähnte Rechtsfiktion, wahrscheinlich aber nur bis zum Beweis des Gegenteils. Doch können wir noch nicht darüber
berichten , wie kritischen Falles bei den betreffenden Völkerschaften sich die Rechtsanschauungen über die Konsequenzen des Systems gestalten . Das
Elternrechtssystem , wonach das Kind sowohl mit seinem Vater, als auch mit seiner Mutter und mit den Verwandten beider verwandt ist, findet sich zwar in Afrika auch ; aber es dürfte sehr zweifelhaft
Worms und Eisenberg gelegen, hinzuweisen. Im
folgenden soll eine kurze Statistik der in
der Nordostpfalz im letzten Jahre ( 1889/1890 ) auf gefundenen Grabfelder aus dieser Periode gegeben werden , wobei wir vorausschicken , dass nur zwei
dieser Grabfelder, nämlich Obrigheim und Nieder
kirchen , zur systematischen Ausgrabung kamen, während die übrigen gelegentlich bloss angeschnitten wurden. Allen gemeinsam ist die Orientierung von West nach Ost, die Bergung der Leiche in Holz
sein , ob es je dort heimisch war und nicht viel-
särgen mit oder ohne Steinplatten , die Beigabe von
mehr auf islamitische und europäische importierte
Gefässen, Waffen, Geräten, Schmucksachen, die Lage
Begriffe zurückzuführen ist.
der Gräber in parallelen Reihen. Die Ausgrabungen zu Obrigheim sind Ende März d. J. beendigt worden . Das Grabfeld
Das Mutterrechtssystem kommt durchaus nicht in Afrika allein vor, aber es ist auf diesem Weltteil
am meisten verbreitet und scheint das ursprünglichelieferte seit dem Jahr 1884 die Ausbeute von 301 und älteste zu sein . Nach ihm setzt sich der engste oder , mit Weglassung eines zweifelhaften Grabes, Familienkreis nicht aus Vater, Mutter und Kind zu-
von 300 Gräbern.
sammen , sondern aus Mutter, Mutterbruder und
sich im Kreismuseum zu Speier. Von den 17 neuen
Sämtliche Fundstücke befinden
Schwesterkind, bei welchem letzteren der Mutter- Gräbern, aufgedeckt in der ersten Hälfte des März 1890, bruder Vaterstelle vertritt .
Sie repräsentieren zu
verlässig die Blutsgemeinschaft des Stammes oder des Geschlechtes. Der Vater gilt nicht als Vater seiner Kinder, sondern als Vater der Kinder seiner
gehören 16 der fränkischen Periode, d . h . dem s . bis 8. Jahrhundert n . Chr., an , während eine Grabs oder besser Herdstelle in die sogenannte La Tène Zeit , d . h . in die gallische Periode unserer Vor
Brüder und Schwestern. Nur wenn ein Mutterbruder geschichte (4. Jahrhundert v.Chr. bis zur Besetzung fehlt , besteht ein thatsächliches, kein rechtliches
des linken Rheinufers durch die Römer ), fällt. Von
Schutzverhältnis zwischen Vater und Kind . In jene den ersten 9 Gräbern gehören 4 männlichen Indi Familiengruppe fallen also wohl die Kinder der Schwestern , Schwestertöchter u . s. w ., nicht aber die Kinder der Brüder, der Schwestersöhne u . S. W.
Mit jedem Mann hört jedesmal die Verwandtschaft auf '). Die praktischen Folgen des Systems werden aus seinem Prinzip gezogen : der Solin einer adeligen Frau ist ebenfalls adelig , auch wenn es der Vater nicht ist ; der Sohn einer Sklavin ist Sklave, auch wenn der Vater ein Freier ist ; die Krone vererbt sich nicht auf die Kinder, sondern auf den
viduen an . Dafür sprechen Lanzeneisen von 18—28 cm Länge, Feuersteine und Stahl, Pfeilspitze, Kamm und Schere. Letztere sind immer Beigaben für Männer. Zwei Gräber gehören Kindern an . In jedemi dieser Gräber stiess man ausser auf Knochen auf je ein kleines Grabgefäss. Das eine war von roter , das andere von schwarzer Farbe.
Zwei Gräber ent
hielten gar keine Beigaben und scheinen Hörigen , d . h . Nichtfreien , anzugehören. In 2 Gräbern endlich fand sich ausser den Skelettresten je eine schwarze
ältesten Bruder des abgegangenen Königs u . a . m . Beim Vaterrechtssystem sind die Verhältnisse ge rade die umgekehrten, was keiner weiteren Ausführung bedarf. Dass beide Systeme überall in ihrer
leicht Frauen von solchen, zuzusprechen sein. Die Frauen und Edelfrauen tragen den reichen Schmuck
vollen Reinheit erkennbar sind, lässt sich allerdings
des Lebens auch im Grabe.
Graburne, von denen eine mit Wellenlinien verziert Auch diese 2 Gräber dürften Hörigen , viel
war .
nicht behaupten ; sie gehen hie und da ineinander
Von den letzten 7 Gräbern , welche zwischen
über , und besonders finden sich Mittelstufen zwi-
dem
schen beiden .
folgendes bemerkenswert: Grab Nr. 11 , von ein zelnen Platten umstellt, ergab einen eisernen , halb
1) Post, S. 14 und die dort angeführte Litteratur. ( Fortsetzung folgt.)
14. und 25. März aufgefunden wurden , ist
kugelförmigen Schildbuckel mit runden Eisennägeln , Höhe 6 cm , Durchmesser 16 cm ; ausserdem enthielt
1
Neue Gräber der fränkischen Zeit vom Mittelrhein .
es ein eisernes Schlageisen , einen Feuerstein , Reste
405
der Waffen, mit Schild, Schwert, Lanze begraben ,
von Beschlägen mitBronzenägeln und Fragmente einer
die Freien tragen nur Lanze und Messer, die Hörigen
schwarzen Urne. In Grab Nr . 12 befand sich ausser
sind leer im Leben wie im
einer Thonperle nur ein wohlerhaltenes Gefäss mit Ausguss, schwarz von Farbe und mit kleinen ein-
Im Gegensatz zu den reicheren Beigaben , welche Obrigheim auszeichnen , steht das arme Grabfeld von Niederkirchen bei Deidesheim . Nur 12 km nördlich von dem genannten Ort, im sogenannten Schoossberg, liegen diese Gräber. Sie lieferten nur ein hervorragendes Stück, ein rundes Zierstück aus
gestochenen
Rauten verziert.
Grab Nr. 13 barg
nur Knochen , aber keine Beigabe. In Grab Nr. 14 fand sich gleichfalls eine schwarze, hübsch verzierte Urne; daneben kleine viereckige Eisenplättchen mit
Bronzenägeln.
Tod .
Grab Nr. 15 lieferte zwei eiserne
dünnem Goldblech von 4 cm Durchmesser, auf
Pfeilspitzen, einen einreinigen Kamm aus Bein und viele zerbrochene Eisenteile (vom Köcher oder von
welchem innerhalb eines Perlenkranzes ein Vogel mit scharfem Schnabel, dem Falken ähnlich, dar
einem
gestellt ist
starken Messer ?) .
Auch Grab Nr. 16 war
Auf einem
ähnlichen Zierstück von
Nur ein Eisenbeschläg und eine Thonschale
Obrigheim , jedoch aus Silber, ist der gleiche Vogel
fanden sich darin . Das letzte Grab , Nr. 17 , das einer Edeldame, war eines der reichsten , welches dieses Grabfeld jemals geliefert hat. Das Skelett trug ein Kollier von 137 Perlen , von der kleinsten Thon-
eingestanzt. Dieses Schmuckstück war in einer von Platten umstellten grossen Gruft , in welcher Mann
arm .
perle bis zur prächtigen Millefiori-Perle von 15 mm Durchmesser. Auch viele Bernsteinperlen sind darunter .
und Frau nebeneinander bestattet lagen. Eine Eigen tümlichkeit dieses Grabfeldes besteht darin , dass sämtliche Leichen entweder in Särgen aus Sandstein
lagen, welche, oben breit, sich nach unten ver
An dem Kopfe lagen zwei silberne (mit
jüngten oder im unteren , nördlicheren Teile des
Steinen gezierte) grosse Ohrringe , an denen sich nussgrosse sogenannte » Körbchen «, aus Silberfiligran und Steinschmuck bestehend, befinden . In der Gürtel-
Grabfeldes von mächtigen Sandsteinplatten umstellt waren . Letztere maassen oftmals 2 m in der Länge auf "/ m Breite . -- Im ganzen ergaben die im Früh
gegend lagen die Reste einer sogenannten Châtelaine, jahr 1890 geöffneten 15 Gräber nur wenige und ärm bestehend in Stangenketten aus Bronze und Eisen, 6 römische Münzen (worunter eine silberne !), durch-
liche Beigaben . In einem Männergrab, dem reichsten , stiess man auf ein 40 cm langes Lanzeneisen , 2 kurze
brochene und zierlich ornamentierte Beschläge, Reste
eiserne Messer, 2 Kämme, von denen der eine zwei
des Ledergürtels u . S. W. Wie unsere Damen Gretchentäschchen , trugen ihnen ähnliche die vor 1300
reihig , der andere einreihig war , und ein 16 cm langes , 2 cm breites , nach unten abgerundetes,
Jahren!
glattes Bronzebeschläg. In einem Frauengrab lag
Ob zierliche Bronzeplatten , je zwei von
8,5 , 6,5 , 2,5 , 2,2 cm Länge, zur Fussbekleidung ge-
eine schwarze Urne , geziert mit erhöhten Rund
hörten, ist nicht sicher, doch wahrscheinlich . Ausser-
leisten und einer zweifachen Doppelreihe von einge
dem fanden sich eine Doppelkanne, ein Messer und als das Seltenste: eine Spindel von nahezu 6 cm Länge. Dieselbe besteht aus Elfenbein und ist mit
stochenen kleinen Quadraten ; ausserdem barg dieses
parallelen Rinnen , sowie mit erhaben hergestellten ist ein
Feuersteine, öfters auch ein kleines Messer. Kinder gräber waren hier nicht selten .
Unicum in dem ganzen Grabinventar jener Zeit , dem 6-8 . Jahrhundert n . Chr. Die zahlreichen
und an den letzten Häusern, stiess man im Frühjahr
Rauten
hübsch verziert .
Letzterer Fund
Grab mehrere farbige Thonperlen. Voilà tout ! Im Durchschnitt barg jedes Grab Scherben und Am » Heiligenhäuschen « , südlich von Dürkheim
Römermünzen beweisen , dass diese Leiche nicht
1890 bei Feldarbeiten, ebenso wie bei Niederkirchen ,
lange nach dem Untergang der Römerherrschaft in
auf die Reste eines grösseren Reihengräberfel
unseren Gegenden, wohl um die Wende des 5. und 6. Jahrhunderts n . Chr., hier bestattet sein möchte.
des. Ein Grab war noch unversehrt. Dasselbe barg ein Lanzeneisen von 41 cm Länge. Die in früherer Zeit hier gemachten Grabfunde kamen aus dem Besitze von Dr. med . Hepp an das Museum zu Mainz . Von hier stammt eine hübsche, reich ver zierte Spange aus vergoldetem Silber ( cf. des Verfassers
Ob die Toten dem
Stamme der Franken oder
Alamannen angehörten , ist noch nicht festgestellt, wahrscheinlich dem ersteren . Jedenfalls aber sind sie die ersten Deutschen , welche unsere Heimat fest besiedelt haben !
Verfasser, dem die Leitung der Ausgrabungen oblag , hat den Versuch gemacht, die Ausbeute der 300 Gräber zur Statistik dieser Periode zu verwenden .
Aus ihren Aufstellungen geht hervor, dass Edelinge,
Freie und Hörige ?) unter der männlichen Bevölkerung zu scheiden sind , und ähnlich ebenso unter der weiblichen. Die Edelinge sind im vollen Schmuck ) Vgl. » Archiv für Anthropologie « 1890, 1. Heft, » Arm und Reich zur Merovingerzeit.« Ausland 1890, Nr. 21 .
Studien zur ältesten Geschichte der Rheinlande «, III. S. 42) . Oestlich von Dürkheim , an der alten
nach Ellerstadt ziehenden » Heerstrasse« , stiess man im Frühjahr 1890 auf ein vereinzeltes Plattengrab , ohne Beigaben . In Ellerstadt, Gemeinde » Hinter see « , befindet sich ein grösseres Grabfeld der be sprochenen Zeit . Ein im April d . J. geöffnetes Plattengrab enthielt neben dem Skelett eine gelb weisse Schüssel mit abgesetztem Fusse und vertikalen Bauchwänden , von einer Form , wie sie zur Römer zeit gebräuchlich war. Auf der anderen Seite stand 62
en nd ienenspiel s egers M u le N .
Gebärd
406
ein flacher, brauner Teller. Im ganzen enthielten auch diese Ellerstädter Gräber wenige und ärmliche Beigaben.
die geschlossenen alamannischen Gründungen auf ,ingen' und hofen ' beginnen. 6. Die Rehbachsenkung bildet die faktische
Endlich stiess man zu Mussbach , einem Ort 3 km nördlich von Neustadt a . d . Haardt, bei Bahn-
art ; nördlich des Rehbachs herrscht die kürzere
hoferweiterungen im Nordwesten der Gemeinde im
fränkisch -pfälzische, südlich desselben die breitere und
Herbste 1889 auf ein Grab aus fränkischer Zeit.
singende alamannische Mundart vor.
Dasselbe enthielt einen besonders grossen Scramasa,
7. Die Ausstrahlung dieser fränkisch - chattischen Bevölkerung in Rheinhessen und der Nordostpfalz
d . h . ein fränkisches Kurzschwert.
fränkisch - alamannische Grenze auch nach der Mund
Beachtenswert erscheint, dass die dichte Reihe scheint auf Grund von geographischen Erwägungen fränkischer Grabfelder in der Pfalz nur bis zu einer ( Taunus und Odenwald bilden von der Wetterau Linie reicht, welche am Fusse des Haardtgebirges nach Südwesten führende Mauern ), von Gleichheit über Mussbach, Meckenheim , Hochdorf, Mutterstadt, und Aehnlichkeit der Ortsnamen (Battenberg, Flors Rheingönnheim zum linken Rheinufer sich erstreckt . Südlich dieses Hochufers des Reh- und Speverbaches
heim = Flörsheim , Büdesheim , Rohrbach, Rossbach ,
Eschbach u . a.), und von Thatsachen der Geschichte
werden die Grabfelder selten , mit Ausnahme von Lan- (Kämpfe der Chatten mit den Römern seit Caracalla dau-Speyer. Erst im Unterelsass, jenseits des Hagenauer Forstes, enthalten die Gräber wieder reichere Bei-
gaben . Auch innerhalb des oben erwähnten nach Süden durch den Rehbach abgegrenzten Gebietes lässt sich ein Unterschied in den Beigaben und deren Wert
am Mittelrhein , innige Beziehungen der linksrheini schen Germanen Vangionen zu den rechtsrhei nischen Chatten ) im Gebiete der unteren Wetter, Nidda und Nidder ihr Centrum zu haben .
8. Von der Wetterau aus drängte jedenfalls
erkennen . Während die Gräber innerhalb des Drei-
nach Niederwerfung und Abzug der römischen Macht
ecks Alzey , Worms, Grünstadt die wertvollsten Beigaben in grösseren Grabfeldern und einzelnen Für-
Südwesten, dem jetzigen Rheinhessen und der Nord
der chattische Volksstamm nach dem
fruchtbareren
stengräbern bergen , nimmt innerhalb des Vierecks ostpfalz, und zwar geschahen diese Vorstösse in der Dürkheim , Mussbach, Rheingönnheim , Frankenthal | Richtung der Linien Frankfurt-Mainz und Frank die Ausdehnung der Gräber und die Bedeutung ihrer
furt-Darmstadt.
Beigaben entschieden ab . Beweis dafür sind die Gräber von Ellerstadt, Mussbach, Niederkirchen , Weissen-
Südwest und Süd verlängerten Linien bildet die nach links und rechts , nach Kreuznach und Lorsch zu ,
heim a . B., Michelsberg bei Dürkheim , Rödersheim
verlängerte Linie Alzey -Worms.
u . a. (vgl. dazu des Verfassers » Studien « , IV . Abt., S. 94-100 und » Archäologische Karte der Pfalz und der Nachbargebiete«, VIII. Abt .).
nach -Alzey -Worms-Lorsch -Darmstadt-Frankfurt sitzt die Hauptmasse der fränkisch -chattischen Bevöl
Das Dreieck zu diesen nach
9. Innerhalb des Raumes Frankfurt-Mainz-Kreuz
Auf Grund dieser Thatsachen der Archäologie, kerung mit den alten Centren Mainz, Alzey, sowie der statistischen Verbreitung dieser Gräber-
Worms.
felder kommen wir in Verbindung mit der bekann ten Ausbreitung der chattischen Oberfranken von
Oberhessen aus nach Südwesten zu den folgenden
Gebärden und Mienenspiel des Negers
Schlüssen :
nach eigenen Beobachtungen von Paul Reichard .
1. Die fränkischen Reihengräberfelder zwischen
(Fortsetzung .)
dem Viereck Mainz-Bingen, Neustadt-Ludwigshafen , Haardtgebirg , Rheinlinie haben ihren quantitativen und qualitativen Mittelpunkt im Dreieck AlzeyWorms-Grünstadt. 2. Südlich der Linie Worms-Grünstadt-Eis wer-
den die Grabfelder im ganzen ärmer an Bei-
Fingamaguha berichtet weiter, dass der Marsch sehr anstrengend war, die Krieger aber ruhig aus
schritten. Um die Vorstellung dieses Marsches recht lebhaft hervorzurufen , sagt er ng - gan ng-- gan ( das » ana nasal wie im Französischen ), dabei hebt er die
gaben.
Hände vor die Brust, die inneren Flächen einander
3. Südlich der Linie Mussbach -Rheingönnheim werden diese Grabfelder überhaupt seltener. 4. Der Kern dieser fränkisch - chattischen Be-
zugekehrt, und schiebt sie ruckweise, ohne dass sie sich berühren , mehrmals aneinander vorbei .
völkerung sass im Gebiete der Selz , Pfrimm , Eis,
wiegend und etwas hüpfend. Leicht erkennt man
Isenach und längs des Rheines von der Isenachmün-
an seiner grossen Sicherheit den ausdauernden Fuss
Der Gang der Neger ist ein sehr elastischer,
dung bei Frankenthal über Worms, Oppenheim
gänger. Der Gang der Männer ist ein anderer als
bis Mainz.
der der Weiber und von dem des Europäers ver
5. Auch die Ortsnamen geben für diese Um grenzung einen Fingerzeig, indem die fränkischen Ortsnamen , auf heim ' endigend , nur bis zur
Füsse einwärts und in derselben Linie vor einander
gesetzt werden , während der Europäer auswärts geht
Deidesheim - Meckenheim - Assenheim - Rhein-
und die Füsse ein wenig seitwärts vor einander
Linie
schieden . Dies ist wohl dadurch bedingt, dass die
gönnheim reichen, und südlich des Rehbachgestades 1 setzt .
Gebärden und Mienenspiel des Negers.
Die Spur eines Negers wäre ungefähr so : linker Fuss
linker
407
leer war, streicht er mit den beiden Händen schnell
linker
übereinander, dabei leicht mit denselben klatschend, beides sehr bezeichnende Gebärden . — Unter diesen
Umständen stellte sich Hunger ein , was Finga rechter Fuss grosse Zehe,
rechter
maguba, mit der Machen Hand mehrmals auf den
rechter
eingezogenen Unterleib schlagend, markiert.
die eines Europäers so : linker Fuss
Erst am linker
linker
Abend wurde ein anderes Dorf er
reicht, wo man Ueberfluss an allem
fand und sich
auch so reichlich entschädigte und alles ausplün derte, dass von den vorgefundenen Lebensmitteln rechter Fuss
rechter
nichts übrig blieb. Fingamaguha streicht dabei ab wechselnd mit einer Hand über die andere, dieselbe
rechter
grosse Zehe.
Dazu kommt noch , dass der Neger niemals die Kniee durchdrückt, etwas nach vorne geneigt geht und die Brust nicht frei heraus wölbt, sondern die
Schultern ganz nach vorne fallen lässt . Eine sehr eigentümliche, aber scherzhafte Gewohnheit ist, dass er während des Gehens häufig das Gesäss nach hinten schnellt.
dabei ganz umfassend , so etwa als streife man einen weiten Handschuh ab. Diese Gebärde wird auch angewendet, wenn angedeutet werden soll, dass irgendwo alle Bewohner einer Ortschaft ge storben sind oder erschlagen wurden .
Ueber den Weitermarsch berichtet Fingamaguha
nur kurz. Er zeigt die Richtung, in welcher man
Der Gang der Weiber ist mehr schleppend, denn
marschierte, indem er mit der geschlossenen Faust
Die
deutet. Andere zeigen mit gekrümmtem Zeigefinger.
meisten Negerinnen aller Stämme gehen mit einer Schulter etwas nach vorne und nach oben gezogen , während die andere tiefer und nach hinten gehalten
Auf Gegenstände in der Nähe deutet der Neger, indem er das Kinn in der betreffenden Richtung erhebt und die Ober- und Unterlippe weit ausstreckt. Die Gewohnheit, das Kinn beim Deuten vorzustrecken ,
sie heben die Füsse nicht recht in die Höhe.
wird . Bei jedem Schritt bewegen sie den Unterleib oder vielmehr das Gesäss nach vorne.
Dies hat
entschieden seinen Grund in der weit nach hinten
gelegten Beinstellung. Ein grosser Teil der Schwarzen beiderlei Geschlechts ist Passgänger, wie man dies auch bäutig bei unserer Landbevölkerung findet. Es wird nämlich wälirend des Gehens der Arm
mit
findet sich auch bei uns zum Teil .
Der Neger
wendet sich beim Deuten immer mit der Front nach der betreffenden Richtung . Der Marsch dauerte
5 Tage , und man war bei dem angestrengten Wan dern sehr weit gekommen . Um den Komparativ des Adjektivs auszudrücken , muss der Neger die
dem gleichseitigen Bein nach vorne bewegt; dies zweite Silbe des Wortes in der höchsten Fistel gedehnt verleiht dem Gang immer etwas sehr Unschönes.
Einen schr eigentümlichen Gang haben die Negerinnen an der Küste und auch die dicken Watusiwciber, welche dem grossen Stamm der Warundi angehören, der am Nordostufer der Tanganika sitzt . Sie schieben schleppend ein Bein vor das andere, die Füsse kaum vom Boden erhebend, als
aussprechen : gleichzeitig erhebt Fingamaguha den Arm leicht gekrümmt hoch über den Kopf, als wolle er andeuten , dass er über grosse Flächen hinweg marschiert sei . Er schnalzt mit dem Mittelfinger, um anschaulich zu machen , dass die Entfernung selir gross war.
In allen durchzogenen Dörfern waren die Weiber
seien sie hüſtenlahm , und lassen sich bei jedem
bei dem Erscheinen der Krieger, wie immer, ent
Schritt in die Hüften fallen , so dass die Gesässseite
flohen .
desjenigen Beines, auf welches sie treten, in die Höhe
Innern der Hütte ein Weib , und sehr bald spielte
geschnellt wird.
Nur einer fand einmal in der Nacht im
Eine Schulter wird ebenfalls hoch
sich ein kleiner Roman ab. Als am nächsten Morgen
und nach vorne getragen , der Oberkörper leicht nach hinten gebeugt, und die Arme baumeln wie an den
der Tag graute, ging's weiter. Vor dem Aufbruche
Schultern gebrochen am Leibe. Dieser für unsere
Streit .
aber ertönte aus dem Raum der Hütte Zank und
Ein altes hässliches Weib , dem ein wüten
Begriffe sehr hässliche Gang entzückt den Neger
der stämmiger Krieger folgte, erschien zum allge
geradezu.
meinen Erstaunen. Der Krieger beschuldigte das
Doch hören wir , was Fingamaguha weiter zu berichten hat. Er erzählt, dass die Schar bis Mit-
schön gewesen mit strotzenden Brüsten (um dies
tag marschierte, indem er die Hand über den Scheitel hebt. Ein Dorf, welches dann erreicht wurde, war
nen Fäuste mit dem Daumen nach aussen vor die
ganz leer, die Einwohner hatten es vorgezogen, der
Brust), nun sei sie alt und hässlich . Seine Kame
Weib der Zauberei. In der Nacht sei sie jung und zu veranschaulichen , hält er die beiden geschlosse
raden aber lachten ihn ihn aus. Kriegerbande auszuweichen. Man fand leere Hütten , raden aber lachten aus. - Unter den Zuhörern
und Lebensmittel waren ebenfalls keine vorhanden. Fingamaguhas erregt die Erzählung stürmische Heiter Dabei fährt der Erzähler mit der flachen rechten
keit, welche sich in unbändigem Lachen kundgibt.
Hand im
Dort sitzt einer und schüttet sich vor Lachen aus,
Bogen von rechts nach links bis über
den Mund und bläst kurz abgestossen in die beugt sich abwechselnd nach vorne und schüttelt Hand. Um noch deutlicher zu machen, dass alles | langsam den Kopf dabei . Der Neger zieht seinen
l
e Gebärden und Mienenspi
408
übrigens im allgemeinen nicht zu grossen Mund beim Lachen sehr in die Breite, was seinem Gesicht
des Negers .
Lächeln bemerkt man seltener beim Neger. Andere der Zuhörer reichen sich die Hände und
ausgestreckt, der Zeigefinger mit dem Daumen nieder gedrückt . 4 Zeige- und Mittelfinger werden ausgestreckt nebeneinander gelegt und von dem nebeneinander gelegten Ring- und kleinen Finger weit gespreizt,
verfahren dann wie schon früher beim Handgeben .
der Daumen eingeschlagen.
Wieder andere versetzen ihrem
s Der Daumen wird in die geschlossene Faust eingeschlagen .
dann immer etwas Grinsendes verleiht. Ein leichtes
Nachbar
freund-
schaftliche Rippenstösse oder lassen sich auf einen Nebensitzenden fallen . Dort beugt sich einer der Lachenden tief zur Erde und lässt während ciniger täppischer Schritte die Arme schlaff nach unten baumeln .
Wieder andere klatschen vor Vergnügen
in die Hände und hüpfen in freudiger Aufregung oder schlagen sich mit der flachen Hand die Brust. Endlich legt sich die Heiterkeit, und einer nach dem anderen beruhigt sich mit einem langgedehnten 1 - i. Fingamaguha erzählt weiter, wie man endlich
6 Beide Hände wie bei 3 .
7 Die linke Hand wie bei 4. Die Rechte wie bei 3, und die drei nebeneinander gestreckt gehalte
nen Finger der Rechten auf den gespreizt abstehen den Ring- und kleinen Finger der Linken gelegt und beide Hände zusammen geschüttelt. 8 Beide Hände wie bei 4 .
9 Die Linke wie bei 4 , die Rechte wie bei 5 , und letztere auf den Handteller der ersteren gelegt .
das feindliche Dorf erreicht und gleich im Sturm
10 Beide Hände wie bei 5 , und die so ge
genommen habe. Sehr lebhaft schildert er den An-
schlossenen Fäuste mehrmals auf einander geklopft.
griff, wie man sich leise bei Tagesgrauen ange schlichen habe, wie die Flinten plötzlich zu knallen begannen .
Der Neger ahmt diesen Laut mit dem
Laute to to nach , viel bezeichnender als wir mit unserem Bum Bum .
In dem
Kampf fielen eine
Immer werden die Arme dabei ausgestreckt .
Sollen Zehner angedeutet werden, so wird der Plural von Zehn (Kisuaheli = Kummi, pl . makummi,
Kiunjamuesi und bei allen Stämmen , welche ich kennen lernte , = ikummi, pl . ikummi) genannt, und
Menge Krieger durch Kugel , Pfeil und Lanze. Finga- die betreffende Anzahl der Zehner wie oben beschrie maguha macht dabei eine eigentümliche Gebärde ,
ben gezeigt . Ebenso geschieht es bei den Hundertern .
zu zeigen, wie die Leute getötet wurden . Er
Fingamaguhas Zuhörer waren ob der angeblich
um
macht mit dem Arm eine heftige Wurfbewegung erschlagenen 300 nicht wenig erstaunt und gaben und unterstützt diese noch mit dem Oberkörper,
der allgemeinen Verwunderung ob des heftigen Ge
Währenddem hat er
fechtes dadurch Ausdruck , dass sie Mund , Nase und
als schleudere er eine Lanze .
den Mittelfinger ausgestreckt auf den Daumen ge-
Augen aufrissen , die Augenbrauen hochzogen und
legt und lässt den Zeigefinger auf den Mittelfinger schlagen, dass es laut knallt. Soll angedeutet wer-
zum Teil langsam den Kopf schüttelten . Dazu wird noch die Hand mit gekrümmten und manch
den , dass jemand mit der Flinte erschossen wurde,
mal leicht gespreizten Fingern auf den offenen Mund
so hebt er die Hand in Schulterhöhe, schnalzt zu-
gelegt , so dass die Fingerspitzen das Gesicht unter der Nase Nase berühren . Diese Handhaltung mit dabei
erst mit Daumen und Mittelfinger und macht die Schleuderbewegung schräg in Schulterhöhe nach vorn und knallt wiederum mit dem Mittelfinger auf den Zeigefinger. Das Schiessen mit Pfeilen wird so angedeutet, wie es beim Gebrauch dieser Waffen stattfindet.
durch die andere Hand unterstütztem Ellbogen ist
überhaupt eine sehr beliebte Gebärde, und man sieht Neger oft lange in solcher Haltung unher schlen dern und dabei an den Fingern riechen . Unsere Zuhörer blickten nach ihrer Gewohnheit
Fingamaguha berichtet ferner, dass 300 Menschen auf beiden Seiten getötet worden seien .
erstaunt unstet umher, versetzten sich vor Verwunde
rung Rippenstösse und drückten sich die Hände mit
Bei Mitteilung von Zahlen verfährt der Neger nachfolgendem Fingerschnalzen. sehr gewissenhaft. Zuerst zeigt er mit den Fingern
Wenn man auf
Bildern Neger gezeichnet findet, welche vor Ver
die betreffende Zahl und hält die Hand dem Zuhörer wunderung die Hände über dem Kopfe zusammen hin , welcher die Zahl zuerst nennen muss, worauf schlagen, so ist dies ganz unrichtig; diese Gebärde sie dann der Sprecher bestätigt , d. h . sie nun kennt der Neger gar nicht, sondern legt höchstens
erst selbst ausspricht. Die Hand, welche die Zahl zeigt , wird dabei immer so geschüttelt, als wenn
langsam eine Hand über die andere, bei in Brust
wir mit dem Finger drehen oder eine Ohrfeige in
Als aber Fingamaguba weiter berichtete, dass er selbst 15 Menschen getötet habe, kam der schon früher laut gewordene Zweifel sehr deutlich zum
Aussicht stellen .
Die Finger nehmen
beim
Zählen folgende
höhe gehaltenen Unterarmen .
Stellungen ein :
Ausdruck , und er wurde von vielen als
i Der Zeigefinger wird gerade ausgestreckt und die übrigen Finger eingeschlagen .
eine Bezeichnung, die dort weniger Beleidigendes hat
2 Zeige- und Mittelfinger werden ausgestreckt,
als für uns und in der Redeweise unserem »unglaub
die übrigen eingeschlagen . 3 Der Mittel- , Ring- und kleine Finger werden
lich « entspricht. Einer der dem Sprecher am nächsten Stehenden streckt Fingamaguha das Gesicht entgegen
Lügner
bezeichnet ( Kis. = mmongo , Kiu . = mgurrugurru ),
Gebärden und Mienenspiel des Negers.
409
und zieht mit dem Mittelfinger das untere Augenlid | lich nichts weiter dar als eine Verherrlichung der so weit herab , dass der ganze Augapfel sichtbar physischen Liebe, und dementsprechend sind die nicht wird, während er beide Augen weit aufreisst. Diese Gebärde deutet an, dass man den Sprecher für einen Lügner hält, ihm nicht glaubt, was er sagt. Doch hören wir Fingamaguhas Bericht zu Ende. Nachdem sein etwas verlegenes Gesicht und das Kratzen hinter dem Ohre anzeigte , dass er aufgeschnitten hat, fährt er mit verschmitztem Lächeln fort
und berichtet, dass er ein kleines Mädchen und zwei Knaben erbeutet habe, und zeigt die Grösse derselben ,
näher zu beschreibenden Bewegungen. Am meisten kommt dies bei den Tänzen der Watusi zum Aus
druck , welche auf Matten im Sitzen tanzen . Ich kann hier nur einige der charakteristischen Bewe gungen beschreiben . Dahin gehören bei Weibern das stark nach hinten gedrückte Gesäss und die ab sichtlich nachlässige und wackelnde Kopfhaltung. Als besonders graziös gilt bei ihnen, wenn die Arme nach beiden Seiten leicht steif , etwas vom Körper
indem er die rechte Hand flach ausstreckt und mit
weg nach unten gestreckt und die Hände mit ge
wagerecht gehaltenen Fingern senkrecht hält ; die
spreizten Fingern wagerecht gehalten und in einer
untere Seite der Hand, das heisst die Linie, welche der Handballen und der kleine Finger bilden, geben somit die Grösse des Gegenstandes an , welcher immer , sei er noch so klein , vom Erdboden aus
für unsere Begriffe unendlich hölzernen Art lang sam vor- und rückwärts gedreht werden . Die Kniee werden bei der geknickten Haltung xbeinig und die Füsse einwärts gestellt, der Kopf nach beiden Seiten
gemessen wird. Nie zeigt der Neger die Grösse eines Gegenstandes mit wagerecht gehaltener Hand-
abwechselnd derart gedreht, dass es ebenso aus sieht , als wenn ein zu steifer und zu enger Hals
fäche oder zwischen den beiden ausgestreckten Händen wie wir. Als der Erzähler auch jetzt Zweifel erregte , fuhr er mit der Hand über den Hals , die
kragen höchstes Unbehagen verursacht und die Be treffende infolgedessen den Hals dreht und wendet. Wenn die Augen mit gesenkten Lidern wie in grosser Verlegenheit lächelnd zu Boden blicken , wenn gar
Gebärde des Halsabschneidens machend, zur Beteurung der Wahrheit , indem er andeuten will , dass
der Unterleib und die Schulterblätter in seitwärts
>
man ihm den Kopf abschneiden dürfe, wenn er diesmal gelogen habe. Fingamaguha hat nun seinen Bericht beendet .
rollende Bewegung versetzt werden , so kann ein Neger in Beifallsekstase ausbrechen. Die Männer tanzen ihre Reigen , indem sie dabei die Beine null
Er zeigt dem Häuptling die geschlossene Faust hin
beinartig spreizen und die Unterarme mit herab
und sagt, dass der Häuptling, unter dessen Fahnen er den Feldzug mitmachte, eine geschlossene Hand
baumelnden Händen wagerecht halten , wenn nicht
in einer Hand eine Lanze oder ein Stock gewirbelt
habe, das heisst, dass er geizig sei und ihm nichts
wird .
gegeben habe.
Miene an , welche gar nicht zu dem heiteren Wesen des Tanzes passt . Ein etwaiger Kopfputz wird auf der Stirne so dicht über den Augen getragen , dass
Sein Stammeshäuptling aber habe
eine offene Hand , eine solche , wie er sie zeige, das heisst , er schenke seinen Leuten etwas . Der
Häuptling kann nun auf diese Schmeichelei nicht
umhin , einem der neben ihm sitzenden Würden-
Das Gesicht nimmt eine komisch - ernsthafte
es notwendig wird, den Kopf ganz nach hinten zu beugen, um sehen zu können. Der Oberkörper fällt
träger das Kopftuch wegzunehmen und es dem Be- täppisch abwechselnd nach hinten und vorn. richterstatter zu schenken, worauf derselbe es in der Ganz sonderbare Gebärden werden gemacht, früher beschriebenen Weise in Empfang nimmt. Durch wenn bei Kriegstänzen und Gefechtsspielen oder selbst die Erzählung ist eine kriegerische Stimmung bei im Ernstfalle vor und während des Kampfes oder den Zuhörern entstanden , und man hört die Trom- nach siegreichen Gefechten jene Bewegungen aus meln rühren. Alles gerät in freudige Aufregung, geführt werden, welche der Mjamuesi mit »Kutamba« und schreiend und jauchzend stürzen die Leute in bezeichnet, ein Ausdruck , welcher unübersetzbar ist der Richtung weg, aus welcher die Töne erschallen . und etwa bedeutet: prahlende, herausfordernde Bewe Bei dem nun folgenden Tanz entwickeln die gungen machen . Dies »Kutamba« ist derart charak Neger und die Negerinnen , wie überhaupt beim teristisch, dass ich etwas näher darauf eingehen muss. Tanzen, ihre ganz eigenartige Grazie , welche sie Die Wanjamuesi führen unter anderem zwei Kriegs selbst sehr bewundern und die mit unseren Be- tänze auf: Sendemmle und Lugaia . Während derselben griffen von Grazie nicht das Geringste gemein hat. dürfen diejenigen Krieger, welche schon Feinde im Alle Bewegungen haben etwas sonderbar schleppend Kampfe erlegt haben , mit der Hand oder einer Waffe
Nachlässiges und Täppisches und können dabei doch
die Trommeln berühren , welche in der Mitte des
rasch und heftig sein. Ihren Hauptausdruck findet diese eigentümliche Grazie darin , dass die Glieder, be-
von den Tanzenden gebildeten Kreises gerührt wer
sonders die Ellbogen, immer möglichst nahe am Kör-
nähern sie sich der Trommel und nehmen dann
per gehalten werden und die schon früher beschriebene affenartige Armstellung sehr beliebt dabei ist. Bei
eine theatralische und würdevolle Stellung ein , wie
Weibern tritt all dieses mehr hervor als bei Männern . Alle Tänze haben etwas höchst obscönes an
den.
Mit grosser Würde oder in tollen Sprüngen
etwa ein Held auf der Bühne, welcher einen Rache schwur leistet. Die Lanze in der Hand des hoch
gehobenen Armes, deutet der Tapfere nach allen
sich und stellen mit Ausnahme der Kriegstänze eigent- I vier Himmelsgegenden, um damit anzudeuten , dass Ausland 1890, Nr. 21 .
63
Die Quälgeister bei den Südslaven .
410
er schon überall seine Thaten vollbracht hat. Nun be-
ginnt er mit den Augen zu rollen und wild umher zu blicken , lauernd wie ein Panther.
Mit hoch -
gezogenen Brauen und mit aufgerissenen Augen nickt er , ohne den Hals zu bewegen , nachdrücklich mit dem Kopfe; dann nickt er nochmals, diesmal aber so wie ein Clown den Kopf senkrecht haltend und
Die Quälgeister bei den Südslaven. Vorwiegend nach eigenen Ermittelungen von Dr. Friedrich S. Krauss in Wien.
II. Vukodlak, der Werwolf .
Selbst einer der neuesten slavischen Mythologen , der in Anmerkungen unterm Texte abschreckend
nur den Hals nach vorn beugend , um schliesslich
gelehrt sich gebärdet , zählt den „ Vlŭkodlakúa
mit dem ganzen Oberkörper nickende Bewegungen
zum » Vampyrismus«, oder genauer noch , er erklärt den » Vampyr« für einen Vukodlak . Das ist durch
zu machen .
Dies alles macht einen absolut affen-
artigen Eindruck , der noch ganz besonders durch
aus unrichtig. Der Irrtum des Gelehrten entstand
die absichtlich zur Schau getragene Gleichgültigkeit
wohl dadurch , dass der Volksmund den Vampyr
während des Spieles erhöht wird . Die sämtlichen Bewegungen sind beinahe dieselben , welche die kleine
fälschlich auch Vukodlak nennt, bloss nennt ; denn in Wahrheit unterscheidet das Volk ganz unzwei
gemeine Meerkatze ( Cercopithecus erythrarchus Pet .) deutig zwischen Werwolf und Vampyr. Der Wer rische dieser Bewegungen wird noch erhöht durch
wolf (serb. vukodlak , kroat. und sloven. volko dlak, bulg. vlkodlak = Wolfshaar, Wolfspelz) ist
ruckweises Vor-, Rückwärts- und Seitenspringen, wie
ein menschliches Wesen männlichen oder weib
es der Pavian (Cynocephalus babuin Desmar.) zu thun pflegt, und durch zuweilen angenommenen unsteten, halb drohend wütenden, halb besorgten Blick.
lichen Geschlechts , welches sich zeitweilig in einen Wolf verwandelt, um nach Wolfsart Herden vieh anzufallen und aufzufressen .
Der Neger scheint aber, was höchst bemerkenswert ist , dieses eigentümliche Gebaren keineswegs jenem
Vampyr, viel eher mit der Mora ist der Vukodlak verwandt , woferne man den Vukodlak überhaupt
Affen , welcher dort grosse Verwüstungen in den Feldern anrichtet, abgelauscht zu haben, sondern es
mythisch aufzufassen berechtigt ist.
scheint mir als eine strittige Frage, welche leider
macht den Eindruck, als seien die Bewegungen an-
auch durch die nachfolgenden Mitteilungen ihrer
geboren , denn auch im Zorn kommen sie zum Teil
Lösung kaum um vieles näher gebracht wird . Die geistige Krankheit Lykanthropie vermag
macht, wenn sie Feinde schrecken will.
Das Tie-
unwillkürlich zum Durchbruch .
-
Nicht mit dem
Das eben er
Ich nehme deshalb an , dass wir es beim Neger
ich bei den Südslaven nicht nachzuweisen , ob
hier mit unwillkürlichen Bewegungen zu thun haben,
gleich sie , wie es den Anschein hat, einmal inter
weil mir vielfache Beobachtungen zeigten , dass alle
national gewesen ist und noch gegenwärtig , wie
Jahr die Budapester Revue de
Schwarzen dem Affen jene drohenden Nickbewegungen
dies vor einem
gelegentlich sehr unbeholfen und täppisch , ganz
l'Orient besprochen hat, z . B. in Aegypten, häufig
anders als beim
»Kutamba « , nachahmten.
Zum
vorkommt. » Als eine Krankheit, eine Art Wahnsinn,
Kreise des Reigens umhergehend , nach am Boden
bemerkt R. Andrée, » tritt die Lykanthropie bereits im ersten Jahrhundert auf und dauert bis ins späte Mittelalter fort. Sie zeigte sich besonders im Monat
liegend gedachten Feinden sticht.
werden
Februar ; dann verliessen die Kranken nachts ihre
Hochsprünge ausgeführt, oder man läuft von hinten
Wohnungen und schweiften auf den Begräbnis
an jemandem vorbei und führt, in seiner Nähe an-
gelangt, einen besonders hohen Luftsprung aus, um
plätzen umher, wobei sie sich einbildeten, sie seien Wölfe oder auch Hunde ( Kynanthropie ). Blässe
während des Hochspringens mit einem Beine nach dem Gegner wie ein Pferd auszuschlagen, ohne ihn aber berühren zu wollen . Derartiges Austreten
trockene Zunge und brennender Durst, sowie Ver
minderung der Sehkraft deuteten auf ein tiefes körper
führen die Tänzer auch, ohne auf jemanden zuzu
liches Leiden .
rennen , aus , immer aber macht es einen sehr ko-
waren beständig mit Wunden und Geschwüren be deckt , wegen des Strauchelns und der Anfälle der
Kriegstanz gehört auch noch , dass der Tänzer die Lanze oder einen Stock erfasst und, gebückt im Dann
mischen und doch kriegerischen Eindruck.
und eingefallenes Gesicht, hohle, thränende Augen, Die Unterschenkel dieser Kranken
Recht sonderbar ist auch eine weit verbreitete
Hunde, deren sie sich nicht erwehren konnten . Die
Gebärde , das Sandscharren , welches als eine sehr
Wölfe und Hunde nachahmend, strichen sie bellend
herausfordernde Bewegung gilt. In leicht gebückter
und brüllend umher. ... Im Mittelalter erreichte
Stellung schreitet der Betreffende in grossen Schritten dahin , wie wenn er sich anschleichen wolle , und scharrt bei jedem dritten oder vierten Schritt mit
dieser Wahnsinn seinen höchsten Grad und wurde
vorzüglich dadurch furchtbar, dass die Kranken in ihrer Wut Kinder und Erwachsene töteten , wovon
einem Fuss über die Erde, einen Strich nachziehend.
man im Altertum nichts wusste .
So ist z. B. das Motiv von der Schwanenjungfrau,
weg und begegnete dort einem fremden Manne, der
welches wir sowohl beim Vilen- als beim Moren-
ihn teilnahmsvoll um
glauben wiedergefunden haben, auch mit einer Wolfs-
geschlagenheit befragte, weshalb er komme und was
den Grund seiner Nieder
sage verschmolzen . Die Einleitung ist zudem einem
er hier suche. Der Müller teilte ihm sein Leid mit,
anderen Motiv entlehnt, und das Ganze hat eine neu-
und der Fremde versetzte : „Ich bin der Wolfshirte, ich will dir helfen ; ich entbiete alle Wölfe hieher,
zeitige Fassung erhalten : » Es war einmal ein Graf, der besass eine Mühle,
und wenn du deine Frau aus der Menge nicht heraus
, ! – „Das welcher sich niemand zu übernachten getraute; findest, so ist es um dich geschehen in denn allnächtlich suchte ein Wolf die Mühle heim soll meine Sorge sein ! blies jener
und frass jeden auf , den er dort antraf. Es kam so weit , dass der Graf bekannt machen liess , wer
Da in sein Horn , und es erschienen alle Wölfe. Nun , welcher ist deine Frau ? Ist sie mit darunter ?' - , Frei
einmal in der Mühle übernachte , dessen Eigentum
lich , der letzte Wolf dort ist meine Frau.
solle sie werden .. Nun fand sich ein Jüngling, der
auf nahm der Wolfshirte der Wölfin den Pelz ab,
den Plan fasste , in dieser Mühle zu übernachten.
und der Mann führte seine Frau nach Haus , und
Er begab sich zum Grafen und erklärte sich bereit,
sie lebten von da ab noch viele Jahre in Glück und
das Wagnis zu unternehmen . Hierauf ging er in
Frieden .
Nordosten nach Südwesten fast parallel mit der Küste
sichtlich angelegt, so wird damit entweder beabsich
verläuft.
Dieser Name bezeichnet keine einheitliche Völker-
tigt, Verkehrswege zu schaffen oder eine freie Fläche für Bebauungszwecke zu gewinnen. Das mehrere Meter hohe Gras und das Gestrüpp des Waldes er schwert ein schnelles Fortkommen ungemein , und
schaft, sondern ist ein Sammelname für eine Anzahl
um diese Verkehrshemmnisse zu beseitigen , nimmt
Dem
Donnai aufwärts folgend, kam
ich zu
den Moi .
im allgemeinen gleich gearteter , im einzelnen aber man , ohne Rücksicht, wie weit der Brand sich aus sich unterscheidender, teils von Annam und Cochin - dehnen und wieviele wertwolle Bäume er verkohlen
china abhängiger, teils unabhängiger Volksstämme. möge, seine Zuflucht zu diesem einfachen, aber auch Wenn wir das Klima des Landes zwischen dem
Mekhong und der Ostküste betrachten wollen , so
müssen wir genau unterscheiden zwischen den ebenen und den gebirgigen Teilen.Wer vom oberen Mekhong,
sehr radikalen Mittel des Feuers. In solchen durch den Brand verwüsteten Gebieten trifft man dann mehrere Monate kein lebendes Insekt, kein lebendes Konchyl
an, bis der Regen befruchtend herniederfällt und die
etwa das DorfKratiéoder Sambor zum Ausgangspunkt
in der Asche schlummernden Keime weckt. Denn
nehmend, in genau östlicher Richtung eine Reise nach der Küste von Annam unternimmt, eine Strecke
das gefrässige Feuer war nicht imstande, alle Vege tation zu ersticken. Im Gegenteil: Die Asche bildet
Weges, die einer Entfernung von etwa 370 km gleich kommt, der wird die Entdeckung machen, dass nach
einen wertvollen Dung , und wenn der Wilde hier seinen Reis oder Tabak pflanzt, so kann er sicher
140-150 km die bisherige Tiefebene zu einem etwa sein, eine gute Ernte zu machen . 500 m über den Meeresspiegel sich erhebenden HochWährend der Regenzeit schwellen die Bäche zu plateau ansteigt . Dieses Plateau erhebt sich auf Strömen an , die Flüsse sind wegen ihrer reissend
seinem Ostrande zu dem annamitischen Küstenge- schnellen Strömung unpassierbar und überschwem birge , dessen bedeutendste Gipfel eine Höhe von 2—3000 m aufzuweisen haben. Das Klima der Ebene im
Innern des Landes
gehört nicht zu den angenehmsten. Es gibt zwei Jahreszeiten, die trockene vom Dezember bis April , und die Regenzeit vom Mai bis November. Im Dezember beginnt eine so grosse Dürre zu herrschen , dass die Gräser versengen und die Flüsse austrocknen . In manchen Gegenden wüten ausgedehnte
men meilen weit ihre Ufer. Vom Mekhong ziehen zahlreiche Fischscharen seine Nebenflüsse aufwärts ; das Nashorn tummelt sich mit dem Elefanten in den Wäldern und beide liefern den wilden Völker
schaften eine willkommene Jagdbeute. Im November hört der Regen auf. Ueberall spriesst und grünt es ; wo zuerst des Feuers und dann des Wassers Ele
ment gehaust hatte , da schaut es jetzt aus , auch wo der Wilde den Acker nicht bestellt hat, wie ein
Brände,meistens absichtlich von den Eingeborenen an-
üppig vegetierendes Getreidefeld .
gelegt, bisweilen auch zufällig entstanden . Die teil-
Die Temperatur beträgt während der trockenen Zeit in der Ebene tags über 30—35 ° R., nachts
weise nomadisierenden wilden Völkerschaften kochen
auf ihren Wanderungen ihre Mahlzeit, ohne dafür
20-25 "°; in der nassen Zeit am Tage höchstens 25 ,
Sorge zu tragen , das Feuer beim Weitergehen zu
des Nachts gewöhnlich etwas weniger. Der Wärme
Indochina.
unterschied zwischen Tag und Nacht ist also ein sehr
483
aufgestellte Gefässe aufgefangen. Für den weiteren
geringer. Anders liegt die Sache im Gebirge. Hier Transport des Oeles werden Bambusröhren angefer beträgt die Temperatur in den Thälern am Tage
tigt, deren Durchmesser oft 20 – 30 cm beträgt. Die
gegen 35 ', während der Nacht aber nur 5-10 °.
Zwischenwände dieser Röhren werden mit einer
Das Klima des Gebirges ist denn auch wesentlich von dem der Ebene verschieden . Die trockne Zeit
Lanze, die in den Bambus eingeführt wird, durch schlagen , alsdann in den Hohlraum das Oel hinein
ist dort sehr angenehm ; während der Regenzeit aber
gegossen , und die Oeffnung mit Kokosnussfasern ver
ist es unmöglich zu reisen, weil dann die Thäler überschwemmt sind . Grossartige Hochwaldungen be-
stopft. Die so gefüllten Röhren werden dann nach Cochinchina und Cambodja exportiert, und das Oel
gleiten hier den Wanderer auf seinen Reisen. Hier
dort weiter zu verschiedenen Zwecken verarbeitet .
kommen die Waldbrände nicht vor , weil das hohe Hauptsächlich wird dasselbe zur Oelung der Schiffe Gras fehlt, und infolgedessen ist hier der Wald viel verwendet; der Chinese benutzt es zur Herstellung besser erhalten und viel wertvoller als im
Innern
des Landes, wo ganze Strecken schönster Waldung
von Farben ; aus den Rückständen fabriziert man Lichter und Seife.
Ich hatte eben Gelegenheit, vom Bambus zu
durch das Feuer verwüstet worden sind.
Die Flora dieser weiten Ebenen ist trotzdem
sprechen. Dieses schlanke Gewächs findet sich in
grandios. Dichter, meilenweit sich dehnender, echt
Indochina in etwa zehn verschiedenen Spezies. Es
tropischer Urwald hemmt mehr als einmal den Schritt schiesst nur dort empor, wo Wasser ist ; da trifft des Wanderers.
Mit der Axt in der Hand muss
man
es häufig in undurchdringlichem Gestrüpp,
man sich hier den Weg bahnen. Zurückschreckend, das sowohl den Wohnungen mancher wilden Volks fast entmutigend sind die Schwierigkeiten , die einer
stämme, wie auch den wilden Tieren willkommenen
hier durchziehenden Karawane auf Schritt und Tritt Schutz gewährt. begegnen ! Wie oft ist nicht einer jener reissenden Hier halte ich es für geboten , einige Worte Flussläufe zu durchschreiten , in denen der Mensch bis zur Brust versinkt , in denen alles , was die
über die hinterindische Fauna einzufügen . Ich habe auf meinen zwölfjährigen Reisen in Centralafrika,
Transportwagen bergen, am anderen Ufer vollstän - Arabien, Syrien , Palästina, Vorderindien etc. keine
dig durchnässt wieder ans Land gezogen wird ! Wie Gegend getroffen, die so reichhaltig an Tieren, vor oft geht nicht eines jener ungefügen, aus einem Stück gearbeiteten Wagenräder in die Brüche! Da muss
allem Jagdtieren , gewesen wäre , wie gerade Indo china. Beginnen wir bei den grossen. Nashorn und
dann notgedrungen eine mehrstündige, unfreiwillige
Elefant sind die Vertreter der Dickhäuter. Letzterer
Rast gemacht werden , um rasch ein neues Rad aus
ist weit gefährlicher als sein vorderindischer Ver
einem erst zu fällenden Baumstamm herauszuarbeiten.
wandter. Denn während dieser grösstenteils vor dem
Das geschieht in ziemlich ursprünglicher Weise nur
Schützen flieht, der ihn aufsucht , erwartet jener seinen
mit der Axt , denn den Gebrauch der Säge kennen
Angreifer ganz ruhig, womöglich im Bambusgestrüpp
die Wilden nicht.
oder hinter einem Baum verborgen , so dass er dem
Wo eine Lichtung sich findet, bedeckt jenes Blicke seines Verfolgers sich entzieht; hat man ihn
Riesengras die Flur, welches noch einen Meter hoch endlich aufgestöbert, so geht er direkt auf seinen über den Reiter mit seinem Elefanten hinausragt und ein schnelles Vordringen zwar nicht unmöglich,
Gegner los, der kaum Zeit hat, die richtige Stellung einzunehmen und ordnungsgemäss zu zielen. Ich
aber doch immerhin äusserst beschwerlich macht, so
verlor bei der Jagd auf einen dieser Dickhäuter mehrere Vorderzähne, die der Bösewicht mir mit seinem Rüssel ausschlug. Unter den Raubtieren machen Leopard, schwar zer Bär, Fuchs, Schakal und Zibetkatze die Gegend unsicher. Aber vor allem ist , es der majestätische
dass es schon eine tüchtige Leistung zu nennen ist, wenn der europäische Reisende hier mit Sack und Pack 5-8 km pro Tag zurücklegt . Im Walde bedeckt dicker und fetter Humusboden die Erde, und
man mag noch so tief graben : kein Stein wird zu
. Wahre Baumriesen recken sich hier Königstiger, der uns Achtung abnötigt, weniger frei
gefördertkostbare und dauerhafte Hölzer trifft lich durch seinen Mut als durch seine Grösse. Er TageHimmel, gen man überall . Der König dieser jungfräulichen Wal- übertrifft an Körpermaass den vorderindischen Tiger dungen ist ohne Zweifel der Oelbaum . Es gibt um ein Bedeutendes ; aber während dieser fast jeden Exemplare darunter, deren Stamm 7 m im Umfang Menschen angreift , der ihm in die Quere kommt, die Art und Weise, wie das Oel von diesem Baum
kann man dasselbe von dem hinterindischen Tiger nicht behaupten. Ich selbst habe während meines
gewonnen wird.
dortigen Aufenthalts dreimal ein Rencontre mit die
misst und sich bis zu 80 m
erhebt. Interessant ist
Man macht zunächst unten am
Einschnitt , und alsdann höhlt man über demselben
sem Raubtier gehabt. Auf meinen Wanderungen und Jagdausflügen sah ich mich plötzlich, sei es im
ein Stück des Baumes aus. In dieser Höhlung wird
dichten Walde, sei es auf offener Strasse, am hellen
Stamme des Baumes mit der Axt einen horizontalen
ein Feuer angelegt, das imstande ist, den Baum mög- Tag in einer Entfernung von 5–10 m dem Tiger lichst weit hinauf zu erhitzen . Das Oel wird füs gegenüber. Derselbe blieb ruhig stehen, fasste mich sig und trieft herab und wird durch zweckmässig | fest ins Auge und peitschte mit dem Schwanze.
Indochina.
484
Dann zog er sich langsam zurück, und nachdem er sich etwa 50-60 Schritt entfernt hatte, wandte er
sich vorsichtig spähend um , als wollte er sich davon aberzeugen, dass ihn sein Feind nicht verfolge. Nachdem er alsdann eine weitere, ebenso grosse Strecke zurückgelegt hatte, blickte er noch einmal hinter sich, bis er in einer Entfernung von etwa 200 m in
lebende. Die Eingeborenen betrachten dieses Tier als Leckerbissen . Auffallend erscheinen dem Reisenden am oberen
Mekhong bei Kratié und Stungtreng u. s. w. die zahl reichen Seekühe (Dujong Halicore). Schon im Alter tum waren diese Tiere wohlbekannt ; in der Neuzeit wurden sie erst durch Barchewitz, einen Deutschen
Ich habe Exemplare ge vollem Laufe davonsprang. Mir selbst ist also niemals ( 1711-1722), vorgeführt. ein Unglück bei solch einem Zusammentreffen zu- schossen bis zu zwölf Fuss Länge. In grossen Fa gestossen , wohl aber hat der Räuber es nicht ver-
milien umschwimmt das Tier die Boote ; und da sein
schmäht, meinen kostbaren , europäischen Bulldogg Fleisch nicht gut geniessbar ist , wird auf dasselbe abzufangen und fortzuschleppen. Sobald meine tapfe- keine Jagd gemacht. Infolgedessen sind diese harm ren Jagdhunde einen Tiger witterten , machten sie losen Tiere durchaus nicht scheu, doch aber ungemein sich stets mit grösster Angst davon und waren so- schlau. Wenn eines der Familienmitglieder durch dann mehrere Tage lang nicht mehr aus der Hütte einen Flintenschuss getötet wurde , so werden die herauszubringen. übrigen ausserordentlich vorsichtig , so dass mit Zahlreiche wilde Büffelherden fand ich im
Ge-
einem Gewehr derselben Familie auf Schussweite kaum beizukommen ist. Hin und wieder wird der
birge von Bin Thuan . Hier halten sie sich in der Regenzeit auf, während sie, sobald die Ueberschwemmungen nachlassen , in die Ebene hinabsteigen und
Dujong von den Laosianern harpuniert, was durch den Gewinn des Oeles und Fettes , das sie liefern,
dort auf den weiten Grasflächen sich tummeln . Sie
nicht unlohnend ist. An den lautschnarchenden Atem
lieben aber nur wasserreiche Gegenden. In der Ebene zügen ist der Dujong leicht erkennbar, die Brust des findet man sonst mehr die kurzhaarige , goldgelbe weiblichen Dujong hat eine frappante Aehnlichkeit wilde Kuh.
mit dem Busen der Frau .
Schuppentiere (Manis) und Stachelschweine kom-
Ein sehr ergiebiges Land ist Indochina für In
men auch vor. Den Stenops gracilis (Halbaffen ) habe ich
sekten und speziell für Schmetterlinge. Aber dazu
zweimal gesehen. Im Innern sind die Affen nicht sehr
muss man überwintern ; während der trockenen Zeit
zahlreich ; hingegen treten sie am ganzen Mekhong und allen grösseren Flüssen in ansehnlichen Mengen auf. Unter ihnen zeichnet sich durch sein schönes
ist es schwer, ein Insekt zu finden , mit Ausnahme der Waldungen , wo die Brände nicht stattfinden. Ein ganz besonders schöner und grosser Schmetter
Kleid der schwarzweisse Kleideraffe aus, der eine
ling ist Saturnia (mehrere Arten ), der mit ausge
spannten Flügeln 10—20 cm misst. Auch Heu- und gemeinste der hinterindischen Vierhänder. Fleder- Laubschrecken begegnen dem Wanderer in stattlicher mäuse , wie der fliegende Fuchs , finden sich am Anzahl , teilweise mit einer Flugweite von 25 cm . Diejenigen lebenden Wesen, welche das Reisen ganzen Mekhong. Auch dem Jäger bieten diese Gegenden einen in diesen Gegenden besonders unangenehm machen , unerschöpflichen Vorratschmackhaften Wildbrets : sind die Moskitos , die Ameisen und die Blutegel . Höhe bis zu einem Meter erreicht. Macacus ist der
Taube , Rebhuhn, Wachtel , Fasan , Wildpfau , Reh,
Gegen Moskitos kann man sich , so gut es geht,
Hirsch in mehreren Arten und abnorm grosse Wild-
durch Netze schützen . Jedem Reisenden ist dringend zu empfehlen , auf solchen Expeditionen sich deren eins oder zwei mitzunehmen . Während der Regenzeit kommen die Moskitos in den Flussgebieten in sol
schweine .
Der Pfau liefert dem Reisenden sehr
häufig den täglichen Braten . Die bereits erwähnten Hühnerarten sind die Hauptvertreter der gefiederten Welt. Zu ihnen gesellen sich eine Unmasse Hühner, die dem Franko-
lin -Huhn ähneln.
Dagegen finden sich Singvögel
fast gar nicht. Es gibt in den Wäldern mehrere kleine Vogelarten , aber es sind schlechte Sänger. Schlangen fand ich auffallend wenig ; ich vermute, dass sie infolge der grossen Waldbrände nicht den ihnen gedeihlichen Boden finden .
Dagegen begegneten mir in den wasserreichen Gebieten in grossen Scharen Krokodile , besonders am oberen Mekhong, und zwar in ganz besonders grossen Exemplaren, in bedeutend grösseren als jene,
chen Schwärmen vor , dass es unmöglich ist , sich in einem Zelt oder einer Hütte aufzuhalten , ohne trotz der kolossalen Hitze ein Feuer anzuzünden . An sich ist ein Moskitostich ohne Bedenken; aber
er kann gefährlich werden, weil man nur zu leicht versucht ist , wegen des Juckens die Haut aufzu kratzen , die dadurch für die ansteckenden Krank
heiten (Krätze), wie sie unter den Wilden herrschen, empfänglich gemacht wird. Die Ameisen sind mit sehr scharfen Geruchs
werkzeugen ausgestattet. Wittern sie beispielsweise auf einem Tisch ein Stück Zucker oder sonst etwas
die ich in Afrika am weissen und blauen Nil, sowie
Geniessbares, so kommen sie zu Tausenden herbei,
in Vorderindien am Ganges getroffen habe.
kriechen an den Tischbeinen in die Höhe
An
allen Flüssen findet man auch jene Rieseneidechse Hydrosa urus Salvator.
Auch von Schildkröten sind
und
machen sich für den am Tische Speisenden in äusserst belästigender Weise geltend. Da hilft es
zahlreiche Arten vertreten , meistens im Wasser nichts, wenn man jeden Tischfuss in ein Bassin mit
Forschungen über das deutsche Wohnhaus.
Wasser stellt.
Die Ameisen kommen doch .
Tau-
sende freilich ertrinken bei dem Versuch in dem nassen Element; aber aus ihren Leichnamen baut
485
Tarvis und Raibl ; - g) über den Predil , Flitsch, Carfreit ( Caporetto ), Tolmein, Canale nach Görz. Das Volk ist heutzutage deutsch in den Strecken
sich eine Brücke, über welche die übrigen hinweg- a, b, d, f ; es ist slovenisch in den Strecken c (teil kriechen, um das Tischbein zu erreichen. Für den weise), e (grösstenteils), g (ganz); nur Görz spricht Insektensammler sind die Ameisen noch besonders
italienisch ; die Carfreiter wohnen in einer italienisch
unangenehm . Denn es gibt kein durchaus probates Mittel , die Sammlungen gegen diese lästigen Tiere
gebauten Stadt, dem Modell eines malerischen ita lienischen Landstädtchens, sprechen slavisch , zum
zu schützen . Unter den Ameisen finden sich Exem-
kleinsten Teile deutsch .
plare , die mit dem Auge kaum zu erkennen sind.
Ob die Tauernhauptkette zwischen Radstadt
Sie dringen tausendweise durch die feinsten Draht- und Tweng den Alpenhaus- und den Kärntner geflechte in die Schachteln ein , in welchen die In- typus plötzlich abgrenzt, weiss ich leider nicht zu sekten aufbewahrt werden , und man kann die Samm- sagen . Scharfes Schneewetter ( 15. September) be lungen nur dadurch einigermaassen sichern, dass man
einträchtigte den Blick ; auch kannte ich den Tschopf
die Schachteln und Büchsen mit vergiftetem Papier typus noch gar nicht, konnte ihn daher auch nicht verklebt.
Eine ebenso grosse Plage sind die Blutegel. Es hat keinen Zweck, wenn man hohes Schuhwerk oder Lederhosen trägt. Diese unangenehmen Schmarotzer kriechen daran empor und kommen dann plötzlich an den höher gelegenen Körperteilen zum Vorschein , im Rücken und im Genick, wo sie sich unmerklich einsaugen ; oder sie gehen in den Stiefel,
suchen oder seinen etwaigen allmählichen Eintritt beobachten , und als ich ihn endlich inne wurde, war ich bei S. Michael im Lungau schon mitten darinnen . Erinnerlich ist mir allerdings, dass auf dem Nord hange des Tauernpasses in Nieder- und Obertauern A
und man merkt ihre Anwesenheit erst dann , wenn 6
sich das Blut dort ansammelt und jenes quellende Geräusch verursacht , das man wahrnimmt, wenn
d
U
tom nm .
Wasser in den Stiefel gedrungen ist. Am besten ist, man trägt die Füsse bis zum Knie unbekleidet. Dann wird es freilich nicht zu verhüten sein , dass
der Blutegel an den unteren Extremitäten des Men schen seine Blutgier zu stillen sucht . Um sich ihrer
dort zu entledigen , nimmt man von Zeit zu Zeit ein aus Bambus in Form eines Falzbeins geschnitte
nes Messer, um die Tiere abzuschaben . Die Blut egel kommen naturgemäss nur in der Regenzeit vor, und nicht über einer Höhe von 1000 m .
hier lästiger als auf Ceylon .
Sie sind
Fig 11 , 12 , 13 ,
a Wohnraum , b Küche, c Vorrats-Raum , d Stiege und Gang , h Herd. Ohne Rauchfang. e Unter dem Vorrats- Raume ein Stall ebenerdig ) .
(Schluss folgt.)
Type auf dem Wege von Flitsch nach Caporetto (Karfreit).
noch das breite, flachbedachte Alpenhaus mit hüb
Forschungen über das deutsche Wohnhaus.scher Ausbildung der Balkone, mit dem typischen Von Gustav Bancalari .
Hausglockentürmchen u . s. w. in Prachtexemplaren
( Fortsetzung .)
vorhanden ist , und dass der Markt Mauterndorf, wel
II .
cher den Südausgang des Tauerndefilees beherrscht, mit seinen malerischen und ansehnlichen Bauten
Modifikationen und Verbreitung des Kärnt nerhauses.
a) Eigene Beobachtung. Meine Fusswanderung ( 1889) führte mich : a) von Radstadt im Ennsthale, wo das Flachdach-
nicht an den Tschopftypus, sondern wie Radstadt an das Alpenhaus anknüpft. natür Die von mir beobachtete Südgrenze scheint süd lich bloss ein Punkt der Südgrenze lich von Raibl, am Nordfusse des Predil zu liegen .
Alpenhaus vorherrscht über die Tauern , Tweng,
Gleich jenseit der Passhöhe ändert der Typus ab ;
Mauterndorf, S. Michael im Lungau, über den Katsch-
er verkümmert schon in Mittelbreth , ist aber in
berg nach Gmünd; durch das Lieserthal nach Millb) über Spital nach Greifenburg im Draustadt ; thale ; c) über eine niedrige Wasserscheide der
schwer kenntlicher , wiewohl unzweifelhafter Weise noch südlich von Flitsch nachzuweisen ( Fig. 11 , 12, 13 ) . Fast scheint es, als wäre hier eine Verquickung mit
Gailthaler Alpen zum Weissensee, dann über Weiss- einer neuen , noch nicht offen zum Vorschein kom
Briach ins Gailthal, über Hermagor nach Bleiberg menden Bauart ; als wäre das Aeussere der kleinen die d) nach Villach , Ossiach, e) von Klagenfurt und an den Wörthersee ; Villach über Wurzen nach Ratschach ; f) nach
hinter den Dobratsch ;
Ausland 1890, Nr. 25 .
und sehr niedrigen Häuschen kärntnerisch und sagen wir slovenisch oder innere Einteilung
vielleicht italienisch ? ich weiss es nicht. Jedenfalls 74
Forschungen über das deutsche Wohnhaus .
486
ist die Hausflur (Fig. 12b) in deutschen Kärntner- scheint, dass die Harpfe den Slaven ihre Entstehung Häusern niemals , soviel ich sah , zugleich Küche, verdankt, da sie wohl in einzelnen Teilen Ober wie in den Zwitterhäusern des mittleren Isonzothals. Flitsch selbst hat viele italienische Wohnhäuser ; Schindel dache
aus den anderen, einem unklaren Mischstil folgenden , bin ich nicht klug geworden. Zwischen Caporetto und Tolmein tritt der Tschopf ganz zurück, und dafür ein anderer, nicht italienischer Typus in die Erscheinung , der mir wichtig genug scheint, um ihm später einen eigenen
+ 9
Abschnitt zu widmen .
Die West- und Ostgrenze des Verbreitungs bezirkes habe ich nicht beobachten können .
Fig . 17. Doppelte » Harpfe « in Tröbelsberg 16 m lang. Auf der Wasserscheide zwischen Drauthal und dem Gebiete des Weissensees.
Von S. Michael bis Raibl, also längs meiner
Marschlinie, ist der Typus ganz und voll kenntlich ;
kärntens und überhaupt des ehemals ganz slavischen
er herrscht unumschränkt, wo nicht, wie bei Villach,
Innerösterreich , aber nicht in anderen deutschen
Klagenfurt und Pörtschach, Velden u.s.w. die moderne
Ländern gebräuchlich ist. Sie hat manche Nachteile, da sie vor allem nicht gründlich vor dem Wetter
städtische Baukunst und das Touristen -Hotelwesen
falschen Schweizerstil in die Gegend bringen . Aller
dings zeigt er Biegsamkeit und Anpassung an Boden , h
Klima, Feldbau , ja an einzelne Bodenprodukte, an das Baumaterial und ich drücke hier nur eine be scheidene Ansicht , ja einen Einfall aus) an die slavische Eigenart. Ich habe das slavische Haus fast überall ebenerdig gefunden : in dem ärmlichen Galizien, in allen slowakischen Gegenden Oberungarns , im
eldac
ihind hSi
T
tschechischen Teile Böhmens, wo noch nicht die
städtische Baukunst in die Dörfer gedrungen ist ; vor 24 Jahren in der Hanna (Mähren ), deren reiche und gebildete Bauern damals teilweise in hüttenähnlichen
Fig . 18 .
Bosnisches Flechtwerk-Fruchtmagazin (Jaice).
Häusern wohnten ; kurz, für mich ist Slavenhaus und
niederes,, unscheinbares , ebenerdiges Gebäude durch schützt und gern vor dem Winde (wenn sie einfach Anschauung und Erfahrung gleichbedeutend geworden. ist) kapituliert ; dagegen den wichtigen Vorteil , dass Der Typus des Tschopfdaches zeigt sich denn in den slavischen Teilen des Landes gern an kleinen, niederen, ebenerdigen Häusern, und es scheint, dass
sie eine viel kostspieligere und dabei feuergefährliche
Scheuer gewissermaassen ersetzt und aus dünnem Stangenholze hergestellt werden kann.
die durchschnittliche Haushöhe in deutschen Landes-
Wie sich der Typus dem Boden anschmiegt,
teilen grösser sei, als in den slavischen. Fig. sb
haben wir bei seiner Beschreibung bereits wahr
(Ossiacher Gegend) mag dies Verhältnis beleuchten.
genommen . Im Lieserthale steht die Front (Giebel
Um hierin einen sicheren Maassstab zu gewähren,
seite) fast durchaus ost- oder südostwärts , also auf
reicht übrigens mein Beobachtungsmaterial bei weitem
dem westlichen Thalhange zu Thal; die Stallseite daher gegen den Berg. Die Tennenbrücke führt, wie erwähnt, in den Futterboden. – Der Hausgang
nicht aus.
Dem Klima passt sich der Typus insofern an ,
-
als die Bodenräume um so grösser sind, je mehr die Luftfeuchtigkeit und die geringe Sommerwärme das
(Söller) folgt gern der Sonne, und zwar so ,
Trocknen der Feldfrüchte unter Dach , und dabei
wiese, er um die Ecke auf die Sonnenseite biegt und sich nach Bedarf der Langseite entlang erstreckt . Dies findet ohne Ausnahme statt, wo Mais gebaut wird, und diese Kulturart gibt den Dörfern vom Spät sommer an ein eigentümliches und gefälliges An
bei starkem Luftzug, erfordern. Im milden Gailthale, in Unterkärnten , in einem
grossen Teile Krains und in Südsteiermark herrscht die »Harpfe« oder » Heugeige« ( Fig. 17) '), welche in fruchtbarer, ertragreicher Gegend zu einer Art
dass,
wo die Giebelseite denn doch auf die Schattenseite
sehen .
Die Maiskolben werden mittels der zurück
offener, gitterwandiger Scheuer mit gemauerten Eck- gestülpten Blattrispen , also entblösst, zu Büscheln und Mittelpfeilern und grossem Dache wird. Selbstvereinigt und an den Balkonen und auch sonst an
Dachböden werden solchen Gerüsten aufgesetzt. Es Spalieren in dichtgeschlossenen Reihen aufgehängt. 1) Fig. 18, ein Fruchtspeicher im nordwestlichen Bosnien, zeigt die interessante Uebereinstimmung mit Fig. 19 (Slovenischer
Fruchtspeicher, Vorratskammer in Südsteiermark ) in der Befrie
Aehnlich habe ich es im Gailthale gesehen. » Ueberalla , lese ich in meinem Reisejournal, »prangt Mais an den Sonnenseiten der Häuser, auf den Balkonen der
digung eines gleichartigen Bedürfnisses auf technisch verschie
Oberböden oder an Spalieren der Hauswände, am
dene, aber in der Hauptsache gleiche Art .
schönsten im
Dorfe S. Lorenzen zwischen Weiss
Forschungen über das deutsche Wohnhaus.
487
Briach und Hermagor. Das ganze Dorf ist gelb «. | nicht häufige Form erinnert einigermaassen an einen Die Anpassung an diese Kulturpflanze kann natürlich den Typus erst in neuerer Zeit beeinflusst haben. Der Maisbau ist
in
Kärnten
nicht alt und
hat
obersteirischen Typus (Fig. 21 ). Die Fig. 14 zeigt eine in Krain , besonders in der Wochein und auf den Bergen im Quellbereiche
seine gegenwärtige Ausdehnung erst in den letzten
der Wurzensave verbreitete Art von Schafstall.
Decennien erlangt .
bildet ein Quadrat von 5-8 m Seitenlänge, ist roh gemauert, niedrig, mit Balken gedeckt. Die unter den Enden des steilen , » tschopfeten « Bretterdachs
Dem Baumaterial passt sich der Typus insofern an , als im Süden, wohl wegen des teureren Holzes
Er
oder der grösseren Wärme, mehr und mehr Mauer- sichtbaren Blockwände gehören dem unteren Futter werk sich einschiebt, während der Oberboden mit
boden an , in welchen auf der rückwärtigen Haus
dünnen Brettern verschalt ist .
seite eine aufgeschüttete Rampe führt. Das Dach birgt den Oberboden und greift samtdemselben über
Manche Abänderungen mögen der Willkür ent-
stammen , so z. B. die sehr mannigfachen Aus schnitte in den Bretterwänden des Oberbodens auf
der Giebelseite im Lieserthale, bei Trebesing u. S. W. In Kleblach ( Drauthal) wieder findet sich auf einem gemauerten Erdgeschosse in der Mitte der Giebel seite ein Zimmer aus überplatteten Kanthölzern und
Janeben, rechts und links, bretterverschalte Speicher
tas
abteilungen mit langgestreckten, Maulscharten ähn lichen Luft- und Lichtlöchern. Oberboden und Söller
dagegen sind typisch. Im Gailthale scheint, besonders in slavonischen
Dörfern, der Zug nach Vereinfachung stark zu sein . Fig . 14 .
Schafstall samt Oberboden. Wurzenpass, Wurzensave .
das Stallgebäude um ein grosses Stück , oft um 23 der Hauslänge. Es ist zu diesem Zweck durch vier kantige Holzsäulen, eine an jeder der beiden hinaus ragenden Ecken , gestützt. Die Oberhirten der Ge meindeschäfereien brauchen eben mehr Raum
für
Reservefutter als für die Schafe, und es war die Auf
gabe zu lösen, diesen Speicherraum recht zweckmässig anzuordnen .
Srubel
indem man denselben zur Fütterung des Daches machte, gewann man obendrein eine warme Decke des Stalls , einen schattigen und regengeschützten Vorraum und beides auf die einfachste und billigste
Kamer.
Verhou ( Loube)
Stiege in Dachbod ,
Rauchstube
/: Wohnung. Nüche oft auch mit Bert : /
Fig. 20, 21 , 22 . Obersteirischer Haustypus mit gemauertem und mit » geschrot
tetem
Man kann sie nicht besser lösen ; denn
Hauptgeschoss ; ohne und mit Stallung im Untergeschoss (Hochpar
terre ) . Beide ohre Schrott« ( Balkon ) an der Giebelseite . Geschopfte Dächer . (Wirtschaftsgebäude getrennt.)
(Siehe Die Oesterr. -Ung . Monarchie in Wort und Bild . Steiermark S. 147.)
Weise. Die Verteilung und der Verbreitungsbezirk auch dieser Bauten sollten durch zusammengefasste
Beobachtungen mehrerer festgestellt werden .
b) Fremde Beobachtung. Das Werk » Die Oesterreichisch - Ungarische -
Monarchie in Wort und Bild , welches den aller ersten Versuch einer einheitlichen Landeskunde eines
Man wohnt ebenerdig in Steinwänden, und alles grossen und mannigfach gestalteten Reiches zur obere ist Bretterwand, gar nichts Blockwand. Da-
Belehrung eines grossen Publikums darstellt, bringt
gegen ist dort der Rauchfang häufig , wie er denn
einige Andeutungen über das Wohnhaus. Ich ent
überhaupt die sichtliche Neigung hat, das »Rauchhaus« mit seinem uralten Kogel mehr und mehr verschwinden zu lassen .
nehme demselben Stellen über das Tschopfhaus und
die Abbildungen Fig. 9, 19 , 20, 21, 23 . »Das obersteirische Bauernhaus (Figuren
Eine erwähnenswerte Varietät zeigt den Ober- | 20—22) ist weniger geschlossen und behäbig als boden (oberste Bodenabteilung) mit Bretterwand ver- das tirolische , typischer als das kärntner« . Es be
schlossen und bis in die Flucht des Söllergeländers vorspringend. Das Dach ladet dann noch i m über
steht aus gemauertem Erdgeschoss , aus hölzernem Oberbau, wendet oft, aber nicht immer, die Giebel
den Vorsprung aus. Dadurch ist der offene untere seite mit dem „ Tschopf« der Strasse zu , ist mit Teil des Dachbodens gut geschützt. Diese in Kärnten | Schindeln oder Brettern, im Getreideland mit Stroh
Forschungen über das deutsche Wohnhaus .
488
gedeckt , wird im Ennsthale durch das Alpenhaus | Räume, » Feuerbehausung« und »Futterbehausung «, verdrängt , hat fast durchaus getrennte Wirtschaftsräume, wobei die Einrichtung des vereinten Stall- und Scheuergebäudes mit der Tennenbrücke der Einrichtung des kärntner Hinterhauses sichtlich
vor (Fig. 10) . Aber auch dort vist häufig Tenne und Scheuer über dem Stalle, und die Brücke führt
Wenn die Abbildung richtig ist, fände sich der Eingang in der Giebelseite, was mich
in die Tenne « .
ähnlich ist . Der Söller wird fast nur in der westlichen
Steiermark gefunden . Das kleine steirische Bauern haus, die »Hube «, vereint Wohnung und Stall nebst den Vorräten unter einem Dache und ist dann dem
kärntnerischen Kleinhause vollkommen gleichartig. Im östlichen Mittelsteier, dem sogen . » Heanzenlande«, endet der Typus; dort treten fränkische Gehöfte auf.
791
Mein Eindruck ist, dass nicht das Steirerhaus
Fig. 10 .
Haus mit getrenntem Wirtschaftsgebäude in Lungau (Unternberg,
Salzburg ). (Oesterr.-Ungar. Monarchie in Wort und Bild . Oberösterreich und Salzburg S. 465. )
wunder nimmt und auf seine Allgemeinheit hin zu
Stronda
prüfen wäre. – Vom Salzburger Grosshause will ich nur die Benennungen ausschreiben : Die Flur heisst » Haus« ; beiderseits führen aus demselben Thüren in die »Gwalter« , d . i. Wohnzimmer; dann in die » Kematen « , d. i. Kammern, und in den » Steingaden «, d . i. die gepflasterte und gemauerte Milchkammer.
Der obere Wohnraum heisst das
»Obenauf « , der obere , der Flur entsprechende Herde
Wohnzimer
Vorral
Küche
Fig. 19. Slovenisches Bauernhaus in Südsteiermark mit getrennter Vorrats kammer. (Oesterr..Ungar. Monarchie in Wort und Bild. Steiermark S. 121. )
Gang »Söler« (also abweichend von Kärnten , wo der Balkon Söller heisst) ; der Balkon heisst »Haus gang“ ; der Oberboden » Obrist« , » Hoi« oder » Hir« , und oben befindet sich ein » Firstkammerl«, auch » Mach- oder Schnitzkammerl« genannt. Das oberösterreichische Haus , und zwar
vorherrschend der fränkische Bauernhof, wird im
typischer als das Kärntnerhaus« sei ; ich finde im
»Kronprinzenwerke« klassisch geschildert. Die von
Gegenteil eher den Kärtnertypus in jenem etwas freier ausgestaltet, aber abgeschwächt wieder.
mir später zu erwähnenden Anklänge an den Tschopf typus sind als für das Land weniger vortretend und
Das
slovenische Wohnhaus
Südsteier-
charakteristisch
nicht erwähnt.
Das unteröster
marks init seiner eigentümlichen Vorratskammerreichische Bauernhaus ist leider nicht beschrieben , (Fig. 19) »verlegt , besonders wo ebener Boden obwohl vielleicht die starken Gegensätze des Bodens
mangelt , Tenne und Vorräte in den Oberstock « (Alpen, Waldviertl, Marchfeld u . s. w.) und die ver und verbindet diesen durch eine Tennenbrücke mitwickelten ethnographischen Verhältnisse dieses Landes dem Aussenfelde. In diesem Falle hat es auch einen
das Studium des Hauses lohnend und nützlich, aber
Söller , mit dem Boden verbunden , zum Trocknen der Früchte. Diese Schilderung passt so genau auf den von mir beobachteten Typus , dass ich nicht
auch besonders interessant machen würden .
Beschreibung eines küstenländischen
zweifle, dass dieser eben auch in Steiermark herrsche.
Hausty pus.
Die Salzburgische »Sölde« = Sölle,, Geusche, Keusche , d. i . Kleinhaus , habe ich aus der Zeichnung nicht entnehmen können . Baumschlag verdeckt im Bilde die wichtigsten Konstruktionen, welche recht malerisch, aber nicht charakteristisch dargestellt
Die Uebersichtskarte des deutschen Wohnhauses von A. Meitzen lässt das . Küstenland und Istrien
-
bezüglich der dortigen Haustypen undefiniert.
Ich
erwartete aber aufmeiner Wanderung durch das schöne, endlose Isonzothal nichts anderes, als das Absterben des
sind. Das mittlere Bauernhaus ist nach der Dar- Tschopfs und das fast plötzliche, gloriose Aufleben stellung zweifellos das kärntnerische Tschopfhaus,, des italienischen Hauses nicht bloss in Märkten wie scheint mit dem Flachdache zu kämpfen, im Salz- Flitsch und Caporetto, sondern auch im Dorfe. Da burggau wie im Lungau ( Fig. 10) das entschiedene führte mich ein Einfall von der Hauptstrasse Ca
Uebergewicht zu besitzen , während im Pongau wie poretto-Tolmein auf das linke Isonzo -Ufer, zu der im Pinzgau das Flachdach fast oder ganz allein zu herrschen scheint. Im Lungau kommen getrennte
verlassenen ( ehemals Land-) Strasse und durch drei kleine slovenische Dörfer.
Sofort fiel mir jener
In den nordamerikanischen Kaskaden.
489
ganz abenteuerliche Typus ins Auge , welchen
Görz, dann an der Adria von Monfalcone bis Triest
Figur 15 und 16 darstellen . Der Firstbalken springt an der Südseite des hüttenähnlichen Hauses , also an der Sonnen- und
habe ich ihn nicht gesehen. Bei S. Peter an der Fiumanerbahn scheint ein verwandter Typus zu be stehen, der also zur näheren Untersuchung einladet.
sch
Fiume und seine schöne nähere Umgebung hat nichts vom Typus; letztere ist ganz italienisch gegen Istrien zu und über Mattuglie hinaus. Als ich aber auf der herrlichen Strasse (wohl eine der schönsten der Welt,
was erhabene und liebliche Bilder betrifft), welche von Mattuglie über Veprinac, oberhalb des Modebades
Abbazzia zum Sattel des Monte Maggiore führt, hinanschritt, guckten hinter der Pracht der italienischen Typen, hinter ansehnlichen Wohnhäusern wie ver stohlen Hütten, Kleinviehställe, Wohnhäuschen hervor, welche wieder den fraglichen , meines Wissens noch nicht beschriebenen und erklärten Typus vollständig an sich trugen . Mir kamen sie wie »Einleger« vor,
welche herabgekommen , verarmt und zerlumpt in - wohlhabenden Bauernhäusern Gnadenbrot geniessen,
Grundriss des Obergeschosses
aber unter der Bedingung, dass sie sich nach schwachen 2
Kräften nützlich machen und bescheiden im Hinter d
grunde bleiben . Diese Veprinacer Häuschen haben mir erst die
3
a
südlich von Caporetto gefundenen wichtig erscheinen lassen .
1
Es handelt sich also nicht um eine örtliche,
6
sondern um eine sehr ausgebreitete Hausform , welche s Strohdach, sch vorhängender, übertrieben gezeichneter (umgekehrter) Schopf. -- a Zimmer , 6 Küche , h Berd , c Vorratsraum, d Auf gang zur Wohnung über der Stallthüre (Stall im Erdgeschoss). Type bei Ternova , zwischen Caporetto und Tolmein , dann in Spuren im Küstenlande und bei Veprinac am Monte Maggiore (Istrien) . Fig. 15 und 16 .
offenbar durch die italienische unterdrückt worden ist und allmählich ausstirbt.. Da die Häuschen am
Monte Maggiore gewiss nicht (wie die Kirche von
Loretto ) vom Isonzo durch Engelhände an die zugleich Scirocco- und Platzregenseite um etwa 60 cm Quarneroküste getragen worden sind, so muss man vor. Dieser vorgeschobene Firstpunkt ist durch die an eine vielleicht mehrfach unterbrochene Brücke beiden schief eingelegten Endsparren mit der Giebel- glauben , über welche der Typus vom Isonzo hier basis beiderseits verbunden . Das Ding sieht aus, als
verbeuge sich das Dach in der Achsenrichtung des
her oder von hier zum Isonzo gewandert ist. Das Küstenland , das nördliche Istrien , besonders das
Häuschens, und bezweckt natürlich genau dasselbe wie
ethnographisch klassische, aber materiell unsagbar
der kärntnersche Tschopf: Trockenhalten des Ober-
elende Čičenland (der »Čičenboden« ) und das süd
bodens und sichere Verwahrung der bezüglich des Einregnens gefährlichen Körperecke , wo sich beim
matinischen Küsten wären nach diesem (ich glaube
liche Krain , vielleicht auch die kroatischen und dal
Satteldach ohne Walm Dachflächen und Giebelfläche nicht sagen zu dürfen , von mir entdeckten) Typus schneiden und vereinigen . Das andere Dachende hat einen ganzen Walm. Die Decke besteht aus dick gelegtem Stroh.
Die Hauseinrichtung (Fig. 16) ist äusserst ein fach. Der niedere, schmutzige Stall ist im gemauerten
zu durchforschen . (Schluss folgt.)
In den nordamerikanischen Kaskaden. Easton .
Untergeschoss ; Wohnung und Speicher im Hoch parterre, das Futter im Bodenraume.
In der Mitte
des Hochparterres ist die Küche mit offenem Herd,
Von Dr. Julius Röll . Am 18. Mai 1888 fuhr ich mit meinem
Be
meist ohne Rauchfang; auf der einen Seite, meistens gleiter auf der Reise von den Rocky Mountains nach rechts , die Stube , links der Speicher. Im Isonzo- der Pacific-Küste bei der Station Easton der Northern thal , abseits von den Märkten , welche italienische
Pacific R. R. vorüber , und die mitten im Urwald
Aeusserlichkeiten auszustrahlen scheinen (die Land- gelegene kleine Niederlassung gefiel uns so gut, dass wir uns vornahmen , sie später eine Zeitlang als Standquartier für unsere Ausflüge zu benutzen . Die Ansiedelung besteht zwar nur aus dem sehr ein italienische Haus plötzlich ganz und gar einspringt. fachen Stationsgebäude, dem Wohnhaus des Stations
bevölkerung ist jetzt übrigens ganz und gar slavisch) herrscht dieser Typus ziemlich beschränkt , bis bei Roncina (Rocinj), eine Poststation vor Canale, das
nnehmers, aus einem Nach Mitteilung Landeskundiger soll aber dieser vorstehers und des Wegezollei chenke ärmliche Haustypus im Innern der Thäler, auf den
Wirtshaus, einer Branntweins
und einer ver
Thalstufen des Isonzo, sehr allgemein auftreten. In lassenen Sägemühle, allein sie schien uns für unsere Ausland 1890, Nr. 25 .
75
In den nordamerikanischen Kaskaden .
490
naturwissenschaftlichen Forschungen sehr geeignet. Als wir Anfang Juni von der Pacific -Küste in die
Die Bahnlinie führt in bedeutender Steigung zu dem 2800 Fuss hoch gelegenen , 9850 Fuss langen
Kaskaden zurückkehrten, mieteten wir uns nach Stampede-Tunnel hinan , über den der Stampede-Pass mehrtägigem Zeltaufenthalt in der Gegend von
in einer Höhe von nahezu 3700 Fuss hinwegführt.
Ellensburgh am 4. Juni im Gasthof zu Easton auf Easton ist nach allen Seiten von dichtbewaldeten 14 Tage ein . Bergen umgeben, die zum grössten Teil aus Melaphyr Wir zogen den Aufenthalt im Gasthaus dem
gebildet sind . Im Norden steigen dieselben jenseit
Zeltleben vor, da das Zubereiten der Mahlzeiten viel
des Yakima River 6000 Fuss hoch empor, und im
Zeit in Anspruch nimmt. Ausserdem war der Pensionspreis von 1 Dollar täglich für diese Gegend ein
bedeckte Kaskadenberge von der Gruppe der sieben
sehr mässiger. Unsere Koffer liessen wir im Güter-
schuppen des Bahnhofs zurück . Das Gasthaus trug , mit schwarzer Farbe auf
ein Brett geschrieben , den Namen »Hotel« .
Nordwesten zeigen sich dem Blick einige schnee Brüder. Drei schöne Bergseen, der Clealum-, Kat chess- und Kitchelos-Lake, liegen nordwärts zwischen den Bergen .
Der Urwald, welcher sich über weite
nennen sich alle , auch die kleinsten Gasthäuser in
Strecken ausbreitet und zum grössten Teil aus der Douglastanne (Pseudotsuga Douglasii) gebildet ist,
besondern
wurde beim Bau der Eisenbahn an manchen Stellen
Amerika , wenn
sie sich nicht
einen
So
Namen beilegen und dann als » house « bezeichnen . Unser Hotel war
aus Brettern
roh
zusaminen-
durch Niederbrennen zerstört.
Wir fanden noch
einzelne brennende Waldstellen, und der Rauch und
gezimmert ; die Stuben waren klein , einfensterig, der Harzgeruch der nur zum Teil verkohlten Bäume nur ein Bett und einen einfachen Stuhl enthaltend.
Wir erhielten aus besonderer Gunst ein Waschbecken,
erfüllte oft weithin die Luft.
Ich unternahm sogleich am Nachmittag nach
eine Wasserflasche und ein Trinkglas. Die Speisestube unserer Ankunft , während mein Begleiter einen war gross, mit einfachen langen Tischen , mit Bänken und Stühlen besetzt.
Die Stuhlbeine wurden durch
östlich gelegenen Grasplatz zum Zweck des Käfer fangs aufsuchte, einen Ausflug in die südlichen Berge
Topfbinde und folgte dabei einem Waldweg, der als Zollstrasse Draht zusammengehalten , was an die Topfbindereien der Zigeuner erinnerte. Vor dem Esszimmer den Wagenverkehr am Kitchelos-Lake vorbei und befand sich noch ein Vorzimmer , in dessen Mitte über den Snoqualmie-Pass nach der Stadt Seattle am ein grosser eiserner Ofen stand , den wir oft, zu- Puget Sound vermittelt . Er führt mitten durch den weilen auch zum Pflanzentrocknen , in Gebrauch
Urwald und ist von einem Privatmann mit einem
nahmen . In der kleinen Küche stand ein Wasserfass,
Kostenaufwand von 80 000 Dollar angelegt worden.
Er wird durch Zollbeamte beaufsichtigt und fahrbar löffel geschöpft wurde ; daneben standen sonderbare erhalten. Am Rande des Weges liegen eine Menge Wassereimer, nämlich grosse Blechbüchsen , durch ungeheurer Douglastannen, welche seit dem Eingehen welche am oberen Rande ein Holzstab gesteckt und des Sägewerks hier nutzlos aufgespeichert sind. Ausser der Douglastanne nimmt auch Pinus an beiden Enden festgenagelt war. . Die Not und der Urwald machen erfinderisch. Die Kaffeetassen ponderosa an der Bildung des Waldes hervorragenden hatten eine ungeheure Dicke, und da sie ohne Henkel Anteil , weniger Abies concolor, Pinus monticula aus dem das Trinkwasser mit einem grossen Blech-
waren , so hatte man oft Gelegenheit, sich die Finger zu verbrennen .
Die Verpflegung war einfach , aber verhältnismässig gut.
Fast täglich traf frisches Fleisch aus
und Murrayana, Tsuga Mertensiana, Larix occiden talis und Thuja gigantea. Nur einzeln sind Laub bäume in den Nadelwald eingestreut, hauptsächlich Acer circinatum und glabrum. Als buschiges Unter
Ellensburgh ein, und wenn es, dank der ausgiebigen holz breitet sich der schöne , aber durch seinen aus Bewegung der amerikanischen Rinder im Freien, gebreitet aufsteigenden Wuchs leider das Durch auch nicht so zart war, wie unser deutsches Mast- dringen des Urwaldes sehr erschwerende Ceanothus ochsenfleisch , so hatten wir doch keinen Grund,
unseren Wirtsleuten die Ueberzeugung zu rauben,
velutinus und der seltenere C. sanguinius aus . Rosen und Brombeeren (Rubus nutkaensis), Schneebeeren
dass das amerikanische Fleisch das beste in der (Sympherocarpus mollis), Haselnussstauden (Corylus Welt sei . Die Indianer, welche zu Hunderten am nahen
Katchess -Lake dem Lachsfang oblagen , brachten
rostrata) , Sauerdorn (Berberis Aquifolium und repens), sowie Amelanchier alnifolius tragen zur Vervoll
durch gelegentliche Uebersendung eines grossen ständigung der dichten Wildnis das Ihre bei . Zwischen Lachses (Salmon) Abwechslung in die Speisefolge.
ihnen schlingt das amerikanische Geissblatt (Lonicera
Bier und Wein gab es zum Essen , wie überall im
occidentalis) seine Ranken an den Büschen und Baum
fernen Westen, nicht, wohl aber Thee und Kaffee.
stämmen empor.
9
Die Wirtsleute , aus dem Osten eingewandert , waren
Den Waldboden bedecken die myrtenähnliche
einfach und gefällig, so dass der Aufenthalt im Hotel kleinblätterige Pachystima myrsinites und die liebliche uns vol Zwe eren lständig genügte. cken Easton liegt im Staate Washington , drei geogr.
Linnae borealis , deren rosenrote Glöckchen eben
am Yakima River , in einer Höhe von 2000 Fuss.
racemosa), das dreiblätterige , schon verblühte Trillium
aufzublühen begannen ; dazwischen stehen die unseren Meilen östlich vom Kamm des Kaskadengebirges,, Maiblumen ähnlichen Smilacinen (S. uniflora und
In den nordamerikanischen Kaskaden .
491
grandiflorum und der hohe kalifornische Germer (Veratrum californicum). Auch einige in Deutschland vorkommende Pfanzen finden sich im amerikanischen Urwald des
mannigfaltig Nur die Eichhörnchen beleben ihn einigermaassen , am meisten die kleinen kurzohrigen , welche, etwa von der halben Grösse der unsrigen, den
fernen Westens, nämlich die schon erwähnte Linnaea
Haselmäusen nicht unähnlich sind. Ihr braungraues
borealis , das niedliche Siebensternchen ( Trientalis und die Varietät latifolia bilden , ferner 3 Arten von
Fell hat helle Längsstreifen auf dem Rücken . Sie laufen sehr schnell über die gefallenen Bäume, stossen dabei zwitschernde Töne aus , welche an Vogel
europaea), dessen Blätter hier etwas breiter werden
Die Tierwelt des Urwaldes ist weder zahlreich noch
Wintergrün (Pirola umbellata, secunda und minor),
stimmen erinnern, und kommen ganz nahe an den
sowie das kahle Turmkraut (Turritis glabra) , und
Menschen heran .
neben einer amerikanischen Erdbeere (Fragaria virginiaca) die deutsche (Fr. vesca) , deren Ranken
Bären , sind selten und haben sich in die höheren Berge zurückgezogen .
durch das Gebüsch kriechen .
Man findet hier
Die Vogelwelt weist als häufigsten Vertreter das Waldhuhn (Grous ) auf. Man hört überall und weithin die sonderbaren, dem Ruf eines Wiedehopfs ähnlichen Töne, welche diese Vögel durch Schlagen mit den Flügeln erzeugen . Hie und da pocht auch ein Specht an den Bäumen . Am häufigsten sieht
Vorzüglich
man einen Buntspecht, mittelgross, unten grauweiss,
Tief im Walde liegen, weithin zerstreut, uralte Riesenstämme. Auf ihrem Rücken wachsen kleine Sträucher und keimen alljährlich Hunderte von kleinen Pfänzchen . Manche Stellen ihrer vermodernden Rinde sind mit dichtem Moos bewachsen .
Weisia cirrhata in grosser Menge.
Grössere Tiere, .wie Hirsche und
machen sich aber die Dicraneen breit , und Dicranum
oben schwarz mit hellen Längsstreifen und rotem
fuscescens trägt hier reiche Frucht. Dagegen tritt
Scheitel. Er schreit wie eine Katze, ist wenig scheu
das an der Pacific- Küste am Fuss der Stämme häufige und drückt sich an den Baum , wenn man ihm nahe Anomodon hier zurück .
Eine sehr kräftige Form
kommt oder etwa nach ihm wirft. Die Häher,
des in Deutschland häufigen Hylocomium triquetrum welche von Zeit zu Zeit durch den Wald streichen, (var. robustum ) überzieht zuweilen die gefallenen
kaben nicht die laut krächzende Stimme ihrer blauen
Riesenstämme und macht durch sein festes Anliegen
Brüder in den Rocky Mountains und lassen ihren
von weitem den Eindruck eines grossen Plagio-
Ruf nur selten vernehmen . Hie und da zieht auch
thecium undulatum .
eine Flucht wilder Tauben durch den Wald .
So wachsen auf dem
Rücken der Urwaldriesen
auch die zarten Moose zu bedeutender Grösse und
bedecken schützend den modernden Stamm , bis sie
mit seinem Zerfall selbst zu Grunde gehen , um neuen Pflanzengeschlechtern Platz zu machen . Einige Moose, welche sich an den Wegrändern und auf den Waldblössen angesiedelt haben,
Nach einer Stunde ununterbrochenen Steigens erreichte ich die Höhe des Berges. Sie zeigte sich ebenso dicht bewaldet, wie seine Abhänge, so dass an eine Aussicht nicht zu denken war. Da es Abend wurde , so kehrte ich um und erreichte bald das Gasthaus. Die Abende sind in Easton kühl; dichte Nebel lagern häufig an den seitlichen Thal
fallen ganz wie in Deutschland durch die Massen - wänden, und es ist ratsam , an kühlen Juniabenden haftigkeit ihrer Erscheinung auf . So umgibt Ceratodon purpureus ganz wie in Europa die Waldwegränder
einzuheizen .
Am
nächsten Tage wiederholte ich meinen
mit rötlichem Saum . Funaria hygrometrica bedeckt | Ausflug in die südlichen Berge und setzte denselben ganz wie daheim in verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung den lehmigen Boden, und in den feuchten
über die Höhe des Berges fort bis zu einer Fels gruppe, welche, mitten im Walde gelegen , eine
Vertiefungen desselben breitet sich Marchantia poly - gute Moosbeute versprach . Drei Stunden lang suchte morpha in grosser Menge aus. Noch üppiger als
ich die Melaphyr- Felswände ab , ohne in meinem >
in Deutschland tritt Leptobryum pyriforme auf,
Vorhaben gestört zu werden. Ein Geier , der sich
welches ich nie so häufig und mit so zahlreichen Früchten angetroffen habe, als im Urwald bei Easton. Wenn man diese Kosmopoliten hier unter den
über der Felswand in der Spitze einer hohen Douglas tanne niederliess , war der einzige Zeuge meiner Arbeit.
bekannten Verhältnissen wiederfindet, so täuscht man
einem Riesenstamm ein Blatt Papier angepflockt mit
Auf der Höhe des Felsens fand ich an
sich fast einen Augenblick in die heimatlichen Wäl-
der wohlerhaltenen Inschrift eines Besuchers, welche
Man findet auch , dass die Douglas-
meldete, dass er im Juni 1887, also vor einem Jahre,
der zurück .
tanne unserer Weisstanne und die amerikanische
Lärche der deutschen ganz ähnlich ist , ebenso der Haselnussstrauch und das sie umschliessende Geissblatt. Aber wenn man die Pflanzen näher betrachtet, so fallen die Unterschiede sogleich in die Augen ; diese Unterschiede, dazu die dichten Wälder , die
Ueppigkeit der Vegetation und die unendliche Einsamkeit lassen dem Fremdling keinen Zweifel darüber, dass er sich fern von der Heimat befindet.
den Felsen bestiegen hatte. Mit reicher Beute von Andreaea petrophila,
Cynodontium polycarpum , Dicranum Starkei, Raco mitrium-, Grimmia-, Timmia-, Pogonatum-, He terocladium , Pseudoleskea- und zahlreichen Hypnum Arten kehrte ich gegen Abend nach Easton zurück, um die Moose zu präparieren . Nach Osten breitet sich das abwärts ziehende
Thal des Yakima River zu einer schmalen , gras
Die Eiszeit .
492
reichen Ebene aus , welche meinem Begleiter einen willkommenen Fangplatz für mancherleiKäfer,Fliegen und Schmetterlinge bot. Dort liegt eine verlassene
geisterung auf den rechten Weg und zum rechten Ziele führen, und dass sie nirgend so gefährlich sind, wie im Urwald , wo es gilt , mit ruhigem Blut zu
Sägemühle , welche bei dem Bau der Eisenbahn in
überlegen und zu handeln und alle Zeit beherzt zu
Thätigkeit war, und von der aus ein Knüppeldamm- bleiben. Um sich zu orientieren , bestimmt man weg in den Bergwald führt. Diesen benutzte ich mit Hilfe des Kompasses und nach dem Stand der an einem trüben Tage zum Vordringen in die süd- | Sonne die Himmelsgegenden und dringt in der be
östlichen Berge. Das Laubholz tritt an den tiefer
stimmten Richtung vorwärts. Dann sucht man ge
gelegenen Thalhängen mehr hervor , als nach dem | legentlich eine lichte Waldstelle zu gewinnen, über Gebirge zu , und ich konnte an den Stämmen und Aesten des Acer circinatum zahlreiche Orthotrichen festgewachsenen Polyporen mehrere seltenere Käfer lesen . Pirola umbellata, in grossen, fast strauchigen Exemplaren , und eine grüne Orchis treten hier neben früher erwähnten Pflanzen auf, und die liebliche
sieht von ihr aus die Bildung des Thals und die Lage der bekannten Berge und gelangt endlich mühe voll, doch sicher an das gesuchte Ziel . An einem Gebirgsbach, den ich auf dem Rück weg zu überschreiten hatte, standen schöne Stauden der stachligen Fatsia horrida , welche hier fast in Manneshöhe mit ihren grossen , von unzähligen
Linnae
Stacheln besetzten Blättern überall die feuchten Gründe
und Uloten sammeln und aus den an den Stämmen
borealis' überzieht
in Gemeinschaft
mit
Pachystima myrsinites weithin den Waldboden . Eine Lerche singt, wie bei Ellensburgh, ihr Lied : » Ich lieb ’
schmückt und dem Vorwärtsdringen oft ein unüber windbares Hindernis entgegensetzt.
Zwei kleinere
die Republik .« Im Moos am Fuss der Bäume ruhen Exemplare schnitt ich mit Mühe ab und band sie Tausendfüssler und Skolopender ; grosse Ameisen bauen ihre Wohnungen ; Spinnen ziehen Netze, und
wie zwei erschlagene Feinde an die Riemen meiner Von zahlreichen Moskitos begleitet ,
Jagdtasche.
die unvermeidlichen Moskitos saugen dem Besucher
kam ich am Abend in Easton an , um mich bis
das Blut aus.
gegen 11 Uhr mit dem Präparieren des Gesammelten zu beschäftigen. (Schluss folgt.)
Bald hatte ich das Ende des Weges erreicht und suchte nun weiter bergauf durch die Wildnis vorzudringen . Es vergingen mehrere Stunden ; mein Moosnetz war gefüllt. Ich war im Zickzack hin und her gegangen und befand mich nun an unbe kannter Stelle , mitten im Urwald. Man gerät bei emsigem Botanisieren immer tiefer in die Wildnis ; man ist nur mit der Natur und ihren interessanten
Gebilden beschäftigt; die Stunden verrinnen
Die Eiszeit . Von Dr. Otto Ankel .
(Schluss.) Gerade in der zweiten Hälfte der Tertiärzeit
hat die Temperatur eine merkliche Abnahme er
bis
fahren. Wenn wir erwägen , dass in der Tertiär man sich plötzlich bewusst wird , dass man weit zeit die grossen Kettengebirge der Erde vollendet entfernt ist von jedem Weg, von jeder Wohnstätte wurden , und , wohl im Zusammenhang damit , eine der Menschen . Da und kommt Alp aller das Gefühl des Verlassenseins lagertwiesichein mit Macht eifrige eruptive Thätigkeit stattfand, so dürfen wir auf die Seele des Einsamen . Ein stiller Schauer wohl den Schluss wagen , dass der Erdkörper da mals beträchtliche Wärmemengen eingebüsst hat. Gebirgsbildung und Vulkanismus sind eine Folge Aechzen der alten Tannen, durchbebtseine Brust. Das dringt schreckhaft auf ihn der Erkaltung und Zusammenziehung des Planeten. das er bislang überhörte, ein ; ein vorüberhuschendes Eichhorn wird zum ge Es ist wahrscheinlich , dass der Mensch Zeuge ge fürchteten Fabeltier des verschrieenen Urwalds. Man waltiger Veränderungen des Sonnenballes gewesen denkt nach über mögliche Gefahren , über die un ist. Unter seinen Augen ist unsere Sonne ge gewisse Zukunft; man denkt an das zurück , was worden . » Hat sich die Erde als Ring von der
manverlassen hat, fühlt doppelt, was man entbehrt, Sonne losgelöst, so ist dieSonne einst viel grösser und sehnt sich nach den freiwillig aufgegebenen Be gewesen als heute.
quemlichkeiten, nach der fernen Heimat. Aber nicht lange dauern diese müssigen Ge danken und Träumereien .
Der erhitzte und er
Das Kleinerwerden der Sonne
hat die Erde folglich erlebt. Bei der Bedeutung der licht- und wärmestrahlenden Sonne für die lichtlose und an ihrer Oberfläche erkaltete Erde war das Er
mattete Körper beginnt sich allmählich zu erholen; 1 leben unzertrennlich von einem Erfahren. Jede ein Blick auf die reiche Beute gibt dem Geiste neue
Aenderung in der Konstitution der Sonne war gleich Kraft und neuen Lebensmut. Fast mit Begeisterung bedeutend mit einer Aenderung in der Besonnung
tritt man die Rückkehr an . Man will den Berg hinabeilen ; man fühlt die Kraft, sich durchzuschleppen
der Erde 1). Verdichtete sich die Sonne im Wege der mechanischen Arbeit der Gravitation , so war die
durch daszu hindernde Gesträuch, alten Rücken Baum Folge für sie selbst eineSteigerung des Wärmevorrats, stämme überspringen, oder aufdieihrem die Folge für die Erde : eine intensivere Beleuchtung sicher und beherzt dahinzuschreiten .
Aber der ruhige Verstand sagt uns, dass weder müssige Träumereien noch überschwengliche Be-
1) Die klimatischen Schwankungen unserer Zeit bringt man ja auch vielfach mit den Sonnenflecken in Zusammenhang.
Die Eiszeit.
493
und Erwärmung. Verdichtete sich die Sonne im Wege | nährung und Vermehrung gerichtet war, gab, abge der Sphärenbildung durch Niederschlag, so koncen- sehen von den sicherlich auch vorhandenen psycho trierte sie ihre Licht- und Wärmestrahlen, und die logischen Momenten, die Veränderung der Daseins Folge für die Erde war ebenfalls eine lebhaftere bedingungen. Unter denselben gebührt den klimati Besonnung ... Die Erde muss demzufolge heute ein schen Faktoren ohne Zweifel die erste Stelle. wärmeres Klima haben als in der Vorzeit , und
» Wenn auch der Anfang der Kultur nicht durch
allem menschlichen Ermessen nach ein nicht unbe-
physische Einflüsse allein bestimmt wird, so hängt
trächtlich wärmeres. Reicht die heutige Besonnungs- doch die Richtung derselben , so hängen Volkscha energie aus, um die mittleren Breiten der Erde wohl- rakter, düstere oder heitere Stimmung der Menschheit
bewohnbar zu machen, so war die frühere, erheblich
grossenteils von klimatischen Verhältnissen ab « ?).
geringere , dazu nicht im stande! Die mittleren So gewiss der Bewohner des Festlandes an Lebens Breiten miussten vergletschern aus Mangel an Sonnen- weise und Charakter ein anderer ist als der Insu wärme. In vollem Einklange hiermit steht die geo- laner, der Sohn der Berge verschieden von dem logisch konstatierte Thatsache, dass die Erde in Nachbar, der in Thal und Ebene lebt, der Urwald von
der
einem früheren Zeitalter, dem des sogenannten Dilu-
bewohnende Wilde sich unterscheidet
viums, ein Klima hatte, welches sehr bedeutend
schweifenden Rothaut : so sicher haben klimatische
niedriger war als das gegenwärtige . In vollem Ein- | Bedingungen an der Differenzierung des Menschen klange damit steht ferner die bis in die Neuzeit zu
geschlechts hervorragenden Anteil gehabt. Einheit
verfolgende Wiedererwärmung der Erde , die sich
der Art ! Unendliche Mannigfaltigkeit in Gestalt , Farbe , Sprache , Sitteg! Verhältnismässi spät , soweit gegenwärtig unsere Kenntnis reicht, ist der Mensch Bewohner dieser Erde geworden . Unter einem glücklichen Himmel hat er die Tage der Kindheit verbracht . Reichliche Nahrung stand ihm zu Gebote . In träger Genüg
Schritt für Schritt kundgibt in dem Wandern der Kultur aus den unter einem Uebermaass von Wärme
ausdörrenden Ländern niederer Breiten in die klimatisch aufblühenden höherer Breiten . Ein interes-
santes Licht wirft auf die ganze Angelegenheit der
Mythus der alten Kulturvölker ), nach welchem die Menschheit erlebt hat, was wir so lange als vor einer Ewigkeit aufzufassen gewöhnt waren : das Werden der Sonne im Sinne eines Ueberganges in andere Zustände « 2). Hier scheint der Schlüssel zum Rätsel der Eiszeit zu liegen . Als mitwirkende Fak-
samkeit , nichts vermissend , nichts verlangend, lebte er dahin . Nicht katastrophenartige Ereignisse dürften ihn aus seinem Paradiese vertrieben haben , auch
keine planvolle Auswanderung hat ihn geleitet : allmähliche eWandlung des Klimas zerstreute die nschlich Gesellschaft. Der Himmel, unter dem me ur en ng ku ung toren , vor allem zur Erklär der Schwan innerhalb der Glazialperiode, mögen auch andere unsere frühen Ahnen wohnten , kannte jedenfalls kosmische Faktoren , wie Perihellage und Excentri- keine grossen Gegensätze : gleichmässige Wärme und >
cität heranzuziehen sein : in der Hauptsache erblicken
wir in der Eiszeit eine in sich abgeschlossene Epi-
sode in der Erdentwickelung . IV .
den Einfluss der Eiszeit auf die Entwickelung der Menschheit und ihrer Kultur.
Den Anstoss zur Hebung des Menschen aus dem urzeitlichen Naturzustand, in dem sein Sinnen
und Trachten lediglich auf die Geschäfte der Er1) Hierher gehören die Flutsagen (die Fluten kamen, als die Sonne sich ihrem heutigen Zustande näherte , die Glet scher abschmolz, die Verdunstung beförderte ); die Sage von den
proselenischen ( vormondlichen ) Arkadern und Mozcas von bei den letzteren sind Mondbildung und Flut in Be
ziehung gesetzt — ; vielleicht auch die dem klassischen Schöpfungs bericht der Bibel zu Grunde liegende Tradition von der Schaf
fung des Lichts (des bleichen, grossen Sonnennebels) am ersten, der Setzung von Sonne und Mond (dieser konnte erst dann leuchten , als er genügendes Licht von der Sonne empfing) am
vierten Tage; die sinnige Erzählung von der Entstehung des Regenbogens bei Beendigung der Sintfut ( vorher war das
Sonnenlichtzu wenig koncentriert, um die bunte Strahlenbrechung in der irdischen Atmosphäre hervorzurufen ) u. a. m. Humboldt, Kosmos III, S. 314 ; S. 342 ff.
Kultur .
Wo der Urmensch gesessen auf Erden , wann zuerst Abkommen von ihm nach Europa gewandert sind ?), wissen wir nicht. Nur das bestätigen die paläontologischen Funde, dass zur Eiszeit der Mensch in Mitteleuropa der Genosse der grossen Dickhäuter und Raubtiere war. Der Hereinbruch der Eiszeit war für die Lebe
welt von einschneidendster Bedeutung :). Pfanzen und Tiere änderten die Lebensweise, wanderten aus oder starben .
Neue Formen und Trachten kamen
von Norden herab, kräftige Gestalten, zum Streite herausfordernd. Enger und enger wurde der Raum , den die Gletscher freiliessen , heftiger entbrannte der Kampf ums Dasein. Jetzt galt es, die Sinne zu schärfen , die Faust zu rüsten zum Ringen mit der kargenden Natur. Die segensreiche Kraft des Feuers
Vergl.
2) Moldenhauer, Das Weltall und seine Entwickelung. Köln 1882 , II , S. 403 f. der Erde« , S. 354 ff.
Natur. Nur die rhythmische Folge von Tag und Nacht brachte ein wenig Wechsel in das stete Einerlei. Da fehlten natürlich alle Bedingungen des Fortschritts , alle Voraussetzungen einer geistigen
Es erübrigt, noch einen Blick zu werfen auf
Bogota
Feuchtigkeit, ein ewiges Blühen und Reifen der
Vergl. den Abschnitt „ Die Eiszeit
1) Humboldt, Ansichten der Natur, S. 177 . 2) Warum sollte nicht das warme mitteltertiäre Europa die Heimat selbst sein ?
3) G. Jäger, Deutschlands Tierwelt. Stuttgart 1874 , S. 17 ff.
Die Eiszeit .
494
trat in ihr Recht ; die ersten Erfindungen wurden welche für die Pflanzen- und Tierwelt vielfach Ver im Drange der Not gemacht, Waffen , Geräte , Werk- nichtung brachte, für den die heimatliche Scholle zeuge, Gewänder verfertigt. Der durch die Ver- liebenden Menschen aber zumeist die Veranlassung hältnisse bedingte Uebergang von der Pflanzen- zur wurde , im Widerstreit mit den veränderten Be Fleischnahrung veränderte Gebiss, Muskulatur und | dingungen die geistigen Waffen zu schärfen , sich Nervensubstanz. Neue Vorstellungskreise traten auf, auf eine höhere Stufe des Seins zu erheben, sich die alten erweiterten sich . Die Sprache wurde reicher, zum Herrn der Natur zu machen. die erhöhte Thätigkeit hatte eine Vermehrung der Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir die
Verbalwurzeln zur Folge. Raum und Zeit und die günstigsten Lebensbedingungen während der Eiszeit
Kategorie der Kausalität gewannen tiefere Bedeutung. zwischen den Wendekreisen suchen . Nicht in dem Die Schwierigkeit des jagdmässigen Erwerbes des Unterhaltes gab vielleicht die Anregung zur Zähmung von Haustieren .
ruhelosen Ringen um Speise und Trank, schützen des Obdach und wärmendes Gewand wurde hier die menschliche Thätigkeit erschöpft ; es blieb auch
So lebte der Eiszeitmensch, umgeben von einer
Zeit, edlere Bedürfnisse zu befriedigen. Wenn es
düsteren Natur, mitten in Gefahren, rüstig um sein Leben ringend , aber nicht ohne Gewinn an Leib
zeugten Kultur gekommen ist, so haben wir die
trotzdem
in diesen Breiten zu keiner denkmalbe
und Geist . Fragen wir nach seinem Charakter, » so
Gründe ebenfalls auf klimatischem Gebiet zu suchen .
werden wir in ihm nicht jenen mürrisch -traurigen Einsiedler erwarten dürfen , dessen Bildung unserer Auffassung von seinem grenzenlos armseligen Zu-
Die Zeit, welche der äquatorialen Menschheit zu ihrer Entwickelung vergönnt war, war zu kurz, als dass dieselbe weit über die Anfänge hinausgekommen wäre.
stande entspräche.
Das organische Werden vollzieht sich eben langsam
Wir werden ihn vielmehr in
nach immanenten Gesetzen. Zu früh ging die Eis gleichen können. Dieser hat an seiner Lebenserhal- zeit zu Ende, zu früh sandte die Tropensonne ihre tung ein grosses Maass von Fürsorge zu üben. Allein senkrechten Strahlen herab. Jetzt vollzog sich eine dieses ist ihm nun einmal geläufig geworden und umgekehrte Verschiebung der Isothermen nach den genügt ihm in der eigentümlichen Beschränkung, in Polen hin , mit ihr eine Wanderung der Kultur. der er lebt. Er sucht keine neuen Wege darüber Der heilsame Einfluss des jahreszeitlichen Wechsels hinaus, sondern ist mit seiner Lebensausrüstung zu- gewann an Bedeutung , mannigfaltiger wurden die dieser Hinsicht dem Grönländer früherer Zeiten ver-
frieden« ?). Tylor ?) stellt den europäischen Eiszeitmenschen dem Eskimo der Hudsonsbai von heute
Daseinsbedingungen, individueller die Entwickelung, reicher die Kultur, stofflich wie geistig. Bald waren
an die Seite, welcher wie jener von der Jagd des
die subtropischen Länder die klimatisch am meisten
Rentieres lebt und trotz der natürlichen Beschränkt- begünstigten. In ihnen , in den Breiten des südlichen heit seiner Erwerbsmittel zu einer für seine Verhält- Mittelmeeres, in Nordafrika und Südasien, haben wir nisse kaum noch zu erhöhenden Lebensfürsorge fort- darum die ältesten Kulturen zu suchen. Hier voll geschritten ist und dabei mit Vorliebe seine oft
zog sich der Wechsel ziemlich rasch .
lange Zeit brachgelegte Thatlust in gleicher Weise und mit gleichem Geschick beschäftigt.
gab es keine , nur reiche Niederschläge hatte die
Für eine höhere Kultur war nun freilich in den
Gletscher
Eiszeit gebracht. Der Himmel wurde heiterer, die Luft wärmer.
Für die alten Kulturen in Mexiko
Ländern der Gletscher kein Raum . Die ewige Sorge und Peru wurde der Nachteil der Aequatornähe um des Lebens Nahrung und Notdurft verbot jede weitere Thätigkeit, und wenn, wie die Einritzungen
durch die Höhenlage ausgeglichen. Der subtropische Eiszeitmensch, glücklicher als
von Tiergestalten auf Knochenstückchen zeigen,
sein europäischer Vetter, trat nicht unvorbereitet an
noch Zeit blieb zu künstlerischen Versuchen , so be-
seine hohe Aufgabe heran. Immerhin hatte sich die Temperaturabnahme auch in diesen Breiten merklich geltend gemacht. Kämpfte der Mensch
kunden Material und Zeichnung , in welcher Richtung sich die Gedanken bewegten. Hunger und Liebe varen die Pole , um die sich das Interesse drehte.
Niemals konnte sich hier die Kulturmensch-
auch nicht den harten Kampf der Höhlenbewohner, so war er doch weit entfernt vom Ueberfluss. Seine
werdung vollziehen; das musste in glücklicheren
Muskeln waren erstarkt , sein Geist geweckt . So
Breiten geschehen, in Gegenden, gleich weit entfernt
begann er seine Mission . Wenn wir die Thatsache ins Auge fassen, dass die subtropische Kultur in historischer Zeit eine Ver schiebung nach Norden erfahren hat ; wenn wir weiter bedenken, dass heute die Kultur bis zu 60 ° n . Br. und darüber gewandert, in ihren alten Sitzen aber,
vom
lachenden Ueberfluss , wie vom lähmenden
Mangel . Die Klimaänderung , die bereits während der Tertiärzeit zur Erscheinung kam , dann in der Eiszeit mit Nachdruck sich geltend machte, hatte eine
Wanderung der Isothermen gegen den Aequator hin , wesentlich aus klimatischen Gründen, erstorben ist, eine Verschiebung der Wärmezonen zur Folge,
so will uns scheinen , als stünden wir noch mitten in
') J. Lippert, Kulturgeschichte der Menschheit, I, S. 47. 2) Tylor, Einleitung in das Studium der Anthropologie
dem Prozesse , der zu Ende der Eiszeit begonnen hat.
2
und Civilisation , S. 39.
Es muss freilich zugegeben werden, dass die Mensch heit mit fortschreitender Erstarkung die räumlichen
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
Horizonte Schritt vor Schritt erweitert , trotz ungünstiger Bedingungen, und gerade dort die Kultur-
495
den Ausführungen nur anregen, zur Prüfung, Kritik und Forschung auffordern wollen . Weit entfernt
arbeit aufnimmt, wo Thatkraft und Intelligenz
sind wir, zu glauben, das Problem der Eiszeit sei
Triumphe feiern können . Die Schaffenslust ist eben ein göttliches Erbteil der Staubgeborenen . Trotzdem
durchaus gelöst, alle einzelnen Fragen entschieden . Wir stehen eher am Anfange, als am Ende der Er
sehen wir den Hauptanstoss zur nordwärts gerichteten örterung. Bei der Schwierigkeit der Aufgabe, der Kulturwanderung in klimatischen Aenderungen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Eiszeit eine Gesamt Wüste rückt - daran ist nicht zu zweifeln – gegen wirkung kosmischer und irdischer Faktoren darstellt,
das Mittelmeer vor. Alte Flussläufe sind vertrocknet; bedarf es fernerhin eingehender Untersuchungen auf mächtige Ruinen , halb vergraben im Sand , sind stumme Zeugen entschwundener Pracht 1). Und
verschiedenen Gebieten, Prüfung der Prämissen , wie
sollte das noch zu Cäsars Zeiten unwirtliche Klima
die wissenschaftliche Grundlage zu erweitern , vor
von Deutschland nur historischen Bedingungen seinen
allem in den vordiluvialen Ablagerungen nach
der Schlüsse. Geologie und Paläontologie haben
heutigen Zustand verdanken ? Sicherlich spielen hier Glazialspuren zu suchen ; der Astronomie liegt es auch andere Faktoren eine Rolle : die Erde ist noch dabei, sich von den Schrecken der Eiszeit zu erholen .
In vorzüglicher Weise hat die Eiszeit zur Differenzierung der Menschheit beigetragen. Sie
ob, die möglichen Störungen genau zu berechnen und ihre Folgen zu erwägen , auch mit wachsamem Auge die Veränderungen auf unseren Nachbarplane ten Mars und Venus zu verfolgen ; die Klimakunde muss die empirischen Erkenntnisse zu Gesetzen ver
war der Ansporn zu erhöhter Thatkraft , zu reicherer dichten , besonders dann den historischen Klima Muskel- und Geistesthätigkeit, der Durchgangspunkt schwankungen nachspüren. Das aber kann schon zur Kultur.
Sie ist die Geburtsstunde der
Kulturmenschheit.
jetzt betont werden : der Schwerpunkt der Frage liegt auf dem kosmischen Gebiet. Möge es der
Aber nicht nur für den körperlich-geistigen Königin der Wissenschaften gelingen, die noch be Aufschwung der Menschheit ist die Eiszeit von Be- stehenden Zweifel ganz zu lösen ! deutung geworden : die fruchtbare, lockere Erdschicht, die heute den lebendigen Fels weiter Gebiete bedeckt, zum Teil deren landschaftlichen Charakter bestimmt, und in welcher die gesamte Kultur wurzelt und blüht, sie ist wesentlich das Resultat der eiszeitlichen
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis ') und Tripolis. Von M. Quedenfeldt.
Massentransporte , mögen dieselben nun durch Glet scher, Wasser oder Winde erfolgt sein . » Liefert uns
die Karbonformation die Hauptmasse der Kohle, Perm- und Triasformation Salz, so spendet uns das Diluvium mehr als jeder andere Untergrund Korn « ?). Es ist nicht unmöglich, dass die Erde zu Ende der
(Fortsetzung .) Bevölkerung von Tripolis,
An Zahl ungefähr den fünften Teil derjenigen von Tunis ausmachend , zeigt die Bewohnerschaft
von Tripolis ?) neben manchen Analogieen doch vie
Tertiärzeit eine gewisse Müdigkeit und Erschöpfung lerlei Verschiedenheiten in ihrer Zusammensetzung zeigte. Die Umhüllung mit fruchtbaren Ablage- im Vergleiche mit der tunesischen. Zunächst bringt Unter
die türkische Herrschaft , die bekanntlich in Nord
diesem Gesichtspunkte würde sogar der Gedanke
afrika allein nur hier und im Wilajet Bengåsi noch
rungen ist eine Art Verjüngungsprozess.
an eine Periodicität der Eiszeiten in Ansehung der uneingeschränkt besteht , Elemente herbei, die dem Zukunft seine Bitterkeit verlieren . Eine künftige Ganzen ein abweichendes Gepräge geben. Hierzu Eiszeit wäre allerdings gleichbedeutend mit einer
gesellen sich Nigritier der verschiedensten Herkunft,
teilweisen Vernichtung und beträchtlichen Einengung
die hier zahlreicher vorhanden sind , als in irgend
der Kultur, dann aber könnte aus dem jungfräu- einer anderen Stadt des Magrib , ferner Vertreter lichen Boden neues Leben erblühen.
vieler tripolitanischen Tribus und solcher aus der
Auch die glaziale Seenbildung durch Gletscher- Cyrenaika --- und alle diese Typen in ihren ver erosion , die Bewahrung vordiluvialer Seebecken vor schiedenen Trachten vereinigen sich gleichfalls, um Ausfüllung mit Schwemmablagerungen durch die ) Vergl. » Auslanda 1890, Nr. 16-19 . Gletscher ist von kultureller Bedeutung. Abgesehen von dem Reize landschaftlicher Schönheit, erleichtern die Seen den Verkehr, und ihr Fischreichtum bildet
eine nicht unwichtige Erwerbsquelle.
2) Die Türken nennen das nordafrikanische Tripolis » Tarå bõluss «, die Araber » Tråbliss« , aber mit dem Zusatze : el-garb , »
1
das westliche , im Gegensatze zu der gleichnamigen syrischen
Stadt ( Tarâbliss esch -Schâm ). Auch die am Mittelmeer wohnen den europäischen Nationen , wie Franzosen, Italiener, geben die
Wir haben , selbst angeregt, in den vorstehen
ser Unterscheidung Ausdruck , indem sie, korrekter als wir, die
?) Vergl . über diesen Gegenstand die bekannten Arbeiten
afrikanische Stadt stets Tripoli de Barbarie oder di Berberia nennen . Die richtige Schreibweise im Deutschen muss übri gens, der Ableitung aus dem Griechischen und Arabischen ge
von Th . Fischer, ferner Götz , Die dauernde Abnahme des
fliessenden Wassers auf dem Festland der Erdle. Verhandlungen des 8. Deutschen Geographentags 1889 . 2) Neumayr, Erdgeschichte. II , S. 554.
mäss , Tripolis sein und nicht Tripoli, welch letztere Schreib weise sich trotzdem immer mehr, auch in wissenschaftlichen Pu .. blikationen , bei uns einzubürgern beginnt.
gselemente
Die Bevölkerun
496
der Städte Tunis und Tripolis .
dem Strassenleben von Tripolis einen wesentlich anderen , eigenartigen Charakter zu verleihen . Wenn Tripolis auch in den letzten Jahren durch
bis acht Kaufleute aus Fäss in der Stadt auf, welche
Verhältnisse, deren nähere Erörterung nicht hierher
wirkten Hâïks u. dergl., einen , wie ich glaube, ver
gehört ?), als Handelsplatz etwas zurückgegangen ist,
hältnismässig einträglichen Handel treiben .
am Ssük et- Turk, der Hauptbazarstrasse, ihre kleinen Läden haben und mit den sehr geschätzten Stoffen die Wirren im östlichen Ssudân und durch andere ihrer Heimat, feinen weissen, mit Seidenstreifen durch so ist der Karawanenverkehr aus dem Innern der so
Ihre Strassentracht, dunkelblaue Tuchdjillába oder
überaus günstigen maritimen Lage der Stadt wegen doch immer noch bedeutend genug, um so mehr, als
eine solche von weisser flockiger Wolle, gelbe marok
das Nachbarland Tunesien seit der Okkupation von den aus dem Süden kommenden Karawanen fast
gewickelter weisser Turban , unterscheidet sie sehr
ganz gemieden wird.
kanische Schuhe, ein Tarbusch oder bei Bärtigen glatt von den Tripolinern .
Durchpassierende marokkanische Pilger habe ich
Tripolis ist von einer riesigen Palmenanpflan- ziemlich häufig , ambulante Quacksalber, Aissâua , zung umgeben , welche Meschứa ( seltener Menschia ) | Uled Ssidi Hammed-u -Mússa und Schatzgräber aus H. Barth , etwa eine Million Palmen enthält. Diese
diesem Lande seltener angetroffen . Während meiner Anwesenheit in Chomss ') , zwei kleine Tagereisen
Oase, in welcher sich zahlreiche Häusergruppen und
östlich von Tripolis, im Mai v. J. wurde dort ein
genannt wird und, nach einer älteren Schätzung von
kleinere Dörfer , Landhäuser,, Gärten mit Ziehbrun- | Garbi aus der Kassba Setrát in der Provinz Schâuija, nen u . S. w. befinden, und die in verschiedene Distrikte bei deren Kâïd ich 1886 einige Tage zugebracht,
zerfällt, wird gegenwärtig mit der unmittelbar im
ausgewiesen , weil man ihn in Verdacht hatte, in den
Osten sich anschliessenden Oase von Tadjûra vielleicht eine Bevölkerung von 40000 bis 45000 Seelen
benachbarten Ruinen von Leptis magna nach Schätzen suchen zu wollen ). Die Mehrzahl aller ķubbas oder Heiligengräber im nördlichen Tripolitanien birgt die irdischen Reste
haben .
Die eigentliche Stadt, mit der wir uns hier im besondern beschäftigen, umfasst gegen 30000 Bewohner, welche sich ungefähr wie folgt zusammensetzen : 13000 Araber, Berber oder Neger, 4000 Türken ( einschliesslich Garnison ), 8000 Juden, 5 000 Europäer. Natürlich können die vorstehenden Zahlen, bei
dem Mangel jeder Statistik , nicht auf besondere
marokkanischer Scherife oder Merâbetin .
So über
nachtete ich auf meiner Tour nach Missráta einmal
am Uâd er-Rmel (oder Uâd er-Rámla, » Sandfluss« ), da , wg dieses Flüsschen sich ins Meer ergiesst ; bei den
Nachkommen eines Heiligen, Ssidi Ben Nûr aus der Provinz Dukkala im
mittleren westlichen Marokko ,
welcher in der Nähe dieses Küstenflusses begraben liegt. Eine gleichnamige Ķubba befindet sich in der
Genauigkeit Anspruch machen . Sie beruhen aber auf Provinz Dukkâla selbst"). Diese Verehrung der Sche wiederholten und miteinander verglichenen Erkun digungen bei älteren Mitgliedern der verschiedenen
Gruppen und dürften somit der Wahrheit wenigstens ziemlich nahe kommen .
1) Der Ort soll so genannt werden , weil er an der fünf ten Meereseinbuchtung, von Tripolis an nach Osten gerechnet, liegt - eine mir sehr fragwürdig erscheinende Ableitung. Die Bewohner des Distrikts sind nicht Chamssia .
Ich gehe nun zu einer Besprechung der ein zelnen Kategorieen über, deren Gesamtresultat sich um so kürzer gestalten kann , als viele der hier in Betracht kommenden Elemente schon ausführlicher
im vorigen Abschnitte besprochen worden sind. A. Mohammedaner.
2) Das Misstrauen der türkischen Behörden erstreckt sich auch auf die Europäer, welche Lebda besuchen. Nachgrabungen dort sind auf das strengste untersagt. Ueberhaupt hat es sich der gegenwärtige Wali , Ahmed Rassim Pascha, unweigerlich zur Norm gemacht, keinem Europäer die Erlaubnis zu einer Berei sung des Innern zu geben. Selbst auf einen Firmân von Kon stantinopel hin erteilt wird
Mit den fremden Zuzüglern , und zwar wieder
der übrigens in jüngster Zeit auch nicht mehr ist dies unter dem jetzigen Wali nicht mehr
geschehen. Personen, welche ohne Erlaubnis abzureisen versuchen ,
vom äussersten Westen des afrikanischen Kontinents
werden mit Gewalt durch Polizei oder Militär daran verhindert .
beginnend, erwähne ich , dass ich Marokkaner nur
Der Pascha motiviert seine Weigerung mit dem Hinweis auf die im Lande herrschende L'nsicherheit , und es ist auch nicht zu leug nen , dass im letzten Jahrzehnt eine Steigerung des muselmanischen Fanatismus in diesen Gegenden stattgefunden hat , deren Ursachen
ganz vereinzelt in Tripolis angetroffen babe. Ein Proletariat aus diesem Lande, welches, wie wir ge
sehen haben , namentlich seit der Okkupation in Tunis so zahlreich ist, fehlt hier ganz; ein Bedarf an
in den maħdistischen Kämpfen in Oberägypten und in der Occu
Arbeitskräften , wie ihn ein aufstrebendes Land ver
aber auch bei den türkischen Behörden die durch das letztere
pation Tunesiens durch die Franzosen zu suchen sind . Viel thut
langt, ist unter dem versumpften türkischen Regime Ereignis wachgerufene Spionenfurcht,, namentlich, da man den 1
Italienern Annektierungsgelüste auf Tripolis oder die Cyrenaika
nicht vorhanden . Dagegen halten sich etwa sechs 1 ) Elfenbein kommt fast gar nicht mehr nach Tripolis, und
zuschreibt. Der Umstand, dass die türkische Regierung für die an Gerhard Rohlfs durch die Ssûja verübte Plünderung hat Scha denersatz leisten müssen , trägt gleichfalls zu dem ablehnenden
auch der Handel mit Straussenfedern hat infolge der Leberfüllung
Verhalten des Wali bei.
des europäischen Marktes mit diesem Artikel, wozu sich noch die Konkurrenz durch die südafrikanischen Straussenzüchtereien ge-
3) Dieser Heilige ist dort der angesehenste und zuweilen wird die ganze Provinz » Beled Ssîdi Ben Nûr « genannt . Ein
sellt, in den letzten Jahren grosse Stockungen erlitten. "
marokkanisches Liebeslied beginnt mit den Worten :
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
497
rife aus dem Garb ist in den östlicheren nordafrika-
Dann sind Schiffer von den Ķ érķena-Inseln ,
nischen Ländern ganz allgemein . Die marokkani-
viele jüngere Tunesier, die sich der vorgeschriebenen
schen Schürfa gelten dort als die echtesten und frömm- Dienstpflicht beim 4. Regiment der Tirailleurs (Gar sten und stehen in höherem Ansehen als die Mekkaner.
nison Ssûssa) entziehen wollen ), sowie Auswan
Algeriner sind weit zahlreicher in Tripolis,
derer , welche seit 1881 die Regentschaft verlassen
als die Marokkaner. Sie gehören meist Familien an , welche schon vor längeren Jahren nach der Besitzergreifung Algeriens durch die Franzosen hierher
haben , in Anzahl da. Verschiedene Stämme aus dem südlichen Tunesien , welche nicht unter der
ausgewandert sind. Ihre Frauen verheirateten sich
halb mit Kind und Kegel auf tripolitanisches Gebiet
>
Herrschaft der Franzosen leben wollten und des
in früherer Zeit und vielfach noch heute mit Türken übertraten , nomadisieren noch gegenwärtig in der und Kuluglia. Auch zahlreiche Schürfa, namentlich
grossen Djefâra-Ebene im Nordwesten des Wilajets,
aus der Provinz Oran , gibt es unter diesen nach
so u . a . nach dem » Indicateur tunisien 1888 « die
Tripolitanien ausgewanderten Algerinern.
Fraktionen der Ulêd Ahmed und Ulêd Chalifa des
Die Tunesier verschiedenster Branchen bilden wohl das zahlreichste Fremdenkontingent. Am stärk-
berüchtigten Räuberstammes der Urgámma. Eine unrichtige Angabe, die ich in dem eben genannten
sten sind die handeltreibenden Djeraba vertreten.
Buche über diese Tribus finde, sei hier noch berich
Sie stehen unter einem Ukil, der sie zuweilen (wie
tigt : Die Akkâra (oder ‘Akkâra ), welche S. 251 als eine der vier grossen Abteilungen der Urgámma
der berüchtigte Ssadiķ Ben 'Ali Gassim vor etwa 20 Jahren ) in schmählicher Weise brandschatzt, er-
aufgeführt werden, sind ein denselben zwar benach
freuen sich aber doch bei ihrer kommerziellen Begabung durchschnittlich eines guten Wohlstandes.
barter, aber selbständiger, auf der der Insel Djerba gegenüberliegenden Halbinsel von Sarsîss wohnender
Wie ich schon im vorigen Abschnitte anführte, sind die Djerbiten zum grossen Teile Berber ; etwa 7-8000
Stamm . Alle diese südosttunesischen Tribus gehören zu dem grossen Utan (oder ķaidat) el-'Arad. Ueber
von der Gesamtbevölkerung der Insel sprechen Schilḥa,
die Sprache der Urgámma gehen die Angaben ausein
wie sie sonderbarerweise, ähnlich den Berbern der süd-
ander. Nach meinen Informationen sprechen die No
marokkanischen Gruppe, ihr Idiom selbst bezeichnen . Nach Ibn Chaldún entstammen die Djerâba der alten Berber-Tribus der Lemâia, welche Faten, den Sohn
rend die in den Bergen (Djebel el-Gela'at) ein dem von
maden der Ebenen einen Dialekt des Arabischen, wäh Támasret u. a. sehr verwandtes berberisches Idiom
des Temsit und Enkel Dari's zum Urvater hat. sprechen. Im Thale des Vâd Tettâuin ( » Fluss der Quel Schon im Jahre 144 der Hedjra (762 n . Chr.) len «), am Djebel Gelaat wohnen die in Kartell mit bekannten sich die Lemaia zur ibadhitischen ihnen stehenden Hauâia. Ein Teil der ausgewanderten Lehre, als sie unter Ben Rosstem , vereinigt mit den
Tribus ist allerdings wieder — Amân oder General
Luuâta, die Festung Tehert oder Tiaret (in der heu - pardon verlangend — nach seinen früheren Weide tigen Provinz Oran ) gründeten . Nach der Zerstörung
plätzen im Tunesischen zurückgekehrt.
Zwischen
dieses Platzes durch Jáhia Ben Gania, den letzten der Chomss und Sliten rastete ich einige Stunden in lemtunischen Almoraviden, im Jahr 620 der Hedjra,
einem Duar solcher ausgewanderter Tunesier , die
wandte sich ein Teil der vereinigten Lemâia und Luuta nach der Insel Djerba (dem Girba der antiken Schriftsteller), wo sie sich mit den Sseduikisch, einem ver-
aber mit den Verhältnissen in ihrer neuen Heimat sehr unzufrieden waren . Unter der einheimischen mohammedanischen
wandten Stamme ketamischen Ursprungs, vereinigten
Bevölkerung sind zunächst die eigentlichen Stadt
und seither von der genannten Insel ihren Namen entlehnten ). Die von mir im vorigen Abschnitte ( Nr. 19 , S. 371 ) erwähnte Sitte der ketzerischen Djerâba , beim Beten das Beinkleid abzulegen , ist
bewohner zu nennen . Das altangesessene, maurische
Element ist in Tripolis nur in geringem Maasse vertreten .
Die Stadt hat in der muselmanischen
Welt niemals im Rufe einer besonders industriellen ,
eine Uebertreibung der auch den Malekiten anhaf- frommen oder gelehrten Stadt gestanden. Das Gros tenden Furcht, mit einem durch einen Tropfen Urin oder eine Pollution (die Leute schlafen meist in
der heutigen Stadtbewohner bilden die Nachkommen vor längerer oder kürzerer Frist eingewanderter Land
ihren bauschigen Gewändern) verunreinigten Bein - bewohner arabischer oder berberischer Abkunft. Die kleid eine Djema' zu betreten . Das Gebet in dieser Sprache ist ein vom Tunesischen verschiedener Dia Verfassung hat keinen Wert. Diese Furcht vor Verunreinigung ist es auch , welche die Magribiner so
lekt des Arabischen .
Die Kleidung der Trâblissia ist von der in den
vielfach veranlasst, in hockender Stellung zu urinieren. übrigen Städten des Magrib üblichen in verschie Ha lélla, ha lélla , Ana Dukkâli
Min el-hâus Ssîdi Ben Nûr
O Mädchen , Ich bin ein Dukkâli Aus dem Lande von Ssidi Ben Nûr.
denen Punkten abweichend ; zum Teil sind dies auch die Bezeichnungen für die einzelnen Bekleidungs stücke. Aus diesem Grunde, und auch deshalb, weil
Gewöhnlich bedeutet vel-ḥaus« das Hinterland der oder jener Stadt. 1) Histoire des Berbères etc. , traduit par le Baron de Slane, Notes de Lexicographie berbère. Extrait du Journal asiatique I,
1) Während die drei ersten ( algerischen ) Tirailleur-Regi. menter , da in Algerien für die Mohammedaner keine Verpflich tung zum Dienen besteht, sich aus freiwillig Angeworbenen rekru
Paris 1883 , pag. 24 et 25 .
tieren, werden die des 4. (tunesischen) Regiments ausgehoben.
Alger 1852 , Tome I, pag. 172 und 245. Vgl. auch René Basset,
emente
rungsel
Die Bevölke
498
s der Städte Tunis und Tripoli .
meines Wissens nirgends etwas Genaueres darüber veröffentlicht ist , sei mir hier eine eingehende Be-
den ganzen Körper umhüllt, wird häufig noch ein blauer Tuchburnus mit Seidenschnüren und Quaste
schreibung der Männer- und Frauentracht gestattet.
verziert getragen,
Auch die Waffen und das Reitzeug der reichen medanische Trachten Gewöhnten auf, dass die Tri- Tripolitaner sind zuweilen sehr wertvoll . Man sieht politaner , auch ältere, bärtige Leute , selten das Tur- reich mit Silber oder Gold ausgelegte şarabilen , Beim ersten Anblick fällt es jedem an moham-
bantuch tragen , welches hier Ssemäla (in Tunis
Kaschta , in Marokko Ersa) genannt wird und aus
Pistolen und Gewehre, ziselierte Steigbügel und eben solche Griffe von Handwaffen ; Sattel, Zaum und
weissem Baumwollenstoff mit Seide durchwirkt be-
Pistolenhalfter strotzen oft von Samt und Gold
steht. Der Kopf ist meist nur mit dem hier Tagia genannten roten Fez mit blauer Seidenquaste bedeckt, unter dem ein ‘Araķia genanntes Käppchen aus weisser
stickereien . Ein solcher Luxus , der den Geboten des Ķorân
widerspricht , ist bei den strenggläubigeren Marok Leinwand getragen wird. Diese Bezeichnung be- kanern verpönt. Samt und Gold sind dort den deutet wörtlich »Schweisskäppchen «, und dasselbe Frauen reserviert. Der Sultan Mulai Hassan selbst dient auch in der That dazu, um durch Aufsaugen trägt nur silberne Ringe, eine silberne Uhr und
dieser Feuchtigkeit den Fez zu schonen . Der ganze nimmt seinen Thee von einer silbernen Tablette Kopf , mit Freihaltung des Gesichts , wird in die
der im ganzen Lande üblichen runden (nie vier
Hâuli ") oder Hirâm genannte togaartige Umhüllung,
eckigen ) Form .
ein grosses , viereckiges Wollentuch , weiss oder schmutzig grau und sehr dick, gewickelt. Die Reichen tragen eine sehr hübsche, kostspielige Variante dieses Hâuli , aus dünner , feiner Wolle mit glänzenden
Die Tracht der reichen Tripolitanerinnen stellt, was Kostspieligkeit anbelangt, die mancher vorneh
Seidenstreifen durchwebt.
men europäischen Dame in den Schatten.
Immer
hin hat in den letzten Jahren der Missernten der Luxus , namentlich in Schmucksachen , stark nach >
Ueber der Ssurîa, dem Leinwandhemd mit wei- gelassen. Ich füge, des Vergleiches halber, nach ten Aermeln, wird die Ssedria, ärmellose Unterweste
stehend bei einigen Kleidungsstücken und Geschmei
von Tuch oder leichtem Baumwollenstoff mit ge-
den die Preise bei, welche in Tripolis für dieselben gezahlt werden.
blümten Mustern bei Aermeren , Dienern u. a. getragen. Sie gleicht der tunesischen . Die Oberweste,
Fermla, mit etwa 30 seidenen Knöpfen , wird vorn
Die Kufia, eine Art Barett mit Stickereien aus Goldfäden im Werte von ca. 20 Franken , wird mit
geknöpft und besteht ebenfalls aus Tuch oder leichtem Stoff. Darüber wird die Ssibûn genannte Jacke
tels Seidenbändern auf dem Kopfe befestigt. Ueber dieser Kufia wird ein buntfarbiges Seidentuch , nussf )
mit engen , langen Aermeln , die am Handgelenk meḥárma herîr ( wörtlich: halbes Seidentuch) getra geschlitzt, mit Seide gefüttert und mit 12-15 Silber- gen. Es folgt ein kurzes, unterjackenartiges Hemd knöpfchen besetzt sind , angelegt. Häufig sind die
aus Cambricstoff, mit weissen Seidenstickereien in
Aermel unten auch durch eine aufgenähte Goldtresse
geringem Umfange, kurzärmelig , welches Mardjúl
verziert.. Von Beinkleidern sind mehrere Formen
genannt wird. Die Chassâra ist eine Art Korsett aus
Zunächst eine Bu -Taschîra ge-
starkem Doppelcambric , vorn weit ausgeschnitten .
nannte Hose aus Tuch , mit Seidenborten benäht, in
Das schmale , etwa spannenbreite Vorderstück , von zwei Knöpfen gehalten, dient dazu, die Brüste durch Hochschieben in eine festere Lage zu bringen.
zu unterscheiden .
den Beinen und namentlich im Gesäss sehr weit.
Eine zweite Form ist die vom Worte » Farss«, Reiter,
» Farssi«, Reithose, genannte. Sie ist gleichfalls von farbigem Tuche, mit Seidenborten unten und an den
langen , weiten Aermeln getragen . Der Oberteil
Seiten besetzt und stimmt im Schnitt und in der
und die Aermel sind aus zusammengenähten, bunt
Darüber wird die Ssuria , auch Kamidja, Hemd mit
Länge ganz mit unseren röhrenförmigen europäi-
farbigen Seidenbändern gefertigt ; der untere Teil
eid wird Dies Beinkl Beinkleid
besteht aus weissem Cambric. Vom Halse aus nach
übrigens nicht ausschliesslich zu Pferde getragen.
unten läuft ein kurzer , von fingerdickem Silber band eingefasster Vorderausschnitt. Hausarbeit der Frauen , Wert etwa so Franken. Sseruil, weite Bein
schen Beinkleidern überein .
Für eine mittelweite Hose aus Leinwand, auch wohl
aus Tuch , die bis zum Knie oder bis zur halben Wade reicht, wird die im ganzen Magrib übliche
kleider aus farbiger
roter, grüner , gelber - Seide
Bezeichnung Sserual angewendet.
im Preise 25-30 Franken . Aermere Frauen tragen
Ein buntfarbiger Seidenshawl umhüllt den Leib . Die Füsse bekleiden rote Pantoffeln mit fingerbrei-
Beinkleider aus Indiana -Stoff. Die Frauenjacke, wie
die der Männer Férmla genannt, aber ohne Aermel
tem Absatz , Jemeni (d . h . von Jemen in Arabien )
und aus buntem Samt, bleibt vorn stets offen ; die
genannt, oder gelbe Lederschuhe, meist mit bunter Seide gestickt , und dann mit einem ebensolchen schnibbenartigen Fortsatz auf dem Spann.
etwa 20 ovalen , grossen , mit Silberfäden überspon nenen Knöpfe dienen nur als Schmuck. Der Samt ist mit Silberstickerei (Blumen, Arabesken ) dicht be
Ueber dem erwähnten Hauli oder Hirầm , der
1) Im Garb ist dies das gebräuchlichste Wort für Hammel.
1) Das Wort wird im Vulgär-Arabisch meist núss , in Ma rokko únss gesprochen .
Kleinere Mitteilungen.
499
deckt. Vorn beiderseits läuft ein breiter Silbergalon . | sehr geringer - so verbindet er nach seinen Be Preis 80-100 Franken. Darüber die Milâia, ein bunt- griffen das Praktische mit dem Angenehmen. farbiger Hâuli oder Barakan aus Seide, der 120 bis Von einem besonderen Typus der Stadtbewoh 150 Franken kostet . Sehr reiche Frauen tragen an ner in Tripolis kann man kaum sprechen. Sehr dessen Stelle einen Luxusbarakan (Hassîra) , gleich durchsetzt ist die Bevölkerung mit Kuluglîa, zu denen falls aus Seide und ganz mit Silberstickereien be- u. a. auch die Nachkommen der Regenten aus der
deckt, im Werte von 500 bis 700 Franken. Die Karamanli-Dynastie gehören , welche, durch einen Städterinnen gehen übrigens niemals in der Milâia Staatsstreich des Pascha Ahmed Karamanli 1714 zur oder Hassira aus.
Immer hüllen sie sich auf der
Strasse noch in einen »Hâuli-ess-Ssûf«, Wollenbarakan , im Preise von etwa 20 Franken . Dieser letz-
tere wird über dem Gesicht so getragen und mit den Händen festgehalten , dass nur ein Auge hervorlugt. Er bildet, abweichend von der tunesischen
Sitte , aber ganz ähnlich der marokkanischen , die einzige Verschleierung der Frauen . Die Füsse be
Herrschaft gelangt, bis 1835 regierte. In diesem Jahre erschien ein, durch Zwistigkeiten in der Usur patoren -Familie herbeigerufenes türkisches Geschwa der vor Tripolis, welches die Stadt wieder für die Hohe Pforte in Besitz nahm . 'Ali Karamanli, der letzte Regent, wurde nach Stambul in die Verban nung geführt . (Fortsetzung folgt .)
decken Stiefel von dünnem , rotem Leder ohne Ab
satz , Choff genannt. Das Fehlen einer festen Sohle wird durch Hineinschlüpfen in absatzlose Pantoffeln aus rotem Leder ersetzt. Es ist Tripolitaner Arbeit. An Schmucksachen trägt eine Städterin der reichsten Klasse ausser zahlreichen Fingerringen etwa folgende: Teglila, Ohrringe aus Gold von der ungefähren Grösse eines Fünfmarkstückes, jeder etwa 25 Gramm wiegend . Um eine Verwundung des Ohres zu ver meiden , werden die Ohrringe durch eine schwarz seidene, über dem Kopfe zusammengeknüpfte Schnur emporgehalten. Von den Ohren hängen bis über die Brust herab die eigentlichen Gehänge, aus Perlen,
Kleinere Mitteilungen. In der Sitzung der Geographischen Gesellschaft zu Amsterdam am 3. Mai berichtete Professor Max Weber über seine Reise
in Holländisch - Indien , die er zum Teil mit Professor Wich mann gemeinschaftlich gemacht hat. Als Zoologe hat er sich
hauptsächlich mit der Fauna Indonesiens beschäftigt. Indem wir uns vorbehalten, später auf die Ergebnisse seiner Untersuchungen näher einzugehen, geben wir zunächst eine gedrängte Uebersicht über den Inhalt seiner Mitteilungen. Auf dem Gebiet der Zoologie ist in Indonesien noch viel zu thun ; Professor Weber hat sogar zu Padang und zu Bui tenzorg, beides Orte, die vielfach besucht werden , bisher unbe kannte Tiere, z. B. Schlangen , gefunden . Besonders hat er die Süsswasserfauna in Niederländisch - Indien studiert, wobei die Frage
Rubinen , Granaten , 14 türkischen Lira -Stücken be stehend, die unter sich durch feinen Golddraht ver
entstand, wie das süsse Wasser in abgeschlossenen Becken be
bunden sind . Der Gesamtwert dieser Schmuckstücke schwankt zwischen soo und 1000 Franken. Ferner:
Hypothese erklärt hat, dass diese Binnenseen urspriinglich Fjorde
Chenâk oder Halskette; die obere Reihe besteht aus
kleinen goldenen Fischchen '), und darunter ist , je mit einem dieser Fische verbunden , eine Reihe von goldenen Sternen mit Halbmond. Der Schmuck ist,
wie alles übrige, Tripolitaner Arbeit und hat einen Wert von ca. 300 Franken. Armbänder aus Gold,
völkert worden ist .
In Schweden hat man im süssen Wasser
Seefische angetroffen, was ein schwedischer Gelehrter durch die waren. Aus der sogenannten Reliktenfauna glaubten manche Ge lehrte zu dem Schluss kommen zu können , dass alle derartigen Becken ursprünglich Teile des Meeres gewesen seien . Professor Credner ist hiergegen aufgetreten. Daher war die Untersuchung , welche Weber hinsichtlich der Fauna der Kraterseen auf Sumatra vorgenommen hat, sehr
wichtig. Einzelne derselben besitzen eine maritime Fauna, höher
gelegene waren schwach bevölkert. Nach Webers Ansicht haben erstere einmal mit dem Meere Verbindung gehabt; letztere müssen
Debâlisch (Sing. Deblisch) , mehrere Finger breite, massive Reifen im Werte von etwa 250 Franken.
Chalchal oder Knöchelspangen aus massivem Golde im Gewicht von 400 bis 5oo Gramm .
in der Weise bevölkert worden sein, dass Wasservögel an ihren Füssen Keime dorthin gebracht haben, oder aber letztere in anderer Weise übertragen worden sind . Der Besuch auf Celebes und Flores, wo Weber in Gegenden kam , welche noch nie der Fuss eines Naturforschers betreten
Die Sitte der Orientalen und westländischen
hatte, sollte namentlich den Wunsch, Beiträge zur Frage hinsicht
Muslemin , ihre Frauen in der eben geschilderten Weise mit Schmuck zu überladen, hat übrigens neben
lich der viel besprochenen Wallaceschen Grenzlinie zwischen
dem , der Eitelkeit und Prunkliebe zu frönen , noch einen besonderen Grund. Der Muslem liebt es nicht,
von Säugetieren, Vögeln, Schmetterlingen und Käfern begründet,
australischer und asiatischer Fauna zu liefern , der Erfüllung näher bringen . Dieser Gelehrte hat seine Theorie auf das Vorkommen was Weber für eine weniger glückliche Wahl hält , da die ge
mit seinem Kapital zu arbeiten , weniger deshalb,
nannten mit Ausnahme der Säugetiere sich so leicht verbreiten.
weil der Korân das Nehmen von Zinsen verpönt,
Darum hat Weber für eine zoo-geographische Grenze lieber die
sondern weil er fürchtet , bei Spekulationen und beim
Landmollusken als Kriterium aufgestellt, und seine Untersuchungen,
Ausleihen sein Geld zu verlieren . Wenn er dasselbe
die noch nicht zur Veröffentlichung reif sind , weil man noch
nun in Schmucksachen von Edelmetall, welches stets der Arbeitslohn für seinen Wert behält , anlegt
nicht die Zeit hatte , alle Tiere zu bestimmen, können wichtige Beiträge zu dieser Frage liefern. Der Weg, den er in Indien nahm , war folgender: Von Ba
diese meist plump gearbeiteten Geschmeide ist ein
tavia hatte er sich mit Professor Wichmann nach Makassar be
-
geben , von wo , monatlich einmal, ein Dampfer nach Larentuka (Flores) geht. Die Formalitäten , welche zu erfüllen waren, um 1) Der Fisch (el -ḥût) gilt ebenso wie die Chamssa , die Hand mit den fünf Fingern, als Schutz gegen den bösen Blick.
einen Pass von dem Sultan von Birma zu erlangen, beanspruchten
jedoch so viel Zeit , dass das Boot abgegangen war, ehe sie er
Kleinere Mitteilungen .
Soo
füllt werden konnten. Der zur Verfügung des Gouverneurs stehende
angetroffen , die der deutsche Reisende Jacobsen Opferpfähle
Dampfer führte, nachdem er erst noch einen andern Auftrag er
nennt , während man Weber mitteilte , sie seien zur Erinnerung an verstorbene Radjahs errichtet. Die Beschneidung ist allge
füllt hatte, die Reisenden ihrer Bestimmung zu ; inländische Fahr zeuge brachten sie nach Endeh , wo sie blieben, bis der Westmousson zur Rückkehr zwang. Wichmann ging nach Larentuka, Weber nach Makassar zurück und besuchte die am Golf von Boni gelegene Landschaft Luwu. Die Strandbewohner und die des Innern müssen
mein, doch die Art , wie sie ausgeführt wird , nicht bekannt. Auf
einige Fragen antwortend, teilte Weber noch mit, dass Mais das gewöhnlichste Nahrungsmittel ist , Reis können sich nur die Wohlhabenden verschaffen ; auch Cocosnüsse werden gebraucht,
streng unterschieden werden ; letztere sind viel weniger entwickelt,
hie und da wohl ein Büffel geschlachtet. Die Nicht-Mohammedaner
wie schon ihre Tracht zeigt. Die Kleider bestehen aus geklopftem
machen auch Gebrauch vom Schweinefleisch . Die katholische Mis
Baumbast und bedecken den Körper nur zum kleinen Teil ; nur
sion hat erhebliche Fortschritte gemacht. E. Metzger. Die Niederkunft auf den Loyalty - Inseln (Mela
wenn die Männer auf den Markt gehen, legen sie den Sarong an. Man trifft nur wenig Schmuck bei ihnen an, doch leisten sie vor
nesien ). Das Werk von Ploss über » das Weib « hat gezeigt ,
zügliches in künstlicher Bearbeitung des Eisens. Früher war das Blasrohr bei ihnen allgemein gebräuchlich, jetzt wird es seltener.
wie lückenhaft noch unsere Kenntnisse über die Gebräuche von
Der reiche Boden von Luwu ist dem Fleiss der Bewohner nicht
gerade förderlich ; eine Sagopalme, welche den Bedarf einer Fa milie längere Zeit deckt, kostet nur 5 Gulden. Von Münzen cirkulie ren 2 /2- und 1 -Guldenstücke ; kleinere Münzen werden nicht an genommen. Für den gewöhnlichen Verkehr wird eine Art ein
heimischen Geldes gebraucht, eine Art eiserner Ringe , die auf eine Schnur gereiht sind .
Naturvölkern bei der Entbindung sind , wiewohl manche schätz bare Einzelarbeiten, so z. B. von Felkin über die Geburt bei den Negern, vorliegen. Einen belangreichen Beitrag liefert jetzt auch
eine farbige Südsee-Missionarin, Niki Vaine, welche auf den Loyalty Inseln angestellt war. Wyatt Gill veröffentlicht ihren Bericht im Journ. Anthropol . Instit. (May 1890). Folgendes ist ein Auszug daraus.
Einer davon hat bereits ein ansehn
Fühlt die Insulanerin ihre Niederkunft herannahen, so sucht
liches Gewicht, obwohl er nur einen Wert von 3/4 Gulden besitzt ;
sie sich im Walde einen Platz dafür aus , den sie von Kräutern
ein Träger war nötig, um das kleine Geld des Gelehrten zu be
befreit und zu einer Grube vertieft. Gewöhnlich liegt der Ort
fördern .
in der Nähe des Meeres, um Wasser zur Abwaschung zur Hand zu haben. Wird es nun bekannt , dass die Geburt beginnt, so versammelt sich die gesamte Nachbarschaft , Männer , Weiber, nur der Ehegatte allein bleibt fern . Kinder, um die Kreisende
Auch auf Flores muss man die Strandbewohner und die des
Gebirges voneinander trennen, da erstere sich häufig mit fremden Rassen vermischt haben. Sie sind meist schlichthaarig, die der Berge haben krauses Haar. Bei den Bergbewohnern, die es in der Form eines Turms auf dem Kopf zusammenbinden , ist es stark entwickelt , auch sind diese weit kräftiger gebaut und
besitzen eine schöne Stimme, hinsichtlich deren man Bass und Tenor unterscheiden kann, was bei den Malaien nicht der Fall ist ; zudem sind sie ihrer Art nach sehr beweglich , so dass sie also in vielen Punkten mit der Bevölkerung der Aru, Kei und Tenim berinseln übereinstimmen. Diese Bemerkung verdient Beachtung,
da Gerland die Bewohner von Flores zur westlichen Gruppe des Archipels rechnet , was dem Gesagten nach unrichtig zu sein scheint . Die Männer tragen ein kurzes Beinkleid, welches zwischen
Alle sitzen, meist ruhig, umher und schauen zu, wie einige Weiber der Gebärenden behilflich sind , welche zwei Stöcke einführen,
um den Durchgang des Kopfes zu erleichtern . Bei den Wehen rufen die Zuschauer : Nur fest ! So geht's ! Schon ist der Kopt da u. s. w .
Wenn das Kind geboren ist , schneidet eine der Helferinnen
die Nabelschnur mit einer am Meere aufgelesenen Muschelschale durch , das neugeborene Kind wird auf ein Bananenblatt gelegt , aber nicht gewaschen und nicht zugedeckt . Jetzt kaut ein Weib
etwas Kokosnuss und stopft diesen Brei dem Kind in den Hals,
den Beinen durchgezogen und hinten festgemacht wird (also eigentlich der gewöhnliche Tjidako). Die Kleidung der Frauen besteht aus einem langen Sarong , mit dem auch eine Schulter bedeckt wird. In anderen Gegenden gehen sie beinahe nackt ;
bis dieses zu würgen beginnt. Diese Prozedur wird nochmals wiederholt , und zwar aus dem Grunde, » um den Hals weit zu machen , damit das Kind leichter Nahrung schlucken kann « . Unter dessen hat sich die Mutter im Meere gebadet, wobei sie sorg fältig die in einem Kokosfaserkorbe befindliche Placenta mit sich
Kopfbedeckungen sind unbekannt. Der Schmuck ist noch sehr primitiv , sehr beliebt das Tragen von Elfenbein - Armbändern, deren
führt ,
Dicke den Wohlstand bezeichnet. Auch werden kupferne Spi
getrunken hat, kehrt sie keineswegs zu ihrem Mann zurück, son
ralen von wunderbarer Länge von Männern und Frauen nicht
dern bleibt noch in ihrem zeitweiligen Aufenthalt, wo sie sich
Nach dem Bade und nachdem sie etwas Seewasser als Arznei 1
nur um die Arme, sondern auch über den Knöchel getragen.
eine kleine Hütte aus Kokosnussblätterri errichtet .
Eigentümlich ist der Brauch , dass der Bräutigam eine solche Spirale um den Arm seiner Braut legt, die nicht vor der Heirat
mit dem Kinde so lange, bis das letztere kriechen gelernt hat.
losgemacht werden darf; lange Verlobungen sind daher auch
mahl nicht ein einziges Mal , um nach der Frau und dem Kinde zu sehen ; höchstens sendet er einmal einen Korb voll Nahrungs mittel. Für die Wöchnerin sorgen deren Verwandte. An einem bestimmten Tage nimmt dann die junge Mutter ihr Kind und kehrt zur Hütte ihres Mannes zurück . Naht sie
körperlich schmerzhaft. Das Verfahren bei der Verfertigung gol dener Ringe möge ebenfalls erwähnt sein. Die Form wird von Wachs gemacht und mit lehmartiger Erde umgeben ; das Ganze wird danach erhitzt , wodurch das Wachs schmilzt, worauf das
Gold in den leeren Raum gegossen wird. Professor Weber hat verschiedene interessante Gegen stände mitgebracht, z. B. eine typische Reisetasche, einen Korb mit verborgenen Behältern , Waffen , das Gerät zum Gebrauch des Sirihs. Von holländischem Gelde werden 24/2 -Guldenstücke, dann aber namentlich die sogenannten Hoangs, 1/10 -Guldenstücke aus der Zeit , wo jede einzelne Provinz in Holland ihre Münze
hatte , im Verkehr angenommen ; auch australisches Gold steht sehr in Ansehen . Am meisten gebräuchlich ist Tauschhandel, der jedoch für den Reisenden häufig sehr unbequem ist . Z. B.
Hier lebt sie
Während dieser ganzen, monatelangen Zeit kommt der Herr Ge.
sich derselben , so ruft der Herr Gemahl gewöhnlich : »Komm herein und bringe mir das Kind « . Dann ist alles gut . Ruft er
aber nicht » Komm , komm «, so bedeutet das Scheidung und zeigt an, dass er von dem Weibe nichts mehr wissen will .
Viele Loyalty- Insulaner sind jetzt zum Christentum bekehrt, aber den Gebrauch , im Walde niederzukommen , legen sie nur schwer ab . Selbst das christliche Weib des christlichen » Königs« Kauma machte noch den Versuch hierzu ,, weil ein Königskind tabu sei , bis die farbige Lehrerin sie dazu überredete, bei ihr niederzukommen .
Als dann die Wöchnerin , von der Lehrerin
hatte die Expedition Messer und Perlen mitgenommen , erstere
begleitet, mit dem Kinde zum König zurückkehrte, wollte dieser
wollte die Bevölkerung aber nicht annehmen , weil es gerade
anfangs die Thüre seines Hauses nicht öffnen , und erst die ernsten
keine Erntezeit war , die anderen waren aus der Mode !
Sehr
Ermahnungen der Lehrerin und ihre Berufung auf des Königs gern wurden dagegen kleine Spiegel und gewebte Stoffe ange
Christentum fruchteten.
nommen .
Ueber den Gottesdienst viel Zuverlässiges zu erfahren, war Professor Weber nicht geglückt , es ist dies überhaupt ein sehr schwieriger Punkt. So werden z. B. auf der Insel Pfähle
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart.
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.
DAS AUSLAND Wochenschrift für Erd- und Völkerkunde herausgegeben von
KARL VON DEN STEINEN .
Stuttgart, 30. Juni 1890.
Jahrgang 63 , Nr. 26 .
Manuskripte und Rezensionsexemplare von Werken der einschlägigen Litteratur sind direkt an Dr. KARL VON DEN STEINEN , z . Z. Marburg - Hessen , Haspelstrasse 20, zu senden. Inserate auf dem Umschlag 20 Pl . für die gespaltene Zeile in Petit .
Jährlich 52 Nummern à 20 Seiten in Quart. Preis pro Quartal M. 7.— Zu beziehen durch die Buchhandlungen des In- und Auslandes und die Postämter .
MCXL )
Inhalt : 1. Ueber die Verwendung des Luftballons bei Polarexpeditionen. Von Dr. Assmann. S. 501 .
2. Karl v. Koseritz Ť. 3. Indochina. Cambodja , Laos, Siam , Annam und Cochin-, china. Von C. W. Rosset aus Freiburg in Baden. Fünfte Reise (1887--1890 ). (Schluss.) S. 505. 4. Die Lappen und ihre Sagen . Von H. v . Aurich . S. 508 . 5. In den nordamerikanischen Kaskaden . Easton. Von Dr. Julius Röll. ( Schluss.) S. 511 . ( Mit Bild .) Von Henry Lange und Karl von den Steinen . S. 502 .
6. Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis Von M. Quedenfeldt. (Fortsetzung.) S. 515. – 7. Das Verschwinden der asiatischen Eskimos. Von A. S. 519 .
Litteratur . S. 520.
Ueber die Verwendung des Luftballons bei Polarexpeditionen . Von Dr. Assmann .
eines Dampfschiffes ausgeführt werden , als nicht nur
leicht ausführbar , sondern als gelegentlich höchst erfolgreich bezeichnet werden .
Die Erfolge, welche die Franzosen im deutsch-
Wir lesen jetzt überall Berichte von den gross
französischen Kriege mit der praktischen Verwendung des Luftballons erzielt haben , sind bekanntlich der
artigen , das Herz jedes Gebildeten zu schnelleren Schlägen anspornenden Plänen , welch Nordenskiöld
artig gewesen, dass fast alle Armeen Europas nicht gezögert haben , eigene Luftschiffer -Abteilungen ein-
des nördlichen Eismeeres schmieden . Beide werden ,
zurichten .
Der wesentliche Zweck derselben ist der
einer auf anderem Wege nicht ausführbaren Rekog-
für das südliche, Fritjof Nansen für die Erforschung falls ihre kühnen Absichten zur Ausführung gelangen , in Dampfern versuchen , möglichst weit gegen die
noszierung , welche bei dem frei fliegenden Ballon Erdpole vorzudringen . Wer aber die Geschichte aller sich gelegentlich über grosse Länderstrecken aus- Polarfahrten kennt, wird wissen , dass von der Möglich keit weiter Rekognoszierung gar oft schon der Erfolg ganzer Expeditionen unmittelbar abhängig gewesen ist . Ein weiter Ausblick über vorliegende Eisfelder nahme telephonischer Leitung im Kabel des Ballons oder geschlossen erscheinende Eisbarrieren bestimmt fortgesetzt mit dem Erdboden in Verbindung bleibt. hierbei die Möglichkeit weiteren erfolgreichen Vor
dehnen kann , bei dem Fesselballon sich zwar nur über ein kleineres Gebiet erstreckt , aber dauernd ausgeführt werden kann, während man unter Zuhilfe-
Die Technik in der Konstruktion der Ballons dringens; das »Krähennest « am Hauptmaste ist des und Kabel , der Erzeugung oder Transportierung des nötigen Gases ist gerade durch das militärische Interesse an der Angelegenheit bis zu einer Vollkommenheit und Sicherheit gediehen, dass der Gedanke allen Ernstes erwogen zu werden verdient, ob nicht auch
die geographische Forschung gelegentlich erheblichen Nutzen aus derselben zu ziehen vermöchte. Selbstverständlich ist von den schon wiederholt
von unklaren Schwärmern vorgeschlagenen Forschungsreisen im » lenkbaren Luftschiff« wegen der Unerfüllbarkeit der notwendigen Voraussetzungen
halb niemals ohne Beobachter.
Wie weit würde aber der Ausguck reichen können, wenn man statt aus einer Höhe von 20-30 m
aus einer solchen von 300—400 m rekognoszieren könnte ?
Ein für solchen Zweck geeigneter Fesselballon von etwa 500-600 cbm Inhalt nimmt mit allen Nebenteilen , Netz, Gondel und Kabel in zusammen gepacktem Zustande einen Raum von nur wenigen
Kubikmetern ein, würde also ganz leicht in einem Expeditionsschiffe unterzubringen sein . Eine Dampf
gänzlich abzusehen , ebenso von dem allen Ernstes
winde zum Ab- und Aufrollen des Kabels ist auf
in einer öffentlichen Versammlung erörterten genia-
jedem Dampfer unschwer anzubringen und zu ver wenden . Desgleichen würde die Mitführung einer
len Plane, sich mittels eines Riesenballons so hoch zu erheben , dass man die Erde unter dem Ballon sich fortdrehen lassen könne« .
Wohl aber darf die Verwendung eines Fesselballons für alle solche Expeditionen, welche mittels
nötige Wasserstoffgas in komprimiertem Zustande enthalten , durchaus nicht auf grosse Schwierigkeiten stossen .
76
Ausland 1890 , Nr . 26 .
ausreichenden Anzahl von Stahlröhren , welche das
Karl v . Koseritz †.
502
Bei der in den arktischen Regionen vorherr-
» der »Geschichte der Deutschen
von Kohlrausch
Vio
schenden Windstille würde die Verwendung gefes- folgende Widmung mit auf den Lebensweg gab : selter Ballons verhältnismässig oft möglich sein und ohne Zweifel in schwierigen Situationen die aller wesentlichsten Dienste leisten können , ganz ab gesehen von der hierdurch gegebenen Möglichkeit, wertvolle meteorologische Beobachtungen in höheren atmosphärischen Schichten bei solchen Gelegenheiten
Sei deinen Freunden immer treu Und weich bei fremdem Schmerz, Dem Grossen dieser Erde sei Dein Nacken starr wie Erz !
Die Wahrheit sei dir nie ein Scherz,
Und schaue glaubend himmelwärts !
Dieser Verkehr ist anscheinend von Einfluss auch
anstellen zu können .
Die Füllung und Führung eines gefesselten Ballons ist zudem eine an zuständiger Stelle ver hältnismässig leicht zu erlernende Kunst, welche
sich jeder praktische Seemann ohne Zweifel un
geworden. die spätere Thätigkeit unseres Freundes auf Beschwerde DieSchulemachteKoseritzkeine , denn in sehr frühem Alter hatte er die Kenntnis von Prima
erworben . Aber dem lebensmutigen Jüngling wurde , ersehnte sich das kleine Dessau bald zu eng sehen nur aus
schwer bei einer Militär-Luftschifferabteilung aneignen danach , die grosse Welt zu
; sie
könnte.
den Büchern kennen zu lernen , konnte einem so
Fritjof Nansen will, wie aus seinen Vorträgen
regen Geiste nicht genügen , er wollte über See
hervorgeht, sich der vermuteten , von der Berings- gehen , und die Eltern sahen sich schliesslich ge strasse ausgehenden nördlichen Strömung mit einem eigens hierfür gebauten Schiffe auf mehrere Jahre an
nötigt, den geliebten Sohn das Seeleben kosten zu lassen . Dieser Zug, hinauszugehen, durchzuckte in
vertrauen. Wie oft wird er hierbei nicht in die Lage kommen , aus einem weiten Blick über die aufge türmten Hindernisse die erheblichsten Vorteile ziehen
zu können ? Und sind nicht an der unübersehbaren , scheinbar geschlossenen antarktischen Eisbarriere bis
her alle Forschungen im südlichen Polarmeere ge scheitert ?
Bei dem grossen Interesse, welchem die kühnen Pläne der beiden unerschrockenen und gewisser maassen prädestinierten Forscher, Nordenskiöld und Nansen , auf dem ganzen Erdenrund begegnen , möch ten wir hier unsere Stimme erheben , um ihnen die Zuhilfenahme der an anderen Orten so wohlbe
währten Erweiterung der Rekognoszierung mittels des Fesselballons dringend an das Herz zu legen .
Karl v. Koseritz ľ.
jener Zeit besonders lebhaft die jugendlichen Ge
Der Telegraph hat uns die Trauerkunde von
Da die nackte Wirklichkeit mit den Vor
dem Ableben des Dr. Karl v. Koseritz in Porto
stellungen, welche die Einbildungskraft zaubert, nicht
Alegre, der Hauptstadt des heutigen brasilianischen übereinstimmte , vertauschte er den Seemann bald Soldaten. Die Jugend kämpft so gern , Staates São Pedro do Rio Grande do Sul , gebracht. gegen denfinden wir Koseritz in Rio Grande als Koseritz war einer der hervorragendsten Deutsch-
Brasilianer ; er erblickte das Licht der Welt im
und so kaiserlich brasilianischen Kanonier in der Armee,
Jahre 1832 zu Dessau , der anhaltinischen Haupt-
welche den Diktator und Tyrannen Rosas von Argen
stadt , wo sein Vater, ein preussischer Major a. D. ,
tinien zu bekämpfen berufen war. Ueber die kriegerischen Erlebnisse unseres Helden gehen wir hier hinweg. Aus dem Fechter mit dem Schwert wurde ein Held im Kampfe für die Kultur,
die Stelle des Postdirektors inne hatte, seine Mutter,
geb. v. Stedingk , lebt noch in Dessau . Im Hause seiner Eltern herrschte ein reger Verkehr, und der geweckte Knabe fand Gelegenheit , manche zur da-
wurde ein Lehrer und Publizist. Die hervorragenden
maligen Zeit sehr bekannte, ja berühmte Personen
Fähigkeiten , über welche Koseritz so glücklich zu
kennen zu lernen . Ueberall war der geistig frühzeitig geweckte und muntere Knabe gern gesehen und beliebt, konnte er sich doch rühmen , Matthissons
verfügen im stande war , führten ihn bereits 1857 bis 1862 an die Spitze einer höheren Lehranstalt in Pelotas, jetzt der zweitgrössten Stadt der Provinz
» Adelaide«, Annette von Galfey, seine mütterliche Rio Grande do Sul, aus welcher so manche tüch Freundin zu nennen ; und » Fanny Tarnow «, die in tige Kraft auf dem Gebiete der Litteratur, Wissen den dreissiger Jahren eine sehr beliebte Schriftstellerin
war, schenkte dem zehnjährigen Knaben so viel Aufmerksamkeit, dass sie ihm bei Ueberreichung
schaft und Politik hervorgegangen ist. Im Jahre 1862 siedelte v. Koseritz von Pelotas nach der Hafenstadt an der Lagoa dos Patos, Rio
Karl v . Koseritz † .
Grande, über, um
die Redaktion des Echo do
Sul« , eines damals bedeutenden Blattes, zu übernehmen . Zwei Jahre später folgte er einem Rufe nach Porto Alegre , der Hauptstadt der Provinz, wo bereits
ein deutsches Blatt , »Die Deutsche
503
vinzialdeputierter ungemein segensreich gewirkt. Die Organisation des Schulwesens hat er befürwortet, für bessere Ordnung und Verwaltung des Gefängnis wesens, für Wegebau und Kirche gesprochen. War er auch nicht blind gegen gewisse Schäden , wie sein Werk » Rom vor dem Tribunal des Jahrhunderts «,
Zeitung«, publiziert wurde; er wurde hier in der Redaktion der Nachfolger von Theodor Oelker und
das er ursprünglich in portugiesischer Sprache ver
Varnbühler. Unter seiner geschickten Leitung hob
fasste, beweist, so war er doch im besten Sinne des
sich das Blatt zu einem der angesehensten und ein- Wortes ein guter Christ, ein treuer , zuverlässiger flussreichsten in Südamerika, und Koseritz hat das- | Freund, ein edler , idealer Charakter und uneigen selbe 17 Jahre lang, bis Ende 1881 , geleitet . Auch nützig in einer seltenen Weise. Bisher haben wir von der Thätigkeit unseres verschiedene andere Zeitungen in der Landessprache, Freundes in seiner Provinz – wir bleiben verstorbenen «, Alegre Porto de »Gazeta , Grandense« wie » Rio » Jornal do Commercio «, »Reform « u . a., wurden von bei der Bezeichnung aus der Zeit vor der Revolution ihm zeitweis redigiert . des 15. November 1889 – gesprochen , sei es noch Durch das Studium der brasilianischen Landes gestattet, von seiner Thätigkeit als Reisender und
gesetze hatte er auch die Berechtigung, die Advo- | Anthropolog zu reden . katur zu betreiben , erworben, und diese Kenntnis
Im Jahre 1883 wurde Koseritz nach Rio de Janeiro
befähigte ihn besonders , seinen Landsleuten , den
ins Ministerium berufen. Durch die Reise nach Rio
deutschen Kolonisten , stets als treuer Berater und in uneigennützigster Weise zur Seite zu stehen . So war es denn natürlich, dass er von den Kolonisten
entstand sein Werk » Bilder aus Brasilien« .
über Pelotas, Rio Grande, Desterro, Paranagua, Santos Die
Deutschen sahen in ihm einen Vater, und das war
Rückreise erfolgte auf der Eisenbahn »Dom Pedro II. « nach São Paulo, der Hauptstadt der gleichnamigen Provinz, und nach einigen Ausflügen in der Provinz über Santos auf dem Seeweg wieder zurück nach
er für dieselben in der That.
Porto Alegre. Ein Mann wie Koseritz, der überall
und selbst in späterer Zeit, als die Italiener ins Land kamen , auch von diesen hoch verehrt wurde. Die
Um die Hebung von Handel und Industrie in freudig empfangen, von den an der Spitze der der Provinz , dem heutigen Staate Rio Grande do
öffentlichen Anstalten stehenden Direktoren, Künst
Sul, hat sich Koseritz sehr verdient gemacht. Die Ausstellungen von 1866 und 1875 zu Porto Alegre waren durch ihn hervorgerufen . Diese Ausstellungen
lern und Gelehrten geführt wurde , sah und erlebte mehr als ein einfacher Reisender , und
so enthalten seine Briefe (der Band zählt 379 Seiten)
trugen wesentlich zur Hebung des deutschen Hand-
viel des Belehrenden. Eine grössere Reise führte er
im Jahr 1886 aus. Nach 38jähriger Abwesenheit werkerstandes in genannter Stadt bei. Auch die deutsch - brasilianische Ausstellung in war es Koseritz vergönnt, seine so innig und hoch Porto Alegre von 1881–82 war in der Haupt- | verehrte Mutter und seine Geschwister wieder zu sache sein Werk , wenn auch die Anregung der- sehen. Wie er überall gefeiert wurde, können wir selben von Deutschland ausgegangen war. Sie übergehen. Bei seiner Anwesenheit in Berlin er
führte leider zu einer beklagenswerten Katastrophe. Das nützliche Unternehmen , dessen Vereitelung
wies er sich thätig bei der Organisation der dort am 15. September zu
eröffnenden
Südamerika
nicht gelungen war , wurde auf das lebhafteste an- nischen Ausstellung. Hier mag erwähnt werden, gefeindet, und aufreizende Wühlereien trugen schuld dass er dem Berliner Völkermuseum eine wertvolle
119 Nummern bestehend , daran , dass nach dem Schluss der Ausstellung ein ethnologischeSammlung,aus Jahre 1882 übermacht hatte. Von Berlin
grosser Brand das schöne Gebäude mit den noch
schon im
darin enthaltenen wertvollen Gegenständen, welche
ging Koseritz durch Deutschland nach der Schweiz und
nach Deutschland überführt werden sollten, in Asche legen konnte. Ein reichhaltige und kostbare ethnographische Sammlung, welche Koseritz für das Ber-
weiter nach Italien bis Sizilien und so wieder zu
rück nach Hamburg, von wo aus er sich nach seinem Adoptiv-Vaterlande wieder einschiffte. Seine Reiseer
liner Völkermuseum zusammengestellt hatte , ging
lebnisse veröffentlichte er in seiner Deutschen Zeitung
durch den Brand verloren .
in Porto Alegre.
Infolge von Meinungsverschiedenheiten , welche bei dieser Gelegenheit zum schärfsten Ausdruck kamen, legte Koseritz die Redaktion der Deutschen Zeitung« nieder und gründete mit einigen Freunden 1882 >>
ein neues Blatt, »Koseritz' Deutsche Zeitung «. v. Koseritz war indes nicht nur in der Presse
das anregende Element in seiner Provinz, er war auch der vornehmste Träger, die Hauptstütze des Deutschtums, hatte er doch eine Zeitlang als Inspektor der deutschen Kolonien , und in seiner Stellung als Pro-
Nun noch ein Wort über Koseritz' Stellung zur Revolution vom 15. November 1889 , die der ganzen Welt eine fast unglaubliche Ueberraschung bot. Der treueste Kampf- und Parteigenosse , der einfluss reichste Mann in der Provinz Rio Grande do Sul, der
Senator und Minister Gaspar da Silveira Martins, war von dem Revolutionscomité in Rio de Janeiro auf der Reise nach Rio in Desterro gefangen genommen
und dann nach Europa ausgewiesen worden, und unser Koseritz ist mit knapper Not demselben Schick
Karl v . Koseritz † . 504
sal entgangen . Es wäre sehr unklug von den Machthabern in Rio gewesen , Koseritz auszuweisen, denn
lassen . Da sprach er von der Zukunft seines Adop tiv -Vaterlandes mit einer jugendlichen Begeisterung,
nur seinem Einfluss war es zu danken, dass die ehe-
die hinreissend war , und die mich noch heute in der Erinnerung bewegt. Sein Traum , Ackerbau
maligen Kolonisten sich ruhig verhielten. Und zum Beweis, wie maass- und taktvoll sich Koseritz zu
den neu geschaffenen Verhältnissen stellte, mag hier ein Satz aus seiner Deutschen Zeitung vom 21. Dezember Platz finden : „ Das war ein Kampf, den ich am 15. November mit mir selber durchgekämpft habe ; niemals wohl ist mir die auf
meinen Schultern lastende Verantwortlichkeit einleuchtender ge wesen , als in den Abendstunden des 15. , in denen ich mich zur
Klarheit über die Lage, zu einem endgültigen Beschluss durch rang . Ich hatte da mit Gefühlen aufzuräumen , die im Innersten
meiner Brust wurzelten, und die Entscheidung ist mir wahrlich
minister zu werden , hat sich nicht verwirklicht. Dieser Mann war von einer inneren Glut erfüllt ,, Grosses und Tüchtiges zu leisten. Er mag in der Hitze des Kampfes manchen Fehler begangen haben , aber er ist bei all seinem Ehrgeiz nicht reich ge
worden , obgleich er in Brasilien Advokat und De putierter war , und keiner unter seinen Gegnern konnte ihn an Ehrlichkeit und edlem Wollen über
Das muss ich denen sagen , die mich vor ihm gewarnt haben. treffen .
nicht leicht geworden ; aber das Bewusstsein der Verantwortlich keit trug den Sieg davon über alle anderen Bedenken, und schon um 5 Uhr morgens am 16. schrieb ich mein Manifest, in dem ich mich auf den Boden der Thatsachen stellte und um der
kennzeichnet auch sein Verhältnis zur Wissenschaft.
Erhaltung des Friedens und der Ordnung halber meine Freunde
nüchterner Prüfung nicht Stich hält. Dass das heutige
aufforderte, die neue Regierungsform anzuerkennen . Wie mich mein Leben lang die Rücksicht auf das Deutsch
tum in der Politik geleitet hat , so auch in diesem Falle, und wie ich stets ehrlich vorgegangen bin, so auch jetzt . Vom Augen blick an , in dem ich die Republik anerkannt , habe ich mit der monarchischen Idee in Brasilien für immer gebrochen, ohne 9
deshalb von grossem Enthusiasmus für die neue Regierungsform erfasst zu sein ; ich habe dieselbe für Brasilien stets für verfrüht
gehalten und thue es auch jetzt noch ; um so mehr aber ist es Pflicht aller Patrioten, die irgendwelchen Einfluss ausüben , mitzuhelfen am Ausbaue der neuen Verhältnisse und alles aufzubieten, damit die jetzige Regierungsform so solide und vernunftgemäss als nur möglich etabliert werde. Kann ich das aber thun , indem ich mit Sack und Pack in das Lager der Gründer der Republik
übergehe, deren prinzipieller Gegner ich gestern noch war und
Der schöne Drang, dem Fortschritt zu dienen ,
In seinem Feuereifer glaubte er gar manches, was vor Pferd der Pampas nicht allein von dem durch die
Spanier eingeführten, sondern auch unmittelbar von jenem fossilen Tiere abstamme , welches mit dem Riesenmastodon zusammengelebt haben soll, ist jetzt wohl mehr als zweifelhaft.
Dass die Phönizier in
Brasilien gewesen wären , wird nicht minder aufge geben werden müssen . In der Neuen Welt schwärmt man für alle Theorien , welche die Abhängigkeit von der »modernen alten « reduzieren könnten. Niemals wird Dom Pedro von der Hoffnung lassen, dass seinen
Tupi-Indianern so gut altarisches Blut zuzusprechen sei, wie seinen Portugiesen. Von solchen Hypothesen
mit denen ich noch am 14. November in heisser Polemik die
des Wunsches werden Geister, deren Lebensweg ein
Waffen kreuzte ? Ich glaube , das ist eine Forderung, die kein
seitige Vertiefung nicht erlaubt hat , und die sich deshalb unmöglich von jedwedem Dilettantismus frei halten können, mit Allgewalt beherrscht, aber
1
Ehrenmann an einen anderen stellen kann ; ich wenigstens würde
es nicht thun , denn für mich reguliert auch in der Realpolitik noch immer der momentan so verpönte Grundsatz : Noblesse oblige. «
Die schweren Tage und innern Kämpfe, welche die Revolution dem ehrlichen Patrioten bereiteten , der sich niemals gescheut hat , dem Kaiser Dom Pedro II.
darum wirken sie auf ihre Art nicht minder frucht bar und nützlich . Die Wissenschaft hat indirekt
Koseritz nicht weniges zu verdanken . Er war ein unermüdlicher Sammler von Fundstücken , die auf
offen und ehrlich seine Ansichten zu bekennen und im
die altindianische Zeit zurückgingen , er setzte die
persönlichen Verkehr auszusprechen , die Kämpfe, die
grössten Bemühungen daran , ein Provinzialmuseum
Republik als eine Notwendigkeit anerkennen zu müssen , dieser gewaltige Umschwung mag wohl seinen so
in Porto Alegre zu stande zu bringen , und die
plötzlichen Tod nach sich gezogen haben .
Danke verpflichtet.
Die
Worte, welche Fanny Tarnow unserem Koseritz mit auf die Lebensreise gegeben hat, scheinen ihn in der That geleitet zu haben. Wenn erst der Wehruf
Museen in Rio und Berlin sind ihm zu grossem
Er nutzte seinen politischen
Einfluss kräftig für dieses Streben aus. » Seinec Bauern , wie er sie scherzend nannte , wurden in
der Zeitung immer wieder ermahnt, jede alte Topf
von der anderen Seite des Ozeans zu uns herüber-
scherbe, die sie hervorgruben , jedes Steinbeil und
dringt , wird man auch in Deutschland begreifen,
jeden Schädel pünktlich nach Porto Alegre abzu
welche Wunde dem Deutschtum und den Bewohnern der Provinz Rio Grande do Sul geschlagen ist .
liefern, und wurden für die kleinste Sendung nach Fug und Recht mit einigen öffentlichen Zeilen der An erkennung belohnt. Bei diesem centralisierten Sam
Ehre seinem
Andenken !
Henry Lange.
meln hatte Koseritz damals nur eine ebenso rührige
Auch ich muss einen Zweig auf seinem Grabe niederlegen .
Es sind gerade zwei Jahre her, dass ich Koseritz in Porto Alegre besuchte. Er bat mich eines
Konkurrenz in den Jesuiten von S. Leopoldo, welche eine nicht umfangreiche, aber höchst beneidens- und besuchenswerte Schatzkammer von auserlesenen vor
europäischen Ethnographicis der Provinz besitzen . » Seine« Bauern , wie ich dankbar empfunden
Abends auf seinem engen, aber behaglichen Studier- habe, empfingen auch mit besonderer Gastfreund stübchen einen tiefen Blick
in seine Seele thun
schaft den Reisenden, der eine Empfehlung von Ko
Indochina.
seritz mitbrachte. Wie zur politischen Wahlurne liessen sie sich durch das Wort des Führers auch
sos
wohnt das ganze Dorf beisammen . Dementsprechend sind denn auch die Grössenverhältnisse dieser eigen
bereitwilligst zur indianischen Graburne komman - tümlichen Bauwerke. Sie sind bis zu 80 m lang dieren . Wer vorübergehend oder dauernd in Rio Grande do Sul wissenschaftlich thätig war , stand
und stehen auf Bambuspfählen, auf denen sich zu nächst der Wohnraum erhebt mit schräg nach aussen
in anregendem , nutzbringendem Verkehr mit dem geneigten , meistens aus Meerrohrmatten oder Pal Dahingeschiedenen; die wenigen , die heute dort myrablättern bestehenden Wänden , kaum so hoch, naturwissenschaftlich arbeiten , und unter denen unser
Landsmann H. v. Jhering hervorragt , werden seinen
dass ein Europäer darin aufrecht gehen kann . Ueber der Wohnung befindet sich der Dachraum , der als
Verlust tief zu beklagen haben. Er ist ihnen schwer Speicher benutzt wird. Das Dach besteht aus Reis Karl von den Steinen.
zu ersetzen .
stroh. In der Wohnung befinden sich mehrere Ab teilungen für die verschiedenen Familien. Jede Fa milie kocht für sich getrennt, und da es keine Schorn
Indochina . Cambodja, Laos, Siam, Annam und Cochinchina .
steine gibt , so ist die ganze Hütte verraucht und
Von C. W. Rosset aus Freiburg in Baden .
nahrung; jener wird von ihnen selbst in notdürftiger
Fünfte Reise ( 1887–1890) . (Schluss.)
Weise kultiviert , diese wachsen in den Wäldern .
Wenn ich dazu übergehe , die Völker zu charakterisieren , welche in den von mir bereisten Gebieten angesiedelt sind , so sehe ich mich dabei in
verschwärzt. Reis und wilde Bataten sind die Haupt
Als Kochgeschirr verwendet der Moi irdene Töpfe, die er selbst verfertigt. Unter der Wohnung , in dem Raum zwischen den Bambusstämmen, auf denen die Hütte ruht , befindet sich
der Viehstall mit
Schweine- und Hühnerzucht. In der Regenzeit hält
die Lage versetzt , neben vielem bisher noch nicht Pu- sich auch das Rindvieh hier auf. Grosse chinesische blizierten, auch einiges, was dem kundigen Forscher Töpfe von 1--12 m Höhe und ca. 50-80 cm bereits bekannt ist, dem geehrten Leser mitzuteilen . Durchmesser, die von chinesischen und annamitischen Ich beginne mit den Moi . Die Moi gehören zu den
Händlern eingeführt sind ,
bekannteren Stämmen . Namentlich war es der fran-
hängigen Moi - zieren den Wohnraum der Hütte. Je mehr man ins Innere kommt, um so häufiger trifft man diese Bauart der Hütten ; an der annami tischen Grenze findet sie sich weniger.
zösische Gelehrte Dr. Néïs , der uns wichtige Aufschlüsse über sie erteilt hat.
Wenn ich mit ihnen
den Anfang mache, so thue ich es deshalb, um einen Uebergang zu gewinnen vom Bekannteren zum Unbekannten ; erst wenn ich dieses Volk geschildert habe, wird es mir leicht werden , ein grösseres Verständnis für die im Innern des Landes wohnenden
und der europäischen Kultur bisher ziemlich unzugänglich gewesenen wilden Stämme zu erwecken .
jedoch nur bei den ab
Die Höhe des ausgewachsenen Moi beträgt un gefähr 1/2 m , sein Körper ist licht-schokoladenbraun, seine Stirn oliven . Das Haar ist wellig, kraus und
schwarz und am Hinterkopf in einen Knoten zu sammengeknüpft. Einen Bart trägt der Moi ebenso
deutet » Wilde « –- heute noch etwa 8—10000 Köpfe,
wenig wie die übrigen hinterindischen Stämme ; er bedient sich , um ihn zu beseitigen , einer Art Pinzette, die er an einem Kollier stets bei sich trägt und mit der
wohnen östlich vom Donnaifluss auf den Westabhän-
er die Härchen , die zum Vorschein kommen , aus
Die Moi , - der Name ist annamitisch und be-
gen der Gebirgskette, welche Annam von Norden nach pflückt. Sein Auge ist gewöhnlich dunkelbraun und Süden parallelmit dem Meere durchschneidet, westlich
nach beiden Seiten in wagerechter Stellung zuge
von den annamitischen Provinzen Binh Thuan und Binh Thin, zwischen dem 11. und 12. ° n. Br. Dieser Volksstamm wird von den Franzosen in zwei Klassen geteilt, Moïs dépendants und Moïs indépen -
spitzt. Kopf und Gesicht sind hoch , die Stirn ist voll, die Wangenbeine vortretend , die Nasenwurzel tiefliegend, die Nasenflügel kurz .. Pföcke und Ringe trägt der Moi nicht in der Nase ; aber in jedem Ohr
dants, auch Moïs féroces. Diese letzteren heissen in
trägt er eine 10-20 cm lange Bambusröhre, in der
ihrer eigenen Sprache Moi kao, d. i . Gebirgs-Moi . einen Tabak, in der anderen Tabakblätter oder Ci Die ersteren werden nach der Gegend , in welcher garettenpapier aufbewahrend. Alt und jung raucht sie wohnen , oder nach ihrem Häuptling mit spezielleren Namen belegt. Die abhängigen Moi wohnen meistens auf freien , erhöhten Plätzen , umgeben von stattlichen Hochwaldungen, während die unab-
bei den Moi Cigaretten , selbst die Säuglinge. Ist die Mutter müde, das Kind zu säugen, so nimmt sie es einfach von der Brust fort und steckt ihm , da mit es nicht zu weinen anfängt, eine brennende
hängigen Moi ihre Wohnungen in sehr dichten Cigarette in den Mund. Die Hände des Moi sind Bambusholzungen und an abgelegenen Orten aufzuschlagen pflegen . Die Hütten der verschiedenen Volkstypen, die
gleicher Konstruktion , doch von denen der Nachbar-
lang und kräftig , die Nägel kurz. Die Waden er freuen sich einer kraftstrotzenden Fülle. Wenn ich demnächst eine vergleichende Darstellung der hinter indischen Volkstypen geben werde , so werde ich Gelegenheit haben, die Moi ethnographisch genauer
völker sehr verschieden .
zu charakterisieren .
wir unter dem Namen Moi begreifen , sind ziemlich
Ausland 1890 , Nr . 26 .
In einer solchen Hütte
77
Indochina .
506
hässliche: er ist sehr faul und lügt fürchterlich . Von
Die Kleidung der Moi ist eine sehr einfache. Die Männer tragen eine 20—30 cm breite Binde um die Hüften, die Weiber verwenden eine etwas voll-
seinen religiösen Gebräuchen ist erwähnenswert, dass er einem gewissen Tierkultus huldigt. Er ist der
kommenere Toilette , ihr Gewand reicht von der
Meinung, dass alle Tiere nach ihrem Tode als un
Hüfte bis zum Knie. Die übrigen Teile des Kör- sichtbare Geister im Walde fortleben , und spendet pers sind unbedeckt, ausser bei Ankunft eines Frem- daher die Seelen der von ihm getöteten Tiger, den oder bei kalter, nasser Witterung. Die Moi kao, Elefanten u . s. w . zu versöhnen , ihnen hin und
die wilden Moi, sowie die Benong sind die Fabri- wieder ein nicht unbedeutendes Opfer in Gestalt kanten dieser einfachen , aber geschmackvollen Stoffe, eines Schweines, Huhnes oder eines irdenen Topfes die aus Baumwolle gewebt und mit Färbeholz , mit Schum -Schum , d. i. Reisschnaps. Von jedem Tier wird ein Erinnerungszeichen an der Decke der Hütte aufgehängt, sei es ein Zahn, wie beim Elefan
Indigo u . s. w. gefärbt sind . Mitunter sind auch metallische Gegenstände eingewebt . Diese Stoffe werden von den Weibern verfertigt und gegen Salz , den gangbarsten Tauschartikel, oder Tabak, Reis, Betel ,
ten, oder ein Unterkiefer, wie bei den essbaren Tieren . Statt einer solchen vom Tiere direkt herrührenden
auch Perlen und Messingdraht umgetauscht. Ein
Versinnbildlichung verwendet der Wilde auch wohl
Frauenanzug , der wenigstens 3-5 Jahre hält, ist sehr hoch im Preis , sein Geldwert beträgt 3-8
ein eigentümliches Geflecht aus Bambus, dem er für jede Tierart eine besondere Form gibt. Vor solch
Dollar. Dieser hohe Preis ist durchaus erklärlich ;
einem Symbol wird der Topf mit Schum -Schum auf
man bedenke nur, dass solch ein Kostüm eine Arbeitszeit von ein bis zwei und mehr Monaten erfordert. Geld kennen die Moi nur an der annamitischen
gestellt , zu beiden Seiten eine Wachskerze, und es werden dann allerlei Ceremonien, bestehend in Ge
Die Moi -Stämme sind in den letzten Jahren infolge vielfacher Krankheiten , wie Cholera und Blattern , sehr zusammengeschmolzen . Medikamente sind bei ihnen sehr wenig in Gebrauch ; wenn die Krank-
sängen , Gebeten und Tänzen , vorgenommen . Als dann folgt der gemütliche Teil dieser Feierlichkeit, indem sich die gesamte Moi-Familie , Weiber und Kinder nicht ausgenommen , über den Schnaps her macht und zu löblichem Trinkgelage vereinigt. Die Moi halten im allgemeinen die Monogamie
heit sich nicht durch Zauberei und Hexerei
ein . Der Chef des Dorfes und die Reicheren machen
Grenze .
ver-
treiben lässt , dann wird überhaupt nichts mehr
hingegen eine Ausnahme und besitzen zwei bis vier
probiert. Wenn man sich vergegenwärtigt, dass die
Weiber.
Toten bis zum Verwesungsstadium in den Hütten ,
gnügt, ist nicht in seinen sittlichen Anschauungen
Dass der Moi sich mit einem Weibe be
in denen sich 100-200 Menschen befinden , liegen
begründet, sondern er ist dazu durch seine äusseren
bleiben ; wenn man sich ferner vergegenwärtigt, dass
Lebensverhältnisse gezwungen .
auf derselben Matte, auf der jemand an der Cholera oder einer anderen Krankheit gestorben ist, ein an-
Durchschnitt nicht so reich , dass er mehrere Weiber ernähren kann . Kommt jemand einmal zu viel Geld
derer weiter schläft, und dass die Moi im Gegensatz
oder Waren infolge eines reichen Sklavenfanges
Der
Moi
ist
im
zu ihren Nachbarn , den Benong, überhaupt ein sehr
oder eines glücklichen Erfolges auf der Elefanten
unreinliches Volk sind : so wird man begreifen, dass
jagd, so ist das erste, was er thut, dass er sich noch
sie auf dem Aussterbe- Etat stehen . Sie denken nicht
ein oder zwei Weiber zulegt. Gerät er später dann
daran , die Hütte von den Ansteckungsstoffen zu
säubern ; treten zu viele Todesfälle innerhalb der Hütte
in Schulden, so entschlägt er sich, um dieselben zu bezahlen , einfach einer seiner Frauen ; dieselbe figu
auf und wird infolgedessen der von den Leichen verbreitete Geruch zu stark , so wird einfach ausge
Schulden innerhalb einer bestimmten Frist bezahlt,
riert zunächst als Pfand , er kann sie, wenn er seine
davon eine neue Hütte gebaut , an der alles mitarbeiten muss , alt und jung, Mann und Frau . Eine solche Ansiedelung findet auch statt , wenn ein Tiger binnen kurzer Zeit
immer noch zurückbekommen . Läuft aber die fest gesetzte Frist ab , so verfällt das Pfand , und das
mehrere Einwohner einer Hütte geraubt und verzehrt hat. Infolge ihrer Unreinlichkeit haben etwa 90 %
wird nie einen Ehebruch vollziehen . Nur den jun gen Mädchen ist eine grössere Freiheit gestattet,
zogen und 1 -2 km
>
Weib bleibt als Sklavin in der Hand des Gläubigers. Im Leben der Eheleute herrscht Sittlichkeit, die Frau
der Moi die Krätze, und zwar eine solche hartnäckige
selbst dem Fremden gegenüber, sei er Annamit,
Spezies , dass derselben mit europäischen Mitteln
Chinese oder Cambodjaner. Für geringe Geschenke bieten sich die jungen Damen an. Nur vermei den sie ängstlich jede Berührung mit einem Eu
nicht beizukommen ist.
Der Moi ist sehr ruhig und ernst, zeigt aber
eine grosse Befangenheit und Aengstlichkeit Euro- ropäer , denn vor solchen haben sie doch einen päern gegenüber. Aber er ist gutmütig und unge- zu grossen Respekt. Manche Annamiten nehmen fährlich. Widerstrebt es nicht seinen religiösen An- übrigens auch Moi-Mädchen zur Frau; der umgekehrte schauungen , so wird er keinen Dienst verweigern, Fall kommt dagegen selten vor. den der Forschungsreisende von ihm verlangt. Zu diesen guten Eigenschaften gesellen sich aber ausser der bereits erwähnten Unsauberkeit noch einige recht
Die Moi , Männer und Weiber , sind grosse Freunde von Perlschmuck , sowie Hals-, Arm- und
Fussbändern aus Messingdraht. Sie leben, wie schon
Indochina.
gesagt , hauptsächlich von Reis , den sie teilweise selbst kultivieren , in mageren Zeiten von wilden süssen Bataten , jenen oft rübengrossen Knollenfrüchten , die in den Wäldern in grossen Mengen zu finden sind, aber sich nur mühevoll und langsam herausgraben lassen ; denn sie stecken etwa 2 m tief in der Erde, so dass die Arbeit, eine einzelne Knollenfrucht
507
heisst jeder Cambodjaner oder Annamit kann bei den Moi Männer Weiber und Kinder für einen bestimmten Preis kaufen . Am besten werden natür
lich junge Mädchen bezahlt. Auch ältere Sklaven , die für die Kindererziehung verwendet werden , ge Der Sklavenpreis hören zu der besseren Ware . wechselt zwischen 1 und 10 Bar à 11 Dollar á 3 Mark.
ans Tageslicht zu fördern, oft eine volle Stunde in Anspruch nimmt. Um 100 Personen pro Tag damit zu ernähren , müssen mindestens 20-25 Moi
Zwischen den Moi und ihren Nachbarstämmen im
Innern wird kein Menschenhandel getrieben , son dern hier herrscht das Prinzip des gegenseitigen
den ganzen Tag im Walde suchen und graben. Dem
Sklavenraubs.
europäischen Gaumen behagt diese Frucht nicht so sehr, wenn sie nicht tüchtig gesalzen oder nach Art der Kastanien geröstet wird . Der Moi isst aber auch
dass der Tote 2--3 Tage lang von Weibern an geheult wird. Nachdem sodann die ersten Anzeichen
Fleisch, namentlich von seinem Hausschwein , ferner Affenfleisch , mit Vorliebe Wildschwein und auch
der Verwesung, die natürlich in jenen heissen Ge genden bedeutend früher eintreten muss als in Eu
Die Ceremonien bei Todesfällen bestehen darin ,
die obenerwähnte Rieseneidechse Hydrosaurus Sal-
ropa , schon längst sich gezeigt haben , wird der
vator .
Auch wird bei feierlichen Gelegenheiten
Leichnam auf eine Bambusbahre geladen und zu
öfters ein Ochse geschlachtet, der , weil das ganze Dorf an der Mahlzeit teilnimmt, bald verzehrt ist .
einem nahe beim Dorfe gelegenen Platz im Walde
Sollte aber einmal etwas übrig bleiben , so geniert
getragen, wo vorher ein etwa i m tiefes Loch ge graben worden ist. In diese Grube wird der Tote ,
sich der Moi nicht, es später zu essen , wäre es auch
den Kopf nach Osten, die Beine nach Westen ge
bereits in Verwesung übergegangen. Haben doch
richtet, hineingesenkt; den Weibern werden die
selbst die Annamiten keinen Abscheu davor, verrecktes Schmucksachen, die sie bei Lebzeiten getragen haben, Vieh , das vielleicht bereits zwei Tage lang auf einen Fluss herumgeschwommen ist , mit Appetit zu verzehren .
Indes ist dem
Moi die Kunst der Fleisch-
konservierung nicht unbekannt.
mit ins Grab gegeben . Auf das Grab werden verschie dene Töpfe gestellt , darunter einer mit Reis , ein anderer mit Patti (Reis mit der Hülse ), ferner eine
Vom Büffel salzt
Beteldose , ein kleiner Topf mit Schum -Schum und
er grössere Mengen ein oder lässt sie an der Sonne
einer mit Wasser. Diesem Brauche huldigt der Moi
trocknen . Handelsgeschäfte macht der Moi besonders mit Schweinen, Mais , Tabak und Baumöl.
Leben als Waldgeist auch etwas zu essen und zu trin
Erstere sind ungemein billig , weil Schweinefutter meist in grossen Mengen vorhanden ist ; Ferkel im
und Getränke, die er nach der Beerdigung auf dem
deshalb, damit der Tote bei dem Uebergang zu seinem ken habe. Das hindert ihn jedoch nicht, die Speisen
Alter von 6-8 Wochen kosten i Frank ( an der Grabe aufgestellt hat, alsbald seinem eigenen Magen Grenze der Moïs dépendants ) das Stück . Der Reisende wird jedoch von dem Genusse dieser Tierchen
einzuverleiben . Nachdem alles geleert ist , werden die Gefässe mit der Lanze oder einem Stein durchlöchert,
absehen , wenn er sieht, dass sie sich in der mageren
vielleicht ein symbolisches Zeichen dafür, dass jetzt
Jahreszeit hauptsächlich von Menschenkot nähren. Der Moi liegt zwar auch der Jagd ob, ist aber,
alles mit dem
auf welcher der Tote hinausgetragen wurde , wird
wie der Annamit, kein passionierter Jäger. Er erlegt sein Wild mit der Armbrust oder mit Pfeilen,
neben das Grab gelegt. Nach dieser Vorfeier findet der eigentliche Leichenschmaus daheim statt . Ein
die teilweise vergiftet sind. Selbst dem Elefanten , der
Ochse und mehrere Schweine sind vorher geschlach
Toten vorbei ist. Die Bambusbahre ,
in diesen Gegenden nicht selten ist, und dem Tiger tet , und Schum -Schum wird in grossen Quantitäten weiss er auf diese Weise geräuschlos beizukommen . Er gezecht. In der Hütte hat sich inzwischen jener erzielt , wenn es ihm darauf ankommt, einen weit
grässliche Gestank noch nicht verflüchtigt, mit dem
grösseren Jagderfolg als der Europäer mit seinen kostbaren Schiessgewehren, da der Flintenknall das Wild weit und breit verscheucht. Geht Geht es es auf auf die die
der verwesende Leichnam sie erfüllte. Und in die sen Hütten muss der Reisende übernachten ! Ein
Tiger- und Elefantenjagd , so schart sich das ganze
Transport desselben ein schnelles Vorwärtskommen
Dorf zusammen und teilt sich in den Gewinn. Ein
zu sehr behindern würde.
>
eigenes Zelt kann er nicht mitnehmen , weil der Es ist deshalb nicht zu
Einzelner wagt sich selten an ein so gefährliches verwundern , dass jeder Europäer , der längere Zeit Unternehmen .
in diesen Gegenden lebt , leicht von den Krankhei Die abhängigen Moi , die Männer wenigstens, ten befallen wird , die unter den Wilden an der verstehen Annamitisch , sie besitzen aber, wie die wil- | Tagesordnung sind. den Moi , eine eigene Sprache , die derjenigen der Ich habe hier in kurzen Zügen einen Volks Cambodjaner ähnelt. stamm geschildert, der von seinen Nachbarn wesent Der Sklavenhandel ist bei den Moi nicht un- liche Verschiedenheiten aufweist, und wenn ich in bekannt. Mit Annam und Cambodja findet derselbe einem weiteren Artikel Gelegenheit finde, die bisher auf Grund gegenseitigen Einverständnisses statt, das noch wenig bekannten Ahong, Nhong und Benong
Die Lappen und ihre Sagen .
508
einer näheren Betrachtung zu unterziehen , so werde ich nicht verfehlen , auf die charakteristischen Unterschiede dieser verschiedenen Stämme untereinander und von den Moi aufmerksam zu machen .
Die Lappen und ihre Sagen . Nach einem vom Kais. Russischen Konsul D. Ostrowski in der
Ethnographischen Sektion der Kais. Russischen Geographischen Gesellschaft in St. Petersburg gehaltenem Vortrage zusammen . gestellt und bearbeitet von H. v . Aurich .
Trotz der vielen und eingehenden Forschungen,
können lesen und schreiben ; für sie gibt es besondere Wanderschulen, an deren Spitze lappländische Lehrer stehen, und es gehen Leute aus ihrer Mitte hervor, die völlig europäisiert und kultiviert sind. Nicht so die unter russischer Botmässigkeit befindlichen Lapp länder; nur selten versteht einer oder der andere von ihnen zu lesen oder zu schreiben . Die erste
Schule wurde im Februar des Jahres 1888 errichtet , ergab aber nur höchst primitive Resultate. Besser steht es dagegen mit den russischen
Lappen in wirtschaftlicher Beziehung. Viele von
ihnen haben es vermöge der günstigen Bodenver
deren Gegenstand das Volk der Lappen , besonders hältnisse der ihnen zur Nutzniessung angewiesenen in den letzten Jahrzehnten gewesen ist , glauben wir Halbinsel Kolsk zu einer gewissen Stufe des Wohl dem Leser das interessante Material nicht vorent- standes gebracht (allerdings mit Ausnahme der in halten zu sollen , das von dem gegenwärtig in
den Grenzdistrikten wohnenden Petschenzkschen und
Finnmarken stationierten russischen Konsul, Herrn
pasretschkischen Lappen ). Bei einem Besuche, den
Dmitrij Ostrowski , teils auf Grund mehrjähriger Ostrowski im Sommer des Jahres 1888 der Murman eigener Anschauung gesammelt, teils ihm durch kompetente, völlig glaubwürdige Personen und tiefe
küste und der Bai von Motowsk abstattete, stiess er
Kenner des Nordens und des loparischen Volksstammes , wie beispielsweise von dem seit vielen
daselbst auf Lappen, die während der Winterszeit im kildinskischen Kirchspiele , in der Nähe der Stadt Kola ansässig sind , und war überrascht von ihrem
Jahren daselbst ansässigen russischen Obergeistlichen Konstantin Schtschekoldin zur Verfügung gestellt worden ist, teils endlich auf Quellen zurückgeht,
sauberen Aussehen und dem unverkennbaren Wohl stand , der sich sowohl in ihrer Kleidung als in ihrem Hauswesen zu erkennen gab. Auch sprachen
die der norwegischen Litteratur entnommen sind. Lappland gehört – so beginnt Herr Dmitrij Ostrowski – bekanntlich drei oder , besser gesagt ,
Sommers betreiben sie das Fischergewerbe in der
sie das Russische durchaus geläufig. Während des Kitowka-Bucht.
vier verschiedenen Staaten , d . i . Russland, Finnland,
Diese in der Ansiedlung Kitowka wohnenden
Schweden und Norwegen, an und heisst je nach seiner geographischen Zuteilung : Land der Loparen
Loparen unterhalten eine Poststation . Als Ostrowski daselbst eintraf, wurde er in ein reinliches, mit zwei
oder einfach Lappland , finnisch Lappmarken, schwedisch Lappmarken und Finnmarken . Es stellt einen Flächeninhalt von ca. 10 000 Quadratmeilen dar, mit
Fenstern versehenes Zimmer geführt, und sofort der russische Samowar aufgestellt; die Wirtin tischte eine schmackhafte Lachssuppe auf. Während die Reisen
einer Bevölkerungszahl von 30 000 Seelen , wovon
den noch beim Thee sassen (Herr Ostrowski war
ca. 2000 zu Russland , über 1000 zu Finnland, an
nämlich während seiner ganzen Rundreise vom Pater Schtschekoldin , russischem Obergeistlichen in Rus
17-18 000 zu Norwegen 7000 zu Schweden und 17–18
gehören . Die bei weitem grösste Bevölkerungsziffer sisch-Lappland , begleitet) , erschienen 12 Loparen, entfällt demzufolge auf Norwegen . Die Loparen oder Lappen zerfallen je nach der
sämtlich mit schwarzen Tuchröcken und Beinkleidern
Art ihrer Beschäftigung und dem Zuschnitt ihres
hüten bekleidet , einige von ihnen sogar im Besitz von silbernen Taschenuhren , um ihren Vorgesetzten
Lebens in zwei Hauptgruppen : 1. in nomadisierende, d. i . solche, die ausschliesslich Rentierzucht treiben , und
2. in Halbangesessene , d. i . solche , die,
von eben demselben Stoff , Halbstiefeln und Kastor
sowie ihren alten Freund , den Pater Schtschekoldin , zu begrüssen und sich nach deren Wohlbefinden zu
ausser der Rentierzucht, vom See- und Fluss- erkundigen , speziell den letzteren um alle Einzel fischfang leben .
Fast sämtliche zu Schweden ge-
heiten seines Lebens sowie seiner jetzigen Diözesanen
hörende Lappländer sind Nomaden, und es haben sich
zu befragen . Bei der Abreise, die zu Boot nach der
gerade bei ihnen am meisten die Märchen und Sagen
andern Seite der Bai Motowsk erfolgte, gaben sämt
erhalten , an denen dieser Volksstamm so reich ist ;
liche Loparen den Reisenden das Geleit bis zum
die norwegischen Lappen sind Halbangesessene,
Ufer, aus ihren Gewehren beständig Salutschüsse
während die zu Finnland gehörenden mit ganz geringer Ausnahme feste Wohnsitze einnehmen .
abfeuernd : also doch unzweifelhaft Anzeichen einer
In der Nähe von Utschak traf Konsul Ostrowski
bereits erlangten Kultur und Kulturfähigkeit. Bei diesen Lappen ist die Rentierzucht keineswegs die
sogar Lappen, die ausschliesslich dem Fischergewerbe Hauptsache, sondern wird nur nebenbei betrieben. (im Flusse Tana) und der Viehzucht obliegen, nicht einmal im
Besitze von Rentieren sind
und mit
Zugochsen fahren. Die norwegischen Lappen stehen, dank der Fürsorge der norwegischen Regierung, auf einer verhältnismässig hohen Bildungsstufe. Alle
Ueber die halbansässige Lebensweise der russi
schen pasretschkischen Lappländer (aus den Grenz distrikten ) erzählte Ostrowski folgendes: Im Winter leben sie in der Tundra in ihren Winterquartieren, die aus einer Anzahl kleiner Hütten , » Tup “ genannt,
Die Lappen und ihre Sagen.
509
bestehen und am Flussufer, in der Nähe von Ren-
und Raubtiere, jeden Feind mit den Geweihen durch
tiermoosweiden , verstreut liegen . Gegenwärtig ist das Winterquartier der pasretschkischen Loparen
bohrend. Jedes männliche Rentier oder Hirsch hat
am Ufer des Kolos Joki, 30 Werst von der Kirche
in der Brunftzeit beständig 5-20 Mütter um sich . Noch während dieses Stadiums oder kurz nach
Ebendaselbst befindet sich auch
her (im ganzen dauert dasselbe ca. 2 Wochen ) be ginnt das Kastrieren der Rentiere. Nachdem das
Am heiligen Dreikönigsfeste (Epiphanias) kommen
Rentier mit einer Art Lasso von 12 Faden Länge,
St. Boris entfernt. die Schule.
die Loparen in die vorgenannte Kirche, um ihre
»Tschawostega« genannt, eingefangen und zu Boden
Kinder taufen und Trauungen vollziehen zu lassen .
geworfen ist, werden die Hoden mit den Zähnen
Anfang Februar beginnt das Holzfällen, und zwar wird
durchgebissen und zermalmt ; zeigt sich hierbei Blut,
das Holz über den Tschalmo-See nach Norwegen gebracht, zur Dolgoi-Bucht und Walfisch-Insel, um von dort auf der Pasreka weitergeflüsst zu werden .
so ist die Kastrierung nicht vollständig. Die dritte Jahreszeit heisst Pass (Basse) und ent spricht unserem Dezember. » Basse« bedeutete in alter Zeit einen heiligen Ort, wo Opfer und Spenden dar
Zu Ende März oder Anfang April kommen sie wieder zur St. Boris -Kirche zurück , und nun vergeht der gebracht wurden; gegenwärtig bedeutet es jedoch ganze April mit der Rentierverteilung. Ende April nichts anderes als Fleischzubereitung. In dieser Zeit fahren die Männer in das Meer hinaus , um dem
werden die Rentiere geschlachtet und ihr wohl
Stockfischfang obzuliegen , während die Frauen daheim
schmeckendes Fleisch verzehrt .
im Kirchdorfe verbleiben, um die Netze für den Lachsfang vorzubereiten. Gegen den 26. Mai kehren
der Winter ; dieser dauert
die Männer von der See heim
und nehmen ihre
Frauen und Kinder mit , um sich nach den nor-
4. Darauf kommt die Jahreszeit » Falwa « oder 5. bis zum Eintreffen der Schwäne, Njuchtsche. 6. Nach » Njuchtsche« kommt „ Wissi« , was
wegischen Gewässern zum Lachsfang zu begeben. gleichbedeutend ist mit Kalb, weil in dieser Zeit die Laut des im Jahre 1837 abgeschlossenen Vertrages haben sie die Berechtigung hierzu. Der Lachsfang ist jedoch ausschliesslich Sache der Frauen , indes
Kälber geboren werden. mit Anbinden). In dieser Zeit findet die Verteilung
die Männer abermals zum Stockfischfang ins Meer hinausfahren. Der Lachsfang erreicht sein Ende
tiere an der Leine geführt, damit die Herde nicht
7. » Kiddy« (von Gidda , was gleichbedeutend der Rentiere statt, und es werden die alten Leit-Ren
gegen den 29. Juni , während der Fang geringerer auseinanderlaufe und sich um jene schare. Lachsarten (unter dem Namen Tikda und Kumscha)
8. »Kulg « (von Guolgga , gleichbedeutend mit
mit Schleppnetzen bis zum 15. Juli fortgesetzt wird .. Wolle ), weil sich die Rentiere in dieser Zeit ver Vom 15. Juli ab beginnen sich die Loparen wieder färben. im Kirchdorf St. Boris einzufinden und verbleiben 9. Kess (Goesse) bedeutet den Sommer. daselbst bis zum Tage der Verklärung Christi oder 10. Purgi heisst die Zeit, wo das Rentier Mariä Himmelfahrt, um dann den Fluss Pasa auf-
sich
abermals verfärbt und sein Winterhaar erhält.
>
wärts zum Tschalmo-, Peiwo-, Wag- und Pyrsee
Es ist noch nicht lange her, dass allgemein
auf den Ssig- (Seeforelle) und Hechtfang , sowie die Ansicht verbreitet war , das Lappenvolk sei im den Fang anderer kleinerer Fischgattungen , die aus
Aussterben begriffen. Dem ist keineswegs so ; im
schliesslich dem eigenen häuslichen Bedarf dienen,
Gegenteil , da, wo
hinauszufahren .
Elemente vermischt hat, ist, nach statistischen Auf zeichnungen, ein Zuwachs zu verzeichnen . Die Lappen sterben nicht aus , gehen aber in ihren Stammverwandten, den Finnen, auf.
Hier leben sie in Leinwandzelten (in loparischer Sprache » Kuwokassen « genannt) bis zu Ende Oktober , mit der Teilung der Rentiere beschäftigt . Sobald die Seen zuzufrieren beginnen , suchen sie das Innere des Landes auf und kehren erst am
1. Januar in ihre Winterquartiere zurück .
es
sich
mit keinem
fremden
In Norwegen wohnen sie bis zum 62.0 nördl.
Breite, in der Umgebung von Róros, in Schweden bis zur Grenze von Jemteland, in Finnland nur um
Ganz mit dieser ihrer Lebensweise übereinstimmend ist auch die Zeitrechnung der Lappen.
den See Enara herum , und in Russland auf der Halb
Das loparische ( lappländische) Jahr ( The) beginnt
Es ist aller Grund vorhanden , anzunehmen , dass die Loparen vor gar nicht so langer Zeit viel weiter
mit Eintritt des Septembermonats und heisst Wiur,
insel Kolsk .
abzuleiten von Vuorja ( Netz ) oder Vuorra (Fang), im Süden Finnlands gewohnt haben (es existiert da der Herbstfang des in den Seen überwinternden
ein Flecken Lappio in Finnland, ein Ort Namens Lappagunda in Esthland ), dann augenscheinlich von Die zweite Jahreszeit heisst Kolge (Golgok, den Finnen nach dem äussersten Norden hin ver Golgodet, was gleichbedeutend ist mit » Erschöpfung « ), drängt wurden, bis an die Küsten des Ozeans, und dass ihnen der Name, den sie gegenwärtig tragen , eine Folge der Paarung der Rentiere. In dieser Zeit, d. i . zu Anfang Oktober , ver- von jenen beigelegt worden ist. Sich selbst nennen sammeln nämlich die männlichen Rentiere die die Lappen Sabme, ein Name, der gleichbedeutend Mütter um sich und verteidigen sie gegen Menschen mit Suomi ist . Das Wort Lopar dürfte abzuleiten Lachses jetzt seinen Anfang nimmt.
Ausland 1890 , Nr . 26 .
78
Die Lappen und ihre Sagen .
SIO
sein vom finnischen Wort lop, loap, was auf deutsch
wig, in Elvenes , Süd-Waranger, Kirkenes und an
Land , Grenze bedeutet. Charakteristisch ist, dass der Norden fast durchweg vom finnischen Volksstamm bevölkert wurde. Während Norweger und Russen sich an der Meeresküste ansiedelten , nahmen die Finnen allmählich ihren Zug nach dem Norden , dabei fest an Grund und Boden haftend , Wälder ausrodend und Vieh-
der Murmanküste finden . Eine solche Höhle hat ca.
zucht und Gartenbau betreibend, beraubten die Loparen ihrer besten Landstücke und Heuschläge und fügten ihrer früheren Lebensgewohnheit einen neuen
4 m im Durchmesser und eine Tiefe bis zu 2 m . Fussboden und Wände sind mit Ulmenholz ausge legt, und auf dem Erdboden findet man noch häufig Ueberreste von Fisch- und Tierknochen .
Doch auch in diesen Höhlen fanden die Loparen keine Ruhe und Zuflucht und wurden nur zu häufig
daselbst aufgestöbert und erschlagen . Die Scharen der Tschude brachen so häufig in unser Land ein, erzählten die Lappen , dass unsere
Erwerbs- und Gewerbezweig , die Fischerei, hinzu.
Vorfahren nicht einmal Zeit fanden , ihre Speise zu
Die Finnen führten zuerst im nördlichen Norwegen
kochen , und es waren ihrer so viele , dass schliess lich nur ein einziger Lopare in Alteke und einer in Waranger übrig blieb . – Die einzige Waffe des Loparen gegen diesen starken Feind war seine an geborene Schlauheit und Findigkeit. Es hat sich in
und an der Murmanküste den Kartoffelbau
ein .
Die besten Kolonien an der Murmanküste sind
finnischen Ursprungs. Als Kolonisten sind die Finnen geradezu bemerkenswert ; sie erhalten dabei hart-
näckig die Verbindung und Beziehung mit der alten
den lappländischen Ueberlieferungen eine ganze Epo
Heimat aufrecht und bewahren ihre Sitten und Sprache. Die Ansiedelung der Finnen in Finnmarken be-
pöe herausgebildet , deren Held Laurekasch ist , ein Lopare, der den Tschuden als Führer diente und
reiter der norwegischen Regierung viel Verlegenheiten.
Einstmals, so geht die Sage, führte Laurekasch die 'Tschuden zur Insel Tsjuoboets-Suoeloi (»Hundert
Es ist bekannt, dass auch die finnischen Kolonien in Amerika und Canada ihren nationalen Charakter
vollständig bewahrt haben . Selbstverständlich müssen die Lappen in dem
ungleichen Kampfe gegen den starken finnischen Volksstamm unterliegen. Gegenwärtig wird dieser
sie durch seine Schlauheit zu Grunde richtete.
Föhreninsel« am Ausfluss der Pasreka aus dem Enare
See , wo Molterbeeren (Sumpfhimbeeren) wuchsen .
Die Tschuden hatten sich (wie der landläufige Aus druck lautet) vollgegessen und legten sich zum Schlafen nieder, ausser einem , der die Wache hatte. Doch auch
Kampf zwar nur auf kulturellem Boden geführt, dieser wurde schliesslich vom Schlafe übermannt. doch trug in alten Zeiten der Zug der Finnen nach dem Norden einen völlig räuberischen Charakter
Nachdein er noch vorher die Böte zusammengebunden und sich das Tau oder die Bastleine um die Hüfte
und hat bei den Lappen noch bis zur heutigen Zeit geschlungen hatte, schlief er ein. Laurekasch schlich ein nicht zu verwischendes Andenken hinterlassen. Die Ueberlieferungen über den Krieg mit dem
sich zu ihm heran , durchschnitt das Tau, sprang in den Kahn und fuhr mit sämtlichen Böten davon.
Ćude (spr. » Tschude«, zu deutsch Feind, Räuber), Eine Woche später kommt Laurekasch wieder zur wie in loparischer Sprache die in Lappland ein-
Insel, um auszuschauen, was aus den Tschuden ge
brechenden räuberischen Scharen der Finnen ge-
worden ist. Fast alle waren tot, und nur einige wenige von ihnen bewegten kaum noch den Kopf und zeigten
nannt wurden , beweisen solches zur Genüge, und
sogar unter Hinweis auf die Orte und Gegenden,
geringe Lebenszeichen .
wo sich solches zugetragen , mit überaus richtiger
kasch auch wieder Führer und führte den Tschuden vorsichtig über alle Wasserfälle des Flusses Pasa.
Angabe aller Einzelheiten. Diese im Volksmunde fortlebenden Traditionen haben sich noch so frisch in aller Gedächtnis er-
halten, dass, als Pastor Stockfleth im Jahre 1841 am Tschalmo-See ankam , sämtliche dort wohnenden >
Ein andermal war Laure
Als sie sich dem letzten Wasserfall Goevnjes (wo heute die Kirche St. Boris und Glob steht) näherten , hörte der Tschude ein Geräusch und wurde unruhig. Doch Laurekaschberuhigte ihn und sagte , dass
Loparen im Glauben , dass der Tschude wieder eingeweiter keine Wasserfälle vorhanden und dass das brochen sei , das Hasenpanier ergriffen . Es wird
Geräusch nur eine Folge der Vermischung des süssen
erzählt, dass im Jahre 1884 zwei finnisch sprechende Touristen , die sich in Schwedisch -Lappland verirrt
mit dem Salzwasser sei, da sie sich dem Meer näherten , und dass es jetzt besonderer Kunst
hatten , von den Loparen erschossen wurden , weil
bedürfe, um das Boot zu rudern.
Er koppelte
man sie für Tschuden hielt.
also alle Böte zusammen und befahl dem Tschuden ,
Sehr gut lebte sich's, berichten die Loparen , in alten Zeiten am See Enara, doch da kam der Tschude, und es wurde so schlimm , dass die Leute nicht oben
sich mit dem Gesicht auf den Boden der Bote
hinzulegen.
auf dem Erdboden zu leben wagten , sondern ge-
Ufer zu springen ; doch in diesem Augenblick
Als der Wasserfall die Böte erfasste
und davontrug , fand Laurekasch Zeit , an
das
zwungen waren , sich in Höhlen und Lagerräumen
schleuderte der tschudische Attaman die Lanze gegen
zu verbergen. Diese Höhlen waren rund oder vier-
ihn und verwundete ihn am Bein . Stark blutend kan
eckig, und noch heutzutage kann man sie in Menge
Laurekasch an der östlichen russischen Kolonie an und
und noch ziemlich wohl erhalten am Flusse Pass- | fand hier die Loparen Ball spielend vor. Als sie ihn
In den nordamerikanischen Kaskaden.
so mit Blut bedeckt sahen , hielten sie ihn für einen
Räuber und wollten ihn töten , doch er erzählte ihnen von seinen Thaten , führte sie zum Fluss und
zeigte ihnen die Masse tschudischer Leichname, dic den Strom hinabgetrieben wurden. Der Arm des Attamans nebst dem Schwert war auf eine Sand-
sich ihrer Beinkleider, und sich rückwärts gegen die Tschuden hinsetzend, zusammenkauernd, entfesselte sie einen solchen Sturm , dass die Menschen auf dem Lande sich kaum aufrecht zu erhalten im stande waren und schliesslich auch der Tschude im Wasser ertrank. (Schluss folgt.)
bank gegenüber von Elvenes geworfen worden, und noch heutzutage heisst jene Sandbank Miennelaise, auf schwedisch Svoerdskjoeret . 3. Eines Nachts, als Laurekasch dem Tschuden
S11
In den nordamerikanischen Kaskaden. Easton .
wieder als Führer diente , koppelte er sämtliche in einer Reihe fahrenden
Von Dr. Julius Röll .
Rentierschlitten zusammen
und fuhr selbst mit einer angezündeten Fackel vor aus, den Weg zu zeigen . Als er den hohen Berg Gevisbohat bei Utschoko hinauffuhr, warf er seine Fackel in den Abgrund hinab, und sämtliche Schlitten stürzten nach, so dass alle Tschuden ums Leben kamen .
(Schluss.)
Stromaufwärts, nach Westen , ist das Vordringen ins Gebirge durch die Anlage der Northern Pacific R. R. erleichtert, deren Gelände man , dank der amerikanischen Freiheit, überall betreten kann . Diese
ebenso nützliche wie humane Einrichtung ist dem
4. Ein andermal kam
ein Tschude an einer
loparischen Hütte vorbei und sah in den Schornstein hinein . Am Herd sass die Loparin und sah im Kessel das sich dort abspiegelnde Gesicht des Tschuden . Ohne ein Wort zu sagen , ergriff sie einen Fisch und schlug ihren Mann damit auf die Nase. Dieser
Naturforscher auf seinen Wanderungen von grossem
Wert. Wie oft haben wir weite Wegstrecken, die
uns viele Stunden , ja tagelang aufgehalten hätten , auf dem Bahndamm zurückgelegt, wie oft reissende Ströme auf Eisenbahnbrücken überschritten ! Freilich
ist das nicht ungefährlich , da man über die quer
erriet sofort, um was es sich handle, und warfThran gelegten Holzschwellen balancieren und daher vor ins Feuer. DasTschuden Feuer flammte auf und verbrannte die Füsse sehen muss, so dass man den brausenden Gesicht Lopare sprang das
des
. Der
aber
Strom
fortwährend unter sich sieht und leicht
aus der Hütte heraus und erschlug den Tschuden. schwindlig wird. Auch darfman sich nicht vom heran
brennen . Einige jedoch fanden Gelegenheit, sich zu
kommenden Zug überraschen lassen. An mehreren Stellen der Holzbrücken sind verlängerte Schwellen eingefügt, auf denen man Schutz finden und der Gefahr ausweichen kann . Obgleich auf denselben
retten , und flohen über das Eis auf die andere Seite
die Fässer stehen , welche das zum Löschen eines
5. Einst kam der Tschude nach Nessebu, nahm
alle dort wohnenden Loparen gefangen und sperrte sie in ein kleines Haus, in der Absicht, sie zu ver-
der Bai nach Karlebunden , wo Russen wohnten. etwaigen Brandes der Brücke bestimmte Wasser Es war eine helle Nacht. Der Tschude sah die enthalten , so finden sich doch freie Schutzstellen Flüchtigen , die mit weissen russischen Halbpelzen genug neben und zwischen denselben.. Auch die
bekleidet waren , und wurde von Schrecken ergriffen,
vielen mit Schneeschutzdächern versehenen Holz
weil er sie für Seelen Verstorbener hielt. Die Russen fielen über die Tschuden her und tödteten sie.
tunnels, deren Anzahl zwischen Easton und dem er
6. Die Finnländer verboten den enerskischen Loparen, mit den Kolanen Handel zu treiben . Einstmals
wähnten Stampede -Tunnel 12 beträgt , kann man ungehindert begehen . So konnte ich auch meine Ausflüge in west
ergriffen sie einen Russen und erschlugen ihn . Am anderen Tage kamen die Russen und ertränkten die
licher Richtung weit ausdehnen .
Finnländer im
züglich Thuja gigantea , Tsuga Mertensiana und
See. In Finnland verbreitete sich
Hier nehmen an
der Bildung des Waldes neben Abies Douglasii vor >
das Gerücht , dass Loparen die Finnländer ertränkt
Pinus monticula teil .
hatten , und sofort erschien tschudisches Militär in
eine sonderbare , meterhohe Liliacee mit fusslanger
Am Eisenbahndamm wächst
grosser Masse, um Rache zu nehmen . Die Loparen
weisser Blütenähre und mit langen Grasblättern ,
füchteten nach Nawdema, und als sie in Kähnen über den Meerbusen hinübersetzten , waren ihnen die Feinde so dicht auf den Fersen , dass die tschudischen Hunde bereits auf den Bergen sichtbar
welche , am Grunde der Pfanze beginnend , nach oben allmählich kleiner werden und in die Deck
aufgenommen, die ihnen sagte, sie sollten sich vor
blätter übergehen . Die stattliche Pflanze hat das Ansehen eines Asphodills und trägt den Namen Xerophyllum asphodeloides.. Wenn man die Pflanzenwelt mit dem prüfenden
den Tschuden durchaus nicht fürchten , nur sollten
Blick eines Botanikers betrachtet und sie mit der
wurden . Die Loparen wurden von einer alten Frau
sie genau aufpassen und ihr sagen, wenn der Tschude europäischen Flora vergleicht, so weiss man kaum, auf Kähnen überzusetzen beginne und sich mitten was man interessanter finden soll, die Aehnlichkeit im Meerbusen befinden werde. Sie selbst setzte sich
der Gattungen beider Länder oder die Verschieden
hin , um Netze zu flechten. Als der Tschude sich schliesslich zeigte , verliess sie das Zelt , entledigte
heit der Arten und Formen . Ich sagte schon , dass die fremden Nadelbäume unseren einheimischen auf
In den nordamerikanischen Kaskaden .
SI 2
den ersten Blick sehr ähnlich erscheinen und sich
Früchten und mit in den Blattachseln keimenden
bei genauerer Betrachtung doch als verschieden er- Samen höherer Pflanzen, und aus den Gebirgsbächen So ist es auch mit zahlreichen anderen
fischte ich neben anderen Moosen auch das oft zwei
Pflanzen. Allein zuweilen erregt auch eine sonderbare, originelle Pflanze die Aufmerksamkeit des Beobachters. Ich war z. B. sehr erstaunt , hier eine kahle , fleischige Labiale zu finden . Wenn man gewohnt ist , die Behaarung als charakteristisches Merkmal der Lippenblütler zu betrachten , so muss
Fuss lange schöne Quellmoos (Fontinalis) mit zahl
weisen .
man fast betroffen sein über die seltsame Erscheinung einer kahlen Art dieser Familie.
Oder wenn man
reichen Früchten . Auch Sternmoose (Meium ) fruchten
reich, und an den über das Wasser hängenden Felsen wachsen
seltnere Arten
von Neckera , Timmia,
Bartamia, Grímmia und anderen Moosen. Um die nördliche Umgebung von Easton zu
begehen, muss man den Yakima River an einer 10 Minuten oberhalb der Station gelegenen schmalen überschreiten .
Eine mächtige
eine Korneliuskirsche, deren Arten man bisher nur
Stelle des Flusses
als stattliche Sträucher kannte, zum erstenmal in
Douglastanne ist dort über die Stromschnelle gelegt und bildet die einzige Brücke der Umgegend. Einige senkrecht stehende Stäbe und eine wagerechte Latte
einer niedrigen Krautpflanze vor sich sieht, wie die
schöne grossblütige Cornus canadensis , die in den Kaskaden überall den Waldboden ziert , so bleibt man vor Bewunderung stehen und staunt erst recht, wenn man die Pflanze zu näherer Betrachtung vom Boden aufnimmt. Ich vergesse auch nie das eigentümliche Gefühl , das mich überkam , als ich zuerst auf Vancouver Island und später bei Tacoma,
sind zu einem dürftigen Geländer verbunden , das freilich nicht zum Festhalten dient, sondern gleichsam
als psychische Stütze dem Passanten Mut machen und den waghalsigen Gang über die brausende Flut leichter ausführbar erscheinen lassen soll . Hat man ,
querstehend und nicht schreitend, sondern langsam den Fuss nachziehend, das jenseitige Ufer erreicht, ursi) als niedrige kriechende Pflanze kannte , nun so steht man sogleich am Rande des Urwaldes. ihren Verwandten , Arbutus Menziesii, als einen Dichtes Ufergebüsch , meterhohe Schachtelhalme, grossen Baum vor mir stehen sah . zahlreiche Wassertümpel und Lachen , welche von Ebenso merkwürdig ist die Uebereinstimmung den Ueberschwemmungen des Flusses zurückgeblieben mancher Urwaldpflanzen des amerikanischen Westens sind, niederliegende Bäume , welche sie über nachdem ich bisher die Bärentraube (Arbutus uva
mit europäischen Arten. Ich habe diesen Umstand
brücken , bilden eine Uferwildnis, die schwer zu
schon von einigen Pirola Arten, vom Siebenstern , von
durchdringen ist.
In einem alten umgestürzten
der Erdbeere , sowie von mehreren Moosen (Mar- Baumriesen waren Scharen grosser Waldameisen an chantia polymorpha, Tunaria hygrometrica, Ceratodon purpureus) angeführt. Immer drängt sich dem Beobachter die Erscheinung von neuem auf, und er
der Arbeit und hatten bereits eine Menge von Holz mehl ausgeworfen , das einen Kegel von einem Fuss Höhe bildete. In einem Baumstumpf steckte
versucht vergeblich , die Ausbreitung dieser Kosmopoliten zu erklären. Der Neuling , der diese
den amerikanischen Wäldern nicht selten .
sogen. gemeinen Arten nicht sammelt, sagt sich
kauft in Amerika lieber eine neue Axt statt eines
eine Axt mit zerbrochenem Stiel . Das sieht man in Man
wohl: »Wie viel seltene Moose könnten doch an den Stiels. Der teuren Arbeitslöhne und der Zeitersparnis Stellen wachsen, wo diese gewöhnlichen sich ausbrei
ten ! « und bedenkt nicht, dass auch die Beobachtung und Untersuchung gerade dieser sogen. gemeinen
wegen ist das sehr vorteilhaft.
Nach einiger Zeit gelangte ich in ein Fluss
thälchen , welches von einem Nebenfluss des Yakima
River gebildet wird und botanisierte nun thalauf ist. Es kommt vielleicht eine Zeit, in der man auf wärts, indem ich auf den quer über den Bach liegenden
Arten und ihrer Varietäten und Formen von Interesse
die Untersuchung der häufigen Pflanzen und ihrer verschiedenen Formen ebensoviel oder mehr Sorgfalt verwendet , als auf die seltneren . Bei den Torf-
Bäumen je nach den Raumverhältnissen abwechselnd
das rechte und das linke Ufer zu gewinnen suchte . Das ist eine vorzügliche Turnübung . Wer dies ge
moosen ist das schon jetzt der Fall. Diese häufigen Pflanzen sind auch noch durch ihre Anpassung an den Boden interessant , an den
schickt auszuführen vermag, und wer es ferner ver
sie sehr geringe Anforderungen stellen . Sie bringen
gängen oft eine grosse Erleichterung verschaffen,
ausserdem reichliche Frucht.
vorzüglich wenn er hie und da von einem
Daher nehmen sie
steht, auf den umgefallenen Bäumen beherzt zu ba lancieren , der kann sich auf seinen Urwaldspazier Stamm
vom frischen. Boden leicht Besitz und geben der Natur die bewundernswürdige Fähigkeit, überall die
auf den anderen überspringt. Freilich muss man von Zeit zu Zeit , um die Richtung nicht zu verlieren ,
Blössen ihrer Oberfläche, die Schürfungen ihrer Epi-
die Zickzackwege auszugleichen suchen.
dermis, auf die schnellste Weise zu bedecken .
Auch hier fand ich
neben anderen Moosen
Die Flüsse , Gebirgsbäche und Wassertümpel der Umgegend bergen interessante Wassermoose.
wieder das schöne Quellmoos ( Fontinalis), welches
In langen Gummistiefeln suchte ich die Schätze der-
wucherte. Auf dem Rückweg sammelte ich an den Felsen am Ufer eine Anzahl Farne. Die pracht vollen Sedum- und Sempervivum - Pflanzen , welche
selben zu heben .
Im
Fluss fand ich die dunkel-
farbige , fast schwarze Scouleria mit reichlichen
in grosser Ueppigkeit an den Steinen des Baches
In den nordamerikanischen Kaskaden.
die Felsen bedeckten , musste ich leider stehen lassen ,
da sie schwer zu trocknen sind und meine Zeit schon durch das Präparieren der Kryptogamen in Anspruch
S13
Aus dem Wald glänzte das prachtvolle Lilium phil adelphicum mit seinen grossen gelbroten Blüten, und daneben stand in bescheidenem Braungelb eine
Steinpilz mit und liess ihn zum Abendessen zube-
Corallorhiza. Von der Höhe des Berges liess ein Waldhuhn seine Locktöne erschallen . Ich sammelte,
reiten .
von Kolibris umschwärmt, zahlreiche Moose , vor
genommen war. Dagegen nahm
ich einen schönen
Die nördlichen Berge , welche sich jenseit des Yakima River bis zu 6000 Fuss Höhe erheben ,
hatten schon lange unsere Aufmerksamkeit erregt.
züglich Grimmien , Racomitrium und Dicranum an den Felsen .
Es war Mittag geworden, als wir nach Ueber
Wir beschlossen daher, den zunächst gelegenen an windung zahlreicher Hindernisse die Höhe des Berges einem freundlichen Tage zu besteigen und brachen , erreichten . Sie ist felsig und nur mit spärlichem mit dem nötigsten Mundvorrat versehen, schon früh auf, überschritten den Yakima River auf dem überliegenden Baumstamm und suchten zunächst einen Indianerpfad zu gewinnen , welcher vom Kabchess
dar. Vor uns lag die schneebedeckte Kaskadenkette
Lakel) nach dem Clealum -Lake führt und vorzüglich
und der mit ihr zusammenhängende Gebirgsstock
zur Zeit des Lachsfanges von den Indianern viel bevielfach überdeckt , und windet sich , den Biegungen der Berge und Thäler folgend , hin und her. Eine
des Mt. Stuart . Zu unseren Füssen zog sich der Kahchess Lake im tiefen Thale dahin , fast in seiner ganzen Länge sichtbar ; ein anderes Thal trennte uns nach Norden von einem höheren Vorberg der
Menge querliegender Bäume macht ihn besonders
Kaskaden , an dessen Fuss wir eine Woche später
nutzt wird . Er ist so schmal, dass ihn das Gesträuch
Buschwerk und mit einzelnen Stämmen von Abies subalpina bedeckt. Hier bot sich uns von West über Nord nach Osten eine entzückende Aussicht
für die Pferde schwer gangbar . Man sieht an sol- unser Zelt aufschlugen . chen Bäumen Rinde und Splint von den Hufen der Auf der anderen Seite des Berges zog sich zu Pferde abgeschlagen . Zuweilen verliert sich schein- unsern Füssen das Thal des Yakima River und die
bar der Pfad ; doch findet ihn das kundige Auge
Bahnlinie bis zum Stampede - Tunnel hin ; aus dem
bald wieder .
Thal grüssten die Hütten von Easton herauf, und die bekannten Punkte seiner Umgebung liessen sich
Nachdem wir ihn eine Zeitlang verfolgt hatten, wandten wir uns nach der Bergwand zur Linken und kletterten an den Felsen derselben empor oder schlugen uns durch das dichte Gebüsch, welches die Hänge bekleidet. Am meisten hinderlich war unserem
Vordringen das Ceanothusgesträuch. Wir konnten es nicht immer umgehen und mussten es oft mit
leicht erkennen und bestimmen . Ueber die niederen
Berge erhebt sich im Südwesten die gewaltige. Py ramide des 14 400 Fuss hohen Mt. Renier (Mt. Ta coma), so hoch und gewaltig, dass er wie ein Riese aus der Menge des Volks hervorragt. Vom Fuss bis zum Scheitel in einen unverletzten Schneemantel
Gewalt durchbrechen. Rosenhecken, Spiräen, Ahorn-
gehüllt, bietet er dem staunenden Auge ein erhabenes
büsche,
sträucher , meterhohe Adlerfarne hemmten unseren
Bild majestätischer Grösse. Um eine Quelle aufzusuchen , begab sich mein
Weg. Cornus canadensis, Achlys triphylla , Trillium
Begleiter , während ich auf dem Kamm des Berges
grandiflorum , Siebensternchen und Erdbeeren blühten
an den Felsen botanisierte, in ein seitliches Thal. Alle Versuche, wieder mit ihm zusammenzutreffen , waren vergeblich. Ich suchte daher selbst in der
mannshohe Heidelbeer-
und
Brombeer-
àm Boden, aus dem gewaltige Stämme von Pseudotsuga Douglasii, Abies monticula , Pinus ponderosa,
Thuja gigantea und Tsuga Pattoniana zum Himmel von ihm eingeschlagenen Richtung nach Wasser und dem Waldboden aus, und an den Baumstämmen hat
aufstrebten. Weiche Moospolster breiten sich auf
fand bald einen zu Thal eilenden Felsenbach , an dessen Ufer ich eine Stunde lang verweilte. Dann
sich Weisia cirrhata angesiedelt. Der Rand der niederstürzenden Bergbäche ist von der Stachligen
begab ich mich allein auf den Heimweg. Ich folgte dem Bach und machte an seinen Rändern reiche
Fatsia horrida eingefasst, der wir oft ausweichen
Moosbeute. Freilich musste ich viele gefallene Stämme überschreiten , an steilen Felswänden hinab
mussten.
Zu ihren Füssen hat sich Dichodontium
pellucidum und Dicranum palustre angesiedelt. Auf klettern , von einem Ufer zum anderen springen und halber Höhe des Berges fanden wir die Fährten von Hirschen und Bergziegen , später auch die eines Bären .
oft durch das Wasser oder durch Schlamm waten.
Aber was sind diese Hindernisse für den Botaniker, wenn er Bryum alpinum , Philonotis, Aulacomnium
Müdeunderschöpft hielten wir endlich unter einem grossen Melaphyrfelsen kurze Rast. An seinem Rande
sieht! Mehr als einmal nahm ich mir vor, da mein
blühten Rosen, Amelanchier und brennendrote Gilien ;
Netz, meine Tasche und mein Taschentuch gefüllt
Felsen selbst stand weithin leuchtend ein
waren, nun mit dem Sammeln einzuhalten . Aber ich konnte die schönen Sachen nicht stehen lassen und fand immer noch Platz für ein neues Moos.
auf dem
wunderschönes , niedliches Pentstemon neben zierlichen , in den Felsritzen wurzelnden Farnkräutern .
und andere Moose mit zahlreichen Früchten winken
An einem hübschen Wasserfall, in dessen Nähe 1) In Nr . 25 irrtümlich Katchess - Lake.
D. R.
eine gelbrote Aklei (Aquilegia canadensis) und eine
In den nordamerikanischen Kaskaden.
514
rote Pirola stand , machte ich eine letzte Ruhepause, ) ich bei dem Herumirren im
Uferdickicht weder
nahm noch einen Trunk aus dem klaren Gebirgsbach
meine Uhr, noch meine Brille, noch meinen Revolver,
und arbeitete mich dann vollends durch Gesträuch und
oder gar meine Pflanzenbeute verloren und weder einen Arm noch ein Bein gebrochen hatte.
über Baumstämme hinab in die Ebene, wo ich gegen
4 Uhr den Indianerpfad erreichte, welchen ich nun eine halbe Stunde lang verfolgte. Dann suchte ich mich mitmeinem Kompass und mit Hilfe der Sonne zu orien-
tieren und verliess nun den Pfad, um durch den Wald
Der Aufenthalt in
Easton bot noch manches
Interessante. Zuweilen verband ich das Vergnügen der Jagd und des Fischfanges mit meinen Wan derungen , erlegte eine Anzahl seltener Vögel und
nach dem Steg am Yakima River zu gelangen.
Eichhörnchen und angelte einige Fische aus dem
Ich traf aber die Richtung nicht genau und erreichte
Yakima River.
den Fluss an einer anderen , mir unbekannten Stelle.
Wirt und einem zugereisten Fremden an den Fluss,
Es war mir unmöglich, die Lage des Steges festzu-
um Fische und Vögel zu schiessen . Unser Begleiter
Eines Tages ging ich mit dem
stellen. Es schien mir, dass ich mich oberhalb der
schleuderte unter die dort angeschwemmten Baum
selben befinden müsse, da ich dort schon früher
stämme einige Dynamitpatronen, welche einen un
ähnliche Stellen am Ufer gefunden hatte. Fast eine
geheuren Wasserstrahl und zahlreiche Ast- und
Stunde lang arbeitete ich mich durch die dichte
Stammstücke der Bäume in die Höhe warfen . Zwei grosse Lachse, eine Lachsforelle und mehrere kleinere Fische fielen uns zur Beute. Ein Flussadler strich ,
Uferwildnis und suchte von Zeit zu Zeit durch einen
Blick auf das jenseitige Ufer die Lage der Brücke zu bestimmen. Allein es gelang mir nicht. Eine Anhöhe, welche einen Ueberblick erlaubt hätte, befand sich auch nicht in der Nähe. Es wurde Abend . Ich kam an eine Holzhütte. Müde vom langen
leider ausser Schussweite, über uns dahin . Vor der neben dem Hotel stehenden Brannt
weinschenke machten zuweilen Indianer Halt , um
sich in Besitz des beliebten Feuerwassers zu setzen .
Weg, ermattet von der schweren Moosbürde und Da aber der Branntweinverkauf anIndianer verboten erschöpft von dem schwierigen Durchdringen durch ist , weil sie sich leicht dem unmässigen Genuss das Uferdickicht gab ich die Hoffnung auf, noch an diesem Abend die Brücke zu finden, und warf mich auf den Boden , mit dem Gedanken, im Schutz der Hütte die Nacht im Urwald zu verbringen .
des Trankes hingeben, so erschien eines Tages eine Polizeiabteilung, schloss die Schenke zu und führte den Wirt, der übrigens, wie viele Leute im rauhen Westen , einarmig war , als Gefangenen mit sich.
allabendlich die Getreuen des Wirtes Die alten Tannen knarrten im Abendwind, als Seitdem seum das sassen vereinsamte Haus , schürten ein grosses
wollten sie mich vor dem Einschlafen warnen ; die
Wellen murmelten mir zu , dass heute nacht der
Feuer, spuckten in dasselbe, rauchten, hielten lebhafte
Fluss über seine Ufer treten und die Hütte weg. Unterhaltung und zogen sich oft erst gegen Mitter schwemmen würde ; die Gräser des Ufers lispelten
nacht nach ihren Schlafstellen zurück.
mir ins Ohr, umzukehren und in entgegengesetzter
Im Hotel speisten ausser uns acht ständige Gäste,
Richtung vorzudringen , und ein Wasserhuhn klagte
die zum Teil Eisenbahnarbeiter, zum Teil Holzfäller
aus dem Schilf und rief herüber: Suche Schutz bei
waren , unter ihnen auch ein Neger. Ein Amerikaner
den Indianern am Kahchess Lake ! Du hast ihre sprach zuweilen deutsch mit uns. Er war ein grosser Kinder mit Spielmarken und Fingerringen beschenkt, und sie werden Gastfreundschaft an dir üben und
Mann in mittleren Jahren und erzählte von seinen Reisen in England, Frankreich und Deutschland .
dich in ihre Zelte aufnehmen !
Wir erfuhren durch den Wirt , dass dieser Holzfäller
Mitten in dieses Phantasiespiel der Gedanken
früher Goldgräber und im Besitz eines Vermögens
tönte plötzlich der Ruf der Lokomotive vom Bahn-
von 50 000 Dollar gewesen sei , dasselbe aber in der Alten Welt vergeudet habe und nun als gewöhn licher Arbeiter ein neues Leben anfangen wolle. Er kannte die Umgegend sehr gut, hatte bei Anlage der Eisenbahn durch seine Ortskenntnis wichtige
hof zu Easton herüber und orientierte mich sofort
über meine Lage. Jetzt wusste ich, dass ich flussabwärts gegangen war , während die Brücke sich oberhalb meines Lagerplatzes befand. Mit erneuter Kraft erhob ich mich , nahm meine Bürde auf den
Dienste geleistet und erbot sich, mit uns einen Aus Rücken , umging in weitem Bogen das Dickicht des Aug über den Kamm des Gebirges nach der Station Ufers und gewann bald eine Anhöhe, von der ich Weston zu unternehmen , der jedoch nicht zur Aus das der Brücke gegenüberliegende Schneeschutzdachführung kam . Ein sentimentaler Zug seines Cha der Eisenbahn vor mir liegen sah . In kurzer Zeit hatte ich den Steg erreicht , überschritt denselben vorsichtig und kam gegen 128 Uhr abends müde, hungrig, mit zerrissenen Kleidern und zerschundenen Händen, der endlichen Erlösung froh, in Easton an, wo mein Begleiter sich schon vorher eingefunden hatte.
Zwar machten sich am anderen Tage die Strapazen dieses Ausfluges erst recht fühlbar , aber ich tröstete mich mit der frohen Gewissheit, dass
rakters gab seiner Rede etwas Eigentümliches und seiner Person etwas Gewinnendes. Er beneidete uns
um unsere Sparsamkeit und vor allen Dingen um unsere Mässigkeit im Trinken und bedauerte, dem
Laster des Branntweingenusses verfallen zu sein. Ab und zu kamen einzelne Gäste. Sie wun derten sich, den Boden des Gastzimmers mit zum Trocknen ausgebreiteten oder zum Pressen aufge schichteten Pflanzen bedeckt zu sehen, und waren,
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
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wie viele Amerikaner , begierig , etwas über unsere Sammlungen und ihren Zweck zu erfahren . Oft
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
sassen sie stundenlang um mich herum und sahen
Von M. Quedenfeldt . ( Fortsetzung.)
der Präparation der Moose zu , trugen Löschpapier herbei und interessierten sich lebhaft für einzelne
Pflanzen .
Einer von ihnen sandte mir später ein
Bevölkerung von Tripolis. Unter den teils handeltreibenden , meist aber
Lycopodium ( Bärlapp, Hexenmoos ) aus dem Gebirge arbeitenden Zuzüglern aus dem Landeselbst finden Zum Pressen benutzte ich die in der Wirtsstube aufgestellten Säcke mit Kartoffeln , die , von ver schiedener Grösse, sich dazu sehr tauglich erwiesen.
sich Vertreter fast aller Gegenden des Wilajets und der Cyrenaika in der Hauptstadt. Besonders zahl
Die nötigen Bretter hatte ich mir in der Umgebung reich , wohl jederzeit in der Stärke von 800-1000, des Hauses zusammengesucht und zurechtgesägt.
sind die auswanderungslustigen Fes - saner vorhan
An kühlen Abenden , wenn das Feuer im Ofen
den , welche als Arbeiter und, ihrer Anstelligkeit
prasselte , kamen auch die Tischgäste, um sich zu
wegen , auch oft als Diener bei Europäern Beschäf
wärmen, setzten sich um den Ofen und legten ihre tigung finden . Auch viele Gadamssia gibt es in Füsse an oder auf denselben , vermutlich um die Tripolis, die hier aber, im Gegensatz zu Tunis, meist ausgebreiteten Pflanzen nicht zu berühren, über welche
dem wohlhabenden Handelsstande angehören . Sie
sie dann und wann in weitem Bogen hinwegspuckten. haben mehrere Fondaķs in der Stadt und sind die Zuweilen wurde während des ganzen Tages
Träger eines regen Karawanenverkehrs zwischen
geheizt, und ich trocknete die Pflanzen auf der
ihrer Wüstenstadt und dem maritimen Tripolis. Leute
Ofenplatte. So konnte ich mit Zuhilfenahme meiner vorzüglichen Schnellpresseneinrichtung das grosse
von Gât sind spärlicher vertreten ; Tuareg, die das
Freilich war ich oft
kommen fast niemals bis an die Küste. Die Städter
bis Mitternacht beschäftigt und sass, wenn alles still im Hause war , noch lange bei der einfachen Oel
des Wilajet Bengasi, aus der gleichnamigen Stadt, aus Derna und Tobruk , sowie einige Tribus der
lampe in tiefer Arbeit.
Ebene sprechen einen vom tripolitanischen abweichen
Städteleben hassen und überdies mit der türkischen
Material bewältigen und zwei Kisten Moose von Regierung auf keinem besonders guten Fusse stehen, Easton nach Chicago senden .
den Dialekt des Arabischen, die Bewohner des eigent lichen Djebel achdan hingegen sprechen ein ber Dornen , welche man sich beim Botanisieren reich berisches Idiom , von welchem meines Wissens noch lich einsticht, und von Splittern , welche das unge keinerlei Aufzeichnungen vorliegen . Am häufigsten trifft man naturgemäss Ange hobelte Holz der Douglastanne allzuleicht abgibt,
Von anderen kleinen Beschäftigungen , wie Kleidernähen , Strümpfewaschen , Ausziehen von
will ich ebensowenig reden , wie vom Feueranzünden hörige von Berber- und Araberstämmen aus den mit den knisternden , hen explodieren stark nördlichen benachbarten Gegenden des Wilajets in den nund riechenden amerikanisc Zündhölzche . Meist Tripolis an , sowie Leute aus der Meschỉa und den
besorgte der freundliche Wirt , der übrigens , wie Küstenoasen von Tadjûra, Chomso , Slîten Missrata alle Amerikaner, eine goldene Uhr an schwerer östlich, und denen von Sentůr, Sâuija, Suậga west goldener Kette trug, das Geschäft. Die Stiefel dagegen mussten wir uns selbst reinigen und fanden die dazu nötigen Werkzeuge in der Wirtsstube. Zweimal unternahm ich weitere Ausflüge mit
lich von der Hauptstadt. Die Bewohner dieser Oasen ich bezeichne die Palmenanpflanzungen so im
Gegensatze zu dem dazwischen liegenden sandigen oder Steppenterrain — sprechen arabisch , mit alleini
der Eisenbahn, einmal eine Reise nach Ellensburgh, ger Ausnahme der von Suaga. Ferner sesshafte um Pflanzenpapier zu kaufen, wegen einer verloren Gebirgsbewohner von Misselâta, vom Djebel Tar gegangenen Kiste mit Proviant zu verhandeln und
hûna,Djebel Ġêriân ), Djebel Jéfren, Djebel Nefússa
etwa für uns auf der Post lagerndes Geld in Empfang
1) Auf unseren Karten meist fälschlich Ghurian genannt . Der Name wird meist vom arabischen Worte Gâr-- Loch , Höhle, Pl. Gîrân, abgeleitet, der zahlreichen höhlenartigen Wohnungen wegen , in denen die berberische und jüdische Bevölkerung des
zu nehmen .
Ein andermal unternahm ich eine Re-
kognoszierungsfahrt nach Clealum und Roslyn. Ge meinsam machten wir zwei Ausflüge nach den Ge birgsseen der Kaskaden . Als die nähere Umgegend für unsere Zwecke kein Interesse mehr bot, beschlossen wir, an einem etwa eine Tagereise entfernten Berg der Kaskaden unser Zelt aufzuschlagen, und warteten nur auf gutes Wetter. Am 18. Juni klärte sich der Himmel auf. Wir unterhandelten mit einem inzwischen zugereisten
Gebirges lebt. Barth weist indessen ( Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central -Afrika etc. , Band I , S. 53 , Note) , und , wie
ich glaube, mit Recht, darauf hin , dass der Name ursprünglich ein berberischer Stammname war.
Denn bereits Ibn Chaldùn
(1. c. Tome I , p . 275 ) fiihrt die Geriân als eine Untergruppe der I launâra auf. Die Höhlenwohnungen der alten Berber oder eines vor diesen in Nordafrika hausenden Volkes sind an ver
schiedenen Punkten (auf den Oasen, im hohen Atlas etc.) anzu
Trapper wegen Ueberführung unseres Zeltes und
treffen ; sie sind also nichts so Eigentümliches, um speziell ein Gebirge nach ihnen zu benennen. Die einzig richtige, oben
unserer naturwissenschaftlichen Apparate an den Fuss
jedem Falle kein Grund vor , und dass diese Form
des Berges und brachen am andern Morgen dabin auf.
tanien gebräuchlich war und ist , beweist eine Girån genannte
angegebene Pluralforn von Gâr zu entstellen , lag überdies in in Tripoli
Lokalität : eine etwa 15 km westlich von Tripolis, unweit der Strasse
emente
Die Bevölkerungsel
516
der Städte Tunis und Tripolis .
und Nalût. Die Bewohner dieser zusammenhängenden Gebirgskette, deren einzelne Teile, von Ost nach West , mit den vorstehend angeführten Namen be-
zerfallen .
zeichnet werden , sind, was auch typisch hervortritt,
scharfgeschnittenen, stark gebräunten Gesichtern hül
berberischen Ursprungs ?). Doch sprechen gegenwärtig nur noch die Berber vom Djebel Nefůssa
tunesischen Grenze u . a. auch braunen Hâuli. Manch
(Nalût, Uás-san etc.) Tamasiſt, möglicherweise, worüber ich aber nicht genau informiert bin, auch die des Djebel Jéfren . Die Sprache der übrigen ist Arabisch. Die Bewohner von Nalût (oder, wie sie sich selbst
Orfélla , welche alle in zahlreiche Unterfraktionen Die durchschnittlich mittelgrossen Leute mit len sich in den weisswollenen , bei den Nuail an der mal tragen sie auch einen hell und dunkel gestreif ten Wollmantel, Bernûss ; darunter ein langes Hemd, Ssuria , von grauer Leinwand mit weiten Aermeln , einen Häsâm , Gürtel aus weisser Baumwolle , und
nennen, Nafâlût) halten sich als Diener und Hamåla, gelbe Schuhe. Hosen oder gar Strümpfe trägt der analog ihren Rassenverwandten aus der Umgebung
Landbewohner nicht. Eine rote Tagêa, bei den Oasen
von Gâběss in Tunis , gewöhnlich so lange in Tri-
bewohnern vielfach auch eine weisse, filzige Kappe,
polis auf, bis sie sich ein kleines Kapital, einige die wohl ursprünglich aus Fes-sân stammt, bedeckt 100 Franken, erspart haben . Es war mir möglich, von diesem Dialekt, ebenso wie von dem Tamasigt der Suậga , ein verhältnismässig reichhaltiges Material zusammenzubringen . Von den Bewohnern der Oase Suâģa unweit der
das Haupt. Die unverschleierten , frühzeitig altern den und dann abschreckend hässlich und runzlig erscheinenden Weiber der Landbevölkerung tragen
auf dem Kopfe eine Leinwand-Kufîa mit roten und schwarzen Wollstickereien, über dieser eine Art Tur
tunesischen Grenze erwerben sich gleichfalls viele
ban , Ssemäla, aus schwarzer Wolle, eine weitärme
als Lastträger ihr Brot in Tripolis. H. Barth bringt den Namen mit dem des Djebel Saguân (südlich von Tunis) in Zusammenhang und bezeichnet nach
lige Ssurîa, deren oberer Teil aus Indiana, der untere aus grauer Leinwand besteht. Die Taille umschliesst ein Gürtel aus roter Wolle.
Das Kostüm
vervoll
Ibn Chaldûn die Suậga als eine alte berberische Tri-
ständigt ein » Irde« genannter Unterbarakan aus blauer
bus , die zur punischen Epoche ihre Sitze im heu-
Leinwand; dieselbe wird durch eine Art silberner
tigen Tunesien hatte ). Nach dem arabischen Autor Fibel, Platte mit Nadel und Ring, vorn zusammen ist Ssemgan, Sohn des Jáhia,, der gemeinsame Stamm- gehalten, die Messâk heisst ?). Darüber wird ein Hâuli vater der Suâua und der Suậga.
Die Leute von
aus schwarzer Wolle mit weissen , punktartigen Sticke
Suâğa nennen sich gegenwärtig in ihrer Sprache
reien getragen .
»Ataïlůl « , eine Benennung, in der wohl unzweifelhaft die berberische Tribenbezeichnung » Ait« (z. B.
Der Schmuck der Landbewohnerinnen besteht ebenso wie der der ärmeren Städterinnen nur in
Ait Jússi, Ait Jússi , Ait Atta u . s . w .) enthalten ist. | Silbersachen , und zwar sind die wesentlichsten Be standteile desselben runde gravierte Silberplatten von
Sie gelten als tapfer und räuberisch , und die Araber bezeichnen sie gleich den Djerbiten als Chamssîa oder
etwa 10 cm Durchmesser. Sie werden oberhalb des
Ketzer 3).
rechten Auges an der Ssemäla getragen .
Grosse
Die wichtigsten, arabisch sprechenden Nomaden- silberne Ohrringe, in jedem Ohre zwei, einer unten stämme im nördlichen Tripolitanien sind die Nuâil, Bu-Adjila , Ursch fâna , Ulêd Bu-Ssif , Urfilla oder
im Ohrläppchen , der andere ungefähr in der Mitte des Aussenrandes der Ohrmuschel , sind wegen
ihres grossen Gewichts (50 g etwa) meist nach nach Sensur , malerisch in einem kleinen Thale am Meere ge legene Sandsteingrotte, welche zahlreichen wilden Tauben zum Aufenthalte dient .
1) Die Fortsetzungen und Abzweigungen dieser Gebirgskette auf tunesischer Seite, Djebel Duirât, Djebel Matmata, Djebei el-Gela'ât etc., sind gleichfalls , wie wir sehen , von Berbern be wohnt . Der ganze Gebirgszug hat eine ungefähr halbmondför. mige Gestalt ; die offene Seite nach Norden , beginnt auf tripolitanischem Gebiet in der Nähe von Chomss mit dem Kalkgebirge von Mîsselâta und erstreckt sich westlich bis in die Nähe von Gáběss .
2) Vergl . Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeeres etc. S. 114 und Note , sowie S. 273 und Note .
Barth
schreibt an beiden Stellen den Namen etwas abweichend von einander.
3) In einer interessanten kleinen Schrift : Description et histoire de l'Isle de Djerba, traduit du manuscrit du Chikhr Mohammed Abou Rasse Ahmed en - Vaceur par Exiga dit Kayser, interprête militaire (das Original ist von 1797) sind die Suậga
oben gezogen und werden durch eine schwarze Wollenschnur, die über dem Kopfe zusammengebun den wird, gehalten. Arm- und Fussspangen , sowie Fingerringesind von Silber.. Das Kopfgehänge, Teg lila , auf der rechten Seite bis zur Brust herabhän
gend, besteht aus einem schwarzen Wollenband, auf
dem 10-15 silberne Knöpfe aufgenäht sind. Die Halskette , gleichfalls sehr bescheiden , besteht aus Wollfäden , auf denen abwechselnd Gewürznelken
und
Korallen , sowie bunte Glasperlen
aufge
reiht sind .
Ueber eine von den Beecheys mitgeteilte Sitte die ser Nomaden, eigentümliche Zeichen und Figuren , ähnlich den Totems der nordamerikanischen Indianer, auf dem Boden zu hinterlassen , ist mir nichts Nähe
unter Drågut Pascha (Zeitgenossen Karls V.) gegen die Djerâba kämpfend erwähnt.
Gegenwärtig liegen sie in fortwährender
Fehde mit den Nuail oder Urġámma, und die türkischen Behör.
? ) In Marokko entsprechen diesem praktischen Schmuck stück zwei ähnliche, Cholâlat oder Besâ im genannte Fibeln, die,
den gestatten einem Europäer den Besuch dieses Teiles der Küste
durch eine Kette verbunden , zum
(d. h . von Sensûr bis zur tunesischen Grenze) nicht.
des Gewandes (el-lîsâr oder el-isâr) dienen.
Halten oder Hochschürzen
Die Bevölkerungselemente der Städte Tunis und Tripolis.
517
res bekannt geworden. Die interessante Angabe mag
über Fes-sân und Gadâmess noch genug Sklaven
aber hier mitgeteilt sein ').
und Sklavinnen nach dem Norden Tripolitaniens ge
Die religiösen Bruderschaften sind in Tripoli-
schmuggelt und von letzerem Orte auch, wie wir
tanien die im allgemeinen im Magrib verbreiteten, gesehen, nach Tunesien hinein '). Uebrigens wird die Aissâua, die Bahmanía ?), Madania 1. s. w., nur
die Sklaverei hier, wie in allen mohammedanischen
hat die Taifa der Ssnussia hier einige Anhänger. Die
Ländern , in der mildesten Weise gehandhabt und
Gemeingefährlichkeit dieser Kongregation ziemlich
von beiden Seiten als ein gewisses patriarchalisches Verhältnis aufgefasst. Fast jeder Neger erhält nach einer gewissen Frist seine Atâķa , den Freibrief; namentlich pflegt ein guter Musslem durch eine
neuen Datums, deren Geschichte man bei Louis Rinn
und anderen Autoren nachlesen kann, ist stark aufgebauscht worden ; die Ssnussîa sind gegenwärtig in
,
der Mode. Ihr Fanatismus kann wohl einem ein- letztwillige Verfügung sein gesamtes Sklavenpersonal zelnen Wüstenreisenden unbequem und selbst gefährlich werden , den in Nordafrika gegenwärtig etablierten europäischen Mächten , speziell Frankreich, wird dagegen diese Bruderschaft - deren Hauptsitze bekanntlich Djarbûb an der ägyptischen Grenze ebensowenig schaden, wie alle und Bengâsi sind anderen Tauuâife. Auch die Teilnahme der von den Ssnussîa beeinflussten Ssáḥara -Stämme an der
in Freiheit zu setzen . Die einen Araber von seiner
schwarzen Sklavin geborenen Kinder gelten als legi tim und manche derselben gelangen in angesehene Stellungen . So schrumpft das Sklaventum in Tripolis so ziemlich zu einer Formalität zusammen , und dieser
gegenwärtige Zustand wird sich, trotz der Bemühungen der Anti-Sklaverei-Vereine, so lange erhalten , bis
jüngsten mahdistischen Bewegung war nur eine rela -
Tripolitanien früher oder später von einer europäi
tiv geringe. Es sei mir gestattet , ferner noch eine ganz
schen Macht annektiert wird .
Diejenigen Freigelassenen , welche es nicht vor
spezifisch tunesische Tâifa, welche nur eine ganz ziehen , bei ihren früheren Herren zu bleiben , sie geringe Anhängerschaft in Tripolitanien zählt, hier deln sich meist in der Meschỉa an , wo sie , nach nachzutragen : die Ulêd Ssidi Amer oder An'ameria , heimischer Weise in Hütten aus Schilf , Palmen eine Abzweigung der 'Issâua mit dem Centrum 'in blättern u. dergl. lebend , ein bedürfnisloses Dasein Monastir an der tunesischen Ostküste (Ssahel) . Auch führen und nur gerade so viel arbeiten , als für >
führt Duveyrier (1. c . pag. 44) noch die mächtige ihren Unterhalt durchaus notwendig ist. Fast immer Scherifenfamilie der Ulêd Ssidi Nâdji , vom Kalifen 'Osman Ben Affan abstammend , welche in einem
der Seitenthäler (Chánga) des Djebel Auress in Algerien ihre Sâuia hat, als in religiöser Beziehung ein-
ist es der Wunsch, sich mit einer Negerin zu ver heiraten , der die Freigelassenen veranlasst, das Haus ihres früheren Herrn zu verlassen ; seine Beziehungen zu dem
letzteren bleiben die besten.
Oft ist ein
flussreich in Tunesien auf.
Sklave geradezu ratlos, wenn ihn sein Herr in Freiheit
Ein weiteres ethnologisches Element von Wichtigkeit in Tripolis sind die Nigritier, die, etwa 1000
setzt, denn das sorgenlose Leben für ihn hört nun auf.
bis 1200 an der Zahl, zumeist aus Bornu, Bagirmi,
der Garnison befinden sich gleichfalls viele Neger.
Kano und Uadâi, aber auch aus dem westlichen
Vor mehreren Jahren wurde ein Teil eines in Kon
Ssudân, den Haussa-Ländern , Bambara u. s. w. stam-
stantinopel garnisonierenden Neger-Regiments nach
Unter den türkischen Offizieren und Soldaten
men . Ihre heimischen Sprachen behalten sie meist
Tripolis in die Verbannung geschickt, weil die Leute
bei, da es ihnen ja nicht an Gelegenheit, dieselben
einem anderen Truppenteil, wenn ich nicht irre, Ar
mit Heimatsgenossen zu üben , fehlt; daneben er-
nauten, aus irgend einer Ursache ein förmliches Ge
lernen sie natürlich das tripolitanische Arabisch. scheiden , die sich noch aktuell im Sklavenverhältnis befinden . Diese werden 'Abid oder Ussfân, von den
fecht geliefert hatten . Diese Neger, die abweichend von der übrigen Garnison eine Art Zuavenuniform tragen - sie gehören zum Gardekorps - sind gegen wärtig noch dort. Ich lernte einen Offizier derselben, aus Sokoto gebürtig, in Kedua kennen , welcher, ein
Sing . 'Abd und Ussif, genannt.
früherer Sklave, in ein militärisches Institut in Kon
Sie sind in Freigelassene oder Kinder von diesen , Schuschânat , Sing . Schuschân , und in solche zu
Offiziell ist das Sklaventum in Tripolis, wie be- stantinopel gekommen und dort von unserem Lands kanntlich in der ganzen Türkei , unterdrückt oder doch sehr eingedämmt. Es werden aber trotzdem
1) Die im » Ausland « Nr. 18 d . Jahrg. S. 356 mitgeteilten >
Enthüllungen über das Bestehen der Sklaverei in Tunis haben
1) Proceedings of the Expedition to explore the Northern Coast of Africa from Tripoly eastward etc. London 1828, S. 161 . Die beiden Beechey bilden in einer Note die Zeichen von einer
die französische Regierung veranlasst , durch ihren Vertreter, Mr. Massicault, einen energischen Druck auf den Bey zur Be seitigung dieser Missstände auszuüben . Vor ganz kurzer Zeit ,
Anzahl dieser Tribus , z. B. der Urfella , der Ulêd Ben-Hirjam ,
in der zweiten Hälfte des Mai, hat der letztere ein neues Dekret
der Ulêd Bu-Suf etc. ab, leider aber ohne nähere Erläuterungen .
gegen die Sklaverei in der Regentschaft erlassen , in welchem diejenigen , die nach dem Inkrafttreten desselben noch überführt werden , entweder ihre alten Sklaven nicht freigegeben oder neue
Veranlassung hierzu gibt ihnen der Umstand , dass die Expedi?
tion mehrere dieser Zeichen an antiken Säulen in der Nähe von
Kassr Safran eingekritzelt gefunden hat .
2) Von Ssîdi 'Abd -en -Rahmân Bu -Subberîn, » der Mann mit den zwei Gräbern « ,
gekauft bezw. verkauft zu haben, mit Gefängnisstrafen von 3 Monaten bis zu 3 Jahren bedroht werden. Vgl . Le Figaro, Nr. 152 , 1. Juni 1890.
gselemente
Die Bevölkerun
518
der Städte Tunis und Tripolis .
mann , General von der Goltz , ausgebildet worden war .
Er schwärmte sehr für preussischen Drill.
Eine auffallende Strassenfigur in Tripolis sind die nach ihrem Schutzheiligen » Bu -Ssa'dia« genannten Negermusikanten , welche, ähnlich den Gnâua in Marokko, mit einer grossen, paukenartigen Trommel und eisernen Klappern , gewöhnlich 2—3 Personen zusammen , in den Strassen umherziehen und
Kupfermünzen für ihre musikalischen Produktionen, die mit einer Art Tanz begleitet sind, einsammeln. Namentlich verfolgen sie bettelnd und unter der
zwischen Mossul und Bagdad ihre Sitze hat, wurde
vor einigen Jahren von der türkischen Regierung zwangsweise nach 'Tripolis und nach der Cyrenaika verschickt. In ersterer Stadt mögen etwa 100 bis 150 dieser Hamawend -Kurden – Männer , Weiber und Kinder - interniert sein , in Bengási weit mehr. Da die Stadt Tripolis ihre Kurden erhalten muss, so verfiel man darauf, einen Teil dieser früheren Räuber zu - Polizisten (Saptîe) zu machen. Dieses Unschädlichmachen unbequemer Stämme durch Teilung oder Ansiedelung in von den ur
Apostrophierung »Konsul« alle ihnen begegnenden
sprünglichen Wohnplätzen fernen Gegenden ist ein
Europäer. Sie tragen eine hohe, mit Muscheln be-
auch von anderen mohammedanischen Regierungen
setzte Kappe, die mit Stummeln von Straussenfedern,
angewendetes praktisches Mittel . Ich erinnere nur
kleinen runden Spiegelstücken u. dergl. , sowie mit einem langen Kranichschnabel verziert ist. An dieser Kappe ist eine das Gesicht verdeckende Maske von Leder , mit einem Schnurrbart aus weissen Borsten, befestigt. Ein Tierfell vor der Brust und ein Gürtel,
an die Teilung der Machsin -Kabila el-Udâia in Ma rokko , sowie die auf Reklamation der Franzosen er
folgte Ansiedelung eines Teiles der Ulêd Ssidi Schêch von der algerisch - marokkanischen Grenze in der Nähe von Marrakesch.
d . h. Strick, an welchem zahlreiche Brustbeinknochen
Die türkischen Kaufleute in Tripolis stammen
einer grösseren Vogelart — ich glaube, von Enten oder Gänsen angebracht sind, die bei jeder Bewegung aneinander schlagen, vervollständigen ihr Kostüm . Darunter trägt der Negertänzer gewöhnlich nur ein
meist aus Konstantinopel, aus Smyrna (Smîrlia) oder
leinenes Hemd und bis zum Knie reichende Hosen
von der Insel Kreta (Grîtlîa). Unter den Soldaten befinden sich auch syrische Araber : so ist z . B. der
gegenwärtige Ferik oder Divisionskommandeur, der militärische Höchstkommandierende in Tripolitanien ,
aus dem gleichen Stoff. Eine vollständige Ausrüstung ein solcher. Die Mehrzahl der Soldaten besteht in dieser aus den Ländern um den Tsad-See stammen-
dessen zur Zeit aus Klein -Asiaten .
den Bu-Ssa'dîa , welche ich mitgebracht habe , be >
B. Juden.
findet sich im Museum für Völkerkunde zu Berlin .
Die Türken , wenn wir die Angehörigen der
Die tripolitanischen Juden stehen den tunesi
verschiedenen Rassen des ottomanischen Reiches mit diesem Kollektivnamen bezeichnen , bilden den grösse
schen an Bildung und meist auch an körperlicher Schönheit nach . Den Grundstock der jüdischen Be
reguläre Militär,
völkerung in Tripolis bilden die Nachkommen jener
ren Teil der Beamtenwelt und das auch stellen sie viele Repräsentanten des besseren Juden , welche unter den Ptolemäern aus Aegypten Kaufmannsstandes. Von der Gesamtzahl von unge
nach der Cyrenaika verpflanzt wurden ?). In der ersten Zeit der römischen Herrschaft
fähr 4000 Ottomanen mögen gegenwärtig 3000 auf die, übrigens in der Stärke sehr wechselnde, Garnison
entfallen, den Rest bilden Civilbeamte, Kaufleute,
sind dieselben dann weiter westwärts gewandert oder gedrängt worden , und in den ersten Jahrhunderten
Kaffeehausbesitzer
Glaubensgemein
unserer Zeitrechnung finden wir sie bereits im ganzen
bei der eingeborenen Bevölkerung sehr wenig beliebt,
1) Vergl. Basnage : Histoire des Juifs, und Pascal Duprat : Essai historique sur les races anciennes et modernes de l'Afrique septentrionale. Paris 1845, Chap. VIII. 2) In Marokko bezeichnen sich diese alteingewanderten Hebräer, die meist unter der Berberbevölkerung in den Gebirgen leben und sich typisch und in der Tracht von den Juden der Städte unterscheiden, ihrer ursprünglichen Heimat eingedenk als Pilistiner. Von den im Mittelalter eingewanderten , sog. spani schen Juden werden sie Forasteros oder Fremde genannt. Die von manchen älteren Reisenden gebrachte Mitteilung über eine bessere soziale Stellung dieser ländlichen Juden unter den Mussel mîn ist unrichtig. Die Lage der marokkanischen Juden ist
u.s.w. Trotz der schaft sind die Türken als Aussauger und Bedrücker Magrib %). 2 Vielleicht war dieses Verlassen der Penta und die türkische Sprache hat sich nur in ganz ge-
ringem Maasse Eingang zu verschaffen gewusst. Diese Abneigung würde indessen sofort schwinden, wenn eine europäische Macht Tripolis bedrohte ; die Einheimischen vereinen sich alsdann mit den Türken
zum Djihad oder Glaubenskrieg gegen den Feind des Isslâm .
Von nicht türkisch redenden Unterthanen der Hohen Pforte sind die Albanesen und Arnauten
am zahlreichsten ; Tscherkessen sind nur sehr spär
überall da, wo europäischer Schutz nicht hinreicht, eine unwir
lich , unter den Offizieren , vertreten .
dige. Charakteristisch ist, dass in der Hofsprache, vor dem Sultan , das Wort » Ihûdi« nicht ausgesprochen werden darf; man sagt dafiir » dímmia Protektion , Protegierter. Damit ist aber etwa ausgedrückt eine euro päische gemeint, sondern dadurch es sollnicht
Besonders zu erwähnen ist eine Anzahl Kur-
den, die mir als zum Stamme der Hamawend gehörig bezeichnet wurden ') . Ein grosser Teil dieser überaus räuberischen und unbotmässigen Tribus, welche in Mesopotamien 1) Vergl . das von E. Sachau : Reise in Syrien und Mesopotamien, Leipzig 1883, S. 356 über diesen Stamm Gesagte.
,
werden , dass die Juden , als Fremdlinge , sich des besonderen Schutzes der Scherifischen Majestät erfreuen . Der human den kende Sultan Mulai Hassan mag ja auch persönlich den Juden wohlwollend gegenüberstehen, bei der Behandlung derselben durch
seine Unterthanen wird indessen die Bezeichnung »dímmi « zur reinen Ironie.
In Tunesien erwähnen Pellisier, 1. c . pag. 186
Das Verschwinden der asiatischen Eskimos.
polis eine Folge der Unruhen , die sie dem Lande verursachten und welche u . a. in einem grossen Auf-
519
spruch genommen . Sauer und Lütke bezeichnen sie als Namalau oder Namollan , Wrangel als Onki
stande der cyrenaischen Juden unter Kaiser Trajanlon, Dall nennt sie Tuski, ihm schliesst sich Fr. Müller ihren Ausdruck fanden .
Dass sie sich des beson-
deren Interesses und Schutzes des Kaisers Augustus erfreuten , deutet der Name Scina oder Iscina ), locus
Judaeorum Augusti, auf der Peutingerschen Karte ), an. Diese an der Grossen Syrte gelegene frühere Oertlichkeit wird von H. Barth ") an die Stelle der heutigen Ruinen von Medinet -ess-Ssultân verlegt, mit denen dieser Gelehrte auch die des antiken Charax, Sirt oder Sort, identifiziert. Eine gleichfalls an diesem Syrtenbusen , aber weiter östlich gelegene Lokalität
in seiner Ethnographie an . Nordenskiöld, der auf der Vega-Expedition (Deutsche Ausgabe II, 82. 83 . 215 ) sie kennen lernte, nennt sie einen den Eskimos nahe verwandten Stamm .
Aurel Krause (Deutsche
Geogr. Blätter VI, 258) führt sie einfach als Eskimos auf und beschäftigt sich mit ihrer Verbreitung und ihren Verhältnissen zu den Rentier züchtenden Tschuk
tschen, ihren Nachbarn . Die Nordamerikaner, welche aus wirtschaftlichen
Gründen die Beringstrasse scharf im Auge behalten
wird noch heute von den Arabern der Umgegend und mit ihren Zoll- und Forschungsschiffen regel mit dem Worte » Ihudia « bezeichnet. Die Nomaden , mässig befahren, beschäftigten sich wiederholt mit welche von der früheren Existenz der Juden in die-
diesen asiatischen Eskimos.
sen Gegenden keine Ueberlieferung haben , pflegen
Herbste 1889 das Schiff » Thetis«, Kapitän Stockton,
So im Sommer und
nach den Beecheys “), die den Platz übrigens unrichtig an dessen Bord sich der Eskimodolmetscher John W. Hudia nennen , scherzweise zu sagen , das Trink- Kelly befand, ein genauer Kenner der Sprache und wasser sei hier so schlecht, dass es nur für Juden der ethnographischen Verhältnisse der Eskimos. Er geeignet sei , und leiten davon den Namen ab. - hat ein Wörterbuch der Eskimosprache von über Heutigestages fehlen bewohnte Ortschaften auf 11 000 Wörtern zusammengestellt, und dieses ist der ganzen Küstenstrecke von Missrâta bis Bengási vom Bureau of Education in Washington jetzt ge (Schluss folgt.) druckt worden . Es soll sich nützlich erweisen für vollständig . die amerikanischen Beamten in Alaska, die mit Es Eskimos. kimos zu thun haben , für die Offiziere der dort asiatischen Verschwinden der Das kreuzenden Schiffe, und soll dienen für die » education Es hat eine Verschiedenheit der Ansichten dar
über geherrscht, ob die am äussersten Ostende Asiens sitzenden Eskimos als Ueberreste des einst
of children in Alaska without distinction of race« .
Man sieht, wie liberal die Regierung der Vereinigten
aus Asien nach Amerika ausgewanderten Volkes Staaten, in diesem Falle das Departement of the anzusehen , oder diese wenig zahlreichen Eskimos von Amerika über die Beringstrasse nach Asien ein gewandert seien : die letztere Ansicht wird jetzt als die richtige allgemein angenommen.
Interior , ihre Aufgabe erfasst; die Eskimokinder sollen Englisch lernen , denn das Wörterbuch ') ist sowohl Englisch -Eskimo als Eskimo-Englisch abgefasst.
Dieser kleine Völkersplitter hat, seit er bekannt
hältnisse der Eskimos in Alaska und Sibirien ver
wurde, das Interesse der Forscher lebhaft in An
Für uns ist die aus Kellys Feder herrührende
Einleitung, die sich über die ethnographischen Ver breitet , von Wichtigkeit, da sie von einem durch
und E. Fallot (Une Excursion à travers la Tunisie centrale , im Bulletin de la Soc. de Géogr. de Marseille 1890, Nr. 1 , pag. 9), dass unter den Derîd Juden als Schmiede , Silberarbeiter , sogar als Ackerbauer leben . Vgl . auch Cazès: Essai sur l'histoire des
Israélites en Tunisie, Paris, Durlacher 1889. Die Derîd sind ein mächtiger Stamm berberischer Abstammung im nördlichen Tune-
im wesentlichen im Ķâidat von Badja ( Beja) und um elKâf (Kef) – der gegenwärtig arabisch spricht. Eine Fraktion
sien
und durch mit jenem Volke vertrauten Manne her rührt. Uns erscheinen darin die Bemerkungen über die asiatischen Eskimos von besonderem Interesse,
da sie uns diesen Stamm im Untergange begriffen darstellen. Wir greifen sie daher heraus. Abweichend
von
früheren
Berichten
erklärt
derselben, die ' Arab, sind, wie der Name besagt, arabischer Ab
Kelly , dass Eskimos auf asiatischem
kunft .
äussersten Osten der Tschuktschenhalbinsel, nur noch
Ich inöchte hier noch an die Thatsache erinnern , dass vor
den Einbrüchen der Araber sich ein Teil der Imasîgen zum Judenoder Christentum bekannte . So hörte ich eine interessante Ueber-
lieferung in Marokko, wonach diejenigen Tribus, welche vor dem Stammnamen die Bezeichnung » Beni « führen , meist sprachlich arabisierte , aber auch reine Berber, wie die Beni Mtîr , Beni
Mgill u. a ., früher Juden gewesen seien. Unter den Israeliten in Tanger finden sich viele geschickte Bootsleute ; sonst sind die Juden in Merokko , wie allerwärts im Magrib , meist Kaufleute, Klempner, Silberarbeiter, Schneider u . s. w . " ) F. Borsari : Geografia etnologica e storica della Tripo litana etc. , Napoli 1888 , schreibt auf S. 63 diesen auch bei Pto
Boden , im
bei Kap Tschaplin (Indian Point), an der Plover bai und am Ostkap angesiedelt sind. Dazu kommen die St. Lorenzinsel und die Diomedes -Inseln in der
Beringstrasse, von denen die erstere ganz, die letzteren zur Hälfte politisch zu den Vereinigten Staaten (Alaska) gehören. Kelly fand nun die interessante Thatsache, dass die Eskimos der St. Lorenzinsel, am
Kap Tschaplin und an einigen Punkten der Plover bai einen Dialekt reden , der jenem , welchen die
lemäus und Edrissi vorkommenden Namen unkorrekt Stina .
Eskimos am Point Barrow oder am Mackenzieflusse
2) Peutingersche Tafel , Ausgabe von Dr. Konrad Miller, Ravensburg 1888 , Segment. VIII , 1 . 3) Wanderungen durch die Küstenländer des Mittelmeeres, S. 374, in der interessanten Note : Die alte Topographie der Syrte. 4) I. c. S. 196 .
sprechen , näher steht, als die Dialekte der Eskimos 1 ) English -Eskimo and Eskimo-English vocabularies . Com piled by Ensign R. Wells and Interpreter John Kelly. Wash ington 1890.
Litteratur .
520
auf den Diomedes -Inseln und am Kotzebue -Sund
bisher zudeckte, wird schnell durch jene der benach
(nordöstlich der Beringstrasse ). Es würde dies darauf schliessen lassen , dass die genannten Eskimos
barten Tschuktschen ersetzt werden müssen .
also von der Nordwestküste des amerikanischen Festlandes, die Beringstrasse durchfahrend, nach ihren
jetzigen Wohnsitzen einwanderten ; sie stammen danach also
nicht von den unmittelbar östlich
gegenüber liegenden Küsten Alaskas. Dass die asiatischen Eskimos seit sehr langer
Zeit schon in ihren jetzigen Wohnsitzen angesiedelt sind, nimmt Kelly als sicher an. Auf eine Zeit schätzung lässt er sich aber nicht ein. Was schon Nordenskiöld (II, 215 ) andeutete, spricht Kelly jetzt als Thatsache aus, nämlich, dass die Rentiertschuktschen (Deermen bei Kelly ) die Eskimos auf dem asiatischen Festlande allmählich aufschlürfen , und
A.
Litteratur. Daniel G. Brinton , On Etruscan and Libyan names .
A comparative study. Philadelphia 1890. 8 '. 16 pag. Ein ganz neuer Versuch zur Lösung des Problems über die Herkunft der Etrusker und die Klassifikation ihrer Sprache. Gleich den Basken in Spanien sind auch die Etrusker auf itali schem Boden ein Volk von rätselhafter Herkunft, und es ist
bis auf den heutigen Tag noch nicht gelungen , die Sprache dieser beiden Völker zu klassifizieren .
Nachdem die früheren
Versuche, die etruskische Sprache in die turanischen , dann in die semitischen Sprachen einzureihen , als völlig missglückt er kannt worden waren , haben in neuester Zeit Corssen , Pauli und Deeke sich bemüht , das Etruskische als eine altitalische Mundart, ähnlich dem Umbrischen , Oskischen und Lateinischen zu erweisen . Bugge in Christiania zieht die Grenzen dieser
dass die » Tschuktschisierung « der noch erhaltenen
Verwandtschaft etwas weiter und erklärt das Etruskische als eine
Reste rasche Fortschritte macht.
Einst lebten sie
Schwestersprache des Griechischen und der altitalischen Ursprache.
nach Eskimo - Art in unterirdischen Wohnungen ,
Wie schwankend jedoch die Ergebnisse auch dieser neuesten
wie die Ruinen derselben am Kap Tschaplin be weisen , jetzt nur noch in oberirdischen Hütten, die mit Wallrosshäuten überzogen und ganz nach Art jener der Tschuktschen gebaut sind, nur dass letztere Rentierfelle als schützende Decken benutzen .
Von
Forscher sind, lässt sich deutlich aus den widersprechenden Ueber setzungen ersehen, welche sie aus dem Etruskischen veranstaltet haben .
So übersetzt z. B. Pauli eine etruskische Inschrift also :
» Dies ist die Gabe , ich habe auch Saatkorn gesammelt, die glänzende Sonne aber wird euch geben Hirse gegen den Hunger, und Weizen in Fülle zu schneiden . «
Dieselbe Inschrift übersetzt
aber Bugge, wie folgt: » Der König des Staates, der (zum dritten
den Tschuktschen haben sie auch den Gebrauch an genommen , ihre Toten zu verbrennen ; sie zerstreuen
mal) Imperator ist , weiht diese (Schale ) zum Trankopfer den (ver storbenen ) Porsennas, denen man , wenn man königliche Gewalt
die Leichen nicht mehr, wie die amerikanischen Eski-
hat , vor allen anderen Toten Gaben darbringen soll . «
mos, über die Ebenen hin , doch haben sie die Sitte
H. Brinton tritt nun mit einem neuen Versuch hervor, das etruskische Rätsel zu lösen , und sucht die Etrusker als eine
der Grabbeigaben noch beibehalten ; über der Asche eines berühmten Jägers errichten sie z. B. einen
Kolonie alter Libyer oder Numidier zu erweisen. Seine Beweise stützt Brinton einerseits auf die physische Uebereinstimmung der
Haufen aus Rentiergeweihen . In ihren Gesängen
Etrusker auf ihren Denkmälern mit derjenigen der Libyer auf
und Tänzen haben sie sich schon bis zu einem gewissen Grade jenen der Tschuktschen anbequemt,
altlibyschen Darstellungen und der mit beiden übereinstimmenden somatischen Erscheinung der libyschen Nachkommen , der heu
doch stimmen sonst ihre Gebräuche und Sprache
auf sprachliche Elemente, welche in dieser schwierigen Frage un
tigen sogenannten Berbervölker in Nordafrika,
andrerseits auch
noch mit jenen der Eskimos an der Nordküste
streitig von noch grösserem Belang sind. Schon früher ( 1889)
Alaskas überein .
hat H. Brinton versucht , das etruskische Zahlwort mit dem heu
Am sibirischen Ostkap fand Kelly nur geringe
tigen der Berbervölker zu vergleichen, und obschon dieser Ver
Spuren von Eskimos, verschieden von den nächst
such deshalb nicht ganz überzeugend ist , weil die Reihenfolge
Angehörigen dieses Stammes auf den Diomedes Inseln . Nur einzelne Eskimowörter konnte er dort
unter den Bewohnern sammeln , und nur wenige
der etruskischen Zahlwörter nicht völlig ausser Zweifel steht , so sind doch einzelne Vergleichungen nicht ganz von der Hand
zu weisen. Bedeutungsvoller ist noch die gegenwärtige Arbeit,
Ruinen von echten Eskimohütten waren vorhan
in welcher H. Brinton etruskische mit altlibyschen Eigennamen von Personen und Gottheiten zusammenstellt, deren grosse Aehnlichkeit
Was die Eskimos an der Ploverbai betrifft,
in der äussern Erscheinung ohne Zweifel ganz auffällig ist ; vgl . z. B .:
den .
so sind diese schon zweisprachig und reden neben ihrer eigenen auch die Sprache der Tschuktschen . » But the Eskimo is on a rapid decline « . Ausser den
wenigen namhaft gemachten Stellen sitzen jetzt
Etruskisch
Etruskisch
anestus
anes
azan
ezunu
Altlibysch canapus cusina ierna irtus
caggun
caycun camals
Sarzun
sertuna
tursus
tursu u . S. W.
Altlibysch afun
afuna
ancus
ancan
camars
canpnas cusinei herina hirtunes
überall an der Küste der östlichsten Halbinsel Asiens Dass hier der reine Zufall eine so in die Augen stechende
die Rentiertschuktschen . Am kräftigsten, wenigsters relativ, erscheinen die Eskimos noch am Kap Tschaplin, wo Umujek, ihre » Hauptstadt«, liegt , und von wo aus sie Walfischfang und Seehundsjagd betreiben . Ihr Häuptling befasst sich dort schon mit der, den Tschuktschen abgelernten, Rentierzucht. Es handelt sich also heute in der That nur noch
um einige kleine Eskimosprachinseln auf asiatischem Boden , die im Verschwinden begriffen sind. Die Farbe, mit welcher man daher auf ethnographischen Karten die Ostspitze Sibiriens , als von Eskimos bewohnt,
Aehnlichkeit bewirkt haben könne, ist zwar schwer anzunehmen , aber damit ist freilich die Lösung des etruskischen Rätsels viel leicht kaum erst angebahnt. Entscheidend in dieser Frage ist nur der grammatische Bau des Etruskischen . Sollte es nun H. Brinton gelingen , auch nur eine etwas längere etruskische Inschrift, den Sprachgesetzen des Berberischen (Libyschen ) ent
sprechend , zu übersetzen und grammatisch sicher zu erläutern , dann wird man mit Dank und Freude seine grosse That aner kennen ; bis dahin können wir allerdings aus einer wohlwollenden Neutralität nicht heraustreten .
L. Reinisch .
Verlag der J. G. Cotta'schen Buchhandlung Nachfolger in Stuttgart.
Druck der Union Deutsche Verlagsgesellschaft ebendaselbst.